Dear Frederick! Lieber Mohr!: Friedrich Engels und Karl Marx in Briefen 3806241309, 9783806241303

Klassenkampf, Arbeiterbewegung und Geldmangel: die Korrespondenz zwischen Marx und Engels Paris, 19. Jahrhundert: Im Au

119 2 6MB

German Pages 288 [290] Year 2020

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Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
»Es kommt darauf an,
die Welt zu verändern!« –
Marx und Engels
»Ein Gespenst geht um in Europa ...« –die 1848/49er-Revolution (1844 – 1850)
»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir« – Zusammenarbeit im Exil (1851–1859)
»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben« – Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)
»Der Fluch fällt schwer auf unsre Partei« – Kritik an der Sozialdemokratie (1871–1883)
»Sein Name wird durch dieJahrhundertefortleben!«Engels’Grabrede für Marx (1883)
Chronik
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
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Dear Frederick! Lieber Mohr!: Friedrich Engels und Karl Marx in Briefen
 3806241309, 9783806241303

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Die Korrespondenz ist zugleich Familienroman, Exil-Drama sowie ein einzigartiges Zeugnis inniger Freundschaft. Sie ist aber auch die Geschichte eines Buches: Während Marx in London am »Kapital« arbeitete, verdiente der Unternehmer Engels in Manchester das nötige Geld, um ihn zu unterstützen.

Klaus Körner (Hrsg.)

Klaus Körner ist Rechts- und Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Mitarbeiter für zahlreiche überregionale Medien. Er publizierte vielfach zur politischen Kultur der Bundesrepublik und legte Bücher zu Konrad Adenauer, Willy Brandt, Winston Churchill, Karl Marx und Friedrich Engels vor.

Zusammen mit einem Überblick über Leben und Wirken von Marx und Engels bietet diese konkurrenzlose Briefauswahl eine Doppelbiografie von zwei der einflussreichsten politischen Figuren des 19. und 20. Jahrhunderts. Aus den 40 Jahren ihrer engen Zusammenarbeit sind etwa 1600 Briefe erhalten, in denen es um große Politik, persönliche Affären und Marx’ Geldsorgen geht.

DEAR FREDERICK! Lieber Mohr!

© privat

Das bewegende Porträt einer lebenslangen Freundschaft

ISBN 978-3-8062-4130-3 Umschlagabbildungen: Porträtaufnahme von Friedrich Engels um 1860/62. © akg-images.

wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4130-3

Porträtaufnahme von Karl Marx um 1880. © akg-images. Umschlaggestaltung: Vogelsang Design, Aachen

9 783806 241303

Der Briefwechsel zwischen Karl Marx und Friedrich Engels gehört zu den aufschlussreichsten Dokumenten des 19. Jahrhunderts. Eingeleitet und kommentiert von Klaus Körner ist die vorliegende Briefauswahl eine erstrangige biografische und theoretische Quelle und zeigt die beiden Revolutionäre zudem von ihrer menschlichen Seite.

Klaus Körner (Hrsg.)

DEAR FREDERICK!

Lieber Mohr!

Friedrich Engels und Karl Marx in Briefen

Dear Frederick! Lieber Mohr!

Dear Frederick! Lieber Mohr! Friedrich Engels und Karl Marx in Briefen

Herausgegeben, ausgewählt und eingeleitet von Klaus Körner

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg THEISS ist ein Imprint der wbg. © 2020 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Redaktion: Mechthilde Vahsen, Düsseldorf Satz: Arnold & Domnick GbR, Leipzig Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4130-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): ISBN 978-3-8062-4148-8 eBook (Epub): ISBN 978-3-8062-4149-5

Inhalt »Es kommt darauf an, die Welt zu verändern!« Marx und Engels  7 »Ein Gespenst geht um in Europa …« Die 1848/49er-Revolution (1844 – 1850)  21 »Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir« Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)  59 »Es sind noch drei Kapitel zu schreiben« Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)  129 »Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei« Kritik an der Sozialdemokratie (1871 – 1883)  217 »Sein Name wird durch die Jahrhunderte fortleben!« Engels’ Grabrede für Marx (1883) 276 Chronik   279 Literaturverzeichnis  285 Quellenverzeichnis  288

»Es kommt darauf an, die Welt zu verändern!« Marx und Engels Karl Marx (1818 – 1883) und Friedrich Engels (1820 – 1895) begegneten sich 1844 in Paris und stellten, wie Engels später versicherte, eine vollständige Übereinstimmung ihrer Ansichten fest. Es gibt kein zweites Paar politischer Denker und Kämpfer im 19. Jahrhundert, das über vier Jahrzehnte so eng zusammengearbeitet hat und in seinen Ideen und Gedanken so übereinstimmte wie Marx und Engels. Marx’ Tochter Eleanor meinte sogar, die »Identität ihrer Ansichten« sei so groß gewesen, dass man beide nur in einer gemeinsamen Biografie darstellen könne. Der Marx-Kenner Fritz J. Raddatz schrieb, es gebe keine bessere Biografie dieser beiden Männer als ihre Briefe. Dabei waren Marx und Engels nach Herkunft, Ausbildung, Beruf, Arbeitsweise und Lebensformen sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Marx kam aus einem jüdischen Elternhaus in Trier. Sein Vater konnte erst dank der Judenemanzipation in der Zeit der napoleonischen Besatzung seinen Beruf als Rechtsanwalt ausüben. Marx studierte in Bonn und Berlin Jura mit dem Ziel, ebenfalls Rechtsanwalt zu werden. Nebenher hörte er Philosophie-Vorlesungen und kam in Berlin in Kontakt mit junghegelianischen Klubs. Junghegelianer waren Intellektuelle, die auf eine Überwindung der reaktionären politischen Verhältnisse in Deutschland hinwirkten und in der Tradition des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel auf einen Wandel 7

»Es kommt darauf an, die Welt zu verändern!«

durch Bewusstseinsveränderung setzten. »Ist erst einmal das Reich der Vorstellungen revolutioniert, so kann die Wirklichkeit nicht länger standhalten«, so lautete eine These der Junghegelianer. Die Jungheglianer übernahmen zwar die Dialektik Hegels, wollten aber die These des »alten« Hegel, alles Bestehende sei vernünftig, nicht für den preußischen Staat gelten lassen. Ein Schwerpunkt war die Religionskritik. Marx und Engels warfen den Junghegelianern vor, sich nicht mit praktisch-politischen Fragen auseinanderzusetzen. Marx verlagerte sein Studium auf die Philosophie und promovierte schließlich an der Universität Jena. Sein Ziel, Philosophie-Professor in Bonn zu werden, scheiterte an der Weigerung des ultrakonservativen Kultusministers, Linke zu Professoren zu ernennen. Denn Marx galt nach seinen Auftritten in den Berliner Klubs als linker Demokrat. Nach dem Scheitern der akademischen Karriere tat sich eine neue Möglichkeit auf. Marx konnte 1842 in Köln die Redaktion der von liberalen Bürgern finanzierten »Rheinischen Zeitung« übernehmen. Das Blatt attackierte die politischen Verhältnisse in Preußen und legte sich dadurch ständig mit der Zensur an. Schließlich ging die Zensurbehörde so weit, die Zeitung zu verbieten. Da traf es sich gut, dass inzwischen der liberale sächsische Verleger Arnold Ruge einen Redak­teur für eine geplante deutsch-französische Zeitschrift suchte, die in Paris herausgegeben werden sollte. Paris galt unter europäischen Intellektuellen als Zentrum fortschrittlicher liberaler, sozialistischer und anarchistischer Ideen. Marx erschien die Anstellung als Redakteur von Ruges »Deutsch-Französischen Jahrbüchern« in Paris als Traumberuf. Mit der Zusage eines festen Einkommens konnte er in Trier auch endlich seine Verlobte Jenny von Westphalen heiraten. Noch in Deutschland hatte Marx ausgiebig Hegel gelesen und vom Philosophen Ludwig Feuerbach gelernt, dass nicht Hegel’sche Begriffskonstruktionen das Denken und Handeln der Menschen bestimmen, sondern die materiellen Verhältnisse, insbesondere die ökonomischen. In Paris stürzte er sich auf das Studium der französischen nationalökonomischen Literatur. Als Ergebnis sind die sog. Ökonomisch-philosophischen Manuskripte entstanden, deren zentraler Begriff »die entfremdete Arbeit« im Kapitalismus ist. 8

Marx und Engels

Engels kam auf ganz anderem Wege zur Kritik des Kapitalismus. Er stammte aus einer konservativen protestantischen Fabrikantenfamilie aus Barmen. Sein Vater war Mitinhaber der Baumwollspinnerei Ermen & Engels in Barmen mit einer Niederlassung in Manchester. Engels hatte nach einer kaufmännischen Lehre in Bremen seinen einjährigen Wehrdienst in Potsdam absolviert und nebenher in Berlin Vorlesungen an der Universität besucht. Ebenso wie Marx verkehrte er in junghegelianischen Klubs. Bereits in Barmen hatte er damit begonnen, die politischen und sozialen Verhältnisse in seinem Umfeld zu kritisieren. »Briefe aus dem Wuppertal« war der Titel einer unter Pseudonym erschienenen Artikelfolge im »Telegraph für Deutschland«. Zu seiner kaufmännischen Ausbildung gehörte auch der Aufenthalt in der Firma Ermen & Engels in Manchester. Dort lernte er, vermittelt durch zwei irische ungelernte Arbeiterinnen, die realen Arbeitsbedingungen der Fabrikarbeit kennen, gleichsam die Hölle des sog. Manchester-Kapitalismus. Seine Aufzeichnungen verarbeitete er 1845 zu dem Buch »Die Lage der arbeitenden Klasse in England«, das auch heute noch als ein Pionierwerk der Sozialreportage gilt. Da Engels ausschließlich die Arbeitsbedingungen in England kritisierte, kamen keine Einwände von der preußischen Zensur. Er hatte aber auch angefangen, nationalökonomische Bücher zu lesen und für die Zeitschrift »Deutsch-Französische Jahrbücher« 1844 den Aufsatz »Kritik der Nationalökonomie« geschrieben. Engels überlegte, ob er nicht den Einsatz in der väterlichen Firma aufgeben und lieber als kritischer Journalist arbeiten sollte. Da traf es sich gut, dass er im August 1844 auf der Reise von Manchester nach Barmen einen Zwischenhalt in Paris einlegen konnte, um mit Marx darüber zu diskutieren. Beide waren von der Aussicht auf gemeinsame journalistische Arbeit für den politischen und gesellschaftlichen Fortschritt begeistert. Doch das Zeitschriftenunternehmen »Deutsch-Französische Jahrbücher« scheiterte schon nach einer Doppelnummer daran, dass es Marx und Ruge nicht gelungen war, namhafte französische Autoren für das Blatt zu gewinnen. Die preußische Regierung sah Marx als gefährlichen Umstürzler an und erreichte 1845 seine Ausweisung aus Frankreich nach Belgien. Engels 9

»Es kommt darauf an, die Welt zu verändern!«

»beurlaubte« sich für einige Zeit vom väterlichen Betrieb und folgte Marx in dessen Brüsseler Exil. Die Arbeitsweise der beiden war sehr unterschiedlich. Marx gelang es zwar, für ein geplantes zweibändiges Werk zur Nationalökonomie einen ansehnlichen Vorschuss zu erhalten, doch er war ein großer Zweifler und meinte, was er gerade geschrieben habe, könne er schon nach Monaten nicht mehr wissenschaftlich verantworten. Bevor er einen Satz zu Papier brachte, musste er erst Berge von Exzerpten aus der Fachliteratur anhäufen. Das vereinbarte Ökonomie-Werk kam über erste Gedanken nie hinaus. Gemeinsam arbeiteten Marx und Engels an einem Werk, in dem sie sich mit den ehemaligen junghegelianischen Freunden und der materialistischen Geschichtstheorie auseinandersetzten. Für das Projekt interessierte sich kein Verleger und das Werk »Die deutsche Ideologie« blieb ein Fragment. »Wir überließen es der wissenschaftlichen Kritik der Mäuse«, bemerkte Marx später. Dafür wuchs sich eine 1844 gemeinschaftlich geplante Broschüre über Bruno Bauer und andere Junghegelianer unter Marx’ Händen zu einem richtigen Buch aus (»Die heilige Familie. Oder Kritik der kritischen Kritiker«), in dem Engels’ Beitrag jedoch nur eine Ergänzung ausmachte. Dafür hatte Engels es in Barmen neben seiner Betriebsarbeit geschafft, seinen Beitrag für die »Heilige Familie« vorzeitig abzuliefern, und stellte das Buch »Die Lage der arbeitenden Klasse in England« rechtzeitig und im geplanten Umfang fertig. Engels entschied sich schließlich, aus der väterlichen Firma auszuscheiden, um mit Marx an dem großen Ziel einer europäischen Revolution zu arbeiten. Dem schloss sich die bedeutendste Tat der beiden in Brüssel an, die Umwandlung des in London beheimateten Bundes der Gerechten in den Bund der Kommunisten, für den Marx und Engels das »Manifest der kommunistischen Partei« schrieben. Engels hatte dazu vom Bund in London den Auftrag besorgt und eine Vorlage geschrieben, die endgültige Fassung stammte von Marx. Es ist wegen seiner gewaltigen Sprachkraft eines der gewichtigsten politischen Pamphlete der Weltgeschichte, obwohl die unmittelbare Wirkung auf die revolutionären Ereignisse in Europa 1848/49 sehr gering war. 10

Marx und Engels

Mit Beginn der 1848/49er-Revolution wurde Marx aus Brüssel ausgewiesen und gelangte über Paris nach Köln. An seiner früheren Wirkungsstätte brachte er das Kapital für die Gründung der »Neuen Rheinischen Zeitung« zusammen. Das Blatt nannte sich »Organ der Demokratie«, denn Marx hatte inzwischen die Überzeugung gewonnen, in Deutschland sei zuerst eine bürgerliche Revolution gegen die Feudalherrschaft vonnöten, bevor man an eine proletarische Revolution denken könne. Doch die 1848/49er-Revolution scheiterte und die »Neue Rheinische Zeitung« wurde verboten. Marx’ Aufenthalt in Köln endete 1849, wieder mit einer Ausweisung. Diese war nur möglich, weil er 1845 seine Entlassung aus der preußischen Staatsbürgerschaft erwirkt hatte, wohl in der Annahme, dass dem preußischen Staat damit die Aktivlegitimation fehle, ihn künftig zu verfolgen. Die Hoffnungen auf ein erneutes Aufleben der Revolution in Europa erstarben schnell und so begann 1850 für Marx eine materiell unsichere Zeit an seinem neuen Zufluchtsort London. Engels, der am bewaffneten Kampf in Baden und der Pfalz teilgenommen hatte, kam ebenfalls nach England. Durch Vermittlung seiner in London verheiratet lebenden Schwester gelang eine begrenzte Versöhnung mit der Familie in Barmen. Sein Vater fand sich bereit, den Sohn in der Filiale in Manchester für Kontorarbeiten anzustellen, wo er den Ermen-Brüdern, den Teilhabern, auch etwas auf die Finger sehen sollte. Das große gemeinsame Ziel von Marx und Engels blieb die Förderung einer europäischen Revolution. Dafür mussten nach ihrer Überzeugung drei Bedingungen erfüllt sein: Die Zeit musste reif für eine Revolution sein, also das kapitalistische System erkennbar voll entwickelt sein, eine Wirtschaftskrise musste ausbrechen und politisch geschulte Revolutionäre einsatzbereit sein. Marx polemisierte heftig gegen Mitstreiter, die meinten, es reiche, revolutionäre Betriebsamkeit zu entfalten, um das revolutionäre Feuer in Europa wieder zu entfachen. Aber wann war die Zeit reif für eine Revolution? Hegel hatte in der Einleitung zur »Philosophie des Rechts« geschrieben, erst wenn ein System in der Wirklichkeit voll ausgebildet und schon im Vergehen sei, könne es wissenschaftlich erfasst werden. Dann erst könne Neues 11

»Es kommt darauf an, die Welt zu verändern!«

folgen. Marx wollte in einem großen, empirisch abgesicherten Theorie-Werk den Nachweis erbringen, dass der Kapitalismus voll entwickelt und damit die Zeit reif für die Revolution sei. Mit dem Engagement in Manchester bezweckte Engels, genug Geld zu verdienen, um Marx für die Arbeit an »dem Buch«, gemeint ist »Das Kapital«, subventionieren zu können. »Wir treiben ein Compagniegeschäft«, schrieb Marx später, Engels sei für das Geld und er, Marx, für die Abfassung eines großen Werks über den Kapitalismus zuständig. Auf die zweite Bedingung für eine Revolution, die Wirtschaftskrise, musste man nur warten, glaubten beide, denn große Wirtschaftkrisen seien dem Kapitalismus immanent. Revolutionäre konnte man aus dem reaktivierten Bund der Kommunisten gewinnen. Marx’ Arbeitsplatz wurde in dieser Zeit der Lesesaal des Britischen Museums. Engels’ Bezüge waren aber zunächst nicht so üppig, dass er Marx davon großzügig finanzieren konnte. Andere Emigranten, die handwerkliche Berufe gelernt hatten, konnten damit in England eine Anstellung finden. Marx bot sich die Chance, wenigstens etwas zu verdienen, und zwar durch das Angebot der Zeitung »New York ­Daily Tribune« (NYDT), für sie als Europa-Korrespondent zu arbeiten. Da Marx noch Schwierigkeiten mit dem Englischen hatte, hieß das zunächst, dass Engels nach Feierabend die Artikel zu übersetzen oder zu schreiben hatte, bis Marx das selbst konnte. Engels verfügte über eine rasche Auffassungsgabe und die Fähigkeit, kurzfristig einen Text zu Papier zu bringen. Marx empfand die Zeitungsarbeit als lästig. Tatsächlich handelt es sich bei seinen Artikeln aber dennoch um Glanzstücke des politischen Journalismus. Außerdem konnte er Teile seiner Artikel in das »Kapital« einfügen. Trotzdem verzögerte seine journalistische Tätigkeit die Arbeit am »Kapital«. Weitere Verzögerungen ergaben sich durch sein Engagement im Kölner Kommunistenprozess von 1852, einem der großen politischen Strafprozesse des 19. Jahrhunderts. Angeklagt wurden elf führende Mitglieder des Bundes der Kommunisten. Der Vorwurf lautete: Aufruhr und Verschwörung. Nachweisen ließ sich zunächst nur die Beteiligung einiger Angeklagter an der Revolution von 1848/49. Also beschaffte die preußische Polizei durch Spitzel 12

Marx und Engels

gedungene Zeugen und fälschte Beweismaterial über die »verbrecherischen Aktivitäten« des Bundes. Marx verwandelte seine Wohnung in London zeitweilig in ein Anwaltsbüro, in dem Beweismaterial gesammelt und die Falschaussagen der Belastungszeugen entlarvt wurden. Das Material wurde dann unverzüglich an Vertrauenspersonen der Verteidigung übermittelt. Doch eine Verurteilung der meisten Angeklagten 1852 konnte er nicht verhindern. Marx’ »Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln« sind auch ein Dokument der Rechtskenntnis des einstigen Jura-Studenten. Den inzwischen in Fraktionen gespaltenen Kommunistenbund löste Marx danach auf und verließ sich auf die Einzelbeurteilung, wer »zu unserer Partei« gehöre. Monate verschwendete er auf ein polemisches Buch über die Emigrantenszene mit dem Titel »Die großen Männer des Exils« und eine Abwehr der Angriffe eines Berliner Professors, »Herr Vogt«. Tatsächlich dauerte es noch bis 1867, bis »Das Kapital« erschien. Trotz der Honorare der »New York Daily Tribune« und der Zuwendungen von Engels lebte die Familie Marx in sehr bescheidenen bis ärmlichen Verhältnissen abseits der Londoner Gesellschaft. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, von denen drei jung starben. Zum Haushalt gehörte auch die Haushälterin Helene Demuth und zeitweilig auch ein Schreiber. Marx versuchte, seiner Frau Jenny ein gehobenes bürgerliches Leben zu bieten: Wenn Geld da war, wurde großzügig gewirtschaftet, fehlte das Geld, wurde auf Kredit gekauft oder alles Verwertbare ins Pfandhaus getragen. Engels fühlte sich als Jungunternehmer verpflichtet, ein großes Haus zu führen, er mietete in Manchester eine repräsentative Wohnung an, besaß ein Reitpferd und nahm an den in der Oberschicht so beliebten Fuchsjagden teil. Daneben gab es eine zweite Wohnung für seine Lebensgefährtin Mary Burns und deren Schwester Lydia, genannt Lizzy. Die Entfernung zwischen den jeweiligen Wohn- und Wirkungsstätten London und Manchester führte dazu, dass die wesentliche Verbindung in den Jahren 1850 bis 1870 durch einen regen Briefwechsel hergestellt wurde. Er begann zwar schon nach der Begegnung in Paris 1844, aber in den Phasen der direkten Zusammenarbeit in Brüssel und Köln waren Marx und Engels nicht auf Briefe angewiesen. Als 13

»Es kommt darauf an, die Welt zu verändern!«

Engels 1870 als »Pensionär« nach London zog, traf er sich fast täglich mit Marx. Briefe wurden dann nur noch geschrieben, wenn einer von den beiden auf Reisen war. Marx und Engels haben in den 40 Jahren ihrer Zusammenarbeit etwa 2000  Briefe gewechselt, davon sind 1600 erhalten geblieben. Ein paar als heikel angesehene Briefe wurden von Engels und den Marx-Töchtern nach dem Tod von Marx vernichtet, um das Ansehen des damals bereits weltweit verehrten großen Theoretikers der Arbeiterbewegung nicht herabzusetzen. Am dichtesten war der Briefwechsel in den Jahren der Trennung zwischen 1850 und 1870. Mehrmals in der Woche gingen Briefe zwischen London und Manchester hin und her. Sie wurden versiegelt, um herauszufinden, ob sie von der Postkontrolle geöffnet wurden. Die Post war auch der wichtigste Transferweg für die Zuwendungen von Engels. Er schickte in einem ersten Brief eine halbe FünfPfund-Note und erst nach Bestätigung des Eingangs im zweiten Brief die andere Hälfte. Die Briefe waren nicht im Hinblick auf eine spätere Veröffentlichung abgefasst. Es fehlte beispielsweise nicht an herabsetzenden Ausdrücken zur Charakterisierung der Londoner Emigrantenszene. Typisch für Emigranten war die Gewohnheit, die auf Deutsch geschriebenen Briefe mit englischen oder französischen Wendungen oder Satzteilen zu versetzen, so auch bei Marx und Engels. Die nicht geläufigen fremdsprachigen Passagen sind in diesem Band daher in den Anmerkungen übersetzt. In den Briefen aus den Jahren der Hoffnung auf die Revolution (1844 bis 1850) war Marx stärker der Tonangebende, der um den Freund Engels Besorgte, in den Exiljahren nach 1850 war Engels der Souveränere. Oft wurden die verschiedensten Themen, die gerade aktuell waren, in einem Brief abgehandelt. Inhaltlich lassen sich grob mehrere Themenkomplexe ausmachen, die die Schreiber beschäftigten. Ein zentrales Thema war Marx’ Geldbedarf. Immer wieder schilderte er Engels das Drängen der Gläubiger und die Leiden der Familie. Dazu gehörten die Klagen über den Tod von drei Kindern und das Leid seiner Frau. Marx schrieb 1858 verzweifelt, lieber möchte er 100 Klafter tief unter der Erde liegen, als so fortzuvegetieren. E ­ ngels 14

Marx und Engels

schrieb zurück, er werde das Mögliche tun und schickte dann als ­Soforthilfe eine 5-Pfund-Note. Die Vertrautheit der Familie Marx mit Engels zeigte sich auch daran, dass Marx wegen seiner dunklen Hautfarbe und seinem schwarzen Haar als der »Mohr« bezeichnet wurde und auch Briefe mit »Mohr« unterschrieb. Engels wurde dafür wegen seiner Militärkenntnisse der »General« genannt. Ein brieflich nur sehr indirekt angesprochenes Thema war 1851 die bevorstehende Niederkunft der Haushälterin Helene Demuth mit einem Sohn von Marx. Der sah schon das Schreckensbild einer Scheidung von seiner geliebten Frau Jenny vor sich. Engels half und erklärte sich bereit, öffentlich als Vater zu gelten und dem Kind den Vornamen Frederick zu geben, ins Geburtenregister wurde allerdings »Vater unbekannt« eingetragen. Einen Tiefpunkt der Beziehungen bildete Marx’ Reaktion auf Engels’ Schreiben, dass seine Lebensgefährtin Mary Burns plötzlich gestorben sei. Die Antwort war der wohl zynischste Brief, den Marx je geschrieben hat. Nach drei Zeilen der Anteilnahme folgte die dringende Bitte um neues Geld und eine Schilderung seiner häuslichen Probleme. Engels war tief getroffen. Erst nachdem Marx sich entschuldigt und sein Bedauern über seine Fehlleistung und Kaltherzigkeit geäußert hatte, normalisierte sich das Verhältnis der beiden wieder. Schon für die Arbeit als Europakorrespondent der »New York Daily Tribune« musste sich Marx mit der großen Politik der europäischen Mächte beschäftigen. Dafür las er die englischen Tageszeitungen und korrespondierte mit Engels über die Ereignisse und seine Einschätzungen. Er verfügte über ein wesentlich europazentrisches Weltbild, obwohl er auch den Fernen Osten und Indien im Blick hatte, denn das Fernziel war schließlich die Weltrevolution. Eine Rolle spielten nur die großen Nationen, nicht aber die kleinen »geschichtslosen Völker«. Für Marx war das zaristische Russland der böse Geist Europas, weil es mit seiner Politik die Werte der europäischen Zivilisation, wie sie die Französische Revolution hervorgebracht habe, gefährde. Dabei war Napoleon III. eine besondere Hassfigur, weil er die 1848er-Revolution in Frankreich liquidiert hatte. Eine besondere Rolle in der Korrespondenz bildeten Kriege und 15

»Es kommt darauf an, die Welt zu verändern!«

Bürgerkriege. Hier war Engels, der seine militärischen Kenntnisse stets erweitert hatte, in seinem Element. »Der General« erläuterte Marx die Aufmarsch- und Schlachtpläne, Truppenstärken und Strategiepläne. Trotz seiner Preußen-Gegnerschaft bewunderte Engels die Schlagkraft der preußischen Armee in der Schlacht von Königgrätz 1866 und den Vormarsch der deutschen Truppen im Deutsch-Französischen Krieg 1870. Auch Marx konnte dem Ganzen etwas Positives abgewinnen. Bei einem Sieg der Deutschen werde sich das Schwergewicht der europäischen Arbeiterbewegung von Frankreich nach Deutschland verlagern, meinte er, das sei auch »ein Sieg unserer Ideen über die Proudhons«. Für die Ideen des Franzosen Pierre-­ Joseph ­Proudhon über einen kleinteiligen genossenschaftlichen Sozialismus hatten Marx und Engels nur Verachtung übrig. Ein besonderes Augenmerk galt der deutschen und später auch der internationalen Arbeiterbewegung. Zunächst wurden nur die versprengten Revolutionäre von 1848/49, die ideologisch zur »Partei Marx« gerechnet wurden, von Marx in den Briefen positiv bewertet. Einen großen Raum nimmt auch die Hassliebe zu Ferdinand Lassalle ein. Dieser wurde durch die Beteiligung am Scheidungsprozess der Gräfin Hatzfeldt 1854 zu einem vermögenden Mann. Er war ein begnadeter Redner und erfolgreicher Buchautor, er hatte auch ein Drama geschrieben. Lassalle war durch seine öffentlichen Auftritte ein sehr viel »modernerer« Politiker mit einer Massenwirkung. Er wollte im Bündnis mit dem preußischen König gegen das Bürgertum einen sozialen Staat schaffen. Marx war dagegen ein in Deutschland weitgehend unbekannter Emigrant, der auf eine Revolution hoffte. Lassalle umwarb Marx, lud ihn nach Berlin ein und war sogar bereit, mit Marx und Engels eine Zeitung zu gründen. Doch Marx konnte sich eine dauernde Rückkehr nach Berlin mit finanzieller Abhängigkeit von Lassalle nicht vorstellen. Beim Gegenbesuch von Lassalle in London aus Anlass der Weltausstellung 1862 musste Marx alles Entbehrliche ins Pfandhaus tragen, um dem Gast nicht seine Armut zeigen zu müssen. Marx hielt Lassalle für einen geistigen Hochstapler und ließ an dessen Schriften und Auftritten kein gutes Haar. In den Briefen an Engels 16

Marx und Engels

fehlt es nicht an üblen antisemitischen, rassistischen und sexistischen Urteilen über Lassalle, nach außen jedoch hielt Marx den Schein einer Freundschaft mit Lassalle aufrecht. Als Lassalle 1863 den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) gründete, zerpflückte Marx in einem Brief an Engels das Programm des ADAV Satz für Satz. Dass Lassalle mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck verhandelte, war für Marx eine Unmöglichkeit, denn er ging davon aus, dass Lassalle die aufkommende Arbeiterbewegung zuerst für seinen Aufstieg im preußischen Staat instrumentalisieren wollte. Für Marx und Engels gab es kein Bündnis mit den Herrschenden. Nach dem tragischen Tod Lassalles bei einem Duell schrieb Marx jedoch, er sei schließlich auch einer von ihnen gewesen. Für die Erste Internationale hatte Marx 1864 die »Inaugural-­ Adresse« geschrieben. Darin hatte er eher vorsichtig formuliert, um ein Verbot der sozialistischen Parteien zu vermeiden. Bereits einige Jahre später, 1872, setzten Marx und Engels die Verlegung des Sitzes der Zentrale nach New York durch, um eine Übernahme der Ersten Internationalen durch die Anarchisten zu vermeiden. Dies kam einer Auflösung gleich. Als sich 1875 die Sozialistische Arbeiterpartei in Deutschland gründete, bedachten Marx und Engels sie mit guten Ratschlägen: Marx kritisierte das Gothaer (1875) und Engels später das Erfurter Programm (1891). Engels ermahnte seinen Freund ständig, endlich »Das Kapital« abzuschließen. Mit einem solchen dicken Buch könne er deutsche Wissenschaftler beeindrucken. Außerdem sollte das Buch vorliegen, wenn es bei einer Wirtschaftskrise zum Ausbruch einer Revolution kommen würde. Tatsächlich produzierte Marx bis 1858/59 ein Konvolut, die »Grundrisse einer Kritik der politischen Ökonomie«. Für ihn war das noch »Kraut und Rüben«, deshalb bemühte er sich nicht um einen Verlag. (Der tausendseitige Text erschien erst 1941 im Druck.) Bei aller Freundschaft wollte Marx seinem Förderer nie offenbaren, wie weit er mit dem Text vorangekommen war. In einem verzweifelten Augenblick schrieb er frei nach Goethe: »Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und nur das business ist grün. Ich bin leider erst zu spät zu dieser Einsicht gekommen.« Entsprechend groß war die Freude, 17

»Es kommt darauf an, die Welt zu verändern!«

als Band 1 des »Kapital« endlich 1867 in Hamburg erschien. Marx und Engels gratulierten sich gegenseitig zu den großen Anstrengungen und Mühen, die sie auf sich genommen hatten. Das »Kapital« wurde nach Marx’ Tod gleichsam die Bibel der europäischen Sozialisten. Doch zunächst blieb die erhoffte Wirkung aus. Engels schrieb deshalb Rezensionen von sehr verschiedenen Standpunkten aus über das Buch. Auch die Hoffnung auf einen finanziellen Erfolg erfüllte sich nicht. Es dauerte vier Jahre, bis die Erstauflage von 1000 Exemplaren verkauft war. Wahrscheinlich werde ihm das »Kapital« nur so viel einbringen, wie er für die Zigarren bezahlt habe, die er bei der Arbeit geraucht habe, schrieb Marx resigniert. Seine finanzielle Lage hatte sich seit 1864 dadurch verbessert, dass Engels in der väterlichen Firma in Manchester vom Prokuristen zum Mitinhaber aufgestiegen war und nach dem Ausstieg aus der Firma 1869 eine Rente für seinen Freund ausgesetzt hatte. Doch Marx drückten neue Schulden. Nachdem Engels 1870 nach London umgezogen war, trafen sich die Freunde fast täglich. Der Briefwechsel wurde dünner. Jetzt ging es mehr um die deutschen Sozialdemokraten und Marx’ zunehmende Gesundheitsprobleme. Mit dem Tod seiner geliebten Frau Jenny 1881 schwand sein Lebenswille. Am Nachmittag des 14. März 1883 fand die Haushälterin Helene Demuth Marx tot in seinem Sessel vor. Die Beerdigung fand in kleinem Kreis auf dem Londoner Friedhof Highgate statt. Engels hielt die später berühmt gewordene Grabrede, in der er Marx’ Bedeutung für den wissenschaftlichen Fortschritt und die Arbeiterbewegung hymnisch lobte. Für sich hatte Engels, der 1895 starb, in seinem Testament festgelegt, dass er verbrannt und seine Asche im Meer verstreut werden solle. Seinen schriftlichen Nachlass vermachte er der SPD. Marx hatte dagegen kein Testament hinterlassen, Erbinnen wurden damit seine Töchter Eleanor und Laura. Eleanor konnte »Uncle Angels«, wie Engels von den Marx-Töchtern auch genannt wurde, eröffnen, was ihr Vater ihr beiläufig mitgeteilt hatte: Engels werde aus seinen Entwürfen schon etwas machen, also Band 2 und 3 des »Kapital« herausgeben. Aber wo waren die Texte? Helene Demuth zeigte Engels in einem 18

Marx und Engels

Bücherregal angestaubte verschnürte Manuskript-Pakete, die Marx seit über zehn Jahren nicht mehr angerührt hatte. In einem Brief an August Bebel schrieb Engels 1883, die Herausgabe von Band 2 werde eine Heidenarbeit, »neben ausgearbeiteten Stücken, andres rein skizziert, alles Brouillon [erster Entwurf, K. K.]. Hätte ich das gewusst, ich hätte ihm bei Tag und Nacht keine Ruh gelassen«. Es rächte sich, dass Marx seinen Freund Engels nur punktuell in seine Arbeit am »Kapital« einbezogen und nie schwierige Fragen mit ihm diskutiert hatte. Das erste Problem bestand darin, Marx’ Handschrift zu entziffern. Während Engels sich einer gut lesbaren Kontorhandschrift ­bediente, hatte Marx eher Hieroglyphen zu Papier gebracht, die nur Engels entziffern konnte. An den Manuskripten kann man gut die Marx’sche Arbeitsweise erkennen. Schreiben war für Marx ein rauschhafter Vorgang. Wenn er einen Stoff zu beherrschen meinte, konnte er Tag und Nacht seinen Text niederschreiben. Blieb ihm etwas unklar, schrieb er nur Stichworte auf, ging zum nächsten Abschnitt über oder verwies auf Quellen in den Fußnoten. Erst nachdem er alle drei Bände in den frühen 1860er-Jahren im Rohentwurf abgeschlossen hatte, ging er an die Feinformulierung von Band 1 und die Anreicherung mit Zitaten, oft solche aus der Weltliteratur. Auch verwandte er Passagen aus dem Material für einen geplanten vierten Band des »Kapital«, in dem er die Geschichte der ökonomischen Lehrmeinung hatte abhandeln wollen. Engels musste also versuchen, den überlieferten Text sprachlich zu verbessern, fehlende Passagen aus den Fußnoten zu ergänzen und die Stimmigkeit der mathematischen Formeln zu überprüfen. Gelegentlich musste er einfach anmerken, dass an einer Stelle der Text abbrach. Schließlich konnte Engels 1885 den zweiten Band des »Kapital« herausgeben, die Arbeit am dritten Band war schwieriger, er wurde erst 1894 fertig. Nebenher gab Engels seine eigenen Schriften und die von Marx mit neuen Vorworten heraus. Er systematisierte und popularisierte Marx’ Erkenntnisse, was ihm das Zeugnis eintrug, »Erfinder des Marxismus« zu sein. Engels wurde auch zum unermüdlichen Ratgeber führender Sozialdemokraten, die ihn in London aufsuchten. Dabei 19

»Es kommt darauf an, die Welt zu verändern!«

beschränkte er sich auf Auskünfte über Marx’ Wirken und Theorie-Fragen, taktische Ratschläge, wie sie sich im Deutschen Reich verhalten sollten, gab er nicht. Im Laufe der Jahre änderte sich Engels’ Bild einer Revolution: Während er und Marx noch die Aufstände mit Barrikaden und Straßenkämpfen nach dem Vorbild von 1789, 1830 und 1848/49 vor Augen gehabt hatten, konnte er sich nun auch andere Formen einer Revolution vorstellen. In einem Punkt blieb er aber Marx’ Lehre treu. Den Staat bewertete er durchweg negativ. Während die Sozialdemokraten im Bismarck-Reich und auch später auf schrittweise Verbesserungen der Lage der Arbeiterklasse durch Sozialgesetzgebung und finanzielle Wohltaten aus dem Staatshaushalt setzten, wie es Lassalle gefordert hatte, blieb Engels bei der Feststellung, im bestehenden Staat sei ein friedliches Hinüberwachsen vom Kapitalismus in den Sozialismus nicht möglich. Der Staat stehe nicht abstrakt über der Gesellschaft, sondern sei ein Instrument der herrschenden Klasse. Dazu veröffentlichte er 1891, vier Jahre vor seinem Tod, den für das marxistische Staatsverständnis wichtigen Text »Karl Marx: Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei«. Marx hatte 1875 seine scharfe Kritik des Gothaer Programms nur in Briefen ausgewählten Parteigenossen zukommen lassen. Darin kritisierte er neben Sprachschlampereien auch liberale Forderungen, die in anderen kapitalistischen Staaten längst erfüllt seien, ohne die Verhältnisse grundlegend zu verändern, vor allem das »falsche Staatsverständnis« der Sozialdemokraten. Marx machte dann aber auch den Vorbehalt, dass praktische Fortschritte in der Politik wichtiger seien als Programmpunkte und schloss seinen Text mit dem Zitat aus dem Buch des Propheten Hesekiel: »Dixi et salvavi animam meam.«

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»Ein Gespenst geht um in Europa …«  Die 1848/49er-Revolution (1844 – 1850)

Friedrich Engels an Karl Marx Barmen, Anfang Oktober 1844 Lieber Marx, Du wirst Dich wundern, daß ich nicht früher schon Nachricht von mir gab, und Du hast ein Recht dazu; indes kann ich Dir auch jetzt noch nichts wegen meiner Rückkehr dorthin sagen. Ich sitze jetzt hier seit drei Wochen in Barmen und amüsiere mich so gut es geht mit wenig Freunden und viel Familie, unter der sich glücklicherweise ein halb Dutzend liebenswürdiger Weiber befinden. An Arbeiten ist hier nicht zu denken, umso weniger, als meine Schwester sich mit dem Londoner Kommunisten Emil Blank1, den Ewerbeck2 kennt, verlobt hat und jetzt natürlich ein verfluchtes Rennen und Laufen im Hause ist. Übrigens sehe ich wohl, daß meiner Rückkehr nach Paris noch bedeutende Schwierigkeiten werden in den Weg gelegt werden, und daß ich wohl werde auf ein halbes oder ganzes Jahr mich in Deutschland herumtreiben müssen; ich werde natürlich alles aufbieten, um dies zu vermeiden, aber Du glaubst nicht, was für kleinliche Rücksichten und abergläubische Befürchtungen mir entgegengestellt werden. Ich war in Köln drei Tage und erstaunte über die ungeheure Propaganda, die wir dort gemacht haben.3 Die Leute sind sehr tätig, aber der Mangel an einem gehörigen Rückhalt ist doch sehr fühlbar. Solange nicht die Prinzipien logisch und historisch aus der bisherigen Anschauungsweise und der bisherigen Geschichte und als die notwendige Fortsetzung derselben in ein paar Schriften entwickelt sind, solange ist es doch alles noch halbes Dösen und bei den meisten blindes Umhertappen. Später war ich in Düsseldorf, wo wir auch einige

1  Emil Blank, Kaufmann, Schwager von Friedrich Engels 2  August H. Ewerbeck, Schriftsteller, Mitglied des Bundes der Kommunisten 3  Im Oktober hatte Friedrich Wilhelm IV. durch Kabinettsorder die Gründung von Vereinen zum Wohle der arbeitenden Klassen zugelassen. Engels war dabei, als in Köln und in Elberfeld Arbeiterbildungsvereine gegründet wurden und Linke maßgeb­lichen Einfluss in den Komitees gewinnen konnten.

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»Ein Gespenst geht um in Europa …«

tüchtige Kerls haben. Am besten gefallen mir übrigens noch meine Elberfelder, bei denen die menschliche Anschauungsweise wirklich in Fleisch und Blut übergegangen ist; diese Kerls haben wirklich angefangen, ihre Familienwirtschaft zu revolutionieren und lesen ihren Alten jedesmal den Text, wenn sie sich unterfangen, die Dienstboten oder Arbeiter aristokratisch zu behandeln – und so was ist schon viel in dem patriarchalischen Elberfeld. Außer dieser einen Clique existiert aber auch noch eine zweite in Elberfeld, die auch sehr gut, aber etwas konfuser ist. In Barmen ist der Polizeikommissär Kommunist. Vorgestern war ein alter Schulkamerad und Gymnasiallehrer bei mir, der auch stark angesteckt ist, ohne daß er irgendwie mit Kommunisten in Berührung gekommen wäre. Könnten wir unmittelbar aufs Volk wirken, so wären wir bald obendrauf, aber das ist so gut wie unmöglich, besonders da wir Schreibenden uns still halten müssen, um nicht gefaßt zu werden. Im übrigen ist es hier sehr sicher, man kümmert sich wenig um uns, solange wir still sind, und ich glaube, Heß1 mit seinen Befürchtungen sieht etwas Gespenster. Ich bin hier noch nicht im allergeringsten molestiert worden, und bloß der Oberprokurator2 hat sich einmal bei einem unsrer Leute angelegentlich nach mir erkundigt, das ist alles, was mir bis jetzt zu Ohren gekommen ist. Hier hat in der Zeitung gestanden, der Bernays3 sei dort von der hiesigen Regierung belangt worden und vor Gericht gewesen. Schreib mir doch, ob das wahr ist, und auch was die Broschüre4 macht, sie wird jetzt doch wohl fertig sein. Von den Bauers5 hört man hier nichts, kein

1  Moses Heß, sozialistischer Schriftsteller, Korrespondent der »Rheinischen Zeitung«, später Mitglied des Bundes der Kommunisten 2  Der Staatsanwalt befürchtete eine Verbindung zwischen den Krawallen in Elberfeld und dem aufrührerischen Fabrikantensohn und Journalisten Engels. 3  Karl Ludwig Bernays war Redakteur der deutschsprachigen Zeitung »Vorwärts«, in der auch Marx und Engels scharf Preußen-kritische Artikel veröffentlichten. 4  Von Marx und Engels geplante Broschüre »Die heilige Familie, oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Consorten«. Als Buch 1845 erschienen. 5  Die Brüder Bruno und Edgar Bauer gehörten zu den junghegelianischen Kritikern der Verhältnisse in Preußen.

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Die 1848/49er-Revolution (1844 – 1850)

Mensch weiß was von ihnen. Dagegen um die »Jahrbücher«1 reißt man sich noch bis auf die heutige Stunde. Mein Artikel über Carlyle hat mir bei der »Masse«2 ein enormes Renommee verschafft, lächerlicherweise, während den über Ökonomie nur sehr wenige gelesen haben. Das ist natürlich. Auch in Elberfeld haben die Herren Pastoren, wenigstens der Krummacher3, gegen uns gepredigt; vorläufig bloß gegen den Atheismus der jungen Leute, indes hoffe ich, daß bald auch eine Philippika gegen den Kommunismus folgen werde. Vorigen Sommer sprach ganz Elber­ feld bloß von diesen gottlosen Kerls. Überhaupt ist hier eine merkwürdige Bewegung. Seit ich fort war, hat das Wuppertal einen größeren Fortschritt in jeder Beziehung gemacht als in den letzten fünfzig Jahren. Der soziale Ton ist zivilisierter geworden, die Teilnahme an der Politik, die Oppositionsmacherei ist allgemein, die Industrie hat rasende Fortschritte gemacht, neue Stadtviertel sind gebaut, ganze Wälder ausgerottet worden, und das ganze Ding steht jetzt doch eher über als unter dem Niveau der deutschen Zivilisation, während es noch vor vier Jahren tief darunter stand – kurz, hier bereitet sich ein prächtiger Boden für unser Prinzip vor, und wenn wir erst unsre wilden, heißblütigen Färber und Bleicher in Bewegung setzen können, so sollst Du Dich über das Wuppertal noch wundern. Die Arbeiter sind so schon seit ein paar Jahren auf der letzten Stufe der alten Zivilisation angekommen, sie protestieren durch eine reißende Zunahme von Verbrechen, Räubereien und Morden gegen die alte soziale Organisation. Die Straßen sind bei Abend sehr unsicher, die Bourgeoisie wird geprügelt und mit Messern gestochen und beraubt; und wenn die hiesigen Proletarier sich nach denselben Gesetzen entwickeln wie die englischen, so werden sie bald einsehen, daß diese Manier, als

1  »Deutsch-Französische Jahrbücher«, Paris 1844, in denen Marx und Engels veröffentlichten. 2  Rezension von Engels in den »Deutsch-Französischen Jahrbüchern« über das Buch von Thomas Carlyle »Past and Present«, in dem Carlyle kritisch die sozialen Verhältnisse in England beschrieb. 3  Friedrich Wilhelm Krummacher, pietistischer Pastor in Elberfeld

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»Ein Gespenst geht um in Europa …«

Individuen und gewaltsam gegen die soziale Ordnung zu protestieren, nutzlos ist, und als Menschen in ihrer allgemeinen Kapazität durch den Kommunismus protestieren. Wenn man den Kerls nur den Weg zeigen könnte! Aber das ist unmöglich. Mein Bruder ist jetzt Soldat in Köln und wird, solange er unverdächtig bleibt, eine gute Adresse sein, um Briefe für Heß etc. einzuschicken. Einstweilen weiß ich indes seine Adresse selbst noch nicht genau und kann sie Dir also auch nicht angeben. Seit ich das Vorhergehende schrieb, war ich in Elberfeld und bin wieder auf ein paar mir früher total unbekannte Kommunisten gestoßen. Man mag sich hindrehen und hinwenden, wohin man will, man stolpert über Kommunisten. Ein sehr wütender Kommunist, Karikaturen- und angehender Geschichtsmaler, namens Seel, geht in zwei Monaten nach Paris, ich werde ihn an Euch adressieren, der Kerl wird Euch durch sein enthusiastisches Wesen, seine Malerei und Musikliebhaberei gefallen und ist sehr gut zu gebrauchen als Karikaturenmacher. Vielleicht bin ich dann selbst schon da, das ist aber noch sehr zweifelhaft. Das »Vorwärts« kommt in ein paar Exemplaren her, ich habe dafür gesorgt, daß andre bestellen werden; laß die Expedition Probe-­ Exemplare schicken: nach Elberfeld an: Richard Roth, Wilhelm Blank-Hauptmann junior, F. W. Strücker, bayerisch Bierwirt Meyer in der Funkenstraße (kommunistische Kneipe), und zwar alle durch den kommunistischen Buchhändler Baedeker daselbst und kuvertiert. Wenn die Kerls erst sehen, daß Exemplare herüberkommen, so werden sie auch bestellen. Nach Düsseldorf an W. Müller, Dr. med.; nach Köln meinetwegen an Dr. med. d’Ester, Bierwirt Löllchen, an Deinen Schwager etc. Alles natürlich per Buchhandel und kuvertiert. Nun sorge dafür, daß die Materialien, die Du gesammelt hast, bald in die Welt hinausgeschleudert werden.1 Es ist verflucht hohe Zeit. Ich werde mich auch tüchtig an die Arbeit setzen und gleich heute wie-

1  Gemeint sind die nur unvollständig überlieferten »Ökonomisch-philosophischen Manuskripte« von 1844.

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der anfangen. Die Germanen sind alle noch sehr im unklaren wegen der praktischen Ausführbarkeit des Kommunismus; um diese Lumperei zu beseitigen, werd’ ich eine kleine Broschüre schreiben, daß die Sache schon ausgeführt ist, und die in England und Amerika bestehende Praxis des Kommunismus populär schildern. Das Dings kostet mich drei Tage oder so und muß die Kerls sehr aufklären. Das hab’ ich schon in meinen Gesprächen mit den Hiesigen gesehen. Also tüchtig gearbeitet und rasch gedruckt! Grüße Ewerbeck, Bakunin1, Guerrier2 und die andern, Deine Frau nicht zu vergessen, und schreibe mir recht bald über alles. Schreibe, falls dieser Brief richtig und uneröffnet ankommt, unter Kuvert an »F. W. Strücker und Comp., Elberfeld«, mit möglichst kaufmännischer Handschrift auf der Adresse, sonst an irgendeine andre Adresse von denen, die ich Ewerbeck gab. Ich bin begierig, ob die Posthunde sich durch das damenhafte Aussehen dieses Briefes täuschen lassen werden. Nun lebe wohl, lieber Karl, und schreibe recht bald. Ich bin seitdem doch nicht wieder so heiter und menschlich gestimmt gewesen, als ich die zehn Tage war, die ich bei Dir zubrachte. Wegen des zu etablierenden Etablissements hatte ich noch keine rechte Gelegenheit, Schritte zu tun.

1  Michail A. Bakunin, russischer Revolutionär, Teilnehmer der 1848/49er-Revolu­tion in Deutschland, Anarchist 2  Guerrier, französischer Sozialist

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Engels an Marx in Brüssel Lieber Marx, Das inliegende Broschürli wurde mir heut morgen von Junge überbracht; Ewerbeck habe es vor einigen Tagen zu ihnen gebracht. Ich sah mir das Ding an und erklärte, es sei von Mosi1, und setzte dem Junge dies Punkt für Punkt auseinander. Heut abend sah ich Ewerbeck, er gestand, es gebracht zu haben, und nachdem ich das Ding gehörig heruntergerissen, kommt heraus, daß er selbst, Ewerbeck, der Verfasser des saubern Machwerks ist. Er hat es, wie er behauptet, in den ersten Monaten meiner Anwesenheit hier verfaßt. Der erste Rausch, in den ihn die von mir mitgeteilten Neuigkeiten versetzten, hat ihn dazu begeistert. So sind diese Jungens. Während er den Heß auslachte, der sich mit fremden Federn schmückt, die ihm nicht stehen, und den Straubingern verbot, dem Grün zuzustecken, was ich ihnen vortrug, damit er es nicht ebenso mache, setzt er sich hin und treibt es – in der besten Absicht von der Welt, wie immer – um kein Haar besser. Moses und Grün hätten die Sachen nicht mehr verhunzt als dieser volkstümliche Tripperdoktor. Ich hab’ ihn natürlich erst etwas verhöhnt und ihm schließlich verboten, je wieder solches Zeug zu laxieren. Aber das sitzt dem Volk in den Knochen. Die vorige Woche setz’ ich mich hin und schreibe, teils aus Unsinn, teils weil ich platterdings Geld haben muß, ein anonym herauszugebendes, von Zoten wimmelndes Danksagungsschreiben an die Lola Montez2. Samstag les’ ich ihm einiges draus vor, und heut abend erzählt er mir mit gewöhnlicher Bonhomie, daß ihn dies zu einer ähnlichen Produktion inspiriert habe, die er bereits den nächsten Tag über denselben Gegenstand gemacht und dem Mäurer3 für seine Inkognito-Zeitschrift (sie erscheint wirklich ganz im geheimen und nur für die Redaktion unter Zensur von Madame Mäurer, die bereits ein Gedicht von Heine 1  Moses Heß 2  Engels’ Broschüre über die Tänzerin Lola Montez, eine Gespielin von König Ludwig I., ist nicht überliefert. 3  Friedrich Wilhelm Mäurer, Journalist, Mitglied des Bundes der Gerechten

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gestrichen) eingehändigt. Er teile mir dies jetzt schon mit, um seine Ehrlichkeit zu salvieren und um kein Plagiat zu begehen! Dies neue Meisterstück dieses erpichten und verpichten Schriftstellers wird natürlich reine Übersetzung meines Witzes in solenn1-überschwenglichen Stilum sein. Dies letztere Probestück kurzen Gedärms ist zwar im übrigen Wurst, zeigt aber doch, wie dringend nötig es ist, daß entweder Dein Buch2 oder unsre Manuskripte3 so rasch wie möglich erscheinen. Die Kerle tragen sich alle mit dem Kummer, daß so famose Ideen dem Volk so lange verborgen bleiben, und wissen am Ende kein andres Mittel, sich diesen Stein vom Herzen zu wälzen, als daß sie selbst so viel davon ausscheißen, als sie passablement verdaut zu haben meinen. Laß den Bremer4 also nicht fahren. Wenn er nicht antwortet, schreib nochmals. Akzeptiere das möglichst Geringe, im Notfall. Diese Manuskripte verlieren mit jedem Monat, den sie auf Lager zubringen, 5 – 10 fr. pro Bogen an exchangeable value. Noch ein paar Monate, la diète prussienne en discussion, la quereile bien entamée à Berlin5, und der Bauer und Stirner sind nicht mehr zu 10 fr. pro Bogen verkäuflich. Bei einer solchen Gelegenheitsschrift kommt man allmählich auf einen Punkt, wo hohes Honorar als Forderung des schriftstellerischen point d’honneur ganz beiseite gesetzt werden muß. Ich war ca. 8 Tage bei dem Bernays in Sarcelles. Der macht auch Dummheiten. Schreibt in die »Berliner Zeitungs-Halle« und freut sich wie ein Kind, daß seine soi-disant kommunistischen Expektorationen gegen die Bourgeois dort gedruckt werden. Natürlich läßt die Redaktion und Zensur stehen, was bloß gegen die Bourgeois, und streicht die wenigen Andeutungen, die auch ihnen unangenehm sein könnten. Schimpft über Jury, »bürgerliche Preßfreiheit«, Repräsentativsystem

1  feierlich 2  »Misère de la Philosophie« 3  »Die deutsche Ideologie« 4  Gemeint ist Johann H. Küthmann, Inhaber des Verlags Carl Schünemann in Bremen. 5  das preußische Abgeordnetenhaus diskutiert und der Streit in Berlin ist schön im Gange

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usw. Ich setze ihm auseinander, daß das buchstäblich pour le roi de Prusse und indirekt gegen unsre Partei arbeiten heißt – bekannte Aufwallung des warmen Herzens, Unmöglichkeit etwas auszurichten; ich erkläre, daß die »Zeitungs-Halle« von der Regierung bezahlt wird, hartnäckiges Leugnen, Berufen auf Symptome, die für alle Welt, nur für die gefühlvolle Einwohnerschaft von Sarcelles nicht, gerade für meine Behauptung sprechen. Resultat: Die biedere Begeisterung, das warme Herz kann nicht gegen seine Überzeugung schreiben, kann keine Politik begreifen, die die Leute schont, die es bisher immer bis auf den Tod gehaßt hat. »Is nit mei Genre!« ewige Ultima ratio. Ich habe x dieser aus Paris datierten Artikel gelesen; sie sind on ne peut plus im Interesse der Regierung und im Stil des wahren Sozialismus. Ich gebe den Bernays ziemlich auf und mische mich nicht mehr in den hochherzigwiderlichen Familienjammer, in dem er den Heros des Dévouements, der unendlichen Hingebung spielt. Il faut avoir vu cela.1 Das riecht wie fünftausend ungelüftete Federbetten, vermehrt durch die – von der östreichisch-vegetabilischen Küche herrührenden – zahllosen Fürze, die dort verführt werden. Und wenn sich der Kerl noch zehnmal von der Bagage losrisse und nach Paris käme, er liefe zehnmal wieder zurück. Du kannst Dir denken, was ihm das alles für Moralitätsflausen in den Kopf setzt. Die Familie mode compose, in der er lebt, macht ihn zum kompletten, engen Philister. Er kriegt mich auch nie wieder auf seine Boutique und wird auch sobald kein Verlangen nach mir gefühllosem Individuo tragen. Die Konstitutionsbroschüre2 bekommst Du baldmöglichst. Ich werde sie auf einzelne Blätter schreiben, damit Du einlegen und weglassen kannst. Wenn Aussicht da ist, daß Vogler einiges zahlt, so frag ihn, ob er den Lola-Montez-Witz – circa 1 1/2 – 2 Bogen nehmen will, brauchst aber nicht zu sagen, daß das Ding von mir herrührt. Antworte mir umgehend darüber, sonst versuch’ ich in Bellevue. Du wirst in »­Débats« oder »Constitutionnel« gelesen haben, daß Schufterle

1  Das muss man gesehen haben. 2  Friedrich Engels Text »Der Status quo in Deutschland« blieb 1847 ungedruckt.

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Schläpfer1 in Herisau vom Großen Rat2 wegen württembergischer Klagen außerstand gesetzt ist, weiter revolutionäres Zeug zu drucken, er selbst hat es in Briefen hieher bestätigt und sich alle Zusendungen verbeten. Also Grund mehr, an dem Bremer zu halten. Ist es gar nichts mit dem, so bleibt nur die »Verlagsbuchhandlung« in Bellevue bei Konstanz. Au reste, wenn das Unterbringen unsrer Manuskripte mit dem Unterbringen Deines Buches kollidiert, so foutiere3 in’s Teufels Namen die Manuskripte in eine Ecke, denn es ist viel wichtiger, daß Dein Buch erscheint. Wir beide beißen doch bei unsern Arbeiten darin nicht viel heraus. Du hast vielleicht in der gestrigen (Montags) »Kölner Zeitung« einen biedermännischen Artikel über Martin du Nords Skandalgeschichte4 gelesen. Dieser Artikel ist von Bernays – er macht von Zeit zu Zeit die Börnsteinsche Korrespondenz. Die hiesige Polizei ist jetzt sehr bösartig. Es scheint, sie wollen mit aller Gewalt eine erneute oder eine massenhafte Konspiration gelegentlich der Hungersnot herausbeißen. Erst streuen sie allerlei Druckschriften aus und heften placats incendiaires5 an, und jetzt haben sie gar Brandstiftungsmaschinen gemacht und ausgestreut, die aber nicht angesteckt waren, damit der Epicier6 die ganze Größe der teuf­lischen Bosheit erkennen könne. Dazu haben sie die s­ chöne Geschichte mit den communistes matérialistes angefangen, eine Masse Kerls verhaftet, von denen A den B, B den C, C den D kennt usw., und nun auf Grund dieser Bekanntschaft und einiger Zeugenbehauptungen die ganze Masse unter sich meist unbekannter Kerle in eine »Bande« verwandelt. Der Prozeß dieser »Bande« wird bald vorkommen, und wenn zu diesem neuen System die alte complicité m ­ orale hinzukommt, so kann man jedes beliebige Individuum mit der g­ rößten

1  Johann Michael Schläpfer, schweizerischer Verleger 2  Kantonsrat 3  wirf 4  Nicolas F. Martin du Nord, französischer Politiker 5  aufrüherische Plakate 6  Kleinkrämer

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Leichtigkeit verurteilen. Cela sent son Hébert1. Auf diese Art ist nichts leichter, als auch den père Cabet2 ohne weiteres zu verdonnern. Komm doch, wenn es irgend möglich, im April einmal hieher. Bis zum 7. April zieh’ ich aus – ich weiß noch nicht, wohin – und habe um dieselbe Zeit auch einiges Geld. Wir könnten dann einige Zeit höchst fidel zusammen verkneipen. Da die Polizei jetzt allerdings eklig ist (außer dem Sachsen, von dem ich schrieb, war auch mein alter Gegner Eisermann geschaßt, beide sind hier geblieben, vergl. K. Grün in der »Kölner Zeitung«), so ist’s allerdings am besten, daß man den Rat des Börnstein befolgt. Versuch beim französischen Gesandten, auf Deine Auswanderung einen Paß zu kriegen; wenn das nicht geht, dann wollen wir sehen, was hier auszurichten ist – es gibt wohl noch einen konservativen Deputierten, der sich durch die sechste Hand rühren läßt. Du mußt platterdings mal wieder aus dem ennuyanten Brüssel weg und nach Paris, und das Verlangen, etwas mit Dir zu kneipen, ist auch meinerseits sehr groß. Entweder mauvais sujet3 oder Schulmeister, das ist alles, was man hier sein kann; mauvais sujet unter liederlichen Stricken, und cela vous va fort mal quand vous n’avez pas d’argent4, oder Schulmeister von Ewerbeck, Bernays und Konsorten. Oder sich von den Chefs der französischen Radikalen weise Ratschläge geben lassen, die man nachher noch gegen die andern Esel verteidigen muß, damit sie nicht gar zu stolz in ihrer schwammigen Deutschheit sich brüsten. Hätt’ ich 5000 fr. Renten, ich tät’ nichts als arbeiten und mich mit den Weibern amüsiern, bis ich kaputt wär’. Wenn die Französinnen nicht wären, wär’ das Leben überhaupt nicht der Mühe wert. Mais tant qu’il y a des grisettes5, va! Cela n’ empêche pas6, daß man nicht gern einmal über einen ordentlichen Gegenstand spricht oder das Leben etwas mit Raffinement ge-

1  Das riecht ganz nach Hébert. Jaques R. Hébert, französischer Journalist 2  Vater Cabet. Étienne Cabet, französischer Publizist und utopischer Kommunist 3  liederlicher Typ 4  und das sieht schlecht für den aus, der kein Geld hat 5  Aber solange es Amüsierdamen gibt, führwahr! 6  Das hindert einen nicht daran,

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nießt, und beides ist mit der ganzen Bande meiner Bekannten nicht möglich. Du mußt herkommen. Hast Du L. Blancs »Revolution« gesehen? Ein tolles Gemisch richtiger Ahnungen und grenzenloser Verrücktheiten. Ich hab’ erst die Hälfte des 1. Bandes in Sarcelles gelesen. (Ça fait un drôle d’ effet. Kaum hat er einen durch eine nette Anschauung überrascht, so poltert er einem gleich den furchtbarsten Wahnsinn über den Kopf. Aber der L. Blanc hat eine ganz gute Nase und ist auf gar keiner üblen Spur, trotz allem Wahnsinn. Er bringt’s aber doch nicht weiter, als er jetzt schon ist, »ein Zauber bleit ihn nieder«, die Ideologie. Kennst Du Achille de Vaulabelle1 »Chute de l’Empire, Histoire des deux Réstaurations«? Voriges Jahr erschienen, ein Republikaner vom »National« und in der Art der Geschichtschreibung der alten Schule2 – vor Thierry, Mignet3 usw. – angehörend. Grenzen­loser Mangel an Einsicht in die ordinärsten Verhältnisse – selbst der Capefigue4 in seinen »Cent Jours« ist darin unendlich besser –, aber interessant wegen der bourbonischen und alliierten Schmutzereien, die er alle zusammenzählt, und wegen ziemlich genauer Darstellung und Kritik der facta, solange seine nationalen und politischen Interessen ihn nicht stören. Im ganzen jedoch langweilig geschrieben, eben wegen Mangel alles Überblicks. Der »National« ist ein schlechter Historiker, und Vaulabelle soll Marrasts5 amicus sein. Moses ist ganz verschollen. Bei den »Ouvriers«, mit denen ich nicht »umgehe«, verspricht er, Vorlesungen zu halten, gibt sich für Grüns Gegner und meinen Intimus aus! Gott weiß und Moses desgleichen, daß ich ihn bei unsrer zweiten und letzten Entrevue am Passage Vivienne mit offnem Maule stehenließ, um mit dem Maler Körner zwei Mädel abseiten zu führen, die dieser aufgegabelt! Seitdem ist er mir

1  Achille de Vaulabelle, französischer Historiker, Politiker und Journalist 2  Geschichtsschreibung der Restaurationszeit 3  Jacques Nicolas Thierry und François August Mignet, bürgerlich-liberale Historiker in Frankreich 4  Jean-Baptiste Capefigue, französischer Historiker und Publizist 5  Armand Marrast, französischer Autor und republikanischer Politiker

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nur noch am mardi gras1 begegnet, wo er sein lebensmüdes Ich durch den fürchterlichsten Regen und die ödeste Langeweile nach der Börse zu schleifte. Wir erkannten uns nicht einmal. Den Brief an Bakunin werde ich besorgen, sobald ich seiner Adresse sicher bin – bis jetzt ist es noch chanceux2. Apropos: schreibe doch an den Ewerbeck wegen des Broschürlis und verhöhne ihn etwas, er hält demütigst ambas posaderas3 dar und wünscht, Hiebe drauf zu besehen – Du kennst das. Also schreib bald und besorge das, daß Du herkommst. Dein F. E. Paris, Dienstag, 9. März 1847

Marx an Engels in Paris Brüssel, 15. Mai 1847 Lieber Engels! Du weißt, daß Vogler seit Anfang Mai in Aachen arretiert ist. Das hat für einstweilen den Druck der von Dir hergeschickten Broschüre4 unmöglich gemacht. Das erste derselben hat mir sehr gut gefallen. An den zwei andern muß jedenfalls geändert werden. Mehr speziell das nächstemal über diesen Punkt. Einlege ich den Abdruck Deiner Karikatur. Ich hatte sie der »Brüssler-Zeitung« zugeschickt. Was den wirklich ekelhaften Artikel des Grün oder Konsorten in der »Trier’schen Zeitung« angeht, so ist es zwar jetzt zu spät; ursprüng1  Faschingsdienstag 2  abhängig vom Zufall 3  beide Arschbacken 4  »Der Status quo in Deutschland«

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lich aber hättest Du gut getan, in zwei Zeilen eine Gegenerklärung in demselben Schundblatt zu erlassen. Nach London kann ich nicht. Die Geldmittel gestatten es nicht. Wolff1 werden wir aber hoffentlich hinbringen. Und dann wird’s genügen, daß ihr beide da seid. Voce Geld: Du erinnerst Dich, daß Heß mir und meinem Schwager Edgar Geld vom »Gesellschaftsspiegel«2 her schuldet. Ich ziehe daher auf ihn einen Wechsel von hier, 30 Tage auf Sicht. Der Bernays schuldet mir ebenso vom Mai vorigen Jahres 150 fr. Er erhält also ebenfalls einen Wechsel präsentiert. Ich ersuche Dich also zu folgendem: 1. Schreib mir erstens die Adresse der beiden; 2. Teile beiden das Faktum mit und sage den Eseln 3. daß, wenn sie nicht glauben, bis zum 15. Juni die respektiven Gelder zahlen zu können, sie dennoch den Wechsel akzeptieren sollen. Ich werde dann für Deckung in Paris sorgen. Natürlich eröffnest Du den Eseln letztres nur, wenn’s durchaus nicht anders geht. Ich bin in solchem Geldpech momentan, daß ich zu diesem Wechselziehn Zuflucht nehmen mußte, und am Ende, den beiden Eseln soll nichts geschenkt werden. Falls die Esel bloß zum Schein die Wechsel akzeptieren wollen, muß ich das natürlich gleich wissen. Da die Sache sehr pressiert, erwarte ich von Dir, daß Du keinen Tag versäumst, um alles in Ordnung zu bringen und mich zu benachrichtigen. Hier in Brüssel ist ein Escompteur3 aufgetrieben. Ich kann Dir nicht mehr schreiben. Vor ungefähr zwölf Tagen ließ mir der Breyer zur Ader, aber statt an dem linken, am rechten Arm. Da ich fortarbeitete, als sei nichts vorgefallen, eiterte die Wunde, statt zu vernarben. Die Sache hätte gefährlich werden und mir den Arm kosten 1  Wilhelm Wolff, kommunistischer Journalist und Sprachlehrer 2  Marx und Edgar von Westphalen hatten in der Zeitschrift »Gesellschaftsspiegel« 1846 je einen Beitrag veröffentlicht. 3  Aufkäufer von Wechseln

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können. Jetzt ist’s so gut wie geheilt. Aber der Arm noch schwach. Darf nicht angestrengt werden. Dein Marx [Nachschrift von Philippe Gigot] Mein liebes Fritzchen, Ich bin eben im Begriff, Deine Broschüre zu durchlesen – bis jetzt habe ich daran viel Spaß gehabt – und fühle mich ganz glücklich, kein Deutscher nicht zu sein. Gott oder Vernunft oder Gattung bewahre uns vor der Kleinbürgerei! Avec laquelle j’ai l’honneur d’être Yours most truly.1 Philippe P. S. Schreibe mir doch mal un demi mot.

Engels an Marx in Brüssel Paris, 23./24. November 1847 Lieber Marx, Erst heut abend hat sich’s entschieden, daß ich komme. Also Samstag abend in Ostende, Hôtel de la Couronne, gleich der Eisenbahnstation gegenüber am Bassin, and Sunday Morning across the water. Wenn Ihr mit dem Zuge kommt, der zwischen 4 und 5 fährt, werdet Ihr ungefähr zu gleicher Zeit mit mir ankommen. Sollte sonntags wider Erwarten kein Postdampfschiff nach Dover fahren, so schreib mir’s umgehend. D. h., da Du diesen Brief Donnerstag morgen bekommst, mußt Du Dich gleich erkundigen und, falls zu schreiben ist, den Brief noch denselben Abend – ich glaube vor fünf Uhr – auf die große Post besorgen. Hast Du also an dem Rendezvous

1  Ich habe die Ehre, Dein aufrichtiger

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etwas zu ändern, so ist noch Zeit. Habe ich Freitagmorgen keinen Brief, so rechne ich darauf, Dich und Tedesco1 Samstagabend in der Couronne zu treffen. Es bleibt uns dann Zeit genug, uns zu besprechen; dieser Kongreß muß entscheidend sein, as this time we shall have it all our own way.2 Ich habe schon lange absolut nicht begreifen können, warum Du dem Moses einen Klatsch nicht untersagt hast. Hier richtet mir das eine Teufelskonfusion und die langwierigsten Gegenreden bei den Arbeitern an. Ganze Kreissitzungen sind darüber verlorengegangen, und in den Gemeinden ist nicht einmal gegen diesen »flauen« Kohl durchzugreifen möglich, namentlich vor der Wahl war daran nicht zu denken. Den L. Blanc3 denk’ ich morgen noch zu treffen. Wo nicht, seh’ ich ihn übermorgen jedenfalls. Kann ich nicht schon am Fuß etwas mitteilen, so hörst Du das weitere Samstag. Übrigens hatte der Reinhardt mir dummes Zeug gesagt über die Anzahl der verkauften Exemplare – nicht 37, sondern 96 waren heut vor acht Tagen verkauft. An demselben Tage noch hab’ ich dem L. Blanc Dein Buch4 selbst hingebracht. Alle Exemplare waren besorgt, nur Lamartine5 (nicht hier), L. Blanc und Vidal6 nicht, dessen Adresse nicht zu finden. Ich hab’s auf die Presse bringen lassen. – Übrigens ist die Besorgung bei dem Frank wirklich schauderhaft gewesen. Sorge wenigstens, daß Moses während unsrer Abwesenheit keinen Unsinn macht! Also au revoir! Dein E. Dienstagabends. Überleg Dir doch das Glaubensbekenntnis etwas. Ich glaube, wir tun am besten, wir lassen die Katechismusform weg und titulieren das Ding: Kommunistisches Manifest. Da darin mehr oder weniger

1  Victor Tedesco, belgischer Sozialist, Verfasser des »Catéchisme du prolétaire« 2  diesmal wird alles nach unseren Wünschen verlaufen 3  Jean-Joseph-Louis Blanc, französischer Historiker und sozialistischer Journalist 4  »Misère de la philosophie« 5  Alphonse de Lamartine, französischer Autor und Politiker 6  François Vidal, französischer Sozialist und Journalist

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­Geschichte erzählt werden muß, paßt die bisherige Form gar nicht. Ich bringe das hiesige mit, das ich gemacht habe, es ist einfach erzählend, aber miserabel redigiert, in fürchterlicher Eile.1 Ich fange an: Was ist der Kommunismus? und dann gleich das Proletariat – Entstehungsgeschichte, Unterschied von früheren Arbeitern, Entwicklung des Gegensatzes des Proletariats und der Bourgeoisie, Krisen, Folgerungen. Dazwischen allerlei Nebensachen und schließlich die Parteipolitik der Kommunisten, soweit sie vors Publikum gehört. Das hiesige ist noch nicht ganz zur Bestätigung vorgelegt, aber ich denke, bis auf einige ganz kleine Kleinigkeiten, es so durchzusetzen, daß wenigstens nichts gegen unsre Ansichten drin steht. Mittwochmorgen. Soeben erhalte ich Deinen in obigem beantworteten Brief. Bei L. Blanc war ich. Mit dem hab’ ich merkwürdiges Pech – il est en voyage, il reviendra peut-être aujourd’hui. Morgen und nötigenfalls übermorgen geh’ ich wieder hin. – Freitagabend kann ich noch nicht in Ostende sein, weil das Geld erst bis Freitag zusammenkommt. Dein Vetter Philips war heute morgen bei mir. Der Born2 wird die Rede ganz gut machen, wenn Du ihn etwas einpaukst. Es ist gut, daß die Deutschen durch einen Arbeiter repräsentiert sind. Aber dem Lupus3 muß die übertriebne Bescheidenheit absolut ausgetrieben werden. Der brave Kerl ist einer der wenigen, die man in den Vordergrund poussieren muß. Weerth4 um Gottes willen nicht als Repräsentanten! Einer, der immer zu faul war, bis ihn der Kongreß-succès d’un jour hineinlancierte! Und der obendrein noch an independent member sein will. Il faut le retenir dans sa sphère.5

1  »Grundsätze des Kommunismus« 2  Stephan Born, Schriftsetzer, Mitglied des Bundes der Kommunisten 3  Wilhelm Wolff 4  Georg Weerth, Schriftsteller und Kaufmann, Mitglied des Bundes der Kommunisten 5  Man muss ihn in seinem Bereich zurückhalten.

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Engels an Marx in Brüssel Lieber Marx, Wenn ich Dir nicht geschrieben habe, so lag das daran, daß ich bis heute den verfluchten Louis Blanc noch immer nicht zu fassen kriegen konnte. Décidément il y met de la mauvaise volonté.1 Aber ich packe ihn doch – ich gehe alle Tage hin oder laure ihm im Café auf. Mit pére Flocon2 dagegen ist was zu machen. Er ist entzückt über die ­Manier, wie die »Brüsseler-Zeitung« und der »Northern Star« die »Réforme« gegen den »National« verteidigt haben3. Selbst die blâme gegen L. Blanc und Ledru-Rollin haben ihn nicht irregemacht; ebensowenig meine Erklärung, wir hätten uns jetzt in London entschieden, öffentlich als Kommunisten aufzutreten. Er machte natürlich schöne Sachen geltend: vous tendez au despotisme, vous tuerez la révolu­ tion en France, nous avons onze millions de petits paysans qui sout en même temps les propriétaires les plus enragés pp.4, obwohl er auch auf die Bauern schimpfte, – aber enfin, dit-il, nos principes sont trop rapprochés les uns des autres pour que nous ne devions pas marcher ensemble; quant à nous nous vous appuyerons autant que sera dans notre pouvoir5 pp. Die Geschichte mit Mosi hat mich ungeheuer amüsiert, obwohl es mir ärgerlich war, daß sie auskam. In Brüssel wußten es außer Dir nur Gigot und Lupus – und Born, dem ich’s mal in Paris in der Besoffenheit erzählt hatte. Enfin, c’est égal. Moses mit Pistolen drohend, in ganz Brüssel seine Hörner affichierend, und noch dazu bei Born-

1  Das geschah nicht in böser Absicht. 2  Ferdinand Flocon, radikaler französischer Publizist 3  Friedrich Engels: »Die ›Réforme‹ und der ›National‹« und »Frankreich: Politische Vorgänge« 4  Ihr tendiert zum Despotismus, ihr liquidiert die Revolution in Frankreich, wir haben elf Millionen Kleinbauern in Frankreich, die zugleich die fanatischsten Grundeigentümer sind. 5  aber schließlich sagte er, sind unsere Grundsätze zu ähnlich, als dass wir nicht zusammen marschieren sollten; was uns betrifft, wir werden euch unterstützen, wie es in unserer Macht steht.

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stedt!! muß kostbar gewesen sein. Die Erfindung des Ferdinand Wolff mit dem Protokoll1 m’a fait crever de rire – und der Moses glaubt das! Wenn übrigens der Esel auf seiner abgeschmackten Lüge von der Notzucht beharren sollte, so kann ich ihm mit früheren, gleichzeitigen und späteren Details aufwarten, darüber ihm Hören und Sehen vergehen soll. Hat mir doch diese Bileams Eselin2 noch verflossenen Juli hier in Paris eine mit Resignation vermischte Liebeserklärung in optima forma gemacht und mir die allernächtlichsten Geheimnisse ihrer Menage anvertraut! Ihre Wut auf mich ist pure verschmähte Liebe. Übrigens dachte ich in Valenciennes an Moses nur in zweiter Instanz, in erster hab’ ich mich rächen wollen für die Gemeinheiten, die sie gegenüber der Mary begangen. Der schwere Wein reduziert sich auf 1/3 Flasche Bordeaux. Es ist nur schade, daß der gehörnte Siegfried seinen unglücklichen Zustand nicht im Arbeiterverein öffentlich zu Protokoll gegeben hat. Es steht ihm übrigens frei, an allen meinen gegenwärtigen, vergangnen und zukünftigen Mätressen seine Revanche zu nehmen, und empfehle ich ihm hierzu 1. die flamändische Riesin, welche in meiner ehemaligen Wohnung 87 chaussée d’Ixelles au premier wohnt und Mademoiselle Joséphine heißt, und 2. eine Französin Mademoiselle Félicie, welche Sonntag, 23. d. Mts., mit dem ersten Zug, von Köln Brüssel ankommt, um nach Paris zu reisen. Es wäre Pech, wenn er bei keiner von beiden reüssierte. Teile ihm diese Renseignements3 gefälligst mit, damit er meine Aufrichtigkeit erkennt. I will give him fair play. Heine ist am Kaputtgehen. Vor 14 Tagen war ich bei ihm, da lag er im Bett und hatte einen Nervenanfall gehabt. Gestern war er auf, aber höchst elend. Er kann keine drei Schritt mehr gehen, er schleicht, an den Mauern sich stützend, vom Fauteuil bis ans Bett und vice ­versa. Dazu Lärm in seinem Hause, der ihn verrückt macht, Schreinern,

1  Aufzeichnung von Ferdinand Wolff, Mitglied des Bundes der Kommunisten, über eine angebliche Vergewaltigung Engels’ an Sybille Heß 2  Sybille Heß 3  Hinweise

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Hämmern usw. Geistig ist er auch etwas ermattet. Heinzen wollte zu ihm, wurde aber nicht vorgelassen. Bei Herwegh1 war ich auch gestern. Hat nebst Familie die Grippe und viel Besuch von alten Weibern. Er sagte mir, daß der 2. Band von L. Blanc ganz verdunkelt werde durch den enormen Sukzeß von Michelets 2. Band2. Ich habe beide noch nicht gelesen, weil ich wegen Geldmangel mich nicht im Lesekabinett abonnieren konnte; Übrigens ist der Micheletsche Sukzeß nur durch seine Suspension und seine Bürgerlichkeit zu erklären. Mit dem Bund geht’s hier miserabel. Solche Schlafmützigkeit und kleinliche Eifersucht der Kerls untereinander ist mir nie vorgekommen. Die Weitlingerei und Proudhonisterei3 sind wirklich der kompletteste Ausdruck der Lebensverhältnisse dieser Esel, und daher ist nichts zu machen. Die einen sind echte Straubinger, alternde Knoten, die andern angehende Kleinbürger. Eine Klasse, die davon lebt, daß sie wie Irländer den Franzosen den Lohn drückt, ist total unbrauchbar. Ich mache jetzt noch einen letzten Versuch, si cela ne réussit pas, je me retire de cette espèce de propagande4. Hoffentlich kommen die Londoner Papiere bald und werden die Geschichte wieder etwas beleben; ich werde dann den Moment benutzen. Da die Kerle bis jetzt gar kein Resultat des Kongresses sehen, werden sie natürlich vollends schlapp. Ich bin mit einigen neuen Arbeitern, die mir Stumpf5 und Neubeck6 zugeführt, in Verbindung, es ist aber nicht zu sagen, was daraus zu machen ist. Sag dem Bornstedt: 1. Er soll mit seinen Abonnements bei den hiesigen Arbeitern nicht mit so geschäftsmäßiger Strenge auftreten, sonst verliert er sie alle; 2. der Agent, den ihm der Moses verschafft, ist ein lamentierender Schlappschwanz und sehr 1  Georg Herwegh, mit Marx befreundeter Dichter der 1848/49er-Revolution und der Arbeiterbewegung 2  Jules Michelet: »Histoire de la révolution française« 3  Die Theorien von Weitlinger und Proudhon waren für Engels kleinbürgerliche Beschränktheit. 4  wenn das nicht gelingt, werde ich mich von dieser Art von Propaganda zurückziehen 5  Paul Stumpf, Mitglied des Bundes der Kommunisten 6  Philipp Neubeck, Lehrer in Mainz, Mitglied der Association démocratique in B ­ rüssel

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eitel, aber der einzige, der sich noch damit befassen will und kann, er soll ihn also nicht froissieren1; der Kerl hat sich auch geplagt, aber er kann kein Geld zusetzen, was er übrigens schon getan hat. Er muß aus dem Geld, was ihm einkommt, doch die Kosten decken, die ihm die Korrespondenz pp. macht; 3. wenn er einzelne No. herschickt, nie mehr als 10 – 15 von einer No. höchstens, und zwar durch Gelegenheit. Die Pakete passieren das Ministerium Duchâtel, wo sie mit Zeitverlust geholt werden müssen und wo das Ministerium einen furchtbaren Portoaufschlag erhebt, um diesen Commerce zu ruinieren. So ein Paket kostet 6 – 8 Franken, und was ist da zu machen, wenn es gefordert wird? Esselens in Lüttich wollte einen garde de convoi2 stellen, der das besorgte; schreib doch nach Lüttich, daß das eingerichtet wird. 4. Die No., die noch hier waren, sind durch Gelegenheit nach Süddeutschland geschickt. Wenn sich Gelegenheit bietet, so soll Bornstedt3 noch einige neue No. herschicken, um Propaganda in Cafés pp. zu machen. 5. Wird Bornstedt dieser Tage einen Artikel und die Geschichte über die preußischen Finanzen erhalten. Du mußt aber das wegen der Ausschüsse von 1843 nochmals durchsehen und das Nötige ändern, da es aus sehr wüster Erinnerung aufgeschrieben ist. Wenn die Geschichte mit Mosi dahin führt, daß Du ihn in der »Brüsseler Zeitung« attackierst, so soll sie mich sehr freuen. Wie der Kerl noch in Brüssel bleibt, ist mir unbegreiflich. En voilà encore une occasion pour l’exiler à Verviers4. Das mit der »Réforme« soll besorgt werden.5 Dein E. Paris, 14. Jan. 48

1  bedrängen 2  Begleitschutz 3  Adalbert von Bornstedt, Mitglied des Bundes der Kommunisten und preußischer Geheimagent 4  Das ist eine Gelegenheit, ihn nach Verviers zu verbannen. 5  In der Zeitschrift »Réforme« sollte eine Rezension von Marx’ »Misère de la philosophie« erscheinen.

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Marx an Engels in Brüssel Paris, 16. März 1848 Lieber Engels! Ich habe in diesen Tagen keinen Augenblick Zeit, um ausführlicher zu schreiben. Ich beschränke mich auf das Nötige. Flocon ist sehr gut gegen Dich gesinnt. Die hiesigen Straubinger widmen Dir alle mehr oder minder Wut. (Prügelei mit Scherzer usw.1) Was meine Sachen angeht, nimm sie mit bis Valenciennes und laß sie dort plombieren. Ich werde alles frei bekommen. Was das Silber angeht, so hat es schon hier in Paris den Stempel erhalten. In Valenciennes mußt Du aber jedenfalls zu dem Mann gehn, der auf einliegender Adresse steht. Meine Frau hat ihm auf Voglers Rat die Schlüssel der Koffer (die in Brüssel sind) zugeschickt, aber ohne Begleitbrief. Diese Schlüssel mußt Du bei ihm abholen, da man uns sonst alles auf der hiesigen Douane aufbricht. Was die Gelder angeht, so erkläre dem Cassel, er solle Dir den Wechsel herausgeben, wenn er ihn nicht zahlen will. Baillut wird ihn dann vielleicht zahlen. Laß den Gigot abrechnen und wenigstens den Rest geben. Was den Breyer angeht, so mußt Du noch einmal zu ihm und ihm die Gemeinheit vorstellen, die darin liegt, wenn er mein Pech benutzt, um nicht zu zahlen. Wenigstens einen Teil muß er Dir schaffen. Die Revolution hat ihm keinen Sou gekostet. Hier wird die Bourgeoisie wieder gräßlich frech und reaktionär, mais elle verra. Bornstedt und Herwegh benehmen sich als Lumpen. Sie haben hier

1  In Paris kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen traditionalistisch gesonnenen Handwerkern und Mitgliedern des Bundes der Kommunisten, darunter Andreas Scherzer.

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einen schwarz-rot-goldnen Verein1 contre nous gestiftet. Erstrer wird heut aus dem Bund ausgestoßen. Dein M. Die Feuille de Route2 find’ ich in diesem Moment nicht, und dieser Brief muß fort. Setz Gigot ab, wenn er nicht Tätigkeit entwickelt. Der Kerl sollte in diesem Moment energischer sein. Grüß Maynz3 herzlich von mir, ebenso Jottrand4. Letzteren »Débat social« habe ich empfangen. Auch einen Gruß an Vogler. Maynz und Jottrand werde ich ausführlich schreiben. Leb wohl.

Engels an Marx in Köln Lieber Marx, Den Prospekt erhalte ich soeben nebst Deinem Brief. Auf Aktien von hier ist verdammt wenig zu rechnen. Der Blank, an den ich schon früher deswegen geschrieben und der noch der beste von allen ist, ist in praxi ein Bourgeois geworden; die andern noch mehr, seit sie etabliert sind und mit den Arbeitern in Kollisionen gekommen. Die Leute scheuen sich alle wie die Pest vor der Diskussion der gesellschaftlichen Fragen; das nennen sie Aufwiegelei. Ich habe die schönsten Redensarten verschwendet, alle mögliche Diplomatie aufgeboten, aber immer schwankende Antworten. Ich mache jetzt noch einen letzten Versuch, scheitert der, so ist alles am Ende. In 2 – 3 Tagen hast Du positive Nachricht, wie er ausgefallen. Die Sache ist au fond die, daß

1  Die deutsche demokratische Gesellschaft, die durch eine deutsche Legion die Revolution von Frankreich nach Deutschland bringen sollte 2  Begleitschreiben 3  Karl Gustav Maynz, Jura-Professor in Brüssel, Mitglied der Association démocratique 4  Lucien Jottrand, Präsident der Associaton démocratique in Brüssel

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auch ­diese radi­kalen Bourgeois hier in uns ihre zukünftigen Hauptfeinde sehen und daß sie uns keine Waffen in die Hand geben wollen, die wir sehr bald gegen sie selbst kehren würden. Aus meinem Alten ist vollends nichts herauszubeißen. Für den ist schon die »Kölner Zeitung« ein Ausbund von Wühlerei, und statt 1000 Talern schickte er uns lieber 1000 Kartätschkugeln auf den Hals. Die avanciertesten hiesigen Bourgeois finden ihre Partei zu ihrer ziemlichen Zufriedenheit durch die »Kölnische Zeitung« vertreten. Que veux tu qu’on fasse, alors?1 Moses’ Agent, Schnaake, war vorige Woche hier, scheint auch gegen uns verleumdet zu haben. Von Dronke2 hab’ ich keine andre Adresse als etwa die: Kaufmann Adolf Dominicus in Koblenz (sein Onkel). Sein Alter existiert in Fulda, ich glaub’ als Gymnasialdirektor. Das Nest ist klein: Dr. E. Dronke junior in Fulda würde ihn wohl treffen, wenn er da ist. Es ist aber abgeschmackt, daß er nicht wenigstens schreibt, wo er ist. Von Ewerbeck hatte ich einen Brief, er fragt, ob wir einen angeblich wichtigen nach Mainz unter bekannter Adresse abgeschickten Brief von ihm erhalten? Hast Du ihn nicht, so schreib deswegen nach Mainz (Schullehrerkandidat Philipp Neubeck, Rentengasse (Heiliger Geist) Mainz). Ewerbeck läßt in Paris das »Manifest« ins Italienische und Spanische übersetzen und will zu diesem Behuf 60 fr. eingesandt haben, die er sich zu zahlen verpflichtet. Das ist wieder so eine seiner Geschichten. Die Übersetzungen werden schön sein. Ich bin an der englischen Übersetzung, die mehr Schwierigkeiten macht, als ich glaubte. Über die Hälfte ist indes fertig, und bald wird das Ganze fertig sein. Wenn ein einziges Exemplar unsrer 17 Punkte hier verbreitet würde, so wär’ hier alles verloren für uns. Die Stimmung bei den Bourgeois ist wirklich niederträchtig. Die Arbeiter fangen an, sich etwas zu regen, noch sehr roh, aber massenhaft. Sie haben sofort Koalitionen gemacht. Das aber ist uns gerade im Wege. Der ­Elberfelder politische Klub erläßt Adressen an die Italiener, spricht

1  Was tun? 2  Ernst Dronke, Mitglied des Bundes der Kommunisten

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sich für direkte Wahl aus, aber weist jede Debatte sozialer Fragen entschieden ab, obwohl unter 4 Augen die Herren gestehen, diese Fragen kämen jetzt an die Tagesordnung, und dabei bemerken, wir dürften darin der Zeit nicht vorgreifen! Adios. Laß bald Näheres hören. Ist der Brief nach Paris abgegangen, und hat er Resultate gehabt? Dein E. Barmen, 25.4.48

Engels an Marx in Köln Barmen, 9. Mai 48 Lieber Marx, Hierbei: 1. Die Liste der bis jetzt gezeichneten Aktien,1 14 an der Zahl. 2. Eine Vollmacht für Dich. 3. Eine für d’Ester (der Bohnstedt ist ein Bekannter von ihm). 4. Eine für Bürgers2. Es ließ sich nicht vermeiden, daß Bohnstedt und Hecker3 ihre Vollmacht an persönlich Bekannte gaben. Hühnerbein wird, für sich und zwei hiesige, selbst dort erscheinen. Die Liste ist noch nicht geschlossen. Den Laverrière und Blank habe ich trotz xmaligem Besuche nicht getroffen. Zulauff hat den ersteren übernommen. Zwei andre, bei denen ich nichts ausrichtete, wird Hecker bearbeiten. Heute geht Zulauff nach Ronsdorf, wo er gute Aussichten hat. Die bei-

1  für die Herausgabe der »Neuen Rheinischen Zeitung« 2  Heinrich Bürgers, Mitglied des Bundes der Kommunisten in Köln, Redakteur der »Neuen Rheinischen Zeitung«, 1852 einer der Hauptangeklagten im Kölner Kommunistenprozess 3  Bohnstedt und Hecker, Aktionäre der »Neuen Rheinischen Zeitung«

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den Sorten Leute, die am meisten Schwierigkeiten machen, sind erstens die jungen républicains en gants jaunes1, die für ihr Vermögen fürchten und Kommunismus wittern, und zweitens die Lokalgrößen, die uns für Konkurrenten halten. Weder Nohl noch Bracht waren zu bewegen. Von den Juristen ist Bohnstedt der einzige, mit dem was zu machen. Überhaupt haben wir vergebliche Gänge genug gehabt. Morgen geh’ ich auf zwei Tage nach Engelskirchen. Laßt mich sogleich die Resultate der Aktionärversammlung wissen.  – Zu einer Bundesgemeinde2 ist ebenfalls der Anfang gemacht. Dein Engels

Marx an Engels in Genf Köln, 26. Oktober 1848 Lieber Engels! Da Dein Brief erst jetzt abends ankömmt, ist es keine Zeit mehr, nach Wechseln sich umzutun. Es ist selbst nicht mehr Zeit, nach meinem Hause zu gehn. Ich schicke Dir Einliegendes, was grade vorrätig ist, und zudem eine Anweisung von 50 Taler von Schulz auf einen Bürger in Genf, wo Du auch sonstige Hülfe finden kannst. Ich habe schon vor langer Zeit an Dich und Dronke nach Paris 50 Taler und zugleich nach Brüssel an Gigot Deinen Paß geschickt. Die Zeitung erscheint seit dem 11. Oktober wieder, tale quale. Näheres Dir darüber zu schreiben, jetzt nicht der Moment, da Eile nötig. Sobald Du irgend kannst, schreib Korrespondenzen und längere Artikel. Ich bin jetzt, da alle außer Weerth fort und Freiligrath3 erst seit einigen Tagen eingetreten, bis über die Ohren beschäftigt, komme gar

1  Republikaner in Glacéhandschuhen 2  Treffen des Bundes der Kommunisten 3  Ferdinand Freiligrath, Redakteur der »Neuen Rheinischen Zeitung«

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nicht zu ausführlichem Arbeiten, und zudem tut das Parkett alles, um mir Zeit zu stehlen. Übrigens hat Dein Alter an Gigot geschrieben, wo Du seist. Er will Dir, wie er sagt, Geld schicken. Ich habe ihm Deine Adresse geschickt. Dein K. Marx Schreib umgehend. Soll ich Deine Wäsche usw. schicken? Plasmann sofort dazu bereit. Dein Vater hat ihn übrigens bezahlt. [Nachschrift Von Louis Schulz] P. S. Einliegenden Brief an J. Köhler am See oder rue du Rhône dort wollen Sie gefälligst öffnen und denselben abgeben, worauf Ihnen derselbe frs. 250 für meine Rechnung gegen Tratte nach Sicht auf mich auszahlen wird. Freundschaftlichen Gruß Louis Schulz.

Engels an Marx in Köln Lieber Marx, Nachdem ich mich jetzt während mehrerer Wochen sündhaften Lebenswandels von meinen Strapazen und Aventüren erholt habe, fühle ich erstens das Bedürfnis, wieder zu arbeiten (wovon der beiliegende magyaro-slawische Artikel ein schlagender Beweis1), und zweitens das Bedürfnis nach Geld. Letzteres ist das dringendste, und wenn Ihr bei Ankunft dieses mir noch nichts geschickt haben solltet, so tut es doch gleich, denn ich bin seit mehreren Tagen sans le sou, und Pump ist in dieser lausigen Stadt keiner. Wenn in dieser lausigen Schweiz nur irgend etwas vorfiele, um drüber schreiben zu können. Aber lauter Lokaldreck der lausigsten Art. Ein paar allgemeine Artikel drüber schick’ ich indes bald. Wenn ich

1  Artikel von Engels »Der magyarische Kampf« über die Revolution in Ungarn für die »Neue Rheinische Zeitung«

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noch lang im Ausland bleiben muß, so geh’ ich nach Lugano, besonders wenn in Italien etwas losgeht, wie es den Anschein hat1. Aber ich denke immer, ich kann bald zurück. Dies faule Hocken im Ausland, wo man doch nichts Ordentliches tun kann und ganz außer der Bewegung steht, ist scheußlich unerträglich. Ich komme bald zu der Einsicht, daß es selbst im Untersuchungs­arrest in Köln besser ist als in der freien Schweiz. Schreib mir doch, ob denn gar keine ­Chance vorhanden, daß ich ebenso günstig behandelt werd’ wie Bürgers, Becker pp.2 Raveaux3 hat recht: selbst in dem oktroyierten Preußen ist man freier als in der freien Schweiz. Jeder Spießbürger ist hier zugleich ­Mouchard und Assommeur4. Davon hab’ ich in der Neujahrsnacht ein Exempel gesehn. Wer zum Teufel hat neulich den langweiligen sittlich-religiösen Artikel aus Heidelberg über den Märzverein in die Zeitung gesetzt? Daß Henricus von Zeit zu Zeit einen Artikel aushaucht, hab’ ich ebenfalls mit Vergnügen bemerkt, an dem Seufzer über das Ladenbergsche Zirkular5, der sich durch 2 Nummern hinzieht. Unsre Zeitung wird jetzt in der Schweiz sehr häufig zitiert, die »Berner Zeitung« nimmt viel und die »Nationalzeitung«, und dann geht das die Runde durch alle Blätter. Auch in den Schweizer französischen Blättern wird sie, nach dem »National« pp. viel zitiert, mehr als die »Kölnische«.

1  Aufstand in Norditalien 2  Die Teilnehmer der Revolution von 1848 in Köln wurden zunächst nicht strafrechtlich verfolgt. Das geschah erst 1852. 3  Franz Raveaux, Mitglied der deutschen Nationalversammlung und der provisorischen badischen Regierung 4  Polizeispitzel und Totschläger 5  Artikel von Heinrich Bürgers: »Herr von Ladenberg und die Volksschullehrer« in der »Neuen Rheinischen Zeitung«

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Die Annonce werdet Ihr aufgenommen haben. Beiliegend ein Abdruck der unsrigen in der »Berner Zeitung«. Grüß die ganze Gesellschaft. Dein E. Bern, 7. – 8. Jan. 49 Gestern zu spät zur Post. Heute also noch die Bemerkung, daß die »Neue Rheinische Zeitung« seit dem 1. Januar hier nicht mehr eingetroffen ist. Sieh doch nach, ob sie regelmäßig abgeschickt. Ich hab’ mich erkundigt, mit dem Abonnieren ist’s nichts. Ich müßte auf 1/2 Jahr abonnieren, so lang bleib’ ich nicht und hab’ auch kein Geld. Wie gesagt, es ist wichtig, daß sie herkommt, nicht bloß meinetwegen, sondern auch hauptsächlich, weil die uns günstige, von einem Kommunisten redigierte »Berner Zeitung« alles tut, um sie hier en vogue zu bringen.

Marx an Engels in Kaiserslautern Paris, 7. Juni 1849 Schreib mir unter der Adresse M. Ramboz, 45, rue de Lille Lieber Engels! Ich schreibe Dir in diesem Briefe wenig ausführlich. Erst sollst Du mir antworten, ob er unversehrt angekommen ist. Ich glaube, daß die Briefe wieder con amore erbrochen werden. Es herrscht hier eine royalistische Reaktion, schamloser als unter ­Guizot, bloß vergleichbar mit der nach 1815.1 Paris ist morne2. Dazu 1  In Paris wurde Marx am 13. Juni 1849 Zeuge der Gegenrevolution. Präsident Louis Bonaparte brach die Verfassung mit einem Truppeneinsatz in Italien. Ein sozialistisches Komitee plante einen Aufstand, um eine proletarische Macht zu bilden. Schon kurz nach Beginn einer Demonstration schlugen Polizei und Militär zu. Der Belagerungszustand wurde dazu verwendet, gleich die Revolution zu beseitigen. 2  düster

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die Cholera, die außerordentlich wütet. Trotzdem stand ein kolossaler Ausbruch des Revolutionskraters nie näher bevor als jetzt zu Paris. Die Details darüber später. Ich komme mit der ganzen revolutionären Partei zusammen und werde in einigen Tagen sämtliche Revolutionsjournale zu meiner Verfügung haben. Was die hiesigen pfälzisch-badischen Gesandten betrifft, so ist Blind, von einem wirklichen oder vermeintlichen Choleraanfall erschreckt, einige Stunden von Paris aufs Land gezogen. Quant à Schütz1 ist folgendes zu bemerken: 1. Setzt ihn die provisorische Regierung in eine falsche Position, indem sie ihm keine Berichte schickt. Die Franzosen verlangen des faits, und wo soll er sie hernehmen, wenn ihm kein Teufel schreibt? Es müssen ihm möglichst oft Depeschen zukommen. Es ist klar, daß er in diesem Augenblick nichts ausrichten kann. Das einzig Erreichbare ist, der preußischen Regierung Wind in die Augen zu streuen, indem man ihm möglich macht, häufig mit den Chefs der Montagnards2 zusammenzukommen. 2. Ein zweiter unverzeihlicher Fehler des gouvernement provisoire du Palatinat3 ist, daß man hinter dem Rücken des offiziellen Gesandten eine Masse lausiger Deutschen mit dieser oder jener Mission beauftragt. Das muß ein für allemal aufhören, wenn Schütz den Monta­gnards gegenüber wenigstens die Honneurs seiner Position behaupten soll, und das ist in diesem Augenblicke  – Preußen gegenüber – doch wohl der ganze Inhalt seiner Mission. Daß er im übrigen wenig erfährt, versteht sich von selbst, da er nur mit einigen offiziellen Montagnards zusammenkömmt. Ich werde ihn übrigens immer au courant halten. Meinerseits muß ich verlangen, daß Du mir wenigstens zweimal die Woche regelmäßig und jedesmal, so oft etwas Wichtiges vorfällt, sofort schreibst.

1  Schütz, Teilnehmer am badisch-pfälzischen Aufstand, Vertreter der Badener provisorischen Regierung in Paris 2  Die demokratisch-republikanische Fraktion in der französischen Nationalversammlung wurde als Montagne, Berg, bezeichnet. Deren Führer Alexandre Ledru-­Rollin ging im Juni 1849 ins Exil. 3  Provisorische Regierung der Pfalz

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In dem Feuilleton der »Kölnischen Zeitung« über die Pfälzer Bewegung de dato Dürkheim an der Hardt1, heißt es unter anderm: »Auf Herrn Marx, den Redakteur der ›Neuen Rheinischen Zeitung‹, ist man nicht gut zu sprechen. Derselbe soll der provisorischen Regierung erklärt haben, seine Zeit sei noch nicht gekommen; er werde sich vorläufig zurückziehen.« Wie hängt das zusammen? Die elenden Deutschen hier, mit denen ich jedes Zusammentreffen übrigens vermeide, werden das breit durch Paris zu schlagen suchen. Ich halte es deshalb für gut, wenn Ihr in der »Karlsruher« oder »Mannheimer Abendzeitung« gradezu erzählt in einem Korrespondenzartikel, ich sei als Repräsentant des demokratischen Zentralkomitees zu Paris. Ich halte dies auch deshalb für nützlich, weil einstweilen, wo augenblicklich, unmittelbar noch kein Resultat hier zu erreichen ist, man die Preußen glauben machen muß, daß furchtbare Intrigen hier gespielt werden. Il faut faire peur aux Aristocrates.2 Ruge ist hier gleich Null. Was macht Dronke? Du mußt übrigens sehn, daß Du irgendwo Geld für mich auftreibst; Du weißt, daß ich die letzten eingehenden Summen, pour faire honneur aux obligations de la »Nouvelle Gazette Rhénane«, verausgabt habe, und in den jetzigen circonstances kann ich weder ganz eingezogen wohnen und leben, noch weniger in Geldverlegenheiten geraten. Wenn es Dir irgend möglich ist, so schicke mir einen französischen Artikel, worin Du die ganze ungarische Affäre3 resümierst. Teile diesen Brief d’Ester mit. Grüße ihn bestens. Soll ich unter einer andern Adresse schreiben, so gebt sie an. M. Herrn Fr. Engels, zu erfragen bei Dr. d’Ester

1  Dürkheim war einer der Standorte der 1849 gebildeten pfälzischen Volksarmee im badisch-pfälzischen Feldzug mit dem Ziel, der in Frankfurt von der Nationalversammlung beschlossenen Reichsverfassung Geltung zu verschaffen. Der Aufstand wurde von preußischen Truppen niedergeschlagen. 2  Man muss die Aristokraten in Angst versetzen. 3  Aufstand in Ungarn 1848

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Engels an Jenny Marx in Paris Liebe Frau Marx!1 Sie sowohl wie Marx werden verwundert sein, daß ich so lange nichts habe von mir hören lassen. En voici les causes: Denselben Tag, wo ich an Marx schrieb (von Kaiserslautern aus), kam die Nachricht, daß Homburg von den Preußen besetzt und somit die Kommunikation mit Paris abgeschnitten war. Ich konnte nun den Brief nicht mehr abschicken und ging zu Willich. In Kaiserslautern hatte ich mich von aller Befassung mit der soi-disant Revolution ferngehalten; als aber die Preußen kamen, konnte ich der Lust nicht widerstehen, den Krieg mitzumachen. Willich war der einzige Offizier, der etwas taugte, und so ging ich zu ihm und wurde sein Adjutant. Ich war in vier Gefechten, wovon zwei ziemlich bedeutend, namentlich das bei Rastatt, und habe gefunden, daß der vielgerühmte Mut des Dreinschlagens die allerordinärste Eigenschaft ist, die man haben kann. Das Kugelpfeifen ist eine ganz geringfügige Geschichte, und während des ganzen Feldzugs hab’ ich trotz vieler Feigheit kein Dutzend Leute gesehn, die sich im Gefecht feig benahmen. Desto mehr aber »tapfre Dummheit«. Enfin, ich bin überall glücklich durchgekommen, und au bout du ­compte2 ist es gut, daß einer von der »Neuen Rheinischen Zeitung« dabei war, weil alles demokratische Lumpenpack in Baden und der Pfalz war und nun mit nicht getanen Heldentaten renommiert. Es würde wieder geheißen haben: die Herren der »N.Rh.Z.« seien zu feig, sich zu schlagen. Von allen den Herren Demokraten aber hat sich niemand geschlagen, außer mir und Kinkel3. Letzterer hat sich bei unserm Korps als Musketier gestellt und sich ganz gut gemacht; im ersten Gefecht, das er mitmachte, bekam er den Streifschuß an den Kopf und wurde gefangen. Nachdem unser Korps den Rückzug der badischen Armee gedeckt, 1  Engels schrieb seinen für Marx bestimmten Bericht an dessen Ehefrau Jenny Marx, weil er Marx’ Anschrift nicht besaß. 2  kurz und gut 3  Gottfried Kinkel, demokratischer Revolutionär

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gingen wir, 24 Stunden später als alle andern, in die Schweiz und sind gestern hier in Vevey angekommen. Während des Feldzugs und des Marsches durch die Schweiz war es mir absolut unmöglich, auch nur eine Zeile zu schreiben. Jetzt aber beeile ich mich, Nachricht zu geben und um so schleuniger an Sie zu schreiben, als ich – irgendwo in Baden – gehört habe, Marx sei verhaftet in Paris. Wir bekamen nie Zeitungen zu sehn, erfuhren also nichts. Ob es wahr ist oder nicht, hab’ ich nie erfahren können. Sie begreifen die ängstliche Spannung, in der ich mich daher befinde, und ich bitte Sie aufs dringendste, mich von meiner Unruhe zu befreien und mir Gewißheit über Marx’ Schicksal zu verschaffen. Da ich keine Bestätigung dieses Gerüchts von Marx’ Verhaftung gehört, so hoffe ich immer noch, daß es falsch ist. Daß aber Dronke und Schapper1 sitzen, daran kann ich kaum zweifeln. Genug, wenn Marx noch frei ist, so schicken Sie ihm doch diesen Brief zu, mit der Bitte, mir gleich zu schreiben. Sollte er sich in Paris nicht sicher fühlen, so ist er hier im Waadtland vollständig sicher. Die Regierung selbst nennt sich rot und partisane de la révolution permanente. In Genf ist es ebenso. Dort ist Schily aus Trier, der im Mainzer Korps ein Kommando führte. Wenn ich von Hause einiges Geld bekomme, so geh’ ich wahrscheinlich nach Lausanne oder Genf und seh’, was ich anfange. Unsre Kolonne, die sich brav geschlagen hat, ennuyiert mich, und hier kann man nichts machen. Willich2 ist im Gefecht brav, kaltblütig, geschickt und von raschem, richtigem Überblick, außer dem Gefecht aber plus ou moins langweiliger Ideologe und wahrer Sozialist. Die meisten Leute vom Korps, mit denen man sprechen kann, sind anderswohin dirigiert. Wenn ich nur erst die Gewißheit hätte, daß Marx frei ist! Ich habe oft daran gedacht, daß ich mitten unter den preußischen Kugeln an einem weit weniger gefährlichen Posten war als die andern in Deutsch-

1  Karl Schapper, Mitglied des Bundes der Kommunisten, Redakteur der »Neuen Rheinischen Zeitung« 2  August Willich, ehemaliger preußischer Offizier, Führer eines Freikoprs im badischen Aufstand von 1849, Engels war sein Adjudant

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Die 1848/49er-Revolution (1844 – 1850)

land und namentlich Marx in Paris. Also befreien Sie mich bald von dieser Ungewißheit. Tout à vous! Engels Vevey, Canton de Vaud, 25. Juli 1849 Adresse: F. Engels, refugié alle­ mand 8, Vevey, Suisse

Marx an Engels in Lausanne Paris, 23. August 1849 Lieber Engels! Ich bin nach dem Departement Morbihan verwiesen, den Pontinischen Sümpfen der Bretagne1. Du begreifst, daß ich auf diesen verkleideten Mordversuch nicht eingehe. Ich verlasse also Frankreich. Nach der Schweiz gibt man mir keinen Paß, ich muß also nach London, und zwar morgen. Die Schweiz wird ohnehin bald hermetisch verschlossen sein, und die Mäuse mit einem Schlag würden gefangen sein. Außerdem: In London habe ich positive Aussicht, ein deutsches Journal zu stiften. Ein Teil der Gelder ist mir sicher. Du also mußt sofort nach London. Zudem erheischt es Deine Sicherheit. Die Preußen würden Dich doppelt erschießen: 1. wegen Baden2, 2. wegen Elberfeld. Und was sollst Du in der Schweiz, wo Du nichts tun kannst? Du hast keine Schwierigkeit, nach London zu kommen, sei es unter dem Namen Engels, sei es unter dem Namen Mayer. Sobald Du erklärst, nach England zu wollen, erhältst Du einen Zwangspaß bis London von der französischen Gesandtschaft. 1  Anspielung auf die im alten Rom geübte Praxis, missliebige Personen in die wegen ihres schlechten Klimas berüchtigten Sümpfe zu schicken, eine Art Todesstrafe 2  Im Sommer 1849 nahm Engels am bewaffneten Aufstand in Baden und der Pfalz teil, in Elberfeld hatte er sich zuvor an der Vorbereitung eines Aufstands beteiligt.

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»Ein Gespenst geht um in Europa …«

Ich rechne positiv darauf. Du kannst nicht in der Schweiz bleiben. In London werden wir Geschäfte machen. Meine Frau bleibt einstweilen hier. Du schreibst an sie immer unter derselben Adresse: 45, rue de Lille, M. Ramboz. Aber noch einmal, ich rechne sicher darauf, daß Du mich nicht im Stich lassen wirst. Dein K. M. Lupus ist bei Dr. Lüning, Zürich. Schreib ihm auch von meinem Plan.

Marx an Engels in Manchester London, 19. Nov. 1850 Lieber Engels! Ich schreibe Dir nur zwei Zeilen. Heute morgen um zehn Uhr ist unser kleiner Pulververschwörer Föxchen1 gestorben. Plötzlich, durch einen der Krämpfe, die er oft gehabt hatte. Einige Minuten vorher lachte und schäkerte er noch. Die Sache kam ganz unverhofft. Du kannst Dir denken, wie es hier aussieht. Durch Deine Abwesenheit sind wir grade in diesem Moment sehr vereinsamt. In meinem nächsten Briefe werde ich Dir einiges über Harney2 schreiben, woraus Du sehn wirst, in welcher fatalen Lage er sich befindet. Dein K.Marx Wenn Du grade in der Stimmung bist, schreib einige Zeilen an meine Frau. Sie ist ganz außer sich.

1  Heinrich Guido Marx, geb. 1849 2  James Harney, britischer Arbeiterführer, Mitglied des Bundes der Kommunisten und Redakteur linker Blätter

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Die 1848/49er-Revolution (1844 – 1850)

Marx an Engels in Manchester London, 23. Nov. 1850 Lieber Engels! Dein Brief hat meiner Frau sehr wohlgetan. Sie befindet sich in einer wirklich gefährlichen Aufgeregtheit und Angegriffenheit. Sie hatte das Kind selbst gestillt und unter den schwierigsten Verhältnissen mit den größten Opfern sich seine Existenz erkauft. Dazu der Gedanke, daß das arme Kind ein Opfer der bürgerlichen Misere gewesen ist, obgleich es ihm speziell an keiner Pflege gefehlt hat. Herr Schramm1 ist ganz verseilert2 und befindet sich in einer seiner ekelhaftesten Epochen. Zwei Tage durch, am 19. und 20. November, ließ er sich gar nicht bei uns sehn, kam dann eine Minute und verschwand sofort wieder nach einigen albernen Redensarten. Am Begräbnistage hatte er sich zum Mitfahren gemeldet, kömmt einen Augenblick vor der anberaumten Stunde, spricht kein Wort von dem Begräbnis, sondern erzählt meiner Frau, daß er sich eilen müsse fortzugehn, um nicht zu spät bei seinem Bruder zum Essen zu kommen. Du begreifst, wie bei dem jetzigen irritabeln Zustand meiner Frau das Benehmen dieses Menschen, der so viel Freundschaft in unserm Hause genossen, beleidigen muß. Jones3 hat mir die eigentliche Lage Harneys auseinandergesetzt. Er ist sous le coup de la justice4. Sein Blatt mußte dem ganzen Inhalt nach gestempelt sein. Die Regierung wartet nur eine größre Verbreitung ab, um ihn zu fassen. Der Prozeß gegen Dickens5 ist bloß als Präzedenz gegen ihn eingeleitet. Wird er dann gefaßt, so kann er außer der

1  Conrad Schramm, Mitglied des Bundes der Kommunisten und des Deutschen Arbeiterbildungsvereins in London 2  bedeutet so viel wie »steht unter dem Einfluss von Sebastian Seiler«, einem Mitglied des Bundes der Kommunisten 3  Ernest Charles Jones, englischer proletarischer Schriftsteller 4  unter dem Fallbeil der Justiz 5  Charles Dickens, englischer Dichter

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»Ein Gespenst geht um in Europa …«

eigentlichen Strafe 20 Jahre sitzen für die Unmöglichkeit, die securities1 aufzubringen. Bauer und Pfänder haben ihren Prozeß2 gewonnen. Roberts war ihr Advokat. Dein K. M.

1  Sicherheitsleistung 2  Der Bund der Kommunisten hatte sich im Dezember 1850 in die Fraktion Marx und die Fraktion Willich-Schapper gespalten. Die Marx-Anhänger Heinrich Bauer und Carl Pfänder waren Mitglieder des Deutschen Arbeiterbildungsvereins und verwalteten den Reisefonds des Vereins. Nach dem Austritt der beiden aus dem Verein wurden sie von ihm verklagt, weil sie angeblich das Geld nicht ordentlich zurückgezahlt hätten. Die Klage wurde abgewiesen.

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir« Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

Marx an Engels in Manchester London, 7. Januar 1851 Lieber Engels! Ich schreibe Dir heute, um Dir eine questiuncula theoretica vorzu­ legen, natürlich naturae politico-economicae1. Du weißt, um ab ovo zu beginnen, daß nach der Ricardoschen2 Theo­ rie der Rente sie nichts anders ist, als der Unterschied zwischen den Produktionskosten und dem Preis des Bodenproduktes, oder wie er das auch ausdrückt, der Unterschied des Preises, wozu das schlechteste Land verkaufen muß, um seine Kosten herauszubringen (immer den Profit und Zinsen des Pächters eingerechnet in die Kosten), und wozu das beste Land verkaufen kann. Das Steigen der Rente beweist nach ihm, wie er selbst seine Theorie auslegt: 1. Es wird zu immer schlechteren Erdarten Zuflucht genommen, oder dasselbe Quantum Kapital, sukzessive auf denselben Boden angewandt, bringt nicht dasselbe Produkt. Mit einem Worte: die Erde verschlechtert sich in demselben Maß, als die Bevölkerung ihr mehr abverlangen muß. Sie wird relativ unfruchtbarer. Worin dann Malthus3 den realen Boden seiner Populationstheorie gefunden hat und worin seine Schüler jetzt ihren letzten Notanker suchen. 2. Die Rente kann nur steigen, wenn der Getreidepreis steigt (wenigstens ökonomisch legal); sie muß fallen, wenn er fällt. 3. Wenn das Rental4 eines ganzen Landes steigt, so ist dies nur erklärlich dadurch, daß eine sehr große Masse relativ schlechteren

1  eine kleine Theorie-Frage vorzulegen, natürlich politökonomischer Art 2  David Ricardo, führender britischer Wirtschaftstheoretiker 3  Thomas Malthus, englischer Theoretiker, der das Elend der Arbeiter mit der Überbevölkerung erklärte 4  Gesamtertrag

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

Bodens in Bebauung gesetzt worden ist. Diesen drei Propositions widerspricht nun überall die Geschichte. 1. Kein Zweifel, daß immer schlechtere Erdarten in Bebauung gesetzt werden mit dem Fortschritt der Zivilisation. Aber ebensowenig Zweifel, daß diese schlechten Erdarten relativ gut sind gegen die früher guten, infolge des Fortschritts der Wissenschaft und Industrie. 2. Seit 1815 ist der Getreidepreis von 90 auf 50 sh1. gefallen und drunter vor der Abschaffung der Korngesetze, unregelmäßig aber beständig. Die Rente ist beständig gestiegen. So in England. Mutatis mutandis überall auf dem Kontinent. 3. In allen Ländern finden wir, wie schon Petty2 bemerkte, daß, wenn der Preis des Getreides abnahm, das Gesamtrental des Landes stieg. Die Hauptsache bei alledem bleibt, das Gesetz der Rente mit dem Fortschritt der Fruchtbarkeit der Agrikultur im allgemeinen auszugleichen, wodurch einmal die historischen Tatsachen allein erklärt werden können, anderseits die Malthussche Verschlechterungstheorie nicht nur der Hände, sondern auch der Erde allein beseitigt wird. Ich glaube, daß die Sache einfach zu erklären ist wie folgt: Gesetzt, in einem gegebnen Zustand der Agrikultur sei der Preis des Quarter Weizens 7 sh. und ein Acre Land der besten Qualität, das eine Rente von 10 sh. zahlt, produziere 20 Bushel3. Der Ertrag des Acre also = 20 × 7 oder = 140 sh. Die Produktionskosten betragen in diesem Falle 130 sh. 130 sh. ist also der Preis des Produkts des schlechtesten in Bebauung gesetzten Landes. Gesetzt, es trete nun eine allgemeine Verbesserung der Agrikultur ein. Setzen wir diese voraus, so nehmen wir an, gleichzeitig, daß Wissenschaft, Industrie und Bevölkerung im Zunehmen begriffen sind. Eine durch Verbesserung allgemein vermehrte Fruchtbarkeit des Bodens

1  shilling 2  William Petty, englischer Ökonom, dessen Arbeiten von Marx gelobt wurden 3  Scheffel

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Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

setzt diese Bedingungen voraus, im Unterschied der bloß vom Zufall einer günstigen Jahreszeit hervorgebrachten Fruchtbarkeit. Der Weizenpreis falle von 7 auf 5 sh. per Quarter. Das beste Land, Nr. 1, das früher 20 Bushel hervorbrachte, bringe nun 30 Bushel hervor. Bringt also jetzt ein statt 20 × 7 oder 140 sh. – 30 × 5 oder 150 sh. D. h. eine Rente von 20 sh. statt früher von 10. Der schlechteste Boden, der keine Rente trägt, muß produzieren 26 Bushel, denn nach unsrer obigen Annahme ist der notwendige Preis desselben 130 sh. und 26 × 5  =  130. Ist die Verbesserung nicht so allgemein, d. h. der allgemeine Fortschritt der Wissenschaft, der mit dem Gesamtfortschritt der Gesellschaft, Population usw. Hand in Hand geht, daß der schlechteste Boden, der in Bebauung gesetzt werden muß, 26 Bushel hervorbringen kann, so kann der Getreidepreis nicht auf 5 sh. per Quarter fallen. Die 20 sh. Rente drücken nach wie vor den Unterschied zwischen den Produktionskosten und dem Getreidepreis auf dem besten Boden oder zwischen den Produktionskosten des schlechtsten und denen des besten Bodens aus. Relativ bleibt das eine Land immer ebenso unfruchtbar gegen das andre wie vorher. Aber die allgemeine Fruchtbarkeit hat sich gehoben. Vorausgesetzt wird nur, daß, wenn der Getreidepreis von 7 auf 5 sh. fällt, die Konsumtion in demselben Maße zunimmt, die Nachfrage, oder daß die Produktivität nicht die Nachfrage übersteigt, die zu dem Preis von 5 sh. erwartet werden kann. So sehr diese Voraussetzung falsch wäre, wenn der Preis von 7 auf 5 gefallen wäre durch einen ausnahmsweis üppigen Herbst, so notwendig ist sie bei einer graduellen und durch die Produzenten selbst bewirkten Steigerung der Fruchtbarkeit. In allen Fällen handelt es sich hier nur um die ökonomische Möglichkeit dieser Hypothese. Es folgt hieraus: 1. Die Rente kann steigen, obgleich der Preis des Bodenprodukts fällt, und doch bleibt Ricardos Gesetz richtig. 2. Das Gesetz der Rente, wie Ricardo es in einfachster These, abgesehn von seiner Ausführung, hinstellt, setzt nicht die abnehmende Fruchtbarkeit des Bodens voraus, sondern nur, trotz der mit der 63

»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

Entwicklung der Gesellschaft allgemein zunehmenden Fruchtbarkeit des Bodens, verschiedne Fruchtbarkeit der Ländereien oder verschiednes Resultat des sukzessiv auf demselben Boden angewandten Kapitals. 3. Je allgemeiner die Verbesserung des Bodens ist, desto mehr Sorten von Ländereien wird sie umfassen, und das Rental des ganzen Landes kann steigen, obgleich der Getreidepreis im allgemeinen sinkt. Gesetzt z. B. das obige Beispiel, so kömmt es nur darauf an, wie groß die Anzahl der Ländereien ist, die mehr als 26 Bushel zu 5 sh. produziert, ohne grade deren 30 produzieren zu müssen, d. h. um wie mannigfaltiger die Qualität des Landes ist, das zwischen dem besten und dem schlechtsten liegt. Es geht dies die ratio der Rente des besten Landes nichts an. Es geht überhaupt die ratio der Rente nicht direkt an. Du weißt, daß der Hauptwitz bei der Rente der ist, daß sie erzeugt ist durch die Ausgleichung des Preises für die Resultate verschiedner Produktionskosten, daß aber dies Gesetz des Marktpreises nichts als ein Gesetz der bürgerlichen Konkurrenz. Indessen bliebe, selbst nach Abschaffung der bürgerlichen Produktion, der Haken, daß die Erde relativ unfruchtbarer würde, daß mit derselben Arbeit weniger sukzessiv geschaffen würde, obgleich nicht mehr, wie im bürgerlichen Regime, der beste Boden so teures Produkt lieferte wie der schlechtste. Dies Bedenken fiele mit dem obigen fort. Ich bitte Dich um Deine Ansicht über die Sache. Weil ich Dich mit dieser Scheiße gelangweilt, schicke ich Dir zur Erheiterung folgendes Pack Briefe von Dr. Magnus Groß1 (doppelt großer Groß! Allergrößter Groß!) aus Cincinnati. Du wirst finden, daß, wenn Monsieur Groß nicht grand, er jedenfalls gros2 ist. Tellering II.3 in nuce4. Gleichen sich doch alle Koblenzer. Schick mir die Sache zu-

1  Magnus Groß, in die USA emigrierter deutscher Demokrat 2  nicht groß, jedenfalls plump 3  Eduard von Müller-Tellering, ehemals Korrespondent der »Neuen Rheinischen Zeitung« in Wien, veröffentlichte im Londoner Exil eine Broschüre gegen Marx. 4  im Kern

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Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

rück, und wenn Du willst und Zeit und Lust hast, mit einer Zeile für Dronke. Dein K. M.

Engels an Marx in London Lieber Marx, Meine paar Zeilen von vorgestern wirst Du erhalten haben. Wenn Weerth das Nötige nicht gleich auftreiben kann, so will ich sehn, daß ich übermorgen oder spätestens Montag die Sache ins reine bringe. Im Notfall wirst Du jedenfalls die Geschichte bis Dienstag hinhalten können. Inliegend den Brief von Meister Pieper1 zurück. Der Heine scheint ihm sehr gelegen zu kommen, um die anstandsgemäßen vier Seiten voll zu machen. Ich hoffe, Du wirst ihm wegen des Proudhon einen zur Tatkraft anspornenden Brief geschrieben haben, denn wenn er erst wieder hier ist, so hörst und siehst Du vom Manuskript für die erste Zeit kein Wort mehr. Wegen Löwenthal2 widersprechen sich Pieper und Ebner sehr, jedenfalls ist aber dem letzteren mehr zu trauen3. Ich glaube, was das Anfangen mit der Geschichte der Ökonomie betrifft, wovon Pieper spricht, daß, wenn Löwenthal dies wirklich vorhat, Ebner ihm am besten Schwierigkeiten macht, es ginge nicht, Deinen ganzen Plan umzuwerfen, Du habest schon angefangen, die Kritik auszuarbeiten etc. Sollte es aber nicht anders gehn, so müßte Löwenthal aber sich für zwei Bände verpflichten, und Du würdest diesen Raum auch nötig haben, teils wegen des zu antizipierenden Kri1  Wilhelm Pieper, Journalist, zeitweilig Sekretär von Marx, Mitglied des Bundes der Kommunisten 2  Marx verhandelte 1851 mit Zacharias Löwenthal, dem Inhaber des Verlags Rütten & Löning, über ein Ökonomie-Buch. 3  Hermann Ebner, Journalist und österreichischer Geheimdienstmann, bestärkte Marx in der falschen Annahme, sein geplantes Werk werde bei Rütten & Löning verlegt werden.

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

tischen, teils um die Geschichte bei dem am Ende doch keinenfalls für Londoner Kostenpreise berechneten Honorar für Dich einigermaßen rentabel zu machen. Dann kämen als 3. Band die Sozialisten und als 4. die Kritik  – ce qu’il en resterait1  – und das vielberühmte »Positive«, das, was Du »eigentlich« willst. Die Sache hat in dieser Form ihre Schwierigkeiten, aber sie hat den Vorzug, daß man das vielverlangte Geheimnis erst ganz am Schluß sagt, und erst nachdem die Neugier des Bürgers durch drei Bände hindurch im Atem gehalten worden, ihm enthüllt, daß man keine Morisonpillen2 fabriziert. Für Leute von einigem Verstand werden die Andeutungen der ersten Bände, der Anti-Proudhon, das »Manifest« genügen, um sie auf die richtige Fährte zu leiten; der Kauf- und Lesemob wird sich für die Geschichte etc. nicht mehr interessieren, wenn er das große Mysterium schon3 im 1. Band enthüllt bekommen hat; er hat, wie Hegel in der »Phänomenologie« sagt, »die Vorrede« gelesen, und da steht ja das Allgemeine drin4. Du tust gewiß am besten, mit Anstand, aber bei irgend akzeptablen Bedingungen, jedenfalls mit Löwenthal abzuschließen und das Eisen zu schmieden, weil es warm ist. Dabei verfährst Du am besten umgekehrt wie die Sibylle5. Für jeden Louis d’or, den er Dir am Bogen abzieht, zwingst Du ihm so viel Bogen mehr auf, daß dies doch wieder herauskommt und füllst diese Extrabogen mit Zitaten etc., die Dich nichts kosten. 20 Bogen à 3 £ oder 30 Bogen à 2 £ machen immer 60 £, und 10 Bogen kostenfrei und ohne Zeitverlust zusammenzubringen aus Petty, Stewart, Culpeper und andern Kerlen, das ist doch wahrhaftig leicht, und Dein Buch wird um soviel »belehrender« … Die Hauptsache ist, daß Du erst wieder mit einem dicken Buch vor dem Publikum debütierst, und am besten mit dem unverfänglichs-

1  Das würde davon übrig bleiben. 2  Aufheiterungstabletten 3  das Geheimnis der ursprünglichen Akkumulation 4  Hegel pflegte in den Vorreden seine grundsätzlichen Thesen dem Text voranzustellen. 5  Sibylle Heß

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Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

ten, der Historia1. Die mittelmäßigen und lausigen Literaten Deutschlands wissen sehr gut, daß sie ruiniert wären, wenn sie nicht zwei- bis dreimal des Jahres mit irgendeinem Schund vor dem Publikum erschienen. Ihre Zähigkeit hilft ihnen durch; obwohl ihre Bücher wenig oder nur mittelmäßig ziehen, glauben schließlich doch die Buchhändler, sie müßten große Männer sein, weil sie in jedem Meßkatalog ein paarmal vorkommen. Dann ist es auch platterdings nötig, daß der Bann gebrochen wird, der durch Deine lange Abwesenheit vom deutschen Büchermarkt und durch den späteren Schiß der Buchhändler entstanden ist. Ist einmal erst ein oder zwei Bände lehrreicher, gelehrter, gründlicher und zugleich interessanter Sachen von Dir erschienen, alors c’est tout autre chose, und Du pfeifst den Buchhändlern was, wenn sie niedrig bieten. Es kommt noch das dazu, daß Du diese Geschichte nur in London machen kannst, während Du Sozialisten und Kritik überall machen kannst.2 Es wäre also gut, wenn Du die Gelegenheit jetzt noch benutztest, ehe die Crapauds3 irgendeinen Blödsinn machen und uns wieder auf das theatrum mundi versetzen. Die New Yorker »Schnellpost« kommt morgen. – Den Löwenthal, wie gesagt, halte unter allen irgend angehenden Umständen fest. Ist’s mit ihm nichts, so sind, wie Pieper schreibt, Ebners Ressourcen erschöpft. Mit Löwenthal ist ohnehin später immer mehr als mit andern auszurichten, weil man den Ebner hat, der ihm in Frankfurt auf dem Nacken sitzt. Bringt er mit dem Löwenthal, den er tagtäglich persönlich treten kann, nichts fertig, so ist die Sache mit andern nicht in Frankfurt befindlichen Kerlen noch viel problematischer. Du solltest dem Ebner so schreiben, daß er weite Vollmachten von Dir hat und sofort abschließen kann; je länger die Sache trainiert wird, desto eher wird der Löwenthal es leid, und kommen politische

1  Geschichte der ökonomischen Lehrmeinungen, später wurde daraus der sog. 4. Band des »Kapital«, »Theorien über den Mehrwert« 2  Nur im Britischen Museum konnte Marx die gesamte ökonomische Fachliteratur und Quellen, wie etwa die Blaubücher der Fabrikinspektoren, einsehen. 3  andere »gewöhnliche« Ökonomen, die Quellen auswerten

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

Ängste wegen 18521 dazwischen. Bricht in Paris das geringste Vorspielchen los, so ist alle Aussicht auf Buchhändlerklatsch, und macht der Bundestag Preßgesetze, ehe schwarz auf weiß kontrahiert ist, so bist Du auch am Ende. Du mußt mit der Wurst nach dem Schinken werfen, oder – te résigner, ce qui n’est pas trop agréable2. Je mehr ich mir die Sache überlege, desto praktischer erscheint mir das Anfangen mit dem Historischen. Sois donc un peu commerçant, cette fois!3 Was meine Proudhon-Glossen angeht, so sind sie zu unbedeutend, als daß damit viel anzufangen wäre. Es würde wieder gehn wie bei der »Kritischen Kritik«, wo ich auch ein paar Bogen schrieb, weil auf eine Broschüre gerechnet wurde, und Du ein gründliches Buch von 20 Bogen draus machtest, worin meine Wenigkeit sich sehr komisch ausnahm. Du würdest doch wieder so viel dazu tun, daß mein Anteil, ohnehin nicht der Rede wert, ganz vor Deiner schweren Artillerie verschwände. Sonst hätte ich nichts dagegen, als daß Deine Historie mit Löwenthal viel wichtiger und dringender ist. Dein F. E. Manchester, 27. Nov. 1851

1  Der Verleger befürchtete, dass 1852 politischer Aufruhr in Frankreich zu verschärften Zensurbestimmungen im Deutschen Bund führen würden. 2  aufgeben, was nicht gerade wünschenswert ist 3  Sei doch hier ein wenig Geschäftsmann!

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Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

Marx an Engels in Manchester 14. April 1852 28, Dean Street, Soho, London

Lieber Frederic, Ich schreibe Dir nur diese zwei Zeilen, um anzuzeigen, daß das kleine Kind1 heute 1/4 nach 1 Uhr gestorben ist. Dein K. M.

Engels an Marx in London Lieber Marx, Ich habe mit Bedauern gesehn, daß sich meine Befürchtungen wegen Deines kleinen Mädchens nur zu schnell bestätigt haben. Wenn es nur irgendein Mittel gäbe, daß Du mit Deiner Familie in eine gesundere Gegend und geräumigere Wohnung ziehen könntest! Gern hätte ich Dir einiges Geld geschickt, aber ich habe in London so viel mehr ausgegeben, als worauf ich gerechnet bin, daß ich selbst hier bis Ende dieses Monats krummliegen muß, und im nächsten Monat hab’ ich an Rechnungen und für in Deutschland bestellte Bücher gleich £ 12 zu zahlen. Doch will ich sehn, wenn es irgend angeht, daß ich Dir gleich anfangs Mai etwas besorge. Ich wollte, ich hätte vorher gewußt, wie die Sachen in London ständen, ich hätte dann die au fond ganz überflüssige Reise nach London unterlassen und dadurch etwas freie Hand bekommen. Pindar2 ist hier, da er in Liverpool kein Unterkommen gefunden hat. Er sucht eine Stelle oder Privatstunden, und ich werde mich natürlich für ihn verwenden. Um ihm einen Beweis meiner guten Dispositionen zu geben, hab’ ich russische Stunde bei ihm genommen. Um ihn

1  Franziska Marx, geb. 1851 2  Edward Pindar, Pseudonym eines russischen Sozialisten

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aber hier empfehlen zu können, muß ich etwas mehr über ihn wissen, und da man ihm dergleichen nur mit der größten Mühe herauszerrt, so wäre es mir lieb, wenn Du mir schriebst, was Du von ihm und seinen Verhältnissen weißt, woher Du ihn kennst pp. Bei seiner stummen Manier sieht er mir übrigens nicht danach aus, als ob er hier sein Glück machen werde. Bei den jetzigen kommerziellen Aspekten, besonders in bezug auf Ostindien1, ist ein Punkt nicht außer acht zu lassen. Trotz der seit drei Jahren fortwährend steigenden kolossalen Einfuhr englischer Industrieprodukte nach Ostindien kommen seit einiger Zeit wieder ziemlich gute Nachrichten von dort, die Vorräte verkaufen sich allmählich und werden dort besser bezahlt. Dies kann nur darin seinen Grund haben, daß in den zuletzt von den Engländern eroberten Provinzen, in Scinde, dem Pandschab pp., wo sich die einheimische Handarbeit bisher noch fast ausschließlich gehalten hatte, diese jetzt endlich von der englischen Konkurrenz erdrückt wird, sei es, daß die hiesigen Fabrikanten erst neuerdings dahin gekommen sind, die für diese Märkte passenden Zeuge anzufertigen, sei es, daß die natives ihren Geschmack an den einheimischen Geweben endlich dem wohlfeileren Preis der englischen gewöhnlich nach Indien exportierten Zeuge geopfert haben. Die letzte indische Krisis 1847 und die damit zusammenhängende große Depreziation2 der englischen Produkte in Indien mag dazu sehr viel beigetragen haben; und schon aus dem alten Gülich3 geht hervor, daß selbst das zu seiner Zeit von den Engländern eroberte Indien noch lange nicht vollständig seine eigne alte Manufaktur aufgegeben hatte. Nur hieraus ist es zu erklären, daß nicht längst in Kalkutta und Bombay die 1847er Geschichte sich in verstärkter Form wiederholt hat4. Wenn aber erst die 3 000 000 Ballen Baumwolle der letzten Ernte in den Markt ge-

1  Export britischer Baumwollprodukte nach Ostindien 2  Entwertung 3  Gustav von Gülich, Wirtschaftshistoriker 4  Aufruhr der heimischen Baumwollspinner gegen die britische Importware. Das Spinnrad wurde 1947 nach der Unabhängigkeit Indiens als Symbol der Eigenständigkeit in die Landesfahne gesetzt.

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Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

kommen und verarbeitet und als fertige Waren dem größten Teil nach nach Ostindien spediert sind, wird sich das schon ändern. Die Baumwollenindustrie floriert jetzt so, daß trotz dieser, die 1848/1849er Ernte um 300 000 Ballen übersteigenden Saison, die Preise von Baumwolle sowohl in Amerika wie hier steigen, daß die amerikanischen Fabrikanten schon über 250 000 Ballen mehr gekauft haben als voriges Jahr (wo sie im Ganzen nur 418 000 Ballen gebrauchten) und daß die hiesigen schon zu behaupten anfangen, selbst eine Ernte von 3 Mill. Ballen würde für ihren Verbrauch nicht hinreichen. Bis jetzt sind nach England 174 000 Ballen, nach Frankreich 56 000 Ballen, nach dem übrigen Kontinent 27 000 Ballen mehr von Amerika exportiert als voriges Jahr. (Dies ist vom 1.  Sept. – 7. April jedes Jahr.) Und bei einer solchen Prosperität ist es allerdings leicht zu erklären, wie Louis-Napoleon1 so gemütlich sein bas-empire präparieren kann2; der Überschuß der direkten Baumwolleinfuhr nach Frankreich zwischen 1850 und 1852 beträgt bis jetzt 110 000 Ballen (302 000 gegen 192 000), also über 33 %. Nach allen Regeln muß die Krisis in diesem Jahre kommen, und wahrscheinlich wird sie es auch; wenn man aber die gegenwärtige ganz unerwartete Elastizität des ostindischen Marktes und die durch Kalifornien und Australien hineingekommene Konfusion sowie die Wohlfeilheit der meisten Rohprodukte, die die Industrieerzeugnisse ebenfalls wohlfeil hält, und die Abwesenheit aller großen Spekulation betrachtet, so kommt man fast in Versuchung, der gegenwärtigen Prosperitätsperiode eine außerordentlich verlängerte Dauer zu prophezeien. Jedenfalls ist es möglich, daß die Geschichte bis ins Frühjahr dauert. Aber schließlich ist es doch am sichersten, within six months more or less, sich an der alten Regel zu halten. Grüße Deine Frau vielmals und schreibe bald. Dein F. E. Manchester, 20. April 52 1  Louis Bonaparte (Napoleon), 1848 – 1852 Präsident der Republik, 1852 – 1870 Kaiser Napoleon III. 2  sein niedergehendes Reich versorgen kann

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

Marx an Engels in Manchester 24. April 1852 28, Dean Street, Soho, London

Lieber Frederic! Ich habe die vergangne Woche eine Scheiße durchgemacht, von der Du Dir keine Vorstellung machen kannst. Am Tage des Begräbnisses blieben die versprochnen Gelder von allen Seiten aus, so daß ich schließlich gezwungen war, zu benachbarten Franzosen zu laufen, um die englischen Totenhunde zu zahlen. Und unglücklicherweise kam noch der Brief von Weydemeyer, wonach auch in Amerika alle Aussichten gescheitert scheinen1. Cluß2, dessen Brief Du nächste Woche erhältst, gibt jetzt bessre Aussichten. Quoique de dure complexion3, griff mich diesmal die Scheiße bedeutend an. Inliegend ein Brief von dem Hund Ewerbeck, der nie frankiert und immer die letzten 10 d.4 einem wegstiehlt. Dann einen Artikel von B. Bauer in der »Daily New York Tribune«. Dein Artikel hat alles Aas dahin gezogen. Du wirst ­lachen über die Bauerschen Entdeckungen über »die Armeen«. Wenn Du mir jetzt Artikel für Dana5 schickst, so kannst Du warten, bis es mehre sind, die ich dann gleichzeitig abschicke. Herr Tellering6 gibt eine Monats- oder Wochenschrift in New York heraus, wovon der Hund selbst mir die erste Nummer – reinen quartanerhaften Blödsinn – zugeschickt. Heise (von der »Hornisse«) jetzt Willichs Intimus7. Teilen ein Bett. Was ist an dem Kerl? Sie renommieren wieder mit einem beabsichtig1  Wedemayer hatte mitgeteilt, dass er keinen amerikanischen Verleger für Marx’ Broschüre »Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte« und eine von Marx herauszugebende Zeitschrift gefunden habe. 2  Adolf Cluß, ehemals Mitglied des Bundes der Kommunisten, arbeitete in den USA als Regierungsangestellter und als Journalist. 3  Obgleich ich von stabiler Konstitution 4  Pence 5  Charles A. Dana, Redakteur der »New York Daily Tribune« 6  Eduard von Müller-Tellering 7  Heinrich Heise war Redakteur der Zeitschrift »Die Hornisse«, bevor er nach London emigrierte und mit August Willich zusammenarbeitete.

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Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

ten Putsch in Deutschland1. Dronke ist ein wahrer imbécile2. Die vier Pfund, die wir ihm vom Rhein verschafften, schmeckten nach mehr, und so ging er nach Koblenz, um Gelder zu pressen. Der Esel bedachte nicht, daß er neuen Vorwand gegen die Kölner liefert. Der Kerl beträgt sich wirklich zu blamabel. Apropos. Vergiß nicht, immédiatement folgende zwei Wische nach London zu senden: 1. eine Vollmacht für Liebknecht3, das Pfund St. bei Hain zu heben. 2. Einen kleinen Wisch schreibe selbst an Hain, worin Du dem »lieben Freund« in zwei Zeilen mitteilst, da Du gehört, daß es ihm gut gehe, habest Du Liebknecht an ihn angewiesen wegen des einen Pfd. St. Man muß nämlich verhüten, daß keine Feindschaft nicht entsteht. Nämlich gestern, da Einer unsrer Bekannten, der bisher bei Liebknecht Nachtlager fand, von dessen Wirtsleuten herausgeschmissen wurde und keiner von uns einen Penny dem armen Teufel geben konnte, schrieb ich Liebknecht ein Billett, worin ich ihm sagte, Du habest ihn auf Hain wegen des 1 £ angewiesen. Herr Hain schien etwas ungläubig und verlangte von Liebknecht erst Deine Handschrift zu sehn. Schicke mir einige stamps, da ich Dir eine Masse Zeug zusenden muß. Dein K. M.

1  Willich gehörte im Bund der Kommunisten zu der Anti-Marx-Fraktion, die auf einen Putsch in Deutschland setzte. Er emigrierte 1853 in die USA und trat dort in die Armee ein. 2  Idiot 3  Wilhelm Liebknecht, Mitglied des Bundes der Kommunisten, später Sozialdemokrat, langjähriger Kampfgefährte von Marx und Engels

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

Marx an Engels in Manchester London, 25. Oktober 1852 28, Dean Street, Soho Lieber Engels! Wegen unsrer Korrespondenz müssen wir andre Maßregeln treffen. Es ist positiv, daß wir einen Mitleser im Ministerium Derby1 haben. Zudem stellt sich, wenigstens versuchsweise, wieder eine Schutzwache (abends) vor mein Haus. Ich kann Dir also absolut nichts schreiben, wovon ich nicht ratsam halte, daß es die preußische Regierung in diesem Augenblick erfährt. Dana benimmt sich sehr kommun gegen mich. Ich habe ihm vor ungefähr sechs Wochen geschrieben und ihm genau gesagt, wie es bei mir steht und daß ich das Geld für die abgesandten Artikel umgehend haben muß. Er hat die Artikel regelmäßig abgedruckt, aber das Geld noch nicht geschickt. Ich muß natürlich demungeachtet exakt fortfahren. Sonst bin ich doch am Ende wieder der Bestrafte. Nun hatte ich schon vor fünf Wochen den landlord2 mit dieser Aussicht auf Amerika beschwichtigt. Heute kommt der Kerl her und machte der housekeeperin und mir einen scheußlichen Skandal! Er zog sich heute – da ich zuletzt zur ultima ratio, nämlich zur Grobheit meine Zuflucht nahm – mit der Drohung zurück, wenn ich ihm diese Woche nicht Geld schaffe, werde er mich auf die Straße werfen, vorher aber noch einen broker mir in das Zimmer setzen. Von Cluß sind vor vier bis fünf Tagen 130 Exemplare des »Brumaire«3 angekommen. Ich konnte sie aber nicht von der Douane4 nehmen bis jetzt, da ich 10 sh. 9 d. bei dieser Gelegenheit entrichten muß. Sobald die Scheiße heraus ist, schicke ich sie an den bewußten Ort und ziehe gleich einen Wechsel darauf. Ich habe jetzt mit dieser Geschichte und der Danaschen über 30 £ zu fordern und muß wegen eines Schil1  Edward George Derby, britischer Premierminister 2  Vermieter 3  Karl Marx: »Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte« 4  Zollstation

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lings oft den ganzen Tag verlieren. Ich versichre Dir, wenn ich die Leiden meiner Frau und meine eigne Ohnmacht ansehe, so möchte ich dem Teufel in den Rachen laufen. Kothes und Bermbach sind verhaftet worden, weil ich letztrem durch erstem eine zur Verteidigung nötige Arbeit, die etwas voluminös war (trotz dünnem Papier und kleiner Perlschrift), zugeschickt hatte1. Die Regierung glaubte einen famosen Fang getan zu haben. Aber jeune Saedt2, bei näherer Ansicht, beschwor sicher Himmel und Hölle, um die Sache niederzuschlagen, denn das Aktenstück enthielt sonderbare strictures3 über das Talent etc. des jeune Saedt und konnte, den Juries4 mitgeteilt, nur zur Freisprechung der accusés beitragen. In der »Neuen Preußischen Zeitung« ist »G. Weerth« als Mitglied der Zentralbehörde in Köln angeführt, und zwar wird dies zitiert aus dem Anklageakt. Sage Weerth, daß ich nichts von Duncker5 gehört. Dein K. M. Sobald der Prozeß vorüber ist, er mag nun ausfallen, wie er will, müssen wir beide ein oder zwei Druckbogen: »An das Publikum zur Aufklärung« drucken lassen. Ein günstigerer Moment, zur nation en large zu sprechen, kömmt nicht wieder. Zudem dürfen wir den Schein des Ridicule6 nicht dulden, den selbst die moralische Würde und szientifische Tiefe des sanften Heinrich7 unfähig sind zu zerstreuen. Cherval8 hat selbst an den Londoner Deutschen Arbeiterverein geschrieben: »er sei Spion, aber im edlen Sinne des »Cooperschen

1  Der Kaufmann Kortes und der Jurist Bermbach waren Marx’ Vertrauenspersonen, an die er seine Recherchen zum Kölner Kommunistenprozeß 1852 geschickt hatte, in der trügerischen Hoffnung, die Sendungen würden nicht von der Polizei abgefangen. 2  Saedt, Staatsanwalt in Köln 3  Anspielungen 4  Geschworenen 5  Franz Duncker, Verleger in Berlin 6  des Lächerlichen 7  Heinrich Bürgers, Journalist und Mitglied des Bundes der Kommunisten, einer der Hauptangeklagten im Kölner Kommunistenprozess 8  Julien Cerval, Polizeiagent

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Spions«. Ich habe auf sicherm Wege einem der Advokaten die nötigen Aufklärungen zukommen lassen.1 Wegen der oben angeregten Publikation über den »Kölner Prozeß« muß sich jetzt schon umgesehn werden. Mir schiene das beste, wenn Du an Campe2 schriebst, er solle Dir einen soliden Kommissionär nennen, im Falle er selbst zu ängstlich sei. Da Du ein zahlungsfähiger Mann bist, kann dem Kommissionär gesagt werden, er erhalte das Geld z. B. in drei Monaten (auf Wechsel), wenn er in der Zwischenzeit sich nicht (was sicher) schon aus dem Verkauf bezahlt gemacht. Übrigens können die Druckkosten für eine solche Scheiße höchstens auf 25 Taler kommen. Vale! und überlege die Sache. Schweigen können wir nicht, und wenn wir nicht zur Zeit für die Druckgelegenheit sorgen, kommen wir wieder nicht im rechten Augenblick. Man müßte natürlich darauf sehn, daß der Kommissionär nicht ein reiner Bescheißer ist, denn die Sache wird selbst »kommerziellen« Wert haben.

Marx an Engels in Manchester 28, Dean Str., Soho, London 19. Nov. 1852

Lieber Engels! Der Bund hier hat sich vergangnen Mittwoch auf meinen Antrag hin aufgelöst und die Fortdauer des Bundes auch auf dem Kontinent für nicht mehr zeitgemäß erklärt. Auf dem Kontinent hatte er übrigens ja seit Verhaftung von Bürgers-Röser faktisch schon aufgehört. Einliegend eine Erklärung für die englischen Blätter, als Vervollständigung unsrer ersten, die Du aber besser und conciser anglisieren sollst. Das deutsche Original habe ich nicht mehr. Außerdem mache ich noch 1  Marx hatte seine Recherchen auf verschiedenen Wegen geheim nach Köln geschickt. 2  Julius Johann Wilhelm Campe, Inhaber des Hoffmann und Campe Verlags in Hamburg

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eine Lithographierte Korrespondenz ausführlich über die Polizeischweinereien etc., und für Amerika eine Aufforderung zu Geld für die Gefangnen und ihre Familien. Freiligrath Kassierer. Gezeichnet von all unsren Leuten. Der Artikel für die »Tribune« dagegen hängt von Deiner Zeit ab. Du mußt sobald als möglich die einliegende Erklärung oder vielmehr eine verbesserte Ausgabe derselben zurückschicken, da für die Londoner Presse kein Tag mehr zu verlieren ist. Gruß an Weerth. Dein K. Marx

Marx an Engels in Manchester 14. Dez. 1852 28, Dean Street, Soho, London

Lieber Engels! Ich habe Dich während der ganzen Zeit mit Hämorrhoiden akkompagniert. Nur bleiben sie bei mir diesmal, da sie glücklicherweise in die magre Kuhzeit fielen, ohne die »perfide« Entwicklung. Im Notfall mußt Du Blutigel anwenden. C’est le grand moyen.1 Das Geld gestern vor acht Tagen erhalten. Aus der folgenden Kopie eines Briefes von Schabelitz jun.2 siehst Du, wie es mit den »Enthüllungen über den Kölner Kommunistenprozeß« steht: »Basel, 11. Dez. 1852 Lieber Marx! Das Manuskript ist vorgestern unversehrt in meine Hände gekommen, und heute lese ich bereits den ersten Korrekturbogen. Die Broschüre wird aus ganz neuer Schrift splendid gesetzt und in 16° gedruckt. Die Korrektur werden wir bestmöglich besor1  Dies ist das beste Mittel. 2  Jacob Schabelitz, liberaler Verleger in der Schweiz, der mit Marx und Engels in Verbindung stand. Deshalb hatte Marx ihm die Veröffentlichung seiner Schrift angeboten.

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gen. Das Ganze wird 70 – 80 Seiten im Drucke geben, und ich glaube, wir dürfen den Preis pro Exemplar auf 10 Silbergroschen festsetzen, da jedenfalls ein Teil der Auflage (2000 Exemplare) konfisziert werden dürfte. Die Hauptsendung werden wir in die Rheinprovinz machen. Ich bin überzeugt, daß die Broschüre ungeheures Aufsehn machen wird, denn sie ist ein Meisterwerk. Wir waren vier Personen, als wir das Manuskript durchlasen, und darunter zwei sehr kompetente, urteilsfähige Männer« (ob Schabelitz sich wohl selbst unter diese »Kompetenten« zählt?); »und wir waren alle einstimmig in unsrem Lobe. Allerdings ist der preußischen Regierung ein ›Denkmal‹ dadurch gesetzt. – Mit herzlichen Grüßen an die Partei Marx. Ihr J. Schabelitz.«. Letztrer Witz bezieht sich darauf, daß ich einigermaßen fürchtete, Schabelitz werde Anstoß nehmen an der rüden Behandlung der Partei Willich-Schapper, zu der er selbst plus ou moins gehörte. Da Geheimhaltung die Hauptsache ist, damit die Sache nicht gleich an der deutschen Grenze konfisziert wird, habe ich hier allgemein verbreitet, es erscheine eine Broschüre über die Kölner Angelegenheit in Amerika. Um Dich in Deinem Hämorrhoidal-Zustand nicht zu belästigen, habe ich eine für Dana bestimmte Kritik des Budget Disraeli durch Pieper tant bien que mal1 übersetzen lassen und vorigen Freitag nach Amerika geschickt. Entschuldige, wenn ich diesmal nicht mehr schreibe. Ich habe ein Kopfweh von allen zehn Teufeln. Dein K. Marx

1  mehr oder weniger gelungen; der Artikel erschien in der »New York Daily Tribune«.

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Marx an Engels in Manchester London, 10. März 1853 Lieber Engels! Die £ 5 erhalten. Ich war diese Woche ein Haar nah am Krepieren. Nämlich eine Leber­ entzündung oder wenigstens dicht dran vorbeistreifend. Dies ist erblich in meiner Familie. Mein Alter ist dran gestorben. Seit den vier Jahren, wo ich in England bin, hatte sich die Sache nicht wieder gezeigt und war wie verschwunden. Doch die Krise ist nun überstanden und, was das beste ist, sans médecin. Doch noch etwas matt. Gestern erhielt ich folgendes »angenehme« Schreiben von Basel: »Basel, 7. März 1853. Morgens 9 Uhr. Lieber Marx! Soeben vernehme ich, daß die ganze Sendung der Enthüllungen, die aus 2000 Exem­plaren bestand und schon seit sechs Wochen jenseits der Grenze in einem Dorfe lag, gestern beim Weitertransport abgefaßt wurde. Was nun geschieht, weiß ich nicht; in erster Linie Reklamationen der badischen Regierung beim Bundesrate, dann wahrscheinlich meine Abfassung oder wenigstens Inanklagezustandsversetzung usw. In jedem Falle ein großartiger Lärm! Das in Kürze Ihnen zur Nachricht; weitere Mitteilungen sollen, wenn ich daran verhindert werden sollte, durch eine dritte Person erfolgen. Wenn Sie an mich schreiben, so benutzen Sie auf dem Kuvert die Adresse: ›Mad. Brenner-Gueniard, magasin de modes, Basle‹ und schreiben auf die für mich bestimmte versiegelte Inlage bloß: ›Für Jacques‹. Das Manuskript über den Staatsstreich1 werde ich an sicherem Ort deponieren. Adieu, hoffentlich bald mehr, als ich jetzt noch weiß. Geben Sie eine sichre Adresse an: Ihre und die Bambergers sind wohl bekannt. Ihr Jaques2«

1  »Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte« 2  Jacques Schabelitz

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Nun, qu’en pensez-vous, mon eher maître renard?1 Hat der »suisse«2 für bar Geld mich an die preußische Regierung verkauft? 6 Wochen jenseits der Grenze in einem Dorfe, die affektierte Ängstlichkeit, kein Wort über die in der Schweiz gebliebnen Exemplare, trotz meinem Dringen kein Exemplar hierhergeschickt! Soll einem unter solchen Umständen nicht die Lust zum Schreiben vergehn. Immer zu arbeiten pour le roi de Prusse! Que faire? Denn so darf der »suisse« nicht durchschlüpfen. Quant à Dana, so hat er meinen Wechsel honoriert. Der »brave« Bamberger gab mir ursprünglich 5 £ drauf, ließ mich dann 14 Tage hin und her nach der City rennen, zahlte endlich erst diese Woche, nachdem meine Wirtin seit Wochen sich dem »Heulen« (wörtlich) ergeben hatte. Seit der Zeit habe ich wieder 7 Artikel an die »Tribune« geschickt. Morgen schick’ ich wieder einen. Ich würde mich jetzt herausarbeiten, wenn ich nicht die verfluchte dette consolidee auf dem Pelz hätte. Auch diese wäre zu einem bedeutenden Teil abgetragen worden, hätte der elende Schweizer mich nicht wieder ins néant gestürzt. Ich muß nun notwendig, um den Dana warmzuhalten, einen längren Artikel über haute politique3 schreiben. Also die détestable question Orientale4, womit mir ein miserabler Yankee von hier in der »Tribüne« Konkurrenz zu machen sucht. Aber diese question ist vor allem militärisch und geographisch, also nicht von meinem departement. Du mußt Dich also noch einmal executer. Was aus dem türkischen Reich werden soll, ist mir »spanisch«. Ich kann also keinen allgemeinen Gesichtspunkt geben. Nur für einen Zeitungsartikel – wo es übrigens nötig wäre, durch militärisch-geographisch-historische Draperie möglichst an der eigentlichen question vorbeizuschlüpfen – scheinen mir folgende Anhaltspunkte, direkt von Montenegro ausgehend, nötig: 1. Trotz aller Schikanen und Zeitungskannegießerei wird die q ­ uestion 1  Nun, was glauben Sie, mein lieber Reinicke Fuchs? 2  Schweizer Verleger des »18. Brumaire« Jaques Schabelitz 3  große Politik 4  unangenehme orientalische Frage

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Orientale nie der Anlaß zu einem europäischen Kriege werden. Sie wird immer wieder diplomatisch zugetuscht werden, bis das allgemeine Hallo auch hier dem Zutuschen ein Ende macht. 2. Encroachments of Russia1 in der Türkei. Gelüste von Östreich. Ambition von Frankreich. Interessen von England. Kommerzielle und militärische Wichtigkeit dieses Streitapfels. 3. Im Falle des allgemeinen Hallos wird die Türkei England zwingen, auf die revolutionäre Seite zu treten, denn hier notwendig seine Kollision mit Rußland. 4. Notwendige Auflösung des muselmänschen Reichs. D’une manière ou de l’autre2 wird in die Hände der europäischen Zivilisation geraten. Es wäre für den Moment noch speziell bei der Montenegro-Geschichte zu verweilen, bei der miserablen Rolle, die England jetzt offiziell spielt. Sultan nur nachgegeben, weil Frankreich und England ihre Hülfe nicht zugesichert. Beide Länder haben in dieser Frage, unter der Maske der entente cordiale, gegeneinander kokettiert mit der Heiligen Allianz. Darauf hinzuweisen, daß die herrschende Oligarchie in England auch schon deswegen stürzen muß, weil sie unfähig geworden, ihre alte Rolle nach außen zu spielen, die englische Nation dem Kontinent gegenüber an der Spitze zu behaupten. Tout ça est très pauvre, mais enfin, il me faut un ou deux articles sur cette question pour tuer mon concurrent.3 Dein K. M. Deine Übersetzung meines Sutherlandarticle4 ist famos. Ich selbst scheine mir einiges Talent fürs Englischschreiben zu haben, hätte ich

1  Übergriffe Russlands 2  auf die eine oder andere Art 3  Das ist alles sehr armselig, aber ich benötige ein oder zwei Artikel, um meinen Konkurrenten auszuschalten. 4  Marx polemisiert darin gegen die Herzogin von Sutherland, die sich im Ausland gegen Sklavenhaltung engagierte, aber in England Sklavenarbeit verrichten ließ.

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nur den Flügel1 und eine Grammatik und einen beßren Korrektor als Mr. Pieper. Ich schreibe heute noch einmal nach dem Kontinent. Gelingt es mir, so viel Geld zusammenzubekommen, da es jetzt mit Schabelitz nichts ist, daß meine Frau wenigstens ruhig abwarten kann, bis ein 2ter Wechsel auf Dana, den ich diesmal auf 30 £ zu treiben denke, gezogen und zurück sein kann, so komme ich vielleicht im April einige Tage zu Dir, pour restituer mes forces und um einmal ungestört mit Dir über die jetzigen Verhältnisse zu kohlen, die nach meiner Ansicht bald zu einem earthquake führen müssen. Die »Morning Post« behauptet, in Lancashire beschäftigten die Fabrikanten ihre Arbeiter nur mehr short time, die prosperity gehe ihrem Ende zu etc. Wie verhält es sich damit? Dein K. M. Bis zu dem Augenblick – und es ist 11 1/2 Uhr – hat Dronke Nr. II noch nicht gebracht. Der Junge liegt wahrscheinlich noch zu Bett. Diese Kerls sind wahre Waschlappen. Bei ihrer Faulheit, Widerstandsunfähigkeit und Zusammenklappen bei jeder pressure from without ist Hopfen und Malz verloren. Wir müssen durchaus unsre Partei neu rekrutieren. Cluß ist gut. Reinhardt in Paris ist fleißig. Lassalle, trotz der vielen »abers«, ist dur2 und energisch. Pieper wäre nicht unbrauchbar, wenn er weniger kindische vanité und mehr esprit de suite hätte. Imandt und Liebknecht sind zäh und jeder in seiner Art nutzbar. Aber alles das ist keine Partei. Der Exlieutenant Steffen, Exzeuge beim Kölner Prozeß, jetzt Schulmeister in einer Anstalt bei London, scheint mir tüchtig. Lupus grows from day to day older and becomes more crotchety3. Dronke ist und bleibt ein »angenehmer Müßiggänger«.

1  Deutsch-Englisches Wörterbuch 2  hart 3  schrulliger

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Marx an Engels in Manchester 8. Oktober 1853 28, Dean Street, Soho, London

Lieber Engels, D’ abord muß ich Dich bitten – wo möglich – mir umgehend wenigstens ein Minimum Geld zu schicken. Vor zwei Wochen zahlte Spielmann1 endlich mit einem Abzug von beinahe 2 £. In der Zwischenzeit war natürlich die Schuldenlast so gestiegen, das Nötigste so komplett ins Pfandhaus gewandert und die Familie so abgerissen, daß schon seit 10 Tagen kein sou mehr im Haus. Daß Spielmann mich betrogen hat, davon habe ich jetzt die Beweise in der Hand, aber à quoi bon? Die New Yorker Firma hat nämlich auf mein Verlangen den Wechsel nebst einem Schreiben mir zurückgeschickt, woraus hervorgeht, daß sie schon am 22. Juli gezahlt, während ich das Geld erst Ende September erhielt. Ich habe nun wieder 24 £ zu ziehn. (Seit Piepers Einkerkerung habe ich sechs Artikel eingeschickt, darunter einen fulminanten acte d’accusation gegen Palmerston2, worin ich seine Karriere von 1808 – 1832 verfolge. Die Fortsetzung werde ich schwerlich bis Dienstag liefern können, da viele blue books3 und »Hansards«4 nachzuschlagen sind und Freitag und heute nur mit Geldlaufereien zum Teufel gegangen sind. Den Freitagsartikel habe ich in der Nacht geschrieben; dann von 7 Uhr morgens bis 11 meiner Frau diktiert und dann mich auf die Beine nach der City gemacht.) Freiligrath verspricht – und wird alles dafür ins Werk setzen, als eignes Endossement5 seinerseits etc. –, mir den Wechsel bei Bischoffsheim zu diskontieren, kann die Sache aber vor 8 – 10 Tagen nicht bewerkstelligen. Das ist der casus belli. Ich muß sehn, wie ich mich diese Tage über 1  Spielmann, Bankier in London 2  Viscount Henry John Palmerston, Außenminister, Innenminister und schließlich Premier 3  Blaubücher der britischen Regierung 4  Hansard’s Parlamentary Debates, Protokolle der beiden Häuser des britischen Parlaments 5  Indossierung eines Wechsels

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durchschlage. Kredit ist für Lebensmittel (außer warmen Getränken und Zubehör) nicht vorhanden. Außerdem kömmt mir wahrscheinlich Pieper morgen aus dem Spital heraus peut-etre. Sobald ich mein Geld bekam, schickte ich ihm £ 3, aber der Esel vertraute sie dem Liebknecht zum Aufbewahren und wird jetzt keinen farthing1 vorfinden. Von den vielen Annehmlichkeiten, die ich seit Jahren hier durchmache, sind mir die größten regelmäßig durch sog. Parteifreunde – roten Wolff2, Lupus3, Dronke etc. – bereitet worden. Heute erzählt mir Freiligrath, daß Franz Joseph Daniels in London und mit dem roten Wolff bei ihm war. Zu mir erklärte er nicht zu gehn, weil ich seinen Bruder durch Bangya zur Haft gebracht habe4, die sonst nicht stattgefunden hätte. Bangya kam Februar 1852 zuerst zu mir, und Daniels wurde Mai 1851 gesperrt! Also sehr retrospektive Wirkung. Dieser ganz infame Klatsch (der Lohn für meine Bemühungen und Zeitverluste und sonstigen angenehmen Resultate, durch den Prozeß5 verursacht) wird natürlich begierig ergriffen, um die eigne Jämmerlichkeit mir gegenüber und das feige Zurückziehn zu decken. Veranlaßt aber ist die Schweinerei rein durch das hier- und dorthin kolportierte Knurren der Herrn Dronke-W. Wolff, die sich die bequeme Portion von der Sache vorbehielten – den Kaviar, sonst aber sehr willig waren, mir die Arbeit zu überlassen.6 Wenn ich bequem, wenigstens sorglos, lebte, würde ich natürlich pfei1  ein viertel Penny 2  Ferdinand Wolff, Redakteur der »Neuen Rheinischen Zeitung«, im Exil Korrespondent der »Augsburger Allgemeinen Zeitung« 3  Wilhelm Wolff, Redakteur der »Neuen Rheinischen Zeitung«, im Exil Sprachlehrer 4  Der Kölner Weingroßhändler Franz Joseph Daniels wollte Marx nicht besuchen, weil er vermutete, dass Marx’ Kontakt zu dem später als preußischer Geheimagent entlarvten Johann Bangya, der angeblich Marx’ Schrift »Die großen Männer des Exils« an einen Berliner Verleger vermitteln wollte, zur Verhaftung seines Bruders Roland Daniels geführt habe. 5  Im Kölner Kommunistenprozess von 1852 waren 11 Mitglieder des Bundes der Kommunisten wegen Aufruhr und Verschwörung angeklagt. Die Anklage operierte mit gefälschtem Beweismaterial und meineidigen Zeugen. 6  Marx beschwert sich darüber, dass Dronke und Wolff durch leichtfertige Reden die Verhaftung Daniels verursacht hätten, aber später nicht bereit waren, sich an der Detailarbeit zur Verteidigung der Angeklagten zu beteiligen.

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fen auf diese Gemeinheiten. Aber den bürgerlichen Dreck jahrelang noch mit diesem und ähnlichem Dreck gewürzt zu bekommen, c’est un peu fort. Ich habe bei der nächsten Gelegenheit vor, öffentlich zu erklären, daß ich mit keiner Partei etwas zu tun habe. Unter dem Parteivorwand bin ich nicht länger geneigt, mich insultieren zu lassen von jedem Parteiesel. Du siehst, wie nötig es ist, meine Broschüre1 nach Deutschland zu bringen. Da Du es nicht kannst, schick mir die Adresse von Strohn2, mit dem ich mich über die Sache benehmen will. Auch wünsche ich sehr, endlich die Erklärung des Herrn Dronke wegen des Buchs zu hören. Was den Herrn Lupus angeht, so scheint er seine Servilität gegen die ihn protegierenden Bürger durch seine infame Insolenz gegen mich gutmachen zu wollen. Ich kann ihm versichern, daß diese Sache keineswegs damit abgemacht ist, daß er bei Imandt3 renommiert hat, unter dem Vorwand, Abschied zu nehmen, sein Philistergift an mir ausgespritzt zu haben4. Einliegend Brief von Cluß. In seinem Aufsatze gegen die »Neu-England-Zeitung« hat er, wie ich glaube passend, allerlei Passagen aus meinen Briefen über Carey5 etc. zusammengestellt. Dein K. M.

1  »Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln« 2  Wilhelm Strohn, Mitglied des Bundes der Kommunisten, Freund von Marx und Engels in England 3  Peter Imandt, Lehrer, Teilnehmer der Revolution 1848/49, Emigrant in London 4  Wolff hatte sich herablassend über Marx geäußert. 5  Henri Charles Carey, amerikanischer Ökonom, der über Sklaverei publizierte

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

Marx an Engels in Manchester 22. Mai 1854 28, Dean Street, Soho, London

Lieber Engels, Es war gut, daß Du Samstag nicht kamst. Meine Geschichte – jetzt 14 Tage alt – hatte die Krise erreicht. Ich konnte wenig sprechen, und selbst das Lachen tat mir weh von wegen großer Eiterbeule zwischen Nase und Mund, die heute morgen wenigstens auf ganz raisonnable Dimensionen reduziert. Auch sind die gewaltsam angeschwollnen Lippen wieder annähernd auf ihren frühern Umfang reduziert etc., kurz, alle Symptome baldiger Besserung da. Der Teufel soll solche Sch… 14 Tage am Kopfe durchmachen. Da hört aller Witz auf. In den letzten acht Tagen mußte ich Lesen und Rauchen total aufgeben, und heute warte ich auf Freund1, um zu erfahren, ob versuchsweise wieder eine Zigarre geraucht werden kann. Zur Vermehrung des Pechs seit Freitag (Donnerstag nacht) alle drei Kinder die Masern, so daß das Haus in wahres Lazarett verwandelt. Einliegend Cluß. Untergang der »Reform«2 eklig. Ich verlasse mich darauf, daß Du noch diese ganze Woche den ameri­ kanischen Dienst für mich tust, da ich zum Schreiben noch total inka­ pabel und schon £ 6 durch diese Sch… verloren, was sehr bitter ist. Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir in der Zwischenzeit. Einliegenden Brief bloß Lupus mitzuteilen. Heise scheint die Mis­sion zu haben, Dich in Manchester zu kompromittieren. Nimm Dich mit dem Kerl in acht. Dein K.M

1  Herbert Freund, Hausarzt der Familie Marx 2  »Die Reform«, eine Arbeiter-Wochenzeitung in den USA, verfolgte zunächst eine proletarische Linie, die Marx zusagte. Marx und Engels lieferten eigene Beiträge und forderten auch Freunde zur Mitarbeit auf. Doch das Blatt wurde immer »bürgerlicher«, konnte sich trotz dieser Tendenzänderung nicht am Markt halten.

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Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

Marx an Engels in Manchester London, 8. März 1855 28, Dean Street, Soho Lieber Engels, Die £ 5 erhalten. Ich kann von hier nicht fort, bis Colonel Musch1 sichtbar hergestellt. Indes hat er diese Woche rasche Schritte zur Rekonvaleszenz gemacht, der Doktor war heute exceedingly pleased und nächste Woche ist vielleicht alles all right. Sobald ich mit gutem Gewissen fort kann, schreibe ich Dir. Ich denke, nächste Woche. A very happy event, der Tod des 90jährigen Onkels meiner Frau wurde uns gestern mitgeteilt. Dadurch spart meine Schwiegermutter eine jährliche Abgabe von 200 Talern und meine Frau wird an 100 £ bekommen; mehr, wenn der alte Hund den Teil seines Geldes, der nicht Fideikommiß war, nicht seiner Haushälterin vermacht. Die Frage mit dem Manuskript des Herzogs von Braunschweig über den Siebenjährigen Krieg2, wofür der alte Scharnhorst3 schon große Summen angeboten hatte, wird auch zur Entscheidung kommen. Meine Frau hat sofort Protest eingelegt gegen etwaige Versuche ihres Bruders, es seinem »Allergnädigsten«4 als Präsent zu übermachen. Für bares Geld mag der preußische Staat es akquirieren, but not otherwise. Eine andre mögliche Geldzufuhr hat sich aufgetan. Meine Frau hatte bei einem Bankier Grach in Trier 1300 Taler deponiert. Der Kerl machte Bankerutt, und in bezug auf sie fraudulös5, da er schon fallit war (obgleich ohne Wissen des Publikums), als er das Deposit akzeptierte. Auf Anstehn der Frau dieses Grach ließ sich meine Frau »erweichen« und stand davon ab, die Sache gerichtlich zu betreiben. Der 1  Marx’ Sohn Edgar 2  Geschichte der Feldzüge des Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg, nachgelassenes Manuskript, bearbeitet von Christian von Westphalen, herausgegeben von Ferdinand von Westphalen, 6 Bde., Berlin 1859 – 1872 3  Gerhard Scharnhorst, preußischer General 4  Friedrich Wilhelm  IV. 5  betrügerisch

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

Oberprokurator hatte erklärt, daß im gegenteiligen Falle Grach vor die Assisen kommen werde. Nun hat die Frau dieses Grach ein großes Vermögen geerbt, und wenn sie ihren Versprechungen treu bleibt, ist auf den Ersatz von wenigstens einem Teil des Verlustes zu rechnen. Jedenfalls wird so die »Vergangenheit« endlich einmal abgezahlt und diese Last von den Schultern fallen. Die Broschüre des Napoleon Bonaparte1  – (Girardin erklärt in der »Presse«, daß er nicht der faiseur2) – hat mich sehr amüsiert. Trotz des Versuchens, »le prince« in Pose zu setzen, trotz der französischen Renommisterei, Oberflächlichkeit, blunders in militaribus3, ist die Broschüre Gold wert als Denkstein für unsern Leroy, alias St.-Arnaud4, und überhaupt zur Charakteristik des »imperial Barnum«5 und seiner Tafelrunde. Ein Punkt, worüber Du mich aufklären mußt in der Krimscheiße, ist folgender: General Evans sagt vor dem Komitee, der Hauptgrund des melting der army vor Sewastopol sei der Mangel des Wegs vom Hafen von Balaklawa gewesen, 1000 Mann während zehn Tagen würden hingereicht haben, ihn zu bauen, aber – et c’est la question – all men who could have been spared were employed in the trenches6, und von vornherein sei der Umfang der Linien, die die Engländer einzunehmen, im größten Mißverhältnis to their numerical strength gewesen. Frage nun, ob die Franzosen als contrivers dieses mischief 7 betrachtet werden dürfen? Ich habe vor einiger Zeit wieder die römische (alt) Geschichte durchgegangen bis zur Zeit des Augustus. Die innere Geschichte löst sich

1  Der Journalist Tavier veröffentlichte anonym zwei Broschüren über den Einsatz französischer Truppen im Krim-Krieg. 2  Autor 3  grober Fehler in Militärfragen 4  Armand-Jacques-Achille Leroy de Saint-Arnaud, Marschall von Frankreich, Oberbefehlshaber der französischen Truppen im Krim-Krieg 5  Napoleon  III. 6  alle Männer, die man entbehren konnte, waren mit dem Ausheben von Laufgräben beschäftigt 7  Urheber dieser Fehlleistung

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plainly auf in den Kampf des kleinen mit dem großen Grundeigentum, natürlich spezifisch modifiziert durch Sklavereiverhältnisse. Die Schuldverhältnisse, die eine so große Rolle spielen von den origines der römischen Geschichte an, figurieren nur als stammbürtige Konsequenzen des kleinen Grundeigentums. Von dem Pfaffen Forster1 sah ich heut drei Werke angezeigt, alle unter dem gemeinsamen Titel der »Original Language«. Herr Herzen2, wie Du gesehn haben wirst, läßt sich jetzt auch in der Augsburger »Allgemeinen Zeitung« puffen. Gleichzeitig erscheint sein speech (im Jonesschen3 Meeting) im »People’s Paper« als Flugschrift und in dem braven »L’ Homme« des père Ribeyrolles.4 Adieu. Dein K. M.

Marx an Engels in Manchester London, 28, Dean Street, Soho 6. April 1855 Lieber Engels, Der arme Musch ist nicht mehr. Er entschlief (im wörtlichen Sinne) in meinen Armen heute zwischen fünf und sechs Uhr. Ich werde nie vergessen, wie Deine Freundschaft diese schreckliche Zeit uns erleichtert hat. Meinen Schmerz um das Kind begreifst Du. Meine Frau sendet Dir die freundlichsten Grüße. Es ist möglich, daß, wenn ich nach Manchester reise, ich sie für acht Tage mit mir nehmen werde, wobei wir uns natürlich in einem Gasthaus (oder auch eignes private lodg­

1  Charles Forster, Theologe und Orientalist 2  Alexander Herzen, russischer revolutionärer Demokrat, zeitweilig Anhänger Bakunins 3  Ernest Charles Jones, Journalist und Verleger 4  Charles Ribeyrolles, Redakteur der Zeitschrift »L’ Homme«

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

ing) niederlassen würden. Jedenfalls muß ich ein Mittel suchen, sie über die ersten Tage wegzubringen. Dein K. Marx

Marx an Engels in Manchester London, 12. April 1855 28, Dean Street, Soho Lieber Engels, Ich denke Mittwoch mit meiner Frau nach Manchester abzureisen; für einige Tage muß sie die Lokalität ändern. Schreibe ich nicht das Gegenteil, so bleibt es bei diesem Tage. Jedenfalls schreib’ ich Montag noch einmal. Das Haus ist natürlich ganz verödet und verwaist seit dem Tode des teuren Kindes, das seine belebende Seele war. Es ist unbeschreiblich, wie das Kind uns überall fehlt. Ich habe schon allerlei Pech durchgemacht, aber erst jetzt weiß ich, was ein wirkliches Unglück ist. Ich fühle mich broken down. Zum Glück hatte ich seit dem Begräbnistag so tolle Kopfschmerzen, daß Denken und Hören und Sehn mir vergangen ist. Unter all den furchtbaren Qualen, die ich in diesen Tagen durchgemacht habe, hat mich immer der Gedanke an Dich und Deine Freundschaft aufrecht gehalten und die Hoffnung, daß wir noch etwas Vernünftiges in der Welt zusammen zu tun haben. Dein K. M. Meine Frau bringt eben ein paar Zeilen an Dich, die ich beilege.

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Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

Marx an Engels in Manchester London, 22. September 1856 28, Dean Street, Soho Lieber Engels, Ich hätte schon früher Deinen letzten Brief acknowledged, aber der ganze Tag von morgens bis abends ging, seit 14 Tagen about, verloren mit Wohnungen suchen. In dem alten Loch konnte unter keinen Umständen geblieben werden. Wir haben endlich eine Wohnung gefunden – ein ganzes Haus, das wir selbst zu furnish haben. Es ist: 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock Hill, Hampstead Road. Miete: 36 £. Den 29. September soll die Sache bezogen werden; diese Woche ist es zu möblieren. Wir sind einigermaßen in Verlegenheit, da wir about 26 £ in der Stadt zu zahlen und viel mehr für die neue Einrichtung. D. h. es fehlen uns 10 – 15 £ – auch nur momentan, da meine Frau infolge der Trierer Erbschaft noch eine größre Summe von ihrem Bruder1 in Berlin zu erhalten hat. Gestern schrieb er, daß er das Geld noch nicht schicken könne, weil die Niederschlesischen Eisenbahnbonds, in denen das meiner Frau zukommende Kapital deponiert, dans ce moment nur mit großem Verlust verkäuflich seien. Dabei macht der Herr Minister folgende melancholische Bemerkung: »Es ist freilich jetzt grade ein ungünstiges Moment, indem alle solche wirklichen Wertpapiere infolge des rasenden Crédit-mobilier- und Kommandit-Gesellschaftsschwindels sehr im Kurse gesunken sind.« Wenn Du einen Teil des Fehlenden supplieren kannst, denke ich den Rest mit Pfandhaus herauszubringen, bis die Berliner Sendung ankömmt. Das schlimme ist, daß keine Zeit zu verlieren. Die Nachricht vom Tode Weerths hat mich furchtbar affiziert, und es war mir schwer, die Sache zu glauben. Freiligrath schrieb mir auch schon wegen eines Nachrufs. Aber in der Tat, ich sehe kein Blatt in Deutschland. Das einzig Mögliche wäre vielleicht zunächst ein

1  Ferdinand Otto Wilhelm von Westphalen, reaktionärer preußischer ­Innenminister

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Nachruf in der »Tribune«, bis die Zeiten mehr und Besseres möglich machen! What is your opinion? Ich bin für heute zum Essen bei dem Putnamkerl1 eingeladen, der wieder hier ist. Ich weiß nicht, ob ich hingehe. Mein schlechtes Englischsprechen könnte mich blamieren. »Tribune« hat mir die nichtgedruckten Artikel zurückgeschickt. Es sind, all in all, der Panslawismus und meine Artikel über Danubian principalities2. Herr Dana schreibt, wenn ich die Sachen nicht anderswo anbringen könne, müßten sie den »loss« von Rechts wegen tragen, da sie nicht zu rechter Zeit Einspruch getan. Im gegenteiligen Falle erwarten sie part ihrer expenses zurück. Nous verrons3. Bruno Bauer veröffentlicht zwei Bände über England. Er wird den pigsty seines cher frère4 wohl ausführlich abhandeln. Ich weiß nicht, was er sonst in England gesehn hat. Pieper, den ich bei Ankunft meiner Frau an die Luft gesetzt, hat sich zwei Tage später wieder eingefunden und einquartiert, was jetzt grade keineswegs angenehm. Wenn ich die neue Wohnung beziehe, werde ich ihn in dem Dir bekannten kleinen Loch in Dean Street wohlins­ talliert und auf meine Bürgschaft zurücklassen. Preußische Amnestie wird erwartet für 15. Oktober. Ottos Mutter starb, hinterließ 2000 Taler, diese von der preußischen Regierung konfisziert zur Zahlung der »Kosten des Kölnischen Prozesses«. Strohn war letzten Freitag hier. Der Kerl ist kolossal in die Breite und Dicke gegangen und infolgedessen scheint sein Behagen auf Kosten des Witzes somewhat zugenommen zu haben. Auch das Maul ist nicht mehr so schief hängend, rather wohlwollend. Über Heine habe ich allerlei Details erhalten, die Reinhardt5 meiner

1  Frederick Olmsted, amerikanischer Gartenarchitekt und Autor des Verlags von George P. Putman 2  Donaufürstentümer 3  Wir werden sehen. 4  Saustall seines lieben Bruders; gemeint ist Edgar Bauer 5  Richard Reinhard, Sekretär Heinrich Heines, Freund der Familie Marx

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Frau in Paris erzählt. Darüber ausführlicher ein andermal. Nur das für jetzt, daß das »Sie aber schon um achte Trank roten Wein und lachte« literally bei ihm eingetroffen. Seine Leiche stand noch im Sterbehaus – am Tag des Begräbnisses –, als der Maquereau1 der Mathilde mit ihrer Engelsmilde schon vor der Tür stand und sie in der Tat abholte. Der brave »Meißner«, der so weichen Kuhmist apropos von Heine dem deutschen Publikum ums Maul geschmiert hat2, hat bares Geld von der »Mathilde« erhalten, um dies Saumensch, das den poor Heine zu Tode gequält, zu verherrlichen. Aber nun noch eine Geschichte apropos de Moses Heß. Der Ruhm dieses Jünglings was due to a great part – to Sasonow3. Dieser Russe, als Heß und Mösin4 nach Paris kamen, war sehr herunter, sehr zerlumpt, sehr geld- und kreditlos, und folglich sehr plebejisch und revolutionär und weltumstürzenden Ideen zugänglich. Sasonow hörte, daß Moses nicht ohne »Moneten« sei. Er machte sich also hinter Moses und vor die Mösin. Letztre vögelte er und erstem ausposaunte er as a great literary lumen5 und führte ihn in Revuen ein und Zeitungsredaktionen. Wladimir6, of course, hat die Hand überall im Spiel und hat überall Zutritt. So preßte er dem geizigen Moses genug Moneten ab, um wieder »scheinen« und Lockvögel für neuen Kredit auswerfen zu können. Und damit hat Sasonow eine reiche alte Jüdin geködert und in koschern wedlock7 genommen. Seit der Zeit aber ist er wieder vornehm geworden und drehte dem Moses den Rücken, ihn für a very common and subordinate fellow8 erklärend. Die Mösin aber verließ er treulos, und sie läuft jetzt schimpfend und polternd in Paris 1  Zuhälter 2  Anspielung auf das Buch »Heinrich Heine. Erinnerungen« von Alfred Meißner 3  Nikolai Sasonow, liberaler russischer Journalist 4  Sybille Heß 5  große literarische Leuchte 6  Gemeint ist Nikolai Sasonow. 7  Ehe 8  einen sehr gewöhnlichen und unbedeutenden Zeitgenossen

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herum und erzählt jedem, der es hören will, von dem Verrat des perfiden Muskowiten. Dies ist gewissermaßen die Geschichte von der Grandeur et Décadence de la Maison Moses1. Hast Du schon das in London erscheinende Blatt des Golowin – »Russia«2 etc. – gesehn? Der »L’Homme« ist, faute de moyens3, für den Moment suspendiert. Die »Nation« ist eingegangen. Existiert nur noch in derselben line, aber viel schlechter noch, »Le National«. Grüß Lupum bestens. Dein K. M.

Engels an Marx in London Manchester, 22. Januar 1857 Lieber Marx, Dein Brief traf mich wie ein Donnerschlag aus heitrem Himmel. Ich dachte jetzt endlich alles im schönsten Zuge. Dich in einer ordentlichen Wohnung und das business geregelt; und jetzt stellt sich heraus, daß alles in Frage steht. Diese Yankees sind doch verdammt lausige Kerle, die »Tribune«-Leute scheinen zu glauben, daß sie Dich wie eine Zitrone ausgepreßt hätten und nun eine andre zum Auspressen vornehmen müßten. Die Manier, wie sie zu brechen suchen, ist aber ganz speziell feig und gemein, sie wollen Dich zur Initiative forcieren. Dabei hat man, seitdem das sonderbare Schweigen von Cluß angefangen, auch keinen einzigen zuverlässigen Menschen in ganz Amerika. Que faire cependant?4 Da die »Tribune« diesmal die bestimmte Absicht zum Brechen zeigt, wäre es am besten, glaube ich, mit einem 1  Größe und Fall des Hauses Moses 2  Iwan Golowin, russischer Emigrant in London, schrieb das Buch »Russia«. 3  mangels Mittel 4  Was tun?

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andern New Yorker Blatt anzubinden. Sollte man mit dem »Herald« oder »Times« nicht fertig werden? Ich würde an Deiner Stelle sofort Schritte tun und die Kerls an der »Tribune« zappeln lassen, bis alles arrangiert ist.1 Gegenüber dieser lumpigen Manier der Kerle hast Du nur Dein eignes Interesse zu befragen, ohne Rücksichten auf sie. Wenn Du glaubst, indirekte Schritte wären besser, so laß mich’s wissen, ich will gern, in meinem Namen, die Unterhandlung führen, so daß Du nicht kompromittiert wirst; ich könnte schreiben, ich hätte Grund zu glauben, daß Du mit den »Trib.«-Leuten nicht mehr so harmoniertest wie früher, und ein Arrangement vielleicht zu treffen wäre pp. Enfin, alles was Du willst, pourvu que quelque chose soit faite2. Ich traue den Kerls von der »Trib.« zu, daß sie auch bei Putnam3 gestänkert haben4. An Putnam würde ich sofort wegen Aufklärung schreiben. Man weiß ja nicht einmal, ob man den Strandfestungs­ artikel schreiben soll oder nicht. Jedenfalls wäre dran gelegen, auch diese Quelle offen zu erhalten. In den ersten Tagen des Februar werde ich Dir £ 5 schicken und bis auf weiteres kannst Du jeden Monat darauf rechnen. Wenn ich dafür auch mit einem Puckel voll Schulden ins neue Bilanzjahr eintrete, c’est égal. Ich wollte nur, Du hättest mir die Geschichte 14 Tage früher geschrieben. Mein Alter hatte mir das Geld für ein Pferd zum Weihnachtsgeschenk zur Verfügung gestellt, und da sich ein gutes fand, hab’ ich es vorige Woche gekauft. Hätte ich Deine Geschichte gewußt, so hätt’ ich noch ein paar Monate gewartet und die Unterhaltungskosten gespart, indes never mind, das braucht auch nicht gleich bezahlt zu werden. Aber es ist mir höchst ärgerlich, daß ich hier ein Pferd

1  Wegen der Wirtschaftskrise schränkte die »New York Daily Tribune« ihre Europa-Berichterstattung ein. Während des amerikanischen Bürgerkriegs stellte sie die Berichterstattung ganz ein. Als Ersatz bot die Zeitung Marx die Mitarbeit an einer großen Enzyklopädie an. Marx veröffentlichte 487 Artikel in dem Blatt, davon hatte 150 Engels verfasst. 2  wenn nur etwas gemacht wird 3  George P. Putman, Herausgeber der amerikanischen Zeitschrift »Putman’s Month­ ly Journal« 4  Redakteure der »Tribune« hatten sich kritisch über Marx geäußert.

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halten soll, während Du in London mit Deiner Familie im Pech sitzest. Übrigens versteht es sich von selbst, daß Du Dich durch die Zusage der £ 5 monatlich nicht abhalten läßt, auch außerdem in schweren Fällen an mich zu schreiben, denn was irgend möglich ist, das tu ich. Ich muß ohnehin ein andres Leben anfangen, ich hab’ in der letzten Zeit viel zuviel gebummelt. Herzliche Grüße an Frau und Kinder und schreib mir bald, was Du zu tun gedenkst und wie’s steht. Dein F. E.

Engels an Marx in London Manchester, 11. Dez. 1857 Lieber Mohr, Noch immer very busy mit schlechten Schulden und Preisherabsetzen. Bei dieser Krise ist1 die Überproduktion so allgemein gewesen wie noch nie, sie ist auch in den Kolonialwaren unleugbar und ebenso im Korn. Das ist das Famose und muß kolossale Folgen haben. Solange die Überproduktion sich nur auf die Industrie beschränkte, war die Historie doch nur halb, sowie sie aber auch den Ackerbau und in den Tropen ebensogut wie in der gemäßigten Zone ergreift, wird die Sache großartig. Die Form, in der die Überproduktion sich versteckt, ist immer mehr oder weniger die Ausdehnung des Kredits, diesmal aber ganz speziell die Wechselreiterei: Die Manier, Geld zu machen durch Tratten2 auf einen Bankier oder ein »Wechselgeschäfte« machendes Haus, und diese vor Verfall zu decken, oder auch nicht, je nachdem die Sa-

1  Krise beim Absatz der Baumwollproduktion 2  Wechsel ziehen

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che arrangiert war, ist auf dem Kontinent und bei den kontinentalen Häusern in England Regel. Die Kommissionshäuser hier alle tun es. Diese Manier ist aufs kolossalste in Hamburg getrieben worden, wo über 100 Mill. Mk Banko Wechsel liefen. Aber auch sonst wurde fürchterlich Wechsel geritten, und Sieveking, Sillam, Karr, Josling & Co., Draper, Pietroni & Co. und andre Londoner Häuser sind daran zugrunde gegangen1. Sie waren hauptsächlich die Bezogenen in dieser line. Hier im englischen Fabrikgeschäft und im home trade ist die Sache so gemacht worden, daß die Leute statt cash in a month zu zahlen, nach Verfall drei Monate dato auf sich trassieren ließen und die Zinsen zahlten. Dies nahm im Seidenfabrikgeschäft in demselben Maße zu, wie die Seidenpreise stiegen. Kurz, jeder hat über seine Kräfte gearbeitet, overtraded. Overtrading aber ist mit Überproduktion zwar nicht synonym, aber der Sache nach identisch. Eine mercantile Community, die für £ 20 000 000 Kapital besitzt, hat dadurch ein gewisses Maß ihrer Produktions-, Verkehrs- und Konsumtionsfähigkeit. Macht sie mit diesem Kapital durch Wechselreiterei ein Geschäft, das £ 30 000 000 Kapital voraussetzt, so vermehrt sie die Produktion um 50 %; die Konsumtion steigt auch durch die Prosperität, aber lange nicht in demselben Maße, disons 25 %. Am Ende einer beliebigen Periode entsteht notwendig eine Akkumulation von Waren von 25 % über den bona fide, id est2 Durchschnittsbedarf selbst der Prosperität. Dies allein müßte die Krise zum Ausbruch bringen, selbst wenn der Geldmarkt, das Zifferblatt des Handels, sie nicht schon vorher anzeigte. Laß also den Crash kommen, so ist außer diesen 25 % noch mindestens andre 25 % des Stocks aller necessaries a drug on the market3. Dies Entstehen der Überproduktion durch Ausdehnung des Kredits und overtrading kann man an der gegenwärtigen Krisis mit allen Details studieren. In der Sache selbst ist nichts Neues, aber in der merk-

1  Eine betrügerische Art der Kreditbeschaffung bestand darin, fällige Wechsel aus Gefälligkeit zu akzeptieren und dann immer neue Wechsel zur Abdeckung der alten Wechselsummen auszustellen (Wechselreiterei). 2  dem tatsächlichen, das heißt 3  25 % des Vorrats werden Ladenhüter

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würdig klaren Form, in der die Sache sich jetzt abwickelt. 1847 und 1837 – 42 ist es lange nicht so klar gewesen1. Das ist die schöne Lage, in der Manchester und die Baumwollindustrie jetzt ist: Die Preise sind niedrig genug, um was der Philister a sound business nennt zuzulassen. Sowie aber die geringste Vermehrung der Produktion eintritt, geht Baumwolle in die Höhe, weil keine in Liverpool ist. Also muß man fortfahren, short time zu arbeiten, selbst wenn Ordres da wären. Nun sind zwar Ordres da, aber von Plätzen, die die Intensität der Krise noch nicht gefühlt haben, und das wissen die Kommissionäre, also kaufen sie nicht; sie würden Schikanen ohne Ende haben und schlechte Schulden in den Kauf. Der Markt heute wieder herunter. Garne, die 14 à 14 ½ wert waren, werden zu 11 1/4 d. ausgeboten, und wer 10 3/4 d. bietet, bekommt sie. Die Indier sind aus dem Markt. Die Griechen sitzen mit Korn fest, darin machen sie fast alle, es ist ihre Hauptretour (von Galatz und Odessa). Die Deutschen können aus eben angeführten Gründen nicht kaufen. Die home trade Häuser haben ihren buyers verboten, das Geringste anzukaufen. America out of the question. Italien laboriert am Fall aller seiner Rohprodukte. Noch vier Wochen, und der Tanz wird hier sehr arg. Kleine Spinner und Fabrikanten fallen alle Tage. Mercks2 in Hamburg haben sich nur durch die 15 Mill. Regierungsvorschuß gehalten, und ihr Haus hier hat an einem Tage wenigstens Spinner, deren Rechnungen fällig waren, fortgeschickt. Der Hauptmann bei Mercks in Hamburg ist der Ex-Reichsminister Dr. Ernst Merck, Jurist, aber Associé. Beste Grüße an Deine Frau und Kinder. Auf Deinen Brief über Frankreich pp. hab’ ich heut keine Zeit einzugehn, il faudrait trop réfléchir. Dein F. E.

1  Gemeint sind die Überproduktionskrisen der Jahre 1847 und 1837 – 42. 2  Ernst Freiherr von Merck, Hamburger Großkaufmann und Senator

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Engels an Marx in London Manchester, 31. Dezember 1857 Lieber Mohr, Ich habe in der ganzen Stadt herumgesucht, um Zeitungen zu finden, die die Indian News1 enthalten, meine »Guardians« darüber schickte ich Dir vorgestern. Weder beim »Guardian« noch »Examiner & Times« kann ich die Nr. erhalten, und Belfield hat sie auch nicht mehr. Ich dachte, Du hättest diese Historie schon Dienstag abgemacht. Unter diesen Umständen kann ich den Artikel nicht machen, was mich um so mehr ärgert, als dies seit vier Wochen der einzige Nachmittag ist, an dem ich es tun könnte, ohne dringende Geschäfte zu verbummeln. Laß mich in Zukunft Deine Absichten wegen militärischer Artikel so früh wie irgend möglich wissen, 24 Stunden Zeit ist viel grade jetzt für mich. Übrigens ist das Detail so schrecklich dürftig und alles so sehr auf ­telegraphische Depeschen von Khanpur nach Kalkutta basiert, daß es fast unmöglich ist, Kritik anzuwenden. Die einzigen Punkte sind diese. Von Khanpur bis Lakhnau (Alam Bagh) sind 40 miles – Havelocks2 Gewaltmärsche beweisen, daß 15 Meilen für Indien schon ein sehr starker Marsch auf längere Zeit ist. Colin3 sollte demnach, da er nur zwei bis drei Märsche vor sich hatte, jedenfalls am dritten Tage von seinem Abmarsch von Khanpur vor Alam Bagh gewesen sein, with plenty of daylight still left to attack at once4. Hiernach ist Colins Marsch zu beurteilen, ich habe die Daten nicht im Kopf. Zweitens hatte er doch ca. 7000 Mann (man rechnete auf viel mehr, es muß also fürchterlich schlecht marschiert worden sein zwischen Kalkutta und Khanpur und viel Leute kaputtgegangen), und

1  Indischer Aufstand gegen die koloniale Ausbeutung des Landes durch Großbritannien 1857 2  Sir Henry Havelock, britischer General 3  Sir Colin Campbell, britischer General 4  mit noch genug Tageslicht für einen sofortigen Angriff

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wenn er mit ca. 7000 Mann (inkl. der Garnison von Alam Bagh und Lakhnau) die Aud­hianer1 schlug, so ist das nichts Großes. An army of 5 – 7000 Englishmen has always been thought fully sufficient to go anywhere and do anything in the open field in India. That stamps the opponents at once.2 Dabei ist zu bedenken, daß die Audhianer, obwohl der kriegerischste Stamm des Gangestals, doch eben, weil sie nie unter direkt europäischer Organisation gestanden, an Disziplin, Kohäsion, Bewaffnung pp. weit unter den Sepoys3 standen. Daher war der Hauptkampf a running fight, that is to say a skirmishing engagement in which the Oudhians were pushed back from post to post. Now it is true the British are, with the Russians, the worst light infantry in Europe, but they have learnt something in the Crimae, and at all events they had this great advantage over the Oudhians that their line of skirmishers was properly and regularly supported by pickets and lines the whole under one individual Commander and cooperating towards a single end; while their opponents in the normal Asiatic manner, dispersed in irregular Clusters, everyone pressing to the front, thus offering a sixfold aim to the British, having no regular supports or reserves and each cluster commanded by its own clannish chief, acting independently of every other clan. For it must be repeated, up to now we have not heard in a single instance that any insurrectionary army in India had been properly constituted under a recognized chief.4 Andre Indikationen über den Charakter des Gefechts 1  indische Aufstandstruppe 2  Eine Streitmacht von 5 – 7000 Engländern wurde stets als ausreichend angesehen, um überall auf dem ungedeckten Feld Indiens jeden Einsatz unverzüglich durchzuführen. Das kennzeichnet die Gegner sofort. 3  Bäuerliche Aufstandstruppen 4  Daher war der Hauptkampf ein Rückzugsgefecht, Scharmützel, bei dem die Audhi­ aner laufend zurückgetrieben wurden. Es trifft zu, dass die Engländer neben den Russen über die schlechteste Infanterie in Europa verfügen, aber sie haben einiges aus dem Krim-Krieg gelernt, und sie hatten jedenfalls gegenüber den Audhianern den großen Vorteil, dass ihr Schussfeld in der Regel durch Vorposten und Linientruppen unterstützt wurde, das Ganze unter einheitlichem Kommando stand und für das gemeinsame Ziel zusammenwirkte, während ihre Gegner in der üblichen asiatischen Art, in ungeordnete Haufen aufgelöst, wobei jeder Einzelne zur Front

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geben die Depeschen nicht, dazu fehlt alle Terrainbeschreibung, alle Details über Truppenverwendung, so daß ich absolut weiter (aus dem Gedächtnis, noch dazu) nichts sagen kann. Wegen Frankreich hast Du in every particular, soweit ich urteilen kann, recht. Auch dort ist der Verlauf bis jetzt normal. Hier im home Trade fängt die Geschichte jetzt an; die beiden Häuser in London, im Manchester Trade, gehören zu dieser Klasse. Das ist aber erst der Anfang; diese Sorte kann erst bedeutend hereingezogen werden, wenn der Druck acht bis zwölf Monate gedauert hat. Mir scheint der Verlauf der ganzen Krise sich mehr an die von 1837/42 anzuschließen als an irgendeine andre – abgesehen von der famosen Allgemeinheit und umfassenden Natur der jetzigen. Augenblicklich schwindelt sich das Volk hier in dem Glauben the crisis is over, weil die erste Phase, die Geldkrisis mit ihren unmittelbaren Folgen, vorüber ist. Au fond glaubt doch immer noch jeder einzelne Bourgeois, daß sein spezieller Geschäftszweig und namentlich sein eignes Geschäft thoroughly sound gewesen sei, und da sie so famose Standard Schwindler zur Vergleichung haben wie Monteith, Macdonald1 pp., so kommen sie sich natürlich äußerst tugendhaft vor. Trotz alledem wird das den Herrn Troost nicht dafür entschädigen, daß er an seinen 35 000 Säcken Kaffee 2/3–3/4 seines Vermögens verliert, noch Herrn Senator Merck dafür, daß seine Ladungen und sonstigen Operationen zum Betrage von 22 Mill. Mk Banko sein ganzes Kapital auffressen werden. John ­Pondu, ein in den letzten fünf Jahren kolossal in die Höhe geschossener hiesiger Pilz aus Schottland hat mit fünf andern 7000  Ballen Seide schwimmen, an denen £ 300 000 verloren werden. ­Alles das wickelt sich erst bis März und April ab, und die schweren Anstrengungen, den Produktenmarkt heraufzutreiben, werden an den ein-

drängte, so den Briten ein sechsfaches Ziel boten, ohne ordentliche Hilfe oder Reserven blieben, jeder Haufen unter dem Befehl eines Stammeshäuptlings stand und unabhängig von allen anderen Stämmen agierte. Es muss erneut festgestellt werden, dass bisher noch kein Fall bekannt geworden ist, wo eine aufständische Armee in Indien ordentlich unter anerkannter Führung gebildet worden wäre. 1  Geschäftsleute aus Schottland

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kommenden Schiffen regelmäßig scheitern. Es scheint jetzt Frost zu geben und Ostwind, so daß keine Schiffe herein können. Dauert dies 8 – 1 4 Tage, so gehen alle Produkte sicher herauf, um dann beim ersten Westwind, der eine ganze Flotte bringt, desto toller herunterzugehn. Voilà ce qui s’appelle l’offre et la demande en temps de crise1. Der Stock von Baumwolle in Liverpool fängt auch an sich zu häufen – 400 000 Ballen bei heutiger Aufnahme, a rather more than average stock. Kommt noch besser, und Cotton geht gegen das Frühjahr gewiß noch herunter, er ist jetzt wieder 1/2 d. gestiegen, weil de Jersey & Co. hier, die fast den ganzen russischen Markt versorgen, vorige Woche die Nachricht bekamen, daß die Annullierung aller ihrer nach Amerika gelegten Ordres noch rechtzeitig eingetroffen sei, und dann in Liverpool ca. 6000 Ballen einkauften. Das belebte den Markt, und diejenigen Spinner, die Geld hatten, gingen hin und kauften etwas, um sich zu den niedrigen Preisen zu decken. Dadurch wurden hier auch einige Häuser ängstlich, oder vielmehr couragiert, und kauften Garn und Gewebe ebenfalls, um den »niedrigsten Moment« nicht zu verpassen. Lange wird das nicht dauern; zunächst glaube ich, daß wir hier gelinde ups and downs bekommen, mit im ganzen fallender Tendenz, vielleicht auch etwas steigend, das ist nicht genau zu sagen, bis ein neuer Blitz irgendwo einschlägt. Jedenfalls kommt ein schlechtes Jahr für Spinner und Fabrikanten, schon aus Mangel an Nachfrage und Überfluß an Zufuhr. Stagnierender Druck, das ist das Gefährlichste für die hiesigen Bourgeois. Geldkrisen machen hier nicht viel, da alle Kredite äußerst kurz (14 Tage bis sechs Wochen) sind. Am Samstag war ich Fuchsjagen, sieben Stunden im Sattel. So eine Geschichte regt mich immer für ein paar Tage höllisch auf, es ist das großartigste körperliche Vergnügen, das ich kenne. Im ganzen field sah ich nur zwei, die besser ritten als ich, sie hatten aber auch bessere Pferde. Das bringt meine Gesundheit schon auf den Strumpf. Wenigstens 20 Kerle fielen vom Pferd oder stürzten, zwei Pferde wurden

1  Das nennt man Angebot und Nachfrage in Zeiten der Krise.

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ruiniert, ein Fuchs getötet (ich war at the death1); Pech passierte sonst keins. Übrigens waren die echten Fuchsjäger nicht mit, die reiten natürlich viel besser als ich. Die Geschichte an Lupus wird besorgt. Jetzt Prosit Neujahr für die ganze Familie auf das Krawalljahr 1858. Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London, 28. Jan. 1858 9, Grafton Terrace, Maitland Park, Haverstock-Hill Dear Frederick, Die große Kälte, die hier eingebrochen ist und der reelle Kohlenmangel in unsrer Behausung zwingt mich – obgleich von allen Dingen in der Welt es mir das fatalste ist –, wieder zu pressen auf Dir. Ich habe mich nur dazu entschlossen infolge von heavy pressure from without. Meine Frau hat mir vordemonstriert, daß infolge einer Sendung von Jersey, die früher als gewöhnlich eintraf, Du in einen Rechnungsfehler geraten seiest und daher diesen Monat, ohne besondres Schreiben meinerseits, nichts schicken würdest; daß sie ihren Shawl etc. etc. versetzt habe, sich nicht zu helfen wisse. Kurz, ich muss schreiben und darum tu ich es. In der Tat, wenn dieser Zustand fortdauert, möchte ich lieber 100 Klafter tief unter der Erde liegen, als so fortvegetieren. Immer andern lästig fallen und dabei beständig selbst mit dem kleinsten Dreck gequält sein, ist auf die Dauer unerträglich. Ich, persönlich arbeite mir die Misere weg durch starke Beschäftigung mit allgemeinen Dingen. Meine Frau, of course, hat nicht dieselben Ressourcen usw. etc.

1  Ich war beim Schuss dabei.

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Heute kam das Buch von Lassalle1 an, kostete 2 sh., nicht Preis des Buchs, sondern die Transportkosten. Dieser Umstand sicherte ihm schlechten Empfang. 2 Bände von 30 Bogen each. Bloß hereingelugt. Der Kerl lügt dem Publikum in der Vorrede vor, daß er seit 1846 damit schwanger gegangen. Scheint ganz althegelsch2. Bei Auslegung und Vergleichung von Stellen mag ihm die juristische Gewohnheit der Hermeneutik behülflich gewesen sein. Nous verrons, obgleich das Zeug zu dick ist, um es durchzulesen. Herr Pieper hat auch geschrieben und mir das interessante Geheimnis mitgeteilt, daß er während seines Hierseins an »Unterleibsschwierigkeiten« litt und deshalb »vielleicht« langweilig erschien. Das Orsini- etc. Komplott3 möchte der preußischen Amnestie4 einen Strich durch die Rechnung ziehn. Vorgestern brach die Polizei hier gewaltsam in Orsinis Behausung um Mitternacht, inveigled5 die Dienstmagd, ihr nach Scotland Yard zu folgen, wo sie von Herrn Richard Mayne6 und französischen Mouchards examiniert wurde. Dieser Herrn Pam7 kompromittierende Streich hatte um so weniger Resultat, als Martin Bernard8 im Besitz aller seit Orsinis Verhaftung an ihn in London gerichteten Briefe, während er alle andren verbrannt hat vor seiner Abreise von London. Salut. Dein K. M.

1  Ferdinand Lassalle: »Die Philosophie des Herakleitos des Dunklen von Ephesos« 2  Anspielung auf die Entwicklung Hegels, die bestehenden Verhältnisse als vernünftig zu deuten 3  Attentatsversuch des Felice Orsini auf Napoleon III. 4  Die angekündigte Amnestie für politisch motivierte Straftaten von 1848/49 wurde erst 1861 erlassen. 5  verleitete 6  Sir Richard Mayne, Polizeichef von London 7  Palmerston 8  Martin Bernard, französischer Revolutionär, Führer von Geheimgesellschaften

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Engels an Marx in London Manchester, 4. März 1858 Lieber Mohr, Also richtig wieder von der Aufmerksamkeit des schwarzen Kabinett beehrt. Ich hatte es wohl erwartet, aber daß Briefe positiv unterschlagen werden, ist doch stark. Ich glaube, Du tust besser, eine andre Hand adressieren zu lassen, dann werden sie wohl nur die Briefe an Dich öffnen. Da ich die Anzeige von Dir erwartete, war ich parti­ cular, unsren Ausläufer jeden Tag expreß zu fragen, ob keine Briefe für mich da seien – stets verneint. Und dabei schreibt der Esel Félix Pyat in die Welt, qu’il n’y a pas de police politique proprement dite, en Angleterre1. Solch ein Saumachwerk, Sprache und alles ist mir selten vorgekommen. Immer noch der alte Glauben an die Konstitution von 1848; man glaubt unsre Reichsverfassungsesel vor sich zu haben. Und welche horrible Sprache! Après tout, die Affen haben ihren Zweck erreicht und werden sich vielleicht einen wohlfeilen Märtyrerruhm erwerben. Cette bête de Derby,2 sich sogleich fangen zu lassen und dem Pack seinen Willen zu tun. Über die Maschineriefrage3 ist es schwer, etwas Positives zu sagen, jedenfalls ist Babbage4 sehr wrong. Das sicherste Kriterium ist die percentage5, die jeder Fabrikant jährlich auf seine Maschinerie für Verschleiß und Reparatur abschreibt, also in einer bestimmten Zeit seine Maschinen ganz herausverdient hat. Diese percentage ist gewöhnlich 7 1/2 %, wonach die Maschinerie in 13 – 73 Jahren durch das vom Nutzen jährlich Abgeschriebne gedeckt wird, also ohne Schaden ganz erneu-

1  Felix Pyat hatte in einem offenen Brief geschrieben, dass es, einfach gesagt, keine politische Polizei in England gebe. 2  Diese Idioten 3  Frage der Ökonomie des Einsatzes von Maschinen 4  Charles Babbage: »On the economy of machinery and manufactures«, London 1832 5  Prozentsatz

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ert werden kann. Z. B., ich habe für £ 10 000 Maschinerie. Nach Ablauf eines Jahres, wo ich Bilanz mache, schreibe ich ab von 7 1/2 Prozent Verschleiß

gebe aus für Reparaturen kostet mich die Maschinerie Am Ende des 2. Jahrs schreibe ich ab 7 1/2 % von £ 10 000-, 7 1/2 von £ 100.zahle für Reparaturen kostet jetzt die gesamte Maschinerie

£ 10 000.-£ 750.---------------£ 9250.-£ 100.---------------£ 9350.-£ 757.10 --------------£ 8593.10 £ 306.10 --------------£ 8900.--

usw. Nun ist 13 1/2 Jahr allerdings eine lange Zeit, in der viel Bankerotte und Veränderungen vorkommen, man wirft sich auf andre Branchen und verkauft alte Maschinerie, führt neue Verbesserungen ein, aber wenn diese Rechnung nicht im ganzen richtig wäre, so würde die Praxis sie längst geändert haben. Die alte verkaufte Maschinerie wird auch nicht gleich altes Eisen, sie findet an kleinen Spinnern pp. Abnehmer, die sie noch verwenden. Wir haben Maschinerie laufen, die gewiß 20 Jahre alt ist; und wenn man hier manchmal einen Blick in alte rapplige Concerns tun kann, so sieht man altfränkisches Zeug, das mindestens 30 Jahre alt ist. Da bei den meisten Maschinen nur wenige Teile so verschleißen, daß sie nach 5 – 6 Jahren erneuert werden müssen, und selbst nach 15 Jahren, wenn im Hauptprinzip der Maschine keine Verdrängung durch neue Erfindungen stattgefunden hat, das Verschlissene ziemlich leicht erneuert werden kann (ich spreche hier speziell von Spinn- und Vorspinnmaschinen), so ist der Lebensfähigkeit solcher Maschinen schwer eine positive Grenze 106

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zu setzen. Nun sind die Verbesserungen der letzten 20 Jahre in Spinnmaschinen nicht der Art gewesen, daß sie nicht fast alle dem bestehenden Rahmen der Maschinen eingereiht werden könnten, sie bestehn meist in einzelnen Kleinigkeiten. (Beim Kardieren freilich war die Vergrößerung des Kardierzylinders eine Hauptverbesserung, die für gute Qualitäten die alte Maschinerie verdrängte, aber für ordinäre Sorten ist die alte Maschinerie noch lange gut genug.) Die Versicherung von Babbage ist so absurd, daß, wenn sie wahr wäre, das industrielle Kapital in England fortwährend abnehmen und Geld rein weggeworfen werden müßte. Ein Fabrikant, der in vier Jahren sein Gesamtkapital fünfmal umschlägt, also in fünf Jahren 6 1/4 mal, müßte also außer dem Durchschnittsprofit von 10 % jährlich noch 20 % auf ca. 3/4 seines Kapitals (die Maschinerie) verdienen, um seinen Abgang an alter Maschinerie schadlos ersetzen zu können – also 25 % machen. Dadurch würde ja der Kostpreis aller Artikel enorm erhöht, fast mehr als durch den Arbeitslohn, und wo wäre dann der Vorteil der Maschinerie? Die jährlich bezahlten wages machen vielleicht 1/3 des Preises der Maschinerie aus – bei einfachen Spinnereien und Webereien gewiß weniger, und der Verschleiß soll 1/5 ausmachen – es ist lächerlich. Es gibt gewiß nicht ein einziges Etablissement in England in der regelmäßigen line der großen Industrie, das in fünf Jahren seine Maschinerie erneuert. Wer so dumm wäre, müßte beim ersten change kaputtgehn; die alte Maschinerie, selbst wenn viel schlechter, erhielte ja den Vorteil über die neue und könnte viel wohlfeiler produzieren, da der Markt sich nicht nach denen richtet, die 15 % für Verschleiß auf jedes Pfund Twist schlagen, sondern nach denen, die nur 6 % (vier Fünftel ca. des Jahresverschleißes von 7 1/2 %) drauf schlagen, also wohlfeiler verkaufen. Zehn bis zwölf Jahre reichen hin, dem bulk der Maschinerie einen andern Charakter zu geben, ihn also mehr oder weniger zu erneuern. Die Periode von 13 1/3 Jahren wird natürlich durch Bankerotte, Zusammenbrechen wesentlicher Stücke, die eine Reparatur zu kostspielig machen, usw., und dergleichen Zufälligkeiten so affiziert, daß man sie etwas kürzer nehmen kann. Aber unter zehn Jahre gewiß nicht.

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Ich hatte »Burmah«1 fertig, als ich aus einer andern Quelle diverse nötige additions machen mußte. Damit noch nicht fertig, muß der Dreck bis Dienstag bleiben. Er wird beinahe drei Seiten füllen. Für »Bomarsund2« ist noch Detail nachzusehn. Dazu muß ich die Momente abpassen, die Bibliothekstunden fallen mit den Geschäftsstunden so zusammen, daß ich nicht immer hin kann. Sobald ich über diese Lausereien nebst »Bülow« und »Beresford«, die an denselben Haken laborieren, weg bin, hab’ ich wieder a fair galloping country vor mir und kann mit »Cavalry« etc. rasch ins Geschirr gehn. Viele Grüße an Frau und Kinder. Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London, 5 March 1858 Dear Frederic, Über Einliegendes, das sich offenbar verspätet hat, bist Du so gut, mit Lupus abzumachen, welche Antwort Euch passend dünkt. Schick die Sache nicht zurück (heb sie aber auf), da diese Dinge bei Dir jetzt sichrer als bei mir. London ist jetzt Zentralpunkt von Mouchards aller Nationen. Es vergeht indes jetzt kaum ein Tag, wo die Hunde nicht plus ou moins gelyncht werden. My best thanks for your eclaircissements3 über Maschinerie. Die Zahl von 13 Jahren entspricht, soweit es nötig ist, der Theorie, da sie eine Einheit für one epoch of industrial reproduction setzt, die plus ou moins koinzidiert mit der Periode, worin sich die großen Krisen wiederholen, deren Verlauf natürlich noch durch ganz andre Momente, 1  Artikel über Birma 2  »Bomarsund«, »Bülow«, »Bererford«, »Cavalry«, Stichworte für das von Dana he­ rausgegebene Lexikon 3  Meinen besten Dank für die Aufklärung

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ihrer Reproduktionszeit nach, bestimmt wird. Das Wichtige ist mir, in den unmittelbaren materiellen Voraussetzungen der großen Industrie ein Moment der Bestimmung für die Zyklen zu finden. Bei der Reproduktion der Maschinerie im Unterschied zum capital circulant fallen einem unwillkürlich die Moleschotts1 ein, die auch auf die Reproduktionszeit des Knochenskeletts zu wenig Rücksicht nehmen, rather, mit den Ökonomen, sich mit dem Durchschnitt der Gesamtumschlagszeit des menschlichen Körpers begnügen. Eine andre Frage, worüber ich auch nur eine Illustration, ungefähre, brauche, ist, wie sich z. B. in Eurer Fabrik oder Fabrikgeschäft rather, das floating capital teilt in Rohmaterial, wages, und welchen Teil ihr beim banker im Durchschnitt stehn habt? Ferner, wie berechnet ihr den Umschlag in Euren Büchern? Die theoretischen Gesetze hier sind sehr einfach und self-evident. Aber es ist doch gut, eine Ahnung davon zu haben, wie die Sache praktisch aussieht. Die Rechnungsweise der Kaufleute beruht natürlich auf noch größern Illusionen, partly, als die der Ökonomen; berichtigt aber andrerseits durch praktische Illusionen deren theoretische. Du sprichst von 10 p.c. Profit. I suppose that you do not take into the account the interest2, und dies wohl neben dem Profit figuriert. In the »first Report of the Factory commissioners«3 finde ich als Durchschnittsillustration folgendes Statement:

1  Vertreter eines Vulgär-Materialismus, wie Jacob Moleschott (»ohne Phosphor kein Gedanke«) 2  Ich vermute, dass Du den Zins nicht berücksichtigt hast. 3  Erster Bericht der Fabrikinspektoren. Die Berichte der Fabrikinspektoren (Blaubücher) waren eine wichtige Quelle für Marx’ Kenntnisse über die Zustände in den Fabriken.

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Capital sunk in building and machinery £ 10 000 Floating capital £ 7000 £ 500 interest on 10 000 fixed capital £ 350 dto. on floating capital £ 150 Rents, taxes, rates £ 650 Sinking fund of 6 1/2 p.c. for wear and tear of the fixed capital ______ £ 1650 £ 1100 contingencies (?), carriage, coal, oil _____ £ 2 750 £ 2 600 wages and salaries ______ £ 5 350 £ 10 000 for about 400 000 lbs. Raw cotton at 6 d. _______ £ 15 350 16 000 für 363 000 lbs. twist spun. Value 16 000. Profit 650, or about 4,2 p.c. Die wages der operatives hier also about 1/6.

Hier ist der Gesamtprofit allerdings nur about 10 p.c., Zins eingerechnet, Herr Senior aber, der doch im Interesse der Fabrikanten schrieb, gibt 15 p.c. als Durchschnittsprofit (Zins eingerechnet) in Manchester an. Was sehr zu bedauern ist, daß in dem obigen Statement die Zahl der Arbeiter nicht angegeben ist; auch nicht die Proportion zwischen dem, was als salaries figuriert, und den eigentlichen wages. Wie übrigens selbst die besten Ökonomen, such as ipsissimus1 Ricardo, in reines kindisches Geschwätz verfallen, wenn sie auf die bürgerliche Denktretmühle geraten, fiel mir wieder recht auf bei folgender Stelle Ricardos, die mir gestern zufällig in die Hand lief. Du erinnerst Dich, daß A. Smith, der noch sehr altfränkisch ist, behauptet, fremder

1  sogar selbst

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Handel, verglichen mit heimischem, gebe nur one half of the encouragement to the productive labour of a country etc.1 Darauf antwortet Ricardo mit folgender Illustration: »Smiths Argument scheint mir falsch: denn obgleich 2 capitals, ein portugiesisches und ein englisches, angewandt werden, wie Smith voraussetzt, wird stets ein Kapital in dem fremden Handel employed werden doppelt von dem, was in dem heimischen angewandt werden würde. Unterstelle, daß Schottland ein Kapital von £ 1000 in der Produktion von Leinen verwendet, die es anwendet für ein gleiches Kapital, verwandt in der englischen Seidenfabrikation. 2000 £ und eine proportionelle Quantität Arbeit werden in den zwei Ländern verwandt. Entdeckt England, daß es mehr Leinen von Deutschland für die Seide, die es vorher nach Schottland exportierte, und entdeckt Schottland, daß es mehr Seide von Frankreich in Retour für sein Leinen erhalten kann als früher von England, so werden England und Schottland unmittelbar aufhören, miteinander zu handeln, und der heimische Konsumtionshandel wird für den fremden aufgegeben werden. Aber obgleich zwei additionelle2 Kapitalien in dessen Handel eingehn werden, das von Deutschland und das von Frankreich, wird nicht derselbe Betrag von Schottlands und Englands Kapital fortfahren, verwandt zu werden und dieselbe Quantität Industrie wie früher im heimischen Handel in Bewegung setzen?« Die Voraussetzung, daß Deutschland unter den angegebnen Verhältnissen seine Seide in England, statt in Frankreich, und Frankreich sein Leinen in Schottland, statt in Deutschland kauft, ist of a fellow like Ricardo doch etwas starker Tubak. Freund Thomas Tooke3, und mit ihm der letzte englische Ökonom of any value, ist gestorben. Hast Du in dem einen »Guardian«, den Du mir geschickt hast, nicht

1  Nur halb so viel Ansporn für die produktive Arbeit eines Landes etc. 2  zusätzliche 3  Thomas Tooke, britischer Ökonom, Anhänger des Freihandels

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die Stelle übersehn, worin David Urquhart1 als Kindesmörder figuriert? Der fool hat nämlich seinen baby mit türkischem Bad traktiert und ihm dann glücklich im 13ten Monate zu einer Hirnkongestion und daher resultierendem death verholfen. Der Coroner’s inquest2 über diesen case dauerte drei Tage, und Urquhart entschlüpfte nur haarbreit einem Verdikt of manslaughter. Quel triomphe pour Pam! Salut. Dein K. M.

Marx an Engels in Manchester London, 2. April 1858 Dear Frederick, Die »Guardian«-Geschichten höchst amusing. Ein Korrespondent des »Daily Telegraph« (directly under Pams auspices) schreibt, es sei sehr gefährlich, in Paris »deaf«3 zu sein. Alle »deaf Englishmen« würden von der Polizei als Allsops4 verfolgt. Er sagt, die Englishmen verließen en masse Paris, teils wegen der Polizeischikanen, teils aus Furcht vor einem Ausbruch. Im letztern Fall nämlich, wenn die Bonapartists siegten, fürchteten die John Bulls5, von den maddened soldiers6 massakriert zu werden, und der Korrespondent selbst ist so naiv zu schreiben, daß er in such a case should like to be any­where else but at Paris. Diese Desertion der Bulls versalzt dem Pariser Epicier und Hausbesitzer und Huren etc. die Suppe at this moment of commer1  David Urquhart, britischer Politiker und Publizist, Redakteur der Zeitschrift »Free Press« 2  gerichtliche Untersuchung 3  unvorsichtig 4  Thomas Allsop, britischer Journalist, der das Orsini-Attentat auf Napoleon III. finanzierte 5  die Engländer 6  verrückt gewordenen Soldaten

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cial depression1. Hast Du gesehn, daß jetzt avowedly 300 Mill. fcs. »are ­disappeared« from the Budget, and nobody knows what has become of them2. By and by werden andre Revelations3 über die Bonapartist finance herauskommen, und die Esel von der »Tribune« sehn, wie weise es von ihnen war, die sehr elaborated articles4, die ich ihnen darüber vor einem halben Jahr schickte, nicht zu drucken. Die Kerls sind Esel, und was nicht im dümmsten Sinn des Wortes »Tagesfrage« ist, sind sie geneigt, als uninteresting beiseite zu schieben, um nachher über denselben Gegenstand, sobald er à l’ordre du jour5, das albernste Zeug zusammenzukompilieren. Notabene, es wird in den hiesigen militärischen Klubs gemunkelt, daß unter Raglans6 nachgelaßnen Papieren sich evidence gefunden habe, daß 1. in der Schlacht von der Alma7 er den richtigen Vorschlag gemacht habe, die Russen nicht von der Seeseite anzugreifen, sondern an entgegengesetzter Flanke, und sie ins Meer zu treiben; 2. daß er vorgeschlagen, nach der Schlacht an der Alma nach Simferopol vorzumarschieren; 3. daß bei Inkerman8 er nur nach den dringendsten Bitten und menace von Canrobert den Befehl für Bosquet abpreßte, zur Hülfe zu eilen. Es wird hinzugefügt, wenn die renommagen jenseits des Kanals fortdauerten, würden diese papers publiziert und bewiesen werden, daß die Franzosen immer auf dem Sprung standen, to

1  in diesem Augenblick der Handelskrise 2  dass jetzt zugegebenermaßen 300 Mill. Francs aus dem Staatshaushalt verschwunden sind, und niemand weiß, was daraus geworden ist. 3  Enthüllungen 4  sorgfältig ausgearbeiteten Artikel 5  auf der Tagesordnung 6  Lord Fitzroy J. Raglans, britischer Oberbefehlshaber über das Expeditionskorps im Krim-Krieg 7  erste große Schlacht im Krim-Krieg 8  Bei der Schlacht bei Inkerman auf der Krim 1854 erreichte Raglan, dass nach Bitten und Drohen des französischen Generals Canrobert der Befehl an den Kommandeur Bosquet erging, ihm zur Hilfe zu kommen.

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betray their dear allies1. Einige hints2, die de Lacy Evans3 im House of Commons fallen ließ, deuteten ebenfalls auf so was hin. Ich bin so unwohl von der Gallengeschichte, daß ich diese Woche weder denken, noch lesen, noch schreiben, noch irgend etwas machen kann, save die articles für die »Tribune«. Diese dürfen natürlich nicht ausfallen, da ich sobald als möglich auf die Hunde ziehn muß. Das Unwohlsein ist aber fatal, da ich nicht anfangen kann, die Sache für Duncker4 auszuarbeiten, bis ich wohl und wieder vigour und grasp5 in den Fingern fühle. Folgendes ist short outline of the first part6. Die ganze Scheiße soll zerfallen in sechs Bücher: 1. Vom Kapital. 2. Grundeigentum. 3. Lohnarbeit. 4. Staat. 5. Internationaler Handel. 6. Weltmarkt. I. Kapital zerfällt in 4 Abschnitte, a) Kapital en general. (Dies ist der Stoff des ersten Hefts.) b) Die Konkurrenz oder die Aktion der vielen Kapitalien aufeinander, c) Kredit, wo das Kapital den einzelnen Kapitalien gegenüber als allgemeines Element erscheint, d) Das Aktienkapital als die vollendetste Form (zum Kommunismus überschlagend), zugleich mit allen seinen Widersprüchen. Der Übergang von Kapital auf Grundeigentum ist zugleich historisch, da die moderne Form des Grundeigentums Produkt der Wirkung des Kapitals auf das Feudaletc. Grundeigentum. Ebenso ist der Übergang des Grundeigentums in die Lohnarbeit nicht nur dialektisch, sondern historisch, da das letzte Produkt des modernen Grundeigentums das allgemeine Setzen der Lohnarbeit, die dann als Basis der ganzen Scheiße erscheint.

1  ihre lieben Verbündeten zu verraten 2  Andeutungen 3  Sir George de Lacy Evans, britischer Parlamentarier, der am Krim-Krieg teilgenommen hatte 4  Marx hatte mit dem Berliner Verlag Duncker einen Vertrag über ein Ökonomie-Werk abgeschlossen, das in Heften erscheinen sollte. Tatsächlich erschien nur Heft 1: »Zur Kritik der politischen Ökonomie«. 5  Kraft und Gefühl 6  ein kurzer Überblick über den ersten Teil

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Well (it is difficult for me to-day to write)1, kommen wir nun zum corpus delicti. I. Kapital. Erster Abschnitt. Das Kapital im allgemeinen. (In diesem ganzen Abschnitt wird vorausgesetzt, daß der Arbeitslohn stets gleich seinem Minimum ist. Die Bewegungen des Arbeitslohns selbst und das Fallen oder Steigen des Minimums gehören in die Betrachtung der Lohnarbeit. Ferner wird das Grundeigentum = 0 gesetzt, d. h. das Grundeigentum als besondres ökonomisches Verhältnis geht hier noch nichts an. Nur durch diesen Gang ist es möglich, nicht stets bei allen Verhältnissen von allen zu sprechen.) 1. Wert. Rein reduziert auf Arbeitsquantum; Zeit als Maß der Arbeit. Der Gebrauchswert – sei es subjektiv, als usefulness2 der Arbeit, oder objektiv als Utility3 des Produkts betrachtet – erscheint hier bloß als stoffliche Voraussetzung des Werts, die einstweilen ganz aus der ökonomischen Formbestimmung herausfällt. Der Wert als solcher hat keinen andren »Stoff« als die Arbeit selbst. Diese Bestimmung des Werts, zuerst andeutungsweis in Petty, rein herausgearbeitet in Ricardo4, ist bloß die abstrakteste Form des bürgerlichen Reichtums. Setzt an sich schon voraus 1. die Aufhebung des naturwüchsigen Kommunismus (Indien etc.), 2. aller unentwickelten, vorbürgerlichen Weisen der Produktion, in denen der Austausch sie nicht in ihrem ganzen Umfang beherrscht. Obgleich Abstraktion historische Abstraktion, die eben nur auf der Grundlage einer bestimmten ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft vorgenommen werden konnte. Alle Einwürfe gegen diese Definition des Werts sind entweder hergenommen aus unentwickelten Produktionsverhältnissen, oder sie beruhn auf der Konfusion, die konkreteren ökonomischen Bestimmungen, von denen der Wert abstrahiert ist, und die andrerseits daher auch als weitere Entwicklung desselben betrachtet werden können, gegen ihn in

1  Gut, (es ist schwer für mich, heute zu schreiben) 2  Brauchbarkeit 3  Nützlichkeit 4  Die von Marx vertretene Arbeitswerttheorie wurde zuerst von den britischen Ökonomen William Petty und David Ricardo vertreten.

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dieser seiner abstrakten unentwickelten Form geltend zu machen. Bei der Unklarheit der Herrn Ökonomen selbst, wie sich diese Abstraktion zu späten konkreten Formen des bürgerlichen Reichtums verhält, waren diese Einwürfe plus ou moins berechtigt. Aus dem Widerspruch der allgemeinen Charaktere des Werts mit seinem stofflichen Dasein in einer bestimmten Ware etc. – diese allgemeinen Charaktere sind dieselben, die später im Geld erscheinen – ergibt sich die Kategorie des Geldes. 2. Geld. Einiges über die edlen Metalle als Träger des Geldverhältnisses. a) Geld als Maß. Einige Randglossen über das ideale Maß bei Stewart, Attwood, Urquhart; in verständigrer Form bei den Predigern des Arbeitsgelds. (Gray, Bray etc. Einige gelegentliche Hiebe auf die Proudhonisten.)1 Der Wert der Ware übersetzt in Geld ist ihr Preis, der einstweilen nur noch in diesem bloß formellen Unterschied vom Wert erscheint. Nach dem allgemeinen Gesetz des Werts drückt dann bestimmtes Quantum Geld bloß aus bestimmtes Quantum vergegenständlichter Arbeit. Soweit das Geld Maß ist, ist die Veränderlichkeit seines eignen Werts gleichgültig. b) Das Geld als Tauschmittel oder die einfache Zirkulation. Hier ist nur die einfache Form dieser Zirkulation selbst zu betrachten. Alle sie weiter bestimmenden Umstände liegen außer ihr, kommen also erst später in Betracht (setzen entwickeltere Verhältnisse voraus). Wenn wir Ware W und Geld G nennen, so zeigt zwar die einfache Zirkulation die zwei Kreisbewegungen oder Schlüsse: W-G-G-W und G-W-W-G (diese letztre bildet Übergang zu c), aber Ausgangspunkt und Rückgangspunkt fallen keineswegs zusammen oder nur zufällig. Das meiste, was an sogenannten Gesetzen von den Ökonomen aufgestellt worden ist, betrachtet die Geldzirkulation nicht

1  Die Ökonomen, die zu den utopischen Sozialisten gerechnet werden, entwickelten die Theorie, dass die Arbeitszeit die unmittelbare Maßeinheit des Geldes ist. Eine Zentralbank ermittelt die Arbeitszeit, die durchschnittlich in der Produktion verschiedener Waren gebraucht wird. Der Produzent erhält ein Zertifikat für die Ware über die Arbeitszeit, die sein Produkt enthält. Daraus berechnet sich dann der Lohn.

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innerhalb ihrer eignen Grenzen, sondern als subsumiert und bestimmt durch höhere Bewegungen. Dies alles zu ekartieren. (Gehört in die Lehre vom Kredit zum Teil; zum Teil aber auch zu betrachten an Punkten, wo das Geld wieder auftaucht, aber weiter bestimmt.) Hier also Geld als Zirkulationsmittel (Münze). Zugleich aber auch als Realisation (nicht bloß verschwindende) des Preises. Aus der einfachen Bestimmung, daß die Ware, als Preis gesetzt, schon ideal gegen Geld ausgetauscht ist, bevor sie sich reell dagegen austauscht, ergibt sich von selbst das wichtige ökonomische Gesetz, daß die Masse des zirkulierenden Mediums durch die Preise bestimmt ist, nicht umgekehrt. (Hierbei einiges Historische über die Polemik bezüglich dieses Punktes.) Es ergibt sich ferner, daß die Geschwindigkeit Masse ersetzen kann, daß aber eine bestimmte Masse für die gleichzeitigen Austauschakte nötig, soweit diese selbst sich nicht wie + und – zueinander verhalten, eine Ausgleichung und Rücksicht, die indes auf diesem Punkt nur antizipationsweise zu berühren. Ich gehe hier auf die weitere Entwicklung dieses Abschnitts nicht ein. Bemerke nur noch, daß das Auseinanderfallen von W-G und G-W die abstrakteste und oberflächlichste Form, worin die Möglichkeit der Krisen ausgedrückt. Aus der Entwicklung des Gesetzes über die Bestimmung der zirkulierenden Masse durch die Preise ergibt sich, daß hier Voraussetzungen gemacht sind, die keineswegs für alle Gesellschaftszustände existieren; die Albernheit daher, z. B. das Einströmen des Geldes aus Asien nach Rom und Wirkung auf die dortigen Preise tout bonnement an die Seite moderner kommerzieller Verhältnisse zu setzen. Die abstraktesten Bestimmungen, genauer untersucht, zeigen immer auf weitere konkrete bestimmte historische Basis hin. (Of course, da sie davon, in dieser Bestimmtheit, abstrahiert sind.) c) Das Geld als Geld. Es ist dies Entwicklung der Form G-W-W-G. Das Geld als gegen die Zirkulation selbständiges Dasein des Werts; materielles Dasein des abstrakten Reichtums. Zeigt sich in der Zirkulation schon, soweit es nicht nur als Zirkulationsmittel, sondern als Preis realisierend erscheint. In dieser Eigenschaft c), worin a) und b) nur als Funktionen erscheinen, ist das Geld allgemeine 117

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Ware der Kontrakte (hier wird die Veränderlichkeit seines Werts, durch die Arbeitszeit bestimmten Werts wichtig), Gegenstand des hoarding1. (Diese Funktion erscheint wichtig in Asien jetzt noch und in der antiken Welt und Mittelalter generally. Existiert jetzt nur noch untergeordnet im Bankwesen. In Zeiten der Krisen Wichtigkeit des Gelds wieder in dieser Form. Geld in dieser Form betrachtet mit den welthistorischen Delusions2, die es erzeugt etc. Destruktive Eigenschaften etc.) Als Realisierung aller höheren Formen, in denen der Wert auftreten wird; definitive Formen, in denen alle Wertverhältnisse sich äußerlich abschließen. Das Geld aber fixiert in dieser Form hört auf, ökonomisches Verhältnis zu sein, die erlischt in seinem materiellen Träger, dem Gold und Silber. Andrerseits, soweit es in die Zirkulation tritt und sich wieder austauscht gegen W, fällt wieder der Schlußprozeß, die Konsumtion der Ware, aus dem ökonomischen Verhältnis heraus. Die einfache Geldzirkulation hat nicht das Prinzip der Selbstreproduktion in sich und weist daher über sich hinaus. Im Geld – wie die Entwicklung seiner Bestimmungen zeigt – die Forderung gesetzt des in die Zirkulation eingehenden und in ihr sich erhaltenden, zugleich sie selbst setzenden Werts Kapital. Dieser Übergang zugleich historisch. Die antediluvianische Form des Kapitals3 ist das Handelskapital, das entwickelt immer Geld. Zugleich Entstehung des wirklichen Kapitals aus dem Geld oder kaufmännischen Kapital, das sich der Produktion bemächtigt. d) Diese einfache Zirkulation für sich betrachtet, und sie ist die Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft, worin die tiefern Operationen, aus denen sie hervorgeht, ausgelöscht sind, zeigt keinen Unterschied zwischen den Subjekten des Austausches, außer nur formelle und verschwindende. Es ist dies das Reich der Freiheit, Gleichheit und des auf der »Arbeit« gegründeten Eigentums. Die Akkumulation, wie sie hier unter der Form des hoarding erscheint, 1  Schatzbildung 2  Illusionen 3  frühzeitliche Form des Kapitals

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ist nur die größre Sparsamkeit etc. Abgeschmacktheit nun einerseits der ökonomischen Harmoniker, modernen Freetrader (Bastiat, Carey etc.)1, gegen die entwickelten Produktionsverhältnisse und ihre Antagonismen dieses oberflächlichste und abstrakteste als ihre Wahrheit geltend zu machen. Abgeschmacktheit der ­Proudhonisten und ähnlicher Sozialisten, die diesem Austausch von Äquivalenten (oder präsumiert as such) entsprechenden Ideen von Gleichheit etc. entgegenzuhalten den Ungleichheiten etc., worin dieser Austausch zurück- und woraus er hervorgeht. Als Gesetz der Appropriation in dieser Sphäre erscheint Aneignung durch die Arbeit, Austausch von Äquivalenten, so daß der Austausch nur denselben Wert in andrer Materiatur wiedergibt. Kurz, es ist hier alles »scheene«, wird aber gleich ein Ende mit Schrecken nehmen, und zwar infolge des Gesetzes der Äquivalenz. Wir kommen nämlich jetzt zu 3. Das Kapital. Dies ist eigentlich das Wichtige dieses ersten Hefts, worüber ich am meisten Deine Ansicht haben muß. Heute aber kann ich nicht fortschreiben. Der Gallendreck macht mir schwer, die Feder zu führen, und das Herabsenken des Kopfs auf das Papier macht mich schwindlig. Also for next time. Salut. Dein K. M.

1  Anhänger der Freihandelslehre

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Engels an Marx in London Manchester, 9. April 1858 Lieber Mohr, Das Studium Deines abstract des ersten halben Heftes hat mich sehr beschäftigt, it is a very abstract abstract indeed1, wie bei der Kürze nicht anders zu vermeiden, und ich muß die dialektischen Übergänge oft mit Mühe suchen, da all abstract reasoning mir sehr fremd geworden ist. Dies Arrangement des Ganzen in den sechs Büchern könnte gar nicht besser sein und gefällt mir ausnehmend, obwohl ich den dialektischen Übergang vom Grundeigentum auf die Lohnarbeit noch nicht klar sehe. Auch die Entwicklung der Geldgeschichte ist sehr fein, mit einzelnem bin ich auch hier noch nicht im reinen, da ich mir oft die historische Unterlage erst zusammensuchen muß. Ich denke indes, sobald ich den Schluß des Kapitals im allgemeinen habe, so sehe ich den drift2 besser und werde Dir dann ausführlicher darüber schreiben. Der abstrakt dialektische Ton dieser Epitome verschwindet natürlich in der Ausarbeitung. Gestern schickte ich Dir wieder zwei »Guardians«, es scheint, seit das Blatt auf 1 d. herabgesetzt ist, lassen die Kerle alle Unkosten als Korrespondenzen etc. reduzieren. Ihr Versuch, ein first-class provincial paper zu machen, scheiterte total. Daher die Magerkeit der auswärtigen Nachrichten und Seltenheit der Pariser Korrespondenzen. Die Geschichte mit Fould3 im gestrigen »Guardian« ist nicht übel. Aber eine noch viel schönere ist der Bericht der Cotton Supply Associa­ tion. Es ist famos, daß die Freetrader zehn Jahre nach Einführung des free-trade ihn selbst aufs direkteste verleugnen. Diese ganze Cotton Supply Association ist nichts als eine von den Freetradern selbst eingerichtete Institution, überall in der Welt, wo Boden und Klima nicht 1  es ist in der Tat ein sehr abstrakter Überblick 2  die Gedankenfolge 3  Achille Fould, Bankier, französischer Finanzminister und Senator, modernisierte das französische Abgabensystem.

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total unpassend sind, Baumwollenkultur im direkten Gegensatz mit dem ganzen free-trade zu forcieren durch Prämien, Vorschüsse, Geschenke von Samen, Pump von Maschinen etc. etc. Wenn der Staat so etwas tut, so ist’s vom Übel, wenn aber die Manchester Cotton spinners, die den niggers, Beduinen etc. in Afrika doch noch viel fremder gegenüberstehn als ihr eigner König, dies tun, so ist’s all right. Eine schönere Satire als diesen Bericht auf alle laissez-faire-Phrasen kann man gar nicht lesen. Sehr schön ist auch das Eingeständnis, daß die Einfuhr der englischen, aus amerikanischer Baumwolle gemachten Waren die Baumwollkultur fast aller übrigen Länder zerstört habe, und sie jetzt auf künstlichem Wege wieder produziert werden müsse! Diese elenden Engländer sehen in ihrem Baumwollspinn- und Webmonopol etwas Großartiges und Natürliches, dagegen kein Mensch etwas sagen kann; aber das durch denselben Weltmarkt hervorgebrachte Baumwollanbau-Monopol der United States muß selbst durch anti-free-trade-Maßregeln gebrochen werden! Das Ding sollte heißen: Association for enabling the single spinners to buy cotton in the dearest market, the collective spinners paying the producer the difference between the market value and his cost of production.1 Natürlich soll das nur so lange fortgehn, als bis die subventionierte Baumwollkultur auf eignen Füßen stehen kann; aber grade das will Monsieur List2 mit seinen Schutzzöllen ja auch! Das Ding könnte Dir vielleicht Stoff zu einem Artikel geben, da es die Yankees direkt interessiert und die »Tribune« auch antifree-trade ist. Meine Prophezeiungen, daß die Fluktuationen in Produkten durchaus vom Ost- und Westwind abhängen würden und daß mit Middling Orleans Cotton über 6 d. an kein regelmäßiges und flottes Geschäft zu denken ist, haben sich merkwürdig bestätigt. Was Baumwolle betrifft, so ist die Erfüllung der ersten Prophezeiung ersichtlich aus der beiliegenden Fortsetzung der Dir früher gesandten Tabelle über die Preise 1  Vereinigung, die es den einzelnen Spinnereien ermöglicht, Baumwolle auf dem teuersten Markt zu kaufen, wobei die Gesamtheit der Baumwollspinner dem Produzenten die Differenz zwischen dem Marktwert und seinen Produktionskosten zahlt. 2  Friedrich List, deutscher Ökonom, Anhänger eines Schutzzollsystems

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von Middling Orleans bis heute. Mit Zucker, Kaffee und Tee ging es ähnlich, nur daß die immer noch sehr starken Vorräte nicht die momentane starke Steigerung zuließen, die in Baumwolle beim schwachen Vorrat möglich war. Was die zweite Prophezeiung angeht, so ist noch immer ziemlich viel short time, strikes und Stillstand aus nicht lohnender Produktion, und da die Ernte 3000 m. Ballen liefert, die volle Produktion jetzt aber mindestens 3500 m. fordert (die übrigen Baumwollproduktionsländer im Verhältnis), so wird bis Ende dieses Jahres, selbst abgesehn von politischen Konvulsionen, die Baumwollindustrie in jedem Versuch, sich wieder zu heben, durch die steigenden Preise des Rohmaterials gehemmt werden, wie dies Ende Februar und Anfang März (siehe Tabelle) wirklich geschah. Die Preise werden im allgemeinen – wenn auch zunächst wohl noch ein Fall eintreten wird – steigen, aber begleitet vom check1 der Produktion in gleichem Maße wie die Steigerung. Dieses supposing that no row on the Continent2, der aber so gut wie gewiß ist. In einer Woche, 19.–26. Februar, kamen nur 62 Ballen Baumwolle aller Art nach Liverpool! Sonst immer nach Tausenden. Wie ist die Geschichte mit dem eingestandenen Verschwinden der 300 Millionen Franken? Ich erinnere mich nur, gelesen zu haben, daß Magne3 statt einen Überschuß von 40 Mill. ein Defizit macht – das Genaue aber weiß ich nicht. Diese Geschichte ist zu gut. Jetzt soll auch der »prince impérial«4 einen eignen Hofstaat und eine Dotation bekommen – Cash must be devilish scarce!5 Hoffentlich geht es Dir mit der Galle jetzt besser. Die Krisenaufregung ist offenbar daran schuld. Ich laboriere jetzt abends einige Male an Zahnschmerzen infolge des Wetters; das ist aber auch das Schlimmste. Beste Grüße an Deine Frau und Kinder. Dein F. E.

1  Anhalten 2  Dieses, vorausgesetzt, dass es keinen Krach auf dem europäischen Festland gibt, 3  Pierre Magne, französischer Finanzminister 4  Sohn Napoleons  III. 5  Bargeld muss teuflisch rar sein.

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Marx an Engels in Manchester London, 21. Januar 1859 Lieber Engels, Das unglückliche Manuskript1 ist fertig, kann aber nicht fortgeschickt werden, da ich keinen farthing habe, um es freizumachen und zu assekurieren. Letztres ist nötig, da ich keine Kopie davon besitze. Ich muß Dich daher ersuchen, mir bis Montag etwas Geld zu schicken (Post Office in Tottenham Court Road corner). Wenn Du 2 £ schicken kannst, wäre es sehr willkommen, da ich einige absolut nicht mehr abzuweisende Forderungen von kleinen Leuten auf Montag vertagt habe. Du begreifst, daß es mir keineswegs angenehm ist, Dir jetzt, wo Du den Wechsel an Freiligrath gezahlt hast oder zahlen mußt, wieder auf den Hals zu fallen. But iron necessity2. Ich will nächste Woche sehn – da ich für acht Tage mir Ferien gebe quoad3 Fortsetzung des Manuskripts –, ob es mir irgendwie gelingt, irgendeinen Finanzcoup zu machen. Ich glaube nicht, daß unter solchem Geldmangel je über »das Geld« geschrieben worden ist. Die meisten autores über dies subject waren in tiefem Frieden mit the subject of their researches4. Zieht die Sache in Berlin5, so ist es möglich, daß ich aus allem Dreck herauskomme. Dazu ist es high time. Salut. Dein K. M. Wenn die Sache in Berlin zieht, wäre vielleicht ein Coup mit einem Londoner Buchhändler für eine englische Übersetzung zu machen, und hier wird ganz anders gezahlt als in Berlin. Außerdem würde ein

1  »Zur Kritik der politischen Ökonomie« 2  Aber es ist die eiserne Notwendigkeit. 3  betreffend 4  Gegenstand ihrer Untersuchungen 5  Marx hoffte, seine »Kritik der politischen Ökonomie« in Fortsetzungen in Berlin bei Duncker zu veröffentlichen.

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solches event unsre braven Feinde tödlich ennuyieren. Diese Canaillen glaubten, wir beide seien tot – und nun gar jetzt, wo Herr Clown »Edgar Bauer« uns »bei den Arbeitern«, wie Gottfried Kinkel überall in der City erzählt, »verdrängt« hat. Die Canaillen, die ihren eignen Totenschein mit jedem Wort, das sie drucken lassen, sich ausstellen, sollen sich wundern, welche »sort of life« wir konserviert haben. Ich schwanke, ob ich auf den Dreck setzen soll: »The Author reserves to himself the right of translation.«1 (Du kennst den Kartellvertrag wegen Nachdruck zwischen Preußen und England.) Mein Widerwille gegen allen Humbug und Schein von Eitelkeit oder Prätension sagt Nein. Andrerseits sagt mein Interesse Ja, da grade über diese Geldscheiße beinahe jede Woche eine Schmiere in England erscheint. What do you think, Sir? Du mußt auf diesen Punkt umgehend antworten, da ich Montag selbst entscheiden muß.

Engels an Marx in London Manchester, 4. März 59 Lieber Mohr, Jüdel Braun2 hat gut gewirtschaftet, ich bin mit dem halben Nettogewinn einverstanden3. Die Arbeit geht ziemlich rasch voran, neun meiner langen Doppelseiten, wie ich sie Dir für die »Tribune« schicke, sind fertig, in zwei bis drei mehr ist der Po abgemacht, dann kommt der Rhein, und der wird nicht so lang. Im ganzen schwerlich drei Bogen. Heut abend, Samstag und Sonntag muß die Hauptmasse fertig werden, bis Mittwoch schick’ ich Dir die Geschichte, wenn alles flüssig geht. Man muß sich indessen in acht nehmen, da ich die ganze of1  Der Autor behält sich das Recht der Übersetzung vor. 2  Ferdinand Lassalle 3  Lassalle hatte den Vertrag zwischen dem Verlag Duncker und Engels über dessen Schrift »Po und Rhein« vermittelt.

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fizielle Militärliteratur gegen mich haben werde, und können sie mir was am Zeuge flicken, so tun sie es gewiß. Daher lieber zu kurz als zu lang, die historischen Illustrationen können kurz gefaßt werden. Übrigens, wenn das Manuskript Ende nächster Woche in Berlin ist, ist’s früh genug, es gibt doch Krieg. Daher sei nur ruhig wegen der Zeit. Einige Tage vom Warehouse wegbleiben kann ich jetzt unmöglich. Ist auch nicht nötig und würde nicht viel helfen. Was aufhält, ist spintisieren über der Karte, und das muß staccato geschehn, sonst wird man dumm drüber. Vorrede wird keine gemacht, das fehlte noch. Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London 10 March 59 Lieber Engels, Die Brochure1 erhalten. Werden ungefähr vier Druckbogen sein, wenn nicht mehr, bei der Art, wie Brochuren gedruckt werden. Durchgelesen; exceedingly clever; auch das Politische famos behandelt, was verdammt schwer war. The pamphlet will have a great success.2 Ich habe nur ein einziges Sätzchen gestrichen von wegen ReußSchleiz3; nicht da, wo von den »natürlichen Grenzen« dieses Staats gehandelt wird, sondern an der ersten Stelle, wo es double emploi4 machte und abschwächte. Ich rate, den Beisatz »Militärische Studien« als abschwächend vom Titel wegzustreichen. Wenn Du morgen Herrn Lassalle schreibst, so bitte ich Dich, in Dei1  Engels’ »Po und Rhein« 2  Die Broschüre wird ein großer Erfolg werden. 3  ostthüringisches Kleinstfürstentum 4  überflüssige Wiederholungen

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»Ich erwarte ein paar Zeilen von Dir«

nem Namen etwas zu tun, was ich nicht in meinem tun kann. Das fact ist dies: Vorigen Montag (7. März) kommt etwas von Berlin! Was denkst Du, das es war? Der erste Korrekturbogen, und bis heute ist kein zweiter gekommen. Man hat also mein Manuskript, gegen das ausdrückliche Schreiben Herrn Dunckers, sechs Wochen liegenlassen und scheint nun jede Woche einen Bogen zu drucken. Kommt Dein Manuskript, so unterbricht man vielleicht wieder, und so kann die Sache sich noch Monate hinschleppen. Ich finde dies sehr miserabel, und Du kannst in Deinem Namen some words darüber an Lassalle drop1. Wollen die Kerls die Schrift aufschieben bis grade zum Ausbruch des Kriegs, damit sie sicher ins Wasser fällt und Herr Duncker Vorwand hat, die Folge abzulehnen? Übrigens hat dieser Verzug, da ich auf das Geld rechnete, meine ohnehin gequälte Existenzweise unleidlich gemacht. Freiligrath war diesmal (er sucht sich in every way zu retablieren) so anständig, Wechselversuche hier in London für mich zu machen. Die Sache ist aber gescheitert. Apropos »Tribune«. Letztre hat seit sechs Wochen keinen Artikel weder von Dir noch von mir gebracht. Die Präsidentswahlumtriebe sind bereits beginning. Ich betrachte das Auslassen der Artikel, meiner Erfahrung gemäß, als vorläufiges Manoeuvre, um mir anzeigen zu können, daß sie für einstweilen nur noch einen Artikel die Woche brauchen. Salut. Dein K. M. Ich glaube an Krieg2. Diplomatisches Zwischenspiel ist aber nötig geworden teils wegen des Lärmens in Deutschland, teils wegen des Schreiens der französischen Bourgeoisie, endlich wegen des englischen Parlaments und vielleicht auch, damit Rußland in der Zwischenzeit allerlei Konzessionen von Östreich abpreßt. Einen Hauptzweck 1  fallenlassen 2  Es kam 1859 zum Krieg von Frankreich, verbündet mit Sardinien/Piemont, gegen Österreich.

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Zusammenarbeit im Exil (1851 – 1859)

haben die Russen erreicht. 1846, als die österreichischen Finanzen zum erstenmal ohne Defizit waren, schleuderte Rußland durch die Krakauer Geschichte1 Östreich wieder in die scheußlichste Finanznot. Da die Östreicher 1858 einigermaßen ihre Finanzen zu ordnen schienen und Barzahlung der Bank ankündigten, wurde Bonaparte sofort ins Feld geschickt, und die östreichischen Finanzen sind, wo sie 1848 waren. Die Auflösung des Parlaments, in der Zwischenzeit die Regierungslosigkeit hier, später Palmerston2 als Foreign Minister sind ebenfalls Schachzüge, die Rußland für den Krieg braucht.

1  Krakauer Aufstand von 1846, der von Russland, Preußen und Österreich niedergeschlagen wurde 2  Marx sah den britischen Außenminister Palmerston als Parteigänger Russlands an, der dessen angebliche Bereitschaft für einen Krieg gegen Österreich fördern wollte.

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben« Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

Marx an Engels in Manchester London, 25. Jan. 60 Lieber Engels, Hast Du schon von der Vogtschen Broschüre1 gehört, die die hundsföttischsten Gemeinheiten gegen mich enthält? Dabei wird das Ding mit Jubel vom teutschen Bürger aufgenommen. Die erste Auflage ist schon vergriffen. Gestern brachte die »National-Zeitung« einen langen Schmutzauszug draus in einem leader2. (Kannst Du vielleicht diese Nummer der »Nat.-Zeit.« schießen? Ich selbst konnte sie mir hier nicht verschaffen.) Was soll ich nun tun? Herr Lassalle ist wegen meines letzten Briefes so beleidigt, wie es scheint, daß er gar nichts mehr von sich hören läßt. Es wäre mir lieb, wenn Du für Freitag oder Sonnabend (ein Schiff geht über Cork) einen Artikel ready hättest. Salut. Dein K. M.

1  Karl Vogt: »Mein Prozeß gegen die ›Allgemeine Zeitung‹«, Berlin 1859. In der Broschüre wurde Marx zu Unrecht bezichtigt, Verfasser eines anonymen verleumderischen Flugblatts gegen Vogt zu sein, das in der »Augsburger Allgemeinen Zeitung« abgedruckt worden war. Vogt behauptete weiter, Marx habe Urkundenfälschungen und Erpressungen begangen und schmarotze von Spenden der Proletarier. Seine Achtung gelte aber nicht denen, sondern nur reinblütigen Adligen wie seinem Schwager Ferdinand von Westphalen. 2  Leitartikel

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

Engels an Marx in London Manchester, 31. Jan. 60 Lieber Mohr, Ich denke morgen an Ephraim Gescheit1 zu schreiben; dies diplomatische Sendschreiben darf nicht unüberlegt fortgeschickt werden. Seit ein paar Tagen geht mir eine Art Fortsetzung von »Po und Rhein« durch den Kopf. »Savoyen, Nizza und der Rhein.« Ich habe fest vor, dies Ding Duncker anbieten zu lassen; es wird nicht über zwei Bogen stark, und es böte einen guten Vorwand zum Anknüpfen mit Ephraim. Jedenfalls schreibe ich das Ding im Laufe der nächsten acht Tage und schicke dann sofort das Manuskript nach Berlin. Außer ein paar Geschichten über die französischen Revolutionskampagnen in Nizza und Savoyen ist nichts vorzuarbeiten, es macht sich also rasch. Daß Herr Vogt gehörig gedecket werden muß, versteht sich; es ist aber schwer, irgend etwas zu sagen, ehe wir wissen, was der Kerl hat drucken lassen. Jedenfalls ist Fischel2 ebenso benutzbar wie ein anderer, wenn er wirklich Verbindungen hat. Jüdel Braun3 wird jetzt auch einsehn, daß Deine Erklärung und der ganze Krawall zwischen Vogt und der Augsburger »Allgemeinen Zeitung« doch eine ganz andre Bedeutung hat, als der Berliner Philister sich im Anfang einbildete. Wie die Sachen stehn, müssen wir uns all diese Verbindungen offenhalten, und die conspiration de silence und andre Intrigen, über die man vorderhand ein Auge zudrücken muß, entbinden uns nachher von jeder Verbindlichkeit, sobald es nötig werden sollte, aus wirkl. politischen Gründen in einer Zeit der Entscheidung zu brechen. Wegen der Chancen neuer Krawalle ganz Deiner Ansicht. Ich glaube aber, daß, um uns trotz Vogt und Konsorten beim Publikum auf den Beinen zu halten, es nötig ist, daß wir wissenschaftlich auftre1  Ferdinand Lassalle 2  Eduard Fischel, liberaler Jounalist in Berlin, unterstützte Marx in der Auseinandersetzung mit Karl Vogt. 3  Ferdinand Lassalle

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

ten. Die Emigrationspresse zu organisieren, dazu fehlt’s uns an Geld; und wir haben mehr als einmal gesehn, daß ein Emigrationsblatt oder in London gedruckte deutsche Broschüren nur dann sich ein Publikum erzwingen (in Deutschland), wenn man das Ding ein Jahr lang mindestens im Gang halten kann. Direkt politisch und polemisch in Deutschland selbst im Sinn unsrer Partei auftreten, ist rein unmöglich. Also, was bleibt? Entweder das Maul halten oder efforts machen, die nur der Emigration und den amerikanischen Deutschen, aber nirgends in Deutschland bekannt werden, oder aber in der Weise fortfahren, wie Du in Deinem ersten Heft und ich in »Po und Rhein« angefangen. Dies halte ich zunächst für die Hauptsache, und wenn das geschieht, so mag Vogt nur schreien, wir werden dann auch bald wieder so viel footing1 haben, daß wir in der deutschen Presse hie und da die nötigen persönlichen Erklärungen (whenever required) erlassen können. Das baldige Erscheinen Deines zweiten Hefts ist dabei natürlich bei weitem das Wichtigste, und ich hoffe, daß Du Dich durch die Vogtsche Historie nicht wirst abhalten lassen, daran fortzuarbeiten. Sei endlich einmal etwas weniger gewissenhaft Deinen eignen Sachen gegenüber; es ist immer noch viel zu gut für das Lausepublikum. Daß das Ding geschrieben wird und erscheint, ist die Hauptsache; die Schwächen, die Dir auffallen, finden die Esel doch nicht heraus; und wenn bewegte Zeiten eintreten, was hast Du davon, daß das ganze Ding unterbrochen wird, eh Du noch mit dem Kapital im allgemeinen fertig wirst? Ich weiß sehr gut alle die andern Störungen, die dazwischenkommen, ich weiß aber auch, daß die Hauptverzögerung immer in Deinen eignen Skrupeln liegt. Am Ende ist’s doch besser, daß das Ding erscheint, als daß es aus dergleichen Bedenken gar nicht erscheint. Herr Orges2 hat eine pur persönliche Erklärung erlassen, woraus man erfährt, wer dieser Kauz ist. Ursprünglich preußischer Leutnant der Artillerie in Berlin auf der Kriegsschule (1845 – 48), studierte und

1  Bodenhaftung 2  Hermann Orges, Redakteur der »Augsburger Allgemeinen Zeitung«

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

promovierte gleichzeitig, trat 1848 im März aus (sein Abschiedsgesuch datiert 19. März 48) und ging nach Schleswig-Holstein zur Artillerie, 1850 auf ein Handelsschiff, wo er »diente« und eine Reise um die Welt machte, 1851 zur Ausstellung in London, über die er für die Augsburger »A. Z.« rapportierte, war damals mit Schimmelpfennig, Willich, Techow1 etc. zusammen und übernahm später das militärische Departement bei der Augsburger »A. Z.«. Der Kerl hat jedenfalls am meisten Zeug bei dem Blatt und hat es wieder auf den Strumpf gebracht. Die Leitartikel, die ich Heilbronner zuschrieb, sind alle von ihm. Trotzdem werd’ ich noch ganz gut mit ihm fertig. Die Knoten-Einladung2 kommt ganz gelegen. Ich hoffe, Du läßt Dich aber natürlich auf weiter nichts ein, dies Terrain kennen wir doch zu gut3, und glücklicherweise wohnst Du weit ab. Viele Grüße. Dein F. E. Die Preußen haben bei meinem Alten für Taler 1005, 20, 6 Pfennige Beschlag auf mein Vermögen legen wollen, weil ich Landwehr­ deserteur sei. Mein Alter hat ihnen gesagt, er habe kein Vermögen von mir in Händen, wobei sie sich beruhigt. Am 18. Februar werd’ ich verdonnert4.

1  Alexander Schimmelpfennig, August Willig und Gustav Adolph Techow, ehemals preußische Offiziere, die sich an der 1848/49er-Revolutin beteiligt hatten 2  Einladung an Marx vom Londoner Arbeiterbildungsverein zur Ehrung für seine Verdienste um die Verbreitung der kommunistischen Idee 3  die Verhältnisse im Arbeiterbildungsverein 4  Verurteilung zu einer Strafzahlung wegen unentschuldigten Fehlens bei der Teilnahme an Wehrübungen

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

Engels an Marx in London Manchester, 10. Mai 1860 Lieber Mohr, Mein Bruder heut abend abgereist, weil meine Mutter ernstlich erkrankt ist und ihn per Telegramm hat rufen lassen. Die Sache mit Ermen ziemlich in Ordnung. Meine Familie läßt £ 10 000 Kapital im Geschäft, das sie mir auch lassen muß, wenn ich Partner werde. Meine materielle Stellung bessert sich gleich, wenigstens der Prozentsatz der Beteiligung. Ich werde Dir das alles mündlich erzählen, wenn ich Pfingsten herüberkomme. D. h., wenn bis dahin alles in Ordnung ist und mit meiner Mutter nichts passiert, so daß ich überhaupt kommen kann. Aber ich fürchte fast eine Ansteckung von meinem Vater. Es ist mir zumute, als ob sich der Typhus jetzt an unsre Familie angeklammert hätte. Über andre Punkte morgen. Siebel will wissen, ob Du unter den von ihm mitgebrachten Papieren die Broschüre »Die Sphinx auf dem französischen Kaiserthron« gefunden; Schily vermißt sie und fürchtet, sie sei ihm sonst abhanden gekommen. Lupus gestern gesehn. Die Knoche1 plagt ihn noch. Dazu Rheumatismus. Es scheint fast, als ob Gumperts2 Einschreiten den Prozeß akuter mache, was auch gut ist, desto eher ist’s vorüber, und nachher ist Lupus wieder stramm auf den Beinen. Grüße die family. Dein F. E.

1  Wolff litt an Knochenkrebs 2  Eduard Gumpert, Engels’ Arzt in Manchester

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

Marx an Engels in Manchester London, 7. Mai 1861 Lieber Frederick, Habes confitentem reum.1 Aber die circonstances atténuantes2 meines Dir nicht Schreibens folgende: D’abord weißt Du, daß ich den größten Teil meiner Zeit in Berlin in Lassalles Haus zubrachte, und hier war es mir unmöglich, Dir zu schreiben, ohne Lassalle den Brief zu kommunizieren, und that did not serve my purpose3. Später war ich beständig en route, von Berlin nach Elberfeld, Köln, Trier, Aachen, Bommel, Rotterdam und Amsterdam. Endlich war mein ursprünglicher Plan, wie ich auch meiner Frau geschrieben hatte, von Rotterdam nach Hull und von Hull nach Manchester zu reisen, um Dir dort ausführlichen mündlichen Bericht abzustatten. Dies ward vereitelt durch meinen Vetter Jacques Philips. Als ich nämlich von Rotterdam abreisen wollte, erklärte er mir, er würde einen Tag später nach London kommen, and he was as good as his word4. So mußte ich natürlich direkt nach London, um ihm dort die honneurs zu machen. Er ist erst vorgestern von hier abgereist. Ich hoffe nun jedenfalls, daß Du Pfingsten ein paar Tage herkömmst. In Elberfeld hörte ich, Du wollest Deine Familie Pfingsten besuchen. Selbst in diesem Falle kannst Du es so einrichten, daß Du wenigstens ein paar Tage bei uns zubringst. Ich habe Dir viel zu erzählen, was sich mündlich besser als schriftlich macht. Außerdem verdenken es Dir meine Damen, wenn Du London immer links liegenläßt. Zunächst also zu dem business. Meinem Onkel habe ich zunächst 160 £ abgepreßt, so daß wir den größten Teil unsrer Schulden abzahlen konnten. Meine Mutter, bei der von barem Geld nicht die Rede 1  Du hast einen geständigen Angeklagten. 2  mildernden Umstände 3  das diente nicht meinem Zweck 4  und er hat Wort gehalten

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

ist, die aber rasch ihrer Auflösung entgegengeht, hat einige frühere Schuldscheine, die ich ihr ausgestellt, vernichtet. Das war ein ganz angenehmes Resultat der zwei Tage, die ich bei ihr zubrachte. Ich selbst sprach gar nicht mit ihr von money matters, sondern sie nahm in diesem Punkt die Initiative. Ferner habe ich mir in Berlin die Wege geöffnet, um im Notfall mit der Wiener »Presse« anknüpfen zu können, was bei den jetzigen amerikanischen Zuständen wohl unerläßlich werden wird. Endlich habe ich via Lassalle vorbereitet, daß der zweite Teil meiner politischen Ökonomie bei Brockhaus statt bei Duncker herauskömmt. Von Duncker bemerkte mir Camilla Essig (alias Ludmilla Assing) mit Recht, daß, wenn man ein Buch geheimhalten will, man es dem Duncker zum Verlag geben muß. Indes figuriere ich doch schon in der letzten Schrift von Rau-Rau – dem deutschen Say1. Apropos. Betreffs Deines »Po und Rhein« usw. erzählte mir die Hatzfeldt2 die bei ihrem Schwager, General von Nostitz, die ganze preußische Generalität spricht, deren Neffe Nostitz ferner Adjutant des »schönen Wilhelm«3 ist, daß in den hohen und höchsten militärischen Kreisen (u. a. auch dem des Prinzen Karl Friedrich) Deine Schrift als Produkt eines preußischen Geheimgenerals betrachtet würde. Dasselbe, wie mir Assessor Friedländer (Bruder des Redakteurs der Wiener »Presse«) berichtete, fand in Wien statt. Ich selbst habe drüber mit General Pfuel4 gesprochen, jetzt 82, aber noch geistig frisch und sehr radikal geworden. Pfuel wußte natürlich nicht, daß wir ihm den Ehrentitel »von Höllenstein« beigelegt hatten. Er befindet sich übrigens in Ungnade und wird von dem Hof zu den Jakobinern, Atheisten usf. gezählt5. Nun zum political business.

1  Karl-Heinrich Rau: »Lehrbuch der politischen Ökonomie«, Leipzig 1860 2  Gräfin Sophie von Hatzfeldt, Freundin und Förderin von Ferdinand Lassalle 3  Wilhelm I. 4  Ernst von Pfuel, preußischer General 5  Pfuel entwickelte sich als Pensionär zum Kritiker der Verhältnisse in Preußen, er wurde liberaler Abgeordneter im preußischen Landtag.

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

In Berlin gibt es natürlich keine haute politique. Alles dreht sich um den Kampf mit der Polizei (nicht als ob diese sich jetzt das Geringste herausnähme; sie ist Muster von Artigkeit und Toleranz), indem man den Zedlitz, Patzke etc. von ihren Ämtern entfernt und bestraft wissen will1; zweitens um den Gegensatz von Militär und Zivil. Dies sind die Punkte (in bürgerlichen Kreisen noch speziell die Militärvorlagen und die Steuerexemtion der Grundbesitzer), über die es zum Klappen kommen wird. (Ein Artillerieoffizier, Graf Tavernier, sagte mir, am liebsten würden sie ihre Batterien auf das Garde du Corps richten.) Es herrscht ein allgemeiner Auflösungsduft, und Leute von jedem Rang betrachten eine Katastrophe als unvermeidlich. In der Hauptstadt scheint man in dieser Beziehung weiter als in den Provinzen. Sonderbarerweise herrscht auch in den militärischen Kreisen die allgemeine Überzeugung, daß es bei dem ersten Zusammenstoß mit den crapauds2 zu Keilen für die Preußen kommen wird. Der Ton, der in Berlin herrscht, ist frech und frivol. Die Kammern sind verachtet. Ich selbst habe in einem Theater ein Couplet gegen Vincke3 unter größtem Applaus absingen hören. Unter einem großen Teil des Publikums ist große Unzufriedenheit mit der bestehenden Presse. Es wird unbedingt bei den bevorstehenden neuen Wahlen (Herbst) für die zweite Kammer das Gros der Burschen, die in der preußischen Nationalversammlung saßen, gewählt werden. Dies ist wichtig, nicht wegen jener Burschen, sondern weil »Wilhelm der Schöne« sie für rote Republikaner versieht. Überhaupt ist der »schöne Wilhelm«, seit er König geworden, vom spectre rouge4 verfolgt. Er betrachtet seine »liberale« Popularität als Falle, die ihm die Umsturzpartei gelegt. Unter diesen Umständen nun wäre es in der Tat ganz zeitgemäß, wenn wir nächstes Jahr eine Zeitung in Berlin herausgeben könnten, so widrig mir persönlich der Platz ist. 20 – 30 000 Taler wären in Verbindung

1  Konstantin Freiherr von Zedlitz-Neukirch und Karl Johann Friedrich Patzke, Polizeipräsidenten in Berlin 2  Franzosen 3  Georg Freiherr von Vincke, liberaler Abgeordneter im preußischen Landtag 4  roten Gespenst

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

mit Lassalle etc. zusammenzubringen. But hic jacet1. Lassalle machte mir direkt den Vorschlag. Zugleich vertraute er mir an, daß er neben mir Redakteur en chef sein müsse. Und Engels? fragte ich ihn. »Nun, wenn drei nicht zu viel sind, so kann ja auch Engels Redakteur en chef sein. Nur dürftet Ihr zwei nicht mehr Stimmen haben als ich, da ich sonst jedesmals überstimmt würde.« Als Gründe, warum er mit an die Spitze treten müsse, gab er an: 1. daß er der bürgerlichen Partei in der allgemeinen Meinung näher stehe und daher leichter Geld beibringen könne; 2. daß er seine »theoretischen Studien« und theoretische Ruhe aufopfern müsse, und davon müsse er doch etwas haben etc. Indes, fügte er hinzu, wenn Ihr nicht wollt, »so würde ich nach wie vor bereit sein, dem Blatt pekuniär und literarisch behülflich zu sein; es wäre dies ein Vorteil für mich; ich hätte den Nutzen des Blatts ohne die Verantwortlichkeit« usw. Dies natürlich sentimentale Redensarten. Lassalle, geblendet durch das Ansehn, das er in gewissen Gelehrtenkreisen durch seinen »Heraklit« und in einem andren Kreis von Schmarotzern durch guten Wein und Küche hat, weiß natürlich nicht, daß er im großen Publikum verrufen ist. Außerdem seine Rechthaberei; sein Stecken im »spekulativen Begriff« (der Bursche träumt sogar von einer neuen hegelschen Philosophie auf der zweiten Potenz, die er schreiben will), seine Infektion mit altem französischem Liberalismus, seine breitspurige Feder, Zudringlichkeit, Taktlosigkeit usw. Lassalle könnte als einer der Redakteure, unter strenger Disziplin, Dienste leisten. Sonst nur blamieren. Aber Du siehst, ich war in großer Verlegenheit bei der großen Freundschaft, die er mir bewies, mit der Sprache herauszurücken. Ich hielt mich also in allgemeiner Unbestimmtheit, sagte, daß ich nichts entscheiden könne ohne vorherige Besprechung mit Dir und lupus. (Das war Hauptgrund, warum ich Dir nicht aus Berlin schrieb, da ich in Berlin keine Antwort von Dir über diesen Punkt haben wollte.) Entschieden wir uns negativ, so wollten die Gräfin und Lassalle eine Reise für ein Jahr nach dem Orient oder nach Italien antreten. But here’s the

1  Aber hier ist der Haken.

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

rub.1 Er erwartet nun Antwort von mir, die ich nicht länger aufschieben kann. Qu’en dis-tu? Der Bursche ist furchtbar pathetisch, und so blieb mir nichts übrig, als eine beständige Ironie ihm entgegenzustellen, die seine Eigenliebe um so mehr verletzte, als dadurch die Gräfin, der er sich als Universalgenie imponiert hat, bedenkliche Emanzipationsgelüste von diesem Buddha bekam. Sonderbarerweise hat sich die Hatzfeldt in gewissen Momenten von ihm einen jüdelnden Ton angehört und eingepaukt. Lupi Bedenken mit Bezug auf die preußische Polizei sind quite out of the place2. Die einzige Schwierigkeit, die noch vorhanden ist, kann höchstens die treffen, die früher den Fahneneid geleistet. Assessor Friedländer sagt mir, daß lupus still the most popular man in Breslau ist und in einem andern schlesischen Distrikt, dessen Name ich vergessen. Elsner ist Lump geworden in der »Schlesischen Zeitung« wie Stein in der »Breslauer«.3 Jedoch hat sich jetzt wieder in Breslau eine weitergehende demokratische Partei gebildet. Der einliegende Ausschnitt aus der »Preußischen Gerichts-Zeitung« ist auf mein Betreiben von ihrem Redakteur, dem Stadtrichter Hiersemenzel, hineingesetzt worden. Actuarius Stein, aus Zürich zurückgekehrt nach Berlin, läßt lupum bestens grüßen. Über meine Verhandlungen mit der preußischen Regierung resp. Polizei4 im nächsten Brief. Apropos! Ich habe zum Präsent für Dich von Lassalle einen schönen Militäratlas, den Du selbst abholen kommen mußt. Salut an Dich, Lupus, Gumpert. Dein K. M.

1  Aber hier liegt die Schwierigkeit. 2  unangebracht 3  Marx warf den einst radikalen Journalisten Karl Friedrich Elsner und Julius Stein vor, sich an die Verhältnisse angepasst zu haben. 4  Marx verhandelte in Berlin über seine Wiedereinbürgerung.

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

Engels an Marx in London Manchester, 28. Febr. 1862 Lieber Mohr, Ich schicke heute eine Kiste an Dich ab, carriage paid1, enthaltend: acht Flaschen Bordeaux, vier Flaschen 1846er alten Rheinwein, zwei Flaschen Sherry. Port habe ich keinen, der für den Fall paßt. Ich hoffe, er wird Jenny gut tun. Das arme Kind! Übrigens denke ich, die Sache hat nichts zu bedeuten. Sie ist stark gewachsen, und mit Pflege und Bewegung wird sie wohl wieder zu Kräften kommen. Die zwei Pfund für den Koller schaffe ich Dir morgen oder Montag. Ich verbrauche in diesem Jahr mehr als mein Einkommen. Die Krisis affiziert uns sehr, wir haben gar keine Aufträge und werden von nächster Woche an bloß halbe Zeit arbeiten lassen. Dabei muß ich dem Dronke in vier Wochen die £ 50 anschaffen und im Lauf der nächsten Woche ein Jahr Miete in meiner Wohnung zahlen; ich ziehe aus; die verdammte Sarah2 hat mir heute morgen das Geld aus der Rocktasche gestohlen. Adressiere also nichts mehr nach Thorncliffe Grove. Ich lebe jetzt fast ganz bei der Mary, um möglichst wenig Geld auszugeben; leider kann ich ohne lodgings nicht abkommen, sonst zög’ ich ganz zu ihr. Ich habe noch keine neue Wohnung und muß gehn, mir eine suchen. Schreib bald wieder, wie es geht. Was macht die »Tribune«? Willst Du einen militärischen Artikel über Amerika für die »Presse«? Die Nummern der »Free Press«, die mir fehlen, sind Oktober–Feb­ ru­ar 1861/62. Grüße Deine Frau und die Mädchen bestens. Dein F. E.

1  Anlieferung bezahlt 2  Sarah Parker, Hausangestellte von Engels

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

Marx an Engels in Manchester London, 18. Juni 62 Lieber Engels, Es ist mir höchst ekelhaft, Dich wieder von meiner Misère zu unterhalten, aber que faire? Meine Frau sagt mir jeden Tag, sie wünschte, sie läge mit den Kindern im Grab, und ich kann es ihr wahrlich nicht verdenken, denn die Demütigungen, Qualen und Schrecken, die in dieser Situation durchzumachen sind, sind in der Tat unbeschreiblich. Die 50 £ sind, wie Du weißt, für Schulden ausgegeben worden, von denen nicht die Hälfte damit bezahlt werden konnte. Die 2 £ für Gas. Das Lausegeld von Wien1 geht erst Ende Juli ein und wird verdammt wenig sein, da die Hunde nicht einmal wöchentlich einen Artikel jetzt drucken. Dazu nun wieder die neuen Ausgaben seit Anfang Mai. Ich will gar nicht von der in London wirklich gefährlichen Situation sprechen, ohne einen Centime während 7 Wochen zu sein, da dies sich bei uns chronisch wiederholt. Aber so viel wirst Du aus eigner Erfahrung wissen, daß es beständig laufende Ausgaben gibt, die bar bezahlt werden müssen. Das geschah nun durch Wiederversetzen der Ende April aus dem Pfandhaus geholten Sachen. Aber schon seit Wochen ist diese Quelle so erschöpft, daß meine Frau vor einer Woche den »vergeblichen« Versuch machte, Bücher von mir zu verklopfen. Die armen Kinder tun mir um so mehr leid, als dies alles in dieser Exhibition season2 vorfällt, wo ihre Bekannten sich amüsieren und sie nur Schrecken durchmachen, daß nur niemand sie besucht und den Dreck durchschaut. Im übrigen arbeite ich jetzt stark drauflos, und sonderbarerweise ist mein Hirnkasten unter all der misère ringsherum besser im Gang als seit Jahren. Ich dehne diesen Band mehr aus, da die deutschen Hunde den Wert der Bücher nach dem Kubikinhalt schätzen. Nebenbei bin

1  Honorar einer Wiener Tageszeitung 2  Zeit der Weltausstellung in London

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

ich nun endlich auch mit der Grundrentscheiße1 (die ich aber nicht in diesem Teil auch nur andeuten will) im reinen. Ich hatte seit lange misgivings2 über die völlige Richtigkeit der Ricardoschen Theorie und habe endlich den Schwindel ausgefunden. Auch sonst für das, was schon in diesen Band kommt, einige hübsche und überraschende neue Sachen entdeckt, seit wir uns nicht sahen. Mit dem Darwin, den ich wieder angesehn, amüsiert mich, daß er sagt, er wende die »Malthussche« Theorie auch auf Pflanzen und Tiere an, als ob bei Herrn Malthus der Witz nicht darin bestände, daß sie nicht auf Pflanzen und Tiere, sondern nur auf Menschen – mit der geome­ trischen Progression – angewandt wird im Gegensatz zu Pflanzen und Tieren. Es ist merkwürdig, wie Darwin unter Bestien und Pflanzen seine englische Gesellschaft mit ihrer Teilung der Arbeit, Konkurrenz, Aufschluß neuer Märkte, »Erfindungen« und Malthusschem »Kampf ums Dasein« wiedererkennt. Es ist Hobbes’ bellum omnium contra omnes3, und es erinnert an Hegel in der »Phänomenologie«, wo die bürgerliche Gesellschaft als »geistiges Tierreich«, während bei Darwin das Tierreich als bürgerliche Gesellschaft figuriert. Buckle hat dem Ruge den Streich gespielt zu sterben.4 Ruge hatte in seiner Phantasie noch eine Bibliothek gesehn, die Buckle schreiben und Ruge ins Deutsche »verhandeln« sollte. Poor Ruge! Und poor Buckle, den ein »Freund« in der »Times« heute noch durch ein testimonium pietatis5 verleumdet. Hast Du und lupus die von mir gesandten »Julian Schmidt«6 erhalten? Apropos! Wenn es in ganzer Kürze, ohne Dich in Anspruch zu nehmen, geschehn kann, so wünschte ich ein Paradigma (nebst Erklä-

1  Mit dem Einzug der kapitalistischen Produktionsweise ist es nach Marx das höchste Ziel landwirtschaftlicher Produktion, eine hohe Grundrente, also Ertrag, zu erzielen und damit die Ausbeutung der Arbeiterklasse zu verschärfen. 2  Vorbehalte 3  Krieg aller gegen alle 4  Der Historiker Henry Thomas Buckle starb 1862. 5  einen Nachruf 6  Schriften des Literaturhistorikers Heinrich Julian Schmidt

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

rung) zur italienischen Buchführung1. Es wäre nützlich bei der Beleuchtung des »Tableau Économique« des Dr. Quesnay2. Kein Mensch besucht mich, und das ist mir lieb, denn die Menschheit, die hier ist, kann mich – – – Schönes Gesindel! Salut. Dein K. M. Lassalle hat mir geschrieben. Er kömmt vielleicht im Juli her. Ende Herbst eröffnet er die beginnende Ausarbeitung seiner »Ökonomie«3, die ihm aber »lange Zeit« kosten wird. Er wird sich wundern.

Engels an Marx in London Manchester, 7. Jan. 1863 Lieber Mohr, Mary ist tot. Gestern Abend legte sie sich früh zu Bett, als Lizzy sich gegen 12 Uhr schlafen legen wollte, war sie schon gestorben. Ganz plötzlich, Herzleiden oder Schlagfluß. Ich erfuhr es erst heute morgen, am Montag abend war sie noch ganz wohl. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie mir zumute ist. Das arme Mädchen hat mich mit ihrem ganzen Herzen geliebt. Dein F. E.

1  In Italien war zuerst das System der doppelten Buchführung entwickelt worden. 2  Der französische Ökonom François Quesnay hatte Ende des 18. Jahrhunderts die physiokratische Lehre entwickelt. Sein »Tableau« wurde von Marx als genialer Einfall bewertet. 3  Ein großes ökonomisches Werk hat Lassalle nicht geschrieben. Seine ökonomischen Kenntnisse brachte er an in dem Buch »Herr Bastian von Schulze-Delitzsch, der ökonomische Julian oder: Capital und Arbeit«, Berlin 1864.

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

Marx an Engels in Manchester London, 8. Jan. 1863 Lieber Engels, Die Nachricht vom Tode der Mary hat mich ebenso sehr überrascht als bestürzt. Sie war sehr gutmütig, witzig und hing fest an Dir. Mag der Teufel wissen, daß nichts als Pech jetzt in unsern Kreisen sich ereignet. Ich weiß auch absolut nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Meine Versuche, in Frankreich und Deutschland Geld aufzutreiben, sind gescheitert, und es war natürlich vorherzusehn, daß ich mit 15 £ die Lawine nur ein paar Wochen abhalten konnte. Abgesehn davon, daß wir nichts mehr kreditiert erhalten, außer Metzger und Bäcker, was auch mit Ende dieser Woche aufhört, bin ich wegen der Schule getreten, wegen der Miete und von der ganzen Rotte. Die paar, die ein paar Pfund Abzahlung erhielten, haben sie pfiffig eingesteckt, um mit verdoppelter Gewalt über mich herzufallen. Dazu haben die Kinder keine Kleider und Schuhe, um auszugehn. Kurz, der Teufel ist los, wie ich es klar vorhersah, als ich nach Manchester ging und als letzten coup de désespoir1 meine Frau nach Paris schickte. Wenn es nicht gelingt, vermittelst einer loan society or lifeassurance2 (und dazu seh’ ich keine Aussicht; mit der ersten Gesellschaft habe ich alles umsonst versucht. Sie verlangen Bürgen, und sie müssen die Quittungen von Rente und Steuern vorgelegt erhalten, was ich nicht kann) eine größere Summe zu erheben, so dauert die Wirtschaft hier kaum zwei Wochen mehr. Es ist scheußlich egoistisch von mir, daß ich Dir in diesem Augenblick diese horreurs erzähle. Aber das Mittel ist homöopathisch. Ein Unheil zerstreut über das andre. Und, au bout du compte3, was soll ich machen? In ganz London ist kein einziger Mensch, gegen den ich mich auch nur frei aussprechen kann, und in meinem eignen Hause 1  verzweifelten Versuch 2  einer Darlehenskasse oder einer Lebensversicherung 3  schließlich und endlich

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

spiele ich den schweigsamen Stoiker, um den Ausbrüchen von der andern Seite das Gegengewicht zu halten. Arbeiten aber under such circumstances wird rein unmöglich. Hätte nicht statt der Mary meine Mutter, die ohnehin jetzt voll körperlicher Gebresten und ihr Leben gehörig ausgelebt hat, …? Du siehst, zu welchen sonderbaren Einfällen die »Zivilisierten« unter dem Druck gewisser Umstände kommen. Salut. Dein K. M. Wie wirst Du es nun mit Deinem establishment einrichten? Es ist außerordentlich hart für Dich, da Du bei der Mary ein home hattest, frei und zurückgezogen von allem Menschendreck, so oft’s Dir gefiel.

Engels an Marx in London Manchester, 13. Jan. 1863 Lieber Marx, Du wirst es in der Ordnung finden, daß diesmal mein eignes Pech und Deine frostige Auffassung desselben es mir positiv unmöglich machten, Dir früher zu antworten. Alle meine Freunde, einschließlich Philisterbekannte, haben mir bei dieser Gelegenheit, die mir wahrhaftig nahe genug gehen mußte, mehr Teilnahme und Freundschaft erwiesen, als ich erwarten konnte. Du findest den Moment passend, die Überlegenheit Deiner kühlen Denkungsart geltend zu machen. Soit1! Du weißt, wie meine Finanzen stehn, Du weißt auch, daß ich alles tue, Dich aus dem Pech zu reißen. Aber die größere Summe, von der Du sprichst, kann ich jetzt nicht auftreiben, wie Du auch wissen mußt. Es sind drei Wege offen.

1  sei’s drum

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

1. Loan society. Inwieweit meine Garantie dabei nützen kann, wäre zu erfahren, da ich aber kein householder bin, wohl wenig. 2. Lebensversicherung. John Watts ist Manager der European Life & Guarantee Society, deren Office in London jedenfalls im Directory steht. Ich sehe nicht ein, warum der Versicherung Deines Lebens für £ 400 etwas im Wege stehn sollte, und auf die Police pumpt er gewiß £ 200, das ist sein Geschäft. Wenn dies nicht vollständig ruinous ist, so ist es sicher der beste Weg. Du gehst also am besten gleich hin, erkundigst Dich nach den terms, und teile sie mir dann gleich mit. 3. Wenn alle Stricke reißen, kann ich im Februar – unmöglich früher ca. 25 £ auftreiben und bin auch bereit, einen Wechsel auf 60 £ zu unterschreiben, der aber ganz sicher erst nach dem 30. Juni 1863 bezahlt werden muß, also mit sichrer Prolongation bis dahin. Darüber muß ich die nötigen Garantien haben. Das Fehlende müßtest Du dann unbedingt aus dem Holländer Onkel1 herausschlagen. Einen andern Weg sehe ich nicht. Laß mich also wissen, was Du für Schritte tust, und ich werde das Meinige tun. Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London, 24. Jan. 63 Lieber Frederick, Ich hielt es für gut, einige Zeit verstreichen zu lassen, bevor ich Dir antwortete. Deine Lage einerseits, meine andrerseits machten es schwer, die Situation »kühl« aufzufassen. Es war von mir sehr unrecht, daß ich Dir den Brief schrieb, und ich bereute ihn, sobald er abgeschickt war. Es geschah dies jedoch keines-

1  Lion Philips

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wegs aus Herzlosigkeit. Meine Frau und Kinder werden mir bezeugen, daß ich beim Eintreffen Deines Briefs (der frühmorgens kam) so sehr erschüttert war als bei dem Todesfall der mir Nächsten. Als ich Dir aber abends schrieb, geschah es unter dem Eindruck sehr desperater Umstände. Ich hatte den broker im Haus vom landlord, einen Wechselprotest vom Metzger, Mangel an Kohlen und Lebensmitteln im Haus und Jennychen im Bett liegen. Unter solchen circumstances weiß ich mir generally nur durch den Zynismus zu helfen. Was mich noch speziell toll machte, war der Umstand, daß meine Frau glaubte, ich habe Dir den realen Sachverhalt nicht hinlänglich treu mitgeteilt. Insofern war mir auch Dein Brief lieb, da er ihr das »non possumus«1 klarmachte, denn sie weiß sehr wohl, daß ich nicht auf Deinen Rat wartete, um an meinen Onkel zu schreiben; daß ich mich nicht in London an Watts wenden konnte, der mit Person und Office zu Manchester lebt; daß ich seit der letzten Schulderklärung Lassalles2 keinen Wechsel in London ziehn kann und daß endlich 25 £ im Februar uns weder befähigen konnten, im Januar zu leben, und noch weniger, die bevorstehende Krise abzuwenden. Da es Dir unmöglich war zu helfen, obgleich ich Dir mitgeteilt, daß wir in der Lage der Manchester Arbeiter, mußte sie das non possumus einsehn, und dies wünschte ich, da der bisherige Zustand, das Rösten am kleinen Feuer – wobei Kopf und Herz verzehrt werden und außerdem die kostbarste Zeit verlorengeht und mir und den Kindern gleich schädliche false appearances3 aufrechterhalten werden – enden muß. Die drei Wochen, die wir seit der Zeit durchgemacht, haben meine Frau dahin gebracht, endlich auf einen Vorschlag einzugehn, den ich schon lange gemacht und der mit allen seinen Unannehmlichkeiten nicht nur die einzige Ausflucht ist, sondern auch dem Leben der drei letzten Jahre, namentlich des letzten, vorzuziehn, zudem unser selfesteem4 auch wieder herstellt.

1  Unmöglichkeit 2  Lassalle hatte einen Wechsel von Marx nur unter der Bedingung akzeptiert, dass Engels für Zahlung garantiere. 3  falsche Erscheinungen 4  Selbstachtung

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Ich werde den sämtlichen Gläubigern schreiben (mit Ausnahme des landlord), daß, wenn sie mich nicht in Ruhe lassen, ich mich durch failing of a bill in the court of bankruptcy bankerutt1 erklären werde. Dies bezieht sich natürlich nicht auf den landlord, der das Recht auf die Möbel hat, die er behalten soll. Meine zwei ältsten Kinder werden durch die Familie Cunningham Stellen als governesses2 erhalten. Lenchen soll in einen andren Dienst treten, und ich mit Frau und Tussychen werden dasselbe City Model Lodging House3 bewohnen gehn, worin seinerzeit der rote Wolff mit Familie residierte. Bevor ich zu diesem Beschluß kam, habe ich natürlich noch an verschiednes Bekanntentum in Deutschland geschrieben, mit natürlich keinem Erfolg. Jedenfalls ist die Sache besser als eine ohnehin nicht mehr durchzuführende Verlängerung des jetzigen Zustands. Ich hatte genug zu tun, um durch Demütigung aller Art landlord und Metzger friedfertig mit broker und Wechsel, durch falsche Versprechungen, abziehn zu machen. In die Schule konnte ich die Kinder in dem neuen Quartal nicht schicken, da die alte Rechnung nicht bezahlt und außerdem sie in keinem präsentablen Zustand waren. Mit dem obigen Plan aber glaube ich ohne irgendwelche Intervention Dritter wenigstens in Ruhe kommen zu können. Schließlich etwas mit dem Obigen nicht Zusammenhängendes. Für den Abschnitt in meinem Buch über Maschinerie bin ich in einem großen Skrupel. Es war mir nie klar, wie die selfactors4 die Spinnerei änderten oder vielmehr, da doch schon vorher die Dampfkraft angewandt, wie der Spinner trotz der Dampfkraft mit seiner bewegenden Kraft einzutreten hatte? Es wäre mir lieb, wenn Du mir das erklärtest. Apropos. Meine Frau, ohne mein Wissen, wandte sich an lupus um

1  vor dem Konkursgericht durch Nichteinlösung von Wechseln bankrott 2  Erzieherinnen 3  dieselbe Mietunterkunft 4  automatischen Maschinen

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1 £ für immediate necessities. Er schickte ihr zwei. Die Sache ist mir unangenehm, aber factum est factum1. Dein K. M.

Abarbanel ist tot. Ditto ist Sasonow in Genf gestorben.

Engels an Marx in London Manchester, 26. Jan. 1863 Lieber Mohr, Ich danke Dir für Deine Aufrichtigkeit. Du begreifst selbst, welchen Eindruck Dein vorletzter Brief auf mich gemacht hatte. Man kann nicht so lange Jahre mit einem Frauenzimmer zusammenleben, ohne ihren Tod furchtbar zu empfinden. Ich fühlte, daß ich mit ihr das letzte Stück meiner Jugend begrub. Als ich Deinen Brief erhielt, war sie noch nicht begraben. Ich sage Dir, der Brief lag mir eine Woche lang im Kopf, ich konnte ihn nicht vergessen. Never mind, Dein letzter Brief macht ihn wett, und ich bin froh, daß ich nicht auch mit der Mary gleichzeitig meinen ältesten und besten Freund verloren habe. Nun zu Deinen Angelegenheiten. Ich ging gleich heute zu Watts, den ich noch in London glaubte, der übrigens ein Office in London, Pall Mall No. 2, hat. Mit ihm ist es nichts. Seine Gesellschaft pumpt nicht mehr. Er gab mir eine andre Adresse. Der Mann ist bereit, aber er will je nach Umständen zwei oder auch mehr sureties2 für Zinsen, Prämie und Rückzahlung des Anleihens. Damit können wir leider nicht dienen, wen könnten wir finden? Allenfalls Gumpert, aber der würde schwerlich angenommen werden. Dazu würde, da wir beide ohne bürgerlichen Status, jedenfalls noch ein Dritter erforderlich sein, und

1  geschehen ist geschehen 2  Sicherheiten

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schließlich die expenses von dem loan1 im voraus abgezogen werden, so daß wenig übrigbliebe. Ich dachte nun daran, einen Teil des auf Spekulation gekauften Garns zu verkaufen, und statt den Betrag an Ermen (dem das Geld gehört) zurückzuzahlen, ihn Dir zu schicken. Dies wäre allenfalls gegangen, da die Sache erst im Juli zur Sprache kommen würde, bis wohin sich manches ändern kann. Aber no chance. Der Markt ist so flau heute, daß ich, statt mit Nutzen, mit Schaden verkaufen müßte und wahrscheinlich in dieser Woche gar nicht zum Verkauf käme. Geld kann ich keins aufnehmen. Ermen könnte und würde es mir wahrscheinlich refüsieren2, und dem kann ich mich nicht aussetzen. Bei einem Dritten, Wucherer, hier borgen, hieße Ermen den besten Anlaß geben, sich von seinem Kontrakt mit mir loszusagen. Und trotzdem kann ich es nicht mit ansehn, daß Du Deine Absicht ausführst, wie Du sie mir schreibst. Ich bin also dem alten Hill an die Wechsel gegangen3 und habe mir inliegende £ 100 auf John Rapp& Co., am 28. Februar fällig, genommen und an Dich indossiert. Ich denke, es kommt nicht vor Juli heraus, und dann haben wir wieder Galgenfrist. Es ist ein höchst gewagter Streich von mir, denn ich komme jetzt sicher ins Defizit, indessen es muß riskiert werden. Ich versichre Dich, ich hätte es nicht gewagt, wenn mir nicht Charles, der eine Art Bilanz in Bausch und Bogen über die letzten sechs Monate gemacht hat, heut nachmittag gesagt hätte, daß sich die Sache für mich um ca. £ 30 à 50 günstiger stellt, als ich erwarten konnte. Ich habe in den sechs Monaten ungefähr £ 330 à 350 verdient. Du mußt aber jetzt auch selbst begreifen, daß ich nach den ungewöhnlichen Anstrengungen, die ich seit 30. Juni 1862 habe machen müssen, jetzt aber auch rein ausgepumpt bin und Du daher bis 30. Juni, außer etwa Kleinigkeiten, auf gar keine Rimessen4 meinerseits mehr rech-

1  Auslagen für das Darlehen 2  verweigern 3  Er hatte einen Wechsel auf Hill, einen Angestellten der Firma Ermen & Engels, gezogen. 4  Geldzahlungen

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nen darfst. Wie es nach dem 30. Juni aussieht, das mag der Teufel wissen, denn es wird jetzt nichts verdient, da der Markt nicht mehr steigt. Der Wechsel selbst ist so gut wie cash. Freiligrath wird ihn Dir mit Wollust diskontieren, besseres Papier zirkuliert nur sehr wenig. Sei aber so gut und zeig mir den Empfang eben an, es wird jetzt so viel auf der Post gestohlen, und da Du nicht im Commerce bist, kann jeder sich für Dr. K. M. ausgeben. Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London, 2. Dez. 1863 Dear Frederick, Vor zwei Stunden kam Telegramm, daß meine Mutter tot ist. Das Schicksal verlangte einen vom Hause. Ich selbst stand schon mit einem Fuß unter der Erde. Unter den gegebnen Verhältnissen ich jedenfalls noch nötiger als die Alte. Ich muß der Erbschaftsreglung wegen nach Trier. War sehr zweifelhaft, was Allen1 sagen würde, da ich seit drei Tagen erst täglich Stunde einen Genesungswalk machte. Allen jedoch, enorme Medizinflaschen mitgebend, hält es sogar für gut, daß ich gehe. Die Wunde ist noch nicht ausgeeitert, aber ich werde auf der ganzen Reise genug Samariterinnen finden, um das Pflaster aufzulegen. Ich muß Dich nun bitten, mir umgehend so viel Geld zu schicken, daß ich die Reise nach Trier sofort antreten kann. Salut. Dein K. M.

1  Allen, Hausarzt der Familie Marx

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Engels an Marx in London Manchester, 3. Juni 1864 Lieber Mohr, In höflicher Bestätigung meines ergebenst Letzten habe ich Dir heute anzuzeigen, daß Lupus’ Testament den court of probate1 vorgestern passiert hat und ich mich in Besitz des fraglichen Dokuments gesetzt habe. Auch habe ich es bei der Bank vorgezeigt und registrieren lassen und werde Montag oder Dienstag das Geld bei der Bank erheben (ich kann dies ganz allein ohne Borchardt2) und Dir übermachen. Es sind ca. £ 230. Ich werde nun suchen, Borchardt morgen oder Montag zu sehen, und dann mein Möglichstes tun, daß die Sache rasch abgewickelt wird. Den ungefähren Betrag der Erbschaftssteuer – £ 12 – werde ich hierbehalten, sowie auch noch einiges übrige wegen der Rechnung des lawyers etc. Derselbe sagt mir, daß, um gegen alle etwaigen späteren Reklamationen gesichert zu sein, man ca. einen Monat nach dem probate (also vom 1. Juli an) dreimal hintereinander Aufforderung an unbekannte Gläubiger in die »Gazette«, »Times« und local papers einrücken lassen müsse, mit Präklusivfrist. Dies verursacht also noch einige Zögerung wegen der definitiven Abmachung. Gegen September wird die Aufforderung zur Zahlung der Steuer eintreffen (bis dahin sind also die Zinsen darauf zu retten), wo wir dann mit Wood3 die Abrechnung machen und das Geld zahlen müssen, dann kann die Geschichte definitiv erledigt werden. Ich habe den Kerl entdeckt, bei dem Lupus sich photographieren ließ, und bei ihm das Original-Negativbild; ich habe 24 Abzüge nehmen lassen, wovon inliegend vier, Du kannst Pfänder und Eccarius je eins geben, und wenn Du noch mehr haben willst, so stehn sie zu

1  Nachlassgericht 2  Louis Borchardt, Arzt in Manchester, Freund von Marx und Engels 3  Wilhelm Wolf hatte Marx testamentarisch ein kleines Vermögen vermacht. Mit dem Anwalt Wood wurde der Nachlasswert berechnet. Für die Erbschaft war Erbschaftssteuer zu zahlen.

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Diensten. Bei dieser Gelegenheit habe ich mich auch wieder nehmen lassen, wovon Du das Resultat inliegend1 siehst, die Leute hier sagen, es sei sehr gut. »Free Press« dankend erhalten. Was wird poor Collet2 jetzt anfangen, nachdem Othellos occupation gone3 ist? Und das arme kluge Kind, das in alle Geheimnisse der höchsten Diplomatie eingeweiht ist. Viele Grüße. Was machen die Furunkeln? Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London, 7. Sept. 1864 Dear Frederick, Das Unglück des Lassalle ist mir dieser Tage verdammt durch den Kopf gegangen. Er war doch noch immer einer von der vieille souche4 und der Feind unsrer Feinde. Dabei kam die Sache so überraschend, daß es schwierig ist zu glauben, daß ein so geräuschvoller, stirring, pushing Mensch nun maustot ist und altogether das Maul halten muß. Was seinen Todesvorwand angeht, so hast Du ganz recht. Es ist eine der vielen Taktlosigkeiten, die er in seinem Leben begangen hat. With all that tut’s mir leid, daß in den letzten Jahren das Verhältnis getrübt war, allerdings durch seine Schuld. Andrerseits ist’s mir sehr lieb, daß ich den Anreizungen von verschiednen Seiten widerstand und ihn nie während seines »Jubeljahrs« angegriffen habe. Der Teufel mag wissen, der Haufen wird immer kleiner, neu kommt nichts zu. Übrigens bin ich überzeugt, daß, wenn Lassalle nicht in der Umgebung der military adventurers und révolutionnaires en gants 1  Foto von Engels 2  Charles D. Collet, Redakteur der Zeitschrift »The Free Press« 3  Anspielung auf »Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen« 4  vom alten Stamm

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jaunes1 in der Schweiz gewesen, es nie zu dieser Katastrophe gekommen wäre. Es zog ihn aber fatalement immer wieder nach diesem Koblenz der europäischen Revolution2. Die »bayrische Gesandtschaftstochter«3 ist niemand anders als die Tochter des Berliner Dönniges4, Mituniversitätsdemagog5 von Rutenberg und Konsorten, gehörig ursprünglich zu den jeunes gents oder vielmehr, da es keine gentlemen waren, den jeunes gens des kleinen Rabunzel Ranke6, die er scheußliche alte deutsche Kaiserannalen etc. herausgeben ließ. Das, was das tanzende Wurzelmännchen Ranke für Geist hielt – die spielende Anekdotenkrämerei und die Rückführung aller großen Ereignisse auf Kleinigkeiten und Lausereien –, war diesen young men from the country strikt untersagt. Sie sollten sich an das »Objektive« halten und den Geist ihrem Meister überlassen. Unser Freund Dönniges galt gewissermaßen als Rebell, da er dem Ranke das Monopol des Geistes bestritt, wenigstens faktisch, und verschiedentlich ad oculos zeigte7, daß er so gut wie Ranke geborner »Kammerdiener« der »Geschichte« sei. Es wird mich nun wundern, was aus der von Lassalle zusammengebrachten Organisation8 werden wird. Herwegh, dieser platonische Freund der »Arbeit« und praktische »Musen«-Freund, ist nicht der Mann. Überhaupt ist alles, was darin an Unterführern war, rubbish9. Liebknecht schreibt mir, daß der Schulze-Delitzsch-Verein10 in Berlin nur noch 40 members zählt. Wie der Zustand überhaupt dort, daraus 1  militärischen Abenteurer und Revolutionäre in Glacéhandschuhen 2  Koblenz war in den Zeiten der Französischen Revolution Zentrum der monarchistischen Emigration. 3  Helene von Dönniges 4  Franz Alexander von Dönniges, Historiker und Diplomat 5  Durch die Karlsbader Beschlüsse von 1819 wurde festgelegt, kritische Studenten als Demagogen zu verfolgen. 6  Leopold von Ranke, Historiker 7  vor Augen führte 8  Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein, von Lasalle 1863 gegründet 9  Abfall 10  Allgemeiner Arbeiterverein in Berlin, vor dem Franz Schulze-Delitzsch Vorträge über Genossenschaftswesen hielt

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klar, daß unser Wilhelm Liebknecht a consequential political personage1 ist. Sollte Lassalles Tod die Kerle wie Schulze etc. zu Frechheiten gegen den Verstorbnen leiten, so ist nur zu wünschen, daß Lassalles offizieller Anhang sich so gebart, daß man in die Schranke treten kann, if necessary. Ich muß mich nun erkundigen, wer seinen brieflichen Nachlaß hat. Ich werde sofort injunction2 einlegen – da das Memoirenaasgesindel, die Ludmilla3 usw., sich ganz dicht um diesen Nachlaß herumkreiselt –, daß keine Zeile von mir oder Dir gedruckt wird.4 In Preußen kann man dies nötigenfalls gerichtlich erzwingen. Was Amerika angeht, so halte ich, entre nous, den gegenwärtigen Moment für sehr kritisch. Wenn Grant5 eine große Niederlage oder Sherman6 einen großen Sieg davon trägt, so all right. Gefährlich chronische Reihe kleiner checks, grade jetzt in der Wahlzeit. Ich bin ganz Deiner Meinung, daß bis jetzt Lincolns Wiederwahl ziemlich sicher ist, immer noch 100 gegen 1. Aber diese Wahlzeit ist in dem Musterland des Demokratenschwindels voll von Zufälligkeiten, die der Vernunft der Ereignisse (ein Ausdruck, den Magnus Urquhartus für ebenso verrückt hält als »the justice of a locomotive«) ganz unerwartet ins Gesicht schlagen können. Waffenstillstand scheint dem Süden sehr nötig zu sein, um ihn vor gänzlicher Erschöpfung zu retten.7 Er hat nicht nur in seinen nordischen Organen, sondern direkt in den Richmondorganen diesen cry zuerst aufgebracht, obgleich der »Richmond Examiner« ihn jetzt, wo er ein Echo in New York gefunden, mit Hohn den Yankees zurückwirft. Daß Mr. Davis8 sich entschlossen, die

1  eine passende politische Figur 2  gerichtliche Verwahrung 3  Ludmilla Assing, mit Lassalle befreundete liberale Schriftstellerin 4  Engels wollte Lassalles Erben mit Hinweis auf Marx’ Urheberrecht untersagen, dessen Briefe an Lassalle zu veröffentlichen. 5  Ulysses Grant, Nordstaaten-General, Erfinder der Forderung nach »unconditional surrender« 6  Thomas Sherman, Nordstaaten-General 7  Engels hielt einen Waffenstillstand im amerikanischen Bürgerkrieg für die einzige Chance der Südstaaten. 8  Jefferson Davis, Präsident der Konföderierten, der Südstaatler

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Soldatenneger als »Kriegsgefangne« zu behandeln – letzter offizieller Befehl von seinem Kriegsminister –, ist sehr charakteristisch. Lincoln hat große Mittel in seiner Hand, um die Wahl durchzusetzen. (Friedensvorschläge seiner Seite natürlich mere humbug.) Die Wahl eines Gegenkandidaten würde wahrscheinlich zu einer wirklichen Revolution führen. Aber bei alledem kann man nicht verkennen, daß für die kommenden acht Wochen, in denen sich die Sache zunächst entscheidet, viel vom militärischen Zufall abhängt. Seit Anfang des Kriegs ist dies unbedingt der kritischste Punkt. Ist dieser shifted1, dann kann old Lincoln blunder on2 nach Herzenslust. Übrigens kann der Alte unmöglich Generale »machen«. Minister könnte er schon besser wählen. Die Confederate papers3 attackieren aber ihre Minister ganz ebenso wie die Yankees die Washingtoner. Kömmt Lincoln – wie sehr wahrscheinlich – diesmal durch, so auf einer viel radikaleren platform und unter ganz changed circumstances. Der Alte wird dann, seiner juristischen Manier gemäß, radikalere Mittel mit seinem Gewissen vereinbar finden. Ich hoffe Dich morgen zu sehn! Gruß an Madame Lizzy. Einliegend Photogramm von Laura. Das von Jenny, das ich stündlich erwarte, leider noch nicht eingetroffen. Salut old boy. Dein K. M.

1  überwunden 2  Schnitzer machen 3  Zeitungen der Konföderierten

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Engels an Marx in London Manchester, 12. April 1865 Lieber Mohr, Gut, daß Du wieder da bist, der Lausekrakeel1 wird indes doch hoffentlich bald ein Ende erreichen. Inl. Briefe von Dronke und Borkheim2. Dem Letzteren hatte ich gesagt, wie es möglich sei, an einem Kolatschekschen großdeutschen Organ3 zu arbeiten, worin die Herrschaft Östreichs in Ungarn, Polen und Italien vertreten würde, wir würden uns ja sofort alle diese Freunde in den andern Ländern auf den Hals laden, daher diese unklare Antwort. Ich hatte mir wohl gedacht, daß die naive fraternité4 in der International Association nicht lange dauern würde. Wäre hier eine aktive politische Bewegung unter den Arbeitern, es würden auch dieselben splits5 vorkommen. Das Ding wird noch allerhand solche Phasen durchmachen und Dir viel Zeit kosten. Ist aber immer doch etwas ganz andres als der Lassallsche Verein. Ich mußte sehr lachen, als ich aus Wilhelmchens Brief sah, daß die offizielle Berliner Gemeinde dieses Vereins aus fünf Mann besteht, da neulich im »Social-Demokrat« ganz ernsthaft ein Bericht über die Verhandlungen dieser Leute stand, worin einer den andern gratulierte, daß sie so zahlreich erschienen seien. Ad vocem Cotton-Krisis6 sieht es hier ganz heiter aus. Baumwolle (middling Orleans) stand im Juli 31 3/4 d., wird vorigen Donnerstag 14 3/4 d. notiert, und ist heute, wenn man verkaufen will, kaum 14 d.

1  Streit in der Internationalen über das Selbstbestimmungsrecht kleinerer Völker 2  Sigismund Borkheim, Teilnehmer an der Revolution von 1848/49, betätigte sich in London als Journalist und als Kaufmann 3  Adolph Kolatscheck, demokratischer Journalist in Wien, Herausgeber von drei Zeitschriften 4  naive Brüderlichkeit 5  Streitigkeiten 6  Beim Thema Baumwoll-Krise

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wert. Also über die Hälfte depreziiert1. Am 30. Dez. war sie noch 27 d. wert, also 12 1/2 – 13 d. Fall in drei Monaten. Dazu Fall in Flachs, Wolle, Zucker und allen Imports generally, was einen Verlust von mindestens 40 – 50 Mill. Pfd. St. ausmacht. Daß da dem Philister das Grundeis in der Hose los wird, begreifst Du. In Liverpool wird schon gar nicht mehr falliert. Wer zahlungsunfähig wird, geht zu seinen Gläubigern (deren hat man dort meist nur ein paar), zeigt es ihnen an und offeriert ihnen soundso viel, was auch sofort immer akzeptiert wird, da man froh ist, nur etwas zu bekommen, und allen Skandal vermeiden muß, damit nicht das ganze verrottete Gebäude zusammenbricht. Solcher stillen Akkorde sollen Hunderte vorgekommen sein, und heute heißt es allbereits auch hier, daß einer der größten Stockporter Fabrikanten, der drei große Fabriken besitzt und allein in Cottonspeculation die letzten Jahre £ 200 000 verdient haben soll, soeben ein ähnliches stilles Arrangement getroffen hat. Das ist aber noch alles nichts. Die Wechsel, die von Indien gegen die weiße Baumwolle gezogen wurden, verfallen in den nächsten sechs Wochen, und außer Joyce werden da noch viele fliegen.2 In Schottland sind auch viele herum, und eines schönen Morgens muß die Reihe an die Banken kommen, und dann ist die Sache fertig. Dazu fallieren die Spinner und Fabrikanten in Östreich dutzendweise – in ganz Böhmen ist nur noch »der große Liebig« auf den Beinen, alle andern sind kaputt –, und in Polen fängt’s auch eben an. Die Industrie selbst wird wenig affiziert. Die Kleinen sind meist längst kaputt oder ganz still verdunstet, und die Großen können, wenn sie überhaupt Ordres bekommen, jetzt wieder mit einigem Nutzen arbeiten. Von ihnen gehen nur die kaputt, die schlechte Maschinerie haben oder die die Finger nicht von dem cotton haben lassen können. Auf sein Lager an Baumwollgarnen und -geweben verliert jeder. Auch wir können davon ein saures Liedchen singen, für mich speziell doppelt so sauer, als wenn es voriges Jahr abgeleiert worden wäre. 1  entwertet 2  Gemeint ist, dass außer dem Baumwollfabrikanten Joyce noch viele Fabrikanten in Schwierigkeiten geraten.

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Das hat man davon, wenn man Associé wird. Glorreich ist jetzt auch die Moralität des Kommerzes. Man kauft heute Ware, und bis zur Ablieferung ist sie 3, 4, 5 d. das Pfd. weniger wert. Das führt zu allerhand Schikanen und Repudiationen1, um nur diese verlustbringenden Kontrakte loszuwerden, und das gibt Dir eine Zänkerei und Krakeelkorrespondenz ohne Ende. Mir steht der Dreck bis an den Hals. Du hast von der Schreiberei und dem Ärger gar keine Vorstellung. Deine Frau hat doch die £ 3 bekommen? Inl. Schlußabrechnung, die £ 12 schick’ ich dieser Tage, es ist heute zu spät für eine Post Office Ordre. Beste Grüße. Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London, 31. Juli 1865 Lieber Engels, Mein verlängertes Schweigen kam, wie Du vielleicht geahnt hast, nicht aus den angenehmsten Gründen her. Ich bin schon seit zwei Monaten rein auf das Pfandhaus lebend und also mit gehäuften und täglich unerträglicher werdenden Sturmfordrungen auf mich. Dies fact kann Dich nicht wundernehmen, wenn Du erwägst: 1. daß ich während der ganzen Zeit keinen far­ thing verdienen konnte, 2. daß das bloße Abzahlen der Schulden und die Einrichtung des Hauses mich an 500 £ kostete. Ich habe darüber pence für pence (as to this item) Buch geführt, weil es mir selbst fabelhaft war, wie das Geld verschwand. Es kam hinzu, daß aus Deutschland, wo man verbreitet hatte, Gott weiß was, alle möglichen ante­ diluvianischen Forderungen gemacht wurden.

1  Zurückweisungen

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Ich wollte im Anfang zu Dir kommen, um die Sache persönlich zu besprechen. Aber in diesem Augenblick ist jeder Zeitverlust für mich unersetzlich, da ich meine Arbeit nicht gut unterbrechen kann. Ich habe letzten Samstag dem subcomité der »International« meine Abreise erklärt1, um wenigstens einmal 14 Tage ganz frei und ungestört zum pushing on der Arbeit zu haben. Ich versichre Dir, ich hätte mir lieber den Daumen abhauen lassen, als diesen Brief an Dich zu schreiben. Es ist wahrhaft niederschmetternd, sein halbes Leben abhängig zu bleiben. Der einzige Gedanke, der mich dabei aufrecht hält, ist der, daß wir zwei ein Compagniegeschäft treiben, wo ich meine Zeit für den theoretischen und Parteiteil des business gebe. Ich wohne allerdings zu teuer für meine Verhältnisse, und außerdem haben wir dies Jahr besser gelebt als sonst. Aber es ist das einzige Mittel, damit die Kinder, abgesehn von dem vielen, was sie gelitten hatten und wofür sie wenigstens kurze Zeit entschädigt wurden, Beziehungen und Verhältnisse eingehn können, die ihnen eine Zukunft sichern können. Ich glaube, Du selbst wirst der Ansicht sein, daß, selbst bloß kaufmännisch betrachtet, eine reine Proletariereinrichtung hier unpassend wäre, die ganz gut ginge, wenn meine Frau und ich allein oder wenn die Mädchen Jungen wären. Was nun meine Arbeit betrifft, so will ich Dir darüber reinen Wein einschenken. Es sind noch drei Kapitel zu schreiben, um den theoretischen Teil (die drei ersten Bücher) fertigzumachen. Dann ist noch das vierte Buch, das historisch-literarische, zu schreiben, was mir relativ der leichteste Teil ist, da alle Fragen in den drei ersten Büchern gelöst sind, dies letzte also mehr Repetition in historischer Form ist. Ich kann mich aber nicht entschließen, irgend etwas wegzuschicken, bevor das Ganze vor mir liegt. Whatever shortcomings they may have2, das ist der Vorzug meiner Schriften, daß sie ein artistisches Ganzes sind, und das ist nur erreichbar mit meiner Weise, sie nie drucken zu lassen, bevor sie ganz vor mir liegen. Mit der Jacob Grimmschen

1  Das subcomité war das Exekutivkomitee der Internationalen, das wöchentlich tagte. 2  Was auch die Mängel meiner Arbeit sein mögen

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Methode ist dies unmöglich1 und geht überhaupt besser für Schriften, die kein dialektisch Gegliedertes sind. Dagegen wird es sich anders mit der englischen Bearbeitung machen. Fox2 hat keinen Zweifel, daß er mir einen Buchhändler verschaffen kann, sobald ich die ersten Druckbogen zurück habe. Ich würde dann mit Meißner3 abmachen, daß er außer den Korrekturbogen mir von jedem Bogen den Reinabzug schickt, so daß die Korrektur des Deutschen und die Übersetzung ins Englische Hand in Hand gingen. Bei dem letztern muß ich allerdings auf Deine Mitwirkung rechnen. Ich erwarte von der englischen Ausgabe die eigentliche Zahlung dieser Arbeit. Was die »International« angeht, so verhält es sich damit so: Ich übermachte Cremer die £ 5 zum Aktienkauf im »Bee-Hive«4. Da aber Cremer, Odger etc. damals nach Manchester gingen, fiel die Sache ins Wasser, und Potter had the better of it5. Sie beschlossen, die Sache zu vertagen bis zur nächsten Aktionärversammlung (der eigentlich jährlichen). Ich glaube aber nicht, daß etwas aus der Sache wird. Erstens, weil inzwischen der Krakeel zwischen Odger und Potter zum öffentlichen Skandal geworden6. Zweitens, weil der »Miner and Workman’s Advocate« sich uns angeboten hat. (Apropos. In einer kürzlichen Zusammenkunft mit dem »Miner« verpflichteten wir uns, ihm Gratiskorrespondenzen zu schaffen. Wenn Du also Zeit hast, um hie und da einen kleinen Artikel über Foreign Politics (preußische etc.) zu schreiben, so schick es mir zur Besorgung an das Blatt.)

1  In der Vorrede seines 33-bändigen »Deutsches Wörterbuch« verwies Jacob Grimm darauf, dass er das Werk nur in Lieferungen herausbringe und es seinen Nachfolgern obliege, das Werk fortzusetzen. 2  Charles J. Fox, englischer Journalist 3  Otto Meißner, Verleger in Hamburg 4  Der Zentralrat der Internationalen versuchte vergeblich, die Aktienmehrheit der »Bee-Hive Newspaper« aufzukaufen. 5  zog den Vorteil daraus 6  Der Gewerkschaftsvertreter George Odger stritt mit dem Herausgeber der Zeitschrift »Bee-Heeve« George Potter über die Bedingungen des Ankaufs des Blatts durch die Internationale.

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Gemäß unsern Statuten1 sollte in diesem Jahr ein öffentlicher Con­ gress in Brüssel gehalten werden. Die Pariser, Schweizer und auch ein Teil der Hiesigen drangen mit Mord und Brand darauf. Ich seh’ unter den jetzigen Umständen – namentlich auch bei meinem Zeitmangel, für den Central Council2 die nötigen Papiere zu schreiben – nur Blamage dabei. Es ist mir, trotz vielen Widerstrebens von andrer Seite, gelungen, den öffentlichen Kongreß in Brüssel zu verwandeln in a private prealable Conference3 zu London (25. Sept.), wohin nur Delegates of the administrative committees4 kommen werden und wo der künftige Congress vorbereitet werden soll. Als öffentliche Gründe der Vertagung des Congresses angegeben: 1. Die Notwendigkeit eines prealable understanding5 zwischen den executive committees. 2. Die Hindernisse in der Propaganda der Gesellschaft durch die strikes in France, die Wahlen, Reformmovement und Workingmen’s exhibitions in England6. 3. Die alienbill, recently pressed in Belgien7, was Brüssel unmöglich macht als Rendezvous eines International Workingmen’s Congress. Ich sehe den »Social-Demokrat« nicht mehr, da ihn auch der Arbeiterverein8 abgeschafft hat. Den Nordstern halte ich auch nicht mehr, sehe ihn aber von Zeit zu Zeit im Verein. Die rheinischen Gemeinden waren danach der Hauptsache nach abgefallen von Bernhard9. Edgar10 ist grade in den jetzigen Umständen ein sehr kostspieliger Gast für uns und scheint durchaus nicht geneigt to decamp11. 1  Das Statut der Internationalen von 1864 sah das Abhalten von Jahreskongressen vor. 2  Der Generalrat der Internationalen war deren Hauptorgan. 3  Vorkonferenz 4  Delegierte der leitenden Komitees 5  Vorabsprachen 6  Zum 50. Jahrestag des Friedensschlusses zwischen Frankreich und England geplante »Arbeiteraussstellung« 7  unlängst verlängertes Gesetz zur Ausweisung unliebsamer Ausländer 8  Gemeint ist der Deutsche Arbeiter-Bildungsverein in London. 9  Bernhard Becker, Journalist, Mitglied des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins 10  Edgar von Westphalen, Marx’ Schwager 11  aufzubrechen

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Infolge des heißen Wetters und der damit verbundnen Gallenzustände habe ich seit drei Monaten wieder fast tägliches Erbrechen, wie früher in Brüssel. Salut. Dein K. M.

Marx an Engels in Manchester London, 5. August 1865 Lieber Engels, My best thanks for the £ 50 and die Raschheit, womit die Hilfe kam. Ich habe mich sehr amüsiert über den Teil Deines Briefs, der von dem »Kunstwerk« to be handelt. Du hast mich aber doch mißverstanden. Der einzige point in question ist, ob einen Teil des Manuskripts rein schreiben und an den Buchhändler schicken oder erst das Ganze fertig schreiben? Ich habe das letztere vorgezogen aus vielen Gründen. Es ist damit keine Zeit verlorengegangen, as far als die Arbeit selbst in Betracht kommt, wohl aber einige Zeit für den Druck, der andrerseits aber auch, einmal begonnen, jetzt in keiner Weise unterbrochen werden kann. Im übrigen ist, den Thermometerstand betrachtet, die Sache so rasch gefördert worden, als es irgend jemand, selbst ohne alle artistischen Rücksichten, möglich gewesen wäre. Da ich, besides, ein Maximumlimit von 60 Druckbogen habe, ist es absolut nötig, das Ganze vor mir zu haben, um zu wissen, wieviel zu kondensieren und streichen ist, um innerhalb der vorgeschriebnen Grenzen die einzelnen Teile gleichmäßig und proportionell zu haben. Sonst kannst Du Dich darauf verlassen, daß alles geschieht, um möglichst bald zu Ende zu kommen, denn das Zeug lastet auf mir wie ein Alp. Es hindert mich nicht nur, irgend etwas andres zu tun, sondern ist auch damnedly lästig, wenn das Publikum mehr oder minder mit Zukunftslorbeerkronen (zwar nicht von mir, aber doch von Liebknecht und an164

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dern) unterhalten wird. Und ich weiß dazu, daß die Zeit nicht immer so stillbleiben wird, wie sie grade jetzt ist. Eichhoff hat mir ein paar Zeilen geschrieben, war aber nicht bei mir aus Geschäftsdrang. In seinem Brief kündigte er einen Besuch Dronkes an (der gestern hier war), aber in einer so konfusen Weise, daß nicht aus dem scriptum klug zu werden. Das »Referat« hängt unserm poor Eichhoff 1 an wie seine Haut, und wird er durch keine Opera­tion davon zu trennen sein. Was sagst Du von Siebels2 patriotisch-liberal-poetischen Leistungen? Das Zeug scheint alles im dumpfsten Katzenjammer geschrieben. Es ist reiner Blödsinn und schlägt everything, was unser Freund früher geleistet hat. Der Versuch des »Social-Demokraten«, sich auf die bürgerliche Seite zu werfen, ist Zeichen vollständigsten Fiaskos, obgleich ich mit Dir die Ansicht teile, daß die ersten Aufrufe in Berlin nicht ohne Anstoß von der ministeriellen Seite erfolgt sind. Übrigens ist die andre Sekte der Lassallianer, die infolge unsrer Erklärung volte-face gegen den ›Social-Demokrat‹3 machten, auch ganz erbärmliches Gesindel. Die Kerls streiten sich nicht nur mit B. Becker und Konsorten, wer den wahren Glauben an Lassalle habe, sondern verschiedne Gemeinden derselben haben die von old Hatzfeldt inspirierte und direkt auf uns gemünzte Phrase drucken lassen, daß jeder für einen Verräter an dem »Volk« erklärt wird, der auch nur ein Tüttelchen an den von Lassalle offenbarten Wahrheiten umzustoßen oder zu ändern suche. Liebknecht habe ich seit sehr langer Zeit, trotz verschiedner Zettel, die er an mich schickte, noch nicht geantwortet, was ich jedoch jetzt tun will. Er ist jetzt einstweilen in Hannover, seine Frau noch in Berlin. Mein Schweigen rührte teils daher, daß ich sehr beschäftigt und außerdem mit meinen eignen troubles genug zu tun hatte. Andrer-

1  Der Schriftsteller Wilhelm Eichhoff wollte beim Brüsseler Kongress ein Referat halten. Später schrieb er eine Geschichte der Internationalen. 2  Carl Siebel, rheinischer Dichter, mit Marx befreundet, mit Engels entfernt verwandt 3  Nach der öffentlichen Kritik am »Sozial-Demokrat« machten auch die Lassalle­aner eine Kehrtwendung.

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seits war ich in der Tat wütend über ihn wegen des Blödsinns, den er über mich im Berliner Lassalleverein debütiert hatte1 und der in dem vom alten Saumensch durch einen gewissen Schilling (Farthing wäre der mehr passende Name) veröffentlichten Pamphlet-Wisch über die Ausstoßung B. Beckers aus besagtem Verein zu lesen steht2. Mit seinem gewöhnlichen Talent, aus Faulheit mit den Tatsachen unbekannt zu sein, schwatzt der Kerl den größten Blödsinn über das Bangya-Manuskript3, meine Vermittlung für den Becker quoad Wiener »Botschafter« etc. Und außerdem die ganze Art, wie er als mein »Patron« auftritt und mich darüber bei den Berliner Knoten4 »entschuldigt«, daß sie meine Arbeiten nicht kennen; überhaupt macht, als hätte ich bisher noch nichts in der aktiven Welt getan. Ich ließ daher einige Zeit verstreichen, um ihm keine Grobheiten zu sagen und mich dabei zu beruhigen, daß Liebknecht als Liebknecht funktionieren muß und daß seine Intentionen »gut« sind. Die 30 000 Mitglieder des Berliner »Altgesellenvereins«, ditto der dortige Buchdruckerverein, veranstalteten ihm bei seiner Ausweisung eine Art von Ovation. Mit seinem gewöhnlichen Optimismus sieht Wilhelmchen5 »das Berliner Proletariat zu meinen (nämlich seinen) und unsren (Du und ich) Füßen«. Dabei hat er es nicht fertiggebracht, für die International Association auch nur eine Branche von sechs Mann in Deutschland zu bilden, obgleich dieser Sanguiniker6 doch einsehn muß, daß ich seine delusions nicht als bare Münze bei den Engländern verausgaben kann. Er schrieb mir auch beständig wegen meinem »Buch«. Aber sooft ich ihm »Bücher« schickte (erst sämtlichen Rest von »Vogt«, dann 1  Wilhelm Liebknecht hatte in einem Vortrag vor der Berliner Gemeinde des ADAV Marx und Lassalle als Partner dargestellt. 2  Carl Schilling: »Die Ausstoßung des Präsidenten Bernhard Becker aus dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein und der ›Social-Demokrat‹«, Berlin 1865 3  Das von dem Ungarn János Bangya unterschlagene und an die preußische Polizei verkaufte Manuskript des Pamphlets von Karl Marx und Friedrich Engels, »Die großen Männer des Exils« von 1852, wurde erst Jahrzehnte später aus dem Nachlass veröffentlicht. 4  Gruppe Berliner Sozialisten 5  Wilhelm Liebknecht 6  Gemütsmensch

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den sämtlichen Rest der »Kommunistenprozesse«) auf seinen sanguinischsten Wunsch, und sobald er sie erhalten, habe ich nie mehr eine Sterbenssilbe davon gehört. – Herr Groote, Fortschrittlerdeputierter für Düsseldorf, hat ihm geschrieben, daß sein Auftreten in Berlin mehr genützt habe als das von 100 Fortschrittsdeputierten. Edgar hat sich in der letzten Zeit eine Verkältung zugezogen, die ihm in die Nase gestiegen ist, die ganz Bardolph1-mäßig infolge dieses accidents aussieht. Ich habe während des warmen Wetters beständig Tag und Nacht bei offnem Fenster gearbeitet. Folge: ein Rheumatismus im rechten Arm, speziell Schulterblatt, der sehr schmerzlich und mir das Schreiben, namentlich aber jede Hebebewegung erschwert. Wie eklich die Sache, kannst Du daraus sehn, daß ich instinktiv schreie, wenn ich in Ungedenken nachts im Bett den Arm hebe. Weiß Gumpert irgendein nostrum hierfür? Du weißt wohl, daß der würdige Gottfried Kinkel, bei dem Turnerfest in Paris, die ihm von einem Juden, der präsidierte, gereichte Lorbeerkrone abwies mit den Worten »Ich will keine Krone, auch keine Lorbeerkrone«, zugleich aber zufügte in ziemlich ungeschmückten Worten, daß er seine Ansprüche auf die Präsidentur der deutschen Republik, das »Amt«, das ihm zukomme, noch keineswegs aufgegeben. Der »Nordstern« verhöhnte ihn ganz gut sowohl über dieses Melodramatische als über seinen ganzen speech, der grundgemein war. Das Fest begann mit Toast auf Badinguet2. Wo ist Strohn? Vergiß nicht, sobald Du Lust und Muße, etwas »Kontinentales« mir für den »Miner« zu senden. Besten Gruß an Dich von der ganzen family und von mir an Mrs. Lizzy. Dein K. Marx

1  Anspielung auf »Bardolph«, Figur in mehreren Shakespeare-Dramen, die ständig Schnupfen hat, aufgeregt und mit Karbunkeln übersät ist. 2  Spitzname für Napoleon III.

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Engels an Marx in London Manchester, 25. Juli 66 Lieber Mohr, Ich denke, Du hast die Noten jetzt richtig erhalten, ich muß in der Zerstreutheit den Zettel statt ihrer eingelegt haben, auf dem ich mir die Nr. notiert hatte. Die Noten selbst hatte ich unter den Deckel meiner Schreibmappe geschoben, wo ich sie auch fand, nachdem ich mich von der ersten Überraschung Deines Telegramms erholt hatte. Hoffentlich waren sie noch rechtzeitig. Die Geschichte in Deutschland scheint mir jetzt ziemlich einfach. Von dem Augenblick an, wo Bismarck den kleindeutschen Bourgeoisplan1 mit der preußischen Armee und so kolossalem Sukzeß durchführte2, hat die Entwicklung in Deutschland diese Richtung so entschieden genommen, daß wir ebensogut wie andre das fait accompli3 anerkennen müssen, we may like it or not. Was die nationale Seite der Sache angeht, so wird Bismarck jedenfalls das kleindeutsche Kaisertum in dem von den Bourgeois beabsichtigten Umfang, d. h. inkl. Südwestdeutschland, herstellen, denn die Redensarten von der Mainlinie und von der optional South German separate ­confede­racy sind jedenfalls nur für die Franzosen berechnet4, und inzwischen marschieren die Preußen auf Stuttgart. Die deutsch-östreichischen Provinzen werden diesem Reich übrigens in nicht gar langer Zeit auch zufallen, sintemal Östreich jetzt ungarisch werden muß und die Deutschen die dritte Nation im Reich werden – noch unter den Slawen. Politice wird Bismarck genötigt sein, sich auf die Bourgeoisie zu stützen, die er gegen die Reichsfürsten braucht. Vielleicht nicht in die1  kleindeutsche Einigung unter Preußens Hegemonie und unter Ausschluss Österreichs 2  Gemeint ist der preußisch-österreichische Krieg von 1866. 3  vollendete Tatsache 4  Bismarck hatte den Norddeutschen Bund an der Mainlinie enden lassen, um Frankreich von einer Intervention abzuhalten, gleichwohl war die kleindeutsche Reichseinigung (ohne Österreich) sein Ziel.

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sem Augenblick, da jetzt noch das Prestige und die Armee hinreichen. Aber schon um sich vom Parlament die nötigen Bedingnisse für die Zentralgewalt zu sichern, muß er den Bürgern etwas geben, und der natürliche Verlauf der Sache wird ihn oder seine Nachfolger immer zwingen, wieder an die Bürger zu appellieren; so daß, wenn Bismarck auch möglicherweise jetzt den Bürgern nicht mehr gibt, als er eben muß, er doch in das Bürgerliche mehr und mehr hineingetrieben wird. Die Sache hat das Gute, daß sie die Situation vereinfacht, eine Revolution dadurch erleichtert, daß sie die Krawalle der kleinen Hauptstädte beseitigt und die Entwicklung jedenfalls beschleunigt. Am Ende ist doch ein deutsches Parlament ein ganz andres Ding als eine preußische Kammer. Die ganze Kleinstaaterei wird in die Bewegung hineingerissen, die schlimmsten lokalisierenden Einflüsse hören auf, und die Parteien werden endlich wirklich nationale, statt bloß lokale. Der Hauptnachteil ist die unvermeidliche Überflutung Deutschlands durch das Preußentum, und das ist ein sehr großer. Dann die momentane Abtrennung Deutsch-Östreichs, die ein sofortiges Vorschreiten des Slawischen in Böhmen, Mähren, Kärnten zur Folge haben wird. Gegen beides ist leider nichts zu machen. Wir können also meiner Ansicht nach gar nichts andres tun, als das Faktum einfach akzeptieren, ohne es zu billigen, und die sich jetzt jedenfalls darbieten müssenden größeren Facilitäten zur nationalen Organisation und Vereinigung des deutschen Proletariats benutzen, soweit wir können. Daß brother Liebknecht sich in eine fanatische Östreicherei hineinreiten würde, brauchte mir Stumpf nicht zu schreiben, das konnte gar nicht anders sein. Er hatte übrigens in der »Neuen Frankfurter Zeitung« ganz unverkennbare Wutkorrespondenzen aus Leipzig. Diese fürschtenmörderische Blindsche »N. F. Zeitung« war so weit gekommen, daß sie den Preußen ihre schändliche Behandlung des »ehrwürdigen Kurfürsten von Hessen« vorwarf und für den armen blinden Welfen schwärmte! Im »Guardian« nichts mehr geschrieben. Dein F. E. Beste Grüße an die ladies. 169

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Marx an Engels in Manchester London, 8. Nov. 1866 Lieber Engels, Mein Schweigen wird Dir aufgefallen sein. Ich glaubte, der Empfang der £ 5 sei Dir angezeigt, da Laura es übernommen hatte, aber, wie sich später herausstellte, zu tun vergaß. Im übrigen waren es verzweifelte Umstände, die mich vom Schreiben abhielten. Du weißt, daß die 10 £, die Du mir vor Deiner Abreise schicktest, nur für Steuerzahlungen waren, die späteren 50 £ für Hausrente. Ich befinde mich also seit Monaten blank. Die sog. Erbschaft fand sich wenigstens unter 20 Leute verteilt, und so kam mir für meinen Teil Anfang Sommer – 80 Taler! zu. Meine Versuche, Geld in Deutschland oder Holland aufzutreiben, sind alle gescheitert. Das Pfandhaus (und meine Frau hat so sehr alles versetzt, daß sie selbst kaum ausgehn kann) erinnert an sich nur noch durch die Zinsen, die es verlangt. Ich hatte daher, wie in der schlechtesten Flüchtlingszeit, kleine Summen rechts und links in London zu pumpen – und dies in einem beschränkten und selbst mittellosen Kreis –, um auch nur die allernötigsten baren Ausgaben zu machen. Andrerseits sind die Hauslieferanten drohend, und ein Teil hat den Kredit aufgekündigt und mit Gericht gedroht. Diese Zustände umso fataler, als Lafargue1 (bis vor seiner Abreise nach Bordeaux vor einigen Tagen) fortwährend im Haus und der real state of things ihm ängstlich verborgen werden mußte. Ich bin durch alles das nicht nur sehr in der Arbeit unterbrochen worden, sondern habe mir auch, da ich die bei Tag verlorene Zeit bei Nacht wieder aufmachen wollte, einen schönen Karbunkel nicht weit vom penis wieder zugezogen. Ich weiß nun, daß Du alles in Deinen Kräften und mehr getan hast. Aber es muß Rat irgendeiner Art geschaffen werden. Ist nicht die Aufnahme eines loan oder irgendeiner derartigen Transaktion möglich? Salut. Dein K. M. 1  Paul Lafargue, französischer Sozialist und Marx’ Schwiegersohn

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Marx an Engels in Manchester London, 19. Jan. 1867 Lieber Engels, Meißner, nach langem Schweigen, das er mit Überbeschäftigung entschuldigte, schrieb mir, mein Plan1 »sei ihm nicht recht«. 1. wolle er die zwei Bände auf einmal fertig in Hand haben; 2. nicht nach und nach drucken, da er per Tag einen Druckbogen liefern und mir nur die letzte Korrektur (Revision) lassen wolle. Ich antwortete ihm, ad 2 sei mir das gleichgültig, da er in kurzer Zeit das ganze Manuskript von Band 12 haben könne. Fange er später an zu drucken und drucke umso rascher, so bleibe sich das gleich. Er möge aber wohl bedenken, ob bei einem Buch mit so vielen Randnoten in verschiednen Sprachen die Art Korrektur, wie er sie wolle, ohne große Verunstaltung durch Druckfehler, zulässig. Ad 1 so sei das unmöglich ohne lange Verzögrung der ganzen Sache, auch keineswegs in unsrem Kontrakt abgemacht. Ich setzte ihm die verschiednen Gründe auseinander, habe aber noch keine Antwort. Ich kann mich auf den zweiten Band, von der Verzögrung abgesehn, um so weniger einlassen, als ich nach Erscheinen des ersten meiner Gesundheit wegen Pause machen und überhaupt nach dem Kontinent muß, um zu sehn, ob ich meine Verhältnisse in irgendeiner Weise regeln kann. Diese werden täglich schlimmer und alles droht mir über dem Kopf zusammenzubrechen. Der Bäcker allein hat 20 £ zu fordern und alle Teufel von Metzger, Grocer, Taxes usw. Um das Ganze zu verschönern, erhalte ich vor einiger Zeit einen Brief von einem Mr. Burton in Torquay, worin dieser mir anzeigt, er habe das Haus von Sawyers gekauft, und mich 1. wegen der rückständigen Rente für letztes quarter3 tritt, 2., da März mein Kontrakt zu Ende, mich auffordert zu erklären, ob ich das Haus weiter nehmen will, sei es für länge1  Marx’ Plan für die Veröffentlichung des »Kapital« 2  des »Kapital« 3  Vierteljahr

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re lease, sei es jährlich.1 Ich antwortete zunächst nicht. Darauf erhalte ich gestern zweiten Brief, ich müsse mich erklären, da sonst sein »agent« Schritte tun müsse wegen Vermietung an andre. So in a fix. Was das Körperliche betrifft, so seit einigen Wochen besser, ein paar kleine Karbunkel an linker Lende, aber unbedeutend. Nur schreckliche Schlaflosigkeit, die mich sehr restless macht, aber wohl mehr psychische Gründe hat. Thanks für den Rogers2. Sehr viel Material darin. Was die strikefrage oder wenigstens dispute der weavers in Manchester angeht, so wäre es mir lieb, wenn Du den state of affairs mir präzis schriebst, da ich es noch aufnehmen kann. Politik eingefroren und selbst für den russischen Bär3 zu kalt. Die Preußen mit ihrer schwarz-weiß-roten Fahne gut! Besten Gruß an Mrs. Lizzy. Was sagt Gumpert von Moilin4? Dein K. M.

Marx an Engels in Manchester London, 2. April 1867 Lieber Engels, Ich hatte mir vorgenommen, Dir nicht zu schreiben, bis ich Dir das Fertigsein des Buches anzeigen könnte, was jetzt der Fall ist. Ich wollte Dich auch nicht mit den Ursachen des abermaligen Aufschubs, nämlich Karbunkeln am Hintern und in der Nähe des penis, deren letzte Reste jetzt verblühn und die mir nur unter großen Schmerzen sit-

1  Marx war mit der Miete im Rückstand und der Mietvertrag zeitlich ausgelaufen. Der Vermieter wollte wissen, wie es weitergehen solle. 2  James E. T. Rogers: »A History of Agriculture and Prices in England«, Oxford 1866 3  Russland 4  Jules A. Moilin, Arzt und Autor sozialpolitischer Schriften in Paris

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zende Position (also schreibende) erlaubten. Arsenik nehm ich nicht, weil es mich zu dumm macht und ich wenigstens für die Zeit, wo das Schreiben möglich war, den Kopf beisammen haben mußte. Ich muß nächste Woche selbst mit dem Manuskript nach Hamburg. Der Ton des letzten Briefs des Herrn Meißner gefiel mir nicht. Dazu erhielt ich gestern einliegenden Wisch von Borkheim. Ich habe alle Ursache zu glauben, daß der »kontinentale Freund«1 Herr Geheimrat Bucher ist. Borkheim hatte ihm nämlich einen Brief, den er mir vorlas, geschrieben, von wegen seiner Reiseverhältnisse nach Schlesien, wo er in Familienangelegenheiten hin will. Bucher hat ihm unmittelbar geantwortet. Ich wittere also hinter diesen canards2 eine Intrige und muß dem Meißner das Messer persönlich auf die Brust setzen. Sonst wäre der Kerl imstand, mein Manuskript (ungefähr 25 starke Druckbogen, wie ich rechne) zurückzuhalten und zugleich nicht drucken zu lassen unter dem Vorwand, den zweiten Band »abwarten« zu wollen. Ich muß nun d’abord meine Kleidungsstücke und Uhr, die im Pfandhaus wohnen, herausnehmen. Ich kann auch kaum meine Familie im jetzigen Zustand verlassen, wo sie sans sou und die Gläubiger täglich unverschämter werden. Endlich, damit ich das nicht vergesse, alles Geld, was ich für Lauras Champagnerkur3 ausgeben konnte, habe ich den Weg alles Fleisches gesandt. Sie muß jetzt Rotwein haben, und besseren als ich kommandieren kann. Voilà la Situation. Unsere »International« hat einen großen Sieg gefeiert. Wir verschafften den auf Strike befindlichen Pariser Bronzeworkern4 Geldunterstützung von den London Trade-Unions5. Sobald die Meister das sahen, gaben sie nach. Die Sache hat viel Lärm in den französischen Blättern gemacht, und wir sind jetzt in Frankreich eine etablierte Macht.

1  vorsichtige Umschreibung für Eugen Bucher, der erst Emigrant und später Mit­ arbeiter Bismarcks wurde 2  Märchen 3  Champagnerkuren galten im 19. Jahrhundert als Heilmittel. 4  Streik von Pariser Metallarbeitern für feste Lohntarife 1867 5  Londoner Gewerkschaften

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Die Luxemburger Affäre1 scheint mir zwischen Bismarck und Bonaparte abgekartet. Möglich, aber nicht wahrscheinlich, daß der erstre sein Wort nicht halten kann oder will. Die russische Einmischung in die deutschen Verhältnisse ist sonnenklar: 1. daraus, daß der Württembergische Vertrag mit Preußen schon am 13. August vor allen andern geschlossen war; 2. aus Bismarcks Auftreten mit Bezug auf die Polen. Die Russen sind tätiger als je.2 Zwischen Frankreich und Deutschland brocken sie die Suppe ein. Östreich ist an sich hinreichend gelähmt. Den Herrn Engländern wird in den United States aufgespielt werden. Salut. Dein K. M.

1  Luxemburg gehörte bis 1866 zum Deutschen Bund, 1867 verzichtete Bismarck auf die Eingliederung Luxemburgs in den Norddeutschen Bund, das Herzogtum wurde für neutral erklärt. 2  Preußen und Russland versuchten, die Unabhängigkeitsbestrebungen der polnischen Nation gewaltsam zu unterdrücken.

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Engels an Marx in London Manchester, 4. April 1867 Lieber Mohr, Hurra! Dieser Ausruf war irrepressibel, als ich endlich schwarz auf weiß las, daß der 1. Band fertig ist und Du gleich damit nach Hamburg willst. Damit der Nervus Rerum1 nicht fehlt, schicke ich Dir inl. sieben halbe Fünfpfundnoten, zusammen £ 35, und gebe die zweiten Hälften gleich nach Empfang des gewöhnlichen Telegramms auf. Den Wisch von Bucher2 – von diesem ist er sicher – laß Dich nicht grämen. Preußisches Polizeigeschwatz und Literatenklatsch von der Couleur der neulichen Polenreisengeschichte. Ich lege Dir einen Zettel bei an Meißner, damit Du auch mein Honorar3 erheben kannst. An der Allianz zwischen Bismarck und den Russen ist auch nicht mehr der entfernteste Zweifel. So teuer haben die Russen aber ihre preußische Allianz noch nie erkaufen gemußt, ihre ganze traditionelle Politik in Deutschland mußten sie zum Opfer bringen, und wenn sie nach gewohnter Weise sich diesmal einbilden sollten, das sei nur »momentan«, so könnten sie sich doch höllisch schneiden. Die deutsche Einheit scheint schon jetzt trotz Reichsheulerei etc. sich darauf anzulassen, dem Bismarck und den gesamten Preußen über den Kopf zu wachsen. Umso rascher müssen sie im Orient voranmachen – die Russen nämlich4  –, die jetzige günstige Konstellation währt sicher nicht lange. Aber wie groß muß die Finanznot und wie schwerfällig der industrielle Fortschritt, s’il y en a5, in Rußland sein, daß die Kerle noch immer, elf Jahre nach dem Krimkrieg, keine Eisenbahn nach 1  der Lebensnerv 2  Lothar Bucher hatte wiederholt im Auftrag Bismarcks versucht, Marx als freien Mitarbeiter für die »Preußische Staatszeitung« zu gewinnen. 3  Honorar für Friedrich Engels’ Schrift »Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei« 4  Bismarck unterstellte Russland, das Osmanische Reich anzugreifen, um über den Bosporus nach Kleinasien vorzudringen. 5  wenn es ihn überhaupt gibt

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Odesssa und Bessarabien haben, die ihnen jetzt zwei Armeen aufwöge! Ich glaube daher auch, daß es noch dies Jahr zum Klappen kömmt, wenn den Russen alles gut geht. Die Luxemburger Geschichte scheint denselben Verlauf zu nehmen wie die von Saarlouis und Landau.1 Bismarck hatte es gewiß 1866 zum Verkauf angeboten, aber Louis scheint damals wirklich nicht zugegriffen zu haben in der Hoffnung, später noch weit mehr geschenkt zu bekommen. Wie ich positiv weiß, hat der preußische Gesandte Bernstorff vor ein paar Tagen zu dem hanseatischen ditto (Geffcken) in London gesagt, er habe eine Depesche erhalten, wonach Preußen in der luxemburgischen Angelegenheit unter keinen Umständen nachgeben werde. Es ist dies dieselbe Depesche, von der die »Owl« spricht, daß sie England auffordre, im Haag Vorstellungen zu machen, und die auch den Erfolg gehabt haben sollen, daß Holland sich vom Handel zurückgezogen habe. Die Sache ist die, daß in der jetzigen Lage Bismarck auch nicht im entferntesten den Franzosen erlauben darf, deutsches Gebiet zu annexieren, ohne seine ganzen Errungenschaften lächerlich zu machen. Dazu hat der alte Esel Wilhelm doch auch einmal das Wort von »nicht einem deutschen Dorf« ausgesprochen und ist persönlich engagiert. Indes ist es noch keinenfalls sicher, daß der Handel nicht doch noch zustande kommt; die »Kölnische Zeitung« schreit ordentlich krampfhaft, man könne doch wegen Luxemburg keinen Krieg anfangen und man habe gar kein Recht drauf, Luxemburg sei nicht mehr zu Deutschland zu rechnen usw., so hundsföttisch wie noch nie. Bismarck ist zwar kein Faust, aber er hat doch seinen Wagener2. Die Art, wie dieser arme Schlucker seinen Herrn und Meister ins Wagnersche übersetzt, ist zum Totlachen. Neulich hatte Bismarck wieder ein Pferdegleichnis gebraucht, und um ihm auch hierin nachzustreben, schreit Wagener am Schluß einer Rede: Meine Herren, hören wir auf, unsre Steckenpferde zu reiten, und besteigen wir die edle Voll1  Bismarck weigerte sich, linksrheinische Gebiete an Napoleon III. abzutreten. Saarlouis und Landau waren seit 1815 preußisch. 2  Hermann Wagener, konservativer Politiker, Journalist und Beamter in Preußen

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blutstute Germania!1 Montez Mademoiselle2, sagten die Pariser zur Schreckenszeit. Hoffentlich sind Deine Karbunkel jetzt ziemlich heil und wird die Reise dazu beitragen, sie ganz verschwinden zu machen. Diesen Sommer mußt Du mit diesem Kram fertig werden. Viele Grüße an die ladies und Lafargue. Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester Hamburg, 13. April 1867 Lieber Fred, Gestern 12 Uhr mittag kam ich hier an. Das Schiff verließ London Mittwoch, acht Uhr morgens. Du siehst darin die ganze Geschichte der Seereise. Höchst tolles Wetter und Sturm. Mir war, nach dem langen Verschluß, dabei so kannibalisch wohl als wie 500 Säuen. Doch wäre die Sache auf die Dauer ennuyant geworden mit all dem kranken und abfallenden Gesindel rechts und links, hätte nicht ein gewisser nucleus Stich gehalten3. Das war ein sehr »gemischter« Kern, viz. ein deutscher Schiffskapitän, der Dir im Gesicht sehr ähnlich, aber kleiner Kerl, er hatte auch viel von Deinem Humor und dasselbe gutmütig frivole Zwinkern des Auges; ein Londoner Viehhändler, echter John Bull, bovine in every respect4; ein deutscher Uhrmacher aus London, netter Bursche; ein Deutscher aus Texas; und, die Hauptperson, ein Deutscher, der seit 15 Jahren sich herumtreibt im Osten von 1  Anspielung auf einen Satz des konservativen Abgeordneten Wagener, der den Bismarck-Satz: »Setzen wir Deutschland in den Sattel! Reiten wird es schon können« abwandelte in den Vergleich mit dem Steckenpferd. 2  »Besteigen Sie die Mademoiselle« – die Guillotine wurde in der Revolutionszeit ›Mademoiselle‹ genannt. 3  wäre nicht ein gewisser Kern standhaft geblieben 4  Engländer John Bull, in jeder Beziehung bullenhaft

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Peru, einer erst kürzlich geographisch registrierten Gegend, wo u. a. noch tüchtig Menschenfleisch verspeist wird. Ein toller, tatkräftiger und lustiger Bursche. Er hatte sehr wertvolle Sammlung bei sich von Steinäxten usw., die in den »Höhlen« gefunden zu sein verdienten. Als Anhang eine Frauensperson (die andern Damen alle seasick und kotzend in der Damencabin), alter Gaul mit zahnlosem Maul, hännöversch fein sprechend, Tochter eines urahnenligen hannoverschen Ministers, von Baer oder so was, jetzt seit lange Menschenabrichterin, Pietistin, Arbeiterlage hebend, bekannt mit Jules Simon, voll Seelenschöne, womit sie unsern bovine friend tot ennuyierte1. Well! Donnerstag abend, wo der Sturm am schlimmsten, so daß alle Tische und Stühle tanzten, kneipten wir en petit comité, während »das« alte weibliche Gaul auf einem Kanapee lag, wovon die Bewegung des Schiffs sie von Zeit zu Zeit in die Mitte der Cabin – um sie zu zerstreuen ein wenig – auf den Boden trollte. Was hielt diese Schöne unter diesen erschwerenden Umständen gefesselt? Warum verzog sie sich nicht ins Frauengemach? Unser deutscher Wilde erzählte mit wahrem Gusto alle Geschlechtsschweinereien der Wilden. Voilà le charme für die Zarte, Reine, Feine. Ein Beispiel: Er ist begastet in einer Indianerhütte, wo grade denselben Tag die Frau niederkommt. Die Nachgeburt wird gebraten und – höchster Ausdruck der Gastfreundschaft – er hat ein Stück von dem sweetbread mitzugenießen! Gleich nach unsrer Ankunft geh’ ich zu Meißner. Kommis2 sagt mir, daß er vor drei Uhr (nachmittag) nicht zurück. Ich ließ meine Karte da und lud Herrn Meißner zum Diner bei mir ein. Er kam, hatte aber noch einen andern bei sich und wollte, ich solle mit ihm gehn, da seine Frau ihn erwarte. Ich schlug das ab, kam aber überein, daß er mich sieben Uhr abends besuchen sollte. Er sagte mir en passant, daß Strohn wahrscheinlich noch in Hamburg. Ich ging also zu Strohns Bruder. Unser Mann the verysame morning nach Paris gereist. Also abends kam Meißner. Netter Kerl, obgleich etwas sächselnd, wie sein

1  bullenhaften Freund zu Tode langweilte 2  Sein Mitarbeiter

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Name andeutelt. Nach kurzem Pourparler1 all right. Manuskript sofort in sein Verlagshaus gebracht, dort in safe gesteckt. Der Druck wird in a few days beginnen und rasch vonstatten gehn. Wir kneipten dann, und er erklärte sein großes »Entzücken«, meine werte Bekanntschaft gemacht zu haben. Er will jetzt, daß das Buch in drei Bänden erscheint. Er ist nämlich dagegen, daß ich das letzte Buch (den geschichtlichliterarischen Teil) konzentriere, wie ich es vorhatte. Er sagt, buchhändlerisch und für die »flache« Lesermasse rechne er grade am meisten auf diesen Teil. Ich sagte ihm, in dieser Hinsicht ihm zur Verfügung zu stehn. At all events, haben wir in Meißner einen Mann ganz zu unsrer Disposition; er hat große Verachtung für das sämtliche Lumpenliteratenpack. Deine little bill2 fand ich klug, noch nicht zu präsentieren. Die angenehmsten Überraschungen immer für den Schluß. Und nun Adio, old boy. Dein K. Marx Best Compliments to Mrs. Burns!

1  Gespräch 2  kleine Rechnung

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Marx an Engels in Manchester Hannover, 24. April 1867 Lieber Fred, Ich bin seit acht Tagen hier als Gast des Dr. Kugelmann. Ich bin nämlich gezwungen, in Hamburg oder dicht bei Hamburg zu bleiben von wegen des Drucks. Die Sache hängt so zusammen. Meißner, der die Geschichte in vier bis fünf Wochen fertig haben will, kann nicht in Hamburg drucken lassen, weil weder die Zahl der Drucker noch die Gelehrsamkeit der Korrektoren hinreichend. Er druckt daher bei Otto Wigand (rather dessen Sohn, da der alte renommierende Hund nur noch nominell bei dem Geschäft beteiligt). Heut vor acht Tagen schickte er das Manuskript nach Leipzig. Er wünscht nun, daß ich zur Hand bin, um die ersten zwei Druckbogen zu revidieren und zugleich zu entscheiden, ob der Schnelldruck mit einmaliger Revision meinerseits »möglich« ist. In diesem Fall wäre die ganze Geschichte fertig in vier bis fünf Wochen. Nun ist aber die Osterwoche dazwischen­ gekommen. Wigand jr. schrieb an Meißner, daß er erst Ende dieser Woche anfangen kann. Auf Kugelmanns dringende Einladung bin ich also (was auch aus ökonomischen Gründen besser) hierhingegangen für das Interim. Ehe ich nun über »Hiesiges« spreche, nicht zu vergessen dieses: Meißner wünscht und fordert Dich durch mich auf, daß Du eine Warnung gegen Rußland, zugleich zu deutschem und französischem Besten schreibst. Er wünscht, wenn Du’s übernimmst, die Sache rasch. Es ist ihm aber lieber, wenn Du mehr als weniger Bogen schreibst, da ganz kleine Pamphlete buchhändlerisch nicht ziehn. Über die Bedingungen könntest Du ihm bei Übersendung des Manuskripts schreiben, da, wie er sagt, Ihr Euch über den Punkt nicht veruneinigen würdet. Du könntest Dich »ganz gehnlassen«, da Meißner durchaus keine Rücksichten zu nehmen für nötig hält. Also von Hannover. Kugelmann ist ein sehr bedeutender Arzt in seinem Spezialfach, nämlich als Gynäkolog. Virchow und die sonstigen Autoritäten (worunter ein gewisser Meyer in Berlin), früher v. Siebold in Göttingen und 180

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vor seinem Verrücktwerden Semmelweis in Wien in Korrespondenz mit ihm. Wenn hier ein schwieriger Fall in diesem Fach, wird er stets als Konsultierender zugezogen. Zur Beschreibung des Fachneids und der Lokaldummheit erzählt er mir, daß er hier erst ausgekugelt, d. h. nicht in die Gesellschaft der Ärzte zugelassen, weil »Gynäkologie« eine »unmoralische Schweinerei« sei. Kugelmann hat auch viel technisches Talent. Er hat eine Masse neuer Instrumente in diesem Fach erfunden. Kugelmann ist zweitens ein fanatischer (und mir zu westfälisch bewundernder) Anhänger unsrer Doktrin und unsrer beiden Personen. Er ennuyiert mich manchmal mit seinem Enthusiasmus, der seinem in der Medizin kalten Wesen widerspricht. Aber er versteht, und er ist grundbrav, rücksichtslos und aufopferungsfähig, was die Hauptsache ist, überzeugt. Er hat eine nette kleine Frau und eine Tochter von acht Jahren, die allerliebst ist. Er besitzt eine viel beßre Sammlung unsrer Arbeiten, als wir beide zusammengenommen. Hier fand ich auch die »Heilige Familie« wieder, die er mir geschenkt hat und wovon er Dir ein Exemplar schicken wird. Ich war angenehm überrascht, zu finden, daß wir uns der Arbeit nicht zu schämen haben, obgleich der Feuerbachkultus1 jetzt sehr humoristisch auf einen wirkt. Das Volk und in der Hauptstadt Hannover selbst die Bourgeoisie sind extrem preußenfeindlich (ditto in Kurhessen) und äußern ihre Gesinnung bei jeder Gelegenheit. Sie sprechen offen ihren Wunsch – nach den Franzosen aus. Sie sagen, wenn man ihnen bemerkt, das sei unpatriotisch: »Die Preußen taten ganz dasselbe. Als sie hier durchrückten, renommierten sie mit der französischen Hilfe, die Offiziere an der Spitze, – im Notfall.« Wehners Vater ist hier sehr geachtet, gilt auch als Welfe2. Bismarck schickte mir gestern einen seiner Satrapen3, den Advokaten Warnebold (dies unter uns). Er wünscht mich und »meine

1  Der Philosoph Ludwig Feuerbach bekannte sich im Alter zur Sozialdemokratie. 2  Als Welfen galten nach 1866 die Anhänger des von Preußen annektierten Königreichs Hannover. 3  Bediensteten

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großen Talente im Interesse des deutschen Volks zu verwerten«. Von Bennigsen1 wird »mir« morgen aufwarten. Wir zwei haben doch eine ganz andere Stellung in Deutschland, namentlich unter dem »gebildeten« Beamtentum, als wir wissen. So z. B. der Vorsteher des hiesigen statistischen Büros, Merkel, besuchte mich und sagte mir, er habe jahrelang über die Geldgeschichten vergebens studiert, und ich habe sofort die Sache ein für allemal ins klare gebracht. »Ihr Dioskur Engels«, sagte er mir, »ist kürzlich von meinem Fachgenossen Engel in Berlin vor der königlichen Familie anerkannt worden.« Dies sind Lappalien, aber sie sind wichtig für uns. Unser Einfluß auf dies Beamtentum ist größer als auf die Knoten. Ich war auch eingeladen bei der Gesellschaft der »Europäer«. So nennt man hier die preußenfeindlichen, norddeutschlichen Nationalvereinler. Esel! Auch der Chef (Hauptchef, sagt Stieber) des hiesigen Eisenbahnwesens hat mich eingeladen. Ich ging hin, er hatte guten Maiwein, eine »bejeisterte Frau« und dankte mir beim Fortgehn »für die große Ehre«. Ich habe eine Ehrenschuld an Mr. Wheeler – 70 £ –, Mitglied unsres Council und Manager der »Empire Insurance Corporation«, abzutragen. Du verpflichtest mich sehr, wenn Du ihm das Geld: »G. Wheeler, Esq., 27, Gresham Street, E. C. Private« (London) in meinem Auftrag schickst. Auch fürchte ich sehr, daß meine Familie in London »in profundis«2. Es ist mir um so schmerzlicher, da der Geburtstag des armen, guten Jennychens 1. Mai. Um einen Geldcoup zu machen, habe ich Netze ausgeworfen. Ich muß den Erfolg abwarten. Ich habe mich außerordentlich erholt. Keine Spur des alten Übels. Dazu, trotz schwerer Verhältnisse, guter Humor, ohne Leberanschläge. Schreib mir umgehend (Adresse: Dr. Kugelmann, Hannover) ein paar Zeilen. Salut an Mrs. Burns. Dein Mohr

1  Rudolf von Bennigsen, national-liberaler Politiker, Vorsitzender des Deutschen Nationalvereins 2  in großen Schwierigkeiten

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Freiligrath blamiert sich durch seine öffentliche Bettelei in Deutschland.1 Meißner sagt mir, er sei in Norddeutschland verschollen.

Engels an Marx in Hannover Manchester, 27. April 1867 Lieber Mohr, Ich habe Deine beiden Briefe, den letzten gestern nachmittag, bekommen und hätte Dir auf den ersten längst geantwortet, wenn ich gewußt hätte, wohin. Zuerst business. Deiner Frau, die mir heute morgen schreibt, schick’ ich £ 10 und ebenso gleich Anfang nächsten Monats an Wheeler die andern £ 10. Dies wird Dich in Beziehung auf diesen Punkt einigermaßen beruhigen, für die Zukunft eröffnet sich nach dem, was Du schreibst, glücklicherweise endlich auch eine erfreuliche Aussicht. Es ist mir immer so gewesen, als wenn dies verdammte Buch, an dem Du so lange getragen hast, der Grundkern von allem Deinem Pech war und Du nie herauskommen würdest und könntest, solange dies nicht abgeschüttelt. Dies ewig unfertige Ding drückte Dich körperlich, geistig und finanziell zu Boden, und ich kann sehr gut begreifen, daß Du jetzt, nach Abschüttelung dieses Alps, Dir wie ein ganz andrer Kerl vorkommst, besonders da die Welt, sobald Du nur erst wieder einmal hineinkommst, auch nicht so trübselig aussieht wie vorher. Besonders wenn man einen so famosen Verleger hat, wie Meißner zu sein scheint. Übrigens fürchte ich, der Schnelldruck wird sich nicht anders machen lassen, als wenn Du selbst die ganze Zeit in der Nähe bleibst, d. h. auf dem Kontinent, denn auch Holland wäre für den Zweck noch nahe genug. Ich glaube nicht, daß die Gelehrsamkeit der Leipziger Korrektoren für Deine Art 1  Ferdinand Freiligrath hatte in London ein gutes Auskommen als Bankangestellter. Als die Bankfiliale aufgelöst wurde, geriet er in eine prekäre Situation. Freiligrath-Komitees sammelten Geld für ihn.

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hinreicht1. Meine Broschüre ließ Meißner auch bei Wigand drucken, und was haben die Schisser mir für Zeug da hineinkorrigiert. Daß das Buch gleich bei seinem Erscheinen großen Effekt machen wird, davon bin ich überzeugt, aber es wird sehr nötig sein, dem Enthusiasmus des wissenschaftlichen Bürgers und Beamten etwas auf die Beine zu helfen und die kleinen Manöver nicht zu verschmähen. Dafür wird nach dem Erscheinen von Hannover aus manches geschehen können, und auch amicus Siebel, der dieser Tage von Madeira, wie er sagt wohl und munter, zurückkehrt, und zwar über England, wird sich mit Vorteil in Bewegung setzen lassen. Dies ist gegenüber dem Literatenpack notwendig, von dessen gründlichem Haß gegen uns wir ja Beweise genug haben. Und dann wirken dicke, wissenschaftliche Bücher ohne solche Nachhülfe jedoch nur langsam, mit derselben aber – confer Herakleitos den Dunkeln2 usw. – sehr »zündend«. Dies muß aber diesmal um so sichrer und fleißiger geschehn, als es sich auch um finanzielle Resultate handelt. Die gesammelten Aufsätze wird Meißner dann schon gern nehmen, und damit ist wieder Geld und ferner auch ein neuer literarischer Erfolg geschaffen. Die Sachen aus der »Neuen Rheinischen Zeitung«, der »18. Brumaire« usw., werden dem Philister jetzt enorm imponieren, und haben wir auf dieser Basis erst wieder etwas Terrain gewonnen, so finden sich auch bald noch allerhand andre einträgliche Geschichten. Diese ganze Wendung der Sache ist mir ungeheuer erfreulich, erstens an sich selbst, zweitens wegen Deiner speziell und Deiner Frau, und drittens, weil es wirklich Zeit ist, daß sich dies alles bessert. In zwei Jahren läuft mein contract mit dem Sau-Gottfried3 ab, und wie sich die Sachen hier drehen, werden wir beide schwerlich wünschen, ihn zu verlängern; es wäre sogar nicht unmöglich, daß schon früher eine Trennung einträte. Ist das der Fall, so muß ich aus

1  Das »Kapital« wurde in der Setzerei und Buchdruckerei Otto Wigand in Leipzig gesetzt. 2  Anspielung auf die starke Reklame, die Ferdinand Lassalle für sein zweibändiges Werk »Die Philosophie des Herakleitos des Dunklen von Ephesos« 1858 gemacht hatte. 3  Gottfried Ermen

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dem Commerce ganz heraus; denn jetzt noch ein eignes Geschäft anzufangen, hieße fünf bis sechs Jahre fürchterlich schanzen ohne nennenswertes Resultat und dann noch fünf bis sechs Jahre schanzen, um die Früchte der ersten fünf Jahre einzuernten. Dabei ging ich aber kaputt. Ich sehne mich nach nichts mehr, als nach Erlösung von diesem hündischen Commerce, der mich mit seiner Zeitverschwendung vollständig demoralisiert. Solange ich da drin bin, bin ich zu nichts fähig, besonders seitdem ich Prinzipal1 bin, ist das viel schlimmer geworden, wegen der größeren Verantwortlichkeit. Wenn es nicht wegen der vermehrten Einkünfte wäre, möchte ich wahrhaftig lieber wieder Kommis sein. Jedenfalls kommt mein Kaufmannsleben in wenigen Jahren zu End, und dann werden auch die Einnahmen sehr, sehr viel spärlicher fließen, und das hat mir denn immer im Kopf gelegen, wie wir es dann mit Dir machen. Wenn das aber so geht, wie es sich jetzt anläßt, so wird sich auch das schon arrangieren lassen, wenn nicht die Revolution dazwischenkommt und allen Finanzprojekten ein Ende macht. Geschieht das aber nicht, so behalte ich mir vor, mir zu meiner Erlösung einen Hauptspaß zu machen und ein heitres Buch zu schreiben: Leiden und Freuden der englischen Bourgeoisie. Auf Meißners Vorschlag2 kann ich nicht eingehn. Ein paar Bogen wären rasch zusammengeschmiert, aber etwas Größeres, 6 à 10 Bogen, würden mehr Arbeit erfordern und für den jetzigen Kriegslärm zu spät kommen. Man kann doch nicht Sauereien à la Vogts »Studien«3 zusammenschmieren. Außerdem würde die Geschichte mehr oder weniger als ein Parteimanifest angesehen, und da müßten wir doch zuerst einen Rat halten. Ich habe aber seit längerer Zeit ein Anti-Russicum4 im Kopf, und wenn die Ereignisse mir einen Anhalt bieten, so fang’ ich gleich damit an und schreibe an Meißner. Die Frage bei mir 1  Firmenchef 2  Marx und Engels hatten lange einen Krieg gegen Russland als Voraussetzung für eine europäische Revolution angesehen. Von Meißner kam jetzt der Vorschlag, ein Pamphlet gegen Russland zu schreiben. Aktuell war aber eher ein deutsch-französischer Krieg. 3  Carl Vogt: »Studien zur gegenwärtigen Lage Europas«, Bern und Genf 1859 4  eine Abrechnung mit der reaktionären Politik Russlands

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ist nur noch die, ob ich das »Nationalitätsprinzip« oder die »orientalische Frage« in den Vordergrund stelle. Daß Bismarck bei Dir anklopfen würde, hatte ich erwartet, wenn auch nicht die Eile. Es ist bezeichnend für die Denkweise und den Horizont des Kerls, daß er alle Leute nach sich beurteilt. Die Bourgeoisie mag wohl die großen Männer von heute bewundern, sie sieht sich in ihnen widergespiegelt. Alle Eigenschaften, wodurch Bonaparte und Bismarck Erfolge erreichten, sind kaufmännische Eigenschaften: das Verfolgen eines bestimmten Zwecks durch Abwarten und Experimentieren, bis der richtige Moment getroffen, die Diplomatie der stets offnen Hintertür, das Akkordieren und Abdingen, das Einstecken von Insulten1, wenn das Interesse es erfordert, das: »ne soyons pas larrons«2, kurz, überall der Kaufmann. Gottfried Ermen ist in seiner Weise ein ebenso großer Staatsmann wie Bismarck, und wenn man die Schliche dieser großen Männer verfolgt, so wird man immer wieder auf die Manchester Börse versetzt. Bismarck denkt, wenn ich nur fortfahre, bei Marx anzuklopfen, so treffe ich schließlich doch einmal den richtigen Moment, und wir machen dann doch ein Geschäftchen zusammen. Der reine Gottfried Ermen. Daß der Preußenhaß dort so stark ist, hätte ich nicht gedacht. Aber wie stimmt das mit dem Resultat der Wahlen?3 Die Nationalvereinsesel brachten doch die Hälfte durch und in Kurhessen alle bis auf einen. Vogt hat sich in der »Gartenlaube« in Lebensgröße abbilden lassen. Er hat sich in den letzten Jahren noch sehr verschweinert und sieht gut aus. Simon von Trier4 hat in den »Demokratischen Studien«, die mir neulich in die Hand fielen, ganz naiv ganze Seiten von »Po und Rhein« abgeschrieben, ohne zu ahnen, aus welcher vergifteten Quelle er schöpfte! So hat auch der Leutnant, der in »Unsere Zeit« die mi-

1  Beleidigungen 2  wir wollen keine Diebe sein 3  Wahlen zum Reichstag des Norddeutschen Bundes vom August 1867 4  Ludwig Simon, demokratischer Politiker, stammte aus Trier und emigrierte 1849 in die Schweiz.

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litärischen Artikel schreibt, in »Preußen in Waffen« meine Broschüre stark kopiert, natürlich ebenfalls ohne Quellenangabe. Rüstow1 will mit Gewalt preußischer General werden, als ob das so leicht ginge wie bei Garibaldi. In seinem grundschlechten und liederlichen Buch über den Krieg2 kriecht er in optima forma vor Wilhelm dem Eroberer und dem Prinzen. Daher zieht er nach Berlin. Ich sah Ernest Jones3 dieser Tage, er hat von vier Orten Anfrage, sich wählen zu lassen unter der neuen Bill4 – auch von Manchester. Schimpft greulich auf die Arbeiter hier and backs the Prussians at any odds against the French5. Ich hoffe, dieser Saukrieg geht vorüber6, ich sehe nicht ein, was Gutes davon kommen kann. Eine französische Revolution mit von vornherein gegebner Eroberungsverpflichtung wäre sehr eklig, es scheint fast, als wolle Bonaparte sich mit dem Allergeringsten begnügen, ob aber der Herr der Heerscharen dem schönen Wilhelm erlauben wird, ihm auch nur dieses Geringste zu gewähren, werden wir abwarten müssen. Grüße den Dr. Kugelmann unbekannterweise bestens und danke ihm für die »Heilige Familie«. Dein F. E.

1  Friedrich-Wilhelm Rüstow, Militärschriftsteller 2  Wilhelm Rüstow: »Der Krieg von 1866 in Deutschland und Italien«, Zürich 1866 3  Ernest Charles Jones, mit Marx und Engels befreundeter Journalist und Politiker 4  Die Wahlrechtsreform erweiterte den Kreis der Wahlberechtigten, schloss große Teile der Bevölkerung aber weiterhin aus. 5  unterstützt die Preußen und attackiert die Franzosen 6  Gefahr eines deutsch-französischen Krieges

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Engels an Marx in London Manchester, 16. Juni 1867 Lieber Mohr, Ich bin seit acht Tagen durch allerlei Krakeel mit Monsieur Gottfried1 und andre derartige Geschichten und Störungen so derangiert worden, daß ich nur selten zum Studium der Wertform2 Ruhe hatte. Sonst hätte ich Dir die Bogen längst zurückgeschickt. Bogen zwei namentlich trägt ein etwas gedrücktes Karbunkelgepräge, das ist aber nun nicht mehr zu ändern, und ich meine, Du machst im Nachtrag weiter nichts darüber, denn der Philister ist doch an diese Art abstrakten Denkens nicht gewöhnt und wird sie sich der Wertform zu Gefallen sicher nicht anquälen. Höchstens würde das hier dialektisch Gewonnene etwas weitläufiger historisch nachzuweisen, sozusagen aus der Geschichte die Probe darauf zu machen sein, obgleich dafür das Nötigste auch schon gesagt ist; Du hast aber soviel Material darüber, daß Du gewiß noch einen ganz guten Exkurs darüber machen kannst, der dem Philister auf historischem Wege die Notwendigkeit der Geldbildung und den dabei stattfindenden Prozeß nachweist. Du hast den großen Fehler begangen, den Gedankengang dieser abstrakteren Entwicklungen nicht durch mehr kleine Unterabteilungen und Separatüberschriften anschaulich zu machen. Diesen Teil hättest Du behandeln sollen in der Art, wie die Hegelsche Enzyklopädie3, mit kurzen Paragraphen, jeden dialektischen Übergang durch besondre Überschrift hervorgehoben und womöglich alle Exkurse und bloßen Illustrationen mit besondrer Schrift gedruckt. Das Ding würde etwas schulmeisterlich ausgesehen haben, das Verständnis für eine sehr große Klasse Leser aber wesentlich erleichtert worden sein. Der populus, selbst der gelehrte, ist eben an diese Art zu denken gar nicht 1  Streit mit dem Geschäftspartner bei Ermen & Engels in Manchester Gottfried Ermen 2  »Kapital, I. Abschnitt« 3  Gottfried Wilhelm Friedrich Hegel: »Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse«, Berlin 1840

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mehr gewöhnt, und man muß ihnen da jede mögliche Erleichterung zukommen lassen. Im Vergleich mit der früheren Darstellung (Duncker)1 ist der Fortschritt in der Schärfe der dialektischen Entwicklung sehr bedeutend, in der Darstellung selbst gefällt mir manches in der ersten Gestalt besser. Es ist sehr schade, daß grade der wichtige zweite Bogen unter dem Karbunkeldruck leidet. Daran ist aber nichts mehr zu ändern, und wer kapabel2 ist, dialektisch zu denken, versteht es doch. Die übrigen Bogen sind sehr gut und haben mir viel Freude gemacht. Hoffentlich kannst Du mir bald wieder ein fünf bis sechs Bogen schicken (wobei ich bitte, Bogen 5 wieder beizulegen, damit ich richtig in den Faden komme), die hier einzeln gelesenen Bogen werden sich im Zusammenhang viel besser machen. Einige Druckfehler hab’ ich noch entdeckt. Ich würde ins Verzeichnis nur die wirklich sinnentstellenden aufnehmen. Gestern war ich bei Gumpert3. Pauvre garçon! Er kommt täglich mehr herunter. Es war unmöglich, ihn für irgendetwas Wissenschaftliches, nicht einmal Politisches zu interessieren. Stadtklatsch, nichts als Stadtklatsch. Und dabei wundert er sich, daß man nicht öfter zu ihm kömmt. Den Hofmann gelesen. Die neuere chemische Theorie mit all ihren Fehlern ein großer Fortschritt gegen die frühere atomistische.4 Die Moleküle als kleinster selbständiger Existenz fähiger Teil der Materie ist eine ganz rationelle Kategorie, ein »Knoten«, wie Hegel sagt, in der unendlichen Reihe der Teilungen, der sie nicht abschließt, aber einen qualitativen Unterschied setzt. Das Atom – früher als Schranke der Teilbarkeit dargestellt – ist jetzt bloß noch ein Verhältnis, obwohl Monsieur Hofmann selbst alle fingerlang wieder in die alte Vorstellung zurückfällt, es gäbe wirkliche unteilbare Atome. Im übrigen 1  in: Karl Marx: »Zur Kritik der politischen Ökonomie«, Berlin 1859 2  fähig 3  Eduard Gumpert, deutscher Arzt in Manchester, der mit Marx und Engels befreundet war 4  August Wilhelm Hofmann: »Einleitung in die moderne Chemie«, Braunschweig 1866

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sind die in dem Buch konstatierten Fortschritte der Chemie wirklich ungeheuer, und Schorlemmer1 sagt, daß diese Revolution noch täglich vor sich geht, so daß man alle Tage neue Umwälzungen erwarten kann. Beste Grüße an Deine Frau, die Mädchen und den Elektriker2. Dein F. E. Fünf Bogen heute zurück.

Marx an Engels in Manchester London, 2 Uhr Nacht, 16. Aug. 1867 Dear Fred, Eben den letzten Bogen (49) des Buchs fertig korrigiert. Der Anhang Wertform – kleingedruckt, umfaßt 1 1/4 Bogen. Vorrede ditto gestern korrigiert zurückgeschickt. Also dieser Band ist fertig. Bloß Dir verdanke ich es, daß dies möglich war! Ohne Deine Aufopferung für mich konnte ich unmöglich die ungeheuren Arbeiten zu den drei Bänden machen. I embrace you, full of thanks3! Beiliegend zwei Bogen Reinabzug. Die 15 £ mit bestem Dank erhalten. Salut, mein lieber, teurer Freund! Dein K. Marx Ich brauche die Reinabzüge erst zurück, sobald das Buch ganz erschienen ist.

1  Carl Schorlemmer, Professor für Chemie in Manchester, Kommunist 2  Paul Lafargue, der als Arzt große Erwartungen an den Einsatz von Elektrizität als Heilmittel hatte 3  Ich umarme Dich voller Dankbarkeit!

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Engels an Marx in London Manchester, 23. Aug. 1867 Lieber Mohr, Ich habe jetzt bis ca. Bogen 36 durchgearbeitet und gratuliere zu der kompletten Weise, in der die verzwicktesten ökonomischen Probleme durch bloßes Zurechtrücken und Einstellen in den richtigen Zusammenhang einfach und fast sinnlich klargemacht werden. Desgleichen zu der, der Sache nach, höchst famosen Darstellung des Verhältnisses von Arbeit und Kapital im vollen Zusammenhange und komplett hier zum erstenmal. Auch hat mir sehr viel Spaß gemacht zu sehn, wie Du Dich in die technologische Sprache hereingearbeitet hast, was Dir sicher viel Schwierigkeiten machen mußte und weshalb ich diverse misgivings hatte. Einige slips of the pen1 habe ich mit Bleistift am Rand korrigiert, auch einige Konjekturen riskiert. Aber wie hast Du die äußere Einteilung des Buchs so lassen können, wie sie ist! Das 4. Kapitel ist fast 200 Seiten lang und hat nur vier durch dünngedruckte, kaum wiederzufindende Überschriften bezeichnete Abschnitte. Dabei der Gedankengang fortwährend durch Illustration unterbrochen und der zu illustrierende Punkt nie am Schluß der Illustration resümiert, so daß man stets von der Illustration eines Punkts direkt in die Aufstellung eines andren Punkts hineinplumpst. Das ist scheußlich ermüdend und bei nicht ganz scharfer Aufmerksamkeit auch verwirrend. Hier wären häufigere Unterabteilung und stärkere Hervor­hebung der Hauptabschnitte entschieden am Platz gewesen und müssen für die englische Bearbeitung entschieden gemacht werden. Überhaupt sind in dieser Darstellung (namentlich Kooperation und Manufaktur) einige Punkte mir noch nicht ganz klar, bei denen ich nicht herausfinden kann, auf welche Tatsachen sich die nur allgemein gegebne Entwicklung bezieht. Der äußeren Form der Darstellung nach scheint dies 4. Kapitel auch am raschesten geschrieben und am wenigsten wieder

1  Schreibfehler

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durchgearbeitet zu sein. Alles das hat aber nichts zu sagen, die Hauptsache ist, daß den Herren Ökonomen nirgendwo eine schwache Stelle gegeben ist, wo sie Bresche schießen können; ich bin in der Tat neugierig zu hören, was die Herren sagen werden, es ist ihnen auch nicht die geringste Handhabe gelassen. Leute à la Roscher1 werden sich dafür schon zu trösten wissen, aber für die Leute hier in England, die nicht für Kinder von drei Jahren schreiben2, ist das doch etwas andres. Sobald Du mir wieder einige Bogen schicken kannst, wirst Du mir eine große Freude machen, ich möchte die Akkumulation gern im Zusammenhang lesen. Grüße Deine Frau bestens. Wann kommen die Mädchen zurück? Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London, 24. Aug. 1867 Dear Fred, Seit den letzten zwei Reinabzügen, die ich Dir schickte, habe ich keine weiteren erhalten. Ich bin wütend über den Meißner. Er hat offenbar das ihm von Wigand Zugeschickte zurückgehalten, um alles auf einmal zu schicken – und 4 d. Porto zu sparen! Selbiger Meißner schrieb mir vorige Woche, daß er einen gewissen Teil meiner Vorrede (und er hat in der Tat das Richtige gewählt) besonders abdruckt, um es den deutschen Zeitungen zuzuschicken. Ich schrieb ihm, er solle mir sofort Copies davon schicken. Ich rechnete darauf, daß Du die Sache englisch übersetzen wirst (ich gebe es dann dem »Bee-Hive«, den Mill, Beesly, Harrison etc. halten), Lafargue mit 1  Wilhelm Roscher, Ökonom, Verfasser des Buchs »Die Grundlagen der Nationalökonomie. Ein Hand- und Lesebuch für Geschäftsmänner und Studierende«, Stuttgart 1854 2  seriöse Ökonomie-Autoren

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Hülfe von Laura französisch für den »Courrier français«, endlich hätte ich one copy meinem Korrespondenten in Amerika geschickt. Um die 4 d. zu sparen, hat Meißner nichts geschickt. Er wird es alles zusammen schicken. So geht aber viel Zeit verloren! Das Beste an meinem Buch ist 1. (darauf beruht alles Verständnis der facts) der gleich im ersten Kapitel hervorgehobne Doppelcharakter der Arbeit, je nachdem sie sich in Gebrauchswert oder Tauschwert ausdrückt; 2. die Behandlung des Mehrwerts unabhängig von seinen besondren Formen als Profit, Zins, Grundrente etc. Namentlich im zweiten Band wird sich dies zeigen. Die Behandlung der besondren Formen in der klassischen Ökonomie, die sie beständig mit der allgemeinen Form zusammenwirft, ist eine Olla Potrida1. Deine Desiderata, Aussetzungen, queries etc. bitte ich in die Rein­ abzüge hineinzuschreiben. Es ist dies sehr wichtig für mich, da ich auf 2. Auflage, früher oder später, rechne. Was chapter IV angeht, so hatte es viel Schweiß gekostet, die Sachen selbst zu finden, d. h. ihren Zusammenhang. Dann, nachdem das geschehn, stürzte ein blue Book2 nach dem andren bei der letzten Ausarbeitung dazwischen, und ich war entzückt, meine theoretischen Resultate durch die facts vollständig bestätigt zu sehn. Endlich geschrieben mit Carbuncles und täglichem Geldgläubigertritt! Bei dem Schluß des 2. Buchs (Zirkulationsprozeß), den ich jetzt schreibe, muß ich Dich wieder, wie vor vielen Jahren, über einen Punkt angehn! Das fixe Kapital ist erst in natura zu ersetzen nach sage z. B. 10 Jahren. In der Zwischenzeit retourniert sein Wert partiell und gradatim mit dem Verkauf der damit produzierten Waren. Dieser progressive return für das Kapital fixe ist zu seiner Ersetzung (von repairs und dgl. abgesehn) erst nötig, sobald es in seiner stofflichen Form, z. B. als

1  ein wissenschaftliches »Eintopfgericht« 2  Blaubücher der Fabrikinspektoren der Regierung über die Arbeitsverhältnisse in England, die seit 1834 jährlich veröffentlicht wurden

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Maschine, tot ist. In der Zwischenzeit hat aber der Kapitalist in der Hand diese successive returns. Ich schrieb Dir vor vielen Jahren, es scheine mir, daß sich so ein Akku­ mulationsfonds bilde, da der Kapitalist das retournierte Geld doch in der Zwischenzeit anwende, bevor er das Capital fixe damit ersetzt. Du sprachst Dich in einem Brief, somewhat superficially, gegen dies aus. Ich fand später, daß MacCulloch1 diesen sinking fund als Akkumulationsfonds darstellt. In der Überzeugung, daß MacCulloch nie was Richtiges denken kann, ließ ich die Sache fallen. Seine apologetische Absicht2 dabei ist schon von Malthusianern widerlegt worden, aber auch sie geben den fact zu. Du, als Fabrikant, mußt nun wissen, was Ihr mit den returns für capital fixe vor der Zeit, wo es in natura zu ersetzen ist, macht. Und Du mußt mir diesen Punkt (ohne Theorie, rein praktisch) beantworten. Salut. Dein K. M. (Salut to Mrs. Lizzy!) Die Kinder noch in Royan bei Bordeaux.

Marx an Engels in Manchester London, 12. Sept. 1867 Lieber Fred, Die Verschleppung des Meißner ist sehr fatal. Auf dem Kongreß zu Lausanne3 hätte er verschiedne copies losschlagen können. Auch wäre das Buch dort als Ereignis besprochen worden. Ich begreife die Eselei nicht. Nächsten Sonnabend sind es vier Wochen, daß ich die letzte Korrektur nach Leipzig geschickt! 1  John MacCulloch: »Principles of Political Economy«, London 1830 2  Rechtertigung des kapitalistischen Systems der Kapitalakkumulation 3  zweiter Kongress der Internationalen in Lausanne im September 1867

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Dein Plan, das Buch vom bürgerlichen Standpunkt zu attackieren, ist das beste Kriegsmittel. Ich halte es aber – sobald die Geschichte heraus ist – für besser, dies durch Siebel resp. Rittershaus tun zu lassen als durch Meißner. Man muß auch die besten Buchhändler nicht zu tief in die Karte sehn lassen. Andrerseits mußt Du dem Kugelmann, der zurück ist, ein paar Instruktionen schreiben über die positiven Seiten, die er zu betonen hat. Sonst macht der Unsinn, da es hier nicht mit Enthusiasmus getan ist. Ich selbst kann natürlich das nicht so ungeniert tun wie Du. Ich bin ganz Deiner Ansicht quoad Eccarius1. Es fehlt einem Arbeiter, namentlich einem von der kritischen Trockenheit des Eccarius, das diplomatische Geschick. Er schreibt an die »Times«, als ob er für die »Neue Rheinische Zeitungs-Revue« schriebe. Jedoch schadet die Sache nicht. Hier in London heißt’s: Die International Association etc. muß sehr stark sein, weil die »Times« so eigens darüber reportiert. Des Eccarius sneers2 gelten für »Times« sneers. Die lausigen französischen Schwitzer, sehr stark vertreten, gaben den französischen Schwätzern von Paris den Spielraum. Der alte Becker machte den Hauptblunder. Er brach zuerst unser Tagesordnungsprogramm nieder, um mit seinem Freiheitsvorschlag herauszuplatzen. Dadurch hatten dann die Pariser die Gelegenheit, alles Rand und Band zu beseitigen.3 Doch tut das alles nichts. Die Hauptsache ist die Abhaltung des Kongresses, nicht, was dort geschieht. In unsrem General Report on se moquera bien über die Pariser wiseacres4. Zum großen Kummer der-

1  Johann Georg Eccarius, Mitglied des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London, Generalsekretär des Rats der Internationalen 2  höhnische Anmerkungen 3  Der Genfer Delegierte Johann Phlipp Becker hatte vorgeschlagen, eine Resolu­tion an den pazifistisch ausgerichteten Kongress der Friedens- und Freiheitsliga in Genf zu richten und eine kleine Delegation dorthin zu schicken. Unter dem Einfluss der französischen Proudhonisten – entgegen Marx’ Rat – beschloss die Internationale gleich den Beitritt zur Friedensliga. 4  In unserem allgemeinen Bericht werden wir uns über die Pariser Besserwisser lustig machen.

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selben ist der Beschluß durchgesetzt worden, daß, wer nicht zahlt (und die Pariser haben keinen Deut gezahlt), künftig nicht delegieren kann. Es gilt, das nächste Mal 20 Engländer und 30 Deutsche nach Brüssel zu bringen. As to the Belgians themselves, so können sie nur delegieren 1 man per 500 und werden daher nicht sehr zahlreich sein. Außerdem sind sie rather rebellious gegen die Pariser. Notabene: Das Schlimme ist, daß wir nicht einen einzigen Menschen in Paris haben, der sich mit den den Proudhonisten feindlichen Arbeitersections (und sie bilden die Majorität!) in Verbindung setzen könnte. Wenn Dupont1 ein paar Wochen zu Paris wäre, wäre alles in Ordnung, aber die Polizei hat ein scharfes Auge auf ihn. Dem Vermorel2 werde ich bei und bei privatbrieflich seine Eseleien über deutsche Politik ausprügeln. Ich muß gradatim3 verfahren und begann daher absichtlich mit United States, Russia und Turkey, weil dies »neutrales« Gebiet zwischen Deutschen und Franzosen. Laura und Lafargue übersetzen eben Teil der Vorrede4 für »Courrier français«. Salut. Dein K. M.

1  Eugène Dupont, Sekretär für Frankreich im Generalrat der Internationalen 2  Auguste Vermorel, französischer Publizist. Vermorel hatte vorgeschlagen, Napoleon III. solle liberal werden, einen Angriffskrieg gegen Deutschland beginnen, um das Land von der Tyrannei Bismarcks zu befreien. 3  schrittweise 4  Ein Auszug aus dem Vorwort zum »Kapital« wurde in allen europäischen Hauptsprachen verbreitet.

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Engels an Marx in London Manchester, 13. Okt. 1867 Lieber Mohr, Ich habe dem Kugelmann zwei Artikel von verschiednen Standpunkten über das Buch geschrieben und zugeschickt; ich denke, sie sind so, daß fast jede Zeitung sie nehmen kann, und danach kann er dann andre machen. Das wird ihm schon etwas helfen. An Siebel schreib’ ich morgen, ich muß erst wissen, wo der Kerl und wie seine Gesundheit ist. An Borkheim ist geschrieben. Liebknecht macht sich recht gut1; er hat von uns doch soviel behalten, daß er einsieht, die einzige richtige Politik bestehe darin, gegen alles ohne Ausnahme zu stimmen. Das hat er bisher redlich getan. Wenn Du ihm dieser Tage wieder schreibst, kannst Du ihn auf folgendes aufmerksam machen: Der letzte Artikel des Freizügigkeitsgesetzes lautet: Die Fremdenpolizei wird durch dies Gesetz nicht berührt. So daß, was man als norddeutscher Bürger gewinnt, man als »Fremder« wieder verliert. Hier würde es großen Effekt machen, wenn Liebknecht beantragte: Die Fremdenpolizei ist abgeschafft. Solch ein Blödsinn besteht überhaupt bloß auf dem Kontinent; der Antrag würde großen Effekt machen. Es wäre ihm überhaupt unter den Fuß zu geben, den Bürgern vorzuhalten, wie er, der Kommunist, genötigt ist, gegen sie für ihre eignen Sachen aufzutreten. Die Rede von Liebknecht war übrigens in der »Kölnischen Zeitung« viel besser als in der »Zukunft«. Die Sachen über Vogt haben mich sehr gefreut. Trotz seiner Manöver hat ihn Dein Angriff doch vollständig ruiniert, und nur die liberale Bourgeoisie hält ihn noch als deutschen Véron. Stumpf2 will weiter nichts, als daß Du ihm Material, theoretisches und faktisches, darüber geben sollst, wie es zugeht, daß der Kleinbürger

1  Wilhelm Liebknecht im Reichstag 2  Paul Stumpf, Mitglied des Bundes der Kommunisten, Freund von Marx und Engels

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allmählich dem Proletarier verfällt. Das weißt Du übrigens ebensogut wie ich, willst Dich bloß an der Arbeit vorbeidrücken. Allerdings meint der gute Stumpf, das ließe sich so auf einer Briefseite machen –, so daß er was damit anzufangen wisse. Das bezweifle ich jedoch. Dronke. Borkheim ist grade so ein Skandalsucher wie der Kleine, und wenn die zwei was über einander sagen, so wird es six of one and half a dozen of the other sein1. Dronke hat immer noch soviel jus2 im Köpfchen, daß er sich bei jetzigen Auslieferungsvertragszeiten vor direkter criminal prosecution gehütet haben wird. Du weißt übrigens, wie im Commerce selbst die direktest kriminellen Geschichten unter einfach zivilrechtlicher Form besorgt werden können. Jedenfalls aber ist der Kleine viel zu schlau und viel zu gierig gewesen. Strohn ist immer der alte kuriose Kerl. Die Idee, eine Äußerung, die er selbst x-mal getan, auf sich zu beziehen, sobald ich sie ausspreche! Auf Borkheims »Perle«3 bin ich begierig. Im Fach der literarischen Eitelkeit ist der Kerl reiner »Jid«. Gumpert hat einen Vetter hier, ex-kurhessischer, jetzt preußischer Leutnant. Der Kerl kam mit großen Erwartungen zu den Preußen, fand aber den alten Kamaschendienst4 wieder in vollem Flor. Turnen etc. auf Kommando betrieben, Parademarsch, strammes Exerzieren etc. Dabei mag manches übertrieben sein, aber sicher ist, daß auch das Paradewesen durch die letzten Erfolge eine gewisse Sanktion bekommen hat. Die Übertreibung rührt aus der unangenehmen Empfindung her, die die neueingetretenen Offiziere schon gemacht haben, daß neun aus je zehn von ihnen es nicht zum Stabsoffizier bringen. Der Kerl sucht auch nur nach einer Gelegenheit, um aus der Sauce herauszukommen. Beste Grüße an Deine Frau, die Mädchen und Lafargue, Dein F. E.

1  sechs beim einen und ein Dutzend beim anderen sein 2  Recht 3  Sigismund Borkheim veröffentlichte seine Rede auf dem Genfer Friedenskongress unter dem Titel: »Meine Perle vor dem Genfer Congress«. 4  pedantisch-kleinlicher Militärdienst

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

Engels an Marx in London Manchester, 26. Nov. 67 Lieber Mohr, Den versprochenen Brief, in quo tua res agebatur1, habe ich nicht erhalten. Meißners Vorschlag, neu zu annoncieren mit Auszügen aus den Kritiken, war der, den ich Dir machen wollte, sobald die Siebelschen Artikel (d. h. die ihm von mir gegebnen) erschienen. Der Auszug aus der »Zukunft« ist ganz gut, aber ein paar dazu wären noch besser; er sollte Dir den ganzen Kram zuschicken und Du dann daraus eine Annonce machen. Oder willst Du nicht, dann kann er’s mir zuschicken, und ich will sie machen. Es frappierte mich sehr, daß die erste Annonce genau den Raum einnahm wie damals die meiner kleinen Broschüre und nicht ein Wort der Begleitung bei sich hatte. Wenn die Sache nicht bald anders wird, so muß ich – mit Deiner Zustimmung of course – an Meißner schreiben und ihm Artikel von mir für von ihm zu benennende Zeitungen anbieten. Das kann Dich doch nicht kompromittieren. An Siebel habe ich noch grade vor Postschluß Meißners Entschuldigungsgründe mitteilen können. Sie sind allerdings stark, Siebel war damals at a very low ebb2 und hat sich erst in Honnef wieder erholt. Meinen Brief vom Sonntag mit den Retourbriefen wirst Du erhalten haben. Inl. den Lohgerber3 zurück, autodidactum integrum4, was aber nicht verhindert, daß andre Nationen doch nicht imstande sind, einen solchen Lohgerber zu produzieren. Die Philosophie, zur Zeit Jacob Böhmes noch reiner Schuster, macht einen Fortschritt, wenn sie die Gestalt des Lohgerbers annimmt. Wie ist’s mit dem Karbunkel? Die Position gefällt mir nicht, hoffent1  in dem Deine Sache verhandelt wird 2  heruntergekommen 3  Josef Dietzgen, Ledergerber in Peterburg, mit Marx befreundet 4  völliger Autodidakt

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lich hat Lafargue Dir ihn geschnitten. Dieser Geschichte muß nun doch ein Ende gemacht werden. Hat Borkheim Dir das Geld bezahlt? Mir schreibt er nichts, obwohl ich Garant bin. Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London, 27. Nov. 1867 Lieber Engels, Was die Privatangelegenheiten angeht (ich wollte Dir schon Samstag darüber schreiben, wurde aber an diesem und den folgenden Tagen verhindert, weil man mich von allen Ecken wegen der Fenian Affairs1 konsultierte usw., kurz, meine Zeit konfiszierte), so hat Herr Borkheim – ich glaube sicher trotz besten Willens – mich diesen ganzen Monat zwischen Würgen und Hängen gehalten. Aus seinem Letzten von gestern siehst Du, daß es sich wieder um neuen unabsehbaren Aufschub handelt. Das Allerschlimmste an der Sache, daß er mir positiv versprochen hatte, am 10. dieses Monats (im schlimmsten Fall) die ganze Summe auszuzahlen. Darauf hatte ich mit den Gläubigern arrangiert. Was er wirklich zahlte seit seiner Rückkehr, sind £ 5. Du begreifst daher den trouble, worin ich mich befinde. Mein Gesundheitszustand hat sich sehr verschlechtert, und von Arbeiten konnte kaum die Rede sein. Außerdem seh’ ich jeden Tag gerichtlichen Klagen entgegen und wissen wir nicht mehr, wie von Tag zu Tag uns helfen. Was den Meißner angeht, so ist meine Ansicht, ihn in seiner Annonce gewähren zu lassen, denn alles andre bewirkt neuen Aufschub.

1  Die Fenier-Bruderschaft in Irland organisierte bewaffnete Aufstände mit dem Ziel einer unabhängigen Republik Irland.

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Thimm1 sagte Borkheim, Meißner habe alle Buchhändler aufgefordert, die bis jetzt unverkauften Exemplare ihm (resp. seinem Kommissionär in Leipzig) zurückzuschicken. Auch weiß ich von York, dem Buchhändler des Arbeitervereins, daß es sehr schwer ist, in diesem Augenblick Exemplare von Meißner zu bekommen. Dies beweist mir weiter nichts, als 1. daß der stock in Meißners Hand sehr klein ist, 2. daß er wissen will, wieviel von dem nicht in seiner Hand befindlichen stock wirklich verkauft ist, 3. seine Geschäfts»freunde« forcieren will, möglichst viel auf eigne Rechnung zu halten. Ich werde dem Meißner schreiben, daß im Fall er für bestimmte Zeitungen oder Zeitschriften (die er aber mir nennen muß) Anzeigen oder Kritiken brauche, könne er sie von Freunden wie Dir etc. erhalten. Solle mir das schreiben. Der Dr. Contzen, Privatdozent der politischen Ökonomie in Leipzig, Roschers partisan und Schüler und Liebknechts Freund, hat durch letzteren bei mir Exemplar für Versprechen ausführlicher Revue verlangt. Du siehst, daß dies durch Meißner bereits besorgt ist. Dieser Anfang mit Contzen ist gut. Liebknecht hat mir 50 seiner Pamphlets (wovon ich Dir heut eins schicke) zum hiesigen Verkauf gesandt, 3 d. pro Stück.2 Leßner3 sieht, was damit im Arbeiterverein zu tun. Der Auszug, den derselbe Liebknecht aus seinem speech im Berliner Arbeiterverein über den Aufschub der »sozialen Frage« beidruckt, gibt allerdings Anlaß zu Kugelmanns Rüge4. Da Liebknecht Dich u. a. zur Mitarbeit an seinem zu erscheinenden Blättchen5 auffordert,

1  Franz Thimm, Buchhändler in Manchester 2  Wilhelm Liebknecht: »Was ich im Berliner ›Reichstag‹ gesagt habe« 3  Friedrich Leßner, Kampfgefährte von Marx, Mitglied des Deutschen Bildungsvereins für Arbeiter in London 4  Liebknecht hatte die Ansicht vertreten, dass es gegenwärtig falsch sei, die soziale Frage in den Vordergrund zu stellen. Damit würde nur der Absolutismus gefördert und der Sieg sozialistischer Prinzipien hinausgeschoben. Kugelmann kritisierte in einem Brief an Marx diese Auffassung. 5  »Demokratisches Wochenblatt«

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kannst Du ihm privatim einige Winke darüber geben, wie die politische Opposition mit der sozialen Agitation zu verbinden. Einliegend Brief von Liebknecht und Kugelmann. Salut. Dein K. M. Wie steht es mit des Herrn Schorlemmer Chemie, die ich erhalten sollte?

Engels an Marx in London Manchester, 1. Juli 1869 Lieber Mohr, Hurra! Heute ist’s mit dem doux commerce1 am Ende, und ich bin ein freier Mann. Dazu bin ich mit dem teuren Gottfried2 gestern auch in allen Hauptsachen fertig geworden; er hat durchweg nachgegeben. Tussy3 und ich haben heute morgen meinen ersten freien Tag durch einen langen Spaziergang in die Felder gefeiert. Dazu ist mein Auge bedeutend besser und wird mit einiger Schonung wohl bald ganz auf dem Strumpf sein. Die Bilanz und die Advokaten werden mich wohl noch einige Wochen etwas in Atem halten, aber das ist doch nicht mehr der viele Zeitverlust wie bisher. Beesly4 scheint sich wirklich sehr zu bessern. Wenn Du bedenkst, wie viel Respekt er noch an dem Abend, als er bei Dir war, vor der englischen Presse hatte.

1  süßen Handel 2  Gottfried Ermen 3  Marx’ Tochter Eleanor 4  Edward Spencer Beesly, Historiker, Gründungsmitglied der Internationalen, hielt auf einer Gewerkschaftsversammlung eine kämpferische Rede. Die Presse machte ihn darauf nieder oder unterdrückte Meldungen über seinen Auftritt.

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Inliegend Eichhoff1 zurück. Wilhelm scheint sich jetzt hinter ihn zu stecken, um Verzeihung zu erlangen. Inzwischen ist ja der Krieg zwischen Schweitzer und Wilhelm wieder erklärt2 und im Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Verein Rebellion. Aber immer eine gute Zumutung, wir sollen Partei für Wilhelm und die Volkspartei3 ergreifen. Dem Wilhelm wäre Lektüre des »Manifests« über die Stellung der Arbeiterpartei zu empfehlen, wenn Lektüre oder sonst etwas hülfe! Ich bin sehr begierig auf den Verlauf dieses Krakeels, der jedenfalls einigen heitern Klatsch liefern wird. Die Schweitzersche Zumutung an seine Bande, sich wie eine Herde Schafe verschachern zu lassen, war wirklich kolossal. Ich setze voraus, daß Du die zweiten Notenhälften am Montag erhalten hast. Die irischen Members haben sich bei dem Mooreschen Antrag wieder miserabel benommen und Herr Bruce sich wieder heiter blamiert.4 Nach Eichhoffs Mitteilung ist es mir sehr fraglich geworden, ob an Meißner wegen der Popularisierung aus Deinem Buch überhaupt zu schreiben ist. Was denkst Du davon? Jedenfalls, wenn 5 Silbergroschen Bücher schon nicht ziehen, so ist 8 à 10 Silbergroschen noch weniger verbreitbar. Hier könnte nur ein Broschürchen von 1 – 2 Bogen à 2 1/2 Silbergroschen helfen, und das ist eine Arbeit zu machen, und würde nichts für Meißner sein. Was hältst Du davon? Oder willst

1  In dem Brief unterrichtete Wilhelm Eichhoff Marx über die Schwierigkeiten beim Vertrieb der Broschüre »Die Internationale Arbeiterassociation«. 2  Johann Baptist Schweitzer gehörte zum Lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein und unterstützte die Politik Bismarcks, anders der Marx-Anhänger Liebknecht. Die Fusion der beiden Arbeiterorganisationen verzögerte sich durch diesen persönlichen und Richtungsstreit um Jahre. 3  Wilhelm Liebknecht arbeitete mit der Preußen-kritischen süddeutschen Deutschen Volkspartei zusammen. 4  George Henry Moore, Mitglied des britischen Partaments aus Irland, setzte sich für die Verteidigung der verhafteten Fenier ein. Er prangerte die unmenschlichen Haftbedingungen an und forderte eine parlamentarische Untersuchung. Andere irische Abgeordnete forderten zwar auch bessere Haftbedingungen, lehnten aber den gegen den britischen Innenminister Henry A. Bruce gerichteten Untersuchungsantrag ab.

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Du’s für persönliche Absprache vorbehalten, da Du doch jedenfalls Meißner in Deutschland besuchst? Jenny ist wohl nach der Seeseite mit ihren edlen Monroes1? Beste Grüße von allen an alle. Dein F. E.

Marx an Engels in Manchester London, 3. Juli 1869 Dear Fred, Beste Kongratulation zu Deiner Flucht aus der ägyptischen Gefangenschaft!2 Ich habe zu Ehren dieses Ereignisses ein »Glas über den Durst« getrunken, aber abends späte, nicht wie die preußischen Gendarmen vor Sonnenaufgang. Einliegend inhaltsschwerer Brief des Wilhelm. Du wirst daraus ersehn, daß er sich plötzlich zu meinem Kurator ernannt hat und mir alles und jegliches vorschreibt, was ich tun »muß«. Ich muß zu ihrem August-Kongreß3 kommen, muß mich den deutschen Arbeitern zeigen; muß die internationalen Karten umgehend schicken (nachdem sie auf zweimalige Anfrage darüber drei Monate durch nicht geantwortet), muß das »Kommunistische Manifest« umficken! muß nach Leipzig kommen! Ist es nicht höchst naiv, daß er in demselben Brief, worin er die 2 £ (die ich für ihn dem Eccarius übermacht) nicht zurückschicken zu können klagt, mir Reisegeld für Deutschland anbietet! Toujours le même!

1  Das Ehepaar Monroe unterrichtete die Kinder von Jenny Marx. 2  Ausscheiden aus der Firma Ermen & Engels 3  Der »Erste Allgemeine deutsche sozialdemokratische Arbeiterkongress« fand im ­August 1869 in Eisenach statt. Hier wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet.

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Über Dich scheint er sittlich entrüstet. Ich habe ihm bereits geantwortet, daß er Deinen Brief falsch interpretiert. Es ist dem Mann völlig unbegreiflich, daß Gesinnung und Geschäftsführung durchaus nicht polarisch entgegengesetzt sind, wie er bei seiner Zeitungsverwaltung annimmt und was auch andre anzunehmen haben, wenn sie nicht suspects werden wollten. Unser Wilhelm ist Sanguiniker und Lügner. Also wohl wieder starke Übertreibung in Schilderung des Siegs über Schweitzer. Doch ist jedenfalls etwas an der Sache. Schweitzer hätte den Rücktritt in die Hatzfeldtsche Kirche nicht begangen, wenn nicht in seinem eignen Verein erschüttert. Andrerseits hat er die allgemeine Auflösung durch die tölpelhafte Inszenierung seines letzten Staatsstreichs beschleunigt.1 Ich hoffe, daß infolge dieser Geschichte die deutsche Arbeiterbewegung endlich aus dem Stadium der Lassalleschen Kinderkrankheit heraustreten und das Residuum derselben in bloßer Sektierervereinzelung verkommen wird. Was nun die verschiednen »absoluten Gebote« des Wilhelm angeht, so habe ich ihm geantwortet to this effect: Ich fühle durchaus kein Bedürfnis, mich den deutschen Arbeitern zu zeigen, und komme nicht zu ihrem Kongreß. Wenn sie erst wirklich der »International« beigetreten und sich eine anständige Parteiorganisation gegeben haben – und der Nürnberger Tag2 hat gezeigt, wie wenig bloßen Versprechen, Tendenzen usw. zu trauen – wird sich by and by Gelegenheit finden. Zudem muß clearly verstanden sein, daß die neue Organisation ebensowenig »Volkspartei« wie Lassallekirche für uns sein darf. Wenn wir jetzt kämen, müßten wir ja gegen die Volkspartei sprechen, was dem Wilhelm und Bebel doch nicht recht wäre! Und wenn sie – mirabile dictu3 dies selbst zugäben, müßten wir doch direkt unser Gewicht in die Waagschale gegen Schweitzer et Cons., werfen, statt daß die Umwälzung als freie Tat der Arbeiter selbst zu erscheinen hat. Was die Vermöblung des »Manifests« angeht, so würden wir uns das 1  Übernahme des Vorsitzes des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins 2  Vereinstag der deutschen Arbeitervereine am 8. September 1868 in Nürnberg 3  wunderbarerweise

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überlegen, sobald wir die Beschlüsse ihres Kongresses etc. gesehn. Seine 2 £ soll er halten und sich keine Sorgen über mein Reisegeld machen. Ihr Auftreten gegen Becker belobe ich. Soviel darüber. Wegen des Meißner ist es wohl am besten, wenn ich mit ihm spreche. Wenn Du übrigens Zeit hast (namentlich, wenn es Dein Aug’ nicht geniert), etwas fertigzumachen, so ist leichter mit als ohne Manuskript zu unterhandeln. Soviel weiß ich, daß Meißner fünf Bogen zwei vorzieht. Je kleiner die Broschüre, desto lästiger ihr Vertrieb, wie er mir selbst gesagt hat. Was sagst Du zu dem Verfahren des tugendhaften Gladstone und Puritaners Bright in Overend, Gurney et Co.?1 Auch sehr schön des Bruce Erklärung wegen der Mold-Füsiliererei2, die nicht so innocent war, wie die Manchester Blätter berichteten. Also der Riot Act3 braucht nicht verlesen zu werden. Es genügt, daß irgendein Fuchsjäger von unpaid magistrate dem Offizier ins Ohr flüstert, draufzupfeffern. Und auch das ist nicht nötig. Die Soldaten können ihre Rifles in selfdefence (deren Notwendigkeit zu beurteilen von ihnen abhängt) brauchen. Dann sollten aber auch die arms actst aufgehoben und jeder zur selfdefence gegen die Soldaten seine eigene rifle brauchen können. Die Gurney-Affäre, resp. die Haltung des Ministeriums darin, ditto in der Mold-Affäre, endlich die Ministermogelei mit Lamuda und andern Schweinhunden gegen die Trades-Unions-Bill4 – haben den Zauber der Namen Gladstone-Bright hier unter den Arbeitern in London verdammt gebrochen.

1  Das Verfahren gegen die Direktoren der pleite gegangenen Bank wurde erst 1889 eingestellt. 2  Im Mai 1869 wurden streikende Bergarbeiter von der Polizei abgeführt, auf den Widerstand der Bevölkerung reagierten Soldaten mit Schusswaffen. Es gab zahlreiche Tote und Verletzte. 3  Nach dem Aufruhrgesetz von 1715 hätte die Polizei zunächst eine Warnung vor dem Einsatz von Waffen und Gewalt verkünden müssen. 4  parlamentarische Aktionen gegen den Entwurf eines Gesetzes über die Stellung von Gewerkschaften

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Laura war 14 Tage krank und bettlägerig, soll jetzt wieder hergestellt sein. Sie haben ihre Wohnung aufgekündigt und werden Oktober in luftreichere Gegend (Montmartre oder so) ziehn. Best compliments to all. El Moro

Marx an Engels in Manchester London, 11 May 1870 Dear Fred, Ich sehe erst heut aus Deinem Briefe, daß ich vergessen hatte, den Wilhelm einzulegen. Folgt hiermit, dito Brief von Bracke etc., den ich zurück haben muß vor Dienstag, wo ich wieder auf dem Strumpf zu sein vorhabe. Mainz, Darmstadt, Mannheim? Wäre Mannheim nicht am besten? Mainz ist eine preußische Festungsstadt. Was die Welschen1 angeht, so finde ich die Hauptsache nicht in meinen Heften. Doch so viel: »Der Gütergemeinschaft ging zur Seite die schon im Altertum bekannte keltische Lockerheit des Ehebandes, zugleich aber Stimmrecht der Weiber in der Stammversammlung.« (W. Wachsmuth, »Europäische Sittengeschichte«. Zweiter Teil, Leipzig 1833.) Wachsmuth gründet seine Darstellung namentlich auf die Gesetze des Königs Dyonwall Moelmud und Howel Ddas. »Leges Molmutinae. Übersetzt von William Probert: ›The ancient laws of Cambria, containing the institutional triads of D. Moelmud, the laws of Howel the good, triadical commentaries, code of education, and the hunting laws of Wales‹, London 1823«, und: »Edward Davies, ›Celtic Researches‹, London 1804«.

1  Die Kelten bewohnten in der Antike weite Teile Europas.

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Als Kuriosa finde ich in meinen Heften notiert: »Satzungen über Prüfung der Jungfrauschaft. Das Zeugnis einzelner genügt, z. B. des Mädchens über ihre Jungfernschaft.« »Ein Mann, der eine Beischläferin um einer andern willen verstoßen hat, büßt mit so viel Denarien, als zur Bedeckung des Hintern der Klagenden gehören. Ein Weib, das gegen einen Mann auf Notzucht klagt, faßt mit der Linken dessen Glied, legt die Rechte auf Reliquien und beschwört so die Aussage.« »Unzucht mit der Königin kostet doppelte Mult an den König.« Das erste Kapitel des Buchs vom Landrecht handelt von den Weibern. »Schlief seine Frau bei einem andern Mann und schlägt er sie, so büßt er seine Ansprüche auf Vergütung ein … Was die Frau veräußern durfte nach dem Stand verschieden – ist genau angegeben. Die Frau des Bauern (taenigh) durfte nur ihr Halsband veräußern und verborgen nur den Sieb, und zwar nicht weiter als ihre Stimme, wenn sie um Rücklieferung rief, gehört werden konnte. Die Frau des Edelmanns (nihelms) durfte Mantel, Hemd, Schuhe etc. veräußern, verborgen aber das gesamte Wirtschaftsgerät. Genügender Grund zur Scheidung war für die Frau Unvermögen, Krätze und übler Atem des Mannes.« Sehr galante Jungen, diese Kelten! Auch geborene Dialektiker, weil alles in Triaden verfaßt. Über die Phanerogamie kann ich bei Wiederausgang aus dem Haus bei Wachsmuth im Museum nachsehn. Bei dieser Gelegenheit finde ich auch in meinen Heften Zitate von einigen Schriften über Irland, die Du aber sicher gesehn hast oder die auch überflüssig neben besseren Quellen sind. Ein Buch, wovon ich den Titel nicht ordentlich lesen kann, »Cgygia« oder »Ogygia«, von R. O’Flaherty, London 1685. Dr. Charles O’Conor: »Scriptores Rerum Hibernicarum«. Buckingham (1814 – 1826, 4 Bände). »The antiquities and history of Ireland«, by Jam. Ware, London 1705; Ware, »Two books of the writers of Ireland«. Dublin 1709. Mit dem Bakunin1 hat sich entweder das Geschäft verschlagen oder

1  Für Marx war eine Zusammenarbeit mit Bakunin nicht möglich.

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man hat’s so eingerichtet pour sauver les apparences. Ich finde nämlich bei näherer Ansicht, daß Ogareff der Redakteur. Bakunin hat in den ersten Nummern nur einen Brief, worin er fremd tut, die Redaktion auch wegen Mangel an Prinzip etc. anklagt, sich als Sozialist und Internationalen breitmacht etc. Jedoch, with all that, kömmt sein Schreiben darauf hinaus, daß in der Theorie alle Koalitionen zu verdammen, aber in der Praxis allerdings Ogareff recht habe. Es gelte jetzt vor allem die Zarenmacht zu stürzen, dazu sei Vereinigung aller ihr feindlichen Parteien nötig etc. etc. Später könnten sie sich untereinander hauen etc. Also die »Politik« in Rußland den Sozialisten erlaubt, jedoch beileibe nicht in Westeuropa! Die russischen Sachen, die ich Dir heute schicke, kannst Du behalten, da ich doppelte Exemplare besitze. Salut. Dein K. M. Wegen der irischen grammar werde ich mich umsehn, sobald ich wieder ausgehn kann. Der Zustand des letzten Briefs nicht Schuld der Post.

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Engels an Marx in London Manchester, 31. Juli 1870 Lieber Mohr, Inl. hast Du den preußischen Feldzugsplan1. Ich bitte Dich, sofort ein cab zu nehmen und ihn auf die »Pall Mall Gazette« zu bringen, damit er Montag abend erscheint. Er wird der »P.M.G.« und mir eine enorme Reputation machen; am Dienstag können sich die Sachen schon so weit entwickelt haben, daß jeder Esel sich die Geschichte zurechtlegen kann. Ob mein Nr. II2 Samstag erschienen, weiß ich nicht, da die »P. M. G.« hier heute nicht in den Klubs angekommen ist. Ich tue mir auf diese Geschichte etwas zugut, da es wirklich nicht leicht war, diesen Plan zu erraten. Das entscheidende Moment war die Nachricht, daß ein Vetter von Gumpert, Kompaniechef im 77. Regiment, Avantgarde des 7. Armeekorps, am 27. Juli von Aachen nach Trier abmarschierte. Da wurde mir der ganze Kram klar. Außerdem ist es nötig, daß Du mit Greenwood3 abmachst, daß ich ihm die Artikel direkt schicke, damit sie denselben Tag noch erscheinen können. Zeitverlust ist jetzt für diese Art Artikel tödlich. Ich denke, 2mal die Woche – durchschnittlich, bei dringenden Fällen öfter, bei Ruhe der Ereignisse seltner – ihm einen Artikel zu schicken. Dazwischen etwa kurze Notizen bei Gelegenheit, die er beliebig verwenden kann. Es wird allerdings immer blamabler für uns, unter Wilhelm4 Krieg zu führen. Aber doch gut, daß er sich so greulich lächerlich macht mit seiner göttlichen Mission und seinem Stieber5, ohne den nun einmal die deutsche Einheit nicht fertig wird. Die Adresse der Internationale 1  Engels hatte aus seiner Militärkenntnis heraus geschlossen, wie der preußische Feldzugsplan im Deutsch-Französischen Krieg aussehen könnte. 2  zweiter Artikel über den Feldzugsplan 3  Frederick Greenwood, Herausgeber der »Pall Mall Gazette« 4  Wilhelm I. 5  Wilhelm Stieber, preußischer Geheimdienstchef, im Deutsch-Französischen Krieg Chef der preußischen Militärpolizei

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war hier im Toryblatt »Courier« Samstag abgedruckt, wäre es ein anderer Wochentag gewesen, so hätten auch die andern Blätter sie gebracht, die Samstagsannoncen waren dagegen. Die Adresse wird den Populus aller Klassen lehren, daß jetzt nur noch die Arbeiter eine »wirkliche Foreign policy« haben. Sie ist sehr gut, und die »Times« hat sie sicher nur wegen der Russen nicht genommen1. Die Regierungen wie die Bourgeoisie werden sich ungeheuer wundern, wenn nach dem Krieg die Arbeiter ihre unterbrochne Aktion ruhig wieder aufnehmen, als wäre gar nichts vorgefallen. Mein Vertrauen in die militärischen Leistungen der Deutschen wächst mit jedem Tage. Das erste ernstliche Gefecht hätten wir also richtig gewonnen. Die Franzosen scheinen noch gar nicht zu wissen, was man ihnen mit dem Hinterlader für ein Ding in die Hand gegeben. Das Spiel, das Moltke2 spielt, ist sehr gewagt. Nach meiner Berechnung ist er mit seiner Konzentrierung vor Dienstag oder Mittwoch nicht fertig. Von Aachen bis zur Grenze sind ca. 20 deutsche Meilen, 4 – 5 starke Märsche, besonders bei der Hitze. Also kann das 7. Korps kaum vor morgen vollständig an der Saar stehn, und heute ist möglicherweise schon die Hauptschlacht. Jedenfalls ist es so finely cut, daß 24 Stunden mehr oder weniger ungeheuer viel ausmachen werden. Die eigentliche Schlacht wird wohl an der Saar zwischen Merzig und Saarbrücken stattfinden. Es ist gut, daß die Franzosen zuerst auf deutschem Gebiet angegriffen haben. Wenn die Deutschen einer abgeschlagenen Invasion auf dem Fuß folgen, so macht das in Frankreich sicher nicht denselben Effekt, als wenn sie ohne vorherige Invasion nach Frankreich einmarschieren. Der Krieg bleibt auf französischer Seite dadurch mehr bonapartistisch. Der schließliche Erfolg  – daß die Deutschen am Ende siegen  – ist mir ganz unzweifelhaft, der Plan von Moltke verrät aber die absolute

1  In der Adresse hatte Marx hinter dem Deutsch-Französischen Krieg die »unheimliche Gestalt Russlands« gesehen, er hatte davor gewarnt, die militärische Unterstützung Russlands in Anspruch zu nehmen. Sonst werde Deutschland, wie nach 1815, jahrzehntelang von Russland abhängig bleiben. 2  Helmuth von Moltke, Generalfeldmarschall, preußischer Generalstabschef

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Gewißheit, in der ersten Schlacht mit erdrückender Überlegenheit auftreten zu können. Wir werden wohl schon Dienstag abend wissen, ob er sich nicht verrechnet hat. Der Moltke rechnet oft ohne seinen Wilhelm. Je mehr der deutsche Philister vor seinem gottvertrauenden und vor Gott kriechenden Wilhelm kriecht, desto frecher wird er gegen Frankreich. Das alte Geheul von Elsaß und Lothringen ist schon wieder ganz flott im Gange1 – die Augsburger voran. Die Lothringer Bauern werden es aber den Preußen schon beibringen, daß das so einfach nicht ist. Wegen des Vertrags2 hast Du ganz recht. Die Leute sind nicht ganz so dumm, wie Bismarck sich einbildet. Die Sache hat nur das Gute, daß jetzt der ganze Dreck an den Tag muß, und dann, daß zwischen Bismarck und Bonaparte die Mogelei jetzt am Ende ist. In der ganzen Neutralitätsgeschichte, Kohlen inklusive, benehmen sich die Deutschen ganz geschichtsmäßig als Kinder. Das sind Fragen, die dem Volk noch nie vorgekommen sind. Wer hat denn je nach ihnen gefragt? Die Russen inliegend zurück. Russ bleibt Russ. Was ist das für eine Klatschmichelei, sechs Russen zanken sich untereinander, als ob die Herrschaft der Welt vom Resultat abhinge. Und die Anklagepunkte gegen Bakunin auch noch nicht drin, bloß der Jammer über die Klüngelei in der Schweiz3. Jedenfalls scheinen die Unsrigen ehrlich zu sein, soweit das einem Russen möglich, ich würde aber doch vorsichtig mit ihnen sein. Inzwischen ist es ganz gut, all den Klatsch zu kennen, er gehört einmal zur Diplomatie des Proletariats. Den »Volks-

1  Forderungen in der Öffentlichkeit nach der Annexion von Elsass-Lothringen 2  Die »Times« veröffentlichte am 25. Juli 1870 den französichen Entwurf eines Geheimvertrags zwischen Frankreich und Deutschland von 1866. Frankreich erbot sich, Preußen im Krieg gegen Österreich zu unterstützen, und verlangte im Gegenzug die Zustimmung zur Annexion von Belgien und Luxemburg. Bismarck hatte die Veröffentlichung lanciert, um Belgien und Luxemburg für wohlwollende Neutralität im Krieg mit Frankreich zu gewinnen. 3  In einem Brief aus der Schweiz hatten sich Mitglieder der russischen Sektion der Internationalen über die ständigen Intrigen Bakunins beschwert.

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

staat« erhalte ich durch Schuld der Post ganz unregelmäßig. Die Nr. vom 23. hatte ein Kreuzband mit Poststempel vom 19. um, so manipulieren die Kerls. Viele Nrn. fehlen ganz. In den beiden letzten war Wilhelm nicht sehr aktiv dumm, er hatte sich hinter die Fraternisation der deutschen und französischen Arbeiter retiriert1. Schorlemmer hat zwei Brüder in der hessischen Division, einjährige Unteroffiziere. Von Smith2 weiter nichts gehört. Besten Dank für die Bemühung. Wenn ich diese Woche nichts höre, so schreib’ ich etwas derb an den Smith. Was ist das für eine Idee von solch einem Aristokraten, hier selbst Erkundigungen einziehen zu wollen! Hätte er seinem banker das überlassen, so hätte er in drei Tagen alle Auskunft. Der Mann muß aber sich selbst für einen businessman halten. Rindvieh! Beste Grüße an Euch alle. Lizzie ist mit ihrem Knie in guter Besserung. Dupont hatte sich, wohl durch den Mothet, ein Haus in der allerungesundesten Nachbarschaft, dicht an dem Stinkfluß3, anhängen lassen, ich habe aber dafür gesorgt, daß er ein andres genommen hat. Sprich aber mit ihm nicht davon, es ist erledigt. Den Mothet hat er mir aber nicht wieder gebracht; Serraillier4 wird ihm deswegen geschrieben haben, und Dupont scheint jetzt selbst Erleichterung zu fühlen, daß er den Kerl nicht mehr Tag und Nacht am Halse hat. Dein F. E.

1  Liebknecht hatte keine klare Stellung bezogen und sich dafür hinter dem Argument, französische und deutsche Arbeiter sollten sich verbrüdern, zurückgezogen. 2  Smith, Hausmakler in London 3  Bridgewater-Kanal bei Manchester 4  Auguste Serraillier, Mitglied des Generalrats der Internationalen, Mitglied der Pariser Kommune

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

Engels an Marx in Ramsgate Manchester, 10. August 1870 Lieber Mohr, Heute ist der 10. August. Sollten die Pariser ihn ganz vergessen haben? Nach der »Pall Mall Gazette« heut abend scheint es nicht. Das bas empire1 scheint sich in einen Furz aufzulösen. Badinguet2 dankt ab von der Armee und muß sie Bazaine3 geben, der jetzt sein bester Mann, von den noch Ungeschlagenen, ist. Das heißt doch in der Tat, er dankt überhaupt ab. Es scheint, als solle den Leuten die Revolution sehr leicht gemacht werden; alles geht ganz von selbst aus dem Leim, wie auch nicht anders zu erwarten. Die nächsten paar Tage werden dies sicher entscheiden. Ich glaube, die Orleanisten4 sind – ohne die Armee – nicht stark genug, eine Restauration sofort riskieren zu können. Da sie jetzt die einzig noch mögliche Dynastie, so werden sie vielleicht selbst wieder ein republikanisches Interregnum vorziehn. In diesem Fall würde die Ex-Marseillaise5 wohl ans Ruder kommen? Ich glaube, einer Republik gegenüber verstehn sich die Preußen zu einem im ganzen ehrenhaften Frieden. Es kann ihnen nicht konvenieren, 1793 und 1794 wieder heraufzubeschwören6. Die ganze Thron­ rede des Wilhelm zielte darauf hin, daß auf eine Revolution spekuliert wurde und man die Sache nicht aufs Äußerste treiben wollte. Dagegen ist allerdings seitdem die nationale Wut in Deutschland groß und der Schrei nach Elsaß und Lothringen allgemein. Auch ist auf Wilhelm nicht zu rechnen. Aber ich glaube doch vorderhand noch, daß man sich mit weniger begnügen wird. Etwas Land wird Frankreich

1  heruntergekommene Kaiserreich 2  Napoleon  III. 3  François-Archille Bazaine, französischer General 4  Anhänger des Hauses der Orléan unter dem Bürgerkönig Louis-Philippe ab 1830 5  Die linksrepublikanische Zeitung »La Marseillaise« war zeitweilig verboten. 6  Zeit der französischen Revolutionskriege

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Arbeit am »Kapital« (1860 – 1870)

wohl lassen müssen. Und daß der élan von 1793 sich reproduziere, und zwar wirksam, dazu gehören auch die Feinde von 1793, und, wie Du mit Recht sagst, auch etwas andre Franzosen, als die soeben aus dem bas empire kommen. Ich vermute übrigens, daß die Preußen schon mit den Orléans Verhandlungen gehabt haben1. Daß Bismarck in Wien gewesen, scheint mir ein dortiges Börsengerede. Wien ist stark darin. Was Du wegen der Russen sagst, auch ganz meine Meinung. Und lange wird’s nicht dauern, bis es dahin kommt. Ich bin überzeugt, Bismarck wird sich für diesen Fall die Franzosen im voraus menagieren. Über die Strategie des Badinguet gestern (leader) und heute abend in der »Pall Mall Gazette«. Seitdem noch neue Dummheiten entdeckt. Das 7. Korps Felix Douay ist erst am 1. Aug. von Belfort ganz gemütlich nach Altkirch marschiert und wird also jetzt, da die Linie Straßburg-Nancy bei Zabern von den Deutschen besetzt ist oder sein wird, über Vesoul und Chaumont nach Metz oder Chalons befördert werden müssen. Solch eine Sauerei2 ist noch nicht dagewesen. Ausgezeichnet, daß grade die Deutschen diesen ganzen Schwindel mit einem Schlage auflösen! Welche Vorstellungen man sich in der französischen Armee vom Gegner gemacht, geht am besten aus den seit Sonntag im »Temps« veröffentlichten Briefen vom Kapitän Jeannerod hervor. Der Biedermann wurde in Saarbrücken gefangen und sah das 8. Korps (unsere Rheinländer). Das Erstaunen des Kerls ist zum Totlachen. Gleich der erste Anblick des preußischen Lagers imponiert ihm enorm. »Une belle et bonne armée, une nation fortement organisée pour la guerre«3, zeigt sich ihm in allem, bis zum preußischen Unteroffizier, dessen »valeur morale, malheureusement digne ist d’être enviée par nous«4. Und das

1  Die Orléanisten waren Gegner Napoleons III., sie galten als Vertreter des Hauses Orléans und des gemäßigten Bürgertums. 2  militärische Fehlentscheidung 3  Eine ausgezeichnete Armee, eine Nation, die vorzüglich für den Krieg gerüstet ist 4  dessen Kampfmoral bei uns leider nur Neid auslösen kann

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»Es sind noch drei Kapitel zu schreiben«

war noch einer der Gescheutesten, der selbst gut Deutsch kann! Auch gibt er zu, daß die Preußen weit besser schießen als die Franzosen. Die Deutschen haben jetzt 1 1/4 Millionen Soldaten unter den Waffen, so daß selbst 100 000 – 200 000 Italiener (= der Hälfte Franzosen) wenig Unterschied machen. Östreich riskiert eine Revolution in Wien, wenn es sich rührt. Rußland wird wohl safe sein, bis der Friede geschlossen oder eine revolutionäre Regierung in Paris ist, auf die bei Mogeleien kein Verlaß ist. Man wird sich allerseits hüten, den in Wut gesetzten deutschen Michel noch mehr zu reizen. Du siehst aber, wie recht ich hatte, in dieser preußischen Militärorganisation eine ganz enorme Kraft zu sehn, die bei einem Nationalkrieg, wie jetzt, vollständig unbesiegbar ist. Es heißt jetzt offiziell: Die I., II., III. deutsche Armee. Ich will nochmals in den Schiller1 nach den letzten Telegrammen sehn. Beste Grüße an Euch alle. Dein F. E. Wegen dem Haus2 noch immer nichts gehört. Unter den Umständen wäre es vielleicht doch besser, sich nicht auf 3 1/2 Jahr zu binden; ich warte noch ein paar Tage, bis ich dem Kerl schreibe.

1  Die Schiller-Anstalt war das deutsche Kulturzentrum in Manchester. 2  Engels’ Suche nach einem Haus in London

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei« Kritik an der Sozialdemokratie (1871 – 1883)

Marx an Engels in London 19. August 1871 Globe Hotel, Manchester Street, Brighton

Lieber Fred, Sei so gut, das auf andrer Seite Stehende1 an die »Public Opinion«, 4, Southampton Street, Strand, zu schreiben mit meiner Unterschrift. Meine Handschrift könnte den Kerls Vorwand zu misprints2 geben. Was nach deutscher Seite zu tun ist, bei meiner Rückkehr. Ich habe heute den ersten schönen Tag hier. Gestern und vorgestern Regen. Leider habe ich meine Lebermedizin nicht mitgenommen, aber die Luft tut mir außerordentlich wohl. Wenn es möglich (und die Kinder nicht vorher ankommen), würde ich gerne bis Donnerstag hier bleiben, aber no cash in hand, und ich sehe aus Deinem Brief, daß Du auch blank bist. Was den Netschajew3 betrifft, der nach seiner Art die falschen Gerüchte über sich selbst höchsteigenhändig in die Welt setzt, so muß, nach meiner Rückkehr, von Seiten des General Council4 öffentlich gegen ihn prozediert werden. Salut. Dein K. M.

1  In einem Leserbrief an die »Public Opinion« verwahrte er sich gegen eine Verleumdung der Berliner »National-Zeitung«. Darin wurde behauptet, Marx, der neue Messias der Arbeiter, sei selbst keinen Schritt vorangekommen. Er und die anderen sozialistischen Agitatoren trieben Missbrauch mit dem Geld der Arbeiter. Marx versicherte dagegen, dass er von der Arbeiterklasse niemals auch nur einen Pfennig erhalten habe. 2  Druckfehlern 3  Serge Netschajew, russischer Revolutionär, Freund von Bakunin 4  Generalrat der Internationalen

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

Engels an Marx in Brighton London, 23. Aug. 1871 Lieber Mohr, In aller Eile. Inl. B 57 68868, London, 27. Juli 1871, fünf Pfd. Bleib dort, so lange Du kannst, es wird Dir mehr guttun als herzukommen, die Mädchen kommen doch diese Woche nicht. Nach »Pall Mall« ist Lafargue auch frei. Leßner1 sagt, daß die Lassallianer beschlossen haben, wenn sie das Geld nächste Woche nicht erhalten, Dich zu verklagen!2 Frankel ist hier, ist gestern mit Chalain und Bastelica zum Mitglied des General Council gewählt. War heute bei mir mit Rochat, scheint mir kein Überflieger. Allsop war gestern im Council, gab mir für Dich für die Flüchtlinge die Summe von fünf Schillingen, geht wieder aus der Stadt und wird Dir wieder schreiben, bei dem Gedränge natürlich keine Gelegenheit, näher mit dem tauben Mann zu sprechen. Jungs3 Brief, daß ich einen Aufruf an die Yankees machen sollte, erhielt ich gestern, 7 Uhr abends, also zu spät. Beschlossen, daß Du beauftragt bist, diesen Aufruf zu machen4 und nächsten Samstag per Steamer abzuschicken. Kannst Du nicht, so kann ich etwas Derartiges machen, der inl. Brief beweist, daß es fruchten wird. Gestern zwischen 2 und 3 £ im ganzen eingekommen! Die ganze Sitzung wieder verwandt zur Debatte von folgendem: Weston, Haies, Applegarth und noch einer unsrer Engländer von G. Potter zu einer Sitzung eingeladen, wo auch Dr. Engländer! war. Potter leg1  Friedrich Leßner, Mitglied des Bundes der Kommunisten, enger Freund von Marx und Engels 2  Lassalle-Anhänger im Londoner Arbeiterbildungsverein verleumdeten Marx, er habe Streikgelder unterschlagen. Tatsächlich war in den Streikfonds kein Geld eingezahlt worden. 3  Georg Gottlob Jung, liberaler Politiker, Mitglied des preußischen Landtags 4  Aufruf an die amerikanischen Arbeiter, die französischen Kommune-Flüchtlinge zu unterstützen

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Kritik an der Sozialdemokratie (1871 – 1883)

te vor, daß Sir Ed. Watkin1 mit der kanadischen Regierung einen Plan vereinbart, wonach die Versailler Gefangnen nach Kanada geschickt werden und dort per Stück 1 Acre Land erhalten sollten – Vermutung, daß Thiers2 dahinter, um die Leute loszuwerden. Weston schwärmerisch dafür, il radote de plus en plus3. Ende vom Lied motivierte Tagesordnung, ganz gut, von Longuet, Theisz und Vaillant. Ich bin überlaufen von morgens bis abends, kann nicht mal eine Zeitung lesen, habe unten auch jetzt wieder jemand sitzen. Dazu sind mir meine Brüder angesagt. Salut. Dein F. E.

Marx an Engels in Ramsgate London, 8. Sept. 71 Lieber Fred, Die Adresse von Allsop4 ist: Pegwell Bay. Nummer nicht gegeben und auch nicht nötig. Everybody will tell you the whereabouts of Pegwell Bay. Es ist gut, daß Du ihn sprichst, da er Dienstag mit Geld nach London kommt und mich dort zu sich eingeladen hat. Ich habe ihm ausführlich geschrieben und zugleich erklärt, daß ich nur fortfahren kann to be the aumonier5 of himself and friends, wenn man mir völlige Dispositionsfreiheit läßt and does not bother me with the demand to produce lists of »the different degrees of distress«6 der Flüchtlinge.

1  Edgar W. Watkin, englischer Politiker 2  Louis Adolph Thiers, französischer Historiker und Politiker 3  Er wird immer kindischer. 4  Thomas Allsop, britischer Politiker, Unterstützer von Kommune-Flüchtlingen 5  Geldsammler 6  und mich nicht mit der Forderung quält, Listen über die Grade der Bedürftigkeit aufzustellen

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

Was sagst Du zu Ehren-Favre1? Die lausige Londoner Presse muß ihre eigne Schande jetzt telegraphisch melden.2 Letzten Montag verkündete »L’ Avenir Libéral« – journal bonapar­tiste, publié à Paris – meinen Tod. Infolgedessen verschiedne Zusendungen, u. a. hat Dronke heut an meine Frau geschrieben, auch Imandt den »Dundee Advertiser« geschickt, worin derselbe Blödsinn. A demain. Call upon me after your arrival at London. Gruß an whole family. Dein K. M. Rochat ahmt famos des Frankels Franzesch nach. Der »Evening Standard« von Sept. 6 brachte bloß den Brief an Editor mit der Nachbemerkung: »We have received no enclosure.« Ich sah das Zeug erst gestern. Da die Briefe an die Kerls in Deiner Handschrift geschrieben, ließ ich meine Frau in ihrem eignen Namen ihnen sofort schreiben, unter Vorwand, ich sei auf einige Tage von London abwesend. Sie schickt (und Brief registered) »Public Opinion«, verlangt Abdruck und Apologie unter gerichtlicher Drohung. Legt ihm »alte« Karte ein »Mme. Jenny Marx, née Baronesse de Westphalen«, was diesen Tories bange macht.

1  Jules Favre, republikanischer Politiker 2  Favre setzte sich erfolgreich gegen die Verleumdung zur Wehr, Erbschleicher gewesen zu sein.

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Kritik an der Sozialdemokratie (1871 – 1883)

Engels an Marx in Manchester London, 30. Mai 73 Lieber Mohr, Heute morgen im Bett ist mir folgendes Dialektische über die Naturwissenschaften in den Kopf gekommen: Gegenstand der Naturwissenschaft – der sich bewegende Stoff, die Körper. Die Körper sind nicht von der Bewegung zu trennen, ihre Formen und Arten nur in ihr zu erkennen, von Körpern außer der Bewegung, außer allem Verhältnis zu den andern Körpern, ist nichts zu sagen. Erst in der Bewegung zeigt der Körper, was er ist. Die Naturwissenschaft erkennt daher die Körper, indem sie sie in ihrer Beziehung aufeinander, in der Bewegung betrachtet. Die Erkenntnis der verschiednen Bewegungsformen ist die Erkenntnis der Körper. Die Untersuchung dieser verschiednen Bewegungsformen also Hauptgegenstand der Naturwissenschaft. 1. Die einfachste Bewegungsform ist die Ortsveränderung (innerhalb der Zeit, um dem alten Hegel einen Gefallen zu tun) – mechanische Bewegung. a) Bewegung eines einzelnen Körpers existiert nicht; relativ gesprochen kann jedoch der Fall als ein solcher gelten. Die Bewegung nach einem, vielen Körpern gemeinsamen Mittelpunkt. Sobald aber der Einzelkörper in einer andern Richtung als nach dem Zentrum sich bewegen soll, fällt er zwar noch immer unter die Gesetze der Fallbewegung, aber diese modifizieren sich b) in Gesetze der Flugbahn und führen direkt auf die Wechselbewegung mehrerer Körper – planetarische etc. Bewegung, Astronomie, Gleichgewicht –, temporär oder scheinbar in die Bewegung selbst. Das wirkliche Resultat dieser Bewegungsart ist aber schließlich immer – der Kontakt der sich bewegenden Körper, sie fallen ineinander. c) Mechanik des Kontakts – sich berührende Körper. Gewöhnliche Mechanik, Hebel, schiefe Ebene etc. Aber der Kontakt erschöpft hiermit seine Wirkungen nicht. Er äußert sich unmittelbar in 223

»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

zwei Formen: Reibung und Stoß. Beide haben die Eigenschaft, daß sie bei bestimmtem Intensitätsgrad und unter bestimmten Umständen neue, nicht mehr bloß mechanische Wirkungen erzeugen: Wärme, Licht, Elektrizität, Magnetismus. 2. Eigentliche Physik, Wissenschaft dieser Bewegungsformen, die nach Untersuchung jeder einzelnen feststellt, daß sie unter bestimmten Bedingungen ineinander übergehn, und schließlich findet, daß sie alle bei bestimmtem Intensitätsgrad, der nach den verschiednen bewegten Körpern wechselt, Wirkungen hervorbringen, die über die Physik übergreifen, Veränderungen der innern Struktur der Körper – chemische Wirkungen. 3. Chemie. Für die Untersuchung der frühern Bewegungsformen war es mehr oder minder gleichgiltig, ob sie an belebten oder unbelebten Körpern gemacht wurden. Die unbelebten zeigten sogar die Phänomene in ihrer größten Reinheit. Die Chemie dagegen kann die chemische Natur der wichtigsten Körper nur an Stoffen erkennen, die aus dem Lebensprozeß hervorgegangen sind; ihre Hauptaufgabe wird mehr und mehr, diese Stoffe künstlich herzustellen. Sie bildet den Übergang zur Wissenschaft des Organismus, aber der dialektische Übergang ist erst dann herzustellen, wenn die Chemie den wirklichen entweder gemacht hat oder auf dem Sprung steht, ihn zu machen. 4. Organismus – hier lasse ich mich vorläufig auf keine Dialektik ein. Da Du dort im Zentrum der Naturwissenschaften sitzest, so wirst Du am besten imstande sein zu beurteilen, was daran ist. Dein F. E. Wenn Ihr glaubt, daß was an der Sache ist, so sprecht nicht davon, damit mir nicht irgendein lausiger Engländer die Sache stiehlt, das Verarbeiten wird immer noch viel Zeit erfordern.

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Kritik an der Sozialdemokratie (1871 – 1883)

Marx an Engels in London Harrogate, 7. Dez. 73 Lieber Engels, Von den 60 £, die Du mir gabst, blieben about 23 £ für meine Reise (nämlich davon gezahlt: 10 £ Moore et Co., Abschlagszahlungen: 5 £ an beerman, 5 £ an grocer, 5 £ an Withers, 2 £ 17 sh. für Zinsen an Pfandhaus, 4 £ (Kleid, Stiefel etc. für Tussy1), 5 £ meiner Frau gelassen). Mit 10 £ mehr habe ich largely genug, brauche aber 12 £, wenn ich über Manchester zurückreise, wie ich dem Gumpert versprochen, und dort 2 Tage bleibe. Sei so gut, von den 100 £ meiner Frau nur 20 £ zu geben und die 80 £ in Reserve für mich zu halten, da ich 3. und 16. Januar bedeutendere Zahlungen abmachen muß und sie nicht der Versuchung aussetzen möchte, weniger Dringendes zu zahlen. Die 5 £ wird man der Co. noch in den Rachen werfen müssen. Ich schreibe heute an Moore wegen der Geldeintreibung. Mein cold, der verdammt severe war2, ist noch nicht ganz beseitigt und saufe ich immer noch die Medizin, die Gumpert auf Benachrichtigung mir sofort von Manchester aus verschrieb. Ich hoffe, daß die Sache in ein bis zwei Tagen zu Ende ist. Wie außerordentlich mir aber die hiesige Luft und das Stilleben (ich habe absolut nichts gearbeitet) bekommen, siehst Du daraus, daß ich trotz dieses verdrießlichen und den Kopf benauenden3 Inzident seit Jahren mich nicht so wohl gefühlt habe. Den cold nahm ich mir durch zu wörtliche Ausführung der Gumpertschen Vorschrift, nach dem Mineralwassertrunk stark zu laufen. Der Zustand des Himmels ließ einen Sturmregen vorhersehn. Tussychen bekömmt die Kur außerordentlich gut. Dazu das regime, wobei mindestens um 11 Uhr zu Bett gestiegen wird. 1  Marx’ Tochter Eleanor 2  meine Erkältung, die sehr schwer war 3  altertümlich für: beklemmenden

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

In der Inhaltsanzeige des magnum opus von De Paepe1 figuriert als Hauptabschnitt des zweiten Buchs, données physiologiques: »Analyse de la Force de Travail et Conditions Physiologiques de son existence«. 1. Théorie de Karl Marx sur la force de travail, le travail nécessaire et le surtravail. – Haute portée économique et sociale de cette théorie; 2. Analyse physiologique de ce que Marx appelle force de travail ou force ouvrière. – Que cette force est formée de trois principaux éléments: force nerveuse, force musculaire, force sensorielle.2 Du siehst, wie er damit Gelegenheit gewinnt, sich ins medizinische Gebiet zu werfen. Der Abschnitt endet: 14. Comment les données physiologiques qui précèdent vont nous permettre de déterminer aussi rigoureusement que possible la valeur de la force de travail base de toute valeur d’ échange et fondement de toute science économique3. Dies letzte klingt nach Mißverständnis. Dann kommt die Bevölkerungstheorie unter dem Titel: »Données fournies par l’ étude des fonctions de reproduction«.4 Ich sehe aus dem Verzeichnis, daß er von wegen des Zögerns der französischen Übersetzung des »Kapitals« das dort Gelieferte nicht kennt und daher in keiner Weise sich aneignen konnte. Die Widersetzlichkeit der Cuba slaveholders ist a godsend5; es ist in keiner Art wünschenswert, daß die Sache so entscheidungslos vorübergeht. Auch gönne ich Castelaret6 Co. jede unangenehme Verwicklung. 1  César De Paepe, belgischer Arzt, Mitglied der Internationalen 2  Analyse der Arbeitskraft und die physiologischen Bedingungen ihres Bestehens. 1. Theorie von Karl Marx über die Arbeitskraft, die notwendige Arbeit und die Mehrarbeit. – Große ökonomische und soziale Tragweite dieser Theorie. 2. Physiologische Analyse dessen, was Marx Arbeitskraft oder Kraft des Arbeiters nennt. – Diese Kraft wird aus drei Hauptelementen gebildet, Nervenkraft, Muskelkraft, sensorische Kraft. 3  Wie die vorstehenden physiologischen Angaben uns erlauben, den Wert der Arbeitskraft genau zu bestimmen als der Grundlage allen Tauschwerts und Begründung jeder Wirtschaftswissenschaft. 4  Angaben, die durch das Studium der Reproduktion gewonnen werden 5  Die Beteiligung der kubanischen Sklavenhalter an der Niederschlagung des Aufstands gegen die spanische Kolonialmacht wertete Marx als ein Gottesgeschenk. 6  Die spanische Regierung unter Ministerpräsident Emilio Castelaret geriet in Konflikt mit den USA, nachdem spanische Schiffe, die zur Niederschlagung des Aufstands eingesetzt wurden, auch amerikanische Schiffe beschossen hatten.

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Kritik an der Sozialdemokratie (1871 – 1883)

Hast Du dem Papst sein encyclicum1 gelesen, worin sehr verständlich unser schöner Wilhelm2 mit den römischen Kaisern, welche Christi Apostel und Gläubige verfolgten, zusammengestellt wird? Die Linke in der französischen Versammlung wird wohl noch unter besondres Reglement gestellt werden. Die Lumpen wollen nicht en masse austreten. Damit hörte die Sicherheit auf, die die erste Bürgerpflicht ist, und die offizielle Wichtigkeit, und der Diätenbezug etc. Der Gumpert fragte, wann Du denn endlich Dich in Manchester wieder sehn lassen wolltest? Ich habe ihn dahin beruhigt, daß Du wahrscheinlich schon im Frühling geschäftshalber einspringen würdest. Compliments to Mrs. Lizzy. Dein K. M.

Marx an Engels in London Karlsbad, 18. Sept. 74 Lieber Fred, Montag brechen wir auf; es geht über Leipzig, wo ich mich etwas aufhalten und Wilhelm3 sehn werde, nach Hamburg. Du weißt, daß ich sehr schreibfaul bin; doch war das diesmal nicht der Grund des hartnäckigen Schweigens. Die ersten drei Wochen fast schlaflos zugebracht; dies zusammen mit den Anstrengungen hier wird Dir alles erklären. Obgleich man nur morgens trinkt (abends vor Schlafengehn läßt man sich ein kaltes Glas einer besondren Quelle ins Haus bringen), befin1  Enzyklika von Papst Pius IX. von 1873 gegen den Kulturkampf. Bismarck hatte mit den Kulturkampfgesetzen, die auf strikte Trennung von katholischer Kirche und Staat abzielten, von 1873 bis 1875 den weltlichen Einfluss des Katholizismus zurückdrängen wollen. Die Kampfmaßnahmen Preußens und des Reichs scheiterten an der innerkatholischen Solidarität. 2  Kaiser Wilhelm I. 3  Wilhelm Liebknecht

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

det man sich doch den ganzen Tag über in einer Art Maschine, die einen fast keinen Augenblick freiläßt. Morgens um 5 oder halb 6 auf. Dann 6 Gläser nacheinander an verschiednen Brunnen zu nehmen. Zwischen dem einen und dem folgenden Glase müssen wenigstens 15 Minuten liegen. Dann wird das Frühstück vorbereitet, zunächst durch den Einkauf von kurgemäßem Backwerk. Danach ein Marsch von wenigstens einer Stunde, endlich der Kaffee, der hier vorzüglich ist, in einem der Kaffeehäuser außerhalb der Stadt. Hierauf folgt eine Fußtour durch die umliegenden Berge; um 12 Uhr about kömmt man nach Haus, nimmt aber einen Tag um den andern noch ein Bad, was wiederum eine Stunde wegnimmt. Folgt Wechsel der Toilette; puis Mittagessen in einem beliebigen Gasthof. Schlafen nach Tisch (vor Tisch ist’s erlaubt) streng verboten, und mit Recht, wie ich mich bei einmaligem Versuch überzeugt habe. Also eine weitere Tour unternommen, abwechselnd mit Ausfahren. Rückkehr nach Karlsbad 6 – 8 Uhr abends, leichter Abendimbiß, und – ins Bett. Dies variiert durch Theater (welches immer um 9 Uhr schließt, wie alle übrigen entertainments), Konzert, Lesekabinett. Infolge der Wasserwirkung ist der Kopf hier sehr irritabel; Du begreifst daher, daß auf die Dauer der Kugelmann mir unerträglich wurde. Aus Gemütlichkeit hatte er mir ein Zimmer zwischen den seinigen und Tussys gegeben, so daß ich ihn genoß, nicht nur, wenn ich mit ihm zusammen, sondern auch, wenn ich allein war. Sein beständiges, in tiefer Stimme vorgetragnes ernsthaftes Blechschwatzen trug ich mit Geduld; schon weniger das Hamburg-Bremen-Hannoversche Philisterpack, männlich und weiblich, das einen nicht losließ; endlich aber brach meine Geduld, als er mich mit seinen häuslichen Szenen gar zu sehr ennuyierte. Dieser erzpedantische, bürgerlich-kleinkramige Philister bildet sich nämlich ein, seine Frau verstehe, begreife seine faustische, in höherer Weltanschauung machende Natur nicht und quält das Dämchen, das ihm in jeder Hinsicht überlegen ist, auf das Widrigste. Es kam daher zwischen uns zum Skandal; ich zog in eine höhere Etage, emanzipierte mich durchaus von ihm (er hatte mir ernstlich die Kur verdorben) und söhnten uns erst vor seiner Abrei228

Kritik an der Sozialdemokratie (1871 – 1883)

se (die letzten Sonntag erfolgte) wieder aus. Ich erklärte aber positiv, daß ich Hannover nicht heimsuchen würde. Ein ganz angenehmer Umgang war Simon Deutsch1 (derselbe, mit dem ich den Krakeel in Paris hatte und der mich hier sofort aufsuchte); auch gruppierte sich bald die Hälfte der hiesigen medizinischen Fakultät um mich und Tochter; lauter für meinen hiesigen Zweck, wo man wenig denken und viel lachen muß, sehr passende Leute. Auch Maler Knille2 aus Berlin sehr liebenswürdiger Geselle. Über mein Abenteuer mit dem Hans Heiling Kugelmann3 manches Ergötzliche in London. Je mehr man Details »aus dem Österreichischen« hört, je mehr überzeugt man sich, daß es mit diesem Staat zu Ende geht. Ich habe bis jetzt um vier Pfund (Zollgewicht) abgenommen und kann selbst mit der Hand fühlen, daß die Leberverfettung im status evanescens4 ist. Ich glaube, daß ich in Karlsbad endlich meinen Zweck erreicht habe, wenigstens für ein Jahr. Es wäre mir sehr lieb, ein paar Zeilen von Dir in Hamburg bei Meißner vorzufinden. Mit besten Grüßen von Tussy und mir an Madame Lizzy und Pumps5 Dein Mohr Ich war nach Ischl eingeladen (von Dr. Kraus, Herausgeber der »Wiener Medizinischen Zeitung«) und nach Prag von Herrn Oppenheim (Bruder der Frau Kugelmann, sehr liebenswürdiger Mensch), aber der Mensch strebt auf einem gewissen Punkt heimwärts.

1  Simon Deutsch war ein demokratischer Journalist, mit dem Marx in Paris 1849 debattiert hatte. 2  Otto Knille, Maler 3  Marx bezeichnete den Freund Ludwig Kugelmann scherzhaft als Hans Heiling, die Titelfigur einer Oper von Heinrich Marschner. 4  im Verschwinden 5  Mary Ellen Burns (»Pumps«), Nichte von Engels’ Lebensgefährtin Lizzy Burns

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

Engels an Marx in London 3, Adelaide Gardens Ramsgate, 24. Mai 76

Lieber Mohr, Soeben empfange ich inl. beiden Briefe. Der Fluch der bezahlten Agitatoren, der Halbgebildeten, fällt schwer auf unsre Partei in Deutschland. Wenn das so fortgeht, so werden bald die Lassalleaner1 die klarsten Köpfe sein, weil sie am wenigsten Unsinn aufnehmen und Lassalles Schriften die am wenigsten schädlichen Agitationsmittel. Ich möchte wissen, was dieser Most2 eigentlich von uns will, und wie wir verfahren sollen, um es ihm recht zu machen. Es ist klar: in der Vorstellung dieser Leute hat sich Dühring durch seine hundskommunen Angriffe gegen Dich uns gegenüber unverletzlich gemacht, denn wenn wir seinen theoretischen Blödsinn lächerlich machen, so ist das Rache gegenüber jenen Personalien! Je gröber Dühring3, desto demütiger und sanftmütiger müssen wir sein, und daß Herr Most nicht noch verlangt, außer Herrn Dühring seine Schnitzer (als wenn es sich um bloße Schnitzer handelte) wohlwollend und privatim aufzudecken, damit er sie in der nächsten Ausgabe beseitige, ihm auch noch den Allerwertesten zu küssen, ist in der Tat eine wahre Gnade. Dieser Mensch, Most meine ich, hat es fertiggebracht, das ganze »Kapital« zu exzerpieren und doch nichts draus zu kapieren. Das beweist dieser Brief schlagend, und damit ist der Kerl charakterisiert. All dergleichen Blödsinn wäre unmöglich, wenn statt Wilhelms ein Mann 1  Anhänger des von Lassalle 1863 gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins 2  Johann Most, Sozialdemokrat, verfasste einen Auszug aus dem »Kapital« mit dem Titel »Kapital und Arbeit« 3  Eugen Dühring, Privatdozent für Nationalökonomie in Berlin, verfälschte nach Marx’ Ansicht seine Theorie des Kapitalismus. Dühring warf Marx vor, sich zu sehr am Philosophen Hegel zu orientieren, am britischen Ökonomen David Ricardo zu »kleben« und nur vage Vorstellungen über die künftige kommunistische Gesellschaft entwickelt zu haben. Engels’ grundlegendes Werk zur Darstellung der Marx’schen Theorie und zur Auseinandersetzung mit Dühring von 1878 trug den Titel »Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft«.

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Kritik an der Sozialdemokratie (1871 – 1883)

von nur einiger theoretischer Einsicht an der Spitze stände1, jemand, der nicht jeden nur möglichen Blödsinn – je toller, desto besser – mit Wollust drucken ließe, und den Arbeitern mit der ganzen Autorität des Volksstaats empföhle. Enfin, die Geschichte hat mich wütend geärgert, und es fragt sich, ob es nicht an der Zeit sein wird, unsre Stellung vis-à-vis diesen Herren in ernstliche Erwägung zu ziehn. Für den dummen Wilhelm ist das alles nur ein erwünschter Vorwand, auf Manuskript zu pressen. Welch ein Parteiführer! Aus der gestrigen »Daily News« eine interessante Korrespondenz aus Konstantinopel liegt bei; man kann dem Mann um so eher glauben, als ihm die Softarevolution2 sehr gegen die Haare geht. Die Geschichte im Orient fängt an to come to a head, der serbische erneuerte Anleiheversuch3, dito. Wechselsuspendierung und die neuen Forderungen der herzegowinischen Insurgenten4 zeigen, wie Rußland dort schiebt und drängt. Ich bin begierig, wie’s weitergeht. Hier haben wir heute den ersten Regentag, gestern war’s nur ein kurzer Schauer. Ich hoffe, es geht bei Jenny fortwährend alles gut. Lizzie und ich grüßen Euch alle, Longuets und Lafargues bestens. Dein F. E. Ich sehe eben, daß Wilhelm mir das ganze Mostsche Manuskript unter Kreuzband zugeschickt hat. Wer weiß, ob das international zulässig ist und also, ob es ankommt! Willst Du mal nachsehn gehn, ob es dort ist, und if so, mir zuschicken, ich bleibe noch bis Freitag nächste Woche hier. Mrs. Leeson wird Dir zeigen, wo sie die für mich eingegangenen Papiere etc. aufbewahrt.

1  Engels hielt die von dem sozialdemokratischen Journalisten Johann Most veröffentlichte »Kurzfassung« des »Kapital« für Blödsinn und bedauerte, dass Wilhelm Liebknecht kein theoretisch gebildeter Sozialdemokrat war. 2  Großdemonstration von mohamedanischen Studenten, Softas, gegen den Sultan. 3  Die serbische Regierung wollte zur Finanzierung eines Krieges mit der Türkei eine Anleihe auflegen. 4  Aufstand in der österreichischen Provinz Bosnien-Herzegowina

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

Marx an Engels in Brighton London, 5. März 77 Dear Fred, Einliegend Dühringiana1. Es war mir unmöglich, den Kerl zu lesen, ohne ihm ausführlicher immer gleich auf den Kopf zu schlagen. Jetzt, nachdem ich mich dadurch in ihn eingelesen (und der Teil von Ricardo an, den ich noch nicht gelesen, muß viele köstliche Perlen enthalten), wozu Geduld, aber gleich auch mit dem Knüppel zur Hand, gehört, bin ich für die Zukunft fähig, ihn mit Ruhe zu genießen. Hat man sich einmal in den Burschen hineingearbeitet, so daß man seine Methode am Schnürchen hat, so ist er ein gewissermaßen erheiternder Skribbler2. Unterdes hat er mir als Neben»betrieb« bei meiner verdrießlichen Katarrhstimmung große Dienste geleistet. Dein Mohr Apropos. Der böseste Artikel über Gladstone-Nowikoff3, wobei der Mut der »Whitehall Review« in die Buchs fiel, ist vorgestern mit Barryscher Verschönerung in »Vanity Fair« erschienen. Wie wir gestern, bei Besuch von Collet Sohn und Tochter durchsahen, dies mißbilligt von Vater Collet4, da ja Gladstone ein braver, aber verrückter Mann und diese Sorte Polemik »indezent« ist.

1  Eugen Dühring: »Cursus der National- und Sozialökonomie einschließlich der Hauptpunkte der Finanzpolitik«. 2. Aufl., Leipzig 1876 2  Schreiberling 3  Olga A. Nowikoff, russische Publizistin, übte in den 1870er-Jahren beim britischen Premierminister William E. Gladstone die Rolle einer diplomatischen Agentin aus. 4  Charles D. Collet, radikaler britischer Journalist

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Kritik an der Sozialdemokratie (1871 – 1883)

Engels an Marx in London 42, Kings Road, Brighton 27. Mai 77

Lieber Mohr, Du wirst Dich wundern über mein hartnäckiges Schweigen. Ich hab’ eine verdammt schlechte Woche gehabt mit meinem Aug, die hellscheinende Sun hat ihm kein gut getan. Seit acht Tagen trag’ ich die Brille den ganzen Tag und habe dem Alkohol den Abschied gegeben, fand aber anfangs gar keine Besserung. Erst seit gestern entschiedne Wendung, so daß ich mein Aug nicht mehr fühle. Wenn ich nach London komme (Freitag), werd’ ich dem Ding entschieden ein Ende machen, ich bin diesen Zustand satt, in dem man nichts machen kann. Die dummen englischen Zeitungen fabeln von enormen Fortschritten der Russen in Armenien1, an denen bis jetzt sehr wenig. Wenn aber die Softas in Konstantinopel nicht bald voranmachen, kann Muchtar Pascha2 großen Schaden anrichten. – Für die Kriegführung an der Donau bezeichnend, daß der Zar erst hinkommen muß, ehe etwas geschieht. Im übrigen scheint die russische Armeeverwaltung bis jetzt in der Tat besser als erwartet; wir wollen indes sehn, wie’s geht, wenn die wirkliche Kampagne beginnt. Aber die Entscheidung liegt in Konstantinopel3, und sie fängt an, dringend zu werden. Monsieur MacMahon scheint auch an seinem Coup de tête irre zu werden.4 Es zieht nicht recht, selbst die Börse will trotz aller Anstrengungen nicht ordentlich anbeißen. Seine Versicherungen, sich in der Legalität halten zu wollen, zeigten auch, daß der Erfolg den Zusiche-

1  Russland hatte 1828 Ostarmenien erobert und trachtete danach, auch Westarme­nien zu erobern, was erst zwischen 1915 und 1918 gelang. 2  der von Engels als unfähig angesehene Pascha 3  Im Krieg Russlands im Bündnis mit Serbien, Montenegro und Rumänien gegen die Türkei ging es um die Befreiung des Balkans vom »Türkenjoch«. 4  Der französische Präsident Marschall MacMahon vollbrachte 1877 durch Absetzung der Regierung und Auflösung der Nationalversammlung eine Art royalistischen Staatsstreich, den er durch Neuwahlen bestätigen lassen wollte. Die Wahlen wurden aber von einer republikanischen Mehrheit gewonnen.

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rungen von Broglie & Co.1 nicht entspricht. Wenn die Franzosen sich diesmal stramm halten und ordentlich, selbst nur nicht schlechter als das letzte Mal wählen, so sind sie wahrscheinlich mit dieser Art Reaktion ein für allemal fertig. Wie sich die Sache abwickelt, ist dieser Coup nicht auf Gewalt angelegt, und wenn später auch der Versuch damit gemacht werden sollte, geht es wahrscheinlich schief. Man kann nicht einen Coup d’État auf drei Monate nach Dato ziehen wie einen Wechsel. Dabei ist Broglie kein Dreinschläger, sondern ein parlamentarischer Intrigant und versäumt sicher den rechten Moment, selbst wenn Mac-Mahons Skrupel und Schranken dies nicht von vornherein fast sicher machten. Enfin, die Sache verläuft äußerst günstig, und wenn diesmal die Wähler sich von Präfekten etc. als Stimmvieh behandeln lassen, so verdienen sie’s nicht besser, es sieht aber nicht danach aus. Welche Chance für das alte Schwein Thiers, wenn Mac-Mahon das Dilemma stellt: gute Wahlen oder ich danke ab! Esel! Dein F. E.

Marx an Engels in Ramsgate 17. August 1877 Hotel Flora, Neuenahr

Dear Fred, Ich hätte Dir schon früher geschrieben, aber vieltägige Verklausulierung des ganzen Menschen  – a posteriori2, die bei mir immer das nächste Resultat der Reise und durch die erste Woche Kurwassertrinken nur konsolidiert wird – macht den Menschen im höchsten Grad unaktionsfähig. Von hier ist nicht viel zu berichten. Wahre Idylle; dazu infolge des halb ungünstigen Wetters (obgleich an Ort und Stelle trotz Regen und Sturm die Luft immer lobenswert bleibt), und wohl

1  Gemeint ist der monarchistische französische Politiker Jacques Broglie. 2  im Nachhinein

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auch wegen der andauernden Geschäftskrise, die Besucher­anzahl von 3000 auf 17 – 1800 herabgedrückt. Glückliches Ahrtal. Besitzt noch keine Eisenbahnen; doch schon vermessen und drohend für nächstes Jahr mit commencement d’exécution1 Eisenbahnbau von Remagen nach Ahrweiler, von wo es dann aber nicht das Ahrtal hinuntergehn soll, sondern links ab nach Trier. Ich habe hier sehr guten Arzt gefunden. Dr. Schmitz (gebürtig in Siegen), der so klug ist, trotz des schönen Hauses und Gartens, die er hier eignet, den Winter (von Ende Oktober an) in Italien zu medizinieren. Er war viel in der Welt herum, u. a. in Kalifornien und Zentralamerika. Hat in habitus und manners viel von little Dronke aus seiner besten Zeit. Er hat wesentlich bestätigt, was ich vermutete und Dir von London schrieb. Meine Leber zeigt keine Spur von Erweiterung mehr; der Digestionsapparatus ist somewhat disordered2, aber das eigentliche Übel ist nervöser Natur. Schmitz sagt mir heute wieder, ich müsse nach dreiwöchentlichem Aufenthalt hier in den Schwarzwald auf die Höhe, Berg- und Waldluft zu kneipen. Nous verrons. Dasselbe empfiehlt er für meine Frau, die übrigens Medizin nehmen muß und grade zur rechten Zeit kam, bevor ihr Übel verschlimmert. Tussychens Appetit nimmt zu, was bei ihr das beste Symptom. Die Berge sind grade bei Neuenahr etwas zu weit entfernt vom Sitz des Bades, wenigstens für die durch Karlsbad Verwöhnten. Sehr beunruhigt uns, daß wir noch kein Sterbenswort von den adventures der Familie Longuet3 vernommen. Wie geht’s Deiner Frau? Ich hoffe besser; ist bei Euch das Wetter auch so launenhaft? Hier im Ahrtal sind die Leute gar nicht daran gewöhnt. Im Kurhaus hier (wo man auch die Bäder nimmt, die hier, wie allüberall, neben dem Trinken des alkalinischen Gesöffes) gibt’s ein Reading Room, worin nebst deutschen und holländischen Blättern »Times« und »Galignani’s Messenger«, »Figaro« und »Indepéndance 1  Baubeginn 2  etwas gestört 3  Charles Longuet war mit Marx’ Tochter Jenny verheiratet. Die Familie lebte in Paris.

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belge«, also mehr als ich brauche, da ich hier mich möglichst des Zeitungslesens enthalte. Ich sehe nur mit Bedauern, daß die Türken – wenigstens meiner Laienansicht nach – wieder Zeit verlieren. Man trinkt hier einigen Wein, nur ist grade der Walporzheimer und andrer roter Ahrwein den meisten (u. a. auch mir) Kurgästen untersagt. Schorlemmer hatte versprochen herzukommen; bisher aber nichts von ihm »vernommen«, wie Richard Wagner das ausdrückt. Und nun, old boy, mit besten Grüßen von Haus zu Haus. Dein Mohr

Marx an Engels in Eastbourne 62, Plains of Waterloo, Ramsgate 25. August 1879

Lieber Fred, Mein Brief von Jersey und Deiner von Eastbourne haben sich offenbar gekreuzt. Sobald die Katastrophe in Ramsgate uns telegraphisch1 zukam, brachen wir den folgenden Tag, vergangnen Mittwoch, frühmorgens nach London auf. Es tat mir leid für Tussy, ihren Jersey-Aufenthalt vorzeitig zu beenden, wußte aber, daß meine Gegenwart in Ramsgate aus verschiednen Gründen notwendig geworden. Donnerstag kam ich dort an unter Donner, Blitz und Regenstürzen. Freitag war schön, Sonnabend it rained dogs and cats vom Morgen bis Abend, gestern wieder schön, heut schwankende Prospekte. Viel Juden und Flöhe hierselbst. Hauptsache, Jennychen hat die neun Probetage2 glücklich überstanden und befindet sich ziemlich wohl, considering the circumstances. Sie stillt einstweilen ihr Kind selbst; sehr wünschenswert, daß dies

1  schwierige Geburt von Edgar Longuet 2  kritische Zeit nach der Entbindung

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auf die Dauer ausführbar bleibe. Mit meiner Frau geht’s langsam voran, aber doch besser. Mit meinem Kopf noch nicht all right. Ich sah gestern einmal probehalber gewisse mathematische Hefte, die ich mitgebracht, an, mußte aber sehr bald den vorzeitigen job aufgeben, geschah auch nur als – test. Seebad nahm und nehme ich nicht, sondern warmes Seebad; nämlich infolge des scheußlichen Wetters bei unsrer Ankunft in Jersey hatte sich mein Halsleiden verschlimmert und kam ein fliegendes Zahnleiden hinzu, beide noch nicht ganz beseitigt, obgleich sehr gelindert und mich nur ab und zu daran mahnend, daß sie immer noch im Hintergrund lauern. Hirsch in London1; hatte Visitenkarte bei mir gelassen, konnte ihn aber nicht mehr aufsuchen (er wohnt bei Leßner) wegen meiner plötzlichen Abfahrt von London. Der einliegende Brief von Kaub2 wird Dir die höchst sonderbaren Umstände von Hirschs wiederholter Ausweisung aus Paris zeigen. Ich hoffe, daß es mit Schollymeyers3 Wohlsein besser geht. Beste Grüße an ihn und Pumps, der Johnny noch ganz speziell sich empfiehlt. Hast Du die Eröffnungsrede des Allman4, oder wie er heißt, gelesen? Die hätte ich auch fertiggebracht, obgleich no man of science seiend. Adio old boy. Dein Mohr Der Chef des Massachusetts Labor Statistics Bureau, Wright, hat mir sämtliche Reports from 1874 – 79 (weiß also nichts von Harneys5 früheren Sendungen) überschickt zugleich mit Kompendium des Massa-

1  Carl Hirsch, Journalist und Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, war auf deutsches Ersuchen hin aus Frankreich ausgewiesen worden. Die deutsche Regierung dehnte das Sozialistengesetz damit auch auf das Ausland aus. 2  Karl Kaub, Emigrant in London, Mitglied des Generalrats der Internationalen 3  Karl Schollymeyer, Chemie-Professor in Manchester, Freund von Marx und Engels 4  George J. Allman, britischer Biologe 5  George J. Harney, Freund von Marx und Engels

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chusetts Zensus und mir zugleich schriftlich mitgeteilt, that »he shall be pleased, in future, to send you our publications as soon as issued«. Solche »Anstandserscheinungen« arrivieren nur von Rußland und United States. Mein alter Patron Dana called last Friday at Maitland Park, Tussy sent me his card.

Marx an Engels in Bridlington Quay 3. August 1881 11, Boulevard Thiers, Argenteuil

Dear Fred, Es ist mir sehr peinlich, daß ich so hart auf Deinen Exchequer1 drücke, aber die Anarchie, die während der letzten zwei Jahre in dem Haushalt einriß und allerlei Rückstände verursachte, lastet seit geraumer Zeit auf mir. Am 15ten dieses Monats muß ich in London 30 £ zahlen, und drückte mir das auf dem Kopf seit dem Tag unsrer Abreise von dort. Wann wir zurückkehren werden, ist keineswegs klar. Wir erleben hier von Tag zu Tag dieselben Wechselfälle wie in Eastbourne!2, nur mit dem Unterschied, daß plötzlich entsetzliche Schmerzen eintreten, wie namentlich gestern. Unser Doktor Dourlen, der ein ausgezeichneter Arzt ist und glücklicherweise ganz nah bei uns wohnt, griff sofort ein und wandte eins der heroischen Opiummittel an, die Donkin mit vollem Bewußtsein in Reserve hielt. Darauf hatte sie eine gute Nacht und fühlt sich heute so wohl, daß sie ausnahmsweis schon um 11 Uhr morgens aufstand und in der Umgebung Jennys und der Kinder sich zerstreut. (Die Diarrhöe wurde stopped am zweiten Tage unsrer Ankunft. Dourlen sagte von vornherein: wenn nur ein accident, sei es nichts; 1  Geldbeutel 2  Marx hielt sich mit seiner krebskranken Frau Jenny bis zum 20. Juli in Eastbourne auf.

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aber es könne auch Symptom sein, daß die Eingeweide selbst infiziert. Dies war also glücklicherweise nicht der Fall.) Die temporären »Besserungen« hindern natürlich nicht den natürlichen Fortschritt des Übels, aber sie täuschen meine Frau und befestigen Jenny – trotz meiner Einsprache – in dem Glauben, daß der Aufenthalt in Argenteuil möglichst lang währen müsse. Ich weiß die Sache besser1 und stehe um so mehr Angst aus. Ich habe in fact gestern nacht zum erstenmal wieder einen annähernd vernünftigen Schlaf gehabt. Ich fühle mich im Kopf so dumm, als ging ein Mühlrad drin herum. Ich habe mich deswegen auch bis jetzt ausschließlich in Argenteuil gehalten, weder Paris besucht noch irgendeine Person daselbst durch eine Zeile encouragiert, mich besuchen zu kommen. Hirsch hat im Büro der »Justice« bereits Longuet seine gerechte Verwunderung über diese »abstention« ausgesprochen. Into the bargain fand während der letzten fünf Tage hier ein Kotzebuesches Drama statt2. Jenny hatte als Köchin a very lively young girl from the country, mit der sie in jeder Art zufrieden war, da sie auch die Kinder aufs freundlichste behandelte. Von ihrer letzten mistress, der Frau des Dr. Reynaud (auch Arzt in Argenteuil), hatte sie nur das »negative« Zeugnis, daß sie freiwillig ihren Dienst verlassen habe. Die alte mother Longuet, welche, soweit möglich, Diktatur über Jenny auszuüben sucht, war damit keineswegs zufriedengestellt und hat nichts Eiligeres zu tun, als auf ihre Faust an die Frau Reynaud zu schreiben. Madame Reynaud ist eine hübsche Coquette und ihr Mann ist ein wilder Esel; es gehn also in dem Hause dieses Paars Dinge vor, wovon in Argenteuil viel gekohlt3 wird. Sie wußten nicht, daß ihre ehmalige Magd wieder am Ort selbst Dienst gefunden, und nun gar bei Mr. Longuet, einem intimen Freund des Dr. Dourlen, dessen Frau eine intime Feindin der Madame Reynaud! This was to be looked after. Also eines schönen Vormittags kommt Madame Reynaud – bis dato 1  Jennys Krankheit 2  August von Kotzebue, Dramatiker 3  spekuliert

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Jennychen persönlich unbekannt  –, erzählt letzterer, das Mädchen habe unsaubre Affaires mit Mannspersonen gehabt (et Madame?), aber, was schlimmer, sie sei eine Diebin, dans l’ espèce1, sie habe ihr selbst einen goldnen Ring gestohlen; sie versichert Jenny, sie wolle die Sache en famille, ohne Zuflucht an die »autorités« abmachen etc. Kurz und gut, Jennychen summons the girl2, Madame Reynaud schwatzt ihr zu und bedroht sie at the same time, das Mädchen gesteht, retourniert ihr den Ring – und darauf denunziert Dr. Reynaud die Unglückliche dem juge de paix3. Upshot: gestern ist sie nach Versailles abgeführt worden zum juge d’instruction4. Du weißt, daß als Rest des römischen Rechts, wo familia = servi, der Code dieselben kleinen Verbrechen, die gewöhnlich vors Zuchtpolizeigericht kommen, an die Assisen5 verweist. Jenny hatte in der Zwischenzeit alle möglichen Schritte beim juge de paix, einem sehr braven Mann, getan, aber die Sache war nicht mehr in seiner Hand, sobald sie ihm offiziell denunziert war. Doch werden Jennys Aussagen, die er schriftlich aufgenommen, und die extrajudizielle Prozedur der Reynaud, die sie ebenfalls zu Protokoll gegeben, dem Mädchen zugut kommen. Jennys Verteidigung des Mädchens verwunderte den juge de paix, doch nahm er alles sehr humoristisch auf. Er fragte sie: Mais vous ne voulez pas défendre le vol? – Mais non, Monsieur, commencez par arrêter tous les grands voleurs d’ Argenteuil, et de Paris par dessus le marché!6 Das nächste Resultat ist, daß sie ohne Köchin. Die dumme girl von London – Schwester unsrer ehmaligen Carry – is good for nothing in that line, hat außerdem die Hände voll mit den vier Kindern. Apropos. Nordau – der den Hirsch deplaciert bei der »Vossischen Zei1  insbesondere 2  lässt das Mädchen kommen 3  Friedensrichter 4  Untersuchungsrichter 5  Gericht 6  Aber wollen Sie einen Diebstahl verteidigen? Aber nein, mein Herr, fangen Sie damit an, die großen Spitzbuben von Argenteuil zu verhaften und dazu die von Paris.

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tung« – erhielt einen französischen Orden! Darauf denunziert Hirsch ihn bei der »Justice«. Diese greift das Ministerium an, das solchen Verleumder Frankreichs (er ist deutsch-ungarischer Jude, schrieb für Bismarck gegen Tissot »le vrai pays des milliards«1) beordene wie ditto den Bleichröder2, der la belle France mit zehn statt mit fünf Milliarden Strafgelder belasten wollte. Der Esel Nordau, in diesem Augenblick in Paris, antwortet in Brief an »Justice«, worin er sich als champion Frankreichs repräsentiert. Wurde darauf in »Justice« und Tag nachher in »République française« bloßgestellt. Salut. Dein Mohr

Marx an Engels in London 12. Januar 1882. 1 St. Boniface Gardens, Ventnor

Lieber Engels, Ich werde versuchsweis noch eine Woche (die dritte von heute) hierbleiben; bis jetzt keine Änderung des Wetters zum Besseren, vielmehr das Gegenteil. Tussy geht Montag nach London wegen einer theatralischen Vorstellung, an der sie teilnimmt, kömmt dann wieder her. Als ich London verließ, hatte ich von den 40 £, die Du mir gabst, ­somewhat less than 20 zu verausgaben für Unvermeidliches. Hier kostet mich die Wohnung wöchentlich 2 Guineas, und mit Kohlen und Gas, von andren extras abgesehn, about 2 £ 15 sh.; die übrige Wochenausgabe about 4 Guineas. Es ist das teures Pflaster für die klimatische Leistung des Nests. Mit den Reisekosten habe ich about 1  Victor Tissot: »Les Prussiens en Allemagne. Suite du voyage au pais des milliards«. Kritisches Buch über Preußen und Deutschland, wohin fünf Milliarden Francs französischer Kontributionen geleistet worden waren. 2  auf Anweisung, wie Gerson von Bleichröder, Bankier und Finanzberater Bismarcks

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17 £ ausgegeben und bleiben mir noch 5. Dies reicht nicht hin für die letzte Woche (inkl. Tussys incidental London trip und unsere wahrscheinliche gemeinsame Rückkehr nächste Woche). Es ist mir daher lieb, wenn Du mir bis Montag next some £ 4 nachschickst, wenn tubar. Was nun Späteres betrifft, so ist vor allem bei solchem Tussy zu ekartieren in Rolle meiner Begleiterin (überhaupt werde ich, wenn ich wieder aussetze, ohne Begleitung auskommen). Das Kind ist unter einer mental pressure, die seine Gesundheit ganz untergräbt. Weder Reisen, noch change of climate, noch physicians can do anything in this case. Das einzige, was man für sie tun kann, ist, ihr den Willen zu tun und sie ihre theatralischen lessons bei Madame Jung1 durchmachen zu lassen. Sie brennt vor Begierde, sich, wie sie glaubt, so eine selbständige aktive Artistenlaufbahn zu eröffnen, und dies einmal zugegeben, hat sie jedenfalls recht, daß in ihrem Alter keine weitere Zeit zu verlieren. Ich möchte um alles in der Welt nicht, daß das Kind sich einbilde, in Form der »Pflegerin« eines alten Mannes auf dem Familienaltar geopfert zu werden. In der Tat: ich bin überzeugt, daß Madame Jung pro nunc ihr einziger Arzt sein kann. Sie ist nicht offen; was ich sage, ist auf Beobachtung gegründet, nicht auf ihre eignen Aussagen. Das eben Erwähnte steht nun in keinem Gegensatz dazu, daß die nächst beunruhigenden Symptome, die namentlich des Nachts, wie Miss Maitland (sie war zwei Tage hier) mir sagte, erschreckend hysterischer Natur sind. Aber auch dagegen ist vorderhand kein andres Mittel gegeben als ihr zusagende und sie absorbierende Tätigkeit. Ich habe einige Konjekturen über ihre »Gemüts«angelegenheiten; doch ist der Gegenstand zu delikat, um schwarz auf weiß verhandelt zu werden. Ich habe einen Brief erhalten von Familie Sorge2, geschrieben vom Alten, gegengezeichnet von Frau Sorge und Sorge jun., worin sie mir vorschlagen to turn over a new leaf, i. e. mich in New York bei ihnen niederzulassen. Jedenfalls gut gemeint!

1  Schauspielunterricht bei Jane Vezin, einer englischen Schauspielerin, die zum Bekanntenkreis der Familie Marx gehörte 2  Friedrich A. Sorge, alter Kampfgefährte von Marx, lebte in New York

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In der »Arbeiterstimme«, wo C. Schramm über den Karl Bürkli1 herfiel, sich auf mich stützend, fällt nun Bürkli über Schramm her, ihm nachweisend, daß alles, was er beibringt, nichts mit der Sache zu tun hat, indem ich nirgendwo mich beschäftigt mit der Sorte Geld, die er, Bürkli, vorschlägt, nämlich »verzinsliche Hypothekenbankscheine«. Wohl aber wundert sich Bürkli, daß ich nirgends des Polen August Cieszkowski (»Du crédit et de la circulation«, Paris 1839) erwähnt, obgleich der »rauhe Proudhon« in dem »Système des contradictions économiques« viel, aber mit Ehrerbietung, gegen den Cieszkowski (den »Vorerfinder« der Bürklischen Bankscheine) polemisiere. Dieser Cieszkowski  – ein Graf, wie der Schweiznative Bürkli bemerkt, und into the bargain2 ein »Doktor der Philosophie« und »Hegelianer« und sogar ein »Landsmann von Marx«, nämlich als »Abgeordneter für Posen« in der »preußischen« Nationalversammlung – dieser Graf etc. also besuchte mich in der Tat einmal in Paris (zur Zeit der »Deutsch-Französischen Jahrbücher«) und hatte mir’s so angetan, daß ich absolut nichts lesen wollte oder konnte, was er gesündigt3. Merkwürdig bleibt, daß die Erfinder von »Real«kreditgeld, das zugleich als Zirkulationsmittel dienen soll, im Gegensatz zu dem, was sie »Personal«kreditgeld nennen (wie die jetzigen Banknoten), schon zur Zeit der Stiftung der Bank von England – im Interesse und Auftrag der Landaristokratie  –, aber vergeblich, ihr Glück versuchten. Bürkli jedenfalls im Irrwahn über das »historische« Geburtsdatum seiner selbständig wiedererfundnen Cieszkowskischen »Idee«! Was mich vom ersten Augenblick am Bismarckschen Wilhelm­ manifest4 frappiert hat, ist die Konfusion zwischen preußischem König und deutschem Kaiser! In letzter Qualität hat der Bursche ja gar keine historische Vergangenheit nicht, noch hohenzollernsche 1  Schweizer Frühsozialist 2  auch noch 3  August Graf Cieszkowski, polnischer Gutsbesitzer und Ökonom, hatte Marx wegen wirrer Ansichten in schlechter Erinnerung. 4  Erlass Wilhelms I. vom 7. Januar 1882, wonach der preußische König auch ohne Gegenzeichnung durch ein Regierungsmitglied verbindliche Entscheidungen treffen durfte.

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Traditionen (zu denen jetzt an der Spitze die Reise – die konstitutionelle Studienreise des »Prinz von Preußen« nach England prangt!). Daß Bismarck – wenn auch in alberner Weise – diese Karte ausgespielt, ist reizend nach den brechenerregenden, in Untertanenliebe ersterbenden Beteurungen der Mommsen, Richter, Hänel et tutti quanti. Hoffentlich erleben wir noch was. Dein K. M.

Engels an Marx in Ventnor London, 13. Jan. 1882 Lieber Mohr, Zuerst inl. £ 20 in 4 Banknoten a 5 GK 53 969, 70, 71, 72. London, 7. Okt. 1881. Ferner habe ich an Lenchen £ 10 gegeben, damit sie die Rates zahlen und etwas in der Hand behalten kann. Nächste Woche werden dann stärkere Summen flüssig, und wir können dann nach Deiner Rückkehr weitere Pläne machen. Sehr froh bin ich, daß Du Dich stark genug fühlst, um fernere Reisen allein machen zu können. Die Schramm-Bürkliade1 habe ich teilweise durchflogen und mich sehr darüber amüsiert. Der Cieszkowski hat schon vor 1842 ein naturphilosophisch-botanisches Buch geschrieben und, wenn ich nicht irre, auch an den »Deutschen« oder schon »Hallischen Jahrbüchern« mitgearbeitet. Unsre Pariser Freunde haben jetzt geerntet, was sie gesät. Was wir beide ihnen vorhersagten, ist wörtlich eingetroffen. Mit ihrer Ungeduld haben sie sich eine vortreffliche Position verdorben, die eben nur durch Diskretion und Wartenkönnen auszunutzen war. In die ihnen von Malon und Brousse ganz nach altallianzistischer Art2 gestellte

1  Kontroverse über Geld und Kredit mit Bezug auf Marx’ »Kapital« 2  Anspielung auf Aktionen des Anarchisten Bakunin gegen die Sozialisten

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Falle der bloß andeutenden, nie öffentlich Namen nennenden und im geheimen mündlich ergänzenden Verleumdung sind sie hineingelaufen wie Schuljungen (Lafargue1 voran), indem sie namentlich angreifend antworteten und nun als Friedensstörer verrufen werden. Dabei ist ihre Polemik kindisch; sobald man die Antwort des Gegners liest, zeigt sich das sofort. So unterschlägt Guesde2 wesentliche, qualifizierende Stellen des Joffrin3, weil sie ihm unbequem, und verschweigt das Faktum, daß trotz seiner Opposition das Comité national beschlossen hatte, Joffrins Programm sei radikaler als das programme minimum, Joffrin also von der Partei autorisiert war. Was dieser dem Guesde natürlich triumphierend vorreitet. So faßt Lafargue seine Artikel so ab, daß Malon ihm antworten kann: aber was haben wir denn anders behauptet, als daß die Kämpfe der mittelalterlichen Communiers gegen den Feudaladel Klassenkämpfe waren – und das bestreiten Sie, Herr Lafargue?4 – Und jetzt kommen Jammer­briefe über Jammerbriefe aus Paris, sie seien hoffnungslos geschlagen und würden nächstens in der Sitzung des Comité national auch noch körperlich Keile besehn, und Guesde verzweifelt ebensosehr, wie er vor vier Wochen übermütig war, und sieht kein andres Heil als Sezession der Minorität5. Und jetzt, wo sie erstaunt merken, daß sie auch ausessen müssen, was sie eingebrockt, jetzt kommen sie zu dem löblichen Entschluß, alle Persönlichkeiten beiseite zu lassen! Ich schicke Dir eine alte »Kölnische Zeitung«, die aber einen sehr interessanten Artikel über Rußland hat. Übrigens ist das von Malon und Brousse verfertigte, Joffrin unterzeichnete Faktum im »Prolétaire« (gegen Guesde) ein Prachtstück bakunistischer Polemik und ganz im Stil des Zirkulars von Sonvillier, nur gröber.

1  Paul Laguarde, Marx’ Schwiegersohn, Führer der französischen Sozialisten 2  Jules Guesde, französischer Politiker 3  Jules Joffrin, Führer einer als Abweichler angesehenen Fraktion der französischen Sozialisten (Possibilisten) 4  Paul Lafargue, französischer Sozialist, Marx’ Schwiegersohn 5  Abspaltung der Minderheit

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Also der Ukas wegen Herabsetzung der Wykupgelder erlassen. Die paar Perzentchen werden auch bei den kolossalen nedoimki viel verschlagen! Aber dem russischen Staatsschatz verschlägt jede ausbleibende Million. Übrigens hat Bismarck doch noch mehr Glück, als man erwarten sollte: der Reichstag deckt mit 2/3 Majorität seine Pilgerfahrt nach Kanossa! Das ist aber auch das einzige, worüber dieser Reichstag sich einigen kann. Eine schöne Majorität: Feudale, Ultramontane, Partikularisten, Polen, Dänen, Elsässer, einige Fortschrittler, Demokrätzer und Sozialisten! Ad vocem Pilgerfahrt: heut morgen begegnete mir Furnivall in blauem, um den Leib gegürteten Ulster und breitkrempigem Hut – er sah genau aus, als wäre er ein Pilgeram auf der Fahrt ins Heilige Land, um den Bart des heiligen Antonius zu holen. Beste Grüße an Tussy. Dein F. E.

Marx an Engels in London 17. Febr. 82 Hôtel au petit Louvre Rue de Cannebière, Marseille

Dear Fred, Tussy hat Dir wohl gestern einige Zeilen abgesandt. Ich wollte ursprünglich erst nächsten Montag Paris verlassen; da mein State of health was rather not improving, I took at once the resolution of removing to Marseille, and thence at once, on Saturday, to sail for Algiers. Ich hatte in Paris, begleitet von meinem Johnny, nur einen Sterb­ lichen besucht, nämlich den Mesa1. (In der Tat sollicitierte2 er, Mesa,

1  José Mesa, spanischer Sozialist, Autor einer Marx-Biografie 2  verleitete

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mich zum Kohl zu viel, und ich etwas außerdem zu spät zurückkehrte nach Argenteuil, about 7 o’ clock in the evening. Die ganze Nacht wurde ich schlaflos.) Ich suchte Mesa zu überreden, daß die Freunde, namentlich Guesde, das Rendezvous gefälligst verschoben bis zu meiner Rückkunft from Algiers. But all that in vain. In fact, Guesde is so much on all parts assailed just now, that it was important for him to have an »official« meeting on my side.1 So viel mußte man schon der Partei nachgeben müssen. Ich gab ihnen also Rendezvous, wo Guesde und Deville2 mit Mesa in dem Hôtel de Lyon et de Mulhouse, 8, boulevard Beaumarchais, eintrafen about nach fünf Uhr nachmittag. Ich empfing sie erst unten im Saale der Restauration, wo Tussy und Jennychen mich dorthin von Argenteuil (Mittwoch nachmittag) begleitet. Guesde war etwas verlegen von wegen Jennychen, because he had just bittren Artikel gegen Longuet3, although she (Jennychen) did not take no regard whatever to that incident. Sobald die Dämchen fort, ging ich mit ihnen d’ abord in ma chambre, wo Kohl about 1 hour, dann down – Mesa aber nun Zeit für sich zu drücken – in die Restauration, wo sie noch Muße enough, eine bottle Beauve mit mir zu leeren. Um sieben Uhr waren sie »alle« geworden. With all that, obgleich ich um neun Uhr abends zu Bett, solcher diabolischer Wagenlärm bis ein Uhr ununterbrochen; um die Zeit (about 1 o’ clock) hatte ich ein vomissement4, ich hatte wieder zu viel mich hereingekohlt5. Die Reise nach Marseille, schöner Tag und all right etwas nach der Station von Lyon. Erst 1/2 Stunden d’arrêt at Cassis wegen distemper6 der Lokomotive; hin wiederum selbiges Malheur mit der Maschine at Valence, obgleich diesmal der arrêt nicht so lang. Unterdes ward es bitter kalt und bösig biting wind. Statt um einige Zeit vor 1  Aber alles umsonst. Tatsächlich wird Guesde von allen Seiten so scharf angegriffen, dass es ihm wichtig war, ein »offizielles« Zusammentreffen mit mir zu haben. 2  Gabriel Deville, französischer Sozialist 3  Charles Longuet, Jennys Ehemann 4  Erbrechen 5  gegessen und getrunken 6  Defekt

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12 Uhr Mitternacht erreichten wir Marseille erst nach zwei Uhr morgens früh; ich war more or less, aller Bedeckung zum Trotz, gewissermaßen freezing, und fand nur Gegenmittel im »Alkohol«, again and again resorted to it1. Letzte verdrießliche épreuve2 war in der letzten Viertelstunde (oder mehr) in gare de Marseille, offen, kaltwindig, sehr lange Prozedur bis Überlieferung des luggage3. Heute sonnig in Marseille, aber der Wind selbst noch nicht warm. Dr. Dourlen4 riet mir zu logieren in oben benanntem Hotel, wo ich nach Algier morgen (Sonnabend) fünf Uhr nachmittag weg. Das bureau der »Paquebots à vapeur des Postes françaises«5 ist hier im selben Hotel, wo ich logiere, so daß ich hier sofort Billet (für 80 frs. first class) des Paquebots »Said« einlöste; die baggage ist ibidem6 hier enregistered, also alles so bequem als möglich. Apropos. Hier erwischte ich einen »Prolétaire« (ebenso »L’Égalite« hier sold); der Lafargue scheint mir stets neue useless incidents zu vermehren, wie vielleicht die details far from exact. As to his characterising Fourier a »Communist«, he is now that they make fun of him obliged to explain in what sense he might have called Fourier as a »Communist«7. Derartige »Kühnheiten« kann man weg-, »auslegen« oder »unterlegen«; schlimmer ist, daß such kleine facts überhaupt be saved. Ich finde, daß er viel zu breit orakelt. My best compliments to Laura; I shall write her from Algiers. There is one single man sufficient as patron; it is a long letter written by Longuet to his friend Fermé, der selbst von ehmaligem nach Algerien Deportierten (unter Napoleon III.) bis zum juge d’appel zu Algier es so weit gebracht hat. Von Paß und dergleichen ist gar keine Rede. Auf

1  immer und immer wieder habe ich ihm zugesprochen 2  Prüfung 3  Gepäck 4  französischer Arzt, bei dem Marx in Argenteuil in Behandlung war 5  französischen Postdampfschifffahrt 6  ebenso hier 7  Was seine Beschreibung Fouriers als »Kommunisten« angeht, ist er jetzt, wo sie über ihn spotten, genötigt zu erläutern, in welchem Sinne er Fourier als »Kommunisten« bezeichnet habe.

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dem Billet des Passagiers nichts inskribiert außer Vor- und Familien­ namen. Grüße auch Lenchen and the other friends. Addio! Old Mohr

Marx an Engels in London 1 Mars 1882 Hôtel Pension Victoria Mustapha Superieur, Boulevard Bon Accueil, Algiers (Können jetzt direkt an mich unter obiger Adresse Briefe zu richten.)

Dear Fred, Telegram an Dich antizipierte Postcard, weil letzteres etwa nutzlose Beunruhigung verursacht hätte. Die Tatsache ist, daß dank einer Aufhäufung kleiner ungünstiger Umstände (inkl. die Seefahrt), mich tief ins Innere verfroren, mein corpus delicti in Algier am 20. Februar landen ließ. Monat Dezember war scheußlich in Algier, Januar günstiges Wetter, Februar kalt, resp. auch näßlich. Ich erwischte noch die drei Tage, 20., 21., 22. Februar, die kältesten besagten letzten Monats. Schlaflos, appetitlos, starker Husten, etwas ratlos, nicht ohne hier und da Anwandlungen einer profunda melancolia, gleich dem großen Don Quichotte. Nach Europa at once then zurück, unverrichteter Sache, mit den faux frais1, zudem Aussicht auf wieder zwei Nächte in einer der cabines den Kopf torturiert durch den Maschinenlärmskandal! Andrerseits sicher dem quid pro quo entlaufen durch sofortige Reise nach Biskra, dicht nah an der Wüste der Sahara? Doch in Betracht entsprechender

1  überflüssigen Kosten

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Kommunikations- oder Transportmittel 7 – 8 Tage neue Reise erfordert, beschwerlich, und nach Beratung in die Verhältnisse Vertrauter keineswegs unbedenklich für einen pro nunc Invaliden für etwaige incidents bevor Ankunft in Biskra! Da mir ohnehin après-midi des 22. Febr. Thermometer Günstiges hindeutete, und ich bereits am Tag meiner Ankunft mit dem guten judge Fermé1 bereits ausspioniert Hôtel-Pension Victoria, verließ ich das Grand Hôtel d’Orient (wo selbst auch gebettet the abominable philosophical radical Ashton Dilke2 – by the by in le »Petit Colon« und andren petits journaux Algériens jeder Engländer is a lord, even Bradlaugh figures here as Lord Bradlaugh), mit bagage auf une des collines en dehors de la fortification, du cõté de l’Est de la ville3. Hier herrliche Lage, bevor meiner chambre die Bucht des Mediterranean, Hafen von Algier, villas amphitheatralisch aufsteigend die collines (des ravines au dessous des collines, d’autre collines au dessus)4; weiter entfernt des montagnes, visibles u. a. die Schneegipfel derrière Matifou, sur les montagnes de Kabilie, des points culminants du Djurdjura. (Alle bestehn aus oben besagten collines aus Kalkstein.) – Am Morgen um 8 Uhr nichts Zauberhafteres als Panorama, Luft, Vegetation, europäisch-afrikanisch wunderbares mélange. Jeden Morgen – 10, oder 9 – 11 thereabouts my promenade zwischen des ravines et les collines situées au dessus de la mienne. With all that lebt man nur von Staub. In first instance from 23 – 26th Febr. nur really excellent change; aber nun (und trotzdem ich noch so verfroren, daß meine Kleidung even then nur dadurch von meiner Kleidung in Isle of Wight und in Stadt Algier bloß davon verschieden, daß ich bis jetzt in der Villa nur den Rhinozerosüberrock5 durch meinen leichten Überrock ersetzt, alles andre bis jetzt nichts daran verän-

1  Albert Fermé, Richter in Algier 2  der abscheuliche Philosoph Ashton Dilke 3  mit Anhang auf einem Hügel außerhalb der Festungsanlagen auf der Ostseite der Stadt 4  Schluchten unterhalb der Hügel, andere darüber 5  Pelzmantel

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dert) begann (und dauert jetzt vielleicht vom 27th Febr. an auf 9 Tage) die sog. tempête, c. a. d. le tapage du vent sans de tonnèrre et sans d’éclairs, dangerous and treacherous time much feared even by the natives1. Also in der Tat bis jetzt nur 3 Tage wirkliches Gute. Unterdes mein Husten ward schlimmer from day to day, le crachement abominable2, wenig Schlaf, above all a certain nasty feeling that my left side is once for all deteriorated by the perish, and my intellectual state most dejected3. Thus I summoned Dr. Stephann (best Algiers doctor). I had two interviews yesterday and to-day. What to do? I am just go to Algiers to make prepare his prescriptions given; they are, after he had very seriously examined me, 1. Collodion cantharidal, mit pinceau4 tätowiert; 2. Arseniate de soude, mit bestimmtes quantum Wasser; 1 Suppenlöffel davon bei jedem Mahle; 3. au cas de ­besoin, namentlich nachts während Hustens, Suppenlöffel von mixture von codéine und julep gommeux. Er kommt wieder in 8 Tagen zu mir; meine bodily exercises, mir vorgeschrieben, to keep within very moderate limits; no real intellectual work except some reading for my distraction. So bin ich in der Tat nicht a bit (rather a less zurück) früher at London! Hence a man ought never delude himself by too sanguine views! Ich muß abbrechen, weil ich nach Algier zur Apotheke muß. By the by, you know that few people more averse to demonstrative Pathos; still, it would be a lie not to confess that my thought to great part absorbed by reminiscence of my wife, such a part of my best part of life! Tell my London daughters to write to Old Nick instead of expecting him to write himself first. How is Pumps going on in that serious work of man-creating?

1  der sogenannte Sturm, also das Heulen des Windes ohne Donner und Blitz, eine gefährliche und tückische Zeit, die selbst die Hiesigen fürchten 2  der scheußliche Auswurf 3  vor allem das unangenehme Gefühl, dass meine linke Seite dauerhaft durch die Krankheit geschädigt ist, und mein geistiger Zustand beeinträchtigt ist 4  Pinsel

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Give her my best compliments. Give my compliments to Helen; ditto Moore, Schorlemmer. Now, old good fellow … Yours Mohr Apropos! Dr. Stephann, like my dear Dr. Donkin, does not forget – the cognac!

Marx an Engels in London Algier, 23. März, Donnerstag 1882 Dear Fred, Mein help hat mir eben – nach breakfast – die dichten durch gestrige Einreibung produzierten und starkgeschwollnen Wasserblasen auf Brustseite geöffnet etc.; danach mir bequem noch 1 – 2 Stunden weiter im Bett zu faulenzen; hier kritzele ich diese paar Zeilen auf diese Postkarte, da keine Zeit zu verlieren ist; es geht nämlich ausnahmsweis frühzeitig Bote aus dem Hause nach Algier, um dorthin zur Post Briefe etc. zu expedieren. (Montag und Mittwoch geht keine Post nach Frankreich.) Seit Dienstag (21. März) mit obligate intervals Tag und Nacht neuer tobender Sturm, Donner und wenig Blitz, Regenguß abends, namentlich nachts, heut auch morgens. Frappierte mich vor allem bei Herannahen des Sturms, Nachmittag Dienstag, angezeigt durch so verfinsterten, dunkelschwarz drohend sky, truly African sirocco spielt Rolle in diesem Sturm. Dr. Stephann gestern hier; Examination befriedigend; Fortschritt; peccans1 noch ein niedrigstgelegenster Platz auf Brustseite und entsprechender auf Rücken. Nächste Woche (i. e. about

1  entzündet

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Mittwoch oder Donnerstag nächste Woche) soll mein help nicht jene Plätze einreiben; Stephann hält sich dies also selbst speziell vor. Grüße an alle. Dein Mohr

Marx an Engels in London Algier, 31. März 82 Dear Fred, 28. März: Verdrießlicher Regencharakter dieses Tags in ersten Morgenstunden – schloß hiermit die kurze Epistel an Tussy. Nachdem sie bereits expediert, entwickelte sich aber ein Sturm, zum erstenmal gut aufgeführt; nicht nur Windgeheul, Regenguß, Donner, sondern unaufhörlich Blitzen into the bargain1. Dies dauerte tief in die Nacht hinein, wie gewöhnlich zugleich tiefes Sinken der Temperatur. Interessant die Farbenteilung der Wogen in der fast Ellipsesektion bildenden schönen Bucht: schneeweiß die Brandung, umgürtet von dem aus Blau ins Grün verwandelten Seewasser. 29. März (Mittwoch): Verdrießlicher Landregen, nicht minder verdrießlich die stöhnenden Windstöße; kaltnasse Temperatur. Diesen Tag kurz vor Dejeuner (findet statt a quarter past elf oder aber halb zwölf) kam Dr. Stephann zum besondren Zweck, die von ihm signalisierten und zur Attacke sich selbst vorbehaltnen niedrigsten Plätze auf Rücken und Brust der Tätowierung zu »widmen«. Vorher, wie bei jeder Visite, gründliche Examination; für den bei weitem größten Teil der linken Seite viel besser status; die untersten besagten Plätze noch nur dumpfes Geräusch statt Helmholtz’2 musikalischen Ton gebend, können nur nach und nach wieder in Ordnung gebracht (und das 1  zusätzlich 2  Hermann von Helmholtz, Professor für Physik und Physiologie an der Universität Berlin

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schlechte Wetter hindert rascheren Prozeß). Stephann erklärte mir heut zum erstenmal – offenbar, weil er mich sofern repariert glaubt, um rücksichtslos zu sprechen können –, daß ich bereits bei Ankunft in Algier eine Rechute1 ernstlichster Art mitbrachte. Nur durch die vésicatoires das épanchement zu kontrahieren2. Es ging besser, als er vorhersehn konnte. Jedoch werde ich für Jahre mich sehr vorsichtig behandeln. Er werde mir eine schriftliche Konsultation – zur Zeit bei Verlassen Algiers  – mitgeben, namentlich auch für meinen Londoner Arzt. Bei Leuten von meinem Alter müsse das Experiment von rechutes keineswegs oft zu repetieren. Einige Stunden nach dem Dejeuner begann das Tableau auf meiner Haut grimmernst zu lebendig; jemand, wie fühlt, seine Epidermis zu kurz geworden und wolle er selbst aus ihr herausplatzen; die ganze Nacht durch peinvoll; kratzen war mir aufs absolute verboten. 30. März: Um 8 Uhr morgens mein assistant-doctor, my helpmate, – stellt sich vor meinem Bett ein. Fand sich, daß infolge spontaner Bewegungen hatten die Blasen generally geplatzt; eine wahre Überschwemmung, die Leintuch, Flanell, Hemd getränkt, hatte sich im Lauf der Nacht entwickelt. Die Tatuierung3 hatte also gehörige Wirkung auf die Angriffspunkte hervorgebracht. Mein liebenswürdiger help verband mich dann sogleich, so daß nicht nur Reibung mit dem Flanell verhindert, sondern auch das Aufsaugen von Wasser noch nachträglich bequem vorangehe. Heute (31. März) morgen fand Mr. Casthelaz4, daß die suction5 schließlich sich beende und die Trocknung fast fertig. In diesem Fall werde ich dann so eine zweite Tatuierung innerhalb einer Woche (vom 29. März beginnend) wahrscheinlich untergehn können. Tant mieux. 30. März (gestern) wurde Wetter warm und angenehm um 12 Uhr vormittags, wo ich daher auf der Galerie promeniere; später schlief

1  einen Rückfall 2  Nur durch Zugpflaster könne der Bluterguss verkleinert werden. 3  Einpinselung 4  Maurice Casthelaz, französischer Arzt und Pharmazeut 5  Aufsaugung

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ich einiges, zum Ersatz für die Nachtunruhe, wie ich heut dies auch tun werde, da namentlich das strenge Vermeiden von Kratzen in der Nacht hält wach, wenn selbst, wie in der Nacht von 30. auf 31., keine Pein. Wetter heute (31. März) zweifelhaft; jedenfalls noch nicht geregnet; wird vielleicht wie gestern relativ »gut« um die Zeit von 12 Uhr vormittag, die sich herannaht. Hiermit nichts Weiteres zu Gesundheitsbulletin hinzufügen; im ganzen alles befriedigend. Habe heut von Tussychen erhalten1. Apropos, vor einiger Zeit hat sie mir einliegenden Brief geschickt; ich kann die Unterschrift nicht entziffern; das wird Dir gelingen. Jedenfalls eine sonderbare Erscheinung, ein Quedlinburger Rechtsanwalt mit eigner Weltanschauung! Nur eins mir unklar: Hat der Mann das von ihm mir bestimmte Exemplar seines »Buchs« in Maitland Park eingetroffen, oder aber will er vorher genau meine Adresse, um sein Buch sicher angelange? Im ersten Fall soll Tussy ihm Empfang seines Buchs anzuzeigen, im 2. Fall ihm meine »sichre« Adresse senden. Mon cher, Du wie andre family members, werden die Irrtümer in meiner Orthographie, Konstruktion, falscher Grammatik ihnen auffallen; fällt mir immer auf – bei meiner noch sehr großen Zerstreutheit – erst post festum. Shows you, daß an sana mens in sano c­ orpore noch etwas zu klappern. By the by Reparatur wird sich wohl machen. Eben tocsin pour déjeuner2, und danach muß dieses Brieflein bereit sein für den Boten nach Algier. Also Gruß und für alle. Dein Mohr

1  Brief von Tochter Eleanor 2  Glocke läutet zum Essen.

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Marx an Engels in London 20. Mai 82 Hôtel de Russie, Monte Carlo (Monaco)

Privately. Dear Fred, Dies hier wäre nutzlos, den Kindern mitzuteilen, da es sie umsonst beängstigen würde. Doch muß ich somebody at least über die letzten Erfahrungen benachrichtigen. Im letzten Brief (ich weiß nicht genau, ob an Dich direkt oder an Tussy oder an Laura) schrieb ich, ich werde Dir Näheres mitteilen, nach Zusammenkunft mit Dr. Kunemann. Diese fand statt am 8. Mai; es ist ein Elsässer, wissenschaftlich (medizinisch) gebildet; teilte z. B. mir des Dr. Koch über den Bazillus mit vor Empfang Deines Briefs; Mann mit großer Praxis; hat wenigstens 52 – 54 Jahre auf dem Buckel, da er 1848 Student auf der Universität zu Straßburg; als Politiker findet er im Journal »Temps« seinem Temperament entsprechendes Organ; die Wissenschaft habe ihn überzeugt, daß alles nur »langsam« voran; keine revolutionäre Überstürzung – zwingt sonst fast ebensoviel »rückwärts« danach zu marschieren (wie auf der Echtnacher Prozession1 p.e.); Erziehung der Masse und der »Nichtmasse« erste Bedingung etc. In one word, politically, a republican philistine2; dies all hier erwähnt, warum ich ihm gegenüber mich nicht auf dies Gebiet einließ, außer einging auf die »machiavellistische« Politik von Charles III., absoluter Tyrann von Monaco. Er hält mich für einen 1848er, und auf weiteres, außer diesem Datum, gab ich ihm über meine sonstige public activity keine weiteren Daten. Nun zur Sache. Ursprünglich schloß er aus meiner Visitenkarte, wo Dr. figuriert, die ich ihm durch seine Dienstbotin übermachen ließ, daß ich Dr. med. sei, worin weiter überzeugt durch die Karte des Dr. Stephann, die ich ihm übergab, ditto die meines neu bekannten Doktors aus Interlaken; Dr. Donkins Karte, den

1  Echternacher Springprozession 2  Mit einem Wort, politisch ein republikanischer Philister

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ich als Freund meines Freundes Prof. Ray Lankester erwähnte, da er wissen wollte, wer mich zu London behandelt habe etc. Dann gab ich ihm zum Lesen Stephanns consultation écrite. Weil er mich also selbst als Dr. med.-Kollegen, either theoretically or practically – betrachtete, sprach er auch rein von der Leber weg, nachdem er mich auskultiert und perkutiert1. Und zu meinem Schreck – die Pleuresie2 wieder da, wenn auch in geringerem Grad, nur eine Stelle links auf Rückseite; Bronchite mehr oder minder dahingegen – chronisch! Er glaubte mit 1 oder 2 vésicatoires der Sache (pléuresie) Ende der Sache; über 9. Mai (Mardi) erstes vésicatoire, am 13. Mai (Samedi), 2ter nur Besuch bei Kunemann, zweites vésicatoire vorgeschrieben; konnte erst am 16. Mai (Mardi) nach Trocknung applizierbar; am 19ten Mai besuchte ich ihn (Freitag); Auskultation und Perkussion; fand es besser, namentlich auf geringes reduziert das épanchement3; er meinte (da diese Ärzte fürchten, den Patienten ginge die Geduld aus bei diesem ganze Woche jedesmal plus ou moins verdorben und torturiert), es sei nicht weiter notwendig voranzugehn mit vésicatoires; ich könne nur die Einreibung mit tincture of Iodide (mir von Stephann gegen das Bronchitische vorgeschrieben) jetzt auf obere und auch nun untere Stellen auf der linken Brust- und Rückenseite mich begnügen. Darauf dahingegen erklärte ich, wenn das épanchement noch nicht ganz verschwunden sei, ziehe ich v­ ésicatoire abermals (für 23. Mai, Mardi) vor; von Dr. Stephann wisse ich, daß, wo es sich um Pleuresie handelt, Jodtinktur nur ein schwaches, unsichres, die Sache auf die lange Bank verschleppendes Mittel sei. Dem Kunemann selbst war es offenbar viel angenehmer, daß ich mich zur heroischen Remedur entschloß; hoffe nun, daß er mir am 26. oder 27 Mai sagt, diese 2te rechute4 sei nun final (pro nunc). In der Tat, mit Bezug hat sich diesmal das »Schicksal«, konsequent,

1  untersucht und abgeklopft 2  Brustfellentzündung 3  den Erguss 4  Rückfall

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fast sogar als in Dr. Müllners Tragödien1, schauerlich offenbart. Warum erklärt Kunemann (und ich wußte das vorher »erfahren«) dies Bronchitische so »chronisch«? Weil in der ganzen Riviera das Wetter so ungewöhnlich schlecht, anormal sich wandte; doch meinte er, dies sei vielleicht sofern normal, als das Wetter von Januar bis Beginn Mai zu wenig Regen gebracht, fast gar keinen; ein zu schönes warmes Wetter; eine Reaktion müsse dagegen eingetreten worden sein. Ich erklärte ihm daraus einfacher, daß dies alles meiner Ankunft von Algier schulde; mit 4. Mai brachte ich Regen nach Marseille und nach einigem Widerstreben nahm das Wetter – mutatis mutandis – den von mir eben durchfahrnen Charakter des algierschen »Unwetters« am jetzigen Ort meiner Anwesenheit ein. Es gehört viel Geduld, namentlich auch seitens meiner Briefadressaten. Solche repetitio zu langweilig. Nutzloser, inhaltsloser, dazu teurer Lebensgang! Morgen schreib ich an Tussy, da ihr unbeantworteter Brief vom ältesten Datum. Heute geniert mich, da die durch vésicatoire gebildete neue Haut noch die Tendenz bei Bücken hat, sich peinlich an Wams oder an Leinen zu reiben. Notabene: Was ich an die Kinder schreibe, ist die Wahrheit, aber nicht die ganze. Wozu sie ängstigen? Dein Mohr Dr. Kunemanns Irrtum über meinen Charakter als »ärztlichen« Kollegen klärte sich, als er beim ersten Besuch schließlich Zahlung verweigerte; war um so süßer, wenn er unterrichtet, daß ich Laie, also auch zu »blechen«.

1  In den Dramen des Dichters Amandus Müllner nahm das vorgezeichnete Schicksal seinen unentrinnbaren Verlauf.

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Marx an Engels in London Jeudi, 3 Août 82, 11 Boulevard Thiers, Argenteuil Dear Fred, Die Schwierigkeit zum Briefschreiben erklärt sich daraus: 1/2 8 Uhr morgens beginne ich mit Waschen, Anziehn, Frühcoffee etc.; um halb 9 Uhr morgens Abreise nach Enghien, kehre allzumeist erst zurück um 12 Uhr, dann dejeuner in Argenteuil en famille, von 2 – 4 Uhr nachmittag Ausruhen, dann Spazieren und Herumtreiben mit den Kindern, daß Hören und Sehen noch viel gründlicher (namentlich aber auch das Denken) einem ausgeht als dem Hegel der »Phänomenologie«; endlich 8 Uhr Abendsupper und Tagewerk hiermit vollendet. Wo bleibt dann Zeit zur Korrespondenz? Tussychen hilft dem Jennychen außerordentlich, und man könnte ihren Aufenthalt kaum als Erholungsstadium betrachten, wäre Tussy den Kindern nicht so gut und dem armen Jennychen, und entwickelte unter den spezifischen Umständen Eigenschaften, die in London schlummern. Tussy und Laura haben sich noch nicht gesehn und sehnen sich kaum darnach1. Doch müssen sie sich schon anstandshalber einmal mindestens einander bei mir treffen. Zunächst nun Gesundheitsbericht. Meine Kur begann 17ten Juni. Das Wetter bis jetzt war so wenig durchschnittliches Sommerwetter (französisches), daß die Saison, die zu Enghien im Juni beginnt, als failure seitens des établissement thermal betrachtet wird, und man hofft auf »Besseres« für August und September. Beständiger Wechsel der Temperatur, viel umwölkter Himmel, namentlich des Vormittags nach Regen und orages2 ausblickend, heftige Winde, mit Wasserdämpfen schwangere Luft, daher häufig une chaleur lourde, alias Londoner 1  Tussy umsorgte die kranke Jenny, wie es in London noch nicht geschehen war. Das Verhältnis zwischen Tussy und Laura war kühl. 2  Gewitter

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»close« status1. Mit Mühe haben sich die Franzosen der englischen Allianz entwehrt; dagegen scheint englisches Klima (I mean speziell das Londoner Klima) sich mehr und mehr hier zu Paris und Umgebung zu naturalisieren. Wenigstens dies Jahr ist’s so. Natürlich, dazwischen auch schöne einzelne Tage und Tagfragmente. Unter diesen Umständen ist meine Kur mit »angenehmen Hindernissen« zu ringen. Lenchen wird sich erinnern, daß an einem bestimmten Tag sowohl Dr. Feugiers Examination als die ein paar Stunden später von Dr. Dourlen vorgenommene gleichlautend ergaben: die râlements2 seien verschwunden, damit auch der »bronchiale« Charakter des Katarrhs eliminiert. Ich teilte Dir »solches« nicht mit; es ahnte mir, daß dieser Bronchialkatarrh keineswegs sein letztes Wort geröchelt. In der Tat, bei momentan verschlechtertem Wetter röchelte es von neuem. Daß der Husten nicht »verschwunden« war (natürlich viel mehr gemildert), wußte ich; aber Rest von Husten könnte bleiben, nachdem sein Charakter sich verändert. Auch letzten Montag (31.Juli) fand Dr. Feugier bei Auskultation, daß das Röcheln immer noch fortwährt, wenn auch schwächer; das Wetter sei speziell grad für diese Arten Krankheiten böslich widrig. Im Durchschnitt brauchen die Patienten nur während 3 Wochen die Schwefelkur; viele Leute könnten in der Tat nicht länger es ertragen, ohne sich Fieberanfällen etc. auszusetzen. Bei meiner sonst kräftigeren Konstitution halte er es für das beste, bis Mitte August – da auch mein Husten namentlich morgens noch störend – die Kur zu verlängern, mit inhalation, baths, douches und Schwefelquelletrinken; über diesen Termin hinaus würde es zweckwidrig. Natürlich füge ich mich durchaus dem ärztlichen Rat. Allerdings wird es andrerseits wohl zu spät für den Engadinplan3; sowohl Feugier wie Dourlen fürchten, ich könne mich sonst Temperatur-adventures aussetzen, die man vor allem in meinem Zustand nicht ohne Notwendigkeit herausfordere. Ich hoffe, daß Du jedenfalls für einige Tage herkommst (wo die Lafargues 1  eine drückende Hitze, vergleichbar mit der Schwüle in London 2  röchelnde Geräusche 3  Plan für einen Aufenthalt im schweizerischen Engadin

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für Quartier in Paris leicht finden), nicht nur, um mit Dir zu beraten, que faire après1, namentlich aber begreifst Du, wie sehr ich mich danach sehne, Dich wieder zu sehn nach allen diesen damned vésicatoires und ein paarmal nah beim Umkippen! Laurachen schrieb mir, daß Deville abends des 2. August nach seiner Vaterstadt Tarbes abreisen werde. Da ich aber den Wunsch geäußert, ihn zu sehn, schlug Mesa bei sich déjeuner vor am 2. August, wo ich mit den Lafargues ditto Deville und Guesde treffen werde. Dies war das erstemal, daß ich solche Zusammenkunft annahm. (Es ist immer noch das belebtere Sprechen, resp. Schwatzen, das mich angreift – post festum.) Ging gut ab. Mir scheint, daß die Leute des »Citoyen« mit ihren öffentlichen meetings über ägyptische etc. affaires Erfolg2 haben; was die Leistungen ihres Blatts dagegen angeht, ils laissent beaucoup à désirer3. Nebenbei, abgesehn auch von sog. sozialistischen Journalen, ist ein großer und einflußreichster Teil der Pariser Presse unvergleichbar unabhängiger als die Londoner. Trotz des Drucks der meisten professional politicans, trotz der Konspiration der »République Française«, des »Temps« und des »Journal des Débats« – gemeinsam arbeitend unter direkter Leitung Gambettas –; nicht minder trotz der Bestechungsversuche seitens der Financiers (Rothschilds etc.), die direkt in Kreuzzug mit den Engländern gegen Ägypten interessiert – hat die Pariser Presse jeden Versuch (selbst maskierten Freycinets4) zur Intervention mit England oder mit Quadrupelallianz niedergeschlagen; ohne sie hätte Clemenceau nicht den parlamentarischen Sieg errungen. Aber wo ist in London auch nur ein Atom »unabhängiger« Presse?

1  was ich nachher tun soll 2  öffentliche Veranstaltungen der Redakteure des »Citroen«, in denen gegen die britische Intervention in Ägypten protestiert wurde 3  lassen sie viel zu wünschen übrig 4  Anhänger des französischen republikanischen Politikers Charles Freycinet demonstrierten für eine Intervention Englands und Frankreichs oder der Quadrupelallianz von England, Russland, Österreich und Preußen. Clemenceau bekämpfte den Interventionsplan, weil er eine Stärkung Deutschlands befürchtete.

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Ich erinnere mich in der Tat nicht, wo Lorias grandes opus1 steht in meiner Bibliothek; auch scheint es mir nicht der Mühe wert, daß Du Dir die Mühe gibst, es zu suchen. Du weißt, daß nach Lesung (oder rather von erster Hälfte des Buches, denn die Phantasien des Herrn Loria in 2ter Hälfte, wie sein Normalideal, kleines Grundeigentum, i. e. kleines bäuerliches Eigentum, sachgemäß zu konstruieren sei – hatte ich nicht die Geduld mehr als durchzublättern) des »opus« die private eklige Schmeichelei mir gegenüber und öffentliche »Überlegenheit«-tuerei, resp. einige Fälschung meiner Ansichten, um sie bequemer widerlegen zu können  – mich keineswegs erbauten. Doch, obgleich ich auf ersten Eindruck nichts mit ihm schaffen wollte, ließ ich mich näher ein, weil er Talent zeigte, weil er viel geochst hatte; weil er ein armer Teufel, der mir viel von seinem Wissensgier schrieb; weil er noch sehr jung und seine zwar keineswegs jugendlichen, vielmehr überklugalten Tendenzen begreiflich schienen teils aus italienischen Zuständen, teils aus der Schule, wovon er herkam; ebenso weil er die Methode der Untersuchung, die er im »Kapital« fand, soviel als möglich ihm damals tubar, sich anzueignen strebte, manchmal nicht ohne Erfolg. Daß er sich offenbar schmeichelte, in seinem »Grundeigentum«2 das »Kapital« zu antiquieren, »amüsierte« mich und gefiel mir. Mit alledem blieben mir namentlich Zweifel über den »Charakter« des Jünglings. Nachdem ich jedoch diese 2 Broschüren durchgelesen, gab ich Tussy 2 Tage nach ihrer Ankunft hier mein sehr kategorisches und definitives Endurteil – in Worten – rate! – in wörtlich denselben Ausdrücken, die selbiges Tussychen erstaunt war, in Deinem Brief vom 31. Juli, den ich ihr mitteilte, wiederzufinden! Also sind wir, Du und ich, genau nicht nur zum selben Resultat gekommen, sondern in exakt selbiger Formulierung desselben! Unter solchen Umständen kann man sich in Zukunft nur ironisch abwehrend ihm gegenüber halten, ohne irgend-

1  Das große Werk des Ökonomen Achille Loria: »Die ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft« 2  Abschnitt »Grundeigentum« in seinem Hauptwerk

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wie mehr auf die Sache eingehn! Er ist viel schlimmer als das Kauzkitzchen1, der wenigstens sehr guten Willen hat. Apropos Hirsch: Wenn er wirklich mit Mehring kollaboriert hat, so wird die Partei ihm niemals verzeihn. Sehe ich ihn, so stelle ich ihn direkt zur Sprache. Im übrigen, mit Bezug auf die Kontroverse über meinen status, wäre es besser gewesen zu schweigen2. Was sollen die Arbeiter glauben, als ob ich sozusagen nur Scheinkranker, und so viel Zeit und Mittel nur vergeudete ohne ernste Notwendigkeit! Die Lafargues ziehen nächste Woche in ihr wirkliches Quartier, das sehr hübsch und für hiesige logements wohlfeil sein soll. Au revoir, old boy. Gruß auch an Lenchen. Dein Mohr

Engels an Marx in Argenteuil 10, Columbia Terrace Great Yarmouth 90 20. Aug. 82

Lieber Mohr, Die Gelder sind eingezahlt, und ich habe sofort heute bei der Bank eine Anweisung für fr. 1200 bestellt. Am Dienstag hoffe ich sie zu haben. Wie ist’s mit der großen Doktorenprüfung vom vorigen Dienstag3? Bis jetzt ganz ohne Nachricht. Gibt’s Schwierigkeiten mit dem cheque, so schick ihn einfach zurück,

1  Karl Kautsky 2  Der Journalist Karl Hirsch hatte Franz Mehring dazu inspiriert, in einem Artikel auf Marx’ schlechten Gesundheitszustand hinzuweisen, und die Vermutung geäußert, Marx werde nach dem »Kapital« nichts mehr veröffentlichen und habe inzwischen nichts mehr mit der Sozialdemokratie zu tun. 3  ärztlichen Untersuchung

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und ich schicke Dir ebenfalls eine Anweisung auf Paris dafür. Die Geschichte war nur Notbehelf. Pumps und baby sehr flott, das Kleine kriegt schon zwei Zähne. Schorlemmer geht morgen über acht Tage nach Deutschland. Das Tisch­decken zwingt mich zu schließen. Dein F. E.

Marx an Engels in London 16. Sept. 82 Hôtel du Léman, Vevey

Dear Fred, Im Moment, um an Dich zu schreiben, bringt mir der garçon das »Journal de Genève« mit der Nachricht über Bebels Tod. Es ist entsetzlich, das größte Unglück für unsre Partei1! Er war eine einzige Erscheinung innerhalb der deutschen (man kann sagen innerhalb der »europäischen«) Arbeiterklasse. Deine selbstaufopfernde Sorge für mich ist unglaublich, und ich schäme mich oft im Inneren –, doch ich will nicht jetzt weiter auf dies Thema eingehn. Mein Plan, bevor ich Paris verließ, war, at all events wenigstens: während des Oktobers zu London verweilen und mit Dir zusammen sein. Feugier und Dourlen hielten dies auch für unverfänglich, wenn der Oktober passabel wird. Das ist immer noch möglich, trotz regnerischen Septembers. Das Barometer hier stieg am 8., erreichte am 9. den höchsten Punkt, fiel von da an allmählich bis auf den niedrigsten Stand am 12., stieg wieder am 13. (wo er am 11. ungefähr ebenso hoch), fiel dann und steigt wieder langsam seit gestern abend. Obgleich generally in der ganzen Schweiz arger Regen und Stürme (viel Erdrut-

1  die Marx-Richtung in der Sozialdemokratie

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schung und damit verbundne »accidents«); um Vevey speziell relativ gutes Wetter (auch nur ausnahmsweis kalt morgens und in den ersten Abendstunden). Wir haben deswegen auch hier unsren Aufenthalt verlängert. Die Luft hier ist heilkräftig. Trotz der beständigen Wechsel in Temperatur und Luftfeuchtigkeit während desselben Tages geht mein Wohlsein crescendo. Ich glaube, daß der Katarrh aus bronchialem in gewöhnlichen sich verwandelt hat; doch werde ich darüber Gewißheit erst in Genf erhalten, wo ich einen guten deutschen Arzt konsultieren will, i. e. auskultieren lassen. Die von Dir vorgeschlagne Reise ist aber, reizend wie sie wäre, bei den jetzigen Wetterverhältnissen der Schweiz nicht wohl ausführbar. Die Weinernte scheint »nix« hier für dies Jahr. Es schneit ditto sichtbar – und früher wie gewöhnlich – auf den montagnes de la Dent du Midi1; auf dem Jura ist’s »regulär«. Der Berner »Bund« erklärt Wolseley2 für einen den alten Napoleon fast übertreffenden Feldherrn. Die Mogelei mit den Russen hat einen Haken; es wäre möglich, daß Bismarck mit Vergnügen sie, letztere, sich engagieren lassen, aber dann kämen Östreichs »Tröstungen« und compensation für das preußische Kaisertum. Einschreiten der Russen in Armenien kann daher zu allgemeinem Krieg führen und ist wahrscheinlich Bismarcks Wunsch. Apropos! Der Dolch, wie Du die Roheit der Arbeit sehn mußt, ist Kabylenarbeit3. Was das Rohr für den Pfeifenkopf belangt, brachte ich drei Röhren mit (für nur eins war nur noch ein Pfeifenkopf in dem jardin d’ acclimatation vorrätig), Röhren aus Bambus; ich wollte H ­ elen und Tussy, da diese Röhren zu lang für ihre malles4, nicht belasten mit deren Transport, sondern sie selbst nach London bringen. Aus Brief von Jennychen – eben an Laura angekommen – ersehe ich,

1  auf den Bergen des Dent du Midi (Savoyer Voralpen) 2  Die Berner Zeitschrift »Der Bund« machte aus dem bei der Ägypten-Interven­tion 1882 eingesetzten britischen General Garnet Wolseley einen mit Napoleon vergleichbaren großen Feldherrn. 3  in Algerien gefertigt 4  Koffer

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daß Longuet mit Wolf and Harry zu Aubin. Leider ist Jennychens Gesundheitszustand bedenklich, wie mir die doctores (Feugier und Dourlen) schon zu Paris mitgeteilt. Jennychen erwartet ängstlich aus London Nachricht über Johnny; sie erhielt no news seit Tussychens Reise mit Johnny nach Yarmouth. Laurachen schreibt heute auch an Jennychen und teilt ihr auch mit, daß all right mit John, und er bereits, wie wir aus Deinem Brief sahen, in die Kleinkinderschule eingetreten. Beste Grüße an Tussychen, Lenchen, Pumps, and not to forget, my grandson. Jedenfalls schreiben wir Dir, falls wir Vevey verlassen. Dein Mohr Haben die preußischen Hunde nicht kooperiert, durch Gefängnis etc., an Bebels Tod?

Engels an Marx in Ventnor London, 21. Nov. 82 Lieber Mohr, Grade wollte ich bei Dir anfragen, wie’ s mit den Vorräten steht, als ich Deinen Brief heute erhielt. Inl. cheque £ 30, den Du wie gewöhnlich einziehen lassen willst. Das Geld wirst Du dann Montag, vielleicht schon Samstag, und wenn Du 1 sh. für Telegramm dransetzen willst, bereits Freitag haben. Inl. 1. ein mathematischer Versuch von Moore1. Der Schluß, daß the algebraic method is only the differential method disguised, bezieht sich natürlich bloß auf seine eigne Methode der geometrischen Konstruktion und ist da auch ziemlich richtig. Ich habe ihm geschrieben, Du legtest gar keinen Wert auf die Art, wie einer sich die Sachen ver-

1  Samuel Moore, englischer Freund von Marx und Engels

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sinnliche in der geometrischen Konstruktion, die Anwendung auf die Gleichungen der Kurven reiche ja hin. Ferner, der Grundunterschied Deiner und der alten Methode sei, daß Du x in x’ sich verwandeln, also wirklich variieren läßt, während die andern von x + h ausgehn, was immer nur eine Summe zweier Größen, nie aber die Variation einer Größe darstellt. Weshalb Dein x, selbst wenn es durch x’ durchgegangen und wieder zum ersten x geworden, dennoch ein andres ist als vorher; während, wenn man zu x, h erst zusetzt und dann wieder abzieht, x die ganze Zeit konstant geblieben ist. Nun ist aber jede graphische Darstellung des Variierens notgedrungen die Darstellung des vergangnen Prozesses, des Resultats, also einer konstant gewordenen Größe, die Linie x, ihr Zusatzstück, stellt sich dar als x + h, zwei Stücke einer Linie. Hieraus folgt schon, daß eine graphische Darstellung davon, wie x zu x’ und wieder zu x wird, unmöglich. Ferner 2. ein Brief Bernsteins, eben eingesprungen, den ich zurückerbitte. (Pumps mit der Kleinen kommt mir dazwischen, da muß ich den Brief übers Knie brechen, da ich mich überzeugt, daß er 5.30 abgehn muß.) Ich weiß nicht, ob ich dem Vollmar einiges auf den Pelz geben soll für seine Malonsche Geschichtsklitterung1. Die Unterdrückung des Marseiller Kongresses ist doch eine gar zu starke Geschichtsfälschung. Wenn Bernstein das nicht hervorhebt in den Noten zum Schlußartikel, wird es nötig sein, das zu berichtigen. »Egalité« schick ich, sobald gelesen. Ein von Lafargue versprochner Brief noch nicht da, wie gewöhnlich. Seine offne Antwort an den Untersuchungsrichter, wo er sich als Professor geriert, war kindisch. Die Leute tun, als wenn sie mit aller Gewalt arretiert werden wollten. Glücklicherweise wackelt das Ministerium, so daß sie vielleicht noch davonkommen. Tussy und Johnny kamen gestern all right an. Dein F. E. 1  Georg von Vollmar veröffentlichte im »Sozialdemokrat« eine Artikelserie über die Spaltung der französischen Arbeiterpartei, in dem er Informationen des französischen Sozialisten Benoît Malon verwandte.

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

Marx an Engels in London Ventnor, 4. Dez. 82 Dear Fred, Eingeschlossen Bebels Brief, der mich sehr interessiert hat. An so bald eintretende industrielle Krisis glaube ich nicht.1 Im ganzen war das Novemberwetter gut, obgleich sehr veränderlich. Die ersten Dezembertage brachten rauhe Kälte, wechselnd mit schmutzig milder Nässe. Heute ist es schön, aber trotzdem bin ich verurteilt zu Stubenarrest. Da ich seit den letzten Tagen Heiserkeit spürte (sicher nicht infolge von Sprechen), unangenehmes Gefühl im Schlund, vermehrter Husten und wenig guter Schlaf trotz meiner regelmäßiger, unausgesetzter und langer Spaziergänge, war wieder Doktor zu zitieren. Man wird diese Herrn so leicht nicht los! Es ist nur ein Katarrh im Rachen; jedoch glaubt er, es sei nötig, das Haus zu hüten, bis die Entzündung weg. Neben einer milden Medizin zu schlucken, läßt er mich einatmen Dämpfe von Bezoe (dem noch etwas zugemischt ist, es scheint mir etwas Chloroformiges). Er hat mich heute – das dritttemal seit meiner Ankunft – wieder auskultiert und perkussiert – und sonst alles in Ordnung gefunden. In ein paar Tagen springt er wieder vor, zu sehn, ob Stubenarrest aufzuheben. In der »Plebe« über meine Werttheorie2 ist das Merkwürdige, daß alle 3, jeder derselben Widersacher l’un contre l’autre, Blödsinn kohlen, der Laveleye, Cafiero und Candelari3. Das Zitat, was darüber über diese meine Werttheorie Candelari beibringt aus Malons »Histoire criti-

1  Bebel hatte in dem Brief die Ansicht vertreten, bald könne es eine große europäische Wirtschaftskrise oder einen europäischen Krieg geben. Daraus werde die Revolution entstehen. 2  In der italienischen Zeitschrift »Plebe« wurde die im »Kapital« vertretene Marx’sche Werttheorie kritisiert. 3  Drei sozialistische Theoretiker verzapften nach Marx’ Ansicht, der eine gegen den anderen, Blödsinn, Leonce de Laveleye, Carlo Cafiero und Rome Candelari.

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que de l’ économie politique«1, so übertrifft Malon an Flachheit jedoch in der Tat alle diese drei Überflieger. I hope that all right in 41, Maitland Park Road. Ich erwartete von dort ein paar Zeilen, aber ich weiß, daß poor Tussy overworked. Salut. Der Mohr

Engels an Marx in Ventnor London, 15. Dez. 82 Lieber Mohr, Inl. der Anhang über die »Mark«2. Sei so gut und schicke ihn Sonntag zurück, damit ich ihn Montag revidieren kann – ich bin mit Schlußrevision heute nicht fertig geworden. Die Ansicht, die hier über die Bauernverhältnisse im Mittelalter und die Entstehung der zweiten Leibeigenschaft seit Mitte 15. Jahrhunderts dargelegt, halte ich für im ganzen unumstößlich. Ich habe im ganzen Maurer3 alle bezüglichen Stellen nachgelesen und finde fast alle meine Aufstellungen darin, und zwar belegt, und daneben grade das Gegenteil, aber entweder unbelegt oder aus einer Zeit genommen, von der grade eben nicht die Rede ist. Dies besonders Fronhöfe Band 4, Schluß. Diese Widersprüche gehn hervor bei Maurer: 1.  aus der Gewohnheit, Belege und Exempel aller Zeiten nebeneinander und durcheinander anzuführen, 2. aus einem Rest juristischer Befangenheit, die ihm jedesmal in den Weg tritt, wenn es sich um Verständnis

1  Benoît Malon: »Histoire critique de l’économie politique«, Lugano 1876 2  Engels schrieb einen historischen Artikel über die ursprünglichen Verhältnisse in der Mark Brandenburg, um die Entstehungsgeschichte des Grundeigentums aufzudecken. 3  Georg Ludwig Maurer: Geschichte der Frohnhöfe, der Bauernhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, 4 Bde. Erlangen 1862 – 63

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

einer Entwicklung handelt, 3. aus seiner viel zu geringen Berücksichtigung der Gewalt und ihrer Rolle, 4. aus dem aufgeklärten Vorurteil, es müsse doch seit dem dunklen Mittelalter ein stetiger Fortschritt zum Besseren stattgefunden haben; das verhindert ihn nicht nur den antagonistischen Charakter des wirklichen Fortschritts zu sehn, sondern auch die einzelnen Rückschläge. Du wirst finden, daß das Ding durchaus nicht aus einem Guß, sondern rechtes Stückwerk ist. Der erste Entwurf war aus einem Guß, aber leider falsch. Erst allmählich hab’ ich das Material untergekriegt und daher das viele Flickwerk. Beiläufig ist die allgemeine Wiedereinführung der Leibeigenschaft einer der Gründe, warum in Deutschland keine Industrie im 17. und 18. Jahrhundert aufkommen konnte. Erstens die umgekehrte Arbeitsteilung bei den Zünften, das Gegenteil der bei der Manufaktur: statt innerhalb der Werkstatt, wird die Arbeit zwischen den Zünften geteilt. Hier fand in England Auswanderung aufs unzünftige Land statt. Das verhinderte in Deutschland die Verwandlung der Landleute und Bewohner der ackerbautreibenden Marktflecken in Leibeigene. Daran aber ging dann auch schließlich die Zunft kaputt, sobald die Konkurrenz der auswärtigen Manufaktur auftrat. Die andern Gründe, die hier mitgewirkt, die deutsche Manufaktur niederzuhalten, lasse ich hier aus. Heute wieder den ganzen Tag Nebel und Gaslicht. Hartmanns Batterie wahrscheinlich für Beleuchtung failure1, höchstens für Telegraphen etc. brauchbar. Darüber mehr, sobald Definitives festgestellt. Halt Dich wohl, hoffentlich erhältst Du bald Wetter, in dem Du ausgehen darfst. Dein F. E.

1  Eine der ersten Trockenbatterien zur Beleuchtung erwies sich für Engels als Fehlschlag.

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Engels an Marx in Ventnor London, 16. Dez. 1882 Lieber Mohr, Gestern unterbrochen, fahre ich heute fort. Du wirst gesehn haben, wie eilig hingeworfen mein Brief  – Pumps und Baby störten mich fortwährend, erst bei der Revision des Ms. dann beim Brief. Der Punkt von dem fast gänzlichen – rechtlichen oder faktischen – Zurücktreten der Leibeigenschaft im 13. und 14. Jahrhundert ist es, auf den mir am meisten ankommt, weil Du darüber früher eine abweichende Ansicht ausgesprochen. Für das Ostelbische Land steht die Freiheit der deutschen Bauern fest durch die Kolonisation, für Schleswig-Holstein gibt Maurer zu, daß damals »alle« Bauern die Freiheit wiedererlangt (vielleicht noch etwas später als 14. Jahrhundert). Auch für Süddeutschland gibt er zu, daß grade damals die Hörigen am besten behandelt. Ebenso mehr oder weniger in Niedersachsen (z. B. die neuen »Meier«, faktische Erbpächter). Er ist nur gegen Kindlingers1 Ansicht, daß die Leibeigenschaft im 16. Jahrhundert erst entstanden sei. Daß sie aber seitdem wieder neu aufgefrischt, in 2ter Ausgabe erschienen, scheint mir unzweifelhaft. Meitzen2 gibt die Jahrszahlen an, wo zuerst in Ostpreußen, Brandenburg, Schlesien wieder von Leibeignen die Rede: Mitte l6. Jahrhunderts, für Schleswig-Holstein dito Hanssen3. Wenn Maurer dies eine gemilderte Leibeigenschaft nennt, so hat er recht gegenüber der des 9.–11. Jahrhunderts, die ja noch die altgermanische Sklaverei fortsetzte, ebenso recht gegenüber den juristischen Befugnissen, die der Herr auch nach den Rechtsbüchern des 13. Jahrhunderts noch und später über den Leibeignen hatte. Aber gegen die faktische Stellung der Bauern im 13. und 14., und in Norddeutschland auch im 15. Jahrhundert, war die neue Leibeigenschaft anything but eine Milderung. Und erst nach dem 30jährigen Krieg! 1  Nicolas Kindlinger, Historiker 2  August Meitzen, Agrarhistoriker 3  Georg Hanssen, Agrarökonom

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»Ein Fluch fällt schwer auf unsre Partei«

Bezeichnend ist auch, daß, während im Mittelalter die Grade der Hörigkeit und Leibeigenschaft unzählbar sind, so daß der Sachsenspiegel darauf verzichtet, von egen lüde recht zu reden, seit dem 30jährigen Krieg dies merkwürdig einfach wird. Enfin, ich bin begierig auf Deine Meinung. Ebenso verhinderte mich Pumps bei der Stelle, wo das russische Gemeineigentum erwähnt, eine Note anzukleben, konstatierend, daß diese Mitteilung von Dir herrührt. Inliegendes vom alten Becker, glücklicherweise konnte ich den sanften Tritt sofort parieren und ihm fünf Pfd. schicken, da ich grade Shares verkauft und das Geld selbigen Tags eingezahlt war. Hiermit 2 »Egalités« – hoffe, sie werden morgen abgeliefert, woraus Du siehst, daß Lafargue sofort wieder freigelassen und gestern abend in Paris erwartet wurde. Hartmanns Batterie: solange er bloß den Galvanometer einsetzte, wo der Widerstand durch einen sehr langen Draht repräsentiert wird, also die elektromechanische Kraft nur allmählich verzehrt, so lange ging alles gut. Sobald er aber die Lampe einsetzte, wo der Widerstand auf einem Punkt, dem dünnen kurzen Glühdraht konzentriert, war alles am Ende; der Wasserstoff polarisierte die Silberelektrode sofort, und der schwache Strom brachte bloß eine schwache Röte des Glühdrahts hervor. Nun hat er wieder allerlei Neuerungen im Kopf, die alle beweisen, daß er die Schwierigkeit am unrechten Ort sucht. Ob aber die Herren Geldvorschießer noch zu weiteren Experimenten bereit sein werden, fragt sich. Was meinst Du, könntest Du in der ersten Januarwoche für Schor­ lemmer und mich dort 2 Betten besorgen? Wir hätten nicht übel Lust, auf ein paar Tage herüberzurutschen, wenn nichts dazwischenkommt. Aber das Dazwischenkommen ist immer wahrscheinlich, von wegen Schorlemmers Rheumatismus etc. Indes wenn wir wissen, daß Du uns bei Dir oder benachbart unterbringen kannst und wie früh wir Dir definitiv uns anmelden müssen, so können wir uns danach einrichten. Dein F. E.

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Engels an Marx in Ventnor London, 9. Jan. 83 Lieber Mohr, In aller Eile schicke ich Dir die Inlagen: 1. Lafargue, 2. Bebel, 3. Hep­ ner,1 von denen ich mir 2. und 3. zurückerbitte. Endlich also einmal ein Bericht über Jennys Zustand, aus dem man sieht, wie es eigentlich steht. Meiner Ansicht nach ist die Sache nicht so schlimm, wie sie aussieht, das arme Kind hat sich zu sehr heruntergebracht durch Überanstrengung und Scheu vor ärztlicher Behandlung, wird aber unter Lauras Direktion sicher bald wieder aufkommen. Ich habe Laura sofort £ 15 geschickt, die letzten fünf, damit Laura in ihren Besuchen bei und Einkäufen für Jenny etwas freiere Hand hat. Bis Jenny wieder imstande ist, ihr Haus zu führen, sollte aber Johnny doch besser hierbleiben. Bebels Nachrichten über deutsche Industrie interessant, scheinen mir aber cum grano salis zu nehmen zu sein. Was sich ausdehnt, ist meist Luxusindustrie und allenfalls mechanische Weberei – dieser aber unterbinden die Garnzölle die Ausfuhrmöglichkeit. Spindeln haben sie seit der Annexation von Elsaß mehr als sie brauchen, Eisenhütten seit 1870 ditto, was kann sich also in der eigentlichen großen Industrie viel ausdehnen? Auch daß ihm der Rübenzucker so imponiert, deutet auf kleinen Gesichtspunkt hin. Daß der Staat den fabrizierenden Zuckerjunkern Profite zahlt, ist bereits im Landtag verhandelt worden. Hepner2. Was sagst Du dazu, daß das kleine Jüdchen (offenbar gedrängt von seinem Associé Jonas3) uns die Pistole auf die Brust setzen will wegen einer Vorrede zum »Manifest«? Ich denke, auf solche schnoddrige Briefe antwortet man entweder gar nicht oder verweist

1  Lafargue unterrichtete Marx über den schlechten Gesundheitszustand von Tochter Jenny, Bebel schrieb über eine kommende Wirtschaftskrise in Deutschland, Adolf Hepner erbat von Engels eine neue Vorrede für das »Kommunistische Manifest«. 2  Adolf Hepner, sozialdemokratischer Journalist 3  Alexander Jonas, Journalist und Buchhändler

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ihn höchstens auf die Vorrede der Leipziger Ausgabe; wenn die ihm nicht gut genug, soll er das »Manifest« ungedruckt lassen. Wenn Du an Sorge wegen Hartmann1 schreibst (falls nicht schon geschehn), könntest Du einige Zeilen über das Hepnerchen einfließen lassen. Postschluß – ich mußte des Gelds wegen in die Stadt und dann die Versendung besorgen, daher verspätet. Dein F. E.

Marx an Engels in London Ventnor, 10. Jan. 83 Lieber Fred, Es war sehr gut von Dir, mir sofort Lafargues Schreiben herzuschicken; es hat mich sehr beruhigt, so mehr, da ich gleichzeitig heut direkt Brief von Lafargue erhielt und danach sicher die Wendung zum Besseren scheint. Ganz bin ich mit Deiner Ansicht, daß unter keinen Umständen Johnny jetzt fort darf. Es kann nicht die Rede davon sein, bevor Jenny wieder völlig hergestellt ist. Es wäre unverzeihlich, die Lage des Kinds noch erschweren. Ich schreibe heut noch direkt dem Longuet. Es ist mir lieb, wenn Du selbst ein paar Zeilen an Jennychen schreibst im selben Sinn. Johnny wäre deshalb noch nicht verloren pour l’armée territoriale2. Es ist merkwürdig, wie alle Nervenaufregung mir jetzt gleich an dem Hals packt, wie der rote Wolff seinen Bruder, den Kornwucherer. Alias hatte ich im ersten Schreck über die schlechte Nachricht von Paris einige Tage vorher einen spasmodischen Hustanfall, wo ich glaubte zu

1  Leo N. Hartmann, russischer Sozialist 2  Territorialarmee für den Raum Paris

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ersticken. Dies höchst distressing feeling muß das arme Jennychen oft während seines Asthma durchpassiert haben. Was das »Hepnerchen« angeht, so meine Ansicht, ihn »geschäftlich« zu behandeln. Es stehe ihm ja frei, unsere Vorrede der Leipziger Ausgabe abzudrucken, auch bemerken, daß die Russen eine neue Übersetzung im letzten Jahr veröffentlichten. Wenn er ohne eigne neue Vorrede unsrerseits das »Manifest« wieder drucken nicht der Mühe wert halte, so habe er ja zu tun oder lassen, was ihm den Umständen gemäß scheine. Das »Pistole auf die Brust setzen« ist »unsrer Leit« Natur und Art, also als Selbstverständliches mit dem Hepnerchen in Kauf zu nehmen! Von poor Meißner erhielt ich Rechnungsbericht für 1881, es sei schlechtes Jahr gewesen, was aber wenig wichtig, da nach seinem eignen Bericht im Jahr 1882 die Exemplare zu »Neige« gehn; je weniger in 1881, muß er also mehr in 1882 verkauft haben. Mein langes Schweigen muß ihn haben irrlichterlieren. Endlich kommt Mahomet1 zu ihm; leider noch nicht, was ihm wünschenswerter, ein Pack von Revisionsbogen2. Seit Eintritt des langen und dann nur noch ausnahmsweise unterbrochnen Hausarrests, namentlich aber infolge fortwährender Übelkeit, oder mich süddeutsch à la Madame Karl Blind, ehemalige Cohen3, ästhetisch ausdrückend, infolge täglicher »Kotzerei« – (Folge dies des Hustens) – war ich wenig bis jetzt fähig, die Revision voranzustoßen. Doch glaube ich, mit Geduld und pedantischer Selbstkontrolle bald wieder ins Gleis zu kommen. Der Mohr

1  Mohammed 2  Packen von Revisionsbogen für die 3. Auflage des »Kapital« 3  Friederike Blind, geb. Cohen, Ehefrau von Karl Blind, Teilnehmer am badischen Aufstand, Emigrant in London

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»Sein Name wird durch die ­Jahrhunderte fortleben!« ­ ngels’ Grabrede für Marx (1883) E

Friedrich Engels, Grabrede für Karl Marx vom 17. März 1883 Am 14. März, nachmittags ein Viertel vor drei, hat der größte ­lebende Denker aufgehört zu denken. Kaum zwei Minuten allein gelassen, fanden wir ihn beim Eintreten in seinem Sessel ruhig entschlummert – aber für immer. Was das streitbare europäische und amerikanische Proletariat, was die historische Wissenschaft an diesem Mann ver­loren haben, das ist gar nicht zu ermessen. Bald genug wird sich die Lücke fühlbar machen, die der Tod dieses Gewaltigen gerissen hat. Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte: die bisher unter ideologischen Überwucherungen verdeckte einfache Tatsache, daß die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können; daß also die Produktion der unmittelbaren materiellen Lebensmittel und damit die jedesmalige ökonomische Entwicklungsstufe eines Volkes oder eines Zeitabschnitts die Grundlage bildet, aus der sich die Staatseinrichtungen, die Rechtsanschauungen, die Kunst und selbst die religiösen Vorstellungen der betreffenden Menschen entwickelt haben, und aus 276

­Engels’ Grabrede für Marx (1883

der sie daher auch erklärt werden müssen – nicht, wie bisher geschehen, umgekehrt. Damit nicht genug. Marx entdeckte auch das spezielle Bewegungsgesetz der heutigen kapitalistischen Produktionsweise und der von ihr erzeugten bürgerlichen Gesellschaft. Mit der Entdeckung des Mehrwerts war hier plötzlich Licht geschaffen, während alle früheren Untersuchungen, sowohl der bürgerlichen Ökonomen wie der sozia­ listischen Kritiker, im Dunkel sich verirrt hatten. Zwei solche Entdeckungen sollten für ein Leben genügen. Glücklich schon der, dem es vergönnt ist, nur eine solche zu machen. Aber auf jedem einzelnen Gebiet, das Marx der Untersuchung unterwarf, und dieser Gebiete waren sehr viele und keines hat er bloß flüchtig berührt – auf jedem, selbst auf dem der Mathematik, hat er selbständige Entdeckungen gemacht. So war der Mann der Wissenschaft. Aber das war noch lange nicht der halbe Mann. Die Wissenschaft war für Marx eine geschichtlich bewegende, eine revolutionäre Kraft. So reine Freude er haben konnte an einer neuen Entdeckung in irgendeiner theoretischen Wissenschaft, deren praktische Anwendung vielleicht noch gar nicht abzusehen – eine ganz andere Freude empfand er, wenn es sich um eine Entdeckung handelte, die sofort revolutionär eingriff in die Industrie, in die geschichtliche Entwicklung überhaupt. So hat er die Entwicklung der Entdeckungen auf dem Gebiet der Elektrizität, und zuletzt noch die von Marc Deprez, genau verfolgt. Denn Marx war vor allem Revolutionär. Mitzuwirken, in dieser oder jener Weise, am Sturz der kapitalistischen Gesellschaft und der durch sie geschaffenen Staatseinrichtungen, mitzuwirken an der Befreiung des modernen Proletariats, dem er zuerst das Bewußtsein seiner eigenen Lage und seiner Bedürfnisse, das Bewußtsein der Bedingungen seiner Emanzipation gegeben hatte – das war sein wirklicher Lebensberuf. Der Kampf war sein Element. Und er hat gekämpft mit einer Leidenschaft, einer Zähigkeit, einem Erfolg wie wenige. Erste »Rheinische Zeitung« 1842, ­Pariser »Vorwärts«, »Brüsse­ler Deutsche Zeitung«, 1847, »Neue Rheinische Zeitung« 1848 – 1849, »New York Tribune« 1852 – 1861 – dazu Kampfbroschüren die Menge, Arbeit in 277

»Sein Name wird durch die ­Jahrhunderte fortleben!«

Vereinen in Paris, Brüssel und London, bis endlich die große Internationale Arbeiterassoziation als Krönung des Ganzen entstand – wahrlich, das war wieder ein Resultat, worauf sein Urheber stolz sein konnte, hätte er sonst auch nichts geleistet. Und deswegen war Marx der bestgehaßte und bestverleumdete Mann seiner Zeit. Regierungen, absolute wie republikanische, wiesen ihn aus, Bourgeois, konservative wie extrem-demokratische, logen ihm um die Wette Verlästerungen nach. Er schob das alles beiseite wie Spinnweb, achtete dessen nicht, antwortete nur, wenn äußerster Zwang da war. Und er ist gestorben, verehrt, geliebt, betrauert von Millionen revolutionärer Mitarbeiter, die von den sibirischen Bergwerken an über ganz Europa und Amerika bis Kalifornien hin wohnen, und ich kann es kühn sagen: Er mochte noch manchen Gegner haben, aber kaum noch einen persönlichen Feind. Sein Name wird durch die Jahrhunderte fort­leben und so auch sein Werk!

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Chronik 1844 28. August Karl Marx und Friedrich Engels, die sich bisher nur flüchtig begegnet waren, treffen sich in Paris zu ausführlichen Gesprächen. ­Beginn einer lebenslangen Freundschaft und Zusammenarbeit. 1845 Februar Das erste Gemeinschaftswerk von Marx und Engels, »Die heilige Familie«, wird veröffentlicht.

Mai Engels’ Buch »Die Lage der arbeitenden Klasse in England« e­ rscheint. 1846 Mai Marx und Engels beenden in Brüssel die Arbeit an ihrem zweiten Gemeinschaftswerk »Die deutsche Ideologie«, für das sie zu Leb­ zeiten keinen Verleger finden. 1847 Juni Erster Kongress des Bundes der Kommunisten, bisher Bund der Gerechten, dem Marx und Engels zu Jahresbeginn beigetreten waren, in London. 8. Dezember Marx und Engels erhalten auf dem zweiten Kongress des Bundes den Auftrag, ein Programm zu entwerfen. 1848 Januar Marx schickt das »Manifest der Kommunistischen Partei« nach London, wo es im März gedruckt wird.

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Chronik

22. Februar Ein Aufstand in Frankreich löst eine Kettenreaktion von Revolutionen in den meisten zentraleuropäischen Staaten aus. 4. März Marx wird aus Belgien ausgewiesen und flieht nach Paris. 18. März Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. verfügt die Aufhebung der Pressezensur. Revolution in Preußen. 11. April Marx und Engels treffen in Köln ein. 18. Mai Die deutsche Nationalversammlung tritt in der Frankfurter Paulskirche zusammen.



1. Juni Die erste Ausgabe der »Neuen Rheinischen Zeitung« erscheint in Köln, Marx ist Chefredakteur.

1849 28. März Die Nationalversammlung verkündet die Verfassung des deutschen Reiches. 16. Mai Marx, der 1845 auf seine preußische Staatsbürgerschaft verzichtet hatte, wird aus Preußen ausgewiesen. 19. Mai Die letzte Ausgabe der »Neuen Rheinischen Zeitung« erscheint in roten Lettern. Am selben Tag verlässt Marx Köln und reist nach ­Paris, wo er ebenfalls ausgewiesen wird. Im August reist er ins endgültige Exil nach London.

September Die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten konstituiert sich in London unter Marx’ Leitung neu. 1850 Juli Marx beginnt sein systematisches Studium der politischen Ökonomie im Lesesaal des Britischen Museums.

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Chronik

15. November Engels tritt in den Dienst der väterlichen Firma Ermen & Engels und verdient dort das Geld, mit dem er Marx und dessen Familie finanziert, damit Marx sein großes Werk über den Kapitalismus schreiben kann. 1851 Mai Verhaftung der führenden Mitglieder des Bundes der Kommunisten in Köln.

Juni Marx’ nichtehelicher Sohn Frederick Demuth wird geboren, Engels übernimmt eine Art Nennvaterschaft. September Marx wird Europakorrespondent der »New York Daily Tribune«, die Artikel schreibt häufig Engels oder er übersetzt Marx’ Texte ins Englische. 1852 November Der Prozess gegen die führenden Mitglieder des Bundes der Kommunisten endet mit hohen Haftstrafen für die meisten Angeklagten. Auf Marx’ Antrag löst sich der Bund der Kommunisten auf. 1853 Januar Marx’ Buch »Enthüllungen über den Kommunisten-Prozess« erscheint in Basel. Die meisten Exemplare werden an der Grenze beschlagnahmt. 1856 Oktober Familie Marx zieht aus der ärmlichen Zwei-Zimmer-Wohnung in Soho in ein Reihenhaus in der Grafton Terrace im Norden Londons. 1857 Beginn einer größeren Wirtschaftskrise. Motiviert durch die Krise und in der Hoffnung auf den Beginn einer Revolution in Europa schreibt Marx den Rohentwurf für sein späteres Hauptwerk. Die »Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie« werden allerdings erst 1939 – 1941 in Moskau veröffentlicht.

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Chronik

1859 Juni Als Reinschrift der Eingangspassagen der »Grundrisse« erscheint in Berlin das Buch »Kritik der politischen Ökonomie«. 1860 Entgegen Engels’ Ratschlag verbringt Marx Monate damit, gegen die Verleumdungen des Berliner Liberalen Karl Vogt anzugehen.

Dezember Marx’ polemische Schrift »Herr Vogt« erscheint in London. 1861 April Marx fährt auf Einladung von Ferdinand Lassalle für vier Wochen nach Berlin, um dessen Angebot, gemeinsam mit Engels eine Tageszeitung herauszugeben, zu prüfen. Doch schon Marx’ Antrag auf Wiedereinbürgerung scheitert. 1862 23. September Otto von Bismarck wird preußischer Ministerpräsident. 1863 Januar Ernste Krise in den Beziehungen zwischen Marx und Engels. Marx hatte auf die Anzeige vom Tode von Engels Lebensgefährtin Mary Burns mit einem Bettelbrief um schnelle Zahlungen reagiert. 1863 23. Mai Lassalle gründet den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein in Leipzig. 1864 Engels steigt in der Firma Ermen & Engels in Manchester vom Prokuristen zum Teilhaber auf. 1864 28. September Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation (Erste Inter­ nationale) in London.

Dezember Die von Marx verfasste Programmschrift der Ersten Internationalen, die »Inauguraladresse«, wird veröffentlicht. 1866 23. August Der Friede von Prag beendet den Krieg zwischen Preußen und Österreich.

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Chronik

1867 September Der erste Band von Marx’ Hauptwerk »Das Kapital« erscheint in Hamburg. Der erste Reichstag des neu gegründeten Norddeutschen Bundes tritt in Berlin zusammen. 1869 30. Juni Engels beendet seine Arbeit in der Firma Ermen & Engels in Manchester und lässt sich auszahlen. Marx erhält eine lebenslange Rente von jährlich 320 Pfund. 9. August Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Eisenach. 1870 19. Juli Beginn des Deutsch-Französischen Krieges.

August Marx’ »Erste Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg« wird in deutscher Sprache veröffentlicht. 1871

18. Januar Proklamation des Deutschen Reichs in Versailles.

1872 6. September Auf Drängen von Marx und Engels beschließt der Kongress der Internationalen die Verlegung des Sitzes des Generalrats nach New York, um eine feindliche Übernahme durch die Anarchisten unter Michael Bakunin zu verhindern. 1875 Mai Vereinigung der beiden deutschen Arbeiterparteien (Sozialdemokratische Arbeiterpartei, Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands in Gotha. Marx kritisiert das Programm in den »Randglossen«. 1878 Engels veröffentlicht die unter Mitwirkung von Marx geschriebene Streitschrift »Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft«, meist als »Anti-Dühring«, bezeichnet, eine erste populäre Enzyklopädie der marxistischen Theorie.

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Chronik

18. September Engels’ Ehefrau Lizzy Burns stirbt nach langer Krankheit. 1878 Oktober Verabschiedung des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie (»Sozialistengesetz«). 1881

2. Dezember Marx’ Ehefrau Jenny stirbt nach langer Krankheit. Engels hält die Grabrede bei der Beerdigung, an der der schwer erkrankte Marx selbst nicht teilnehmen kann.

1883 14. März Karl Marx stirbt in London. 1884 Engels veröffentlicht »Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates«. 1885 Der zweite Band des »Kapital« erscheint. Engels publiziert das Werk »Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten«. 1888 »Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie« erscheint. 1891

Engels kommentiert das sozialdemokratische Erfurter Programm in »Zur Kritik des Sozialdemokratischen Programmentwurfs«.

1894 Der dritte Band des »Kapital« erscheint. 1895 5. August Friedrich Engels stirbt in London.

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Literaturverzeichnis Werkausgaben Karl Marx und Friedrich Engels: Gesamtausgabe. Hrsg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED/Internationale Marx-­EngelsStiftung. Berlin 1975 ff. Diese Gesamtausgabe soll in über 120 Bänden sämtliche Schriften, Briefe, Entwürfe und Exzerpte enthalten. Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Hrsg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Berlin 1956 – 1983. Die Werkausgabe umfasst in 44 Bänden sämtliche abgeschlossenen Schriften und den Briefwechsel der Autoren. Auch die wichtigsten Entwürfe und Manuskripte sind abgedruckt. Karl Marx und Friedrich Engels: Studienausgabe in fünf Bänden. Hrsg. v. Iring Fetscher. Berlin 2004. Die Taschenbuchausgabe mit Texten und Textauszügen ist nach den Teilen Philosophie, Politische Ökonomie, Geschichte und Politik sowie Prognose und Utopie gegliedert. Karl Marx, Friedrich Engels: Über Kunst und Literatur. Hrsg. v. Manfred Kliem. 2 Bde. Berlin 1967. Auswahl von Äußerungen von Engels und Marx über Kunst und Literatur mit Nachweis der Fundstellen in den Werken von Engels und Marx (MEW-Ausgabe).

Weiterführende Literatur Altvater, Elmar u. a.: »Die Natur ist die Probe auf die Dialektik«. Friedrich Engels kennenlernen. Hamburg 2020. Verschiedene Beiträge zur Einführung in das Werk Engels.

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Literaturverzeichnis

Bleuel, Hans Peter: Friedrich Engels. Bürger und Revolutionär. Die zeitgerechte Biographie eines großen Deutschen. München 1981. Das Buch zeichnet ein sympathisches Bild von Engels. Blumenberg, Werner: Karl Marx mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 28. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2001. Gut lesbare und wissenschaftlich abgesicherte Biographie. Carver, Terrell und Manfred B. Steger: Engels after Marx. 1999. Die Autoren untersuchen die Übereinstimmung, Partnerschaft und Differenzen zwischen Marx und Engels. Carver, Terrell: Engels. A Very Short Introduction. New York 2003. Eine kurze prägnante Einführung in Engels’ Denken und Wirken. Enzensberger, Hans Magnus (Hrsg.): Gespräche mit Marx und Engels. Frankfurt a. M. 1981. Der Autor führt zeitgenössische Briefe und Erinnerungen zusammen. Fetscher, Iring: Von Marx zur Sowjetideologie. 17. Aufl. Frankfurt a. M. 1972. Seit 1956 hat der Autor zahlreiche populäre Bände zur Einführung in das Denken von Marx veröffentlicht. Friedrich Engels – Ein Gespenst geht um in Europa. Hrsg. v. Lars ­Bluma. Begleitband zur Ausstellung im Friedrich-Engels-Haus in Wuppertal. Wuppertal 2020. Sehr anschaulicher Katalog. Friedrich Engels. Dokumente seines Lebens 1820 – 1895. Zusammen­gestellt und erläutert von Manfred Kliem. Leipzig 1977. Zusammenstellung von Dokumenten von und über Engels und seine Zusammenarbeit mit Marx. Hunt, Tristram: Friedrich Engels. Der Mann, der den Marxismus erfand. Übersetzung aus dem Englischen von K.-D. Schmidt. 3. Aufl. Berlin 2013. Gut lesbare Biographie. Karl Marx. Biographie. Hrsg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU. Berlin 1975. Die von einem sowjetischen Autorenkollektiv geschriebene Biographie ist sehr materialreich. Karl Marx. Chronik seines Lebens in Einzeldaten. Zusammengestellt v. Marx-Engels-Lenin-Institut Moskau Zürich 1934. Reprint Frankfurt a. M. 1971. Karl Marx. Dokumente seines Lebens 1818 bis 1883. Zusammengestellt und erläutert von Manfred Kliem. Leipzig 1970. Eine gut lesbare Biographie in Dokumenten. Marx-Engels Bibliographie. Bearbeitet von Franz Neubauer. Boppard 1979.

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Weiterführende Literatur

Körner, Klaus: »Wir zwei betreiben ein Compagniegeschäft«. Karl Marx und Friedrich Engels. Eine außergewöhnliche Freundschaft. Hamburg 2009. Lucas, Rainer, Reinhard Pfriem und Hans-Dieter Westhoff (Hrsg.): ­Arbeiten am Widerspruch. Friedrich Engels zum 200. Geburtstag. Marburg 2020. Sammelband mit Aufsätzen über Friedrich Engels. Mayer, Gustav: Friedrich Engels. Eine Biographie. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1975. Die Biographie erschien 1920 (Bd. 1) und 1934 (Bd. 2) und gilt immer noch als klassisches Werk, in dem das Verhältnis zu Marx detailliert abgehandelt wird. McLellan, David: Karl Marx. A Biography. 4th. ed. London 2005. Diese Biographie ist das Standardwerk zu Marx. Von der Erstausgabe erschien 1974 eine deutsche Übersetzung. Mehring, Franz: Karl Marx. Geschichte seines Lebens. 5. Aufl. Leipzig 1933. Erste wissenschaftliche Marx-Biographie, bereits 1918 erschienen. Mehringer, Hartmut und Gottfried Mergner (Hrsg.): Debatte um Engels. 2 Bde. Reinbek 1973. Sammelband über das Werk von Engels, seine Beziehungen zu Marx und seine Bedeutung für die Entwicklung des Marxismus. Mohr und General. Erinnerungen an Marx und Engels. Hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Berlin 1964. Nützliche Zusammenstellung von Erinnerungen von Zeitgenossen. Raddatz, Fritz J.: Karl Marx. Eine politische Biographie. Hamburg 1975. Gut lesbare kritische Biographie. Rubel, Maximilien: Marx-Chronik. 4. Aufl. München 1983. Eine kurze, nach Jahren geordnete Chronologie der Schriften, politischen Aktionen und wichtigen Ereignissen im Leben von Marx.

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Quellenverzeichnis Karl Marx-Friedrich Engels Gesamtausgabe (MEGA). Hrsg. von D. Rjazanov. Dritte Abteilung. Band 1: Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels 1844 – 1853. Berlin 1929, Band 2: Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels 1854 – 1860. Berlin 1930, Band 3: Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels 1861 – 1867. Berlin 1930, Band 4: Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels 1868 – 1883. Berlin 1931. Karl Marx Friedrich Engels: Der Briefwechsel. 4 Bände. München 1983. dtv reprint der MEGA-Ausgabe.

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Die Korrespondenz ist zugleich Familienroman, Exil-Drama sowie ein einzigartiges Zeugnis inniger Freundschaft. Sie ist aber auch die Geschichte eines Buches: Während Marx in London am »Kapital« arbeitete, verdiente der Unternehmer Engels in Manchester das nötige Geld, um ihn zu unterstützen.

Klaus Körner (Hrsg.)

Klaus Körner ist Rechts- und Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Mitarbeiter für zahlreiche überregionale Medien. Er publizierte vielfach zur politischen Kultur der Bundesrepublik und legte Bücher zu Konrad Adenauer, Willy Brandt, Winston Churchill, Karl Marx und Friedrich Engels vor.

Zusammen mit einem Überblick über Leben und Wirken von Marx und Engels bietet diese konkurrenzlose Briefauswahl eine Doppelbiografie von zwei der einflussreichsten politischen Figuren des 19. und 20. Jahrhunderts. Aus den 40 Jahren ihrer engen Zusammenarbeit sind etwa 1600 Briefe erhalten, in denen es um große Politik, persönliche Affären und Marx’ Geldsorgen geht.

DEAR FREDERICK! Lieber Mohr!

© privat

Das bewegende Porträt einer lebenslangen Freundschaft

ISBN 978-3-8062-4130-3 Umschlagabbildungen: Porträtaufnahme von Friedrich Engels um 1860/62. © akg-images.

wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4130-3

Porträtaufnahme von Karl Marx um 1880. © akg-images. Umschlaggestaltung: Vogelsang Design, Aachen

9 783806 241303

Der Briefwechsel zwischen Karl Marx und Friedrich Engels gehört zu den aufschlussreichsten Dokumenten des 19. Jahrhunderts. Eingeleitet und kommentiert von Klaus Körner ist die vorliegende Briefauswahl eine erstrangige biografische und theoretische Quelle und zeigt die beiden Revolutionäre zudem von ihrer menschlichen Seite.

Klaus Körner (Hrsg.)

DEAR FREDERICK!

Lieber Mohr!

Friedrich Engels und Karl Marx in Briefen