Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts: Zweiter Band: Die rechtserheblichen Tatsachen, insbesondere das Rechtsgeschäft. Erste Hälfte. Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Zehnte Abteilung, erster Teil, zweiter Band, erste Hälfte. Hrsg. von Karl Binding [1 ed.] 9783428563098, 9783428163090

Diese Arbeit erschien als zehnter Teil des von Karl Binding herausgegebenen Werkes »Systematisches Handbuch der Deutsche

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German Pages 652 [653] Year 1914

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Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts: Zweiter Band: Die rechtserheblichen Tatsachen, insbesondere das Rechtsgeschäft. Erste Hälfte. Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Zehnte Abteilung, erster Teil, zweiter Band, erste Hälfte. Hrsg. von Karl Binding [1 ed.]
 9783428563098, 9783428163090

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Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts Von Andreas von Tuhr

Zweiter Band, erste Hälfte Die rechtserheblichen Tatsachen, insbesondere das Rechtsgeschäft

Duncker & Humblot reprints

Systematisches Handbuch der

Deutschen Rechtswissenschaft, Unter

Mitwirkung

der Professoren Dr. H. Brunner in Berlin, Dr. V. Ehrenberg in Leipzig, Dr. H. Gerland in Jena, Dr. 0. Gierke in Berlin, des General-Prokurators Dr. J. Glaser, früher in Wien, der Professoren Dr. C. S. Grünhut in Wien, Dr. A. Haenel in Kiel, Dr. A. Heusler in Basel, Dr. P. Krüger in Bonn, Dr. 0. Mayer in Leipzig, Dr. L. Mitteis in Leipzig, Dr. Th. Mommsen, früher in Berlin, Dr. F. Oetker in Würzburg, Dr. M. Pappenheim in Kiel, Dr. F. Regelsberger, früher in Göttingen, Dr. Lothar Seuffert in München, Dr. R. Sohm in Leipzig, Dr. E. Strohal in Leipzig, Dr. H. Triepel in Berlin, Dr. A. V. Tuhr in Strafsburg, Dr. A. Wach in Leipzig, Dr. R. Wagner, früher in Leipzig, Dr. L. Wenger in München, Dr. C. Wieland in Basel, herausgegeben von

Dr. Karl Binding, früher Professor in Leipzig.

Zehnte Abteilung.

Das Deutsche Bürgerliche Recht. Erster T e i l .

Zweiter Band,

y. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts. Band 11. Erste Hälfte.

Verlag

von

Duncker

& Humblot.

München und L e i p z i g 1914.

Der Allgemeine Teil des

Deutschen Bürgerlichen Rechts. Von

Andreas v o n T u h r .

Zweiter

Band.

Erste

Hälfte.

Die rechtserheblichen Tatsachen, insbesondere das Rechtsgeschäft.

Verlag

von Duncker

&

Humblot.

München und Leipzig 1914.

Alle Rechte

vorbehalten.

Altenburg, S.-A. Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co.

Vorwort. I m Vorwort zum ersten Bande habe ich i n Aussicht gestellt, die Darstellung des allgemeinen Teils i m zweiten Bande zu Ende zu führen. I m L a u f der A r b e i t hat sich herausgestellt, daß eine i m Stil des ersten Bandes gehaltene Darstellung der allgemeinen Lehren so viel Zeit u n d R a u m erfordert, daß der zweite B a n d i n zwei Halbbände zerlegt werden mußte. Der vorliegende erste Halbband enthält die allgemeine Lehre v o n den rechtserheblichen Tatsachen sowie den größeren T e i l der Lehre v o m Rechtsgeschäft. Den zweiten H a l b b a n d hoffe ich i n kürzerer Zeit herausgeben zu können.

VII

Inhaltsverzeichnis. Drittes

Buch.

Die rechtserheblichen Tatsachen. Erstes

Kapitel.

Allgemeine Begriffe. §43. T a t b e s t a n d u n d R e c h t s f o l g e I . Alle Rechtsfolgen sind Veränderungen in der Rechtswelt. Juristische Kausalität S. 5. — I I . Arten der juristischen Tatsachen S. 7. — Äussere und innere Tatsachen. Ereignisse und Zustände S. 8. — Negative Tatsachen S. 9. — Rechtsbegründende und rechtsverneinende Tatsachen S. 10. — Wahrscheinlichkeiten S. 11. — Beziehungen einer Tatsache zu einer Person oder Sache. Äquivalenz von Tatsachen S. 12. — Fiktionen S. 13. — Bedeutung einer Tatsache für mehrere Rechtssätze und in mehreren Tatbeständen S. 14. — I I I . Mehrgliedrige Tatbestände S. 15. — Zeitliches Verhältnis der Tatbestandsstücke. Kausalzusammenhang als Stück des Tatbestandes S. 16. — I V . Sukzessiv verlaufender Tatbestand S. 18. — Rechtslagen. Schwebezustand S. 19. — Vorwirkungen. — V. Rückwirkung S. 21. — V I . Zurückdatierung von Rechten S. 29.

Seite

3

§ 44. U r s p r ü n g l i c h e r u n d a b g e l e i t e t e r R e c h t s e r w e r b 34 I. Abgeleiteter Erwerb ohne Änderung des Rechtssubjektes S. 35. — Mit Wechsel des Subjektes. Rechtsnachfolge S. 36. — Vorstufen der Rechtsnachfolge S. 37. — Anwartschaft, Aneignungsrecht, Anspruch auf Rechtserwerb. Rechtsnachfolge bei Entstehung und vor Entstehung des Rechtes S. 40. — Sukzession in Rechtsverhältnisse. — I I . Originärer Erwerb S. 41. — Eines neuentstehenden Rechtes. Erwerb derelinquierter Sachen. Verdrängung eines Rechts durch ein anderes S. 42. — Ablösung eines Rechts durch ein anderes S. 44. — Rechtserwerb bei Inhaberpapieren und indossabelen Forderungen, Rechtsverdrängung bei bedingten Verfügungen S. 46 — und Nacherbfolge S. 47, — I I I . Rechtsnachfolge im weiteren Sinn S. 48. — I V . Rechtsnachfolge im Besitz S. 49. — V. Rechtsnachfolge bei Übertragung fremder Rechte S. 50 — beim gutgläubigen Erwerb S. 52. §45. T r a n s l a t i v e u n d k o n s t i t u t i v e R e c h t s n a c h f o l g e I. Translative Sukzession. Mitübergang der akzessorischen Rechte und Ansprüche. Rechtsnachfolge bei Teilung S. 60. — Rechtsübertragung mit bloß äußerer Wirkung S. 61. — Konstitutive Sukzession S. 62. — 1. Konstitutive Abzweigung von Rechten aus dem Eigentum S. 63, aus dem Besitz S. 65, aus Forderungen S. 66, aus

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VIII

Inhaltsverzeichnis.

Immaterialgüterrechten S. 67, bei bedingten Verfügungen S. 68. — Konstitutive Übertragung zweiten Grades S. 68. — 2. Gleichartigkeit des Mutterrechts und Tochterrechts 8. 69. — Überlassung der Ausübung von Rechten S. 70. — 3. Form der konstitutiven Übertragung S. 71. — Entstehung der Tochterrechte durch Vorbehalt S. 72. — 4. Selbständigkeit der Tochterrechte S. 74. — 5. Vorrang des Tochterrechts S. 75. — 6. Mehrheit und Rangordnung der Tochterrechte S. 77. — 7. Obligatorische Beziehungen zwischen Mutterrecht und Tochterrecht S. 78. — 8. Konstitutiv abgeleitete Rechte an eigener Sache (Eigenrechte) S. 79. — 9. Wegfall des Tochterrechts S. 82. — Konsolidation des Mutterrechts S. 83. §46. E i n z e l n a c h f o l g e u n d G e s a m t n a c h f o l g e I. Sondernachfolge. — I I . Tatbestand und Wirkungen der Gesamtnachfolge S. 86. — I I I . Fälle der Gesamtnachfolge S. 87. — I V . Schuldhaftung bei der Gesamtnachfolge S. 90. — V. Übertragung des Vermögens unter Lebenden S. 91.

Seite

84

§47. E n d e u n d Ä n d e r u n g d e r R e c h t e 92 I. Endigungsgründe. Wiederaufleben und Ruhen von Rechten S. 95. — I I . Änderung der Rechte S. 96. — Verstärkung, Abschwächung S. 97. — Änderungsfähigkeit: der dinglichen Rechte S. 99, der Forderungen S. 100. — Novation S. 101. — Einwirkung der Rechtsänderung auf dritte Personen S. 102. §48. D i e r e c h t l i c h b e d e u t s a m e n H a n d l u n g e n 103 I . Begriff und rechtliche Bedeutung der Handlung. I I . Einteilung der rechtsmäßigen Handlungen S. 105. — 1. Willensäußerungen a) Rechtsgeschäfte S. 106; b) Rechtshandlungen S. 106; c) Tathandlungen S. 110. — 2. Vorstellungsäußerungen S. 113. — 3. Gefühlsäußerungen S. 120. — Unrechtmäßige Handlungen S. 121. — I V . Unterlassungen S. 122. §49. D a s r e c h t l i c h b e d e u t s a m e W i s s e n 123 I . Tatsachen des inneren Seelenlebens. I I . Das Wissen S. 127. — Mitteilung und sonstige Kenntnis von Tatsachen S. 128. — Vermutungen und Zweifel S. 130. — Öffentliche Bekanntmachungen und Bücher S. 131. — I I I . Irrtum S. 132. — I V . Guter Glauben S. 134. — 1. Der Glaube an das Recht des Veräußerers S. 136. — 2. Glaube des Schuldners an das Recht des Gläubigers S. 137. — 3. Glaube an die Rechtsstellung des Geschäftsgegners S. 138. — 4. Glaube an die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts S. 139. — 5. Glaube an das eigene Recht. — Voraussetzungen S. 140. — Wirkungen des guten Glaubens S. 141.

Zweites

Kapitel.

Das Rechtsgeschäft. I . Wesen und Hauptarten des Rechtsgeschäfts. §50. B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t e s 143 I. Privatautonomie des Rechtssubjektes. Das Produkt des Rechtsgeschäftes sind subjektive Rechte und Rechtsverhältnisse S. 146. — I I . Tatbestand des Rechtsgeschäftes S. 147. Zur Willenserklärung

IX

Inhaltsverzeichnis.

Seite

der Parteien können hinzutreten: 1. Nebenerklärung S. 148; 2. Reale Vorgänge S. 149; 3. Tod des Erblassers S. 150; 4. Ablauf einer Zeit S. 151; 5. Eine amtliche Handlung, welche mit der Erklärung der Partei einen Doppeltatbestand bildet. — I I I . Sukzessive Verwirklichung des Rechtsgeschäftes S. 152. — Tod eines Beteiligten vor Vollendung des Tatbestandes. — I V . Keine Rechtsgeschäfte sind Willenserklärungen,, durch welche eine amtliche Handlung veranlasst wird S. 153: Anträge S. 154; Klageerhebung S. 155; Anfechtungsklagen S. 157. — Rechtsgeschäfte in prozessualer Form S. 158. — Prozessvergleich S. 159. — V. Richtung des Parteiwillens auf rechtlichen Erfolg S. 161. — Unklarheiten des Parteiwillens S. 162. — Gesetzliche Nebenfolgen des Rechtsgeschäfts S. 163. — Mittelbare Wirkungen des Rechtsgeschäfts S. 165. — Einwirkung auf den Rechtskreis Dritter S. 167. — V I . Wirtschaftliche (empirische) Absicht S. 168. — Willenserklärungen ohne die Absicht rechtlicher Bindung S. 170. — Vermeintlich ungültige Geschäfte S. 172. — V I I . Aufhebung von Rechtsgeschäften S. 174. — V I I I . Wiederholung von Rechtsgeschäften S. 176. § 51. P a r t e i w i l l e u n d G e s e t z 177 I. Schranken der Privatautonomie. Gesetzliche Typen der Rechtsgeschäfte S. 179. — Grenzen der Verpflichtungsfähigkeit S. 181. — Sie beruhen nicht auf § 138, S. 182, sondern sind der Rechtsordnung immanent S. 183. — Partielle Ungültigkeit übermässiger Verpflichtungen S. 185. — Nachträglich eintretende Übermäßigkeit der Leistungspflicht. — I I . Rechtsgeschäft und nachgiebiges Recht S. 186: 1. Auslegendes Recht. 2. Ergänzendes Recht S. 187. — Ausschluß des ergänzenden Rechts durch hypothetischen Parteiwillen S. 189. — 3. Umdeutende Rechtssätze. §52. B e s t a n d t e i l e des R e c h t s g e s c h ä f t s 191 I. Einheit und Mehrheit des Rechtsgeschäfts. — I I . Bestandteile der Willenserklärung S. 194: 1. essentialia. 2. naturalia negotii S. 195. — 3. accidentalia negotii. — I I I . Motive des Rechtsgeschäfts S. 197. — Bedingungen und Voraussetzungen S. 201. — Clausula rebus sie stantibus S. 202. § 53. E i n s e i t i g e u n d m e h r s e i t i g e R e c h t s g e s c h ä f t e 203 I. Einseitige Rechtsgeschäfte beruhen auf Gesetz oder vorausgehender Parteiverabredung. — Zurückweisung einseitiger Erklärungen S. 205. — Die Wirkung einseitiger Rechtsgeschäfte kann auch durch Vertrag hergestellt werden S. 206. — Ungültige einseitige Erklärungen bei Zustimmung des Gegners S. 207. — Bei einseitigen Geschäften befördert das Gesetz Sicherheit der Rechtswirkungen S. 209: 1. Zustimmung dritter Personen muß bei Vornahme des Geschäftes vorliegen. — 2. Legitimation durch Urkunde S. 211. — 3. Ausschluß von Bedingungen und Zeitbestimmungen S. 212. — 4. Unzweideutigkeit der Erklärung S. 214. — 5. Präklusivfrist S. 217. — 6. Unwiderruflichkeit des einseitigen Geschäfts. — I I . Mehrseitige Rechtsgeschäfte S. 220. — Tatbestand des Vertrags S. 224. — Konsens S. 225. —- Austausch der Erklärungen S. 226. — Wirkungen des Vertrags im Rechtsverhältnis der Kontrahenten

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Inhaltsverzeichnis.

S. 227. — I I I . Gemeinsame Rechtsgeschäfte S. 229. — I V . Beschlüsse S. 232. — V. Vereinbarungen S. 237.

Seite

§ 54. D i e V e r f ü g u n g 238 I. Begriff der Verfügung. Objekte der Verfügung S. 239. — Verfügung durch Ausübung eines Gestaltungsrechts S. 243. — Zustimmung zu Verfügungen S. 245. — Verfügungen durch Rechtshandlungen S. 246. — Tatsächliche Verfügungen S. 248. — I I . Die Verpflichtungsgeschäfte S. 250. — Unterschied von den Verfügungen S. 252 und Zusammenhang mit denselben. Keine Verfügung ist: die Vermietung S. 253, die Bewilligung einer Vormerkung S. 254. — I I I . Abstrakte Natur der Verfügung S. 256. — I V . Prozeßführung und Verfügung S. 257. — V. Zwangsverfügungen S. 260. — Analoge Anwendung des Rechts der Verfügungen S. 263. — V I . Verzicht S. 264. — Zulässigkeit S. 265; Gegenstand S. 266; Einseitigkeit des Verzichtes S. 269; W i r k u n g des Verzichts S. 272. I I . Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte. § 55. A r t e n d e r U n g ü l t i g k e i t 273 1. Unvollendete Geschäfte S. 2 7 4 . - 2 . Nichtige Geschäfte S. 275. — 3. Anfechtbare Geschäfte S. 278. § 56. N i c h t i g k e i t 280 I . Beachtung der Nichtigkeit von Amtswegen. — I I . Keine Nichtigkeitsklage S. 281. — I I I . Absolute Bedeutung der Nichtigkeit S. 282. — I V . Partielle Nichtigkeit S. 283. — V. Konversion S. 287 und verwandte Fälle. — V I . Unheilbarkeit des nichtigen Geschäfts S. 292. — Bestätigung S. 293. — V I I . Nichtigkeit der Eheschließung S. 295. § 57. A n f e c h t b a r k e i t 297 I. Schwebezustand S. 298. — Keine Anfechtung nichtiger Geschäfte S. 299. — Gegenstand der Anfechtung S. 300. — Anfechtung von Rechtshandlungen und sonstigen Tatbeständen S. 302. — I I I . Die Anfechtungserklärung S. 302. — Der Anfechtungsberechtigte S. 303. — Vererblichkeit des Anfechtungsrechts S. 305. — Zugehörigkeit des Anfechtungsrechts zum Rechtsverhältniss S. 306. — I V . Anfechtungsgegner : 1. beim Vertrag S. 308; 2. bei einseitigen empfangsbedürftigen Geschäften S. 309; 3, bei nichtempfangsbedürftigen^Geschäften. — V. Nichtigkeit des angefochtenen Geschäftes S. 312. — Bei Verfügungen hat die Anfechtung dingliche Kraft. Schutz des guten Glaubens S. 314. — Bereicherungsansprüche aus der Anfechtung S. 315. — Anfechtung obligatorischer Geschäfte und der Gestaltungsgeschäfte S. 317. — V I . Bestätigung S. 319. — V I I . Gläubigeranfechtung S. 322. — Dingliche Wirkung S. 324. — Geltendmachung durch gerichtliches Handeln S. 326. § 58. R e l a t i v e U n w i r k s a m k e i t 327 Begriff und Anwendungsfälle der relativen Unwirksamkeit. Absolute Unwirksamkeit im F a l l der §§ 161, 2113 S. 329, sowie bei Entziehung der Verwaltung, S. 332, und bei den Beschränkungen der Verwaltung nach §§ 1395, 1448 S. 333.

Inhaltsverzeichnis.

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I I I . Geschäftsfähigkeit und Verfügungsmacht. 59. D i e G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t 334 I. Das Rechtsgeschäft erfordert ein Mindestmaß von Vernünftigkeit des Willens. — I I . Die geschäftsunfähigen Personen S. 335. Ihre Erklärungen sind nichtig. — I I I . Beschränkungen der Geschäftsfähigkeit. — I V . Gültigkeit der lediglich vorteilhaften Rechtsgeschäfte S. 338. — Selbständigkeit des Minderjährigen bei familienrechtlichen Geschäften und beim Testament S. 342. — V. Handeln des gesetzlichen Vertreters als Stellvertreter oder als Beistand S. 343. — Einwilligung des gesetzlichen Vertreters S. 345. — Generelle Einwilligung S. 346. — V I . Rechtsfolgen bei fehlender Einwilligung S. 347: 1. Einseitige Geschäfte; 2. Verträge. Schwebezustand 348. — Aufforderung zur Genehmigung S. 349. — Widerruf S. 350. — V I I . Heilung des Geschäfts durch Erfüllung S. 351. — V I I I . Erweiterte Geschäftsfähigkeit S. 353. — I X . Guter Glaube des Geschäftsgegners S. 356. — Bereicherungsansprüche S. 358. — Schadenersatz S. 359. — X . Geschäftsfähigkeit bei Rechtshandlungen S. 360, Tathandlungen S. 361, Mitteilungen S. 362 und Gefühlsäußerungen S. 363, sowie bei Entgegennahme von Erklärungen S. 364. 60. V e r f ü g u n g s m a c h t 365 I . Begriff der Verfügungsmacht. — I I . Verfügungsbeschränkungen S. 366. — Unterschied von den Mängeln der Geschäftsfähigkeit S. 367. — Unwirksamkeit der Selbstbeschränkung in der Verfügungsmacht S. 369. — Beschränkungen durch den Erblasser S. 373. — I I I . Verfügung über fremdes Recht S. 374: in fremdem Namen (Vertretungsmacht) und in eigenem Namen (Verfügungsmacht). Die einzelnen Fälle der Verfügungsmacht S. 377. — Unbefugte Verfügung über fremdes Recht S. 379. — Reflexwirkung der Verfügung über eigenes Recht S. 380. — I V . Konvaleszenz der Verfügungen über fremdes Recht S. 381: 1. durch Genehmigung; 2a) durch nachträglichen Erwerb des Rechts S. 382; 2 b) durch Beerbuug des Verfügenden seitens des Berechtigten S. 384. — Konvaleszenz bei mehreren Verfügungen S. 385. — Wirkung ex nunc S. 386. — V. Verfügung über künftiges Recht S. 387 — Möglichkeit derselben S. 388; Zulässigkeit S. 390; Eintritt der W i r k u n g S. 392. — Pfändung künftiger Rechte S. 394. — V I . Verpflichtungsmacht und Erwerbsmacht S. 395. — V I I . Passive Verfügungsmacht S. 398. I V . Erfordernisse des Geschäftsschlusses. § 61. W i l l e n s e r k l ä r u n g I. Arten der Willensäußerung: 1. Willenserklärung S. 400. — Inhalt des Willens und Erklärungswille S. 401. — Fehlerhafte und scheinbare Erklärungen S. 402. — Ungewollte Erklärungen S. 403. — 2. Willensbetätigung S. 404. — Keine Kundgebung, sondern Indiz des Willens S. 406. — Der falsche Schein eines Willens kann durch Aufklärung beseitigt werden S. 407. — Anfechtung von Willensbetätigungen S. 409. — I I . Arten der Willenserklärung S. 410: 1. unmittelbare Erklärung. — 2. Mittelbare Erklärung S. 411. — Fehler der Übermittlung. — 3. Verkörperte Erklärung S. 412. — Schriftliche Erklärung S. 413, — Blanketturkunde S. 414. — 4. Aus-

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Inhaltsverzeichnis. Seite

drückliche Erklärung S. 416. — 5. Stillschweigende Erklärung S. 418. — Erklärung durch Schweigen S. 420. — 6. Fingierte Erklärung S. 422. — Tragweite der Fiktion S. 424. — 7. Fiktion des § 894 ZPO S. 426. — I I I . Empfangsbedürftige Erklärungen S. 427. — Erklärung an unbestimmte Person S. 429. — 1. Abgabe der empfangsbedürftigen Erklärung S. 430. — 2. Zugehen S. 432. — Zugehen einer nichtverkörperten Erklärung S. 436. — Erklärung an Anwesende S. 438. — 3. Zustellung nach § 132. — 4. Wirkung des Zugehens S. 442. — Bedeutung der Kenntnisnahme S. 445. — Priorität von Erklärungen. Wahrung von Fristen S. 444. — 5. Vereitelung des Zugehens durch den Adressaten S. 445. — 6. Widerruf der Erklärung S. 448. — 7. Geschäftsfähigkeit des Erklärungsgegners S. 449. — Zugehen der Erklärung an den gesetzlichen Vertreter S. 450. — I V . Erklärungen an eine Behörde S. 452. — V. Nichtempfangsbedürftige Erklärungen S. 453. — Mittel der Erklärung S. 456. — Abgabe solcher Erklärungen an eine bestimmte Person S. 457. § 62. D e r V e r t r a g s s c h l u ß 458 1. Tatbestand. Zwei sich kreuzende Offerten S. 459. — I I . Offerte S. 460. — Aufforderung zur Offerte S. 461. — Offerte an unbestimmte Personen. — Geltungsdauer der Offerte: unter Anwesenden S 462, unter Abwesenden S. 463. [— Verspätete Annahme S. 465. — I I I . Gebundenheit des Offerenten S. 466. — Ausschluß der Gebundenheit S. 467. — Annahmerecht S. 468. — Tod des Offerenten S. 469. — Konkurs des Offerenten S. 471. — I V . Annahme S. 472. — Ablehnung der Offerte S. 473. — Annahme mit Abänderungen S. 474. — Annahme durch nichtempfangsbedürftige Erklärung (§ 152) S. 476, durch Willensbetätigung (§ 151) S. 477. — Fingierte Annahme S. 481. — V. Offener Dissens (§ 154) S. 480. — Versteckter Dissens (§ 155) S. 483. — V I . Perfektion des Vertrages S. 485. — Beging der Vertragswirkungen S. 486. — Rechtsverhältnis der Vertragsverhandlung. Culpa i n contrahendo S. 488. — V I I . Die Versteigerung S. 491. — V I I I . Verpflichtung zum Abschluss eines Vertrages S. 493. — Vorvertrag. Kontrahierungszwang S. 495. § 63. F o r m 496 I. Wesen und Zwecke der Form. Die Form ist Mittel der Willenserklärung S. 498. — Mehrere Rechtsgeschäfte in einer Form S. 500. — I I . Formfehler haben Nichtigkeit zur Folge S. 501. — Heilung durch Erfüllung S. 502. — I I I . Der Inhalt der Willenserklärung muß durch die Form gedeckt sein S. 505. — Auslegung formeller Erklärungen S. 506. — I V . Aufhebung formeller Rechtsgeschäfte S. 508. — Formlose Nebenabreden: 1. vor Abschluß des formellen Vertrags S. 509. — 2. nachträgliche Abreden S. 510. — Abänderung formeller Geschäfte durch einseitige Erklärung S. 511. — V. Die Schriftform S. 512. — 1. Text. — 2. Unterschrift. Handzeichen S. 515. — 3. Zeitliche Folge von Text und Unterschrift S. 516. — 4. Zugehen schriftlicher Erklärungen S. 517. — 5. Mehrere Erklärungen in einer Urkunde S. 520. — 6. Schriftform beim Vertrag S. 521. — 7. Gewillkürte Schriftform S. 522. — V I . Öffentliche Beurkundung S. 523. — Simultane und sukzessive Beurkundung

Inhaltsverzeichnis.

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von Verträgen 8. 524. — V I I . Öffentliche Beglaubigung S. 526. — V I I I . Formvorschrift durch Parteiwillen S. 527, durch Vertrag oder einseitige Erklärung S. 528. — Beweismittel oder Gültigkeitserfordernis S. 529. — Mangel der gewillkürten Form 8. 530. — Formlose Nebenabreden S. 531. — Nachträgliche Beurkundung formloser Verträge. — Einkleidung eines formellen Vertrags in eine neue Form S. 533. V . Auslegung der Rechtsgeschäfte und Willensmängel. § 64. A u s l e g u n g 534 I. Aufgabe der Auslegung. Generelle Auslegung nach § 157 S. 535. — Erforschung des wirklichen Willens, § 133, 8. 538. — Maßgebend ist der Standpunkt des Erklärungsempfängers S. 539. — Das Resultat der Auslegung ergibt, ob Irrtum oder Mißverständnis vorliegt S. 541. — Auslegung von Mitteilungen und amtlichen Handlungen S. 542. — I I . Subsumption des Rechtsgeschäfts unter die gesetzlichen Typen S. 543. — Ergänzung des Parteiwillens S. 545. — Anpassung der Rechtssätze an besonders gelagerte Tatbestände nach § 242, S. 546. — I I I . Auslegung durch die Parteien und den Richter 8. 548. § 65. W i l l e n s m ä n g e l 548 Begriff der Willensmängel. — Bewußte und unbewußte Unrichtigkeit der Erklärung S. 550. — Willenstheorie und Erklärungstheorie S. 551. — Abnormität der Motive S. 552. — Vermittelnder Standpunkt des Gesetzes S. 553. § 66. B e w u ß t e s F e h l e n des W i l l e n s 554 I. Der geheime Vorbehalt. — I I . Das Scheingeschäft S. 557. — Zwecke desselben. Nichtigkeit S. 558. — Geltendmachung durch Dritte S. 559, gegen Dritte S. 560. — Einverständnis des Geschäftsgegners S. 561, — Scheinerklärungen an und vor Behörden S. 562. — Scheinerklärung bei Eheschließung, Adoption und Ehevertrag 8. 563. — Fiduziarische Verfügung 8. 564. — I I I . Nicht ernstlich gemeinte Erklärung S. 566. § 67. I r r t u m 568 I. Irrtum in der Erklärung S. 569. — 1. Durch Irrtum veranlasste Unrichtigkeit des Wortlauts S. 570. — 2. Irrtum über den Inhalt der Erklärung S. 572. — Irrtümlicher Gebrauch juristischer Ausdrücke 8. 573. — Irrtum über gesetzliche Nebenfolgen S. 574. — Irrige Vorstellungen und Erwartungen S. 575. — I I . Irrtum im Motiv S. 577. — Irrtum über Eigenschaften S. 578. — Begriff der wesentlichen Eigenschaft. Anfechtung und Mängelhaftung S. 581. — Irrtum über rechtliche Verhältnisse der Sache S. 582. — Irrtum über Eigenschaften eines Rechts S. 583. — Wesentliche Eigenschaften der Person S. 584. — I I I . Subjektive und objektive Erheblichkeiten des Irrtums S. 585. — I V . Unverzüglichkeit der Anfechtung 8. 587. — Beginn der Frist S. 589. — V. W i r k u n g der Anfechtung S. 590. — Nichtigkeit der angefochtenen Erklärung; unter Umständen Gültigkeit der beabsichtigten Erklärung 8. 591. — Dingliche Wirkung der Anfechtung S. 592. — V I . Ersatz des nega-

XIV

Inhaltsverzeichnis. — Berichtigungen. Seite

tiven Interesses S. 593. — Person des Ersatzpflichtigen, S. 595, und des Ersatzberechtigten. — Umfang des negativen Interesses S. 596. — Kennen und Kennenmüssen des Gegners S. 599. — Verjährung des Ersatzanspruchs. — V I I . Besondere Vorschriften über Irrtum: 1. bei der Eheschließung S. 600; 2. beim Testament S. 601. § 68. A r g l i s t i g e T ä u s c h u n g u n d D r o h u n g 603 I . Arglistige Täuschung S. 604. — 1. Motivirrtum des Getäuschten. 2. Gegenstand des Irrtums S. 605. — 3. Arglist S. 606. — 4. Vorspiegeln und Verschweigen von Tatsachen. — I I . Drohung S. 609. — 1. Psychologische Einwirkung auf den Willen S. 610. — 2. Absicht, die Vornahme eines Rechtsgeschäftes zu veranlassen. — 3. Mittel der Drohung S. 611. — 4. Die bedrohten Rechtsgüter S. 612. — 5. Widerrechtlichkeit der Drohung S. 613. — I I I . Nicht erforderlich ist Vermögensschaden des Anfechtenden und Vorteil des Gegners S. 614. — Anfechtung der Erfüllung einer Verpflichtung. — Anfechtung obligatorischer Verträge S. 615. — I V . Beschränkung der Anfechtung wegen Täuschung: 1. bei nichtempfangsbedürftigen Erklärungen muß der Gegner an der Täuschung beteiligt seiu, S. 616, oder der Dritte, welcher ein Recht erwirbt S. 618 — Anfechtung der Schuldübernahme S. 619. — 2. Täuschung bei Abgabe von nichtempfangsbedürftigen Erklärungen S. 621. — V. Anfechtungsfrist S. 622. — V I . Keine Anfechtung nichtiger Geschäfte S. 623. — Konkurrenz der Anfechtungsrechte aus Willensmängeln S. 624. Anfechtung und Mängelhaftung. — V I I . Schadenersatz aus Täuschung und Drohung S. 626. — 1. in Ermangelung der Anfechtung. — 2. neben der Anfechtung S. 628. — 3. statt der Anfechtung S. 629. — Dolus incidens. — 4. Einrede aus Täuschung und Drohung S. 632. — 5. Verschiedenheit der Anfechtung und des Schadenersatzanspruchs S. 633. — 6. Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach § 463, S. 634.

Berichtigungen. Zum ersten Band. S. 41 Z. 19 v. ob. lies: ein nicht ausgesprochener. S. 50 Z. 1 v. ob. statt Juristentag lies: Juristen stand. S. 62 Z. 20 v. ob. statt betreffend lies: zutreffend. S. 63 Z. 20 v. ob. statt Subjekts lies: Objekts. S. 66 Note 8 lies: auch wenn er das Recht n verliert. S. 70 Z. 13 v. ob. statt 221 lies 222. S. 70 Z. 15 v. ob. statt 22, 23 I lies 223 I I . S. 74 Z. 7 v. ob. statt 1645 lies: 1646. S. 111 Note 62b lies: § 8 I I I 6. S. 120 Note 84 statt ZPO. 888—899 lies: ZPO. § 888. 890. S. 122 Z. 14 v. ob. statt 730 lies: 740. S. 140 Z. 9 v. ob. statt Sicherungshypothek lies: Zwangshypothek. S. 176 Z. 16 v. ob. statt bewirkt lies: beantragt. S. 185 Z. 7 v. ob. statt Vorerbe lies: Nacherbe. S. 192 Z. 14 v. ob. statt 2162 lies: 2178. S. 198 Note 10 statt 439 lies: 439.

Berichtigungen.

S. 204 S. 209 S. 221 S. 230 S. 237 S. 257 S. 261 S. 268 S. 283 S. 297 S. 298 S. 299 S. 330 S. 345 S. 354 S. 355 S. 357 S. 400 S. 406 S. 449 S. 471 S. 473 S. 477 S. 495 S. 500 S. 525 S. 541 S. 565 S. 600 S< 627 S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S.

Note 1 Z. 6 lies: mit Recht. Note 16 lies: Planck § 828 I I 1 f. Z. 13 v. ob. statt daß lies: dies. Note 3 lies: Dernburg I I I § 246 I 2. Z. 8 v. ob. statt gemeine lies: gemeinsame. Note 66 lies: Moment der Zulässigkeit.' Note 85 lies § 17 Note 72 b. Note 111 lies: Planck § 894 Erl. I I I 3. Z. 23 v. ob. statt ihrer Beschaffenheit lies: ihrem Betrag. Note 32 statt 1060 lies: 1160. Z. 17 v. ob. statt der Anspruch lies: die Einrede. Note 38 Z. 1 statt besteht lies: entsteht. Note 56 Z. 1 lies: Konkurseröffnung. Z. 6 v. ob. statt V I I lies: V I I I . Note 21 Z. 5 statt 6 lies: 16. letzte Z. statt 748 lies: 747. Z. 17 v. ob. ist 734 zu streichen und statt 2047 zu lesen: 1477. Z. 24 v. ob. statt 929 lies: 829. Z. 2 v. ob. statt 227 lies: 2276. Z. 9 v. ob. statt 237 lies: 37. Note 10 Z. 5 statt Strebe lies: Sterbe. Z. 1 v. ob. statt denken lies: decken. Note 5 Z. 15 lies: Vereinsgründung. Z. 6 v. ob. statt diese lies: dies. Z. 5 v. ob. statt Vorschrift lies: Satzung. Note 22 lies: Dernburg I I I § 14, 7. Note 90 statt Ausstellenden lies: Anstellenden. Note 33 a. E. statt Erfüllung lies: Nichterfüllung. Z. 7 v. ob. statt Einrichtung lies: Einreichung. Note 36 statt Rechnungszwang lies: Buchungszwang.

Zum zweiten Band. 21 Note 80. Das Urteil OLG 21, 326 ist durch RG 75,406 aufgehoben 26 Note 106 ist in der letzten Zeile 8 zu streichen. 91 Note 39a lies: Daher keine Konfusion. 124 Note 5 lies: Dernburg § 102 IV. 136 Note 74 statt 59 lies: 60. 146 Note 13 Z. 1 lies: leges. 177 Note 192 lies: § 56 Note 61. 220 Note 94 letzte Zeile lies: Note 91 a. 259 Note 136 lies: Planck § 135 Erl. V I . 302 Z. 13 v. ob. lies: § 61 I I 6. 320 Note 132 lies: § 61 Note 42. 349 Note 100 lies: § 61 I I 5. 368 Note 23 a. E. lies: § 58 Note 29. 426 Z. 15 v. ob. lies: 6a. 432 Note 175 lies: § 60 Note 21. 444 Note 243 Z. 4 lies: § 62 Note 46. 448 Note 263 Z. 3 lies: § 62 Note 54.

Drittes Buch. Die rechtserheblichen Tatsachen.

H a n d b u c h X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

1

3

Erstes Kapitel.

Allgemeine Begriffe. § 43.

Tatbestand und Rechtsfolge *.

I . Das Gesetz ordnet die Lebensverhältnisse i n der Regel durch abstrakte Vorschriften, ausnahmsweise durch einen konkreten, nur für einen F a l l geltenden Befehl. Die abstrakte Beschaffenheit der Rechtssätze beruht auf dem Postulat unseres Gerechtigkeitsgefühls, daß i n gleichen Fällen gleiches Recht gelten soll; Rechtsverschiedenheit bei gleicher Sachlage erscheint uns als W i l l k ü r ; Zweifel u n d Streit beziehen sich immer n u r darauf, ob zwei Sachlagen i n rechtlicher Beziehung als gleich zu betrachten sind. Wie das objektive Recht eine geistige, nur i n ihren W i r k u n g e n sinnlich wahrnehmbare Macht ist so gehören auch die v o m Gesetz vorgeschriebenen Rechtsfolgen der Gedankenwelt an: die Rechtsverhältnisse, subjektiven Rechte, Pflichten, rechtlichen Eigenschaften von Personen u n d Sachen sind nicht äußerlich wahrnehmbare Dinge 2 , — niemand hat je ein Recht gesehen — sondern Vorstellungen, welche i m Geist der beteiligten Menschen, * W i n d s c h e i d § 67/8; R e g e l s b e r g e r § 118; B e k k e r § 80/1; G i e r k e § 57; D e r n b u r g § 102; E n d e m a n n § 57; C r o m e § 7 1 ; C o s a c k § 5 0 ; E n n e c c e r u s § 177; B i e r m a n n § 3 8 ; L a n d s b e r g § 1 6 ; Z i t e l m a n n , I r r t u m u n d Rechtsgeschäft 200 fg.; M a n i g k , Anwendungsgebiet der Vorschriften üb. Rechtsgesch. 4 fg. u n d Königsberger Festschr. f. K a n t , abgedr. JheringsJ. 49, 459; E i t z b a c h e r , Handlungsfähigkeit I 5 9 ; B i e r l i n g , Prinzipienlehre I 145; R . L ö n i n g> Wurzel und Wesen des Rechtes 20, 36; W . S c h u l z e , Tatbestand u n d Rechtsfolge, Beiheft zu Bd. 2 des Arch. f. Rechts- u n d Wirtschaftsphilosophie. 1 B e k k e r , Grundbegriffe des Rechtes S. 51, 64. 2 Wahrnehmbar u n d daher Gegenstand des Beweises sind nur die Tatsachen, aus denen Rechte hervorgehen, u n d die Beurkundungen solcher Tatsachen. 1 *

4

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

existieren u n d auf ihre Handlungsweise einwirken, Vorstellungen v o n etwas Seinsollendem, welche infolge des dem Kulturmenschen innewohnenden Legalitätssinns 3 freiwillig befolgt u n d durch den ebenso kunstvollen wie wirksamen Mechanismus der Rechtspflege gegen den W i l l e n des Widerstrebenden erzwungen oder ohne seinen W i l l e n durchgesetzt werden. A u f den beiden Momenten der freiwilligen Befolgung u n d der staatlichen Erzwingung ber u h t die eigenartige rechtliche Kausalität, welche w i r als K r a f t oder W i r k s a m k e i t des Gesetzes bezeichnen 4 . Jeder abstrakte Rechtssatz nennt die Tatsachen, bei deren Vorliegen die Rechtswirkung eintreten s o l l 4 a . Die Gesamtheit dieser Tatsachen 5 pflegt man m i t dem aus dem Strafrecht rezipierten W o r t Tatbestand des Rechtssatzes zu bezeichnen. Liegt der Tatbestand eines Rechtssatzes i n concreto vor, so ergibt sich die Rechtsfolge m i t logischer Notwendigkeit. Daher besteht die Rechtsanwendung wesentlich aus der Konstatierung v o n Tatsachen u n d ihrer Subsumption unter die Rechtssätze. D a jede Rechtsfolge das Vorliegen eines Rechtssatzes u n d des dem Rechtssatz vorausgehenden Tatbestandes erfordert, so k a n n die Rechtsfolge je nach dem Standpunkt des Betrachters als W i r k u n g des Gesetzes oder des Tatbestandes, z. B . des Parteiwillens, aufgefaßt werden. Die Rechtsfolge eines Tatbestandes 6 ist stets eine Veränderung i n der Rechtswelt: Entstehung, Änderung u n d Endigung v o n Rechtsverhältnissen 7 , subjektiven Rechten und Pflichten, 3

Trieb zum Gehorsam, B e k k e r a. a. O. S. 30. Die Rechtsgesetze sind Vorschriften des Sollens, i m Gegensatz zu den Naturgesetzen (Gesetzen des Geschehens, vgl. Bd. I S. V I I ) und den Denkgesetzen. 4 a Daher lassen sich die Rechtssätze i n der logischen F o r m hypothetischer Urteile denken, Z i t e 1 m a n n , I r r t u m 204, ArchZivPr 99,4. 6 Innerhalb eines Tatbestandes kann m a n meist mehrere u n d oft sehr zahlreiche Tatsachen unterscheiden; nur ausnahmsweise erscheint eine Rechtsfolge als W i r k u n g einer Tatsache, so z. B. der Erwerb der Rechtsfähigkeit als Rechtsfolge der Geburt, § 1. Aber die Heraushebung einzelner Tatsachen aus der kohärenten Masse des Geschehens ist ein willkürlicher Behelf des Menschengeistes. Daher läßt sich durch beliebig weitergeführte logische Analyse jede Tatsache i n mehrere Tatsachen zerlegen, so z. B. die Geburt in Trennung des Kindes von Mutterleibe u n d Leben des Kindes i n diesem Moment. 6 M a n i g k , Anwendungsgebiet 15; E i t z b a c h e r 65. 7 Bisweilen w i r d betont, daß Entstehung u n d Endigung von Rechts4

§ 43.

Tatbestand und

Rechtsfolge.

5

v o n rechtlichen Eigenschaften der Personen oder Sachen; stehung

und

Endigung

juristischer

Endigung von Rechtslagen8, kungen vorbereiten.

Personen;

Entstehung

welche den E i n t r i t t

solcher

Entund Wir-

Die Rechtswelt unterliegt, wie die äußeren

V o r g ä n g e , d e m S a t z des z u r e i c h e n d e n G r u n d e s .

Zwischen

Tat-

b e s t a n d u n d R e c h t s f o l g e b e s t e h t eine n i c h t a u f d e r N a t u r o r d n u n g , sondern

auf

dem

Willen

des

Gesetzes b e r u h e n d e

Kausalität9,

w e l c h e , w i e d i e K a u s a l i t ä t des n a t ü r l i c h e n Geschehens, i n l e t z t e r L i n i e i n d e r B e s c h a f f e n h e i t des m e n s c h l i c h e n D e n k e n s b e g r ü n d e t ist.

E i n e R e c h t s ä n d e r u n g t r i t t n u r d a n n e i n , w e n n d e r d a z u er-

forderliche T a t b e s t a n d sich v e r w i r k l i c h t h a t

10

; sie e r f o l g t ,

wenn

Verhältnissen als bildlicher Ausdruck aufzufassen sei, weil Rechtsverhältnisse nicht real existieren, so z. B . W i n d s c h e i d § 63 A n m . 1; S c h l o ß m a n n , Vertrag 170; R a d b r u c h , Handlungsbegriff 34 fg. Darin scheint m i r eine zu weit gehende Konzession an das materialistische Denken zu liegen. Rechte sind keine körperlichen Dinge; aber den geistigen Dingen i s t , wie den körperlichen , eine Realität, wenn auch v o n anderer Beschaffenheit, zuzusprechen, vgl. ob. § 21 Note 3, u n d darum k a n n auch bei geistigen Erscheinungen v o n einem Anfang u n d Ende i m eigentlichen Sinne gesprochen werden; oder ist nicht z. B. die Renaissance oder die Rezeption oder , u m ein Beispiel aus dem individuellen Leben zu nehmen, die Freundschaft zweier Menschen ein geistiger Vorgang oder Zustand, für den i m Ablauf der Zeit ein Anfang u n d ein Ende, eine Ursache des Entstehens u n d Vergehens gesucht werden kann, so gut wie für eine E n t w i c k l u n g i n der physischen N a t u r ? Neuerdings opponiert K i p p , Festschrift f. M a r t i t z 211 fg., gegen diese, wie er sagt, „mechanisch-naturwissenschaftliche A n s i c h t " v o n der Rechtswirkung. E r bekämpft die bisher unbezweifelten Sätze, daß ein entstandenes Recht nicht noch einmal entstehen, ein nicht entstandenes oder erloschenes Recht nicht aufgehoben werden kann, vgl. ob. § 6 Note 26; § 10 V. Es soll kein Bedenken haben, anzunehmen, daß z. B. der Eigentümer seine Sache ersitzt, oder daß ein nichtiges Rechtsgeschäft angefochten wird. Demgegenüber ist meines Erachtens daran festzuhalten, daß die Rechtsverhältnisse zwar nicht als körperliche Dinge, wohl aber als geistige Beziehungen kraft des Gesetzes tatsächlich ^existieren u n d m i t ihrer Existenz dem logischen Kausalitätsgesetz unterworfen sind. W e n n K i p p S. 221 darauf hinweist, daß dieselbe Leistung mehrmals nacheinander versprochen werden kann, so übersieht er, daß nach der unserem Recht zugrunde liegenden Anschauung aus jedem dieser Versprechen eine neue Forderung (nicht aber dieselbe Forderung mehrmals) entsteht, vgl. ob. Bd. 1 S. 275. Gegen K i p p vgl. H e n l e , Anwendungsgebiet der Anfechtbarkeit 29 fg. 8 9 10

Vgl. unt. Note 71. K o h 1 e r § 8 I. Die juristische Kausalität (daß eine Tatsache Rechtswirkungen

Drittes Buch.

6

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

d e r d e m Gesetzesbefehl e n t s p r e c h e n d e T a t b e s t a n d v o r h e g t , unabwendbarer

Notwendigkeit

n

,

gewissermaßen

u n d z w a r i m selben M o m e n t , i n d e m d e r T a t b e s t a n d ist

12

der kann

:

zwischen juristischer

physischen

Natur,

eine R e c h t s ä n d e r u n g

vollendet

Ursache u n d W i r k u n g liegt, wie

kein

Tatbestand nicht vorliegt.

meßbarer nicht

Zeitraum.

eintreten,

in

Andererseits

solange d e r

nötige

D a h e r besteht ein e i n m a l begründeter

R e c h t s z u s t a n d so l a n g e w e i t e r , b i s sich eine m i t ä n d e r n d e r aufhebender K r a f t

mit

automatisch,

ausgestattete Tatsache einstellt

13

oder

.

nach sich zieht) beruht auf Bestimmung des Gesetzes u n d kann daher v o m Gesetz w i l l k ü r l i c h gestaltet werden: das Recht kann an beliebige Tatsachen beliebige Rechtsfolgen knüpfen. I n der auf Naturgesetz beruhenden faktischen Kausalität sind wie die Ursachen so auch die Wirkungen Tatsachen (des äußeren oder auch des inneren Lebens). Die faktische Kausalität kann, wie die ganze W e l t der Tatsachen, v o m Gesetz nicht geändert, wohl aber i n den Tatbestand einer Rechtsfolge aufgenommen werden, vgl. unt. S. 16. E i n Ereignis kann neben Rechtswirkungen auch Wirkungen tatsächlicher A r t haben; so entsteht aus einer Sachbeschädigung eine körperliche Veränderung der Sache und, als Rechtsfolge, die Ersatzpflicht; aus einem Vertragsschluß entstehen nicht nur Rechte u n d Pflichten, sondern auch die tatsächliche Wirkung, daß jeder der Kontrahenten auf die (xültigkeit des Vertrages vertraut und sein Verhalten danach einrichtet. 11 K e i n äußeres Hindernis kann den E i n t r i t t einer v o m Gesetz angeordneten W i r k u n g aufhalten. Aber diese W i r k u n g gehört, wie das Gesetz selbst, der geistigen W e l t an. D i e Realisierung des der Rechtswirkung entsprechenden Zustandes i n der Außenwelt (das v o m Gesetz i n letzter Linie beabsichtigte Resultat) begegnet den Hemmungen u n d dem Widerstand, den die stumpfe W e l t dem ordnenden Menschengeist entgegenstellt. B e k k e r a. a. O. 68. 12 W e n n die W i r k u n g einer Tatsache v o m E i n t r i t t dieser Tatsache durch einen Zeitraum getrennt ist (wenn z. B. die K ü n d i g u n g erst nach Ablauf einer Frist w i r k t ) , so gehört dieser Zeitraum zum vollen Tatbestand. 13 Daher braucht, wer sich auf ein Recht beruft, nur die zur E n t stehung erforderlichen Tatsachen zu behaupten; B e k k e r § 31, Beil. Das g i l t auch für solche Rechte, welche ihrer N a t u r nach nicht auf die Dauer angelegt sind (abw. C r o m e § 71 Note 2); so kann z. B . ein Nießbrauch nicht eher i m Grundbuch gestrichen werden, als bis der Tod des Nießbrauchers bewiesen oder eine Todeserklärung erfolgt i s t ; es genügt nicht, daß die Lebensvermutung des § 19 nicht mehr besteht, vgl. Bd. I S. 394. Ebenso braucht, wenn ein Vorkaufsrecht eines Verschollenen ausgeübt wird, sein Fortleben nicht bewiesen zu werden, sondern es ist Sache des Gegners, das Erlöschen des Vorkaufsrechts durch T o d des Berechtigten, § 514, zu beweisen. Dagegen muß das Leben des Verschollenen, nach Ablauf der Lebensvermutung, nachgewiesen werden, wenn eine i h m

§ 43.

Tatbestand und

Rechtsfolge.

7

I I . Noch mannigfaltiger, als die Rechtsfolgen, sind die Tat* sachen, die zum Tatbestand eines Rechtssatzes gehören. Jede T a t sache, die Rechtsfolgen irgendwelcher A r t nach sich zieht, nennt m a n eine rechtserhebliche, rechtswirksame oder juristische T a t s a c h e 1 3 a , i m Gegensatz zu der Masse v o n Tatsachen, die für das Recht irrelevant sind 1 4 . Jeder Tatbestand enthält als Vorgang des Lebens zahlreiche Nebenumstände, v o n denen die rechtliche Beurteilung absieht; so kommen z. B . Eigenschaften der beteiligten Personen, die i n anderer Beziehung v o n größter W i c h t i g k e i t sein können, für das ,,ohne Ansehen der Person' 4 wirkende Recht nicht in Betracht; auch die menschliche H a n d l u n g w i r d gewissermaßen auf ein juristisches Skelett reduziert 1 5 . Dadurch können Vorgänge, die i m Leben weit auseinanderliegen u n d vielleicht moralisch oder ökonomisch ganz verschiedene Beurteilung erfahren, rechtlich den Charakter gleichartiger Erscheinungen gewinnen 1 6 . Eine Systematisierung aller juristischen Tatsachen läßt sich bei ihrer bunten Mannigfaltigkeit k a u m durchführen. F ü r das Privatrecht stehen i m Vordergrund die menschlichen H a n d lungen 1 7 , d. h. das i n die Außenwelt tretende Verhalten des Menschen, insbesondere die Willenserklärung; denn der privatrechtliche Rechtszustand ist i n weitem Maße dem W i l l e n der Beteiligten unterworfen 1 8 . A u c h Tatsachen des inneren Seelenzustehende Leibrente verlangt w i r d ; denn Voraussetzung für die Entstehung jeder einzelnen Leibrentenforderung ist das Leben des Berechtigten bei Beginn des nach § 760 maßgebenden Zeitabschnitts. 13a S a v i g n y , System I I I 3. 14 Z i t e l m a n n , I r r t u m 206: „ W ä h r e n d i n der N a t u r jede Tatsache ihre W i r k u n g hat, sucht sich das Recht, weil es eine freie Schöpfung des Menschen ist, die Tatsachen bzw. Tatsachenkomplexe, an welche es Rechtswirkungen binden will, erst aus." 15 Die Motive des Handelns kommen grundsätzlich nicht i n B e t r a c h t ; HUB dem psychologischen Verlauf des Willensprozesses w i r d ein fester Moment herausgehoben, u m an i h n die rechtlichen Wirkungen zu knüpfen; was vor diesem Moment liegt, sind rechtlich irrelevante Vorbereitungsakte. 16 Darauf beruht der bisweilen v o n Laien erhobene kurzsichtige Vorwurf, daß die Jurisprudenz dem Leben fernstehe. Die Jurisprudenz kennt Iceine anderen Tatsachen als solche, die dem Leben entnommen sind, aber sie gruppiert diese Tatsachen zu anderen Zwecken u n d daher nach anderen Oesichtspunkten, als es sonst i m Leben geschieht. 17 Vgl. unt. § 48. 18 Rechtliche Bedeutung k a n n auch einem K o m p l e x v o n Handlungen

Drittes Buch.

8

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

l e b e n s k ö n n e n , w e n n a u c h n i c h t a l l e i n , so d o c h i n V e r b i n d u n g m i t äußeren Tatsachen v o n rechtlicher Absichten,

Motive

und

B e d e u t u n g sein

Voraussetzungen,

Wissen

19

;

so z.

oder

B.

Nicht-

w i s s e n v o n T a t s a c h e n , k ö r p e r l i c h e u n d seelische S c h m e r z e n (§ 847). D e n T a t s a c h e n des Seelenlebens s t e h t g e g e n ü b e r d i e Masse d e r o b j e k t i v e n T a t s a c h e n : V e r ä n d e r u n g e n d e r A u ß e n w e l t , z. B .

Ge-

b u r t u n d Tod, Entstehung, Änderung, Verbindung u n d Trennung, U n t e r g a n g v o n Sachen usw.

20

.

V o n e i n e m a n d e r e n G e s i c h t s p u n k t aus lassen s i c h d i e j u r i s t i schen T a t s a c h e n i n zwei große G r u p p e n zerlegen: Ereignisse u n d Zustände

21

.

Z u den Ereignissen gehören n i c h t n u r Veränderungen

d e r A u ß e n w e l t , s o n d e r n a u c h V o r g ä n g e des Seelenlebens:

Hand-

lungen, insbesondere W i l l e n s e r k l ä r u n g e n , M i t t e i l u n g e n usw., K e n n t nisnahme v o n Tatsachen

22

.

E i n Ereignis erfolgt i n einem be-

s t i m m t e n , w e n n auch bisweilen schwer festzustellenden E i n Zustand beginnt m i t einem Ereignis

23

b i s e i n neues a b ä n d e r n d e s E r e i g n i s e i n t r i t t

u n d besteht 24

.

Ein

Moment. solange,

rechtserheb-

zukommen, z. B . dem Betrieb eines Erwerbsgeschäftes, §§ 112, 1367, 1405* dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, § 21. 19 M a n i g k , Willenserklärung § 143 fg. Tatsachen des inneren Seelenlebens können durch E i d bewiesen (RG. 68, 131) oder aus äußerlich wahrnehmbaren Tatsachen erschlossen werden, z. B . das Wissen eines Menschen aus einer an i h n ergangenen M i t t e i l u n g oder aus seinem Verhalten. I m m e r h i n ist der Beweis schwieriger als bei äußeren Tatsachen. Daher begnügt sich das Gesetz bisweilen i m Interesse der P r a k t i k a b i l i t ä t des Rechts m i t einer äußeren Tatsache, wo der Zweck des Rechtssatzes,, genau genommen, die Aufnahme einer inneren Tatsache i n den Tatbestand verlangen würde; so w i r d z. B . die Wirksamkeit der Willenserklärung an das Zugehen statt an die Kenntnisnahme geknüpft, § 130. 20 Diese äußeren Tatsachen werden von K o h l e r § 97 unter dem Begriff der „alogischen Elemente i m Rechtsleben" zusammengefaßt. 2 1 B e k k e r , Pand. § 80; E 11 z b a c h e r S. 68. Bisweüen ist streitig, ob eine v o m Gesetz als Stück eines Tatbestandes genannte Tatsache als Ereignis oder als Zustand aufzufassen ist, so z. B. die Überlassung des Grundstückes an den Mieter, § 571, vgl. O e r t m a n n § 571, 1. 22 Vgl. u n t . § 49 I I . 28 Gewisse rechtserhebliche Zustände haben keinen bestimmten Anfangsmoment; so z. B . die Verschollenheit, vgl. ob. § 23 Note 1, oder die krankhafte Störung der Geistestätigkeit, § 827; auch beim Schatz, § 984, läßt sich nicht genau bestimmen, v o n welchem Zeitpunkt an die Sache so lange verborgen gelegen hat, daß der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. 24 Der Unterschied v o n vorübergehenden u n d dauernden Zuständen k o m m t i n Betracht i n § 104 Note 2, § 105, § 827, § 856 I I .

§ 43.

Tatbestand und

Rechtsfolge.

9

licher Zustand k a n n der Außenwelt angehören: z. B . daß eine Person oder eine Sache sich an einem Ort 2 5 , oder daß eine Sache sich i n der tatsächlichen Gewalt eines Menschen befindet, oder daß eine Sache abhanden gekommen ist. Aber auch Zustände des Seelenlebens kommen i n B e t r a c h t : Wissen oder Nichtwissen, Einverständnis eines Menschen m i t einem Z u s t a n d 2 6 , Z e r r ü t t u n g des ehelichen Verhältnisses (§ 1568). Neben tatsächlichen Zuständen werden auch rechtliche Zustände (das Vorliegen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses) als Stücke eines Tatbestandes bezeichnet; so w i r d z. B . zum Tatbestand der Eigentumsübertragung das Eigentum des Übertragenden gezählt. Genau genommen besteht ein Tatbestand nur aus Tatsachen; zum T a t bestand der Eigentumsübertragung gehört, daß i n der Person des Tradenten solche Tatsachen eingetreten sind, die das E i g e n t u m begründen, u n d keine Tatsachen eingetreten sind, die das Eigent u m aufgehoben haben. Die Summe dieser positiven u n d negat i v e n Tatsachen ist zusammenfassend gemeint, wenn m a n Eigent u m des Tradenten als Stück des Traditionsbestandes bezeichnet. Als juristische Tatsache k o m m t auch der Zeitablauf i n Betracht, sei es, daß ein Zustand eine gewisse Zeit hindurch bestehet, oder daß seit einem Ereignis eine gewisse Zeit abgelaufen ist 2 7 . Neben den positiven stehen die negativen juristischen T a t sachen; ein Nichtgeschehen, insbesondere das Unterbleiben einer Handlung innerhalb eines Zeitraumes, k a n n zum Tatbestand ~**~zTB. § 1944 I I I , § 867. 26 Z. B. § 1567: Das Ehescheidungsrecht entsteht nicht, wenn ein Ehegatte sich m i t dem W i l l e n des anderen von der häuslichen Gemeinschaft ferngehalten hat, vgl. u n t . § 49 I . ^ 2 7 Gehört zum Tatbestand ein Zeitraum, so t r i t t i n den meisten Fällen die volle W i r k u n g m i t einem Schlage ein, sobald der ganze Zeitraum abgelaufen ist; so ist z. B. das Eigentum ersessen, der Anspruch v e r j ä h r t , sobald die vorgeschriebene Frist abgelaufen ist, B e k k e r Pand. I I S. 7. I n anderen Fällen entsteht resp. vergrößert sich die Rechtswirkung parallel m i t der zum Tatbestand gehörenden Zeit. So entsteht die Zinsforderung pro rata temporis; ebenso die Mietzinsforderung (sie entsteht nicht, so lange die Tauglichkeit der Sache aufgehoben ist, § 537). Aber es liegt i n der N a t u r des Menschen u n d i n der Einrichtung des praktischen Lebens, daß kontinuierliche Vorgänge i n eine Summe, wenn auch noch so kleiner Einheiten, aufgelöst werden, B e k k e r , Grundbegr. S. 261. A u c h die Zeit w i r d zu praktischen Zwecken i n Stücke zerlegt; als kleinste E i n h e i t gilt für den Zins, u n d wohl auch für den Mietzins, der Tag: m i t Ablauf eines jeden Tages entsteht die diesem Tag entsprechende Zins- resp. Mietzinsforderung.

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Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

eines Rechtssatzes gehören. I n der physischen Welt k a n n ein Nichtgeschehen nicht Ursache einer Veränderung, daher ein Unterlassen nicht Ursache eines Erfolges sein 2 8 . D a aber die rechtliche Kausalität v o m Gesetz w i l l k ü r l i c h geschaffen w i r d 2 9 , so k a n n das Gesetz an behebige Voraussetzungen, daher auch an das Unterbleiben eines Vorganges oder an das Nichtvorhandensein eines Zustandes, Rechtsfolgen knüpfen. So entsteht z. B. nach § 568 aus der Fortsetzung des Gebrauchs der gemieteten Sache u n d dem Unterbleiben eines Widerspruchs innerhalb der ersten 14 Tage eine Verlängerung des MietVerhältnisses; so verlangt § 937 für die Ersitzung zehnjährigen Eigenbesitz und Abwesenheit des bösen Glaubens. D a der E i n t r i t t einer Rechtswirkung durch das Vorliegen des gesamten Tatbestandes bedingt ist, so müßte, genau genommen, wer sich auf eine Rechtswirkung beruft, das Vorliegen des ganzen Tatbestandes, auch der negativen Stücke desselben, behaupten u n d nötigenfalls beweisen. Diese logische Konsequenz w i r d aber aus praktischen Gründen 3 0 i n zahlreichen Fällen durchbrochen: wer sich auf eine Rechtswirkung beruft, braucht nur die Tatsachen zu behaupten, aus denen sich erfahrungsgemäß die Rechtswirkung bei normaler Lage der Verhältnisse ergibt, während es dem Gegner überlassen bleibt, Tatsachen anzuführen, durch welche die normale Rechtsfolge ausgeschlossen wird. So braucht z. B., wer Rechte aus einem Vertrage ableitet, nur den Abschluß des Vertrages i n der vorgeschriebenen F o r m zu behaupten, nicht die nur ausnahmsweise fehlende Geschäftsfähigkeit der Parteien. So ergibt sich eine Einteilung der Tatbestandsstücke i n rechtsbegründende Tatsachen (Klagfundament) u n d rechtsverneinende oder rechtshindernde Tatsachen (Einredetatsachen i m Sinne der ZPO.) 3 1 . Diese Einteilung betrifft nicht die materielle Wirksamkeit der Tatsachen (die Rechtswirkung bleibt i n gleicher Weise aus, wenn eine rechtsbegründende Tatsache fehlt oder wenn eine rechtshindernde Tatsache vorliegt), sondern ihre prozessualische Behandlung: sie dient der angemessenen Regelung der Beweislast. 28 Daraus ergeben sich i m Straf- u n d Zivilrecht die theoretischen Schwierigkeiten bei der Auffassimg der Kommissivdelikte durch Unterlassung, vgl. O e r t m a n n , Bern. 4 d vor § 249. 29 Vgl. ob. Note 10. 30 Insbesondere zur Vermeidung des an sich schwierigen Beweises negativer Tatsachen. 31 Bd. I § 17 Note 2.

§ 43.

Tatbestand und

Rechtsfolge.

11

Sie ist aber i n die S t r u k t u r des materiellen Rechts verlegt 3 2 u n d meist aus der Fassung der Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu entnehmen 3 3 . So ergibt sich z. B . aus dem W o r t l a u t des § 932, daß nicht der gute Glaube Voraussetzung, sondern die Abwesenheit des guten Glaubens Ausschließungsgrund des Erwerbes sein soll 3 4 . Z u den rechtserheblichen Tatsachen gehören auch Situationen, aus denen sich nach menschlicher Erfahrung die Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit eines künftigen Ereignisses ergibt 3 5 . So ist z. B. Wahrscheinlichkeit die Grundlage der Berechnung des entgangenen Gewinnes (§ 252) 3 6 . I s t das künftige Ereignis ein schädliches, so ist die Wahrscheinlichkeit des E i n t r i t t s dieses Ereignisses eine Gefahr 3 7 oder ein G r u n d zu einer Besorgnis 3 8 . Aus solchen Situationen ergeben sich Rechtsfolgen, unabhängig davon, ob die Wahrscheinlichkeit sich verwirklicht 3 9 . Die meisten rechtserheblichen Tatsachen stehen i n Beziehung zu bestimmten Personen, indem sie i n der Person, dem Rechtskreis oder dem Machtbezirk 4 0 eines Menschen eintreten 4 1 . In 32

E n d e m a n n § 87 c. Bd. I Einleitung Note 131. 34 Vgl. unt. § 49 I V . E i n gutes Beispiel der aus der Fassung des Gesetzestextes sich ergebenden Verteilung der Beweislast bietet § 109: der Widerrufende hat zu beweisen, daß die Genehmigung noch nicht erfolgt w a r ; sein Gegner hat zu beweisen, daß der Widerrufende die Minderjährigkeit kannte; der Widerrufende: daß der Minderjährige die E i n willigung des Vertreters behauptet h a t ; sein Gegner, daß dem Widerrufenden das Fehlen der Einwilligung bekannt war. 35 ZPO. § 916 I I , K O . § 154 I I . 36 Über wahrscheinliche Lebensdauer vgl. ob. § 22 V . 37 Vgl. z. B . §§ 17, 20, 228, 904 u n d G r a d e n w i t z , Wortverzeichnis. M ü l l e r - E r z b a c h , Gefährdungshaftung u n d Gefahrtragung 52 fg. ; F r a n k , Kommen, zum Straf Ges. § 1 Erl. I I . 38 Vgl. z. B. §§ 862, 1391. 39 Vgl. die Ausführungen des RGer. 67, 361 über Besorgnis als Arrestgrund nach ZPO. § 917, 40 Z. B. das Zugehen einer Erklärung, vgl. unt. § 61. 41 I n diesem Sinne sprechen §§ 2109, 2163 v o n einem ,,Ereignis i n der Person des Vorerben", § 552 von einem ,,in der Person des Mieters liegenden G r u n d " , vgl. 549 I . H a t eine Tatsache einen dauernden u n d unmittelbaren Einfluß auf die Beschaffenheit einer Person oder Sache, so begründet sie eine Eigenschaft, §§ 459, 537; während zufällige, vorübergehende oder einmalige Ereignisse n i c h t i n Betracht kommen; es wäre z. B. eine Eigenschaft eines Grundstücks, wenn i n demselben Gold gefunden wird, nicht dagegen, wenn ein Schatz entdeckt worden ist. E i n 33

12

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

der Regel treffen die W i r k u n g e n einer Tatsache den Rechtskreis, dem die Tatsache angehört; insbesondere w i r k t eine Handlung auf den Rechtskreis des Handelnden oder der Person, welcher gegenüber die H a n d l u n g vorgenommen ist. Ausnahmsweise kann eine Tatsache eine W i r k u n g i n einem Rechtskreis hervorrufen, i n welchem sie nicht eingetreten ist. So k a n n durch Vertrag zwischen A u n d B ein Recht für einen D r i t t e n begründet werden. W e n n die Rechtswirkung eines Ereignisses auf einen fremden Rechtskreis nicht auf dem W i l l e n der an dem Ereignis beteiligten Personen beruht, spricht m a n v o n einer R e f l e x w i r k u n g 4 2 des Ereignisses. I n einem anderen Sinn versteht man unter Reflexw i r k u n g die tatsächliche, günstige oder nachteilige E i n w i r k u n g eines Rechtszustandes oder einer Rechtsänderung auf den Interessenkreis einer d r i t t e n P e r s o n 4 3 . Verschiedene Tatbestände können dieselbe W i r k u n g haben, so k a n n z. B . E i g e n t u m an Mobilien durch Tradition, Ersitzung, Aneignung, F u n d usw. erworben werden; die Verjährung w i r d durch die verschiedenen i n § 209 aufgezählten Handlungen unterbrochen. A u c h innerhalb eines Tatbestandes können verschiedene Tatsachen gleichwertig sein, so daß die Rechtswirkung sowohl engerer Kreis von Eigenschaften sind die wesentlichen Eigenschaften des § 119 I I , vgl. unten § 67 I I , u n d die „persönlichen Eigenschaften" des § 1333 i m Gegensatz zu den „ U m s t ä n d e n " des § 1334; zu den persönlichen Eigenschaften gehört z. B. V i r g i n i t ä t , während uneheliche Vaterschaft als U m s t a n d i m Sinn von § 1334 zu betrachten ist. Vgl. auch Bd. I § 5 bei Note 12. 42 J h e r i n g i n seinen Jahrb. 10, 245 fg. Beispiele: die gesamtwirkenden Tatsachen i m Gesamtschuldverhältnis, vgl. Bd. I S. 88; das Erlöschen des Rücktrittrechts, § 356; die Erweiterung des Wiederkaufsu n d Vorkaufsrechts durch Erlöschen des Rechts eines Mitberechtigten, §§ 502,513, vgl. oben § 3 Note 44; der Erwerb der Eigentümerhypothek infolge v o n Bezahlung der Forderung durch einen unbeteiligten D r i t t e n , § 1163; der Erbschaftserwerb des Nächstberufenen, wenn die Anfechtimg wegen Erbunwürdigkeit v o n einem fernerstehenden Berufenen durchgesetzt wird, § 2341; der Erwerb der Schatzhälfte für den Grundeigentümer infolge der Tätigkeit des Finders, § 984. * 43 Vgl. ob. Note 7. Beispiele tatsächlicher Reflexwirkung : aus der Vollmacht ergibt sich für D r i t t e die Möglichkeit, m i t dem Bevollmächtigten Rechtsgeschäfte m i t W i r k i m g für u n d wider den Vollmachtgeber zu schließen, vgl. B d . I S. 168; aus dem Recht des Schuldners, an einen solutionis causa adjectus zu zahlen (vgl. ob. § 1 Note 7), ergibt sich für letzteren als tatsächliche Reflexwirkung die Möglichkeit eines Erwerbes. Vgl. ferner § 1 Note 7.

§ 43.

Tatbestand und

Rechtsfolge.

13

durch die eine als die andere Tatsache ausgelöst werden k a n n 4 4 ; so kann die öffentliche Beurkundung eines Rechtsgeschäftes nach B G B . sowohl gerichtlich als notariell erfolgen, das Testament sowohl i n öffentlicher als privater F o r m errichtet werden; die Verschärfung der H a f t u n g des Besitzers einer fremden Sache sowohl durch Rechtshängigkeit als durch mala fides eintreten (§ 989, 990). Die Äquivalenz v o n Tatbestandsstücken w i r d vom Gesetz oft i n die F o r m einer F i k t i o n 4 5 gekleidet, indem das Gesetz bes t i m m t , daß die Tatsache a als Tatsache b ,,gelten" soll. So g i l t z. B . das Schweigen des gesetzlichen Vertreters auf eine an i h n ergangene Aufforderung zur Genehmigung nach § 108 I I als Verweigerung der Genehmigung; die Zustellung einer Willenserklärung gilt nach § 132 als Zugehen derselben i m Sinn v o n § 130 4 6 . D a dem Gesetzgeber souveräne Macht nur über die (von i h m geschaffenen) Rechtsfolgen zusteht, n i c h t über die (ohne sein Z u t u n sich ereignenden Tatsachen), so k a n n die F i k t i o n an der t a t sächlichen Beschaffenheit der Tatsache a nichts ändern, sondern nur sie i n ihrer rechtlichen Beurteilung der Tatsache b gleichstellen 4 7 . Die rechtliche Gleichstellung kann mehr oder minder weit g e h e n 4 8 . Oft beschränkt sie sich auf die Rechtswirkung der fingierten Tatsache; das Schweigen des gesetzlichen Vertreters hat, ohne Willenserklärung zu sein u n d ohne den Vorschriften über Willenserklärung zu unterstehen, die W i r k u n g einer Verweigerung der Genehmigung; die Zustellung des § 132 h a t , ohne daß sie den Erfordernissen des Zugehens nach § 130 zu entsprechen braucht, die W i r k u n g des Zugehens einer Erklärung. I n anderen Fällen hat die F i k t i o n die weitere Bedeutung, daß die Tatsache a auch i n bezug auf die rechtlichen Voraussetzungen ihrer W i r k samkeit der Tatsache b gleichgestellt ist; wenn z. B . nach § 568 der fortgesetzte Gebrauch der gemieteten Sache als Verlängerung des Mietvertrages gelten soll, so ist die Fortsetzung des Gebrauches (auch wenn i n ihr eine Willensäußerung des Mieters n i c h t enthalten 44

E 11 z b a c h e r S. 70. Vgl. Bd. I S. 24. 46 Vgl. unt. § 61 I I I . 47 So kann z. B. das Gesetz dem Erben die tatsächliche Gewalt, wenn er sie nicht hat, nicht geben; wenn § 859 den „ B e s i t z " auf den Erben überträgt, so sind es die Rechtsfolgen des Besitzes, die dem Erben zukommen sollen, auch wenn er die tatsächliche Gewalt, aus welcher diese Rechtsfolgen normalerweise hervorgehen, nicht hat. 48 Vgl. unt. § 61 I I 3. 45

14

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

ist) nicht n u r i n bezug auf ihre Rechtswirkung, sondern auch i n bezug auf das Erfordernis der Geschäftsfähigkeit als Willenserklärung zu beurteilen. E i n Tatbestand k a n n unter mehrere Rechtssätze des Privatrechts fallen 4 9 . Diese Rechtssätze können i m Verhältnis der sogenannten Gesetzeskonkurrenz 5 0 stehen, so daß nur einer von ihnen u n d zwar der speziellere, den Tatbestand beherrscht. Es können aber auch beide Rechtssätze nebeneinander zur Anwendung kommen, u n d zwar entweder so, daß die Wirkungen beider Rechtssätze nebeneinander eintreten (so bewirkt z. B . die Veräußerung einer fremden Sache an einen gutgläubigen Erwerber zugleich Eigentumsübergang u n d eine Verpflichtung des Veräußerers gegenüber dem früheren Eigentümer), oder so, daß beide Rechtswirkungen i n einem alternativen Verhältnis stehen; so entsteht z. B . aus schuldhafter Veräußerung einer fremden Sache einerseits Schadenersatz aus § 823 oder einem Vertrags Verhältnis, andererseits eine Forderung auf Herausgabe des Erlöses nach § 816 oder 687; v o n diesen beiden Rechten k a n n aber nur das eine oder das andere zur Geltung kommen. Eine Tatsache k a n n i n mehreren Tatbeständen eine Rolle spielen; so z. B . die Tatsache, daß eine Sache des A durch ein Tier vernichtet w i r d ; t r i t t zu dieser Tatsache der Umstand hinzu, daß B H a l t e r des Tieres ist, so entsteht für A eine Ersatzforderung aus § 833; hatte C die Aufsicht über das Tier übernommen u n d schlecht geführt, so erwächst dem A gegen C eine Forderung aus § 834; war A dem X zur Lieferung der Sache verpflichtet, so w i r d er nach § 275 v o n dieser Verpflichtung frei. I I I . Die meisten Tatbestände sind mehrgliedrig ; sie bestehen aus einer Mehrheit v o n Tatsachen, sei es, daß mehrere Handlungen 5 1 derselben oder mehrerer Menschen vorhegen müssen, oder daß zu der H a n d l u n g ein sonstiges Ereignis hinzutreten, oder daß zur Zeit der H a n d l u n g bzw. des Ereignisses ein bestimmter Zustand bestehen muß. Das zeitliche Verhältnis zwischen den zu einem Tatbestand 49 Bisweilen hat ein privatrechtlicher Tatbestand auch noch W i r kungen auf anderen Gebieten des Rechts (Strafrecht, Zivilprozeß usw.), H e 11 w i g , Prozeßhandl. u n d Rechtsg. 3. 50 Vgl. Bd. I S. 276. 51 Eine Mehrheit von Handlungen, welche zur Erreichung eines rechtlichen Erfolges erforderlich sind, k a n n man ein Verfahren nennen, K i s c h , Parteiänderung 70; W a l s m a n n , Verzicht 146.

§ 43.

gehörenden

Tatbestand und

Tatsachen

kann

Rechtsfolge.

ein verschiedenes

15 sein

52

;

besteht

d e r T a t b e s t a n d aus m e h r e r e n E r e i g n i s s e n , so k a n n d a s

Gesetz

v e r l a n g e n , d a ß diese E r e i g n i s s e g l e i c h z e i t i g o d e r d o c h i n u n m i t t e l barer Aufeinanderfolge eintreten

53

; so m u ß z. B . b e i m V e r t r a g s -

schluß u n t e r Anwesenden die A n n a h m e f o l g e n (§ 147 I ) . bestand

gehörenden

beliebigen

sofort

auf den

Antrag

I n anderen F ä l l e n k ö n n e n die einzelnen z u m T a t Ereignisse

Zeitabständen

54

,

in

sukzessiv, bestimmter

in 55

bestimmten oder

oder

beliebiger

56

52 J h e r i n g , Geist I I I S. 157 (3. Aufl.); E n n e c c e r u s . R e c h t s geschäft 219 fg., 240 fg. ; F. L e o n h a r d i n JheringsJ. 41, 42; O e r t m a n n , Vorb. I 8 zum 3. Abschn. des Allg. T . 53 Gleichzeitige Abgabe von Willenserklärungen ist möglich, wenn mehrere Urkunden gleichzeitig zugehen, wenn eine die Erklärungen mehrerer Personen enthaltende Urkunde übergeben w i r d oder wenn jemand v o n mehreren Personen bevollmächtigt ist, i n ihrem Namen zu handeln. In anderen Fällen ist volle Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse oder Handlungen aus praktischen Gründen ein schwer durchführbares Erfordernis. So verlangt z. B . § 341 I I I zur E r h a l t u n g des Rechts auf Vertragsstrafe, daß der Gläubiger sich dies Recht bei der Annahme vorbehalte, u n d R G . 57, 340 interpretiert, daß der Vorbehalt weder vor, noch nach der A n nahme stattfinden dürfe. Trotzdem muß meines Erachtens ein unmittelbar vor der Annahme erklärter Vorbehalt genügen; denn es wäre unerträglicher Formalismus, wenn man verlangen wollte, daß der Gläubiger den Vorbehalt i m genauen Moment der Annahme ausspricht. Nach § 180, 2 muß die Beanstandung der Vertretungsmacht ,,bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts" stattfinden; da aber die volle Gleichzeitigkeit der Beanstandung i n vielen Fällen aus praktischen Gründen unmöglich ist, begnügt man sich m i t einer unverzüglich nach dem Rechtsgeschäft erfolgenden Beanstandung, P l a n c k § 190, l a ; O e r t m a n n § 180, 3 a . Vgl. auch R G . 73, 147 über den Vorbehalt i n §§ 464, 640. 54

So kann z. B. die Genehmigung, §§ 108, 177, wenn eine Aufforderung ergangen ist, nur innerhalb zweier Wochen, sonst zu beliebiger Zeit erklärt werden, vgl. ferner § 561 I I 2, § 940 I I . 55 Die Eintragung darf nur nach der Auflassimg erfolgen, GBO. § 20; die Mahnung nur nach der Fälligkeit, § 284; bei einseitigen Geschäften verlangen §§ 111, 180, 1398, 1831 Einwilligung, d. h. vorherige Zustimmung, § 183, vgl. unt. § 53 Note 25 c. Wenn das Gesetz verlangt, daß eine Tatsache vor der anderen e i n t r i t t , muß es genügen, wenn die erste Tatsache spätestens gleichzeitig m i t der zweiten eintritt. So ist z. B . Zustimmung, wenn sie gleichzeitig m i t dem der Zustimmimg bedürftigen Rechtsakt erfolgt, als Einwilligung { n i c h t als Genehmigung) zu betrachten, O e r t m a n n , Bem. 2 a vor § 182. Die Fälligkeit k a n n gleichzeitig m i t der Mahnung durch dieselbe Erklärung des Gläubigers herbeigeführt werden, R G . 50, 261; O e r t m a n n § 284, 2 fg. 56 F ü r Einigung u n d Eintragung ist i n § 873 keine Reihenfolge vor-

16

Drittes Buch

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Reihenfolge e i n t r e t e n 5 6 a . Gehört zum Tatbestand außer einem Ereignis ein tatsächlicher oder rechtlicher Zustand, so ist i n gewissen Fällen zum E i n t r i t t der Rechtswirkung erforderlich, daß der Zustand i m Moment des Ereignisses v o r l i e g t 5 7 ; so muß z. B . beim Besitzerwerb nach § 854 I I der Erwerber i m Moment der Einigung i n der Lage sein, die tatsächliche Gewalt auszuüben 5 8 . Bisweilen genügt zur Auslösung der Rechtswirkung, daß der zum Tatbestand gehörende Zustand sich nachträglich, d. h. nach E i n t r i t t des Ereignisses einstellt; so k a n n z. B . eine Verfügung i n der Weise gültig zustande kommen, daß der Verfügende nachträglich das Recht erwirbt, über welches er als Unberechtigter verfügt hatte (§ 185 I I ) . Oft gehört zum Tatbestande eine Mehrheit v o n Tatsachen, die m i t einander als Ursache u n d W i r k u n g zusammenhängen müssen. So entsteht z. B . die Schadenersatzforderung aus einer H a n d l u n g oder einem Ereignis, durch welches die Person des Verpflichteten bestimmt wird, u n d aus den Tatsachen, welche das Vermögen eines anderen nachteilig beeinflussen; zwischen den Tatsachen, a u s welchen, u n d dem Schaden, f ü r welchen gehaftet wird, muß Kausalzusammenhang bestehen. Dieser Zusammenhang beruht auf den Gesetzen des natürlichen Geschehens 59 sein Vorhandensein oder Fehlen ist daher aus der Erfahrung und Beobachtung zu entnehmen. D u r c h Kausalzusammenhang können verbunden sein äußere Tatsachen (aus einer Handlung entsteht eine Veränderung der Außenwelt) oder Vorgänge des Seelenlebens (aus der K e n n t n i s eines Umstandes entsteht ein Wunsch, welcher als M o t i v auf das Zustandekommen eines Entschlusses einwirkt); bisweilen umfaßt der rechtlich i n Betracht kommende Ausschnitt aus dem Zusammenhang alles Geschehens Tatsachen der äußeren geschrieben. Die Unterschrift einer Urkunde kann nach Herstellung des Textes oder auch i n blanko vorgenommen werden. 66 a Über die zeitliche Reihenfolge, P r i o r i t ä t , von Handlungen K o h l e r § 81. 57 Die Gesamtheit der zur Zeit eines Ereignisses vorliegenden und für die rechtliche W i r k u n g des Ereignisses in Betracht kommenden Tatsachen bezeichnet das Gesetz als die Umstände, vgl. z. B. § 164 I , 269 I , 271 I , 328 I I , 612 I . 58 Ferner: gleichzeitige Anwesenheit der Parteien, §§ 925, 1317. Über das „ L e b e n zur Zeit des Erbfalles" in §§ 1923, 2160; vgl. Bd. I S. 382. 59 Während die juristische Kausalität zwischen Tatsachen und Rechtsfolgen auf Anordnungen des Gesetzes beruht, vgl. ob. Note 9.

§ 43.

Natur

und

Tatbestand und

innere Vorgänge;

einen E n t s c h l u ß hervorrufen,

z. B .

Rechtsfolge.

kann

wird

der

F ü r den Schadenersatz

f a k t i s c h e K a u s a l z u s a m m e n h a n g aus in

seine

verfolgt;

n i c h t alle Tatsachen, die ohne die h a f t u n g s b e g r ü n d e n d e

Tatsache

eingetreten

äußersten

Billigkeitsgründen

logischen Konsequenzen

nicht

bis

eine ä u ß e r e T a t s a c h e

aus dessen A u s f ü h r u n g w i e d e r e i n e

äußere T a t s a c h e , e i n S c h a d e n , h e r v o r g e h t . nicht

17

wären,

sollen

haftung in Betracht k o m m e n 6 0 . Kausalzusammenhang

für den U m f a n g der

Schadens-

D a ß mehrere Tatsachen i n einem

stehen, k o m m t n i c h t n u r b e i m

Schadens-

ersatz, s o n d e r n a u c h f ü r a n d e r e R e c h t s s ä t z e i n B e t r a c h t .

So er-

f o r d e r t d i e A n f e c h t u n g w e g e n W i l l e n s m ä n g e l , § 119 fg., d a ß d e r W i l l e d u r c h I r r t u m , D r o h u n g oder T ä u s c h u n g b e s t i m m t ist.

Ferner

ist

Kausalzusammenhang

Bemessung der Bereicherung n a c h Berücksichtigung Bereicherung

von

Verlusten,

gemindert

wird61.

worden bei

der

§ 818, i n s b e s o n d e r e b e i

der

durch

von

Bedeutung

welche der

Vgl. endlich

Betrag

§ 984:

„es

der wird

60 I n der Auffassung des praktischen Lebens werden die zur Herbeiführung eines Erfolges zusammenwirkenden Tatsachen verschieden gewertet: einigen dieser Tatsachen w i r d eine intensive, ausschlaggebende W i r k u n g zugeschrieben, sie erscheinen als die „eigentliche", als die H a u p t ursache des Erfolges; andere Tatsachen treten als mitwirkende Umstände i n den Hintergrund der Betrachtung. Diese v o m Rechtsgefühl postulierte Unterscheidung läßt sich logisch nicht begründen (denn jede Tatsache, ohne welche der Erfolg nicht eingetreten wäre, ist Ursache des Erfolges) u n d ist daher juristisch schwer zu fixieren; vgl. die Übersicht der L i t e r a t u r bei O e r t m a n n , Vorb. 4 zu § 249; F r o m h e r z , ACPr. 110, 2371. Wenn man unter den Tatsachen, welche für den E i n t r i t t eines Erfolges notwendig waren, Ursachen u n d Bedingungen unterscheidet u n d nur die sog. Ursachen als kausal gelten läßt, so hat m a n eine bequeme Bezeichnung für beide Arten von Tatsachen, aber kein K r i t e r i u m für die Zugehörigkeit einer Tatsache zu der einen oder anderen Kategorie. Einen brauchbaren Maßstab glaubt die herrschende Lehre i n der Theorie des sog. adäquaten Kausalzusammenhangs gefunden zu haben. Bei der Anwendung dieser scharfsinnigen Theorie w i r d m a n sich oft des Gedankens nicht entschlagen können, daß die Abgrenzung der rechtlichen Kausalität durch das aus unkontrollierbaren Gedankengängen erwachsende Rechtsgefühl des Richters vorgenommen u n d erst nachträglich durch theoretische Argumente gerechtfertigt wird. I n der praktischen RechtsanWendung w i r d m a n wohl k a u m über die v o m R G . 78, 272 formulierte Regel hinauskommen, ,,daß die nur mittelbar eingetretene Folge nicht i n einem so entfernten Zusammenhang m i t dem als Ursache i n Anspruch genommenen Ereignisse stehen darf, daß er nach der Auffassung des Lebens vernünftigerweise nicht mehr i n Betracht gezogen werden k a n n . " 61 O e r t m a n n § 818, 3 a ; T u h r , Festschrift für Bekker 16.

I l n n d b u c h X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

2

18

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

eine Sache . . . entdeckt u n d infolge der Entdeckung i n Besitz, genommen". I V . Die W i r k u n g eines Tatbestandes kann begriffsmäßig n u r dann eintreten, wenn alle erforderlichen Tatsachen 6 2 vorliegen; denn jedes Stück des Tatbestandes ist Mitursache des rechtlichen E r folges. Logisch betrachtet sind alle Stücke des Tatbestandes gleich unentbehrlich für den Erfolg, es findet aber, wie bei der Kausalität des faktischen Geschehens 6 3 , eine verschiedene Wertung der zum Tatbestand gehörenden Tatsachen statt, welche darin ihren Ausdruck findet, daß man gewisse Tatsachen als Ursachen, andere als Bedingungen des Rechtserfolges bezeichnet 6 4 . Insbesondere w i r d beim Rechtsgeschäft die Willenserklärung der Parteien als das ausschlaggebende Moment, als der eigentliche G r u n d der Rechtswirkung betrachtet 6 5 . Bei sukzessiv verlaufendem Tatbestand ist jede einzelne Tatsache eine Vorstufe zur Vollendung des ganzen Tatbestandes u n d b r i n g t die Rechtswirkung u m einen Schritt ihrer Verwirklichung näher. M i t jeder neuen Tatsache t r i t t die Entwicklung des Tatbestandes i n ein neues Stadium ein, es entsteht eine neue „Rechtslage"; der E i n t r i t t der vollen Rechtswirkung hängt n u r noch davon ab, daß die noch ausstehenden Tatsachen eintreffen u n d daß keine die Vollendung des Tatbestandes hindernden T a t sachen dazwischenkommen. 1st es ungewiß, ob die aasstehende Tatsache eintrifft, oder möglich, daß eine rechtshindernde Tatsache sich ereignet, so befindet sich die Rechtswirkung des ganzen 62

Z u m Tatbestand eines Rechtserfolges gehören nicht die Handlungen,, welche durch sog. Sollvorschriften, vgl. ob. Einleitung Note 111, vorgeschrieben sind: ein Verein erlangt die Rechtsfähigkeit, wenn die Satzung dem § 57 I entspricht, die Ehe ist geschlossen, wenn die Formen des § 1317 beobachtet sind; das Pfand ist veräußert, wenn den Vorschriften des § 1243 I genügt ist. Die Soll Vorschriften statuieren Pflichten des Handelnden oder des mitwirkenden Beamten, deren Verletzung den Tatbestand einer Straffolge oder einer Schadenersatzpflicht bilden. Bezieht sich die Sollvorschrift auf die M i t w i r k u n g eines Beamten, so ist, bei pflichtmäßigem Verhalten des Beamten, die Befolgung der Sollvorschrift tatsächliche Voraussetzung für die von der Partei beabsichtigte Rechtswirkung: der Verein w i r d nicht eingetragen, die Ehe nicht geschlossen, wenn die Beteiligten der Sollvorschrift nicht genügen. 63 Vgl. ob. Note 60. 64 Vgl. D e r n b u r g , Pand. I § 82. 65 Eine praktische Konsequenz dieser Auffassung zeigt sich bei der Datierung der Rechtsgeschäfte, vgl. unt. Note 118.

§ 43.

Tatbestand und

Rechtsfolge.

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Tatbestandes i n einem Zustand objektiver Ungewißheit, den m a n S c h w e b e (Pendenz) n e n n t 6 6 . W i e der E i n t r i t t , so k a n n auch der Fortbestand einer Rechtswirkung gefährdet sein: wenn rechtsaufhebende Tatsachen zu erwarten sind. A u c h i n diesem Sinne kann man v o n einem Schwebezustand sprechen. M a n nennt den Schwebezustand suspensiv (aufschiebend), wenn es ungewiß ist, ob eine Rechtswirkung eintreten w i r d 6 7 ; resolutiv (auflösend), wenn es ungewiß ist, ob eine bereits eingetretene Rechtswirkung wieder wegfallen w i r d 6 8 . Jede Entwicklungsstufe des Tatbestandes hat eigene Rechtswirkungen, welche man i m Gegensatz zu der noch ausstehenden Rechtsfolge des vollendeten Tatbestandes „ V o r w i r k u n g e n " 6 9 nennen kann. Die Vor Wirkung ist eine rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache, aus welcher bei H i n z u t r i t t weiterer Tatsachen Rechte entstehen können. Man kann daher jede Vor Wirkung eines unvollendeten Tatbestandes als Rechtsverhältnis 7 0 oder als Rechtslage 7 1 bezeichnen. Diese Rechtslagen sind bei der Mannigfaltigkeit der Tatbestände v o n unübersehbarer Verschiedenheit u n d ermangeln vielfach einer technischen Bezeichnung 7 2 . I s t die W i r k u n g des vollen Tatbestandes ein Rechtserwerb, so enthält jede Rechtslage für den, der das Recht erwerben soll, eine Anwartschaft, deren Sicherheit sich m i t dem H i n z u k o m m e n eines jeden weiteren Stückes des Tatbestandes s t e i g e r t 7 3 . Ist die noch ausstehende Tatsache eine Handlung, so besteht die V o r w i r k u n g des werdenden Tatbestandes aus einem Gestaltungsrecht, i n vielen Fällen aus einem A n e i g n u n g s r e c h t 7 4 . A u f der passiven Seite entspricht einer jeden Rechtslage eine Gebunden66

B e k k e r § 35. B G B . §§ 160, 161 spricht bei bedingten Rechtsgeschäften von einer Schwebezeit. 67 Z. B. ob der Vertrag eines Minderjährigen durch Genehmigung des gesetzlichen Vertreters wirksam werden wird, § 108, vgl. unt. § 59. 68 Z.>B. durch Anfechtung, vgl. u n t . § 57. 69 F i 1 1 i g , Begriff der Rückziehung (1856) S. 21 fg. ; E n n e c c e r u s Rechtsgeschäft 232 fg., 337 fg. ; W i n d s c h e i d § 67 A n m . 2; R e g e l s b e r g e r § 118 I V . 70 Vgl. ob. § 5 Note 14. 71 K o h l e r § 49 I . Vgl. ob. § 5 Note 12. 72 B e k k e r § 81 Beil. I I . 73 Vgl. ob. § 9 I . 74 Vgl. ob. § 7 I I und § 8.

Drittes Buch.

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Die rechtserheblichen

Tatsachen.

h e i t 7 5 , die sich m i t dem H i n z u t r e t e n jeder weiteren Tatsache steigert, bis der volle Tatbestand vorliegt. Betrachtet man beispielsweise die sukzessive Verwirklichung des Tatbestandes eines Vertrages unter Abwesenden, so ergeben sich folgende Abstufungen des werdenden Tatbestandes m i t den ihnen entsprechenden Rechtslagen: die Absendung der Offerte hat die W i r k u n g , daß T o d oder Geschäftsunfähigkeit des Offerenten nicht mehr rechtshindernd i n Betracht kommen, § 130 I I . M i t dem Zugehen der Offerte ist der Widerruf ausgeschlossen, § 130 I I ; der Adressat der Offerte hat ein begründetes Gestaltungsrecht 7 6 , welchem die B i n d u n g des Offerenten entspricht. Die Absendung der Annahmeerklärung sichert das Zustandekommen des Vertrages gegen T o d oder Geschäftsunfähigkeit des Annehmenden, läßt i h m aber das Recht des Widerrufs. Erst das Zugehen der Annahme vollendet den Vertragsschluß. A u c h der Tatbestand der Eigentumsübertragung an Grundstücken bietet i n seiner sukzessiven E n t f a l t u n g mehrere einander ablösende Rechtslagen; die Auflassung ermöglicht jedem der Beteiligten, durch Stellung des Antrags die E i n t r a g u n g zu veranlassen; darin liegt für den Erwerber ein Aneignungsrecht (insofern er den A n t r a g selbst stellen kann) u n d zugleich eine Anwartschaft (insofern er auch ohne eigene Tätigkeit, auf A n t r a g des Veräußerers, Eigentümer werden kann) 7 7 . D u r c h Stellung des Antrags verstärkt sich die Anwartschaft des Erwerbers: der Erwerb w i r d nicht mehr gehindert durch eine den Veräußerer treffende Verfügungsbeschränkung, § 878, u n d k a n n durch einen widersprechenden A n t r a g des Veräußerers n i c h t vereitelt werden, wenn das Grundbuchamt die Vorschrift des § 17 GBO. befolgt. Aus dieser A n wartschaft erwächst i m Moment der E i n t r a g u n g das Eigentum. Oft entsteht aus einem Tatbestand zunächst ein Schuldverhältnis 7 8 , aus welchem durch H i n z u t r i t t neuer Tatsachen einzelne Forderungen erwachsen. Aus der Forderung k a n n durch weitere E n t w i c k l u n g des Tatbestandes ( E i n t r i t t der Fälligkeit) ein An75

Vgl. ob. § 7 V , § 9 I I . Eine Gebundenheit entsteht m i t der Ausstellung eines Inhaberpapieres : der Aussteller ist zwar noch nicht Schuldner, k a n n es aber werden, wenn das Papier von i h m begeben w i r d oder in anderer Weise i n die Hände eines berechtigten Inhabers gelangt, L a n g e n , Kreationstheorie 46. 76 Vgl. ob. § 7 Note 10. 77 Vgl. ob. Bd. I S. 176, 187. 78 Vgl. ob. § 5 I I I 1.

§ 43.

Tatbestand und

Rechtsfolge.

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sprach hervorgehen 7 9 , aus dem Anspruch (durch Klage u n d U r teil) das Vollstreckungsrecht. Die Rechtsverhältnisse, welche Vorstufen der Entstehung eines Rechts sind, können bei Vorhandensein eines rechtlichen Interesses Gegenstand der Feststellungsklage, ZPO. § 256, sein 8 0 . V . D a die Rechtsfolge eines Tatbestandes aus dem Zusammenwirken aller zu demselben gehörenden Tatsachen hervorgeht, so ergibt sich m i t logischer Notwendigkeit, daß sie früher nicht eintreten kann, als bis das letzte Stück des Tatbestands vorliegt. I n scheinbarer Abweichung v o n diesem logischen Postulat verlegt das Gesetz i n nicht seltenen Fällen die W i r k u n g einer Tatsache i n einen vor dem E i n t r i t t der Tatsache liegenden Moment. Diese Anordnung w i r d v o m Gesetz i n verschiedenen, i m Resultat gleichwertigen Redewendungen getroffen: eine Tatsache soll auf einen früheren Z e i t p u n k t z u r ü c k w i r k e n 8 1 ; die Rechtswirkung einer Tatsache soll auf einen früheren Moment zurückbezogen werden 8 2 ; oder es soll, wenn zum Tatbestand a die weitere Tatsache b hinzut r i t t , die daraus resultierende Rechts Wirkung als i m Moment a eingetreten gelten,," 8 3 ; oder endlich die W i r k u n g des Tatbestandes a soll, wenn die Tatsache b h i n z u k o m m t , als v o n Anfang an nicht erfolgt ,,gelten" 8 4 . I n anderen Fällen läßt das Gesetz die W i r k u n g eines Tatbestandes nur für den F a l l eintreten, daß eine weitere Tatsache (innerhalb eines Zeitraums) h i n z u k o m m t 8 5 oder aus79

Vgl. ob. § 15 V I I . Auffallend ist die Entscheidung des KammerG., O L G . 21, 326: auf Feststellung eines Vermächtnisses soll vor Erteilung der staatlichen Genehmigung, A r t . 86, nicht geklagt werden können, weil ein rechtlich zu beachtender Zustand, eine rechtliche Beziehung zwischen den Parteien noch nicht vorhanden sei. M i t denselben Gründen könnte m a n die Feststellung jeder bedingten oder von einer cond. juris abhängenden Forderung, z. B. der Regreßforderung des Bürgen vor Zahlung, ablehnen. Meines E r achtens ist die Schranke gegen überflüssige Feststellungsklagen i m E r fordernis des rechtlichen Interesses zu suchen, an welchem es i m vorliegenden F a l l nicht fehlte: die Behörde hatte die Genehmigung v o n der Feststellung der Gültigkeit des Vermächtnisses abhängig gemacht 81 §§ 184, 315. 82 § 159. 83 §§ 84, 110, 263, 389, 1953 I I , 2344 I I . ZPO. § 717 I I 2. A r t . 86, 2. 84 §§ 142, 212 I , 940 I I , 1953 I , 2344 I . 85 Z. B. § 845 I I ZPO.: Die Vorpfändung „ h a t die W i r k i m g eines Arrestes, sofern die Pfändung der Forderung innerhalb drei Wochen bewirkt w i r d / ' 80

Drittes Buch.

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D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

bleibt 8 6 . Bisweilen w i r d eine R ü c k w i r k u n g auch i n der A r t angeordnet, daß das Gesetz aus dem mehrgliedrigen Tatbestand eine Tatsache, welche n i c h t die zuletzt eintretende ist, als den Entstehungsmoment der Rechtswirkung bezeichnet 8 7 . Die theoretische E r k l ä r u n g der R ü c k w i r k u n g ist streitig. E i n i g ist m a n oder sollte m a n darüber sein, daß eine R ü c k w i r k u n g i m wörtlichen Sinne dieses Ausdrucks weder v o m Gesetz noch einer sonstigen menschlichen Macht herbeigeführt werden kann. Der Gesetzgeber k a n n Gegenwart u n d Z u k u n f t ordnen, aber nicht die Vergangenheit 8 8 , u n d vermag nicht i n U m k e h r u n g des Kausalitätsgesetzes eine W i r k u n g anzuordnen, die zeitlich vor ihrer U r sache liegt. Dagegen ist der Gesetzgeber souverän i n der inhaltlichen Gestaltung der Rechtsfolge, die er an einen Tatbestand knüpfen w i l l 8 9 . V o n diesen Prämissen ausgehend, w i r d folgende Auffassung der R ü c k w i r k u n g vertreten 9 0 : wenn ein Tatbestand aus mehreren Tatsachen a, b, c besteht, v o n denen die letzte r ü c k w i r k e n d ist, so liegt d a r i n eine F i k t i o n 9 1 ; das Gesetz schreibt vor, daß die m i t der Tatsache c u n d durch sie eintretende W i r k u n g den I n h a l t haben solle, den sie hätte, wenn sie bereits i m Moment b eingetreten

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Z. B . § 357: „ d e r R ü c k t r i t t ist unwirksam, wenn der andere Teil . . . unverzüglich nach dem R ü c k t r i t t die Aufrechnung e r k l ä r t " ; ebenso § 554 I I . Vgl. auch § 284 I : „ L e i s t e t der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, so k o m m t er durch die Mahnung (d. h. i m Moment der Mahnung) i n Verzug", P l a n c k , Erl. 7 a ; K i p p i n Festgabe für K o c h 120. 87 § 2229 I I I : „ D i e Testierunfähigkeit t r i t t schon m i t der Stellung des Antrags ein, auf Grund dessen die E n t m ü n d i g u n g erfolgt". § 2317 I : „ D e r Anspruch auf den Pflichtteü entsteht m i t dem E r b f a l l . " Aber da i n den Fällen der §§ 2306/7 der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil n u r dann verlangen kann, wenn er E r b t e i l oder Vermächtnis ausschlägt, so entsteht der Pflichtteilsanspruch tatsächlich erst durch die Ausschlagung, m i t Rückziehung auf den Moment des Erbfalls, P l a n c k § 2317 I . 88 Facta infecta fieri non possunt. 89 I m selben Sinn spricht m a n v o n Rückziehung eines Gesetzes auf einen vor I n k r a f t t r e t e n des Gesetzes eingetretenen Tatbestand, vgl. Bd. I Einl. N o t e 61. 90 B e k k e r § 114 Beü. I , § 115 Note 1; R e g e l s b e r g e r § 118 V I ; K i p p , Zus. 1 zu W i n d s c h e i d § 349; B e r n h ö f t , Zur Lehre v o n den F i k t i o n e n (Festgabe für I . B e k k e r) 266 fg. ; H e 11 w i g , Rechtsk r a f t § 16, Grenzen der R ü c k w i r k u n g 6 fg. ; W e i g e 1 i n , Recht zur Aufrechnung 13 fg. 91 Vgl. ob. B d . I S. 24.

§ 43

Tatbestand und

Rechtsfolge.

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wäre 9 2 . Während der Schwebezeit 9 3 (d. h. bevor sich entscheidet, o b die Tatsache c eintreten wird) besteht eine Ungewißheit n i c h t über den jetzigen Rechtszustand, sondern darüber, wie dieser Rechtszustand später, d. h. nach E i n t r i t t oder Ausbleiben der Tatsache c, zu beurteilen sein w i r d 9 4 . Demgegenüber sucht eine andere Meinung die R ü c k w i r k u n g ohne Zuhilfenahme einer F i k t i o n zu e r k l ä r e n 9 5 : dem Tatbestand -a + b, zu welchem die rückwirkende Tatsache c hinzutreten soll, w i r d die eigenartige , , V o r w i r k u n g " zugeschrieben, einen ungewissen Rechtszustand zu erzeugen, dessen Bestand oder I n h a l t sich durch das spätere Ereignis c bestimmt ; aus dieser Tatsache ergibt sich, welche Beschaffenheit die i m Moment b eingetretene Rechtswirkung h a t t e ; die Tatsache c w i r d daher als deklarativ bezeichnet. I n dieser Fassung scheint m i r diese Theorie nicht haltbar zu sein. Deklarativ k a n n eine Tatsache n u r dann sein, wenn eine subjektive Ungewißheit (Unkenntnis) vorliegt. D a aber der E i n t r i t t einer rückwirkenden Tatsache z. B . der Geburt eines nasciturus, der Genehmigung, Anfechtung oder Aufrechnung, nach praktischer u n d daher auch juristischer Auffassung o b j e k t i v ungewiß i s t 9 6 , so kommen diese Tatsachen nicht als Erkenntnisquellen für die Bedeutung früherer Vorgänge, sondern als Stücke des rechtserzeugenden Tatbestandes u n d daher als Mitursachen des rechtlichen Erfolges i n B e t r a c h t ; man darf z. B . n i c h t sagen, daß die Anfechtung dazu dient, die N i c h t i g k e i t des Geschäftes 92

Vgl. z. B. § 1733 I I I : „ D i e nach dem Tode des Vaters erfolgte Ehelichkeitserklärung hat die gleiche W i r k u n g , wie wenn sie vor dem Tode •des Vaters erfolgt wäre." 93 Vgl. ob. Note 66. 94 Bei suspensiver Pendenz (vgl. ob. N. 67) ist eine Rechts Wirkung, -die aus den Tatsachen a, b und c hervorgeht, bei E i n t r i t t v o n c so zu be urteilen, als ob sie schon i m Moment b eingetreten wäre (so ist z. B . der Schuldner, wenn er auf die Mahnung nicht leistet, als v o n der Mahnung an i m Verzug befindlich zu betrachten, § 284). Bei resolutiver Pendenz ist «eine Rechtswirkung, welche aus den Tatsachen a u n d b bereits entstanden ist, bei E i n t r i t t der Tatsache c (z. B. der Anfechtimg) so zu beurteilen, als ob sie nie entstanden wäre. 95 F i t t i n g , Begriff der Rückziehung 119 fg. ; E n n e c c e r u s § 75; B i e r m a n n § 38. 96 Der philosophische Gedanke, daß alle Ereignisse, einschließlich der menschlichen Handlungen, i m Voraus determiniert sind, ist für die Jurisprudenz transzendent.

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Tatsachen.

klarzulegen; denn ohne die Anfechtung wäre das Geschäft n i c h t n i c h t i g 9 7 . W e n n n u n das Gesetz vorschreibt, daß die W i r k u n g der Tatsache c auf den Moment b zurückgezogen werden soll (daß z. B . das angefochtene Geschäft als v o n Anfang an n i c h t i g anzusehen ist), so liegt darin die nicht wegzudeutende F i k t i o n , daß die W i r k u n g der Tatsache so zu beurteilen ist, wie wenn sie bereits i m Moment b eingetreten wäre 9 8 . Daher scheint m i r die Fiktionstheorie prinzipiell die richtige zu sein; i n den meisten Fällen der R ü c k w i r k u n g gibt sie die zutreffende E r k l ä r u n g . So ist es z. B . zweifellos, daß eine Stiftung v o r der Genehmigung noch n i c h t besteht u n d erst von der Genehmigung an so zu behandeln ist, als ob sie schon vor dem Tode des Erblassers entstanden wäre, § 84; daß eine Forderung t r o t z der Aufrechenbarkeit weiterbesteht u n d erst nach erklärter Aufrechnung so zu behandeln ist, als ob sie i m Moment der Aufrechenbarkeit erloschen wäre, § 389 9 9 . W ä h r e n d i n diesen u n d vielen anderen Fällen in der Schwebezeit ein bestimmter nur von der Möglichkeit der R ü c k w i r k u n g bedrohter Rechtszustand besteht, g i b t es einige Fälle der R ü c k w i r k u n g , i n denen man n i c h t u m h i n kann, für die Dauer der Schwebezeit einen objektiv ungewissen, alternativen, Rechtszustand anzunehmen, der durch die rückwirkende Tatsache nachträglich entschieden w i r d 1 0 °. So besonders bei A n f a l l einer Erbschaft an einen nasciturus 1 0 1 ; das 97

D i e Anfechtung ist ein Rechtsgeschäft (Ausübung eines negativen Rechts, vgl. ob. § 10), welches, wie alle Rechtsgeschäfte, nicht Aufklärung,, sondern Änderung des Rechtszustandes herbeiführt. 98 A m korrektesten k o m m t die juristische Beschaffenheit der Rückw i r k u n g zum Ausdruck i m W o r t l a u t des § 1139, 2: „ W i r d der Widerspruch innerhalb eines Monats eingetragen, so hat die Eintragung die gleicheW i r k u n g , wie wenn der Widerspruch zugleich m i t der H y p o t h e k eingetragen worden wäre." Vgl. auch § 142 I I : „ W e r die Anfechtbarkeit kannte, wird,, wenn die Anfechtimg erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes gekannt h ä t t e . " 99 Ebenso bedeutet die Möglichkeit der Ausschlagung nicht Ungewißh e i t über die Person des jetzigen Erben, sondern Ungewißheit darüber ^ ob infolge einer Ausschlagung der jetzige Zustand später so zu beurteilen sein wird, als sei der Zweitberufene bereits Erbe gewesen. 100 Eine logische Unmöglichkeit liegt nicht v o r ; das Gesetz kann die Rechtsfolgen beliebig gestalten, daher auch einen Zustand rechtlicher Ungewißheit herstellen u n d bestimmen, daß dieser Zustand nachträglich verschieden zu beurteilen ist, je nachdem ein Ereignis eingetreten ist oder nicht, E n n e c c e r u s § 75 A n m . 5. 101 Vgl. ob. § 3 S. 74.

§ 43.

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Rechtsfolge.

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ungeborene K i n d ist nicht E r b e ; aber solange die Geburt möglich ist, ist auch der Zweitberufene nicht E r b e ; w i l l man die Erbschaft während dieser Schwebezeit nicht als selbständiges Vermögen (juristische Person , hereditas jacens) auffassen, was meines E r achtens dem Gesetze nicht entspricht, so bleibt nichts übrig, als zuzugeben, daß über die Person des E r b e n eine objektive U n gewißheit besteht; Erbe ist v o n zwei Personen diejenige, welche durch ein späteres Ereignis (Geburt oder Nichtgeburt des nasciturus) bestimmt wird. Dies Ereignis hat aber meines Erachtens nicht deklarative, sondern k o n s t i t u t i v e Bedeutung: durch die Geburt des nasciturus wird (mit rückwirkender K r a f t ) an Stelle des bisherigen ungewissen Erben eine bestimmte Person gesetzt. E i n anderes Beispiel der R ü c k w i r k u n g m i t vorausgehendem objektiv ungewissen Rechtszustand bietet die Wahlschuld; die gewählte Leistung gilt als v o n Anfang an allein geschuldete, § 263 I I ; man k a n n nicht sagen, daß vor der W a h l keine der Leistungen geschuldet i s t ; vielmehr ist es vor der W a h l gewiß, daß eine v o n den beiden Leistungen, und ungewiß, welche v o n beiden die geschuldete ist 1 0 2 . Die R ü c k w i r k u n g ist ein einigermaßen gewaltsames M i t t e l der juristischen Technik u n d k a n n bei rücksichtsloser Durchführung bisweilen zu unangemessenen Resultaten führen. Daher hat das Gesetz i n einigen Fällen der Rückziehung Schranken gezogen 1 0 3 ; die R ü c k w i r k u n g der Genehmigung macht H a l t vor Verfügungen , die der Genehmiger selbst vor der Genehmigung über den Gegenstand des zu genehmigenden Rechtsgeschäfts getroffen h a t ; § 184 I I , die R ü c k w i r k u n g der Ausschlagung läßt unaufschiebbare Rechtsgeschäfte des Ausschlagenden u n d Rechtsgeschäfte, die i h m gegenüber vorgenommen sind, unberührt, § 1959 I I , I I I 1 0 4 . 102

E n n e c c e r u s § 241, 2. B e r n h ö f t a. a. O. S. 247 fg. ; H e 1 1 w i g , Grenzen der Rückw i r k u n g 13. 104 Selbstverständlich k a n n die R ü c k w i r k u n g einer das Recht des A aufhebenden Tatsache dem Rechtsnachfolger des A nicht schaden, so weit der Schutz des guten Glaubens reicht. A u f diesem i m Gesetz nicht ausgesprochenen Gedanken beruht die Vorschrift des § 142 I I , nach welcher die Kenntnis der Anfechtbarkeit nach erfolgter Anfechtung so behandelt wird, wie wenn Nichtigkeit u n d Kenntnis derselben vorläge. Aber darin liegt keine Schranke, sondern eine konsequente Durchführung der Rückwirkung; denn gerade infolge der R ü c k w i r k u n g k o m m t der Rechtsnachfolger 103

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Aber auch wenn das Gesetz eine Beschränkung der Rückw i r k u n g nicht ausspricht, ist es bisweilen fraglich, ob die Rückw i r k u n g auf alle Rechtsfolgen des Tatbestands erstreckt werden darf. M a n darf nicht vergessen, daß die Rückwirkung nur ein technisches M i t t e l ist, dessen sich der Gesetzgeber bedient, u m einen Tatbestand m i t Rechtswirkungen auszustatten, die i h m nach den allgemeinen Regeln der Rechtslogik nicht zukommen w ü r d e n ; dabei schweben dem Gesetzgeber einige Konsequenzen v o r , u m derentwillen er die Rückwirkungen anordnet; andere fernerliegende Konsequenzen befinden sich oft außerhalb des Gesichtskreises u n d daher des Willens des Gesetzgebers. Daher k a n n es vorkommen, daß die rückwirkende K r a f t einer Tatsache i n Widerspruch treten würde m i t dem Zweck u n d der vernünftigen Anwendung eines anderen Rechtssatzes. I n solchen Fällen ist die Auslegung befugt, eine harmonische u n d den Lebensverhältnissen angemessene Lösung des K o n f l i k t s zu suchen, u n d dabei nötigenfalls der R ü c k w i r k u n g Schranken zu ziehen. I n diesem Sinn hat R G . 58, 258 entschieden, daß die R ü c k w i r k u n g der Aufrechnung, § 389, einen bei Klageerhebung nach ZPO. § 23 begründeten Gerichtsstand nicht beseitigt. Ebenso w i r d man meines Erachtens annehmen dürfen, daß die i n § 940 I I angeordnete Rückziehung nicht so weit geht, daß eine v o m Eigentümer gegen den Zwischenbesitzer angestellte Klage die er sitzungsunterbrechende W i r k u n g verliert, wenn der Eigenbesitzer den Besitz binnen Jahresfrist wiedererlangt 1 0 5 . W i r d eine nach § 854 I erfolgte Besitzübertragung angefochten, so darf die R ü c k w i r k u n g der Anfechtung nicht soweit ausgedehnt werden, daß der Besitzerwerb nachträglich als verbotene Eigenmacht u n d die Sache als abhandengekommen zu behandeln wäre 1 0 6 . Streitig ist die Frage, des A i n die Lage, von einem Nichtberechtigten erworben zu haben, so daß die Grundsätze des guten Glaubens auf i h n Anwendung finden können. 105 H e l l w i g , Grenzend. Rückw. 15; a. A . P l a n c k § 941, 3; B i e r m a n n § 941, 1. Das Gesetz k a n n die eigentumsvernichtende Ersitzung gar n i c h t anders gewollt haben, als m i t der Kautel, daß der Eigentümer diesen Verlust durch Klageerhebimg abwehren könne. Klagen kann aber der Eigentümer nur gegen den jetzigen Besitzer, nicht gegen den früheren Besitzer, dem es vielleicht gelingen wird, binnen eines Jahres den Besitz wiederzuerlangen. Insofern muß bei sachgemäßer Auslegung die R ü c k w i r k u n g des § 940 I I hinter der ratio des § 941 zurückstehen. 106 G i e r k e I I § 115 Note 80; E n d e m a n n I I § 81 Note 32; O r o m e § 380 Note 42; H e 11 w i g , Grenzen der Rückwirkung 6; a. A . P l a n c k §§ 8, 935, 2. W o l f f , Sachenrecht § 11, I .

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ob die Anfechtung einer auf G r u n d einer Todeserklärung geschlossenen Ehe, § 1351, soweit z u r ü c k w i r k t , daß die frühere Ehe m i t dem Verschollenen wieder i n K r a f t t r i t t 1 0 7 . Solche Beschränkungen der R ü c k w i r k u n g lassen sich n u r durch Auslegung der Rechtssätze begründen, welche auf den durch die R ü c k w i r k u n g hergestellten f i k t i v e n Tatbestand zur Anwendung kommen müßten; man k a n n behaupten, daß ein solcher Rechtssatz nur die wirkliche Sachlage u n d nicht die Sachlage, wie sie bei R ü c k w i r k u n g zu denken wäre, zur Voraussetzung hat, daß z. B. bei der verbotenen Eigenmacht, § 858, n u r an den W i l l e n des Besitzers, wie er sich i m Moment der Besitzentziehung darstellte, zu denken ist. Dagegen k a n n m a n sich i n keinem der angeführten Beispiele auf eine logische Unzulässigkeit der R ü c k ziehung berufen; man k a n n z. B . die meines Erachtens richtige Ansicht, daß eine unter Betrug oder D r o h u n g weggegebene Sache nicht abhanden gekommen i m Sinne v o n § 935 ist, n i c h t m i t der unbestreitbaren Wahrheit beweisen, daß Tatsachen n i c h t ungeschehen gemacht werden können 1 0 8 ; denn u m die R ü c k w i r k u n g der Anfechtung für den § 935 durchzuführen, brauchen n i c h t die Tatsachen geändert, sondern nur die Rechtswirkungen der Tatsachen nachträglich anders bestimmt zu werden, was völlig i n der Macht des Gesetzes liegt; es handelt sich daher bei dieser Kontroverse nicht darum, ob es möglich, sondern ob es angemessen u n d m i t Sinn u n d Tragweite des § 935 vereinbar ist, an eine freiwillige Besitzübergabe, wenn sie angefochten ist, die Wirkungen zu knüpfen, welche nach § 935 bei Abhandenkommen einer Sache eintreten. So ist ferner unbestreitbar, daß ein Verhalten, welches keine Pflichtverletzung enthält, n i c h t durch nachträgliche Umstände den Charakter eines Verschuldens annehmen kann 1 0 9 . Aber d a m i t ist nicht ausgeschlossen, daß das Gesetz Jemanden, den kein Verschulden t r i f f t , nachträglich m i t den Rechtsfolgen belegt, die es sonst an ein Verschulden k n ü p f t 1 1 0 . 107

Vgl. unt. § 57. So z. B. C r o m e a. a. O. 109 D e r n b u r g I V § 21 I V . 110 Das scheint der F a l l zu sein bei dem „Verschulden", durch welches nach § 351 das Recht des R ü c k t r i t t s ausgeschlossen u n d nach § 347 (989) der Rückgabeverpflichtete m i t Schadensersatz belastet wird. E i n wirkliches Verschulden (welches stets eine Pflichtverletzung voraussetzt) k a n n n u r dann vorliegen, wenn z. B . der Käufer die Möglichkeit voraussehen konnte, daß für i h n i n Folge eines R ü c k t r i t t s die Verpflichtung der Rückgabe ent108

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Drittes

Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Jedoch ist das Prinzip, daß Schadenersatz auf Verschulden ber u h t , t r o t z mancher Ausnahmen so stark i n unserem Rechtsgefühl begründet, daß eine nachträgliche Schadenshaftung für Handlungen, die zur Zeit ihrer Vornahme kein Verschulden enthielten, i n der Regel nicht anzunehmen i s t ; so w i r d man, wenn eine Leistungspflicht m i t rückwirkender K r a f t entsteht, wenn z. B . eine Namens des A m i t festem Erfüllungstag eingegangene Verpflichtung v o n A genehmigt w i r d , den Verzug n i c h t m i t dem vor der Genehmigung liegenden Erfüllungstag eintreten lassen. R ü c k w i r k u n g k a n n nur v o m Gesetz angeordnet, nicht durch Verabredung der Parteien hergestellt werden ; die Parteien können den vorliegenden Rechtszustand nicht derart ändern, daß eine eingetretene Rechtswirkung als nicht eingetreten zu gelten hat, oder umgekehrt; denn d a m i t würden die Parteien i n die Rechte u n d Interessen D r i t t e r eingreifen, welche an dem vorhandenen Rechtszustand mitbeteiligt sind. Dagegen können die Parteien obligatorische Verpflichtungen v o n beliebigem I n h a l t unter sich begründen, daher auch sich verpflichten, einander das zu gewähren, was sie haben würden, wenn eine Tatsache, v o n der ihr Rechtsverhältnis abhängt, früher oder später oder gar nicht eingetreten wäre 1 1 1 . D u r c h solche Verpflichtungen können die Parteien auf obligatorischem Wege das Resultat der ihnen verschlossenen R ü c k w i r k u n g erstreben und, soweit die Forderungen stehen werde. Aber m a n w i r d §§ 347, 351 auch dann anwenden müssen, wenn der Käufer an die E v e n t u a l i t ä t des R ü c k t r i t t s nicht zu denken braucht. D a n n k a n n seine Behandlung der Sache, für die er niemandem verantwortlich zu sein glauben durfte, kein Verschulden sein. Aber es läßt sich rechtfertigen, daß er nachträglich, wenn es zum R ü c k t r i t t k o m m t , für ein v o m Standpunkt eines bonus pater familias nicht zu rechtfertigendes Verhalten (vgl. ob. § 4 Note 2) so einzustehen hat, wie ein Verpflichteter für schuldhafte Verletzung seiner Pflicht. Vgl. über die Kontroverse O e r t m a n n §§ 347, 1; 351, 1. 111 N u r den I n h a l t , nicht den Entstehungsmoment der Forderung können die Parteien dadurch ändern, daß sie die Forderung auf einen früheren Moment zurückbeziehen. W i r d z. B . i n einem a m 1. Februar ausgestellten Schuldschein der 1. Januar desselben Jahres als Fälligkeitst a g bezeichnet, so ist die Forderung dennoch erst am 1. Februar entstanden (wichtig z. B . i m K o n k u r s ) ; sie k a n n aber infolge der Zurückdatierung des Zahlungstages einen größeren I n h a l t haben, z. B. die Zinsen für den Januar umfassen. Der für den Januar zu berechnende Zinsbetrag ist aber kein Zins i m technischen Sinne des Wortes (denn die Parteien können daran, daß i m Januar keine Forderung bestand, nichts ändern) u n d unterliegt nicht dem Spezialrecht der Zinsen.

§ 43.

Tatbestand und

Rechtsfolge.

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durchgesetzt werden, auch herstellen. Die Unzulässigkeit gewillkürter R ü c k w i r k u n g u n d die Möglichkeit ihres obligatorischen Surrogats erwähnt das Gesetz an zwei Stellen: bei der Bestätigung nichtiger Verträge, § 141 I I , u n d beim bedingten Rechtsgeschäft m i t verabredeter Rückziehung, § 159. Das diesen Rechtssätzen zugrunde liegende Prinzip gilt allgemein; auf i h m beruht die bloß obligatorische K r a f t des verabredeten R ü c k t r i t t s u n d der i h m nachgebildeten Wandelung, sowie der Aufhebung eines Rechtsverhältnisses durch contrarius consensus 1 1 2 . A u c h ein Ehevertrag kann nicht so geschlossen werden, daß die Rechtsfolgen als in einem früheren Moment eingetreten gelten 1 1 3 ; wenn z. B . Gütergemeinschaft verabredet u n d wieder aufgehoben wird, so sind die Grundstücke gemeinsam geworden u n d können nur durch Auflassung wieder i n das frühere E i g e n t u m eines jeden der Ehegatten zurückgebracht werden. So k a n n auch die Tilgung einer Forderung nicht rückgängig gemacht, sondern nur eine neue Forderung m i t demselben I n h a l t , wie die frühere, hergestellt werden 1 1 4 . V I . Der R ü c k w i r k u n g ähnlich, aber von ihr zu unterscheiden, ist ein anderer Behelf der juristischen Technik, welchen m a n Z u r ü c k d a t i e r u n g von Rechten nennen k a n n 1 1 5 . In zahlreichen Fällen k o m m t es auf den Entstehungsmoment, das D a t u m , eines Rechtes an. So z. B . i m K o n k u r s , K O . § 1, 3, u n d bei der Zugehörigkeit eines Rechts zu den A k t i v e n oder Passiven eines Nachlasses. Bei der Aufrechnung muß die Gegenforderung i m Moment der Beschlagnahme, § 392, bzw. bei Erlangung der Kenntnis von der Zession bereits entstanden sein, § 406. Bei Vermögensübernahme u n d Vermögensnießbrauch k o m m e n die Ansprüche i n Betracht, welche zur Zeit der Vermögensübernahme bestanden, § 419, bzw. die Forderungen 1 1 6 , welche bei Bestellung des Nießbrauches entstanden waren, § 1086. Nach § 366 I I entscheidet für die Anrechnung der Leistung i n letzter L i n i e das A l t e r 112

Vgl. ob. § 5 Note 36. OLG. 10, 278: ein Ehe vertrag, der die Gütergemeinschaft v o n einem vor dem Vertragsschluß liegenden Moment an einführen w i l l , k a n n nicht eingetragen werden. 114 Vgl. ob. § 17 Note 28. 115 D e r n b u r g I § 102 V, § 150 I , § 54 I . 116 Das Gesetz gebraucht die Ausdrücke Forderung u n d Anspruch promiscué, vgl. ob. § 15 Note 91. 113

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Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

der Forderung. Nach A r t . 170 richtet sich ein vor 1900 entstandenes Schuldverhältnis nach altem Recht. Nach logischer Betrachtung ist ein Recht erst dann entstanden, wenn die letzte zu seiner Entstehung nötige Tatsache vor hegt. I n diesem Sinne werden aber die angeführten Rechtssätze n i c h t verstanden. Bedingte Rechte werden der Konkursmasse u n d dem Nachlaß zugerechnet, bedingte Rechte zu den Konkursforderungen, K O . § 67, u n d zu den Nachlaßverbindlichkeiten gezählt, obgleich diese Rechte und Forderungen nach B G B . § 158 erst m i t E i n t r i t t der Bedingimg entstehen 1 1 7 . Das beruht auf einer differenzierenden W e r t u n g der einzelnen Stücke des Tatbestands. Beim bedingten Rechtsgeschäft legt man den Nachdruck auf den Moment, i n welchem der rechtsgeschäftliche W i l l e unwiderruflich erklärt, die handelnde Person gebunden i s t ; es entspricht unserer anthropozentrischen Auffassung der Dinge, den W i l l e n als die wirksamste Ursache der Rechtsfolge zu betrachten. Dieser grundlegenden u n d das D a t u m des Rechts bestimmenden Tatsache gegenüber erscheint der E i n t r i t t der Bedingung als ergänzende Tatsache 1 1 8 . Daher w i r d die v o n der Bedingung abhängende Anwartschaft auf ein Recht zu dem Vermögen gerechnet, welches dem Gemeinschuldner bzw. Erblasser bereits angehört 1 1 9 , die Anwartschaft auf eine Forderung als ein zur Zeit der Konkurseröffnung oder des Erbfalles „begründeter" Anspruch aufgefaßt. Die Rückdatierung ist keine R ü c k w i r k u n g . Während bei der R ü c k w i r k u n g eine frühere Rechtslage nachträglich so beurteilt wird, als ob eine spätere Tatsache bereits eingetreten wäre, ist bei der W i r k u n g bedingter Rechtsgeschäfte eine solche Betrachtung durch B G B . § 158 ausgeschlossen; bedingte Rechte entstehen auch als aktive oder passive Bestandteile einer Konkursmasse oder eines Nachlasses erst m i t Erfüllung der Bedingung u n d bemessen sich inhaltlich nach diesem M o m e n t 1 1 9 a . Die Rückdatierung bedeutet n u r , daß den Anforderungen der §§ 1 und 3 K O . genügt 117 J ä g e r , K O . § 1 A n m . 57, § 3 A n m . 15. S t r o h a l , Erbrecht § 1 I I I 5; P l a n c k § 1967, 2 a, Vgl. H e l l m a n n , Konkursrecht 137 fg., 206 fg. 118 Obgleich es logisch keine Abstufungen der Kausalität gibt u n d jedes Stück des Tatbestandes wie jedes andere Mitursache der Rechtsw i r k u n g ist, vgl. ob. Note 64. 119 Vgl. ob. § 9 Note 2 a. us a j ) j e während der Schwebezeit der Bedingung gezogenen Früchte fallen nicht i n die Konkursmasse, J ä g e r , K O . § 1 Anm. 57.

§ 43.

Tatbestand und

Rechtsfolge.

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ist, wenn zur Zeit der Konkurseröffnung ein gewisses Stadium i m Entstehungsvorgang des Rechts bzw. der Konkursforderung erreicht ist. Es handelt sich u m Interpretation der W o r t e „gehören" u n d ,,begründetsein" i n §§ 1 u n d 3 K O . , nicht u m eine F i k t i o n i n bezug auf den Entstehungstatbestand der K o n k u r s a k t i v a und Konkursforderungen. Ebenso wie man sich i n bezug auf Konkursmasse u n d Nachlaß über § 158 hinwegsetzt, ist es meines Erachtens auch bei Anwendung anderer Vorschriften Auslegungsfrage, ob man eine bedingte Forderung als i m Sinne dieser Vorschriften bereits entstanden zu betrachten hat. Das scheint mir angemessen für die Aufrechnung gegenüber dem Zessionar u n d dem Pfändungsgläubiger, § 406, 392 1 2 0 ; u n d für den Übergang von Verpflichtungen auf den Übernehmer oder Nießbraucher eines Vermögens, § 419, 1086 1 2 1 ; ferner für die Auslegung von § 519 I I 1 2 2 u n d § 269 I 1 2 3 . Zurückdatierung v o n Rechten k o m m t vielfach auch dann vor, wenn die noch ausstehende Tatsache keine Bedingung, sondern eine sogenannte condicio juris ist. Als Konkursforderungen bzw. K o n k u r s a k t i v a gelten: die Forderung aus einer zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht ausgefüllten Blankourkunde 1 2 4 , aus einem ausgestellten, aber noch nicht i n den Verkehr gelangten Inhaberpapier 1 2 5 . Ferner gewisse Forderungen auf wiederkehrende Leistungen, wenn das zugrundeliegende Rechtsverhältnis bei K o n kurseröffnung bereits bestand, so insbesondere die Leibrente 1 2 6 120

R G . 73, 141: a. A. P l a n c k u n d S t a u d i n g e r zu § 392. P l a n c k u n d B i e r m a n n zu § 1068. 122 P 1 a n c k § 519, 2 ; D e r n b u r g I I § 208, 5a; E n n e c c e r u s § 345 1 6; a. A. O e r t m a n n § 519, 6 a . 123 E n n e c c e r u s § 247 Note 5; O e r t m a n n § 269, 4; a. A . P l a n c k § 269, 2. 124 J ä g e r , K O . § 3 A n m . 21 (mit der ungenauen Begründung, es liege eine bedingte Forderung vor, vgl. T u h r , Unwiderr. Vollmacht 94 Note 3); a. A . H e l l m a n n 211. 125 J ä g e r , K O . § 3 A n m . 22. 128 J ä g e r , K O . § 1 A n m . 37, § 3 A n m . 20. Die Leibrente als solche ist keine Forderung u n d noch weniger ein Anspruch, sondern ein Rechtsverhältnis, aus welchem einzelne Forderungen entstehen, so oft der Berechtigte bestimmte Zeitpunkte erlebt, vgl. ob. § 16 N o t e 13. Die Gesamtheit dieser Forderungen w i r d , trotzdem sie v o n der conditio juris des E r lebens künftiger Zeitpunkte abhängen, als bereits entstandene Konkurs forderung v o n unbestimmtem Betrag, K O . § 69, behandelt, u m dem Leibrentenberechtigten eine anteilmäßige Befriedigung zu ermöglichen. Eben121

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Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

u n d die Schadenersatzrente aus § 843/4 1 2 7 ; die Regreßforderung des Bürgen oder Wechselindossatars, der zur Zeit der Konkurseröffnung noch n i c h t gezahlt hat 1 2 8 . Diese Forderungen werden, auch wenn es sich u m einen Nachlaß handelt, als schon entstanden betrachtet 1 2 9 ; die Analogie spricht für gleiche Behandlung auch i n bezug auf andere Rechtssätze, bei denen es auf das D a t u m des Rechts a n k o m m t 1 3 0 . Die Frage der Rückdatierung läßt sich meines Erachtens nicht durch logische Argumentationen, sondern nur durch Erwägung der Angemessenheit des Resultats entscheiden. So w i r d zum Beispiel allgemein angenommen, daß eine Lohnforderung aus einem vor Konkurseröffnimg geschlossenen Dienstvertrag für die Zeit nach Konkurseröffnung nicht zur Konkursmasse g e h ö r t 1 3 0 a . Dies Resultat läßt sich aber nicht d a m i t begründen, daß man die Lohnforderung als noch nicht entstanden bezeichnet 1 3 1 ; denn i m selben Sinne sind auch Mietzinsforderungen aus Mietverträgen, die vor Konkurseröffnung geschlossen sind, noch nicht entstanden, u n d gehören dennoch zur Konkursmasse. Daß die Lohnforderung nicht zur Konkursmasse gehört, beruht nicht auf logischen, sondern auf ökonomisch-sozialen Gründen; wie die Arbeitskraft des Gemeinschuldners außerhalb des Konkurses bleibt 1 3 2 , so w i r d dem Gemeinschuldner auch der Vermögens vor teil überso w i r d die Gesamtheit der Leibrentenraten (nicht nur, wie J ä g e r § 1 A n m . 37 sagt, die während des Verfahrens fällig werdenden Raten) zur Konkursmasse gerechnet. 127 J ä g e r , K O . § 3 A n m . 43; H e l l m a n n 209. 128 J ä g e r , K O . § 3 A n m . 24 (auch diese Forderung ist nicht bedingt, sondern von einer condicio juris abhängig); H e l l m a n n 210. 129 Nachlaßverbindlichkeiten (und wohl auch Konkursforderungen) sind Schadensersatzforderungen aus einem vor dem Erbfall resp. der Konkurseröffnung begangenen D e l i k t , dessen schädliche Folgen erst später eintreten; P l a n c k § 1967, 2 a, vgl. ob. § 5 Note 30. Auch für die Anwendung des A r t . 170 entscheidet der Moment des Delikts, nicht des Schadens; P l a n c k A r t . 170, 4. Ebenso dürfte die Zugehörigkeit des Schadensersatzanspruchs aus § 440 I I nicht davon abhängen, daß die Kaufsache bereits dem D r i t t e n herausgegeben oder dem Verkäufer zurückgegeben oder untergegangen ist. 130 So bezeichnet R G . 73, 138 die Regreßforderung des Bürgen, bevor er gezahlt hat, als i m Sinn v o n § 406 bereits begründet, vgl. B i e r • m a n n § 1086, 1. 130a S e u f f e r t , Konkursprozeß § 15 A n m . 3; a. A. H e l l m a n n 141. 131 So J ä g e r , K O . § 31 A n m . 54, 55. 132 Vgl. ob. § 18 Note 28.

§ 43.

Tatbestand und

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Rechtsfolge.

lassen, den er aus seiner Arbeitskraft gewinnt. D a r u m k a n n die Lohnforderung i n bezug auf andere Rechtssätze, §§ 392, 406, 419, 1086, bei denen diese Erwägungen nicht mitsprechen, sehr wohl als begründet bezeichnet werden. Auch die Behandlung der Alimentenforderungen i n bezug auf § 1086 (und § 419) k a n n meines Erachtens nicht aus der j u r i stischen K o n s t r u k t i o n derselben abgeleitet werden. Das Alimentenrecht ist, wie das Leibrentenrecht, keine einheitliche Forderung, sondern ein Rechtsverhältnis, aus welchem einzelne Forderungen i n den durch § 1612 (§ 760) bestimmten Momenten erwachsen 1 3 3 . F ü r das Unterhaltsrecht des unehelichen Kindes genügt das E r leben dieser Z e i t p u n k t e ; für das Unterhaltsrecht aus V e r w a n d t schaft muß außerdem i n diesen Momenten Bedürftigkeit des Berechtigten, § 1602, u n d Leistungsfähigkeit des Berechtigten, § 1603, v o r l i e g e n 1 3 3 a . Daraus folgert P l a n c k 1 3 4 , daß der Vermögensnießbraucher (und ebenso w o h l auch der Vermögensübernehmer) zum U n t e r h a l t eines unehelichen Kindes verpflichtet ist, wenn das K i n d bei Bestellung des Nießbrauches bzw. bei Übernahme des Vermögens geboren ist, während ein eheliches K i n d sich nur für die i n diesem Moment bereits fällige Rate an den Nießbraucher oder Übernehmer des Vermögens halten könne. Dieser Entscheidung k a n n ich weder für das uneheliche noch für das eheliche K i n d zustimmen. Die Unterhalts forderung des unehelichen Kindes entsteht zwar erst m i t der Geburt, beruht aber auf einer durch die Erzeugung begründeten Anwartschaft 1 3 5 , welche meines Erachtens durch Veräußerung oder Belastung des Vermögens nicht vereitelt werden k a n n ; die Unterhaltsforderung sollte daher als i m Sinne des § 1086 entstanden gelten, wenn das K i n d bei Bestellung des Nießbrauches erzeugt ist. Unerträglich erscheint m i r die v o n P l a n c k dem ehelichen K i n d zugewiesene Rechtsstellung. Soll ein Vater, der bisher sein eheliches K i n d zu erhalten hatte, sich dieser Pflicht dadurch entziehen können, daß er sein Vermögen weggibt oder m i t Nießbrauch belastet 1 3 6 ? Das A r g u m e n t , m i t welchem diese 133 Vgl. ob. § 16 S. 271, i33a YÜI den Konkurs ist das Schicksal dieser Ansprüche K O . § 3 I I geregelt.

134 135

durch

§ 1086, 2.

Vgl. ob. § 9 Note 39; E n d e m a n n I I § 207 Note 19. 136 Anfechtung wäre nicht möglich, weil Weggabe oder Belastung des Vermögens i m Alimenten Verhältnis nicht Minderung des HaftungsHandbuch X . 1 I I : v o n T u h r I I . 1.

3

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Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Entscheidung begründet w i r d : „daß die Alimentenforderung r wenn u n d soweit Bedürftigkeit u n d Leistungsfähigkeit vorliegt, i n jedem Augenblick v o n neuem entsteht", ist nicht überzeugend; denn auch die Alimentenforderung des unehelichen Kindes entsteht genau genommen t r a c t u temporis. Jede Alimentenrate de& unehelichen wie des ehelichen Kindes ist abhängig von der cond i d o iuris des Erlebens künftiger Zeitpunkte. Der Unterschied besteht nur darin, daß i n diesen Momenten für die Alimentenforderung des ehelichen Kindes noch die weiteren Voraussetzungen (der Bedürftigkeit u n d Leistungsfähigkeit) vorliegen müssen. W e n n m a n n u n die Alimentenforderung des unehelichen Kindes, u m es i n den Fällen der §§ 419, 1086 nicht schutzlos zu lassen r als i n einem früheren Moment entstanden betrachtet, so m u ß eine Zurückdatierung auch für die Ahmentenforderung des ehelichen Kindes zulässig sein. Es k a n n sich nur fragen, welcher frühere Moment für die Zurückdatierung maßgebend sein solL I c h glaube, daß die Alimentenforderung als entstanden gelten k a n n u n d daher dem Nießbraucher oder Vermögensübernehmer zur Last fallen muß, wenn bei Bestellung des Nießbrauches oder bei der Vermögensübernahme Leistungsfähigkeit des Verpflichteten u n d Bedürftigkeit des Kindes vorlag 1 3 7 .

§ 44.

Ursprünglicher und abgeleiteter Rechtserwerb *.

I . Die mannigfaltigen Tatbestände, welche zum E r w e r b eines Rechtes führen 1 , lassen sich i n zwei große Gruppen zerlegen: objekts, sondern Herabsetzung des von der Größe des Vermögens abhängenden Betrags der Verpflichtung bedeutet, vgl. ob. § 18 Note 44. Klage aus § 826 ist nur dann möglich, wenn dem Empfänger ein Verstoß gegen die guten Sitten nachgewiesen wird, R G . 74, 225. 187 Dabei ist m i t B i e r m a n n Bem. 1 zu § 1086 die Leistungsfähigkeit des Schuldners ohne Rücksicht auf die Weggabe oder Belastung seines Vermögens zu beurteilen; denn es ist ein notwendiges Korrelat der beschränkten Verpflichtung, daß willkürliche Verminderimg des Vermögens, von dessen Größe der Betrag der Verpflichtimg abhängt, denSchuldner nicht entlasten kann, vgl. ob. § 18 Note 44. * W i n d s c h e i d § 66; R e g e l s b e r g e r § 119; B e k k e r § 33; G i e r k e I § 32 I ; D e r n b u r g § 103; E n d e m a n n § 58, 1; C o s a c k § 23 I V ; E n n e c c e r u s § 130/2; K o h l e r § 53; C r o m e § 71; B i e r m a n n § 40, 2; H e 11 w i g , Wesen u n d subj. Begrenzung der Rechtskraft (1901) S. 94 fg., 242 fg., u n d Lehrb. des ZivProz. § 39 f g . ; R o m e i c k , Zur Technik des B G B . , H e f t I I I (1904); S o h m , Gegens t a n d S. 31 fg.; B i n d e r » , Zeitschr. f. Handelsr. 59, 48 fg.; v. S c h w e r i n , Begriff der Rechtsnachfolge, Diss. (1905). 1 E i n Recht erwerben kann nur, wer das Recht nicht schon hat, vgl.

§ 44.

Ursprünglicher u n d abgeleiteter Rechtserwerb.

bisweilen gehört zum Tatbestand des Rechtserwerbs das Bestehen eines anderen Rechts: dann ist der Erwerb des neuen Rechts von der Existenz des bereits bestehenden Rechts abgeleitet, derivativ. B e i m abgeleiteten E r w e r b ist „ d i e neu begründete Rechtsstellung m i t einer anderen derart i n Verbindung, daß die letztere als das Ursprungsverhältnis erscheint u n d sonach die Entstehung der neuen Rechtsstellung b e d i n g t " 2 . I n anderen Fällen ist der Rechtserwerb unabhängig v o n dem Bestehen eines anderen Rechts; solchen Erwerb nennt m a n ursprünglich, originär. Der abgeleitete Erwerb k a n n sich ohne Änderung des Rechtssubjekts vollziehen 3 ; es entsteht aus einem Recht durch H i n z u t r i t t neuer Tatsachen für dasselbe Subjekt ein neues Recht. So erwirbt der Eigentümer m i t der Trennung v o n Erzeugnissen u n d Bestandteilen das Eigentum an denselben, § 953. So entsteht für den Eigentümer bei Beschädigung der Sache die Ersatzforderung aus § 823. Der Eigentümer k a n n für sich selbst eine Grundschuld bestellen, § 1196. I n den meisten Fällen ist der abgeleitete Erwerb m i t einem Wechsel des Rechtssubjekts verbunden: Rechtsnachfolge, Sukzession. Das frühere Rechtssubjekt u n d das jetzige stehen einander gegenüber als Rechtsvorgänger, A u t o r , u n d Rechtsnachfolger, Sukzessor 4 . Der einfachste F a l l der Sukzession ist Übergang eines Rechts i n seinem vollen objektiven Bestand auf ein neues Subjekt: translative Sukzession 5 . Aber die Rechtsnachfolge erfordert nicht I d e n t i t ä t des Rechts des Vorgängers u n d des Rechtsnachfolgers; Sukzession liegt auch dann vor, wenn ein T e i l der Befugnisse, welche zum I n h a l t eines Rechts gehören, auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen u n d daraus ein neues, aus der Substanz des alten Rechts entnommenes Recht hergestellt w i r d : konstitutive Sukzession 6 . ob. § 43 Note 7. R G . 80, 316: der Eigentümer des Grundstücks k a n n dem Nießbraucher die Mietzinsen nicht abtreten, welche dem Nießbraucher nach § 577 zustehen. 2 H e 11 w i g , Lehrb. § 39 I . 3 B i e r m a n n a. a. O. 4 Über Sukzession i n Pflichten vgl. ob. § 12 V . 5 Die begriffliche Möglichkeit der translativen Rechtsnachfolge ber u h t auf der i n unseren juristischen Denkgewohnheiten herrschenden Vorstellung, daß ein Recht sein Subjekt wechseln kann, ohne die I d e n t i t ä t zu verlieren, vgl. ob. § 1 2 1. R e g e l s b e r g e r § 120 I . 6 Vgl. unt. § 45.

36

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

V i e l weiter faßt H e l l w i g 7 den Begriff der Rechtsnachfolge, indem er auch solche Fälle dazu rechnet, i n denen das Recht des B nicht v o n einem Recht des A abgeleitet, sondern durch ein Rechtsgeschäft des A begründet ist. Eine solche „Rechtsnachfolge durch Rechtsverleihung' ' soll beim Vertrag zugunsten D r i t t e r vorliegen: der D r i t t e soll Rechtsnachfolger des Promissars sein insofern, „als seine Berechtigung durch die des letzteren u n d durch die Gültigkeit der Verfügung bedingt ist, die der Promissar dadurch t r i f f t , daß er sich die Leistung an den D r i t t e n versprechen l ä ß t " . Die herrschende Meinung ist diesem Gedankengang meines Erachtens m i t Recht nicht gefolgt 8 . Der D r i t t e erwirbt seine vorher nicht existierende Forderung originär durch das Versprechen des Schuldners; er verdankt sie allerdings einer Zuwendung des Promissars. die darin besteht, daß der Promissar durch sein Rechtsgeschäft u n d auf seine Kosten diese Forderung des D r i t t e n verschafft; aber eine Zuwendung k a n n auch auf anderem Wege, als durch Übertragung eines Rechts, stattfinden 9 . Ebenso verhält es sich m i t Zuwendungen auf dem Wege der Anweisung: wenn A dem C eine Anweisung auf B gibt u n d B infolgedessen an C eine Leistung macht oder die Anweisung a n n i m m t , so hat A dem C die Sache bzw. die Forderung verschafft, ohne Rechtsvorgänger des C in bezug auf das E i g e n t u m oder die Forderung zu sein 1 0 . Die Rechtsstellung des Rechtsnachfolgers beruht auf den Tatsachen, aus welchen das Recht beim Vorgänger entstanden ist (Entstehungstatbestand), u n d auf den Tatsachen, welche den Übergang des Rechts b e w i r k t haben (Sukzessionstatbestand). Letztere Tatsachen sind entweder eine Verfügung 1 1 des Rechtssubjekts 1 2 oder eine Aneignungshandlung des Erwerbers 1 3 , oder 7

Rechtskraft § 41, Lelirb. § 40 I I 5. O e r t m a n n § 328, 2. 9 Vgl. unt. Note 115. 10 A u c h bei der Anweisung auf Schuld ist A nicht Rechtsvorgänger des C; denn die Forderung des C gegen B ist originär durch die Annahme entstanden u n d unabhängig davon, ob eine Forderung des A gegen B bestanden hat, § 784 I . 11 S o h m , Gegenstand 35. 12 Oder eines D r i t t e n , der die Befugnis oder, bei gutem Glauben des Erwerbers, die Möglichkeit hat, ein i h m nicht zustehendes Recht zu übertragen, vgl. unt. V. 13 Das Aiieignungsrecht kann durch Rechtsgeschäft des Aneignenden 8

§ 44.

Ursprünglicher

u n d abgeleiteter

Rechtserwrb.

ein sonstiger Tatbestand, dem das Gesetz die K r a f t beilegt, ein Recht auf ein neues Subjekt zu übertragen 1 4 . F ü r das materielle Recht ergibt sich aus demBegriff der Rechtsnachfolge, daß der Nachfolger kein besseres Recht haben kann, als der Vorgänger. Erweist sich, daß das Recht des Vorgängers nicht existiert, oder ist es infolge einer Anfechtung als nicht bestanden habend zu betrachten, so existiert auch das Recht des Nachfolgers n i c h t ; ist das Recht des Vorgängers v o n T e r m i n oder Bedingung abhängig oder m i t sonstigen Beschränkungen oder m i t Belastungen behaftet, so gilt dasselbe v o m Recht des Nachfolgers 1 5 . I m Prozeß k o m m t die Rechtsnachfolge i n wichtigen Bestimmungen i n B e t r a c h t : vor allem für die W i r k u n g der Rechtshängigkeit, ZPO. § 265, für die Rechtskraft, ZPO. § 325, für die Vollstreckung für u n d gegen Rechtsnachfolger, ZPO. § 727, für die Zuschiebung des Eides, ZPO. § 445. Es liegt nahe, anzunehmen, daß der weder i m B G B . noch i n der ZPO. definierte Begriff der Rechtsnachfolge für beide Gebiete identisch ist 1 6 . Doch läßt sich dieses für die logische Einheit des Rechts erwünschte Resultat meines Erachtens nicht herstellen, ohne den Denkformen des materiellen Rechts oder den praktischen Bedürfnissen des Prozesses Gewalt anzutun; man w i r d nicht u m h i n können, den zivilrechtlichen Begriff der Rechtsnachfolge bei gewissen prozessaalen Vorschriften als nicht schlechthin maßgebend zu betrachten 1 7 . Dem abgeleiteten Erwerb geht bisweilen ein Vorstadium voraus, i n welchem dem Erwerber eine Anwartschaft oder ein A n eignungsrecht zusteht. So besteht bei bedingter T r a d i t i o n zunächst eine Anwartschaft, aus der bei E i n t r i t t der Bedingung ausgeübt werden, oder durch eine von i h m erwirkte Amtshandlung, z. B . die Überweisung nach ZPO. § 835, vgl. ob. § 7 Note 7 c. 14 § 412: „Übertragung kraft Gesetzes." 15 Dagegen gehört es nicht zum Wesen der Sukzession, daß Verpflichtungen des Vorgängers, selbst wenn sie sich auf das übergehende Recht beziehen, auf den Nachfolger übergehen; vgl. über mittelbar zuständige Pflichten ob. § 4 I V . A u c h die Einreden, die dem Anspruch des Rechtsvorgängers' anhaften, stehen nicht immer dem Nachfolger entgegen, vgl. Bd. I S. 301. Die Anfechtbarkeit eines Erwerbes überträgt sich unter bestimmten Voraussetzungen auf den Nachfolger des Erwerbers, K O . § 40, AnfG. § 11. 16 H e l l w i g , Lehrb. § 139 Note 3; D e r n b u r g I § 103 I . 17 R G . 47, 71. 82, 38. E n n e c c e r u s § 131 Note 5; J ä g e r , K O . § 40 A n m . 8. Vgl. unt. Note 114.

38

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

das Eigentum erwächst 1 8 ; der Nießbraucher und der i m Besitz der Sache befindliche Pächter haben eine Anwartschaft auf die Früchte u n d erwerben auf Grund derselben das Eigentum m i t der Trennung der F r u c h t 1 9 . Die Übergabe des Mobiliareigentums k a n n so erfolgen, daß der Erwerber zunächst ein Aneignungsrecht erhält, durch dessen Ausübung er Eigentümer w i r d ; dieselbe Rechtslage entsteht bei Überlassung der Fruchtziehung ohne Einräumung des Besitzes an der Hauptsache 2 0 . I n allen diesen Fällen ist der Erwerb derivativ, weil die den definitiven Erwerb vermittelnde Anwartschaft oder Aneignungsbefugnis aus dem Recht des früheren Eigentümers abgeleitet ist 2 1 . Als Z e i t p u n k t der Rechtsnachfolge ist nicht der E i n t r i t t des Vor stadiums zu betrachten, sondern die Vollendung des Rechtserwerbs. So erfolgt bei Aneignungsrecht oder Anwartschaft an künftigen Sachen die Sukzession erst m i t Entstehung der Sache, bei Aneignung auf G r u n d einer Erlaubnis des Eigentümers erst m i t der Aneignungshandlung. A u c h bei bedingten u n d befristeten Verfügungen scheint es m i r richtiger, den Erwerber nicht schon m i t Entstehung seiner Anwartschaft, sondern erst m i t Vollendung seines Erwerbes als Rechtsnachfolger des Veräußerers zu betrachten 2 2 . Daher erwirbt er das Recht i n der Beschaffenheit, die es i n diesem Momente hat. Bis zum E i n t r i t t der Bedingung g i l t der Veräußerer als Subjekt des bedingt veräußerten Rechtes; er k a n n daher z. B . für die zedierte Forderung Nebenrechte, Pfänder u n d Bürgschaften, erwerben 2 3 ; Kündigungen des Schuldners entgegennehmen, sogar über das Recht verfügen. Aber er verfügt nur über den nach Abzweigung der Anwartschaft des bedingten Erwerbers 2 4 i h m verbliebenen Rest seines Rechtes. Daher werden Verfügungen, soweit sie das Recht des Erwerbers 18

S t r o h a l , Grenzen der Urteilsrechtskraft 12 fg. Vgl. ob. § 9 Note 19. 20 Vgl. ob. § 8 I I I 3 u n d 4. 21 Vgl. S e y d e 1, Fruchterwerb 651. Dagegen beruht das Aneignungsrecht u n d daher das E i g e n t u m des Eigenbesitzers, der das Aufgebotverfahren gegen den Grundeigentümer durchführt, nicht auf dem Eigentum des Ausgeschlossenen; daher ist der Erwerb originär. 22 P l a n c k § 161, 2; H e 11 w i g , Grenzen der Rückwirkung 11; a. A . S t r o h a l , Grenzen der U r t e i l s k r a f t ; S t a u d i n g e r § 158 A n m . 11. O e r t m a n n § 158, 2 c ; E n n e c c e r u s § 185 Anm. 11. 23 H e 11 w i g a. a. O. 12. 24 Vgl. u n t . § 45 Note 47. 19

§ 44.

Ursprünglicher

u n d abgeleiteter

Rechtserwerb.

beeinträchtigen würden, m i t E i n t r i t t der Bedingung unwirksam,

§ 161 2 5 .

Der Rechtsnachfolge geht häufig voraus ein obligatorisches Rechtsverhältnis, aus welchem dem künftigen Rechtserwerber eine Forderung auf den Erwerb zusteht 2 6 . Dies Vorstadium ist i n keinem F a l l entscheidend für den Moment des E i n t r i t t s der Rechtsnachfolge; der Käufer ist nicht v o m Kaufvertrag, sondern erst v o n der Tradition an Sukzessor des Verkäufers i m Eigent u m 2 7 . Das gilt selbst dann, wenn seine Forderung durch Vormerkung gesichert ist; denn die Vormerkung ist eine Qualität der Forderung, durch welche ihr absolute K r a f t (Durchsetzbarkeit gegen D r i t t e ) verliehen w i r d 2 8 . Die Tatsachen, welche den Übergang eines Rechts bewirken, treten gewöhnlich nach Entstehung des Rechts ein, können aber -auch gleichzeitig m i t der Entstehung des Rechts vorliegen, so daß das Recht i m selben Augenblick, i n welchem es bei A entstehen würde, infolge des gleichzeitig vorliegenden Sukzessionstatbestandes i n der Person des B entsteht. So verhält es sich z. B . i n einigen Fällen der sogenannten dinglichen Surrogation, z. B . i n § 2019 u n d 2041; der v o m Erbschaftsbesitzer oder Miterben m i t M i t t e l n des Nachlasses erworbene Gegenstand geht sofort m i t dem Erwerb auf den Erben bzw. die Gesamtheit der E r b e n über 2 9 . so daß der Erwerber keinen Augenblick Inhaber des Rechts ge25 Dagegen ist Prozeßführung des Veräußerers vor E i n t r i t t der Bedingung nach ZPO. § 325 dem Erwerber gegenüber wirksam, vgl. unt. § 54. 26 I n der älteren Lehre des gemeinen Rechts nannte m a n den Anspruch auf Erwerb titulus, die Erwerbstatsache modus acquirendi, R e g e i s b e r g e r § 119 I I . 27 Demgemäß ist unmittelbarer Rechts Vorgänger des Vermächtnisnehmers nicht der Erblasser, sondern der Erbe, der i n E r f ü l l u n g der Vermächtnisforderung, § 2174, den vermachten Gegenstand an den Vermächtnisnehmer veräußert. Trotzdem w i r d m a n m i t J ä g e r , K O . § 40 A n m . 8 den Vermächtnisnehmer i m Sinn von K O . § 40 als Rechtsnachfolger des Erblassers behandeln müssen. 28 Vgl. ob. § 9 Note 34, § 11 S. 206. D a der Vorgemerkte erst durch Auflassung und Eintragung Eigentum erwirbt, ist er nach ZPO. § 325 a n die Prozesse gebunden, die der Eigentümer nach der Eintragung der Vormerkung beginnt. A . A . H e l l w i g , Rechtskraft 256; S t r o h a 1 a. a. O. 26, die die Vormerkung als dingliches Recht bezeichnen. 29 Findet die Verwendimg der Nachlaßmittel zum Erwerb erst nach d e m Erwerb statt, so geht der erworbene Gegenstand erst i n diesem Moment auf den Nachlaß über, ob. § 2 Note 26.

40

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

wesen i s t ; trotzdem ist er i n der Reihe der Sukzessoren mitzuzählen, weil das Recht v o n i h m erworben und infolge des zwischen i h m u n d dem Surrogationsberechtigten vorliegenden Tatbestandes auf diesen übergegangen ist. Der Sukzessionstatbestand kann auch vor der Entstehung des Rechts liegen: so bei Verfügungen über Anwartschaften und künftige Rechte 3 0 (auf welche der Verfügende nicht einmal eine Anwartschaft hatte). Überträgt A dem B ein bedingtes Recht u n d t r i t t nunmehr die Bedingung ein, so entsteht das Recht, wenn es ohne die A b t r e t u n g für A entstanden wäre, für B . Als dessen Rechtsvorgänger ist A , obgleich das Recht i h m nie zugestanden hat, zu betrachten 3 1 , weil i n seiner Person die Tatbestände der Begründung u n d der Übertragung des Rechts sich ereignet haben. Rechtsnachfolge findet nicht n u r i n einzelne Rechte, sondern auch i n ganze Rechtsverhältnisse statt 3 2 : der Erbe t r i t t i n die Rechtsverhältnisse des Erblassers ein, der Erwerber eines Grundstückes i n das v o m Veräußerer begründete Mietverhältnis, § 571. Die Mietzinsforderungen, welche ohne die Veräußerung des Grundstücks beim früheren Eigentümer entstanden wären, entstehen nunmehr für den Erwerber. Aber der Erwerber ist nur i n bezug auf das MietsVerhältnis, nicht i n bezug auf die Mietzinsforderungen als Rechtsnachfolger des Veräußerers zu betrachten 3 3 : denn die Mietzinsforderungen entstehen für i h n (abgesehen von den Ausnahmsvorschriften der §§ 573/4) auch dann, wenn sie für den Veräußerer infolge einer antizipierten Verfügung nicht entstehen würden 3 4 . 30

Vgl. ob. § 12 I V . Vielfach w i r d ein, wenn auch nur gedankenmäßiger, Durchgang des Rechts durch die Person des antecipando Verfügenden angenommen, P l a n c k § 398, 4 e ; O e r t m a n n § 399, l g ; S ü ß , Abtretung künftiger Ansprüche 66; R G . 60, 204, 213. Meines Erachtens ist diese dem tatsächlichen Vorgang nicht entsprechende K o n s t r u k t i o n nicht erforderlich, u m die Wirkungen zu erklären, die sich aus dem SukzessionsVerhältnis ergeben, vgl. unt. § 60. 32 Vgl. ob. § 12 I I . 33 H e l l w i g , Rechtskraft § 35 A n m . 6, § 56 A n m . 18. 34 Anders verhält es sich, wenn ein Darlehnsgläubiger die künftigen Zinsen an A u n d sodann die Hauptforderung an B zediert. Das Darlehensverhältnis, aus welchem, so lange es besteht, d. h. solange das K a p i t a l n i c h t zurückgezahlt ist, die Zinsforderungen pro rata temporis entstehen, ist beim Zedenten verblieben; daher entstehen die Zinsforderungen in31

§ 44.

Ursprünglicher u n d abgeleiteter

Rechtserwerb.

I I . Originärer Erwerb liegt vor, wenn das Recht des E r werbers nicht auf dem Recht eines Vorgängers beruht. Das ist immer dann der Fall, wenn ein Recht dieses Inhaltes i m Moment des Erwerbes nicht existierte. So w i r d z. B . eine Forderung durch den sie begründenden Schuldvertrag originär erworben. So entsteht durch Aneignung herrenloser Mobilien, § 958, originäres Eigentum, u n d zwar selbst dann, wenn die Sache erst durch Dereliktion, § 959, herrenlos geworden ist 3 5 . Allerdings ist i n diesem Falle gültige Dereliktion durch den bisherigen Eigentümer Voraussetzung der wirksamen Aneignung; der Okkupant w i r d n u r dann Eigentümer, wenn der Derelinquent es war. Aber zum Tatbestand der Aneignung gehört nicht, wie es der Begriff der Sukzession voraussetzt, das Bestehen eines Rechts, sondern gerade umgekehrt die Herrenlosigkeit der Sache. Das Eigentum des Derelinquenten ist erloschen; durch die Aneignung entsteht neues Eigentum 3 6 , welches zeitlich u n d inhaltlich m i t dem des Derelinquenten nicht zusammenhängt 3 7 . W i r d das Eigentum an einem Grundstück aufgegeben, so entsteht zunächst ein ausschließliches Aneignungsrecht des Fiskus, auf G r u n d dessen der Fiskus durch Eintragung E i g e n t u m e r w i r b t , § 928 3 8 . Auch hier ist das Aneignungsrecht u n d daher das Eigent u m des Fiskus abhängig von der gültigen Dereliktion durch den wahren Eigentümer des Grundstücks. Trotzdem ist der Erwerb folge der früheren Verfügung des Zedenten statt i n seiner Person bei A , nicht bei B , der nicht, wie der Erwerber eines vermieteten Grundstücks, i n das Schuldverhältnis, sondern nur i n die Hauptforderung aus denselben sukzediert ist. 36 So die herrschende Meinung, P l a n c k § 958, 5; E n n e c c e r u s § 130 I 1; R o m e i c k a. a. O. 78; S o h m a. a. O. 36; a. A . H e l l w i g , Rechtskraft 271, Lehrb. § 40 Note 32. 36 Daß der Okkupant die Sache m i t denselben dinglichen Belastungen erwirbt, welche vor der Dereliktion bestanden, ist kein Argument für abgeleiteten E r w e r b ; denn die dinglichen Rechte verleihen eine von der Person des jeweiligen Eigentümers unabhängige Herrschaft, vgl. u n t . Note 74 u n d überdauern daher den Zeitraum der Herrenlosigkeit der Sache. 37 Originär ist der Erwerb durch Okkupation selbst dann, wenn A die Sache i n der E r w a r t u n g u n d zu dem Zweck derelinquiert, daß B sie okkupieren soll; A verliert sein Eigentum auch dann, wenn diese E r w a r t u n g nicht i n Erfüllung geht. Anders wenn die Dereliktion v o m Eigentumserwerb des B abhängig gemacht i s t ; dann liegt aber nicht Dereliktion und Aneignimg, sondern Übertragung des Eigentums vor. 38 Vgl. ob. § 8 I I .

42

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

als originär 3 9 zu bezeichnen 3 9 a ; denn die Aneignungsbefugnis ist nicht aus dem Recht des früheren Eigentümers abgeleitet, sondern eine allgemeine gesetzliche Folge der Herrenlosigkeit v o n Grundstücken; der Fiskus k a n n sich das Grundstück aneignen, nicht weil zwischen i h m u n d dem bisherigen Eigentümer irgendeine Rechtsbeziehung (ein Sukzessionstatbestand) vorliegt, sondern weil die Herrenlosigkeit eines Grundstücks nicht jedem beliebigen Okkupanten, sondern nur dem Staate zugute kommen soll 4 0 . Der Erwerb k a n n originär sein, obgleich ein Recht gleichen Inhaltes bereits für ein anderes Rechtssubjekt bestand; der Erwerb ist trotzdem originär, wenn das jetzige Recht nicht v o m früheren abgeleitet ist, sondern einen selbständigen Entstehungstatbestand hat. D a n n liegt nicht Sukzession vor, sondern eine Aufeinanderfolge v o n Rechten, welche man Verdrängung oder Ablösung v o n Rechten nennen kann, je nachdem die Entstehung des neuen oder der Wegfall des alten Rechts als das logische Prius erscheint. Verdrängung von Rechten liegt dann vor, wenn das frühere Recht deshalb untergeht, weil sein Fortbestand m i t der Existenz des neuen Rechts unvereinbar ist. Der H a u p t f a l l der Unvereinbarkeit v o n Rechten zeigt sich beim Eigentum. Das Musterbeispiel der Rechts Verdrängung ist daher die Ersitzung 4 1 ; der Ersitzende gründet seinen Erwerb auf langjährigen Eigenbesitz i n Verbindung m i t gutem Glauben oder m i t Eintragung, §§ 937. 900, u n d steht zum früheren Eigentümer i n keinerlei Beziehung. Die primäre W i r k u n g der Ersitzung ist Eigentumserwerb; daraus ergibt sich, weil zwei Eigentumsrechte an derselben Sache nicht bestehen können, das Erlöschen des früheren Eigentums. Ebenso verhält es sich m i t dem Eigentumserwerb des Finders, § 973. Originär ist ferner der Eigentumserwerb durch Verbindung und 39

RG.J82, 74. Vgl. O L G . 27, 160. Die m i t dem Grundstück verbundenen subjektiv-dinglichen Rechte, § 96, stehen dem Fiskus nach der Aneignung zu, u n d zwar m i t demselben I n h a l t , den sie beim Voreigentümer hatten. Zur Erklärung dieser Tatsache braucht m a n nicht abgeleiteten Erwerb anzunehmen; denn diese Rechte „gelten als Bestandteil des Grundstückes", d. h. sie stehen jedem Eigentümer zu ohne Rücksicht darauf, i n welcher Weise er das Eigentum erworben hat, vgl. Bd. I S. 66, 77. 40 Dagegen beruht die i m Jagd- und Fischereirecht enthaltene ausschließliche Aneignungsbefugnis auf Eigentum an einem Grundstück oder ist v o m Eigentum abgeleitet; der Eigentumserwerb ist daher derivativ. 41 W i n d s c h e i d § 175 Anm. 4; H e 11 w i g , Rechtskraft 271; Lehrb. § 39 Note 6. 39 a

§ 44.

Ursprünglicher

u n d abgeleiteter Rechtserwerb.

4.3

Vermischung, § 946/8, u n d durch Enteignung 4 2 . Das durch diese Vorgänge begründete Eigentum gilt als neues Recht, weil es ohne Rücksicht darauf entsteht, wem das frühere, nunmehr verdrängte Eigentum zugestanden hat 4 3 . Rechtsverdrängung findet ferner statt bei Eröffnung des Konkurses: das Vollstreckungsrecht der Konkursgläubiger ist für die Dauer des Konkurses inhibiert, K O . § 14; an dessen Stelle treten die allen Konkursgläubigern gleichmäßig zugute kommenden Rechte u n d Pflichten des K o n k u r s verwalters. Ebenso t r i t t anstelle der m i t den Konkursforderungen verbundenenAnfechtungsrechte das v o m Konkursverwalter auszuübende, K O . § 36, u n d meines Erachtens der Konkursmasse als Sondergut zustehende Anfechtungsrecht 4 4 . Dieses Recht ist schon wegen der Verschiedenheit der W i r k u n g 4 5 nicht identisch m i t den Anfechtungsrechten der Gläubiger 4 6 . Aus praktischen Gründen gestattet jedoch das A n f G . § 13 dem Konkursverwalter, in einem von einem Konkursgläubiger begonnenen Anfechtungsprozeß unter Veränderung des Prozeßinhaltes einzutreten. Nach Beendigung des Konkurses t r i t t das Anfechtungsrecht der Gläubiger wieder an Stelle des der Konkursmasse zustehenden Anfechtungsrechts, § 13 I V 4 7 . Ähnlich verhält es sich m i t den Rechten der Gläubiger aus H G B . §§ 171, 217, 241. Das Gesetz spricht zwar davon, daß diese Rechte i m K o n k u r s der Gesellschaft v o m K o n kursverwalter ,,ausgeübt" werden; das ist aber so zu verstehen, 42

Wolff, Note 5. 43

R G . 61, 102; D e r n b u r g § 103 I I ; C o s a c k § 197 Note 7; Sachenrecht § 64 Note 18; a. A . H e l l w i g , Lehrb. § 39

Der Eigentumserwerb des Fiskus durch strafrechtliche Einziehung ist derivativ, wenn die Einziehung Eigentum des Täters voraussetzt (StrGB. § 40), originär, wenn sie ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse erfolgt (z. B. StrGB. § 152). 44 Bd. I § 19 Note 5. 45 Die Anfechtung des einzelnen Gläubigers ermöglicht die Zwangsvollstreckung i n den veräußerten Gegenstand; die Anfechtimg durch den Konkursverwalter bewirkt, daß der Gegenstand als Bestandteil der Konkursmasse seiner Verfügung untersteht, vgl. B d . I § 11 I I 7 b. 4f t H e l l w i g , Rechtskraft 371; J ä g e r , Gläubigeranfechtung § 1 3 Anm. 1 spricht von einem Wechsel des anfechtungsberechtigten Subjekts und davon, daß ,,die Gläubigeranfechtung aus einem Individualrecht zu einem Gemeinschaftsrecht werde 4 ', wobei nicht klar h e r v o r t r i t t , ob an eine Sukzession oder an eine Rechtsverdrängung zu denken ist. 47 Daß die gegen den Konkursverwalter erlangten Einreden der späteren Anfechtung der Gläubiger entgegenstehen, beruht auf praktischen Rücksichten und ist kein Beweis für Sukzession.

44

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

daß anstelle der bisherigen Rechte der Gläubiger ein v o m Konkursverwalter auszuübendes (und meines Erachtens der Konkursmasse zustehendes) 4 8 Recht entsteht, welches nach Beendigung des Konkurses wieder den Rechten der Gläubiger Platz macht. Ablösung v o n Rechten findet statt, wenn das frühere Recht untergeht u n d an dessen Stelle durch eine v o m Bestand des früheren Rechts unabhängige Tatsache ein neues Recht desselben Inhaltes t r i t t . Beispiele dafür sind die Rechte mehrerer aufeinander folgender Vormünder, Testamentsvollstrecker, Nachlaßverwalter, Konkursverwalter usw. 4 9 . Die Rechtsstellung des neuen Vormundes hat zwar den Wegfall des früheren zur Voraussetzung ; insofern kann man i h n einen Nachfolger i m A m t e nennen 5 0 . Aber seine Machtbefugnisse sind nicht v o n denen des Vorgängers abgeleitet, sondern stammen aus derselben Quelle, wie diese: Ernennung durch das Gericht bzw. beim Testamentsvollstrecker: W i l l e des Erblassers 5 1 . Ebenso t r i t t bei einem der Anfechtung ausgesetzten E r b ver trag anstelle des Anfechtungsrechts des Erblassers bei seinem Tode ein Anfechtungsrecht der i n § 2080 bezeichneten Person, § 2285 5 2 . A u c h bei den m i t einem Inhaberpapier verbundenen Rechten findet n i c h t Sukzession, sondern Ablösung von aufeinanderfolgenden Rechten statt. M i t Ausstellung der U r k u n d e ist noch kein Recht entstanden, sondern nur die Grundlage zu einem Recht gegeben. A u f dieser Grundlage entsteht für jeden berechtigten Inhaber m i t dem Recht am Papier zugleich das i m Papier beurkundete Recht, insbesondere eine Forderung auf die 48

S t a u b § 171 A n m . 8, § 217 A n m . 3, § 241 A n m . 16. Vgl. C o s a c k § 395 I I . 50 § 2100 I I . 51 A u c h die elterliche Gewalt geht nicht v o m Vater auf die M u t t e r über, sondern entsteht, wenn sie beim Vater erlischt, originär i n der Person der M u t t e r , § 1684, vgl. Bd. I § 3 Note 1. Daher w i r k t Verzicht des Vaters auf seine Nutznießung, § 1662, nicht gegen die M u t t e r ; W a i s m a n n , Verzicht 289. 52 Dies Anfechtungsrecht setzt voraus, daß das Anfechtungsrecht des Erblassers zur Zeit des Erbfalles nicht erloschen war, ist aber trotzdem nicht als ein v o m Erblasser übergehendes, sondern als i m Moment des Erbfalles neuentstandenes Recht zu betrachten; denn Rechtsnachfolger des Erblassers ist, solange der Erbvertrag nicht angefochten ist, der Vertragserbe, gegen welchen sich das Anfechtungsrecht der i n § 2080 bezeichneten Person r i c h t e t ; daher beginnt für dieses Anfechtungsrecht die Frist des § 2283 von neuem zu laufen, P l a n c k § 2285, 2. 49

§ 44.

Ursprünglicher u n d abgeleiteter Rechtserwerb.

i n der U r k u n d e versprochene Leistung, § 793. M i t dem Recht am Papier verliert der Inhaber die Forderung; m i t dem Erwerb des Rechts am Papier entsteht für den neuen Inhaber eine neue Forderung des i m Papier bezeichneten Inhalts 5 3 . Das Recht a m Papier k a n n originär oder derivativ 5 4 erworben werden; die m i t dem Papier verbundene Forderung entsteht für den neuen Inhaber stets i n originärer Weise 5 5 ; denn sie ist inhaltlich unabhängig v o n der Forderung des früheren Inhabers, § 796. Der Inhaber hat die Forderung nicht deswegen, weil sie dem früheren Inhaber zustand, sondern weil er selbst Inhaber des Papieres ist, d u r c h welches die Zuständigkeit der Forderung v e r m i t t e l t w i r d 5 6 . F ü r den Aussteller bilden die Forderungen der einander ablösenden Inhaber eine einheitliche Belastung, die durch einmalige Leistung getilgt wird 57. Ähnlich verhält es sich m i t den indossablen Papieren: das Recht am Papier w i r d durch Indossament derivativ erworben 5 8 ; die i m Papier beurkundete Forderung ist für jeden Indossatar unabhängig v o m Bestände der Forderung des Indossanten, W O . A r t . 82, H G B . § 364 I I . Der Forderungserwerb des Indossanten ist originär 5 9 . Das Indossament bewirkt nach W O . A r t . 10, H G B . 53

Liegt zwischen Verlust u n d Erwerb des Eigentums a m Papier ein Interregnum der Herrenlosigkeit, so besteht keine Forderung, w o h l aber eine Bindung des Ausstellers, vgl. ob. § 2 S. 77. 54 Originär bei Okkupation oder Fund, derivativ bei Übergabe durch den Eigentümer u n d bei gutgläubigem Erwerb nach § 932, vgl. u n t . V , 55 P l a n c k § 796, 1; E n d e m a n n I 5 196 A n m . 46; C o s a c k § 257 I ; E n n e c c e r u s § 430 I I ; O e r t m a n n , Bem. 6 vor § 793; vgl. ob. § 2 I V 2. Dagegen lehrt H e l l w i g , Rechtskraft § 44, abgeleiteten Erwerb der Forderimg des neuen Inhabers, obgleich er (Anm. 7) diese Forderimg als neu erstanden betrachtet. 56 Vgl. Bd. I S. 68. 57 F ü r alle aus der Ausstellung sich ergebenden Forderungen künftiger Inhaber kann eine H y p o t h e k bestellt werden, § 1188, ohne daß m a n deshalb einen Übergang der Forderung von einem Inhaber auf den anderen zu konstruieren braucht, R e g e l s b e r g e r a . a. O. 377. W i r d für eine Inhaberforderung ein Pfandrecht bestellt, so ist § 1250 analog anzuwenden: das Pfand haftet für die Forderung des jeweiligen Inhabers. Die H a f t u n g des bisherigen Pfandgläubigers ist arg. § 1251 I I 3 ausgeschlossen, wenn der Inhaber das Papier nicht durch Veräußerung seitens des Vorgängers erworben hat. 58 Originärer Erwerb des Wechsels (durch O k k u p a t i o n oder Fund) ist durch das Erfordernis des Indossaments ausgeschlossen. 59

Dernburg

I I § 145 A n m . 2, § 266; L e h m a n n ,

Handelsr.

46

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

§ 364 I ,,Übergang der Rechte aus dem Wechsel", n i c h t Übergang der Rechte des Indossatars. W e n n der Indossant eine Forderung aus dem Wechsel hatte, so w i r d sie durch die neuentstandene Forderung des Indossatars verdrängt 6 0 . Oft ist es dieselbe Tatsache, welche gleichzeitig den U n t e r gang eines bestehenden u n d die Entstehung eines neuen Rechts h e r b e i f ü h r t , ohne daß m a n sagen k a n n , ob der Untergang des früheren oder die Entstehung des neuen Rechts logisch u n d zeitlich das Prius ist. So w i r d durch die Rücknahmeerklärung des hinterlegenden Schuldners, § 376, gleichzeitig für i h n eine Rückgabeforderung begründet u n d die Forderung des Gläubigers gegen die Hinterlegungsstelle aufgehoben 6 1 . Ebenso k a n n beim Vertrag zugunsten D r i t t e r der Promissar die Befugnis haben, anstelle des i m Vertrag bezeichneten D r i t t e n einen anderen zu setzen (durch einseitige E r k l ä r u n g oder Verfügung von Todeswegen, § 332). D u r c h Ausübung dieser Befugnis w i r d das Recht des A durch ein Recht des B v o n gleichem I n h a l t abgelöst; es liegt keine Sukzession zwischen A u n d B vor 6 2 , weil B sein Recht nicht v o n dem des A ableitet, sondern aus demselben Vertrage, wie dieser; durch die spätere Bestimmung des Promissars w i r d das Recht des A nicht übertragen, sondern aufgehoben u n d durch ein gleichinhaltliches originär entstandenes Recht des B ersetzt. U n t e r den Begriff der Rechtsverdrängung fällt das U n wirksamwerden der während schwebender Bedingung getroffenen weiteren Verfügungen, § 161. W e n n A ein Recht unter aufschiebender Bedingung an B veräußert u n d sodann unbedingt an C, so § 146 A n m . 5; R o m e i c k a. a. O. 107; G r ü n h u t , Wechselr. § 28 S. 285 (der Erwerb der Forderimg durch den Indossatar soll stets originär sein und, wenn der Indossant eine Forderung hatte, zugleich derivativ); S t a u b , W O . A r t . 10 A n m . 3 nennt die W i r k u n g des Indossaments eine rechtsverstärkende Übertragung; das scheint m i r , wenn der Indossant keine Forderung hatte, nichts anderes zu bedeuten, als originären Erwerb. F ü r derivativen Erwerb H e 11 w i g , Rechtskraft § 42 fg. 60 H a t t e der Inhaber resp. Indossant selbst eine Forderung aus dem Papier, so liegt i n der Übergabe des Papiers resp. i m Indossament eine Zuwendung an den neuen Gläubiger durch Verschaffung einer Forderung u n d gleichzeitige Minderung des eigenen Vermögens. I n diesem Falle ist es gerechtfertigt, den neuen Gläubiger der Anfechtung aus K O . § 40 I I zu unterwerfen u n d i h n i m Sinne der Anfechtung als Rechtsnachfolger zu bezeichnen, J ä g e r , K O . § 40 A n m . 8, vgl. u n t . Note 114. 61 Vgl. ob. § 7 Note 19. 62 A . A . H e 11 w i g , vgl. oben Note 7.

§ 44.

Ursprünglicher u n d abgeleiteter

Rechtserwerb.

entsteht zunächst für B eine aus dem Recht des A abgeleitete A n w a r t s c h a f t 6 3 , während das Recht selbst dem A verbleibt u n d auf C übergeht. M i t E i n t r i t t der Bedingung erwächst aus der Anwartschaft des B das volle R e c h t ; diesem Rechte muß das bisherige Recht des C weichen. Aber B ist n i c h t Rechtsnachfolger des C, sondern des A ; denn seine Rechtsstellung ist abhängig nicht von der weggefallenen Zwischenberechtigung des C, sondern v o m Rechte des A . Ebenso verhält es sich m i t dem Rückfall des Rechts bei E i n t r i t t einer auflösenden Bedingung, § 158 I I : veräußert A ein Recht unter auflösender Bedingung an B , so geht das Recht allerdings auf B über u n d kann v o n i h m weiter auf C übertragen werden, aber dem A verbleibt eine Anwartschaft (Rückfallsrecht); wenn n u n die Bedingung e i n t r i t t , erwächst aus dieser Anwartschaft für den A das frühere Recht, während das Recht des B bzw. das seines Rechtsnachfolgers C (§ 161 I I ) dahinfällt. A ist daher nicht- Rechtsnachfolger des B 6 4 , denn sein jetziges Recht ist aus seinem früheren, nicht restlos aufgegebenen Recht abgeleitet 6 5 , u n d nicht aus der Zwischenberechtigung des B oder C. Aus demselben Grunde findet keine Sukzession statt, wenn ein anfechtbar veräußertes Recht infolge der Anfechtung an den Veräußerer z u r ü c k f ä l l t 6 6 : der Veräußerer erwirbt das Recht nicht deshalb, weil es dem Anfechtungsgegner zugestanden hat, sondern deshalb, weil es i h m selbst vor der durch die Anfechtung nichtig gewordenen Veräußerung gehört hatte. Diese Sachlage ist bei der Anfechtung noch klarer als bei der auflösenden Bedingung, weil die Anfechtung rückwirkende K r a f t h a t 6 7 u n d daher das Zwischenrecht des der Anfechtung ausgesetzten Erwerbers als nicht bestanden habend zu betrachten ist, § 142 I 6 8 . Aus dieser Auffassung ergibt sich, daß auch der Nacherbe 63

Vgl. ob. Note 18. So die herrschende Meinung: P 1 a n c k § 161, 2; W i n d s c h e i d K i p p § 90; S t r o h a 1 a. a. O. 30; S o h m , Gegenstand 44; E n n e c c e r u s § 130; O e r t m a n n § 158, 2 c ; S t e i n , ZPO. § 325 A n m . 34; a. A. H e 11 w i g , Rechtskraft 109, Lehrb. § 39 I I I 2. 65 Vgl. unt. § 45 Note 48. 66 P l a n c k § 142, 1; O e r t m a n n § 142, 2; D e r n b u r g § 118 Note 3; S t e i n , ZPO. § 325 A n m . 35; a. A . H e l l w i g , Rechtskraft 119, Lehrb. § 34 Note 22, § 39 Note 28. 67 Vgl. unten § 57. 68 Dagegen liegt Sukzession vor, wenn der Veräußerer das veräußerte Recht auf Grund eines obligatorischen Anspruchs (z. B . infolge eines R ü c k t r i t t s oder des Widerrufs einer Schenkung) zurückerhält. 64

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

nicht Rechtsnachfolger des Vorerben, sondern wie dieser Rechtsnachfolger des Erblassers ist 6 9 ; denn beide leiten ihr Recht v o m Erblasser her. Der Vorerbe sukzediert dem Erblasser unmittelbar i n die zum Nachlaß gehörenden Rechte, der Nacherbe erw i r b t m i t dem E r b f a l l eine aus der Rechtsstellung des Erblassers abgeleitete A n w a r t s c h a f t 7 0 , aus welcher bei E i n t r i t t der Bedingung oder des Termines die Vollrechte erwachsen 7 1 . Die A n wartschaft des Nacherben ist weniger intensiv geschützt, als die des bedingten Erwerbers bei Verfügungen unter L e b e n d e n 7 2 : der Vorerbe verwaltet den Nachlaß u n d k a n n i n gewissem Umfange, § 2112/5, über Nachlaßgegenstände m i t der W i r k u n g verfügen, daß die Anwartschaft des Nacherben zerstört w i r d ; m i t dem Verwaltungsrecht des V o r erben hängt es zusammen, daß Urteile i n Prozessen des Vorerben für u n d i n gewissen Schranken auch gegen den Nacherben wirken, ZPO. § 326, obgleich er nicht Rechtsnachfolger des Vor erben ist, u n d daß der E i n t r i t t der Nacherbfolge während eines Prozesses des Vor erben unter gewissen U m ständen so behandelt wird, wie der E i n t r i t t einer Rechtsnachfolge, ZPO. § 242 7 3 . I I I . Die Aufeinanderfolge mehrerer Berechtigter kann, wie w i r gesehen haben, b a l d Sukzession sein, bald ein Verdrängen oder Ablösen eines Rechts durch ein anderes Recht von gleichem I n h a l t . Zieht man nur die zeitliche Reihenfolge der Berechtigten i n Betracht, ohne den Mangel eines juristischen Bandes zwischen ihnen zu beachten, so k a n n man auch bei einander ablösenden 69

P l a n c k § 2139, 2; D e r n b u r g V § 56 I ; a. A. H e l l w i g , Rechtskraft § 32, Lehrb. § 39 Note 33 fg. 70 Vgl. ob. Note 18. 71 K o m m e n während der Vorerbschaft neue Gegenstände durch Surrogation, § 2111, zum Nachlaß, so könnte es scheinen, als ob der Nacherbe i n bezug auf diese Gegenstände, die dem Erblasser nie gehört haben, als Rechtsnachfolger des Vorerben betrachtet werden müsse, H e l l w i g , Rechtskraft § 32 Note 3. I n der T a t erwirbt aber der Nacherbe an diesen Gegenständen, sobald sie Bestandteile des Nachlasses werden, dieselbe Anwartschaft, wie an den ursprünglichen Nachlaß gegenständen. Diese Anwartschaft ist nicht aus dem gleichzeitig entstehenden Recht des Vorerben abgeleitet, sondern aus der Anwartschaft an den Nachlaßgegenständen, an deren Stelle die surrogierten Gegenstände treten. 72 Vgl. ob. § 9 Note 9. 73 A u c h bei der Anwachsung, §§ 1935, 2094, beruht der Erwerb auf dem Wegfall eines Miterben. Der Erwerber ist aber Rechtsnachfolger nicht des wegfallenden Miterben, sondern des Erblassers.

§ 44.

Ursprünglicher u n d abgeleiteter Rechtserwerb.

49

oder verdrängenden Rechten v o n einem Vorgänger u n d Nachfolger i m Recht sprechen. I n diesem weiteren, untechnischen Sinn w i r d das W o r t Rechtsnachfolge nicht nur i m Sprachgebrauch des Lebens verwendet, sondern auch i m B G B . da, wo es nicht darauf ankommt, ob das Recht des jetzigen Subjekts v o n dem des früheren abgeleitet ist. Das ist namentlich der Fall, wenn es sich u m dingliche Belastungen einer Sache h a n d e l t 7 4 . Solche Belastungen sind unabhängig von der Person des Eigentümers; sie treffen den jeweiligen Eigentümer ohne Rücksicht darauf, ob er zum V o r eigentümer in einem Sukzessionsverhältnis s t e h t 7 5 . I n diesem Sinn ist Rechtsnachfolge i n den §§ 1164, 1173, 1174, 1182, 2168 zu verstehen 7 6 . I V . Die Unterscheidung zwischen ursprünglichem u n d abgeleitetem Erwerb k o m m t auch beim Besitz i n B e t r a c h t 7 7 : das Gesetz spricht mehrfach von einem Besitzerwerb durch Rechtsnachfolge, §§ 221, 943, von einem Rechts Vorgänger, §§ 861/2, u n d einem Rechtsnachfolger des Besitzers, § 999 I . Originär w i r d der Besitz erworben durch Erlangung der tatsächlichen Gewalt, § 854 I , wenn dieselbe ohne Zustimmung des Vorbesitzers stattfindet 7 8 . Der derivative Besitzerwerb erfolgt durch Erbgang, § 857, oder durch Übergabe der Sache seitens des Vorbesitzers 7 9 ; die Übergabe kann sich darstellen als Erlangung der tatsächlichen Gewalt, § 854 I , m i t Zustimmung des Vorbesitzers, oder als r e i n konsensualer Vorgang : denn das Gesetz begnügt sich bei E i n i g u n g des Vorbesitzers m i t dem Besitzerwerber damit, daß letzterer i n 74

Vgl. ob. Note 36. Dasselbe gilt von den m i t der Sache verbundenen subjektiv-dinglichen Rechten, § 96. Sie stehen als „Bestandteile des Grundstücks" dem jeweiligen Eigentümer zu, vgl. ob. Note 39. 76 R e g e l s b e r g e r a. a. O. 370; S o h m , Gegenstand 37. 77 S t r o h a l , JheringsJ. 38, 59; K i p p , Bem. 1 3 zu W i n d s c h e i d §§ 148, 155; H e 11 w i g , Rechtskraft § 36; G i e r k e l l § 115 I V ; E n d e m a n n I I § 37, 3; C o s a c k § 187; W o l f f , Sachenrecht § 11; P 1 a n c k § 221, 2; S t a u d i n g e r § 221, 5. Die Möglichkeit einer Singularsukzession i n den Besitz w i r d i n Abrede gestellt v o n B i n d e r , Rechtsstellung des Erben § 2 Anm. 44, Z H R t . 59, 35; S o h m , Gegenstand 26 fg., 45 fg. ; v. S c h w e r i n 46 fg. Vgl. ob. § 12 Note 7 a. 78 W i r d ein Vorbesitzer durch originären Besitzerwerb verdrängt, so ist der Besitz infolge der verbotenen Eigenmacht fehlerhaft, § 858. 79 Über die Ableitung des unmittelbaren Besitzes (Fremdbesitzes) aus dem mittelbaren Besitz vgl. unt. § 45 Note 35. 75

Handbuch X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

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Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben, § 854 I I 8 0 ; ein i n dieser Weise erworbener Besitz wird, wenn die tatsächliche Gewalt h i n z u k o m m t , i n gewisser R i c h t u n g v e r s t ä r k t 8 1 . Der derivative Besitzerwerb ist begriffsmäßig davon abhängig, daß die Person, v o n welcher der Erwerber seinen Besitz ableitet, selbst Besitzer w a r ; das gilt sowohl beim Erbgang als bei der Übergabe: war der Tradent nicht Besitzer, so ist der Besitz i m F a l l des § 854 I i n originärer Weise, i m F a l l des § 854 I I überhaupt nicht erworben 8 2 . Bei derivativem Besitz gelten einige Rechtsfolgen, die bei originärem Besitz nicht eintreten ; der Besitzer darf die seinem Rechtsvorgänger gegenüber geübte Eigenmacht vergelten, §§ 861/2 8 3 ; er genießt bei Ersitzung u n d Verjährung die accessio temporis, §§ 943, 221; er k a n n für die Verwendungen seines Rechtsvorgängers v o m Eigentümer Ersatz verlangen, § 999 I 8 4 ; er ist Rechtsnachfolger des Vorbesitzers i m Sinn v o n ZPO. § 325 8 5 . Dagegen braucht der „Nachfolger i m Besitz" i n § 858 I I nicht Rechtsnachfolger des Vorbesitzers i m technischen Sinn zu sein; es genügt, daß er bei seinem wenn auch originären Besitzerwerb die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers kannte 8 6 . V . Aus dem Begriff des derivativen Erwerbs folgt logisch, daß der Rechtsnachfolger nicht mehr Rechte haben kann, als der Rechtsvorgänger 8 7 . V o n diesem Satz k a n n es, da er nur den 80

W a r die E i n i g u n g des § 854 I I unwirksam oder w i r d sie durch A n fechtimg nachträglich nichtig, so begründet die Erlangung der tatsächlichen Gewalt originären Besitz. 81 Vgl. ob. § 6 Note 33; W o 1 f f , Sachenrecht § 11 I I , § 12 I 3. 82 Daher falsch: S o h m 47: „ N i e m a n d besitzt (außer dem Erben), weil sein Rechtsvorgänger besaß." 83 P 1 a n c k § 861, 4 a; § 862, 5 a; K i p p , Bem. I 3 zu W i n d s c h e i d § 150; Bem. I 2 zu § 162 a ; W o 1 f f , Sachenrecht § 18 Anm. 4. 84 P l a n c k § 221, 2. 85 Derivativer Besitzerwerb (durch Überlassung des Besitzes) k o m m t ferner i n Betracht i n § 571 I , § 956 I : die Überlassung setzt Besitz i n der Person des Überlassenden voraus. 88 P l a n c k § 858, 3 b ; H e l l w i g , Rechtskraft § 52, Note 5; W o l f f , Sachenrecht § 16 A n m . 17. 87 Eine Anwendung dieses Satzes ist § 404: ,,Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der A b tretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren." W e r keine Forderung hat, k a n n keine Forderung abtreten. Die Zession einer beim Zedenten inhaltlosen actio, m i t welcher die römischen Juristen operierten, u m dem Zessionar eine actio für die i n seiner Person entstehen-

§ 44.

Ursprünglicher u n d abgeleiteter

Rechtserwerb.

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Begriff der Rechtsnachfolge entwickelt, keine Ausnahme geben 8 8 . Dagegen ist der bekannte Satz: nemo plus iuris transferre potest quam habet ipse 8 9 insofern ungenau, als es Fälle gibt, i n denen jemand die Befugnis hat, über fremdes Recht zu verfügen 8 9 a , insbesondere das fremde Recht zu übertragen. W i r d das Verfügungsgeschäft i m Namen des Rechtssubjekts vorgenommen, so ist der Verfügende Vertreter u n d bedarf einer Vertretungsmacht, § 164. Über gewisse Rechte, insbesondere über Rechte an beweglichen Sachen 9 0 , kann ein D r i t t e r auch i n eigenem Namen verfügen, wenn er die Einwilligung des Rechtssubjektes, § 185 I , oder eine sonstige Befugnis dazu h a t 9 1 . I n solchen Fällen kann es zweifelhaft sein, wer als Rechtsvorgänger des Erwerbers zu betrachten ist. H e l l w i g 9 2 bezeichnet als Rechts Vorgänger sowohl den früheren Inhaber des Rechts, als den, der über dies Recht wirksam verfügt hat. Meines Erachtens kann i m Sinn des materiellen Rechts der Erwerber Rechtsnachfolger nur der Person sein, deren Recht auf ihn übergegangen ist. Daher ist auch der Pfandkäufer Rechtsnachfolger nicht des Pfandberechtigten, sondern des Eigentümers der Pfandsache. Das gilt i m allgemeinen auch für § 325 Z P O . : w i r d von einem Vertreter des X oder dem Ehemann der X eine Sache veräußert, über welche X einen Prozeß f ü h r t , so muß der Erwerber das U r t e i l in diesem Prozesse gegen sich den Ansprüche zu verschaffen, ist ein für unser Recht unverwendbares Konstruktionsmittel ; T u h r , GrünhutsZ. 25, 30, K r V J S c h r . 47, 88. Trotzdem w i r d dieser Behelf i n der Literatur, z. B. F i s c h e r , Schaden 103, K r ü c k m a n n , JheringsJ. 56, 312, u n d bisweüen auch i n der Rechtsprechung, z. B. R G . 59 N r . 69 S. 240; 73, 216 angewendet; er dient aber meines Erachtens weniger zur Erklärung der Rechtslage, als zur Beruhigung des juristischen Gewissens. 88 Wenn infolge eines Vorganges, der sich äußerlich als Rechtsnachfolge darstellt, ein Recht erworben wird, welches dem Veräußerer nicht zustand, so kann dieses bisher nicht bestehende Recht n i c h t anders als originär entstanden sein. So ist z. B. bei simuliertem Schuld vertrag der Aussteller des Schuldscheins nicht Schuldner dessen, dem er den Schuldschein aushändigt; er w i r d es erst, wenn der Schuldschein einem D r i t t e n ausgehändigt wird, der die Forderung bona fide durch Zession erwerben will, § 405. 89 89a 90 91 92

L. 54 de reg. iur. 50, 17. Vgl. unt. § 60. Die „ a n o n y m e n " Rechte, vgl. Bd. I § 2 I I I . Z. B. der Ehemann nach § 1376. H e l l w i g , Rechtskraft 134, Lehrb. § 39 Note 13. 4*

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

gelten lassen. Eine Ausnahme ist für § 325 ZPO. bei der Pfandveräußerung zu konstatieren: das Pfandrecht ist k o n s t i t u t i v aus dem E i g e n t u m abgeleitet, k a n n aber auch bei fehlendem Eigent u m des Pfandbestellers durch guten Glauben entstehen, § 1207, u n d ist, einmal entstanden, v o m Eigentum des Bestellers unabhängig 9 3 . Daher kann ein U r t e i l gegen den Pfandbesteller den Pfandgläubiger nicht betreffen, wenn das Pfandrecht vor der Rechtshängigkeit entstanden ist. W i r d aber das Pfandrecht v o n einem Prozeß des Pfandbestellers nicht b e r ü h r t , so muß auch das Eigentum, welches der Pfandgläubiger dem Käufer verschafft, v o m Ausgang dieses Prozesses unabhängig sein. I m Sinne von ZPO. § 325 ist daher als Rechtsvorgänger des Pfandkäufers nur der Pfandgläubiger, nicht der Verpfänder zu b e t r a c h t e n 9 4 . Verfügt jemand unberechtigterweise über fremdes Recht, so ist die Verfügung prinzipiell unwirksam. V o n diesem Satz gibt es aber wichtige Ausnahmen: verfügt ein i m Grundbuch als I n haber eines Rechts Eingetragener über dieses Recht, oder der Besitzer einer Mobilie über die Sache, oder der Inhaber eines Erbscheins über einen Nachlaßgegenstand, so sind diese Verfügungen bei gutem Glauben des Erwerbers dem Berechtigten gegenüber wirksam, §§ 892, 932, 2366. Es ist streitig, ob der auf gutem Glauben beruhende E r w e r b als derivativ 9 5 oder originär 9 6 zu betrachten ist 9 7 . F ü r die Annahme eines originären Erwerbs 93 Vgl. unter § 45 Note 75. I n beiden Beziehungen güt das Gegenteil v o n den Befugnissen des Bevollmächtigten, des nach § 185 I Ermächtigten oder des Ehemannes: die Verfügungsmacht dieser Personen ist i n Entstehung u n d Fortbestand abhängig v o m Eigentum dessen, für den sie handeln. 94 E n n e c c e r u s § 131 Note 3 bezeichnet den Pfandgläubiger als den u n m i t t e l b a r e n , den Pfandbesteller als den mittelbaren Rechts Vorgänger des Pfandkäufers. 95 H e 11 w i g , Rechtskraft § 13, Lehrb. § 39 I I , § 162 A n m . 39; W e n d t , ArchZivPr. 89, 17; G i e r k e § 32 A n m . 2, § 119 A n m . 120, § 134 A n m . 119; C r o m e § 71, 4 b ; W o l f f , Sachenrecht § 45 Anm. 26, § 69 A n m . 19. 96 B e k k e r § 33 Beil. I V ; W i n d s c h e i d - K i p p § 64 Anm. 6; P 1 a n c k § 932, 3 ; E n n e c c e r u s § 132; R e g e l s b e r g e r , Jherings J. 47, 377; R o r a e i c k a. a. O. 35 fg. ; S o h m , Gegenstand 52. 97 S t r o h a l , Erbrecht § 68 A n m . 6 h u n d S o h r a , Gegenstand 53 A n m . 9, erklären den Erwerb auf Grund eines Erbscheines, § 2366, weil er Zugehörigkeit des Rechtes zum Nachlaß voraussetzt, für d e r i v a t i v ; den sonstigen Erwerb durch guten Glauben für originär. S c h w e r in 32 hält den gutgläubigen Erwerb für originär, trotzdem aber für einen

§ 44.

Ursprünglicher u n d abgeleiteter

Rechtserwerb.

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spricht die Erwägung, daß der Verfügende weder Inhaber des Rechts ist, über das er verfügt, noch eine Befugnis zu solcher Verfügung hat, daß also der Erwerber ein Recht erhält, welches dem Verfügenden nicht zustand 9 8 . Der Grund, w a r u m das Gesetz den Erwerb eintreten läßt, liegt i n der Person des Erwerbers; sein guter Glaube soll i m Interesse des Verkehrs geschützt sein; er soll daher das Recht jedenfalls erwerben, ohne Rücksicht darauf, ob es dem Verfügenden oder einem D r i t t e n zusteht. Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem gutgläubigen E r w e r b u n d der zweifellos originär wirkenden E r s i t z u n g 9 9 , auf welche der Erwerber i m gemeinen Recht i n diesen Fällen angewiesen w a r : der gute Glaube verschafft das Recht bei der Ersitzung nach A b lauf eines Zeitraumes, i n den Fällen der §§ 892, 932, 2366 m i t E i n t r i t t des Erwerbstatbestandes 1 0 ° . Andererseits spricht für derivativen Erwerb die S t r u k t u r des Erwerbstatbestandes 1 0 1 : der gute Glaube verschafft das Recht nur dann, wenn ein Verfügungsgeschäft vorliegt, welches allen Erfordernissen einer gültigen Verfügung entspricht: Veräußerer u n d Erwerber müssen die nötige Geschäftsfähigkeit haben 1 0 2 , ihre Einigung muß frei von Willensmängeln sein, die zur Veräußerung nötigen Handlungen (Eintragung, Übergabe) müssen vorgenommen sein. N u r das fehlende Recht des Veräußerers w i r d durch den guten Glauben des Erwerbers ersetzt. Der gutgläubige Erwerb ist darauf angelegt, derivativ zu w i r k e n ; er hat auch i n der Meinung des Erwerbers diese W i r k u n g . I n diesem Sinn sagt F a l l der Rechtsnachfolge, was m i r begrifflich ausgeschlossen zu sein scheint. 98 Für originären Erwerb spricht ferner der Wegfall der Belastungen, § 936, aber nur scheinbar; denn dieser Wegfall ist n i c h t Folge des gutgläubigen Eigentumserwerbs, sondern t r i t t auch dann ein, wenn der E r werber das Eigentum durch Verfügung des Eigentümers, also derivativ, erwirbt und i n bezug auf die Belastungen gutgläubig ist. 99 Mot. I I I S. 342. 100 Daher sprechen französische Juristen von einer préscription acquisitive momentanée, E n d e m a n n I I § 81 A n m . 16, R e g e l s b e r g e r a. a. O. 373. 101 E n d e in a n n I I § 81, 2: ,,Der gutgläubige Erwerb ist dem Tatbestand nach abgeleitet, der W i r k u n g nach selbständiger E r w e r b . " Dasselbe meint D e r n b u r g § 103 V 2, wenn er den gutgläubigen Erwerb als derivativ bezeichnet, weil er darauf angelegt ist, sich durch Übergang von einem Vorgänger zu vollziehen. 102 Val. nnt. § 58.

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

das Gesetz i n §§ 135, 161 u n d an anderen Stellen, daß der Erwerber ,,sein Recht von einem Nichtberechtigten herleitet". Allerdings befindet sich der Erwerber i m I r r t u m ; er glaubt ein Recht v o m Veräußerer zu erwerben, welches diesem tatsächlich nicht geh ö r t 1 0 3 . I m m e r h i n verschafft der Veräußerer durch seine Verfügung dem Erwerber das Recht, indem er i h n i n die Lage b r i n g t , es vermöge seines guten Glaubens zu erwerben 1 0 4 . Die Verfügung des Nichtberechtigten ist für den Erwerb aus §§ 892, 932, 2366 eine ebenso unentbehrliche Voraussetzung, wie der gute Glaube des Erwerbers. N i m m t man originären Erwerb an, so wäre, wie bei der Ersitzung, das Recht des gutgläubigen Erwerbers als neuentstanden zu betrachten ; das Recht des bisher Berechtigten wäre m i t der Entstehung des neuen Rechts vernichtet, durch dieses verdrängt. Diese Auffassung läßt sich beim gutgläubigen Erwerb von Eigent u m u n d anderen dinglichen Rechten durchführen ; sie stößt aber auf unüberwindliche Schwierigkeiten beim Erwerb von bereits bestehenden Forderungen 1 0 5 . Zediert der Inhaber eines E r b scheines eine Nachlaßforderung an X , so e r w i r b t bei gutem Glauben X diese Forderung. H ä l t man diesen Erwerb für originär, so muß man annehmen, daß für den Schuldner durch die Zession des E r b scheininhabers eine neue Verpflichtung entsteht, während gleichzeitig seine Verpflichtung gegenüber dem Erben erlischt. Tatsächlich ist aber die v o m Zessionar erworbene Forderung keine 103

C o s a c k § 2 S. I V bezeichnet den unberechtigten Veräußerer treffend als „ Scheinrecht svorgänger" des gutgläubigen Erwerbers. 104 Rechtsverschaffung ohne Übertragung eines Rechts k o m m t auch sonst v o r , vgl. ob. Note 9). Wenn der Verfügende zur Verschaffung des Rechts verpflichtet war, z. B. als Verkäufer nach § 433, so hat er seine Pflicht erfüllt, wenn der Käufer durch Übergabe der Sache, sei es auch auf Grund seines guten Glaubens, Eigentümer geworden ist, P l a n c k § 433, 6 a ; D e m b ü r g I I § 113 I I I ; H e l l w i g , Rechtskraft § 13 Note 24. (Die Polemik v o n R o m e i c k a. a. O. halte ich für imbegründet, vgl. E c c i u s , Gruchot 48, 418.) W a r zwischen dem Verfügenden und dem Erwerber Schenkimg verabredet, so k o m m t bei Erwerb durch guten Glauben die Schenkung nicht zustande, weil der Erwerber nicht aus dem Vermögen des Verfügenden bereichert ist, u n d weil andererseits zwischen i h m u n d dem früheren Eigentümer, auf dessen Kosten er bereichert ist, keine causa donandi besteht. 105 Dagegen k a n n der auf gutem Glauben beruhende Erwerb einer bisher nicht bestehenden Forderung (bei Inhaberpapieren u n d indossablen Papieren, vgl.oben S. 44, sowie i m F a l l des § 405) nicht anders als originär sein.

§ 44.

Ursprünglicher u n d abgeleiteter Rechtserwerb.

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neuentstandene, sondern sie ist die bisher dem Erben zustehende Forderung, ausgestattet m i t allen Nebenrechten u n d behaftet m i t allen Einwendungen (§ 404). Der Erfolg der Zession des E r b scheininhabers läßt sich ohne Zwang nicht anders auffassen, als daß er die Forderung des Erben auf den Zessionar überträgt. Dasselbe muß dann auch für alle Verfügungen des Erbscheininhabers, des i m Grundbuch eingetragenen u n d des Besitzers einer Mobilie angenommen werden. Eine Befugnis zur Verfügung steht allerdings diesen Personen nicht zu; ihr Handeln ist o b j e k t i v , u n d wenn sie mala fide sind, subjektiv widerrechtlich; aber das Gesetz verleiht diesen Handlungen, favor e acquirentis, W i r k s a m keit gegenüber dem Berechtigten: der Nichtberechtigte hat unter gewissen Umständen, bei gutem Glauben des Erwerbers, n i c h t das Recht 1 0 6 , wohl aber die faktische Möglichkeit 1 0 7 , ein fremdes Recht zu übertragen 1 0 8 . Somit erwirbt der Gutgläubige nicht ein neu entstehendes Recht, sondern das Recht des bisher Berechtigten 1 0 9 . E r ist daher, auf G r u n d eines abnormen Sukzessionstatbestandes, dessen Rechtsnachfolger, u n d k a n n sich nach ZPO. § 325 I auf ein v o m Vorberechtigten erstrittenes U r t e i l berufen; hat z. B . der E r b lasser i n einem Prozeß gegen seinen Schuldner gesiegt u n d w i r d die Forderung v o n einem falsus heres m i t Erbschein an X zediert, so k o m m t dem X die Rechtskraft des Urteils zugute. Betrachtet man den gutgläubigen E r w e r b als derivativ, indem man dem nichtberechtigten Verfüger bei bona fides des Erwerbers die Möglichkeit zuschreibt, fremdes E i g e n t u m zu übertragen, so muß man einen Schritt weiter gehen u n d derivativen 106

Vgl. ob. § 7 Note 33. H e l l w i g , Lehrb. § 39 Note 19 bezeichnet diese Möglichkeit als ,,Macht zur Verfügung", G i e r k e § 32 A n m . 2 als „formelle Verfügungsmacht", C r o m e a. a. O., E n d e m a n n I I § 61, l a , § 81, 2 u n d andere sprechen v o n einer Legitimation der zu Unrecht Verfügenden. 108 Die Rechtslage ist ähnlich wie bei einer „erloschenen" Vollmacht, welche nach § 170/3 dem D r i t t e n gegenüber „bestehen" bleibt, so lange er das „Erlöschen" der Vollmacht nicht kennt. M i t Recht weist H e l l w i g , ZivProz. § 128 Note 8 darauf hin, daß i n diesen Fällen der ehemals Bevollmächtigte keine Vertretungsmacht hat, sondern nur die auf dem guten Glauben des D r i t t e n beruhende Möglichkeit, Rechts Wirkungen für den Vollmachtgeber herbeizuführen. 109 Daß der gutgläubige Erwerber Rechtsnachfolger des bisher Berechtigten ist, k o m m t auch für § 1100 in Betracht, H e l l m a n n . Vorträge über das B G B . 52, S c h w e r i n 33. 107

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

E r w e r b auch da annehmen, wo das Gesetz ausnahmsweise der Verfügung eines Nichtberechtigten ohne Rücksicht auf guten Glauben des Erwerbers Wirksamkeit beilegt. Das ist der F a l l bei der Subhastation: der Ersteher erwirbt nach Z V G . § 90 das E i g e n t u m durch den Zuschlag auch dann, wenn das Grundstück nicht dem Vollstreckungsschuldner gehört u n d ohne daß es auf seinen guten Glauben ankommt. Vielfach w i r d dieser Erwerb deswegen als originär bezeichnet 1 1 0 . Richtiger scheint es m i r , auch hier Eigentumsübertragung durch den subhastierenden Gläubiger anzunehmen 1 1 1 : wenn das Gesetz dem Nichtberechtigten die Möglichkeit gewährt, über fremdes Eigentum zu verfügen, ohne, wie sonst, bona fides des Erwerbers zu verlangen, so erklärt sich dies aus dem besonders starken Interesse an der Sicherheit des Zwangsvollstreckungsresultats u n d daraus, daß i m Subhastationsverfahren genügend Kautelen bestehen, u m den wahren Berechtigten, außer i n ganz seltenen Fällen, gegen die Gefahr zu schützen, daß sein Grundstück infolge einer nicht gegen i h n gerichteten Zwangsvollstreckung versteigert w i r d 1 1 2 . Nach H e l l w i g 1 1 3 soll der bona fide Erwerber Rechtsnachfolger nicht n u r des Vor berechtigten sein, sondern auch des Nichtberechtigten, durch dessen Verfügung er das Recht e r l a n g t 1 1 4 . 110

So D e r n b u r g I I I § 263, 2; P 1 a n c k , Erl. V I zu § 873; f ü r derivativen Erwerb H e l l w i g , Rechtskraft § 13 Note 7; H i r s c h , Übertragung der Rechtsausübung 352, woselbst Literatur. 111 Den Zuschlag erteilt das Gericht, nicht als Vertreter des Gläubigers, aber auf Veranlassung des Gläubigers, welcher durch Betreibung der Vollstreckung sein Vollstreckungsrecht a m Grundstück ausübt, vgl. ob. Bd. I S. 176; H i r s c h a. a. O. 122 fg., 336 fg., 355 fg. 112 A u c h i n § 797, 2 (Aushändigung des Inhaberpapiers an den Aussteller durch einen nichtberechtigten Inhaber) verlangt das Gesetz zum Eigentumserwerb guten Glauben n i c h t ; (trotzdem ist streitig, ob der Aussteller auch bei Kenntnis der Nichtberechtigung des Inhabers Eigentümer wird, O e r t m a n n § 793, 4). Faßt m a n § 932 als derivativen Erwerb auf, so ist § 797, 2 ein erleichterter F a l l eines solchen Erwerbes. Planck § 797, 4 u n d R e g e l s b e r g e r a . a. O. 364 lassen den Eigentumserwerb selbst dann eintreten, wenn der Inhaber bei der Aushändigung des Papiers nicht den W i l l e n hatte, Eigentum zu übertragen; dieser Wille w i r d meines Erachtens dem Inhaber, wenn er Zahlung erhält, nie fehlen; vgl. unt* § 50. 113 Rechtskraft 103; Lehrb. § 39 Note 13. 114 J ä g e r , K O . § 40 A n m . 8 w i l l i n „weitherziger Auffassung des Begriffs der Rechtsnachfolge" den gutgläubigen Erwerber als Rechtsnachfolger des Verfügenden behandeln. Meines Erachtens ist dies d u r c h

§ 44.

Ursprünglicher u n d abgeleiteter Rechtserwerb.

57

I c h glaube, daß man unter Rechtsvorgänger i m materiellen Sinn des Wortes nur die Person verstehen darf, auf deren Recht das Recht eines anderen beruht. D a n u n der Verfügende weder das Recht, über welches er verfügt, noch eine aus diesem Recht abgeleitete Verfügungsbefugnis hat, so verdankt der gutgläubige Erwerber sein Recht zwar der H a n d l u n g 1 1 5 , aber nicht der Rechtsstellung des Verfügenden, ist daher nicht dessen Rechtsnachfolger. Wenn er sein Recht v o m Verfügenden herleitet, so entspricht das nicht der wirklichen Rechtslage, sondern nur der i r r t ü m l i c h e n Annahme des Erwerbers u n d dem äußeren Schein des Vorganges. Dieser Schein w i r d zerstört, sobald feststeht, daß der Verfügende nicht der Inhaber des Rechts war 1 1 6 . Dagegen ist i m Sinne der prozessualen Vorschriften, insbesondere der §§ 265, 325 ZPO., unter Rechtsnachfolger auch der Erwerber zu verstehen, welcher sein Recht v o n einem nichtberechtigten Verfüger ableitet 1 1 7 ; denn i m Prozeß k o m m t die Rechtslage zunächst so i n Betracht, wie sie sich nach den Behauptungen der Parteien darstellt 1 1 8 . Wenn es unter A u n d B streitig ist, ob ein v o n B an C veräußertes Recht dem B oder dem A zustand, so erscheint C, der sein Recht v o n B ableitet, zunächst den Zweck der Anfechtung n i c h t geboten: denn wenn der zweite Erwerber den anfechtbar veräußerten Gegenstand k r a f t bona fides erwirbt, w i r d der Gegenstand in der Regel dem Gemeinschuldner nicht gehört haben, so daß die Anfechtung mangels Schädigimg der Gläubiger ausgeschlossen ist; J ä g e r , K O . § 29 A n m . 42. Die Entsch. des R G . i n SeuffA. 45, 248, auf welche sich J ä g e r beruft, bezeichnet das Indossament beiläufig als Rechtsnachfolge, ohne zu unterscheiden, ob der Indossatar das Papier durch gültige Begebung oder durch bona fides erwirbt. Vgl. ob. Note 60. 115 Vgl. ob. Note 9. 116 Trotzdem kann die Tatsache, daß der Erwerber sein Recht v o m verfügenden Nichtberchtigten ableitet, auch i m materiellen Recht v o n Bedeutung sein; so rückt z. B . der gutgläubige Erwerber eines Grundstückes nach § 571 in das v o m Veräußerer begründete Mietsverhältnis ein, M i t t e l s t e i n , Miete § 95 A n m . 25, vgl. ob. § 2 Note 19; denn wer durch Rechtsgeschäft m i t einem Nichtberechtigten vermöge seines guten Glaubens erwirbt, kann nicht verlangen, besser zu stehen, als er stehen würde, wenn der Verfügende Inhaber des Rechtes gewesen wäre. 117 S t e i n zu ZPO. §§ 256, 325; K l e i n f e i l e r , Zivilprozeß § 70 V I 2. 118 Unter Rechtsnachfolger ist i n ZPO § 325, wie H e l l w i g , Rechtskraft 130 fg. richtig hervorhebt, auch der zu verstehen, welcher Rechtsnachfolger der Prozeßpartei wäre, wenn das i m Prozeß liegende Recht dieser Partei zustehen würde.

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

als Rechtsnachfolger des B . Es ist daher konsequent, daß er von den Wirkungen eines für oder gegen B ergehenden Urteils betroffen wird. Siegt B i n seinem Prozeß gegen A , so ist festgestellt, daß er Inhaber des Rechtes war, daher auch, daß C sein Rechtsnachfolger ist. Unterliegt B , so steht fest, daß C sein Recht nicht v o n B hat erwerben können; trotzdem k a n n er das Recht durch seinen guten Glauben erworben haben. D a er aber sein Recht v o n B ableitet, so w i r d sein E r w e r b durch den von B geführten Prozeß beeinflußt. Den Einfluß des Prozesses zwischen A u n d B auf den gutgläubigen E r w e r b des C regelt § 325 I I ZPO. durch entsprechende Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den bona fide Erwerb. Die entsprechende Anwendung ergibt, daß es darauf a n k o m m t , ob C beim E r w e r b die Rechtshängigkeit kannte oder nicht. K a n n t e er sie, so muß er sich das zugunsten des A ergangene U r t e i l gefallen lassen, darf also dessen Recht nicht bestreiten 1 1 9 . K a n n t e er die Rechtshängigkeit nicht, so w i r k t das U r t e i l nicht gegen i h n ; das durch guten Glauben erworbene Recht kann von A nicht bestritten werden; C hat dieses Recht, obgleich er es von B herleitet, kraft seines guten Glaubens v o n A erworben 1 2 0 . Zweifelhaft ist, wen man i n bezug auf die Eideszuschiebung, ZPO. § 445, als Rechtsvorgänger des gutgläubigen Erwerbers anzusehen hat. Die Verpflichtung, Handlungen und Wahrnehmungen des Rechtsvorgängers zu beschwören, beruht auf der Erwägung, daß der Rechtsnachfolger regelmäßig i n der Lage ist, über diese Tatsachen nähere Erkundigungen einzuziehen u n d sich über ihre Wahrheit eine Überzeugung zu verschaffen 1 2 1 . Diese Erwägung t r i f f t nicht zu für das Verhältnis des gutgläubigen Erwerbers zu der Person, deren Recht auf i h n übergeht: der gutgläubige Erwerber kennt den Vorberechtigten nicht u n d steht zu i h m i n keiner Beziehung; es entspricht daher nicht der ratio des § 445, den gutgläubigen Erwerber Handlungen u n d Wahrnehmungen des 119 N i m m t m a n m i t H e l l w i g an, daß das rechtskräftige L^rteil nur prozessuale Wirkungen hat, vgl. ob. § 2 Note 23, so kann C, wenn er trotz seiner Kenntnis der Rechtshängigkeit gutgläubig i n bezug auf das Recht des B ist, dennoch das Recht erwerben, darf es aber dem siegreichen A gegenüber nicht geltend machen, H e l l w i g , Rechtskraft 195; da gegen R o m e i c k a. a. O. 121. 120 121

R G . 79, 165. Mot. zu § 410 alte ZPO.

§ 45.

Translative u n d konstitutive

Rechtsnachfolge.

59

Vorberechtigten beschwören zu lassen 1 2 2 . Dagegen ist der gutgläubige Erwerber zwar nicht Rechtsnachfolger des Verfügenden i m materiellen Sinn, aber m i t i h m durch das Verfügungsgeschäft verbunden; ,,er ist regelmäßig i n der Lage u n d k a n n deshalb auch ohne Unbilligkeit für verpflichtet erachtet werden, E r k u n d i gungen über die Handlungen u n d Wahrnehmungen des Verfügenden einzuziehen.' 4 Aus diesen Erwägungen hat R G . 47, 69 1 2 3 den Indossanten i m Sinne von ZPO. § 445 als Rechtsvorgänger des Indossatars behandelt.

§ 45.

Translative und konstitutive Rechtsnachfolge *.

I . Die Rechtsnachfolge ist translativ, wenn das Recht i n seinem vollen Bestände auf ein neues Subjekt übergeht, so daß das bisherige Rechtssubjekt einen definitiven Rechtsverlust erleidet. Beruht die translative Rechtsnachfolge auf einer Verfügung des Vorberechtigten, so ist diese Verfügung eine Veräußerung Der Übergang eines Rechtes erfaßt die m i t demselben verbundenen akzessorischen Rechte 2 . Als Bestandteil des Rechts geht auch ein aus dem Recht bereits erwachsener Anspruch m i t über. Das versteht sich v o n selbst bei Forderungen, bei denen der Anspruch das wesentliche Stück des Rechts ist 3 , g i l t aber auch für die absoluten Rechte: die V i n d i k a t i o n k a n n v o m Eigent u m nicht getrennt werden 4 u n d geht daher m i t dem E i g e n t u m 122

R o in e i c k a. a. O. 32. Entsch. des 1. ZSen. v o m 5. 11. 00, i n Abweichung v o n einer Entsch. desselben ZSen. v o m 12. 5. 00 (SeuffA. 55, 446). * R e g e l s b e r g e r § 120; B e k k e r § 34; D e r n b u r g § 102 I V ; E n n e c c e r u s §130 1; K o h l e r § 53 I V ; H e l l w i g , Rechtskraft § 37; K r ü c k m a n n , ArchZivPr. 103, 139 fg.; H i r s c h , Übertragung der Rechtsausübung 194 fg. (Rez. von H e i n s h e i m e r K r i t V J S c h r . 48, 463 fg.). 1 Bei bedingter Veräußerung eines Rechts ist die Rechtsnachfolge t ranslativ erst nach Entscheidung der Bedingung. Während der Schwebezeit ist kein voller Übergang des Rechts erfolgt; bei aufschiebender Bedingung ist das Recht dem Ver äußerer verblieben, aber m i t einer A n w a r t schaft des Erwerbers belastet; bei auflösender Bedingung ist das Recht auf den Erwerber übergegangen, aber nicht i m vollen Bestände, den es beim Veräußerer hatte, sondern belastet m i t der Anwartschaft des Veräußerers auf Rückfall des Rechts bei E i n t r i t t der Bedingung, vgl. ob. § 44 S. 47. 2 Vgl. ob. Bd. I S. 233. 3 Vgl. ob. § 6 I I . 4 Vgl. ob. Bd. I S. 267. 123

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

auf den Rechtsnachfolger über

5

Tatsachen.

: der neue E i g e n t ü m e r h a t keinen

n e u e n E i g e n t u m s a n s p r u c h gegen d e n u n b e r e c h t i g t e n B e s i t z e r d e r Sache, s o n d e r n s u k z e d i e r t i n d e n E i g e n t u m s a n s p r u c h seines V o r gängers 6 . D a h e r l ä u f t die v o r d e m E i g e n t u m s ü b e r g a n g begonnene Verjährung

gegen d e n E r w e r b e r

i m Vindikationsprozeß

weiter7;

daher

ist ein

Urteil

des V o r g ä n g e r s n a c h Z P O . § 325 r e c h t s -

k r ä f t i g f ü r u n d gegen d e n R e c h t s n a c h f o l g e r i m E i g e n t u m Die translative Rechtsnachfolge

k a n n das R e c h t i n

8

.

seinem

v o l l e n U m f a n g o d e r eine Q u o t e des R e c h t s b e t r e f f e n ; i n l e t z t e r e m F a l l e r f o l g t T e i l u n g des R e c h t s Veräußerung, definitiven

erleidet

der

Rechtsverlust:

9

.

B e i der Teilung, wie bei jeder

bisherige

Inhaber

die rechtlichen

Rechts

einen

Schicksale der

des

durch

T e i l u n g e n t s t a n d e n e n R e c h t e s i n d v o n e i n a n d e r u n a b h ä n g i g , insbesondere k e n n t

unser

Gesetz k e i n e n

Wiedererwerb

Teilung abgetrennten Rechts durch Anwachsung

10

des

durch

.

5 I n d e m das Gesetz i n § 931 m i t der Zession des Eigentumsanspruchs das Eigentum an Mobüien übergehen läßt, bestätigt es die Untrennbarkeit von Recht u n d Anspruch. 6 H e l l w i g , Rechtskraft 244, Lehrb. § 40 A n m . 23; O e r t m a n n § 221, 1; a. A . P l a n c k § 986, 2 b . Gegen eine Sukzession des neuen Eigentümers i n den Eigentumsanspruch scheint zu sprechen, daß dem neuen Eigentümer nicht alle Einreden entgegenstehen, welche dem früheren Eigentümer entgegenstanden, z. B. nicht eine exc. rei venditae et traditae, vgl. Bd. I S. 302. Jedoch ist der Satz, daß Einreden, die gegen den Rechtsvorgänger begründet sind, dem Rechtsnachfolger entgegengehalten werden können, i n § 404 nur für Forderungen avisgesprochen, und gilt nach § 413 für solche Rechte, welche i n Ermangelung besonderer Vorschriften wie Forderungen übertragen werden, also nicht für das Eigentum, außer wenn es nach § 931 durch Zession des Eigentumsanspruches übertragen wird. Daher k a n n die V i n d i k a t i o n des neuen Eigentümers als identisch m i t der seines Vorgängers aufgefaßt werden, obgleich er nicht allen Einreden ausgesetzt ist, denen sein Vorgänger unterlag, vgl. ob. § 44 Note 15. 7 Wechselt beim Eigentumsanspruch die Person des Besitzers, so entsteht gegen den neuen Besitzer ein neuer Eigentumsanspruch, vgl. ob. § 12 Note 32, auf welchen sich nach der besonderen Vorschrift des § 221 die Verjährung des früheren Anspruches erstreckt. Daß eine solche Vorschrift für den Wechsel des Berechtigten i m Gesetz fehlt, spricht für die Annahme einer Sukzession i n den Eigentumsanspruch. 8 I s t der Eigentumsanspruch des Vorgängers infolge einer Einrede, die dem Nachfolger nicht entgegensteht, abgewiesen, so w i r d der Nachfolger von der Rechtskraft nicht betroffen, da seine Rechtsstellung in bezug auf diese Einrede unabhängig von der des Vorgängers ist, H e l l w i g Rechtskraft § 35 Note 15. 9 Vgl. ob. § 14. 10 P 1 a n c k § 747, 6, § 927, 9, Erl. 3 e vor § 1008; G i e r k e I I § 103

§ 45.

Translative u n d konstitutive

Rechtsnachfolge.

61

Je nach der Beschaffenheit des der Teilung unterzogenen Rechtes ist das Resultat der partiellen Rechtsübertragung ein verschiedenes: bei Forderungen auf teilbare Leistungen entstehen zwei m i t dem Ursprungsrecht q u a l i t a t i v ganz gleichartige u n d i n bezug auf die Ausübung völlig selbständige Rechte; bei partieller Übertragung des Eigentums entsteht Miteigentum; das M i t eigentum ist ein m i t dem Alleineigentum nicht völlig gleichartiges Herrschaftsverhältnis 1 1 ; denn während der Alleineigentümer m i t der Sache nach Belieben verfahren darf, hat der Miteigentümer auf seine Genossen Rücksicht zu nehmen u n d ist i n Benutzung und Verwaltung der Sache v o n ihnen abhängig. Trotz dieser aus der Gemeinsamkeit des Objekts sich ergebenden Rechtslage ist die Einräumung des Miteigentums als translative Rechtsübertragung zu bezeichnen, weil sie einen definitiven Rechtsverlust herbeiführt. I n der Naturalteilung der gemeinsamen Sache liegt wiederum eine translative Rechtsübertragung: A überträgt dem B sein Miteigentum an dem Sachstück, welches dem B zugewiesen wird, u n d erhält dafür das bisherige Recht des B an dem Stück, welches ihm, dem A , zufällt 1 2 . Der Begriff der translativen Rechtsübertragung w i r d u m seine Schärfe gebracht, wenn man, wie es bisweilen geschieht, eine A b t r e t u n g eines Rechts ohne vollen Wechsel des Subjekts für möglich e r k l ä r t : so soll A b t r e t u n g v o n E i g e n t u m oder Forderungen m i t der W i r k u n g möglich sein, daß der Abtretende i m inneren Verhältnis der Parteien Subjekt des Rechtes bleibt 1 3 ; ein Anspruch soll i n der Weise abgetreten werden können, daß ,,der Zessionar befähigt w i r d , den Anspruch i m Klagewege zwar als Recht des Zedenten, aber trotzdem i m eigenen Namen u n d i n eigenem Interesse für sich zur Geltung zu bringen' 4 1 4 . Solche Anm. 40; E n d e m a n n I I § 70 A n m . 11; W o l f f , JheringsJ. 44, 194; H i r s c h a. a. O. 222; a. A. C r o m e § 286 A n m . 66; W a l s m a n n , Verzicht 137 fg. 11 Vgl. ob. § 3 I V . 12 Bei Miteigentum zur gesamten H a n d findet nicht partielle, sondern totale Rechtsübertragung s t a t t ; w i r d eine Sache des A infolge v o n Gesellschaft oder Gütergemeinschaft Miteigentum des A u n d B , so geht das ganze E i g e n t u m von A auf A u n d B als Subjekte des gemeinsamen Vermögens über; erwirbt A aus dieser Gemeinschaft eine Sache für sich, so geht das ganze Eigentum aus dem Vermögen des A u n d B i n das des A über. 13 Bd. I § 2 Note 23 a, unt. § 60. 14 R G . 78, 90; 73, 306.

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

K o n s t r u k t i o n e n halte ich für unzulässig: sie führen teils zu materiell unerwünschten Resultaten (Ermöglichung einer nach außen nicht bemerkbaren Zuständigkeit v o n Rechten), teils zu einer für die K l a r h e i t des Rechtes gefährlichen Denaturierung der Rechtsbegriffe 1 5 . I I . Die Rechtsnachfolge ist k o n s t i t u t i v 1 6 , wenn nicht das ganze Recht des Autors übergeht, sondern aus dessen I n h a l t ein Recht geringeren Inhaltes entsteht und zugleich auf ein anderes Subjekt übergeht. Das Ursprungsrecht k a n n man Mutterrecht nennen, das abgeleitete Recht geringeren Umfangs: Tochterrecht. Die k o n s t i t u t i v e Rechtsübertragung ist, da der Übertragende das M u t t e r recht behält, keine Veräußerung, sondern eine B e 1 a s t u n g 1 7 des Mutterrechtes, dessen Ausübung, solange das Tochterrecht besteht 1 8 , soweit zu unterbleiben hat, als der I n h a l t des Tochterrechts es erfordert. D a bei der konstitutiven Rechtsnachfolge für den Erwerber ein Recht entsteht, welches i n diesem Bestände beim Vorgänger n i c h t existierte u n d welches meist einen besonderen Namen t r ä g t , ist der Tatbestand der Rechtsnachfolge nicht so deutlich, wie bei der translativen Sukzession; das Vorliegen einer Rechtsnachfolge zeigt sich aber darin, daß der I n h a l t des Tochter rechtes sich auf die i m Mutterrecht enthaltenen Befugnisse zurückführen läßt: meistens besteht das Tochterrecht aus einzelnen zum I n h a l t des Mutterrechts gehörenden Befugnissen; bisweilen hat das Tochterrecht einen negativen I n iß Wer ein fremdes Recht als solches gerichtlich geltend macht, handelt i m Namen des Berechtigten u n d bedarf einer Vollmacht. Einklagung fremder Rechte i m eigenen Namen ist eine v o m Gesetz nur i n bestimmten Fällen ( H e l l w i g , Lehrb. § 49 Note 24, § 122 Note 6) zugelassene Ausnahme. 16 D e r n b u r g spricht von „begrenzter", C o s a c k und E n n e c c e r u s von ,,rechtsbegründender" Sukzession. 17 Vgl. § 517/8, 873 I , 874, 876, 1012/3 und die übrigen i m W o r t verzeichnis v o n G r a d e n w i t z nachgewiesenen §§. Von der Belastung ist zu unterscheiden die Beschränkung eines Rechts. Der Unterschied besteht nicht, wie E n d e m a n n § I I § 94 Note 8 meint, darin, daß die Belastungen durch Rechtsgeschäft, die Beschränkungen durch Gesetz entstehen (ein gesetzliches Pfandrecht ist z. B . zweifellos Belastung i m Sinn v o n § 936), sondern darin, daß der Beschränkung kein aus dem beschränkten Recht abgeleitetes Recht entspricht. Aus diesem Grund enthält z. B . § 906 keine Belastung des Eigentums, ebensowenig die Veräußerungsverbote, § 135/6, vgl. ob. § 1 Note 19. 18 Vgl. unt, I I 9.

§ 45.

Translative und konstitutive

Rechtsnachfolge.

63

h a l t : es besteht darin, daß einzelne i m Mutterrecht enthaltene Befugnisse nicht ausgeübt werden können. Die k o n s t i t u t i v e A b zweigung von Rechten erfolgt in der Regel derivativ 1 9 , k a n n aber in gewissen Fällen auf originärem Erwerb beruhen 2 0 . Bei konstitutiver Sukzession findet, wie bei Teilung, eine Zerlegung eines Rechtes i n zwei Rechte statt. Während aber die Teilrechte einander gleichartig sind, u n d das Maß der Teilberechtigungen sich i n einem Zahlenverhältnis ausdrücken läßt, ist bei konstitutiver Abzweigung die Minderung des Mutterrechts keine quantitative: das Tochterrecht steht zu der dem Mutterrecht verbleibenden Rechtsmacht i n keinem Zahlen Verhältnis. Man kann daher, wenn man den Ausdruck Teilung auf die konstitutive Zerlegung eines Rechtes anwenden w i l l , v o n einer qualitativen Teilung sprechen 2 1 . 1. Gegenstand einer k o n s t i t u t i v e n Sukzession können alle der Übertragung zugänglichen Rechte sein 2 2 . Die wichtigsten Beispiele von Rechten, die aus konstitutiver Übertragung entstehen, sind die aus dem Eigentum abgezweigten Rechte an fremder Sache 2 3 . Die H e r k u n f t des Tochterrechts aus dem Stoff 19 Durch Verfügung des Inhabers des Mutterrechts („Bestellung"), durch Aneignungshandlung des Erwerbers, z. B . Pfändung, vgl. ob. § 8 I I I 6, oder auf Grund eines gesetzlichen Tatbestandes, z. B . Nutznießung des Ehemanns oder Vaters, R G . 80, 5, gesetzliches Pfandrecht. 20 Ersitzung nach § 900 I I , 1033. 21 B e k k e r , Z R G . 23, 10; K r ü c k m a n n , AZPrax. 101, 164; 103, 314 fg. Gegen die Subsumption der konstitutiven Übertragung unter den Begriff der Teilung H i r s c h a. a. O. 204 fg., der außer anderen Unterschieden m i t Recht hervorhebt, daß bei Teilung eine definitive Minderimg des Rechts eintritt, während bei konstitutiver Abzweigung das Mutterrecht durch Erlöschen des Tochterrechts seinen ursprünglichen Umfang wiedergewinnt, vgl. unt. Note 133. 22 Ausnahmsweise k o m m t konstitutive Sukzession bei unübertragbaren Rechten v o r : die ehemännliche u n d elterliche Nutznießung erstreckt sich auf unübertragbare Rechte, soweit sie durch einen anderen als den Berechtigten ausgeübt werden können, P l a n c k § 1363, 4; § 1649, 3; Forderungen, die nach § 399 unübertragbar sind, können nach ZPO. § 851 I I , andere unübertragbare Rechte nach ZPO. § 857 I I I gepfändet werden; ebenso der unübertragbare A n t e i l an einem Gesellschaftsvermögen u n d am Gesamtgut nach Beendigung der Gütergemeinschaft, ZPO. § 859 I , § 860 I I . E i n Veräußerungsverbot des § 135 hindert nicht die Pfändung, sondern nur die Veräußerung oder Überweisung des gepfändeten Gegenstandes, ZPO. § 772. 23 Diese Rechte sind „verselbständigte Eigentumssplitter", G i e r k e § 120 Note 38.

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

des Mutterrechts ist auf den ersten B l i c k erkennbar beim Erbbaurecht, den Grunddienstbarkeiten u n d dem Nießbrauch an Sachen: die Benutzung der Sache, die i n prinzipieller Unbeschränktheit dem Eigentümer zusteht, § 903, bildet, i n sachlicher oder zeitlicher Beziehung begrenzt, den I n h a l t dieser Rechte 2 4 . A u c h die negativen Servituten können aus dem I n h a l t des Eigentums abgeleitet werden: die i m E i g e n t u m enthaltene Befugnis, den Zustand des Grundstücks zu ändern bzw. eine Tätigkeit auf dem Grundstück vorzunehmen, ist zwar nicht auf den Berechtigten übertragen, aber zu seinen Gunsten dem Eigentümer entzogen 2 5 . Das Pfandrecht i n seinen verschiedenen Abarten ist aus der i m Eigentum enthaltenen Veräußerungsbefugnis 2 6 abgeleitet 2 7 : wie der Eigentümer durch Veräußerung der Sache den Geldwert derselben gewinnen konnte, so k a n n es der Pfandberechtigte durch den P f a n d v e r k a u f 2 7 a . Die Veräußerungsbefugnis des Pfandberechtigten ist stärker, als die des Eigentümers der pfandbelasteten Sache: veräußert der Eigentümer, so bleiben alle Belastungen der Sache bestehen, während bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken alle dem Recht des betreibenden Gläubigers nachstehenden R e c h t e 2 8 , beim Pfandverkauf alle Pfandrechte erlöschen, auch die dem verkaufenden Gläubiger vorgehenden 2 9 (sowie ein Nießbrauch, wenn er nicht sämtlichen Pfandrechten vorgeht) 3 0 . 24

Der Nießbrauch an einem Grundstück samt Inventar enthält außer dem Benutzungsrecht eine ebenfalls aus dem Eigentum abgeleitete Befugnis zur Verfügung über einzelne Stücke des Inventars, § 1048. 25 H i r s c h a. a. O. 226. 26 Vgl. B d . I S. 61. 27 Ebenso die Reallast: sie ist kein Nutzungsrecht (a. A. G i e r k e § 148 S. 711, W o l f f , Sachenrecht § 103 I I 1); denn die wiederkehrenden Leistungen, § 1105, brauchen nicht den Nutzungen des Grundstücks zu entstammen, sondern ein Haftungsrecht ( G i e r k e a. a. O. S. 712); insofern als der Berechtigte bei Ausbleiben der Leistung Befriedigung aus dem Grundstück suchen kann. 27 a Die Pfandsache w i r d i n der Regel an einen D r i t t e n veräußert. W i r d sie dem Eigentümer zugeschlagen, § 1239 I , so erwirbt dieser, da der Pfandgläubiger i h m das Eigentum entziehen k a n n , ein auf neuem Rechtsgrund beruhendes Eigentum, vgl. Bd. I § 6 Note 29. 28 Z V G . §§ 44, 52, 91. 29 § 1242 I I . 30 E i n nicht allen Pfandrechten vorgehender Nießbrauch muß deswegen erlöschen, weil er nicht stärker sein kann, als ein i h m vorgehendes Pfandrecht; wer einen Nießbrauch hinter einem Pfandrecht erwirbt, muß daher d a m i t rechnen, beim Pfandverkauf i n Geld abgefunden zu werden.

§ 45.

Translative u n d konstitutive

Rechtsnachfolge.

65

Dieser Unterschied erklärt sich aus folgender Erwägung: durch Bestellung eines Pfandrechts reduziert sich der I n h a l t des Eigentums auf ein Anrecht am Überschuß des Erlöses u n d auf die A n wartschaft, bei Wegfall des Pfandrechts die volle Herrschaft über die Sache wiederzuerlangen (bzw. die H y p o t h e k zu erwerben); diese i h m verbliebenen Befugnisse überträgt der Eigentümer, wenn er die pfandbelastete Sache veräußert. Dagegen liegt i m Pfandrecht die Befugnis (die vor der Pfandbestellung dem Eigentümer zustand), den W e r t der Sache durch Veräußerung i n Geld umzusetzen und den i h m gebührenden T e i l des Erlöses sich anzueignen. Bestehen mehrere Pfandrechte, so ist der Pf andver kauf eine L i q u i d a t i o n dieser Rechte, v o n welcher i m Hypothekenrecht nur die dem betreibenden Gläubiger nachstehenden Rechte, beim Faustpfand alle Pfandrechte betroffen werden. Diese L i q u i d a t i o n kann jeder Pfandgläubiger herbeiführen 3 1 ; nicht dagegen der Eigentümer, wohl aber dessen Konkursverwalter 3 2 . Das v o m Gesetz als dingliches Recht am Grundstück bezeichnete Vorkaufsrecht kann als k o n s t i t u t i v abgeleitet betrachtet werden insofern, als dem Eigentümer durch das Vorkaufsrecht die Befugnis entzogen wird, durch Verfügung über das Grundstück das Vorkaufsrecht zu vereiteln oder zu beeinträchtigen 3 3 . K o n s t i t u t i v e Ableitung kann auch beim Besitz v o r k o m m e n : w i r d eine Sache einem Mieter, Pächter oder sonstigen Personen des § 868 übergeben, so beruht die Besitzstellung des Erwerbers auf der des Vorbesitzers 3 4 ; der Mieter ist daher i n bezug auf den Besitz Rechtsnachfolger des Vermieters 3 5 . Aber die Sukzession 31 Der nachstehende Pfandgläubiger nur, wenn er i m Besitz der Sache ist, § 1232. 32 K O . § 126/7. 33 I n seiner W i r k u n g gegen D r i t t e ist das Vorkaufsrecht der Vormerkung, § 883, gleichgestellt, § 1098 I I . Daher liegt es nahe, auch die Vormerkung als ein k o n s t i t u t i v , durch Verfügimg, v o m Eigentum abgeleitetes Recht aufzufassen; so H e l l w i g , Rechtskraft 254. D a aber das Gesetz die Vormerkung nicht, wie das Vorkaufsrecht i n die Reihe der Rechte an Grundstücken stellt, scheint es richtiger, die Vormerkung n i c h t als besonderes Recht, sondern als eine Verstärkung der Forderung zu betrachten, vgl. ob. § 6 Note 15; § 11 S. 206; § 44 Note 28. 34 Vgl. ob. § 44 I V . 35 ZPO. § 325 I nennt den Unterbesitzer neben den Rechtsnachfolgern, scheint i h n also nicht zu den Rechtsnachfolgern zu rechnen. M a n kann aber m i t H e l l w i g , Rechtskraft § 36 Note 21 darin eine dem Ausschluß von Zweifel dienende Vorschrift sehen. A. A. P l a n c k § 221,2 S. 365.

Handbuch X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

5

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

ist nicht translativ, denn der Vermieter behält den mittelbaren Besitz. H e l l w i g 3 6 sieht darin eine kumulative Sukzession: Aufnahme eines Mitberechtigten i n das Besitz Verhältnis. Meines Erachtens ist der Besitz des Vermieters als das Mutterrecht zu betrachten, aus welchem ein allerdings sehr bedeutender Teil der Befugnisse als unmittelbarer Besitz auf den Mieter k o n s t i t u t i v übertragen i s t ; dem Vermieter ist aber außer dem Anspruch aus § 869 die Ersitzungsmöglichkeit verblieben. Entsprechend verhält es sich, wenn ein Eigenbesitzer durch constitutum possessorium den mittelbaren Besitz überträgt: der mittelbare Besitz w i r d auf diesem Wege nur dann erworben, wenn der Einräumende Besitzer i s t ; der E r w e r b ist daher derivativ, u n d zwar, da der Einräumende den unmittelbaren Besitz behält, k o n s t i t u t i v : aus dem Eigenbesitz als Mutterrecht w i r d hier der mittelbare Besitz, als Tochterrecht abgezweigt. Andere als die i m Gesetz vorgesehenen konstitutiven Übertragungen können aus dem Eigentum nicht vorgenommen werden; für die Rechte an fremder Sache besteht ein numerus clausus 3 7 . N i c h t nur Eigentum u n d Besitz, sondern auch Forderungen u n d andere Rechte können Gegenstand einer konstitutiven Übertragung sein. Die wichtigsten Zwecke, denen eine solche A b zweigung v o n Befugnissen dient, sind Gewährung eines zeitweiligen Genusses u n d Sicherung einer Forderung. Daher gibt es Nießbrauch u n d Pfandrecht an oder, wie man korrekter sagen müßte, a u s Forderungen u n d anderen übertragbaren Rechten 3 8 :. denn Nießbrauch u n d Pfandrecht ,,an Rechten" haben nicht dieses Recht, z. B . die Forderung zum Objekt — sowenig wie der Sachnießbrauch ein Recht am Eigentum ist — , sondern bestehen aus Befugnissen, die dem I n h a l t der Forderung entnommen sind und neben die dem Gläubiger verbleibenden Befugnisse treten 3 < J : der Forderungsnießbrauch besteht aus einer von der Grundforderung abgezweigten Forderung gegen den Schuldner, das Forderungspfandrecht aus einer Forderung gegen den Drittschuldner und aus der Befugnis, die Forderung des Gläubigers zu veräußern bzw. sich anzueignen 4 0 . 36

Rechtskraft § 35 I V , § 36 I I . Vgl. ob. § 6 Note 16. 38 § 1069 I I , 1274 I I , ZPO. § 851 I . 39 Vgl. ob. § 6 V I . 40 D u r c h Überweisung nach ZPO. § 835 oder durch Abtretung, zu welcher der Gläubiger nach § 1282 I 3 verpflichtet ist. 37

§45.

Translative u n d konstitutive

Rechtsnachfolge.

67

Auch für konstitutive Übertragungen aus Forderungen g i b t es einen numerus clausus: andere Befugnisse, als die, welche zu einem Nießbrauch oder einem Pfandrecht gehören, können aus einer Forderung nicht ausgeschieden und auf ein anderes Subjekt übertragen werden; es k a n n z. B. die Einziehungsbefugnis als ein den Gläubiger ausschließendes oder beschränkendes Recht nicht anders von der Forderung getrennt werden, als i n Gestalt eines an der Forderung bestellten Nießbrauchs oder Pfandrechts 4 1 . I m Immaterialgüterrecht ist konstitutiver Übergang eine überaus häufige Erscheinung. Die Urheber- u n d Erfinderrechte können wie unbeschränkt, so auch beschränkt übertragen werden 4 2 die Beschränkung kann eine inhaltliche, zeitliche oder räumliche sein 4 3 . Die konstitutive Übertragung der Urheberrechte erfolgt außer zu Nießbrauchs- und Pfandzwecken namentlich zu dem Zwecke, u m die Verbreitung des Geisteswerkes, welche der A u t o r selbst nicht bewirken kann, durch einen anderen, den Verleger, besorgen zu lassen 4 4 . Dem Verlagsrecht entspricht beim Patent das sogenannte ausschließliche Lizenzrecht 4 5 . Eine k o n s t i t u t i v e Übertragung v o n sehr beschränktem Umfang ist das Aufführungsrecht an Bühnen- u n d musikalischen Werken u n d das beim Patent häufig vorkommende nichtausschließliche Lizenzrecht 4 6 . 41 Eine i n anderer Weise erteilte Gestattung der Einziehung f ä l l t unter den Begriff der V o l l m a c h t ; Vollmacht ist aber Übertragung nicht des Rechtes, sondern der Ausübung des i n ungemindertem Bestand beim Vollmachtgeber verbleibenden Rechts, vgl. unt. Note 60. 42 L i t U G . § 8, K u n s t U G . § 10, MusterG. § 3, PatentG. § 6, GebrMustG. § 7 . D e r n b u r g V I §§ 17, 18; C r o m e § 520 Note 49. R G . 80, 129. 43 Bei der Übertragung des Urheberrechts bleiben, soweit nicht ein anderes vereinbart ist, gewisse Befugnisse dem Urheber vorbehalten, L i t U G . § 14, K u n s t U G . § 11. 44 Das Verlagsrecht, VerlG. § 8, ist eine konstitutive Abzweigung des Urheberrechts. 45 K o h l e r bei D e r n b u r g V I § 94. R G . 76, 236. 46 Übertragen w i r d eine beschränkte Benutzungsbefugnis, aber nicht als ausschließliche und ohne das sonst m i t konstitutiver Übertragung verbundene Verbietungsrecht gegen Dritte. Trotzdem ist das Lizenzrecht nicht, wie Miete und Pacht, eine auf obligatorischer Verpflichtung des Rechtsinhabers beruhende Benutzungsbefugnis, sondern ein auf den Lizenzberechtigten übertragenes Stück des Autor- bzw. Patentrechtes; vgl. K o h l e r bei D e r n b u r g V I § 95, I s a y A n m . 13 fg. zu PatentG. § 6. Das zeigt sich, wenn das Mutterrecht nach Einräumung eines Lizenzrechts veräußert w i r d : der Lizenzberechtigte bleibt von dieser Veräußerung unberührt. R i e z 1 e r , Urheberrecht § 77 I 2 hält die Lizenz für eine obli-

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Eine der konstitutiven Übertragung verwandte Erscheinung zeigt sich bei bedingter oder befristeter Übertragung von Rechten. Bei aufschiebender Bedingung oder Anfangstermin entsteht für den Erwerber zunächst eine aus dem Recht des Veräußerers abgezweigte Anwartschaft 4 7 , welche sich bei E i n t r i t t der Bedingung oder des Termins i n das Vollrecht verwandelt. Das dem Veräußerer verbleibende Recht w i r d zwar m i t dem Namen des Vollrechts (Eigentum, Forderung usw.) bezeichnet, ist aber eine durch Abzweigung der Anwartschaft geminderte Rechtsmacht, welche bei E i n t r i t t der Bedingung ipso iure erlischt. Bei auflösender Bedingung oder E n d t e r m i n pflegt man das m i t dieser Beschränkung übergehende Recht m i t dem Namen des Vollrechtes zu bezeichnen; so spricht man v o n einem unter Resolutivbedingung erworbenen E i g e n t u m ; dieses Recht enthält aber nicht die i m Prinzip zeitlich unbegrenzte Rechtsmacht, die zum Wesen des Eigentums gehört u n d dem Veräußerer zustand, sondern ist eine aus dem vollen E i g e n t u m entnommene u n d i m Vergleich m i t diesem schwächere Herrschaft über die Sache. Wer unter auflösender Bedingung oder E n d t e r m i n veräußert, gibt nicht sein ganzes Recht auf, sondern behält die Anwartschaft auf den Rückfall des Rechtes, § 158 I I 4 8 . M i t dem Wegfall des bedingten oder befristeten Eigentums ergänzt sich das i n der Zwischenzeit auf eine Anwartschaft reduzierte Recht des Ver äußer er s, wie bei allen konstitutiven Abzweigungen, zu seinem früheren normalen Umfang 4 9 . Aus abgeleiteten Rechten können, soweit sie übertragbar sind, durch weitere k o n s t i t u t i v e Übertragung abgeleitete Rechte zweiten gatorische Berechtigung, w i l l aber den Lizenzberechtigten gegen den Singularsukzessor des Urhebers nach Analogie v o n § 571 B G B . schützen. 47 Vgl. ob. § 44 Note 24. 48 Vgl. ob. § 44 I V . 49 W e n n m a n m i t B e k k e r (vgl. ob. § 6 Note 36) die Forderung als Recht a m Vermögen des Schuldners auffaßt, so kann man die Begründung v o n Forderungen zu den k o n s t i t u t i v e n Rechtsübertragungen zählen, so B e k k e r § 3 4 S . 113. Als Mutterrecht wäre zu denken ein Recht des Schuldners an seinem ganzen Vermögen (vgl. dagegen ob. Bd. I S. 328). Diese Auffassung hat meines Erachtens nur den W e r t einer Analogie; allerdings enthält die Forderung eine Aneignungsbefugnis (vgl. ob. § 8 I I I 6), welche an jedem Stück des jeweiligen Schuldner Vermögens ausgeübt werden. Aber für diese Zugriffsrechte der Gläubiger gilt nicht das für k o n s t i t u t i v abgezweigte Rechte charakteristische Prinzip der Priorität der Entstehung, v g l . unt. I I 6. Gegen B e k k e r , aus anderen Gründen, H e l l w i g , Rechtskraft § 37 Note 2.

§ 45.

Translative u n d konstitutive

Rechtsnachfolge.

69

Grades hergestellt werden. So kann das Erbbaurecht i n derselben Weise, wie das Eigentum belastet werden, § 1017 I 5 0 . A n einer m i t Hypothek oder Pfand ausgestatteten Forderung u n d d a m i t an der H y p o t h e k oder dem Pfand k a n n Nießbrauch oder Pfandrecht bestellt werden. Dagegen k a n n der Nießbrauch, weil unübertragbar, auch nicht belastet werden 5 1 . Grunddienstbarkeiten können nur als Bestandteile des herrschenden Grundstücks, § 96, Gegenstand von Nießbrauch oder Pfandrecht sein. 2. Das k o n s t i t u t i v abgeleitete Recht besteht aus Befugnissen, die dem Mutterrecht entnommen sind; es hat daher dasselbe Obj e k t und dieselbe rechtliche Beschaffenheit, wie das Mutterrecht : Rechte, die aus dem Eigentum abgeleitet sind, haben die Sachen zum Objekt u n d sind dinglich; Rechte, die aus Forderungen abgeleitet sind, richten sich gegen den Schuldner u n d sind obligatorisch. Daher haben Nießbrauch u n d Pfandrecht je nach der Beschaffenheit des Mutterrechts verschiedene S t r u k t u r : sie sind dingliche Rechte, wenn sie an einer Sache bestehen, obligatorische Rechte, wenn sie aus einer Forderung bestellt sind. Die Gemeinsamkeit des Namens dieser Rechte beruht auf der Gleichheit des Zweckes u n d auf der historischen H e r k u n f t des jüngeren usufructus u n d pignus nominis, aus dem älteren und dogmatisch einfacher gestalteten Nießbrauch u n d Pfandrecht an Sachen. Das abgeleitete Recht hat prinzipiell keinen größeren I n h a l t als das M u t t err echt und ist, soweit nicht der Schutz des guten Glaubens eingreift, m i t denselben rechtlichen Schwächen wie dieses behaftet 5 2 . Doch hat das Gesetz aus praktischen Gründen Abweichungen von diesem Grundsatz zugelassen. Die Veräußerung der Pfandsache hat stärkere Wirkungen, wenn sie durch den Pfandberechtigten, als wenn sie durch den Eigentümer erfolgt 5 3 . Das durch Pfändung erworbene Recht geht bisweilen weiter als das gepfändete Recht: so k a n n ein Gläubiger, der einen Gesellschaftsanteil gepfändet h a t , nach § 725 die Gesellschaft kündigen, ohne an eine i m Gesellschaftsvertrag verabredete F r i s t gebunden 50

W o l f f , Sachenrecht § 104 V I I , § 108 I V , § 136 I I I , § 176 I V . § 1059. Vgl. aber ZPO. § 857 I I I . 52 Steht das Mutterrecht unter auflösender Bedingung oder ist es m i t einem E n d t e r m i n versehen, so übertragen sich diese Endigungsgründe auf das Tochterrecht : resoluto iure concedentis resol vitur ius concessum, § 161 I I , § 163. 53 Vgl. ob. S. 64. 51

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

zu sein 5 4 . Ebenso k a n n ein Gläubiger, welcher Ansprüche des eingebrachten Gutes gegen den Ehemann pfändet, diese Ansprüche sofort erheben, während die Ehefrau nach §§ 1394, 1377 I I I i n der Regel bis zur Beendigung der Verwaltung und Nutznießung zu warten hätte, § 1411 I 2 5 5 ; dasselbe gilt v o n der Pfändung v o n Ansprüchen des Kindes gegen den Vater, § 1659 I I 5 5 a . Die k o n s t i t u t i v abgeleiteten Befugnisse sind, wie bei der translativen Sukzession, auf den Erwerber übergegangen und zu einem eigenen Recht desselben geworden. W e n n der Nießbraucher oder Pfandberechtigte Früchte zieht oder die Sache veräußert oder die Forderung einzieht, so ü b t er sein eigenes Recht aus, nicht das Mutterrecht, aus dem sein Recht abgeleitet ist 5 6 . I n scharfem Gegensatz zur konstitutiven Rechtsübertragung steht die Überlassung der Ausübung eines Rechtes oder einzelner Befugnisse aus einem Recht 5 7 . I n dieser Weise, ohne Übertragung seines Rechts, k a n n der Eigentümer oder sonstige Gebrauchsberechtigte einem anderen den Gebrauch der Sache erlauben: auf G r u n d einer obligatorischen Verpflichtung (Miete, Pacht, Leihe) oder ohne solche Verpflichtung (precarium). Das Eigentum verbleibt i n ungemindertem Bestände dem Vermieter; die Benutzungsbefugnis des Mieters beruht auf seinem persönlichen Verhältnis zum Vermieter, nicht auf einer rechtlichen Beziehung zur Sache 5 8 . I n derselben Weise kann die Ausübung des — unüber54 Das unbeschränkte Kündigungsrecht des Pfändungsgläubigers ist ein Ausgleich dafür, daß bei bestehender Gesellschaft der zum Gesellschaftsvermögen gehörende Teil des Schuldnervermögens dem Zugriff des Gläubigers entzogen ist, wenn er nicht zugleich Gläubiger der übrigen Gesellschafter ist, vgl. B d . I S. 362. 66 Daß der Pfändungsgläubiger besser gestellt ist, als die Ehefrau, deren Forderung er pfändet, erklärt sich daraus, daß er auf die Verwaltung u n d Nutznießung des Ehemanns keine Rücksicht zu nehmen hat, § 1411 I 1. 55a Vgl. auch R G . 76, 438. O L G . 27, 137. 56 H i r s c h a. a. O. 185. A u c h i m Prozeß, den der Nießbraucher oder Pfandgläubiger führt, handelt es sich u m das i h m zustehende Recht, nicht u m das Mutterrecht, aus welchem er sein Recht ableitet, H e l l w i g , Rechtskraft § 5 I I . 57 H i r s c h a. a. O. w i l l auch die konstitutive Sukzession als eine Übertragung nicht des Rechts, sondern der Ausübung erklären, unterscheidet aber S. 178 fg. innerhalb der durch Übertragung der Rechtsausübung entstehenden Befugnisse zwei Gruppen: die k o n s t i t u t i v abgeleiteten Rechte u n d die Ausübungsberechtigungen. 58 H a t der Benutzungsberechtigte den Besitz der Sache, so ist seine

§ 45.

Translative

und konstitutive

Rechtsnachfolge.

71

tragbaren — Nießbrauchs einem anderen überlassen werden, § 1059, ohne daß diesem anderen ein aus dem Nießbrauch abgeleitetes Recht an der Sache zusteht 5 9 . Auch die Ausübung der zum Bestände der Herrschaftsrechte gehörenden Verfügungsmacht sowie die Ausübung von Gestaltungsrechten k a n n einem anderen überlassen sein 6 0 : die Vertretungsmacht u n d die Ermächtigung 185 I ) sind nicht konstitutive Abzweigungen aus den Rechten, über welche der Vertreter oder Ermächtigte verfügen kann, sondern beruhen auf dem Verhältnis, i n welchem der Vertreter oder Ermächtigte zu dem Subjekt des seiner Machtbefugnis unterliegenden Rechtes steht; wer als Vertreter oder nach § 185 I eine Sache veräußert, übt auf Grund seiner Machtbefugnis das Verfügungsrecht und damit das Eigentum des Vertretenen bzw. des Einwilligenden aus. 3. Die konstitutive Übertragung findet prinzipiell in denselben Formen statt, wie die translative Übertragung. Die Belastung von Grundstücken erfolgt, wie die Eigentumsübertragung, durch Eintragung u n d Einigung, § 873; die Einigung ist aber formlos; nur bei Bestellung des Erbbaurechts ist dieselbe Form, wie bei der Eigentumsübertragung (Auflassung) vorgeschrieben, § 1015. Bestellung des Nießbrauchs an Mobilien u n d des Pfandrechts erfolgt, wie die Eigentumsübertragung, durch Übergabe der Sache, -§§ 1032, 1205; jedoch ist aus rechtspolitischen Gründen bei der Pfandbestellung das constitutum possessorium, § 930, ausgeschlossen und die cessio vindicationis, § 931, erschwert 6 1 . Die Bestellung von Nießbrauch u n d Pfandrecht an Forderungen u n d sonstigen Rechten erfolgt nach den für die Übertragung geltenden Vorschriften, §§ 1069, 1274, also durch einen i n der Regel, §§ 398, 413, formlosen Vertrag zwischen dem Inhaber des Mutterrechts und dem Erwerber des T o c h t e r r e c h t s 6 2 ; bei Verpfändung einer Rechtsstellung, auch wenn sie auf Gestattung des Eigentümers beruht, i n manchen Beziehungen erheblich verstärkt, vgl. ob. § 11 I I 6. 59 P 1 a n c k § 1059, 3; W i n d s c h e i d - K i p p § 205; a. A . W o 1 f f, Sachenrecht § 118 Note 2. Die nach ZPO. § 857 I I I zulässige Pfändung des Nießbrauches verschafft dem Gläubiger meines Erachtens nicht bloß ein (zu seiner Sicherung nicht genügendes) obligatorisches Recht auf Ausübung des Nießbrauchs, sondern ein aus dem Nießbrauch k o n s t i t u t i v abgeleitetes Recht, vgl. R G . 74, 83. 60 Vgl. ob. § 7 I V . 61 Sie ist nur dann zulässig, wenn der Verpfänder mittelbaren Besitz hat, und erfordert Anzeige an den unmittelbaren Besitzer, § 1205 I I . 62 Der von H e l l w i g , Rechtskraft § 35 I V , ZivProz. § 40 Note 25 a,

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Forderung ist außerdem Anzeige des Gläubigers an den Schuldner vorgeschrieben, § 1280. Die Bestellung eines abgeleiteten Rechtes kann auch so erfolgen, daß bei translativer Übertragung des Mutterrechts der Veräußerer sich ein Tochterrecht vorbehält. Man kann i m A n schluß an den Sprachgebrauch der Römer v o n deduktiver Übertragung sprechen 6 3 . Nach der S t r u k t u r unseres Rechts kann dies Resultat nicht uno actu, durch Übertragung des Eigentums oder sonstigen Mutterrechts abzüglich der vorbehaltenen Befugnisse erreicht werden, sondern nur durch zwei voneinander zu unterscheidende Verfügungen: Übertragimg des vollen Eigentums u n d Belastung desselben m i t einem Recht zugunsten des Veräußerers. W i l l der Ver äußer er eine Grundschuld vorbehalten, so kann er dieselbe für sich begründen, § 1196, u n d das so belastete Eigentum übertragen. Sonstige Belastungen k a n n der Eigentümer nicht f ü r sich selbst, sondern nur für ein anderes Rechtssubjekt begründen 6 4 . Daher muß ein vorbehaltenes Recht v o m Eigentumserwerber f ü r den Veräußerer bestellt werden. Die Einigung über den Eigentumsübergang u n d über die Bestellung des vorbehaltenen Rechts k a n n gleichzeitig getroffen werden. Bei Mobilien treten die W i r k u n g e n beider Vereinbarungen gleichzeitig ein: durch cons t i t u t u m possessorium, § 930, geht Eigentum über u n d zugleich entsteht der Nießbrauch oder das Pfandrecht für den Ver äußer er. A n Grundstücken entsteht das vorbehaltene Recht erst durch E i n t r a g u n g ; die Eintragung k a n n aber, selbst wenn der Eigentumserwerber sie i m Voraus bewilligt h a t 6 5 , nach GBO. § 19 erst erfolgen, nachdem er selbst als Eigentümer eingetragen i s t 6 6 . als k u m u l a t i v e Sukzession bezeichnete H i n z u t r i t t eines Gesamt gläubiger s ist meines Erachtens kein F a l l der Rechtsnachfolge; denn das Recht des hinzutretenden Gläubigers entsteht nicht durch einen Vertrag zwischen i h m u n d dem alten Gläubiger, sondern durch einen Verpflichtungsakt de& Schuldners u n d eine zwischen dem Schuldner u n d dem bisherigen Gläubiger verabredete Abänderung ihres Rechtsverhältnisses. 63 B e k k e r § 34 Note p ; W i n d s c h e i d § 212, Note 10. 64 Vgl. unt. S. 80. 65 Die v o m Erwerber vor seiner Eintragung erteilte Eintragungsbewilligung konvalesziert nach § 185 I I , sobald er als Eigentümer eingetragen ist, P l a n c k , Erl. I I I 1 zu § 873. R G . 77, 87. 66 Der Gefahr, daß der Eigentumserwerber vor der Eintragung des vorbehaltenen Rechts eine Verfügungsbeschränkung, z. B . durch Konkurs, erleidet, kann der Veräußerer nach § 878 dadurch begegnen, daß er u n mittelbar nach der Eintragung des Eigentums oder schon vor der E i n -

§ 45.

Translative u n d konstitutive

Rechtsnachfolge.

73

Obgleich das vorbehaltene Recht durch Verfügung des Eigentumserwerbers entsteht, ist es für den Veräußerer w i r t schaftlich kein neu erworbenes Vermögensstück, sondern der Überrest des v o n i h m weggegebenen Eigentums 6 7 . Die Bestellung eines bei der Eigentumsübertragung vorbehaltenen Rechts hat daher für den Erwerber nicht dieselbe wirtschaftliche Bedeutung, wie eine Belastung der Sache aus anderer Veranlassung; sie ist nur äußerlich betrachtet eine Minderung seiner A k t i v a u n d erscheint i m Zusammenhang des ganzen Vorgangs als eine Modalität des Eigentumserwerbs. Daher ist es streitig, ob. die i n gewissen Fällen bestehenden Erschwerungen der Verfügung (Einwilligung der Ehefrau zur Verfügung des Mannes über gütergemeinschaftliche Grundstücke, § 1445; besondere Ermächtigung des Prokuristen und der Handlungsbevollmächtigten zur Belastung von Grundstücken, H G B . § 49 I I , § 54 I I ; Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes zu Verfügungen des Vormundes u n d Vaters über Grundstücke, § 1821 N r . 1, § 1643) auch für die Bestellung von Rechten gelten, die sich der Veräußerer vorbehalten hat, insbesondere für die Bestellung einer H y p o t h e k für den Kaufpreis. F ü r den F a l l der Gütergemeinschaft hat das R G . 69, 178 6 8 , der wirtschaftlichen Bedeutung des Vorganges entsprechend, die E i n willigung der Frau für nicht erforderlich erklärt. Ebenso ist meines Erachtens für den Prokuristen zu entscheiden 6 9 . Beim V o r m u n d ist die Kontroverse praktisch bedeutungslos, da die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes jedenfalls nach § 1821 N r . 4 erforderlich i s t 7 0 . Beim Inhaber der elter liehen Gewalt gilt § 1821 N r . 4 n i c h t ; es k o m m t daher darauf an, ob man die Bestellung eines vorbehaltenen Rechts beim E r w e r b eines Grundstücks als eine nach § 1821 N r . 1 genehmigungsbedürftige Verfügung auffaßt; dafür sprechen, trotz der naheliegenden Analogie

tragung (GBO. § 18) auf Grund der Bewilligung des Erwerbers den A n t r a g auf Eintragung des vorbehaltenen Rechtes stellt. OLG. 27, 208. 67 E r hat die vorbehaltenen Befugnisse zwar nicht als Dienstbarkeit r Nießbrauch oder Pfandrecht, wohl aber als Bestandteile seines Eigentums gehabt und nach der Veräußerung des Eigentums behalten. 68 M i t Angabe der Literatur und Judikatur. 69 S t a u b , A n m . 2 zu H G B . § 49; M a r c u s in D J Z . 11, 958; D e r n b u r g § 167 Note 4; a. A. L e h m a n n , Lehrb. des H R t s . 216 Note 1. 70 P l a n c k , Erl. I I 1 b zu § 1821.

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

des § 1445, erhebliche Gründe (größere Gebundenheit des Vaters i m Vergleich zum Ehegatten bei der Vermögensverwaltung) 7 1 . 4. Die abgeleiteten Rechte entstehen durch Sukzession 7 2 ; daher g i l t für sie, wie für die translative Übertragung der Satz: nemo plus iuris transferre potest quam habet ipse i n dem ob. § 44 S. 51 dargelegten Sinne: zur Entstehung des abgeleiteten Rechts ist erforderlich, daß der Besteller Subjekt des Mutterrechts oder zur Verfügung über dasselbe berechtigt ist', oder daß die Verfügung eines Unberechtigten k r a f t des guten Glaubens des Erwerbers Wirksamkeit erlangt. E i n m a l entstanden ist das abgeleitete Recht dem Mutterrecht gegenüber selbständig 7 3 , zu seinem Fortbestande bedarf es des Mutterrechts nicht m e h r 7 4 ; wie bei der Veräußerung, so ist auch bei der Belastung nichts weiter nötig, als daß der Verfügende i m Moment seiner Verfügung zu derselben befugt war. Dingliche Rechte dauern fort, auch wenn der Besteller sein Eigentum v e r ä u ß e r t 7 5 oder die Sache herrenlos geworden i s t 7 6 . Auch Nießbrauch u n d Pfandrecht an Forderungen u n d anderen Rechten werden nicht dadurch berührt, daß das Mutterrecht v o m Besteller des Nießbrauchs oder Pfandrechts 71 O L G . 21, 286 (Darmstadt). F ü r das Erfordernis der Genehmigung bei Unterwerfung unter sofortige Zwangsvollstreckung OLG. 21, 287 (Colmar). Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bei Schenkung an Minderjährige unter Nießbrauchsbestellung für den Schenker verlangt O L G . 22, 160. 72 Abgesehen von den Fällen der Ersitzung vgl. ob. Note 20. 73 H i r s c h a. a. O. 224. 74 I m Gegensatz zu den abgeleiteten Rechten befinden sich die Ausübungsberechtigungen, vgl. ob. Note 57, i n dauernder Abhängigkeit v o m Mutterrecht, H i r s c h a. a. O. 179. Das auf obligatorischer Beziehung zum Eigentümer (Miete, Pacht usw.) beruhende Benutzungsrecht besteht grundsätzlich nur so lange, als die Sache dem Vermieter usw. gehört, der die Ausübung seines Eigentums dem Mieter überlassen h a t ; nur ausnahmsweise genießt der i m Besitz befindliche Ausübungsberechtigte einen bei Veräußerung der Sache mannigfaltig abgestuften Schutz. Unbedingt abhängig v o m Fortbestand des Mutterrechtes sind die auf Vertretungsmacht u n d Ermächtigung, § 185 I , beruhenden Befugnisse; m i t dem Recht des Vertretenen oder Ermächtigenden erlischt auch für den Vertreter oder Ermächtigten die Möglichkeit, über dieses Recht zu verfügen, vgl. ob. § 7 Note 21. 75 Vgl. ob. § 44 Note 75. 76 Die ehemännliche und elterliche Nutznießung dauert nur so lange, als der Gegenstand dem eingebrachten Gut oder dem Kindes vermögen angehört. Trotz dieser Abweichung sind diese Rechte ihrer ganzen Struktur nach den dinglichen Rechten zuzuzählen, vgl. Bd. I S. 137, 329.

§ 45.

Translative u n d k o n s t i t u t i v e Rechtsnachfolge.

v e r ä u ß e r t w i r d o d e r d a ß es e r l i s c h t 7 7 . geleiteten Rechtes

würde

auch rechtsgeschäftliche

A u s d e r S t r u k t u r des a b -

sich konsequenterweise

Aufhebung

75

ergeben,

o d e r Ä n d e r u n g des

r e c h t s o h n e E i n f l u ß a u f das T o c h t e r r e c h t i s t 7 8 .

daß

Mutter-

D a s Gesetz w i l l

aber d i e sich d a b e i ergebende v e r w i r r t e R e c h t s l a g e v e r m e i d e n

79

u n d s c h r e i b t d a h e r i n § 876/7, 1255 I I , 1276 v o r , d a ß eine r e c h t s geschäftliche

Aufhebung

oder Ä n d e r u n g

des b e l a s t e t e n

Rechts

n u r m i t Z u s t i m m u n g des I n h a b e r s des a b g e l e i t e t e n R e c h t s s t a t t finden kann 5.

80

.

Das abgeleitete R e c h t h a t i m Vergleich zu

e i n e n g e r i n g e r e n I n h a l t , aber eine g r ö ß e r e I n t e n s i t ä t . von

einem

finden

besseren

die Befugnisse

Rechten Dritter,

Rang

des

ihre

Man kann

sprechen81.

Tochterrechts

des E i g e n t ü m e r s

Mutterrecht

Schranke

an

So den

§ 903, z u w e l c h e n i n s b e s o n d e r e d i e k o n s t i t u t i v

aus d e m E i g e n t u m a b g e l e i t e t e n R e c h t e g e h ö r e n

82

.

Dasselbe g i l t

77

Nießbrauch u n d Pfandrecht an einer Forderung erlöschen nicht durch Konfusion der Forderung, vgl. Bd. I S. 158. 78 Demgemäß w i r d i m Urheberrecht (ohne Rücksicht auf § 1071, 1276) angenommen, daß Verzicht auf das Mutterrecht unbeschadet der konstit u t i v e n Abzweigungen (Nießbrauch, Pfandrecht, Verlagsrecht) möglich ist, A l s f e l d , Urheberrecht, Erl. 10 zu § 8 S. 92; C r o m e § 521 A n m . 17; W a l s m a n n , Verzicht 309; K o h l e r , Handbuch 666. 79 Mot. I I I 541. 80 Ohne die erforderliche Zustimmung ist die Verfügung auch für den Verfügenden selbst unwirksam. So, i m Anschluß an die Motive, die herrschende Meinung, P l a n c k § 876, 1; § 1071, 1. W o l f f , Sachenrecht § 39 I V , u n d S t r o h a l , relative Unwirksamkeit 22 fg., weisen m i t Recht darauf hin, daß der Wille des Gesetzes der rechtlichen Situation nicht entspricht u n d sich nicht ohne Unbilligkeit durchführen l ä ß t ; soll z. B der Berechtigte, der ohne Zustimmung des D r i t t e n auf sein Recht verzichtet und die Löschimg bewirkt hat, die Wiedereintragung des Rechtes i m Berichtigungsverfahren durchsetzen können ? soll ein Gläubiger des Berechtigten es dürfen ? Jedenfalls liegt i n einem nach § 876 unwirksamen Verzicht ein obligatorisches Versprechen, das Recht aufzugeben, aus welchem dem Verzichtenden, wenn er sein Recht unter Berufung auf die fehlende Zustimmung des D r i t t e n geltend machen will, eine Einrede entgegensteht. Diese Einrede w i r k t , wenn es sich u m eine Forderung handelt, auch gegen den Zessionar und den pfändenden Gläubiger; nicht aber bei dinglichen Rechten. 81

H i r s c h 200. Das Gesetz gebraucht den Ausdruck Rang n u r für das Verhältnis mehrerer Tochterrechte zu einander. 82 Der I n h a l t einer Grunddienstbarkeit k a n n so bestimmt werden, daß dem Eigentümer eine dem Tochterrecht vorgehende Benutzung vorbehalten bleibt; so kann z. B. bei einer Wassergerechtigkeit festgesetzt

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

v o n allen m i t Tochterrechten belasteten Rechten. Die Ausübung des Mutterrechts ist aber nicht ausgeschlossen, sondern nur soweit beschränkt, als das Tochterrecht reicht u n d durch volle Ausübung des Mutterrechts beeinträchtigt werden würde 8 3 . Die für das Mutterrecht übrigbleibende Ausübungsmöglichkeit hängt von der Beschaffenheit des Tochterrechts ab. Der i m Eigentum enthaltene tatsächliche Gebrauch der Sache ist bei den m i t Besitz verbundenen Belastungen (Erbbaurecht, Nießbrauch, Mobiliarpfand) ausgeschlossen, nicht aber bei den Grundpfandrechten ; bei Grunddienstbarkeiten und beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten bleiben dem Eigentümer alle Gebrauchsmöglichkeiten, durch welche der Servitutberechtigte nicht geschädigt w i r d 8 4 . Eine m i t Nießbrauch oder Pfandrecht belastete Forderung verbleibt dem Gläubiger, ist aber durch die neben sie tretende Forderung des Nießbrauchers oder Pfandberechtigten, welche m i t ihr den Schuldner u n d den Leistungsgegenstand gemeinsam hat, i n verschiedener Weise beschränkt; i n einigen Fällen, §§ 1077, 1281, verbleibt dem Gläubiger eine M i t w i r k u n g bei der Einziehung der Forderung, während i n anderen Fällen, §§ 1074, 1282, die Einziehung durch den Nießbraucher oder Pfandberechtigten erfolgt u n d der Gläubiger nur Leistung an den Nießbraucher oder Pfandberechtigten verlangen 8 5 oder auf Feststellung seiner Forderung klagen kann 8 6 . I n allen Fällen der Belastung behält der Inhaber des Mutterrechts werden, daß der Eigentümer vorweg ein bestimmtes Quantum Wasser beziehen u n d der Servitutberechtigte auf den Überschuß angewiesen sein soll. I n solchen Fällen hat das E i g e n t u m ausnahmsweise einen besseren Rang, als die Grunddienstbarkeit. 83 Die Beschränkung des Mutterrechts besteht nur gegenüber dem Tochterrecht; daher hat der Eigentümer einer belasteten Sache den Eigentumsanspruch, gegen welchen für den Nießbraucher oder Pfandberechtigten, nicht aber für D r i t t e , eine Einrede aus diesen Rechten erwächst, vgl. ob. § 17 Note 41. 84 Manche Servituten, z. B . Wegerechte, vertragen eine Mitbenutzving durch den Eigentümer, die aber i m Kollisionsfall hinter der Benutzung des Servitutenberechtigten zurücksteht. Der I n h a l t der Servitut kann aber auch so bestimmt sein, daß dem Eigentümer ein gleichstarkes Mitbenutzungsrecht verbleibt, D e r n b u r g I I I § 166 I , W o 1 f f , Sachenrecht § 107, 1. 85 P l a n c k § 1074, 1 a; § 1282, 4; H i r s c h 292. 86 Daß die Forderung trotz des auf ihr lastenden Nießbrauchs oder Pfandrechts i m Vermögen des Gläubigers verblieben ist, hat zur Folge, daß der Gegenstand der Leistung, auch wenn die Leistung an den Nießbraucher oder Pfandgläubiger erfolgt, i n das Eigentum des Gläubigers fällt, § 1075, 1287.

§45.

Translative u n d k o n s t i t u t i v e Rechtsnachfolge.

77

die Möglichkeit, dasselbe zu veräußern u n d i n anderer Weise darüber zu verfügen 8 7 ; jedoch bedarf er zur Aufhebung oder Änderung seines Rechtes nach §§ 876, 1071, 1276 der Z u s t i m m u n g des Inhabers des Tochterrechts, vgl. ob. N o t e 80. E n d l i c h verbleibt dem Mutterrecht die Aussicht, durch Erlöschen des Tochterrechts seinen normalen Umfang wiederzugewinnen, vgl. u n t . 9. 6. Aus der Rechtsmacht, welche dem Mutterrecht nach A b zweigung des Tochterrechts verbleibt, können weitere Tochterrechte konstituiert werden. D a diese Rechte ihren Stoff dem bereits belasteten Mutterrecht entnehmen, so können sie, soweit der Schutz des guten Glaubens nicht e i n w i r k t , keine stärkeren Befugnisse enthalten, als dem Mutterrecht verblieben sind. Daraus ergibt sich unter mehreren aus einem Mutterrecht abgeleiteten Rechten eine nach der Reihenfolge der Bestellung abgestufte Rangordnung 8 8 . Dies Prinzip ist für Grundbuchrechte ausgesprochen i n § 879 8 9 . A n beweglichen Sachen ist die Bestellung mehrerer Rechte durch das Erfordernis der Besitzübertragung erschwert, immerhin aber nach § 931 möglich (§§1032, 1205 I I ) ; auch können gesetzliche j u r a i n re aliena m i t rechtsgeschäftlich bestellten Rechten dieser A r t konkurrieren. Der Rang richtet sich nach der Zeit der Entstehung 9 0 . Dieser Grundsatz 9 1 ist i n § 1209 ausgesprochen für mehrere P f a n d r e c h t e 9 2 , g i l t aber, da er aus dem Wesen der k o n s t i t u t i v e n Übertragung folgt, auch für die (selten vorkommende) Konkurrenz mehrerer Nießbrauchsrechte 9 3 u n d für die Konkurrenz von Nießbrauch und Pfand87

Veräußern kann der Inhaber des Mutterrechts natürlich nur das, was er h a t : das belastete Recht (res transit cum onere suo). 88 Vgl. Bd. I S . 1 3 5 ; E n d e m a n n I I § 12; C r o m e § 383; P 1 a n c k Vorb. I I 3 zum Sachenrecht: § 1209, 1; H i r s c h 216. 89 Bei Eintragung i n dieselbe Abteilung des Grundbuchs entscheidet die Reihenfolge der Einträge (Lokusprinzip); ebenso bei Schiffspfandrechten, § 1261; unter Rechten, die i n verschiedenen Abteilungen eingetragen sind, entscheidet der i m Grundbuch angegebene Tag der Eintragung. 90 Soweit nicht die Grundsätze über den Schutz des guten Glaubens, § 936, eingreifen. 91 Der Grundsatz ist durchbrochen durch Privüegien gewisser gesetzlicher Pfandrechte, z. B. H G B . § 443. 92 Jedes Pfandrecht, auch ein nachstehendes, enthält die Veräußerungsbefugnis u n d kann daher das Erlöschen auch der vorgehenden Pfandrechte herbeiführen. § 1242; vgl. ob. Note 29. Der Vorrang zeigt sich bei der Verteilung des Erlöses. 93 Der nachstehende Nießbraucher hat nichts, als die Aussicht, durch

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

r e c h t 9 3 a . E i n R a n g v e r h ä l t n i s n a c h der E n t s t e h u n g s z e i t besteht n i c h t n u r u n t e r d i n g l i c h e n R e c h t e n a n d e r s e l b e n Sache, s o n d e r n ebenso a u c h u n t e r R e c h t e n ( N i e ß b r a u c h u n d P f a n d r e c h t ) , w e l c h e aus Forderungen94

und

anderen

Rechten

abgeleitet

Grundstücken, nicht bei anderen Rechten eines a b g e l e i t e t e n

Rechts

96

sind95.

, k a n n der

sich die Befugnis

Bei

Besteller

vorbehalten97,

ein

d e m e i n g e t r a g e n e n R e c h t e v o r g e h e n d e s R e c h t z u bestellen, R a n g vorbehalt, 7.

Da

§ 881

98

.

Mutter-

und

Tochterrecht

b e s t e h t u n t e r i h n e n eine A r t bei der Rechtsgemeinschaft

von

dasselbe

Gemeinschaft

nach Bruchteilen,

Objekt

haben,

ähnlich

§ 741 fg.

10

°,

w e l c h e r s i c h k r a f t Gesetzes o b l i g a t o r i s c h e B e z i e h u n g e n e r g e b e n

wie aus 101

.

Erlöschen des vorgehenden Nießbrauchs i n den Genuß der Sache einzurücken. 93a P l a n c k § 1209, 1. O L G . 27, 154. 94 P l a n c k § 1273, 2. V o n mehreren Pfandgläubigern ist nur der erste zur Einziehung berechtigt, § 1290. 95 D a der Schutz des guten Glaubens bei diesen Rechten nicht eingreift, k o m m t der Grundsatz prior tempore potior iure unverändert zur Geltung. 96 C r o m e § 383, 4. 97 Diese Befugnis ist nicht ein besonderes, aus dem Eigentum ausgeschiedenes Recht, sondern ein dem Eigentümer verbleibender Bestandteil, § 96, seines Rechts, P 1 a n c k § 881, 3; O L G . 21, 401. Die Befugnis, das Grundstück nachträglich an erster Stelle zu belasten, geht daher auf den Erwerber des Grundstücks über, § 881 I I I , u n d kann meines Erachtens v o m Konkursverwalter des Eigentümers ausgeübt werden. Konsequenterweise müßte die i m Eigentum verbliebene Befugnis auch dem vollstreckenden Gläubiger zugute kommen: durch Einrücken der Zwangshypothek i n den vorbehaltenen R a n g ; denn soweit der Vollstreckungsschuldner verfügen kann, soweit reicht i n der Regel der Zugriff des Gläubigers. Es ergibt sich aber aus § 881 I V , daß eine vor Ausübimg des Rangvorbehaltes eingetragene Zwangshypothek trotz des Rangvorbehaltes hinter der an erster Stelle eingetragenen H y p o t h e k rangiert, woraus eine bekanntlich wenig einleuchtende Verteilung des auf die erste H y p o t h e k entfallenden Betrages folgt. 98 Eine ähnliche Rechtslage, wie beim Rang vorbehält, ergibt sich, wenn der Eigentümer bei Bestellung einer Grunddienstbarkeit sich ein stärkeres Mitbenutzungsrecht vorbehalten h a t , vgl. ob. Note 82. Aus diesem Mitbenutzungsrecht k a n n der Eigentümer eine zweite Servitut bestellen, welche, obgleich jünger, der ersten Servitut vorgeht. 99 Bei Forderungen k o m m t zur Gemeinsamkeit des Objekts (Schuldner u n d haftendes Vermögen) hinzu der Umstand, daß die Leistung v o m Schuldner nur einmal zu erbringen ist, vgl. Bd. I S. 88. 100 Vgl. Bd. I S. 83 fg. 101 Vgl. ob. § 5 Note 5, H i r s c h 297.

§ 45.

Translative u n d konstitutive

Rechtsnachfolge.

79

Meistens handelt es sich u m Verpflichtungen des jeweiligen I n habers des Tochterrechts 1 0 1 gegenüber dem jeweiligen Inhaber des Mutterrechts 1 0 2 : der Nießbraucher, Pfandgläubiger, Servitutenberechtigte sind zu einer Reihe v o n Handlungen verpflichtet, durch welche das Interesse des Mutterrechts gewahrt w i r d ; ausnahmsweise besteht eine solche Verpflichtung zu Lasten des Mutterrechts, § 1022. Wenn die Ausübung des Mutter- u n d Tochterrechts gemeinsam zu erfolgen hat, §§ 1077, 1281, besteht eine Verpflichtung beider Teile, zur gemeinsamen Ausübung mitzuwirken, §§ 1078/9, 1285/6. Auch unter mehreren Inhabern von Tochterrechten bestehen, wenn auch i n geringerem Maße, obligatorische Beziehungen 1 0 4 . 8. Daraus, daß der I n h a l t des Tochterrechts dem M u t t e r recht entnommen ist, scheint sich die Konsequenz zu ergeben, daß ein k o n s t i t u t i v abgeleitetes Recht nicht dem Subjekt des Mutterrechts, sondern nur einem D r i t t e n zustehen könne, daß insbesondere der Eigentümer kein beschränktes dingliches Recht an seiner Sache haben könne: denn der Eigentümer hat bereits als solcher alle Befugnisse, die i h m ein abgeleitetes Recht verschaffen könnte. Diese Konsequenz hat das römische Recht gezogen : n u l l i res sua servit 1 0 5 . Dagegen hat das B G B . diesen Standp u n k t , wenn auch zögernd, verlassen u n d die Möglichkeit von Rechten an eigener Sache sowie sonstiger ,,Eigenrechte' 4 anerkannt 1 0 6 . Der praktische W e r t dieser Neuerung liegt darin, daß jedes Tochterrecht einen besseren Rang hat als das stets an letzter Stelle stehende Mutterrecht, vgl. ob. N o t e 81; daher muß jede Befugnis des Eigentümers hinter Belastungen der Sache zurückstehen, während dieselbe Befugnis, wenn sie dem Eigentümer i n Gestalt eines besonderen, v o m E i g e n t u m abgeleiteten Rechts zusteht, jüngeren Belastungen der Sache vorgeht. 102

Vgl. ob. § 2 Note 10—12. Vgl. ob. § 4 S. 102. 104 Der Pfandgläubiger hat D r i t t e , denen Rechte an der Pfandsache zustehen, von der bevorstehenden Versteigerung zu benachrichtigen, § 1237. Bei Kollision gleichstehender Nutzungsrechte k a n n jeder Berechtigte v o m anderen eine angemessene Regelung der Ausübung verlangen, §§ 1024, 1060. 105 fr. 26 de serv. praed. urb. 8, 2. 106 Das W o r t Eigenrecht kann m i t H i r s c h 198 gebraucht werden, u m jedes aus einem Mutterrecht abgeleitete u n d dem Subjekt des Mutterrechts zustehende Recht zu bezeichnen. 103

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Eigenrechte ergeben sich d u r c h V e r e i n i g u n g v o n M u t t e r - u n d Tochterrecht tretende

bei einem Subjekt.

Untergang

Der i m gemeinen R e c h t

des T o c h t e r r e c h t s ,

Konfusion,

G r u n d b u c h r e c h t i n § 889 a l l g e m e i n b e s e i t i g t . aus

Mobiliareigentum

und

sonstigen

Rechten

ist

ein-

für

das

Bei Rechten, abgeleitet

die

sind,

t r i t t d i e K o n f u s i o n d a n n n i c h t e i n , w e n n d e r I n h a b e r des M u t t e r r e c h t s e i n r e c h t l i c h e s I n t e r e s s e a m F o r t b e s t a n d des T o c h t e r r e c h t s hat

107

, d . h . w e n n w e i t e r e aus d e m s e l b e n M u t t e r r e c h t

Rechte

bestehen

108

.

Eigentümerhypothek

und

abgeleitete Eigentümer-

g r u n d s c h u l d entstehen ferner i n zahlreichen F ä l l e n k r a f t anstelle einer z u b e g r ü n d e n d e n H y p o t h e k

oder d u r c h

einer H y p o t h e k v o m Gläubiger an den E i g e n t ü m e r ist

rechtsgeschäftliche

Sache

1 1 1

stück

109

eines R e c h t s

. an

Dagegen eigener

i m Gesetz n u r f ü r d i e G r u n d s c h u l d a n e r k a n n t , § 1196

u n d daher für trachten

Begründung

110

Gesetzes Übergang

113

weder

.

a n d e r e a b g e l e i t e t e R e c h t e als u n z u l ä s s i g z u

112

,

be-

Insbesondere k a n n der E i g e n t ü m e r an seinem G r u n d für

s i c h eine H y p o t h e k

114

,

noch zugunsten

eines

107

§§ 1063, 1256, 1072, 1273. P l a n c k § 1273, 2 s. ios Trotz der ängstlichen Ausdrucksweise des Gesetzes i n §§ 1063 u n d 1256 („Nießbrauch u n d Pfandrecht gelten als nicht erloschen") ist Fortbestand dieser Rechte anzunehmen, P l a n c k § 1256, 3, E n d e m a n n 11 § 134 A n m . 19. Daher ist der Eigentümer nicht nur gegen den nachstehenden Pfandgläubiger geschützt, sondern kann das fortbestehende Pfandrecht (mit der Forderung) weiter übertragen. 109

Vgl. namentlich §§ 1163, 1168. A u c h durch Pfändung kann ein Pfandrecht an eigener Sache n i c h t begründet werden, SeuffArch. 58, 124; R G . 79, 243, M ü l l e r , Pfändungspfandrecht 111. S t e i n , Grundfragen der Zwangsvoll. 52. 111 E i n Miteigentümer k a n n durch Einigung m i t den übrigen M i t eigentümern ein dingliches Recht an der i m Miteigentum stehenden Sache erwerben, sowie sein eigenes Grundstück zugunsten des i m Miteigentum stehenden m i t einer Grunddienstbarkeit belasten, § 1009. 112 Die Bestellung einer Eigentümergrundschuld geschieht, da sich der Vorgang u n d seine Rechtswirkungen innerhalb eines Vermögens abspielt , durch einseitige Erklärung des Eigentümers, vgl. unt. § 53. 113 Die Unzulässigkeit ergibt sich nicht, wie bisweilen z. B. von R G . 47, 209 angenommen wird, aus § 181; der Eigentümer könnte ein Recht an seiner Sache auch nicht dadurch erwerben, daß er einen zur Verfügung über sein Grundstück ermächtigten Vertreter bestellt u n d m i t diesem die Einigung des § 873 abschließt, vgl. unt. § 53. 110

114

Die Unzulässigkeit der Bestellung einer Eigentümerhypothek ergibt sich nicht, wie D e r n b u r g I I I § 246 I 5, C r o m e § 474, 2 b annehmen, daraus, daß die H y p o t h e k eine Forderung voraussetzt; der Eigen-

§ 45.

Translative u n d konstitutive

Rechtsnachfolge.

81

anderen i h m gehörenden Grundstücks eine Grunddienstbarkeit bestellen 1 1 5 . Das beruht selbstverständlich nicht auf einer logischen Unmöglichkeit solcher Rechtsakte 1 1 6 , sondern darauf, daß das Gesetz von dem althergebrachten, die Vereinfachung der dinglichen Rechtsverhältnisse fördernden Grundsatz: n u l l i res sua servit nur b e s t i m m t e , fest abgegrenzte Ausnahmen statuiert, deren analoge Ausdehnung durch kein zwingendes Bedürfnis des Rechtslebens geboten erscheint 1 1 7 . Das Eigenrecht besteht, wie alle abgeleiteten Rechte, aus dem Rechtsstoff des Mutterrechts, aus Befugnissen, die ursprünglich i m Mutterrecht enthalten waren, ist aber nicht als Bestandteil des Mutterrechts zu betrachten 1 1 S , sondern als ein dem M u t t e r recht gegenüber selbständiges 1 1 9 , m i t demselben gewissermaßen durch Personalunion verbundenes R e c h t ; die Eigentümerhypothek ist nicht Stück des Eigentums 1 2 0 , sondern Belastung desselben. Das Eigenrecht hat i n der H a n d des Inhabers des Mutterrechts denselben I n h a l t wie sonst; nur ruhen 1 2 1 bei Eigentümerhypothek u n d Eigentümergrundschuld nach § 1197 zwei Befugnisse: das Recht auf Zinsen aus dem Grundstück 1 2 2 u n d das Recht, die Zwangsvollstreckung zu betreiben 1 2 3 . H ö r t die Verbindung des Tochter tümer kann auch für eine i h m gegen einen D r i t t e n zustehende Forderung keine H y p o t h e k a m eigenen Grundstück bestellen. 115 F ü r die Zulässigkeit der Bestellung v o n Grunddienstbarkeiten zwischen Grundstücken desselben Eigentümers D e r n b u r g I I I § 170 Note 4, W o 1 f f , Sachenrecht § 103 I V 3, § 108 I 1. Die herrschende Lehre u n d Praxis verhält sich ablehnend, vgl. J u n k e r , Eigentümerdienst« barkeit, R G . 47, 202. 116 J u n g , Problem des natürlichen Rechts 175. 117 Dem praktischen Bedürfnis k a n n meines Erachtens durch ded u k t i v e Bestellung einer Servitut genügt werden, vgl. ob. Note 63. 118 So E n d e m a n n I I § 9, 2 c, § 116, 2: „das Recht an eigener Sache ist nichts anderes, als das für einen bestimmten Rechtszweck ausgeprägte u n d gegen D r i t t e verstärkte Eigentumsrecht". 119 W o 1 f f , Sachenrecht § 147 I . 120 Daher ist z. B . die Verfügimg über eine Eigentümerhypothek nicht als Verfügung über das Grundstück zu beurteüen, P l a n c k § 1445, 2 a. Andere Konsequenzen bei W o l f f a. a. O. 121 Vgl. unt. § 47 Note 23. 122 D e m Eigentümerhypothekar gebühren keine Zinsen, weil i h m als Eigentümer die Nutzungen der Sache zufallen, M o t . I I I 734. 123 Ebenso ist beim Pfandrecht an eigener Sache anzunehmen, daß der Eigentümer den Pfandverkauf nicht vornehmen kann, P l a n c k § 1256, 3. Daß dem Eigentümer das Recht der Subhastation bzw. des Handbuch X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

6

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

rechts m i t dem Mutterrecht auf 1 2 4 , so fallen diese Beschränkungen fort 1 2 5 . Den Übergang eines Tochterrechts auf das Subjekt des M u t t e r rechts k a n n man m i t B e k k e r 1 2 6 restitutive Sukzession nennen, als Gegenstück zu der k o n s t i t u t i v e n Sukzession, durch welche das Tochterrecht entsteht. Bleibt das Tochterrecht als Eigenrecht bestehen, so fällt der Übergang unter den Begriff der translativen Sukzession. Geht aber das Tochterrecht durch Sukzession unter, so liegt zwar der Tatbestand, aber nicht die Rechtswirkung einer Sukzession v o r : die Tatsachen, welche sonst Übergang des Rechts herbeiführen würden u n d vielleicht nach der Absicht der Parteien herbeiführen sollen, bewirken bei dieser besonderen Rechtslage Untergang des Rechts 1 2 7 . 9. K o n s t i t u t i v abgeleitete Rechte erlöschen durch T o d des Berechtigten (Nießbrauch u n d beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, §§ 1061, 1090); durch Ablauf der Zeit, für welche sie begründet sind; durch Konfusion m i t dem Mutterrecht; durch Aufgabe seitens des Berechtigten 1 2 8 ; i n letzterem Falle genügt einseitige E r k l ä r u n g an den Besteller oder den Inhaber des M u t t e r rechts, §§ 875, 1064, 1255 I 1 2 9 . Der Wegfall eines Tochterrechts k o m m t den Rechten zugute, deren Ausübung durch die Existenz des Tochterrechts beschränkt w a r : zunächst den sonstigen, i m Range nachstehenden TochterPfandverkaufes nicht zusteht, ist meines Erachtens daraus zu erklären,, daß i h m die Befugnis nicht zustehen kann, weitere Belastungen der Sache, die er oder sein Vorgänger begründet hat, durch die Subhastation resp. den Pfandverkauf aufzuheben. 12 4 D u r c h Veräußerung der H y p o t h e k oder des Eigentums; i n letzterem Falle folgt die H y p o t h e k nicht ohne weiteres dem E i g e n t u m ; darin zeigt sich besonders deutlich, daß sie ein neben dem Eigentum stehendes besonderes Recht ist. 125 W i r d die Eigentümerhypothek nicht veräußert, sondern verpfändet, so unterliegt der Pfandgläubiger denselben Beschränkungen wie der Eigentümerhypothekar, R G . 60, 363. 126

Pandekten § 34 a. E . Umgekehrt hat der auf Aufhebung gerichtete Verzicht in § 1168 die W i r k u n g einer Sukzession: die H y p o t h e k geht ex lege auf den Eigentümer über. 128 Die Aufhebung der H y p o t h e k erfordert Zustimmimg des Eigentümers, § 1183. 129 Auch bei Nießbrauch u n d Pfandrecht an einer Forderung ist die Erklärung an den Gläubiger, nicht an den Drittschuldner, zu richten, § 1068 I I , 1273 I I . 127

§ 45.

Translative u n d konstitutive

Rechtsnachfolge.

83

rechten (es findet ein „ N a c h r ü c k e n " derselben s t a t t ) ; sodann dem Mutterrecht, welches durch Erlöschen des v o n i h m abgezweigten Tochterrechts seinen normalen I n h a l t wiedergewinnt. Dieser Vorgang, den man Konsolidation 1 3 0 des Mutterrechts nennen kann, erfolgt m i t Rechtsnotwendigkeit, ohne eine Erwerbshandlung seitens des Inhabers des Mutterrechts 1 3 1 , u n d erklärt sich aus dem Wesen der Belastung 1 3 2 ; während bei der Teilung ein Stück der i m Rechte enthaltenen Befugnisse definitiv losgelöst w i r d 1 3 3 , bleibt bei der Belastung das Mutterrecht i n seiner Substanz bestehen und w i r d nur soweit beschränkt, als es die Ausübung der abgezweigten Befugnisse erfordert; die Belastung des M u t t e r rechts dauert daher nur so lange, als das Tochterrecht besteht. Die Konsolidation ist für das Subjekt des Mutterrechts eine Vergrößerung seiner Rechtsmacht u n d meist ein wirtschaftlicher V o r t e i l ; sie ist, wenn der Wegfall des Tochterrechts durch den W i l l e n des Inhabers beruht, eine Zuwendung; aber keine Rechtsübertragung; denn das weggefallene Tochterrecht findet sich beim Subjekt des Mutterrechts nicht als Recht wieder, sondern als Befreiung des Mutterrechts v o n einer Belastung. A u c h hier v e r t r i t t H e l l w i g 1 3 4 einen erweiterten Begriff der Sukzession: er bezeichnet m i t dem v o n B e k k e r 1 3 5 entlehnten Ausdruck: restitutive Sukzession jede Befreiung v o n einem R e c h t ; den Wegfall einer Belastung, insbesondere aber auch die Befreiung eines Schuldners durch Erlaß oder E r f ü l l u n g seiner Verpflichtung. Wie i n den sonstigen Fällen der Sukzession ein 130

Consolidatio war i m römischen Recht die Ergänzung des Eigentums durch Wegfall eines Nießbrauchs, § 3 J 2, 4. 131 D a die Übertragung v o n Eigentum unter auflösender Bedingimg unter den Begriff der konstitutiven Sukzession fällt, so t r i t t m i t E r f ü l l u n g der Bedingung der frühere Rechtszustand wieder ein, § 158 I I , d. h. das beim Veräußerer verbliebene, auf eine Anwartschaft reduzierte Recht ergänzt sich ipso iure zu seinem früheren Umfang. 132 Nicht aus dem Wesen des Eigentums, welchem man i n H i n b l i c k auf diese Vorgänge die Eigenschaft der „ E l a s t i z i t ä t " zuzuschreiben pflegt. Denn die Selbstergänzung durch Wegfall der Belastung findet sich nicht nur beim Eigentum, sondern bei jedem Mutterrecht, aus welchem e i n Tochterrecht abgezweigt ist, H i r s c h 217. 133 Vgl. ob. Note 10. 134 Rechtskraft § 38/9, Lehrb. § 40 I I 4, vgl. ob. § 44 Note 7. Gegen H e l l w i g : R o m e i c k , Zur Technik des B G B . I I I , 96; E n n e c c e r u s § 130 I I b . 135 Vgl. ob. Note 126. 6 *

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Recht erworben w i r d , so soll nach H e l l w i g bei der restitutiven Sukzession der erfüllende Schuldner v o m Gläubiger die Befreiung v o n der Forderung „ e r w e r b e n " 1 3 6 . Diese von der plastischen Anschauung einer Rechtsnachfolge sich weit entfernende K o n s t r u k t i o n verwendet H e l l w i g für die Lehre von der Rechtskraft. Es ist, u m die praktisch wichtigste Frage hervorzuheben, bekanntlich streitig, ob ein U r t e i l zwischen zwei Prätendenten einer Forderung (z. B. Zedent u n d Zessionar) für u n d gegen den Schuldner der streitigen Forderung w i r k t . Die Rechtskraft w i r d v o n einigen A u t o r e n 1 3 7 allgemein anerkannt, v o n anderen 1 3 8 i n Abrede gestellt. Die Ansicht v o n H e l l w i g geht dahin, daß der Schuldner dadurch, daß er an einen der Prätendenten zahlt, Rechtsnachfolger desselben wird, u n d sich daher nach § 325 ZPO. auf ein zugunsten des Leistungsempfängers ergangenes U r t e i l berufen könne. Dieses durchaus angemessene Resultat k a n n meines Erachtens erreicht werden, ohne den Begriff der Rechtsnachfolge über seine natürlichen Grenzen auszudehnen. Zahlt der Schuldner an den Zedenten, der die U n g ü l t i g k e i t der Zession erstritten hat, so w i r d er nach § 407 frei 1 3 9 ; hat der Zessionar gesiegt, so ist der Schuldner nach § 409 geschützt, wenn er gegen Vorlegung des Urteils zahlt 1 4 0 .

§ 46.

Einzelnachfolge und Gesamtnachfolge *.

Die Rechtsnachfolge k a n n sich auf ein oder mehrere einzelne Rechte oder Rechtsverhältnisse 1 beziehen; dann spricht das Ge136

H e l l w i g beruft sich auf den W o r t l a u t v o n § 2366: „ e r w i r b t jemand . . . die Befreiung v o n einem zur Erbschaft gehörenden Rechte". Meines Erachtens ist der Ausdruck Erwerb hier als untechnisch zu betrachten. 137 W a c h , Zur Lehre von der Rechtskraft 23, 95. 138 O. F i s c h e r , JheringsJ. 40, 96. 139 D e r Schuldner braucht nur auf eine i h m bekannte Abtretung Rücksicht zu nehmen, nicht auf einen bloßen Zweifel darüber, ob die Forderung noch dem früheren Gläubiger zusteht, R G . 61, 247. Liegt aber ein U r t e i l zugunsten des Zedenten vor, so kann der Schuldner höchstens einen Zweifel darüber haben, ob der Zedent nicht trotzdem aufgehört hat, Gläubiger zu sein. 140

E i n Urteil, i n welchem dem Zedenten gegenüber die Gültigkeit der Zession festgestellt wird, muß meines Erachtens einer von i h m ausgestellten Zessionsurkunde gleichstehen. * Vgl. die zu § 44 zitierte Literatur. H e l l w i g , Rechtskraft § 30 fg. ; L s h r b . § 40 I ; S o h m , Gegenstand 38 fg. 1 Vgl. ob. § 12 I I .

§ 46.

setz

von

Einzelnachfolge u n d

Sondernachfolge

2

Gesamtnachfolge.

(Singularsukzession).

85

Die

Rechts-

n a c h f o l g e k a n n a b e r a u c h a u s n a h m s w e i s e e i n V e r m ö g e n als G a n z e s ergreifen: I.

Gesamtnachfolge

(Universalsukzession).

B e i d e r S o n d e r n a c h f o l g e s c h e i d e t das ü b e r g e h e n d e

aus d e m V e r m ö g e n

3

Recht

, d e m es b i s h e r a n g e h ö r t e , aus u n d w i r d d a d u r c h

i n der Regel frei v o n der H a f t u n g f ü r die V e r p f l i c h t u n g e n , welche auf diesem V e r m ö g e n lasten daß ein durch

4

.

Ausnahmsweise k o m m t

Singularsukzession übergehendes

es v o r ,

Vermögensstück

i n d e n H ä n d e n des N a c h f o l g e r s f ü r S c h u l d e n des V o r g ä n g e r s h a f t bar bleibt

5

, oder d a ß a u f d e n S i n g u l a r s u k z e s s o r d u r c h seinen E r -

w e r b P f l i c h t e n des R e c h t s v o r g ä n g e r s ü b e r g e h e n Singularsukzessor

infolge

einer

6

Verpflichtung

, oder daß f ü r d e n des

Rechtsvor-

gängers eine dieser e n t s p r e c h e n d e V e r p f l i c h t u n g e n t s t e h t 7 .

Das

Fortbestehen der H a f t u n g u n d der E i n t r i t t i n die V e r p f l i c h t u n g e n des V o r g ä n g e r s f i n d e t i n v e r s t ä r k t e m M a ß e s t a t t , w e n n d i e S o n d e r 2

§§ 746, 751, 755, 1010. Über Singular sukzession zwischen Sondergut u n d H a u p t vermögen vgl. ob. § 19 V , über Singularsukzession zwischen Gesamtgut u n d dem Einzelvermögen der Teilhaber ob. § 20 V. 4 Vgl. Bd. I S. 323. Dagegen bleiben Beschränkungen u n d Belastungen des übergehenden Rechts auch gegen den Singularsukzessor wirksam, vgl. ob. § 44 Note 15, insbesondere bleibt das übergehende Recht, sofern es eine Forderung ist oder nach den Grundsätzen der A b t r e t i m g übergeht, § 413, den zur Zeit des Übergangs begründeten Einreden ausgesetzt, § 404, auch wenn diese Einreden auf einer gegen den Rechtsvorgänger gerichteten Forderung beruhen. Wer eine Kaufpreisforderung erwirbt, ist daher der Einrede des nichterfüllten Vertrags, § 320, ausgesetzt, obgleich die Forderung des Käufers sich nicht gegen i h n richtet ; wer eine Mobilie nach § 931 erwirbt, hat den Besitz des Mieters zu dulden, § 986 I I , obgleich er nicht Schuldner des Mieters ist, vgl. Bd. I S. 214. 5 Wer einen A n t e i l i n einer Rechtsgemeinschaft erwirbt, muß sich nach § 755 I I , 756 gefallen lassen, daß Forderungen, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis gegen seinen Rechtsvorgänger entstanden sind, aus dem gemeinsamen Gegenstand oder seinem A n t e i l an demselben befriedigt werden. A u f Fortdauer der H a f t u n g beruht ferner die Anfechtung nach dem AnfG., vgl. ob. § 11, 7 b. A n Stelle der H a f t u n g t r i t t , wenn die Vollstreckung i n den anfechtbar veräußerten Gegenstand nicht mehr möglich ist, u n d i m Konkurs immer, eine Herausgabepflicht des Erwerbers u n d unter Umständen eine solche Verpflichtung des weiteren Erwerbers, K O . § 40, AnfG. § 11. 6 Mittelbar zuständige Pflichten, vgl. ob. § 4 I V . 7 § 571, 822. N i c h t aus einer Verpflichtung des Vorgängers, aber aus einem Verhalten desselben, durch welches Interessen dritter Personen verletzt werden, entsteht die Herausgabepflicht des Beschenkten, § 2287, 2329. 3

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

nachfolge alle zum Vermögen des Vorgängers gehörenden Rechte umfaßt, vgl. u n t . V . I I . Gegenstand der Gesamtnachfolge ist das „Vermögen als Ganzes", § 1922 I . Das bedeutet nicht, daß ein Recht am Vermögen übergeht 8 , sondern daß Tatbestand u n d W i r k u n g der Sukzession für alle zum Vermögen 9 gehörenden Rechte einheitlich ist. I m Begriff der Universalsukzession liegt: 1. Daß alle zum Vermögen gehörenden Rechte durch einen Vorgang, uno actu, übergehen (beim E r b f a l l durch den T o d des Erblassers, bei Gütergemeinschaft durch den Abschluß des Ehevertrags usw.), ohne daß die für die Singularsukzession vorgeschriebenen Voraussetzungen vorzuliegen bzw. die Handlungen vorgenommen zu werden brauchen : Grundstücke gehen über ohne Eintragung, Mobilien ohne Besitzerwerb. 2. Die Gesamtnachfolge umfaßt alle zum Vermögen gehörenden Rechte 1 0 , ohne daß es auf W i l l e n u n d Wissen der Beteiligten i n bezug auf die einzelnen Rechte a n k o m m t , aber auch nur die Rechte, welche dem übergehenden Vermögen w i r k l i c h angehören; der gute Glaube, durch welchen der Singularsukzessor i n zahlreichen Fällen ein dem Veräußerer nicht gehörendes Recht erw i r b t , k o m m t bei der Gesamtnachfolge nicht in Betracht 1 1 . 3. Die H a f t u n g des Vermögens für die Verpflichtungen des 8

Das Vermögen ist kein Objekt von Rechten, vgl. ob. § 18 V I . Gesamtnachfolge i n ein Sondergut k o m m t nur beim Familienfideikommiß vor, vgl. unt. Note 16 (der Nacherbe erwirbt den Nachlaß n i c h t v o m Vorerben, i n dessen Vermögen der Nachlaß ein Sondergut darstellt, sondern v o m Erblasser, vgl. unt. Note 15). Die Vereinigung des Sonderguts m i t dem H a u p t vermögen durch Wegfall des Separationsgrundes (Aufhebung des Konkurses oder der Nachlaß Verwaltung) ist keine Sukzession, H e l l w i g , Lehrb. § 46 I I 4, vgl. ob. Bd. I S. 347. 10 Der Erblasser k a n n keinen Gegenstand von der Erbfolge ausschließen Dagegen k a n n bei der Gütergemeinschaft der Ausschluß einzelner Gegenstände i m Ehevertrag verabredet werden. 11 P l a n c k , Erl. I I 1 d zu § 892. D e m Ausschluß des gutgläubigen Erwerbes bei der Gesamtnachfolge entspricht es, daß bei anfechtbarem Erwerb der Gesamtnachfolger unbedingt der Anfechtung ausgesetzt ist, während der Einzelnachfolger nur unter bestimmten Umständen haftet. K O . § 40 I spricht zwar nur v o m Erben, aber dem Erben ist jeder Gesamtnachfolger gleichzustellen, z. B . der Ehemann i n bezug auf seine Nutznießung, so das R G . 80, 5, m i t der unrichtigen Begründung: die Anfechtung gegen den gutgläubigen Ehemann sei zulässig, weil die Frau bei Erwerb zum eingebrachten Gute den Ehemann vertrete oder wenigstens wie eine Vertreterin zu behandeln sei. 9

§ 46.

Einzelnachfolge u n d Gesamtnachfolge.

87

Vorgängers bleibt bei der Gesamtnachfolge bestehen. Daneben entsteht, i n verschiedenem Umfange, eine Verpflichtung des E r werbers aus den Schulden des Vorgängers 1 2 . I I I . Gesamtnachfolge findet nur i n gesetzlich bestimmten Fällen 1 3 s t a t t : 1. Insbesondere bei Wegfall des Vermögenssubjektes. Daher ist der wichtigste u n d älteste F a l l der Universalsukzession die Erbfolge, § 1922 I . Sie umfaßt alle durch den T o d nicht erlöschenden Rechte und Rechtsverhältnisse des Erblassers, das universum jus defuncti, insbesondere auch den Besitz, § 857 1 4 . A u c h der Nacherbe ist Universalsukzessor, § 2139, u n d zwar des Erblassers, nicht des Vor erben 1 5 , dessen Rechte m i t E i n t r i t t der Nacherbfolge erlöschen, u m denen des Nacherben Platz zu machen. H a t t e der Erblasser ein Familienfideikommiß, so findet für dieses u n d für das Allodialvermögen gesonderte Erbfolge statt 1 6 . Zwischen dem Nachlaß u n d dem eigenen Vermögen des Erwerbers findet eine Vereinigung statt, welche aber durch gewisse Tatsachen (Testamentsvollstreckung, Nacherbschaft) aufgehalten, durch andere Tatsachen (Nachlaßverwaltung u n d Nachlaßkonkurs) wieder aufgehoben werden kann. U n t e r Miterben entsteht ein Gesamthandverhältnis, § 2032. Dem E r b f a l l steht gleich die Sukzession des Fiskus i n das Vermögen eines aufgelösten Vereins u n d einer erloschenen Stiftung, §§ 46, 88 1 7 , und die Verstaatlichung des Vermögens einer A k t i e n gesellschaft, H G B . § 304. Gesamtnachfolge i n das Vermögen eines wegfallenden Subjekts findet ferner s t a t t : bei der Fusion 12

Vgl. ob. § 18 Note 42. Die Gesamtnachfolge ist, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen, zwingenden Rechts: der Erblasser kann sie nicht beseitigen; bei der Gütergemeinschaft kann nicht verabredet werden, daß das Gesamtgut durch Einzelübertragung der Gegenstände entstehen solle. 14 Das Recht des Besitzes entsteht für den Erben ohne Erlangung der tatsächlichen Gewalt; erlangt er die Gewalt, so w i r d der i h m bereits zustehende Besitz verstärkt, vgl. ob. § 6 Note 33. 15 Vgl. ob. § 44 Note 69. 16 D e r n b u r g I I § 133, 1; W o l f f , Sachenrecht § 93 I . Eine Spaltung des Nachlasses ( H e l l w i g , ZivProz. § 40 I ) findet hierbei nicht statt, da das Fideikommiß schon bei Lebzeiten des Erblassers ein Sondergut war, vgl. ob. § 19 Note 2. 17 Bei Anfall an andere Personen findet keine Gesamtnachfolge statt, sondern L i q u i d a t i o n (Auflösung des Vermögens i n seine Bestandteile), vgl. ob. § 39 Note 34. 13

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

v o n Aktiengesellschaften nach H G B .

Tatsachen. 18

§ 306

, bei der

Umwand-

l u n g e i n e r A k t i e n g e s e l l s c h a f t i n e i n e Gesellschaft m . b . H . d e m G m b H . §§ 8 0 / 1

19

nach

u n d b e i der Schließung einer I n n u n g infolge

v o n E r r i c h t u n g einer Z w a n g s i n n u n g n a c h GewO. § 1 0 0 k . 2.

Durch

Gesamtnachfolge

entsteht

die allgemeine

Güter-

g e m e i n s c h a f t : j e d e r E h e g a t t e w i r d d u r c h A b s c h l u ß des E h e v e r t r a g s mitberechtigt

an dem

aus d e m

entstehenden Gesamtgut

21

.

Vermögen

A u c h bei der

beider

Ehegatten

2 a

Fahrnisgemeinschaft

w i r d das b e w e g l i c h e V e r m ö g e n b e i d e r E h e g a t t e n u n o a c t u d u r c h den E h e v e r t r a g gemeinsam.

D a g e g e n e r f o l g t d i e E n t s t e h u n g des

G e s e l l s c h a f t s v e r m ö g e n s aus B e i t r ä g e n a u f d e m W e g e d e r S i n g u l a r sukzession

22

.

Gesamtnachfolge

findet

einem Gesamthandvermögen

ferner 23

statt,

wenn

ein

Anteil

an

a u f e i n anderes S u b j e k t ü b e r g e h t .

I n dieser W e i s e k a n n d e r M i t e r b e seinen A n t e i l ü b e r t r a g e n , § 2033 I . B e i der fortgesetzten

Gütergemeinschaft,

das G e s a m t g u t bestehen

24

§§ 1483,

1557,

; i n d e n A n t e i l des v e r s t o r b e n e n

bleibt Ehe-

18

Das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft ist bis zum A b l a u f des Sperrjahres, H G B . § 301, getrennt zu verwalten u n d gilt für die Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft immer noch als Vermögen dieser Gesellschaft, d. h. dies Vermögen ist i m Gesamtvermögen der übernehmenden Gesellschaft ein Sondergut; denn die Trennung der Verwaltung ist nicht nur eine tatsächliche (Bd. I S. 321), sondern hat rechtliche Bedeutung. Ungenau R G . 72, 17. 19

W e n n ein Verein die Rechtsfähigkeit erwirbt, so liegt darin Auflösung des bisherigen Vereins u n d Übertragung des Vermögens an den neuen Verein; die Übertragung erfolgt i m Wege der Singularsukzession, vgl. ob. § 40 Note 74. 20 Soweit es nicht aus besonderen Gründen als Vorbehalts- oder Sondergut außerhalb der Gemeinschaft bleibt. 21 Es bedarf keiner Übertragung der einzelnen Gegenstände, § 1438 II» D u r c h guten Glauben eines Ehegatten w i r d ein dem anderen nur scheinbar gehörender Gegenstand nicht zum Bestandteil des Gesamtgutes, P l a n c k , § 1438, 3. 22 Die Gesamthandsverhältnisse ergreifen auch den künftigen E r w e r b der Teilhaber. Die Mitberechtigung am späteren Erwerb entsteht zwar nicht per universitatem, aber insofern i n ähnlicher Weise, als der gute Glaube nicht geschützt w i r d ; ist z. B. die Erwerbshandlung der Ehefrau unwirksam, so w i r d der Gegenstand nicht deswegen Gesamtgut, weil der Ehemann den Erwerb der F r a u für gültig hielt. 23 Vgl. Bd. I S. 361. 24 Das Gesamtgut erweitert sich u m das Vermögen, welches der überlebende Ehegatte aus dem Nachlaß des Verstorbenen erwirbt; auch

§ 46.

Einzelnachfolge u n d Gesamtnachfolge.

89

gatten sukzedieren die gemeinsamen A b k ö m m l i n g e ; s t i r b t einer derselben, so rücken an seine Stelle seine Abkömmlinge, i n E r mangelung solcher die übrigen anteilsberechtigten Abkömmlinge, und wenn solche nicht vorhanden sind, der überlebende Ehegatte, § 1490. Diese Erwerbsvorgänge beruhen nicht auf Erbrecht, sondern auf familienrechtlichen Gründen 2 5 u n d sind, da es sich u m einen A n t e i l an einem Gesamthandsvermögen handelt, Gesamtnachfolge 2 6 . Auch der A n t e i l am Gesellschaf tsver mögen k a n n Gegenstand einer Gesamtnachfolge sein, durch Übertragung, wenn eine solche zulässig ist 2 7 , u n d durch Verschiebung der A n teile (Anwachsung u n d Abwachsung) 2 8 , welche bei A u s t r i t t u n d E i n t r i t t eines Gesellschafters für die übrigen erfolgt. Die Gesamtnachfolge ist i n der Regel translativ, k a n n aber auch k o n s t i t u t i v sein; wenn die Verfügung über einen A n t e i l an einem Gesamthandsvermögen zulässig ist, k a n n daran Nießbrauch oder Pfand bestellt werden 2 9 . Darüber hinaus ist Pfändung des Anteils zulässig nach ZPO. §§ 859, 860 I I . Nach den Regeln der Gesamtnachfolge entsteht m i t Abschluß der Ehe Verwaltung u n d Nutznießung des Mannes am eingebrachten Gut 3 0 . Alle unter 2. aufgezählten Fälle der Gesamtnachfolge unterscheiden sich von der Erbfolge u n d den ihr gleichstehenden Fällen i n einem Punkte, den ich aber nicht für so wesentlich halte, u m die Erbfolge aus der Gesamtnachfolge auszuschließen u n d als einen der Gesamtnachfolge koordinierten Begriff zu behandeln 3 1 : während der Besitz auf den E r b e n übergeht, entsteht für die sonstigen Gesamtnachfolger kein Besitz, sondern ein Aneignungsrecht auf den Besitz 3 2 ; der Ehemann ist nach § 1443 I berechtigt, die zum Gesamtgut gehörenden Sachen i n Besitz zu nehmen. Dieser Unterschied erklärt sich daraus, daß beim E r b f a l l das hier t r i t t die Mitberechtigung der Abkömmlinge ipso iure, durch Universal sukzession ein, P l a n c k § 1485, 4. 25 P l a n c k Erl. 2 vor § 1482. 26 Die nachrückenden Anteilberechtigten sind, ähnlich wie der Nacherbe, vgl. ob. Note 15, Rechtsnachfolger nicht des weggefallenen Berechtigten, sondern des Erblassers, S t r o h a l , Erbrecht § 1 I 3 b. 27 Vgl. ob. § 20, Note 45. 28 Vgl. ob. § 20 Note 46 a ; § 40 Note 56. 29 Das nach römischem Recht zulässige Pfandrecht a m ganzen Vermögen ist dem Recht des B G B . unbekannt. 30 Vgl. ob. § 45 Note 19. 31 A. A . S o h m 39 fg. 32 Vgl. Bd. I S. 179.

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

frühere Rechtssubjekt weggefallen ist, dem Erben daher keine tatsächliche Gewalt entgegensteht (außer wenn ein D r i t t e r sich der Sache bemächtigt h a t ) ; bei dieser Sachlage konnte das Gesetz ohne sich v o m Begriff des Besitzes zu weit zu entfernen, dem Erben die Rechte des Besitzers zuweisen. Dagegen ist i n den sonstigen Fällen der Gesamthand, z. B. bei Begründung der Gütergemeinschaft, das bisherige Rechtssubjekt, die Ehefrau, noch vorhanden ; ihrer tatsächlichen Gewalt gegenüber konnte das Gesetz dem Ehemann den Besitz erst dann zuschreiben, wenn er die Sachen an sich genommen hat, was die F r a u nach § 1443 I zu dulden hat 3 3 . I V . Das bei der Gesamtnachfolge übergehende Vermögen bleibt m i t der H a f t u n g für die Verpflichtungen des früheren Subjekts belastet; dazu t r i t t , i n verschiedenen Abstufungen, eine Verpflichtung des neuen Subjekts u n d unter Umständen eine H a f t u n g seines bisherigen Vermögens. Der Erbe ist vor der Annahme nicht verpflichtet 3 4 . Nach der Annahme k a n n er seine Verpflichtung (und d a m i t zugleich die H a f t u n g seines Vermögens) ausschließen durch Nachlaß Verwaltung oder Nachlaßkonkurs, oder seine H a f t u n g durch Aufgebot oder die Einreden aus § 1990/2 b auf den Nachlaß beschränken 3 5 . D u r c h Begründung der Gütergemeinschaft w i r d der Ehemann Gesamtschuldner aller Schulden der Ehefrau, § 1459 I , dagegen entsteht für die F r a u aus den Schulden des Mannes keine Verpflichtung, sondern nur eine H a f t u n g des ihr mitgehörenden Gesamtguts. Diese H a f t u n g t r i t t bei bestehender Gütergemeinschaft nicht zutage, weil zur Vollstreckung i n das Gesamtgut ein U r t e i l gegen den M a n n genügt, ZPO. § 740, zeigt sich aber nach Beendigung der Gemeinschaft i n der Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung, ZPO. § 743 3 6 . Ä h n l i c h verhält es sich bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft. 33 Das Besitzaneignungsrecht des Ehemanns ist aus dem Besitz der F r a u abgeleitet; es besteht nur an den i m Besitz der F r a u befindlichen Sachen. Daher ist auch der durch Ausübung dieses Rechts erworbene Besitz des Mannes derivativ, durch Rechtsnachfolge, erworben, vgl. ob. § 44 Note 21. Der M a n n k a n n sich daher bei der Ersitzung eine Ersitzungszeit der Ehefrau nach § 943 anrechnen. 34 Vgl. ob. § 15 V c . 33 Vgl. ob. § 12 Note 31, § 18 Note 42. 36 Vgl. ob. § 4 S. 121.

§ 46.

Einzelnachfolge u n d Gesamtnachfolge.

91

Bei der Gesellschaft w i r d durch A u s t r i t t eines Gesellschafters an der solidarischen Verpflichtung der übrigen nichts geändert; bei E i n t r i t t eines Gesellschafters muß m a n eine Verpflichtung desselben für die Gesellschaftsschulden ( m i t einer auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung) annehmen, weil sonst das Gesellschaftsvermögen nach ZPO. § 736 infolge des E i n t r i t t s eines neuen Gesellschafters dem Zugriff der Gläubiger entzogen wäre 3 7 . Der Erwerber eines Anteils w i r d den Nachlaßgläubigern verpflichtet, § 2382, u n d zwar schon m i t Abschluß des obligatorischen Vertrags, nicht erst m i t Erwerb des Anteils; er hat dieselben M i t t e l , wie der Erbe, u m seine Verpflichtung auszuschließen oder seine H a f t u n g zu beschränken. Das i n die Verwaltung u n d Nutznießung des Ehemanns fallende eingebrachte Gut bleibt den Gläubigern der F r a u verhaftet und zwar ohne Rücksicht auf die Rechte des Mannes, § 1411. Z u r Durchsetzung dieser H a f t u n g gegenüber dem Manne dient die Klage auf D u l d u n g der Zwangsvollstreckung, ZPO. § 73 9 3 8 . Aus gewissen Verpflichtungen der F r a u entsteht für den M a n n eine k u m u l a t i v e unbeschränkte Verpflichtung, § 1388. V . Keine Gesamtnachfolge findet statt bei Übertragung des ganzen gegenwärtigen Vermögens 3 9 durch Rechtsgeschäft unter Lebenden 3 9 a . Der obligatorische Vertrag k a n n die Übergabe des ganzen Vermögens umfassen, § 311, die E r f ü l l u n g dieses Vertrages kann aber nicht anders, als durch Sondernachfolge stattfinden; jeder Gegenstand muß nach den für i h n geltenden Vorschriften übertragen werden. Dabei k o m m t dem Erwerber der Schutz des guten Glaubens zustatten 4 0 . Aus praktischen Gründen statuiert das Gesetz i n § 419 eine k u m u l a t i v e Verpflichtung des Übernehmers gegenüber den b e i m Abschluß des Vertrages vor37

Vgl. ob. § 20 Note 46 a. Vgl. ob. § 4 Note 67, 75. 39 Eine Verpflichtung zur Übertragung des ganzen künftigen Vermögens kann nach § 310 nicht begründet werden, vgl. B d . I S. 321; u m so mehr ist eine antizipierte Verfügung über das künftige Vermögen ausgeschlossen, während solche Verfügungen über einzelne Gegenstände zulässig sind, ob. § 13 Note 19. 39 a Daher keine Konfusion, R G . 82, 278. 40 P l a n c k Erl. I I 1 d zu § 892; E n d e m a n n I I § 62 A n m . 32; W o l f f , Sachenrecht § 45 A n m . 10; a. A . D e r n b u r g I I I § 47, 4. D a der Vermögensübernehpner i n die Schulden des Veräußerers e i n t r i t t , k a n n er obligatorisch verpflichtet sein, die durch guten Glauben erworbenen Sache an den früheren Eigentümer herauszugeben. 38

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

handenen Gläubigern des V e r m ö g e n s s u b j e k t s 4 1 ; diese Verpflicht u n g entsteht m i t Abschluß, nicht erst m i t Erfüllung des Vertrages. Der Übernehmer k a n n seine H a f t u n g nach § 1990/1 auf die erhaltenen Gegenstände beschränken. A u c h der Erwerb eines Handelsgeschäfts, H G B . § 25, erfolgt auf dem Wege der Singularsukzession 4 2 , wobei für den Erwerber eine k u m u l a t i v e unbeschränkte Verpflichtung gegenüber den Geschäftsgläubigern e i n t r i t t 4 3 . Ä h n l i c h verhält es sich beim Nießbrauch an einem Vermögen. Die Bestellung erfolgt durch Sondernachfolge i n die einzelnen Gegenstände, § 1085. Diese Gegenstände bleiben den vorhandenen Gläubigern des Bestellers verhaftet, § 1086 4 4 (ohne diese H a f t u n g wäre die Bestellung eines Nießbrauchs am ganzen Vermögen ein v o n vornherein anfechtbares Rechtsgeschäft). Z u dieser fortdauernden H a f t u n g t r i t t für Zinsen u n d andere wiederkehrende Leistungen eine k u m u l a t i v e persönliche Verpflichtung des Nießbrauchers, § 1088. A u c h beim Erbschaftskauf erfolgt die Übertragung (außer wenn es sich u m einen E r b t e i l handelt, § 2033 I ) i m Wege der Singularsukzession, § 2374. Daher e r w i r b t der Käufer durch guten Glauben auch solche Sachen, die nicht zum Nachlaß gehören 4 5 . Der Erbschaftskäufer t r i t t i n die Nachlaßschulden ein, § 2382; er k a n n seine Verpflichtung ausschließen bzw. seine H a f t u n g beschränken, außer wenn der Verkäufer zur Zeit des Verkaufs unbeschränkt haftet, § 2383.

§ 47.

Ende und Änderung der Rechte *.

I . Die Endigungsgründe der Rechte sind ebenso verschiedena r t i g wie die Entstehungsgründe. D a das subjektive Recht eine 41 Ohne diese Verpflichtung wäre Vermögensübergabe fast immer ein anfechtbares Rechtsgeschäft. 42 D e r n b u r g I § 100 I I I , R G . 74, 10. Schutz des guten Glaubens, P l a n c k , Erl. I I 1 d zu § 892. 43 Urteile, welche vor der Übernahme des Vermögens oder des Handelsgeschäftes rechtskräftig geworden sind, können nach ZPO. § 729 gegen den Übernehmer vollstreckt werden. 44 Diese H a f t u n g findet ihren Ausdruck i n der Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung, ZPO. § 737, vgl. ob. § 4 Note 53. 45 N u r dem Erben gegenüber hat der Erbschaftskäufer, der den Nachlaß von einem Nichterben erwirbt, die Stellung eines Erbschaftsbesitzers, muß daher alle Nachlaß sachen herausgeben, auch wenn er nach den Vorschriften über den guten Glauben geschützt wäre; P l a n c k § 2030, 1. * W i n d s c h e i d § 64; R e g e l s b e r g e r § 121, 123; B e k k e r § 36; E n d e m a n n § 58; E n n e c c e r u s § 265; B i e r m a n n § 41/2;

§ 47.

E n d e u n d Ä n d e r u n g der

Rechte.

93

von der Rechtsordnung anerkannte Willensherrschaft ist, so k a n n es i n der Regel durch den W i l l e n des Berechtigten (Verfügung) aufgehoben werden ausnahmsweise durch den W i l l e n eines D r i t t e n , dem ein aufhebendes Gestaltungsrecht 2 z u s t e h t 2 a . Andere Endigungsgründe von allgemeiner Bedeutung sind: V e r w i r k u n g 3 ; T o d des Berechtigten oder Verpflichteten; Ablauf einer Z e i t ; Verdrängung eines Rechts durch die originäre Entstehung eines anderen, m i t dem bestehenden unvereinbaren Rechtes 4 ; Zusammentreffen eines abgeleiteten Rechts m i t dem Mutterrecht 5 ; endlich Untergang des Objekts; dingliche Rechte erlöschen m i t dem Untergang der Sache 6 (dagegen i m Prinzip nicht durch Verlust der tatsächlichen H e r r s c h a f t 7 ) . Als Objekte der Forderung kann man die Person des Verpflichteten u n d das haftende Vermögen bezeichnen 8 . Verliert der Schuldner sein Vermögen, so geht die Forderung nicht unter, denn das Vermögen k a n n sich solange das Subjekt lebt, stets erneuern 9 . Beim T o d des SchuldV. S c h e y , GrünhutsZ. 7, 746, 8, 110; K l e i n , Vertragliche Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses. 1 Vgl. ob. § 1 Note 4. 2 Negative Rechte, vgl. ob. § 10. 2 a Über Aufhebung von Rechtsverhältnissen ob. § 5 I I I 2. 3 Verwirkung ist Verlust eines Rechtes als gesetzliche Folge einer Handlung des Berechtigten, z. B . die Verwirkung der elterlichen Gewalt, §§ 1680, 1771; des Rücktrittrechtes, § 352; der Rechte des Mieters nach § 545 I I ; die Verwirkung der Vertragsrechte, wenn eine solche i n A b weichung von § 360 verabredet i s t ; die Verwirkung des Schenkungswiderrufs u n d des Scheidungsrechts durch Verzeihung, §§ 532, 1570; die Verwirkung des Rechts, die Erbenhaftung zu beschränken, §§ 2005 I , 2006 I I I . Vgl. unt. § 54. I n einigen Fällen k a n n die Verwirkung durch einen Vorbehalt ausgeschlossen werden, §§ 341, 464. V o n Verwirkung spricht m a n auch dann, wenn durch die Handlungsweise einer Partei ein sonstiger Rechtsnachteil für sie entsteht: Verwirkung der Vertragsstrafe, § 339. 4 Vgl. ob. § 44 S. 42. 5 Vgl. ob. § 45 I I 8. 6 A n getrennten Bestandteilen, § 953, u n d Überresten der Sache bestehen die dinglichen Rechte weiter. V o m Untergang ist zu unterscheiden eine Änderung der Sache, die nicht so tiefgreifend ist, daß die Sache sich als ,,neue Sache", § 950, darstellt. 7 Wilde Tiere werden durch Wiedererlangung der Freiheit herrenlos, § 960. Das Vertragspfandrecht erlischt durch Rückgabe der Sache, § 1253. Gesetzliche Pfandrechte sind meist v o m Fortbestand des Besitzes des Gläubigers, H G B . 397, 410, 421, oder eines räumlichen Verhältnisses, §§ 560, 1121, abhängig. 8 Vgl. ob. § 6 Note 36. 9 Vgl. ob. § 18 I I I .

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

ners t r i t t an seine Stelle ein Erbe, i n letzter Linie der Fiskus als heres necessarius, §§ 1936, 1942 I I . Aber nunmehr kann die H a f t u n g auf den vorhandenen Nachlaß beschränkt werden. I s t der Nachlaß erschöpft, so geht die Forderung zwar nicht unter 1 0 , aber es steht ihr eine dauernde, zur Abweisung des Gläubigers führende 1 1 Einrede gegenüber 1 2 . Bei Forderungen gegen einen aufgelösten Verein besteht die Person des Schuldners und damit die Forderung solange, als noch Vermögen vorhanden ist 1 3 . Zahlreiche Rechte erlöschen durch ihre Ausübung. Z u dieser Gruppe v o n Rechten gehören Forderungen u n d Ansprüche aus sonstigen Rechten, die Gestaltungsrechte und von den dinglichen Rechten die verschiedenen A r t e n des Pfandrechts. Bei diesen Rechten besteht vor ihrer Ausübung ein Spannungsverhältnis 1 4 ; sie sind dazu bestimmt, einen für den Berechtigten günstigen Erfolg herbeizuführen (eine Leistung des Verpflichteten, eine Veränderung des Rechtszustandes, Befriedigung des Pfandberechtigten aus dem W e r t der Sache). M a n k a n n diese Rechte daher Zweckrechte nennen 1 5 . I s t das Ziel eines solchen Rechtes erreicht, durch erfolgreiche Ausübung oder i n sonstiger Weise 1 6 , oder ist es unerreichbar geworden 1 7 , so ist das Recht erloschen. Den Zweckrechten steht gegenüber eine andere Kategorie von Rechten (Eigentum u n d dingliche Rechte außer dem Pfandrecht, I m materialgüterrechte, Mitgliedschaftsrechte), deren Zweck nicht in der Herbeiführung eines herzustellenden Erfolges besteht, sondern i m Genuß u n d V o r t e i l liegt, den ihr Bestand dem Berechtigten gewährt. Solche Rechte werden durch Ausübung nicht konsu10

a. A . G i e r k e , Schuld u n d H a f t u n g 207. Vgl. ob. § 4 Note 70. 12 F ü r den Gläubiger ist eine m i t dauernder Einrede behaftete Forderung praktisch wertlos (daher erklärt z. B. R G . 74, 377 m i t Recht eine Unterhaltsforderung bei Erschöpfung des haftenden Nachlasses für „ e n t zogen" i m Sinn v o n § 844 I I ) . I m m e r h i n bleibt die Forderung formell bestehen, was unter anderem für den Erben die unerwünschte Folge hat, daß er eine an sich aussichtslose Klage des Gläubigers durch Vorbringen der Einrede abwehren muß und i m F a l l des Versäumnisses verurteilt werden kann. 13 Vgl. ob. Bd. I S. 570. 14 Vgl. ob. § 6 S. 143, § 15 V I I I . 15 H i r s c h , Übertragung der Rechtsausübung 69. 16 K l e i n , Untergang der Obligation durch Zweckerreichung. 17 D u r c h Unmöglichkeit der Leistung oder Herbeiführung des Gestaltungserfolges, durch Ausfall des Pfandrechts bei der Versteigerung. 11

§ 47.

E n d e u n d Ä n d e r u n g der

Rechte.

95

miert. Man kann sie i n Ermangelung eines besseren Wortes als Zustandsrechte bezeichnen 1 8 . Das Erlöschen eines Rechtes ist i n der Regel d e f i n i t i v ; die Aufhebung k a n n nicht rückgängig gemacht werden, sondern es kann nur durch einen neuen Entstehungstatbestand ein Recht von gleichem I n h a l t hergestellt werden 1 9 . Ausnahmsweise k a n n ein untergegangenes Recht wieder entstehen, ohne daß der ganze Entstehungstatbestand von neuem einzutreten b r a u c h t ; so erlöschen Grunddienstbarkeiten u n d Inhaberrechte durch K o n fusion und durch Dereliktion des herrschenden Grundstücks bzw. des Papiers; sobald aber die Konfusion oder die Herrenlosigkeit aufhört, entstehen diese Rechte v o n neuem, ohne daß der E n t stehungstatbestand (Eintragung, Ausstellung des Papiers) wiederholt zu werden braucht 2 0 . M i t Rücksicht auf diese Möglichkeit eines Wiederauflebens k a n n man i n diesen Fällen statt v o n einem Erlöschen von einem Ruhen des Rechts sprechen 2 1 . Das Gesetz versteht unter Ruhen der väterliehen Gewalt, § 1676, den Ausschluß der Ausübung bei Fortbestand des Rechtes, § 1678 2 2 . E i n partielles Ruhen eines Rechts findet statt, wenn die Ausübung einiger Befugnisse ausgeschlossen ist. So behält die M u t t e r , wenn ihre elterliche Gewalt wegen Minderjährigkeit r u h t , nach § 1696 Recht u n d Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. I n diesem Sinne k a n n man die Eigentümerhypothek, weil der Zinsgenuß u n d die Betreibung der Vollstreckung ausgeschlossen sind, als partiell ruhendes Recht bezeichnen 2 3 . V o n der Aufhebung oder dem Ruhen eines Rechtes ist zu unterscheiden die H e m m u n g eines Anspruchs oder einer sonstigen Befugnis (vgl. ob. § 17 V I I ) durch Erhebung einer dem Gegner zustehenden Einrede 2 4 . 18 Das W o r t Zustandsrecht w i r d auch i n anderer Bedeutung gebraucht, vgl. ob. § 2 Note 7. 19 Eine bezahlte Forderung k a n n nicht wieder hergestellt, sondern nur durch eine neue Forderung gleichen Inhalts ersetzt werden, vgl. ob. § 17 Note 28. 20 Vgl. ob. § 2 V I I , § 44 Note 39. 53. 21 H i r s c h a. a. O. 148 fg. 22 Der Fortbestand der elterlichen Gewalt zeigt sich darin, daß dem Vater die Nutznießung a m Vermögen des Kindes verbleibt, außer i m Fall des § 1685 I I . 23 Vgl. ob. § 45 Note 121. 24 Vgl. ob. § 17 V I 2.

9 t)

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Die Aufhebung eines Rechtes k a n n einem anderen Rechtssubjekt zustatten k o m m e n 2 5 . Der V o r t e i l kann i n dem Erwerb eines Rechtes bestehen, welches anstelle des wegfallenden Rechtes t r i t t 2 6 , oder i n dem Wegfall einer Belastung eines Rechts oder i n der Befreiung des Vermögens von der H a f t u n g für eine Schuld. Die Befreiung v o n einer Belastung oder einer Schuld ist kein Rechts e r w e r b 2 7 . E i n Schuldner, der das Erlöschen der Forderung behauptet, macht eine rechtsaufhebende Tatsache geltend, nicht ein i h m zustehendes R e c h t 2 8 . Der Tatbestand der Aufhebung eines Rechts braucht m i t dem der Begründung nicht gleichartig zu sein. Der altrömische Satz 2 9 , daß die F o r m der Aufhebung eines Rechtsgeschäfts der F o r m der Begründung entsprechen müsse, galt nicht mehr i m klassischen Recht der Römer u n d gilt noch weniger in unserem Recht als allgemeines Prinzip. Formelle Verträge können durch formlosen Vertrag aufgehoben werden 3 0 ; der Widerruf eines Testaments braucht nicht i n Testamentsform zu e r f o l g e n 3 1 ; Rechte, die k r a f t Gesetzes entstanden sind, können durch Rechtsgeschäft beseitigt werden 3 2 . N u r für gewisse A r t e n v o n Rechten besteht Parallelismus des Entstehungs- u n d Aufhebungstatbestandes ; insbesondere erfolgt die Aufhebung der Grundbuchrechte durch Löschung des Eintrags i m Grundbuch, § 875 3 3 . I I . E i n Recht oder Rechtsverhältnis kann, ohne seine Identit ä t zu verlieren, eine Änderung wie der beteiligten Personen 3 4 so auch des Inhalts erleiden. Die Änderung des Inhalts ist oft eine Verstärkung des Rechts. So gibt z. B. die Erlangung eines 25 D u r c h Dereliktion des Eigentums entsteht eine Aneignungsmöglichkeit, § 958, oder ein Aneignungsrecht, § 928, vgl. Bd. I § 8 I I . 26 M i t dem Wegfall des Vorerben entsteht für den Nacherben, m i t dem Wegfall des Miterben entsteht für den anwachsungsberechtigten Miterben ein Recht, welches inhaltlich dem weggefallenen Recht entspricht. 27 Vgl. ob. § 45 S. 83. 28 Unpräzis i m Ausdruck ist § 545 I I , vgl. ob. § 17 Note 15. 29 D e r n b u r g , Pand. I I § 54 Note 10. 30 Vgl. unt. § 63 I V . 31 § 2255. E i n öffentliches Testament k a n n durch Privattestament widerrufen werden u n d umgekehrt. 32 Z. B . k a n n der Vermieter auf sein Pfandrecht nach § 1255 verzichten. 33 Forderungen aus Inhaber- u n d Orderpapieren erlöschen nicht, solange das Papier i n Zirkulation ist, § 796, WO. A r t . 82. 34 Vgl. ob. § 12 I .

§ 47.

97

E n d e u n d Ä n d e r u n g der Rechte.

vollstreckbaren Titels dem Pfandgläubiger die Befugnis, die Sache nach den Vorschriften der ZPO. zu verkaufen, § 1233 I I ; der ipso iure entstehende Besitz des Erben, § 857, erhält m i t E r langung der tatsächlichen Gewalt einen stärkeren Schutz gegen eigenmächtige Okkupation, § 2025, 2 3 5 . Häufig besteht die Verstärkung eines Rechts darin, daß es gegen gewisse Untergangsgründe widerstandsfähiger wird, als es vorher war. So werden Grundbuchrechte, die ohne Eintragung erworben sind, z. B. § 1438 I I , durch Eintragung gegen Verlust an gutgläubige D r i t t e geschützt; ähnlich w i r k t die Eintragung i n das Güterrechtsregister, §§ 1435, 14311, 1371; die Beschlagnahme der bei der H y p o t h e k mithaftenden Mobilien und Forderungen schützt den Gläubiger gegen Untergang seines Rechts durch Veräußerung der Mobilien bzw. Verfügung liber die Forderungen, § 1121 fg. 3 6 ; durch Verzug des Schuldners w i r d die Forderung insoweit verstärkt, als sie durch zufällige Unmöglichkeit nicht erlischt, § 287 3 7 . Eine Verstärkung des Rechts kann endlich durch die i m Grundbuchrecht mögliche Rangänderung, § 880 3 8 , b e w i r k t werden. Keine Änderung eines Rechts ist die Erweiterung eines Rechts durch H i n z u t r i t t eines neuen Rechts; w i r d z. B. eine Grunddienstbarkeit auf ein neues herrschendes oder dienendes Grundstück ausgedehnt, so entsteht neben der bisherigen Servitut eine Servitut gleichen Inhalts zugunsten oder zu Lasten des neuen Grundstücks 3 9 . Ebenso ist Erhöhung des Zinsfußes nicht Änderung der Zinsforderung, sondern H i n z u t r i t t einer neuen Zinsforderung zu der bereits bestehenden 4 0 . Die Änderung eines Rechtes k a n n i n einer Abschwächung bestehen: so w i r d z. B. durch Verzug des Gläubigers die H a f t u n g des Schuldners herabgesetzt, § 300; durch Entfernung der eingebrachten Sachen v o m Grundstück w i r d das Pfanrdecht des 35

Vgl. ob. § 6 Note 33. H i r s c h a. a. O. 360 schreibt dem H y p o t h e k a r vor der Beschlagnahme nur eine Anwartschaft auf Erwerb eines Pfandrechts an den m i t haftenden Mobilien und Forderungen zu; m i r scheint es richtiger, v o n einem bereits bestehenden, wenn auch i n seinem Bestände wenig geschützten, Pfandrecht zu sprechen, vgl. W o l f f , Sachenrecht § 135 Note 2. 37 Perpetuatio obligationis, W i n d s c h e i d § 280 Note 13. 38 Bei Mobilien kann Rangänderimg nur m i t obligatorischer W i r k u n g verabredet werden, W o l f f , Sachenrecht § 172 Note 5. 39 Vgl. ob. § 3 Note 24. 40 Der ursprüngliche u n d der später versprochene Zins sind i m Sinne von § 266 als einheitlich vorzunehmende Leistung zu betrachten. 36

H a n d b u c h X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

7

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Vermieters i n seinem Fortbestand abhängig von gerichtlicher Geltendmachung innerhalb eines Monats, § 561 I I 4 1 . Keine Änderung ist die teilweise Aufhebung eines Rechts, z. B. die E n t lassung eines Grundstückes aus der Gesamthypothek, die Herabsetzung des Zinsfußes. Es gibt Änderungen, die weder als Verstärkungen, noch als Abschwächung des Rechts bezeichnet werden können, z. B. die Verlegung des Erfüllungsorts, oder eine Abänderung der Voraussetzungen u n d Formen der K ü n d i g u n g 4 2 . Änderungen eines Rechtes sind nur soweit möglich, als die für das Wesen des Rechts entscheidenden Merkmale u n b e r ü h r t bleiben. Jenseits dieser Grenze k a n n nur Aufhebung des Rechts u n d Ersetzung durch ein anderes Recht stattfinden. Welche Änderungen so tief greifen, daß die I d e n t i t ä t des Rechts aufgehoben wird, ergibt sich, wie bei allen Fragen der juristischen I d e n t i t ä t 4 3 , nicht aus logischen Prinzipien, sondern aus der S t r u k t u r , welche die einzelnen Rechte i n unserem Gesetzbuch erhalten haben, wobei historische u n d dogmatische Zufälligkeiten nicht ausgeschlossen sind 4 4 . Entscheidend sind für die I d e n t i t ä t der dinglichen Rechte die i m d r i t t e n Buch des B G B . festgelegten T y p e n 4 5 ; daher sind z. B . Reallast u n d Rentenschuld, Grunddienstbarkeiten u n d persönliche Dienstbarkeiten als verschiedene Rechte anzusehen 4 6 . Ferner hängt die I d e n t i t ä t des Rechts davon ab, daß das Objekt des Rechtes dasselbe bleibt. Daher sind die Wandelungen, die das Pfandrecht bei seiner Realisierung durchmachen k a n n 4 7 , nicht als Veränderung eines Rechtes> sondern als Aufeinanderfolge verschiedener einander ablösender Rechte aufzufassen : so t r i t t anstelle des Forderungspfandes durch Leistung des Drittschuldners ein Sachpfand am Leistungsgegenstand, § 1287; anstelle der H y p o t h e k t r i t t ein Pfandrecht an der Forderung gegen den E r st eher, sodann ein Pfandrecht am E r lös 4 8 . 41

Abschwächung der Forderung durch nachträglich verabredetes pactum de non cedendo, § 399. 42 Verlegung der Servitut, § 1023. 43 Vgl. ob. § 12 Note 1 a. 44 Vgl. ob. § 1 S. 61. 45 Vgl. ob. § 6 Note 16. 46 W o l f f , Sachenrecht § 40 I I 3. 47 H i r s c h a. a. O. § 17 R G . 75, 316. 76, 376. 48 Die H y p o t h e k ist durch den Zuschlag erloschen; daher erfolgt

§ 47.

E n d e u n d Ä n d e r u n g der Rechte.

99

Die Änderung eines Rechtes erfolgt prinzipiell durch Vertrag der beteiligten Personen 4 9 , zu welchen bei Grundbuchrechten Eintragung hinzukommen muß. Ausnahmsweise k a n n die Änderung durch einseitiges Rechtsgeschäft (Ausübung eines Gestaltungsrechts 5 0 ) b e w i r k t werden. Sie erfolgt ferner durch Ereignisse, denen das Gesetz ändernde K r a f t beilegt. Der I n h a l t des Eigentums ist i n § 903 gesetzlich festgelegt u n d duldet keine Änderung 5 1 ; möglich ist nur Belastung des Eigentums durch k o n s t i t u t i v abgeleitete Rechte u n d Beschränkung der Verfügung durch Gesetz oder gerichtliche Anordnung, § 135/6 5 2 . Die meisten sonstigen Rechte sind änderungsfähig. Insbesondere ist bei beschränkten dinglichen Rechten jede Änderung des Inhaltes möglich, soweit nicht die Grenzen des gesetzlich festgelegten Typus überschritten werden. So k a n n beim E r b baurecht die Verabredung über die Beschaffenheit des Bauwerkes, bei Grunddienstbarkeiten die Benutzungsweise abgeändert werden 5 a beim Nießbrauch können einzelne Nutzungen nachträglich ausgeschlossen, § 1030, u n d ausgeschlossene Nutzungen i n den Nießbrauch aufgenommen werden, auch das gesetzliche Schuld Verhältnis zwischen Eigentümer u n d Nießbraucher abgeändert werden 5 4 . Der I n h a l t des Pfandrechts k a n n modifiziert werden: durch Ausdehnung auf die Nutzungen oder Ausschluß derselben; durch Verabredung über die Modalitäten des Verkaufes, § 1245 5 5 . B e i Grundpfandrechten sind Änderungen des Inhalts i n verschiedenster Weise möglich: U m w a n d l u n g der Verkehrshypothek i n eine Sicherungshypothek u n d umgekehrt, § 1186; U m w a n d l u n g einer Veräußerung der Forderung nach dem Zuschlag nicht mehr nach § 1154, sondern nach den Grundsätzen der Zession; dasselbe güt für Pfändung der Forderung nach dem Zuschlag, H i r s c h a. a. O. 380. 49 Dieser Grundsatz ist ausgesprochen i n § 305 für Schuldverhältnisse, in § 877 für Grundbuchrechte, güt aber auch für alle sonstigen Rechte. 50 Vgl. ob. § 7 I I I 2. 51 P l a n c k , Vorb. zum Sachenrecht S. 8. 52 Dagegen kann der Eigentümer auf einzelne zum I n h a l t des Eigentums gehörende Befugnisse nicht verzichten, W a l s m a n n , Verzicht, 76 vgl. unt. § 54 Note 180. 53 E i n F a l l der Änderung ist die Verlegung der Dienstbarkeit, § 1023. 54 Vgl. ob. § 45 I I 7; W o l f f , Sachenrecht § 117 I I J . 55 Solche Verabredungen sind als Änderungen des Rechtsinhalts auch für den Rechtsnachfolger verbindlich, P l a n c k § 1245, 2 a; vgl. ob. § 44 Note 15. 7*

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

H y p o t h e k i n eine Grundschuld 5 6 u n d umgekehrt, § 1198; einer Rentenschuld i n eine Grundschuld u n d umgekehrt, § 1203; einer Briefhypothek i n eine Buchhypothek u n d umgekehrt, § 1116. Die mannigfaltigsten Änderungen des Inhalts kommen bei Forderungen vor. W i r d die Leistung unmöglich, so t r i t t an ihre Stelle, wenn die Forderung nicht erlischt, § 275, eine andere Leistung: Schadenersatz, § 280, oder das i n § 281 bezeichnete Surrogat. Der Schadenersatz ist i n erster L i n i e Wiederherstellung des früheren Zustandes, § 249, kann sich aber bei Unmöglichkeit der Herstellung i n Geldersatz verwandeln, § 251. Die Befreiungsforderung, § 257, verwandelt sich, wenn der zu befreiende Schuldner seme Schuld selbst erfüllt, i n eine Forderung auf Ersatz der Auslagen. M i t jeder Änderung des Leistungsgegenstandes entsteht ein neuer Anspruch 5 7 ; aber die gemeinsame Grundlage aller dieser Ansprüche, die Forderung, bleibt identisch. Die fortbestehende I d e n t i t ä t der Forderung zeigt sich i n wichtigen Konsequenzen; Bürgen u n d Pfänder haften weiter trotz Veränderung des Inhalts der Forderung; die Verjährung des ursprünglichen Anspruchs überträgt sich auf den Anspruch, welcher die veränderte Leistung z u m Gegenstand h a t ; die Zugehörigkeit der Forderung zu einer Konkursmasse oder einem Nachlaß, sowie ihr Entstehungsmoment i m Sinne v o n §§ 406, 419, 1086 w i r d durch die Änderung des Inhaltes n i c h t affiziert 5 8 . Der I n h a l t eines Schuldverhältnisses k a n n auch durch Vertrag abgeändert werden, § 305, u n d zwar k a n n die Änderung sowohl das Schuldverhältnis i m weiteren Sinne 5 9 betreffen, als die einzelne Forderung 6 0 . Insbesondere kann der Leistungsgegenstand der Forderung vermindert, vergrößert oder durch eine Leistung anderer A r t ersetzt werden 6 1 . Die Abänderung kann, 56

Diese Verwandlung geschieht kraft Gesetzes i m Fall des § 1177 I . Vgl. ob. Bd. I S. 274. 58 Vgl. ob. § 43 V I . 59 Vgl. Bd. I § 5. 60 E n n e c c e r u s § 265 I I 5. 61 I n letzterem F a l l besteht die Änderung der Forderung i n gleichzeitig eintretender Befreiung des Schuldners und Begründung einer neuen Verpflichtung. Soweit der Schuldner bei Änderung der Forderung eine neue Verpflichtung eingeht, ist die für solche Verpflichtungen vorgeschriebene F o r m zu beobachten, vgl. unt. § 63. Die H a f t u n g von Bürgen u n d Pfändern besteht trotz Änderung der Forderung weiter, w i r d aber durch die Änderung nicht erweitert, § 767 1 3, § 1210 I 2. 57

§ 47.

E n d e u n d Ä n d e r u n g der Rechte.

101

ohne die I d e n t i t ä t des Schuld Verhältnisses zu berühren, soweit gehen, daß das Schuldverhältnis unter andere gesetzliche Regeln fällt und eine andere typische Bezeichnung erhält. So k a n n z. B . die Verwahrung vertretbarer Sachen durch nachträgliche Vereinbarung den Charakter eines depositum irreguläre, § 700, annehmen ; ein Mietvertrag kann sich durch Ausdehnung des Rechts des Mieters auf die Nutzungen i n einen Pachtvertrag verwandeln 6 2 . H a t eine Vertragspartei über die Forderungen aus dem Schuldverhältnis i m Voraus verfügt, so ist sie dadurch nicht gehindert, das Schuld Verhältnis zu ändern. So kann z. B. der Vermieter (oder sein Rechtsnachfolger nach § 571) nach A b t r e t u n g der künftigen Mietzinse den Mietvertrag ändern, indem er z. B . eine Erhöhung oder Herabsetzung des Mietzinses oder neue Zahlungsoder Kündigungstermine verabredet 6 3 . Die aus dem abgeänderten Mietsvcrtrage entstehenden Mietzinsforderungen bleiben den über sie i m Voraus getroffenen Verfügungen unterworfen 6 4 . V o n der Änderung einer Forderung ist zu unterscheiden die Ersetzung der Forderung durch eine neue Forderung, ein Vorgang, welchen man m i t dem römischen Ausdruck N o v a t i o n bezeichnen kann. W a n n eine modifizierende Verabredung über den Rahmen der Änderung hinausgeht u n d als novierend zu betrachten ist, ist streitig u n d läßt sich meines Erachtens k a u m i n einer allgemeinen Regel feststellen. Der Wille der Parteien, auf den häufig abgestellt w i r d 6 5 , gibt i n dieser technischen Rechtsfrage oft keinen Anhaltspunkt. Die Annahme einer N o v a t i o n liegt nahe, wenn eine sehr weitgehende oder totale Änderung des Leistungsinhalts verabredet ist. Ferner liegt N o v a t i o n vor, wenn nicht die Leistung, 62

K 1 e i n a. a. O. 47. Bd. I § 12 S. 226. Vgl. K i s c h , Leipziger Zeitschr. 8, 36. I s t aber die Mietzinsforderung, über welche der Vermieter verfügt hat, bereits entstanden, so k a n n er über sie nicht (oder n i c h t ohne Zustimmung des Nießbrauchers oder Pfandgläubigers, § 1071, 1276) weiter verfügen. 64 W i r d dagegen nach Verfügung über die Mietzinsen das Mietverhältnis aufgehoben (wozu der Vermieter trotz der Verfügung befugt ist), so sind die Vorausverfügungen über den Mietzins hinfällig. Wenn der Vermieter nach Aufhebung des Mietsvertrages die Sache dem bisherigen Mieter zu anderen Bedingungen überläßt, O L G . 20, 379; 21, 90; 27, 161; O e r t m a n n § 573, 2 c, so sehe ich darin nicht Aufhebung i m d Neubegründung einer Miete, sondern Abänderung des früheren Vertrages, so daß die Verfügungen über den Mietzins i n K r a f t bleiben. 65 E n n e c c e r u s § 265 A n m . 4. 63

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

sondern der Rechtsgrund, die causa, der Verpflichtung geändert wird. Daher ist die Übernahme einer bereits geschuldeten Leistung d u r c h abstrakten Vertrag (Wechsel oder selbständiges Schuldversprechen, § 780) nicht Abänderung des zugrunde liegenden SchuldVerhältnisses, sondern Entstehung einer neuen Forderung, welche i m Zweifel, § 364 I I , neben die alte Forderung t r i t t , ausnahmsweise dieselbe e r s e t z t 6 5 a . N o v a t i o n liegt ferner vor, wenn ein zur Eigentums ver Schaffung verpflichteter Schuldner, z. B. der Verkäufer, ein Rechtsverhältnis vereinbart, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt (constitutum possesorium, § 930): anstelle des Kaufvertrags, der durch die Eigentumsverschaffung erfüllt ist, t r i t t eine Miete, eine Verwahrung usw., aus welcher der ehemalige Verkäufer zur Herausgabe der Sache verpflichtet ist. I n diesem Sinne ist meines Erachtens auch die Verwandlung einer Schuld vertretbarer Sachen i n ein Darlehen, § 607 I I , als N o v a t i o n zu b e t r a c h t e n 6 6 ; denn die Verabredung ist auf Änderung des Rechtsgrundes g e r i c h t e t 6 7 . Bei der Änderung eines Rechtes kommen außer den Beteiligten auch d r i t t e Personen i n B e t r a c h t ; einerseits die Personen, denen ein aus dem zu ändernden Recht k o n s t i t u t i v abgeleitetes Recht zusteht; andererseits bei Änderung eines k o n s t i t u t i v abgeleiteten Rechts die Inhaber nachstehender Rechte. Die abgeleiteten Rechte sind gegen Änderungen des Mutter rechtes dadurch geschützt, daß das Gesetz wie für die Aufhebung 6 8 so auch für die Änderung des Mutterrechts die Zustimmung des Inhabers des Tochterrechts verlangt, §§ 877, 1071 I I , 1276 I I 6 9 . 65 a Ebenso ist Prolongation einer Wechselschuld durch Ausstellung eines neuen Wechsels als N o v a t i o n aufzufassen, D e r n b u r g I I § 256 I I I ; a. A. S t a u b W O . A r t . 82 A n m . 31 b. Vgl. R G . 77, 50. 66 O e r t m a n n § 607, 2 b. 67 Erfolgt die N o v a t i o n durch abstraktes Versprechen, so entsteht die neue Forderung unabhängig d a v o n , ob die alte Forderung wirklich bestanden hat u n d durch die neue Forderung aufgehoben worden ist. Geschieht die N o v a t i o n durch ein kausales Versprechen, z. B . durch Verwandlung der bereits geschuldeten Summe i n ein Darlehen, § 607 I I , so ist die neue Forderung abhängig v o m Bestand und der Aufhebung der alten Forderung. E n n e c c e r u s § 298 I , I I I w i l l die Fälle der letzteren A r t aus dem Begriff der N o v a t i o n ausscheiden und nennt sie Schuldumwandlungsvertrag. 68 Vgl. ob. § 45 Note 80. 69 Die Zustimmung ist nach §§ 1071, 1276 erforderlich, „sofern die Änderung den Nießbrauch resp. das Pfandrecht beeinträchtigt". Dieser

§ 48.

Di© r e c h t l i c h b e d e u t s a m e n

Handlungen.

103

E i n nachstehendes Recht k a n n durch Änderung des vorgehend e n Rechts nicht benachteiligt werden; jede Änderung, welche diese W i r k i m g hat, k a n n nur m i t Zustimmung des Inhabers des nachstehenden Rechtes erfolgen 7 0 . Dieser i m Gesetz nicht ausgesprochene Grundsatz ergibt sich aus der Erwägung, daß der Inhaber des Mutterrechts nur über die i h m nach Abzweigung der Tochter rechte verbliebenen Befugnisse verfügen k a n n 7 1 . In einigen Fällen, §§ 1119 I I , 1186, 1198, 1203, erklärt das Gesetz die Zustimmung des nachfolgenden Berechtigten für nicht erforderlich, weil es die Änderung als für die Interessen des Nachberechtigten unschädlich a n s i e h t 7 2 .

§ 48.

Die rechtlich bedeutsamen Handlungen *.

I . Unter den juristischen Tatsachen stehen i n erster L i n i e die Handlungen. U n t e r H a n d l u n g versteht man ein äußeres, d u r c h bewußten Willensakt herbeigeführtes Verhalten des Menschen. Daher sind keine Handlungen: einerseits die inneren psychologischen Vorgänge u n d Zustände des Menschen \ andererseits ein äußeres Verhalten, welches ohne Bewußtsein zustande k o m m t 2 oder nicht durch den W i l l e n des Menschen herbeigeführt w i r d , Zusatz fehlt i n § 877. Man w i r d daher bei jeder Änderung eines Grundbuch rechtes, ohne Untersuchung ihrer Tragweite, die Z u s t i m m i m g der Inhaber abgeleiteter Rechte verlangen müssen. 70 So kann z. B., wenn an einer Mobilie zwei Pfandrechte bestehen, das erste Pfandrecht ohne Zustimmimg des zweiten Gläubigers nicht i n «in antichretisches Nutzpfand, § 1214 I V , verwandelt werden, weil dadurch das Pfandrecht des zweiten Gläubigers an den Erzeugnissen, § 1212, beeinträchtigt werden könnte. 71 Vgl. ob. § 45 S. 77. 72 I n einem besonderen Fall, § 1119 I , ist eine Erweiterung der H y p o thek (durch Erhöhung des Zinsfußes) ohne Zustimmung der Nachberechtigt e n zulässig. * R e g e l s b e r g e r § 129; B e k k e r §§ 82, 83; C r o m e § 72; E n n e c c e r u s § 128; K o h l e r § 216; B i e r m a n n § 38; Z i t e l m a n n , Rechtsgeschäfte i m E n t w u r f I S. 19, 32; B r e i t , Geschäftsfähigkeit § 7; E i t z b a c h e r , Handlungsfähigkeit; M a n i g k , Willenserklärung und Willensgeschäft § 152 fg.; B i e r 1 i n g , Jurist. Prinzipienlehre I I § 21; K l e i n , Rechtshandlungen (1912); R a d b r u c h , der Handlungsbegriff i n seiner Bedeutung für das Strafrechtssystem. 1 Vgl. u n t . § 49. 2 Eine „Willenserklärung", die i m Zustand der Bewußtlosigkeit abgegeben wird, § 105 I I , ist genau genommen keine Willenserklärung, sondern «in Vorgang, der den Schein einer Willenserklärung erweckt.

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

z. B . eine Körperbewegung, die durch fremde K r a f t , vis absoluta, verursacht w i r d 3 . Ferner muß der Wille, aus dem die Handlung hervorgeht, d a m i t der H a n d l u n g rechtliche Bedeutung zukomme, einen für die einzelnen A r t e n der H a n d l u n g verschieden zu bemessenden Grad der normalen Beschaffenheit haben; diese Eigenschaft des Menschen heißt Handlungsfähigkeit 4 . Die meisten Handlungen sind, wie die meisten Tatsachen, rechtlich indifferent. V o n den relevanten Handlungen 5 sind für das Zivilrecht v o n besonderer W i c h t i g k e i t das gesprochene oder geschriebene W o r t . Die rechtliche Bedeutsamkeit einer H a n d l u n g k a n n auf einem einzelnen Rechtsgebiet oder auf mehreren Rechtsgebieten hegen; es g i b t Handlungen, die n u r i m öffentlichen Recht, z. B . i m Strafoder i m Prozeßrecht Rechtsfolgen haben, u n d Handlungen m i t rein zivilrechtlicher W i r k u n g ; endlich Handlungen ,die sowohl privatrechtliche als auch sonstige Rechtsfolgen nach sich ziehen 6 . W i r haben n u r die Handlungen zu betrachten, deren wesentliche u n d unmittelbare W i r k u n g auf dem Gebiet des Privatrechts liegt. Daher scheiden hier aus die prozessualischen Handlungen 7 , auch wenn sich an sie privatrechtliche W i r k u n g e n knüpfen 8 ; ebenso H a n d l u n g e n , welche i n das Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören, insbesondere die Anträge u n d Gesuche, durch welche ein Beamter zu einer obrigkeitlichen H a n d l u n g verpflichtet oder berechtigt w i r d 9 . Ebenso bleiben die auf die Gestaltung p r i v a t rechtlicher Verhältnisse einwirkenden obrigkeitlichen Handlungen hier außer Betracht. 3

B e k k e r § 85; E n n e c c e r u s § 160 I ; P 1 a n c k § 123, 3 und E r l . zu § 1335. 4 Vgl. ob. § 21 I I I . 5 Eine H a n d l u n g besteht selten aus einer, häufiger aus mehreren Körperbewegungen, welche m i t Rücksicht auf ihren gemeinsamen Zweck als e i n e H a n d l u n g gedacht u n d bezeichnet werden, B e k k e r § 8 2 Beil. I u n d Grundbegriffe 245; vgl. ob. § 43 Note 5. 6 H e l l w i g , Prozeßhandlung u n d Rechtsgeschäft 3; vgl. ob. § 43 Note 24. 7 Insbesondere die Erhebimg der Klage, D e r n b u r g § 107 1 1 3 ; E n d e m a n n § 61, 2 a ; N u ß b a u m , Prozeßhandlungen 67. 8 Z. B . Unterbrechung der Verjährung oder Ersitzung. Über die Klagen, durch deren Erhebung ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird, vgl. unt. § 50 Note 80. 9 Privatrechtliche W i r k i m g des Antrags auf Eintragung i n das Grundbuch, § 878; der Einreichung des Gesuchs u m Genehmigung der Stiftung, § 81, vgl. unt. § 50 Note 58.

§ 48.

Di

rechtlich bedeutsamen

Handlungen.

105

U m eine Übersicht über die privatrechtlichen Handlungen zu gewinnen, k a n n man sie nach verschiedenen Gesichtspunkten gruppieren. Als oberste Einteilung empfiehlt sich die U n t e r scheidung v o n rechtmäßigen und unrechtmäßigen Handlungen. I I . Die rechtmäßigen Handlungen, welche m i t privatrechtlichen W i r k u n g e n ausgestattet sind, k a n n man m i t dem allgemeinen Ausdruck Rechtshandlung 1 0 bezeichnen. U n t e r ihnen steht i m Vordergrund eine Gruppe, welcher die gemeinrechtliche Wissenschaft und i m Anschluß an diese das B G B . den Namen Rechtsgeschäft beilegt. F ü r die rechtserheblichen erlaubten Handlungen, welche nicht Rechtsgeschäfte sind, fehlt es an einer technischen Bezeichnung; man pflegt sie i m Gegensatz zu den Rechtsgeschäften Rechtshandlungen zu nennen. Der Begriff der Rechtshandlung umfaßt zahlreiche u n d unter sich sehr verschiedene Fälle, über deren Systematisierung u n d rechtliche Behandlung mangels gesetzlicher Vorschriften keine Einigkeit besteht 1 1 . Eine Übersicht über alle rechtserheblichen Handlungen einschließlich der Rechtsgeschäfte läßt sich gewinnen, indem man die H a n d lungen nach ihrem psychologischen I n h a l t einteilt 1 2 ; die H a n d lung k a n n sein: die Äußerung eines Willens, oder einer Vorstellung, oder eines Gefühls. 1. Willensäußerungen oder Willenserklärungen 1 3 : das sind Handlungen 1 4 , aus denen hervorgeht, daß der Handelnde einen Erfolg (Veränderung oder Aufrechterhaltung eines rechtlichen oder tatsächlichen Zustandes) erstrebt und das E i n t r e t e n dieses Erfolges als Folge seines Wollens für möglich hält 1 5 . a) Unter den Willensäußerungen sind die wichtigsten solche, 10

I n diesem allgemeinen Sinn spricht von Rechtshandlung H G B . §§ 49, 54, 126, sowie die Konkursordnung, vgl. J ä g e r , K O . § 7 A n m . 1, § 29 A n m . 29. 11 Das B G B . enthält nur wenige Bestimmungen über Rechtshandlungen und überläßt die Feststellung der für dieselben geltenden Regeln der E n t scheidimg der Wissenschaft, Mot. I 127. 12 Andere Einteilungen bei E i t z b a c h e r 161 u n d M a n i g k § 159, dem sich K l e i n 26 anschließt. 13 Über die Unterscheidung zwischen Willensäußerung u n d Willenserklärung vgl. unt. § 61 I . 14 Aus der psychologischen L i t e r a t u r : S i g w a r t , Kleine Schriften 2, 180 fg.; F r a n z B r e n t a n o , Klassifikation der psychol. Phänomene 107; L i p s , Leitfaden der Psychol. 213. 15 Vgl. unt. § 50 Note 169.

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

welche die H e r s t e l l u n g einer R e c h t s w i r k u n g

Tatsachen. 16

der bestehenden Rechtslage z u m I n h a l t haben

,

d h. die Ä n d e r u n g 17

.

Solche W i l l e n s -

äußerungen b i l d e n allein oder i n V e r b i n d u n g m i t anderen Willensä u ß e r u n g e n o d e r s o n s t i g e n T a t s a c h e n d e n T a t b e s t a n d eines R e c h t s geschäfts

(vgl. u n t .

§ 50).

Das Rechtsgeschäft

i s t das

Mittel,

d u r c h w e l c h e s d i e b e t e i l i g t e n P r i v a t p e r s o n e n i n n e r h a l b der Gesetz

gezogenen

Schranken

ihre

Ä n d e r u n g der Rechtslage ist i m m e r

Rechtsverhältnisse

vom

regeln.

d e r Z w e c k , u n d w e n n das

R e c h t s g e s c h ä f t g ü l t i g z u s t a n d e k o m m t , d i e W i r k u n g des R e c h t s geschäfts.

B e i m Rechtsgeschäft ist die Rechts Wirkung m i t

I n h a l t der W i l l e n s e r k l ä r u n g i m wesentlichen k o n g r u e n t B G B . n e n n t die Willensäußerungen, Rechtsgeschäfts v o r k o m m e n

19

18

.

dem Das

w e l c h e i m T a t b e s t a n d eines

, Willenserklärungen u n d normiert

sie i n d e n §§ 116 fg. b)

Es g i b t zahlreiche Willensäußerungen,

welche n i c h t

auf

einen rechtlichen, sondern auf einen tatsächlichen E r f o l g gerichtet 16

Vgl. ob. § 43 Note 6. I n grundsätzlicher Abweichung von der üblichen Denkweise u n d Terminologie läßt K o h l e r §§ 239, 240 als Rechtsgeschäfte nur die „ u n abhängigen Rechtshandlungen" gelten, „welche etwas wesentlich Neues schaffen", insbesondere die Verträge, u n d w i l l alle Willenserklärungen, welche ein bestehendes Recht oder Rechtsverhältnis modifizieren oder aufheben, als sog. „abhängige Rechtshandlungen" aus dem Begriff des Rechtsgeschäftes ausscheiden. Z u letzterer Gruppe würde die Mehrzahl der Handlungen gehören, welche i n der herrschenden Systematik als einseitige Rechtsgeschäfte bezeichnet werden, vgl. unt. § 53 N . 4. Eine Widerlegung der herrschenden Ansicht erklärt K o h 1 e r für nicht erforderlich, weil sie jeder Betrachtung des Rechtes zu sehr widerspreche, vgl. unt. § 50 Note 32. 18 Die beim Rechtsgeschäft beabsichtigte E i n w i r k u n g auf die Rechtslage k a n n auch darin bestehen, daß eine Rechtsänderung , welche der Handelnde herbeiführen könnte, nicht eintritt. Daher ist Ablehnung der Offerte u n d Verweigerung der Genehmigung als Rechtsgeschäft (Verzicht auf das Annahme- resp. Genehmigungsrecht, vgl. unt. § 54 N. 182) zu betrachten, M a n i g k § 186, zum Teü anders P l a n c k § 184, 3, O e r t m a n n § 182, 10. V o n der definitiven Ablehnimg der Offerte oder Verweigerung der Genehmigung ist natürlich zu unterscheiden der Fall, daß jemand erklärt, die Offerte nicht anzunehmen, die Genehmigung nicht zu erteilen, u n d sich dabei späteren Entschluß vorbehält. Durch diesen Vorbehalt hat der Erklärende die rechtsgeschäftliche (rechtsändernde) W i r k u n g seiner Erklärung ausgeschlossen, D e r n b u r g § 129 Anm. 24. 19 Die Überschrift des d r i t t e n Abschnittes des allgemeinen Teils l a u t e t : „Rechtsgeschäfte", die Überschrift des zweiten Titels dieses Abschnittes : „Willenserklärung". 17

§ 48.

Di

rechtlich bedeutsamen Handlungen.

107

sind, trotzdem aber v o m Gesetz m i t Rechtswirkungen ausgestattet werden; diese Rechtswirkungen entsprechen nicht dem I n h a l t des geäußerten Willens, können auch durch den W i l l e n der Partei nicht abgeändert werden. Die systematische Stellung solcher Willensäußerungen ist streitig: sie hängt v o m Umfange ab, den man dem Begriff des Rechtsgeschäfts zuschreiben w i l l ; begnügt man sich für den Begriff des Rechtsgeschäfts d a m i t , daß eine m i t Rechtsfolgen ausgestattete Willensäußerung vorliegt, so fallen die Willensäußerungen m i t inkongruenter Rechtsfolge i n den Begriff des Rechtsgeschäftes u n d bilden innerhalb desselben i m Gegensatz zu den unter a) besprochenen Willensäußerungen eine besondere Gruppe 2 0 . Verlangt man aber m i t der v o n den Verfassern des B G B . vertretenen 2 1 u n d seitdem zur Herrschaft gelangten Ansicht 2 2 zum Rechtsgeschäft eine Willensäußerung, deren rechtliche W i r k u n g dem I n h a l t des Willens entspricht, so stehen die hier betrachteten Willensäußerungen außerhalb des Rahmens der Rechtsgeschäfte 2 3 . Man k a n n sie m i t dem, allerdings auch i n einem weiteren Sinn gebrauchten Ausdruck 2 4 R e c h t s h a n d l u n g 2 5 bezeichnen, i m Gegensatz zu den unter c) zu besprechenden ,,Tathandlungen". Z u den Rechtshandlungen i n diesem engeren Sinn gehören 20

So B r e i t a. a. O. S. 138 fg. Mot. I 126: „Rechtsgeschäft ist eine Privatwillenserklärung, gerichtet auf Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, welcher nach der Rechtsordnung deswegen e i n t r i t t , weil er gewollt i s t " . 22 Vgl. R G . 58, 346; 68, 324. 23 Die Grenze zwischen Rechtsgeschäft u n d Rechtshandlung ist i n vielen Fällen unsicher. Denn der Parteiwille ist oft zunächst auf einen wirtschaftlichen Erfolg gerichtet u n d von einer unpräzisen Vorstellung der Rechtswirkung begleitet. Daher k a n n man bisweilen darüber streiten, ob i m typischen I n h a l t einer Willenserklärung soviel rechtliche Elemente enthalten sind, daß die Erklärung als auf einen Rechtserfolg gerichtet u n d somit als Rechtsgeschäft gelten kann, vgl. unt. § 50 Note 153. 24 Vgl. ob. Note 11. 25 Andere Bezeichnungen für Willensäußerungen der hier i n Betracht kommenden A r t sind: „rechtsgeschäftsähnliche H a n d l u n g " , E n n e c c e r u s § 128 1 2 , „Willensäußerung ohne Rechtsgeschäftscharakter", B i e r m a n n § 38, 2 I b , „ W i l l e n s m i t t e i l u n g " , M a n i g k § 183 u n d Klein. E i t z b a c h e r a. a. O. 160 spricht v o n „unmaßgeblichen Willensäußerungen" (weil der I n h a l t des geäußerten Willens für die Rechtsfolge nicht maßgebend ist); dieser Ausdruck ist irreführend, da m a n i m gewöhnlichen Sprachgebrauch unter unmaßgeblich soviel wie wirkungslos versteht. 21

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

die zahlreichen u n d i m Rechtsleben wichtigen Willensäußerungen, welche die V e r w i r k l i c h u n g oder W a h r u n g eines Rechts 2 6 durch E i n w i r k e n auf das Verhalten des Gegners bezwecken. Das nächstliegende Beispiel ist die Mahnung 2 7 : der Gläubiger verlangt v o m Schuldner eine Leistung. A u f diesen tatsächlichen Erfolg ist der I n h a l t seiner Willensäußerung gerichtet 2 8 . Tatsächliche E r folge können aber, i m Gegensatz zu der stets m i t Rechtsnotwendigkeit eingetretenen Rechtswirkung 2 9 , ausbleiben (der Schuldner k a n n die Mahnung mißachten). Daher versieht das Gesetz die Mahnung für den Fall, daß der als gewollt bezeichnete tatsächhche Erfolg n i c h t e i n t r i t t , m i t Rechtswirkungen : das sind die Verzugsfolgen. Diese Folgen sind aus dem I n h a l t der Mahnung nicht zu entnehmen ; sie können zwar i m Bewußtsein u n d i n der eventuellen Absicht des Gläubigers liegen, aber sie brauchen von i h m nicht gewollt zu sein u n d würden sogar gegen seinen W i l l e n eintreten 3 0 . Ebenso verhält es sich bei zahlreichen anderen Aufforderungen, die das Gesetz für den F a l l ihrer Nichtbeachtung m i t Rechtsfolgen auss t a t t e t ; so z. B . m i t der Aufforderung des Schenkers an den Beschenkten, sich über die Annahme der Schenkung zu erklären, § 516 I I ; die Rechtswirkung dieser Aufforderung ergibt sich nicht aus ihrem I n h a l t , sondern aus dem Gesetz u n d k a n n ohne und selbst gegen den W i l l e n des Auffordernden eintreten: hätte z. B. der Schenker bei der Aufforderung erklärt, er werde bei ausbleibender A n t w o r t die Schenkung als abgelehnt betrachten, so würde nicht diese, sondern die umgekehrte, i m Gesetz angeordnete Rechtsfolge eintreten 3 1 . Dasselbe gilt von der Aufforderung zur 26

K i p p , Festgabe für K o c h 114 fg. P l a n c k § 284, 4 b ; O e r t m a n n § 284, 2 a ; E n n e c c e r u s § 274 I I 3. Gerade a m Beispiel der Mahnung zeigt sich, daß die Ausscheidung der sog. Rechtshandlungen aus dem Begriff der Rechtsgeschäfte ein P r o d u k t der neuesten D o g m a t i k i s t ; die Mahnung wurde bis vor kurzem unbedenklich zu den Rechtsgeschäften gezählt, vgl. die Zitate bei B r e i t 142, sogar v o n den M o t . I I 58, welche sich damit i n Widerspruch zu ihrer eigenen Definition des Rechtsgeschäftes setzen. 28 I n d e m der Gläubiger die i h m geschuldete Leistung verlangt, w i l l er sein Recht ausüben, nicht aber eine Rechtsänderung herbeiführen, vgl. ob. § 15 N o t e 64. 29 Vgl. ob. § 43 Note 11. 30 Der mahnende Gläubiger k a n n die Entstehung der Zinspflicht aus dem Verzug nicht hindern, sondern nur die Verzugszinsen, wie jede sonstige Forderung, erlassen. 31 Dagegen liegt ein Rechtsgeschäft vor, wenn der Gläubiger dem 27

§ 48.

Di

rechtlich bedeutsamen

Handlungen.

A n m e l d u n g v o n A n s p r ü c h e n , §§ 50 I , 2 0 6 1

32

, zur

109

Genehmigung 33

v o n R e c h t s g e s c h ä f t e n , §§ 108, 177, 415 I I , 458, 1396 A u f f o r d e r u n g des S c h u l d n e r s a n d e n w a h l b e r e c h t i g t e n § 264 I , u n d i n v i e l e n a n d e r e n F ä l l e n . Klasse v o n

Willensäußerungen

, v o n der

Gläubiger,

F e r n e r g e h ö r e n z u dieser

gewisse W e i g e r u n g e n ,

E r k l ä r u n g des S c h u l d n e r s , d a ß er n i c h t l e i s t e n w o l l e

34

z. B .

die

, oder die

E r k l ä r u n g des G l ä u b i g e r s , d a ß er d i e L e i s t u n g n i c h t b e a n s p r u c h t oder n i c h t a n n e h m e n wolle

36

35

. D i e R e c h t s f o l g e n solcher E r k l ä r u n g e n

b r a u c h e n v o m E r k l ä r e n d e n n i c h t g e w o l l t z u sein u n d s i n d aus d e m I n h a l t der E r k l ä r u n g n i c h t zu e n t n e h m e n i n §§ 560 I , 912 I d e r W i d e r s p r u c h

38

37

.

Ebenso

bezweckt

, den Gegner z u e i n e m U n t e r -

lassen z u b e s t i m m e n , u n d h a t , w e n n dieser t a t s ä c h l i c h e

Erfolg

a u s b l e i b t , R e c h t s Wirkungen, w e l c h e s i c h aus d e m I n h a l t d e r k l ä r u n g n i c h t ergeben.

Er-

A u s denselben G r ü n d e n ist die Willens-

Schuldner eine Frist setzt m i t der Erklärung, daß er Leistimg nach A b lauf der Frist ablehne, z. B. §§ 250, 283, 326; vgl. K i p p a. a. O. 130; die m i t Ablauf der Frist eintretende Änderung des Inhalts der Forderung entspricht hier dem I n h a l t der E r k l ä r u n g des Gläubigers, der durch die Fristsetzung ein abänderndes Gestaltungsrecht ausübt, vgl. ob. § 7 Note 17. 32 Vgl. ob. § 39 Note 50. 38 Der Auffordernde w i l l den Aufgeforderten zu einer Willensäußerung veranlassen, braucht aber nicht zu wissen, daß zweiwöchentliches Schweigen des Aufgeforderten als Verweigerung der Genehmigung gilt. Noch weniger braucht er zu wissen, daß infolge der Aufforderung eine vorhergehende Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung unwirksam wird. 34 Die Weigerung kann darauf beruhen, daß der Schuldner die Existenz der Forderung bestreitet oder daß er eine Einrede geltend macht. U n begründete Weigerung hat nach herrschender Ansicht ( O e r t m a n n § 326, 4 b) die nachteüige W i r k u n g , daß eine sonst erforderliche Mahnung oder Fristsetzung nicht mehr nötig ist. 35 R G . 78, 70: die Erklärung des Grundschuldberechtigten, sein Recht nicht liquidieren zu wollen (weil es nicht valutiert sei), hat keinen rechtsgeschäftlichen Charakter, weil sie (im Gegensatz zu einem Verzicht auf die Grundschuld) nicht auf Änderung des Rechtes gerichtet ist. 36 Verweigert der Gläubiger die Annahme der i h m angebotenen Leistung, so t r i t t eine für i h n nachteilige u n d v o n i h m nicht gewollte Änderung der Rechtslage ein: u m i h n i n Annahmeverzug zu versetzen, genügt nunmehr wörtliches Angebot, § 295. 37 A u c h die Erklärung des Schuldners, leisten zu wollen (z. B. das Angebot, § 295), ist kein Rechtsgeschäft, weil der Schuldner m i t seiner Erklärung keine Rechtsänderung bezweckt, u n d etwaige Folgen derselben ( E i n t r i t t des Gläubigerverzugs, Aufhören des Schuldner Verzugs) ohne seinen W i l l e n eintreten. 38 Ebenso i n §§ 550, 1053, 1217 die Abmahnung.

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

äußerung des Tradenten bei der Besitzübergabe nicht rechtsgeschäftlicher N a t u r 3 9 : sein Wille ist auf einen tatsächlichen Erfolg (Beherrschung der Sache durch einen anderen) gerichtet; die Rechtswirkung dieser Willensäußerung braucht weder i n ihrem I n h a l t 4 0 , noch i m Bewußtsein des Tradenten zu liegen 4 1 . Die T r a d i t i o n ist vielmehr, wenn der Besitz nach § 854 I I durch Einigung übertragen wird, zu den Rechtshandlungen zu zählen 4 2 . Z u den Rechtshandlungen (nicht zu den Rechtsgeschäften) gehört auch eine Handlung, welche durch den Parteiwillen zur Bedingung eines Rechtsgeschäftes erhoben i s t : z. B . die Handlung des A , für welche er eine Vertragsstrafe versprochen hat, oder die H a n d l u n g des X , welche Bedingung eines zwischen A u n d B geschlossenen Vertrages ist. Wer die bedingende Handlung vorn i m m t , braucht den Rechtserfolg (das Wirksamwerden des bedingten Rechtsgeschäftes) nicht zu wollen u n d nicht zu kennen u n d k a n n den E i n t r i t t der Rechtswirkung durch seinen Willen n i c h t verhindern. c) I n weiterem Abstand v o n den Rechtsgeschäften stehen Handlungen, welche, wie die eben besprochenen Rechtshandlungen, auf tatsächlichen Erfolg gerichtet sind, deren Rechtsw i r k u n g aber n u r dann e i n t r i t t , wenn der gewollte tatsächliche Erfolg erreicht ist 4 3 . Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise: die Verarbeitung, § 950 4 4 , das Finden einer Sache, § 965, die 39

P 1 a n c k § 854, 3 a; § 858, 1 a ; M a n i g k a. a. O. § 162. Die Rechtswirkung der Erklärung des Tradenten ist verschieden, je nachdem, wie sich der Besitzerwerb vollzieht: ist der Besitzerwerber bloß i n der Lage, die Gewalt über die Sache auszuüben, so entsteht sein Besitzverhältnis aus seiner Einigung m i t dem Vorbesitzer, § 854 I I ; hat aber der Erwerber die tatsächliche Gewalt über die Sache wirklich erlangt, so beruht sein Besitz auf diesem F a k t u m u n d nicht auf der Einigung m i t dem Vorbesitzer; die W i r k u n g der Einigung besteht i n diesem F a l l darin, daß der Besitz nicht fehlerhaft u n d die Sache nicht abhandengekommen i m Sinn v o n § 935 ist, u n d daß der Erwerber als Rechtsnachfolger des Vorbesitzers gilt, vgl. ob. § 44 I V . 41 Die Rechtswirkungen der T r a d i t i o n können durch den Tradenten n i c h t ausgeschlossen werden: wenn ich dem X eine Sache übergebe, kann ich m i r zwar das Eigentum, nicht aber den Besitz vorbehalten. 42 Erfolgt die Tradition nach § 854 Abs. 1, so ist sie für den Tradenten eine „ T a t h a n d l u n g " , vgl. unt. Note 50. 43 Die Rechtswirkung ist hier die Folge nicht einer Willensäußerung, sondern eines durch menschlichen W i l l e n herbeigeführten Vorganges der Außenwelt. 44 M a n i g k a. a. O. § 163; K l e i n S. 34. 40

§ 48.

Die rechtlich bedeutsamen

Handlungen.

111

E n t d e c k u n g eines Schatzes, § 984, d i e N o t s t a n d s h a n d l u n g , § 904, die A u f w e n d u n g e n , Geschäftsführung Wohnsitzes, § 7 Erfindung

47

§ 256, u n d V e r w e n d u n g , §§ 547, 994 fg., d i e

ohne A u f t r a g , 46

48

die

Begründung

Zwecke einer anderen 49

Sache

§§ 568, 625, 724 .

51

, d i e F o r t s e t z u n g des G e b r a u c h s

5i

der

Gesellschaft,

, das M i t e i n a n d e r l e b e n i n n i c h t i g e r E h e , § 1324

A u s solchen H a n d l u n g e n e n t s t e h t zunächst ein v o n

Rechtsordnung unabhängiger 45

bestimmt

, d i e T r a d i t i o n i m F a l l e des § 854

g e m i e t e t e n Sache, des D i e n s t v e r h ä l t n i s s e s o d e r d e r II

die

u n d d i e A u f g a b e des B e s i t z e s , § 856 I , das E i n b r i n g e n

v o n Sachen, §§ 559, 701

53

des

, d i e H a n d l u n g , d u r c h w e l c h e eine Sache

u n d d a m i t Z u b e h ö r w i r d , § 97 50

,

, d i e H e r s t e l l u n g eines G e i s t e s w e r k e s u n d

die wirtschaftlichen

Abs. 1

45

, d i e R ü c k g a b e d e r P f a n d s a c h e , § 1253, u n d d e r V o l l -

m a c h t s u r k ü n d e , § 17 2 für

§ 677

tatsächlicher

Erfolg,

aus

der

welchem

So die herrschende Meinimg, vgl. P l a n c k , Vorb. I V vor § 677, E n n e c c e r u s § 386 Note 8; M a n i g k a. a. O. § 167. Die Geschäftsführung k a n n darin bestehen, daß der Geschäftsführer m i t D r i t t e n Rechtsgeschäfte abschließt: dem Geschäftsherrn gegenüber ist aber die Gestion kein Rechtsgeschäft, weil der Wille des Geschäftsführers nicht auf die Rechtsfolgen der Geschäftsführung gerichtet zu sein braucht, sondern nur darauf, einen tatsächlichen Erfolg für einen anderen herzustellen, z. B . einem anderen eine Sache zu verschaffen oder die Sache eines anderen vor Schaden zu bewahren. Daß die Geschäftsführung nicht zu den Rechtsgeschäften zählt, hat zur Folge, daß § 1412 nicht zur Anwendung k o m m t : das eingebrachte Gut haftet aus einer Geschäftsführung der Frau, auch wenn der Mann seine Zustimmung nicht erteilt hat, P l a n c k § 1411, 1; A. B. S c h m i d t § 1411, 2 d . W o l f f , Familienrecht § 56 A n m . 3. 46 M a n i g k a. a. O. § 166; vgl. ob. § 28 Note 8. 47 G i e r k e § 8 6 b I I I ; D e r n b u r g - K o h l e r V I § 82 I . 48 Das Ausstreichen des Indossaments, W O . A r t . 36. 49 P 1 a n c k § 97, 3 a. Vgl. auch die Änderung der Zweckbestimmung, wodurch ein nach § 95 selbständiges Gebäude zum Bestandteil eines Grundstücks wird, W o l f f , Überbau 70; K o m m e n t , des RGer. zu § 946 Bem. 2. 50 Vgl. ob. Note 42. Der Besitzerwerb erfolgt nicht schon durch die Willenserklärung des Tradenten, sondern nur dann, wenn der Erwerber die tatsächliche Gewalt w i r k l i c h erlangt, also z. B. nicht, wenn die zu übergebende Sache aus der H a n d des Erwerbers ins Wasser oder i n einen Abgrund fällt. 61 O e r t m a n n § 559, 3 a ; M a n i g k a. a. O- 648, 674; M i t t e l s t e i n , Miete § 76, 2; K l e i n 39. 52 K l e i n S. 37. " K l e i n S. 77. Die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft dürfte richtiger als Rechtsgeschäft (familienrechtlicher Vertrag) aufzufassen sein, vgl. u n t . § 53 Note 120.

Drittes Buch.

112

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

das Gesetz eine rechtliche W i r k i m g hervorgehen läßt. Wie bei den Rechtshandlungen zu b) ist die rechtliche W i r k u n g v o m Gesetz ohne Rücksicht auf den W i l l e n des Handelnden angeordnet; es ist ein rechtlich unerheblicher Zufall, wenn der Spezifikant oder der Erfinder oder der Geschäftsführer bei seiner Tätigkeit sich der Rechtsfolgen derselben bewußt i s t ; noch weniger braucht er einen auf diese Rechtsfolge gerichteten W i l l e n zu äußern. M a n nennt solche Handlungen, da ihre Bedeutung i n erster Linie i n der Herstellung eines äußeren Erfolges beruht, Naturalakte 5 4 oder Realakte 5 5 oder auch T a t h a n d l u n g e n 5 6 . Wenn man sie, i m Gegensatz zu den Rechtsgeschäften, m i t den unter b) besprochenen Willensäußerungen unter dem Namen Rechtshandlungen zusammenfaßt, darf die wesentliche rechtliche Verschiedenheit beider Gruppen nicht übersehen werden ; die Willensäußerungen unter b) sind, wenn n i c h t Rechtsgeschäfte, so doch den Rechtsgeschäften nahe v e r w a n d t ; denn obgleich der Wille, z. B . bei der Mahnung, auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet ist, so ergibt sich die Rechtswirkung nicht aus diesem (nicht erreichten) Erfolg, sondern, wie beim Rechtsgeschäft, aus der Willensäußerung; die Verzugsfolgen sind die, wenn auch nicht gewollten, W i r k u n g e n einer Willenserklärung. Daher ist analoge Anwendung der Regeln des Rechtsgeschäftes grundsätzlich geboten 5 7 ; insbesondere ist für solche Handlungen Geschäftsfähigkeit zu verlangen 5 8 . Dagegen ist bei den Tathandlungen Ursache der Rechtsw i r k u n g nicht sowohl der i n der H a n d l u n g zutage tretende Wille, als vielmehr der durch diesen W i l l e n erreichte tatsächliche Erfolg. Daher gelten die Rechtssätze über Rechtsgeschäfte für Tathandlungen n u r dann, wenn das Gesetz 5 9 es vorschreibt, oder analoge Anwendung geboten s c h e i n t 6 0 . Eine H a n d l u n g k o m m t als solche rechtlich nicht i n Frage, 54

B e k k e r § 95 Note b. B e k k e r § 8 2 Note f ; E n n e c c e r u s § 128 I I I 3. 56 P e r n i c e , GrünhutsZ. 7, 465; B i e r m a n n § 38, 2 I e. M a n i g k § 159 u n d K l e i n S. 29 sprechen v o n „ r e i n äußeren Handlungen". 57 M a n i g k § 188; K l e i n S. 165 fg. 58 Vgl. unt. § 59. Über Anfechtung vgl. unt. § 57. 59 Geschäftsfähigkeit ist vorgeschrieben für Begründimg und Aufhebung des Wohnsitzes, § 8, u n d für die H a f t u n g (nicht für den Regreß) des Geschäftsführers, § 682. 60 Vgl. unt. § 59. 55

§ 48.

Die rechtlich bedeutsamen

Handlungen.

113

wenn ein äußerer Vorgang m i t Rechtswirkungen ausgestattet ist, welche ohne Rücksicht darauf eintreten, ob der Vorgang durch menschlichen W i l l e n herbeigeführt ist oder n i c h t 6 1 . So erfolgt z. B. eine Eigentumsverschiebung durch Verbindung u n d Vermischung, § 946 fg., Eigentumserwerb durch Trennung v o n E r zeugnissen, § 953 fg., Erlöschen dinglicher Rechte durch U n t e r gang der Sache, auch wenn diese Ereignisse nicht auf dem W i l l e n eines Menschen beruhen. Ebenso braucht die Entfernung der m i t haftenden Mobilien v o m Grundstück, § 11211, n i c h t durch menschliche H a n d l u n g bewirkt zu sein 6 2 ; z. B . w i r d veräußertes u n d durch Hochwasser weggeschwemmtes Holz pfandfrei. A u c h die Vernichtung einer Urkunde, § 799, ist keine juristische H a n d l u n g ; denn die Rechtsfolge ist dieselbe, wenn die U r k u n d e ohne menschliches Z u t u n untergeht. Die Erlangung der tatsächlichen Gewalt ist ein tatsächliches Ereignis, welches auch ohne W i l l e n des Besitzerwerbers eintreten k a n n 6 3 . Die Zeugung k o m m t n u r als T a t sache, nicht als H a n d l u n g , i n Betracht 6 4 . 2. V o n den Willensäußerungen sind zu unterscheiden solche Handlungen, aus denen hervorgeht, daß der Handelnde eine Vorstellung v o n einer Tatsache h a t ; m a n k a n n sie Vorstellungsäußerungen nennen 6 5 . E i n wichtiges Beispiel solcher Handlungen sind die Äußerungen einer Überzeugung oder des Glaubens an eine Tatsache. Solche Äußerungen spielen i m Prozeß eine große Rolle als Ge61

M a n i g k § 160; K l e i n S. 9 fg. Dagegen k o m m t es i n § 1122 bei der Entfernung der Sachen auf den Zweck der Entfernung an: es ist daher menschliche Tätigkeit vorausgesetzt. 63 P 1 a n c k § 854, 2; vgl. W o l f f , Sachenrecht § 10 I I . Dagegen ist der Besitzerwerb durch Einigung, § 854 I I , wie auf Seiten des Tradenten (vgl. ob. Note 42), so auf Seiten des Erwerbers eine Rechtshandlung; die W i r k u n g der Einigung t r i t t ein, ohne daß eine Veränderung i n den faktischen Verhältnissen zu erfolgen braucht. 64 E i t z b a c h e r 229; a. A . E n d e m a n n § 5 7 Note 8. Die Rechtsfolgen der ehelichen wie der unehelichen Erzeugung treten ein, auch wenn der Erzeugende geschäftsunfähig oder bewußtlos war. 65 K l e i n , Schuldhafte Parteihandlung (1885) 16; D e r n b u r g § 107 I I 4; E n d e m a n n § 61 Note 13; E n n e c c e r u s § 128 I I I 2 b ; B i e r m a n n f 38, 2 I ; C r o m e § 72, 1 c ; E I t z b a c h e r 199. M a n i g k § 172 fg. unterscheidet Vorstellungsmitteilungen u n d Willensmitteilungen und rechnet zu den letzteren Mahnung, Aufforderungen, Widersprüche und andere Willenserklärungen, die ich ob. 1 b) zu den Rechtshandlungen zähle. 62

Handbuch X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1-

8

114

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

s t ä n d n i s 6 6 , i m m a t e r i e l l e n R e c h t k o m m e n sie als bei der U n t e r b r e c h u n g

der V e r j ä h r u n g ,

§

208

67

,

Anerkennung in

Betracht;

ebenso b e i d e r A n e r k e n n u n g d e r u n e h e l i c h e n V a t e r s c h a f t , § 17 1 8 b e i d e r A n l e g u n g eines V e r z e i c h n i s s e s , §§ 1035, 1372, 1802 einer B i l a n z , H G B . § 2356 I I

7 0

§ 39; bei der eidesstattlichen

68

y

, oder

Versicherung,

, u n d d e r L e i s t u n g des O f f e n b a r u n g s e i d e s , §§ 259, 2 6 0 r

2 0 0 6 , Z P O . §§ 807, 883, K O .

§ 125

71

.

Das D a t u m ist Aussage

über O r t u n d Z e i t der A b g a b e einer E r k l ä r u n g

72

.

W i r d eine V o r s t e l l u n g geäußert, u m bei anderen dieselbe V o r s t e l l u n g hervorzurufen, oder A n z e i g e 66

69

vor

73

.

so l i e g t eine

Menschen

M i t t e i l u n g

D i e M i t t e i l u n g e n k ö n n e n sich auf

Tat-

B ü 1 o w , Geständnisrecht 44; H e l l w i g , Prozeßhandlung u n d Kechtsg. § 5. 67 P l a n c k § 208, 2. 68 E i t z b a c h e r 213; M a n i g k § 181; v. B l u m e § 1718, 2 ; E n n e c c e r u s § 128 A n m . 10; a, A . P l a n c k § 1718, 2 ; E n d e m a n n I I § 206 a A n m . 8; C r o m e § 617 A n m . 23; D e r n b u r g § 120 A n m . 6 ; R G . 58, 348: die Anerkennung soll Verzicht auf die exc. plurium sein, vgl. u n t . § 54 Note 190. I n anderen Fällen (Schuldanerkenntnis, § 781, A n erkennung der Ehelichkeit, 1598) ist die Anerkennung i n der T a t ein Rechtsgeschäft , weil der Parteiwille auf einen Rechtserfolg (Herstellung einer sicheren Rechtslage) gerichtet ist u n d das Gesetz diesen W i l l e n sanktioniert, vgl. unt. § 50. 69 R G . 58, 346: die Anfertigung eines Verzeichnisses der verbrannten Sachen bei der Versicherung ist keine Willenserklärung. 70 P l a n c k § 2356, 2. 71 A u c h die Billigung beim K a u f auf Probe w i r d bisweilen als Meinungsäußerung aufgefaßt, vgl. z. B . E n n e c c e r u s § 338 I I . Meines Erachtens h a t das Gesetz dadurch, daß es i n § 495 die Billigung i n das Belieben des Käufers stellt, zu erkennen gegeben, daß es nicht darauf ankommt, ob der Käufer an der Sache tatsächlich Gefallen findet, sondern darauf, ob er die Sache haben, d. h. den K a u f zustande bringen w i l l . Entscheidend ist das Beispiel bei W a l s m a n n , JheringsJ. 54, 274: der Käufer erk l ä r t , daß i h m die Sache gefällt, daß er sich aber erst i n acht Tagen entscheiden wolle. Nach der Ansicht v o n E n n e c c e r u s liegt darin die B i l l i g u n g ; nach der herrschenden und richtigen Ansicht ist die Billigung noch n i c h t erfolgt, vgl. R a a p e , Wollensbedingung 50. 72 B e i m Wechsel w i r d das D a t u m als Willenserklärung aufgefaßt, R G . 32, 117, weil die Wirkungen des Wechsels sich nach dem angegebenen D a t u m richten, selbst wenn es nicht das richtige ist, vgl. unt. § 63. B e i m Privattestament w i r d darüber gestritten, ob das D a t u m Aussage über eine Tatsache oder Willenserklärung ist, vgl. P l a n c k , Erl. I I 4 f zu § 2231. 73 Denselben Sinn haben die Ausdrücke: benachrichtigen, z. B. § 384, kundgeben, z. B § 171, i n Kenntnis setzen, § 111, erklären, § 639 I I , ver-

§ 48.

sachen ziehen.

74

Die rechtlich bedeutsamen

der V e r g a n g e n h e i t 7 5 ,

Handlungen.

115

G e g e n w a r t 7 6 oder Z u k u n f t

77

be-

G e g e n s t a n d d e r M i t t e i l u n g k a n n eine d e r V e r g a n g e n h e i t

a n g e h ö r e n d e W i l l e n s e r k l ä r u n g des M i t t e i l e n d e n sein, so z. B . d i e M i t t e i l u n g e i n e r B e v o l l m ä c h t i g u n g , § 171 § 409

79

Willens

78

, oder einer A b t r e t u n g ,

. E b e n s o i s t d i e A n k ü n d i g u n g eines i n d e r Z u k u n f t l i e g e n d e n keine Willenserklärung,

sondern

Mitteilung

einer

Vor-

s t e l l u n g 8 0 ; so z. B . d i e M i t t e i l u n g v o n e i n e r b e a b s i c h t i g t e n A n f e c h t u n g o d e r A u f r e c h n u n g 8 1 , d i e A n d r o h u n g des V e r k a u f s e i n e r Sache, sichern, § 16401, anmelden, § 1970, 2061, Z V G . § 37, VersVertrGes. § 100, u n d andere. Eine Mitteilung liegt i n der Vorlegung einer Urkunde, z. B . §§ 259, 260, 405, u n d i n der Einreichung des Inventars, § 1993. Weitere Beispiele bei K l e i n 137. 74 Man spricht der Kürze halber v o n einer M i t t e ü u n g v o n Tatsachen, während i n W i r k l i c h k e i t die Vorstellung, die sich der Mitteilende v o n einer Tatsache macht, Gegenstand der M i t t e i l u n g ist, E i t z b a c h e r 199, M a n i g k § 173. Eine M i t t e i l u n g ist o b j e k t i v richtig, wenn sie den Tatsachen entspricht, subjektiv richtig, wenn sie die Vorstellung des M i t teilenden wiedergibt. Vgl. R G . 68, 1 fg. 75 Z. B. die Anzeige der Verspätimg, § 149, des Erlöschens einer Vollmacht, § 170, der Hinterlegung, § 374, die M i t t e i l u n g einer Schuldübernahme, § 415 I , 416 I . 76 Z. B. die Behauptung der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, § 109 I I , die Zusicherung einer Eigenschaft, § 459 I I , die Mängelanzeige, § 478 I , H G B . § 377 (O e r t m a n n § 478, 2; a. A . P 1 a n c k § 478, 3 a.> 77 Z. B. Bekanntmachung der Zeit u n d des Orts der Versteigerung, § 383 I I I , § 1237; Berufung der Migliederversammlung u n d Bezeichnung des Gegenstandes der Beratung, § 32. 78 Das Gesetz unterscheidet zwei Tatbestände: Erteilung der Vollmacht durch Erklärung (d. h. Willenserklärung) an den D r i t t e n , § 170, u n d Mitteilung der erfolgten Bevollmächtigung an den D r i t t e n , § 171. 79 I n der M i t t e i l u n g einer früher erfolgten Wülenserklärung liegt keine Willenserklärung. H a t z. B . ein Erblasser i n einem älteren, wegen Formfehler ungültigen Testament den X zum Erben eingesetzt, u n d bes t i m m t er i n einem zweiten, formgültigen, Testament: „ X , den ich bereits früher zum Erben eingesetzt habe, soll folgende Vermächtnisse ausrichten", so liegt darin keine Willenserklärung u n d daher keine E r b einsetzung, vgl. K G . i n D J Z . 1902, 437. Vgl. aber R G . 82, 152: durch Aufzählung der Schenkungnn i m Testament hat der Erblasser sie bestätigt, d. h. sie, falls sie nicht gültig waren, als Vermächtnisse angeordnet. 80 C r o m e § 86 A n m . 1. 81 Eine i m vorbereitenden Schriftsatz ausgesprochene Anfechtung oder Aufrechnung ist unter Umständen nicht als Willenserklärung, sondern als Ankündigung einer i m Termin abzugebenden Willenserklärung aufzufassen, P 1 a n c k § 143, 1; § 388, 2 ; O e r t m a n n § 143, 1 d, § 388, 1 b, vgl. unt. § 50 Note 90. Schreibt ein Erblasser i m Testament: ,,ich werde eine Stiftung errichten" oder „ i c h werde dem X mein Haus vermachen", so 9*

Drittes Buch.

116

§§ 303, 384, 1220, 1234

Die rechtserheblichen 82

Tatsachen.

, das „ s i c h E r b i e t e n " z u r B e s o r g u n g v o n

G e s c h ä f t e n , § 663, H G B . § 362

83

.

D a g e g e n i s t d i e M i t t e i l u n g eines

g e g e n w ä r t i g e n W i l l e n s n i c h t s anderes, als eine i n d i e F o r m e i n e r M i t t e i l u n g gekleidete Willenserklärung

84

.

E s i s t eine i n u n s e r e r

Verkehrssprache weit verbreitete Gewohnheit, Willenserklärungen als M i t t e i l u n g e n v o n T a t s a c h e n z u s t i l i s i e r e n : e i n S c h u l d n e r , d e r 100 v e r s p r e c h e n w i l l , s c h r e i b t :

,,ich bekenne

100 z u

schulden";

e i n e A u s l o b u n g l a u t e t b i s w e i l e n : , , i c h h a b e eine B e l o h n u n g 100 M .

ausgesetzt;

schreibt:

wer

wegen

arglistiger

Täuschung

,,ich habe m i c h überzeugt, daß i c h betrogen bin,

den Vertrag nicht zu halten brauche

85

.

von

anficht, und

I n solchen F ä l l e n ist die

d e m G e g n e r e r k e n n b a r e A b s i c h t des E r k l ä r e n d e n n i c h t a u f

Mit-

t e i l u n g e i n e r T a t s a c h e , s o n d e r n a u f Ä u ß e r u n g eines W i l l e n s gerichtet

86

.

ist das nicht Erklärung eines letzten Willens, sondern Ankündigung einer Absicht u n d daher wirkungslos. 82 Die Androhung bezeichnet P 1 a n c k § 384, 1; § 1234, 1 b als Rechtsgeschäft; O e r t m a n n § 384, 2, vorsichtiger, als „ E r k l ä r u n g " , M a n i g k S. 726 als Willensmitteüung. Charakteristisch für die Androhung, i m Gegensatz z u m Rechtsgeschäft, ist, daß sie bei Untunlichkeit unterlassen werden darf, während die W i r k u n g eines Rechtsgeschäftes, z. B . einer K ü n d i g i m g , nicht eintreten kann, wenn die Willenserklärung aus irgendeinem Grunde, auch wegen U n t u n l i c h k e i t , unterbleibt. 83 Ebenso sind hypothetische Erklärungen darüber, was man bei gewissen Eventualitäten wollen würde , keine Willenserklärung, L e n e 1, ArchZivPr. 79, 60. 84 Wülenserklärung (und Ausübung eines Gestaltungsrechts, vgl. ob. § 7 Note 18) ist die Anzeige des Selbsteintritts des Kommissionärs, H G B . § 400; die Anzeige des Gläubigers an den Bürgen, ,,daß er i h n i n Anspruch nehme", § 777, die Anzeige des § 1289 (P 1 a n c k § 777, 4 b ; a. A. K i p p , Festg. f. K o c h 118, K l e i n , ArchBürgR. 33, 250). 85 M i t t e i l u n g u n d Willenserklärung finden sich nebeneinander i m H G B . § 25: i n Abs. I I w i r d eine Vereinbarung mitgeteüt, während die Bekanntmachung des Abs. I I I eine Willenserklärung ist. Der Unterschied zeigt sich i n Folgendem: hat der Erwerber des Handelsgeschäftes eine tatsächlich nichtgetroffene Vereinbarung mitgeteilt (Abs. I I ) , so nützt i h m die Mitteilung nichts; während die Bekanntmachung des Abs. I I I i h n verpflichtet, auch wenn er m i t dem Veräußerer eine Schuldübernahme nicht verabredet hat. 86 Die Anzeige der Ablehnung eines Antrags, § 663, H G B . § 362, soll nach P l a n c k § 663, 1 M i t t e i l u n g einer Tatsache sein. I c h sehe i n dieser Anzeige eine Wülenserklärung, weil der Anzeigende nicht nur m i t t e i l t , daß er den A n t r a g noch nicht angenommen h a t , sondern auch erklärt, daß er den A n t r a g jetzt ablehnt.

§ 48.

Die rechtlich bedeutsamen Handlungen.

117

Vorstellungsmitteilungen k o m m e n i m bürgerlichen Recht oft u n d i n v e r s c h i e d e n e r W e i s e i n B e t r a c h t : i n z a h l r e i c h e n F ä l l e n bes t e h t eine M i t t e i l u n g s p f l i c h t teilung Voraussetzung Ausübung90

für

87

;

in

anderen Fällen

die E n t s t e h u n g

eines R e c h t e s ;

88

,

91

sind

ihre Richtigkeit

einzustehen

hat

89

für

, als er d i e M i t t e i l u n g ,

w e n n sie u n r i c h t i g i s t , g e g e n s i c h g e l t e n lassen m u ß 93

eine

Wahrung

gewisse M i t t e i l u n g e n

M i t t e i l e n d e n insofern v e r b i n d l i c h

ist

,

oder

bei

92

Mitoder den selbst

, oder für

wahrheitswidriger

87 Pflicht zur Anzeige ( K l e i n , Anzeigepflicht i m Schuldrecht); zur Auskunft, § 260; zur Rechenschaft, § 259. 88 Die Anzeige des Fundes, § 965, ist Voraussetzung für den Finderlohn, § 971 I I , u n d den Eigentumserwerb des Finders, § 973 I . M i t der Anzeige an den Drittschuldner entsteht das Pfandrecht an der Forderung, § 1280. 89 Z. B. die Mängelanzeige, § 478, die Verlustanzeige, § 703, die Anmeldungen bei Aufgeboten, i m K o n k u r s u n d bei der Zwangsversteigerung v o n Grundstücken. 90 Z. B. die Androhung, vgl. ob. Note 82. I n § 1128 ist die Anzeige Voraussetzung wirksamer Erfüllung. I n § 415 I ist die M i t t e i l u n g für den Empfänger Voraussetzung der Genehmigimg; sie ist keine Willenserklärung u n d steht daher zur Genehmigung nicht i m Verhältnis einer Offerte; sie ist daher nicht bindend: bis zum Eintreffen der Genehmigung können die Parteien die Schuldübernahme aufheben. 91 H u p k a , H a f t u n g des Vertreters 92 fg. 92 § 409 I , 576. Wer eine Tatsache z. B . den E i n t r i t t i n eine Handelsgesellschaft zum Handelsregister anmeldet, muß sie, wenn sie eingetragen u n d bekannt gemacht ist, gegen sich gelten lassen, R G . 51, 39, 76, 441; OLG. 21, 377; S t a u b , H G B . § 28 A n m . 4. 93 A u f diesem Rechtsgedanken, nicht auf einem (fingierten) Garantieversprechen, beruht die H a f t u n g des vollmachtlosen Vertreters, § 179, die H a f t u n g des Verkäufers für zugesicherte Eigenschaften, § 459 I I , u n d die H a f t u n g aus BörsGes. § 45. Die Zusicherung von Eigenschaften hat beim Spezieskauf nicht promissorische, sondern assertorische Bedeutung, M. W o l f f , Jherings J. 56, 44; H a y m a n n , Anfechtung, Sachmängelgewähr u n d Vertragserfüllung 44. (Dagegen ist die Zusicherung beim Werkvertrag, § 633 I , eine Willenserklärung: Versprechen, eine Sache m i t bestimmten Eigenschaften herzustellen). A u c h bei dem „ n a c h dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch", § 459 I , handelt es sich nicht, wie meist angenommen w i r d (RG. 70, 86, O e r t m a n n § 459, 4 b), u m eine Willenseinigung, sondern u m eine übereinstimmende Meinungsäußerung darüber, daß die Sache zu dem v o m Käufer angegebenen Zweck gebrauchsfähig sei; so z. B . wenn ein Pferd als Reitpferd, ein H u n d als W a c h t h u n d verkauft wird. V o n der Zusicherung, § 459 I I , unterscheidet sich diese Aussage des Verkäufers durch ihre geringere Präzision u n d I n t e n s i t ä t : die Zusicherung ist eine auf bestimmte Eigenschaften gerichtete u n d m i t dem Anspruch auf absolute Richtigkeit auftretende Aussage.

118

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Behauptung sonstige Nachteile e r l e i d e t 9 4 . Nach § 171 hat die M i t t e i l u n g einer Bevollmächtigung dieselbe W i r k u n g wie die E r teilung der Vollmacht. Eine M i t t e i l u n g hat, wenn sie eine Änderung des Rechtszustandes herbeiführt, rechtsgeschäftsähnliche W i r k u n g 9 4 a . Sie k o m m t dem Rechtsgeschäft sehr nahe, wenn sie i m Bewußtsein der Rechtsfolge 9 5 u n d m i t einer darauf gerichteten Absicht vorgenommen wird. So ist z. B . die Anzeige einer Bevollmächtigung, § 171, wenn sie zu dem Zweck erfolgt, eine Vertretungsmacht zu begründen, v o n der Erteilung der Vollmacht, § 167, n u r durch eine (praktisch überflüssige 9 6 ) psychologische Analyse der Erklärung zu unterscheiden. Die Zessionsanzeige, § 409, k a n n zu dem Zweck vorgenommen werden, den Schuldner zur Leistung an den als Zessionar benannten zu veranlassen, was ebensogut durch Bevollmächtigung oder durch Anweisung erfolgen könnte 9 7 . Trotz dieser nahen Verwandtschaft m i t dem Rechtsgeschäft w i r d m a n die M i t t e i l u n g n i c h t zu den Rechtsgeschäften zählen dürfen 9 8 ; denn ihre Rechtsfolgen treten nicht ein, weil sie gewollt sind, sondern auch dann, wenn sie dem Mitteilenden nicht bekannt sind oder seinem W i l l e n widersprechen 9 9 . 94

§§ 109, 1397, 1830. 94a Eine M i t t e i l u n g k a n n zugleich eine Willenserklärung sein: wenn z. B . der Besteller einer Ware beim Gegner anfragt , ob er die Bestellung angenommen habe, u n d dieser a n t w o r t e t : ,,ich habe die Ware bereits abgeschickt", so liegt darin M i t t e i l u n g einer nach § 151 erfolgten Annahme u n d zugleich eine Annahmeerklärung , welche wirksam wird, wenn die Annahme nach § 151 nicht erfolgt ist, weil z. B. der Angestellte des Verkäufers die i h m aufgetragene Absendimg aus Versehen unterlassen hat. 95 Bisweüen muß die M i t t e i l u n g einen Hinweis auf ihre Rechtsfolgen enthalten, z. B. die M i t t e i l u n g der Schuldübernahme nach § 416 I I . 96 Denn die M i t t e ü u n g hat nach § 171 dieselben Wirkungen wie die Erteilung der Vollmacht. 97 Daher k a n n i n einer M i t t e i l u n g eine Willenserklärung enthalten sein, z. B . k a n n i n der M i t t e i l u n g der Schuldübernahme nach § 415 I , wenn sie v o m Übernehmer ausgeht, eine Offerte zu einem Übernahmevertrag nach § 414 liegen, H e l l w i g , Verträge auf Leistung 167; D e r n b ü r g I I § 156 A n m . 3; E n n e c c e r u s § 308 11 3, vgl. ob. Note 90. 98 A . A . B e k k e r , JheringsJ. 49, 49. 99 W e n n z. B. der Gläubiger dem Schuldner die Zession an X m i t teilt u n d i h n zugleich ersucht, an X nicht zu zahlen, so ist dieser Zusatz wirkungslos. Ebenso k a n n der V o r m u n d seine M i t t e i l u n g der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, § 1829, nicht dadurch ent-

§ 48.

Di

rechtlich bedeutsamen Handlungen.

119

Die rechtsgeschäftsähnliche Beschaffenheit u n d F u n k t i o n einer M i t t e i l u n g berechtigt zur entsprechenden Anwendung zahlreicher Vorschriften über Rechtsgeschäfte 1 0 ° . Insbesondere sind Mitteilungen, die an eine bestimmte Person zu richten sind 1 0 1 , wie empfangsbedürftige Willenserklärungen nach § 130 zu behandeln 1 0 2 : Mitteilungen unter Abwesenden oder richtiger: „ v e r körperte' ' Mitteilungen werden wirksam durch Zugehen an den Adressaten 1 0 3 und können bis zu diesem Moment, entsprechend d e m Widerruf des § 130 I 2, zurückgenommen werden. I n einigen Fällen läßt das Gesetz für die W i r k s a m k e i t einer M i t t e i l u n g schon deren rechtzeitige Absendung genügen 1 0 4 . Es handelt sich u m Anzeigen, die dem Absender i m Interesse des Adressaten zur P f l i c h t gemacht sind, § 149, oder die dazu dienen, einen Rechtsverlust v o m Anzeigenden abzuwenden, §§ 478, 485, H G B . § 377. Es entspricht der B i l l i g k e i t , daß solche Anzeigen auf Gefahr des Adressaten reisen 1 0 5 . Diese ratio spricht dafür, auch bei anderen Anzeigen dieser A r t die rechtzeitige Absendung genügen zu k r ä f t e n , daß er h i n z u f ü g t , er wolle v o n der Genehmigung keinen Gebrauch machen. Anders die herrschende Meinung, welche i n der M i t teilung des Vormunds ein Rechtsgeschäft sieht, P l a n c k § 1829, 5, B l u m e § 1829, 2, F u c h s Erl. I I 2 zu § 1829, K i p p , Familienrecht § 115 Anm. 33, 45, OLG. 21, 291. Gegen diese Auffassung spricht, daß die M i t t e i l u n g keine W i r k u n g hat, wenn sie unrichtig ist, während bei Willenserklärungen nicht Unrichtigkeit, sondern Ungültigkeit i n Betracht k o m m t . 100 Bisweilen w i r d eine Mitteilung, u m sie der Regel des Rechtsgeschäfts zu unterwerfen, als Willenserklärung bezeichnet; so z. B. die Mängelrüge { O L G . 6, 224, P 1 a n c k § 478, 3 a ; a . A . O e r t m a n n § 478, 2; K i p p , Festgabe für K o c h 115), die Anzeige des § 25 I I H G B . (RG. 67, 9; O L G . 21, 375); die Anzeige des § 416 (RG. 67, 414). Dies Verfahren ist meines Erachtens systematisch unrichtig u n d durch den zu erreichenden Zweck nicht geboten. 101 I n einigen Fällen, §§ 172, 409, steht es einer an A zu richtenden Mitteilung gleich, wenn eine die M i t t e i l u n g enthaltende Urkunde dem X ausgehändigt u n d von diesem dem A vorgelegt wird, R G . 79, 307. 102 Vgl. unt. § 61. 103 O e r t m a n n § 130, 7 b ; B i e r m a n n § 46, 9. Manigk, Willenserklärung § 175; K l e i n , Rechtshandlungen 142 fg. 104 I s t die Anzeige nicht Voraussetzung einer Rechtsänderimg, sondern Gegenstand einer Verpflichtung, z. B . i n § 384 I I , §§ 545, 1241, so -ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Obligationenrechts, daß v o m Verpflichteten nichts mehr verlangt werden kann, als rechtzeitige Absendung der Anzeige; K l e i n a , a. O. 144 A n m . 63. 105 U n g e r , JheringsJ. 33, 344; F i s c h e r , Schaden 123; T i t z e , Mißverständnis 251 fg.

Drittes Buch.

120

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

lassen 1 0 6 , so z. B . bei der A n d r o h u n g als Voraussetzung des Selbsthilfeverkaufs, § 384, H G B . § 373 1 0 7 , u n d der Pfandveräußerung, §§ 1220, 1234 1 0 8 . Ferner können bei Mitteilungen analog angewendet werden die Vorschriften über W i l l e n s m ä n g e l 1 0 9 u n d über die Stellvert r e t u n g 1 1 0 ; n i c h t dagegen die Lehre v o n der Bedingung u n d der B e f r i s t u n g 1 1 1 ; denn die Rechtswirkung der M i t t e i l u n g beruht n i c h t auf dem W i l l e n des Mitteilenden u n d k a n n daher nicht durch i h n v o n künftigen gewissen oder ungewissen Ereignissen abhängig gemacht werden 1 1 2 . 3. Eine rechtlich erhebliche Gefühlsäußerung ist die Verzeihung 1 1 3 , welche beim Schenkungswiderruf, § 532, bei der Ehescheidung, § 1570, der Entziehung des Pflichtteils, § 2337, und der E r b u n w ü r d i g k e i t , § 2343, i n Betracht k o m m t . Die Verzeihung ist t r o t z ihrer rechtlichen W i r k u n g e n kein Rechtsgeschäft 1 1 4 , weil keine Willenserklärung 1 1 5 , auch nicht Äußerung einer Vorstellung 1 1 6 , insbesondere n i c h t M i t t e i l u n g einer Tatsache, sondern ein Verhalten, aus welchem hervorgeht, daß die durch das Be106

M o t . I 171. S t a u b , H G B . § 373 A n m . 31; a. A . P 1 a n c k § 384, l ; O e r t m a n n § 384, 2. 108 T i t z e a. a. O.; a. A . P l a n c k § 1234, l b . ios Verbindliche Anzeigen (ob. Note 91) können wegen eines Wülensmangels angefochten werden , vgl. unt. § 57. Über die Zurücknahme sonstiger Mitteilungen vgl. K i p p , Festg. f. K o c h 114 fg., K l e i n , ArchB ü r g R . 33, 245 fg.; 34, 323 fg., Rechtshandlungen 154 fg. 107

110

So k a n n z. B . die Zessionsanzeige, §§ 409, 576, u n d die Verpfändungsanzeige, § 1280, wie v o m Gläubiger, so auch v o n einem Vertreter desselben ausgehen, vgl. K l e i n , Rechtshandlungen 156 fg. R G . 79, 308. 111 Z i t e l m a n n , Rechtsgeschäfte I 34; K l e i n a. a. O. 23. 112 Über das Erfordernis der Geschäftsfähigkeit vgl. unt. § 59 X 3. 113 F r e u d e n b e r g , Verzeihung (1903). 114 M a n i g k § 170; O e r t m a n n § 532, 1; P l a n c k § 1571, 1; C r o m e § 559 A n m . 44. V o n der Verzeihung des Schenkers ist zu unterscheiden der rechtsgeschäftliche Verzicht auf den Widerruf, § 533, von der Verzeihung des Erblassers: der Widerruf der letztwilligen Entziehung des Pflichtteils; P l a n c k 2337, 5; von der Verzeihung des Ehegatten: der Verzicht auf das Scheidungsrecht (wenn man einen solchen Verzicht für möglich hält, P l a n c k § 1570, 4). 115 D e r n b u r g I I § 209 I I I 5, I V § 27 I hält die Verzeihung für eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung; H e n l e , Vorstellungstheorie 363, für eine dem moralischen Gebiet angehörende Willenserklärung. 116 Eine Vorstellung des Verzeihenden, z. B. seine Überzeugung von einer Besserung des Beschenkten usw., k a n n M o t i v der Verzeihung sein.

§ 48.

Die rechtlich bedeutsamen

Handlungen.

121

nehmen des Gegners hervorgerufene K r ä n k u n g n i c h t mehr besteht 1 1 7 resp. i m F a l l der Ehescheidung, daß die Ehe v o m Standp u n k t des verletzten Ehegatten aus nicht mehr zerrüttet ist 1 1 8 . W e i l die Verzeihung kein Rechtsgeschäft ist, braucht der Verzeihende die Rechtsfolgen der Verzeihung weder gewollt noch auch nur gekannt zu haben; er braucht daher auch nicht zu wissen, daß i h m aus der Verfehlung des Gegners, die er verzeiht, Rechte erwachsen waren. D a aber die Verzeihung, wie gewisse Willensäußerungen , Rechtsfolgen hat u n d den Rechtshandlungen i m engeren Sinn 1 1 9 nahe steht, ist analoge Anwendung der Regeln über Rechtsgeschäfte möglich u n d i m allgemeinen angemessen 1 2 ° . Der Verzeihung verwandt ist die Z u s t i m m u n g eines Ehegatten zum Ehebruch des anderen, § 1565 I I 1 2 1 . I I I . Eine H a n d l u n g ist unrechtmäßig, wenn sie gegen Vorschriften des öffentlichen oder des Privatrechts verstößt. Die privatrechtlichen Folgen einer unrechtmäßigen H a n d l u n g sind sehr verschiedenartig, aber stets nachteilig für den T ä t e r : Verpflichtung zum Schadenersatz oder zu Sicherheitsleistung 1 2 2 ; Verwirkung v o n Rechten 1 2 3 , Entstehung v o n Rechten für den Gegner (z. B . R ü c k t r i t t , Befugnis zu Selbstverteidigung oder Selbsthilfe, Klage auf Unterlassung 1 2 4 , Recht auf Ehescheidung). Einige dieser Rechtsfolgen verlangen ein Verschulden des Täters, andere treten ohne Verschulden ein. Die W i r k u n g e n der unrechtmäßigen H a n d l u n g treffen den Täter gegen, oder jedenfalls ohne seinen W i l l e n : es k o m m t nicht darauf an, daß der Täter die Rechtsfolge seiner H a n d l u n g gewollt oder auch n u r vorausgesehen hat. I m System des römischen wie des heutigen Rechtes zerfallen die unrechtmäßigen Handlungen i n zwei Gruppen: 1. Verletzungen v o n Pflichten aus einem Rechtsverhältnis, i n welchem der Täter zu einer anderen Person steht: insbesondere 117 E i t z b a c h e r 197 fg., M a n i g k §§ 151, 170; O e r t m a n n § 532, 1; B i e r m a n n § 38 Note 13; K l e i n S. 117 fg. 118 Mot, I V 602. 119 P l a n c k § 532, 2. Vgl. ob. Note 25. 120 Streitig ist die Behandlung der Mentalreservation bei der Verzeihung. R G . 1. 5. 05 ( J W . 05, 371) erklärt sie für unbeachtlich arg. § 116; dagegen M a n i g k a. a. O., K l e i n S. 124. 121 M a n i g k § 171; K l e i n S. 104 fg. 122 Z. B . § 1051. 123 Z. B . § 1680. 124 Vgl. ob. § 15 Note 46.

122

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Verletzung v o n Vertragspflichten, aber auch von Pflichten aus sonstigen Rechtsverhältnissen, z. B . Verletzung der Pflichten des Vormunds, des Geschäftsführers, des Besitzers einer fremden Sache. 2. Verletzungen v o n allgemeinen Pflichten, die sich nicht aus einem Rechtsverhältnis des Täters zu einer anderen Person ergeben. Solche Eingriffe i n fremde Rechtssphäre hießen i m römischen Recht D e l i k t e ; das B G B . gebraucht den wenig bezeichnenden Ausdruck ,,unerlaubte H a n d l u n g " 1 2 5 . Eine H a n d l u n g k a n n zum Tatbestand verschiedener Rechtssätze gehören, u n d zwar so, daß sie für den einen Rechtssatz als rechtmäßige, für den anderen als unrechtmäßige H a n d l u n g i n Betracht k o m m t 1 2 6 . So ist z. B . die Spezifikation als Herstellung einer neuen Sache rechtmäßige, zum Eigentumserwerb führende Handlung, § 950, u n d zugleich, insofern ein fremder Stoff vernichtet wird, ein unrechtmäßiger Eingriff i n fremdes Recht, § 950. Die Veräußerung einer Sache ist dem Erwerber gegenüber Rechtsgeschäft, k a n n aber, wenn die Sache eine fremde ist oder der Veräußerer verpflichtet ist, die Veräußerung zu unterlassen, Vertragsverletzung oder D e l i k t sein. E n d l i c h ist die Betreibung der Zwangsvollstreckung auf dem Gebiet des Prozesses stets Ausübung eines Rechtes, k a n n aber, wenn der Kläger die U n r i c h t i g k e i t des Urteils k e n n t oder die Vollstreckung wissentlich auf einen nicht dem Schuldner gehörenden Gegenstand richtet, v o m Standpunkt des materiellen Rechtes sich als unerlaubte H a n d l u n g darstellen 1 2 6 a . I V . Die H a n d l u n g k a n n auch i n einem Unterlassen 1 2 7 bestehen, wenn die Unterlassung auf einem W i l l e n beruht 1 2 8 ; gewollte Unterlassung ist ,,negative H a n d l u n g " u n d unterliegt denselben Regeln wie die positive Handlung, insbesondere den Vorschriften über Handlungsfähigkeit. V o n der Unterlassung ist zu 125 „ U n e r l a u b t " nach allgemeinem Sprachgebrauch sind auch die Vertragsverletzungen u n d sonstigen unter 1) fallenden Handlungen. 126 R e g e i s b e r g e r § 129 P V . ; C r o m e § 71 Note 26; H e n l e , Vorstellungstheorie 37 fg. i26a Vgi # ob. § 8 Note 23. S t e i n , Grundfragen der Zwangsvollstreckung 91, 98. 127 W e n d t , ArchZivPr. 92, 1 fg. 128 A u c h die fahrlässige Unterlassung ist zu den Handlungen zu zählen; denn der Vorwurf der Fahrlässigkeit, d. h. der mangelnden Aufmerksamkeit richtet sich gegen den W i l l e n des Menschen, E i t z b a c h e r 80; E n n e c c e r u s § 128 I .

§ 4.

D

rechtlich bedeutsame

en.

123

unterscheiden das Unterbleiben einer H a n d l u n g : die negative Tatsache 1 2 9 , daß eine H a n d l u n g n i c h t oder innerhalb eines Zeitraums nicht erfolgt ist. Die W i r k u n g e n des Unterbleibens einer Handlung treten ein ohne Rücksicht auf die Handlungsfähigkeit u n d den W i l l e n des untätig bleibenden Menschen. Beispiele solcher negativer Tatsachen sind das Unterbleiben des Widerspruchs i n § 912, das Unterbleiben des Vorbehalts, § 341 I I I , § 464 1 3 0 ; ferner die Versäumung einer Frist, z. B. der Anfechtungsfrist, §§ 124, 1339, 1594, 1954, 2082 1 3 1 . Über die i m Gesetz häufigen Fälle, i n denen eine Fristversäumnis als Willenserklärung v o n bestimmtem I n h a l t „ g i l t " , vgl. unt. § 61 I I 3. Die Unterlassungen zerfallen, wie die positiven Handlungen, i n rechtmäßige u n d unrechtmäßige. Unrechtmäßig ist eine U n t e r lassung, wenn eine Verpflichtung zu einer H a n d l u n g vorlag; solche Pflichten beruhen auf Rechtsgeschäft oder auf Gesetz; insbesondere k a n n sich aus einer H a n d l u n g die Verpflichtung zu weiterem Handeln ergeben 1 3 2 .

§ 49.

Das rechtlich bedeutsame Wissen.

I . Das innere Seelenleben des Menschen h a t keine u n m i t t e l bare E i n w i r k u n g auf die Außenwelt. Daher liegt es nahe, den Tatsachen des inneren Seelenlebens 1 jede Wirkungskraft i n der für die äußeren Beziehungen der Menschen zu einander maßgebenden Rechtswelt abzusprechen 2 . Das ist insofern richtig, als eine und zwar die für das Rechtsleben wichtigste seelische Erscheinung, nämhch der Wille, nicht anders als i n Gestalt einer H a n d l u n g i n Wirksamkeit treten kann. Denn der psychologische Vorgang der Willensentstehung ist nicht eher vollendet, als bis es zu einer 129

Vgl. ob. § 43 I . D a r u m ist es inkorrekt, die Vorschrift des § 341 I I I als Verzicht auf die Vertragsstrafe zu bezeichnen, wie das i n R G . 58, 263 geschieht, vgl. unt. § 54 Note 199. 131 N u r ausnahmsweise n i m m t das Gesetz darauf Rücksicht, daß die Frist infolge bestimmter Hindernisse versäumt wurde, §§ 203, 206, 207. 130

132 So entsteht z. B . aus einer gefahrbringenden H a n d l u n g die Verpflichtung zu Vorsichtsmaßregeln, aus dem Beginn der Geschäftsführung die Pflicht zur Weiterführimg. 1 E i t z b a c h e r , Handlungsfähigkeit 231 fg.; M a n i g k , Willenserklärung § 143 fg. 2 Daher der i m Strafrecht anerkannte Grundsatz: cogitationis poenam nemo p a t i t u r , fr. 18 de poenis 48, 19.

124

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

H a n d l u n g gekommen ist 3 . Ob der Mensch etwas w i r k l i c h gewollt hat, weiß er erst, wenn er es getan oder unterlassen hat. Vollendeter W i l l e u n d T a t sind derselbe Vorgang, von zwei Seiten aus betrachtet : der W i l l e ist die innere Seite der Tat, die T a t die Verkörperung des Willens 4 . V o r dem kritischen Moment der Handlung liegt das Stadium, i n welchem sich i m Widerstreit der M o t i v e der Willensentschluß bildet. Was während dieses Zeitraums i n der Seele des Menschen vorgeht, bleibt, wenn der Entschluß die Schwelle der H a n d l u n g nicht überschreitet, ohne Bedeutung für die äußere W e l t u n d für die W e l t des Rechtes. Aber die H a n d l u n g ist ein P r o d u k t des Seelenlebens: die rätselhafte Brücke, welche die innere W e l t des Subjekts m i t der Außenwelt verbindet 5 . Daher erhält die H a n d l u n g ihren geistigen Charakter u n d ihre sittliche Färbung durch die ihr vorausgegangenen oder sie begleitenden Tatsachen des Seelenlebens: durch die M o t i v e u n d Absichten des Handelnden sowie durch die Vorstellungen, die sich der Handelnde über gewisse für i h n i n Bet r a c h t kommende Umstände machte, insbesondere durch sein Kennen oder Nichtkennen gewisser Tatsachen. Demgemäß kommen, wenn der Entschluß sich bis zur H a n d l u n g verstärkt hat, die Beweggründe des Handelnden und seine Absichten 7 bei 3 Zitelmann, I r r t u m 115 fg. , 157 fg. ; M a n i g k a. a. O. S. 604; E n d e m a n n § 64 A n m . 4. 4 V o m Wollen ist zu unterscheiden das Wünschen: man k a n n etwas wollen, ohne es zu wünschen, z. B . durch Auslobung eine Belohnung auszusetzen für eine H a n d l u n g i n der Hoffnung, daß niemand diese Handlung vornehmen werde; oder eine Vertragsstrafe versprechen i n der Hoffnung, daß sie nicht verfallen werde. 5 D e r n b u r g § 102 I v : ,,Der Wille ist die geheimnisvolle K r a f t , deren Wesen w i r nicht kennen, deren Existenz w i r aber empfinden." 6 Daher können Tatsachen des inneren Seelenlebens Gegenstand des Beweises sein, insbesondere auch durch E i d ; S t e i n , Bem. I zu ZPO. § 445, K i s c h , Festg. f. Laband 243 fg., R G . 65, 406. 7 Über die Begriffe M o t i v u n d Absicht vgl. M. E . M a y e r , Die schuldhafte H a n d l u n g 40 fg. U n t e r M o t i v verstehe ich jede geistige Tatsache (Vorstellung oder Gefühl), welche bei der Entstehung eines Willensentschlusses fördernd oder hindernd m i t w i r k t . U n t e r den Motiven ist das bedeutungsvollste die Vorstellung eines zu erreichenden Erfolges. Dies M o t i v nennen wir, wenn es ausschlaggebend ist, d. h. wenn die Handlung dieses Erfolges wegen vorgenommen wird, Absicht. So kommen, u m ein Beispiel zu nehmen, bei den Rechtshandlungen des § 31 K O . verschiedene M o t i v e i n Betracht, darunter auch die Vorstellung v o n der Benachteiligung der Gläubiger. Diese Vorstellung sollte gegenüber anderen

§ 4.

D

rechtlich bedeutsame

en.

125

der Beurteilung der H a n d l u n g i m Strafrecht wie i m Zivilrecht i n mannigfaltiger Weise zur Geltung 8 . E i n Eingriff i n fremdes Eigent u m kann z. B. negotiorum gestio sein, wenn er i n der Absicht der Geschäftsführung geschieht, Notstandshandlung, wenn er zurAbwendung einer Gefahr vorgenommen w i r d , oder, i n Ermangelung einer dieser Absichten, unerlaubte Handlung. I n anderen Fällen zeigt sich das Zivilrecht unempfindlich gegen die Absichten des Handelnden: so sind z. B. beim Rechtsgeschäft die M o t i v e der Parteien grundsätzlich unerheblich 9 . W e n n die einer H a n d lung zugrunde liegende Absicht i n Betracht k o m m t , braucht sie nicht geäußert, insbesondere nicht bestimmten Personen erkennbar zu sein. Es genügt, daß sie bewiesen werden k a n n ; dazu können spätere Umstände, insbesondere das spätere Verhalten des H a n delnden, dienen. So braucht z. B . die Absicht der Geschäfts10 führung u n d die Absicht, keinen Ersatz der Aufwendungen zu verlangen, § 685, nicht bei Vornahme der H a n d l u n g erkennbar zu sein 1 1 ; ebensowenig die Absicht des Ehemanns, einen Erwerb aus M i t t e l n des eingebrachten Guts für sich selbst zu machen 1 2 . Motiven, die den Schuldner zu der i n Frage stehenden H a n d l u n g drängen, hemmend wirken. Wenn sie aber, der gesetzlichen Vorschrift zuwider, ausschlaggebend ist u n d die H a n d l u n g gerade deswegen vorgenommen wird, u m diesen Erfolg zu erzielen, so hat der Gemeinschuldner i n der Absicht der Benachteiligung gehandelt. Vgl. R G . 77, 112 zu § 2287. Der aus dem K a m p f der Motive hervorgehende Entschluß verkörpert sich in der Handlung, welche den beabsichtigten Erfolg unmittelbar oder m i t t e l bar herbeiführen soll. I n letzterem F a l l ist zunächst ein Erfolg (als M i t t e l ) beabsichtigt, aus dem sich ein weiterer Erfolg (der Zweck) ergeben soll. 8 Charakteristisch für das Recht älterer Kulturperioden ist die ausschließliche Erheblichkeit des äußeren Tatbestandes. Erst das durch feineres psychologisches Denken entwickelte Recht lernt die äußere H a n d lung nach ihrem seelischen H i n t e r g r u n d werten: die Begriffe des Vorsatzes u n d der Fahrlässigkeit, des guten u n d bösen Glaubens sind E r rungenschaften einer gereifteren Rechtsanschauung. 0 Vgl. ob. § 43 Note 15. 10 P 1 a n c k § 677, 2 b ; O e r t m a n n , Bem. 3 a vor § 677; M a n i g k , Wülenserklärung 531. 11 Wenn sich aus späteren Äußerungen des Geschäftsführers ergibt, daß er die uneigennützige Absicht hatte, so liegt darin kein Erlaß des Ersatzanspruches, sondern es steht nunmehr fest, daß er einen solchen Anspruch nicht erworben hatte. 12 Die herrschende Meinung verlangt nur Beweisbarkeit dieser A b sicht, P l a n c k § 1381, 2 b ; W o l f f , Familienrecht § 50 I . Dagegen verlangt E n d e m a n n l § 175 A n m . 25 K u n d b a r k e i t der Absicht, B e y e r , Surrogation 264, Äußerung gegenüber dem Gegenkontrahenten.

126

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

E i n nicht geäußerter W i l l e k a n n nicht nur als M o t i v einer H a n d l u n g zur Geltung kommen, sondern ist bisweilen v o n rechtlicher Bedeutung als Begleiterscheinung einer äußeren Tatsache, insbesondere des Verhaltens eines anderen Menschen. So braucht z. B . der W i l l e des Geschäftsherrn, v o n welchem nach §§ 677, 683 die Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung abhängt, nicht geäußert zu sein; ebenso wenig der W i l l e des Ehegatten, durch dessen Vorliegen das bösliche Verlassen ausgeschlossen wird, § 1567 1 3 . Wenn i n solchen Fällen ein n i c h t geäußerter W i l l e zur Geltung k o m m t , so handelt es sich n i c h t u m einen aktiven, auf Herbeiführung eines Erfolges gerichteten W i l l e n — ein solcher W i l l e bedarf zu seiner psychologischen Vollendung des Handelns — sondern u m Zufriedenheit oder Unzufriedenheit m i t einem Zustand oder der T ä t i g k e i t eines Anderen, d. h. u m psychische Erscheinungen, die eher den Namen des Wünschens als den des Wollens verdienen 1 4 . Ähnlich, wie m i t dem W i l l e n , verhält es sich m i t den Vorgängen des Gefühlslebens. Sie können, wenn sie als Gefühlsäußerungen hervortreten, selbständige rechtliche Bedeutung haben, so z. B . bei der V e r z e i h u n g 1 5 . I n anderen Fällen wirken Gefühlsvorgänge als Begleiterscheinungen, insbesondere als Konsequenzen des Verhaltens eines anderen Menschen, so z. B . der körperliche oder seelische Schmerz als Schaden, § 847, oder die Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses als Folge einer Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten, § 1568 1 6 . 13 A u f diese Fälle hat E i t z b a c h e r 245 aufmerksam gemacht. I n den übrigen v o n i h m angeführten Fällen ist meines Erachtens an einen geäußerten W i l l e n zu denken: das Einverständnis i n §§ 117, 180, 639 ist nichts anderes, als ein wissentliches Geschehenlassen (wie i n § 1405), also eine Unterlassungshandlung, M a n i g k 606; ebenso entsteht die Anzeige pflicht des § 789 erst dann, wenn der Anweisungsempfänger es unterlassen hat, die Anweisung rechtzeitig geltend zu machen; der Vertrag w i r d nach § 319 I I erst dann unwirksam, wenn der D r i t t e sich weigert, die Bestimmimg zu treffen (die bloße Absicht des Anweisungsempfängers, die Anweisung n i c h t vorzulegen, oder des D r i t t e n , die Bestimmung nicht zu treffen, kann meines Erachtens die genannten Rechtsfolgen nicht herbeiführen). 14 Besonders deutlich t r i t t diese Beschaffenheit des sog. Willens in § 677 hervor, wenn der Geschäftsherr von der Tätigkeit der Geschäftsführung keine Kenntnis h a t ; daß diese Tätigkeit dem „ W ü l e n " des Geschäftsherrn entspricht, k a n n nur bedeuten, daß sie m i t den Wünschen u n d Absichten des Geschäftsherrn übereinstimmt. 15 Vgl. ob. § 48 I I 3. 16 Die Anzeichen, aus denen m a n auf den Schmerz oder auf die Zerr ü t t u n g des ehelichen Lebens schließen kann, sind nicht Entstehungs-

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I I . V o n großer W i c h t i g k e i t für die Tatbestände des Zivilrechts sind die Tatsachen des Vorstellungslebens, insbesondere die Kenntnis oder Unkenntnis der beteiligten Personen i n bezug auf gewisse Umstände 1 7 . Das Wissen ist eine durch äußere Ereignisse (Sinneseindrücke) oder durch geistige Vorgänge (Schlußfolgerungen hergestellte 1 8 , der W i r k l i c h k e i t entsprechende Vorstellung v o n einer Tatsache 1 9 . Das Wissen stuft sich ab v o n einer ganz allgemein gehaltenen Vorstellung bis zu einer präzisen, die genaue Beschaffenheit der Tatsache umfassenden K e n n t n i s . W e n n das Gesetz an die Kenntnis einer Tatsache Rechtsfolgen k n ü p f t , muß die Kenntnis soweit präzisiert sein, daß der Wissende nach dem Maßstab von Treu u n d Glauben bei seinem Verhalten die T a t sache berücksichtigen k a n n u n d soll 2 0 . Daher gehört zur K e n n t nis einer Tatsache unter Umständen die Einsicht i n ihre rechtliche oder faktische Bedeutung 2 1 . Kenntnis v o n Tatsachen k o m m t i n mannigfaltiger Weise bei der Gestaltung rechtlicher Verhältnisse i n B e t r a c h t : meistens ist ein Wissen bedeutungsvoll als Begleiterscheinung v o n Handlungen; so z. B . die K e n n t n i s des Schuldners v o n der A b t r e t u n g der Forgrund, sondern Beweismittel für das Entstandensein des Ersatzanspruchs resp. des Ehescheidungsrechts. 17 Fehlt die Kenntnis einer Tatsache bei allen beteiligten Personen und läßt sie sich durch Nachforschungen nicht ohne ungewöhnliche Mühe beschaffen, so gilt die Tatsache als objektiv imbekannt. I n diesem Sinne spricht das Gesetz von Unbekanntsein einer Person §§ 887, 1913, 1960 I , vgl. ob. § 2 Note 27 a ; oder des Aufenthalts einer Person, § 132 I I , 1911, vgl. Bd. I S. 426. 18 Prot. I I I S. ^ 6 : „ K e n n e n ist das Fürwahrhalten einer i n W i r k l i c h keit bestehenden Tatsache." 19 Der E i n t r i t t der Kenntnis ist keine Handlung, sondern ein psychologischer Vorgang, ob. § 48 Note 1; k a n n aber durch Handlungen (Kenntnisnahme) vermittelt sein. 20 R G . 78 S. 33 u n d 123. 21 Kenntnis des Käufers v o n einem Mangel, § 460, liegt nicht schon dann vor, wenn er die äußere Beschaffenheit der Sache kennt, sondern erst dann, wenn er weiß, daß diese Beschaffenheit einen Mangel der Sache i m Sinne v o n § 459 I darstellt, O e r t m a n n § 460, 1. A u c h die Kenntnis eines Rechtsmangels, § 439, ergibt sich nicht ohne weiteres aus der Kenntnis der Tatsachen, auf denen der Mangel beruht. Es genügt aber, daß der Käufer das fremde Recht kennt, auch wenn er über die für dieses Recht geltenden Rechtssätze i m Unklaren ist, R G . 52, 167: der Käufer wußte, daß das Grundstück m i t einem Pachtrecht belastet war, machte siph aber falsche Vorstellungen über die K ü n d b a r k e i t der Pacht.

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Die rechtserheblichen

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derung, wenn er an den Zedenten leistet, § 407 I ; die K e n n t n i s des Käufers v o n rechtlichen oder tatsächlichen Mängeln der K a u f sache, §§ 439, 460, 464 2 2 . Aber die Kenntnis k a n n auch als solche, d. h. ohne ein m i t ihr zusammenhängendes oder v o n ihr beeinflußtes Handeln, Rechtswirkungen hervorrufen; so w i r d z. B . durch mala fides superveniens die Rechtsstellung des Besitzers einer fremden Sache verändert, §§ 990, 994 I I , 955 I , 937 I I ; so entsteht aus der Ungewißheit des Schuldners über die Person des Gläubigers das Recht der Hinterlegung, § 372, u n d die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung, § 132 I I . Eine einmal erlangte K e n n t n i s k a n n bei der Unvollkommen heit der geistigen F u n k t i o n e n des Menschen wieder verschwinden: eine Tatsache k a n n vergessen werden. I s t eine früher gewußte Tatsache i n dem Moment, i n welchem es auf die Kenntnis ankommt, vergessen, so treten die W i r k u n g e n der K e n n t n i s nicht e i n 2 3 ; es k a n n aber unter Umständen ein Kennenmüssen vorliegen. Die K e n n t n i s einer Tatsache entsteht oft durch eine M i t teilung 2 4 . Das Verhältnis der M i t t e i l u n g zur Kenntnis der m i t geteilten Tatsache k a n n ein verschiedenes sein: 1. I n zahlreichen Fällen ist n i c h t die K e n n t n i s als solche, sondern die v o n einer bestimmten Person ausgehende M i t t e i l u n g einer Tatsache v o m Gesetz m i t Rechtsfolgen ausgestattet, so z. B . die Zessionsanzeige, § 409, die Anzeige der Verpfändung einer Forderung, § 1280 2 5 . I n solchen Fällen ist die M i t t e i l u n g 22

Die Rechtswirkung der Kenntnis w i r d bisweilen auf einen Verzicht des Käufers zurückgeführt, R G . 58, 263; 81, 269. Dieser Umweg über den W i l l e n des Käufers scheint m i r überflüssig u n d irreführend zu sein: der wissende Käufer hat kein Recht auf Gewährleistung, nicht weil er es nicht haben wül, sondern weil der Gesetzgeber es für unbülig hält, den Käufer gegen einen i h m bekannten Mangel der Sache zu schützen. 23 F ü r die Kenntnis der Mängel der K a u f sache ist der Moment des Kaufabschlusses maßgebend; wenn daher ein Käufer, der bei einer früheren Besichtigimg einen Fehler der Sache entdeckt hatte, i m Augenblick des Kaufes die frühere Besichtigung u n d deren Resultat vergessen hat, so verliert er seine Rechte nicht. Bei der Ersitzung entscheidet der Moment des Besitzerwerbs; kannte der Erwerber i n diesem Zeitpunkt das i h m entgegenstehende fremde Recht, so ist u n d bleibt die Ersitzung ausgeschlossen, auch wenn sich die Kenntnis i m Lauf der Zeit i m Gedächtnis des Besitzers verliert. 24 Vgl. ob. § 48 I I 2. 25 § 415 I : die Schuldübernahme ist dem Gläubiger durch den Schuldner oder den Übernehmer mitzuteilen. § 510: der Vertrag ist dem Vorkaufs-

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unentbehrliches Tatbestandsstück u n d k a n n durch anderweitige Kenntnis nicht ersetzt werden: es genügt z. B . nicht, daß der Schuldner v o n der Verpfändung der Forderung weiß, wenn sie i h m nicht durch den Gläubiger angezeigt ist 2 6 . Mitteilungen dieser A r t haben rechtsgeschäftsähnlichen Charakter, weil sie, wie die Rechtsgeschäfte, eine Veränderung der Rechtslage herbeiführen u n d oft i n der Absicht einer solchen Veränderung abgegeben werden. Daher sind die Vorschriften über Rechtsgeschäfte analog anzuwenden, insbesondere § 130 2 7 : die Mitteilungen werden, wie die Willenserklärungen, wenn an einen Abwesenden gerichtet, i n dem Z e i t p u n k t wirksam, i n welchem sie i h m zugehen, auch wenn die Kenntnisnahme durch einen i m Bereich des Empfängers liegenden Umstand vereitelt worden ist 2 8 . 2. I n anderen Fällen k o m m t es dem Gesetzgeber n u r auf die Tatsache, nicht auf die Quelle der K e n n t n i s an. D a n n ist eine nicht durch M i t t e i l u n g oder nicht durch M i t t e i l u n g seitens des Beteiligten hergestellte K e n n t n i s wirksam; so z. B. die K e n n t n i s des debitor cessus, § 407 2 9 , die K e n n t n i s des Käufers v o n den Mängeln der Kaufsache, §§ 439, 460 3 0 . Eine M i t t e i l u n g ist i n diesen Fällen nur dann wirksam, wenn sie zur Kenntnisnahme f ü h r t 3 1 . So ist z. B. ein Käufer, den der Eigentümer vor dem berechtigten durch den Verpflichteten oder dessen Mitkontrahenten m i t zuteilen. Mitteilung durch einen Unberufenen ist wirkungslos; vgl. aber R G . 77, 296: die Anmeldung des § 37 K O . braucht n i c h t durch den richtigen Gläubiger zu erfolgen. 26 Die richtige Adressierung scheint m i r bei Mitteilungen nicht so wesentlich zu sein wie bei Willenserklärungen, die einem anderen gegenüber abzugeben sind, vgl. unt. § 61. Wenn z. B. der Gläubiger die Verpfändungsanzeige aus Versehen statt an den Schuldner an einen unbeteiligten D r i t t e n richtet, u n d dieser D r i t t e die Anzeige an den Schuldner weitergibt, dürfte dem Erfordernis des § 1280 genügt sein. Ebenso bei der Mängelanzeige, § 478, D e r n b u r g I I § 189 A n m . 22. 27 Vgl. ob. § 48 Note 102. 28 Der Ausdruck ,,in Kenntnis setzen 4 ' i n §§ 111, 174, 182 I I I ist mißverständlich; gemeint ist M i t t e i l u n g ohne Rücksicht auf Kenntnisnahme, P l a n c k § 111, 4, M a n i g k , Willenserklärung 628; a. A . O e r t m a n n § 111, 2 c, § 174, 4 a. Dagegen verlangt § 571 I I 2, daß der Mieter durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis erlangt, T i t z e , Mißverständnis 281. 29 R G . 74, 117. 30 Die Kenntnis braucht bei einem notariellen Vertrag, § 313, nicht auf der Urkunde zu beruhen, R G . 52, 273. 31 P l a n c k § 178 und 179, 1 a. Handbuch X . 1. I I : v o n T u I i r LI. 1.

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A n k a u f einer veruntreuten Sache gewarnt hat, nicht i n bösem Glauben, wenn er den i h m zugegangenen Brief n i c h t gelesen hat. Das Zugehen einer M i t t e i l u n g hat, wo es auf Kenntnis a n k o m m t , n u r die Bedeutung einer V e r m u t u n g der K e n n t n i s : wer einen Brief bekommen hat, muß den I n h a l t als bekannt gelten lassen, wenn er n i c h t beweist, daß er den Brief n i c h t gelesen hat 3 2 . Vielleicht w i r d m a n weitergehen u n d nach dem Grundsatz von Treu u n d Glauben annehmen dürfen 3 3 , daß absichtliches Nichtlesen einer zugegangenen oder vorgelegten U r k u n d e dieselben Wirkungen, wie die K e n n t n i s des Inhaltes h a t 3 4 . K e n n t n i s ist trotz Vorliegens einer M i t t e i l u n g n i c h t vorhanden, wenn der Empfänger aus erheblichen Gründen der M i t t e i l u n g keinen Glauben beimißt 3 5 oder an ihrer R i c h t i g k e i t zweifelt 3 6 . 3. E n d l i c h g i b t es Fälle, i n denen eine M i t t e i l u n g , auch wenn sie n i c h t zur K e n n t n i s des Adressaten k o m m t , u n d eine anderweitig erlangte K e n n t n i s die gleiche W i r k u n g haben, z. B . § 170/2 vgl. m i t § 173, § 2129 I I , Z V G . § 22 I I , VersVertrGes. § 100 I . D e m K e n n e n ist oft, aber n i c h t grundsätzlich, gleichgestellt das Kennenmüssen, d. h. das auf Fahrlässigkeit beruhende N i c h t kennen eines Umstandes, § 122 I I . W a n n die Unkenntnis einer Tatsache auf Fahrlässigkeit beruht, d. h. wann u n d i n welchem Maße jemand zu Nachforschungen u n d Erkundigungen verpflichtet ist, läßt sich n u r nach den Umständen beurteilen 3 7 . Das Wissen ist die Vorstellung einer Tatsache als einer sicher vorhandenen 3 8 . V o m Wissen sind zu unterscheiden Vorstellungen über das wahrscheinliche oder mögliche Vorliegen oder Eintreten v o n Tatsachen 3 9 : Vermutungen u n d Zweifel. So w i r d z. B . die Rückforderung ausgeschlossen durch K e n n t n i s der Nichtschuld, § 814, n i c h t aber schon durch Zweifel des Leistenden am Bestehen der Schuld 4 0 . I n gewissen Fällen gehören Vermutungen zum 32

H e l l w i g , Rechtskraft 392. Vgl. unt. § 61. 34 C r o m e § 218 Note 43; D e r n b u r g I I § 180 I V ; O e r t m a n n § 439, l b . 35 O L G . 10, 282. 36 R G . 61, 245. 37 Bisweüen bestimmt das Gesetz, daß die Unterlassimg gewisser Maßregeln als Fahrlässigkeit gilt, so z. B. i n § 1980 I I . Vgl. auch H G B . § 367. 38 Vgl. ob. Note 19. 39 Vgl. ob. § 43 Note 35. 40 R G . 59, 354. O e r t m a n n § 814, 3. 33

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Tatbestand eines rechtlichen Vorganges; so hat z. B . der Geschäftsführer nach § 677 Rücksicht zu nehmen auf den „ m u t m a ß l i c h e n W i l l e n " des Geschäftsherrn, d. h. auf dessen i h m unbekannte, aber sich als wahrscheinlich darstellende W ü n s c h e 4 0 a ; der Beauftragte darf v o n den Weisungen des Auftraggebers abweichen, § 665, u n d Aufwendungen machen, § 670, wenn er „ d e n U m ständen nach annehmen d a r f " , daß die Abweichung gebilligt werden würde, daß die Aufwendung sich als erforderlich erweisen w i r d ; die Ungewißheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis ist nach § 779 Voraussetzung des Vergleiches. Der Zweifel a m eigenen Recht, der sich infolge der Klageerhebung auch beim gutgläubigen Beklagten einstellen muß, ist einer der Gründe, auf denen die privatrechtlichen W i r k u n g e n der Rechtshängigkeit beruhen 4 1 . Zur Beförderung u n d Erleichterung der K e n n t n i s v o n T a t sachen, die für das Rechtsleben v o n Bedeutung sind, dienen öffentliche Bekanntmachungen, z. B . das Aufgebot bei der Eheschließung, § 1316, die öffentliche Zustellung einer Willenserklärung, § 132 I I , die Kraftloserklärung einer Vollmachtsurkunde, § 176, die öffentliche Bekanntmachung i m Aufgebotsverfahren, ZPO. § 948, B G B . § 13 fg., § 799 fg., § 1970 fg., die öffentliche Aufforderung, § 1965, § 2061. Das Gesetz begnügt sich i n diesen Fällen m i t der durch die öffentliche Bekanntmachung hergestellten Möglichkeit u n d der meist nicht sehr großen Wahrscheinlichkeit der Kenntnisnahme durch die Interessenten u n d läßt nach A b l a u f einer F r i s t seit der Bekanntmachung Rechtswirkungen eintreten, ohne daß es darauf ankommt, daß die Bekanntmachung zur K e n n t n i s der Beteiligten gekommen ist 4 2 . Dem Zweck der P u b l i z i t ä t dienen ferner öffentliche Bücher und Register 4 3 , insbesondere das Grundbuch, das Vereinsregister, Güterrechtsregister, Handelsregister, Personenstandsregister. D i e Register sind öffentlich insofern die Einsicht jedem oder wenigstens jedem Interessenten zusteht 4 4 , u n d Abschriften der Einträge er40 a

Vgl. ob. Note 14. H e l l w i g , Lehrb. § 172 I I I . 42 I n anderen Fällen begründet die Bekanntmachung eine V e r m u t u n g der Kenntnis der bekanntgemachten Tatsache, so z. B. H G B . § 367; K O . § 8. 43 Vgl. ob. Bd. I S. 537. E h r e n b e r g , Rechtssicherheit u n d Verkehrssicherheit, JheringsJ. 47, 273 fg. 44 Die Möglichkeit, durch Einsicht eines Registers, z. B . des Grundbuchs, Kenntnis einer eingetragenen Tatsache zu erwerben, steht der 9* 41

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t e i l t werden 4 5 ; i n gewissen Fällen werden die Einträge veröffentl i c h t 4 6 . Die rechtliche Bedeutung der Eintragungen ist verschieden: gewisse Einträge sind k o n s t i t u t i v 4 7 , andere deklarativ. Einige Einträge haben heilende K r a f t , insofern als gewisse Mängel des Tatbestandes infolge der Eintragung beseitigt oder gemildert werden 4 8 ; andere Einträge haben öffentlichen Glauben 4 9 : die eingetragenen rechtlichen Tatsachen gelten für gewisse Personen als richtig, wenn diesen Personen die U n r i c h t i g k e i t nicht bekannt ist 5 0 . Die deklarative W i r k u n g besteht beim Güterrechtsregister darin, daß eine eingetragene Tatsache gegen jeden D r i t t e n w i r k t , auch wenn sie i h m n i c h t bekannt ist 5 1 ; beim Handels- und beim Vereinsregister w i r d entschuldbare Unkenntnis des Eintrags berücksichtigt 5 2 ; ist eine der E i n t r a g u n g unterliegende Tatsache n i c h t eingetragen, so k o m m t sie bei diesen drei Registern einem D r i t t e n gegenüber n u r dann i n Betracht, wenn sie i h m bekannt ist. I I I . Eine der W i r k l i c h k e i t nicht entsprechende Vorstellung nennt m a n I r r t u m 5 3 . Das Gesetz berücksichtigt die i n der menschlichen N a t u r begründete Möglichkeit des Irrens, indem es i n gewissen Fällen an den I r r t u m Rechtsfolgen k n ü p f t . So ist bei I r r t u m über gewisse Umstände ein Vergleich unwirksam, § 779; bei I r r t u m über den Berufungsgrund g i l t die Annahme der Erbschaft Kenntnis selbst, wo es auf diese a n k o m m t , nicht gleich, vgl. z. B. P 1 a n c k § 439, 1 a, § 1058, 3. 45 §§ 79, 1563. GBO. §§ 11, 93, 94. H G B . § 9. PersStG. § 16. 46 § 66 I , § 1562. H G B . § 10. 47 So die Eintragungen i m Grundbuch § 873 u n d gewisse Einträge i m Vereinsregister, §§ 21, 71, u n d i m Handelsregister, z. B. H G B . § 200. 48 Die E i n t r a g i m g einer wegen Formfehler nichtigen Ehe verleiht derselben einen gewissen rechtlichen Bestand, §§ 1324, 1329, 1344, 1345, 1699, 1771. I s t eine nichtige Aktiengesellschaft eingetragen, so findet zur A b w i c k l u n g ihrer Verhältnisse L i q u i d a t i o n statt, H G B . § 311. Bisweilen w i r d Heüung fehlerhafter Vereinsgründung durch Eintragung gelehrt, vgl. ob. Bd. I S. 493. 49 Grundbuch § 892; ebenso Erbschein § 2366; nicht das Handelsregister, E h r e n b e r g , JheringsJ. 47, 294, L e h m a n n , Lehrb. d. H R t s . § 50, 9; vgl. aber R G . 66, 415 u n d oben § 48 Note 92. 50 Eine Vermutung der Urheberschaft w i r d begründet durch die Eintragung eines Musters oder Modells i n das Musterregister, § 13 des RG. v o m 11. 1. 76. 51 § 1435. 52 § 68; H G B . § 15. 53 W i n d s c h e i d §§ 79, 79 a ; R e g e 1 s b e r g e r § 128; B e k k e r § 84; Z i t e l m a n n , I r r t u m u n d Rechtsgeschäft 343 fg.

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als nicht erfolgt, § 1949; I r r t u m über den I n h a l t der E r k l ä r u n g sowie über wesentliche Eigenschaften der Person oder Sache verleiht das Recht der Anfechtung, § 119; dasselbe g i l t bei letztwilligen Verfügungen auch bei irriger Annahme oder E r w a r t u n g des E i n t r i t t s oder N i c h t e i n t r i t t s eines Umstandes, § 2078 I I . Wenn Verschulden Voraussetzung einer Rechtswirkung ist, k o m m t I r r t u m als Ausschließungsgrund des Verschuldens i n Betracht 5 4 . I n zahlreichen Fällen bringt das Gesetz den I r r t u m indirekt zur Geltung, indem es nicht den I r r t u m zur Voraussetzung oder zum Ausschließungsgrund der Rechtswirkung erhebt, sondern die für einen Tatbestand angeordnete Rechts Wirkung n i c h t eintreten läßt, wenn Kenntnis der wahren Sachlage vorliegt; so, i m Gegensatz zum gemeinen Recht, bei der condictio indebiti, § 814 5 5 , u n d namentlich beim Schutz des guten Glaubens 5 6 , vgl. u n t . I V . Der I r r t u m k a n n auf Fahrlässigkeit (z. B . mangelnde Überlegung oder Erkundung, Vergessen einer zur Kenntnis gekommenen Tatsache 5 7 ) beruhen. I n gewissen Fällen, z. B . bei der Anfechtung u n d der condictio indebiti, w i r d auch verschuldeter I r r t u m berücksichtigt. I n anderen Fällen k o m m t fahrlässiger I r r t u m n i c h t i n Betracht, insbesondere nicht als Ausschließungsgrund des Verschuldens 5 8 . I r r t u m über Rechtssätze, sog. Rechtsirrtum 5 9 , w i r d nicht anders behandelt als I r r t u m über Tatsachen 6 0 ; doch ist i m allgemeinen davon auszugehen, daß ein I r r t u m über Rechtssätze auf Fahrlässigkeit b e r u h t 6 1 , nicht weil genaue K e n n t n i s 54

P 1 a n c k § 276, 6, § 284, 7 f ; § 823 I I 4; O e r t m a n n § 285, 3, § 823, 8. Vgl. auch E n t w . I §§ 241, 707. 55 Das gemeine Recht verlangte entschuldbaren I r r t u m , W i n d • s c h e i d § 426, 3. 56 Durch diese Formulierung w i r d die Beweislage des Rückfordernden resp. des gutgläubigen Erwerbers erleichtert, vgl. R G . 60, 420. 57 Vgl. ob. Note 23. 58 R G . 68, 437. Ausnahmsweise wird nach § 231 beim Schadensersatz für imberechtigte Selbsthilfe selbst der entschuldbare I r r t u m nicht berücksichtigt, vgl. R G . 60, 345. 59 I r r t u m über ein konkretes Recht, z. B. über das E i g e n t u m an einer Sache, ist Rechtsirrtum, wenn er auf falscher Vorstellung über einen Rechtssatz beruht; faktischer I r r t u m , wenn i h m eine falsche Vorstellung über eine Tatsache zugrunde liegt. 60 C r o m e § 22; O e r t m a n n , Bl. f. Rechtsanw. 67, 1 fg., 25 fg., 45 fg.; R G . 67, 141. 74, 356. 76, 63. 77, 92. J W . 42, 542. B i n d i n g , Gerichtssaal 81, 19. 61 Bei zweifelhafter Auslegung des Gesetzes handelt der Schuldner

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des Rechtes allgemein verbreitet wäre oder als Bürgerpflicht bezeichnet werden könnte 6 1 a , sondern weil die für das Zusammenleben der Menschen wichtigsten Rechtssätze sich m i t K u l t u r normen decken, welche i m Gesichtskreis des normalen Menschen liegen 6 2 . I V . E i n besonders wichtiger Fall, i n welchem der I r r t u m v o m Gesetz berücksichtigt wird, ist der sog. Schutz des guten Glaubens 6 3 . Prinzipiell ist die Rechtswirkung abhängig von der wirklichen Beschaffenheit des Tatbestandes, n i c h t v o n der Vorstellung, welche sich die Beteiligten über den Tatbestand machen; die Befehle der Rechtsordnung sind, wie v o m Willen, so v o m Wissen der Parteien unabhängig. V o n diesem Grundsatz ist das römische Recht i n bezug auf die W i r k s a m k e i t v o n Rechtsgeschäften n i c h t abgegangen; dagegen hat es bei den Rechtsfolgen eines rechtswidrigen Zustandes (insbesondere bei der vindicatio u n d hereditatis petitio) unterschieden, ob die i m objektiven U n recht befindliche Partei das Bewußtsein des Unrechts hat, oder sich irrtümlicherweise i m Recht f ü h l t : der mala fide possessor wurde strenger behandelt als der bona fide possessor; letzterer konnte sogar durch A b l a u f v o n Zeit (Ersitzung) das vermeintlich bereits bestehende Recht erwerben. Das moderne Recht ist i n der Berücksichtigung des guten Glaubens viel weiter gegangen 6 4 : die reiche u n d vielgestaltige E n t w i c k l u n g des heutigen Verkehrs lebens erlaubt dem rechtsgeschäftlich Handelnden i n vielen Fällen auf eigene Gefahr, wenn er die i h m günstige Auslegung seiner Handlungsweise zugrunde legt, J o s e f , Gruchot 51, 539. 61 a R G . 82, 34: grobe Fahrlässigkeit, wenn ein Bankier es unterläßt, sich m i t dem Depotgesetz bekannt zu machen. 62 M. E . M a y e r , Rechtsnorm u n d K u l t u r n o r m 74 fg. 63 Unser ,,gute Glaube" ist durch Differenzierung aus dem umfassenderen Begriff der römischen bona fides entstanden. Bona fide3 (und ihr Gegenstück dolus malus) war ursprünglich ein Begriff moralischen Inhalts u n d bezeichnete die Gesinnung des redlichen Mannes, P e r n i c e , Labeo, 2, A., I I 1 S. 157. Aus diesem Begriff ist abgezweigt: einerseits „ T r e u u n d Glaube' 4 als Maßstab der Auslegung u n d Ergänzimg v o n Rechtsgeschäften, §§ 157, 242; andererseits der hier zu betrachtende ,,gute Glaube'', dessen juristisches Merkmal nicht mehr i n der redlichen Gesinnung als solcher besteht, sondern i n dem Kennen oder Nichtkennen von Tatsachen. Der gute Glaube ist daher ein dem Gebiet des Wissens angehörender Tatbestand, dessen Berücksichtigung i m Gesetz auf der ratio beruht, die Redlichkeit i m Verkehrsleben zu schützen. 64 H a c h e n b u r g , Vorträge, 2, A., 130 fg.

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nicht die genaue Feststellung der rechtlichen Situation; er muß sich darauf verlassen, daß die Rechtslage so beschaffen ist, wie sie sich i h m darstellt 6 6 . I n diesem Vertrauen w i r d er v o m Gesetz unter gewissen Voraussetzungen dadurch geschützt, daß das Gesetz die Rechtsfolgen eintreten läßt, welche der Handelnde auf Grund seiner irrtümlichen Ansicht über die Rechtslage erwarten durfte 6 6 , oder daß das Gesetz die Rechtsfolgen, welche sich aus dem Tatbestand zu ungunsten des Gutgläubigen ergeben würden, m i t Rücksicht auf seinen guten Glauben a b s c h w ä c h t 6 7 . Der Schutz des guten Glaubens k a n n n i c h t ohne Benachteiligung des w i r k l i c h Berechtigten erfolgen; i n demselben Maß, i n welchem der rechtsgeschäftliche Verkehr erleichtert wird, findet eine Gefährdung der bereits bestehenden Rechte s t a t t 6 8 . Daher ist der Schutz des guten Glaubens i m Gesetz n i c h t als allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, sondern i n einzelnen, allerdings zahlreichen u n d wichtigen Rechtssätzen durchgeführt u n d darf n i c h t über die i m Gesetz anerkannten Fälle hinaus ausgedehnt werden 6 9 ; denn es handelt sich u m ein nach Abwägung aller Interessen v o m Gesetzgeber für angemessen befundenes K o m p r o m i ß zwischen den a n sich gleich beachtenswerten u n d miteinander i n K o n f l i k t stehenden Prinzipien der Verkehrssicherheit u n d der Rechtssicherheit. Die wichtigsten Fälle, i n denen der gute Glaube geschützt wird, sind folgende: 65 Vgl. über die Wirkungen eines scheinbar bestehenden Rechts zustandes W e l l s p a c h e r , Vertrauen auf äußere Tatbestände; H . M e y e r , Publizitätsprinzip; O. F i s c h e r , Sein u n d Schein i m Rechtsleben ; N a e n d r u p , Rechtsscheinforschungen. 66 Bona fides tantundem praestat q u a n t u m Veritas, fr. 136 de reg. iur. 50, 16. 67 Das B G B . nennt den guten Glauben nur i n §§ 932, 936, 955, 957, 990, 2024. Man spricht aber m i t Recht v o m Schutz des guten Glaubens i n allen Fällen, i n denen jemand eine i h m günstige Situation i r r t ü m l i c h a n n i m m t u n d v o m Gesetz infolge seines I r r t u m s günstig behandelt wird. 68 Die Ausgleichung erfolgt durch Bereicherungsforderung, insbesondere

§ 816. 69 I n einigen der unter 1 bis 3 angeführten Fällen (§§ 407, 1344) stellt das Gesetz dem Rechtsgeschäft gleich ein U r t e i l i n einem Prozeß zwischen d e m Scheinberechtigten u n d dem gutgläubigen D r i t t e n . Hellwig, Rechtskraft § 56 fg., befürwortet analoge Anwendung dieses Rechtsgedankens i n allen Fällen, i n denen ein Nichtberechtigter zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers wirksam verfügen k a n n (außer bei Prozessen über das Eigentum, a. a. O. § 60 Note 23); a. A . P l a n c k , Erl. I I 5 zu § 2366; S t e i n , Bem. I V 2 zu ZPO. § 325; E n d e m a n n § 89 b, 2 c.

Drittes Buch.

136

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

1. Der Glaube an das Recht des Veräußerers beim E r w e r b des Eigentums u n d anderer dinglicher Rechte 7 0 . Der gute Glaube bedarf als Grundlage eines äußeren Momentes, welches die Berechtigung des Veräußerers wahrscheinlich macht. I m Grundbuchverkehr ist dies äußere Moment die Eintragung des Veräußerers i m Grundbuch ; die V e r m u t u n g der Richtigkeit des Grundbuchs, § 891, w i r d zugunsten des gutgläubigen Erwerber» zu einer F i k t i o n v e r s t ä r k t : der I n h a l t des Grundbuchs gilt ala richtig, § 892; diese rechtliche Eigenschaft des Grundbuchs nennt m a n den öffentlichen Glauben 7 1 . I m Mobiliarverkehr ist es der Besitz, welcher, entsprechend der V e r m u t u n g des § 1006, die Grundlage des gutgläubigen Erwerbes b i l d e t : wer gutgläubig v o m Besitzer erwirbt, w i r d auch dann Eigentümer, wenn die Sache n i c h t dem Veräußerer gehört, § 932 fg. 7 2 . Der Schutz des guten Glaubens k o m m t auch gegenüber Belastungen der Sache 7 3 u n d gewissen Verfügungsbeschränkungen zur Geltung, denen der eingetragene resp. besitzende Veräußerer u n t e r l i e g t 7 4 . Die Rechtssätze über gutgläubigen Erwerb dienen der Sicherheit des Verkehrs. Daher k o m m t der gute Glaube des Erwerbers nur i m rechtsgeschäftlichen Verkehr (und nur bei Singularsukzession) zur Geltung 7 5 , n i c h t dagegen bei Erwerb ex l e g e 7 5 a oder durch Z u griff des Gläubigers (Pfändung) 7 6 7 6 a . 70

N i c h t beim Erwerb einer Erbschaft, P l a n c k § 2030, 1. Vgl. ob. Note 49. Der Erwerber darf sich vermöge des öffentlichen Glaubens auf die Richtigkeit des Grundbuchs verlassen, auch ohne den I n h a l t desselben zu kennen. W o l f f , Sachenr. § 45 A. 20. Der gutgläubige Erwerber eines Grundstücks erwirbt z. B . auch die zugunsten des Grundstücks eingetragenen Rechte des § 96, selbst wenn er nicht weiß, daß solche Einträge bestehen. 72 Infolge des guten Glaubens des Erwerbers hat der zu Unrecht E i n getragene resp. der Besitzer einer fremden Sache zwar nicht das Recht, aber die Möglichkeit, über das fremde Recht zu verfügen, vgl. ob. § 44 Note 107. I n diesem Sinne spricht das B G B . mehrfach, z. B. i n § 135 I I , von den ,,Rechtssätzen zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten ableiten". 73 § 936. 74 Vgl. unt. § 59. Dagegen nicht gegenüber den Beschränkungen der F r a u i m gesetzlichen Güterrecht, § 1404. 75 Vgl. ob. § 46 Note 11. 75a Ausnahme: H G B . § 366 I I I . 76 Vgl, u n t . § 54 Note 161. 76 a Ferner ist der Schutz des guten Glaubens ausgeschlossen bei einer Rechtsbegründung, die sich innerhalb desselben Vermögens vollzieht, 71

§ 4.

D

rechtlich bedeutsame

en.

137

D e r g u t g l ä u b i g e E r w e r b einer F o r d e r u n g d u r c h Zession w i r d geschützt77;

nicht

der

Zessionar

erwirbt

die F o r d e r u n g

w e n n sie n i c h t e x i s t i e r t e o d e r n i c h t d e m Z e d e n t e n z u s t a n d

nicht, 78

.

Es

f e h l t d i e ä u ß e r e G r u n d l a g e des g u t g l ä u b i g e n E r w e r b s , w i e sie s i c h beim E r w e r b dinglicher Rechte i m E i n t r a g oder i m Besitz findet

79

;

auch ein beim Zedenten befindlicher

keine genügende

G r u n d l a g e , w e i l er h ö c h s t e n s d i e

n i c h t aber den F o r t b e s t a n d

der F o r d e r u n g

vor-

Schuldschein

ist

Entstehung,

beweist80.

Anders

v e r h ä l t es s i c h b e i F o r d e r u n g e n , d i e i n e i n e m W e r t p a p i e r v e r k ö r p e r t sind u n d daher nach sachenrechtlichen werden:

der

Schuldner

braucht

nur

Grundsätzen gegen

übertragen

Aushändigung

des

P a p i e r e s z u l e i s t e n , § 797, W O . A r t . 3 9 ; so b e s t e h t , so l a n g e d a s Papier

zirkuliert,

eine g r o ß e

Wahrscheinlichkeit

für

den

Fort-

b e s t a n d d e r F o r d e r u n g ; d a h e r k a n n d a s Gesetz d e m g u t g l ä u b i g e n Erwerber sprechen 2.

des 81

Papiers

die

darin

beurkundete

Forderung

zu-

.

D e r G l a u b e des S c h u l d n e r s a n d a s R e c h t des G l ä u b i g e r s

w i r d g e s c h ü t z t , w e n n e i n Ü b e r g a n g o d e r eine B e s c h r ä n k u n g des z. B. bei der Begründung einer Eigentümerhypothek; W o l f f , Sachenrecht § 45 I 4. Bei Rechtsverschiebungen zwischen Sondergut u n d H a u p t vermögen oder zwischen einem Gesamt vermögen u n d dem Vermögen eines Teilhabers k o m m t es für den Schutz des guten Glaubens darauf an, ob ein Vorgang des rechtsgeschäftlichen Verkehrs vorliegt, vgl. ob. B d . I S. 336/7, 353/4. 77 Ebensowenig der gutgläubige Erwerber eines Urheberrechts, C r o m e § 519 A n m . 42. 78 R G . 71, 31. 79 E i n Schutz des gutgläubigen Zessionars würde dazu führen, den vermeintlichen Schuldner m i t einer von i h m nicht eingegangenen Schuld zu belasten; ein solcher Nachteil wäre durch nichts gerechtfertigt, während man dem Eigentümer, der seine Sache an einen gutgläubigen Erwerber verliert, immerhin den Vorwurf machen kann, daß er den unrichtigen E i n t r a g geduldet resp. seine Sache i n fremder H a n d gelassen hat. 80 Denn der Gläubiger kann Zahlung auch ohne Rückgabe des Schuldscheins erzwingen, § 371. Ausnahmsweise ist der gutgläubige Zessionar, wenn er sich den Schuldschein hat vorlegen lassen, gegen die Einwendungen der Simulation u n d des p a c t u m de non cedendo geschützt, § 405; daß der Aussteller des Schuldscheins i n diesem Falle wider seinen W i l l e n zum Schuldner des Zessionars wird, hat er seiner unvorsichtigen Handlungsweise zuzuschreiben, P l a n c k § 405, 1. 81 Wer auf ein Wertpapier zahlt, ohne es sich aushändigen zu lassen, setzt sich dadurch der Möglichkeit aus, nochmals Schuldner der i m Papier angegebenen Leistung zu werden, sobald das Papier i n die H a n d eines gutgläubigen Erwerbers k o m m t .

138

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Rechts des Gläubigers ohne K e n n t n i s des Schuldners s t a t t f i n d e t 8 2 ; insbesondere w i r d der Schuldner durch Leistung an den bisherigen Gläubiger frei, wenn die Forderung ohne sein Wissen abgetreten ist, § 407. Dagegen genießt der noch so gutgläubige Schuldner keinen Schutz, wenn er sich über die Person seines ursprünglichen Gläubigers i r r t 8 3 oder wenn er irrtümlicherweise annimmt, daß die Forderung auf einen neuen Gläubiger übergegangen ist 8 4 . 3. I n gewissen Fällen w i r d der Glaube an die Rechtsstellung des Geschäftsgegners geschützt 8 5 . So w i r d namentlich geschützt, wer sich gutgläubig i n rechtsgeschäftlichen Verkehr einläßt m i t einer Person, die i n einem Erbschein als Erbe bezeichnet ist 8 6 . D e m Erbschein steht, wie dem Grundbuch, nicht nur die Verm u t u n g der R i c h t i g k e i t zu, § 2365, sondern auch öffentlicher Glauben 8 7 : der I n h a l t des Erbscheines g i l t als richtig, es sei denn, daß dem D r i t t e n , der m i t dem i m Erbschein bezeichneten ein Rechtsgeschäft v o r n i m m t , die U n r i c h t i g k e i t bekannt ist, § 2366/7 8 8 . E i n anderer Fall, i n welchem der Glaube an die Rechtsstellung des Geschäftsgegners geschützt wird, findet sich i n der Lehre v o n der V o l l m a c h t : wer sich m i t einem Bevollmächtigten einläßt, t r ä g t grundsätzlich das Risiko des Nichtbestehens oder der Ungültigk e i t der V o l l m a c h t 8 9 ; wenn aber die Vollmacht wirksam erteilt 82 A u c h hier gilt die Ausnahme des § 1404 i n bezug auf die Beschränkungen der Ehefrau; dagegen w i r d der Schuldner durch Leistung an seinen Gläubiger frei, wenn i h m die Eröffnung des Konkurses über den Gläubiger nicht bekannt ist, K O . § 8. 83 Außer i m F a l l des § 851, vgl. auch § 1058, 1248. 84 Die Befugnis des Schuldners, an die Person zu leisten, welche i h m v o m Gläubiger als Zessionar bezeichnet wird, § 409, beruht auf einem über den Schutz des guten Glaubens hinausgehenden Rechtsgedanken, ob. § 48 N. 92. 85 U n t e r Geschäftsgegner verstehe ich die Person, m i t welcher oder welcher gegenüber der Gutgläubige ein Rechtsgeschäft v o r n i m m t , oder welche dem Gutgläubigen gegenüber ein Rechtsgeschäft v o r n i m m t . 86 A u c h hier, wie beim Grundbuch, ist nicht erforderlich, daß der gute Glaube auf Kenntnis des Erbscheins beruht. 87 Ä h n l i c h verhält es sich m i t dem Testamentsvollstreckerzeugnis, § 2368 I I I , u n d bei irriger Todeserklärung, § 2370. 88 Der durch den öffentlichen Glauben des Erbscheins hergestellte Schutz konkurriert m i t dem Schutz des guten Glaubens aus §§ 892, 932, geht aber über diese Bestimmungen hinaus: bei Vorliegen eines Erbscheines sind nicht nur die i n §§ 892, 893, 932 genannten Geschäfte, sondern alle Geschäfte gültig, z. B. auch die Zession einer Nachlaßforderung durch den Scheinerben. 89 Eine wichtige Ausnahme u n d zugleich eine Bestätigung dieser Regel findet sich i n H G B . § 366.

§ 4.

D

rechtlich bedeutsame

en.

139

ist, so g i l t für ihr Erlöschen i n gewissen Fällen der Schutz des guten Glaubens: wenn der Gegner das Erlöschen der V o l l m a c h t nicht kennt u n d nicht kennen muß, so bleibt sie i h m gegenüber i n K r a f t , §§ 169, 173. E n d l i c h k o m m t der gute Glaube an die Rechtsstellung des Mitkontrahenten zur Geltung bei N i c h t i g k e i t der Ehe u n d Änderung des gesetzlichen Güterstandes durch Vertrag : aus der Nichtigkeit der Ehe, wenn sie noch nicht für nichtig erklärt ist, oder dem Ehevertrag, wenn er i n das Güterrechtsregister n i c h t eingetragen ist, können Einwendungen gegen Rechtsgeschäfte m i t D r i t t e n nur dann hergeleitet werden, wenn die N i c h t i g k e i t oder der Ehevertrag dem D r i t t e n bekannt war, §§ 1344 1435. 4. Der Glaube an die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes wird, abgesehen v o n den unter 1—3 aufgezählten Fällen, grundsätzlich nicht geschützt; wer sich z. B . i n rechtlichen Verkehr m i t einem Geschäftsunfähigen einläßt oder ein o b j e k t i v gegen die guten Sitten verstoßendes Geschäft v o r n i m m t , hat auch bei gutem Glauben die Folgen der N i c h t i g k e i t des Geschäftes zu tragen. N u r ausnahmsweise w i r d der Glaube an die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes b e r ü c k s i c h t i g t 8 9 a . A u f diesem Rechtsgedanken beruht die Gültigkeit der Ehe, welche der Ehegatte eines für t o t erklärten Verschollenen eingeht, § 1348. Ferner k a n n bei N i c h t i g keit oder Anfechtbarkeit der Ehe der gutgläubige Ehegatte, wenn der andere Ehegatte bösgläubig ist, verlangen, daß er i n vermögensrechtlicher Beziehung so behandelt werde, wie wenn die Ehe g ü l t i g geschlossen u n d wegen Verschuldens des anderen Ehegatten geschieden sei, § 1345/6. E n d l i c h g i b t es mehrere Fälle, i n denen das Vertrauen auf die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes i n der Weise geschützt wird, daß der gutgläubige K o n t r a h e n t Ersatz seines negativen Interesses erhält, §§ 122, 179, 307 9 0 . 5. Der Glaube an das eigene Recht, ohne Rücksicht darauf, wie es entstanden ist, k o m m t i n Betracht als Grundlage der Mobiliarersitzung, § 937 9 1 , u n d des Fruchterwerbs, §§ 955, 957, sowie als Grund der milderen Behandlung des Besitzers i n bezug auf Herausgabe der Nutzungen u n d Ersatz der Verwendungen, §§ 993, 89:1

Vgl. z. B. H G B . § 217 I I . Ausnahmsweise k o m m t der gute Glaube einer Person einer anderen Person zugute: die Kinder aus nichtiger Ehe haben die Stellung ehelicher Kinder, wenn auch nur einer der Ehegatten gutgläubig war, § 1699. 91 Bei Tabularersitzung. § 900, u n d Erwerb des Grundeigentums durch Aufgebot, § 927, ist guter Glaube nicht erforderlich. 90

140

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

994, 2023 I I 9 2 , u n d des Bereicherungsschuldners bei Wegfall der Bereicherung, § 818 I I vgl. m i t §§ 819, 820. Der dem guten Glauben zugrunde liegende I r r t u m ist entweder positiver N a t u r : irrtümliche Annahme einer n i c h t vorhandenen Tatsache (z. B. Glaube an die Richtigkeit des Grundbuchs, § 892, an das E i g e n t u m oder die Verfügungsmacht des Veräußerers, § 932, H G B . § 366); oder der I r r t u m besteht i n der Unkenntnis einer vorhandenen Tatsache, z. B. Unkenntnis von einer Zession, § 407, oder v o m Vorhandensein eines Testamentsvollstreckers, § 2211. I n beiden Fällen geht das B G B . , wie das ältere R e c h t 9 3 , v o m optimistischen Standpunkt aus, daß jeder bis zum Beweis des Gegenteils als redlich zu gelten h a t ; daher erscheint i m Gesetz n i c h t die irrtümliche Vorstellung als Grundlage der bona fides, sondern die K e n n t n i s der wahren Sachlage oder eine auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis derselben als Ausschließungsgrund des guten Glaubens. Das Maß der Sorgfalt, welche bei der E r k u n d u n g der Sachlage zur Vermeidung des bösen Glaubens zu beobachten ist, w i r d v o m Gesetz für die einzelnen Fälle verschieden abgestuft: a) i n gewissen Fällen w i r d der gute Glaube nur durch die K e n n t n i s der wahren Sachlage ausgeschlossen, so z. B. durch die K e n n t n i s der U n r i c h t i g k e i t des Grundbuchs 9 4 , § 892, oder der U n r i c h t i g k e i t des Erbscheines; auf diese U r k u n d e n darf man sich ohne weitere Nachforschungen verlassen. Ebenso braucht der Schuldner, der die A b t r e t u n g der Forderung nicht kennt, sich nicht darnach zu erkundigen, ob eine A b t r e t u n g erfolgt ist, §§ 406, 4 0 7 9 5 . b) i n anderen Fällen w i r d der gute Glaube durch eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis ausgeschlossen. Der i n dieser Weise beim Mobiliarerwerb, § 932 I I 9 6 , gesetzlich defi92

Daß der gutgläubige Besitzer nicht für Schädigung der Sache haftet, § 989, ergibt sich schon daraus, daß diese H a f t u n g auf Verschulden beruht u n d daß ein Verschulden durch den I r r t u m über das Eigentum der Sache ausgeschlossen ist, vgl. ob. Note 54. 93 Quisquis praesumitur bonus, D e r n b u r g , Pand. I § 182 Note 27, vgl. W i n d s c h e i d § 177 Note 7 a . 94 N i c h t schon durch die Kenntnis von Tatsachen, aus denen die Unrichtigkeit des Grundbuchs sich ergibt, P l a n c k , Erl. I I 2 b zu § 892; W o l f f , Sachenrecht § 45 I 5 b, vgl. ob. Note 21. 95 Ferner: §§ 1116, 720, 1058, 1248, 1344, 1348. 96 Der Besitz des Veräußerers ist kein so sicheres Indiz seines Eigentums als ein auf seinen Namen lautender Eintrag.

§ 4.

D

rechtlich bedeutsame

en.

141

nierte Begriff des guten Glaubens ist überall maßgebend, wo das Gesetz v o n gutem Glauben spricht 9 7 , §§ 937, 955, 990, 2024 9 8 . c) endlich gibt es Fälle, i n denen das Gesetz noch strenger verfährt, indem es der K e n n t n i s einer Tatsache das Kennenmüssen gleichstellt; so z. B. i n §§ 169, 173, 179, 307, 405, 674. H i e r w i r d der gute Glaube nur dann anerkannt, wenn der Handelnde alle erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat, so daß i h m nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Die Rechtswirkungen des guten Glaubens k o m m e n dem gutgläubig Handelnden ex lege zu: er braucht diese W i r k u n g e n n i c h t zu wollen, kann sie aber auch n i c h t ablehnen. Der Erwerber w i r d nach dem W o r t l a u t des § 932 Eigentümer, auch wenn er es bei Kenntnis der Sachlage vorziehen würde, n i c h t Eigentümer zu werden u n d sich statt dessen an den Verkäufer zu halten 9 9 . I n demselben Sinn w i r d § 892 allgemein verstanden: zugunsten des Erwerbers entsteht die Rechtswirkung, welche eintreten würde, wenn das Grundbuch richtig wäre, d. h. der Erwerber w i r d Eigentümer, nichteingetragene Belastungen fallen weg usw. 1 0 0 ; diese Wirkungen treten ipso iure ein, n i c h t erst dadurch, daß der E r werber sich auf den Rechtssatz des § 892 beruft. Dasselbe muß meines Erachtens für die W i r k u n g des Erbscheines gelten 1 0 1 , sowie für die nach § 407 wirksamen Handlungen des Zedenten 1 0 2 . 97

Vgl. ob. Note 67. Dagegen entsteht mala fides superveniens nur durch positiv e Kenntnis des Rechtsmangels, §§ 937, 955, 990, 2024. 99 Dingliche Rechte D r i t t e r , die der Erwerber nicht kennt, „erlöschen" nach § 936 ipso iure. 100 P l a n c k , Erl. I I I , 1 zu § 892. 101 A . A. P 1 a n c k , Erl. I V , 2 zu § 2366 unter Berufung auf die Worte „ z u seinen Gunsten". Dieser W o r t l a u t kann meines Erachtens i n § 2366 zu keiner anderen Auslegung führen als i n § 892. 102 Das Gesetz spricht i n § 407 allerdings nur davon, daß der neue Gläubiger die Handlungen des Zedenten „gegen sich gelten lassen m u ß " . Aus diesem W o r t l a u t kann gefolgert werden, daß der Schuldner die an den Zedenten geleistete Zahlung resp. die m i t i h m vorgenommenen Rechtsgeschäfte als ungültig behandeln, z. B., wenn es i h m vorteilhaft i s t , das Geleistete kondizieren k ö n n e , R e g e l s b e r g e r , Jherings J. 47, 367, K o h l e r I I § 61 I I I . Diese Ansicht führt, namentlich bei einseitigen Geschäften, R G . 21. 10. 13. ( D J Z . 19, 97) zu einer dauernden Ungewißheit der Rechtslage. So könnte z. B. der Schuldner, welcher bona fide dem Zedenten gekündigt hat u n d nachträglich v o n der Zession erfährt, den Zessionar i n Ungewißheit darüber lassen, ob er die K ü n d i g i m g gelten lassen w i l l oder nicht. Daher n i m m t die herrschende Meinung trotz 98

142

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Ebenso unabhängig v o m W i l l e n des gutgläubig Handelnden ist die F o r t w i r k u n g der V o l l m a c h t i n den Fällen des § 173 sowie die W i r k s a m k e i t der Rechtsgeschäfte u n d Urteile nach §§ 1344 u n d 1435 1 0 3 . Dagegen gewährt das Gesetz i n § 1345/6 dem gutgläubigen Ehegatten die W a h l zwischen den Rechtsfolgen der N i c h t i g k e i t der Ehe u n d der Rechtslage, welche bei Scheidung eintreten würde 1 0 4 . Die durch guten Glauben erworbene Rechtsstellung k o m m t den Rechtsnachfolgern u n d Gläubigern des Erwerbers zu statten: h a t B eine Sache des A vermöge seines guten Glaubens erworben, so k a n n er sie an C weiterveräußern, selbst wenn C wußte, daß die Sache dem A n i c h t gehört hatte 1 0 5 ; hat ein Zessionar die Forderung nach § 405 erworben, so k a n n er sie weiterzedieren, ohne daß es auf den guten Glauben des zweiten Zessionars a n k o m m t 1 0 6 . des zweifelhaften Wortlautes des Gesetzes m i t Recht an, daß den unter § 407 fallenden Rechtsgeschäften eine v o m Willen des Schuldners unabhängige Gültigkeit z u k o m m t , vgl. O e r t m a n n § 407, 1 c. Dafür spricht auch die Analogie des § 851, nach welchem der gutgläubige Schuldner durch Leistung an den Nichtgläubiger ipso iure befreit wird. Eine verschiedene Auslegung der §§ 407 u n d 851 könnte dem Vorwurf der Buchstabeninterpretation nicht entgehen. 103 K i p p u n d W o l f f , Familienrecht § 28 I I , § 42 V 2. 104 Vgl. Bd. I § 7 Note 15, § 15 Note 62. 105 P l a n c k , E r l . I I I 1 zu § 892; § 932, 3. Das gilt selbst dann, wenn C den B veranlaßt hat, die Sache von A zu erwerben, u m sie dann dem B abzukaufen; dies Verhalten k a n n aber den C dem Eigentümer der Sache gegenüber nach § 826 haftbar machen. 106 P 1 a n c k § 405, 5 ; O e r t m a n n § 405, 3; O L G . 20, 159; a. A. D e r n b u r g I I § 140 A n m . 2 u n d and.

143

Zweites Kapitel.

Das Rechtsgeschäft. I. Wesen und Hauptarten des Rechtsgeschäfts. § 50. I. die

Begriff des Rechtsgeschäfts *.

D a s b ü r g e r l i c h e R e c h t g e h t v o n d e r A n s c h a u u n g aus, d a ß

Rechtsverhältnisse

der

Einzelnen

am

zweckmäßigsten

von

i h n e n selbst g e o r d n e t w e r d e n , u n d g e s t a t t e t d a h e r i n w e i t g e h e n d e m Maße den beteiligten Personen, maßgebende B e s t i m m u n g e n

für

ihre Rechtsverhältnisse

die

zu treffen

Diesem Zweck

dient

w i c h t i g s t e A r t d e r j u r i s t i s c h e n H a n d l u n g e n : das R e c h t s g e s c h ä f t Daher ist wesentlich für

d e n T a t b e s t a n d des R e c h t s g e s c h ä f t s

2

. 3

* W i n d s c h e i d § 69; R e g e l s b e r g e r § 135; B e k k e r § 89; D e r n b u r g §§ 106, 107; E n d e m a n n § 60; C r o m e § 73; C o s a c k § 51; E n n e c c e r u s § 136; K o h l e r § 239. B i e r m a n n § 44; Z i t e l m a n n , Allg. Teil 89 u n d Rechtsgeschäfte i m E n t w u r f eines B G B . 22; B r e i t , Geschäftsfähigkeit § 7; H e l l w i g , Lehrb. § 89. Eine Übersicht u n d K r i t i k der neueren Theorien gibt M a n i g k , Willenserklärung u n d Willensgeschäft 27 fg.; B i e r 1 i n g , Juristische Prinzipienlehre I I § 22 fg. 1 Die freie Selbstbestimmung auf dem Gebiet des Privatrechts k a n n man Privatautonomie nennen, vgl. B d . I S. 25, R e g e l s b e r g e r § 24; C o s a c k § 51 1 1 2 ; D a n z , Auslegung S. 6; H e n l e , Vorstellungstheorie 354. 2 Der Begriff des Rechtsgeschäfts ist entstanden aus der Zusammenfassung der verschiedenartigen juristischen Handlungen, durch welche der Parteiwüle die Rechtsverhältnisse ordnet. Diese letzte A b s t r a k t i o n des juristischen Denkens ist ein Produkt der modernen Dogmatik. Das W o r t Rechtsgeschäft findet sich zuerst i n der L i t e r a t u r bei H u g o , Lehrbuch der Pand., 3. Aufl. (vgl. P e r n i c e , GrünhutsZ. 7, 465; M a n i g k a. a. Orte § 4 fg.), i n der Gesetzgebung i m SächsGesB. § 88. 3 Das W o r t Rechtsgeschäft bezeichnet i n erster Linie den Tatbestand, welcher vorliegen muß, damit der Parteiwille zur Geltung k o m m t . In diesem Sinne spricht z. B. §§ 134, 138 v o n Rechtsgeschäften, welche gegen

Drittes Buch.

144

eine W i l l e n s ä u ß e r u n g liche

Wirkung

4

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

e i n e r P r i v a t p e r s o n , g e r i c h t e t a u f eine r e c h t -

(Begründung,

Aufhebung

Rechtsverhältnisses oder Rechtes

5

).

oder

Änderung

eines

E i n e solche W i l l e n s ä u ß e r u n g

w i r d a b e r v o m Gesetz n u r d a n n s a n k t i o n i e r t , w e n n sie e i n M i n d e s t maß v o n Vernünftigkeit aufweist. Wirksamkeit

eines

D a h e r v e r l a n g t das Gesetz z u r

Rechtsgeschäftes

eine

gewisse

geistige

Be-

s c h a f f e n h e i t des U r h e b e r s : d i e G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t 6 , u n d b e s t i m m t , daß Willenserklärungen, im

Zustand

Störung § 105

der

der

die ( v o n einer geschäftsfähigen

Bewußtlosigkeit

Geistestätigkeit8

7

oder

abgegeben

einer

Person)

vorübergehenden

werden,

nichtig

sind,

II.

Rechtsgestaltend w i r k t i m Rechtsgeschäft n i c h t der

innere,

seiner N a t u r n a c h s t e t e n S c h w a n k u n g e n ausgesetzte W i l l e , s o n d e r n der geäußerte W i l l e 9 :

rechtlich maßgebend

ist

nicht

was

der

ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen, und versagt diesen Tatbeständen, indem es das Rechtsgeschäft für nichtig erklärt, die von den Parteien beabsichtigte Wirkung. Bisweilen denkt man aber beim W o r t Rechtsgeschäft an die Wirkungen eines Tatbestandes. I n diesem Sinne spricht m a n v o n der Aufhebung eines Rechtsgeschäftes (vgl. unt. V I I ) oder v o n der Anfechtung eines Rechtsgeschäftes, während doch Aufhebung u n d Anfechtung nicht den Tatbestand des Rechtsgeschäftes, sondern seine Wirkungen beseitigt, vgl. unt. § 57 Note 20. Vgl. über den terminologischen Streit O e r t m a n n , Vorb. I 2 b zum 3. Abschnitt. 4 N a c h B ü 1 o w , Geständnisrecht 107 fg. soll der K e r n des Rechtsgeschäfts nicht eine Willenserklärung, sondern eine Sollenserklärung sein. Diese Anschauung unterscheidet sich nur scheinbar von der herrschenden Ansicht; denn der I n h a l t eines auf Herbeiführung v o n Rechtsfolgen gerichteten Willens ist selbstverständlich imperativ, wenn auch die befehlende F o r m i n unserem Sprachgebrauch seltener als bei den Römern v o r k o m m t : wer z. B. erklärt: ,,ich w i l l das Eigentum an dieser Sache erwerben", sagt d a m i t : ,,die Sache soll mein Eigentum werden", vgl. L e n e 1 , K r i t V J S e h r . 42, 571; K i s c h , GöttGelAnz. 1901, 218; B r e i t a. a. O. 169. 5 Keine Rechtsgeschäfte sind Willensäußerungen, deren W i r k i m g sich auf ein anderes Lebensgebiet (Geselligkeit, Moral, Religion) bezieht. 6 Vgl. unt. § 59. 7 Schlaf u n d Schlaftrunkenheit, hypnotischer Schlaf, Narkose, volle Trunkenheit. Leichtere Trübungen des Bewußtseins, z. B. durch Alkohol, kommen nicht i n Betracht, E n d e m a n n § 31, 3. Vgl. ob. § 48 Note 2. 8 Die vorübergehende Störung der Geistestätigkeit (durch Trunkenheit, Fieber, Zwangsvorstellungen, vgl. ob. § 25 Note 16) k o m m t wie die dauernde Störung (Geisteskrankheit, § 104 N r . 2) nur dann i n Betracht, wenn sie so weit geht, daß ein Ausschluß der freien Willensbestimmung angenommen werden kann, R G . 74, 110; E n n e c c e r u s § 141 A n m . 3. 9 Vgl. ob. § 49 I . W e i l das Rechtsgeschäft aus einer Willensäußerung,

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

145

Mensch will, sondern was er unter bestimmten Umständen u n d i n bestimmter Weise als seinen W i l l e n kundgetan hat 1 0 . D a r a n ist er selbst u n d sind unter gewissen Umständen andere Personen solange gebunden 1 1 , bis die B i n d u n g durch ein neues Rechtsgeschäft oder eine sonstige rechtlich wirksame Tatsache aufgehoben w i r d 1 2 . Die W i r k u n g des Rechtsgeschäftes, wie jeder nicht aus einem inneren seelischen Vorgang, besteht, kann es Verpflichtungen zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes geben (Kontrahierungszwang, Vorverträge). Eine Verpflichtung, etwas später zu wollen, k a n n der Mensch weder übernehmen, noch kann sie i h m v o m Gesetz auferlegt werden: denn was wir W i l l e n nennen, ist nichts anderes als die Fähigkeit der freien Entschließung (die deterministische Betrachtung des Wülensvorganges ist für die Jurisprudenz ausgeschlossen, die die Tatsachen des Lebens v o m Standpunkt der praktischen Vernunft aus zu beurteilen hat). Dagegen k a n n der Mensch verpflichtet sein zu einer Handlung, u n d diese H a n d l u n g kann eine Willenserklärung sein. 10 Die rechtliche Wirksamkeit des geäußerten Willens ist v o m Fortbestand des inneren Willens nicht abhängig: eine schriftliche E r k l ä r u n g w r ird nach § 130 I I m i t ihrem Zugehen wirksam, auch wenn der Erklärende vor diesem Moment gestorben i s t ; ebenso ein bedingtes Rechtsgeschäft, auch wenn der Urheber den E i n t r i t t der Bedingung n i c h t mehr erlebt, vgl. unt. Note 54. 11 Die verbindliche K r a f t des geäußerten Willens (verba ligant homines) ist ein i n langsamer E n t w i c k l u n g zur Herrschaft gelangtes soziales u n d rechtliches A x i o m , auf dessen Anerkennung ein großer Teil der Ordnung des menschlichen Zusammenlebens beruht. K o h l e r , das Versprechen, Arch. f. Rechts- u. Wirtschaftsphilos. 5, 307. S c h l o ß m a n n , Vertrag 92 fg. und Stellvertretung I I 471 fg., w i l l die rechtsetzende Macht des Willens nur da anerkennen, wo das Rechtssubjekt befehlend a u f t r i t t (z. B . i m Testament oder bei der Stiftung); dagegen sollen Verpflichtungen nicht deshalb binden, weil der Erklärende die Verpflichtung gewollt hat, sondern weil er bei seinem Gegner eine E r w a r t u n g erweckt hat, welche nicht getäuscht werden darf. Demgegenüber ist daran festzuhalten, daß das Gesetz i m Versprechen eine Willenstat sieht u n d den Versprechenden daran festhält, was er als gewollt erklärt hat. Der legislative Grund, weswegen das Gesetz das Versprechen sanktioniert, liegt allerdings i n der durch das Versprechen hervorgerufenen Erwartung. Aber diese legislative Erwägung ist nicht charakteristisch für die Verbindlichkeit des Versprechens; in anderen Fällen (vgl. ob. § 48 Note 92) w i r d eine E r w a r t u n g geschützt, die nicht durch Willenserklärung, sondern durch die M i t t e i l u n g einer Tatsache hervorgerufen ist. 12 Wer durch Rechtsgeschäft eine Rechtslage hergestellt hat, k a n n sie i n der Regel nicht durch einseitigen W i l l e n wieder aufheben. Widerruf eines Rechtsgeschäfts ist nur ausnahmsweise zulässig (z. B . freier Widerruf des Testamentes, Widerruf der Schenkung aus bestimmten Gründen). A u c h das widerrufliche Rechtsgeschäft enthält für den, der es errichtet Handbuch X . 1. I i : v o n T u h r I I . 1.

10

146

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

juristischen Tatsache, beruht auf der Sanktion des Gesetzes; da aber das Gesetz die W i r k u n g des Rechtsgeschäfts dem erklärten W i l l e n der Parteien gemäß gestaltet, so k a n n man diesen W i l l e n als die konkrete Ursache des rechtsgeschäftlichen Erfolges bezeichnen u n d das Rechtsgeschäft i n Gegensatz zu anderen Tatbeständen stellen, deren W i r k u n g e n das Gesetz ohne Rücksicht auf den W i l l e n der beteiligten Personen eintreten l ä ß t 1 2 a . Die W i r k u n g des Rechtsgeschäftes, wie jedes privatrechtlichen Tatbestandes, betrifft ein konkretes Rechtsverhältnis ; durch Rechtsgeschäft w i r d subjektives Recht begründet oder modifiziert, n i c h t objektives Recht geschaffen 1 3 oder abgeändert. W e n n ein Rechtsverhältnis durch Rechtsgeschäft abweichend v o n einem disposit i v e n Rechtssatz geordnet wird, so w i r d dadurch der Rechtssatz n i c h t außer K r a f t gesetzt oder e r g ä n z t 1 4 ; denn er soll nur für den F a l l gelten, daß die Parteien keine rechtsgeschäftliche Bestimmung treffen. Eine äußere Ä h n l i c h k e i t m i t dem objektiven Recht k a n n ein Rechtsgeschäft dann haben, wenn es i n abstrakter Weise die Gestaltung eines Rechtsverhältnisses durch später eintretende Ereignisse i m voraus r e g e l t 1 4 a ; Versicherungsbedingungen u n d Arbeitsordnungen lesen sich wie ein Gesetz; sie sind aber rechtsgeschäftliche Produkte 1 5 , weil sie aus dem W i l l e n v o n Privathat,

eine B i n d u n g insofern,

als er den Widerruf vornehmen muß,

inn

die Wirkungen des Geschäfts zu beseitigen, vgl. ob. § 10 Note 12. 12 a Vgl. § 832 I u n d I I . R G . 82, 438. 13 W e n n die Römer v o n legis contractus oder von einer lex suae rei dicta sprechen, so bedeutet lex i n diesem Zusammenhang nicht Rechtsnorm, sondern rechtsgeschäftliche Bestimmung, vgl. H e u m a n n , Handlexikon. Die Behauptung v o n D a n z , Auslegung, daß das Rechtsgeschäft Gesetz sei, ist v o n i h m i n der 2. Aufl. S. I I I fallen gelassen. 14 B ü 1 o w , Geständnisrecht 129 fg., weist darauf hin, daß das Gesetz durch das Rechtsgeschäft seinen konkreten I n h a l t erhalte. Das gilt aber i n gewissem Sinne nicht nur v o m Rechtsgeschäft, sondern von jedem Tatbestande, H e l l w i g , Lehrb. § 89 A n m . 3. Das Resultat dieser Konkretisierung der Rechtsnorm, der Niederschlag aus dem Zusammentreffen der Rechtsnorm m i t den Tatsachen des Lebens, ist aber nicht eine speziellere Rechtsregei, sondern ein konkreter Rechtszustand, d. h. ein subjektives Recht oder Rechtsverhältnis. 14 a Die Parteien können ihre Rechtsverhältnisse generell regeln, so daß die i m Voraus aufgestellte Bestimmung für alle späteren gleichartigen Fälle gilt. Ausnahmsweise verlangt das Gesetz ein spezielles Rechtsgeschäft für den einzelnen Fall, z. B . Depotges. § 2, R G . 82, 33, oder für eine Kategorie v o n Fällen, vgl. H G B . § 49, 2. § 54, 2. 15 A . A . für die Arbeitsordnungen der GewO. § 134 a—g O e r t m a n n § 611, l f s H e l l w i g , Lehrb. § 88 A n m . 5.

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

147

personen hervorgehen 1 5 a u n d n u r die konkreten Beziehungen der Parteien regeln, welche eine Vereinbarung dieses Inhaltes treffen oder sich ihr unterwerfen 1 6 . Der Begriff des Rechtsgeschäftes ist allen Teilen des P r i v a t rechts gemeinsam. Es g i b t Rechtsgeschäfte n i c h t n u r des Vermögensrechts u n d Erbrechts, sondern auch des Familienrechts, soweit i n demselben die freie Selbstbestimmung des Menschen zugelassen i s t : Rechtsgeschäft ist die Verlobung 1 7 u n d der R ü c k t r i t t v o m Verlöbnis, die Eheschließung, die Anfechtung der Ehelichkeit (§1597) u n d deren A n e r k e n n u n g 1 7 a , der A n t r a g auf Ehelichkeitserklärung 1 8 , die Annahme an Kindesstatt. Der Begriff des Rechtsgeschäftes ist, wie andere i n der zivilistischen D o g m a t i k entstandenen Rechtsbegriffe, i n die Lehre des öffentlichen Rechtes übernommen worden. Es g i b t daher Rechtsgeschäfte des Prozeßrechtes 1 9 , des Staats- u n d Verwaltungsrechts 2 0 , des Völkerrechtes. Diese Tatbestände unterliegen, auch wenn sie m i t privatrechtlichen W i r k u n g e n ausgestattet sind, den Regeln des privatrechtlichen Rechtsgeschäftes nicht, außer soweit eine analoge A n wendung dieser Vorschriften angebracht i s t 2 0 a . I I . Das Rechtsgeschäft muß stets eine Willenserklärung enthalten. Aber nur i n Ausnahmsfällen beschränkt sich der T a t bestand auf eine Willenserklärung 2 1 . Meistens ist der Tatbestand mehrgliedrig : zusammengesetzt aus einer oder mehreren Willenserklärungen und sonstigen Tatsachen. Der K e r n des Rechts15a

Die Arbeitsordnung ist eine einseitige E r k l ä r u n g , d u r c h welche der Arbeitgeber den I n h a l t der bestehenden oder zu schließenden Verträge gestaltet. Die Befugnis zur Umgestaltung bestehender Verträge ist i h m v o m Gesetz verliehen. 16 Das gilt meines Erachtens auch von der Vereinssatzimg, vgl. B d . I S. 503. 17 Das Verlöbnis ist ein eigenartig gestaltetes Rechtsverhältnis, auf dessen Herstellung der Wüle der Parteien gerichtet ist, E n d e m a n n I I § 151a, 1; M a n i g k § 187; R G . 61, 271. 17 a Vgl. ob. § 48 Note 69. 18 Vgl. unt. Note 65. 19 H e l l w i g , Prozeßhandlung u n d Rechtsgeschäft 33 fg. 20 F l e i n e r , Verwaltungsrecht 54, 155 fg. 20a y g l f ü r d i e Prozeßrechtsgeschäfte S t e i n , Vorb. V vor § 128 ZPO., R G . 81, 178. 21 D a r u m darf man Rechtsgeschäft nicht m i t Wülenserklärung identifizieren, wie das i n Mot. I 126 geschieht, vgl. B e k k e r § 89 A n m . s; E n d e m a n n § 60 Anm. 11. 10*

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Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

geschäfts sind die Willenserklärungen, aus denen sich der spezifische I n h a l t des Rechtsgeschäftes, die gewollte Rechtswirkung, ergibt 2 2 ; man k a n n sie Haupterklärungen nennen 2 3 . Sie gehen v o n der Partei resp. den Parteien 2 4 des Rechtsgeschäftes aus. Die sonstigen Stücke des Tatbestandes sind zwar ebenso unentbehrlich zur Herbeiführung der Rechtswirkung, sind aber für den rechtlichen I n h a l t des Geschäftes n i c h t bestimmend; sie erscheinen daher neben der Haupterklärung, i n welcher man das ausschlaggebende Moment des Rechtsgeschäftes sieht, als Voraussetzungen 2 5 des Rechtsgeschäftes (z. B. die für alle Rechtsgeschäfte u n d die meisten Rechtshandlungen i n gleicher Weise erforderliche Geschäftsfähigkeit 2 6 u n d Verfügungsmacht der Parteien) oder als ergänzende Tatsachen. Solche zu der Haupterklärung hinzutretende Tatsachen nennt man, wenn ihre Erheblichkeit für das Rechtsgeschäft auf gesetzlicher Vorschrift beruht, Rechtsbedingungen: condiciones juris 2 7 . Sie können von sehr verschiedener Beschaffenheit sein. Die wichtigsten Fälle sind folgende: 1. zu den Haupterklärungen müssen unter Umständen Nebenerklärungen der Parteien oder d r i t t e r Personen (der Nebenparteien) hinzutreten, d a m i t das Rechtsgeschäft seine volle W i r k u n g entfalten kann. Solche Nebenerklärungen sind z. B. die Zustimmung, § 182, die W a h l , § 263, die Bestimmung der Leistung, § 315 2 8 . Jede dieser Erklärungen ist ein Bestandteil des Rechtsgeschäftes, 22

Vgl. Z i t e 1 m a n n , I r r t u m 292 fg. Vgl. L a n d s b e r g , Lehrbuch § 48. 24 Mehrseitige Rechtsgeschäfte verlangen die Willenserklärungen mehrerer Parteien (Antrag, Annahme). Die beiderseits gewollte Rechtsw i r k u n g t r i t t erst dann ein, wenn beide Erklärungen übereinstimmend vorliegen. Darüber, daß jede dieser Erklärungen für sich genommen kein Rechtsgeschäft ist, vgl. u n t . § 53 Note 128. 26 Vgl. über die Unterscheidung von Ursachen und Bedingungen einer Rechtswirkung E n n e c c e r u s § 1 3 6 I I B 3 und ob. § 43 Note 64. 26 W e n n m a n die Geschäftsfähigkeit als Voraussetzung des Rechtsgeschäfts den übrigen Stücken des Tatbestandes gegenüberstellt, so denkt m a n sich den Tatbestand als eine Summe von Ereignissen, welche sich auf dem H i n t e r g r u n d eines rechtlichen Zustandes (vgl. ob. § 43 Note 21) abspielen. 27 W i n d s c h e i d § 87 A n m . 7. 28 Die Nebenerklärung ist gewöhnlich eine Willenserklärung, kann aber auch eine M i t t e i l u n g sein. So ist z. B. der Tatbestand der Schuldübernahme nach § 415, 416 zusammengesetzt aus einem Vertrag des alten u n d des neuen Schuldners, einer M i t t e i l u n g an den Gläubiger und einer wirklichen u n d fingierten Genehmigungserklärung des Gläubigers. 23

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

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dem sie zur definitiven Wirksamkeit oder zur vollen inhaltlichen Ausgestaltung verhilft 2 9 ; so gehört z. B. die E i n w i l l i g u n g des gesetzlichen Vertreters zum Tatbestand eines v o n einem Minderjährigen abzuschließenden Geschäftes. Andererseits k a n n m a n jeder dieser Nebenerklärungen eine spezielle Rechtswirkung zuschreiben: die durch den unvollständigen Tatbestand hergestellte Rechtslage 3 0 w i r d durch den H i n z u t r i t t der ergänzenden Nebenerklärung zur vollen rechtsgeschäftlichen W i r k u n g ergänzt; so werden z. B. durch die Genehmigung die W i r k u n g e n eines Vertrages aus dem Zustand der Schwebe i n den der Gewißheit übergeführt; durch die W a h l oder die Bestimmung der Leistung w i r d der I n h a l t der Forderung fixiert 3 1 . M i t Rücksicht auf diese W i r kungen k a n n man die Nebenerklärungen als besondere Rechtsgeschäfte auffassen, die dazu bestimmt sind, die Rechtswirkung eines anderen Rechtsgeschäftes zu ergänzen: Hilfsgeschäfte 3 2 . 2. es gibt Rechtsgeschäfte, zu deren Tatbestand außer der zum Wesen des Rechtsgeschäfts unentbehrlichen Willenserklärung ein realer Vorgang gehört: Verschiebung des Besitzes, des Eigentums oder des Vermögensstandes. M a n k a n n solche Geschäfte Realgeschäfte nennen 3 3 . Dazu gehört vor allem die Übertragung des Eigentums, § 929, u n d die Bestellung dinglicher Rechte an 29 Als entscheidender Moment für die Entstehung der W i r k u n g e n des Rechtsgeschäfts gilt das Zustandekommen der Haupterklärungen; Genehmigung u n d Wahlerklärung haben rückwirkende K r a f t (vgl. ob. § 43 V ) ; dasselbe ist meines Erachtens für die Bestimmung der Leistung nach § 315 anzunehmen: der durch nachträgliche Bestimmung fixierte Kaufpreis gilt als von Anfang an geschuldet. 30 Vgl. ob. § 43 S. 18. 31 Anders als m i t der Bestimmung der Leistung nach § 315 verhält es sich m i t Anordnungen, durch welche ein Gläubiger dem Schuldner auf Grund einer allgemeinen Gehorsamspflicht eine bestimmte H a n d l u n g vorschreibt: Weisungen des Auftraggebers § 665 (vgl. § 447), Befehle des Dienstberechtigten. D u r c h solche Anordnungen w i r d der I n h a l t der Verpflichtung nicht verändert (der Schuldner bleibt nach wie vor verpflichtet, alle i n den Rahmen des Vertrags fallenden Weisungen zu befolgen), sondern das Recht des Gläubigers ausgeübt, vgl. Bd. I S. 257. Daher sind solche Anordnungen nicht Rechtsgeschäfte, vgl. W i n d s c h e i d , § 69 Note 1 a ; K l e i n , Untergang d. Obl. durch Zweckerreichung 36. 32 E i t z b a c h e r , Handlungsfähigkeit 123 w i l l die von i h m sog. abhängigen Willenserklärungen, durch welche die Rechtswirkimg anderer Tatsachen beeinflußt wird, nicht als Rechtsgeschäfte gelten lassen; ähnlich K o h l e r , vgl. ob. § 48 Note 17. 33 Vgl. E n n e c c e r u s § 136 I I B 1.

150

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Mobilien; erforderlich ist außer der Einigung die Übergabe der Sache oder sonstige Verschaffung des Besitzes. Z u m Tatbestand der Zahlung gehört Einigung über die Aufhebung der Forderung u n d Übergang des Geldes i n das E i g e n t u m des Gläubigers. Der Tatbestand der Schenkung besteht aus einer Zuwendung und E i n i gung über die Unentgeltlichkeit derselben 3 4 . I n zahlreichen Fällen entsteht durch die Willenserklärungen der Parteien zunächst ein Rechtsverhältnis, aus welchem einzelne Rechtswirkungen erst bei H i n z u t r i t t eines weiteren realen Vorganges 3 5 hervorgehen. So entsteht das Auftragsverhältnis u n d die a. mandati directa durch Konsens, dagegen der Erstattungsanspruch des Beauftragten, § 670, erst durch den Realakt der Aufwendung 3 6 . Das Mietsverhältnis entsteht konsensual, die Rückgabepflicht des Mieters erst durch Hingabe der Sache, die Mietzinsforderung durch die Gewährung des Gebrauchs pro rata temporis, § 537. Die Pflicht zur Erfüllung der Auflage entsteht erst durch Vollziehung der Schenkung, § 525 I . Ebenso verhält es sich meines Erachtens m i t D a r l e h e n 3 6 a , Leihe u n d Verwahrung, welche i m Anschluß an das römische Recht vielfach noch als Realkontrakte bezeichnet werden 3 7 : das Rechtsverhältnis des Darlehens, der Leihe oder Verwahrung entsteht durch Verabredung, durch welche zugleich eine Verpflichtung zur Hingabe oder zur Entgegennahme der Sache begründet s e i n 3 8 k a n n 3 8 a ; die für diese Verträge charakteristische Rückgabepflicht entsteht ihrer N a t u r nach erst durch Hingabe der Sache auf Grund der vorangegangenen oder gleichzeitig erfolgenden Verabredung über die Rückgabe. 3. Bei den Rechtsgeschäften v o n Todes wegen t r i t t die Rechts34

Ferner: zur vollen Wirksamkeit^des R ü c k t r i t t s gehört nach § 359 die E n t r i c h t i m g des Reugeldes. 35 z. B . einer Leistung, die zur Bedingung einer Verpflichtung des Empfängers gemacht ist. 36 T u h r , Actio de i n rem. v. 26 fg. 36a K o h l e r , A r c h b ü r g R t . 33, 1, Lehrb. § 128; H o e n i g e r , A r c h b ü r g R t . 33, 278; B o e h m e r das. 38, 314; L i i b b e r t , JheringsJ. 52, 377. 37 P 1 a n c k , Vorb. I vor § 598; O e r t m a n n , Vorb. 2 vor § 598; E n n e c c e r u s § 362 A n m . 2. 38 Diese Verpflichtungen werden von der herrschenden Meinung auf einen Vorvertrag zu dem erst durch die Übergabe der Sache entstehenden Realkontrakt zurückgeführt, vgl. unt. § 62. 38 a Vgl. unt. Note 162.

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

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Wirkung erst m i t dem Tode dessen ein, der die Willenserklärung abgegeben hat. 4. Bei zahlreichen Rechtsgeschäften muß zwischen der A b gabe der Willenserklärung u n d dem E i n t r i t t der W i r k u n g ein Zeitraum ablaufen; so ex lege bei den Fristsetzungen, z. B . § 250, u n d i n den normalen Fällen der K ü n d i g u n g ; auf Partei willen ber u h t die Hinausschiebung der W i r k u n g bei befristeten Geschäften. Eine solche Hinausschiebung erfolgt auch dadurch, daß ein ungewisses künftiges Ereignis als Bedingung i n den Tatbestand aufgenommen wird. 5. Es g i b t viele Rechtsgeschäfte, zu deren Tatbestand außer der Willenserklärung der Parteien eine amtliche H a n d l u n g geh ö r t 3 9 . Die amtliche H a n d l u n g k a n n bestehen i n einer M i t w i r k u n g 4 0 bei Abgabe der Willenserklärung (z. B. öffentliche Beurkundung oder Beglaubigung, M i t w i r k u n g des Standesbeamten bei der Eheschließung), oder i n einem staatlichen A k t , der äußerlich v o n der Willenserklärung getrennt ist u n d ihr vorangehen oder nachfolgen kann, so z. B. die Eintragung ins Grundbuch, § 873, die staatliche Genehmigung der Aufgabe v o n Inhaberpapieren, § 795, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung gewisser Rechtsgeschäfte des Vormunds u n d des Vaters, §§ 1921 fg., 1643 fg., 1714, die gerichtliche Bestätigung der Annahme an Kindesstatt, § 1741. I n solchen Fällen hat das Rechtsgeschäft einen aus H a n d l u n g der Partei und H a n d l u n g der Obrigkeit zusammengesetzten Doppeltatbestand 4 1 : beide Bestandteile sind einander koordiniert u n d gleich wesentlich für die Rechtswirkung; insbesondere w i r d durch den staatlichen A k t eine U n g ü l t i g k e i t des Privataktes n i c h t geheilt 4 2 . Die Gesamtheit des aus dem Handeln der Partei u n d dem amtlichen A k t zusammengesetzten Tatbestandes g i l t als Rechtsgeschäft; denn das bewegende u n d für den I n h a l t bestimmende 39

S i b e r , Buchrechtsgeschäft 124 fg. Die amtliche M i t w i r k u n g bei Abgabe der Erklärung w i r d als F o r m der Erklärung aufgefaßt, vgl. unt. § 63. 41 Vgl. S e c k e 1, Festg. f. K o c h 239 fg. 42 Etwas anders verhält es sich m i t der Eintragung des Vereins, § 21, u n d der Verleihung der Rechtsfähigkeit an einen solchen, § 22, sowie m i t der staatlichen Genehmigung der Stiftung, § 81. Die Mängel des Griindungsresp. Stiftungsgeschäftes werden durch den staatlichen A k t nicht geheilt, sondern führen zu einer Aufhebung dieses A k t e s ; vor der Aufhebung ist aber Verein oder Stiftung als bestehend zu behandeln, vgl. Bd. I § 34 Note 65, § 41 Note 69. 40

Drittes Buch.

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D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

M o m e n t ist der rechtsgestaltende W i l l e der Partei, dem gegenüber die obrigkeitliche T ä t i g k e i t als M i t w i r k u n g und Beihilfe zur Erreichung des Erfolges erscheint; so ist z. B . die Verpflichtung aus einem Inhaberpapier trotz der staatlichen Genehmigung als rechtsgeschäftlich zu klassifizieren; so spricht B G B . § 892 v o m Erwerb eines Grundstückes „ d u r c h Rechtsgeschäft", obgleich zur Übertragung des Grundeigentums die Eintragung ebenso wesentl i c h ist wie die Einigung der Parteien. E i n staatlicher A k t dieser A r t , der ergänzend zu einem Rechtsgeschäft h i n z u t r i t t , ist das „festsetzende" U r t e i l 4 3 , durch welches eine der B i l l i g k e i t nicht entsprechende einseitige oder vertragsmäßige Bestimmung der Parteien ersetzt 4 4 oder herabgesetzt 4 5 wird. Solche Urteile wirken ex tunc 4 6 , wie die Ergänzung des Rechtsgeschäfts durch nachträgliche Bestimmung der Partei oder eines D r i t t e n 4 7 . Der durch U r t e i l ergänzte Tatbestand g i l t i n seiner Gesamtheit als rechtsgeschäftlich u n d unterliegt den Gültigkeitserfordernissen der Rechtsgeschäfte: ein Vertrag bleibt z. B . , auch wenn er durch U r t e i l nach § 315 I I I vervollständigt ist, ungültig, wenn einem der Kontrahenten die Geschäftsfähigkeit fehlt, u n d kann, wie jeder Vertrag, wegen Willensmängel angefochten werden 4 8 . I I I . Der Tatbestand eines Rechtsgeschäftes k a n n sich sukzessiv verwirklichen, indem die einzelnen Tatsachen nach einander eintreten 4 9 . I s t eine Willenserklärung abgegeben, bevor die übrigen zur Vollendung des Tatbestandes erforderlichen Tatsachen vorliegen, so ist der Erklärende i n der Regel gebunden 5 0 , d. h. er k a n n seine E r k l ä r u n g n i c h t zurücknehmen. Jedoch gibt es v o n diesem Satz wichtige Ausnahmen; so ist der Tradent durch die Einigung, § 929, nicht gebunden, solange er i m Besitz der Sache ist 5 1 ; i m Grundbuchrecht hat die Einigung u n d die Aufhebungs43

K i s c h , Urteilslehre 110 fg. §§ 315 I I I , 319 I , 660, 2048, 2156, 2192. 45 §§ 343, 655; H G B . § 741; GebO. f. R A n w . § 93; Ges. § 4. 46 K i s c h a, a. O. 114; H e l l w i g , Lehrb. § 34 V 1. 47 Vgl. ob. Note 29. 48 K i s c h a. a. O. 113. 49 Vgl. ob. § 43 Note 52. 60 Vgl. Bd. I § 9 I I . 51 Vgl. Bd. I § 4 Note 42. 44

Abzahl.-

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

erklärung 5 2 bindende K r a f t n u r unter den i n § 873 I I u n d § 875 I I genannten Voraussetzungen 5 3 . Bei sukzessivem Tatbestand w i r d das Zustandekommen des Rechtsgeschäftes nicht dadurch gehindert, daß eine der beteiligten Personen vor Vollendung des Tatbestandes s t i r b t : die noch fehlenden Tatsachen können, wenn sie nachträglich eintreten, das Rechtsgeschäft zum Abschluß bringen. So k a n n z . B . die Willenserklärung nach dem Tode des Erklärenden wirksam zugehen, § 130 I I 5 4 ; der Vertrag nach dem Tode des Offerenten durch Annahme perfekt werden, § 153 5 5 ; die v o m Eigentümer bewilligte Eigentumsübertragung nach seinem Tode durch Eintragung zustande k o m m e n GBO. § 41; die Stiftung nach dem Tode des Stifters durch staatliche Genehmigung ins Leben treten, § 84 5 6 . I n solchen Fällen ist ein Rechtsgeschäft des Erblassers nach seinem Tode wirksam geworden. I s t jedoch das bei seinem Tode fehlende Tatbestandsstück eine Willenserklärung oder eine i h r gleichstehende Rechtshandlung m i t privatrechtlicher W i r k u n g u n d w i r d diese H a n d l u n g v o m Erben vorgenommen, so ist das Rechtsgeschäft als Rechtsgeschäft des Erben zu betrachten. H a t z. B . der Erbe auf Grund einer Einigung des Erblassers die Sache übergeben oder die E i n tragung bewilligt, oder hat er die v o m Erblasser verabredete Verpfändung einer Forderung dem Schuldner angezeigt, so liegt eine Verfügung des Erben, nicht des Erblassers, vor 5 7 . I V . I m Gegensatz zu den S. 151 besprochenen Willenserklärungen, welche i n Verbindung m i t einer amtlichen H a n d l u n g den Doppeltatbestand eines Rechtsgeschäftes bilden, stehen Willenserklärungen, die nur dazu dienen, eine i n den Bestand des P r i v a t rechts eingreifende staatliche T ä t i g k e i t i n Bewegung zu setzen 5 8 . Z u dieser Kategorie v o n Handlungen gehören: die Eintragungsbewilligung, GBO. § 19 5 9 , u n d der Eintragungsantrag, GBO. § 13; 52 Ebenso der Verzicht auf Grundeigentum, P l a n c k § 928, 3; W a l s m a n n , Verzicht 261; a. A . S i b e r , Buchrechtsgeschäfte 47. 53 Vgl. unt. § 53 Note 112. 54 Vgl. unt. § 61. 55 Vgl. unt. § 62. 56 Vgl. Bd. I S. 599. 57 P l a n c k § 1280, 3 b. 58 Vgl. ob. § 48 Note 9. I s t die Behörde verpflichtet, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen dem A n t r a g zu entsprechen, so w i r d durch den A n t r a g ein subjektives Recht (meistens ein Gestaltungsrecht) ausgeübt, vgl. ob. § 7 Note 7 c. 59 Vgl. über die rechtliche N a t u r der Eintragungsbewilligung W o l f f ,

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

die Anmeldung z u m Vereinsregister, § 59; das Gesuch u m Genehmigung der Stiftung, § 81; der A n t r a g auf Bestätigung der Adoption, § 1753; der Entmündigungsantrag, ZPO. § 645; der A n t r a g auf Bestimmung einer Frist nach ZPO. § 255; der A n t r a g auf Eröffnung des Konkursverfahrens, K O . § 103, u n d auf Anordnung einer Nachlaß Verwaltung, § 1981; der Vorschlag des Gemeinschuldners z u m Zwangsvergleich, K O . § 173 6 0 ; der A u f t r a g des Gläubigers an den Gerichtsvollzieher, ZPO. § 753 6 1 . Diese u n d ähnliche 62 Handlungen sind keine Rechtsgeschäfte, weil sie n i c h t unmittelbar auf einen privatrechtlichen Erfolg gerichtet sind 6 3 . Soweit zur Herstellung der privatrechtlichen W i r k u n g außer dem durch den A n t r a g veranlaßten Staatsakt ein rechtsgeschäftlicher Parteiwille erforderlich ist, ist derselbe n i c h t i m Antrag, sondern außerhalb desselben zu suchen: bei Grundbuchgeschäften i n der Einigung des § 873 6 4 ; bei der Entstehung des Vereins i n der Vereinbarung der Gründer; bei E r r i c h t u n g der Stiftung i m Stiftungsgeschäft; bei der Annahme an Kindesstatt i m Adoptionsvertrage 6 5 . Der A n t r a g ist n i c h t dazu bestimmt, den ohne dies geäußerten rechtsgeschäftlichen W i l l e n nochmals zum Ausdruck zu bringen, sondern Sachenrecht § 33 I I ; S i b e r , Buchrechtsgeschäfte. Die privatrechtliche W i r k u n g der Bewilligung ist ein Aneignungsrecht, vgl. ob. § 8 I I I 5. 60 Vgl. unt. § 53 Note 209. 81 H e l l w i g , ZivProz. I I S. 113; ,,die Beauftragung des Gerichtsvollziehers ist ein publizistischer A k t " . 62 Die ich der Kürze halber alle als „ A n t r ä g e " bezeichnen will. 63 Mittelbar ist der Antragsteller Urheber der von i h m veranlaßten, aber durch amtliches Handeln herbeigeführten Rechtswirkung; der Antragsteller k a n n für das Resultat der amtlichen Tätigkeit haftbar gemacht werden, wenn er sie zu Unrecht i n Bewegung gesetzt hat, vgl. Bd. I S. 178. 64 D u r c h Erteilung u n d Entgegennahme der Eintragsbewilligung k a n n unter Umständen die formlose Einigung (§ 873) Zustandekommen; das berechtigt aber meines Erachtens nicht, die Eintragsbewilligung als Rechtsgeschäft zu bezeichnen; a. A. P l a n c k , Erl. I I I 3 zu § 873; R G . 54, 384. 65 Anders verhält es sich bei der Ehelichkeitserklärung: der Antrag des Vaters ist die einzige von i h m ausgehende H a n d l u n g ; der Antrag enth ä l t daher nicht nur, wie die sonstigen Anträge, die Anrufung der Obrigkeit, sondern auch die auf Herbeiführung des Rechtserfolges gerichtete Willensäußerung; er ist daher Rechtsgeschäft, P l a n c k § 1731, 1, u n d unterliegt den Vorschriften über die Anfechtung, § 1731. Ebenso ist i n dem Antrag, den ein Minderjähriger auf Volljährigkeitserklärung stellt, seine nach § 4 I materiell erforderliche Einwilligung enthalten, vgl. Bd. I S. 402.

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

155

d i e T ä t i g k e i t des S t a a t e s z u p r o v o z i e r e n , w e l c h e r p r i n z i p i e l l n i c h t v o n Amtswegen i n die Gestaltung der p r i v a t r e c h t l i c h e n nisse e i n g r e i f t

66

.

Das Erfordernis

s c h r i f t e n , d i e das V e r f a h r e n d e r B e h ö r d e n o r d n e n . s i n d es S o l l V o r s c h r i f t e n

67

Verhält-

des A n t r a g s b e r u h t a u f

I n der Regel

: der staatliche A k t ist w i r k s a m ,

w e n n er i n k o r r e k t e r w e i s e o h n e d e n e r f o r d e r l i c h e n A n t r a g n o m m e n ist

68

.

69

ein

Umstand

dem

staatlichen

Akt

koordinierter

auch

vorge-

Selbst w e n n d e r A n t r a g a u s n a h m s w e i s e f ü r

E i n t r i t t des R e c h t s e r f o l g e s w e s e n t l i c h i s t

Vor-

den

, k o m m t er n i c h t als in

Betracht,

s o n d e r n als f o r m e l l e V o r a u s s e t z u n g d e r a m t l i c h e n H a n d l u n g .

Das

z e i g t s i c h d a r a n , d a ß d i e s t a a t l i c h e H a n d l u n g i n E r m a n g e l u n g des A n t r a g s n i c h t ohne weiteres w i r k u n g s l o s i s t 7 0 , sondern n u r d u r c h eine neue H a n d l u n g e n t k r ä f t e t w e r d e n

kann71.

66 E i n Antrag kann neben seinem auf Provozierung staatlicher Tätigkeit gerichteten Zweck eine privatrechtliche W i r k u n g haben: so ist z. B . die Eintragsbewüligung, sobald der A n t r a g gestellt ist, gegen Verfügungsbeschränkungen i n der Person des Bewilligenden geschützt, § 878; der Antrag auf Genehmigung der Stiftung erschwert den Widerruf des Stiftungsgeschäfts u n d macht es für den Erben des Stifters unwiderruflich, § 81 I I ; das Ersuchen u m Eintragung des Versteigerungsvermerkes hat die W i r kungen der Beschlagnahme, ZVG. § 22 I . Solche Wirkungen ergeben sich nicht aus dem Zweck und I n h a l t des Antrages, sondern sind v o m Gesetz ohne Rücksicht auf den Willen des Antragenden angeordnet. 67 So insbesondere GBG. § 19: ist die Eintragung, unter Verletzung dieser Vorschrift, ohne Bewilligung, aber entsprechend der Einigung der Parteien erfolgt, so ist sie wirksam, P l a n c k , Vorb. I I I 4 vor § 873; W o l f f , Sachenrecht § 31 I I I ; denn es ist nicht nötig, daß der Verfügende die Eintragung w i l l ; es genügt, daß er die durch Eintragung zu bewirkende Rechtsänderung gewollt hat. Ebenso wie die Bewilligung ist meines E r achtens die Anmeldung des Vereins u n d der A n t r a g auf Genehmigung einer Stiftung zu behandeln, vgl. B d . I S. 490, 603. 68

Vgl. § 1994 I I 2: „ A u f die Wirksamkeit der Fristbestimmung ist es ohne Einfluß, wenn die Forderung nicht besteht". 69 Der Entmündigungsbeschluß k a n n bei Fehlen des Antrags angefochten, die Pfändung wegen Fehlens eines Auftrags des Gläubigers i m Wege des § 766 ZPO. aufgehoben werden, G a u p p - S t e i n , Erl. I zu ZPO. § 664, Erl. 3 zu ZPO. § 755. W i r d solcher Widerspruch unterlassen, so bleibt der ohne A n t r a g ergangene Staatsakt wirksam. 70 Anders verhält es sich bei einem aus Rechtsgeschäft u n d Staatsa k t zusammengesetzten Doppeltatbestand: so ist z. B. i n Ermanglung einer Einigimg (§ 873) die Eintragung ipso iure unrichtig, vgl. W . J e 11 i n e k , Fehlerhafter Staatsakt 78 fg. 71 Z. B. Beschwerde gegen Anordnung einer Nachlaßverwaltung ohne gehörigen Antrag, P l a n c k , § 1981, 3 d ; gegen Eröffnung des Konkurses ohne rechtsgültigen Antrag, J ä g e r , Erl. I 2 zu K O . § 109.

156

Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

I n die Kategorie der Anträge, durch welche staatliche Tätigkeit veranlaßt wird, gehört insbesondere auch die Klageerhebung. Sie ist kein Rechtsgeschäft 7 2 , jedenfalls kein Rechtsgeschäft des Privatrechts 7 3 ; denn die privatrechtlichen Wirkungen der Rechtshängigkeit beruhen nicht auf dem W i l l e n des Klägers 7 4 , sondern auf der Vorschrift des Gesetzes. Der v o m Kläger verfolgte Zweck (Durchsetzung eines Anspruchs, Feststellung oder Gestaltung eines Rechtsverhältnisses) w i r d n i c h t durch die Klage, sondern erst durch das U r t e i l erreicht. Die Klage ist zwar Voraussetzung des Urteils u n d der Richter ist i m Laufe des Verfahrens an die Anträge des Klägers gebunden, ZPO. § 308, aber die W i r k u n g des Urteils ist ausschließlich auf die staatliche A u t o r i t ä t 7 5 , nicht daneben auf den i n der Klage geäußerten W i l l e n des Klägers zurückzuführen 7 6 . Das g i l t insbesondere auch bei den Gestaltungs77 klagen : die Erhebung einer solchen Klage ist Ausübung eines Gestaltungsrechts, aber deswegen kein Rechtsgeschäft 7 8 . Erhebt ein Ehegatte die Scheidungsklage, so macht er d a m i t sein privatrechtliches Recht auf Scheidung geltend, aber nicht durch Rechtsgeschäft, sondern durch das allein i h m zur Verfügung stehende M i t t e l der A n r u f u n g des Richters. Ebenso ist der A n t r a g des Schuldners auf Herabsetzung der Vertragsstrafe, § 343, Ausübung 72 H e l l w i g , Prozeßhandlung u n d Rechtsgeschäft 18; dazu Rez. v o n S t e i n , ZZP. 41, 417 fg. 73 Daher sind Prozeßkosten keine Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften i m Sinne von K O . § 224, 5; R G . 60, 32; vgl. aber OLG. 21, 182. 74 Die Klageerhebung h a t die Wirkungen der Mahnung, sie ,,steht der Mahnung gleich", § 284 I 2, ohne deshalb eine private Rechtshandlung, vgl. ob. § 48 Note 8, zu sein, H e l l w i g , Prozeßhandlung § 3 Note I I a . 76 Daher b e w i r k t ein Verstoß gegen ZPO. § 308 nicht Nichtigkeit des Urteils, sondern k a n n nur durch Rechtsmittel geltend gemacht werden. 76 K i s c h , Urteilslehre 68. 77 H e l l w i g , Anspruch § 58 I I 2; Lehrb. § 34 V a b , § 153 Note 19. 78 Die Ansicht v o n S e c k e 1 , Festg. f. K o c h 241, daß Gestaltungsrechte immer durch Rechtsgeschäft ausgeübt werden, scheint m i r auf einer p e t i t i o principii zu beruhen, vgl. ob. § 7 Note 7 b. W a r u m sollen Gestaltungsrechte nicht auch durch Anrufung staatlicher Tätigkeit ausgeübt werden ? so gut wie andere Rechte, z. B . die H y p o t h e k , deren Ausübung i m Versteigerungsantrag liegt; H i r s c h , Übertragung der Rechtsausübung 338. D e n weiteren Ausführungen von S e c k e l a. a. O. stimme ich bei; aber sie beruhen nicht darauf , daß die Anfechtungsklage Rechtsgeschäft, sondern darauf, daß sie Ausübung eines privatrechtlichen Gestaltungsrechts ist.

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

157

eines negativen Gestaltungsrechts 7 9 , aber deswegen nicht als Rechtsgeschäft zu betrachten. Anders verhält es sich bei der Anfechtung der Ehe, der Ehelichkeit und der Anerkennung derselben, sowie bei der Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit. I n diesen Fällen ,,erfolgt die Anfechtung durch Erhebung der K l a g e " , §§ 1341, 1596, 1599, 2342 8 0 . H i e r ist es die Erhebung der Klage, nicht das U r t e i l , welche die Ehe, die Ehelichkeit oder deren Anerkennung ex tunc v e r n i c h t e t 8 1 . D u r c h das U r t e i l w i r d die Berechtigung der Klage u n d d a m i t die W i r k samkeit der Anfechtung festgestellt. Allerdings k a n n bis zur Rechtskraft des Urteils die N i c h t i g k e i t der Ehe oder die Unehelichkeit i n der Regel nicht anderweit geltend gemacht werden, § 1343 I I , § 1596 I I . Aus diesen Bestimmungen des Gesetzes ergibt sich daß der Klageerhebung i n diesen Fällen eine F u n k t i o n z u k o m m t , welche sonst dem Rechtsgeschäft zufällt : Herbeiführung einer materiellen Rechtsänderung. Daher pflegt m a n i h r i m Anschluß an die Motive 8 2 eine doppelte Bedeutung zuzuschreiben 8 3 : sie soll prozessuale H a n d l u n g u n d zugleich Rechtsgeschäft sein. Meines Erachtens ist die Klage auch i n diesen Fällen ausschließlich prozessuale u n d daher nur nach den Vorschriften des Prozesses zu beurteilende H a n d l u n g ; daß sie zugleich materielle W i r k u n g h a t u n d zur Ausübung eines Gestaltungsrechts dient, verleiht ihr n i c h t den Charakter eines Rechtsgeschäfts 8 4 . W e n n die Klage u n d die sonstigen Prozeßhandlungen als solche keine Rechtsgeschäfte sind, so können sie doch ein Rechtsgeschäft enthalten: i n der Klageschrift, den Schriftsätzen oder i m mündlichen Vertrag können Erklärungen rechtsgeschäftlichen I n h a l t s , wenn sie keiner besonderen F o r m bedürfen, abgegeben werden, so z. B. A n f e c h t i m g 8 5 , K ü n d i g u n g , Aufrechnung, Wahl79

Bd. I § 10 Note 5. Vgl. auch H G B . § 271; GenossGes. § 51. Über AnfGes. §§ 5 u n d 9 vgl. unt. § 57 Note 160. 81 Dagegen t r i t t bei der Anfechtung wegen UnWürdigkeit die W i r k u n g erst m i t dem U r t e i l ein, § 2342 I I . Die W o r t e : „ D i e Anfechtung erfolgt durch Erhebimg der K l a g e " haben daher i n § 2342 I nicht dieselbe prägnante Bedeutung, wie i n § 1341 I u n d § 1596. 82 I V 85, 95; V 521. 83 P l a n c k § 1341, 2; S c h m i d t § 1341, 1 b ; K i s c h a . a. O. 102; Z i t e l m a n n , Aus röm. u n d bürgerl. Recht 149 fg. 84 Vgl. ob. § 48 Note 8. 85 Vgl. unt. § 57 Note 39. 80

158

Drittes Buch.

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

e r k l ä r u n g 8 6 . Die rechtliche Auffassung dieses Vorganges ist streitig. Einerseits w i r d b e h a u p t e t 8 7 , daß solche Rechtsgeschäfte durch ihre Vornahme i n prozessualer F o r m zu Teilen des Prozesses werden u n d den Regeln desselben unterliegen ; das würde insbesondere zur Folge haben, daß sie zurückgenommen werden können u n d daß sie ihre Bedeutung verlieren, wenn der Prozeß zu keinem U r t e i l führt. Die andere u n d meines Erachtens richtige Meinung 8 8 geht dahin, daß solche Rechtsgeschäfte, trotz ihrer Vornahme i n prozessualer F o r m , ihre zivilrechtliche N a t u r beibehalten 8 9 : Voraussetzungen u n d W i r k u n g e n sind daher ausschließlich nach Zivilrecht zu beurteilen 9 0 ; insbesondere sind die i n der Klageschrift u n d anderen Schriftsätzen enthaltenen Erklärungen sofort wirksam (vorausgesetzt daß sie i m Sinne v o n B G B . § 130 zugegangen sind 9 1 ) , unwiderruflich u n d unabhängig v o m Ausgang des Prozesses. Eine Mittelmeinung w i r d neuerdings von H e l l w i g 9 2 vertreten : die Ausübung eines Gestaltungsrechts (Kündigung, Anfechtung usw.) i n der Klageschrift oder der mündlichen Verhandlung soll als Prozeßhandlung beurteilt werden. Jedoch soll es n i c h t ausgeschlossen sein, daß i n der Klageschrift oder mündlichen Verhandlung eine rechtsgeschäftliche, nach materiellem Recht zu beurteilende E r k l ä r u n g abgegeben w i r d 9 3 . Hellwig 86

I n der Zurücknahme der Klage kann Verzeihimg des Schenkers oder des scheidungsberechtigten Ehegatten liegen, J W . 03 Beü. 26. 87 K o h 1 e r , ZZP. 20, 15 fg. ; 24, 17 fg. ; 29, 5 fg. ; W a c h , ZZP. 27, 1 fg. ; L a n g h e i n e c k e n , Anspruch 128. 88 R G . 63, 412; P l a n c k , Vorb. I 4 zum 3. Abschn.; D e r n b u r g § 107 I I 3; E n d e m a n n § 61 Note 4; E n n e c c e r u s § 136 I I I ; R o s e n b e r g , Stellvertretung 65 fg. ; N u ß b a u m , Prozeßhandlungen 72; L i t t e n , Wahlschuld 161. 89 Diese Rechtsgeschäfte gehören aber, soweit sie m i t dem Rechtsstreit zusammenhängen, nach ZPO. § 81 zur Vollmacht des Prozeß Vertreters. 90 Eine E r k l ä r u n g i m vorbereitenden Schriftsatz k a n n als Ankündigung künftiger Geltendmachung eines Rechtes gemeint sein, R G . 63, 412, vgl. ob. § 48 Note 81; sie hat dann keine rechtsgeschäftliche Wirkung. 91 Eine privatrechtliche E r k l ä r u n g i n einer Widerklage, die i n Abwesenheit des Klägers erhoben wird, ist unwirksam, so lange sie dem Kläger nicht zugegangen ist, R o s e n b e r g a. a. O. 69. Das güt nicht für die Mahnung: denn nach § 284 I 2 steht die Klageerhebung als solche der Mahnung gleich, vgl. ob. Note 74. 92 Prozeßhandlung 29 fg., vgl. auch zum Teil abweichend, ZivProz. § 35 1 1 2 ; § 130 1 1 2 ; § 172 V 2; § 173 Note 6; O e r t m a n n § 143, 1 d ; § 388, 1 a. 93 A u c h G e i b , Rechtsschutzbegehren 184 n i m m t beide Möglichkeiten

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

159

gibt aber keine A u s k u n f t darüber, nach welchen Merkmalen zu entscheiden ist, ob eine i n der Klageschrift oder mündlichen Verhandlung vorgebrachte K ü n d i g u n g , Anfechtung usw. als Prozeßhandlung oder als ein gelegentlich des Prozesses vorgenommenes privatrechtliches Rechtsgeschäft zu betrachten ist. Praktisch verwendbar ist nur eine der oben bezeichneten Ansichten 9 4 : daß die fraglichen Willenserklärungen entweder wegen ihrer prozessualen F o r m prozessuale N a t u r haben, oder, was m i r richtiger scheint, daß sie trotz der prozessualen Einkleidung dem materiellen Recht angehören. Während die eben betrachteten Handlungen (Kündigung, Aufrechnung, Anfechtung usw.) ihre unmittelbare W i r k u n g auf dem Gebiet des materiellen Rechts entfalten u n d daher auch wenn i n den Formen des Prozesses vorgenommen, als privatrechtliche Rechtsgeschäfte zu behandeln sind, ist der vor Gericht geschlossene und i n das Protokoll aufgenommene Vergleich 9 5 (Prozeßvergleich) ein Vorgang, der sowohl dem Prozeß als dem materiellen Recht a n g e h ö r t 9 6 : die W i r k u n g e n eines solchen Vergleiches betreffen den materiellen Rechtszustand (durch Feststellung resp. Veränderung des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses), zugleich aber auch die prozessualischen Beziehungen der Parteien (durch Erledigung des Prozesses u n d Herstellung eines Vollan u n d hält es für eine Frage der Willensauslegung, ob eine i m Prozeß abgegebene Willenserklärung als materielles Rechtsgeschäft oder nur als Urteüsgrundlage wirken soll. Meines Erachtens läßt sich durch Auslegung nicht feststellen, i n welchem Sinne der Erklärende oder sein Gegner eine solche Erklärung aufgefaßt hat, weü die Parteien an die Umstände, i n welchen der Unterschied der Auffassungen zutage t r i t t , z. B . an die Zurücknahme der Klage, nicht zu denken pflegen. Auslegungsfrage ist nur, ob die Kündigung, Anfechtung usw. i n der Klage oder dem sonstigen Schriftsatz ausgesprochen oder nur angekündigt ist, vgl. ob. Note 90. S t e i n , A n m . 146 vor ZPO. § 128. 94 W e n n einseitige Erklärungen, wie z. B . die Aufrechnung i n der mündlichen Verhandlung abgegeben, prozessualen oder materiellen Charakter haben können, so würde, wenn ein zur Aufrechnung speziell ermächtigter A n w a l t i n der mündlichen Verhandlung eine solche E r k l ä r u n g abgibt, i n den meisten Fällen ungewiß bleiben, ob seine E r k l ä r u n g die eine oder die andere Bedeutimg hat, ob sie z. B . bei Rücknahme der Klage bestehen bleibt. Derartige Unsicherheit darf aber bei einseitigen Rechtsgeschäften nicht vorkommen, vgl. unt. § 53 Note 37. 95 ZPO. § 794 Nr. 1. § 160 N r . 1. 96 Vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen Meinungen bei L e h m a n n , Prozeß vergleich 116.

Drittes Buch.

160

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

streckungstitels 9 7 ) ; demgemäß sind die Erfordernisse des Prozeßvergleiches zum Teil nach materiellem Recht, zum Teil aber nach Prozeßrecht zu beurteilen 9 8 . Welche v o n beiden Rechtsordnungen zur Anwendung k o m m e n soll, ist infolge der Doppelnatur des Prozeßvergleiches i n mehreren Beziehungen streitig 9 9 . D a der Vergleich vor Gericht geschlossen u n d v o m Gericht beurkundet wird, scheint es m i r richtig, die prozessuale F o r m auch dann genügen zu lassen, wenn sich für den Vergleich wegen seines Inhaltes nach B G B . eine andere F o r m ergeben würde 1 0 °. D a der Prozeßvergleich andererseits i n die materiellen Beziehungen der Parteien eingreift, so müssen die Vorschriften, die das Gesetz zum Schutz einer Partei aufstellt, auch dann gelten, wenn der Vergleich vor Gericht geschlossen w i r d ; daher ist z. B . die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes, § 1822 N r . 12, auch beim Prozeß vergleich erforderlich 1 0 1 ; denn die Beteiligung des Prozeßgerichtes ersetzt nicht die v o m Vormundschaftsgericht vorzunehmende Prüfung des Vergleiches auf seine Angemessenheit 1 0 2 . Während dem Prozeßvergleich eine Doppelnatur zugeschrieben werden muß, sind der Verzicht des § 306 ZPO. u n d das Anerkenntnis des § 307 ZPO. rein prozessuale Vorgänge 1 0 3 . Sie unterscheiden sich i n Form, I n h a l t u n d W i r k u n g deutlich v o n einem (auch i m Laufe eines Prozesses möglichen) zivilrechtlichen Verzicht oder Anerkenntnis. I h r e W i r k u n g betrifft n i c h t das materielle Rechtsverhältnis der Parteien, sondern besteht darin, die Grundlage eines 97

H e l l w i g , Lehrb. I I § 125 S. 388 (vgl. auch Prozeßhandlung 44) zerlegt den Prozeßvergleich i n ein materielles u n d ein prozessuales Rechtsgeschäft. H e d e m a n n , Vergleich 68, 126, u n d R o s e n b e r g , Stellvertretung 78, wollen v o m materiellrechtlichen Vergleich die prozessuale Verlautbarung desselben unterscheiden, vgl. dagegen L e h m a n n a. a. O. 119, S t e i n , ZZP. 41, 429. 98 L e h m a n n a. a. O. 130 fg. 99 Z. B. bei der Behandlung der Willensmängel, der Zulässigkeit der Bedingungen, der Geschäftsfähigkeit (§ 112 1 2 ) , des Anwaltzwanges usw. 100 R G . 48, 185; SeuffArch. 67, 19; E n n e c c e r u s § 145 I I I ; R e i c h e l , ArchZivPr. 104, 103; a. A . C o s a c k § 60 I I 5. 101 R G . 56, 333. 102 Der Wortstreit darüber, ob der Prozeß vergleich zu den Prozeßhandlungen i m Sinne v o n ZPO. §§ 54, 81 gehört, scheint m i r aussichtslos zu sein, da der Ausdruck Prozeßhandlung, wie die große Meinungsverschiedenheit beweist, keinen fest abgegrenzten Sinn hat. 103 Sie beziehen sich auf den A n p r u c h i m Sinne der ZPO., vgl. Bd. I § 15 Note 1.

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

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Urteiles herzustellen 1 0 4 . Sie sind daher ausschließlich nach Prozeßrecht zu beurteilen 1 0 5 . V . Die rechtsgeschäftliche Willenserklärung 1 0 6 ist auf Herbeiführung einer rechtlichen W i r k u n g gerichtet; das Gesetz sanktioniert den Partei willen 1 0 7 , indem es die Rechts Wirkung eintreten läßt, welche sich als gewollt aus der E r k l ä r u n g ergibt. Die v o n der Partei gewollte Rechtswirkung w i r d i n zahlreichen Fällen, namentlich bei formellen Geschäften, m i t voller technischer Bestimmtheit bezeichnet: wer z. B . ein Grundbuchrecht erwirbt, w i r d dazu angehalten, genau anzugeben, welches Recht ( H y p o t h e k oder Grundschuld, Grunddienstbarkeit oder beschränkte persönliche Dienstbarkeit) er m e i n t ; wer v o n Todes wegen verfügt, muß sich k l a r werden, ob er ein Testament oder einen E r b vertrag errichten w i l l ; bei der Eheschließung Hegt i n dem „ j a " der N u p t u r i e n t e n auf die an sie gerichtete Frage des Standesbeamten die bestimmte E r klärung, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. I n den meisten Fällen aber w i r d die Partei, besonders wenn sie n i c h t rechtsgelehrt ist, keine deutliche Vorstellung davon haben, unter welche rechtliche Kategorie die v o n ihr erstrebte Rechtswirkung fällt 1 0 8 , u n d w i r d sich d a m i t begnügen, die gewollte rechtliche W i r k u n g nach ihrer wirtschaftlichen Seite zu bezeichnen 1 0 9 . Entscheidend 104 Das Verzicht- oder Anerkenntnisurteil b e w i r k t , wie ein sonstiges Urteil, keine Veränderung des materiellen Rechts, sondern Unbestreitbarkeit des festgestellten Rechtszustandes, vgl. B d . I § 2 N o t e 23. 105 H e 11 w i g , Lehrb. I I § 125 S. 387, § 130 S. 440, Prozeßhandlung 26 Note 8; H e g l e r , Anerkenntnis u n d Verzicht 33; R o s e n b e r g , Stellvertretung 86; K i s c h , ZZProz. 34, 389; W a 1 s m a n n , Verzicht 37; a. A. S t e i n , Vorb. V I 2 vor § 128 ZPO. u n d die dort zitierten Autoren, vgl. unt. § 54 Note 140. 106 x)er Willenserklärung entspricht i n der Regel, aber nicht immer, der Wille des Erklärenden, vgl. unt. § 65. 107 Das Gesetz läßt, wie Mot. I 126 sagen, die Rechtswirkung deswegen eintreten, weil sie gewollt ist, vgl. ob. § 48 Note 21. Der W i l l e des Rechtserfolges ist für den E i n t r i t t desselben wesentlich. E i n Diebstahl ist kein Rechtsgeschäft, auch wenn er i n der Absicht begangen wird, die Strafe zu verwirken, R e g e l s b e r g e r § 135 I V . W e n n A eine Sache des B vernichtet i n der Absicht, i h n dafür reichlich zu entschädigen, so ist seine Handlung nicht Rechtsgeschäft, sondern D e l i k t . ios w e r z. B. Geld zum Nießbrauch gibt, w i r d sich oft nicht bewußt sein, daß er damit nach § 1067 das Eigentum aufgibt; es genügt, daß dem Empfänger die lebenslängliche Benutzung des Geldes überlassen werden soll, P l a n c k § 1067, 1. 109

Es kann vorkommen, daß ein Kontrahent i m U n k l a r e n darüber

H a n d b u c h X . 1. I I : v o n T u h r

IT. 1.

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Die rechtserheblichen

Tatsachen.

für die rechtliche Beurteilung ist daher nicht die v o n den Parteien gewählte, oft irrtümliche, juristische Benennung ihres Geschäftes 1 1 0 , sondern die Rechtswirkung , welche sich aus dem beabsichtigten wirtschaftlichen Erfolg als gewollt ergibt i n . I s t z. B. verabredet Überlassung des Gebrauches einer Sache gegen Geldzahlung, so liegt Miete vor, auch wenn die Parteien v o n Leihe gesprochen haben 1 1 2 . H a t A dem B Geld „geliehen" gegen Gewinnbeteiligung an einem Unternehmen des B , so ist ein Gesellschaf tsvertrag geschlossen 1 1 3 . B e s t i m m t der Erblasser daß jemand 1000 M . ,,erben" soll, so h a t er ein Vermächtnis angeordnet 1 1 4 . U n k l a r h e i t des Partei willens besteht oft i n bezug auf den genauen Moment, i n welchem die gewollte Rechtswirkung e i n t r i t t . Es k a n n z. B . bei der T r a d i t i o n vorkommen, daß die Parteien glauben, das E i g e n t u m sei bereits durch den Kaufvertrag übergegangen, oder annehmen, daß die vermachte Sache schon seit dem Tode des Erblassers i m E i g e n t u m des Vermächtnisnehmers stehe; trotzdem k a n n m a n den Parteien auch noch bei der Trad i t i o n den Rechtserfolgswillen zuschreiben, weil ihre übereinstimmende Absicht auch noch i n diesem Moment darauf gerichtet ist, daß der Käufer resp. Vermächtnisnehmer Eigentümer sein s o l l 1 1 5 . Ebenso ist zu entscheiden, wenn jemand über eine mündliche Bürgschaftszusage, durch die er sich bereits verpflichtet glaubt, bleibt, m i t welcher Person er i n ein Rechtsverhältnis eintreten w ü l ; wenn z. B . ein minderjähriger Student i n Begleitung seiner M u t t e r ein Zimmer mietet, so hat vielleicht keiner der Beteiligten eine bestimmte Vorstellung darüber, ob der Sohn auf R a t der M u t t e r mietet, oder die M u t t e r für den Sohn. Solche Unvollkommenheiten des rechtsgeschäftlichen Willens sind beim Vertrag auf Leistung an D r i t t e sehr häufig, § 328 I I . 110 D a n z , Auslegung 85. 111 W e n n z. B . der Gläubiger den Schuldschein zurückgibt, § 371, oder das Inhaberpapier aushändigt, § 797, so w i r d er, da i h n das Schicksal des Papiers nicht weiter interessiert, oft nicht das Bewußtsein haben, E i g e n t u m an demselben zu übertragen; da es aber feststeht, daß er das Papier definitiv dem Schuldner überlassen wül, so liegt i n dieser Absicht, juristisch beurteilt, der Traditionswille, vgl. ob. § 44 Note 112. 112 H G B . § 318 spricht ungenauerweise davon, daß A k t i e n gegen E n t g e l t „verliehen" werden. 113 S t a u b , H G B . § 350 A n m . 22. 114 § 2087 I I . 115 Anders wenn eine Sache übergeben wird, ohne daß die Parteien Übergang des Eigentums beabsichtigen; z. B . wenn A dem B eine vermeintlich v o n B deponierte Sache zurückgibt; dann findet Eigentumsübergang mangels eines darauf gerichteten Willens nicht statt. R G . 81, 142.

§ 50.

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dem Gläubiger eine U r k u n d e a u s s t e l l t 1 1 6 ; er hat noch bei Ausstellung der U r k u n d e den W i l l e n gehabt, für die fremde Schuld sich zu verpflichten 1 1 7 . Noch weniger als bei Willenserklärungen k o m m t es bei sonstigen zum Tatbestand eines Rechtsgeschäfts gehörenden Handlungen darauf an, wie sich der Handelnde die Rechtswirkung seiner H a n d l u n g dachte; so w i r d z. B . die Verpfändimg einer Forderung durch die Anzeige, § 1280, wirksam, auch wenn der Gläubiger irrtümlicherweise annahm, daß die Verpfändung bereits durch die Einigung perfekt geworden sei 1 1 8 . Das Gesetz begnügt sich n i c h t d a m i t , die v o n den Parteien als gewollt bezeichnete Rechtswirkung anzuerkennen, sondern ergänzt die gewöhnlich auf einzelne H a u p t p u n k t e 1 1 9 beschränkten Festsetzungen der Parteien. Sobald v o n den Parteien ein rechtlicher Erfolg als gewollt bezeichnet ist, liegt ein Rechtsgeschäft vor u n d damit ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien. Die nähere Ausgestaltung dieses Rechtsverhältnisses ü b e r n i m m t das Gesetz 1 2 0 teils durch allgemeine Regeln für sämtliche Rechtsgeschäfte, teils durch spezielle Vorschriften für die einzelnen nach der typischen Parteiabsicht geordneten Geschäftsarten. Aus dem Gesetz u n d der Ergänzung desselben durch Treu u n d Glauben m i t Rücksicht auf die Verkehrssitte, §§ 157, 242, ergeben sich für die verschiedensten von den Parteien n i c h t vorgesehenen U m stände und Ereignisse, die i n das Rechtsverhältnis eingreifen, Rechts Wirkungen, die m a n als gesetzliche W i r k u n g e n 1 2 1 des Rechtsgeschäfts zu bezeichnen pflegt. Sie sind mittelbare W i r kungen des Rechtsgeschäftes: sie ergeben sich k r a f t Gesetzes aus dem durch den Parteiwillen hergestellten Rechtsverhältnis. W e n n z. B. die Parteien erklärt haben, die Ehe miteinander eingehen zu wollen, so ist die Gesamtheit ihrer persönlichen, güterrechtlichen und erbrechtlichen Beziehungen dadurch geregelt, daß die Vorschriften des Gesetzes über Ehegatten auf sie zur Anwendung 116

Vgl. unt. § 63. Dagegen k a n n ein vermeintlich gültiges Geschäft nicht bestätigt werden, weil der Bestätigungswille den Glauben an die U n g ü l t i g k e i t voraussetzt, vgl. unt. § 56 Note 86. 118 Vgl. ob. § 48 N o t e 99. 119 Vgl. unt. § 52 I I 1. 120 Vgl. Bd. I S. 25. 121 Z i t e l m a n n , I r r t u m 258; E n n e c c e r u s , Rechtsgeschäft § 14. Man kann auch m i t H e n 1 e , Vorstellungstheorie 295 v o n „Rechtsfolgen zweiter Ordnung" sprechen. R G . 82, 354. 117

1 *

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kommen. Ebenso entsteht durch den Ehevertrag das v o n den Parteien gewollte Rechtsverhältnis der Gütergemeinschaft; aus diesem ergeben sich, als mittelbare Wirkungen des Ehevertrags, die v o m Gesetz angeordneten Rechtsfolgen für das vorhandene u n d später erworbene Vermögen u n d die darauf bezüglichen H a n d lungen der Ehegatten. Mittelbare Geschäftswirkungen hegen auch dann vor, wenn m i t einem durch Rechtsgeschäft erworbenen Recht der E i n t r i t t i n m i t t e l b a r zuständige Rechte u n d Pfhchten 1 2 2 verbunden ist, z. B . m i t dem Grundeigentum die Rechte des § 96, m i t dem E i g e n t u m am Inhaberpapier die darin beurkundete Forderung 1 2 3 , m i t dem Nießbrauch oder Pfandrecht die daraus erwachsenden Pfhchten. Die gesetzlichen W i r k u n g e n des Rechtsgeschäftes treten meistens als Nebenwirkungen dem v o n den Parteien gewollten Rechtserfolg zur Seite; so entstehen z. B . beim K a u f neben den aus der Verabredung über die Sache u n d Preis sich ergebenden Hauptverpflichtungen, Rechtswirkungen für den Fall, daß die Sache untergeht, oder nicht dem Verkäufer gehört, oder m i t Mängeln behaftet ist, oder daß einer der Kontrahenten i n Verzug k o m m t . So verleiht das Gesetz gewissen Gläubigern zur Sicherung der durch ihren W i l l e n begründeten Forderung ein ohne ihren W i l l e n entstehendes Pfandrecht. Bisweilen w i r d der v o n den Parteien gewollte Erfolg durch Eingreifen des Gesetzes i n anderer Weise erreicht, als sie es beabsichtigen: wer eine fremde Schuld erfüllt, w i l l die Forderung des Gläubigers beseitigen; i n gewissen Fällen bestimmt das Gesetz 1 2 4 , daß die Zahlung nicht den Untergang der Forderung, sondern ihren Übergang auf den Zahlenden bewirken soll, wodurch dieser ein Regreßrecht oder eine bessere Sicherung seines schon bestehenden Regreßrechtes erlangt 1 2 6 . E n d l i c h k o m m t es vor, daß anstelle der gewollten, aber n i c h t erreichbaren W i r k u n g e n eines Rechtsgeschäftes gesetzliche W i r k u n g e n anderen I n h a l t s eintreten: nichtige Rechtsgeschäfte werden konvertiert, § 140 1 2 6 ; aus einem Vertrag auf unmöglicher 122

Vgl. ob. § 2 I V . § 4 I V . Die mittelbare W i r k u n g der Übertragung des Inhaberpapiers ist nicht Übertragung, sondern Neuerstehung einer dem I n h a l t des Papiers entsprechenden Forderimg, vgl. ob. § 44 Note 53. 124 §§ 268, 426 I I , 774 I , 1143, 1164, 1225. 125 Vgl. ob. Bd. I S. 280. 126 Die ratio der Konversion besteht darin, daß es den Parteien mehr auf den wirtschaftlichen Erfolg als auf die zur Erreichung desselben gewählte Rechtsform anzukommen pflegt. 123

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

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Leistung entsteht die Pflicht zum Ersatz des negativen Interesses, § 307; aus der Zahlung erwächst bei Fehlen der zu zahlenden Schuld die condictio indebiti 1 2 7 . Die gesetzlichen Folgen des Rechtsgeschäftes sind zum Teil zwingenden Rechts (wer den K e r n eines Rechtsgeschäftes will, muß gewisse Nebenfolgen m i t i n den K a u f nehmen 1 2 8 ) , meistens aber nachgiebigen Rechtes: die Parteien können für die v o m Gesetz vorgesehenen Fälle abweichend v o m Gesetz beliebige Rechtsfolgen anordnen. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß das nachgiebige Recht auf dem, stillschweigend geäußerten, W i l l e n der Parteien beruht 1 2 9 : wenn die gesetzlichen W i r k u n g e n des Rechtsgeschäfts nicht durch Parteibestimmung ausgeschlossen sind, so treten sie ein, auch wenn sie den Parteien unbekannt waren oder ihren Absichten n i c h t entsprechen 1 3 0 . D a der Parteiwille als K e r n des Rechtsgeschäftes erscheint 1 3 1 , werden dessen gesetzliche W i r k u n g e n i n einigen Beziehungen nicht als Wirkungen des Rechtsgeschäftes behandelt, obgleich sie logisch betrachtet das Rechtsgeschäft i n Verbindung m i t den 127

Vgl. unt. § 55 Note 20. Zwingend ist z. B . der E i n t r i t t des Vermögensübernehmers i n die Verbindlichkeiten seines Vorgängers, § 419 I I I . 129 Die Gewohnheit der römischen Juristen, gesetzliche Rechtswirkungen auf eine tacita conventio zurückzuführen, w i r k t auch heute noch i n der Rechtsprechung nach; bisweilen auch i n der D o k t r i n ; so erklärt z. B . D a n z , JheringsJ. 54, 16 fg. das Pfandrecht des Vermieters als gewollte W i r k u n g des Rechtsgeschäfts; der Abschluß der Miete sei so zu deuten, als habe der Mieter erklärt, daß er die einzubringenden Sachen verpfände; auch den Übergang der Forderung auf den zahlenden Bürgen f ü h r t D a n z S. 75 auf den Bürgschaftsvertrag zurück: i n der Übernahme der Bürgschaft solle die E r k l ä r i m g des Bürgen liegen, daß er i m F a l l der Zahlung die Forderung gegen den Hauptschuldner erwerben wolle. Gegen solche Fiktionen eines oft nicht vorhandenen Willens H e l l w i g , Lehrb. § 89 Anm. 27; M ü l l e r - E r z b a c h , ArchZivPr. 106, 356; S i b e r , K r i t VJSchr. 49, 47; auch D a n z , Auslegung 88 fg. Vgl. unt. § 54 Note 199. 130 So erlöschen z. B. beim Pfandverkauf alle Pfandrechte an der Sache auch dann, wenn der Käufer glaubt, daß ein dem verkaufenden Gläubiger vorgehendes Pfandrecht bestehen bleibt. Haben beide Parteien übereinstimmend eine irrige Ansicht über die gesetzlichen Folgen ihres Rechtsgeschäftes, so liegt darin keine Vereinbarimg der vermeintlich eintretenden Rechtsfolge ; was die Parteien als ipso iure eintretend betrachteten, haben sie eben deswegen nicht durch ihren W i l l e n herbeiführen wollen, vgl. OLG. 22, 212. 131 Vgl. ob. Note 22. 128

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Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

hinzutretenden Vorschriften des Gesetzes zur Ursache haben 1 3 2 . So werden gewisse gesetzliche W i r k u n g e n i m Sinne von A r t . 170 n i c h t zum „ S c h u l d v e r h ä l t n i s " gerechnet u n d daher n i c h t dem bisherigen Recht unterworfen 1 3 3 . Ferner ist, wo das Gesetz v o n einem „ E r w e r b durch Rechtsgeschäft" spricht, zweifelhaft, ob darunter auch der Erwerb zu verstehen ist, welcher sich als gesetzliche W i r k u n g eines Rechtsgeschäftes darstellt. Dabei k o m m t es meines Erachtens auf die Auslegung der einzelnen Gesetzesstellen a n : i n § 892 ist gemeint ein Rechtsgeschäft, welches den Erwerb eines Rechtes zum unmittelbaren I n h a l t hat, so daß der i m Grundbuchverkehr zum präzisen Ausdruck kommende Parteiwille auf dieses Recht gerichtet ist. Daher k o m m t § 892 n i c h t zur Anwendung bei einer auf Rechtsgeschäft (Testament, Erbvertrag, Eheschließung, Ehevertrag, Ausscheiden eines Gesellschafters usw.) beruhenden Gesamtnachfolge 1 3 4 ; denn die unmittelbare W i r k u n g des Rechtsgeschäftes ist ein Rechtsverhältnis (Erbrecht, ehemännliches Verwaltungsrecht, A n t e i l an einem Gesamthandsvermögen), welches ein ganzes Vermögen zum Gegenstand hat u n d aus welchem sich m i t t e l b a r Beziehungen zu den diesem Vermögen angehörenden Grundstücken ergeben 1 3 5 . Erwerb durch Rechtsgeschäft i m Sinne v o n § 892 w i r d auch dann nicht angenommen, wenn bei Zahlung einer fremden Schuld die Forderung m i t einer H y p o t h e k auf den Zahlenden übergeht 1 3 6 , oder wenn der Eigentümer die H y p o t h e k infolge Verzichts des Gläubigers erwirbt, § 1168 1 3 7 . Extensiver, als i m § 892, ist meines Erachtens der Ausdruck „ E r werb durch Rechtsgeschäft" bei der Surrogation des Familien u n d Erbrechts, §§ 1370, 2019, 2041, 2111, auszulegen: wenn z. B. die Ehefrau eine fremde Schuld zahlt, für welche ihr Vorbehaltsgrundstück hypothekarisch haftet, so muß die nach § 1143 auf sie 132

Eine ähnliche, auf der Auffassung des praktischen Lebens beruhende W e r t u n g der Kausalität haben w i r bei der juristischen Begrenzung des Kausalzusammenhangs u n d bei der Unterscheidung zwischen Bedingungen u n d Ursachen einer Rechtswirkimg kennen gelernt, vgl. ob. § 43 N . 60, 64. 133 Vgl. Bd. I S. 19. 134 Vgl. ob. § 46 Note 11. 135 Vgl. ob. § 5 N o t e 23; § 18 V I ; § 20 V I I I . 138 P l a n c k , Erl. I I 1 d zu § 892. 137 Der Erwerb des Eigentümers ist eine gesetzliche Reflex Wirkung des Verzichts des Gläubigers; a. A. S i b e r , Buchrechtsgeschäfte 50. Dasselbe Resultat, Übergang der H y p o t h e k auf den Eigentümer, kann „ d u r c h Rechtsgeschäft" erreicht werden, indem der Gläubiger die H y p o t h e k a b t r i t t ; dann güt § 892.

§ 50.

B e g r i f f des R e c h t s g e s c h ä f t s .

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übergehende Forderung u n d H y p o t h e k nach § 1370 dem Vorbehaltsgut zufallen, obgleich diese Rechte eine ungewollte gesetzliche Folge des Zahlungsgeschäfts sind. Ebenso liegen meines E r achtens ein ,,Erwerb durch Rechtsgeschäft m i t M i t t e l n der E r b schaft", § 2019, vor, wenn der Erbschaftsbesitzer eine vermeintlich bestehende Nachlaßschuld m i t Nachlaßgeld zahlt 1 3 8 u n d dadurch eine condictio indebiti erwirbt 1 3 9 . Die W i r k u n g e n des Rechtsgeschäfts betreffen i n der Regel den Rechtskreis der a k t i v oder passiv (durch Abgabe oder E m p f a n g der Willenserklärung) am Rechtsgeschäft beteiligten Personen. Ausnahmsweise hat ein Rechtsgeschäft W i r k u n g e n i m Rechtskreis d r i t t e r Personen. Diese W i r k u n g e n können auf dem W i l l e n der handelnden Personen beruhen; so z. B . bei der Stellvertretung, beim Vertrag zugunsten D r i t t e r oder bei der Bestimmung, die jemand nach §§ 315, 2154, 2193 i n bezug auf ein fremdes Rechtsgeschäft zu treffen berechtigt i s t 1 4 0 , W e n n ein Rechtsgeschäft die Rechtslage d r i t t e r Personen beeinflußt, ohne daß diese W i r k u n g aus dem W i l l e n der handelnden Person hervorgeht, so spricht man von einer Reflexwirkung des Rechtsgeschäfts 1 4 1 . Solche Reflexwirkungen können günstiger 1 4 2 oder nachteiliger 1 4 3 N a t u r sein. Sie haben stets zur Voraussetzung eine rechtliche Beziehung 138

P l a n c k § 2019, 5; B e y e r , Surrogation 141. Die aus gemeinschaftlichem Vertrag entstehende Solidarität, § 427, erstreckt sich auf die gesetzlichen Nebenfolgen des Vertrags, z. B. auf die Verpflichtungen aus Wandelung u n d Minderung; zweifelhaft, ob auch auf die Rückforderung bei Nichtigkeit oder infolge v o n Anfechtung des Vertrags, O e r t m a n n § 427, 2. 140 Die Vornahme einer solchen Bestimmimg hat alle Merkmale eines Rechtsgeschäftes; sie erfolgt meistens i n vollem Bewußtsein der Rechtsfolge. Wenn D e r n b u r g I I § 87 112 die Bestimmung des § 315 aus dem Gebiet der Rechtsgeschäfte ausschließt, weil der Bestimmende a m Geschäft nicht beteiligt ist, so könnte m a n m i t demselben Recht den Verträgen des Stellvertreters den rechtsgeschäftlichen Charakter absprechen. 141 Vgl. ob. § 43 Note 42. 142 Durch die Leistung des Schuldners einer m i t Nießbrauch oder Pfandrecht belasteten Forderung entsteht am geleisteten Gegenstand Nießbrauch oder Pfandrecht, § 1075, 1287. I m Sinne v o n §§ 892 sind diese Rechte nicht ,,durch Rechtsgeschäft erworben", vgl. W o l f f , Sachenrecht § 45 I 3 b. 143 W i r d die vorbehaltene H y p o t h e k eingetragen, so t r i t t die bestehende H y p o t h e k zurück, § 881. Verzichtet eine v o n mehreren an einem Vertrag beteiligten Personen auf ein Rücktrittsrecht, so erlischt es auch für die übrigen, § 356, vgl. ferner unt. § 54 Note 64. 139

Drittes Buch.

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D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

zwischen den Parteien u n d dem v o n der Reflexwirkung betroffenen D r i t t e n . F e h l t es an einer solchen Beziehung, so kann ein Rechtsgeschäft zwischen A u n d B zwar die Interessen des X schädigen 1 4 4 , aber n i c h t seine Rechtslage verändern. V I . Aus der richtigen Beobachtung, daß die Nebenfolgen des Rechtsgeschäftes n i c h t auf den W i l l e n der Parteien zurückzuführen sind u n d daß, wie oben dargelegt, die Parteien oft eine undeutliche Vorstellung über die juristische Subsumption ihrer Willenserklärung haben, w i r d vielfach gefolgert 1 4 5 , daß das Wollen der Rechtswirkung zum Begriff des Rechtsgeschäftes nicht wesentlich sei; anstelle der rechtlichen Absicht soll eine wirtschaftliche oder soziale Absicht genügen 1 4 6 ; wenn die Parteien einen t a t sächlichen Erfolg als gewollt erklären, so verleihe das Gesetz dieser E r k l ä r u n g die, n i c h t notwendig gewollte, rechtliche W i r kung. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen 1 4 7 , daß der auf bes t i m m t e Rechtswirkung gerichtete W i l l e bei zahlreichen Rechtsgeschäften m i t voller Schärfe h e r v o r t r i t t , so bei den oben erwähnten formellen Geschäften; oder z. B . i n § 2255: eine vorsätzliche Vern i c h t u n g der Testamentsurkunde ist nur dann Widerruf, wenn sie i n der Absicht geschieht, das Testament aufzuheben; ebenso muß bei der Dereliktion, § 959, der Eigentümer ,,die Absicht haben, auf das E i g e n t u m zu v e r z i c h t e n " ; nur durch diese Absicht unterscheidet sich die Dereliktion v o n der Aufgabe des Besitzes 1 4 8 ; der Unterschied beider Willensrichtungen w i r d auch dem Laien unschwer zum Bewußtsein kommen. Besonders deutlich mani144

Faktische Reflexwirkung, vgl. ob. § 43 Note 43. L e n e 1 , JheringsJ. 19, 154 fg. ; K r i t V J S c h r . 42, 571; S c h 1 o ß ; m a n n , GrünhutsZ. 7, 569 fg. u n d Stellvertretung I 273; E h r l i c h , Stülschweigende Willenserklärung 82 fg. ; I s a y , Wülenserklärung 82 fg. ; C o s a c k § 5 1 I l d ; D a n z , Auslegung 6 fg. ; M a n i g k , Rechtsgeschäfte 80 (vgl. aber Willenserklärung § 153). 146 R e c h m a n n , K a u f I I 10 fg. bezeichnet die Willensrichtung der Partei als „empirische A b s i c h t " . 147 W i n d s c h e i d § 69 Note l a ; R e g e l s b e r g e r § 135 I I I ; Z i t e l m a n n , Rechtsgeschäfte I 95; D e r n b u r g § 107 I I 2; E n d e m a n n § 60, 3 b ; E n n e c c e r u s § 136 I I A 1 ; E i t z b a c h e r , Handlungsfähigkeit 149; R o s e n b e r g , Stellvertretung 43; W e d e m e y e r , Obligatorischer Vertrag 48; J a c o b i , Theorie der Willenserklärung 17; H e n 1 e , Vorstellungstheorie 266 fg. ; B i e r m a n n § 44, 1; O e r t m a n n , Vorb. 3 c vor § 116; K o m m e n t , des R G . , Vorb. 1 vor § 116. 148 Dagegen verlangt das Gesetz bei der Aneignung, § 958, nichts weiter, als Erwerb des Eigenbesitzes; eine auf den Erwerb des Eigentums 145

§ 50.

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testiert sich die rechtliche Absicht bei den fiduziarischen Verfügungen, weil die rechtliche Tragweite solcher Zuwendungen über ihren wirtschaftlichen Zweck hinausgeht. I m Gegensatz zu solchen Geschäften m i t ausgeprägter juristischer Absicht der Parteien k o m m t es oft vor, daß der wirtschaftliche Erfolg i n der Vorstellung u n d daher i m W i l l e n der Parteien i m Vordergrund steht, daß z. B . beim depositum irfegulare, § 700, der Empfänger oft nur daran denken wird, daß er das Geld n i c h t aufzubewahren brauche, sondern nach Belieben verwenden dürfe, ohne daß i h m dabei bewußt ist, daß er Eigentümer der Geldstücke wird. Aber daraus folgt nicht, daß der erstrebte wirtschaftliche Erfolg n i c h t als rechtlicher Erfolg gewollt ist 1 4 9 . Die allgemeine, wenn auch unpräzise Vorstellung der Herbeiführung v o n Rechtsfolgen 1 5 0 , der Herstellung einer rechtlichen Bindung, w i r d i n allen zum Gebiet der Rechtsgeschäfte gehörenden Fällen konstatierbar sein 1 5 1 . Eine weitergehende Spezialisierung des auf Rechtsfolgen gerichteten Parteiwillens w i r d v o n der herrschenden Meinung zum Begriff des Rechtsgeschäftes n i c h t verlangt 1 5 2 . Daher stehen sich beide Theorien, sobald ihre Anwendung auf einzelne Fälle i n Betracht k o m m t , n i c h t so fern, als es v o n den beiden Ausgangspunkten aus erscheinen mag. E i n wenig präzisierter Rechtsfolgewille k o m m t der ,,wirtschaftlichen A b s i c h t " so nahe, daß m a n bisweilen n i c h t entscheiden kann, ob der Partei wille die eine oder die andere Begerichtete Absicht ist nicht erfordert; daher ist die Aneignung nicht zu den Rechtsgeschäften zu zählen, P l a n c k § 958, 2; G i e r k e I I § 132 Note 13; W o l f f , Sachenrecht § 78 Note 13; vgl. unt. Note 172. 149 Es ist meines Erachtens nicht richtig, daß der Dieb denselben Aneignungswillen wie der Käufer hat, wie D a n z a. a. O. S. 9 Note 2 behauptet. 1 6 0 L o t m a r , Arbeitsvertrag I 7 7 4 ; R u n d s t e i n , Tarifverträge 48. 151 Wenn D a n z S. 10 sagt: ,,Der Mensch weiß, daß jedermann, der i h m etwas zu leisten versprochen hat, dies Versprechen auch regelmäßig erfüllt. Davon, daß — wie w i r Juristen es sehen — m i t Abgabe des Versprechens auf der einen Seite ein Recht, auf der anderen eine rechtliche Verpflichtung emporschießt, haben die Laien keine A h n u n g " , so unterschätzt er Rechtskenntnis u n d Rechtsgefühl der Laien u n d vergißt, daß die Grundbegriffe des Rechtes nicht aus der Theorie der Juristen, sondern aus den Anschauungen des Volkes hervorgegangen sind. W e n n der Schuldner nicht leistet, so w i r d der Gläubiger, selbst als Laie, sich nicht nur i n einer E r w a r t u n g getäuscht, sondern i n seinem Rechte gekränkt fühlen; vgl. J a c o b i a. a. O. 18 fg. ; W a 1 s m a n n , Verzicht 152. 152

Vgl. z. B. R G . 64, 167; 69, 412.

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Drittes Buch.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Zeichnung verdient 1 5 3 . Daher k a n n auch die Grenze zwischen Rechtsgeschäften u n d „Rechtshandlungen" nicht scharf gezogen werden; diese Unsicherheit der Systematik hat aber keine praktischen Nachteile: denn je näher eine Rechtshandlung dem Typus des Rechtsgeschäfts steht, u m so mehr ist entsprechende Anwendung der Regeln des Rechtsgeschäfts geboten 1 5 4 . Eine i n diesem Sinne zu verstehende rechtliche Absicht (Vorstellung der Parteien, daß sie sich m i t ihrem Handeln auf rechtlichem Boden bewegen) ist aber erforderlich 1 5 6 , u m die Rechtsgeschäfte v o n anderen Vorgängen des Lebens zu unterscheiden. Es g i b t Willenserklärungen, die deshalb kein Rechtsgeschäft sind, weil den Parteien die Absicht der rechtlichen B i n d u n g fehlt 1 5 6 . Dabei ist n i c h t an Zusagen zu denken, welche vermöge ihres I n haltes außerhalb des Rechtsgebietes liegen, z. B. Einladungen zum Mittagessen, Zusagen der M i t w i r k u n g bei einer Liebhaberaufführung usw. Solche Versprechungen würden, auch wenn sie rechtlich verbindlich gemeint wären, der Rechtswirkung ermangeln, weil die versprochene H a n d l u n g nicht geeignet ist, Gegenstand eines Rechtsverhältnisses zu sein, oder, wie man auch sagen kann, weil das Interesse des Gläubigers keinen rechtlichen Schutz verdient 1 5 7 . Es ist vielmehr zu denken an die Zusagen v o n Leistungen, welche an sich Gegenstand einer Obligation sein können, es aber deswegen n i c h t sind, weil die Parteien das Versprechen n i c h t als rechtliches gewollt haben 1 5 8 . Das ist der Fall, 153 So soll z. B. nach Mot. I V 241 bei der Einwilligung des Mannes zu Geschäften der Frau, §§ 1399, 1405, ein Bewußtsein der Rechtsfolgen nicht i n Betracht kommen. Meines Erachtens ist ein solches Bewußtsein, wenn auch i n unpräziser Gestalt, vorhanden; denn der Ehemann w i r d zwar bisweilen die genaue Rechtsfolge seiner Einwilligung nicht kennen, immerhin aber das Bewußtsein haben, daß er den Geschäften der F r a u eine stärkere Geltung verschafft. Dagegen ist es bei der Einwilligung des Eigentümers zu einer Sachbeschädigung ( P l a n c k Erl. I I 3 zu § 823) genügend, daß der Wille auf den tatsächlichen Erfolg gerichtet ist: damit entfällt die Rechtswidrigkeit der Handlung, ohne daß der Einwilligende an die Rechtsfolge (Verlust des Ersatzanspruchs) zu denken braucht. 154 Vgl. ob. § 48 S. 112. 155 Beim Abschluß eines Schuld Vertrages k o m m t es nicht darauf an, daß der Schuldner leisten will, sondern darauf, daß er sich zur Leistung verpflichten will. 156 O L G . 22, 245. 157 E n n e c c e r u s § 225 I I 2; vgl. ob. Note 5. 158 R G . 68, 325: „ W e r ein Darlehen zusagt m i t dem ausdrücklichen Beifügen, daß er es ablehne, sich rechtlich zu binden, die Erfüllung viel-

§ 5.

B e i

des R e c h t s g e s c h ä f t s .

171

wenn die Parteien ihre Verabredung ausdrücklich auf einen anderen als den rechtlichen Boden stellen 1 5 9 : eine Zusage w i r d z. B . eidlich oder ehrenwörtlich erteilt 1 6 0 i n dem Sinne, daß eine rechtliche Verpflichtung n i c h t entstehen soll; oder der Erblasser schreibt i n seinem letzten W i l l e n ,,dieses Schriftstück soll n i c h t als Testament gelten" u n d überläßt d a m i t die E r f ü l l u n g seiner Wünsche der fides des Erben. Der Ausschluß der rechtlichen B i n d u n g k a n n auch dadurch erreicht werden, daß eine für die Rechtswirkung erforderliche F o r m absichtlich n i c h t beobachtet w i r d : der Erblasser unterläßt absichtlich die Datierung des Testamentes, d a m i t den Bedachten keine Rechte gegen den Erben erwachsen; dei Bürge verpflichtet sich mündlich, weil er n u r moralisch gebunden sein will. Auch die Verbindlichkeit künftiger Erklärungen k a n n i m Voraus, durch einseitige Erklärung, ausgeschlossen werden: A k a n n z. B. dem B mitteilen, daß i n den zwischen ihnen bevorstehenden Verhandlungen seine Erklärungen nur dann verbindlich sein sollen, wenn sie notariell abgefaßt sind, oder wenn sie v o n einem Prokuristen mitunterzeichnet sind. Das Fehlen einer auf Rechtswirkung gerichteten Absicht k a n n sich aber auch, ohne ausgesprochen zu sein, aus den Umständen ergeben 1 G 1 . Das k o m m t z. B. häufig vor bei der Zusage eines Darlehens, einer Leihe oder einer Verwahrung unter Freunden u n d Bekannten 1 6 2 . Es ist hier mehr seinem freien Belieben vorbehalten wolle, der gibt eine rechtsgeschäftliche Erklärung überhaupt nicht ab. Eine Willenserklärung mag auch hier vorliegen: der Erklärende kann die feste Absicht haben, die unverbindliche Zusage zu erfüllen, u n d i n dem anderen Teil mag das Vertrauen auf das W o r t des Erklärenden die sichere E r w a r t u n g der Erfüllung hervorrufen. E i n Rechtsverhältnis aber w i r d durch eine solche E r k l ä r u n g nicht begründet." 159 I n diesem Sinne w i r d oft ein verabredeter Ausschluß der Klagbarkeit eines Versprechens aufzufassen sein, vgl. R e i c h e l , JheringsJ. 59, 456. Ebenso ist der Erlaß der H a f t i m g für Vorsatz bisweilen bei richtiger Auslegung nicht als unwirksames pactum de dolo non praestando, § 276 I I , aufzufassen, sondern als Ausschluß der rechtlichen Verbindlichkeit der Zusage. Diese Auslegung w i r d dann a m Platze sein, wenn der Empfänger des Versprechens sich bewußt ist, daß er dem Versprechenden die Erfüllung oder Nichterfüllung des Versprechens freistellt, vgl. u n t . § 51 Note 27. 160 Die Verwendung von E i d u n d Ehrenwort zur Verstärkung einer rechtlichen Zusage ist unter Umständen verboten , StrGB. § 302 b, oder sittenwidrig, R G . 68, 231; 74, 338; 78, 259; 82, 222. 161 Beispiele bei R e i c h e l , Schuldmitübernahme 243. 162 S c h l o ß m a n n , JheringsJ. 45, 77. B o e h m e r , A r c h b ü r g R t .

172

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

n i c h t der Mangel der Ernstlichkeit, der die Rechts Wirkung ausschließt (denn die Zusage k a n n m i t dem festen Vorsatz der Erfüllung gegeben sein), sondern der selbstverständliche u n d daher nicht besonders geäußerte Wille, daß diese Zusage unter den Normen n i c h t des Rechtes, sondern der Freundschaft oder der sozialen Beziehungen stehen solle 1 6 3 . Es bleibt noch ein Bedenken gegen die hier vertretene sog. Rechtsfolgetheorie zu besprechen: wie verhält es sich, wenn die Parteien das Rechtsgeschäft wegen eines vermeintlichen Mangels für u n g ü l t i g hielten, während es tatsächlich den Vorschriften des Gesetzes entspricht ? Aus dem römischen Recht ist uns die Regel überliefert 1 6 4 : plus est i n re quam i n existimatione. Müßte die Regel so verstanden werden, daß das Geschäft wirksam ist, obgleich die Parteien es für ungültig hielten, so würde eine auf Rechtsw i r k u n g gerichtete Absicht n i c h t zum Wesen des Rechtsgeschäfts gehören. I n dieser vielbesprochenen Frage 1 6 5 ist meines Erachtens davon auszugehen, daß n i c h t der Wille, sondern die Willenserklärung auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet sein muß 1 6 6 , u n d demgemäß sind zwei Fälle zu unterscheiden: a) Der Erklärende h ä l t seine E r k l ä r u n g für unwirksam, während der Empfänger sie für wirksam hält, z. B. jemand kündigt, obgleich er kein Recht dazu zu haben glaubt, oder stellt einen Bürgschaftsschein aus i n der Meinung, daß man sich nur vor N o t a r verbürgen könne. I n solchen Fällen ist der rechtliche I n h a l t der E r k l ä r u n g v o m Erklärenden nicht gewollt: er wollte eine 38, 327. M i t feinem juristischen T a k t haben die Römer bei solchen Zusagen an der Stipulation festgehalten. Diese F o r m war bei ihrer Leichtigkeit dem Verkehr nicht hinderlich u n d doch aufs Beste geeignet, die rechtliche B i n d i m g den Parteien zum Bewußtsein zu bringen und nach Außen hervortreten zu lassen. 163 A u c h D a n z a , a. O. 148 spricht davon, daß die Parteien i n solchen Fällen „keine Verpflichtung übernehmen wollen". D a m i t ist meines Erachtens, i m Widerspruch zum prinzipiellen Standpunkt von D a n z , die Erheblichkeit des Rechtsfolgewülens für das Rechtsgeschäft anerkannt; denn wenn jemand zu erkennen gibt, daß er eine Verpflichtung übernehmen oder nicht übernehmen wül, so hat er einen auf Rechts Wirkung gerichteten W i l l e n geäußert. 164 fr. 9 § 4 de juris et f. ign. 22, 6; fr. 4 § 1 de man. vind. 40, 2. W i n d s c h e i d § 172 Note 9; E n n e c c e r u s , Rechtsgeschäft 39 fg. iss Y g i ¿ie L i t e r a t u r bei H e n 1 e , Vorstellungstheorie 301 fg., 419 fg. 166

Vgl. ob. Note 9.

§ 5.

B e i

des R e c h t s g e s c h ä f t s .

173

K ü n d i g u n g nicht herbeiführen, eine Bürgschafts Verpflichtung n i c h t eingehen, weil er diesen Erfolg m i t dem angewendeten M i t t e l n i c h t erreichen zu können glaubte. Die G ü l t i g k e i t seiner E r k l ä r u n g hängt aber davon ab, wie er sich die E i n w i r k u n g derselben auf andere Menschen vorstellte: wollte er, daß die E r k l ä r u n g für w i r k sam gehalten werde, so ist sie nach § 116 (Mentalreservation) gültig 1 6 7 ; rechnete er damit, daß die E r k l ä r u n g als ungültig betrachtet werde, so hat er, ohne es zu wollen, eine gültige E r k l ä r u n g abgegeben, die er nach § 119 anfechten k a n n 1 6 8 . b) W i r d die E r k l ä r u n g weder v o m Erklärenden noch v o m Empfänger für wirksam gehalten, so ist diese v o n beiden Parteien geteilte Meinung der Auslegung zugrunde zu legen. I s t das vermeintliche Hindernis der Gültigkeit so beschaffen, daß es durch spätere Ereignisse beseitigt werden kann, so ist trotz der vermeintlichen Unwirksamkeit des Geschäftes ein rechtsgeschäftlicher W i l l e möglich, so z. B . bei Verfügung über fremdes Recht oder bei einem Vertrag m i t einem Minderjährigen; wenn die Rechtswirkung, welche die Parteien erst durch eine Genehmigung, §§ 185 I I , 108 I , zu erreichen hoffen, sofort e i n t r i t t , weil eine Genehmigung n i c h t n ö t i g ist, so entspricht sie dennoch ihrem W i l l e n ; denn der i m Rechtsgeschäft erstrebte Erfolg braucht n i c h t gerade auf dem Wege einzutreten, welchen die Parteien i n erster L i n i e i m Auge hatten. Fehlt es den Parteien an diesem Seitenblick auf mögliche Konvaleszenz ihres Geschäftes, so ist keine Rechtsfolgeabsicht vorhanden, daher auch keine Rechtswirkung 1 6 9 . Treffen z. B . die Parteien eine mündliche Verabredung, die sie für unverbindlich halten, weil sie glauben, daß Schriftform vorgeschrieben ist, so sind sie nicht gebunden, wenn sich herausstellt, daß keine Schriftform nötig ist. Denn nach sachgemäßer Auslegung wollten 167

Vgl. unt. § 66 I . Auch ein eigenhändiges Testament, welches ein Erblasser i n der Meinung, daß nur öffentliche Testamente gültig seien, errichtet hat, ist wirksam, weil es eine den Formen des Gesetzes entsprechende Willenserklärung des Erblassers enthält, kann aber nach § 2078 I angefochten werden, weü der Erblasser über den I n h a l t seiner E r k l ä r u n g i m I r r t u m war, d. h. die Erklärung als eine für den Erben nicht rechtlich verbindliche auffasste, P l a n c k § 2231, 11 5. 169 R G . 68, 325: „ S i n d sich die Parteien der N i c h t i g k e i t ihrer Verabredung bewußt, dann darf u n d muß ohne weiteres die zum Begriff des Rechtsgeschäftes, auch des nichtigen, erforderliche R i c h t i m g des Willens auf Hervorrufung einer Rechtswirkimg als ausgeschlossen gelten." RG. 79, 214. Vgl. ob. § 48 Note 15. 168

174

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

sie die B i n d u n g n i c h t u n d es fehlt jeder Grund, sie ihnen ungewollt aufzuerlegen. Dasselbe g i l t v o n Verfügungen , die i m beiderseitigen Glauben an ihre U n g ü l t i g k e i t u n d ohne Aussicht auf Konvaleszenz vorgenommen werden. W e n n z. B . der Dieb die Sache dem Hehler übergibt, so können beide n i c h t die Absicht der Eigentumsübertragung haben, weil sie m i t der Möglichkeit einer Konvaleszenz durch Genehmigung oder späteren Erwerb des Eigentums, § 185 I I , n i c h t zu rechnen pflegen 1 7 ° . Stand die Sache i m Eigentum des vermeintlichen Diebes, so fehlt es an der objektiven Voraussetzung des Deliktes des Diebstahls u n d der Hehlerei; und der Käufer k a n n froh sein, durch glücklichen Zufall der Strafe zu entgehen. Zivilrechtiich ist aber der Tatbestand mangels eines rechtsgeschäftlichen Willens n i c h t als wirksames Rechtsgeschäft anzusehen: der vermeintliche Hehler erwirbt kein Eigentum 1 7 1 ; es liegt kein Grund vor, i h n besser zu stellen, als er selbst wollte und hoffen durfte. Anders verhält es sich aber bei der, nicht zu den Rechtsgeschäften zu rechnenden Aneignung, § 958 1 7 2 : wenn jemand eine vermeintlich verlorene, tatsächlich aber herrenlose Sache okkupiert, so glaubt er zwar nicht, Eigentum zu erwerben u n d k a n n es daher auch n i c h t wollen; trotzdem muß man i h m das E i g e n t u m zusprechen 1 7 3 , da das Gesetz bei der Okkupation n u r Eigenbesitz, u n d n i c h t den W i l l e n des Eigentumserwerbs verlangt. V I I . D a das Rechtsgeschäft auf dem W i l l e n der an i h m beteiligten Personen beruht, k a n n es grundsätzlich durch den W i l l e n dieser Personen aufgehoben werden 1 7 4 . Wenn man v o n Aufhebung eines Rechtsgeschäftes spricht, z. B. v o n Aufhebung der A d o p t i o n , § 1770, des Erbvertrages, § 2290, des Ehevertrages, 170 A. A . M a n i g k , Willenserklärung 545, der dem Erwerber, selbst wenn er den Eigentumserwerb für unmöglich hält, einen animus dominii acquirendi zuschreibt. 171 A u c h keinen Anspruch auf Erwerb des Eigentums; denn der Kaufvertrag ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig, § 138. Jedoch braucht der Käufer die Sache nach § 817 dem Veräußerer nicht zurückzugeben u n d genießt den Besitzschutz. 172 Vgl. ob. Note 148. 173 Dies Resultat ist innerlich wenig gerechtfertigt. Allerdings kann m a n sagen, daß kein Grund vorliegt, dem Okkupanten, selbst wenn er seinen Eigentumserwerb für ausgeschlossen hielt, die herrenlose Sache vorzuenthalten. 174 Über Aufhebung eines Rechtsgeschäfts durch Ausübung eines negativen Rechts vgl. Bd. I § 10.

§ 5.

B e i

des R e c h t s g e s c h ä f t s .

175

eines K a u f - oder Mietvertrages, so ist darunter zu verstehen die Beseitigung n i c h t des Rechtsgeschäfts 1 7 5 , sondern aller aus dem Rechtsgeschäft hervorgegangenen Rechtswirkungen i n ihrer Gesamtheit 1 7 6 . V o n der Aufhebung des Rechtsgeschäftes i n diesem Sinne ist zu unterscheiden die Aufhebung einzelner durch das Rechtsgeschäft begründeter Rechte, welche oft durch den alleinigen W i l l e n des Berechtigten erfolgen kann, Verzicht 1 7 7 . Der Vertrag, d. h. das auf dem Vertrag beruhende Rechtsverhältnis der Parteien k a n n i n der Regel durch Verabredung der Parteien, contrarius consensus, aufgehoben werden 1 7 8 . Eine Ausnahme bildet die E h e : sie w i r d durch Rechtsgeschäft geschlossen, aber nur durch U r t e i l aufgelöst, § 1564. Die Vertragsparteien können die Möglichkeit, ihren Vertrag aufzuheben, weder ausschließen noch erschweren 1 7 9 ; das wäre eine Beschränk u n g ihrer auf Gesetz beruhenden Geschäftsfähigkeit 1 8 0 . Die vertragsmäßige Aufhebung w i r k t ex nunc 1 8 1 ; sie zerstört, wie der einseitige R ü c k t r i t t , § 346 fg., die aus dem Rechtsverhältnisse erwachsenen Rechte u n d Pflichten u n d begründet zugleich neue Verpflichtungen zur Rückgabe der bereits vorgenommenen L e i s t u n g e n 1 8 2 . V o n Aufhebung einer Verfügung k a n n n u r dann die Rede sein, wenn aus der Verfügung eine Rechtsbeziehung zweier Personen entstanden i s t ; so k a n n m a n z. B . von der Aufhebung einer Verpfändung sprechen oder eines Vertrages, durch welchen ein sonstiges dingliches Recht an fremder Sache begründet w i r d ; denn es besteht ein Rechtsverhältnis 176

Vgl. ob. Note 3. K l e i n , Vertragl. Änderung des Inhalts 51. Unbeschadet der Rechte, welche aus dem Rechtsgeschäft für dritte Personen entstanden sind. I s t das Recht durch Vertrag zugunsten des D r i t t e n entstanden, so können sich die Kontrahenten die Aufhebung vorbehalten, § 328 I I . 177 Vgl. ob. § 7 Note 6 a . 178 Vgl. Bd. I § 5 Note 36. 179 So kann z. B. ein Ehevertrag nicht m i t der Klausel geschlossen werden, daß der Vertrag gar n i c h t oder nur m i t Zustimmung einer d r i t t e n Person geändert werden könne. Ebenso k a n n i n einem Beschluß die Aufhebung durch späteren Beschluß nicht erschwert werden. Das k a n n beim Verein nur durch Satzungsänderung geschehen, vgl. ob. § 35 S. 500. 180 Vgl. unt. § 59 Note — . 181 Vgl. ob. § 43 S. 28. 182 E c c i u s , Gruchot 53, 311. W e n n die Aufhebung eine Verpflichtimg zur Übertragung von Grundeigentum begründnt, unterliegt sie der F o r m des § 313. 176

176

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

zwischen dem Inhaber dieses Rechts u n d dem E i g e n t ü m e r 1 8 3 . Dagegen k a n n eine Verfügung, durch welche ein Recht (Eigentum, Forderung, Recht an immateriellem Objekt) übertragen wird, n i c h t aufgehoben, sondern nur durch eine neue Verfügung i m entgegengesetzten Sinn rückgängig gemacht werden. Denn die vollendete translative Verfügung hinterläßt zwischen dem Veräußerer u n d Erwerber keinerlei Rechtsverhältnis. Anders verhält es sich i n den Vorstadien der V e r f ü g u n g 1 8 4 , i n welchen die definitive W i r k u n g noch aussteht: die Auflassung kann, bevor die Eintragung erfolgt ist, durch Vertrag der Parteien aufgehoben werden; ebenso beim Eigentumserwerb an Mobilien die Einigung, bevor die Sache übergeben i s t ; denn i n diesen Vorstadien besteht ein den Übergang des Rechtes vorbereitendes u n d m i t dem Übergang erlöschendes Rechtsverhältnis zwischen dem Veräußerer u n d Erwerber 1 8 5 . Die Aufhebung eines einseitigen Rechtsgeschäfts durch den W i l l e n dessen, der es vorgenommen hat, nennt man Widerruf. Die meisten einseitigen Rechtsgeschäfte sind k r a f t Gesetzes unwiderruflich 1 8 6 ; i n einigen Fällen, §§ 168, 183, erlaubt das Gesetz dem Erklärenden , auf den Widerruf zu verzichten. Soweit eine solche Vorschrift nicht besteht, k a n n beim widerruflichen Geschäft der Widerruf durch den W i l l e n dessen, der das Geschäft v o r n i m m t , weder ausgeschlossen noch erschwert werden. Das g i l t insbesondere beim Testament 1 8 7 . V I I I . E i n Rechtsgeschäft k a n n wiederholt werden, indem ein bereits erklärter W i l l e nochmals, i n derselben oder i n einer neuen F o r m , erklärt wird. So k a n n z. B . eine mündliche K ü n d i g u n g nachträglich schriftlich abgegeben, ein mündlicher Vertrag schriftlich oder vor Gericht oder N o t a r geschlossen, eine Verfügung von Todes wegen i n einem zweiten Testament oder i n einem Erbvertrag vorgenommen werden. U n t e r Umständen ist es zweifelhaft, ob die zweite Äußerung als Willenserklärung zu gelten hat, so daß ein neues Rechtsgeschäft vorliegt, oder als Aussage über den I n h a l t des bereits vorgenommenen Rechtsgeschäfts. Diese Frage ist lebhaft bestritten bei nachträglicher Beurkundung formloser Verträge 1 8 8 . I s t die zweite Äußerung als Willenserklärung aufzu183 184 185 186 187 188

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Pla Vgl.

ob. § 45 I I 7. ob. § 43 S. 20. ob. § 5 Note 14. u n t . § 53 Note 77. n c k § 2253, 2. unt. § 63.

§ 51.

Parteiwille u n d

Gesetz.

177

fassen, so ist weiter zu fragen, ob das zweite Rechtsgeschäft neben dem ersten wirksam sein kann. Die W i r k s a m k e i t ist ausgeschlossen, wenn die beabsichtigte W i r k u n g bereits durch das erste Geschäft erreicht ist 1 8 9 . So ist z. B. eine wiederholte K ü n d i g u n g , wenn die erste K ü n d i g u n g gültig war, wirkungslos 1 9 0 . Ebenso wäre bei Wiederholung eines Vertragsschlusses zu entscheiden, wenn n i c h t die Parteien die Möglichkeit hätten, bei Abschluß des zweiten Vertrages den ersten aufzuheben. Daher k a n n die Beurkundung eines mündlichen Vertrages i n der Absicht u n d m i t der W i r k u n g vorgenommen werden, daß der mündliche Vertrag durch den schriftlichen ersetzt wird. Bei Verfügungen v o n Todeswegen ist die W i r k u n g auf den Todesfall hinausgeschoben 1 9 1 . Daher besteht kein Hindernis, eine Verfügung, die bereits getroffen ist, i n einem neuen Testament oder i n einem Erbvertrag nochmals anzuordnen 1 9 2 ; beide Verfügungen bestehen nebeneinander u n d kommen i m selben Momente zur W i r k s a m k e i t 1 9 3 .

§ 51.

Parteiwille und Gesetz»

I . Die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäft der beteiligten Personen ist nur innerhalb gewisser Grenzen zulässig 1 . Einige Rechtsverhältnisse sind der W i l l k ü r der Parteien gänzlich entzogen, so i m wesentlichen die persönlichen Beziehungen zwischen Ehegatten sowie zwischen E l t e r n u n d K i n d e r n . W o das Gesetz abändernde Bestimmung der Beteiligten überhaupt n i c h t zuläßt, k a n n m a n v o n absolut zwingendem Recht sprechen. Aber auch wo das Gesetz die rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung der Parteien prinzipiell walten läßt, hat es für Voraussetzungen u n d I n h a l t der Rechtsgeschäfte gewisse Schranken gezogen. Rechtssätze dieser A r t k a n n man, da sie n u r dann zur Anwendung k o m m e n wenn die Parteien durch Vornahme eines Rechtsgeschäfts Anlaß dazu geben, relativ zwingendes Recht nennen. Einige dieser Rechtssätze regeln die Gültigkeitserfordernisse v o n Rechtsge189

Vgl. ob. § 43 Xote 7. Vgl. ob. § 10 V. 191 Vgl. ob. I I 3. 192 Vgl. unt. § 56 Note. 193 Soweit Widerspruch vorliegt, geht ein jüngeres Testament d e m älteren vor, § 2258 I I , ein Erbvertrag jedem jüngeren oder älteren Testament, § 2289 I I . 1 Vgl. Bd. I S. 25. 190

Handbuch X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

12

178

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Schäften (z. B . Form, Zustimmung anderer Personen oder der Behörde), andere beziehen sich auf den I n h a l t und die W i r k u n g e n des Rechtsgeschäftes. Die Rechtssätze, welche die Erfordernisse v o n Rechtsgeschäften zwingend normieren, zerfallen i n Mußvorschriften u n d Sollvorschriften 2 . Die Beobachtung der Mußvorschriften ist Voraussetzung für die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts. Die Sollvorschriften haben instruktionellen Charakter 3 : sie begründen Verpflichtungen, deren Nichtbefolgung nicht Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts nach sich zieht, sondern andere Rechtsfolgen: Schadenersatz, eventuell disziplinäres Einschreiten gegen einen Beamten, der eine solche Vorschrift verletzt 4 . Die Mußvorschriften beschränken das Können, die Sollvorschriften das Dürfen der Beteiligten 5 . Der Gegenstand von Muß- und Sollvorschriften t r i t t deutlich hervor bei den Erfordernissen der Eheschließung 6 , bei der Pfandveräußerung 7 , bei der Stellung des Ehemanns zum eingebrachten G u t 8 u n d i n zahlreichen anderen Fällen 9 . D a der rechtsgeschäftliche W i l l e nur durch die Sanktion der Rechtsordnung wirksam wird, so können die Parteien nur solche Rechtswirkungen herbeiführen, die das Gesetz als zulässig anerkennt. Insbesondere k a n n die B i n d u n g des Willens durch Rechtsgeschäft 1 0 nicht weiter gehen, als das Gesetz es gestattet. E i n Vertrag k a n n z. B . nicht so geschlossen werden, daß die Möglichkeit der Aufhebung oder Änderung durch spätere Verabredung der Parteien wegbedungen w i r d 1 1 . Der Urheber eines 2

Vgl. B d . I Einl. Note 111. C r o m e § 20 Note 8 fg., B i e r m a n n § 27, 1. 4 Bisweilen k a n n die Vornahme eines Rechtsgeschäftes wegen bevorstehender Verletzung von Soll vor S c h r i f t e n verhindert werden, so z. B . eine gegen § 1234 verstoßende Pfand Veräußerung durch einstweilige Verfügung, P l a n c k § 1234, 3. 5 Vgl. Bd. I § 7 I . 6 Die Ehe ist nur i n den § 1323 genannten Fällen nichtig oder anfechtbar ; die übrigen i n § 1303 fg. aufgestellten Normen sind Soll Vorschriften. Darauf beruht die Unterscheidung v o n trennenden und aufschiebenden Ehehindernissen. 7 I n § 1243 sind die Vorschriften zusammengestellt, deren Befolgung Voraussetzimg der Rechtmäßigkeit der Pf and Veräußerung ist. 8 Vgl. §§ 1375, 1376 m i t § 1377. 9 Vgl. z. B . §§ 1735, 1756. 10 Vgl. ob. § 50 Note 7. 11 Vgl. ob. § 50 Note 179. 3

§ 51.

Partei wille u n d

Gesetz.

179

einseitigen widerruflichen Geschäfts k a n n sich nicht durch seine Erklärung der Möglichkeit des Widerrufs begeben 1 2 . I n zahlreichen Fällen hat das Gesetz für gewisse wirtschaftliche oder soziale Zwecke der Parteien feste T y p e n v o n Rechtsgeschäften 1 3 aufgestellt u n d m i t ganz oder zum Teil unabänderlichen Rechtsfolgen ausgestattet, so daß die Parteien vor der W a h l stehen, ob sie das Rechtsgeschäft m i t den gesetzlich statuierten Wirkungen vornehmen, oder v o n der Erreichung ihres Zweckes absehen wollen. So können z. B . die W i r k u n g e n der A d o p t i o n n u r soweit abgeändert werden, als es nach § 1767 erlaubt ist; so k a n n ein Vermächtnis nicht anders als m i t obligatorischer W i r k u n g errichtet werden, § 2 1 7 4 1 3 a . Das System der festen T y p e n ist i m Sachenrecht durchgeführt: es g i b t nur soviel aus dem E i g e n t u m abgeleitete Rechte, als i m Gesetz anerkannt sind 1 4 ; der I n h a l t dieser Rechte k a n n durch Verabredung n u r soweit modifiziert werden, als das Gesetz es erlaubt 1 5 . So g i b t es z. B . mangels gesetzlicher Sanktion keine Antichrese 1 6 , keine H y p o t h e k m i t Besitz des Gläubigers , kein durch Rechtsgeschäft begründetes dingliches Retentionsrecht 1 7 ; kein dingliches Vorkaufsrecht m i t anderem als dem gesetzlichen I n h a l t 1 8 ; keine Reallast, deren I n h a l t eine Unterlassung wäre 1 9 . Das Gesetz w i l l die Belastung 12 I m Testament ist die sog. clausula derogatoria unwirksam, P l a n c k § 2253, 2. Die Vollmacht k a n n nur dann unwiderruflich erteilt werden, wenn es dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis entspricht,

§ 168, 2. 13

B e k k e r § 97. i3a Einen Nacherben braucht der Erblasser nicht zu ernennen; ernennt er ihn aber, so k a n n er i h m die i n § 2136 genannten Rechte nicht entziehen, R G . 77, 178. 14 Numerus clausus der Sachenrechte, vgl. ob. § 6 Note 16; § 45 Note 37. K e i n numerus clausus besteht für konstitutive Abzweigungen aus Immaterialgüterrechten, vgl. ob. S. 67. 15 Vgl. z. B. § 1030 I I . 16 P l a n c k , Vorb. 2 g vor § 1113; D e r n b u r g I I I § 234 I I . 17 R G . 51, 86; 66, 25. 18 P l a n c k , Vorb. 3 vor §§ 1094 u n d 1098, 1. Insbesondere g i b t es kein dingliches Vorkaufsrecht für einen i m Voraus bestimmten Preis, W o l f f , Sachenrecht § 126 Note 32. 19 Vgl. über diese streitige Frage P 1 a n c k § 1105, 2 b ; L e h m a n n , Unterlassungspflicht 164; W o l f f , Sachenrecht § 127 1 2 . Die Reallast ist nach gesetzlicher Definition eine Belastung m i t wiederkehrenden Leistungen ; dazu gehören wiederkehrende, nicht aber dauernde Unterlassungen, vgl. Bd. I S. 104. Dauernde Unterlassungen können den I n h a l t von Grund12 *

Drittes B u .

180

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

des E i g e n t u m s n i c h t s c h r a n k e n l o s e r l a u b e n , d a m i t d i e R e c h t s m a c h t des E i g e n t ü m e r s n i c h t d u r c h A b z w e i g u n g v o n B e f u g n i s s e n wuchert werde

20

über-

.

E i n e w e i t größere Bewegungsfreiheit ist d e m P a r t e i w i l l e n

im

O b l i g a t i o n e n r e c h t g e w ä h r t : d i e v o m Gesetz a u f g e s t e l l t e n V e r t r a g s typen21 die

meist

haben keine exklusive unvollständige

Bedeutung22;

Parteiverabredung

sie d i e n e n

durch

dazu,

Festsetzung

v o n N e b e n w i r k u n g e n a u s z u g e s t a l t e n 2 3 , v g l . o b . S. 163.

In

Er-

g ä n z u n g u n d S p e z i a l i s i e r u n g des Gesetzes h a t d i e

Verkehrssitte,

den wirtschaftlichen Vorgängen u n d Bedürfnissen

entsprechend,

zahlreiche V e r t r a g s t y p e n geschaffen

24

.

A u c h g i b t es V e r t r ä g e ,

die i h r e m I n h a l t n a c h ganz oder teilweise mehreren V e r t r a g s t y p e n a n g e h ö r e n (sog. M i s c h v e r t r ä g e

25

) o d e r so s i n g u l ä r g e s t a l t e t s i n d ,

d a ß sie u n t e r k e i n e n V e r t r a g s t y p u s passen

26

.

I n n e r h a l b der prin-

dienstbarkeiten bilden, § 1018, deren Zulässigkeit von der utüitas fundi abhängt, § 1019. Diese Schranke k a n n nicht dadurch umgangen werden, daß eine Unterlassung z u m I n h a l t einer Reallast gemacht wird. 20 W e n n eine Belastung unzulässig ist, sind die Parteien zur Erreichung ihres wirtschaftlichen Zweckes auf den Weg der obligatorischen Verabredung angewiesen. 21 F ü r einseitige Rechtsgeschäfte gilt das Prinzip des festen Typus, C r o m e § 79 Note 15; B r e i t , Geschäftsfähigkeit 95. Ebenso für konstitutive Abzweigungen von Forderungen: zugelassen sind nur Nießbrauch u n d Pfandrecht an Forderungen, vgl. ob. § 45 Note 41. 22 D e r n b u r g I I § 78, 2; C r o m e § 210; E n n e c c e r u s } 176 I ; für Einschränkimg der Typenfreiheit E n d e m a n n § 156. I m römischen Recht war der Vertragstypus v o n weit größerer Bedeutung: entscheidend für die Klagbarkeit der Verabredung; v o n der allgemeinen F o r m Vorschrift (stipulatio) waren bestimmte Kontraktsarten (Real- u n d Konsensualkontrakte) ausgenommen. 23 Bisweilen hat der Gesetzgeber bei Aufstellung v o n Rechtssätzen für einen Vertragstypus nur die häufigsten Fälle i m Auge gehabt, so daß die angeordneten Rechtsfolgen nicht für alle unter die Definition der Vertragsart gehörenden Fälle passen, S c h r e i b e r , JheringsJ. 60, 151 fg. So ist z. B . das Recht des Werkvertrags auf materielle Werke berechnet u n d läßt sich nur schwer auf immaterielle Werke anwenden. 24 Z. B . der Verpflegungsvertrag, O L G . 22, 255; der Vertrag auf Lieferung elektrischer K r a f t , E n n e c c e r u s § 370 I 2 d ; der Inseratenvertrag, E l s t e r i m Börsenbl. f. d. Deutschen Buchhandel 1907; der Garantievertrag, E n n e c c e r u s § 417 I I . 25 Vgl. E n n e c c e r u s § 323; H o e n i g e r , Gemischte Verträge ; S c h r e i b e r , Jherings J. 60, 106 fg. 28 Beispiel: O L G . 22, 201. Solche Geschäfte haben keinen i m Gesetz anerkannten N a m e n ; natura conclitum est, u t plura sint negotia quam vocabula, fr. 4 D. 19, 5.

§ 51.

Parteiwille u n d

Gesetz.

181

zipiellen Typenfreiheit sind dem Parteiwillen bei der Ausgestaltung der Schuld Verhältnisse Schranken gezogen. Gewisse Verabredungen z. B. die i m Voraus getroffene Vereinbarung des Zinseszinses erk l ä r t das Gesetz für nichtig, § 248. Zahlreiche v o m Gesetz angeordnete Nebenwirkungen von Verträgen können durch die Partei nicht beseitigt werden, z. B. § 247 I 2; § 276 I I 2 7 ; § 619. Solche zwingende Vorschriften bezwecken meistens den Schutz der Partei, welche das Gesetz als die sozial oder wirtschaftlich schwächere 2 8 a n s i e h t 2 8 a . Andere zwingende Vorschriften geben der Partei die Möglichkeit, sich einer durch Änderung der Umstände unbillig gewordenen B i n d u n g zu entziehen: durch K ü n d i g u n g aus wichtigem Grunde beim Dienstvertrag. § 626, Auftrag, § 671, bei der Gesellschaft, § 723, und gesellschaftsähnlichen Verhältnissen 2 9 . In anderen Fällen besteht das unentziehbare Recht, eine versprochene Leistung, weil sie unverhältnismäßig hoch ist, durch Richterspruch herabsetzen zu lassen, §§ 343, 655, H G B . § 741 3 0 . Eine allgemeine Schranke findet i m Obligationenrecht der Parteiwille an Gesetz u n d Sitte 3 1 : Verträge, die gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen, sind nichtig, §§ 134, 138. Aber diese Schranke ist nicht die einzige: trotz des W o r t l a u t s v o n § 241 k a n n nicht jedes T u n oder Unterlassen zum Gegenstand eines Schuldverhältnisses gemacht werden 3 2 . K e i n Schuldverhältnis 27

Diese Vorschrift w i r d hauptsächlich dann zur Anwendung kommen, wenn der Erlaß der H a f t i m g für Vorsatz sich i n einer v o m Gläubiger unterschriebenen Urkunde vorfindet, u n d der Gläubiger sich der Tragweite dieser Klausel nicht bewußt war, vgl. ob. § 50 Note 159. 28 Vgl. z. B . die zwingenden Vorschriften des RGes. über Abzahlungsgeschäfte. 28 a Als gefährlich u n d daher unzulässig güt oft nur der i m Voraus erfolgende Verzicht auf ein Recht, während der Verzicht auf das entstandene Recht bzw. die fällige Forderung als unbedenklich erscheint, vgl. OLG. 22, 305: Verzicht auf das Dienstzeugnis, § 630. 29 RG. 65, 37. 75, 234. 78, 301. A u f demselben Gedanken beruht die grundsätzliche Widerruflichkeit der Vollmacht, § 168, u n d das unentziehbare Recht des Austritts aus dem Verein, § 39, vgl. ob. § 38 I I . 30 Vgl. ferner die zeitlichen Beschränkungen der obligatorischen Verträge ob. § 6 Note 43, und der Verfügungen von Todes wegen, ob. § 22 Note 8. 31 R G . 53, 297. 32 Bisweüen w i r d als Erfordernis des Schuldverhältnisses ein Geldwert der Leistung oder ein pekuniäres Interesse des Gläubigers verlangt, D e r n b u r g I I § 84, H e l l w i g , ArchZivPr. 86, 223, E n d e m a n n

182

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

entsteht, wenn eine H a n d l u n g versprochen wird, die nicht dem Rechtsgebiet angehört, sondern einen gesellschaftlichen, sittlichen oder religiösen Charakter hat 3 3 . Aber auch auf dem Gebiete, welches grundsätzlich der Herrschaft des Rechts unterliegt, g i b t es persönliche Lebensgüter, i n bezug auf welche nach unserer Volksanschauung dem Menschen die freie, durch keine privatrechtliche Verpflichtung gehemmte Entschließung zustehen soll. Daher ist z. B . unwirksam ein Versprechen, welches sich auf Eheschließung, Scheidung, A d o p t i o n eines Kindes, Wechsel der Konfession oder der Staatsangehörigkeit bezieht, die Freizügigkeit oder freie Berufswahl i n ungehöriger Weise einengt, oder zu frivoler Lebensgefährdung verpflichtet 3 4 . Ferner kann die Ausübung öffentlicher Befugnisse oder Verpflichtungen durch privatrechtliche Verträge nicht beschränkt werden; man k a n n sich z. B. nicht g ü l t i g verpflichten, das Zeugnis zu verweigern oder eine Strafanzeige zu unterlassen 3 5 . Diese allgemein anerkannten, aber i m Gesetz nicht besonders ausgesprochenen Schranken der privatrechtlichen Verpflichtungsmöglichkeit werden i n Theorie u n d Praxis auf den § 138 gestützt: m a n erklärt ein Versprechen des oben dargelegten Inhalts für unwirksam, weil es gegen die guten Sitten verstoße, sich i n bezug auf derartige Handlungen durch Vertrag zu binden. Ebenso w i r d auf § 138 zurückgeführt das allgemeine Prinzip 3 6 , daß eine an sich zulässige Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nach Zeit 3 7 , Ort u n d Gegenstand n i c h t so weit gehen dürfe, daß die Lage des Schuldners i n unerträglicher Weise erschwert werde. Aus diesem Gesichtspunkt werden namentlich Konkurrenzverbote (soweit sie nicht dem § 74 H G B . unterstehen) auf ihre Zulässigkeit geprüft 3 8 . Bei der Frage, ob eine übermäßige Beschränkung der § 109. Dagegen, m i t Recht, die herrschende Meinung, vgl. O e r t m a n n § 241, 1; E n n e c c e r u s § 225 I I 2. 33 Vgl. ob. § 50 Note 157. 34 Vgl. die Kommentare zu § 138. 35 Anders bei Antragsdelikten, R G . 42, 60, bei denen die Verfolgung v o m Ermessen des Verletzten abhängt. 36 Vgl. z. B. R G . 53, 154; 68, 229. E n n e c c e r u s § 178 112. 37 Vgl. z. B. die Erwägungen, welche R G . 67, 102 darüber anstellt, ob ein auf 18 Jahre geschlossener Bierlieferungsvertrag eine zu weit gehende Beschränkung des Schuldners enthält, vgl. R G . 76, 78. OLG. 28, 32. 38 L e h m a n n , Unterlassungspflicht 139, O e r t m a n n zu § 138 S. 429.

§ 51.

Parteiwille und

Gesetz.

183

persönlichen Freiheit vorliegt, findet eine Abwägung s t a t t zwischen dem für den Schuldner erwachsenden Nachteil u n d dem Interesse des Gläubigers 3 9 : je schutzwürdiger dieses Interesse ist, u m so größer ist das Maß der als zulässig geltenden B i n d u n g des Schuldners. So k a n n z. B. eine Verpflichtung zu lebensgefährlichen Leistungen durch den Zweck des Vertrags gerechtfertigt sein (Verpflichtungen der Seeleute u n d Feuerwehrleute), während die Verpflichtung anderer Schuldner, z. B . eines Beauftragten oder Verwahrers, an der Lebensgefahr ihre Grenze findet 4 0 . So k a n n die Vereinssatzung den Mitgliedern Beschränkungen der persönlichen Freiheit auferlegen, welche unter gleichstehenden K o n t r a h e n t e n unzulässig wären, z. B. die Verpflichtung, die Kirche zu besuchen oder sich des Alkohols zu enthalten 4 1 . Die Ableitung der Beschränkungen des Parteiwillens aus der Rücksicht auf die guten Sitten ist durch die Vorgeschichte u n d die Fassung unseres Gesetzbuchs gegeben: das Gesetz hat keine allgemeinen Grundsätze über die Grenzen der Verpflichtungsmöglichkeit, sondern nur vereinzelte Bestimmungen darüber aufgestellt. W e n n man die Unzulässigkeit übermäßiger Bindungen aus einem Paragraphen des Gesetzes ableiten will, so k a n n das nur so geschehen, daß man solche Bindungen als sittenwidrig u n d als infolge dessen nach § 138 nichtig bezeichnet. Dieser durch das Gebiet der Moral führende Umweg scheint m i r aber der Sachlage n i c h t zu entsprechen 4 1 a . Die Beschränkungen der Verpflichtungsmöglichkeit beruhen nicht auf den Geboten der guten Sitten (obgleich sie inhaltlich m i t diesen Geboten übereinstimmen können), sondern sind der Rechtsordnung immanent 4 2 . Das Gesetz sanktioniert 39

H a t die Leistung einen objektiven Geldwert (Zahlung, Sachleistung, Arbeitsleistung), so ist ein Interesse des Gläubigers nicht Voraussetzung der Gültigkeit des Vertrages; denn solche Verpflichtungen enthalten prima facie keine unzulässige Beschränkung der Freiheit des Schuldners, vgl. ob. § 1 Note 13 u n d K r i t V J S c h r 43, 581. 40 v. T u h r , Notstand i m Zivilrecht § 9; B r ü 11, Rechtsanwendung 206; O e r t m a n n zu § 138 S. 429. 41 Vgl. ob. § 38 Note 36. 41 a Vgl. E c k s t e i n , A r c h B ü r g R t . 38, 194. 42 Dagegen ist der Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die guten Sitten zutreffend, wenn die Unwirksamkeit eines Vertrages nicht darauf beruht, daß die Bewegungsfreiheit der Kontrahenten übermäßig beengt wird, sondern auf einer unzulässigen Schädigung der Interessen der A l l gemeinheit oder dritter Personen, was bei Kartellverträgen u n d dem pactum de non licitando vorkommen kann, vgl. L e h m a n n a. a. O. 142 fg.

184

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

n i c h t rechtsgeschäftliche Bindungen jeglichen Inhalts, sondern n u r solche Bindungen, welche m i t unseren sozialen und wirtschaftlichen Zuständen vereinbar sind 4 3 . Daß die Schranken der Verpflichtungsmöglichkeit rechtlicher N a t u r sind, zeigt sich daran, daß die Frage der Sittenwidrigkeit sofort verschwindet, sobald das Gesetz die Zulässigkeit einer B i n d u n g genauer abgrenzt: ein gegen H G B . § 74 verstoßendes Konkurrenzverbot ist unwirksam, n i c h t weil es unsittlich ist, sondern weil es eine unbillige Erschwerung des Fortkommens enthält 4 4 ; aus demselben Grunde ist ein außerhalb des H G B . § 74 stehendes Konkurrenz verbot, wenn es übermäßig ist, unwirksam; daher scheint es m i r überflüssig u n d unrichtig, wenn m a n solche Verabredungen, u m einen Anhaltsp u n k t i m Gesetz zu gewinnen, als Verstoß gegen die guten Sitten charakterisiert. Daß der wahre Grund der Unwirksamkeit der oben erwähnten Verpflichtungen n i c h t i n ihrer U n s i t t l i c h k e i t liegt, hat zur Folge, daß dieselben Handlungen, welche nicht gültig versprochen werden können, unter Umständen als Bedingung einer Belohnung oder eines strafähnlichen Versprechens 4 5 verabredet werden dürfen, ohne daß ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt. W i r d z. B . für A d o p t i o n eines Kindes, für eine lebensgefährliche Leistung oder für Unterlassung einer Strafanzeige eine Geldsumme versprochen, so ist der Vertrag nur dann n i c h t i g , wenn er sich unter Berücksichtigung aller Verhältnisse i n seinem Zweck und Erfolg als u n s i t t l i c h darstellt 4 6 , während eine Verpflichtung zu solchen Leistungen unter allen Umständen unwirksam ist, auch wenn sich aus der ganzen Sachlage u n d den Absichten der Parteien nichts unsittliches ergibt 4 7 . Sucht m a n den Grund der Unzulässigkeit 43 So ist z. B . eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der Geschäftsfähigkeit oder der Verfügungsmacht (§ 137) unzulässig nicht wegen der i n einem solchen Rechtsgeschäft möglicherweise enthaltenen Sittenwidrigkeit, sondern weil das Gesetz die Herbeiführung derartiger Rechtserfolge durch Parteiwillen grundsätzlich nicht erlaubt. 44 A u c h die UnVerbindlichkeit von Verabredungen zur Erlangung günstigerer Lohn- u n d Arbeitsbedingungen (GewO. § 152) beruht nicht auf moralischen, sondern auf nationalökonomischen Erwägungen des Gesetzgebers, der i n der Freiheit des Arbeitsvertrages eine unantastbare Voraussetzung unseres Wirtschaftslebens sieht. 45 L e h m a n n a. a. O. 137; O e r t m a n n , Vorb. 2 c vor § 339. 46 Vgl. z. B . für die Strafanzeige L e h m a n n a. a. O. 154, S t a u d i n g e r I 4 b zu § 138, SeuffArch. 58, 179. 47 Daher k a n n ein Vertrag, i n welchem jemand gegen Entgelt zu

§ 51.

Parteiwille und

Gesetz.

185

einer übermäßigen Freiheitsbeschränkung i n der U n s i t t l i c h k e i t des Vertrages, so k o m m t man dazu, den Vertrag nicht n u r soweit er das zulässige Maß der B i n d u n g überschreitet, sondern i n vollem Umfange für ungültig zu erklären 4 8 , w o r i n für den Gläubiger, der sich über das Maß des Zulässigen entschuldbar geirrt hat, eine unverdiente H ä r t e liegen kann. Meines Erachtens braucht die Ungültigkeit solcher Verträge n i c h t weiter zu gehen als i h r G r u n d : ungültig ist die B i n d u n g des Schuldners nur soweit, als sie das erlaubte Maß überschreitet 4 9 ; ob der Vertrag bei der so geminderten Verpflichtung des Schuldners bestehen kann, ist nach § 139 zu beurteilen. Daher ist § 74 H G B . nicht als singuläre Bestimmung aufzufassen, sondern als Anwendung eines allgemeinen u n d richtigen Grundsatzes 5 0 , welcher auch i n der Herabsetzung der Vertragsstrafe, § 343, zum Durchbruch gekommen ist 5 1 . Zur rechtlichen Beurteilung zu weit gehender Verpflichtungen ist noch folgendes zu erwägen: die Umstände, welche eine Verpflichtung bei ihrer Übernahme als übermäßig erscheinen lassen, können sich auch später ereignen: so k a n n z. B . die Handlung, zu welcher sich der Schuldner verpflichtet hat, infolge späterer Umstände einen lebensgefährlichen Charakter annehmen. Daß die Verpflichtung des Schuldners unter solchen Umständen erlischt, pflegt man nicht aus einer nachträglichen Sittenwidrigkeit des Vertrages zu erklären, sondern daraus, daß die Leistung ,,nach der für das Recht maßgebenden vernünftigen ethischen u n d w i r t schaftlichen B e t r a c h t u n g " 5 2 sich als „ u n m ö g l i c h " 5 3 oder „ u n erschwinglich" 5 4 erweist 5 5 . Ebenso* erlischt das vertragliche einer solchen Handlung verpflichtet wird, aufrechterhalten werden als bedingte Zusage einer Belohnung. 48 OLG. 22, 142; 22, 205. 49 So richtig R G . 64, 94 bei Verstoß gegen § 4 I I des AbzahlungsGes. Vgl. R G . 1. 3. 13 ( J W . 42, 541): ein für unbestimmte Dauer verabredetes pactum de non alienando w i r d für eine den Umständen entsprechende Zeit als gültig anerkannt. 50 M a r c u s , D J Z . 12, 952. E c k s t e i n a. a. O. 208. 51 Daher ist bei übermäßigen Vertragsstrafen neben dem Herabsetzungrecht des § 343 die Anwendimg des § 138 nur unter besonderen Umständen möglich, wie sie z. B. i n dem v o m R G . 68, 231 entschiedenen Falle vorlagen. 52 E n n e c c e r u s § 268, 2. 53 K i s c h , Unmöglichkeit 13. 54 K i p p , Zus. 1 zu W i n d s c h e i d § 264. 65 Die angemessene Entscheidung gibt meines Erachtens K r ü c k -

186

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Konkurrenz verbot, wenn das Interesse des Gläubigers wegfällt 5 6 , weil die durch das Interesse des Gläubigers gerechtfertigte Freiheitsbeschränkung des Schuldners m i t Wegfall dieses Interesses gegenstandslos u n d daher unzulässig geworden ist 5 7 . Dieselben v o n der Sittenwidrigkeit absehenden Erwägungen, welche zu den nachträglichen Begrenzungen der Schuldnerpflicht führen, müssen meines Erachtens genügen, u m die anfänglichen Schranken der Verpflichtungsmöglichkeit zu begründen. I I . Das nachgiebige Recht k o m m t für das Gebiet der Rechtsgeschäfte i n verschiedenen F u n k t i o n e n i n Betracht 5 8 : 1. Als a u s l e g e n d e s Recht. Der Parteiwille findet oft einen ungenauen u n d daher mehrdeutigen Ausdruck. F ü r den Fall, daß nicht konstatiert werden kann, was der Erklärende m i t seinen W o r t e n gemeint hat u n d wie sie bei empfangsbedürftiger E r k l ä r u n g v o n seinem Gegner verstanden werden konnten, w i r d v o m Gesetz eine Bedeutung als die normale u n d daher maßgebende bezeichnet 5 9 . So werden i n § 186 fg. für die Berechnung von Fristen u n d Terminen Regeln aufgestellt, welche das Gesetz selbst als ,,Auslegungsvorschriften" bezeichnet. Meist w i r d ein auslegender Rechtssatz i m B G B . dadurch charakterisiert, daß er nur ,,im Zweifel" gelten soll. Solche Regeln stellt das Gesetz da auf, wo erfahrungsmäßig eine U n k l a r h e i t i n den Willensäußerungen der Parteien v o r k o m m t u n d eine erhebliche Unsicherheit der Rechtsfolgen herbeiführt. Typische Beispiele finden sich i m Testamentsrecht: das Gesetz bestimmt, was unter , , K i n d e r n " des Erblassers zu verstehen ist, § 2068, welche Abkömmlinge eines D r i t t e n als bedacht zu gelten haben, § 2070, wie der Kreis der bedachten Dienstboten usw. abzugrenzen ist, § 2071 6 0 . Die meist zweifelhafte Frage, ob die Übernahme einer neuen Verbindlichkeit durch m a n n , ArchZivPr. 101, 1 fg. ; es geht zu weit, wenn m a n eine ungewöhnliche Schwierigkeit der Leistimg der Unmöglichkeit gleichstellt u n d infolgedessen die Obligation für nichtig resp. ipso iure aufgehoben erklärt. Es genügt, wenn m a n dem Schuldner eine aus § 242 zu begründende Einrede gewährt. Wenn aber der Schuldner sich der noch so schweren Leistung unterziehen will, darf der Gläubiger nicht unter Berufung auf die zu weit gehende Bindung des Schuldners die Gültigkeit des Vertrages bekämpfen, O e r t m a n n , Vorb. 3 a vor § 275. 56 S t a u b , H G B . § 74 A n m . 8. 57 R G . 47, 240. 58 Bd. I S. 25. 59 Vgl. unt. § 64. 60 Vgl. ferner §§ 2084, 2101, 2102.

§ 51.

Parteiwille u n d

Gesetz.

187

den Schuldner oder die Erteilung einer Anweisung Zahlungshalber oder an Zahlungsstatt gemeint ist, entscheidet das Gesetz i n ersterem Sinn, §§ 364 I I , 788 6 1 . Auslegungsregel ist die E r streckung des obligatorischen Vertrags, des Vermächtnisses u n d der Tradition auf das Zubehör, §§ 314, 2164, 926 I 2; ebenso die Vorschrift, daß das Recht des D r i t t e n erst m i t dem Tode des Versprechensempfängers entstehen soll, § 331 I ; daß bei Erbeseinsetzung v o n Abkömmlingen unter Umständen Ausgleichung gewollt ist, § 2052; daß ein auf bestimmte Zeit eingeräumtes Vorkaufsrecht als vererblich gemeint ist, § 514, 2. Auslegend ist der Rechtssatz des § 271 I I (dies pro reo). D a die Auslegungsregel den Sinn einer Willenserklärung feststellen soll, so w i r d sie beiseite geschoben durch den Nachweis, daß der Erklärende resp. sein Gegner 6 2 die auslegungsbedürftigen W o r t e i n einem bestimmten Sinne verstanden haben. Dieser Nachweis braucht auch bei formellen Geschäften, z. B . beim Testament, n i c h t aus dem I n halt der Urkunde erbracht zu werden; er k a n n sich aus Umständen ergeben, die außerhalb der Geschäftsform liegen, z. B . aus späteren Äußerungen des Erblassers über den Sinn seines Testaments 6 3 . Es genügt, daß der Richter zur Überzeugung k o m m t , daß die Parteien den fraglichen Ausdruck anders verstanden haben, als i h n der Gesetzgeber ,,im Zweifel" gedeutet haben w i l l 6 4 . 2. Das nachgiebige Recht ist e r g ä n z e n d , wenn es Nebenwirkungen 6 5 des Rechtsgeschäftes anordnet für den F a l l solcher Umstände oder Ereignisse, welche die Parteien n i c h t vorausgesehen haben u n d daher nicht haben ordnen wollen. A u c h das ergänzende Recht k a n n v o n den Parteien ausgeschaltet werden, wenn sie für den v o m Gesetz vorgesehenen F a l l eine abweichende Bestimmung, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, treffen. Die Formulierung der ergänzenden Vorschriften ist verschieden: bisweilen ergibt sich ihre nachgiebige N a t u r aus ihrer Bedeutung 61

§ 788 ist Auslegungsvorschrift, obgleich die Worte „ i m Zweifel" fehlen, D a n z , Auslegung 117 A n m . 1. 62 H a t der Erklärende einen von der Auslegungsregel abweichenden Willen, ohne daß dieser Wille dem Gegener erkennbar ist, so bleibt die Regel in K r a f t (unrichtig P l a n c k § 926, 2); es kann aber Anfechtung nach § 119 I i n Betracht kommen. 63 P l a n c k , Vorb. 4 vor § 2064. 64 Auslegungsregel m i t beschränktem Gegenbeweis: W r O. A r t . 21 I I . 65 Vgl. ob. § 50 S. 164.

Drittes B u .

188

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

u n d Tragweite 6 6 , oder durch Umkehrschluß daraus, daß andere Vorschriften v o m Gesetz als zwingend bezeichnet s i n d 6 7 . In anderen Fällen sagt das Gesetz ausdrücklich, daß eine gesetzliche Rechtsfolge durch Bestimmung der Partei ausgeschlossen werden k a n n 6 8 oder daß sie n u r dann eintreten soll, wenn die Parteien n i c h t etwas anderes bestimmt h a b e n 6 9 . Bisweilen ist eine ergänzende Rechtswirkung m i t den für die Auslegungsregeln charakteristischen W o r t e n ,,im Zweifel" angeordnet. So soll z. B. das Vermächtnis ,,im Zweifel" gewisse Surrogate umfassen (Schadenersatzforderung wegen Vernichtung, Beschädigung, Entziehung der vermachten Sache, §§ 2164 I I , 2169 I I I ) ; die Erbeseinsetzung eines A b k ö m m lings soll sich bei Wegfall desselben nach Testamentserrichtung auf dessen Abkömmlinge beziehen, § 2069. D a solche Ereignisse meist außerhalb des Gesichtskreises des Erblassers liegen, kann i n bezug auf sie v o n einem auszulegenden W i l l e n keine Rede sein: sondern das Gesetz ordnet die Rechtswirkungen eines Ereignisses, weil es i n der Regel v o m Erblasser nicht vorausgesehen wird, nach eigenem Ermessen u n d gestattet dem Erblasser, wenn er ausnahmsweise m i t diesem Ereignis gerechnet hat, abweichende Bestimmungen zu treffen. Der Unterschied des auslegenden u n d ergänzenden Rechts ist logisch unverkennbar: die Auslegungsregel fixiert den Sinn einer Parteierklärung: ihr I n h a l t g i l t als W i r k u n g des richtig verstandenen rechtsgeschäftlichen Willens. Das ergänzende Recht g i l t als Vorschrift des Gesetzes; n i c h t weil die Parteien die Rechtsw i r k u n g gewollt haben, sondern weil sie es unterlassen haben, eine abweichende Bestimmung zu treffen. D a aber diese abweichende 66

So sind z. B . die Vorschriften über H a f t u n g des Verkäufers für Rechtsmängel u n d Sachmängel nachgiebig, weil bei der gleichen Stellung der Parteien kein Grund vorliegt, ihnen eine abweichende Regelung zu verwehren. 67 So ergibt sich aus § 276 I I a contrario, daß die H a f t u n g für Fahrlässigkeit wegbedungen werden kann. 68 § 2094 I I I : ,,Der Erblasser kann die Anwachsung ausschließen." 69 §§ 271 I , 269, 331 I I , 514, 1; 2050 I . Der Unterschied der Formulierimg ergänzender Rechtssätze soll nach R G . 68, 308 für die Beweislast i n Betracht kommen: behauptet z. B. der Beklagte eine von § 609 abweichende Verabredung der Kündigungsfrist, so soll er zu beweisen haben; behauptet er aber eine verabredete Hinausschiebung der Leistungspflicht, so soll es dem Kläger obliegen, zu beweisen, daß eine solche Verabredung nicht getroffen i s t ; weü § 271 I die sofortige Fälligkeit der Forderung nur für den F a l l anordnet, daß eine Zeit für die Leistung nicht bestimmt ist.

§ 51.

Parteiwille u n d

Gesetz.

189

Bestimmung, ebenso wie bei der Auslegung die Konstatierung des w i r k l i c h gewollten Sinnes, aus den Umständen entnommen werden kann, so verwischt sich i n der praktischen Anwendung der U n t e r schied beider A r t e n v o n Rechtssätzen: die ergänzenden Rechtssätze werden ebenso wie die auslegenden durch den Nachweis beseitigt, daß die Parteien eine andere Rechtsfolge, als die v o m Gesetz angeordnete, gewollt haben. N u r bei formellen Rechtsgeschäften, insbesondere beim Testament, ist daran festzuhalten, daß es zur Beseitigung eines ergänzenden Rechtssatzes einer Willenserklärung bedarf u n d daß diese E r k l ä r u n g sich aus dem I n h a l t der U r k u n d e ergeben muß 7 0 , während die Auslegung auch das außerhalb der F o r m liegende Material berücksichtigen darf. I n einigen Fällen stellt das Gesetz ergänzende Vorschriften auf, die n i c h t bloß vor einem wirklichen, sondern schon vor einem hypothetischen W i l l e n 7 1 der Parteien zurückweichen sollen. So w i r d z. B . die Offerte nach § 153 durch den T o d des Offerenten nicht unwirksam, ,,es sei denn, daß ein anderer W i l l e des Offerenten anzunehmen i s t " 7 2 . N a c h § 1301 soll die Rückforderung der Geschenke bei Auflösung des Verlöbnisses durch den T o d ,,im Zweifel" ausgeschlossen sein. Ausdrückliche Bestimmungen für den F a l l des Todes werden i n der Offerte oder bei Schenkungen unter Verlobten selten getroffen. Die Annahme, daß das Gesetz an stillschweigende Bestimmungen dieser A r t denkt, verbietet sich durch die Erwägung, daß Offerenten u n d Verlobte i n den seltensten Fällen an die Möglichkeit des Todes denken 7 3 . Der W i l l e , auf den § 153 abstellt u n d § 1301 durch die Formel ,,im Zweifel" verweist, ist daher als das zu verstehen, was die Parteien v e r m u t l i c h gew o l l t h ä t t e n , wenn sie an die Möglichkeit des Todes gedacht hätten 7 4 . 3. Neben dem auslegenden u n d ergänzenden Recht g i b t es u m d e u t e n d e Rechtssätze: dem erklärten Parteiwillen w i r d , weil er undurchführbar ist oder dem Gesetzgeber als unerwünscht erscheint, ein anderer I n h a l t untergeschoben. So bestimmt § 360, 70

Zur Ausschließung der Anwachsung genügt n i c h t , daß der Erblasser diese Ansicht h a t t e : er muß sie innerhalb des Testamentes zum Ausdruck gebracht haben, P l a n c k § 2094, 5. 71 Z i t e l m a n n , Allgem. Teil 91, Intern. P r i v R . I I 218 fg. 72 Vgl. unt. § 62. 73 Denn gerade dieser Gedanke würde den Offerenten v o n der Stellung des Antrages abgehalten haben. 74 O e r t m a n n § 153, 3 c.

190

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

daß der Vorbehalt, der Schuldner solle seine Rechte aus dem Vertrag verlieren, wenn er seine Verbindlichkeiten nicht erfülle, als R ü c k t r i t t s r e c h t des Gläubigers gelten s o l l 7 5 . Nach § 2072 soll anstelle der wegen U n b e s t i m m t h e i t der Person 7 6 undurchführbaren Bedenkung der „ A r m e n " die Armenkasse bedacht sein. Die letztwillige Bedingung einer Unterlassung oder fortgesetzten Tuns wird, weil ihre praktische Durchführung zweckwidrig ist, nach § 2075 i n eine gegenteilige auflösende Bedingung umgewandelt. Es handelt sich hier, obgleich das Gesetz i n §§ 2072, 2075 den Ausdruck ,,im Zweifel" gebraucht, nicht u m A u s l e g u n g 7 7 ; denn die v o m Gesetz angeordnete Rechtsfolge w i r d i n den meisten Fällen außerhalb des Gesichtskreises des Erblassers liegen u n d daher seinem wirklichen W i l l e n nicht entsprechen; sie soll nur dann nicht eintreten, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser, wenn i h m diese Rechtsfolge bekannt gewesen wäre, sie nicht gew o l l t h ä t t e . Ebenso handelt es sich u m U m d e u t u n g einer wirklich abgegebenen Willenserklärung gemäß einem hypothetischen Partei willen i n § 139 u n d 140: bei partieller Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes soll der Überrest gültig sein, wenn anzunehmen ist, daß die Parteien das Geschäft ohne den nichtigen Teil vorgenommen h ä t t e n ; anstelle des beabsichtigten aber nichtigen Geschäftes k o m m t ein anderes Geschäft zustande, wenn es die Parteien bei K e n n t n i s der N i c h t i g k e i t gewollt hätten 7 8 . Eine sehr weitgehende, dem Parteiwillen meist nicht entsprechende U m d e u t u n g ist i n § 566 angeordnet: ein Mietvertrag, der für länger als ein J a h r mündlich geschlossen ist, soll als für unbestimmte Zeit m i t K ü n d i g u n g auf Schluß des ersten Jahres geschlossen gelten. Eine U m d e u t u n g des Partei willens findet ferner s t a t t bei Anwendung des § 931: w i l l A eine i m Besitz des X befindliche Sache an B übereignen, so sind sich die Parteien selten bewußt, daß das Gesetz dazu die A b t r e t u n g des Herausgabeanspruches verlangt. M a n pflegt aber, wenn sie den W i l l e n der Übereignung geäußert haben, zu subintelligieren, daß sie die 75 Diese Bestimmung ist nicht zwingend; die Parteien können verabreden, daß die Verwirkungsklausel i n ihrer vollen Schärfe gelten soll, O e r t m a n n § 360, 3; E n n e c c e r u s § 264 A n m . 2. Dagegen enthält das RGes. üb. Abzahlungsgesch. zwingendes Recht. 76 Vgl. Bd. I S. 73. 77 W e n d t , ArchZivPr. 92, 109. 78 Vgl. unt. § 56.

§ 52.

B e s t a n d t e i l © des R e c h t s g e s c h ä f t e s .

191

Zession gewollt haben, d. h. m a n n i m m t an, daß sie die Zession gewollt h ä t t e n , wenn sie gewußt hätten, daß sie zur Übertragung des Eigentums nötig i s t 7 9 .

§ 53.

Bestandteile des Rechtsgeschäftes.

I . Der I n h a l t der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung k a n n einfach oder zusammengesetzt sein, je nachdem eine oder mehrere Rechtsfolgen als gewollt erklärt sind. I n letzterem F a l l entsteht die Frage, ob man sich den Vorgang als ein oder mehrere Rechtsgeschäfte zu denken h a t 1 . Die Frage nach der I d e n t i t ä t u n d E i n heit rechtlicher Gebilde läßt sich nicht ohne W i l l k ü r beantworten 2 . Prima facie erscheint als Einheit, was die Parteien äußerlich, insbesondere i n einem F o r m a l a k t zusammenfassen. So g i l t z. B . das Testament, wenn es auch noch soviel einzelne Verfügungen u n d Klauseln enthält, als ein Rechtsgeschäft, die einzelnen Verfügungen als Teile dieses Rechtsgeschäfts. Bei Rechtsgeschäften unter Lebenden ist m i t der Einheit des Errichtungsaktes die Einheitlichkeit des Rechtsgeschäftes nicht ohne weiteres gegeben; die gleichzeitig statuierten Rechtsfolgen müssen nach Zweck u n d wirtschaftlicher Bedeutung i n einem inneren Zusammenhang 3 stehen; nach diesem Gesichtspunkt ist zu unterscheiden, ob bei gleichzeitigem K a u f oder gleichzeitiger Miete mehrerer Sachen ein oder mehrere Verträge vorliegen 4 ; ein n i c h t unbedingt maßgebendes I n d i z k a n n darin gefunden werden, daß die Gegenleistung einheitlich oder für jede Sache besonders festgestellt ist 5 . Einheit des Rechtsgeschäfte?, k a n n auch dann angenommen werden, wenn von mehreren gleichzeitig getroffenen Vereinbarungen jede einem besonderen Geschäftstypus entspricht; so k a n n z. B . ein Rechtsgeschäft aus dem K a u f einer Sache u n d der Miete einer 79

Vgl. ob. § 15 Note 105. R e g e l s b e r g e r , Jherings J. 48, 453 fg. ; D e r n b u r g I I § 46; E n n e c c e r u s § 323; A n d r ó , Einfache, zusammengesetzte, verbundene Rechtsgeschäfte. 2 Vgl. Bd. I § 12 Note 1 a ; § 16 S. 269. 3 A u f den Parteiwillen k a n n m a n i n dieser technisch-juristischen Frage nicht abstellen: die Parteien machen sich keine Vorstellung darüber, ob bei gleichzeitigen Wülenserklärungen verschiedenen Inhaltes ein oder mehrere Rechtsgeschäfte vorliegen. 4 Die Verabredung gleichartiger sukzessiver Lieferungen ist ein Vertrag. 5 Vgl. § 469. 1

192

Drittes Bueli.

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

anderen Sache bestehen 6 , oder aus einer Pacht u n d einem dem Pächter als Betriebskapital gewährten Darlehen 7 . Einheit des Rechtsgeschäftes k a n n auch dann angenommen werden, wenn auf einer Seite statt einer Person mehrere Personen beteiligt sind 8 , z. B . zwei Käufer oder zwei Verkäufer, u n d zwar auch dann, wenn v o n jeder dieser Personen nicht dieselbe Leistung, sondern eine verschiedene L e i s t u n g 9 versprochen i s t ; so behandelt z. B . R G . 62, 184 einen Vertrag, i n welchem X v o n A ein Grundstück u n d gleichzeitig v o n B das I n v e n t a r der auf diesem Grundstück betriebenen Gastwirtschaft k a u f t , als e i n Rechtsgeschäft 1 9 . Ebenso ist das Engagement zweier zusammenarbeitender Akrobaten e i n V e r t i a g , während zwei Verträge vorhegen , wenn zwei B r ü d e r , die sich voneinander nicht trennen wollen, i n einem Geschäft angestellt w e r d e n 1 0 a . Die E i n h e i t oder Mehrheit v o n Rechtsgeschäften k o m m t i n mehrfacher Beziehung zur Geltung. N i m m t m a n Einheit des Rechtsgeschäftes an, so erscheinen die einzelnen i n demselben enthaltenen Verabredungen als Teile des Rechtsgeschäftes, so daß, wenn eine dieser Verabredungen nichtig ist, § 139 zur Anwendung k o m m t n . I s t i n einem als einheitlich zu beurteilenden 6

Oder: Pachtimg einer F a b r i k u n d Vertrag über Lieferung der zum Betrieb nötigen Dampfkraft, E n n e c c e r u s § 323 A n m . 5. 7 R e g e l s b e r g e r a. a. O. 464. 8 §§ 356, 474. R G . 59, 174. 9 Versprechen mehrere Personen dieselbe Leistimg, so liegt ein Rechtsgeschäft vor, wenn die Zusagen gleichzeitig erfolgen, oder sukzessiv, aber auf Grund einer gemeinsamen Verabredung, O e r t m a n n § 427, 1. 10 Z u weit i n der Annahme einer Einheit des Rechtsgeschäfts scheint m i r R G . 78, 43 zu gehen: eine Tauschverabredung, die von den Parteien i n zwei einzelne Kaufverträge zerlegt wird, soll als wirtschaftliche und deshalb rechtliche Einheit aufgefaßt werden können, so daß, wenn nur einer der Kaufverträge i n der F o r m des § 313 beurkundet ist, die ganze Verabredung nach § 139 ungültig ist. Meines Erachtens ist ein notarieller Kaufvertrag, wenn er keinen Hinweis darauf enthält, daß er nur i m Zusammenhang m i t dem Verkauf eines anderen Grundstücks gewollt ist, als i n sich vollendetes Rechtsgeschäft zu behandeln. Man darf es den Parteien nicht leicht machen, einen notariellen Vertrag durch Vorbringen einer Verabredung zu bekämpfen, welche sie absichtlich außerhalb des Vertrages gelassen haben. 10 a Der m i t dem I n h a l t des Vertrages nicht zusammenhängende Wunsch, beim selben Dienstherrn zu arbeiten, genügt nicht, u m Einheit des Vertrages anzunehmen. 11 Vgl. u n t . § 56. I n § 139 ist Einheit des Rechtsgeschäftes voraus-

§ 52.

B e s t a n d t e i l © des R e c h t s g e s c h ä f t e s .

V e r t r a g eine M e h r h e i t v o n L e i s t u n g e n v e r s p r o c h e n ,

193

so i s t

jede

d e r e i n z e l n e n L e i s t u n g e n als T e i l l e i s t u n g i m S i n n v o n § 266 z u betrachten.

B e i E i n h e i t des R e c h t s g e s c h ä f t e s e n t s t e h t e i n

heitliches „rechtliches

Verhältnis"

im

Sinn von

§ 273

12

.

einDer

R ü c k t r i t t aus § 3 2 5 / 6 e r f a ß t das g a n z e R e c h t s v e r h ä l t n i s , w e n n es als e i n h e i t l i c h e r V e r t r a g z u b e u r t e i l e n i s t

13

.

I s t bei Beteiligung

m e h r e r e r P e r s o n e n e i n e i n h e i t l i c h e r V e r t r a g a n z u n e h m e n , so k a n n der

dem

Einzelnen gebührende

T e i l der

Leistung

bis z u r

Be-

w i r k u n g d e r g a n z e n G e g e n l e i s t u n g z u r ü c k b e h a l t e n w e r d e n , § 320 I

2 ; das R ü c k t r i t t s r e c h t , § 356, u n d d a h e r a u c h d i e W a n d e l u n g ,

§ 467, k a n n n u r g e m e i n s a m a u s g e ü b t w e r d e n Eine

künstliche

Zerlegung

eines

14

.

rechtsgeschäftlichen

Vor-

ganges e r f o l g t aus t e c h n i s c h e n G r ü n d e n des R e c h t s b e i d e n a b strakten

Rechtsgeschäften,

deren

Typus

die

Eigentumsüber-

t r a g u n g i s t : d i e E i n i g u n g ü b e r d e n Ü b e r g a n g des E i g e n t u m s w i r d gesetzt; denn nur bei einheitlichem Geschäft kann von „Teilen,, desselben die Rede sein. Die Einheit k a n n aber auf einem wirtschaftlichem Zusammenhang beruhen, der so stark ist, daß man annehmen darf, die Parteien hätten die verabredeten, an sich verschiedenartigen Rechtsfolgen nur als Ganzes gewollt. N i m m t man das an, so betrachtet man d a m i t das Geschäft nicht nur i m wirtschaftlichen, sondern auch i m rechtlichen Sinn als E i n h e i t ; a. A. E n n e c c e r u s § 189 I V a; R G . 79, 436. 12 R G . 57, 6 und 68, 72 verlangt zur K o n n e x i t ä t i n § 273, keine E i n heit des Rechtsgeschäftes oder Rechtsverhältnisses; ein „rechtliches Verhältnis" i m Sinn von § 273 soll schon dann gegeben sein, wenn eine „ n a t ü r liche, gewollte oder als gewollt vorauszusetzende Einheitlichkeit des faktischen Verhältnisses" vorliegt. Meines Erachtens k a n n „rechtliches Verhältnis" nichts anderes bedeuten, als „Rechtsverhältnis", vgl. ob. § 5 Note 44. Die beiden Entsch. des R G . halte ich für richtig, würde sie aber anders begründen: I n 68, 32 ist die gleichzeitige Verabredung über Pacht eines Hotels, K a u f des Inventars u n d der Weinvorräte infolge des w i r t schaftlichen Zusammenhanges als einheitlicher Vertrag zu beurteilen. I n R G . 57, 1 liegen allerdings mehrere zu verschiedener Zeit geschlossene Verträge vor, daher nicht „dasselbe rechtliche V e r h ä l t n i s " ; aber wie es für das kaufmännische Retentionsrecht genügt, daß die Ansprüche aus der Geschäftsverbindung entstanden sind, so kann m a n auf dem Wege der Analogie auch beim obligatorischen Retentionsrecht des § 273 die K o n nexität unter Kaufleuten als gegeben ansehen, wenn beide Forderungen aus Handelsgeschäften entstanden sind. 13

Vielfach w i r d R ü c k t r i t t v o n einem Teil eines Vertrages für zulässig gehalten, vgl. O e r t m a n n § 325, 3. Ebenso R G . 79, 311 bei einem Tatbestande, der m. Er. richtiger als zwei Verträge (Ausscheiden aus einer Gesellschaft und Konkurrenz verbot) aufzufassen wäre. 14 Anders bei der Minderung, § 474. Handbuch X . 1. I I : v o n T u h r I I . I . 1

13

Drittes B u .

194

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

v o n der Einigung über den Rechtsgrund (die causa) dieses Überganges losgelöst: die Eigentumsübertragung ist ein v o n der causa unabhängiges, abstraktes, Rechtsgeschäft, zugleich aber auch, neben der causa, ein Bestandteil des umfassenderen Tatbestandes der Zahlung, der Schenkung, des Darlehens usw. 1 5 . Der T a t bestand dieser Rechtsgeschäfte besteht einerseits aus dem abstrakten Verfügungsgeschäft u n d andererseits aus der Einigung, durch welche die causa der Verfügung festgestellt wird. Diese Einigung k a n n man, da sie unabhängig v o n der Verfügung (vor oder nach derselben) getroffen werden kann, u n d eigene W i r kungen hat (die Zahlung zur Erfüllung, Schenkung oder zum Darlehen macht), ihrerseits als besonderes Rechtsgeschäft auffassen. I I . Bestandteile des Rechtsgeschäftes sind die einzelnen Stücke des Tatbestandes: Willenserklärungen u n d sonstige Tatsachen 1 6 . W e n n die Willenserklärung mehrere logisch unterscheidbare Festsetzungen enthält (das Gesetz spricht v o n „ P u n k t e n " 1 7 ) , k a n n m a n sie i n einzelne Bestandteile zerlegen. Aus der älteren D o k t r i n des gemeinen Rechts hat sich folgende, immer noch brauchbare D r e i t e i l u n g 1 8 erhalten: 1. Z u m Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes ist erforderlich, daß durch den Parteiwillen ein M i n i m u m v o n Rechtsfolgen festgesetzt wird. Es sind das diejenigen Rechtsfolgen, aus denen sich der Typus des Rechtsgeschäftes u n d d a m i t das Eingreifen der dispositiven Gesetzesvorschriften ergibt 1 9 . Diese unentbehrlichen u n d artbestimmenden Bestandteile der Willenserklärung nennt m a n essentialia negotii. So muß beim K a u f verabredet sein: Verschaffung des Eigentums an einer Sache u n d Zahlung eines Preises; bei der Gesellschaft : ein gemeinsamer Zweck u n d die Verpflichtung, diesen Zweck i n bestimmter Weise zu 15

Vgl. ob. § 50 Note 34. W i n d s c h e i d § 85; R e g e l s b e r g e r § 165; B e k k e r § 97 Beil. I I I ; D e r n b u r g § 109; C r o m e § 7 7 ; E n d e m a n n § 63, 1; C o s a c k § 60 f.; E n n e c c e r u s § 176. 17 §§ 154, 155. 18 M a n k a n n die Dreiteilung: essentialia, naturalia, accidentaba entweder, wie es hier geschieht, auf den I n h a l t der Willenserklärung beziehen, oder auf die Rechtsfolgen des Rechtsgeschäfts. Dagegen ist es unlogisch, unter essentialia u n d accidentalia Stücke der Willenserklärung zu verstehen u n d m i t naturalia negotii die ungewollten Rechtsfolgen zu bezeichnen, vgl. B e k k e r u n d E n n e c c e r u s a. a. O. 10 Vgl. ob. § 51 Note 21. 16

§ 52.

Bestandteil

des R e c h t s g e s c h ä f t e s .

195

fördern; zur Erbeseinsetzung ist erforderlich, daß die Erklärung, daß X nach dem Tode des Erblassers das Vermögen als Ganzes haben soll 2 0 . Sind die Essentialia n i c h t festgestellt, so ist das Rechtsgeschäft wegen Unvollständigkeit des Tatbestandes wirkungslos 2 1 . 2. Sind die essentialia negotii verabredet, so treten k r a f t dispositiven Rechts die weiteren Rechtsfolgen ein, welche das Gesetz als dem Typus des Rechtsgeschäfts angemessen betrachtet. W i r d eine solche Rechtsfolge, welche ex lege eingetreten wäre, durch Parteiwillen festgesetzt, so k a n n m a n diesen Bestandteil der Willenserklärung naturale negotii nennen. So z. B . wenn ein Gläubiger H a f t u n g des Schuldners für Fahrlässigkeit verabredet oder sich ausbedingt, daß er bei Verzug des Schuldners eine Nachfrist setzen und sodann zurücktreten oder Schadensersatz verlangen dürfe. M a n k a n n theoretisch darüber streiten, ob solche Rechtswirkungen auf den Parteiwillen oder die inhaltlich übereinstimmende Gesetzesvorschrift zurückzuführen sind; praktisch sind sie ebenso zu behandeln, wie wenn eine besondere Verabredung nicht vorläge 2 2 : wenn z. B . der Käufer sich ausbedingt, bei Vorliegen gewisser Mängel zu wandeln, so unterliegt die Wandelung den Vorschriften der §§ 465 fg.; ebenso sind die Ersatzforderungen des Vermieters u n d das Wegnahmerecht des Mieters, auch wenn diese Rechte besonders ausbedungen sind, der kurzen Verjährung des § 558 unterworfen 2 3 2 4 . 3. 20

Accidentaba negotii nennt m a n die Teile einer rechts-

Bei den Arbeitsverträgen, §§ 612, 632, 653, 689, H G B . § 354, genügt die Bestimmung der zu leistenden Arbeit, wenn die Arbeit den U m ständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Liegen solche Umstände nicht vor, so ist eine Verabredung über die Arbeit unvollständig, wenn nicht zugleich festgestellt ist, daß sie entgeltlich oder unentgeltlich zu leisten ist. Es ist weder Dienstvertrag, § 631, noch Auftrag, § 662, zustande gekommen. 21 N i c h t wegen Unmöglichkeit der Leistung, § 306, wie D a n z , Auslegung 29, annimmt. 22 Vgl. aber unt. § 62 N o t e 108. 23 O e r t m a n n § 558, 1 a. Vgl. ferner R G . 64, 298: wenn i m Mietvertrag die Untermiete, i n Wiederholung v o n § 549 I I , v o n der Erlaubnis des Vermieters abhängig gemacht ist, so ist n i c h t zu vermuten, daß die Parteien das i n § 549 I 2 dem Mieter verliehene Kündigungsrecht ausschließen wollten. 24 Keine Anfechtung bei I r r t u m über den I n h a l t einer i n die E r k l ä r u n g aufgenommenen gesetzlichen Rechtsfolge, vgl. u n t . § 67 Note 31. 13*

Drittes B u .

196

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

geschäftlichen Willenserklärung, i n welchen Abweichungen von den gesetzlichen Folgen des durch die essentialia festgelegten Rechtsgeschäftes statuiert sind. Solche Abweichungen kommen i n den verschiedensten Richtungen v o r : bisweilen w i r d die ex lege eintretende W i r k u n g durch den Parteiwillen näher präzisiert, so z. B . anstelle des üblichen Lohnes, §§ 612, 632, 653 usw., ein bestimmter L o h n verabredet. I n anderen Fällen sollen kraft des Parteiwillens neben oder anstelle der v o m Gesetz vorgeschriebenen W i r k u n g e n andere W i r k u n g e n treten, so z. B. neben das Recht auf E r f ü l l u n g ein Rücktrittsrecht oder neben den Schadensersatz wegen Nichterfüllung eine Vertragsstrafe. Oder es w i r d der Eint r i t t resp. der Fortbestand der Geschäftswirkungen zeitlich begrenzt oder v o n einem ungewissen künftigen Ereignis abhängig gemacht. Accidentalia sind nur soweit zulässig, als die Rechtsfolgen des Geschäftes nicht durch zwingendes Recht geregelt sind. Die W i r k u n g der unzulässigen Hinzufügung eines Accidéntale ist verschieden 2 5 : a) i n einigen Fällen w i r d die ganze Willenserklärung entkräftet, so die Eheschließung, Auflassung, Aufrechnung durch Hinzufügung v o n Zeitbestimmungen oder Bedingungen, §§ 1317, 925, 388; b) i n anderen Fällen ist zunächst nur das unzulässige Accidéntale n i c h t i g ; während das Rechtsgeschäft als Ganzes nach § 139 beurteilt w i r d u n d unter Umständen wirksam bleibt, so z. B . die Verpfändung nach Streichung der unerlaubten lex commissoria, §§ 1149, 1229, die Zinsverabredung nach Streichung des unerlaubten Zinseszinses, § 248 2 6 ; c) endlich g i b t es Fälle, i n denen die Hinzufügung einer dem Wesen des Rechtsgeschäfts widerstrebenden Nebenverabredung die Folge hat, daß das Rechtsgeschäft unter einen anderen als den v o n den Parteien ins Auge gefaßten Typus f ä l l t 2 6 a ; so ist z. B. eine „ V e r p f ä n d u n g " , bei welcher die Verkaufsbefugnis vertragsmäßig 25

Über unzulässige Klauseln beim Wechsel S t a u b WO. § 4 Anm.

63 fg. 2 * I s t Rückzahlung eines Darlehens gegen Rückgabe oder Amortisierung des Schuldscheins verabredet, so ist letztere Klausel undurchführbar, \veü Schuldscheine nicht für kraftlos erklärt werden. Wenn aber anzunehmen ist, daß das Darlehen auch ohne diese Klausel gegeben worden wäre, so bleibt es nach § 139 g ü l t i g ; behauptet der Gläubiger, den Schuldschein nicht zurückgeben zu können, so ist nach § 371, 2 zu verfahren. 28 a R G . 77, 227.

§ 52.

Bestandteil

des R e c h t s g e s c h ä f t e s .

197

ausgeschlossen wird, als obligatorisches Retentionsrecht zu beurteilen 2 7 ; eine ,,Eigentumsübertragung", bei welcher ausgemacht wird, daß der Empfänger die Sache zurückgeben soll u n d bis dahin über die Sache n i c h t verfügen kann, wäre als bloße Besitzübergabe aufzufassen. Ebenso w i r d bei dem i n § 276 I I als unzulässig bezeichneten Ausschluß der H a f t u n g für Vorsatz oft anzunehmen sein, daß die Verpflichtung n i c h t als rechtlich verbindliche übernommen ist 2 8 . I n einem anderen Sinn, als bei der Dreiteilung i n essentialia, naturalia u n d accidentalia, k a n n m a n wesentliche u n d unwesentliche Bestandteile der Willenserklärung unterscheiden, indem man sich auf den subjektiven Standpunkt der Parteien stellt 2 9 . Jedes Stück der Vereinbarung, auch wenn es für A r t u n d G a t t u n g des Rechtsgeschäftes n i c h t i n Betracht k o m m t u n d daher i m Sinn der obigen Einteilung kein Essentiale ist, k a n n für die Partei v o n so großer Bedeutung sein, daß sie das Geschäft ohne diesen P u n k t nicht will, § 154, resp. wenn das Geschäft doch zum Abschluß k o m m t , nicht gewollt haben würde, § 155 vgl. § 139, 507, 2. I I I . Bestandteil des Rechtsgeschäftes ist n u r das, was die Partei als ihren W i l l e n erklärt. Die rechtsgeschäftliche E r k l ä r u n g wird, wie jede menschliche Handlung, durch Vorstellungen verursacht, welche den W i l l e n i n Bewegung setzen u n d deswegen Motive genannt werden 3 0 . E i n Rechtsgeschäft v o n bestimmtem I n h a l t k a n n je nach der Eigenart des Menschen u n d der Lage, in der er sich befindet, auf verschiedenen M o t i v e n beruhen; bei mehrseitigen Rechtsgeschäften können die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten aus entgegengesetzten M o t i v e n hervor21

G i e r k e § I I § 170 Note 70; K i p p , Zus. 8 zu W i n d s c h e i d § 234. Dagegen soll nach P 1 a n c k § 1228, 1 u n d D e r n b u r g I I I § 270 I entgegen der Verabredung ein Pfandrecht m i t Verkaufsbefugnis entstehen (Reminiszenz an fr. 4 D. 13, 7), d. h. es soll über das Wesen des Rechtsgeschäftes nicht die von den Parteien gewollte charakteristische RechtsWirkung, sondern der von ihnen gewählte Name entscheiden, vgl. ob. § 50 Note 110. 28 Vgl. ob. § 50 Note 159; a. A. Mot. I I 31 u n d die herrschende Meinung. M. Er. kann § 276 I I nur als Auslegungsregel praktisch werden: wenn i m Vertrag gesagt ist, daß der Schuldner jede H a f t u n g ablehnt, so ist anzunehmen, daß die Parteien nicht an vorsätzliche Vertragsverletzung gedacht haben. 29 R e g e l s b e r g e r § 165 I I I ; D e r n b u r g § 109 I I I ; C r o m e § 77 I I ; E n d e m a n n § 69 Note 13. 30 Vgl. ob. § 49 Note 7.

198

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

gehen: bei Vereinswahlen k a n n es vorkommen, daß einige M i t glieder für X stimmen, weil sie i h n für geeignet halten, während andere Mitglieder ebenfalls für X stimmen, weil sie die Stelle m i t einem weniger tüchtigen M a n n besetzt haben wollen. B e i Austauschverträgen ist es sogar die Regel, daß die Einigung der Parteien auf entgegengesetzten M o t i v e n b e r u h t : X kauft ein B i l d , weil er es für schön, oder A k t i e n , weil er sie für aussichtsvoll hält, während der Verkäufer das B i l d für wertlos, die A k t i e n für gefährdet hält. Die M o t i v e des Rechtsgeschäfts sind für den Bestand des Rechtsgeschäfts grundsätzlich ohne Bedeutung 3 1 . Sie sind nicht entscheidend für den Typus des Geschäfts: es ist für das Vorliegen des Kaufes gleichgültig, ob der Erwerber die Sache braucht oder ein B u c h erwirbt, u m es i m Interesse der Sittlichkeit sofort zu vernichten. Ebenso k o m m t es beim Dienst vertrag nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die i h m zugesagte Leistung für sich verwerten, oder einem Arbeitslosen einen Verdienst verschaffen will. A u c h die Schenkung k a n n aus den verschiedensten Beweggründen erfolgen: Mitleid, D a n k b a r k e i t für geleistete Dienste, E r w a r t u n g v o n Gegendiensten, oder Rücksicht auf die öffentliche Meinung. Die M o t i v e sind auch für die Gültigkeit des Geschäftes i n der Regel ohne Bedeutung. Ausnahmsweise k a n n ein Rechtsgeschäft wegen U n s i t t l i c h k e i t des M o t i v s n i c h t i g oder, weil es i n der Absicht geschlossen ist, D r i t t e zu benachteiligen, angreifbar sein 3 2 . Die objektive U n r i c h t i g k e i t der als M o t i v wirkenden Vorstellungen ist bei der U n v o l l k o m m e n h e i t menschlicher Erkenntnis u n d Voraussicht eine so häufige Erscheinung, daß das Gesetz i m Interesse der Rechtssicherheit den sog. I r r t u m i m M o t i v prinzipiell unbeachtet lassen muß u n d nur ausnahmsweise berücksichtigen kann, indem es dem Irrenden die Anfechtung des Rechtsgeschäftes gestattet 3 3 . Ebenso ist das Rechtsgeschäft an u n d für sich wirksam u n d nur durch Anfechtung entkräftbar, wenn das ausschlaggebende M o t i v durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche D r o h u n g gesetzt ist. Andere noch so starke oder abnorme Motive beeinträchtigen die G ü l t i g k e i t des Rechtsgeschäftes n i c h t : ein K a u f ist wirksam , auch wenn er durch ein unvernünftiges 31 R e g e l s b e r g e r § 143 I ; D e r n b u r g § 110; C r o m e § 78; K o h l e r § 228. 32 § 2287, K O . § 31. 83 §§ 119 I I , 2078 I I . Vgl. u n t . § 67 Note 5.

§52.

Bestandteil

des R e c h t s g e s c h ä f t e s .

199

Affektionsinteresse (Sammelwut) 3 4 oder durch eine Notlage 3 5 veranlaßt i s t 3 5 a . Jedes M o t i v k a n n zum Bestandteil des Rechtsgeschäftes gemacht werden, wenn es als accidéntalo negotii i n die Willenserklärung aufgenommen wird. Besteht das M o t i v i n der E r w a r t u n g einer künftigen Tatsache, so k a n n diese Tatsache zur Bedingung der Rechtswirkung erhoben werden. Soll nach dem I n h a l t des Rechtsgeschäfts die Rechtswirkung davon abhängen, daß eine Tatsache der Gegenwart oder Vergangenheit den Vorstellungen der Parteien entspricht, so hegt keine eigentliche Bedingung vor, weil es an der für die Bedingung charakteristischen objektiven U n gewißheit der Rechtslage fehlt. I m gemeinen Recht sprach m a n von einer condicio i n praesens vel praeteritum relata 3 6 ; der zutreffende deutsche Ausdruck zur Bezeichnung einer solchen Klausel des Rechtsgeschäfts scheint m i r „Voraussetzung" 3 7 zu sein. Bedingungen u n d Voraussetzungen brauchen nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden: es k a n n sich aus den Umständen ergeben, daß die Rechtswirkung nur für den F a l l gewollt ist, daß die E r w a r t u n g oder die Annahme einer Tatsache z u t r i f f t 3 8 . Eine solche Beschränkung der Rechtswirkung k a n n v o n den Parteien nur dann gewollt sein, wenn sie die jetzige oder künftige Sachlage als eine unsichere betrachten; je weniger die Parteien Anlaß hatten, an der Richtigkeit ihrer Vorstellungen oder dem Eintreffen ihrer 34

Vgl. T u h r , Notstand i m Zivilrecht § 2. R G . 68, 399. A u c h die freiwillige Aufgabe des Besitzes, § 856 I , w i r d m. Er. nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Besitzer sich i n einer N o t lage befand. Die Sache, welche aus einem Schiff oder Luftschiff zu Rettungszwecken ausgeworfen wird, ist nicht abhandengekommen. Das bei D e r n b u r g I I I § 103 I I 2 angeführte Beispiel ist falsch gewählt: wer bei einer Feuersbrunst eine Sache aus dem Fenster w i r f t , hat den Besitz d a m i t noch nicht aufgegeben; erst wenn ein Unberechtigter die Sache an sich n i m m t , ist der Besitz, ohne W i l l e n des Besitzers, verloren. 35 a i ^ j p Ausbeutung der Notlage bewirkt N i c h t i g k e i t , § 138 I I . 36 W i n d s c h e i d § 87 Note 2. 37 Die Ausdrücke Bedingung u n d Voraussetzung werden i n der Sprache des Lebens promiscué gebraucht. Es scheint m i r aber sprachlich korrekter zu sein, das W o r t Voraussetzung anzuwenden, wenn dem Rechtsgeschäft eine Vorstellung über gegenwärtige oder vergangene Tatsachen zugrunde liegt, so z. B. wenn i n der Verabredung über Gewährung einer H y p o t h e k davon ausgegangen wird, daß die v o m Eigentümer angegebene Feuerversicherungssumme die richtige ist. 38 Eine Auslegungsregel i n dieser R i c h t u n g enthält § 2077 für letztwülige Zuwendungen unter Ehegatten u n d Verlobten, vgl. auch § 2169 1, 35

200

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Erwartungen zu zweifeln, u m so weniger ist es wahrscheinlich, daß sie die Rechtswirkung v o n einer Bedingung oder Voraussetzung abhängig machen wollten. M a n w i r d daher bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts eher geneigt sein, eine stillschweigende Bedingung, als eine stillschweigende Voraussetzung anzunehmen; denn die Ungewißheit künftiger Ereignisse pflegt den Parteien stärker zum Bewußtsein zu kommen als die Möglichkeit des I r r tums i n bezug auf Gegenwart u n d Vergangenheit. W i r d z. B . ein Fenster für einen Festzug zu hohem Preise vermietet, so liegt es i m Gesichtskreis der Parteien, an die Möglichkeit zu denken, daß der Festzug unterbleibt oder aufgeschoben w i r d ; daher k a n n man den Mietvertrag als stillschweigend bedingt auslegen; ebenso wenn ein Universitätsprofessor an einen vorgeschlagenen, aber noch n i c h t berufenen auswärtigen Kollegen eine W o h n u n g vermietet 3 9 ; oder wenn jemand einem Verlobten anläßlich der bevorstehenden Eheschließung eine zur E i n r i c h t u n g des Haushalts dienende Sache schenkt 4 0 . Dagegen ist nicht anzunehmen, daß ein Vertrag ,,unter der Voraussetzung" geschlossen ist, daß die Vorstellungen, v o n denen die Parteien i n bezug auf Vergangenheit u n d Gegenwart ausgehen, der W i r k l i c h k e i t entsprechen; wenn z. B . beide K o n t r a h e n t e n ihren Berechnungen einen unrichtigen Marktpreis zugrunde legen oder beide i r r t ü m l i c h annehmen, daß die Kaufsache gewisse Eigenschaften habe, so liegt es ihnen fern, das Zustandekommen des Vertrages v o n der R i c h t i g k e i t dieser Annahmen abhängig zu machen 4 1 . Aus der psychologischen Analyse des Parteiwillens k a n n m a n ferner als Regel entnehmen, daß an eine stillschweigend i n das Rechtsgeschäft aufgenommene Bedingung oder Voraussetzung eher zu denken ist, wenn es sich u m ein obligatorisches Versprechen handelt, als wenn bereits eine definitive Vermögens Verschiebung durch Leistung vorliegt 4 2 . 39

a. A . für diesen F a l l O e r t m a n n Bem. 1 d vor § 1Ö8. F ü r Geschenke der Verlobten unter sich gibt § 1301 ein Rückforderungsrecht, ohne daß es darauf ankommt, daß die Parteien an die Möglichkeit des NichtZustandekommens der Ehe gedacht haben, was gerade unter Verlobten , besonders i m Moment der Schenkung, selten vorkommen wird. 41 N u r der Vergleich ist nach § 779 unwirksam, wenn der nach dem I n h a l t des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der W i r k lichkeit nicht entspricht. 42 Wer z. B . ein Erfüllungsgeschäft v o r n i m m t , bekundet eben durch die Leistimg seine Überzeugung von der Existenz seiner Verpflichtung; 40

§ 52.

Bestandteil

des R e c h t s g e s c h ä f t e s .

201

W e n n d i e W i r k u n g eines R e c h t s g e s c h ä f t s v o n e i n e r B e d i n g u n g o d e r V o r a u s s e t z u n g a b h ä n g e n soll, so m u ß diese A b h ä n g i g k e i t

in

d e r W i l l e n s e r k l ä r u n g a u s d r ü c k l i c h b e s t i m m t o d e r aus d e r W i l l e n s e r k l ä r u n g d u r c h A u s l e g u n g als g e w o l l t z u e n t n e h m e n sein.

Ist

dies n i c h t d e r F a l l , so i s t e i n M o t i v , a u c h w e n n es s u b j e k t i v n o c h so b e s t i m m e n d i s t u n d selbst w e n n es e r k e n n b a r ist, für die W i r k s a m k e i t

hervorgetreten

des Geschäftes b e d e u t u n g s l o s

43

.

Ins-

besondere i s t es f ü r d i e G ü l t i g k e i t eines V e r t r a g e s i r r e l e v a n t , d a ß e i n K o n t r a h e n t aus e i n e m f ü r d e n a n d e r e n T e i l e r k e n n b a r e n B e weggrund handelt

44

.

B e s t e l l t z. B . j e m a n d e i n

Kleidungsstück

f ü r e i n e n F e s t z u g , a n d e m er t e i l z u n e h m e n g e d e n k t , so i s t M o t i v der Bestellung für den Schneider v o l l k o m m e n

das

erkennbar.

T r o t z d e m w i r d die Bestellung n i c h t hinfällig, w e n n der

Festzug

n i c h t s t a t t f i n d e t ; d e n n aus d e n U m s t ä n d e n i s t n i c h t z u e n t n e h m e n , daß der V e r t r a g n a c h d e m W i l l e n beider K o n t r a h e n t e n v o m Z u s t a n d e k o m m e n des F e s t z u g s a b h ä n g e n s o l l t e

45

.

daher wird durch den i n der Erfüllung enthaltenen Hinweis auf die Schuld das Erfüllungsgeschäft nicht v o m Bestehen der Schuld abhängig gemacht. 43 Anders die von W i n d s c h e i d §§ 97—100 aufgestellte Lehre v o n der Voraussetzung: die Vorstellung der Parteien v o m gegenwärtigen oder künftigen Zustand der Verhältnisse soll, auch wenn sie nicht als Bedingung i n das Rechtsgeschäft aufgenommen ist, von rechtlicher Bedeutimg sein, wenn sie erkennbar (bei Rechtsgeschäften unter Lebenden: dem Geschäftsgegner erkennbar) géâufiert i s t ; wenn die Voraussetzung nicht zutrifft oder sich nicht verwirklicht, soll das Rechtsgeschäft rückgängig gemacht werden können. Unter den Begriff der Voraussetzimg stellt W i n d s c h e i d die Auflage, die causa (vgl. unt. Note 44) u n d das hier behandelte tatsächliche M o t i v . Die W i n d s c h e i d s c h e Lehre ist vielfach bekämpft worden, am eingehendsten von L e n e 1 , Arch. ZivPr. 74, 213 fg., 79, 49 fg., vgl. B e k k e r § 119, und ist weder i n das B G B . noch i n die Anwendung desselben übergegangen, vgl. R G . 62, 267; 66, 132; P l a n c k Vorb. 2; S t a u d i n g e r Vorb. 1 vor § 158; E n n e c c e r u s § 181 Note l ; D e r n b u r g § 149 I V ; vgl. aber auch O e r t m a n n Vorb. l d vor § 158. 44 Anders verhält es sich m i t dem Rechtsgrund des abstrakten Rechtsgeschäfts, der sog. causa: sie ist nicht ein dem Gegner erkennbarer Beweggrund, sondern ein Bestandteil der Verabredung, welcher aus technischen Gründen aus dem Tatbestand des Zuwendungsgeschäfts ausgeschieden w i r d und i n besonderer Weise (durch einen Bereicherungsanspruch) zur Geltung k o m m t , vgl. ob. S. 194 und unt. S. 256. A u c h die Auflage ist. i m heutigen Recht nicht ein zum Ausdruck gebrachter Beweggrund der Zuwendung, sondern ein Stück des Schenkungsvertrages oder der Verfügimg von Todeswegen. 45 Der Unterschied dieses Falles von dem oben erwähnten Beispiel

202

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Ausnahmsweise berücksichtigt das Gesetz eine unvorhergesehene Änderung der Umstände, auch ohne daß die Parteien den Fortbestand der Sachlage als Voraussetzung i n ihre Verabredung aufgenommen haben. So k a n n das Versprechen der Hingabe eines Darlehens widerrufen, eine versprochene Vorleistung verweigert werden, wenn i n den Vermögensverhältnissen des anderen Teils eine wesentliche Verschlechterung e i n t r i t t , §§ 610, 321; ähnlich w i r k t der bei einigen Vertragsverhältnissen zulässige R ü c k t r i t t aus wichtigem Grunde, §§ 626, 671, 723 4 6 . Der i n diesen Bestimmungen zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke wurde i n der älteren D o k t r i n des gemeinen Rechts als allgemeiner Rechtssatz gelehrt: es wurde angenommen, daß die sog. clausula rebus sie stantibus sich bei jedem Vertrag v o n selbst verstehe. Diese viel zu weit gehende u n d die Sicherheit des geschäftlichen Lebens gefährdende Theorie w i r d jetzt allgemein abgelehnt 4 7 . Anzunehmen, daß die Parteien den Vertrag nur für den F a l l gew o l l t hätten, daß die Sachlage sich n i c h t wesentlich verändert, wäre eine den Tatsachen meistens n i c h t entsprechende F i k t i o n . Es ist vielmehr davon auszugehen, daß, wer einen Vertrag auf längere Zeit schließt, das Risiko einer ungünstigen Wendung ebenso übernimmt, wie er die Vorteile einer günstigen Verschiebung der Situation beansprucht. N u r bei ganz außergewöhnlicher Veränderung der Sachlage verlangt die Billigkeit, dem Schuldner zu H i l f e zu kommen 4 8 . Das k a n n aber meines Erachtens nicht dadurch geschehen, daß man i n den Vertrag eine Voraussetzung hineininterpretiert ; denn gerade außergewöhnliche Ereignisse werden am wenigsten v o n den Parteien i n den Kreis ihrer Verabredungen hineingezogen: wenn z. B. Verkäufer u n d Käufer an (Miete eines Fensters für einen Festzug) ergibt sich, sobald man unterstellt, daß es zu einer Aussprache unter den Parteien gekommen wäre: der Fenstervermieter hätte vernünftigerweise die Aufnahme der Bedingimg i n den Vertrag zugestanden; der Schneider hätte das Risiko des Ausfallens des Festzuges nicht übernommen. 46 Analoge Anwendimg auf andere Rechtsverhältnisse von längerer Dauer R G . 65, 185; 78, 389. 47 P l a n c k § 321; O e r t m a n n Vorb. 1 d vor § 158; C r o m e § 78 Note 5; E n n e c c e r u s § 264 I V . A. A. neuerdings S t a h l , clausula rebus sie stantibus. 48 Vgl. den typischen F a l l bei D e r n b u r g I I § 111 Note 6: Einführung der Branntweinsteuer zu Lasten des Verkäufers, wodurch für i h n die auf früherer Basis berechneten Leistungen ruinös werden.

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

203

die Einführung einer Steuer nicht gedacht haben 4 9 , so haben sie für diesen F a l l auch stillschweigend nichts verabredet 5 0 . Dagegen scheint es m i r zulässig, unter Heranziehung des § 242 (Treu u n d Glaube und Verkehrssitte als Schranke der Verpflichtung des Schuldners) 5 1 den Schuldner durch Einrede 5 2 gegen die unerschwinglich gewordene Leistungspflicht zu schützen.

§ 53.

Einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte *.

I . Das B G B . hebt unter den Rechtsgeschäften die „einseitigen Rechtsgeschäfte' ' 1 hervor u n d stellt sie d a m i t i n Gegensatz zu den sonstigen, den zwei- oder mehrseitigen Geschäften, insbesondere zu den Verträgen. E i n Rechtsgeschäft ist einseitig, wenn zu seinem typischen Tatbestand eine Willenserklärung genügt, d. h. wenn die v o m Handelnden gewollte Rechtswirkung unter normalen Umständen 2 durch seine alleinige Willenserklärung erreicht werden kann. Soweit die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts über den Rechtskreis des Handelnden hinausgehen u n d Rechte anderer Personen berühren, ist prinzipiell Einigung der beteiligten Rechtssubjekte erforderlich ; es ist ein auf der Idee der Rechtsgleichheit beruhendes und unserer Rechtsordnung zugrunde liegendes A x i o m , daß Rechtsverschiebungen normalerweise durch den übereinstimmenden Willen der Beteiligten erfolgen. W e n n jemand imstande sein soll, durch seinen alleinigen W i l l e n eine solche Rechtsänderung herbeizuführen, so bedarf er dazu einer besonderen Rechtsmacht 3 . Diese Rechtsmacht beruht entweder auf einem rechtsverleihenden 49

Vgl. vorige Note. Vgl. unt. § 64. 51 Dabei ist jedoch zu beachten, daß Treu u n d Glauben grundsätzlich die Innehaltung von Verabredungen auch bei veränderten Verhältnissen verlangen. 52 Vgl. ob. § 51 Note 55. * W i n d s c h e i d § 69; B e k k e r § 94; R e g e 1 s b e r g e r § 148 I , § 149 I ; D e r n b u r g § 108 I , I I ; C r o m e § 74 I ; E n d e m a n n § 62; E n n e c c e r u s § 137; B i e r m a n n § 45; B r e i t , Geschäftsfähigkeit 176 fg. 1 §§ 111, 143, 174, 180, 182, 1398, 1403, 1405, 1831, 1937. 2 Aus besonderen Gründen kann zum einseitigen Rechtsgeschäft die M i t w i r k u n g mehrerer Personen oder die Zustimmung eines D r i t t e n erforderlich sein, vgl. unt. I I I . 3 Die einseitigen Rechtsgeschäfte müssen einem i m Gesetz anerkannten Typus entsprechen, vgl. ob. § 51 Note 21. 50

204

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Rechtssatz oder auf einem Rechtsverhältnis , i n welchem der Handelnde bereits zu dem Rechtssubjekt steht, dem gegenüber er seinen einseitigen W i l l e n zur Geltung bringen kann 4 . Einseitige Rechtsgeschäfte, welche nur oder i n erster Linie den Rechtskreis des Handelnden betreffen, sind: Aneignung herrenloser Sachen, Dereliktion, §§ 928, 959, Ausschlagung und A n nahme der Erbschaft, § 1945, E r r i c h t u n g einer Stiftung, § 81, Bestellung einer Eigentümergrundschuld, § 1196 5 . Einseitige Rechtsgeschäfte m i t E i n w i r k u n g auf den Rechtskreis D r i t t e r gestattet das Gesetz entweder, wenn diese Einw i r k u n g für den D r i t t e n nur vorteilhaft sein kann, oder wenn ein v o m Gesetz als überwiegend anerkanntes Interesse des Handelnden vorliegt. A u f dem ersten Grunde beruht die Möglichkeit, durch einseitiges Rechtsgeschäft (Testament) letztwillig zu verfügen 6 , der einseitige Verzicht auf dingliche Rechte an fremder Sache, die Verleihung v o n Machtbefugnissen (Vollmacht, Einwilligung 7 ), sowie die Genehmigung des Rechtsgeschäftes eines anderen. Dagegen k a n n die translative oder k o n s t i t u t i v e Übertragung dinglicher oder sonstiger Rechte nicht durch einseitigen W i l l e n des Veräußerers erfolgen 8 , obgleich sie prima facie für den Erwerber vorteilhaft ist. Ebenso ist das Eingehen einer Verpflichtung n u r ausnahmsweise 9 durch einseitiges Rechtsgeschäft mög4

H e c k , Festschr. f. Gierke 322, vgl. ob. § 48 Note 17. A u c h zu einer Rangänderung zwischen zwei demselben Gläubiger zustehenden H y p o t h e k e n an einem Grundstück genügt der einseitige Wille des Gläubigers, da die Rangänderung nur seinen eigenen Rechtskreis bet r i f f t , W o l f f , Sachenrecht § 42 A n m . 6. 6 Der Erblasser k a n n nur Rechte verleihen (Zuwendungen, Ernennung eines Testamentsvollstreckers) u n d solchen Personen, denen er aus dem Nachlaß etwas zuwendet oder beläßt, Pflichten auferlegen. Die dem Begünstigten ohne seinen W i l l e n zukommende Rechtsstellung kann durch Ausschlagung, §§ 1942, 2142, 2176, oder Ablehnung, § 2202, beseitigt werden. 7 Vgl. ob. § 7 I V . 8 Ausnahme: Bestellung einer H y p o t h e k für Inhaberforderung durch einseitige Erklärung des Eigentümers, § 1188. 9 Einseitige Verpflichtungserklärungen sind: die Auslobung (wie sich aus den Schlußworten des § 657 ergibt ; vgl. O e r t m a n n , Vorb. 1 vor § 657; wie die Auslobung so ist auch die Preisausschreibung als einseitige E r k l ä r u n g aufzufassen, durch welche sich der Erklärende gegenüber den Personen, die sich bewerben werden, zur Erteilung des Preises verpflichtet) ; die Ausstellung eines Inhaberpapieres, § 793/4; die Annahme des Wechsels, W O . A r t . 21; die Übernahme v o n Schulden nach H G B . § 25 I I I ; die Zusicherung des Stiftungsvermögens, ob. § 41 V , u n d die Zuwendungen aus den Erträgnissen der Stiftung, ob. § 41 V I I . 5

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

205

lieh 1 0 . Auch das Aufgeben einer Forderung durch den Gläubiger verlangt einen Vertrag (Erlaß). Einseitige Rechtsgeschäfte, welche benachteiligend i n den fremden Rechtskreis eingreifen, beruhen auf einem durch Gesetz oder Vertrag begründeten Gestaltungsrecht 1 1 , welches rechtsbegründend 1 2 , rechts verändernd 1 3 oder aufhebend 1 4 sein kann. Das einseitige Rechtsgeschäft 1 5 als Ausübung aufhebender Gestaltungsrechte ist eine Neuerung des B G B . ; das frühere Recht ließ den aufhebenden Erfolg meistens durch U r t e i l eintreten 1 ( i . Bei den einseitigen Rechtsgeschäften, welche i n den Rechtskreis einer bestimmten Person eingreifen, muß die Willenserklärung dieser Person gegenüber abgegeben werden, d. h. sie muß zur Kenntnis des Erklärungsgegners kommen oder i h m zugehen (§ 130). Das kann ohne W i l l e n des Erklärungsgegners geschehen, die E i n seitigkeit des Geschäftes zeigt sich gerade darin, daß die W i r k u n g ohne Willensbeteiligung des Gegners erreicht werden k a n n 1 7 . N u r i n bestimmten Fällen k a n n der Gegner das i h m gegenüber vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft dadurch unwirksam machen, daß er die E r k l ä r u n g unter Angabe eines bestimmten Grundes unverzüglich zurückweist 1 8 oder ihr unverzüglich widerspricht 1 9 . 10 Der Vertrag zugunsten D r i t t e r , § 328, ist ein dem D r i t t e n gegenüber einseitiges Handeln der Parteien; wie bei letztwilligen Zuwendungen kann der D r i t t e das i h m ohne seinen Wülen verschaffte Recht zurückweisen, § 333. 11 Vgl. ob. § 7 I I I . 12 Z. B. das Aneignungsrecht an fremden Sachen vgl. ob. § 44 N . 38. 13 Z. B. das Wahlrecht 14 Z. B. Kündigung, R ü c k t r i t t , Widerruf der Schenkung, Anfechtung, Aufrechnung; A u s t r i t t u n d Ausschließung aus einem Verein (vgl. ob. § 38 I I ) ; Ausschließung eines Gesellschafters, § 737. A u c h die Entziehimg der Geschäftsführung erfolgt, obgleich § 712 I von einem Beschluß der Gesellschafter spricht, durch einseitige Willenserklärung auf Grund dieses Beschlusses, P l a n c k , § 712, l d ; E n n e c c e r u s § 398 A I 3. 15 Einige Gestaltungsrechte werden nicht durch einseitiges Rechtsgeschäft ausgeübt, sondern durch Rechtshandlung, insbesondere durch Erhebimg einer Klage oder durch Stellung eines Antrags, vgl. ob. § 7 Note 7a, § 50 Note 81. 58. 16 Vgl. über Anfechtung u n d R ü c k t r i t t D e r n b u r g l § 117 A n m . 4; über Aufrechnung D e r n b u r g I I § 124 I I I . 17 Vgl. unt. § 61. 18 §§ 111, 174, 359, 410, 1160. 19 § 396. Zurückweisung u n d Widerspruch sind negative Gestaltungs-

206

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Die W i r k u n g einseitiger Rechtsgeschäfte, welche die Rechtsbeziehungen zwischen zwei Personen betreffen und i n einer Willenserklärung an den Gegner bestehen, k a n n auch durch Vertrag zwischen diesen Personen hergestellt werden 2 0 . Wenn das Gesetz dem einseitigen W i l l e n die Macht verleiht, eine Rechtswirkung herbeizuführen, so ist d a m i t die selbstverständliche Möglichkeit, diesen Erfolg durch Einigung zu erreichen, nicht ausgeschlossen 2 1 . So k a n n die Aufhebung eines Rechtsverhältnisses (Miete, Dienstvertrag, Gesellschaft) nicht nur einseitig durch Kündigung, Rückt r i t t oder Anfechtung erfolgen, sondern auch i m Wege der Vereinbarung 2 2 . Die F ä l l i g k e i t einer Forderung k a n n wie durch K ü n digung so auch durch Verabredung hergestellt werden, die Vollmacht, zu welcher nach § 167 eine einseitige Erklärung genügt, auch durch Vertrag m i t dem zu Bevollmächtigenden erteilt werden. Neben der einseitigen Aufrechnung g i b t es einen Aufrechnungsvertrag 2 3 . Die W i r k u n g solcher Verträge ist, wenn die Voraussetzungen des einseitigen Rechtsgeschäfts vorliegen, nicht geringer als die W i r k u n g , welche eine der Parteien durch einseitige E r k l ä r u n g hätte erreichen können: die vertragsmäßige Aufrechnung w i r k t , wie die einseitige, auf den Moment der Aufrechenbarkeit zurück, § 389; die Aufhebung eines Rechtsverhältnisses hat, wenn sie anstelle einer Anfechtung t r i t t , rückwirkende u n d beim dinglichen Vertrag dingliche K r a f t . M a n k a n n dem X , wenn er einen rechte, vgl. ob. § 10 Note 4, m i t der W i r k i m g , die Entstehung eines Rechtserfolges zu verhindern. Sie sind dem Anfechtungsrecht ähnlich, aber nicht m i t i h m identisch (a. A . H o l d e r § 111, 2b): denn das einseitige Rechtsgeschäft w i r d nicht erst durch Zurückweisung unwirksam, sondern i s t unwirksam, wenn die Zurückweisung unverzüglich erfolgt (vgl. ob. § 43 N o t e 86); das Unterbleiben der Zurückweisung ist gesetzliche Voraussetzung der W i r k u n g des einseitigen Geschäfts, H e l l w i g , ZZP. 29, 524 (gegen H u p k a , Vollmacht 112); O e r t m a n n § 174, 3 c. Die Zurückweisung ist m . E r . Rechtsgeschäft (a. A . O e r t m a n n § 111,2 b ) : denn die Willenserklärung des Zurückweisenden ist auf eine Rechtswirkung (Entkräftung der Erklärung des Gegners) gerichtet. 20 B r e i t a. a. O. 21 Anders verhält es sich, wenn das einseitige Geschäft i n einer Erklärung an eine Behörde oder i n einer nichtempfangsbedürftigen Erklärung besteht (z. B . Ausschlagung u n d Annahme der Erbschaft). Die Wirkungen solcher Rechtsgeschäfte können durch einen m i t einer bestimmten Person geschlossenen Vertrag nicht erreicht werden. 22 M a n pflegt die contrario consensu erfolgende Aufhebung von Rechtsverhältnissen nicht Kündigung, R ü c k t r i t t oder Anfechtung zu nennen. 23 P l a n c k u n d O e r t m a n n vor § 387.

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige Rechtsgeschäfte.

207

Rechtserfolg durch einseitiges Rechtsgeschäft (z. B. Anfechtung) herstellen könnte, n i c h t verwehren, seine Erklärung v o n der Zustimmung des Gegners abhängig zu machen (er w i l l vielleicht, zur Vermeidung eines Prozesses, nur dann anfechten, wenn der Gegner sich darauf einläßt), und es liegt kein G r u n d vor, seiner Erklärung, wenn sie v o m Gegner angenommen wird, weniger K r a f t beizumessen, als wenn er sie ohne oder gegen dessen W i l l e n abgegeben hätte 2 4 . Ob ein einseitiges Rechtsgeschäft oder eine Offerte zu einem Vertrag v o n entsprechendem I n h a l t vorliegt, ergibt sich aus dem W i l l e n des Erklärenden: rechnet er auf die Z u s t i m m u n g des Gegners und w i l l er die Rechtsfolge nur für den F a l l dieser Z u s t i m m u n g haben, so hat er eine Offerte gestellt, welche wirkungslos bleibt, wenn sie nicht angenommen w i r d 2 5 . Sollte dagegen nach Absicht des Erklärenden die Rechtswirkung ohne Rücksicht auf den W i l l e n des Gegners eintreten, so ist K ü n d i g u n g , R ü c k t r i t t usw. als einseitiges Rechtsgeschäft gewollt u n d daher als solches w i r k sam : die Zustimmung des Gegners ist n i c h t erforderlich und, wenn sie erteilt wird, bedeutungslos: sie k a n n zu der durch das Zugehen der einseitigen E r k l ä r u n g bereits eingetretenen Rechtswirkung nichts hinzufügen 2 6 . D a die einseitigen Rechtsgeschäfte Ausübung einer durch rechtsgewährende N o r m begründeten Fähigkeit oder Ausübung eines Gestaltungsrechtes sind, so sind sie n u r dann wirksam, wenn ihre i m Gesetz oder i n der vorausgehenden Verabredung festgesetzten Voraussetzungen vorliegen. Überschreitet der einseitig 24 Daher bildet die Erlaubnis des Vermieters zur Untervermietimg (§ 549 I ) i n Verbindung m i t dem Nachsuchen dieser Erlaubnis durch den Mieter den Tatbestand eines Vertrages (a. A . P 1 a n c k § 549 2 b ; O e r t m a n n § 549, 3), welcher aber n i c h t strenger behandelt werden darf, als eine einseitig erteilte Erlaubnis, u n d daher dem Formzwang des § 566 nicht unterliegt. 25 Eine Konversion der Offerte i n ein einseitiges Rechtsgeschäft, § 140, wird i n der Regel unstatthaft sein, weil sie der Absicht des Erklärenden widerspricht. Der Offerent k a n n aber nach Ablehnung seiner Offerte den gewollten Rechtseffekt durch einseitige Erklärung herbeiführen. 26 Zweifelhaft ist die i n § 1977 erwähnte Aufrechnung „ m i t Zustimm u n g " des Gegners. M. Er. k a n n dabei nur an einen Aufrechnungsvertrag gedacht werden; nachträgliche Zustimmung des Erben zu der i h m gegenüber einseitig erklärten Aufrechnung k a n n nicht als Verfügung des Erben über die i h m zustehende Forderung ( P l a n c k § 1977, 2) aufgefaßt werden, weil diese Forderung durch die Erklärung des Gegners bereits erloschen ist.

208

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Handelnde die Grenzen seiner Willensmacht, so bleibt der gewollte Rechtserfolg aus 2 7 . W e n n z. B . ein Gläubiger das Darlehen zu früh oder m i t zu kurzer Frist k ü n d i g t , so t r i t t die v o n i h m gewollte W i r k u n g nicht ein u n d es k a n n sich nur fragen, ob die K ü n d i g u n g für den nächsten zulässigen Termin wirksam ist 2 8 . Ebenso ist eine Aufrechnung wirkungslos, wenn die Forderung des Aufrechnenden n i c h t fällig oder m i t einer Einrede behaftet, oder wenn die Forderung des Gegners nicht zahlbar i s t ; eine Anfechtung, wenn i h r ein Anfechtungsrecht nicht zugrunde liegt. Solche Rechtsgeschäfte ermangeln der W i r k u n g , ohne daß es eines Widerspruchs des Gegners bedarf. E r k l ä r t sich aber der Gegner m i t dem an sich unwirksamen Rechtsgeschäft einverstanden, so bleibt zwar die einseitige Erklärung als solche wirkungslos, weil ihre Voraussetzungen fehlen; aber durch die auf dieselbe Rechtswirkung gerichteten Erklärungen der Parteien k a n n ein Vertrag zustande kommen, welcher die gewünschte Rechtswirkung herbeizuführen vermag 2 9 . So k a n n z. B. eine ungültige K ü n d i g u n g des Vermieters, wenn der Mieter auf sie eingeht, sich als Aufhebungsvertrag darstellen: der Mieter k a n n i n der i h m zukommenden K ü n d i g u n g jedenfalls eine Offerte zur Aufhebung der Miete sehen 3 0 ; diese Offerte hat er angenommen, wenn er der K ü n d i g u n g i n Kenntnis ihrer U n g ü l t i g k e i t z u s t i m m t 3 1 ; nicht aber, wenn er die K ü n d i g u n g für berechtigt h ä l t ; denn i n diesem Falle hat der Mieter durch seine Zustimmung nicht eine Rechtsänderung (Aufhebung der Miete) herbeiführen, sondern sich dem vermeintlichen Recht des Vermieters unterwerfen wollen 3 2 . Die Miete würde also weiter 27

Vgl. unt. § 55 Note 27. O e r t m a n n § 609, 1 e. I s t eine nach § 250, 283, 326 gesetzte Frist nicht „angemessen", so ist sie nicht wirkungslos, sondern w i r d als Setzung einer angemessenen Frist aufrechterhalten, vgl. unt. § 56. 29 P l a n c k § 111, 2; Vorb. 1 vor § 158; O e r t m a n n § 111, 1; D e r n b u r g § 121 V ; S t a u d i n g e r § 1202, 3; T h i e l e , A Z i v P r . 89, 143. Bloße Unterlassung des Widerspruchs seitens des Empfängers der einseitigen Erklärung genügt nicht zur Annahme eines Vertrages. 30 Weiß der Vermieter, daß er kein Kündigungsrecht hat, so liegt i n der K ü n d i g i m g eine Offerte zu einem Kündigungsvertrag; hält er die K ü n digung für zulässig, so k a n n sie nach § 140 i n eine solche Offerte konvertiert werden, vgl. u n t . § 56 V. Ebenso ist eine als einseitig gemeinte Erlaßerklärung des Gläubigers i n eine Offerte zu einem Erlaß vertrag zu konvertieren. 31 L o t m a r , Arbeitsvertrag I 568. 32 Vgl. ob. § 48 Note 37. 28

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

209

bestehen; es wäre aber meines Erachtens m i t Treu u n d Glauben, § 242, nicht vereinbar, wenn eine der Parteien auf Durchführung des Vertrages bestehen würde, nachdem infolge der v o m Mieter angenommenen K ü n d i g u n g eine Veränderung der Verhältnisse (anderweitige Vermietung der W o h n u n g oder anderweitiger Mietvertrag des Mieters) eingetreten wäre 3 3 . W i r d ein unwirksames einseitiges Geschäft bei Z u s t i m m u n g des Gegners i n einen Vertrag umgedeutet, so treten nur solche Wirkungen ein, welche durch Vertrag hergestellt werden können: hat z. B. ein Gläubiger das Darlehen m i t Z u s t i m m u n g des Schuldners vorzeitig gekündigt, so w i r d nach § 767 die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert ; erklärt sich bei grundloser oder verspäteter Anfechtung der Gegner als einverstanden, so ist die Aufhebung des Rechtsverhältnisses nicht nach dem Recht der Anfechtung zu beurteilen : sie hat weder dingliche noch rückwirkende K r a f t 3 4 . Wenn das Gesetz, ausnahmsweise, dem einseitigen W i l l e n ermöglicht, rechtsgestaltend zu wirken, insbesondere i n die Rechtsverhältnisse d r i t t e r Personen einzugreifen, so soll durch das einseitige Rechtsgeschäft i m Interesse der davon betroffenen Personen nach Möglichkeit eine feste rechtliche Situation geschaffen werden. Während die Parteien eines Vertrages, wenn es ihnen beliebt, einen Schwebezustand herstellen können 3 Õ , verlangt es die Billigkeit, daß die Personen, i n deren Rechtsverhältnisse durch Kündigung, R ü c k t r i t t , Aufrechnung, Anfechtung, Fristsetzung usw. eingegriffen wird, die ohne ihren W i l l e n eingetretenen Rechtsfolgen als sicher betrachten u n d sich darnach richten können 3 6 . 33 De lege ferenda wäre es angemessen, dem Urheber einer einseitigen Erklärung, die einen Eingriff i n fremde Rechtsverhältnisse enthält, eine H a f t i m g für den Bestand seines Rechts aufzuerlegen, wie sie i n §§ 179 u n d 231 statuiert ist. 34 N u r aus den v o m Gesetz festgestellten Gründen u n d nur innerhalb der Präklusivfristen kann ein Rechtsgeschäft m i t dinglicher u n d rückwirkender K r a f t durch Anfechtung (oder einen auf den gleichen Erfolg gerichteten Vertrag, vgl. ob. S. 206) aufgehoben werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, so können die Parteien nach allgemeinem Grundsatz (vgl. ob. S. 28) keine R ü c k w i r k u n g herbeiführen u n d daher eine Verfügung nicht ungeschehen machen, sondern nur das Resultat derselben durch entgegengesetzte Verfügung beseitigen. 35 Vgl. ob. § 43 Note 66. 36 Je weiter man dem Sicherheitsbedürfnis des Erklärungsgegners entgegenkommt, u m so mehr w i r d die Vornahme der einseitigen Rechtsgeschäfte erschwert. Es handelt sich daher bei den i m folgenden darzu

Handbuch X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

14

210

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

A u f diesem Rechtsgedanken beruhen folgende Bestimmungen des Gesetzes 3 7 : 1. W e n n ein einseitiges Rechtsgeschäft der Zustimmung eines D r i t t e n bedarf, so k a n n es nur m i t „ E i n w i l l i g u n g " des D r i t t e n vorgenommen werden, d. h. die Zustimmung muß vor oder spätestens gleichzeitig m i t der Vollendung des Geschäftes vorliegen 3 8 ; nachträgliche Z u s t i m m u n g (Genehmigung) ist wirkungslos 3 9 . Dieser Rechtssatz ist i m Gesetz ausgesprochen für die einseitigen Geschäfte eines Minderjährigen, § 111, eines Stellvertreters, § 180, einer Ehefrau, § 1398, u n d eines Vormundes, § 1831, und ist analog anzuwenden auch i n anderen Fällen, i n denen jemand aus sonstigem Grunde zu einem einseitigen Geschäft der Zustimmung eines anderen bedarf; so z. B . wenn der Gläubiger nach § 1283 I m i t Z u s t i m m u n g des Pfandgläubigers zu kündigen hat 4 0 , oder wenn jemand durch einseitiges Geschäft i n eigenem Namen über fremdes Recht verfügt 4 1 . E i n ähnlicher v o m Gesetz nicht vorgesehener F a l l ergibt sich bei relativer Nichtigkeit eines einseitigen Rechtsgeschäftes; wenn z. B. ein Gläubiger, der einem relativen Veräußerungsverbot, § 135/6 4 2 , unterliegt, die Forderung k ü n d i g t oder aufrechnet, so wäre die Forderung dem Gläubiger gegenüber fällig oder aufgehoben, dem durch das Veräußerungsverbot Geschützten gegenüber aber nur dann, wenn er der Verfügung des Gläubigers nachträglich zustimmt. Eine solche Unsicherheit der Situation k a n n meines Erachtens dem Schuldner nicht zugem u t e t werden; daher muß das i n §§ 111, 180, 1398, 1831 ausgelegenden Rechtssätzen u m eine Mittellinie, welche das Gesetz resp. D o k t r i n u n d Praxis zwischen den Interessen des Erklärenden u n d seines Gegners zu ziehen haben. 37 Vgl. auch ob. § 50 Note 94. 38 Vgl. ob. § 43 Note 55. 39 Die ratio legis t r i f f t nicht bei allen einseitigen Rechtsgeschäften zu, z. B . nicht beim Stiftungsgeschäft, § 81, durch welches Rechte D r i t t e r nicht berührt werden; wenn z. B . ein Minderjähriger eine Stiftung errichtet, würde m. Er. kein Bedenken vorliegen, eine Genehmigung des gesetzlichen Vertreters zuzulassen; nach dem W o r t l a u t des § 111 ist aber die Stiftungsurkunde wirkungslos u n d muß nach Einholung der Einwilligung nochmals errichtet werden. 40 P l a n c k § 185, 3; O e r t m a n n § 185, 6; B i e r m a n n § 78, 1; C o s a c k § 58 I 2 c S. 196, O L G . 15, 327. 41 I n d e m er z. B., sich für den Gläubiger ausgebend, eine fremde Forderung k ü n d i g t oder zur Aufrechnung bringt. 42 Vgl. unt. § 58.

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

211

sprochene Prinzip auch hier angewendet werden: ein einseitiges, i n den Rechtskreis eines D r i t t e n eingreifendes Rechtsgeschäft ist nur dann zulässig, wenn es sofort u n d definitiv wirken kann, d. h. i n unserem Falle: wenn der i n der Verfügung beschränkte Gläubiger m i t E i n w i l l i g u n g des durch das Veräußerungsverbot geschützten D r i t t e n handelt. Eine Zurückweisung der einseitigen ohne E i n w i l l i g u n g ergangenen Erklärung ist i m allgemeinen n i c h t nötig 4 3 . W e n n aber der Erklärungsgegner d a m i t einverstanden ist, daß die E r k l ä r u n g ohne Einwilligung abgegeben wird, so ist das einseitige Geschäft nicht nichtig, sondern, wie ein Vertrag, v o n der Genehmigung des Zustimmungsberechtigten abhängig 4 4 . 2. Zur Sicherung des Gegners beim einseitigen Rechtsgeschäft ist i n zahlreichen Fällen vorgeschrieben, daß er die einseitige E r klärung unverzüglich zurückweisen 4 5 kann, wenn der Erklärende seine Berechtigung zur Vornahme des Rechtsgeschäftes n i c h t urkundlich nachweist: der Minderjährige muß die E i n w i l l i g u n g des gesetzlichen Vertreters i n schriftlicher F o r m vorlegen, § 111, 2, der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde, § 174 4 5 a , der Zessionar die Zessionsurkunde, § 410 4 5 b , der Hypothekengläubiger den H y p o thekenbrief, § 1160 I I ; wer ein einseitiges Geschäft m i t E i n w i l l i g u n g eines D r i t t e n v o r n i m m t (z. B. die Ehefrau m i t E i n w i l l i g u n g des Mannes, § 1398), muß die E i n w i l l i g u n g durch U r k u n d e nachweisen, 43 Ausnahmsweise ist i n § 180, 2 bestimmt, daß die Vorschriften über Verträge zur Anwendimg kommen (d. h. Schwebezustand eintreten) soll, wenn der Erklärungsgegner die v o m Erklärenden behauptete Vertretungsmacht nicht beanstandet. Diese singulare Vorschrift ist auf die übrigen Fälle nicht auszudehnen, insbesondere nicht auf § 111, vgl. unt. § 59. 44 Das ist i n § 180, 2 ausgesprochen, gilt aber auch bei einseitigen Geschäften des Minderjährigen, unt. § 59, u n d den übrigen Fällen, weil man Abgabe u n d Entgegennahme der Erklärung i n diesem Einverständnis als Vertrag auffassen kann, durch welchen die sonst durch einseitige E r klärung zu erzielende W i r k u n g erreicht werden soll, vgl. ob. Note 29; P l a n c k § 111, 2 ; D e r n b u r g § 121 V ; O e r t m a n n § 111, 1; K i p p Zus. a zu Windscheid § 71. 45 Vgl. ob. Note 18. 45a Ebenso muß der Bote sich ausweisen, P l a n c k § 130, 4 ; T i t z e , Mißverständnis 246. 45 b R G . 70, 163 verlangt bei Aufrechnung m i t einer abgetretenen Forderung grundsätzliche Aushändigung der Zessionsurkunde; m. E r . ist die Aufrechnung als einseitige Erklärung wie die K ü n d i g i m g oder Mahnung zu behandeln, so daß nach § 410 I 2 Vorlage der Urkunde genügt. 14*

212

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

§ 1 8 2 I I I ; ebenso der V o r m u n d die Genehmigung des Vormund schaftsgerichts, § 1831, 2 4 6 . Abgesehen von diesen Fällen ist der Erklärungsgegner nicht berechtigt, v o m Urheber des einseitigen Rechtsgeschäftes den Nachweis seines Rechtes zu verlangen, sondern muß auf eigene Gefahr die Berechtigung des Erklärenden prüfen 4 7 ; so braucht z. B. der V o r m u n d bei Vornahme eines einseitigen Rechtsgeschäftes seine Bestallung nicht vorzulegen 4 8 ; selbst bei Erbfolge ist die L e g i t i m a t i o n durch Erbschein für einseitige Geschäfte des Erben n i c h t vorgeschrieben 4 9 . 3. Bei einigen einseitigen Rechtsgeschäften hat das Gesetz die Hinzufügung v o n Bedingungen oder Zeitbestimmungen ausgeschlossen, so bei Annahme u n d Ausschlagung der Erbschaft, § 1947, des Vermächtnisses, § 2180, u n d des A m t s eines Testamentsvollstreckers, § 2202; ferner bei der Aufrechnung, § 388. Die ratio dieser Vorschriften ist darin zu suchen, daß der einseitig wirkende W i l l e einen sicheren Rechtszustand herstellen soll. Aus demselben Grunde w i r d bei zahlreichen Rechtsgeschäften, ohne daß das Gesetz es ausspricht, Unzulässigkeit der Bedingung und Befristung a n g e n o m m e n 5 0 : so namentlich bei A n f e c h t u n g 5 1 , R ü c k t r i t t , Widerruf, Wahlerklärung, Ausübung eines Vor- oder Wiederkaufsrechtes 5 2 ; die K ü n d i g u n g läßt keine Bedingung zu, 46 Die Urkunde k a n n ersetzt werden: i n §§ 111, 174, 182 durch Mitteilung des Einwilligenden resp. Vollmachtgebers an den Erklärungsgegner (vgl. ob. § 49 Note 24), i n § 410 I I durch schriftliche Benachrichtigung des Schuldners seitens des Zedenten. 47 Ebenso ist es Sache des Erklärungsempfängers, die Echtheit der oben erwähnten Urkunden sowie, bei mündlichen Erklärungen, die I d e n t i t ä t des Erklärenden zu prüfen. Beglaubigung der Erklärungen kann i m allgemeinen nicht verlangt werden, D e r n b u r g § 168 A n m . 18, P l a n c k § 410, 2; a. A . H ö 1 d e r zu § 111 S. 248. I s t der Empfänger über die Echtheit einer i h m zugegangenen schriftlichen Erklärung i m Zweifel, so w i r d eine Anfrage an den, von welchem die Erklärung angeblich ausgeht, i n den meisten Fällen Aufklärung bringen. Für Nichtbeantwortung solcher Anfragen hat das Gesetz keine Rechtsfolgen aufgestellt. U n t e r Umständen w i r d sich aber eine Schadensersatzpflicht aus § 826 ergeben, R G . i n SeuffA. 65, 323. 48 R G . 74, 264. 48 P l a n c k § 2367, 3. 50 D e r n b u r g § 148 I I ; E n n e c c e r u s § 182 112. 51 R G . 66, 153; R G . i n SeuffA. 61, 178. Vgl. unt. § 57 Note 36. 52 Dagegen ist Bedingung u n d Zeitbestimmung zulässig bei Einwilligung u n d Vollmacht, E n n e c c e r u s § 182 A n m . 13, außer wenn Einwilligung und Vollmacht zu einem Rechtsgeschäft erteilt wird, welches kei¿e Bedingung duldet.

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige Rechtsgeschäfte.

213

wohl aber Befristung 5 3 . D a die Unzulässigkeit v o n Bedingungen und Befristungen i n diesen Fällen nicht v o m Gesetz vorgeschrieben ist, sondern aus dem Zweck des einseitigen Geschäftes gefolgert wird, so reicht sie nur soweit, als durch die Bedingung oder Befristung eine dem Gegner nicht zuzumutende Unsicherheit der Rechtslage entstehen würde 5 4 . Daher k a n n z. B . der Gläubiger den R ü c k t r i t t unter der Bedingung erklären, daß der Schuldner seinen Verpflichtungen innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt 5 5 ; auch eine K ü n d i g u n g m i t solcher Bedingung dürfte zulässig sein 5 6 . Daraus folgt aber nicht, daß Potestativbedingungen jeglichen Inhalts bei solchen einseitigen Geschäften zulässig wären. Die Hinzufügung einer unzulässigen Bedingung hat, wenn die U n zulässigkeit nicht auf gesetzlicher Vorschrift beruht, nicht immer Nichtigkeit der einseitigen E r k l ä r u n g zur Folge: eine K ü n d i g u n g unter der Bedingung, daß der Mieter auf eine Erhöhung des Mietzinses nicht eingeht, ist z. B . i n der Regel als unbedingte u n d daher wirksame K ü n d i g u n g aufzufassen, verbunden m i t der Offerte eines neuen Mietvertrages zu erhöhtem Zins 5 7 . I s t ein einseitiges Geschäft wegen unzulässiger Bedingung oder Befristung als solches 53

Denn es ist vorteilhaft für den Kündigungsgegner, wenn er möglichst früh von der durch die K ü n d i g u n g bewirkten Rechtsänderung Kenntnis erhält. Daher ist vorzeitige K ü n d i g u n g zulässig, z. B. beim Darlehen R G . i n Seuff.A 63, 443; O e r t m a n n § 609, 1 e. Fraglich ist, ob eine K ü n d i g u n g aus wichtigem Grunde, z. B. H G B . § 70 auf einen späteren Moment (statt m i t sofortiger W i r k i m g ) vorgenommen werden kann, vgl. S t a u b , H G B . § 7 0 Anm. 2; denn bei wichtigem Grunde k a n n dem Gegner daran liegen, daß das Rechtsverhältnis, wenn es aufgelöst werden kann, sofort aufhört. 54 Die Mahnung (welche, ohne Rechtsgeschäft zu sein, vgl. ob. S. 108, i n den meisten Beziehungen der Analogie der einseitigen Rechtsgeschäfte untersteht), kann wie bedingt, so auch befristet sein, E n n e c c e r u s § 182 Note 16, O e r t m a n n § 284, 2 g, außer wenn eine solche Mahnung gegen Treu und Glauben verstößt, vgl. z. B. R G . 75, 325: A hat den Vertrag m i t B angefochten u n d verlangt v o n B E r f ü l l u n g für den Fall, daß die Anfechtung unberechtigt sein sollte. Vgl. unt. § 37 Note 9 1 a . 55 Vgl. die Ablehnungserklärungen §§ 250, 283, 326. 56 Vgl. § 643. O e r t m a n n § 264, 2 b ; a. A . P 1 a n c k § 564, 2 c ; M i t t e l s t e i n , Miete § 66, 3. 57 S t a u d i n g e r § 564 I I I . Ähnlich behandelt R G . 66, 153 die Anfechtung eines Kaufs unter der Bedingung, daß der Verkäufer auf das Wandelungsbegehren des Käufers nicht eingeht, als unbedingte Anfechtung verbunden m i t dem Vorschlag, das Rechtsverhältnis nach dem Recht der Wandelung abzuwickeln.

214

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

unwirksam, so k a n n es, wenn m i t E i n w i l l i g u n g des Gegners vorgenommen oder von i h m gutgeheißen, als Vertrag wirken 5 7 a : denn Gesetz u n d B i l l i g k e i t verlangen nur, daß der Gegner nicht ohne seinen W i l l e n i n einen Zustand der Ungewißheit versetzt wird. 4. Die bei einseitigen Geschäften erwünschte Bestimmtheit der herzustellenden Rechtslage erfordert eine unzweideutige Erklärung 5 8 , deren Sinn u n d juristische Bedeutung genügend präzisiert 5 9 u n d dem Gegner erkennbar i s t 6 0 . Daher verlangt das Gesetz, daß die Zurückweisung einer einseitigen Erklärung wegen mangelnder L e g i t i m a t i o n des Erklärenden nach §§ 111, 174, 1160 I I ,,aus diesem Grunde" erfolge. Bei sonstigen einseitigen Rechtsgeschäften muß sich die E r k l ä r u n g als ein die Rechtslage gestaltender Willensakt darstellen 6 1 u n d es muß dem Gegner erkennbar sein, ob Aufrechnung, R ü c k t r i t t , Widerruf, K ü n d i g u n g , Anfechtung usw. vorhegt 6 2 ; durch bloße Bestreitung des gegnerischen Rechtes oder durch bloße Verweigerung einer Leistung kann keines dieser Rechte i n genügender Weise ausgeübt werden 6 3 . Das ist streitig 57 a

Vgl. ob. Note 29. Zweideutige Erklärungen sind selbst dann unwirksam, wenn der Gegner weiß, welchen Sinn der Erklärende m i t ihnen verbindet; denn der Gregner darf nicht der Gefahr ausgesetzt sein, daß der Erklärende später seine Worte anders deutet, T i t z e , Mißverständnis § 13 A n m . 34. 69 I n diesem Sinne scheint es m i r richtiger zu sein, wenn man v o m Gläubiger, der eine „angemessene F r i s t " setzen darf, §§ 250, 283, 326, verlangt, daß er die Länge der Frist bestimmt angebe, K i p p , Zus. 7 zu Windscheid § 264; R o m e i c k , Technik des B G B . I 40; anders die herrschende Meinung, P l a n c k § 250, 2 a , O e r t m a n n § 250, 3 c, E n n e c c e r u s § 238, 4 b ; S t a u b , E x k . zu H G B . § 374 A n m . 87. 60 Aus demselben Grunde sind einseitige schriftliche Erklärungen ohne Unterschrift zwar nicht unwirksam, können aber nach Analogie von §§ 111, 174 unverzüglich zurückgewiesen werden, weil der Empfänger sich der Gefahr nicht auszusetzen braucht, daß die Echtheit der Erklärung bestritten wird, vgl. unt. § 61 Note 00. 81 Vgl. Bd. I S. 198. 62 H a t der Aufrechnende mehrere zur Aufrechnung geeignete Forderungen, so braucht er nicht anzugeben, welche v o n diesen Forderungen aufgerechnet sein soll, O e r t m a n n § 396, 1 b. 63 K e i n Rechtsgeschäft ist die Erhebung einer Einrede (vgl. ob. § 48 Note 34): sie modifiziert nicht das Recht des Gläubigers, sondern hemmt nur die Durchsetzung des Anspruchs. Stößt der Gläubiger auf eine Weigerung des Schuldners, so muß er den Weg der Klage beschreiten, ob nun die Weigerung begründet oder imbegründet ist u n d ob sie auf Bestreitung seines Rechts oder auf einer Einrede beruht, Daher braucht der Schuldner den Grund seiner Weigerung erst i m Prozesse darzulegen; zur Erhebung der 58

§ 53.

Einseitig

u n d mehrseitige Rechtsgeschäfte.

215

f ü r d i e A n f e c h t u n g : R G . 65, 88 h a t i n d e r E r k l ä r u n g e i n e r P a r t e i , „ d a ß sie das Z u r e c h t b e s t e h e n eines V e r t r a g e s n i c h t a n e r k e n n e u n d n i c h t anerkennen könne'4, einen genügenden A u s d r u c k der A n fechtung wegen arglistiger Täuschung g e s e h e n 6 4 ; der T a t b e s t a n d s c h e i n t a b e r z u ergeben, d a ß d e r E m p f ä n g e r dieser E r k l ä r u n g aus den vorausgegangenen V e r h a n d l u n g e n e n t n e h m e n k o n n t e , daß eine A n f e c h t u n g v o r l a g 6 5 . D a g e g e n sagt R G . 6 8 , 8 m . E . r i c h t i g , d a ß w e n n eine P a r t e i d e n V e r t r a g als u n w i r k s a m b e z e i c h n e t , w e i l er v o n e i n e m v o l l m a c h t l o s e n V e r t r e t e r geschlossen sei, d a r i n eine A n f e c h t u n g w e g e n W i l l e n s m ä n g e l n i c h t e r b l i c k t werden könne. M a n m u ß meines E r a c h t e n s n o c h weiter gehen u n d v o m Anfechtenden, w e n n i h m mehrere konkurrierende A n fechtungsrechte (wegen I r r t u m , arglistiger T ä u s c h u n g oder D r o h u n g 6 6 ) z u G e b o t e s t e h e n , v e r l a n g e n , d a ß er a n g e b e , w e l c h e s dieser R e c h t e er d u r c h seine E r k l ä r u n g a u s ü b e n w o l l e 6 7 . D i e A n Einrede genügt die bloße Weigerung, vgl. K i p p , Festg. f. K o c h 135 und ob. § 17 Note 32; a. A . j e t z t K i p p , Festschr. f. M a r t i t z 217. Daß das Gesetz die Einrede i n bezug auf das Erfordernis der Angabe des Grundes anders behandelt, als die zu den einseitigen Rechtsgeschäften zu zählende Zurückweisung einer Erklärung, ergibt sich m i t großer Deutlichkeit aus § 1160: die Zurückweisung einer K ü n d i g u n g oder Mahnung muß unter Angabe des Grundes erfolgen, § 1160 I , weü K ü n d i g u n g u n d Mahnung infolge der Zurückweisung i m wirksam sind; der Widerspruch gegen die hypothekarische Klage, § 1160 I , ist Einrede, P l a n c k , § 1160, 5 a ; daß das Gesetz hier die Angabe des Grundes nicht verlangt, scheint m i r mehr als eine Zufälligkeit der Redaktion zu sein. 64 Zustimmend E n n e c c e r u s § 190 bei A n m . 8 65 Der Brief, den das R G . als Anfechtungserklärung gelten läßt, enthält die Mitteilung des Anfechtenden, daß er den Vertrag, „ w i e die Verhältnisse liegen", nicht anerkenne. 66 Vgl. Bd. I § 10 V. 67 O e r t m a n n § 143, 1 a, K i p p , Festschr. f. M a r t i t z 216; a. A. das ob. zitierte U r t . des R G / s 65, 88, E n n e c c e r u s § 190 A n m . 10, S t a u d i n g e r § 143, 2, O L G . 28, 26. Aus dem Schweigen des Gesetzes k a n n nicht gefolgert werden, daß der Anfechtende sich m i t einer unmotivierten Erklärung begnügen darf. Treu u n d Glaube sowie die Verkehrssitte (welche nicht nur bei Verträgen, sondern insbesondere auch bei der Ausübung v o n Gestaltungsrechten maßgebend sind) verlangen eine Berücksichtigung der Interessen des Gegners wenigstens insoweit, daß er ersehen k a n n , aus welchem Grunde das Rechtsgeschäft ungültig sein soll, vgl. ob. N o t e 36. Es ist auch keine zu starke Belastung des Anfechtenden, wenn m a n v o n i h m (wie v o m Käufer, der Wandelung oder Minderung begehrt, R G . 78, 296) Angabe der sein Recht begründenden Tatsachen fordert. Denn bei Täuschung und Drohung steht i h m dazu ein Jahr zur Verfügung; wenn er aber wegen I r r t u m oder falscher Übermittelung anficht, versteht es sich

216

Drittes B u .

fechtung

ist

nur

dann

wirklich vorliegt68.

D i e rechtserheblichen

wirksam,

wenn

der

Tatsachen.

angegebene

Grund

Ebenso m u ß die K ü n d i g u n g deutlich erkennen

lassen, d a ß d e r K ü n d i g e n d e d u r c h seine E r k l ä r u n g d e m V e r t r a g s v e r h ä l t n i s e i n E n d e m a c h e n w o l l e ; sie m u ß s i c h u n t e r s c h e i d e n v o n der B e h a u p t u n g , daß der V e r t r a g n i c h t zustande gekommen oder i p s o i u r e a b g e l a u f e n sei.

F e r n e r m u ß m e i n e s E r a c h t e n s aus d e r

K ü n d i g u n g s e r k l ä r u n g o d e r , w a s m e i s t e n s d e r F a l l sein w i r d , aus d e n begleitenden U m s t ä n d e n , hervorgehen, welches v o n mehreren i m Gesetz s t a t u i e r t e n K ü n d i g u n g s r e c h t e n a u s g e ü b t w i r d (ob z. B . d e r V e r m i e t e r n a c h §§ 553 o d e r 554 k ü n d i g t 6 9 ) ; d a g e g e n i s t b e i d e r K ü n d i g u n g aus w i c h t i g e m G r u n d ,

§§ 626, 723, H G B .

§ 70,

meines E r a c h t e n s n i c h t erforderlich, daß die den w i c h t i g e n G r u n d i m k o n k r e t e n F a l l darstellenden Tatsachen i n der E r k l ä r u n g gegeben w e r d e n § 2336 I I

70

.

B e i d e r E n t z i e h u n g des P f l i c h t t e i l s

A n g a b e des G r u n d e s

71

an-

verlangt

i n der letztwilligen Verfügung.

m. E r . geradezu v o n selbst, daß er den Fehler bezeichnet, wegen dessen er seine E r k l ä r u n g zurücknehmen will. 68 H a t der Anfechtende neben oder anstelle dieses Grundes einen anderen Anfechtungsgrund, so ist das aus diesem Grund hervorgehende Recht durch seine Erklärung nicht ausgeübt. Nach R G . 57, 363 soll eine Anfechtung wegen Täuschung zugleich als Irrtumsanfechtung gelten, wenn die E r k l ä r u n g unverzüglich i m Sinn v o n § 121 abgegeben ist, so daß der Anfechtende die Behauptung der Täuschung fallen lassen u n d sich auf die Behauptung des I r r t u m s beschränken könne. D e m ist zuzustimmen, wenn sich (wie i n dem v o m Reichsgericht entschiedenen Falle) der Tatbestand der Täuschung u n d des I r r t u m s decken: der Anfechtende behauptet z. B., daß er infolge einer Täuschung durch den Gegner eine Urkunde von nicht gewolltem I n h a l t unterschrieben habe. Anders wäre zu entscheiden, wenn die Anfechtimg wegen Täuschung i n bezug auf die Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes erfolgt ist und der Anfechtende nachträglich behauptet, daß seine E r k l ä r u n g auf Verwechslung von Urkunden oder einem sonstigen Erklärungsirrtum beruhe. 69

Die einzelnen Tatsachen, i n denen das vertragswidrige Verhalten des Mieters bestehen soll, brauchen m. E r . bei der K ü n d i g u n g nicht angegeben zu werden (sie ergeben sich meistens aus der vorangehenden Abmahnung, R G . 77, 119); a. A . O L G . 22, 235. 70 S t a u b , H G B . § 70 A n m . 3; D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g , A n m . I I z u H G B . § 70; L o t m a r , Arbeitsvertrag I 567. Die K ü n d i g u n g k a n n auch durch Gründe gerechtfertigt werden, die dem Kündigenden erst später bekannt geworden sind. A u c h beim R ü c k t r i t t v o m Verlöbnis braucht zum Ausschluß der Ersatzpflicht, § 1298 I I I , der wichtige Grund nur vorzuliegen, nicht beim R ü c k t r i t t angegeben zu werden oder auch nur dem Rücktretenden bekannt zu sein, O L G . 21, 211. 71 Über die Frage, wieweit Spezialisierung des Grundes erforderlich ist, vgl. P l a n c k § 2336, 2 b.

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

217

5. D u r c h einseitiges Rechtsgeschäft k a n n dem Gegner eine Rechtsänderung aufgezwungen werden. Es wäre unbillig, die daraus sich ergebende Ungewißheit unbegrenzte Zeit hindurch bestehen zu lassen. Daher ist für die meisten i n fremden Rechtskreis eingreifenden einseitigen Geschäfte, i n Ermangelung einer verabredeten Frist, v o m Gesetz eine Präklusivfrist a u f g e s t e l l t 7 2 , oder es ist dem Gegner das Recht verliehen, für die Vornahme des einseitigen Rechtsgeschäftes eine angemessene Frist zu setzen 7 3 . N u r ausnahmsweise sind derartige einseitige Geschäfte ohne zeitliche Beschränkung zulässig 7 4 . 6. Während sich bei Verträgen die unwiderrufliche B i n d u n g der Parteien von selbst v e r s t e h t 7 5 , scheint das einseitige Rechtsgeschäft, wie es durch den alleinigen W i l l e n des Urhebers entsteht, so auch durch diesen W i l l e n auf hebbar sein zu müssen. Dieser Parallelismus zwischen Begründung u n d Aufhebung zeigt sich i n der T a t beim widerruflichen Testament (im Gegensatz zum prinzipiell unwiderruflichen E r b vertrag, § 2290 fg.), beim Stiftungsgeschäft, § 81 I I , u n d bei der Auslobung, § 658. I n diesen Fällen handelt es sich aber u m den Widerruf einer Willenserklärung, deren W i r k u n g i n Ermangelung einer weiteren erforderlichen T a t sache (Tod des Erblassers, Genehmigung der Stiftung, Vornahme der zu belohnenden Handlung) noch nicht eingetreten i s t 7 6 . Sobald das einseitige Rechtsgeschäft die i h m zukommende W i r k u n g hervorgerufen hat, ist es grundsätzlich ebenso unwiderruflich 7 7 , wie der Vertrag, insbesondere, wenn es i n den Rechtskreis anderer 72

Z. B. Anfechtung, §§ 121, 123, Wiederkauf, § 503, Widerruf der Schenkung, §§ 532, 1584 I I . 73 Vgl. z. B. §§ 108, 177 (Genehmigung), § 355 ( R ü c k t r i t t ) , § 1347 I I , § 1066 I I I . 74 Beim Vorkaufsrecht liegt eine zeitliche Begrenzimg i n der a k t i v e n Unvererblichkeit, § 514. Keine Frist u n d kein Recht der Fristsetzung besteht für die Genehmigung i m F a l l des § 185 I I . I n Ermangelung einer v o m Gesetz aufgestellten zeitlichen Beschränkimg k a n n sich eine solche u. U . aus dem Prinzip von Treu u n d Glauben (§§ 242, 826) ergeben, vgl. über die Zeit, innerhalb welcher die Nachfrist des § 326 gesetzt werden kann, S t a u b , E x k . zu H G B . § 374 A n m . 98; für das Kündigungsrecht des Mieters nach § 542 R G . 82, 373, des Vermieters nach § 554 M i t t e l s t e i n , Miete § 56, 6 b u n d D J Z . 17, 508. Vgl. unt. § 54 Note 199. 76 Vgl. ob. § 50 Note 12. 76 Vgl. ob. § 50 Note 53. 77 P l a n c k Vorb. V I I I zum 3. Abschn. des 1. Buches; R i e z 1 e r , Venire contra factum proprium 143 fg.

218

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Personen eingreift; das schutzwürdige Interesse des Gegners an der Beseitigung der Unsicherheit verlangt die Unwiderruflichkeit des einseitigen Geschäftes 7 8 : muß sich jemand eine Rechtsänderung durch den einseitigen W i l l e n eines anderen gefallen lassen, so entspricht es der B i l l i g k e i t , daß er diese Änderung als eine definitive ansehen k a n n 7 9 . Daher können einseitige Rechtsgeschäfte, durch welche ein Gestaltungsrecht (vgl. ob. § 7 I I I ) ausgeübt wird, n i c h t zurückgenommen werden 8 0 . Das g i l t i n gleicher Weise von den begründenden, ändernden 8 1 u n d insbesondere von den aufhebenden (negativen, ob. § 10) Gestaltungsrechten, z. B. K ü n d i g u n g , Rückt r i t t , Widerruf, Aufrechnung, Anfechtung usw. Die Unwiderruflichkeit solcher Erklärungen ist so sehr i n ihrem Wesen und Zweck begründet, daß sie i m Gesetz als selbstverständlich vorausgesetzt u n d n u r da besonders hervorgehoben wird, wo es zweifelhaft sein könnte, ob es sich u m ein Gestaltungsrecht h a n d e l t 8 2 . W e i l das Gesetz v o n der Unwiderruflichkeit einseitiger Rechtsgeschäfte ausging, ist das Recht der Wandelung u n d Minderung, bei welchem m a n dem Käufer ein jus variandi einräumen wollte, n i c h t als (durch einseitiges Rechtsgeschäft auszuübendes) Gestaltungsrecht, sondern als Anspruch auf Abschluß eines Wandelungsresp. MinderungsVertrags konstruiert worden 8 3 . 78 Dieselbe ratio (Vermeidung der Unsicherheit) führt dazu, daß Mitteilungen, welche Rechtsänderungen bewirken und daher rechtsgeschäftsähnlichen Charakter haben, vgl. ob. S. 118, nicht oder nicht ohne weiteres zurückgenommen werden können, vgl. namentlich § 409 I I , § 576 I I , K i p p , Festg. f. K o c h 114 fg. 79 Dagegen kann die Erhebung des Anspruchs zurückgenommen werden (vgl. über Zurücknahme der Mahnung K i p p a. a. O. 123); ebenso die Verweigerung der Leistung durch Einrede, vgl. ob. § 17 Note 27. Wer eine Leistung verlangt oder verweigert, w i l l damit nicht Änderung, sondern Verwirklichung seines Rechtes erreichen; die Durchsetzung des subjektiven Rechtes ist aber stets v o m W i l l e n des Berechtigten abhängig. 80 A u c h die Offerte (obgleich kein Rechtsgeschäft, vgl. unt. N. 128), ist i n unserem Rechte, § 145, i mwiderruf lieh, d a m i t sich der Gegner bei der Annahme auf das Zustandekommen des Vertrages verlassen kann. 81 I n § 332 muß das jus variandi vorbehalten sein. 82 So z. B. bei den Fristsetzungen §§ 250, 283, 326, vgl. ob. § 7 Note 17; ferner i n § 1347 I , vgl. ob. § 15 Note 62. Die Unwiderruflichkeit der Zustimmung i n §§ 876, 1071, 1255, 1276 ist ausgesprochen i m Gegensatz zu der Einwilligung des § 183. 83 P l a n c k § 465, 1. De lege ferenda wäre es einfacher gewesen, Wandelung u n d Minderung als einseitige Rechtsgeschäfte m i t jus variandi zu konstruieren.

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

219

Einseitige Rechtsgeschäfte, welche eine Machtbefugnis (Bd. I § 7 I V ) verleihen , sind i n der Regel widerruflich : so die V o l l macht, § 168, die Einwilligung, § 183, die Anweisung, § 780 8 4 . Die Widerruflichkeit erklärt sich daraus , daß die Machtbefugnis i n den meisten Fällen dem Interesse dessen dient, der sie verleiht 8 5 . W e n n die E i n w i l l i g u n g zur Ergänzung beschränkter Geschäftsfähigkeit dient, so verlangt i h r Zweck (Schutz des E i n willigungsbedürftigen), daß der Einwilligende seine Entscheidung bis zum letzten Moment ändern könne. Widerruflich ist auch die (nicht unter § 182 fallende) Einwilligung, durch welche die Widerrechtlichkeit einer H a n d l u n g ausgeschlossen w i r d 8 6 , insbesondere die E i n w i l l i g u n g des Besitzers zu einem Eingriff i n • seinen Besitz 8 7 . Das einseitige unwiderrufliche Rechtsgeschäft kann, wenn seine W i r k u n g einmal eingetreten ist, auch m i t Z u s t i m m u n g des Gegners nicht mehr zurückgenommen werden. Dagegen steht es den Parteien frei, den durch das einseitige Rechtsgeschäft geschaffenen Rechtszustand zu ändern u n d den früheren Rechtszustand soweit herzustellen, als er durch Vertrag möglich ist 8 8 . So k a n n z. B . das durch einseitige Erklärung, § 505, entstehende Vorkaufsverhältnis durch contrarius consensus aufgehoben, aber n i c h t ungeschehen gemacht w e r d e n 8 9 . Oder es können die Parteien nach erfolgter W a h l , § 263, durch abändernden Vertrag an Stelle des gewählten Gegenstandes einen anderen setzen; aber dadurch w i r d die durch die W a h l beeinflußte Verpflichtung des Bürgen nicht geändert, § 767. Ebenso k a n n ein angefochtenes Rechtsgeschäft durch Vereinbarung der Parteien nicht mehr ins Leben gerufen, sondern nur durch ein neues Geschäft v o n gleichem I n h a l t ersetzt werden 9 0 . Die aufhebende K ü n d i g u n g 9 1 kann, solange 84

I n zahlreichen einzelnen Fällen erklärt das Gesetz die E i n w i l l i g u n g für unwiderruflich, z. B. §§ 876, 1071, 1276. 85 Vgl. Bd. 1 S. 167. 86 Vgl. ob. § 8 Note 29. 87 Vgl. ob. § 4 Note 42. 88 N i c h t m i t rückwirkender K r a f t , vgl. ob. S. 28, und nicht m i t W i r k u n g gegen D r i t t e , vgl. Bd. I S. 296. 89 Der D r i t t e behält z. B. ein für den F a l l der Ausübung des Vorkaufsrechts vorbehaltenes Rücktrittsrecht, § 506. 90 A. A. D e r n b u r g § 118 V I . Vgl. unt. § 57 Note 119. 91 Vgl. ob. § 5 Note 33. Die W i r k u n g der Fälligkeitskündigung kann durch Stundung beseitigt werden.

220

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

ihre W i r k u n g noch n i c h t eingetreten ist, m i t Zustimmung des Gegners zurückgenommen w e r d e n 9 2 ; beschließen die Parteien nach Ablauf der Kündigungsfrist Fortsetzung des Rechtsverhältnisses, so muß ein neuer Vertrag geschlossen werden, welcher der F o r m des § 566 unterliegt 9 3 . I s t ein einseitiges Rechtsgeschäft mangels seiner Voraussetzungen unwirksam, so k a n n sich n i c h t n u r der Gegner, sondern auch der Urheber des Geschäftes auf die U n w i r k s a m k e i t berufen. So k a n n z. B. der Kontrahent, der den Vertrag angefochten hat, wenn sich die Anfechtung als unberechtigt erweist, Ansprüche aus dem Vertrag erheben 9 4 . I I . Die zwei- oder mehrseitigen Rechtsgeschäfte wurden i n der älteren gemeinrechtlichen D o k t r i n als Vertrag bezeichnet 9 5 . Neuerdings ist erkannt worden, daß der Vertrag zwar der wichtigste, aber n i c h t der einzige F a l l des mehrseitigen Rechtsgeschäftes ist. Der V e r t r a g 9 6 ist das normale Rechtsmittel, u m Rechtsbeziehungen zwischen mehreren Personen zu begründen; aber auch, u m bestehende Rechtsverhältnisse aufzuheben oder abzuändern, insbesondere zu übertragen 9 7 . Daher ist der Vertrag, wie das Rechtsgeschäft 9 8 , ein Rechtsgebilde v o n allgemeiner Bedeutung, welches i n seinen drei F u n k t i o n e n (Begründung, Änderung, Aufhebung v o n Rechtsverhältnissen) i n allen Teilen des Privatrechts vorkommt99. Nach den Hauptgebieten des Privatrechts kann m a n unterscheiden: 92

L o t m a r , Arbeitsvertrag 574. D e r n b u r g I I § 221 I V 1 (in auffallendem Gegensatz zu seiner Ansicht über die Rücknahme der Anfechtung, ob. Note 90); O e r t m a n n § 554, I d ; a. A. P l a n c k § 564, 2 g und, wie es scheint, T h i e l e , A Z i v P r . 89, 163. 94 Solange die Partei, welche den Vertrag angefochten h a t , die der Anfechtung zugrunde liegenden Behauptungen aufrecht erhält, ist sie, ohne daß die Wirksamkeit der Anfechtung untersucht zu werden braucht, m i t Anträgen abzuweisen, welche Gültigkeit des Vertrages voraussetzen, R G . 74, 1 fg. Vgl. ob. Note 54, u n t . § 57 Note 91 : t . 95 Vgl. z. B. W i n d s c h e i d § 69 A n m . 2. 96 Gleichbedeutend m i t Vertrag sind die Ausdrücke: Verabredung, z. B. §§ 247, 248, 344, Einverständnis, § 465, Verabredung, § 154 I I , und Einigung, vgl. unt. Note 105. 97 Zur Übertragimg eines Rechtes genügt i n der Regel formloser Vertrag, § 413. 98 Vgl. ob. § 50 S. 147. 99 A u c h öffentlichrechtliche Verhältnisse können durch Vertrag gestaltet werden, L a b a n d , Staatsrecht I § 45, F l e i n e r , Verwaltungs93

§ 53.

1. V e r t r ä g e

Einseitige u n d mehrseitige

des

Sachenrechts,

Rechtsgeschäfte.

sog.

dingliche

221 10

Verträge

°,

d u r c h welche Sachenrechte begründet oder verändert, insbesondere übertragen werden

101

.

Z u m T a t b e s t a n d des d i n g l i c h e n V e r t r a g e s

gehört außer den Willenserklärungen der Parteien ein R e a l a k t (Übergabe lung

104

der

b e w e g l i c h e n Sache

103

( E i n t r a g i n das G r u n d b u c h ,

)

o d e r eine a m t l i c h e § 873).

Den

102

Hand-

konsensualen

T e i l des T a t b e s t a n d e s n e n n t das Gesetz (§§ 873, 925, 929, 1015, 1032, 1205) E i n i g u n g

105

.

A u f den dinglichen V e r t r a g finden die

allgemeinen Grundsätze über Rechtsgeschäfte u n d Verträge wendung

106

,

soweit n i c h t

durch

das E r f o r d e r n i s

resp. d e r E i n t r a g u n g eine M o d i f i k a t i o n e i n t r i t t . n u r e i n e n T e i l des T a t b e s t a n d e s stellt

107

der

An-

Übergabe

D a die E i n i g u n g

des d i n g l i c h e n V e r t r a g e s

dar-

, k a n n sie d i e v o l l e W i r k u n g des V e r t r a g e s n u r d a n n h a b e n ,

w e n n d i e ü b r i g e n E r f o r d e r n i s s e ( B e s i t z des E r w e r b e r s , E i n t r a g u n g , ins G r u n d b u c h ) bereits vorliegen

108

.

I n E r m a n g e l u n g dieser E r -

recht 176 fg., R G . 78, 7. V o n besonderer Bedeutung ist der Vertrag i m Völkerrecht als Quelle von Rechtsnormen u n d subjektiven Rechten. 100 Die Verfasser des B G B . haben den Ausdruck dinglicher Vertrag absichtlich vermieden, weü ihnen nicht ausgemacht schien, ob die eine Änderung des dinglichen Rechtszustandes bewirkende Einigung unter den Begriff des Vertrages zu stellen sei, Prot. I I I 56. Über die Verwendung des Wortes dinglicher Vertrag zur Bezeichnung von Verfügungsgeschäften vgl. unt. § 54 Note 123. 101 Die Aufhebung dinglicher Rechte erfolgt durch einseitiges Rechtsgeschäft des Berechtigten, §§ 875, 928, 1064, 1168, 1255. Bei der ( v o m Verzicht, § 1168, zu unterscheidenden) Aufhebung der H y p o t h e k muß Zustimmung des Eigentümers hinzutreten, weü dadurch zugleich die A n wartschaft auf die Eigentümerhypothek aufgehoben wird, Bd. I § 9 Note 31: unt. § 54 Note 67. 102 Vgl. ob. § 50 I I 2. 103 Die Übergabe des Besitzes ist kein Vertrag (da die Erklärungen der Parteien nicht Rechtsgeschäfte, sondern Rechtshandlungen sind, vgl. ob. § 48 Note 39), aber nach Analogie des Vertrages zu beurteilen. 104 Vgl. ob. § 50 I I 5. ios y o n Einigung spricht das Gesetz auch i n anderen Fällen, u m den konsensualen Tatbestand eines Vertrages von den sonstigen Erfordernissen zu vinterscheiden, so z. B . bei der Schenkung, § 516 I . Ebenso k a n n m a n bei anderen Realgeschäften (Erfüllung, Darlehen) die Einigung über die causa von der zum Tatbestand des Geschäftes gehörenden Zuwendung unterscheiden, vgl. ob. S. 193. 106 P l a n c k Erl. 2 vor § 145; D e r n b u r g § 108 Note 8. 107 Gegen die übliche Identifizierung von Einigung u n d dinglichem Vertrag wendet sich m i t Recht E n n e c c e r u s § 137 Note 3; W o l f f , Sachenrecht § 38 I I , § 66 I . 108 § 929, 2. P l a n c k § 873 Erl. 11.

Drittes B u .

222

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

fordernisse ist die Einigung nur eine Vorstufe des dinglichen Vertrages u n d k a n n daher nur Vor Wirkungen haben 1 0 9 . Diese Vorw i r k u n g besteht bei der Eigentumsübertragung an Mobilien darin, daß es nur noch der Übergabe der Sache bedarf, u m den sachenrechtlichen Effekt herbeizuführen. Die Übergabe kann nicht ohne W i l l e n des Tradenten erfolgen. Aber i n der Einigung kann eine Erlaubnis des Tradenten an den Erwerber liegen, die Sache i n Besitz zu nehmen: dann hat der Erwerber ein A n e i g n u n g s r e c h t 1 1 0 , welches er, solange es nicht widerrufen ist, ohne Beteiligung des Veräußerers, also auch bei T o d oder Geschäftsunfähigkeit desselben, wirksam ausüben k a n n 1 1 1 . I m Grundbuchrecht ist die Einigung i n den Fällen des § 873 I I „ b i n d e n d " , d. h. unwiderruflich 1 1 2 . Aber n u r i n einem dieser Fälle (Aushändigung einer formgerechten Eintragungsbewilligung) hat der Erwerber ein Aneignungsrecht 1 1 3 , d. h. die Möglichkeit, durch eigenes Handeln den Erwerb zu Ende zu führen. I n den übrigen Fällen der bindenden u n d i n allen Fällen der nicht bindenden Einigung bedarf es zum E i n t r i t t der Rechtsänderung noch einer Bewilligung des passiv Beteiligten, zu welcher er nur auf Grund seiner obligatorischen Verpflichtung (nicht der dinglichen Einigung) gezwungen werden k a n n 1 1 4 . I m m e r h i n ist die Tatsache, daß die Einigung i n bindender oder widerruflicher Weise bereits vorliegt, nicht ganz bedeutungslos 1 1 5 : die Einigung braucht, wenn es zur Eintragung k o m m t , nicht wiederholt zu werden. So würde z. B. die Rechtsänderung eintreten, wenn die Eintragung auf Bewilligung und A n t r a g des passiv Beteiligten erfolgt, nachdem der Erwerber nach der Einigung gestorben oder geschäftsunfähig geworden ist; ebenso, wenn die Eintragung (versehentlich) ohne Bewilligung des passiv Beteiligten vorgenommen w i r d 1 1 6 . 100

Vgl. ob. § 43 S. 19. Vgl. Bd. I S. 175. 111 Daher ist es unrichtig, wenn E c c i u s , Gruchot 47, 52 und W o l f f , Sachenrecht § 66 Note 9, der Einigung vor der Übergabe jegliche W i r k u n g absprechen, vgl. Bd. I § 8 Note 18. 112 S i b e r , Grundbuchgeschäft 93. 113 Vgl. Bd. I S. 176. 114 Vgl. Bd. I § 9 Note 25. 115 W e n n auch, wie W o l f f Sachenrecht § 38 V richtig hervorhebt, v o n geringer praktischer Bedeutimg. Jegliche W i r k u n g w i r d der Einigung des § 873 I I abgesprochen v o n R o s e n z w e i g , Jherings J. 58, 403 fg. no y g L W o l f f , Sachenrecht § 31 I I I . 110

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

223

2. Verträge des Obligationenrechts, durch welche obligatorische Rechtsverhältnisse (SchuldVerhältnisse 1 1 7 ) oder Forderungen begründet, verändert (insbesondere übertragen) oder aufgehoben werden 1 1 8 . Der schuldbegründende Vertrag (im römischen Recht contractus genannt) ist seiner W i r k u n g nach ein- oder zweiseitig, je nachdem für eine oder für beide Parteien Forderungen resp. Verpflichtungen entstehen. Innerhalb der zweiseitigen Verträge bilden die gegenseitigen (synallagmatischen) Verträge, § 3 2 0 1 1 9 , eine besondere Gruppe : sie bezwecken den Austausch v o n Leistungen. 3. Verträge des Familienrechts, durch welche Rechtsverhältnisse des Familienrechts begründet, abgeändert oder aufgehoben werden. Dazu gehört das Verlöbnis, § 1297, die Eheschließung, § 1317 1 2 0 , die Annahme an Kindesstatt, § 1741, u n d deren Aufhebung, § 1768 1 2 1 , sowie der Ehevertrag, § 1432, durch welchen güterrechtliche Verhältnisse (Verwaltung u n d Nutznießung des Ehemanns, Gütergemeinschaft) geregelt werden 1 2 2 . 4. Verträge des Erbrechts: Begründung oder Aufhebung erbrechtlicher Verhältnisse (Erbrecht) oder erbrechtlicher Forderungen (Vermächtnis) durch Erbvertrag 1 2 3 oder Erbverzicht, §§ 1941, 2274 fg., 2346 fg. 1 2 4 . 117

Vgl. Bd. I § 5 S. 126. Aus dem Schuldverhältnis entstehen durch H i n z u t r i t t weiterer Tatsachen einzelne Forderungen, z. B. Mietzinsforderungen durch Zeitablauf, Auslageforderungen durch Aufwendungen des Beauftragten usw. 118 Schuldverhältnisse werden aufgehoben durch contrarius consensus, Forderungen durch Erlaß, vgl. Bd. I § 5 Note 36; die K ü n d i g u n g bewirkt entweder Aufhebung eines Schuldverhältnisses, oder Fälligkeit einer Forderung, § 5 Note 33. 119 I n K O . sind unter ,,zweiseitigen Verträgen" gegenseitige Verträge zu verstehen, J ä g e r , K O . § 17 A n m . 1. 120 Nach herrschender Ansicht gehört zu den famüienrechtlichen Verträgen auch die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft, § 1587, vgl. S c h m i d t Erl. 4 a ; S e c k e l Berl. Festg. f. Dernburg 33. V o n anderer Seite w i r d sie zu den „Rechtshandlungen" (ob. § 48 N o t e 53) gezählt, P l a n c k § 1587, 1; K l e i n , Rechtshandlungen 83 fg., von E n d e m a n n I I § 168 A n m . 17 als rein äußerer Vorgang bezeichnet. 121 Adoption u n d Aufhebung derselben bedarf der gerichtlichen Bestätigung, §§ 1741, 2, 1770. Die Ehelichkeitserklärung erfolgt nicht durch Vertrag, sondern durch Verfügimg der Staatsgewalt auf A n t r a g des Vaters und m i t Zustimmung des Kindes, §§ 1723, 1726. Vgl. ob. § 50 Note 65. 122 Bd. I § 18 Note 54, § 3 Note 13. 123 Über die nicht unbestrittene Vertragsnatur des E r b Vertrages vgl. P l a n c k , Erl. 2 vor § 2274. 124 Die unmittelbare Wirkving des E r b Vertrags u n d E r b Verzichts ist

224

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

5. Der Gründungsvertrag, durch welchen i n Verbindung m i t der Eintragung oder staatlicher Verleihung der Rechtsfähigkeit ein Verein ins Leben gerufen w i r d 1 2 5 . Der Gründungs vertrag k a n n zugleich obligatorischen I n h a l t haben, indem er Forderungen zwischen den Gründern u n d dem Verein entstehen läßt 1 2 6 . Der Tatbestand des Vertrags erfordert einen Austausch von inhaltlich übereinstimmenden Willenserklärungen zwischen mehreren, gewöhnlich zwei Personen, welche als Parteien (Vertragsgegner 1 2 7 ) einander gegenüberstehen. Jede dieser beiden Willenserklärungen (Antrag u n d Annahme) ist für sich allein betrachtet kein (einseitiges) Rechtsgeschäft 1 2 8 ; denn jeder der beiden K o n t r a henten w i l l die v o n i h m beabsichtigte Rechtswirkung nicht, wie beim einseitigen Geschäft, autonom, d. h. durch seinen alleinigen W i l l e n herbeiführen, sondern i n Verbindung m i t einer übereinstimmenden Willenserklärung des Gegners 1 2 9 ; der Offerent erwartet eine Annahmeerklärung; der Annehmende erklärt seinen W i l l e n m i t Rücksicht auf die i h m zugegangene Offerte 1 3 0 . Daher gelten die Vorschriften, welche das Gesetz für einseitige Rechtsgeschäfte i m Gegensatz zu Verträgen aufstellt, z. B . §§ 111, 1398, Entstehung oder Aufhebung einer Anwartschaft, Bd. I § 9 I I I 5, aus welcher m i t dem Erbfall das Erbrecht resp. die Vermächtnisforderung erwächst. 125 Bd. I § 34 I . 126 Bd. I S. 481. 127 Wenn m a n die Vertragsparteien als Kontrahenten bezeichnet, denkt m a n i n erster Linie an den schuldbegründenden Vertrag (Kontrakt), vgl. ob. I I 2. 128

M a n i g k , Rechtsgeschäfte 93; B r e i t , Geschäftsfähigkeit 173; T i t z e , Mißverständnis 19; O e r t m a n n Vorb. 2 zum 3. Abschn. des Allg. T . ; vgl. ob. § 50 Note 24. 129 Y g j q]3# Note 25. Eine Willenserklärung, deren W i r k u n g nach dem W i l l e n ihres Urhebers von der Zustimmung des Empfängers abhängen soll, ist nach den Grundsätzen des Zivilrechts als Tatbestandsstück eines Vertrages aufzufassen. Demgemäß wäre auch die Anstellung eines Beamten, da sie Einwilligung des Anzustellenden erfordert, zu den Verträgen zu rechnen, L a b a n d ArchÖffentl.R 18, 73 fg. W e n n eine weitverbreitete Meinung, vgl. F l e i n e r , Verwaltungsrecht 161, die Beamtenanstellung als einen einseitigen, unter der Bedingung der Einwilligung des Anzustellenden ergehenden, Staatsakt bezeichnet, so k a n n das nur durch die überragende Stellung des Staates gegenüber dem Anzustellenden, also aus spezifischen Gründen des öffentlichen Rechts gerechtfertigt werden. 130

Die schon vor der Annahme eintretende W i r k u n g der Offerte (Bindung des Offerenten, § 145) ist eine nicht notwendig gewollte gesetzliche Nebenwirkung, vgl. ob. § 50 S. 163.

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

225

1448, 1831, nicht für die Willenserklärungen, aus denen ein Vertrag b e s t e h t 1 3 0 ' 1 ; so ist z. B. die Annahmeerklärungeines Minderjährigen ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nicht nichtig nach § 111, sondern begründet i n Verbindung m i t der an ihn gerichteten Offerte das i n § 108 geregelte Schwebeverhältnis 1 3 1 . Die beiden Willenserklärungen müssen inhaltlich übereinstimmen. Dieses Erfordernis des Vertrages nennt man Konsens. Die Erklärungen können auch dem W o r t l a u t nach identisch sein (z. B. die Parteien unterschreiben dieselbe Vertragsurkunde); sie brauchen aber nicht identisch zu sein. Oft steht die Erklärung der einen Partei, äußerlich betrachtet, i m Gegensatz zu der Erklärung der anderen; sie ist das der Erklärung des Gegners i n h a l t lich entsprechende Gegenstück: A sagt: ,,ich verkaufe"; B sagt: ,,ich kaufe". Beide erklären jeder v o n seinem Standpunkt aus i h r Einvernehmen m i t derselben von beiden gewollten Rechtswirkung 1 3 2 : daß B die Sache des A gegen eine Geldzahlung erhalten soll. Der Konsens w i r d oft so aufgefaßt 1 3 3 , als ob aus dem Zusammenschluß des Willens der beiden Kontrahenten ein einheitlicher W i l l e — der Vertragswille - entstehe. Diese, ich möchte fast sagen, mystische Anschauung ist meines Erachtens abzulehnen: was w i r Willen nennen, ist uns nur als Vorgang i n der Seele eines Menschen bekannt. Wenn zwei Menschen dasselbe wollen und zu wollen erklären, so entsteht daraus, wenn man die Tatsachen unbefangen betrachtet, kein über den Parteien schwebender und nirgends zu lokalisierender psychischer Vorgang, wohl aber, nach Vorschrift des Gesetzes, ein für beide Parteien gemeinsam geltender, weil von jedem von ihnen gewollter Rechtszustand. Z u m Tatbestand des Vertrages genügt nicht das Vorliegen übereinstimmender Willenserklärungen mehrerer Personen; die Willenseinigung muß v o n den Parteien erstrebt sein und die Erklärungen zu diesem Zweck abgegeben werden 1 3 4 . Daher muß der A n t r a g an den Gegner gerichtet sein u n d i h m zugehen; das selbe g i l t i n der Regel v o n der Annahme. I m Normalfall besteht daher der Vertrag aus zwei unter den Parteien ausgetauschten 130:1

RG. 76, 91. Vgl. unt. § 59. 132 Regelsberger § 149 I 1; E i t z b a c h e r , Handlungsfähigkeit 165. 133 W i n d s c h e i d § 69 Anm. 2; R e g e l s b e r g e r § 149 I I ; P l a n c k Erl. 1 vor § 145; S t a u d i n g e r Erl. 1 vor § 145. 134 Vgl. S i b e r , Buchrechtsgeschäft 108 fg. 131

Handbuch X . 1. LI: v o n T u h r I I . 1.

15

Drittes B u .

226

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Erklärungen 1 3 6 . W e n n die Annahme, was ausnahmsweise zulässig i s t 1 3 6 , nicht durch empfangsbedürftige Erklärung erfolgt, so muß sie doch i n einem inneren Zusammenhang m i t der Offerte stehen: sie ist Z u s t i m m u n g zu der Offerte und muß daher i n K e n n t n i s derselben u n d m i t Rücksicht auf sie vorgenommen werden. Übereinstimmende Erklärungen mehrerer Personen, die n i c h t unter ihnen ausgetauscht sind oder i n dem eben dargelegten Zusammenhang stehen, bilden zusammen keinen Vertrag. Werden z. B . übereinstimmende Erklärungen v o n A , B und C an eine d r i t t e Person, X , gerichtet, so entsteht zwischen A , B u n d C ein Vertrag nur dann, wenn X v o n ihnen zur Entgegennahme v o n Vertragserklärungen ermächtigt ist 1 3 7 ; daher besteht kein Vertragsverhältnis unter den Mitspielern einer Lotterie oder unter den Teilnehmern an einem Wettrennen 1 3 8 , welche sich den Bedingungen eines Rennvereins unterworfen haben. Das Testament u n d die nach § 2291 zur W i r k s a m k e i t desselben erforderliche Z u s t i m m u n g bilden zusammen keinen Vertrag 1 3 9 . Ebensowenig der an die Behörde gerichtete A n t r a g auf Ehelichkeitserklärung, § 1723, u n d die E i n w i l l i g u n g des Kindes, § 1726 1 4 0 . Auch die Aufhebung der H y p o t h e k durch übereinstimmende Erklärungen des Gläubigers u n d des Eigentümers, §§ 875, 1183, ist kein Vertrag 1 4 1 ; denn die Erklärungen brauchen nicht ausgetauscht zu werden, sondern können an das Grundbuchamt gerichtet sein 1 4 2 . Dagegen ist die Einigung des § 873 als Vertrag aufzufassen u n d erfordert daher Austausch der beiderseitigen Erklärungen oder mindestens Zugehen der Offerte u n d Annahme derselben durch den anderen Teil 1 4 3 . 136

Vgl. unt. § 62. Vgl. z. B . § 151. 137 I s t das nicht der F a l l , so kann, wenn X den an ihn gerichteten Erklärungen des A , B und C zustimmt, zwischen diesen Personen und ihm ein Vertragsverhältnis entstehen. 138 D e r n b u r g I I § 214 I . 130 I s t das Testament vor der Zustimmung errichtet, so kann os als nichtempfangsbedürftige E r k l ä r u n g nicht Offerte sein. 140 P l a n c k § 1731, 1. 141 P l a n c k § 1183, 2 a ; W o l f f , Sachenrecht § 141 I I ; OLG. 20, 240; S i b e r a. a. O. 117. Vgl. ob. Note 101. 142 Ebenso verhält es sich m i t der Zurücknahme der Zessionsanzeige u n d der dazu nötigen Zustimmung des Zessionars, § 409 I I ; es liegt kein Vertrag vor, weil beide Erklärungen nicht zwischen denselben Personen ausgetauscht werden. 143 Die Einreichung der Erklärungen beim Grundbuchamt bewirkt 136

§ 53.

Einseitig

u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

227

Die Wirkungen des Vertrages betreffen i n der Regel ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien 1 4 4 , indem sie dasselbe begründen, abändern oder aufheben, oder das der einen Partei zustehende Recht auf die andere Partei übertragen. Eine Rechtswirkung für und gegen D r i t t e k a n n der Vertrag ausüben, wenn die eine Partei oder beide als Stellvertreter des D r i t t e n auf Grund einer Vertretungsmacht handeln. Ohne Vertretungsmacht können Rechtswirkungen zu ungunsten eines D r i t t e n nicht herbeigeführt werden, wohl aber i n zahlreichen Fällen W i r k u n g e n zugunsten eines D r i t t e n 1 4 5 : Begründung von Forderungen, § 328; Befreiung v o n einer Schuld durch Erfüllung, § 267 1 4 6 , u n d Schuldübernahme, § 414. Aufhebung einer fremden Schuld durch Erlaßvertrag m i t dem Gläubiger ist i m Gesetz nur beim Gesamtschuldverhältnis sanktioniert, § 423, muß aber meines Erachtens als allgemein zulässig betrachtet w e r d e n 1 4 7 . Ferner k a n n durch E r b vertrag einem D r i t t e n eine Anwartschaft auf Erbrecht oder eine Vermächtnisforderimg verschafft werden, § 1941 I I 1 4 8 . Dagegen k a n n m a n Eigentum u n d sonstige dingliche Rechte 1 4 9 nicht durch Vertrag zugunsten eines D r i t t e n begründen 1 5 0 . nach § 873 I I Verbindlichkeit der Einigung, k a n n aber das aus dem Vertragsbegriif sich ergebende Erfordernis des Austausches der Erklärungen nicht ersetzen; a. A . S i b e r a. a. O. 105 fg. 144 Eine über den Rechtskreis der Parteien hinausgehende W i r k u n g hat der Gründungsvertrag, vgl. ob. Note 125. 146 Vgl. ob. § 50 S. 167. 146 Meine frühere Ansicht ( K r i t V J S c h r . 43, 555, vgl. O e r t m a n n § 267, 2 a), daß wer eine fremde Schuld zahlt, immer als Vertreter des Schuldners handele, wobei er nach § 267 keiner Vollmacht bedürfe, nehme ich zurück. Es scheint m i r richtiger anzunehmen, daß der D r i t t e i m eigenen Namen leistet und dabei m i t dem Gläubiger verabredet, daß durch die Leistung die fremde Schuld getilgt sein soll. 147 O e r t m a n n , Bem. 5 a vor § 328, R G . 66, 126. Wollte m a n annehmen, daß eni Erlaß zugunsten eines D r i t t e n nicht möglich ist, so kann die Schuldbefreiung des D r i t t e n auf Umwegen erreicht werden: a) durch einen Vertrag, i n welchem sich der Gläubiger verpflichtet, sein Recht gegen den Schuldner nicht geltend zu machen (pactum de non petendo), vgl. Bd. I § 17 Note 69, b) durch Übernahme der fremden Schuld nach § 414 u n d daran sich anschließenden Erlaß dieser Schuld. 148 P l a n c k , Erl. 3 vor § 2274. 149 O e r t m a n n , Bem. 5 c vor § 328; R G . 66, 99. F ü r die Möglichkeit der Hypothekenbestellung zugunsten D r i t t e r W o l f f , Sachenrecht §38 I I 3; für allgemeine Zulässigkeit des Vertrags zugunsten D r i t t e r i m Sachenrecht R o s e n b e r g D J Z . 17, 541 fg. 150 Wohl aber mittelbaren Besitz: der mittelbare Besitzer kann dem 15*

228

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Der Vertrag verlangt i n bezug auf seinen Tatbestand und seine W i r k u n g e n das Vorhandensein v o n mindestens zwei Personen, die einander als Parteien gegenüberstehen: die Vertragserklärungen müssen zwischen zwei Personen ausgetauscht werden; die Vertrags Wirkungen i n zwei Rechtskreisen eintreten. Dem ersten Erfordernis k a n n vermöge des I n s t i t u t s der Stellvertretung auch so genügt werden, daß dieselbe Person einerseits für sich und andererseits als Vertreterin des Vertragsgegners handelt: wenn A Vertreter des B ist, k a n n er nach § 181 innerhalb gewisser Schranken einen Vertrag m i t B dadurch schließen, daß er eine Erklärung i n eigenem Namen an sich als den Vertreter des B abgibt, die andere E r k l ä r u n g namens des B an sich selbst abgibt u n d i n eigenem Namen entgegennimmt 1 5 1 . Dagegen können Vertragswirkungen nicht eintreten, wenn durch die Einigung meherrer Personen n i c h t verschiedene 1 5 2 , sondern derselbe Rechtskreis betroffen wird. Niemand k a n n m i t sich selbst oder m i t einem eigenen Stellvertreter einen Vertrag schließen. W e n n z. B. jemand einen i h m gehörenden Gegenstand durch einen A u k t i o n a t o r versteigern läßt u n d selbst den Zuschlag erhält, so entsteht aus der zwischen i h m u n d dem A u k t i o n a t o r hergestellten Willenseinigung weder ein obligatorisches K a u f Verhältnis noch ein Wechsel des Eigentums. A u c h der bei der Pfandversteigerung nach § 1239 I 1 5 3 zulässige Zuschlag an den Pfandgläubiger kann, weil die Versteigerung namens des Pfandgläubigers erfolgt, nicht die Wirkungen eines Kaufvertrags haben: es entsteht weder eine Verpfhchtung zur Zahlung des Kaufpreises, noch eine Forderung auf Übergabe der Sache. D a aber die Versteigerung i m Verhältnis des Gläubigers zum EigenX einen Anspruch auf Herausgabe der Sache, wie durch Zession, so auch dadurch verschaffen, daß er m i t dem unmittelbaren Besitzer Herausgabe der Sache an X verabredet; aus der ratio des § 870 ergibt sich, daß dann X als mittelbarer Besitzer zu betrachten ist, vgl. Bd. I § 8 Note 13. 151 Daß zwei Erklärungen u n d somit ein Vertragsschluß vorliegt, t r i t t deutlich hervor, wenn die Erklärungen vor einer Behörde abgegeben werden, z. B. wenn eine Auflassimg nach § 181 erfolgt. 152 Als verschiedene Rechtskreise gelten H a u p t vermögen und Sondergut, Gesamthandsvermögen u n d sonstiges Vermögen der Teilhaber. Daher sind Verträge zwischen diesen Vermögensmassen, wenn ihre Verwaltung von verschiedenen Personen geführt wird, möglich, vgl. Bd. I § 19 S. 337 fg., § 20 S. 353 fg. 153 Vgl. H G B . § 373 I V , ZPO. § 816 I V ; auch bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken kann der Gläubiger m i t b i e t e n , D e r n b u r g I I I § 259, 2.

§ 53.

Einseitige und mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

229

tiimer auf Rechnung des letzteren stattfindet, so verleiht das Gesetz dem Zuschlag an den Pfandgläubiger i m Verhältnis z u m Eigentümer Wirkungen, welche denen des normalen Pfaiidverkaufes entsprechen: der v o m Pfandgläubiger gebotene Preis ist als von i h m empfangen zu betrachten, § 1239 I 2, das E i g e n t u m geht m i t dem Zuschlag auf den Pfandgläubiger über, § 1242 I 2 1 5 4 . Der durch Vertrag hergestellte Rechtszustand ist für beide Teile bindend, d. h. er kann nicht durch eine Vertragspartei ohne die Zustimmung der anderen aufgehoben werden, es sei denn, daß einer Partei ein besonderes auf Aufhebung des Rechtsverhältnisses gerichtetes (negatives 1 5 5 ) Recht zur Seite steht 1 5 6 . Dagegen kann durch den W i l l e n beider Parteien das durch Vertrag begründete Rechtsverhältnis stets aufgehoben werden 1 5 7 ; die Möglichkeit vertragsmäßiger Aufhebung können die Parteien durch Vertrag nicht ausschließen 1 5 8 . I I I . Bei einseitigen Rechtsgeschäften wie bei Verträgen kann es aus besonderen Gründen vorkommen, daß eine Partei statt aus einem Rechtssubjekt aus einer Mehrheit v o n Personen 1 5 9 besteht, welche entweder als gleichberechtigt einander koordiniert sind 1 6 0 oder i m Verhältnis zueinander sich als H a u p t - u n d Nebenparteien 1 6 1 darstellen. Der erste F a l l liegt vor, wenn mehrere 154 Der Zuschlag ist, wenn die Versteigerung durch einen A u k t i o n a t o r erfolgt, nicht, wie P 1 a n c k § 1239, 1 und W o l f f , Sachenrecht § 166 V I 1 sagen, einseitiger A k t resp. einseitige Aneignung der Sache durch den Pfand gläubiger, sondern eine Einigung zwischen i h m u n d dem (allerdings i n seinem Namen handelnden) Auktionator, welche i n ihren Voraussetzungen nach dem Recht der Verträge zu beurteilen i s t ; wäre z. B. der Pfändgläubiger bei Abgabe des Gebotes geisteskrank, so würde der Zuschlag wirkungslos sein. 155 Vgl. Bd. I § 10. 156 Insbesondere k a n n der Erbvertrag, i m Gegensatz zum Testament, nur aus bestimmten Gründen einseitig aufgehoben werden, § 2293 fg., vgl. ob. S. 217. 157 Die aus dem Vertrag bereits entstandenen Rechte D r i t t e r bleiben bestehen, vgl. aber § 328 I I ; dagegen erlöschen m i t Aufhebung des Vertrages Anwartschaften D r i t t e r auf künftige Rechte, vgl. oben § 47 Note 64. Z u den Anwartschaften gehört auch das Erbrecht aus oinem E r b vertrag, ob. § 9 I I I 5. 158 Vgl. ob. § 50 V I I . 159 Man kann die mehreren auf einer Seite des Rechtsgeschäfts stehenden Personen „Geschäftsgenossen" nennen. 160 So z. B. bei der Adoption durch ein Ehepaar, § 1749 I . 161 Vgl. ob. § 50 S. 148.

Drittes B u .

230

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Personen gemeinsam m i t einem D r i t t e n einen Vertrag schließen 1 6 2 , i n welchem sie zusammen die Stellung einnehmen, welche i m normalen F a l l einem Mitkontrahenten z u k o m m t , oder wenn mehrere Personen ein G e s t a l t u n g s r e c h t 1 6 3 oder eine M a c h t b e f u g n i s 1 6 4 gemeinsam ausüben. Solche Rechtsgeschäfte k a n n man gemeinsame Rechtsgeschäfte nennen 1 6 5 . Neben der Hauptpartei steht eine Nebenpartei, wenn die Willenserklärung (Vertragserklärung oder einseitige Erklärung) des Hauptbeteiligten der Ergänzung durch Zustimmung einer anderen Person bedarf 1 6 6 . Durch die auf besonderen Gründen beruhende Beteiligung mehrerer Personen auf Seiten einer Partei verliert das Rechtsgeschäft nicht seinen Charakter als einseitiges Geschäft oder Vertrag 1 6 7 . Eine K ü n digung, die v o n mehreren Vermietern oder v o m minderjährigen Vermieter m i t E i n w i l l i g u n g des Vormundes vorgenommen wird, bleibt ein einseitiges Geschäft. E i n Vertrag, i n welchem A und B oder A m i t Z u s t i m m u n g seines Vormundes sich dem X gegenüber verpflichtet oder eine Sache an X veräußern, bleibt ein zweiseitiger Vertrag, i n welchem A u n d B resp. A u n d sein V o r m u n d einerseits dem Gläubiger resp. Erwerber X als Parteien gegenüberstehen. Die mehreren Willenserklärungen, welche beim gemeinsamen Geschäft anstelle der i m normalen F a l l erforderlichen einen E r k l ä r u n g treten, behalten die durch die Eigenart des Geschäftes bedingte R i c h t u n g : beim Vertrag sind die Erklärungen sämtlicher auf einer Seite stehender Personen an den Vertrags gegner zu r i c h t e n 1 6 7 a , beim einseitigen Geschäft an den Er162

Einen obligatorischen Vertrag z. B. als Mitkäufer oder Mitmieter, vgl. ob. § 52 bei Note 8; oder eine gemeinsame Verfügimg, §§ 747, 2. 2040. 163 §§ 356, 502, 213, 737, 1077 I I , vgl. Bd. I § 3 V 3, 91. 164 Bd. I § 7 I V . Gemeinsames Handeln von Vormündern, § 1797, Testamentsvollstreckern, § 2224, Stellvertretern m i t kollektiver Vertretungsmacht, Bd. I § 37 N o t e 46. 165 Vgl. Bd. I § 34 Note 5, § 36 S. 515. Der von K u n t z e , Festschr. f. Müller, kreierte Ausdruck „ G e s a m t a k t " ist m. Er. zu vermeiden, weil er i n sehr verschiedener Bedeutung gebraucht wird. 166 So bedarf z. B. i m Falle des § 1283 I der Gläubiger zur Kündigung der Zustimmung des Pfandgläubigers, während bei Nießbrauch an einer Forderung i n § 1077 I I gemeinschaftliche K ü n d i g u n g durch Gläubiger u n d Nießbraucher vorgeschrieben ist. 167 B e k k e r § 94 Note a; R e g e l s b e r g e r § 148 I ; G i e r k e § 33 N o t e 3; E i t z b a c h e r , Handlungsfähigkeit 169; B i e r m a n n § 45, 5; E n n e c c e r u s § 137 1 1 3 ; S i b e r , Buchrechtsgeschäft 140. 1873 R G . 75, 423.

§ 53.

klärungsgegner einander

169

Einseitige u n d mehrseitige 168

.

Diese

Rechtsgeschäfte.

Erklärungen

verlaufen

231

parallel

zu

.

B e i m gemeinsamen Geschäft brauchen die E r k l ä r u n g e n 170

Geschäftsgenossen w e d e r g e m e i n s a m gegeben z u w e r d e n

172

.

Der

Tatbestand

schäfts k a n n s i c h s u k z e s s i v e n t f a l t e n , Erklärungen

noch gleichzeitig

des g e m e i n s a m e n

indem

einzeln u n d nacheinander

der

171

die

abGe-

erforderlichen

abgegeben werden.

Die

W i r k u n g des R e c h t s g e s c h ä f t s t r i t t e r s t d a n n e i n , w e n n d i e l e t z t e Erklärung

vorliegt

17 3

.

E i n e b e r e i t s abgegebene E r k l ä r u n g

ver-

liert ihre W i r k u n g nicht, w e n n i h r Urheber v o r A n g a b e der noch ausstehenden § 130 I I

174

Erklärungen .

stirbt

Die Verbindlichkeit

oder der

geschäftsunfähig Offerte

eines

wird,

Geschäfts-

genossen i s t n a c h § 145 fg. z u b e u r t e i l e n ; b e i m g e m e i n s a m e n e i n seitigen Geschäft ist jede einzelne E r k l ä r u n g unwiderruflich;

ihre W i r k s a m k e i t

für

m i t ihrer

Abgabe

das Z u s t a n d e k o m m e n

des

188

Z u m Teil abweichend bei der Zustimmung nach § 182. K o h l e r § 245. Solche Erklärungen können durch einen gemeinsamen Vertreter abgegeben werden, O e r t m a n n § 181, 2 a . 170 Eine gemeinsame Erklärung mehrerer Personen kann erfolgen durch Zustellung einer von ihnen unterschriebenen Urkunde oder m i t Hilfe eines gemeinsamen Vertreters. 171 Gleichzeitigkeit i m genauen Sinn des Wortes ist nur möglich, beim Zugehen schriftlicher Erklärungen. Mündliche Erklärungen können i m besten Falle unmittelbar nacheinander abgegeben werden, vgl. ob. § 43 Note 53. 172 P l a n c k § 366, 1; § 1077, 2; E n n e c c e r u s § 263 Note 2, W o l f f , Sachenrecht § 122 Note 9. Gemeinsamkeit oder wenigstens Gleichzeitigkeit der Erklärungen beim einseitigen Geschäft w i r d verlangt von D e r n b u r g I I I § 193, 3, S t a u d i n g e r und B i e r m a n n zu § 1077, H e l l w i g , Lehrb. § 153 Note 21, m. Er. zu Unrecht: allerdings braucht bei einseitigem Rechtsgeschäft der Gegner eine Unsicherheit der Rechtsänderung sich nicht gefallen zu lassen, vgl. ob. N . 36. Aber durch sukzessive Abgabe der einzelnen Erklärungen w i r d die Unsicherheit für den einem einseitigen Geschäft ausgesetzten Gegner nicht vergrößert ; hat X zwei Vermieter, A u n d B u n d hat A gekündigt, so hängt die Aufhebung des Mietverhältnisses von der noch ausstehenden Erklärung des B ab, genau so, wie wenn B der einzige Vermieter des X wäre. Übrigens w i l l H e 11 w i g a. a. O. Note 24, wenn die Erklärung des A i n einer Klageschrift enthalten ist, Nachholung der Erklärung des B bis zum U r t e ü zulassen. 17 3 jftjj. d i e Genehmigung (Nachholung der E i n w i l l i g u n g einer Nebenpartei) hat rückwirkende K r a f t , § 184. Die nachgeholte E r k l ä r i m g eines koordinierten Geschäftsgenossen ist aber keine Genehmigung. 169

174

8, 4.

Vgl. ob. § 50 Note 10. Anders i m römischen Recht, fr. 18 D. W i n d s c h e i d § 212 Note 3.

232

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

ganzen einseitigen Geschäftes ist an keine Zeitgrenze gebunden 1 7 5 . Auch die Zustimmung einer Nebenpartei braucht nicht gleichzeitig m i t der Haupterklärung zu erfolgen, sondern kann vor derselben (als Einwilligung), oder nach derselben (als Genehmigung) erteilt werden. N u r bei einseitigen Rechtsgeschäften ist die Genehmigung ausgeschlossen 1 7 6 , weil sie durch ihre rückwirkende K r a f t , § 184, für den Geschäftsgegner eine Unsicherheit des Rechtszustandes erzeugen würde. I V . Mehrseitige Rechtsgeschäfte, aber keine Verträge, sind B e s c h l ü s s e einer Mehrheit von Personen, bei welchen die Stimmenmehrheit entscheidet. Es fehlt solchen Beschlüssen das charakteristische Merkmal des Vertrages: der Konsens. I m Vertrag finden entgegengesetzte Interessen der Parteien durch Willensübereinstimmung einen Ausgleich; i m Mehrheitsbeschluß gelangt das stärkere Interesse der Mehrheit zum Siege über das schwächere Interesse der Minderheit. Während der Vertrag, als auf dem Prinzip der Rechtsgleichheit beruhend , das (innerhalb gewisser Schranken) selbstverständlich zulässige M i t t e l der Rechtsgestaltung ist, bedarf der Mehrheitsbeschluß, als Ausübung einer Herrschaft, wie die einseitigen Rechtsgeschäfte, zu seiner Wirksamkeit einer besonderen Grundlage 1 7 7 : es muß ein Rechtsverhältnis vorliegen, k r a f t dessen i n einer Angelegenheit alle Beteiligten der E n t scheidung der Mehrheit unterworfen sind 1 7 8 . Mehrheitsbeschlüsse kommen i n unserem Privatrecht in zwei Rechtslagen v o r : 1. wenn eine Mehrheit v o n Menschen dazu berufen ist, einen fremden Rechtskreis, insbesondere ein fremdes Vermögen zu verwalten 1 7 9 : dazu gehören die aus mehreren Menschen bestehenden 17 5 Wenn z. B. von zwei Miteigentümern eines Grundstücks, A und ß , A auf eine Servitut nach § 875 I I verzichtet, kann der Verzicht wirksam werden, wenn B nach beliebiger Zeit seine Erklärung nachholt. 176 Vgl. ob. Note 39. 177 I n diesem Sinne bezeichnet H e c k , Festschr. f. Gierke 322, die Beschlüsse zusammen m i t den einseitigen Rechtsgeschäften als unselbständige Rechtsgeschäfte, vgl. ob. Note 4. 178 Daher ist die Gründung eines Vereins kein Beschluß; a. A. B i e r m a n n § 135, 2; vgl. Bd. I § 34 Note 10. 179 Keine Mehrheitsentscheidung, sondern Übereinstimmung der mehreren zur Entscheidung berufenen Personen verlangt § 317 I I . Über mehrere Preisrichter vgl. P l a n c k § 661, 3; E n n e c c e r u s - § 379, I V 2.

§

3.

Einseitige u n d mehrseitige Rechtsgeschäfte.

233

Organe der juristischen Person (Mitgliederversammlung 1 8 0 und der Vorstand, wenn er mehrgliedrig ist 1 8 1 ) , der Gläubigerausschuß, K O . § 90; mehrere Vormünder, § 1797, und Testamentsvollstrecker, § 22 24 1 8 2 ; 2. wenn unter mehreren Personen eine Gemeinschaft des Rechts oder der Interessen besteht, welche eine einheitliche E n t scheidung v o n Verwaltungsfragen erfordert. Mehrheitsbeschlüsse solcher A r t sind v o m Gesetz angeordnet für die Verwaltung der Gemeinschaft u n d Erbengemeinschaft, §§ 745, 2038, sowie für die Gläubigerversammlung, K O . § 94, R G . 4. 12. 99 § 1 0 1 8 3 ; sie können durch Vertrag eingeführt werden i n der Gesellschaft u n d offenen Handelsgesellschaft, § 709 I I , H G B . § 119. Die Beschlußfassung hat i n einigen Fällen in einer Versammlung der beteiligten Personen zu erfolgen 1 8 4 , zu welcher alle beteiligten Personen zu laden sind u n d i n welcher die Mehrheit der Erschienenen entscheidet 1 8 5 . I n anderen Fällen ist die F o r m der Versammlung nicht vorgeschrieben : dann entscheidet die Mehrheit der vorhandenen Beteiligten 1 8 6 . Die Mehrheit w i r d bisweilen nach Köpfen b e r e c h n e t 1 8 7 ; i n anderen Fällen nach dem A n t e i l an der Gemeinschaft resp. nach der Größe des Interesses an der gemeinsamen Entscheidung 1 8 8 . Der Beschluß entsteht aus einer Mehrheit einzelner Willenserklärungen. Diese Erklärungen 180

Bd. I § 36. Bd. I § 37 I V . 182 Bei Meinungsverschiedenheit unter mehreren Vormündern oder Testamentsvollstreckern entscheidet das Vormundschafts- resp. Nachlaß gericht, indem es einer Meinung b e i t r i t t ( P l a n c k § 1797, 5, § 2224, 3) und ihr dadurch das Übergewicht verschafft. 183 Vgl. Bd. I § 3 Note 30. 184 Mitgliederversammlung, § 32; Generalversammlung H G B . § 250; Gläubigerversammlung, K O . § 94, R G . 4. 12. 99. 185 Bd. I § 36 I und daselbst Note 14. 186 Streitig, ob die Minderheit gehört werden muß. M. Er. hängt die Gültigkeit des Beschlusses nicht davon a b ; die Nichtanhörung eines Beteiligten kann aber diesem einen wichtigen Grund zur K ü n d i g u n g der Gesellschaft resp. Aufhebung der Gemeinschaft geben, vgl. Mot. I I 603; D e r n b u r g I I § 358, 2 a ; P l a n c k § 709, 3, § 745, l b ; O e r t m a n n § 709, 4 ; E n n e c c e r u s § 405 Note 3; S t a u b , Anm. 5 zu H G B . § 119; OLG. 20, 187. 187 §§ 32, 709, H G B . § 119. 188 § 745, K O . § 94, R G . 4. 12. 99. Bestimmt sich die Majorität nach Anteilen, so ist ein Mehrheitsbeschluß unter zwei Personen möglich, O e r t m a n n § 745, 1. 181

Drittes B u .

234

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

sind, wenn die A b s t i m m u n g i n einer Versammlung erfolgt, an den Leiter derselben zu richten 1 8 9 ; wenn der Beschluß außerhalb einer Versammlung gefaßt wird, an die übrigen Beteiligten resp. an eine von ihnen zur Entgegennahme der Erklärung ermächtigte Person 1 9 0 . I n allen Fällen ist die Erklärung des Abstimmenden für sämtliche Beteiligte bestimmt u n d kann nur einheitlich allen gegenüber gelten oder nicht gelten 1 9 1 . Die rechtliche N a t u r des Beschlusses ist, seit man ihn vom Vertrag unterscheidet, sehr bestritten 1 9 2 . Bisweilen w i r d der Beschluß aus dem Kreis der Rechtsgeschäfte ausgeschlossen 1 9 3 . Meines Erachtens läßt sich aber beim Beschluß das charakteristische Merkmal des Rechtsgeschäftes (Willenserklärung, gerichtet auf einen Rechtserfolg) und einen solchen herbeiführend) nicht i n Abrede stellen 1 9 4 . Allerdings ergibt sich aus der Eigenart, welche der Beschluß in seinen Voraussetzungen u n d W i r k u n g e n aufweist, die Notwendigkeit, die althergebrachte E i n t e i l u n g der Rechtsgeschäfte i n Verträge und einseitige Rechtsgeschäfte weiter auszubauen 1 9 5 . M a n hat versucht, den Beschluß als ein gemeinsames einseitiges Rechtsgeschäft (Gesamtakt 1 9 6 ) zu konstruieren 1 9 7 . Dabei 189

Bd. I S. 515. H e c k a. a. O. § 7. 191 Über simulierte Abstimmung vgl. unt. § 66 I I . 192 E n n e c c e r u s § 137 1 1 3 ; B i e r m a n n § 45, 5 a; H e c k a. a. O. § 23; vgl. ob. Bd. I § 36 I V . 193 So G i e r k e § 33 Note 2, K u n t z e , Festg. f. Müller 72, für einen Teil der Beschlüsse auch K o h 1 e r § 239. 194 Daraus, daß die Beurkundung von Beschlüssen der Generalversammlung i n H G B . § 259 abweichend von GFG. § 167 fg. geregelt ist, darf nicht m i t der Denkschr. zum H G B . S. 156 gefolgert werden, daß Beschlüsse keine Rechtsgeschäfte sind, Bd. I § 36 Note 35; H e c k a. a. O. 323. Die Beurkundung nach GFG. § 167 fg. ist aus praktischen Gründen für Beschlüsse einer Generalversammlung unzweckmäßig: sie erfordert Unterschrift des Protokolls durch alle Beteiligten, § 177. Daher begnügt sich H G B . § 259 m i t Vollziehung des Protokolls durch Richter oder Notar. 195 D a die Vorschriften des B G B . über Rechtsgeschäfte auf emseitige Geschäfte oder Verträge zugeschnitten und die Beschlüsse unbeachtet geblieben sind, bietet die Anwendung dieser Vorschriften Schwierigkeiten, vgl. für die Beschlüsse der Mitgliederversammlung Bd. I S. 516, über Willensmängel bei Beschlüssen der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts die ob. zit. Abhandlung v o n H e c k . 196 Vgl. ob. N . 165. 197 G l e i t s m a n n , Verwaltungsarchiv 10, 420. 190

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

235

wird übersehen, daß bei gemeinsamen Rechtsgeschäften die Erklärungen stets parallel verlaufen, während sie beim Beschluß, wenn er nicht i n einer Versammlung gefaßt wird, unter den Beteiligten ausgetauscht werden. V o r allem aber unterscheidet sich der Beschluß v o m Gesamtakt dadurch, daß er übereinstimmende Erklärungen nicht aller, sondern nur der Mehrzahl der Beteiligten erfordert. Über das Unterscheidungsmerkmal zwischen Beschluß u n d Vertrag bestehen verschiedene Ansichten. Meines Erachtens ist es nicht darin zu suchen, daß die Erklärungen der i n der Mehrheit stimmenden gleichen I n h a l t haben; denn auch die Erklärungen der Kontrahenten sind, bei möglicherweise verschiedenem W o r t laut, inhaltlich identisch 1 9 8 ; auch nicht darin, daß der Vertrag, i m Gegensatz zum Beschluß, Rechtsverhältnisse der Parteien 1 9 9 betrifft; denn der Vertrag k a n n Rechte für D r i t t e begründen 2 0 0 , und ein Beschluß k a n n Rechtsverhältnisse der Beschließenden gestalten (§§ 709, 745). A u c h darin k a n n der Unterschied n i c h t gefunden werden, daß der Vertrag für die Kontrahenten entgegengesetzte Bedeutung, der Beschluß für die Beteiligten gleichartige Bedeutung habe 2 0 1 ; das t r i f f t für viele Verträge zu (der eine K o n trahent ist berechtigt, der andere verpflichtet; der eine veräußert, der andere erwirbt), aber nicht für alle: der Gesellschaf tsvertrag kann den Parteien zur Erreichung des gemeinsamen Zieles gleiche Opfer auferlegen. Die rechtliche Eigenart des Beschlusses ergibt sich meines Erachtens aus der besonderen Rechtslage, welche Normierung durch das Majoritätsprinzip verlangt. Es handelt sich u m Situationen, i n welchen durch das Zusammenwirken mehrerer Menschen eine einheitliche N o r m aufgestellt werden muß, welche für einen fremden Rechtskreis (juristische Person, Nachlaß, Mündel), deren Organe sie sind 2 0 2 , oder für ihre gemeinsamen Rechte u n d Interessen maßgebend sein soll. Das Rechtsinstitut des Vertrages ist für diesen Zweck nicht ausreichend, weil die erforderliche Einigung der Beteiligten ausbleiben kann. Daher überträgt das Gesetz die Entscheidung, innerhalb gewisser S c h r a n k e n 2 0 a , 198 199 200 201 302 203

Vgl. ob. S. 225. B e k k e r § 94^Beil. I . Vgl. ob. S. 227? E i t z b a c h e r , Handlungsfähigkeit 165. Bd. I § 32 I I . Bd. I § 36 Note 31 b.

Drittes B u .

236

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

dem W i l l e n der Mehrheit 2 0 4 . Bei der Verwaltung fremder Angelegenheiten t r i t t der Mehrheitsbeschluß anstelle des nicht vorhandenen oder rechtlich nicht anerkannten Willens des Rechtssubjekts: bei den Rechts- u n d Interessengemeinschaften ersetzt der Beschluß die wegen Meinungsverschiedenheit oft nicht erreichbare Einigung. Die durch Beschluß aufgestellte N o r m gilt nicht als W i l l e der einzelnen, die für i h n gestimmt haben, sondern als W i l l e aller Beteiligten 2 0 5 . Der Beschluß ersetzt bei juristischen Personen und anderen durch mehrere Menschen verwalteten Vermögensmassen sowie bei Rechts- oder Interessengemeinschaften den Entschluß, welcher i m normalen F a l l des Individualvermögens v o m Subjekt desselben gefaßt wird. Daher gestaltet der Beschluß immer nur die inneren Rechtsverhältnisse 2 0 6 der juristischen Person oder Personengemeinschaft, deren Angelegenheiten er betrifft. Durch den Beschluß können für die juristische Person oder Personengemeinschaft Vertreter (Organe) bestellt und abberufen werden; ferner können durch Beschluß die Vertreter ermächtigt u n d verpflichtet werden, die Handlungen (insbesondere Rechtsgeschäfte m i t Dritten) vorzunehmen, welche zur Ausführung des Beschlusses nötig sind. Dagegen k a n n durch den Beschluß ein Vertrag m i t D r i t t e n nicht zustande kommen 2 0 7 : der Beschluß k a n n weder Offerte noch Annahme sein 2 0 8 , sondern immer nur die Grundlage, von der aus ein Vertreter der juristischen Person oder der Personengemeinschaft eine Offerte stellt oder a n n i m m t 2 0 9 . 204

I s t Zustimmung aller vorhandenen Beteiligten erforderlich (z. B. nach § 33 für Änderung des Vereinszweckes, Bd. 1 § 35 Note 6), so liegt unter dem Namen u n d i n den Formen eines Beschlusses ein Rechtsgeschäft vor, welches dem Vertragstypus angehört. 205 M a n kann beim Beschluß m i t besserem Recht, als beim Vertrag (vgl. ob. N . 133) davon sprechen, daß er Gesamtwille der Beteiligten zwar nicht ist, aber dafür gilt. 206 Bd. I S. 461. 207 Bd. I S. 512. 208 W o h l aber Bedingung, von deren E i n t r i t t die Wirksamkeit eines v o m Vertreter geschlossenen Vertrages abhängig gemacht ist. 209

Die Aufgabe oder Beschränkung der Gläubigerrechte durch Beschluß der Gläubigerversammlung nach § 11 des RGes. v o m 4. 12. 99 ber u h t nicht auf einem Vertrag m i t dem Schuldner, sondern auf dem einseitigen W i l l e n der Mehrheit der Gläubiger. A u c h den Zwangsvergleich betrachte ich, entgegen der herrschenden Meinung ( J ä g e r , K O . § 173 A n m . 8) nicht als Vertrag des Gemeinschuldners m i t den beteiligten Kon-

§ 53.

Einseitige u n d mehrseitige

Rechtsgeschäfte.

237

V. Von der Verträgen u n d Beschlüssen w i r d neuerdings eine weitere A r t mehrseitiger Rechtsgeschäfte unterschieden: die Vereinbarung. Dieser Begriff s t a m m t aus dem öffentlichen Recht und ist von B i n d i n g 2 1 0 geschaffen worden, u m die Einigung zu charakterisieren, aus welcher ein neues Staatsgebilde u n d d a m i t objektives Recht entsteht. I m Privatrecht w i r d dieser Begriff bisweilen dazu verwendet 2 1 1 , u m die Gründung des Vereins zu erklären 2 1 2 . Diese Auffassung hängt zum T e i l d a m i t zusammen, daß man den Vertrag i n althergebrachter Weise als obligatorischen, allenfalls noch als dinglichen, zu denken pflegt, während die Vereinsgründung ganz anders geartete Wirkungen h a t ; andererseits w i r k t die weitverbreitete Anschauung m i t , daß die Vereinssatzung ein Stück objektiven Rechtes sei 2 1 3 . Meines Erachtens k a n n ein privatrechtliches Rechtsgeschäft, wie es die Vereinsgründung zweifellos ist, kein objektives Recht schaffen 2 1 4 . Daher ist die Satzung, wie der I n h a l t eines Gesellschaftsvertrages, nichts anderes als das abstrakt normierte Rechtsverhältnis, i n welchem der Verein zu seinen Organen u n d Mitgliedern steht. Es besteht daher kein Hindernis, die Vereinsgründung unter die Verträge zu stellen 2 1 5 , u n d kein Bedürfnis , den K a t a l o g der privatrechtlichen Geschäfte durch Aufnahme der Vereinbarung zu erweitern 2 1 6 . kursgläubigern, sondern als eine gerichtliche Handlung, welche auf Grund eines Vorschlags des Gemeinschuldners, K O . § 173, und eines Mehrheitsbeschlusses der Konkursgläubiger, K O . § 182, erfolgt, vgl. A. S. S c h u 11 z e, Konkursrecht 114 fg. und neuerdings W a c k e n t h a l e r , rechtliche N a t u r des Zwangsvergleichs. 210 Festg. f. Windscheid (1888) S. 69. Vgl. T r i e p e l , Völkerrecht und Landesrecht 42; J e 1 1 i n e k , System der subjektiven öffentl. Rechte, 2. Aufl., 208. 211 Der Ausdruck Vereinbarung w i r d bisweilen auch zur Bezeichnung der gemeinsamen Geschäfte (Gesamtakte, ob. I I I ) gebraucht, E n d e m ann § 62 Note 4. 212 T r i e p e l a. a. O. 213 Bd. I § 35 S. 503. 214 Vgl. ob. § 50 Note 13. 215 Bd. I § 34 I . 216 So auch H e c k a. a. O. § 28. I m öffentlichen Recht mag es sich empfehlen, zweiseitige Rechtsgeschäfte, durch welche objektives Recht geschaffen wird, unter dem Namen Vereinbarung von den Verträgen zu unterscheiden, aus welchen subjektive Rechte entstehen, vgl. F l e i n e r , Verwaltungsrecht 75, 176.

238

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

§ 54.

Tatsachen.

Die Verfügung.

I. Eine besonders wichtige Gruppe von Rechtsgeschäften hat das Gesetz unter dem technischen Namen: Verfügung 1 zusammengefaßt. Der Begriff der Verfügung ist im Gesetz nicht definiert, ergibt sich aber mit ziemlicher Sicherheit aus den für „Verfügungen4 6 aufgestellten Vorschriften 2 . Unter Verfügung ist zu verstehen ein Rechtsgeschäft 3 , durch welches ein Rechtsverhältnis oder ein Recht unmittelbar betroffen wird 4 . Die wichtigsten Arten der Verfügung sind: Veräußerung 5 , Belastung 6 , Änderung 7 , Verzicht 8 . Keine Verfügung ist der Erwerb oder die Erweiterung eines Rechtes 9 , die Eingehung einer Verpflichtung (vgl. unt. I I ) und die Befreiung von einer Verpflichtung 1 0 . In der Verfügung liegt meist eine Zuwendung des Verfügenden an eine andere Person. So ist die Veräußerung Verfügung über das Eigentum * D e r n b u r g § 112; E n d e m a n n § 62, 3; C r o m e § 74 I I 3; E n n e c c e r u s § 134; C o s a c k § 5 0 1 4 ; K o h l e r l § 248, I I § 58 fg.; B i e r m a n n § 48; P l a n c k , Vorb. I I 4 zum 3. Abschn. des Allg. Teüs; S o h m , Gegenstand, JheringsJ. 53, 373 u. ArchBürgR. 28, 173; W i l u t z k i , ArchBürgR. 28, 53; E c c i u s , Gruchot 48, 468; B i n d e r , Z H a n d R . 59, 1; H e d e m a n n , ArchBürgR. 31, 322; M a x D r e y f u s , Verfügung. 1 Verfügung ist eine Erweiterung des gemeinrechtlichen Begriffs der Veräußerung, W i n d s c h e i d § 69; R e g e l s b e r g e r § 123 I I I ; Mot. I I I 128. 2 Die wichtigsten Vorschriften über Verfügungen finden sich i n den §§ 185, 816, 1375, 1395, 1443 fg., 1821/2, 2205, 2112, 893, 2367, 137, 573, 1124. Vgl. i m übrigen das Wortverzeichnis von G r a d e n w i t z . 3 Oder eine dem Rechtsgeschäft gleichstehende Rechtshandlung, vgl. ob. § 48 I I 1 b. 4 T u h r , D JZ. 9, 426. 5 U n d deren Vorstadien: Einräumung einer Anwartschaft oder eines Aneignungsrechtes, vgl. ob. S 37. D a r u m sind die Einigung des § 873 I I und die Auflassung, obgleich sie erst bei Hinzutreten der Eintragimg die beabsichtigte W i r k u n g entfalten, als Verfügungen anzusehen, P l a n c k § 185, 2; D e r n b u r g § 112 Note 8. 6 Vgl. ob. § 45 Note 17. 7 Vgl. ob. § 47 I I . 8 Vgl. unt. V I . 9 Wer für sein Grundstück eine Servitut erwirbt, hat dadurch über das Grundstück nicht verfügt, obgleich er den Bestand des Grundstückes ändert, § 96. 10 D u r c h Verfügung werden die A k t i v a , nicht die Passiva des Vermögens betroffen. Aufhebung einer Obligation ist daher Verfügung (des Gläubigers oder des Schuldners) über die Forderung, nicht über die Schuld.

§ 64.

Die Verfügung.

239

durch Zuwendung desselben an den Erwerber. Die Verfügung braucht aber eine Zuwendung nicht zu e n t h a l t e n 1 1 : wenn der Eigentümer auf sein Recht verzichtet, hat er darüber verfügt, ohne es jemandem zuzuwenden 1 2 . Verfügung sind nur solche Rechtsgeschäfte, die auf Änderung eines Rechtes 1 3 gerichtet sind und diese Änderung unmittelbar herbeiführen. W e n n die Veränderung eines Rechtes als m i t t e l bare, gesetzliche Folge eines Rechtsgeschäftes e i n t r i t t 1 4 , g i l t das Rechtsgeschäft nicht als Verfügung über dieses Recht. So hegt z. B. i n der Eheschließung keine Verfügung der F r a u über ihr Vermögen, obgleich infolge der Ehe Rechte des Mannes an ihrem Vermögen entstehen. Ebenso ist die Veräußerung eines vermieteten Grundstücks oder die Bestellung eines Nießbrauches an demselben keine Verfügung über den Mietzins i m Sinne v o n § 1124, obgleich die weiteren Mietzinsforderungen infolge der Veräußerung oder der Bestellung des Nießbrauchs i n der Person des Erwerbers resp. Nießbrauchers entstehen, §§ 571, 577 l ö . I n einem über diesen Umkreis hinausgehenden Sinne gebraucht das Gesetz den Ausdruck: letztwillige Verfügung. Es versteht darunter jede Anordnung, die der Erblasser t r i f f t , insbesondere außer der Erbeseinsetzung auch die (nicht unter den allgememen Begriff der Verfügung fallende) E r r i c h t u n g v o n Vermächtnissen. Für letztwillige Verfügungen gelten besondere Regeln. Noch weiter entfernt v o m privatrechtlichen Begriff der Verfügung sind die Verfügungen der Behörden 1 6 : sie sind keine Rechtsgeschäfte 1 7 . Objekt der Verfügung können alle Rechtsverhältnisse oder 11

S o h m , ArchBürgR. 28, 193, u n d B i n d e r , Z H a n d R . 59, 29, identifizieren die Begriffe der Verfügung u n d Zuwendung; Dereliktion soll daher keine Verfügung über das Eigentum sein. 12 Keine Zuwendung, sondern einen nachteiligen Eingriff in das Vermögen des anderen enthalten die Gestaltungsverfügungen, vgl. unt. Note 48 fg. 13 Daher ist z. B . die Hinterlegung einer Sache bei einem Verwahrer und die Rücknahme aus der Verwahrimg keine Verfügung über das durch diese Vorgänge unberührt bleibende Eigentum, sondern nur Verfügung über den Besitz, vgl. unt. Note 22. 38. 14 Vgl. ob. § 50 S. 163. 15 R G . 68, 13; W o l f f , Sachenrecht § 135 A n m . 24. 16 F l e i n e r , Verwaltungsrecht 156 fg. 17 Können aber zusammen m i t der Willenserklärung einer P r i v a t person den Tatbestaod eines Rechtsgeschäftes ausmachen.

240

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Rechte sein, welche durch den W i l l e n der Beteiligten abgeändert werden k ö n n e n 3 8 . Das sind i m wesentlichen, aber nicht ausschließlich, Vermögensrechte 1 9 u n d vermögensrechtliche Verhältnisse: Eigent u m 2 0 u n d sonstige dingliche R e c h t e 2 1 ; auch der B e s i t z 2 2 ; obligatorische Rechtsverhältnisse (Schuld Verhältnisse 2 3 ) u n d Forderungen 2 4 ; 18 S o h m , Gegenstand 21, leitet den Begriff der Verfügung von der Übertragbarkeit der Rechte ab u n d will daher prinzipiell nur übertragbare Rechte als Objekt der Verfügung gelten lassen. Die Verfügung kann aber, i n Ermangelung der Übertragbarkeit (Nießbrauch, Forderungen des § 399) in einer Änderung oder Aufhebung des Rechtes bestehen. 19 S o h m identifiziert Vermögensrecht und Gegenstand der Verfügung, hat aber m. Er. den Beweis nicht erbracht, daß beide Begriffe sich decken. Es besteht kein Grund, weshalb man die Aufgabe oder Übertragung eines nicht zum Vermögen gehörenden Rechtes nicht Verfügung nennen könnte. Zuzugeben ist, daß die Rechtssätze des B G B . über Verfügungen fast nur auf Vermögensrechte Anwendung finden. Das erklärt sich aber daraus, daß das B G B . i n erster Linie das Vermögensrecht i m Auge hat, u n d daß die Vermögensrechte mehr, als sonstige Rechte, dem abändernden W i l l e n des Rechtssubjekts unterstehen. 20 Der Eigentümer verfügt durch Übertragung oder Belastung des Eigentums, sowie durch Verzicht, ferner durch Zerlegung des Grundstücks i n mehrere Grundstücke, O L G . 21, 408; a. A. F u c h s § 1821, 2 I c. Der Miteigentümer, welcher Aufhebung der Gemeinschaft bewirkt, verfügt d a m i t über seinen Anteil, R G . 67, 398. OLG. 22, 416. 21 Über iura i n re aliena kann verfügt werden: durch Übertragung, Aufhebung, Änderung des Inhalts (z. B. § 1023, 1030 I I , 1245), oder des Ranges, § 880 (§ 1165). 22 Der Besitz ist ein (provisorisches) Recht oder jedenfalls ein Rechtsverhältnis einer Person zu einer Sache (vgl. Bd. I § 6 Note 21), welches durch den W i l l e n des Subjektes modifiziert werden k a n n ; daher fällt die Überlassung, wie die Aufgabe des Besitzes (§ 856 I ) unter den Begriff der Verfügung; a. A . S o h m , Gegenstand 26, 46. 23 Schuld Verhältnisse sind i n der Regel unübertragbar, vgl. ob. § 12 I I . Als Verfügung über Schuldverhältnisse k o m m t i n Betracht: die Aufhebung durch Vertrag, R ü c k t r i t t , K ü n d i g u n g (ob. § 5 Note 33), Widerruf der Schenkung, Anfechtung usw. 24 C o s a c k § 101. Die Verfügung über eine Forderung kann bestehen i n : Übertragung, Belastung, Änderung der Forderung (z. B. durch Vertrag, § 305 K ü n d i g u n g oder Ausübimg eines Wahlrechts), Aufhebung der Forderung: durch Erlaß, Aufrechnung, Verabredung oder Genehmigung einer Schuldübernahme, § 414. 415, insbesondere auch durch Entgegennahme der Erfüllung, § 362 I I . 816 I I . 1812 I vgl. m i t 1813, S c h m i d t § 1551, 2 c, H e r r , Jherings J. 46, 231. Demgemäß würde der Vormund nach § 1821 N r . 2 zur Entgegennahme der Auflassung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfen ; a. A. das Kammerg., EntschFreiwGer. 3,61, P l a n c k § 1821,2. I c h halte nicht die Gründe, aber die E n t -

§

Rechte an immateriellen u n d erbrechtliche wartschaften reden

31

.

29

;

27

4.

Di

Verfügung.

Gütern

25

Verhältnisse;

Gestaltungsrechte

241

; gewisse f a m i l i e n r e c h t l i c h e Aneignungsrechte

28

und

und Machtbefugnisse 30;

26

AnEin-

D a s V e r m ö g e n als Ganzes i s t i n d e r R e g e l k e i n G e g e n -

stand der Verfügung

32

; j e d o c h h e g t i m E h e v e r t r a g , w e n n er G ü t e r -

g e m e i n s c h a f t e i n f ü h r t , eine V e r f ü g u n g jedes E h e g a t t e n ü b e r s e i n g e g e n w ä r t i g e s u n d k ü n f t i g e s V e r m ö g e n , d i e A u s s c h l a g u n g i s t eine Verfügung

über die Erbschaft

als Ganzes

33

.

Anteile an

einem

Gesamthandsvermögen k ö n n e n Gegenstand einer V e r f ü g u n g s e i n 3 4 . V o n der Verfügung über ein Rechtsverhältnis sind die möglichen Verfügungen

ü b e r d i e e i n z e l n e n aus d e m

hältnis erwachsenden Rechte zu unterscheiden

35

daneben

Rechtsver-

.

Scheidung des K G . für richtig: die Genehmigung ist nicht nötig, weil der Mündel durch Erfüllung der Forderung nicht geschädigt werden k a n n ; denn über das i n sein E i g e n t u m gelangte Grundstück k a n n nicht ohne gerichtliche Genehmigung verfügt werden, § 1821 N r . 1. 25 Vgl. Bd. I § 6 I V . Über das Namensrecht kann nur i m F a l l des § 1706 I I verfügt werden, Bd. I S. 444. 26 Verzicht auf die elterliche Gewalt durch Aufhebung der Annahme an Kindesstatt, § 1768; Verzicht auf die elterliche Nutznießung, § 1662; Aufhebung der ehemännlichen Nutznießung u n d Verwaltung sowie der Gütergemeinschaft durch Ehevertrag; Ablehnung der Fortsetzung der Gütergemeinschaft, § 1484, und Aufhebung derselben, § 1492. 27 Verfügung über den Erbteil, § 2033. 28 Vgl. ob. § 12 Note 22. 29 Vgl. ob. § 12 I V . 30 Bd. I § 7. Verfügung ist der Verzicht auf ein Gestaltungsrecht, B i e r m a n n § 48 Note 6, z. B. die Ablehnung einer Offerte (wie sich aus §§ 1406, 1453 ergibt). Über Verfügung durch Ausübung des Gestaltungsrechts vgl. unt. Note 48 fg. 31 Über Einrede kann durch Verzicht verfügt werden, Bd. I § 17 S. 296. Dagegen sind die Ansprüche untrennbare Bestandteile des ihnen zugrunde liegenden Rechts, Bd. I § 15 I X , und daher kein Gegenstand selbständiger Verfügung. 32 Die Verfügung „über ein Vermögen i m Ganzen", § 1444, sowie die Verfügung über eine Erbschaft, § 1822 Nr. 1, besteht i n Einzel Verfügungen über die zum Vermögen resp. zur Erbschaft gehörenden Rechte, vgl. Bd. I § 18 Note 34 b. 33 A . A . S o h m , Gegenstand 8 und P l a n c k § 2113, 2. 34 Bd. I S. 360. 35 Vgl. ob. § 5 I I I 3, § 12 I . Die Verfügung über ein einzelnes Recht läßt das Rechtsverhältnis unberührt; wenn z. B. der Vermieter den Mietzins a b t r i t t , bleibt er Vermieter u n d als solcher zur K ü n d i g u n g der Miete befugt. Dagegen ergreift die Verfügung über ein Rechtsverhältnis die aus demselben erwachsenden Rechte; so werden z. B. durch Veräußerung oder Verpfändung H a n d b u c h X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

16

242

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Gegenstand der V e r f ü g u n g ist i m m e r n u r ein Rechtsverhältnis oder ein R e c h t spricht

37

36

.

Wenn man

v o n V e r f ü g u n g ü b e r eine 38

es ü b e r d e n B e s i t z a n d e r Sache Die

Verfügung

erfolgt

je

tragung, Änderung, Aufhebung) ihr betroffenen geschäft der

Sache

, so i s t d a r u n t e r V e r f ü g u n g , sei es ü b e r das E i g e n t u m , sei

40

.

Der

Vertrag 41

,

oder

ihrer

B.

Schäfte), o d e r n u r

.

Wirkungsart

o d e r einseitiges

entweder

Verfügungen

Verzicht,

39

(Über-

u n d d e r B e s c h a f f e n h e i t des v o n

enthält

einseitige Verfügungsgeschäft (z.

nach

Rechtes durch Vertrag

einen P a r t e i

Verfügenden

, zu verstehen

nur

beider

eine

Rechts-

Verfügung

Parteien

42

.

Das

w i r k t e n t w e d e r n u r z u L a s t e n des Ausschlagung

z u L a s t e n des Gegners

43

und ,

ähnliche

meistens aber

Ge zu

eines Erbteils alle zu demselben gehörenden Rechte betroffen; daher verliert der Miterbe, dessen E r b t e i l gepfändet ist, die Befugnis, gemeinsam m i t den übrigen Erben über einen Gegenstand des Nachlasses zu verfügen, vgl. ob. § 20 Note 51. 36 N i c h t eine Schuld, S o h m , Gegenstand 24. Wenn der Schuldner k ü n d i g t oder ein Wahlrecht ausübt, verfügt er nicht über seine Schuld, sondern (vermöge des i h m zustehenden Gestaltungsrechts) über die Forderung des Gläubigers; solche Verfügungen sind z. B. gemeint i n §§ 893, 2367. A u c h die Schuldübernahme nach § 415 enthält eine Verfügung über die Forderung, nicht über die Schuld, Mot. I I 143; S t r o h a l , Jherings J. 57, 415. 37 Z. B. i n § 883 I I : Verfügung über das Grundstück. 38 Verfügung über eingebrachtes Gut bedeutet in § 1375 Verfügung über die zu diesem Gut gehörenden Rechte; dazu braucht der Ehemann die Zustimmung der Frau. Über den nach § 1373 i h m zustehenden Besitz an solchen Sachen k a n n er selbständig verfügen, indem er sie vermietet, verleiht, zur Verwahrung gibt usw. 39 Es ist systematisch unrichtig u n d ein Rückfall i n römische Denkweise, wenn S o h m , Gegenstand § 3, 4, die Objekte der Verfügung in körperliche Gegenstände (Sachen) und unkörperliche Gegenstände (Rechte) einteilt, vgl. Bd. I S. 318. 40 Die Übertragung u n d Belastung von Rechten erfolgt durch Vert r a g ; die Aufhebung v o n Rechtsverhältnissen bald durch Vertrag (z. B. die Wandelung, § 465), bald durch einseitiges Rechtsgeschäft (Anfechtung, R ü c k t r i t t , K ü n d i g u n g usw.); ebenso die Änderung bald durch Vertrag (z. B . die Minderung, § 465), bald durch einseitige Erklärung (Wahl, Fälligkeitskündigung usw.). 41 Bei Veräußerungen verfügt nur der Veräußerer; bei Erlaß oder E r f ü l l u n g nur der Gläubiger, der seine Forderungen aufgibt. 42 Jeder Kontrahent verfügt: beim Erbvertrag über seine Erbschaft; bei vertragsmäßiger Aufhebung einer Miete: über das Schuldverhältnis; beim Aufrechnungsvertrag über seine Forderung. 43 Die Aneignung fremder Sachen, Bd. I § 8 I I I , kann als Verfügimg

§ 54.

Die Verfügung,

243

Lasten beider Teile, indem ein zwischen dem Verfügenden u n d seinem Gegner bestehendes Rechtsverhältnis aufgehoben resp. geändert w i r d 4 4 , oder, wie bei der Aufrechnung, ein Recht des Verfügenden zugleich aber auch ein Recht des Gegners erlischt. Die Verfügung über ein Recht gehört zum normalen I n h a l t des Rechtes k a n n aber aus besonderen Gründen dem Rechtssubjekt entzogen sein, oder einer Person zustehen, welche nicht Subjekt des der Verfügung unterworfenen Rechts ist. Die Möglichkeit, über fremde Rechte zu verfügen, beruht entweder auf einer aus der Machtfülle des Rechtssubjekts abgezweigten Vertretungsoder Verfügungsmacht 4 6 oder auf einem dem Rechtssubjekt entgegenstehenden Gestaltungsrecht 4 7 . Den Verfügungen, welche auf Gestaltungsrecht beruhen, w i l l S o h m 4 8 unter dem Namen „verfügende Gestaltungsgeschäfte' 4 eine besondere Stellung zuweisen; namentlich soll § 185 (Verfügung über fremde Rechte i n eigenem Namen) auf sie keine A n wendung finden. Zuzugeben ist, daß eine Verfügung über fremdes Recht i n eigenem Namen durch Gestaltungsgeschäft i n der Regel nicht möglich ist: wer nicht Gläubiger ist, k a n n auch m i t Zustimmung des Gläubigers nicht kündigen, aufrechnen usw. Das ergibt sich aber meines Erachtens aus der N a t u r nicht des Gestaltungsrechtes, sondern des der Gestaltung unterliegenden Forderungsrechtes: die Forderung ist m i t der Person des Gläubigers derart verbunden, daß der Name des Gläubigers normalerweise zu ihrer Individualisierung g e h ö r t 1 9 ; daher muß bei jeder Verfügung über die Forderung (auch bei der Zession) der Gläubiger über das Recht des bisherigen Eigentümers aufgefaßt werden: eine ohne Aneignungsrecht vorgenommene Aneignung kann daher nach § 185 genehmigt werden. 44 Die Kündigung einer Forderung w i r k t zu Lasten des Schuldners, indem sie die Fälligkeit herbeiführt, zugleich aber auch zu Lasten des Gläubigers, insofern sie die Erfüllung und damit den Untergang der Forderung vorbereitet. 45 Vgl. ob. Bd. I S. 61. 46 Vgl. Bd. I § 7 bei Note 21: Verfügungsmacht des nach § 185 I E r mächtigten, des Pfandgläubigers, des Ehemanns nach § 1376 usw. 47 Bd. I § 7 I I 2 und 3. Die Bestellung eines Gestaltungsrechtes (z. B . die Einräumung eines Kündigungsrechts oder einer facultas alternativa an den Schuldner) ist Änderung des Schuldverhältnisses u n d daher Verfügung über dasselbe. 48 Gegenstand 12 fg. 49 Bd. I § 2 I I I . 16*

244

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

bezeichnet, d. h. die Verfügung im Namen des Gläubigers vorgenommen werden 5 0 . I n eigenem Namen kann ein Nichtgläubiger über die Forderung nur dann verfügen, wenn er sich für den Gläubiger ausgibt. W i r d so verfahren, so ist nicht einzusehen, warum die Verfügung, wenn sie m i t Zustimmung des Gläubigers vorgenommen wird, unwirksam sein sollte. Die Zustimmung k a n n aber n i c h t nachgeholt werden, weil durch einseitiges Rechtsgeschäft nur ein von vornherein bestimmter Rechtszustand hergestellt werden k a n n 5 1 . Dagegen haben die verfügenden Gestaltungsgeschäfte eine andere Eigentümlichkeit, deren Nichtbeachtung zu unrichtigen Entscheidungen führen k a n n : ein Gestaltungsrecht w i r d (wie die Forderung u n d das P f a n d r e c h t 5 2 ) durch seine Ausübung v e r b r a u c h t 5 3 daher enthält die Ausübung eines Gestaltungsrechtes zwei Verfügungen: eine Verfügung über das Gestaltungsrecht (z. B. über das Kündigungsrecht) und zugleich eine Verfügung über das der Gestaltung unterliegende Recht (z. B. über die gekündigte Forderung). V o n diesen beiden Verfügungen ist die letztere die materiell wichtige; die zu ihrer Herbeiführung nötige Verfügung über das Gestaltungsrecht t r i t t i n den Hintergrund, da das Gestaltungsrecht gegenüber dem durch seine Ausübung hergestellten Rechtszustand als sekundäres Recht erscheint 5 4 . Daher untersteht die Ausübung eines Gestaltungsrechtes nicht den für Verfügungen geltenden Rechtssätzen, wenn das Resultat für den Ausübenden n i c h t i n der Änderung eines i h m zustehenden Rechts oder Rechtsverhältnisses besteht, sondern i m Erwerb eines Rechtes 5 5 , 50 A u c h über ein Grundstück, das auf den Namen des A eingetragen ist, k a n n X nur so verfügen, daß er entweder i m Namen des A handelt oder sich für den A ausgibt. 61 Vgl. ob. § 53 Note 40. 52 A u c h i n der Pf and Veräußerung liegt eine Verfügung über das Pfandrecht u n d zugleich über den Gegenstand des Pfandrechts. 53 Vgl. ob. S. 94. 54 Vgl. Bd. I § 7 Note 3. 66 Die Annahme einer Offerte ist, wenn es sich u m Eingehung eines obligatorischen Vertrages handelt, nicht als Verfügungsgeschäft zu beurteilen, obgleich der Annehmende über das i h m aus der Offerte erwachsende Recht, ob. § 7 Note 10, verfügt. Die Ausübung der Gläubigeranfechtung ist Verfügimg über dieses Recht, weil es durch die Ausübung verbraucht wird, gehört aber ihrem Zwecke nach zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung und steht daher bei einer Forderung des eingebrachten Gutes nach § 1380 dem Ehemann zu, vgl. Bd. I § 10 Note 26.

§ 54.

Die

Verfügung.

245

in der Entstehung einer Verpflichtung oder i n der Befreiung von einer Verpflichtung 5 6 5 7 . Erfordert eine Verfügung die Zustimmung einer anderen Person, so k a n n fraghch sein, ob die Zustimmung ihrerseits unter den Begriff der Verfügung fällt 5 8 . Meines Erachtens ist zu unterscheiden : 1. Bedarf A zur Verfügung über eigenes Recht der Zustimmung des Z (z. B. des Vormundes, des Ehemannes i m F a l l des § 1395), so ist diese Zustimmung nicht Verfügung über das Recht des A , sondern Ausübung einer Machtbefugnis, welche dem Z i n seinem Verhältnis zu A zusteht 5 9 : der V o r m u n d oder Testamentsvollstrecker, der dem Mündel resp. Erben die Veräußerung einer Sache erlaubt, hat d a m i t nicht über die Sache verfügt, sondern eine Verfügung des Mündels resp. des Erben e r m ö g l i c h t 6 0 ; ebenso der Ehemann, wenn er seiner Ehefrau die Veräußerung einer eingebrachten Sache g e s t a t t e t 6 1 . W e n n infolge der Z u s t i m m u n g ein Recht des Zustimmenden am Gegenstand der Verfügung oder eine A n w a r t schaft auf diesen Gegenstand e r l i s c h t 6 2 , so ist dieses Erlöschen, da es v o m Zustimmenden nicht gewollt zu sein braucht, gesetz56 Eine Ehefrau kann eine Schenkung widerrufen, eine Darlehens-, schuld kündigen oder anfechten, obgleich sie damit über ein ihr zustehendes Gestaltungsrecht verfügt. Ebenso k a n n eine Ehefrau auf den Widerruf eines Schenkungsversprechens verzichten, obgleich darin eine Verfügimg über das Widerrufsrecht liegt, vgl. Bd. I § 10 Note 22. 57 Dagegen sind Einziehung einer Forderung u n d Realisierung des Pfandrechts nach dem Recht der Verfügung zu beurteüen, obgleich das Resultat dieser Handlungen ein Rechtserwerb des Handelnden ist. Denn i n der Forderung resp. dem Pfandrecht werden Rechte aufgegeben, welchen (im Gegensatz zu den sekundären Rechten) selbständige Bedeutung zukommt. 58 Daß die Zustimmung der für die Verfügung vorgeschriebenen F o r m nicht bedarf, ist i n § 182 I I , 167 I I ausdrücklich bestimmt. 59 Bd. I § 7 Note 28. 60 Diese Zustimmung unterliegt aber, weil sie denselben Erfolg wie eine Verfügung hat, den für Verfügungen des ges. Vertreters geltenden Vorschriften, vgl. unt. § 59. 61 P l a n c k § 1395, 2. 62 Der Ehemann verliert infolge der durch seine Zustimmung ermöglichten Verfügung der F r a u Verwaltung u n d Nutznießung, Bd. I S. 329, der Nacherbe verliert seine Anwartschaft (ob. § 9 I I I 3), wenn er einer Verfügung des Vorerben zustimmt, P l a n c k § 2113, 1 c, O L G . 18, 340; der D r i t t e , m i t dessen Recht das Recht eines anderen belastet ist, verliert sein Recht, wenn er der Aufhebung des Mutterrechts zustimmt, §§ 876, 1071, 1276, vgl. ob. § 45 Note 80.

Drittes B u .

246

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

liehe Nebenwirkung der Z u s t i m m u n g 6 3 ; die Zustimmung ist daher n i c h t als Verfügung über das erlöschende Recht des Zustimmenden zu betrachten 6 4 . 2. Verfügt A m i t Z u s t i m m u n g des Z über ein Recht des Z, so ist weiter zu unterscheiden 6 5 : a) hat Z dem A Verfügungsmacht eingeräumt, so enthält diese E i n r ä u m u n g keine Verfügung des Z über sein Recht: denn V o l l m a c h t oder E i n w i l l i g u n g i m Sinne v o n § 185 I hat keine unmittelbare E i n w i r k u n g auf den Bestand des Rechts, über welches A verfügen soll. Eine solche W i r k u n g entsteht erst durch die Verfügung des A auf Grund der i h m verliehenen V e r f ü g u n g s m a c h t 6 6 ; b) anders, wenn A die Verfügung über das Recht des Z ohne Verfügungsmacht v o r n i m m t u n d Z nunmehr genehmigt: die Genehmigung hat eine unmittelbare W i r k u n g auf das bis zur Genehmigung unverändert gebliebene Recht des Z ; sie ist daher eine Verfügung des Z über sein Recht. Veränderungen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses können wie durch Rechtsgeschäft, so auch durch Rechtshandlung oder T a t handlung herbeigeführt w e r d e n 6 7 . Soll man solche Handlungen, obgleich i h r Rechtserfolg nicht, wie beim Rechtsgeschäft, auf dem W i l l e n des Handelnden beruht, den Regeln der Verfügungen unterstellen ? insbesondere den Beschränkungen, welchen gewisse Personen i n bezug auf Verfügungen unterliegen ? Eine solche Rechtshandlung ist z. B . das Einbringen v o n Sachen bei der Miete u n d dem Gastvertrag, wodurch auch ohne W i l l e n des Mieters oder Gastes ein Pfandrecht entsteht, §§ 559, 704 6 8 . D a das Gesetz keine all63

Vgl. ob. § 50 Note 121. F ü r den Verfügenden selbst, dem die Zustimmung erteilt wird, z. B . die Ehefrau oder den Vorerben, ist das Erlöschen der Rechte oder Anwartschaften des Zustimmenden Reflex Wirkung seines Rechtsgeschäfts, vgl. ob. § 50 Note 141; Gegenstand seiner Verfügimg ist nur das von seinem Rechtsgeschäft unmittelbar betroffene eigene Recht, vgl. ob. Note 14. 66 P l a n c k , Vorb. I I 4 zum 3. Abschn.; E n n e c c e r u s § 134 Note 1. 66 Daraus folgt z. B . : der Ehemann kann ohne Zustimmung der Frau den X zu der Veräußerung eines eingebrachten Gegenstandes bevollmächtigen; dagegen braucht X , wenn er den Gegenstand veräußern will, wie der Ehemann, v o n dem er seine Verfügungsmacht ableitet, die Zustimmung der F r a u nach § 1375. «7 Vgl. ob. § 48 Note 25. 56. 68 Vgl. ob. § 48 Note 51. Ebenso die Übergabe einer Sache an den Werkunternehmer oder Frachtführer, § 647, H G B . § 440. 64

§ 54.

Die

Verfügung.

247

gemeinen Vorschriften über Handlungen die nicht Rechtsgeschäfte sind, aufstellt, ist es stets zweifelhaft, wieweit man i n der analogen Anwendung des Rechts der Rechtsgeschäfte gehen soll. Die Frage ist streitig geworden für den Fall, daß eine F r a u ohne Zustimmung des Ehemanns einen Mietvertrag schließt u n d eingebrachte Sachen i n die Mietsräume resp. den Gasthof bringt. Sieht man i m Einbringen, weil es kein Rechtsgeschäft ist, keine Verfügung, so entsteht als Folge der nach § 1399 gültigen Verpflichtung der F r a u ein gesetzliches P f a n d r e c h t 6 9 . Behandelt m a n dagegen das Einbringen nach Analogie des Rechtsgeschäftes als Verfügung, so ist das Pfandrecht nach § 1395 nicht entstanden 7 0 . I c h schließe mich der letzteren A n s i c h t 7 1 an, weil das Gesetz die Interessen des Ehemanns am eingebrachten G u t höher wertet, als das I n t e r esse des D r i t t e n , der i n rechtsgeschäftlichen Verkehr m i t der F r a u t r i t t (§ 1404) u n d daher Verfügungen wie Verpflichtungen der F r a u für unwirksam erklärt, soweit sie dem M a n n schaden könnten, § 1399; daraus läßt sich als allgemeines Prinzip ableiten, daß die F r a u durch ihr Auftreten i m Verkehrsleben die Rechte des Mannes nicht beeinträchtigen k a n n 7 2 . E i n anderes Beispiel einer Rechtshandlung, welche wie eine Verfügung w i r k t u n d daher nach Analogie der Verfügung behandelt werden muß, ist die Bewilligung zur Eintragung i n das Grund69

R G . i n Strafs. 35, 201; D e r n b u r g I I § 229 Note 8, I V § 46 Note 1; W i 1 u t z k i a. a. O. 70 Note 18; C r o m e § 579 Note 5 9 ; H e i n s h e i m e r Recht des Mannes a m Vermögen der F r a u 31; M i t t e l s t e i n , Miete § 1 3 Nr. 7. V o n den Anhängern dieser Ansicht w i r d oft übersehen, daß das Pfandrecht außer dem Schuldvertrag auch noch das Einbringen der Sache zur Voraussetzung hat. 70 ~ J a k u b e t z k i , Recht 8, 324; E n d e m a n n I I § 177 N o t e 23; auch D e r n b u r g I § 112 Note 6. 71 Eine Mittelmeinung v e r t r i t t P l a n c k § 559, 1; § 1399, 4: das Pfandrecht soll nur der Frau, nicht dem Mann gegenüber entstehen. Eine solche Duplizität des dinglichen Rechtszustandes (vgl. Bd. I § 2 V) führt zu schwer löslichen Komplikationen u n d w i r d v o m Gesetz i m ehelichen Güterrecht absichtlich vermieden (Verfügungen der F r a u sind i n Ermangelung der Zustimmung des Mannes allgemein, nicht nur dem M a n n gegenüber, unwirksam, P l a n c k § 1396, 2). Daher ist m. Er. die Annahme eines relativ unwirksamen Pfandrechtes abzulehnen, vgl. H e i n s h e i m e r a. a. O. 72 Anders liegt die Frage bei gesetzlichen Pfandrechten, welche ohne Handlung des Eigentümers entstehen können, z. B. beim Pfandrecht des Kommissionärs u n d Frachtführers, H G B § 397. 440.

248

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

b u c h 7 3 : sie ist kein Rechtsgeschäft 7 4 , weil sie nicht (wie die Einigung) den auf Rechtsänderung gerichteten W i l l e n enthält, sondern nur dazu dient, die Tätigkeit des Grundbuchbeamten zu provozieren. Aber eben weil sie den Anstoß zu der die Rechtsänderung perfizierenden Eintragung gibt, k a n n sie als Ursache der Rechtsänderung bezeichnet werden 7 5 . Daraus folgt, daß Verfügungsbeschränkungen auch die Eintragungsbewilligung treffen; so wäre z. B . eine v o m Vorerben erteilte Bewilligung zu einer Rechtsänderung an einem Nachlaßgrundstück v o m Grundbuchbeamten n i c h t zu beachten, § 2113, selbst wenn die Einigung bereits durch den Erblasser vorgenommen wurde; ebenso ist infolge des § 1445 die Bewilligung eines Ehemanns zur Belastung eines Grundstücks des Gesamtgutes unbeachtlich, selbst wenn die Einigung vor Beginn der Gütergemeinschaft erfolgt wäre 7 6 . I m Sprachgebrauch des täglichen Lebens w i r d das W o r t Verfügung auch zur Bezeichnung v o n Handlungen gebraucht, durch welche eine Sache u n d infolgedessen die an ihr bestehenden Rechte eine tatsächliche Veränderung erleiden, z. B . Vernichtung, Umgestaltung, Verarbeitung, Verbindung der Sache m i t einer anderen. Solche „tatsächlichen V e r f ü g u n g e n 4 ' 7 7 sind keine Rechtsgeschäfte, unterliegen auch nicht der Analogie der Rechtsgeschäfte 7 8 , u n d fallen daher n i c h t unter den technischen Begriff der Verfügung 7 9 . Das k o m m t namentlich für das eheliche Güterrecht i n Bet r a c h t : tatsächliche Handlungen, die der Ehemann an Sachen des eingebrachten Guts v o r n i m m t , sind nicht nach § 1375 zu beurteilen, sondern gehören zu der i h m grundsätzlich zustehenden Verwaltung, § 1374 8 0 . Aus der N a t u r des tatsächlichen Handelns 73

W o l f f , Sachenrecht § 33 I I I . Vgl. ob. § 50 Note 59. 76 Vgl. ob. § 50 Note 63. 76 Setzt sich der Grundbuchbeamte über den Mangel der Bewilligung hinweg, so kann, da die Bewilligung kein materielles Erfordernis der Rechts änderung ist, die Rechtsänderung trotzdem erfolgen. Daher scheint es m i r unrichtig, wenn W o 1 f f a. a. O. den § 185 auf die Bewilligung anwenden w ü l : hat jemand ohne Recht über ein Grundstück verfügt u n d erwirbt er später das Eigentum, so konvalesziert die Einigung, nicht die Bewilligung. 77 A r t . 111. 78 Vgl. ob. § 48 S. 112. 79 P l a n c k § 1383, 2 b ; S c h m i d t § 1375, 3; C o s a c k a. a. O.; S o h m , ArchBürgR. 28, 202; W o l f f , Famüienr. § 47 Anm. 9; a. A . J a s t r o w , ZeitschrZivPr. 25, 128fg. ; D r e y f u s 53 fg. 80 H e l l w i g , Anspruch § 42 A n m . 4. 74

§ 54.

Die

Verfügung.

249

e r g i b t sich, d a ß d i e d e m R e c h t des M a n n e s gezogene S c h r a n k e n u r i n der V e r p f l i c h t u n g bestehen k a n n , o r d n u n g s m ä ß i g zu v e r f a h r e n 8 1 ; die bei Verfügungen i m technischen Sinn charakteristische der W i r k s a m k e i t

ist bei tatsächlichem H a n d e l n

Frage

gegenstandslos.

A u c h aus d e n V o r s c h r i f t e n ü b e r d i e G e m e i n s c h a f t e r g i b t sich, d a ß t a t s ä c h l i c h e H a n d l u n g e n , selbst w e n n sie d i e S u b s t a n z d e r Sache u n d d a m i t d e n B e s t a n d d e r R e c h t e a n d e r Sache b e r ü h r e n , n i c h t zur Verfügung hören

82

83

(§ 747), s o n d e r n z u r V e r w a l t u n g

(§ 745 I I I )

ge-

.

N o c h w e n i g e r als t a t s ä c h l i c h e H a n d l u n g e n k ö n n e n m i t R e c h t s folgen

ausgestattete

Unterlassungen

als V e r f ü g u n g e n

wer durch Unterlassen rechtzeitiger

gelten84:

K l a g e eine E r s i t z u n g

oder

V e r j ä h r u n g gegen s i c h e i n t r e t e n l ä ß t , h a t d e n V e r l u s t des R e c h t e s v e r u r s a c h t ( u n d , w e n n er d a b e i d e n V o r t e i l des Gegners b e a b s i c h tigte, i h m einen V o r t e i l zugewendet), aber n i c h t i m BGB.

85

ü b e r sein R e c h t v e r f ü g t

86

Sinne

des

.

81 Gegen Gefährdung durch tatsächliche Handlungen des Mannes ist die F r a u nach § 1391 fg., § 1418 N r . 1 geschützt. 82 I n einzelnen Stellen des Gesetzes ist unter Verfügung auch t a t sächliches Handeln, insbesondere das Verbrauchen zu verstehen, oder, was auf dasselbe herauskommt, das tatsächliche substanzverändernde Handeln nach Analogie der Verfügung zu beurteilen. So darf nach § 1048 der Nießbraucher Stücke des Inventars nicht nur veräußern, sondern auch verbrauchen, Mot. I I I 512. 83 Die Einwilligung zu einer Rechtsverletzung ist Rechtsgeschäft oder jedenfalls rechtsgeschäftsähnliche H a n d l u n g (vgl. ob. § 50 Note 153) und daher als Verfügimg über das Recht zu behandeln. Z. B. würde eine solche v o m Ehemann i n bezug auf eine Sache des eingebrachten Gutes erteilte Einwilligung nach § 1375 unwirksam sein; denn sowenig der Ehemann über eine der F r a u zustehende Schadensersatzforderung verfügen kann, so wenig kann er durch rechtsgeschäftliches Handeln die Entstehung einer solchen Forderung vereiteln. 84 Außer wenn das Gesetz einer Unterlassung vermittelst einer F i k t i o n die Bedeutung eines Rechtsgeschäftes beilegt, z. B. i n § 416 I ; vgl. u n t . § 61. 85 I n der Konkursordnung § 32 u n d i m AnfGes. § 3 w i r d das W o r t Verfügung i n einem weiteren Sinne gebraucht, als i m B G B . (vgl. über den Sprachgebrauch der K O . ob. § 48 Note 10) u n d umfaßt gewollte Unterlassungen, durch welche einem anderen ein Vorteil zugewendet wird, J ä g e r , AnfGes. § 1 Anm. 34, K O . § 29 A n m . 32. 86 P l a n c k § 2113, 2; W i l u t z k i a. a. O. 71; a. A . D r e y f u s 54 u n d D e r n b u r g § 112 Note 6: absichtliches Verjährenlassen einer Forderimg durch eine F r a u soll wie eine Verfügung zu behandeln sein; aber die Einklagung von Forderungen ist doch Sache des Mannes, nicht der Frau, §§ 1380, 1400.

250

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

I I . I m Gegensatz zu den Verfügungsgeschäften stehen die Verpflichtungsgeschäfte 8 7 . Beide A r t e n v o n Rechtsgeschäften können eine Verminderung des Vermögens herbeiführen u n d daher eine Zuwendung an eine andere Person enthalten. Aber während die Verfügung eine Änderung i n den A k t i v e n eines Vermögens bedeutet, b e w i r k t die Eingehung einer Verpflichtung die Vermehrung der Passiven, ohne daß dadurch eine unmittelbare Änderung des Aktivbestandes e i n t r i t t 8 8 . Der Gläubiger erlangt kein Recht an einem einzelnen Vermögensstück des Schuldners; selbst wenn ein bestimmter i m Vermögen des Schuldners befindlicher Gegenstand geschuldet wird, begründet die Forderung eine rechtliche Beziehung des Gläubigers nicht zu diesem Gegenstand 8 9 , sondern zu der Person des Schuldners u n d dem hinter dieser Person stehenden Vermögen. Der Unterschied zwischen Verfügung und Verpflichtung ist grundlegend für den Aufbau unseres Privatrechts 9 0 . Die Formen u n d sonstigen Erfordernisse, welche für gewisse Verfügungen vorgeschrieben sind, gelten n i c h t für die Verpflichtung zur Vornahme solcher Verfügungen. So erfolgt z. B. die Verfügung über E i g e n t u m u n d sonstige Rechte an Grundstücken durch Eintragung, § 873, während die Verpflichtung zu solchen Verfügungen entweder der F o r m des § 313 unterliegt oder formlos eingegangen werden k a n n 9 1 . I s t eine Verfügung ebenso formlos, 87 Den Unterschied von Verfügung u n d Verpflichtung sucht W e n d t , ArchZivPr. 89, 420, zu verwischen; vgl. dagegen S t r o h a l , Erbrecht § 64 A n m . 15. 88 Vgl. Bd. I § 18 Note 35. 89 Die geschuldete Sache ist noch i m Vermögen des Schuldners und k a n n v o n seinen sonstigen Gläubigern gepfändet werden, vgl. oben § 6 N o t e 43 d , § 18 Note 35 c . Eine Ausnahme besteht für die Sache, welche der Schuldner zum Zweck der Erfüllung hinterlegt h a t : sie gehört zwar noch zu seinem Vermögen, ist aber dem Zugriff seiner sonstigen Gläubiger entzogen, § 377. 90 „Unentgeltliche Verfügung" i n K O . § 32 u n d AnfG. § 3 soll nach J ä g e r , K O . § 32 A n m . 3, AnfG. § 3 A n m . 45, u n d O e r t m a n n , Entgeltliche Geschäfte 106, auch ein Schenkungsversprechen umfassen (ebenso i m Bürgschaftsversprechen, O L G . 27, 158). M. Er. ist Verfügung auch hier i m technischen Sinne zu verstehen. Die Erfüllung des Schenkungsversprechens ist unentgeltliche Verfügimg und als solche anfechtbar ; ebenso die Befriedigung des Schenkungsgläubigers i m Wege der Zwangsvollstreckung, K O . § 35, AnfG. § 3, und die m. Er. analog zu behandelnde Befriedigung durch Aufrechnung. 91 Dagegen verlangt R G . 48, 186 die F o r m des Ehevertrags auch für

§ 54.

Die

Verfügung.

251

wie die Verpflichtung zu dieser Verfügung, so t r i t t der Unterschied beider Rechtsakte äußerlich nicht hervor: die Begründung der Verpflichtung u n d ihre Erfüllung durch Verfügung können gleichzeitig stattfinden 9 2 . Durch eine Verfügung w i r d das durch sie betroffene Recht i n seinem Bestand geändert. Daher ist für jede spätere Verfügung durch die früheren Verfügungen über denselben Gegenstand eine Schranke gezogen 9 3 . Daraus ergibt sich für die W i r k s a m k e i t mehrerer Verfügungen über denselben Gegenstand das Prinzip der Priorität 94. Dagegen w i r d durch eine Verpflichtung die dem Verpflichteten zustehende Macht über seinen Vermögenskreis nicht geändert; insbesondere ist er rechtlich nicht gehindert, eine zweite Verpflichtung, selbst desselben Inhaltes, zu übern e h m e n 9 5 . Alle Verpflichtungen, die einem Rechtssubjekt obliegen, haben daher prinzipiell denselben Rang, ohne Rücksicht auf die Zeit ihrer Entstehung. V o n besonderer W i c h t i g k e i t ist der Gegensatz v o n Verfügung und Verpflichtung dann, wenn ein Vermögenssubjekt i n bezug auf einen Teil seines Vermögens durch das Recht einer anderen Person beschränkt i s t : so z. B. die Ehefrau durch das Recht des Mannes am eingebrachten Gut, der Erbe durch Nacherbenschaft, Nachlaßverwaltung oder Testamentsvollstreckung, der Gemeinschuldner durch die K o n k u r s Verwaltung. Diese Beschränkungen beziehen sich nur auf die Verfügungen des Rechtssubjekts, da n u r Verfügungen den Bestand des eingebrachten Guts, des Nachlasses, der Konkursmasse berühren. Dagegen können diese Personen jegliche Verpflichtungen übernehmen, auch die Verpflichtung zur Leistung eines Gegenstandes, über welchen sie nicht zu verfügen vermögen. So k a n n die Ehefrau über eingebrachtes G u t nicht verfügen, § 1395, kann sich aber zu Leistungen beliebigen I n h a l t s verpflichten, § 1399 9 6 ; ebenso braucht der Ehemann zu Verfügungen einen Vertrag, durch welchen sich die Ehegatten zum Abschluß eines Ehevertrags verpflichten. 92 So z. B. der Verkauf u n d die Abtretung der verkauften Forderung, D e m b u r g l l § 134 I I ; der Verkauf einer Mobilie u n d deren Übertragung durch constitutum possessorium, § 930. Vgl. auch § 82. 93 Vgl. ob. § 45 I I 6 S. 77. 94 Vielfach durchbrochen durch den Schutz des guten Glaubens. 95 Die Verfügung beschränkt das Können, die Verpflichtung beschränkt das Dürfen des Rechtssubjekts. 96 Sie kann z. B. eine eingebrachte Sache gültig verkaufen, R G . 80,

252

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

über eingebrachtes G u t die Z u s t i m m u n g der Frau, § 1375, kann aber ohne ihre Z u s t i m m u n g sich zur Verfügung über eingebrachtes G u t verpflichten 9 7 . Die Verpflichtung ist i m rechtsgeschäftlichen Verkehr oft die Vorstufe zu einer Verfügung 9 8 : die Verpflichtung zu einer Sachleistung w i r d durch Verfügung über den geschuldeten Gegenstand erfüllt 9 9 ; Verpflichtungen zu persönlichen Leistungen können sich durch Nichterfüllung i n Schadensersatz umsetzen, welcher meist durch Verfügung über Geld geleistet wird. W i r d die Verpflichtung n i c h t freiwillig erfüllt, so f ü h r t sie auf dem Wege der Zwangsvollstreckung zur H a f t u n g des Vermögens, d. h. zu einem Zugriff des Gläubigers auf A k t i v a des haftenden Vermögens 1 0 °. Erst durch die aus ihr hervorgehende H a f t u n g k o m m t die Verpflichtung i n Berührung m i t dem Aktivvermögen des Verpflichteten 1 0 1 . Daher ist, wenn ein Teil des Vermögens dem Recht einer anderen Person unterliegt, zwar nicht die Verpflichtungsfähigkeit des Vermögenssubjekts, wohl aber die H a f t u n g dieses Teiles seines Vermögens für gewisse Verpflichtungen ausgeschlossen, d. h. die H a f t u n g des Schuldners auf sein übriges Vermögen beschränkt 1 0 2 . So haftet das eingebrachte G u t n i c h t für gewisse Schulden der F r a u ; der separierte Nachlaß n i c h t für Schulden des Erben; die Konkurs248, oder vermieten, R G . 58, 37. Die Erfüllung solcher Verpflichtungen kann, wenn sie i n der Verfügung über eingebrachte Sachen oder über den, dem Manne zustehenden Besitz an solchen Sachen besteht, nicht ohne Zustimmung des Mannes erfolgen, M i t t e l s t e i n , Miete § 13, 6 a . 97 E i n weiterer Unterschied liegt darin, daß ein Vermögen als Ganzes Gegenstand einer Verpflichtung sein kann, §§ 311, 2371. nicht aber Gegenstand einer entsprechenden einheitlichen Verfügung; die Verfügung erfolgt durch Singularsukzession, vgl. ob. § 46 V. 98 Dagegen enthält eine Verfügung nicht zugleich die Verpflichtung zur Vornahme der Verfügung ; insbesondere begründet die Auflassung keine Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums, vgl. ob. § 9 Note 25. Ausnahmsweise hat das Gesetz eine Verpflichtung als Nebenfolge einer Verfügimg angeordnet i n § 402, § 1154 I 2. 99

U n r i c h t i g ist es aber, wenn W i 1 u t z k i a. a. O. 56, die Verfügung deswegen als Erfüllungsgeschäft charakterisiert : die Erfüllung eines DienstVertrages erfolgt nicht durch Verfügimg, sondern durch persönliche Leistungen. Ferner können Verfügungen ohne vorausgehende Verpflichtung vorgenommen werden. 100 Vgl. B d . I § 4 S. 110. 101 B d . I S. 216. 102 Bd. I § 19 I V .

§ 54.

Die

Verfügung.

253

masse nicht für Schulden. die der Gemeinschuldner nach Eröffnung des Konkurses macht. Dieser Zusammenhang zwischen Verpflichtung u n d der aus ihr durch Erfüllung oder Vollstreckung hervorgehenden Verminderung der A k t i v a führt dazu, daß i n gewissen Fällen Beschränkungen, denen jemand i n bezug auf die Verfügung unterworfen ist, auf Verpflichtungen des entsprechenden Inhaltes ausgedehnt werden 1 0 3 . So bedarf i n der Gütergemeinschaft der Ehemann, da alle seine Verpflichtungen GesamtgutsVerbindlichkeiten sind, § 1459 I , der Zustimmung seiner F r a u n i c h t nur zu gewissen Verfügungen, sondern auch zu einer Verpflichtung, welche eine solche Verfügung zum Gegenstand hat, § 1444/6 1 0 4 ; ebenso braucht der V o r m u n d die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zu gewissen Verfügungen u n d zu einer auf solche Verfügungen gerichteten Verpflichtung, § 1821 N r . 3, § 1822 Nr. 1 1 0 5 . Ob ein Rechtsgeschäft zu den Verfügungen oder den Verpflichtungen zu zählen ist, k a n n bisweilen zweifelhaft sein: 1. Miete u n d Pacht begründen i n erster L i n i e eine Verpfhchtung des Vermieters oder Verpächters; w i r d aber die Sache, insbesondere das Grundstück, dem Mieter oder Pächter überlassen, so erlangt der Mieter durch seinen Besitz eine i n manchen Beziehungen so gesicherte Stellung 1 0 6 , daß sein Recht v o n einigen A u t o r e n als dingliches Recht bezeichnet w i r d 1 0 7 . Es dürfte aber richtiger sein, m i t der herrschenden Meinung an der obligatorischen N a t u r der Miete festzuhalten. Daher ist die Überlassung der Sache an den Mieter nicht als Verfügung über das E i g e n t u m 1 0 8 zu behandeln 1 0 9 . 103 Umgekehrt folgt aus der Verfügungsmacht des Testament Vollstreckers seine Befugnis, Verpf lichtungen zur Verfügung über Nachlaß gegenstände einzugehen, § 2206 I 2. 104 P l a n c k § 1443, 6. 105 Die spezielle Ermächtigung, welche ein Prokurist u n d ein Handlungsbevollmächtigter zur Verfügung über Grundstücke braucht, H G B . § 49 I I , § 54 I I , ist auch zu einer dahingehenden Verpflichtung erforderlich, O L G . 21, 379. 106 Vgl. Bd. I S. 214 fg. 107 Namentlich v o n C o s a c k § 238. W i l l m a n dem Grundstücksmieter, weil er nach § 571 gegen den Singularsukzessor des Vermieters geschützt wird, ein dingliches Recht zuschreiben, so müßte man, was i n der Regel nicht geschieht, auch das nach §§ 931, 986 I I geschützte Recht des Mobiliarmieters als dingliches bezeichnen. 108 Die Überlassung der Sache an den Mieter ist Verfügung über den Besitz, vgl. ob. Note 22, 38. 109 M i t t e l s t e i n , Miete § 95, 7; E n n e c c e r u s § 3Õ5 X o t e 6;

254

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

Daß das Gesetz auf diesem Standpunkt steht, ergibt sich aus zahlreichen Bestimmungen: der Ehemann kann über eingebrachtes Gut n i c h t verfügen, § 1375, trotzdem aber Grundstücke des eingebrachten Gutes vermieten, § 1423 1 1 0 ; ebenso der Vorerbe, §§ 2113, 2135; u n d der V o r m u n d , § 1821 N r . 1, § 1822 1 1 1 ; beim Miteigentum gehört die Vermietung nicht zur Verfügung, § 747, sondern zur Verwaltung, § 745 1 1 2 . D a die Überlassung der vermieteten Sache keine Verfügung ist, fällt sie nicht unter §§ 893, 2367 1 1 3 : der gute Glaube des Mieters an das Eigentum des Vermieters w i r d dem wirklichen Eigentümer gegenüber nicht geschützt. A u c h i m Sinne v o n § 883 I I ist die Überlassung der vermieteten Sache keine Verfügung 1 1 4 ; aber da das Gesetz den vorgemerkten Gläubiger gegen Verfügungen schützt, so muß er u m so mehr gegen obligatorische Geschäfte geschützt sein, welche, wie die Vermietung u n d Verpachtung, zu einer Vorenthaltung des Besitzes führen können; daher ist analoge Anwendung von § 883 I I auf Vermietung u n d Verpachtung geboten 1 1 5 . 2. D u r c h die Vormerkung erhält der Anspruch eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Sicherung: spätere Verfügungen des Schuldners sind dem Vorgemerkten gegenüber unwirksam, § 883 I I ; der vorgemerkte Anspruch kann gegen den Singularsukzessor des Schuldners u n d i m K o n k u r s durchgesetzt werden, § 888, K O . § 24. Die Rechtsstellung des vorgemerkten Gläubigers nähert sich i n diesen Beziehungen dem dinglichen Recht u n d w i r d daher vielfach als dingliches Recht oder wenigstens als Vorstufe zu einem solchen a u f g e f a ß t 1 1 6 . Meines Erachtens ist das Recht a. A. C o s a c k a. a. O.; H e l l w i g , Rechtskraft 429 und Klagrecht 17 Note 2. 110 S c h m i d t § 1375, 3 b ; M i t t e i s , Leipziger Dekanatsprogranun 1905 S. 26; auch C o s a c k § 322 I V 1 a. Dasselbe gilt für die Gütergemeinschaft, S c h m i d t § 1445, 3 b. 111 M i 1 1 e i s a. a. O. 28. 112 P l a n c k § 747, 8; M i 1 1 e i s a. a. O. 28, 64. 113 P l a n c k § 893, 1 a, § 2367, 2, vgl. Bd. I § 11 Note 34. 114 M i 1 1 e i s a. a. O. 40. 115 M i t t e l s t e i n , Miete § 95 A n m . 19; O e r t m a n n 4 b vor § 571; W o l f f , Sachenrecht § 48 A n m . 19. Ebenso kann m. Er. § 185 I analog auf Vermietung einer fremden Sache m i t Einwilligung des Eigentümers angewendet werden, so das R G . 80, 395 (mit einer nicht einwandfreien Begründung). 116 Vgl. G i e r k e I § 119 X I 1; E n d e m a n n I I § 65; P l a n c k § 883, 2; S t r o h a l , Leipziger Dekanatsprogramm 1904.

§ 54.

Die

Verfügung.

255

des Vorgemerkten trotz des weitgehenden Schutzes, den er genießt, als Forderung zu betrachten, welche infolge der Vormerkung gegen die dem Forderungsrecht gewöhnlich anhaftenden Gefahren (Veräußerung des geschuldeten Gegenstandes durch den Schuldner u n d K o n k u r s des Schuldners) gesichert ist 1 1 7 . Daß dem Vorgemerkten kein, bestehendes oder werdendes, dingliches Recht zusteht, zeigt sich daran, daß der Gegenstand seiner Forderung i h m nicht ipso iure oder durch sein einseitiges Handeln zufällt, sondern, nach wie vor der Vormerkung, durch eine Veräußerungshandlung des bisher Berechtigten. Erst dadurch, daß der Schuldner (oder dessen Konkursverwalter) i n E r f ü l l u n g des vorgemerkten Anspruches eine Auflassung v o r n i m m t oder eine H y p o t h e k bestellt resp. zediert, verfügt der Schuldner über diese Rechte; durch die Bewilligung der Vormerkung hat der Schuldner über das zu übertragende Recht weder verfügt, noch auch nur ein Stück des Verfügungstatbestandes hergestellt, sondern nur seine Verpflichtung zur Verfügung sichergestellt. Daher ist die Bewilligung einer Vormerkung nicht nach den Rechtssätzen über Verfügungen zu behandeln, insbesondere nicht nach den §§ 8 9 2 / 3 1 1 8 : der Vorgemerkte ist i n seinem Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs nicht zu s c h ü t z e n 1 1 9 . D a aber der vorgemerkte Gläubiger nicht besser stehen k a n n als der Gläubiger, dessen A n spruch bereits durch definitive Eintragung v e r w i r k l i c h t ist, so sind Verfügungsbeschränkungen, z. B. §§ 1445, 2113, auf die Vormerkung analog anzuwenden 1 2 0 . 3. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, ZPO. § 794 N r . 5, ist eine Verstärkung der Forderung, daher keine Verfügung des Schuldners; erfolgt aber die Unterwerfung zugunsten einer H y p o t h e k u n d zu Lasten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks, ZPO. § 800, so enthält sie eine Verstärkung der 117

Vgl. Bd. I S. 190, 207. B i e r m a n n , Widerspruch 192; E n d e m a n n a. a. O. Note 45; D r e y f u s 113 fg.; a. A . S t r o h a 1 a. a. O. 40; G i e r k e a. a. O. Note 152, 157; P 1 a n c k a. a. O.; W o l f f , Sachenrecht § 48 I V . 119 Das Vorkaufsrecht, welches i n seiner W i r k u n g (§ 1098 I I ) m i t der Vormerkung übereinstimmt, w i r d v o m Gesetz unter die dinglichen Rechte gestellt u n d kann daher nach § 892 durch guten Glauben erworben werden, vgl. Bd. I § 6 Note 25. 120 j ) e r Ehemann kann an einem gütergemeinschaftlichen Grundstück ohne Einwilligung der F r a u keine Vormerkung bewilligen; eine v o m Vor erben bewilligte Vormerkung wird bei E i n t r i t t der Nacherbfolge unwirksam 118

256

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

dinglichen Belastung des Grundstücks u n d ist daher eine Verfügung über dasselbe 1 2 1 . I I I . Die Verfügung b e w i r k t eine Veränderung i m A k t i v b e stand des Vermögens, u n d zwar meistens eine Verschiebung zwischen zwei Vermögenskreisen. Der v o n den Parteien verfolgte Zweck u n d somit der rechtfertigende Grund dieser Verschiebung, die sog. causa der Verfügung, liegt nach römischem und heutigem Rechte außerhalb des Verfügungsgeschäftes 1 2 2 . Die Verfügung ist meistens abstrakt; insbesondere, wenn sie i n Erfüllung einer Verpflichtung vorgenommen wird, i n ihrer Wirksamkeit unabhängig v o n der Gültigkeit dieser Verpflichtung. D a die abstrakte N a t u r der Verfügung zuerst bei den sachenrechtlichen Verfügungen, insbesondere beim dinglichen Vertrag zum Bewußtsein der Juristen gekommen ist, so hat sich der Sprachgebrauch eingeschlichen, die Verfügungen, weil sie abstrakt sind, als dingliches Rechtsgeschäft zu bezeichnen 1 2 3 . So w i r d z. B., u m das pactum de cedendo von der Zession zu unterscheiden, die Zession zu den dinglichen Verträgen gerechnet 1 2 4 , was die Zession nicht ist u n d nicht sein kann, weil sie ein obligatorisches Recht zum Gegenstand hat 1 2 5 . Die Verfügung als abstraktes Rechtsgeschäft, gibt keinen Aufschluß über den Zweck der durch sie bewirkten Vermögensverschiebung. Insbesondere ist aus der causa zu entnehmen, ob die Verfügung entgeltlich oder unentgeltlich ist. Das Entgelt besteht i n der Regel i n einer Verfügung oder sonstigen Zuwendung desjenigen, dem die Verfügung zugute k o m m t . Ausnahmsweise k o m m t es vor, daß durch dasselbe Rechtsgeschäft eine Verfügung u n d die zum Ausgleich derselben dienende Vermögensvermehrung des Verfügenden hergestellt wird. So liegt i n der Aufrechnung die Verfügung des Aufrechnenden über seine Forderung 1 2 6 und 121 YgL d i e verschiedenen Meinungen bei S c h m i d t § 1445, 3 a ; D r e y f u s 134. 122 Vgl. ob. § 52 S. 193. 123 Gegen diesen Sprachgebrauch C o s a c k § 53 I I ; S t r o h a l . JheringsJ. 57, 236; R e i c h e l , Schuldmitübernahme 187; S ü ß , Abtretung künftiger Ansprüche 4; Bd. I Einl. Note 143. 124

Mot. I I 120, 143, SeuffA. 56, 146. Es scheint, als ob die Verfasser der Motive sich nicht bewußt waren, i n dem Worte Verfügung einen technischen Ausdruck geschaffen zu haben, welcher völlig genügt, u m die das Aktivvermögen berührenden Geschäfte i m Gegensatz zu den Verpflichtungsgeschäften zu bezeichnen. 126 Vgl. ob. Note 24. 125

§ 54.

Die

Verfügung.

257

die den Ausgleich dafür bildende Befreiung v o n seiner Schuld; die Änderung des Leistungsgegenstands einer Forderung, § 305, enthält eine Verfügung des Gläubigers über seine Forderung u n d zugleich die Neubegründung einer Verpflichtung des Schuldners 1 2 7 ; die Schuldübernahme enthält eine Verfügung des Gläubigers über seine alte Forderung und den Erwerb einer Forderung gegen den Ü b e r n e h m e r 1 2 8 . Die ungünstige und die günstige W i r k u n g solcher Rechtsgeschäfte können voneinander nicht getrennt werden. Diese A r t der Verfügung hat S t r o h a 1 1 2 9 bemerkt u n d Ä q u i valentverfügung benannt 1 3 0 . I V . Der Prozeß bezweckt Feststellung, nicht Änderung des Rechtes. Aber dieser Zweck k a n n verfehlt werden: das U r t e i l k a n n der wirklichen Rechtslage nicht entsprechend, daher unrichtig sein; weil der Richter die i h m vorgelegten Tatsachen falsch beurteilt oder weil die Parteien i h m absichtlich oder unabsichtlich unrichtige Tatsachen vortragen. Trotzdem ist das rechtskräftige U r t e i l für die Parteien bindend. Es erfolgt zwar keine Rechtsänderung, aber es t r i t t ein Zustand ein, der unter den Parteien wie eine Rechts Verschiebung w i r k t 1 3 1 : das zu Unrecht zuerkannte Recht hat unter den Parteien alle W i r k u n g e n eines existenten Rechts; das zu Unrecht aberkannte Recht ist unter den Parteien wirkungslos. Diese Wirkungen der Rechtskraft können v o n den Parteien benutzt w e r d e n 1 3 1 a , u m absichthch ein Resultat herbeizuführen, welches praktisch einer Rechtsänderung gleichkommt. A u f diesem Wege k a n n eine Zuwendung ev. eine Schenkung bewirkt werden 1 3 2 . 127

Vgl. ob. § 47 Note 61. Vgl. ob. § 12 Note 34. 129 D J Z . 14, 1036. JheringsJ. 57, 14 fg. 130 H e 11 m a n n , K r i t V J S c h r . 49, 489, bestreitet die Eigenart der Äquivalentverfügungen. Insbesondere soll die Schuldübernahme nach § 414 nur Verpflichtungsvertrag u n d nicht zugleich Verfügung über die alte Forderung sein; diese Verfügung soll eine den Verpf lichtungsvertrag begleitende Willensäußerung des Gläubigers, eine conditio iuris der Verpflichtung des Übernehmers sein. H e l l m a n n scheint anzunehmen, daß die Entlassung des Altschuldners nicht zum I n h a l t des nach § 414 geschlossenen Vertrages gehört, sondern einseitig dem bisherigen Schuldner gegenüber erfolgt. M. E r . muß i m F a l l des § 414 der Gläubiger m i t dem Übernehmer wie die Verpflichtung des letzteren so die Entlassung des Altschuldners verabreden (sonst wäre die Schuldübernahme k u m u l a t i v ) ; beide Verabredungen sind gleichwertige Bestandteile des Vertrages. 131 Vgl. ob. § 2 Note 23, § 50 Note 104. 131 a Nach dem V o r b i l d der römischen i n iure cessio. 132 Daher ist die W i r k u n g des Urteils prinzipiell auf die Parteien u n d 128

Handbuch X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

17

258

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

Obgleich die Prozeßführung zu solchem Erfolge führen k a n n , ist sie n i c h t als Verfügung zu betrachten. Sie wird v o m Gesetz nach ihrem normalen Zweck (Klarstellung des Rechts) gewertet, ohne Rücksicht auf die Möglichkeit des Mißbrauches oder des schlechten Funktionierens der Prozeßeinrichtungen. Daher unterscheidet das Gesetz v o n der Befugnis zur Verfügung die Befugnis zur Prozeßführung über ein Recht 1 3 3 . I m normalen F a l l sind beide Befugnisse i n der Person des Rechtssubjekts vereinigt. I s t die Verfügung über eine Vermögensmasse dem Vermögenssubjekt entzogen u n d einer anderen Person übertragen, so ist meistens dasselbe für die Prozeßführungsmacht, als Bestandteil der Verwaltung, angeordnet. So hat z. B. i n der Gütergemeinschaft der Ehemann das Recht der Verfügung und der Prozeßführung über das Gesamtgut, § 1443. I m gesetzlichen Güterrecht ist der Ehefrau die Verfügung u n d die Prozeßführung über eingebrachtes G u t entzogen, §§ 1395, 1400. Verfügung und Prozeßführung über den Nachlaß stehen dem Testamentsvollstrecker anstelle des Erben zu, §§ 2205, 2211, 2212. Dasselbe gilt bei Konkurs und Nachlaßverwaltung, §§ 1984/5, K O . § 6, ZPO. §§ 240/1. Die Vereinigung von Verfügung und Prozeßführung in einer H a n d ist aber keine rechtliche Notwendigkeit. Es k o m m t vor, daß jemand die Prozeßführung über Rechte hat, über welche er nicht verfügen kann. So der Ehemann beim eingebrachten Gut, §§ 137 5, 1380 1 3 4 . I n der Gütergemeinschaft bedarf der Ehemann ihre Rechtsnachfolger beschränkt, ZPO. § 325. Aber R G . 56, 111 geht zu weit, wenn es zur Begründung des m. Er. richtigen Satzes, daß ein U r t e i l gegen den Hauptschuldner nicht gegen den Bürgen w i r k t , die Prozeßführung als ein Rechtsgeschäft i m Sinne des § 767 bezeichnet. 133 P l a n c k , Vorb. I X 4 vor § 104, § 893 b, § 1821, 6; B ü 1 o w , Geständnisrecht 86 fg. ; H e l l w i g , Lehrb. § 48; D r e y f u s 132. 134 Daraus ergibt sich die auf den ersten Blick befremdliche Konsequenz, daß der Ehemann, wenn er eine Forderung des eingebrachten Guts einklagt, Leistung an sich u n d an die F r a u oder an sich m i t Zustimmung der F r a u verlangen muß, R G . 77, 35; 78, 383; P 1 a n c k § 1380, 5; H e 11 w i g , Lehrb. § 49 Note 27; B i n d e r , Bernhöft u. Binder Beiträge 2 , 1 0 9 ; W o l f f , Familienr. § 51 I I . Nach E n d e m a n n I I § 176 Note 45 kann der Mann Zahlung an sich selbst verlangen, wenn die Forderung auf verbrauchbare Sachen gerichtet ist, über welche er nach § 1376 N r . 1 verfügen kann. Aber die Einziehung der Forderung ist auch i n diesem Falle Verfügung (über die Forderung, nicht über den zu leistenden Gegenstand) u n d daher von der Zustimmung der F r a u abhängig, S c h m i d t § 1380, 3 c.

§ 54.

Die

259

Verfügung.

der Zustimmung der Frau zur Verfügung, nicht aber zur Prozeßführung über Grundstücke des Gesamtguts 1 3 5 . E i n Miterbe k a n n über eine Nachlaßforderung nicht verfügen, § 2040 I , wohl aber nach § 2039 (auf Leistung an alle Erben) klagen. Die durch Veräußerungsverbot eintretende Verfügungsbeschränkung, § 135/6, hindert den Inhaber des Rechtes nicht an der Prozeßführung 1 3 6 . Ebenso w i r d durch bedingte Verfügung oder durch Vormerkung die Verfügungsmacht des Rechtssubjektes insofern beschränkt, als spätere Verfügungen bei E i n t r i t t der Bedingung unwirksam werden, § 161, resp. dem vorgemerkten Gläubiger gegenüber unwirksam sind, § 883 I I , während seine Prozeßführungsmacht unberührt bleibt 1 3 7 . I n diesen Fällen besteht eine über die Verfügungsmacht hinausgehende Prozeßführungsbefugnis. Es k a n n auch der umgekehrte F a l l vorkommen: der Nichtberechtigte hat bei gutem Glauben des Erwerbers die Möglichkeit, wirksam über fremdes Recht zu verfügen; dagegen sind Prozesse, welche er über das fremde Recht führt, dem w i r k l i c h Berechtigten gegenüber i n der Regel unwirksam 1 3 8 . Die Prozeßführung ermächtigt, wenn sie nicht m i t der Verfügungsmacht über den Streitgegenstand verbunden ist, zwar zur Vornahme aller Prozeßhandlungen, ZPO. § 54, nicht aber zur Vornahme solcher Erklärungen, welche, auch i n prozessualischer F o r m vorgenommen, als Rechtsgeschäfte zu betrachten sind 1 3 9 . 135

P l a n c k § 1445, 2 e. P 1 a n c k § 135, 8; O e r t m a n n § 135, 4 a. Das Veräußerungsverbot betrifft nicht die Einklagung, wohl aber die Einziehung der Forderung. Daher kann der Gläubiger nicht Leistung an sich, sondern nur Hinterlegung verlangen, H e l l w i g , Rechtskraft 106 fg., 407 fg. 137 Daß der bedingte Erwerber u n d der vorgemerkte Gläubiger Prozesse des Veräußerers gegen sich gelten lassen müssen, kann auf den ersten Blick unbillig erscheinen und w i r d daher bestritten, vgl. ob. § 44 Note 25 und 28. Man beachte aber die Lage des Prozeßgegners: X w i l l z. B. eine Sache vindizieren, welche A unter aufschiebender Bedingung an B veräußert hat, oder ein Grundstück, an welchem A dem B eine Vormerkung bewilligt hat. W i l l man einem Urteil, welches X gegen A erstreitet, die W i r k u n g gegen B versagen, so müßte X zur Durchsetzung seines Rechtes zwei Prozesse führen. Es erscheint m i r aber unbillig, daß A durch Rechtsgeschäfte, welche eine Rechtsübertragung vorbereiten, dem X die N o t wendigkeit mehrfacher Klage aufdrängen könne. Andererseits kann B , wenn das U r t e i l zwischen X und A gegen ihn w i r k t , sich durch Nebenintervention schützen. 138 Vgl. ob. § 49 Note 69. 139 Vgl. ob. § 50 S. 157. 136

17 *

260

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

So k a n n z. B. der Ehemann nach § 1380 Rechte des eingebrachten Gutes gerichtlich geltend machen, aber weder eine Forderung der F r a u kündigen, noch ein v o n der F r a u geschlossenes Rechtsgeschäft anfechten. Dasselbe g i l t v o m Prozeß vergleich, wenn man i h n als einen Vertrag auffaßt, der sowohl dem Prozeßrecht als dem materiellen Recht angehört u n d daher eine Verfügung über den Streitgegenstand enthält. Dagegen sind Verzicht und Anerkenntnis i m Sinn v o n ZPO. §§ 306/7 rein prozessuale Handlungen; daher k a n n i n der Gütergemeinschaft der Ehemann, obgleich er über Grundstücke des Gesamtgutes nicht selbständig verfügen kann, i n einem Prozeß über solche Grundstücke Verzichte und Anerkenntnisse abgeben 1 4 0 ; allerdings kann der Mann auf diesem Wege die Interessen der F r a u schädigen 1 4 0 n ; aber da das Gesetz i h m die Prozeßführung einräumt, könnte er dasselbe Resultat auch dadurch herbeiführen, daß er ein Versäumnisurteil über sich ergehen läßt. V . Den rechtsgeschäftlichen Verfügungen stellt das Gesetz i n einigen Beziehungen gleich Verfügungen, welche ,,im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgen " 1 4 1 . M a n kann, u m einen kurzen Ausdruck zu gebrauchen, v o n Zwangs Verfügungen sprechen. Es sind Handlungen, durch welche, wie bei rechtsgeschäftlichen Verfügungen, der A k t i v b e s t a n d eines Vermögens gemindert wird. Der Unterschied gegen die rechtsgeschäftlichen Verfügungen ist nicht m i t den M o t . I 128 darin zu suchen, daß die Zwangsverfügungen nicht v o m Subjekt des betroffenen Vermögens ausgehen (denn es g i b t rechtsgeschäftliche Verfügungen über fremde Rechte 1 4 2 ) , sondern darin, daß sie nicht Rechtsgeschäfte sind 1 4 3 , sondern staatliche A k t e , durch welche auf Veranlassung und zu140 I m Anschluß an Mot. I V 360 verlangt die herrschende Meinung zum Verzicht, Anerkenntnis und Vergleich des Mannes über gütergemeinschaftliche Grundstücke die Zustimmving der Frau, P l a n c k § 1445, 2 a; S c h m i d t § 1443, 2 d ; C r o m e § 588 Note 68. i40a g o w e i t das gegen ihn ergehende U r t e i l gegen die Frau w i r k t , § 1380, 2. 141 §§ 135, 161, 184, 353, 499, 883, 2115, K O . § 35. 142 Vgl. ob. Note 43. 14 J ' Keine Zwangsverfügung liegt vor i m F a l l des § 894 ZPO.; sobald das U r t e i l die Rechtskraft erlangt hat, gilt die Willenserklärung des Schuldners als abgegeben. Es sollen also (auf Grund dieser Fiktion) die Wirkungen einer rechtsgeschäftlichen Verfügung eintreten, vgl. unt. § 61.

§ 54.

Die

Verfügung.

261

gunsten des Gläubigers in das Vermögen des Schuldners eingegriffen w i r d 1 4 4 . U n t e r diesem Gesichtspunkt gehören zum Begriff der Zwangsverfügung: die Pfändung, ZPO. §§ 803, 930, durch welche für den Gläubiger ein Pfandrecht entsteht; die E i n t r a g u n g einer Zwangshypothek, ZPO. §§ 866, 932; die Beschlagnahme des Grundstücks, Z V G . § 20 fg. 1 4 5 , durch welche der betreibende Gläubiger i n ein pfandähnliches Verhältnis zum Grundstück t r i t t 1 4 6 ; sodann die Überweisung der gepfändeten Forderung, ZPO. § 835 1 4 7 ; und der Zuschlag, Z V G . § 90. Dagegen sehe ich i n der Versteigerung der gepfändeten Sache durch den Gerichtsvollzieher, ZPO. § 814, ein Rechtsgeschäft 1 4 8 , durch welches der Gerichtsvollzieher auf Grund einer i h m staatlich verliehenen Befugnis i m Auftrag und zum Nutzen des Gläubigers über die Sache des Schuldners v e r f ü g t 1 4 9 . Die Verfügungen des Konkursverwalters s i n d , soweit sie freihändig erfolgen, Rechtsgeschäfte, die er kraft der i h m zustehenden Verfügungsmacht 1 5 0 , K O . § 6, vorn i m m t . A u c h die Verwertung v o n Mobilien der Konkursmasse nach den Vorschriften der Zwangsvollstreckung oder des Pfandverkaufes, K O . § 127 1 5 1 , hat den Charakter einer rechtsgeschäft144

Bd. I § 8 Note 22 a. D e r n b u r g I I I § 252. R G . 60, 54; 67, 382. 146 Bd. I § 4 Note 71. 147 Durch die Überweisung an Zahlungsstatt erwirbt der Pfändungsgläubiger die Forderung, durch Überweisung zur Einziehung erwirbt er eine aus der gepfändeten Forderung k o n s t i t u t i v abgeleitete Forderung gegen den Drittschuldner. I n beiden Fällen ist der A n t r a g auf Überweisung Ausübung eines durch die Pfändung begründeten Aneignungsrechtes, vgl. Bd. I § 6 Note 81 a, § 7 Note 7 c. 148 So die herrschende Meinung, W o l f f , Festg. f. H ü b l e r 67, E m m e r i c h , Pfandrechtskonkurrenzen 340. F ü r die Auffassimg der Versteigerung als Rechtsgeschäft spricht die Verweisung auf B G B . § 156 i n ZPO. § 817 I sowie B G B . § 456; a. A. H e l l w i g , Lehrb. § 84 I I 2, insbesondere A n m . 1 7 a , H a c h e n b u r g , Vorträge, 2. A., S. 143, S t e i n , Grundfragen der Zwangsvollstr. 70, K o m m , zu ZPO. § 817, Bem. I V . Nach S t e i n soll der K ä u f e r , auch wenn die versteigerte Sache nicht dem Schuldner gehört, auch ohne guten Glauben, wie beim Zuschlag nach ZVG. § 90, vgl. ob. § 44 Note 110, E i g e n t u m erwerben. 149 Die Versteigerung der gepfändeten Sache ist nicht selbst ZwangsVerfügung, obgleich das durch die Versteigerung realisierte Pfandrecht auf einer Zwangsverfügung beruht. 150 Bd. I § 18 Note 43. 151 U n d m i t den Wirkungen desselben, vgl. ob. § 45 Note 29. 145

262

Drittes B u .

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

liehen Verfügung 1 5 2 . Dagegen führt die v o m Konkursverwalter betriebene Zwangsversteigerung eines Grundstücks der Konkursmasse, K O . § 126, zum Zuschlag u n d somit zu einer Zwangsverfügung. W e n n das Gesetz alle Verfügungen des Konkursverwalters, auch die rechtsgeschäftlichen, m i t den Zwangsverfügungen (durch Pfändung usw.) zusammenstellt, so erklärt sich das daraus, daß die Verfügungen des Konkursverwalters m i t den Zwangsverfügungen den Zweck (Befriedigung der Gläubiger) gemeinsam haben. Die Zwangsverfügungen dienen dazu, die H a f t u n g des schuldnerischen Vermögens durchzusetzen: anstelle der Verfügungen (Leistungen), welche der Schuldner zur Erfüllung seiner Verpflichtung vornehmen sollte, t r i t t bei Vorliegen gewisser formeller Voraussetzungen (Vollstreckungstitel) eine Zwangsverfügung, verm i t t e l s t derer der Gläubiger m i t Hilfe der Staatsgewalt aus dem Vermögen des Schuldners das i h m Gebührende e n t n i m m t 1 5 3 . Prinzipiell ist der Zugriff des Gläubigers soweit zulässig, als der Schuldner selbst über sein Vermögen verfügen könnte 1 5 4 . A u f diesem Prinzip beruht die i n § 184 I I statuierte Wirksamkeit der Zwangsverfügung gegenüber der rückwirkenden K r a f t der Genehmigung sowie die i n § 135 1 5 5 . 161. 883 aufgestellten Schranken der Zwangs Verfügung. Ausnahmsweise bleibt der Zugriff der Gläubiger hinter der Verfügungsmacht des Vermögenssubjekts zurück bei der Vorerbschaft: nach § 2115 sind alle Zwangsverfügungen der Gläubiger des Vorerben u n d die i h m gleichstehenden Verfügungen seines Konkursverwalters unwirksam, während dem Vorerben selbst die Verfügung über den Nachlaß m i t gewissen Ausnahmen freisteht, § 2112/3 1 5 6 . Die Gleichstellung der Zwangsverfügungen m i t den rechtsgeschäftlichen Verfügungen i n §§ 353, 499 beruht auf dem Rechtsgedanken, daß der Schuldner sein durch Zugriff der Gläubiger oder durch K o n k u r s eintretendes Unvermögen ebenso zu ver15 2 w i e die Versteigerung einer Sache i m A u f t r a g des Gläubigers. 153

verpfändeten

oder

gepfändeten

Bd. I § 15 V I . Bd. I § 18 Note 8. 155 I n § 135 sind die Verfügungen des Konkursverwalters nicht erwähnt, weil Veräußerungsverböte i m Konkurse ihre Wirksamkeit verlieren, K O . § 13. 156 Die Erklärung dieses Unterschiedes ist darin zu suchen, daß der Vorerbe für Verminderung des Nachlasses haftet, § 2130 fg. 154

§ 54.

Di

Verfügung.

263

treten hat, wie wenn es durch seine eigene H a n d l u n g entstanden wäre 1 5 7 . Ob die Zwangs Verfügungen i n anderen, als den i m Gesetz genannten Fällen den rechtsgeschäftlichen Verfügungen gleichzustellen sind, ist eine v o m Gesetz offen gelassene Frage 1 5 8 . 1. Analoge Behandlung der Zwangsverfügungen wird, m i t Recht, angenommen bei den Mietzinsen, über welche der Eigentümer des Grundstückes nach §§ 573, 1124 gegenüber dem Erwerber oder Hypothekengläubiger wirksam verfügen kann 1 5 9 . 2. Dagegen ist, wenn jemand die Befugnis hat, über fremdes Vermögen zu verfügen, daraus nicht zu entnehmen, daß auch seine Gläubiger auf dieses Vermögen greifen können; denn die Befriedigung des Gläubigers hat aus dem eigenen Vermögen des Schuldners, nicht aus fremdem Vermögen zu erfolgen. Daher haften den Gläubigern des Mannes, auch nicht d i e Sachen des eingebrachten Gutes, über welche er nach § 1376 verfügen kann, § 1410. Daher können Gläubiger eines, auch unwiderruflich, Bevollmächtigten nicht auf Vermögensstücke des Vollmachtgebers greifen 1 6 0 ; auch nicht die Gläubiger des Pächters oder Nießbrauchers auf Inventarstücke, über welche er nach §§ 588, 1048 verfügen kann. 3. Insbesondere sind auf Zwangs Verfügungen (im genauen Sinn des Wortes) nicht anzuwenden die Rechtssätze über den Schutz des guten Glaubens. D e m Zugriff unterliegt nur das eigene Vermögen des Schuldners; fremdes Vermögen auch dann nicht, wenn der Gläubiger oder das i n seinem A u f t r a g handelnde Vollstreckungsorgan sich i n gutem Glauben befindet. Pfändung einer dem Schuldner nicht gehörenden Sache begründet kein Pfandrecht 1 6 1 . Dagegen ist die Versteigerung des Pfandes, als rechtsgeschäftliche Verfügung, dem Grundsatz des guten Glaubens 157

P l a n c k § 279, 2; O e r t m a n n § 275, 3; E n n e c c e r u s § 269 I a, 158 Mot. I 128. 159 P l a n c k § 573, 2, § 1124, 1; O e r t m a n n § 573, 2 b ; W o l f f , Sachenrecht § 135 Note 25. Dadurch werden die Mißstände, zu welchen die Zulässigkeit von Vorausverfügungen des Eigentümers führt (Beeinträchtigung des Käufers u n d zweiten Hypothekars) noch gesteigert. ião T u h r , Unwiderrufliche Vollmacht 62. 161

P 1 a n c k § 1207, 2; W o 1 f f , Sachenrecht § 163 Note 22; S t e i n, Bem. I I zu ZPO. § 804; a. A. M ü 11 e r , Wirksamkeit des Pfändungspfandrechtes, 91; vgl. ob. § 49 Note 76.

264

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

unterworfen, § 1 2 4 4 1 6 1 a . Die Beschlagnahme eines Grundstückes ist unwirksam, wenn der Schuldner nicht Eigentümer desselben ist, Z V G . § 17, u n d muß auf Klage aus ZPO. § 771 aufgehoben werden, ohne Rücksicht auf den guten Glauben des betreibenden Gläubigers. Ebenso ist der Zuschlag als Zwangsverfügung unabhängig v o m guten Glauben des Erwerbers , und aus besonderen Gründen abweichend v o m Prinzip des Haftungsrechts auch dann wirksam, wenn das Grundstück nicht dem Schuldner gehört 1 6 2 . W i r d eine Sache v o m Konkursverwalter aus freier H a n d veräußert oder nach K O . § 127 zur Versteigerung gebracht, so zeigt sich die rechtsgeschäftliche N a t u r dieser A k t e daran, daß der gute Glaube des Erwerbers die Zugehörigkeit der Sache zur Konkursmasse ersetzen kann. 4. Zweifelhaft ist die analoge Anwendung des § 185 auf Zwangsverfügungen. R G . 60, 72 hat, m i t Recht, Konvaleszenz der Pfändung angenommen, wenn die gepfändete Sache nachträglich i n das E i g e n t u m des Pfändungsschuldners g e l a n g t 1 6 3 , u n d läßt es dahingestellt, ob die Pfändung einer dem Schuldner nicht gehörenden Sache durch E i n w i l l i g u n g oder Genehmigung des Eigentümers wirksam wird. Meines Erachtens ist die Frage zu v e r n e i n e n 1 6 4 : die Pfändung ist ein staatlicher A k t , der nur dazu dient u n d benutzt werden soll, dem Gläubiger Befriedigung aus dem Vermögen des Schuldners, n i c h t aber aus dem Vermögen d r i t t e r Personen, zu verschaffen. Dafür spricht auch die Analogie der Subhastation: § 17 des Z V G . ist zwingenden Rechtes; die Zwangsversteigerung eines nicht dem Schuldner gehörenden Grundstücks ist unzulässig, auch wenn der Eigentümer sich d a m i t einverstanden erklärt. V I . U n t e r Verzicht 161 a

165

versteht m a n i n der Rechtswissenschaft

A . A . S t e i n , vgl. ob. Note 148. Vgl. ob. § 44 S. 56. 163 Ebenso OLG. 22, 163. Zustimmend E n n e c c e r u s § 191 I I I 3 a. S t e i n , Grundfragen der Zwangsv. 45. A . A. O e r t m a n n § 185, 2 b ; S t a u d i n g e r § 185, 2. 164 Bd. I § 4 Note 51. S t e i n a. a. O.; a. A . W o l f f , Festg. f. H ü b l e r 66. Selbstverständlich kann der Eigentümer durch Unterlassung des Widerspruchs, ZPO. § 771, die Befriedigung des Gläubigers aus der Sache ermöglichen; er kann sich auch zur Unterlassung des Widerspruchs durch Vertrag m i t dem Gläubiger verpflichten , S t e i n a. a. O. 49. Aber dadurch w i r d die Pfändung nicht gültig und die Sache dem Zugriff der Gläubiger des Eigentümers nicht entzogen. 165 W i n d s c h e i d § 69, 4 a. E . ; B e k k e r § 108 Beil. I ; R e g e 1 s 162

§54.

eine V e r f ü g u n g Recht aufgibt

166

167

Die

Verfügung.

265

, d u r c h w e l c h e d e r I n h a b e r eines R e c h t e s das

, o h n e es a u f eine a n d e r e P e r s o n z u ü b e r t r a g e n 1 6 8 .

D a s B G B . h a t k e i n e n f e s t e n S p r a c h g e b r a u c h : es b e z e i c h n e t gewisse u n t e r d e n e b e n d e f i n i e r t e n B e g r i f f

des V e r z i c h t s

gehörende

F ä l l e m i t a n d e r e n A u s d r ü c k e n ( E r l a ß , § 397, A u s s c h l a g u n g , §§ 1942, 2280, A b l e h n u n g , § 1484, Z u r ü c k w e i s u n g , § 333

169

) u n d gebraucht

d e n A u s d r u c k V e r z i c h t a u c h d a , w o es s i c h n i c h t u m A u f g a b e eines Rechtes handelt

17

°.

A u s d e r A u f f a s s u n g des R e c h t e s als W i l l e n s m a c h t

171

ergibt

b e r g e r § 123 I V ; C o h n , Gruchot 47, 221 fg.; E c c i u s , Gruchot 50, 1 fg.; W a 1 s m a n n , Verzicht (1912). 166 V o m Verzicht ist zu unterscheiden das obligatorische Versprechen, ein Recht aufzugeben. Aus einem solchen Versprechen entsteht eine dauernde Einrede gegen den Anspruch aus dem Recht, auf welches verzichtet werden soll, Bd. I § 17 V 4. Diese Einrede k a n n aber i m Konkurs des Berechtigten nicht durchdringen, Bd. I S. 303; K o m m e n t , des R G . § 1179,5; W a l s m a n n 266 u. ArchBürgR. 39, 14 fg. K e i n Verzicht ist die Erklärung des Berechtigten, sein Recht (vorläufig) nicht ausüben zu wollen, O L G . 22, 301. Vgl. ob. § 48 Note 35. 167 Der Verzicht ist daher Untergangsgrund des Rechts; a. A . E n d e • m a n n I I § 24 A n m . 19; durch den Verzicht soll das Recht nicht untergehen, sondern nur aus dem Vermögen des bisherigen Subjekts ausscheiden. Diese subjektiv beschränkte W i r k u n g hat der Verzicht nur ausnahmsweise: so w i r d durch den (von der Aufhebung der H y p o t h e k , § 1183, zu unterscheidenden) Verzicht die H y p o t h e k nicht aufgehoben, sondern i n eine Eigentümerhypothek verwandelt, § 1168. Ä h n l i c h verhält es sich bei der Ablehnung von Inventarstücken durch den Verpächter, § 589 I I ( P l a n c k § 589, 1; O e r t m a n n § 589, 4); vgl. auch die Bestimmung über den Grenzbaum § 923 I I 3. Abgesehen von solchen Ausnahmsfällen bewirkt der Verzicht Untergang des Rechtes; so w i r d z. B. durch Verzicht auf das Eigentum die Sache herrenlos, § 959. íes D e r Erwerb der Eigentümerhypothek durch Verzicht des Gläubigers, § 1168, ist zu unterscheiden von der Übertragung der H y p o t h e k , § 1153 fg., an den Eigentümer. I m ersteren F a l l erwirbt der Eigentümer die H y p o t h e k nicht ,,durch Rechtsgeschäft", sondern als gesetzliche Folge des ohne seine Beteiligung vorgenommenen Verzichtgeschäfts, vgl. ob. § 50 Note 137; ähnlich verhält es sich i n § 976 I . 169

Ausschlagung, §§ 1953, 2280, und Zurückweisung, § 333, werden von W a l s m a n n 102, 239 m i t Rücksicht auf ihre R ü c k w i r k u n g , u n t . Note 222, aus dem Begriff des Verzichtes ausgeschieden. 170 W a l s m a n n 42, 146 stellt unter den Begriff des Verzichtes jedes Aufgeben eines Vorteils, mag derselbe i n einem Recht oder i n einer zugunsten des Verzichtenden erlassenen Verfahrensvorschrift bestehen. 171 Die Möglichkeit des Verzichtes ist ein charakteristisches I n d i z zur Unterscheidung des subjektiven Rechts von einem rechtlich geschützten Interesse, Bd. I § 1 I 2.

Drittes B u .

266

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

sich die grundsätzliche Zulässigkeit des Verzichtes 1 7 2 , sofern das Rechtssubjekt die nötige Verfügungsfähigkeit besitzt: beneficia non obtruduntur. Unverzichtbarkeit von Privatrechten 1 7 3 ist, wie die Unübertragbarkeit, eine auf besonderen Gründen beruhende Ausnahme. Unverzichtbar sind Rechte, deren Bestand i m öffentlichen Interesse liegt; Rechte, zu deren Ausübung der Berechtigte gesetzlich verpflichtet ist, so insbesondere die elterliche und vormundschaftliche Gewalt 1 7 5 ; Rechte, welche das Gesetz als unentbehrlich für die Existenz des Berechtigten ansieht, so z. B. die Forderung auf künftigen Unterhalt, § 1614 I 1 7 6 ; endlich können Ansprüche nicht ohne das ihnen zugrunde liegende Recht durch Verzicht aufgehoben werden 1 7 7 . Unverzichtbare Rechte sind in der Regel zugleich unübertragbar: aber der Kreis der unverzichtbaren Rechte ist enger als der der unübertragbaren Rechte; verzichtbar sind insbesondere Rechte, deren Unübertragbarkeit auf dem Interesse des Gegners beruht 1 7 8 , oder darauf, daß sie einem ethischen, nur i n der Person des Berechtigten erreichbaren Zweck dienen 1 7 9 . Gegenstand des Verzichtes können Rechte jeder A r t sein: Herrschaftsrechte (dingliche Rechte 1 8 0 , Forderungen, Rechte an immateriellen Gütern 1 8 1 ) , Gestaltungsrechte 1 8 2 und Machtbefug172

R e i c h e l , JheringsJ. 59, 448; W a l s m a n n 66. Über die grundsätzliche Unverzichtbarkeit öffentlicher Rechte F l e i n e r , Verwaltungsrecht 152; O. M a y e r , Verwaltungsrecht § 9 I I I 2; W a l s m a n n 144. R G . 82, 327. 174 Z. B. die Rechte aus den persönlichen Beziehungen der Ehegatten zueinander, § 1353 fg., W a l s m a n n 99. 175 R G . 60, 268. Dagegen kann der Vater auf seine Nutznießung verzichten, § 1662. Aufhebung der ehemännlichen Verwaltung und Nutznießung k a n n nur durch Ehevertrag erfolgen, ob. § 19 Note 22 a. 176 Vgl. auch § 1714 I I . A u f derselben ratio (Schutz des Rechtssubjektes gegen zu weit gehende Verschlechterung seiner Rechtslage durch eigenen Willen) beruht der zwingende Charakter gewisser Rechtssätze z. B. § 276 I I , § 544. Vgl. ob. § 51 Note 28. 177 Bd. I § 15 S. 268. W a l s m a n n 81. 178 So der Nießbrauch u n d die Bd. I § 12 I I I 1 besprochenen Forderungen. 179 Forderungen auf Genugtuung, §§ 847, 1300. 180 Über Verzicht auf Teile eines dinglichen Rechts und auf einzelne zum I n h a l t des Rechts gehörende Befugnisse vgl. ob. § 47 Note 52. 181 PatG. § 9; GebrMustG. § 8 I . C r o m e § 521 I I ; W a 1 s m a n n 307 fg. 182 Ablehnung einer Offerte u n d Verweigerung der Genehmigung ist 173

§ 54.

nisse

183

Rechte

,

185

können

Die

Aneignungsrechte insbesondere

Gegenstand

Verfügung.

und

Einreden

267

Anwartschaften 186

eines V e r z i c h t e s

;

auch

sein:

184

,

negative

Rechtsverhältnisse

so d i e

Erbschaft

u n d das R e c h t des ü b e r l e b e n d e n E h e g a t t e n a u f F o r t s e t z u n g Gütergemeinschaft,

§ 1491, u n d des M i t e r b e n keine

der

§ 1484; f e r n e r d e r A n t e i l des Gesellschafters,

§ 736, des A b k ö m m l i n g s i n d e r f o r t g e s e t z t e n fähigkeit

187

Rechte,

188

Gütergemeinschaft,

. Dagegen sind Rechts- u n d Handlungs-

sondern

rechtliche

Eigenschaften

des

Menschen, u n d daher kein Gegenstand der Verfügung, auch n i c h t des V e r z i c h t e s

189

. N o c h w e n i g e r k a n n es e i n e n V e r z i c h t a u f r e c h t s -

erhebliche Tatsachen geben

190

.

So k a n n z. B . e i n S c h u l d n e r , d e r

Verzicht auf die Befugnis, durch Willenserklärung ein Rechtsverhältnis zu begründen, vgl. ob. § 7 Note 10, 13; § 48 Note 18; a. A. W a l s m a n n

106, 108. 183

Z. B. Verzicht auf die Vollmacht. Z. B. Verzicht des Finders auf sein ,,Recht zum Erwerb des Eigent u m s " , § 976 I , Ausschlagung der Nacherbschaft, Bd. I § 9 Note 18, 15. Auch der Erbverzicht ist Verzicht auf eine Anwartschaft, Bd. I § 9 I I I 5; ebenso die Zustimmung des Eigentümers zur Aufhebung der H y p o t h e k , § 1183, vgl. Bd. I § 9 Note 31. W a l s m a n n 142. 183 Vg] # Bd. I S. 200. Bestätigung eines anfechtbaren Geschäftes ist Verzicht auf das Anfechtungsrecht, vgl. unt. § 57 Note 123. 186 Vgl. Bd. I § 17 I I I 4; W a l s m a n n 116 fg. 187 Nach W a 1 s m a n n 102 fg. soll die Ausschlagung der Erbschaft nicht unter den Begriff des Verzichtes fallen vgl. ob. Note 169. 188 § 2033 I gibt dem Miterben die Befugnis, über seinen E r b t e i l zu verfügen, daher auch auf ihn zu verzichten, P l a n c k § 2033, 2 d ; W a 1 s m a n n 299. 189 Bd. I § 7 Note 6 a. Möglich ist nur eine Verpflichtung, von dur Rechtsfähigkeit oder Handlungsfähigkeit i n gewisser R i c h t u n g keinen Gebrauch zu machen, d. h. gewisse Rechte nicht zu erwerben resp. gewisse Handlungen nicht vorzunehmen. Dagegen kann sich niemand der Fähigkeit zum Erwerb eines Rechtes oder zur Eingehung einer Verbindlichkeit begeben. Daher hindert z. B. der Tarifvertrag nicht den Abschluß abweichender Arbeitsverträge, T u h r , Unwiderrufl. Vollmacht 61 A n m . 3. O e r t m a n n § 137, 5. Aus der Unverzichtbarkeit der Geschäftsfähigkeit ergibt sich ferner, daß die Kontrahenten die Möglichkeit n i c h t ausschließen können, den Vertrag durch spätere Vereinbarung aufzuheben, und daß ein widerrufliches Geschäft, wie das Testament, nicht i n unwiderruflicher Weise errichtet werden kann, vgl. ob. § 50 Note 179, 187. Wie die Geschäftsfähigkeit so kann auch die Verfügungsmacht nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen werden, vgl. unt. § 60. 190 A u f Einreden kann verzichtet werden (vgl. ob. Note 186), weil sie Rechte sind; nicht dagegen auf Einwendungen (rechtshindernder Tatsachen), vgl. Bd. I § 17 I . Daher ist RG. 77, 158 unrichtig, sofern es sich u m Ein184

268

Drittes B u .

seine V e r p f l i c h t u n g

D i e rechtserheblichen

erfüllt

hat,

nicht

auf

Tatsachen.

seine B e f r e i u n g

ver-

zichten, sondern n u r eine neue V e r p f l i c h t u n g v o n gleichem I n h a l t , wie

die

getilgte

Schuld,

191

eingehen

.

Ebensowenig

kann

ein

S c h u l d n e r a u f eine n o c h a u s s t e h e n d e B e d i n g u n g oder B e f r i s t u n g seiner S c h u l d „ v e r z i c h t e n ' e i n s o l c h e r V o r g a n g i s t als Ä n d e r u n g des S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s ( V e r w a n d l u n g d e r F o r d e r u n g i n eine u n bedingte oder unbefristete) zu beurteilen K e i n Verzicht

im

technischen

192

193

.

S i n n e des W o r t e s l i e g t

w e n n b e i B e g r ü n d u n g eines R e c h t s v e r h ä l t n i s s e s

die

vor,

Entstehung

eines R e c h t e s ausgeschlossen w i r d , w e l c h e s n a c h d i s p o s i t i v e r V o r s c h r i f t des Gesetzes i n E r m a n g e l u n g e i n e r B e s t i m m u n g d e r P a r t e i entstehen würde

194

.

I n diesem untechnischen

Sinn spricht

das

Gesetz v o n V e r z i c h t i n § 376, N r . 1, § 544, § 658 I I , § 671 I I I , § 744

195

, v o n E r l a ß i n §§ 443, 476

196

, w ä h r e n d es i n § 723 I I I ,

§ 749 I I I , k o r r e k t e r , v o n e i n e r V e r e i n b a r u n g s p r i c h t , d u r c h w e l c h e e i n R e c h t ausgeschlossen w i r d . Erklärung

des O f f e r e n t e n ,

I n § 151 b e d e u t e t V e r z i c h t

infolge

deren der V e r t r a g

ohne

eine Er-

wendungen handelt. Ebenso unrichtig, wenn P l a n c k § 1718, 2 und R G . 58, 354 die Anerkennung der unehelichen Vaterschaft, § 1718, als Verzicht auf die Einrede der mehreren Zuhälter charakterisieren. Die exc. plurium ist nach der v o m Gesetz i n § 1717 gewählten Wortfassung eine Einwendung, B l u m e § 1717, 6; K n d e m a n n l l § 200 a Note 45. Die Anerkennung des § 1718 ist nicht Willenserklärung, sondern eine Meinungsäußerung (vgl. ob. § 48 Note 68) m i t der ungewollten gesetzlichen Rechtsfolge, daß die sonst erhebliche Tatsache der Beiwohnung anderer v o m Anerkennenden nicht mehr vorgebracht werden kann, vgl. W a l s m a n n 291. 191 Bd. I § 17 Note 28. W a l s m a n n 127. 192 W a l s m a n n 223. I s t die Bedingung einer Schuld ausgefallen, so kann der Schuldner nicht auf die Bedingung verzichten, sondern nur durch ein neues Versprechen eine unbedingte Verpflichtung gleichen I n haltes auf sich nehmen, R G . 77, 417. 193 E r k l ä r t der Schuldner, nicht erfüllen zu wollen, so erlaubt die herrschende Meinung dem Gläubiger ohne Nachfrist nach § 326 zurückzutreten, O e r t m a n n § 326, 4 b. Die Erfüllungsverweigerung des Schuldners w i r d bisweilen, z. B . R G . 51, 350, als Verzicht auf Fristsetzung bezeichnet, ist aber kein Verzicht i m genauen Sinn des Wortes, da der Schuldner kein Recht auf Fristsetzung hat. 194 W a l s m a n n 121, 197. 195 Ebenso ungenau pflegt m a n bei Erteilung einer Vollmacht von einem Verzicht auf den Widerruf (statt von einem Ausschluß des Widerrufs) zu sprechen, T u h r , unwiderrufliche Vollmacht S. 56 Note 1. 196 Verzicht bzw. Erlaß i m technischen Sinn dieser Worte würde nur dann vorliegen, wenn das betr. Recht nach seiner Entstehung v o m Berechtigten aufgegeben wird.

§ 54.

Die

Verfügung.

269 197

k l ä r u n g der A n n a h m e zustande k o m m e n k a n n «ine Vereinbarung, des P f a n d v e r k a u f s geregelt w e r d e n

198

; i n § 1245

d u r c h welche Voraussetzungen

und

II

Formen

abweichend v o n den gesetzlichen V o r s c h r i f t e n .

I n a l l e n F ä l l e n , i n d e n e n das Gesetz, d e m des L e b e n s f o l g e n d , das W o r t

Sprachgebrauch

Verzicht i m untechnischen

g e b r a u c h t , h a n d e l t es s i c h u m e i n e n V o r g a n g , d e r d e m

Sinne

Verzicht

a u f e i n R e c h t i n s o f e r n ä h n l i c h i s t , als j e m a n d d u r c h eine W i l l e n s e r k l ä r u n g seine r e c h t l i c h e L a g e v e r s c h l e c h t e r t

199

200

.

D e m W e s e n des s u b j e k t i v e n R e c h t s als W i l l e n s m a c h t d e r f ü r d e n V e r z i c h t e n d e n stets n a c h t e i l i g e n , f ü r seinen

und

Gegner

v o r t e i l h a f t e n W i r k u n g des V e r z i c h t e s e n t s p r i c h t es, d e n V e r z i c h t als einseitiges R e c h t s g e s c h ä f t a u f z u f a s s e n d a s Gesetz Rechtes

i n einigen wichtigen F ä l l e n für

einen V e r t r a g

202

:

so b e i m

u n d insbesondere b e i m E r l a ß , § 397 197

201

204

.

Trotzdem

verlangt

das A u f g e b e n

Erbverzicht,

eines

§ 2346 fg.

203

: d e r G l ä u b i g e r k a n n seine

E n n e c c e r u s § 153 Anm. 2; W a l s r a a n n 27. Es handelt sich u m Verzicht auf Beobachtung von Verfahrens Vorschriften, W a l s m a n n 28; vgl. ob. Note 170. 199 Bisweüen w i r d eine Verwirkung (Verlust eines Rechtes als ungewollte gesetzliche Folge eines Verhaltens ob. § 47 Note 3) durch Annahme eines (in der T a t nicht vorhandenen) Verzichtwillens erklärt, so z. B. der Verlust des Rücktrittsrechtes nach § 352/3. Auch daß der Gläubiger die Nachfrist des § 326 nach allzu langer Zeit nicht mehr setzen kann, w i r d oft als Verzicht auf das Recht der Fristsetzung erklärt, vgl. P l a n c k § 326, 1; m. Er. kann der Gläubiger die Frist nicht mehr setzen, nicht weil er sich dieses Rechtes begeben hat, sondern weil ihn die Rücksicht auf Treu und Glauben daran hindert, vgl. ob. § 53 Note 74; R i e z l e r , Venire contra factum proprium 159 fg.; W a l s m a n n 210 fg., der von Verlust des Rechtes durch „gegensätzliches Verhalten 4 4 des Berechtigten spricht, vgl. ob. § 50 Note 129. 200 Die Unterlassung der Ausübung eines Rechtes (z. B. die N i c h t erhebung einer Einrede bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, Bd. I § 17 I V 3) ist nicht Verzicht auf das Recht, kann aber dieselben Wirkungen haben. U n r i c h t i g P l a n c k § 181, 1, Abs. 3. 201 Vgl. ob. § 53 S. 204. W a l s m a n n 179. 202 E i n rechtsaufhebender Vertrag ist nur für den Teil, der sein Recht aufgibt, Verfügung (Verzicht), vgl. ob. Note 34. 203 j ) e r Verzicht des Abkömmlings auf seinen A n t e i l an der fortgesetzten Gütergemeinschaft kann durch einseitige Erklärung oder durch Vertrag m i t den übrigen Teilhabern der Gemeinschaft erfolgen, § 149L Der Verzicht auf einen A n t e i l am Nachlaß erfolgt durch Vertrag m i t den Miterben, § 2033, W a l s m a n n 200, 299. 204 Die legislative Begründung, Mot. I I 116, ist wenig überzeugend. 198

,

270

Drittes B u .

Forderung

nicht,

D i e rechtserheblichen

wie m a n

meinen

Tatsachen.

sollte,

und

in

Laienkreisen

allgemein g l a u b t , d u r c h einseitige E r k l ä r u n g , sondern n u r Vertrag

mit

dem

alle F o r d e r u n g e n

Schuldner 206

,

Pflichtteilsforderung, nologie

von

einem

(Erlaß)

auch für

aufheben

20

*\

die Unterhaltsforderung

und

b e i d e n e n das Gesetz i n u n p r ä z i s e r Verzicht

spricht

207

.

durch

Das gilt

für die

Termi-

Ausnahmsweise

208

ist

einseitiges R e c h t s g e s c h ä f t d i e A u s s c h l a g u n g des V e r m ä c h t n i s s e s , § 2180, u n d d i e Z u r ü c k w e i s u n g d e r F o r d e r u n g aus § 333 andere

Rechte

erfolgt

durch

.

Der

Verzicht

auf

geschäft.

D a s i s t i m Gesetz v o r g e s c h r i e b e n : f ü r E i g e n t u m , §§ 928,

959, u n d s o n s t i g e d i n g l i c h e R e c h t e 2 1 0 , 1662

211

, für die A n w a r t s c h a f t

einseitiges

209

Rechts-

§§ 875, 1064, 1168, 1255,

des F i n d e r s ,

§ 972; für die Aus-

s c h l a g u n g d e r E r b s c h a f t , § 1945, d i e A b l e h n u n g d e r f o r t g e s e t z t e n Die früheren Gesetzgebungen, auf welche die Mot. verweisen, gehen auf den römischen Parallelismus zwischen Entstehungs- und Aufhebungsgründen der Rechte zurück, vgl. ob. § 47 Note 29. De lege ferenda würde m. Er. für den Erlaß eine Erklärung des Gläubigers an den Schuldner genügen, vgl. E n d e m a n n § 149 Anm. 3; R e i c h e l , Jherings J. 59, 455; W a l s m a n n 94 fg., 178 fg. 205 R G . 72, 171. D u r c h Erlaß erlischt die Forderung, nicht das Schuldverhältnis i m weiteren Sinne, vgl. Bd. I § 5 Note 17, 36. 206 Einseitiger Verzicht w i r d bei den Gewährleistungsansprüchen des Käufers zugelassen, O e r t m a n n § 464, 1 b ; W a l s m a n n 242. Sie sind zwar v o m Gesetz als Forderungsrecht ausgestaltet, versehen aber die Funktionen eines negativen Gestaltungsrechts, vgl. ob. § 53 Note 83. Der in § 464 vorgeschriebene Verlust dieser Ansprüche ist übrigens nicht als Verzicht, sondern als Verwirkung (vgl. ob. Note 199) aufzufassen. 207 §§ 1614, 1714, 1406, 1453, 1643, 1822 Nr. 2; P 1 a n c k § 2317, 2 b ; C o h n a. a. O. 282. Vgl. H G B . §§ 205, 241, 270. Verzicht des K o m m i t t e n t e n auf Zusendung des Stückeverzeichnisses, DepotG. § 3 I I , muß ausdrücklich und schriftlich erteilt werden, bedarf aber wohl nicht der Annahme, W a l s m a n n 193. 208 Keine Ausnahme v o m Erfordernis des Erlaßvertrages ist der einseitige Verzicht auf das Recht der Rücknahme i n § 376 I I Nr. 1; dieses Recht ist keine Forderung, sondern ein Gestaltungsrecht, Bd. I § 7 Note 19. 209 I n beiden Fällen kann die nicht ausgeschlagene resp. nicht zurückgewiesene Forderung durch Erlaßvertrag aufgehoben werden, vgl. Bd. I § 12 Note 26. 210 A u c h der Verzicht auf Nießbrauch oder Pfandrecht an Forderungen erfolgt durch einseitige Erklärung, §§ 1072, 1273 (§ 1255), obgleich diese Rechte wesentlich i n einer Forderung des Nießbrauchers bzw. Pfandberechtfgten gegen den Schuldner bestehen, Bd. I § 6 V I . 211 A u c h i m Recht der immateriellen Güter ist nach Analogie des Sachenrechtes (Bd. I § 6) Verzicht durch einseitige Erklärung möglich, vgl. für das Urheberrecht D e r n b u r g V I § 72 I I .

§ 54.

Die

Verfügung.

271

Gütergemeinschaft, § 1484, den Verzicht auf einen A n t e i l an derselben, § 1491, sowie für den Verzicht auf zahlreiche Gestaltungsrechte : insbesondere für den Verzicht auf das Anfechtungsrecht 2 1 2 (durch Bestätigung, § 144, resp. Anerkennung der Ehelichkeit, § 1598), für den Verzicht auf das Recht der Ausschlagung resp. Ablehnung (durch Annahme, §§ 1943, 1484 I I ) , für das Recht aus der Offerte (durch Ablehnung derselben, § 146). F ü r andere Gestaltungsrechte und für die Einrede ist i m Gesetz nicht gesagt, ob der Verzicht durch einseitiges Rechtsgeschäft oder durch Vertrag zu erfolgen hat. Vielfach w i r d für diese v o m Gesetz offen gelassenen Fälle der Vertrag als die normale Aufhebungsart von Rechten bezeichnet 2 1 3 . Meines Erachtens entspricht dem Wesen und der W i r k u n g des Verzichtes die Einseitigkeit des Rechtsgeschäftes. Es ist daher Willenserklärung des Rechtssubjekts für genügend zu erachten, wenn nicht besondere Gründe dem entgegenstehen. Daher genügt einseitige Erklärung zum Verzicht auf Einreden 2 1 4 , sowie zum Verzicht auf den Schenkungswiderruf 2 1 5 . Ebenso scheint es m i r angemessen, einseitigen Verzicht auf das Recht der K ü n d i g u n g 2 1 6 , des R ü c k t r i t t s 2 1 7 u n d der Aufrechnung 2 1 8 zuzulassen. I n den letzteren drei Fällen k o m m t allerdings der i n § 305 ausgesprochene Rechtssatz i n Betracht, daß zur Änderung des Inhaltes eines Schuldverhältnisses ein Vertrag erforderlich ist 2 1 9 . U m Änderung des Schuld Verhältnisses handelt es sich meines Erachtens dann, wenn die K ü n d b a r keit oder Aufrechenbarkeit einer Forderung resp. die Entstehung 212 I n allen Fällen der Anfechtbarkeit w i r d die Bestätigung von der herrschenden Meinung, wie i n § 144, als einseitiges Rechtsgeschäft aufgefaßt; vgl. unt. § 57 Note 126. N u r beim Anfechtungsrecht wegen U n würdigkeit verlangt P l a n c k § 2343, 2 einen Verzichtsvertrag. 213 P l a n c k § 305, 4; S e c k e l , Festg. f. K o c h 230. 214 Bd. I § 17 Note 26. W a l s m a n n 198. 215 O e r t m a n n gegen P l a n c k zu § 533. 216 M i t t e l s t e i n , Miete § 56 A n m . 27. R G . 82, 55. 217 W a l s m a n n 110; a. A . P l a n c k § 355, 2. 218 H i r s c h , Übertragung der Rechtsausübung 423 A n m . 2. Die herrschende Meinung verlangt einen Vertrag, P l a n c k § 387, 3; O e r t m a n n Vorb. 2 c vor § 387; vgl. auch D J Z . 16, 271, 334. 219 Beim Wiederkaufs- und Vorkaufsrecht besteht vor ihrer Ausübung noch kein Schuldverhältnis, sondern nur ein Gestaltungsrecht, Bd. I § 7 Note 9, welches m. Er., wie alle Gestaltungsrechte, durch einseitige Erklärung des Berechtigten aufgehoben werden kann, W a l s m a n n 193; a. A . S e c k e l a. a. O. 230.

272

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

eines Rücktrittrechts ausgeschlossen w i r d 2 2 ° ; nicht dagegen dann, wenn eines dieser negativen Rechte bereits entstanden ist u n d dem Schuldverhältnis resp. der Forderung gegenüber steht 2 2 1 . Der Verzicht w i r k t i n der Regel ex nunc, ausnahmsweise ex tunc 2 2 2 : so die Ausschlagung, §§ 1953, 2 1 80 2 2 3 , und die Zurückweisung der Forderung nach § 333 2 2 4 . Durch den Verzicht entsteht meistens ein Vorteil für ein anderes Rechtssubjekt 2 2 5 . Daher k a n n der Verzicht, wenn i n dieser Absicht vorgenommen, eine Zuwendung an einen anderen sein 2 2 6 . W i r d der Verzicht „zugunsten eines anderen" vorgenommen, so ist er, wenn diese Willensrichtung i n dem Verzichtsgeschäft zum Ausdruck k o m m t 2 2 7 , i n seiner Wirksamkeit davon abhängig, daß dem anderen der i h m zugedachte Vorteil zufällt 2 2 8 . E i n i n dieser Weise bedingter Verzicht nähert sich dem Tatbestand einer Rechtsübertragung und ist oft nur der ungenaue Ausdruck eines Übertragungswillens 2 2 9 . Dagegen liegt i n der Veräußerung eines Rechtes kein eventueller Verzicht 2 3 0 ; man darf die Erklärung 220

W a 1 s m a n n 245. A u f die W i r k u n g der vollzogenen Kündigung, Aufrechnung oder des ausgeübten R ü c k t r i t t s k a n n aus den ob. Note 190 angegebenen Gründen nicht verzichtet werden, vgl. ob. § 53 Note 88. 222 Bd. I § 10 I I I . 223 Ebenso die Ablehnung der fortgesetzten Gütergemeinschaft, wie sich aus § 1484 I I I ergibt 224 Dagegen kann die Pflichtteilsforderung nur durch Erlaß ex nunc aufgehoben werden; wodurch die Erbsteuerpflicht nicht wegfällt, R G . 77, 239. 225 Vgl. ob. § 47 Note 25. 226 Der Verzicht kann, wie alle Zuwendungen, unentgeltlich oder entgeltlich sein, R G . 75, 263. 227 Anders, wenn der Verzicht i n der unausgesprochenen Erwartung erfolgt, daß er einem anderen zugute kommen werde, z. B. Dereliktion ^iner Sache i n der Erwartung, daß X sie okkupieren werde. 2 28 Erbverzicht „zugunsten eines anderen" soll nach § 2350 i m Zweifel bedingter Verzicht sein. Ausschlagung „zugunsten eines anderen" ist, wenn der Zusatz als Bedingung gemeint ist, nach § 1947 unwirksam, K i p p , Erbrecht § 53 V. 229 W e n n A dem X sagt: „ i c h verzichte zu I h r e n Gunsten auf diese Sache", so hat er eine Traditionsofferte gemacht. Verzichtet ein Miterbe durch Vertrag m i t einem seiner Miterben (vgl. ob. Note 188) zu dessen Gunsten auf seinen Anteil, so ist das kein Verzicht (mit Anwachsung für alle Miterben), sondern Übertragung des Anteils an den Vertragsgegner, P l a n c k § 2033, 2 d . 230 E n d e m a n n § 58 Anm. 31; D e r n b u r g I I I § 21 Anm. 3. 221

§ 55.

A r t e n der

Ungültigkeit.

273

des Veräußerers nicht i n zwei Elemente (Aufgabe des Rechtes und Verschaffung desselben an den Gegner) zerlegen. W e n n die Übertragung wegen eines Hindernisses i n der Person des Erwerbers nicht zustande k o m m t , geht daher das zu übertragende Recht nicht unter, sondern verbleibt beim Übertragenden. Dasselbe g i l t vom Besitz, wenn er nach § 854 I I übertragen werden soll: k a n n der Erwerber den Besitz nicht erlangen, so bleibt der Besitz beim Tradenten, es sei denn, daß Verlust der tatsächlichen Gewalt, § 856 I , eingetreten ist 2 3 1 .

II. Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte. § 55.

Arten der Ungültigkeit *.

E i n Rechtsgeschäft ist unwirksam, wenn es die von der Partei als gewollt bezeichneten Rechtswirkungen 1 nicht herbeiführt 2 . Das Ausbleiben der Rechtswirkung k a n n auf verschiedenen Gründen beruhen und i n verschiedener Weise erfolgen. D a r u m entspricht dem v o m Gesetz 3 oft gebrauchten Ausdruck Unwirksamkeit kein fest abgegrenzter Begriff 4 . A u c h das W o r t U n g ü l t i g k e i t ist nicht technisch 5 . Innerhalb der unwirksamen Rechtsgeschäfte kann man unterscheiden: 231

Vgl. fr. 18 § 1 de poss. 41, 1 (Celsus) und fr. 34 pr. eod. (Ulpian). * W i n d s c h e i d § 82; R e g e l s b e r g e r § 174; D e r n b u r g § 1 1 5 ; C o s a c k § 5 3 ; C r o m e § 8 0 ; B i e r m a n n § 52; Z i t e l m ' a n n 8. 101 fg.; P l a n c k , Vorbem. V I und VIT zum 3. A b s c h n i t t ; S t a u d i n g e r , Einleitung V zum 3. Abschn.; J a c o b i ArchZivPrax. 86, 51 fg. S t r o h a l , relative Unwirksamkeit (Festschr. zur Jahrhundertfeier des österr. allg. bürg. Gesetzb.). 1 Vgl. ob. § 50 Note 107. 2 Es w i r d darüber gestritten, ob m a n einen Tatbestand, der keine oder nicht die gewollten Wirkungen hat, als Rechtsgeschäft bezeichnen darf. Versteht man unter Rechtsgeschäft nur den Tatbestand, nicht die Wirkungen desselben, so kann m a n ohne Verstoß gegen die Logik v o n unwirksamen Rechtsgeschäften sprechen, vgl. ob. § 50 Note 3. Ennecc e r u s § 136 C; M a n i g k , Willenserklärung 190; B r e i t , Geschäftsfähigkeit 98. 3 Vgl. das Wortverzeichnis von G r a d e n w i t z . 4 Die römische Terminologie ist unvollkommen u n d für das heutige Recht nicht maßgebend, W i n d s c h e i d § 82 Note 1; G r a d e n w i t z , Ungültigkeit obligatorischer Rechtsgeschäfte. 5 „ U n g ü l t i g k e i t " findet sich nicht i m B G B . , wohl aber i m I . E n t w . als Überschrift zum V. T i t e l des 3. Abschnitts. Dagegen spricht B G B . an Hunilbuch X. 1. II: von Tulir 11. I. 18

274

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

1. Geschäfte, deren W i r k u n g nicht eingetreten ist, aber noch eintreten kann, wenn ein fehlendes Stück des Tatbestandes nachgeholt w i r d 6 oder ein der Wirksamkeit entgegenstehendes Hindernis w e g f ä l l t 7 . Liegen v o n einem Tatbestande die wesentlichen Stücke vor, insbesondere die den I n h a l t des Rechtsgeschäftes bestimmenden Erklärungen der H a u p t p a r t e i e n 8 , so kann man den schon vorhandenen Tatbestand als u n v o l l e n d e t e s oder unfertiges Rechtsgeschäft bezeichnen 9 , so z. B . die Eigentumsübertragung, wenn die Auflassung resp. Einigung, nicht aber die Eintragung resp. Übergabe der Sache erfolgt ist; das bedingte oder befristete Geschäft, wenn die Bedingung oder der Termin noch aussteht; die Schuldübernahme nach § 415, solange die Genehmigung des Gläubigers nicht eingeholt ist; ein Geschäft, das aus sonstigen Gründen der Genehmigung bedarf, solange diese nicht vorhegt 1 0 . E i n besonders wichtiger F a l l sind die Geschäfte v o n Todeswegen (Testament, Erbvertrag) bei Lebzeiten des Erblassers, insofern als ihre W i r k u n g frühestens m i t dem Tode des Erblassers eintreten kann. Unvollendet ist ein Rechtsgeschäft nicht n u r dann, wenn die Parteien wissen, daß ein Stück des Tatbestandes aussteht u n d daher den sofortigen E i n t r i t t der W i r kungen n i c h t wollen 1 1 , sondern auch, wenn sie das Geschäft für perfekt halten, so z. B . das Geschäft eines nicht bevollmächtigten Vertreters, wenn der Geschäftsgegner an das Vorliegen der Vollmacht glaubt. K o m m t das fehlende Stück des Tatbestandes hinzu, so erwächst das Geschäft zu seiner vollen W i r k u n g . Bis dahin ist die W i r k u n g des Geschäftes i n einem suspensiven Schwebezahlreichen Stellen von Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts, z. B. §§ 32, 122, 307, 308, 518. 6 Solange der volle Tatbestand eines Rechtsgeschäftes nicht vorliegt, können dessen Wirkungen nicht eintreten, sondern nur Vorwirkungen des werdenden Tatbestandes, vgl. ob. § 43 Note 69. 7 I s t der Erblasser durch einen Erbvertrag oder ein wechselseitiges Testament gebunden, §§ 2289 I , 2271 I I , so ist ein von i h m errichtetes Testament unwirksam, kann aber wirksam werden, wenn der Erbvertrag aufgehoben w i r d oder wenn der Erblasser das i h m i m wechselseitigen Testament Hinterlassene ausschlägt, R G . 65, 275. 8 Vgl. ob. § 50 Note 23. 9 Liegt nur ein Stück des Tatbestandes vor, z. B. nur die Offerte zu einem Vertrag, so w i r d man, da zum Tatbestand die ebenso wichtige Annahme fehlt, nicht v o n einem unvollendeten Vertrag sprechen. §§ 108, 177, 1396, 1829. 11 So beim aufschiebend bedingten oder befristeten Rechtsgeschäft.

§ 55.

A r t e n der

Ungültigkeit.

275

zustand 1 2 . K a n n das fehlende Tatbestandsstück nicht mehr eintreten 1 3 , so bleibt das Geschäft definitiv wirkungslos. Solange das Geschäft unvollendet ist, können rechtshindernde Tatsachen dem Zustandekommen des Geschäfts entgegentreten, so z. B . der Widerruf 1 4 , die Aufhebung der Schuldübernahme nach § 415 I 3, Verfügungsbeschränkungen, die den Veräußerer treffen, § 878, K O . § 15 1 5 . Besonders sind die Geschäfte v o n Todeswegen der Gefahr ausgesetzt, daß ihr Wirksamwerden durch Ereignisse gehindert wird, welche zwischen ihrer E r r i c h t u n g u n d dem Tode des Erblassers eintreten: Widerruf, Vorversterben des Bedachten, Ehescheidung des Erblassers 1 6 , Zeitablauf 1 7 . 2. Geschäfte, welche unwirksam sind u n d n i c h t wirksam werden können 1 8 , sind n i c h t i g 1 9 . E i n nichtiges Geschäft hat weder die von den Parteien als gewollt bezeichneten Wirkungen, noch die v o m Gesetz angeordneten ungewollten N e b e n w i r k u n g e n 2 0 . Das Gegenteil der N i c h t i g k e i t pflegt m a n Gültigkeit zu nennen. V o n einem nichtigen Geschäft spricht m a n nur dann, wenn wenig18

Vgl. ob. § 43 Note 66. Bisweilen hat das hinzutretende Stück des Tatbestandes rückwirkende K r a f t , ob. § 43 V. 13 So z. B. die Genehmigung, wenn sie verweigert ist. Ebenso kann eine einseitige Erklärimg, wenn sie z. B . nach § 410 zurückgewiesen ist, nicht konvaleszieren, sondern nur m i t gehöriger Legitimation wiederholt werden. 14 §§ 109, 178, 658, 1397, 1830. 16 Einige Voraussetzungen des Rechtsgeschäfts brauchen nicht bis zur Vollendung des ganzen Tatbestandes fortzubestehen; so z. B . braucht die Geschäftsfähigkeit nur bei Abgabe der Willenserklärung vorzuliegen, § 130 I L 16 §§ 2077, 2268. 17 § 2252. 18 Solange es möglich ist, daß ein Rechtsgeschäft durch Nachholung eines fehlenden Stückes des Tatbestandes oder durch Wegfall eines Hindernisses wirksam wird, ist es als unvollendet, nicht als nichtig zu bezeichnen, Mot. I 217. E i n Geschäft, dessen Vollendung sich als ganz entfernte Möglichkeit darstellt, steht praktisch einem nichtigen Geschäfte gleich und k a i m daher füglich als nichtig bezeichnet werden; so kann m a n z. B. die Verfügung über ein fremdes Recht nach verweigerter Genehmigimg als nichtig betrachten, wenn man von dem unwahrscheinlichen F a l l der Konvaleszenz durch späteren Erwerb des Rechtes, § 185 I I , absieht. 19 Vgl. unt. § 56. 20 Vgl. ob. § 50 S. 163. Dagegen können durch Vornahme oder Durchführung eines ungültigen Geschäftes anstelle der normalen Wirkungen andere Wirkungen eintreten: Schadensersatz, z. B. § 307, oder Bereicherungsforderung, vgl. ob. § 50 Note 127. 18*

Drittes B u .

276

Die rechtserheblichen

Tatsachen.

st ens der äußere Tatbestand eines Geschäftes vorliegt; ist z. B . bei einer Kaufverhandlung nicht einmal eine scheinbare Einigung der Parteien erfolgt, so w i r d m a n den Kaufvertrag als nicht geschlossen, nicht als nichtig bezeichnen 2 1 . Die Nichtigkeit beruht auf einem unheilbaren Fehler des Tatbestandes. Man k a n n diesen Mangel entweder darin sehen, daß ein positives Gültigkeitserfordernis des Geschäftes fehlt, oder darin, daß ein nicht zu beseitigendes Hindernis des Geschäftes vorliegt 2 2 . Die N i c h t i g k e i t ist u r s p r ü n g l i c h , wenn der sie herbeiführende Mangel bereits bei E r r i c h t u n g des Geschäftes (Abgabe der H a u p t Willenserklärungen) vorliegt. Ursprünglich nichtig sind folgende v o m Gesetz als nichtig bezeichnete Geschäfte: Willenserklärungen, die v o n einem Geschäftsunfähigen oder im Zustand der Bewußtlosigkeit abgegeben sind, § 105; Willenserklärungen, die zum Schein abgegeben werden oder nicht ernstlich gemeint sind, § 117, 118; Rechtsgeschäfte, welche der vorgeschriebenen F o r m ermangeln, §§ 125, 127; Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen, §§ 134, 138 2 3 ; obligatorische Verträge auf unmögliche Leistung, § 306. N i c h t i g sind ferner, ohne daß das Gesetz diesen Ausdruck gebraucht, Rechtsgeschäfte, denen das Gesetz den Erfolg definitiv versagt. Dazu gehören: 21

O e r t m a n n , Vorb. 6 vor § 104. Die Unterscheidung zwischen positiven Gültigkeitserfordernissen und rechtshindernden Tatsachen (Einreden i m prozessualen Sinn, Bd. I § 17 I ) ist wichtig für die Verteilung der Behauptungs- und Beweislast. F ü r das materielle Recht k o m m t sie nicht i n Betracht. Denn man kann jede rechtshindernde Tatsache, z. B. Geschäftsunfähigkeit einer Partei oder Sittenwidrigkeit des Geschäftsinhaltes durch ein entsprechendes positives Gültigkeitserfordernis ersetzen: es ist für die zivilrechtliche Betrachtung gleichgültig, ob m a n sagt: das Rechtsgeschäft verlangt Geschäftsfähigkeit der Parteien, oder: es ist nichtig, wenn eine Partei nicht geschäftsfähig ist. 23 Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Inhalts ist speziell angeordnet i n §§ 248, 310, 312, 443, 476, 540, 637, 723 I I , 749 I I I , 1136, 1229, 1297, 1714 I I , 2235 I I , 2263, 2302. Nichtigkeit ist ferner angeordnet für Inhaberpapiere, die ohne staatliche Genehmigimg i n den Verkehr gelangt sind, § 795 I I I ; n i m m t man m i t D e r n b u r g I I § 148 I I I 4 an, daß diese Genehmigung nachgeholt werden kann, so ist die Ausgabe des Papiers vor der Genehmigung ein unvollendetes Geschäft, wie z. B. die Stiftung, bevor sie genehmigt ist. 22

§ 55.

A r t e n der

Ungültigkeit.

277

Rechtsgeschäfte, bei denen das Gesetz Bedingungen oder Befristungen nicht zuläßt, wenn sie trotzdem m i t solchen Zusätzen vorgenommen werden 2 4 ; Verfügungen über Rechte, die einer Verfügung, insbesondere einer Übertragung nicht unterliegen 2 5 ; Mehrheitsbeschlüsse, welche die durch Gesetz oder Satzung gezogenen Schranken überschreiten 2 6 ; einseitige Rechtsgeschäfte, wenn sie ohne die gesetzlichen oder verabredeten Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit vorgenommen werden, z. B. die Anfechtung oder Kündigungserklärung jemandes, dem ein Anfechtungs- resp. Kündigungsrecht n i c h t oder nicht mehr oder noch nicht zusteht; einseitige Geschäfte, bei denen die erforderliche Zustimmung eines D r i t t e n fehlt 2 7 ; ein gemeinschaftliches Testament, das v o n Nichtehegatten errichtet wird, § 2265 2 8 . Nachträgliche Nichtigkeit liegt vor, wenn die Vollendung eines bisher unfertigen Geschäftes unmöglich wird, so z. B. durch Ausfall einer aufschiebenden Bedingung oder durch endgültige Verweigerung einer Genehmigung 2 9 . Nachträgliche N i c h t i g k e i t 24

I n einigen Fällen, §§ 388, 025, 2180, 2282, erklärt das Gesetz das Rechtsgeschäft wegen der unzulässigen Bedingung oder Befristung für unwirksam, i n anderen Fällen, §§ 1742, 1768, 1598, 1947, ist gesagt, daß das Geschäft unter Bedingung oder Befristung nicht vorgenommen werden kann. Da aber solche Geschäfte definitiv jeglicher W i r k u n g ermangeln, sind sie zu den nichtigen Geschäften zu rechnen. 25 I n §§ 399, 400, 719, 1069 I I , 1274 I I , 1442, 2033 I I sagt das Gesetz, daß gewisse Rechte nicht übertragen resp. bestellt werden können; i n §§ 717, 1408, 1658 erklärt das Gesetz gewisse Rechte für nicht übertragbar. I n beiden Fällen ist ein trotzdem vorgenommenes Übertragungsgeschäft nichtig. Dagegen ist eine Verfügung, welche von einem Unberechtigten ohne Verfügungsmacht vorgenommen wird, nicht nichtig, sondern vorläufig unwirksam, § 185, R G . 77, 87, vgl. unt. § 60. 26 Bd. I § 36 V. Aus praktischen Gründen hat das H G B . § 271 fg. die Ungültigkeit der Beschlüsse von Generalversammlungen als Anfechtbarkeit konstruiert, K i s c h , Urteilslehre 108. Vgl. unt. § 57. 27 Vgl. ob. § 53 Note 27, 39. 28 Oder: Annahme einer Erbschaft, zu welcher der Annehmende nicht berufen ist, oder Annahme aus einem Berufungsgrund, der nicht vorliegt, § 1949 I . 29 Durch verweigerte Genehmigung w i r d das Geschäft nichtig, wenn eine nachträgliche Konvaleszenz ausgeschlossen i s t ; so z. B. das Geschäft des Minderjährigen (a. A. O e r t m a n n § 107, 5; O L G . 22, 144), wenn man von der Möglichkeit der Konvaleszenz nach § 110 absieht; das Ge-

278

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

k o m m t insbesondere beim Testament vor, wenn es infolge von Ereignissen, die nach der Errichtung, aber vor dem Erbfall stattfinden (Widerruf, Auflösung der Ehe, § 2077, Vorversterben des Bedachten) nicht i n K r a f t treten k a n n 3 0 . I n einigen Fällen hat das Gesetz schwebende Nichtigkeit angeordnet, d. h. die Gültigkeit oder N i c h t i g k e i t eines Rechtsgeschäftes v o m E i n t r i t t eines späteren Ereignisses abhängig gem a c h t : einseitige Erklärungen ohne genügende Legitimation sind nichtig, wenn sie v o m Erklärungsgegner unverzüglich zurückgewiesen werden 3 1 ; unterbleibt die Zurückweisung, so ist die Erklärung v o m Moment ihrer Vornahme an gültig gewesen; ebenso verhält es sich m i t R ü c k t r i t t u n d K ü n d i g u n g , wenn der Gegner eine i h m zustehende Aufrechnung unverzüglich v o r n i m m t oder unterläßt 3 2 . Bei nachträglicher oder schwebender N i c h t i g k e i t eines Geschäftes spricht das Gesetz oft v o n U n w i r k s a m k e i t ; diese Unwirksamkeit fällt aber, da sie definitiver N a t u r ist, unter den Begriff u n d die Rechtssätze der Nichtigkeit 3 3 . 3. Geschäfte, welche zunächst wirksam sind 3 4 , aber infolge einer später eintretenden Tatsache nachträglich m i t rückwirkender K r a f t nichtig werden. Der wichtigste F a l l dieser A r t ist die A n f e c h t b a r k e i t : infolge eines bei Vornahme des Geschäftes 3 5 vorliegenden Mangels entsteht neben den normalen Wirkungen des Geschäfts ein Anfechtungsrecht; w i r d dieses Recht ausgeübt, so ist das Geschäft als ,,von Anfang an n i c h t i g " anzusehen, § 142 I , vgl. u n t . § 57. Solange die Anfechtung möghch ist, besteht ein resolutiver Schwebezustand 3 6 . Der Anfechtung verwandt ist die schäft eines Ehegatten, außer wenn die verweigerte Genehmigung nacli §§ 1379, 1447, 1451 ersetzt werden kann. 30 E i n Testament, das nicht ursprünglich nichtig ist, kann aufhebend wirken, auch wenn seine rechtsgestaltende K r a f t infolge des späteren Verlaufs der Dinge versagt; so hat z. B . eine aufschiebend bedingte Verfügung aufhebende W i r k i m g ; m. Er. auch die ex lege resolutiv bedingte Bedenkung des Ehegatten, § 2077; a. A . i n letzterem P u n k t P l a n c k § 2258, 2. 31 §§ 111, 359, 410, 1160 I I . Vgl. ob. § 53 Note 19. 32 §§ 357, 554 I I . 33 C r o m e § 80 Note 15; E n n e c c e r u s § 189 Note 2. 34 Dadurch unterscheiden sich diese Fälle v o n der schwebenden Nichtigkeit, ob. Note 31, 32, bei welcher die W i r k u n g des Geschäftes nicht eher eint r i t t , als bis sich entschieden hat, daß der Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt. 35 Ausnahmsweise kann der Anfechtungsgrund nach Vornahme des Geschäftes entstehen, § 2079. 36 Vgl. ob. § 43 Note 68,

§ 55.

A r t e n der

Ungültigkeit.

279

ebenfalls rückwirkende 3 7 Herabsetzung der Vertragsstrafe, § 3 4 3 3 8 , sowie die Aufforderung des Mitkontrahenten, durch welche eine erteilte Genehmigung nachträglich unwirksam wird, §§ 108, 177, 1396, 1448 3 9 . E i n Rechtsgeschäft ist nicht ungültig, wenn es m i t einer rechtlichen Schwäche behaftet ist, vermöge deren seine bereits eingetretenen Wirkungen nachträglich ex nunc wegfallen können. Daher ist ein m i t auflösender Bedingung oder E n d t e r m i n vorgenommenes Rechtsgeschäft als gültig zu bezeichnen; ebenso ein Vertrag, dessen Wirkungen durch K ü n d i g u n g oder R ü c k t r i t t aufgehoben werden können. Noch weniger kann v o n U n g ü l t i g k e i t des Geschäftes die Hede sein, wenn zugleich m i t den Wirkungen des Geschäftes ein obligatorischer Anspruch auf Rückgängigmachung dieser W i r kungen entsteht 4 0 . So ist z. B . der Kaufvertrag gültig, auch wenn er der Wandelung ausgesetzt ist ; ebenso die Eigentumsübertragung, auch wenn sie durch Bereicherungsklage rückgängig gemacht werden k a n n 4 1 . U n g ü l t i g ist ein Rechtsgeschäft auch dann nicht, wenn dem aus i h m erwachsenden Anspruch eine Einrede entgegensteht. Denn durch die Einrede w i r d nicht das Recht beseitigt, sondern nur die Durchführung des Anspruchs gehemmt 4 2 . I m praktischen Resultat k a n n ein Rechtsgeschäft durch die Möglichkeit des Wegfalls, der Aufhebung oder der H e m m u n g der aus i h m entstandenen Rechte soweit entwertet werden, daß es einem ungültigen Geschäft gleichsteht. Seiner juristischen S t r u k t u r nach ist aber ein Geschäft, wenn seine Wirkungen eingetreten u n d n i c h t m i t rückwirkender K r a f t weggefallen sind, als g ü l t i g zu bezeichnen 4 3 . 37

H e l l w i g , Lehrb. § 34 A n m . 46. Vgl. § 655, H G B . § 741, AbzGes. § 4, GO. f. R A n w . § 93. K i s c h , Urteilslohre 120, 138. 39 Vgl. ob. § 48 Note 33. 40 I m gemeinen Recht sprach m a n i n solchon Fällen von mittelbarer oder obligatorischer Anfechtung, vgl. S a v i g n y , System 4, 537 ; R e g e l s b e r g e r § 174, 2 b. Dieser Sprachgebrauch ist i m Recht des B G B . nicht mein' zulässig, da das Gesetz das W o r t Anfechtung i n einem technischen Sinn gebraucht. 41 Ebenso ist die Schenkung gültig, auch wenn die Herausgabe des Geschenkes nach § 816 I 2, § 822, § 2287 oder § 2329 verlaugt werden kann. 42 Vgl. Bd. I § 17 I I I . 43 Daher ist z. B, der Mäklerlohn für ein solches Geschäft verdient. 38

280

Drittes

B u .

Die rechtsereblichen

§ 56.

Tatsachen.

Nichtigkeit *

I . E i n Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es infolge eines Mangels des Tatbestandes die seinem I n h a l t entsprechenden Wirkungen nicht herbeiführt. Der Mangel besteht entweder darin, daß eine rechtsbegründende Tatsache fehlt, z. B . daß das Rechtsgeschäft der vorgeschriebenen F o r m ermangelt, oder darin, daß eine rechts hindernde Tatsache v o r h e g t 1 , z. B. Geschäftsunfähigkeit einer Partei, Mangel der Ernstlichkeit der Willenserklärung, Simulation usw. 2 . I s t das Fehlen einer rechtsbegründenden Tatsache oder das Vorliegen einer rechtshindernden Tatsache durch Vorbringen einer der Parteien i n der mündlichen Verhandlung zur K o g n i t i o n des Richters gekommen, so hat der Richter die sich aus der Sachlage ergebende N i c h t i g k e i t v o n Amtswegen zu berücksichtigen, ohne daß eine der Parteien sich auf die Nichtigkeit zu berufen braucht. Denn die N i c h t i g k e i t ist eine ipso iure eintretende Folge der Fehlerhaftigkeit des Tatbestandes. W e n n der Beklagte die Nichtigkeit des Geschäftes vorbringt, so ist das Behauptung einer Tatsache (Einwendung i m Sinne des B G B . ) 3 , nicht Ausübung eines Gegenrechtes (wie die Anfechtung), und noch weniger Einrede 4 (Verweigerung einer geschuldeten Leistung). Daher ist die Nichtigkeit v o m Richter auch dann zu beachten, wenn sie sich aus einer v o m Kläger vorgebrachten Tatsache ergibt 5 (was bei verbotswidrigem oder unsittlichem Geschäftsinhalt vorkommen kann), sowie auch dann, wenn der Beklagte die Einwendung der Nichtigkeit fallen l ä ß t 6 . W i e i m Prozeß, so ist auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit die N i c h t i g k e i t eines Rechtsgeschäftes zu beachten 7 , soweit sie * D e r n b u r g § 116; E n d e m a n n § 74; E n n e c c e r u s § 189. Vgl. ob. § 43 Note 31. 2 Vgl. ob. § 55 Note 22. 3 Bd. I § 17 I , I I I 1. 4 Gegen ein nichtiges Geschäft können Anfechtung und Einreden nur eventualiter vorgebracht werden, d. h. für den Fall, daß der Richter die N i c h t i g k e i t nicht als vorliegend ansieht. 5 Insbesondere auch bei Versäumnis des Beklagten, ZPO. § 331. 6 R G . 61, 267; P l a n c k § 762, 5; R e i c h e l , ArchZivPr. 104, 135. A u f Einwendungen kann nicht verzichtet werden, vgl. ob. § 54 Note 190. U n r i c h t i g R G . 75, 145: ist die A b t r e t u n g einer durch Vereinbarung m i t dem Schuldner unabtretbaren Forderung nichtig, so kann die Nichtigkeit nicht durch „Verzicht auf die Einrede aus § 399" beseitigt werden, 7 D e r n b u r g § 116 V, 1

§ 56.

Nichtigkeit.

281

sich aus den der Prüfung des Beamten unterliegenden Tatsachen e r g i b t 8 . So hat der Beamte seine M i t w i r k u n g bei ersichtlich nichtigen Rechtsgeschäften zu versagen 9 , Eintragungen i n öffentliche Bücher auf Grund ersichtlich nichtiger Rechtsgeschäfte zu unterlassen 1 0 , einen Erbschein bei Zweifel an der Gültigkeit des Testamentes zu verweigern 1 1 . I I . Werden aus einem nichtigen Geschäft Rechte abgeleitet oder Ansprüche erhoben, so kann der Gegner die Existenz dieser Rechte oder Ansprüche bei jeder Gestaltung der Prozeßlage bestreiten, auch „incidenter", d. h. wenn es sich i m Prozeß nicht u m das nichtige Geschäft als solches, sondern u m eine einzelne, noch so entfernte Rechtsfolge desselben handelt. I s t z. B . eine Eigentumsübertragung nichtig, so kann der Veräußerer die Sache vindizieren, und jeder Besitzer die Herausgabe der Sache an den Erwerber verweigern. I s t ein Schuldvertrag nichtig, so k a n n Leistung verweigert, oder, wenn bereits geleistet ist, Rückgabe des Geleisteten verlangt werden; w i r d die Forderung aus dem nichtigen Vertrag zur Aufrechnung gebracht, so kann die Gültigkeit der Aufrechnung bestritten werden. Eine Nichtigkeitsklage ist zur Geltendmachung der Nichtigkeit weder erforderlich, noch auch logisch möglich 1 2 : die nicht eingetretenen Wirkungen des nichtigen Geschäftes brauchen u n d können nicht aufgehoben werden. Dagegen ist zulässig eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses, ZPO. § 256 1 3 , wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat 1 4 . I s t auf Grund eines nichtigen Rechts 8 Wieweit diese Prüfung zu gehen hat, ist bei den einzelnen F u n k tionen der freiwilligen Gerichtsbarkeit verschieden geregelt. 9 Z. B. wenn ein Testierunfähiger ein öffentliches Testament errichten will, P l a n c k § 2229, 4. 10 Z. B. E i n t r a g i n das Grundbuch, auf Grund einer wegen Geschäftsunfähigkeit nichtigen Bewilligung; Eintragung eines Vereines, wenn der Gründungs vertrag nichtig ist, vgl. B d . I § 34 Note 29. 11 P l a n c k § 2359, 2. 12 Über die Nichtigkeitsklage i m Eherecht u n d i n einigen anderen Fällen vgl. unt. 13 R G . 61, 242. M i t der Feststellungsklage k a n n verbunden werden die Klage auf Rückgabe der i n Erfüllung des nichtigen Geschäftes vorgenommenen Leistungen, R G . 73, 274; 78, 42. 14 Die Befugnis, auf Feststellung der Nichtigkeit eines Rechtsverhältnisses zu klagen, ist kein subjektives Recht u n d daher kein Gegenstand der Abtretung. Was R G . 73, 306 A b t r e t u n g der Feststellungsklage nennt (Ermächtigung, die Nichtigkeit eines fremden Rechtsverhältnisses i n eigenem

282

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

geschäftes ein E i n t r a g i n das Grundbuch erfolgt, so ist er zu berichtigen, § 894; vor der Berichtigung ist der wahre Berechtigte nach § 40 GBO. an der Verfügung über sein Recht gehindert, und nach B G B . § 892 der Gefahr ausgesetzt, sein Recht an einen gutgläubigen Erwerber zu verberen. I I I . Die N i c h t i g k e i t ist absolut 1 5 . E i n nichtiges Rechtsgeschäft hat W i r k u n g e n für u n d gegen niemanden. Daher kann die N i c h t i g k e i t eines Erwerbsgeschäfts geltend gemacht werden nicht n u r gegen den Erwerber, sondern auch gegen alle Personen, welche Rechte v o n i h m ableiten, es sei denn, daß sie trotz der Nichtberechtigung des Veräusserers das Recht durch guten Glauben erworben haben 1 6 . A u f die N i c h t i g k e i t kann sich jeder berufen 1 7 , dem Rechtsfolgen aus einem nichtigen Geschäft entgegengehalten werden : nicht nur die am Geschäft beteiligten Personen 1 8 , sondern auch deren Rechtsnachfolger und alle Personen, deren Rechtsstellung durch die Nichtigkeit des Geschäftes beeinflußt w i r d 1 8 a ; insbesondere die Gläubiger dessen, der i n nichtiger Weise über ein Vermögensstück verfügt h a t : sie können die Vollstreckung i n den noch zum Vermögen ihres Schuldners gehörenden Gegenstand betreiben u n d gegen den Widerspruch des Erwerbers (ZPO. § 771) die N i c h t i g k e i t des Erwerbsgeschäfts einwenden. Ebenso k a n n ein Gläubiger des X , wenn i h m ein anderer Gläubiger bei der Pfändung oder i m K o n k u r s des Schuldners zur Seite treten will, die Forderung dieses anderen Gläubigers als nichtig bestreiten, ZPO. 872fg., K O . § 146 1 9 . E i n Hypothekengläubiger kann die N i c h t i g k e i t einer i h m vorgehenden Belastung des Grundstücks behaupten 2 0 . A u f N i c h t i g k e i t der A b t r e t u n g k a n n sich der Schuldner der zedierten Forderung dem Zessionar gegenüber berufen 2 1 . Namen u n d Interesse feststellen zu lassen), ist m. E r . nicht als Abtretung eines Rechtes, sondern als eine i n rem suam erteilte Vollmacht zu beurteilen, vgl. ob. § 45 Note 15. 15 Uber relative N i c h t i g k e i t vgl. unt. § 58. lß Vgl. ob. § 44 V. 17 R G . 78, 354. 18 Bei nichtiger Veräußerung kann der Veräußerer durch ein gültiges Verpflichtungsgeschäft gebunden sein; ist z. B. der Verkauf gültig, die T r a d i t i o n nichtig, so steht der V i n d i k a t i o n des Verkäufers eine Einrede aus § 986 entgegen. 18 a O L G . 24, 360. 19 B d . I § 8 Note 20; § 17 Note 17. 20 R G . 60, 361; 73, 52. W o l f f , Sachenrecht § 46 Anm. 8. ?1 E r braucht nicht an i h n zu leisten, auch nicht, wenn die Zession

§ 56.

Nichtigkeit.

283

I V . Die Nichtigkeit kann einen Teil des Rechtsgeschäftes betreffen, d. h. eine der Bestimmungen resp. Verabredungen, welche dem I n h a l t eines zusammengesetzten Rechtsgeschäftes ausmachen 2 2 , oder einen q u a n t i t a t i v e n Teil einer solchen Bestimmung oder Verabredung 2 3 . Partielle N i c h t i g k e i t k a n n auf den verschiedensten Gründen der N i c h t i g k e i t beruhen: ein Stück eines Rechtsgeschäftes k a n n simuliert oder n i c h t ernstlich gewollt sein, oder der vorgeschriebenen F o r m ermangeln 2 4 , oder gegen Gesetz 2 5 oder gute Sitten 2 6 verstoßen; ein Rechtsgeschäft k a n n partiell nichtig sein, weil ein Teil der versprochenen Leistung unmöglich ist 2 7 , oder weil das Geschäft zu einem Teil einer Genehmigung bedarf u n d diese Genehmigung ausbleibt 2 8 : endlich k a n n partielle N i c h t i g k e i t auch infolge von Anfechtung eintreten. I s t die nichtige Willenserklärung wesentliches Stück des Rechtsgeschäftes, so k a n n das Geschäft als unvollständig nicht wirksam sein; so k o m m t der Vertrag bei Nichtigkeit der Annahmeerklärung n i c h t zustande; so ist die i h m angezeigt ist, RG. 70, 89. Aber der Zedent muß die von i h m angezeigte Abtretung, auch wenn die Anzeige unrichtig ist, gegen sich gelten lassen, §§ 409, 576, d. h. die an den angeblichen Zessionar vorgenommene Leistung und sonstige m i t ihm geschlossene Rechtsgeschäfte sind wirksam, auch wenn die Zession nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. 22 Vgl. ob. § 52 I I . 2:1 Konkurrenzverbote und ähnliche Beschränkungen der menschlichen Freiheit sind soweit nichtig, als sie das zulässige Maß überschreiten, vgl. ob. § 51 Note 49. 24 Z. B. formlose Verpflichtung zur Veräußerung von Grundstücken (§ 313) u n d Mobilien, D e r n b u r g I I § 80 I V , E n n e c c e r u s § 252 I I 3 a. 25 Verabredung von Zinseszins neben einem Darlehen, § 248; Verfall vertrag bei der Verpfändimg, § 1229. 28 Z. B. Auflage m i t unsittlichem I n h a l t bei einer Schenkung. Nebenklauseln, die gegen die guten Sitten verstoßen, können u. U . dem ganzen Rechtsgeschäft den Charakter der U l i Sittlichkeit verleihen. D a n n k o m m t §139 nicht zur Anwendung. So erklärt R G . 78, 260 ein Konkurrenzverbot, weil es durch Ehrenwort bekräftigt ist, i n vollem Umfang für nichtig (vgl. ob. § 50 Note 160), ohne Rücksicht darauf, ob anzunehmen ist, daß der V ertrag ohne Ehrenwort geschlossen worden wäre, wenn die Parteien die Unzulässigkeit der ehrenwörtlichen Bekräftigung gekannt hätten. 27 P l a n c k § 306, 1; O e r t m a n n § 306, l d ; E n n e c c e r u s § 253, 4. 28 Z. B . : D bevollmächtigt den G, 100 Zentner Getreide zu kaufen; G kauft 150 Zentner; D versagt die Genehmigimg für das über die Vollmacht hinaus gekaufte Quantum: der Kaufvertrag ist pro parte nichtig.

284

Drittes B u .

D i e rechtserheblichen

Tatsachen.

K ü n d i g u n g einer Gesellschaft, § 723, unwirksam, wenn die K ü n digungserklärung einem Gesellschafter gegenüber unterblieben oder n i c h t i n der verabredeten F o r m erfolgt ist 2 9 . Liegt aber der F a l l so, daß das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil Bestand haben könnte, so entscheidet der Wille der beteiligten Personen 3 0 . I m gemeinen Recht wurde nach der Regel: utile per inutile non v i t i a t u r Gültigkeit des Geschäftes ohne das nichtige Stück angenommen 3 1 , wenn sich nicht aus den U m ständen ergab , daß das Geschäft i n diesem Umfange dem W i l l e n der Parteien n i c h t entsprach. V o m entgegengesetzten Standpunkt geht das B G B . aus, indem es i n § 139 Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäftes anordnet, ,,wenn nicht anzunehmen ist, daß das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein w ü r d e " 3 2 . Bei der Anwendung dieser Vorschrift hat sich der Richter i n die Seele der Parteien zu versetzen und zu erwägen, was sie bestimmt hätten, wenn ihnen bewußt gewesen w ä r e 3 3 , daß die unzulässige Klausel n i c h t zur Geltung kommen könne. Das ist nicht Auslegung des Parteiwillens; denn das Rechtsgeschäft ist tatsächlich i n seinem vollen Umfang einschließlich des nichtigen Stückes gewollt; sondern eine Hypothese, die der Richter darüber aufzustellen hat. wie sich der Parteiwille unter gewissen Umständen gestaltet hätte 3 4 . Auszugehen ist dabei von der Voraussetzung, daß die Parteien ihre Interessen i n vernünftiger Weise abgewogen u n d geregelt hätten. Daraus er29

P l a n c k § 723, 2. A n d r é , Festg. d. Marb. F a k u l t . f. Enneccerus. 31 fr. 1 § 5 D. 45, 1. W i n d s c h e i d § 82,4. R e g e l s b e r g e r § 175 I I . 32 Daher ist eine nach A r t . 86 genehmigungspflichtige Zuwendung an eine juristische Person i n Ermangelung der staatlichen Genehmigung grundsätzlich i n vollem Umfange n i c h t i g , P l a n c k A r t . 86, 4; E n n e c c e r u s § 98 A n m . 6; K i s c h , E. L . Landesprivatr. 175. Ebenso ein V e r t r a g , welcher ohne Genehmigung des Vormundschafts gerichts über die i n § 1822 N r . 5 bis 7, § 1902 I I bestimmte Zeit hinaus geschlossen ist, P l a n c k Erl. I I 5 zu § 1822; F u c h s § 1822, 5. 33 Wußten die Parteien, daß ein Teil ihrer Verabredung nichtig ist, so hat dieser Teil der Verabredung mangels eines auf Rechtsfolgen gerichteten Willens keine rechtsgeschäftliche Bedeutung, vgl. ob. § 50 Note 169. Daher ist auf den übrigen, gültigen Teil der Verabredung, § 139, nicht anzuwenden. R G . 68, 322. 34 Vgl. ob. § 51 Note 78. 30

§ 5.

chtkeit.

285

gibt sich, daß der v o n der N i c h t i g k e i t nicht betroffene Teil des Geschäftes gültig ist, wenn er sich i m Sinne der Parteien resp. bei mehrseitigen Geschäften i m Sinne beider Parteien 3 5 als die Hauptsache oder wenigstens i m Vergleich zum ganzen Geschäfte, wie es beabsichtigt war, als das wünschenswerte Minus d a r s t e l l t 3 5 a . Das w i r d z. B . der F a l l sein, wenn bei einer Schenkung die Auflagebestimmung nichtig ist 3 6 ; ebenso w i r d m a n annehmen dürfen, daß ein Darlehensvertrag auch ohne den Zinseszins, eine Pfandbestellung auch ohne die unzulässige Verfallklausel gewollt sein würde 3 6 a ; daß ein Kaufvertrag gültig ist, wenn die Unmöglichkeit der Leistung einen unwesentlichen Teil des Kaufgegenstandes trifft. I n diesem u n d ähnlichen Fällen 3 7 w i r d der aufrecht bleibende Teil des Vertrages eine Modifikation erleiden müssen: z. B. durch entsprechende Verminderung des Kaufpreises 3 8 . Aus dem hypothetischen W i l l e n der Parteien k a n n ferner gefolgert werden, daß eine Gesellschaft, die unter A , B u n d C geschlossen werden soll, bei Nichtigkeit des Vertrages m i t C , zwischen den übrigen Personen, A und B , zustande k o m m t , oder daß, wenn mehrere Personen sich i n einem Vertrag als Gesamtschuldner 3 9 oder Mitbürgen verpflichten oder für eine Schuld Sicherheiten bestellen, u n d das Geschäft für eine dieser Personen nichtig ist, die Verpflichtungen oder Verfügungen der übrigen von der N i c h t i g k e i t nicht ergriffen w e r d e n 4 0 ; denn der Zweck der besseren Sicherheit, der beim Gläubiger vorliegt und dem sich die Interzedenten zu unterwerfen 35

KG.

asa

79, 438.

£ ) j 0 B e w e i s l a s t f ü r diese A n n a h m e

trifft

die

Partei,

welche

die

p a r t i e l l e G ü l t i g k e i t des G e s c h ä f t e s b e h a u p t e t , R G . 61, 284. 36

P l a n c k

36 a

Ein

§ 525, 1 c ; O e r t m a n n § 525, 5.

Vertrag ,

Vormundschaftsgerichts N o t e 32,

der

wegen

seiner

Dauer

der

k a n n für die kürzere Zeit gelten,

wenn anzunehmen ist,

d i e P a r t e i e n i h n f ü r diese Z e i t g e w o l l t h ä t t e n , R G . 37

R G . 79, 303.

38

D e r n b u r g II

Genehmigung

b e d a r f u n d dieselbe n i c h t e r h a l t e n h a t , v g l . 82,

des ob. daß

124.

§ 92 1 ; O e r t i n a n n § 139, 2 c.

Partielle

r e c h t e r h a l t u n g eines K a u f e s k a n n u . U . a u c h eine E r h ö h u n g des

Auf-

Kauf-

preises z u r F o l g e h a b e n : w e n n z. ß . eine v o m K ä u f e r n e b e n d e m K a u f p r e i s versprochene

Nebenleistung unmöglich

ist, u n d

angenommen

wird,

daß

d e r K a u f a u c h o h n e diesen n i c h t i g e n T e i l des V e r t r a g e s geschlossen w o r d e n wäre.

Vgl. die ähnliche B e s t i m m u n g 39

RG.

40

P l a n c k

§ 507,

1.

59, 174. § 421, 1 ;

O er t m a n n

§ 427, 7 ;

D e r n b u r g

§ 161 I V ; E n n e c e e r u s $ 315 I T 1 c ; O L G . 22, 1 4 4 ; 217. § 322

II.

II

Vgl. I. E n t w .

Drittes Buch.

286

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

pflegen, verlangt möglichste Aufrechterhaltung solcher Geschäfte 4 1 . Abweichend v o m Grundsatz des § 139 u n d ohne Rücksicht auf den hypothetischen Parteiwillen ist i n § 265 bestimmt, daß, wenn bei einer Wahlschuld eine der Leistungen unmöglich ist, das Schuldverhältnis sich auf die übrigen Leistungen beschränkt 4 2 . Ebenso k o m m t § 139 n i c h t zur Anwendung, wenn ein Mietvertrag über ein Grundstück für länger als ein Jahr m ü n d l i c h geschlossen i s t : nach § 566 g i l t ein solcher Vertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen, ohne daß es darauf a n k o m m t , ob dieses Resultat dem hypothetischen W i l l e n der Parteien entspricht 4 3 . I n einigen Fällen ergibt sich aus dem Zweck einer gesetzlichen Vorschrift, welche eine Vertragsklausel für n i c h t i g erklärt, daß durch die N i c h t i g k e i t dieser Klausel der ganze Vertrag nicht betroffen wird. So verhält es sich m i t den Vorschriften der §§ 443, 476, 540, 637, nach welchen der verabredete Ausschluß gewisser Verpflichtungen bei arglistigem Verhalten des Schuldners nichtig ist. So darf z. B . der Verkäufer, dem die N i c h t i g k e i t des pactum de evictione non praestanda entgegengehalten wird, nicht einwenden, daß er den Verkauf ohne diese Nebenabrede n i c h t geschlossen hätte 4 4 ; denn d a m i t wäre der Zweck des § 443 (Schutz des Käufers gegen Arglist des Verkäufers) vereitelt. Ebenso darf dem Dienstherrn n i c h t gestattet werden, N i c h t i g k e i t des Dienstvertrages nach § 139 zu behaupten, wenn sich herausstellt, daß ein Teil der Verabredung nach § 619 unzulässig ist 4 5 . Eine weitere Ausnahme v o n § 139 ergibt sich aus der abstrakten N a t u r der Verfügungen 4 6 . Gehört eine Verfügung zum Tatbestand eines Rechtsgeschäfts (z. B. einer Erfüllung, einer 4 1

R G . 78, 1 8 6 : e i n A b k o m m e n , d u r c h w e l c h e s e i n K o n k u r s g l ä u b i g e r

b e v o r z u g t w i r d , i s t n a c h K O . § 181 n i c h t i g , s o w e i t es f ü r d e n F a l l des Z w a n g s v e r g l e i c h e s g e t r o f f e n i s t , g ü l t i g , n a c h B G B . § 139, s o w e i t eine a n d e r e Bee n d i g u n g des K o n k u r s e s v o r a u s g e s e t z t w i r d u n d 42

O er t m a n n

43

P l a n c k

eintritt.

§ 265, 1.

§ 566, 5 ;

O e r t m a n n

§ 566, 4 ;

M i t t e 1 s t e i n ,

M i e t e § 21, 5 ; S e u f f A . 6 1 N r . 1 9 9 ; O L G . 20, 1 1 3 ; 22, 2 5 6 ; a. A . ti n n e c c e r u s § 349 A n m . 11 u . a n d . 44

R G . 62, 126. O e r t m a n n j

s c h e i d 40

Dasselbe g i l t auch für die nach H G B .

Verabredungen, A. A. 40

139, 2 a ; K i p p Z u s . 2 z u W

ind-

§ 82. S t a u b ,

S t a u d i n g e r V g l . o b . § 54

E x k u r s zu H G B .

§ 139,6. III.

§ 62 I V

§ 74 u n z u l ä s s i g e n

§ 62 A n m . 2 ; § 74 A n m .

5.

§ 5.

chtkeit.

287

Schenkung, eines Darlehens 4 7 ) , so ist ihre Wirksamkeit unabhängig von einer N i c h t i g k e i t der die causa herstellenden oder sie betreffenden Verabredung. F ü r das Testament statuiert § 2085 die grundsätzliche Selbständigkeit der einzelnen i m Testament enthaltenen Verfügungen, so daß die N i c h t i g k e i t einer solchen Verfügung nur dann die Nichtigkeit der übrigen zur Folge hat, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser diese ohne die nichtige Verfügung n i c h t getroffen haben würde 4 8 . Dagegen folgt der Erbvertrag der Regel des § 139, vgl. § 2298. V . E i n Rechtsgeschäft kann, so wie es v o n den Parteien gewollt ist, nichtig sein, weil es den gesetzlichen Erfordernissen nicht entspricht, dabei aber den Erfordernissen eines anderen Geschäftstypus 4 9 von ähnlichem Zweck u n d Erfolg genügen. 1st das der Fall, so soll nach § 140 das letztere Rechtsgeschäft gelten, wenn anzunehmen ist, daß dieses Rechtsgeschäft bei K e n n t n i s der N i c h t i g k i t des beabsichtigten Geschäftes gewollt sein würde 5 0 . Man pflegt diesen Vorgang nach dem Beispiel des gemeinen Rechts 5 1 K o n v e r s i o n 6 2 zu nennen. Es handelt sich bei der Konversion, wie bei der partiellen Gültigkeit (ob. I V ) nicht u m Auslegung eines w i r k l i c h vorhandenen Parteiwillens (denn gewollt ist tatsächlich nur das nichtige Geschäft), sondern u m E r m i t t l u n g eines hypothetischen Willens, d. h. dessen, was die 47

V g l . o b . § 50 N o t e 34, § 52 N o t e

48

I n e i n e m A u s s p r u c h des E r b l a s s e r s k ö n n e n m e h r e r e l o g i s c h

15.

r e c h t l i c h v o n e i n a n d e r z u s o n d e r n d e u n d d a h e r n a c h § 2085 V e r f ü g u n g e n e n t h a l t e n sein.

und

selbständige

So l i e g t z. B . i n d e r E n t z i e h u n g des P f l i c h t -

t e i l s , § 2333, i m p l i c i t e d i e E n t z i e h u n g des E r b t e i l s , § 1938, w e i l d i e E n t e r b u n g V o r a u s s e t z u n g d e r E n t s t e h u n g des P f l i c h t t e i l s i s t . I s t d i e E n t z i e h u n g des P f l i c h t t e i l s m a n g e l s eines g e s e t z l i c h e n G r u n d e s u n w i r k s a m , so i s t unterscheiden:

kannte der Erblasser die U n w i r k s a m k e i t

der

zu

Entziehung

des P f l i c h t t e i l s , so i s t d i e E n t e r b u n g n a c h d e r R e g e l des § 2 0 8 5

gültig.

G l a u b t e d e r E r b l a s s e r i r r t ü m l i c h e i n R e c h t z u r E n t z i e h u n g des P f l i c h t t e i l s z u h a b e n , so i s t d i e E n t e r b u n g u n w i r k s a m : d e n n es i s t a n z u n e h m e n , d a ß d e r E r b l a s s e r sie o h n e d i e E n t z i e h u n g des P f l i c h t t e i l s n i c h t v e r f ü g t 49

V g l . ob. § 51 N o t e

50

D e r n b ü r g

O. F i s c h e r ,

hätte.

13.

§ 119 I I I ; C r o m e

§ 81 I I ; B i e r r a a n n

§ 57 I I .

K o n v e r s i o n u n w i r k s a m e r R e c h t s g e s c h . , F e s t s c h r . f. W a c h .

61

W i n d s c h e i d

62

Der Ausdruck

§ 82, 5 ; R e g e l s b e r g e r

Konversion

§ 175 I I I .

ist n i c h t g l ü c k l i c h gewählt, d e n n

die

G ü l t i g k e i t des Geschäftes w i r d n i c h t d u r c h d e n R i c h t e r h e r g e s t e l l t , s o n d e r n beruht auf d e m

Gesetz.

Drittes Buch.

288

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

Parteien gewollt hätten, wenn sie die Nichtigkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäftes gekannt hätten. Dabei kann man von der Erwägung ausgehen, daß es den Parteien meistens mehr auf das praktische, insbesondere wirtschaftliche Resultat a n k o m m t , als auf die zur Erreichung desselben gewählte Rechtsform 5 3 , und daß sie i n Ermangelung der gewünschten Rechtswirkungen m i t gleichartigen, wenn auch vielleicht weniger intensiven Rechtswirkungen vorlieb genommen hätten. Die Konversion setzt ein nichtiges Rechtsgeschäft voraus 5 4 . Sie findet nicht statt, wenn die Parteien ein gültiges Geschäft m i t unrichtigem Namen bezeichnen, z. B . unter dem Namen eines Pachtvertrages eine Miete schließen 5 5 ; denn das Rechtsgeschäft ist n i c h t nach der v o n den Parteien gewählten Bezeichnung, sondern nach seinem I n h a l t zu beurteilen, d. h. nach den von den Parteien gewollten Rechtsfolgen zu beurteilen und vom Richter unter die diesem I n h a l t am besten entsprechende rechtliche Kategorie zu subsumieren. Die Konversion setzt ferner voraus, daß das nichtige Rechtsgeschäft nach Absicht u n d Meinung der Parteien gelten sollte. Daher ist keine Konversion möglich, wenn die Parteien die Nichtigk e i t ihres Geschäftes k a n n t e n ; dann fehlt ihnen der Rechtsfolgewille u n d es ist nicht anzunehmen, daß sie statt des nichtigen Geschäftes ein anderes gewollt hätten 5 6 . So k a n n z. B. ein Sehenkungsversprechen, bei welchem die notarielle Form, § 518, absichtlich nicht beobachtet wurde, n i c h t i n ein Vermächtnis konvertiert werden. Aus demselben Grunde findet keine Konversion statt, wenn n i c h t ein nichtiges, sondern ein unvollendetes Geschäft vorliegt 5 7 . H a t z. B. jemand eine Schenkungsofferte geschrieben u n d stirbt er vor Absendung derselben, so k a n n das Schriftstück, selbst wenn es dem § 2231, 2 genügt, nicht als Vermächtnis g e l t e n 5 8 . Eine Verpfändung, welche mangels der Anzeige des § 1280 unvollendet ist, k a n n nicht als Zession gelten 5 9 . 03

V g l . o b . § 50 N o t e

54

Ist

ein

126.

OLG.

gültiger Wechsel

24, 286.

präjudiziert

oder v e r j ä h r t ,

so k a n n er

n i c h t als S c h u l d s c h e i n z u r G e l t u n g g e b r a c h t w e r d e n , R G . 48, 2 3 0 ; S t a u W O . A r t . 83 A n m . 3 4 ; D a n z , 55

D e r n b u r g

56

V g l . o b . N o t e 33 u n d

07

V g l . o b . § 55, 1.

38

Vgl. unt.

59

Daher

ist

b

A u s l e g u n g 238.

§ 119 N o t e 4.

V g l . o b . § 50 N o t e

§ 50 N o t e

110.

169.

§ 61. der

Gläubiger,

so

lange

er

die

Anzeige

nicht

vor-

§ 5.

chtkeit.

289

Die Beispiele zulässiger Konversion sind zahlreich u n d verschiedenartig: ein Erbvertrag, der wegen Minderjährigkeit des Erblassers oder aus einem anderen Grunde nichtig ist, kann, wenn er den Formen des Testamentes entspricht, als solches gelten 6 0 . Wenn bei einem wegen Formfehler nichtigen öffentlichen Testament die vom Erblasser iibergebene Schrift (§ 2238 I ) den Erfordernissen des Privattestamentes genügt, k a n n sie als solches aufrechterhalten werden 6 1 . E i n v o n Nichtehegatten errichtetes und daher nichtiges gemeinschaftliches Testament, § 2265, k a n n als Einzeltestament des einen oder anderen Testators gelten, wenn es den Erfordernissen eines solchen e n t s p r i c h t 6 2 . Die Benennung eines Vormundes durch den Vater, § 1777, ist unwirksam, wenn das K i n d unter die elterliche Gewalt der M u t t e r fällt, k a n n aber genommen h a t , n i c h t gehindert, über die F o r d e r u n g a n d e r w e i t i g z u verfügen,

KG.

79, 309.

d u r c h Anzeige

gültig

Jedoch

liegt

geworden ist,

in

der V e r p f ä n d u n g

eine E r m ä c h t i g u n g ,

auch bevor die

z u e i g e n e m V o r t e i l e i n z u z i e h e n , T vi h r , u n w i d e r r u f l . V o l l m a c h t 00

P l a n c k ,

E r l . 4 c v o r § 2274.

sie

Forderung 80.

H ä t t e der Erblasser gewußt, daß

seine als u n w i d e r r u f l i c h g e w o l l t e V e r f ü g u n g n i c h t i g i s t , so h ä t t e e r e i n e testamentarische

Verfügung

desselben

Inhalts

these i s t a b e r n u r b e i e i n s e i t i g e n E r b v e r t r a g e n 61

P l a n c k

getroffen.

Diese

Hypo-

zutreffend.

§ 2 2 3 1 E r l . I I I 2 w i l l d i e K o n v e r s i o n n u r d a n n zulassen,

w e n n der Erblasser das S c h r i f t s t ü c k

als P r i v a t t e s t a m e n t

u n d es s o d a n n i n e i n ö f f e n t l i c h e s T e s t a m e n t v e r w a n d e l t . Falle liegt m . E r . eine K o n v e r s i o n n i c h t v o r .

hergestellt

hat

Gerade i n diesem

D e n n das S c h r i f t s t ü c k

war

ein gültiges P r i v a t t e s t a m e n t u n d h a t d u r c h die ungültige V e r h a n d l u n g v o r Gericht

oder N o t a r

diese E i g e n s c h a f t

nicht

verloren.

Von

Konversion

k a n n d a g e g e n d i e R e d e sein, w e n n d e r E r b l a s s e r e i n e U r k u n d e v o n v o r n h e r e i n z u d e m Z w e c k a n f e r t i g t , sie z u r E r r i c h t u n g eines ö f f e n t l i c h e n T e s t a ments zu verwenden.

T r o t z d i e s e r A b s i c h t des E r b l a s s e r s i s t d i e U r k u n d e ,

i h r e m I n h a l t e n t s p r e c h e n d , e i n P r i v a t t e s t a m e n t , k a n n a b e r n a c h § 2078 angefochten werden, weil der Erblasser d u r c h Herstellung der

Urkunde

eine E r k l ä r u n g dieses I n h a l t e s n i c h t a b g e b e n w o l l t e , v g l . o b . § 5 0 N o t e 168. W i r d diese U r k u n d e z u r E r r i c h t u n g eines ö f f e n t l i c h e n T e s t a m e n t s v e r w e n d e t , so l i e g t d a r i n eine w i e d e r h o l t e W i l l e n s e r k l ä r u n g , w e l c h e d i e s m a l d e m W i l l e n des E r b l a s s e r s e n t s p r i c h t u n d d a h e r d e r A n f e c h t u n g a u s § 2 0 7 8 n i c h t ausgesetzt ist.

D i e s e z w e i t e W i l l e n s e r k l ä r u n g i s t als ö f f e n t l i c h e s

Testament

g e w o l l t , k a n n a b e r , w e n n a l s solches u n g ü l t i g , als P r i v a t t e s t a m e n t a u f r e c h t erhalten werden; denn die Konversion beruht n i c h t darauf, was der E r b lasser w i r k l i c h w o l l t e (als e r d i e U r k u n d e h e r s t e l l t e ) , s o n d e r n d a r a u f , w a s er ( b e i E r r i c h t u n g des ö f f e n t l i c h e n T e s t a m e n t e s ) g e w o l l t h ä t t e , w e n n d i e N i c h t i g k e i t desselben g e k a n n t 62

Erbrecht

er

hätte.

M e y e r , E r b r e c h t § 58 A n m . 6 ; a. A . P 1 a n c k § 2265, 1 ; K i p p , § 24 A n m .

10.

Handbueh X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

19

290

Drittes Buch.

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

als Anordnung der Bestellung eines Beistandes, § 1687 Nr. 1, gelten. I n der ungültigen Erteilung einer Prokura durch einen Minderkaufmann liegt Erteilung einer H a n d l u n g s v o l l m a c h t 6 3 . E i n wegen Formfehler ungültiger Wechsel k a n n als Verpflichtungsschein oder Anweisung g e l t e n 6 4 . I n einer wegen mangelnder Schriftlichkeit, § 1154, unwirksamen Verpfändung einer H y p o t h e k kann die Bestellung eines obligatorischen Retentionsrechts am Hypothekenbrief l i e g e n 6 5 . W i r d eine unabtretbare Forderung (§ 399) zediert, so liegt darin als das jedenfalls gewollte Minus von Rechts Wirkung, eine (unwiderrufliche) Einziehungs v o l l m a c h t 6 6 ; ebenso i n einer meines Erachtens unzulässigen Zession der V i n d i kation 67. E i n wegen Formmangel (§ 311) nichtiger Vertrag über das ganze gegenwärtige Vermögen kann, wenn er eine Aufzählung der einzelnen Vermögensbestandteile enthält, als Verp f l i c h t u n g zur Veräußerung dieser einzelnen Bestandteile gelten 6 8 . A u f dem Gedanken der Konversion beruht ferner, daß man eine auf mehr als das Geschuldete gerichtete Mahnung als wirksam für die w i r k l i c h geschuldete Leistung b e t r a c h t e t 6 9 ; daß man eine nach §§ 250, 283, 326 bestimmte u n d zu kurz bemessene Frist i n eine angemessene Frist u m d e u t e t 7 0 ; daß einseitige Rechtsgeschäfte, welche mangels der gesetzlichen Erfordernisse unwirksam s i n d , als Offerten zu einem Vertrage von entsprechendem I n h a l t aufgefaßt w e r d e n 7 1 , z. B. eine verspätete K ü n d i g u n g oder eine bedingte Aufrechnung als Offerte zu einem Aufhebungs- resp. Aufrechnungsvertrag. Die unzulässige Veräußerung eines Gesellschaftsanteils kann in Zession der nach § 717 abtretbaren Forderungen aus dem Gesellschaftsverhältnis konvertiert werden. Speziell vom Gesetz ß:i

S t a u b ,

HGB.

§ 4 Anm.

24.

« 4 R G . 48, 230. A . A . S t a u b , W O . A r t . 4 A n m . 7 0 ; A r t . 06 A n m . 16 ( d e r z u U n r e c h t a n n i m m t , d a ß es i n § 140 B G B . a u f e i n e n w i r k l i c h e n , w e n n auch eventuellen W i l l e n der P a r t e i 85 6

RG.

« S c h o l l m e y e r

67

Bd. I

«8 R G .

ankommt.

66, 25. § 15 N o t e

§ 39, 2. 109.

76, 3.

« ö P 1 a n c k § 294, 4 c ; O e r t m a n n § 284, 2 d ; R G . 68, 3 2 9 ; O L G . 22, 203. 70

RG.

62, 6 6 ; D e r n b u r g

§ 250, 3 ; E n n e c c e r u s 71

V g l . o b . § 53 N o t e

JI

§ 238, 4 a, 30.

§ 33, 4 ; § 98 I V 2 ; O e r t m a n n

§ 5.

chtkeit.

291

vorgeschrieben ist die Konversion i n § 2101 7 2 ; eine unwirksame Erbeseinsetzung einer zur Zeit des Erbfalls noch nicht erzeugten Person soll als Nacherbeneinsetzung behandelt werden, außer wenn dieses Resultat dem hypothetischen W i l l e n des Erblassers nicht e n t s p r i c h t 7 3 . Verwandt m i t der Konversion sind einige Fälle, i n denen das Gesetz ohne Rücksicht auf den hypothetischen W i l l e n der Parteien dem v o n ihnen gewollten Rechtsgeschäft ein anderes substituiert. Nach § 150 g i l t die verspätete Annahme eines A n trags als neuer A n t r a g 7 4 , eine v o m I n h a l t der Offerte abweichende Annahme als Ablehnung verbunden m i t einem neuen Antrag, auch wenn ein hypothetischer W i l l e des Annehmenden i n dieser R i c h t u n g nicht zu konstatieren i s t 7 5 . A u f ein Schenkungsversprechen mortis causa sollen nach § 2301 die Vorschriften über Verfügungen von Todeswegen Anwendung finden: enthält ein Schenkungsvertrag die B e d i n g u n g , daß der Beschenkte den Schenker ü b e r l e b t 7 6 , so ist er, selbst wenn er der F o r m des § 518 genügt, als Schenkungsvertrag unwirksam, gilt aber als Ver72

P l a n c k

7:1

U n z u l ä s s i g s c h e i n t m i r d i e K o n v e r s i o n eines f o r m l o s e n B ü r g s c h a f t s -

§ 2101, 1.

v e r s p r e c h e n s i n e i n e n K r e d i t a u f t r a g , § 778 (a. A . C r o m e S t a u d i n g e r w e n n er die

§ 140, 4).

Nichtigkeit

§ 81 A n m ,

17;

D e n n es i s t z w a r a n z u n e h m e n , d a ß d e r B ü r g e , der formlosen

Erklärung

gekannt

hätte,

einen

K r e d i t a u f t r a g erteilt h ä t t e ; n i c h t aber daß der Gläubiger, der einen B ü r g e n a n n e h m e n w o l l t e , s t a t t dessen e i n e n K r e d i t a u f t r a g , d . h . eine V e r p f l i c h t u n g zur

Kreditgewährung,

übernommen

hätte.

Ein

lässiger K o n v e r s i o n f i n d e t s i c h b e i P l a n c k

anderes Beispiel

unzu-

§ 4 5 5 , 5 : der bei der

Auf-

lassung unzulässige E i g e n t u m s v o r b e h a l t l ä ß t sich m . E r . i n die V e r a b r e d u n g eines R ü c k t r i t t r e c h t s

konvertieren,

nicht

aber i n das Versprechen,

eine

H y p o t h e k f ü r d e n K a u f p r e i s z u b e s t e l l e n , v g l . O e r t m a n n § 455, 2. 74

Vgl. unt,

70

Z i t e l m a n n ,

§ 62. Rechtsgeschäfte I 122; O o r t m a n n

§ 150,

lb.

D a § 150 d i s p o s i t i v e n R e c h t e n s i s t , k a n n d e r A n n e l i m e n d e seiner E r k l ä r u n g , f ü r d e n F a l l , d a ß sie v e r s p ä t e t e i n t r i f f t , d i e B e d e u t u n g e m e r O f f e r t e ziehen.

ent-

H a t er d a s a b e r n i c h t g e t a n , so k a n n d e r O f f e r e n t d i e v e r s p ä t e t e

Annahme

als n e u e O f f e r t e

betrachten,

was der A n n e h m e n d e gewollt hätte,

ohne daß

wenn

es d a r a u f

er d i e s e n F a l l

ankommt,

vorausgesehen

hätte. 76

I s t e i n S c h e n k u n g s v e r t r a g n i c h t u n t e r dieser B e d i n g u n g geschlossen,

s o n d e r n n u r d i e E r f ü l l u n g a u f d e n T o d des S c h e n k e r s h i n a u s g e s c h o b e n , so findet § 2301 keine A n w e n d u n g , P l a n c k

§ 2 3 0 1 , 1. E i n s o l c h e r V e r t r a g

k a n n , w e n n er w e g e n F o r m m a n g e l n i c h t i g i s t , n a c h § 140 i n e i n V e r m ä c h t n i s konvertiert

werden. 19*

292

Drittes Buch.

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

mächtnisvertrag oder als T e s t a m e n t 7 7 , wenn er den Erfordernissen eines dieser Rechtsgeschäfte e n t s p r i c h t 7 8 . V I . Die N i c h t i g k e i t eines Rechtsgeschäftes ist begriffsmäßig definitiv u n d unheilbar: Rechtsgeschäfte, welche bei H i n z u t r i t t späterer Ereignisse oder Wegfall entgegenstehender Tatsachen zur W i r k u n g kommen können, sind n i c h t als ungültig, sondern als unvollendet zu betrachten 7 9 . E i n nichtiges Rechtsgeschäft bleibt für alle Zeit unwirksam, auch wenn der die N i c h t i g k e i t begründende U m s t a n d weggefallen i s t 8 0 : so w i r d z. B . die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nicht dadurch gültig, daß ihr Urheber die Geschäftsfähigkeit erlangt; ein obligatorischer Vertrag w i r d n i c h t dadurch gültig, daß die bei Abschluß desselben unmögliche Leistung späterhin möglich w i r d 8 1 ; ein gemeinschaftliches Testam e n t w i r d n i c h t dadurch gültig, daß die Personen, welche es err i c h t e t haben,, nachträglich eine Ehe e i n g e h e n 8 2 ; eine grundlose K ü n d i g u n g w i r d nicht dadurch wirksam, daß ein Kündigungsgrund nachträglich e n t s t e h t 8 3 . Insbesondere w i r d ein obligatorischer V e r t r a g n i c h t dadurch gültig, daß er v o n einem oder beiden K o n trahenten freiwillig erfüllt wird. W e n n das Gesetz i n einigen Fällen der E r f ü l l u n g heilende K r a f t beilegt 8 4 , so sind diese Fälle der U n w i r k s a m k e i t eben dadurch aus dem Begriff der Nichtigkeit ausgeschieden. Wollen die Parteien die wegen N i c h t i g k e i t des Geschäftes ausgebliebenen Rechts Wirkungen nach Beseitigung des Nichtigkeitsgrundes herbeiführen, so müssen sie ein neues Rechtsgeschäft v o n diesem I n h a l t abschließen; das frühere, von der Nichtigkeit betroffene Rechtsgeschäft ist u n d bleibt ungültig u n d kann nicht durch späteren W i l l e n der Parteien i n Wirksamkeit treten. 77

E s e n t s t e h t i n A b w e i c h u n g v o n d e m , w a s d i e P a r t e i e n gesagt u n d

gewollt haben, keine Schenkungsforderung,

sondern ein Vermächtnis.

78

Vgl. auch H G B .

79

V g l . o b . § 55 N o t e

80

Q u o d a b i n i t i o v i t i o s u m est, n o n p o t e s t t r a c t u t e m p o r i s c o n v a l e s -

§ 682. 18.

cere, f r . 29 D . 50, 17. D i e E r s i t z u n g i s t n i c h t H e i l u n g des u n g ü l t i g e n E r w e r b s g e s c h ä f t s , s o n d e r n o r i g i n ä r e r E r w e r b , v g l . o b . § 44 N o t e 41. 81

Vgl.

82

P l a n c k

83

O e r t m a n n

Anm.

7. 84

§ 308. § 2265, 1. § 626, 4 ; O L G . 21, 3 8 3 ; a. A . S t a u b ,

V g l . o b . § 53 N o t e

H e i l u n g des F o r m m a n g e l s ,

§§ 313, 518,

G e s c h ä f t e M i n d e r j ä h r i g e r , § 110, v g l . u n t . § 59 V I I . § 57.

H G B . § 70

70. 766,

v g l . u n t . § 63

II,

V g l . ferner Börsenges.

§ 5.

chtkeit.

293

Trotzdem k o m m t es vor, daß die Parteien, i n Unkenntnis des Gesetzes, einem nichtigen Rechtsgeschäft nachträglich W i r k samkeit verleihen, das Geschäft bestätigen wollen. Diesen E r f o l g können sie so, wie sie sich i h n denken, nicht erreichen, aber i h r Wille bleibt nicht wirkungslos; denn das Gesetz bestimmt i n § 141 I , daß die Bestätigung eines nichtigen Geschäftes als erneute Vornahme zu beurteilen ist. D a m i t ist ausgesprochen, daß die Bestätigung allen Erfordernissen des zu bestätigenden Rechts geschäftes genügen m u ß : die Parteien müssen die Absicht haben, einen rechtgeschäftlichen Erfolg h e r b e i z u f ü h r e n 8 5 ; diese A b s i c h t ist aber ausgeschlossen, wenn die Parteien das frühere Geschäft für gültig halten 8 6 . Ferner müssen die bei der Bestätigung abgegebenen Erklärungen den I n h a l t des Rechtsgeschäftes wiedergeben, wobei eine Ergänzimg aus den früher abgegebenen nichtigen Erklärungen zulässig i s t 8 7 . I s t das zu bestätigende Geschäft einseitig und empfangsbedürftig, so muß eine neue E r k l ä r u n g an den Gegner erfolgen u n d i h m z u g e h e n 8 8 . Die Bestätigung eines Vertrages verlangt Einigung beider Parteien 8 9 . H a n d e l t es sich u m ein formloses Geschäft, so k a n n die Bestätigung i n konkludentem Handeln bestehen; insbesondere ist die E r f ü l l u n g eines obligatorischen Vertrages bei K e n n t n i s der N i c h t i g k e i t u n d nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes meistens als Bestätigung zu betrachten 9 0 . I s t für das Rechtsgeschäft eine F o r m vorgeschrieben, so muß sie bei der Bestätigung wiederholt w e r d e n 9 1 : eine nichtige schriftliche E r k l ä r u n g muß nochmals schriftlich ab85

Anders, w e n n bei e i n e m u n v o l l e n d e t e n Geschäft e i n fehlendes

Er-

f o r d e r n i s n a c h g e h o l t w i r d , z. B . w e n n n a c h E i n i g u n g ü b e r d e n E i g e n t u m s ü b e r g a n g d i e Sache ü b e r g e b e n w i r d ; d i e P a r t e i e n b r a u c h e n n i c h t z u w i s s e n , d a ß sie d i e R e c h t s f o l g e e r s t d u r c h d i e U b e r g a b e h e r b e i f ü h r e n ;

die

d i t i o n ist wirksam, auch w e n n beide Teile der A n s i c h t waren, daß

Tradas

E i g e n t u m s c h o n d u r c h d i e E i n i g u n g ü b e r g e g a n g e n sei, v g l . o b . § 50 N o t e 115. 86

P l a n c k

§ 141, 1.

O L G . 6, 34.

Eine E r k l ä r u n g , die sich auf ein

v e r m e i n t l i c h g ü l t i g e s G e s c h ä f t b e z i e h t , k a n n n i c h t B e s t ä t i g u n g sein, s o n d e r n n u r Anerkennung, welche d u r c h den Beweis der U n r i c h t i g k e i t oder d u r c h R ü c k f o r d e r u n g n a c h § 812 I I b e s e i t i g t w e r d e n

kann.

87

O e r t m a n n

88

I s t z. B . e i n e A u f r e c h n u n g w e g e n h i n z u g e f ü g t e r B e d i n g u n g n i c h t i g ,

§ 141, 2.

so k a n n sie d u r c h e i n e u n b e d i n g t e , a n d e n G e g n e r g e r i c h t e t e , bestätigt

werden.

89

R G . 61, 266.

90

OLG.

9 1

R G . 55, 40.

13, 27.

OLG.

24, 266,

Erklärung

Drittes Buch.

294

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

gegeben werden; ein bloßer schriftlicher Verweis auf die bei Abschluß des nichtigen Geschäfts abgegebene Urkunde genügt n i c h t 9 2 . D a die Bestätigung als erneute Vornahme des Geschäftes zu beurteilen ist, so k o m m t für die Gültigkeit des Geschäftes nur der Moment der Bestätigung i n B e t r a c h t ; Nichtigkeitsgründe, die dem früheren Geschäft entgegenstanden u n d mittlerweile weggefallen sind, stehen der Bestätigung nicht i m Wege. So kann z. B . ein wegen Wucher nichtiges Rechtsgeschäft bestätigt werden, wenn die Notlage aufgehört hat 9 3 . Die Bestätigung hat keine rückwirkende K r a f t . W i r d eine i m Januar vorgenommene nichtige Verfügung i m J u l i bestätigt, so ist das Recht des Erwerbers i m J u l i entstanden; hat der Veräußerer i n der Zwischenzeit zugunsten des X verfügt, so bleibt das Recht des X bestehen, es sei denn, daß es durch den guten Glauben des Erwerbers beseitigt wird. Eine R ü c k w i r k u n g herbeizuführen steht nicht i n der Macht der Parteien 9 4 . Dagegen können die Parteien durch nachträgliche Leistung einander soviel gewähren, als jede von ihnen haben würde, wenn ein früher geschlossenes Rechtsgeschäft v o n Anfang an g ü l t i g gewesen wäre. Eine solche Absicht ist bei Bestätigung v o n Verträgen meistens vorhanden; daher soll nach der Auslegungsregel des § 141 I I eine dahingehende Verpflichtung der Parteien i m Zweifel angenommen werden 9 5 . W i r d z. B . ein i m Januar geschlossener nichtiger Pachtvertrag i m J u l i bestätigt, so hat der Pächter für das abgelaufene H a l b j a h r den Pachtzins zu entrichten; die Früchte dieses Halbjahrs sind zwar nicht nach § 956 sein E i g e n t u m geworden, er k a n n sie aber nach § 141 I I beanspruchen; hätte der Verpächter vor der Bestätigung das Grundstück veräußert, so würde dem Pächter der Schutz des § 571 nicht zur Seite stehen. 92

Vgl. unt.

93

U r t . des R G . v o m 10. 2. 10 ( D J Z . 15, 595).

§ 63

§ 181 v e r s t o ß e n d e r

III.

Vertrag nach gerichtlicher

W i r d e i n gegen K O .

B e s t ä t i g u n g des

Zwangs-

v e r g l e i c h e s v o n d e n P a r t e i e n b e s t ä t i g t , so e r g i b t s i c h m . E r . aus d e m P r i n z i p des § 141 B G B . d i e G ü l t i g k e i t dieser B e s t ä t i g u n g , w e i l e i n n a c h B e s t ä t i g u n g des Z w a n g s v e r g l e i c h s g e t r o f f e n e s S o n d e r a b k o m m e n v o m V e r b o t des § 181 K O . nicht berührt wird, J ä g e r , 94

V g l . o b . § 43 S. 28.

95

Auch

verfrühten

bei

Bestätigung

Kündigung

die R e c h t s w i r k u n g e n

K O . § 181 A n m . 4. A . A . R G . 61, 299. z. B .

einer

werden,

daß

so z u b e m e s s e n s i n d , w i e w e n n das e i n s e i t i g e

Ge-

einer

s c h ä f t g ü l t i g gewesen w ä r e .

eines

einseitigen

Gesellschaft

kann

Geschäftes, verabredet

§ 5.

chtkeit.

295

V I I . Anders als bei sonstigen Rechtsgeschäften behandelt das Gesetz die N i c h t i g k e i t der Eheschließung. Es unterscheidet zwei Arten der Nichtigkeit, je nachdem die Eheschließung i n das Heiratsregister des Standesbeamten eingetragen ist oder nicht. 1. Die n i c h t eingetragene nichtige Ehe (matrimonium non existens 9 6 ) hat, wie sonstige nichtige Rechtsgeschäfte, keinerlei Wirkungen u n d k a n n durch spätere Tatsachen nicht gültig werden. Die Nichtigkeit kann jederzeit u n d i n jeder Prozeßlage vorgebracht werden: incidenter oder in einer Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe, ZPO. § 606 1 9 7 . 2. Anders verhält es sich, wenn die nichtige Ehe eingetragen ist (matrimonium n u l l u m 9 8 ) . Die Eintragung beruht zwar auf einer Sollvorschrift 9 8 a , § 1318 I I I , und ist daher, wenn die Voraussetzungen einer gültigen Ehe vorliegen, irrelevant; da sie aber v o m Standesbeamten vorgenommen w i r d , v o n welchem die Erfordernisse der Eheschließung geprüft werden u n d vor welchem die Eheschließung stattfindet, so besteht eine starke V e r m u t u n g für die Gültigkeit einer eingetragenen Ehe. Bei der sittlichen Bedeutung der Ehe u n d ihrer besonderen W i c h t i g k e i t für die Lebensstellung der Ehegatten und ihrer Nachkommen erachtet der Gesetzgeber es für u n z u l ä s s i g " , daß eine nichtige Ehe, wenn sie durch den E i n t r a g äußerlich dokumentiert ist, einfach ignoriert oder gelegentlich i n ihrer Gültigkeit bestritten wird, wie das bei 96

D i e s e r F a l l d e r N i c h t i g k e i t w i r d v e r s c h i e d e n b e z e i c h n e t : als f o r -

melle N i c h t i g k e i t ( s P l a n c k ( S t a u d i n g e r

E r l . I I 1 v o r § 1323), a b s o l u t e

m a n n , Festgabe für B e k k e r II

Nichtigkeit

E r l . I I I v o r § 1323), u n m i t t e l b a r e N i c h t i g k e i t (Z i t e 1 153). C o s a c k § 315 u n d E n d e m a n n

§ 161, 3 s p r e c h e n v o n e i n e r , , N i c h t e h e " ,

ebenso

H e 11 w i g ,

Lehrb.

§ 34 N o t e 42. 97

W i e die nichteingetragene n i c h t i g e E h e ist der F a l l z u behandeln,

d a ß d i e E h e n i c h t i g i s t , w e i l sie z w i s c h e n P e r s o n e n desselben G e s c h l e c h t s geschlossen i s t , § 26 I

E n d e m a n n

§ II

§ 160, 3 a ;

W o l f f ,

Familienrecht

2.

98

Materielle

Nichtigkeit

(Planck),

relative

Nichtigkeit

(Stau-

d i n g e r ) , m i t t e l b a r e N i c h t i g k e i t (Z i t e 1 m a n n ) , S c h e i n e h e (C o s a c k ) , scheingültige E h e ( E n d e m a n n), vernichtbare E h e ( W o 1 f f , Familienrecht

§ 26 I I ) . 98 a 99

V g l . ob. § 51 N o t e D i e besondere

2.

Wichtigkeit

der E h e h a t

v e r a n l a ß t , i n § 1323 d i e N i c h t i g k e i t s g r ü n d e

den

Gesetzgeber

der E h e erschöpfend

z ä h l e n u n d d a b e i d i e F ä l l e d e r §§ 116, 2, 117, 118 n i c h t z u e r w ä h n e n .

ferner aufzuAuch

V e r s t o ß gegen d i e g u t e n S i t t e n , § 138, i s t k e i n N i c h t i g k e i t s g r u n d d e r E h e .

Drittes Buch.

296

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

anderen Rechtsgeschäften, insbesondere denen des Vermögensrechts, geschehen darf. Vielmehr soll über Gültigkeit oder Nichtigkeit einer eingetragenen Ehe i n einem besonderen Verfahren, durch Erhebung einer Nichtigkeitsklage gestritten werden. Daher bestimmt § 1329, daß die N i c h t i g k e i t einer eingetragenen Ehe nicht geltend gemacht werden kann, bevor die Ehe i m Wege der Nichtigkeitsklage, durch rechtskräftiges Urteil, für nichtig erklärt ist 1 0 ° . Daraus ergibt sich, daß die eingetragene Ehe bis zu diesem Moment als bestehend zu respektieren ist 1 0 1 und m i t allen W i r kungen einer gültigen Ehe 1 0 2 ausgestattet ist. D u r c h das Nichtigkeitsurteil werden diese W i r k u n g e n ex tunc aufgehoben 1 0 3 . Die für nichtig erklärte Ehe hinterläßt aber gewisse Wirkungen : zugunsten gutgläubiger D r i t t e r , § 1344, zugunsten des gutgläubigen Ehegatten, § 1345, u n d zugunsten der K i n d e r aus dieser Ehe, § 1699 1 0 4 . Ferner k a n n die eingetragene nichtige Ehe, i n Abweichung v o m Prinzip der Nichtigkeit, durch nachträgliche Tatsachen ex tunc g ü l t i g werden, §§ 1324 I I , 1325 I I , 1328 I I . Daraus ergibt sich, daß eine v o m Gesetz als nichtig bezeichnete Ehe, wenn sie eingetragen ist, n i c h t i n demselben Sinne nichtig ist, in welchem das Gesetz den Ausdruck N i c h t i g k e i t sonst gebraucht, sondern sich als ein m i t Rechtswirkungen ausgestattetes, allerdings der rückwirkenden Vernichtung ausgesetztes 1 0 5 Rechts100

W

ist, bedarf

e n n die n i c h t i g e E h e d u r c h T o d oder Scheidung aufgelöst

es z u r

Geltendmachung

ihrer

Nichtigkeit

keines

besonderen

Verfahrens. 101

D a ß es a u f d e n M o m e n t d e r R e c h t s k r a f t a n k o m m t , i s t i m Gesetz

n i c h t g e s a g t , e r g i b t s i c h a b e r a u s d e r A n a l o g i e d e r S c h e i d u n g s k l a g e , § 1564. 102 V g l . I . E n t w . § 1252 I . 10 3 ^ i e d e r A n f e c h t u n g , v g l . u n t . § 57.

V o n der

Anfechtbarkeit

unterscheidet sich die N i c h t i g k e i t der eingetragenen E h e p r a k t i s c h dadurch, daß

die

Nichtigkeitsklage

zusteht, ZPO. beiden

jedem

Interessenten

§ 632, d i e A n f e c h t u n g s k l a g e

und

dem

Staatsanwalt

i n der Regel n u r einem

der

Ehegatten.

104

D i e eingetragene nichtige E h e h i n t e r l ä ß t ferner n a c h der N i c h t i g -

keitserklärung

das E h e h i n d e r n i s der W a r t e z e i t ,

§ 1313.

Im

Rechte

der

G l ä u b i g e r a n f e c h t u n g ( K O . § 32 N r . 2, A n f G . § 3 N r . 2) s i n d d i e d u r c h eine nichtige Ehe

verbundenen

Personen, w e n n die E h e eingetragen ist,

Ehegatten zu betrachten, J ä g e r 105

KO. § 3 Anm.

D a d a s N i c h t i g k e i t s u r t e i l d i e b i s z u seiner R e c h t s k r a f t b e s t e h e n d e n

W i r k u n g e n d e r „ n i c h t i g e n " E h e z u r A u f h e b u n g b r i n g t , i s t es n i c h t P l a n c k

E r l . I I 3 v o r § 1323, K o h l e r H e l l w i g ,

A n s p r u c h 467,

(mit

Z Z P r o z . 29, 9 u . a.) als F e s t -

stellungsurteü z u bezeichnen, sondern zu den k o n s t i t u t i v e n rechnen,

als

24.

Rechtskraft

Urteilen

65, 451, L e h r b .

zu

§ 34

§ 57.

Anfechtbarkeit.

297

Verhältnis darstellt 1 0 6 . Daß das Gesetz solche Ehen als v o n Anfang an nichtig bezeichnet u n d nur diè Geltendmachung der Nichtigkeit ausschließt, ist eine theoretische Vorstellung, welche vor der v o m Gesetz angeordneten wirklichen Rechtslage n i c h t standhält: denn eine N i c h t i g k e i t eines Rechtsgeschäftes, die v o n niemandem geltend gemacht werden kann, ist nichts anderes, als Wirksamkeit 1 0 7 .

§ 57.

Anfechtbarkeit *.

I . E i n Rechtsgeschäft ist anfechtbar , wenn es infolge eines dem Tatbestand anhaftenden Mangels die beabsichtigten RechtsWirkungen zwar hervorbringt, diese Wirkungen aber durch Ausübung eines negativen R e c h t s 1 (des Anfechtungsrechts) ex tunc aufgehoben werden können: das angefochtene Rechtsgeschäft ist als von Anfang an n i c h t i g anzusehen, § 142 I . Das anfechtbare Geschäft hat zunächst alle W i r k u n g e n eines gültigen Geschäftes: anfechtbare T r a d i t i o n überträgt E i g e n t u m ; aus einem anfechtbaren Schuldvertrag entstehen Forderungen; daß der Schuldner sich durch Anfechtung von seiner P f l i c h t befreien kann, hindert nicht die Tatsache, daß er, solange er nicht A n m . 42, L a n g h e i n e k e n , W o l f f ,

Familienr.

U r t e i l 244, Z i t e 1 m a n n a. a. O .

§ 26 A n m .

12,

wenn

m a n es n i c h t

U r t e i l s l e h r e 96 f g . , i n d i e v o n i h m a u f g e s t e l l t e K a t e g o r i e d e r

mit

153,

K i sc h ,

„auslösenden"

Urteile stellen will. ios D e r r e c h t l i c h e B e s t a n d e i n e r e i n g e t r a g e n e n „ n i c h t i g e n " E h e z e i g t sich auch daran,

daß

sie i m

Gegensatz

zu sonstigen nichtigen

Rechts-

g e s c h ä f t e n a n g e f o c h t e n w e r d e n k a n n , v g l . u n t . § 57 N o t e 15. I s t z. B . e i n E h e g a t t e z u r Z e i t d e r E h e s c h l i e ß u n g g e s c h ä f t s u n f ä h i g u n d b e s t ä t i g t er d i e Ehe nach erlangter Geschäftsfähigkeit, klage

ausgeschlossen.

Anfechtungsrecht

Mit

Einen

aber

ein die

ähnlichen werden

5 J a h r e n geheilt.

konkurriert

wird. Charakter

hat

P a t G e s . § 10, 28, D e r n b u r g V I § 89. geltend gemacht

so i s t d i e N i c h t i g k e i t s -

des a n d e r e n E h e g a t t e n aus § 1333, w e l c h e s d u r c h

Bestätigung nicht beseitigt 107

§ 1325 I I ,

der Nichtigkeitsklage

und

ist

in

die

Nichtigkeit

des

Patentes,

Sie m u ß i n b e s o n d e r e m V e r f a h r e n

gewissen F ä l l e n d u r c h A b l a u f

I m F a l l des § 10 N r . 3 ,

i n welchem der A n t r a g

von auf

N i c h t i g k e i t s e r k l ä r u n g n u r v o m V e r l e t z t e n g e s t e l l t w e r d e n k a n n (§ 28 I I ) , h a n d e l t es s i c h u m A n f e c h t b a r k e i t , * W i n d s c h e i d

vgl. ob. N o t e

§ 82, 1 u n d

K i p p ,

§ 82; R e g e l s b e r g e r

§ 174, 2 ; D e r n b u r g

§ 75; C r o m e

C o s a c k

K o h l e r 1

§ 80 I I ;

§ 67; B i e r m a n n

Vgl. Bd. I

§ 10.

103.

Bem.

II

§ 117/8;

zu

Windscheid

E n d e m a n n

§ 53 I I I 2 ; E n n e c c e r u s

§ 56; Z i t e l m a n n

S. 102.

§ 190;

298

Drittes Buch.

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

angefochten hat, zur Leistung verpflichtet ist 2 . Der Anfechtungsberechtigte hat gegen Ansprüche aus dem anfechtbaren Geschäft auch keine aufschiebende Einrede 3 : solange er das Geschäft nicht anficht — u n d er k a n n gute Gründe haben, es nicht zu t u n 4 — muß er die sich daraus für i h n ergebenden Pflichten erfüllen 5 . M i t Wegfall des Anfechtungsrechts w i r d das Geschäft definitiv wirksam. Solange aber die Anfechtung möglich ist, bleibt das Rechtsgeschäft i n der Schwebe: es ist der Gefahr ausgesetzt, seine W i r k u n g e n so zu verlieren, wie wenn sie nie eingetreten wären 6 . Der Fortbestand oder Wegfall der Wirkungen des Geschäfts hängt v o m Willensentschluß einer bestimmten Person (des Anfechtungsberechtigten 7 ) ab. D a r i n liegt eine rechtliche 2

B d . 1 § 10 N o t e

a

B d . 1 § 10 N o t e

Anfechtungsberechtigte

12; § 17 N o t e 8. 11. aus

Schadensersatzforderung

N u r bei D r o h u n g u n d Täuschung seiner,

neben

eine E i n r e d e ,

der

Anfechtung

vgl. unt.

§ 68 V I I

hat

2.

Aus

W o r t l a u t d e r §§ 2083, 2345 ( v g l . u n t , N o t e 121) f o l g e r t H e l l w i g , § 36 N o t e

43,

Anfechtungsfrist anfechtbaren

daß

dem

Anfechtungsberechtigten

der

bestehenden dem

Lehrb.

auch vor Ablauf

der

eine p e r e m p t o r i s c h e E i n r e d e gegen A n s p r ü c h e a u s d e m

Geschäft

zustehe.

M. Er.

besteht

für

eine solche E i n r e d e

weder Bedürfnis n o c h rechtliche Möglichkeit : denn der Schuldner

kaim,

w e n n er s i c h v o n d e r L e i s t u n g b e f r e i e n w i l l , a n f e c h t e n ; u n d w e n n er d i e Leistung unter

Berufung auf

den Anfechtungsgrund definitiv verweigert,

so l i e g t d a r i n d i e A u s ü b u n g seines 4

Anfechtungsrechts.

Z . B . w e i l er d i e a u s d e m R e c h t s g e s c h ä f t f ü r i h n selbst e r w a c h s e n d e n

R e c h t e n i c h t v e r l i e r e n w i l l , o d e r w e i l er eine E r s a t z p f l i c h t a u s § 122 s c h e u t . 5

E r k a n n a u f F e s t s t e l l u n g seines A n f e c h t u n g s r e c h t s k l a g e n , w e n n er

e i n r e c h t l i c h e s I n t e r e s s e d a r a n h a t , d a ß dies R e c h t f e s t g e s t e l l t w i r d , b e v o r er es a u s ü b t , H e l l w i g 6

Anspruch

§ 55 I I

3.

D a h e r e r w ä c h s t f ü r D r i t t e , d e n e n das A n f e c h t u n g s r e c h t

nicht

zu-

s t e h t , a u s d e r A n f e c h t b a r k e i t eine a u f s c h i e b e n d e E i n r e d e gegen A n s p r ü c h e a u s d e m a n f e c h t b a r e n G e s c h ä f t ; v g l . B d . I § 17 N o t e 6 2 ; das i s t b e s t i m m t für den Bürgen,

§ 770 I , u n d d e n E i g e n t ü m e r d e r P f a n d s a c h e ,

1211, u n d i s t a n a l o g a n z u n e h m e n f ü r d e n S c h u l d ü b e r n e h m e r ,

A n s p r u c h § 2 S. 18. A u c h d e m d e b i t o r cessus w i l l H e l l w i g , S. 214 A n m . 14 a u n d R e c h t s k r a f t A n f e c h t b a r k e i t der Zession geben. und D e r n b u r g I I

§§ 1137,

H e l l w i g , Anspruch

S. 119 A n m . 20 eine E i n r e d e aus d e r Dagegen, m i t R e c h t , P l a n c k

§ 142, 4

§ 140 I V ; d e n n d e r S c h u l d n e r k a n n , w e n n i h m d i e

Z e s s i o n v o m Z e d e n t e n a n g e z e i g t i s t , m i t S i c h e r h e i t a n d e n Zessionar l e i s t e n , § 4 0 9 , u n d o h n e d i e A n z e i g e b r a u c h t er n i c h t z u l e i s t e n , § 4 1 0 ; er k o m m t d a h e r n i c h t i n d i e G e f a h r , eine L e i s t u n g v o r n e h m e n z u m ü s s e n , d i e s i c h i n f o l g e e i n e r A n f e c h t u n g d e r Z e s s i o n als u n w i r k s a m e r w e i s t . a u c h k e i n G r u n d vor, i h m die vorläufige

Es liegt daher

Verweigerung der Leistung

zu

gestatten. 7

Anfechtbarkeit

statuiert

das Gesetz d a , w o v o m

Standpunkt

der

§ 57.

Anfechtbarkeit.

299

Schwäche des Geschäftes, welche dazu befugt, das anfechtbare Geschäft, trotz seiner zunächst vorliegenden Wirksamkeit, neben dem nichtigen Geschäft als mangelhaft oder ungültig zu bezeichnen 8 Eine andere, meines Erachtens weniger zutreffende Anschauung 9 w i l l den während der Anfechtbarkeit bestehenden Schwebezustand so auffassen, daß das anfechtbare Rechtsgeschäft von vornherein nichtig ist, diese Nichtigkeit aber erst durch die Anfechtung enth ü l l t w i r d ; die Anfechtung soll nicht rechtszerstörend (konstit u t i v ) , sondern deklarativ wirken. Diese Auffassung w i r d meines Erachtens der tatsächlichen Rechtslage nicht gerecht 1 0 : denn es darf, trotz der rückwirkenden K r a f t der Anfechtung, n i c h t ignoriert werden, daß die Wirkungen des Geschäfts bestanden haben 1 1 und erst infolge der Anfechtung wegfallen resp. für die Vergangenheit als nicht eingetreten zu betrachten sind 1 2 . Daß die Anfechtung ein rechtszerstörender A k t ist, zeigt sich besonders deutlich daran, daß ein nicht mehr anfechtbares Geschäft i n jeder Beziehung einem v o n vornherein gültigen Geschäft gleichsteht, während es nach der Ansicht der Gegner m i t einer, allerdings latenten Nichtigkeit, behaftet wäre. Die Anfechtung setzt begrifflich Wirksamkeit des anzufechtenden Rechtsgeschäftes voraus 1 3 . E i n nichtiges Geschäft braucht A l l g e m e i n h e i t aus d e r G ü l t i g k e i t des G e s c h ä f t e s n i c h t s e n t g e g e n s t e h t n u r die R ü c k s i c h t auf das Interesse b e s t i m m t e r Personen die

und

Aufrecht-

e r h a l t u n g des G e s c h ä f t e s v e r b i e t e t ; dieser S a c h l a g e w i r d d a s Gesetz d a d u r c h g e r e c h t , d a ß es d e r b e t e i l i g t e n P e r s o n d i e B e f u g n i s v e r l e i h t , d a s Geschäft zu vernichten.

Die

ratio

des U n t e r s c h i e d e s z w i s c h e n

Nichtigkeit

u n d A n f e c h t b a r k e i t t r i t t besonders d e u t l i c h h e r v o r bei d e n E h e h i n d e r n i s s e n : die

im

öffentlichen

Interesse

publica) bewirken Nichtigkeit

aufgestellten

Hindernisse

(impedimenta

der E h e ; die Ehehindernisse, welche

dem

Schutz v o n Privatinteressen dienen (impedimenta privata), sind Anfechtungsgründe der Ehe. 8

V g l . o b . § 55, 3.

9

E n d e m a n n

§ 75, 2, B i e r m a n n

10

V g l . o b . § 43 N o t e

11

D a d u r c h unterscheidet

§ 56, 1 u . a.

97. sich das anfechtbare

Rechtsgeschäft

e i n e m R e c h t s g e s c h ä f t , - dessen V o l l e n d u n g v o n e i n e m n o c h

E r e i g n i s , z. B . e i n e r G e n e h m i g u n g a b h ä n g t , v g l . o b . § 55 N o t e 12

D e r n b u r g

§ 16 I I ; B r e i t , 13

Handlungsfähigkeit

R. L e o n h a r d ,

Kommentar

des R G .

zu

a.

§ 123;

N o t e 7.

§ 118 I ; H e l l w i g ,

A.

DJZ.

§ 142,2;

K i p p ,

Anspruch

§ 58,

10.

Rechtskraft

159.

1905, 2 0 ; S t a u d i n g e r P l a n c k

Festschr.

von

ausstehenden

f.

Erl. I

§ 119

5 b z u § 119,

Martitz

224;

vgl.

Erl. ob.

VIII; V b § 43

Drittes Buch.

300

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

und kann nicht aufgehoben werden 1 4 , weil keine Wirkungen eingetreten sind, welche aufgehoben werden könnten 1 5 . Möglich ist nur eine eventuelle Anfechtung für den Fall, daß die i n erster Linie vorgebrachte Behauptung der Nichtigkeit nicht durchdringt 1 6 . Möglich ist ferner, daß ein bereits angefochtenes Rechtsgeschäft aus einem neuen Grunde nochmals angefochten w i r d ; denn beide Anfechtungen wirken auf denselben Moment (Entstehung des Rechtsgeschäfts) zurück 1 7 , u n d es steht i n der W a h l des Anfechtungsberechtigten, welches der beiden konkurrierenden Anfechtungsrechte er zur Geltung bringen will. So kann z. B . ein Geschäft, das wegen I r r t u m angefochten ist, nachträglich wegen arglistiger Täuschung angefochten werden, wodurch sich der Anfechtende der Ersatzpflicht aus § 122 entzieht. Als Objekt der Anfechtung bezeichnet das Gesetz i n § 119 fg. die Willenserklärung, i n § 142: das Rechtsgeschäft, i n § 1330 die Ehe 1 8 , d. h. das aus dem Rechtsgeschäft der Eheschließung hervorgehende Rechtsverhältnis der Ehe. I n dieser Verschiedenheit des Sprachgebrauchs liegt n u r ein scheinbarer Widerspruch: durch Anfechtung k a n n selbstverständlich nicht die Tatsache der Willenserklärung aus der W e l t geschafft werden (facta infecta fieri non possunt 1 9 ) , sondern n u r die Rechtswirkung dieser Tatsache 2 0 ; Anfechtung einer Willenserklärung bedeutet daher : Beseitigung der Rechtsfolgen einer E r k l ä r u n g wegen eines der Erklärung anhaftenden Mangels. Bei einseitigen Rechtsgeschäften 14

Dagegen

können

unfertige,

z.

B.

bedingte

Geschäfte

(vgl.

ob.

§ 55, 1) d e r A n f e c h t u n g u n t e r l i e g e n , w e i l sie V o r w i r k u n g e n h a b e n , aus d e n e n bei H i n z u t r i t t R i e z l e r ,

weiterer Tatsachen die V o l l Wirkung erwachsen kann,

vgl.

B l . f. R e c h t s a n w . 74, 190.

15

Ü b e r d i e A n f e c h t b a r k e i t e i n e r n i c h t i g e n E h e v g l . o b . § 56 N o t e 106.

16

Wird

auf

Feststellung

des N i c h t b e s t e h e n s

eines

Rechtsverhält-

nisses g e k l a g t u n d d i e K l a g e a u f e i n e n N i c h t i g k e i t s g r u n d (z. B . F o r m f e h l e r ) u n d a u f A n f e c h t u n g g e s t ü t z t , so l a u t e t d a s U r t e i l , w e n n d e r K l ä g e r e i n e r seiner B e h a u p t u n g e n d u r c h d r i n g t , a u f N i c h t i g k e i t .

mit

Beansprucht der

K l ä g e r E i g e n t u m o d e r E r b r e c h t w e g e n N i c h t i g k e i t o d e r A n f e c h t u n g eines R e c h t s g e s c h ä f t s , so k o n k u r r i e r e n n i c h t A n s p r ü c h e , s o n d e r n G r ü n d e , z u W i n d s c h e i d § 121 S. 6 1 2 ; H e l l w i g , 17

Vgl. Bd. I

18

S t a u d i n g e r ,

K i p p

16.

§ 10 S. 203. V o r b . I I v o r § 1323; S c h l o ß m a n n ,

erklärung u n d Rechtsgeschäft

38.

L e h r b u c h § 37 N o t e

19

V g l . o b . § 43 N o t e 88.

20

K o h l e r

§67.

H e n le,

V g l . o b . § 50 N o t e 3.

Willens-

10. Anwendungsgebiet der Anfechtbarkeit

§ 57.

Anfechtbarkeit.

301

ist d a m i t zugleich die W i r k u n g des ganzen Geschäftes beseitigt. Besteht das Rechtsgeschäft aus mehreren Willenserklärungen und w i r d eine derselben angefochten, so k a n n das Resultat ein verschiedenes sein: ein Vertrag zwischen zwei Personen ist bei A n fechtung auch n u r einer der beiden Erklärungen mangels Einigung wirkungslos 2 1 ; m a n k a n n daher, m i t Rücksicht auf dieses Resultat, von einer Anfechtung wie der Willenserklärung so auch des Vertrages sprechen. E i n Vertrag unter mehr als zwei Personen kann bei Anfechtung einer der Erklärungen nach § 139 bestehen bleiben 2 2 . E i n Beschluß einer Versammlung w i r d durch Anfechtung der Stimmabgabe eines Mitgliedes nur dann unwirksam, wenn diese Stimme entscheidend war 2 3 . Die i m B G B . geregelten Gründe, aus denen ein Rechtsgeschäft angefochten werden kann, sind die sog. Willensmängel 2 4 : I r r t u m und falsche Ü b e r m i t t l u n g einer Erklärung, arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung, § 119 f g . 2 4 a . I n einigen Fällen ist Anfechtung eines Rechtsgeschäftes aus anderem Grunde möglich: die Eheschließung u n d deren Bestätigung k a n n angefochten werden wegen mangelnder Z u s t i m m u n g des gesetzlichen Vertreters, § 1331; Beschlüsse der Generalversammlung einer A k t i e n gesellschaft oder einer Genossenschaft: wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung, H G B . § 271, GenGes. § 51 2 6 . Die A n fechtung wegen Willensmängel k a n n durch Analogie auf gewisse Rechtshandlungen u n d Mitteilungen übertragen werden 2 6 ; so ist z. B. eine Zessionsanzeige, § 409, wenn sie durch Willensmängel verursacht ist, anfechtbar 2 7 ; ebenso die M i t t e i l u n g oder öffent21

Wird

die

Annahmeerklärung

angefochten,

so b l e i b t

die

Offerte

m i t ihrer bindenden K r a f t bestehen, u n d der E m p f ä n g e r der Offerte

kann,

w e n n er n i c h t m i t d e r A n f e c h t u n g seiner A n n a h m e z u g l e i c h d i e A b l e h n u n g der Offerte v e r b u n d e n h a t , sich neuerdings über A n n a h m e oder A b l e h n u n g der Offerte

entscheiden.

22

V g l . o b . § 56 N o t e

23

Vgl. Bd. I

24

V g l . u n t . § 65.

2411

40.

§ 36 I V a. E .

Ausgeschlossen

ist

aus

rechtspolitischen

Gründen

(Schutz

Gläubiger) die A n f e c h t u n g der G r ü n d u n g v o n Aktiengesellschaften, sellschaften S. 479.

RG.

m . b. H .

und

eingetragenen

Genossenschaften,

der Ge-

vgl. Bd.

I

82, 377.

25

Vgl. Bd. I

26

V g l . o b . § 48 N o t e 57. 109.

27

O er t m a n n

§ 36 V u n d § 36 des R G e s . ü b . p r i v . Vers. § 409,

lb;

E n n e c c e r u s

§ 304 I I

S o h m , Gegenstand 59; M a n i g k , Willenserklärung

713.

Untern. 1 a ; a.

A.

Drittes Buch.

302

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

liehe Bekanntmachung einer Bevollmächtigung, § 1 7 1 2 7 a , die M i t t e i l u n g der Schuldübernahme, § 415, die Anzeige der Forderungsverpfändung, § 1280, die M i t t e i l u n g des Vormunds v o n der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, § 1829. Dagegen sind Tathandlungen 2 8 , weil bei ihnen der W i l l e nur auf einen äußeren Erfolg gerichtet zu sein braucht oder gar nicht i n Betracht k o m m t , der Anfechtung wegen Willensmängel entzogen; so kann z. B . die Rückgabe der Pfandsache, § 1253, nicht angefochten werden; ebensowenig eine negotiorum gestio 2 9 . Die W i r k i m g einer Unterlassung kann, wenn das Gesetz die Rechtsfolge an die bloße Tatsache des Unterbleibens einer Handlung, ohne Rücksicht auf den Willen, k n ü p f t , n i c h t angefochten werden 3 0 . Über Anfechtung fingierter Willenserklärungen vgl. unt. § 61 I I 5. Der Rechtsgedanke der Anfechtbarkeit (Vernichtbarkeit eines Rechtsverhältnisses durch den W i l l e n einer bestimmten Person) ist nicht auf das Gebiet der Rechtsgeschäfte u n d rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen beschränkt. A u c h andersgeartete Tatbestände können i n der Weise mangelhaft sein, daß sie durch den W i l l e n eines Beteiligten m i t rückwirkender K r a f t aufgehoben werden können 3 1 . B G B . spricht v o n der Anfechtung der Ehelich keit, § 1593, sowie des Erbschaftserwerbes wegen Unwürdigkeit, § 2340. Anfechtbar ist die E n t m ü n d i g u n g , ZPO. § 664, und das Ausschlußurteil i m Aufgebotsverfahren, ZPO. 957 : i 2 . II.

Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem

2711

P l a n c k

§ 171, 3.

28

V g l . o b . § 48 N o t e

56.

29

E c k ,

128 u n d

Vorträge

S.

S t a u d i n g or

§ 143,7

davon, daß ein Wechselgläubiger, der den Wechsel i r r t ü m l i c h h a t , diese H a n d l u n g a n f e c h t e n k ö n n e .

Davon kann m. Er.

sprechen vernichtet

keine

s e i n : d i e V e r n i c h t u n g h a t d e n G l ä u b i g e r n i c h t seiner F o r d e r u n g

Hede

beraubt,

s o n d e r n d e r U r k u n d e , d e r e n er z u r G e l t e n d m a c h u n g seines R e c h t e s b e d a r f . Diese U r k u n d e k a n n keine A n f e c h t u n g wieder ins L e b e n r u f e n ;

dagegen

k a n n sich der Gläubiger d u r c h K r a f t l o s e r k l ä r u n g der zerstörten

Urkunde

eine neue, gleichwertige U r k u n d e 30

Daher

kann

das

verschaffen.

Unterlassen

des

Widerspruchs

beim

Überbau,

§ 912, n i c h t w e g e n W i l l e n s m ä n g e l a n g e f o c h t e n w e r d e n , P l a n c k 1 e; W o l f f , Kündigung, Verfügung,

Amn.

Sachenrecht J ä g e r

RG.

KO.

§ 5514. § 21 A n m .

20. 11. 13. ( D J Z .

3 1

E n d e m a n n § 75, 4.

32

Bd. I

§ 26 S. 416, § 23 I I I

12, 1 3 ; K i s c h ,

E b e n s o w e n i g das Unterlassen

Urteilslehre

20,

oder einer

§ 912, einer

testamentarischen

19, 235). 8.

V g l . H e l l w i g , L e h r b u c h § 62

170.

§ 67.

Anfechtbarkeit.

303

Anfechtungsgegner 3 3 , § 143 I , ausnahmsweise durch Erhebung einer Anfechtungsklage 3 4 , §§ 1341, 1596, 2342. Die Anfechtungserklärung ist ein einseitiges, i n der Regel formloses Rechtsgeschäft 3 5 , welches keine Bedingung oder Befristung duldet 3 6 . Die Erklärung braucht das W o r t Anfechtung nicht zu enthalten 3 7 , muß aber erkennen lassen, daß der Erklärende das Geschäft nicht gelten lassen will, und den Grund der Anfechtung angeben 3 8 . Eine i n prozessualer F o r m (in der Klage, einem Schriftsatz oder der mündlichen Verhandlung) abgegebene Anfechtungserklärung 3 9 ist als privatrechtliches Geschäft zu beurteilen u n d daher unabhängig v o m Verlauf des Prozesses 4 0 . I I I . Anfechtungsberechtigt ist die Person, welche die anfechtbare Erklärung abgegeben hat 4 1 oder i n deren Namen die Erklärimg durch einen Vertreter abgegeben wurde 4 2 . Ausnahmsweise verordnet § 318 I I , daß die Bestimmung der Leistung durch einen D r i t t e n nicht v o n i h m , sondern v o n einem der K o n trahenten angefochten werden kann 4 3 . Eine weitere Ausnahme findet sich beim Testament, § 2080: die Anfechtung der letzt33

A n f e c h t u n g s g e g n e r i s t i n d e r R e g e l eine P r i v a t p e r s o n ,

weise eine B e h ö r d e ( N a c h l a ß g e r i c h t , Note

ausnahms-

§§ 1342, 1597, 1955, 2 0 8 1 ) , v g l . u n t .

80. 34

V g l . o b . § 50 S. 157.

35

Ausnahmsweise

ist

öffentliche

Beurkundung

vorgeschrieben

in

§ 2282 I I , ö f f e n t l i c h e B e g l a u b i g u n g i n §§ 1342, 1597, 1955 ( 1 9 4 5 ) . 36

V g l . o b . § 53 N o t e

37

R G . 48, 2 2 1 ; 65, 88.

38

V g l . o b . § 53 S. 215.

39

I s t d i e A n f e c h t u n g v o r d e m P r o z e ß e r f o l g t , so ist d i e B e r u f u n g a u f d i e

51.

A n f e c h t u n g V o r b r i n g e n e i n e r r e c h t s a u f h e b e n d e n T a t s a c h e , B d . I § 10 N o t e 13. 40

R G . 53, 1 4 6 ; 58, 2 2 7 ; 63, 413.

41

I s t b e i e i n e m B e s c h l u ß d i e A b s t i m m u n g eines M i t g l i e d e s m i t e i n e m

V g l . o b . § 50 S.

158.

W i l l e n s m a n g e l b e h a f t e t , so k a n n n u r dieses M i t g l i e d seine E r k l ä r u n g f e c h t e n u n d d a d u r c h u . U . d i e N i c h t i g k e i t des Beschlusses

an-

herbeiführen

( v g l . B d . 1 S. 516). D i e ü b r i g e n M i t g l i e d e r , i n s b e s o n d e r e d i e i n d e r M i n d e r heit verbliebenen, k ö n n e n die A n f e c h t b a r k e i t der entscheidenden

Stimme

nicht geltend machen. 42

Die Wirkungen

fechtungsrecht 43

der Vertreterhandlung,

z u denen auch das

g e h ö r t , e n t s t e h e n i n d e r P e r s o n des

Die B e s t i m m u n g der Leistung h a t n u r für die K o n t r a h e n t e n

d e u t u n g , n i c h t f ü r d i e B e s t i m m e n d e n selbst.

An-

Vertretenen. Be-

A u s demselben Grunde w i r d

m a n , w e n n d i e Z u s t i m m u n g des g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r s , § 107, a n f e c h t b a r ist, das A n f e c h t u n g s r e c h t n i c h t d e m V e r t r e t e r , sondern d e m M i n d e r j ä h r i g e n z u s c h r e i b e n m ü s s e n , so d a ß es v o m j e w e i l i g e n V e r t r e t e r desselben avisgeübt werden

kann.

304

Drittes Buch.

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

willigen Verfügung steht nicht dem Erblasser z u 4 3 a , sondern nach seinem Tode den Personen, welchen die Aufhebung der Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde. Dagegen folgt der Erbvertrag (weil er unwiderruflich ist) der Regel u n d kann v o m Erblasser angefochten werden, § 2281 4 4 ; nach seinem Tode haben die i n § 2080 bezeichneten Personen, wenn das Anfechtungsrecht des Erblassers nicht bereits erloschen ist 4 5 , ein (nicht vom Erblasser abgeleitetes 4 5 a ) Anfechtungsrecht, § 2285. Sind gegenüber einem Testament oder E r b vertrag mehrere Interessenten (z. B. zwei Intestaterben A u n d B) anfechtungsberechtigt, so hat jeder von beiden ein selbständiges Anfechtungsrecht, dessen Durchsetzung i h m (wie bei der querela inofficiosi testamenti 4 6 ) seinen gesetzlichen E r b t e i l neben dem Testamentserben X verschafft. Anders die herrschende Meinung 4 7 , welche unter Berufung auf eine unklare Bemerkung der Motive 4 8 behauptet, daß die von A ausgehende Anfechtung dem B zugute kommen müsse. Diese Ansicht scheint auf dem Gedanken zu beruhen, daß eine Erbeseinsetzimg nur ganz oder gar n i c h t gültig sein könne. Aber die Anfechtung betrifft n i c h t sowohl die (nicht aus der W e l t zu schaffende) Willenserklärung des Erblassers, als deren Wirkungen 4 9 ; u n d diese Wirk u n g des Testamentes (Ausschluß der gesetzlichen Erbfolge durch Einsetzung des X ) ist teilbar: sie k a n n (durch den W i l l e n des Erblassers) für einen der beiden gesetzlichen Erben eintreten; sie k a n n daher auch umgekehrt, wenn sie für beide eingetreten ist, für einen v o n beiden beseitigt werden. D a n u n das Gesetz bei der Anfechtung es i n die H a n d des einzelnen Intestaterben legt, die i h m schädliche Verfügung des Erblassers bestehen zu lassen oder zu beseitigen, so muß man meines Erachtens i n Ermangelung einer besonderen Vorschrift annehmen, daß einer von mehreren 43 a

D e r E r b l a s s e r b r a u c h t d i e A n f e c h t u n g n i c h t , w e i l er seine V e r -

fügungen ohne Angabe v o n 44

Gründen widerrufen

kann.

Dasselbe ist f ü r das wechselseitige T e s t a m e n t a n z u n e h m e n , nach-

d e m es d u r c h d e n T o d eines d e r E h e g a t t e n u n w i d e r r u f l i c h g e w o r d e n i s t . P l a n c k 45

RG.

§ 2271, I V

P l a n c k

3d.

§ 2285, 2.

Ebenso beim gemeinschaftlichen Testament,

77, 167. 45 a

V g l . ob. § 44 N o t e

48

W i n d sc he i d

47

P l a n c k

§ 378 I I 4 ; K i p p , 48

Mot. V

52.

§ 584 A n m . 2 1 fg.

§ 2080,

1 c;

Erbrecht

S. 57.

** V g l . o b . N o t e

20.

S t a u d i n g e r

§ 22 V 2 ;

C r o m e

6;

Co

§ 654 A n m .

§ 2080,

43.

sack

§ 57.

Anfechtbarkeit.

305

Anfechtungsberechtigten die W i r k u n g der Anfechtung nur für sich selbst herbeizuführen vermag 5 0 . Sind umgekehrt i m anfechtbaren Testament mehrere Erben, X u n d Y , eingesetzt, so bezieht sich die (nach § 2081 durch E r k l ä r u n g gegenüber dem Nachlaß gericht vorzunehmende) Anfechtung i n der Regel auf beide Erbeseinsetzungen. W ü r d e der Intestaterbe, was i h m meines Erachtens freisteht, die Verfügung des Erblassers nur insoweit anfechten, als sie die Erbeseinsetzung des X betrifft, so würde er infolge der nunmehr eintretenden Anwachsung, § 2094, von der Anfechtung keinen Nutzen haben. W e n n bei einem Rechtsgeschäft unter Lebenden auf einer Seite mehrere Personen beteiligt sind, so entsteht für jede dieser Personen aus dem ihrer E r k l ä r u n g anhaftenden Willensmangel ein Anfechtungsrecht, welches sie selbständig ausüben k a n n 5 1 ; damit entfällt ihre Willenserklärung u n d es t r i t t partielle Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ein, deren W i r k u n g für die übrigen Beteiligten sich nach § 139 bestimmt 5 2 . Das Anfechtungsrecht ist vererblich 5 3 . Miterben können es nur gemeinsam ausüben 5 4 , da die Verwaltung des Nachlasses und die Verfügung über Nachlaßgegenstände, zu denen auch das Anfechtungsrecht gehört, gemeinschaftlich ist, §§ 2038, 2040 I . N u r wenn die Anfechtung sich gegen ein lediglich schuldbegründen50

E i n e ähnliche S i t u a t i o n k a n n sich ergeben, w e n n i n einem

Erb-

s c h a f t s s t r e i t v o n m e h r e r e n I n t e s t a t e r b e n d e r e i n e gegen d e n T e s t a m e n t serben obsiegt, w ä h r e n d der andere unterliegt, OLG.

Stein ZPO.

§ 62 A n m .

7;

17, 100. 51

P l a n c k

§ 143, 4 ;

O e r t m a n n

§ 143,

3;

E n n e c c e r u s

§ 190 I I I 3 c ; H e 11 w i g , L e h r b u c h § 153 A n m . 60 ( u n t e r

Zurücknahme

seiner f r ü h e r , A n s p r u c h 189, v e r t r e t e n e n A n s i c h t ) ; R G . 56, 4 2 4 ; 65, 4 0 5 ; a. A . E n d e m a n n

§ 75 A n m .

11.

D i e A n a l o g i e des v o n m e h r e r e n B e -

t e i l i g t e n n a c h § 356 g e m e i n s a m a u s z u ü b e n d e n R ü c k t r i t t s r e c h t s ( B d . I § 3 N o t e 44) i s t f ü r d i e A n f e c h t u n g n i c h t z u t r e f f e n d ;

d e n n das

Rücktritts-

recht k a n n i m m e r n u r allen z u einer Vertragspartei gehörenden Personen zustehen, w ä h r e n d die A n f e c h t u n g sich aus der i n d i v i d u e l l e n Beschaffenheit der W i l l e n s e r k l ä r u n g ergibt u n d daher v o n mehreren z u einer P a r t e i gehörenden Personen der einen zustehen, der anderen fehlen k a n n .

Es

l i e g t a b e r k e i n G r u n d v o r , d e m A d i e G e l t e n d m a c h u n g des M a n g e l s seiner E r k l ä r u n g d e s w e g e n z u v e r s a g e n , w e i l er m i t e i n e r a n d e r e n P e r s o n b e i e i n e m Rechtsgeschäft m i t g e w i r k t

hat.

52

V g l . o b . § 56

53

U n v e r e r b l i c h i s t d a s R e c h t des E r b l a s s e r s z u r A n f e c h t u n g des E r b -

vertrags, vgl. ob. N o t e 54

P l a n c k

IV. 45a.

§ 2 0 3 9 , 7.

Handbuch X . 1. i f : v o n T u h r I I . 1.

20

306

Drittes Buch.

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

des Rechtsgeschäft richtet, z. B . gegen ein Schenkungsversprechen, zu welchem der Erblasser durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, k a n n der Miterbe die Anfechtung selbständig ausüben 5 6 , m i t der W i r k u n g , daß die Verpflichtung, soweit sie auf i h n übergegangen ist, wegfällt 5 6 ; denn die Bedeutung des Anfechtungsrechts, als eines sekundären Rechts, bestimmt sich i n gewisser Beziehung nach seiner W i r k u n g 5 7 : eine Anfechtung, durch welche eine Verpflichtung des Anfechtenden beseitigt wird, ist nicht als Verfügung zu behandeln. Das Anfechtungsrecht ist m i t dem aus der anfechtbaren Willenserklärung hervorgehenden Rechtsverhältnis eng verbunden u n d bildet einen untrennbaren Bestandteil dieses Rechtsverhältnisses 5 8 . Es k a n n nicht abgetreten 5 9 , daher auch nicht gepfändet w e r d e n 6 0 . Es verbleibt dem, der das anfechtbare Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, auch wenn er seine Rechte aus dem Geschäft abgetreten oder seine Pflichten durch Schuldübernahme abgewälzt hat. Dagegen k a n n weder der Zessionar noch der Schuldübernehmer 6 1 das Rechtsgeschäft anfechten u n d 55

H e l l w i g ,

56

Sind mehrere M i t e r b e n m i t einem Vermächtnis belastet, u n d w i r d

Lehrbuch

§ 153 A n m . 58.

d i e V e r f ü g i m g des E r b l a s s e r s v o n e i n e m d e r s e l b e n a n g e f o c h t e n , so b l e i b e n die ü b r i g e n M i t e r b e n v e r p f l i c h t e t , das V e r m ä c h t n i s h ö r t aber auf, gemeins c h a f t l i c h e N a c h l a ß v e r b i n d l i c h k e i t z u s e i n ; a n d e r s R G . i m R e c h t 07, 1358. 57

V g l . o b . § 54 N o t e

58

Bd. I

w

O e r t m a n n

§ 12 N o t e

56.

25.

§ 399,

lg;

F o n the im,

Anfechtungsrecht

des

B G B . , i n s b e s o n d e r e seine U b e r t r a g b a r k e i t , L e i p z . Diss. 60

Dagegen

zustehendes

kann

der

Konkursverwalter

Anfechtungsrecht,

gehörenden Rechtsverhältnisses, 61

m i t ü b e r n a h m e 349.

eines

Gemein Schuldner

zur

Konkursmasse

ausüben.

C r o m e § 203 N o t e 7 ; P l a n c k

buch § 4 2 1 1 : S t r o h a l ,

ein d e m

als B e s t a n d t e i l

§ 2080, l d ; H e l l w i g ,

J h e r i n g s J . 57, 3 2 5 , a. A . R e i c h e l ,

S e c k e 1 , F e s t g . f. K o c h 223 w i l l d e m

nehmer das A n f e c h t u n g s r e c h t

d a n n g e w ä h r e n , w e n n seine

Lehr-

Schuld-

SchuldüberVerpflichtung

d i e e i n z i g e W i r k u n g des S c h u l d Verhältnisses d a r s t e l l t , z. B . w e n n er d i e S c h u l d aus einem anfechtbaren Schenkungsversprechen ü b e r n o m m e n h a t . A u c h i n d i e s e m F a l l e s c h e i n t es m i r r i c h t i g e r a n d e r R e g e l f e s t z u h a l t e n : der

S c h e n k e r b l e i b t , t r o t z d e r A b w ä l z u n g seiner V e r p f l i c h t u n g

Übernehmer,

im

Schenkungsverhältnis

mit

dessen s o n s t i g e n

auf

den

moralischen

u n d r e c h t l i c h e n W i r k u n g e n (z. B . m i t d e r M ö g l i c h k e i t des W i d e r r u f s

oder

d e r R ü c k f o r d e r u n g w e g e n V e r a r m u n g ) ; d e m e n t s p r i c h t es, d a ß er d a r ü b e r z u e n t s c h e i d e n h a t , o b d i e S c h e n k u n g t r o t z des W i l l e n s m a n g e l s b e s t e h e n o d e r i n f o l g e desselben u n g ü l t i g w e r d e n soll.

Der Schuldübernehmer

dieser E n t s c h e i d u n g so w e n i g v o r g r e i f e n , w i e d e r B ü r g e , § 770 1.

darf

§ 57.

Anfechtbarkeit.

307

d a m i t das Rechtsverhältnis zerstören, aus welchem die abgetretene Forderung resp. die übernommene Schuld entstanden i s t 6 2 . Anstelle der unzulässigen A b t r e t u n g k a n n eine (unter Umständen unwiderrufliche) V o l l m a c h t zur Ausübung des Anfechtungsrechts erteilt werden 6 3 ; das k a n n insbesondere i n Verbindung m i t einer Zession der aus der Anfechtung entstehenden Rückforderung geschehen 6 4 . Sukzediert jemand i n ein ganzes Rechtsverhältnis (z. B . der Erwerber eines Grundstücks, der nach § 571 i n die Rechte u n d Pflichten aus einem Mietvertrag des Veräußerers e i n t r i t t 6 5 ; oder ein neuer Mieter, der m i t Zustimmung des Vermieters die Miete übernimmt 6 6 ) , so liegt es nahe, anzunehmen, daß m i t den übrigen zum Rechtsverhältnis gehörenden Befugnissen (z. B . m i t dem Kündigungsrecht) auch die Anfechtung auf das neue Subjekt des Rechtsverhältnisses übergeht. D a aber die Anfechtung ex tunc w i r k t , d. h. das Rechtsverhältnis auch insoweit zerstört, als es für den Rechtsvorgänger bestand, dürfte es richtiger sein, die Anfechtungsbefugnis dem Urheber des Rechtsgeschäfts zu belassen 6 7 : der Veräußerer, n i c h t der Erwerber des Grundstücks, hat demnach das Recht, den Mietvertrag anzufechten. I V . Über die Person des Anfechtungsgegners gibt das Gesetz i n § 143 ausführliche Bestimmungen: ß2

S e c k e l

S. 228 u n d O e r t m a r i n a. a. O . w o l l e n d e m S i n g u l a r -

sukzessor des E i g e n t ü m e r s , d e r seine Sache i n a n f e c h t b a r e r W e i s e b e l a s t e t h a t , d i e A n f e c h t u n g dieser B e l a s t u n g e r l a u b e n , w e i l er a l l e i n , als n u n m e h r i g e r E i g e n t ü m e r , a m B e s t a n d d e r B e l a s t u n g i n t e r e s s i e r t sei.

D a b e i w i r d über-

sehen, d a ß d e r W i l l e n s m a n g e l , m i t w e l c h e m d e r d i n g l i c h e V e r t r a g b e h a f t e t ist, gewöhnlich auch b e i m Kausalgeschäft vorliegt u n d daß die A n f e c h t u n g des d i n g l i c h e n

Vertrages

jedenfalls

eine

Rückwirkung

auf

b e z i e h u n g e n d e r P a r t e i e n des d i n g l i c h e n V e r t r a g e s a u s ü b t . zusehen, w a r u m d e r K ä u f e r ,

die

Kausal-

E s ist n i c h t ein-

d e r d i e Sache m i t d e r B e l a s t u n g

erworben

u n d v e r m u t l i c h u m so v i e l w e n i g e r b e z a h l t h a t , b e f u g t s e i n s o l l , i n diese B e z i e h u n g e n d e s V e r k ä u f e r s z u m I n h a b e r des d i n g l i c h e n R e c h t s e i n z u g r e i f e n . 63

Anm.

T u h r , unwiderrufliche

Vollmacht

65 N o t e

1; C r o m e

§ 654

48. 64

Z. B . : A h a t eine M o b i l i e i n anfechtbarer Weise a n B

veräußert.

E r k a n n d e m C V o l l m a c h t z u r A n f e c h t u n g geben u n d i h m z u g l e i c h d e n aus d e r A n f e c h t u n g h e r v o r g e h e n d e n E i g e n t u m s a n s p r u c h a b t r e t e n , w o d u r c h C, w e n n e r d i e A n f e c h t u n g n a m e n s des A e r k l ä r t , d a s E i g e n t u m n a c h § 931 erwirbt. 65

Bd. I

§ 5 Note

66

Bd. I

§ 12 N o t e 4.

67

S t a li d i n g e r

39. § 5 7 1 B . I 3 e. F ü r g e m e i n s a m e A n f e c h t u n g d u r c h

Vermieter und Erwerber M i t t e 1 s t e i n ,

M i e t e § 95, 3. *

Drittes Buch.

308

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

1. Bei einem Vertrage ist Anfechtungsgegner „ d e r andere T e i l " , § 143 I I , d. h. der M i t k o n t r a h e n t , u n d zwar auch dann, wenn der Vertrag m i t einem Vertreter desselben geschlossen i s t 6 8 . Ausnahmsweise ist bei Anfechtung aus § 123 I I 2 die Erklärung an den zu richten, welcher aus dem Vertrage unmittelbar ein Recht erworben hat. Nach dem Tode des Anfechtungsgegners ist die Anfechtung an dessen E r b e n zu erklären. H a t der Anfechtungsgegner seine durch den Vertrag erworbenen Rechte abgetreten, so bleibt er trotzdem Anfechtungsgegner: denn die Anfechtung t r i f f t n i c h t n u r diese Rechte, sondern das ganze Rechtsverhältnis zwischen dem Anfechtungsgegner u n d dem A n f e c h t e n d e n 6 9 : hat z. B . jemand eine Sache i n anfechtbarer Weise an A veräußert u n d dieser die Sache an B weitergegeben, so ist die Anfechtung an A zu erklären; ebenso hat der Schuldner einer anfechtbaren Forderung, wenn der Gläubiger sie mittlerweile zediert hat, die Anfechtung an den Gläubiger, nicht an den Zessionar, zu r i c h t e n 7 0 . Dasselbe g i l t auch dann, wenn, wie i m Falle des § 571, eine Rechtsnachfolge i n ein ganzes Rechtsverhältnis vorliegt. H a t der Anfechtungsberechtigte mehrere Vertragsgegner und ist er jedem derselben gegenüber zur Anfechtung berechtigt, so fragt es sich, ob die Anfechtung an alle Vertragsgegner zu erklären ist oder ob es genügt, daß die E r k l ä r u n g an einen derselben gerichtet wird. Die herrschende Meinung hält Anfechtung gegenüber einem der Vertragsgegner für ausreichend u n d beurteilt das Verhältnis des Anfechtenden zu den übrigen Vertragsgegnern nach § 1 3 9 7 1 . F ü r diese Entscheidung spricht die Analogie des oben erörterten Falles 7 2 der mehreren Anfechtungsberechtigten. Meines Erachtens ist aber die Rechtslage wesentlich verschieden: bei mehreren Anfechtungsberechtigten darf das Anfechtungsrecht 68

nach

Oder

wenn

die

anzufechtende

Erklärung

von

einem

Dritten

§ 318 a b g e g e b e n i s t . 69

Dazu

kommt

die

praktische

Erwägung,

daß

der

Anfechtungs-

b e r e c h t i g t e s e i n e n V e r t r a g s g e g n e r k e n n t , n i c h t a b e r dessen g e g e n w ä r t i g e n Rechtsnachfolger. 70

Anm.

O er t m a n n

§ 404, 2 ; H e l l w i g ,

9 ; a. A . E n d e m a n n

S t a u d i n g e r

§ 152, l c

Anspruch

17, L e h r b .

(Erklärung a n den

§ 42

Zessionar),

§ 404, 2 b ( E r k l ä r u n g a n d e n Z e d e n t e n o d e r d e n Zes-

sionar). 71

P 1 a n c k § 143, 5 ; S t a u d i n g e r

§ 190 I I I 3 c ; O e r t m a n n 72

Note

51.

§ 123 I V 4 ;

§ 143, 3 ; B i e r m a n n

E n n e e c e r u s

§ 56, 3 ; R G . 71, 202.

§ 57.

Anfechtbarkeit,

des einen nicht dadurch vereitelt werden, daß seine Vertragsgenossen ihr Anfechtungsrecht nicht ausüben wollen; bei mehreren Anfechtungsgegnern handelt es sich nur darum, ob der Anfechtende sich der Mühe einer mehrfachen E r k l ä r u n g zu unterziehen h a t ; das kann i h m meines Erachtens i m Interesse seiner Vertragsgegner sehr wohl zugemutet werden; daher bedarf es zur A n fechtung einer Erklärung an jeden der Anfechtungsgegner 7 3 . Anders verhält es sich, wenn das Anfechtungsrecht nur gegenüber einem der mehreren Vertragsgegner b e s t e h t 7 4 : nur i h m gegenüber ist die Anfechtung möglich; ihre W i r k u n g auf die Rechtsstellung der übrigen Vertragsgegner bemißt sich nach § 139 7 5 . 2. bei einseitigen empfangsbedürftigen Geschäften ist A n fechtungsgegner die Person, an welche die Willenserklärung abzugeben w a r , § 143 I I I 1. W a r eine E r k l ä r u n g an mehrere Personen abzugeben, z. B . eine K ü n d i g u n g an zwei Personen, welche dem Anfechtungsberechtigten eine Sache gemeinsam vermietet haben, so ist die Anfechtung an jede dieser Personen zu richten. K o n n t e die Erklärung nach W a h l des Erklärenden an eine Privatperson oder an eine Behörde abgegeben werden (z. B . der Verzicht auf ein Recht an einem Grundstück, § 875), so soll die Anfechtung, auch wenn die E r k l ä r u n g der Behörde gegenüber erfolgt ist, an die Privatperson erklärt werden, § 143 I I I 2. 3. bei einseitigen nichtempfangsbedürftigen Rechtsgeschäften bezeichnet § 143 I V 1 als Anfechtungsgegner ,,jeden, der auf Grund des Rechtsgeschäfts u n m i t t e l b a r einen rechtlichen V o r t e i l erlangt h a t " . Daher k a n n z. B . eine letztwillige Verfügung, i n der ein Vermächtnis angeordnet ist, durch E r k l ä r u n g an den Vermächtnisnehmer angefochten werden 7 6 ; die Anerkennung der Vaterschaft, § 1718, kann durch E r k l ä r u n g an den V o r m u n d des unehelichen Kindes angefochten werden 7 7 ; die Zuschreibung auf Girokonto 7 8 durch Erklärung an den Inhaber des K o n t o s ; das Wechselakzept durch Erklärung an den Präsentanten. W a r die anzufechtende 73

H e l l w i g ,

74

D a s k a n n b e i a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g v o r k o m m e n , v g l . u n t . § 68 I V .

75

R G . 62, 184.

Anfechtung

A n s p r u c h § 27 I I I : T i t z e , M i ß v e r s t ä n d n i s 420. Dagegen will H e c k ,

a u s s c h l i e ß e n , w e n n sie n u r

möglich wäre.

F e s t s c h r . f. G i e r k e 342, d i e

gegen e i n e n d e r

Vertragsgegner

N a c h T i t z e a. a. O . s o l l d i e A n f e c h t u n g , w e n n sie n a c h

§ 1 3 9 gegen alle Vertragsgegner w i r k t , allen gegenüber e r k l ä r t 76 77

P l a n c k

§ 2081, 4.

R G . 58, 353. Vgl. unt.

§ 61.

werden.

Drittes Buch.

310

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

Erklärung gegenüber einer Behörde abzugeben 7 9 , so k a n n auch die Anfechtung durch E r k l ä r u n g gegenüber der Behörde erfolgen, § 143 I V 2; 8 0 die Behörde ist verpflichtet, die Anfechtung den durch das Rechtsgeschäft unmittelbar betroffenen Personen m i t zuteilen 8 1 . F ü r Rechtsgeschäfte, aus denen niemand unmittelbar einen rechtlichen V o r t e i l erlangt hat, bezeichnet das Gesetz keinen Anfechtungsgegner. Ob hier eine Lücke des Gesetzes vorliegt, hängt davon ab, wie m a n den Begriff des unmittelbaren Vorteils auffaßt. Versteht m a n darunter einen Vorteil, der aus dem anzufechtenden Geschäft ohne H i n z u t r i t t weiterer Tatsachen hervorgeht 8 2 , so w i r d es i n zahlreichen Fällen an einem Anfechtungsgegner fehlen; bei der Auslobung z. B . entsteht die Forderung durch eine hinzukommende H a n d l u n g des Gläubigers; die Derel i k t i o n verschafft das E i g e n t u m i n Verbindung m i t einer Besitzergreifung; zur Ausstellung eines Inhaberpapiers muß Eigentumserwerb hinzutreten, d a m i t aus ihr ein rechtlicher V o r t e i l entstehe. Die Anfechtung solcher Geschäfte wäre bei dieser Auffassung der U n m i t t e l b a r k e i t ganz ausgeschlossen 8 3 , oder nur dadurch zu ermöglichen, daß m a n i n Ergänzung des Gesetzes zur Bestimmung des Anfechtungsgegners s t a t t des unmittelbaren einen mittelbaren rechtlichen V o r t e i l genügen ließe 8 4 . Bei dieser Sachlage scheint es m i r richtiger, unter unmittelbarem V o r t e i l jeden Vorteil zu verstehen, den jemand aus dem anzufechtenden Geschäft ev. unter H i n z u t r i t t weiterer Tatsachen als erster erlangt, i m Gegensatz zu solchen Personen, die i n diesen V o r t e i l als Rechtsnachfolger des Ersterwerbers n a c h r ü c k e n 8 5 . Anfechtungsgegner ist daher bei der Auslobung der die Bedingung erfüllende Gläubiger, bei der Dereliktion der O k k u p a n t , beim Inhaberpapier der Inhaber 79

Z . B . V e r z i c h t a u f G r u n d e i g e n t u m , § 928 ( E r k l ä r u n g a n d a s G r u n d -

buchaint); Aufhebung

der fortgesetzten

k l ä r u n g a n das N a c h l a ß g e r i c h t ) . über, sondern „ v o r " Testament, 8J

§ 1492

e i n e r B e h ö r d e a b z u g e b e n i s t , z. B . d a s

§ 2231 N r .

1, v g l . u n t .

W e n n der Anfechtende

k a n n die A n f e c h t u n g

öffentliche

§ 61.

Vgl. unt.

82

H e 11 m a n n ,

83

S t a u d i n g e r

84

E n n e c c e r u s

85

O e r t m a n n

den

I n e i n i g e n F ä l l e n , v g l . o b . N o t e 33,

n i c h t a n d e r s , als a n d i e B e h ö r d e e r k l ä r t

81

(Er-

es n i c h t v o r z i e h t , d i e E r k l ä r u n g a n

unmittelbar Bevorteilten zu richten.

4 c; C o s a c k

Gütergemeinschaft,

A n d e r s , w e n n d i e E r k l ä r u n g n i c h t gegen-

werden.

§ 61.

§ 53 I I I

KritVJSchr. § 143,

44,

11; H o l d e r

§ 190 A n m . 1 4 ; B i e r m a n n § 143,2 2b.

§ 143,

2c.

6c. und

SeuffBl.

71,280;

§ 56 A n m . 7. P l a n c k

§ 143,

§ 57.

Anfechtbarkeit.

311

des Papieres 8r > . Bei dieser Auffassung des unmittelbaren Vorteils w i r d sich i n den meisten Fällen ein Anfechtungsgegner finden lassen. I s t die Person des Anfechtungsgegners dem Anfechtenden unbekannt, so k a n n die Anfechtung durch öffentliche Zustellung, § 132 I I , erfolgen 8 7 . Ist ein unmittelbar Bevorteilter noch nicht vorhanden (die derelinquierte Sache ist noch nicht o k k u p i e r t ; das abhandengekommene Inhaberpapier ist noch v o n niemandem zu E i g e n t u m erworben), so ist § 132 I I n i c h t direkt anwendbar; doch ist analoge Anwendung meines Erachtens zulässig u n d geboten 8 8 , u m eine Anfechtung i n solchen Fällen zu ermöglichen 8 9 ; denn der Anfechtungsberechtigte k a n n n i c h t wissen, ob i h m bereits jemand gegenübersteht, der einen unmittelbaren V o r t e i l erlangt h a t ; auch ist es für alle Beteiligten u n d die Sicherheit des Rechtsverkehrs wünschenswert, daß die Anfechtung so bald als möglich erfolgt; die Anfechtung der Dereliktion womöglich vor der Okkupation 9 0 , die Anfechtung der Ausstellung eines Inhaberpapiers vor dem Erwerb durch einen Gutgläubigen 9 1 . 86

N i c h t cler erste E r w e r b e r des P a p i e r s ( O e r t m a n n

§ 796, 3 a ) ,

sondern der, welcher das Papier zur Z e i t der A n f e c h t u n g h a t ( L a n g e n , Kreationstheorie

1 2 8 ) ; d e n n d e r j e t z i g e I n h a b e r des P a p i e r s i s t i n b e z u g

a u f d i e m i t d e m P a p i e r v e r b u n d e n e F o r d e r u n g n i c h t R e c h t s n a c h f o l g e r des f r ü h e r e n I n h a b e r s , v g l . o b . § 44 N . 55 er h a t d a h e r i m S i n n v o n § 1 4 3 I V a u s d e r A u s s t e l l u n g des P a p i e r s u n m i t t e l b a r e i n e n V o r t e i l e r l a n g t .

Aus dem-

selben G r u n d e w i r k t d i e A n f e c h t u n g n u r g e g e n d e n I n h a b e r , d e m gegenü b e r sie v o r g e n o m m e n i s t , n i c h t gegen s p ä t e r e I n h a b e r , a. A . L a n g e n a. a. O. 130; P l a n c k

§ 793, 2 d a. E . A n f e c h t u n g gegen a l l e I n h a b e r k a n n

im

W e g e des § 132 I I e r f o l g e n , v g ] . u n t . N o t e 91. 87

B e i der A u s l o b u n g k a n n m a n sich m . E r . für die A n f e c h t u n g

mit

d e r f ü r d e n W i d e r r u f i n § 658 v o r g e s c h r i e b e n e n ö f f e n t l i c h e n B e k a n n t m a c h u n g begnügen; arbeitet,

d a d a s Gesetz d e m ,

der

m i t Rücksicht

die L e k t ü r e der Z e i t u n g z u m u t e t ,

zu entdecken,

so k a n n

er

i n der Z e i t u n g enthaltene

auch

eine

achte, P l a n c k

man von

i h m ohne U n b i l l i g k e i t Anfechtung

§ 657, 2 a a. E . ; O e r t m a n n

88

P l a n c k

89

Nach E n n e c c e r u s

§ 793,

auf

eine

Auslobung

u m einen etwaigen W i d e r r u f verlangen,

bemerke

und

daß be-

§ 658, 5 b .

2d. a. a. O. s o l l d i e D e r e l i k t i o n , solange eine

A n e i g n u n g n i c h t e r f o l g t i s t , d u r c h f o r m l o s e W i l l e n s b e t ä t i g u n g (»Suchen d e r Sache) a n g e f o c h t e n w e r d e n k ö n n e n .

M. E r . m u ß die Anfechtung, u m

den

E r w e r b des O k k u p a n t e n h i n d e r n z u k ö n n e n , i n s c h ä r f e r e r W e i s e h e r v o r t r e t e n . 90

M a n i g k , W i l l e n s e r k l ä r u n g § 130, k o m m t v o n seiner A u f f a s s u n g

d e r sog. n i c h t e m p f a n g s b e d ü r f t i g e n

Erklärungen

(vgl. u n t .

§ 61) a u s

d e m R e s u l t a t , d a ß eine A n f e c h t u n g d e r D e r e l i k t i ö n n u r g e g e n ü b e r

zu dem

O k k u p a n t e n n ö t i g u n d m ö g l i c h sei. 9 1

Die Anfechtung

d u r c h öffentliche

Zustellung w i r k t

gegen jeden,

312

Drittes Buch.

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

V. Die W i r k u n g der Anfechtung ist Vernichtung des angefochtenen Rechtsgeschäfts 9 1 a m i t rückwirkender K r a f t : „ w i r d ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als v o n Anfang an nichtig anzusehen", § 142 I . A u f die erfolgte Anfechtung kann sich daher jeder berufen, der an der N i c h t i g k e i t des Geschäftes ein Interesse h a t 9 2 . Je nach der Beschaffenheit des angefochtenen Rechtsgeschäftes gestaltet sich die Rechtslage v e r s c h i e d e n 9 3 : W i r d ein Verfügungsgeschäft angefochten, so ist die Verfügung als nicht geschehen zu b e t r a c h t e n 9 4 . E i n veräußertes Recht gehört zum Vermögen des Veräußerers 9 5 , wie wenn es nie aus seinem Vermögen ausgeschieden w ä r e 9 6 . Daher k a n n der der aus d e m angefochtenen Rechtsgeschäft einen V o r t e i l erlangt.

Das ist

b e s o n d e r s w i c h t i g f ü r d i e A n f e c h t u n g d e r A u s s t e l l u n g eines I n h a b e r p a p i e r s ; denn die A n f e c h t i m g d u r c h E r k l ä r u n g a n den jetzigen I n h a b e r

zerstört

n u r dessen R e c h t , n i c h t d a s R e c h t s p ä t e r e r I n h a b e r , v g l . o b . N o t e

86.

Der Aussteller m u ß

Er-

aber die M ö g l i c h k e i t haben, unverzüglich nach

k e n n t n i s des I r r t u m s r e s p . i n n e r h a l b d e r F r i s t des § 124 eine A n f e c h t u n g vorzunehmen,

welche

ihn

von

den

Wirkungen

der

mit

Willensmangel

b e h a f t e t e n A u s s t e l l u n g des P a p i e r e s g ä n z l i c h b e f r e i t . 91 a

I s t die A n f e c h t u n g unbegründet,

bestehen u n d der Anfechtende

so b l e i b t d a s

Rechtsgeschäft

k a n n seine R e c h t e a u s d e m s e l b e n

geltend

m a c h e n ; j e d o c h k a n n , solange a n der A n f e c h t u n g festgehalten w i r d , G e g n e r n i c h t i n V e r z u g g e r a t e n , v g l . o b . § 53 N o t e 92

A u c h der Anfechtungsgegner,

das

Geschäft

RG.

76, 355.

angefochten

worden

z. B . d e r B e t r ü g e r , d e m g e g e n ü b e r

ist,

Ausnahmsweise b e s t i m m t

durch Anfechtimg

des Z w a n g s v e r g l e i c h e s

gewährten Rechte nicht

der

54.

O e r t m a n n KO. die

§ 142, 2 a.

E.;

§ 196, d a ß d e r

Gläubiger

ihm

Vergleich

durch

den

verliert.

93

B r u c k ,

94

R G . 80, 3 2 0 : W i r d e i n e A u f l a s s u n g a n g e f o c h t e n u n d h a t d e r E r -

werber

in

der

B e d e u t u n g der Anfechtbarkeit

Zwischenzeit

eine das

Grundstück

z u r ü c k g e z a h l t , so i s t d i e E i g e n t ü m e r h y p o t h e k den anfechtenden Veräußerer 95

für Dritte,

1900.

belastende

Hypothek

n i c h t für ihn, sondern für

entstanden.

A u s n a h m s w e i s e k a n n es v o r k o m m e n ,

daß d u r c h die

Anfechtung

das veräußerte R e c h t n i c h t a n d e n anfechtenden Veräußerer, sondern a n e i n e n D r i t t e n f ä l l t : w e n n A eine Sache des B m i t E i n w i l l i g u n g des B

im

e i g e n e n N a m e n v e r ä u ß e r t u n d diese V e r ä u ß e r u n g a n f i c h t , f ä l l t d i e Sache i n f o l g e d e r N i c h t i g k e i t des V e r ä u ß e r u n g s g e s c h ä f t s i n d a s E i g e n t u m des B , d e m sie v o r d e r V e r ä u ß e r u n g g e h ö r t e . vertraute

E b e n s o w e n n A eine i h m v o n B an-

Sache a n d e n g u t g l ä u b i g e n X

w e g e n eines W i l l e n s m a n g e l s a n f i c h t .

veräußert u n d die

Veräußerung

D i e A u s ü b u n g dieses

Anfechtungs-

rechts k a n n B v o n A n a c h A n a l o g i e v o n § 281 verlangen. 96

D a h e r i s t d e r A n f e c h t e n d e , w e n n er s e i n R e c h t d u r c h d i e A n f e c h t u n g

w i e d e r e r l a n g t , n i c h t R e c h t s n a c h f o l g e r dessen, d e r es d u r c h d i e A n f e c h t u n g v e r l i e r t , v g l . o b . § 44 N o t e

66.

§ 57.

Anfechtbarkeit.

313

Anfechtende die veräußerte Sache v i n d i z i e r e n 9 7 ; eine zedierte Forderung gegen den Schuldner geltend m a c h e n 9 8 ; durch A n fechtung eines Erlaßvertrages oder einer Hingabe an Zahlungsstatt erlangt der Gläubiger seine Forderung u n d deren Sicherh e i t e n 9 9 zurück; nach Anfechtung einer Schuldübernahme k a n n der Gläubiger den früheren Schuldner belangen; w i r d die Übertragung eines Anteils an einer Gesellschaft m . b. H . angefochten, so erweist sich, daß der Veräußerer Gesellschafter geblieben u n d der Erwerber es nie geworden i s t 9 9 a . Wird ein belastendes Rechtsgeschäft angefochten, so k a n n der A n fechtende sein Recht als lastenfreies geltend machen. W i r d eine Verfügung des Grundbuchrechts angefochten, so k a n n der A n fechtende Widerspruch eintragen lassen u n d Berichtigung des Grundbuchs verlangen. D a die W i r k u n g der Anfechtung i n den meisten dieser Fälle durch dingliche Ansprüche durchgesetzt w i r d und i n keinem dieser Fälle ein obligatorischer Anspruch nötig 97

E s sei d e n n , d a ß d e m G e g n e r e i n o r i g i n ä r e r E r w e r b s g r u n d , z. 13.

V e r a r b e i t u n g , zur Seite steht.

Insbesondere k a n n die D u r c h f ü h r u n g

der

Anfechtung an der E r s i t z u n g scheitern: da der Erwerber, w e n n die

An-

f e c h t u n g e r f o l g t , so a n z u s e h e n i s t , als o b er n i e E i g e n t ü m e r g e w e s e n w ä r e , k a n n i h m d i e Z e i t seines B e s i t z e s , b e i V o r l i e g e n d e r s o n s t i g e n V o r a u s s e t z u n g e n , zur E r s i t z u n g angerechnet 5,8

Der

debitor

werden.

cessus k a m i

sich d e m

Zessionar gegenüber

auf

die

e r f o l g t e A n f e c h t u n g ( n i c h t a u f d i e A n f e c h t b a r k e i t , v g l . o b . N o t e 6) b e r u f e n u n d Leistung an i h n verweigern. Abtretung

angezeigt

H a t der Gläubiger d e m Schuldner

o d e r i s t eine v o m

Gläubiger

ausgestellte

die

Zessions-

u r k u n d e d e m S c h u l d n e r v o r g e l e g t w o r d e n , so m u ß e r d i e A b t r e t u n g , a u c h w e n n sie a n g e f o c h t e n i s t , g e g e n s i c h g e l t e n l a s s e n : d e r S c h u l d n e r b r a u c h t n i c h t an den Zedenten z u leisten; aber auch n i c h t a n den Zessionar: d e n n § 4 0 9 w i r k t n u r z u g u n s t e n des S c h u l d n e r s u n d z w i n g t i h n n i c h t , a n d e n Zessionar z u l e i s t e n , d e r n i c h t m e h r s e i n G l ä u b i g e r i s t , R G . 70, 9 0 ; O e r t m a n n

§ 409, 4.

D a r a u s ergibt sich, daß der Schuldner n a c h A n f e c h t u n g

e i n e r g e m ä ß § 409 a n g e z e i g t e n Z e s s i o n ü b e r h a u p t n i c h t z u r L e i s t u n g a n g e h a l t e n w e r d e n k a n n , b i s d e r Z e d e n t d i e n a c h § 409 I I e r f o r d e r l i c h e

Zu-

s t i m m u n g des Zessionars z u r Z u r ü c k n a h m e d e r A n z e i g e e r w i r k t h a t .

Hat

der Schuldner bereits a n d e n Zessionar geleistet u n d w i r d die Zession n u n m e h r a n g e f o c h t e n , so e r w e i s t s i c h , d a ß er a n e i n e n N i c h t g l ä u b i g e r g e l e i s t e t hat.

W e n n e r n i c h t d u r c h § 409 g e s c h ü t z t i s t , m u ß er, a u c h w e n n e r d i e

A n f e c h t b a r k e i t d e r Z e s s i o n n i c h t k a n n t e (§ 142 I I ) , n o c h m a l s a n d e n Zed e n t e n l e i s t e n , v g l . o b . § 49 N o t e 99

Einer Anfechtung

Pfandsache,

dem Bürgen

oder E i g e n t ü m e r

welche d u r c h E r l a ß oder H i n g a b e a n Z a h l u n g s s t a t t

z u sein g l a u b t e n , b e d a r f es n i c h t . 9 9 a

84.

gegenüber

RG.

77,

129.

der

befreit

314

Drittes Buch.

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

i s t , u m dem Anfechtenden seine frühere Rechtsstellung wiederzuverschaffen, so k a n n man v o n einer dinglichen K r a f t der Anfechtung reden. F ü r d e n , der aus einem anfechtbaren Verfügungsgeschäft ein Recht erworben hat, bedeutet die Anfechtung Verlust seines Rechtes m i t rückwirkender K r a f t . Daher fallen auch die v o n i h m vor der Anfechtung vorgenommenen V e r f ü g u n g e n 9 9 b weg 1 0 ° , soweit n i c h t der gute Glaube dessen, der v o n i h m erworben hat, geschützt wird. Einen solchen Schutz gibt es nicht bei Verfügung über Forderungen: hat A eine Forderung i n anfechtbarer Weise an B zediert, u n d B die Forderung an C weiterzediert oder verpfändet, so verliert C sein Recht, sobald A seine Verfügung anficht. Dagegen ist C beim Erwerb dinglicher Rechte durch §§ 892, 932 1 0 1 i n seinem guten Glauben g e s c h ü t z t 1 0 1 a . Der gute Glaube hat aber i n diesen Fällen 1 0 2 nach § 142 I I einen anderen I n h a l t als sonst: es k o m m t nicht darauf an, daß C den B für den Inhaber des Rechtes hielt (denn das w a r B vor der An99 b

u n d die gegen i h n v o r g e n o m m e n e n Z w a n g s v e r f ü g u n g e n , v g l . ob. § 54V.

100

Ebenso erlöschen die v o n i h m v o r der A n f e c h t i m g

erworbenen

H e c h t e , w e n n d e r e n E r w e r b d i e Z u s t ä n d i g k e i t des d u r c h d i e A n f e c h t u n g v e r l o r e n e n R e c h t e s z u r V o r a u s s e t z u n g h a t t e ; so z. B . eine

Grunddienst-

b a r k e i t , d i e d e r E i g e n t ü m e r v o r d e r A n f e c h t u n g seines E i g e n t u m s f ü r das Grundstück erworben hat, D e r n b u r g

§ 118 A n m . 3 ; ebenso e i n B ü r g -

s c h a f t s r e c h t o d e r e i n P f a n d , w e l c h e s d e r Z e s s i o n a r s i c h h a t b e s t e l l e n lassen, b e v o r er d i e F o r d e r u n g d u r c h A n f e c h t u n g d e r Z e s s i o n v e r l o r . 101

§ 935 s t e h t d e m g u t g l ä u b i g e n E r w e r b n i c h t i m W e g e ; d e n n eine

Sache, d i e d e r E i g e n t ü m e r f r e i w i l l i g v e r ä u ß e r t h a t , w i r d d u r c h A n f e c h t u n g der V e r ä u ß e r u n g n i c h t n a c h t r ä g l i c h z u einer a b h a n d e n g e k o m m e n e n , o b . § 43 N o t e 101 a welches

vgl.

106. verhält

er a n B

es

sich,

veräußert,

wenn

von B

sich

A

an

eine H y p o t h e k

einem

Grundstück,

bestellen

läßt

und

hierauf die Veräußerung anficht ? D a für den E i g e n t ü m e r keine H y p o t h e k bestellt

werden

W e n n aber A kannte,

kann,

ob.

§ 45

Note

114,

ist

die H y p o t h e k

nichtig.

b e i B e s t e l l u n g der H y p o t h e k sein A n f e c h t u n g s r e c h t

genießt

er

den Schutz

des

guten Glaubens u n d erwirbt

nicht eine

Eigentümerhypothek. 102

D i r e k t e A n w e n d u n g f i n d e t § 142 I I n u r d a n n , w e n n d e r E r w e r b

des R e c h t s v o r g ä n g e r s a n g e f o c h t e n w o r d e n i s t . K i p p

E s m u ß aber i n d e m v o n

( i n d e r o b . N o t e 13 z i t i e r t e n S c h r i f t S. 214) a n g e f ü h r t e n F a l l a n a l o g e

A n w e n d u n g s t a t t f i n d e n : A e r w i r b t e i n e Sache v o n B i n d e m G l a u b e n , d a ß B d i e Sache i n a n f e c h t b a r e r W e i s e v o n C e r w o r b e n h a t , i s t also b ö s g l ä u b i g i m S i n n v o n § 142 I I .

W e n n s i c h n u n e r w e i s t , d a ß d e r E r w e r b des B n i c h t

a n f e c h t b a r , s o n d e r n n i c h t i g w a r , so m u ß m a n m . E r . d e n A u m so m e h r als b ö s g l ä u b i g e n E r w e r b e r

behandeln.

§ 57.

Anfechtbarkeit.

315

fechtung), sondern darauf, daß C die Anfechtbarkeit 1 0 3 des Rechtsgeschäftes, auf welchem das Recht des B beruhte, nicht kannte und nicht kennen mußte 1 0 4 . Es k a n n vorkommen, daß der Erfolg der angefochtenen Verfügung nicht rückgängig gemacht werden kann. D a n n erwächst für den Anfechtenden anstelle des i h m definitiv verloren gegangenen Rechtes ein Bereicherungsanspruch gegen den, welcher auf seine Kosten durch den Untergang des Rechtes einen V o r t e i l erlangt hat. I s t z. B. eine Sache v o n A an B , sodann v o n B an C veräußert worden und war C gutgläubig i m Sinne v o n § 142 I I , so k a n n A durch Anfechtung seiner Veräußerung die Sache nicht wiedererlangen; aber es erweist sich infolge der Anfechtung, daß B über ein Recht des A verfügt h a t ; daher hat A nach § 816 I einen Bereicherungsanspruch gegen B oder, wenn dessen Verfügung unentgeltlich war, gegen C. W a r C beim Erwerb nicht gutgläubig, so kann die gegen i h n gerichtete V i n d i k a t i o n des A dadurch ausgeschlossen sein, daß er die Sache verbraucht oder verarbeitet h a t ; infolge der Anfechtung erweist es sich aber, daß C eine Sache des A verarbeitet hat u n d i h m nach § 951 zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet ist. Besteht die anfechtbare Zuwendung darin, daß A auf seine Kosten dem B eine Forderung gegen C verschafft hat, z. B . durch einen Vertrag m i t C zugunsten des B oder durch eine von C angenommene Anweisung, so k a n n die Anfechtung des Zuwendungsgeschäftes zwischen A u n d B die Gültigkeit der Forderung des B gegen C n i c h t berühren. B ist aber u m diese Forderung auf Kosten des A ungerechtfertigt bereichert u n d muß die Forderung oder deren Surrogat nach § 812 an A herausgeben. W i r d ein Verpflichtungsgeschäft angefochten, so erweisen sich die aus demselben erwachsenen Verpflichtungen als n i c h t i g 1 0 5 , 103 K e n n t n i s d e r e r f o l g t e n A n f e c h t u n g i s t z u m A u s s c h l u ß des g u t e n Glaubens werber

nicht

kann

begründet

erforderlich

eine

halten,

zu vgl.

ob.

getragener W i d e r s p r u c h

den

ohne R ü c k s i c h t d a r a u f ,

ob

begründet

u n d nicht immer genügend;

seiner K e n n t n i s § 49

Note

denn der

kommende Anfechtung 35, 36.

Anfechtenden der Erwerber

gegen

Dagegen

un-

schützt

ein-

gutgläubigen

den Eintrag

Er-

für

kennt

Erwerb und

für

hält.

104 W e n n d e r g u t e G l a u b e des E r w e r b e r s n u r d u r c h g r o b e F a h r l ä s s i g k e i t ausgeschlossen w i r d (§ 932), so k a n n m a n m . E r . i n b e z u g a u f d i e A n f e c h t b a r k e i t d e r R e c h t s s t e l l u n g des V e r ä u ß e r e r s a n d i e b o n a f i d e s des E r werbers keine strengeren A n f o r d e r u n g e n 105

machen.

E i n Schuldner, der sich auf eine erfolgte A n f e c h t u n g b e r u f t ,

h e b t eine E i n w e n d u n g ( B e h a u p t u n g e i n e r r e c h t s a u f h e b e n d e n

Tatsache).

er-

Drittes Buch.

316

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

und zwar sowohl die Verpflichtungen des Anfechtenden als die seines Geschäftsgegners 1 0 6 . I s t i n Erfüllung einer solchen Verpflichtung bereits geleistet, so bleibt das Leistungsgeschäft (z. B . Übertragung des Eigentums oder Zession einer Forderung i n Erfüllung eines angefochtenen Kaufes), weil Verfügungen abstrakt s i n d 1 0 7 , g ü l t i g 1 0 8 , es sei denn, daß außer dem obligatorischen Vertrag auch das Verfügungsgeschäft angefochten werden kann 1 0 8 a . D a aber der rechtliche Grund der Leistung durch die Anfechtung weggefallen ist, ist der Erwerber nach § 812 I zur Herausgabe seiner Bereicherung verpflichtet. Der Umfang seiner H a f t u n g bestimmt sich nach § 818, bei K e n n t n i s der Anfechtung nach § 819, bei K e n n t n i s der Anfechtbarkeit nach § 820 I 2 1 0 9 . I s t aus einem angefochtenen Vertrag beiderseits geleistet, so entsteht für jede Vertragspartei durch die Anfechtung eine Rückforderung, ähnlich, wie wenn der Vertrag durch R ü c k t r i t t aufgehoben wäre, § 346. I n letzterem Falle hat das Gesetz i n § 348 Erfüllung Zug u m Zug angeordnet. Bei der Anfechtung ergibt sich dasselbe Resultat aus § 273: jede Partei h a t ein Zurückbehaltungsrecht; denn die Rückgabeansprüche sind, wenn auch n i c h t aus demselben rechtlichen Verhältnis, so doch aus der Anfechtung desselben rechtlichen Verhältnisses entstanden. Die aus der Anfechtung erwachsenden dinglichen oder obligatorischen Rückgabeansprüche sind infolge der R ü c k w i r k u n g der Anfechtung so zu betrachten, als ob sie nicht erst i m Moment 106 j )

e r

Anfechtende zerstört m i t d e m Rechtsverhältnis auch die für

i h n a u s d e m s e l b e n e n t s t a n d e n e n R e c h t e , u n d z w a r a u c h d a n n , w e n n er diese R e c h t e m i t t l e r w e i l e w e i t e r ü b e r t r a g e n h a t ( d a f ü r i s t er u n t e r seinem Zessionar h a f t b a r ) . Kontrahenten

erlöschen

Umständen

M i t d e r A n f e c h t u n g des V e r t r a g e s d u r c h e i n e n

auch

dio

zugunsten

eines D r i t t e n

begründeten

R e c h t e , § 334. 107

V g l . o b . § 54

108

S c h r e i b e r ,

III. G r u c h o t 52, 515 f g . , b e h a u p t e t ,

daß durch

f e c h t u n g des o b l i g a t o r i s c h e n V e r t r a g e s d a s E r f ü l l u n g s g e s c h ä f t Umständen ungültig ios a V g l .

u n

t.

Vertrages erstreckt letzteres

von

ansprüche 109

An-

unter allen

werde. § 67 V . 68 I I I .

D i e A n f e c h t u n g des

sich

a u f das Erfüllungsgeschäft ,

z. B .

nicht

einem D r i t t e n vorgenommen ist,

J u n g ,

obligatorischen wenn

Bereicherungs-

113.

H a t der Anfechtende sich i n die U n m ö g l i c h k e i t versetzt, die v o n i h m

e r h a l t e n e L e i s t u n g d e m G e g n e r z u r ü c k z u g e b e n , so v e r l i e r t er d a s A n f e c h t u n g s r e c h t n i c h t ( a n d e r s b e i m R ü c k t r i t t , § 351), s o n d e r n h a t n a c h §§ 819, 820 d e m Gegner Schadensersatz z u leisten.

P l a n c k

Erl. V I

4 z u § 123.

§ 57.

Anfechtbarkeit.

317

der Anfechtung, sondern bereits i m Moment der anfechtbaren Zuwendung entstanden seien: hat A am 1. Januar eine Sache i n anfechtbarer Weise oder zur Erfüllung einer anfechtbaren Verpflichtung veräußert u n d erklärt er die Anfechtung am 1. J u l i , so datiert seine V i n d i k a t i o n resp. K o n d i k t i o n , nachdem die A n fechtung erfolgt ist, vom 1. Januar 1 1 0 . Daher beginnt die Verjährung dieses Anspruches, wie § 200 ausdrücklich bestimmt, i n dem Momente, i n welchem die Anfechtung zulässig war. W i r d ein Gestaltungsgeschäft angefochten, so entfällt die durch dasselbe herbeigeführte W i r k u n g u n d es t r i t t der Zustand wieder ein, welcher vor Ausübung des Gestaltungsrechtes bestanden h a t t e : durch Anfechtung einer Aneignung w i r d die Sache wieder herrenlos; Anfechtung einer Vorkaufs- oder Wiederkaufserklärung löst das Vorkaufs- oder Wiederkaufsverhältnis auf; die A n fechtung einer Annahme, einer Genehmigung oder Wahlerklärung bringt den Anfechtenden wieder i n die Lage, sich über Annahme oder Ablehnung der O f f e r t e 1 1 L , über Erteilung oder Versagung der Genehmigung oder über die W a h l v o n neuem zu entscheiden 1 1 2 . M i t der Anfechtung solcher Erklärungen w i r d der Anfechtende oft die entgegengesetzte Erklärung verbinden : m i t der Anfechtung der Annahme die Ablehnung der Offerte; m i t der Anfechtung der Genehmigung die Verweigerung; m i t der Anfechtung einer auf den Gegenstand a gerichteten Wahlerklärung die W a h l des Gegenstandes b. Zur Vermeidung eines nochmaligen Zustandes der Ungewißheit bestimmt § 1957 I , daß Anfechtung der Annahme einer Erbschaft als A u s s c h l a g u n g 1 1 3 , Anfechtung der Ausschlagung als Annahme gelten soll 1 1 4 . Das ist F i k t i o n ; es k o m m t n i c h t darauf an, daß der Anfechtende diese über die Anfechtung hinausgehende W i r k u n g seiner E r k l ä r u n g gewollt hat. Die Anfechtung eines negativen Gestaltungsgeschäftes hat Wiederherstellung des aufgehobenen Rechtsverhältnisses zur Folge: wer die Ausschlagung einer Erbschaft anficht, w i r d wieder Erbe (und gilt als angenommen 110

H e l l w i g ,

1 1 1

V g l . ob. N o t e

112

Wenn nicht

Lehrbuch

§ 34 A n m .

21.

21.

inzwischen die F r i s t

für

diese E n t s c h e i d u n g

abge-

laufen ist. 1 1 3

D i e A n f e c h t u n g der A n n a h m e h a t auch d a n n die W i r k u n g

Ausschlagung, W e n d t , 114

W e n d t

wenn

ArchZPrax.

sie

nach

Ablauf

der

Ausschlagungsfrist

92, 275.

§ 1957 i s t e i n s i n g u l ä r e r R e c h t s s a t z , P l a n c k a. a. O.

der

erfolgt,

§ 1957, 1 ; a. A .

Drittes Buch.

318

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

habend, § 1957); durch Anfechtung der K ü n d i g u n g oder des R ü c k t r i t t s lebt das Schuldverhältnis wieder auf ; durch Anfechtung einer Aufrechnung treten beide Forderungen wieder i n K r a f t ; ist der Widerruf eines Testaments angefochten, so ist das Testament wirksam 1 1 5 . I n solchen Fällen hat die Anfechtung statt der ihr sonst zukommenden zerstörenden K r a f t rechtsbegründende W i r kungen 1 1 6 . Dasselbe findet statt, wenn durch Anfechtung ein Rechtsgeschäft aufgehoben wird, welches der Wirksamkeit eines anderen Geschäftes i m Wege stand: durch Anfechtung einer bedingten Verfügung w i r d eine spätere Verfügung, welche bei Eint r i t t der Bedingung nach § 161 dahinfallen würde, definitiv wirksam ; durch Anfechtung eines E r b Vertrags oder eines gegenseitigen Testaments w i r d ein späteres, nach §§ 2289 I , 2271 I I unwirksames Testament des Anfechtenden gültig 1 1 7 . Ebenso hat die Anfechtung einer auf Grund einer Todeserklärung geschlossenen Ehe, § 1351, n i c h t nur N i c h t i g k e i t dieser Ehe zur Folge, sondern auch Wiederherstellung der Ehe m i t dem Verschollenen, welche nach § 1348 I I durch den Abschluß der jetzt angefochtenen Ehe aufgelöst wurde 1 1 8 . D a die Anfechtung das Geschäft vernichtet, k a n n sie v o m Anfechtenden weder einseitig zurückgenommen, noch durch Vertrag m i t dem Gegner aufgehoben werden 1 1 9 . Denn die Bestätigung 115

E b e n s o w i e b e i m W i d e r r u f eines W i d e r r u f s ,

116

A u c h eine A n f e c h t u n g s e r k l ä r u n g k a n n selbst angefochten werden,

§ 2257.

m i t d e r W i r k u n g , d a ß d a s a n g e f o c h t e n e R e c h t s g e s c h ä f t als n i c h t hoben z u betrachten ist, W e n d t 117

K o p p o r s ,

118

So d i e h e r r s c h e n d e M e i n u n g ( P l a n c k

§ 1350, 2 a ; W o l f f ,

D J Z . 17, 805.

E n d e m a n n I I

Familienrecht

aufge-

a. a. O . O L G . 24, 73.

§ 164 A n m . 2 5 ;

§ 30 A n m .

8) t r o t z

V g l . o b . § 55 N o t e 7.

§ 1350, 2 d ; C r o m e

S c h in i d

§ 557 A n n i . 15

der i m verkennbaren

Härte,

welche i n der Wiederherstellung der aufgelösten E h e u n d noch m e h r i n der Nichtigkeit

e i n e r z w e i t e n E h e des V e r s c h o l l e n e n l i e g e n k a n n .

diese

b u r g

h ö f t ,

zur d e f i n i t i v e n A u f l ö s u n g der E h e

Festg.

für

Bekker

276,

daß

IV

Um

H ä r t e zu vermeiden, behaupten D e m

§ 24 I I I 5 u n d B e r n

-

m i t d e m V e r s c h o l l e n e n n a c h § 1348 I I d i e „ S c h l i e ß u n g " e i n e r n e u e n E h e genüge, ohne R ü c k s i c h t d a r a u f , ob die Eheschließung g ü l t i g ist u n d ob die E h e später angefochten 119

wird.

V g l . o b . § 53 I 6, R G . 74, 3 ; O L G . 22, 1 4 6 ; 24, 2 8 8 ;

§ 190 A n m . 6 ; O e r t m a n n

§ 144, 4 b ; K i p p

E n n c c c e r i i s

Bem. I I 4 zu Windscheid

§ 82 u n d F e s t s c h r . f. K o c h 1 1 1 ; a. A . D e r n b u r g

§ 118 I V , d e r d i e Z u -

r ü c k n a h m e d e r A n f e c h t u n g m i t Z u s t i m m u n g des G e g n e r s f ü r

praktischer

e r k l ä r t , a b e r i h r e Z u l ä s s i g k e i t d e lege l a t a n i c h t zu b e w e i s e n v e r m a g .

Auf

§ 57.

Anfechtbarkeit.

319

eines nichtigen Geschäftes — u n d ein solches ist nach § 142 I das angefochtene Geschäft — ist als erneute Vornahme zu b e u r t e i l e n 1 1 9 a , § 141 I . Bei der erneuten Vornahme ist insbesondere die für das Geschäft vorgeschriebene F o r m nochmals zu erfüllen 1 2 0 . V I . E i n anfechtbares Geschäft k a n n definitiv gültig, unanfechtbar, werden: 1. durch Ablauf der für die Anfechtung v o m Gesetz bestimmten Frist121; 2. durch Bestätigung des Geschäftes, § 144. Während die Bestätigung eines nichtigen Geschäfts sich als erneute Vornahme des Geschäftes darstellt, § 141 1 2 2 , ist die Bestätigung eines anfechtbaren Geschäfts Verzicht auf das Anfechtungsrecht 1 2 : \ welches den Fortbestand der bereits emgetretenen Geschäftswirkungen gefährdet 1 2 4 . Dementsprechend bestimmt § 144 I I , daß die Bestätigung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten F o r m b e d a r f 1 2 5 . Sie ist ein einseitiges Rechtsgeschäft 1 2 6 , welches nicht nur durch E r k l ä r u n g , sondern auch durch Betätigung des Willens 1 2 7 vorgenommen werden kann. Die E r k l ä r u n g ist dem Standpunkt von

D e r n b u r g

steht O L G . Dresden, D J Z .

15, 599

u n d O L G . 20, 176. 11>>a

R G . 77, 130. O L G . 24, 266. 120 Y g i 0 ] j m § 5ß N o t e 91. E i n e s c h e i n b a r e A u s n a h m e l i e g t i n d e m v o n

K i p p

a. a. O. 112 b e s p r o c h e n e n F a l l : w e n n d e r K ä u f e r n a c h A u f l a s s u n g

u n d E i n t r a g u n g den K a u f v e r t r a g (nicht die Auflassung) anficht u n d sich s p ä t e r m i t d e m V e r k ä u f e r ü b e r A u f r e c h t e r h a l t u n g des K a u f v e r t r a g s e i n i g t , so

braucht

beobachtet

für

diese

Einigung

die

Form

des

§ 313

nicht

nochmals

zu werden; denn da Auflassung u n d Eintragung den

Form-

m a n g e l e i n e r v o r a n g e h e n d e n K a u f a b r e d e h e i l e n , i s t a u c h eine n a c h l a s s u n g u n d E i n t r a g u n g geschlossene f o r m l o s e K a u f a b r e d e

Auf-

als g ü l t i g

zu

betrachten. 1 2 1

Note

V g l . o b . § 53 N o t e 46.

3) v e r b l e i b t

dem

I n z w e i F ä l l e n , §§ 2083, 2 3 4 5 ( v g l .

anfechtungsberechtigten

der A n f e c h t u n g s f r i s t eine d a u e r n d e E i n r e d e . (Stroh al, kludierten

JheringsJ.

57,326)

Schuldner

nach

ob.

Ablauf

Diese E i n r e d e ist ein S u r r o g a t

oder richtiger

ein Residuum

des

prä-

Anfechtungsrechtes.

1 2 2

V g l . o b . § 56 V I .

1 2 3

So i m A n s c h l u ß

an

Mot. I

222 d i e h e r r s c h e n d e M e i n u n g ,

o b . § 54 N o t e 185, a. A . W a l s m a n n , V e r z i c h t 104 fg. 124 j m V o r a u s k a n n a u f d i e A n f e c h t u n g w e g e n W i l l e n s m ä n g e l verzichtet werden, G r a d e n w i t z , a b e r u n t . § 67 N o t e

70.

125

Vgl. unt.

126

V g l . o b . § 54 N o t e

127

Vgl. unt.

§ 63. 212.

§ 6 1 N o t e 32.

A n f e c h t u n g u n d R e u r e c h t 89.

vgl. nicht Vgl.

Drittes Buch.

320

Die rechtserhebichen

Tatsachen.

nicht empfangsbedürftig 1 2 8 und braucht nicht ausdrücklich zu sein. Eine Bestätigung k a n n z. B . darin liegen, daß der Anfechtungsberechtigte seine Verpflichtungen aus dem Rechtsgeschäft erfüllt oder sich verurteilen l ä ß t , ohne v o n der Anfechtung Gebrauch zu m a c h e n 1 2 8 a ; daß er Erfüllung e n t g e g e n n i m m t 1 2 9 oder Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung v e r l a n g t 1 3 0 ; daß er den durch das Geschäft erworbenen Gegenstand verbraucht oder v e r ä u ß e r t 1 3 0 a . Die Bestätigung erfordert nach herrschender Meinung K e n n t n i s des Anfechtungsberechtigten nicht nur von den anfechtungsbegründenden Tatsachen, sondern auch davon, daß i h m aus diesen Tatsachen ein Anfechtungsrecht erwachsen sei 1 3 1 . Meines Erachtens ist zu unterscheiden: erfolgt die Bestätigung durch Erklärung, d. h. durch eine Handlung, welche dazu bes t i m m t ist, anderen Personen etwas k u n d zu t u n , und hat diese H a n d l u n g o b j e k t i v die Bedeutung einer Bestätigung, so kann ihr diese Bedeutung nur durch Anfechtung nach § 119 genommen werden; liegt dagegen eine Betätigung vor, d. h. eine Handlung, welche ohne Kundgebungszweck erfolgt, so hat diese Handlung n i c h t die Bedeutung einer Bestätigung, wenn sich herausstellt, daß der Handelnde sein Anfechtungsrecht nicht kannte 1 3 2 . Ebenso verhält es sich m i t Willensmängeln: besteht die Bestätigung in einer Willenserklärung, so k a n n sie nur durch Anfechtung beseitigt werden 1 3 3 , während eine n i c h t m i t Kundgebungsabsicht verbundene Handlungsweise keine Bestätigung ist, sobald sich herausstellt, daß der Handelnde die Absicht der Bestätigung nicht hatte, sondern durch I r r t u m , Täuschung oder Drohung zu seiner H a n d l u n g veranlaßt worden ist. Bestätigen k a n n nur der Anfechtungsberechtigte (oder sein 128

P l a n c k

§ 190 A n m . 18. i28a y g l >

§

u n t >

144; §

6 8

129

R G . i n SeuffArch.

130

R G . 65, 403.

130 a D a g e g e n l i e g t berechtigte

N o t e

§

144, 3 ;

E n n e c c e r u s

1 0 9


Zur Kritik

m a n n , Recht findet,

z u § 123: die Vertragsgenossen X

zueinander

N o t e

8 5

des § 123 I I

Daß

§ 123 I I von

kann.

.

M i t t e i s ,

13,589; M i t t e i s ,

wird

Leipz.

Z. 0 9 , 6 3 4 ;

Verträge

auf

Leistung

Anwendung

an Dr.

286,

s t r i t t e n ; dagegen m i t R e c h t die herrschende M e i n u n g , P l a n c k O e r t m a n n

§ 123 B

O e r t m a n n

87

A u f diesen F a l l h a t bei d e n V o r a r b e i t e n z u m B G B .

88

des X .

§ 334, 1 c ; E n n e c c e r u s

34, 347 a u f m e r k s a m

§ 259 I I I

gemacht. zugunsten

D e r d e n A u n t e r s u c h e n d e A r z t b e g e h t eine T ä u s c h u n g , v o n w e l c h e r

zwar A nichts weiß, w o h l aber X .

M a ß g e b e n d f ü r das W i s s e n oder Wissen-

i s t d e r M o m e n t des V e r t r a g s s c h l u s s e s , n i c h t d e r

in welchem X

R e c h t e aus diesem V e r t r a g e r w i r b t , P l a n c k

a. A . D e r n b u r g sondern

1. S t r o h a l ,

Z. B . es v e r s i c h e r t A sein L e b e n b e i d e r G e s e l l s c h a f t B

m ü s s e n des X

89

be-

§ 123 I V ,

3a.

86

JheringsJ.

H e l l -

das. 667.

2 auf den Vertrag zugunsten D r i t t e r

H e l l w i g ,

sollen

gegenüber

Zeitpunkt, § 123

IV;

§ 146 V .

E r l a n g t d e r D r i t t e d a s R e c h t n i c h t u n m i t t e l b a r aus d e m V e r t r a g e , durch

nachträgliche

Bestimmung

des

Versprechensempfängers,

§ 332, so f i n d e t § 123 I I 2 k e i n e A n w e n d u n g , s o w e n i g w i e d e r

Schuldner

gegen j e m a n d e n a n f e c h t e n k a n n , d e r i h n b e i A b s c h l u ß des V e r t r a g e s

ge-

t ä u s c h t h a t oder v o n einer T ä u s c h u n g K e n n t n i s h a t t e u n d die F o r d e r u n g n a c h t r ä g l i c h d u r c h Zession e r w o r b e n h a t , hat

der

Schuldner

gegen

den

Dritten

P l a n c k resp.

den

§ 123 I V . Zessionar

Jedoch

einen

An-

s p r u c h a u s § 826 u n d k a n n u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t des Schadenersatzes v o m D r i t t e n A u f h e b u n g der F o r d e r u n g verlangen u n d daher die Leistung verweigern. 90

Ausgesprochen

ist

dieser

Satz

nur

für

den fernerliegenden

Fall

der v o n einem V i e r t e n begangenen u n d d e m D r i t t e n b e k a n n t e n Täuschung; er g i l t a b e r u m so m e h r b e i e i n e r v o m D r i t t e n selbst v e r ü b t e n T ä u s c h u n g .

§ 68.

Arglistig

Täuschung und

Drohung.

619

sonst der Vertragsgegner, sondern der D r i t t e , § 143 I I 9 1 . Die W i r k u n g der Anfechtung betrifft nur den Rechtserwerb des D r i t t e n : er verliert seine Forderung gegen B ; der Fortbestand des Vertrages zwischen den Vertragsparteien A u n d B richtet sich nach § 139 9 2 . I s t beim Vertrag zugunsten D r i t t e r nicht der Schuldner, sondern der S t i p u l a n t 9 3 v o m begünstigten D r i t t e n oder m i t dessen Wissen getäuscht worden, so ist fraglich, welche Rechtswirkungen durch die von i h m gegen den D r i t t e n gerichtete Anfechtung aufgehoben werden: m. Er. nicht die Forderung, welche der D r i t t e gegen den Schuldner erworben h a t 9 3 a , sondern n u r die Wirkungen, welche durch den Vertrag zwischen i h m u n d dem anfechtenden Stipulanten eingetreten sind. Diese W i r k u n g e n bestehen darin, daß der Stipulant dem D r i t t e n durch Verschaffung einer Forderung gegen den Schuldner eine Zuwendung gemacht hat. Die Verabredung über den Rechtsgrund dieser Zuwendung, welcher i n der Regel causa donandi ist, w i r d durch die Anfechtung zerstört, so daß der D r i t t e die i h m versprochene Summe zwar v o m Schuldner verlangen, aber dem Stipulanten herausgeben m u ß 9 4 . Bei der Anwendung des § 123 I I 2 auf die Schuldübernahme ist zu unterscheiden: erfolgt die Übernahme nach § 414 durch Vertrag zwischen Gläubiger u n d Übernehmer , so erw i r b t der Urschuldner aus diesem Vertrage unmittelbar zwar kein R e c h t 9 5 , aber , was dem Rechtserwerb i n ökonomischer 91

E n t s t e h t d a s R e c h t des D r i t t e n n i c h t s c h o n m i t A b s c h l u ß des V e r -

trages, s o n d e r n e r s t s p ä t e r , § 328 I I , 331, so i s t d i e A n f e c h t u n g s c h o n v o r E n t s t e h i m g des R e c h t e s z u l ä s s i g ; d a d u r c h w i r d es e r m ö g l i c h t , d i e des § 124 z u w a h r e n , P l a n c k 92

E n n e c c e r u s

§ 162 A n m .

§ 122 eine E r s a t z p f l i c h t Kontrahenten,

der

1 befürwortet

des A n f e c h t e n d e n

durch

die

Frist

§ 123 I V .

nach

§

nach Analogie

gegenüber d e m

139

eintretende

des

unschuldigen

Nichtigkeit

ge-

schädigt ist. 93

Leistimg eine

Stipulant nenne ich i m Anscliluß an

Leistung

Dritte, an

den

den

Kontrahenten,

Dritten

an

H e l l w i g ,

welcher

versprechen

läßt,

D r i t t e n , welcher allein oder neben d e m S t i p u l a n t e n , 9 3 il

94

die

auf

Schuldner

Unterschied

vom

§ 335, G l ä u b i g e r

zum Stipulanten nicht vorbringen ,

2 a v o r § 328, E n n e c c e r u s

ist.

§ 259

O e r t -

IV.

M i t Z u s t i m m u n g des S t i p u l a n t e n k a n n d e r S c h u l d n e r d e m D r i t t e n

Leistung

verweigern ,

wenn

der

H e r a u s g a b e a n s p r u c h gegen d e n D r i t t e n 95

im

Verträge

vom

D e n n d e r S c h u l d n e r k a n n g e g e n d e n D r i t t e n E i n w e n d u n g e n aus

d e m V e r h ä l t n i s des D r i t t e n m a n n

sich

V g l . , ob. § 47 N o t e

27.

Stipulant zediert.

dem

Schuldner

seinen

620

Drittes B u h .

Die rechtsereblichen

Tatsachen.

Beziehung gleichzustellen ist, Befreiung v o n einer Schuld. I s t der Gläubiger v o m Urschuldner g e t ä u s c h t 9 6 , so kann er i h m gegenüber anfechten ; dadurch w i r d die frühere Forderung wiederhergestellt u n d infolgedessen die Forderung gegen den Übernehmer nach § 139 aufgehoben; denn die Parteien wollten p r i v a t i v e , n i c h t k u m u l a t i v e Schuldübernahme. H a t der U r schuldner den Übernehmer getäuscht, so k a n n eine gegen den Urschuldner gerichtete Anfechtung m. E r . die Forderung des Gläubigers gegen den Übernehmer nicht zerstören, sondern nur auf das Verhältnis zwischen Übernehmer u n d Urschuldner einwirken; die i n der Übernahme liegende Zuwendung an den Urschuldner ist durch die Anfechtung grundlos geworden; daher kann der Übernehmer Beseitigung dieser Zuwendung, d. h. Befreiung v o n seiner Schuld verlangen. Erfolgt die Übernahme nach § 415 durch Vertrag zwischen dem alten und neuen Schuldner, so ist der Gläubiger die Person, welche aus dem Vertrage unmittelbar ein Recht e r w i r b t : das Recht, durch Genehmigung den Übernehmer zu seinem Schuldner zu machen 9 7 . Verübt der Gläubiger eine Täuschung gegen den Übernehmer 9 8 , von welcher der Urschuldner nichts weiß, so k a n n der Übernehmer i h m gegenüber anfechten, wodurch der Gläubiger seine neue Forderung verliert; dadurch w i r d der Vertrag der beiden Schuldner nach § 139 unwirksam auch i n bezug auf die Befreiung des Urschuldners ; es bleibt aber unter ihnen Erfüllungsübernahme bestehen, § 415 I I I 9 9 . Streitig ist die Anwendbarkeit des § 123 I I 2 bei Anfechtung der Vollmacht 1 0 0 u n d der Genehmigung 1 0 1 . 96

Ist

der

Gläubiger

gegenüber anfechten,

vom

wodurch

Übernehmer die

getäuscht,

so k a n n er

S c h u l d des Ü b e r n e h m e r s

ihm

aufgehoben

u n d d i e S c h u l d des U r s c h u l d n e r s w i e d e r h e r g e s t e l l t w i r d , selbst w e n n d e r Urschuldner v o n der Täuschung nichts w u ß t e ; einen d a m i t

verbundenen

S c h a d e n m u ß d e r U r s c h u l d n e r t r a g e n , w e i l e r seine B e f r e i u n g n i c h t eigener Tätigkeit

verdankt,

sondern

n e h m e r geschlossenen

einem

ohne

seine

Beteiligung

vom

Uber-

Vertrag.

97

V g l . ob. § 7 A n m .

98

E i n e T ä u s c h u n g des U r s c h u l d n e r s d u r c h d e n G l ä u b i g e r w i r d k a u m

13.

v o r k o m m e n ; jedenfalls h a t der U r s c h u l d n e r , w e n n er getäuscht ist, k e i n Interesse, die i h m v o r t e i l h a f t e 99

Schuldübernahme

anzufechten.

Ü b e r den F a l l , daß der Schuldübernehmer v o m Urschuldner,

mit

d e m er e i n e n V e r t r a g n a c h § 415 s c h l i e ß t , g e t ä u s c h t w i r d u n d i h m gegenüber anficht, und

v g l . d i e o b . N o t e 84 g e n a n n t e n S c h r i f t e n v o n

M i t t e i s

H e l l m a n n . 100

P 1 a n c k

§ 167, 4 d .

101

P 1 a n c k

§ 182, 3.

§ 68.

Arglistig

Täuschung und

621

Drohung.

2. Bei nichtempfangsbedürftigen Erklärungen k o m m t es grundsätzlich nicht darauf an, wer die Täuschung verübt hat, so z. B. bei der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft, § 1954, bei der Anerkennung der Ehelichkeit, § 1599, oder der Vaterschaft, § 1718 1 0 2 . Dasselbe gilt für die Auslobung u n d bei sonstigen nichtempfangsbedürftigen Erklärungen, insbesondere auch bei der diesen Erklärungen gleichstehenden W i l l e n s b e t ä t i g u n g 1 0 3 , z. B. bei der durch Betätigung erfolgenden Bestätigung eines anfechtbaren Rechtsgeschäftes, § 1 4 4 1 0 4 . D a solche Handlungen zu ihrer Wirksamkeit keine Kenntnis des Gegners erfordern u n d daher kein Vertrauen i n i h m hervorrufen, können sie angefochten werden, auch wenn die Täuschung v o n d r i t t e r Seite ohne Z u t u n des Gegners vorgenommen w u r d e 1 0 4 i l . Über die Anwendbarkeit des § 123 I I auf die Ausstellung 1 0 5 eines Inhaberpapieres oder die Abgabe einer Wechselerklärung besteht Meinungsverschiedenheit: einige Autoren 1 0 6 wollen bei diesen Erklärungen, weil sie nichtempfangsbedürftig sind, Anfechtung wegen Täuschung ohne R ü c k sicht auf die Person des Täuschenden zulassen, während andere 1 0 7 eine Anfechtung wegen Täuschung nur gegen den Inhaber für zulässig halten, welcher selbst getäuscht hat oder die Täuschung kannte oder kennen mußte. Diese analoge Anwendung des § 123 I I 1 läßt sich durch die Erwägung rechtfertigen, daß das Recht eines jeden Inhabers nach § 796, WO. A r t . 82 unabhängig von 102

m a n n 103

RG.

58, 348.

OLG.

24, 55.

i n d e n ob. N o t e 84 z i t i e r t e n Vgl. ob. § 61 I

Vgl. dazu

M i 11 e i s und

H e l l -

Schriften.

2.

104

V g l . o b . § 57 N o t e 127. 104 11 x s t a b e r d i e B e s t ä t i g u n g d u r c h eine E r k l ä r u n g erfolgt, behandeln, werden,

vgl. ob. § 61 N o t e 322,

wenn

an

d e n Gegner

gerichtete

so i s t diese E r k l ä r u n g w i e eine e m p f a n g s b e d ü r f t i g e

der

Gegner

Täuschung nicht betätigt

an

der

und kann gegen

den

daher nicht

zu

angefochten

Bestätigenden

verübten

war.

ios y o n d e r A u s s t e l l u n g i s t z u u n t e r s c h e i d e n d i e B e g e b u n g des P a p i e r s , v o n w e l c h e r n u r das E i g e n t u m des e i n z e l n e n E r w e r b e r s

abhängt,

nicht

d i e G ü l t i g k e i t des P a p i e r e s u n d d a h e r n i c h t das R e c h t s p ä t e r e r E r w e r b e r , v g l . ob. § 44 N o t e 55.

Die Begebung kann

wie jeder sonstige

Vertrag

a n g e f o c h t e n w e r d e n , w e n n sie m i t T ä u s c h u n g o d e r a n d e r e n W i l l e n s m ä n g e l n behaftet ist, L a n g e n , 106

L a n g e n

C o s a c k § 225 I 107

Kreationstheorie

135.

a. a. O . ; S t a u b • S t r a n z ,

W O . A r t . 82 A n m .

C r o m e § 310, 2 ; P 1 a n c k § 793, 2 c ; O e r t m a n n

E n n e c c e r u s

9;

2. § 428 I I

2b.

§ 796, 3 a ;

622

Drittes B u h .

Die rechtsereblichen

Tatsachen.

den i n der Person seines Vorgängers eingetretenen Ereignissen ist u n d u m so mehr unabhängig sein muß von der arglistigen Handlungsweise d r i t t e r Personen 1 0 8 . V . Der Getäuschte oder Bedrohte braucht nicht, wie der Irrende § 121, unverzüglich anzufechten, sondern hat eine reichlich bemessene Frist, während welcher er überlegen kann, ob es i h m vorteilhafter ist, das Rechtsgeschäft trotz seiner durch Willensmangel beeinflußten Entstehung gelten zu lassen oder es durch Anfechtung zu zerstören. Es läßt sich nicht leugnen, daß das Gesetz d a m i t dem Getäuschten oder Bedrohten die Möglichkeit eröffnet, seine Entscheidung nach der späteren Gestaltung der Verhältnisse zu richten, d. h. auf Kosten des Gegners zu spekulieren. Die Nachteile dieser Situation hat der Gregner sich selbst zuzuschreiben; er hat auch nicht die Befugnis, wie beim R ü c k t r i t t s recht § 355, eine angemessene F r i s t zur Entscheidung über die Anfechtung zu setzen. Jedoch ist zu beachten, daß längeres Verzögern der Anfechtung zwar nicht allein, aber i n Verbindung m i t dem sonstigen Verhalten des Anfechtungsberechtigten sich als Bestätigung des anfechtbaren Geschäftes darstellen kann 1 0 9 . Die für Anfechtung wegen Täuschung u n d Drohung in § 124 bestimmte Frist ist eine doppelte: 1. eine Jahresfrist, beginnend m i t der Entdeckung der Täuschung 1 1 0 oder dem Aufhören der Zwangslage, Bei Anfechtung der Ehe beträgt die Frist sechs Monate, § 1339. Innerhalb 108

D a d e m I n h a b e r E i n w e n d u n g e n aus d e m d o l u s seines V o r g ä n g e r s

i m E i g e n t u m des P a p i e r s n i c h t e n t g e g e n g e h a l t e n w e r d e n k ö n n e n , § 796, so k a n n i h m n o c h w e n i g e r A r g l i s t schaden.

eines n o c h f e r n e r

E b e n s o i s t aus § 7 84 I z u e n t n e h m e n ,

stehenden

Dritten

daß die A n n a h m e

der

A n w e i s i m g , o b g l e i c h sie e i n e n i c h t e m p f a n g s b e d ü r f t i g e E r k l ä r u n g i s t , v g l . ob. § 61 N o t e 308, weisungsempfänger

n u r d a n n angefochten werden kann, den Betrug

w e n n der

An-

g e g e n d e n A k z e p t a n t e n v e r ü b t h a t oder

v o m B e t r u g eines D r i t t e n K e n n t n i s h a t t e o d e r h a b e n k o n n t e . 109

E i n e B e s t ä t i g u n g k a n n u n t e r U m s t ä n d e n a u c h d a r i n liegen, daß

der Anfechtungsberechtigte,

w e n n er v o m Gegner b e k l a g t w i r d , die Aus-

ü b u n g d e r A n f e c h t u n g w ä h r e n d des Prozesses u n t e r l ä ß t .

Eine Präklusion

des A n f e c h t u n g s r e c h t e s n a c h Z P O . § 767 n e h m e i c h n i c h t a n , v g l . B d . S. 1 9 9 ; a. A . R G . 110

der

D a z u g e h ö r t K e n n t n i s des v o l l e n T a t b e s t a n d e s d e r

Getäuschte m u ß

Gegner

diesen

I

78, 396.

Irrtum

seinen I r r t u m kannte

und

Täuschung:

e r k a n n t h a b e n u n d wissen, d a ß hervorgerufen

oder

ausgenutzt

der hat,

u m d e n G e t ä u s c h t e n z u r A b g a b e d e r E r k l ä r u n g z u b e s t i m m e n , R G . 59, 9 4 ; 65. 86.

§ 68.

Arglistige Täuschung u n d Drohung.

623

dieser Frist muß die Anfechtungserklärung nicht nur, wie beim I r r t u m , § 121, abgesendet, sondern auch dem Gegner zugegangen sein 1 1 1 ; 2. eine dreißigjährige Frist seit Abgabe der W i l l e n s e r k l ä r u n g 1 1 2 , wobei es auf die Entdeckung der Täuschung oder das Aufhören der Zwangslage nicht a n k o m m t . D a das Anfechtungsrecht kein Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht ist, k a n n die zeitliche Begrenzung nicht Verjährung sein; sie ist eine Ausschlußfrist. Daher gelten die Rechtssätze über H e m m u n g u n d Unterbrechung der Verjährung grundsätzlich n i c h t ; jedoch sollen bei der einjährigen Frist die §§ 203 I I 1 1 3 206 1 1 4 u n d 207 entsprechende Anwendung finden. V I . Da sich die Anfechtung gegen die Rechtsfolgen des Rechtsgeschäftes richtet, können nur wirksame Geschäfte Gegenstand der Anfechtung sein 1 1 5 . I s t das durch Täuschung oder Drohung veranlaßte Geschäft aus irgendeinem Grunde, z . B . wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit oder wegen F o r m verstoß nichtig, so ist die Anfechtung begrifflich ausgeschlossen. Streitig ist die Abgrenzung der wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 nichtigen v o n den durch Drohung erzwungenen u n d nach § 123 anfechtbaren Geschäften 1 1 6 . D a es für § 138 auf den I n h a l t , nicht auf die Motive des Geschäftes a n k o m m t 1 1 7 , ist ein Geschäft nicht deshalb nichtig, weil es durch eine Drohung 1 1 8 erzwungen ist, die 111

V g l . ob. § 6 1 N o t e

112

B e i m T e s t a m e n t seit d e m E r b f a l l ,

113

§ 203 I ,

242.

Hemmung

durch

§ 2082.

Stillstand

der

Rechtspflege,

findet

e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g , w o d i e A n f e c h t u n g d u r c h K l a g e , § 1599, E r k l ä r u n g a n das N a c h l a ß g e r i c h t , § 2082, o d e r i n ö f f e n t l i c h e r § 2283, z u e r f o l g e n 1 1 4

Beurkundung,

hat.

§ 2Q6 f i n d e t b e i b e s c h r ä n k t g e s c h ä f t s f ä h i g e n P e r s o n e n a u c h d a n n

A n w e n d u n g , w e n n d i e A n f e c h t u n g i m e i n z e l n e n F a l l eine l e d i g l i c h v o r t e i l h a f t e W i l l e n s e r k l ä r u n g i s t , w e l c h e n a c h § 107 o h n e E i n w i l l i g u n g des gesetzl i c h e n V e r t r e t e r s v o r g e n o m m e n w e r d e n k a n n , z. B . d i e A n f e c h t i m g von

einem

vgl.

ob.

später

§ 59

mündigten

Entmündigten

Note

gegen

41;

seine

denn eigene

abgegebenen

die

Hemmung

Nachlässigkeit

eines

Schenkungsversprechens, der F r i s t oder

soll d e n

Ent-

Charakterschwäche

schützen. 116

V g l . o b . § 57 N o t e

116

H e n l e ,

i n der Festschr. ArehZivPr.

f.

13.

Anwendungsgebiet der A n f e c h t b a r k e i t wegen D r o h u n g , Zitelmann.

P l a n c k

§ 123 E r l .

Vb;

S t a m p e ,

108, 78.

117

P l a n c k ,

118

Oder eine T ä u s c h u n g , R G .

E r l . I 2, O e r t m a n n , 72, 217.

Erl. B

1 c z u § 138.

Drittes B u h .

624

Die rechtsereblichen

Tatsachen.

sich als Verstoß gegen die guten Sitten darstellt. Dagegen ist ein inhaltlich unsittliches, insbesondere ein wucherisches Geschäft auch dann nichtig nach § 138, wenn es durch Drohung erzwungen ist 1 1 9 . Eine inhaltliche Unsittlichkeit wird aber i n zahlreichen Fällen des erzwungenen Rechtsgeschäfts vorliegen 1 2 0 ; so g i l t z. B. als unsittlich die Zusage eines Lohnes für Unterlassung einer rechtlich oder morahsch unerlaubten Handlung, die Verabredung eines Schweigegeldes oder einer Abfindung für Unterlassung der Ehescheidung 1 2 1 . I n solchen Fällen ist die Anfechtung i n der Regel ausgeschlossen, weil die Verabredung schon nach § 138 nichtig ist u n d die Leistung nach § 817 zurückverlangt werden kann. Neben der Nichtigkeit, welche n u r das Kausalgeschäft, nicht die abstrakten Erfüllungsgeschäfte betrifft 1 2 2 , kann Anfechtung i n Betracht kommen, wenn die aus unsittlicher causa vorgenommenen Verfügungen durch Täuschung oder Drohung veranlaßt worden sind 1 2 3 . Über die Konkurrenz der anfechtungsberechtigenden Willensmängel 1 2 4 ist folgendes zu bemerken: 1. Die Täuschung absorbiert den i n ihrem Tatbestand enthaltenen I r r t u m i m M o t i v 1 2 5 , so daß nur ein auf die Täuschung gegründetes Anfechtungsrecht besteht 1 2 6 . Es kann aber neben dem durch Täuschung hervorgerufenen I r r t u m ein I r r t u m in der E r k l ä r u n g oder falsche Übermittelung vorliegen, so z. B. wenn A den B durch Täuschung veranlaßt, ein Schuldversprechen abzugeben u n d die Schuldsumme durch Schreibfehler des B oder Versehen des Telegraphen auf einen höheren Betrag lautet, als B wollte; diese E r k l ä r i m g k a n n B sowohl nach §§ 119/120 als wegen Täuschung anfechten; er w i r d letztere Anfechtung vorziehen, weil sie i h n nicht m i t dem negativen Interesse belastet 1 2 7 . "Nach

H o l d e r

§ 123, 6 d u n d

D e r n b u r g

§ 147 A n m .

14

s o l l e i n e r z w u n g e n e s G e s c h ä f t , w e i l d a s Gesetz f ü r diesen F a l l A n f e c h t b a r k e i t a n o r d n e t , n i e m a l s n i c h t i g sein. 120

V g l . ob. N o t e

121

R G . 58, 2 0 6 ; P l a n c k

§ 138 E r l . B

lc

63.

122

P l a n c k

1 2 3

V g l . o b . N o t e 71. 72.

124 y g i

Qb

§ 138 E r l . I

§ 10 V .

Anfechtungsrechten 125

§ 138 E r l . I 2 c u n d S. 3 6 6 ;

S. 4 2 7 ; E n n e c c e r u s

§ 178 A n m .

O e r t m a n n

20, 21.

3 b.

Gegen die M ö g l i c h k e i t einer K o n k u r r e n z

H e n 1 e a. a. O. 43 fg.

V g l . o b . N o t e 7.

126

Gesetzeskonkurrenz, vgl. B d . I

S. 276.

127

K i p p ,

§ 78.

Zus. 3 z u W i n d s c h e i d

von

§ 68.

Arglistige Täuschung u n d Drohung.

625

2. Neben einer Drohung k a n n i n bezug auf dieselbe Willenserklärung Täuschung oder I r r t u m vorliegen: so z. B. wenn A den B zwingt, eine Erklärung an X abzugeben u n d i h n über Bedeutung u n d Tragweite dieser Erklärung täuscht; oder wenn B bei der Abfassung des erzwungenen Schuldscheines aus Versehen 1000 statt 100 geschrieben hat 1 2 8 : m i t der Anfechtung wegen Drohung konkurrieren hier Anfechtungsrechte aus Täuschung resp. I r r t u m . Die Anfechtung wegen I r r t u m s ist die wenigst vorteilhafte, weil sie zum Ersatz des negativen Interesses verpflichtet; sie w i r d eventualiter vorgenommen für den Fall, daß der Nachweis der Drohung nicht gelingt. Die Anfechtung wegen Drohung k a n n beim K a u f m i t der Mängelhaftung aus § 459 konkurrieren. Ebenso die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung 1 2 9 ; das ist zweifellos, wenn die Täuschung nicht i n der Zusicherung von Eigenschaften, § 459 I I , oder dem Verschweigen v o n Fehlern der Sache, § 463, 2, besteht, sondern sich auf andere für den Käufer bestimmende Umstände bezieht; aber auch bei Zusichern v o n Eigenschaften oder Verschweigen von Fehlern ist neben der Mängelhaftung die A n fechtung wegen Täuschung nicht ausgeschlossen 1 3 0 ; da aber die Anfechtung dem Käufer keine größeren Vorteile bietet, als die Mängelhaftung, und die Anfechtungsfrist des § 124 i n der Regel kürzer ist, als die bei Arglist des Verkäufers dreißigjährige Verjährung der Mängelansprüche, § 477, wird, außer beim Viehk a u f 1 3 0 a , selten Anlaß vorliegen, v o n der Anfechtung Gebrauch zu machen 1 3 1 . 128

Oder wenn B unter Z w a n g an X

eine E r k l ä r u n g r i c h t e t o h n e z u

wissen, d a ß dieser E r k l ä r u n g r e c h t l i c h e B e d e u t u n g z u k o m m t . subsumiert H e n l e

Diesen F a l l

u n t e r § 118, v g l . ob. § 66 N o t e 75. D i e u n b e q u e m e K o n -

s e q u e n z , d a ß B n a c h § 122 d a s n e g a t i v e I n t e r e s s e z u e r s e t z e n h ä t t e , H e n l e

will

a. a. O. 27 d a d u r c h b e s e i t i g e n , d a ß er d e m B e r l a u b t , s t a t t d e r

n a c h H e n 1 e s A n s i c h t n i c h t i g e n E r k l ä r u n g d i e s i c h aus § 122 e r g e b e n d e E r s a t z p f l i c h t d u r c h A n f e c h t u n g z u beseitigen. 129 P l a n c k § 823, V I I I 2. L e n t , G e s e t z e s k o n k u r r e n z 130

361.

Anders b e i m I r r t u m , weil die v o n der M ä n g e l h a f t u n g betroffenen

E i g e n s c h a f t e n n i c h t u n t e r § 119 I f a l l e n , v g l . o b . § 67 N o t e 78. 130 a B

e

i

m

Viehkauf gibt

es f ü r

a n d e r e als H a u p t m ä n g e l k e i n e

w ä h r l e i s t u n g , selbst n i c h t b e i a r g l i s t i g e m V e r s c h w e i g e n . fechtung

wegen

arglistiger

Täuschung

möglich,

Ge-

Dagegen ist A n -

P l a n c k

§ 481, 2.

O e r t m a n n § 482, 2. 131 W e n n b e i m G e n u s k a u f d e r V e r k ä u f e r a r g l i s t i g e r w e i s e e i n e m a n g e l h a f t e Sache l i e f e r t , so k a n n n i c h t d e r K a u f v e r t r a g , Handbuch X . 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

sondern n u r das E r 40

Drittes B u h .

626

Die rechtsereblichen

Tatsachen.

V I I . Täuschung u n d Drohung kommen nicht nur als Anfechtungsgründe i n Betracht, sondern auch als rechtswidrige Handlungen, aus denen der Täter, wenn er zurechnungsfähig ist u n d das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit hatte, zu Schadensersatz verpflichtet ist 1 3 2 . Täuschung u n d Drohung erscheinen zunächst als unerlaubte Handlungen (Delikte), zwar nicht nach § 823 I 1 3 3 , w o h l aber, soweit sie unter das Strafgesetz 1 3 4 fallen, nach § 823 I I , oder nach § 826 1 3 5 . I s t die Täuschung oder Drohung i m Stadium der Vertragsverhandlungen v o n einem der künftigen Kontrahenten gegen den anderen verübt worden, so liegt darin zwar keine Verletzung des (noch nicht geschlossenen) Vertrages, wohl aber ein Verstoß gegen die durch den E i n t r i t t i n die Verhandlungen begründeten Pflichten 1 3 6 . Der Schadensersatz aus füllungsgeschäft

wegen

arglistiger

Täuschung

angefochten

werden;

da

a b e r d i e A n f e c h t u n g n e b e n d e n R e c h t e n a u s § 480 k e i n e r l e i V o r t e i l b i e t e t , i s t sie z u m m i n d e s t e n ü b e r f l ü s s i g , n a c h R G . 70, 423 u n z u l ä s s i g , w e i l d u r c h d i e s p e z i e l l e r e n V o r s c h r i f t e n des § 4 8 0 ausgeschlossen.

P l a n c k

VIII 2

z u § 123. 132 A r g l i s t i g e s V e r s c h w e i g e n v o n M ä n g e l n k a n n f e r n e r b e w i r k e n , d a ß gewisse V e r a b r e d u n g e n n i c h t i g s i n d , § 443, 476, o d e r d a ß eine k u r z e V e r jährung nicht eintritt, 1 3 3

§§ 477 I , 638 I .

R e c h t s w i d r i g e B e e i n f l u s s u n g des W i l l e n s d u r c h T ä u s c h u n g

D r o h i m g i s t k e i n e V e r l e t z u n g d e r F r e i h e i t i m S i n n e v o n § 823 I , m a n n

§ 823, 2 d , E n n e c c e r u s

§ 451 I

oder

O e r t -

2 d ; a. A . P l a n c k

§ 823

I I 1 d . D e r d u r c h T ä u s c h u n g o d e r D r o h u n g v e r a n l a ß t e V e r l u s t e i n e r Sache i s t , w e i l n i c h t o h n e W i l l e n des E i g e n t ü m e r s e r f o l g e n d , k e i n e

Verletzung

des E i g e n t u m s .

fahrlässige

Daher

besteht keine deliktische H a f t u n g für

H e r b e i f ü h r u n g e i n e r Z w a n g s l a g e o d e r eines I r r t u m s . 1 3 4

StrafGB.

§ 240:

Nötigung

durch

Bedrohung

mit

brechen oder Vergehen, § 253: Erpressung, § 263: Betrug.

einem

v e r l a n g e n e i n e a u f E r l a n g u n g eines r e c h t s w i d r i g e n V e r m ö g e n s v o r t e i l s richtete 1 3 5

Ver-

§ 253 u n d § 263 ge-

Absicht. T ä u s c h u n g u n d D r o h u n g w i r d , a u c h w e n n d i e A b s i c h t des V e r -

mögensgewinnes

fehlt,

in

der

R e g e l gegen d i e

guten

Sitten

verstoßen.

D o c h lassen s i c h S i t u a t i o n e n d e n k e n , i n d e n e n d i e T ä u s c h u n g d u r c h m o r a l i s c h e G r ü n d e e n t s c h u l d i g t i s t . D a g e g e n v e r l a n g t § 826 e i n e n a u f S c h ä d i g u n g des Gegners g e r i c h t e t e n V o r s a t z , k a n n d a h e r i n d e n o b . N o t e 66 e r w ä h n t e n Fällen nicht zur Anwendung kommen. 136 v g l o b . § 62 S. 488. D a s t r i t t a m d e u t l i c h s t e n h e r v o r b e i e i n e r Täuschung

durch

Verschweigen

von

Umständen,

G e g n e r v o m A b s c h l u ß des R e c h t s g e s c h ä f t e s

deren

Kenntnis

den

a b g e h a l t e n h ä t t e : e i n e solche

V e r s c h w e i g u n g seitens eines K o n t r a h e n t e n i s t r e c h t s w i d r i g , w e i l er d u r c h die begonnenen V e r h a n d l u n g e n z u einer A u f k l ä r u n g verpflichtet i s t ; w e n n dagegen ein a m Vertragsschluß

unbeteiligter Dritter

einen solchen

s t a n d n o c h so a r g l i s t i g v e r s c h w e i g t , so i s t er d a f ü r n i c h t

Um-

verantwortlich.

§ 68.

Arglistige Täuschung u n d

Drohung.

627

der vorsätzlichen 1 3 7 Verletzung solcher Pflichten ist m. Er. nach Analogie des Schadensersatzes wegen Vertragsverletzung zu behandeln, was insbesondere für die H a f t u n g aus § 278 1 3 8 u n d für die Verjährung 1 3 9 i n Betracht k o m m t . W i r d Täuschung oder Drohung von einem außerhalb des zu schließenden Vertrages stehenden D r i t t e n verübt, so k a n n sein Verhalten, da für i h n keine Pflichten i n contrahendo bestehen, nur als D e l i k t beurteilt werden: er haftet für seine Angestellten nach § 831 u n d genießt die kurze Verjährung des § 852. 1. Der Schadensersatzanspruch ist das einzige H i l f s m i t t e l des Getäuschten oder Bedrohten, wenn seine durch solche Beeinflussung veranlaßte H a n d l u n g nicht durch Anfechtung beseitigt werden k a n n ; so z. B. wenn A durch Täuschung oder Drohung von X bestimmt wird, ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen und die Einspruchsfrist verstreichen zu lassen 1 4 0 ; oder eine Pfändung zu dulden, welcher er nach ZPO. § 771 hätte widersprechen können; oder ein Rechtsgeschäft, z. B . eine K ü n d i g u n g , zu unterlassen 1 4 1 , welches i h m vorteilhaft gewesen wäre 1 4 2 . Ebenso ist der Getäuschte auf Schadensersatz angewiesen, wenn die Anfechtung nach § 123 I I ausgeschlossen i s t : wenn er z. B. von X durch Täuschung zu einem Vertrage m i t A bestimmt wurde u n d A v o n der Täuschung keine Kenntnis hatte noch haben mußte; der Getäuschte bleibt dem A gegenüber gebunden, k a n n aber v o n X verlangen, daß er i h n v o n seiner Verpflichtung gegenüber dem A befreie. 137

Für

fahrlässige

Pflichtverletzung

im

Stadium

der

Vertrags-

v e r h a n d l u n g e n w i r d i m a l l g e m e i n e n n i c h t g e h a f t e t , v g l . o b . § 62 N . 190. 138

schluß

Fr. L e o n h a r d ,

a n das f r ü h e r e

Meinung, vgl. O e r t m a n n 139

V e r s c h u l d e n b e i m V e r t r a g s s c h l u ß 46, i m

Recht;

L e o n h a r d

anders R G .

61, 207 u n d d i e

An-

herrschende

§ 278, 3 d.

a. a. O. 48.

W e n n d e r E r s a t z a n s p r u c h a u s § 463

w e g e n a r g l i s t i g e n V e r s c h w e i g e n s eines F e h l e r s e r s t i n 30 J a h r e n v e r j ä h r t , RG.

66, 86, so k a n n m a n d e n E r s a t z a n s p r u c h

die i n

arglistiger

Vorspiegelung

falscher

wegen einer

Tatsachen

besteht,

Täuschung, doch

wohl

n i c h t anders behandeln. 140

R G . 46, 75 u n d d i e ü b r i g e n b e i H e 11 w i g , S y s t e m § 229 V I I 1,

zitierten u n d m. Er. m i t Recht bekämpften

Urteile.

1 4 1

U n t e r l a s s u n g e n k ö n n e n n i c h t a n g e f o c h t e n w e r d e n , v g l . o b . § 57 N . 30.

1 4 2

Als

S c h a d e n e r s a t z k a n n n a c h § 249 H e r s t e l l u n g des

Zustandes

verlangt werden, welcher bestehen würde, w e n n die T ä u s c h u n g n i c h t vorg e k o m m e n w ä r e , d a h e r z. B . A u f h e b u n g des V e r t r a g e s , w e l c h e r o h n e d i e Täuschung gekündigt worden

wäre.

40*

628

Drittes B u h .

Die rechtsereblichen

Tatsachen.

2. Neben der Anfechtung k o m m t der Schadensersatz ergänzend i n Betracht, soweit der durch Drohung oder Täuschung angerichtete Schaden durch die Anfechtung nicht vollständig behoben wird. H a t der Drohende oder Täuschende aus dem angefochtenen Rechtsgeschäft eine Leistung erhalten, so ist seine durch die Anfechtung entstehende Rückgabepflicht schärfer als bei Anfechtung wegen I r r t u m 1 4 3 : er haftet wegen seines bösen Glaubens, § 142 I I , nach § 819 so, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe schon beim Empfang der Leistung rechtshängig gewesen wäre: er hat zurückzugebendes Geld zu verzinsen, § 291, u n d bei Rückgabe eines bestimmten Gegenstandes nach §§ 292 u n d 989 für jedes Verschulden einzustehen. D a aber Drohung oder Täuschung eine zu Schadensersatz verpflichtende Handlung ist, so erweitert sich die H a f t u n g u n d umfaßt nach § 848 zufälligen Untergang oder Verschlechterung der zurückzugebenden Sache. Solchen Schaden u n d sonstige Nachteile, die der Bedrohte oder Getäuschte ohne das durch Anfechtung beseitigte Rechtsgeschäft nicht erlitten hätte 1 4 4 , k a n n er als sein negatives Interesse neben der Anfechtung ersetzt verlangen. Dagegen ist durch die Anfechtung ein Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses begrifflich ausgeschlossen 1 4 5 ; denn wer ein Rechtsgeschäft nicht gelten lassen will, weil es seinem freien W i l l e n nicht entspricht, kann die Vorteile, welche die Durchführung des Geschäftes geboten hätte, n i c h t beanspruchen 1 4 6 . 3. Der Bedrohte oder Getäuschte k a n n das Rechtsgeschäft unangefochten lassen u n d statt der Anfechtung Ersatz seines Schadens verlangen 1 4 7 . Der Ersatzanspruch k a n n sich gegen einen am 1 4 3

V g l . o b . § 57 N o t e

1 4 4

Z. B . die Vertragskosten, K o s t e n der V o r b e r e i t u n g der E r f ü l l u n g ,

109.

Ausschlagen einer anderen günstigen Offerte. 1 4 5

R G . 59, 1 5 5 ; 63, 1 1 2 ; O L G . 22, 147.

146

B e i s p i e l : eine E h e f r a u v e r k a u f t e i n e e i n g e b r a c h t e

sie m a n g e l s Z u s t i m m u n g des M a n n e s n i c h t l i e f e r n k a n n . entweder

Schadenersatz wegen N i c h t e r f ü l l u n g verlangen,

eingebrachte

Sache, w e l c h e

Der Käufer

kann

w o f ü r i h m das

G u t n a c h § 1399 I I u n d d a s V o r b e h a l t s g u t h a f t e t ; o d e r er

k a n n den K a u f v e r t r a g wegen arglistiger Täuschung anfechten u n d daneben E r s a t z seines n e g a t i v e n I n t e r e s s e s v e r l a n g e n , w o f ü r i h m das e i n g e b r a c h t e Gut in vollem Umfange 147

haftet.

R G . 63, 1 1 2 ; 66, 336.

Die Anfechtung gehört nicht zu den Maß-

r e g e l n , d e r e n U n t e r l a s s u n g z u e i n e r M i n d e r u n g des E r s a t z a n s p r u c h e s n a c h § 254 f ü h r t .

§ 68.

Arglistige Täuschung u n d

Drohung.

629

Geschäft nicht beteiligten D r i t t e n richten; z. B. k a n n A , wenn er von X gezwungen wurde, eine Sache an B zu veräußern, die Veräußerung bestehen lassen u n d dafür Ersatz v o n X verlangen 1 4 8 . Der Bedrohte oder Getäuschte k a n n aber auch statt die Anfechtung auszuüben einen Ersatzanspruch gegen den Anfechtungsgegner erheben. D a das schädigende Ereignis nicht i n der Nichterfüllung des Vertrages besteht, sondern darin, daß der Abschluß des Rechtsgeschäftes durch unerlaubte M i t t e l bewirkt wurde, k a n n dem Schadensersatz nicht das Erfüllungsinteresse 1 4 9 zugrunde liegen, sondern nur das negative Interesse 1 5 0 des Bedrohten oder Getäuschten 1 5 1 . Nach § 249 ist der Zustand herzustellen, welcher bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand, hier die Drohung oder Täuschung, nicht eingetreten wäre. E r g i b t sich unter diesem Gesichtspunkte, daß das Rechtsgeschäft ohne die widerrechtliche Beeinflussung des Willens zu anderen Bedingungen vorgenommen worden wäre 1 5 2 , so k a n n der Getäuschte verlangen, i n die Lage versetzt zu werden, die sich bei normalem Verlauf der Vertragsverhandlungen ergeben hätte. H ä t t e z. B. der Käufer auch ohne die Täuschung die Sache gekauft, aber nur einen Preis v o n 100 bewilligt 1 5 3 , so k a n n er, wenn er infolge der Täuschung 120 bezahlt hat, die Differenz von 20 als Schadensersatz beanspruchen, allerdings nur dann, 148

V g l . z. B . R G . 61, 250.

149

So d i e ä l t e r e J u d i k a t u r des R G . s 59, 1 5 5 ; 62, 3 8 4 ; 63, 110, u n d

. D e r n b u r g 150

VIII. § 123

4a;

Insbesondere k a n n der Getäuschte n i c h t verlangen, daß der

Zu-

W e r n e r , 1 5 1

§ 146

R G . 66, 3 3 7 ; P l a n c k

§ 123, I X

1 c; O e r t m a n n

R e c h t 05, 3 0 3 ; W e s t r u m , R e c h t 07, 39.

s t a n d h e r g e s t e l l t w i r d , w e l c h e r seinen d u r c h d i e T ä u s c h u n g h e r v o r g e r u f e n e n Erwartungen entspricht.

A n d e r s d a s p r e u ß . A L R . I 4 § 86, I 6 § 7, 10.

V g l . d a z u R G . 17. 7. 10 ( D J Z . 15, 1 3 5 5 ) : X

h a t t e d e n A b e s t i m m t , seine

P f l e g e t o c h t e r z u h e i r a t e n , d i e er f ü r seine T o c h t e r a u s g a b .

N a c h preuß.

R e c h t e w u r d e d e m A E r s a t z des V o r t e i l s z u g e s p r o c h e n , w e l c h e n e r g e h a b t h ä t t e , w e n n seine F r a u d e n X solcher A n s p r u c h n i c h t 152

Dolus

beerbt hätte.

Nach BGB.

l ä ß t sich

ein

begründen.

(vel metus) incidens i m

S i n n e des g e m e i n e n R e c h t s ,

im

Gegensatz z u m d o l u s c a u s a m d a n s , o h n e w e l c h e n d a s g a n z e R e c h t s g e s c h ä f t n i c h t zustande gekommen wäre, W i n d s c h e i d R e g e l s b e r g e r Anm.

§ 146 A n m .

8; Mot. I

§ 78 A n m .

5 und

207; E n n e c c e r u s

7;

§ 160

1. 153

Z . B . w e i l er ü b e r d e n M a r k t w e r t d e r Sache o d e r ü b e r e i n e n F e h l e r

getäuscht worden ist, der i h n zwar n i c h t v o n der Anschaffung der abgehalten, aber i h n veranlaßt hätte, einen niedrigeren Preis z u

Sache bieten.

630

Drittes Bueh.

Die rechtsereblichen

Tatsachen.

wenn anzunehmen ist, daß der Verkäufer die Sache zu diesem Preise abgegeben hätte 1 5 4 , was sich z. B. daraus entnehmen l ä ß t , daß der Verkäufer Sachen gleicher A r t anderen zum Preise v o n 100 verkauft hat. Ebenso k a n n ein Verkäufer, welcher, v o m Käufer über den Marktpreis getäuscht, die Sache u m 20 zu billig weggegeben hat, diesen Betrag als Schadensersatz verlangen, wenn er beweist, daß der Käufer, wenn die Täuschung nicht gelungen wäre, u m 20 mehr geboten hätte. I n solchen Fällen hat der Schadensersatzanspruch des getäuschten Käufers eine äußere Ähnlichkeit m i t der Minderung, ohne m i t ihr identisch zu sein 1 5 5 . W e n n der Vertrag ohne die Drohung oder Täuschung zu anderen Bedingungen zustande gekommen wäre u n d die Differenz i n einer Geldsumme besteht, ist der Schadenersatz das adäquate M i t t e l zur Ausgleichung des begangenen Unrechts, während die das ganze Geschäft vernichtende Anfechtung über das Ziel hinausgeht u n d einen Zustand herstellt, welcher auch ohne die Drohung oder Täuschung nicht bestehen würde; die Anfechtung k a n n i n solchen Fällen dem Anfechtenden auf Kosten des Gegners einen unverdienten V o r t e i l verschaffen u n d für den Gegner gewissermaßen als Strafe wirken. H a t z. B. jemand i n Geldverlegenheit eine A k t i e i m Werte von 100 verkaufen wollen u n d ist er durch Betrug des Käufers veranlaßt worden, die A k t i e für 80 herzugeben, so wäre es m. Er. ein unerwünschtes Resultat, wenn er, nachdem der K u r s durch unerwartete Ereignisse auf 150 gestiegen ist, anfechten könnte, statt sich m i t dem Ersatz der 20 zu begnügen, auf die sich sein Schaden tatsächlich beläuft. Die Anfechtung würde dazu dienen, dem Verkäufer einen Kurs1 5 4

P l a n c k

§ 123, I X

1 c, J W . 1 9 1 2 , 8 6 3 , O L G . 2 4 , 2 8 9 ;

unrichtig

d a s R G . 63, 1 1 2 : es s o l l g l e i c h g ü l t i g sein, o b d e r B e t r ü g e r z u d e m Preise verkauft

hätte,

den der Betrogene

ohne die

D i e s R e s u l t a t l ä ß t s i c h a u s § 249 n i c h t 155

Die M i n d e r u n g erfolgt

Täuschung

bewilligt

hätte.

ableiten.

nach dem objektiven

Maßstab, der

sich

a u s d e m W e r t v e r h ä l t n i s d e r m a n g e l f r e i e n z u d e r m a n g e l h a f t e n Sache erg i b t , § 472.

E s k o m m t n i c h t darauf an, wieviel der Käufer bei K e n n t n i s

d e s M a n g e l s g e b o t e n h ä t t e u n d es i s t g l e i c h g ü l t i g , o b d e r V e r k ä u f e r mangelhafte

Sache

zu

dem

geminderten

Kaufpreis

hergegeben

die

hätte.

D a g e g e n b e m i ß t s i c h d e r S c h a d e n s e r s a t z a u s § 249 d a r n a c h , w i e s i c h d e r Kaufvertrag

i m konkreten F a l l ohne die Täuschung gestaltet h ä t t e :

der

K ä u f e r k a n n d e n B e w e i s a n t r e t e n , d a ß er b e i K e n n t n i s des M a n g e l s w e n i g e r g e b o t e n h ä t t e , als s i c h n a c h d e m d e r B e r e c h n u n g des § 472 e r g i b t , aber d a n n a u c h beweisen, daß der V e r k ä u f e r auf diesen m i n d e r e n preis eingegangen wäre.

muß Kauf-

§ 68.

Arglistige Täuschung u n d Drohung.

631

gewinn zu verschaffen, welcher i h m ohne die Täuschung (wenn er die A k t i e einem ehrlichen Käufer überlassen hätte) n i c h t zugefallen wäre 1 5 6 . Die Ausübung der Anfechtung scheint m i r i n solchen Fällen gegen Treu u n d Glauben zu verstoßen u n d daher unzulässig zu sein 1 5 7 . I n den meisten Fällen w i r d die nach § 249 zu stellende Frage, welcher Zustand bestehen würde, wenn Drohung oder Täuschung nicht vorgekommen wäre, dahin zu beantworten sein, daß der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, sei es, daß der Bedrohte oder Getäuschte nur durch diese E i n w i r k u n g e n zum Vertragsschluß bestimmt worden ist, sei es, daß der Gegner auf die Bedingungen, welche i h m bei normaler Willensfreiheit gestellt worden wären, nicht eingelassen hätte. D a n n ergibt sich als Schadensersatz Herstellung des Zustandes, welcher ohne den Vertragsschluß bestehen würde, d. h. i n der Regel Rückgängigmachung des Vertrages u n d Ersatz alles aus diesem Vertrag dem Bedrohten oder Getäuschten bereits erwachsenen Nachteils: insbesondere k a n n der Bedrohte oder Getäuschte Rückgabe seiner bereits v o l l zogenen Leistungen verlangen, wogegen er unter dem Gesichtsp u n k t der Vorteilsausgleichung 1 5 8 alles, was er aus dem V e r t r a g erlangt hat, soweit er noch bereichert ist 1 5 9 , herauszugeben hat 1 6 0 . K a n n der Getäuschte oder Bedrohte nachweisen, daß er 156 Y g j Note

157

19 fg.

¿ig ähnliche

Situation

beim

Erklärungsirrtum,

ob.

§

D e r n b u r g

Für

Getäuschte

§ 146 I V

3; T u h r ,

Zulässigkeit der A n f e c h t u n g den

Vertrag

ohne die

Z e i t s c h r . f. Schweiz. R .

i n allen Fällen, auch w e n n

Täuschung

zu

anderen

3 zitierten Urteile, E n n e c c e r u s 158

§ 162 A n m .

17, der

Bedingungen

geschlossen h ä t t e , R G . i n S e u f f A r c h . 66, 178 u n d d i e b e i P l a n c k I

67

139.

§ 123

10.

Die Vorteilsausgleichung erfolgt nicht, wie O e r t m a n n ,

t e i l s a u s g l e i c h u n g 2 5 0 b e h a u p t e t , d u r c h e i n e E i n r e d e a u s § 273.

Vor-

D e n n der

E r s a t z s c h u l d n e r h a t k e i n e n A n s p r u c h a u f H e r a u s g a b e des V o r t e i l s .

Viel-

m e h r h a t der Ersatzberechtigte, w e n n feststeht, daß der i h m anzurechnende V o r t e i l d u r c h H e r a u s g a b e e i n e r Sache a u s z u g l e i c h e n i s t , Z a h l u n g d e r E r s a t z s u m m e gegen R ü c k g a b e d e r Sache z u v e r l a n g e n .

N u r z u dieser A u s t a u s c h -

l e i s t u n g , w e l c h e d e m P r i n z i p des § 249 e n t s p r i c h t , k a n n d e r E r s a t z p f l i c h t i g e v e r u r t e i l t w e r d e n , selbst w e n n

er

i n Versäumnis ist.

Das Urteil

lautet,

wie bei der Zurückbehaltungseinrede, auf L e i s t i m g Z u g u m Zug, § 274 I . 159

R i e h l , DJZ.

160

H a t der Täuschende oder Drohende V e r w e n d u n g e n auf die heraus-

18, 383.

z u g e b e n d e Sache g e m a c h t , so k a n n e r d e n W e r t , d e n d i e

Verwendungen

f ü r d e n G e g n e r h a b e n , i h m als a u s z u g l e i c h e n d e n V o r t e i l a n r e c h n e n ; § 8 5 0

632

Drittes B u h .

Die rechtsereblichen

Tatsachen.

die Sache n i c h t behalten, sondern an einen D r i t t e n zu einem bes t i m m t e n Preise veräußert hätte, so k a n n er nach §§ 249, 252 Ersatz dieses entgangenen Gewinnes verlangen 1 6 1 . 4. H a t jemand unter Drohung oder Täuschung ein Schuldversprechen abgegeben, so k a n n er als Schadensersatz Aufhebung seiner Verpflichtung verlangen. Aus diesem Anspruch ergibt sich gegen die durch Drohung oder Täuschung begründete Forderung eine Einrede 1 6 2 : denn niemand braucht eine Verpflichtung zu erfüllen, deren Aufhebung er verlangen darf 1 6 3 . Diese Einrede besteht weiter, wenn der Schadensersatzanspruch verjährt ist, § 853 1 6 4 . Sie k a n n v o m Bürgen sowie v o m Eigentümer der als H y p o t h e k oder Pfand haftenden Sache geltend gemacht werden 1 6 5 u n d k a n n diesen Personen nicht dadurch entzogen werden, daß der Bedrohte oder Getäuschte auf seine Einrede verzichtet 1 6 6 , oder das anfechtbare Geschäft bestätigt, oder seine Schadensersatzforderung dem Gegner erläßt 1 6 7 . H a t der Bedrohte oder Getäuschte keinen anderen Schaden erlitten, als daß er m i t einer Verpflichtung belastet ist, so braucht er weder anzufechten, noch einen Schadensersatzanspruch zu erheben; er kann sich damit begnügen, seine Verpflichtung, wenn sie gegen i h n geltend gemacht wird, durch die Einrede zu entkräften 1 6 8 . H a t er vom Gegner eine Leistung erhalten, so muß er sie, wenn er die Einrede k o m m t n i c h t z u r A n w e n d u n g , d a d i e „ E n t z i e h u n g " e i n e r Sache i m S i n n e v o n § 848 fg. V e r l e t z i m g des E i g e n t u m s

bedeutet.

161

RG.

162

H e 11 w i g , A n s p r u c h § 2 I I

163

V g l . o b . § 17 V 4, R G . 58, 356.

164

V g l . o b . § 17 N o t e 52.

165

§§ 768, 1137, 1 2 1 1 ; D e m b u r g l l

1. 11. 13 ( D J Z .

19,98). 3, L e h r b .

§ 36 I V

§ 287 I V .

4.

Ebenso bei der

S c h u l d ü b e r n a h m e , § 417 I . ice Y g i d i e i n d e r v o r i g e n N o t e z i t i e r t e n §§. 167

B e s t ä t i g u n g oder E r l a ß der Ersatzforderung k a n n den m i t h a f t e n d e n

P e r s o n e n so w e n i g s c h a d e n , w i e V e r z i c h t Einrede, L a n g h e i n e k e n ,

des H a u p t s c h u l d n e r s

auf

die

A n s p r u c h 320. D a g e g e n v e r l i e r e n sie d u r c h

d i e B e s t ä t i g u n g d i e a u f d e r A n f e c h t b a r k e i t des G e s c h ä f t s b e r u h e n d e E i n r e d e a u s § 770, v g l . o b . § 57 N o t e 188

durch

RG.

60, 295

Erhebung

spricht

dieser

von

Einrede

140. einer

den

„Anfechtungseinrede"

ganzen

Vertrag

hinfällig

und

läßt

werden.

D a s g e h t o f f e n b a r z u w e i t ; d e n n d i e E i n r e d e s c h ü t z t n u r gegen e i n e n A n s p r u c h ; w i l l der B e d r o h t e oder Getäuschte eine bereits vollzogene L e i s t u n g zurückerhalten, erheben.

so m u ß

er

anfechten

oder

den

Schadensersatzanspruch

§ 68.

Arglistige Täuschung u n d

Drohung.

633

erhebt, ebenso zurückgeben 1 6 9 , wie wenn er seine bereits vollzogene Leistung m i t der Schadensersatzforderung zurückverlangt. 5. Das Resultat des Schadensersatzanspruchs k a n n dem der Anfechtung wegen Drohung oder Täuschung sehr nahe k o m m e n : in beiden Fällen kann Rückgabe der beiderseitigen Leistungen erzielt werden. Es ergeben sich aber aus der S t r u k t u r beider Rechtsmittel folgende Unterschiede: zur Anfechtung genügt der objektive Tatbestand der Täuschung oder Drohung 1 7 ° , während der Schadensersatz ein Verschulden des Gegners voraussetzt; die Anfechtung hat bei Verfügungen dingliche K r a f t 1 7 1 , während die Ersatzforderung sich nur gegen den Drohenden oder Täuschenden richtet; anderseits ist die Anfechtung an die kurze Frist des § 124 gebunden 1 7 2 , während für den Ersatzanspruch eine längere Verjährung besteht. Aus diesen Verschiedenheiten 1 7 3 ergibt sich, daß die Anfechtung und der auf Aufhebung des Vertrages gerichtete 169

P r o t . I I 7 1 7 ; E c c i u s , G r u c h o t , 53, 309 fg.

Die Rückgabépflicht

des K ä u f e r s , w e l c h e r s i c h gegen d i e K a u f p r e i s f o r d e r u n g

auf die

Einrede

aus § 853 b e r u f t , i s t i n . E r . ä h n l i c h z u b e g r ü n d e n , w i e w e n n d e r d i e W a n d e l u n g s e i n r e d e e r h e b t , v g l . ob. § 17 N o t e 4 8 : i n d e r

Käufer

Weigerung,

d e n K a u f p r e i s z u z a h l e n , l i e g t , w e n n m a n sie n a c h T r e u u n d G l a u b e n ausl e g t , § 157, d e r A n t r a g , d e n K a u f r ü c k g ä n g i g z u m a c h e n ; w e n n d e r V e r k ä u f e r d a r a u f e i n g e h t , k a n n er d i e gelieferte Sache z u r ü c k v e r l a n g e n ;

klagt

er a u f Z a l i l u n g des K a u f p r e i s e s , so k a n n er f ü r d e n F a l l , d a ß s e i n A n s p r u c h an der Einrede scheitert, den Avifhebungsantrag a n n e h m e n u n d R ü c k g a b e d e r Sache v e r l a n g e n . 170

V g l . ob. N o t e 3.

171

V g l . ob. § 57 S. 314.

E i n e m d r i t t e n Erwerber der d u r c h D r o h u n g

oder T ä u s c h u n g e n t z o g e n e n Sache k a n n , selbst w e n n er diese k e n n t , d i e Sache n u r d u r c h A n f e c h t u n g e n t z o g e n w e r d e n .

Umstände

Dagegen k a n n ,

w e n n eine d u r c h D r o h u n g o d e r T ä u s c h u n g b e g r ü n d e t e F o r d e r u n g a n a b g e t r e t e n i s t , das R e c h t des X

X

s o w o h l d u r c h A n f e c h t u n g , als d u r c h d i e

E i n r e d e aus § 853 e n t k r ä f t e t w e r d e n , § 4 0 4 ; u n r i c h t i g E c c i u s a. a. O. 313. 172

V g l . ob. N o t e

173

E i n e n weiteren V o r t e i l h a t der Schadensersatz wegen T ä u s c h u n g

vor der Anfechtung,

110; H e l l w i g ,

wenn man m i t

der herrschenden Lehre,

§ 1163, 2, a n n i m m t , d a ß b e i f e h l e n d e r Hypothek

keine

Eigentümerhypothek

R e c h t 05, 190.

E i n i g u n g über eine entsteht:

daraus

P l a n c k

eingetragene

ergibt

sich

bei

A n f e c h t u n g d e r E i n i g i m g e i n N a c h r ü c k e n des z w e i t e n H y p o t h e k a r s ; d a h e r i s t es f ü r d e n E i g e n t ü m e r v o r t e i l h a f t e r , v o m d o l o s e n E r w e r b e r als S c h a d e n s ersatz V e r z i c h t a u f d i e H y p o t h e k

z u verlangen, w o d u r c h die

n a c h § 1168 d e m E i g e n t ü m e r z u f ä l l t . wenn m a n m i t D e r n b u r g

Hypothek

Dieser Unterschied besteht

I I I § 2 2 1 I I 2, W o l f f ,

nicht,

S a c h e n r e c h t § 145

I 3 u n d a n d . a u c h i m F a l l d e r m a n g e l n d e n E i n i g u n g eine E i g e n t ü m e r h y p o t h e k entstehen läßt. H a n d b u c h X. 1. I I : v o n T u h r I I . 1.

40**

634

Drittes B u h .

Die rechtsereblichen

Tatsachen.

Schadensersatzanspruch zwei nebeneinander bestehende Rechtsbehelfe sind 1 7 4 . I n der Regel w i r d der Geschädigte die Anfechtung vorziehen, weil sie leichtere Voraussetzungen u n d stärkere W i r kungen hat 1 7 5 . Daher ist eine Erklärung, welche Anfechtung oder Verlangen des Schadensersatzes bedeuten kann, i m Zweifel als Anfechtung auszulegen. I s t aber die Anfechtung durch die Frist des § 124 ausgeschlossen, so steht dem Geschädigten die Ersatzforderung zu Gebote 1 7 6 , wodurch allerdings die i n § 124 für die Geltendmachung v o n Drohung oder Täuschung gesetzte zeitliche Schranke viel v o n ihrer praktischen Bedeutung verliert 1 7 7 . Dagegen ergibt sich aus dem gemeinsamen Grund und Zweck der Anfechtung u n d des Schadensersatzes, daß die Bestätigung nicht nur die Anfechtbarkeit beseitigt, sondern zugleich auch den auf Rückgängigmachung des Vertrages gerichteten Ersatzanspruch zum Erlöschen b r i n g t : denn es ist unzulässig, daß jemand, der zu erkennen gibt, daß i h m das Rechtsgeschäft trotz des vorgekommenen Willensmangels genehm sei, nachträglich den Abschluß des Geschäftes als Schaden bezeichnet u n d dessen Aufhebung verlangt 1 7 8 . 6. Besteht die Täuschung darin, daß der Verkäufer eine Eigenschaft der Sache wider besseres Wissen zusichert oder einen Fehler arglistig verschweigt, so konkurrieren m i t dem Schadensersatz aus der widerrechtlichen Täuschung die Rechtsmittel des Kaufrechts: Wandelung oder Minderung, § 462, und Schadens174

RG.

79, 1 8 7 ; P l a n c k

§ 123 I X

la;

S t a u d i n g e r

§ 123,

V I 2 ; E n n e c c e r u s § 164 A n m . 2 ; C o s a c k § 165 V I I 3 ; S c h r e i b e r , G r u c h o t 53, 2 9 8 ; E c c i u s , das. 309. 17 5 V o r t e i l h a f t e r als d e r S c h a d e n s e r s a t z

ist

die Anfechtung,

wenn

j e m a n d a u f d i e d u r c h D r o h u n g o d e r T ä u s c h u n g e r l a n g t e Sache A u f w e n d u n g e n g e m a c h t h a t : m u ß e r d i e Sache u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t des Schadensersatzes h e r a u s g e b e n , so k o m m t d e r W e r t , d e n d i e V e r w e n d u n g e n f ü r d e n K l ä g e r haben, bei der V o r t e i l s a u s g l e i c h u n g i n A n w e n d i m g , vgl. ob. N o t e 160; d a g e g e n w ü r d e i n f o l g e d e r A n f e c h t u n g d i e Sache v i n d i z i e r t w e r d e n , w o b e i d e r D r o h e n d e o d e r T ä u s c h e n d e i n f o l g e seines b ö s e n G l a u b e n s , § 142

II,

k e i n e n V e r w e n d u n g s e r s a t z , s o n d e r n n u r d a s W e g n a h m e r e c h t h ä t t e , § 996/7. 176

Mot. I I

177

A u s dieser E r w ä g u n g h a t s i c h R G . 63, 268 d a h i n a u s g e s p r o c h e n ,

20.

d a ß n a c h A b l a u f d e r F r i s t des § 124 A u f h e b u n g d e r

Vertragswirkungen

a u c h n i c h t u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t des Schadensersatzes v e r l a n g t w e r d e n k ö n n e ; vgl. dagegen die i n N o t e RG.s und 178

Literatur.

OLG.

28, 29.

174 z i t i e r t e j ü n g e r e E n t s c h e i d u n g

des

§ 68.

Arglistige Täuschung u n d

Drohung.

635

ersatz aus § 463. Nach ausdrücklicher Vorschrift des § 463 ist Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten, d. h. das positive Interesse zu ersetzen 1 7 9 : der Käufer kann das verlangen, was er hätte, wenn die Zusicherung des Verkäufers richtig oder wenn der verschwiegene Mangel nicht vorhanden wäre; der Schadensersatz ist durch Herstellung dieses Zustandes der Sache zu leisten, § 249 1 8 0 , u n d wenn das nicht möglich ist, § 251, durch Zahlung einer Geldsumme, welche zusammen m i t der dem Käufer verbleibenden Kaufsache den W e r t darstellt 1 8 1 , auf welchen der Käufer beim Abschluß des Vertrages rechnen durfte. Der Ersatzanspruch aus § 463 ist, da er Gültigkeit des Kaufes voraussetzt, unvereinbar m i t der Anfechtung u n d dem auf Aufhebung des Vertrags gerichteten Ersatzanspruch aus § 823 I I u n d § 826. Verlangt der Käufer in Kenntnis seines Anfechtungsrechtes das positive Interesse aus § 463, so liegt darin eine die Anfechtung ausschließende Bestätigung des Kaufvertrages 1 8 2 . H a t der Käufer die Anfechtung erklärt, so hat er die Möglichkeit verloren, auf die Ansprüche aus dem Kaufvertrag zurückzukommen 1 8 3 . Einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses gewährt das R G . 1 8 4 in analoger Ausdehnung des § 463 gegen den Verkäufer, welcher eine Eigenschaft der Kaufsache dem Käufer zwar nicht zugesichert, aber arglistig vorgespiegelt hat. Das hängt 179

RG.

66,337;

JW.

1911,398;

B e s t i m m u n g des Gesetzes w ä r e es b e i m

O L G . 28, 28.

Ohne die positive

Spezieskauf zweifelhaft,

ob

der

V e r k ä u f e r f ü r i m r i c h t i g e Z u s i c h e r u n g e n das p o s i t i v e o d e r n u r d a s n e g a t i v e Interesse

zu

ersetzen

hätte,

O e r t m a n n

§ 463, 5 b .

Denn

sicherung ist b e i m Spezieskauf k e i n Versprechen einer L e i s t u n g ,

die

Zu-

sondern

A u s s a g e ü b e r eine T a t s a c h e , v g l . ob. § 48 N o t e 93, so d a ß n u r v o n R i c h t i g k e i t oder U n r i c h t i g k e i t , n i c h t aber v o n E r f ü l l u n g oder N i c h t e r f ü l l u n g Rede und

sein

kann,

vgl.

Vertragserfüllung

H a y m a n n , 42.

OLG.

Anfechtung,

22, 321.

Das

die

Sachmängelgewähr

arglistige

Verschweigen

eines F e h l e r s i s t , w e ü v o r V e r t r a g s s c h l u ß b e g a n g e n , z w e i f e l l o s k e i n e N i c h t e r f ü l l u n g e i n e r V e r t r a g s p f l i c h t , v g l . o b . § 62 N o t e 197, u n d k ö n n t e d a h e r , o h n e d i e V o r s c h r i f t des § 463, n a c h § 249 n u r z u m E r s a t z des n e g a t i v e n 180

Interesses v e r p f l i c h t e n . 181

P l a n c k

§ 463, 4.

N u r a u s n a h m s w e i s e , w e n n d i e Sache f ü r d e n K ä u f e r

unbrauchbar

i s t , k a n n E r s a t z des v o l l e n I n t e r e s s e s a n d e r E r f ü l l u n g g e g e n R ü c k w e i s u n g d e r Sache v e r l a n g t w e r d e n , O e r t m a n n § 463, 5 ; E n n e c c e r u s § 3 3 1 I I 4. 182

RG.

65, 403.

D a h e r v e r s t e h t es s i c h v o n s e l b s t , d a ß d u r c h

Be-

s t ä t i g u n g des V e r t r a g e s d e r A n s p r u c h a u f d a s p o s i t i v e I n t e r e s s e n i c h t ausgeschlossen w i r d , O L G . 28, 28. 183

RG.

184

R . 66, 3 3 8 ; J W .

74, 1 ; v g l . ob. § 57 N o t e

119.

1 9 1 1 , 4 8 6 ; 1912, 137, 742.

Drittes B u h .

636

Die rechtsereblichen

Tatsachen.

m i t der m. Er. engherzigen Auslegung zusammen, die das R G . dem Begriff der Zusicherung i m Sinne v o n § 459 I I zu Teil werden läßt 1 8 5 . Versteht m a n unter Zusicherung jede Aussage, die als ernstlich gemeint u n d m i t dem Anspruch auf Glaubwürdigkeit abgegeben wird, u n d gibt man die Möglichkeit stillschweigender Zusicherungen zu 1 8 6 , so fällt jede arglistige Vorspiegelung von Eigenschaften unter § 463; analoge Anwendung des § 463 k a n n nur beim Grundstückskauf i n Frage kommen; denn die F o r m Vorschrift des § 313 bezieht sich auf de;i ganzen I n h a l t des Vertrages , einschließlich der beim Abschluß desselben gemachten Zusicherungen 1 8 7 ; daher können Aussagen des Verkäufers über Eigenschaften der Sache, die außerhalb der Form bleiben, nicht als Zusicherungen i m Sinn von § 463 gelten. Gegen solche Aussagen ist aber m. Er. der Käufer genügend geschützt durch die Möglichkeit, bei arglistiger Täuschung anzufechten oder Ersatz seines negativen Interesses zu verlangen 1 8 8 . Legt ein vorsichtiger Käufer besonderen W e r t auf eine Aussage des Käufers, so steht es i h m frei, die Aufnahme dieser Aussage i n den formellen Vertrag zu verlangen. Daß das Gesetz den Käufer bei arglistiger Verschweigung eines Mangels intensiver (durch Ersatz des positiven Interesses) schützt, findet seine Erklärung darin 1 8 9 , daß die Fehlerlosigkeit der Kaufsache sich von selbst versteht u n d es daher dem Käufer fern liegt, sich eine formelle Zusage der Fehlerfreiheit geben zu lassen. 185

N a c h R G . 54, 223 s o l l e i n e Z u s i c h e r u n g n u r d a n n v o r l i e g e n , w e n n

die E r k l ä r u n g in

vom

vertragsmäßig

Käufer

bindender

als v e r t r a g s m ä ß i g

verlangt,

Weise

wird,

abgegeben

vorn

vgl.

Verkäufer

O e r t m a n n

§ 359, 5 a. D a s R G . s i e h t i n d e r Z u s i c h e r u n g , i m Gegensatz z u P r o t . I 688, e i n G a r a n t i e v e r s p r e c h e n , w ä h r e n d sie eine A u s s a g e i s t , f ü r d e r e n R i c h t i g k e i t d a s Gesetz d e n A u s s a g e n d e n h a f t b a r m a c h t , v g l . ob. § 48 N o t e 93. iss O e r t m a n n

a. a. O . , E n n e c c e r u s

§ 331 I I

2a.

187

V g l . o b . § 63 N o t e

188

D a h e r w i r d d i e v o m R G . v e r t r e t e n e A n w e n d u n g des § 463 a u f

104.

diesen F a l l v o n d e r h e r r s c h e n d e n M e i n u n g m i t R e c h t a b g e l e h n t , P l a n e § 123, I X W o l f f ,

ld;

S t a u d i n g e r

3; O e r t m a n n

k

§ 463,5 b;

J h e r i n g s J . 56, 1 ; M a 1 1 h i e s s e n , R e c h t 08, 670, J W . 08, 670,

0913,516; C o h n , sicht

§ 123, V I

des R G . s

E n n e c c e r u s

JW.

1911,137; R i e h l ,

M o d e s t u s § 331 I I

DJZ.

L i p s i e n s i s ,

18,377.

Recht

F ü r die A n -

08, 500 u n d

739,

3c.

189 N i c h t , w i e m e i s t e n s , z. B . v o n P 1 a n c k a. a. O . , b e h a u p t e t w i r d , d a r i n , d a ß d i e V e r s c h w e i g u n g eines F e h l e r s N i c h t e r f ü l l u n g des V e r t r a g e s wäre, vgl. ob. N o t e

179.