Das Verständigungsverfahren im deutschen internationalen Steuerrecht [1 ed.] 9783428435616, 9783428035618


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Das Verständigungsverfahren im deutschen internationalen Steuerrecht [1 ed.]
 9783428435616, 9783428035618

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Schriften zum Steuerrecht

Band 14

Das Verständigungsverfahren im deutschen internationalen Steuerrecht

Von

Dr. Dieter Mülhausen

Duncker & Humblot · Berlin

DIETER M"OLHAUSEN

Das Verständigungsverfahren im deutschen internationalen Steuerrecht

Schriften zum Steuerrecht Band 14

Das Verständigungsverfahren im deutschen internationalen Steuerrecht

Von

Dr. Dieter Mülhausen

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

@ 1976 Duncker & Humblot, Berl1n 41

Gedruckt 1976 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berl1n 61 Printed in Germany ISBN 3428 03561 5

Für luge

Vorwort Die Feststellung, daß die Steuerrechtswissenschaft ihrem Ordnungsauftrag, das Steuerrecht systematisch aufzuarbeiten und darzustellen, bisher nur unzureichend nachgekommen ist, gilt insbesondere für das internationale Steuerrecht. Die Probleme des internationalen Steuerrechts werden im allgemeinen nur in der Aufsatzliteratur erörtert. Umfassende monographische Darstellungen dogmatischen Gehalts fehlen noch weitgehend. Ottmar Bühler, neben Herbert Dorn einer der Begründer des deutschen internationalen Steuerrechts, hat seine wesentlichen Arbeiten in dieser Rechtsdisziplin einen Versuch genannt. In neueren, durchweg nur pragmatisch-informativ und nicht rechtsdogmatisch eingestimmten Schriften wird der Versuch, die systematischen Zusammenhänge des internationalen Steuerrechts aufzuzeigen, in der Regel nicht unternommen. So wie das Verständigungsverfahren im deutschen internationalen Steuerrecht praktiziert wird, hat der betroffene Steuerpflichtige kein rechtliches Gehör, kaum eine Möglichkeit zur Mitwirkung. Er hat nach fast einhelliger Meinung gegen den von ihm angerufenen Vertragsstaat keinen Rechtsanspruch darauf, daß dieser ein Verständigungsverfahren einleite. Während des Verständigungsverfahrens, das nach allgemeiner Meinung nur Billigkeitscharakter haben soll, schweben nicht selten noch Rechtsbehelfe. Mitunter verlaufen die Verständigungsbemühungen im Sande. Führen sie zu einem positiven Ergebnis, so erfährt der Steuerpflichtige gleichwohl nicht immer etwas vom Ausgang des Verfahrens. Auf Rückfragen wird ihm nicht selten mitgeteilt, die Verständigungsvereinbarung könne innerstaatlich nicht umgesetzt werden, weil die Rechtskraft eines Urteils oder die Bestandskraft eines Steuerbescheids entgegenstehe. Es liegt auf der Hand, daß das so als eine Art Geheimverfahren praktizierte Verständigungsverfahren rechtsstaatlich nicht zu befriedigen vermag. Der Verfasser hat sich bemüht, in seiner umfänglichen, die einschlägige steuerrechtliche und völkerrechtliche Literatur auswertende Schrift die bestehende Lücke, auch zur Befriedigung eines praktischen Bedürfnisses, auszufüllen. Er hat eine originelle Arbeit vorgelegt, die nicht nur durch ihren Umfang, sondern auch durch ihre Gründlichkeit hervorsticht, dabei das Thema rechtsstaatlich und völkerrechtlich aufarbeitet. Prof. Dr. Klaus Tipke, Köln

Inhaltsverzeichnis Erstes KapiteZ Anlaß der Untersuchung: Die vorweggenommenen Verständigungslösungen zum DBA Schweiz 1971

19

Zweites Kapitel Grundlagen A. Die Vertragsbestimmungen über das Verständigungsverfahren in den

deutschen DBA ....................................................

I. Die Unterscheidung zwischen dem Verständigungsverfahren im

28 29

engeren Sinne und dem Konsultationsverfahren ................

30

II. Das Verständigungsverfahren im engeren Sinne ................

32

III. Das Konsultationsverfahren ....................................

34

IV. Sonderfälle .................................................... 1. Anwendung des DBA auf künftige Steuern ................

35 35

2. 3. 4. 5. 6.

Erlaß von Durchführungsvorschriften ...................... Doppelwohnsitz ............................................. Einheitliche Zurechnung der Gewinne ...................... Unternehmensumstrukturierungen ........................... Zuordnung der Sonderfälle ................................

35 36 36 37 37

V. Das "Verständigungsverfahren" im multilateralen Abkommen vom 18. 5. 1956 über die Besteuerung von Straßenfahrzeugen zum privaten Gebrauch im internationalen Verkehr....... ... ..... . .. 38 B. Die Vertragspraxis des Verständigungsverfahrens

38

C. Stellungnahmen der Praxis zum Verständigungsverfahren ..........

41

I. Verwaltung Ir. Rechtsprechung ........................................ . . . . . . ..

41 46

10

Inhaltsverzeichnis

D. Stellungnahmen des Schrifttums zum Verständigungsverfahren

50

I. Steuerrechtliches Schrifttum

50

H. Völkerrechtliches Schrifttum

55

E. überblick über die weitere Untersuchung ..........................

59

F. Die historische Entwicklung der Klausel über das Verständigungsverfahren ..........................................................

64

I. Verständigungsklauseln in den DBA der europäischen Staaten bis

1925 und die Entwicklung in den deutschen Verträgen..... .....

1. Verständigungsklauseln in den DBA der europäischen Staaten

65

bis 1925 .................................................... 65 2. Verständigungsklauseln in den DBA des Deutschen Reiches seit dem Vertrag mit Italien vom 31. 10. 1925 ...................... 69 3. Zusammenfassung und Vergleich mit den Verständigungsklauseln in den DBA der Bundesrepublik .................... 70

H. Die Denkschriften zu den deutschen DBA und die Stellungnahmen Herbert Dorns .................................................. 73 G. Die verschiedenartigen Funktionen der Bestimmungen über das Verständigungsverfahren ............................. . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Die Funktion von Art. 15 und Art. 16, 1. Alt. DBA-Italien ........

II. Die Aufnahme der sog. Konsultationsklausel in Art. 16, 2. Alt. DBA-Italien als Folge der Ausweitung des Gedankens der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nach dem 1. Weltkrieg. .. .. ... 1. Die Entwicklung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der N euzei t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen dieser Entwicklung auf die DBA-Modellverträge des Völkerbundes ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Vertragspraxis des Deutschen Reiches nach dem 1. Weltkrieg... . ................ III. Die Konsultationsklausel der DBA als diplomatisches Streiterledigungsmittel der Verhandlung..... .... .... . ....... ... .. .. .. 1. Die völkerrechtlichen Mittel zur friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten .................................... 2. Rechtsfolgen der Qualifikation der Konsultationsklausel als diplomatisches Streiterledigungsmittel ........................ 3. Abgrenzung des Verständigungsverfahrens zur internationalen Amtshilfe in Steuersachen ..................................

75 77 77 81 82 83 83 85 87

IV. Die Doppelfunktion der Konsultationsklausel: Das Verständigungsverfahren als Mittel zur einheitlichen Anwendung des DBA .. . . .. 90 1. Das Verständigungsverfahren als Mittel korrektiver Maßnahmen ..................................................... 90 2. Das Verständigungsverfahren als Mittel präventiver Maßnahmen ..................................................... 92 V. Die Struktur der Klausel über •das Verständigungsverfahren in den von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA .. 93

Inhaltsverzeichnis

11

Drittes Kapitel Das Verständigungsverfahren im engeren Sinne zur einheitlichen Anwendung des DBA in den Vertragsstaaten A. Aufgabenstellung: Einheitliche Anwendung des DBA in den Ver-

97

tragsstaaten ........................................................

97

1. DBA als Rechtsquellen des steuerrechts ........................

97

1. Das Verhältnis von Völkerrecht zum Landesrecht: Monismus

und Dualismus ..............................................

98

2. Die übernahme des Völkerrechts in das innerstaatliche Recht: Transformations- und Vollzugslehre ........................ 100 a) self-executing Völkervertragsregeln ...................... 101 b) Der Inhalt von Transformations- und Vollzugslehre ........ 105 H. Die Auslegung von DBA ........................................ 107 1. Auslegung von innerstaatlich anwendbarem Völkervertragsrecht durch nationale Instanzen nach völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätzen .......................................... 107 2. Die Bedeutung der sog. lex fort Klausel der DBA ............ 109 3. Fehlerquellen bei der Auslegung von DBA .................. 111 111 a) Transformationslehre b) Auslegung von Normen des nationalen Außensteuerrechts 112 c) Bearbeitung internationaler Steuerfälle .................. 112 B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene ...................... 113 1. Die mangelnde rechtliche

Ausgestaltung des Verständigungsverfahrens im engeren Sinne .................................. 113 1. Die dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung als

völkerrechtliches Delikt ...................................... 114

2. Gegenwärtige Möglichkeiten zur Feststellung dieses Tatbestandes durch ein internationales Gericht .................. 115 3. Die gemischten Kommissionen im Bereich der DBA .......... 117 4. Der fließende übergang zwischen dem diplomatischen Streiterledigungsverfahren der Verhandlung und der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit ................................ 118 II. Die Parteien des Verfahrens: Diplomatische Protektion des Steuerpflichtigen durch den Heimatstaat .............................. 122 HI. local remedies rule ............................................ 125 IV. Zuständigkeit .................................................. 126 1. Kompetenz ratione materiae ................................ 126

2. Kompetenz ratione personae

126

12

Inhaltsverzeichnis V. Das anwendbare Recht .......................................... 127

C. Das Verhältnis des Verständigungsverfahrens im engeren Sinne zum Verfahren vor nationalen Instanzen ................................ 128 I. Das Verhältnis zur nationalen Gerichtsbarkeit .................. 128 1. Die Grundsätze für den Bereich der völkerrechtlichen Schieds-

gerichtsbarkeit .............................................. 128 a) Rechtshängigkeit ......................................... 129 b) Rechtskraft .............................................. 130

2. Folgerungen für das Verständigungsverfahren im engeren Sinne ....................................................... 130 H. Die Verfahrensentscheidung .................................... 132 1. Im völkerrechtlichen Bereich ................................ 132

2. Im innerstaatlichen Bereich .................................. a) Die Grundsätze für den Bereich der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit .................................... b) Folgerungen für das Verständigungsverfahren im engeren Sinne .................................................... aa) Bei Vorliegen eines nationalen, rechtskräftigen Urteils bb) Bei Vorliegen eines bestandskräftigen Steuerbescheides

132 132 134 134 134

D. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und der BRD als Wohnsitzstaat ................ , ................................. 136 I. Das subjektiv öffentliche Recht auf Einleitung des Verständigungs-

verfahrens ..................................................... 137 1. Die bisherigen Stellungnahmen, insbesondere von Bachmayr

und Tipke .................................................. 137

2. Die Pflicht der BRD zur Gewährung diplomatischer Protektion a) Allgemeines .............................................. b) Justizfreie Hoheitsakte im Bereich der auswärtigen Gewalt c) Die Ausübung diplomatischer Protektion: Ermessensentscheidung als Grundsatz .................................. d) Im Bereich der DBA subjektiv öffentliches Recht ..........

143 143 145 148 149

11. Ausnahmen .................................................... 153 1. Die beiden Vorkriegsabkommen .............................. 153

2. Verstöße gegen die Gewinnkorrekturklausel im Bereich der kontinental-europäischen und der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Das Problem der Kongruenz zwischen Konsultationsklausel und Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen im Rahmen der Gewinnkorrekturklausel .............................. b) Der Begriff der internationalen Doppelbesteuerung: Das Erfordernis der Subjektidentität .......................... c) Subjektidentität und Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens ..........................................

153 155 157 162

13

Inhaltsverzeichnis Viertes Kapitel

Das Verständigungsverfahren im engeren Sinne als Billigkeitsverfahren

164 166

A. Verständigungsverfahren und Entscheidung ex aequo et bono

Bo Identität des Begriffs der Billigkeit als allgemeiner Grundsatz des Rechts im Völkerrecht und im nationalen Recht 168 0

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Co Die BiIligkeitsklauseln in den Vorkriegsabkommen und den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe 170 .0

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1. Die Billigkeitsentscheidung im völkerrechtlichen Bereich 11. Die Billigkeitsentscheidung im innerstaatlichen Bereich

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Do Billigkeitsentscheidung in den DBA ohne Billigkeitsklausel ... Eo Die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen ..

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170 170

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Fünftes Kapitel

174

Das Konsultationsverfahren

A. Das Konsultationsverfahren als präventives Mittel zur Beseitigung von Auslegungsschwierigkeiten 174 .0.0.0.0

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00.0.0.000.000.000.00000.0

Bo Die Stellungnahme Teichners zur Rechtsquelleneigenschaft allgemeiner Verständigungsvereinbarungen ....... 175 00.0

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Co Die Geltungskraft norminterpretierender Verwaltungsvorschriften .. 177 Do Die sog. Prärogative der Regierung im Bereich der Auswärtigen Gewalt ..... o. 180 0

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1. Bereiche dieser Kompetenzverlagerung

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Ho Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge

180 182

Eo Allgemeine Verständigungsvereinbarungen als authentische Interpretation der DBA ............... 183 0



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I. Der Begriff der authentischen Interpretation ............

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184

Ho Die Verbindlichkeit einer authentischen Interpretation völkerrechtlicher Verträge für deutsche Gerichte ........... 185 0.000

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Fo Allgemeine Verständigungsvereinbarungen als zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen .. 188 0

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I. Völkerrechtliche Merkmale der Verwaltungsabkommen .......

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188

14

Inhaltsverzeichnis II. Staatsrechtliche Merkmale ...................................... 189 1. Die bisherigen Definitionsversuche .......................... 189 2. Verfassungsgeschichtliche Entwicklung ...................... 191

G. Zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen und RVO-Ermächtigung .. 192 1. Die Ermächtigungspraxis der Weimarer Zeit, insbesondere in der

Reichsabgabenordnung ......................................... 193

11. Die Zulässigkeit sog. normativer Verwaltungsabkommen nach dem

Grundgesetz ..... , ..................... " ....................... 199

111. Die Zustimmung des Bundesrates .............................. 201

IV. Die Zustimmung in Form eines Gesetzes ........................ 202 H. Konsultationsklausel und RVO-Ermächtigung ...................... 204

I. Die Bestimmtheitsproblematik .................................. 204 11. Rechtsverordnungsermächtigungen im Text eines völkerrechtlichen

Vertrages ...................................................... 206

Sechstes KapiteZ

Die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen

209

Siebentes KapiteZ

Zusammenfassung

214

Anhang

222

Scl1rifttumsverzeidmis

231

Ahkürzungsverzeichnis

= anderer Ansicht

a.A.

Abs. a.E.

= = = = =

AFDJ

AJIL Alt.

Anh. Anm.

=

AöR ArchV Art. AStG Aufl. AWD

= =

=

=

AO

=

= = =

BB Bd., Bde. BdF

BewG BDI

BFH BFHE BFM BGBl BGH BGHZ BGHSt Bonner

Konunen~

BRD BStBl BTDrucks BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE

Absatz am Ende Annuaire Francais de Droit Internationale The American Journal of International Law Alternative Anhang Anmerkung Abgabenordnung Archiv für öffentliches Recht Archiv des Völkerrechts Artikel Außensteuergesetz Auflage Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters

= Der Betriebs-Berater

= Band, Bände = Bundesminister der Finanzen = Bewertungsgesetz = Bundesverband der Deutschen Industrie = Bundesfinanzhof = Amtliche Sammlung von Entscheidungen des BFH = Bundesministerium der Finanzen = Bundesgesetzblatt = Bundesgerichtshof = Amtliche Sammlung von Entscheidungen des BGH in Zivilsachen = Amtliche Sammlung von Entscheidungen des BGH in Strafsachen = Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Hamburg 1950 ff. (Loseblattausgabe) = Bundesrepublik Deutschland = Bundessteuerblatt = Bundestagsdrucksache = Bundesverfassungsgericht = Amtliche Sammlung von Entscheidungen des BVerfG = Bundesverwaltungsgericht = Amtliche Sammlung von Entscheidungen des BVerwG

CDFI

= Cahiers de Drolt Fiscal International = Conseil national du patronat francais

DB DBA ders. Diss. DJZ DöV DRiZ

= Der Betrieb

CNPF

= = =

Doppelbesteuerungsabkommen derselbe Dissertation Deutsche Juristenzeitung -= Die öffentliche Verwaltung = Deutsche Richterzeitung

16

Abkürzungsverzeichnis

DStR DStZ DVBI

= Deutsches Steuerrecht = Deutsche Steuerzeitung = Deutsches Verwaltungsblatt

EAO 1974 ebd. EFG EStDV EStG EuGH EuStZ EWGV

= Regierungsentwurf einer Abgabenordnung 1974 = ebenda = Entscheidungen der Finanzgerichte = Einkommensteuerdurchführungsverordnung = Einkommensteuergesetz = Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften = Europäische Steuerzeitung = Vertrag über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

f., ff. FA FGO FinMin, FM

= folgende, fortfolgende = Finanzarchiv = Finanzgerichtsordnung = Finanzministerium = Finanzrundschau - Fußnote = General Agreement on Tariffs and Trade = Grundgesetz = Gewerbesteuergesetz = Gesellschaft mit beschränkter Haftung

FR

Fußn. GATT GG GewStG GmbH HdbDStR HFR hrsg. HwStR ICJ, Reports ICLQ i.d.F. i.d. R. i.e. S. IFA IGH ILR IStR i.V.m. IWB i.w.S. Jahrg. JIR JöR

= Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hrsg. von Anschütz / Thoma = Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung = herausgegeben = Handwörterbuch des Steuerrecht, hrsg. von Hark / Strickrodt / Wöhe / Felix / Sebiger = International Court of Justice, Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orders = The International and Comparative Law Quarterly = in der Fassung = in der Regel = im engeren Sinne = International Fiscal Association = Internationaler Gerichtshof = International Law Reports = Internationales Steuerrecht = in Verbindung mit = Internationale Wirtschaftsbriefe = im weiteren Sinne

JZ

= Jahrgang = Jahrbuch für internationales Recht = Jahrbuch für öffentliches Recht = Juristische Rundschau = Juristenzeitung

KStG

::::a

LNTS

= League of Nations Treaty Series

m.w.N.

::::a

NJW Nr.

= Neue Juristische Wochenschrift = Nummer

JR

Körperschaftssteuergesetz mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis OECD OECD-MA öst. OVG

17

==

Organisation for Economic Co-operation and Development = OECD-Musterabkommen (Draft Double Taxation Convention on Income and Capital) == österreichisch = Oberverwaltungsgericht

PCIJ PrGS

==

RabelsZ

= Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Rabels Zeitung) =:I Reichsabgabenordnung = Recueil des Cours de l'Academie de Droit International == Randnummer = Reichsfinanzhof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des RFH = Reichsgesetzblatt = Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen = Recht der internationalen Wirtschaft = Reichsminister der Finanzen = Rechtsprechung = Reichssteuerblatt = Reichstagsdrucksachen = Rechtsverordnung Blattei-Handbuch "Rechts- und Wirtschaftspraxis

RAO RC

Rdnr. RFH RFHE RGBl RGZ RiW RMdF (RdF) Rspr. RStBI RTDrucks RVO RWP-Blattei

S.

sog. SN I SN 1 Sp. SP StAnpG StbJb StuR StW StWa

Permanent Court of International Justice Gesetzsammlung für die Königlich Preußischen Staaten

= Seite, Satz sogenannte = Societe des Nations = SN, Double imposition ..., Recueil des accords Bd. 1, S. 1 (gilt sinngemäß für Bd. 1 - 6) == Spalte = Schlußprotokoll == Steueranpassungsgesetz == Steuerberater-Jahrbuch = Steuer und Recht = Steuer und Wirtschaft Steuer-Warte

....

TAM Rec.

= Recueil des Decisions des Tribunaux Arbitraux Mixtes, institues par les Traites de Paix, 9 Ts,

UN I UN 1

= United Nations

1922 -1930

UNTS UNRIAA VerwArch VGH (VwGH)

vgl.

VJSchrStuFR vol. Vorbem. VStG VVDStRL

2 MülhaWlen

= UN, International Tax Agreements, Bd. 1, S. 1 (bzw. Nr. 1) (gilt sinngemäß für Bd. 1 - 9) == United Nations Treaty Series == UN, Reports of International Arbitral Awards = = = ""' = =

==

Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vierteljahresschrut für Steuer- und Finanzrecht Volume Vorbemerkungen Vermögensteuergesetz Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

18 WBV

Abkürzungsverzeichnis

= Wörterbuch des Völkerrechts, hrsg. von Strupp I Schlochauer

= Ziffer = Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht z. B. = zum Beispiel Zeitsch. f. schw. Recht = Zeitschrift für schweizerisches Recht Züf. = Ziffer zit. = zitiert ZVR = Zeitschrift für Völkerrecht z. Z. = zur Zeit

Z ZaöRV

Erstes Kapitel

AnlaS der Untersuchung: Die vorweggenommenen Verständigungslösungen zum DBA Schweiz 1971 Zu den Fundamentalsätzen des Steuerrechts gehört das Prinzip der Gesetzmäßigkeit (oder Tatbestandsmäßigkeit) der Besteuerung1 • Folgerungen aus diesem Prinzip sind die Grundsätze, daß die Finanzbehörden verpflichtet sind, nach dem Gesetz entstandene Steueransprüche geltend zu machen (Legalitätsprinzip) und daß Steuervereinbarungen ausgeschlossen sind, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich zuläßt2. Ob die gegenwärtige Praxis des internationalen Steuerrechts den Anforderungen des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung entspricht, ist allerdings zweifelhaft3. Kein Geringerer als Bühler hat die Auffassung vertreten: "Im internationalen Steuerrecht müssen von den rechtsstaatlichen Postulaten der strengen Gesetzmäßigkeit und Tatbestandsmäßigkeit Abstriche gemacht werden - das ist in diesem Bereich der oberste Grundsatz, den eine Betrachtung der Bestimmungen sowohl der nationalen Steuerrechte als auch der DBAbk ergibt4 ." Rechtsnormen wie § 34 c Abs. III EStG, § 19 a Abs. I S. 2 KStG, § 50 Abs. VI EStG, §§ 2, 6 Abs. I S. 1 KStG i. V. m. § 50 Abs. VI EStG und § 10 Abs. II VStG, nach denen die Finanzverwaltung die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche ESt und KSt und die ESt, KSt und VSt beschränkt Steuerpflichtiger "aus volkswirtschaftlichen Gründen" pauschaliert erheben oder sogar erlassen kann6 , scheinen die Auffassung Bühlers ebenso zu bestätigen wie die Tatsache, daß von der Ermächtigung des § 34 c Abs. III EStG nach wie vor Gebrauch gemacht 1 Tipke, Steuerrecht, S. 22 f.; Kruse, § 5 II 2 b (S. 37 f.); Paulick, Lehrbuch, Rdnr. 136 f.; Hensel, S. 48 f.; Bühler, Lehrbuch des Steuerrechts, I. Bd., S. 64 ff.; Tipke / Kruse, § 2 Rdnr.14 m. w. N.; Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 1 Rdnr. 60 f.; Becker / Riewald / Koch, § 2 Anm. 1 b. 2 Tipke, Steuerrecht, S. 25 f.; Kruse, § 5 II 2 b (S.38); Paulick, Lehrbuch, Rdnr. 139 f., 315 f.; Bühler, Lehrbuch des Steuerrechts, I. Bd., S. 70 f.; Tipke / Kruse, § 2 Rdnr. 16, 17, § 204 Rdnr. 1 - 4; § 220 Rdnr.3; Becker / Riewald / Koch, § 2 Anm. 1 b (6). 3 Höppner, FR 1970, S. 468 ff. für das Legalitätsprinzip. 4 Bühler, Prinzipien, S. 153. 6 Zur Fragwürdigkeit dieser Ermächtigungen vgl. Kruse, § 5, 2 b (S. 38/39).

20

1. Kap.: Anlaß der Untersuchung

wird, obwohl der BFH6 diese Norm als verfassungswidrig angesehen hat. Mit dem Institut des Verständigungsverfahrens in den DBA der BRD scheint nach dem Selbstverständnis der Finanzverwaltung der Gesetzgeber diese Abstriche am Prinzip der Gesetzmäßigkeit und Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung eingesegnet zu haben. Nach ihrer Auffassung ist durch das Verständigungsverfahren ein weitgehend rechtsfreier Raum eröffnet, der keiner justiziellen Kontrolle unterliegt. Die vorliegende Untersuchung hat die kritische Überprüfung dieser Auffassung zum Gegenstand. Einer der neueren zwischenstaatlichen Verträge der BRD zur Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen ist das DBA Schweiz vom 11. August 19717. Dieser Vertrag enthält in den Schlußbestimmungen eine Klausel über das sog. Verständigungsverfahren, die wörtlich mit der Regelung über das Verständigungsverfahren in Art. 25 des OECDMA übereinstimmt. Das OECD-MA hat die BRD seit dem DBA Japan vom 22.4.1966 weitgehend ihrer Vertragspraxis zugrundegelegts. Da zu erwarten ist, daß diese Vertragspraxis fortgeführt wird, soll die Klausel über das Verständigungsverfahren im DBA Schweiz 1971 als Arbeitsgrundlage herangezogen werden. Art. 26 DBA Schweiz 1971 bestimmt: "Artikel26 (1) Ist eine in einem Vertragsstaat ansässige Person der Auffassung, daß die Maßnahmen eines Vertragsstaates oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer Besteuerung geführt haben oder führen werden, die diesem Abkommen nicht entspricht, so kann sie unbeschadet der nach innerstaatlichem Recht dieser Staaten vorgesehenen Rechtsbehelfe ihren Fall der zuständigen Behörde des Vertragsstaates unterbreiten, in dem sie ansässig ist. (2) Hält diese zuständige Behörde die Einwendung für begründet und ist sie selbst nicht in der Lage, eine befriedigende Lösung herbeizuführen, so wird sie sich bemühen, den Fall durch Verständigung mit der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates so zu regeln, daß eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung vermieden wird. (3) Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten werden sich bemühen, Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des 6 BFHE 85, 399 (404); BFHE 99, 376 (378). 7 BGBI 1972 H, S. 1021 ff. B Das DBA Japan stellt eine Zäsur in der deutschen Abkommenspraxis insofern dar, als nicht mehr nur zahlreiche Einzelbestimmungen des OECDMA in den Vertrag aufgenommen wurden (wie noch im DBA Griechenland vom 18.4. 1966, vgl. die Denkschrift zum DBA in BTDrucks V1l046, S.22), sondern der Vertrag generell "sehr weitgehend dem Abkommensentwurf ... der OECD ... folgt" (vgl. Denkschrift zum DBA Japan, BTDrucks V/1045, S.29).

1. Kap.: Anlaß der Untersuchung

21

Abkommens entstehen, in gegenseitigem Einvernehmen zu beseitigen. Sie können auch gemeinsam darüber beraten, wie eine Doppelbesteuerung in Fällen, die in dem AbkoIIlIlli!n nicht behandelt sind, vermieden werden kann. (4) Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten können zur Herbeiführung einer Einigung im Sinne der vorstehenden Absätze unmittelbar miteinander verkehren. Erscheint ein mündlicher Meinungsaustausch für die Herbeiführung der Einigung zweckmäßig, so kann ein solcher Meinungsaustausch in einer Kommission durchgeführt werden, die aus Vertretern der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten besteht." Im Vorläufer zu diesem Abkommen, dem DBA Schweiz 1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. 3. 19599 war in bezug auf das in Art. 13 geregelte Verständigungsverfahren im Schlußprotokoll zum DBA noch zusätzlich vereinbart worden: "Zu Artikel 13 (1) Die Einleitung des Verständigungsverfahrens nach Art. 13 Abs.1 ist einerseits von der Erschöpfung des Rechtsweges durch den Steuerpflichtigen nicht abhängig, andererseits wird der Steuerpflichtige durch die Einleitung dieses Verfahrens an der Geltendmachung der gesetzlichen Rechtsmittel nicht gehindert. (2) Zuständige oberste Verwaltungsbehörden im Sinne des Abkommens sind in der Bundesrepublik Deutschland der Bundesminister der Finanzen und in der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Eidgenössische Steuerverwaltung. " In der deutschen Denkschrift zum DBA Schweiz 1971 10 heißt es in lapidarer Kürze zu der Klausel über das Verständigungsverfahren: "Dieser Artikel sieht vor, daß sich die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten über die Vermeidung der Doppelbesteuerung in Einzelfällen verständigen und Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten in gegenseitigem Einvernehmen beseitigen können ... " Angesichts dieser zurückhaltenden Erläuterung kann es nicht überraschen, daß über die rechtliche Bedeutung dieser Klausel weitgehende Unklarheit herrscht. Das wurde auch gerade bei Abschluß des DBA Schweiz 1971 deutlich. Noch bevor das deutsche Vertragsgesetz ll erlassen und der Vertrag durch den Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten waru , wurden zwischen der deutschen und der BGBI 1959 II, S. 1253 ff. BTDrucks VI/3233, S. 24. 11 Der Begriff "Vertragsgesetz" wird hier den sonst vielfach gebrauchten BeZeichnungen "Zustimmungsgesetz", "Transformationsgesetz", "Ratifikationsgesetz" etc. vorgezogen; so auch BVerfGE 1, 396 (410); 6, 290 (294); BVerfGE 14, 1 (6) aber Zustimmungsgesetz. Ebenso für Vertragsgesetz: 'VOn Mangoldt I Klein, Art. 59 IV 6 c (S.1144); Boehmer, S.7; Reichet, S.72; Dahm I, S. 66. 12 Das Abkommen trat mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden am 29. Dezember 1972 gemäß Art. 32 Abs. II in Kraft. Vgl. die Bekanntmachung im BGBI 1973 II, S.74. 8

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1. Kap.: Anlaß der Untersuchung

schweizerischen Delegation zusätzlich zu dem Abkommen und einem dazugehörigen Briefwechsel mehrere Verhandlungsprotokolle 'Und Niederschriften13 vereinbart, die nach Auffassung der Verhandlungsdelegationen als "vorweggenommene Verständigungslösungen im Sinne von Art. 26 DBA 1971" anzusehen sind14• Die erste sog. vorweggenommene Verständigungslösung zum DBA Schweiz 1971 wurde "Im Bestreben, die Anwendung und Auslegung des Abkommens ... sicherzustellen", am 18.6.1971, dem Tag der Paraphierung des Abkommens, unterzeichnet. Mit der gleichen Intention wurde am 29.9.1971 ein zweites Verhandlungsprotokoll abgeschlossen. Es folgten zwei Niederschriften vom 26. 11. 1971 und 26. 1. 1972 und ein Verhandlungsprotokoll vom 20.3.1972. Im deutschen Vertragsgesetz vom 5.9.1972 wird nur dem "in Bonn am 11. August 1971 unterzeichneten Abkommen ... sowie dem dazugehörigen Briefwechsel vom 11. August 1971" die Zustimmung erteilt. Die genannten Zusatzprotokolle werden nicht erwähnt und sind auch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wordenlI. Die Zusatzprotokolle enthalten Bestimmungen von erheblicher Bedeutung. Hinzuweisen ist etwa auf die Grenzgängerregelung18 und die Vereinbarung über die Steuerwerte schweizerischer Liegenschaften, die in der BRD unbeschränkt Steuerpflichtigen gehören17• Besondere Bedeutung hat schließlich auch das Verhandlungsprotokoll vom 29.9.1971, dessen Abschluß schlaglichtartig - wenn auch vielleicht durch die deutschen Bemühungen zur Verminderung der Steuerflucht verzerrteinige Aspekte der Problematik des Verständigungsverfahrens beleuchtet. Die vorweggenommene Verständigungsvereinbarung vom 29. 9. 1971 soll daher als einführendes Beispiel der Praxis des Verständigungsverfahrens näher dargestellt werden. Die Bedeutung dieses Verhandlungsprotokolls wird allerdings nur vor dem Hintergrund des neuen deutschen Außensteuergesetzes (AStG) vom 8. 9. 1971 18 deutlich. Mit dem AStG wird das Ziel verfolgt, "unge13 Die Verhandlungsprotokolle und Niederschriften sind veröffentlicht bei Korn 1Dietz 1Debatin, Schweiz, S. 191 f.; LocheT, DB Schweiz-Deutschland, A VI 3; nur die Verhandlungsprotokolle vom 18.6.1971 und 29.9.1971 in BTDrucks VI/3233, S. 25/26 im Anschluß an die Denkschrift zum DBA Schweiz 1971. 14 So Ziff. I Nr.2 der Niederschrüt vom 26.11. 1971. 1& Zur Behandlung des DBA Schweiz 1971 im schweizerischen Gesetzgebungsverfahren vgl. WidmeT, StW 1972, S. 1, Fußn. 1. 16 Vgl. Verhandlungsprotokoll vom 18.6.1971, "Zu Art. 15, Absatz 4"; Niederschrift vom 26. 11. 1971, I, Ziff. 6. 17 Vgl. Niederschrift vom 26.11.1971, I, Ziff.3; Verhandlungsprotokoll vom 20.3.1972, "Zu Artikel 24, Absatz 1". 18 BGBI 1972 I, S.I713 ff.

1. Kap.: Anlaß der Untersuchung

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rechtfertigte Steuervorteile aus der Nutzung internationaler Steuergefälle auszuschließen"l". Das AStG richtet sich in den §§ 7 -14 gegen Steuervorteile, die sich Steuerinländer durch den Einsatz sog. "Basisgesellschaften" verschaffen können. Durch die Benutzung der Rechtsform einer selbständigen ausländischen Gesellschaft wird eine Abschirmwirkung gegen die deutsche Besteuerung erreicht. Die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft unterliegen auch dann, wenn sie von Steuerinländern beherrscht wird, nicht der deutschen Steuerpflicht. Bis zum Abschluß des DBA Schweiz 1971 war nach ganz überwiegender Auffassung die steuerliche Erfassung nicht ausgeschütteter Gewinne aus Beteiligungen an ausländischen juristischen Personen ausgeschlossenzo . Deshalb nimmt die mit den §§ 7 ff. AStG bezweckte Durchgriffsbesteuerung "davon Abstand, ausländischen Rechtsgebilden, die nach den Gesetzen ihres Sitzstaates Rechtsfähigkeit erlangt haben, die Anerkennung zu verweigern"21. Mit eindrucksvoller fiskalischer List wird vielmehr das in der ausländischen Basisgesellschaft angefallene Einkommen, das nicht aus aktiver Wirtschaftstätigkeit der Gesellschaft stammt, den die Basisgesellschaft beherrschenden Gesellschaftern zur Besteuerung zugerechnet. § 7 Abs. I AStG bestimmt als Grundsatz, daß unbeschränkt Steuerpflichtige, die an einer ausländischen Gesellschaft zu mehr als der Hälfte beteiligt sind (§ 7 Abs. 11 AStG) , mit den Einkünften, für die die Gesellschaft Zwischengesellschaft ist (§ 8 AStG), zu dem Teil steuerpflichtig sind, die auf die ihnen zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt. Ein DBA hat als lex specialis Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht!!, also auch vor dem nationalen Außensteuerrech.t. Der im nationalen Steuerrecht begründete Anspruch wird grundsätzlich durch das DBA vermindert oder ganz aufgehoben. DBA stellen ein System von gegenseitigen Steuerverzichten dar23. Die durch das AStG eingeführte Durchgriffsbesteuerung ist daher gegenüber Ländern, mit denen ein DBA vereinbart worden ist, nur dann durchführbar, sofern der Vertrag keine entgegenstehende Regelung enthält. Nach Flick24 ist das "Steuerfluchtgesetz in seiner Durchsetzbarkeit im Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen eine Utopie". Die Bundesregierung müsse die Abkommen kündigen und versuchen, in Revisionsverhandlungen die Partnerländer zu einem Eingehen auf ihre Steuerfluchtvorstellungen zu oewegen. BTDrucks VI/2883, S. 16. Debatin, CDFJ, vol. XLIX b, S.122, 124/125; Flick, BB 1971, S.250; Bellstedt, S.264; vgl. aber auch Raupach, Durchgriff, S. 183 f. 21 BTDrucks VI/2883, S. 19. 22 Tipke I Kruse, § 9 StAnpG, Anm. 1; Bühler, Prinzipien, S. 65 f. 23 Korn I Dietz I Debatin, Vorbem. III E Rdnr. 1. 24 Flick, BB 1971, S. 250. 19 20

1. Kap.: Anlaß der Untersuchung

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Ob bei der Abkommensrevision des DBA Schweiz 1971 die schweizerische Vertragsseite auf die Steuerfluchtvorstellungen der Bundesregierung eingegangen war, ist unmittelbar nach Veröffentlichung des Abkommenstextes - auch zwischen dem deutschen und schweizerischen Delegationsleiter - streitig geworden. Die Frage des Verhältnisses der Durchgriffsbesteuerung zum DBA Schweiz 1971 entzündete sich vor allem an der Vorschrift des Art. 10 Abs. VIII DBA Schweiz 1971: "Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Gewinne oder Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat, so darf dieser andere Staat weder die Dividenden besteuern, die die Gesellschaft an nicht in diesem anderen staat ansässige Personen zahlt, noch Gewinne der Gesellschaft einer Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne unterwerfen, selbst wenn die gezahlten Dividenden oder die nicht ausgeschütteten Gewinne ganz oder teilweise aus in dem anderen Staat erzielten Gewinnen oder Einkünften bestehen ..." Damit war ohne jede Änderung Art. 10 Abs. V des OECD-MA übernommen worden. Aus dem Kommentar zum OECD-MA ergibt sich, daß Art. 10 Abs. V sich gegen Besteuerungsmaßnahmen solcher Staaten wendet, die nicht nur die Dividenden besteuern, die die in dem betreffenden Staat ansässigen Gesellschaften zahlen, sondern die auch die Ausschüttungen nicht ansässiger Gesellschaften aus Gewinnen besteuern, die aus diesem Staat stammen. Jeder Staat habe zwar das Recht, die aus seinem Gebiet stammenden Gewinne der nicht ansässigen Gesellschaften zu besteuern, soweit dies im OECD-MA, insbesondere in Art. 7 über die Besteuerung der Unternehmensgewinne, vorgesehen sei. Darüber hinaus sollten aber nicht auch noch die Aktionäre solcher Gesellschaften besteuert werden, es sei denn, daß sie in dem betreffenden Staat kraft ihres Wohnsitzes steuerpflichtig sind. Art. 10 OECD-MA bezweckt damit, die extraterritoriale Besteuerung der Dividenden auszuschließen, und schreibt gleichzeitig in diesem Zusammenhang vor, daß die nicht ansässigen Gesellschaften zu keinen Sondersteuern von nicht ausgeschütteten Gewinnen herangezogen werdenu. Die Vorschrift bezieht sich demnach nicht auf eine Durchgriffsbesteuerung. Im Verhandlungsprotokoll vom 18.6.1971 hatten sich die deutsche und die schweizerische Delegation darauf geeinigt, "sich bei der Auslegung der Bestimmungen des Abkommens im Rahmen des Art. 26 des Abkommens die Auslegungen zunutze (zu) machen, die im Rahmen ... ,des OECD-MA' ... entwickelt worden sind". Dennoch hatte der schweizerische Delegationsleiter Locher auf der Informationstagung der Handelskammer Deutschland-Schweiz am 2. - 13. 9. 1971 in Zürich in einer Konfrontation mit dem deutschen Verhandlungsleiter Debatin 26

Kommentar zum OECD-MA, Art. 10, ZUf.41, 42; bei Korn / Dietz /

Debatin, Vorbem., Anh. A, S.49.

1. Kap.: Anlaß

der Untersuchung

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darauf hingewiesentS, daß die Zurechnung nicht ausgeschütteter Gewinne einer schweizerischen Basisgesellschaft zum übrigen Einkommen der in der BRD ansässigen Gesellschafter mit Art. 10 Abs. VIII des neuen DBA unvereinbar sei. Den gleichen Einwand erhoben Kreilet 7 und Vogel28 • Damit war das AStG "gerade in jenem Punkt in Frage gestellt, der zum Kernpunkt seines Anliegens gehört"llIt. Um diesen schon vor Inkrafttreten der beiden Gesetzeswerke aufgetretenen Auslegungsstreit zu beseitigen, wurde von den beiden Delegationsleitern Locher und Debatin das Verhandlungsprotokoll vom 29. 9. 1971 vereinbart, welches "feststellt", daß Art. 10 Abs. VIII DBA Schweiz 1971 die Zurechnungsbesteuerung nach § 7 f. AStG nicht ausschließt. Ob damit der Auslegungsstreit nur zwischen den beiden Delegationsleitern oder auch in der künftigen Rechtsanwendung des DBA Schweiz 1971 ausgeräumt ist, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn - wie erwähnt - erstreckt sich die Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften der BRD nach Art 59 Abs. II S. 1 GG zum deutsch-schweizerischen DBA ausdrücklich weder auf dieses Verhandlungsprotokoll noch auf die übrigen Protokolle und Niederschriften. Dazu kommt, daß die Zusatzvereinbarungen nicht im BGBI veröffentlicht sind. Aufgrund dieser mangelnden Zustimmung des Gesetzgebers und der fehlenden Publikation im BGBI haben sie jedenfalls nicht die Geltung eines formellen Gesetzes. Art. 82 Abs. I GG bestimmt, daß die nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustandegekommenen Gesetze vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung auszufertigen und zu verkünden sind. Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Verkündung eines Gesetzes ist integrierender Bestandteil des Rechtsetzungsaktes selbst30• Nach BVerfGE 16, 6 (18) soll sich der Bürger als Normadressat durch die Verkündung der Gesetze in den dafür vorgesehenen Verkündungsblättern Kenntnis vom Inkrafttreten und Inhalt des Gesetzes verschaffen können (Prinzip der formellen Gesetzesverkündung). Kenntnis vom Inhalt der Verhandlungsprotokolle und Niederschriften kann sich der Steuerpflichtige nur aus privaten Publikationen verschaffen. Kenntnis von der eingeschränkten Bedeutung des Art. 10 Abs. VIII DBA 26 So Dagon, AWD 1972, S. 331, 337; vgl. auch Salditt, Stw 1972, S. 24 (Forderung nach Revision des Abkommenstextes). 27 Kreile, BB 1971, S. 1227, 1228. 28 Vogel, BB 1971, S. 1185, 1189. 29 Kreile, BB 1971, S. 1227, 1228. 30 BVerfGE 7, 330 (337); BVerwGE 17, 192 (196). Zum Erfordernis der Publikation als Schlußpunkt der Rechtserzeugung vgl. auch Ossenbühl, S. 462 f. m. w. N.

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1. Kap.: Anlaß der Untersuchung

Schweiz 1971 hat nur, wer um die übernahme dieses Artikels aus dem OECD-MA weiß. Die Vereinbarung des Verhandlungsprotokolls vom 29.9.1971 legt damit zwei Hauptprobleme der Praxis des Verständigungsverfahrens offen. Einmal ist es die Frage nach der Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Publikation von Verständigungsvereinbarungen. Zum anderen ergibt sich die Frage, inwieweit die Exekutive ohne ausdrückliche Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften nach Art. 59 Abs. II S. 1 GG Auslegungs- und Ergänzungsabkommen zu einem DBA vereinbaren kann und ob derartige Zusatzabkommen Rechtsquelleneigenschaft haben. Mit dem Verhandlungsprotokoll vom 29.9.1971 sollte die Klärung einer Interpretationsfrage herbeigeführt werden, die einen "Kernpunkt" des AStG und des DBA Schweiz 1971 betrifft, ob nämlich die Durchgriffsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG mit dem neuen DBA Schweiz 1971 vereinbar ist. Der Abschluß des Verhandlungsprotokolls vom 29.9.1971 zeigt, daß nach dem Selbstverständnis der Finanzverwaltung das Verständigungsverfahren ermöglichen soll, streitig gewordene DBA-Probleme, die Kernfragen des internationalen Steuerrechts betreffen, mit allgemein verbindlicher Wirkung auch gegenüber den Steuerpflichtigen zu regeln, ohne daß eine Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften und eine ordnungsgemäße Publikation erforderlich wären. Wenn ein Steuerpflichtiger unter Berufung auf die erwähnten Zusatzvereinbarungen seinen Steuerbescheid anficht und die Richter - verunsichert durch vom Hörensagen bekannte Zusatzvereinbarungen - bei der Klärung einer Auslegungsfrage zum DBA Schweiz 1971 ihre Entscheidung nicht auf Regelungen stützen wollen, die sie nur über den Weg privater Publikationen kennen, so können sie sich Gewißheit über den Inhalt des Zusatzprotokolls allein durch Auskunft beim Bundesfinanzministerium verschaffen. Damit ist die gleiche Situation gegeben, die Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen, zum Erlaß der "Verordnung wegen streitig gewordener Auslegung von Staatsverträgen. Vom 25sten Januar 1823."31 veranlaßte: "Es können Fälle vorkommen, daß bei Prozessen zwischen Privatpersonen und dem Fiscus ... , über die Auslegung von Staatsverträgen, welche auf die Entscheidung der Sache Einfluß haben, von den Parteien entgegengesetzte Behauptungen aufgestellt werden. 31 PrGS 1823, 8.19/20. Die Verordnung hatte nur eine Lebensdauer von 20 Jahren. Auf Grund heftiger Kritik wurde sie durch § 1 der Verordnung vom 24.11. 1843, PrG8 1843, 8.369, aufgehoben. Ausführlich hierzu: Bolewski, S. 45 ff.

1. Kap.: Anlaß der Untersuchung

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In Erwägung, daß Staatsverträge nach den bei ihrer Schließung zum Grunde liegenden Motiven, nicht nach allgemeinen Ausiegungsregeln interpretiert werden können, daß die in speziellen Fällen darauf Bezug habenden Entscheidungen der Gerichtshöfe zu einseitigen Interpretationen führen möchten, welche in den Augen anderer betheiligten Gouvernements als Verletzung der Staatsverträge angesehen werden, solchergestalt aber in die öffentlichen Verhältnisse störend eingreifen dürften, daß das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten ... sich theils im Besitz der dahin einschlägigen Verhandlungen befindet, theils in den Stand gesetzt ist, eine nähere Kenntnis aller Verhältnisse zu erlangen, welche auf die Entstehung und Abfassung derselben eingewirkt haben setzen Wir auf Antrag Unseres Staatsministerii hiermit Folgendes fest: Wenn im Laufe eines Prozesses über den Sinn einer in einem Staatsvertrage enthaltenen, zur Entscheidung der Sache beitragenden Bestimmung, ... , unter den Parteien entgegengesetzte Behauptungen aufgestellt werden, so sollen die Gerichte ... verbunden seyn, vor Abfassung des Erkenntnisses die Äußerung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten einzuholen, und sich darnach bei der Entscheidung lediglich zu achten." Es wird im folgenden darum gehen, das Verständigungsverfahren seines an die Verhältnisse des aufgeklärten Absolutismus erinnernden Geheimcharakters zu entkleiden.

Zweites Kapitel

Grundlagen Die vorliegende Untersuchung hat nicht ausschließlich die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen zum DBA Schweiz 1971 zum Gegenstand. Mit der Arbeit soll der Versuch unternommen werden, die rechtliche Ausgestaltung des Institutes des Verständigungsverfahrens in den deutschen DBA und insbesondere die Bedeutung der Verständigungsergebnisse im innerstaatlichen Bereich und die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen aufzuklären. Bei dem Versuch, diejenigen Grundsätze offenzulegen, die für alle Klauseln über das Verständigungsverfahren gelten, ergeben sich zunächst zwei Schwierigkeiten. Einmal sind die Vertragsartikel über das Verständigungsverfahren in den deutschen DBA nicht einheitlich formuliert. Das Anliegen, eine für alle DBA gleichermaßen geltende Antwort zu finden, macht es daher notwendig, die Gesetzesvorschriften zusammenzustellen und das den Klauseln Gemeinsame herauszuarbeiten. Dabei sind gegebenenfalls Fallgruppen zu bilden und verschiedene Vertragsgruppen voneinander zu unterscheiden. Zum anderen sind die Klauseln über das Verständigungsverfahren nicht auf die deutschen DBA beschränkt. In vielen der 243 allgemeinen DBA, die z. Z. in dem von den United Nations herausgegebenen Sammelwerk "International Tax Agreements" veröffentlicht sind, finden sich entsprechende Bestimmungen1• Die verbreitete Verwendung der Klausel zeigt sich darin, daß sie sowohl in DBA zwischen Industriestaaten! als auch in DBA zwischen Entwicklungsländern untereinander als auch in DBA zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern enthalten sind4• Vgl. auch die Zusammenstellung bei Tittel, S. 123 ff. Vgl. z. B. Art. 25 der "Convention between the Kingdom of Norway and Japan for the Avoidance of Double Taxation with respect to Taxes on Income. Signed at Oslo on 11 May 1967", IX UN 192. 3 Vgl. z. B. Art. XX des "Agreement between the Government of the Republic of Singapore and the Government of Malaysia for the Avoidance of Double Taxation and the Prevention of Fiscal Evasion with respect to Taxes on Income. Signed at Kuala Lumpur on 16 August 1966", IX UN 175. 4 Vgl. z. B. Art. 24 und 27 der "Convention between the Government of the United States of America and the Government of the United States 1

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A. Die Vertragsbestimmungen über das Vv. in den deutschen DBA

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Von der Zielsetzung der Arbeit her werden diese Verständigungsklauseln in DBA ausländischer Staaten weitgehend außer Betracht bleiben. Die thematische Beschränkung der Untersuchung empfiehlt sich deshalb, weil die Problematik des Verständigungsverfahrens nicht im völkerrechtlichen Bereich liegt, sondern die Hauptprobleme - wie immer, wenn Völken'echt und nationales Recht aufeinanderstoßen - an dieser Nahtstelle auftreten. Der Versuch, für die Probleme des Verständigungsverfahrens allein aus völkerrechtlichem Blickwinkel gleichsam eine "weltweite" Lösung zu erarbeiten, geht von seinem Ausgangspunkt her an den Kernproblemen des Verständigungsverfahrens, der innerstaatlichen Verbindlichkeit der Verständigungsergebnisse und der Rechtsstellung des Steuerpflichtigen im Verständigungsverfahren, vorbei. A. Die Vertragsbestimmungen über das Verständigungsverfahren in den deutschen DBA

Die BRD hat zur ZeW' mit 33 Staaten Abkommen zur Venneidung einer internationalen Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen abgeschlossen. Teilweise erstrecken sich diese DBA auch auf die Gewerbesteuer und die Grundsteuern, teilweise umfaßt der sachliche Anwendungsbereich dieser völkerrechtlichen Verträge nur die Steuern vom Einkommen. Sie werden auch als allgemeine Doppelbesteuerungsabkommen bezeichnet, um sie von den Verträgen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern und den Abkommen für den Bereich der Luftfahrt und Schiffahrt abzugrenzen. Sämtliche der allgemeinen DBA enthalten in den Schlußbestimmungen eine Klausel über das Verständigungsverfahren8 • Von den vier Erbschaftssteuerabkommen enthalten drei ebenfalls Verständigungsklauseln: Art.6 des Erbschaftsteuerabkommens mit Schweden7 und Art.8 und 10 des Erbschaftsteuerabkommens mit Österreich8 • Die Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftsteuern im Verhältnis zur Schweiz sind in dem Abkommen über direkte Steuern vom 15.7.1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls 1959 9 enthalten. Sie bleiben neben dem neuen DBA 1971 in Kraft, so of Brazil for the Avoidance of Double Taxation with respect to Taxes on Income, signed at Rio de Janeiro on 13 March 1967", IX UN 179. 5 Stand: November 1973. Zusammenstellung der DBA im Anhang I. 6 Vgl. Anhang I. 7 RGBl 1935 II, S. 860 f. 8 BGBl 1955 II, S. 755 f. 8 BGBI 1959 II, S.1253 f.

2. Kap.: Grundlagen

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daß auch Art. 13 DBA Schweiz 1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls 1959 für die Erbschaftsteuern fortgilt. Diese Verständigungsklauseln weisen im Vergleich zu denen der allgemeinen DBA keine Besonderheiten auf, so daß diese Verträge im folgenden außer Betracht bleiben können. Im Erbschaftsteuerabkommen mit Griechenland 10 und in den Verträgen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf den Gebieten der Luftfahrt und Schiffahrt ist eine Klausel über das Verständigungsverfahren nicht enthalten. I. Die Unterscheidung zwischen dem Verständlgunl8verfahren im engeren Sinne und dem Konsultationsverfahren

In der Finanzverwaltung wird zwischen dem Verständigungsverfahren im engeren Sinne (i. e. S.) und dem Konsultationsverfahren unterschiedenl l. Das Verständigungsverfahren i. e. S. betreffe die Doppelbesteuerungen, die sich in bestimmten Einzelfällen ergeben: Dieses Verfahren sei in Art. 25 Abs. I und II des OECD-MA behandelt. Das Konsultationsverfahren betreffe die Auslegung und Anwendung des DBA im allgemeinen: Dieses Verfahren sei in Art.25 Abs.III des OECD-MA geregeltl!. Eine Differenzierung zwischen zwei Arten des Verständigungsverfahrens wird überwiegend auch in der Literatur zum internationalen Steuerrecht gemacht13 • Die Terminologie im Schrifttum weicht allerdings teilweise von der der Verwaltung ab. So wird das Verständigungsverfahren i. e. S. bei Schulze-Brachmann / Dirksen14 als "Doppelbesteuerungsbeschwerde", bei Langen111 als "Vorprüfungsverfahren", bei Schmitz18 als "Einspruchsverfahren" bezeichnet. Es empfiehlt sich nicht, diese Begriffsbestimmungen zu übernehmen, da sie die Gefahr RGBI 1912, S. 173 ff. Weber, Verständigungsverfahren, S.212. 12 Allerdings ist die Terminologie schon innerhalb der Finanzverwaltung nicht einheitlich. Fischer, AWD 1961, S. 93 spricht in beiden Fällen generell vom Verständigungsverfahren. Debatin, AWD 1969, S.485/486 unterscheidet das Verständigungsverfahren nach Art.25 Abs. I OECD-MA und das erweiterte Verständigungsverfahren, das in der "Ergänzungsvorschrift" des Art. 25 Abs. III des OECD-MA geregelt sei. 13 Schmitz, S.1267; Korn / Dietz / Debatin, Vorbem. III H 5; Miinzner / Brezing, S.7; Teichner, StW 1965, Sp.345; Siegrist, S.213/218; Locher, DBA Schweiz-Deutschland, B, § 10, II, Nr.2; Schubert, Deutsch-Amerikanisches DBA, S. 177 f.; Tittel, S.44, 50; Studer, IFA-Bulletin 1971, 8.85/86. Anders legen die Zäsur Schulze-Brachmann / Dirksen, C XVIII, XIX, D XVIII, XIX: Art. 22 Abs. I einerseits, Art.22 Abs. II, Art.25 DBA Niederlande andererseits. Ebenso Timbart / Heining, S.397, Rdnr.160: Art.25 Abs. I gegenüber Art. 25 Abs. II, III DBA Frankreich. 14 Kommentar, C, XVIII. 15 Das deutsch-niederländische DBA, Art.22 Anm.6, 7. 16 8.1267. 10 11

A. Die Vertragsbestirnmungen über das Vv. in den deutschen DBA

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mit sich bringen, dem Taufakt eine für konstitutiv gehaltene Bedeutung beizumessen. Es wird hier von der in der Verwaltung vorherrschenden Terminologie als Arbeitsgrundlage ausgegangen. Die Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Formen des Verständigungsverfahrens liegt nahe, wenn man in den heute geltenden DBA der BRD die Bestimmungen über das Verständigungsverfahren in ihrer historischen Entwicklung überprüft. In den beiden noch aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg stammenden Abkommen mit Italien vom 31. 10. 1925 und mit Finnland vom 25. 9. 1935 eröffnen Art. 15 DBA Italien und Art. 13 DBA Finnland dem Steuerpflichtigen eine Einspruchsbefugnis. Art. 16, 17 und Ziff. 17 SP DBA Italien bzw. Art. 14 und 15 DBA Finnland stimmen im wesentlichen mit Art. 25 Abs. III OECD-MA überein, regeln nach der Terminologie der Finanzverwaltung demnach das Konsultationsverfahren. In den ersten Nachkriegsabkommen mit fast allen kontinentaleuropäischen Staaten ist diese Vertragsredaktion, also die getrennte Regelung des Verständigungsverfahrens i. e. S. und des Konsultationsverfahrens in zwei Abkommensbestimmungen, fortgeführt worden17 • Schon in dem ersten DBA mit Staaten, deren Steuergesetze an der britisch-amerikanischen Steuergesetzgebung orientiert sind, wurden dann aber die Vorschriften über die beiden Arten des Verständigungsverfahrens in einem Vertragsartikel zusammengefaßt18 • Immerhin blieb die Trennung dadurch deutlich, daß im ersten Absatz des betreffenden Vertragsartikels jeweils das Verständigungsverfahren i. e. S. und im zweiten Absatz das Konsultationsverfahren vorgesehen wurde. Auch in das OE CD-Musterabkommen ist diese Vertragsredaktion übernommen worden. Demgemäß sind in den DBA der BRD, die dem OECD-Musterabkommen19 nachgebildet sind, beide Arten des Verständigungsverfahrens in einer Vertragsklausel zusammengefaßt. 17 DBA Österreich, Art. 19 Abs. I undU, Art. 21 Abs. II; DBA Luxemburg, Art. 22 Abs. I und II, Art. 26 Abs.III; DBA Norwegen, Art. 21 Abs. I und II, Art. 25 Abs.III; DBA Schweden, Art. 23 Abs. I und II, Art.25 Abs. II; DBA Niederlande, Art.22 Abs. I und 11, Art.25 Abs. II; DBA Dänemark, Art. 21 Abs. I und 11, Art. 25 Abs. 111. Eine Ausnahme bildet Art. 25 DBA Frankreich. - Diese Verträge werden im folgenden als die kontinentaleuropäische Abkommensgruppe bezeichnet. 18 DBA USA (1954), Art.17 Abs. I und II; DBA Kanada, Art.18 Abs. I und 11; DBA USA (1966); Art. 17 Abs. I und II; DBA Pakistan, Art. 17 Abs. I und II; DBA Ägypten, Art.20 Abs. I und 11; DBA Ceylon, Art.19 Abs. I und 11; DBA Israel, Art. 21 Abs. I und 11; DBA Irland, Art. 24 Abs. I und TI; DBA Griechenland, Art.20 Abs. I und II. - Diese Verträge werden im folgenden als die anglo-amerikanische Abkommensgruppe bezeichnet. Das DBA Indien enthält in Art.18 nur eine Regelung über das Verständigungsverfahren i. e. S. Die DBA mit England enthalten erst seit dem Revisionsprotokoll 1970 zum DBA 1964 eine Klausel über das Verständigungsverfahren, die aus dem OECD-MA übernommen worden ist.

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2. Kap.: Grundlagen Damit lassen sich insgesamt vier Abkommensgruppen unterscheiden:

1. Die beiden Vorkriegsabkommen, 2. die kontinental-europäische Abkommensgruppe, 3. die anglo-amerikanische Abkommensgruppe, 4. die dem OECD-MA nachgebildeten Verträge. Auch hinsichtlich der Verfahrensvoraussetzungen, nach denen der Antrag eines Steuerpflichtigen auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens i. e. S. zulässig ist, sind im wesentlichen diese vier Vertragsgruppen zu unterscheiden. U. Das Verständigungsverfahren Im engeren Sinne

Die Durchführung eines Verständigungsverfahrens i. e. S. - so läßt sich verallgemeinernd sagen - setzt voraus, daß ein Steuerpflichtiger im Einzelfall durch eine gegen das Abkommen verstoßende Besteuerungsmaßnahme der Vertragsstaaten betroffen ist. Bei einer genaueren überprüfung lassen sich die folgenden Vertragsgruppen unterscheiden: In den Vorkriegsabkommen mit Italien und Finnland sowie dem Vertrag mit Frankreich wird vorausgesetzt, "daß die Maßnahmen der Finanzbehörden der vertragschließenden Staaten für ihn die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt haben"20. In den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe kann ein Verständigungsverfahren i. e. S. durchgeführt werden, wenn die Maßnahmen der Vertragsstaaten für eine unter den Anwendungsbereich des Abkommens fallende Person die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt haben, die den Grundsätzen dieses Abkommens widerspricht21 • Die DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe verlangen relativ einheitlich, daß die Maßnahmen "die Wirkung einer Doppelbesteuerung haben oder haben werden, die den Vorschriften dieses Abkommens widerspricht"!!. 19 DBA Japan, Art. 25; DBA Argentinien, Art. 22; DBA Spanien, Art. 25; DBA Belgien, Art. 25; DBA Thailand, Art. 24; DBA Iran, Art. 26; DBA Großbritannien, Art. 10 des Revisionsprotokolls 1970; DBA Liberia, Art.25; DBA Island, Art. 25; DBA Schweiz, Art. 26; DBA Singapur, Art. 25; DBA Marokko, Art. 25; DBA Australien, Art. 23; DBA Südafrika, Art. 22. 20 Art. 15 DBA Italien vom 31.10.1925; Art. 13 DBA Finnland vom 25.9. 1935; Art. 25 Abs. I DBA Frankreich vom 27.7.1959 (hier genügt bereits die Möglichkeit der Doppelbesteuerung). 21 Art. 19 Abs. I DBA Österreich; Art.21 Abs. I DBA Norwegen; Art. 23 Abs. I DBA Schweden; Art.21 Abs. I DBA Dänemark. Nach Art.22 Abs. I DBA Luxemburg und Art. 22 Abs. I DBA Niederlande wird vorausgesetzt, daß die Maßnahmen "die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt haben, die dem Abkommen widerspricht".

A. Die Vertragsbestimmungen über das Vv. in den deutschen DBA

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In den dem OECD-MA nachgebildeten Verträgen hat das Verständigungsverfahren i. e. S. zur Voraussetzung, "daß die Maßnahmen eines Vertragsstaates oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer Besteuerung geführt haben oder führen werden, die diesem Abkommen nicht entspricht". Es ist also nicht erforderlich, daß die Besteuerungsmaßnahmen der Staaten zu einer Doppelbesteuerung geführt haben, vielmehr genügt bereits der Verstoß gegen die Vorschriften des Abkommens2S • Die Hauptbedeutung dieser neuen Formulierungspraxis wird darin gesehen, daß bei diesen Abkommen trotz fehlender Subjektidentität ein Verständigungsverfahren auch zur übereinstimmenden Gewinnaufteilung bei verbundenen Unternehmen unzweifelhaft zulässig ist!4. überprüft man in den DBA die sich bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ergebende Rechtsfolge, so lassen sich im wesentlichen die gleichen Vertragsgruppen unterscheiden. In den Vorkriegsabkommen mit Italien und Finnland können sich die obersten Finanzbehörden der Vertragsstaaten auf den Einspruch des Steuerpflichtigen hin verständigen, "um in billiger Weise eine Doppelbesteuerung zu vermeiden". In den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe ist bestimmt: "Werden die Einwendungen für begründet erachtet", so sollen die zuständigen Behörden "versuchen, sich zu verständigen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden"2S. In den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe heißt es in der Regel: "Werden ihre Einwendungen für begründet erachtet, so wird die zuständige Behörde des angerufenen Staates anstreben, sich mit der zuständigen Behörde des anderen Staates über eine Vermeidung dieser Doppelbesteuerung zu verständigen2'8." 22 Art. 18 Abs. I S.l DBA Kanada; Art. 17 Abs. I S.l DBA USA (1966); Art. 17 Abs. I S. 1 DBA Pakistan; Art. 18 DBA Indien; Art.20 Abs. I S. 1 DBA Agypten; Art. 19 Abs. I S. 1 DBA Ceylon; Art.24 Abs. I S. 1 DBA Irland; Art. 21 Abs. I S.l DBA Israel und Art. 20 Abs. I S.l DBA Griechenland setzen "eine diesem Abkommen widersprechende Doppelbesteuerung" voraus. 2S Weber, Verständigungsverfahren, S.213. 24 Rädler / Raupach, S.614/615; Weber, Verständigungsverfahren, S.215; Münzner / Brezing, S.9; Mersmann, Ertragsbesteuerung, S. 193. !!6 Art. 19 Abs. II DBA Österreich; Art. 22 Abs. II DBA Luxemburg; Art. 21 Abs. II DBA Norwegen; Art. 23 Abs. II DBA Schweden; Art. 22 Abs. II DBA Niederlande; Art. 25 Abs. II DBA Frankreich; Art. 21 Abs. II DBA Dänemark. 26 Art. 18 Abs. I S.2 DBA Kanada; Art.17 Abs. I S.2 DBA Pakistan; Art. 18 S.2 DBA Indien; Art. 20 Abs. I S.2 DBA Agypten; Art. 19 Abs. I S.2 DBA Ceylon; Art. 21 Abs. I S.2 DBA Israel; Art. 24 Abs. I S.2 DBA Irland; Art. 20 Abs. I S. 2 DBA Griechenland; Art. 17 Abs. I S. 2 DBA USA (1966).

3 Mülhaulen

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2. Kap.: Grundlagen

In den dem OECD-MA nachgebildeten Verträgen ist einheitlich be-· stimmt: "Hält diese zuständige Behörde die Einwendung für begründet, und ist sie selbst nicht in der Lage, eine befriedigende Lösung herbeizuführen, so wird sie sich bemühen, den Fall durch Verständigung mit der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates so zu regeln, daß eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung vermieden wird."

m. Das Konsultationsverlahren Bei den Vorschriften über das Konsultationsverfahren lassen sich drei Verfahrenstypen unterscheiden. Alle DBA - bis auf den Vertrag mit Indien - enthalten die Bestimmung, daß sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten zur Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens verständigen sollen27• Die dem OECD-MA nachgebildeten Verträge und die Verträge der kontinental-europäischen Abkommensgruppe sehen darüber hinaus gemeinsame Beratungen der Vertragsstaaten vor, um eine Doppelbesteuerung in Fällen, die im Abkommen nicht behandelt sind, zu beseitigen28 • In den meisten der DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe heißt es dabei in dieser Klausel zusätzlich, daß die zuständigen Behörden sich verständigen werden "zur Beseitigung von Härten aufgrund einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in diesem Abkommen nicht geregelt sind"29. In den beiden Vorkriegsabkommen (Art. 17 DBA Italien, Art. 15 DBA Finnland) ist im Anschluß an diese in einem Artikel zusammengefaßten Klauseln in einer anschließenden Vertragsvorschrift bestimmt, daß die Vertragsstaaten sich verpflichten, die obersten Finanzbehörden ihrer Staaten "mit der billigen Entscheidung jeder anderen Frage zu betrauen, die ... überhaupt, ohne in diesem Abkommen ausdrücklich entschieden zu sein, auf dem Gebiet der direkten Steuern entstehen könnte". Die Verträge der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe sehen ein Verfahren zur Regelung von " Fällen, die in diesem Abkommen nicht geregelt sind", nicht vor. Statt dessen enthalten sie eine Bestimmung. nach der sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten auch Vgl. Anhang I, Buchstabe Cl' Vgl. Anhang I, Buchstabe c2' Ausnahmen bilden die DBA mit Belgien, Australien und Südafrika. 29 Art.21 Abs. II DBA Österreich; Art.26 Abs.III DBA Luxemburg; Art.25 Abs.III DBA Norwegen; Art.25 Abs. II DBA Schweden; Art. 25 Abs. II 5.1 DBA Niederlande; Art. 25 Abs.III DBA Dänemark. 27

28

A. Die Vertragsbestimmungen über das Vv. in den deutschen DBA

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verständigen sollen, wenn Schwierigkeiten oder Zweifel im Verhältnis zu Abkommen mit dritten Staaten auftreten30 • IV. Sonderfälle

Eine "Verständigung" der Vertragsstaaten bzw. eine Regelung von Problemen "im gegenseitigen Einvernehmen" wird in einigen DBA für fünf Sonderfälle außerhalb der Klausel über das Verständigungsverfahren besonders erwähnt. 1. Anwendung des DBA auf künftige Steuern

Der sachliche Geltungsbereich eines DBA wird dadurch festgelegt, daß in den Eingangsartikeln des Vertrages diejenigen in den Vertragsstaaten z. Z. erhobenen Steuern aufgezählt werden, für die das Abkommen gilt. Damit das Abkommen aber nicht schon bei jeder Änderung des jeweiligen nationalen Steuerrechts seine Wirksamkeit verliert, enthält der Artikel über den sachlichen Anwendungsbereich eine zusätzliche Bestimmung, nach der das Abkommen "auch für alle Steuern gleicher oder ähnlicher Art, die künftig neben den zur Zeit bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden", gelten so1l31. Bei einer solchen Änderung oder Neueinführung von Steuern können Zweifel entstehen, ob das Abkommen auch hierauf Anwendung findet. Einige Verträge sehen daher vor, daß diese Zweifel im gegenseitigen Einvernehmen gelöst werden sollen3Z• 2. Erlaß von Durchführungsvorschriften

Zwei DBA sehen im Zusammenhang mit der Klausel über das Konsultationsverfahren vor, daß sich die obersten Finanzbehörden in den Vertragsstaaten zum Erlaß von Durchführungsvorschriften ins Einvernehmen setzen sollen33. 30 Art. 18 Abs. I! DBA Kanada; Art.17 Abs. I! DBA Pakistan; Art. 20 Abs. I! DBA Ägypten; Art. 19 Abs. I! DBA Ceylon; Art. 21 Abs. I! DBA Israel; Art. 24 Abs. I! DBA Irland; Art. 20 Abs. I! DBA Griechenland; Art. 17 Abs. I! DBA USA (1966); ebenso auch Art. 22 Abs. I!, 2. Alt. DBA Südafrika. 31 So die Formulierung in Art. 2 Abs. IV OECD-MA. 3Z DBA Italien, Ziff.1 SP; DBA Finnland, Züf.1 SP; DBA Norwegen, Art.1 Abs. IV, VI; DBA Schweden, Art.2 Abs.II!, IV; DBA Frankreich, Art. 1 Abs. IV; DBA Ägypten, Art. 1 Abs. II!; DBA Dänemark, Art. 1 Abs.IV, VI; DBA Israel, Art.l Abs. IV, V; DBA Irland, Art.l Abs.II!; DBA Pakistan, Art. 1 ÄnderungsprotokoU vom 27. 8. 1963. Nur eine Unterrichtung bzw. Mitteilung sehen vor: DBA Österreich, Art. 2 Abs.II!, SP zu Art.2 Ziff.4; DBA Luxemburg, Art.l Abs. IV, SP Ziff.3; DBA Niederlande, Art. 1 Abs. IV, SP Züf.2; DBA Spanien, Art. 2 Abs.IV; DBA Belgien, Art. 2 Abs. IV; DBA Marokko, Art. 2 Abs.IV. 33 DBA Österreich, Art.21 Abs. I!; DBA Niederlande, Art.25 Abs. I! S.2. Ähnliche Bestimmungen in: DBA Luxemburg, Art. 26 Abs. I; DBA Norwegen,

36

2. Kap.: Grundlagen

3. Doppelwohnsitz In den Verträgen der kontinental-europäischen Abkommensgruppe wird die zweifache Besteuerung aufgrund eines doppelten Wohnsitzes dadurch beseitigt. daß die Abkommen eine eigene Wohnsitzdefinition enthalten. Abgestellt wird auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen. Ist es trotz dieses Merkmals nicht möglich, für die Anwendung des Abkommens" den Wohnsitzstaat festzulegen, sollen sich die zuständigen Finanzbehörden der Vertragsstaaten " verständigen"". Die Abkommen mit Östereich, Luxemburg und den Niederlanden verweisen hierfür auf die Klausel über das Konsultationsverfahren. Die Doppelbesteuerungsverträge, die dem OECD-MA folgen, enthalten keine eigene Wohnsitzdefinition. Vielmehr wird auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten verwiesen und werden für den Kollisionsfall ergänzende Regeln aufgestellt. Ist auch bei Anwendung dieser Kollisionsbestimmungen eine eindeutige Zuordnung nicht möglich, dann sollen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage im gegenseitigen Einvernehmen regelns6•

4. Einheitliche Zurechnung der Gewinne Sechs DBA enthalten die Bestimmung, daß die Vertragsstaaten zum Zwecke der einheitlichen Gewinnzurechnung bei Betriebsstätten und verbundenen Unternehmen eine Verständigung erzielen sollen37• Art. 25 Abs. I; DBA Dänemark, Art. 25 Abs. I, ohne daß allerdings ein Einvernehmen verlangt wird. Den Erlaß von Durchführungsvorschriften sehen ferner vor: DBA USA (1966), Art. 19 Abs. I; DBA Kanada, Art.20 Abs. II; DBA Pakistan, Art. 19; DBA Frankreich, Art. 26 Abs. I; DBA Ägypten, Art.21 Abs. I; DBA Ceylon, Art. 20 Abs. I; DBA Israel, Art. 22 Abs. I. 34 Zur Frage, ob die Wohnsitzdefinition des DBA die nach nationalem Recht gegebene unbeschränkte Steuerpflicht in die beschränkte "umqualifiziert" vgl. BFH BStBI 1965 III, 738 und Debatin, AWD 1966, S. 313 ff. m. w. N. Diese Frage der "Umqualifikation" wird näher im 2. Kapitel, B, behandelt. 35 DBA Österreich, Art. 16; DBA Luxemburg, Art.3 Abs. III; DBA Norwegen, Art. 2 Abs. I Nr. 2 b, dd; DBA Schweden, Art. 3 Abs. I, b, dd; DBA Niederlande, Art. 3 Abs. III; DBA Frankreich, Art. 2 Abs. I Nr. 4 b, dd; DBA Dänemark, Art. 2 Abs. I Nr. 2 b, dd; vgl. auch DBA Italien, SP Ziff. 15; DBA Finnland, SP Ziff. 13. 36 DBA Japan, Art.4 Abs. II; DBA Argentinien, Art.4 Abs. II; DBA Spanien, Art.4 Abs. II; DBA Belgien, Art.4 Abs. II Nr.4; DBA Thailand, Art.4 Abs. II d; DBA Iran, Art.4 Abs. II d; DBA Liberia, Art.4 Abs. II d; DBA Island, Art. 4 Abs. II d; DBA Schweiz, Art. 4 Abs. II d; DBA Marokko, Art. 4 Abs. II Nr.4; DBA Südafrika, Art. 3, Abs. I, g, iv. 37 DBA Österreich, SP Ziff.13; DBA Luxemburg, SP Ziff.l0; DBA Niederlande, SP Ziff.7; DBA Frankreich, Art.4 Abs. VIII; DBA Belgien, SP Ziff. 4; insbesondere DBA USA 1966, Art. 17 Abs. II!. Nach dem DBA Italien, SP Ziff. 6 und dem DBA Finnland, SP Ziff. 8 sollen zu diesem Zweck besondere Abkommen geschlossen werden. Sie liegen bis heute nicht vor.

A. Die Vertragsbestimmungen über das Vv. in den deutschen DBA

37

5. Unternehmensumstrukturierungen Zum DBA Schweiz 1971 ist im Verhandlungsprotokoll vom 18.6.1971 vorgesehen, daß sich die zuständigen Behörden in Fällen von Unternehmensumstrukturierungen auf der Grundlage des Art.26 in Verbindung setzen. Es soll geprüft werden, wie unbillige Härten aus den Auswirkungen des innerstaatlichen Rechts vermieden werden können.

6. Zuordnung der Sonderfälle Angesichts der unterschiedlichen Formulierung der Klauseln über das Verständigungsverfahren, des weiten Anwendungsbereichs dieser Bestimmung und der aufgezählten Sonderfälle ergeben sich Zweifel, ob sich Regeln aufstellen lassen, die für die deutschen DBA insgesamt Geltung haben können. Das macht eine Rückbesinnung darauf notwendig, daß es sich bei der Verständigungsklausel um eine verfahrensrechtliche Bestimmung handelt und daß die genannten Sondervorschriften lediglich besonders wichtige Anwendungsfälle entweder des Verständigungsverfahrens i. e. S. oder des Konsultationsverfahrens darstellen. So geht es bei der Frage nach der Anwendung des DBA auf künftige Steuern und bei dem Erlaß von Durchführungsbestimmungen um die Beseitigung von Schwierigkeiten bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens, die in einer Mehrzahl von Fällen auftreten können. In den Fällen des Doppelwohnsitzes, der einheitlichen Gewinnzurechnung und den Fällen der Unternehmensumstrukturierungen geht es darum, daß die Maßnahmen eines Vertragsstaates oder beider Vertragsstaaten für die unter den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens fallenden Steuerpflichtigen nicht zu einer Besteuerung führen, die dem Abkommen widerspricht. Auch die in den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe enthaltene Bestimmung, daß sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten verständigen sollen, wenn Schwierigkeiten oder Zweifel im Verhältnis zu Abkommen mit dritten Staaten auftreten, ist ein besonders erwähnter Anwendungsfall der Konsultationsklausel, da mit dieser Bestimmung alle sich aus dem DBA ergebenden Rechtsfragen umfaßt sind. Aufgrund dieser Zuordnungsmöglichkeiten kann sich die vorliegende Untersuchung daher beschränken auf das Verständigungsverfahren i. e. S. und das Konsultationsverfahren zur Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des DBA und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in dem Abkommen nicht behandelt sind. Da diese Grundformen des Verständigungsverfahrens die oben erwähnten Sonderformen implizieren,

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2. Kap.: Grundlagen

gelten die hierfür zu erarbeitenden Grundsätze auch für diese Sonderfälle. V. Das "Verständigungsverfahren" im multßateralen Abkommen vom 18. 5. 1956 über die Besteuerung von Straßenfahrzeugen zum privaten Gebrauch im internationalen Verkehr

Die Bestandsaufnahme der Vertragsbestimmungen über das Verständigungsverfahren wäre unvollständig ohne den Hinweis auf die entsprechende Bestimmung im einzigen multilateralen Steuerrechtsvertrag der BRD38, in der es ebenfalls um die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder Anwendung des Abkommensgeht. Art. 10 des Abkommens über die Besteuerung von Straßenfahrzeugen bestimmt: "Artikel 10 (1) Jede Meinungsverschiedenheit zwischen zwei oder mehreren Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens wird, soweit möglich, durch Verhandlungen zwischen den beteiligten Parteien beigelegt. (2) Jede Meinungsverschiedenheit, die nicht durch Verhandlungen beigelegt werden kann, wird einem Schiedsspruch unterworfen, wenn eine der am Streitfall beteiligten Vertragsparteien es verlangt; sie wird deshalb einem Schiedsrichter oder mehreren Schiedsrichtern, die durch "übereinkommen zwischen den am Streitfall beteiligten Parteien zu wählen sind, zur Entscheidung übertragen. Können sich die am Streitfall beteiligten Parteien binnen drei Monaten nach dem Antrag auf schiedsgerichtliche Entscheidung über die Wahl eines Schiedsrichters oder der Schiedsrichter nicht einigen, so kann jede dieser Parteien den Generalsekretär der Vereinten Nationen ersuchen, einen einzigen Schiedsrichter zu ernennen, dem der Streitfall zur Entscheidung übertragen wird. (3) Die Entscheidung der nach Absatz (2) ernannten Schiedsrichter ist für die beteiligten Vertragsparteien bindend."

B. Die Vertragspraxis des Verständigungsverfahrens Die farblosen Vertragsbestimmungen der DBA über das Verständigungsverfahren vermitteln kein Bild über die praktische Durchführung dieses Verfahrens. Einen Einblick in diese Praxis bietet das oben geschilderte Beispiel der sog. vorweggenommenen Verständigungslösungen zum DBA Schweiz 1971. Allerdings handelt es sich bei derartigen vorweggenommenen Verständigungslösungen nicht um die 88 Dem Vertrag wurde durch Gesetz vom 19. 12. 1960 zugestimmt (BGBI 1960 Ir, S. 2397 f.). Er ist in Kraft getreten am 5. 10. 1961 (Bekanntmachung vom 25. 8. 1961, BGBI 1961 Ir, S. 1608). Veröffentlichung auch in UNTS, vol. 339, p. 3.

B. Die Vertragspraxis des Vv.

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typische Anwendung der Verständigungsklausel. Mit dem Zusatz "vorweggenommene" Verständigungslösungen soll zum Ausdruck gebracht werden, daß diese Verfahren im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß eines DBA stehen. Regelmäßig hat aber das Verständigungsverfahren zum Gegenstand, für Auslegungs- und Anwendungsfragen, die nach Inkrafttreten eines DBA auftreten, eine Lösung zwischen den Vertragsstaaten herbeizuführen. Diese für das Verständigungsverfahren typische Funktion soll jeweils an einem Beispiel für das Verständigungsverfahren i. e. S. und das Konsultationsverfahren zur Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens dargestellt werden. Wer die Praxis des Verständigungsverfahrens an Hand einiger Beispiele schildern will, ist allerdings wiederum als erstes - wie schon bei den vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen zum DBA Schweiz 1971 - mit der fehlenden Öffentlichkeit des Verfahrens und der mangelnden amtlichen Publikation der Verfahrensergebnisse konfrontiert. Es kann daher nur auf solche Beispiele zurückgegriffen werden, die im Schrifttum zum internationalen Steuerrecht von Praktikern geschildert werden. Kolbeck" berichtet von einem Verständigungsverfahren i. e. S., das durch einen Qualifikationskonflikt ausgelöst wurde: Ein Filmregisseur stand bei einer schweizerischen Kapitalgesellschaft, an der er selbst wesentlich beteiligt war, ständig unter Vertrag. Von Fall zu Fall wurde dieser Regisseur von der Kapitalgesellschaft einem inländischen Filmunternehmen zur Mitwirkung an einem Filmwerk zur Verfügung gestellt. Die deutsche Produktionsfirma zahlte dafür ein Entgelt an die schweizerische Kapitalgesellschaft. Die deutsche Finanzverwaltung sah darin eine den wirtschaftlichen Vorgängen unangemessene rechtliche Gestaltung i. S. d. § 6 StAnpG40. Die schweizerische Gesellschaft habe lediglich die Aufgabe des Vermittlers. Wirtschaftlich gesehen flössen die Vergütungen, die an die schweizerische Kapitalgesellschaft gezahlt würden, in vollem Umfang dem Regisseur zu. Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Vergütungen für die in der BRD geleistete Arbeit stehe daher dem deutschen Fiskus zu. Die schweizerische Steuerverwaltung sah demgegenüber keinen Anlaß, die Steuerpflichtigen, und zwar sowohl die schweizerische Kapitalgesellschaft als auch den Regisseur, nicht entsprechend dem von ihnen geschaffenen Tatbestand zu behandeln und damit den Regisseur für die von der schweizerischen Kapitalgesellschaft bezogenen Ver39 Kolbeck, IFA-Vorträge Köln 1962/63, S.25/26; vgl. auch die Beispiele für Qualifikationskonflikte bei Rädler / Raupach, S.375; Spitaler, CDFI, vol. 42, S. 168. 40 § 6 stAnpG entspricht § 45 EAO 1974.

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2. Kap.: Grundlagen

gütungen in der Schweiz nicht zu den Steuern heranzuziehen. Der Versuch, im Verständigungsverfahren den Fall zu bereinigen, scheiterte, da keine der Verhandlungsparteien zum Nachgeben bereit war. Nach Philipp41 ist die Frage der sog. "Umqualifikation" der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht bei Doppelwohnsitzfällen Gegenstand eines Konsultationsverfahrens zwischen den österreichischen und deutschen Finanzministerien gewesen. In Doppelwohnsitzfällen wird i. d. R. durch eine spezielle Bestimmung des DBA festgelegt, daß der steuerliche Wohnsitz in dem Staat anzunehmen ist, in dem der Doppelwohnsitzinhaber den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat. Ist das z. B. Österreich, so verwirklicht der Steuerpflichtige dennoch die Voraussetzungen des § 13 StAnpG42. Es ergibt sich dann die Frage, wie Deutschland als Quellenstaat die ihm zur Besteuerung überlassenen Einkünfte zu besteuern hat: nach den Grundsätzen der unbeschränkten oder der beschränkten Steuerpflicht. Das Problem besteht darin, ob das DBA bloße Quellenzuteilungsregel ist, die die Frage, wie die zugeteilten Einkünfte zu behandeln sind, nicht berührt, oder ob die Wohnsitzregelung des DBA die Kollisionsnorm für die in beiden Staaten bestehenden subjektiven Steueranknüpfungsmerkmale darstellt. Der RFH43 hatte entschieden, daß der Doppelwohnsitzinhaber mit den dem Quellenstaat zugeteilten Einkünften als beschränkt steuerpflichtig zu behandeln ist. Die österreichische Finanzverwaltung praktizierte diese Auffassung auch in der Nachkriegszeit u . Demgegenüber war in der BRD die Ansicht vorherrschend, daß die Wohnsitzdefinition des DBA keine sog. Umqualifikation bewirken könne4S• Diese Diskrepanz wurde zum Gegenstand eines deutsch-österreichischen Verständigungsverfahrens gemacht. Die obersten Finanzbehörden der beiden Staaten einigten sich darauf, künftig im Sinne der österreichischen Auslegung vorzugehen". Die damit erzielte Einheitlichkeit der Besteuerung war aber nur von kurzer Dauer. Die Frage war beim österreichischen Verwaltungsgerichtshof anhängig geworden. Das Gericht entschied, daß den DBA-Wohnsitzbestimmungen keine über eine bloße Zuteilungsregel hinausgehende Bedeutung für das innerstaatliche Steuerrecht zukomme47 . 41

Philipp, DStZ (A) 1964, S.165/166; vgl. dazu auch Schmidt, StWa 1967,

S.67.

§ 13 StAnpG entspricht § 7 EAO 1974. RFH, Urteil vom 3. 10. 1928, RStBl 1929, 2. Zur Rspr des RFH in dieser Frage vgl. FTicke, DStZ (A) 1962, S.299 und Debatin, AWD 1966, S.317. 44 Philipp, DStZ (A) 1964, S. 166. 46 FTicke, DStZ (A) 1962, S. 299. " Philipp, DStZ (A) 1964, S. 166. 47 Öst. VwGH, Erkenntnisse vom 10. 3. 1961, Zl1942/60/4, vom 30. 3. 1962, Z1757/60, vom 7.4.1961, Z11744160. Nachweise nach Watzke 1Pollack 1Philipp, 42

43

c. Stellungnahmen der Praxis zum Vv.

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In der BRD mehrten sich inzwischen die Stimmen48, die eine "Umqualifikation" für richtig erachteten, weil bei einer "Beibehaltung der unbeschränkten Steuerpflicht ... sich oft ... Schwierigkeiten und Ungerechtigkeiten ergeben" würden49• Denn bei mangelnder Umqualifikation konnte der Steuerpflichtige z. B. seine Sonderausgaben und seine außergewöhnlichen Belastungen in beiden Vertragsstaaten, also zweimal, geltend machen50• Zu diesem Zeitpunkt bestand damit der "etwas groteske Zustand", daß die Rechtsanwendung in beiden Staaten wieder uneinheitlich war, nur daß Österreich die ehemalige deutsche und die BRD nunmehr die ehemalige österreichische Auffassung vertrat51 • In dem kurze Zeit später ergangenen Urteil des BFH vom 13. 10. 1965 lehnte dann aber - wie bereits vorher der öst. VwGH - auch das oberste deutsche Steuergericht die Umqualifikation abM:. Damit war die einheitliche Anwendung des Abkommens in dieser Frage durch die beiden Urteile der unabhängig voneinander entscheidenden höchsten Steuergerichte herbeigeführt, das mit der gleichen Intention durchgeführte Verständigungsverfahren war demgegenüber gegenstandslos geworden. Das Fehlschlagen der beiden wiedergegebenen Verständigungsverfahren l5eJ legt die Vermutung nahe, daß es sich bei diesem Verfahren sowohl um ein praktisch unvollkommenes als auch dogmatisch unbewältigtes Institut handelt. Diese Vermutung wird bestätigt, wenn man die bisherigen Stellungnahmen aus der Praxis und im Schrifttum zum Verständigungsverfahren überprüft.

c. Stellungnahmen der Praxis zum Verständigungsverfahren I. Verwaltung

Die dem Abschluß der deutschen DBA zugrundeliegenden Verhandlungsmaterialien, in denen die Verfasser der Verträge ihre mit den S.23 und S.529. Das Urteil vom 10.3. 1961 ist auszugsweise in IWB, F 5, Ost., Gr 2, S. 43 mit zust. Anm. Flick veröffentlicht. 48 Vogel, DB 1959, S.36; Mersmann, StbJb 1959/60, S.48; Weber, Doppelbesteuerungsrecht, S. 136; Blilmich / Falck, 8. Aufl., § 3 Anm. 39; FG München, Urteil v. 22.8.1962, EFG 1963, 103: "Diese Rechtsansicht ist herrschend." 48 So Mersmann, StbJb 1959/60, S.48. 50 Zu weiteren Konsequenzen vgl. Watzke / Pollack / Philipp, S.24/25. 51 PhiIipp, DStZ (A) 1964, S. 166. 52 BStBl 1965 III, 738; besprochen von Mersmann, stw 1966, Sp.330 und Debatin, DStZ (A) 1966, S. 165. 53 Als weitere Beispiele für durchgeführte Verständigungsverfahren vgl. über die Besteuerung von Grenzgängern im Verhältnis zur Schweiz: Locher, B § 7 I A 2 bund Timm, S.37, 116 ff.; über die Frage des Schulden- und Schuldzinsenabzuges bei einem in der Schweiz °belegenen, mit Grundpfandrechten belasteten Grundstück: Teichner, Stw 1965, Sp.348; Bianchi, StW

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2. Kap.: Grundlagen

einzelnen Vertragsklauseln verfolgten Absichten näher erläutert haben könnten, sind nicht erreichbar. Wer Aufschluß erhalten will über die Gedanken, die bei der Abfassung der Verständigungsklauseln Pate gestanden haben, ist auf die Materialien zu den Vertragsgesetzen angewiesen. Was über die Denkschrift zum DBA Schweiz 1971 gesagt wurde, gilt auch für die Denkschriften zu den anderen DBA der BRD54: über die Bedeutung des Verständigungsverfahrens und den systematischen Zusammenhang, in dem diese Klausel steht, ist aus den Denkschriften so gut wie nichts zu erfahren. Die Erläuterungen wiederholen regelmäßig in gekürzter Form den Abkommenstext. Auch die Denkschrift zum Revisionsprotokoll DBA Großbritannien vom 23. 3. 197065 ist wenig aufschlußreich. Vor der Neufassung des Abkommens mit Großbritannien war dies das einzige deutsche DBA, in dem ein Verständigungsverfahren nicht vorgesehen warM. Zur Aufnahme einer Verständigungsklausel in das DBA heißt es dort: "Zu Artikel 10 Dieser Artikel führt eingehende Bestimmungen über das Verständigungsund Konsultationsverfahren in das Abkommen ein, die den Steuerpflichtigen einen besseren Rechtsschutz und der Verwaltung eine intensivere Zusammenarbeit und eine Erleichterung der Durchführung der Abkommensbestimmungen gewähren." Die Klausel über das Verständigungsverfahren hat demnach eine Rechtsschutzfunktion, zum anderen soll sie Rechtsgrundlage für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Finanzministerien sein. Zuständige deutsche Behörde für die Durchführung eines Verständigungsverfahrens ist nach einer Stellungnahme der Bundesregierung 57 der Bundesminister der Finanzen: Soweit er als zuständige oberste Verwaltungsbehörde tätig werde, habe ·er nicht nur die Funktion einer übermittlungsstelle der zuständigen Landesfinanzverwaltungen. Die Befugnis zum Abschluß einer Vereinbarung im Verständigungsverfahren folge aus Art. 32 Abs. I GG. Die Verwaltungskompetenz der Länder nach Art. 108 Abs. III GG58 werde daher nicht berührt. Im übrigen entspreche es internationaler Übung, daß in den Abkommen die obersten Behörden bezeichnet würden, die für die zwischenstaatliche 1964, Sp. 421; Kolbeck, IFA-Vorträge, Köln 1962/63, S.30, 31; Rädler 1 Raupach, S. 435/436; Schmidt, StWa 1967, S.71. 54 Nachweise der Denkschriften im Anhang I. M BTDrucks VI/1239, S. 12. 56 Vgl. Weber, Verständigungs verfahren, S. 211. 57 BTDrucks III/543, S.11. Sie bezieht sich auf das ZusatzprotokoU vom 9.5. 1957 zum DBA Schweiz 1931. 58 Jetzt Art. lOS Abs. II GG durch Art. I Ziff.6 Finanzreformgesetz vom 12. 5. 1969, BGBI 1969 I, S. 359 f.

C. Stellungnahmen der Praxis zum Vv.

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Abwicklung des Abkommens zuständig seien. Demgemäß ist die Praxis des Verständigungsverfahrens weitgehend durch die Verwaltungstätigkeit des Bundesfinanzministeriums bestimmt. Nach Auffassung des Bundesfinanzministeriumg59 hat das Verständigungsverfahren die Funktion, auf möglichst formlose Weise für nach Abschluß eines DBA auftretende steuerliche Probleme Regelungen zu treffen und ganz allgemein eine gemeinsame Auslegung und Anwendung des Abkommens sicherzustellen. Das Verständigungsverfahren im engeren Sinne sei kein Rechtsbehelfsverfahren, sondern ein Verfahren eigener Art60 • Die Voraussetzungen für seine Durchführung könnten allgemein dahin umschrieben werden, daß ein Verstoß gegen das DBA vorliegen müsse. Die Verfahrensvoraussetzungen wiesen zwar in den verschiedenen DBA nicht unwesentliche Unterschiede auf, die Praxis halte sich aber nicht immer genau an den jeweiligen Wortlaut der Abkommensbestimmungen und versuche stets, dann ein Verständigungsverfahren durchzuführen, wenn eine gegen das Abkommen verstoßende Besteuerung festgestellt würde. Die Stellung des Steuerpflichtigen in rechtlicher Hinsicht sei sehr schwach. Er sei an dem Verfahren nicht beteiligt und habe auch keine Einwirkungsmöglichkeit auf den Inhalt der Absprache. Ebensowenig wie der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf Durchführung des Verständigungsverfahrens habe, bestehe ein Anspruch auf Abhilfe gegen die Abkommensverletzung, weil sich im Verständigungsverfahren zwei unabhängige Staatsgewalten gegenüberstünden, nicht aber eine unabhängige internationale Gerichtsinstanz tätig werde. Einen umfassenden Negativkatalog der Rechte des Steuerpflichtigen hat Fischers1 zusammengestellt: "Mit diesem Recht des Steuerpflichtigen, ein Verständigungsverfahren zu beantragen, sind jedoch seine Rechte auch erschöpft. Ob das Verfahren durchgeführt wird, wann, in welchen Fristen und in welcher Weise, entzieht· sich des normierten Einflusses des Betroffenen (natürlich in der Bundesrepublik vorbehaltlich der allgemeinen Schutzrechte eines jeden Staatsbürgers, etwa des Rechtes auf Tätigwerden der Verwaltung oder des Verbotes des Ermessensmißbrauches). Der Steuerpflichtige hat kein Recht auf Gehör oder sonstige Beteiligung, er hat kein Recht auf Mitteilung der Entscheidung und kein Recht auf Begründung der Entscheidung. Er hat /;9 Vgl. Fischer, AWD 1961, S. 92 ff.; Kolbeck, IFA-Vorträge, Köln 1962/63, S. 21 ff.; Teichner, StW 1965, Sp.345, 347; Weber, Verständigungsverfahren, JWB, Fach 3, Gruppe 2, S. 211 ff. Die Ausführungen stützen sich, soweit nichts besonderes vermerkt ist, auf den Aufsatz von Weber. 60 Anders Debatin, AWD 1969, S. 485: Die DBA "eröffnen für den Konfliktsfall der Abkommensanwendung einen besonderen Rechtsbehelf, das Verständigungsverfahren" . 61 AWD 1961, S. 93.

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2.~p.:

(}rundlagen

schließlich auch keinen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung im Verständigungsverfahren. Es gibt auch keine allgemeine Publikation der Ergebnisse von Verständigungsverfahren, auf die sich die interessierten Steuerpflichtigen allgemein einrichten könnten." Fischer räumt selbst ein, daß dieser Zustand sowohl der Maxime der Vermeidung der Doppelbesteuerung als auch der Rechtsschutzmaxime zuwiderläuft. Für die Veröffentlichung der Ergebnisse von Verständigungsverfahren im engeren Sinne soll im allgemeinen weder eine Notwendigkeit noch eine Möglichkeit bestehenu. Zur Frage des subjektiv öffentlichen Rechts des Steuerpflichtigen auf Einleitung des Verständigungsverfahrens vertritt Debatin demgegenüber eine differenzierte Auffassung. Der allgemeine Rechtsschutz des Art. 19 Abs. IV GG stelle sicher, daß die deutsche zuständige Behörde die Einleitung des Verständigungsverfahrens nur aus begründeten überlegungen ablehnen dürfe63• Beim sog. erweiterten Verständigungsverfahren, das Debatin in der "Ergänzungsvorschrift" des Art. 25 Abs. IU OECD-MA geregelt sieht, sei dem Steuerpflichtigen dagegen nicht das Recht zuerkannt, das Verständigungsverfahren zu beantragen, und er entbehre damit eines Rechtsschutzeg84. Widersprüchlich ist die Stellungnahme der Verwaltung zur Frage der "Transformierung" des Ergebnisses eines Verständigungsverfahrens i. e. S. Einmal wird hervorgehoben, daß die Abkommensbestimmungen über das Verständigungsverfahren sich nur auf die Voraussetzungen und die Abwicklung dieses Verfahrens im zwischenstaatlichen Bereich beziehe. Wie und inwieweit das Ergebnis eines Verfahrens zu verwirklichen sei, schrieben die DBA im allgemeinen nicht vor (Ausnahme: Art. 17 Abs. IU DBA USA 1966). Andererseits wird im Erlaß des FinMin Niedersachsens vom 26. 8. 1966 die Auffassung vertreten, daß die Bestimmungen der DBA über das Verständigungsverfahren als eigene Rechtsgrundlage für die aufgrund einer im Verständigungswege im Einzelfall erforderlichen Änderung oder Aufhebung bereits ergangener Festsetzungen sowie der notwendigen Erstattung deutscher Steuern anzusehen seien65 • Zur Frage des Verhältnisses des Verständigungsverfahrens zu einer abgeschlossenen Steuerveranlagung wird die Auffassung vertreten, daß die eingetretene Bestandskraft eines Steuerbescheides der Realisie62 Anders Kolbeck, S.40: "Die Veröffentlichung liegt sowohl im Interesse einer (}leichmäßigkeit der Besteuerung und der Rechtssicherheit als auch im Interesse einer Vereinfachung und Arbeitsersparnis." 63 Debatin, AWD 1969, S. 485. 64 Debatin, AWD 1969, S. 486. 65 FinMin Niedersachsen, Erlaß vom 26.8. 1966, S. 130114-31-1, !WB, (}es, Fach 5, Schweiz, (}ruppe 2, S. 71.

C. Stellungnahmen der Praxis zum Vv.

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rung eines Verständigungsergebnisses nicht entgegenstehe. Ebensowenig hindere der Ablauf einer Frist für einen innerstaatlichen Rechtsbehelf oder ein rechtskräftiges Urteil die Einleitung und Durchführung des Verständigungsverfahrens. Allerdings sei es ratsam, zumindest eine Rechtsmittelentscheidung erster Instanz herbeizuführen. Denn es dürfte zwischenstaatlicher übung entsprechen, daß das Verständigungsverfahren erst eingeleitet werden solle, wenn eine Rechtsmittelentscheidung erster Instanz vorliege 66• Im Grunde aber könnten Verständigungsverfahren und Rechtsmittelverfahren völlig unabhängig voneinander durchgeführt werden87 . Im Konsultationsverfahren gehe es darum, allgemeine Fragen der und Anwendung des betreffenden DBA zu klären. Man habe es "hier mit einer Art Generalklausel zu tun, die die Vertragspartner praktisch in den Stand versetzt, mit materiell-rechtlicher Wirkung das Vertragswerk für einzelne Fälle oder auch für Fallgruppen unter Wahrung der Vertragsgrundsätze zu ergänzen, und zwar im Verwaltungswege, d. h. ohne sich den für eine formelle Vertragsergänzung sonst notwendigen völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Formalien unterwerfen zu müssen"88. ~uslegung

Die Konsultationsklausel sei ebenso wie die Bestimmung über das Verständigungsverfahren im engeren Sinne eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Transformierung des Verständigungsergebnisses in das nationale Steuerrecht der Vertragsstaaten. Auslegungen, die im Wege des Konsultationsverfahrens von den Behörden der Vertragsstaaten vereinbart seien, würden durch Rundschreiben USW. den zuständigen Behörden der Finanzverwaltungen der Länder mitgeteilt. In der o. a. Stellungnahme der Bundesregierung69 wird allerdings zu dieser Frage eine teilweise andere Auffassung vertreten. Danach sind die im Konsultationsverfahren getroffenen zwischenstaatlichen Abkommen, soweit sie nicht ratifikationsbedürftig sind, für den innerstaatlichen Bereich in Form einer allgemeinen Verwaltungsanordnung der Bundesregierung zu erlassen, die gemäß Art. 59 Abs. 11 Satz 2 GG i. V. m. Art. 108 Abs. VI GG der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Als Beispiel werden die Richtlinien vom 21. 2. 1957 für die Anwendung des DBA USA 195470 angeführt. 66 Kolbeck, S.39. Im Verhältnis zur Schweiz ist dies in einem amtlich nicht veröffentlichten Verständigungsprotokoll vom 11.12.1953 ausdrücklich vereinbart worden, vgl. Locher, DBA Deutschland-Schweiz, A UI 5 a-l Ziff.6. 87 So auch DBA Schweiz 1931/59, SP zu Art. 13 Abs. 1 68 Fischer, AWD 1961, S. 93. 89 BTDrucks UI/543, S.I1. 70 BStBl 1957 I, 154.

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2. Kap.: Grundlagen D. Reebtspreebung

Das Verständigungsverfahren wird zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten durchgeführt. Als zuständige Behörde versteht sich auf deutscher Seite das Bundesfinanzministerium. Da für die Finanzgerichte eine verfahrensrechtliche Beteiligung an diesem zwischenstaatlichen Verfahren nicht vorgesehen ist, sind Ausführungen zum Verständigungsverfahren in höchstrichterlichen Urteilen immer nur sehr sporadisch71 • Anscheinend hielt der RFH in seinem Urteil vom 27. 3. 193512 aber noch seine Beteiligung am Verständigungsverfahren für möglich: "Da hiernach beim Beschwerdeführer hinsichtlich der streitigen Bezüge keine Doppelbesteuerung vorliegt, kann auch dem Antrag des Beschwerdeführers auf Einleitung des in Art. 13 des Abkommens vorgesehenen Verständigungsverfahrens nicht entsprochen werden." Im Urteil vom 5.5.193773 wird aber schon klargestellt: "Es besteht auch für das deutsche Steuergericht kein Anlaß, eine Verständigung im Sinne des Art. 13 des Abkommens mit der Schweizer Steuerbehörde zu versuchen. Zur Beseitigung von Härten durch eine tatsächliche Doppelbesteuerung sind nur die obersten Verwaltungsbehörden der beiden Vertragsstaaten zuständig." Der Sache nach geht es in den Urteilen des RFH und BFH meist um zwei Fragen, nämlich in welchem Verhältnis das Rechtsbehelfsverfahren und das Verständigungsverfahren i. e. S. zueinander stehen und welche Verbindlichkeit die im Konsultationsverfahren zustandegekommenen Verständigungsergebnisse für die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung eines DBA haben. Zum Verhältnis des Rechtsbehelfsverfahrens zum Verständigungsverfahren nimmt relativ ausführlich der BFH im Urteil vom 1. 2. 196714 Stellung. Streitig war, ob die Revisionsklägerin - eine GmbH, deren Geschäftsanteile sich in den Streitjahren 1950 bis 1953 ausschließlich in den Händen einer schweizerischen AG befanden - an ihre Gesellschafterin verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen hatte. Die Klägerin beantragte, das Verfahren gemäß § 74 FGO im Hinblick auf ein eingeleitetes, wenn auch bis zur Entscheidung über den anhängigen Rechtsstreit ruhendes Verständigungsverfahren nach Art. 13 Abs. I DBA Schweiz 1931/59 auszusetzen. Nach Meinung des BFH fehlte es aber auch bei weitester Auslegung des Begriffs "Rechtsverhältnis" an der Vorgreiflichkeit des Ergebnisses des eingeleiteten Verständigungs11 In der umfangreichen Rechtsprechung des RFH und BFH zum internationalen Steuerrecht finden sich in insgesamt nur 10 Urteilen Bemerkungen zum Verständigungsverfahren. 12 RStBl 1935, 1157 = Weber-Fas Nr.22. 13 RFHE 41, 239 (241) = stw 1937 II, Nr.303 = Weber-Fas Nr.43. 14 BFHE 88, 545 f. = BStBl 1967 III, 495 = Weber-Fas Nr.88.

C. Stellungnahmen der Praxis zum Vv.

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verfahrens. Was die Frage nach der richtigen Berechnung von Verrechnungspreisen etc. betreffe, sei es Sache eines jeden Staates, sie unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Gewinnverschiebung zu überprüfen. Soweit der Steuerpflichtige bezüglich des Ergebnisses der überprüfung ein Verständigungsverfahren herbeiführe, schließe das eine Entscheidung im Rechtsbehelfsverfahren nicht aus. Andererseits stehe eine solche Entscheidung einer neuen Behandlung der Steuern im Billigkeitswege bei übereinstimmender Auffassung beider Staaten im Verständigungsverfahren zur Milderung einer doppelten steuerlichen Be]astung nicht entgegen. Verständigungsverfahren und Rechtsbehelfsverfahren werden demnach als unabhängige, nebeneinander durchführbare Verfahrensarten angesehen111, wobei die Durchführung eines Verständigungsverfahrens auch durch ein rechtskräftiges Urteil nicht ausgeschlossen ist78• Die Einleitung eines Verständigungsverfahrens kommt nach einer Entscheidung des RFH nur dann in Betracht, wenn Subjektidentität gegeben ist17• In dem betreffenden Fall bezog der Kläger Einkünfte aus einer schweizerischen Familienstiftung. Diese Einkünfte wurden in Deutschland besteuert, die Stiftung selbst war in der Schweiz steuerpflichtig. In zwei Urteilen kommt zum Ausdruck, daß Entscheidungen im Verständigungsverfahren Billigkeitslösungen darstellen78. Die Stellungnahmen in der Rechtsprechung zur Frage der Verbindlichkeit der im Konsultationsverfahren zustandegekommenen Auslegungsabkommen sind nicht einheitlich. Zum DBA Schweiz 1931 hatten die Vertragsstaaten in einem im Jahre 1936 durchgeführten Verständigungsverfahren den Grenzgängerbegriff in Art. 4 Abs. 11 des DBA durch ein Auslegungsabkommen näher präzisiert79 • In einem Rechtsstreit, in dem dieser Abkommensbegriff entscheidungserheblich war, legten sowohl das FG wie auch der BFH die so gewonnene Begriffsabgrenzung ihrer Entscheidung zugrunde, "weil diese von den Vertragsparteien gegebene Erläuterung des Begriffs ,Grenzgänger' ihren Willen wiedergebe"80. 75 Ebenso RFH, Urteil vom 5. 5. 1937 = RFHE 41, 239 (241) = StW 1937 II, Nr.303 = Weber-Fas Nr.43; BFH, Urteil vom 5.3.1969 = BFHE 95, 171 (176) = BStBl 1969 II, 325 = Weber-Fas Nr.99; BFH, Urteil vom 25.2.1970 = BFHE 98, 235 (238) = BStBl 1970 H, 392 = Weber-Fas Nr. 105. 76 Ebenso RFH, Urteil vom 23.11. 1933 = RFHE 34, 331 (338) = RStBI 1934, 38 = Weber-Fas Nr. 14; BFH, Urteil vom 9.2. 1961 = BFH HFR 1962, 228 = Weber-Fas Nr.72. 77 RFH, Urteil vom 27.3.1935, RStBl 1935, 1157 = Weber-Fas Nr.22. 78 RFH, Urteil vom 5. 5. 1937 = RFHE 41, 239 (241) = stw 1937 II, Nr. 303 = Weber-Fas Nr. 43; BFH, Urteil vom 1. 2.1967, BFHE 88, 545 (549) = BStBl 1967 IIr, 495 = Weber-Fas Nr.88. 79 Vgl. Locher, A IH 5 a - 1 (2).

2. Kap.: Grundlagen

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Zum deutsch-amerikanischen DBA vom 22.7.195481 wurden "Richtlinien für die Anwendung des Abkommens ... " im Wege eines Konsultationsverfahrens vereinbart82• Zur Verbindlichkeit dieses Konsultationsergebnisses heißt es im Urteil des BFH vom 2. 5. 196983 : "Zwar ist diesen Richtlinien nicht der Charakter von Rechtsnormen beizumessen. Eine Bindungswirkung der Gerichte kommt ihnen daher nicht zu. Da diese Richtlinien jedoch mit der Auffassung der Steuerbehörden der Vereinigten Staaten abgestimmt sind und mit dem innerstaatlichen amerikanischen Steuerrecht in Einklang stehen, erscheinen sie geeignet, zur Auslegung zweifelhafter Bestimmungen des Abkommens stützend mit herangezogen zu werden." Zum deutsch-schwedischen DBA vom 25. 4. 192884 erschienen dem BFH im Urteil vom 7.7.196785 demgegenüber zwei sich auf das Abkommen beziehende Verständigungsverfahren als nicht geeignet, zur Auslegung mit herangezogen zu werden88 • Der Kläger, ein schwedischer Staatsangehöriger, hatte seinen Wohnsitz in den USA. Er war Inhaber einer auf einem Berliner Grundstück lastenden Hypothek in Höhe von 20000 DM. Nach §§ 2 Abs. I Nr. 1, Abs. II VStG i. V. m. 77 Abs. II Nr. 6 BewG 1934 war er damit in der BRD vermögenssteuerpflichtig, sofern sich nicht für ihn aus dem der Freistellungsmethode folgenden DBA Schweden 1928 eine Steuerbefreiung ergab. Das setzte zunächst voraus, daß der Kläger unter den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens fiel. Das DBA Schweden gehörte zu den ersten Verträgen des Deutschen Reichs87, die hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs vom Wohnsitzprinzip ausgingen (Art. 10 Abs. I i. V. m. Art. 8). Die Staatsangehörigkeit hatte nur subsidiäre Bedeutung (Art. 10 Abs. III S. 3). Unabhängig von dem jetzt zu entscheidenden Rechtsstreit hatten sich das deutsche und das schwedische Finanzministerium in einem Verständigungsverfahren darauf geeinigt, den persönlichen GeltungsBFH, Urteil vom 1. 3. 1963, BFHE 76, 580 (584) = BStBI 1963 III, 212 Weber-Fas Nr.74. Da das Verhandlungsprotokoll amtlich nicht veröffentlicht war, zitierte der BFH die entscheidungserhebliche Begriffsdefinition nach einer privaten Publikation. 81 BGBl 1954 II, S.1118. 82 Sie sind auf Grund des Art. 108 Abs. VI GG von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates als Verwaltungsanordnung im BStBI 1957 I, 154 und im Bundesanzeiger Nr.4O/57 veröffentlicht worden. VgI. dazu auch BTDrucks III/543, S.l1. 83 BFHE 96, 163 (168) = BStBI 1969 II, 579 = Weber-Fas Nr. 100. 84 RGBl 1928 II, S. 522. 85 BFHE 89, 138 f. = BStBI 1967 III, 588 = Weber-Fas Nr.89. 86 Ebenso FG Schleswig-Holstein, EFG 1971, 578 (580): "Die von der Entscheidung des Gerichts abweichende tatsächliche Verständigung zwischen dem deutschen und dänischen FinMin ist für das Gericht nicht verbindlich." Zustimmend Kruse, § 7 V 4 (S.74). 87 Vgl. Dorn, StW 1931, Sp. 1003 ff., 1032. =

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c. Stellungnahmen der Praxis zum Vv.

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bereich des Abkommens auch auf solche Personen zu erstrecken, die in beiden Staaten nur beschränkt steuerpflichtig waren88 • Der dem Rechtsstreit beitretende BdF hielt allein aufgrund dieser Konsultationsvereinbarung das DBA für anwendbar. Der BFH stellte für die Frage des persönlichen Anwendungsbereiches zu Recht allein auf Art. 10 Abs. III S. 3 DBA Schweden ab. Als sachliche Steuerbefreiung kam zugunsten des Klägers Art. 9 in Betracht: "Für Steuern vom Vermögen ... wird die Steuer in dem Staat erhoben, in dem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat." Nach der in Art. 10 Abs.III S. 3 enthaltenen Fiktion hatte der Kläger seinen Wohnsitz in Schweden. In Schweden ist Inlands- und Auslandsvermögen nur bei tatsächlichem Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland vermögensteuerbaz-SD. Folglich bestand nach dem innerstaatlichen Steuerrecht kein Steueranspruch. Nach dem sog. Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung9° sind die in den DBA enthaltenen sog. Zuteilungsnormen absolut, d. h. auch wenn der nach dem Abkommen steuerberechtigte Staat von seinem Steuerrecht keinen Gebrauch macht, darf der andere Staat dennoch den betreffenden Gegenstand nicht zur Besteuerung heranziehen. Das DBA führt in derartigen Fällen über die beabsichtigte Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung hinaus zu einer völligen Steuerbefreiung. In Nr. 20 des SP zum DBA Schweden 1928 war jedoch vorgesehen, daß Gegenstände, die nach den Grundsätzen dieses Abkommens der beschränkten Steuerpflicht in dem einen Staat unterlagen, aber nach der inneren Gesetzgebung dieses Staates allgemein von der Besteuerung freigelassen wurden, im Einvernehmen mit diesem Staat von dem anderen zur Steuer herangezogen werden konnten. In einem auf Grund der Nr.20 des SP durchgeführten Verständigungsverfahrens hatte das Schwedische Finanzministerium erklärt, daß es mit der Heranziehung der hypothekarisch gesicherten Forderung zur deutschen Vermögensteuer einverstanden war. Der BFH lehnte es ab, dieses Verständigungsverfahren als verbindlich anzusehen. Anders als in den Nr. 1 S.2, Nr.7, Nr. 14 S.3, Nr. 15 S. 1 des SP, wo ein Einverständnis oder eine Vereinbarung zwischen den "obersten Finanzbehörden beider Staaten" vorausgesetzt werde, verlange Nr.20 des SP das Einvernehmen "mit diesem Staat". Daher reiche hier das Ein88 Zur mehrfachen beschränkten Steuerpflicht vgl. De'batin, A WD 1962, S.61. 89 Mennel, Steuersysteme, III, 8, S.116. 90 Vgl. dazu RFH, Urteil vom 3.10.1935 = RStBI 1935, 1399 = StW 1935, Nr.681; RFH, Urteil vom 29.2.1940 = RStBI 1940, 532; Becker, Stw 1939, Sp.762; Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S.604; Wilmersdoerffer, StW 1932, Sp.l171, 1172; Schmitz, S. 64 f.; Rädler / Raupach, S.372; Watzke / Potlak / Philipp, S. 15.

" Mülhausen

2. Kap.: Grundlagen

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vernehmen zwischen den obersten Finanzbehörden beider Staaten nicht aus91 • Diese Begründung ist zumindest zu kurz ausgefallen. Die Kompetenz zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge ist ein Unterfall der Zuständigkeit zur Abgabe völkerrechtlicher Willenserklärungen im allgemeinen. Hierfür verweist das Völkerrecht auf das Verfassungsrecht des betreffenden Staates92, genauer: auf die tatsächlich gehandhabte Verfassungspraxis 93 • Danach hat das Recht zum Abschluß von Verträgen in der Regel das Staatsoberhaupt. Nach Art. 59 Abs. I GG ist für die BRD zuständiges Organ grundsätzlich der Bundespräsident, der sein Vertretungsrecht delegieren kann94• Art. 15 DBA Schweden 1928 sah vor: "Die vertragschließenden Staaten verpflichten sich, ihre obersten Finanzbehörden mit der ... Entscheidung jeder ... Frage zu betrauen, ". die überhaupt, ohne in diesem Abkommen ausdrücklich entschieden zu sein, auf dem Gebiet der direkten Steuern entstehen könnte." Der BFH hätte jedenfalls erörtern müssen, ob nicht Art. 15 eine spezielle Delegationsnorm darstellt. D. Stellungnahmen des Schrifttums zum Verständigungsverfahren L SteuerremtUmes Sduifttum Ähnlich der in der Finanzverwaltung vorherrschenden Tendenz, der Verständigung den Charakter des Geheimverfahrens zu erhalten, führt dieses Institut auch im Schrifttum zum internationalen Steuerrecht ein Schattendasein. Bei SpitaIer ist lediglich zu erfahren, durch die Klausel über das Verständigungsverfahren werde "nichts Hinreichendes zur Sicherung der angemessenen Auslegung der vertraglichen Bestimmungen vorgekehrt ... ". Es handele sich um "eine für die Vertragsstaaten ganz unverbindliche Klausel, wonach sich die Staaten (oder ihre Finanzminister) in das Einvernehmen setzen sollen, um die strittige Frage (im Geiste des Vertrages) zu lösen ... "911. Daß die gegenseitigen Kon= BStBI 1967 III, 588. Guggenheim / Marek, WBV 111, S. 532; Hermann Wilfried Bayer, S. 48 f. (52); Mosler, Praxis, S. 11; WengIer, Völkerrecht, S. 193 f.; Dahm III, S. 16 f.; Berber I, S. 418 f., 433 f. Oppenheim / Lauterpaeht I, § 495 (p. 884 f.); Me Nair, p. 58 f.; Rousseau, p. 76 f.; Cavare II, p. 7 f.; Rolin, Re 77 (1950 II), p. 418 f. 93 Verdross, S. 159; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr. 153; BVerfGE 6, 91

BFHE 89, 138 (140, 141)

92

319 (331).

94 Maunz / Dürig / Herzog, Art.59 Anm.5; v. Mangoldt / Klein, Art. 59, 111, 3 e, S.1131 a. E.; Menzel, in: Bonner Kommentar, II, Anm.2; ReicheI, S. 51 f. 95 Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 563.

D. Stellungnahmen des Schrifttums zum Vv.

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sultationen in keiner Verfahrensordnung festgelegt sind, scheint Spitaler eher ein Vorteil als ein Nachteil zu sein906 • Die Verwaltungsübereinkommen seien dazu bestimmt, "die Starrheit der mit Gesetzeskraft ausgestatteten Verträge in die Rolle des beweglicheren Elementes zu mildern, das den sich oft auch zeitlich ändernden Bedürfnissen der Kasuistik besser gerecht zu werden vermag"97. Ähnlich kurz sind die Ausführungen bei Bühler98 • Nach seiner Auffassung stellt "das Verständigungsverfahren zwischen den Regierungen, das im Fall von Lücken in DBA regelmäßig eingreift, einen wichtigen Sonderfall ... (der) ... Entscheidungen ex aequo et bono" i. S. d. Art. 38 Abs. II des Statutes des Haager internationalen Gerichtshofes dar9 9 • Unerfreulich sei, daß die Steuerpflichtigen am Verständigungsverfahren nicht beteiligt würden. Zwar noch keine Beteiligung der Steuerpflichtigen, aber doch wenigstens die Ansätze einer Verfahrensregelung bringe das DBA Frankreich 1959, wo in Art. 25 Abs. IV eine gemischte Kommission aus Vertretern der Verwaltungen der Vertragsstaaten beauftragt werden kann, eine Verständigung durch mündliche Besprechung herbeizuführen1oo• Die meisten Autoren beschränken sich auf eine - teilweise mit kritischen Randbemerkungen versehene - Wiedergabe der in der Verwaltung vertretenen Auffassung lOl • Die Funktion des Verständigungsverfahrens wird weitgehend darin gesehen, Interpretationskonflikte zu beheben und Vertragslücken zu schließen102• Das Verfahren werde Spitaler, CDFI, vol. 42, S. 171. Spitaler, stw 1950, Sp. 804. 98 Bühler, Prinzipien, S.40, 42 f., 155; ders., Internationales Steuerrecht, WBV III, S.389; ders., ISTR und IPR, S.48. In einer Rezension zu Bühlers "ISTR und IPR" bemerkt Schnorr von Carolsjeld (JZ 1961, S.519) zum Verständigungsverfahren: "Die Erscheinung hat nur scheinbar etwas Merkwürdiges. Sie ist in Wahrheit ein Ersatz für 906 97

die sonst übliche Beiladung (§ 75 II SGG), welche nur wegen der öffentlichrechtlichen Natur des Steueranspruchs eines anderen Staates nicht durchführbar ist." 99 Bühler, Prinzipien, S. 40. 100 Bühler, Prinzipien, S. 42 f. 101 Rosendorff / Henggeler, De, S.256/257; Rennebaum / Zitzlaff, S.11/12, 26/27; Siegrist, S. 213 f.; Schmitz, S. 1266 f.; Korn / Dietz / Debatin, Vorbem. III H; Mersmann, Internationale Doppelbesteuerung, S. 129; ders., stw 1966, Sp.338; ders., Ertragsbesteuerung, S. 191 f.; Heining, Besteuerung der Ausländer, S.29; ders., Doppelbesteuerungskonfiikte, S. 39 f.; Fritsch, II, B, 29 f.; Watzke / Pollack / Philipp, S.19 und 48; Philipp, DStZ (A) 1964, S. 169; ders., DStZ (A) 1967, S. 245 f.; Schulze-Brachmann / Dirksen, C XVIII/XIX; Timbart / Heining, S.396; Schubert, S.177; Rädler / Raupach, S.376/377, 614/615; Teich'n-er, IStR, S. 163 f.; Haver, FR 1965, S.327; Wolff, S. 81 f.; Münzner / Brezing, RWP-BI 14 D II 11; Schmidt, StWA 1967, S. 70 f.; Reuter, CDFI, vol. 54 a, II, S. 13 f.; Studer, IFA-Bulletin 1971, S. 81 f.; Salditt, stw 1972, S. 24/25; Seidel, S. 194 f.; Schulze-Brachmann, HwStR, S.1234 f. 102 Rennebaum / Zitzlaff, S.26; Siegrist, S.211.

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2. Kap.: Grundlagen

direkt zwischen den zuständigen obersten Finanzbehörden der beteiligten Staaten abgewickelt, um dadurch das langsame und komplizierte diplomatische Verfahren auszuschließen103 • Schmitz104 sieht in der Ausschaltung "umständlicher diplomatischer Verhandlungen" den Weg, Schwierigkeiten und Zweifel bei der Anwendung des DBA "ohne ratifikationsbedürftige Änderungen des Abkommens" aus dem Wege zu räumen. Die im Verständigungsverfahren zustandegekommenen Vereinbarungen gehörten zum materiellen Steuerrecht der Vertragsstaaten105 • Teilweise wird aber auch den Auslegungsvereinbarungen eine Verbindlichkeit für die Steuerpflichtigen und die Gerichte abgesprochen106 • Nach Meinung von Philipp ll11 bedeuten die Lösungen im Verständigungsverfahren rechtlich gesehen nur eine Meinung der beiden obersten Verwaltungsbehörden. Sie seien kein neuer Staatsvertrag. Nach Korn! Dietz / Debatin108 ist die Verständigung "vom Standpunkt der deutschen Rechtsordnung aus ... ein auf völkerrechtlicher Grundlage von den Vertragsstaaten eines DBA abgeschlossenes Verwaltungsabkommen, das in der äußeren Form einer Verwaltungsanordnung vollzogen und amtlich bekanntgemacht wird". Die Klausel über das Verständigungsverfahren sei keine hinreichend bestimmte Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung 109• Die durch das Abkommen berührten Steuerpflichtigen könnten "die ihnen zustehenden Rechte in einem doppelten Verfahren geltend machen": sowohl im normalen Rechtsbehelfsverfahren als auch im VerständigungsverfahrenllO • Beide Verfahren seien grundsätzlich unabhängig voneinander 111 • Es sei nicht erforderlich, vor Einleitung eines Verständigungsverfahrens die innerstaatlichen Rechtsmittel zu er103 Siegrist, S.218; Studer, IFA-Bulletin 1971, S.88; Schutze-Brachmann / Dirksen, C XIX, Rdnr.2 ("eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Ge-

wohnheitsrechts ... [wonach] Staaten grundsätzlich nur über ihre Außenministerien miteinander verkehren."). 104 S.1267. 1(IS Rennebaum / Zitztaff, S.27; Schmitz, S. 1269; Heining, Besteuerung der Ausländer, S.29; Studer, IFA-Bulletin 1971, S.92; unklar Flick, Auslegung, S.158. 106 Schmidt, StWa 1967, S. 71; Münzner / Brezing, S. 12. 107 DStZ (A) 1964, S. 169. 108 Vorbem. III H, Rdnr.6. 100 Schmidt, StWa 1967, S.71; a. A. Studer, IFA-Bulletin 1971, S.92 (Delegation von Rechtssetzungsgewalt). 110 Rennebaum / Zitztaff, S. 12; ebenso Siegrist, S.211, 214; Schmitz, S.1272; Münzner / Brezing, S. 8. 111 Studer, IFA-Bulletin 1971, S.87; Fritsch, II B, S.30; Schutze-Brachmann, HwStR, S.1235; Korn / Dietz / Debatin, Vorbem. III H 1, 2; Reuter,

CDFI, vol. 54 a, II 14.

D. Stellungnahmen des Schrüttums zum Vv.

53

schöpfenll11 • Das Verfahren sei an keine Frist gebunden113. Durch Zurücknahme seines Antrages könne der Steuerpflichtige das Verfahren jederzeit beenden114. Solange das Verständigungsverfahren nicht abgeschlossen sei, komme eine Aussetzung der Vollziehung in Betrachtlll1• Das Verständigungsverfahren habe allerdings nicht den Charakter und die Garantien eines Rechtsverfahrens, sondern sei "une procedure amiable de pure conciliation"l18. Wenn die Vertragsstaaten ihre divergierenden Rechtsauffassungen im Verständigungsverfahren nicht ausräumen könnten, dennoch aber eine Einigung herbeiführen wollten, handele es sich "oftmals ohnehin um eine reine Billigkeitsentscheidung"117. Dafür sei das Verfahren aber auch - worauf Schulze-Brachmann hinweist118 - gebührenfrei. Kritisiert wird, daß das Verständigungsverfahren bislang in den DBA nur unzureichend ausgestaltet seillt und daß es nicht hinreichend die bezweckte einheitliche Auslegung und Anwendung des Abkommens sichere1~. Die stärkste Kritik wird gegenüber der mangelnden Veröffentlichung von Verständigungsergebnissen durch die Finanzverwaltung erhoben121. Soweit von der Finanzverwaltung abweichende Auffassungen vertreten werden, beziehen sie sich im wesentlichen darauf, daß das Verständigungsverfahren i. e. S. ein Rechtsbehelfsverfahren sep!l: und daß die Klausel nicht selbst Berichtigungsgrundlage sein könne1!3. Die allein 112 Schulze-Brachmann / Dirksen, C XVIII, Rdnr.14; Schubert, S.177; Woljj, S.82; Mersmann, Ertragsbesteuerung, S.193. 118 Schulze-Brachmann, HwStR, S.1235; Reuter, CDFI, vol. 54 a, II 14. 114. Münzner / Brezing, S. 12; Reuter, CDFI, vol. 54 a, II 14. 115 Spitaler, CDFI, vol. 42, S.172; Reuter, CDFI, vol. 54 a, II 14; Timbart / Heining, S.399. 118 Rosendorfj / Henggeler, De, S. 257 unter Berufung auf Guggenheim, Zeitschrüt für Schweizerisches Recht, Bd.51 (1932), S. 304 f.; ebenso Siegrist,

S.215 (moralische Verpflichtung). 117 Schmidt, StWa 1967, S.71; Philipp, DStZ (A) 1964, S.169; Watzke / Pollack / Philipp, S.20; Rennebaum / Zitzlajj, S.27; Mersmann, StW 1966, Sp.338 ("ME stellt dieses Verfahren eine Billigkeitsmaßnahme besonderer Art dar"); ders., Ertragsbesteuerung, S.194; Schulze-Brachmann, HwStR, S.1235. 118 HwStR, S. 1235. 119 Schulze-Brachmann, HwStR, S. 1236. 120 Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S.563; Rosendorff / Henggeler, De, S.257. 1l!1 Spitaler, CDFI, vol. 42, S.172; Bühler, IStR und IPR, S.48; ders., Prinzipien, S.43; Teichner, StW 1965, Sp.356; Studer, IFA-Bulletin 1971, S.92/93; Schulze-Brachmann / Dirkse,n, ,C XI~,. Rdnr. 26; vgl. auch Tittel, &~~

.

1ft Münzner / Brezing, S. 7; Debatin, AWD 1969, S. 485.

54

2. Kap.: Grundlagen

im deutsch-amerikanischen DBA 1966 enthaltene Vorschrift des Art. XVII Abs. III wird demgegenüber als spezielle Berichtigungsgrundlage angesehen1114• Kontrovers ist in der Steuerrechtsliteratur vor allem die Frage nach dem subjektiv öffentlichen Recht des Steuerpflichtigen auf Einleitung des Verständigungsverfahrens. überwiegend wird ein Rechtsanspruch - i. d. R. ohne jeden Begründungsversuch - abgelehnt1115• Nach der Gegenmeinung hat der Steuerpflichtige einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung126, teilweise wird aber auch die Auffassung vertreten, dem Steuerpflichtigen stehe insoweit ein striktes subjektiv öffentliches Recht ZU127• Auf einen wichtigen Gesichtspunkt in dieser Frage hat Spitaler128 hingewiesen: Wenn ein Rechtsanspruch aus der Verständigungsklausel herausgelesen werden könnte, könne er sich nur darauf beziehen, daß der angerufene Staat mit dem anderen Vertragsstaat das Einvernehmen pflege. Ein Rechtsanspruch darauf, daß sich die Staaten zu einigen hätten, bestehe niemals. Wegen der schwachen Rechtsstellung des Steuerpflichtigen und der unvollkommenen Ausgestaltung des Verständigungsverfahrens wird häufig die Forderung erhoben, das Verfahren müsse in Richtung auf eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Steuersachen ausgedehnt werden11!9. 123 Mersmann, Ertragsbesteuerung, S.193/194; Watzke / ponack / Philipp, S.20; Schmidt, StWa 1967, S.71; Fritsch, II B, S.31; Seidel, S.195/196; a. A. Rennebaum / Zitzlaff, S. 27; Milnzner / Brezing, S. 12. 124 Schubert, S. 179. 125 Korn / Dietz / Debatin, Vorbem.III H 4; Heining, Besteuerung der Ausländer, S.29; ders., Droppelbesteuerungskonflikte, S.40 und S.50; Teichner, StW 1965, Sp.346; Schmidt, StWa 1967, S.71; Rädler, Die direkten Steuern, S. 249 (keinen Anspruch auf rechtliches Gehör); Rädler / Raupach, S.377; Schubert, S.177; Fritsch, II B, S.30; Schulze-Brachman'n, HwStR, S.1235; Wolff, S.82; Seidel, S.199; Debatin, CDFI, vol. 54 a, I 19 (" ... muß es als erheblicher Mangel empfunden werden, wenn dem Steuerpflichtigen kein Rechtsanspruch auf Einleitung des ... Verständigungsverfahren zuerkannt wird."). Offengelassen ist die Frage bei: Rennebaum / Zitzlaff, S. 27; Sommer, StW 1960, Sp.687. Unklar Studer, IFA-Bulletin 1971, S.84 ("gibt das Abkommen dem Einzelnen nicht das Recht, die Durchführung des Verständigungsverfahrens zu verlangen", S. 85 "Ermessen der zuständigen Behörde"); W atzke / Pollack / Philipp, S. 19 ("Kein Rechtsanspruch auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens ... Ist aber erwiesen, daß eine Doppelbesteuerung eingetreten ist ... so muß das Verständigungsverfahren von Amts wegen eingeleitet werden."). 126 Milnzner / Brezing, S. 10; Tipke, AWD 1972, S.592. 127 Schmitz, S.1267/1268; Bachmayr, StW 1964, Sp. 885 ff.; Langen, Art. 22 Anm.6; Schulze-Brachmann / Dirksen, C XIX, Rdnr. 10 f. 128 Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 567 (vgl. auch S. 565). 129 Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 563 und StW 1950, Sp. 810/811, anders CDFI, vol. 42, S. 172: "Förmliche Schiedsgerichte ... vorzusehen, empfiehlt sich nicht"; Siegrist, S.217; Rosendorff / Henggeler, De, S.257; Bilhler, Prinzipien, S.42, 155; Fischer, AWD 1961, S.93, 94; Heining, Doppel-

D. Stellungnahmen des Schrifttums zum Vv.

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Die Frage der Vereinbarkeit der Verwaltungspraxis mit steuerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen wird kaum irgendwo aufgeworfen. Soweit ersichtlich, hat allein Teichnerl30 den Versuch unternommen, für das Verständigungsverfahren eine rechtssystematische Einordnung zu finden. Das Ergebnis seiner Untersuchungen besteht denn auch darin, daß die Verständigungsvereinbarungen nicht einmal für die Finanzämter verbindlich seienl3l , weil die gegenwärtig geübte Praxis, eine Verständigung innerstaatlich in Kraft zu setzen, rechtswidrig sej132. Da sich die Untersuchung Teichners allerdings nur auf die allgemeinen Verständigungsvereinbarungen, nicht aber auch auf das Verständigungsverfahren i. e. S. bezieht, wird auf seine Stellungnahme im Abschnitt über das Konsultationsverfahren näher eingegangen. 11. Völkerreehtliches Sclnifttum

In der völkerrechtlichen Literatur finden sich zwar nur bei wenigen Autoren kurze Ausführungen zu den Problemen des Verständigungsverfahrens. Ihre Bedeutung liegt jedoch darin, daß sie auf den systematischen Zusammenhang des Verständigungsverfahrens mit anderen Völkerrechtsinstituten aufmerksam machen. Auf die Stellungnahme Guggenheims, das Verständigungsverfahren habe nicht den Charakter und die Garantien eines Rechtsverfahrens, sondern sei lediglich "une procedure amiable de pure conciliation", wurde schon hingewiesen l33 • Guggenheim134 und Schindler13l1 sehen in der Bestimmung über das Verständigungsverfahren in Art. 13 DBA Deutsches Reich - Schweiz vom 15. Juli 1931136 eine Vergleichsklausel. Dieses Verfahren schließe nach seinem Scheitern und vergeblichen diplomatischen Verhandlungen die Anwendung des schweizerischdeutschen Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrages vom 3. 12. 1921 137 nicht aus. besteuerungskonflikte, S. 49/50; Mersmann, Internationale Doppelbesteuerung, S. 129; ders., Ertragsbesteuerung, S. 194; Rädler, Die direkten Steuern, S.249; Rädler / Raupach, S. 377. 130 Teichner, stW 1965, Sp. 343 ff. 131 Ebd., Sp. 354. 132 Ebd., Sp. 355, 356. 133 Guggenheim, Zeitschr. f. schw. Recht, Bd.51 (1932), S. 304 f. 134 Guggenheim, Lehrbuch, S. 696, Fußn. 39, vgl. auch L'imposition des successions, S. 106, 129. 136 Schindler, S. 198. 136 RGBI 1934 11, S. 38 f. Art. 13 ist durch das Zusatzprotokoll vom 20.3. 1959 (BGBI 1959 11, S. 1253, BStBI 1959 I, S. 1006) in einigen Punkten geändert und dann im DBA Schweiz 1971 durch den entsprechenden Artikel des OECD-MA ersetzt worden. 137 RGBI 1922 11, S. 217 ff.

2. Kap.: Grundlagen

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Nach WengIer sollen durch die Verständigungsverfahren die "unvermeidlichen Interpretationskonflikte ... ohne den Aufwand eines großen Apparates durch Vereinbarungen der beteiligten Ministerien aus der Welt geschafft werden ... "138. Diese Vereinbarungen der Ministerien seien im Grunde echte Staatsverträge zur Ergänzung von begrifflichen Lücken des DBA, es handele sich um authentische Interpretationen der Vertragsbegriffe. Anstelle der Vereinbarungen der Finanzministerien wäre es aber sachgerechter, die Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten bei der Auslegung von DBA einem zwischenstaatlichen, ständigen Organ zu übertragen l39. WengIer sieht die Abneigung der Vertragsstaaten, "einem Verfahren zur Feststellung völkerrechtlicher Sachverhalte durch ein auf objektive Rechtsfindung ausgerichtetes Gericht zuzustimmen", darin begründet, daß die "Vertragsstaaten glauben, bei einer eventuellen Meinungsverschiedenheit durch Druck zu günstigeren Resultaten gelangen zu können, als bei der Feststellung durch ein internationales Gericht" 140. Wenn im Verständigungsverfahren der konkrete Streit über die Rechtslage durch Einigung beendet werde, so "gehen die Regierungen davon aus, daß jede von ihnen im Bereich des innerstaatlichen Rechts gesichert ist, um ihren Standpunkt bezüglich der Auslegung und Anwendung des Vertrages gegenüber widersprechenden Ansichten des Steuerzahlers durchzusetzen. Demgegenüber tritt das Interesse, die eigenen Staatsangehörigen gegen eine vertragswidrige Behandlung in dem anderen Staat gegebenenfalls durch Anruf eines internationalen Gerichts schützen zu können, zurück, obwohl z. B. nach Art. 28 des europäischen Abkommens über die friedliche Beilegung von Streitigkeiten das Verfahren zur verbindlichen Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten " eröffnet sei. Dieser Rechtsweg könne zwar durch spezielle Verfahrensvorschriften ausgeschlossen sein, für die Bestimmung über das Verständigungsverfahren treffe das jedoch nicht zu141 • Die Klausel über das Verständigungsverfahren gehöre zu den "Bestimmungen, in denen dieselben Staaten, die einen Vertrag abgeschlossen haben, sich verpflichten, weitere Verträge, insbesondere zur Durchführung des betreffenden Vertrages, oder zur Lösung noch offener Fragen ... abzuschließen"l~. Unklar ist WengIer in seiner Stellungnahme zur Frage der innerstaatlichen Verbindlichkeit der Verständigungsergebnisse. Einerseits 138 139 140 141 142

Doppelbesteuerung, S.187. Doppelbesteuerung, S.188. Völkerrecht, S.876. Völkerrecht, S.876 Fußn.3, anders aber S.348 Fußn.6. Ebd., S. 859 mit Hinweis auf das Verständigungsverfahren in Fußn. 4. Wengler, Wengler, Wengler, Wengler,

D. Stellungnahmen des Schrüttums zum Vv.

57

verweist er auf die Möglichkeit, "daß mit der gesetzlichen Billigung des Vertrages, welcher ergänzende interpretierende Regierungsabkommen oder Einigungen der Regierungen über die Anwendung des Vertrages ausdrücklich vorsieht, nicht nur eine Ermächtigung zum Abschluß solcher Verträge erteilt, sondern auch - vorbehaltlich der Publikation - ihre innerstaatliche Verbindlichkeit grundsätzlich festgelegt werden soll"143. Andererseits bestehen nach seiner Auffassung Bedenken dagegen, "daß Regierungsabkommen über die Interpretation von Verträgen, die ihrerseits erst durch Mantelgesetz zu innerstaatlichem Recht geworden sind, ohne ein neues formelles Gesetz innerstaatlich verbindlich werden; wenn z. B. in einem Staat die Regierung zu Steuergesetzen zwar Durchführungsverordnungen erlassen, aber nicht die Auslegung der Steuergesetze durch Verordnung verbindlich regeln kann, weil die Interpretation der gesetzten Normen als Rechtssprechungstätigkeit gilt, so ist es verfassungsrechtlich unzulässig, daß ein zur Interpretation eines Doppelbesteuerungsvertrages geschlossenes Regierungsabkommen durch Verordnung zu innerstaatlichem Recht erklärt, oder daß das betreffende Regierungsabkommen als solches automatisch zu innerstaatlichem Recht wird, wenn das Doppelbesteuerungsabkommen selbst Gesetzeskraft hat"u4. Tittel folgt in seiner Arbeit über das Verständigungsverfahren145 weitgehend den Ausführungen Wenglers144. Auf Grund einer Untersuchung über Maßnahmen zur Beseitigung von Doppelbesteuerungen in den drei Bundesstaaten: Deutsches Reich von 1871 147, Schweizerische Eidgenossenschaft148 und USA149 kommt er zu dem Ergebnis, daß eine "Verständigung" zuerst im Zusammenhang mit jenen Maßnahmen in den genannten Bundesstaaten anzutreffen sepso. Das Verständigungsverfahren stelle aber ein dem Völkerrecht entlehntes Institut darm, das mit den Prinzipien des Bundesstaates nur insoweit verträglich erscheine, als zwischen den Gliedstaaten die analoge Anwendung von Völkerrecht durch gesamtstaatliche Regelung nicht ausgeschlossen seP6l!'. Aus völkerrechtlicher Sicht sei das Verständigungsverfahren der völkerrechtlichen Streiterledigung durch Einigung zuzuordnen. Lege 143 Ebd., S.804 mit Hinweis auf das Verständigungsverfahren in Fußn.2. 144 Ebd., S. 806. 14.'; Tittel, Das Verständigungsverfahren nach den Doppelbesteuerungsabkommen. 146 Ebd., S.74, 77, 79, 100, 106, 114 f. 147 Ebd., S. 1 ff. 148 Ebd., S. 35 f. 149 Ebd., S. 40, 41. 150 Ebd., S. 41, 119. 151 Ebd., S. 20, 41. 1&2 Ebd., S. 42.

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2. Kap.: Grundlagen

man die bei den Methoden der friedlichen Streiterledigung getroffene Unterscheidung zwischen der rechtlichen und der politischen Streiterledigung zugrunde, so handele es sich beim Verständigungsverfahren um die Erledigung von Rechtsstreitigkeiten im politischen Verfahrenl53 • Die innerstaatliche Verbindlichkeit der Verständigungsergebnisse könne nicht damit begründet werden, daß das Zustimmungsgesetz zum DBA eine vorweggenommene Transformation der im Verständigungsverfahren getroffenen Vereinbarung darstelle. Damit würde in das Rechtsprechungsmonopol der Gerichte (Art. 92 GG) eingegriffen, dem Steuerpflichtigen der durch Art. 19 Abs. IV GG garantierte Rechtsweg entzogen und überdies die Finanzverwaltung in einem Steuerprozeß wenigstens mittelbar die Rolle eines judex in res sua übernehmen l54 • Die Verbindlichkeit ergebe sich - anders als in Frankreich - auch nicht daraus, daß die Gerichte an Regierungsäußerungen über die Auslegung völkerrechtlicher Vertragsnormen gebunden seienl55 • Gehe man davon aus, daß in der BRD eine Änderung eines völkerrechtlichen Vertrages nur auf Grund eines Bundesgesetzes nach Art. 59 Abs. I S. 1 GG innerstaatlich verbindlich werden könne, sofern der zu ändernde Vertrag selbst auch auf diesem Wege zu innerstaatlich anwendbarem Recht erklärt worden sepl>6, könne eine im Verständigungsverfahren getroffene Vereinbarung über die abstrakte Auslegung von Vertragsnormen ohne erneute Mitwirkung des Gesetzgebers keine Bindungswirkung für die Gerichte erlangen. Denn bei der abstrakten Auslegung im Verständigungsverfahren sei nicht auszuschließen, daß sie eine Vertragsänderung verdecken solle. Das gelte auch für die abstrakte Regelung "ungeregelter" Doppelbesteuerungsfälle, da dann die Verständigungsvereinbarung den Zweck der Vertragsänderung selbst erkennen lasse l57• Allein gegen die innerstaatliche Wirkung einer Billigkeitregelung, die auf den einzelnen durch das Abkommen nicht geregelten Fall beschränkt sei, bestünden keine Bedenken, weil eine solche Einzelregelung nach § 131 A0158/159 praktisch durchgesetzt werden könne160 •

Ebd., S. 72. Ebd., S. 104, 109. 155 Ebd., S. 100 f., 110. 158 Ebd., 5.114. 157 Ebd., S. 116. 1581159 § 131 AO entspricht § 208 Abs. I EAO 1974. 160 Ebd., S. 117 153

154

E. überblick über die weitere Untersuchung

59

E. 'Oberblick über die weitere Untersuchung Aus diesen Stellungnahmen der Praxis und des Schrifttums zum Verständigungsverfahren ergeben sich nicht unerhebliche Verständigungsschwierigkeiten. So ist zunächst nicht ohne weiteres einleuchtend, warum die DBA ausdrücklich ein Verfahren vorsehen, nach dem der Steuerpflichtige eine gegen das Abkommen verstoßende Besteuerung rügen kann, er andererseits aber nach der wohl als herrschend zu bezeichnenden Auffassung keinen Anspruch auf Durchführung oder sonst eine verfahrensrechtIiche Rechtsstellung haben soll. Das legt es nahe, das Verständigungsverfahren i. e. S. in den Bereich der Petitions- oder Gnadenentscheidungen zu verweisen oder es für den Bereich des internationalen Steuerrechts als einen Spezialfall einer Billigkeitsmaßnahme i. S. d. § 131 AO anzusehen. Daraus ließe sich gleichzeitig eine Antwort auf das Problem der Doppelspurigkeit des Verständigungsverfahrens i. e. S. und des Rechtsbehelfsverfahrens herleiten. Denn Rechtsbehelfsverfahren und Billigkeitsverfahren können nebeneinander betrieben werden161 • Für eine derartige Würdigung des Verständigungsverfahrens i. e. S. spricht auch, daß in Äußerungen aus dem BFM dem Steuerpflichtigen regelmäßig eine wohlwollendes Verhalten der deutschen Seite zugesichert wird. So ist zu hören, es entspreche der Praxis des BFM, jede auch nur vertretbare Einwendung eines Steuerpflichtigen als Grundlage für die Einleitung des Verständigungsverfahrens gelten zu lassenl 6l!. Die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf die Einleitung des Verständigungsverfahrens gegeben sei oder nicht, sei - soweit die Praxis des BFM in Frage komme - ohne Bedeutung, da bisher alle begründeten Einsprüche an den anderen Vertragsstaat weitergegeben worden seienl83 • Bei den Verhandlungen zum Abschluß des deutsch-französischen DBA ist entsprechend den Anregungen der Steuerkommission des BDIICNPF "von seiten der Finanzverwaltung der Vertragsstaaten zugesichert worden, daß, mit Ausnahme von Maßnahmen zur Sicherung des Steueranspruches, von einer Einziehung der strittigen Beträge, über die im Verständigungsverfahren bzw. in der gemischten Kommission verhandelt wird, abgesehen werden soll, solange keine endgültige Entscheidung über die Vermeidung der Doppelbesteuerung vorliegt" 184. 161

162 163 164

Tipke / Kruse, § 131 Rdnr.3 a. E. Weber, Verständigungsverfahren, S.219. Weber, Doppelbesteuerungsrecht, S.138. Timbart / Heining, Art. 25, Rdnr. 163, S.399.

60

2. Kap.: Grundlagen

Eine rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechende Besteuerung kann aber nicht - auch wenn es sich um einen internationalen Steuerfall handelt - maßgeblich vom Wohlwollen oder von den Zusicherungen der Steuerverwaltungen abhängen. Es ist zwar richtig, daß eine Kritik am Verständigungsverfahren Rücksicht auf die Besonderheiten zwischenstaatlich abzuwickelnder Verfahren zu nehmen hat und daß zu unrichtigen Beurteilungen kommen muß, wer an derartige Verfahren die Maßstäbe eines innerstaatlichen Rechtsbehelfsverfahrens oder eines Verfahrens vor einem internationalen Gericht anlegtlSll• Andererseits entsteht aber nicht schon allein dadurch, daß ein internationaler Steuerfall zu beurteilen ist, für den Fiskus ein rechtsfreier Raum, der sich nur noch durch einen Negativkatalog der Rechte des Steuerpflichtigen umschreiben läßt. Mit einer Einordnung des Verständigungsverfahrens i. e. S. in die Kategorie der Petitions-, Gnaden- oder Billigkeitsentscheidungen erscheint es auch nicht vereinbar, daß ein Steuerpflichtiger, der eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung rügt, zunächst nichts anderes als eine in beiden Vertragsstaaten übereinstimmende, rechtsfehlerfreie Anwendung und Auslegung des DBA verlangt. Darüber kann aber schon durch rechtskräftiges Urteil entschieden sein, insbesondere dann, wenn als Verfahrensvoraussetzung des Verständigungsverfahrens i. e. S. eine Rechtsbehelfsentscheidung erster Instanz gefordert wird. Als Folge der materiellen Rechtskraft ist aber den Beteiligten jeder Streit über dieselbe Sache versagt, jede weitere Entscheidung darüber ist unzulässig l68 • Zu den weiteren Problembereichen des Verständigungsverfahrens

i. e. S. gehört die Frage, ob die entsprechenden Abkommensbestimmun-

gen Rechtsgrundlage für die Berichtigung eines Steuerbescheides sind. Fragwürdig erscheint auch die Auffassung der Verwaltung zum Begründungszwang und zur Veröffentlichung einer Verständigungsvereinbarung. Spätestens seit BVerfGE 6, 32 (44) gehört es zum Gemeingut deutschen Verwaltungsrechts, daß jede Behörde als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips grundsätzlich ihre Entscheidungen zu begründen hat. Das impliziert gleichzeitig ihre Bekanntgabe an den Betroffenen. Die Zweifel und Unklarheiten über das Institut des Verständigungsverfahrens sind zum großen Teil auf diese mangelnde Veröffentlichungspraxis des BFM zurückzuführen. Die Ergebnisse der Konsultationsverfahren werden nur teilweise in den amtlichen Verkündungsblättern veröffentlicht. Bei den Verständigungsverfahren i. e. S. hat man sich - so weit ersichtlich - noch nie zu einer Publikation durchringen können. Weber, Verständigungsverfahren, 5.219. Rosenberg / Schwab, § 152 (5.796 ff.); Stein / Jemas, § 322, Tipke / Kruse, § 110 FGO, Rdnr.2 f.; Paulick, FGO, Rdnr. 311 ff. 165

166

Anm.III;

E. überblick über die weitere Untersuchung

61

Diese Nichtveröffentlichungspraxis führt dazu, daß der BFH im oben erwähnten GrenzgängerfallUI7 die in einem Konsultationsverfahren gewonnene Definition des entscheidungserheblichen Abkommensbegriffs nach einer privaten Publikation zitiert. Der Steuerpflichtige, dem die dort genannte Schrift vielleicht unbekannt geblieben war und der seine steuerliche Aufmerksamkeit auf das BGBI und BStBI konzentriert hatte, hätte möglicherweise auf diesen Prozeß verzichtet. Es bedeutet sicherlich einen überraschungseffekt für den Steuerpflichtigen, wenn seinem Steuer- oder Rechtsbehelfsbescheid ein nicht veröffentlichtes Verständigungsprotokoll zugrundegelegt wird. Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ist das aber nicht zu vereinbaren. Es ist zwar einmal in einer Stellungnahme von seiten der Verwaltung hervorgehoben worden, die Veröffentlichung von Verständigungsergebnissen liege "sowohl im Interesse einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Rechtssicherheit, als auch im Interesse einer Vereinfachung und Arbeitsersparnis" . Daher würden die Ergebnisse des Verständigungsverfahrens unter Wahrung des Steuergeheimnisses bekanntgegeben werden168 • Von der als Beispiel angeführten Niederschrift über die Züricher Besprechungen vom 17.3. 1961 sind aber bezeichnenderweise die Nr.7 und 8 nicht veröffentlicht. Begründung dazu: "Unter Nr.7 der Verhandlungsniederschrift ist das Ergebnis der Behandlung von Einzelfragen protokolliert. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat darüber die jeweils zuständigen Herren Finanzminister (Finanzsenatoren) der Bundesländer durch besonderes Schreiben unterrichtet. Nr.8 der Verhandlungsniederschrift enthält lediglich die Vereinbarung, daß Nr. 7 nicht zur Veröffentlichung bestimmt ist169." Im Bereich des Konsultationsverfahrens sind es neben der Veröffentlichungsfrage vor allem zwei Probleme, die ungeklärt erscheinen. Nach Art.59 Abs.II GG bedürfen "Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen ... der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsvorschriften gelten die Vorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend". Ob es mit dieser Verfassungsnorrn vereinbar ist, ein nach Art. 59 Abs. II S. 1 GG zustimmungsbedürftiges DBA auf Grund "einer Art GeneralklauseI ... mit materiell-rechtlicher Wirkung ... zu ergänzen BFH, Urteil vorn 1. 3. 1963, BFHE 76, 580 (584) = BStBI 1963 Irr, S. 212 Weber-Fas Nr.74. 168 Kolbeck, IFA-Vorträge, Köln 1962/63, S.40; anders Weber, Verständigungsverfahren, S. 221. 169 Erlaß des FM NRW, BStBI 1961 11, S. 98; vgl. dazu auch Tittel, S.99. =

167

62

2. Kap.: Grundlagen

"170 ist sehr zweifelhaft. Der Hinweis in der Stellungnahme der Bundesregierung171 auf Art. 59 Abs. II S. 2 GG stellt keine Antwort dar, sondern ist lediglich die Verweisung auf einen weiteren Problembereich. Denn die häufig erhobene Kritik, die gegenüber der unzulänglichen Regelung der sog. "auswärtigen Gewalt" im GG erhoben wird, kann durch nichts stärker belegt werden als durch die Vorschrift des Art. 59 Abs. II S. 2 GG. Sie ist als eine Bestimmung bezeichnet worden, die in ihren rechtlichen Auswirkungen schwer zu übersehen sei 172 , die "Praxis (stehe) hier laufend vor sehr schwierigen Fragen"l73. Es handele sich um eine unglücklich formulierte Bestimmung, die für sich allein nicht verständlich seim. Teilweise wird sie in den Großkommentaren zum GG überhaupt nicht kommentiert175, was "seinen guten Grund in der noch nicht gesicherten Handhabung der Praxis" habe178 • Ein Beleg für die Berechtigung dieser Aussage ist das Verständigungsverfahren.

Es wird zu untersuchen sein, ob die Ergebnisse eines Konsultationsverfahrens ihren Standort im Bereich der Rechtsquellen des Steuerrechts haben oder ob und welche Form des Verwaltungshandelns sie sonst darstellen. Daraus wird sich gleichzeitig die Frage nach der Verbindlichkeit von im Konsultationsverfahren zustandegekommenen Auslegungsvereinbarungen für die Gerichte ergeben. Die in BFHE 76,580 (584) enthaltene Formulierung, die in einem Verständigungsverfahren gewonnene Begriffsbestimmung sei der Entscheidung zugrundezulegen, "weil diese von den Vertragsparteien gegebene Erläuterung ... ihren Willen wiedergebe", ist jedenfalls unzulänglich. Hier scheinen Vorstellungen über eine Prärogative der Regierung im Bereich der Auswärtigen Gewalt und über deren Befugnis zur authentischen Interpretation eines völkerrechtlichen Vertrages leitend zu sein. Ein Weg, für die genannten Probleme des Verständigungsverfahrens eine Lösung zu gewinnen, könnte darin bestehen, die zu den einzelnen Problembereichen vorgebrachten kontroversen Ergebnisse gegenüberzustellen und je nach der Überzeugungskraft der vorgebrachten Argumente sich der einen oder anderen Auffassung anzuschließen. Dieses Vorgehen ließe sich zunächst aber schon für viele Bereiche nicht durchführen, weil - wie häufig im internationalen Steuerrecht - das gewünschte Ergebnis nur postuliert, aber nicht begründet wird. Zudem 170

171 172 173 174

175 176

So Fischer, AWD 1961, S.93. BTDrucks III/543, S.I1. von Mangoldt, Art. 59, Anm.7. Grewe, VVDStRL, Bd.12 (1954), S.173. Mosler, Auswärtige Gewalt, S.263, 264. Menzel in: Banner Kommentar, Art. 59. Menzel, VVDStRL, Bd. 12 (1954), S. 187, Fußn. 15.

E. überblick über die weitere Untersuchung

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würden die so gewonnenen Ergebnisse isoliert nebeneinanderstehen, weil sie den systematischen Zusammenhang, in dem die Verständigungsklausel steht, unberücksichtigt lassen würden. Die wenigen Stellungnahmen von völkerrechtlicher Seite zum Verständigungsverfahren weisen zwar auf die systematischen Zusammenhänge hin, ziehen daraus aber keine Konsequenzen für die sich in der Praxis ergebenden Einzelprobleme. Es soll daher hier der Versuch unternommen werden, Ansatzpunkte einer Lösung auf Grund einer Untersuchung über die historische Entwicklung der Verständigungsklausel zu gewinnen. Ein solcher Rückblick ermöglicht es, die rechtspolitischen Grundlagen und den systematischen Zusammenhang offenzulegen, in dem dieses Verfahren steht, und gestattet von diesem Fundament aus, den unübersichtlichen Meinungsstand zu entwirren. Immerhin läßt sich aus den bisherigen Stellungnahmen zum Verständigungsverfahren ein Problemkatalog erarbeiten, aus dem sich die zu beantwortenden Fragenbereiche ergeben. Von der Unterscheidung zwischen dem Verständigungsverfahren i. e. S. und dem Konsultationsverfahren ist als Arbeitshypothese auszugehen. Beim Verständigungsverfahren i. e. S. geht es um die einen Einzelfall betreffende Entlastung eines Steuerpflichtigen, der durch eine gegen das Abkommen verstoßende Besteuerungsmaßnahme der Vertragsstaaten betroffen ist. Das Konsultationsverfahren hat die Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des DBA und die Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Fällen, die im Abkommen nicht behandelt sind, zum Ziel. Das Verständigungsverfahren i. e. S. hat drei "Verfahrensbeteiligte": die beiden Vertragsstaaten und den antragstellenden Steuerpflichtigen. Die damit gegebenen Rechtsbeziehungen, die zwischenstaatliche und die innerstaatliche, sind zu trennen. Zu klären ist, welche Vertragsbestimmungen die jeweilige Rechtsgrundlage für die zwischenstaatliche und die innerstaatliche Seite des Verfahrens sind, wie das Verständigungsergebnis im zwischenstaatlichen Bereich zu qualifizieren ist und welche Verbindlichkeit es im innerstaatlichen Bereich hat. Die weiteren Problembereiche sind insbesondere die Frage nach der Notwendigkeit einer Transformation des Ergebnisses eines Verständigungsverfahrens i. e. S., ob es ein Rechtsbehelfsverfahren ist und in welchem Verhältnis es zum innerstaatlichen Steuerermittlungs-, -festsetzungs- und -erhebungsverfahren (insbesondere Durchbrechung der Bestandskraft von Steuerbescheiden) und zum ordentlichen Rechtsbehelfsverfahren (insbesondere Durchbrechung der Rechtskraft von Urteilen) steht. Schließlich wird die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen in diesem Verfahren

64

2. Kap.: Grundlagen

zu klären sein, wobei im Vordergrund die Frage nach dem subjektivöffentlichen Recht auf Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. steht. Das Konsultationsverfahren wird allein von den Vertragsstaaten durchgeführt. Hier sind die Rechtsgrundlage des Verfahrens und die Qualifizierung der Verfahrensergebnisse zu erörtern. Vorrangig wird zu prüfen sein, welche Verbindlichkeit die Auslegungsvereinbarungen im innerstaatlichen Bereich haben, ob sie nur für die Verwaltung oder auch für die Gerichte als weiteres Rechtsanwendungsorgan und die Steuerpflichtigen als Rechtsunterworfene verbindlich sind.

F. Die historische Entwicklung der Klausel über das Verständigungsverfahren Darstellungen über die historische Entwicklung des internationalen Steuerrechts177 beginnen teilweise mit dem Hinweis, daß schon im altgriechischen Opunt ein Dekret zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bestanden habe. Neumayer178 bringt Nachweise für ein internationales Steuerrecht aus dem 12. -14. Jahrhundert. Damit ist nur eine der Wurzeln des heutigen Internationalen Steuerrechts angesprochen: das völkerrechtliche Fremdenrechtm. Die zweite Wurzel führt auf das IPR: Teils wurde und wird _. vor allem im lateinamerikanischen und romanischen Schrifttum - das internationale Verwaltungs- und Steuerrecht als Teilgebiet des IPR behandelt180, teils besteht die Verbindung darin, als Gegenstück zum IPR - als Rechtsanwendungsrecht mit der Unterscheidung in Sach- und Kollisionsnormen - ein internationales Verwaltungs- und Steuerrecht zu konstruieren181 • Hinzuweisen ist auch auf die Einflüsse aus dem Bereich der internationalen Handelsverträge: So geht das Diskriminierungsverbot in den DBAl82 zurück auf den zwischen dem französischen König Franz I und Sultan Suleiman 11 geschlossenen Handelsvertrag von 1535, nach dem die Angehörigen der einen Vertragspartei mit keinen höheren Abgaben belastet werden durften als die eigenen Untertanenl83. 177 Lippert, Internationales Finanzrecht, S. 599 ff.; Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 1 - 51; UI UN, p. vii. 178 Neumayer, Int. Finanzrecht, S.186, 187, Fußn.1. 179 Zur Entwicklung des völkerrechtlichen Fremdensteuerrechts vgl. Friedrich, S. 23 ff. 180 Vgl. Vogel, Anwendungsbereich, S. 173 m. w. N. (z. B. sah 'Von Bar, Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts (2. Aufl.), Hannover 1889, S. 317 "die richtige internationale Begrenzung des Besteuerungsrechts als wichtige Aufgabe des internationalen Privatrechts" an). 181 Vogel, Anwendungsbereich, S.170 f. 18% Vgl. dazu Rädler / Raupach, S. 386 ff. 183 Vgl. 'Von Keller, WBV I, S.766.

F. Die historische Entwicklung der Klausel über das Vv.

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Zwischenstaatliche Verträge zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in den heute geltenden Fassungen wurden allerdings erst im 19. Jahrhundert abgeschlossen. Ihnen dienten die innerhalb von Staatengemeinschaften (Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, Schweizerische Eidgenossenschaft) entwickelten Regelungen als Vorbild. I. Verständigungsklauseln In den Doppelbesteuerungsabkommen der europäischen Staaten bis 1925 und die Entwicklung in den deutschen Verträgen

1. Verständigungsklauseln in den DBA der europäischen Staaten bis 1925 Den Anfang der bis zum ersten Weltkrieg zustandegekommenen zwischenstaatlichen Abkommen mit steuerrechtlichem InhaWS( bilden die in den Jahren 1843 und 1845 abgeschlossenen Verträge zwischen Frankreich-Belgien, Niederlande-Belgien und Luxemburg-Belgien, die aber lediglich eine Amtshilfe in Steuersachen zum Gegenstand hatten. Weder diese Verträge noch die isoliert dastehenden Abkommen zwischen England und dem Kanton Waadt vom 27.8. 1872 und Frankreich und England vom 15.11. 1907 über Erbschaftssteuern enthaltenen Vertragsbestimmungen, in denen von "Verständigung", "Einvernehmen" oder dergleichen die Rede ist. Derartige Klauseln finden sich erst in den Verträgen, die zwischen den deutschen Bundesstaaten und Österreich-Ungarn, Luxemburg und einzelnen schweizerischen Kantonen vereinbart wurden. Art. 1 der "übereinkunft zwischen Preußen und Sachsen wegen Beseitigung der doppelten Besteuerung der beiderseitigen Staatsangehörigen. Vom 16. April 1869" enthält die Abkommensgrundregel über die Verteilung des Besteuerungsrechtes, die sich auch in den späteren Verträgen wiederholt: "Die beiderseitigen Staatsangehörigen sind ... nur in demjenigen Staate zu den direkten Staatssteuern heranzuziehen, welchem sie als Unterthanen angehören ..." Bei Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit und doppeltem Wohnsitz war damit die Doppelbesteuerung immer noch nicht ausgeschlossen. Zu diesem Zweck bestimmte z. B. das Abkommen zwischen Preußen und Österreich-Ungarn vom 21. 6. 1899: "Artikel 7 "Über die zur thunlichsten Beseitigung der Doppelbesteuerung solcher Personen, welche sowohl Preußische als Öesterreichische Staatsangehörige 184 Zusammenstellung und Fundstellennachweise für die zwischenstaatlichen DBA von 1843 bis zum ersten Weltkrieg mit Nachweis der darin enthaltenen "Verständigungsklauseln" im Anhang II.

5 Mülhauaen

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2. Kap.: Grundlagen

sind, und zugleich in beiden Gebieten ihren Wohnsitz haben, etwa noch erforderlichen besonderen Bestimmungen werden die vertragschließenden Theile sich vorkommenden Falles ins Einvernehmen setzen und der Vereinbarung entsprechende Anordnungen erlassen." Das "Einvernehmen" war in fast allen Abkommen auf diese Fälle der Doppelstaatsangehörigkeit und des Doppelwohnsitzes beschränktl85. Auch innerhalb der deutschen Bundesstaaten blieben die Doppelwohnsitzfälle durch das "Gesetz wegen Beseitigungen der Doppelbesteuerungen, Vom 13. Mai 1870" ungeregeIt186. Tittel hat dargestellt, daß sie ebenfalls durch "Verständigung" der beteiligten Bundesstaaten beseitigt wurdenl87. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ist das Netz der DBA stark ausgebaut worden. Der "World Guide to International Tax Agreements"l88 weist bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges im Jahre 1939 insgesamt 80 "General Income and Property Tax Agreements" nach. Da es sich bei der Untersuchung der Abkommensvorschriften über das Verständigungsverfahren in den heutigen DBA der BRD gezeigt hat, daß die Klauseln ihre Fassung weitgehend schon im DBA Italien vom 31. 10. 1925 erhalten haben, erscheint es ausreichend, die DBA bis zu diesem Vertrage zu überprüfenl89. In den Jahren 1919 bis 1925 beschränkte sich der Abschluß von allgemeinen DBA auf diejenigen Staaten des mitteleuropäischen Raumes, die von den Kriegsfolgen am härtesten betroffen waren. Der erste nach Beendigung des Weltkrieges abgeschlossene Vertrag zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wurde zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakei am 31.12.1921 vereinbartl90 . Darin bestimmte Art. I, daß die jeweiligen Staatsangehörigen nur in dem Staat zu den direkten Steuern herangezogen werden sollten, in welchem sie ihren Wohnsitz bzw. ihren Aufenthalt hatten. Bei Doppelwohnsitz entschied die Staatsangehörigkeit. Art. lAbs. II sah vor: Ausnahme: Art. 9 DBA Österreich-Ungarn vom 8.10.1907. Das Gesetz war zunächst im Norddeutschen Bund erlassen worden, BGBI des Norddeutschen Bundes 1870, S. 119. Die Geltung im Deutschen Reich beruhte auf den Vberleitungsvorschriften in der Verfassung des Deutschen Bundes, Art.80 Abs. I Ziff.22, BGBI des Norddeutschen Bundes 1870, S. 627 f. und im § 2 des "Gesetzes betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs. Vom 16. April 1871", BGBI des Deutschen Bundes 1871, S.63. 187 Tittel, S. 1 - 21. 188 UN, International Tax Agreements, vol. III. 189 Zusammenstellung und Fundstellennachweise der DBA über die direkten Steuern bis zum DBA Deutsches Reich-Italien im Anhang III. 190 Die beiden Staaten hatten sich zum Abschluß des DBA in dem vorher abgeschlossenen Wirtschaftsabkommen vom 29. 6. 1920 (RGBI 1920, 2228) verpflichtet. Das gleiche gilt für das DBA Deutsches Reich-österreich, vgl. Dorn, StW 1925, Sp. 1040. 185 186

F. Die historische Entwicklung der Klausel über das Vv.

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"Bei Personen, die in beiden oder in keinem der beteiligten Staaten die Staatsangehörigkeit besitzen, bleibt besondere Vereinbarung von Fall zu Fall vorbehalten." Nach Ziff.l des Schlußprotokolls sollten "Zweüel über die Zugehörigkeit einer Steuer zu den oben bezeichneten Steuerarten ... im Einvernehmen zwischen den obersten Finanzverwaltungsbehörden der beiden Staaten geklärt werden." Entsprechende Bestimmungen sind in etwa der Hälfte der bis Ende 1925 vereinbarten DBA enthalten191 • Das DBA Deutsches Reich-Tschechoslowakei enthielt darüber hinaus erstmals eine Klausel, nach der eine Verständigung nicht nur auf die Fälle der Doppelstaatsangehörigkeit und des Doppelwohnsitzes beschränkt war, sondern die generell eine Regelung allgemeiner Fragen möglich machte: "Artikel XIX Die obersten Finanzverwaltungsbehörden der beiden Staaten können weitere Vereinbarungen im Sinne dieses Vertrages treffen. Sie können insbesondere Bestimmungen über eine angemessene Verteilung des Einkommens im Sinne des Artikels III Absatz 3 vereinbaren l112." Den zweiten Vertrag nach Kriegsende unterzeichneten Österreich und die Tschechoslowakei am 11. 2. 1922. Darin war in Artikel 18 vorgesehen: "Artikel 18 (1) Zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen ist in Einzelfällen, auch wenn diese durch den vorliegenden Vertrag keine ausdrückliche Regelung finden würden, über unmittelbare Anregung der Finanzbehörde des einen Staates bei jener des anderen das Einvernehmen zu suchen. Die beiden Finanzminister werden sich im Notenwechsel über das hierbei einzuhaltende Verfahren einigen. (2) Die beiden Finanzminister werden zur Vermeidung von Härten, die sich aus der Anwendung dieses Vertrages ergeben können oder durch ihn nicht 191 Vgl. für Doppelwohnsitz: Art. lAbs. II Art. lAbs. II Art. 6 Abs. II Art. 7 Abs. II

sachlicher Anwendungsbereich : Ziff.1 SP DBA Österreich-Tschechoslowakei; Ziff. 1 SP DBA Deutsches Reich-Österreich; Ziff.1 SP DBA Ungarn-Tschechoslowakei; Ziff.1 SP DBA Deutsches Reich-Ungarn; Ziff.2 SP DBA Österreich-Ungarn; Ziff.15 Ziff.6 SP DBA Deutsches Reich-Italien. Eine Verständigung nur bei Doppelwohnsitz ist vorgesehen in: Art. 2 Abs. II S.2 DBA Deutsches Reich-Schweiz. Kantone; Art.6 DBA ItalienTschechoslowakei; Art. 1 Abs. II S.4 DBA Österreich-Ungarn. 192 In den nachfolgenden Verträgen enthalten eine Art. XIX S.1 entsprechende Bestimmung: nur Art. II DBA Deutsches Reich - Schweiz. Kantone. Eine Art. XIX S.2 entsprechende Bestimmung (Verständigung über Gewinnaufteilung bei Betriebsstätten in beiden Vertragsstaaten) ist enthalten in: Züf.3 SP DBA Italien - Tschechoslowakei; Art. 3 Abs.III DBA Österreich - Ungarn; Art. 2 Abs. II DBA Polen - Tschechoslowakei; Züf.6 SP DBA Deutsches Reich - Italien. 5·

68

2. Kap.: Grundlagen

beseitigt werden, auch Vereinbarungen in Abänderung oder Ergänzung seiner Bestimmungen, insbesondere auch hinsichtlich des Artikels 11, abschließen können."

Eine Art. 18 Abs. I entsprechende Bestimmung enthält in den nachfolgenden Verträgen nur noch - mit geringfügigen Abweichungen Art. 11 DBA Polen - Tschechoslowakei vom 23.4. 1925. Die Härteklausel in Art. 18 Abs.II war demgegenüber Vorbild für mehrere spätere Verträge113• In dem kurze Zeit nach Abschluß des DBA Österreich-Tschechoslowakei zwischen den Nachfolgestaaten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (Österreich, Italien, Polen, Rumänien, Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) ausgearbeiteten sog. Romvertrag vom 6.4.1922 194 ist in Art. 10 eine Vertragsbestimmung enthalten, die statt der Härte- und Ergänzungsklausel dem Steuerpflichtigen eine Beschwerdemöglichkeit eröffnet. Diese Bestimmung stimmt mit der späteren Klausel über das Verständigungsverfahren i. e. S. in Art. 15 DBA Deutsches Reich-Italien vom 31. 10. 1925 weitgehend übereinlN. "Articolo 10 Allorche e provato che l'azione den autorita finanziarie dei diversi stati ha avuto per i1 contribuente l'effetto di una doppia imposizione, costui potra rec1amare contro tal fatto allo Stato al quale egli appartiene. Se questo reclamo e riconosciuto fondato, 10 Stato in questione potra neU'interesse deI contribuente domandare, per via diplomatica, che le autorita finanziarie degli Stati che hanno fatta la tassazione s'intendano, in modo equo, per evitare la doppia imposizione."

Im DBA Polen-Tschechoslowakei vom 23.4.1925 hat die Verständigungsklausel in Art. 11 erstmals im wesentlichen den Wortlaut der heute in allen deutschen DBA enthaltenen sog. Konsultationsklausel. Zum ersten Mal ist bestimmt, daß Zweifel bei der Anwendung oder Auslegung des Abkommens in billiger Weise im Wege der Verhandlung behoben werden sollen. "Article 11 If in certain particular cases there is doubt as to the application or

interpretation of this Convention or it is impossible, notwithstanding the

193 Eine Art.1B Abs. II entsprechende Klausel enthielten: Art.17 Abs. I DBA Deutsches Reich - Österreich v. 11.2.1922; Züf.4 DBA Deutsches Reich - Polen v. 21. 3.1923; Art. 14 DBA Ungarn - Tschechoslowakei v. 13.7.1923; Art. 14 DBA Deutsches Reich - Ungarn v. 6.11.1923; Art. 15 DBA Österreich - Ungarn vom B. 11. 1924. 194 Dieser sog. Romvertrag ist nur von Österreich und Italien ratüiziert worden. 195 Eine Art. 10 entsprechende Vertragsbestimmung ist auch in den späteren Verträgen Italiens - mit geringen Abweichungen - enthalten, vgl. Art. 10 DBA Italien - Tschechoslowakei vom 1. 3. 1924 und Art. 15 DBA Italien - Deutsches Reich vom 31. 10.1925. In diesen Verträgen fehlen allerdings die Worte "nell' interesse deI contribuente".

F. Die historische Entwicklung der Klausel über das Vv.

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Convention, to prevent double taxation, the Finance Ministers of the two Contracting Parties shall agree upon the most equitable method of dealing with such cases 196." In dem kurze Zeit darauf am 31. 10. 1925 abgeschlossenen DBA Deutsches Reich-Italien ist diese Klausel als Art. 16, 2. Alt. übernommen worden. Ebenfalls wurde aus den beiden früheren italienischen Abkommen die Klausel über das Verständigungsverfahren i. e. S. übernommen. Das Verständigungsverfahren war damit im DBA Deutsches Reich-Italien vergleichsweise ausführlich geregelt: "Artikel 15 Weist ein Steuerpflichtiger nach, daß die Maßnahmen der Finanzbehörden der beiden vertragschließenden Staaten für ihn die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt haben, so kann er hiergegen bei dem Staat, dem er angehört, Einspruch erheben. Wird der Einspruch für begründet erachtet, so kann die oberste Finanzbehörde dieses Staates sich mit der obersten Finanzbehörde des anderen verständigen, um in billiger Weise eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Artikel 16 Zur Beseitigung von Doppelbesteuerungen in Fällen, die in diesem Abkommen nicht ausdrücklich geregelt sind, sowie auch in Fällen von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung und Anwendung dieses Abkommens können die obersten Finanzbehörden der beiden vertragschließenden Staaten besondere Vereinbarungen treffen. Artikel 17 Die vertragschließenden Teile verpflichten sich, die obersten Finanzbehörden beider Staaten mit der billigen Entscheidung einer jeden anderen Frage zu betrauen, die, sei es wegen der Verschiedenheit der für die Steuererhebung in beiden Staaten geltenden Grundsätze, sei es wegen der jetzt oder künftig dem Rechte der beiden Staaten für die Vermögensteuer festgesetzten Stichtage, oder die überhaupt, ohne in diesem Abkommen ausdrücklich entschieden zu sein, auf dem Gebiete der direkten Steuern entstehen könnte. Schlußprotokoll Ziff.17: Es besteht Einverständnis darüber, daß die durch Art. 16 den Finanzbehörden der beiden vertragschließenden Staaten übertragene Befugnis den Zweck hat, die Anwendung der in dem Abkommen aufgestellten Grundsätze auf Fälle zu ermöglichen, die etwa in dem Abkommen nicht vorgesehen oder nicht vollständig geregelt sind, nicht aber den, zu gestatteten, daß Grundsätze aufgestellt werden, die von den in dem Abkommen enthaltenen verschieden sind."

2. Die Verständigungsklauseln in den DBA des Deutschen Reiches seit dem Vertrag mit Italien vom 31.10.1925 Die Regelung des Verständigungsverfahrens im Vertrag mit Italien war Vorbild für die nachfolgenden DBA des Deutschen Reiches t97, in die diese Bestimmungen meist wörtlich übernommen wurden. 196

Übersetzung aus LNTS, vol. XLIV, No. 1091.

2. Kap.: Grundlagen

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Art. 15, 16, 17 Art. 13, 14, 15 Art. 13 Abs. I, Abs. 11 Art. 16, 17, 18 Art. 13, 14, 15 Art. 14, 15, 16 Art. 12, 13 Art. 12, 13, 14 Art. 12, 13, 14

DBA Dt. Reich -Italien entsprechen: DBA Dt. Reich - Schweden vom 25. 4. 1928; DBA Dt. Reich - Schweiz198 vom 15. 7. 1931; DBA Dt. Reich - Frankreich vom 9. 11. 1934; vom 25. 9.1935; DBA Dt. Reich - Finnland vom 8. 2. 1937; DBA Dt. Reich - Rumänien 188 vom 1.12.1938; DBA Dt. Reich - Belgien DBA Dt. Reich - Jugoslawien vom 5. 1. 1940; DBA Dt. Reich - Bulgarien vom 28. 11. 1940.

Damit konnte ein Verständigungsverfahren nach den DBA des Deutschen Reiches im wesentlichen durchgeführt werden: -

wenn die Maßnahmen der Finanzbehörden der beiden vertragschließenden Staaten die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt hatten, um diese Doppelbesteuerung in billiger Weise zu vermeiden,

-

wenn Fälle von Doppelbesteuerungen auftraten, die in dem Abkommen nicht ausdrücklich geregelt waren, oder

-

wenn Schwierigkeiten oder Zweifel bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens auftraten.

Die bislang vielfach verwendete Härteklausel war weggefallen und durch die dem einzelnen Steuerpflichtigen eröffnete Einspruchsmöglichkeit ersetzt, auf deren Geltendmachung hin die Vertragsstaaten eine eingetretene Doppelbesteuerung "in billiger Weise" beseitigen sollten.

3. Zusammenfassung und Vergleich mit den Verständigungsklauseln in den DBA der Bundesrepublik Dieser Überblick über die Verständigungsklauseln in den DBA der europäischen Staaten bis 1925 und den DBA des Deutschen Reiches zeigt, daß Hand in Hand mit dem umfangreicher werdenden Inhalt der DBA die zuständigen Finanzbehörden der Vertragsstaaten in immer stärkerem Maße ermächtigt wurden, zur Klärung von Abkommensfragen unmittelbare Verhandlungen miteinander zu führen. Der überblick zeigt aber zugleich auch, daß die Bestimmungen über das Verständigungsverfahren eine nicht unerhebliche Entwicklung durchlaufen haben. Das gilt vor allem für diejenigen Bestimmungen der Verständigungsklauseln, in denen es um die Beseitigung von Härten oder um Billigkeitsentscheidungen geht. 187 Zusammenstellung der allgemeinen DBA des Deutschen Reiches im Anhang IV. 188 Eine Art. 17 DBA Italien entsprechende Bestimmung fehlt in diesen Abkommen.

F. Die historische Entwicklung der Klausel über das Vv.

71

Am Anfang ist nur vorgesehen, sich in Fällen von Doppelstaatsangehörigkeit und Doppelwohnsitz ins Einvernehmen zu setzen. Schon im ersten DBA nach dem 1. Weltkrieg werden die obersten Finanzbehörden der Vertragsstaaten aber schon ermächtigt, "weitere Vereinbarungen im Sinne dieses Vertrages (zu) treffen"199. Diese "Ergänzungsklausel "200 bleibt allerdings auf das deutsch-tschechoslowakische DBA beschränkt. In den nachfolgenden DBA ist in Anlehnung an das österreichisch-tschechoslowakische Abkommen meist vorgesehen, daß sich die Verhandlungen erstrecken sollen:

-

auf die Vermeidung von Doppelbesteuerungen in Einzelfällen, auch wenn sie durch den Vertrag keine ausdrückliche Regelung gefunden haben201 , oder

-

auf die Vermeidung von Härten, die sich aus der Anwendung des Vertrages ergeben202 bzw. durch den Vertrag nicht beseitigt werd en!03.

Diese Klauseln berühren jeweils nur das zwischenstaatliche Rechtsverhältnis. Das zeigt sich deutlich darin, daß als Verfahrensbeteiligte die "obersten Finanzbehörden" der beiden Staaten o. ä. genannt werden. Über die Rechtsstellung des betroffenen Steuerpflichtigen enthalten sie keine Aussage. Auf die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen bezieht sich erstmals Art. 10 des sog. Romvertrages: Ihm wird eine Beschwerdebefugnis für den Fall eingeräumt, daß die Maßnahmen der Vertragsstaaten zu einer effektiven204 Doppelbesteuerung geführt haben. Art. 10 S. 1 regelt dieses innerstaatliche Rechtsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und seinem Heimatstaat. Art. 10 S. 2 bestimmt als Rechtsfolge, daß die oberste Finanzbehörde des Heimatstaates sich mit der des anderen Staates verständigen soll, um in billiger Weise eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Diese Klausel wurde in das italienisch-tschechoslowakische und das italienisch-deutsche DBA übernommen. In den deutschen DBA löste diese Bestimmung die bis dahin üblichen Härteklauseln ab. 199 Art. XIX DBA Deutsches Reich-Tschechoslowakei. 200 So Dorn, Stw 1928, Sp. 920, StW 1931, Sp. 1042, 1019. 201 DBA Österreich-Tschechoslowakei vom 18.2.1922; DBA Deutsches Reich-Österreich vom 23.5. 1922; DBA Deutsches Reich-Ungarn vom 6. 11. 1923; DBA Deutsches Reich-Italien vom 31. 10. 1925. %02 DBA Österreich-Tschechoslowakei vom 18.2.1922; DBA Deutsches Reich-österreich vom 23.5.1922; DBA Ungarn-Tschechoslowakei vom 13.7. 1923; DBA Deutsches Reich-Ungarn vom 6.11.1923; DBA österreich-Ungarn vom 8. 11. 1924. 203 DBA Österreich-Tschechoslowakei vom 18.2. 1922; DBA Deutsches Reich-Polen vom 21. 3. 1923; DBA Ungarn-Tschechoslowakei vom 13.7. 1923; DBA Österreich-Ungarn vom 8.11.1924. 204 Zur Untscheidung zwischen effektiver und virtueller Doppelbesteuerung vgl. Korn / Dietz / Debatin, Vorbem. III D 3,7; Rädler I Raupach, S.372.

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2. Kap.: Grundlagen

Die heute in allen deutschen DBA enthaltene sog. Konsultationsklausel, nach der Schwierigkeiten oder Zweifel bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens im gegenseitigen Einvernehmen zu beseitigen sind, ist erstmals im DBA Polen - Tschechoslowakei enthalten und fand von dort aus Eingang in die Verträge des Deutschen Reiches. In den nach dem zweiten Weltkrieg abgeschlossenen DBA der BRD sind die Bestimmungen des Art. 16, 1. Alt. und 2. Alt. DBA Italien weitgehend unverändert übernommen worden. Die Verständigungsklausel in den DBA der BRD weisen im Verhältnis zu den Vorkriegsabkommen aber auch einige Veränderungen auf. Einmal fehlt in den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe die Klausel, über Fälle von Doppelbesteuerungen, die in dem Abkommen nicht ausdrücklich geregelt sind, eine Verständigung herbeizuführen. Wichtiger ist aber die Feststellung, daß die Bestimmung in Art. 15 S.2 DBA Italien, die obersten Finanzbehörden der Vertragsstaaten könnten sich auf entsprechenden Einspruch des Steuerpflichtigen "verständigen, um in billiger Weise eine Doppelbesteuerung zu vermeiden", in den nach dem zweiten Weltkrieg abgeschlossenen Verträgen in dieser Form nicht wiederkehrt. In den entsprechenden Bestimmungen der Nachkriegsabkommen ist in den Klauseln über das Verständigungsverfahren i. e. S. von einer Verständigung "in billiger Weise" nicht mehr die Rede. Ebenso weisen die Nachkriegsabkommen eine Art.17 DBA Italien entsprechende Vorschrift nicht mehr auf. Lediglich die Ergänzungsklauseln in den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe enthalten noch die Regelung, daß "zur Beseitigung von Härten auf Grund einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in diesem Abkommen nicht geregelt sind", ein Einvernehmen herbeigeführt werden SOll205. Die Konsultationsklausel betrifft nach Auffassung der Verwaltung aber nicht die Einzelfallentscheidung, sondern die Auslegung und Anwendung des DBA im allgemeinen. Überdies fehlt in den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe eine entsprechende Bestimmung vollständig. Auch im OECD-MA ist in der Parallelvorschrift des Art. 25 Abs. III von einer Beseitigung von Härten nicht mehr die Rede. Auf Grund dieser Veränderungen in der Formulierung der Verständigungsklausel wird es fraglich, ob man dieses Verfahren - wie das teilweise vertreten wird - generell als Billigkeitsverfahren qualifizieren kann. 205 Art.21 Abs. II, 2. Alt. DBA Österreich vom 4.10.1954; Art. 26 Abs.III, 2. Alt. DBA Luxemburg vom 23.8.1958; Art.25 Abs.III, 2. Alt. DBA Norwegen vom 18.11.1958; Art. 25 Abs. II, 2. Alt. DBA Schweden vom 17.4.1959; Art.25 Abs. II, 2. Alt. DBA Niederlande vom 15.6. 1959; Art.25 Abs. III, 2 Alt. DBA Dänemark vom 30. 1. 1960.

F. Die historische Entwicklung der Klausel über das Vv.

73

D. Die Denksduiften zu den deutschen DBA

und die Stellungnahmen Herben Dorns

In dieser Entwicklung der Abkommensregelungen über das Verständigungsverfahren stellt das DBA Italien eine wichtige Stufe dar!OO, weil es statt der bis dahin üblichen Härteklauseln zum ersten Mal in den deutschen DBA dem Steuerpflichtigen eine Beschwerdebefugnis eröffnet, wenn die Maßnahmen der Vertragsstaaten für ihn die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt haben, und weil es erstmals die - in den nachfolgenden DBA wörtlich sich wiederholende - Bestimmung enthält, Schwierigkeiten oder Zweifel bei der Auslegung oder Anwendung des Vertrages durch besondere Vereinbarungen. beizulegen. über die für diese Neufassung der Verständigungsklausel ausschlaggebenden Gründe ist aus den Denkschriften zu den DBA des Deutschen Reiches kaum etwas zu erfahren. Sie sind in den Erläuterungen zur Klausel über das Verständigungsverfahren nahezu ebenso unergiebig wie die amtlichen Begründungen zu den Abkommen der BRD. Das zeigt die folgende Zusammenstellung. Die Verträge mit der Tschechoslowakei und mit Österreich wurden dem deutschen Reichstag gemeinsam vorgelegt. Wegen der weitgehend übereinstimmenden Vertragsabfassung wurden die amtlichen Begründungen in einer Denkschrift zusammengefaßt. Zur Verständigungsklausel heißt es darin: "In beiden Verträgen ist vorgesehen, daß über Fälle von Doppelbesteuerungen, welche in den Verträgen keine ausdrückliche Regelung gefunden haben, sowie zur Beseitigung von Härten, welche auch bei Anwendung der Vertragsgrundsätze bestehen bleiben, zwischen den Finanzministern der beiden Staaten besondere Vereinbarungen getroffen werden sollen207 .'' Die generalklauselartige Regelung in Art. 11 DBA Deutsches ReichSchweizerische Eidgenossenschaft wurde wie folgt begründet: "Da bei den Verhandlungen die Beseitigung von Doppelbesteuerung nur für die im Artikel I geregelten Fälle erzielt werden konnte, sind im Artikel H für die Beseitigung von Doppelbesteuerungen in anderen Fällen unmittelbare Verhandlungen der obersten Finanzverwaltungsbehörden .. , von Fall zu Fall zum Zwecke einer Regelung im Sinne angemessener Verteilung der Steueransprüche vorgesehenl!08." 206 Mit dem DBA Italien beginnt generell ein neuer Abschnitt in der Vertragspraxis des Deutschen Reiches: Es wird unterschieden die 1. Abkommensserie (DBA Tschechoslowakei, Österreich, Ungarn) und die mit dem DBA Italien beginnende 2. Abkommensserie, vgl. Bühter, Lehrbuch des Steuerrechts, H. Bd. (1938), S. 143. 207 RTDrucks I/5316, S.27. 208 RTDrucks 1/6273, S. 4.

74

2. Kap.: Grundlagen Zu Art. XIV DBA Deutsches Reich - Ungarn wird ausgeführt:

"Schließlich läßt Artikel XIV besondere Vereinbarungen der Finanzminister der beiden Staaten zur Beseitigung von Doppelbesteuerung in etwa im Vertrage nicht geregelten Fällen und zur Beseitigung von Härten ZU!09." Etwas ausführlicher ist die Stellungnahme in der Denkschrift zum Abkommen mit Italien, die jedoch über die Gründe für die erweiterte Fassung der Verständigungsklausel nichts aussagt: "Die

Art. 15, 16 und 17 dienen dem Zweck, das Abkommen hinreichend elastisch zu gestalten, um auch in solchen Fällen Abhilfe zu schaffen, die von dem Vertragstext nicht oder nicht vollständig berücksichtigt sind. Ganz allgemein wird dem einzelnen Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben, sich der Doppelbesteuerung zu erwehren, indem er bei seinem Heimatstaat Einspruch einlegt. Wird der Einspruch als berechtigt anerkannt, so sollen sich die beiden Staaten über einen billigen Ausgleich ihrer Steueransprüche verständigen. Allgemeine Ergänzungen des Vertrages im Rahmen der in ihm enthaltenen Grundsätze sollen durch ein einfaches Regierungsabkommen zwischen den obersten Finanzbehörden möglich sein. Auf gleichem Wege sollen Auslegungsschwierigkeiten beseitigt werden (Artikel 16). Der Artikel 17 gibt schließlich die Möglichkeit, Fragen auf dem Gebiete der direkten Besteuerung, auch soweit sie nicht die Doppelbesteuerung betreffen, im Einvernehmen zwischen den obersten Finanzbehörden zur Entscheidung zu bringen210 ." Allerdings war auch schon damals die heute ständig festzustellende übung verbreitet, die amtlichen Denkschriften zu einem DBA kurz, dafür aber die aus der Feder der Delegationsleiter oder -mitglieder stammenden Aufsätze um so ausführlicher zu halten. In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg war das führende Delegationsmitglied bzw. -leiter bei Abschluß der deutschen DBA Herbert Dorn, der auch die vielbeachtete Konzeption des deutsch-italienischen Vertrages entworfen hatte, der Vorbild für viele DBA zwischen Staaten mit verschiedenen Steuersystemen wurden 1 • Dorn bezeichnete Art. XIX DBA Tschechoslowakei und die Parallelvorschriften in den späteren Abkommen als "Ergänzungsklausel"212: "Sie ermächtigt die beiderseitigen Finanzminister - ohne neue diplomatische Vertragsverhandlungen - besondere Vereinbarungen im Sinne und Geiste des Vertrages für Fälle zu treffen, in denen es gilt, Zweifel über den Vertragsinhalt zu lösen oder Lücken zu schließen. Hier legt das Parlament in die Hand der verantwortlichen Verwaltung Pflicht und Recht, mit dem Ziele der Wirtschaftspflege der Doppelbesteuerung abzuhelfen, RTDrucks III/931, S. 18. RTDrucks III11488, S.13. 211 Vgl. Dorn, StW 1926, Sp.97, 118; ders., VJSchrStuFR 1927, S.244. m Dorn, Stw 1928, Sp.920; StW 1931, Sp.1042, 1019.

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G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

75

wo sie auftaucht. So entsteht neues nationales Steuerrecht durch internationale Verwaltungsvereinbarung, ein Recht, das von dem geltenden Recht abweichen kann und vielfach notwendig abweichen wird213 ." In seinem Aufsatz zum deutsch-italienischen DBA sieht Dorn in Art. 15 des Abkommens den "Keim zu einer internationalen Rechtsentwicklung", "die von der Billigkeitsinstanz der zusammenwirkenden Verwaltungsstellen zu einer Rechtsinstanz" führen dürfte. Die Bestimmung des Art. 16 habe zweierlei im Auge, Befriedigung des einzelnen Falles, darüber hinaus aber auch den Ausbau des Gesamtvertrages. Durch die Vorschrift sollten Auslegungsschwierigkeiten durch ein einfaches Regierungsabkommen zwischen den obersten Finanzbehörden, also ohne Inanspruchnahme des diplomatischen Apparates, beseitigt werden können. Auf dem gleichen Wege sollten aber auch allgemeine Ergänzungen des Vertrages im Rahmen der in ihm enthaltenen Grundsätze möglich sein. Mit dieser Bestimmung folge das Abkommen dem Vorbild des deutsch-tschechoslowakischen Vertrages, der den Gedanken der vereinfachten Weiterbildung zuerst enthalten habe. Art. 17 enthalte schließlich die Grundlage für eine internationale Verständigung auch außerhalb des Gebietes der Doppelbesteuerung214 •

G. Die verschiedenartigen Funktionen der Bestimmungen über das Verständigungsverfahren I. Die Funktion von Art. 15 und Art. 16, 1. Alt. DBA-ItaUen Faßt man die Erläuterungen in den zitierten Denkschriften und die Stellungnahmen Dorns zusammen, dann haben Art. 15 und 16, 1. Alt DBA Italien die folgenden Funktionen: Der erstmals in die deutsche Vertragspraxis eingeführte Art. 15 DBA Italien löst die bis dahin üblichen Härteklauseln ab und ersetzt sie durch die Beschwerdemöglichkeit des Steuerpflichtigen. Wenn die Maßnahmen der Vertragsstaaten für den Steuerpflichtigen die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt haben, sollen sich die obersten Finanzbehörden verständigen, um in billiger Weise die eingetretene Doppelbesteuerung zu beseitigen ("Billigkeitsinstanz der zusammenwirkenden Verwaltungsstellen"). Die Funktion des Art. 15 DBA-Italien liegt demnach darin, daß er für den Steuerpflichtigen ein Billigkeitsverfahren eröffnet. Ebenso sieht Art. 17 DBA Italien eine Billigkeitsentscheidung vor. Diese Vertragsbestimmungen können daher als Billigkeitsklauseln bezeichnet werden. 213

214

Dorn, StW 1928, Sp. 920. Dorn, StW 1926, Sp. 115/116.

2. Kap.: Grundlagen

76

Wie erwähnt, ist allerdings Art. 15 DBA-Italien nur in geänderter Fassung in die DBA der BRD übernommen worden. In den entsprechenden Bestimmungen der Nachkriegsabkommen ist in den Klauseln über das Verständigungsverfahren von einer Verständigung "in billiger Weise" nicht mehr die Rede. In den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe ist zwar noch im Rahmen der Ergänzungsklausel eine Beseitigung von Härten in Doppelbesteuerungsfällen, die in dem DBA nicht geregelt sind, vorgesehen. Eine entsprechende Bestimmung fehlt aber in DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe und in den dem OECD-MA nachgebildeten Verträgen vollständig. Art. 16, 1. Alt. DBA Italien bezweckt die vereinfachte Weiterbildung des Vertrages wie schon Art. XIX DBA Deutsches Reich - Tschechoslowakei vom 31. 12. 1921. Die Funktion des Art. 16, 1. Alt. liegt darin, "Fälle, die in diesem Abkommen nicht ausdrücklich geregelt sind", durch allgemeine Ergänzungsvereinbarungen im Rahmen der in dem DBA enthaltenen Grundsätze zu regeln. Art. 16, 1. Alt. DBA Italien ist damit - entsprechend der von Dorn gewählten Formulierung - als Ergänzungsklausel zu bezeichnen. über die Gründe für die Einführung des Art. 16, 2. Alt. DBA Italien, der bislang in den deutschen DBA ohne Vorbild war, heißt es lediglich, daß durch einfache Regierungsabkommen Auslegungsschwierigkeiten beseitigt werden sollten, und zwar sowohl zum Zwecke der Befriedigung des einzelnen Falles als auch zu Zwecken des Ausbaues des Gesamtvertrages. Mit dieser kurzen Charakterisierung bleibt die funktion und der systematische Zusammenhang, in dem Art. 16,2. Alt. steht, allerdings im unklaren. Art. 16, 2. Alt. DBA Italien entspricht Art. 25 Abs. III S.l OECD-MA. Die Verwaltung sieht darin das sog. Konsultationsverfahren geregelt, das "die Auslegung und Anwendung des DBA im allgemeinen" betrifft2UI• Nähere Ausführungen zu Art. 16, 2. Alt. DBA Italien erschienen vielleicht deshalb als überflüssig, weil viele schon bestehende völkerrechtliche Verträge sowohl des Deutschen Reiches als auch anderer Staaten, die andere als steuerrechtliche Regelungen zum Gegenstand hatten, bereits entsprechende Vertragsbestimmungen enthielten, in denen es ebenfalls um die Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des betreffenden Vertrages ging. Die häufige Aufnahme solcher Klauseln in völkerrechtliche Verträge ist die Konsequenz des sich in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg verstärkt ausbreitenden Gedankens der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.

21&

Weber, Verständigungsverfahren, S.212.

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

77

D. Die Aufnahme der sog. Konsultationsklausel in Art. 16, 2. Alt. DBA-Italien als Folge der Ausweitung des Gedankens der internationalen Sdliedsgerichtsbarkeit nach dem 1. Weltkrieg

1. Die Entwicklung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der Neuzeit Wenn bei einem völkerrechtlichen Vertrag Schwierigkeiten oder Zweifel bei dessen Auslegung oder Anwendung auftreten, kann das einen völkerrechtlichen (Rechts-) Streit zur Folge haben. Im 19. Jahrhundert setzte sich der Gedanke durch, derartige Streitigkeiten zwischen Staaten auf schiedsrichterlichem Wege beizulegen2u1 • Der Beginn der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zwischen den Nationalstaaten der Neuzeit kann an den Abschluß des Jay-Vertrages von 1794217 in Amerika geknüpft werden218 • In Europa sind schiedsrichterliche Regelungen vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Form sog. Schiedsklauseln in mehrere Kollektivabkommen2111 und verschiedene Abkommen des zwischenstaatlichen Verkehrs- und Wirtschaftsrechts aufgenommen worden. Einen starken Antrieb erhielt der Schiedsgerichtsgedanke durch die beiden Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907. Zu den auf diesen Konferenzen abgeschlossenen Verträgen, denen auch das Deutsche Reich beitrat220, gehörte jeweils ein "Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle". Im Vierten Titel, Erstes Kapitel dieser Abkommen war die Funktion des Schiedswesens umschrieben: "Die internationale Schiedssprechung hat zum Gegenstand die Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Staaten durch Richter ihrer Wahl auf Grund der Achtung vor dem Rechte." "In Rechtsfragen und in erster Linie in Fragen der Auslegung oder der Anwendung internationaler Vereinbarungen wird die Schiedssprechung von den Signatarmächten als das wirksamste und zugleich der Billigkeit am meisten entsprechende Mittel anerkannt, um die Streitigkeiten zu erledigen, die nicht auf diplomatischem Wege haben beseitigt werden können221 ." 216 Im Rahmen dieser Arbeit ist nur ein kursorischer überblick möglich. Vgl. eingehend: Schlochauer, ArchVR, Bd.10 (1962/63), S. 1 ff. m. w. N.; Lammasch, S. 24 ff.; Schindler, S.1ff.; Stropp, S. 4 f.; Dahm H, S. 454 f.; Berber IH, S. 42 f.; Verdross, S. 420 f.; Oppenheim / Lauterpacht II, § 18 (p. 37 f.) O'Connell H, § 34 (p. 1068 f.); Cavare II, p. 253 f. 217 Clive Parry, The consolidated Treaty Series, vol.52, p. 243 U. 218 Schlochauer, ArchVR, 10. Bd., S.8. 219 vgl. z. B. Art. 16 des Weltpostvertrages vom 9. 10. 1874, RGBI 1875, S. 223 ff. (zum ersten Mal mit obligatorischer Wirkung); Art. 12 der Kongoakte vom 26.2.1885, RGBI 1885, S. 215 ff.; Art.54, 55 der Antisklavereiakte vom 2.7.1890, RGBI 1892, S. 605 ff. 220 RGBI 1901, S. 393 - 481, bzw. RGBI 1910, S. 5 - 375. 221 Art. 15, 16 bzw. Art.37 Abs. 1, 38 des Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle. Vom 29.7.1899 bzw. 18.10.1907.

78

2. Kap.: Grundlagen

Die Haager Friedenskonferenzen initüerten eine erhebliche Zunahme von Schiedsklauseln auch in bilateralen Abkommen. Das zeigt sich deutlich in der Entwicklung der Handelsverträge des Deutschen Reiches2!2. In den Jahren von 1891 bis 1894 schloß das Deutsche Reich umfassende Zolltarifverträge mit Österreich-Ungarn, Italien, Belgien, der Schweiz, Serbien, Rumänien und Rußland, das sog. "System der mitteleuropäischen Handelsverträge"ft3. Durch die Einführung eines neuen Zolltarifs im Zolltarifgesetz vom 14.12.1902224 war eine Revision dieser Abkommen notwendig geworden. Bei Abschluß der neuen Handelsverträge225 wurde dabei erstmals in der bilateralen Abkommenspraxis des Deutschen Reiches eine Schiedsklausel in die Verträge aufgenommen, weil " ... die Erfahrung gezeigt hatte, daß namentlich bei Tariffragen es häufig nicht möglich ist, auf dem diplomatischen oder Korrespondenzwege mit den Vertragsstaaten zu einer Verständigung über hervorgetretene Meinungsverschiedenheiten zu gelangen '" "l!!I8. Die Schiedsklausel bestimmte: "Wenn zwischen den vertragschließenden Teilen über die Auslegung oder Anwendung der dem gegenwärtigen Vertrage beigefügten Tarife ... eine Meinungsverschiedenheit entsteht, so soll sie ... durch Schiedsspruch erledigt werden227." Zusätzlich zu dieser Schiedsklausel wurde in den Verträgen mit Rumänien und Italien unter Abänderung des Schlußprotokolls der früheren Handels-, Zoll- und Schiffahrtsverträge eine Bestimmung aufgenommen, die als Vorläufer zu den Beschwerdeklauseln zu bezeichnen ist, die erstmals in den DBA Italiens enthalten waren228 und von dort aus Eingang in die deutsche DBA-Vertragspraxis fanden. 222 Vgl. dazu auch Schlochauer, ArchVR, Bd.1O (1962/63), 8.19 f.; Wehberg, ZVR, Bd. 7 (1913), S. 153 ff. 223 B. von König, S. 1308 ff. 224 RGBI 1902, S. 303 ff. 225 Sie wurden in der Form von Zusatzverträgen zu den bisherigen Abkommen abgeschlossen. über die Gründe vgl. RTDrucks, 11. Legislaturperiode, zu Nr. 543, S. 2. 226 So die amtliche Begründung für die Einführung der Schiedsklauseln in der o. a. RTDrucks, S. 2. 227 Art. 14 a Zusatzvertrag Italien vom 3.12.1904, RGBI 1905, S. 413 ff.; Art. 12 a Zusatzvertrag Belgien vom 22.6.1904, RGBI 1905, S. 599 ff.; Art. 12 a Zusatzvertrag Rumänien vom 8.10.1904, RGBI 1905, S. 253 ff.; Art. 10 a Zusatzvertrag Schweiz vom 12.11.1904, RGBI 1905, S. 319 ff.; Art. IX k Zusatzvertrag Serbien vom 29.11.1904, RGBI 1906, S. 319 ff.; Art. 23 a Zusatzvertrag Österreich-Ungarn vom 25.1.1905, RGBI 1906, S.143 ff. Der Vertrag mit Rußland vom 28./15.7.1904 (RGBI 1905, S. 35 ff.) enthielt keine Schiedsklausel. 2!8 Art. 10 des sog. Romvertrages vom 6.4. 1922; Art. 10 DBA ItalienTschechoslowakei vom 1. 3. 1924; Art. 15 DBA Italien-Deutsches Reich vom 31. 10. 1925.

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

79

In der Ergänzungsvorschrüt zu Art. 7 des SP zum Vertrag mit Italien war bestimmt229 : "Es besteht Einverständnis, daß bei Beschwerden von Beteiligten eines der beiden vertragschließenden Teile, durch welche die Verzollung nach dem Vertragstarife des anderen staates verlangt wird oder bei denen es sich um die Auslegung von Bestimmungen dieses Tarifs handelt, eine bereits ergangene Entscheidung der zuständigen Behörden letzter Instanz keinen Grund für die Ausschließung weiterer Erörterungen über den Gegenstand der Beschwerde abgeben kann und auch einer etwaigen anderweiten Entscheidung der in Frage stehenden Behörde nicht im Wege stehen soll, vorausgesetzt jedoch, daß die Beschwerde auf diplomatischem Wege und unter Beifügung von Gutachten von Sachverständigen oder einer sonstigen berufenen Stelle innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach dem Tage eingereicht wird, an dem den Beteiligten die erste Entscheidung amtlich bekannt gegeben worden ist. Die auf einen solchen Einspruch ergehende Entscheidung betrifft nur den in Frage stehenden Fall; für diesen ist sie endgültig. Den vertragschließenden Teilen steht es jedoch frei, für den in Frage stehenden und für künftige Fälle die richtige Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags auf Grund des Artikels 14 a desselben herbeizuführen." Den gleichen Wortlaut hatte die Bestimmung im Vertrag mit Rumänien230 , in der im Schlußsatz auf die Schiedsklausei in Art. 12 a verwiesen wurde. Besondere Bedeutung für die Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit hatte der im gleichen Zeitraum abgeschlossene britisch-französische Vertrag vom 14.10.1904231 und die diesem Vertrag nachgebildeten Abkommen!3!, in denen vor allem in Fragen der Vertragsauslegung die Anrufung des Haager "Ständigen Schiedshofes" vereinbart wurde. Ausgenommen waren die Streitigkeiten, welche die "Lebensinteressen , die Unabhängigkeit oder die Ehre der beiden vertragschließenden Teile ... berührten". Mit dieser sog. Ehren- und Interessenklausel233 trat deutlich die schon im Haager Abkommen angelegte Unterscheidung zwischen den rechtlichen und politischen Streitigkeiten hervor. Die Unterscheidung zwischen den rechtlichen (legal disputs, düferends d'ordre juridique) und den politischen Streitigkeiten kann als Wesensmerkmal der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit angesprochen werden. Nahezu alle der damaligen Schiedsgerichtsverträge trennten zwischen diesen beiden RGBl 1905, S.420/421. RGBI 1905, S. 258/259. 231 Traites generaux d'arbitrage, communiques au Bureau International de la Cour Permanente d' Arbitrage, Serie 1, p. 33. 232' z. B. der deutsch-britische Vertrag vom 12.7.1904, Traites generaux d'arbitrage, Serie 1, p. 66. 233 Vgl. dazu Partsch, WBV II, S.410; Mosler / Bräutigam, WBV III, 5.321 m. w. N.; Schindler, S. 85 ff. 22'9

230

80

2. Kap.: Grundlagen

Gruppen und regelten die Art der Streiterledigung in unterschiedlicher Weise. In der Regel wurde für die rechtlichen Streitigkeiten ein schiedsrichterlicher oder gerichtlicher Entscheid vorgesehen, für die politischen ein Vermittlungsverfahren234 • Es ist zwar in der Völkerrechtswissenschaft bestritten, ob zwischen Rechtsstreitigkeiten und politischen Streitigkeiten eine begriffliche Unterscheidung möglich ist23S• Diese Unterscheidung liegt jedoch unzweifelhaft der Völkervertragspraxis2311 zugrunde. So kehrt auf den weiteren wichtigen Stationen in der Entwicklung der internationalen (Schieds-) Gerichtsbarkeit: -

der Satzung des Völkerbundeg!37 (Art. 12, 13) und dem Statut des Ständigen Internationalen Gerichtshofg238 (Art. 36),

-

den ca. 250 bilateralen Schieds- und Vergleichsverträgen, für die der deutsch-schweizerische Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrag vom 3.12. 19211139 teilweise als Modell diente (vgl. dort Art. 2 ff., Art. 13 ff.),

-- der sog. Genfer Generalakte240 (Art. 17 ff., Art. 21 ff.), -

der Charta der UN%41 (Art. 33 ff., Art. 92 ff.) und dem Statut des Internationalen GerichtshofS= (Art. 36),

-

dem American Treaty on Pacific Settlement143 (Pact of Bogota), (Art. 31 ff.),

-

und im Europäischen Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten!44 (Art. 1 ff., Art. 4 ff.)

diese Unterscheidung und die Einordnung der Vertragsauslegung und -anwendung unter die rechtlichen Streitigkeiten wieder. Schindler, S.63; Schlochauer, WBV III, S.185/186; Verdross, S.146. Hoffmann, S.25 m. w. N.; Dahm II, S. 495 f.; Berber III, S.41/42; Oppenheim / Lauterpacht II, § 17 (p. 30 " ... of doubtful scientific value ...ce); Guggenheim, Lehrbuch, S. 604 f.; Waldock, S. 58 f. 234

235

236 Einen Überblick über Schiedsgerichtsvereinbarungen und Schiedsklauseln vermitteln die beiden von den UN herausgegebenen Sammelwerke: - Systematic survey of Treaties for the Pacific Settlement of Internationl Disputes 1928 - 1948, New York 1949, und - A Survey of Treaty Provisions of the Pacific Settlement of International Disputes 1949 -1962, New York 1966. 237 RGBI 1919, S.717. 238 LNTS, vol. 6, p. 379 (391). 239 RGBI 1922 I, S. 217 ff. = LNTS, vo1.12, p. 272 ff. 240 LNTS, vol. 93, p. 343 ff. 241 Yearbook of the United Nations 1946 - 47, p. 831; BGBI 1973 II, S. 431 ff. 242 ICJ, Series D, No. 1, p. 37; BGBI 1973 II, S.505. 243 UNTS, vol. 30, p. 55 ff. 244 UNTS, vol. 320, p. 243 = BGBI 1961 II, S. 82 ff.

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

81

Festzuhalten ist demnach, daß die Frage der Auslegung und Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrages den rechtlichen Streitigkeiten zugeordnet24i und die Schiedsgerichtsbarkeit als das wirksamste Mittel der friedlichen Erledigung eines Streites um Rechtsfragen angesehen wirdWl•

2. Auswirkungen dieser Entwicklung auf die DBA-Modellverträge des Völkerbundes Der Gedanke der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit wirkte sich auch auf die unter der Leitung des Völkerbundes ausgearbeiteten Musterabkommen zur Vermeidung zwischenstaatlicher Doppelbesteuerung aus247 • Diese Musterabkommen sahen regelmäßig zur Beilegung eines Streites aus der Anwendung oder Auslegung des Abkommens ein ..- teilweise mehrphasiges - Schiedsverfahren vor. Als Beispiel kann auf die Musterabkommen der Regierungsexperten und die des Fiskalausschusses verwiesen werden. Die vom Völkerbund in der Zeit vom 22. - 31. 10. 1928 nach Genf einberufene Konferenz von Regierungssachverständigen bestätigte die bis dahin geleistete Vorarbeit der technischen Sachverständigen in ihren großen Linien248 • In dem Bericht der Hauptversammlung der Regierungssachverständigen über Doppelbesteuerung und Steuerausweichung an den Rat und die Mitglieder des VölkerbundegM9 waren drei Vertragsentwürfe für die direkten Steuern enthalten. Jeweils die bei den letzten Artikel dieser Vertragsentwürfe enthielten eine Ergänzungsklausel und eine Rechtsschutzklausel. In den Erläuterungen zum Vertragsentwurf Nr.1 a heißt es zu der Rechtsschutzklausel in Art. 14: "Es blieb noch das Verfahren in Streitsachen über die Auslegung oder die Anwendung des Vertrages zu regeln. Dieses Verfahren wird durch Art. 14 geregelt, welcher sich an den in anderen zwischenstaatlichen Abmachungen aufgenommenen Wortlaut anlehnt, namentlich in jener wegen Vereinfachung der Zollförmlichkeiten, unterzeichnet in Genf am 3.11.1923 ...1150." 245 246

Verfehlt daher Tittel, S. 72 H.

Schlochauer, WBV III, S. 185.

247 Zur Tätigkeit des Völkerbundes auf diesem Gebiet vgl. Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 14 ff.; Teichner, Int. Steuerrecht, S. 108; Dorn, StW 1928, Sp. 49 ff. 248 Dorn, Stw 1931, Sp. 1006. M9 Drucksache des Völkerbundes C. 562. M. 178. 1928 Ir; veröffentlicht auch im FA, 46. Jahrgang (1929), S. 401 ff. 250 Das Deutsche Reich ist diesem multilateralen Abkommen zur Vereinfachung der Zollförmlichkeiten mit Gesetz vom 23.7.1925 beigetreten (RGBI 1925 II, S. 672). Zu Art. 13 und 14 des Vertragsentwurfs Nr.1 a vgl. auch die Stellungnahme von Dom, StW 1931, Sp. 1019/20.

6 Mülhauaen

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2. Kap.: Grundlagen

Auch der Fiskalausschuß des Völkerbundes votierte in seinen Musterabkommen für die Aufnahme eines Schiedsverfahrens in die DBA. So enthielt in dem Bericht des Fiskalausschusses an den Völkerbundesrat das von Barandon entworfene Modell eines mehrseitigen Vertrages!!;1 in den Art. 17 - 21 eine ausführliche Schiedsklausel252• Auf weitere Einzelheiten soll hier nicht eingegangen werden, weil jedenfalls diese Klauseln der Musterabkommen keinen Eingang in die Vertragspraxis gefunden haben.

3. Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Vertragspraxis des Deutschen Reiches nach dem 1. Weltkrieg Nach dem Ende des ersten Weltkrieges hatte das Deutsche Reich durch den Abschluß des allgemeinen deutsch-schweizerischen Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrages vom 3.12. 1921l153 , dem ersten Abkommen dieser Art, maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit genommen. In der Denkschrift zu diesem Modellvertrag wird ausgeführt, zur Zeit bestehe für Deutschland eine rechtlich bindende Verpflichtung zur schiedsrichterlichen Austragung von Staatel1streitigkeiten lediglich auf Grund der in einer Reihe von Einzelverträgen aufgenommenen Klausel, wonach die bei Auslegung und Anwendung dieser Einzelverträge sich ergebenden Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu unterbreiten seien. Die Reichsregierung glaube sich aber künftig nicht mehr damit begnügen zu dürfen, dem Schiedsgedanken dadurch Geltung zu verschaffen, daß sie die Aufnahme einer Schiedsklausel in die abzuschließenden einzelnen Staatsverträge anstrebe. Sie wolle vielmehr versuchen, durch den Abschluß allgemeiner Schiedsgerichts- und Vergleichsverträge internationale Streitfragen auf dem Schiedsweg zu lösen254 • Bei Abschluß der neuen Wirtschafts- und Handelsabkom~en, die das Deutsche Reich nach dem ersten Weltkrieg vereinbarte, ist es 'aber schon nicht einmal in allen Fällen gelungen, in die Verträge eine Schiedsklausel aufzunehmenla5S• Im Bereich der Steuerrechtsverträge hat man 251 Drucksache des Völkerbundes C. 415. M. 171. 1931 II. 252 Text der Klausel auch bei Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 563/ 564. 253 RGBl 1922 II, S. 217 ff. 254 RTDrucks 1/3455, S. 5. 255 VgI. die Handelsverträge mit: Österreich vom 1. 9. 1920, RGBl 1920, S. 2295 ff.: Schiedsklausel in Art. 29; Tschechoslowakei vom 29.6.1920, RGBl 1920, S.2240: ohne Schiedsklausel; USA vom 8.12.1923, RGBl 1925 II, S. 795 ff.: ohne Schiedsklausel; England vom 2.12.1924, RGBl 1925 II, S. 777 ff.: Schiedsklausel in Art.30; Belgien vom 4.4.1925, RGBl 1925 II, S. 883 ff.: ohne Schiedsklausel; Italien vom 31. 10. 1925, RGBl 1925 II, S. 1020 ff.: Schiedsklausel in Art. 38; Schweden vom 14.5.1926, RGBl 1926 11,

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

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zwar seit dem DBA mit Italien eine Bestimmung aufgenommen, die - insoweit übereinstimmend mit den Schiedsklauseln - die Beseitigung von "Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens" zum Gegenstand hatte. Sie sollten aber nicht durch ein Schiedsorgan, sondern durch "besondere Vereinbarungen ... (der) obersten Finanzbehörden der beiden vertragschließenden Staaten ... " beseitigt werden. Damit hat von den in der Völkerrechtspraxis verwendeten Mitteln zur friedlichen Beilegung einer internationalen Streitigkeit nicht die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit, sondern das diplomatische Streiterledigungsmittel der Verhandlung Aufnahme in die deutschen DBA gefundenll58:

In. Die Konsultationsklausel der DBA als diplomatisches Streiterledigungsmittel der Verhandlung 1. Die völkerrechtlichen Mittel zur friedlichen

Beilegung internationaler Streitigkeiten

Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit zählt in der Völkerrechtsdogmatik zu den Mitteln zur friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten. Sie sind in Art. 33 der Charta der UN257 beispielhaft aufgezählt. Völkerrechtssubjekte können als Mittel zur friedlichen Beilegung einer zwischenstaatlichen Streitigkeitl!S8 wählen zwischen: "negotiation, enquiry, mediation, conciliation, arbitration, judical settlement ... or other peaceful means of their own choice." Diese nicht vollständige Aufzählung259 der Streiterledigungsmittel wird in der Völkerrechtswissenschaft eingeteilt in drei Hauptgruppen: - diplomatische Streiterledigungsmittell!l6O -

internationale Schiedsgerichtsbarkeit

-

internationale Gerichtsbarkeit.

Die diplomatischen Streiterledigungsmittel und die internationale Schiedsgerichtsbarkeit sind nach folgendem Kriterium abzugrenzen: S. 383 ff.: ohne Schiedsklausel; Schweiz vom 14.7.1926, RGB11926 II, S. 675 ff.: Schiedsklausel in Art. 15; Frankreich vom 14.8.1926, RGBl 1926 II, S. 435 ff.: ohne Schiedsklausel. 256 Ebenso Tittel, S. 72. 257 Yearbook of the United Nations 1946 - 47, p.831. 258 Vgl. Kunzmann, WBV IIr, S. 402 f.; Dahm II, S. 445 ff.; Berber IIr, S. 27 ff.; Guggenheim, Lehrbuch, S. 604 f.; Waldock, p. 77 f.; Oppenheim I Lauterpacht II, p. 3 ff.; Cavare II, p. 221 ff. 259 Es fehlen z. B. die "guten Dienste" (good offices, bons offices). 260 Dazu werden gezählt: negotiation, enquiry, mediation, good offices, conciliation.

2. Kap.: Grundlagen

84

Bei den diplomatischen Streiterledigungsmitteln bleiben die Parteien Herren des Verfahrens. Bei der Schiedsgerichtsbarkeit liegt demgegenüber die Sachentscheidung nicht mehr in der eigenen Hand der Streitteile, sondern sie ist einem von den Streitparteien verschiedenen Organ anheimgegeben!81. Der Streit wird - wie es bei den Haager Friedenskonferenzen hieß - durch Richter entschieden, mögen diese ihr Amt auch - im Unterschied zur internationalen Gerichtsbarkeit - der Wahl der Streitparteien verdanken. Da beim Verständigungsverfahren die Schwierigkeiten oder Zweifel bei der Auslegung oder Anwendung des DBA von den Streitparteien selbst, nicht aber von dritten Personen - den Richtern ihrer Wahl beseitigt werden, gehört dieses Verfahren nicht in den Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. In den deutschen DBA ist lediglich in Art. 10 des multilateralen Abkommens vom 18. Mai 1956 über die Besteuerung von Straßenfahrzeugen zum privaten Gebrauch im internationalen Verkehr eine Schiedsklausel enthalten. Das Verständigungsverfahren ist aber auch kein Vergleichsverfahren, wie Guggenheim!8! und Schindler!A annehmen. Das diplomatische Streiterledigungsmittel des Vergleichs (conciliation) ist ein Verfahren zur Streiterledigung, in welchem der Streitfall einer Kommission vorgelegt wird. Deren Aufgabe besteht darin, die Tatsachen aufzuklären (insoweit enquiry) und einen Bericht zu erstatten, der Vorschläge für eine Streiterledigung enthält. Dieser Vorschlag hat aber nicht den bindenden Charakter eines Schiedsspruchs oder Urteils"'. Das Verständigungsverfahren nach Art. 16, 2. Alt. DBA Italien ist demnach dem diplomatischen Streiterledigungsmittel der Verhandlung zuzuordnen. Nach einer Definition des PCIJ ist darunter zu verstehen: u ••• negotiation is the legal and orderly administrative process by which governments in the exercise of their unquestionable power, conduct their relations one with another and discuss, adjust and settle, their differencesJllll." Von den Verhandlungen (negotiation) wird teilweise noch als weiteres Mittel der Streiterledigung die Konsultation (consultation) unterschieBerber III, S. 40. Guggenheim, Lehrbuch, S. 696, Fußn. 39. 283 Schindler, S. 198. 284 Vgl. Oppenheim / Lauterpacht II, § 11 a (p. 12); CaV'are II, p. 247; Dahm H, S. 450 f.; Berber HI, S. 36 f.; Schindler, S. 183 ff.; insb. Jean Pierre Cot, 241

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La conciliation international, Paris 1968. 285 PCIJ, Series A, No.2, p.62/63 (Mavrommatis-Konzessionen-Fall); vgl. zur Bedeutung von Verhandlungen als Mittel zur friedlichen Streiterledigung: H. G. Darwin in Waldock: International Disputes, p. 77 f.; Oppenheim / Lauterpacht H, § 4 f. (p. 6 f.); Dahm H, S.446; Berber III, S.32; de Waart, The element of negotiation in the pacific settlement of disputes between states, Den Haag 1973.

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

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den. Soweit jedoch mit Konsultationsklauseln bezweckt wird, die friedliche Beilegung von Streitigkeiten zu fördern, ist die rechtliche Bedeutung solcher Bestimmungen nicht zu unterscheiden von einer VerhandlungsklauseI286 • Deswegen kann die Bezeichnung "Konsultationsklausel" für das in Art. 16, 2. Alt. DBA Italien vorgesehene diplomatische Streiterledigungsmittel der Verhandlung für die weitere Untersuchung zunächst beibehalten werden. Die Verträge, die als Beispiele für die Verwendung von KonsultationsklauseIn in der Völkervertragspraxis genannt werden, haben regelmäßig einen ausgeprägten politischen Charakter, wie z. B. die Pan American ConventionsU1 , die nach dem ersten Weltkrieg abgeschlossenen Bündnisverträgel!68 oder der Nato-Vertrag269• Darin zeigt sich, daß das adäquate Mittel zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten nicht die "Verhandlung", sondern die (Schieds-) Gerichtsbarkeit ist. Die diplomatische Streiterledigung durch Verhandlung mag im Bereich politischer Verträge angemessen sein. Eine Klärung von Rechtsfragen, die bei der Auslegung und Anwendung des DBA auftreten, kann dadurch aber letztlich nicht herbeigeführt werden. In dieser Inadäquanz liegt eine der Unzulänglichkeiten des Verständigungsverfahrens begründet!70.

2. Rechtsfolgen der Qualifikation der Konsultationsklausel als diplomatisches Streiterledigungsmittel Mit dem diplomatischen Streiterledigungsmittel der Verhandlung ist in die DBA dasjenige der Mittel zur friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten aufgenommen worden, welches die geringstmögliche Bindung der Vertragsstaaten zur Folge hat. Die aus der Streitbeilegungsklausel resultierende Rechtspfiicht der Staaten besteht allein darin, beim Auftreten von Schwierigkeiten oder Zweifeln in der Auslegung oder Anwendung des Abkommens in Verhandlungen einzutreten, um sie einvernehmlich zu beseitigen. Die Streitbeilegungsklausel der DBA ist ein pactum de negotiando211• Oppenheim I Lauterpacht II, § 6 a (p. 8). Vgl. Oppenheim I LauteTpacht II, § 6 a (p.8), § 11 c (p. 14 f.). 268 Vgl. die Nachweise bei Schindler, S. 201 f. U9 Art.4 of the North Atlantic Treaty of April 4, 1949, UNTS, vol.34, p.243. 270 Die von Tittel, S. 72 ff. vorgebrachte Kritik ist daher berechtigt. Seine Folgerung, das Verständigungsverfahren sei demnach ein politisches Streiterledigungsverfahren, überzeugt jedoch nicht. Tittel geht allerdings unter Berufung auf WengleT, Völkerrecht, S. 701 ff., von einem weiten Begriff der politischen Streiterledigung aus, die immer schon dann vorliegen soll, wenn die Objektivität im Sinne richtiger Rechtsfindung wegen fehlender Unabhängigkeit der Mitglieder des Entscheidungsorgans nicht gesichert sei (S.74). 2M

267

86

2. Kap.: Grundlagen

Nach dem Festlandsockel-Urteil des IGH272 resultiert aus einem pactum de negotiando die folgende Verpflichtung: "The parties are under an obligation to enter into negotiations with a view to arriving at an agreement, and not merely to go through a formal process of negotiation as a sort of prior conditions ... they are under an obligation so to conduct themselves that the negotiations are meaningful, which will not be the case when either of them insist upon its own position without contemplating any modification of it; the parties are under an obligation to act in such a way that ... equitable principles are applied ..." Ein pactum de negotiando schließt nicht die Pflicht zur Herbeiführung des streiterledigenden Einvernehmens ein. Lediglich soweit in den DBA vorgesehen ist, daß die Staaten weitere Vereinbarungen treffen werden, z. B. bei Fragen der Anwendung des DBA auf künftige Steuern, liegt darin ein pactum de contrahendo273, das die Rechtspflicht zum Abschluß der Vereinbarung begründet. Rechtsfolge eines pactum de negotiando ist, daß während der laufenden Verhandlungen kein anderes Streiterledigungsmittel in Anspruch genommen werden kann. Eine weitere Rechtsfolge liegt darin, daß jeder Staat im Falle einer Einigung verpflichtet ist, das erzielte Ergebnis in seinem Hoheitsbereich durchzusetzen. Das folgt aber schon aus dem allgemeinen Grundsatz des "paeta sunt servanda" und ist nicht charakteristisch für die Verständigungsklausel. Grundsätzlich gibt es für die Einhaltung einer Konsultationspflicht keine Sanktion274 • Die sich aus der Streiterledigungsklausel ergebende Rechtsfolge ist identisch mit der aus der Ergänzungsklausel (Art. 16, 1. Alt. DBA Italien; Art. 25 Abs.III S. 2 OECD-MA) resultierenden Rechtsfolge. Die Ergänzungsklausel begründet für die Vertragsstaaten die völkerrechtliche Pflicht, auf Verlangen des anderen Teils Verhandlungen aufzunehmen, um besondere Vereinbarungen zur Beseitigung von Doppelbesteuerungen zu treffen, die in dem Abkommen nicht ausdrücklich geregelt sind. Ebenso ist die Klausel in Art. 17 DBA Italien und die Parallelvorschriften in den anderen vom Deutschen Reich abgeschlossenen DBA ein pactum de negotiando. Im Zusammenhang mit dieser Pflicht zur Aufnahme von Verhandlungen ist die in allen DBA enthaltene Bestimmung zu sehen, daß die "zuständigen Behörden der Vertragsstaaten zur Herbeiführung einer 271 Zum pactum de negotiando vgl. Hahn, AWD 1972, S. 489 ff.; Dahm III, S.67, II, S.446; Berber III, S.32; WengIer, Völkerrecht, S.859, mit Hinweis auf das Verständigungsverfahren in Fußn.4. 272' ICJ, Reports 1969, p.47; ähnlich schon PCIJ, Series AlB, No. 42, p.1l6 (Advisory opinion im Fall Railway Traffic between Lithuania and Poland). 173 Zum pactum de contrahendo vgl. Dahm III, S.66; Berber IU, S.48; McNair, p. 27 f.; Kron, Pactum de contrahendo im Völkerrecht, Köln 1971 (Diss.). 274 Gra'Iww, WBV U, S. 289.

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

87

Einigung ... unmittelbar miteinander verkehren können"27s. Grundsätzlich ist für die zwischenstaatlichen Beziehungen seines Landes der jeweilige Außenminister zuständig276• Um den Weg über das in Steuerrechtsfragen fachlich ungeeignete Außenministerium zu vermeiden, können die Finanzministerien unter Umgehung des normalen diplomatischen Verkehrs unmittelbar miteinander verhandelnl!77. 3. Abgrenzung des Verständigungsverfahrens zur internationalen Amtshilfe in Steuersachen

Die Funktion der Konsultationsklausel besteht in der Beseitigung eines völkerrechtlichen Rechtsstreites zwischen den Signatarstaaten des DBA, der aus Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des Vertrages entstanden ist. Das wird deutlicher, wenn man sich die Grundzüge der Rechtsanwendung vergegenwärtigt. Eine solche Skizze gestattet gleichzeitig, das Verständigungsverfahren von der internationalen Rechtshilfe in Steuersachen abzugrenzen. Die Rechtsanwendung besteht darin, daß ein Lebenstatbestand unter die maßgebende Rechtsregel subsumiert wird, so daß sich eine bestimmte Rechtsfolge ergibt278 • Der Syllogismus der Rechtsanwendung lautet279 : T - R Für jeden Fall von T gilt R S = T Der Sachverhalt S ist ein Fall von T

(Obersatz) (Untersatz)

S-RFürSgiltR

(Conclusio)

Mit diesem Syllogismus ist nur der einfachste Fall gekennzeichnet. Er läßt aber erkennen, daß die Rechtsanwendung ihren Schwerpunkt bei der Bildung des Untersatzes hat. Der Untersatz kann nur gebildet werden, wenn erstens festgestellt wurde, was tatsächlich geschehen ist und zweitens diese festgestellten Tatsachen unter den Rechtsbegriff untergeordnet (subsumiert) werdenl!80. Es können daher die folgenden Stufen der Rechtsanwendung unterschieden werden281 : 275 276 277 278 279 280

281

So z. B. Art. 25 Abs. IV S. 1 OECD-MA. Berber I, S. 270 f., 418; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr.667. Ebenso Schulze-Brachmann / Dirksen, C, XIX, Rdnr.2. Tipke / Kruse, § 1 StAnpG, Rdnr.2; Enneccerus / Nipperdey, S.311. Larenz, S. 230. Engisch, S. 50 f. Evers, Sp.1658 f.; Engisch, S. 50 f.; Larenz, S. 228 f.

88

2. Kap.: Grundlagen

1. Ermittlung und Feststellung des Lebenssachverhalts, 2. Subsumtion des Sachverhalts unter die Rechtsnorm, 3. Ausspruch der Rechtsfolge.

Die Ermittlung und Feststellung des steuerlich relevanten Sachverhalts ist hoheitliche Tätigkeit (Steuerverwaltungsrecht). Bei einem internationalen Steuerfall ereignet sich der steuerlich relevante Sachverhalt in (wenigstens) zwei Staaten. Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet sind "in Ermangelung eines permissiven Völkerrechtstitels grundsätzlich unzulässig"282. Den deutschen Steuerbehörden ist es daher grundsätzlich nicht erlaubt, Steuerermittlungstätigkeit auf fremden Hoheitsgebieten durchzuführen. Sie sind auf die Möglichkeiten beschränkt, die in den steuerlichen Rechts- und Amtshilfeabkommen und den Rechtshilfeklauseln der DBA vereinbart wurden. Diese sehen aber nur einen Auskunftsaustausch vo:rU3. Die zur Erledigung des Rechtshilfeersuchens notwendigen Ermittlungen nimmt die zuständige Behörde des ersuchten Staates jeweils für ihr Hoheitsgebiet nach den dort geltenden Rechtsnormen vor. Da nur ein Rechtsanwendungsorgan bei dem ersten Schritt auf dem Weg der Anwendung der DBA-Norm, der Ermittlung und Feststellung des steuerlich relevanten Sachverhaltes, tätig wird, können hier keine Divergenzen auftreten. Ebensowenig können infolge der Anwendung des völkerrechtlichen Vertrages durch zwei souveräne Rechtsanwender bei der dritten Stufe der Rechtsanwendung Divergenzen auftreten: Die Feststellung der Rechtsfolge nach vollzogener Subsumtion gehört in den Bereich der Logik. Divergenzen können aber auftreten bei der zweiten Stufe der Rechtsanwendung, der Subsumtion des Sachverhaltes unter die Rechtsnorm. Subsumtion setzt Auslegung der Rechtsnorm voraus284 • Auf dieser Stufe der Rechtsanwendung greift das Verständigungsverfahren ein: seine Funktion besteht darin, die einheitliche Auslegung und Subsumtion der in den DBA enthaltenen Rechtssätze in den beiden Vertragsstaaten sicherzustellen. Die divergierenden Entscheidungen bei der Auslegung und Anwendung eines DBA können demnach in Auslegungs- und Subsumtionskonflikte eingeteilt werden. Debatin2811 unterscheidet ebenfalls die Fälle der divergierenden Auslegung286 und der unterschiedlichen Würdigung 282 Geck, WBV I, S.795; vgl. auch Bilhler, Prinzipien, S. 132 f.; Herzfeld, VJSchrStuFR 1932, S. 437 f. 283 Menck, DStZ (A) 1971, S. 60 f. !84 Larenz, S. 29lf.; Engisch, S. 57 f. Z'86 Debatin, A WD 1969, S. 485. 288 Debatin, aaO, VII B 2.

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

89

der tatsächlichen Verhältnisse287 bei übereinstimmender Auslegung der Abkommensbegriffe. In den Fällen divergierender Auslegung spricht er von Subsumtionskonflikten. Das erscheint jedoch als wenig sachgerechte Begriffsprägung. Unter Subsumtion ist die Beurteilung des Sachverhaltes auf Grund der Tatbestandsmerkmale zu verstehen, also die Zuordnung des Sachverhaltes Sl zum Tatbestandsmerkmal T1 288• Wenn bei diesem Urteil, nämlich daß dieser bestimmte Sachverhalt ein Fall dieses gesetzlichen Tatbestandsmerkmals ist, Divergenzen auftreten, ist die Bezeichnung Subsumtionskonflikt zu verwenden. Es ist mehrfach versucht worden, für die bei der Anwendung und Auslegung der DBA auftretenden Schwierigkeiten oder Zweifeln Fallgruppen zu bilden. So wird bei Rosendorff-Henggeler2 89 unterschieden zwischen Qualifikations-, Definitions-, Ermessens- und Zurechnungskonflikten. Wengler!OO, trennt zwischen Enumerations-, Zurechnungs-, Definitions-, Ermessens- und Subsumtionskonflikten. Spitaler291 difderenziert die Qualifikationskonflikte nach den zu qualifizierenden Rechtsinsti tuten: 1. Die Qualifikation ausländischer Steuern bei der Feststellung der

Gleichartigkeit,

2. die Qualifikation ausländischer Unternehmensformen zur Feststel-

lung, ob eine Beteiligungsform noch eine Personal- oder bereits eine Kapitalbeteiligung darstellt,

3. die Qualifikation der Rechte als bewegliche oder unbewegliche

Sachen, sowie die Frage, nach welchem Recht sich die Zubehöreigenschaft bestimmter Gegenständen richtet.

Diese Einteilungen haben nur beschreibende Funktion. Von juristischer Bedeutung, nämlich daß sich aus der unterschiedlichen Klassifikation unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben, sind sie nicht. Geht man von dem oben dargestellten Rechtsanwendungsschema aus, lassen sich im Grundsatz nur zwei Gruppen trennen: die Subsumtions- und die Auslegungskonflikte.

287 288 289

2'90 291

Debatin, aaO, VII B 3. Larenz, S. 254. Rosendorjf / Henggeler, S. 230 ff. WengIer, Doppelbesteuerung, S. 12 f., 78, 107. Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 558 f.

90

2. Kap.: Grundlagen IV. Die Doppelfunktion der Konsultationsklausel: Das Verständigungsverfahren als Mittel zur einheitlichen Anwendung des DBA

1. Das Verständigungsverfahren als Mittel korrektiver Maßnahmen Subsumtions- und Auslegungskonflikte führen dazu, daß trotz Abschluß eines DBA "Fälle internationaler Doppelbesteuerung, die durch Abkommen nicht gelöst werden", bestehen bleiben. Das Fortbestehen einer Doppelbesteuerung trotz Abschluß eines DBA hat im wesentlichen zwei Gründe292• Der erste ergibt sich aus der bei jedem Gesetz auftretenden Lückenproblematik. Der zweite Grund für das Fortbestehen einer Doppelbesteuerung folgt daraus, daß die Bestimmungen der DBA zunächst durch unabhängig voneinander handelnde, nationale Rechtsanwendungsorgane der Besteuerung zugrundegelegt werden. Werden Rechtssätze durch zwei voneinander unabhängige, nationale Rechtsanwendungsorgane angewendet, wird es in der Regel zu divergierenden Entscheidungen kommen. Die Entwicklung des vereinheitlichten Wechsel- und Scheckrechts hat mit besonderer Deutlichkeit gezeigt293, wie sich die Auslegung von Abkommensvorschriften durch den nie völlig auszuschließenden Einfluß des nationalen Rechtsdenkens auseinanderentwickelt und damit die für den Vertrag angestrebte Rechtseinheit verfehlt wird. Auslegungsdivergenzen im Bereich der DBA werden häufig dadurch hervorgerufen, daß sie "unbestimmte Rechtsbegriffe" enthalten. Man versucht zwar, die einheitliche Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe präventiv dadurch sicherzustellen, daß sie im Vertrage selbst oder in den dem Vertrag beigefügten Schlußprotokollen und Briefwechseln definiert werden. Das geschieht aber einmal nicht für alle unbestimmten Rechtsbegriffe, zum anderen geben diese Legaldefinitionen selbst wieder Auslegungszweifeln Raum. Zu diesen Schwierigkeiten kommt hinzu, daß die Rechtsanwendungsorgane der Vertragsstaaten die Abkommensbestimmungen häufig aus den divergierenden nationalen Steuerrechtsordnungen heraus auslegen und anwenden. Die Rechtfertigung hierfür wird in der. sog. lex fori Klausel gesehen, die - mit Ausnahme der Verträge mit Italien. Finnland und Österreich - in allen DBA enthalten ist294 • Sie bestimmt: "Bei Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder nicht anders definierte 292 Fischer, AWD 1961, S. 92; Kolbeck, IFA-Vorträge Köln 1962/63, S.21/22; Mersmann, Ertragsbesteuerung, S.191; Rädler / Raupach, S.373. 293 Vgl. Riese, RabelsZ, 26.Jahrg. (1961), S.612; Hirsch, NJW 1961, S. 1089 f. 294

Vgl. Anhang I.

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

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Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses staates über die steuern zukommt, welche Gegenstand des Abkommens sind2911." Es liegt auf der Hand, daß bei extensiver Anwendung der lex fori Klausel divergierende Entscheidungen zur Regel werden. Divergierende Entscheidungen bei der Würdigung eines internationalen Steuerfalls führen dazu, daß die durch das DBA bezweckte Vermeidung oder Milderung einer internationalen Doppelbesteuerung nicht erreicht wird. Im innerstaatlichen Bereich ist das Mittel, divergierende Entscheidungen bei der Anwendung von Rechtssätzen zu vermeiden, die Institutionalisierung eines obersten Gerichtshofes. Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist auf Grund des Art. 95 Abs. II! GG in der BRD ein Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gebildet worden. Für den zwischenstaatlichen Bereich gilt nichts anderes. Als Schulbeispiel kann auf die Errichtung des Europäischen Gerichtshofes durch den EWG-Vertrag296 verwiesen werden. Nach Art. 164 EWGV sichert der EuGH die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des EWGV. Die einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts bei dessen Anwendung durch nationale Rechtsanwendungsorgane soll durch das Institut des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 EWGV sichergestellt werden297 • Entsprechend weitgehende Gewährleistungen für eine einheitliche Auslegung und Anwendung fehlen für den Bereich der DBA. Das auf der Grundlage der Streitbeilegungsklausel durchgeführte Verständigungsverfahren i. e. S. ist demnach Ersatz für eine zwischenstaatliche (Schieds-) Gerichtsinstanz in Steuersachen298 • Divergierende Entscheidungen der nationalen Rechtsanwendungsorgane bei der Auslegung oder Anwendung der DBA sollen durch korrektive Maßnahmen im Verhandlungswege beseitigt werden.

So die Formulierung in Art. 3 Abs. II OECD-MA. BGBI 1957 II, S. 766 ff. 297 Parellelen zum Vorabentscheidungsverfahren nach Art.l77 EWGV weisen die Art. 108 ff. des Vertrages vom 15. Juni 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen (BGBl 1958 II, S. 129 ff.) auf. Das danach errichtete Schiedsgericht hat die Aufgabe, für Verfahren, die vor den Gerichten oder den sonst zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten über Streitigkeiten gemäß Art. 99 des Abkommens anhängig sind, durch Beschluß bindende Gutachten abzugeben, u. a. über die Anwendbarkeit und Auslegung des Vertrages. Zu den übereinstimmungen und Unterschieden zwischen diesem Verfahren und dem nach Art. 177 f. EWGV vgl. Seidl-Hohenveldern, The Austrian-German Arbitral Tribunal, p. 46 ff. 298 Ebenso Teichner, stw 1965, Sp. 345. %95

296

92

2. Kap.: Grundlagen

2. Das Verständigungsverjahren als Mittel präventiver Maßnahmen

Die Bedeutung eines Subsumtionskonfliktes ist immer auf den Einzelfall beschränkt. Auslegungskonflikte sind allgemeiner Natur. Es empfiehlt sich daher bei Auslegungskonflikten, die durch einen konkreten Steuerfall aktualisierte Interpretationsfrage durch Auslegungsvereinbarung für diesen und alle künftigen Fälle zu beheben. Dann hat das zu einer allgemeinen Auslegungsvereinbarung auf der Grundlage der Konsultationsklausel führende Verständigungsverfahren ebenso wie die bei Vertragsabschluß vereinbarten Legaldefinitionen präventive Funktion299• Bei den erwähnten Zolltarifabkommen des Deutschen Reiches mit Italien und Rumänien ist diese Möglichkeit von den Vertragsstaaten ins Auge gefaßt und in der Klausel über die Beschwerdebefugnis der Abgabenpflichtigen ausdrücklich formuliert worden, daß auf der Grundlage der in den Verträgen enthaltenen Schiedsklauseln nachträgliche Interpretationsvereinbarungen abgeschlossen werden konnten. Das auf der Grundlage der Konsultationsklausel von den Vertragsstaaten durchgeführte Verständigungsverfahren kann demnach dazu dienen: 1. die in einem Einzelfall aufgetretenen Schwierigkeiten oder Zweifel bei der Auslegung oder Anwendung des DBA zu beseitigen. Dann hat es korrektive Funktion und ist inadäquater Ersatz für eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit.

2. die durch einen Einzelfall aktualisierten Schwierigkeiten oder Zweifel bei der Auslegung eines Abkommensbegriffs durch nachträgliche Interpretationsabkommen zu beseitigen. Dann hat es ebenso wie die bei Vertragsabschluß vereinbarten Legaldefinitionen präventive Funktion im Hinblick auf die Anwendung des DBA durch unabhängig voneinander entscheidende nationale Rechtsanwendungsorgane300. Nach der Terminologie der Finanzverwaltung ist im ersten Fall vom Verständigungsverfahren i. e. S., im zweiten Fall vom Konsultationsverfahren zu sprechen. 299 Zu der Unterscheidung zwischen den präventiven und korrektiven Maßnahmen zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten und den verschiedenen Möglichkeiten, die sich im völkerrechtlichen Bereich hierfür anbieten, vgl. Rest, S. 162 ff. und 192 ff. 300 Ähnlich Studer, S.83/84: das Verständigungsverfahren i. e. S. habe richterliche, das allgemeine Verständigungsverfahren habe gesetzgeberische Funktion.

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

93

V. Die Struktur der Klausel über das Verstlndlgungsverfabren in den von der Bundesrepublik Deutscllland abgesclllossenen DBA

Im DBA Italien vom 31. 10. 1925 haben die Konsultationsklausel, die Ergänzungsklausel und die Billigkeitsklausel verschiedene, jeweils eigenständige Funktionen. Entsprechendes gilt auch für das DBA Finnland. Die Konsultationsklausel in Art. 16, 2. Alt. (= Art.25 Abs. III S.l OECD-MA) hat korrektive Funktion, soweit auf ihrer Grundlage ein Subsumtions- oder Auslegungskonflikt im Einzelfall beseitigt werden soll. Sie hat präventive Funktion für die Anwendung des DBA, soweit auf ihrer Grundlage eine allgemeine Auslegungsvereinbarung zustande kommt. Die Ergänzungsklausel in Art. 16, 1. Alt. DBA Italien (= Art. 25 Abs. III S. 2 OECD-MA) soll "allgemeine Ergänzungen des Vertrages im Rahmen der in ihm enthaltenen Grundsätze ... durch einfaches Regierungsabkommen zwischen den obersten Finanzbehörden"301 ermöglichen. Völkerrechtlich stellt die Ergänzungsklausel ebenso wie die Konsultationsklausel ein pactum de negotiando dar. Art. 15 DBA Italien eröffnet ein Billigkeitsverfahren. Satz 1 der Klausel bezieht sich auf das innerstaatliche Rechtsverhältnis des Steuerpflichtigen zu seinem Heimatstaat. Satz 2 bestimmt als Rechtsfolge bei Begründetheit des Einspruchs, daß zwischen den obersten Finanzbehörden der Versuch einer Verständigung unternommen werden soll, um in billiger Weise eine eingetretene Doppelbesteuerung zu vermeiden. In Art. 17 haben sich die vertragschließenden Teile verpflichtet, ihre obersten Finanzbehörden mit der billigen Entscheidung jeder Frage zu beauftragen, die auf dem Gebiet der direkten Steuern entstehen könnte. Die Konsultationsklausel in Art. 16, 2. Alt und die Ergänzungsklausel in Art. 16, 1. Alt. DBA Italien sind in die Nachkriegsabkommen im wesentlichen unverändert übernommen worden. Im OECD-MA sind sie in Art. 25 Abs. III S.l und 2 enthalten. Für die Billigkeitsklauseln im DBA Italien trifft das nicht zu. Die Bestimmungen der Nachkriegsabkommen, die das Einwendungsrecht des Steuerpflichtigen regeln, sehen nicht mehr eine Entscheidung "in billiger Weise" vor. Von den Nachkriegsabkommen ist nur noch in den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe innerhalb der Ergänzungsklausel von einer "Beseitigung von Härten auf Grund einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in diesem Abkommen nicht geregelt sind", die Rede. 301 Denkschrift zum DBA Italien, RTDrucks Ill/1488, S. 13.

2. Kap.: Grundlagen

94

In den Nachkriegsabkommen der kontinental-europäischen Abkommensgruppe ist Voraussetzung für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens die Einwendung eines Steuerpflichtigen, daß die Maßnahmen der Finanzbehörden der Vertragsstaaten für ihn die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt haben, die den Grundsätzen des Abkommens widerspricht. In diesem Fall sollen sich die Vertragsstaaten zu verständigen versuchen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Nach den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe muß eine "den Vorschriften des Abkommens widersprechende Doppelbesteuerung" eingetreten sein. "Werden die Einwendungen des Steuerpflichtigen als begründet erachtet", so werden die Vertragsstaaten anstreben, sich "über eine Vermeidung dieser Doppelbesteuerung zu verständigen"302. Das OECD-MA setzt für die Einwendungsbefugnis des Steuerpflichtigen voraus, daß die Maßnahmen eines Vertragsstaates oder beider Vertragsstaaten zu einer Besteuerung geführt haben, die dem Abkommen nicht entspricht. Dann sollen sich die Vertragsstaaten bemühen, den Fall durch Verständigung so zu regeln, daß eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung vermieden wird. Damit geht es auch in den Bestimmungen der Nachkriegsabkommen über die Einwendungsbefugnis des Steuerpflichtigen um die Beseitigung von Verstößen gegen die Vorschriften des Abkommens, also um die Korrektur von Rechtsverletzungen. Folglich entsprechen diese Bestimmungen der Nachkriegsabkommen in ihrer Funktion der Konsultationsklausel, soweit sie Grundlage korrektiver Maßnahmen ist. Da die Art.15 DBA Italien entsprechenden Regelungen der Nachkriegsabkommen ihrem Wortlaut nach kein Billigkeitsverfahren mehr eröffnen, haben sie insoweit ihre eigenständige Funktion neben der Konsultationsklausel verloren. Die Konsultationsklausel bezieht sich aber - ebenso wie eine völkerrechtliche Schiedsklausel - allein auf das zwischenstaatliche Rechtsverhältnis der Vertragsstaaten. Art. 15 S.l DBA Italien bezieht sich auf das Rechtsverhältnis zwischen dem antragstellenden Steuerpflichtigen und dem "Staat, dem er angehört". Daher ist das Verhältnis der Konsultationsklausel zu den Nachfolgebestimmungen des Art. 15 DBA Italien, die ihre eigenständige Funktion als Billigkeitsklausel verloren haben und nach denen nur noch Einwendungen gegen Rechtsverletzungen der DBA-Bestimmungen geltend gemacht werden können, so zu sehen, daß diese die innerstaatliche Seite, die Konsultationsklausel die zwischenstaatliche Seite des Verfahrens zur Beseitigung einer Rechtsstreitigkeit im Einzelfall durch korrektive Maßnahmen regelt. Dieses Ergebnis zeigt, daß die in der Verwaltung vertretene Auffassung über die Struktur der Verständigungsklausel verfehlt ist. In der 302

So Art. 17 Abs. I S. 2 DBA USA 1954.

G. Die verschiedenart. Funktionen der Bestimmungen über das Vv.

95

Verwaltung wird unterschieden zwischen dem in Art. 25 Abs. I und 11 OECD-MA geregelten Verständigungsverfahren i. e. S. und dem in Art.25 Abs.III OECD-MA geregelten Konsultationsverfahren. Jenes betreffe die sich in bestimmten Einzelfällen ergebende Doppelbesteuerung, dieses die Auslegung und Anwendung des DBA im allgemeinen. Schon aus den Denkschriften zu den DBA des Deutschen Reiches und den Äußerungen Dorns ergibt sich, daß Art. 16, 2. Alt. DBA Italien = Art. 25 Abs. III S. 1 OECD-MA sowohl die Einzelfallentscheidung wie die Klärung allgemeiner Fragen zum Gegenstand hat303• Als Mittel zur friedlichen Beilegung zwischenstaatlicher (Rechts-) Streitigkeiten bezieht sich die Konsultationsklausel des Art. 25 Abs. III S. 1 OECD-MA allerdings nur auf das zwischenstaatliche Rechtsverhältnis der Vertragsstaaten. Soweit es um die Klärung einer Einzelfallentscheidung geht, ist die innerstaatliche Seite des Verfahrens in Art. 25 Abs. I und 11 OECD-MA geregelt. Die Auffassung der Verwaltung über die Struktur der Verständigungsklausel wird schon widerlegt durch die Vertragsbestimmung über Doppelwohnsitzfälle im DBA Österreich (Art. 16). Steuerpflichtige mit Doppelwohnsitz werden für die Anwendung des DBA als in dem Staat ansässig angesehen, in dem sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben. Ist das bei einem Steuerpflichtigen nicht festzustellen, "werden die obersten Finanzbehörden der Vertragsstaaten sich nach Art. 21 verständigen". Art.21 Abs. I bestimmt, daß die Finanzministerien "unmittelbar miteinander verkehren" können, Art. 21 Abs. II enthält die Konsultationsklausel und die Ergänzungsklausel. Als Grundlage für die zwischenstaatlichen Verhandlungen über die Klärung einer Einzelfallentscheidung wird damit auf die Konsultationsklausel verwiesen304 • Die hier vertretene Auffassung der systematischen Struktur der Verständigungsklausel ergibt sich für die Verträge der kontinentaleuropäischen Abkommensgruppe auch aus der systematischen Stellung der betreffenden Bestimmungen. In diesen Abkommen sind die Konsultationsklausel und die Ergänzungsklausel in einem Vertragsartikel im Anschluß an die Bestimmung enthalten, nach der die zuständigen Finanzbehörden - unter Ausschaltung der Außenministerien - unmittelbar miteinander verkehren können. Die Bestimmungen über die Einwendungsbefugnis des Steuerpflichtigen sind - von dieser Klausel getrennt - in einem anderen Vertragsartikel geregelt. Das zeigt, daß die Konsultationsklausel und die Ergänzungsklausel sich allein auf das zwischenstaatliche Rechtsverhältnis beziehen, während die Bestimmungen über das Einwendungsrecht des Steuerpflichtigen das innerstaatliche Vgl. oben, 2. Kapitel, F., II. Das gleiche gilt für: DBA Luxemburg (Art.3 Abs.III, Art.26); DBA Niederlande (Art. 3 Abs. III, Art. 25). 303

304

96

2. Kap.: Grundlagen

Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und dessen Heimatstaat berühren. Das damit gewonnene Bild der Struktur der Verständigungsklausel weicht von der Auffassung der Verwaltung nicht unerheblich ab. Deshalb stellt sich die Frage, ob nicht auch eine andere Terminologie zu wählen ist. Derartigen Begrüfsbestimmungen haftet meist aber ohnehin eine gewisse Willkür an. Es empfiehlt sich daher nicht, das ohnehin unter noch nicht gefestigten Begriffen leidende Gebiet des internationalen Steuerrechts durch einen weiteren Taufakt zu bereichern. Behält man die in der Verwaltung vorherrschenden Bezeichnungen bei, so bezeichnet das Verständigungsverfahren i. e. S. die Einzelfallentscheidung, deren zwischenstaatliche Seite in Art. 25 Abs. III S. 1 OECD-MA und deren innerstaatliche Seite in Art. 25 Abs. I und II OECD-MA geregelt ist, und bezieht sich der Begriff Konsultationsverfahren sowohl auf die Verhandlungen über allgemeine Auslegungsvereinbarungen (Art. 25 Abs. III S. 1 OECD-MA) als auch über allgemeine Ergänzungsvereinbarungen (Art. 25 Abs. III S. 2 OECD-MA). Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, daß das Verständigungsverfahren kein einheitliches Institut ist, sondern verschiedene Funktionen hat. Die herausgearbeitete Vielgestaltigkeit der Verfahrensziele macht es unmöglich, einheitliche Grundsätze für "das" Verständigungsverfahren aufzustellen. Sinnvoll können nur die für die verschiedenen Verfahrensarten und deren jeweilige Abschnitte geltenden Grundsätze dargestellt werden. Dabei wird jeweils der völkerrechtliche und der innerstaatliche Bereich zu trennen sein. Anzufangen ist mit der Überprüfung des Verständigungsverfahrens

i. e. S. zur Beseitigung einer im Einzelfall aufgetretenen Schwierigkeit

bei der Auslegung oder Anwendung des DBA. Danach ist das Verständigungsverfahren i. e. S. als Billigkeitsverfahren zu untersuchen. Denn die Frage nach einer Billigkeitsentscheidung tritt erst dann auf, wenn die nach der rechtsfehlerfreien Anwendung des DBA geklärt ist. Bei der Untersuchung des Verständigungsverfahrens als Billigkeitsverfahren kann von den Billigkeitsklauseln in den noch geltenden Vorkriegsabkommen ausgegangen werden. Für die Nachkriegsabkommen stellt sich die Frage, ob sie überhaupt noch eine Entscheidung "in billiger Weise" zulassen, weil diese Formulierung in den Nachkriegsabkommen nicht mehr enthalten ist. Nach diesen sich jeweils auf eine Einzelfallentscheidung beziehenden Verständigungsverfahren ist auf die Verständigungsverfahren zur Klärung allgemeiner Fragen einzugehen, und zwar zunächst auf die Verständigungsverfahren mit dem Ziel von Auslegungsvereinbarungen, danach diejenigen mit dem Ziel von Ergänzungsvereinbarungen. Am Schluß sind schließlich die sog. vorweggenommenen Verständigungsverfahren zu behandeln.

Drittes Kapitel

Das Verständigungsverfahren im engeren Sinne zur einheitlichen Anwendung des DBA in den Vertragsstaaten A. AufgabensteIlung: Einheitlidle Anwendung des DBA in den Vertragsstaaten

Das Verständigungsverfahren i. e. S. hat die Aufgabe, die einheitliche Auslegung und Anwendung des DBA in den Vertragsstaaten durch korrektive Maßnahmen sicherzustellen. Es ist insoweit Ersatz für eine internationale (Schieds-) Gerichtsbarkeit in Steuersachen. Ein großer Teil der Fälle, in denen Schwierigkeiten oder Zweüel bei der Auslegung oder Anwendung des DBA auftreten und die im Wege des Verständigungsverfahrens durch das inadäquate Mittel der "Verhandlung" bereinigt werden müssen, entstehen dadurch, daß über die für DBA geltenden Auslegungsgrundsätze Schwierigkeiten oder Zweüel bestehen. Nach Eckhardt gehört die Frage der Auslegung von DBA zu den ungelösten Problemen des IStRl. Solange aber in bezug auf diese Auslegungsgrundsätze Schwierigkeiten oder Zweifel bestehen, muß es zwangsläufig bei der rechtlichen Beurteilung internationaler Steuerfälle zu divergierenden Entscheidungen kommen. Eine Untersuchung über die für DBA geltenden Auslegungsgrundsätze mag dem Steuerpraktiker vielleicht überflüssig erscheinen. Denn DBA gehören zu den Rechtsquellen des nationalen Steuerrechts und die Frage der Auslegung von Steuerrechtsnormen gehört zu einem der meistbehandelten Gebiete dieser Wissenschaft. Zwischen den DBA als Steuerrechtsquellen und dem "normalen" staatlichen Recht bestehen aber Unterschiede, die auch Auswirkungen für die Auslegung von DBA haben. I. DBA als RecDisqueUen des Sieuerredais

Die Rechtsnatur der DBA als Rechtsquellen des Steuerrechts wird meist ohne nähere Ausführungen mit dem Hinweis begründet, es handele sich um internationale Staatsverträge, die durch Transforma1

Vorwort zu Mersmann, Ertragsbesteuerung.

7 Mülhausen

98

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

tionsgesetz nach Art. 59 Abs. II S. 1 GG Bestandteil des deutschen Rechts werden2 • Diese Kurzformel versperrt den Blick auf die Problematik, die an dieser Nahtstelle des Völkerrechts zum nationalen Recht herrscht. DBA sind zunächst völkerrechtliche Verträge. Kennzeichen eines völkerrechtlichen Vertrages ist, daß er zwischen Völkerrechtssubjekten in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger abgeschlossen wird3 • DBA haben den Zweck, die sich überschneidenden Steueransprüche der Vertragsstaaten zu begrenzen. Sie sind ein "System" von Steuerverzichten4, sie regeln "nur die Verteilung der Steuerquellen"5. Wegen dieser Einschränkung der Steuerhoheit6 sind sie völkerrechtliche Verträge. Als Völkerrechtsverträge gehören sie zu den Rechtsquellen des Völkerrechts und entfalten Rechtswirkungen zunächst nur zwischen den Vertragspartnern. Ob Völkerrechtsnormen im innerstaatlichen Bereich gelten, ist Gegenstand der Theorien des Monismus und Dualismus. 1. Das Verhältnis von Völkerrecht zum Landesrecht: Monismus und Dualismus

Die Frage nach dem Verhältnis des Völkerrechts zum Landesrecht (nationalen Recht) gehört zu einem jener rechtswissenschaftlichen Grundprobleme, zu dem es nahezu ebensoviele Meinungen wie Autoren gibt. Es kann nun allerdings nicht Aufgabe dieser Untersuchung sein, in epischer Breite den gesamten Theorienstreit zu dieser Frage wiederzugeben und auf die monistischen Theorien mit Primat des Staatsrechts und diejenigen mit Primat des Völkerrechts in ihrer strengen und gemilderten Ausprägung einzugehen, wobei auf die naturrechtliche und die rechtslogische Wurzel der monistischen Theorien sowie auf den Unterschied zwischen Kelsens reiner Rechtslehre und dem soziologischen Monismus hingewiesen werden müßte, oder die Entwicklung der dualistischen Theorie von Triepels strengem Dualismus bis zu der neuestens wiederum von Rudolf vertretenen gemilderten dualistischen Auffassung zu schildern7 • Denn die heute allein vertretenen Theorien 2 Rädler/ Raupach, S.368; Kruse, § 7 V 4 (S.73); Tipke, AWD 1972, S.590; ders., Grundriß, S.70; GrossjeId, S.19. 3 McNair, p.35; Oppenheim I Lauterpacht I, § 491, p.877; Verdross, S.143; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr.141; Rudolj, S.62. 4 Dorn, StW 1926, Sp.98; Becker, StW 1939, Sp.763; Rädler I Raupach, S.369; Mersmann, Ertragsbesteuerung, S.59; Vogel, DB 1959, S.32; Debatin,

DStZ (A) 1962, S. 9. 6 BFH, BStBl 1965 Irr, S.352; BFH, BStBl 1965 Irr, S.738. 6 Kritisch zu diesem Begriff Vogel, DStR 1968, S.427. 7 Rudolj, S. 128 ff. m. w. N.; Guggenheim, WBV Irr, S. 651 ff.; Dahm I, S. 53 f.; Berber I, S. 91 f.; Verdross, S. 111 f.; Seidl-Hohenveldern, Rdnr. 377 f.; Oppenheim I Lauterpacht I, § 20 f. (p. 37 f.); O'Connell I, p. 37 ff.; Cavare I, p. 168 f.; Rousseau, p. 37 f.

A. Aufgabenstellung: Einheitliche Anwendung des DBA

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des gemäßigten Monismus und des eingeschränkten Dualismus führen zu denselben praktischen Ergebnissen. Eine Problemlösung ist für den praktischen Vollzug völkerrechtlicher Normen im innerstaatlichen Bereich nicht "unumgänglich geboten"8. Auf die Streitfrage einzugehen erübrigt sich deshalb, weil übereinstimmung darüber herrscht, daß kein Grundsatz des Völkerrechts besteht, der anordnet, Völkerrechtsgebote müßten uIimittelbar innerstaatliche Geltung haben. Den Staaten obliegt lediglich kraft Völkerrechts die Pflicht, ihre Rechtsordnung den Völkerrechtsgeboten anzupassen9• über den Weg, auf dem dies geschieht, sagt das Völkerrecht nichts 10. Ebenso besteht übereinstimmung darüber, daß innerstaatliche Hoheitsakte der Gesetzgebung, der Rechtsprechung oder der Verwaltung, die völkerrechtlichen Geboten widersprechen, nicht kraft Völkerrechts nichtig sindll , sondern nur die völkerrechtliche Haftung des betreffenden Staates begründen. Schließlich ist festzustellen, daß nach der Staatenpraxis die Frage der Anwendung des Völkerrechts im innerstaatlichen Bereich vom nationalen Recht selbst beantwortet wird. Der "moderne Staat, der in die Völkerrechtsgemeinschaft eingegliedert ist, (nimmt) es für sich in Anspruch ... und (vermag) diesen Anspruch auch tatsächlich durchzusetzen ... , selbst darüber zu befinden, welche von der Völkerrechtsgemeinschaft ausgearbeiteten Normen in dem seiner Hoheitsgewalt unterworfenen Gebiet von den Rechtsanwendungsorganen und Rechtsunterworfenen zu beachten sind"1!. Voraussetzung für die innerstaatliche Anwendung von Völkerrecht durch nationale Rechtsanwender ist ein entsprechender staatlicher RechtsanwendungsbefehPlt.

8 Kraus, Festschrift für Rudolf Laun 1953, S.223; Menzel, Völkerrecht, S.53; Partsch, S.25; Wagner, AöR 89 (1964), S.238 ("Was die Staatenpraxis bei der innerstaatlichen Durchsetzung des Völkerrechts angeht, so sind beide Theorien gleichwertig"); Maunz / Diirig / Herzog, Art. 25, Rdnr.10; Rudolf, S. 143 (vgl. aber auch S. 145); Fitzmaurice, RC 92 (1957 II), S.71 hält den Streit zwischen Monisten und Dualisten für "unreal, artificial and strictly beside the point" (kritisch zu Fitzmaurice aber Guggenheim, WBV III, S.653/654; Rudolf, S. 144, Fußn.91). 9 PCIJ, Series B 10, p.20 (Gutachten über den griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch); Partsch, S. 31 f.; Boehmer, S. 2/3; Rudolf, S.143. 10 Partsch, S. 40. 11 PCIJ, Series A, No.7, p.40 (Chorzow-Fall); PCIJ, Series AlB, No. 49, p.336 (Auslegung des Memel-Status); Rudolf, S.143; Boehmer, S. 2/3; Partsch, S. 114 f.; SeidL-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr.384. 12 Partsch, S. 25; ebenso Boehmer, S. 3 (Fußn. 12 m. w. N.); Mosler, Praxis, S.7; Guggenheim, WBV III, S.656. 13 Partsch, S.33, 38; Vogel, DStR 1968, S.429; Mössner, AWD 1968, S.260.

100

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

2. Die Vbernahme des Völkerrechts in das innerstaatliche Recht: Transformations- und Vollzugslehre Die übernahme des Völkerrechts in den innerstaatlichen Bereich regelt das GG in Art. 25 für das Völkergewohnheitsrecht und Art. 59 Abs. II für das Völkervertragsrecht. Art. 25 "bewirkt, daß diese Regeln (die allgemeinen Regeln des Völkerrechts) ohne ein Transformationsgesetz, also unmittelbar, Eingang in die deutsche Rechtsordnung finden . .. Art. 25 verändert ... nicht den Inhalt der Völkerrechtsregel und der daraus etwa herzuleitenden Ansprüche, insbesondere nicht deren Adressaten"14. Für das Völkervertragsrecht bestimmt Art.59 Abs.II S.l GG: "Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes." Nach der Rechtsprechung des BVerfG haben die "Zustimmungsgesetze zu Verträgen mit auswärtigen Staaten, sog. Vertragsgesetze, . .. einen doppelten Charakter. Sie stellen sich zunächst als Beschluß der gesetzgebenden Körperschaften dar, der den Bundespräsidenten ermächtigt, den Vertrag für die Bundesrepublik endgültig abzuschließen. Sie transformieren zugleich den Inhalt des völkerrechtlichen Vertrages insoweit in innerstaatliches Recht, als sie ihn sowohl für die staatlichen Organe als auch - falls er sich auf das rechtliche Verhalten der Staatsbürger bezieht _. für diese verbindlich machenI5." Das Vertragsgesetz hat demnach zunächst eine Ermächtigungsfunktion. Daneben hat es die Aufgabe, den Völkerrechtsvertrag, "falls er sich auf das rechtliche Verhalten der Staatsbürger bezieht", in das nationale Recht einzuführen1•. Die Ermächtigungsfunktion ist kaum umstrittenl7 • Kontrovers ist jedoch die Frage, wie die zweite Funktion des Vertragsgesetzes verstanden werden muß. Der Streit geht darum, ob das Vertragsgesetz im Sinne einer Transformation18 oder eines Vollzuges (bzw. Adoptionl 9) 14 BVerfGE 27, 253 (274) unter Hinweis auf BVerfGE 18, 440 (448).

15 BVerfGE 1, 396 (410); BVerfGE 6, 290 (294); ebenso BVerfGE 30, 272 (284 f.) und Maunz I DilTig I Herzog, Art.59 Rdnr. 22 f.; Rudolf, S. 200 f.; Reichel, S. 72 f. 16 Neben diesen beiden Funktionen des sog. Vertragsgesetzes wird teilweise noch als drittes von einer Garantiefunktion (Rudolf, S.212 m. w. N.) oder einer Kontrollfunktion (Hermann Wilfried Bayer, S.113) gesprochen. 17 Vgl. Menzel, VVDStRL, Bd.12 (1954), S.195, 253 f.; MosleT und Grewe, ebd., S. 239 f., 260; Maunz I Dürig I Herzog, Art.59 Rdnr.22; Mosler, Praxis, S. 18; PigoTsch, S.78, 84 f.; BoehmeT, S. 23; a. A. 1]. Mangoldt I Klein, Art. 59 IV 7 (S. 1145 f.) und Kaufmann, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, S.446; vgl. dazu die Kritik bei Rudolf, S. 201 f.

A. Aufgabenstellung: Einheitliche Anwendung des DBA

101

von Völkerrecht in den nationalen Rechtsbereich verstanden werden muß. Die Stellungnahme zu diesem Theorienstreit hängt nicht notwendig davon ab, welche Auffassung für das Verhältnis des Völkerrechts zum Landesrecht zugrundegelegt wird20 • Transformations- und Vollzugslehre stimmen darin überein, daß nur diejenigen Vertragsbestimmungen vom Völkerrecht in das nationale Gesetz übernommen werden, die self-executing sind!l. Auf diese von beiden Theorien gemeinsam vorgenommene Differenzierung zwischen Völkerrechtsnormen, die self-executing sind, und solchen, die nonself-executing sind, ist als erstes einzugehen. a) self-executing Völkervertragsregeln Regeln des Völkerrechts können von nationalen Organen nur angewendet werden, wenn sie ihrem Inhalt nach zu einer solchen Anwendung geeignet sind. Es gibt Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen, die sich schon ihrem Wortlaut nach nur an die Staaten wenden. Man spricht von non-self-executing Vertragsbestimmungen. Hierzu sind regelmäßig z. B. die Schlußbestimmungen völkerrechtlicher Verträge zu zählen, die Vorschriften etwa über die Vertragsrevision oder -kündigung enthalten. Den Gegensatz bilden die Vertragsbestimmungen, die unmittelbar von nationalen Organen angewendet werden können, ohne daß es außer dem Erlaß eines Rechtsanwendungsbefehls weiterer Akte des staatlichen Gesetzgebers bedarf. Sie werden self-executing genanntft • Das RG hat die Frage der unmittelbaren Anwendungsfähigkeit einer Völkervertragsbestimmung an Hand folgender Formel entschieden: "Soweit eine Vorschrift nach Inhalt, Zweck und Fassung ohne weiteres, d. h. ohne daß es noch eines weiteren völkerrechtlichen oder staatsrechtlichen Aktes bedarf, privatrechtliche Folgen auszulösen geeignet ist, kann sich der einzelne darauf berufen!3." In der Lehre hat die RG18

Die Transformationslehre ist in neuerer Zeit vertreten worden von

Rudolf, S. 171; Pigorsch, S. 81 f. Einen Überblick über ihre Entwicklung gibt Rudolf, S. 158 f.

19 Vollzugslehre und Adoptionslehre sind nur verschiedene Bezeichnungen derselben Theorie: so Partsch, S.19; Rudolf, S.165. Sie wird vertreten von Mosler, Praxis; Partschj Boehmer. Einen Überblick über ihre Entwicklung gibt Rudolf, S. 151 t. 20 Partsch, S. 24 f., 33. 21 Mosler, Praxis, S.20; Partsch, S.20, 106 f.; Boehmer, S.8/9; Pigorsch, S. 82 f.; Rudolf, S. 171 f. l!l! über den Unterschied zwischen Völkerrechtsregeln, die self-executing bzw. non-self-executing sind, vg1.: Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr. 394 f.; Bernhardt, Abschluß, S. 25 f.; Rudolf, S. 74 f.; Berber I, S.101l102; insb. Koller, S. 31 f. m. w. N. und die übersicht von Bleckmann, S.17 H. m. w. N. 23 RGZ 117. 284 (285); 119, 156 (162); 121, 7 (9); 124, 204 (205).

102

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Formel weitgehend Zustimmung gefunden%4. Der BGH hat die RGFormel zunächst unverändert übernommen!!, sie dann in neueren Entscheidungen stark subjektiviert26 • BVerfGE 29, 348 (360) stellt darauf ab, daß nur solche völkerrechtlichen Vertragsbestimmungen in innerstaatlich anwendbares Recht umgesetzt werden, die alle Eigenschaften besitzen, welche ein Gesetz nach innerstaatlichem Recht haben muß, um berechtigen oder verpflichten zu können27• Auch der BFH hat in mehreren Urteilen zu der Frage Stellung nehmen müssen, ob eine Völkervertragsnorm self-executing ist. So hat er unter Berufung auf die "herrschende Meinung" das GATT zu den Verträgen gerechnet, die lediglich auf völkerrechtlicher Ebene Bindungen zwischen den einzelnen beteiligten Staaten erzeugen und keine Rechtspositionen zugunsten oder zu Lasten der Individuen begründen28 • Durch Beschluß vom 18.7. 1967 legte BFHE 89, 52 ff. dem EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EWGV die Frage vor, ob "auch Art. 97 EWGV ... in dem Sinne self-executing (sei), daß er dem einzelnen Staatsbürger das Recht gibt, im Wege der Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid im Einzelfall durch den nationalen Richter die Vereinbarkeit des gesetzlichen Durchschnittssatzes mit den Grundsätzen des Art. 95 EWGV nachprüfen zu lassen?"29. Im Bereich der DBA wird der Terminus "self-executing" jedoch von den Finanzgerichten nicht verwendet. Sieht man Sinn und Zweck der DBA darin, zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Ausschöpfung des nationalen Rechts Grenzen zu setzen30, liege es nahe, daraus ohne weitere Überlegung den Schluß zu ziehen, daß die dem nationalen Steuerrecht Grenzen setzenden Vertragsbestimmungen durch die nationalen Verwaltungsbehörden und Gerichte unmittelbar anzuwenden sind31 • 24 Moster, Praxis, S. 20; Bernhardt, Abschluß, S. 26; Boehmer, S. 8; Pigorsch, S. 84; Rudotf, S.173. Z5 BGHZ 11, 135 (138). 28 BGHZ 17, 309 (313); 18, 22 (25). 27 Zu Art. 10 Abs. I des Finanzvertrages zwischen der BRD und den Niederlanden vom 8. 4. 1960, BGBI 1963 II, S. 629. 28 BFHE 68, 431 (435) = BStBI 1959 III, 166; 69, 604 (612) = BStBI 1959 III, 486; 73, 399 (411) = BStBl 1961 III, 411; ebenso das FG Hamburg, EFG 1970, 145 und 196 zu Art. III GATT. 29 Mit dem auf diesen Vorlagebeschluß erlassenen Urteil des EuGH vom 4.4. 1968 (EuGH, Rspr. XIV, S. 216 ff.) wurde die durch EuGH, Rspr. XII, S. 257 ff. (zu Art. 95 Abs. III EWGV) in Deutschland ausgelöste Rechtsmittelund Prozeßlawine wieder bereinigt. 30 FG Baden-Württemberg, EFG 1967, 339; Dorn, stw 1926, Sp. 98; Becker, StW 1939, Sp.763; Debatin, DStZ (A) 1962, S.9; ders., DStZ (A) 1966, S.162; Vogel, DB 1959, S.32. 31 VgI. etwa BFHE 85, 456 f.; BFHE 85, 460 f. = BStBI 1966 III, 465; BFH BStBI 1967 IH, 392 und 657; BFHE 89, 138 f. = BStBl 1967 HI, 588; BFHE 90, 357 = BFH BStBI 1968 II, 101; BFHE 98,427 = BFH BStBI 1969 II, 569.

A. Aufgabenstellung: Einheitliche Anwendung des DBA

103

Den DBA der BRD liegt teilweise die Zuteilungsmethode, teilweise eine Kombination von Zuteilungs- und Anrechnungsmethode zugrundeS!. Für diese Regelungen der DBA ist die Frage nach ihrem self-executing Charakter unproblematisch. Aber auch die in den DBA enthaltenen Vorschriften über den Progressionsvorbehalt33 werden von den FG ohne nähere Erörterung als unmittelbar anwendbares Völkervertragsrecht angesehen. Mössner34 hat in einer Untersuchung über den Progressionsvorbehalt die Auffassung vertreten, daß sie nur teilweise unmittelbar anwendungsfähig, teilweise aber non-self-executing seien. Für die dealing-at-arm's-length Klausel wird erörtert, ob sie eine eigenständige Berichtigungsgrundlage zur Korrektur von Gewinnverlagerungen zwischen verbundenen Unternehmen darstellt oder ob hierfür auf nationale Rechtsvorschriften zurückgegriffen werden muß35. Ohne daß der Begriff verwendet wird, geht es auch in diesem Zusammenhang darum, ob die Klausel self-executing ist. Die gleiche Frage ist auch für die Bestimmungen der DBA über das Verständigungsverfahren zu stellen. Einige der Merkmale, nach denen der self-executing Charakter einer Völkervertragsvorschrift zu bestimmen ist, sind in den Rechtsprechungzitaten bereits genannt worden. Eine zusammenfassende Darstellung der Kriterien der innerstaatlichen Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge hat Bleckmann vorgelegt. Nach seiner Untersuchung wird für die Frage nach dem self-executing Charakter einer Völkervertragsnorm darauf abgestellt, daß nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien die unmittelbare innerstaatliche Anwendbarkeit gewollt sein muß36, oder daß die Verträge subjektive Rechte oder Pflichten der Individuen begründen oder begründen wollen müssen, um innerstaatlich anwendbar zu sein37• Als weiteres Kriterium wird der im Zustimmungsgesetz zum Ausdruck kommende Wille des nationalen Gesetzgebers angegeben38• Es wird darauf hingewiesen, daß sr Korn / Dietz / Debatin, Vorbem. III D. S3 Vgl. BFHE 87, 273 f. = BFH BStBl 1967 III, 88; BFHE 90, 74 f. = BFH BStBl 1967 III 729; FG Baden-Württemberg, EFG 1969, 64; FG Hamburg, EFG 1969, 289. M AWD 1968, S. 258 ff. ss Vgl. einerseits Flick / Wassermeyer / Becker, § 1, Anm. 15; Debatin, CDFI, Bd. L IV a I, S.14; Vogel, DB 1972, S.1402; ders., BB 1971, S.1186; Bühler, Prinzipien, S.61; Timbart / Heining, S.298; Reuter, CDFI, Bd. LIVa (1969) II, S. 10 m. w. N.; andererseits Schmitz, S. 473; Bellstedt, S.431; Menck, DStZ (A) 1972, S.68. SI Bleckmann, S. 17 ff., S. 157 ff. m. w. N.; Koller, S. 97 ff. m. w. N. 37 PCIJ, Series B, No. 15, p.17 (Gutachten zum Danziger Beamtenabkommen); Bleckmann, S. 44 ff., 174 ff.; Koller, S. 37 ff., 97 f.; ebenso: BGHZ 45, 46 (49); FG Hamburg, EFG 1970, 145 und EFG 1970, 196 (zur innerstaatlichen Wirkung der in Art.III GATT verankerten Inländergleichheit). 38 Bleckmann, S.182 ff. m. w. N.; FG Rheinland-Pfalz, EFG 1967, 426.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

einer Bestimmung eines völkerrechtlichen Vertrages nur dann selfexecuting sein könne, sofern sie "Normen", "Rechtssätze", "objektives Recht" enthalte39 • Gewisse völkerrechtliche Verträge seien wegen der in ihnen geregelten Materie ihrer Natur nach innerstaatlich nicht anwendbar4°, wie z. B. zwischenstaatliche Zahlungsabkommen. Die innerstaatliche Anwendbarkeit sei schon dann ausgeschlossen, wenn die Verträge sich ihrem Wortlaut nach an die Staaten wendeten41 • Nonself-executing seien Verträge, die zu ihrer Anwendung eines innerstaatlichen Aktes bedürften4.2. Schließlich wird hervorgehoben, eine Völkervertragsbestimmung sei nur dann unmittelbar anwendbar, soweit sie hinreichend bestimmt im Sinne der Anforderungen der jeweiligen Verfassung seic . Auf der Grundlage dieser Kriterien ist zu entscheiden, ob die Bestimmungen der DBA über das Verständigungsverfahren self-executing sind. Rechtsgrundlage für die zwischenstaatliche Abwicklung ist jeweils die Konsultationsklausel. Als pactum de negotiando wendet sie sich allein an die Vertragsstaaten. Da sie als Mittel zur friedlichen Beilegung einer völkerrechtlichen Rechtsstreitigkeit zu qualifizieren ist, gehört sie nicht zu den von nationalen Rechtsanwendungsorganen unmittelbar anwendungsfähigen Vertragsbestimmungen. Das gleiche gilt für die Ergänzungsklauseln der DBA. Sie sind non-self-executing Bestimmungen der DBA. Die Vorschrift über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen bezieht sich auf das innerstaatliche Rechtsverhältnis zwischen dem Wohnsitzstaat und dem den Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. stellenden Steuerpflichtigen. Über die damit aufgeworfenen Fragen nach dem Verhältnis des Verständigungsverfahrens i. e. S. zum Verfahren vor nationalen Instanzen und der Durchführung der Verfahrensentscheidung im innerstaatlichen Bereich enthalten sie keine Regelung. Daher stellt sich insoweit auch nicht die Frage, ob sie self-executing sind. Regelungsgegenstand dieser Bestimmungen ist die Rechtsstellung der Steuerpflichtigen. Sie sind möglicherweise in dem Sinne self-executing 44, daß sie ein subjektiv-öffentliches Recht der Steuerpflichtigen Bleckmann, Bleckmann, 41 Bleckmann, " Bleckmann, 43 Bleckmann, 44 Bleckmann, 38 40

S. 244 H. m. w. N. 5.262 H. m. w. N. 5.287 f.; Koller, 5.101. S. 290 f. s. 305 f.

ZaöRV, Bd. 31 (1971), S. 282 (Nr. 13) weist zutreffend darauf hin, daß über die innerstaatliche Anwendbarkeit von Verträgen nicht global, sondern immer nur in Hinsicht auf bestimmte Anwendungsformen (Anwendung durch ein bestimmtes innerstaatliches Organ in einem bestimmten Verfahren und in einer bestimmten Art) entschieden werden kann.

A. AufgabensteIlung: Einheitliche Anwendung des DBA

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auf Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. begründen. Auf diese Frage wird im Abschnitt über das Rechtsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und der BRD als Wohnsitzstaat eingegangen". b) Der Inhalt von Transformations- und Vollzugslehre Bei einem non-self-executing Vertrag bzw. einer solchen Vertragsnorm ist das Gesetz nach Art. 59 Abs.II S. 1 GG nur Voraussetzung für das völkerrechtliche Wirksamwerden des Staatsvertrages. Es erschöpft sich in der Ermächtigungsfunktion. Bei einem self-executing Vertrag bzw. einer solchen Vertragsnorm hat das sog. Vertragsgesetz die erwähnte Doppelfunktion. Neben der Ermächtigung werden durch das Vertragsgesetz die self-executing Vertragsbestimmungen für die nationalen Rechtsanwendungsorgane verbindlich. Wie diese Übernahme von Völkerrecht in den innerstaatlichen Rechtsbereich zu verstehen ist, beantworten Transformations- und Vollzugslehre unterschiedlich. Nach der Transformationslehre können Völkerrechtsnormen als solche in der innerstaatlichen Rechtsordnung nicht angewendet werden. Vielmehr bedürfen sie zuvor einer Umgießung in staatliches Recht, wobei ihr Geltungsgrund abgeändert, sie auf neue Adressaten erstreckt und schließlich auch ihr Inhalt infolge der Einfügung in ein anderes Rechtssystem verändert werden". Werden Völkervertragsnormen derart in staatliches Recht "umgegossen", scheint es eine notwendige Konsequenz zu sein, sie auch im Sinne nationaler Interpretationsgrundsätze auszulegen47 • Begründer der Transformationslehre ist Triepel. In Anlehnung an Gneist'8 und Laband'9 vertrat Triepel die Auffassung, daß der Gesetzgeber mit dem Zustimmungsbeschluß implicite die zur Veranttragsdurchführung erforderlichen Normen des staatlichen Rechts erlasse. "Völkerrecht und Landesrecht sind ... verschiedene Rechtsordnungen. Sie sind zwei Kreise, die sich höchstens berühren, niemals schneiden. So ist es ein vollkommener Widerspruch ... Völkerrecht zugleich Landesrecht sein zu lassenlO ••• das Landesgesetz (muß) einen zwar vom Völkerrechtssatz irgendwie abhängigen, aber ihm an Inhalt ungleichen Rechtssatz zu Tage fördern51 ." Man habe es mit einer Setzung neuen Rechts. anderen - nämlich aus anderer Quelle - entstandenen, 45

VgI. 3. Kapitel, D.

46partsch, S. 18/19; Rudolf. S.158. 47 Vgl. dazu auch Partsch. S.43. '8 Gneist, Kommissionsbericht in den Drucksachen des Preußischen Abgeordnetenhauses, 10. Legislaturperiode, II. Session 1868, Nr. 236, S. 339 ff. 49 Laband, Bd. II, S. 157 ff. 50. Triepel, S. 111. 51 Triepel. S. 112.

106

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

nur inhaltlich gleichen Rechts zu tun. Innerstaatlich maßgebend sei nicht der Vertrag, sondern die vertragsmäßige staatliche Norm52, das völkerrechtsgemäße Landesrecht53 • Die Transformationstheorie fand im Schrifttum zu Art. 45 der Weimarer Verfassung weitgehend Zustimmungs'. Die zur Weimarer Verfassung fast unangefochten vertretene Transformationstheorie wurde auch vom Schrifttum zum GG weitgehend übernommen55• Auch die Adoptions- bzw. Vollzugslehre geht davon aus, daß es eines Staatsaktes im Sinne eines Rechtsanwendungsbefehls bedarf, um eine Grundlage dafür zu schaffen, daß ein aus dem Völkerrecht stammendes Gebot im innerstaatlichen Bereich verbindlich wirdlWl• Die Völkerrechtsnorm wird aber nicht von ihrem Geltungsgrund abgelöst. Der nationale Rechtsanwender wendet eine Völkerrechtsnorm an, weil er von der innerstaatlichen Rechtsordnung dazu ermächtigt isf!T. Dem Verfassungsrecht der BRD kann eine Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Theorie nicht entnommen werden58 • Auch die Entstehungsgeschichte des Art. 59 GG ist indifferent59• Die Rechtsprechung beruft sich zwar meist auf die Transformationstheorie6o , eine nähere dogmatische Auseinandersetzung mit ihren Grundthesen wird aber nirgends unternommen und auch eine kritische überprüfung der sich aus der Transformationstheorie ergebenden Resultate fehlt. Gerade dabei würde sich aber herausstellen, daß die Transformationstheorie dort zu schwerfälligen Konstruktionen greifen muß, wo die Vollzugslehre mit ihrer Identitätsthese geschlossene Lösungen anbietet 61 • Das zeigt sich z. B. in den Fällen des Inkrafttretens völkerrechtlicher Verträge62 oder des Außerkrafttretens durch Kündigung 63 • Triepel, S. 118. Triepel, S. 386. MAnschütz, S.236 m. w. N. 55 Maunz I Dürig I Herzog, Art. 59, Rdnr.25; v. Mangoldt I Klein, Art. 59, Anm. IV 7 b - c; Hamann / Lenz, Art. 59, Anm.7; Pigorsch, S.81; Boehmer, 52

53

S.32 m.w:N. 56 57 58

Partsch, S.19; Mosler, Praxis, S. 19 f.; Boehmer, S.36. Partsch, S. 19/20. Partsch' S. 48 f.; Boehmer, S.38; unklar: Maunz I Dürig / Herzog, vgl.

Art. 35, Rdnr. 12 und Rdnr.30, Art. 59, Rdnr.24 und 25. 59 Boehmer, S.24; Partsch, S.49. 60 Vgl. die Nachweise bei Rudolf, S.205, Fußn.88; Tomuschat, ZaöRV, Bd.28 (1968), S.65; Bleckmann, ZaöRV, Bd.31 (1971), S.280, Fußn.7, 8. Zur Rspr. des BVerfG: Boehmer, S. 34 f.; Mosler, Praxis, S. 15 f.; Partsch, S. 54 f. 61 Vgl. zur Kritik an der Transformationstheorie Partsch, S. 41 ff. und S.143: "Alle Mitglieder der Kommission geben der Vollzugslehre sowohl dogmatisch wie praktisch den Vorzug." 62 Maunz / Dürig / Herzog, Art. 59, Rdnr.34; Pigorsch, S.85/86; Partsch, S. 87 f.; Boehmer, S. 40 f.; Mosler, Praxis, S.18; Rudolf, S.209.

A. Aufgabenstellung: Einheitliche Anwendung des DBA

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Auch zu diesem Theorienstreit ist im Rahmen dieser Arbeit keine Stellung zu nehmen, weil beide Lehren in ihren praktischen Konsequenzen übereinstimmen und insbesondere in der hier zu erörternden Frage nach der Auslegung von Normen des Völkervertragsrechts durch nationale Instanzen zu gleichen Ergebnissen kommen. D. Die Auslegung von DBA

1. Auslegung von innerstaatlich anwendbarem Völkervertragsrecht durch nationale Instanzen nach völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätzen Für die Vollzugslehre ist die Auslegung von Völkervertragsrecht nach völkerrechtlichen Prinzipien nur die Konsequenz der Identitätsthese 64 • Aber auch nach der Transformationslehre kann das transformierte Recht, das durch den Transformationsakt staatliches Recht geworden ist, seine völkerrechtliche Herkunft nicht verleugnen. "Die inhaltliche Umwandlung in innerstaatliches Recht ist normalerweise nicht so vollständig, daß dadurch der Nexus mit dem völkerrechtlichen Ursprung der Norm abgeschnitten würde65.... Auch das transformierte staatliche Recht (ist) derart völkerrechtskonform auszulegen, daß die völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt und Diskrepanzen im Verhältnis zu anderen an der Normsetzung beteiligten Völkerrechtssubjekten vermieden werden&6." Schon Triepel hatte die Auffassung vertreten, daß das vertragsmäßige Landesrecht textlich und innerlich so sehr mit dem Vertrag zusammenhänge, daß jede Interpretation des Gesetzes notwendig eine Auslegung des Vertrages bedeuten müsse67 • Die von der Transformationstheorie ausgehende Rechtsprechung des RG hat Völkerrechtsverträge regelmäßig nach völkerrechtlichen Grundsätzen ausgelegt8s • Auch im Urteil des BVerfG vom 4. 5. 1955611 wird hervorgehoben, daß "bei der Auslegung des Abkommens ... die für die 63 Pigorsch, s. 86; Boehmer, S. 95 ff.; Partseh, S. 134 f.; Mosler, S.22, Rudolf, S.162. 84 Partsch, S. 20, 110 f. 65 Rudolf, S. 162. 68 Rudolj, S. 163. 67 Triepel, S. 441. In der 1. Kommission der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht waren die Meinungen geteilt (vgl. Partsch, S. 111 f.), einige Mit-

glieder hielten die Anwendung landes rechtlicher Auslegungsregeln für eine notwendige Konsequenz der Transformationslehre, andere vertraten die Auffassung, daß auch bei Zugrundelegung der Transformationslehre nur völkerrechtliche Auslegungsregeln in Betracht kämen. 68 RGZ 104, 352 (353 f.); 114, 188 (190 f.); 117, 284 (286); 130, 220 (2211.); 137, 1 (5 f.); 140, 353 (356); 142, 241 (244). 69 BVerfGE 4, 157 (168).

108

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Auslegung völkerrechtlicher Verträge allgemein entwickelten Grundsätze anzuwenden" sind70 • Die völkerrechtlichen Grundsätze zur Auslegung von zwischenstaatlichen Verträgen unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den Auslegungsprinzipien, die für nationales Recht gelten. Zwischenstaatliche Rechtsbeziehungen weisen aber Besonderheiten auf, die im innerstaatlichen Recht nicht auftreten können. So führt etwa der Grundsatz der Souveränität der Vertragspartner zu der Auslegungsregel, daß Verzichte auf Hoheitsrecht nicht vermutet werden. Die Völkerrechtsdogmatik hat wegen dieser Besonderheiten einige spezifisch völkerrechtliche Auslegungsgrundsätze entwickeJt7t, die hier im einzelnen allerdings nicht darzustellen sind7!. Auf eine Einzelfrage in dieser Auslegungsproblematik, die durch das DBA Schweiz 1971 aktuell geworden ist73, ist aber kurz einzugehen: Auf den Streit um den Vorrang von Parteiwillen oder Vertragstext. Bernhardt weist darauf hin74, daß der Meinungsstreit zwischen subjektiver und objektiver Auslegungstheorie bis auf die Völkerrechtsklassiker zurückgeht: Grotius sieht den Parteiwillen als maßgebend an, Vattel geht vom Vorrang eines klaren Wortlautes aus. Im innerstaatlichen Recht wird zwischen der Vertragsauslegung und der Gesetzesauslegung unterschieden. Da ein privatrechtliches Rechtsgeschäft das Ergebnis der von den Parteien selbst vorgenommenen Bewertung ihres Eigeninteresses ist, bestimmt ein subjektiver Maßstab die Vertragsauslegung75 • Der völkerrechtliche Vertrag beruht ebenso wie der privatrechtliche auf einer Willenseinigung der Vertragsparteien. Daher liegt es nahe, die Auslegung völkerrechtlicher Verträge ähnlich wie im innerstaatlichen Recht als Auslegung von Willenserklärungen zu verstehen. Dieser Gesichtspunkt hat zur sog. subjektiven Auslegungstheorie geführt7f• Nach ihr ist das wirklich Gewollte zu erforschen, der Ermittlung des Parteiwillens wird der Vorrang vor dem Vertragstext eingeräumt. Nach der objektiven Theorie gebührt einem klar er70 Zur Rechtsprechung deutscher Gerichte zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge vgl. im übrigen die Rechtsprechungsübersichten bei: Münch, ZaöRV, Bd.20 (1959/60), S. 227; Tomuschat, ZaöRV, Bd.28 (1968), S. 141 ff.; Bleckmann, ZaöRV, Bd. 31 (1971), S. 328 ff.; Bleckmann, ZaöRV, Bd. 32 (1972), S. 138 ff. u. S. 610 ff. 71 Vgl. Dahm III, S. 42 f.; Berber I, S. 441 f.; Verdro&s, S.172 I.; SeidlHohenveldern, Rdnr.241; Oppenheim / Lauterpacht I, § 553 f. (p. 950 f.); Me Nair, p. 364 ff.; O'Connell, p. 271 ff.; Cavare II, p. 138 ff.; Rousse4u, p. 241 ff. 72 Vgl. die Arbeiten von Bernhardt, Auslegung, Rest und Hilf. 73 Salditt, Stw 1972, S. 23 f.; Kruse, § 8 II 2 (S.92). 74 Bernhardt, Auslegung, S.617. 75 Larenz, Methodenlehre, S.287. 76 Sie wird vertreten von: Lauterpacht, Re 48 (1934 II), S. 786 ff.; MeNair, S.365; Dahm III, S.45; Seidl-Hohenveldern, S.70, Rdnr.243/244.

A. Aufgabenstellung: Einheitliche Anwendung des DBA

109

scheinenden Vertragstext der Vorrang vor dem wirklichen Willen der Kontrahenten. Diese streng objektive Theorie77 wird heute allerdings in der eingeschränkten Form vertreten, daß der Parteiwille und der Vertragszweck mit zu berücksichtigen sind78 • In dieser Form liegt die objektive Theorie auch der Rechtsprechung internationaler Gerichte zugrunde 79• Auf Grund der Resolution des Instituts de Droit International von 1956 (Art. 1)80 und den Interpretationsregeln (Art. 31, 32) der Wiener Konvention über das Recht der Verträge81 , die als Votum für eine objektive und gegen eine subjektive Interpretation aufgefaßt werden, ist sie als die herrschende Auffassung zu bezeichnen. Hinzuweisen ist auch darauf, daß für zwei Gruppen völkerrechtlicher Verträge, für die Gründungsverträge internationaler Organisationen und regionaler Staatenverbindungen sowie für die sog. rechtsetzenden Verträge (law-making treaties, traites lois), zu denen auch die DBA zu rechnen sind, häufig ein Vorrang der objektiven Auslegungstheorie vertreten wird8l• Festzuhalten ist demnach, daß DBA auch bei der Anwendung durch nationale Rechtsanwendungsorgane nach völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätzen zu interpretieren sind. 2. Die Bedeutung der sog. lex tori Klausel der DBA Besondere Bedeutung für die Auslegung von DBA hat die in fast allen deutschen Verträgen enthaltene sog. lex fori Klausel. Nach dieser Bestimmung hat bei "der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat ... wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder nicht anders definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die Steuer zukommt, welche Gegenstand des Abkommens sind"83. Vgl. die Nachweise bei Rest, S.23. Verdross, S. 173; Guggenheim, Lehrbuch, S.125; De Visscher, S.17. 79 PCIJ, Series B, No. 11, p.39 (Polish Postal Service); ICJ, Reports 1961, p. 32; Bernhardt, S. 187: "Die internationale Rechtsprechung hält überwiegend einen Text, der nach dem üblichen Sprachgebrauch klar erscheint, für maßgeblich; Anhaltspunkte für einen abweichenden Parleiwillen spielen in diesem Fall keine ins Gewicht fallende Rolle, werden aber nur selten als ganz unbeachtlich bezeichnet." 80 Annuaire 46 (1956), S. 359 fi. 81 Veröffentlicht u. a. in: International Legal Materials, VIII (1969), S. 679 ff.; JIR, Bd. 15 (1971), S. 724 fi.; ZaöRV, Bd. 29 (1969), S. 711 ff.; Schweitzer, Friedensvölkerrecht, Bad Homburg v. d. H. 1970, S. 405 ff. Die Interpretationsregeln sind im Anhang V abgedruckt. 82 Vgl. Bernhardt, S. 21 ff.; Rest, S. 82 ff. Für die rechtsgeschäftlichen Verträge (contractual treaties, traites contrats) soll demgegenüber die subjektive Auslegungstheorie gelten. 83 So Art. 3 Abs. II OECD-MA. 77

78

110

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Nach BühlerM manifestiert sich in dieser Interpretationsanweisung der Verzicht der Vertragsstaaten auf eine einheitliche Abkommensauslegung: " ... für die Fragen, die am ehesten zu Differenzen bei der Auslegung solcher zweiseitigen Verträge Anlaß geben könnten, nämlich die nach der Auslegung und Anwendung der gebrauchten Begriffe - das besondere Qualifikationsproblem des IStR also - (ist) noch immer der regelrechte Verzicht auf Erzielung einer Einheitlichkeit in den Auffassungen der Vertragsparteien die beherrschende Norm." Daß eine Interpretationsanweisung gerade einen Verzicht auf eine in beiden Vertragsstaaten einheitliche Auslegung des Abkommens anordnen will, erscheint zweifelhaft. überprüft man die Auffassung Bühlers über die Bedeutung der lex fori Klausel näher, dann zeigt sich, daß sie auf einer Fehlinterpretation der Interpretationsklausel beruht. Mit der in dieser Klausel behandelten Frage, ob die im DBA enthaltenen Abkommensbegriffe nach der lex fori auszulegen sind, haben sich in der Literatur des Internationalen Steuerrechts insbesondere Herzfeld85 und Spitaler86 auseinandergesetzt. Herzfeld trifft bei seiner Untersuchung über die Auslegungsproblematik die wichtige Unterscheidung zwischen den einseitigen staatlichen Normen und den staatsvertraglichen Normen87 • Bei den Doppelbesteuerungsverträgen sei als erstes von den ausdrücklich definierten Begriffen auszugehen. Soweit eine solche vertragliche Definition fehle, müsse durch Auslegung des Abkommens ein einheitlicher Begriff gefunden werden. Für die dabei anzuwendenden Grundsätze seien die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln zu beachten. Eine Auslegung der Abkommensbegriffe nach der lex fori sei nur subsidiär zulässig88 • Spitaler kommt zu dem gleichen Ergebnis. Die Auslegung der Normen des DBA primär nach der lex fori sei unrichtig, weil die vertraglichen Kollisionsnormen eben nicht mehr eine einseitige Grenzziehung des materiellen Steuerrechts seien. "Zieht man von vornherein zur Auslegung nur eines der beiden '" Rechte heran, so ist dies nichts anderes als reine Willkür und ein grober logischer Fehler, weil die von den Vertragspartnern geschaffenen Vertragsnormen ihrer Natur nach gemeinsames Recht schaffen soll, das natürlich nicht im Wege der einseitigen, vom Steuerrecht des anderen Vertragspartners unabhängigen Auslegung festgestellt werden kann 89." Die lex fori komme nur subsidiär als Auslegungsbehelf in Betracht90 • Bühler, Prinzipien, S. 61/62. Herzfeld, VJSchrStuFR 1932, S. 422 ff. 86 Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 561 ff. 87 Herzfeld, VJSchrStuFR 1932, S.458. 88 Ebd., S. 467 f. 89 Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 562.

84 85

90

Ebd., S. 563.

A. AufgabensteIlung: Einheitliche Anwendung des DBA

111

Diese Stufenfolge der Auslegung, nämlich: (1) Berücksichtigung der Abkommensdefinitionen,

(2) Auslegung des DBA aus dem Zusammenhang nach völkerrechtlichen Grundsätzen, (3) Auslegung nach der lex fori nur als subsidiärer Auslegungsbehelf, sind erarbeitet worden, bevor in einem der deutschen DBA die lex fori Klausel aufgenommen wurde. Das erste Abkommen mit dieser Interpretationsklausel war das DBA USA 1954. Debatin91 hat nachgewiesen, daß sich an der genannten Reihenfolge der Auslegung durch die Aufnahme der lex fori Klausel in die DBA nichts geändert hat, daß die Interpretationsklausel vielmehr diese Stufenfolge zwingend vorschreibt. Im Urteil des BFH vom 15.1.1971 sind diese Auslegungsgrundsätze bestätigt wordenll2• 3. Fehlerquellen bei der Auslegung von DBA

a) Transformationslehre Unklarheiten über die Methode zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge sind zum Teil auf die Transformationslehre zurückzuführen. Aufgrund der Umwandlungsthese dieser Theorie ist es naheliegend, daß sich auch die Interpretation nach den Prinzipien zu richten hat, die für staatliches Recht gelten99• Diese Konsequenz hat aber weder Triepel noch wird sie von den heutigen Anhängern dieser Lehre gezogen94 • Der Theorienstreit zwischen Transformations- und Vollzugslehre ist aber für den Bereich der DBA auf Grund der lex fori Klausel ohnehin nicht von Bedeutung. Wenn nämlich ein auszulegender völkerrechtlicher Vertrag besondere Bestimmungen über seine Auslegung enthält, besteht kein Unterschied zwischen beiden Lehren95• Folgt man der Transformationstheorie, so ist die Auslegungsklausel mit transformiert. Als transformiertes Recht gebietet sie, den Vertrag völkerrechtskonform auszulegen. Darin ist die besondere Bedeutung der lex fori Klausel zu sehen, nicht in dem Verzicht auf eine einheitliche Abkommensauslegung. 91 Debatin, AWD 1969, S. 477 ff. Er geht allerdings nicht darauf ein, ob bei der Auslegung der Abkommen im definitionsfreien Raum (S. 482 f.) völkerrechtliche oder innerstaatliche Auslegungsregeln zu beachten sind. - Auch Flick, Auslegung, nimmt hierzu keine Stellung. 92 BFH, Urteil vom 15.1.1971; BFHE 101, 536 f. = BStBI 1971 II, 379 = AWD 1971, S. 421. 93 So ausdrücklich Enno Becker, StW 1939, Sp. 761. 94 Vgl. Triepel, S.441; Rudolj, S.162/163, vgl. auch die Nachweise bei Partsch, S. 109 ff. und Boehmer, S. 88 ff. 95 Seidl-Hohenveldern, ICLQ, vol. 12 (1963), S.119; Partsch, S.110.

112

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Anzumerken ist, daß von völkerrechtlicher Seite her Bayer88 empfiehlt, nach dem Vorbild der lex fori Klausel in den DBA Interpretationsklauseln in völkerrechtliche Verträge, insbesondere in die international vereinheitlichten Gesetze, aufzunehmen. Das würde dem staatlichen Richter das Abgehen von der üblichen Behandlung einer Konvention als eines bloßen innerstaatlichen Spezialgesetzes sehr erleichtern. b) Auslegung von Normen des nationalen Außensteuerrechts Eine zweite Fehlerquelle liegt darin, daß für die beiden Teilbereiche des IStR, das nationale Außensteuerrecht und das Völkervertragsrecht der DBA, die Begriffsauslegung nach der lex fori einen unterschiedlichen Stellenwert hat. Wenn ein internationaler Steuerfall zu würdigen ist und kein DBA eingreüt, sind für den deutschen Rechtsanwender eventuell zu berücksichtigende Institute des ausländischen Steuerrechts und des ausländischen Privatrechts allein nach der lex fori zu qualifizierent7 • Anders wenn ein DBA eingreift. Dann bleibt es zwar dabei, daß die Normen des nationalen Außensteuerrechts allein nach der lex fori auszulegen sind. Das DBA ist aber lex specialis gegenüber dem nationalen Außensteuerrecht und soweit diese Spezialität der DBA-Normen reicht, hat die Auslegung nach der lex fori nur subsidiäre Bedeutung'8. c) Bearbeitung internationaler Steuerfälle Damit hängt eine dritte Fehlerquelle zusammen. Sie ergibt sich aus dem Bearbeitungsmodus internationaler Steuerfälle. Die Praxis verfährt so, daß zunächst die Steuerpflicht nach innerstaatlichem Recht geprüft wird. Erst danach wird die Frage gestellt, welche Änderung sich demgegenüber aus dem DBA ergeben". Dieser Prüfungsgang liegt nahe, wenn man die DBA als Steuerverzichte versteht und sie als sachliche Steuerbefreiungsvorschriften wertet. Richtig ist demgegenüber der umgekehrte Prüfungsgang1OO : Erst muß gefragt werden, ob der BRD Bayer, RabelsZ, 20. Jahrg. (1955), S.624/625, Fußn.88. Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 558; Arendt, StW 1959, Sp. 386 ff., insb. 389 f.; Bühler, Prinzipien, S. 75 f.; Debatin, AWD 1969, S.477; zur Rspr. vgl. Arendt, Stw 1960, Sp. 349 ff. 98 Diese Differenzierung ist bereits deutlich von Spitaler, Doppelbesteue96

97

rungsproblem, S. 558 und 561/562 herausgearbeitet worden. 99 RFH, Urteil vom 3.10.1935, RStB11935, 1399 = Weber-Fas Nr.31; RFH, Urteil vom 14.7.1938, RFHE 44, 213 f. = RStBI 1938, 937; RFH, Urteil vom 22.5.1940, RStBI 1940, 809; Weber-Fas Nr.62; Becker, StW 1939, Sp. 762; Flick, StbJb. 1964/65, S. 434 ff.; Vogel, DB 1959, S.32; Weber, Doppelbesteuerungsrecht, S.120; Rädler / Raupach, S.324. 100 ATendt, StW 1959, Sp.392; Debatin, AWD 1969, S.477.

B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene

113

nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht oder entzogen wurde. Erst dann ist Raum für die Anwendung des innerstaatlichen Rechts. Der in der Praxis befolgte Prüfungsgang, nämlich zuerst vom nationalen Außensteuerrecht auszugehen, für das allein die Auslegung nach der lex fori maßgeblich ist, verführt dazu, diesen Auslegungsgrundsatz auch bei der Anwendung des DBA eine primäre Stellung einzuräumen.

B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene I. Die mangelnde rechtliche Ausgestaltung des Verständigungsverfabrens Im engeren Sinne

Die Konsultationsklausel der DBA ist Rechtsgrundlage des zwischenstaatlichen Verfahrens zur Beseitigung einer Rechtsstreitigkeit über die Auslegung oder Anwendung des Vertrages im Einzelfall. Durch korrektive Maßnahmen soll eine in beiden Vertragsstaaten übereinstimmende Entscheidung herbeigeführt werden. Als pactum de negotiando gehört sie zu den von nationalen Rechtsanwendungsorganen nicht unmittelbar anwendungsfähigen Vertragsregelungen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung des Verständigungsverfahrens i. e. S. fehlen für die deutschen DBA ebenso wie für die DBA anderer Staaten. Das berechtigte aber nicht ohne weiteres - wie in der Verwaltung vertreten - zu der Folgerung, durch das Verständigungsverfahren sei ein weitgehend rechtsfreier Raum ohne justizielle überprüfung eröffnet. Grundsätze für die Durchführung des Verständigungsverfahrens

i. e. S. lassen sich aus zwei Ansatzpunkten herleiten: Zum einen aus der

Feststellung, daß eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung, die infolge von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des DBA entstanden ist, ein völkerrechtliches Delikt darstellt. Zum zweiten, daß das Verständigungsverfahren i. e. S. das (inadäquate) Verfahren zur Feststellung dieses Tatbestandes ist. Das angemessene Mittel wäre die Institutionalisierung eines völkerrechtlichen Schiedsverfahrens. Zwischen einem völkerrechtlichen Schiedsverfahren und dem diplomatischen Streiterledigungsmittel der Verhandlung besteht aber nur ein gradueller Unterschied, wenn es um die Beilegung einer internationalen Rechtsstreitigkeit geht. Damit lassen sich möglicherweise die durch das Verständigungsverfahren i. e. S. aufgeworfenen Probleme101 101

Vgl. oben 2. Kapitel, E.

8 MülhaUien

114

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

in Analogie zu den Regeln lösen, die für die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit entwickelt worden sind. 1. Die dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung als völkerrechtliches Delikt

Ist es infolge von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des DBA zu einer dem DBA nicht entsprechenden Besteuerung gekommen, ist die Verletzung eines völkerrechtlichen Vertrages gegeben. Völkerrechtliche Verträge gehören zu den Rechtsquellen des Völkerrechts, sie sind Völkerrechtsnormen. Die Verletzung eines völkerrechtlichen Vertrages als Völkerrechtsnorm ist ein völkerrechtliches Delikt. Sie begründet die völkerrechtliche Haftung für diese Rechtsverletzung102• Nach allgemeinem Völkerrecht zieht die Verletzung einer Völkerrechtsnorm die Verpflichtung des verletzten Staates zur Wiedergutmachung (reparation, reparation) nach sich103 : "e'est un principe du droit international que la violation d'un engagement entraine l'obligation de reparer dans une forme adequate104 ." Sofern es sich um die Verletzung eines immateriellen Rechtsgutes handelt, ist Genugtuung (satisfaction) zu leisten10J>. Das Völkerrecht gebietet als Rechtsfolge also nicht die Nichtigkeit des betreffenden staatlichen Hoheitsaktes1OO• Wiedergutmachung heißt Wiederherstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn die Rechtsverletzung nicht eingetreten wäre. Primär gilt das Prinzip der Naturalrestitution. Bei einer dem DBA nicht entsprechenden Besteuerung ist daher grundsätzlich als Wiederherstellung des früheren Zustandes die völkerrechtswidrige Besteuerungsmaßnahme zu beseitigen. Ist eine Wiederherstellung nicht möglich, tritt an ihre Stelle ein Anspruch auf Entschädigung in Geld107• 102 von Münch, Delikt, S. 86; Berber I, S.466; Verdross, S.373; Oppenheim / Lauterpacht I, § 151 (p. 339); Cavare II, p.173. 103 Berber III, S. 23 f.; Dahm III, S. 232 f.; Verdross, S.398; Seidl-Hohenveldern, Rdnr. 1233 f.; Oppenheim / Lauterpacht I, § 156 f. (p. 352 f.); Cavare

II, p. 409 f. 104 PCIJ, Series A, No. 9, p.21 (Chorzow-Fall). 105 Berber III, S.26; Dahm III, S.241; Verdross, S.404; Guggenheim, Lehrbuch, S.579; Seidl-Hohenveldern, Rdnr.1237. 106 PCIJ, Series A, No.7 (Chorzow-Fall), p.40; PCIJ, Series AlB, No. 49 (Auslegung des Memel-Statuts), p.336; Rudolf, S.143; Boehmer, S.2/3; Partseh, S. 114 f.; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr.384. 107 Oppenheim / Lauterpacht I, § 156 (p.353); Berber III, S.24; Dahm III, S.233; Verdross, S.401; Guggenheim, S.573; PCIJ, Series A, No. 17, p.47 (Chorzow-Fall): "The essential principle contained in the actual notion of an illegal act is that reparation must, as far as possible, wipe out all the Consequences of the illegal act and reestablish the situation which would, in all

B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene

115

2. Gegenwärtige Möglichkeiten zur Feststellung dieses Tatbestandes durch ein internationales Gericht Ist die Haftung wegen Verletzung einer Rechtsnorm zwischen den Parteien des betreffenden Rechtsverhältnisses streitig, steht ihnen im innerstaatlichen Bereich regelmäßig ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung dieses Tatbestandes zur Verfügung. Für den völkerrechtlichen Bereich gilt das nur dann, wenn sich die Staaten als Berechtigte und Verpflichtete des Haftungsanspruchs freiwillig einem gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren unterworfen haben. Grundlage für die Zuständigkeit internationaler Gerichte ist das Konsensprinzip. Ein völkerrechtliches (Schieds-) Gericht kann nur dann ein verbindliches Urteil fällen, wenn die Beteiligten sich dem Verfahren und der Entscheidung des Gerichts unterworfen haben108• In den DBA fehlt grundsätzlich eine solche Unterwerfung unter ein gerichtliches oder schiedsgerichtliches Verfahren vor einem internationalen Entscheidungsorgan. Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings für die Mitgliedstaaten des Europarates, die der vom Europarat ausgearbeiteten Europäischen Konvention über die friedliche Beilegung von Streitigkeiten vom 29. IV. 1957 beigetreten sind. Schindler109 und Guggenheim llO haben darauf hingewiesen, daß durch die Verständigungsklausel des DBA Schweiz 1931 die Anwendung des allgemeinen deutsch-schweizerischen Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrages vom 3. 12. 1921 111 nicht ausgeschlossen sei. Dieser Vertrag begründet eine obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit112• Der Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrag ist nach wie vor in Kraft, so daß im Verhältnis zur Schweiz - nach Durchführung und bei Scheitern eines Verständigungsverfahrens - die Staaten auf Grund dieses Abkomprobability, have existed if that act had not been committed. Restitution in kind, or, if this is not possible, payment of a sum corresponding to the value which a restitution in kind would bear; the award, if need be, of damages for loss sustained which would not be covered by restitution in kind or payment in place of it-such are the principles which should serve to determine the amount of compensation due for an act contrary to international law." 108 PCIJ, Series A, No. 2, p.16 (Mavrommatis-Konzessionen-FaIl); PCIJ, Series B, No. 5, p.27 (Gutachten im Karelien-Streit): "It is weIl established in international law that no State can, without its consent, be compelled to submit its disputes with other States either to mediation or to arbitration, or to any other kind of pacific settlement." ICJ, Reports 1949, p. 177 f.; ICJ, Reports 1954, p.34: "... the court can only exercise jurisdiction over aState with its consent." Ebenso Oppenheim / Lauterpacht 11, § 12 (p. 22); Dahm 11, S. 485 f.; Berber 111, S. 68 f.; Verdross, S. 421; Seidl-Hohenveldern, Rdnr.1278. 109 Schindler, S. 198 und 122. 110 Guggenheim, Völkerrecht, S.696, Fußn.39; ebenso Siegrist, S.221. 111 RGBI 1922 I, S.217. 112 RTDrucks 1/3455, S. 5 (Denkschrüt zum deutsch-schweizerischen Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrag). 8·

116

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

mens die völkervertragliche Pflicht haben, die Entscheidung einer völkerrechtlichen Schiedsinstanz herbeizuführen. Das gleiche gilt im Grundsatz auch für die Signatarstaaten der Europäischen Konvention zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten vom 29. IV. 1957, dem auch die BRD mit Gesetz vom 26.7.1965 113 beigetreten ist. Dieses Vertragswerk der Mitgliedstaaten des Europarates bezweckt die friedliche Beilegung aller zwischen ihnen entstehenden völkerrechtlichen Streitigkeiten nach einem einheitlichen Rechtsschutzsystem114 • Nach Art. I der Konvention sollen alle völkerrechtlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beitrittsstaaten dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Entscheidung vorgelegt werden: "The High Contracting Parties shall submit to the judgement of the International Court of Justice all international legal disputes which may arise between them ... " Die Konvention begründet eine obligatorische Zuständigkeit des IGH und geht damit weit über vergleichbare Vorläufer hinaus11ll• Die Konvention ist nach Art. 28 subsidiär im Verhältnis zu anderen Verträgen der Beitrittsstaaten, die ebenfalls die friedliche Beilegung von Streitigkeiten betreffen. Diese sollen also grundsätzlich den Vorrang haben. Andere Verträge gehen aber nach Art. 28 Abs. I S.2 nur dann dem Übereinkommen vor, wenn sie ein zu einer verbindlichen Entscheidung führendes Verfahren vorsehen, da andernfalls das Obligatorium leerliefe. Die Verständigungsklausel der DBA ist als pactum de negotiando kein zu einer verbindlichen Entscheidung führendes Verfahren zur friedlichen Beilegung eines völkerrechtlichen Rechtsstreites. Folglich bleibt es für den Bereich der DBA bei dem in Art. I der Konvention ausgesprochenen Grundsatz116• Schwebende Verständigungsverhandlungen geben allerdings die Einrede, daß während der laufenden Verhandlungen kein anderes Streiterledigungsmittel in Anspruch genommen werden darf. Die Anrufung des IGH ist demnach erst bei Scheitern des Verständigungsverfahrens möglich. Für die elf Staaten, die dem Europäischen übereinkommen beigetreten sind, besteht demnach schon jetzt die Möglichkeit, ein internationales Gericht mit der Entscheidung einer streitig gewordenen DBA-Frage anzurufen. Allerdings ist das bislang - trotz des Obligatoriums - Theorie geblieben. Jedoch ist es vor diesem Hintergrund 113 BGBI 1965 II, S. 1041 ff.; in Kraft für Deutschland am 2.12.1965, (Bek. vom 14.3. 1966), BGBl 1966 II, S.212. 114 Deutsche Denkschrift zum Abkommen, BTDrucks III/2081, S.16. 11:1 Vgl. Kunzmann, Europa-Archiv 1959, S.128; Hallier, Materialien, S.96. 11ß Ebenso WengIer, Völkerrecht, S.876, Fußn.3 (anders allerdings S.348, Fußn.6).

B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene

117

überraschend, wenn auf vielen internationalen Steuerkongressen auch von den Vertretern der jeweiligen nationalen Ministerialbürokratie die Forderung nach Errichtung eines internationalen Steuergerichtshofes erhoben wird117 • Die Forderung kann nicht lauten, die rechtlichen Möglichkeiten für die Anrufung eines internationalen Steuergerichts zu schaffen, sondern die vorhandenen Möglichkeiten wahrzunehmen. Und da nach den einschlägigen Klauseln der DBA die völkerrechtliche Vertretung nicht von den Außenministerien, sondern von den Finanzministerien wahrgenommen wird, ist eine solche Forderung von Vertretern der Finanzministerien in sich widersprüchlich.

3. Die gemischten Kommissionen im Bereich der DBA Neben diesem bereits jetzt gegebenen Obligatorium zur Entscheidung einer streitig gewordenen DBA-Frage durch ein internationales Gericht enthalten Ansätze zu einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in Steuersachen die in einigen DBA enthaltenen Klauseln, nach denen eine gemischte Kommission mit der Durchführung eines Verständigungsverfahrens beauftragt werden kann. Insgesamt 5 der 33 deutschen DBA118 sehen zur Herbeiführung einer Einigung im Verständigungsverfahren einen Meinungsaustausch in einer Kommission vor, die aus Vertretern der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten besteht119. Gemischte Kommissionen sind ihrem Ursprung nach die erste Form kollegialer Schiedsgerichte12O. Bereits im sog. Jay-Vertrag vom 19.11. 1794121 , dessen Abschluß als Beginn der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit der Neuzeit angesehen wird, waren drei gemischte Kommissionen zur Abwicklung von Grenzstreitigkeiten (Art. 5) sowie über private Ansprüche aus Revolutions- und Kriegsschäden (Art. 6 und 7) vorgesehen. Die Streitentscheidung durch gemischte Kommissionen, die meist unter der Bezeichnung mixed complission, joint commission oder arbitral commission fungierten, trat im 19. Jahrhundert mehr und mehr neben die bis dahin übliche Einzelarbitrage durch Staatsoberhäupter12\!. Noch in jüngster Zeit sind internationale Schiedsgerichte 117 Vgl. etwa CDFJ, vol. XXXIV (1956), S. 195 ff.; CDFJ, vol. XLII (1960), S. 163 ff.; CDFJ, vol. LIV a (1969), I 18/19 und S.28. Einen besseren Rechtsschutz für die Steuerpflichtigen fordert auch die Internationale Handelskammer in Heft 196: Double Taxation - Settlement of Disputes, Paris 1959,

S.4.

118 Art. 25 Abs. IV DBA Frankreich; Art.25 Abs, V DBA Spanien; Art. 25 Abs. IV DBA Island; Art.26 Abs. IV DBA Schweiz; Art.22 Abs.III DBA Südafrika. . 119 Eine gemischte Kommission zur Beseitigung von Auslegungsdivergenzen war auch bereits in Ziff.7 des englisch-irischen DBA vom 14.4.1926 (I SN 57) vorgesehen. 120 Hallier, WBV I, S. 642. 121 Clive Parry, The consolidated Treaty Series, vol.52, p. 243 f. 122 Hallier, WBV I, S. 642.

118

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

unter der Bezeichnung "Gemischte Kommission" geschaffen worden, so z. B. die Gemischte Kommission des Londoner Schuldenabkommens von 1953 123, die u. a. zuständig ist für Auslegungsfragen der Anlage IV des Abkommens. Aus dem Begriff "Gemischte Kommission" lassen sich jedoch keine rechtlichen Schlüsse ziehen. Denn da gemischte Kommissionen zur Erfüllung verschiedenster Aufgaben geschaffen werden, ist über den Umfang ihrer Kompetenzen keine allgemeine Aussage möglich124 • Gemischte Kommissionen liegen auf der Grenze zwischen den diplomatischen und den schiedsgerichtlichen Streiterledigungsverfahren. Es ist darauf hingewiesen worden, daß die diplomatischen und die schiedsrichterlichen Streiterledigungsmittel nach folgenden Kriterien abgegrenzt werden: Bei den diplomatischen Streiterledigungsmitteln bleiben die Streitteile Herren des Verfahrens. Demgegenüber liegt bei Errichtung einer Schiedsinstanz die Sachentscheidung nicht mehr in der eigenen Hand der Streitteile, sondern ist der autoritären Entscheidung eines von den Streitparteien verschiedenen Willens anheimgegebenl25 • Da die gemischten Kommissionen in den deutschen DBA jeweils aus der gleichen Anzahl weisungsgebundener Vertreter der Finanzministerien bestehen, sind sie nicht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zuzuordnen. Auch die gemischten Kommissionen dieser DBA gehören demnach noch in den Bereich der diplomatischen Streiterledigung durch Verhandlung.

4. Der fiießende übergang zwischen dem diplomatischen Streiterledigungsmittel der Verhandlung und der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit Das Institut der gemischten Kommissionen zeigt aber, daß zwischen dem diplomatischen Streiterledigungsmittel der Verhandlung und der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit weitreichende Gemeinsamkeiten und nur ein gradueller Unterschied besteht, soweit durch beide Verfahren Schwierigkeiten oder Zweifel bei der Anwendung oder Auslegung völkerrechtlicher Verträge mit nicht-politischem Inhalt beseitigt werden sollen. Die Gemeinsamkeiten zwischen dem diplomatischen Streiterledigungsmittel der Verhandlung und der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit werden schon deutlich in den Fällen, in denen sich die Parteien 123 BGBI 1953 H, S. 331 ff.; zur Gemischten Kommission des Londoner Schuldenabkommens, vgl. näher: Haltier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 35 f.; Erter, Beschränkung der rechtsprechenden Gewalt, S. 35; Heise, S. 120. 124 Hallier, WBV I, S. 641/642. 125 Berber HI, S. 40.

B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene

119

- wie in Art. 10 des multilateralen Abkommens über die Besteuerung von Straßenfahrzeugen vom 18. 5. 1956 - vertraglich verpflichtet haben, vor Anrufung der Schiedsinstanz den Versuch zu unternehmen, die völkerrechtliche Streitigkeit durch diplomatische Verhandlungen beizulegen. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist dann subsidiär zur diplomatischen Streiterledigung durch Verhandlung. Zwischen den beiden Streiterledigungsverfahren besteht ein Stufenverhältnisl26. Den Konsultationsklauseln der DBA und den Schiedsklauseln ist gemeinsam, daß auch in Schiedsklauseln sinngemäß die Formulierung: "Schwierigkeiten oder Zweifel bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens" enthalten ist. Diese Formulierung hat im Bereich der völkerrechtlichen Gerichtsbarkeitl27 und Schiedsgerichtsbarkeit128 die Bedeutung einer sachlichen Zuständigkeitsbestimmung. Mit ihr wird die sachliche Zuständigkeit (Kompetenz ratione materiae) des jeweiligen Streiterledigungsorgans auf alle Rechtsstreitigkeiten aus dem betreffenden Vertrag erstreckt. Ein völkerrechtliches (Schieds-) Gericht hat vor einer Entscheidung stets zu klären, ob seine Gerichtsbarkeit in sachlicher Hinsicht gegeben ist. Der Einwand der fehlenden Kompetenz ratione materiae ist in der Rechtsprechung des PCIJl29 wie des ICJl30 als prozeßhindernde Einrede behandelt worden. Das ist letztlich nur eine Folgerung aus dem Grundprinzip der internationalen (Schieds-) Gerichtsbarkeit, dem Konsensprinzip. Denn ohne die Zustimmung der Streitparteien kann es keine Zuständigkeit eines völkerrechtlichen (Schieds-) Gerichts geben. Folglich wird auch der Umfang der Entscheidungsgewalt des völkerrechtlichen Streiterledigungsorgans, d. h. der Kreis der Streitgegenstände, allein vom Willen der das Organ konstituierenden Staaten bestimmt. Diese beiderseitige Zustimmung kann im voraus abstrakt-generell für alle künftigen, aus einem bestimmten Vertrag entspringenden Streitigkeiten erteilt werden. Die SchiedsklauseI, auch kompromissarische Klausel genannt, ist ein solcher Zustimmungsvertrag. Ist vorgesehen, die Regelung der Einzelheiten des Schiedsverfahrens, wie Umgrenzung des Streitgegenstandes, Besetzung des Gerichts, Ausgestaltung des Verfahrens und Festlegung der Entscheidungsnormen erst bei Eintritt einer Streitigkeit durch eine weitere Einigung der Streitteile (den ICJ, Reports 1969, p.47; Hahn, AWD 1972, S.489. Dahm II, S. 485 ff.; Berber III, S. 68 ff. jeweils m. w. N. 128 Schindler, S.65; Guggenheim, Lehrbuch, S.635; Schlochauer, WBV III, S.185; Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S.56/57; Heidelmayr, ZaöRV, Bd. 16 (1955/56), S. 58 ff. 126

127

129 PCIJ, Series A, No. 2, p.10 (Mavrommatis-Konzessionen Fall); PCIJ, . Series A, No. 6, p. 13, 19 (Chorzow-Fall). 130 ICJ, Reports 1957, p. 125 (132 f., 152).

120

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

sog. Komprorniß) herbeizuführen, so ist die Schiedsklausel nur ein pactum de contrahendo in bezug auf den Kompromiß131. Das zeigt sich besonders bei den Schiedsverfahren, die auf der Grundlage der in vielen Freundschafts-, Handels-, Schiffahrts-, Konsular- und Niederlassungsverträgen132 sowie Sozialversicherungsabkommen enthaltenen speziellen Schiedsklauseln durchgeführt werden l33 . Sie sehen regelmäßig ein für jeden Streitfall ad hoc zu bildendes Schiedsgericht vor. Die Regelung der Einzelheiten des Verfahrens ist in diesen Fällen der ad hoc Schiedsgerichtsbarkeit einer später zu treffenden Vereinbarung der Parteien überlassen, dem sog. Komprorniß. Bei dieser Form der auf speziellen Schiedsklausein beruhenden, nicht institutionalisierten Schiedsgerichtsbarkeit steht das Verfahren weitgehend unter der Herrschaft der Staaten, auch wenn das Schiedsurteil später von unabhängigen Schiedsrichtern erlassen wird. Berber weist zu Recht darauf hin, daß mit den Kriterien zur Unterscheidung der diplomatischen Streiterledigungsmittel von der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nur theoretisch eine klare Abgrenzung gegeben ist. Praktisch hängt alles davon ab, wie die Schiedsrichter bestellt werden und wie sich das Schiedsorgan zusammensetzt. Ist ein Schiedsgericht nur mit der gleichen Zahl von Richtern der beiden Streitteile besetzt, ohne Hinzuziehung neutraler Unparteüscher, steht die Entscheidung des Schiedsgerichts weitgehend einer vertraglichen Einigung gleichl34 . Daher ist es berechtigt, von einem fließenden übergang zwischen der völkerrechtlichen Steiterledigung durch Schiedsgerichte und durch diplomatische Verhandlungen zu sprechen. Das diplomatische Streiterledigungsmittel der Verhandlung und die internationale Schiedsgerichtsbarkeit unterscheiden sich allerdings dadurch, daß die Entscheidung eines völkerrechtlichen Schiedsgerichts in Rechtskraft erwächstl35. Es ist jedoch möglich, daß die Parteien im gemeinsamen Ein131 Dahm II, S. 459 f.; Berber III, S. 48 f.; Verdross, S.421; Seidt-Hohenvetdern, Rdnr. 1266 f.; Schindler, S. 142 f.; Ulshö!er, WBV III, S. 203 f.; Guggenheim, Lehrbuch, S. 613.

132 Vgl. dazu das schon erwähnte Sammelwerk der UN: A Survey of Treaty Provisions for the Pacific Settlement of International Disputes 1949 - 1962, New York 1966. 133 Einen überblick über Schiedsklauseln in deutschen völkerrechtlichen Verträgen gibt Heidelmayr, ZaöRV, Bd.16 (1955/56), S. 567 ff. 134 Berber III, S.40 mit Hinweis auf die durch den Vertrag vom 11. 1. 1909 zwischen den USA und Kanada (British Treaty Series, 1910, No. 23) geschaffene Joint Commission, die schiedsrichterliche Aufgaben hatte und aus je drei Kommissaren der beiden Seiten bestand. 135 TraU Smelter Case, Schiedsspruch vom 11. 3. 1941 (USA-Kanada), UNRIAA, vol. 3, p. 1950 ff.: "... The sanctity of res iudicata attached to a final decision of an international tribunal is an essential and settled· rule

B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene

121

verständnis den Schiedsspruch auf seine Rechtsbeständigkeit überprüfen lassen oder die durch das Urteil geschaffene Rechtslage auf vertraglichem Wege ändernl36 • Diese Möglichkeiten der Parteien, sich über die Rechtskraft des Schiedsurteils hinwegzusetzen, beruhen wiederum auf dem Konsensprinzip. Im Vergleich zu den weitreichenden übereinstimmungen der beiden Institute fällt dieses Unterscheidungsmerkmal daher nicht sehr stark ins Gewicht. Die Gleichheit überwiegt die Verschiedenheit. Besteht demnach zwischen der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit und der diplomatischen Streiterledigung durch Verhandlung ein gleitender übergang und herrscht - je nach der Ausgestaltung im Einzelfall - eine weitreichende übereinstimmung zwischen beiden Instituten, so liegt es nahe, die durch die mangelnde Ausgestaltung des Verständigungsverfahrens i. e. S. aufgeworfenen Probleme durch Analogie zu den Regeln zu lösen, die für die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit gelten. In der Klausel über das Verständigungsverfahren fehlen besondere Bestimmungen über die Verfahrensdurchführung. Problematisch ist ebenso das Verhältnis des Verständigungsverfahrens zur nationalen Gerichtsbarkeit. Man könnte wegen dieser Unvollständigkeit der Regelung des Verständigungsverfahrens von einer "offenen Regelungslücke"137 sprechen und sie in Analogie zu den Regeln schließen, die für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit und ihr Verhältnis zur naitonalen Gerichtsbarkeit gelten. Unter Analogie ist zu verstehen "die übertragung der für einen Tatbestand (A) oder für mehrere, untereinander ,ähnliche' Tatbestände (Al bis A x ) im Gesetz gegebenen Regel auf den im Gesetz nicht geregelten, erst von dem Beurteiler ... gebildeten A ,ähnlichen' Tatbestand B"138. Eine Analogie würde demnach voraussetzen, daß für die genannten Fragen auf dem Gebiet der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit gesetzliche Regeln bestehen. Die von der Wissenschaft und Rechtsprechung entwickelten Regeln über die Durchführung des völkerrechtlichen Schiedsverfahrens und über das Verhältnis der Schiedsgerichtsbarkeit zur nationalen Gerichtsbarkeit sind aber weder positives Gesetzesrecht geworden noch können sie als Gewohnheitsrecht bezeichnet werden. Es handelt sich um Folgerungen aus allof international law." Vgl. auch Dahm II, S.560; HaUieT, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 92 m. w. N. 136 Oppenheim / LauteTpacht II, § 16 (p. 26 f.); SchtndleT, S.168; HallieT, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S.93, Fußn.407. 137 Zum Vorliegen einer Gesetzeslücke als Voraussetzung für den Analogieschluß vgl. Enneccerus / NippeTdey, S.356; LaTenz, Methodenlehre, S.350, 359; Engisch, S. 135 f. 138 LaTenz, Methodenlehre, S.359; Enneccerus / NippeTdey, S.336; Engisch, S.142 f.

122

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

gemeinen Prinzipien des Völkerrechts und den Grundsätzen über das Verhältnis des Völkerrechts zur nationalen Rechtsordnung. Damit ist auch insoweit für die Schiedsgerichtsbarkeit eine Lücke gegeben l39 • Besteht aber auch für die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit insoweit keine positivrechtliche oder gewohnheitsrechtliche Regelung, ist eine Analogie ausgeschlossen. Wegen des nur graduellen Unterschiedes zwischen der diplomatischen Streiterledigung durch Verhandlung, die die Behebung von Rechtsstreitigkeiten zum Ziele hat, und der Schiedsgerichtsbarkeit ist es aber zumindest gerechtfertigt, zur Lösung der durch das Verständigungsverfahren i. e. S. aufgeworfenen Probleme die für die Schiedsgerichtsbarkeit entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Der Weg, für das Verhältnis des Verständigungsverfahrens zur nationalen Gerichtsbarkeit die auf diesem Gebiet für die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit geltenden Regeln heranzuziehen, empfiehlt sich auch deshalb, weil die völkerrechtliche Streiterledigung durch Verhandlung und die Schiedsgerichtsbarkeit in einem Stufenverhältnis zueinander stehen. Damit können die Kompetenzen der Vertreter der Finanzministerien nicht weiterreichen als die Kompetenzen einer völkerrechtlichen Schiedsinstanz. Auf diesem Wege und aus dem oben genannten Gesichtspunkt, daß eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung ein völkerrechtliches Delikt darstellt, lassen sich die für die Durchführung des Verständigungsverfahrens geltenden Rechtsgrundsätze herleiten.

u. Die Parteien des Verfahrens: Diplomatische Protektion des Steuerpflichtigen durch den Heimatstaat Von einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung ist zunächst allein der Steuerpflichtige betroffen, nicht die Vertragsstaaten 139 Hier wird allerdings deutlich, daß die Abgrenzung von Auslegung und ergänzender Rechtsfortbildungfließend ist (LaTenz, S.351, Fußn.4). Können aus allgemeinen Prinzipien Folgerungen gezogen werden, läßt sich die Auffassung vertreten, es liege keine Lücke vor. Damit stellt sich das Problem des Begriffs der Rechtslücke. Engisch (S. 136) weist zu Recht darauf hin, daß man "zu einer Art von Nominaldefinition Zuflucht nehmen muß ... Lücken sind Mängel des positiven Rechts (des Gesetzes- oder Gewohnheitsrechts), die als Fehlen rechtlicher Regelungsinhalte dort, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet sind, spürbar werden und die Behebung durch eine rechtsergänzende richterliche Entscheidung fordern und zulassen ... Soweit die Auslegung zur Beantwortung von Rechtsfragen hinreicht, bleiben ... dem Rechte Lücken ferne. Dagegen ... (besitzen) ... bereits eine rechtsergänzende Funktion ... (solche) rechtlichen Erwägungen, die in allgemeinen Rechtsgrundsätzen Anker werfen. Auch wo der Gesetzgeber eine Rechtsfrage ... Wissenschaft und Praxis anheimgestellt hat, ... wird man von einer Lücke sprechen müssen" (Engisch, S. 137). Legt man diese Auffassung zugrunde, ist für die Frage des Verhältnisses der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit zur nationalen Gerichtsbarkeit eine Lücke gegeben.

B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene

123

des DBA als Steuergläubiger. Der Steuerpflichtige hat aber im Verständigungsverfahren, jedenfalls soweit es um die zwischenstaatliche Abwicklung des Verfahrens geht, nicht die Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten. Das beruht darauf, daß Einzelpersonen grundsätzlich in einem zwischenstaatlichen Verfahren keine Parteüähigkeit haben140 • Das klassische Völkerrecht versteht sich als Rechtsordnung der Staaten. Grundsätzlich ist die Einzelperson nicht Subjekt des Völkerrechts141 • Es gilt der Grundsatz der Mediatisierung des Einzelmenschen142• Dieser Grundvorstellung widerspricht die verfahrensrechtliche Beteiligung von Einzelpersonen an einem zwischenstaatlichen Verfahren, in dem über die Frage der Verletzung von Völkerrecht durch einen Staat entschieden wird. Subjekte eines völkerrechtlichen Haftungsanspruchs können nur Völkerrechtssubjekte sein. Handlungen von Staaten können faktisch aber auch unmittelbar eine Einzelperson verletzen. In einem solchen Fall sieht das Völkerrecht in der völkerrechtswidrigen Verletzung der Einzelperson zugleich eine solche des Staates, dem der - regelmäßig in der Staatsangehörigkeit begründete - Schutz dieser Person obliegt. Juristisch ist zugleich auch ein Rechtsgut des Staates verletzt, sein Recht auf völkerrechtsgemäße Behandlung seiner Staatsangehörigen, das er durch Ausübung des diplomatischen Schutzrechtes geltend macht143 • Diese Geltendmachung von Ansprüchen seiner Staatsangehörigen ist der klassische Fall der diplomatischen Protektion144• Die Völkerrechtspraxis und Lehre versteht unter der diplomatischen Protektion in der Regel den repressiven Schutz von natürlichen und juristischen Personen gegen völkerrechtswidrige Handlungen einer fremden Hoheitsgewalt145• Ein solches völkerrechtliches Delikt als Voraussetzung der diplomatischen Protektion ist gegeben, wenn ein deutscher Steuerinländer in einem Staat, mit dem die BRD ein DBA ver140

Oppenheim / Lauterpacht H, § 25 abd (p.56); Dahm H, S.503; Berber

141

Oppenheim / Lauterpacht I, § 13 a (p. 19); Berber I, S. 171 f.; Dahm I,

IH, S.67, jeweils m. w. N.

S. 411 f.; Verdross, S. 216 f.

Seidl-Hohenveldern, Rdnr. 632 f.; Guggenheim, Lehrbuch, S.275. Oppenheim / Lauterpacht I, § 155 (p. 343/344), § 319 (p. 686), H § 25 adb (p. 54 f.); Berber IH, S. 18 f.; Dahm H, S. 503 f., HI, S. 246 f.; Guggenheim, 142 143

S. 280 f.

144 Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 119, 128 m. w. N. Vgl. auch das Urteil des österreich-deutschen Schiedsgericht vom 15. Januar 1972 (ZaöRV, Bd.32 [1972], S. 36 ff.), in dem es in· der Hauptsache um die Frage ging, ob die Geltendmachung des von- österreich in Anspruch genommenen diplomatischen Schutzrechtes von den Ausnahmebestimmungen der Verzichtsoder Entfertigungsklausel des österreich-deutschen Finanz- und Ausgleichsvertrages gedeckt war. 145 Geck, WBV I, S.379; Kiss, Protection diplomatie, p.690.

124

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

einbart hat, in einer dem Abkommen nicht entsprechenden Weise besteuert wird. Grundsätzlich ist die Ausübung der diplomatischen Protektion an die Staatsangehörigkeit geknüpft148• Selbst die dauernde Niederlassung im Inland gewährt noch keine Schutzrechte. Durch Verträge kann aber ein anderes vereinbart werden147• Für die DBA ist durch den übergang vom Nationalitätsprinzip zum Wohnsitzprinzip auch die diplomatische Protektion auf die Steuerinländer erweitert. Der Staat macht bei der Ausübung der diplomatischen Protektion ein eigenes Recht im eigenen Namen geltend148 • Aus der Annahme, daß die völkerrechtswidrige Behandlung eines Individuums eine unmittelbare Verletzung des Heimatstaates darstellt und daß dieser daher einen eigenen, vom Recht des einzelnen Bürgers unabhängigen Anspruch geltend macht, folgt die unbeschränkte Verfügungsmacht des protegierenden Staates über den Anspruchl49 • Private Ansprüche des Bürgers werden mit der diplomatischen Geltendmachung als von dem Anspruch des Staates absorbiert angesehen (espousal oder merger of claim, endossement)160. Einer Zustimmung des Steuerpflichtigen zur Ausübung des Schutzrechtes bedarf es daher nicht. Zwar ist das Schutzrecht des Staates akzessorisch, so daß der Steuerpflichtige auch über seinen Anspruch verfügen kann. Wenn aber einmal der Staat sich den Anspruch (les einzelnen zu eigen gemacht und den Willen dazu dem ausländischen Staat gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, ist dem einzelnen für die Dauer der Geltendmachung die Verfügung über seinen Anspruch entzogenl5l • 146 147

Geck, WBV I, S.380; Kiss, Protection diplomatie, p.692.

Dahm III, S. 249/250.

148 PCIJ, Series A, No.2 (Mavrommatis-Konzessionen-Fall), p. 12 f.: "By taking up the ease of one of its subjects and by resorting to diplomatie action or international judicial proeeedings on his behalf, aState is in reality asserting its own rights - its right to ensure, in the person of its subjects, respeet for the rules of international law." Ebenso: PCIJ, Series A, No. 17 (Chorzow-Fall), p. 28 f.; PCIJ, Series AlB, No.76 (Panevezys-SaldutiskisEisenbahn-Fall), p. 16 f. In Series A, No. 20/21 (Serbische und Brasilianische Anleihen-Fall), p. 16 f. wird die Klageerhebung durch den Staat für den im übrigen unveränderten privaten materiellen Anspruch lediglich als Erfüllung des formalen Erfordernisses des Art. 34 des Statutes gerechtfertigt. Ebenso der ICJ in seinem Gutachten vom 11. 4. 1949, Reeueil des decisions, p.176 f., 184. Nach neuerer Auffassung ist die Gewährung diplomatischen Schutzes in dieser Form als prozeßstandschaftliche Geltendmachung von Individualinteressen zu verstehen, vgl. HallieT, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 133 f.; Kiss, Proteetion diplomatie, p.691; Dahm III, S.255/256. 149 HallieT, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 120, Fußn. 514. 150 HallieT, ebd., S. 129, Fußn. 551; Geck, WBV I, S. 383. 151 Dahm III, S. 257/258.

B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene

125

Grundsätzlich ist der Staat in den Mitteln der diplomatischen Protektion frei. Er hat bei der Schutzausübung die allgemein vom Völkerrecht gesetzten Grenzen einzuhalten. Hat er sich verpflichtet, zur Regelung der Streitigkeiten aus einem bestimmten völkerrechtlichen Vertrag ein bestimmtes völkerrechtliches Streiterledigungsverfahren einzuhalten, so ist damit zugleich auch die Art der Schutzausübung festgelegt1D2• Die Einleitung des Verständigungsverfahrens ist daher für den Bereich der DBA das vertraglich vorgeschriebene Mittel der diplomatischen Protektionl51r•

m. local remedies ruIe Wenn einem Staat nicht unmittelbar, sondern nur einem seiner Schutzberechtigten ein Schaden zugefügt wurde, kann der Staat grundsätzlich nicht sofort die diplomatische Protektion ausüben. Als allgemein anerkannte Regel des Völkergewohnheitsrechtes muß die geschädigte Einzelperson vorher erfolglos versucht haben, vor den Behörden und Gerichten des schädigenden Staates zu ihrem Recht zu kommen. Sie muß die innerstaatlich möglichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft haben: rule of the exhaustion of local remedies1M• Die Einhaltung der local remedy rule kann jedoch vertraglich abbedungen werdenUi5• Daraus erhellt die Bedeutung der in der Verständigungsklausel enthaltenen Bestimmung, daß dieses Verfahren unbeschadet der nach innerstaatlichem Recht dieser Staaten vorgesehenen Rechtsbehelfe durchgeführt werden könne: Sie liegt in der FreisteIlung von der local remedies rule. Geck, WBV I, S. 384. Vgl. auch SchZochauer, WBV III, S.185, für den Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit: "Ansprüche von Privatpersonen aus völkerrechtswidrigem Verhalten der Organe eines anderen Staates können nur von dem Staat geltend gemacht werden, der hierdurch selbst oder in Personen betroffen ist, denen er diplomatischen Schutz zu gewähren hat. Derartige Vorgänge sind Anlaß zu zahlreichen Staatenstreitigkeiten vor internationalen Schiedsgerichten gewesen." 1M PCIJ, Series A, No. 2, p.12 (Mavrommatis-Konzessionen-Fall); PCIJ, Series AlB, No. 76, p.18, 22 (Panevezys-Saldutiskis-Eisenbahn-FaH); ICJ, Reports 1959, p.27: "... a weH established rule of eustomary international law."; ICJ, Reports 1949, p. 181 f. (Bernadotte-FaH); ICJ, Reports 1970, p.23 (Bareelona-Traetion-Urteil); Dahm III, S.261; Mosler, ZaöRV, Bd.32 (1972), S.65; Oppenheim / Lauterpacht I, § 162 a (p.361). Der rechtliche Charakter der loeal remedies rule ist umstritten: nach der einen Auffassung ist sie Voraussetzung für die Entstehung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit des Staates, nach einer anderen Auffassung eine Prozeßvoraussetzung, vgl. dazu Heise, S. 27 ff.; ErZer, Zuständigkeit internationaler Gerichte, S.51. 165 Dahm III, S.263; Geck, WBV I, S.383 . 15%

153

126

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA IV. Zuständigkeit

Als allgemeiner Grundsatz, der auch im Völkerrecht Geltung hat, ist die Regel anzusehen, daß Behörden und Gerichte, bevor sie in der Sache tätig werden, sich darüber zu vergewissern haben, daß sie zuständig sind11\8. Die Zuständigkeit muß sowohl in sachlicher (Kompetenz ratione materiae) als auch in persönlicher (Kompetenz ratione personae) Hinsicht gegeben sein. 1. Kompetenz ratione materiae

Die Entscheidungsgewalt der im Verständigungsverfahren i. e. S. tätigen Vertreter der FinMin beruht ebenso wie die Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit völkerrechtlicher Gerichte auf der Zustimmung der Vertragsstaaten des DBA. Dieses Konsensprinzip hat nicht nur Geltung für die Zuständigkeit als solche, sondern auch für den Umfang und die Grenzen der EntscheidungsgewaW.57. Der Umfang der Entscheidungsgewalt im Verständigungsverfahren der DBA ergibt sich aus der in der Streitbeilegungsklausel enthaltenen Zuständigkeitsbestimmung. Danach erstreckt sich die sachliche Zuständigkeit auf sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus der Auslegung und Anwendung des DBA. Die sachliche Zuständigkeit der Vertreter der FinMin umfaßt demnach nicht Fragen der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts, es sei denn, das DBA verweist darauf158• Dann ist über den Umfang dieser Verweisung zu entscheiden. Unter diesem Gesichtspunkt ist das oben geschilderte Verständigungsverfahren zwischen den österreichischen und deutschen Finanzministerien über die Frage der Umqualifikation der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht bei Doppelwohnsitzfällen unter Verletzung der sachlichen Zuständigkeit durchgeführt worden. Denn diese Frage betraf allein das innerstaatliche Recht und lag folglich außerhalb der Zuständigkeit des zwischenstaatlichen Entscheidungsverfahrens. 2. Kompetenz ratione personae

Staatliche Gerichte stehen grundsätzlich jedem Rechtsuchenden ohne Rücksicht auf dessen Nationalität offen. Dieser Grundsatz gilt nicht im völkerrechtlichen Bereich. Macht ein Staat die völkerrechtswidrige Behandlung einer Einzelperson im Wege der diplomatischen Protektion geltend, ist Voraussetzung dieser Schutzausübung grundsätzlich das persönliche Band der Staatsangehörigkeit1519 • 156

157

Dahm Ir, S. 513 m. w. N. Berber IrI, S.68 m. w. N.

158 So z. B., wenn ein Abkommensbegriff durch Bezugnahme auf innerstaatliches Recht definiert wird, vgl. Debatin, AWD 1969, S. 481. 159 HaHier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S.57 m. w. N.

B. Durchführung auf zwischenstaatlicher Ebene

127

Das gilt aber nur, sofern der betreffende Vertrag keine anderslautende Bestimmung trifft. Der persönliche Anwendungsbereich der neueren DBA stellt regelmäßig nicht auf die Staatsangehörigkeit (Nationalitätsprinzip), sondern auf die "Ansässigkeit" (Wohnsitzprinzip) ab. Folglich bemißt sich auch die Entscheidungsbefugnis im Verständigungsverfahren nach diesem Wohnsitzprinzip. V. Das anwendbare Recht

Da das Verfahren vor völkerrechtlichen Streiterledigungsorganen auf dem Konsensprinzip beruht, bestimmt sich auch die Art des anzuwendenden Rechts nach dem Willen der Parteien, die das Streiterledigungsorgan eingesetzt haben160 • Nach der Konsultationsklausel der DBA sind die Vertreter der FinMin zur Entscheidung von Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des jeweiligen DBA eingesetzt. Das Recht, das sie bei der Entscheidung anzuwenden haben, ergibt sich aus der sog. lex fori Klausel. Danach ist bei der Anwendung des DBA im Verständigungsverfahren abzustellen auf: -

die besonderen Abkommensdefinitionen,

-

den Sinnzusammenhang des Abkommens und

-

subsidiär auf das nationale Recht.

Das entspricht der Regelung über das von völkerrechtlichen Schiedsinstanzen anzuwendende Recht. Sind völkerrechtliche Schiedsinstanzen zur Entscheidung von Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des Vertrages eingesetzt, der ihre Zuständigkeit begründet, so haben sie ihren Entscheidungen in erster Linie das Vertragsrecht, d. h. die in den Verträgen enthaltenen Rechtsvorschriften zugrundezulegen. Die einzelnen Begriffe sind nach dem Sinnzusammenhang des jeweiligen Vertrages auszulegen, soweit sie nicht auf das Landesrecht verweisen161 • Mit der Bestimmung der lex fori Klausel über das anzuwendende Recht sind außer dem Vertragsrecht und dem nationalen Recht die weiteren, in Art. 38 Abs. I des Statutes des IGH genannten Rechtsquellen des Völkerrechts als Entscheidungsgrundlage im Verständigungsverfahren ausgeschlossen. Die Frage, ob im Verständigungsverfahren der Streitfall auch "ex aequo et bono" (Art. 38 Abs. 11 des IGH-Statutes) entschieden werden kann, wird im Abschnitt über das Verständigungsverfahren i. e. S. als Billigkeitsverfahren behandelt. 160 161

Dahm II, S. 543.

Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S.84/85 m. w. N.

128

3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

c. Das Verhältnis des Verständigungsverfahrens im engeren Sinne zum Verfahren vor nationalen Instanzen Auf die innerstaatliche Seite des Verständigungsverfahrens i. e. S. beziehen sich die Vorschriften der DBA über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen. Aus ihnen ist über das Verhältnis des Verständigungsverfahrens i. e. S. zur nationalen Gerichtsbarkeit nichts zu entnehmen. Auch über die Bedeutung der Verfahrensentscheidung im nationalen Bereich enthalten sie keine Aussage: Sie regeln weder deren Verhältnis zu einem nationalen rechtskräftigen Urteil noch zu einem bestandskräftigen Steuerbescheidl62• Diese Fragen sind damit unter Rückgriff auf die für die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit geltenden Grundsätze zu beantworten. I. Das Verhältnis zur nationalen Gerichtsbarkeit

Bei der Frage nach dem Verhältnis des zwischenstaatlichen Verständigungsverfahrens zur innerstaatlichen Gerichtsbarkeit sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Einmal, daß Klage zum FG erhoben, zum anderen, daß über die im Verständigungsverfahren zu klärende DBA-Frage durch das nationale Gericht bereits rechtskräftig entschieden ist. In der ersten Fallgruppe ergibt sich die Frage, ob der Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. der Einwand der Rechtshängigkeit, in der zweiten Fallgruppe, ob der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht. 1. Die GTundsätze !ÜT den BeTeich deT vöZkeTTechtlichen SchiedsgeTichtsbaTkeit Das Problem der Rechtshängigkeit und Rechtskraft tritt ebenfalls auf, wenn neben der Entscheidungskompetenz eines nationalen Gerichts die Gerichtsbarkeit einer völkerrechtlichen Schiedsinstanz gegeben ist. Für das Verhältnis der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit zur nationalen Gerichtsbarkeit gilt als Grundsatz, daß sie "mit dem deutschen Instanzenzug und dem vor diesem laufenden Individualverfahren funktional keinen Zusammenhang haben. Vor ihnen spielt sich ein Verfahren ab, das hinsichtlich seiner Parteien, seiner Klagevoraussetzungen, seines Klagegrundes und seines Klagezieles grundsätzlich andersgeartet ist und sich in einer anderen Rechtsschicht bewegt als der Individualprozeß vor den staatlichen Gerichten l63 ." 162 Allein im DBA USA 1966 ist insoweit in Art. 17 Abs. III bestimmt: "Erzielen die zuständigen Behörden eine solche Verständigung, so werden die Vertragsstaaten die Steuern von diesen Einkünften entsprechend der Verständigung erheben, erstatten oder anrechnen."

C. Das Verhältnis des Vv. i. e. S. zum Verfahren vor nationalen Instanzen 129 Die völlige Diskontinuität zwischen einem staatlichen Gerichtsverfahren und dem Verfahren vor einem internationalen Gericht beruht darauf, daß Parteien der Streitigkeiten vor diesen internationalen Gerichten regelmäßig nur die Staaten sind, nicht aber die individuellen Parteien, die vor den staatlichen Gerichten gestritten haben. Die internationale Gerichtsbarkeit versucht, die innerstaatliche nicht zu ersetzen oder zu verdrängen, "sie bietet vielmehr die Möglichkeit für ein Verfahren zwischen anderen Parteien, auf Grund anderer - völkerrechtlicher und nicht innerstaatlicher - Rechtsvorschriften, mit einem anderen Klagegrund und mit anderen Zielen. Denn Klagegrund ist nicht die Schädigung des Staatsangehörigen in dem oder durch den Aufenthaltsstaat, sondern die Schädigung seines Staates in seinem Schutzrecht und das Klageziel ist nicht die Entschädigung des geschädigten Individuums, sondern die Wiedergutmachung des einem Staate dadurch angetanen völkerrechtlichen Unrechts l64 ." Aus diesen Grundsätzen ergeben sich die Folgerungen für das Problem der Rechtshängigkeit und Rechtskraft. a) Rechtshängigkeit Die Rechtshängigkeit bezweckt als prozeßökonomisches Institut den Ausschluß sich widersprechender Urteile zwischen denselben Parteien über dieselbe Streitsache1 65• Dieser Prozeßgrundsatz ist sowohl im Prozeßrecht zahlreicher Staatenl66 als auch im Völkerrecht1 67 anerkannt. Die Rechtshängigkeit vor einem staatlichen Gericht ist für eine völkerrechtliche Schiedsinstanz grundsätzlich unbeachtlichl88 • Regelmäßig taucht das Problem der Rechtshängigkeit auch nicht auf, denn nach der local remedies rule muß vor der Klage zum völkerrechtlichen Gericht die endgültige nationale Entscheidung abgewartet werden. Aber unabhängig hiervon ist der Einwand der Rechtshängigkeit dadurch ausgeschlossen, daß der Streitgegenstand, der dem nationalen Verfahren zugrundeliegt, und der des völkerrechtlichen Streiterledigungsverfahrens ein anderer ist. Denn der Streitfall gelangt von der nationalen in die internationale Ebene nur dadurch, daß der Heimatstaat der im nationalen Verfahren als Partei auftretenden Einzelperson auf Grund 163 Erter, Zuständigkeit internationaler Gerichte, S.50; ebenso Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 28/29. 164 Erter, Zuständigkeit internationaler Gerichte, S. 52. 165 Rosenberg / Schwab, S.496. 166 Riezter, Internationales Zivilprozeßrecht, S. 451 ff. 167 Der PCIJ hat in Series A, No. 6 (Chorzow-Fall), p. 20, die Einrede der Rechtshängigkeit (litispendence) geprüft, mangels Vorliegens der Voraussetzungen im konkreten Fall aber abgelehnt. 168 Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S.61, mit Hinweis auf den Ausnahmefall, daß kraft Völkervertragsrecht ein Fall wahlweiser Gerichtsbarkeit vorliegt.

9 MülhaUien

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

des diplomatischen Schutzrechtes deren Forderung aufnimmt und im internationalen Verfahren geltend macht. Damit ist ein Parteiwechsel eingetreten und hat sich auch der Streitgegenstand verändert. Der im internationalen Verfahren auftretende Staat macht eigene Rechte geltend, nicht die seines Staatsangehörigen169 • Grundsätzlich kann es daher im Verhältnis von völkerrechtlichen Gerichten und nationalen Gerichten das Prozeßhindernis der Rechtshängigkeit nicht geben170 • b) Rechtskraft Die Gründe, die zur Unbeachtlichkeit des Einwandes der innerstaatlichen Rechtshängigkeit führen, gelten auch für den Einwand der Rechtskraft171 : Die ganz herrschende völkerrechtliche Praxis und Lehre läßt den Einwand der innerstaatlichen res iudicata im Verfahren vor einem internationalen Entscheidungsorgan nicht zu17l!. Letztlich ergibt sich der Ausschluß des Einwandes der Rechtskraft eines nationalen Urteils in einem Verfahren vor einem internationalen Gericht aus dem Grundsatz des Völkerrechts, daß vom Standpunkt des Völkerrechts her nationale Entscheidungen lediglich die Bedeutung von Tatsachen haben173• 2. Folgerungen für das Verständigungsverfahren im engeren Sinne

Ist wegen der dem DBA nicht entsprechenden Besteuerungsmaßnahmen Klage zum FG erhoben, so wird nach § 66 Abs. I FGO mit der Erhebung der Klage die Streitsache rechtshängig. Eine neue Klage während der Rechtshängigkeit ist unzulässig, § 66 Abs.II FGO. Der damit begründete und von Amts wegen in jedem weiteren Verfahren 169

Heise, S.67/68.

170 TAM Rec., con~oit qu'entre

Dahm H, S. 515.

Vol. 6, p.144 (146): " ... en effet, la litispendence ne se tribunaux d'un meme pays et d'un meme degre." Ebenso

171 Rechtshängigkeit und Rechtskraft stehen in einem inneren Zusammenhang, vgl. Rosenberg / Schwab, § 101 HI 1 c (S. 496): "Die Rechtshängigkeit unterscheidet sich von der Rechtskraft allein dadurch, daß die Ausschlußwirkung des ersten Prozesses auf Grund des Einwandes der Rechtshängigkeit nicht eintritt, wenn der Gegenstand des ersten Prozesses im zweiten Prozeß das präjudizielle Rechtsverhältnis oder die Grundlage einer Einrede oder der Aufrechnung bildet. Insoweit geht die Rechtskraft über die Rechtshängigkeit hinaus." 172 Dahm H, S.515, 562 m. w. N.; Heise, S.68 m. w. N.; Haltier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 46 f. 173 PCIJ, Series A, NO.7 (Chorzow-Fall), p.19: "From the standpoint of International Law and of the Court which is its organ, municipal laws are merely facts which express the will and constitute the activities of States, in the same manner as do legal decisions or administrative measures." Ebenso PCIJ, Series B, NO.17 (Griechisch-bulgarische "Gemeinschaften" Streit), p. 32 f.

c. Das Verhältnis des Vv. i. e. S. zum Verfahren vor nationalen Instanzen

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vor nationalen Gerichten zu beachtende Einwand der Rechtshängigkeit greift aber nicht auch auf das Verständigungsverfahren i. e. S. durch. Für den Ausschluß des Einwandes der Rechtshängigkeit spricht schon, daß das Verständigungsverfahren i. e. S. kein weiteres gerichtliches Verfahren im nationalen Bereich ist, sondern von Exekutivorganen auf zwischenstaatlicher Ebene durchgeführt wird. Der Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. und dessen Durchführung haben daher nicht die Bedeutung einer neuen Klage i. S. d. § 66 Abs. II FGO. Aus §§ 68, 123 S.2, 127, 138 Abs. II FGO ergibt sich, daß die Verwaltungsbehörde die Herrschaft über den Steuerbescheid auch während des Prozesses in der Weise behält, daß sie - genau wie außerhalb des Prozesses - unter den gesetzlichen Voraussetzungen den Verwaltungsakt zurücknehmen, ändern oder ersetzen kann174 • Das Argument, daß das Verständigungsverfahren i. e. S. zwischen Exekutivorganen durchgeführt wird und deshalb nicht infolge der Klageerhebung vor dem nationalen Gericht unzulässig sein könne, führt allerdings in den Fällen nicht weiter, in denen das FG rechtskräftig entschieden hat. Nach § 110 Abs. I S.l FGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten so weit, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist. War die Frage der dem DBA nicht entsprechenden Besteuerung Streitgegenstand, ist eine Berichtigung des Steuerbescheides durch die Verwaltungsbehörde nach Erlaß des rechtskräftigen Urteils gemäß § 110 Abs. II FGO ausgeschlossen. Denn danach darf ein FA im Anschluß an ein Urteil den Verwaltungsakt, der Gegenstand des Urteils war, nur zurücknehmen, ersetzen oder ändern, soweit über den Streitgegenstand nicht entschieden worden ist176• Der Ausschluß des Einwandes der Rechtskraft und - wegen des inneren Zusammenhanges von Rechtskraft und Rechtshängigkeit auch der Ausschluß des Einwandes der Rechtshängigkeit im Verhältnis zum Verständigungsverfahren i. e. S. lassen sich daher letztlich nur mit den gleichen Argumenten begründen, die für das Verhältnis der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit zur nationalen Gerichtsbarkeit gelten. Die dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung stellt ein völkerrechtliches Delikt dar. Die damit begründete völkerrechtliche Haftung wird Gegenstand des Verständigungsverfahrens i. e. S. dadurch, daß der Wohnsitzstaat i. S. d. Abkommens die völkervertragswidrige Besteuerung seines Steuerpflichtigen aufgreift und gegenüber dem anderen DBA-Staat als Verletzung seines Anspruchs auf vertragsgemäße Besteuerung seiner Schutzberechtigten geltend macht. 174

175

9'

Tipke / Kruse, § 68 FGO, Rdnr. 1; Pauliek, FGO, Rdnr. 185 f. Vgl. Tipke i Kruse, § 110 FGO, Rdnr.7.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Damit ist ein Parteiwechsel eingetreten und hat sich der Streitgegenstand geändert. Folglich kann der Durchführung eines Verständigungsverfahrens i. e. S. weder die Rechtshängigkeit eines nationalen gerichtlichen Verfahrens noch ein rechtskräftiges Urteil eines nationalen Gerichts entgegenstehen. U. Die Verfahrensentsclleldung

1. Im völkerrechtlichen Bereich Das Verständigungsverfahren der DBA ist weder ein gerichtliches noch ein schiedsgerichtliches völkerrechtliches Verfahren. Die Entscheidung im Verständigungsverfahren kann demnach nicht als Urteil qualifiziert werden, das in Rechtskraft erwächst. Die streiterledigende Einzelfallentscheidung kommt durch Willensübereinstimmung der Vertreter der FinMin zustande. Als Willensübereinstimmung ist sie ein völkerrechtlicher Vertrag. Daraus ergibt sich die Bindung der Vertragsstaaten an die im Verständigungsverfahren getroffene Entscheidung und ihre völkerrechtliche Pflicht, die zur Durchführung der Entscheidung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Durchführung der im Verständigungsverfahren getroffenen Regelung ist völkervertragliche Erfüllungspflicht, steht daneben aber auch unter dem Prinzip der Gegenseitigkeit176 • Der Vollzug der Verfahrensentscheidung in dem einen Vertragsstaat ist bedingt durch den Vollzug in dem anderen Vertragsstaat177• Umgekehrt bedeutet das, daß der mangelnde Vollzug der Verfahrensentscheidung oder die Vollzugsrevision in dem einen Vertragsstaat den anderen Vertragsstaat zu den gleichen Maßnahmen berechtigt.

2. Im innerstaatlichen Bereich a) Die Grundsätze für den Bereich der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit Sofern keine besonderen vertraglichen Vereinbarungen bestehen, bestimmt sich die Wirkung der Entscheidungen völkerrechtlicher Schiedsinstanzen nach den gewohnheitsrechtlichen Regeln über die Wirkung völkerrechtlicher Urteile178 • Inhalt völkerrechtlicher Urteile Vgl. dazu Schaumann, WBV I, S. 630 f. Das entspricht der Regelung im Zivilprozeß, wo die Gewährung internationaler Rechtshilfe in Zivilsachen und die Anerkennung von Urteilen eines ausländischen Gerichts (§§ 328, 722, 723 ZPO) vom Gegenseitigkeitsprinzip abhängig gemacht ist. 178 Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S.98. Zum Problem der innerstaatlichen Wirkung von Entscheidungen internationaler Gerichte vgl. allgemein Partsch, S. 114 m. w. N. 176

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C. Das Verhältnis des Vv. i. e. S. zum Verfahren vor nationalen Instanzen 133 ist die Feststellung der Übereinstimmung oder des Verstoßes staatlicher Hoheitsakte mit bzw. gegen das Völkerrecht. Eine Verletzung begründet die völkerrechtliche Haftung des Staates, die inhaltlich primär auf Restitution und sekundär auf Entschädigung in Geld gerichtet ist. Die Feststellung der Völkerrechtswidrigkeit der betreffenden staatlichen Maßnahme hat nicht kraft eines allgemeinen Grundsatzes des Völkerrechts ihre innerstaatliche Nichtigkeit zur Folge179 • Ebensowenig bewirkt sie eine automatische Bindung der Staatsorgane und Staatsbürger. Das zeigt auch die Judikatur völkerrechtlicher Schiedsinstanzen. Es ist festzustellen, daß die Urteile regelmäßig nur aussprechen, der betreffende Staat habe seine Rechtsordnung dem Spruch anzupassen180 • Im einzelnen ist danach zu unterscheiden, welche Art von Staatsakt auf seine Völkerrechtsgemäßheit überprüft wird, ob es sich um eine Exekutivmaßnahme handelt oder ob bereits ein nationales Gerichtsurteil vorliegt. Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz des Völkerrechts ist ein völkerrechtliches Gericht nicht befugt, ein rechtskräftiges nationales Gerichtsurteil, das unter Verstoß gegen das Völkerrecht ergangen ist, aufzuheben181 , sofern ihm diese Befugnis nicht ausnahmsweise durch Vertrag eingeräumt worden istl~. Das in Rechtskraft erwachsene völkerrechtswidrige Urteil des nationalen Gerichts bleibt daher grundsätzlich bestehen. Da die Restitution ausgeschlossen ist, muß der Staat Entschädigung in Geld leisten. Diesen Grundsätzen entspricht auch die Regelung in vielen allgemeinen Schiedsverträgen. Die Wirkung eines völkerrechtlichen Schiedsspruchs auf eine in derselben Sache ergangene Entscheidung eines nationalen Gerichts ist im deutsch-schweizerischen Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrag vom 3.12. 1921 in Art. 10 Abs. 11 in der Weise geregelt worden, "daß die formale Rechtskraft des nationalen Urteils unberührt gelassen, daß das Schiedsgericht aber für befugt erklärt wird, die 179 SeidZ-HohenveZdern, Rdnr. 384 - 386: Abgesehen von dem Ausnahmefall der Verletzung kriegsrechtlicher Vorschriften "verlangt die völkerrechtliche Praxis keineswegs, daß ein völkerrechtswidriger Akt auch innerstaatlich nichtig sein muß". Auf diesem Grundsatz beruhen auch die beiden Urteile: OLG Bremen, ArchVR, Bd.9 (1961/62), S. 318 ff. (Bremer Tabakfall) und LG Hamburg, AWD 1973, S.163 (Chile-Kupfer-Fall) zur Frage der Anerkennung völkerrechtswidriger Enteignungsmaßnahmen. 180 HaZlier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S. 98. 181 HaZlier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S.99; ErZer, Zuständigkeit internationaler Gerichte, S.52; Heise, S. 89 ff. 182 Entsprechende Vereinbarungen sind vielfach getroffen worden, vgl. Heise, S. 95 ff.; ErZer, Zuständigkeit internationaler Gerichte, S. 30 ff.; HaZZier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, .S. 30 ff.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Völkerrechtswidrigkeit des Urteils festzustellen und der dadurch im Unrecht befindlichen Partei die Maßnahmen aufzugeben, die sie auf dem Verwaltungswege treffen kann, um die tatsächlichen Folgen des Urteils zu beseitigen"183. Im Grundsatz gilt das gleiche, wenn ein völkerrechtliches Gericht die Völkerrechtswidrigkeit einer staatlichen Exekutivmaßnahme feststelJt184. Diese Feststellung bedeutet nicht die Nichtigkeit im innerstaatlichen Bereich. Den betreffenden Staat trifft vielmehr die völkerrechtliche Haftung, d. h. primär die Pflicht zur Restitution. Da für die Korrektur eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes andere Kriterien gelten als für die Aufhebung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils, werden hier die Restitutionsfälle überwiegen. Andernfalls greift auch hier die Pflicht zur Entschädigung in Geld ein. b) Folgerungen für das Verständigungsverfahren in engerem Sinne

aa) Bei Vorliegen eines nationalen, rechtskräftigen Urteils Wird im Verständigungsverfahren festgestellt, daß der fragliche Steuerbescheid und das diesen bestätigende finanzgerichtliche Urteil unter Verstoß gegen das DBA ergangen ist, wird die Rechtskraft des Urteils dadurch nicht betroffen. Da in den DBA eine spezielle völkervertragliche Regelung zur Aufhebung des Urteils nicht vorgesehen ist, bleibt das Urteil von der Entscheidung im Verständigungsverfahren unberührt. Da die primäre Rechtsfolge der völkerrechtlichen Haftung, die Restitution, ausgeschlossen ist, verbleibt es bei der Entschädigung in Geld. Der betroffene Steuerinländer ist demnach vom Fiskus zu entschädigen.

bb) Bei Vorliegen eines bestandskräftigen Steuerbescheides Regelmäßig werden Steuerbescheide im Zeitpunkt einer im Verständigungsverfahren i. e. S. getroffenen Regelung bestandskräftig geworden sein. Denn der Antrag des Steuerpflichtigen auf Einleitung des Verständigungsverfahrens hindert nicht den Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheides, weil das Verständigungsverfahren nicht zu den ordentlichen Rechtsbehelfen der AO zählt. Es hat nicht die Auf183 RTDrucks I/3455, S.9 (Denkschrift zum Vertrag). Diese Regelung in Art. 10 Abs. Ir der Kollision zwischen einem Schiedsspruch und einem nationalen Urteil ist in großem Umfang in die internationale Vertragspraxis übernommen worden, vgl. die Nachweise bei Heise, S.91, Fußn.82; HaZZier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen,. S.99, Fußn.495; ErZer, Zuständigkeit internationaler Gerichte, S.53, Fußn. 126; SchindZer, S.167 (§ 17 ZUf.2). 184 Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S.100.

c. Das Verhältnis des Vv. i. e. S. zum Verfahren vor nationalen Instanzen

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gabe der Filterwirkung und Entlastung der nationalen Finanzgerichte, sondern es wird damit als Ersatz für eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Steuersachen der Zweck verfolgt, die rechtsfehlerfreie und korrespondierende Anwendung des DBA in den beiden Vertragsstaaten zu gewährleisten. Zwischen dem völkerrechtlichen Verständigungsverfahren und dem nationalen außergerichtlichen Vorverfahren und gerichtlichen Verfahren besteht eine vollständige Diskontinuität. Ist der Steuerbescheid bestandskräftig geworden, ist eine Durchbrechung der Bestandskraft nur möglich, soweit dafür eine Rechtsgrundlage gegeben ist. Rechtsgrundlage sind nicht die Bestimmungen der DBA über das Verständigungsverfahren i. e. S. Die Konsultationsklausel ist nicht Rechtsgrundlage, weil sie sich allein auf das zwischenstaatliche Rechtsverhältnis der Vertrags staaten bezieht. Als völkerrechtliches "pactum de negotiando" ist sie keine self-executing Bestimmung. Aus diesem Grunde ist auch Art. 17 Abs. III DBA USA 1966 keine eigenständige Berichtigungsgrundlage, da sie nach ihrem Wortlaut ("so werden die Vertragsstaaten") lediglich eine Verpflichtung für diese Völkerrechtssubjekte begründet. Auch die Bestimmungen über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen sind nicht Rechtsgrundlage, weil sie über die Frage der Durchbrechung eines bestandskräftigen Steuerbescheides keine Regelung treffen. Von den in staatlichen Gesetzen enthaltenen Rechtsgrundlagen zur Korrektur eines Steuerbescheides kommen näher in Betracht §§ 222 Abs. I Nr.l, 2, 222 Abs. I Nr.4 AO und 68 e EStDV. § 222 Abs. I Nr. 1, 2 AO setzt ein Bekanntwerden neuer steuerlich relevanter Tatsachen oder Beweismittel innerhalb der Verjährungsfrist voraus, die eine abweichende Veranlagung rechtfertigen. Im Abschnitt über die Abgrenzung des Verständigungsverfahrens i. e. S. zur internationalen Rechtshilfe in Steuersachen ist herausgearbeitet worden, daß Gegenstand des Verständigungsverfahrens i. e. S. die Korrektur von Auslegungs- und Subsumtionskonflikten ist. Ermittlung und Feststellung des steuerlich relevanten Sachverhalts ist hoheitliche Tätigkeit, sie wird von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten für ihr Hoheitsgebiet nach den dort geltenden Rechtsnormen durchgeführt. Ein Bekanntwerden neuer steuerlich relevanter Tatsachen oder Beweismittel kommt daher nur im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Steuersachen in Betracht, nicht aber im Rahmen eines Verständigungsverfahrens i. e. S. § 222 Abs. I Nr. 1, 2 AO scheidet damit als Korrekturmöglichkeit aus. Ebenfalls kann aber auch § 222 Abs. I Nr. 4 AO nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da die Fehleraufdeckung nicht "durch die Aufsichtsbehörde" erfolgt.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Nach § 68 e Abs. I EStDV (i. V. m. § 94 Abs.II AO) ist der für einen Veranlagungszeitraum erteilte Steuerbescheid zu ändern, wenn eine ausländische Steuer, die auf die in diesem Veranlagungszeitraum bezogenen ausländischen Einkünfte entfällt, nach Erteilung dieses Steuerbescheides, aber vor Ablauf der Verjährungsfrist erstmalig festgesetzt, nachträglich erhöht oder erstattet wird und sich dadurch eine höhere oder niedrigere Veranlagung rechtfertigt. Die Durchführung eines Verständigungsverfahrens i. e. S. wird häufig dazu führen, daß die ausländische Steuer in dem betreffenden Vertragsstaat geändert wird, so daß damit auch die Voraussetzungen des § 68 e Abs. I EStDV erfüllt sind. Die Rechtsverordnungsvorschrift des § 68 e Abs. I EStDV beruht auf der Rechtsverordnungsermächtigung in § 34 c Abs. VI Ziff. 4 EStG. Danach können durch RVO Vorschriften erlassen werden über die Berücksichtigung ausländischer Steuern, die nachträglich erhoben oder zurückgezahlt werden. § 68 e Abs. I EStDV bezieht sich auf ausländische Steuern, "die ... erstmalig festgesetzt, nachträglich erhöht oder erstattet wird ... ". Vergleicht man den Wortlaut von § 34 c Abs. VI Ziff.4 EStG mit § 68 e Abs. I EStDV, wird es zweifelhaft, ob die RVO von ihrer Ermächtigungsnorm gedeckt ist. Da § 68 e Abs. I EStDV ohnehin nicht für alle Fälle einer Verständigungsvereinbarung Berichtigungsgrundlage sein kann, soll auf diese Frage nicht näher eingegangen werden. Eine einheitliche Lösung ergibt sich aus dem Ausgangspunkt der bisherigen Untersuchung, daß nach Völkergewohnheitsrecht ein Staat, der sich wegen Verletzung einer Völkerrechtsnorm haftbar gemacht hat, primär einer Restitutionspflicht unterliegt. Ist eine Wiederherstellung nicht möglich, tritt an ihre Stelle ein Anspruch auf Entschädigung in Geld. Grundsätzlich ist danach der Staat zur Beseitigung eines völkerrechtswidrigen Hoheitsaktes verpflichtet. Von diesem Grundsatz macht das Völkergewohnheitsrecht eine Ausnahme bei rechtskräftigen Urteilen nationaler Gerichte, so daß in diesen Fällen eine Entschädigung in Geld zu leisten ist. Mit dieser Einschränkung ist die Restitutionspflicht als "allgemeine Regel des Völkerrechts" nach Art. 25 S. 1 GG "Bestandteil des Bundesrechts" . Dieser Rechtssatz ist damit die Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Bestandskraft eines Steuerbescheides.

D. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Steuerpftichtigen und der BKD als Wohnsitzstaat Die Konsultationsklauseln der DBA beziehen sich auf das zwischenstaatliche Rechtsverhältnis der Vertragsstaaten. Die Stellung des Steuerpflichtigen ist in den beiden Vorkriegsabkommenin der Regelung

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

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über die Einspruchsbefugnis, in den Nachkriegsabkommen in der Regelung über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen angesprochen. In den beiden Vorkriegsabkommen haben die Regelungen über die Einspruchsbefugnis der Steuerpflichtigen als Billigkeitsklausel eine eigenständige Funktion. Das gilt für die Nachkriegsabkommen nicht mehr. In den dem OECD-MA nachgebildeten Verträgen ist eine Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen gegeben, wenn eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung eingetreten ist. Ähnlich lauten die entsprechenden Bestimmungen in den DBA der angloamerikanischen und der kontinental-europäischen Abkommensgruppe 185 • In den sich daran anschließenden Vertragsregelungen heißt es, daß sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten verständigen sollen, um eine Doppelbesteuerungl86 bzw. eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung zu vermeidenl87• Damit geht es auch in den Bestimmungen der Nachkriegsabkommen über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen ebenso wie in der Konsultationsklausel um eine dem Abkommen entsprechende, d. h. rechtsfehlerfreie Besteuerung. Die Konsultationsklausel regelt die zwischenstaatliche Seite des Verständigungsverfahrens i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA in den Vertragsstaaten, die Vorschriften über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen die innerstaatliche Seite dieses Verfahrens. Die Abkommensregelungen über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen in den Nachkriegsverträgen haben damit ihre selbständige Funktion, die ihnen noch in den Billigkeitsklauseln der Vorkriegsabkommen zukam, verloren. Ihre Bedeutung könnte aber darin bestehen, daß sie für die Steuerpflichtigen ein subjektiv öffentliches Recht auf Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. begründen. Es ist zu untersuchen, ob sie in diesem Sinne self-executing Völkervertragsregelungen darstellen. I. Das subjektiv öffentlhhe Remt auf Einleitung des Verständigungsverfahrens 1. Die bisherigen Stellungnahmen, insbesondere 'Von Bachmayr und Tipke

Die Frage nach dem subjektiven öffentlichen Recht des Steuerpflichtigen auf Einleitung des Verständigungsverfahrens gehört zu den Problembereichen, denen für die Praxis die größte Bedeutung zu185 186 187

VgI. oben 2. Kapitel, A., H. So die DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe. So die dem OECD-MA nachgebildeten Verträge.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

kommt. überwiegend wird angenommen, insbesondere auch in der Verwaltung, dem Steuerpflichtigen stehe ein subjektiv öffentliches Recht nicht ZU188• Begründungen für diese Auffassung werden nicht erbracht. Ebenso steht aber auch bei den Vertretern der Gegenmeinung die Postulierung des Ergebnisses stärker im Vordergrund als die Argumente189 • Die bislang umfassendsten Versuche einer Problemklärung haben Bachmayrl90 und Tipke191 unternommen. Nach der von Bachmayr vertretenen Auffassung hat der Steuerpflichtige ein subjektiv öffentliches Recht auf Einleitung des Verständigungsverfahrens192 • Bachmayr geht von der Fragestellung aus, ob der deutsche Steuerpflichtige eine Doppelbesteuerung ohne weiteres hinzunehmen habe. Da das Völkerrecht in Fragen der internationalen Doppelbesteuerung unergiebig sei, müsse das Problem des Rechtsanspruchs auf Schutz gegen internationale Doppelbesteuerung aus dem nationalen Recht heraus beantwortet werdenl9S• Vorfrage sei, ob und inwieweit der deutsche Staatsbürger einen Anspruch besitze auf Schutz gegen Beeinträchtigungen, die er in einem ausländischen Staat dadurch erfährt, daß dieselben Vermögens- und Einkommensteile auch dort noch einmal mit einer der inländischen Steuer ähnlichen Steuer belastet werden194 • Unter Berufung auf Geck195 führt Bachmayr aus, in der BRD gelte der Rechtsgrundsatz, daß der Staat seine Angehörigen vor Unrecht zu schützen habe, das ihnen in einem fremden Staat widerfährt. Dieser Schutzanspruch bestehe auch bei rechtswidrigen Eingriffen eines fremden Staates in Vermögen und Eigentum eines Deutschen. Bei einer durch eine ausländische Besteuerung eintretenden Doppelbesteuerung sei ein solcher rechtswidriger Eingriff gegeben. Eine Doppelbesteuerung verstoße gegen deutsches Recht: Sie stelle in jedem Fall einen Verstoß gegen das Gebot der steuerlichen Gleichbehandlung dar, denn es gebe keinen sachlich einleuchtenden Grund, der eine Doppelbesteuerung sachgerecht erscheinen ließe. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs ergebe sich aber auch aus eigenem Unrechtstun der BRD, die ja die Einkommens- und Vermögensteile auch im Inland besteuere196• 188 189

190 191 192 193 194 195 196

Vgl. 2. Kapitel, C., I. Vgl. 2. Kapitel, D., I.

StW 1964, Sp. 885 ff. A WO 1972, S. 589 ff. StW 1964, Sp. 890/89l. stw 1964, Sp.887. StW 1964, Sp.887. Geck, ZaöRV, Bd.17 (1956/57), S. 476 ff. StW 1964, Sp. 888.

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

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Die Schutzpflicht der BRD könne zwar eine gewisse Einschränkung dadurch erfahren, daß sich der Deutsche i. d. R. freiwillig in eine fremde Rechts- und Wirtschaftsordnung begeben und dadurch ein gewisses Risiko auf sich genommen habel91 • Das gelte aber nicht für Staaten, mit denen ein DBA abgeschlossen worden sei. In den DBA sei mit der Klausel über das Verständigungsverfahren vorgezeichnet, wie der Schutz anspruch zu verwirklichen sei. Auf Grund des Schutzanspruchs gegen die BRD sei die deutsche Steuerverwaltung rechtlich verpflichtet, dieses Verständigungsverfahren einzuleiten und mit erfolgversprechenden Mitteln durchzuführen. Da der Schutz anspruch aber unabhängig von der Existenz des DBA bestehe, müsse ein Verständigungsverfahren auf dem üblichen diplomatischen Wege auch dann durchgeführt werden, wenn kein DBA mit dem betreffenden Staat abgeschlossen sej198. Tipke kommt zu dem Ergebnis, daß der Steuerpflichtige ein subjektives öffentliches Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch bei der Frage nach der Einleitung des Verständigungsverfahrens habet 99 • Selbst wenn völkerrechtlich die wirtschaftspolitische Liberalisierungsfunktion von DBA im Vordergrund stehen würde und es damit um ein Allgemeininteresse, nicht aber um ein Individualinteresse ginge, so werde das DBA als Völkervertragsrecht zu einer innerstaatlichen Norm nicht ohne Veränderung seines Charakters. Die Transformation bewirke, daß ein Satz völkerrechtlichen Charakters verwandelt werde in einen Satz innerstaatlichen Charakters und daß das DBA in die Hierarchie der internen deutschen Rechtsordnung einbezogen werde. Damit sei aber auch unter dem Einfluß verfassungsrechtlicher Grundnormen ein Bedeutungswandel möglich200 • Die Grenzziehung zwischen den Normen, die in ihrer begünstigenden Wirkung nur als Rechtsreflexe verstanden werden könnten, und den Rechtssätzen, die dem Bürger ein einklagbares subjektiv-öffentliches Recht verleihen, habe sich unter der Geltung des GG verschoben: Wenn der Gesetzestext eine eindeutige Zuordnung nicht erkennen lasse, spreche eine Vermutung dafür, daß dem Bürger ein subjektives Recht eingeräumt sei201 • Eine gerechte Besteuerung müsse an der steuerlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden. Im Lichte solcher verfassungsrechtlicher Grundwertungen müßten zumindest die Transformationsgesetze als 197 198 199

200 201

StW 1964, Sp. 890. stw 1964, Sp. 891.

A WD 1972, S. 592. A WD 1972, S. 589, 590. A WD 1972, S. 590.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Versuch verstanden werden, auch bei internationaler Betätigung die individuelle steuerliche Belastung gerecht auszugestalten202• Damit sei allerdings noch nichts darüber gesagt, wie die Rechtsbindungen, nach denen sich der Staat zu richten habe, inhaltlich beschaffen seien. Die Frage, ob die Klausel über das Verständigungsverfahren oder nur § 131 AO als Rechtsgrundlage für einen Steuerverzicht in Betracht komme, läßt Tipke offen. Es gebe zwar keine prinzipiellen Einwände dagegen, die Verständigungsvorschrift der DBA als hinreichende Grundlage für einen Steuerverzicht zu betrachten, weil die Verständigungsvorschrift kraft Transformation zu nationalem Recht geworden sei. Anders könne es sich aber verhalten, wenn die Verständigungsvorschriften nur als diplomatische Streitbeilegungsklausel zu verstehen wären und die maßgebliche Rechtsgrundlage für den innerstaatlichen Teil der Verständigung anderswo zu suchen wäre, nämlich in § 131 AO!03. Diese Frage könne jedoch auf sich beruhen, falls der Steuerpflichtige nach § 131 AO keine weitergehenden Rechte als nach der Verständigungsvorschrift habe204• Der Rechtsschutz aus § 131 AO werde nach dem im Ergebnis richtigen Urteil des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes205 dadurch erlangt, daß die Gerichte zwar von einer Ermessensentscheidung ausgingen, diese aber auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Billigkeit überprüften. Doch bleibe es bei einem Ermessensspielraum. Nach dieser Rechtsprechung soll § 131 AO trotz des Rechtsbegriffs der Unbilligkeit nicht voll justiziabel sein. Die Auffassung, eine Doppelbesteuerung sei immer als unvereinbar mit den Grundsätzen der Billigkeit i. S. d. § 131 AO anzusehen, sei allerdings nicht vertretbar, weil sie das Risiko einer ungerechtfertigten ausländischen Besteuerung einseitig dem deutschen Fiskus aufbürden würde2 06 • Es sei auch zu berücksichtigen, daß in der Praxis häufig der strikte Rechtsstandpunkt ausgeklammert und im Wege des Kompromisses die fiskalische Einbuße auf die beiden beteiligten Staaten verteilt werde. Ein solches Verfahren sei gegenüber § 131 AO ein Minus und dieses Minus dürfe jedenfalls nicht verweigert werden. Daher wäre es ermessensfehlerhaft, die Einleitung des Verständigungsverfahrens zu verweigern!07. Beide Begründungsversuche sind - jeder für sich genommen - nicht haltbar. Nimmt man dagegen die Kernpunkte der beiden Argumenta202 203

204

205 206 2(17

A WO 1972, A WO 1972, A WO 1972, GmS-OGB A WO 1972, A WO 1972,

S. 590. S. 591. S. 590. 3170 vom 19. 10. 1971, BStBI 1971 Ir, S.603. S. 591. S. 592.

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

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tionen zusammen, so kommt man zu der richtigen Fragestellung: Besteht auf die Gewährung diplomatischen Schutzes (Bachmayr unter Berufung auf Geck), der für den Bereich der DBA im Wege des Verständigungsverfahrens geltend zu machen ist, ein subjektiv-öffentliches Recht oder ist die Ausübung der diplomatischen Protektion für den Bürger nur ein Rechtsreflex (Tipke)? Da beide Autoren die Entwicklung der Verständigungsklausel nicht überprüfen und damit die Struktur der Klausel nicht erörtert wird, bleiben auch die unterschiedlichen Funktionen der Vorschriften über das Verständigungsverfahren im unklaren. Folge ist, daß von einer verfehlten Fragestellung ausgegangen wird: ob nämlich ein Rechtsanspruch auf Schutz gegen eine internationale Doppelbesteuerung (Bachmayr) oder ob ein Rechtsanspruch auf Beseitigung der Folgen einer Doppelbesteuerung bestehe (Tipke). über einen solchen Rechtsanspruch ließe sich dann diskutieren, wenn eine internationale Doppelbesteuerung rechtswidrig wäre. Diese Frage ist aber nahezu ebenso oft, wie sie aufgeworfen wurde, verneint worden. Nach Völkergewohnheitsrecht besteht kein allgemeiner Grundsatz, daß eine internationale Doppelbesteuerung verboten ist208 • Ebensowenig liegt den DBA als Völkervertragsrecht ein allgemeines Verbot der internationalen Doppelbesteuerung zugrunde209 • Sinn des Verständigungsverfahrens i. e. S. ist nicht, in allen Fällen einer vorhandenen internationalen Doppelbesteuerung deren Beseitigung herbeizuführen, sondern eine den Regelungen des jeweiligen DBA entsprechende Besteuerung zu gewährleisten. Erst wenn diese Feststellung getroffen worden ist, kann darüber hinausgehend die Frage gestellt werden, ob trotz abkommensgerechter Besteuerung ein Fall unbilliger Härte vorliegt. Dann kann das Verständigungsverfahren i. e. S. als Billigkeitsverfahren fortgesetzt werden. 208 LippeTt, Handbuch, S.544, 635; deTs., Rechtsbuch, S.244; Isay, S.116, 131; DOTn, StW 1928, Sp.911; GeyleT, S.203; SpitaleT, Doppelbesteuerungsproblem, S.532, 550; Hensel, S.17; BühleT, RC 55 (1936 I), S. 458 f.; deTs., ZaöRV, Bd.19 (1958), S.682; deTs., Prinzipien, S.167; HeTzfeld, VJSchrStuFR 1932, S. 433 f.; Flick, FA (N.F.), Bd.21 (1961), S.96; Heining, StuR, Bd.20 (1966), S.38; Vogel, Anwendungsbereich, S.353; deTs., DStR 1968, S.430; Oppenheim / LauteTpacht I, § 317 (p.680), Fußn. 2; Dahm I, S. 519, 523; BeTbeT I, S.383; MülleT, S.129; WengleT, JZ 1965, S.23; ChTetien, p. 208 ff. m. w. N.; deTs., RC 86 (1954 II), S. 108 ff. Cour d'Appel Mixte d'Alexandrie, Clunet 77 (1950), S. 624 ff. (630) stellt

als obiter dictum heraus, daß keine Norm des Völkergewohnheitsrechts besteht, die die Doppelbesteuerung verbietet (das Gericht beruft sich dabei auf BühleT, Steuerrecht I [1927], S.64). Ein völkerrechtliches Verbot ist u. a. (vgl. weitere Nachweise bei Vogel, Anwendungsbereich, S.351, Fußn.62) von FTicke, AWD 1960, S. 198 behauptet worden. Vgl. dazu BühleT, Prinzipien, S. 167, Fußn.3. 2'09 RädleT / Raupach, S. 372.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Der Ausgangspunkt von Bachmayrs Untersuchung, bei einer durch eine ausländische Besteuerung eintretenden Doppelbesteuerung sei ein rechtswidriger Eingriff in das Vermögen eines deutschen Staatsangehörigen gegeben, ist in dieser allgemeinen Formulierung falsch. Von einem rechtswidrigen Eingriff kann erst dann gesprochen werden, wenn die Besteuerungsmaßnahme gegen Völkergewohnheitsrecht oder Völkervertragsrecht verstößt. Eine Verletzung von Völkergewohnheitsrecht kommt allein in Betracht unter dem Gesichtspunkt einer konfiskatorischen Besteuerung. Dann kann eine völkerrechtswidrige Enteignung vorliegen!10. Völkervertragsrecht ist verletzt, wenn die durch ein DBA gesetzten Grenzen der Besteuerung überschritten worden sind. Der Korrektur derartiger Rechtsverletzungen dient das Verständigungsverfahren i. e. S. Eine dem DBA nicht entsprechende Besteuerung ist ein völkerrechtliches Delikt, das der Wohnsitzstaat des tatsächlich betroffenen Steuerpflichtigen im Wege der diplomatischen Protektion aufgreift und gegenüber dem verletzenden Staat geltend macht. Die Einleitung und Durchführung des Verständigungsverfahrens ist für den Bereich der DBA das vertraglich vorgeschriebene Mittel der diplomatischen Protektion. Die richtige Fragestellung muß daher lauten, ob der Steuerpflichtige insoweit ein subjektiv-öffentliches Recht auf Ausübung der diplomatischen Protektion hat. Bachmayr begründet die Rechtswidrigkeit des Eingriffs eines fremden Staates bei der durch ihn verursachten Doppelbesteuerung weiterhin damit, daß dies gegen Art. 3 GG verstoße. Das ist in dieser Form nicht haltbar. Maßstab für die Frage der Rechtmäßigkeit der Handlungen eines ausländischen Staates ist zunächst das Völkerrecht. Weiterhin ist einem ausländischen Hoheitsakt die Anerkennung in der BRD zu versagen, wenn sie gegen die Grundprinzipien der deutschen öffentlichen Ordnung (ordre public) verstoßen würde!l1. Mit seinem zweiten Argumentationsschritt, die BRD wirke bei der Doppelbesteuerung selbst an der Schaffung des Unrechts mit und sei daher aus eigenem Unrechtstun zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet, verstößt Bachmayr gegen den eigenen Ausgangspunkt, daß die Besteuerung des ausländischen Staates rechtswidrig sei. Das setzt gerade voraus, daß die der BRD rechtmäßig ist, es sei denn, man vertritt die Auffassung, Besteuerung generell sei rechtswidrig. Tipke wirft zwar die Frage auf, ob die Einleitung des Verständigungsverfahrens Rechtsreflex oder subjektiv öffentliches Recht des 210 Vgl. dazu Friedrich, S. 45 ff. 211 Dahm IH, S.211, Fußn. 10; LG Hamburg, AWD 1973, S. 163 (164) (ChileKupfer-Fall); OLG Bremen, ArchVR, Bd.9 (1961162), S.318 (355 f.) (Bremer Tabakfall) jeweils m. w. N.

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

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Steuerpflichtigen sei. Er vermischt sie aber einmal mit dem Problem, ob ein Anspruch auf Beseitigung der Folgen einer Doppelbesteuerung bestehe, zum anderen geht er auf den Hintergrund dieser Fragestellung, die diplomatische Protektion, nicht näher ein. Ebenso wie bei Bachmayr werden .i\nderungen des Wortlautes der Bestimmungen über das Verständigungsverfahren und die Funktionsunterschiede der einzelnen Bestimmungen nicht genügend berücksichtigt. In den Nachkriegsabkommen ist der Begriff der Billigkeit in den Vorschriften über das Verständigungsverfahren i. e. S. nicht mehr enthalten. Lediglich die Ergänzungsklauseln in den meisten Verträgen der kontinental-europäischen Abkommensgruppe enthalten noch die Regelung, daß "zur Beseitigung von Härten auf Grund einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in diesem Abkommen nicht geregelt sind", ein Einvernehmen herbeigeführt werden soll. Die Frage, ob Art. 25 Abs. I OECD-MA, den Tipke heranzieht, oder § 131 AO Rechtsgrundlage für einen Steuerverzicht sein könne, stellt sich daher für die Nachkriegsabkommen nicht. Eine Antwort auf die Frage, ob der deutsche Steuerpflichtige bei fehlerhafter Auslegung oder Anwendung eines DBA durch den ausländischen Vertragsstaat ein subjektiv-öffentliches Recht gegen die BRD hat, daß diese die völkerrechtswidrige Besteuerung ihrer Steuerinländer im Wege der diplomatischen Protektion durch Einleitung des Verständigungsverfahrens bei dem anderen Vertragsstaat geltend macht, setzt eine Aufarbeitung der Grundsätze voraus, nach denen der Anspruch des Staatsbürgers auf diplomatische Protektion zu beurteilen ist. 2. Die Pflicht der BRD zur Gewährung diplomatischer Protektion

a) Allgemeines Nach einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, die nach Art. 25 S. 1 GG Bestandteil des Bundesrechts ist, ist ein Heimatstaat berechtigt, seine Staatsangehörigen gegenüber rechtswidrigen Handlungen fremder Staaten zu schützen!!1!. Ebenfalls besteht Übereinstimmung darüber, daß völkerrechtlich der Heimatstaat zu diesem Schutz nicht verpflichtet ist213 • Ob ein Staat von dem völkerrechtlich zulässigen Protektionsrecht Gebrauch macht bzw. Gebrauch machen muß, richtet sich nach seinem innerstaatlichen Recht!14. 212 PCIJ, Series A, No.2 (Mavrommatis-Konzessionen-Fall), p.12; PCIJ, Series A, No. 17 (Chorzow-Fall), p. 27 f.; PCIJ, Series A, No.20/21 (Serbische und Brasilianische Anleihen-Fall), p.17; PCIJ, Series AlB, No. 76 (PanevezysSaldutiskis-Eisenbahn-Fall), p.76; ICJ, Reports 1955, p. 4 ff. (NottebohmFall); Berber I, S.363; Dahm I, S.445; Geck, WBV I, S.380. m Doehring, S. 11 f.; Dahm 11, S. 504.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

über die Frage des innerstaatlichen Rechts auf Auslandsschutz enthält das GG keine ausdrückliche Bestimmung. Anders die früheren deutschen VerfassungenZ15 • Die von der Frankfurter Nationalversammlung erarbeitete Verfassung des deutschen Reiches vom 28.3.1849 enthielt in Art. 189 die Bestimmung, daß jeder deutsche Staatsangehörige unter dem Schutz des deutschen Reiches stehe. Ähnlich hieß es in Art. 3 Abs. VI der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 26.7.1867 bzw. der Reichsverfassung vom 16.4.1871 und Art. 112 Abs.1I der Weimarer Verfassung, daß dem Ausland gegenüber alle Bundes- bzw. Reichsangehörigen Anspruch auf Schutz des Reiches hätten. Unter der Geltung dieser Verfassungsbestimmungen war bereits umstritten, inwieweit diesem objektiven Rechtssatz eine Berechtigung des Bürgers entsprach. überwiegend wurde angenommen, daß der Anspruch auf diplomatischen Schutz nicht als subjektiv öffentliches Recht verstanden werden konnte. sondern daß die Ausübung eine Frage des Ermessens sei!!'. Das Schweigen des GG auf die Frage des Auslandsschutzes beruht auf der beschränkten Souveränität der BRD -insbesondere im Bereich der Auswärtigen Gewalt - zur Zeit der Beratungen und des Inkrafttretens des GG. Aus der fehlenden Normierung darf demnach keinesfalls die Folgerung gezogen werden, daß der Verfassungsgeber einen Schutzanspruch ausschließen wollte!1T. "Wenn eine Schutzpflicht auch nicht in einem Rechtssatz des GG ausdrücklich normiert ist, so ergibt sie sich doch aus den allgemeinen rechts- und sozialstaatlichen Grundsätzen der Verfassung. Der Schutz der Staatsangehörigen gehört zu den obersten Pflichten jedes Staate~8." Auch aus spezialgesetzlichen Regelungen ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber von einer Pflicht zur Gewährung von Auslandsschutz ausging. Nach § 43 Abs. I Nr.1 des Gesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung%19 wird Entschädigung gewährt, wenn einem Verfolgten die Freiheit entzogen worden ist, weil er den "Schutz des Deutschen Reiches verloren hat". Das führte dazu, daß in Wiedergutmachungsprozessen das Institut des diplomatischen Schutzes mehrfach zu erörtern warlllO. 214

Doehriny, S. 25; Dahm III, S.247.

m Vgl. DoehTiny, S. 25 ff.; Geck, ZaöRV, Bd.17 (1956/57), S. 479 ff.

216 Vgl. DoehTiny, S. 27 ff., 42; Geck, ZaöRV, Bd.17 (1956/57), S.482/483. 217 Doehriny, S. 43 f.; Geck, ZaöRV, Bd.17 (1956/57), S.510. 218 OVG Münster, DVBI 1962, S. 140 (Eichmann-Fall) m. w. N. 219 i. d. F. vom 29.6.1956, BGBI I, S.562. %20 Vgl. die Rechtsprechungsübersichten bei Tomuschat, ZaöRV, Bd.28 (1968), S. 112 f.; Bleckmann, ZaöRV, Bd.. 31 (1971), S. 313 f.; Bleckmann, ZaöRV, Bd. 32 (1972), S. 124 f.

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

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b) Justizfreie Hoheitsakte im Bereich der auswärtigen Gewalt Ist der Auslandsschutz eine staatliche Pflicht im Sinne des objektiven Rechts, so ist der Frage nach der Rechtsstellung des Bürgers vorrangig das Problem, ob nach deutschem Recht eine justizielle Überprüfung bei Maßnahmen im Bereich der auswärtigen Gewalt gegeben ist oder ob es sich um justizfreie Hoheitsakte handelt. Das berührt die Frage nach dem Verhältnis des Politischen zur Justiz. Rechtsvergleichend ist festzustellen, daß gerichtlicher Rechtsschutz gegenüber Exekutivmaßnahmen im Bereich der sog. politischen Akte (Regierungsakte, Acts of State, actes de gouvernement) in vielen Staaten aufgehoben oder gemindert istM • "Sie umfassen in der Regel den außenpolitischen Bereich und völkerrechtliche Fragen (Diplomatischer Schutz, Kriegsführung, Fremdenpolizei) ...1Jfl/2." Zur Begründung wird teilweise der Grundsatz der Gewaltentrennung, teilweise das Argument herangezogen, daß es in diesem Bereich überhaupt an justiziablen Rechtsnormen fehle. Als eines der Hauptargumente für die Gerichtsfreiheit auswärtiger Akte dient die berühmt gewordene Äußerung Lord Atkins im Arantzazu Mendi-Fall223 : "Dur State cannot speak with two voices in such a matter, the judiciary saying one thing, the executive another." Es ist daher zu prüfen, ob die Entscheidung über die Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. in der BRD als justizfreier Hoheitsakt keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die sog. justizfreien Hoheitsakte werden herkömmlicherweise in die Kategorien der Regierungsakte und der Gnadenakte unterteilt. Ein Unterfall der Regierungsakte sind die einseitig-hoheitlichen Maßnahmen im Bereich der auswärtigen Gewalt, insbesondere Akte diplomatischer und konsularischer Art. In der Literatur ist zu diesen Exekutivmaßnahmen die Auffassung vertreten worden, es handele sich dabei nicht um Gesetzesvollzug im weitesten Sinne. Sie seien daher nicht justiziabel, es handele sich um gerichtsfreie Hoheitsakte: "Die Anerkennung der diplomatischen Aktivität als Setzung von gerichtsfreien Hoheitsakten bedeutet die Feststellung ihres hoheitsrechtlichen Charakters; ferner stehen sie grundsätzlich außerhalb der internen Legalität. Der Träger der Auswärtigen Gewalt kann ... hier grundsätzlich ohne spezielle internormative Grundlage tätig werden, er ist insofern frei2lU." 22'1 lm

Ress, Gerichtlicher Rechtsschutz, S. 59 fi.

Ress, Gerichtlicher Rechtsschutz, S. 60/61.

Vgl. dazu WBV I, S.83/84. Leisner, S.107; ebenso Friesenhahn, DVBI 1949, S.482; van Husen, DVBI 1953, S. 72; Steinberger, DVB11963, S.729/730. 223

224

10 Mülhausen

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Dem ist entgegengehalten worden, daß nicht alle Akte, denen Außenbeziehung zu einem anderen Staat zukommt, "hochpolitischen Charakter" hätten, sondern vielfach Routinetätigkeit sei. Man könne von einem Bereich der "auswärtigen Verwaltung" sprechen. Diplomatisch-konsularischen Akte des täglichen zwischenstaatlichen Verkehrs gegenüber eigenen Staatsangehörigen bedürften keiner Sonderregelung und müßten als voll justiziabel angesehen werden226• Dieser Auffassung folgt im wesentlichen auch die Rechtsprechung. Weder die Bewilligung einer Auslieferung228 noch die Verweigerung der Exequatur227 noch die Einbürgerung eines Ausländers228 sind als justizfreie Hoheitsakte angesehen worden22ll • Allerdings gehen die Gerichte von einem weitreichenden Ermessensspielraum der Exekutive aus. Kennzeichnend dafür ist die Entscheidung des OVG Berlin vom 2.8.196723'0. Der Senat hatte keine Bedenken dagegen, daß eine Einbürgerung mit der Begründung abgelehnt wurde, sie stelle einen unfreundlichen Akt gegenüber einem befreundeten Staat dar. Dieser Staat hatte in einer Erklärung gegenüber dem Auswärtigen Amt ausgesprochen, daß er die Einbürgerung des Klägers als unfreundlichen Akt ansehen würde. Der Senat erklärte, daß diese auf außenpolitischem Gebiet liegende Begründung die Ablehnungsentscheidung trage, weil es durchaus im Rahmen des deutschen Staatsinteresses liege, sich gegenüber Staaten, mit denen diplomatische Beziehungen unterhalten würden, nicht unfreundlich zu verhalten. Die Frage nach der Justiziabilität von Maßnahmen auf dem Gebiet der Auswärtigen Gewalt ist ein Ausschnitt aus dem allgemeinen Problembereich der justizfreien Hoheitsakte. Die Diskussion hierüber hat ihre Wurzeln in der weitgehenden Freistellung VOn Regierungsakten231 vor justizieller überprüfung. Staatspolitische Führungsentscheidungen wie z. B. die Anerkennung fremder Staaten, die Aberkennung der diplomatischen Immunität etc. unterliegen keiner gerichtlichen Kontrolle. Auch für Regierungsakte mit innerstaatlicher Wirkung ist das teilweise angenommen worden. In BVerwGE 15, S. 63 ff. wurde die recht225 Weiß, S. 81 f.; Baade, S.107 f.; Reichel, (1956/57), S. 519; Doehring, S. 101 f.

S. 30 f.; Geck, ZaöRV, Bd.17

OVG Münster, DVBl 1963, S. 731 f. BVerwGE 15, S. 59 ff. 228 BVerwGE 4, S. 298 f.; 7,237 f. 229 OVG Münster, DVBI 1962, S. 139 läßt jedoch "die Zweifelsfrage, ob die Gewährung oder Nichtgewährung des diplomatischen Schutzes ein sog. justizfreier Hoheitsakt und als solcher der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung entzogen ist", offen. 230 JZ 1967, S.751. 231 Zum Begriff vgl. Schneider in Festgabe für Makarov, S. 449 ff. 226 227

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

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liche überprüfung der Anordnung des militärischen Bereitschaftsdienstes durch die Bundesregierung nach § 6 Abs. VII des Wehrpflichtgesetzes abgelehnt, weil es sich um einen der richterlichen Kontrolle nicht unterliegenden Akt handele. Die Anordnung des Bereitschaftsdienstes sei nicht an rechtliche, der gerichtlichen Nachprüfung zugängliche Voraussetzungen geknüpft, sondern beruhe auf der Einschätzung einer politischen Situation. Ähnlich diesem Argument des fehlenden rechtlichen Maßstabes wird die Anerkennung gerichtsfreier Hoheitsakte damit begründet, daß es nicht Aufgabe der Justiz sein könne, politische Entscheidungen zu treffen. Es bestehe ein gefährlicher Widerspruch darin, daß ein unabhängiges, d. h. politisch nicht verantwortliches Gericht ausgesprochen politische Entscheidungen fällen dürfe232. Die rechtliche Zulässigkeit justizfreier Hoheitsakte beantwortet sich für das deutsche Recht nach Art. 19 Abs. IV GG. Entscheidend ist danach, ob jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, so stellt sich nur noch die Frage nach dem im Einzelfall zuständigen Gerichtszweig233• Art. 19 Abs. IV GG bezweckt einen "verfahrensrechtlich lückenlosen Individualrechtsschutz"234. Auch Regierungsakte sind Ausübung öffentlicher Gewalt. Einschränkungen ihrer justiziellen überprüfung können sich aus zwei Gesichtspunkten ergeben: Einmal daraus, daß sie im Falle ihrer Rechtswidrigkeit nur eine mittelbare Rechtsverletzung nach sich ziehen, nicht aber schon unmittelbar einen Eingriff in die Individualrechtssphäre enthalten. Zum anderen: Die Tatsache, daß sie dem Bereich des "Hochpolitischen" entstammen, kann dazu führen, daß die Gerichte im Rahmen der Begründetheit nur eine eingeschränkte materielle Prüfung vornehmen können, weil diese Akte nur an ganz globale Rechtssätze gebunden sind236• Eine generelle Exemtion der Regierungsakte vor justizieller überprüfung würde zunächst deren Definition voraussetzen. Das Kriterium der staatspolitischen Führungsentscheidung ist dafür ebensowenig ausreichend wie das formelle Kriterium des erlassenen Organs. Solange aber eine Definition fehlt, können aus dem Vorliegen eines sog. "Regie232 Forsthoff, Verwaltungsrecht, 7. Auf!., S.468 (der Abschnitt über den Rechtsschutz ist in den späteren Auflagen nicht mehr enthalten). Ihm folgen Eyermann I Fröhler, § 42, Rdnr.36; Redeker I von Oertzen, § 42, Rdnr.39. 233 So die treffende Formulierung von OVG Münster, DOv 1965, S. 7741775, ebenso Maunz I Dürig / Herzog, Art.19 Abs. IV, Rdnr.23, 24; Wolff I, § 46 IU b, S. 330. 234 Maunz / Dürig I Herzog, Art. 19 Abs. IV, Rdnr.1. 235 Maunz I Dürig I Herzog, Art. 19 Abs. IV, Rdnr.23, 24; WOlff I, § 46 IU b, S.330.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

rungsaktes" keine Rechtsfolgen abgeleitet werden. Es ist allenfalls von einer indiziellen Bedeutung zu sprechen, die eine Überprüfung der erwähnten möglichen Einschränkung der Gerichtsbarkeit erforderlich macht236• Aus diesen Überlegungen sind die Folgerungen für die Frage der Ausübung diplomatischer Protektion durch die BRD zu ziehen. Sie ist Pflicht des Staates gegenüber seinen Staatsangehörigen bzw. für den Bereich der DBA: Pflicht des Staates als Steuergläubiger gegenüber den Steuerinländern. Nur um dieses innerstaatliche Rechtsverhältnis geht es, nicht um den zweiten Schritt bei positivem Entscheid, der Abgabe völkerrechtlich relevanter Erklärungen nach außen!37. Das berührt zwar alles den Bereich der Auswärtigen Gewalt. Daß Maßnahmen auch auf diesem Gebiet öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. IV GG darstellt, sollte schon der Begriff anzeigenHS• Eine staatspolitische Führungsentscheidung ist bei der Frage nach der Einleitung des Verständigungsverfahrens nicht zu treffen. Wird der Antrag des Steuerinländers zu Unrecht abgelehnt, so bedeutet das für ihn einen unmittelbaren Eingriff in seine Vermögenssphäre. Die Voraussetzungen der Entscheidung über die Einleitung des Verständigungsverfahrens, nämlich eine dem DBA widersprechende Besteuerung bzw. Doppelbesteuerung, lassen einen Beurteilungsspielraum nicht zu. Die Entscheidung über die Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. ist demnach kein justizfreier Hoheitsakt. c) Die Ausübung diplomatischer Protektion: Ermessensentscheidung als Grundsatz Damit ist über die Frage, ob der Bürger bei Ablehnung des Antrages

i. S. d. Art. 19 Abs. IV GG "in seinen Rechten verletzt" ist, noch nicht

entschieden. Das Recht des Bürgers auf diplomatische Protektion wird

238 Symptomatisch für die Unsicherheit der Rechtsprechung im Bereich der sog. justizfreien Hoheitsakte sind die Urteile des BVerfG zur Justiziabilität von Gnadenentscheidungen. Nach BVerfGE 25, 352 H. soll auf die erstmalige Gewährung des Gnadenaktes Art. 19 IV GG keine Anwendung finden. Nach BVerfGE 30, 108 soll demgegenüber der Widerruf einer Begnadigung der gerichtlichen Kontrolle unterliegen, weil dann die durch die Begnadigung gewährten Freiheitsrechte schutzbedürftig seien. 237 Auf die Notwendigkeit dieser Differenzierung hat schon SpitaleT, Doppelbesteuerungsproblem, S.567 (vgl. auch S.565) hingewiesen: "Selbst wenn aus dieser Bestimmung der Verträge (gemeint ist die Klausel über das Verständigungsverfahren) ... ein Rechtsanspruch der durch Doppelbesteuerungen betroffenen Steuerpflichtigen herausgelesen werden könnte, so könnte er sich nur darauf beziehen, daß der angerufene Staat mit dem anderen am Vertrag beteiligten Staat das Einvernehmen pflege; ein Rechtsanspruch darauf, daß sich die Staaten zu einigen haben, besteht niemals ... " 238 Weiß, S. 81; Ress, ZaöRV, Bd.32 (1972), S.452.

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

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allgemein als Anspruch auf pflichtgemäße Ennessensausübung verstanden239 • Als Korrektiv eines zu weitreichenden gerichtlichen Eingriffs in den Bereich der auswärtigen Gewalt werden weitreichende Vorbehalte gemacht240 : so wird gefordert, daß die Ausübung des Schutzrechtes mit dem Völkerrecht vereinbar ist241 und daß die Interessen der Allgemeinheit der Schutzgewährung nicht entgegenstehen242 • Ferner wird betont, daß der Anspruch auf Schutz gegenüber dem Ausland hinsichtlich der bei der Erfüllung zu verwendenden Mittel einer Konkretisierung nicht fähig ist243• d) Im Bereich der DBA subjektiv öffentliches Recht Wegen der vielfältigen Möglichkeiten, in denen ein diplomatischer Schutz in Betracht kommt, und der unterschiedlichen Mittel, die ein Staat zum Schutz seiner Staatsangehörigen einsetzen kann, ist es sicherlich nicht vertretbar, dem Bürger für alle möglichen Fallgestaltungen ein subjektiv öffentliches Recht auf Schutzausübung zuzuerkennen!«. Für das internationale Steuerrecht stellt sich die Frage der Schutzausübung aber nicht in dieser generellen Fonn. Mit der Aufnahme der Konsultationsklausel in die DBA ist das Mittel der diplomatischen Protektion völkervertraglich festgelegt. Die diplomatische Protektion besteht darin, daß die BRD als Schutzstaat den anderen Vertragsstaat auffordert, wegen der völkervertragswidrigen Besteuerung eines deutschen Steuerinländers in Verhandlungen einzutreten. Mit dieser Aufforderung wird ein Anspruch geltend gemacht, zu dessen Einhaltung sich der andere Staat vertraglich verpflichtet hat. Im ersten DBA, in dem eine Bestimmung über das Antragsrecht des Steuerpflichtigen enthalten ist, in Art. 10 des sog. Romvertrages, hieß es sogar ausdrücklich: "Se questo reclamo e riconosciuto fondato, 10 Stato in questione potra nell'interesse deI contribuente domandare, per via diplomatica, che le autorita finanziarie degli Stati che hanno fatta la tassazione s'intendano, in modo equo, per evitare la doppia imposizione." Das Verständigungsverfahren sollte also im Interesse des Steuerpflichtigen durchgeführt werden. %39

Doehring, S. 92 f.; Ress, ZaöRV, Bd.32 (1972), S. 450; Kassimatis, S. 228 f.;

Geck, ZaöRV, Bd. 17 (1957), S. 518 spricht zwar von einem subjektiv-

öffentlichen Recht, aus Fußn.189 ergibt sich aber, daß das subjektiv-öffentliche Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung gemeint ist. 240 Geck, ZaöRV, Bd. 17 (1956/57), S. 502, 518. 241 Ebd., S. 491. 24% Ebd., S. 498 f., 518; Doehring, S.93. 243 Geck, ZaöRV, Bd. 17 (1956/57), S. 496; Doehring, S. 94. 244 Vgl. die Zusammenstellung der Anwendungsfälle diplomatischen Schutzes bei Doehring, S. 6 f.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Die Beschwerdebefugnis des Steuerpflichtigen ist nach dem sog. Romvertrag erst wieder im italienisch-tschechoslowakischen Abkommen vom 1. 3. 1924 und in Art. 15 DBA Deutsches Reich - Italien vom 31. 10.1925 zu finden. In beiden Abkommen sind allerdings die Worte "im Interesse des Steuerpflichtigen" nicht mehr enthalten. Diese Textänderung könnte den Umkehrschluß nahelegen, die Vertragsverfasser hätten mit der Änderung zum Ausdruck bringen wollen, dem Steuerpflichtigen stehe kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einleitung des Verständigungsverfahrens zu. Auch zu den Schiedsklauseln in den o. a. Zolltarifverträgen, die erstmals in der bilateralen Abkommenspraxis des Deutschen Reiches in völkerrechtliche Verträge aufgenommen wurden, hatte Wehberg ausgeführt, daß "die Privatpersonen ... dadurch direkt keine Rechte erlangen"U6. Andererseits schrieb Dorn zu den in einigen Handelsverträgen des Deutschen Reiches enthaltenen Schiedsklausein in seinem Aufsatz über "Das Steuerrecht der Wirtschaft in den neuen Handelsverträgen"248 im Abschnitt über die "Geltendmachung des Vertragsschutzes"247: "Aus der völkerrechtlichen Verbindlichkeit der Verträge in Verbindung mit der Schutzfunktion des Staates gegenüber seinen Angehörigen erwächst Recht und Pflicht jedes vertragschließenden Staates, die seinen Staatsangehörigen ausbedungenen Vergünstigungen notfalls dem anderen Vertragsteil gegenüber zur Geltung zu bringen ... Damit erwachsen den in den Verträgen Begünstigten unmittelbar verfolgbare Rechte gegen den verpflichteten Staat ... Das Vertragsrecht bricht alle anderen abweichenden und nicht vorbehaltenen Rechtsnormen des verpflichteten Staates. Im Verhältnis zwischen berechtigten Privatpersonen und verpflichtetem Staat ergeht Rechtsspruch, der nicht nur wie der Schiedsspruch regelmäßig Recht feststellt, sondern darüber hinaus Anspruch auf Leistung, z. B. auf Rückerstattung überhobener Steuern zum Inhalt haben kann!48." Auf die weitreichenden übereinstimmungen zwischen Schiedsklausein und den Konsultationsklauseln der DBA ist hingewiesen worden. Das berechtigt zu der Folgerung, daß die deutsche Verhandlungsseite bei der Einfügung der Konsultationsklausel in die DBA ebenfalls davon ausging, dadurch erwachse "den in den Verträgen Begünstigten unmittelbar verfolgbare Rechte gegen den verpflichteten Staat" und daß "im Verhältnis zwischen berechtigten Privatpersonen und verpflichtetem Staat Rechtsspruch ergehe, der (einen) Anspruch auf Leistung zum Inhalt haben könne".

m Wehberg, ZVR, Bd.7 (1913), S.154/155. !'48 247 248

Stw 1926, Sp. 1399 ff. StW 1926, Sp. 1425 f. StW 1926, Sp.1427.

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

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Damit ist deutlich geworden, was mit Einführung der Konsultationsklausel beabsichtigt war, welchen Willen der historische Gesetzgeber hatte. Der Wille des historischen Gesetzgebers kann aber nur insoweit berücksichtigt werden, als er sich mit dem Willen des Gesetzes deckt, wenn er also im Wortlaut des Gesetzes einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat. Der Wortlaut eines Gesetzes ist verfassungskonform auszulegen: im Zweifel ist jene Gesetzesinterpretation zu wählen, die mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Wortlaut der Abkommensbestimmungen über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen lautet in den von der BRD abgeschlossenen DBA regelmäßig: Weist ein Steuerpflichtiger nach, daß die Besteuerungsmaßnahmen für ihn die Wirkung einer Doppelbesteuerung (oder eine dem Abkommen widersprechende Besteuerung) haben, so kann er sich an seinen Wohnsitzstaat wenden. In den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe und in den dem OECD-MA nachgebildeten Verträgen heißt es dann weiter: Bei Begründetheit der Einwendungen wird sich die zuständige Behörde um eine Verständigung bemühen, in den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe: Sie soll versuchen, sich zu verständigen. In den zuerst genannten DBA ergibt sich die Verpflichtung der "zuständigen Behörde" zur Einleitung des Verständigungsverfahrens aus dem Abkommenswortlaut. Die zuletzt genannte Abkommensgruppe enthält dagegen nur eine Sollvorschrift. Durch Sollvorschriften wird grundsätzlich Ermessen eingeräumt, allerdings in seiner schwächsten Form. Das Gesetz verknüpft eine Rechtsfolge mit einem Tatbestand zwar für alle typischen Fälle, gestattet aber den Verwaltungsorganen in atypischen Fällen, von der Verwirklichung der gesetzlichen Rechtsfolge abzusehen. Die justizielle Überprüfung geht dahin, ob ein atypischer Umstand vorliegt249 • Grundsätzlich ist eine Sollvorschrift wie eine Mußvorschrift anzuwenden. Von der in ihr ausgesprochenen Rechtsfolge darf nur in Fällen abgewichen werden, in denen die Anwendung der Vorschrift von der ratio legis offenbar nicht mehr gefordert wirdtGo • Diese Vorbehalte, die bei der Auslegung von Sollvorschrüten gemacht werden (atypische Fälle, von der ratio legis offenbar nicht mehr gefordert) zielen auf Fallgestaltungen ab, in denen es um eine Erlaubniserteilung oder sonstige Begünstigung geht. Bei der Entschließung der zuständigen Behörde über die Einleitung des Verständigungsverfah249

Watt!, § 31 II b (S. 186); BVerwGE, DVBI 1960, S.252 (Urteil vom 2.12.

260

VGH Baden-Württemberg, DÖV 1968, S.422; ebenso BVerwGE 16, 224

1959).

(226); Eyermann / Fröhler, § 114, Rdnr.10; a. A. Redeker / von Oertzen, § 114,

Rdnr.3 ("Soll"-Vorschrüt stehe einer "Kann"-Vorschrüt gleich).

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

rens geht es aber nicht um eine derartige Begünstigung, sondern um die rechtsfehlerfreie Anwendung und Auslegung des DBA. Hält die zuständige Behörde die Einwendungen des Steuerpflichtigen für begründet, dann sind atypische Fälle, auf die die ratio legis offenbar nicht zutrüft, nicht denkbar. Das spricht dafür, daß dem Sollen der Behörde nicht nur ein subjektiv-öffentliches Recht des Steuerpflichtigen auf fehlerfreien Ermessensgebrauch, sondern ein striktes subjektiv-öffentliches Recht entspricht. Wenn ein materiell-rechtlicher Rechtssatz ein Hoheitssubjekt verpflichtet, so kann die damit gegebene Begünstigung des Bürgers nur eine bloße Reflexwirkung des objektiven Rechts darstellen oder Ausfluß eines subjektiv-öffentlichen Rechts sein. Für diese Abgrenzung kommt es darauf an, ob der Rechtssatz eine Verpflichtung des Hoheitssubjektes deshalb gesetzt hat, weil er ein Zivilinteresse für vorzugswürdig gehalten, ob er also ein unmittelbares Eigeninteresse der begünstigten Zivilperson anerkannt hat oder ob das Hoheitssubjekt allein um öffentlicher Interessen willen zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet wird!$l. Will man auf Grund dieser Kriterien die Frage entscheiden, ob die Bestimmungen über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen diesen ein subjektiv-öffentliches Recht einräumen, so hat man sich zu vergegenwärtigen, daß diese Abgrenzungsmerkmale im Hinblick auf Normen des materiellen Verwaltungsrechts erarbeitet worden sind. Die Bestimmungen über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen stellen demgegenüber eine verfahrensrechtliche Regelung dar. Ihr Regelungsgegenstand ist das innerstaatliche Rechtsverhältnis zwischen dem von einer abkommenswidrigen Besteuerung betroffenen Steuerpflichtigen zu dessen Wohnsitzstaat. Entsprechende Regelungen sind in anderen völkerrechtlichen Verträgen, die ebenfalls Vertragsklauseln zur friedlichen Beilegung einer Rechtsstreitigkeit enthalten, nicht vorhanden. Wenn damit im Bereich der DBA zusätzlich zu einer derartigen Klausel dem Steuerpflichtigen eine Einwendungsbefugnis eingeräumt wird, so kann das nur die Bedeutung haben, daß damit das private Interesse an einer abkommensgerechten Besteuerung anerkannt wird. Wäre in den DBA lediglich die Konsultationsklausel enthalten, müßte es bei dem Grundsatz verbleiben, daß die Ausübung der diplomatischen Protektion im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht. Die allein in DBA anzutreffenden zusätzlichen Bestimmungen können daher nur den Sinn haben, daß den Steuerpflichtigen ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens i. e. S. zusteht. In diesem Sinne sind die Vorschriften der DBA über die Einwendungs251

Wolff, § 43 I b 2 (S.290).

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

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befugnis der Steuerpflichtigen unmittelbar anwendungsfähiges Völkervertragsrecht (self-executing). Dieses Ergebnis folgt auch aus der Vermutung für das Bestehen eines subjektiv-öffentlichen RechtsW-. Durch das Verständigungsverfahren wird der einzelne Steuerpflichtige begünstigt. Soweit aber ein Gesetzestext eine eindeutige Zuordnung eines in praxi begünstigten Individualinteresses zur Gruppe der subjektiven Rechte oder der der Rechtsreflexe nicht erkennen läßt, ist diejenige Interpretation vorzuziehen, die dem Bürger ein subjektives Interesse einräumt. Folgerungen sind: Das subjektiv-öffentliche Recht ist im Wege der Verpflichtungsklage durchzusetzen. Die Verletzung dieses Rechts durch Unterlassen der Schutz ausübung kann als rechtswidrig schuldhaftes Verhalten den Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG begründen25S• Der Haftungsausschluß nach §5 Abs. 2 des Gesetzes über die Haftung des Reiches für seine Beamten vom 22.5.1910 greift nicht einll54•

n Ausnahmen 1. Die beiden Vorkriegsabkommen Die vorstehenden Untersuchungen bezogen sich auf die Bestimmungen in den Nachkriegsabkommen über das Einwendungsrecht der Steuerpflichtigen. In den beiden Vorkriegsabkommen mit Italien und Finnland hat die Vorschrift über die Einspruchsbefugnis der Steuerpflichtigen als Billigkeitsklausel neben der Konsultationsklausel eine eigenständige Funktion. Wie dargelegt, hat sich die Regelung der Einwendungsbefugnis in den Nachkriegsabkommen aus dieser Vorschrift entwickelt. Da in den beiden Vorkriegsabkommen neben der Konsultationsklausel eine Regelung, die sich insoweit auf das innerstaatliche Rechtsverhältnis bezieht, fehlt, bleibt es hier bei dem Grundsatz, daß auf die Durchführung eines Verständigungsverfahrens i. e. S. nur ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung besteht.

2. Verstöße gegen die Gewinnkorrekturklausel im Bereich der kontinental-europäischen und der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe Auch für die Nachkriegsabkommen kommt eine solche Ausnahme in Betracht, wenn sich herausstellen sollte, daß nicht in allen Fällen, in denen nach der Konsultationsklausel ein Verständigungsverfahren 252 253 254

Maunz / Dürig / Herzog, Art. 19 Abs. IV, Rdnr.37 m. w. N. Vgl. Ress, ZaöRV, Bd.32 (1972), S. 466 f.; Doehring, S.113 f. Vgl. Ress, ZaöRV, Bd.32 (1972), S. 460 f.; Doehring, S.11l.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

durchgeführt werden kann, gleichzeitig auch die Voraussetzungen für ein Einwendungsrecht der Steuerpflichtigen erfüllt sind. In den dem OECD-MA nachgebildeten Verträgen können Steuerpflichtige Einwendungen gegen Besteuerungsmaßnahmen durch Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. geltend machen, wenn "die Maßnahmen eines Vertragsstaates oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer Besteuerung geführt haben oder führen werden, die diesem Abkommen nicht entspricht ... ". Im OECD-MA regelt Art. 25 Abs.III S.l die zwischenstaatliche Seite des Verfahrens zur Beilegung einer Rechtsstreitigkeit, Art. 25 Abs. I und 11 die innerstaatliche Seite. In allen Fällen, in denen nach der Konsultationsklausel ein Verständigungsverfahren i. e. S. durchgeführt werden kann, ist auch ein Einwendungsrecht des Steuerpflichtigen gegeben. Die Regelungen entsprechen einander, sie sind kongruent. Das gilt im Grundsatz auch für die Nachriegsabkommen, die nicht dem OECD-MA nachgebildet sind. Die DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe setzen für den Antrag des Steuerpflichtigen voraus, "daß die Maßnahmen der Finanzbehörden der Vertragsstaaten für (ihn) die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt haben, die den Grundsätzen dieses Abkommens widerspricht"255. Grundsatz der Abkommen ist, daß "vermieden werden (soll), daß Personen, die in einem der beiden oder in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz haben, doppelt zu Steuern herangezogen werden ... "256. Nach den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe muß der Steuerpflichtige nachweisen, "daß die Maßnahmen der Steuerbehörden der Vertragsstaaten die Wirkung einer den Vorschriften dieses Abkommens widersprechenden Doppelbesteuerung haben oder haben werden"257. Verstoßen Besteuerungsmaßnahmen eines Staates infolge rechtsfehlerhafter Auslegung oder Anwendung des Vertrages gegen die sog. Kollisionsnormen des DBA, so ist regelmäßig auch eine "Doppelbesteuerung ..., die den Grundsätzen des Abkommens widerspricht", bzw. die "Wirkung einer den Vorschriften dieses Abkommens widersprechenden Doppelbesteuerung" gegeben. Bei allen Verstößen gegen die DBA-Normen ist damit in der Regel auch eine Einwendungsbefugnis der betroffenen Steuerpflichtigen gegeben. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist von diesem Grundsatz allerdings eine Ausnahme für die Fälle der nicht korrespondierenden Gewinnkorrektur bei verbundenen Unternehmen zu machen. 255 Art. 19 Abs. I DBA Österreich. 256 Art. 1 Abs. I DBA Österreich. 257 Art. 17 Abs. I S. 1 DBA USA 1954.

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a) Das Problem der Kongruenz zwischen Konsultationsklausel und Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen im Rahmen der Gewinnkorrekturklausel Nach überwiegender Auffassung kann bei nicht korrespondierenden Gewinnkorrekturen die Einleitung eines Verständigungsverfahrens unter Hinweis darauf abgelehnt werden, daß eine internationale Doppelbesteuerung im engeren Sinne nicht zu besorgen sei, weil es sich bei den betroffenen verbundenen Unternehmen um zwei verschiedene Steuerpflichtige handele258. Diese Argumentation stützt sich darauf, daß eine Doppelbesteuerung im engeren Sinne nur bei Subjektidentität gegeben sei. Bei verbundenen Unternehmen fehle diese Subjektidentität und folglich könne auch bei nicht korrespondierenden Gewinnkorrekturen kein Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens gestellt werden. Es liege nur eine Doppelbesteuerung im wirtschaftslichen Sinne vor. Das gelte jedenfalls für die DBA, die den Antrag an den Eintritt einer Doppelbesteuerung knüpften. Das OECD-MA, das demgegenüber eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung voraussetze, enthalte eine für die Steuerpflichtigen günstigere Formulierung. Insbesondere sei aber als ein bemerkenswerter Fortschritt die über das OECD-MA hinausgehende Formulierung des revidierten DBA USA 1966 anzusehen, wonach durch das Verständigungsverfahren insbesondere erreicht werden soll, daß die Gewinne zwischen verbundenen Unternehmen übereinstimmend aufgeteilt werden%59. Aus der Verwaltung ist allerdings trotz der dort vertretenen Rechtsauffassung zu dieser Frage zu hören, man halte sich "nicht immer genau an den jeweiligen Wortlaut der Abkommensbestimmungen". Von deutscher Seite werde ein Verständigungsverfahren stets dann versucht, wenn eine gegen das Abkommen verstoßende Besteuerung festgestellt werde. Eine gegen das Abkommen verstoßende Besteuerung liege bei bloßer wirtschaftlicher Doppelbesteuerung zwar nicht vor. Ein Verständigungsverfahren werde jedoch auch dann durchgeführt, wenn in dem einen Vertragsstaat bei einer Gesellschaft eine Gewinnberichtigung vorgenommen werde, die sich auf den Gewinn einer mit ihr verbundenen Gesellschaft auswirke; dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen das maßgebende DBA eine Art. 9 OECD-MA entsprechende Bestimmung enthalte!60. 258 So neben der Verwaltung auch: Seidel, S. 197; Reuter, CDFI, vol. LIV a, II, S.14; Rädler / Raupach, S.614; Mersmann, Ertragsbesteuerung, 5.193; Miinzner / Brezing, 5.9; Schmidt, StWa 1967, S.68; GrassfeId, 5.109 f., der zugleich darauf hinweist, es werde mehr und mehr anerkannt, daß das Verständigungsverfahren für diese Fälle allgemein zugelassen werden sollte. 259 Rädler / Raupach, 5. 376/377 und 5.614/615.

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Diese Meinungen sind von der verfehlten Auffassung über die Struktur der Bestimmungen über das Verständigungsverfahren geprägt. Die Konsultationsklausel hat nicht nur die Auslegung und Anwendung des DBA im allgemeinen zum Gegenstand, sondern diese Klausel bezweckt ebenso die Ausschaltung jeder im Einzelfall auftretenden Rechtsstreitigkeit bei der Auslegung und Anwendung des DBA. Völkervertragliche Grundlage für Gewinnkorrekturen zwischen verbundenen Unternehmen sind die Art. 9 OECD-MA entsprechenden Klauseln der deutschen DBA. Auf die Streitfrage, ob die Gewinnkorrekturklausel der DBA im innerstaatlichen Bereich eine selbständige, unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlage für Gewinnkorrekturen darstellt261 , also insoweit eine self-executing Bestimmung des völkerrechtlichen Vertrages ist, braucht nicht eingegangen zu werden. Denn hier geht es nur darum, daß jedenfalls durch nicht korrespondierende Gewinnkorrekturen der Vertragsstaaten ein Staat gegen das in der Gewinnkorrekturklausel enthaltene dealing-at-arm's-length Prinzip verstoßenMll und damit den durch die Gewinnkorrekturklausel gesteckten Rahmen überschritten hat. Nicht korrespondierende Gewinnkorrekturen stellen Rechtsverletzungen der Art. 9 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen der deutschen DBA dar. Da die Konsultationsklausel sich auf sämtliche Rechtsstreitigkeiten erstreckt, ist auch der Fall nicht korrespondierender Gewinnkorrekturen von dieser Bestimmung gedeckt. Die Vertragsstaaten sind daher ohne weiteres berechtigt und - da die Konsultationsklausel ein pactum de negotiando ist - auf Verlangen des anderen Teils auch verpflichtet, bei nicht korrespondierenden Gewinnkorrekturen wegen Verletzung des dealing-at-arm's-length Prinzips auf der Grundlage der Konsultationsklausel ein Verständigungsverfahren i. e. S. auf zwischenstaatlicher Ebene durchzuführen. Für das innerstaatliche Rechtsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und dessen Wohnsitzstaat ergibt sich in den Fällen nicht korrespondierender Gewinnkorrekturen zwischen verbundenen Unternehmen allerdings folgendes Bild: Ausdrücklich sind für diese Fallgruppe nur in den dem OECD-MA nachgebildeten deutschen DBA auch die Voraussetzungen für den Antrag des Steuerpflichtigen auf Einleitung des Verständigungsverfahrens gegeben. 260 WebeT, Das Verständigungsverfahren, S.214/215; ReuteT, CDFI, vol. LIVa, H, S. 14: "Nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums werden in der Praxis diese Fälle der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung jedoch in die Verständigungsverfahren einbezogen ... " 261 Vgl. oben 3. Kapitel, A., I., 2. a). 262 Vgl. dazu RädteT / Raupach, S.613; BähT, AWD 1972, S. 233 ff.

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Sowohl in den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe als auch in den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe ist die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen an den Eintritt einer Doppelbesteuerung geknüpft. In diesen Abkommensgruppen scheint die Einwendungsbefugnis bei nicht korrespondierenden Gewinnkorrekturen davon abhängig zu sein, ob der Begriff der Doppelbesteuerung Subjektidentität voraussetzt. Damit stellt sich das Problem des Begriffs der internationalen Doppelbesteuerung. Die Untersuchung dieser Frage hat nicht nur Bedeutung für die Einwendungsbefugnis auf Einleitung des Verständigungsverfahrens in den älteren Verträgen, sondern auch für die dem OECDMA nachgebildeten Verträge. Denn die Ergänzungsklausel in Art. 25 Abs. III S. 2 OECD-MA erstreckt sich auf Beratungen, "wie eine Doppelbesteuerung in Fällen, die in diesem Abkommen nicht behandelt sind, vermieden werden kann". b) Der Begriff der internationalen Doppelbesteuerung: Das Erfordernis der Subjektidentität Das Ziel einer Untersuchung über den Begriff der internationalen Doppelbesteuerung kann nicht darin bestehen, dem "Wesen" dieses Phänomens nachzuspüren. Es geht allein um die Frage, welcher Begriff den deutschen DBA zugrundeliegt. Die DBA enthalten keine Legaldefinition des Begriffs der internationalen Doppelbesteuerung. Auch in den deutschen Denkschriften zu den DBA sucht man vergeblich nach einer Erläuterung dieses Begriffs. Ausführlicher ist dagegen der Kommentar zum OECD-Musterabkommenl!a. Dort heißt es, das Phänomen der internationalen Doppelbesteuerung könne allgemein bezeichnet werden als die -

Erhebung vergleichbarer Steuern in zwei (oder mehreren) Staaten von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum.

Die neueren deutschen DBA haben das OECD-MA zur Vorlage gehabt und entsprechend wird in den Denkschriften ausgeführt, daß der Kommentar zum MA als Auslegungshilfe herangezogen werden kann. Das OECD-Musterabkommen folgt der Begriffsdefinition, die im deutschen internationalen Steuerrecht von Dorn26 4, Spitaler265 und 263

Vgl. II, A, 3 (S. 13).

Dorn, Int. Finanzrecht, DJZ 1924, Sp. 684 f.; ders., VJSchrStuFR 1927, S.190 f. 265 Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 92 ff., 132 fi. 264

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

Bühler266 entwickelt worden ist. Auf den Grundlagen der von ihnen geleisteten Arbeiten ist heute folgende Terminologie vorherrschend geworden, die auch hier zugrundegelegt wird: Doppelbelastung ist die Erfassung desselben wirtschaftlichen Vorgangs durch dieselbe (interne) Steuergewalt mit ähnlichen Steuern (Hauptfall: Besteuerung der AG mit KSt und Besteuerung der an die Aktionäre ausgeschütteten Erträge mit ESt)267. Internationale Doppelbesteuerung im weiteren (wirtschaftlichen) Sinne ist gegeben, wenn durch mehrere Staaten wegen desselben Tatbestandes für denselben Zeitraum dieselbe oder eine gleichartige Steuer erhoben wird268 • Internationale Doppelbesteuerung im engeren Sinne liegt vor, wenn zusätzlich zu den eben genannten Merkmalen die Steuern von derselben Person (Subjektidentität) erhoben wird269 • Auf Grund der fehlenden Legaldefinition sowie der mangelnden Stellungnahme in den deutschen Denkschriften war lange Zeit streitig, ob die deutschen DBA vom Begriff der internationalen Doppelbesteuerung im weiteren oder engeren Sinne ausgehen, ob also Subjektidentität erforderlich ist. Dieses Problem ist insbesondere im Zusammenhang mit der Frage nach der Hinzurechnung der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht im Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gemäß § 8 Ziff. 7 GewStG diskutiert worden. Diese Hinzurechnung ist nicht vorzunehmen, soweit die Miet- oder Pachtzinsen beim Vermieter oder Verpächter zur GewSt nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind270. Wenn an einen ausländischen Lizenzgeber Lizenzgebühren zu zahlen und diese Gebühren als Miet- oder Pachtzinsen zu qualifizieren sind271 , müssen sie bei der Ermittlung des Gewerbeertrages des deutschen Steuerpflichtigen zur Hälfte dem Gewinn wieder hinzugerechnet werden. Besteht mit dem Staat des ausländischen Lizenzgebers ein DBA, dann sind regelmäßig die Lizenzgebühren im Quellenstaat von der Steuerpflicht ausgenommen. Genauer: Sie unterliegen nicht der ESt/KSt, da sich der sachliche Anwendungsbereich der DBA regelmäßig auf diese Steuerarten beschränkt. Streitig war lange Zeit, ob es mit dieser Abkommensregelung vereinbar war, in der BRD als Quellenstaat die Lizenzgebühren für die 266

267 268 269

Bühler, Prinzipien, S. 32. Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 92 ff.; Bühler, Prinzipien, S.32. Bühler, Prinzipien, S. 32. Bühler, ebd. Internationale Doppelbesteuerung i. w. S. wird teilweise

auch als wirtschaftliche Doppelbesteuerung, internationale Doppelbesteuerung i. e. S. als rechtliche Doppelbesteuerung bezeichnet, so Rädler / Raupach, S.372. 270 Der Ausnahmefall, daß ein Betrieb oder Teilbetrieb vermietet oder verpachtet wird und der Jahresbetrag der Miet- oder Pachtzinsen 250000 DM übersteigt, bleibt außer Betracht. 271 Vgl. BFHE 82, 654 f. = BStBI 1965 III, 483.

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Berechnung der GewSt zur Hälfte dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen212• Die Streitfrage führt auf das erwähnte Kernproblem des internationalen Steuerrechts: wenn von einer internationalen Doppelbesteuerung nur bei Identität des Steuersubjekts gesprochen werden kann, so ist bei der Hinzurechnung nach § 8 Ziff. 7 GewStG mangels Subjektidentität eine internationale Doppelbesteuerung nicht gegeben. Anders wäre zu entscheiden, wenn für eine internationale Doppelbesteuerung die Erfassung desselben Steuerobjekts ausreicht. Mit dieser Frage nach dem "Erfordernis der Subjektidentität bei Doppelbesteuerungsnormen" hat sich insbesondere Flick auseinandergesetzt273• Flick geht von dem Grundsatz aus, daß zunächst auf den Wortlaut der DBA abgestellt werden müsse274 • Da aber im Wortlaut der Doppelbesteuerungsnormen Anhaltspunkte für das Erfordernis der Personengleichheit nur selten zu finden seien, erhalte diese Voraussetzung ihre eigentliche Stütze erst im theoretischen Begriff der internationalen Doppelbesteuerung%76. Es müsse aber festgestellt werden, daß die Staatenpraxis wie auch die Modellverträge des Völkerbundes gemeinhin auf eine konstruktive, abstrakte Umschreibung des Begriffs der internationalen Doppelbesteuerung verzichteten%78. Die Verträge wie auch die einseitigen Maßnahmen der Vertragsstaaten bedienten sich vielmehr einer kasuistischen Fassung. Einer solchen kasuistischen Fassung könne zwar ein konstruktiver Begriff zugrundeliegen. Eine solche Kenntnis des abstrakten Begriffs habe auch den Vorteil, über Schwierigkeiten und Zweifel bei der Auslegung und Anwendung des Abkommens hinwegzuhelfen277• Den kasuistischen Regelungen der deutschen DBA, so wird man Flick verstehen müssen, könne aber ein konstruktiver Begriff der internationalen Doppelbesteuerung nicht entnommen werden. Deshalb 212 Die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen sind durch die DBA ausgeschlossen nach Auffassung von Glättli, AWD 1960, S. 5 ff.; Fricke, DB 1959, S. 1413 f.; ders., BB 1960, S. 516 f.; Flick, StW 1960, Sp.229. Für die Zulässigkeit der Hinzurechnungen trotz DBA: BFH, urteil vom 6. 12. 1955, DB 1958, S.884; öst. VwGH, Urteil vom 19.2.1960, AWD 1960, S.220; Debatin, DB 1962, Beilage Nr. 12, S. 10 f. m. w. N .. Die schweizerische Steuerverwaltung hatte über diese Frage ein Verständigungsverfahren mit der BRD und Österreich eingeleitet, vgl. Locher, DB-Schweiz-Deutschland, B § 9 !Ir Nr. 5, Nr. 11. Vgl. dazu auch Flick, StW 1960, Sp. 329, Fußn. 1. 213 Flick, stW 1960, Sp. 329 ff. 214 Ebd., Sp. 331. 276 Flick, stw 1960, Sp. 332. 276 Ebd., Sp. 332. 277 Ebd., Sp. 332, 333.

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

versucht Flick in einer rechtsvergleichenden Untersuchung!78, den theoretischen Kern des Problems anzugehen und Lösungsmöglichkeiten für Einzelfälle aufzuweisen. Das Ergebnis dieser Untersuchung besteht darin, daß es keine allgemein anerkannte wissenschaftliche überzeugung gebe, nach der die Subjektidentität für die Annahme einer internationalen Doppelbesteuerung erforderlich seins. Auch aus der internationalen Praxis könne weder für die Frage der Subjektidentität noch für das Problem, wie gegebenenfalls das Tatbestandsmerkmal der Gleichheit des Steuerpflichtigen zu umschreiben sei, eine eindeutige Schlußfolgerung gezogen werden!80. Da es im zwischenstaatlichen Bereich an einem einheitlichen Zuordnungsmaßstab fehle, welches Abgabenobjekt die Beziehung zu einem Subjekt in sich schließt, habe auch die Regelung der kontinentaleuropäischen Verträge, die wörtlich nur auf Wirtschaftsgüter abstellten, einen vernünftigen und zweckmäßigen Sinn, der bewußt die Subjektidentität nicht einschließe281.Daher könne der Einwand der mangelnden Subjektidentität die Anwendung der DBA auf die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsbeträge nicht hindern28%. An der Argumentation von Flick ist richtig, daß zunächst vom W ortlaut der Abkommensbestimmungen auszugehen ist. Der Wortlaut der DBA ist aber nicht so unergiebig, wie Flick meint. Im Eingangsartikel von drei DBA heißt es: "Durch dieses Abkommen soll vermieden werden, daß Personen, die in einem oder in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz haben, doppelt zu Steuern herangezogen werden ...!83." Dieser programmatischen Aussage an exponierter Stelle der DBA wird man auch Bedeutung für die übrigen Verträge beizumessen haben. Verfehlt ist in der Argumentation von Flick, beim Fehlen einer ausdrücklichen Abkommensbestimmung sofort auf rechtsvergleichende Untersuchungen auszuweichen. Das ist ein Sprung insofern, als nach der in der lex-fori-Klausel enthaltenen Interpretationsanweisung bei einem im DBA nicht besonders definierten Ausdruck auf den Abkommenszusammenhang abzustellen ist. Dieser Abkommenszusammenhang eröffnet sich aus dem Aufbau und der Wirkungsweise der deutschen DBA und dieser Aufbau und die Wirkungsweise setzen - wie sich zeigen wird - als Grundsatz zwingend das Erfordernis der Subjektidentität voraus. Ebd., Sp. 331 f. Ebd., Sp. 338. 280 Ebd., Sp. 341. 281 Ebd., Sp. 343. 282 Ebd., Sp. 350. 283 Art. 1 Abs. 1 DBA Österreich, ähnlich Art. 1 Abs. 1 DBA Schweden, Art. 1 Abs. 1 DBA Frankreich. 278 279

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Nach Vogel!84 beginnen alle Doppelbesteuerungsverhandlungen damit, daß zunächst die Delegationen der beiden Vertragsstaaten ihre nationalen Steuerrechte darstellen, insbesondere die Besteuerung der beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen und Körperschaften. Die Doppelbesteuerung beruht im Grundsatz darauf, daß Einkünfte sowohl im Wohnsitzstaat wie auch im Quellenstaat besteuert werden, derselbe Steuerpflichtige (Subjektidentität) sowohl der unbeschränkten (Welteinkommensprinzip) wie der beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Regelmäßig wird das Besteuerungsrecht des Quellenstaates durch die sog. Kollisionsnormen des DBA für bestimmte Einkünfte und Vermögensteile ganz oder teilweise eingeschränkt. Wie weit diese Einschränkung geht, hängt von der Wirtschaftsstruktur der Vertragsstaaten ab: Schuldnerstaaten sind an einer Aufrechterhalten der Besteuerung im Quellenstaat, Gläubigerstaaten an einer möglichst weitgehenden Realisierung des Wohnsitzprinzips, d. h. Freistellung von der Besteuerung im Quellenstaat interessiert. Bei Abschluß eines DBA geht es also zunächst darum, den Verzicht des Quellenstaates auf die Ausübung seines Besteuerungsrechtes vertraglich festzulegen. Das bestimmt den Aufbau der deutschen DBA. Die Eingangsbestimmungen enthalten die Regelungen des sachlichen, persönlichen und räumlichen Anwendungsbereiches des DBA und wichtige Ankommensdefinitionen. In den anschließenden sog. Kollisionsnormen wird der Rahmen festgelegt, innerhalb dessen der Quellenstaat Einkünfte und Vermögen weiterhin besteuern darf. In der darauffolgenden Zentralvorschrift der DBA wird dann geregelt, wie der Wohnsitzstaat bei den dem Quellenstaat zur Besteuerung zugewiesenen Einkünften und Vermögenswerten die Doppelbesteuerung vermeidet, und zwar entweder durch die Methoden der Steuerbefreiung oder die der Steueranrechnung. Die abschließenden Artikel enthalten die sog. ergänzenden Vertragsbestimmungen, zu denen auch die Verständigungsklausel zählt. Dieser Abkommensaufbau zeigt, daß das wichtigste Strukturelement der DBA die Differenzierung zwischen Wohnsitzstaat und Quellenstaat ist. Hieraus und aus der in der Zentralvorschrift der DBA enthaltenen Regelung, wie der jeweilige Wohnsitzstaat die bei Aufrechterhaltung der Quellenbesteuerung entstehende Doppelbesteuerung vermeidet, ergibt sich, daß den deutschen DBA ein Begriff der internationalen DB zugrunde liegt, der das Erfordernis der Subjektidentität einschließt285• Damit ergibt sich aus dem Zusammenhang der AbkommensVogel, DB 1959, S.32. Auch in der Literatur zum internationalen Steuerrecht wird ganz überwiegend vertreten, den DBA liege der Begriff der internationalen Doppelbesteuerung i. e. S. zugrunde, vgI. Lippert, Int. Finanzrecht, S. 592 H.; ders., 284

Horst

285

11 Mülhallllen

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3. Kap.: Das Vv. i. e. S. zur einheitlichen Anwendung des DBA

vorschriften, daß den deutschen DBA der Begriff der internationalen Doppelbesteuerung i. e. S. zugrunde liegt. Korn! DiEtz / Debatin weisen zwar darauf hin, daß die Frage nach dem Erfordernis der Subjektidentität sich mit grundsätzlicher Wirkung nicht für alle deutschen DBA einheitlich beantworten lasse. Denn jedes Abkommen müsse als völkerrechtlicher Vertrag für sich nach dem Willen der vertragschließenden Staaten beurteilt und ausgelegt werden. Es komme daher im Einzelfall darauf an, festzustellen, ob das anwendbare DBA allgemein oder seine speziell eingreifende Kollisionsnorm für die Vermeidung der Doppelbesteuerung Subjektidentität voraussetze286• Daran ist richtig, daß bei bestimmten Kollisionsnormen auf das Erfordernis der Subjektidentität verzichtet werden kann. Als Grundsatz ist das Problem der Subjektidentität für die deutschen DBA jedoch dahin zu beantworten, daß sie für den Begriff der internationalen Doppelbesteuerung das Merkmal der Personengleichheit voraussetzen. Der in diesem Sinne definierte Begriff der internationalen Doppelbesteuerung gehört zu den systemtragenden Prinzipien287 des deutschen internationalen Steuerrechts. Er hat rechtliche Relevanz für die Auslegung der Normen des internationalen Steuerrechts: Soweit sich aus ihnen nicht eindeutig ergibt, daß die Vertragsstaaten von dem Erfordernis der Subjektidentität absehen wollten, ist davon auszugehen, daß Personenidentität vorausgesetzt wird. c) Subjektidentität und Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens

Da den deutschen DBA ein Begriff der internationalen Doppelbesteuerung im engeren Sinne zugrundeliegt, ist in den DBA der kontinental-europäischen sowie den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe eine ausdrückliche Kongruenz zwischen der Konsultationsklausel und den Bestimmungen über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen für den Fall der Verstöße gegen die GewinnHandbuch, S. 528 ff.; Isay, Int. Finanzrecht, S.119, 126 ff.; Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, S. 92 ff., 132 ff.; Rennebaum / Zitzlaff, S. 6 f.; Dorn, DJZ 1924, Sp. 684 f.; ders., VJSchrStuFR 1927, S.190 f.; Geyler, S.l ff., 169 ff.; van Hoorn, RiW 1956, S.105; Schmitz, S.16 ff.; Weber, Doppelbesteuerungsrecht, S. 104; Korn / Dietz / Debatin, Vorbem. I A, Rdnr.2; Bühler, Prinzipien, S.32; Debatin, DStZ (A) 1962, S.5; Rädler / Raupach, S. 346 f., 372; Schubert, Kommentar, S.3; Kolbeck, IFA-Vorträge Köln 1962/63, S.21; Mersmann, StbJb 1959/60, S. 37; ders., Int. Doppelbesteuerung, S. 91; Siegrist, S. 1 f., 8 f.; Watzke / PoUack / Philipp, S.3; Teichner, S. 18; Endriss, S. 3 f.; Müller, S.128; Seidel, S. 193 f. - Keine Subjektidentität für den Begrüf der intern. Doppelbesteuerung setzen voraus: Flick, StW 1960, Sp.329; ders., FA (N.F.), Bd.21 (1961), S. 88; Fricke, AWD 1960, S. 197 ff.; Vogel, DStR 1968, S.430. 286 Vorbem. IV C 12 a. E. 287 Vgl. dazu Tipke, StW 1971, S. 5 ff.

D. Das Rechtsverhältnis zw. Steuerpflichtigem und Wohnsitzstaat

163

korrekturklausel nicht gegeben. Diese mangelnde Systematik hat - wie meistens im Steuerrecht - historische Gründe. In den DBA des Deutschen Reiches fehlte eine Gewinnkorrekturklausel. Sie wurde in die Abkommen der BRD aus der anglo-amerikanischen Vertragspraxis übernommen288 • Da sich die Konsultationsklausel auf alle Rechtsverstöße erstreckt, deckte sie auch die Gewinnkorrekturklausel ab. Die Bestimmungen über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen, die sich aus den Billigkeitsklauseln der Vorkriegsabkommen entwickelten, wurden dieser Änderung der Vertragspraxis nicht angepaßt. Die erstmalige Einfügung der Gewinnkorrekturklausel in die deutschen DBA fiel zusammen mit dieser Änderung der Billigkeitsklausel. Im DBA Italien und den späteren Abkommen des Deutschen Reiches konnte ein Steuerpflichtiger Einspruch einlegen, wenn die Maßnahmen der Finanzbehörden der vertragschließenden Staaten für ihn die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt hatten. Dann sollten sich die Behörden verständigen, um in billiger Weise eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. In diesen Abkommen für den Einspruch der Steuerpflichtigen Subjektidentität zu fordern, hatte seine Rechtfertigung darin, daß die Rechtsfolge in einer Billigkeitsentscheidung bestand, also nicht nur eine dem Abkommen entsprechende Besteuerung verlangt werden konnte. Aus den Denkschriften zu den Verträgen der kontinental-europäischen Abkommensgruppe und der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe ergibt sich nichts darüber, daß hier bewußt mit der mangelnden Kongruenz das Ziel verfolgt wurde, bei Verstößen gegen die Gewinnkorrekturklausel einen Antrag der betroffenen Unternehmen auszuschließen. Auch bei Verstößen gegen die Gewinnkorrekturklausel können verbundene Unternehmen demnach den Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens stellen. Da in diesen Fällen aber wegen des Erfordernisses der Subjektidentität die Merkmale der Vertragsbestimmungen über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen nicht erfüllt sind, besteht auf die Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. hier nur das subjektiv-öffentliche Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung.

288 Vergleiche Denkschrift zum DBA österreich, BTDrucks IV1218, S.ll. Die Gewinnkorrekturklausel erscheint erstmals in: Art. IV DBA USA vom 22.7.1954 und Art. IV DBA England vom 18.8.1954.

Viertes Kapitel

Das Verständigungsverfahren im engeren Sinne als Billigkeitsverfahren Die Konsultationsklausel der DBA ist ein paetum de negotiando, kein paetum de eontrahendo. Kommt eine Einigung der Vertragsstaaten über die dem Verständigungsverfahren zugrundeliegende Auslegungsoder Anwendungsfrage nicht zustande, weil jede Vertragsseite die von ihr durchgeführten Besteuerungsmaßnahmen für abkommensgemäß hält, trägt den Nachteil der Steuerpflichtige. In der Praxis des Verständigungsverfahrens wird häufig in solchen Fällen versucht, unter Ausklammerung der Rechtsfragen doch noch zu einer für den Abgabenpflichtigen tragbaren Steuerbelastung zu kommen. Ein Beispiel für diese Vertragspraxis schildert Heining 1 : Der Inhaber einer Textileinzelhandelsfirma mit Sitz in der BRD hatte seinen Wohnsitz in der Schweiz. Er ließ sich über den Geschäftsablauf im deutschen Betrieb vollständig und laufend orientieren. Er traf Entscheidungen über die Aufnahme neuer Artikel ete. und beeinflußte durch seine Tätigkeit den Reingewinn erheblich. Durch das Vorliegen zweier Betriebsstätten der Gesellschaft durfte jedes Land diejenige Quote vom Gewinn in Anspruch nehmen, die der Bedeutung der in seinem Land gelegenen Betriebsstätte für das Gesamtunternehmen entsprach. Die Lösung dieses Aufteilungsproblems im Verständigungsverfahren bestand darin, daß 30 % des Gesamtgewinns als auf die leitende Tätigkeit entfallend angesehen und der Besteuerung in der Schweiz zugewiesen wurde. Daß diese "Lösung des Aufteilungsproblems" nicht aufgrund einer Anwendung von Rechtssätzen erfolgte, braucht nicht näher dargelegt zu werden. Der Versuch, unter Ausklammerung von Rechtsfragen durch Verhandlungen der Vertragsstaaten als Steuergläubiger eine für den Steuerschuldner tragbare Gesamtbelastung herbeizuführen, kommt ebenfalls in Betracht, wenn Doppelbesteuerungsfälle vorliegen, die in dem Abkommen nicht behandelt sind!. 1

Heining, StuR, Bd.20 (1966), S.47/48.

Unbeschadet eines Verständigungsverfahrens i. e. S. als Billigkeitsverfahren hat der Steuerpflichtige das Recht zur Anrechnung ausländischer l!

4. Kap.: Das Vv. i. e. S. als Billigkeitsverfahren

165

Von österreichischer Seite hat Philipp zu dieser Praxis formuliert3: "Welche Zweifelsfragen auch immer in der Theorie auftauchen mögen, in der Praxis besteht unsere Aufgabe darin, dafür zu sorgen, daß diese Fragen nicht auf dem Rücken der Steuerpflichtigen ausgetragen werden, daß also in erster Linie für den konkreten Einzelfall eine Lösung gefunden werden muß, die - und sei es im Billigkeitswege - eine Beseitigung der Doppelbesteuerung mit sich bringt'." Billigkeitsklauseln sind allerdings nicht in allen deutschen DBA enthalten. Eine ausdrückliche Billigkeitsbestimmung findet sich nur in den beiden Vorkriegsabkommen. Art.15 DBA Italien und Art.14 DBA Finnland sehen vor, daß sich die Vertragsstaaten auf den Einspruch des Steuerpflichtigen hin verständigen sollen, "um in billiger Weise eine Doppelbesteuerung zu vermeiden". Ebenso ist in den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe ein Verständigungsverfahren vorgesehen "zur Beseitigung von Härten auf Grund einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in diesem Abkommen nicht geregelt sind". Mit dieser Formulierung "zur Beseitigung von Härten" in den Nachkriegsabkommen der kontinental-europäischen Abkommensgruppe ist sachlich das gleiche gemeint wie mit dem Begriff der "Billigkeit" in den beiden Vorkriegsabkommen. In den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe fehlen jedoch entsprechende Bestimmungen. In den dem OECD-MA nachgebildeten Verträgen sind zwar Beratungen zur Vermeidung über "eine Doppelbesteuerung in Fällen, die in dem Abkommen nicht behandelt sind", vorgesehen. Von einer Billigkeitslösung ist hier aber ebenfalls nicht die Rede. Damit stellt sich die Frage, ob auch bei der Anwendung der zuletzt genannten DBA eine Billigkeitsentscheidung möglich ist. Teilweise wird vertreten, daß das Verständigungsverfahren generell als Billigkeitsverfahren verstanden werden müsse5. Der Abschnitt über die verschiedenartigen Funktionen der Bestimmungen über das Verständigungsverfahren hat jedoch gezeigt, daß eine derartige allgemeine Charakterisierung nicht haltbar ist, sondern daß die Verständigungsklausein eine komplexe Struktur haben. Steuern nach § 68 g Abs. II, III EStDV. Vgl. dazu Korn / Dietz / Debatin, Vorbem. VII B 14, VIII G, Rdnr.9, H, Rdnr.4; Spitaler, CDFJ, vol. 42, S.l71; Wolll, S.84; Haver, FR 1965, S.327. 3 DStZ (A) 1964, S. 169. 4 Billigkeitsklauseln sind nicht nur in den deutschen DBA enthalten. So enthält z. B. auch der Vertrag zwischen der BRD und der Republik Österreich zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen (BGBI 1958 II, S.129 ff.) eine Regelung für Härtefälle; vgl. dazu Seidl-Hohenveldern, The Austrian-German Arbitral Tribunal, S. 64 f. 5 Vgl. oben 2. Kapitel, D., I.

166

4. Kap.: Das Vv. i. e. S. als Billigkeitsverfahren

A. Verständigungsverfahren und Entscheidung ex aequo et bono Vor allem von Bühler ist die Auffassung vertreten worden, daß das Verständigungsverfahren als Billigkeitsverfahren zu verstehen sei. Nach seiner Ansicht stellt "das Verständigungsverfahren zwischen den Regierungen, das im Fall von Lücken in DBA regelmäßig eingreift, einen wichtigen Sonderfall (der) Entscheidungen ex aequo et bono" im Sinne von Art. 38 Abs. 11 des Statutes des Haager Internationalen Gerichtshofes da~. In den deutschen DBA wird diese Entscheidungsmaxime "ex aequo et bono" allerdings nur einmal erwähnt, und zwar in Art. 18 des nicht ratifizierten DBA Deutsches Reich - Frankreich vom 9. 11. 1934. Sonst ist in die DBA des Deutschen Reiches immer nur der Begriff der Billigkeit aufgenommen worden. Auch in den oben genannten7 ersten DBA Italiens heißt es "in modo equo", nicht "ex aequo et bono". Im ersten allgemeinen DBA Frankreichs, dem Vertrag mit Italien vom 16.6.1930 wird formuliert: "en vue de remedier equitablement a la double imposition"8, im DBA Frankreich-Schweden vom 24.12.1936: "pour eviter, de facon equitable, une double imposition9 ." In den ersten allgemeinen DBA Englands fehlen entsprechende Bestimmungen. Anders die allgemeinen DBA der USA. Nach Art. XX DBA USA - Italien vom 23.3.1939 10 konnten Vereinbarungen getroffen werden "with a view to equitable avoidance of the double taxation in question" . Auch in den DBA anderer führender Industriestaaten ist demnach nicht von der Entscheidungsmaxime "ex aequo et bono" die Rede. Das Statut des Haager Internationalen Gerichtshofesl l führt in Art. 38 Abs. I die Rechtsquellen auf, die der Gerichtshof seinen Entscheidungen zugrundezulegen hat. Die Bestimmung wird als erschöpfende Aufzählung der Völkerrechtsquellen verstanden. Art. 38 Abs. 11 bestimmt: "This provision shall not prejudice the power of the Court, to decide a case ex aequo et bono, if the parties agree thereto." Grundsätzlich hat der IGH seine Entscheidungen unter Anwendung der in Art. 38 Abs. I des IGH-Statutes genannten Rechtsquellen des Völkerrechts zu treffen. Fehlt eine Rechtsnorm zur Entscheidung über den Streitgegenstand, muß das Gericht die Klage abweisen. Beschränkungen der staatlichen Unabhängigkeit werden im Völkerrecht nicht vermutet. Wenn daher dem Kläger ein Rechtssatz zur Begründung 6 7

Bühler, Prinzipien, S.40; ihm folgt insoweit Schmidt, StWa 1967, S.65. Vgl. 2. Kapitel, F., 1., 1.

Art. 14 DBA Frankreich-Italien, IU SN 24. Art. 15 Abs. I, I UN 14. 10 I UN 81, ebenso Art. 25 DBA USA-Frankreich vom 25.7. 1939, I UN 90. 11 Veröffentlicht u. a. in: ICJ, Series D, No. 1, p. 37 U. 8

9

A. Vv. und Entscheidung ex aequo et bonD

167

seines Anspruchs nicht zur Verfügung steht, ist seine Klage nicht begründet12• Bei Fehlen eines Völkerrechtssatzes kann aber in Ausnahmefällen das internationale Gericht eine Entscheidung treffen, wenn es durch ausdrückliche Vereinbarungen der Parteien ermächtigt ist, den Streitfall "ex aequo et bono" zu entscheiden13• Mit der Erlaubnis zur Entscheidung ex aequo et bono ist eine offene Ermächtigung zum Erlaß von Entscheidungen ohne Rücksicht auf das geltende Recht erteilt. Voraussetzung für eine derart weitreichende Ermächtigung an das Gericht, unabhängig oder in Abweichung vom geltenden Völkerrecht zu entscheiden, ist aber diese ausdrückliche Ermächtigung der Streitparteien14 • So ist auch eine Schiedsinstanz zu einer Entscheidung "ex aequo et bono" nur befugt, wenn dies im Komprorniß ausdrücklich vorgesehen ist15• Allerdings setzt die Ermächtigung nicht die Verwendung der Worte "ex aequo et bono" voraus. Art. 5 des Schiedsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz16 bestimmte über die Entscheidungsgrundlagen: ,.Mit Zustimmung beider Parteien kann das Schiedsgericht seine Entscheidung, anstatt sie auf Rechtsgrundsätze zu stützen, nach billigem Ermessen treffen." Weil in dieser Bestimmung die Zulässigkeit der Abweichung vom geltenden Recht unzweideutig zum Ausdruck gebracht ist, ist damit die Entscheidungsmaxime "ex aequo et bono" gemeint17• Als Grundsatz ist aber festzuhalten, daß nicht jede Ermächtigung zu einer Billigkeitsentscheidung zugleich auch immer eine Entscheidung "ex aequo et bono" bedeutet18 • In der Völkerrechtsdogmatik wird zwischen drei Stufen einer Billigkeitsentscheidung differenziert1t : Die erste Stufe der Billigkeit sei jeder vernünftigen Rechtsanwendung immanent. Es handele sich lediglich darum, zwischen verschiedenen möglichen Auslegungen eines Rechtssatzes diejenige zu wählen, 12

13 14

15 16

17

Berber III, S. 77 f.; Dahm II, S. 542 f. Berber III, S. 77 f.; Dahm II, S.549; Schlochauer, WBV II, S.61. Dahm II, S.547; Berber III, S.77. Schlochauer, WBV III, S.187; UIshöfer, WBV II, S.262.

RGBI 1922 I, S. 217 ff.

Schindler, S.163; Dahm II, S.547, Fußn.28; Guggenheim, Lehrbuch,

S.150. 18 ICJ, Reports 1969, p.48 (North Sea Continental Shelf); Lauterpacht, The Development of International Law by the International Court, S.213: "Adjudication ex aequo et bonD ... differs clearly from the application of rules of equity in their wider sense. For inasmuch as these are identical with principles of good faith, they form part of international law as, indeed, of any system of law ..."; ebenso: Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen, S.86 m. w. N. 19 Schindler, S. 161/162; ebenso: Rousseau, S. 405 ff.j Guggenheim, Lehrbuch, S. 147 f.; Dahm I, S. 39 ff., II, S. 545 ff.; Strupp, S. 97 ff.

168

4. Kap.: Das Vv. i. e. S. als Billigkeitsverfahren

welche im konkreten Streitfall am besten der Lage der Streitparteien und der billigen Abwägung ihrer gegenseitigen Rechte und Pflichten entspreche (Entscheidung intra legem). Eine weitere Stufe des Billigkeitsentscheides liege dann vor, a) wenn das bestehende Recht im konkreten Fall zu einer Belastung führen würde, die unerträglich sei oder in offenbarem Mißverhältnis zu dem der anderen Seite erwachsenden Vorteil stehe. In einem solchen Fall könne der Richter, der nach Billigkeit urteilen dürfe, eine gewisse Erleichterung gewähren, ohne dadurch den zugrundeliegenden Rechtssatz aufzuheben. Die Billigkeit sei dann so viel wie "justice dans un cas d'espece". Das entspreche der Definition, die Aristoteles (Nikomachische Ethik, 5. Buch, 14. Kapitel) von der Billigkeit gegeben habe: "es ist eine Korrektur des Gesetzes, da wo dasselbe wegen seiner allgemeinen Fassung mangelhaft bleibt"; b) wenn das bestehende Recht Lücken aufweist, ohne deren Ausfüllung kein Entscheid getroffen, sondern ein non liquet ausgesprochen werden müßte (Entscheidung praeter legem). Die dritte Stufe des Billigkeitsentscheides, die Kompetenz zur Entscheidung ex aequo et bOllO, sei dann gegeben, wenn das Gericht in keiner Weise an das bestehende Recht gebunden sei, wenn es das bestehende Recht aufheben oder abändern könne (Entscheidung contra legem). Die Ermächtigung zu einer Billigkeitsentscheidung in den DBA ist demnach nicht mit der Entscheidungsermächtigung ex aequo et bono gleichzusetzen. Im Verständigungsverfahren kann mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung keine Entscheidung contra legem getroffen werden. Die von Bühler vertretene Auffassung, das Verständigungsverfahren stelle einen wichtigen Sonderfall der Entscheidung ex aequo et bono i. S. d. Art. 38 Abs. 11 des IGH-Statutes dar, ist verfehlt. Wenn in den DBA der Begriff der Billigkeit, equity o. ä. als Entscheidungsgrundlage genannt ist, so ist damit die oben genannte zweite Stufe des Billigkeitsentscheides gemeint.

B. Identität des Begriffs der Billigkeit als allgemeiner Grundsatz des Rechts im Völkerrecht und im nationalen Recht Was unter "Billigkeit", "equity" zu verstehen ist, wird allerdings in der Völkerrechtsdogmatik nirgends definiert. Eine Charakterisierung des Begriffsinhaltes läßt in Umrissen das Urteil des Haager Schieds-

B. Begriff der Billigkeit im Völkerrecht und im nationalen Recht

169

hofes vom 13. 10. 1922 erkennentG • Das Gericht wurde tätig auf Grund eines Schiedskompromisses zwischen den USA und Norwegen. Ihm war die Aufgabe übertragen, den Streit "in accordance with the principles of law and equity" zu entscheiden. Nach der Feststellung, daß das Begriffspaar "lawand equity" nicht im Sinne des anglo-amerikanischen Rechts (equity law im Gegensatz zum statute law) verstanden werden könne, fährt das Gericht fort: "The majority of international lawyers seem to agree, that these words are to be understood to mean general principles of justice as distinguished from any particular system of jurisprudence or the municipallaw of any State=t." Damit ist allerdings nur eine Umschreibung des Begriffspaars "lawand equity" gegeben, keine Realdefinition mit Angabe des genus proximum und der differentiae specificae. Da im Völkerrecht keine Definition des Begriffs der Billigkeit gegeben wird und auch die DBA selbst keine Begriffsbestimmung enthalten, ist nach dem Auslegungsgrundsatz der lex fori Klausel" jeder nicht anders definierte Ausdruck des DBA, soweit der Zusammenhang nichts anderes erfordert, nach nationalem Recht auszulegen. Eine Auslegung des Begriffs der "Billigkeit" bzw. "Beseitigung von Härten" nach nationalem Recht würde voraussetzen, daß dieses eine Definition bereithielte. Aber auch im nationalen Steuerrecht fehlt eine Realdefinition. Auch hier wird der Begriff der Billigkeit nicht definiert, sondern ebenfalls unter Rückgriff auf Aristoteles Nikomachische Ethik dahin umschrieben, daß die Billigkeit eine Korrektur des Gesetzes meine, um die Gerechtigkeit im Einzelfall zu verwirklichenD. Das Fehlen einer Definition des Begriffs der Billigkeit im Völkerrecht wie im nationalen Recht beruht darauf, daß dieser Begriff zu den allgemeinen Grundsätzen des Rechts gehört. Derartige allgemeine Grundsätze des Rechts lassen sich ebenso wie oberste Gattungsbegriffe nicht definieren, sondern nur umschreiben und charakterisieren. Diese Umschreibung des Begriffs der Billigkeit ist aber, wie die beiderseitige Berufung auf den Gesichtspunkt der Einzelfallgerechtigkeit zeigt, im Völkerrecht wie im nationalen Recht identisch. Als allgemeiner Grundsatz des Rechts hat der Begriff der Billigkeit im Völkerrecht wie im nationalen Recht denselben Begriffsinhalt. Überdies würden Versuche einer Differenzierung zwischen Billigkeit im Sinne des VölkertG

Veröffentlicht in AJIL, vol. 17 (1923), p. 362 H.; vgl. auch WBV II,

5.631 f.

AJIL, vol. 17 (1923), p. 384. Da der lex fori Klausel nur deklaratorische Bedeutung zukommt (vgI. oben 3. Kapitel, A., 11., 2.), sind die in ihr festgelegten Auslegungsprinzipien auch auf die Vorkriegsabkommen anzuwenden. 23 Kruse, § 15 III 2 (5. 153); Tipke / Kruse, § 131, Rdnr. 4. Z1

22

170

4. Kap.: Das Vv. i. e. S. als Billigkeitsverfahren

rechts und Billigkeit im Sinne des nationalen Rechts außerhalb praktikabler Rechtsanwendung liegen. Aus dieser Identität des Begriffs der Billigkeit im Völkerrecht und damit auch in den DBA mit dem Begriff der Billigkeit im nationalen Recht sind die Folgerungen für die Durchführung des Verständigungsverfahrens i. e. S. als Billigkeitsverfahren und für die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen zu ziehen.

C. Die Billigkeitsklauseln in den Vorkriegsabkommen und den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe I. Die Billigkeitsentscheidung im völkerrechtlichen Bereich

Die BiIligkeitsentscheidung der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten kommt zustande durch übereinstimmende Willenserklärungen. Sie ist ebenso wie die auf der Grundlage der Konsultationsklausel herbeigeführte Entscheidung ein völkerrechtlicher Vertrag, der im einstufigen Vertragsabschlußverfahren zustandekommt.

n. Die Billigkeltsentsclleidung im innerstaatlichen Bereldl Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist die Bestimmung der DBA über das Verständigungsverfahren als eigene Rechtsgrundlage für die auf Grund einer im Verständigungswege im Einzelfall erforderlichen Änderung oder Aufhebung bereits ergangener Festsetzungen sowie notwendiger Erstattungen deutscher Steuern24 anzusehen. Im Schrifttum wird demgegenüber teilweise § 131 AO als Rechtsgrundlage für den innerstaatlichen Vollzug angesehen25• Im Abschnitt über die self-executing Völkervertragsregeln ist dargestellt worden, daß die Ergänzungsklauseln der DBA als pactum de negotiando nicht zu den von nationalen Rechtsanwendungsorganen unmittelbar anwendungsfähigen Vertragsbestimmungen gehören. Das gilt auch für die Ergänzungsklausel der kontinental-europäischen Abkommensgruppe, die eine "Beseitigung von Härten" vorsehen. Sie sind ebenso wie die im gleichen Vertragsartikel enthaltene Konsultationsklausel non-self-executing. In den Billigkeitsklauseln der beiden Vorkriegsabkommen regeln Art. 15 S. 1 DBA Italien und Art. 14 S. 1 DBA Finnland die Einspruchsbefugnis der Steuerpflichtigen. S.2 dieser Vertragsartikel bestimmt: "Wird der Einspruch für begründet erachtet, so kann die oberste Finanz24 25

Weber, Verständigungsverfahren, S.221. Vgl. oben 2. Kapitel, D., I.

D. Billigkeitsentscheidung in den DBA ohne Billigkeitsklauseln

171

behörde dieses Staates sich mit der obersten Finanzbehörde des anderen Staates verständigen, um in billiger Weise eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. " Adressaten dieser Regelung sind die Vertragsstaaten. Aus diesem Grunde könnte man sie als staatenverpflichtenden Rechtssatz ebenfalls dem nicht unmittelbar anwendungsfähigen Völkervertragsrecht zurechnen. Dafür spricht auch, daß in den Billigkeitsklauseln der DBA nichts über die Rechtsfolge wie Erstattung, Anrechnung oder Erhebung der Steuern gesagt ist. Bei den oben erwähnten Kriterien für den self-executing Charakter einer Völkervertragsnorm ist als ein Merkmal erwähnt worden, daß eine Völkervertragsbestimmung nur dann unmittelbar anwendbar sei, soweit sie hinreichend bestimmt ist im Sinne der jeweiligen verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Anforderungen an den selfexecuting Charakter einer Völkervertragsnorm können demnach nicht weiter reichen als die Merkmale und Kriterien entsprechender nationaler Normen. Der Begriff der Billigkeit in den entsprechenden DBAKlauseln ist mit dem Begriff der Billigkeit i. S. d. § 131 AO identisch. Gleichzeitig ist gemäß dem Grundsatz des pacta sunt servanda eine teleologische Auslegung der Billigkeitsklauseln dahingehend geboten, daß die Ermächtigung zum Abschluß einer Billigkeitsentscheidung die Befugnis zu ihrem innerstaatlichen Vollzug impliziert. Das ändert aber nichts daran, daß die Billigkeitsklauseln der DBA staatenverpflichtende Regelungen darstellen. Aus ihnen ergibt sich die völkervertragliche Verpflichtung des jeweiligen angerufenen Staates, mit dem anderen Staat in Verhandlungen einzutreten. Als pactum de negotiando ist die Billigkeitsklausel der DBA ein non-self-executing Rechtssatz. Rechtsgrundlage für den innerstaatlichen Vollzug einer Billigkeitsmaßnahme ist demnach § 131 Abs. I AO. Wegen der Identität des Begriffs der Billigkeit in § 131 Abs. I AO und den DBA kommt diesem Problem aber keine größere Bedeutung zu. D. BiIligkeitsentscheidung in den DBA ohne Billigkeitsklausel In den DBA der anglo-amerikanischen Abkommensgruppe und in den dem OECD-MA nachgebildeten Verträgen ist in der Klausel über das Verständigungsverfahren eine Billigkeitsentscheidung nicht vorgesehen. Das gleiche gilt für die kontinental-europäische Abkommensgruppe, soweit es sich um Fälle handelt, die nicht von der Ergänzungsklausel erfaßt werden. Damit stellt sich die Frage, ob trotz dieser geänderten Abkommensfassung auch im Bereich dieser DBA Billigkeitsvereinbarungen möglich sind.

4. Kap.: Das Vv. i. e. S. als Billigkeitsverfahren

172

Die auf der Grundlage der Billigkeitsklauseln der Vorkriegsabkommen getroffenen Vereinbarungen sind im einstufigen Vertragsabschlußverfahren zustandegekommene völkerrechtliche Verträge. Der Vertragsabschluß ist ein Unterfall der völkerrechtlichen Willenserklärung im allgemeinen. Bei der Frage nach der Vertragsabschlußkompetenz ist daher auf die allgemeinen Grundsätze über die Vertretung eines Staates bei der Abgabe völkerrechtlicher Willenserklärungen zurückzugreüen. Das Völkerrecht bestimmt das zur Abgabe völkerrechtlicher Willenserklärungen zuständige Organ durch Verweisung auf die jeweilige Verfassungspraxis des betreffenden Staates. Für die BRD obliegt dem Bundespräsidenten nach Art. 59 Abs. I S. 1 GG die völkerrechtliche Vertretung. Dessen Vertretungsmacht kann delegiert werden26 und ist durch die betreffenden Bestimmungen der DBA auf das BFM übertragen. Die Kompetenzen des BFM zum Billigkeitserlaß bestimmen sich nach § 131 AO. Folglich können im Rahmen dieser gesetzlichen Ermächtigung auch entsprechende völkerrechtliche Vereinbarungen getroffen werden, wenn das betreffende DBA keine Billigkeitsklausel enthält. Damit kann auch im Bereich der o. a. Abkommensgruppen ein Verständigungsverfahren i. e. S. als Billigkeitsverfahren durchgeführt werden.

E. Die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen Die Durchführung auch des Verständigungsverfahrens i. e. S. als Billigkeitsverfahren ist Ausübung der diplomatischen Protektion. Auf die Gewährung diplomatischen Schutzes hat der Staatsbürger grundsätzlich nur ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung. § 131 Abs. I S. 1 AO stellt seinem Wortlaut nach den Billigkeitserlaß in das Ermessen der Behörde: Wenn die Einziehung von Steuern nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre, können sie ganz oder teilweise erlassen werden. In dieser Norm sind ein unbestimmter Rechtsbegriff (Unbilligkeit) im Tatbestand mit einem Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge gekoppelt.

Gegenüber dieser in der Steuerrechtsliteratur vorherrschend vertretenen Auffassung hat der BFH in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, daß die Entscheidung über den Billigkeitserlaß eine reine Ermessensentscheidung darstellen. Auf den Vorlagebeschluß von 28

VgI. zur Vertragsabschlußkompetenz die Nachweise oben 2. Kapitel,

27

VgI. die Nachweise bei Tipke / Kruse, § 131, Rdnr.4.

C., H.

E. Die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen

178

BVerwGE 35, 69 hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes28 ebenfalls die Entscheidung über den Billigkeitserlaß als reine Ermessensentscheidung angesehen. Im Ergebnis soll § 131 Abs. I S. 1 AO nach dieser Entscheidung nicht voll justiziabel sein. Auf diese Frage allgemein einzugehen, erübrigt sich im Rahmen dieser Arbeit auf Grund folgender überlegung: Wenn in einem internationalen Steuerfall zu entscheiden ist, ob ein Steuerpflichtiger aus persönlichen oder sachlichen Gründen durch die Besteuerung in zwei Staaten unbillig belastet wird, so kann diese Frage von dem einen Staat nicht ohne Rücksicht auf die Maßnahmen des anderen Vertragsstaates sachgerecht entschieden werden. Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag auf eine Billigkeitsmaßnahme kann nur getroffen werden, nachdem auf zwischenstaatlicher Ebene der Versuch einer Verständigungsvereinbarung unternommen worden ist. Dabei ist es gleichgültig, ob eine Verständigung der beiden Steuergläubiger erzielt wird oder nicht. In jedem Fall ist eine Entscheidung über den Billigkeitsantrag erst nach Abschluß eines Verständigungsverfahrens möglich. Wird demnach der Antrag eines Steuerpflichtigen auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens i. e. S., der im Hinblick auf einen Billigkeitserlaß nach § 131 Abs. I S. 1 AO gestellt wird, abgelehnt, ohne daß der Versuch zur Durchführung des Verfahrens mit dem anderen Vertragsstaat unternommen wurde, so ist der ablehnende Bescheid wegen Ermessensfehlgebrauches rechtswidrig. Von dem Ermessen, das die Behörde bei Erlaß der Billigkeitsmaßnahme hat, ist i. S. d. § 102 FGO in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Unter Beachtung dieser Rechtsauffassung hat das Gericht nach § 101 FGO die Parteien des Rechtsstreits zu bescheiden. Dieses Ergebnis entspricht der Rechtsstellung, die der Staatsbürger grundsätzlich im Hinblick auf die Gewährung diplomatischen Schutzes hat.

28

GmS-OGB 3/70 vom 19. 10. 1971, BStBl 1972 II, 603.

Fünftes Kapitel

Das Konsultationsverfahren A. Das Konsultationsverfahren als präventives Mittel zur Beseitigung von Auslegungsschwierigkeiten Das auf der Grundlage der Konsultationsklausel durchgeführte Verständigungsverfahren i. e. S. soll durch korrektive Maßnahmen die einheitliche Auslegung und Anwendung des DBA in beiden Vertragsstaaten gewährleisten. Schwierigkeiten und Zweifel bei der Auslegung und Anwendung des DBA wurden vielfach hervorgerufen durch die in den sog. Kollisionsnormen enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe. Diesen Schwierigkeiten und Zweifeln versuchen die Vertragsstaaten dadurch vorzubeugen, daß in die DBA Legaldefinitionen aufgenommen werden, die die unbestimmten Rechtsbegriffe der sog. Kollisionsnormen präzisieren und konkretisieren. Durch derartige Legaldefinitionen sind aber nicht schon alle Auslegungsschwierigkeiten beseitigt. Ist durch einen konkreten Steuerfall eine Interpretationsfrage von allgemeiner Bedeutung aufgetreten, wird es sich regelmäßig empfehlen, die Auslegungsfrage durch eine allgemeine Vereinbarung für diesen und alle künftigen Fälle klarzustellen. Die im Rahmen eines derartigen, auf der Grundlage des Art. 25 Abs. III S.l OECD-MA durchgeführten Konsultationsverfahrens zustandegekommenen Auslegungsvereinbarungen haben ebenso wie die bei Vertragsschluß vereinbarten Legaldefinitionen präventive Funktion. Völkerrechtlich sind sie als im einstufigen Vertragsabschlußverfahren zustandegekommene Verträge zu qualifizieren, durch die eine Bindung der Vertragsstaaten auf völkerrechtlicher Ebene herbeigeführt wird. Ihre Funktion können diese Auslegungsvereinbarungen (accords interpretatifs) aber nur dann erfüllen, wenn sie auch von den nationalen Rechtsanwendungsorganen als rechtsverbindlich beachtet werden müssen. Die rechtliche Verbindlichkeit dieser Interpretationsabkommen ist jedoch umstritten. Die Meinungsskala reicht von der Ansicht, sie bedeuteten rechtlich gesehen nur eine Meinung der beiden obersten Verwaltungsbehörden, bis zu der Auffassung, die im Konsultationsverfah-

B. Die Stellungnahme Teichners

175

ren zustandegekommenen Vereinbarungen gehörten zum materiellen Steuerrecht der Vertragsstaaten1 • Auch in der Rechtsprechung fehlt bislang eine einhellige Auffassung zu der Frage, ob die allgemeinen Verständigungsvereinbarungen Rechtsquelleneigenschaft haben2 • Begründungen für die eine oder andere Auffassung werden regelmäßig nicht erbracht. Den Versuch einer rechtssystematischen Einordnung der Verständigungsergebnisse in die verschiedenen Arten der innerstaatlichen Rechtsquellen hat Teichner3 unternommen. Das Ergebnis seiner Untersuchung besteht darin, daß die Verständigungsvereinbarungen nicht einmal für die Finanzverwaltung verbindlich seien, weil die gegenwärtig geübte Praxis, eine Verständigung innerstaatlich in Kraft zu setzen, rechtswidrig sei. B. Die Stellungnahme Teichners zur Rechtsquelleneigenschaft allgemeiner Verständigungsvereinbarungen Teichner geht von zwei Beispielen aus, den Verständigungsverfahren zum Grenzgängerbegriff und zur Frage des Schulden- und Schuldzinsenabzuges im DBA Schweiz 1931/594 • Bei den Verständigungsverfahren zum Grenzgängerbegriff handele es sich um Auslegungen, nämlich Klarstellung des Sinnes einer Rechtsnorm. Eine solche Auslegung durch die am Zustandekommen des DBA beteiligten obersten Finanzbehörden liege besonders nahe, denn sie seien am ehesten in der Lage und berufen, den Willen der Vertragschließenden wiederzugeben. Die Verständigung sei genauso wie die authentische Interpretation verbindliche Klarstellung des Sinnes einer Rechtsnorm (des DBA) durch die an ihrem Zustandekommen Beteiligten. Wegen des fehlenden Transformationsgesetzes sei sie aber kein Akt der Gesetzgebung im Sinne der Auslegung einer Rechtsnorm durch eine andereD. Das zweite Beispiel zeige, daß Verständigung auch schöpferische Rechtsfindung sein könne, und zwar entweder ein Akt der ergänzenden (lückenfüllenden) oder ein Akt der abändernden (abwandelnden) Rechtsfindung. Letzteres treffe für das Verständigungsverfahren zur Regelung des Schulden- und Schuldzinsenabzuges zu. In diesem Fall sei durch Verständigung ein im DBA nicht geregelter Steuerfall mit materiell-rechtlicher Wirkung für das nationale Steuerrecht nachträglich geregelt worden6 • Vgl. 2. Kapitel, D., 1., H., C., 1. Vgl. 2. Kapitel, C., H. 3 Teichner, stw 1965, Sp. 343. 4 Ebd., Sp. 348. /; Ebd., Sp. 349 - 350. 6 Ebd., Sp. 350. 1

2

176

5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Grundsätzlich sei diese Art der Auslegung den Gerichten vorbehalten. Wenn sie in der Form der Verständigung seitens der Verwaltung praktiziert werde, stelle sich die Frage, "zufolge welcher Rechtsgrundlage dies geschieht, d. h. die Verständigung mit materiell-rechtlicher Wirkung für das innerstaatliche (nationale) Steuerrecht in Kraft gesetzt werden kann. Dadurch, daß die Verständigung den Steueranspruch materiell verändert, d. h. in seiner Höhe beeinfiußt, ähnelt sie ... in ihrer Wirkung den allgemeinen Richtlinien nach § 131 Abs. 2 AO, ohne allerdings eine derartige Regelung zu sein, weil Billigkeitsgesichtspunkte dafür nicht maßgebend sind7 ." Um eine Antwort auf die Frage zu gewinnen, wo sich die Ermächtigung dafür findet, daß auf dem Wege über die Verständigung die Besteuerung teilweise abweichend von den Steuergesetzen geregelt wird, müsse untersucht werden, durch welchen Akt der Gesetzgebung oder Verwaltung eine Verständigung innerstaatliche Geltung erlange8 • Ursprünglich stelle die Verständigung genauso wie das DBA ein Verwaltungsabkommen der Vertragsstaaten dar, und zwar gleichgültig, ob sie einen Einzelfall oder eine Vielzahl gleichliegender Fälle regele. Grundsätzlich könne die innerstaatliche Inkraftsetzung erfolgen durch Gesetz, durch RVO oder durch Verwaltungsanordnung9 • Die Verständigung erlange innerstaatliche Geltung nicht durch einen Akt der Gesetzgebung, weil es an einem Transformationsgesetz fehle 10 • Ebensowenig werde die Verständigung durch den Verordnungsgeber in Kraft gesetzt, weil es hierfür schon an einer Ermächtigungsgrundlage fehle. Die in den DBA enthaltene Klausel über das Verständigungsverfahren wäre als Ermächtigung i. S. d. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zu unbestimmt. Im übrigen seien weder die Voraussetzungen der Mitwirkung des Bundesrates noch die der amtlichen Veröffentlichung erfülltll . Die Verständigung werde demnach gleich den zu den einzelnen Steuergesetzen erlassenen Steuerrichtlinien durch Verwaltungsanordnung in Kraft gesetzt. Verwaltungs anordnungen seien zwar keine Rechtsnormen. Das schließe aber ihre Beachtung nicht aus. Unter Hinweis auf Bühler1f und Spitaler13 führt Teichner ausit : einmal gebe es Verwaltungsanordnungen, die als sog. rechtssatzmäßige Verwaltungsvorschriften Rechtsnormqualität haben könnten, zum anderen handele Ebd., Sp. 350, 351. Ebd., Sp. 351. 9 Ebd., Sp. 351. 10 Ebd., Sp. 351/352. 11 Ebd., Sp. 352/353. 1: Bühter, steuerrecht (Grundriß, Bd. I), S. 65. 13 Spitater, FR 1954, S. 2 f. 14 Teichner, Sp. 354. 7 8

c. Die Geltungskraft norminterpretierender Verwaltungsvorschriften

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es sich bei ihnen jedenfalls um Ergänzungsrecht, das im Range und in seiner Wirkung zwar hinter dem Gesetzes- und Rechtsverordnungsrecht zurückstehe, aber eben doch Recht sei und beachtet werden müsse, zumindest von den weisungsgebundenen Verwaltungsbehörden. Die Verwaltungsanordnungen hätten jedenfalls dann Rechtsnormqualität, wenn durch sie eine Verständigung mit unmittelbarer materiell-rechtlicher Wirkung auf die nationale Steuerfestsetzung in Kraft gesetzt werden solle16• Auf Grund der jetzigen Verwaltungspraxis fehle aber den Verständigungen die Rechtsnormqualität. Die Verwaltungs anordnungen, mit denen eine Verständigung bislang in Kraft gesetzt worden sei, wären für die Finanzämter nicht verbindlich, weil die Gültigkeitsvoraussetzungen für den Erlaß einer Verwaltungsanordnung nicht beachtet worden seien: Es fehle die Mitwirkung des Bundesrates und die amtliche Bekanntgabe u1 •

c. Die Geltungskraft norminterpretierender Verwaltungsvorschriften Aus Teichners Untersuchung ist zu folgern, daß bei Einhaltung dieser Gültigkeitsvoraussetzungen die Verständigungsergebnisse als sog. rechtssatzmäßige Verwaltungsvorschriften Rechtsnormqualität hätten. Mit diesem Begründungsversuch ist aber nur eine Scheinlösung gefunden. Denn die von Teichner herangezogene, für das Steuerrecht insbesondere von Bühler und Spitaler begründete Lehre, Verwaltungsvorschriften seien als Ergänzungsrecht aufzufassen, das sowohl Verwaltungsbehörden als auch die Gerichte bindet, kann heute als überwunden angesehen werden17 • Und mit dem Argument, Verwaltungsvorschriften hätten Rechtssatzcharakter, wird lediglich auf einen weiteren Problembereich verwiesen18 • Verwaltungsvorschriften sind verbindlich zunächst nur im verwaltungsinternen Bereich: sie binden kraft der sich aus dem Behördenaufbau ergebenden Weisungsbefugnis die nachgeordneten Verwaltungsdienststellen als Rechtsanwendungsorgane 19 • Daß die Exekutive als Rechtsanwendungsorgan die Auslegung der anzuwendenden Rechtssätze durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften zu vereinheitlichen berechtigt ist, bedarf keiner näheren Begründung. Der Sinn derartiger Vorschriften liegt in ihrem Rationalisierungseffekt und in der Entsubjektivierung der Auslegung20• Ebd., Sp. 354. Ebd., Sp. 355/356 und Sp. 354. Vgl. Ossenbühl, S.136 f., 148 ff.; Kruse, § 7 VIII (S. 78); Tipke I Kruse, § 2, Rdnr.27 f. 18 Ossenbühl, S. 153 ff. 19 Tipke / Kruse, § 2 Anm.27. 20 Ossenbühl, S. 284. 15 16 17

12 MülhaWlen

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5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Die Frage ist, ob Verwaltungsvorschriften über diesen verwaltungsinternen Bereich hinaus auch Bedeutung und Verbindlichkeit im sog. Außenverhältnis haben. Die heutige Diskussion darüber ist weitgehend noch durch die Dogmatik der Weimarer Zeit geprägt21. Jacobi kennzeichnete die Kategorie der Verwaltungsvorschriften wie folgt: Als Grundlage für Verwaltungsvorschriften komme nur das öffentlich-rechtliche besondere Gewaltverhältnis in Betracht. Verwaltungsvorschriften seien die zur Geltendmachung der Gehorsamspflicht im besonderen Gewaltverhältnis erlassenen Anordnungen. Die allgemeine Verwaltungsvorschrift sei zwar der Rechtswelt zugehörig, aber kein Rechtssatz im engeren Sinne des konstitutionellen Staatsrechts22 • Sie bewirke auch keine Eingriffe in die Rechtssphäre des einzelnen, setze vielmehr voraus, daß die Gehorsamspflicht bereits begründet sei. Sie bewege sich nur innerhalb dieses Spielraums. Eine Wirkung nach außen trete nicht ein. Damit sind schon die gesamten Problembereiche bezeichnet, die auch die Diskussion über die Bedeutung der Verwaltungsvorschriften unter der Geltung des GG bestimmen: besonderes Gewaltverhältnis, Wirkung im Innen- und Außenverhältnis, Rechtssatzproblem. Hinzugetreten ist, daß die Erörterung weitgehend durch die Rechtsschutzproblematik bestimmt ist. Darauf ist hier im einzelnen nicht näher einzugehen23• Verbindlichkeit können Verwaltungsvorschriften über den Innenbereich der Verwaltung hinaus erlangen, indem sie zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen und damit über Art. 3 GG Außenwirkung entfalten24 • Teilweise wird ohne Berücksichtigung der Verschiedenartigkeit der Verwaltungsvorschriften die Auffassung vertreten, daß sie über das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit eine gesetzesähnliche, selbstbindende Bedeutung hätten25• Das ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Ossenbühl26 hat zu Recht herausgearbeitet, daß - ausgehend von einer Typologie der Verwaltungsvorschriften21 nur bei differenzierter Betrachtungsweise Aussagen über die Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften gemacht werden können28 • Vgl. Jacobi, HdbDStR, Bd. H, S. 255 ff.: Die Verwaltungsvorschriften. Jacobi, a.a.O., S.257. 23 Vgl. Ossenbilhl, S. 119 ff. 24 Zur indirekten Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften über den Amtshaftungsanspruch vgl. Ossenbilhl, S. 487 ff. 26 Wolff, § 24 II d 2. 116 S. 250 ff. 21 Diese Typologie ist nicht ganz einheitlich, vgl. Jaenke, S. 101 ff.; Jesch, JZ 1961, S.520; Ossenbilhl, a.a.O. 28 Teichners Hinweis, die Verständigungsergebnisse ähnelten in ihrer Wirkung den allgemeinen Richtlinien nach § 131 Abs. H AO, zeigt, daß er die Notwendigkeit einer Differenzierung übersieht. 21

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c. Die Geltungskraft norminterpretierender Verwaltungsvorschriften

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Eine auch für die Gerichte und den Bürger geltende Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften ergibt sich nur bei ermessensbindenden, nicht aber bei nonninterpretierenden Verwaltungsvorschrüten. Nur "wo die Verwaltung nach der objektiven Rechtsordnung Entscheidungsfreiheit ... hat, d. h. also nur im Bereich einer ihr durch das objektive Recht eingeräumten Ermächtigung, bei Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale letztverbindlich nach ihrem Ermessen zu entscheiden", kommt den Verwaltungsvorschriften über das Prinzip der Selbstbindung der Verwaltung Außenwirkung zuZ1l • Wie Beurteilungsrichtlinien30 in diesem Zusammenhang zu werten sind, kann dahingestellt bleiben, da Beurteilungsspielräume für den Bereich des materiellen Steuerrechts nicht möglich sind31 • Die Gesetzesinterpretation ist der ureigenste Bereich der rechtsprechenden Gewalt32• Administrative Selbstbindung ist nur im Bereich eigener Entscheidungsfreiheit der Verwaltung möglich33• Weil letztverbindliche Nonninterpretation Sache der Gerichte ist, kommt nonninterpretierenden Verwaltungsvorschrüten daher keine Außenwirkung auf Grund einer Selbstbindung der Verwaltung zu. Auf Grund der Lehre von der Selbstbindung der Verwaltung durch (ennessensbindende) Verwaltungsvorschriften läßt sich die Verbindlichkeit nonninterpretierender Verständigungsvereinbarungen auch für die Gerichte und Steuerpflichtigen demnach nicht begründen. Die bisherigen Untersuchungen bauten auf der Unterscheidung zwischen Gesetz im materiellen Sinne und Verwaltungsvorschrift auf. Nonninterpretierende Verständigungsvereinbarungen (beziehen sich auf innerstaatlich anwendbares Völkervertragsrecht. Zwischen dem "nonnalen" staatlichen Gesetz und dem innerstaatlich anwendbaren Völkervertragsrecht bestehen allerdings gewichtige UnterschiedeS', so daß man beim innerstaatlich anwendbaren Völkervertragsrecht regelrecht von einer "besonderen Rechtsmasse"35 sprechen kann. Auf die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen der Auslegung nationaler Rechtsnonnen und innerstaatlich anwendbarem Völkervertragsrecht ist hingewiesen worden. Zu dieser Besonderheit kommt hinzu, daß im Bereich der sog. "Auswärtigen Gewalt"38 eine historisch begründete37 Prärogative der Regierung gegenüber dem Parlament besteht. 29 So unter Berufung auf Ossenbühl, BVerwGE 34, 278 (280/281); ebenso BVerwGE 36, 313 (315); Tipke / Kruse, § 2 Anm.27 und 28; kritisch zu den BVerwG-Urteilen: Menger, VerwArch, Bd.63 (1972), S. 213 f. 30 Vgl. Ossenbühl, S. 328 ff., 547 f. 31 Tipke / Kruse, § 2 StAnpG, Anm. 15. 32 Jesch, S. 233; ders., JZ 1961, S.520. 33 Ossenbühl, S.544; Tipke / Kruse, § 2 Anm. 27, 28. 34 Rudotf, S. 162. 36 Kraus, S.229; Moster, Praxis, S.18.

12*

180

5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Das zwingt zu der überprüfung, ob auf Grund dieser Besonderheiten das oben gewonnene Ergebnis über die Verbindlichkeit norminterpretierender Verständigungsvereinbarungen aufrechterhalten werden kann oder modifiziert werden muß. Mit der folgenden Untersuchung ist klarzustellen, in welchen Bereichen ein übergewicht der Regierung gegenüber dem Parlament als Gesetzgebungsorgan besteht und ob die Prärogative der Regierung soweit reicht, daß sie innerstaatlich anwendbares Völkervertragsrecht mit allgemein verbindlicher Wirkung auszulegen befugt ist.

D. Die sog. Prärogative der Regierung im Bereich der Auswärtigen Gewalt L Bereldle dieser Kompetenzverlagerung Grundsätzlich hat nach der Verfassung der Bundesrepublik das Parlament als Repräsentant der Staatsbürger ein übergewicht gegenüber Regierung und Exekutive38 • Für den Bereich der sog. Auswärtigen Gewalt kann man von einer Umkehrung dieser Machtverteilung sprechen. Die Berechtigung für diese Aussage ergibt sich daraus, daß das Parlament de jure auf die Einleitung, Durchführung und Beendigung von völkerrechtlichen Vertragsverhandlungen keinen Einfluß hat, sondern diese Maßnahmen allein in der Hand der Regierung liegen39 • Ebenso wird die Ausgestaltung des Vertragsinhaltes rechtlich allein durch die Regierung bestimmt4°. Schließlich hat sie allein das Recht der Gesetzesinitiative für das Vertragsgesetz41 • Vorbehaltserklärungen zum Vertrag können nur von der Regierung ausgesprochen werdenu. Änderungsanträge können nicht in bezug auf den Vertrag, sondern nur in bezug auf das Vertragsgesetz gestellt werden43 • Das Inkraftsetzen des völkerrechtlichen Vertrages liegt auch nach Erlaß des Vertragsgesetzes allein in der Hand der Exekutive. Der Bundespräsident wird durch das Vertragsgesetz nur ermächtigt, nicht aber verpflichtet44 • Ebenso ist 38 Zum "Wesen" der Auswärtigen Gewalt vgl. Menzel, AöR, Bd.79 (1953/ 1954), S. 326 ff.; Weiß, S. 55 ff. m. w. N.; Reichel, S. 21 ff. m. w. N. 37 Menzel, VVDStRL, Bd.12 (1954), S.185 f. 38 Maunz / Dürig / Herzog, Art.62, Rdnr. 5 ff. m. w. N. 39 Weiß, S. 119 f.; Baade, S.89, 109. 40 Weiß, S. 122. 41 Reichel, S. 78; a. A. Weiß, S. 135. UReichel, S.79; Weiß, S.155, 186. 43 Boehmer, S.26; Baade, S.89; Reichel, S.79; Weiß, S.138. 44 Maunz / Dürig / Herzog, Art.59, Rdnr.33; von Mangoldt / Klein, Art. 59, Anm. IV 7 d; Mosler, Auswärtige Gewalt, S.285; ders., VVDStRL, Bd.12, S.240; Merk, VVDStRL, Bd.12, S.232; Boehmer, S.23; Baade, S.90; Reichel, S.78; Weiß, S. 152 f.; a. A. Menzel, VVDStRL, Bd.12, S. 197 f., 253 f.

D. Prärogative der Regierung im Bereich der Auswärtigen Gewalt

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nach herrschender, wenn auch bestrittener Au1fassung eine Mitwirkung der parlamentarischen Körperschaften bei der Vertragsbeendigung durch Kündigung verfassungsrechtlich nicht erforderlich". Ob die Prärogative der Regierung so weit geht, daß sie auch die zustimmungsfreie Vertragsänderung umfaßt, ist streitig. Teilweise wird der Regierung eine zustimmungsfreie Änderungsbefugnis zugestanden, wenn der Vertrag selbst oder das Vertragsgesetz die Regierung zu Änderungen ermächtigt«. Die Zustimmungsbedürftigkeit davon abhängig zu machen, ob die Änderung den normativen oder nicht normativen Vertragsinhalt berührt47, wird überwiegend abgelehnt48 • Andererseits wird aber auch die Auffassung vertreten, daß jede Änderung innerstaatlich nur dann wirksam sei, wenn dasselbe Verfahren wie beim Inkraftreten des ursprünglichen Vertragsinhaltes eingehalten wurde49 • Die zustimmungsfreie Änderung eines völkerrechtlichen Vertrages auf Grund einer darin enthaltenen Änderungs- bzw. Revisionsklausel ist jedoch nur dann vertretbar, wenn man einmal diese Klauseln als RVO-Ermächtigung verstehen könnte, zum anderen gesetzesändernde RVO für verfassungsrechtlich zulässig halten würde. Die Bedeutung dieser Frage für die allgemeinen Verständigungsvereinbarungen liegt darin, daß aus der Zulässigkeit einer zustimmungsfreien Abkommensänderung auf Grund von Änderungs- bzw. Revisionsklauseln mit einem argumentum a maiore ad minus auch die Zulässigkeit und innerstaatliche Verbindlichkeit von auf der Grundlage der Konsultationsklausel zustandegekommener Verständigungsvereinbarungen zu folgern wäre. Gesetzesändernde RVO behandelt das GG in Art. 129 Abs. III. Das BVerfG vertritt die Auffassung, Art. 129 Abs.III GG gelte lediglich für vorkonstitutionelle Ermächtigungen und sei damit au1 nachkonstitutionelles Recht nicht anwendbar6°. Diese Auffassung ist zu eng. Art. 129 Abs. III GG ist als "Ausfluß des im Grundgesetz in erhöhtem Maße zum Ausdruck kommenden Rechtsstaatsprinzips" zu verstehen, so daß das 46 Insb. Hermann-Wiljried Bayer, S. 201 ff.; Maunz / Dang / Herzog Art. 59, Rdnr.17; Mosler, Praxis, S.23; Partsch, VVDStRL, Heft 16, S.98; Boehmer, S.95/96; Reichel, S.121 f.; Weiß, S.183; Partsch, S.138 f.; a. A. (Mitwirkung analog Art. 59 Abs.II GG notwendig): Friesenhahn, VVDStRL, Heft 16, S.70; Baade, S.121/122, Fußn.117. . 48 Boehmer, S.5, 56; Partsch, S.130 f.; Meyer-Ltndenberg und v. Schenck bei Partsch, S.131; Maunz / Darig / Herzog, Art.59 Anm.35 (anders aber Anm.46). 47 So Backsmann, DVBI 1956, S. 317 f.; Hlirte, JIR, Bd.12 (1965), S.103. 48 Maunz / Dürig / Herzog, Art. 59Anm. 46; Meyer-Lindenberg, S.287, Fußn. 24; Boehmer, S.4; Reichel, S.121; Weiß, S.184; Partsch, S.130, macht die Entscheidung davon abhängig, ob man der Transformations- oder Vollzugslehre folgt. 49 Rudolj, S. 211; Reichet, S. 121 (der auf den Vorrang des Gesetzes abstellt); Weiß, S.183. so BVerfGE 2, 307 (326 f.); 7, 282 (291); 8, 274 (306).

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5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Verbot gesetzesändernder und gesetzesergänzender RVO "auch für das nachkonstitutionelle Recht herangezogen werden muß"51. Die Konstruktionen, die eine Änderung von Gesetzen auf Grund einer RVO-Ermächtigung zu begründen versuchen, erscheinen zunächst überzeugend. Sie besagen, daß sich das Gesetz insoweit selbst unter einen Verordnungsvorbehalt stelle. Es enthalte in der Ermächtigung zum Erlaß der RVO zugleich eine Subsidiaritätsklausel52• Das besagt aber nur, daß das Gesetz einen regelungsfreien und regelungsbedürftigen Ausnahmebereich offengelassen hat. Ist die Ermächtigung bestimmt, so liegt eine verfassungsrechtlich zulässige Delegation von Rechtsetzungsgewalt vor, die auch das Gesetz "überlagern" kann, eben weil sich dieses als subsidiär ausweist. Dann ergibt sich aber allein das Problem der Ermächtigungsbestimmtheit. Mit Gesetzesänderung hat das nichts zu tun. Auf diese Frage braucht für den Bereich des Internationalen Steuerrechts allerdings nicht näher eingegangen zu werden, weil zu DBA-Revisionsabkommen bislang immer die parlamentarische Zustimmung eingeholt wurde und - wie sich später zeigen wird53 derartige Klauseln generell nicht als RVO-Ermächtigung verstanden werden können.

u.

Die Auslegung völkerreclhtHclher Veririge

Die Besonderheiten im Bereich der sog. Auswärtigen Gewalt gehen im französischen Recht so weit, daß es den ordentlichen Gerichten und Verwaltungsgerichten untersagt ist, völkerrechtliche Verträge auszulegen. Die Interpretation ist Sache des AußenministeriumsM. Ist die Verletzung einer völkerrechtlichen Bestimmung Vorfrage eines Prozesses, hat der Richter den Rechtsstreit auszusetzen und die Frage dem Außenminister vorzulegen, sofern er nicht die Bestimmung für eindeutig und daher nicht interpretationsbedürftig hält56 • In zwei Urteilen des RFH zur Auslegung von DBA ist eine deutliche Anlehnung an diese französische Spruchpraxis erkennbar. Im Urteil fi1 Maunz I DüTig I Herzog, Art. 80, Rdnr. 10; Hamann I Lenz, Art. 129, Rdnr.

10.

fi2 Sinn, S. 30 f., 82 f.; Lange, JR 1968, S. 8 f.; Peter, AöR, Bd 92 (1967),

S. 357 ff.

VgI. unten H., !I. Conseil d'Etat, Recueil 63, 47: Allein der Außenminister ist zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge befugt. Ein gerichtliches Verfahren ist bis zum Vorliegen seiner Stellungnahme auszusetzen. Ebenso Conseil d'Etat, ILR 39, S. 465. 55 VgI. dazu Rousseau, p. 255 f.; Reuter I Blondeaux I Questiaux I Dubouis I Ruzie, L'application du droit international par le juge francais, Paris 1972; Dubouis, Le Conseil d'Etat et le droit international, AFDI, 1972, p. 1 ff. U

M

E. Allg. Verständigungsvereinb. als authentische Interpretation

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vom 27.7.193156 hatte der Senat den RMdF um eine Äußerung darüber ersucht, wie ein DBA in einer bestimmten Frage zu interpretieren sei. Die Stellungnahme wurde als verbindliche Interpretationsanweisung verstanden. "Nach dieser ausdrücklichen Erklärung des RMdF, der die Verhandlungen über den Abschluß des Doppelbesteuerungsvertrages geführt hat, sieht sich der Senat nicht in der Lage, den Doppelbesteuerungsvertrag im Sinne der Rechtsbeschwerde auszulegen&7." Im Urteil vom 19.4.193958 wird ausgeführt: "Wenn ... der RdF in den genannten Veranlagungsrichtlinien darauf hinweist, daß die vom Deutschen Reich mit anderen Staaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen sich grundsätzlich nur auf die beiderseitigen Staatsangehörigen bezieht, so ist das eine authentische Auskunft für die Auslegung solcher Abkommen, gegen die Einwendungen ... nicht erhoben werden können." Eine derartige besondere Zuständigkeit zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge ist nach deutschem Verfassungs recht und deutscher Verfassungstradition59 jedoch nicht gegeben. Deutsche Gerichte unterliegen in der Auslegung völkerrechtlicher Verträge keinen Beschränkungen, wie sie dem französischen, aber auch dem englischen und nordamerikanischen Recht bekannt sind60 • Verständigungsvereinbarungen sind daher nicht unter dem Gesichtspunkt für die Finanzgerichte und Steuerpflichtigen bindend, daß allein die Regierung zur verbindlichen Auslegung völkerrechtlicher Verträge zuständig ist.

E. Allgemeine Verständigungsvereinbarungen als authentische Interpretation der DBA Im Urteil des RFH vom 19.4.193981 wird die Verbindlichkeit einer vom RdF ausgesprochenen Auslegung des DBA damit begründet, es handele sich um eine authentische Auskunft für die Auslegung des Vertrages. In der Steuerrechtsliteratur ist mehrfach versucht worden, die Rechtsverbindlichkeit norminterpretierender Verständigungsver58 StW 1931 (II), Sp. 1812. 57 Ähnlich RFH StW 1935 (II), Sp. 1650 f. (Urteil vom 3. 10. 1935). 58 RFHE 46, 323 = RStBl 1939, 878 = Weber-Fas Nr. 58. 59 Die oben zitierte königlich-preußische Verordnung wegen streitig gewordener Auslegung von Staatsverträgen vom 25. Januar 1823 (PrGS 1823, S.9) hatte nur eine Lebensdauer von 20 Jahren. Sie wurde durch Verordnung vom 24. November 1843 (PrGS 1843, S.369) aufgehoben. 60 MosteT, Praxis, S. 13; Münch, ZaöRV, Bd.20 (1959/60), S.199; Tomuschat, ZaöRV, Bd.28 (1968), S.77; PaTtsch, S.112 (vgl. auch S.153/54). Aus der Rechtsprechung vgl. insbesondere BGHZ 20, 323 (337); BGHZ 32, 76 (88); BGHZ 52, 216 (219); BGHSt 15, 311 (315); FG Nümberg, EFG 1968, 560; BVerwGE 6, 86 (87). 61 RFHE 46, 323 = RStBl 1939, 878 = Weber-Fas Nr.58.

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5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

einbarungen auch für die Gerichte und Steuerpflichtigen aus dem Begriff der authentischen Interpretation herzuleiten62• Ebenso ist jeweils in einem Urteil des RFH und des BFH die Verbindlichkeit von Verständigungsvereinbarungen mit dem Institut der authentischen Interpretation begründet worden. So hieß es im Urteil vom 4. 5. 193863 des RFH: "Zu einer authentischen Auslegung dieses Vertrages sind in erster Linie die vertragschließenden Staaten selbst in der Lage und berufen." Im Urteil des BFH vom 1. 3. 196384 ging es darum, ob der Beschwerdeführer als Grenzgänger i. S. d. Art. 4 Abs. II DBA Schweiz 1931/59 anzusehen war. Das FG als Vorinstanz hatte seiner Entscheidung die in mehreren Verständigungsverfahren vereinbarte Grenzgängerdefinition zugrundegelegt, "weil diese von den Vertragsparteien gegebene Erläuterung des Begriffs Grenzgänger ihren Willen wiedergebe". Nach Auffassung des BFH bestanden gegen diese Beurteilung keine rechtlichen Bedenken. Damit wird zwar der Begriff nicht erwähnt, der Sache nach ist mit dieser Begründung aber authentische Interpretation gemeint. Es ist damit zu überprüfen, ob aus dem Begriff der authentischen Interpretation die Verbindlichkeit allgemeiner Verständigungsvereinbarungen auch für die nationalen Gerichte und die Steuerpflichtigen zu folgern ist. Bei der oben vorgenommenen Untersuchung, ob die Prärogative der Regierung nach deutschem Verfassungsrecht auch die verbindliche Auslegung völkerrechtlicher Verträge umfaßt, ging es um die Frage, ob einseitig von der Regierung erlassene Interpretationsanweisungen allgemein verbindlichen Charakter haben. Im folgenden geht es darum, die Bedeutung der von den Vertragsstaaten gemeinsam vereinbarten Auslegungsabkommen festzustellen. L Der Begriff der authentischen Interpretation

Im Völkerrecht wird unter authentischer Interpretation völkerrechtlicher Verträge die Interpretation durch die Vertragspartner selbst65 im Gegensatz zur Auslegung des Vertrages durch ein internationales Gericht oder Schiedsgericht verstanden". 62 Wengler, Doppelbesteuerung, S.188; Teichner, StW 1965, Sp.349; ders., IStR, S.146; Salditt, StW 1972, S.23 für den Sonderfall der vorweggenommenen Verständigungslösungen zum DBA Schweiz 1971; Studer, IFABulletin 1971, S. 92; a. A. Watzke I Pollack I Philipp, S.19: "Da diese Einigung nicht in Form eines Staatsvertrages zustandekommt, ist sie nicht als authentische Interpretation der Abkommensbestimmungen zu werten." 63 RFHE 44, 33 = RStBl 1938, 673 = Weber-Fas Nr.51. 64 BFHE 76, 580 = BStBI 1963 III, 212 = Weber-Fas Nr.74. 65 PCIJ, B 8 (Gutachten im Jaworzina-Fall), p.37: " ... it is an established principle that the right of giving an authoritative interpretation of a legal

E. Allg. Verständigungsvereinb. als authentische Interpretation

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Von authentischer Interpretation wird auch im Bereich des Staatsrechts gesprochen. So hat das BVerfG mehrfach zum Ausdruck gebracht, dem einfachen Gesetzgeber sei eine authentische Interpretation der Verfassung verwehrt67 • Teilweise wird in Art. 79 Abs. I S.2 GG eine Ermächtigung zur authentischen Interpretation des GG gesehen68 • Von Mangoldt / Klein heben hervor, daß in übereinstimmung mit den schon unter dem Weimarer Verfassungsrecht entwickelten Grundsätzen auf Grund von Art. 20 Abs. III GG für die gesetzeskräftige Auslegung (authentische Interpretation) aller formellen Gesetze wiederum ein formelles Gesetz erforderlich sei69 • Wenn Rechtsverordnungen und Verwaltungsverordnungen von denselben Instanzen erlassen worden sind und zwischen dem Inkrafttreten beider Regelungen ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang besteht, wird ebenfalls von authentischer Interpretation gesprochen70 • Unter authentischer Interpretation ist demnach die für den Normadressaten verbindliche Auslegung einer Norm durch den Normsetzer selbst zu verstehen. D. Die Verbindlichkeit einer authentischen Interpretation völkerrechtlicher Verträge für deutsche Gerichte

Normsetzer eines völkerrechtlichen Vertrages sind die Vertragsstaaten. Daher kann ein Vertragsstaat nicht einseitig den Vertrag authentisch interpretieren71 • Die Bedeutung und Problematik der authentischen Interpretation im völkerrechtlichen Bereich hat umfassend Voicu untersucht. Er stellt heraus, daß das dogmatische Grundproblem in der Abgrenzung der authentischen Interpretation eines Vertrages von seiner einvernehmrule belongs solely to the person or body who has power to modify or suppress it." . Vgl. weiter Bernhardt, Auslegung, S.44, Fußn.224 m. w. N. aus der Rspr. .des PCIJ; Oppenheim / Lauterpacht I, § 553 (p. 951); Dahm III, S. 45 f.; WengZer, Völkerrecht, S. 348 f.; Rousseau, p.242. 66 Verdross, S. 173; Berber I, S. 447; Bernhardt, Auslegung, S.45, Fußn.226: "Keine authentische Interpretation liegt bei nonnalen rechtskräftigen Entscheidungen von Gerichtsinstanzen vor." 67 BVerfGE 12, 45 (53); BVerfGE 28, 243 (260/261); vgl. auch BVerfGE 2, 181 (205) zur authentischen Interpretation von Besatzungsrecht durch die Besatzungsmächte, sowie OssenbühZ, S. 30l. 68 MenzeZ in Bonner Kommentar, Art. 79, Nachtrag II 3 d; Maunz / DüTig / Herzog, Art. 79, Anm. 13. 69 Vorbem. II 7 b vor Art. 70 (S. 1343). 70 OssenbühZ, S. 112 und 288. 71 SeidZ-HohenveZdern, Völkerrecht, Rdnr.265/266. Ungenau daher SaZditt, StW 1972, S.24: "Es ist daher zu fragen, ob und wann sich die bilaterale oder gar unilaterale authentische Interpretation bei der deutschen Rechtsanwendung durchsetzt ...

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5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

lichen Abänderung liegt72 • Voieu kommt zu dem Ergebnis73, daß die Unterscheidung zwischen authentischer Interpretation und einer einvernehmlichen Modifizierung eines Vertrages trotz aller Erkenntnisschwierigkeiten aufrechterhalten werden müsse, weil sie einmal mit der Vertragspraxis der Staaten übereinstimme und zum anderen Unterschiede in der Rechtsfolge zur Konsequenz habe. Die Frage, welche der bei den Alternativen im konkreten Fall vorliege, könne nur auf dem Wege der Auslegung des übereinstimmenden Willens der Vertragspartner beantwortet werden. Aueh die Wiener Vertragsrechtskonvention74 unterscheidet zwischen nachträglichen Auslegungsabkommen'5 und der Ergänzung und Änderung des Vertrages76• Diese Differenzierung ist allerdings nicht unbestritten. Nach Bernhardt17 sollte man von authentischer Interpretation nur dann sprechen. wenn das Ergebnis der Interpretation den gleichen Rang erhält wie die ausgelegte Bestimmung. Eine authentische Interpretation liege nur dann vor, wenn die Vertragspartner eine zusätzliche Vereinbarung über die Bedeutung und Tragweite des vorhandenen Vertrages treffen. Hierbei spiele es keine Rolle, ob die Vereinbarung nur einen schon bestehenden, durch echte Auslegung ermittelten Rechtssatz feststelle oder eine neue zusätzliche Regel aufstelle. Ähnlich MenzeF8: Nicht nur die Vertragsergänzung oder Vertragsänderung, sondern auch die sog. authentische Interpretation stelle keine Auslegung dar. Sie seien Akte der Rechtssetzung. Die authentische Interpretation als Vertrags ergänzung wirke meist ex nune, während die Auslegung auf den Vertragsabschluß abstelle (ex tune). Nach Dahm79 hat demgegenüber die authentische Interpretation im Zweifel rückwirkende Kraft von dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. 72

Voicu, p.87.

Voicu, p. 211 f. Text u. a. in: International Legal Materials VIII, July 1969, 4, p. 679 ff.; ZaöRV, Bd.29 (1969), S. 711 f.; JIR, Bd.15 (1971), S. 723 ff.; zu den Interpretationsregeln vgl. Anhang V. 75 Art. 31: General rule of interpretation Abs. 111 a: "There shall be taken into account, together with the context: a) any subsequent agreement between the parties regarding the interpretation of the treaty or the application of its provisions." 76 Art. 39 ff.: Amendment and Modification of Treaties. 77 Bernhardt, Auslegung, S. 44. 78 Menzel, Völkerrecht, S.263. 79 Dahm 111, S.46, Fußn. 14; ebenso PCIJ, Series AlB, No. 40, p. 16 (Access to German Minority Scholls in Upper Silesia): "In aecordance with the rules of law, the interpretation given by the court, to the terms of the convention has retrospective effect - in the sense that the terms of the convention must be held to have always borne the meaning plaeed upon them by this interpretation ..." 73

74

E. Allg. Verständigungsvereinb. als authentische Interpretation

187

Das zeigt, daß der Begriff der authentischen Interpretation allenfalls eine griffige Problemumschreibung enthält, keineswegs aber eine Problemlösung. Selbst für den völkerrechtlichen Bereich enthält er lediglich einen Verweis auf weitere Fragenbereiche. Die hier interessierende Frage nach der Verbindlichkeit von Auslegungsvereinbarungen (accords interpretatifs) folgt für den völkerrechtlichen Bereich aus dem Prinzip "pacta sunt servanda". über die innerstaatliche Verbindlichkeit, d. h. die Bedeutung von Interpretationsabkommen für nationale Rechtsanwendungsorgane läßt sich aus dem Begriff der authentischen Interpretation nichts herleiten. Nach dem Bericht der 1. Studienkommission der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht über Anwendung des Völkerrechts im innerstaatlichen Bereich ist festzustellen, daß der moderne Staat es für sich in Anspruch nimmt und diesen Anspruch auch tatsächlich durchzusetzen vermag, selbst darüber zu befinden, welche von der Völkerrechtsgemeinschaft ausgearbeiteten Normen in dem seiner Hoheitsgewalt unterworfenen Gebieten von den Rechtsanwendungsorganen zu beachten sind80• Die Frage nach der Verbindlichkeit von zwischenstaatlichen Auslegungsvereinbarungen zu bestehenden Völkerrechtsverträgen im innerstaatlichen Bereich ist daher aus dem Verfassungsrecht der BRD zu beantworten. In der 1. Studienkommission der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht wurde die "Frage der innerstaatlich bindenden Wirkung von Regierungsabkommen zur Auslegung von Verträgen (accords interpretatifs) ... nicht einheitlich" beurteilt81 • übereinstimmung bestand darüber, daß es nach der Transformationslehre nur zulässig wäre, derartige Auslegungsabkommen auf der Grundlage einer vertraglichen Ermächtigung und im Rahmen der der Ausübung des Verordnungsrechts gezogenen engen Grenzen abzuschließen. Sie bedürften dann einer Transformation in Verordnungsrecht durch VerkündungB2. Wie die Frage auf der Grundlage der Vollzugslehre zu entscheiden ist, blieb streitigB!l. Es wurde die Auffassung vertreten, daß auch nach der Vollzugslehre ein interpretierendes Regierungsabkommen einer Vollzugserklärung bedürfte, um innerstaatlich allgemein verbindlich zu sein84 • Nach der Gegenmeinung sollten derartige Auslegungsabkommen zu einem für vollziehbar erklärten Vertrag völkerrechtlich dem Vertrag gleichwertig und daher bereits von dem Vollzugsbefehl für den Vertrag umfaßt sein. Es komme nicht darauf an, ob sie sich in den 80

81 82

83 84

Partsch, S.25; ebenso Mosler, Praxis, S.7; Boehmer, S.2. Partsch, S. 116, vgl. auch S. 154. Parts eh, S. 116. Partsch, S. 116, vgl. auch S. 21. So Schaumann und Strebel.

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5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

engen Grenzen hielten, welche nach Verfassungsrecht (z. B. gemäß Art. 80 GG) für die Ausübung des Verordnungsrechts gezogen seien8ll • Partsch als Berichterstatter hielt die Auffassung der zweiten Gruppe für unvereinbar mit den Vorschriften des gegenwärtigen positiven deutschen Rechts. Nach seiner Auffassung sind Regierungsabkommen nur nach den entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Art. 80 GG zulässig (Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG), und deshalb bedürfe es nicht nur einer Ermächtigung in dem für vollziehbar erklärten Vertrage bzw. im Zustimmungsgesetz, sondern es müsse auch "Inhalt, Zweck und Ausmaß" des accord interpretatif in dem Zustimmungsgesetz vorgezeichnet sein86• Mit den folgenden Untersuchungen ist zu überprüfen, welche Auffassung den Vorschriften des GG entspricht. Das setzt zunächst den Versuch einer Begriffsklärung voraus, was in Art. 59 Abs.II S.2 GG mit "Verwaltungsabkommen" gemeint ist. Zu prüfen ist, aufgrund welcher völkerrechtlicher oder staatsrechtlicher Merkmale der Begriff zu definieren ist. Daran schließt sich die Frage an, welche Bedeutung zwischenstaatliche Auslegungsabkommen haben, die aufgrund einer in dem betreffenden völkerrechtlichen Vertrag enthaltenen Interpretationsoder Ergänzungsklausel abgeschlossen werden, ob derartige Klauseln als RVO-Ermächtigungen zu verstehen sind und ob die entsprechenden Vereinbarungen RVO-Charakter haben.

F. Allgemeine Verständigungsvereinbarungen als zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen L Völkerredttlidte Merkmale der Verwaltungs abkommen

Sofern die Kategorie der Verwaltungsabkommen in der Völkerrechtslehre überhaupt näher Erwähnung finden, wird als ihr Kennzeichen hervorgehoben, daß sie nicht von dem sonst zur völkerrechtlichen Vertretung berufenen Staatsoberhaupt, sondern von Regierungs- und Verwaltungsorganen ohne die sonst vorgeschriebene Zustimmung der Volksvertretung oder anderer staatlicher Organe abgeschlossen werden. Ihr Zustandekommen erfolge nicht im mehrstufigen, sondern meist87 im einstufigen Vertragsabschlußverfahren, bei dem der Vertrag schon mit der Unterzeichnung in Kraft trete. Gegenstand solcher Verträge seien in erster Linie Routineangelegenheiten88 • 86 80

So Ophüls und Seidl-Hohenveldern; ebenso Bolewski, S.179. Partseh, S.116/117.

Vgl. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr.182. Verdross, S.159; Dahm !II, S.19; Berber I, S.416; WengIer, S. 224 f.; Bülck, WBV I!I, S. 562 f.; Oppenheim / Lauterpacht I, § 509 a (p. 901 f.); Cavare !I, p. 115 f.; Rousseau, p. 70 f. 87 88

F. Allg. Verständigungsvereinbarungen als Verwaltungsabkommen 189 Mit diesen Kriterien (Abschlußorgan, fehlende parlamentarische Mitwirkung, Abschlußkompetenz, einstufiges Vertragsabschlußverfahren) wird auf staatsrechtliche Erfordernisse verwiesen. Das zeigt, daß der Begriff des Verwaltungsabkommens nicht durch völkerrechtliche, sondern allenfalls durch staatsrechtliche Merkmale definiert werden kann. D. Staatsrechtliche Merkmale

1. Die bisherigen Dejinitionsversuche Auf der in Art. 59 Abs. II GG enthaltenen Gegenüberstellung der sog. Staatsverträge zu den Verwaltungsabkommen89 bauen einige Definitionsversuche auf. Sie definieren den Begriff des Verwaltungsabkommens negativ in Abgrenzung zu den Staatsverträgen. Nach Maunz90 sind Verwaltungs abkommen Verträge über Gegenstände, für die keine gesetzgeberischen Akte erforderlich sind und die auch nicht die politischen Beziehungen zum Ausland regeln. Es müsse sich um Gegenstände handeln, die mit den Mitteln des Verwaltungsrechts ohne Gesetz bearbeitet werden können91 • Ähnlich diesem Definitionsversuch wird häufig als Kriterium genannt, daß zum innerstaatlichen Vollzug kein Gesetz im materiellen Sinne notwendig seillC!'. Andere versuchen, den Begriff "Verwaltungsabkommen" positiv zu definieren. Nach Grewe93 sind Verwaltungsabkommen dadurch gekennzeichnet, daß sie "die Durchführung bereits bestehender Verträge oder verwaltungstechnische Angelegenheiten zum Gegenstand haben können". Bernhardt94 spricht von "Verträgen über Gegenstände der Verwaltung, da sie ... mit den der Exekutive zu Verfügung stehenden 89 Während Art. 59 GG nur die beiden Begriffe "Verträge mit auswärtigen Staaten" (Abs. I S.2 und Abs. H S. 1) und "Verwaltungsabkommen" kennt, verwendet die Staatspraxis drei Kategorien, die nach dem formalen Kriterium unterschieden werden, wer im Rubrum der völkerrechtlichen Vereinbarung als vertragschließende Partei genannt ist: die Staatsverträge, die Regierungsabkommen und die Ressortabkommen; vgl. Zwischenbericht der Enquete-Kommission für Fragen der Verfassungsreform, BTDrucks VI/3829, S. 41 f.; § 77 der Gemeinsamen GeSchäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil, in: Lechner 1 Hülshojj, S.457. Diese Unterscheidung hat für die hier zu erörternde staatsrechtliche Problematik keine Bedeutung. 90 In: Maunz 1 Düng 1 Herzog, Art. 59 Anm.37; ders., Deutsches Staatsrecht, § 35 H, 1 c (S. 333). 91 Negative Begriffsabgrenzung auch bei: v. MangoZdt 1 Klein, Art. 59 Anm. V 3 c (S.1153); Klein, VVDStRL, Bd.19 (1961), S.137; ErZer, Grundprobleme, S.l71; Beer, S.40; Hamannl Lenz, Art.59 Anm.9; HärZe, JIR, Bd.12 (1965), S.95/96; ReicheZ, S.136; Weiß. S.164. 9ll Scheuner (S. 136), Merkl (S. 141), UZe (S. 142, 143) in den Dislrussionsbeiträgen in VVDStRL, Bd. 19 (1961). 93 AöR, Bd. 77 (1951/1952), S. 370. 94 Abschluß, S. 133, 134.

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5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Mitteln, zum Beispiel Verwaltungsanweisungen, durchgeführt werden können". Mosler9.5 versteht Verwaltungsabkommen als "Vereinbarungen zwischen Ministerien über technische Gebiete ihres Ressortbereichs" . Verschiedene Autoren bestimmen den Begriff teils positiv, teils negativ. So stellt Schneider96 darauf ab, daß der Gegenstand von Verwaltungsabkommen der gleiche sei, der durch Verwaltungsvorschriften geregelt werden könne. "Was nicht im Wege von Verwaltungsvorschriften bestimmt werden könnte, ... kann auch nicht Gegenstand eines Verwaltungsabkommens werden. Das bedeutet vor allem, daß die Rechte Dritter durch solche Abkommen nicht berührt werden dürfen." Ähnlich Haa,s97: "die Grenze zwischen Vertrag und Verwaltungsabkommen muß da gezogen werden, wo innerstaatlich die Trennung von materiellem Gesetz und Verwaltungs anordnung vorzunehmen ist." Grawert98 bezeichnet als Verwaltungs abkommen einen "Vertrag, dessen vereinbarungsgemäße Erfüllung innerhalb der Verwaltungskompetenz (im materiellen Sinne) erfolgen kann, anders: die ohne eine erfüllungsbezogene Tätigkeit der Legislative erreicht werden". Diese Definitionsversuche sind insgesamt unzulänglich. Bei den positiven Begriffsbestimmungen hängt alles davon ab, was unter Verwaltung zu verstehen ist. Bis heute ist es nicht gelungen, den Begriff der Verwaltung zu definieren. Sie wird überwiegend negativ bestimmt als diejenige Tätigkeit des Staates, die nicht Gesetzgebung oder Justiz ist99 • Forsthoff sieht es geradezu als Eigenart der Verwaltung an, daß sie sich zwar beschreiben, aber nicht definieren läßtl°o• Nach Ossenbühl ist kennzeichnend für die Verwaltung ihre subsidiäre Komplementärfunktion lOl • Läßt sich der Begriff der Verwaltung nicht positiv definieren, kommt alles darauf an, im Rahmen der Gewaltentrias die beiden übrigen Staatsgewalten festzulegen. Dabei ist vor allem der Bereich der Gesetzgebung abzugrenzen. Die Umgrenzung des Funktionsbereichs der Verwaltung ist damit ein Problem der Gewaltenteilung lO2, insbesondere das des Vorbehaltes des Gesetzesl03 • In die gleichen Problembereiche führen aber auch die Definitionsversuche, die die Verwaltungsabkommen durch negative Abgrenzung 95

Auswärtige Gewalt, S. 283.

VVDStRL, Bd. 19 (1961), S. 9, 10. (1952/53), S. 388. 98 S.52. 99 Ossenbiihl, S. 187 ff. m. w. N. 100 Forsthojj, 10. Aufl., S. 1 f. 101 S.194 f. 102 Ossenbiihl, S. 208. 103 Ossenbiihl, S. 210 ff. 96

97

AöR, Bd. 78

F. Allg. Verständigungsvereinbarungen als Verwaltungsabkommen 191 zu den Staatsverträgen zu bestimmen versuchen. Unter Staatsverträgen

i. S. d. Art. 59 Abs. II S.l GG werden diejenigen Verträge verstanden,

"deren Inhalt, wenn es sich nicht um eine völkerrechtliche Vereinbarung, sondern um eine innerstaatliche Regelung handelt, zu den Gegenständen der Gesetzgebung und nicht zu denen der Verwaltung gehörte"104.

Auch hier kehrt also der Gegensatz "Gesetzgebung - Verwaltung" wieder. Die Abgrenzung zwischen den Staatsverträgen und den Verwaltungsabkommen ist demnach dort zu ziehen, wo innerstaatlich die Trennung von materiellem Gesetz und Verwaltungsvorschrift verläuft. Mit der Definition des Begriffs "Verwaltungsabkommen" stellt sich das ungelöste Problem des überkommenen materiellen Gesetzesbegriffs l05 • Darauf können hier keine Antworten gegeben werdenlOO •

2. Verfassungsgeschichtliche Entwicklung Auch eine überprüfung der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung der Verwaltungsabkommen ist von begrenztem Wert. Art. 11 Abs.III der Reichsverfassung von 1871 und Art. 45 Abs.III der Weimarer Verfassung erwähnten nur die Staatsverträge. In der Verfassungspraxis des Kaiserrechts war das Institut der Verwaltungsabkommen aber durchaus bekannt. Es wurde zwischen der solennen und der nicht solennen Vertragsform unterschieden107• Bei den nicht solennen Verträgen erfolgte der Abschluß nicht durch den Souverän selbst, sondern durch die zuständigen Minister oder die obersten Reichsbehörden. Voraussetzung dafür war aber, daß nur solche Gegenstände betroffen waren, die zur ausschließlichen Kompetenz der betreffenden Behörde gehörte. Inhalt der nicht solennen Verträge durfte also nur das sein, was die Behörde ohne Beteiligung der anderen Reichsorgane selbständig zu regeln befugt war. Soweit es sich um Verträge im Rahmen des Art. 11 Abs.III handelte, war die nicht solenne Vertragsform nicht anwendbarloo• Die Weimarer Verfassungsdogmatik knüpfte an die Unterscheidung der Kaiserzeit an. Staatsrechtliche Bedenken gegen die mangelnde Zustimmung des Reichstages bei "Vertragsverhandlungen über mindere 104 BVerfGE 1, 372 (389, 390). Rudolf, S.220, 221; Ehmke, VVDStRL, Bd.19 (1961), S.140, 141. 106 Zur verfassungsrechtlichen Entwicklung des dualistischen Gesetzesbegriffs vgl.: Ossenbühl, S. 54 ff.; Starck, S. 77 ff.; zur Problematik des materiellen Gesetzesbegriffs vgl.: Jesch, S. 10 ff.; Starck, S. 21 ff. und dessen Definitionversuch, S.269; Maunz I Dürig I Herzog, Art.20 Anm. 93 ff.; Ossenbühl, S. 153 ff. 107 La:band, S. 153 ff.; Kesseler, S. 24 ff. 108 Laband, S. 154, 155. Zur Kritik an der Labandschen Unterscheidung durch Zorn, Prestele und Tezner vgl. Kesseler, S. 39 f. 105

192

5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

wichtige Gegenstände" wurden nicht erhoben109 • Wie schon in der Epoche des Konstitutionalismus wird hervorgehoben, daß die Form der Verwaltungs- oder Regierungsabkommen nur dann gewählt werden könne, "wenn es sich um die verwaltungsmäßige Durchführung schon bestehender Verträge oder um rein verwaltungstechnische Fragen handele". Bei Verträgen, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung bezogen, sei diese einfache Vertragsabschlußform nicht anwendbarllO• Im GG wird die Kategorie der Verwaltungsabkommen zwar erstmals im Verfassungstext erwähnt. die Materialien zum GG geben jedoch keine Auskunft darüber, warum die bisherige Verfassungspraxis im Verfassungstext manifestiert wurde und wie die Abgrenzung zwischen Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen vorzunehmen ist. Die Bestimmung des Art. 59 Abs. II S. 2 GG ist bereits in Art. 81 Abs. II S. 2 des Entwurfs von Herrenchiemsee enthalten. Sie wurde in der 29. Sitzung des Organisationsausschusses ohne Erörterung gestrichen und in dt>r zweiten Lesung des Hauptausschusses wieder in den Verfassungstext aufgenommen111 • Art. 59 Abs. II S.2 GG hat demnach bereits bei der Redaktion des GG ein Schattendasein geführt. Auch im Parlamentarischen Rat ist diese Bestimmung nicht näher behandelt worden. Das macht die Kritik verständlich, die allgemein gegenüber dieser Verfassungsnorm geäußert wirdlll!. Diese Untersuchungen zum Begriff des Verwaltungsabkommens und zu ihrer verfassungsgeschichtlichen Entwicklung führen zurück auf die Untersuchung über die Geltungskraft norminterpretierender Verwaltungsvorschriften. Entspricht die Abgrenzung der Staatsverträge von den zwischenstaatlichen Verwaltungsabkommen der Trennung von materiellem Gesetz und Verwaltungsvorschrift, so ist daraus die Folgerung zu ziehen, daß norminterpretierende Verständigungsvereinbarungen als zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen ebenso wie norminterpretierende Verwaltungsvorschriften Verbindlichkeit nur im verwaltungsinternen Bereich haben können. G. Zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen und RVO-Ermächtigung

Werden Interpretationsanweisungen in der Form eines Gesetzes erlassen, sind sie für alle Rechtsanwendungsorgane und Rechtsunterworfenen verbindlich. Das Gesetzgebungsrecht kann im Rahmen des 109

110 111

112

Anschütz, § 45 Anm.3. Pohl, HdbDStR, Bd. I, S. 492/493. Vgl. JöR, Bd. I, S. 413 ff. Vgl. oben 2. Kapitel, E.

G. Zwischenstaatliche Verwaltungs abkommen und RVO-Ermächtigung 193 Art. 80 GG auf die Exekutive delegiert werden. Der Zweck allgemeiner Verständigungsvereinbarungen und die mit deren Abschluß eingegangene völkerrechtliche Erfüllungspflicht wäre demnach zu erreichen, wenn die norminterpretierenden Verständigungsvereinbarungen auf der Grundlage einer RVO-Ermächtigung innerstaatlich in Kraft gesetzt werden. Die Frage ist, ob die in den DBA enthaltenen Konsultationsund Ergänzungsklauseln eine derartige Rechtsverordnungsermächtigung darstellen. Das Problem ist weder auf den Bereich von Auslegungsvereinbarungen noch auf DBA beschränkt. Es lautet allgemein: Kann der Erlaß des Vertragsgesetzes nach Art. 59 Abs. 11 S. 1 GG entfallen, wenn die Exekutive auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung in der Lage ist, das zur Erfüllung des Vertrages notwendige Recht im Verordnungswege zu erlassen? Man kann derartige zwischenstaatliche Vereinbarungen, die die Verpflichtung zur Rechtsetzung enthalten, aber den Sachbereich des Rechtsverordnungsrechts nicht überschreiten, als normative Verwaltungsabkommen bezeichnen113 • I. Die Ermächtigungspraxis der Weimarer Zeit, insbesondere in der ReichsabgabenordnUD,

Sowohl in der Zeit des Konstitutionalismus als auch in der Weimarer Republik war das leitende Prinzip zur inhaltlichen Unterscheidung der Staatsverträge von den Verwaltungsabkommen das gleiche wie bei innerstaatlichen Rechtssätzen, also grundsätzlich das von Gesetz im materiellen Sinne und Verwaltungsvorschrift. Schon in der Weimarer Republik war die Kompetenz der Exekutive zum zustimmungsfreien Vertragsabschluß über den Bereich, der durch Verwaltungsvorschriften geregelt werden konnte, durch Ermächtigungsnormen vielfach erweitert1U • Eine für das Verfassungsrecht der Weimarer Zeit charakteristisch weitreichende Ermächtigungsvorschrift enthielt § 7 RAO 1919115 • überprüft man die Entwicklung dieser Vorschrift, so zeigt sich einmal, vor welchem verfassungsrechtlichen Hintergrund sich das Verständigungsverfahren entwickelt hat, zum anderen, daß der heutige Gesetzgeber derartige Ermächtigungsnormen für verfassungswidrig ansieht. § 7 RAO 1919 bestimmte: "Die Reichsregierung kann mit Zustimmung des Reichsrates Vorschriften über die Gewährung von Rechtshilfe an ausländische Steuerbehörden erlassen und zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Anwendung eines Vergeltungsrechts die Steuerpflicht abweichend von den Steuergesetzen regeln." 113

114 116

So HärZe, JIR, Bd. 12 (1965), S. 97 und 109. Vgl. die übersicht bei KesseZer, S. 73 f. RGBI 1919, S. 1993 f.

18 MülhauseD

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5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Die Vorschrüt war mit einigen Änderungen aus dem von Enno Becker verfaßten Entwurf der RAD übernommen worden116• Im 11. Ausschuß der verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung, der den Entwurf der RAD zu beraten hatte, hieß es zu der Ermächtigungsnorm: ,,§ 7 hat hauptsächlich jene Einzelfälle im Auge, in denen sich infolge des Zusammengreifens in- und ausländischer Besteuerung eine unliebsame Doppelbesteuerung ergibt117."

Vorläufer des § 7 RAD 1919 war § 2 des Zustimmungsgesetzes zum Doppelbesteuerungsvertrag zwischen Österreich - Ungarn und Preußen vom 21. 6. 1899118 • § 1 dieses Gesetzes enthielt die Genehmigung des Vertrages. § 2 bestimmte: "Der Finanzminister ist ermächtigt, mit Bezug auf Personen und Steuerquellen, welcher der Steuerhoheit mehrerer Staaten unterliegen, Vereinbarungen zu treffen und Anordnungen zu erlassen, durch die ihre Heranziehung zu den direkten Staatssteuern unter Wahrung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit auch abweichend von den in Preußen geltenden gesetzlichen Vorschriften geregelt wird." Ähnlich bestimmte das "Gesetz, betreffend die Vermeidung von Doppelbesteuerungen bei Heranziehung zu direkten Kommunalsteuern in verschiedenen Bundesstaaten des Deutschen Reichs", vom 6. Mai 1910119 : "Einziger Paragraph Zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen bei Heranziehung zu direkten Kommunalsteuern in Preußen und einem anderen deutschen Bundesstaate sind der Minister des Innern und der Finanzminister, in der Regel nach Anhörung der beteiligten preußischen Kommunalverbände, ermächtigt, Vereinbarungen zu treffen und Anordnungen zu erlassen, durch welche die Steuerpflicht unter Wahrung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit auch abweichend von den in Preußen geltenden Vorschriften geregelt wird ... " Letztlich beruht die Vorschrift des § 7 RAD 1919 damit auf den weitreichenden Ermächtigungen der preußischen Verfassung vom 31. August 1850, die als Prototyp einer konstitutionell beschränkten Monarchie angesehen wird. § 7 RAD 1919 erhielt in der RAD 1931 120 mit einer Erweiterung auf die Realsteuern als § 15 einen neuen Standort und 116 Verfassungsgebende deutsche Nationalversammlung, Aktenstück Nr. 759, S.537. § 7 Entwurf der RAO lautete: "Das Reichsfinanzministerium kann zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder Anwendung eines Vergeltungsrechts mit Zustimmung des Reichsrates die Steuerpflicht abweichend von den Steuergesetzen regeln." Im Ausschuß wurde § 7 des Entwurfs auf Anregung der Regierung ergänzt durch die Aufnahme der Ermächtigung zum Erlaß von Vorschriften über die Gewährung von Rechtshilfe. Die Zuständigkeit des RFM wurde ersetzt durch die der Reichsregierung, da die Kompetenz des Auswärtigen Amtes mit in Frage kam. 117 Verfassunggebende deutsche Nationalversammlung, Aktenstück Nr.1460, S.1388. 118 Gesetz, betreffend die Vermeidung von Doppelbesteuerungen. Vom 18. April 1900, PrGS 1900, S. 259. 119 PrGS 1910, S. 43. 120 RGBl 1931 I, S. 161.

G. Zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen und RVO-Ermächtigung 195 wurde durch das AO-Änderungsgesetz vom 4.7.1939 121 erneut modifiziert l22 • Die Reichsregierung machte von der ihr mit § 7 bzw. 15 RAD eingeräumten Ermächtigung häufig Gebrauch, obwohl Art. 45 Abs. II! der Weimarer Verfassung vorsah, daß Bündnisse und Verträge mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung bezogen, der Zustimmung des Reichstages bedurften. So sollten ursprünglich die DBA Deutsches Reich - Tschechoslowakei und Deutsches ReichÖsterreich durch RVO mit Zustimmung des Reichsrates gemäß § 7 RAD innerstaatlich in Kraft gesetzt werden. Diese Absicht wurde allerdings nicht verwirklicht: " ... um die Behandlung der Verträge nicht von der Klärung rechtlicher Zweifel über die Tragweite des § 7 der Reichsabgabenordnung abhängig zu machen, hat es sich bei der Beratungen im Reichsrat als zweckmäßig herausgestellt, die Verträge dem Reichstag zur Ratifizierung vorzulegentn." Diese Bedenken hinderten die Reichsregierung in der Folgezeit aber nicht daran, mehrere zwischenstaatliche Abkommen auf der Grundlage des § 7 bzw. 15 RAD als Rechtsverordnung zu erlassen l24 • In diese Verfassungspraxis fügt sich die Stellungnahme Dorns zur Bedeutung der in den DBA enthaltenen Ergänzungsklauseln nahtlos ein. Nach Dorn stellte die Ergänzungsklausel der DBA eine Ermächtigung dar, neues nationales Recht durch internationale Verwaltungsvereinbarung in Kraft zu setzen, "ein Recht, das von dem geltenden Recht abweichen kann und vielfach notwendig abweichen wird" 125. Zu § 7 RAD 1919 führte Dorn aus: "Die Reichsabgabenordnung (§ 7) und das österreichische Personalsteuergesetz (§ 285 des Personalsteuergesetzes vom Jahre 1924) kennen ... allgemeine Bestimmungen, die es RGBl 1939 I, S. 1181. § 15 RAO 1939 lautete: "Der Reichsminister der .Finanzen kann Vorschriften über die Gewährung von Rechtshilfe .an ausländische Steuerbehörden erlassen und zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Anwendung eines Vergeltungsrechts die Steuerpflicht und das Verfahren abweichend von den Gesetzen über die Reichssteuern und von den reichsgesetzlichen Vorschriften über die Realsteuern regeln." 123 Denkschrift zu den Verträgen, RTDrucks I15316, S.29 (Bd.375). 1Z4 Vgl. die VO zur Beseitigung der Doppelbesteuerung - mit Danzig, RGBI 1923 H, S.426, 427, RGBI 1926 H, S.428, RGBI 1937 H, S.519; - mit Griechenland, RGBI 1923 I, S.634; - für Einkommen aus Schüfahrtsbetrieb: - - mit Großbritannien, RGBl1929 H, S.506; - - mit Japan, RStBI 1936, S.1037; - - mit Kanada, RStBl 1936, S.1037; - für Einkünfte aus Luftverkehrsbetrieb: - - mit Großbritannien, RStBl1937, S. 1263. 125 Dorn, StW 1928, Sp. 920. 121

122

1S"

5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

196

gestatten, die Doppelbesteuerung ohne formelle Staatsverträge für alle oder einzelne Steuerarten auszuschließen1!6." Ähnlich wie Herbert Dorn würdigte auch Enno Becker die Ergänzungsklauseln der DBA. Becker erörterte die Bedeutung dieser Ergänzungsklausein der DBA im Zusammenhang mit der Frage, wann Verwaltungsmaßnahmen oder Weisungen als Rechtsverordnungen erlassen werden müßten, um die Gerichte zu binden. Als Grundsatz sei zwar anzuerkennen, daß allgemeine Weisungen als Verwaltungsmaßnahmen nur die Behörden binden, daß sie aber, wenn sie darüber hinaus jedermann binden sollten, aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung als Rechtsverordnung erlassen werden müßten. Wenn aber ein Doppelbesteuerungsvertrag mit der Ergänzungsklausel im Gesetzesblatt veröffentlicht sei, so bleibe mindestens fraglich, ob die auf Grund der Ergänzungsklausel getroffenen Vereinbarungen unter allen Umständen wieder als Rechtsverordnungen bekanntgemacht werden müßten l27 • Diese Äußerungen von Dorn und Becker müssen vor dem Hintergrund der Verfassungsrechtsdogmatik der Weimarer Zeit gesehen werden. Danach wurden sowohl gesetzvertretende Rechtsverordnungen als auch weitgehende Delegationen von Rechtssetzungsgewalt an die Exekutive als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen. Zur Zeit der Weimarer Verfassung stand das Prinzip vom Vorrang des förmlichen Gesetzes, nach dem rechtsgültige förmliche Gesetze nur wieder durch förmliches Gesetz abgeändert oder aufgehoben werden durften, unter einem zweifachen Vorbehalt. Einmal konnten die auf Art. 48 WV gestützten Notverordnungen des Reichspräsidenten förmliche Gesetze derogieren, zum anderen konnten kraft ausdrücklicher gesetzlicher Delegation auch anderen Rechtsverordnungen gesetzgebende Kraft beigelegt werdenl28 . Es wurde als zulässig erachtet, daß die Ermächtigung auch den Vorrang des Gesetzes übertrug, d. h. die Verwaltung zuständig machte, durch ihre Rechtsverordnungen förmliche Gesetze aufzuheben oder zu ändern. Eine derartige Befugnis von gesetzvertretenden Rechtsverordnungen mußte allerdings in der Ermächtigung zum Ausdruck kommen1!9. Generell war die Delegation von Rechtssetzungsgewalt auf die Exekutive sehr weitreichend: Der Gebrauch der Delegationsfreiheit mußte sich lediglich "in gewissen äußersten (schwer formulierbaren) Grenzen halten, jenseits deren ein verfassungswidriger Mißbrauch vorläge"l30. 1!8 127 128

129 130

Dorn, VJSchrStuFR 1927, S.206. Becker, RAO, § 2 Anm. 2 a. Thoma, HdbDStR, Bd. Ir, S.222; Walter Jellinek, S.121. Jacobi, HdbDStR, Bd. Ir, S.240; Otto Mayer, S.68/69. Thoma, HdbDStR, Bd. Ir, S.227; vgl. auch Jacobi, HdbDStR, Bd. Ir,

S.242.

G. Zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen und RVO-Ermächtigung 197 Das führte in der Praxis dazu, daß auch bei Erlaß eines förmlichen Gesetzes das für den Bürger praktisch Entscheidende häufig erst die als Rechtsverordnung von der Bürokratie erlassenen Ausführungsund vor allem die sog. Durchführungsverordnungen brachten131 • Ein größerer Umfang der Delegation wurde namentlich für den Bereich des Steuerrechts dann angenommen, wenn die Ermächtigung auf den Erlaß von Durchführungsbestimmungen lautete1 32 • Auf Grund dieser Verfassungsdogmatik zum Vorrang des Gesetzes und der Delegation von Rechtsetzungsgewalt auf die Exekutive kann es nicht überraschen, daß gegen die Vertragspraxis zwischenstaatlicher Steuervereinbarungen oder die weitreichende Ermächtigung des § 7 bzw. 15 RAO in der Steuerrechtsliteratur der Weimarer Zeit keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht wurdenll13 • Ebenso werden damit auch die Ausführungen von Rennebaum / Zitzlaff in ihrem damals führenden Kommentar zum internationalen Steuerrecht zur Selbstverständlichkeit: "Eine Verständigung, deren Rechtsgrundlage das Abkommen selbst bildet, schafft auch innerstaatliches materielles Steuerrecht1 34 ." Wenn auf der Grundlage des § 7 RAO 1919 bzw. § 15 RAO 1931 der Neuabschluß von DBA ohne parlamentarische Zustimmung zulässig war, konnten für den Abschluß zwischenstaatlicher Verständigungsvereinbarungen keine strengeren Anforderungen gelten. Damit war zur Zeit der Weimarer Republik der klassische Rechtsquellenkatalog des Steuerrechts um eine neue Rechtsnormgruppe erweitert. Neben den Verständigungsvereinbarungen hatten nach damaliger herrschender Auffassung auch die auf § 108 Abs. II RAO 1919 bzw. § 13 RAO 1931 gestützten sog. allgemeinen Milderungserlasse Gesetzeskraft l35 • überblickt man die Entwicklung des § 7 RAO 1919 und der Ermächtigungsvorschriften über Milderungserlasse, so scheint der damalige Steuergesetzgeber von einem sachlichen Zusammenhang zwischen innerstaatlichen Milderungserlassen und zwischenstaatlichen Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausgegangen zu sein. Jacobi, HdbD StR, Bd. H, S.239/240. Jacobi, HdbDStR, Bd. H, S.251; Anschütz, Art. 77, Anm.2, Fußn.3; vgl. allgemein zur Problematik der Durchführungsbestimmungen BühleT, Lehrbuch des Steuerrechts, I. Bd., S. 41 ff. 133 Vgl. BühleT, Lehrbuch des Steuerrechts, I. Bd. (1927), S.29/30, 130 f., H. Bd. (1938), S. 143 f.; Hensel, S. 17 f.; CTisolli, S. 33 f.; StTutZ, S.309. 134 Rennebaum / Zitzlaff, S.27. 135 BeckeT, RAO, § 108 Anm.5 m. w. N.; zur Problematik der Milderungserlasse im heutigen Steuerrecht vgl. Tipke / KTuse, § 2 Rdnr. 24 f.; Tipke, Steuerrecht, S.68/69; KTuse, § 7 VIH (S. 79); Pautick, Rdnr. 224 f. 131

132

198

5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Durch die übernahme des § 7 RAO 1919 nach § 15 RAO 1931 wurde diese Vorschrift nach ihrer Stellung im Gesetz in eine Verbindung zu § 13 RA01931 gebracht. § 13 RAO 1931 war ursprünglich in § 108 Abs. 11 RAO 1919 enthalten. § 108 RAO 1919 entwickelte sich aus den sog. Härteparagraphen der Kriegsabgabengesetze1 3o • Er unterschied zwei Fälle: in Abs. I den Billigkeitserlaß im Einzelfall, in Abs.I1 die sog. allgemeinen Milderungserlasse. § 108 Abs. I RAO 1919 hat seit der RAO 1931 seinen Platz im § 131, aus 108 Abs.I1 RAO 1919 wurde § 13 RAO 1931. Ausdrückliche Belege, die einen sachlichen Zusammenhang dieser beiden Ermächtigungsnormen erwähnen, sind zwar nicht aufzufinden, dafür spricht aber auch die Entwicklung der deutsch-polnischen Doppelbesteuerungsmaßnahmen137 • Bis zum Abschluß eines Staatsvertrages sollte die Anordnung des RdF vom 27.3.1923 138 zur Beseitigung der Doppelbesteuerung im Verhältnis zu Polen als vorläufige Regelung gelten. Der RFH entschied jedoch in mehreren Urteilen, daß diese Anordnung des RdF keine rechtsverbindliche Kraft und der Steuerpflichtige daher keinen im Rechtsmittelweg verfechtbaren Anspruch auf Befreiung des in Polen erzielten Gewinnes von der deutschen ESt habe l39 • Die Anordnung vom 27.3.1923 wurde durch Erlaß vom 6.4.1934 140 außer Kraft gesetzt. Mit erneutem Erlaß vom 25. 6. 1935 141 wurde dann aber auf Grund des § 13 RAO 1931 angeordnet, daß bei der Heranziehung natürlicher, unbeschränkt steuerpflichtiger Personen zur ESt Einkünfte aus in Polen belegenem Grund- und Gebäudebesitz, aus ständigem Gewerbebetrieb in Polen und aus polnischen öffentlichen Kassen außer Betracht zu lassen waren. Dieser sachliche Zusammenhang zwischen § 7 RAO 1919 bzw. § 15 RAO 1931 und § 108 RAO 1919 bzw. § 13 RAO 1931, von dem der damalige Steuergesetzgeber anscheinend ausging, kann neben der Tatsache, daß fast alle DBA des Deutschen Reiches eine Art. 15 DBA Italien entsprechende Billigkeitsklausel enthielten142, die Ursache dafür gewesen sein, daß Verständigungsvereinbarungen häufig generell als Billigkeitsmaßnahmen verstanden und die wahre Bedeutung der Konsultationsklausel verkannt wurde. Darauf ist hier aber nicht weiter einzugehen, weil wichtiger die Feststellung ist, daß die Ermächtigungsvort36 Becker, RAO, § 108, Anm. 1; vgl. zur Entstehungsgeschichte auch Cordes, S. 123 und 154/55. 137 Vgl. Rennebaum / Zitzlaff, S. 106/107. 138 RStBI 1923, S. 143. 139 RFH stw 1927 Nr. 470; RFH StW 1929 Nr. 32; RFH Stw 1934 Nr.724. 140 RStBI 1934, S. 401. tu RStBI 1935, S. 901. U2 Vgl. oben 2. Kapitel, F., I., 2.

G. Zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen und RVO-Ermächtigung 199 schriften in §§ 13 und 15 RAO 1931 durch das AO-Änderungsgesetz vom 11. 7. 195314:1 formell aufgehoben worden sind l44 • Die Begründung lautete: "Die Streichung der §§ ... 13, 15 ... trägt den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen Rechnung 145." Damit ist die Richtung für die weitere Untersuchung vorgezeichnet: Aus den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen sind die Konsequenzen zu ziehen146 • Die Streichung des § 15 RAO 1931 sagt zwar direkt noch nichts zu der Frage, ob die Ergänzungsklauseln bzw. die Konsultationsklauseln der DBA als wirksame RVO-Ermächtigung angesehen werden können, macht aber deutlich, daß das GG insoweit strengere Anforderungen stellt. Nach Art. 129 Abs.III GG sind Ermächtigungen zu gesetzvertretenden RVO erloschen. Art. 80 Abs. I S. 2 GG ist die bewußte Antwort des Verfassungsgebers auf den Delegationsmißbrauch der Weimarer Zeit. D. Die Zulässigkeit sog. normativer Verwaltungsabkommen nad! dem Grundgesetz

Für die Frage, ob nach dem GG sog. normative Verwaltungsabkommen zulässig sind, ist von Art. 59 Abs. II, S.l GG auszugehen: "Verträge, welche ... sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes." Nach dem Urteil des BVerfG147 zum deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen vom 10. Ir. 1950 bezieht sich der Inhalt eines Vertrages nur dann auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung, "wenn zur Vollziehung des Vertrages ein Bundesgesetz erforderlich wird, also wenn der Bund durch den Vertrag Verpflichtungen übernimmt, deren Erfüllung allein durch Erlaß eines Bundesgesetzes möglich ist"148. "Aus ... Sinn und Zweck der Vorschrift folgt, daß es sich hier nicht um den Gegensatz Bundesgesetzgebung und Landesgesetzgebung, auch nicht um den Gegensatz Gesetz und Verordnung handelt, sondern um die Zuständigkeitsverteilung zwischen den gesetzgebenden Körperschaften 143 BGBI 1953 I, S. 511. 144 Österreich hat mit § 48 Abs. I Bundesabgabenordnung (vgl. Watzke 1 Pollack / Philipp) noch heute eine mit § 15 RAO 1931 weitgehend übereinstimmende Ermächtigungsnorm. 145 BTDrucks I13926, S. 4. 148 Man kann sich daher nicht nur mit der Feststellung begnügen, wie Teichner, StW 1965, Sp.352, Fußn.35; ders., IStR, S. 110/111 und Schmidt, StWa 1967, S. 71, Fußn.51, daß durch den Wegfall des § 15 eine Lücke entstanden sei. 147 BVerfGE 1, 372 ff. 148 BVerfGE I, 372 (389).

5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

200

und der Bundesregierung149 • Daher bezieht sich ein Vertrag, zu dessen Ausführung eine Verordnung nötig ist, dann auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung, wenn die Verordnung nicht ohne Mitwirkung einer gesetzgebenden Körperschaft ergehen kann1l>o." Ausschlaggebend für die Frage der Zustimmung oder Mitwirkung der Gesetzgebungsorgane ist daher, ob die Exekutive einen völkerrechtlichen Vertrag in eigener Kompetenz erfüllen kann. Daraus ist die Folgerung zu ziehen, daß RVO-Ermächtigungen den Bereich erweitern, in dem die Exekutive völkerrechtliche Verträge abschließen und innerstaatlich in Kraft setzen kann151 • Diese Konsequenz hat das BVerfG im Urteil zum deutsch-französischen Wirtschafts abkommen zu der RVO-Ermächtigung in § 106 des Zollgesetzes vom 20. 3. 1939152 ausdrücklich gezogen153• Die Verfassungspraxis zeigt demgemäß eine Vielzahl zwischenstaatlicher Vereinbarungen, die aufgrund einer RVO-Ermächtigung innerstaatlich vollzogen werden154 • Ihre Inkraftsetzung im förmlichen Zustimmungsverfahren würde das Parlament in der gleichen Weise überlasten, wie wenn für die innerstaatliche Rechtsetzung die Delegationsbefugnis nach Art. 80 GG abgeschafft würde. überwiegend wird diese Verfassungspraxis daher auch in der Literatur gebilligt155, wenngleich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit sog. normativer Verwaltungsabkommen nicht unproblematisch ist.

149 Ebenso die überwiegende Meinung im Schrifttum: Maunz / DiLng / Herzog, Art. 59 Rdnr.17; Menzel, in Bonner Kommentar, Art. 59 Anm.lI, 6 (S.9); Backsmann, DVBI 1956, S.317; Meyer-Lindenberg, S.269; Reichel, S.108 ff.; Weiß, S.134; Rudolt, S.192; a. A. v. Mangoldt / Klein, Art.59, IV, 2 c; kritisch dazu Rudolt, S. 193 f.; Reichel, S. 109 f.

150 161

BVerfGE 1, 372 (390).

Linde, S. 74.

RGBI 1939 I, S. 529 ff. BVerfGE 1, 372 (393). 1M Vgl. die Nachweise bei Härle, JIR, Bd. 12 (1965), S.109 ff., 129 ff.; Reichel, S.127, Fußn.279, 280, S.138, Fußn. 18 - 29; Rudolt, S.197, Fußn. 61 - 63, S.223, Fußn. 161 - 163. Bei den Hinweisen auf das AWG wird allerdings häufig übersehen, daß § 5 AWG sich nur auf Staatsverträge i. S. d. Art. 59 Abs. 11, S. 1 GG bezieht, vgl. Härle, S.110, Fußn. 21; Reichel, S.138, Fußn.23. 155 Zustimmend: Maunz / DiLng / Herzog, Art.59, Rdnr.45; Hamann / Lenz, Art.59, Anm.9; Haas, AöR, Bd.78 (1952/53), S.384; Erler, Grundprobleme, 5.174; Backsmann, DVBI 1956, 5.749; H. W. Bayer, 5.180; Linde, S.74; Boehmer, S.6; Baade, S. 94 f.; Meyer-Lindenberg, S.272; Härle, JIR, Bd.12 (1965), S. 97, 109 ff.; Reichel, S. 123 f., 137; Rudolt. S.195, 223; Kordt, VVDStRL, Bd.12 (1954), S.138; Schneider, ebd., S.141; UZe, ebd., S.142. Gegen die Zulässigkeit: v. Mangoldt / Klein, Art. 59 Anm. IV, 2 c (S. 1139); Weiß, S. 175 f., 179. Einschränkend: Grawert, S. 53 f., 57. . 152

153

G. Zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen und RVO-Ermächtigung 201

m

Die Zustimmung des Bundesrates

Nach dem sachlichen Geltungsbereich der DBA bedürfen die dazu erlassenen Vertragsgesetze der Zustimmung des Bundesrates (Art. 105 Abs. III, 106 Abs. III GG). Ebenso bedürfen dann auch RVO auf Grund dieser Vertragsgesetze der Zustimmung des Bundesrates (Art. 80 Abs. II GG). Wenn ein norminterpretierendes Verwaltungsabkommen zu einem DBA durch RVO innerstaatlich in Kraft gesetzt werden soll, muß demnach der Bundesrat seine Zustimmung erteilen, ist also nach dem Wortlaut des Art. 59 Abs. II S.l GG eine Mitwirkung einer für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaft notwendig. Damit stellt sich zum einen das Problem, daß nach dem Wortlaut des Art. 59 Abs. II S. 1 GG diese Zustimmung "in der Form eines Bundesgesetzes" erfolgen müßte156, zum anderen die Schwierigkeit, daß nach den o. a. Ausführungen des BVerfGI57 der Vertrag sich dann auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen würde. Bliebe man bei diesem Ergebnis steheni58 , wäre das Parlament gezwungen, sich im normalen Gesetzgebungsverfahren mit einem Vertrag zu befassen, der nach seinem Willen der Regelung durch den Verordnungsgeber vorbehalten bleiben sollteull • Die Exekutive wäre auf einem Gebiet, deren Ausübung grundsätzlich ihre Prärogative ist, größeren Beschränkungen unterworfen als bei einer gleichgelagerten innerstaatlichen Materiel80 • Die Lösung ergibt sich daraus, daß durch Art. 59 Abs. II S. 1 GG die Legislative vor Eingriffen in ihren Bereich geschützt werden soll. Liegt eine RVO-Ermächtigung vor, ist ein solcher Eingriff aber schon kraft der Delegation der Rechtsetzungsgewalt nicht mehr möglich. Die Mitwirkung des Bundesrates beim Erlaß von RVO dient primär dem föderativen Prinzip, das lediglich mittelbar gewalthemmende Funktion besitzt161 • Das aus dem Wortlaut des Art. 59 Abs. II S. 1 GG zu folgernde Zum Inhalt eines solchen Gesetzes vgl. Rudolf, 5. 196. BVerfGE 1, 372 (390): "Daher bezieht sich ein Vertrag, zu dessen Ausführung eine Verordnung nötig ist, dann auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung, wenn die Verordnung nicht ohne Mitwirkung einer gesetzgebenden Körperschaft ergehen kann." lli8 50 Backsmann, DVBI 1956, 5. 750. 1116

157

Meyer-Lindenberg, 5.124. Reichel, S. 124; Rudolf, 5.196. 161 Reichel, 5. 125, ähnlich die Argumentation bei Hilrle, JIR, Bd. 12 (1965), 5.110: "Die Zustimmung des Bundesrates ist nicht Mitwirkung an der Gesetzgebung, sondern Mitwirkung an der Verwaltung." Hilrle weist darauf hin (Fußn. 22), das Zustimmungsrecht sei aus Art. 80 Abs. II und nicht aus Art. 59 Abs. II GG abzuleiten. Das ändert aber nichts daran, daß Art. 59 Abs. II 5.1 GG seinem Wortlaut nach gegeben ist, also die Gesetzesform 159

160

einzuhalten wäre.

202

5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Ergebnis entspricht damit weder der ratio legis noch entspricht es praktischen Bedürfnissen. Entgegen dem Wortlaut des Art. 59 Abs. II S.l GG hat daher die Mitwirkung des Bundesrates bei Verträgen, die durch RVO innerstaatlich vollzogen werden können, nicht in der Form eines Bundesgesetzes, sondern durch einfachen Beschluß zu erfolgen1&!. IV. Zustimmung in Form eines Gesetzes

Das BVerfG führt im Urteil zum deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen aus, die Zustimmung oder Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften i. S. d. Art. 59 Abs. II S.l GG sei "nach Wesen und Inhalt ein Regierungsakt in der Form eines Bundesgesetzes ... , der nur unmittelbar durch förmliches Gesetz und nicht durch eine Rechtsverordnung vorgenommen werden kann. Die Zustimmung oder Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes ist ein zwingender und nicht verzichtbarer Sondervorbehalt der Legislative ... Nach Art. 80 GG kann die Bundesregierung nur ermächtigt werden, in der Form von Rechtsverordnungen Recht zu setzen, nicht aber Regierungsakte vorzunehmen, für die das Grundgesetz Gesetzesform vorschreibt .. .1Q." Mit dieser Auslegung des Art. 59 Abs. II S.l GG trat das BVerfG überlegungen im Rechtsausschuß des Bundestages entgegen, das Parlament solle gemäß Art. 80 GG der Bundesregierung eine beschränkte Ermächtigung zur Inkraftsetzung von Handelsabkommen durch Rechtsverordnung erteilenlM • Auf Grund dieser Ausführungen, die in der Literatur weitgehend Zustimmung fanden Hl5 , ist der Vollzug von zwischenstaatlichen Verwaltungsabkommen durch RVO indessen nicht versperrt l66 • Denn sie beziehen sich allein auf die sog. Ermächtigungsfunktion des Vertragsgesetzes, also auf die Ermächtigung der für die Gesetzgebung zuständigen Körperschaften an den Bundespräsidenten, den Vertrag abzuschließen, d. h. in der Praxis, ihn zu ratifizieren1ß7• Diese Ermächtigung 162 Rudolj, S.199; Reiche!, S.125; Meyer-Lindenberg, S.277. Zur Zustimmungsbedürftigkeit derartiger RVO seitens des Bundesrates vgl. auch die Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundesrates zum Nato-Statut (BGBl 1958 II, S. 118), in: ZaöRV, Bd.20 (1959/60), S. 119/120. 163 BVerfGE 1, 372 (395) und Leitsatz 7. 164 BVerfGE 1, 372 (395). Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Durchführung von Wirtschaftsabkommen vom 22. 4. 1953, BTDrucks 1/4289, wurde der Versuch unternommen, den Konsequenzen der Entscheidung des BVerfG zu entgehen. Der Entwurf ist allerdings nicht bis in das Gesetzgebungsverfahren vorgedrungen. Zu entsprechenden historischen Vorgängern dieses Entwurfs in der Weimarer Zeit vgl. KesseZer, S. 59 f. 165 Grewe, VVDStRL, Bd.12 (1954), S.157; Backsmann, DVBI 1956, S.748; Meyer-Lindenberg, S.274; Reiche!, S. 126; Linde, S.77. 166 Rudo!f, S. 200. 167 So deutlich ErZer, Grundprobleme, S. 174: Eine Delegation nach Art. 80 GG "kann der Exekutive aber stets das Recht der innerstaatlichen Legis-

G. Zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen und RVO-Ermächtigung 203 ist nach Wesen und Inhalt ein Regierungsakt, die übertragung dieser Kompetenz könnte nur durch Verfassungsänderung vorgenommen werden. Daraus ist die Folgerung zu ziehen, daß ein genereller Vertragsvollzug nicht zum einzigen Ermächtigungszweck erhoben werden darfl68 • Reine Inkraftsetzungsermächtigungenl69 sind wegen Verstoßes gegen Art. 59 Abs. 11 S. 1 GG nichtig. Linde170 hat nachgewiesen, daß aus diesem Grunde § 26 Abs.II Ziff.4 A WG171 verfassungswidrig ist1 72 • Das Vertragsgesetz hat neben seiner Ermächtigungsfunktion auch Transformations- bzw. Vollzugsfunktion, d. h. durch die in dem Vertragsgesetz liegende Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften wird ein Rechtsanwendungsbefehl im Sinne einer innerstaatlichen Inkraftsetzung erteilt. Im Hinblick auf diesen im Vertragsgesetz liegenden Akt der Gesetzgebung wird zu Recht darauf hingewiesen173 , daß im Falle einer Rechtsverordnungsermächtigung ein Zustimmungsrecht der gesetzgebenden Körperschaften von vornherein nicht gegeben sei, so daß von einer Delegation des Zustimmungsrechts als solchem nicht gesprochen werden könne. Der entscheidende Unterschied einer solchen Rechtsverordnungsermächtigung zu einer "reinen Inkraftsetzungsermächtigung" liegt darin, daß primär Rechtssetzungsbefugnis delegiert wird und lediglich als Folge davon die Zuständigkeit zum selbständigen Vertragsschluß übergeht174 • Mit diesem Ergebnis ist auch die Frage175 beantwortet, ob jede RVOErmächtigung ausreichend ist, um in ihrem Rahmen eine zwischenstaatliche Vereinbarung innerstaatlich in Kraft zu setzen, oder ob nach lative und damit auch des Transformationsaktes nach Art.59 Abs. 2 GG geben, nicht aber das dem Parlament in der gleichen Vorschrift übertragene Recht zur exekutiven Mitwirkung an dem Ratifikationsakt der auswärtigen Gewalt". UI8 Linde, S.78; Reichel, S. 128; Meyer-Lindenberg, S.275. 169 So die Formulierung von Reichel, S. 128, Fußn. 282. 170 Linde, S.81/82. 171 § 26 Abs. II Ziff.4 AWG bestimmt: "Durch Rechtsverordnung kann angeordnet .werden, daß Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr, ... zu melden sind, wenn dies erforderlich ist, um ... 4. Verpflichtungen aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen erfüllen zu können." 17% VgI. zu weiteren verfassungsrechtlich bedenklichen Ermächtigungen: Linde, S.78, Fußn.250; Reichel, S. 129.. 173 Reichel, S. 127; Rudolj, S.198/199; Haas, AöR, Bd.78 (1952/53), S.384/385; Backsmann, DVBI 1956, S.748/749. 174 Reichel, S.128; Meyer-Lindenberg, S.275. Die Kritik von Weiß, S.177, an dieser "Ausgangsüberlegung" überzeugt nicht. Richtig ist zwar, daß die Legislative durch eine RVO-Ermächtigungnicht das eigene Rechtsetzungsrecht verliert. Durch die RVO-Ermächtigung kann aber die Exekutive Gesetze im materiellen Sinne erlassen, und diese Kompetenz zieht die Vertragsabschlußbefugnis nach sich. 175 VgI. Weiß, S.176; Härle, S. 109/110; Reichel, S.123/124.

204

5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers die Ermächtigung speziell zum Zwecke einer derartigen Inkraftsetzung geschaffen sein muß176. Eine RVO-Ermächtigung, die speziell zum innerstaatlichen Vollzug eines völkerrechtlichen Vertrages erlassen ist, rückt in die Nähe des vom BVerfG als unzulässig bezeichneten RVOTyps. Daher ist eine Ermächtigungspraxis vorzuziehen, die der Exekutive den Vertragsvollzug ermöglicht, ohne ihn ausdrücklich zum Ermächtigungszweck zu machenl77 • H. Konsultationsklausel und RVO-ErmäclJ.tigung

Nach der Konsultationsklausel der DBA ist das BFMin ermächtigt, "Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen, in gegenseitigem Einvernehmen" mit der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates durch allgemeine Auslegungsvereinbarungen zu beseitigen. Sie kann als RVO-Ermächtigung gewertet werden, wenn diese Klausel den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 80 Abs. I S. 2 GG entspricht. Darüber hinaus ist aber auch zu fragen, ob überhaupt Konsultations- oder Ergänzungsklauseln etc. in völkerrechtlichen Verträgen, zu denen ein Vertragsgesetz erlassen ist, als Rechtsverordnungsermächtigung gewürdigt werden können oder ob es nicht erforderlich ist, entsprechende Ermächtigungen entweder in das Vertragsgesetz oder sonstige nationale Gesetze aufzunehmen, bei denen das Parlament - anders als bei der Zustimmung oder Ablehnung eines völkerrechtlichen Vertrages - die volle Herrschaft über den Gesetzesinhalt hat. I. Die Bestimmtheitsproblematik

Nach Art. 80 Abs. I S.2 GG "müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden". Zum Maß der Bestimmtheit hat das BVerfG in einer ständig wiederholten Formulierung erklärt, eine RVO-Ermächtigung sei jedenfalls dann nicht hinreichend bestimmt, wenn nicht mehr vorausgesehen werden könne, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werde und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben könnten178. 176 So Maunz / Dürig / Herzog, Art. 59, Anm.45; ähnlich Meyer-Lindenberg, S. 272, der auf die Völkerrechtsnähe der Gesetzesmaterie abstellt. 177 Meyer-Lindenberg, S.275; Reichel, S.123/124; Boehmer, S.6. 178 Vgl. die Rspr. Nachweise bei Wilke in: v. Mangoldt / Klein, Art. 80 Anm. VI 3 b (Fußn. 181). Zur Entwicklung der Rspr. des BVerfG vgL ebd., Anm. VI 2; zur Rspr. des BFH über die angeblich besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts nach elastischen Regelungen vgl. Tipke I Kruse, § 2 Anm.20.

H. Konsultationsklausel und RVO-Ermächtigung

205

Grundsätzlich ist eine Erläuterung gesetzlicher Begriffe durch eine RVO nicht schlechthin unzulässig. Allerdings darf die RVO die Begriffe des Gesetzes weder ausdehnen noch einschränken, sie darf sie nur konkretisieren und verdeutlichen l79 • Daher war die Ermächtigung im Verkehrsfinanzgesetz vom 6.4.1955 (EGBI 1,166), Rechtsverordnungen "über die nähere Bestimmung der im Beförderungssteuergesetz verwendeten Begriffe zu erlassen", nach Inhalt, Zweck und Ausmaß nicht hinreichend bestimmt und deshalb mit Art. 80 Abs. I GG nicht vereinbar180• Andererseits hat BVerfGE 19, 17 ff. die Ermächtigung an die Bundesregierung in § 49 Abs. III des Zollgesetzes vom 20. 3. 1939 (RGBI I, 529) i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes vom 27.7.1957 (BGBI I, 1671) als hinreichend bestimmt angesehen. Darin war angeordnet: "Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung Erläuterungen zur Auslegung und zur Anwendung des Zolltarifs geben181 ." Das BVerfG führt in seiner Entscheidung aus, daß unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Zolltarifrechts die Ermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sei. Die Tendenz und das Programm, das der Verordnungsgeber beim Erlaß der Erläuterungen verfolgen solle, ergäben sich aus Sinn und Zweck des Zolltarifs sowie aus den von der BRD auf dem Gebiet des Zoll- und Zolltarifrechts abgeschlossenen internationalen Verträge und Abkommen. Die Erläuterungen zum Zolltarif sollten eine dem Zweck des Zolltarifgesetzes und dem Sinn der internationalen Verpflichtungen der BRD entsprechende einheitliche Handhabung des Tarifrechts sichernl82 • Gemessen an dieser Entscheidung könnte die Konsultationsklausel der DBA als hinreichend bestimmte RVO-Ermächtigung gewertet werden. Das Urteil ist jedoch zu Recht im Schrifttum auf Kritik gestoßen l82 • Zunächst ist zweifelhaft, ob die Differenzierungen in den Urteilen BVerfGE 18, 52 ff. und BVerfGE 19, 17 ff. berechtigt sind. Gemessen an den Anforderungen des Art. 80 Abs. I S. 2 GG ist zwar noch der Zweck der Konsultationsklausel als Ermächtigungsnorm erkennbar. Der Zweck liegt darin, durch Auslegungsvereinbarungen eine übereinstimmende Anwendung des DBA in beiden Vertragsstaaten herbeizuführen. Aber einmal ist das Ausmaß der Ermächtigung zu unbestimmt. Tipke / Kruse, § 2 Anm. 21. BVerfGE 18, 52 fi. 181 § 49 Abs. III ZollG 1939 entspricht § 78 Abs. II ZollG 1961, vgl. Schwarz / Wockenfoth, § 78, Anm. 10. 182 BVerfGE 19, 17 (30/31). 183 Tipke / Kruse, § 2 Anm. 21: "Es bleibt zu hoffen, daß diese Entscheidung nicht Schule macht." Zustimmend allerdings: Schwarz / Wockenfoth, § 78 Anm. 9, Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 78 ZollG 1961 auch bei J esch, JZ 1963, S. 244, Fußn. 2. 179 180

206

5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Zum anderen ist dem Verordnungsgeber durch das ermächtigende Gesetz der Inhalt der erteilten Ermächtigung nicht vorgeschrieben. Soweit man den Inhalt der Ermächtigung formal darin sehen würde, auf der Grundlage der Konsultationsklausel eine zwischenstaatliche Interpretationsvereinbarung innerstaatlich in Kraft zu setzen, würde es sich um eine durch Art. 59 Abs. II S.l GG verbotene reine Inkraftsetzungsermächtigung handeln. Entscheidend ist aber, daß der eigentliche materielle Inhalt der Ermächtigung nicht durch das ermächtigende Gesetz, sondern durch den Inhalt der zwischenstaatlichen Vereinbarung bestimmt wird. Diese wird von der Regierung ausgehandelt und vereinbart. Die Regierung, also der Ermächtigungsadressat, hätte damit den maßgeblichen Einfluß auf den Inhalt der Regelung, nicht aber das Ermächtigungsorgan. Art. 80 Abs. I GG fordert aber, daß der "Gesetzgeber selbst die Entscheidung (trifft), daß bestimmte Fragen geregelt werden sollen; er muß die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel sie dienen SOll"I84. Die Konsultationsklausel würde eine gesetzlich unbeschränkte Selbstermächtigung zum Erlaß von norminterpretierenden Rechtsvorschriften darstellen. Gerade diese Selbstaufgabe des Gesetzgebers will Art. 80 Abs. I GG verbauen. Im Ergebnis würde auf diesem Wege das jeweilige Fachministerium oder die Regierung bei Vorliegen einer derartigen Klausel eine mit dem deutschen Verfassungsrecht und der Verfassungstradition nicht vereinbare Kompetenz zur allgemein verbindlichen Auslegung völkerrechtlicher Verträge erhalten. An der Unvereinbarkeit der Konsultationsklausel als RVO-Ermächtigung mit Art. 80 Abs. I GG würde sich im Ergebnis nichts ändern, wenn sich das Parlament - ähnlich den Regelungen in § 77 Abs. III, VII ZollG und § 27 Abs. II A WGI85 - mit dem Institut des Aufhebungsverlangens des Bundestages eine nachträgliche Verordnungskontrolle vorbehalten würde. Denn mit einer derartigen nachträglichen Kontrolle des Parlaments kann das verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheitserfordernis aus Art. 80 Abs. I S. 2 GG nicht umgegangen werden.

u. Rechtsverordnungsermächtigungen im Text eines völkerrechtlichen Vertrages Letztlich kann die Bestimmtheitsproblematik aber ofienbleiben, weil die Konsultationsklausel ebenso wie andere in völkerrechtlichen Ver184 BVerfGE 2, 307 (334); 5, 71 (76); 15, 153 (160). 185 Vgl. dazu: Schwarz / Wockenfoth, § 77 Anm.6; Schutz, AWG, § 27 Anm.ll; Langen, AWG, §27 Anm.9f.; Linde, 8.77, Fußn.248 und 8.87; Weiß, 8.221, Fußn.26, 8.176, Fußn.287; Wilke in: v. Mangoldt / Klein, Art. 80 Anm.XII,2.

H. Konsultationsklausel und RVO-Ermächtigung

207

trägen enthaltene Revisions-, Änderungs- oder Ergänzungsklauseln nicht als verfassungsrechtlich zulässige RVO-Ermächtigungen angesehen werden können. Die Auffassung, daß derartige Klauseln in völkerrechtlichen Verträgen eine RVO-Ermächtigung der Exekutive zum zustimmungsfreien Vertragsabschluß oder ein vorweggenommener Rechtsanwendungsbefehl für entsprechende Zusatzvereinbarungen darstellt, ist zwar mehrfach vertreten worden186 • Sie ist aber mit den in Art. 80 GG niedergelegten staatsrechtlichen Erfordernissen nicht vereinbar. Nach Art. 80 Abs. I S.l GG muß in dem Ermächtigungsgesetz der Ermächtigungsadressat bestimmt werden. Es widerspricht dem Wesen eines völkerrechtlichen Vertrages, diese innerstaatliche Zuständigkeitsbestimmung zu treffen. Jedenfalls enthält die Konsultationsklausel der DBA wie auch die meisten entsprechenden Klauseln anderer völkerrechtlicher Verträge187 keine Bestimmung über den Ermächtigungsadressaten. Ferner muß in dem ermächtigenden Gesetz bestimmt sein, daß es sich bei den zu erlassenden Rechtsvorschriften um Rechtsverordnungen handelt1 8S • Eine solche Bestimmung enthalten die entsprechenden Klauseln der völkerrechtlichen Verträge ebenfalls nicht. Das auf die ratio legis des Art. 80 Abs. I GG gestützte und damit durchschlagendste Argument hat Baade formuliert: Was in Art. 80 GG mit Gesetz gemeint sei, müsse nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ein nach eingehender Diskussion und Wägung von den gesetzgebenden Körperschaften unter eigener Sachherrschaft verabschiedetes Gesetz sein. Die in der Geschäftsordnung des Bundestages getroffene Regelung über die Zustimmung zu Staatsverträgenl89 verhindere aber eine Einzelberatung und eine Einschränkung der in den völkerrechtlichen Verträgen enthaltenen Ermächtigung zur Normsetzung durch RVO. Damit wäre die vom GG gewollte Herrschaft des Parlaments über die gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß der RVO ausgeschaltet190• Würde man RVO-Ermächtigungen in völkerrechtlichen Verträgen für zulässig halten, wäre der Umfang der Ermächtigung durch den Ermächtigungsadressaten bestimmt. Gerade das verbietet Art. 80 GG. 186 Backsmann, DVBI 1956, S. 749; Seidt-Hohenvetdern, ICLQ, vol.12 (1963), p.119; Moster, RC 91 (1957 I), p.679; Partseh, S.116; Boehmer, S.94; Botewski, S.179; in diese Richtung auch Satditt, stw 1972, S.24, Fußn.153: " ... kommt der Verständigungsklausel eine Art Rechtsetzungsauftrag zu, ähnlich dem Verhältnis zwischen Gesetz und RVO; vgl. aber Art. 80 GG." 187 Zwar hat in einigen Verträgen die Bundesregierung die Befugnis zur Rechtssetzung durch Verordnung erhalten, das sind aber "gänzlich vertragsfremde Bestimmungen", vgl. Baade, S.94. 18B Maunz / Dürig / Herzog, Art. 80, Anm. 5; Reichet, S. 128. 189 Nach § 81 Abs. UI der Geschäftsordnung des Bundestages sind zu Verträgen mit auswärtigen Staaten i. S. d Art.59 Abs. U GG Änderungsanträge nicht zulässig, vgl. Lechner / Hülshoff, S.186 ff. (224). 190 Baade, S.94/95; ebenso Härte, JIR, Bd. 12 (1965), S. 112; Weiß, S. 180/181.

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5. Kap.: Das Konsultationsverfahren

Die Konsultationsklausel der DBA ist demnach keine Rechtsverordnungsermächtigung zur innerstaatlichen Inkraftsetzung nachträglich vereinbarter Interpretationsabkommen. Um ihrer völkervertraglichen Erfüllungspflicht nachzukommen und den Interpretationsabkommen im innerstaatlichen Bereich eine allgemein verbindliche Wirkung zu verschaffen, muß daher in das Vertragsgesetz eine den Anforderungen des Art. 80 GG entsprechende RVO-Ermächtigung aufgenommen werden. Bei dieser Form der Inkraftsetzung von Auslegungsvereinbarungen ist zugleich auch das Publikationsproblem erledigt. Ebenso können auf diesem Wege auf der Grundlage der Ergänzungsklausel abgeschlossene Zusatzvereinbarungen in den verfassungsrechtlichen Grenzen, die für Ergänzungsrechtsverordnungen bestehen, innerstaatlich in Kraft gesetzt werden. Die bislang vereinbarten allgemeinen Verständigungsvereinbarungen binden als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften weder die Finanzgerichte noch die Steuerpflichtigen, weil die genannten verfassungsrechtlichen Voraussetzungen nicht beachtet worden sind.

Sechstes Kapitel

Die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen Das Konsultationsverfahren dient dazu, Auslegungsschwierigkeiten, die nach Inkrafttreten des im mehrstufigen Vertragsabschlußverfahrens zustandegekommenen DBA aufgetreten sind, durch Interpretationsvereinbarungen zu beseitigen. Unter den sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen werden Interpretationsabkommen verstanden, die im Zusammenhang mit dem Abschluß eines DBA vor der völkerrechtlichen und innerstaatlichen Inkraftsetzung des Vertrages abgeschlossen werden. Derartige vorweggenommene Verständigungsvereinbarungen sind im Zusammenhang mit dem Revisionsprotokoll vom 17. September 1965 zum deutsch-amerikanischen DBA vom 22. Juli 1954 und dem neuen deutsch-schweizerischen DBA vom 11. August 1971 vereinbart worden. Durch das Revisionsprotokoll vom 17. September 1965 wurde eine Reihe grundlegend neuer Begriffe in das deutsch-amerikanische DBA eingeführt, z. B. der Begriff der "Reinvestition", die im Revisionsprotokoll nur unzulänglich oder überhaupt nicht definiert wurden. Auslegungsschwierigkeiten sollten durch ein sog. "Memorandum of Understanding"l behoben werden. Das Verständigungsmemorandum wurde am 19. Oktober 1965! "auf der Ebene der Verhandlungsgelegationen" unterzeichneP, nachdem bereits vorher am 17. September 1965 das Revisionsprotokoll für die USA von deren Botschafter in Bonn und für die BRD durch je einen Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und des FM unterschrieben worden war. Das Zustimmungsgesetz zum Revisionsprotokoll wurde am 20. 12. 19654, die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Revisionsprotokolls am 8. 2. 19665 im BGBI verkündet. In Art.! des Vertragsgesetzes wird nur das Revisionsprotokoll, nicht aber auch das Verständigungsmemorandum erwähnt, das demgemäß 1

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3 4

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Vgl. dazu McNair, p.15. Schubert, S. 61. Debatin, A WD 1966, S. 413. BGBl 1965 II, S. 1609. BGBI 1966 II, S. 92.

14 Mülha1Ulea

210 6. Kap.: Die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen auch nicht im BGBI veröffentlicht wurde. Man begnügte sich damit, den Inhalt des Memorandums in die Denkschrift zum Vertragsgesetz6 einzuarbeiten. Mit dieser Gesetzesredaktion sind die einseitige amtliche Begründung und die völkerrechtlich bindende Auslegungsvereinbarung in nicht trennbarer Weise vermischt worden. Wer den genauen Inhalt des Verständigungsprotokolls erfahren will, ist auf private Veröffentlichungen angewiesen7 • BeckerS wertet das Verständigungsmemorandum als eine schriftliche Festlegung der überlegungen, von denen die Verhandlungsdelegationen bei den Begriffsbestimmungen des DBA ausgegangen sind. Weil es vom Vertragsgesetz nicht umfaßt und nicht im BGBI veröffentlicht ist, könne es nicht mit den bei DBA üblichen Schlußprotokollen verglichen werden, die verbindlichen Charakter hätten. Als völlig unverbindlich könne man das Verständigungsmemorandum allerdings auch nicht ansehen, da es zumindest eine völkerrechtliche Bindungswirkung zwischen den Vertragsstaaten erzeuge. In seiner Wirkung stehe das Memorandum zwischen einem Schlußprotokoll und einer Verständigungsvereinbarung. Der Steuerpflichtige könne aus ihm nicht wie aus dem Schlußprotokoll Rechte ableiten. Die Finanzverwaltung werde aber durch das Protokoll gebunden, wodurch gleichzeitig eine Drittwirkung zugunsten des Steuerpflichtigen entstehe. Diesem sei es aber nicht versagt, durch ein Gericht nachprüfen zu lassen, ob die Regelung im Verständigungsprotokoll durch das Abkommen selbst gedeckt sei. Nach Meilicke9 ist das Verständigungsmemorandum zwar völkerrechtlich wirksam, innerstaatlich aber rechtsungültilt. Es enthalte ebenso wie das Revisionsprotokoll materielles Steuerrecht. Da Rechte und Pflichten des Bürgers betroffen seien, hätte es nicht als Verwaltungsabkommen abgeschlossen werden dürfen. Das Memorandum enthalte nicht eine einzige Bestimmung, die nicht ebenso gut in das Revisionsprotokoll hätte aufgenommen werden können. Es liege eine verfassungsrechtlich unzulässige Teilvorlage an die Legislative vor. Nach Schubert111 schafft das Verständigungsmemorandum kein neues oder zusätzliches Recht. Es erlaube nur zu erkennen, welche Vorstellungen die Verhandlungsdelegationen hatten. Debatin11 ist diesen Beurteilungen entgegengetreten. Das Verständigungsmemorandum leiste "gewissermaßen eine Rechtsklärung im vorBTDrucks V/59, S.16 ff. Vgl. Schubert, S. 201 f.; Debatin/Walter: C 1.6; Becker, AWD 1966, S.230; BdF, Internationale Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Vereinigte Staaten von Amerika, V. 8 Becker, AWD 1966, S. 229. 9 Meilicke, AWD 1966, S.232. 111 S.62. 11 AWD 1966, S. 413 f. 6

7

6. Kap.: Die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen 211 weg". Es erlange Bedeutung, wenn es im Rahmen der Vertragsauslegung darauf ankomme, den Willen der Vertragspartner zu erforschen. Das Memorandum sei mit der Verständigung aufgrund des Art. XVII DBA USA aufs engste verwandt, wenn auch nicht identisch. Anders als eine auf Grund dieser Bestimmung getroffene Verständigungsvereinbarung beanspruche es aber keine unmittelbare verbindliche Wirkung12• Sein Ziel und Zweck erschöpfe sich darin, Auslegungsauffassungen der Verhandlungsdelegationen festzuhalten. Die Rechtsetzung beschränke sich auf das im innerstaatlichen Recht transformierte Revisionsprotokoll. Nur an dieses seien die Gerichte gebunden13• Der Abschluß der sog. vorweggenommenen Verständigungslösungen zum DBA Schweiz 1971 und ihre parlamentarische Behandlung sind bereits dargestellt worden14 • Widmer sieht in den Verhandlungsprototokollen "vorausgenommene Verständigungslösungen", die nicht einen Bestandteil des Abkommens bilden15• Salditt16 versteht sie als authentische Interpretationen und weist gleichzeitig auf die entscheidende Problematik hin, welche Bedeutung diese Verhandlungsprotokolle im innerstaatlichen Bereich haben17• In der deutschen Denkschrift zum DBA Schweiz 1971 werden die Verhandlungsprotokolle vom 18. Juni 1971 und 29. September 1971 als "wesentliche Verhandlungsmaterialien" bezeichnet. Führen zwischenstaatliche Verhandlungen zum Abschluß eines schriftlichen Vertrages, so besteht die völkerrechtliche Bedeutung von Verhandlungsmaterialien darin, daß sie bei der Vertragsauslegung in Zweifelsfällen zur Klärung des Parteiwillens herangezogen werden können. Sie fallen dann unter die Kategorie der sog. "Vorarbeiten" (travaux preparatoires, preparatory work), die überwiegend in der Völkerrechtsdogmatik als subsidiäre Auslegungsquelle anerkannt sind18 • In der Rechtsprechung völkerrechtlicher Gerichte hat grundsätzlich der Vertrauenstext bei klarem Wortlaut Vorrang vor den travaux preparatoires19 • Wirft der Text Auslegungsfragen auf, gilt für die Berücksichtigung der Vorarbeiten: AWD 1966, S.414. AWD 1966, S. 416. 14 Vgl. oben 1. Kapitel. 15 WidmeT, StW 1972, S. 1. 16 StW 1972, S. 23 f. 17 Eine Frage, zu der Debatin, DStZ (A) 1971, S. 398 f., nicht Stellung nimmt. 18 v. Schenck, WBV III, S.508; vgl. weiter Oppenheim / Lauterpacht I, § 55 a f. (p. 957 f.); McNaiT, p.293; Rousseau, p.293; insb. BemhaTdt, Auslegung, S. 60 f., 109 f.; Rest, S. 54 f.; Hilf, S. 155 f. jeweils m. w. N. 19 BeTnhaTdt, Auslegung, S. 60 m. w. N. 12

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14*

212 6. Kap.: Die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen "Where the context does not suffice to show the precise sense in which the Parties to the dispute have employed these words in their Special Agreement, the Court, in accordance with its practice, has to consult the documents preparatory to the Special Agreement, in order to satisfy itself as to the true intention of the Partiesto ." Das ändert aber nichts an dem Grundsatz, daß ein verständlicher Wortlaut den Rückgriff auf die Vorarbeiten ausschließt21 : "Since the Court is of opinion that Article 3 is in itself sufficiently clear to enable the nature of the 'decision to be reached' by the Council under the terms of that article to be determined, the question does not arise whether consideration of the work done in preparation of the Treaty of Lausanne (les travaux preparatoires) would also lead to the conclusions set out above2 2." Wenn demnach den travaux preparatoires bei klarem Vertragstext auch keine Entscheidungserheblichkeit beigemessen wird, so werden sie in der Rechtsprechung internationaler Gerichte doch häufig mit der Begründung beigezogen, daß sie das aus dem Text gewonnene Ergebnis bestätigen oder ihm doch jedenfalls nicht widersprechen23 • Von der Anfertigung derartiger Verhandlungsniederschriften ist zu unterscheiden die in der völkerrechtlichen Vertragspraxis und auch gerade beim Abschluß von DBA übliche "Methode, Nebenabreden, Ausführungsbestimmungen oder erläuternde Klarstellungen zu völkerrechtlichen Verträgen unter der Bezeichnung Protokoll (protocole, protocol) in besonderen Urkunden niederzulegen. Solche Zusatzprotokolle (protocoles additionnels), die mitunter auch die Bezeichnung Schlußprotokoll (protocole de c18ture) tragen, haben mit einer Verhandlungsniederschrift im technischen Sinne meist nichts mehr zu tun; sie sollen vielmehr entweder den Hauptvertrag von Details entlasten oder besondere, mit ihm in mehr oder weniger nahem Zusammenhang stehende Fragen regeln24 ." Legt man diese Differenzierung zugrunde, so haben die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen nicht nur die Bedeu20 peIJ, Series AlB, No. 62, p.13 (Französisch-griechischer Leuchtturmstreit). l!1 Bernhardt, Auslegung, S. 61. 22 peIJ, Series B, No. 12, p.22 (Türkisch-irakischer Grenzstreit); ebenso: peIJ, Series B, No. 2, p.41 (Zuständigkeit der ILO zur Regelung der Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft); peIJ, Series A, No. 10, p.16 (LotusFall); peIJ, Series B, No. 14, p.28, 31, 35 (Zuständigkeit der Europäischen Donaukommission); peIJ, Series AlB, No. 47, p.249 (Auslegung des Memelstatutes); PCIJ, Series AlB, No. 50, p.378 (Auslegung des Abkommens: Nachtarbeit von Frauen); IeJ, Reports 1948, p.63, 1950, p.8, 1952, p.45, 1960, p.159. 23 Bernhardt, Auslegung, S.62; vgl. auch Rest, S.85 mit Hinweis darauf, daß bei der Interpretation sog. rechtsetzender Verträge, zu denen auch die DBA zählen, den travaux pr~paratoires geringere Bedeutung zukommt. 24 v. Schenck, WBV IU, S.508.

6. Kap.: Die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen 213 tung von Vorarbeiten, sondern - von ihrer Funktion her - die Bedeutung eines Zusatzprotokolls. Das wird bestätigt durch die Auslegungsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention25 • Darin wird unterschieden zwischen einem "agreement relating to the treaty which was made between all the parties in connexion with the conc1usion of the treaty" (Art. 31 Ziff. 2 a) und den "preparatory work of the treaty", die lediglich zu den "Supplementary means of interpretation" zählen (Art. 32). Völkerrechtlich sind die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen als Zusatzabkommen zu dem jeweiligen DBA bzw. Revisionsabkommen damit für die Auslegung verbindlich. Damit ist über die innerstaatliche Verbindlichkeit für ein deutsches Gericht noch nicht entschieden. Staatsrechtlich bedarf der gesamte26 völkerrechtliche Vertrag der parlamentarischen Zustimmung. Für die Vertragsgesetze gelten uneingeschränkt die Art. 76 ff. GG%1. Verfassungsrechtlich ist daher auch erforderlich, daß nach Art. 82 Abs. I GG der gesamte Vertrag im BGBl veröffentlicht wird. Soweit vorweggenommene Verständigungsvereinbarungen demnach weder im Vertragsgesetz aufgeführt noch im BGBl veröffentlicht sind, haben sie keine Rechtsnorrnqualität. Der nationale Richter ist an ihren Inhalt nicht gebunden28 • Soweit sie in die amtlichen Gesetzesbegründungen eingearbeitet sind, haben sie für die Auslegung der DBA den gleichen Stellenwert, der auch sonst den allgemein zugänglichen Materialien im Rahmen der historischen Auslegung zukommt29 •

Vgl. Anhang V. Weiß, S.137, Fußn.108; ReicheI, S.112 f.; Boehmer, S.4. 27 Maunz / Dürig / Herzog, Art. 59, Rdnr.21. 28 In übereinstimmung hiermit vertritt Hilf, S. 155/156 die Auffassung, daß nicht veröffentlichte travaux preparatoires vom nationalen Richter nicht zum Maßstab der Auslegung gemacht werden könnten, da der Rechtsanwendungsbefehl auf den deutschen Vertragstext begrenzt sei. Neue Wege beschreitet allerdings BVerfGE 29, 348 (371, vgl. auch S.358) zur Auslegung des Gesetzes Nr.63 der Alliierten Hohen Kommission vom 31. August 1951. Zur Gesetzesauslegung werden bislang geheimgehaltene Materialien herangezogen. Das BVerfG hatte die Drei Siegermächte ersucht, ihre Zustimmung zur Freigabe der Gesetzesmaterialien zu erteilen. Es veranlaßte, daß vom Auswärtigen Amt gefertigte Übersetzungen den Beteiligten zugestellt wurden und veröffentlichte die zur Verfügung gestellten Dokumente als Anlage zu seinem Beschluß. Vgl. die Kritik an diesem Interpretationsweg durch 'V. Mangoldt, DÖV 1971, S. 829 ff. 29 VgI. dazu Tipke / Kruse, § 1 StAnpG, Rdnr.11 m. w. N. !lI 28

Siebentes Kapitel

Zusammenfassung A. Die Bestimmungen über das Verständigungsverfahren in den deutschen DBA können nicht als Regelung eines einheitlichen Rechtsinstitutes verstanden werden. Sie haben verschiedenartige Funktionen und es muß zwischen mehreren Verfahrensarten unterschieden werden. I. Die Funktionen der Bestimmungen über das Verständigungsverfahren. 1. Die Konsultationsklauseln der DBAl haben die Funktion, die einheitliche Anwendung des DBA in den beiden Vertragsstaaten zu gewährleisten. Sie sind für das zwischenstaatliche Rechtsverhältnis der Vertragsstaaten Grundlage a) korrektiver Maßnahmen zur einheitlichen Anwendung des DBA: die Vorschriften der DBA werden durch voneinander unabhängigen Rechtsanwendungsorganen der Vertragsstaaten der Besteuerung zugrundegelegt. Daraus können sich Subsumtions- und Auslegungskonflikte ergeben. Diese divergierende Anwendung der DBA-Bestimmungen führt dazu, daß im Einzelfall eine Doppelbesteuerung trotz Abschluß des DBA fortbesteht. Sie kann durch korrektive Maßnahmen der Vertragsstaaten beseitigt werden. b) präventiver Maßnahmen zur einheitlichen Anwendung des DBA: unterschiedliche Auffassungen der Vertragsstaaten über die Auslegung eines Abkommensbegriffes können durch nachträgliche Interpretationsabkommen behoben werden. Sie sind ebenso wie die bei Vertragsabschluß vereinbarten Legaldefinitionen präventive Maßnahmen zum Zwecke einer einheitlichen Abkommensanwendung. Die Konsultationsklauseln der DBA haben demnach eine Doppelfunktion. 2. Die Ergänzungsklauseln der DBA2 haben die Funktion, für die im Abkommen nicht ausdrücklich geregelten Fälle allgemeine Ergänzungs1 2

Zusammenstellung im Anhang I, Zusammenstellung im Anhang I,

Cl. c2.

7. Kap.: Zusammenfassung

215

vereinbarungen im Rahmen der in dem DBA enthaltenen Grundsätze zu treffen. 3. Die Billigkeitsklauseln der DBA3 haben die Funktion, eine bei rechtsfehlerfreier Anwendung des DBA dennoch eingetretene Doppelbesteuerung durch Billigkeitsmaßnahmen der Vertragsstaaten zu beseitigen.

11. Die Konsultationsklausel der DBA gehört zu den völkerrechtlichen Mitteln zur friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten. Es wird unterschieden zwischen den diplomatischen Streiterledigungsmitteln und der internationalen (Schieds-) Gerichtsbarkeit. In Rechtsfragen, das sind Fragen der Auslegung und Anwendung internationaler Vereinbarungen, ist die internationale (Schieds-) Gerichtsbarkeit das adäquate Streiterledigungsmittel. Die Konsultationsklausel ist dem diplomatischen Streiterledigungsmittel der Verhandlung zuzuordnen. Sie ist ebenso wie die Ergänzungsklausel der DBA ein pactum de negotiando. 111. Die überprüfung der historischen Entwicklung der Bestimmungen über das Verständigungsverfahren in den DBA zeigt: 1. Die Aufnahme der Konsultationsklausel in die deutschen DBA erfolgte im Zuge der Ausweitung des Gedankens der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nach dem 1. Weltkrieg. Es war erklärte Absicht der deutschen Reichsregierung, zumindest die Aufnahme von Schiedsklauseln in die abzuschließenden einzelnen Staatsverträge anzustreben. Diese Absicht konnte beim Zustandekommen der vom Deutschen Reich abgeschlossenen Wirtschafts- und Handelsabkommen nur teilweise verwirklicht werden. Bei Abschluß der DBA waren die Vertragsstaaten lediglich bereit, das auf der Skala der friedlichen Streiterledigungsmittel auf der untersten Stufe stehende, weil die Souveränität der Vertragsstaaten am wenigsten einschränkende Mittel, nämlich das diplomatische Streiterledigungsmittel der Verhandlung, in die Verträge aufzunehmen.

2. Die Billigkeitsklauseln in den vom Deutschen Reich abgeschlossenen DBA, die den Steuerpflichtigen eine Einspruchsbefugnis einräumte, wenn die Besteuerungsmaßnahmen für ihn die Wirkung einer Doppelbesteuerung gehabt hatten, gehen zurück auf den sog. Romvertrag. Sie lösten die bis dahin üblichen Härteklauseln ab, die noch keine Einspruchsbefugnis für die Steuerpflichtigen vorsahen. 3 Art. 15, 17 DBA Italien, Art. 13, 15 DBA Finnland sowie die Ergänzungsklauseln in den DBA der kontinental-europäischen Abkommensgruppe, nach denen auch eine Beseitigung von Härten möglich ist (vgl. 2. Kapitel, F., 1., 3.). Zu den Härte- und Billigkeitsklauseln in den älteren DBA vgl. 2. Kapitel, F., I., 2.

216

7. Kap.: Zusammenfassung

Die Beschwerdeklauseln des sog. Romvertrages wiederum hatten Vorläufer in den deutschen Zolltarifabkommen. Darin hatten die Vertragsstaaten vorgesehen, für den auf die Beschwerde des Abgabenpflichtigen hin in Frage stehenden Fall die richtige Auslegung und Anwendung der vertraglichen Bestimmungen auf Grund der in dem Abkommen enthaltenen Schiedsklauseln herbeizuführen. 3. In den von der BRD abgeschlossenen DBA sind Klauseln, nach denen auf den Einspruch des Steuerpflichtigen hin ein Billigkeitsverfahren durchgeführt werden soll, nicht mehr enthalten. Nur die Ergänzungsklauseln der kontinental-europäischen Abkommensgruppe sehen vor eine "Beseitigung von Härten auf Grund einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in diesem Abkommen nicht geregelt sind". IV. Die Vorschriften in den von der BRD abgeschlossenen DBA, nach denen den Steuerpflichtigen eine Einwendungsbefugnis eingeräumt ist, haben zum Gegenstand die Korrektur von Verstößen gegen die DBAVertragsbestimmungen. Sie entsprechen damit in ihrer Funktion der Konsultationsklausel, soweit diese Grundlage korrektiver Maßnahmen ist. V. Die verschiedenen Verfahrensarten 1. Das Verständigungsverfahren im engeren Sinne hat zum Ziel, die im Einzelfall bei der Auslegung und Anwendung des DBA sich ergebenden Schwierigkeiten und Zweifel, die für die Steuerpflichtigen trotz Abschluß eines DBA zu einer Doppelbesteuerung führen können, durch korrektive Maßnahmen der Vertragsstaaten zu beseitigen. Die Vorschriften über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen in den Nachkriegsabkommen beziehen sich auf die innerstaatliche Seite, die Konsultationsklausel auf die zwischenstaatliche Seite dieses Verfahrens.

2. Das Verständigungsverfahren im engeren Sinne als Billigkeitsverfahren durchzuführen kommt in Betracht, wenn die Frage nach einer rechtsfehlerfreien Anwendung des DBA geklärt ist, der Steuerpflichtige aber dennoch durch eine Doppelbesteuerung unbillig belastet ist. 3. Das Konsultationsverfahren hat zum Ziel, die Klärung von über den Einzelfall hinausgehenden Fragen herbeizuführen, sei es, daß auf der Grundlage der Konsultationsklausel nachträgliche Interpretationsvereinbarungen, sei es, daß auf der Grundlage der Ergänzungsklausel nachträgliche Ergänzungsvereinbarungen geschlossen werden. 4. Das sog. vorweggenommene Verständigungsverfahren hat zum Ziel den Abschluß von Interpretations- und Ergänzungsvereinbarungen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß des jeweiligen DBA.

7. Kap.: Zusammenfassung

217

B. AufgabensteIlung im Verständigungsverfahren i. e. S. ist es, die einheitliche Auslegung und Anwendung des DBA in den Vertragsstaaten durch korrektive Maßnahmen sicherzustellen. I. Auch soweit die self-executing Vertragsbestimmungen der DBA durch nationale Instanzen angewendet werden, sind bei der Auslegung völkerrechtliche Grundsätze zu beachten. Das ist unabhängig davon, ob man die übernahme des Völkerrechts in das innerstaatliche Recht i. S. d. Transformations- oder Vollzugslehre versteht. Die sog. lex fori Klausel der DBA, nach der eine bestimmte Stufenfolge der Auslegung zu beachten ist, gebietet bei Zugrundelegung der Transformationslehre als transformiertes Recht, das DBA völkerrechtskonform auszulegen.

11. Für die Durchführung des Verständigungsverfahrens i. e. S. auf zwischenstaatlicher Ebene ist Rechtsgrundlage die Konsultationsklausel. Als pactum de negotiando gehört sie zu den non-self-executing Vertragsbestimmungen des DBA. Eine gegen die Vorschriften des DBA verstoßende Besteuerung ist ein völkerrechtliches Delikt. Daraus ergibt sich als Rechtsfolge kraft Völkerrechts grundsätzlich die Restitutionspflicht des betr. Staates. Das Verständigungsverfahren i. e. S. ist das Verfahren zur Feststellung dieses Tatbestandes. Ein - bislang nicht praktiziertes - internationales Gerichtsverfahren ist für die Beitrittsstaaten zur Europäischen Konvention über die friedliche Beilegung von Streitigkeiten eröffnet. Ansätze für eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Steuersachen enthalten die in einigen DBA enthaltenen Klauseln über gemischte Kommissionen. IH. Der Steuerpflichtige hat bei der zwischenstaatlichen Durchführung des Verständigungsverfahrens i. e. S. keine Parteifähigkeit, weil die Einzelperson grundsätzlich nicht Völkerrechtssubjekt ist. Bei einer abkommenswidrigen Besteuerung ist aber das Recht der BRD auf eine völkerrechtsgemäße Behandlung ihrer Steuerinländer verletzt, das sie durch Ausübung der diplomatischen Protektion geltend macht. Die Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. ist für den Bereich der DBA das völkervertraglich vorgeschriebene Mittel der diplomatischen Protektion. IV. Durch die in den Bestimmungen über das Verständigungsverfahren enthaltene Vorschrift, daß dieses Verfahren unbeschadet der nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe durchgeführt werden kann, ist seine Einleitung von der "rule of the exhaustion of local remedies" freigestellt.

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7. Kap.: Zusammenfassung

Die Zuständigkeit der Vertreter der FinMin erstreckt sich in sachlicher Hinsicht auf sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus der Auslegung und Anwendung des DBA, in persönlicher Hinsicht auf sämtliche Steuerinländer. Das anzuwendende Recht ist durch die sog. lex fori Klausel festgelegt. V. Ist über eine Frage der Auslegung oder Anwendung des DBA Klage zum FG erhoben bzw. durch das nationale Gericht rechtskräftig entschieden, so steht der Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. weder der Einwand der Rechtshängigkeit noch der der res iudicata entgegen. Die infolge der abkommenswidrigen Besteuerung begründete völkerrechtliche Haftung wird Verfahrensgegenstand dadurch, daß der Wohnsitzstaat die völkervertragswidrige Besteuerung seiner Steuerinländer aufgreift und gegenüber dem anderen DBAStaat als Verletzung seines Anspruches auf vertragsgemäße Besteuerung seiner Schutzberechtigten geltend macht. Damit ist ein Parteiwechsel eingetreten und hat sich der Streitgegenstand geändert. VI. Völkerrechtlich ist die im Verständigungsverfahren i. e. S. erzielte streiterledigende Einzelfallentscheidung ein Vertrag. Innerstaatlich läßt die Entscheidung ein rechtskräftiges nationales Urteil unberührt. Da eine Restitutionspflicht ausgeschlossen ist, muß der betreffende Steuerpflichtige in Geld entschädigt werden. Liegt nur ein bestandskräftiger Steuerbescheid vor, ist Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Bestandskraft die bei völkerrechtswidrigen, nationalen Hoheitsakten grundsätzlich gegebene Restitutionspflicht. VII. Die Ausübung der diplomatischen Protektion zählt nach deutschem Recht nicht zu den justizfreien Hoheitsakten. Grundsätzlich hat der Bürger insoweit nur einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung. Die Vorschriften über die Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen in den von der BRD abgeschlossenen DBA sind jedoch in dem Sinne self-executing Völkervertragsregelungen, daß sie für die Steuerinländer ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. begründen. Nur ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung besteht allerdings für die beiden Vorkriegsabkommen. Das gleiche gilt für die kontinental-europäische und anglo-amerikanische Abkommensgruppe, soweit es um Verstöße gegen die Gewinnkorrekturklausel geht, weil der Begriff der internationalen Doppelbesteuerung in den deutschen DBA das Erfordernis der Subjektidentität einschließt.

7. Kap.: Zusammenfassung

219

c. Ein Verständigungsverfahren i. e. S. als Billigkeitsverfahren kann durchgeführt werden, wenn die Vertreter der FinMin über die streitige Auslegungs- oder Anwendungsfrage keine Einigung erzielen können. Ferner, wenn Doppelbesteuerungsfälle vorliegen, die im Abkommen nicht behandelt sind. Jeweils soll dann eine für die Steuerpflichtigen tragbare Gesamtbelastung erreicht werden. 1. Es handelt sich dann nicht um einen Sonderfall der Entscheidung "ex aequo et bono" i. S. d. Art. 38 Abs. I! des Statutes des IGH. In der Völkerrechtsdogmatik wird zwischen drei Stufen einer Billigkeitsentscheidung differenziert: der Entscheidung intra legern, praeter legern und contra legern. Wenn in den DBA der Begriff der Billigkeit als Entscheidungsgrundlage genannt wird, so ist damit die zweite Stufe der Billigkeitsentscheidung gemeint. Als allgemeiner Grundsatz des Rechts hat dieser Begriff der Billigkeit im Völkerrecht wie im deutschen Recht denselben Begriffsinhalt. 11. Völkerrechtlich ist die Billigkeitsentscheidung ein im einstufigen Vertragsabschlußverfahren zustandegekommener Vertrag. Für den innerstaatlichen Vollzug einer Billigkeitsentscheidung ist Rechtsgrundlage § 131 Abs. I AO. Im Rahmen des § 131 Abs. I AO können völkerrechtliche Billigkeitsvereinbarungen auch dann getroffen werden, wenn das betreffende DBA keine Billigkeitsklausel enthält. II!. Der Steuerpflichtige hat im Hinblick auf die Einleitung des Verständigungsverfahrens i. e. S. als Billigkeitsverfahren ein subjektivöffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung.

D. Die im Konsultationsverfahren zustandegekommenen Auslegungsvereinbarungen (accords interpretatifs) gehören nicht zu den Rechtsquellen des nationalen Steuerrechts. 1. Die rechtliche Verbindlichkeit dieser Interpretationsabkommen für die nationalen Rechtsanwendungsorgane läßt sich nicht aus dem Grundsatz herleiten, daß Verwaltungsvorschriften über das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit eine gesetzesähnliche, selbstbindende Bedeutung zukommt. Eine derartige Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften besteht nur bei ermessensbindenden, nicht bei norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften. 11. Auch aus der im Bereich der Auswärtigen Gewalt gegebenen Prärogative der Regierung gegenüber dem Parlament kann für das

220

7. Kap.: Zusammenfassung

deutsche Recht nicht die Folgerung gezogen werden, daß die Regierung kompetent ist, innerstaatlich anwendbares Völkervertragsrecht mit allgemein verbindlicher Wirkung auszulegen. III. Ebensowenig kann die Rechtsverbindlichkeit norminterpretierender Verständigungsvereinbarungen aus dem Begriff der authentischen Interpretation hergeleitet werden. IV. Allgemeine Verständigungsvereinbarungen werden nicht in der Form von Staatsverträgen, sondern in der zwischenstaatlicher Verwaltungsabkommen geschlossen. Für den Begriff "Verwaltungsabkommen" fehlt eine zureichende Definition. Mit den im Völkerrecht genannten Kriterien wird auf staatsrechtliche Erfordernisse verwiesen. Die im Staatsrecht unternommenen Definitionsversuche führen auf das bislang nicht gelöste Problem des materiellen Gesetzesbegriffes. Vor dem Hintergrund der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung der Verwaltungsabkommen zeigen sie, daß die Abgrenzung der Staatsverträge zu den zwischenstaatlichen Verwaltungs abkommen der Trennung von materiellem Gesetz und Verwaltungsvorschrift entspricht. Norminterpretierende Verständigungsvereinbarungen haben als zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen ebenso wie norminterpretierende Verwaltungsvorschriften nur im verwaltungsinternen Bereich Verbindlichkeit. V. Normative Verwaltungs abkommen sind zwischenstaatliche Vereinbarungen, die die Verpflichtung zur Rechtsetzung enthalten, ohne den Sachbereich des Rechtsverordnungsrechts zu überschreiten. Sowohl zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung als auch unter der Geltung des GG konnte bzw. kann der Erlaß des Vertragsgesetzes entfallen, wenn die Exekutive auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung in der Lage war bzw. ist, das zur Erfüllung des Vertrages notwendige Recht im Verordnungswege zu erlassen. VI. Die Ermächtigungsnormen der Weimarer Zeit, wie sie insbesondere § 7 RAO 1919 und deren Nachfolgebestimmungen darstellten, sind mit den durch das GG gebotenen rechtsstaatlichen Anforderungen nicht vereinbar. Sie beruhen auf der damaligen Verfassungsdogmatik, nach der sowohl gesetzvertretende Rechtsverordnungen als auch eine weitgehende Delegation von Rechtsetzungsgewalt als zulässig angesehen wurden. Auf der Grundlage des § 7 RAO 1919 bzw. dessen Nachfolgebestimmungen schloß die Exekutive ohne parlamentarische Zustimmung zwischenstaatliche Steuervereinbarungen ab. Für allgemeine Verständigungsvereinbarungen konnten damit keine strengeren Anforderungen gelten.

7. Kap.: Zusammenfassung

221

VII. Diese Ermächtigungsnormen der RAD sind vom nachkonstitutionellen Gesetzgeber aufgehoben worden, um den durch das GG veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Zieht man aus den Gründen, die zur formellen Aufhebung dieser Ermächtigungsnormen führen mußten, die Konsequenzen für die allgemeinen Verständigungsvereinbarungen, so ergibt sich, daß die Konsultationsklausel der DBA keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 80 Abs. I S.2 GG entsprechende Rechtsverordnungsermächtigung darstellt. Sie wäre eine gesetzlich unbeschränkte Selbstermächtigung zum Erlaß norminterpretierender Rechtsvorschriften. Generell können wegen der in Art. 80 GG enthaltenen staatsrechtlichen Erfordernisse die im Text eines völkerrechtlichen Vertrages enthaltenen Konsultations- und Ergänzungsklauseln nicht als verfassungsrechtlich zulässige Rechtsverordnungsermächtigung angesehen werden. Es muß jeweils in das Vertragsgesetz eine Art. 80 GG genügende Ermächtigungsvorschrift aufgenommen werden.

E. Die sog. vorweggenommenen Verständigungsvereinbarungen haben nicht nur die Bedeutung sog. "Vorarbeiten" (travaux preparatoires, preparatory works), sondern von ihrer Funktion her die Bedeutung eines Zusatzprotokolls (protocoles additioneIs). Daraus folgt ihre völkerrechtliche Verbindlichkeit. Innerstaatlich haben sie keine Rechtsnormqualität, soweit sie nicht im Vertragsgesetz aufgeführt und im BGBI veröffentlicht sind. Wenn sie in die amtlichen Denkschriften zu den DBA eingearbeitet wurden, haben sie für die Auslegung den gleichen Stellenwert, der den Materialien im Rahmen der historischen Auslegung zukommt.

Anhang I übersicht über die zur Zeit (Stand November 1973) in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen DBA. In der übersicht sind aufgeführt unter: a) das Datum des Vertragsabschlusses, b) die Vertragsbestimmungen über die Einspruchs- bzw. Einwendungsbefugnis der Steuerpflichtigen, Cl) die Vertragsbestimmungen über die Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens, c2) die Vertragsbestimmungen über die Beseitigung von Doppelbesteuerungen in Fällen, die im Abkommen nicht behandelt sind, d) die Vertragsbestimmungen über den unmittelbaren Verkehr der Finanzministerien, e) die sog. lex fori Klausel, f) die deutschen Denkschriften zu den DBA in den RTDrucks bzw. BTDrucks.

223

Anhang I DBA Italien Finnland USA RevProt England RevProt Österreich Kanada Pakistan RevProt ErgAbk Luxemburg Norwegen Indien Schweden Niederlande Frankreich RevProt Ägypten Dänemark Ceylon Israel Irland Griechenland Japan Argentinien Spanien Belgien Thailand Iran Liberia Island Schweiz Singapur Marokko1 Australien1 Südafrika1 1

a 31.10.1925 25. 9.1935 22. 7.1954 17. 9.1965 .18. 8.1954 26.11.1964 23. 3.1970 4.10.1954 4. 6.1956 7. 8.1958 27. 8.1963 24. 1.1970 23. 8.1958 18.11.1958 18. 3.1959 17. 4.1959 16. 6.1959 21. 7.1959 9. 6.1969 17.11.1959 30. 1.1962 4. 7.1962 9. 7.1962 17.10.1962 18. 4.1966 22. 4.1966 13. 7.1966 5.12.1966 11. 4.1967 10. 7.1967 20.12.1968 25.11.1970 18. 3.1971 11. 8.1971 19. 2.1972 7. 6.1972 24.11.1972 25. 1.1973

Noch nicht ratifiziert.

b 15 13 17 I 17 I 18AI,II 19 I,II 18 I 17 I 22 21 18 23 22 25

es

cl

16, 2. Alt. 14, 2. Alt. 17 II 17 II2 17 II 19 II 18AIII 21 II, I.Alt. 18 11 17 II

16, 1. Alt. 14, I.Alt.

21 II, 2. Alt.

I,II I,II

26 III, 1. Alt. 25 III, 1. Alt.

26 III, 2. Alt. 25 III, 2.Alt.

I,II I,II I,II

25 II, 1. Alt. 25 II, 1. Alt. 25 III, 2. Alt.

25. II, 2. Alt. 25. II, 2. Alt. 25 llI, I.Alt.

20 I 21 I,II 19 I 21 I 24 I 20 I 25 I,II 22 I,II 25 I,II 25 I,II s.a. 16SP 24 I,II 26 I,II 25 I,II 25 I,II 26 I,II 25 I,II 25 I,II 23 I,II 22 I

20 25 19 21 24 20 25 25 25 25

II III, II II II II III, III, IV, III

24 26 25 25 26 25 25 23 22

III, S.1 III, S.1 III, S.1 III, S.1 III, S.1 III, S.1 III, S.1 III II, 1. Alt.

1. Alt.

25 III, 2. Alt.

S.1 S.1 S.1

25 III, S.2 25 III, S.2 25 IV, S.2

24 26 25 25 26 25 25

III, S.2 III, S.2 III, S.2 III, III, III, III,

S.2 S.2 S.2 S.2

Anhang I

224 d

e

Italien Finnland USA RevProt England

17 15 19 11 17 11 1

RevProt Österreich Kanada Pakistan RevProt ErgAbk

18 A V 21 I

Luxemburg Norwegen Indien Schweden Niederlande Frankreich RevProt Ägypten Dänemark Ceylon Israel Irland Griechenland Japan Argentinien Spanien Belgien Thailand Iran Liberia !sland Schweiz Singapur Marokko1 Australien1 Südafrika1

26 11 25 11

1

3/1488 (Bd. 405)

25 I 25 I

25 11 20 11 22 11

Noch nicht ratifiziert.

2 2 2 2

11 11 111 111

2 11 2 11

18

25 25 25 25 25 25 25 25 26 25 25 23 22

f

IV IV V IV IV IV IV IV, IV, IV IV IV 111

1

S.1 S.l

1

111 894 VI 59 1111004 VI 28 VIl1239 1111218 1112946 III/1329 VII1238

2 2 2 3 2 2

11 11 11 VI 11 11

11111101 11111145 III/1615 11111606 III/1614 nll2234 VII 503

2 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

11 111 11 111 111 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11

III/2358 IVI 696 IV/1424 VI 142 IV/1588 V/I046 V/I045 V/I087 V/1782 V/3006 V/2629 VII 16 VIII 472 VIII 99 VII3233 VIII 106 VIII 471 VIII1139 VIIII 74

Anhang 11 Zusammenstellung und Fundstellennachweis für die zwischenstaatlichen DBA von 1843 bis zum 1. Weltkrieg (für die Zeit nach dem 1. Weltkrieg vgl. Scholz, S. 151 ff.) mit übersicht über die darin enthaltenen "Verständigungsklauseln". 12. 8. 1843 24. 5. 1845 11. 10. 1845 16. 4.1869

Belgien - Frankreich Belgien - Niederlande Belgien - Luxemburg Preußen - SaChsen

27. 8. 1872 21. 6.1899

England Preußen -

29. 1. 1901 18. 5. 1901

21. 1. 1903

6.10.1903 4. 2.1905

8.10.1907

15. 11. 1907 7.11.1908

15 Mülhaulen

Kanton Waadt öst.-Ungarn

Art. 7: "Einvernehmen" bei Doppelstaatsangehörigkeit und Doppelwohnsitz Kanton Basel Stadt - ElsaßLothringen Öst.-Ungarn - Liechtenstein Art. 8: "Einvernehmen" bei Doppelstaatsangehörigkeit und Doppelwohnsitz öst.-Ungarn - Sachsen Art.7: "Einvernehmen" bei Doppelstaatsangehörigkeit und Doppelwohnsitz öst.-Ungarn - Bayern Öst.-Ungarn - Württemberg Art. 5: "Einvernehmen" bei Doppelstaatsangehörigkeit und Doppelwohnsitz Österreich - Ungarn Art. 9: "Einigung" auf Verteilungsmaßstab bei Betriebsstätten in beiden Staatsgebieten Frankreich - England öst.-Ungarn - Baden Art.7: "Einvernehmen" bei Doppelstaatsangehörigkeit und Doppelwohnsitz

I SN 215 I SN 217 I SN 217 PrGBl 1870, 142 GVBI SaChsen 1870, 19 I SN 145 PrGB11900,259 öst. RGBI 1900, 397

öst. RGBl 1901, 299

öst. RGBI 1903, 381

öst. RGBl 1903, 849 öst. RGBI 1905, 387

öst. RGBI 1907, 1177

I SN 218 öst. RGBI 1909, 361

Anhang 11

226

10. 8. 1909

Preußen -

1. 12. 1910 18.11.1910 20. 12. 1910 28. 1.1911 3. 1. 1912

Deutschland -

18. 10. 13. 8.

1. 1913 1. 1913 2.1913 4. 1913

3. 7. 1913

23. 8. 1913 6. 9.1913

Preußen -

Luxemburg

Griechenland

Memorial du GrandDuche de Luxembourg 1909, No. 50. Mitteilungen aus der Verwaltung der direkten Steuern in Pr. Staaten, Bd. 53, 35 RGBI 1912, 173 I SN 149

Kanton Basel Stadt

öst.-Ungarn - Hessen Art. 6: "Einvernehmen" bei Doppelstaatsangehörigkeit und Doppelwohnsitz Norwegen - Schweden Deutschland - Kanton Zürich

öst. RGBI 1912, 951

Luxemburg -

Memorial du GrandDuche de Luxembourg 1913, No. 29 öst. RGBI 1913, 863

Hessen

österreich - Bayern Art. 6: "Einvernehmen" bei Doppelstaatsangehörigkeit und Doppelwohnsitz Baden - Kanton Basel Stadt

I SN 114 11 UN 187

Anhang III Zusammenstellung und Fundstellennachweis der wichtigsten allgemeinen DBA der europäischen Staaten bis zum DBA Deutsches Reich - Italien vom 31. 10. 1925. (Nicht berücksichtigt sind die Verträge des Deutschen Reiches mit der ~'reien Stadt Danzig und dem Saarland.) 31. 12. 1921

Deutsches Reich Tschecboslowakei

18. 2. 1922

Österreich Tschecboslowakei

6. 4. 1922

Romvertrag

23. 5. 1922

Deutsches Reich Österreich

21. 3. 1923

Deutsches Reich Polen Deutsches Reich Schweiz. Kantone

24. 3. 1923 13. 7. 1923 6. 11. 1923 1. 3.1924 8.11. 1924 23. 4.1925 12. 10. 1925 31. 10. 1925

Ungarn Tschecboslowakei Deutsches Reich Ungarn Italien Tschechoslowakei Österreich Ungarn Polen Tschecboslowakei Deutsches Reich UdSSR Deutsches Reich Italien

I SN 9 LNTS, vol. XVII, No. 118 RGBI 1923 II 69 I SN 21 LNTS, val. XIV, No. 371 äst. BGBI 1923, Bd. I S. 7 I SN 75 äst. BGBI 1926, Bd. II S.1407 I SN 15 LNTS, vol. XXVI, No. 660 RGBI 1923 II 69 I SN 109 LNTS, vol. XXXIV, No. 881 I SN 142 LNTS, vol. XXVII, No. 666 RGBI 1923 II 453 I SN 31 LNTS, vol. XXXV, No. 898 I SN 36 LNTS, vol. XLV, No. 1103 RGBI 1925 II 641 I SN 78 LNTS, vol. XXXVI, No. 925 I SN 46 LNTS, vol. XLIV, No. 1096 I SN 53 LNTS, vol. XLIV, No. 1091 I SN 118 LNTS, vol. LIII, No. 1257 RGBI 1926 II 1 I SN 82 LNTS, vol. LIII, No. 1261 RGBI 1925 II 1145

Anhang IV Zusammenstellung und Fundstellennachweis der allgemeinen DBA des Deutschen Reiches. (Nicht berücksichtigt sind die Verträge des Deutschen Reiches mit der Freien Stadt Danzig und dem Saarland.) DBA DR -

Tschechoslowakei

31. 12. 1921

DBA DR -

Österreich

23. 5. 1922

DBA DR -

Polen

21. 3.1923

DBA DR -

Ungarn

6. 11. 1923

DBA DR -

Italien

31. 10. 1925

DBA DR -

Dänemark

14. 2. 1928 16. 12. 1938

DBA DR -

Schweden

25. 4. 1928

DBA DR DBA DR -

Schweiz Frankreich

15. 7. 1931 9. 11. 1934

DBA DBA DBA DBA

Finnland Rumänien Belgien Jugoslawien

25. 9. 1935 8. 2.1937 1. 12. 1938 5. 1. 1940

Bulgarien

28.11. 1940

DR DR DR DR

-

DBA DR -

RGBl 1923 II, S. 70 I SN 9 LNTS, vol. XVII, No. 402 RGBl 1923 II, S. 90 I SN 15 LNTS, vol. XXVI, No. 406 I SN 109 LNTS, vol. XXXIV, No. 316 RGBl 1925 II, S.641 I SN 36 LNTS, vol. XLV, No. 253 RGBl 1925 II, S. 1146 I SN 82 LNTS, vol. LIII, No. 245 DR Anz Nr.57 v. 7.3.1928 I SN 113 LNTS, vol. LXXI, No. 285 RGBl 1939 II, S.221 I UN 72 RGBl 1928 II, S.522 I SN 66 LNTS, vol. LXXXI, No. 281 RGBl 1934 II, S.38 RStBl 1938, S. 329 VI SN 14 RGBl 1936 II, S. 28 I UN 24 I UN 59 RGBl 1940 II, S.289 I UN 98 RGBl 1942 II, S.294 II UN 4

Anhang V Die Auslegungsregeln der UN-Konvention zum Völkervertragsrecht (Wiener Vertragsrechtskonvention) Section 3: Interpretation of Treaties Article 31 General rule of interpretation 1. A treaty shall be interpreted in good faith in accordance with the ordinary meaning to be given to the terms of the treaty in their context and in the light of its object and purpose. 2. The context for the purpose of the interpretation of a treaty shall comprise, in addition to the text, including its preamble and annexes: (a) any agreement relating to the treaty which was made between all the parties in connexion with the conclusion of the treaty; (b) any instrument which was made by one or more parties in connexion with the conclusion of the treaty and accepted by the other parties as an instrument related to the treaty. 3. There shall be taken into account, together with the context: (a) any subsequent agreement between the parties regarding the interpretation of the treaty or the application of its provisions; (b) any subsequent practice in the application of the treaty which established the agreement of the parties regarding its interpretation; (c) any relevant rules of international law applicable in the relations between the parties. 4. A special meaning shall be given to a term if it is established that the parties so intended. Article 32 Supplementary means of interpretation Recourse may be had to supplementary means of interpretation, including the preparatory work of the treaty and the circumstances of its conclusion, in order to confirm the meaning resulting from the application of article 31, or to determine the meaning when the interpretation according to article 31: (a) leaves the meaning ambiguous or obscure; or (b) leads to a result which is manüestly absurd or unreasonable. Article 33 Interpretation of treaties authenticated in two or more languages 1. When a treaty has been authenticated in two or more languages, the text is equally authoritative in each language, unless the treaty provides

230

Anhang V

or the parties agree that, in ease of divergenee, a partieular text shall prevail. 2. Aversion of the treaty in a language other than one of those in which the text was a authentieated shall be eonsidered an authentie text only if the treaty so provides or the parties so agree. 3. The terms of the treaty are presumed to have the same meaning in each authentie text. 4. Exeept where a partieular text prevails in aeeordanee with paragraph I, when a eomparison of the authentie text diseloses a differenee of meaning which the applieation of articles 31 and 32 does not remove, the meaning which best reconciles the texts, having regard to the object and purpose of the treaty, shall be adopted.

Schrifttumsverzeichnis Anschütz, Gerhard: Die Verfassung des deutschen Reiches, 14. Aufl., Berlin

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Backsmann, Horst: über die Mitwirkung des Gesetzgebers bei der Änderung

-

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232

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Bleckmann, Albert: Begriff und Kriterien der innerstaatlichen Anwendbar-

-

keit völkerrechtlicher Verträge - Versuch einer allgemeinen Theorie des self-executing treaty auf rechtsvergleichender Grundlage, Berlin 1970. Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen, 1966 - 1968, ZaöRV, Bd.31 (1971), S. 271 ff.; 1969 - 1970, 1971, ZaöRV, Bd.32 (1972), S.71 ff., S. 583 ff.

Boehmer, Gerhard: Der völkerrechtliche Vertrag im deutschen Recht, Köln-

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Blümich, Walter und Ludwig Falk: Einkommensteuergesetz, 8. Auf!., 2 Bde.,

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Ein Beitrag

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Schrüttumsverzeichnis

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