Das Verhältnis von Regulierung und Kartellrecht im Bereich der Netzwirtschaften: Zur Frage der Herausbildung eines eigenständigen Netzwirtschaftsrechts [1 ed.] 9783428528868, 9783428128860

Der gegenwärtige Rechtsrahmen der Netzwirtschaften ist von einer Gemengelage aus transitorischem Privatisierungsfolgenre

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German Pages 305 Year 2008

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Das Verhältnis von Regulierung und Kartellrecht im Bereich der Netzwirtschaften: Zur Frage der Herausbildung eines eigenständigen Netzwirtschaftsrechts [1 ed.]
 9783428528868, 9783428128860

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1107

Das Verhältnis von Regulierung und Kartellrecht im Bereich der Netzwirtschaften Zur Frage der Herausbildung eines eigenständigen Netzwirtschaftsrechts Von

Michael Heise

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL HEISE

Das Verhältnis von Regulierung und Kartellrecht im Bereich der Netzwirtschaften

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1107

Das Verhältnis von Regulierung und Kartellrecht im Bereich der Netzwirtschaften Zur Frage der Herausbildung eines eigenständigen Netzwirtschaftsrechts

Von

Michael Heise

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12886-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 von der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Hans-Heinrich Trute für die Betreuung meiner Arbeit und die vielfältige Förderung im Verlauf meiner akademischen Ausbildung. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Marian Paschke danke ich für die Übernahme und zügige Durchführung der Zweitkorrektur. Mein Dank gilt weiterhin all jenen, ohne deren Unterstützung die Fertigstellung dieser Arbeit niemals möglich gewesen wäre. Durch geduldiges Zuhören, kritische Nachfragen und aufmunternde Worte haben sie einen erheblichen Beitrag zum Gelingen dieses Werkes geleistet. Für stete Gesprächsbereitschaft, zahlreiche Anregungen und die kritische Durchsicht des Manuskripts danke ich Antje Himmelreich, Annette Nicklisch und Heike Weninger. Besonderer Dank gebührt schließlich meiner Mutter für ihre Geduld bei der Korrektur der Druckfassung. Dank, den in Worte zu fassen schwer fällt, schulde ich meinen Eltern. Ihnen ist diese Arbeit in tiefer Dankbarkeit gewidmet. Hamburg/Frankfurt am Main, im Juni 2008

Michael Heise

Inhaltsübersicht Einleitung

23

Erster Abschnitt Gegenstand der Arbeit

24

A. Voraussetzungen eines einheitlichen Netzwirtschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

B. Überblick über den bisherigen Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Zweiter Abschnitt Überblick über den Gang der Untersuchung

30

E r s t e r Te i l Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts

32

Erster Abschnitt Begriffliche Bestimmung des Netzbegriffs

32

A. Materielle Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

B. Immaterielle Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

C. Weitere Charakterisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

D. Fazit zum Netzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

Zweiter Abschnitt Die ordnungspolitische Grundausrichtung der Netzwirtschaften

40

A. Privatisierung und Liberalisierung im Bereich der Netzwirtschaften . . . . . . . . .

40

B. Wettbewerb bei gleichzeitiger Sicherung des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

10

Inhaltsübersicht

Z w e i t e r Te i l Netzspezifischer Regelungsbedarf

45

Erster Abschnitt Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

45

A. Unteilbarkeiten im Bereich der Netzwirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

B. Externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

C. Weitere Ursachen allokativer Ineffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

D. Fazit für ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften . . . . . .

89

Zweiter Abschnitt Gemeinwohlbezogene Besonderheiten der Netzwirtschaften

90

A. Infrastrukturcharakter der Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

B. Weitere gemeinwohlbezogene Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

C. Fazit für gemeinwohlbezogene Besonderheiten der Netzwirtschaften . . . . . . . .

96

Dritter Abschnitt Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit

96

A. Dauerhafter Fortbestand eines netzspezifischen Regelungsbedarfs . . . . . . . . . . .

97

B. Vorschläge zur Bewältigung der Regelungsaufgaben im Rahmen der Grundentscheidung für Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

C. Potentieller Charakter der Regelungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 D. Juristische Implementierung der Regelungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

D r i t t e r Te i l Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells zur Bewältigung der netzspezifischen Regelungsaufgaben

110

Erster Abschnitt Ordnungsmodell des Kartellrechts

110

A. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 B. Gesetzgebungsmaterialien und -geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 C. Systematisches Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Inhaltsübersicht

11

D. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 E. Fazit zum kartellrechtlichen Ordnungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Zweiter Abschnitt Konsequenzen des Ordnungsmodells

126

A. Instrumentalisierung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Bindung an die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 C. Stellung der Kartellaufsicht im GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 D. Monofinalität des Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Dritter Abschnitt Schlussfolgerungen und weiterer Fortgang der Untersuchung

139

Vi e r t e r Te i l Eignung kartellrechtlicher Mittel zur Bewältigung der netztypischen Zugangsproblematik

143

Erster Abschnitt Bestehen von Zugangsansprüchen

144

A. Kartellrechtliche Zugangsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 B. Anwendung kartellrechtlicher Zugangsansprüche auf die Netzproblematik . . . 159 C. Fazit für das Bestehen kartellrechtlicher Zugangsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Zweiter Abschnitt Konditionen des Zugangs

170

A. Kartellrechtliche Kontrolle der Entgelte für kompetitiven Netzzugang . . . . . . . 171 B. Eignung des kartellrechtlichen Ansatzes zur Bestimmung von kompetitiven Netzzugangsentgelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 C. Möglichkeit eines kartellrechtlichen Ersatzes des Maßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . 217 D. Fazit für die kartellrechtliche Kontrolle der Zugangskonditionen . . . . . . . . . . . . 236 Dritter Abschnitt Fazit zur Eignung des Kartellrechts

237

12

Inhaltsübersicht

F ü n f t e r Te i l Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

238

Erster Abschnitt Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

238

A. Maßstabsproblem und Problem der Gemeinwohlorientierung . . . . . . . . . . . . . . . 238 B. Netzwirtschaftsrecht als Netzregulierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Zweiter Abschnitt Vom Privatisierungsfolgenrecht zum Regulierungsrecht der Netzwirtschaften

258

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . .

263

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

300

Inhaltsverzeichnis Einleitung

23

Erster Abschnitt Gegenstand der Arbeit

24

A. Voraussetzungen eines einheitlichen Netzwirtschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dauerhaftigkeit des Regelungsbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Netzspezifik des Regelungsbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Notwendigkeit eines eigenen Rechtsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24 24 25 26

B. Überblick über den bisherigen Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vollständige Überführung der Netzwirtschaften in den Geltungsbereich des GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dauerhaft bestehender Regelungsbedarf im Bereich der Netzwirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fortbestehender Untersuchungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 27 28

Zweiter Abschnitt Überblick über den Gang der Untersuchung

30

E r s t e r Te i l Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts

32

Erster Abschnitt Begriffliche Bestimmung des Netzbegriffs

32

A. Materielle Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

B. Immaterielle Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

C. Weitere Charakterisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

D. Fazit zum Netzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

14

Inhaltsverzeichnis Zweiter Abschnitt Die ordnungspolitische Grundausrichtung der Netzwirtschaften

40

A. Privatisierung und Liberalisierung im Bereich der Netzwirtschaften . . . . . . . . .

40

B. Wettbewerb bei gleichzeitiger Sicherung des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlage der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit einer politischen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 42 43

Z w e i t e r Te i l Netzspezifischer Regelungsbedarf

45

Erster Abschnitt Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

45

A. Unteilbarkeiten im Bereich der Netzwirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problem der Unteilbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unteilbarkeiten bei Netzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kosteneffekte des Netzaufbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kosteneffekte des Netzbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entstehung natürlicher Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritik an der Analyse natürlicher Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Relativierung der Monopolproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderliche Eingrenzung des Monopolbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Empirische Bedeutung natürlicher Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bestreitbarkeit von Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen des Konzepts der Bestreitbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestreitbarkeit des Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen der Bestreitbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik am Konzept der bestreitbaren Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung von Irreversibilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhaltensannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschätzung und Bewertung des Konzepts der bestreitbaren Märkte . . 4. Anwendung im Netzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit zur Bedeutung von Unteilbarkeiten im Bereich der Netzwirtschaften

46 46 48 48 49 50 51 53 53 54 55 58 59 60 61 62 63 64 66 67 69

B. Externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Externe Effekte bei Netzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Exemplarische Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Positive Häufigkeitsabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 71 72 74

Inhaltsverzeichnis

15

II. Eigenheiten von Netzeffektmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Positive Rückkopplung und kritische Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tendenz zu einseitiger Dominanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gefährdung der Wettbewerbseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einschätzung der Bedeutung von Netzeffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritik am Konzept der Netzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Besonderheit der Netzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Möglichkeit der Internalisierung von externen Effekten . . . . . . . . . . b) Ähnlichkeit mit bekannten Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unklare Effizienzwirkung der Netzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit zu Netzeffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75 75 77 78 80 81 81 82 83 84 85

C. Weitere Ursachen allokativer Ineffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

D. Fazit für ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften . . . . . .

89

Zweiter Abschnitt Gemeinwohlbezogene Besonderheiten der Netzwirtschaften

90

A. Infrastrukturcharakter der Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

B. Weitere gemeinwohlbezogene Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Raum- und Ressourcenbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sicherheitsvorschriften und technische Normung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nummernregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93 93 94 95

C. Fazit für gemeinwohlbezogene Besonderheiten der Netzwirtschaften . . . . . . . . .

96

Dritter Abschnitt Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit

96

A. Dauerhafter Fortbestand eines netzspezifischen Regelungsbedarfs . . . . . . . . . . .

97

B. Vorschläge zur Bewältigung der Regelungsaufgaben im Rahmen der Grundentscheidung für Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unteilbarkeiten und natürliche Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Marktzutrittsregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einräumung von Mitbenutzungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Netzspezifische externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berücksichtigung neuer Geschäftsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einräumung von Zugangsansprüchen im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gemeinwohlbezogene Regelungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 99 99 100 103 103 104 105

C. Potentieller Charakter der Regelungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 D. Juristische Implementierung der Regelungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

16

Inhaltsverzeichnis

D r i t t e r Te i l Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells zur Bewältigung der netzspezifischen Regelungsaufgaben

110

Erster Abschnitt Ordnungsmodell des Kartellrechts

110

A. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 B. Gesetzgebungsmaterialien und -geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regierungsentwurf und parlamentarische Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durchsetzung des Verbotsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Missbrauchsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ablehnung einer politisierten Kartellaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schlussfolgerung und Entwicklung bis zur Siebenten GWB-Novelle . . . .

111 111 113 114 114 115 116 117

C. Systematisches Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 D. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsmethodik des GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wettbewerbsordnung geprägt von individueller Handlungsfreiheit und Mustervoraussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwirklichung individueller Freiheit im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beförderung des Gemeinwohls durch Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . .

120 120 122 122 124

E. Fazit zum kartellrechtlichen Ordnungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Zweiter Abschnitt Konsequenzen des Ordnungsmodells

126

A. Instrumentalisierung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Bindung an die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Abwesenheit von materiellen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Gewährleistung einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung . . . . . . . . . . . 130 C. Stellung der Kartellaufsicht im GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kartellaufsicht als Lenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgestaltung der Kartellaufsicht im GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Freiheit für den kartellrechtlichen Ansatz und die Mustervoraussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ordnungskonforme Ausgestaltung der Kartellaufsicht . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Durchbrechung bei kartellbehördlichen Abwägungen . . . . . . . . .

131 131 133 133 134 136

D. Monofinalität des Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

Inhaltsverzeichnis

17

Dritter Abschnitt Schlussfolgerungen und weiterer Fortgang der Untersuchung

139

Behandlung der Netze im kartellrechtlichen Ordnungsmodell . . . . . . . . . . . 1. Kartellrechtlicher Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bereich hoheitlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherstellung kompetitiver Zugangsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fortgang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 140 140 141 142

I.

Vi e r t e r Te i l Eignung kartellrechtlicher Mittel zur Bewältigung der netztypischen Zugangsproblematik

143

Erster Abschnitt Bestehen von Zugangsansprüchen A. Kartellrechtliche Zugangsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zugangsobjekt des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung des Zugangsverpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlende Duplizierbarkeit und Substituierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zugangsverweigerungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Behandlung begrenzter Kapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Ansprüche zur Zugangsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbot unbilliger Behinderung nach § 20 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . 2. Behinderungsmissbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeines Missbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendung kartellrechtlicher Zugangsansprüche auf die Netzproblematik . . . I. Grundsätzliche Eignung der kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen . . . . 1. Zugangsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Natürliche Monopole als Ziel kartellrechtlicher Zugangsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kartellrechtliche Zugangsansprüche im Falle von Netzeffekten . . . 2. Marktbeherrschung durch den Einrichtungsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Effektivität der kartellrechtlichen Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit einer Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behandlung von Kapazitätsengpässen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 145 147 149 150 152 152 154 155 157 157 159 159 159 160 160 160 162 164 164 164 165

18

Inhaltsverzeichnis a) Kartellrechtliche Repartierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleich mit den Bedingungen im Falle eines natürlichen Monopols (a) Bedeutung der Kapazitätsgrenze im natürlichen Monopol . . . (b) Nichtwirtschaftliche Ausbauhindernisse und fehlende Preisanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nichtwirtschaftliche Ausbauhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . (2) Preishindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit zur Behandlung von Kapazitätsengpässen . . . . . . . . . . . . . . . . .

165 166 166 168 168 168 169

C. Fazit für das Bestehen kartellrechtlicher Zugangsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Zweiter Abschnitt Konditionen des Zugangs A. Kartellrechtliche Kontrolle der Entgelte für kompetitiven Netzzugang . . . . . . . I. Angemessenheit des Entgelts nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB . . . . . . . . . . . . II. Sicherung der austauschbezogenen Angemessenheit unter Rückgriff auf § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methoden der Missbrauchsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleichsmarktkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren der Kostenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gewinnbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik am Konzept der Preishöhenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordnungskonformität der Preishöhenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unzulässige Marktergebniskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Probleme beim Erlass von Verfügungen der Preishöhenaufsicht . . . d) Unerwünschte Nebenwirkungen der Preishöhenaufsicht . . . . . . . . . . e) Kritik an der Methode des Vergleichsmarktkonzepts . . . . . . . . . . . . . f) Kritik an Verfahren der Kosten- und Gewinnkontrolle . . . . . . . . . . . 3. Praktische Anwendung der Preishöhenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eigene Stellungnahme und Schlussfolgerungen zur Preishöhenaufsicht a) Notwendigkeit der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle . . . . . . . . b) Preishöhenaufsicht als ultima ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Subsidiarität gegenüber anderen Mitteln der Kartellaufsicht . . (b) Beschränkung auf Einsatz im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Beschränkung der Kontrolltiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Ordnungskonforme Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ordnungskonformität des Maßstabs der Preishöhenaufsicht . . . . . . . (a) Keine Ausrichtung des Missbrauchsmaßstabs am Kriterium der Gemeinwohlrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Wettbewerb als Maßstab für die kartellrechtliche Preisaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170 171 171 174 174 174 176 177 178 179 179 181 182 183 185 187 188 188 189 189 190 192 193 193 194 195

Inhaltsverzeichnis

19

5. Fazit zum Entgeltmaßstab des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . 196 III. Behinderungsfreiheit des Entgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 IV. Fazit zur kartellrechtlichen Kontrolle von Zugangsbedingungen . . . . . . . . . 199 B. Eignung des kartellrechtlichen Ansatzes zur Bestimmung von kompetitiven Netzzugangsentgelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Probleme der Anwendung der kartellrechtlichen Entgeltgrundsätze . . . . . . 1. Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung von Methoden der Kosten- und Gewinnkontrolle . . . . . . . . a) Überblick über die Kostenelemente und die jeweiligen Bestimmungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgestaltung des Marktangebots des Unternehmens . . . . . . . . . . . . c) Tendenz zur Vollkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit zu Verfügbarkeit von Ermittlungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinbarkeit der Kontrolle der Netzzugangsentgelte mit dem Ordnungsmodell des GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zurückhaltender Einsatz der Preishöhenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entgeltkontrolle bei Netzzugang zu natürlichen Monopolen . . . . . . b) Entgeltkontrolle bei Netzeffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wettbewerb als Maßstab der Entgeltkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wettbewerbstauglichkeit als entscheidendes Abgrenzungsmerkmal . . . a) Bereich beständiger natürlicher Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachfrageseitige Netzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit zur Möglichkeit der Entgeltkontrolle im gegenwärtigen Ordnungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Möglichkeit eines kartellrechtlichen Ersatzes des Maßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anreicherung des kartellrechtlichen Abwägungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . 1. Erweiterung des Abwägungsmaßstabs unmittelbar aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbeziehung von Wertungen aus anderen Gesetzen in den Abwägungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Argument der Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) These der Reinheit des Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermittelnde Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufnahme eines erweiterten Maßstabs de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . II. Methoden mit geringerem Maßstabsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methodenübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Setzung von Erlösobergrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Benchmarking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Methodenregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit § 19 Abs. 4 Nr. 2 und 4 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

200 200 201 203 204 206 207 208 209 209 210 212 213 214 215 215 216 217 217 218 219 219 220 220 222 222 223 224 224 225 225 225

20

Inhaltsverzeichnis 3. Grundsätzliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Referentenentwurf zur Änderung des GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundzüge des Referentenentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stand der Diskussion über die vorgeschlagenen Regelungen . . . . . . . . . 3. Eignung des Referentenentwurfs zur Bewältigung netzspezifischer Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Weitere Vorschläge zur Fortbildung des Kartellrechtsrahmens . . . . . . . . . . V. Exkurs: Möglichkeit der Entgeltkontrolle nach § 315 BGB . . . . . . . . . . . .

227 227 228 230 232 233 235

D. Fazit für die kartellrechtliche Kontrolle der Zugangskonditionen . . . . . . . . . . . . 236

Dritter Abschnitt Fazit zur Eignung des Kartellrechts

237

F ü n f t e r Te i l Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

238

Erster Abschnitt Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

238

A. Maßstabsproblem und Problem der Gemeinwohlorientierung . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. Unmöglichkeit einer Simulation von Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 II. Legitimationsproblem der Entgeltkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 B. Netzwirtschaftsrecht als Netzregulierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anforderungen an eine Ausgestaltung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . II. Eckpunkte der Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . 1. Modifikation des wettbewerblichen Handlungsrahmens . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinwohlorientierte Rahmensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren der Informations- und Interessenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . 4. Finale Programmierung des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regulierung als kybernetischer Steuerungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Regulierung in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung vom klassischen Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zum Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung von Gemeinwohlzielen im Recht der Netzwirtschaften . . . V. Verhältnis der Teilrechtsordnungen Netzwirtschaftsrecht und Kartellrecht 1. Dauerhaft fortbestehende Parallelität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückführung des sektorspezifischen Rechts in das GWB . . . . . . . . . . . 3. Grenzziehung anhand der Wettbewerbsneigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kooperationsverhältnis der Teilrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242 242 244 244 246 246 247 248 250 250 252 253 254 255 255 256 257

Inhaltsverzeichnis

21

Zweiter Abschnitt Vom Privatisierungsfolgenrecht zum Regulierungsrecht der Netzwirtschaften

258

Kodifikation des Netzwirtschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen einer Kodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorzüge der Kodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aussichten einer Kodifikation des Netzwirtschaftsrechts . . . . . . . . . . . . II. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259 259 260 261 262

I.

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . .

263

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

300

Einleitung Als Teil der staatlichen Infrastruktur standen die Netze der Eisenbahnen, der Elektrizitäts- und Gasversorgung sowie des Fernmeldewesens lange Zeit unter besonderer Einflussnahme des Staates. Eine Mischung aus ökonomischen, fiskalischen, sozialpolitischen und militärischen Gründen führte in den betroffenen Wirtschaftsbereichen zum weitgehenden Ausschluss von Wettbewerb und teilweise auch zu unmittelbarer staatlicher Leistungserbringung.1 Die in den 1980er Jahren einsetzende Liberalisierungs- und Privatisierungsdiskussion, die sich in Deutschland insbesondere in Form europarechtlicher Vorgaben auswirkte, und die sich vor allem im Bereich der Telekommunikation abzeichnende Beschleunigung der technischen Entwicklung haben in diesen Bereichen zu grundlegenden Umwälzungen des überkommenen rechtlichen Rahmens geführt.2 Allerdings ist die Rechtsentwicklung mit der nun weitgehend abgeschlossenen Privatisierung früherer Staatsunternehmen3 und dem Rückbau kartellrechtlicher Ausnahmebereiche keineswegs abgeschlossen. Neben der punktuell noch ausstehenden praktischen Umsetzung des aktuellen Rechtsrahmens in den einzelnen Netzwirtschaftsbereichen4 dauert zugleich die Diskussion über die Grundsatzfragen des Ordnungsrahmens an.5 Die Fortentwicklung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zur Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen6 ist kaum als Schlusspunkt der Rechtsentwicklung zu betrachten.

1 Dazu R. H. Weber, Wirtschaftsregulierung in wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen, S. 29 ff.; M. Fehling, AöR 121 (1996), 59, 76 ff.; F. Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 75 f. 2 Vgl. etwa N. Eickhof/D. Kreikenbaum, WuW 1998, 666; W. Spoerr, in: Trute/ Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG, Einführung I Rn 5 ff.; H.-H. Trute, in: Trute/Spoerr/ Bosch (Hrsg.), TKG, Einführung II; M. Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, S. 14 f. 3 Vgl. zum aktuellen Stand der Entwicklung im Eisenbahnbereich vgl. den Entschließungsantrag BT-Drs. 16/3493; dazu Kleine Anfrage BT-Drs. 16/3895; FAZ vom 09. November 2006, S. 13. Zum ersten Entwurf des Bundeseisenbahnstrukturgesetzes vgl. FAZ vom 12. Januar 2007, S. 11; sowie FAZ vom 13. Januar 2007, S. 12. 4 Vgl. C. Mögelin, N&R 2006, 70. 5 Vgl. Kommission, Mitteilung über die Überprüfung des EU-Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, KOM (2006) 334; sowie zum Energiebereich Kommission, Eine Energiepolitik für Europa, KOM(2007) 1, S. 8 ff. 6 Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 07.07.2005, BGBl. 2005 I S. 1970.

24

Einleitung

Zwar kann die Gründung einer Bundesnetzagentur als legislatives Anerkenntnis eines sachlichen Zusammenhangs der verschiedenen Einzelprobleme im Bereich der Netzwirtschaften angesehen werden, eine materielle Harmonisierung der Rechtsgrundlagen in den verschiedenen Netzwirtschaftsbereichen als Gegenstück zur organisatorischen Zusammenfassung ist jedoch noch nicht erfolgt.7 Der Frage, inwieweit eine solche materielle Harmonisierung im Sinne der künftigen Herausbildung eines einheitlichen Netzwirtschaftsrechts aus juristischer Sicht sinnvoll ist, soll im Rahmen dieser Arbeit nachgegangen werden. Erster Abschnitt

Gegenstand der Arbeit Betrachtet man den aktuellen Stand des Rechtsrahmens im Bereich der Netzwirtschaften, so werden drei Teilaspekte der Frage nach der Herausbildung eines Netzwirtschaftsrechts erkennbar.8

A. Voraussetzungen eines einheitlichen Netzwirtschaftsrechts I. Dauerhaftigkeit des Regelungsbedarfs Nach erfolgter Privatisierung und Liberalisierung liegt ein Schwerpunkt des aktuellen Ordnungsrahmens in der Bewältigung der Privatisierungsfolgen. Durch die materielle Privatisierung ehemals staatlicher Monopolisten und Aufhebung bisheriger Marktzutrittsbeschränkungen sind die grundlegenden rechtlichen Voraussetzungen für Wettbewerb im Bereich der Netzwirtschaften geschaffen. Tatsächlich wettbewerbliche Marktverhältnisse, die Voraussetzung für die längerfristige Sicherung der erhofften volkswirtschaftlichen Vorteile der Liberalisierung sind, werden damit allerdings noch nicht etabliert. Die faktisch fortbestehende Dominanz des jeweiligen Altanbieters macht eine anfänglich aktivere Einflussnahme auf die Marktentwicklung zur Ermöglichung von wettbewerbsbegründenden Markteintritten erforderlich.9 Ein nicht unerheblicher Anteil des 7

J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 15 f., 38 f. Indem J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 39 von einem „Netzregulierungsverwaltungsrecht“ spricht, nimmt er demgegenüber bereits eine am gegenwärtigen Rechtsstand orientierte Eingrenzung auf das Recht der Regulierungsverwaltung vor. 9 Dazu etwa M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237, 246 f.; A. Picot/W. Burr, zfbf 48 (1996), 173, 177; R. Krüger/G. Tetens/A. Voß, Markteintrittsmöglichkeiten und ordnungspolitische Alternativen für deutsche Telekommunikationsnetzmärkte, S. 85; K. van Miert, in: Hansen (Hrsg.), VIII. Internationale Kartellkonferenz, S. 34, 41; E. Witte, ZögU 20 (1997), 434, 446; ebenso Begründung zum Entwurf des TKG, BT-Drs. 13/ 3609, S. 33 f. 8

1. Abschnitt: Gegenstand der Arbeit

25

aktuellen Rechtsrahmens im Bereich der Netzwirtschaften ist diesem Bereich des Privatisierungsfolgenrechts zuzurechnen. Kennzeichen des Privatisierungsfolgenrechts ist dessen transitorischer Charakter.10 Wenngleich echte Befristungen der jeweiligen Normen nicht erfolgt sind, kommt der angenommene Übergangscharakter etwa in der vorgesehenen periodischen Überprüfung des Rechtsrahmens zum Ausdruck.11 Mangels längerfristigen Fortbestands ist ein näheres Eingehen auf den Bereich des Privatisierungsfolgenrechts für die vorliegende Untersuchung entbehrlich. Gegenstand dieser Arbeit sind allein solche Regelungen, die als Reaktion auf netzspezifische Bedingungen grundsätzlich dauerhafter Natur sind. Freilich lässt sich die konzeptionelle Trennung des Privatisierungsfolgenrechts vom übrigen Normenbestand in der Praxis nicht ohne weiteres durchführen. Vielmehr ist die Frage nach der Dauerhaftigkeit der jeweils zugrunde liegenden Regelungsproblematik und damit die Zugehörigkeit zum Privatisierungsfolgenrecht oftmals Gegenstand der Auseinandersetzung. Die Betrachtung der Dauerhaftigkeit des aktuellen Regelungsbestandes und der bestehenden Regelungsanliegen bildet somit einen ersten Schwerpunkt der Arbeit. II. Netzspezifik des Regelungsbedarfs Neben der Dauerhaftigkeit des bestehenden Regelungsbedarfs wird auch zu untersuchen sein, inwieweit es sich überhaupt um einen netzspezifischen Regelungsbedarf handelt. Bislang ist der Bereich der Netzwirtschaften durch eine Vielzahl von Einzelgesetzen gekennzeichnet.12 Eine Verbindung zu einem Netzwirtschaftsrecht ergibt sich nicht schon durch den institutionellen Aspekt der gemeinsamen Zuständigkeit der Bundesnetzagentur.13 Voraussetzung für die künftige Herausbildung eines einheitlichen Netzwirtschaftsrechts wäre die Möglichkeit einer Systembildung, die über die rein formale Zusammenfassung der materiellen Rechtsregeln in einem Gesetz hinausgehen müsste.14 Entscheidend käme es auf die Existenz von einheitlichen Regelungsprinzipien an,15 die eine 10 A. Schebstadt, IR 2004, 223; Monopolkommission, Sondergutachten 24, S. 16; D. Schroeder, WuW 1999, 14, 16; vgl. auch H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 834. 11 Vgl. etwa § 121 Abs. 2 TKG; vgl. auch D. Schroeder, WuW 1999, 14, 16 f.; G. Knieps, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 203, 219. 12 Einen instruktiven Überblick hierzu gibt J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung. 13 Dazu J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 41 ff. 14 Vgl. C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 12 f.; E. Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 4 f.; zum Kodifikationsgedanken im Bereich der Netzwirtschaften auch M. Burgi, NJW 2006, 2439. 15 R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, AT, S. 37; F. J. Säcker, AöR 130 (2005), 180, 182 f.

26

Einleitung

dogmatische Strukturierung der Rechtsmaterie, losgelöst vom jeweiligen Netzsektor, ermöglichen.16 Erst ein Mindestmaß an Gleichartigkeit der erforderlichen Regelungen in den einzelnen Netzbereichen würde diese Systembildung ermöglichen. Der festgestellte Regelungsbedarf wird somit darauf zu untersuchen sein, ob er sich aus den netzspezifischen Besonderheiten ergibt und netzsektorenübergreifend besteht. Nur ein bereichsübergreifender Regelungsbedarf kann die Grundlage für ein dauerhaftes Netzwirtschaftsrecht bilden.17 In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob das Merkmal des Netzes hinreichend zur Konturierung eines eigenen Rechtsbereiches sein kann.18 Zur Abgrenzung können nur solche Regelungserfordernisse herangezogen werden, die sich noch als netzspezifisch erfassen lassen. Der Regelungsanlass sollte folglich in solchen Eigenschaften begründet sein, die im Bereich von Netzwirtschaften typischerweise auftreten. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass vergleichbare Effekte auch in anderen Wirtschaftsbereichen auftreten. Allerdings sollten die Effekte bei Netzen ein ausreichendes Gewicht haben, um als prägend für den Bereich der Netze zu erscheinen. III. Notwendigkeit eines eigenen Rechtsrahmens Die gegenwärtige Rechtslage auf dem Gebiet der Netze ist vom Nebeneinander der Zuständigkeiten der Bundesnetzagentur und der Kartellbehörden geprägt. Hierbei handelt es sich zunächst um eine institutionelle Frage, die nicht unerheblich auch von Zweckmäßigkeitserwägungen beeinflusst ist.19 Dahinter steht freilich die grundsätzlichere Frage nach dem anwendbaren materiellen Ordnungsrahmen. Auch soweit ein dauerhafter netzspezifischer Regelungsbedarf festgestellt werden kann, begründet dies nicht schon die Notwendigkeit eines eigenständigen Netzwirtschaftsrechts. Zu erörtern ist folglich noch, ob bereits vorhandene sektorübergreifende Regelungen den Regelungsanforderungen gerecht werden können. Dies erfordert im Bereich der Netzwirtschaften eine besondere Berücksichtigung kartellrechtlicher Normen.

16 Dazu auf Basis des positiven Rechts J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung; vgl. auch F. J. Säcker, AöR 130 (2005), 180; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 39 f. 17 Vgl. insofern F. J. Säcker, AöR 130 (2005), 180, 188 f. 18 So F. J. Säcker, RdE 2003, 300; dazu jetzt auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT; skeptisch A. Schebstadt, RdE 2004, 181, 185 Fn 67. 19 Dazu W. Möschel, WuW 2002, 683; A. Bartosch/K. Jaros, WuW 2005, 15; H. Daiber, WuW 2000, 352, 364; vgl. aber auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 41 ff., 47 ff.

1. Abschnitt: Gegenstand der Arbeit

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B. Überblick über den bisherigen Meinungsstand In der Literatur wird im Rahmen der Liberalisierungsdebatte seit langem die Frage diskutiert, inwieweit nach Fortfall des Privatisierungsfolgenrechts eine Überführung der Netzwirtschaften in den alleinigen Geltungsbereich des Kartellrechts möglich ist.20 Diese Auseinandersetzung stellt die Fortsetzung der Kontroverse um die Berechtigung kartellrechtlicher Ausnahmebereiche dar.21 I. Vollständige Überführung der Netzwirtschaften in den Geltungsbereich des GWB Besonders von Seiten des kartellrechtlich orientierten Schrifttums wird, gestützt auf ökonomische Betrachtungen und unter Verweis auf die bisherigen Fortschritte bei der Etablierung wettbewerblicher Strukturen insbesondere im Bereich der Telekommunikation, die Forderung nach einer baldigen Rückführung des netzwirtschaftlichen Sonderrechts erhoben.22 Ein Fortbestand der netzbezogenen Einzelgesetze führe zu effizienzmindernder Überregulierung und berge die Gefahr der Zersplitterung des Kartellrechts.23 Erforderlich sei deshalb eine regelmäßige Kontrolle der Fortschritte bei der Etablierung funktionierenden Wettbewerbs. Wo selbsttragender Wettbewerb festzustellen ist, sollten demnach die verbleibenden Regelungen unverzüglich außer Vollzug gesetzt werden.24 II. Dauerhaft bestehender Regelungsbedarf im Bereich der Netzwirtschaften Die Gegenansicht geht stattdessen von einem längerfristigen Fortbestand des netzspezifischen Regelungsbedarfs auch dort aus, wo wettbewerbliche Struktu20

C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 76, 83; vgl. insofern auch J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), 1, 2. 21 Hierzu etwa O. Schlecht, in: FIW (Hrsg.), Die Beurteilung der Ausnahmebereiche aus wissenschaftlicher Sicht, S. 7; W. Möschel, ORDO 32 (1981), 85. 22 G. Knieps, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 203, 218 f.; U. Immenga, WuW 1999, 949, 959; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 2. Aufl., S. 97, 112; D. Wolf, in: Sillich (Hrsg.), Wettbewerb in vernetzten Märkten, S. 13, 17; sowie aus institutioneller Perspektive A. Eisenkopf, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2003, 449, 461. 23 G. Knieps, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 203, 205; D. Wolf, in: Sillich (Hrsg.), Wettbewerb in vernetzten Märkten, S. 13, 17; mit Bezug auf institutionelle Aspekte C. Koenig/J. Kühling, WuW 2001, 810, 818; vgl. auch Monopolkommission, Sondergutachten 24, S. 23 ff.; dazu Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/ 2001, Tz. 800. 24 Sogenanntes phasing-out, vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 2. Aufl., S. 112 ff.; U. Immenga/C. Kirchner/G. Knieps/J. Kruse, Telekommunikation im Wettbewerb, S. 52 f.; U. Immenga, WuW 1999, 949, 958.

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Einleitung

ren etabliert werden konnten. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass bei funktionierendem Wettbewerb die Berücksichtigung der im Bereich der Netzwirtschaften berührten öffentlichen Interessen nicht in ausreichendem Maße gesichert wäre.25 Die staatliche Gewährleistungsverantwortung erfordere ein spezielles Regelungsregime, welches die widerstreitenden Interessen, deren hinreichende Beachtung im Wettbewerb nicht immer gesichert wäre, zum Ausgleich bringt. Eine vollständige Ablösung des sektorspezifischen Rechts im Bereich der Netzwirtschaften durch das Kartellrecht sei daher auch künftig nicht möglich.26 Die etwa in §§ 1, 2 TKG, oder § 1 EnWG formulierten Zielsetzungen erscheinen der letztgenannten Ansicht nicht als effizienzschädliche Hindernisse beim Übergang zu einer vollständig wettbewerblichen Leistungserbringung, sondern als Ausdruck fortwirkender staatlicher Gewährleistungsverantwortung. Während aus kartellrechtlich orientierter Sicht die Schaffung einer Bundesnetzagentur die Gefahr einer bedenklichen Institutionalisierung eines eigentlich als Übergangslösung gedachten Regulierungsregimes birgt, erscheint sie aus Sicht der Gegenmeinung als Garant für die Sicherung öffentlicher Interessen und als konsequenter erster Schritt zur Herausbildung eines einheitlichen Netzwirtschaftsrechts. III. Fortbestehender Untersuchungsbedarf Trotz der dargestellten gegenläufigen Stellungnahmen ist das Verhältnis der Netzwirtschaften zum allgemeinen Wettbewerbsrecht und die Frage der Herausbildung eines netzspezifischen Sonderrechts in der Literatur bislang ungenügend untersucht. Soweit die Problematik der Netzwirtschaften unter ökonomischen Effizienzgesichtspunkten diskutiert wird, weisen die Analysen aus juristischer Sicht oftmals Defizite bei der angemessenen Erfassung der zur Verfügung stehenden Ge-

25 J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 475, 492 f.; C. Theobald/K. Hummel, N&R 2004, 2, 5; G. F. Schuppert, in: König/Benz (Hrsg.), Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539, 564; E. Grande, in: König/Benz (Hrsg.), Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 576, 585; A. Benz/K. König, in: König/Benz (Hrsg.), Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 606, 626; L. Vollmer, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 289, 291; C. Berringer, Regulierung als Erscheinungsform der Wirtschaftsaufsicht, S. 111. 26 H. Cox, Regulierung, Wettbewerb und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse; J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 39. So auch für den Bereich des Universaldienstes und technische Aspekte G. Knieps, in: Oberender (Hrsg.), Die Dynamik der Telekommunikationsmärkte, S. 9, 11 f.; G. Knieps, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 203, 208.

1. Abschnitt: Gegenstand der Arbeit

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staltungsoptionen auf. Die Deregulierungsdiskussion war geprägt von der Annahme einer schlichten Dichotomie von Markt und Staat, wobei staatliche Einflussnahme gleichgesetzt wurde mit staatlicher Monopolregulierung. Das dabei implizit zugrunde gelegte Konzept eines monolithischen Staates wird der Vielgestalt staatlicher Einflussnahmen im Bereich der Wettbewerbswirtschaft indessen nicht gerecht.27 Auch soweit eine aus juristischer Sicht differenziertere Auseinandersetzung mit den Regelungsformen im Bereich der Netze erfolgt, bleiben die vorhandenen Untersuchungen hinter dem hier formulierten Erkenntnisziel zurück, da zumeist eine Beschränkung auf einen bestimmten Netzsektor erfolgt. Diese Fokussierung mag den Vorteil haben, eine detailliertere Betrachtung zu ermöglichen28, nimmt allerdings die Möglichkeit, Schlüsse auf ein sektorübergreifendes Recht zu ziehen. Wo demgegenüber eine sektorübergreifende Perspektive gewählt wird, geschieht dies regelmäßig unter Bezugnahme auf das positive Recht.29 Damit ist zwar bereits eine erste dogmatische Grundlegung im Bereich des Netzwirtschaftsrechts erreicht30, dies indessen unter Verzicht auf die nach hier vertretener Ansicht notwendige Abgrenzung des Privatisierungsfolgenrechts von einem dauerhaften Regelungsbedarf. Indem die von Masing zum 66. Deutschen Juristentag vorgelegte Untersuchung zum Recht der Regulierungsverwaltung31 vom gegenwärtigen positiven Recht der einzelnen Netzwirtschaften ausgeht und auf dieser Grundlage die Möglichkeit einer vereinheitlichenden Zusammenfassung des aktuellen Regelbestandes in einem Netzregulierungsverwaltungrecht untersucht32, ist diesem Gutachten ein Untersuchungsziel gesetzt, das von dem der vorliegenden Arbeit abweicht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nicht, auszuloten inwieweit der gegenwärtig bestehende Regelbestand inhaltsgleich in einen einheitlichen Rechtsrahmen integriert werden kann. Nach hier vertretener Auffassung hängt die Herausbildung eines Netzwirtschaftsrechts von der Dauerhaftigkeit einer netzspezifischen Regelungsaufgabe ab. In Abgrenzung zum bestehenden Priva27 Zu Recht kritisch daher E. Bohne, in: Lüder (Hrsg.), FS Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, S. 211, 218; vgl. zur Kritik schon F. W. Scharpf, in: von Weizsäcker (Hrsg.), Staat und Wirtschaft, S. 15, 28. 28 Dazu J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 31 f. 29 So etwa J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung; vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 13 ff. 30 J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 164 ff.; vgl. auch C. Theobald/K. Hummel, N&R 2004, 2. 31 J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT; vgl. dazu I. Pernice, WHI Paper 3/06; H. C. Röhl, JZ 2006, 831; M. Burgi, NJW 2006, 2439. 32 J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 39 f., 40.

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Einleitung

tisierungsfolgenrecht bilden dauerhaft vorliegende Regelungsgründe und deren Netzbezogenheit den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Soweit sich die bestehenden gesetzlichen Regelungen für die einzelnen Netzwirtschaften als Ausdruck fortbestehender netzspezifischer Regelungsanliegen erweisen, kann allerdings auf die Untersuchungsergebnisse von Masing zurückgegriffen werden.33 Auch die umfangreiche Diskussion um § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB und die kartellrechtliche Ausgestaltung des Netzzugangs Dritter34 konnte infolge der anders angelegten Fragestellung das Verhältnis der Netzwirtschaften zum Kartellrecht nicht hinreichend beleuchten. Zweiter Abschnitt

Überblick über den Gang der Untersuchung Die Arbeit beginnt im Ersten Teil mit einer einführenden Darstellung des Netzbegriffs und einer damit einhergehenden Konkretisierung des Bereichs der hier behandelten Netzwirtschaften. Sodann wird im Zweiten Teil die Existenz eines fortdauernden netzspezifischen Regelungsbedarfs in diesem Bereich untersucht. In Anerkennung des weiten Spielraums des Gesetzgebers, Regelungsziele neu zu begründen, findet dabei eine Beschränkung auf solche Regelungsaspekte statt, die bereits im gegenwärtigen Ordnungsmodell angelegt sind und insbesondere mit der Grundentscheidung für die wettbewerbliche Gestaltung der Netzwirtschaften in Einklang stehen. Regelungsaspekte, die innerhalb des Ordnungsmodells nur vorübergehende Bedeutung haben, werden als Privatisierungsfolgenrecht ausgeklammert. In den folgenden beiden Teilen wird der Möglichkeit einer kartellrechtlichen Bewältigung des zuvor ermittelten dauerhaften netzspezifischen Regelungsbedarfs nachgegangen.35 Dabei ist die Untersuchung nicht auf das aktuelle Kartellrecht beschränkt, sondern auf die grundsätzliche Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells bezogen. Das hat zur Folge, dass auch die Möglichkeit einer Fortbildung des GWB im Rahmen der gegenwärtigen Ordnungskonzeption einbezogen wird. Entsprechend erfolgt die Analyse des kartellrechtlichen Instru33

Dazu unten im 5. Teil. Z. B. L. Vollmer, in: Schwarze (Hrsg.), Der Netzzugang für Dritte im Wirtschaftsrecht, S. 41; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung; J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB; J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen; B. Martenczuk/K. Thomaschki, RTkom 1999, 15. 35 Da die Handlungsmöglichkeiten des deutschen Gesetzgebers untersucht werden, gehört das europäische Kartellrecht nicht zum Gegenstand der Untersuchung. 34

2. Abschnitt: Überblick über den Gang der Untersuchung

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mentariums in zwei Stufen. Zunächst wird im Dritten Teil das kartellrechtliche Ordnungsmodell untersucht, welches die Grundlage für die gegenwärtige Norminterpretation und den Rahmen für die künftige Rechtsfortbildung bildet. Im Vierten Teil erfolgt dann die konkrete Prüfung des kartellrechtlichen Instrumentariums auf seine Eignung zur Bewältigung des dauerhaften netzspezifischen Regelungsbedarfs. Aufgrund der damit gefundenen Ergebnisse lassen sich im abschließenden Fünften Teil die Fragen nach der Notwendigkeit eines dauerhaften Netzwirtschaftsrechts und der Möglichkeit einer systematischen Zusammenfassung dieser Regeln beantworten. Aus den im Rahmen der Untersuchung erlangten Erkenntnissen werden Konsequenzen für die künftige Entwicklung des Netzwirtschaftsrechts abgeleitet und die Ergebnisse so als Bausteine für die Schaffung eines künftigen einheitlichen Netzwirtschaftsrechts nutzbar gemacht.

Erster Teil

Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts Im Mittelpunkt der Arbeit stehen Netze als Gegenstand möglicher staatlicher Einwirkungen auf die Wettbewerbswirtschaft. Im Folgenden werden zunächst die Begriffe des Netzes bzw. der Netzwirtschaften näher bestimmt. Aufbauend auf dieser begrifflichen Klärung wird im Anschluss untersucht, inwieweit es in diesem Wirtschaftsbereich Gemeinsamkeiten gibt, die über das rein Begriffliche hinausgehen und eine gemeinsame rechtliche Behandlung unter dem Stichwort Netzwirtschaften rechtfertigen. Die bereichsübergreifende juristische Untersuchung ist auf solche verbindende Merkmale von Netzen angewiesen, die Anknüpfungspunkte für eine kohärente rechtliche Behandlung der Wirtschaftsbereiche liefern und damit die Grundlage für die Herausbildung eines eigenen Netzwirtschaftsrechts darstellen können. Erster Abschnitt

Begriffliche Bestimmung des Netzbegriffs Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff des Netzes eine Struktur, die durch die wechselseitige Verbindung verschiedener Punkte gekennzeichnet ist.1 Funktionale Bestandteile eines Netzes sind Netzknoten und die zwischen diesen Knoten bestehenden Verbindungen. Trotz Benennung der konstituierenden Bestandteile eines Netzes bleibt die hierdurch erreichte Begriffsbestimmung allerdings noch so allgemein, dass die verschiedensten Phänomene als Netz bzw. Netzwerk bezeichnet werden können.2 Schärfere Konturen erhält der Begriff des Netzes erst dann, wenn er in einem bestimmten Kontext verwandt wird bzw. mit einem konkreten Erkenntnisinteresse verbunden wird.3 Bei naturwissenschaftlich-technischer Betrachtung steht die Gesamtheit der physi1

Brockhaus, Enzyklopädie in 24 Bänden, Stichwort „Netz“. So führt die Brockhaus Enzyklopädie neben der allgemeinen Bedeutung weitere acht Einzelbedeutungen aus verschiedenen Bereichen auf; vgl. C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73; J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 22; D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 5. 3 Vgl. H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 214 f. 2

1. Abschnitt: Begriffliche Bestimmung des Netzbegriffs

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schen Verbindungen zwischen den einzelnen Netzknoten im Vordergrund. In diesem Sinne wird beispielsweise ein Rohrleitungssystem als Netz betrachtet. Demgegenüber wird im sozialwissenschaftlichen Bereich der Aspekt der intersubjektiven Interaktion betont. Individuen können in einem sozialen Netzwerk als Netzknoten verstanden werden, wobei die Verbindung zwischen den Individuen durch ein Geflecht sozialer Beziehungen hergestellt wird.4 Für den juristischen Bereich ist eine einheitliche Begriffsbildung bislang nicht vorhanden. Wenngleich rechtliche Probleme technischer Netze zur traditionellen verwaltungsrechtlichen Regelungsmaterie gehören,5 fehlte es bislang an einer unmittelbaren juristischen Anknüpfung an den Netzbegriff.6 Erst seit Einführung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, der einen Anspruch auf Mitbenutzung von Netzen und Infrastruktureinrichtungen einräumt, besteht eine Norm, die in ihren Rechtsfolgen unmittelbar an die Netzeigenschaft anknüpft und damit eine juristische Begriffsbildung erfordert. Die hierzu verfolgten Ansätze haben allerdings bislang noch nicht zu einer einheitlichen Auslegung des Netzbegriffes geführt.7 Methodisch orientieren sich die vorgeschlagenen Begriffsbildungen zumeist an außerjuristischen Verwendungen.8 Darüber hinaus wird der Versuch unternommen, die Begriffsgrenzen aus der gesetzgeberischen Intention abzuleiten, was freilich wiederum auf eher konturarme außerjuristische Vorstellungen zurückweist.9

A. Materielle Netze Die im juristischen Bereich wohl einflussreichste Definition des Netzphänomens hat von Weizsäcker vorgeschlagen. Demnach sind Netze „raumübergreifende, komplex verzweigte Transport- und Logistiksysteme für Güter, Personen oder Information“10. Diese Definition hat im Schrifttum verbreitete Zustim-

4 H. Keupp, in: Reinhold (Hrsg.), Soziologie-Lexikon, Stichwort „Soziale Netzwerke“. 5 Vgl. die Nachweise bei M. Fehling, AöR 121 (1996), 59, 76 ff.; F. Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 75 ff. 6 Vgl. auch J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 41, 527. 7 Zur Problematik etwa F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 79 ff., 87 f. m.w. N. 8 Vgl. J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 102, 104; J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 41 f. 9 Vgl. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 157; G. Wiedemann, in: Wiedemann (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rn 65; Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 13/9720, S. 73. 10 C. C. von Weizsäcker, ZfE 1994, 197; sowie C. C. von Weizsäcker, WuW 1997, 572; vgl. auch C. C. von Weizsäcker, in: Hansen (Hrsg.), VIII. Internationale Kartellkonferenz, S. 49.

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1. Teil: Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts

mung11 gefunden und soll auch hier den Ausgangspunkt für die weitere begriffliche Klärung bilden. Der Vorteil der Definition liegt darin, eine Vielzahl von Netzphänomenen zu erfassen und zugleich mit der Raumrelevanz ein entscheidendes Merkmal der Netze zu betonen. Umfasst sind von der Definition zunächst die klassischen Netze in den Bereichen Telekommunikation und Elektrizitätsversorgung, die Leitungen der Gasversorgung und das Eisenbahnschienennetz.12 Gemeinsames Merkmal dieser Versorgungsnetze ist die Existenz von physischen Verbindungen zwischen den einzelnen Netzpunkten. So übernehmen im Falle der Eisenbahnen die Schienenstränge die Funktion der Verbindung zwischen den Bahnhöfen, welche ihrerseits als Netzknoten fungieren. Entsprechend dienen die Stromleitungen der Elektrizitätsversorgung als physische Elemente der Verbindung zwischen Kraftwerken und Energieverbrauchern. Wegen der Zusammensetzung aus physikalisch-gegenständlichen Netzelementen13 werden diese klassischen Netze als physische oder auch als materielle Netze bezeichnet.14 Die Abhängigkeit der klassischen Netze von der Existenz physischer Verbindungselemente weist unmittelbar auf den Raumbezug dieser Netze hin. Als Transportsysteme dienen sie der Verbindung räumlich getrennter Gebiete und der Beförderung von Waren. In dieser Funktion sind Netze Voraussetzung für die Bildung von Märkten.15 Hinzu kommt als weiterer Aspekt des Raumbezuges die Inanspruchnahme von Teilen der Erdoberfläche beim Netzaufbau, wobei in diesem Punkt erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Netzen bestehen.16 Während etwa die Errichtung von Hochspannungstrassen oder die Schaffung einer neuen 11 Etwa J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 42; Monopolkommission, Hauptgutachten 1994/1995, Tz. 49; K. König/C. Theobald, in: Grupp/Ronellenfitsch (Hrsg.), FS Blümel, S. 277, 279; M. Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, S. 5; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 215 f.; J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 22. 12 Vgl. C. C. von Weizsäcker, WuW 1997, 572, 573. Unter Umständen wäre auch das Straßennetz zu diesen klassischen Netzen zu rechnen. Wegen der bisher nahezu ausschließlich staatlichen Erstellung und Wartung des Straßennetzes, erscheint es allerdings als Referenzbereich wenig geeignet. 13 H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 218. 14 Vgl. etwa H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 218; M. Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, S. 5. 15 Vgl. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 324 ff. Zur europäischen Perspektive vgl. K. van Miert, in: Hansen (Hrsg.), VIII. Internationale Kartellkonferenz, S. 34 f. 16 Hierzu G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 356 ff.; J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 55.

1. Abschnitt: Begriffliche Bestimmung des Netzbegriffs

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Eisenbahnverbindung nicht zuletzt wegen der hier bestehenden Sicherheitsanforderungen mit einem erheblichen Flächenbedarf, einer Einschränkung der bisherigen Nutzung und bedeutsamen Umwelteingriffen einhergeht, ist die Verlegung von Telekommunikationsleitungen verhältnismäßig unproblematisch und führt meist nur zu einer geringfügigen bzw. vorübergehenden Einschränkung.17 Netze die grundsätzlich auf die ausschließliche Nutzung der betreffenden Flächen angewiesen sind, werden als primäre Netze bezeichnet, wohingegen Netze, die etwa unter Nutzung bereits vorhandener primärer Netze erstellt werden, als sekundär bezeichnet werden.18 Die Unterscheidung ist bedeutsam, weil die Abhängigkeit vom Vorhandensein geeigneter Flächen zu Begrenzungen des Netzausbaus führen kann.19 Auch dort, wo weder technische noch ökonomische Gründe einem Ausbau entgegenstehen, kann dieser aus Mangel an geeigneten Flächen ausscheiden. Derartige Einschränkungen des Netzausbaus können sich bereits unmittelbar aus der Eigentumsordnung ergeben. Hinzu kommen auch Begrenzungen, die sich aus Vorschriften zum Schutz der natürlichen Umwelt ergeben. Mit geringeren Einwirkungen auf ihre Umwelt sind solche Strukturen verbunden, die nicht durch eine eigene physische Verbindung ihrer Einzelelemente gekennzeichnet sind. Beispiele hierfür sind etwa Postverteil- oder Logistiksysteme. Die Bezeichnung als Netz erscheint hier zunächst fraglich, da die Verbindung zwischen den Netzpunkten als wesenstypisch für Netze genannt wurde. Auch diese Strukturen werden indes als Netze erkennbar, soweit man berücksichtigt, dass die Verbindungsfunktion hier durch andere Netze, meist öffentliche Verkehrsnetze, vermittelt wird. Rechnet man das Straßen- bzw. Schienennetz zu den einzelnen Briefverteilstationen hinzu, so wird die Ähnlichkeit mit den genannten klassischen Netzen offenbar, da sich das Netz ohne diese verbindenden Elemente nicht realisieren ließe. Neben solchen Netzen, bei denen die Verbindung zwischen verschiedenen Netzpunkten durch physische Elemente erfolgt, gibt es also auch Netze, bei denen eine solche physische Verbindung nicht selbst Teil des Netzes ist.20

B. Immaterielle Netze Trotz ihrer offenbaren Leistungsfähigkeit ist die Definition von Weizsäckers letztlich kaum geeignet, die äußere Grenze des Netzbegriffes im juristischen 17 Während Eisenbahnflächen im Grundsatz einer weiteren Nutzung entzogen sind, bleibt etwa die Fläche unter Hochspannungsleitungen eingeschränkt nutzbar. 18 J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), 1, 10; J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 54. 19 Vgl. auch J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 55 f. 20 Vgl. auch J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 102 zum Beispiel des Tankstellennetzes.

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1. Teil: Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts

Bereich zu bezeichnen.21 Infolge der fortschreitenden Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik rücken verstärkt Netzstrukturen in den Mittelpunkt der ökonomischen und juristischen Betrachtung, die im Gegensatz zu den genannten klassischen Netzen weitgehend bzw. sogar vollständig ohne physikalisch-gegenständliche Netzelemente gebildet werden.22 Grundlage für die Bezeichnung dieser Phänomene als Netze sind Interdependenzen zwischen Gütern und Leistungen, die sich auch in Abwesenheit von physischen Verbindungen ergeben können. So entwickeln sich etwa durch die Schaffung von Standards Strukturen mit Netzcharakter.23 In der Computertechnik stellt ein Dateiformat einen Standard dar, der festlegt, wie bestimmte Informationen strukturiert abzuspeichern sind.24 Die Kenntnis dieses Standards ermöglicht es Dritten, die gespeicherten Informationen zu verarbeiten. Alle Nutzer eines Computersystems mit der Fähigkeit derart standardkonforme Dateien zu verarbeiten, bilden in dieser Betrachtung ein Netz von Nutzern dieses Dateiformates.25 Wegen der Abwesenheit materieller Netzelemente werden solche Netze im Folgenden als immaterielle oder auch virtuelle Netze bezeichnet.26 Auch wenn von Weizsäcker einige dieser Phänomene noch als von seiner

21 So wohl auch von Weizsäcker selbst, der diese Definition nur zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung macht und damit nicht den Anspruch einer verbindlichen Abgrenzung erhebt, vgl. C. C. von Weizsäcker, ZfE 1994, 197; sowie C. C. von Weizsäcker, WuW 1997, 572. 22 Grundlegend M. L. Katz/C. Shapiro, The American Economic Review 75 (1985), 424 f.; M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93; M. Thum, Netzwerkeffekte, Standardisierung und staatlicher Regulierungsbedarf, S. 5. 23 Vgl. A. Klimisch/M. Lange, WuW 1998, 15, 18; F. Scheuffele, Die Essential Facilities-Doktrin, S. 118 f. 24 Etwa das bekannte Portable Document Format (PDF) der Adobe Systems Inc.; vgl. M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 491. 25 M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 491; M. L. Katz/C. Shapiro, The American Economic Review 75 (1985), 424; vgl. dazu im Einzelnen noch unten 2. Teil, 1. Abschnitt, B. 26 Die Terminologie in der Literatur ist uneinheitlich: wie hier J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 43; R. Steyer, WiSt 1997, 206; ähnlich bei F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 83; von virtuellen Netzen spricht D. Wolf, in: Sillich (Hrsg.), Wettbewerb in vernetzten Märkten, S. 13; enger J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 102, der von virtuellen Netzen nur spricht, soweit die Netzpunkte noch physisch vorhanden sind und im Übrigen den Begriff der immateriellen Netze verwendet; dagegen sprechen C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73 von Software- im Gegensatz zu Hardwarenetzen. Eine andere Abgrenzung schlägt J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 37 f. unter Berufung auf M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479 vor, indem sie die Abgrenzung anhand der physisch-gegenständlichen Präsenz auf die Begriffe materiell/immateriell beschränkt und stattdessen vorschlägt, den Begriff des virtuellen Netzes im Gegensatz zum „actual network“ in Abhängigkeit von Art und Wirkung der feststellbaren Netzeffekte zu verwenden.

1. Abschnitt: Begriffliche Bestimmung des Netzbegriffs

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Definition umfasst ansieht27, gerät die Definition in diesem Bereich an ihre Grenzen. Trotz der fehlenden physischen Komponente lassen sich Parallelen zwischen materiellen und immateriellen Netzen ausmachen. Dies wird deutlich, wenn man sich die Bedeutung von Standards im Bereich der klassischen Netze vor Augen führt. Auch wenn auf den ersten Blick die physikalisch-gegenständliche Dimension dieser Netze auffällt, ist die Schaffung solcher Netze ohne die Festlegung von Standards nicht denkbar.28 Die Standardisierung gewährleistet auch hier die Kompatibilität der einzelnen Netzbestandteile und damit den Zusammenhalt des Netzes.29 Die grundlegende Funktion von Standards im Bereich der materiellen und immateriellen Netze ist ähnlich. Durch den Wegfall der verbindenden physischen Elemente wird der Standard jedoch für das immaterielle Netz konstituierend, da erst hierdurch die Grundvoraussetzungen für den Austausch im immateriellen Netz geschaffen werden. Der gemeinsame Standard übernimmt zugleich die im materiellen Netz durch die physischen Verbindungselemente realisierte Funktion. Eine klare Abgrenzung zwischen materiellen und immateriellen Netzen ist allerdings kaum möglich.30 So kann zwar auch ein funkbasiertes Telekommunikationsnetz als solches wegen der erforderlichen Sende- und Empfangsstationen noch vergleichsweise problemlos als materielles Netz qualifiziert werden. Betrachtet man hingegen die unter Nutzung des Netzes erbrachten Dienste, so wird deutlich, dass es sich hierbei wiederum um eigene Netze handeln kann. Beispielsweise bilden sich durch die in den Kommunikationsnetzen erfolgende Datenübertragung Netze, die zunehmend unabhängig von den zugrunde liegenden physischen Netzen sind.31 So bildet das Internet ein eigenes Netz, welches von der Übertragung durch ein bestimmtes Kommunikationsnetz unabhängig ist und allein durch die gemeinsame Verwendung von Standards begründet wird.32 Das Internet ist damit einerseits als immaterielles Netz einzuordnen und andererseits in seiner Existenz von den zugrunde liegenden materiellen Netzen abhängig.

27 C. C. von Weizsäcker, WuW 1997, 572, 573 verweist etwa auf Reservierungssysteme. 28 B. Layes, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 81. 29 Vgl. F. Scheuffele, Die Essential Facilities-Doktrin, S. 118; D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 6. 30 Vgl. auch J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 43 Fn 122. 31 Zum den Folgen der Konvergenz, vgl. A. Zimmer/W. Büchner, CR 2001, 164; H.-H. Trute, VVDStRL 57 (1998), 216, 220; M. Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, S. 11. 32 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 629 f.

38

1. Teil: Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts

C. Weitere Charakterisierungen Andere Versuche, das Wesen der Netzwirtschaften zu erfassen, verweisen neben dem eher technischen Aspekt der physischen Präsenz der Netze auf funktionale Aspekte. Genannt werden neben dem schon erörterten Raumbezug etwa der Systemcharakter der Netze33 sowie ihre Eigenschaft, Vorleistungen für andere Wirtschaftsbereiche zu erbringen34 und die Ermöglichung von Synergieeffekten35. Wenngleich damit Eigenschaften benannt werden, die für zahlreiche Netzbereiche als prägend angesehen werden können, erscheint es kaum sinnvoll, den Bereich der Netzwirtschaften anhand des Vorliegens eines dieser Merkmale abzugrenzen. Für das Merkmal der Raumrelevanz zeigt sich dies bereits im Bereich der immateriellen Netze, die hiervon in weit geringerem Maße geprägt sind.36 Das Merkmal der Vorleistungseigenschaft verweist zwar auf ein für klassische Netzindustrien ebenso wie für moderne Kommunikationsnetze wesentlichen Befund, allerdings eignet es sich nicht zur Abgrenzung von anderen Bereichen etwa der Grundstoff- bzw. Primärindustrien. Ähnliches lässt sich für das wenig spezifische Kriterium der Ermöglichung von Synergien für andere Wirtschaftsbereiche feststellen. Schließlich ist auch der Verweis auf die Systemhaftigkeit zu weit und unspezifisch, um eine wirkliche Abgrenzung leisten zu können.

D. Fazit zum Netzbegriff Man wird sich auf Grundlage dieses Befundes damit begnügen müssen, dass die begriffliche Bestimmung des Netzbegriffes allenfalls Typisches aufdecken kann und damit einen unstrittigen Kern der Netzwirtschaften markiert, ohne jedoch die äußeren Grenzen des Netzbegriffes klar zu umschreiben.

33 Vgl. M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93; ähnlich J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 102; vgl. auch E. M. Noam, in: Hoffmann-Riem/Vesting (Hrsg.), Perspektiven der Informationsgesellschaft, S. 49, 50; dagegen J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 43 f. 34 P. J. J. Welfens, in: Welfens/Graack/Grinberg/Yarrow (Hrsg.), Towards Competition in Network Industries, S. 11, 15. 35 Vgl. J. Kruse/T. Kiessling, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 16 (1997), 11; im Anschluss daran J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 42. 36 Dies wird etwa deutlich bei J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 44 der das Kriterium der Raumüberwindung betont und damit eine bewusste Eingrenzung der Materie vornimmt (a. a. O., Fn 124); vgl. auch H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 211.

1. Abschnitt: Begriffliche Bestimmung des Netzbegriffs

39

Grundlage für einen gegebenenfalls bestehenden Regelungsbedarf ist jedoch nicht die begrifflich begründete Zuordnung zu einem Bereich der Netzwirtschaften,37 sondern das Vorliegen sachspezifisch prägender Eigenschaften, die erst den Anknüpfungspunkt für konkrete Regelungsanliegen bilden. Den Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung bildet ein Begriff der Netzwirtschaften, der sowohl materielle als auch immaterielle Netze einbezieht. Die klassischen Netzindustrien, zu denen insbesondere die Versorgungsnetze für elektrische Energie, Gas und Wasser sowie der Bereich der leitungsgebundenen Telekommunikation und das Eisenbahnwesen zählen, sind damit ebenso erfasst wie Netzphänomene im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Gegenstand der Arbeit ist nicht die Lösung der für einzelne Netze bestehenden Spezialprobleme, sondern die Untersuchung solcher netztypischer Eigenheiten, die einen spezifischen Regelungsbedarf begründen und einer netzübergreifenden rechtlichen Bewältigung zugänglich erscheinen. Für die weitere Untersuchung ist damit entscheidend, inwieweit sich gerade aus dem Netzcharakter der Wirtschaftsbereiche Merkmale und Bedingungen ergeben, die prägend für eine größere Zahl von Netzen sind und die eine bestimmte gesetzgeberische Reaktion erfordern oder begründen. Das Vorliegen solcher bereichsübergreifender netzspezifischer Besonderheiten wäre Voraussetzung für eine gewinnbringende gemeinsame juristische Behandlung der Netzwirtschaften. Eine dann gegebenenfalls mögliche systematisierende Vereinheitlichung des Regelungsinstrumentariums würde auch die Überwindung der noch durch überkommene Sonderbereichslehren38 geprägten Rechtszersplitterung, die auch durch die Bildung der Bundesnetzagentur nicht beseitigt wurde, ermöglichen.39 Dies führt zu einer Betrachtung, die all jene Bereiche zu den Netzwirtschaften rechnet, die maßgeblich durch einen netzspezifisch ähnlichen Regelungsbedarf geprägt sind.40

37

Vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 63. Kritisch dazu C. Koenig/W. Rasbach, DÖV 2004, 733. 39 Vgl. F. J. Säcker, RdE 2003, 300; F. J. Säcker, N&R 2004, 46, 47; F. J. Säcker, AöR 130 (2005), 180, 182; sowie jetzt J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT; skeptisch dagegen A. Schebstadt, RdE 2004, 181, 185 Fn 67; U. Immenga, in: Herdegen/ Immenga/Knieps (Hrsg.), Die Teilleistungsregelung des § 28 PostG, S. 41, 51. 40 Vgl. J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 103. 38

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1. Teil: Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts

Zweiter Abschnitt

Die ordnungspolitische Grundausrichtung der Netzwirtschaften Den Rahmen für die folgende Analyse des netzspezifischen Regelungsbedarfs bildet die gegenwärtige ordnungspolitische Grundausrichtung der Netzwirtschaften.41

A. Privatisierung und Liberalisierung im Bereich der Netzwirtschaften Noch nach dem zweiten Weltkrieg wurden die klassischen Netzindustrien als natürliche Monopole betrachtet, die für eine wettbewerbliche Koordination nicht tauglich seien.42 Zunächst in Großbritannien und den USA, später auch in Kontinentaleuropa wurden die herkömmlichen Regulierungsregime in ihrer Berechtigung indessen zunehmend hinterfragt.43 Ursächlich hierfür waren Fortschritte der technischen Entwicklung ebenso wie immer deutlicher zutage tretende Effizienzdefizite in den betroffenen Wirtschaftsbereichen. Teilweise wurde schließlich auf Probleme der weiteren staatlichen Finanzierung verwiesen.44 Angestoßen durch europarechtliche Vorgaben erfolgte in Deutschland in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Privatisierung bestehender staatlicher Unternehmen in den klassischen Netzindustrien und die Überführung dieser Wirtschaftsbereiche in den Wettbewerb.45 Flankiert wurde die Liberalisierung durch eine Re-Regulierung zur Sicherstellung des Wettbewerbs und der Durchsetzung öffentlicher Interessen.46 Diese Re-Regulierung ist Ausdruck einer fortbestehenden staatlichen Verantwortung, die sich allerdings von einer Erfüllungs- in eine Gewährleistungsverantwortung gewandelt hat.47 41

Vgl. zum folgenden auch A. Schulze, Liberalisierung von Netzindustrien, S. 7 ff. L. Miksch, Wettbewerb als Aufgabe, S. 98, 99. Zur Entwicklung vgl. S. Spelthahn, Privatisierung natürlicher Monopole, S. 42 ff. 43 Dazu E. Kaufer, Theorie der öffentlichen Regulierung; Deregulierungskommission, Marktöffnung und Wettbewerb; G. Prosi, WuW 1996, 973, 975; J. Basedow, Rechtspolitisches Forum 14/2003, 3; vgl. auch A. Schulze, Liberalisierung von Netzindustrien, S. 46 ff. 44 Vgl. K. König/C. Theobald, in: Grupp/Ronellenfitsch (Hrsg.), FS Blümel, S. 277, 282; A. Benz/K. König, in: König/Benz (Hrsg.), Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 606, 611. 45 Zur Entwicklung M. Fehling, AöR 121 (1996), 59 m.w. N. 46 Vgl. W. Hoffmann-Riem/J.-P. Schneider, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 13, 38 f.; H.-H. Trute, ERPL (Special Number) 1994, 211; T. Eisenblätter, Regulierung in der Telekommunikation, S. 89 ff. 47 Vgl. W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 435, 441 f.; G. F. Schuppert, in: König/ Benz (Hrsg.), Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539, 550. 42

2. Abschnitt: Die ordnungspolitische Grundausrichtung der Netzwirtschaften

41

Demgegenüber fehlt es im Bereich immaterieller Netze bislang an spezifischen Regelungen. Vorherrschend sind hier medienrechtliche Bestimmungen, die Aspekte der transportierten Inhalte betreffen, ohne speziell auf Probleme der Übertragungsmedien einzugehen. Diese inhaltsorientierten Regelungsbereiche sind vom Gegenstand der Untersuchung nicht umfasst.48

B. Wettbewerb bei gleichzeitiger Sicherung des Gemeinwohls Für den Bereich der Netzwirtschaften kann infolge der geschilderten Entwicklung nunmehr von einer Grundsatzentscheidung zugunsten wettbewerblicher Leistungserbringung ausgegangen werden.49 Gleichzeitig sind die Bereiche jedoch in besonderem Maße von spezifischen Gemeinwohlanforderungen gekennzeichnet.50 Der darin beschriebene Dualismus zwischen effizienzbezogener Wettbewerbsausrichtung und dem gleichzeitigen Schutz von Gemeinwohlinteressen markiert die zwei Blickrichtungen, welche auch die folgende Erörterung des netzspezifischen Regelungsbedarfs bestimmen. Die unterschiedlichen Perspektiven werden mitunter durch das Begriffspaar allokativer und distributiver Zielsetzungen für staatliche Einflussnahmen auf die Wirtschaft beschrieben.51 Diese Begrifflichkeit ist insbesondere in der ökonomisch informierten Literatur verbreitet. Der allokative Ansatz ergibt sich dabei aus der Zielsetzung, das ökonomische Problem knapper Ressourcen durch optimalen Faktoreinsatz zu bewältigen.52 Als effizientestes Mittel wird hierzu allgemein die Koordination auf Wettbewerbsmärkten angesehen.53 Demgegenüber zielt distributive Politik auf eine nach Gerechtigkeits- und Gleichheitserwägungen bestimmte gemeinwohlorientierte Verteilung von Ressourcen.54 Als solche ist sie unmittelbar von der Wertentscheidung des Gesetzgebers beeinflusst.

48 Dazu C. Engel, Medienordnungsrecht; H.-H. Trute, VVDStRL 57 (1998), 216, 249 ff. 49 Vgl. etwa J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), 1, 4 ff.; zur Situation im Bereich der Trinkwasserversorgung vgl. W. Frenz, ZHR 166 (2002), 307; H. Daiber, WuW 2000, 352. 50 So etwa Art. 87e, 87 f GG, §§ 78 ff. TKG, §§ 36 ff. EnWG, § 10 AEG. 51 Vgl. G. Knieps, in: Horn/Knieps/Müller (Hrsg.), Deregulierungsmaßnahmen in den USA, S. 39; K. König/C. Theobald, in: Grupp/Ronellenfitsch (Hrsg.), FS Blümel, S. 277, 301 f. 52 M. E. Streit, Theorie der Wirtschaftspolitik, S. 1 f.; B. Hewel/R. Neubäumer, in: Neubäumer/Hewel (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 1, 11 f.; H. Schneider, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 1. 53 R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 771 f. 54 B. Hewel/R. Neubäumer, in: Neubäumer/Hewel (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 1, 11 f.

42

1. Teil: Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts

I. Grundlage der Unterscheidung Im Bereich der Netzwirtschaften werden sowohl allokative als auch distributive Ansätze zur Begründung verschiedener Regelungen diskutiert. Der konzeptionelle Gegensatz beider Sichtweisen auf staatliche Regelungen im Bereich der Netzwirtschaften sollte indessen nicht überbewertet werden. Die Hinwendung der Wirtschaftswissenschaften zur Frage der Allokationseffizienz ist maßgeblich im Versuch begründet, Wertungsfragen zu vermeiden, die mit Entscheidungen über die Güterverteilung unmittelbar verbunden sind.55 Die Ausgrenzung von Wertungsfragen gelingt der ökonomischen Betrachtung allerdings nicht vollständig. Ursächlich hierfür ist das mit jeglicher Effizienzaussage verbundene Problem der Messbarkeit. Zwar besteht Einigkeit, dass Effizienzanalysen in einer freiheitlichen Ordnung an eine individualistische Wohlfahrtsbewertung anknüpfen müssen,56 auch auf dieser Grundlage stellt sich indes die Frage, wie aus der individuellen Wohlfahrt ein Maß für gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt abzuleiten ist.57 Die herkömmliche ökonomische Betrachtung behilft sich zur Bewältigung dieses Dilemmas des auf allgemeiner Zustimmungsfähigkeit beruhenden ParetoKriteriums.58 Als pareto-effizient wird eine Güterverteilung dann bezeichnet, wenn durch Tauschaktionen kein Individuum besser gestellt werden kann, ohne gleichzeitig ein anderes Individuum schlechter zu stellen.59 Hierdurch wird zwar ein Teil der Wertungsfragen ausgeblendet,60 gleichzeitig schränkt das auf Freiwilligkeit beruhende Pareto-Kriterium allerdings die Reichweite des ökonomisch begründeten Urteils erheblich ein.61 So bleibt die allokationsorientierte

55 Vgl. G. Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 289, 293. 56 J. Hackmann, in: Müller (Hrsg.), Wohlfahrtsökonomik und Gemeinwohl, S. 9, 13; G. Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 289, 291; H. Schneider, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 145. 57 G. Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 289, 291; H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 87 ff. 58 Vgl. R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 763. 59 E. Sohmen, Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 30 ff.; G. Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 289, insbes. S. 295 f. 60 Es entfallen insbesondere die Probleme kardinaler Nutzenmessung und interpersonaler Vergleiche, G. Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 289, 293. Freilich beinhaltet auch das Pareto-Kriterium ein gewisses Werurteil, welches aber hinreichend allgemein erscheint und so als allgemein zustimmungsfähig angenommen wird bzw. als empirische verifizierbar gilt, vgl. G. Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 289, 297.

2. Abschnitt: Die ordnungspolitische Grundausrichtung der Netzwirtschaften

43

Betrachtung immer auf eine konkrete Ausgangslage bezogen.62 Zudem kann das Pareto-Kriterium eine Auswahl zwischen verschiedenen Maßnahmen, die jede für sich die Pareto-Effizienz erhöhen würden, nicht begründen.63 Es wird insofern allenfalls ein Minimalziel der Wirtschaftspolitik unter Verzicht auf eigene Wertungen formuliert.64 Eine Aussage über die Wünschbarkeit der konkreten Situation bzw. deren Gerechtigkeit ist aus dem Pareto-Kriterium nicht abzuleiten.65 II. Notwendigkeit einer politischen Entscheidung Daraus wird deutlich, dass paretianisch begründete Argumente eine gesetzgeberische Entscheidung nicht ersetzen können. Die im Rahmen der Auswahl zwischen verschiedenen jeweils für sich paretoeffizienten Konstellationen notwendige Wertentscheidung66 kann die Frage der Wohlfahrtsverteilung nicht unberücksichtigt lassen. Hinzu kommt, dass in der Praxis wirtschaftspolitische Maßnahmen regelmäßig mit der Schlechterstellung Einzelner einhergehen.67 Die Unterscheidung zwischen allokativen und distributiven Zielen stellt letztlich eine Hilfskonstruktion dar, die in der gesetzlichen Umsetzung nicht in dieser Eindeutigkeit aufrechterhalten werden kann.68 Im politischen Raum bildet die Zufriedenheit mit den jeweiligen erwarteten Marktergebnissen die Grundlage für legislative Maßnahmen.69 Diese Bewertung wird oft mit der ökonomischen begründeten Feststellung von Marktunvollkommenheiten zusammenfallen oder auf andere ökonomische Begründungen gestützt sein. Gleichwohl sind gesetzge61 H. Schneider, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 147; G. Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 289, 297 f.; H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 88. 62 Eine Orientierung allein am Pareto-Kriterium führte somit leicht zu einer normativen Überhöhung des status quo, vgl. C. Kirchner, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 45, 53; G. Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 289, 303; kritisch dazu jedoch J. Hackmann, in: Müller (Hrsg.), Wohlfahrtsökonomik und Gemeinwohl, S. 9, 15. 63 Vgl. R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 767; J. Hackmann, in: Müller (Hrsg.), Wohlfahrtsökonomik und Gemeinwohl, S. 9, 16; siehe auch W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 205. 64 J. Hackmann, in: Müller (Hrsg.), Wohlfahrtsökonomik und Gemeinwohl, S. 9, 14. Weitergehend allerdings C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 89 ff. 65 R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 772 ff. 66 Vgl. J. Hackmann, in: Müller (Hrsg.), Wohlfahrtsökonomik und Gemeinwohl, S. 9, 14. 67 Vgl. G. Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 289, 312. 68 Vgl. M. E. Streit, Theorie der Wirtschaftspolitik, S. 179; M. Wallerath, JZ 2001, 209, 214. 69 Vgl. W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 609.

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1. Teil: Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts

berische Entscheidungen weder auf ökonomische Bewertungen beschränkt noch hieran gebunden. Der notwendigen Selbstbeschränkung der wissenschaftlich orientierten Ökonomie steht der Entscheidungszwang praktischer Politik gegenüber.70 Im Folgenden werden die Eigenschaften von Netzen sowohl aus allokativ als auch aus distributiv orientierter Perspektive analysiert. Zunächst werden unter Rückgriff auf die ökonomische Analyse Eigenheiten und bereichsspezifische Charakteristika von Netzwirtschaften bestimmt. Sodann werden die im Bereich der Netzwirtschaften typischerweise vorgebrachten Gemeinwohlerwägungen erörtert. Dabei wird jeweils betrachtet, inwieweit sich diese Besonderheiten aus dem Netzcharakter ergeben und damit im Grundsatz dauerhaft sind. Im Ergebnis wird sich hieraus ein Anforderungs- und Zielkatalog ergeben, der im Rahmen der Grundentscheidung für die wettbewerbliche Organisation der Netzwirtschaften unter Berücksichtigung des Gemeinwohls die Eckpunkte des Rechtsrahmens in diesem Wirtschaftsbereich absteckt. Die Übereinstimmung mit dem gegenwärtigen Ordnungsmodell verleiht diesem Anforderungskatalog Plausibilität, ohne die Entscheidung des Gesetzgebers zu präjudizieren.

70

H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 88.

Zweiter Teil

Netzspezifischer Regelungsbedarf Erster Abschnitt

Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften Die Untersuchung der Netzwirtschaften auf das Vorliegen effizienzhindernder Besonderheiten orientiert sich an wirtschaftswissenschaftlichen Analysen zum Konzept des Wettbewerbs- bzw. Marktversagens.1 Als Ursachen für Einschränkungen der Effizienz des Wettbewerbs werden vor allem Unteilbarkeiten, öffentliche Güter, externe Effekte und Informationsmängel diskutiert.2 Trotz der teilweise erheblichen Schwierigkeiten der theoretischen Begründung ist die Existenz solcher Bedingungen weitgehend anerkannt.3 Anders als im Rahmen der Wohlfahrtsökonomie ist es jedoch nicht Ziel der folgenden Darstellung, bestimmte hoheitliche Maßnahmen normativ zu rechtfertigen oder im Sinne einer positiven Theorie als vorgeschobene Gründe zu entlarven.4 Ziel ist es, solche Eigenschaften von Netzindustrien herauszuarbeiten, die sich in negativer Weise auf den Markt- und Wettbewerbsprozess auswirken. Die Entscheidung, in welcher Weise derartige Besonderheiten innerhalb des Ordnungsrahmens der Netzwirtschaften berücksichtigt werden sollen, bleibt dabei in der Verantwortung des Gesetzgebers.5

1 Dazu N. Eickhoff, Wirtschaftsdienst 1986, 468; H. Mühlenkamp, in: Hrbek/Nettesheim (Hrsg.), Europäische Union und mitgliedsstaatliche Daseinsvorsorge, S. 65; kritisch I. M. Kirzner, in: Möschel/Streit/Witt (Hrsg.), FS Hoppmann, S. 101, 104; vgl. auch W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 609; M. E. Streit, Theorie der Wirtschaftspolitik, S. 15 ff.; W. Möschel, ORDO 32 (1981), 85, 99 f. 2 Vgl. N. Eickhoff, Wirtschaftsdienst 1986, 468; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 11 ff.; M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 87 ff.; H. Schneider, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 159 ff. 3 M. E. Streit, Theorie der Wirtschaftspolitik, S. 13. 4 Dazu etwa C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 57 ff. 5 Vgl. zu dieser Sichtweise C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 68; H. Mühlenkamp, in: Hrbek/Nettesheim (Hrsg.), Europäische Union und mitgliedsstaatliche Daseinsvorsorge, S. 65; D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 221.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Fragen des Wettbewerbs in Netzwirtschaften werden innerhalb der ökonomischen Literatur vielfach behandelt.6 Diese Arbeiten bilden die Grundlage der folgenden Darstellung. Von besonderer Relevanz sind für die Betrachtung von Netzwirtschaften Unteilbarkeiten und externe Effekte. Nach ihrem Wirkungsort lassen diese sich als angebots- und nachfrageseitige Effekte bezeichnen.7 Während sich angebotsseitige Effekte durch ihren Einfluss auf die Kosten der Leistungserbringung für die Produzenten und Anbieter auswirken, basieren nachfrageseitige Effekte auf Parametern, die sich hauptsächlich für die Marktgegenseite im Nutzen von netzbasierten Gütern und Leistungen auswirken. Derartige nachfrageseitige Effekte können über Änderungen der Gesamtnachfrage auf die Produzentenseite zurückwirken.

A. Unteilbarkeiten im Bereich der Netzwirtschaften Im Bereich der Netzwirtschaften werden hinsichtlich der kostenseitigen Effekte insbesondere die Auswirkungen von Unteilbarkeiten diskutiert. I. Problem der Unteilbarkeiten Die Problematik von Unteilbarkeiten ergibt sich aus besonderen Eigenschaften des Kostenverlaufs.8 Wesentlichen Einfluss auf den Markterfolg eines Anbieters hat der für die Produktion erforderliche Faktoreinsatz, also die anbieterspezifischen Produktionskosten.9 Eine Steigerung des Unternehmenserfolgs lässt sich durch die Wahl der Produktionstechnologie und Faktorkombination erreichen, die das gewünschte Produktionsniveau bei minimalen Kosten ermöglicht.10 Allerdings sind minimale Produktionskosten in den weitaus meisten Fäl6 Vgl. C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73; G. Knieps, in: Knieps/Brunekreeft (Hrsg.), Zwischen Regulierung und Wettbewerb, S. 9; R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1; M. L. Katz/C. Shapiro, The American Economic Review 75 (1985), 424; M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93; S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133; D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten; J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung. 7 Vgl. C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 74; A. Schulze, Liberalisierung und Re-Regulierung von Netzindustrien, S. 6 f.; J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 109. 8 Zum Problem der Unteilbarkeiten M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 179 ff.; für den Bereich der Netzwirtschaften vgl. C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 74 f. 9 Vgl. U. Brösse, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, S. 196. Zum Kostenbegriff H. Schneider, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 73; zu den verschiedenen Arten R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 294 ff. 10 U. Brösse, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 200 ff.; vgl. auch R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 359.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

47

len nur bei einer bestimmten Produktionsmenge erreichbar, da Kostenänderungen nicht proportional zur Änderung des Produktionsvolumens sind.11 Beispielsweise kann die Aufnahme der Produktion eines Gutes unabhängig vom Produktionsumfang Startkosten verursachen, die bei einer Ausweitung der Produktion in gewissen Grenzen unveränderlich sind. Kosten, die in dieser Weise von Änderungen des Produktionsvolumens im relevanten Bereich unabhängig sind, werden als Fixkosten bezeichnet.12 Die Existenz von Fixkosten kann dazu führen, dass die Grenzkosten13 unter den Durchschnittskosten liegen. Die Ausweitung der Produktion führt dann zu sinkenden Durchschnittskosten.14 Neben Fixkosten haben noch weitere Effekte Einfluss auf den Verlauf der Kostenkurve. So führen insbesondere Kapazitätsgrenzen regelmäßig ab einer bestimmten Produktionsmenge zu einem Anstieg der Grenz- und Durchschnittskosten.15 Der typische Verlauf der Kostenkurve ist infolge dieser Effekte zunächst bis zu einem bestimmten Produktionsvolumen fallend und steigt danach wieder an.16 Das Verhältnis der Gesamtnachfrage zum kostenoptimalen Produktionsvolumen hat wesentlichen Einfluss auf die Wettbewerbsverhältnisse im Markt.17 In den weitaus meisten Wirtschaftsbereichen wird das minimale Kostenniveau bereits bei einem relativ geringen Anteil des Marktvolumens erreicht, so dass zahlreiche Einzelunternehmen langfristig kostendeckend produzieren können und im Markt verbleiben.18 Der Begriff der Unteilbarkeiten bezeichnet demgegenüber die Eigenschaft bestimmter Produktionsfaktoren, nur mit einer bestimmten Mindestschwelle eingesetzt werden zu können.19 Diese Unteilbarkeiten bewirken, dass die Ausweitung der Produktion in einem weiten Bereich zu sinkenden Durchschnittskosten führt 11 Vgl. W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 128 ff.; H. Schneider, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 77 ff.; R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 304. 12 Zum Begriff der fixen Kosten R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 298 ff.; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 110. Eine Aussage über die Reversibilität der Kosten ist mit dem Begriff nicht verbunden. 13 Der Begriff der Grenzkosten bezeichnet die Kosten, die bei Erhöhung der Produktion um eine weitere Einheit entstehen, vgl. J. Altmann, Volkswirtschaftslehre, S. 319. 14 Vgl. R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 306. 15 Vgl. U. Brösse, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, S. 208 f. 16 W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 130; vgl. auch I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 86. 17 Sogenanntes Betriebsoptimum, T. Lenk, in: Neubäumer/Hewel (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 31, 81; vgl. auch M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 183. 18 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 179 f. 19 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 179.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

und das Betriebsoptimum erst bei einem verhältnismäßig großen Produktionsumfang erreicht wird.20 Starke Unteilbarkeiten können folglich dazu führen, dass bereits ein geringe Anzahl von Anbietern, die jeweils kostenoptimal produzieren, die Gesamtnachfrage im Markt decken kann. Solche Unteilbarkeiten, die zu einer Reduzierung der Anbieterzahl führen, können insbesondere durch erhebliche Größenvorteile verursacht werden.21 Von Größenvorteilen (economies of scale) spricht man, wenn für ein Produkt eine bestimmte Erhöhung des Produktionsvolumens mit einer weniger starken Erhöhung der Kosten verbunden ist.22 Das Vorliegen derartiger Größenvorteile bewirkt, dass die Produktion größerer Mengen zu geringeren Durchschnittskosten möglich ist als die Produktion geringerer Mengen und folglich große Anbieter Kostenvorteile gegenüber kleineren Anbietern haben.23 II. Unteilbarkeiten bei Netzen Im Bereich der Netze kann die Problematik der Unteilbarkeiten infolge besonderer Kosteneffekte Bedeutung erlangen.24 1. Kosteneffekte des Netzaufbaus Größenvorteile können zunächst beim Aufbau von Netzen auftreten. Die Erstellung von materiellen Netzen ist durch die Notwendigkeit, die physischen Verbindungen zwischen den Netzknoten zu schaffen, mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden. Ursächlich hierfür sind einerseits unmittelbare Materialkosten und andererseits Begleitkosten für Beschaffung von Flächen, Erdarbeiten und dergleichen. Dabei steigen die genannten Kosten jedoch bei Erhöhung der Netzkapazität unterproportional. So steigen die Materialkosten bei 20

M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 183 f. Dazu M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 179; allg. zu Unteilbarkeiten W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 139. 22 Der Begriff der Größenvorteile umfasst als Sonderfall den Begriff der Skalenerträge. Während jedoch von letzteren nur gesprochen wird, wenn der Faktoreinsatz proportional erhöht wird, erfasst der Begriff der Größenvorteile auch Effekte bei variablen Inputproportionen, vgl. R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 324; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 103; vgl. auch M. Fritsch/T. Wein/ H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 186 ff. Zu den Besonderheiten im Mehrproduktfall vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 105 ff. 23 Vgl. J. Altmann, Volkswirtschaftslehre, S. 317. 24 Zum folgenden vgl. etwa C. C. von Weizsäcker, WuW 1997, 572, 573; H. Klodt/ C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 49 f.; P. J. J. Welfens, in: Welfens/Graack/Grinberg/Yarrow (Hrsg.), Towards Competition in Network Industries, S. 11, 12; A. Klimisch/M. Lange, WuW 1998, 15, 16. Einen Überblick über verschiedene Ursachen liefert I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 89. 21

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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einer Verdoppelung von Rohrleitungskapazitäten geringer als mit Faktor zwei.25 Der Effekt basiert hier auf der Entwicklung des Querschnitts im Verhältnis zur Leitungsoberfläche.26 Entsprechende Effekte sind auch bei den sonstigen Kosten des Netzaufbaus zu beobachten. Im Ergebnis sind daher die Kosten einer höher dimensionierten Verbindung gemessen an der Kapazität zumeist geringer als die einer kleineren Leitung.27 Wegen des hohen Anteils der Leitungskosten an den Gesamtkosten des Netzes führen die sinkenden Durchschnittskosten der Leitungen dazu, dass die Gesamtkosten eines großen Netzes erheblich unter den Kosten mehrerer kleinerer Netze gleicher Gesamtkapazität liegen können. Neben der Kapazität hat wegen der notwendigen Leitungsarbeiten auch der Aspekt der Entfernung zwischen den einzelnen Netzpunkten besonderen Einfluss auf die Netzaufbaukosten. Hier kommt es zu sogenannten Nachbarschaftseffekten bzw. Dichtevorteilen28, die dazu führen, dass der Anschluss eines weiteren Netzpunktes an ein vorhandenes Netz regelmäßig mit deutlich geringeren Kosten verbunden ist, wenn sich in der Nachbarschaft bereits Anschlüsse finden. Der Vergleich des Anschlusses eines einsamen Bauernhofes im Unterschied zu einem innerstädtischen Anschluss an das Telefonnetz macht den Unterschied deutlich.29 2. Kosteneffekte des Netzbetriebs Zu den beim Netzaufbau bestehenden Größenvorteilen kommen auch Effekte beim Betrieb des Netzes. Eine wesentliche Kenngröße eines Netzes ist seine Kapazität zum Transport von Gütern bzw. Informationen.30 Die Kapazität bestimmt, wie viele Nutzer das Netz gleichzeitig bedienen kann. Beim Aufbau muss das Netz allerdings so dimensioniert werden, dass nicht nur die durchschnittliche Nutzungsintensität vom Netz beherrschbar ist. Um einen stabilen Netzbetrieb zu gewährleisten, muss zusätzlich zum normalen Nutzungsvolumen

25 Sogenannte Zwei-Drittel-Regel, vgl. H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 49; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 22; sowie, ohne unmittelbaren Bezug zu Netzen M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 181. 26 Vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 103. 27 H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 49. 28 H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 50. In einem etwas weiteren Sinne möchte offenbar J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 34 den Begriff verwenden. 29 Beispiel bei M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 182. 30 H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 50.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

auch Vorsorge für Perioden intensiverer Nutzung getroffen werden. In der Praxis erfolgt dies durch Sicherheitszuschläge in der Dimensionierung. Diese Berücksichtigung der notwendigen Reservekapazität für die Inanspruchnahme zu Spitzenzeiten führt zu einer Erhöhung der Netzkosten, wobei sich eine weitere Eigenschaft von Netzen kostendämpfend bemerkbar macht, die als stochastische Durchmischung bezeichnet wird.31 Da die Nachfrage nach Netzleistungen nicht völlig homogen ist, sondern entlang der Zeitachse verteilt auftritt, kommt es im Netz mit zunehmender Größe zu einer verbesserten Durchmischung im Nachfrageverhalten und zu einer gewissen Glättung von Nachfragespitzen. Im Ergebnis ist im Verhältnis zur durchschnittlichen Netznutzung eine geringere Kapazitätsreserve erforderlich. Die relativen Kosten der Kapazitätsreserve sind dadurch in großen Netzen regelmäßig geringer als in kleineren Netzen.32 3. Bewertung Die genannten Kostenvorteile sind im Grundsatz für die meisten materiellen Netze typisch, wobei sich freilich für einzelne Netztypen Unterschiede in der Relevanz ergeben können.33 Demgegenüber wirken sich diese Kosteneffekte im Bereich immaterieller Netze deutlich weniger aus. In diesem Bereich mögen erhebliche Entwicklungskosten auftreten, die weiteren Effekte werden allerdings im Wesentlichen auf physische Netzelemente beschränkt bleiben. Darüber hinaus führt eine erhöhte Inanspruchnahme immaterieller Netze nicht notwendig zu einer Einschränkung der Nutzbarkeit, sondern teilweise umgekehrt zu einer Steigerung des Nutzwertes, so dass Kapazitätsfragen hier einen geringeren Stellenwert haben.34 Die Existenz von Größenvorteilen ist nicht auf Netze beschränkt. Größenvorteile, insbesondere in Form hoher Fixkosten, gibt es in zahlreichen modernen Industriebereichen.35 Zudem können sich Größenvorteile auch noch aus anderen als den genannten netzspezifischen Ursachen ergeben. Zu nennen sind etwa Vorteile der Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie sinkende Transaktions31 Vgl. H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 50; C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 74. 32 Auch allgemein wird die Berücksichtigung von Zufallsereignissen, mit zunehmender Größe des Netzes einfacher und die Netzsicherheit höher, M. Fritsch/T. Wein/ H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 181. 33 C. C. von Weizsäcker, WuW 1997, 572, 573. 34 Vgl. dazu noch unten 2. Teil, 1. Abschnitt, B.I.2. 35 Vgl. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 180 f., die über die hier angeführten noch Mindesteinsatzmengen bzw. Losgrößenvorteile und Lernkurveeffekte benennen.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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kosten.36 Im Grundsatz handelt es sich bei Größeneffekten demnach nicht um ein auf Netze beschränktes Phänomen.37 Trotz dieser Einschränkungen kommt Größenvorteilen im Bereich der materiellen Netze besondere Bedeutung zu. Größenvorteile treten hier mit besonderer Häufigkeit auf. Zudem ist auch das Gewicht der Größenvorteile höher als in vielen anderen Wirtschaftsbereichen, da die von Größenvorteilen gekennzeichneten Kosten einen erheblichen Anteil an den Gesamtkosten haben. Während die Installation des Netzes zunächst erhebliche Investitionen erfordert, verursacht die einzelne Netznutzung verhältnismäßig geringe Kosten. III. Entstehung natürlicher Monopole Infolge von Unteilbarkeiten können größere Anbieter Kostenvorteile gegenüber kleineren Konkurrenten realisieren.38 Sie können damit entweder profitabler arbeiten oder die Preise kleinerer Anbieter unterbieten. Langfristig führt dies in der Tendenz zu einem Verschwinden der kleineren Anbieter aus dem Markt und zu einer Konzentration auf einige wenige Anbieter. Im Extremfall, wenn ein einziger Anbieter die Gesamtnachfrage günstiger befriedigen kann als mehrere Anbieter gleichzeitig, kann es zu einer Monopolisierung des Marktes kommen.39 Weil das entstehende Monopol sich quasi von selbst bildet, spricht man für diesen Fall von einem natürlichen Monopol.40 Nach einer gängigen Definition ist im natürlichen Monopol „[e]in einziges Unternehmen [. . .] in der Lage, den relevanten Markt zu niedrigeren kostendeckenden Preisen zu versorgen als dies zwei oder mehreren Unternehmen möglich wäre, welche zu denselben Bedingungen Zugang zu derselben Technologie haben wie der natürliche Monopolist.“41 Wesentliches Kennzeichen des natürlichen Monopols ist damit die Kostenminimierung bei Existenz nur eines einzigen Unternehmens im Markt. Man spricht von einer subadditiven Kosten36 J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 103 f.; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 89. 37 Vgl. etwa auch R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 327; sowie N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 4. 38 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 180; W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 63. 39 H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 190; M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 179 f. 40 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 21 f.; kritisch zum Begriff allerdings R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 56. 41 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 41; vgl. auch J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 19; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 23; siehe auch J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 122.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

funktion42, die den Bestand mehrerer Unternehmen zur Befriedigung der Gesamtnachfrage volkswirtschaftlich ineffizient erscheinen lässt.43 Mit der Existenz eines natürlichen Monopols werden verschiedene denkbare Fehlfunktionen des Marktes assoziiert.44 Da die Erzielung des Effizienzgewinnes durch Ausnutzung von Größenvorteilen beim natürlichen Monopol unter Ausschaltung des Wettbewerbs erfolgt45, entfällt die übliche wettbewerbliche Kontrolle des unternehmerischen Handelns. Hieraus kann sich eine Störung des Kräftegleichgewichtes zwischen dem verbleibenden Monopolunternehmen und der Marktgegenseite ergeben und dem natürlichen Monopolisten ein nicht hinreichend kontrollierter Preissetzungsspielraum erwachsen.46 Die in diesem Falle mögliche Angebotsverknappung und die damit einhergehenden Preiserhöhungen bergen wiederum die Gefahr von allokativer Ineffizienz und damit eines gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlustes.47 Wegen der fehlenden wettbewerblichen Kontrolle des unternehmerischen Verhaltensspielraums besteht im natürlichen Monopol zudem die Gefahr, dass vorhandene Rationalisierungs- und Innovationspotentiale nicht hinreichend genutzt werden und so weitere Wohlfahrtsverluste entstehen.48 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass der Inhaber unter Ausnutzung seiner Marktstellung das Monopol in nachgelagerte Bereiche ausdehnt, wodurch die monopoltypischen Ineffizienzen auf weitere Märkte ausgedehnt werden und zusätzliche Wohlfahrtsverluste drohen.49 Wegen der in materiellen Netzen bestehenden Größenvorteile weisen diese Wirtschaftsbereiche eine besondere Tendenz zum Entstehen natürlicher Monopole auf. Es war die drohende Ausnutzung der durch das natürliche Monopol vermittelten Marktmacht zur Erhöhung der Produzentenrente, die in der Ver42 Näher hierzu J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 122; R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 43; vgl. auch M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 185. 43 W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 141. Dies war Grundlage der traditionellen Marktabschottung in den Netzbereichen, vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 22. 44 Einzelheiten bei M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 191 ff.; vgl. auch K. E. Train, Optimal Regulation, S. 22 ff.; T. Tenhagen, Die Legitimation der Regulierung von Märkten durch die Theorie des Marktversagens, S. 65 ff. m.w. N. 45 Zum Spannungsverhältnis W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 142. 46 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 200. 47 Zu den Folgen des Monopols und der monopoltypischen Verlagerung eines Teils der Konsumentenrente zum Monopolisten vgl. etwa R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 473 ff.; W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 164; H. R. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 437. 48 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 200; J. Kruse, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 247, 248. 49 Vgl. J. Kruse, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 247, 248; P. Schwintowski, WuW 1999, 842, 849.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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gangenheit zur Rechtfertigung der Einschränkung des Wettbewerbs in den Netzwirtschaften herangezogen wurde.50 IV. Kritik an der Analyse natürlicher Monopole Die dargestellte Betrachtung von natürlichen Monopolen ist allerdings in mehrfacher Hinsicht differenzierungsbedürftig. So ist es nicht ohne weiteres möglich, bereits aus der angenommenen Kostenstruktur Schlüsse auf die zu erwartende Marktstruktur zu ziehen, da auch andere Marktkonstellationen denkbar sind.51 Darüber hinaus bedarf die eher schematische Auseinandersetzung mit dem Phänomen des natürlichen Monopols einer Verfeinerung. 1. Relativierung der Monopolproblematik Bereits der im Falle eines Monopols erwartete Wohlfahrtsverlust ist einer genauen Analyse zu unterziehen. Die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtung von Monopolen hat sich von der pauschalierenden Ablehnung von Monopolen weitgehend gelöst. Ein Grund hierfür ist, dass auch die Marktmacht eines Monopolisten nicht uneingeschränkt besteht.52 So steht auch ein Monopolist im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern um das begrenzte Budget der Kunden. In Abhängigkeit von der Elastizität der Nachfrage können überhohe Preise daher selbst bei fehlenden Substituten zu merklicher Kaufzurückhaltung führen. Für die meisten Monopolprodukte existieren zudem mehr oder weniger geeignete Substitute,53 die den Kunden des Monopolisten eine Reaktion auf Preiserhöhungen ermöglichen.54 Eine differenziertere Bewertung natürlicher Monopole bewirkte auch die durch zunehmende Produktdifferenzierung veranlasste Entwicklung des Konzepts monopolistischer Konkurrenz. Dieses basiert auf der Annahme, dass der Wettbewerb zwischen den zahlreichen Anbietern heterogener Güter die Marktmacht der einzelnen Anbieter beschränkt.55 50 Hinzu kamen die Befürchtung ruinöser Konkurrenz und distributive Erwägungen, vgl. R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 56. 51 J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 123. 52 Vgl. A. Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 240. 53 Ein Beispiel hierfür stellt die intermodale Konkurrenz im Verkehrsbereich dar, vgl. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 207; J. Kruse, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 71, 75 f.; H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht 10. Aufl., Einführung Rn 78. 54 Vgl. R. Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 19 Rn 25; H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/ H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 36 f. 55 A. Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 252; H. R. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 464.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Zudem hat sich die Wettbewerbstheorie vom ursprünglichen Leitbild der vollständigen Konkurrenz und der damit verbundenen Vorstellung völliger Machtfreiheit im Wettbewerb entfernt56, da die Wettbewerbsfunktionen nicht unbedingt im Falle atomistischer Konkurrenz bestmöglich erfüllt werden.57 Bedeutung für den Wettbewerb haben etwa Innovationen, durch die sich Unternehmen vorübergehende Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern verschaffen können. Die Dynamik des Wettbewerbs entfaltet sich folglich in Form von vorstoßender und nachahmender Konkurrenz. Wettbewerb erscheint in diesem Sinne als sequentielle statt simultane Rivalität.58 Die beschriebene Relativierung der Marktmachtproblematik führt allerdings im Falle der natürlichen Monopole nicht unbedingt zu einer abweichenden Bewertung. Ursächlich für das natürliche Monopol ist nicht die größere Innovationsfreude eines Unternehmers, sondern die besondere Situation des betreffenden Marktes. Die hier erzielten Gewinne lassen sich im Regelfall nicht als Pioniergewinne rechtfertigen. Kennzeichen von Pioniergewinnen ist, dass sie im Zeitablauf durch nachahmende Konkurrenz wieder abgeschmolzen werden können. Die Möglichkeit hierzu fehlt im natürlichen Monopol. Sequentielle Rivalität findet infolge des Markverschlusses nicht statt. 2. Erforderliche Eingrenzung des Monopolbereichs Die Betrachtung natürlicher Monopole erfordert weiterhin eine präzisere Abgrenzung des Monopolbereiches als diese den überkommenen sektorbezogenen Wettbewerbsausnahmen zugrunde lag. Der Umstand, dass ein Teilbereich der Produktionskette von den Gegebenheiten eines natürlichen Monopols gekennzeichnet ist, rechtfertigt keine Schlüsse auf die Wettbewerbsverhältnisse auf anderen Produktionsstufen.59 Diesem Aspekt kommt im Bereich der Netzwirtschaften besondere Bedeutung zu, da die beschriebenen Größenvorteile sich regelmäßig bestimmten Produktionsphasen zuordnen lassen und andere Stufen der Wertschöpfung von derartigen Größenvorteilen in deutlich geringerem Umfang betroffen sind.60 56 Dazu A. Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 251, 337; U. Brösse, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, S. 286 f. 57 B. Molitor, Wirtschaftspolitik, S. 49, 51. 58 Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 665. 59 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 95; J. Basedow, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 121, 123; J. Kruse, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 71, 77; A. Schulze, Liberalisierung von Netzindustrien, S. 47. 60 Vgl. H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 190. Die in vielen Netzwirtschaften vorgenommene Unterscheidung zwischen dem Betrieb des Netzes und dem unter Nutzung des Netzes erbrachten Dienstes macht die Möglichkeiten der Abschichtung deutlich; dazu vgl. J. Masing, AöR 128 (2003), 558, 594 f. G. Knieps, in: Knieps/Brunekreeft (Hrsg.), Zwischen Regulierung und Wettbewerb, S. 9, 11; G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 319.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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Die erforderliche Differenzierung lässt sich am Beispiel der Elektrizitätsversorgung zeigen. Dieser Bereich gliedert sich in die Stufen der Stromerzeugung, des Stromtransports und der lokalen Verteilung. Betrachtet man den gewaltigen finanziellen Aufwand, der mit der Erstellung eines typischen Kraftwerks verbunden ist und die Zahl der hierdurch versorgten Verbraucher, so ist davon auszugehen, dass umfangreiche Größenvorteile bei der Stromerzeugung bestehen.61 Die Größenvorteile führen jedoch in diesem Bereich nicht zu einem natürlichen Monopol, da selbst Großkraftwerke im Vergleich zum Gesamtenergiebedarf verhältnismäßig klein erscheinen und damit die Größenvorteile nicht im relevanten Nachfragebereich bestehen.62 Andererseits ist hierdurch nicht ausgeschlossen, dass in anderen Bereichen der Stromversorgung, etwa im Transportbereich, Größenvorteile bestehen, die den Charakter eines natürlichen Monopols tragen.63 Die Betrachtung der natürlichen Monopole muss diese Differenzierungen berücksichtigen.64 3. Empirische Bedeutung natürlicher Monopole Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass die Verbreitung des Phänomens der natürlichen Monopole oft überschätzt wurde. In der Praxis lassen sich die Bedingungen für das Entstehen eines natürlichen Monopols nur verhältnismäßig selten finden.65 Ob tatsächlich ein natürliches Monopol vorliegt, hängt dabei von komplexeren Bedingungen ab. Wie schon im Zusammenhang mit der Energieerzeugung angemerkt wurde, besteht die Tendenz zum natürlichen Monopol nur dann, wenn die erforderlichen Größenvorteile auch noch im relevanten Nachfragebereich bestehen. Dabei wird man in den seltensten Fällen von unerschöpflichen Größenvorteilen ausgehen können. Typisch ist vielmehr, dass ab einer bestimmten Produktionsmenge der Einfluss der Größenvorteile durch gegenläufige Kostenentwicklungen wieder abnimmt.66 Ursächlich hierfür können insbesondere

61 Vgl. C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 77. 62 J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 66; M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 209. 63 Darstellung nach J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 35 f. 64 Zum Ursprung dieses sogenannten disaggregierten Ansatzes M. Braulke, WuW 1983, 945, 951; vgl. C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 77; G. Knieps, in: Knieps/Brunekreeft (Hrsg.), Zwischen Regulierung und Wettbewerb, S. 9; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., 95 ff.; M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 223. 65 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 183. 66 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 183; W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 140.

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Ineffizienzen durch die zunehmende Unternehmensgröße sein.67 Größenvorteile, die auf Fixkosten beruhen, sind zudem an bestimmte Kapazitätsgrenzen gebunden. Mit dem Erreichen der Kapazitätsgrenze sind die Vorteile dann ausgeschöpft, da eine Produktionsausweitung nur durch neue Investitionen mit entsprechenden neuen Fixkosten möglich ist. Diese Effekte führen dazu, dass die Unteilbarkeiten zumeist auf bestimmte Bereiche der Kostenfunktion begrenzt sind und ihre Wirkung vom Marktvolumen abhängt. Steigende Nachfrage kann somit zum Wegfall des natürlichen Monopols führen.68 Hinzu kommt, dass Größenvorteile auch insofern statisch sind, als sie von der genutzten Technologie abhängen.69 Mit der Einführung neuer Technologien kann sich der Verlauf der Kostenfunktion deutlich ändern, insbesondere kann nun auch die Produktion von kleineren Einheiten wirtschaftlich werden.70 Daraus ergibt sich ein Zusammenhang zwischen Marktreifephase und Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines natürlichen Monopols. In noch jungen Märkten ist regelmäßig eine rasche technische Entwicklung zu beobachten, die die Auswirkungen der Größenvorteile einschränkt und so gegen die Annahme eines natürlichen Monopols spricht. Demgegenüber steigt in etablierten Märkten die Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines natürlichen Monopols.71 Diese Überlegungen führen auch für den Bereich der klassischen Netzindustrien zu einer Beschränkung der Bedeutung der natürlichen Monopole. So hat die technische Entwicklung im Bereich der Telekommunikation zu erheblichen Änderungen der Wettbewerbsbedingungen geführt.72 Die Bedeutung der Problematik natürlicher Monopole im Bereich der Netzwirtschaften wird damit allerdings nicht vollständig beseitigt. Insbesondere muss für zahlreiche Netzbereiche davon ausgegangen werden, dass die bestehenden Größenvorteile noch im typischen Nachfragebereich liegen und es sich um Wirtschaftsbereiche in einer eher späten Marktreifephase handelt.73

67 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 183; vgl. auch W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 140. 68 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 183; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 123; G. Knieps, in: Horn/Knieps/ Müller (Hrsg.), Deregulierungsmaßnahmen in den USA, S. 39, 44; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 114. 69 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 183. 70 Vgl. K. König/C. Theobald, in: Grupp/Ronellenfitsch (Hrsg.), FS Blümel, S. 277, 281 f. 71 Vgl. R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 79; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 112. 72 Vgl. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 253 ff. 73 Vgl. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 209.

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Die genannten Differenzierungen deuten bereits die erheblichen Schwierigkeiten des Nachweises der Existenz eines natürlichen Monopols an. Während das Konzept des natürlichen Monopols im Einproduktfall relativ überschaubar und intuitiv verständlich ist, wird die Problematik im realistischen Mehrproduktfall74 nochmals deutlich komplizierter.75 Neben dem Effekt der Größenvorteile sind in dieser Konstellation zusätzlich die bei gleichzeitiger Produktion verschiedener Güter bestehenden Interdependenzen zu berücksichtigen.76 Die Kosteneffekte der Kombination der Produktion verschiedener Güter werden durch das Konzept der Verbundvorteile (economies of scope)77 beschrieben. Diese Verbundvorteile, die bewirken können, dass die Kosten der gemeinsamen Herstellung niedriger sind als die kumulierten Kosten bei getrennter Herstellung,78 überlagern gleichzeitig bestehende Größenvorteile und können diese unter Umständen auch aufheben.79 In der Folge stellen Größenvorteile im Mehrproduktfall keine hinreichende Bedingung für die Existenz eines natürlichen Monopols dar.80 Entscheidend für das Vorliegen eines natürlichen Monopols ist das konkrete Verhältnis von Verbund- und Größenvorteilen.81 Die Aufstellung von hinreichenden und notwendigen Bedingungen für Vorliegen oder Nichtvorliegen eines natürlichen Monopols ist eine äußerst spezialisierte Materie der Wirtschaftswissenschaften.82 Die Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass der Beweis der Nichtexistenz eines natürlichen Monopols

74 Mehrproduktfall heißt dabei, dass die Gesamtnachfrage im Markt nicht mehr allein von einem homogenen Gut befriedigt wird, sondern verschiedene Güter zur Befriedigung der Gesamtnachfrage herangezogen werden. Wegen der unterschiedlichen Nachfragepräferenzen, ist in der Praxis regelmäßig von der Existenz verschiedener Produkte im Markt auszugehen, vgl. R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 39; vgl. aber F. P. Dickgreber, Innovationsmanagement in deregulierten Netzindustrien, S. 98 der auf die Homogenität des Kernprodukts in vielen Netzwirtschaftsbereichen hinweist. 75 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 47 ff.; H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 35. 76 Vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 113. 77 Vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 113; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 104. 78 R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 327 ff. 79 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 49 f. 80 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 25; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 125. 81 J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 118; wie G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 26 zeigt, ist die Existenz eines natürlichen Monopols selbst dann nicht sicher, wenn sowohl Größen- als auch Verbundvorteile bestehen. 82 Vgl. W. J. Baumol/E. E. Bailey/R. D. Willig, American Economic Review 67 (1977), 350; im Anschluss daran J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 113 ff.

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noch verhältnismäßig einfach zu führen ist, wohingegen der positive Nachweis eines natürlichen Monopols umfängliche Kenntnisse über Eigenschaften und Verlauf der Angebots- und Nachfragefunktionen erfordert.83 Aufgrund dieser Anforderungen ist der empirische Nachweis eines natürlichen Monopols nahezu unmöglich.84 Die bestehenden Untersuchungen sind häufig von unvermeidbaren Fehlern belastet und in ihren Folgerungen umstritten.85 Dabei ist freilich zu beachten, dass die Ansprüche an den empirischen Nachweis eines natürlichen Monopols nicht immer den Erfordernissen der Praxis entsprechen. Während für den Nachweis eines natürlichen Monopols zumeist gefordert wird, dass dieses über den gesamten Verlauf der Nachfragekurve existiert,86 erscheint diese Bedingung für praktische Schlussfolgerungen unnötig restriktiv. Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist schon die Feststellung eines natürlichen Monopols im Bereich der aktuellen Nachfrage von Interesse.87 Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen bleiben gleichwohl zahlreiche Bereiche der Netzwirtschaften, die von subadditiven Kostenfunktionen gekennzeichnet sind und sich dementsprechend als natürliche Monopole betrachten lassen.88 V. Bestreitbarkeit von Märkten Die nachhaltigste Kritik am Konzept des natürlichen Monopols und den hieraus gezogenen Schlussfolgerungen wird allerdings unter Berufung auf das Kon-

83 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 52 ff. 84 Vgl. zu den Schwierigkeiten R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/ Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 52 ff.; vgl. auch H. Klodt/ C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 35. Nachweise zu verschiedenen Untersuchungen im Telekommunikationsbereich bei J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 40. 85 Vgl. R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 52 ff. 86 Vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 123; siehe auch R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 52. 87 Insofern als die Betrachtung des natürlichen Monopols bei Änderungen der Produktionstechnologie ohnehin hinfällig zu werden droht, erscheint eine Beschränkung auf den in absehbarer Zeit relevanten Nachfragebereich für praktische Zwecke durchaus vertretbar. Zur Möglichkeit, den Nachweis auf einen bestimmten Bereich der Kostenfunktion zu beschränken, vgl. R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/ Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 54 f. Es bleibt Aufgabe der Wirtschaftswissenschaften hierzu Datenmaterial zu sammeln und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. 88 Vgl. J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 66; M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 209.

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zept der bestreitbaren Märkte (contestable markets)89 geübt.90 Das Modell der bestreitbaren Märkte wurde in der Diskussion über die amerikanische Regulierungspraxis entwickelt91 und leitete eine grundlegende Neubewertung der natürlichen Monopole ein.92 1. Grundlagen des Konzepts der Bestreitbarkeit Unter dem Stichwort der Bestreitbarkeit wurde der Begriff des natürlichen Monopols formalisiert und die Existenz natürlicher Monopole damit der wissenschaftlichen Analyse zugänglich gemacht.93 Zudem wurde die Allokationseffizienz auf bestreitbaren Märkten genauer untersucht. Während die Wettbewerbstheorie traditionell von einer Kontrolle der Marktmacht der einzelnen Anbieter durch die vorhandenen tatsächlichen Wettbewerber im Markt ausgeht, untersucht die Theorie der bestreitbaren Märkte die Auswirkungen von potentiellem Wettbewerb.94 Potentielle Wettbewerber sind danach solche Unternehmen, die zwar aktuell noch nicht im relevanten Markt tätig sind, deren Markteintritt allerdings für möglich gehalten wird. Die Untersuchungen zur potentiellen Konkurrenz sind eine Weiterführung95 des Ansatzes von Demsetz, der darauf hingewiesen hatte, dass auch in Situationen, in denen ein Wettbewerb im Markt ausgeschlossen erscheint, immer noch ein Wettbewerb um den Markt denkbar wäre.96 Die potentielle Konkurrenz auf bestreitbaren Märkten kann als Form 89 Zur Terminologie vgl. J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 297; R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 58 spricht von wettbewerbsfähigen Märkten; zur Kritik an der englischsprachigen Bezeichnung vgl. ders., a. a. O., S. 71 Fn 46. 90 Vgl. etwa G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 28 ff.; U. Immenga, in: Blaurock (Hrsg.), Grenzen des Wettbewerbs, S. 73, 86. 91 Vgl. W. J. Baumol/E. E. Bailey/R. D. Willig, American Economic Review 67 (1977), 350. Wie R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 58 Fn 39 berichtet, wurde die Theorie aus Anlass der ökonomischen Beratung von AT&T im Rahmen des Antitrustverfahrens entwickelt. 92 J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 276 f.; vgl. auch M. Braulke, WuW 1983, 945, 954. 93 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 23. 94 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 28. 95 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 58; vgl. auch B. Bartholomé, Die Entstaatlichungs- bzw. Deregulierungskontroverse als Reflex konkurrierender wirtschaftstheoretischer Ansätze, S. 202. 96 H. Demsetz, „Why Regulate Utilities?“, Jounal of Law and Economics XI (1968), 55, 57, zitiert nach R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 57. Dabei ging Demsetz insbesondere davon aus, dass die periodische Vergabe von Marktzutrittslizenzen die klassiche Regulierung ersetzen könne. Dazu auch R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/ Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 39 ff., 105 ff.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

des Wettbewerbs um den Markt aufgefasst werden. Auch wenn diese Konkurrenz als potentiell bezeichnet wird, entfaltet sie schon gegenwärtige Wirkungen.97 a) Bestreitbarkeit des Marktes Voraussetzung für die Wirkung der potentiellen Konkurrenz ist nach diesem Ansatz die Bestreitbarkeit des jeweiligen Marktes, die durch mehrere Bedingungen gekennzeichnet ist.98 Zunächst muss der Marktzutritt völlig frei sein. Es dürfen weder rechtliche noch wirtschaftliche Hindernisse den Markteintritt erschweren. Im Sinne der Theorie der bestreitbaren Märkte gilt der Marktzutritt als frei, wenn ein Marktneuling gegenüber bisherigen Anbietern keine Kostennachteile hat99 und alle Wettbewerber Zugang zu der gleichen Technologie besitzen100. Als rechtliche Marktzutrittsbarriere gilt insbesondere ein gesetzlicher Monopolschutz. Demgegenüber ist ein kostenloser Markteintritt nicht erforderlich. Hohe Anfangsinvestitionen gelten nicht als Hindernis für einen freien Marktzutritt.101 Weitere Bedingung für das Vorliegen eines bestreitbaren Marktes ist die Abwesenheit sogenannter versunkener Kosten. Kosten werden in diesem Zusammenhang als versunken bezeichnet, wenn sie auch bei einem Marktaustritt für das Unternehmen verloren sind.102 Es muss also ohne zusätzliche Kosten möglich sein, die unternehmerische Tätigkeit auf dem betroffenen Markt einzustellen.103 97 Vgl. W. J. Baumol/E. E. Bailey/R. D. Willig, American Economic Review 67 (1977), 350, 360. 98 Zum folgenden J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 278, R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 67; H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 38; C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 75; weiter ausdifferenzierend J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 298; vgl. auch M. Braulke, WuW 1983, 945, 948. 99 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 29; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 278. Zum Begriff der Zutrittsbarriere in diesem Sinne: G. J. Stigler, Organization of Industry, S. 67; sowie J. Borrmann/J. Finsinger/K. G. Zauner, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 123; vgl. auch W. Elberfeld, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 151. 100 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 30; R. Windisch, in: Windisch/ Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 67. 101 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 29; M. Braulke, WuW 1983, 945, 951. 102 Verloren sind Kosten aus ökonomische Sicht dann, wenn sie unabhängig von der Unternehmensausrichtung nicht mehr in vollem Umfang liquidierbar sind, vgl. etwa J. Kruse, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 71, 74. 103 Von kostenlosem Marktaustritt sprechen J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 279.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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Schließlich werden noch besondere Annahmen hinsichtlich des Marktverhaltens von Anbietern und Nachfragern gemacht.104 So soll die vollständige Information aller Marktteilnehmer gewährleistet sein. Alle Nachfrager reagieren rational und ohne zeitliche Verzögerung auf günstigere Angebote und werden folglich, sobald ein Neueinsteiger ein günstigeres Angebot unterbreitet, unmittelbar zu diesem Neuanbieter wechseln.105 Hinzu kommt, dass eine verzögerte Reaktion des bisherigen Anbieters unterstellt wird. Dieser lässt demnach seine Preise unverändert und agiert als Mengenanpasser.106 Entscheidend ist dabei der Zeitvorsprung, den der eintretende Konkurrent durch unmittelbaren Abschluss mit den Kunden des Altanbieters erlangen kann.107 b) Auswirkungen der Bestreitbarkeit Bei Vorliegen derartiger Marktbedingungen besteht die Möglichkeit, auch geringfügige Gewinnchancen wahrzunehmen und eine sogenannte „hit and run“Strategie zu wählen, bei der ein Wettbewerber kurzfristig in den Markt eintritt und diesen nach Wahrnehmung der Gewinnchance sofort wieder verlässt.108 Die Untersuchungen zu den disziplinierenden Auswirkungen potentieller Konkurrenz unter den Bedingungen der Bestreitbarkeit kamen zu dem Ergebnis, dass auch ein natürlicher Monopolist seine Marktposition nur dann behaupten kann, wenn er effizient produziert und keine ökonomischen Gewinne109 erwirtschaftet.110 Die Wirkungen der potentiellen Konkurrenz erscheinen demnach denen der tatsächlichen Konkurrenz durchaus vergleichbar.111 Zwar entfällt damit nicht die Existenz des natürlichen Monopols, die befürchteten schädlichen Monopolwirkungen werden indessen in Zweifel gezogen. Da der drohende 104 Vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 278 ff.; M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 205 ff.; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 30. 105 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 30. 106 Sogenanntes Bertrand-Nash-Verhalten, vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 30; dazu J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 68. 107 Vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 279 f. 108 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 68; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 29; M. Braulke, WuW 1983, 945, 947. 109 Ökonomische Gewinne liegen dann vor, wenn das Unternehmen über die übliche Kapitalrendite unter Einschluss eines Risikozuschlages weitere Gewinne erwirtschaftet, vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 31. 110 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 68; C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 75; M. Braulke, WuW 1983, 945, 948; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 30 f. 111 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 30 f.; J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 301.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Markteintritt potentieller Konkurrenten vom Monopolisten antizipiert werde, komme schon der Möglichkeit eines Eintritts disziplinierende Wirkung zu.112 2. Kritik am Konzept der bestreitbaren Märkte Die Auswirkungen der Bestreitbarkeit eines Marktes sind indessen nicht unumstritten. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Schlussfolgerungen des Konzepts der bestreitbaren Märkte keine Aussage über die vorherrschende Preisstruktur beinhalten.113 Das Fehlen ökonomischer Gewinne heißt nicht notwendig, dass die Preise auch wohlfahrtseffizient sind,114 so dass unter Annahme bestreitbarer Märkte das Problem natürlicher Monopole nicht völlig entschärft ist.115 Der gewichtigere Einwand gegen das Konzept der bestreitbaren Märkte bezieht sich allerdings nicht auf die Grenzen der Schlussfolgerungen des Konzepts, sondern auf die den Ansatz tragenden Grundannahmen zur Bestreitbarkeit eines Marktes.116 Insbesondere wird darauf verwiesen, dass das Konzept einen Idealmarkt annimmt, der in der Realität nicht anzutreffen ist.117 Während ursprünglich für einige Märkte die Bestreitbarkeit im Sinne der Theorie unterstellt wurde, haben neuere Untersuchungen gezeigt, dass auch diese Märkte vom Idealzustand abweichen.118

112 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 31; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 282, 288. 113 Vgl. J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 301 f.; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 289 ff. 114 Für die unter den Bedingungen des natürlichen Monopols als wohlfahrsoptimal erachteten sogenannten Ramsey-Preise – dazu vgl. unten 2. Teil, 3. Abschnitt, B.I.2. Fn 349 – besteht innerhalb der Theorie der bestreitbaren Märkte keine Gewähr, vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 292; R. Windisch, in: Windisch/ Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 95. Unter bestimmten Umständen ist es sogar denkbar, dass trotz grundsätzlicher Beständigkeit des natürlichen Monopols, wohlfahrtseffiziente Preise gerade nicht beständig sind. In diesem Falle erscheint der Monopolist im eigenen Interesse sogar gehindert, wohlfahrtsoptimale Preise zu setzen, vgl. K. E. Train, Optimal Regulation, S. 311; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 293 f. 115 J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 292 f.; vgl. zur Kritik auch B. Bartholomé, Die Entstaatlichungs- bzw. Deregulierungskontroverse als Reflex konkurrierender wirtschaftstheoretischer Ansätze, S. 200, 205 f. m.w. N. 116 Zum folgenden J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 305 ff.; R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 70 ff.; kritisch auch W. Elberfeld, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 151, 163 ff. 117 Vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 280; J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 298 f. 118 Hohe Bestreitbarkeit wurde etwa für den Luftverkehrsmarkt angenommen, dazu J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 280 f.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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Auch die Befürworter des Konzepts der Bestreitbarkeit räumen ein, dass die Voraussetzungen der Bestreitbarkeit in der Praxis kaum jemals voll erfüllt sein werden. Hierin unterscheide sich die Theorie der bestreitbaren Märkte indessen nicht von anderen ökonomischen Theorien. Aus den beobachteten Abweichungen könne daher nicht auf die Unanwendbarkeit der Theorie geschlossen werden. Entscheidend sei vielmehr, dass auch ein Abweichen von den Theorieannahmen nur eine partielle Einschränkung der Theorie bewirke.119 Tatsächlich gehört es zum Wesen eines ökonomischen Modells, die Wirklichkeit zu vereinfachen.120 Entscheidend für die Aussagekraft ist die Robustheit des Modells unter realen Marktbedingungen.121 Zu untersuchen ist daher, ob Abweichungen vom Ideal des bestreitbaren Marktes lediglich zu graduellen Verschlechterungen des Marktergebnisses gegenüber den theoretisch begründeten Voraussagen führen oder ob die Ergebnisse der Theorie der bestreitbaren Märkte ihre Aussagekraft gänzlich verlieren.122 a) Bedeutung von Irreversibilitäten Besondere Aufmerksamkeit ist der vom Konzept der Bestreitbarkeit vorausgesetzten Abwesenheit von versunkenen Kosten zu widmen.123 Grundsätzlich bestehen für jeden Markt aus den verschiedensten Gründen irreversible Kosten, die für den Marktneuling als Markteintrittshindernis und für das alteingesessene Unternehmen als Marktaustrittshindernis wirken.124 Zu denken ist etwa an Marketingkosten, die beim Eintritt in einen neuen Markt oder bei Einführung eines neuen Produkts bzw. einer neuen Marke auftreten. Der Ruf einer Unternehmung im Markt wird kaum vollständig auf ein neues Geschäftsfeld zu übertragen sein. Auch sonstige zum Markteintritt erforderliche Investitionen in Sachmittel sowie Personalauswahl und -ausbildung sind zumeist nicht hinreichend liquidierbar.125 119 Vgl. etwa G. Knieps, Von der Theorie angreifbarer Märkte zur Theorie monopolistischer Bottlenecks, S. 7. 120 Wie J. Weimann, Wirtschaftspolitik, S. 37 treffend bemerkt, wäre es sonst so tauglich wie eine Landkarte im Maßstab 1:1. 121 Vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 302 ff.; R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 71 f. mit Nachweisen zur experimentellen Überprüfung. 122 Vgl. auch M. Braulke, WuW 1983, 945, 949 ff.; J. Kruse, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 71, 73. 123 Dazu J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 306 ff. Zum Begriff schon oben Fn 102. 124 J. Kruse, in: Immenga/Kirchner/Knieps/Kruse (Hrsg.), Telekommunikation im Wettbewerb, S. 73, 77. 125 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 70; vgl. zur Bedeutung eines Markenimages am Beispiel des Telekommunikationsmarktes etwa K.-H. Neumann, in: Oberender (Hrsg.), Die Dynamik der Telekommunikationsmärkte, S. 73, 81.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Kosten speziell des Marktaustritts können sich aus erforderlichen Sozialplänen bei Entlassung von Mitarbeitern ergeben.126 Wegen der fehlenden Entscheidungserheblichkeit können auch Kosten, die der Altsasse in der Vergangenheit bereits hatte, faktisch als Zugangshindernisse wirken.127 Ob die Existenz von Irreversibilitäten zur völligen Unanwendbarkeit der Theorie der bestreitbaren Märkte führt oder lediglich eine Einschränkung der Effizienzerwartung bedingt, ist umstritten.128 So wird vertreten, dass bereits minimale versunkene Kosten als absolute Marktzutrittschranke wirken können.129 Einigkeit besteht indessen hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung von Irreversibilitäten für die disziplinierende Wirkung potentieller Konkurrenz.130 Im Umfang vorhandener Irreversibilitäten besteht ein Marktzutrittshindernis, welches Marktmacht des Monopolisten begründen kann und in realen Märkten zu einer erheblichen Einschränkung der durch die Theorie der bestreitbaren Märkte begründeten Effizienzerwartung führt.131 b) Verhaltensannahmen Die vom Konzept der Bestreitbarkeit unterstellte Möglichkeit, den gesamten Markt oder eine beliebige Teilmenge davon unmittelbar vom bisherigen Monopolisten zu übernehmen, beruht auf stark idealisierten Annahmen zum Verhalten der Marktteilnehmer.132 Die Annahme, der Neuling sei in der Lage, den gesamten Markt unmittelbar zu bedienen, begegnet Bedenken. Selbst bei Unternehmen, die in benachbarten Märkten tätig sind und damit bereits über spezifisches Wissen verfügen, ist die Fähigkeit, unmittelbar in einen Markt einzusteigen und die gesamte Nachfrage in ausreichender Qualität zu bedienen, kaum realistisch zu erwarten.133

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M. Braulke, WuW 1983, 945, 951. C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 75 f.; näher zum Begriff der Markteintrittsbarriere J. Borrmann/J. Finsinger/K. G. Zauner, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 123. 128 Vgl. hierzu G. Knieps, Entstaatlichung im Telekommunikationsbereich, S. 38 ff. 129 Etwa J. E. Stiglitz, Brookings Papers on Economic Activity 1987, 883, 931 f. der auf die Möglichkeit verweist, dass bereits geringste versunkene Kosten unter Umständen als absolute Marktzutrittsschranke wirken können; kritisch dazu S. Peltzman, Brookings Papers on Economic Activity 1987, 938, 941; vgl. auch W. J. Baumol/E. E. Bailey/R. D. Willig, American Economic Review 67 (1977), 350, 353 f. 130 J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 311; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 32 f. 131 Vgl. J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 301 ff.; J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 310; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 32 f. 132 Vgl. hierzu G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 34; G. Knieps, Entstaatlichung im Telekommunikationsbereich, S. 43 ff. 127

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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Auch die für die Marktgegenseite angenommene unbegrenzt schnelle Reaktion ist in der Realität kaum anzutreffen. Unzureichende Verbraucherinformation sowie oftmals auftretende Wechselkosten134 lassen die Wahrscheinlichkeit einer sofortigen Marktdurchdringung durch einen Markteindringling eher gering erscheinen.135 Die Vorstellung, der bisherige Marktinhaber werde dem Eindringen des Neulings tatenlos zusehen und insbesondere seine eigenen Preise trotz veränderter Marktlage unverändert lassen, ist wenig plausibel.136 Die unterstellte Verzögerung zwischen Markteintritt des Neulings und Reaktion des Altsassen ist jedoch für das Konzept der Bestreitbarkeit von erheblicher Bedeutung. Erst durch die zumindest verzögerte Reaktion des Monopolisten ist es dem Neuanbieter möglich, den gewünschten Teil der Marktnachfrage auf sich zu lenken.137 Die Annahme geringer Reaktionsgeschwindigkeit des Monopolisten steht zudem in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der die Effizienzannahme tragenden Aussage, der Monopolist antizipiere den drohenden Markteintritt. Während die verzögerte Reaktion auf den Markteintritt Voraussetzung für die Bestreitbarkeit des Marktes ist, bildet die adäquate Reaktion auf die potentielle Konkurrenz die Grundlage der Effizienzvorhersage. Der von der Theorie beschriebene Zustand eines effizienten marktzutrittsresistenten natürlichen Monopols erscheint insofern widersprüchlich.138 Neben der zeitlichen Dimension ist auch die Art der Reaktion des Monopolisten zu berücksichtigen. Die Vorstellung, der Altsasse werde bei konstanten Preisen den Einbruch seines Güterabsatzes hinnehmen, vernachlässigt die alternativen Handlungsmöglichkeiten des Monopolisten. Statt den Angebotspreis aufrechtzuerhalten könnte der Incumbent versuchen, das bisherige Angebotsvolumen aufrechtzuerhalten und den Absatz durch Preissenkungen zu stützen. Er könnte insbesondere den Angebotspreis des Markteindringlings auch unterbieten und damit seinen Marktanteil verteidigen.139 Ein Vergleich der dem Alt133 J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 301; J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 310; M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 207. 134 Aus Wechselkosten der Nachfrageseite können sich Marktzutrittsbarrieren ergeben, vgl. K.-H. Neumann, in: Oberender (Hrsg.), Die Dynamik der Telekommunikationsmärkte, S. 73, 76. 135 J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 311; vgl. auch J. Borrmann/ J. Finsinger/K. G. Zauner, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 123, 132. 136 M. Braulke, WuW 1983, 945, 950; J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 310; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 302. 137 J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 307; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 29. 138 Von einer fundamentalen und unverständlichen Asymmetrie spricht M. Braulke, WuW 1983, 945, 949. 139 M. Braulke, WuW 1983, 945, 949 f.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

sassen offenstehenden Handlungsmöglichkeiten und der damit verbundenen Gewinnerwartung zeigt, dass eine solche Strategie aus seiner Sicht durchaus rational sein kann.140 Geht man davon aus, dass der Eindringling durch die Aussicht auf Gewinne in den Markt gelockt wird, erscheint jedenfalls eine Strategie, bei der der Monopolist mit begrenzten Preissenkungen reagiert und damit die Gewinnchance des Wettbewerbers beschneidet, wahrscheinlich. Eine derart rationale Reaktion wird auch der prospektive Markteindringling antizipieren und seine Gewinnerwartung entsprechend anpassen.141 Die möglichen Reaktionen des Incumbent verringern mithin die Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts. Zudem besteht die Möglichkeit, dass der Monopolist durch strategisches Verhalten die Glaubwürdigkeit von Preissenkungen und seines Verbleibens im Markt erhöhen kann.142 So kann der Incumbent etwa bei der Wahl der Produktionstechnologie seine Kostenstruktur strategisch beeinflussen143 und damit die Attraktivität eines Markteintritts weiter senken. 3. Einschätzung und Bewertung des Konzepts der bestreitbaren Märkte Eine Bewertung des Konzepts der bestreitbaren Märkte muss berücksichtigen, dass die Theorie in Auseinandersetzung mit der überkommenen Reglementierung natürlicher Monopole entwickelt wurde. Für das Verständnis natürlicher Monopole und die Analyse der Berechtigung künstlicher Marktzutrittsschranken in diesem Bereich leistete die Theorie einen wesentlichen Beitrag.144 Das Konzept der Bestreitbarkeit zeigt einen Weg auf, durch Abbau von staatlichen Marktzutrittsbeschränkungen Anreize zur Effizienzsteigerung und Preissenkung für etablierte Monopolisten zu setzen.145 Darüber hinaus ist es auch ein Verdienst des Konzepts der Bestreitbarkeit, durch Analyse von Quersubventionen und Rosinenpickerargumenten den Trend zur Liberalisierung zahlreicher Wirtschaftsbereiche gestärkt zu haben. Wesentliche Argumente gegen die klassische

140 Vgl. dazu J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 307 ff.; C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 75 f.; einschränkend G. Knieps, Entstaatlichung im Telekommunikationsbereich, S. 41. 141 J. Kruse, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 71, 74. 142 Vgl. C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 76; J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 326 ff.; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 32; T. Tenhagen, Die Legitimation der Regulierung von Märkten durch die Theorie des Marktversagens, S. 78. 143 Vgl. J. E. Stiglitz, Brookings Papers on Economic Activity 1987, 883, 910. 144 So auch D. von Wichert-Nick, MMR 1999, 711, 712. 145 Vgl. W. J. Baumol/E. E. Bailey/R. D. Willig, American Economic Review 67 (1977), 350, 360.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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Monopolregulierung bzw. den gemeinwirtschaftlichen Betrieb sind von dieser Theorie geprägt.146 Andererseits ist der eingegrenzte Aussagegehalt der Theorie zu berücksichtigen. Wie die dargestellte Kritik aufgezeigt hat, ergeben sich Einschränkungen im Aussagegehalt vor allem aus den restriktiven Bedingungen für das Vorliegen eines bestreitbaren Marktes. Die ursprüngliche Einschätzung der Auswirkungen natürlicher Monopole kann daher nur zum Teil revidiert werden. Auch soweit künstliche, insbesondere regulative Marktzutrittsschranken abgebaut werden, bleiben Bereiche signifikanter Marktmacht bestehen.147 Potentielle Konkurrenz führt unter realen Bedingungen zwar gegebenenfalls zu einer Einschränkung von Marktmacht, aber nicht in jedem Falle zu ihrer Beseitigung. Der tatsächliche Umfang verbleibender Marktmacht ist abhängig von den konkreten Marktgegebenheiten, wobei der Existenz von Irreversibilitäten und der Reaktionszeit des Marktes besondere Bedeutung zukommt.148 4. Anwendung im Netzbereich Die geringe Robustheit der Theorie der Bestreitbarkeit gegenüber der Existenz von versunkenen Kosten ist im Bereich der Netzwirtschaften von besonderer Bedeutung. Materielle Netze sind durch ihre Ortsbindung und Spezialisierung geprägt und deshalb einer alternativen Verwendung kaum wirtschaftlich zuführbar. Die oft erheblichen Netzaufbaukosten sind damit in hohem Maße als versunkene Kosten zu betrachten.149 In dem Umfang, in dem die irreversiblen Kosten Anteil an der Preisbildung haben, besteht hier wettbewerblich nicht hinreichend kontrollierte Marktmacht.150 Zudem erscheint es wegen der erheblichen Irreversibilitäten plausibel zu erwarten, dass der Altsasse auf einen Markteintritt mit einer Senkung der Preise reagiert.151 Im Bereich materieller Netze

146 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 28 ff.; R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1. 147 J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 316; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 32 f.; vgl. zur Situation bei Annahme heterogener Präferenzen J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 317, 324. 148 J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 301 f.; vgl. auch G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 32. 149 Vgl. C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 75; J. Kruse, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 71, 78; speziell für den Bereich der Telekommunikation H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 39. 150 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 32. 151 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 79; dies zeigt auch BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – KVR 29/93 – Gasdurchleitung, WuW/E BGH 2953, 2965 wo gerade ein Eintritt in die Preise des Wettbewerbers erfolgte.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

dürften infolge der typischen hohen Irreversibilitäten die Ergebnisse der Theorie der Bestreitbarkeit somit nur begrenzten Wert haben.152 Auch die Einschränkungen, die sich aus den spezifischen Verhaltensannahmen ergeben, erweisen sich im Bereich von Netzen als kritisch.153 So ist es in netzgebundenen Wirtschaftsbereichen oft nicht möglich, zunächst in geringem Umfang in den Markt einzutreten und die Marktabdeckung später sukzessive auszubauen.154 Wegen der Notwendigkeit zahlreiche, teilweise weit entfernte Punkte einzubeziehen, ist eine Nutzung des Netzes erst ab einer erheblichen Mindestgröße möglich. Hiermit sinkt die Reaktionsgeschwindigkeit des Eindringlings deutlich. Demgegenüber wird zuweilen vorgeschlagen, der Neueinsteiger möge mit seinen Kunden bindende Verträge abschließen und damit die Refinanzierung seiner Kosten absichern.155 Verwiesen wird etwa auf die Möglichkeit, ein Monopol im Bereich der Telefonfestnetzanschlüsse durch Abschluss bindender Verträge mit einzelnen Geschäftskunden bereits vor deren Netzanbindung aufzubrechen. Die Plausibilität dieser Annahme ist freilich umstritten.156 Damit besteht im Bereich materieller Netze die Gefahr, dass die der potentiellen Konkurrenz zugeschriebenen Wirkungen nicht schon unabhängig vom tatsächlichen Markteintritt auftreten. Die Hoffnung, das Problem der natürlichen Monopole durch die Abschaffung von Marktzutrittsschranken zu lösen, erweist sich als voreilig.157 Die Figur des natürlichen Monopols wird im Bereich der Netzwirtschaften nicht obsolet, sondern durch die Erkenntnisse zur Bestreitbarkeit von Märkten fortentwickelt. Hier kommt der Theorie der bestreitbaren Märkte die Aufgabe zu, den jeweiligen Handlungsbedarf in den einzelnen Bereichen abzugrenzen.158

152 Weitergehend weist J. E. Stiglitz, Brookings Papers on Economic Activity 1987, 883, 884 darauf hin, dass auch Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in hohem Maße die Eigenschaft von versunkenen Kosten aufweisen können. 153 Vgl. auch J. Borrmann/J. Finsinger/K. G. Zauner, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 123, 132. 154 Überwinden lässt sich dieses Hindernis durch eine Mitbenutzung des etablierten Netzes was jedoch rechtlicher Sonderregeln bedarf; dazu noch unten 2. Teil, 3. Abschnitt, B.I.2. 155 Vgl. H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 39, 52 f. m.w. N. 156 Vgl. B. Bartholomé, Die Entstaatlichungs- bzw. Deregulierungskontroverse als Reflex konkurrierender wirtschaftstheoretischer Ansätze, S. 209. 157 So auch W. J. Baumol/R. D. Willig, Contestability: Developments since the Book, in: Oxford Economic papers, Vol. 38, Suppl. 1986, S. 9, 24 – zitiert nach B. Bartholomé, Die Entstaatlichungs- bzw. Deregulierungskontroverse als Reflex konkurrierender wirtschaftstheoretischer Ansätze, S. 208 Fn 3; vgl. auch J. Basedow, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 121, 123. 158 Vgl. dazu J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 277.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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In der praktischen Anwendung lässt sich der Begriff der Bestreitbarkeit im Bereich der Netzwirtschaften zum Konzept der fehlenden Duplizierbarkeit erweitern.159 Neben den bisher problematisierten ökonomischen Gründen für die Entstehung eines natürlichen Monopols werden damit auch weitere Hindernisse erfasst. Grundlage des Konzepts der Bestreitbarkeit ist die Annahme freien Marktzutritts. Soweit solche Schranken unmittelbar durch legislative Marktabschottung, etwa gesetzlich gesicherte Monopolrechte, entstehen, haben diese im Zuge der Liberalisierung ihre Bedeutung verloren. Von der Liberalisierung wurden indessen außerökonomische Schranken, die sich zum Beispiel aus dem Fehlen geeigneter Flächen zum Aufbau alternativer primärer Netze ergeben können, nicht beseitigt. Auch dort, wo aus ökonomischen Gründen die Errichtung einer weiteren Bahnverbindung oder Hochspannungstrasse sinnvoll wäre, können beispielsweise raumplanerische Gründe gegen die Duplizierung sprechen.160 Die hierdurch bestehenden Hindernisse können im Ergebnis den wettbewerbsbegründenden Markteintritt in gleichem Maße verhindern, wie beständige natürliche Monopole und damit vergleichbare Folgen für den Wettbewerb zeitigen. VI. Fazit zur Bedeutung von Unteilbarkeiten im Bereich der Netzwirtschaften Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die Problematik der Unteilbarkeiten und der hieraus resultierenden natürlichen Monopole im Bereich der Netzwirtschaften auch künftig relevant bleibt. Die bei materiellen Netzen bestehenden Unteilbarkeiten begründen hier weiterhin die Annahme subadditiver Kostenfunktionen und damit der Existenz natürlicher Monopole. Jedenfalls in den Bereichen, in denen erhebliche irreversible Kosten auftreten, ist die Bestreitbarkeit deutlich eingeschränkt, so dass die Existenz wettbewerbsresistenter natürlicher Monopole nicht ausgeschlossen werden kann.161

159 Vgl. G. Knieps, Von der Theorie angreifbarer Märkte zur Theorie monopolistischer Bottlenecks, S. 8; J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 135; kritisch P. Schwintowski, WuW 1999, 842, 848. 160 Dazu unten 2. Teil, 2. Abschnitt, B.I. 161 Für Übersichten vgl. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 209; J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 66; vgl. auch U. Immenga/C. Kirchner/G. Knieps/J. Kruse, Telekommunikation im Wettbewerb, S. 20; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 32 f.; G. Knieps, in: Horn/ Knieps/Müller (Hrsg.), Deregulierungsmaßnahmen in den USA, S. 39, 45 ff.; J. Kruse, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 247, 252 ff.; B. Bartholomé, Die Entstaatlichungs- bzw. Deregulierungskontroverse als Reflex konkurrierender wirtschaftstheoretischer Ansätze, S. 270; P. J. J. Welfens, in: Welfens/Graack/Grinberg/ Yarrow (Hrsg.), Towards Competition in Network Industries, S. 11, 18; F. J. Säcker, AöR 130 (2005), 180, 185; Deregulierungskommission, Marktöffnung und Wettbewerb, Tz. 158; siehe auch S. Spelthahn, Privatisierung natürlicher Monopole, S. 59; einschränkend noch G. Knieps, Entstaatlichung im Telekommunikationsbereich, S. 41.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Strittig ist indessen die Frage, in welchen konkreten Netzbereichen tatsächlich derartige Bedingungen vorliegen. Es bleibt hier die wirtschaftswissenschaftliche Forschung aufgefordert, durch Verfeinerung der Methodik und die Erhebung verbesserter aktueller Daten ein Höchstmaß an Analysesicherheit zu gewährleisten und damit die notwendigen Grundlagen für eine möglichst verlässliche Prognose der Wettbewerbsaussichten bereitzustellen. Dabei wird man sich auch auf eine Beobachtung des Wettbewerbsverhaltens stützen können, da im Auftreten von Wettbewerbern ein starkes Indiz für den Wegfall der Wettbewerbshindernisse zu erblicken ist.162 Ob das Erreichen der Kapazitätsgrenze bereits zum Fortfall der Effizienzprobleme des natürlichen Monopols führt, hängt maßgeblich von der Zahl der dann im Markt vorhandenen Anbieter und vom Wettbewerbsverhalten in dem dann bestehenden Oligopol ab.163 Zu beachten ist zudem, dass das Vorliegen eines natürlichen Monopols immer nur für den konkret untersuchten Bereich angenommen werden kann und keine Rückschlüsse auf bestimmte Wettbewerbsbedingungen im fraglichen Sektor im Übrigen zulässt.164 Nach aktuellem Stand wird man in verschiedenen Netzstrukturen von der Existenz natürlicher Monopole mit signifikanten Irreversibilitäten ausgehen müssen, für deren baldiges Verschwinden derzeit keine Anzeichen erkennbar sind.165 Besondere Relevanz hat die Problematik der natürlichen Monopole im Bereich der materiellen Netze. Anerkannt ist der Fortbestand resistenter natürlicher Monopole im Bereich der Eisenbahnen im Schienennetzbereich sowie im Bereich der Verteilnetze für elektrische Energie und Gas.166 Demgegenüber ist die Existenz von netzspezifischer Marktmacht im Bereich der Telekommunikation umstritten.167 Hier wird insbesondere im Bereich der Ortsnetze oftmals noch von Marktmacht ausgegangen, wobei im Hinblick auf die Dynamik der Entwicklung in diesem Bereich eine Erosion der Marktmacht für möglich gehalten wird.168

162 Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass natürlich auch Marktteilnehmer insofern Fehlanalysen unterliegen können. 163 Vgl. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 201. 164 Vgl. dazu schon oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.IV.2. 165 G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 319. 166 Vgl. J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 66; M. Fritsch/T. Wein/H.J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 207; für Energieversorgung Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 9; Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 37; zur Möglichkeit, einzelne Anschlüsse isoliert zu betrachten vgl. J. Kruse, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 71, 85. 167 Vgl. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 255 ff. 168 Dafür G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 113; vgl. auch M. Fritsch/ T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 259.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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Eine andere Bewertung ist für den Bereich der immateriellen Netze erforderlich. Die Bedingungen des natürlichen Monopols werden hier in aller Regel nicht vorliegen.169 Zwar können in diesem Bereich erhebliche Entwicklungskosten zu fallenden Durchschnittskosten führen, die Verwendungsspezifik dieser Kosten dürfte indessen verhältnismäßig geringer ausgeprägt sein. Zudem ist infolge des oftmals bestehenden Service- und Supportaufwands von nur begrenzten Kostenvorteilen auszugehen.170 Gerade in forschungsintensiven Bereichen ist außerdem von einer besonderen Marktdynamik auszugehen, die einer Verfestigung der Marktstruktur entgegenwirkt, da Marktführer und Marktneulinge in gleichem Maße gezwungen sind, sich auf immer neue Herausforderungen einzustellen.171

B. Externe Effekte Neben der auf die Kostenseite bezogenen Problematik der Unteilbarkeiten wird in der Literatur die Bedeutung sogenannter externer Effekte bei Netzen untersucht. In der ökonomischen Betrachtung spricht man von externen Effekten, wenn der Nutzen einer Handlung zumindest teilweise von einem Parameter bestimmt wird, der von Dritten kontrolliert wird.172 Typische Beispiele für solche Effekte finden sich etwa in Bezug auf Umweltgüter. So kann die Einleitung von Abwässern in einen Fluss die flussabwärts gelegenen Nutzer beeinträchtigen, ohne dass dies bei der Einleitung notwendig in das ökonomische Kalkül einbezogen würde.173 I. Externe Effekte bei Netzen Im Bereich der Netzwirtschaften werden vorwiegend externe Effekte untersucht, die sich auf der Nachfrageseite auswirken, da sie von Nutzenerwägungen der Erwerber abhängen. Die umfangreiche ökonomische Literatur zur Problematik der externen Effekte bei Netzen174 hat auch in der juristischen Literatur 169

So auch J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 109. W. J. Kolasky, 7 George Mason Law Review 577, 590. 171 Vgl. J. T. Soma/K. B. Davis, 8 Journal of Intellectual Property Law 1, 6. 172 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 88; J. Blazejczak, in: Neubäumer/Hewel (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 619, 649. 173 R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 838; H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 189. 174 Vgl. etwa M. L. Katz/C. Shapiro, The American Economic Review 75 (1985), 424; S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133; M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93; M. Thum, Netzwerkeffekte, Standardisierung und staatlicher Regulierungsbedarf; H. Wiese, ifo Studien 42 (1996), 505; M. J. Holler, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 91; R. Steyer, WiSt 1997, 206; A. Gröhn, Netzwerkeffekte und Wettbewerbs170

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

deutlichen Widerhall gefunden175. Während der Begriff der Netzeffekte teilweise eher als allgemeines Schlagwort gebraucht wird, befassen sich andere Autoren unter dem gleichen Stichwort mit sehr spezifischen Modellannahmen.176 Zugleich warnen Kritiker davor, bereits auf Basis der Begrifflichkeit voreilige Schlüsse hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung von Netzeffekten zu ziehen.177 Im Folgenden wird der Begriff der Netzeffekte allgemein für netzbezogene externe Effekte verwendet.178 Das Phänomen der Netzeffekte soll hier zunächst anhand von Beispielsfällen erläutert werden, die für die Diskussion um Netzeffekte typisch sind. Sodann werden die speziellen Auswirkungen dieser Effekte auf die Wettbewerbsverhältnisse in Netzwirtschaften erörtert. 1. Exemplarische Fälle Als paradigmatischer Fall für die Wirkung von externen Effekten bei Netzen kann das Telefonnetz gelten. Für einen einzelnen Nutzer ist der Besitz eines Telefons offenbar völlig nutzlos. Erst durch die Existenz von weiteren Telefonbesitzern, die in der Lage und Willens sind, untereinander zu kommunizieren, erhält das Telefon überhaupt seinen Sinn. Mit zunehmender Verbreitung des Telefons steigt die Anzahl möglicher Verbindungen von jedem einzelnen Anschluss und damit der Wert des Anschlusses für seinen Inhaber.179 Der Effekt ist für Kommunikationsnetze typisch und lässt sich auch bei der Verbreitung von Telefaxgeräten oder Modems beobachten.180 Neben solchen Gütern, die allein durch die Möglichkeit mit anderen in Kontakt zu treten, einen Nutzen entfalten, gibt es auch solche Güter, die neben dem politik; T. Weitzel/W. König, Wirtschaftsinformatik 45 (2003), 497, 498; C. Maaß/E. Scherm, Open Source, Netzeffekte und Standardisierung; P. Windrum/C. Birchenhall, Journal of Evolutionary Economics 15 (2005), 123; M. Liehr, Die Adoption von Kritische-Masse-Systemen. 175 Etwa J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 103 ff., 129 ff.; J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 29 ff.; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 82 ff.; sowie K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation der Telekommunikation, S. 57, 64. 176 Dazu M. J. Holler, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 91, 92. 177 So insbesondere S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 134 f. 178 Die Unterscheidung zwischen externen Effekten und Externalitäten wird soweit ersichtlich im ökonomischen Sprachgebrauch nicht immer eingehalten. Da teilweise der Begriff der Externalitäten zur Bezeichnung von externen Effekten mit negativen Effizienzimplikationen reserviert wird, soll hier der Begriff der Netzexternalitäten vermieden werden. Siehe auch S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 135; J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 35. 179 H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 40. 180 H. R. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 649.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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durch den Netzeffekt geschaffenen Nutzen über einen netzunabhängigen Eigennutzen verfügen.181 So ist etwa ein Personalcomputer für sich genommen bereits sinnvoll einsetzbar. Durch die Vernetzung mit anderen Rechnern kann allerdings ein erheblicher Zusatznutzen entstehen, der wiederum mit der Zahl der vernetzten Rechner steigt. Das Internet gibt ein eindrucksvolles Beispiel für den Zusatznutzen der kommunikativen Vernetzung.182 Ein weiterer Netzeffekt ergibt sich aus dem Umstand, dass die Bedienung spezialisierter Geräte oftmals besondere Kenntnisse oder ein gewisses Maß an Nutzererfahrung erfordert, bevor das Leistungspotential voll ausgenutzt werden kann. Der Nutzer eines bestimmten Computersystems akkumuliert etwa im Rahmen der Nutzung solches spezifisches Wissen. Handelt es sich um ein weit verbreitetes System, sind die Anwendungsmöglichkeiten dieses Wissens entsprechend vielfältig. Der Wert des Wissens steht daher in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verbreitung des jeweiligen Computersystems im Markt.183 Ein weiterer Netzeffekt wird erkennbar, wenn man das einheitliche Produkt Personalcomputer gedanklich in eine Hardware- und eine Softwarekomponente zerlegt. Nur wenn Hardware und Software aufeinander abgestimmt sind, ist die gewünschte Funktionalität gewährleistet.184 Es bestehen damit komplementäre Gütermärkte für Hard- und Software. Mit zunehmender Verbreitung der Hardwarekomponente wächst in der Tendenz auch die Nachfrage nach passender Software. Dadurch wird der Markt für Softwareentwickler attraktiv und das Angebot an kompatibler Software wächst, was wiederum die Attraktivität der Hardwareplattform für neue Kunden erhöht.185 Ein vergleichbares Phänomen lässt sich bei der Verbreitung von Videorekordern beobachten.186 Auch ein Videorekorder hat für sich betrachtet einen eigenen Nutzen, da er zeitversetzten Fernsehkonsum ermöglicht. Eine weitere wesentliche Verwendung liegt allerdings im Abspielen von gekauften oder gemieteten Videokassetten. Videorekorder und zugehörige Videokassetten bilden damit ebenso ein Netz komplementärer Produkte wie Hard- und Software bei Computern.187

181 Singulärer bzw. originärer Nutzen im Unterschied zum aus der Vernetzung folgenden derivativen Nutzen, R. Weiber, Diffusion von Telekommunikation, S. 15; D. Schoder, Erfolg und Mißerfolg telematischer Innovationen, S. 11. 182 Hierzu etwa M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 494. 183 Vgl. M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 491. 184 Vgl. zur Komplementarität H. R. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 641. 185 Vgl. M. J. Holler, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 91, 96. 186 W. B. Arthur, Scientific American 262 (1990), 92; M. Schanzenbach, 2002 Stanford Technology Law Review 4; vgl. auch M. Thum, Jahrbücher für Nationalökonomik und Statistik 215 (1996), 274. 187 N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 3; M. Schanzenbach, 2002 Stanford Technology Law Review 4, Tz. 7; weitere Beispiele bei den in Fn 174 genannten.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

2. Positive Häufigkeitsabhängigkeit Die genannten Beispiele zeigen, dass Netzeffekte in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen diskutiert werden, wobei die Bandbreite von klassischen Industriegütern bis zu Phänomenen der modernen Informationstechnologie reicht.188 Gemeinsam ist den genannten Effekten eine positive Häufigkeitsabhängigkeit des Konsums in dem Sinne, dass der Nutzen eines Gutes oder einer Leistung für den einzelnen Nachfrager mit der Gesamtzahl der Nutzer des Gutes korreliert ist.189 Die wechselseitige Abhängigkeit der einzelnen Nutzer begründet den Netzcharakter der entsprechenden Effekte. Von einem positiven Effekt spricht man, wenn mit zunehmender Zahl anderer Nutzer die Wertschätzung des Gutes bzw. der Leistung durch den Einzelnen steigt. Dagegen liegen negative Netzeffekte vor, wenn eine höhere Nutzerzahl zu einer Abnahme der individuellen Wertschätzung führt.190 Die damit umschriebene Interdependenz im Konsum191 bewirkt, dass die Nutzenfunktion des einzelnen Akteurs mit der Zahl der anderen Akteure zumindest einen Parameter beinhaltet, der sich seinem eigenen Einfluss entzieht und insofern fremdbestimmt ist. Netzeffekte lassen sich folglich als Variante externer Effekte auffassen, wobei der externe Effekt gerade auf der Zahl der Nutzer eines Produkts beruht.192 In Anlehnung an die entsprechende Differenzierung im Bereich externer Effekte können direkte und indirekte Netzeffekte unterschieden werden.193 Direkte Netzeffekte liegen vor, wenn die individuelle Nutzenfunktion unmittelbar von der Zahl der anderen Nutzer abhängig ist.194 Wo demgegenüber Netzeffekte 188 Vgl. etwa R. Weiber, Diffusion von Telekommunikation; D. Schoder, Erfolg und Mißerfolg telematischer Innovationen. 189 M. L. Katz/C. Shapiro, The American Economic Review 75 (1985), 424; B. Woeckener, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 116; D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 21 f.; vgl. auch J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 45; C. Röck, Die Diffussion von innovativen netzgebundenen Gütern, S. 31; M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 483; N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 5; enger H. Wiese, ifo Studien 42 (1996), 505. 190 R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 188. Teilweise wird der Begriff der Netzeffekte auch auf die positiven Effeke begrenzt, vgl. etwa H. Wiese, ifo Studien 42 (1996), 505. 191 M. Thum, Netzwerkeffekte, Standardisierung und staatlicher Regulierungsbedarf, S. 5 f. 192 H. R. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 648; vgl. zu externen Effekten allgemein R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 838; H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 189. 193 N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 6 f.; C. Röck, Die Diffussion von innovativen netzgebundenen Gütern, S. 32. 194 Dies ist etwa im Telekommunikationsnetz der Fall, N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 6.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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erst vermittelt durch Zwischengrößen, insbesondere über den Markt, auf die Nutzenfunktion zurückwirken, werden diese als indirekte Netzeffekte bezeichnet.195 Die Wechselwirkung zwischen der weiten Verbreitung von IBM-kompatiblen Personalcomputern und dem Markt für entsprechende Software liefert ein plastisches Beispiel für einen solchen indirekten Netzeffekt. Die Wirkung für die Nutzer ist hier durch eine Reaktion der Marktgegenseite vermittelt.196 II. Eigenheiten von Netzeffektmärkten Aus der positiven Häufigkeitsabhängigkeit werden in der Netzeffektliteratur verschiedene Eigenschaften des Wettbewerbs auf diesen Märkten abgeleitet.197 1. Positive Rückkopplung und kritische Masse Maßgeblich für die Kaufentscheidung der Konsumenten und damit die Verbreitung des Gutes im Markt ist die subjektive Einschätzung von Nutzen und Kosten des Gutes.198 Da bei vorliegenden Netzeffekten die individuelle Nutzenfunktion von der Zahl der anderen Nutzer beeinflusst wird, orientieren sich die Nachfrager bei ihrer Entscheidung am Verhalten anderer Nachfrager199. Die individuelle Entscheidung hängt einerseits von der Zahl der bisherigen Nutzer des Gutes und andererseits vom prognostizierten künftigen Verhalten anderer potentieller Nachfrager ab.200 Zugleich wirken die einzelnen Kundenentscheidungen auf die Entscheidungen anderer Nachfrager zurück. Da die Zunahme der Produktverbreitung die Attraktivität des Produktes für weitere Nachfrager steigert, kommt es zu einer als positive Rückkopplung bezeichneten Selbstverstärkung der Nachfrage.201 195 Vgl. H. Wiese, ifo Studien 42 (1996), 505; B. Woeckener, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 215 (1996), 257, 259 f.; M. Thum, Netzwerkeffekte, Standardisierung und staatlicher Regulierungsbedarf, S. 5; N. Economides/L. J. White, European Economic Review 38 (1994), 651, 654, in Anlehnung an diese auch H. Klodt/ C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 40; H. R. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 641; D. Schoder, Erfolg und Mißerfolg telematischer Innovationen, S. 11. 196 Vgl. H. R. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 641 f.; N. Economides/ L. J. White, European Economic Review 38 (1994), 651, 653 f. 197 Vgl. dazu auch die Darstellungen von N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 10 ff.; T. Weitzel/W. König, Wirtschaftsinformatik 45 (2003), 497, 498. 198 Vgl. etwa J. Altmann, Volkswirtschaftslehre, S. 264. 199 Vgl. R. Weiber, Diffusion von Telekommunikation, S. 57. 200 D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 14 f.; S. M. Besen/J. Farrell, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 117, 118; M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 96. 201 Vgl. M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 94; N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 5; R. Weiber, Diffusion von Telekommunikation, S. 120 ff.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Hinsichtlich der Adoptionsgeschwindigkeit lassen sich zwei Phasen der Produkteinführung unterscheiden. Die Schwierigkeiten in der Anfangsphase der Markteinführung lassen sich wiederum am Beispiel des Telekommunikationsnetzes verdeutlichen. Solange die Zahl der an das Netz angeschlossenen Teilnehmer noch gering ist, bleibt der Nutzen eines Telefonanschlusses ebenfalls gering. Allenfalls für Nutzer mit hoher Zahlungsbereitschaft käme ein Netzanschluss in Betracht. Solange nur wenige Teilnehmer am Netz angeschlossen sind und damit der Nutzen eines eigenen Anschlusses als gering betrachtet wird, besteht für die Mehrzahl potentieller Nutzer hingegen kein Anreiz, die Kosten eines eigenen Telefonanschlusses zu tragen.202 Da diese Überlegung für jeden einzelnen potentiellen Nutzer zutrifft, verläuft die Anfangsphase der Markteinführung eher schleppend. Mit zunehmender Verbreitung der Telefone steigt jedoch der aus dem Netzeffekt resultierende Konsumentennutzen. Erreicht die Entwicklung einen Punkt, an dem der Netzeffekt ausreichend ist, um das Telefonnetz für größere Kundengruppen, für die der bisherige Nutzen die Kosten nicht aufgewogen hätte, interessant machen,203 ist die kritische Masse erreicht, und die sich bislang nur langsam entwickelnde Nutzerzahl steigt sprunghaft an.204 Die Zahl der installierten Geräte205 und das Erreichen der kritischen Masse haben zentrale Bedeutung für den Erfolg eines Netzproduktes. Bis zum Erreichen der kritischen Masse ist von einer instabilen und gehemmten Entwicklung auszugehen, wobei der Erfolg der Diffusion im Markt offen ist.206 Demgegenüber beschleunigt sich die Entwicklung mit Erreichen der kritischen Masse erheblich.207 Der Effekt der kritischen Masse ist dabei nicht auf den Bereich direkter Netzeffekte beschränkt. Vergleichbare Effekte treten bei der Einführung eines auf

202 Vgl. R. Weiber, Diffusion von Telekommunikation, S. 96; N. Economides/ C. Himmelberg, Critical Mass and Network Evolution in Telecommunications, S. 5 f.; M. Liehr, Die Adoption von Kritische-Masse-Systemen, S. 33. 203 In der Praxis wird dieser Effekt oftmals noch durch fallende Preise überlagert und verstärkt, vgl. N. Economides/C. Himmelberg, Critical Mass and Network Evolution in Telecommunications, S. 16 ff. 204 Dazu C. Röck, Die Diffussion von innovativen netzgebundenen Gütern, S. 39; N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 10; D. Schoder, Erfolg und Mißerfolg telematischer Innovationen, S. 19 ff.; M. Liehr, Die Adoption von KritischeMasse-Systemen, S. 32 ff. 205 Sogenannte installed base. 206 D. Schoder, Erfolg und Mißerfolg telematischer Innovationen, S. 20; C. Shapiro/ H. R. Varian, Online zum Erfolg, S. 240; J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 120 ff. 207 Zum Verlauf der Diffussionskurve vgl. R. Weiber, Diffusion von Telekommunikation, S. 141; D. Schoder, Erfolg und Mißerfolg telematischer Innovationen, S. 20; M. Liehr, Die Adoption von Kritische-Masse-Systemen, S. 32.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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Komplementarität beruhenden Netzgutes auf. Solange hier die Zahl der Nutzer gering ist, besteht nur ein geringer Anreiz zum Angebot von Komplementärprodukten. Umgekehrt besteht bei einem geringen Angebot von Komplementärprodukten auch nur ein geringer Nutzen für potentielle Konsumenten.208 Ein mit dem Phänomen der kritischen Masse verwandtes Problem tritt auf, wenn ein verbessertes Produkt in Konkurrenz mit einem bereits etablierten Produkt tritt, mit diesem allerdings nicht kompatibel ist. Soweit nicht eine gleichzeitige Nutzung beider Produkte möglich ist, stehen die Konsumenten hier vor der Alternative einer Weiternutzung des bisherigen Produktes unter Verzicht auf die Vorteile des fortschrittlicheren Produktes oder der Nutzung des verbesserten Produktes unter Verzicht auf die Vorteile der installierten Gerätezahl im früheren System. Die Vorzüge des neuen Produktes sind also nur unter Aufgabe der Vorteile der bisherigen Vernetzung nutzbar. Für die Chancen der Etablierung des neuen Netzproduktes ist damit bei Inkompatibilität das Verhältnis zwischen dem Eigennutzen des Produktes und des Nutzens der Vernetzung entscheidend. Hieraus wird die Gefahr abgeleitet, dass die Einführung eines verbesserten Produktes selbst dann scheitern kann, wenn der gemeinsame Umstieg auf das neue Produkt für alle Nutzer vorteilhaft wäre.209 2. Tendenz zu einseitiger Dominanz Die bereits beschriebenen Verstärkungseffekte wirken in gleicher Weise auch im Wettbewerb verschiedener durch jeweils eigene Standards gebildeter Netze. Erreicht ein Netz bei der Nutzerzahl einen Vorsprung vor den Konkurrenznetzen, kann es dadurch seine Attraktivität im Vergleich zu diesen steigern und seine Führungsposition durch positive Rückkopplung weiter ausbauen, während die anderen Netze Schwierigkeiten haben, selbst hinreichende Netzeffekte zu entwickeln.210 Es besteht somit die Tendenz zu einem dominanten Netz, welches nahezu den gesamten Markt bedienen kann, während den anderen Netzen allenfalls ein Nischendasein beschieden ist.211 Gleichzeitig übersteigen die Gewinne des dominanten Unternehmens mit hoher Wahrscheinlichkeit die der Wettbewerber bei weitem.212 208

Vgl. M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 96. Sogenannter lock-in, vgl. H. R. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 646; zur Bedeutung von Umstellungskosten C. Shapiro/H. R. Varian, Online zum Erfolg, S. 243. 210 Vgl. N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 12; C. Shapiro/H. R. Varian, Online zum Erfolg, S. 232 ff. 211 Sogenanntes tipping, vgl. M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 105; D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36; C. Shapiro/ H. R. Varian, Online zum Erfolg, S. 233 f. 212 N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 12 ff. Andererseits findet wegen der Heterogenität der Nachfrage auch keine völlige Verdrängung der 209

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Die Tendenz zur Dominanz eines Netzes zwingt die im Markt tätigen Unternehmen zu einer Strategiewahl hinsichtlich der Kompatibilität ihrer Produkte.213 Einerseits besteht die Möglichkeit, zu versuchen, mit anderen Marktteilnehmern einen einheitlichen Standard und damit ein einheitliches Netz zu etablieren. Dies ermöglicht ein verhältnismäßig schnelles Erreichen der kritischen Masse und gibt den Unternehmen die Möglichkeit, von einem großen Marktvolumen zu profitieren. Andererseits könnte ein Unternehmen aber auch versuchen, unter Schaffung eines privaten Standards zum dominanten Anbieter aufzusteigen und so den größten Teil der Nachfrage auf die eigenen Produkte zu lenken.214 Während bei Kompatibilität verschiedene Unternehmen innerhalb des Netzes konkurrieren, gleichzeitig aber gemeinsam von den Netzeffekten profitieren, ist die Entscheidung für einen Standardisierungswettlauf für die beteiligten Unternehmen mit einem erheblichen Risiko verbunden. Diesem Risiko stehen indessen erhebliche Gewinne für den Fall gegenüber, dass es gelingt, den eigenen Standard im Markt durchzusetzen.215 3. Gefährdung der Wettbewerbseffizienz Aufgrund der geschilderten Eigenschaften werden für Märkte mit Netzeffekten verschiedene negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsergebnisse für möglich gehalten. So wird aus der Problematik der kritischen Masse die Gefahr einer zu langsamen Marktentwicklung oder auch des gänzlichen Scheiterns der Einführung von Netzprodukten abgeleitet.216 Umgekehrt könne sich aber auch eine zu schnelle Marktentwicklung durch voreiligen Technologiewechsel ergeben.217 Auch wird aus der für externe Effekte typischen Divergenz zwischen individueller Nutzenkalkulation und gesamtgesellschaftlichem Nutzen die Gefahr einer ineffizienten Netzgröße abgeleitet.218

übrigen Anbieter statt. Diese können sich vielmehr oft als Nischenanbieter behaupten, N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 12; P. Hasfeld, Netzwerkeffekte im Electronic Commerce, S. 149 f. 213 M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 106 ff. 214 Die Ausschlusswirkung eines proprietären Standards kann sich etwa aus geistigem Eigentum an wesentlichen Elementen der Standardimplementierung ergeben, vgl. M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 107 f. 215 N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 12 ff. 216 Man spricht von excess inertia, vgl. M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 108; T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 25. 217 Zum Stichwort excess momentum, vgl. M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 108; D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 12 f. 218 M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 96; A. Röver, Netzwerkexternalitäten als Ursache für Marktversagen, S. 44.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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Wegen der Möglichkeit, bei erfolgreicher Etablierung eines eigenen Standards erhebliche Gewinne zu erzielen, werden schließlich Fehlanreize bei der Wahl des Standards bzw. des Standardisierungsniveaus befürchtet.219 Auch wenn aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ein offener Standard vorzugswürdig erschiene, kann infolge der möglichen Gewinnsituation ein Anreiz bestehen, einen eigenen Standard zu etablieren.220 Während eine weitgehende Standardisierung das Potential zur Nutzung von Netzeffekten erhöhen kann, behindert sie zugleich Produktdifferenzierungen und damit die Anpassung an individuelle Nachfragepräferenzen.221 Es besteht somit ein Spannungsverhältnis zwischen der Ermöglichung von Netzeffekten und der erwünschten Produktdifferenzierung. Befürchtet wird auch ein schädliches Verharren in einem ineffizienten Standard.222 Die ungleiche Gewinnverteilung mit deutlich überproportionalen Gewinnen für den Marktführer könne die Wettbewerber zudem zu exzessivem Bemühen um die Erlangung der Marktführerschaft anreizen.223 Die Tendenz von Märkten mit Netzeffekten zur Dominanz eines Anbieters legt den Vergleich mit dem Phänomen des natürlichen Monopols nahe.224 Es wird darauf verwiesen, dass sich auch hier die Dominanz eines Netzes unmittelbar infolge der Netzeffekte ergeben kann, ohne dass hierzu wettbewerbswidriges Verhalten eines Marktteilnehmers nötig wäre.225 Da die Marktungleichheit unmittelbar durch die bestehenden Netzeffekte begründet ist, kann sie durch die Sicherstellung eines freien Markteintritts nicht beseitigt werden, solange keine Kompatibilität der Netze möglich ist.226 Verwiesen wird weiter auf die Ähnlichkeit der beiden Effekten zugrunde liegenden ökonomischen Besonderheiten. Während natürliche Monopole durch Größen- und Verbundvorteile auf der Angebotsseite geprägt sind, bestehen bei Netzeffekten vergleichbare Vorteile auf 219 B. Woeckener, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 215 (1996), 257, 267 ff.; M. L. Katz/C. Shapiro, The American Economic Review 75 (1985), 424, 435. 220 Vgl. hierzu M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 110; V. Stango, Review of Network Economics, Vol. 3, Issue 1 – March, 7. 221 B. Woeckener, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 215 (1996), 257, 260. 222 Bekannt ist etwa die Diskussion um die Effizienz des Layouts für Computertastaturen „QWERTZ“ bzw. „QWERTY“, vgl. dazu M. Thum, Netzwerkeffekte, Standardisierung und staatlicher Regulierungsbedarf, S. 17 f.; D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 17 m.w. N.; kritisch A. Gröhn, Netzwerkeffekte und Wettbewerbspolitik, S. 141; S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Law and Economics 33 (1990), 1. 223 N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 23. 224 H. Knorr, Ökonomische Probleme von Kompatibilitätsstandards, S. 91; M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 484; J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 57; vgl. auch K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation der Telekommunikation, S. 57, 64. 225 N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 14. 226 N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 15.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

der Nachfrageseite.227 Unter Berufung auf die Ähnlichkeit der Effekte werden teilweise hinsichtlich der Erwartung von Marktunvollkommenheiten Parallelen zum natürlichen Monopol gezogen.228 III. Einschätzung der Bedeutung von Netzeffekten Angesichts der weiten Verbreitung von Netzeffekten und der zahlreichen Implikationen dieser Effekte für den Wettbewerb in den betroffenen Märkten entsteht leicht der Eindruck, es drohe durch diese Effekte eine erhebliche Gefährdung der Wettbewerbseffizienz.229 Dieser Eindruck wird indessen schon durch den Umstand relativiert, dass die meisten Abhandlungen zu Netzeffekten zwar von einer verhältnismäßig weiten Definition der Netzeffekte ausgehen, im Weiteren allerdings verschiedene explizite und implizite Beschränkungen vornehmen.230 Typischerweise findet zunächst eine Einschränkung auf positive externe Effekte statt.231 Tatsächlich können jedoch positive wie negative externe Effekte beobachtet werden. So steigt mit zunehmender Nutzungsintensität im Telefonnetz die Gefahr einer Netzüberlastung. Staus auf Verkehrswegen oder Wartezeiten wegen hoher Nachfrage sind weitere Beispiele.232 Zudem wird bei der Untersuchung von Netzeffekten meist unterstellt, dass diese im relevanten Nachfragebereich noch vorliegen und somit die Hinzufügung eines weiteren Nutzers tatsächlich noch positive Auswirkungen auf andere Nutzer hat.233 In der Praxis sind zahlreiche Netzeffekte jedoch erschöpflich.234

227 So sprechen etwa S. M. Besen/J. Farrell, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 117, 118 von „demand-side economy of scale“; N. Economides/L. J. White, European Economic Review 38 (1994), 651, 652 von „economy of scope in consumption“; vgl. auch H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 40. 228 H. Knorr, Ökonomische Probleme von Kompatibilitätsstandards, S. 91; vgl. auch K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation der Telekommunikation, S. 57, 64; dagegen J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 63 ff. 229 S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Research in Law and Economics 17 (1995), 1. 230 Vgl. Kritik bei S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Research in Law and Economics 17 (1995), 1; vgl. auch T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 30. 231 Vgl. M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 491, 494 f.; M. Ehrhardt, Netzwerkeffekte, Standardisierung und Wettbewerbsstrategie, S. 25; siehe auch T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 14. 232 Vgl. S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 140. 233 Vgl. M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 483 f.; N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 6; M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 96. 234 S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 140. Zudem ist zu beachten, dass der Nutzen eines Kommunikationsnetzes nicht durch die Nutzerzahl, sondern durch die Zahl der verfügbaren Nutzer, zu denen ein Kommu-

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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Andere Autoren beschränken die Betrachtungen auf reversible Effekte.235 Damit werden beispielsweise Lernkurveneffekte, die aus der zunehmenden Vertrautheit mit einem Produkt oder einem Verfahren resultieren, aus der Betrachtung ausgeklammert. Um den Bereich weiter einzugrenzen wird teilweise auch ein bestimmtes Gewicht der Netzeffekte in der Nutzenbetrachtung gefordert.236 Aus den genannten Einschränkungen wird deutlich, dass die Effizienzaussagen zum Wettbewerb bei Vorliegen von Netzeffekten nur bedingt verallgemeinerungsfähig sind.237 IV. Kritik am Konzept der Netzeffekte Daneben sieht sich das Konzept der Netzeffekte auch grundsätzlicher Kritik ausgesetzt. Insbesondere wird die Erheblichkeit von Netzeffekten als eigene ökonomische Kategorie bestritten und auf die weitgehende Unbestimmtheit der Prognosen verwiesen.238 1. Fehlende Besonderheit der Netzeffekte Gegen die Annahme, bei Netzeffekten handele es sich um eine Besonderheit bestimmter Wirtschaftsbereiche, wird auf die Vielfältigkeit der Erscheinungsformen und die weite Verbreitung solcher Effekte verwiesen. Geht man allein vom Erfordernis einer positiven Häufigkeitsabhängigkeit aus, entsteht in der Tat der Eindruck eines weitgehend konturlosen Begriffes der Netzeffekte. Infolge der Bedeutung sozialer Bindungen für die Konsumentscheidung lassen sich für nahezu alle Güter gewisse Netzeffekte nachweisen.239 So wird darauf verwiesen, dass auch Bars Netzeffekte aufweisen, da der Genuss von Getränken in Gesellschaft anderer Gäste offenbar von vielen Konsumenten bevorzugt wird.240

nikationsbedürfnis besteht, bestimmt ist, T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 37 f.; W. J. Kolasky, 7 George Mason Law Review 577, 587. 235 B. Woeckener, Hotelling-Modelle der Konkurrenz, S. 10. 236 D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 12; vgl. dazu auch D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36 die Netzeffekte quantitativ eingrenzen wollen. 237 Kritisch insofern T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 31. 238 Vgl. S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133; D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36, 37. 239 Vgl. D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 12; D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36; anders wohl M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 595. 240 S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 144.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Im Rahmen der weiten Definition der Netzeffekte ist es konsequent, wenn auch Wertpapierhandelssysteme als Beispiele angegeben werden. Da die Abwicklung von Handelstransaktionen maßgeblich von der Verfügbarkeit von Handelpartnern abhängt, ist hier ebenfalls von der Existenz von Netzeffekten auszugehen.241 Die damit angedeutete weite Verbreitung von Netzeffekten erfordert eine genauere Differenzierung hinsichtlich der Auswirkungen der einzelnen Effekte auf die Markteffizienz. a) Möglichkeit der Internalisierung von externen Effekten Erforderlich ist zunächst, die aus dem Bereich anderer externer Effekte bekannte Möglichkeit der Internalisierung zu berücksichtigen. Zahlreiche externe Effekte sind Teil des Marktmechanismus oder werden jedenfalls durch diesen kompensiert. So beruht der durch einen Nachfragerückgang verursachte Zwang zur Preissenkung auf einem für den Hersteller nicht beeinflussbaren Umstand und stellt somit einen externen Effekt dar.242 Wo eine derartige Verarbeitung durch den Markt erfolgt, führen externe Effekte nicht zu einer Beeinträchtigung der Markteffizienz.243 Eine genauere Betrachtung der Netzeffekte zeigt, dass auch diese Effekte oftmals einer Internalisierung zugänglich sind.244 Insbesondere beruhen viele der genannten Netzeffekte auf Einflüssen, die über das Preissystem im Markt verarbeitet werden und die jedenfalls im Ansatz den allgemeinen pekuniären Effekten245 gleichstehen. So lassen sich beispielsweise verschiedene Netzeffekte auf fallende Produktionskosten zurückführen. Soweit in der Vergangenheit die fallenden Preise von Faxgeräten zu einer Verstärkung der Nachfrage geführt haben, spricht einiges dafür, dies als Beleg für ein Funktionieren des Marktes anzusehen.246 Gerade bei der Einführung von neuen Produkten, die oftmals Ge241 N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 7; vgl. auch D. Kearney, 23 Yale Law and Policy Review 313. 242 Man wird wohl sogar davon ausgehen können, dass praktisch nie sämtliche ökonomisch relevanten Einflussgrößen durch den jeweiligen Akteur beherrschbar sind, vgl. U. Schlieper, in: Hdwb. d. Wirtschaftswissenschaften, Stichwort „Externe Effekte“; vgl. auch S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 137. Beispiele bei M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 89. 243 S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 141. 244 Hierauf verweisen in der Literatur nachhaltig S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 141; ebenso T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 26; vgl. auch D. Kearney, 23 Yale Law and Policy Review 313, 314. 245 Vgl. S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 137. 246 Vgl. dazu S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 137 f.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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genstand der Netzeffektliteratur ist, dürften derartige Preiseffekte regelmäßig auftreten.247 Selbst wo es sich nicht um solche pekuniären Effekte handelt, besteht oftmals für den Inhaber eines Netzes die Möglichkeit einer Internalisierung der Netzeffekte.248 Die Möglichkeit, später hohe Gewinne zu erzielen, lässt unter Umständen sogar eine anfänglich defizitäre Preissetzung rational erscheinen um die Adoption in der Anfangsphase zu beschleunigen. Denkbar ist es auch, die Markteinführung durch nutzungsabhängige Preise oder Gerätesubventionierung zu unterstützen.249 b) Ähnlichkeit mit bekannten Effekten Von Kritikern wird weiter darauf verwiesen, dass viele der beschriebenen Netzeffekte erhebliche Ähnlichkeit zu anderen sozio-ökonomischen Effekten haben. So handelt es sich bei den sogenannten Mitläufer- und Snobeffekten um wechselseitige Auswirkungen des Konsumentenverhaltens, die in der ökonomischen Literatur als soziale Einflüsse behandelt werden.250 Wenngleich diesbezüglich von Effekten gesprochen wird, handelt es sich bei derartigen Wechselwirkungen richtigerweise um den ökonomischen Normalfall.251 Das Problem der kritischen Masse ist zudem nicht auf den Netzbereich beschränkt.252 Ebenso kann es bei der Einführung von Singulärgütern, bei denen keine positive Häufigkeitsabhängigkeit besteht, eine Schwelle geben, ab der die Marktdurchdringung sprunghaft zunimmt. Ist die Produktion der Güter mit erheblichen Fixkosten verbunden, ergibt sich bereits hieraus ein kritische-MasseEffekt.253

247 Vgl. S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 138. 248 S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 141; D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36; D. Kearney, 23 Yale Law and Policy Review 313, 325. 249 Zum sogenannten sponsoring vgl. M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 103; T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 16, 26; vgl. auch M. Thum, Jahrbücher für Nationalökonomik und Statistik 215 (1996), 274, 278; D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 21; D. Kearney, 23 Yale Law and Policy Review 313, 326 f. 250 Vgl. etwa A. Stobbe, Mikroökonomik, S. 141; R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 188 ff. 251 Vgl. W. J. Kolasky, 7 George Mason Law Review 577, 585. 252 Vgl. M. Liehr, Die Adoption von Kritische-Masse-Systemen, S. 32 m.w. N.; vgl. auch R. Weiber, Diffusion von Telekommunikation, S. 10 ff., 62. 253 B. Woeckener, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 215 (1996), 257, 264; vgl. auch S. M. Besen/J. Farrell, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 117, 118.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Die Sonderstellung der Netzeffekte wird hierdurch weiter eingeschränkt. Eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Annahme, Netzeffekte stellten ein völlig neues ökonomisches Phänomen dar, erscheint begründet.254 2. Unklare Effizienzwirkung der Netzeffekte Für den verbleibenden Bereich der Netzeffekte, die zu besonderen Wettbewerbsverhältnissen führen können, ist es der einschlägigen Literatur bislang nicht gelungen, eindeutige Voraussagen zum Einfluss der Netzeffekte auf die erwartete Wettbewerbseffizienz zu formulieren.255 Zwar werden verschiedenste Abweichungen von einem als ideal angenommenen Marktergebnis vorhergesagt, allerdings ist diesbezüglich keine allgemeine Voraussage möglich.256 Wo die Möglichkeit eines bestimmten Marktergebnisses aufgezeigt wird, fehlt es zumeist nicht an Alternativmodellen, die das gegenteilige Ergebnis plausibel erscheinen lassen.257 Sofern Prognosen zum Marktergebnis gestellt werden, sind diese in ihrer praktischen Verwertbarkeit durch zahlreiche restriktive Annahmen eingeschränkt.258 So wird einerseits die Möglichkeit beschrieben, dass eine effiziente Standardisierung im Markt scheitert und ein wohlfahrtsschädliches Monopol entsteht, andererseits wird darauf verwiesen, dass dieses Ergebnis keineswegs zwingend ist und stattdessen eine erfolgreiche Standardisierung möglich sei, die zu wohlfahrtsförderndem Wettbewerb führen kann. Schließlich kann auch ein wohlfahrtseffizienter Wettbewerb zwischen verschiedenen Standards bestehen.259 In gleicher Weise wenig belastbar erscheinen die Untersuchungen zur Wahrscheinlichkeit eines Verharrens in einer suboptimalen Technologie. Neben der empirisch schwer zu beantwortenden Frage, ob eine Ineffizienz vorliegt,260 werden sowohl das ineffiziente Verharren in einem alten als auch das ineffiziente Wechseln zu einem neuen Standard für möglich gehalten.261 Zudem wird da-

254 So deutlich S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133. 255 Vgl. D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36, 37; T. Weitzel/W. König, Wirtschaftsinformatik 45 (2003), 497, 498. 256 T. Weitzel/W. König, Wirtschaftsinformatik 45 (2003), 497, 498; W. J. Kolasky, 7 George Mason Law Review 577, 587. 257 Hierzu T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 25. 258 Vgl. zur Kritik T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 31 ff. 259 Vgl. etwa M. Thum, Netzwerkeffekte, Standardisierung und staatlicher Regulierungsbedarf, S. 16. 260 Zur QUERTY-Kontroverse vgl. S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Law and Economics 33 (1990), 1.

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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rauf verwiesen, dass im Wettbewerbsumfeld Strategien bestehen, die dominante Marktstellungen trotz vorhandener Netzeffekte überwinden können.262 V. Fazit zu Netzeffekten Obwohl die Diskussion der Netzeffekte teilweise den Eindruck erweckt, hier handele es sich um ein völlig neuartiges Problem, lassen sich viele der besprochenen Phänomene durchaus im Rahmen der herkömmlichen ökonomischen Betrachtung erfassen. Insbesondere ist deutlich geworden, dass die entsprechenden Netzeffekte oftmals durch Märkte internalisiert werden können und geeignete Strategien Kompensationsmöglichkeiten eröffnen, so dass effizienzschädigende Auswirkungen vermieden werden können. Hinzu kommt das Fehlen eines klaren theoretischen Fundamentes, welches Vorhersagen über die Wirkung der Netzeffekte stützen könnte.263 Trotz der zutreffenden Kritik an der undifferenzierten Behandlung der Netzeffekte bleibt allerdings festzustellen, dass Netzeffekte in bestimmten Fällen tatsächlich zu spezifischen Auswirkungen im Wettbewerb führen können,264 selbst wenn diese Besonderheiten nicht immer einer klaren Prognose zugänglich sind. Die im Einflussbereich starker Netzeffekte tätigen Unternehmen sehen sich teilweise vor neue Herausforderungen gestellt, denen sie nur durch eine entsprechende Ausrichtung der Unternehmensstrategie Rechnung tragen können.265 Störungen der Wettbewerbseffizienz infolge der Häufigkeitsabhängigkeit können nicht sicher ausgeschlossen werden. Bedeutung haben die Netzeffekte vorwiegend in den Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnologien, in denen der Produktnutzen maßgeblich von der Möglichkeit zur Interaktion mit anderen Nutzern bestimmt ist. Dagegen sind im Bereich der Versorgungsnetze für Energie oder im Eisenbahnbereich derartige Netzeffekte kaum zu erwarten. Anders als in Interaktionsnetzen führt eine Vielzahl von Nutzern im Bereich der Versorgungsnetze eher zu Kapa261 Vgl. etwa M. Thum, Jahrbücher für Nationalökonomik und Statistik 215 (1996), 274, 278; D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36, 37; D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 13. 262 D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36, 37; S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 133, 146; D. Kearney, 23 Yale Law and Policy Review 313, 336. 263 Vgl. M. L. Katz/C. Shapiro, Journal of Economic Perspectives 8 (1994), 93, 113; T. Weitzel/W. König, Wirtschaftsinformatik 45 (2003), 497, 498. 264 Dies wird auch von Kritikern nicht bestritten, vgl. S. J. Liebowitz/S. E. Margolis, New Palgrave’s Dictionary of Economics and the Law, Stichwort „Network Effect“. 265 Zu entsprechenden Strategien etwa C. Shapiro/H. R. Varian, Online zum Erfolg; vgl. auch N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 16; D. Kearney, 23 Yale Law and Policy Review 313.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

zitätsproblemen. Damit dürfte die Problematik der Netzeffekte weitgehend auf den Bereich der immateriellen Netze beschränkt bleiben.266 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist die Prognoseschwäche im Bereich der Netzeffekte zu berücksichtigen. Auch dort, wo nicht ausgeschlossen werden kann, dass es aufgrund von Netzeffekten zu suboptimalen Wettbewerbsergebnissen kommt, besteht ex ante allenfalls eine Gefährdung des Wettbewerbs, ohne dass eine verlässliche Vorhersage über eine tatsächliche Effizienzeinschränkung möglich wäre. Selbst wo bestimmte Entwicklungen ex post als sub-optimal erscheinen, besteht kein Anlass anzunehmen, ein vorzugswürdigerer Entwicklungspfad hätte bereits ex ante identifiziert werden können.267 Ein generelles Misstrauen gegenüber der Effizienz des Wettbewerbs lässt sich durch die Existenz von Netzeffekten nicht begründen.268 Trotz Anwesenheit von Netzeffekten ist es angebracht vorrangig auf die Anpassungskraft des Marktes zu setzen.269 Damit wird ein wesentlicher Unterschied der nachfrageseitig bestehenden Netzeffekte zu den angebotsseitigen natürlichen Netzmonopolen deutlich. Während es der theoretische Ansatz im Falle der natürlichen Monopole ermöglicht, bestimmte Bedingungen zu benennen, die eine negative Effizienzprognose tragen können,270 stützen die durch Netzeffekte hervorgerufenen besonderen Wettbewerbsbedingungen eine vergleichbare negative Effizienzprognose nicht. Wo infolge von Netzeffekten dominante Marktstellungen entstehen, fehlt es im Regelfall an Marktmacht bzw. zumindest an der Beständigkeit der Marktstellung, da sich die Netzeffekte auch zu Lasten des dominanten Anbieters auswirken können.271 Zudem bieten spezifische Wettbewerbsstrategien und der Einsatz von Adapter- bzw. Gatewaytechnologien Möglichkeiten, dominante Marktstellungen zu überwinden.272 Allenfalls in Einzelfällen können starke Netzeffekte in Verbindung mit hohen Wechselkosten zu nachhaltiger Dominanz eines Anbieters führen und hierdurch ein besonderes Missbrauchspotential begründen.273 266 Eine Zwischenstellung kommt dem leitungsgebundenen Telekommunikationsnetz zu, welches sich hier einer klaren Einordnung entzieht, vgl. zur Abgrenzung von materiellen und immateriellen Netzen schon oben 1. Teil, 1. Abschnitt, B. 267 Vgl. T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 36. 268 So auch U. Immenga/C. Kirchner/G. Knieps/J. Kruse, Telekommunikation im Wettbewerb, S. 24; vgl. auch C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 82. 269 A. Gröhn, Netzwerkeffekte und Wettbewerbspolitik, S. 155. 270 Vgl. oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.V.4. 271 M. Schanzenbach, 2002 Stanford Technology Law Review 4, Tz. 34. 272 A. Gröhn, Netzwerkeffekte und Wettbewerbspolitik, S. 145 f.; M. Schanzenbach, 2002 Stanford Technology Law Review 4, Tz. 53 ff. 273 Ein Beispiel hierfür bietet das Verfahren Kommission, Entsch. v. 24.03.2004 – Case COMP/C-3/37.792 Microsoft, C(2004)900; vgl. auch C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 82 ff.; J. Herrlinger, Das

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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C. Weitere Ursachen allokativer Ineffizienz Neben den bereits benannten Unteilbarkeiten und externen Effekten werden weitere Phänomene diskutiert, die zu allokativer Ineffizienz führen können.274 Von Informationsasymmetrien spricht man, wenn bestimmte Gruppen von Marktteilnehmern tendenziell über unzureichende Informationen zu den Eigenschaften von Gütern im Markt verfügen.275 Solche Informationsdefizite behindern die Bestimmung des subjektiven Wertes von Gütern und stören somit den Wettbewerb verschiedener Anbieter. Ursächlich für derartige Informationsmängel sind etwa die Komplexität von Produkten, deren lange Lebensdauer oder Kosten bei der Informationsbeschaffung. Informationsasymmetrien bilden ein in vielen Wirtschaftsbereichen verbreitetes Problem, das allerdings oftmals durch Marktmechanismen gelöst werden kann.276 Auch für den Bereich der Netzwirtschaften kann die Existenz solcher Informationsasymmetrien nicht ausgeschlossen werden. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass diese gerade durch den spezifischen Netzcharakter hervorgerufen würden. Als weiteres Beispiel für mögliche Störungen der Allokationseffizienz des Wettbewerbs wird das Phänomen ruinöser Konkurrenz angeführt.277 Als ruinös wird die Konkurrenz dann bezeichnet, wenn es Anbietern längerfristig unmöglich ist Gewinn zu erwirtschaften, diese aber gleichwohl nicht aus dem Markt ausscheiden. Damit wird bereits deutlich, dass es sich zumeist um Anpassungsschwierigkeiten in bestimmten Sektoren handeln wird, die bei den Marktteilnehmern Zweifel an der Effizienz des Wettbewerbs begründen.278 Die Argumentation, die oftmals auf Branchenbesonderheiten gestützt wird, erweist sich freilich in den seltensten Fällen als überzeugend.279 Gewisse Plausibilität gewinnt die Argumentation in Bereichen, in denen überschüssige Kapazitäten nicht durch alternative Verwendungen aus dem Markt abgezogen werden können. Im Be-

„Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 127; S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 81; M. J. Holler, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 91, 94; D. Köster, Wettbewerb in Netzproduktmärkten, S. 171; siehe auch H. Klodt/C.-F. Laaser/J. O. Lorz/H. Siebert, Wettbewerb und Regulierung in der Telekommunikation, S. 45 f.; vgl. K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation der Telekommunikation, S. 57, 66. 274 Vgl. H. Bartling, WuW 1993, 16, 20; vgl. schon Nachweise oben 2. Teil, 1. Abschnitt, Fn 2. 275 Vgl. etwa I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 39. 276 I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 40. 277 H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 191; zum Verhältnis zum natürlichen Monopol vgl. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 210 f.; J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 67 f. 278 Vgl. auch R. H. Weber, Wirtschaftsregulierung in wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen, S. 112 ff. 279 H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 192.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

reich der physischen Netze könnte die entsprechende Argumentation auf die Irreversibilität des Netzausbaus verweisen.280 Die hierauf gestützte Annahme ruinöser Konkurrenz würde allerdings gerade Überinvestitionen im Netzbereich voraussetzen. Wegen der erheblichen ökonomischen Aufwendungen zum Netzausbau und der Lernfähigkeit der Wettbewerber steht aus aktueller Sicht ruinöse Konkurrenz im Bereich von Netzen kaum zu befürchten.281 Soweit historisch Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich klassischer Versorgungsnetze mit der Befürchtung von sogenanntem Rosinenpicken, also eines nur auf besonders lukrative Nachfragesegmente begrenzten Markteintritts, begründet wurden, stand dahinter insbesondere der Wunsch, Quersubventionierungen aufrechtzuerhalten.282 Mit der gesetzgeberischen Grundentscheidung für Wettbewerb in den Netzwirtschaften hat das Argument eines drohenden selektiven Markteintritts seine Überzeugungskraft verloren.283 Einschränkungen der Allokationseffizienz des Wettbewerbs werden auch im Zusammenhang mit öffentlichen Gütern befürchtet. Der Begriff der öffentlichen Güter bezeichnet als Gegenstück zu privaten Marktgütern solche Güter, bei denen marktwirtschaftliche Transaktionen nur eingeschränkt möglich erscheinen.284 Merkmale solcher Güter sind die Nichtausschließbarkeit285 und die Nichtrivalität286 im Konsum. Die Kontrolle der Netznutzung ist dem Inhaber regelmäßig möglich.287 Die historisch im Straßenbereich angenommene Nichtausschließbarkeit ist durch die technische Entwicklung weitgehend beseitigt.288 Auch im Bereich von Frequenzen ergeben sich hier keine Besonderheiten, da die Durchsetzung bestehender Nutzungsregelungen tatsächlich möglich ist. Die Existenz öffentlicher Güter

280

M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 211. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 211 f. 282 Vgl. die kritische Analyse bei G. Knieps/J. Müller/C. C. von Weizsäcker, Die Rolle des Wettbewerbs im Fernmeldebereich, S. 76; R. Windisch, in: Windisch/ Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 81 f. 283 J. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 305; zu den damit zusammenhängenden Fragen der Leistungsverfügbarkeit in wirtschaftlich weniger attraktiven ländlichen Gebieten vgl. unten 2. Teil, 2. Abschnitt, A. 284 Dazu etwa R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 866. 285 Nichtausschließbarkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die Inanspruchnahme des Gutes allen möglich ist und niemand vom Konsum ausgeschlossen werden kann. 286 Diese ist gegeben, wenn der Gebrauch des Gutes nicht zu einem Verbrauch führt und somit die Grenzkosten der Nutzung gleich null sind. 287 Vgl. auch A. Schulze, Liberalisierung von Netzindustrien, S. 51. Im Bereich immaterieller Netze bieten etwa der Schutz des geistigen Eigentums oder Verschlüsselungstechniken derartige Kontrollmöglichkeiten. 288 Vgl. P. J. J. Welfens, in: Welfens/Graack/Grinberg/Yarrow (Hrsg.), Towards Competition in Network Industries, S. 11, 19. 281

1. Abschnitt: Ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften

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hängt von der Entscheidung über die Zuweisung entsprechender Eigentumsrechte ab.289 Indem die im Kommunikationsbereich verwendeten Frequenzen mittels Zuteilungsverfahren zur ausschließlichen Nutzung zugeteilt werden, scheiden diese aus dem Kreis öffentlicher Güter aus.290 Soweit ersichtlich haben öffentliche Güter nach alledem keine spezifische Bedeutung im Bereich der Netzwirtschaften.291 Speziell im Bereich von Netzwirtschaften wird zum Teil auf die besondere Problematik komplexer Dienstleistungen bzw. großer Systeme verwiesen.292 Wegen des erheblichen ingenieurtechnischen Aufwands und des langen Prognosezeitraums wird die Gefahr gesehen, dass der Aufbau von komplexen Netzen durch den Markt nicht effizient gewährleistet wird.293 Zu beachten ist allerdings, dass die zugrunde liegende Annahme, beim Aufbau von Netzstrukturen sei systematisches Marktversagen zu besorgen, letztlich eine Revision der Grundentscheidung für Wettbewerb im Bereich der Netzwirtschaften erfordern würde. Soweit diese These auf einer fehlenden Wettbewerbseignung der Netzwirtschaften beruht, ist der für diese Arbeit gesteckte Untersuchungsrahmen, der sich aus der Grundentscheidung für Wettbewerb ergibt, überschritten.

D. Fazit für ökonomisch begründete Besonderheiten der Netzwirtschaften Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im Hinblick auf die allokative Effizienz des Wettbewerbs netzspezifische Besonderheiten infolge von Unteilbarkeiten und von Netzeffekten bestehen. Für den Bereich der physischen Netze hat die Untersuchung ergeben, dass dort, wo natürliche Monopole mit Irreversibilitäten zusammentreffen, wettbewerbsresistente Strukturen bestehen können. Diese natürlichen Netzmonopole erweisen sich als netzspezifisches Problem für die Erreichung wettbewerblicher Effizienz in diesen Wirtschaftsbereichen. Im Bereich immaterieller Netze bestehen demgegenüber netzspezifische Besonderheiten infolge von Netzeffekten. Die hier auftretenden Selbstverstär289

G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 314 f. So auch W. Spoerr, in: Trute/Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG, Rn 7 vor § 44; anders offenbar J. Merkt, Wettbewerb im Local Loop, S. 192. 291 Unter Umständen kann allerdings Standards der Charakter eines öffentlichen Gutes zukommen, vgl. M. Thum, Homo Oeconomicus 11 (1994), 465, Abschnitt 2.1. 292 R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 111 ff.; K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 207, 209. 293 Vgl. R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 125; K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 207, 209. 290

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

kungseffekte erfordern von den Wettbewerbsteilnehmern neue Marktstrategien und begünstigen die Entstehung von dominanten Marktstellungen. Nur in Einzelfällen ist jedoch damit zu rechnen, dass sich die entstehenden Marktpositionen soweit verfestigen, dass negative Effizienzauswirkungen zu befürchten sind. Zweiter Abschnitt

Gemeinwohlbezogene Besonderheiten der Netzwirtschaften Nach Betrachtung der im Hinblick auf die Allokationseffizienz bestehenden Besonderheiten der Netzwirtschaften soll im Folgenden untersucht werden, inwieweit im Bereich der Netze weitere Besonderheiten bestehen, die im Zusammenhang mit gemeinwohlorientierten Zielsetzungen stehen. Derartige Besonderheiten sind im Rahmen des gegenwärtigen Ordnungsmodells der Netzwirtschaften, welches durch die wettbewerbliche Leistungserbringung unter besonderer Absicherung des Gemeinwohls gekennzeichnet ist,294 neben den ökonomischen Besonderheiten zu untersuchen. Da die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen letztlich eine Frage der politischen Bewertung darstellt295, beschränkt sich die folgende Betrachtung auf solche Aspekte, die einerseits bereits im aktuellen Rechtsrahmen angelegt sind bzw. mit gewisser Plausibilität in den gegenwärtigen Ordnungsrahmen einzupassen wären und andererseits gerade auf besondere Eigenschaften der Netzwirtschaften zugeschnitten sind und insofern einer systematischen Erfassung für den Bereich der Netzwirtschaften zugänglich erscheinen. Nicht weiter untersucht werden demgegenüber die Fälle, in denen Gemeinwohlziele verfolgt werden, ohne dass an eine netzspezifische Situation angeknüpft wird. In diesem Sinne werden Vorschriften, die dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuzuordnen sind, ohne auf spezifischen Gefahren der Netzwirtschaften zu beruhen, nicht weiter berücksichtigt.

A. Infrastrukturcharakter der Netze Unter Gemeinwohlaspekten ist der Infrastrukturcharakter der Netzwirtschaften von Bedeutung. Der Begriff der Infrastruktur nimmt den Grundlagencharak294

Dazu oben 1. Teil, 2. Abschnitt, B. Vgl. C. C. von Weizsäcker, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 85, 93; U. Palm, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 101, 104 unter Berufung auf BVerfG, Urt. v. 18.12.1968 – 1 BvR 638, 673/64 u. a. – Hamburgisches Deichordnungsgesetz, BVerfGE 24, 367, 403 f.; BVerfG, Urt. v. 04.07.1995 – 1 BvF 2/86 u. a. – Kurzarbeitergeld, BVerfGE 92, 365, 398. 295

2. Abschnitt: Gemeinwohlbezogene Besonderheiten der Netzwirtschaften

91

ter der Netzwirtschaften für andere Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche in Bezug.296 Netzwirtschaften kommt in vielerlei Hinsicht ein solcher Basis- bzw. Vorleistungscharakter zu. Verwiesen wird etwa auf die Bedeutung netzbasierter Infrastrukturen für die Staatsbildung. Erst die durch Netzinfrastrukturen gewährleistete Raumüberwindung ermöglicht die Existenz moderner Flächenstaaten.297 Zudem liefern Netze eine Grundlage für die europäische Integration.298 Darüber hinaus ist die Bedeutung der Netzinfrastrukturen für das Wirtschaftsleben zu beachten. Es handelt sich bei den Netzwirtschaften nicht allein um ökonomisch bedeutsame Wirtschaftszweige, sie stellen zudem eine wesentliche Grundlage für zahlreiche andere Wirtschaftsbereiche dar und schaffen durch die Überwindung von Entfernungen eine notwendige Grundlage für die Entstehung von Wettbewerbsmärkten.299 Die im Infrastrukturbegriff erfasste Bedeutung der Netzwirtschaften ist prägend für den gegenwärtigen Rechtsrahmen. Nach der Liberalisierung der betroffenen Wirtschaftsbereiche besteht eine durch den Basischarakter der Netze begründete staatliche Infrastrukturverantwortung fort, die für einige Netzbereiche in besonderen verfassungsrechtlichen Bindungen zum Ausdruck kommt.300 Während die Infrastrukturverantwortung mit dem Basischarakter der Netzwirtschaften eher auf deren objektive Bedeutung verweist, hat der verwandte Begriff der Daseinsvorsorge vorwiegend eine sozialpolitische Dimension. Ausschlaggebend ist hier der Aspekt individueller Teilhabe an Leistungen der Netzwirtschaften.301 Die Grundlagen der Daseinsvorsorge liegen maßgeblich im Sozialstaatsprinzip, welches in Ergänzung zu der leistungsgewährenden Dimension der Grundrechte das Teilhabeinteresse des Einzelnen absichert.302 296 Zum Begriff G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 164 ff.; K.-W. Schatz, in: Berger (Hrsg.), Wettbewerb und Infrastruktur, S. 122, 124, R. Jochimsen, Theorie der Infrastruktur; H.-P. Klös, Öffentliches Infrastrukturmonopol, S. 7. 297 G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 324; vgl. auch J. Kruse/T. Kiessling, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 16 (1997), 11. 298 K. van Miert, WuW 1998, 7; vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 43. 299 Vgl. C. C. von Weizsäcker, WuW 1997, 572. 300 Vgl. Art. 87e, 87f GG hierzu P. Badura, in: Hübner/Ebke (Hrsg.), FS Großfeld, S. 35; kritisch M. Freund, Infrastrukturgewährleistung in der Telekommunikation, S. 55. Siehe auch G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 337 ff.; M. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 12; vgl. auch M. Fehling, AöR 121 (1996), 59, 88; G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 255. 301 Vgl. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 340; auch H. F. Zacher, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts, § 28 Rn 66; zum Begriff der Daseinsvorsorge vgl. W. Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts, § 80 Rn 6. Zum europarechtlichen Konzept der Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse vgl. U. Palm, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 101, 119 f.; G. Ambrosius, in: Ambrosius/Schmitt-Egner (Hrsg.), Europäisches Gemeinwohl, S. 183, 184.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Infolge der Grundentscheidung für marktwirtschaftliche Leistungserbringung hat sich die staatliche Verantwortung für die Infrastruktur ebenso wie für die Daseinsvorsorge im Netzbereich allerdings von einer Erfüllungs- in eine Gewährleistungsverantwortung gewandelt.303 Kennzeichen dieser Wandlung ist die Rücknahme des hoheitlichen Einflusses zugunsten wettbewerblicher Handlungsrationalität, wobei sich der Staat darauf beschränkt, die Wettbewerbsergebnisse im Hinblick auf die Einhaltung bestimmter Mindestanforderungen zu überwachen.304 Bei grundsätzlich wettbewerblicher Leistungserbringung aktualisiert sich die staatliche Verantwortung erst im Falle der Unterschreitung eines bestimmten Mindestniveaus der Versorgung.305 Insofern ist die Gewährleistungsverantwortung von der fortbestehenden Möglichkeit eines Auseinanderfallens tatsächlicher und gewünschter Marktergebnisse geprägt.306 Wie der Vergleich mit anderen volkswirtschaftlich wichtigen Wirtschaftsbereichen deutlich macht, ist es nicht die besondere Wichtigkeit der Netzwirtschaften, die die weitergehende staatliche Verantwortlichkeit begründet.307 Die von der Gewährleistungsverantwortung erfasste Sicherstellung eines bestimmten Versorgungsniveaus ist vielmehr durch die ökonomischen Besonderheiten der Netzwirtschaften und die hieraus gespeiste Befürchtung suboptimaler Wettbewerbsergebnisse begründet.308

302 Vgl. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 340 f.; H.-H. Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG § 1 Rn 27. 303 Vgl. schon oben 1. Teil, 2. Abschnitt, A. Fn 47. 304 Insofern erscheint es zumindest missverständlich, wenn mitunter der Eindruck eines Widerspruchs zwischen Wettbewerb und Daseinsvorsorge erweckt wird, G. Ambrosius, in: Ambrosius/Schmitt-Egner (Hrsg.), Europäisches Gemeinwohl, S. 183, 187, 193, vgl. aber auch S. 191. Wie hier J. Kühling, in: Hrbek/Nettesheim (Hrsg.), Europäische Union und mitgliedsstaatliche Daseinsvorsorge, S. 138. Richtigerweise dient der Wettbewerb selbst schon der Daseinsvorsorge. Dies kann durchaus als Ausdruck gewachsenen Marktvertrauens gewertet werden, vgl. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 336 ff.; U. Palm, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 101, 111. 305 J. Kühling, in: Hrbek/Nettesheim (Hrsg.), Europäische Union und mitgliedsstaatliche Daseinsvorsorge, S. 138 m.w. N.; vgl. auch H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, ,service public‘, Universaldienst, S. 278; G. Ambrosius, in: Ambrosius/Schmitt-Egner (Hrsg.), Europäisches Gemeinwohl, S. 183, 191; H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 833; zum Ganzen auch W. Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts, § 80 Rn 7 ff. 306 Vgl. P. Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn 147. 307 Treffend insofen das Zitat bei F. J. Säcker, AöR 130 (2005), 180, 192 „What must justify public utility regulation, then, is the necessity of regulation and not merely the necessity of the product“. Vgl. U. Palm, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 101, 110; U. Immenga, in: Blaurock (Hrsg.), Grenzen des Wettbewerbs, S. 73, 88. 308 Vgl. U. Immenga, in: Blaurock (Hrsg.), Grenzen des Wettbewerbs, S. 73, 88; H.H. Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG, § 1 Rn 24. Zum Ganzen auch G. Ambrosius, in: Ambrosius/Schmitt-Egner (Hrsg.), Europäisches Gemeinwohl, S. 183, 187.

2. Abschnitt: Gemeinwohlbezogene Besonderheiten der Netzwirtschaften

93

In dem Umfang, in dem die hieraus abgeleitete Verantwortlichkeit das übliche Maß staatlicher Verantwortung für den Wettbewerb übersteigt, ist sie im hier benutzten Sinne auch als netzspezifisch zu bezeichnen, da eine Anknüpfung an die besonderen Wettbewerbsverhältnisse in Netzen erfolgt.309 Im gegenwärtigen Ordnungsrahmen bleibt diese Verantwortlichkeit auf den Bereich materieller Netze beschränkt. Berücksichtigt man, dass die Analyse der Unteilbarkeiten und der Netzeffekte eine negative Effizienzprognose für den Wettbewerb in immateriellen Netzen nicht begründen konnte, erscheint diese Begrenzung auch konsequent.310

B. Weitere gemeinwohlbezogene Aspekte Neben dem Aspekt der Gewährleistungsverantwortung werden mitunter noch weitere Eigenschaften genannt, die die Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen im Bereich der Netze erfordern sollen. I. Raum- und Ressourcenbedarf Einzugehen ist zunächst auf den bereits angesprochenen Aspekt des Raumbezugs von primären Netzen.311 Der Aufbau dieser Netze erfordert die Inanspruchnahme von Teilen der Erdoberfläche und führt für die betroffenen Flächen zum Ausschluss oder zur wesentlichen Einschränkung anderer Nutzungen. Die Ausgestaltung des künftigen Ausbaus ist hierbei vom aktuellen Netzbestand und damit der früheren Netzentwicklung abhängig und kann folglich nur eingeschränkt auf Alternativflächen ausweichen.312 In ihrer Ausdehnung entfalten diese Netze erhebliche raumordnerische und ökologische Relevanz. Die Netzentwicklung ist daher regelmäßig nicht allein von privaten Entscheidungen abhängig, sondern erfordert einen Planungsprozess, der die Berücksichtigung der vom Ausbau beeinträchtigten Gemeinwohlaspekte sicherstellt. Dabei wird die Hoffnung auf eine Verstärkung des Wettbewerbs nicht immer geeignet sein, raumplanerische oder ökologische Belange zu Gunsten eines Aufbaus von Parallelinfrastrukturen zu verdrängen.313 Ein vergleichbarer Effekt tritt im Bereich der Kommunikationsnetze auf, die von der Verfügbarkeit von Frequenzen abhängig sind. Das für die einzelnen An309

Vgl. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 338 ff. Die Möglichkeit eine derartige Verantwortlichkeit künftig zu begründen wird damit nicht präjudiziert. Vgl. hierzu etwa H.-H. Trute, VVDStRL 57 (1998), 216, 249 ff.; sowie oben 1. Teil, 2. Abschnitt, A. Fn 48. 311 Dazu oben 1. Teil, 1. Abschnitt, A. 312 G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 344 f. 313 B. Molitor, Wirtschaftspolitik, S. 84. 310

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

wendungen geeignete Frequenzspektrum ist aus physikalisch-technischen Gründen beschränkt. Zur Vermeidung von wechselseitigen Störungen und von „Chaos im Funkverkehr“314 besteht die Notwendigkeit einer nationalen und internationalen Abstimmung in Fragen der Frequenznutzung.315 Zudem soll nicht das gesamte technisch verfügbare Spektrum nach Maßgabe ökonomischer Prinzipien verteilt werden. Stattdessen werden Teile des Frequenzbereiches für Zwecke der öffentlichen Sicherheit und für den Rundfunk vorbehalten. In Abhängigkeit vom Bedarf an Frequenzen im Verhältnis zu deren Verfügbarkeit kann es in der Folge auch hier zu Engpässen kommen, die in ihren Auswirkungen den durch Flächenknappheit verursachten Effekten ähneln. Im Ergebnis kann sowohl die begrenzte Verfügbarkeit geeigneter Flächen für den Netzausbau als auch die Beschränkung des geeigneten Frequenzspektrums die Wettbewerbsverhältnisse auf dem jeweiligen Markt beeinträchtigen.316 Insbesondere kann es durch die eingeschränkten Möglichkeiten zum Aufbau von Parallelnetzen bzw. zur Kapazitätserweiterung zu einer Perpetuierung der Bedingungen natürlicher Monopole kommen. Dabei sind jedoch besondere Eigenschaften der Netze nicht Ursache oder Anlass der Raum- oder Frequenzplanung. Die hiermit in Zusammenhang stehenden Fragen wirken sich vielmehr als Reflex im Bereich der Netze aus, ohne dass dadurch die Raum- und Frequenzplanung zu netzspezifischen Aufgaben würden.317 II. Sicherheitsvorschriften und technische Normung Keine netzspezifischen Anforderungen ergeben sich im Bereich besonderer Sicherheitsvorkehrungen oder technischer Normen wie sie im Bereich des Eisenbahnwesens, im Bereich der Energieversorgung oder auch in der Telekommunikation anzutreffen sind.318 Zwar wird hier auf besondere Gefahren oder Anforderungen der jeweiligen Wirtschaftsbereiche eingegangen, die entsprechenden Regelungen unterscheiden sich freilich von sonstigen gefahrenbezogenen Vorschriften etwa im Immissionsschutz- oder Straßenverkehrsrecht nicht.319 314

So BVerfG, Urt. v. 28.02.1961 – 2 BvG 1, 2/60, BVerfGE 12, 205, 230. Dazu M. Geppert/E.-O. Ruhle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn 703 f. 316 Zu den weitergehenden verfassungsrechtlichen Konsequenzen, soweit beim Netzausbau auf Enteignungen zurückgegriffen wird, vgl. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 370 ff.; K. König/C. Theobald, in: Grupp/Ronellenfitsch (Hrsg.), FS Blümel, S. 277, 303; M. Fehling, AöR 121 (1996), 59, 92. 317 Die entsprechenden Planungserfordernisse sind in ihrer Existenz nicht von netzspezifischen Problemen abhängig. Vgl. dazu auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 56 f. 318 Vgl. etwa § 4 AEG, § 49 EnWG. 319 Ähnliches gilt für Anforderungen zur Verfügbarkeit von Notrufnummern, § 108 TKG oder zur Vermeidung von unbefugter Leistungsnutzung, § 248c StGB. Diese las315

2. Abschnitt: Gemeinwohlbezogene Besonderheiten der Netzwirtschaften

95

Ein besonderer Bezug zur Netzeigenschaft ist diesen Vorschriften daher nicht eigen.320 III. Nummernregulierung Für den Bereich der Nummernregulierung in der Telekommunikation sind ebenfalls keine gemeinwohlbezogenen Besonderheiten zu erkennen, die sich aus dem Netzcharakter ergeben würden. Die Annahme, bei Rufnummern handele es sich um ein knappes Gut, weshalb eine Bewirtschaftung unumgänglich sei321, ist unter ökonomischen Gesichtspunkten problematisch. Die Knappheit eines Gutes ist nachgerade Wesensmerkmal privater Güter im Wettbewerb. Verständlich wird die Annahme staatlicher Verantwortung in diesem Bereich nur, wenn sie im Kontext der Wettbewerbseinführung im Bereich der Telekommunikation gesehen wird. Wegen der Notwendigkeit einer internationalen Abstimmung322 waren und sind die Wettbewerber auf eine Einbeziehung in den gegenwärtig vereinbarten Nummernraum angewiesen, was die Freigabe von Nummern durch den ehemaligen Monopolisten erfordern kann323. Damit erscheint die gegenwärtige Rufnummernregulierung als typisches Privatisierungsfolgenrecht. Demgegenüber ist eine netzspezifische Sondersituation hier schwerlich zu erkennen.324 Nummernsysteme sind in zahlreichen Branchen üblich und werden ohne nennenswerte staatliche Beteiligung durch Marktkoordination bereitgestellt. Wie die internationale Verwendung von ISBN im Buchhandel oder die Etablierung des EAN zur Warenkennzeichnung zeigen,325 ist der Wettbewerb zu derart komplexen Koordinationsleistungen fähig. Wenngleich die Forderung nach einer unabhängigen Instanz zur Nummernvergabe begründbar erscheint,326

sen sich zwanglos dem allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsrecht bzw. dem Verbraucherschutzrecht zuordnen, ohne dass insofern spezifische Gefahren gerade aus dem Netzcharakter zum Tragen kommen. 320 Vgl. auch Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 799. 321 W. Spoerr, in: Trute/Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG, § 43 Rn 2. 322 Zum technischen Hintergrund vgl. M. Geppert/E.-O. Ruhle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn 661. 323 M. Geppert/E.-O. Ruhle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn 652. 324 Dies gilt insbesondere seit die unmittelbare Bindung der Rufnummern an die Netztopologie entfallen ist. 325 International Standard Book Number sowie European Article Number, vgl. Brockhaus, Enzyklopädie in 24 Bänden, Stichworte „ISBN“ und „EAN-System“. 326 M. Geppert/E.-O. Ruhle/F. Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Rn 653.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

ist eine weitergehende Skepsis gegenüber der Leistungsfähigkeit des Wettbewerbs nicht begründet.327

C. Fazit für gemeinwohlbezogene Besonderheiten der Netzwirtschaften Die Betrachtung des Bereichs der Netzwirtschaften unter Gemeinwohlgesichtspunkten hat ein differenziertes Bild ergeben. Aus dem Infrastrukturcharakter der Netze wird eine besondere Verantwortlichkeit des Staates für diesen Bereich abgeleitet. Fortbestehende Zweifel an der Gemeinwohlverträglichkeit der Wettbewerbsergebnisse begründen hier zusätzliche staatliche Sicherungen der Leistungserbringung. Es ist die durch ökonomische Netzeigenschaften beeinträchtigte Wettbewerbseffizienz, die eine Absicherung des Mindestleistungsniveaus veranlasst. Die Infrastrukturverantwortung und die sich aus der Sicherung der Daseinsvorsorge ergebende staatliche Gewährleistungsverantwortung können daher ihrerseits als netzspezifische Regelungsaufgaben betrachtet werden. Aus der gemeinwohlorientierten Raum- und Frequenzplanung ergeben sich hingegen Rückwirkungen auf die Problematik der natürlichen Netzmonopole, ohne dass die entsprechenden Planungsbereiche ihrerseits durch die Eigenschaften von Netzen bedingt wären. Darüber hinaus sind im Bereich der Netzwirtschaften zahlreiche weitere gemeinwohlrelevante Regelungen zu beobachten. Diese knüpfen allerdings nicht an spezifische Bedingungen der Netzwirtschaften an und unterscheiden sich insofern nicht von vergleichbaren Regelungen in anderen Wirtschaftsbereichen. Dritter Abschnitt

Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit Die Untersuchung hat gezeigt, dass kein Netzbegriff verfügbar ist, der im juristischen Bereich allgemeine Geltung erlangen könnte und eine eindeutige Eingrenzung des bestehenden Regelungsbedarfs erlauben würde. Eine konkrete Begriffsbildung ist nur unter Rückgriff auf den jeweiligen Untersuchungszweck möglich und sinnvoll. Für die vorliegende Untersuchung wurde die Begriffsbildung folglich an der Existenz eines dauerhaften strukturspezifischen Regelungsbedarfs ausgerichtet. Ausgehend von einem typisierten Begriffsverständnis konnten netztypische Eigenschaften herausgearbeitet werden, die eine begriffliche Verdichtung anhand des bestehenden netzspezifischen Regelungsbedarfs 327

S. 59.

Anders offenbar G. Knieps, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung,

3. Abschnitt: Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit

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ermöglichen. Gegenstand der weiteren Arbeit sind solche Netzstrukturen, die nachhaltig durch die dargestellten Effekte geprägt sind. Aus der Existenz solcher spezifischer Effekte, und nicht aus der begrifflichen Zugehörigkeit zum Netzbereich, ergeben sich die hier untersuchten netzspezifischen Regelungsprobleme.

A. Dauerhafter Fortbestand eines netzspezifischen Regelungsbedarfs Die vorangegangenen Ausführungen haben verschiedene Eigenschaften von Netzen herausgearbeitet, die im Rahmen der Grundentscheidung für eine Erbringung von Netzleistungen im Wettbewerb zu berücksichtigen sind. Von besonderer Bedeutung sind dabei zwei Phänomene, die zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbseffizienz führen können. Zum einen wurde festgestellt, dass materielle Netze Bereiche aufweisen können, die als natürliche Monopole der wettbewerblichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglich sind. Zum anderen wurden für den Bereich immaterieller Netze spezifische Gefährdungen aus der Tendenz zu einseitiger Marktdominanz abgeleitet. Die genannten Phänomene der wettbewerbsresistenten natürlichen Monopole und der Netzeffekte treten zwar nicht notwendig in allen Netzen auf, sie können allerdings im hier dargestellten Sinne als netzspezifisch bezeichnet werden, da sie sich aus charakteristischen Merkmalen der Netze ergeben und für die betroffenen Wirtschaftsbereiche prägend sind. Für den Bereich der materiellen Netze wurde die Problematik der Unteilbarkeiten und der hieraus abgeleiteten Neigung zum natürlichen Monopol mit einer Kostenstruktur begründet, die sich aus netzspezifischen Eigenschaften ergibt.328 Für die bei immateriellen Netzen festgestellten Netzeffekte wurde die positive Häufigkeitsabhängigkeit als Ursache festgestellt. Diese Interdependenzen begründeten zugleich die Einordnung der entsprechenden Strukturen in den Bereich der Netze. Zudem ist hinsichtlich der genannten Effekte, gerade weil sie sich aus Besonderheiten der Netze ergeben, von einer gewissen Dauerhaftigkeit auszugehen.329 Auch die erfolgreiche Einführung von Wettbewerb in den jeweiligen Wirtschaftsbereichen wird nicht zum Verschwinden der genannten Effekte führen. Wettbewerbsbeständige natürliche Monopole in materiellen Netzen und Netzeffekte in immateriellen Netzen stellen damit dauerhaft fortbestehende Heraus-

328

Vgl. oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.II. Hinsichtlich der Problematik der natürlichen Monopole, vgl. 2. Teil, 1. Abschnitt, A.VI. 329

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

forderungen im Bereich der Netzwirtschaften dar, die einen netzspezifischen Regelungsbedarf begründen.330 Die im Bereich materieller Netze bestehenden Beeinträchtigungen der Wettbewerbseffizienz wurden zugleich als Grund für die Anerkennung einer staatlichen Gewährleistungsverantwortung in diesem Bereich herausgearbeitet. Aus dem Charakter der Netzwirtschaften folgt die besondere Gemeinwohlrelevanz dieses Wirtschaftsbereiches. Allein diese Gemeinwohlrelevanz führt im Rahmen der Grundentscheidung für Wettbewerb freilich noch nicht zu einem besonderen Regelungsbedarf. Erst die besonderen wettbewerblichen Probleme im Bereich der materiellen Netze und die hierauf gestützten Zweifel an der Gemeinwohlverträglichkeit der Wettbewerbsergebnisse vermögen den Fortbestand der Infrastrukturverantwortung und die Verantwortung für ein bestimmtes Versorgungsniveau hinreichend zu erklären. Darüber hinaus hat sich ergeben, dass die Abhängigkeit einiger Netze von der Inanspruchnahme von Flächen bzw. Frequenzen zu einer Verschärfung der Problematik der natürlichen Monopole führen kann. Andererseits hat die Untersuchung auch gezeigt, dass einige weitere Regelungen, die bislang Teil des Rechtsrahmens einiger Netzwirtschaften sind, entweder dem Privatisierungsfolgenrecht zuzuordnen sind oder aber bereichsbedingte Regelungsanliegen verfolgen, ohne unmittelbar an netzspezifische Gegebenheiten anzuknüpfen.

B. Vorschläge zur Bewältigung der Regelungsaufgaben im Rahmen der Grundentscheidung für Wettbewerb Mit der Herausarbeitung des fortbestehenden netzspezifischen Regelungsbedarfs ist der Rahmen für die weitere Betrachtung des Rechtsrahmens der Netzwirtschaften geschaffen. Die sich anschließende Frage nach den Möglichkeiten einer Bewältigung des Regelungsbedarfs lässt sich in zwei Teilfragen zerlegen. Zum einen sind solche Mittel zu identifizieren, die dem Regelungsbedarf möglichst punktgenau und unter Minimierung schädlicher Nebenwirkungen gerecht werden. Es handelt sich hierbei wiederum um eine wettbewerbsökonomische Frage zu deren Beantwortung auf die im Rahmen der Privatisierungs- und Liberalisierungsdiskussion entwickelten Vorschläge zurückgegriffen werden kann. Von dieser Bestimmung tauglicher Mittel ist indessen die weitere Ebene der Implementierung der jeweiligen Handlungsmittel zu unterscheiden. Dabei handelt es sich um eine Frage, die den Bereich der ökonomischen Analyse verlässt. 330 Vgl. C. C. von Weizsäcker, in: Hansen (Hrsg.), VIII. Internationale Kartellkonferenz, S. 49, 55; C. B. Blankart/G. Knieps, ifo Studien 42 (1996), 483; J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 127; A. Gabelmann, Netzzugang in der Telekommunikation, S. 83; J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 87 f.

3. Abschnitt: Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit

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Insofern als staatliche Handlungsmittel in Rede stehen, ist es Aufgabe der Rechtswissenschaften, die Möglichkeiten einer Implementierung dieser Handlungsmittel zu untersuchen. Erforderlich ist die dogmatische Erschließung ebenso wie die Sicherstellung der Einhaltung rechtsstaatlicher Grenzen. Unter Berücksichtigung der Grundentscheidung für die Überführung der Netzwirtschaften in den Wettbewerb und die Nutzung der Marktkräfte werden im Folgenden allein wettbewerbskonforme Möglichkeiten untersucht, wohingegen Varianten einer staatlichen Leistungserbringung ebenso ausgeklammert werden wie das überkommene System einer umfassenden staatlichen Aufsicht mit politisch beeinflusster Entgeltfestsetzung.331 I. Unteilbarkeiten und natürliche Monopole Im Hinblick auf die Problematik natürlicher Monopole wurden verschiedene Modelle entwickelt, die eine Überführung der entsprechenden Bereiche in den Wettbewerb ermöglichen bzw. zumindest die negativen Effizienzwirkungen eindämmen sollen.332 1. Marktzutrittsregulierung Die ursprüngliche Antwort im Bereich der natürlichen Netzmonopole bestand darin, den Marktzutritt entweder durch Schaffung von Staatsmonopolen auszuschließen oder eine Marktaufteilung durch die Unternehmen selbst zu erlauben. Im Zuge der Liberalisierung wurden diese Marktzutrittsbeschränkungen weitestgehend beseitigt.333 Auch zur Verhinderung ineffizienter Duplizierungen werden solche hoheitlichen Hindernisse nicht mehr für tauglich bzw. erforderlich gehalten.334

331 Überblick über grundlegende Ansätze bei I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 159; ausgeklammert bleiben auch Mittel der eigentumsrechtlichen Trennung des Netzbetriebs und der darauf gestützten Netzdienstleistungen. Aufgrund der damit verbundenen eigentumsrechtlichen Probleme verlässt eine solche Lösung das gegenwärtige Ordnungsmodell; vgl. aber nun Kommission, Eine Energiepolitik für Europa, KOM(2007) 1, 8 ff. 332 Vgl. M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 222 ff. 333 Im Rahmen der Grundentscheidung für die Leistungserbringung im Wettbewerb ist für solche Marktzutrittsschranken kein Raum mehr. Wo besondere und ausschließliche Rechte verbleiben ist ein weiterer Abbau vorgesehen und diese mithin eher dem Bereich eines Privatisierungsfolgenrechts zuzuordnen, vgl. J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 164, 180. 334 Kritisch etwa R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 80 f.; M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 211 f.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Eine Möglichkeit trotz bestehender Marktzutrittsbeschränkungen Wettbewerbselemente nutzbar zu machen, bietet das Konzept des Wettbewerbs um den Markt.335 Dieses Konzept zielt darauf ab, die Beschränkung des Wettbewerbs auf das notwendige Maß zu begrenzen.336 Kritiker des Ansatzes wenden indessen ein, dieser Wettbewerb um den Markt führe letztlich nur zu einem Wettbewerb um die im Markt zu erzielenden Renten und sei damit nicht geeignet, die Effizienz im Markt zu erhöhen.337 Zudem münde das Konzept unmittelbar in schwierige Probleme bei der Konditionenüberwachung für die Laufzeit der Konzession.338 Gerade im Bereich der hier behandelten natürlichen Netzmonopole kommen noch Schwierigkeiten der Bewertung und Übertragung der Netzinfrastruktur nach Ablauf der Konzession hinzu.339 Gegenwärtig findet das Modell des Wettbewerbs um den Markt in Deutschland nur punktuelle Anwendung. So kann die Zuteilung von knappen Frequenzen als Form des Wettbewerbs um den Markt angesehen werden.340 Konzepte des Wettbewerbs um den Markt haben im aktuellen Ordnungsmodell allenfalls untergeordnete Bedeutung und werden daher im Folgenden nicht weiter untersucht. 2. Einräumung von Mitbenutzungsansprüchen Unter Berücksichtigung der Ursachen für die Existenz des natürlichen Monopols ist die Einräumung von begrenzten Zugangs- bzw. Mitbenutzungsrechten am ehesten geeignet, die drohende Ausdehnung der Marktmacht zu verhindern und den Markteintritt von Wettbewerbern auf den angrenzenden Märkten zu erleichtern.341 Die Einräumung von Mitbenutzungsansprüchen basiert auf der Erkenntnis, dass natürliche Monopole zumeist nur in bestimmten Teilbereichen vorliegen, wobei andere Bereiche der gleichen Branche grundsätzlich dem 335 Näher dazu bei M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 240 ff.; R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 105 ff.; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 312 ff. 336 Vgl. Nachweise oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.V.1. Fn 96. 337 Dieser Einwand lässt sich ebenso gegen den Vorschlag erheben, dem Einrichtungsinhaber die Tätigkeit auf dem abhängigen Markt zu untersagen, vgl. dazu M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 223. 338 Vgl. etwa R. Windisch, in: Windisch/Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 110. 339 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 241. 340 Kritisch hierzu P. Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 1, 6. 341 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 223, 226; U. Immenga, in: Blaurock (Hrsg.), Grenzen des Wettbewerbs, S. 73, 80; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 101; S. Haslinger, Netzmonopole in der Elektrizitätswirtschaft, S. 69.

3. Abschnitt: Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit

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Wettbewerb zugänglich bleiben.342 Der dadurch ermöglichte Wettbewerb in Sekundärmärkten verhindert eine Ausdehnung der Monopolmacht auf den Bereich abhängiger Märkte. Im Wege der Zusammenschaltung kann zugleich die Verbindung zu einem Gesamtnetz gesichert werden.343 Mitbenutzungsansprüche sind geeignet, durch Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen auf den vor- und nachgelagerten Märkten, die auch nach der Liberalisierung fortbestehenden potentiell marktmachtbegründenden Engpässe in das wettbewerbliche Umfeld zu integrieren. Dabei rechtfertigt die Problematik des natürlichen Monopols allerdings nur die Einräumung kompetitiver Zugangsansprüche, wohingegen die angemessene Versorgung der Nutzer durch den Wettbewerb sichergestellt wird.344 Die gewünschte effizienzfördernde Wirkung kommt den Zugangsrechten nur dann zu, wenn die Inanspruchnahme des Zugangs auch wirtschaftlich möglich ist. Wegen der für den Einrichtungsinhaber fortbestehenden Anreize, die Nutzung durch prohibitive Entgeltforderungen zu vereiteln oder zumindest zu erschweren, ist die Einräumung von Zugangsansprüchen durch Festlegungen zur Höhe des Nutzungsentgelts zu flankieren.345 Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Frage der Entgelte sehr schnell zum entscheidenden Streitpunkt der Mitbenutzung wird.346 Die Entgelthöhe ist wegen der sonst bestehenden Möglichkeiten etwa einer Querfinanzierung entscheidend für tatsächliche Chancengleichheit der Wettbewerber. Diesbezüglich wird einerseits darauf verwiesen, dass die Diskriminierungsfreiheit der Entgelte sicherzustellen sei. Der Einrichtungsinhaber muss den Zugang für Wettbewerber zu den gleichen Bedingungen einräumen, die er sich selbst gewährt.347 Andererseits wird die Notwendigkeit betont, die negativen Folgen monopolistischer Preissetzung zu vermeiden.348 Auch ein diskriminierungsfreier Zugang kann die unerwünschten volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Monopols und die hierdurch bedingten Wohl342 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 95 ff.; dazu schon oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.IV.2. 343 Vgl. J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 53. 344 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 95 ff.; C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 76; vgl. auch B. Holznagel/A. Hombergs, K&R 2003, 322; insofern ist es konsequent, wenn J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 191 konsumtive Zugangsansprüche tendenziell dem Universaldienst zuweist. 345 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 224, 235; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 101; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 65. 346 Vgl. U. Büdenbender, ZIP 2000, 2225. 347 M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 224; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 103. Zu Schwierigkeiten bei der notwendigen Bestimmung der internen Verrechnungspreise vgl. A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 270. 348 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 222 ff.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

fahrtsverluste nicht verhindern. Damit ist der Aspekt der Höhe der Zugangsentgelte angesprochen. Bereits im theoretischen Ansatz entstehen hier Schwierigkeiten, da die allgemein als wohlfahrtsoptimal geltenden Grenzkostenpreise infolge der Größenvorteile im natürlichen Monopol keine Kostendeckung gewähren.349 Zur Überwachung der Zugangspreise wurden verschiedene Modelle entwickelt, die einerseits die Diskriminierungsfreiheit sichern und andererseits Wohlfahrtsverluste minimieren sollen.350 Neben Formen der rendite- oder kostenorientierten Kontrolle wird die Setzung von Effizienzanreizen im Wege der Vorgabe von Erlösobergrenzen vorgeschlagen. Diskutiert wird schließlich die aus dem Bereich der sektorspezifischen Entgeltregulierung bekannte Orientierung an den Kosten effizienter Leistungsbereitstellung351.352 Ein Konsens, welcher Methode bei der Entgeltbestimmung der Vorrang gebührt, ist bislang nicht zu erkennen.353 Gleichwohl besteht weitgehende Einigkeit, dass neben dem Diskriminierungsproblem auch das Effizienzproblem der natürlichen Monopole in der Preisbildung zu berücksichtigen ist. Sicherzustellen ist daher, dass die Zugangspreise Knappheitspreise darstellen und die interne Subventionierung vermieden wird.354 Eine Entscheidung zwischen den verschiedenen Modellen der Kontrolle der Entgelte erscheint unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung nicht notwendig. Vorzugswürdig ist es vielmehr, die einzelnen Kalkulationsmethoden als alternative Kontrollinstrumente zu betrachten und in der Anwendung auf das jeweils am geeignetsten erscheinende zurückzugreifen.355 Im Rahmen der Betrachtung juristischer Implementierungsmöglichkeiten ist auf die grundsätzliche 349 Vorgeschlagen werden stattdessen Ramsey-Preise, die durch Aufschläge auf die Grenzkosten gebildet werden, vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 83 ff.; G. Brunekreeft, in: Knieps/Brunekreeft (Hrsg.), Zwischen Regulierung und Wettbewerb, S. 25; M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 232. 350 Vgl. etwa M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 235 ff.; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 83 ff. 351 Vgl. etwa § 31 Abs. 1, 2 TKG; dazu A. Groebel, in: BerlK-TKG, § 31 Rn 10, 21; ebenso für § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204. 352 Vgl. auch die Diskussionen bei F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 167; G. Brunekreeft, in: Knieps/Brunekreeft (Hrsg.), Zwischen Regulierung und Wettbewerb, S. 25; Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 775 ff.; zum gegenwärtigen Maßstab im Rahmen der Netzregulierung vgl. J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 126 f. 353 Angesichts der strukturell bestehenden Informationsnachteile gegenüber dem Einrichtungsinhaber und der Gefahr der Anreizverzerrung die derartigen Eingriffen immanent ist, ist ein solcher Konsens auch künftig unwahrscheinlich. 354 C. B. Blankart/G. Knieps, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 12 (1992), 73, 77. 355 Vgl. auch M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 249.

3. Abschnitt: Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit

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Möglichkeit einer wirksamen Sicherstellung knappheitsorientierter Entgelte zu achten, wobei hinsichtlich der Nutzung der verschiedenen Ermittlungsmethoden Differenzierungen möglich sind. Untrennbar verbunden mit der Höhe der für die Mitbenutzung zu entrichtenden Entgelte ist die Frage der weiteren Leistungskonditionen. Auch hier bestünde nach Einräumung von Zugangsansprüchen ein Anreiz, potentielle Wettbewerber durch Verschlechterung der Zugangskonditionen weiter zu behindern.356 Regelungen zur Entgeltkontrolle sind daher mit Vorkehrungen gegen ein Ausweichen der Behinderungsstrategie auf andere Leistungsparameter zu verbinden. II. Netzspezifische externe Effekte Hinsichtlich der Auswirkungen von Netzeffekten sind zwei Aspekte zu unterscheiden. 1. Berücksichtigung neuer Geschäftsstrategien Zunächst hat die Untersuchung der Netzeffekte ergeben, dass die Wettbewerbsbedingungen durch starke Netzeffekte teilweise eine Wandlung erfahren, die Strategieanpassungen auf Seiten der Wettbewerber erfordert. Derartige Änderungen der Wettbewerbsstrategien sind im rechtlichen Rahmen zu reflektieren.357 Verhaltensweisen, die unter herkömmlichen Wettbewerbsverhältnissen als wettbewerbsschädlich angesehen werden, können unter den besonderen Bedingungen der Netzeffekte durchaus wettbewerbskonform sein. Umgekehrt können Geschäftspraktiken, die in Abwesenheit von Netzeffekten einen Missbrauchsvorwurf nicht tragen würden, infolge der Netzeffekte erhebliche wettbewerbsschädigende Wirkung entfalten.358 Auswirkungen der Netzeffekte, die eine Anpassung der Unternehmensstrategie erfordern, machen folglich auch eine Fortbildung der entsprechenden rechtlichen Bewertungskriterien nötig.359

356 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 101; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 46. 357 D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36, 38. 358 Vgl. J. T. Soma/K. B. Davis, 8 Journal of Intellectual Property Law 1; M. Schanzenbach, 2002 Stanford Technology Law Review 4; siehe auch N. Economides, Competition Policy in Network Industries. 359 Vgl. D. S. Evans/R. Schmalensee, Antitrust 1996, 36, 38; M. Schanzenbach, 2002 Stanford Technology Law Review 4; L. Lessig, Financial Times Europe vom 19. Oktober 2006, S. 15; siehe auch D. Kearney, 23 Yale Law and Policy Review 313. Zur Ermöglichung bzw. Förderung von effizienter Standardisierung, vgl. R. Werle, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 54; M. Thum, Homo Oeconomicus 11 (1994), 465; B. Woeckener, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 215 (1996), 257.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

2. Einräumung von Zugangsansprüchen im Einzelfall Darüber hinaus hat die Betrachtung der Netzeffekte ergeben, dass unter bestimmten Umständen die immanente Tendenz zur Dominanz eines einzelnen Anbieters zu Vermachtungsproblemen führen kann. In diesem Fall ist eine Beeinträchtigung der weiteren wettbewerblichen Entwicklung des betreffenden Marktes zu besorgen. Ohne eine am Einzelfall orientierte Analyse wird allerdings kaum Aufschluss über den tatsächlichen Umfang der bestehenden Marktmacht und die behindernden Wirkungen der dominanten Marktposition zu erlangen sein. Es kann zugleich nicht ausgeschlossen werden, dass es in diesem Bereich zu Konstellationen kommt, die aus wettbewerbsökonomischer Sicht staatliche Interventionen rechtfertigen können.360 Es besteht folglich ein Spannungsverhältnis zwischen der Erleichterung von aktuellem Wettbewerb und der möglichen Behinderung der künftigen Entwicklung.361 Erforderlich ist daher eine Abwägung, die negative und positive Auswirkungen einer Intervention berücksichtigt. Die bei der Identifizierung der jeweiligen Fälle auftretenden Probleme setzen sich jedoch bei der Auswahl des adäquaten Mittels zum Schutz der wettbewerblichen Entwicklung fort. Die Unmöglichkeit, bereits vorab die möglicherweise behinderte künftige Marktentwicklung und bestehende Innovationspotentiale zu bestimmen, erschwert die Entscheidung über die zu wählende Intervention.362 Maßstab für die zu ergreifenden Interventionen wird jedenfalls die Sicherstellung der Offenheit des Wettbewerbs und die Erhaltung von Innovationspotentialen sein müssen. Im konkreten Einzelfall kann hierzu die Einräumung von Zugangsrechten erforderlich sein. Im Bereich der hier betroffenen immateriellen Netze wird die Zugangsgewährung zumeist im Wege einer Zusammenschaltung erfolgen. Mitunter wird bereits die Offenlegung von Schnittstelleninformationen, gegebenenfalls unter Einräumung der Befugnis zur Nutzung der verwendeten Standards, zum Schutz des Wettbewerbs genügen.363 Sofern im Einzelfall

360 H. Knorr, Ökonomische Probleme von Kompatibilitätsstandards, S. 52 f.; S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 81; M. Schanzenbach, 2002 Stanford Technology Law Review 4; J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 87; zurückhaltend N. Economides, Competition Policy in Network Industries, S. 23; ablehnend D. Kearney, 23 Yale Law and Policy Review 313. 361 Vgl. hierzu etwa H. Knorr, Ökonomische Probleme von Kompatibilitätsstandards, S. 63; A. Gröhn, Netzwerkeffekte und Wettbewerbspolitik, S. 140; C. Kirchner, FAZ vom 08. Januar 2005, S. 13. 362 Vgl. T. Weitzel, Economics of Standards in Information Networks, S. 36. 363 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 721; J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 127; S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 81; S. Laitner/P. Taylor, Financial Times vom 27. Juli 2006, S. 16; vgl. auch G. Knieps, in: Immenga/Kirchner/Knieps/Kruse (Hrsg.), Telekommunikation im Wettbewerb, S. 89.

3. Abschnitt: Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit

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die Verpflichtung zur Zugangsgewährung auferlegt wird, stellt sich auch in diesem Fall als Folgeproblem die Frage der Kontrolle der Zugangskonditionen. III. Gemeinwohlbezogene Regelungsaufgaben Die Verfolgung gemeinwohlspezifischer Regelungsaufgaben muss ebenfalls unter Beachtung der Grundentscheidung für den Wettbewerb erfolgen. Im wettbewerblichen Umfeld dient das Modell des Universaldienstes der Erfüllung der staatlichen Gewährleistungsverantwortung und der Sicherstellung eines Mindestniveaus der Versorgung mit Netzleistungen.364 Das Universaldienstregime ist üblicherweise durch einen zweistufigen Ansatz gekennzeichnet.365 Die in jedem Falle wenigstens implizit erforderliche Definition eines Mindestniveaus des Universaldienstes lässt sich von der eigentlichen Leistungserbringung, die gegebenenfalls durch korrigierende Einflussnahme auf den Marktprozess flankiert wird, unterscheiden. Dabei erfolgt die Bestimmung des Minimalniveaus im politischen Prozess.366 Demgegenüber sind für die Stufe der Erbringung der Universaldienstleistungen verschiedene Modelle denkbar. Je besser allerdings der Wettbewerb im betreffenden Markt funktioniert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das vom ökonomischem Kalkül bestimmte Wettbewerbsangebot die Universaldienstanforderungen erfüllt und die im Universaldienst ausgedrückte Gewährleistungsverantwortung auf die Funktion eines Sicherheitsnetzes zurückgenommen werden kann.367 Schon die wettbewerbsermöglichende Einräumung von Zugangsansprüchen dient daher im Bereich natürlicher Monopole der Sicherung des gemeinwohlorientierten Versorgungsniveaus.368 Auch soweit Interventionen zur Sicherstellung des Universaldienstes notwendig werden, sind diese unter Berücksichtigung der wettbewerblichen Leistungserbringung zu gestalten. Dies ist insbesondere im Rahmen der Finanzierung des Universaldienstes zu berücksichtigen.369 Da die planungsrechtliche Ermöglichung des Ausbaus primärer Netze unmittelbare Auswirkungen auf die Beseitigung natürlicher Netzmonopole haben kann, wird die Entwicklung des Wettbewerbs im jeweiligen Planungsverfahren 364 Dazu C. B. Blankart/G. Knieps, ZögU 1996, Beiheft 19, 51; H.-H. Trute, VVDStRL 57 (1998), 216, 252; G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 348 ff.; W. Elsenbast, Universaldienst unter Wettbewerb; D. Plehwe, in: Schuppert (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 389, 390. 365 Vgl. P. Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn 146. 366 C. B. Blankart/G. Knieps, ZögU 1996, Beiheft 19, 51, 52. 367 Vgl. W. Hoffmann-Riem/J.-P. Schneider, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 13, 39. 368 U. Palm, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 101, 111, vgl. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 336. 369 Vgl. etwa C. B. Blankart/G. Knieps, ZögU 1996, Beiheft 19, 51; dazu auch H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 834 f.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

zu beachten sein. Die Folgeprobleme der Raumknappheit sind jedoch im Rahmen der Behandlung der natürlichen Netzmonopole zu bewältigen.370 Entsprechend sind bei der Entscheidung über die Nutzung von geeigneten Frequenzen die wettbewerbsrelevanten Auswirkungen zu bedenken, wohingegen die Konsequenzen beschränkter Frequenzverfügbarkeit Maßnahmen mit Bezug auf gegebenenfalls bestehende natürliche Netzmonopole erfordern werden.

C. Potentieller Charakter der Regelungsaufgaben Die erörterten Besonderheiten der Netzwirtschaften stellen allenfalls potentielle Rechtfertigungen für staatliche Regelungen dar. Die Entscheidung, ob die genannten spezifischen Maßnahmen letztlich ergriffen werden sollen, bleibt zunächst offen.371 Hinsichtlich der dargestellten Abhilfemaßnahmen ist demnach zu berücksichtigen, dass diese nur grundsätzliche Möglichkeiten einer Lösung netzspezifischer Probleme aufzeigen können. Die Entscheidung über den Erlass konkreter Regelungen im Hinblick auf die genannten Besonderheiten muss auch die Grenzen und Folgewirkungen derartiger Legislativmaßnahmen berücksichtigen.372 Erforderlich ist eine Prüfung, in welchem Umfang die vorgeschlagenen Regelungen in der Anwendungspraxis die erhofften Effizienzgewinne erbringen können und welche effizienzschädlichen Nebenwirkungen unter Umständen zu erwarten wären.373 Dabei rücken bei Maßnahmen, die zu einer Verstärkung des hoheitlichen Einflusses auf das Wirtschaftsgeschehen führen, die Gefahr des sogenannten Staatsversagens und die von der positiven Theorie der Regulierung374 formulierten Bedenken gegen staatliche Eingriffe in den Wettbewerbsprozess375 in das Blickfeld.376 370

Vgl. dazu oben 2. Teil, 2. Abschnitt, C. Zu dieser notwendigen Einschränkung etwa C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 68; H. Mühlenkamp, in: Hrbek/Nettesheim (Hrsg.), Europäische Union und mitgliedsstaatliche Daseinsvorsorge, S. 65, 65 f.; D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 221. 372 Vgl. zur Kritik am realitätsfernen „Nirwana-Ansatz“ M. E. Streit, Theorie der Wirtschaftspolitik, S. 22. 373 H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 186; vgl. auch N. Eickhoff, Wirtschaftsdienst 1986, 468. 374 Vgl. etwa J. Müller/I. Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 101 ff.; G. Knieps, in: Horn/Knieps/Müller (Hrsg.), Deregulierungsmaßnahmen in den USA, S. 39, 55 ff.; R. H. Weber, Wirtschaftsregulierung in wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen, S. 92 ff.; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 80 ff. 375 Ein Blick auf die gegenwärtige Gestaltung von Regulierungen zeigt, dass die Kritik der positiven Theorie der Regulierung offenbar auf durchaus fruchtbaren Boden gefallen ist. So wird bei der Installation von Regulierungsbehörden auf deren Unabhängigkeit von politischen Tagesentscheidungen und von den betroffenen Unternehmen Wert gelegt. Auch die Vorschriften zur regelmäßigen Evaluation können als Reaktion auf die aufgezeigten Gefahren betrachtet werden. 371

3. Abschnitt: Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit

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Aufgrund der wechselseitigen Bedingtheit von Markt und Staat ist die Frage, welche legislativen Maßnahmen in Anbetracht der besonderen Bedingungen im Bereich der Netzwirtschaften zu ergreifen sind, nur im Sinne der richtigen Balance zu beantworten.377 Erforderlich ist eine Abwägung bestehender Handlungsalternativen, welche die konkrete Ausgestaltung der erwogenen hoheitlichen Maßnahmen berücksichtigt.378 Die Entscheidung kann sich nicht darauf beschränken, Vorstellungen eines flexiblen Marktes und einer unbeweglich-monolithischen Staatsbürokratie gegenüberzustellen.379 Eine belastbare Abwägung, die Grundlage der politischen Entscheidung über die Gestaltung des Ordnungsrahmens bildet, muss vielmehr die Umsetzung etwaiger Steuerungsmechanismen berücksichtigen und ist damit erst auf Grundlage praktischer Vorschläge der Implementierung möglich. Nur wenn die Leistungspotentiale verschiedener Steuerungsmechanismen berücksichtigt werden, ist die Entwicklung eines Ordnungsrahmens möglich, der die Leistungsfähigkeit staatlicher und wettbewerblicher Handlungsrationalität optimal ausnutzt.380 Die erforderliche differenzierende Untersuchung des möglichen Rechtsrahmens im Bereich der Netzwirtschaften dürfte dabei einen stärkeren interdisziplinären Austausch erfordern als dieser bislang in den oft noch an der überkommenen Monopolpreisregulierung orientierten Auseinandersetzungen mit den Effizienzproblemen der Netzwirtschaften erkennbar ist.381 Neben Fortschritten der Wettbewerbsökonomie gilt das Augenmerk speziell aus juristischer Sicht dabei der Entwicklung moderner kartellrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Instrumente.382 376 D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 222; B. Duijm, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 9, 12; H. Mühlenkamp, in: Hrbek/Nettesheim (Hrsg.), Europäische Union und mitgliedsstaatliche Daseinsvorsorge, S. 65, 66; kritisch E. Bohne, in: Lüder (Hrsg.), FS Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, S. 211, 216 f. 377 Vgl. C. C. von Weizsäcker, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 85; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 277. 378 Hierzu auch M. Wallerath, JZ 2001, 209, 215. 379 So richtig schon F. W. Scharpf, in: von Weizsäcker (Hrsg.), Staat und Wirtschaft, S. 15, 28; ebenso E. Bohne, in: Lüder (Hrsg.), FS Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, S. 211, 218. 380 Vgl. H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 171; vgl. auch C. C. von Weizsäcker, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 85, 97. 381 Vgl. H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 195; W. Hoffmann-Riem/J.-P. Schneider, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 13, 93. 382 Einen interessanten Ansatz in dieser Richtung liefert etwa das Modell kybernetischer Regulierung von C. C. von Weizsäcker, ZfE 1994, 197, 201, dazu noch unten 5. Teil, 1. Abschnitt, B.; vgl. auch K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation der Telekommunikation, S. 57, 70.

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2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf

Die Rechtswissenschaften sind aufgefordert, rechtliche Gestaltungsmodelle zu entwickeln, die an die besonderen Anforderungen der Netzwirtschaften angepasst sind und die Grundlage einer effizienzorientierten Abwägung zwischen ordnungspolitischen Handlungsalternativen darstellen können.

D. Juristische Implementierung der Regelungsaufgaben Mit der Herausarbeitung der netzspezifischen Eigenschaften und der sich hieraus dauerhaft ergebenden potentiellen Regelungsaufgaben ist die real-tatsächliche Basis der weiteren juristischen Untersuchung abgesteckt. Insofern als die besonderen Eigenschaften von Netzen eine Berücksichtigung bei der Gestaltung der Wettbewerbsordnung erfordern bzw. staatliche Interventionen in den Wettbewerb veranlassen können, stellt sich die Aufgabe die ökonomisch und politisch begründeten Ziele in anwendbare Rechtssätze zu transformieren und hierdurch den Rahmen für individuelles Handeln und die rechtsstaatliche Grundlage für hoheitliche Interventionen zu schaffen. Bei der Betrachtung der Möglichkeiten einer rechtlichen Gestaltung stellt sich insbesondere die bereits im Ausgangspunkt aufgeworfene Frage, inwieweit sich Anhaltspunkte für die Schaffung eines einheitlichen Netzwirtschaftsrechtes ergeben. Vor der Entscheidung über die Schaffung eines solchen neuen Rechtskomplexes ist es allerdings notwendig, die Eignung des bestehenden Rechts zur Problembewältigung zu prüfen. Anstelle der Schaffung eines eigenständigen Netzrechtes wäre es ebenso denkbar, die netzspezifischen Besonderheiten innerhalb des allgemeinen wirtschaftsrechtlichen Rahmens zu berücksichtigen. Infolge der Grundentscheidung für den Wettbewerb und für die Abschaffung wettbewerblicher Ausnahmebereiche erscheint ein Rückgriff auf Mittel des Kartellrechts naheliegend. Dies entspräche der im Zuge der Liberalisierung erhobenen Forderung, die bestehenden netzspezifischen Sonderregelungen nach erfolgreicher Etablierung des Wettbewerbs aufzuheben und die betreffenden Bereiche vollständig in den Geltungsbereich des allgemeinen Kartellrechts zu überführen.383 Entscheidendes Kriterium für die Eignung des kartellrechtlichen Rahmens bzw. die Notwendigkeit eines netzspezifischen Regelungsrahmens ist die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Normenkomplexe zur Lösung der aufgezeigten Sachfragen.384 Die juristische Umsetzung muss bemüht sein, die jeweiligen Vorzüge der Rechtsbereiche im Sinne optimaler Zielerreichung auszunutzen.385 383

Vgl. dazu schon oben Einleitung, Fn 24. Vgl. H. Bartling, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 17, 28; W. Möschel, JZ 1988, 885, 892. 385 H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 171; W. HoffmannRiem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261, 270; E. Schmidt-Aßmann, in: Hoff384

3. Abschnitt: Ergebnis und weiterer Fortgang der Arbeit

109

Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, inwieweit das Kartellrecht in der Lage ist, gegebenenfalls nach sachorientierter modellkonformer Fortentwicklung, die nach Einführung des Wettbewerbs in den Netzwirtschaften fortbestehenden Probleme einer angemessenen Lösung zuzuführen.386 Gegenstand und Grundlage der Untersuchung ist dabei zunächst das GWB in seiner aktuellen Fassung.387 Gleichzeitig soll die Untersuchung aber nicht ausschließlich auf die gegenwärtige Ausgestaltung des GWB beschränkt bleiben. Eine solche Betrachtung würde die Möglichkeit einer Fortentwicklung des kartellrechtlichen Instrumentariums ignorieren. Seit seiner Verabschiedung im Jahre 1957 unterlag das GWB wiederholten, teilweise tiefgreifenden Überarbeitungen.388 Die Möglichkeit des Gesetzgebers, das GWB auch im Hinblick auf die ehemaligen Ausnahmebereiche fortzuentwickeln, wird daher ausdrücklich zu berücksichtigen sein.389 Begrenzt wird die Betrachtung allerdings durch die grundsätzliche Ausrichtung des GWB. Nur eine Rechtsänderung, die sich in die bisherige Gesetzessystematik des GWB einfügt, kann sinnvoll noch als Weiterentwicklung des Kartellrechts betrachtet werden.390 Durch die Orientierung an dem durch die Gesetzessystematik gezogenen Rahmen wird die Untersuchung einerseits an das positive Recht rückgebunden und anderseits gegenüber künftigen Entwicklungen geöffnet. Dabei gliedert sich die Betrachtung des Kartellrechts in zwei Teile. Zunächst wird im folgenden Dritten Teil auf das kartellrechtliche Ordnungsmodell eingegangen, wobei der grundsätzliche Regelungsansatz des Kartellrechts sowie dessen Adäquanz zur Bewältigung der Regelungsprobleme der Netzwirtschaften näher beleuchtet werden. Aus dem so ermittelten Ordnungsmodell ergibt sich zugleich die beschriebene Grenze für die Fortbildung des Kartellrechts. Sodann werden im Vierten Teil unter Rückgriff auf die Ergebnisse zum kartellrechtlichen Ordnungsmodell die konkreten kartellrechtlichen Instrumente auf ihre Eignung zur Bewältigung der netzspezifischen Probleme hin untersucht. mann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 7, 23. 386 Dabei bleibt der Bereich des Privatisierungsfolgenrechts ausgeklammert. Zwar ist im gegenwärtigen Rechtsrahmen insofern eine klare Trennung nicht durchgeführt, als maßgebliches Abgrenzungskriterium kann indes die im Vergleich zur transitorischen Natur des Privatisierungsfolgenrechts längerfristige Ausrichtung der netzspezifischen Regelungsaufgaben herangezogen werden. Siehe schon oben Einleitung III. 387 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 2005, BGBl. I S. 2114, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. Dezember 2006, BGBl. I S. 3367. 388 Vgl. hierzu H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht 10. Aufl., Einführung Rn 7 ff.; sowie nachfolgend 3. Teil, 1. Abschnitt, B.IV. 389 Dazu nun auch BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006. 390 Damit ist nicht die Legitimation des Gesetzgebers auch zu derartigen Rechtsänderungen angesprochen. Eine solche Änderung würde allerdings den Rahmen des heutigen Kartellrechts verlassen.

Dritter Teil

Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells zur Bewältigung der netzspezifischen Regelungsaufgaben Gegenstand des Dritten Teils ist die grundsätzliche Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells zur Gestaltung des rechtlichen Rahmens der Netzwirtschaften. Aufgeworfen ist mithin die Frage nach der wettbewerbspolitischen Konzeption des GWB1 und der Adäquanz der kartellrechtlichen ratio legis für den festgestellten netzspezifischen Regelungsbedarf. Erster Abschnitt

Ordnungsmodell des Kartellrechts Die Ermittlung des Ordnungsmodells des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen dient der Herausarbeitung von Prinzipien und Grundsätzen, die prägend für das Gesetz insgesamt oder doch wesentlicher Teile desselben sind. Statt eines subsumtionsfähigen Rechtssatzes wird dabei das Gemeinsame und Verbindende der Normen des GWB gesucht, welches die systematische Einheit des Gesetzes begründet. Im Hinblick auf die Eignung des kartellrechtlichen Ansatzes zur Bewältigung der netzspezifischen Regelungsaufgaben gilt das besondere Augenmerk der Ausgestaltung des kartellrechtlichen Steuerungsmechanismus und der damit zusammenhängenden Aufgabenverteilung zwischen Wettbewerbsakteuren und Trägern hoheitlicher Gewalt. Zur Analyse stehen die Mittel der juristischen Auslegung zur Verfügung.2

A. Wortlautauslegung Ausgangspunkt jeder Gesetzesauslegung ist der Wortlaut des verabschiedeten Gesetzes.3 Von besonderem Interesse sind Hinweise auf die gesetzgeberische 1

K. Herdzina, in: Andreae/Kirchhoff/Pfeiffer (Hrsg.), FS Benisch, S. 3. Hierzu K. Larenz/C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 141 ff. Die allgemeinen Auslegungsregeln gelten auch für das Kartellrecht, vgl. E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einl Rn 61 ff. 3 E. A. Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 131 ff. 2

1. Abschnitt: Ordnungsmodell des Kartellrechts

111

Zwecksetzung. Einen ersten Anhaltspunkt liefert vorliegend die Bezeichnung des Gesetzes als „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“. Aus dem Umstand, dass das Gesetz den Wettbewerb vor Beschränkungen schützen möchte, lässt sich als Ziel des Gesetzes die Freiheit des Wettbewerbs ableiten. Allerdings gibt der Titel zur näheren Ausgestaltung dieser Freiheit keine weitere Auskunft. Auch der Gesetzestext selbst hilft bei der Ermittlung der ratio legis kaum weiter.4 Im Gegensatz etwa zum TKG oder zum EnWG5 enthält das GWB keinen Programm- oder Zielparagraphen, der das grundsätzliche Regelungsanliegen des Gesetzes wiedergibt, und diesem so zu unmittelbarer Gesetzeskraft verhilft. Zur Bedeutung des freien Wettbewerbs oder zur näheren Ausgestaltung der intendierten Wettbewerbsordnung schweigt das Gesetz. Die Bezeichnung als „Grundgesetz der Wirtschaft“6 erscheint daher auf den ersten Blick kaum berechtigt.

B. Gesetzgebungsmaterialien und -geschichte Nach dem kargen Befund der Textanalyse ist zu versuchen, der gesetzgeberischen Intention unter Heranziehung von Materialien der Gesetzgebung näher zu kommen. Das außerordentlich lange, von heftigen politischen Auseinandersetzungen gekennzeichnete Gesetzgebungsverfahren7 bietet hierfür umfangreiche Anhaltspunkte. Die sich letztlich durchsetzenden Argumente geben Aufschluss über die mit dem GWB verfolgen Ziele und ermöglichen damit eine Konkretisierung der ratio des Gesetzes.8 I. Historische Ausgangslage In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg war die deutsche Wirtschaft von einer weitgehenden Kartellierung gekennzeichnet.9 Der wirtschaftliche Neuanfang im 4

So auch E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 67. Vgl. § 1 TKG, § 1 EnWG. 6 H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht 10. Aufl., Einführung Rn 9; vgl. auch M. Dreher, WuW 1997, 949; zuletzt U. Immenga, FAZ vom 18.01.2007, S. 10. 7 K. W. Nörr, in: Acham/Nörr/Schefold (Hrsg.), Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, S. 356, 367 spricht in Bezug auf die Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes gar von einem „siebenjährigen Krieg“; vgl. dazu R. Robert, Konzentrationspolitik in der Bundesrepublik. 8 Vgl. auch E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 67. Zu methodischen Problemen eines Rückgriffs auf Gesetzesmaterialien vgl. K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 119 f. 9 Zur historischen Ausgangslage und geschichtlichen Entwicklung vgl. S. Lammel, in: Coing (Hrsg.), Hdb. d. Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Band 3, Teilband 3, S. 3749, 3762 ff.; U. Huber/T. Baums, in: FKKartellrecht, § 1 Rn 5 ff. (a. F.); K. W. Nörr, Die Leiden des Privatrechts, S. 7 ff., 131 f.; Anlage zu BT-Drs. 2/3644, Generalbericht, S. 2 ff. Einen guten Einblick in die 5

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

Nachkriegsdeutschland gab hier Anlass und Gelegenheit für eine kartellrechtliche Neuorientierung.10 Prägend für die Diskussion um das GWB wurde der sogenannte Josten-Entwurf11 aus dem Jahre 1949.12 Der Entwurf orientierte sich an den Gedanken der Freiburger Schule13 und betonte in Abkehr vom Laissez-faire-Ansatz der klassischen Nationalökonomie die staatliche Verantwortung für die Wettbewerbsordnung.14 Zentraler Gegenstand des Entwurfes war die Bekämpfung und Kontrolle wirtschaftlicher Macht.15 Hierzu sollten Inhaber wirtschaftlicher Macht der staatlichen Aufsicht durch ein Monopolamt unterstellt werden.16 Wo Märkte derart vermachtet sind, dass eine Verhaltenskontrolle durch den Wettbewerb nicht mehr erfolgt, sollte diesem neu zu schaffenden Monopolamt die Aufgabe zukommen, Leistungsbedingungen zu überwachen und gegebenenfalls selbst zu setzen.17 Dabei ging der Entwurf von den im Leitsätzegesetz18 zum Ausdruck gebrachten Zielen der sozialen Marktwirtschaft und des freien Leistungswettbewerbs aus19 und knüpfte hierin an die Konzeption des Ordoliberalismus an, der die Bedeutung des Wettbewerbs für die individuelle Freiheit und den gesellschaftlichen Wohlstand betont hatte.20 Funktionsweise der Kartelle bietet T. Eschenburg, Letzten Endes meine ich doch, S. 17 ff. 10 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich für den Zeitraum bis 1990 auf die Entwicklung auf dem Gebiet der BRD. Zur grundlegend anderen Entwicklung in der DDR die durch die Bildung von Kombinaten gekennzeichnet war, vgl. W. Gößmann, Die Kombinate in der DDR, S. 12 ff. 11 Sachverständigen-Ausschuß der Verwaltung für Wirtschaft zur Ausarbeitung einer deutschen Monopolgesetzgebung, Entwurf zu einem Gesetz zur Sicherung des Leistungswettbewerbs und zu einem Gesetz über das Monopolamt mit Stellungnahme des Sachverständigen-Ausschusses und Minderheitsgutachten (Josten-Entwurf). 12 Dazu E. Günther, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 183; R. Robert, Konzentrationspolitik in der Bundesrepublik, S. 102 ff.; L. Murach-Brand, Antitrust auf deutsch, S. 101, 107 ff.; U. Huber/T. Baums, in: FK-Kartellrecht, § 1 Rn 12 (a. F.). 13 Dazu J. Altmann, Volkswirtschaftslehre, S. 174 f.; W. Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, S. 15; E. Heuss, in: Acham/Nörr/Schefold (Hrsg.), Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, S. 331; E. Günther, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 183, 190. 14 Vgl. E. Günther, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 183, 190; BTDrs. 2/3644, Generalbericht, S. 3 f.; zur Bedeutung des Ordoliberalismus für das GWB vgl. auch E. Heuss, in: Acham/Nörr/Schefold (Hrsg.), Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, S. 331, 336. 15 Vgl. U. Huber/T. Baums, in: FK-Kartellrecht, § 1 Rn 12 (a. F.). 16 § 21 Josten-Entwurf. 17 § 22 i.V. m. § 49 Josten-Entwurf; vgl. Begründung zu § 22 Josten-Entwurf, S. 49. 18 Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform vom 24. Juni 1948, Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, S. 59. 19 Josten-Entwurf, Präambel, S. 9.

1. Abschnitt: Ordnungsmodell des Kartellrechts

113

Auch wenn das vorgesehene Monopolamt nach Ansicht der Entwurfsverfasser keine Befugnis zu eigenständiger Wirtschaftspolitik besitzen sollte21, gilt insbesondere die starke Stellung des Monopolamtes als Grund für das Scheitern des Josten-Entwurfes.22 Dessen Schicksal sollten in den folgenden Jahren zahlreiche weitere Entwürfe für ein GWB teilen.23 II. Regierungsentwurf und parlamentarische Debatte Grundlage für die letztlich verabschiedete Fassung des GWB war der Regierungsentwurf der ersten Wahlperiode24, der, nachdem er dem Diskontinuitätsprinzip zum Opfer gefallen war, erneut in das Parlament eingebracht wurde.25 Diesem Gesetzentwurf ist eine ausführliche Begründung beigefügt, die auf die wirtschaftspolitische Bedeutung des Gesetzes verweist.26 Ausweislich dieser Begründung des Regierungsentwurfs war beabsichtigt, mit dem GWB eine wirtschaftspolitische Grundentscheidung legislativ festzulegen und den Streit zwischen Vertretern eines planerischen und eines freiwirtschaftlichen Ansatzes, der die Vorarbeiten zum GWB gekennzeichnet hatte,27 im Sinne der Letzteren zu entscheiden.28 In seinem Bekenntnis zur Marktwirtschaft knüpfte auch der Regierungsentwurf an die Richtungsentscheidung des Leitsätzegesetzes an, welches bereits im Jahre 1948 die Preisbildung dem Markt überlassen hatte. Zugleich berief sich die Begründung zum Regierungsentwurf auf klassische humanistische Ideale der Freiheit und Gerechtigkeit.29 Unter Bezugnahme auf das Leitprinzip der persönlichen Freiheit wurde auf die Bedeutung des Wettbe20 Dazu F. Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 122; W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 348. 21 Josten-Entwurf, Begründung, S. 69. 22 Kritisch Anlage zu BT-Drs. 2/3644, Generalbericht, S. 4; vgl. auch L. MurachBrand, Antitrust auf deutsch, S. 110 f.; F. Rittner, in: FIW (Hrsg.), FS Hartmann, S. 291, 259. 23 H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht 10. Aufl., Einführung Rn 7 spricht allein von 18 Entwürfen, die im Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet worden seien. 24 BT-Drs. 1/3462; zur Entwicklung des Gesetzentwurfs vgl. R. Robert, Konzentrationspolitik in der Bundesrepublik, S. 111 ff.; sowie L. Murach-Brand, Antitrust auf deutsch, insbesondere S. 175 ff. 25 BT-Drs. 2/1158; vgl. Anlage zu BT-Drs. 2/3644, Generalbericht, S. 1 f.; vgl. R. Robert, Konzentrationspolitik in der Bundesrepublik, S. 244. 26 BT-Drs. 2/1158, S. 21 ff. 27 Vgl. Anlage zu BT-Drs. 2/3644, Generalbericht, S. 5; vgl. Ausführungen Königswarter, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. März 1955, S. 4200. 28 BT-Drs. 2/1158, S. 21; vgl. G. Kurlbaum, in: Kurlbaum/Jens (Hrsg.), Beiträge zur sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik, S. 61, 65 ff. 29 Vgl. auch Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministers L. Erhard, der auf die „gesellschafts-wirtschaftlichen Wurzeln“ des Entwurfs verwies, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. März 1955, S. 4207.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

werbs für die Entfaltung des Individuums ebenso wie auf die ökonomische Vorteilhaftigkeit des Wettbewerbs für die Wohlfahrt des Landes verwiesen.30 Staatliche Interventionen und private Eingriffe zur Ordnung des Wettbewerbs wurden abgelehnt.31 Die gesellschafts- und die wirtschaftspolitische Bedeutung des Wettbewerbs können mithin gemeinsam als Fundament des Gesetzentwurfes betrachtet werden. Trotz zweier Gegenentwürfe aus den Reihen des Bundestages32 blieb der Regierungsentwurf Grundlage der weiteren parlamentarischen Beratungen.33 III. Grundentscheidungen Wenngleich die Ausgestaltung des GWB in der parlamentarischen Debatte heftig umstritten war34, lassen sich einige legislative Grundentscheidungen ausmachen, die von der Zustimmung der gesetzgebenden Mehrheit getragen erscheinen, und die für die vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutung sind. 1. Durchsetzung des Verbotsprinzips Dominierendes Thema der parlamentarischen Auseinandersetzung bildete die Kartellfrage. Eine kartellfreundliche Ansicht sprach sich für eine aus der Gewerbefreiheit abgeleitete Kartellfreiheit aus und plädierte unter Verweis auf die positiven Auswirkungen der Kartellierung für die Einführung eines Missbrauchsprinzips, das ein Einschreiten der Kartellbehörde nur in Ausnahmefällen vorsah.35 Demgegenüber verwiesen die Kartellgegner auf die Gefahren der Durchkartellierung der Wirtschaft. Nach dieser Ansicht führen Kartelle zur Beschränkung der individuellen wirtschaftlichen Freiheit und verursachen durch die Verhinderung der Anpassung an sich ändernde Marktverhältnisse wirtschaftliche Ineffizienz. Durch die Einführung eines grundsätzlichen Kartellverbots, welches nur in Ausnahmefällen durchbrochen werden kann (Verbotsprinzip), 30 BT-Drs. 2/1158, S. 22; so schon die Begründung des Leitsätzegesetzes, GVBl. 1948, S. 59. 31 Anlage zu BT-Drs. 2/3644, Generalbericht, S. 5. 32 Zusätzlich zum Regierungsentwurf, wurden zwei weitere Entwürfe in den Bundestag eingebracht: der Höcherl-Entwurf, BT-Drs. 2/1253 sowie der Böhm-Entwurf, BT-Drs. 2/1269; H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., Einführung Rn 7. 33 Schriftlicher Bericht des federführenden Ausschusses für Wirtschaftspolitik, zu BT-Drs. 2/3644 S. 7; E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einleitung Rn 12. 34 Vgl. H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht 10. Aufl., Einführung Rn 7. 35 Vgl. BT-Drs. 2/1253, dazu H. Höcherl, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. März 1955, S. 4211 f.

1. Abschnitt: Ordnungsmodell des Kartellrechts

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sollte die Bildung von Kartellen wirksam beschränkt werden.36 Zur Diskussion standen demnach die alternativen Konzepte einer Kartellfreiheit und einer Wettbewerbsfreiheit. Auch wenn das im Gesetz letztlich umgesetzte Verbotsprinzip durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen war37, setzten sich im Grundsatz die Befürworter der Wettbewerbsfreiheit durch.38 Besondere Beachtung verdienen die Argumentationsmuster, die von Kartellbefürwortern ebenso wie von Kartellgegnern gebraucht wurden. Betrachtet man die einschlägigen Stellungnahmen, so wird deutlich, dass beide Ansichten in ihrer Argumentation auf das Prinzip der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit Bezug nahmen. Während die kartellfreundliche Ansicht die Kartellfreiheit aus der allgemeinen Gewerbefreiheit ableitete, lehnten die Vertreter des Verbotsprinzips die private Ordnung der Freiheit ab und betonten die freiheitsbeschränkende Wirkung von Kartellabsprachen.39 Im Streit standen somit unterschiedliche Konzeptionen der wirtschaftlichen Freiheit einander gegenüber, ohne dass die grundsätzliche Bedeutung dieser Freiheit strittig war. Weiterhin wird deutlich, dass beide Argumentationsrichtungen auch auf die prognostizierte gesellschaftliche Nützlichkeit der Kartellierung bzw. des Kartellverbots verwiesen und insofern auf den Gemeinwohlbezug des Wettbewerbs abstellten. 2. Missbrauchsaufsicht Weniger Aufmerksamkeit als dem Grundsatzstreit zwischen Verbots- und Missbrauchsprinzip wurde in der Debatte um das GWB der Einführung einer Missbrauchsaufsicht über Inhaber wirtschaftlicher Macht geschenkt. Auch hierbei handelt es sich um ein Problem von grundlegender Bedeutung für die Wettbewerbsordnung. Schon das Leitsätzegesetz hatte auf die Monopolproblematik verwiesen40 und der Josten-Entwurf bezeichnete die Kontrolle von illegitimer

36 Vgl. BT-Drs. 2/1269, dazu F. Böhm, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. März 1955, S. 4213 ff. 37 In der parlamentarischen Beratung wurde das Verbotsprinzip als „durchlöchert“, bzw. nach einem Zwischenruf des Abgeordneten J. Illerhaus in Anlehnung an den vom Missbrauchsprinzip ausgehenden Höcherl-Entwurf „durchhöcherlt“ bezeichnet, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 4. Juli 1957, S. 13244. 38 Dafür mag nicht zuletzt ausschlaggebend gewesen sein, dass das Verbotsprinzip sowohl der von der amerikanischen Besatzungsmacht vertretenen klassischen wirtschaftsliberalen Position, als auch der Konzeption des Ordoliberalismus entsprach. Vgl. Anlage zu BT-Drs. 2/3644, Generalbericht, S. 10; dazu auch L. Murach-Brand, Antitrust auf deutsch; E. Heuss, in: Acham/Nörr/Schefold (Hrsg.), Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, S. 331, 337 Fn 17. Zur Position der Sozialdemokratie vgl. J. Schöne, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 31. März 1955, S. 4267 ff. 39 Vgl. etwa F. Böhm, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. März 1955, S. 4217 f. 40 Vgl. GVBl. 1948, S. 60, III. der Anlage.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

Marktmacht als wesentliches Anliegen des Entwurfs41. Im Hinblick auf das Problem wirtschaftlicher Macht sollte der Staat im Wirtschaftsprozess eine eigene Ordnungsaufgabe bekommen.42 Auch wenn die Missbrauchsaufsicht im GWB im Vergleich zur Konzeption des Josten-Entwurfs nur in abgeschwächter Form umgesetzt wurde, macht sich das Gesetz doch die Überlegung des Ordoliberalismus zu eigen, wonach die Selbsterhaltungsfunktion des Wettbewerbs durch staatliche Maßnahmen zu ergänzen ist43. Die Missbrauchsaufsicht ist Ausdruck des staatlichen Interesses am Funktionserhalt der Wirtschaftsordnung, welches im Freiheits- und Wohlstandsbezug der freien Marktwirtschaft seine Grundlage findet. 3. Ablehnung einer politisierten Kartellaufsicht Zugleich ist die Ausgestaltung der Missbrauchsaufsicht Ausdruck einer Absage an eine politisch motivierte Steuerung des Wettbewerbsprozesses. Ziel der Maßnahmen der Missbrauchsaufsicht ist die Bewahrung des Wettbewerbs vor Beschränkungen. Wo Marktakteuren aufgrund ihrer übermächtigen Stellung im Wettbewerb ein unkontrollierter Handlungsspielraum eröffnet ist und dieser die wettbewerbliche Freiheit der übrigen Marktteilnehmer einschränkt, erfüllt die Missbrauchsaufsicht die Aufgabe der Kontrolle dieses Handlungsspielraums.44 Eine inhaltliche Steuerung im Hinblick auf ein konkretes politisch bestimmtes Marktergebnis ist der historischen Intention nicht zu entnehmen.45 Auch die im Vergleich zum Josten-Entwurf deutlich schwächere Ausgestaltung der Missbrauchsaufsicht führt zu einer Beschränkung der staatlichen Einflussnahme auf den Marktprozess. Nach der Konzeption des Gesetzgebers steht die Missbrauchsaufsicht im Dienst der Wettbewerbsfreiheit, nicht im Dienst politisch veranlasster Beeinflussung des Wettbewerbsprozesses.46 Es war das erklärte Ziel des Bundeswirtschaftsministers Erhard mit Verabschiedung des GWB die Grundentscheidung für eine freie Marktwirtschaft zu bekräftigen.47 Der Umstand, dass dies nicht Gegenstand kontroverser parlamen-

41 Vgl. Josten-Entwurf, Präambel, sowie S. 119 f. mit dem Hinweis auf den Zusammenhang mit der Kartellfrage. 42 Vgl. Josten-Entwurf, Begründung, S. 120 f. 43 L. Miksch, Wettbewerb als Aufgabe, S. 12. 44 Vgl. F. Böhm, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. März 1955, S. 4218. 45 Vgl. schon Leitsätzegesetzes, GVBl. 1948, S. 59. 46 Vgl. F. Böhm, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. März 1955, S. 4218 f. 47 L. Erhard, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 24. März 1955, S. 4207.

1. Abschnitt: Ordnungsmodell des Kartellrechts

117

tarischer Auseinandersetzungen wurde,48 lässt sich als Ausdruck der weitgehenden Zustimmung zu dieser Intention verstehen. Jedenfalls wurde die Grundsatzentscheidung des Leitsätzegesetzes für eine auf der Wettbewerbsfreiheit gründende Marktwirtschaft zur Erreichung wirtschaftlichen Wohlstands von der das Gesetz tragenden parlamentarischen Mehrheit nicht mehr abgelehnt.49 Aus dem Gesetzgebungsverfahren lässt sich danach eine Absage an die direkte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Wirtschaft ableiten. Staatliche Lenkung wurde ebenso wie korporatistische Koordination als Beschränkung des freien Wettbewerbs angesehen und im Grundsatz abgelehnt. IV. Schlussfolgerung und Entwicklung bis zur Siebenten GWB-Novelle Da das GWB durch einen Kompromiss der widerstreitenden Ansichten zustande kam, wird ihm gelegentlich eine „gespaltene Natur“50 oder gar innere Widersprüchlichkeit51 attestiert. Gleichwohl ergibt die Untersuchung der Materialien einen historischen Grundkonsens dahingehend, „den Wettbewerb innerhalb bestimmter Bereiche und unter Wahrung bestimmter Grenzen zu fördern“52. Ziel war es demnach, einen Wirtschaftsbereich zu etablieren, der den Regeln des freien Wettbewerbs unterliegt und sich dabei der Handlungsrationalität privater Marktakteure zur Sicherstellung gemeinwohlverträglicher Wettbewerbsergebnisse bedient.53 Aus den Gesetzesmaterialien lassen sich prägende Elemente des intendierten kartellrechtlichen Ordnungsrahmens ableiten, die für die kartellrechtliche Bewältigung des netzspezifischen Regelungsbedarfs von besonderem Interesse sind. Die Konzeption des GWB ist gekennzeichnet durch die Anerkennung der individuellen Handlungsfreiheit im wirtschaftlichen Bereich, wobei der dadurch 48 Zur Position der Sozialdemokratie vgl. J. Schöne, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 31. März 1955, S. 4269; sowie G. Kurlbaum, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 4. Juli 1957, S. 13246. Vgl. auch M. Horlacher, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 31. März 1955, S. 4239. 49 Dazu K. W. Nörr, in: Acham/Nörr/Schefold (Hrsg.), Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, S. 356, 365; Vorbehalte gab es indessen bei der Sozialdemokratie, die einen stärkeren staatlichen Einfluss auf die Wirtschaftsprozesse befürwortete; dazu G. Kurlbaum, in: Kurlbaum/Jens (Hrsg.), Beiträge zur sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik, S. 61. 50 K. W. Nörr, Die Leiden des Privatrechts, S. 202. 51 H.-U. Siebler, Wirtschaftstheorie, Wettbewerbspolitik und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 9; vgl. F. Kübler, in: Simon (Hrsg.), Rechtswissenschaft in der Bonner Republik, S. 364, 376. 52 O. Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 43, insoweit zustimmend E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 68. 53 Kritisch dazu H.-U. Siebler, Wirtschaftstheorie, Wettbewerbspolitik und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 12 f.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

eröffnete freie Wettbewerb die Mehrung des gesellschaftlichen Wohlstands ermöglichen soll. Staatliche Eingriffe erfolgen nach dieser Konzeption zum Schutz der individuellen Freiheit und um die Funktionsbedingungen des gemeinwohlfördernden Wettbewerbs zu bewahren.54 Darin liegt für das GWB auch ein Verzicht auf Wettbewerbseingriffe zur Erreichung eigenständiger politisch motivierter Ziele.55 Seit seinem Erlass wurde das Gesetz wiederholt novelliert, wobei die geschilderten Grundaussagen beibehalten und teilweise stärker konturiert wurden.56 Insbesondere die Bekämpfung des Missbrauchs wirtschaftlicher Macht wurde durch mehrere Novellen effektiviert. Die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle wurde umgestaltet und verschärft57 und das Verbot des Machtmissbrauchs um ein Fusionskontrollverfahren ergänzt, um die Entstehung von Marktmacht durch externes Wachstum in die Kontrolle einzubeziehen.58 Das Kartellverbot wurde durch Einschränkung von Sondertatbeständen und die zunehmende Beseitigung der kartellrechtlichen Ausnahmebereiche59 gestärkt. Die anerkannte politische 54

Vgl. E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 98. So bereits deutlich Josten-Entwurf, Begründung, S. 121 ff. 56 Vgl. den Überblick bei H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht 10. Aufl., Einführung Rn 11 ff. Eine abweichende Einschätzung ist hingegen bezüglich der Einfügung des Vergaberechts in das GWB angezeigt. Mit dem Vergaberecht wurde eine völlig neue Materie, die zuvor nur teilweise normiert war, innerhalb des GWB umfassend geregelt, dazu H. Thieme, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., Rn 48 ff. Vor §§ 97 ff. Im Rahmen der Verabschiedung war noch überlegt worden, den Komplex durch ein eigenständiges Vergabegesetz zu regeln, vgl. H. Thieme, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., Rn 51 Vor §§ 97 ff. m.w. N.; M. Dreher, WuW 1997, 949, 950. Für die Einfügung ins GWB wurde hingegen angeführt, dies verdeutliche die Hinwendung des Vergaberechts zum Wettbewerbsprinzip, zudem sei ein Rückgriff auf Begriffe und Verfahren des GWB möglich; vgl. BT-Drs. 13/9340, S. 12 f. Abgesehen von dieser politisch erwünschten Ausstrahlungswirkung des GWB sind indes die Parallelen zum herkömmlichen Regelungsbereich des GWB gering, M. Dreher, WuW 1997, 949, 951 ff. Letztlich handelt es sich bei dem Vierten Teil des Gesetzes um einen eigenständigen Regelungskomplex ohne unmittelbare Beziehungen zum GWB. Die Eigenständigkeit zeigt sich auch darin, dass mit den §§ 102 bis 124 eine eigenständige Verfahrensordnung geschaffen wurde. Auch die materiellen Regelungen zeigen wenig Bezug zum Kernbestand kartellrechtlicher Normen. Der mögliche Verweis, die öffentliche Hand verfüge als Auftraggeber über erhebliche Nachfragemacht, kann die im Übrigen bestehenden Unterschiede, die sich gerade aus der Beteiligung der öffentlichen Hand ergeben, nicht überspielen. Nicht ohne Grund wird auch heute noch das Vergaberecht als eigenständiger Rechtsbereich behandelt. Es erscheint daher wenig sinnvoll diese Normen in eine Gesamtwürdigung des GWB einzubeziehen. 57 Hierzu R. Bechtold, GWB, 3. Aufl., Rn 1 Vor § 19; H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 809 ff.; H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage, S. 17. 58 Vgl. W. Jäckering, Die politischen Auseinandersetzungen um die Novellierung des GWB, S. 51 ff. 59 Dazu M. Krakowski, Regulierung in der Bundesrepublik Deutschland; F. Rittner, in: FIW (Hrsg.), Problematik der Ausnahmebereiche im Kartellrecht, S. 79. 55

1. Abschnitt: Ordnungsmodell des Kartellrechts

119

Unabhängigkeit des Bundeskartellamts schließlich ist Ausdruck des auch rechtstatsächlich praktizierten Verzichts auf politische Steuerung mit Mitteln des Kartellrechts.60

C. Systematisches Argument Eine systematische Betrachtung des GWB im Verhältnis zu anderen wirtschafts- und wettbewerbsbezogenen Gesetzen stützt den bisherigen Befund insofern ab, als sich hieraus weitere Argumente für die Abwesenheit politisch motivierter Einwirkungen auf den Wettbewerbsprozess im GWB ableiten lassen. Dies macht ein Vergleich mit dem im Jahre 1967 erlassenen Stabilitätsgesetz61 deutlich. Mit den Zielen des sogenannten Magischen Vierecks62 umschreibt dieses Gesetz klare inhaltliche Vorgaben für staatliche Maßnahmen mit Bezug zur wirtschaftlichen Entwicklung. Die Erreichung gemeinwohlorientierter Ziele wird in diesem Bereich nicht mehr dem Wettbewerbsprozess überlassen, sondern aktiv angestrebt. Hierin ist das Stabilitätsgesetz von einer wirtschaftspolitischen Zielorientierung geprägt die im GWB so nicht feststellbar ist.63 Demgegenüber gehört das GWB zu dem vom Stabilitätsgesetz vorausgesetzten Rahmen der wirtschaftlichen Ordnung.64 In systematischer Hinsicht ist auch das Verhältnis des GWB zur allgemeinen Zivilrechtsordnung zu betrachten. Eine Untersuchung der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs zeigt, dass dessen Entstehung nicht voraussetzungslos ist.65 Bedingung für die Entfaltung des Wettbewerbs ist vielmehr die Existenz einer Rechtsordnung, die fundamentale Institute wie privates Eigentum und ein grundlegendes Vertragsrecht ebenso bereithält wie geeignete Instrumente der Rechtsdurchsetzung.66 Diese Grundlagenfunktionen, die insbesondere im Bürgerlichen Recht und dem zugehörigen Prozessrecht umgesetzt sind, werden durch das GWB um einen weiteren Aspekt ergänzt, indem dieses die imma60 Vgl. W. Möschel, ORDO 48 (1997), 241; vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 95 Fn 178. 61 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG) vom 08.06.1967, BGBl. I, S. 582, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.11.2003, BGBl. I, S. 2304. 62 Nach § 1 StabG sind diese Ziele: Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes Wirtschaftswachstum; vgl. hierzu I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 29. 63 Hierzu W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 8 f.; R. Belke, ZHR 138 (1974), 227, 229. 64 Vgl. § 1 StabG; E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einleitung Rn 1. 65 W. Möschel, Rechtsordnung zwischen Plan und Markt, S. 7; I. M. Kirzner, in: Möschel/Streit/Witt (Hrsg.), FS Hoppmann, S. 101. 66 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 3.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

nente Tendenz des Wettbewerbs zur Selbstbeschränkung adressiert.67 Darin unterscheidet sich das GWB von Normenbereichen mit eigener inhaltlicher Determination.68

D. Teleologische Auslegung Obwohl das GWB selbst keine explizite Aussage zu dem intendierten Ordnungsmodell macht, hat die Analyse der Gesetzgebungsgeschichte mit der Orientierung an der individuellen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit, mit dem beabsichtigten Schutz vor dem Missbrauch wirtschaftlicher Macht und mit der Betonung der gemeinwohldienlichen Wirkungen des Wettbewerbs bereits prägende Elemente des kartellrechtlichen Ordnungsmodells aufgezeigt. Im Folgenden soll dieses Ordnungsmodell unter Rückgriff auf teleologische Argumente weiter spezifiziert werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die im GWB verwandte Regelungsmethodik Ausdruck des kartellrechtlichen Ordnungsmodells ist, und also die Analyse dieser Regelungsmethodik Rückschlüsse auf die Wettbewerbskonzeption des GWB ermöglicht. I. Regelungsmethodik des GWB Betrachtet man die Normen des GWB im Hinblick auf die benutzte Regelungsmethodik, so wird offenbar, dass sich das GWB einer positiven Beschreibung des Wettbewerbsverhaltens enthält.69 Anders als das Stabilitätsgesetz für staatliches Handeln, beinhaltet das GWB auch keine Zielvorgaben für das Verhalten der Wettbewerber. Den Wettbewerbern wird nicht etwa ein Prinzip der Gewinnorientierung oder des effizienten Wirtschaftens aufgegeben. Das Wettbewerbsverhalten wird durch das GWB nicht auf ein konkretes Ziel hin gesteuert oder einem konkretisierten Gemeinwohlziel untergeordnet.70 Das Gesetz geht offenbar davon aus, dass im Wettbewerb für den Einzelnen Raum zur Setzung individueller Präferenzen und zur Verfolgung eigener Ziele besteht. Im Anwendungsbereich des GWB werden die Ziele des wirtschaftlichen Handelns also

67 Dazu H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 151; U. Immenga, Politische Instrumentalisierung des Kartellrechts?, S. 4. 68 M. Dreher, WuW 1997, 949, 954. 69 Ausweislich der Gesetzesbegründung wurde auf die Definition des Begriffs Wettbewerb bewusst verzichtet, vgl. BT-Drs. 2/1158, S. 31; E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einleitung Rn 1; M. Kubiciel, Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen, S. 47. 70 W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 8; E.-J. Mestmäcker, DB 1968, 787, 790; E. Hoppmann, in: Tuchtfeldt (Hrsg.), Soziale Marktwirtschaft im Wandel, S. 27, 40.

1. Abschnitt: Ordnungsmodell des Kartellrechts

121

nicht extern vorgegeben, sondern durch die Wettbewerber selbst bestimmt.71 Grundlage des Wettbewerbshandelns ist die individuelle Handlungsrationalität der Wettbewerber.72 Charakteristisch für das GWB sind Regelungen, die nur negativ einen äußeren Rahmen abstecken,73 im Übrigen aber Raum für die individuelle Entfaltung der Wettbewerber lassen. So enthält die zentrale Vorschrift zum Verhalten marktmächtiger Unternehmen, § 19 GWB, nicht die Pflicht, die eigenen Leistungen zu angemessenen Bedingungen anzubieten bzw. die ausreichende Versorgung der Nachfrager zu gewährleisten.74 Vielmehr wird hinsichtlich des Leistungsinhalts lediglich eine äußere Missbrauchsgrenze beschrieben und ergänzend ein Verbot behindernder oder diskriminierender Praktiken ausgesprochen. Ausdrucksformen des Wettbewerbs werden nicht vorab vorgegeben, sondern entwickeln sich erst im Wettbewerb und sind dabei Wandlungen unterzogen. Dieser Verzicht des Gesetzgebers auf konkretisierte Vorgaben zum Wettbewerbsverhalten lässt sich als Ausdruck der gesetzgeberischen Intention verstehen, die freie Entfaltung auf wirtschaftlichem Gebiet zu sichern.75 Lediglich dort, wo der Gebrauch dieser Freiheiten als Missbrauch erschiene, werden Grenzen gesetzt.76 Die Normen des GWB können wegen dieser Begrenzung und Ausgestaltung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit auch mit Spielregeln verglichen werden.77 Damit wird deutlich, dass im Grundsatz allein ein äußerer Rahmen ge71 E. Niederleithinger, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 237, 238; E. Bohne, in: Lüder (Hrsg.), FS Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, S. 211, 216; C. C. von Weizsäcker, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 85, 94. 72 F. Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 131; H.-H. Trute, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 173; W. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261, 268. 73 E. Hoppmann, in: Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5, 11; W. Möschel, JZ 1975, 393, 399. 74 Vgl. F.-U. Willeke, Grundsätze wettbewerbspolitischer Konzeptionen, S. 36. 75 E. Niederleithinger, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 237, 238; E. Hoppmann, in: Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5, 11. 76 E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 88; M. Kubiciel, Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen, S. 104; H.-H. Trute, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 173. 77 F.-U. Willeke, Grundsätze wettbewerbspolitischer Konzeptionen, S. 33; E.-J. Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S. 184; U. Immenga, Politische Instrumentalisierung des Kartellrechts?, S. 5; E. Hoppmann, in: Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5, 11; D. Schmidtchen, in: Möschel/Streit/ Witt (Hrsg.), FS Hoppmann, S. 143, 157; W. Möschel, JZ 1975, 393, 399; M. Kubiciel, Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen, S. 47.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

setzt wird, in dem sich dann die einzelnen Wettbewerber entfalten können. So wie etwa im Sport der Spielverlauf allein über die Festlegung äußerer Bedingungen, insbesondere von unzulässigen Handlungen (Fouls), gestaltet wird, lässt sich auch der Wettbewerb als derart geregelt verstehen, dass nicht die zulässigen Handlungen benannt werden, sondern allein der durch Missbrauchsregeln beschriebene äußere Rahmen.78 II. Wettbewerbsordnung geprägt von individueller Handlungsfreiheit und Mustervoraussage Mit dieser Regelungsmethodik schafft das GWB eine Wettbewerbsordnung, die unter Rückgriff auf wettbewerbstheoretische Ansätze erklärt werden kann.79 1. Verwirklichung individueller Freiheit im Wettbewerb Der bereits in der Betrachtung der Gesetzgebungsmaterialien zutage getretene Freiheitsbezug des Wettbewerbs steht im Zentrum marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnungen, die auf der Privatautonomie als Grundlage wirtschaftlicher Prozesse aufbauen.80 In dieser Orientierung auf die Bedeutung der individuellen Freiheit geht das moderne Wettbewerbsverständnis auf die Arbeiten des schottischen Nationalökonomen Adam Smith81 zurück.82 Kennzeichen der hierauf aufbauenden Wettbewerbskonzeption ist die wechselseitige Bedingtheit von individueller Freiheit und wirtschaftlichem Wettbewerb. Wettbewerb ist in dieser Sichtweise zunächst Ergebnis der freien Entfaltung der einzelnen Wettbewerbsteilnehmer. Erst die selbstbestimmte Verfolgung des Eigeninteresses durch die Marktakteure begründet das Phänomen des Wettbewerbs. Grundlage des Wettbewerbsprinzips ist die Überzeugung, dass der Einzelne am ehesten in der Lage ist, seine Angelegenheiten in Selbstbestimmung zu regeln. Marktwirtschaftlicher Wettbewerb als freier Austausch gleichberechtigter Marktteilnehmer erscheint als Ausfluss des Individualitätsprinzips auf wirtschaftlichem Gebiet.83 Eine am Maßstab individueller Freiheit ausgerichtete Wettbewerbsordnung muss dem Einzelnen ausreichenden Raum zur Entfaltung im wirtschaftlichen Bereich sichern. Durch Abgrenzung individueller Hand78

M. Kubiciel, Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen, S. 47. Überblick bei I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 11 ff.; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., Kapitel 1. 80 Vgl. auch A. Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 95 f.; F. Rittner, in: Schmidt/Schwark (Hrsg.), FS Raisch, S. 483, 490. 81 Insbesondere A. Smith, Wealth of the Nations. 82 Vgl. dazu E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 80 f.; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 67. 83 Vgl. dazu auch U. Hösch, Die kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 8 ff., 17. 79

1. Abschnitt: Ordnungsmodell des Kartellrechts

123

lungsräume werden Kollisionen widerstreitender Interessen vermieden.84 Der Raum der Freiheitsentfaltung im wirtschaftlichen Gebiet wird folglich durch seine Außengrenze, die sich insbesondere durch die Freiheitsrechte Dritter ergeben kann, beschrieben. Die für das GWB kennzeichnende Rahmensetzung schafft in dieser Sicht den Handlungsraum, der zur freien Entfaltung nötig ist und der eine Ausrichtung des wirtschaftlichen Handelns an individuellen Nützlichkeitsmaßstäben ermöglicht. Im Markt treffen infolge des eigennutzorientierten Handelns der Wirtschaftssubjekte unterschiedlichste individuelle Präferenzen zusammen. Das dezentral vorhandenen Wissen der Wettbewerber wird durch die Markttransaktionen offengelegt und verfügbar gemacht. Im Hinblick hierauf ist der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren bezeichnet worden, welches verstreut vorhandene Informationen akkumuliert.85 Im Wege der Markttransaktionen bewirkt der Wettbewerb zugleich einen koordinativen Ausgleich der widerstreitenden Interessen.86 Mit dem Marktpreis steht ein im Wettbewerb gebildeter Maßstab für diesen Ausgleich zur Verfügung. Aus dieser Wirkung des Preissystems leitet sich die Koordinationsfunktion des Wettbewerbs ab.87 Voraussetzung für die Funktion dieses Mechanismus ist indessen die Existenz hinreichender Freiräume zur privatautonomen Entfaltung und zur eigenständigen Zielsetzung und -verfolgung. Die für das GWB festgestellte Rücknahme des staatlichen Steuerungsanspruchs und das Fehlen verbindlicher Zielvorgaben für das individuelle Wirtschaften finden damit in der Funktionsweise des Wettbewerbs ihre innere Rechtfertigung. Auch das Anliegen des historischen Gesetzgebers, die Ausübung wirtschaftlicher Macht einzuschränken und zu kontrollieren, lässt sich so aus dem Wettbewerbsmodell erklären. Darüber hinaus ist Wettbewerb nicht nur Ausfluss individueller Freiheit und von ihr abhängig, zugleich entfaltet er selbst auch machtkontrollierende und damit freiheitsschützende Wirkung.88 Indem Wettbewerb auf freiwilligen, wechselseitig vorteilhaften Transaktionen beruht, wirkt er tendenziell Machtzusam84 E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 7, 16. 85 F. A. von Hayek, in: Freiburger Studien, S. 249, 253 f.; dazu E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einleitung Rn 3; skeptisch zu diesem Ansatz freilich T. Vesting, in: Schlosser (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch 1896– 1996, S. 183, 194. 86 E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 81; F. A. von Hayek, in: Freiburger Studien, S. 249, 254 f.; E. Hoppmann, in: Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5, 6. 87 Vgl. W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 356; E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einleitung Rn 2. 88 D. Schmidtchen, in: Möschel/Streit/Witt (Hrsg.), FS Hoppmann, S. 143, 155; vgl. auch W. Hoffmann-Riem/J.-P. Schneider, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 13, 39.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

menballungen entgegen.89 Durch die Innovation und Flexibilität unterliegen bestehende Machtansammlungen im Markt steter Erosion. Dem Wettbewerb kommt damit zusätzlich eine Kontrollfunktion zu.90 Der im GWB intendierte Schutz der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs schützt gleichzeitig die Freiheit der Wettbewerber und trägt damit der staatlichen Verantwortung für den Schutz individueller Freiheit Rechnung. 2. Beförderung des Gemeinwohls durch Wettbewerb Neben der wechselseitigen Abhängigkeit von Wettbewerb und wirtschaftlicher Freiheit ist das Verhältnis des Wettbewerbs zum Gemeinwohl zu betrachten. Auch hierbei kann auf wettbewerbstheoretische Erklärungsansätze zurückgegriffen werden. Der Zusammenhang zwischen dem auf individueller Freiheit beruhenden Wettbewerb und dem Gemeinwohl wird in dem von Smith entwickelten Modell der invisible hand beschrieben.91 Danach bewirkt das eigennutzorientierte Wettbewerbshandeln jedes Einzelnen eine Beförderung des Gemeinwohls. Obwohl jeder einzelne Wettbewerbsteilnehmer allein auf seinen individuellen Vorteil bedacht ist, fördert das selbstnützige Wettbewerbsverhalten der Einzelnen das Wohl der gesamten Gemeinschaft.92 Durch die wettbewerbsimmanente Koordination widerstreitender Individualinteressen kommt es also im freien Wettbewerb zu einer tendenziellen Übereinstimmung von Individualund Gemeinwohlinteressen.93 Im Rahmen der Markttransaktionen lassen sich so Ergebnisse erzielen, die den Interessen der Gesellschaft als ganzer entsprechen.94 Der Mechanismus der unsichtbaren Hand gewährleistet, dass die aus eigennutzmotivierten Handlungen im Wettbewerb resultierenden Ergebnisse mit dem Gemeinwohl in Einklang stehen.95 Man kann in Bezug auf diese wettbewerbsimmanente Richtigkeitsgewähr mit Hoppmann von einer Mustervoraussage dergestalt sprechen, dass Ergebnisse freien Wettbewerbs regelmäßig gemeinwohl-

89

Vgl. W. Engels, in: von Weizsäcker (Hrsg.), Staat und Wirtschaft, S. 45, 48. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 62. 91 A. Smith, Wealth of the Nations, 4. Buch, 2.9. 92 A. Smith, Wealth of the Nations, 2. Buch, 2.2; U. Palm, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 101, 102. 93 Vgl. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 47; H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 107. 94 Zu dieser Richtigkeitsgewähr vgl. etwa K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht – Kartellverwaltungsrecht – Bürgerliches Recht, S. 99; W. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Band, Das Rechtsgeschäft, S. 7 f. 95 F. Rittner, in: Schmidt/Schwark (Hrsg.), FS Raisch, S. 483, 490 ff.; E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 98; C. C. von Weizsäcker, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 85, 94 f. 90

1. Abschnitt: Ordnungsmodell des Kartellrechts

125

verträglich sind.96 Damit ermöglicht das GWB durch die Ausrichtung des Wirtschaftslebens am Prinzip individueller Freiheit die Förderung des gesellschaftlichen Wohlstands. Errichtung und Schutz der Wettbewerbsordnung sind nicht allein durch den Freiheitsbezug des Wettbewerbs getragen, sondern dienen gleichzeitig der Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt.

E. Fazit zum kartellrechtlichen Ordnungsmodell Mit der Beschreibung der wechselseitigen Bedingtheit von Wettbewerb und individueller Freiheit vermag der wettbewerbstheoretische Ansatz die für das GWB charakteristische Abwesenheit von Vorgaben für die Handlungen der Wettbewerber und die vorherrschende Orientierung auf den Schutz vor Wettbewerbsbeschränkungen zu begründen. Das kartellrechtliche Ordnungsmodell nimmt den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren mit Koordinations- und Kontrollfunktion in Bezug.97 Zugleich wird durch das Modell der unsichtbaren Hand eine Verbindung zu dem im Gesetzgebungsverfahren nachdrücklich betonten Gemeinwohlbezug der Wettbewerbsordnung hergestellt. Die Ergebnisse der teleologischen Analyse stehen dabei in Einklang mit der aus den Materialien abgeleiteten Intention des Gesetzgebers und dem Befund der systematischen Betrachtung. Danach etabliert das GWB eine Wirtschaftsordnung, welche durch die im freien Wettbewerb mögliche Synthese von individueller Handlungsfreiheit und wirtschaftlichem Wohlstand geprägt ist. Schutz und Gewährleistung individueller Freiheit und gesellschaftlichen Wohlstands bilden die tragenden Säulen der wettbewerblichen Konzeption des GWB.98

96 E. Hoppmann, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 187 (1972/73), 161, 163; E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 296, 310; dazu W. Möschel, ORDO 32 (1981), 85, 87 f.; vgl. auch W. HoffmannRiem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261, 268. 97 Näher zu den hieraus abgeleiteten Wettbewerbsfunktionen I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 28 ff. 98 Vgl. auch U. Hösch, Die kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 8, 17. Zum Verhältnis von Wohlstand und Freiheit schon bei den Klassikern E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 81; vgl. auch H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage, S. 42 m.w. N.; K. Herdzina, in: Andreae/Kirchhoff/Pfeiffer (Hrsg.), FS Benisch, S. 3; W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 338 f.; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 28, 33.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

Zweiter Abschnitt

Konsequenzen des Ordnungsmodells Aus dem dargestellten kartellrechtlichen Ordnungsmodell lassen sich Folgerungen zum Verhältnis von hoheitlichen Maßnahmen und individuellem Wettbewerbshandeln ableiten.

A. Instrumentalisierung des Wettbewerbs Die Beschreibung des Wettbewerbs als eigenständige Koordinationsordnung mit immanenter gemeinwohlbezogener Richtigkeitsgewähr wirft die Frage nach dem Verhältnis der Wettbewerbsordnung zu Formen staatlichen Handelns auf. Grundprinzip jeglichen staatlichen Handelns ist das Streben nach Beförderung des Gemeinwohls,99 wobei infolge der Allgemeinheit des Begriffs die Ableitung von Einzelmaßnahmen erst im Wege der Konkretisierung anhand von Unterzielen möglich ist100. In Erfüllung seines Gemeinwohlauftrags bedient sich der moderne Rechtsstaat zahlreicher Handlungsformen, um regelnd und steuernd in den verschiedensten Lebensbereichen zu intervenieren. Neben dieses gemeinwohlorientierte hoheitliche Handeln tritt das von privater Handlungsrationalität bestimmte individuelle Wettbewerbshandeln mit seinem eigenen, in der Mustervoraussage gefassten Gemeinwohlbezug.101 Die Gemeinwohlbindung des Staatshandelns und die eigenständige Richtigkeitsgewähr der Wettbewerbsergebnisse erweisen sich dabei als konstitutiv für das Verhältnis des freiheitlich-demokratischen Staatswesens zur Wettbewerbsordnung. Wettbewerb wurde charakterisiert als Ordnung zur Koordination widerstreitender Individualziele, die durch den Mechanismus der unsichtbaren Hand das Gemeinwohl befördert. In dieser Perspektive bildet die Wettbewerbsordnung eine alternative Form der Gemeinwohlkonkretisierung, die im Rahmen eines autonomen Verfahrens zu einer eigenständigen Gemeinwohlverwirklichung führt. Für den freiheitsschützenden und gemeinwohlfördernden Staat bildet die Wettbewerbsordnung damit, neben der unmittelbaren Setzung und Verfolgung von Gemeinwohlzielen, eine eigenständig nutzbare Steuerungsressource.102 99 J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts, § 57 Rn 1; BVerfG, Beschl. v. 21.09.1976 – 2 BvR 350/75, BVerfGE 42, 312, 332; speziell für die Wirtschaftspolitik H.-R. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 82 f.; U. Palm, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 101, 103; dazu schon oben 1. Teil, 2. Abschnitt, B. 100 Vgl. J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts, § 57 Rn 88. 101 Vgl. J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts, § 57 Rn 78 f. 102 Vgl. zu dieser Perspektive W. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnun-

2. Abschnitt: Konsequenzen des Ordnungsmodells

127

Es besteht aus Sicht des Gesetzgebers im Bereich wirtschaftlicher Sachverhalte – innerhalb verfassungsrechtlicher Grenzen – eine Wahlmöglichkeit zwischen eigenem hoheitlichen Handeln einerseits und der Institutionalisierung einer auf individueller Handlungsrationalität beruhenden Wettbewerbsordnung andererseits.103 Im Hinblick auf diese Entscheidungssituation kann man für den Bereich des GWB von einer staatlichen Instrumentalisierung des Wettbewerbs ausgehen.104 So wie Wettbewerb aus Sicht der Marktakteure Ausdruck individueller Freiheit ist, erscheint er aus Sicht des gemeinwohlverpflichteten Staates als Instrument der Gemeinwohlkonkretisierung und -verwirklichung.105 Indem das GWB einen Bereich freier wettbewerblicher Koordination anerkennt und schützt, wird die Leistung des Wettbewerbsverfahrens nutzbar gemacht.106 Der Gesetzgeber bedient sich gezielt des wettbewerblichen Steuerungspotentials und befördert, vermittelt durch Markt und Wettbewerb, das Gemeinwohl indirekt.107 Das hierdurch erzielte Wettbewerbsergebnis verfügt aufgrund der Mustervoraussage über eine eigene verfahrensbedingte Richtigkeitsgewähr und als Resultat privatautonomer Willensbildung über eine eigenständige Legitimation.108 Grundlage des herausgearbeiteten kartellrechtlichen Ordnungsmodells ist ein Verständnis, das in staatlichem Handeln mit unmittelbarer Gemeinwohlausrichtung und individuellem Handeln im Wettbewerb komplementäre Formen

gen, S. 261, 268; H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13, 14; vgl. auch P. Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 1, 7; W. Engels, in: von Weizsäcker (Hrsg.), Staat und Wirtschaft, S. 45, 50; H.-H. Trute/W. Denkhaus/D. Kühlers, Regelungsstrukturen der Kreislaufwirtschaft, S. 71, 82 in Bezug auf Kooperationen im Bereich des KrW-/AbfG. 103 Vgl. BVerfG, Urt. v. 20.07.1954 – 1 BvR 459 u. a. – Investitionshilfe, BVerfGE 4, 7, 18. 104 Insofern wird Wettbewerb mit den Worten von L. Miksch, Wettbewerb als Aufgabe, S. 11 zur staatlichen Veranstaltung, vgl. E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 296, 301. 105 W. Möschel, ORDO 32 (1981), 85, 89; U. Immenga, Politische Instrumentalisierung des Kartellrechts?, S. 8; C. C. von Weizsäcker, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 85, 94. 106 U. Hösch, Die kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 16; U. Immenga, Politische Instrumentalisierung des Kartellrechts?, S. 8. 107 Vgl. H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 171 f.; J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts, § 57 Rn 78; siehe auch W. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261, 268 ff.; C. C. von Weizsäcker, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 85, 94. 108 D. Schmidtchen, Wettbewerbspolitik als Aufgabe, S. 183; in Bezug auf das Zivilrecht auch W. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Band, Das Rechtsgeschäft, S. 7.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

der Gemeinwohlverwirklichung mit jeweils eigener Handlungsrationalität erblickt.109 Während gemeinwohlorientiertes Staatshandeln durch öffentlich-rechtliche Gesetzmäßigkeitsvoraussetzungen bestimmt wird, ist der Wettbewerb geprägt vom legitimen Eigennutzstreben der Wettbewerber, das keinem Begründungszwang unterliegt.110 Unter Berücksichtigung grundgesetzlicher Vorgaben111 ist für die Wahl der jeweiligen Handelnsordnung vor allem die politische Einschätzung der Aufgabenadäquanz der jeweiligen Ordnung ausschlaggebend.112

B. Bindung an die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs Wo die Entscheidung zu Gunsten wettbewerblicher Koordination getroffen wird, können allerdings die Funktionsbedingungen der Wettbewerbsordnung nicht außer Acht gelassen werden.113 Nur soweit tatsächlich eine funktionierende Wettbewerbsordnung besteht, ist der Wettbewerb in der Lage, die an ihn gestellten Erwartungen im Hinblick auf individuelle Freiheit und gesellschaftliche Wohlfahrt zu erfüllen. Die Anerkennung der eigenen Legitimation der Wettbewerbsergebnisse, welche Grundlage der staatlichen Instrumentalisierung des wettbewerblichen Steuerungspotentials ist, beruht auf der Art ihrer Entstehung im freien Wettbewerb.114 Wo die Bedingungen für freien Wettbewerb fehlen, können die Wettbewerbsergebnisse die aus der Mustervoraussage abgeleitete Vermutung der Gemeinwohlrichtigkeit nicht für sich in Anspruch nehmen. Der Einsatz der durch das Kartellrecht geschützten Wettbewerbsordnung zur Beförderung des Gemeinwohls ist folglich an die grundsätzliche Möglichkeit von freiem Wettbewerb gebunden.115 Zugleich entfalten die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs Bindungswirkung für die Ausgestaltung der Wettbewerbs109 Zu den jeweils verschiedenen Handlungsrationalitäten, vgl. W. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261, 268; vgl. auch H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13, 14. 110 Vgl. H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13, 14; E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 7, 16. 111 Dazu etwa H.-H. Trute/W. Denkhaus/D. Kühlers, Regelungsstrukturen der Kreislaufwirtschaft, S. 85 dort auch zur Möglichkeit einer Kombination verschiedener Mechanismen. 112 H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 171. 113 Vgl. hierzu E.-J. Mestmäcker, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 383, 416. 114 D. Schmidtchen, Wettbewerbspolitik als Aufgabe, S. 182 f.; Deregulierungskommission, Marktöffnung und Wettbewerb, Tz. 5; J. F. Baur, Der Mißbrauch im deutschen Kartellrecht, S. 58.

2. Abschnitt: Konsequenzen des Ordnungsmodells

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ordnung.116 Diese Bindung zwingt einerseits zum Verzicht auf eigene finale Steuerungsversuche und andererseits begründet sie eine Verantwortung für den Schutz des Wettbewerbs. I. Abwesenheit von materiellen Vorgaben Wesentliche Eigenschaft des Wettbewerbsprozesses ist dessen Unvorhersehbarkeit. Infolge der dezentralen Entdeckung und Verarbeitung von Informationen ist es ausgeschlossen, konkrete Wettbewerbsergebnisse ex ante zu bestimmen.117 Die Mustervoraussage stützt allein eine generelle Voraussage.118 Konsequenz dieser fehlenden Planbarkeit ist umgekehrt, dass Wettbewerbsergebnisse auch nicht konkret vorgegeben werden können und der Einsatz des Wettbewerbs zur Bewirkung konkretisierter Gemeinwohlziele ausscheidet.119 Die Nutzung der Koordinations- und Entdeckungsleistung des Marktes schließt die exogene Programmierung des Marktgeschehens aus. Marktrationalität des Wettbewerbs kann nicht zur Verfolgung planrationaler Ziele genutzt werden.120 Unvereinbar mit wettbewerblicher Steuerung sind darüber hinaus konkrete Vorgaben für das Wettbewerbsverhalten Einzelner.121 Soll die wettbewerbsspezifische Koordination und Ergebnisfindung im Wege freiheitlicher Betätigung im Markt nicht reine Fiktion bleiben, muss Raum für die autonome Entfaltung und die Verfolgung individueller Handlungsziele tatsächlich gegeben sein.122 Die 115 Im Übrigen ist schon die Entstehung von Wettbewerb nicht voraussetzungslos, dazu schon oben 3. Teil, 1. Abschnitt, C. 116 Vgl. auch E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einleitung Rn 1; sowie E.-J. Mestmäcker, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 383, 416. 117 E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 296, 312; F. A. von Hayek, in: Freiburger Studien, S. 249, 251; E. Hoppmann, in: Tuchtfeldt (Hrsg.), Soziale Marktwirtschaft im Wandel, S. 27, 33. 118 K. Herdzina, in: Andreae/Kirchhoff/Pfeiffer (Hrsg.), FS Benisch, S. 3, 9; E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 296, 312. 119 E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 296, 312. 120 Vgl. F. A. von Hayek, in: Freiburger Studien, S. 249; E. Hoppmann, in: Tuchtfeldt (Hrsg.), Soziale Marktwirtschaft im Wandel, S. 27, 40. Vgl. auch H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 173. 121 Vgl. P. Badura, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 245, Rn 78; vgl. auch W. R. Schluep, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 569, 586. 122 Vgl. W. Möschel, JZ 1975, 393, 398; F.-U. Willeke, Grundsätze wettbewerbspolitischer Konzeptionen, S. 16; vgl. auch M. Kubiciel, Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen, S. 53; E. Hoppmann, in: Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5, 11. Während dem Staat Raum bleibt, die Daten der Unternehmensplanung zu setzen, wäre eine Ersetzung der Unternehmensplanung durch staatliche Stellen mit dem proklamierten Wettbewerbsziel nicht

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

Abhängigkeit des Wettbewerbsprozesses von individueller Zielsetzung und Handlungsrationalität schließt materielle Vorgaben und hoheitliche Ergebnisprogrammierung aus. Die Nutzung des wettbewerblichen Steuerungspotentials bedingt somit implizit einen Regelungsverzicht. Der Einsatz des Wettbewerbs zur Beförderung des Gemeinwohls findet seine Grundlage nicht in der Erwartung eines bestimmten Ergebnisses im Sinne einer angenommenen Vorabdeterminierung. Vielmehr erstreckt sich die wettbewerbliche Koordination im Wege individueller Zielsetzung und -verfolgung in gleichem Maße auf die Konkretisierung des Gemeinwohls wie auch auf dessen Verwirklichung.123 Wo die Grundentscheidung zu Gunsten wettbewerblicher Koordination gefallen ist, scheidet danach ein unmittelbarer Durchgriff auf konkrete Gemeinwohlziele aus, da hierdurch der Legitimationszusammenhang des Wettbewerbs durchbrochen würde, welcher gerade auf der individuellen Handlungsrationalität der Wettbewerber beruht. Es findet also einerseits eine Entlastung von der Notwendigkeit statt, gemeinwohlrichtige Ziele zu bestimmen. Andererseits erfordert die Wettbewerbsordnung aber auch Zurückhaltung und den Verzicht auf die Setzung finalisierter Ziele.124 Die Aktivierung der marktrationalen Steuerung im Wettbewerb erfordert eine Rücknahme des staatlichen Steuerungsanspruchs. Im Bereich des Wettbewerbs entsteht so ein von unmittelbarer staatlicher Steuerung freier Raum unter Geltung der Wettbewerbsrationalität. Die für das GWB festgestellte Abwesenheit von materiellen Bestimmungen zu den Zielen des Wettbewerbs findet hierin ihre Rechtfertigung. II. Gewährleistung einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung Eine bloße Rücknahme staatlicher inhaltlicher Steuerung würde indessen der staatlichen Gemeinwohlverantwortung nicht gerecht werden. Auch bei Abwesenheit staatlicher Eingriffe ist der freie Wettbewerb Gefährdungen ausgesetzt, die die Gemeinwohlrichtigkeit der Wettbewerbsergebnisse beeinträchtigen können. Soll das Steuerungspotential des Wettbewerbs genutzt werden, sind daher Vorkehrungen zum Schutz des Wettbewerbs gegen diese Gefährdungen unumgänglich.125 Die staatliche Gemeinwohlbindung besteht in Form einer Verantwortlichkeit für das Funktionieren der Wettbewerbsordnung fort. vereinbar; E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einleitung Rn 1. Zu Formen einer solchen Einflussnahme vgl. H.-H. Trute, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 197 ff. 123 Vgl. C. C. von Weizsäcker, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 85, 94. 124 Freilich bedingt dies keine Untätigkeit des Staates, vgl. etwa H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 329.

2. Abschnitt: Konsequenzen des Ordnungsmodells

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Die Orientierung an einem vorab bestimmten Ergebnis wird abgelöst durch den verfahrensorientierten Schutz der Funktionsbedingungen des Wettbewerbsprozesses.126 Neben den allgemeinen Grundlagen, die eine wirtschaftliche Entfaltung im Wettbewerb überhaupt erst ermöglichen,127 sind hierzu Regeln erforderlich, die die individuellen Handlungssphären im Wettbewerb gegeneinander abgrenzen. Die Normen des GWB dienen insofern der Ermöglichung und dem Schutz des wettbewerblichen Koordinationsprozesses und stellen dadurch die Vereinbarkeit des privatautonomen Handelns mit den öffentlichen Interessen sicher.128 Das GWB, das auch als Wettbewerbsgewährleistungsrecht beschrieben wurde,129 ist demnach Ausdruck staatlicher Verantwortung für den Wettbewerb.

C. Stellung der Kartellaufsicht im GWB Die beschriebene Abwesenheit von materiellen Vorgaben gilt in gleichem Maße auch für die kartellrechtliche Aufsicht. Allerdings wurde mit Blick auf die Befugnisse der Kartellbehörden mitunter eine abweichende Meinung vertreten. I. Kartellaufsicht als Lenkung Nach einer insbesondere von Bullinger vertretenen Ansicht sollte es sich bei der Tätigkeit der Kartellbehörden um eine Wirtschaftslenkung handeln.130 Im Unterschied zur Aufsicht, die allein der Durchsetzung bestehender Maßstäbe diene, sei die Lenkung durch das Setzen neuer Maßstäbe gekennzeichnet.131 125 E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 296, 299; W. Hoffmann-Riem, in: Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi (Hrsg.), FS Vogel, S. 47, 49. 126 W. Möschel, JZ 1975, 393, 394; E.-J. Mestmäcker, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 383, 416; E. Hoppmann, in: Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5, 11; W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 356; L. Vollmer, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 289, 291. 127 Dazu schon oben 3. Teil, 1. Abschnitt, C. Fn 65. 128 E.-J. Mestmäcker, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 383, 383; vgl. auch W. Möschel, JZ 1975, 393, 394; das GWB gilt insofern der Sicherung der Richtigkeitsvoraussetzungen, vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht – Kartellverwaltungsrecht – Bürgerliches Recht, S. 99. 129 F. Rittner, Wirtschaftsrecht, S. 475. 130 M. Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 264; vgl. auch schon L. Miksch, Wettbewerb als Aufgabe, S. 63; dazu W. Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz. 131 M. Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 264, 285 f.; zur Begrifflichkeit vgl. P. J. Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 250 m.w. N.; D. Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 37; vgl. aber auch R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 21, 25 Fn 9.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

Nach dieser Ansicht sollte insbesondere die fehlende Bestimmtheit des kartellrechtlichen Missbrauchsbegriffs den Rückgriff auf wirtschaftspolitische Zielsetzungen nötig machen.132 Die hierin angedeutete Lenkung nach beliebigem politischen Programm ist im kartellrechtlich orientierten Schrifttum auf vehemente Ablehnung gestoßen.133 Tatsächlich lassen sich im Hinblick auf die Gemeinwohlbindung der kartellrechtlichen Aufsicht unterschiedliche Ansätze ausmachen.134 Denkbar ist neben einer eher am Erhalt des Wettbewerbsprozesses orientierten Aufsicht eine Wettbewerbsaufsicht, die unmittelbar der Verwirklichung öffentlicher Interessen verpflichtet ist.135 Unter Verweis auf die Gemeinwohlbindung staatlichen Handelns könnte gefolgert werden, die Einschaltung der Kartellbehörden diene dem Ausgleich öffentlicher Interessen mit denen der Wettbewerber. In dieser Sichtweise obläge den Wettbewerbern die legitime Verfolgung ihrer Eigeninteressen, während es Aufgabe der Kartellbehörden wäre, das Gemeinwohl gegen eine Erodierung durch die eigennutzorientierten Handlungen der Wettbewerber zur Geltung zu bringen. Nach einer solchen Auffassung der Instrumentalisierung des Wettbewerbs stünden Wettbewerbsergebnisse unter dem generellen Vorbehalt der Gemeinwohlrichtigkeit und wären in dieser Hinsicht von der Aufsicht zu überwachen.136 Wirtschaftlicher Wettbewerb wäre nur in dem Maße zugelassen, in dem die tatsächlichen Wettbewerbsergebnisse im Einklang mit den von der Wettbewerbsaufsicht konkretisierten öffentlichen Interessen stehen. Das Kartellrecht wäre damit geprägt von einem permanenten Konflikt zwischen Gemeinwohl und Wettbewerb, wobei den Kartellbehörden die planvolle Lenkung des Wettbewerbsgeschehens am Maßstab des im Einzelfall bestimmten Gemeinwohls zukäme. Das privatautonome Verhalten erschiene in den Dienst konkreter Ziele gestellt und zur Erreichung bestimmter gesamtwirtschaftlicher Zielvorstel-

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M. Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 264, 293 ff. J. F. Baur, Der Mißbrauch im deutschen Kartellrecht, S. 69 ff.; W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 152 ff.; W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 294; F. Rittner, Wirtschaftsrecht, S. 476 ff.; E.-J. Mestmäcker, DB 1968, 1800, 1803; E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-ObKonzept, S. 7; vgl. auch P. J. Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 262; E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einleitung Rn 4. Zur verfassungsrechtlichen Dimension vgl. H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage, S. 27 f. 134 Zu verschiedenen Konzeptionen W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 54 ff. 135 Vgl. hierzu W. Möschel, Rechtsordnung zwischen Plan und Markt, S. 8; W. Möschel, JZ 1975, 393, 394; E.-J. Mestmäcker, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 383, 416; E. Hoppmann, in: Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5. 136 Dazu E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 77; E. Hoppmann, in: Tuchtfeldt (Hrsg.), Soziale Marktwirtschaft im Wandel, S. 27, 35. 133

2. Abschnitt: Konsequenzen des Ordnungsmodells

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lungen137 eingesetzt. Kartellbehörden wären dann zur eigenständigen Beförderung eines bestimmten Gemeinwohls berufen. II. Ausgestaltung der Kartellaufsicht im GWB Mit dem GWB und dem hier herausgearbeiteten Ordnungsmodell des Gesetzes ist ein solcher Ansatz indessen nicht vereinbar. Problematisch ist im vorliegenden Untersuchungszusammenhang nicht die generelle Zulässigkeit solcher finaler Einflussnahmen auf den Wirtschaftsprozess.138 Die geschilderten lenkenden Eingriffe sind jedoch im Rahmen der Wettbewerbskonzeption des GWB nicht realisierbar und transzendieren somit das gegenwärtige Kartellrecht.139 1. Bedeutung der Freiheit für den kartellrechtlichen Ansatz und die Mustervoraussage Das dargestellte funktionale Verständnis des Wettbewerbs vernachlässigt die Dimension des Wettbewerbshandelns als Freiheitsbetätigung der Wettbewerber. Privatautonomes Handeln im Wettbewerb wurde als tragende Säule des Wettbewerbskonzepts herausgearbeitet.140 Gerade die eigennutzorientierte Handlungsrationalität ist Grundlage der wettbewerblichen Mustervoraussage. Wenn die Erzielung des Gemeinwohls als innere Rechtfertigung für das Wettbewerbsprinzip identifiziert wurde, so war dies gleichzeitig in den Rahmen der individualistischen Rationalität der Wettbewerber eingebettet. Dieser freiheitsbezogene Aspekt der Wettbewerbsordnung wird durch das Verständnis der Kartellaufsicht als Wirtschaftslenkung nicht hinreichend berücksichtigt.141 Dem Verständnis des Wettbewerbsprozesses als Ausprägung grundrechtlich geschützten Handelns wird es nicht gerecht, einen latent fortdauernden Konflikt zwischen Wettbewerb und Gemeinwohl anzunehmen, der im Wege kartellbehördlicher Lenkung zu lösen wäre.142 Das Verhältnis kartellbehördlicher Tätigkeit zum öffentlichen Interesse muss vielmehr berücksichtigen, dass die Ergebnisse des freien Wettbewerbs eine aus der Mustervoraussage begründete eigene Gewähr der Gemeinwohlrichtigkeit in sich tragen.143 137 Vgl. F. Rittner, Wirtschaftsrecht, S. 475; E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61, 77. 138 Die Frage ist hier ebenso wenig zu behandeln, wie die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines solchen Vorgehens. 139 So schon U. Immenga, Politische Instrumentalisierung des Kartellrechts?, S. 19. 140 Vgl. oben 3. Teil, 1. Abschnitt, D.II.1. 141 Vgl. auch P. Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 1, 7. 142 Vgl. auch E.-J. Mestmäcker, DB 1968, 787, 791; E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 54 (1990), 409, 413. 143 Vgl. oben 3. Teil, 1. Abschnitt, D.II.2.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

Nach der gesetzgeberischen Wertung erfolgt die Konkretisierung des Gemeinwohls im Bereich des GWB durch den Wettbewerbsprozess. Kartellbehördlicher Schutz des öffentlichen Interesses findet durch den Schutz der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs statt. Grundlage kartellbehördlicher Maßnahmen ist somit nicht eine konkrete Konzeption des Gemeinwohls oder die Verfolgung bestimmter gewünschter Ergebnisse. Vielmehr gilt auch für Maßnahmen der Kartellbehörden die Annahme, dass freier Wettbewerb selbst das Gemeinwohl bewirken werde. Die Schutzaufgabe der Kartellbehörden ist folglich auf den Wettbewerb selbst bezogen.144 Ein eigenständiger Entwurf einer Gemeinwohlkonzeption bzw. die Ableitung speziellerer Anforderungen aus dem allgemeinen Gemeinwohlinteresse, wie es dem Modell der Lenkung zugrunde liegt,145 ist den Kartellbehörden unter Geltung des GWB versagt.146 Im kartellrechtlichen Ordnungsmodell ist der erforderliche Gestaltungsspielraum zur Bestimmung solcher Ziele nicht gegeben. Der aus dem Charakter des Wettbewerbs begründete Regelungsverzicht schafft einen Freiraum für wettbewerbliche Entfaltung, der durch die Wettbewerber und nicht durch die Kartellbehörden ausgefüllt werden soll.147 2. Ordnungskonforme Ausgestaltung der Kartellaufsicht Die Ausgestaltung der Kartellaufsicht hat sich in das kartellrechtliche Ordnungsmodell einzufügen. Nachdem das GWB der Errichtung eines Rahmens für die Entfaltung des Wettbewerbs dient, ist die Aufgabe der Kartellbehörden auf diesen Rahmen bezogen. Die Kartellbehörden haben danach das Verhalten der Wettbewerber an dem durch das GWB gesetzten Rahmen zu messen und festgestellte Regelübertretungen möglichst zu unterbinden. Wenn die Kartellbehörden über die Zulässigkeit von Wettbewerbshandlungen bzw. deren Missbräuchlichkeit zu entscheiden haben, handelt es sich regelmäßig um Entscheidungen zwischen kollidierenden Privatinteressen. Der erforderliche

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Vgl. E.-J. Mestmäcker, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 383,

416. 145

Vgl. zum Begriff der Lenkung D. Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 37. Insofern sind Bestrebungen der Kartellbehörden Verbraucherschutz zu betreiben nicht unbedenklich, vgl. H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage, S. 19. Der Beitrag der Kartellbehörden zum Verbraucherschutz besteht gerade im Wettbewerbsschutz, so zutreffend R. Belke, ZHR 138 (1974), 227, 236; vgl. auch W. Möschel, in: Immenga/Möschel/Reuter (Hrsg.), FS Mestmäcker, S. 673; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 29. 147 Dieser grundsätzliche Regelungszusammenhang würde verkannt, wollte man aus der „Maßstabslosigkeit“ die Notwendigkeit von Lenkungsmaßnahmen ableiten; vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 7, 18. 146

2. Abschnitt: Konsequenzen des Ordnungsmodells

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Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen der Wettbewerber148 und die dazu erfolgende Abgrenzung der jeweiligen Freiheitssphären erfolgt ohne einen Rückgriff auf einen kartellbehördlichen Gemeinwohlmaßstab. Wo unbestimmte Rechtsbegriffe vorliegen, sind diese nicht durch eine eigenständige Gemeinwohlorientierung, sondern unter Rückgriff auf die geschilderte Wettbewerbskonzeption und die Ausrichtung an der Freiheit des Wettbewerbs zu konkretisieren.149 Maßstab ist damit nicht die Übereinstimmung der Wettbewerbsresultate mit einem vorab konkretisierten Ergebnis. Das Verhalten der Wettbewerber unterliegt keinem Begründungszwang150 und wird nicht auf die Vereinbarkeit mit dem Gemeinwohl geprüft.151 Ziel der Kartellaufsicht ist es nicht, im Wege von Verwaltungsverfügungen einer bestimmten Konzeption des Gemeinwohls zum Durchbruch zu verhelfen,152 sondern vielmehr die Beförderung des Gemeinwohls im Wege des freien Wettbewerbs durch Koordination im Markt zu ermöglichen. Hierzu muss die Wettbewerbsaufsicht den im GWB geschaffenen Raum für wettbewerbliche Koordination respektieren und sich auf den Schutz der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs beschränken, wobei insbesondere auf die Selbstheilungskräfte des Marktes zurückgegriffen werden kann. Auch dort, wo das freie Spiel der Kräfte zu erstarren droht, ersetzt die Kartellaufsicht nicht die Marktkräfte, sondern ergreift Maßnahmen zur Beseitigung von Wettbewerbshindernissen.153 Kartellrechtliche Eingriffe in den Wettbewerbsprozess erfolgen punktuell korrigierend, so dass die Notwendigkeit zur Entwicklung einer eigenständigen Gemeinwohlkonzeption, die zu verfolgen wäre, nicht besteht. Kartellaufsicht ist insofern reaktiv auf den Einzelfall bezogen.154 Nicht eigene Initiativen zur Steuerung des Wettbewerbs bilden den Anlass für das Einschreiten der Kartellbehörden, sondern Verletzungen der Regeln des freien Wettbewerbs durch einzelne Marktteilnehmer. Grundlage des Eingriffs ist nicht ein im Einzelfall angenommenes Auseinanderfallen der eigenen Gemeinwohlvorstellung und des Wettbewerbsergebnisses, sondern ein Überschreiten der

148 Dazu M.-G. Kremer, Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde, S. 55; H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 193; auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 49. 149 Vgl. W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 78. 150 E. Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 285. 151 E.-J. Mestmäcker, DB 1968, 787, 791; W. Möschel, JZ 1975, 393, 394 unter Verweis auf Monopolkommission, Sondergutachten 1. 152 Zum insofern bestehenden Unterschied etwa zum Stabilitätsgesetz, vgl. schon oben 3. Teil, 1. Abschnitt, C. 153 Vgl. W. Möschel, JZ 1975, 393, 394. 154 Siehe auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 48 f.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

Grenzen zulässigen Wettbewerbshandelns, das aus diesem Grund die Gemeinwohlrichtigkeit der Wettbewerbsergebnisse zu untergraben droht.155 3. Keine Durchbrechung bei kartellbehördlichen Abwägungen Dem hier vertretenen Ansatz stehen vereinzelte Bezugnahmen auf das öffentliche Interesse bzw. das Gemeinwohl im GWB nicht entgegen. Eine solche Bezugnahme findet sich insbesondere in § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB.156 Allerdings handelt es sich hierbei um einen Sondertatbestand, der die Grenzen kartellrechtlicher Bewertung bewusst überschreitet. Die nach dieser Vorschrift mögliche Ministererlaubnis ist der abschließenden kartellbehördlichen Beurteilung nachgelagert.157 In Abgrenzung zur Entscheidung des Bundeskartellamts werden hier gesamtwirtschaftliche Vorteile und Interessen der Allgemeinheit in die Abwägung einbezogen. Während sich die Abwägung des Bundeskartellamts nach § 36 Abs. 1 GWB allein auf die Auswirkungen der Fusion auf die Wettbewerbsbedingungen beschränkt158, werden durch die Ministererlaubnis auch außerwirtschaftliche Erwägungen berücksichtigt.159 Die Zuweisung dieser Entscheidung an den politisch verantwortlichen Bundeswirtschaftsminister macht deutlich, dass die unmittelbare Einbeziehung von Gemeinwohlerwägungen die kartellrechtliche Betrachtung transzendiert.160 Im Unterschied dazu bleiben kartellbehördliche Abwägungen innerhalb des beschriebenen Ordnungsmodells.161 Deutlich wird dies an der Interessenabwägung, die zur Feststellung der Unbilligkeit einer Behinderung im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB vorzunehmen ist.162 Erforderlich ist hierzu eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB.163 Die Abwägung ist damit zu-

155 Vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht – Kartellverwaltungsrecht – Bürgerliches Recht, S. 99 f.; siehe auch R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 36; W. Möschel, JZ 1975, 393, 394. 156 Ähnlich auch die inzwischen aufgehobene Vorschrift des § 8 GWB im Bereich der Kartelle. 157 H.-J. Ruppelt, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 42 Rn 2. 158 H.-J. Ruppelt, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 36 Rn 48. 159 Vgl. R. Knöpfle, WuW 1974, 5; H.-J. Ruppelt, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 42 Rn 3 ff.; K. Quack, in: FK-Kartellrecht, § 42 Rn 20; dazu auch J. F. Baur, in: Hübner/Ebke (Hrsg.), FS Großfeld, S. 73, 74; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 95. 160 Siehe auch M. Dreher, WuW 1997, 949, 951; W. Möschel, ORDO 48 (1997), 241, 244; M.-G. Kremer, Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde, S. 64. 161 Vgl. H.-J. Ruppelt, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 36 Rn 49; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20 Rn 130. 162 Hierzu K. Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 29 Rn 129 ff.

2. Abschnitt: Konsequenzen des Ordnungsmodells

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nächst auf den konkreten Einzellfall bezogen und wird an der privaten Handlungsrationalität ausgerichtet.164 Die Berücksichtigung der Wettbewerbsfreiheit macht zudem deutlich, dass kein Rückgriff auf materielle Gemeinwohlinteressen erfolgt. Ausschlaggebend ist vielmehr das individuelle Handlungsfreiheitsinteresse der Beteiligten.165 Es erfolgt also wiederum eine Abgrenzung der wechselseitigen Freiheitssphären. Auch wo letztlich auf normative Bewertungen zurückgegriffen wird166, steht die Wettbewerbsfreiheit im Vordergrund. Interessen der Allgemeinheit werden in dieser Abwägung durch den Schutz des Wettbewerbs berücksichtigt.167 Der wettbewerbskonforme Ausgleich zwischen den Beteiligten erfolgt im Hinblick auf deren privatautonome Zielsetzungen und nicht unter Rückgriff auf kartellbehördliche Gemeinwohlvorstellungen.168 Soweit innerhalb des GWB Zielkonflikte auftreten können, führt dies nicht zu einer abweichenden Bewertung der Ausrichtung der Kartellaufsicht.169 Derartige Zielkonflikte werden etwa für den Fall des Ausbeutungsmissbrauchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB zwischen der Freiheit des Wettbewerbs und dem Schutz der Marktgegenseite angenommen.170 Daneben werden Zielkonflikte auch zwischen Wettbewerbsfreiheit und ökonomischer Effizienz unterstellt.171 Allerdings werden sich derartige Konflikte oftmals unter Rückgriff auf die Wettbewerbskonzeption des GWB lösen lassen, ohne dass notwendig schon eine Bewertung von Wettbewerbsergebnissen erforderlich wäre. Hinzu kommt, dass die Entscheidung solcher Konfliktlagen mit einer am Einzelfall orientierten 163 BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 – BGHZ 38, 90, 102; BGH, Urt. v. 27.04.1999 – KZR 35/97 – Feuerwehrgeräte, WuW/E DE-R 357. 164 Siehe auch E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 7, 18. 165 K. Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 20 Rn 133. 166 K. Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 20 Rn 136. 167 E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 54 (1990), 409, 420; K. Markert, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 20 Rn 145; vgl. auch D. K. Munzinger, Mißbräuchliche Preise, Preisbildungssysteme und Preisstrukturen nach § 22 GWB, S. 22 ff., 26. 168 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgenhaftung, BVerfGE 89, 214, 232; zur Berücksichtigung von Wertungen aus anderen Gesetzen vgl. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 20 Rn 137; dazu noch unten 4. Teil, 2. Abschnitt, C.I. 169 Zur Existenz von derartigen Zielkonflikte vgl. W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 339; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 83 ff.; K. Herdzina, in: Andreae/Kirchhoff/Pfeiffer (Hrsg.), FS Benisch, S. 3, 10; dazu auch W. Fikentscher, in: Fikentscher (Hrsg.), Recht und wirtschaftliche Freiheit, 1. Band, S. 3, 10. 170 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 12; sowie unten 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.2. 171 Dazu I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 34; W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 339 ff.; kritisch jedoch E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 296, 309; E. Hoppmann, in: Tuchtfeldt (Hrsg.), Soziale Marktwirtschaft im Wandel, S. 27, 44.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

Abwägung verbunden ist, wobei wiederum von einem Vorrang freiheitssichernden Zielrichtung auszugehen ist.172 Diese Abwägung im Einzelfall macht deutlich, dass die Entscheidung auch hier an privater Handlungsrationalität orientiert ist und eine Ersetzung von Unternehmensentscheidungen nicht erfolgt.173 Die kartellbehördliche Entscheidung ist darauf beschränkt, im Einzelfall einer individuellen Zielsetzung gegenüber einer anderen zum Durchbruch zu verhelfen. Eine Setzung eigener Ziele ist damit nicht verbunden.174 Selbst wo eine Anknüpfung an Marktergebnisse erfolgt, verlassen die Kartellbehörden die Rolle eines Schiedsrichters nicht.175 Letztlich wird man daher auch im Falle von Zielkonflikten nicht von einer Überschreitung des hier herausgearbeiteten Ordnungsmodells ausgehen können. Die erfolgende Einzelfallkontrolle ist vielmehr Ausdruck eines Wettbewerbsschutzes, der in den positiven Wirkungen des Wettbewerbs seine Grundlage findet.176 Dabei sichert die Korrektur von Ausreißern die Akzeptanz der Wettbewerbsordnung im Ganzen.

D. Monofinalität des Kartellrechts Die Untersuchung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells hat zwei charakteristische Wesenszüge des GWB herausgearbeitet. Zunächst wurde die Abwesenheit direkter Eingriffe in den Wettbewerbsprozess unter Rückgriff auf eigene Gemeinwohlzielsetzungen des Gesetzgebers oder der Kartellbehörden festgestellt. Stattdessen stützt sich das GWB auf die in der Mustervoraussage ausgedrückte eigene Richtigkeitsgewähr der Ergebnisse des freien Wettbewerbs. Hieraus folgt als zweites Wesenselement des kartellrechtlichen Ordnungsmodells die Ausrichtung auf den Schutz des Wettbewerbs durch Regeln, die die freie Entfaltung der Wettbewerber absichern. Aus Sicht staatlicher Gemeinwohlorientierung bildet die Wettbewerbsordnung ein eigenständiges System, das gestützt auf die individuelle Handlungsrationalität der Wettbewerber einen Beitrag zur Förderung des Gemeinwohls leistet. Die Orientierung auf die Etablierung und den Schutz der so beschriebenen Wettbewerbsordnung ist prägend für den Regelungsansatz des GWB. Es sind die

172 W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 346; W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 75, 77. 173 Insofern richtig O. Schlecht, Wettbewerb als ständige Aufgabe, S. 48. 174 W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 346; R. Belke, ZHR 138 (1974), 227, 229 f. 175 W. Fikentscher, in: Fikentscher (Hrsg.), Recht und wirtschaftliche Freiheit, 1. Band, S. 3, 15. 176 Insofern hat Wettbewerb an der Wertschätzung seiner Wirkungen teil, vgl. W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 76.

3. Abschnitt: Schlussfolgerungen und weiterer Fortgang der Untersuchung

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Kräfte des freien Marktes, die die notwendige Koordination widerstreitender Individualinteressen vornehmen und die individuellen Pläne der Wettbewerber zum Ausgleich bringen. Weil sich die Ergebnisse des Wettbewerbsprozesses jedoch grundsätzlich einer Vorhersage entziehen, beschränkt sich das Kartellrecht auf die Sicherung der Entstehensvoraussetzungen dieser Ergebnisse. Dem entspricht es, wenn sich die Wettbewerbsordnung auf die Gewährleistung des allgemeinen Rahmens für die Artikulation der Individualinteressen im Marktprozess beschränkt. Die Aufgaben der Kartellaufsicht ergeben sich aus dieser Ausrichtung des GWB, so dass auch für die Kartellbehörden die beschriebene Ausrichtung auf den Schutz des Wettbewerbs maßgeblich ist.177 Im Ergebnis sind also GWB und Kartellaufsicht monofinal auf den Schutz des Wettbewerbs in seiner Eigenschaft als Koordinations-, Kontroll- und Entdekkungsverfahren orientiert.178 Im Begriff der Monofinalität kommt zum Ausdruck, dass die Kartellbehörden nicht selbst eine eigene Gemeinwohlkonzeption unter Rückgriff auf eigene materielle Zielsetzungen entwickeln. Es ist stattdessen Aufgabe und Zweck des Wettbewerbs, die vielseitigen widerstreitenden Individualinteressen im Markt zu koordinieren. Dritter Abschnitt

Schlussfolgerungen und weiterer Fortgang der Untersuchung I. Behandlung der Netze im kartellrechtlichen Ordnungsmodell Das herausgearbeitete kartellrechtliche Ordnungsmodell, welches wirtschaftlichen Wettbewerb auf Grundlage individualistischer Handlungsrationalität zur Steigerung gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt einsetzt, stimmt in seiner Ausrichtung mit der im Zuge der Liberalisierung der Netzwirtschaften intendierten Neuordnung dieser Wirtschaftsbereiche überein.179 Ziel der Rücknahme netzspezifischer Reglementierungen ist es, Freiheitsräume zu eröffnen, um Wett177 Zu diesem Ziel H.-J. Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht 10. Aufl., Einführung Rn 53. 178 W. Möschel, in: Immenga/Möschel/Reuter (Hrsg.), FS Mestmäcker, S. 673, 677; M. Dreher, WuW 1997, 949, 956; J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 535; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 202 f.; vgl. auch B. Duijm, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 9; W. Möschel, ORDO 48 (1997), 241, 244; E. Niederleithinger, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 237, 246; C. Berringer, Regulierung als Erscheinungsform der Wirtschaftsaufsicht, S. 111; H.-H. Trute, in: Eberle/Ibler/Lorenz (Hrsg.), FS Brohm, S. 169, 172. 179 Vgl. dazu oben 1. Teil, 2. Abschnitt, A.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

bewerb zu entfalten und dadurch Effizienzsteigerungen im Sinne des Wohls der Allgemeinheit zu erzielen. Die in der Mustervoraussage zum Ausdruck gebrachte Gemeinwohlverwirklichung im Wettbewerb lässt die Kartellrechtsordnung als aufgabenadäquat für die gemeinwohlorientierte Überführung der Netzwirtschaften in den Wettbewerb erscheinen. Es ist Ziel der Reformen, den staatlichen Einfluss auf die Leistungserbringung zurückzunehmen und die Gemeinwohlsicherung vermittelt durch den Wettbewerb zu erreichen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Forderung nach einer Rückführung netzspezifischer Regelungen zu Gunsten des Kartellrechts Plausibilität.180 Auf der Grundlage des kartellrechtlichen Ordnungsmodells ist aber eine Differenzierung hinsichtlich der im Zweiten Teil identifizierten potentiellen Regelungsbereiche erforderlich. So lassen sich einige der durch die Eigenschaften der Netze veranlassten Regelungen unschwer dem kartellrechtlichen Normalbereich zurechnen, der durch das Ordnungsmodell bezeichneten ist, wohingegen andere Regelungen den kartellrechtlichen Ordnungsrahmen wegen des implizierten hoheitlichen Entscheidungsbedarfs verlassen. 1. Kartellrechtlicher Kernbereich Die im Bereich nachfrageseitiger Netzeffekte erforderliche Berücksichtigung charakteristischer Wettbewerbsstrategien stellt keine grundlegend neuen Anforderungen an den kartellrechtlichen Ordnungsrahmen. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Auswirkungen eines bestimmten Wettbewerbsverhaltens gehört zum Kernbereich kartellrechtlicher Aufgaben. Wenn etwa geltend gemacht wird, nicht kostendeckende Verkäufe seien zur Erreichung der kritischen Masse erforderlich und deshalb nicht wettbewerbsschädigend,181 ist diese Argumentation im Rahmen typischer kartellrechtlicher Bewertungen zu prüfen.182 Ein netzspezifischer Rechtsrahmen ist hier nicht erforderlich. 2. Bereich hoheitlicher Regelungen Daneben gibt es aber auch Bereiche, die sich in den hier herausgearbeiteten kartellrechtlichen Ordnungsrahmen kaum schlüssig integrieren lassen. Es sind dies insbesondere die Bereiche, die nach originär hoheitlichen Maßstäben bzw. unmittelbar unter Rückgriff auf Gemeinwohlvorstellungen zu beurteilen sind und in dieser Form nicht in das auf den Wettbewerb zugeschnittene Kartellrecht 180

Zum sogenannten phasing-out vgl. schon oben Einleitung, Fn 24. Vgl. die Argumentation bei M. Schanzenbach, 2002 Stanford Technology Law Review 4, Tz. 68; M. A. Lemley/D. McGowan, 86 California Law Review 479, 495. 182 Vgl. zur kartellrechtlichen Behandlung J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 163 ff.; M. Schanzenbach, 2002 Stanford Technology Law Review 4, Tz. 68. 181

3. Abschnitt: Schlussfolgerungen und weiterer Fortgang der Untersuchung

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zu integrieren sind. So handelt es sich bei der Allokation von Frequenzen um eine originär hoheitliche Aufgabe, die erst die Grundlage für Wettbewerb schafft und daher kaum in das Wettbewerbsrecht überführt werden kann.183 Ähnliches gilt für die Raumplanung in ihrer Bedeutung für den Bereich natürlicher Monopole. Zu differenzieren ist für den Bereich des Universaldienstes. Kennzeichnend ist hier, dass die jeweiligen Leistungen soweit als möglich im Wettbewerb erbracht werden. Grundlage des Universaldienstes ist allerdings eine unter Rückgriff auf das Gemeinwohl erfolgende Definition des gewünschten Versorgungsniveaus, die einen Rückgriff auf einen wettbewerbsexternen Maßstab erfordert. Die das Kartellrecht tragende Mustervoraussage wird hierbei nicht zugrunde gelegt. Zumindest die Bestimmung des Universaldienstniveaus entzieht sich damit der kartellrechtlichen Regelung. Wo das Universaldienstniveau im Wettbewerb unterschritten ist, wird auch die Administration des Universaldienstes den Rückgriff auf außerkartellrechtliche Instrumente erfordern. Demgegenüber kann die Erbringung der Universaldienstleistungen nach wettbewerblichen Prinzipien erfolgen.184 3. Sicherstellung kompetitiver Zugangsansprüche Indessen entzieht sich die Einräumung von kompetitiven Zugangsansprüchen einer derartigen unmittelbaren Zuordnung unter Rückgriff auf das kartellrechtliche Ordnungsmodell. Wegen der wettbewerbsorientierten Zielsetzung der Zugangseröffnung könnten die entsprechenden Regeln dem Kartellrecht zugerechnet werden. Andererseits bilden die Probleme der Netzzugangsgewährung im gegenwärtigen Rechtsrahmen den Kern der netzspezifischen Regulierung durch die Bundesnetzagentur. Die Frage nach der Eignung des Kartellrechts zur Bewältigung des hier festgestellten Regelungsbedarfs kann damit nicht bereits unter Rückgriff auf das kartellrechtliche Ordnungsmodell beantwortet werden. Erforderlich ist es hierzu, die innerhalb des Ordnungsmodells bestehenden kartellrechtlichen Mittel zu untersuchen.

183 Insofern zutreffend G. Knieps, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 59. Diese Einschätzung dürfte im Übrigen für sämtliche Formen des Wettbewerb um den Markt zutreffen. Die für den Zuschlag erforderlichen Entscheidungen sind kaum innerhalb des Kartellrechts darstellbar. 184 Vgl. C. B. Blankart/G. Knieps, ZögU 1996, Beiheft 19, 51, 60; G. Knieps, in: Oberender (Hrsg.), Die Dynamik der Telekommunikationsmärkte, S. 9, 12; J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 609.

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3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells

II. Fortgang der Arbeit Nach der durch die Bestimmung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells ermöglichten Differenzierung kann sich die weitere Betrachtung auf die Eignung des kartellrechtlichen Rahmens zur Bewältigung der Zugangsproblematik beschränken. Soweit eine Lösung hier kartellrechtlich möglich ist, bliebe der außerkartellrechtliche netzspezifische Regelungsbedarf letztlich auf die Sicherstellung des Universaldienstes und die Frequenzallokation beschränkt. Zur Begründung eines eigenständigen Bereichs des Netzwirtschaftsrechts erscheinen diese Sachbereiche kaum geeignet, da insbesondere der Bereich des Universaldienstes mit zunehmend funktionierendem Wettbewerb an Bedeutung verlieren wird.185 Die Bewältigung der Zugangsproblematik mit den Mitteln des Kartellrechts stellt damit das Kernproblem für die Frage der Notwendigkeit eines dauerhaften Netzwirtschaftsrechts dar. Erweist sich der kartellrechtliche Rechtsrahmen als ungeeignet, eine angemessene Lösung der Problematik der natürlichen Netzmonopole und der Netzeffekte zu finden, erschiene die Einräumung kompetitiver Zugangsansprüche zu Netzstrukturen als Kernbereich eines entstehenden Netzwirtschaftsrechts.

185 Vgl. für den Bereich der Telekommunikation Monopolkommission, Sondergutachten 24, S. 17; dazu auch schon oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.III.

Vierter Teil

Eignung kartellrechtlicher Mittel zur Bewältigung der netztypischen Zugangsproblematik Die Gewährung von Zugangsrechten dient der Überwindung der ökonomischen Probleme der Netzwirtschaften.1 Im Unterschied zum gegenwärtigen Recht, welches als Privatisierungsfolgenrecht Zugangsansprüche sowohl für Endkunden als auch für Wettbewerber vorsieht, wurde nur der Bereich des kompetitiven Zugangs als Dauerproblem identifiziert. Zu untersuchen ist im Folgenden, inwieweit aus kartellrechtlichen Normen kompetitive Zugangsansprüche abzuleiten sind. Nach den Ergebnissen des Zweiten Teils kommen zunächst solche Zugangsobjekte in Betracht, die sich als natürliche Netzmonopole beschreiben lassen.2 Hinzu kommen unter Umständen auch Zugangsansprüche im Bereich von Netzen mit Netzeffekten.3 Zur gemeinsamen terminologischen Erfassung der Problematik wird im folgenden ein weiter Begriff des Zugangs zugrunde gelegt. Umfasst sind in diesem Sinne alle Ansprüche auf eine Mitbenutzung von Netzstrukturen zur Erzeugung, Erbringung oder Lieferung eigener Produkte oder Dienstleistungen. Der telekommunikationsrechtliche Begriff der Zusammenschaltung4 unterfällt diesem Zugangsbegriff ebenso wie Formen der Durchleitung in Transportnetzen und der Offenlegung von Standards im Bereich immaterieller Netze.5 Verbindendes Merkmal der verschiedenen Zugangsformen ist der Versuch, die Auswirkungen tatsächlich bestehender netzspezifischer Marktmacht zu begrenzen und gegebenenfalls ein Übergreifen auf die nachfolgenden Wertschöpfungsstufen durch die Ermöglichung von Wettbewerb zu vermeiden.6 Untersucht wird zunächst die Ebene grundsätzlicher Zugangsgewährung. Danach wird geprüft, inwieweit die mit der Zugangsgewährung verbundene Absicherung adäquater Zugangskonditionen erfolgen kann. 1

Vgl. oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.I.2. Zur Frage einer Erstreckung auf natürliche Oligopole, vgl. 2. Teil, 1. Abschnitt, A.VI. 3 Dazu oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.II.2. 4 Vgl. § 3 Nr. 34 TKG. 5 Dies gilt auch unabhängig davon, ob auf Grund physikalischer Gegebenheiten ein Transport tätsächlich stattfindet. 6 Vgl. hierzu schon oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.I.2. 2

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Erster Abschnitt

Bestehen von Zugangsansprüchen Infolge der Grundentscheidung für wettbewerbliche Leistungserbringung im Bereich der Netzwirtschaften ist regelmäßig von einer privaten Inhaberschaft der von den Zugangsansprüchen betroffenen Netzelemente auszugehen.7 Die Gewährung eines Zugangsrechtes für Wettbewerber, welches gegebenenfalls auch gegen den Willen des Inhabers durchgesetzt werden kann, erfordert die Statuierung eines Kontrahierungszwanges. Im Folgenden werden zuerst die kartellrechtlichen Ansprüche dargestellt, welche grundsätzlich die Mitbenutzung von Einrichtungen eines Wettbewerbers ermöglichen. Im Anschluss daran wird untersucht, ob diese Ansprüche geeignet sind, Zugangsansprüche zu den hier als problematisch identifizierten Netzbereichen zu gewähren.

A. Kartellrechtliche Zugangsansprüche Privatrechtliche Verträge werden nach dem Grundsatz der Privatautonomie nur geschlossen, wenn beide Seiten am Vertragsschluss interessiert sind. Ein Kontrahierungszwang, der die Entschließungsfreiheit des verpflichteten Teils zu Gunsten des Vertragspartners einschränkt, stellt in diesem System eine Ausnahme dar.8 Im Bürgerlichen Recht wird die Anerkennung eines Kontrahierungszwanges teilweise unter Berufung auf § 826 BGB diskutiert.9 Für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen dürfte die Vorschrift indessen ihre Bedeutung an die spezielleren Normen des GWB verloren haben.10 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird der Blick damit unmittelbar auf den Bereich kartellrechtlicher Ansprüche gelenkt. Auch im Kartellrecht gilt der Grundsatz, dass die schlichte Verweigerung eines Geschäftsabschlusses nicht rechtswidrig ist.11 Die Weigerung eines Einrichtungsinhabers, Dritten Zugang zu seiner Einrichtung zu gewähren, begegnet in 7 Offen ist die Frage derzeit noch für die Schienenwege der Deutschen Bahn AG. Sofern nicht eine unabhängige Trassengesellschaft geschaffen wird, sind die Probleme hier trotz Art. 87e GG ähnlich. 8 W. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Band, Das Rechtsgeschäft, S. 611 ff.; vgl. auch D. Medicus, Schuldrecht I, Rn 79 ff. 9 Vgl. D. Medicus, Schuldrecht I, Rn 84; ablehnend J. Oechsler, in: Staudinger, BGB (2003), § 826 Rn 433. 10 Vgl. H. Sprau, in: Palandt, BGB, 65. Aufl., § 826 Rn 48; J. Oechsler, in: Staudinger, BGB (2003), § 826 Rn 429 unter Verweis auf spezialgesetzliche Normierungen; vgl. aber auch K. Larenz, Schuldrecht, 1. Band, AT, S. 47 ff. 11 Das von der jeweiligen Marktstellung unabhängige Boykottverbot des § 21 GWB kann einen Kontrahierungszwang nicht begründen, da es gerade an dem boykotttypischen Aufruf zum Boykott fehlt.

1. Abschnitt: Bestehen von Zugangsansprüchen

145

Abwesenheit einer erheblich ungleichen Marktstellung grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken.12 Es bleibt beim Grundsatz der Privatautonomie, die sich in der beidseitigen Abschlussfreiheit manifestiert. Eine Beschränkung der Abschlussfreiheit ist allein dann begründbar, wenn die den Vertragsschluss verweigernde Partei über erhöhte Marktmacht verfügt. In diesem Falle bestünde infolge des Machtungleichgewichts die Gefahr, dass die Abschlussfreiheit des einen Vertragspartners zur Fremdbestimmung des anderen führte.13 Es ist daher zu erörtern, welche kartellrechtlichen Normen zu Lasten marktmächtiger Unternehmen Zugangsansprüche für Wettbewerber begründen können. Derartige Ansprüche könnten sich aus den §§ 19, 20 GWB ergeben, wobei der Schwerpunkt im Folgenden auf der Untersuchung von Ansprüchen nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB liegt. Ergänzend sind im Anschluss mögliche Ansprüche auf Zugang aus §§ 19 Abs. 1, 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB sowie aus § 20 Abs. 1 GWB zu betrachten. I. Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB Die Vorschrift des § 19 GWB stellt besondere Anforderungen an die Inhaber einer marktbeherrschenden Stellung.14 Nach der Konzeption des Gesetzes ist nicht bereits das Innehaben von Marktmacht, sondern allein deren Missbrauch sanktioniert.15 Wann ein Missbrauch anzunehmen ist, wird durch die Regeltatbestände16 des § 19 Abs. 4 GWB konkretisiert.17 Nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB kann die Weigerung, „einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren“, einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen. Die Norm wurde im Rahmen der 6. GWBNovelle neu in das Gesetz aufgenommen, um der wachsenden Bedeutung von Netzen für die Volkswirtschaft Rechnung zu tragen18 und einer weiteren Sekto12

Vgl. auch J. Oechsler, in: Staudinger, BGB (2003), § 826 Rn 440. Vgl. dazu W. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Band, Das Rechtsgeschäft, S. 613. 14 Zum Begriff der Marktbeherrschung, vgl. etwa H.-J. Ruppelt, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 32 ff. 15 Vgl. H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 821, sowie Rn 831 zu den Zielen der Missbrauchsaufsicht. 16 Von Tatbestandsbeispielen spricht insofern mit guten Gründen J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 77 f.; von Beispiel- bzw. Regeltatbeständen spricht K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 3; die Gesetzesbegründung spricht von Regelbeispielen, BT-Drs. 13/9720, S. 36. 17 Näher zum Begriff des Missbrauchs K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 84 ff. 18 BT-Drs. 13/9720, S. 36; eingehend hierzu Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2271 ff. 13

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

ralisierung des Kartellrechts entgegenzuwirken19. Die Vorschrift greift die Gefahr auf, dass Inhaber wesentlicher Einrichtungen ihre Marktposition auf einem Markt, der von der Benutzung der Einrichtung abhängig ist, durch die Verweigerung der Mitbenutzung ausbauen oder verteidigen.20 In der Gewährung dieses speziellen Zugangsrechts orientierte sich der Gesetzgeber an Entscheidungen des amerikanischen Kartellrechts zum Zugang zu bestimmten wesentlichen Einrichtungen21 und deren Rezeption im europäischen Kartellrecht in den 1990er Jahren22. Insbesondere die Europäische Kommission hat die sogenannte Essential-Facilities-Doktrin wiederholt zur Begründung von Entscheidungen zur Marktöffnung herangezogen.23 Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum hat die neue Vorschrift erhebliche Aufmerksamkeit gefunden und zu einem umfänglichen Theorienbestand geführt.24 Während einige Autoren das Erfordernis der Norm bezweifeln bzw. ihr schlicht den Neuigkeitswert absprechen25, sehen andere die Norm als qualitative Neuerung für das Kartellrecht26, wobei die Würdigung im Ergebnis durchaus unterschiedlich ausfällt27. Trotz vereinzelter Bedenken gegen die Verfassungs-

19

BT-Drs. 13/9720, S. 36 f.; A. Klimisch/M. Lange, WuW 1998, 15. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 152; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 186. 21 Sogenannte essential facilities. Verwiesen wird regelmäßig auf die Entscheidung des US Supreme Court im Fall US v. Terminal Railroad Ass’n of St. Louis, 224 U.S. 383 (1912) und einige folgende Entscheidungen. Vgl. hierzu A.-R. Börner, in: Schwarze (Hrsg.), Der Netzzugang für Dritte im Wirtschaftsrecht, S. 137; T. Strapper, Das essential facilities Prinzip; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 178 ff.; J. Oechsler, ZHR 164 (2000), 479, 481 f. 22 S. Klaue, RdE 1996, 51; M. Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, S. 181 ff. 23 Etwa Kommission, Entsch. v. 21.12.1993 – 94/119/EG – Hafen von Rødby, ABl. EG 1994 Nr. L 55 S. 52; Kommission, Entsch. v. 21.12.1994 – 94/19/EG – Sealink II, ABl. EG 1994 Nr. L 15 S. 8; dazu S. Klaue, RdE 1996, 51; C. Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht. 24 Vgl. etwa S. Klaue, RdE 1996, 51; H.-J. Bunte, WuW 1997, 302; A. Klimisch/M. Lange, WuW 1998, 15; P. Schwintowski, WuW 1999, 842; J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung; C. Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht; M. Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen; T. Strapper, Das essential facilities Prinzip; A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten. 25 J. Oechsler, ZHR 164 (2000), 479, 512; G. Böhnel, Wettbewerbsbegründende Durchleitungen, S. 352; vgl. auch schon K. Markert, WuW 1995, 560. 26 Etwa Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 730; A. Klimisch/M. Lange, WuW 1998, 15, 21; allgemein zur Einführung eines Netzzugangs S. Klaue, BB 1992, 1937, 1939 f. 27 Kritisch etwa H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 104 ff.; J. Oechsler, ZHR 164 (2000), 479; H.-J. Bunte, WuW 20

1. Abschnitt: Bestehen von Zugangsansprüchen

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mäßigkeit der Norm28 ist die Mehrzahl der Stellungnahmen inzwischen darum bemüht, die zahlreichen Einzelfragen der Normauslegung einer überzeugenden Beantwortung zuzuführen.29 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist es nicht erforderlich, sämtliche Detailfragen der Auslegung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zu diskutieren. Die Prüfung kann sich vielmehr auf die Aspekte des Zugangsanspruchs30 beschränken, die für die Frage der Eignung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zur Gewährung des hier untersuchten Netzzugangs relevant erscheinen. Im Folgenden wird zunächst das Objekt des Zugangs nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB behandelt. Im Anschluss folgt eine Betrachtung der Anspruchsvoraussetzungen der Marktbeherrschung und der fehlenden Duplizierbarkeit sowie schließlich eine Erörterung möglicher Zugangsverweigerungsgründe. 1. Zugangsobjekt des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB Nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist der Zugang zu „Netzen und anderen Infrastruktureinrichtungen“ zu gewähren, wobei weder der Begriff des Netzes noch der der Infrastruktureinrichtung im Gesetz genauer erläutert werden. Die gesetzliche Formulierung macht lediglich deutlich, dass Netze als Unterfall der Infrastruktureinrichtungen erfasst werden.31 Zur Klärung trägt dies allerdings kaum bei, da die mögliche Eingrenzung des Netzbegriffes durch einen vorhandenen Infrastrukturcharakter undeutlich bleibt.32 Der Begriff der Infrastruktur scheint 1997, 302; G. von Wallenberg, K&R 1999, 152; differenzierend A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, 44. 28 F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 179 ff.; vgl. auch M. Schmidt-Preuß, AG 1996, 1, 5 ff. Von der überwiegenden Meinung wird die Norm zutreffend als verfassungskonform erachtet vgl. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2300 ff.; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 187; F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 280 ff.; K. E. Winkler, Die missbräuchliche Gestaltung von Infrastrukturen, S. 108 ff.; U. Büdenbender, WuW 2000, 119, 120 f. 29 Wie A.-R. Börner, in: Schwarze (Hrsg.), Der Netzzugang für Dritte im Wirtschaftsrecht, S. 137 zutreffend zeigt, erweist sich die Hoffnung, die Auslegung des Gesetzes etwa an einer erprobten Praxis in Amerika zu orientieren als trügerisch. Die essential facilities doctrine hat sich dort gerade nicht zu einem anerkannten subsumptionsfähigen Konzept entwickelt, vgl. P. Schwintowski, WuW 1999, 842, 847. 30 Gesetzestechnisch stellt sich § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ebenso wie die Nr. 1 bis 3 als Regeltatbestand für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar. Da ein Anspruch auf Unterlassung dieses Missbrauchs regelmäßig allein durch Gewährung des Zugangs beseitigt werden kann, lässt sich faktisch durchaus von einem Zugangsanspruch sprechen, vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 730, 734; enger H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1061. 31 So auch H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 217. 32 Vgl. B. Martenczuk/K. Thomaschki, RTkom 1999, 15, 22; siehe auch F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 79.

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auf den Vorleistungscharakter der Einrichtungen zu deuten, allerdings sind auch hier keine klaren Grenzen zu erkennen.33 Aus der Gesetzgebungsgeschichte lassen sich eindeutige Auslegungshinweise kaum entnehmen.34 Der Hinweis des Bundesrates auf natürliche Monopole35 kann nicht als Begriffsgrenze aufgefasst werden.36 In Anbetracht dieses Befundes ist es kaum verwunderlich, dass die Meinungen über die zutreffende Auslegung der beiden Tatbestandsmerkmale weit auseinandergehen.37 Zumeist wird versucht, eine Konkretisierung gestützt auf teleologische Erwägungen zu erreichen, wobei die insofern bestehenden Unsicherheiten einer einheitlichen Auslegung im Wege stehen. So wird einerseits unter Berufung auf den Ausnahmecharakter der Norm eine möglichst enge Begriffsbestimmung befürwortet38, wohingegen von anderer Seite unter Berufung auf den Zweck der Norm eine erhebliche Ausweitung gefordert wird39. Zu den unstreitigen Zugangsobjekten wird man freilich die Netze der klassischen Versorgungsindustrien der Bereiche Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Wasser und Eisenbahnen zählen dürfen.40 Weitere Orientierung ist aus der Begründung des Gesetzentwurfes zu gewinnen. Aus dieser wird deutlich, dass eine Beschränkung des Anwendungsbereiches auf die überkommenen Netzbereiche nicht beabsichtigt war, sondern auch künftige Entwicklungen erfasst werden sollten.41 Es kann folglich angenommen werden, dass die bereits zitierte Definition der Netze von von Weizsäcker den Bereich der gesetzlich erfassten netzförmigen Zugangsobjekte näherungsweise erfasst.42 Eine Konkretisierung des Begriffs der Infrastruktureinrichtungen ist damit allerdings nicht möglich. Zu be33 H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 191, 203 ff.; kritisch F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 78. 34 Dazu F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 71 m.w. N. 35 BT-Drs. 13/9720, S. 73. 36 H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 196; anders wohl J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 150. 37 Überblick etwa bei H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 191 ff. 38 Vgl. etwa Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2315 f.; G. Wiedemann, in: Wiedemann (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rn 65; G. von Wallenberg, K&R 1999, 152, 154. 39 S. F. von Bechtolsheim/F. Bruder, WRP 2002, 55; vgl. auch J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 148 ff. 40 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 197; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 217 f.; R. Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 82. 41 So BR-Drs. 853/97, S. 52. 42 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 197.

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rücksichtigen ist auch, dass es der gesetzgeberischen Intention entsprach, den Bereich der Immaterialgüterrechte aus dem Anwendungsbereich der Norm auszuklammern.43 Es verbleibt damit hinsichtlich der Zugangsobjekte des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB in den begrifflichen Randbereichen eine gewisse Unschärfe, die für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung jedoch einstweilen hingenommen werden kann. Eine gegebenenfalls erforderliche genauere Bestimmung kann im Rahmen der Anwendung der Norm auf die hier untersuchten Netzbereiche vorgenommen werden.44 2. Bestimmung des Zugangsverpflichteten Voraussetzung der Zugangsgewährungspflicht nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung des Einrichtungsinhabers. Gegenüber den übrigen Konstellationen des § 19 GWB weist § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB diesbezüglich eine Besonderheit auf, die sich aus der Betroffenheit zweier unterschiedlicher Märkte ergibt. Ein Zugangsanspruch besteht nur dann, wenn der Zugang Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeit auf einem der Einrichtung vor- oder nachgelagerten Markt ist, wenn also ein Vertikalverhältnis zwischen beiden Märkten besteht.45 Der Primärmarkt, welcher die Nutzung der Einrichtung umfasst, ist von dem abgeleiteten bzw. abhängigen Sekundärmarkt zu unterscheiden.46 Diese besondere Struktur wirft die Frage auf, welcher Markt Gegenstand der tatbestandlichen Marktbeherrschung sein soll.47 Dem Wortlaut der Norm ist eine Antwort nicht unmittelbar zu entnehmen. Sowohl das Erfordernis einer Marktbeherrschung auf dem Markt der Einrichtung als auch auf dem abhängigen Markt erscheinen mit der Gesetzesformulierung vereinbar.48 In der Literatur wird vielfach eine Marktbeherrschung auf dem abgeleiteten Markt für erforderlich gehalten.49 Die zugangsfreundlichere Gegenmeinung hält 43 BR-Drs. 853/97, S. 38; vgl. H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 212 f.; kritisch hierzu J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 148 ff., 170 f. 44 Vgl. unten 4. Teil, 1. Abschnitt, B.I.1. 45 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 192; Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2337. 46 Vgl. J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 220, 241; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 192. 47 Dazu F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 288; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 173 ff.; S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 194 ff. 48 F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 291. 49 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 192 m.w. N. auch zur Gegenauffassung; Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2335; A. Klimisch/M. Lange, WuW 1998, 15, 22.

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den Zugangsanspruch bereits dann für gegeben, wenn der Einrichtungsinhaber auf dem Markt der Einrichtung beherrschend ist.50 Der Blick auf den Zweck der Zugangsnorm ist kaum geeignet, die Frage eindeutig zu beantworten. Vertreter beider Lösungen betonen, Zweck der Norm sei es, den Wettbewerb auf dem abhängigen Markt zu schützen.51 Uneinigkeit besteht hingegen in der Frage, ob dieser Schutz einen Zugangsanspruch bereits dann begründen soll, wenn infolge der Abhängigkeit von der Einrichtung ein Diskriminierungspotential besteht oder ob erst bei tatsächlicher Marktmacht im abhängigen Markt ein Zugangsanspruch begründet sein soll. Rechtsprechung und Kartellbehörden haben sich für die zugangsfreundliche Ansicht entschieden und lassen bereits die Marktbeherrschung im Einrichtungsmarkt genügen.52 Die praktischen Auswirkungen der Meinungsverschiedenheiten sollten jedoch nicht überschätzt werden. Geht man mit Möschel davon aus, dass die Begrenzung des abhängigen Marktes aus Sicht des Einrichtungsinhabers erfolgt und nur den allein durch Nutzung der Einrichtung bedienbaren Markt umfasst53, erscheint es wahrscheinlich, dass beide Ansichten häufig zu gleichen Ergebnissen kommen werden54. Eine abschließende Beantwortung dieser Auslegungsfrage ist im Rahmen der Untersuchung nur erforderlich, soweit dies Auswirkungen auf die grundsätzliche Eignung des Anspruchs für die Lösung der hier untersuchten Zugangsproblematik bei natürlichen Netzmonopolen und bei Netzeffekten hat.55 Weitere Bedingung für die Normadressatenstellung ist ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Einrichtungsinhaber und dem Zugangspetenten auf dem Sekundärmarkt. Der Einrichtungsinhaber muss folglich auf diesem Markt auch selbst tätig sein.56 3. Fehlende Duplizierbarkeit und Substituierbarkeit Voraussetzung eines Zugangsanspruchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist weiterhin, dass der Zugang notwendige Bedingung für eine Tätigkeit auf dem abhängigen Markt ist. Der Anspruch besteht also nur, wenn andernfalls die Auf50 J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 242; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 152. 51 Vgl. etwa W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 186; sowie K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 152. 52 BGH, Beschl. v. 28.06.2005 – KVR 27/04 – Arealnetz; BKartA, Beschl. v. 30.08.1999 – B8-40100-T-99/99 – Berliner Stromdurchleitung, WuW/E DE-V 149 (insoweit nicht abgedruckt); F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 292. 53 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 183. 54 Vgl. J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 243. 55 Dazu sogleich unter 4. Teil, 1. Abschnitt, B.I.2. 56 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 152 f.; Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2341.

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nahme von Wettbewerb gegen den Inhaber der Einrichtung auf dem abhängigen Markt ausgeschlossen wäre, die Verweigerung des Zugangs also als Marktzutrittssperre wirkt.57 Dazu ist insbesondere erforderlich, dass eine Eigenerstellung der Einrichtung durch den Zugangspetenten ausgeschlossen ist. Der Ausschluss der Duplizierung kann sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ergeben.58 Zudem fehlt es an der Duplizierbarkeit auch dann, wenn die Eigenerstellung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausscheidet. Im Falle wirtschaftlicher Unmöglichkeit der Duplizierung stellt sich jedoch die Frage, ob insofern ein individueller Maßstab anzulegen ist oder ob die Unmöglichkeit objektiviert ermittelt wird.59 Betrachtet man den Zweck der Regelung, die auf die Ermöglichung von Wettbewerb im abhängigen Markt abzielt, erscheint das überwiegend befürwortete Abstellen auf eine objektivierte Betrachtung der Wirtschaftlichkeit konsequent.60 Schutzziel ist der Wettbewerb auf dem abhängigen Markt, nicht der einzelne Wettbewerber.61 Darüber hinaus muss die Einrichtung auch tatsächlich erforderlich für die Tätigkeit auf dem abgeleiteten Markt sein. Zwar wurde das Merkmal der Wesentlichkeit der Einrichtung im Gesetzgebungsverfahren gestrichen,62 eine inhaltliche Änderung ist damit allerdings nicht verbunden.63 Die Einrichtung stellt nur dann eine Marktzutrittssperre dar, wenn die Tätigkeit auf dem abgeleiteten Markt auf anderen Wegen nicht möglich wäre. Neben der Duplizierbarkeit ist mithin auch die Substituierbarkeit zu prüfen.64 Wenn die Aufnahme von Wettbewerb unter Umgehung der nachgefragten Ressource möglich ist, besteht der Zugangsanspruch nicht.65 57

K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 162. H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 227 ff.; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 94 ff. 59 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 199; ausführlich dazu H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 228 ff.; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 89 ff. 60 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 199; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 91 ff. 61 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 186. 62 Vgl. dazu Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2274 ff. 63 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 195; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 222 f. 64 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 199; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 225; H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1044. 65 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 199. 58

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4. Zugangsverweigerungsgründe Ausgeschlossen ist der Zugangsanspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 HS 2 GWB dann, wenn die Mitbenutzung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Liegen die sonstigen Voraussetzungen des Zugangsanspruchs vor, besteht für den Einrichtungsinhaber noch die Möglichkeit, die fehlende sachliche Rechtfertigung des Zugangs darzutun.66 In diesem Falle wird eine Abwägung der Interessen des Zugangspetenten und des Einrichtungsinhabers erforderlich67, wobei ein RegelAusnahme-Verhältnis zu Gunsten der Mitbenutzung anzunehmen ist.68 Das bloße Interesse des Inhabers an einer alleinigen Nutzung kann den Zugangsanspruch nicht ausschließen.69 Als Gründe für die Zugangsverweigerung werden mitunter technische Anforderungen der Betriebssicherheit der Einrichtung bzw. Vorbehalte gegen die Verlässlichkeit der Petenten angeführt.70 Zur Totalverweigerung eines Zugangsanspruches werden solche Gründe indessen nur selten herangezogen werden können.71 In technischer Hinsicht mag die Mitbenutzung der Einrichtung von gewissen Modifikationen abhängig sein. Dies rechtfertigt einen völligen Ausschluss der Mitbenutzung indessen nicht. Allein sachgerecht ist vielmehr, einen vom Zugangsanspruch umfassten akzessorischen Anspruch auf derartige Modifikationen anzunehmen.72 a) Behandlung begrenzter Kapazität Wichtigstes Argument für den Ausschluss der Mitbenutzung ist die angeblich oder tatsächlich fehlende Kapazität der Einrichtung. Wie sich bereits aus dem 66

Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 205. J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 256 f. spricht insofern im Anschluss an Büdenbender von relativen Zugangsbegrenzungsgründen; kritisch zur Unterscheidung F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 111 f. 68 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 205. 69 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 205. 70 Dazu etwa H. Lutz, RdE 1999, 102, 107 f.; vgl. auch J. Basedow, Jahrbuch für neue politische Ökonomie 16 (1997), 121, 130; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 17. 71 Der technische Fortschritt der Vermittlungstechnik hat etwa im Telekommunikationsbereich Hindernisse beseitigt. Auch Probleme der Regelzonen in der Gaswirtschaft und der Regelenergie in der Stromwirtschaft erweisen sich als technisch lösbar, vgl. Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 56; zur rechtlichen Ausgestaltung vgl. §§ 6 ff. StromNZV. 72 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 129. Diese Modifikationen kann der Petent allerdings, ebenso wie den Zugang selbst regelmäßig nur gegen Entgelt verlangen. Zu den Einzelheiten vgl. C. Koenig/J. Kühling/K. E. Winkler, WuW 2003, 228; K. E. Winkler, Die missbräuchliche Gestaltung von Infrastrukturen, S. 42 ff. 67

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Charakter des Anspruchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB als Mitbenutzungsrecht ableiten lässt, kann eine vollständige Verdrängung des Inhabers aus der Nutzung nicht erfolgen.73 Die Nutzung kann nur neben dem Inhaber erfolgen, nicht an seiner Stelle. Darüber hinaus ist der Anspruch auf Mitbenutzung grundsätzlich auf vorhandene Anlagen und Kapazitäten begrenzt. Eine Pflicht des Einrichtungsinhabers die Kapazitäten zu erweitern besteht nicht.74 Etwas anderes mag allenfalls dort gelten, wo der Zugangspetent Möglichkeiten zu Effizienzsteigerungen aufzeigt, die eine gemeinsame Nutzung ermöglichen und nicht mit einer kostenintensiven Erweiterung oder Umgestaltung der Anlage einhergehen.75 Abgesehen hiervon ist jedoch bereits die Frage, wann überhaupt die Kapazitätsgrenze einer Einrichtung erreicht ist, mit Blick auf den Sinn der Regelung zu beantworten.76 So kann etwa ein Eigenbedarf des Inhabers, der nur auf die erwartete zukünftige Marktentwicklung gestützt ist, nicht ohne weiteres Berücksichtigung finden. Eine solche „Bevorratung“ widerspräche dem Zweck der Zugangseröffnung.77 Richtigerweise wird man auch dann nicht von einer Erschöpfung der Kapazität ausgehen können, wenn der Petent die Versorgung eines konkreten Kunden übernehmen möchte, der bisher vom Einrichtungsinhaber beliefert wurde. Ein derartiger Kundenwechsel führt nicht notwendig schon zu einer Erhöhung des Transportbedarfs, sondern nur zu einer Umnutzung. Ein Kapazitätsproblem ist hier im Regelfall gar nicht gegeben.78 Zu berücksichtigen 73 Im Falle des Kundenwechsels liegt hingegen eine solche Verdrängung des Inhabers nicht vor: Mit der Wechselentscheidung des Kunden, entfällt der eigene Nutzungsbedarf des Einrichtungsinhabers, W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206; vgl. auch J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 264. 74 J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 174; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 292 f.; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 129. 75 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 293 unter Verweis auf BKartA, Beschl. v. 21.12.1999 – B9-63220-T-199/97 und T16/98 – Hafen von Puttgarden, WuW/E DE-V 253, 258 f.; K. Schultz, in: Langen/ Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 169; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 124; vgl. auch C. Koenig/J. Kühling/K. E. Winkler, WuW 2003, 228. 76 Vgl. F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 122 f. 77 U. Büdenbender, WuW 2000, 119, 122; vgl auch F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 125. 78 U. Büdenbender, WuW 2000, 119, 122; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 290; W. Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206; a. A. M. Schmidt-Preuß, AG 1996, 1, 8 der zwischen technisch freier Kapazität und einer eigentumsrechtlichen Beurteilung differenzieren möchte; nicht überzeugend auch Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2388 der den Mitbenutzungsanspruch dann ablehnen möchte, wenn hierdurch das Mengenangebot im Markt nicht erhöht würde.

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sind daher allein plausible und objektiv nachvollziehbare eigene Nutzungswünsche des Inhabers.79 Gleiches gilt für technisch begründete Sicherheitsreserven, die zur Gewährleistung der Ausfallsicherheit erforderlich sind. Ist nach alledem die verfügbare Kapazität der Einrichtung soweit ausgeschöpft, dass sich die bestehenden Nutzungswünsche nicht gleichzeitig realisieren lassen, stellt sich die Frage nach einer gegebenenfalls erforderlichen Aufteilung bzw. Repartierung der vorhandenen Kapazität der Einrichtung. Wie der Konflikt zwischen den gegenwärtigen und künftigen Nutzungswünschen des Eigentümers einerseits und den Nutzungsinteressen der Wettbewerber andererseits im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zu lösen ist, ist umstritten. b) Meinungsstand Nach einer Auffassung verdienen die Nutzungsbelange des Einrichtungsinhabers stets Vorrang vor denen der potentiellen Mitbewerber. Eigene Nutzungsbelange des Inhabers führten daher zum Ausschluss der Mitbenutzung.80 Eine Abwägung komme allein zwischen verschiedenen konkurrierenden Bewerbern auf Mitbenutzung in Betracht.81 Demgegenüber sei eine Repartierung zu Lasten des Inhabers nicht vom Gesetz gedeckt82. Letztlich beschränkt diese Ansicht die Regelung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB auf die Vermeidung von ungenutzten Kapazitäten in Netzen und Infrastrukturen. Die Gegenmeinung verweist darauf, dass bei einer Nutzung durch den Inhaber jedenfalls kein Fall der Unmöglichkeit der Nutzung gegeben sei, da dem Inhaber auch eine Einschränkung der eigenen Nutzung möglich wäre.83 Eine Berücksichtigung des Nutzungsinteresses des Inhabers sei folglich allein im Rahmen einer Abwägung mit den übrigen Nutzungsinteressen möglich. Das Nutzungspotential der Einrichtung sei grundsätzlich zwischen allen Nutzern, unter Einschluss auch des Inhabers, aufzuteilen.84 Mit dem Ziel der Vorschrift, die negativen Folgen der vertikalen Integration zu beseitigen, sei eine Vorzugsbehandlung des Inhabers nicht zu vereinbaren.85 79 U. Büdenbender, WuW 2000, 119, 122; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206. 80 M. Dreher, DB 1999, 833, 839; H. Lutz, RdE 1999, 102, 107 Fn 46. 81 Auch insofern ablehnend Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2414. 82 R. Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 87, so wohl auch M. Dreher, DB 1999, 833, 839; J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 268 f.; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 125; G. Böhnel, Wettbewerbsbegründende Durchleitungen, S. 334 f. 83 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 169. 84 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 288; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 169 (eingeschränkt auf Anwendungsbereich des EnWG, im übrigen offenlassend).

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Die postulierte Gleichrangigkeit der Nutzungsinteressen wird allerdings zumeist dahingehend eingeschränkt, dass für vorhandene Nutzungen des Inhabers ein Bestandsschutz zu gewähren sei.86 Die geforderte Repartierung beschränkt sich damit auch nach der zugangsfreundlicheren Ansicht im Ergebnis auf freie bzw. freiwerdende Kapazitäten. In vielen praktischen Fällen werden die Ansichten damit zu ähnlichen Ergebnissen gelangen. Allerdings bleibt ein wesentlicher Unterschied für den Fall, dass bestehende Vertragsbindungen des Inhabers auslaufen.87 c) Eigene Stellungnahme Bei der Behandlung von Kapazitätsproblemen sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen ist auch bei begrenzten Kapazitäten eine Lösung zu finden, die der Zielsetzung der Norm entspricht und das aus der vertikalen Integration folgende Diskriminierungspotential einschränkt. Zum anderen ist allerdings eine Übereinstimmung mit dem kartellrechtlichen Ordnungsmodell zu erzielen. Die Auslegung der Norm kann danach allein der Förderung von Wettbewerb und nicht der Einführung einer Public-Utility-Regulierung dienen.88 Mit dem kartellrechtlichen Ordnungsrahmen unvereinbar sind insbesondere Anforderungen, die im Ergebnis auf eine am Gemeinwohl ausgerichtete Bewirtschaftung der Anlagenkapazitäten hinauslaufen.89 Eine öffentliche Ausschreibung freier Kapazitäten im Sinne des Vergaberechts ist von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht gefordert.90 Auch als Inhaber von Marktmacht bleibt der Einrich85

W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 282 f.; vgl. unter dem Gesichtspunkt der Kapazitätsbindung auch F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 124. 87 Für diesen Fall fordert etwa H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 289 die öffentliche Bekanntmachung freiwerdender Kapazitäten bereits im Vorfeld; zustimmend W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206. 88 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 187. 89 Die hier vertretene Auslegung mag durchaus eine gewisse Diskrepanz zu den hohen Erwartungen an die Norm zur Bewältigung der Problematik natürlicher Monopole aufweisen. Allerdings war es gerade Ziel der Gesetzesänderung eine kartellrechtliche Norm zu schaffen. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber die kartellrechtliche Ordnungssystematik hier zu Gunsten eines Public-Utility-Ansatzes durchbrechen wollte, sind nicht ersichtlich. 90 So aber V. Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl., S. 204 unter Verweis auf P. K. Mailänder, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 271, welcher freilich auf die insofern notwendigen rechtlichen Regelungen verweist; wie hier dagegen H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 289 f. 86

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tungsinhaber zu wettbewerblichem Handeln befugt. Er bleibt Wettbewerber und wird nicht zum Sachwalter des Gemeinwohls. Daher begegnet die teilweise geforderte Vorabinformation über freiwerdende Kapazitäten zur Gewährleistung von Chancengleichheit91 in dieser Allgemeinheit Bedenken.92 Andererseits wird das mit der Norm intendierte Diskriminierungsverbot ausgehebelt, wenn begrenzte Einrichtungskapazitäten generell als Verweigerungsgrund anerkannt würden. Die Rückstellung eigener Interessen zu Gunsten des Wettbewerbs ist im Kartellrecht nicht völlig unbekannt. So ist für das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB anerkannt, dass in Mangellagen eine Repartierung erforderlich sein kann.93 Die Bevorzugung eigener Nutzungsinteressen ist dabei nicht unbedingt möglich.94 Voraussetzung einer solchen Mangellage ist nicht das Bestehen eines Notfalls,95 begrenzte Kapazitäten können ebenso eine Mangellage begründen. Ein genereller Vorrang des Inhabers ist auch mit dem Wortlaut des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB kaum vereinbar. Die Kapazitätserschöpfung führt nicht zur Unmöglichkeit der Mitbenutzung, so dass es entscheidend auf die Frage der Zumutbarkeit ankommt. Im Geltungsbereich des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist folglich bei Erreichen der Kapazitätsgrenze allein eine Abwägung, die sich am Einzelfall orientiert, sachgerecht.96 Da diese Abwägung zwischen verschiedenen Nutzungsinteressen allerdings im Grundsatz durch den Einrichtungsinhaber selbst vorzunehmen ist,97 dürfen 91 Dafür aber W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 206; von einer Ausschreibung im „untechnischen“ Sinn spricht OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2000 – U (Kart) 6/99 – Schilderpräger-Ausschreibung, NJWE-WettbR 2000, 174, 175. 92 Etwas anderes mag gelten, wenn die Nichtmitteilung freiwerdender Kapazitäten, infolge eines vorangegangenen Zugangsbegehrens treuwidrig erschiene. Soweit die Rechtsprechung in der Vergangenheit eine weitergehende Pflicht zur Ausschreibung oder öffentlichen Bekanntmachung angenommen hat (vgl. K. Schultz, in: Langen/ Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20 Rn 181), handelte es sich, soweit ersichtlich, um nicht verallgemeinerungsfähige Sonderfälle. Die Entscheidungen betrafen gerade Ansprüche gegen die öffentliche Hand, worauf in den Entscheidungsgründen ausdrücklich Bezug genommen wurde, BGH, Urt. v. 26.05.1987 – KZR 13/85 – Krankentransporte, WuW/E BGH 2399, 2405; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2000 – U (Kart) 6/99 – Schilderpräger-Ausschreibung, NJWE-WettbR 2000, 174, 175. 93 Zur Bewältigung von Knappheitslagen im Rahmen des § 20 GWB vgl. K. Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 20 Rn 167 f.; J. Oechsler, ZHR 164 (2000), 479, 505; offengelassen in KG, Beschl. v. 05.12.1986 – 1 Kart. 3/86 – Straß, WuW/E OLG 3957, 746; KG, Beschl. v. 09.07.1974 – Kart 25/74 – Chemische Grundstoffe II, WuW/E OLG 1507, 1512. 94 K. Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 20 Rn 167 f. 95 S. Rixen, in: FK-Kartellrecht; § 20 Rn 210; anders offenbar M. Schmidt-Preuß, AG 1996, 1, 8. 96 A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 45 f. unter Berufung auf H.-J. Bunte, WuW 1997, 302. 97 Wobei zusätzlich zu beachten ist, dass § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB als unmittelbares Verbot ausgestaltet ist.

1. Abschnitt: Bestehen von Zugangsansprüchen

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die diesbezüglichen Anforderungen nicht überspannt werden.98 Dem Einrichtungsinhaber kann nicht die Verantwortung für die Erzielung einer gesamtwirtschaftlichen Optimallösung, die allenfalls im Wege eines formalisierten, am Vergaberecht orientierten, Verfahrens erreichbar wäre, aufgebürdet werden. Dem entspricht es, wenn dem Anspruchsgegner im Falle der Repartierung im Bereich des § 20 Abs. 1 GWB ein Entscheidungsspielraum eingeräumt wird.99 Erforderlich ist im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB eine Abwägungsentscheidung durch den Einrichtungsinhaber, die alle vorhandenen Nutzungswünsche einbezieht, und die in ihren Grundzügen nachvollziehbar ist.100 Diese Abwägung kann auch dazu führen, dass eigene Nutzungen – soweit diese nicht vertraglich gebunden sind – zurücktreten müssen. Wo beispielsweise die Zahlungsbereitschaft der Zugangsbewerber, infolge der durch sie erreichbaren höheren Nutzungseffizienz, die eigene Zahlungsbereitschaft des Inhabers übersteigt, wäre die Ablehnung als unzulässige Diskriminierung zu betrachten.101 II. Weitere Ansprüche zur Zugangsbegründung Neben dem Zugangsanspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, gibt es noch weitere kartellrechtliche Normen, die unter Umständen ein Zugangsrecht begründen können. Trotz Erlass des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB bleibt Raum für einen Rückgriff auf das Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 1 GWB, sowie daneben noch auf Ansprüche aus § 19 Abs. 1 GWB und § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB.102 Ihre Bedeutung entfalten diese Ansprüche vor allem dort, wo die Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht gegeben sind. 1. Verbot unbilliger Behinderung nach § 20 Abs. 1 GWB Nach § 20 Abs. 1 GWB ist die sachlich nicht begründete Behinderung oder Ungleichbehandlung durch marktbeherrschende Unternehmen unstatthaft.103

98 Dazu auch J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 269; vgl. auch K. Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 20 Rn 169. 99 Zu den Einzelheiten vgl. S. Rixen, in: FK-Kartellrecht, § 20 Rn 212; vgl. auch F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 128. 100 Kritisch zum fehlenden rechtlichen Maßstab P. K. Mailänder, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 271, 284. 101 Ein derartiger Anstieg des Preises wäre gerade die zu erwartende Konsequenz im Falle eines Kapazitätsengpasses; vgl. dazu noch unten 4. Teil, 1. Abschnitt, B.II.2.b). 102 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 216; vgl. auch J. Oechsler, ZHR 164 (2000), 479. 103 Zu den Einzelheiten vergleiche etwa die Kommentierung K. Schultz, in: Langen/ Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20; zur Anwendbarkeit neben § 19 GWB vgl. S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 190.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Positive Lieferpflichten können sich aus der Norm dann ergeben, wenn die Verweigerung der Lieferung eine ungesetzliche Behinderung oder Diskriminierung darstellt.104 Der Lieferanspruch besteht in diesem Falle als Form der Naturalrestitution bzw. als Ausprägung des Anspruchs auf Unterlassung der Nichtlieferung.105 Voraussetzung für den Anspruch ist die Unbilligkeit der Behinderung, die im Wege einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Freiheit des Wettbewerbs festzustellen ist.106 Hierbei kommt der Art eines eventuell vorhandenen Wettbewerbsverhältnisses besondere Bedeutung zu, wobei sich jedoch das in Anspruch genommene Unternehmen nicht pauschal darauf berufen kann, es sei zur Förderung fremden Wettbewerbs nicht verpflichtet.107 Zu berücksichtigen ist die Begrenzung des Behinderungsverbots auf solche Bereiche, die gleichartigen Unternehmen üblicherweise im Geschäftsverkehr zugänglich sind.108 Dabei ist anerkannt, dass zur Bestimmung des maßgeblichen Geschäftsverkehrs eine objektivierte Betrachtung nach Ansicht der Verkehrskreise zugrund zu legen ist, so dass der bloße Einwand, das Unternehmen stelle eine bestimmte Leistung Dritten generell nicht zur Verfügung, dem Anspruch nicht notwendig entgegensteht.109 Soweit sich die Verweigerung des Zugangs als ungerechtfertigte Behinderung oder willkürliche Diskriminierung darstellt, könnten damit auch Zugangsansprüche aus § 20 Abs. 1 GWB gegeben sein.110 Das Behinderungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB ist neben § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB anwendbar und behält insbesondere in den Fällen eigene Bedeutung, in denen ein Wettbewerbsverhältnis auf dem Sekundärmarkt fehlt oder ein nicht von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erfasstes Zugangsobjekt betroffen ist.111

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K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20 Rn 155. Vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1961 – KZR 1/61 – Gummistrümpfe, BGHZ 36, 91, 100; BGH, Urt. v. 09.11.1967 – KZR 7/66 – Jägermeister, BGHZ 49, 90, 98 f.; sowie K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 33 Rn 43. 106 BGH, Urt. vom 13.07.2004 – KZR 17/03 – Sparberaterin, WuW/E DE-R 1377, 1379; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20 Rn 121 ff. m.w. N. 107 Vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.1988 – KVR 1/87 – Lüsterbehangsteine, WuW/E BGH 2535; R. Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 20 Rn 48; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20 Rn 134, 149, 160. 108 Dazu K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20 Rn 96 ff., 102 ff. 109 BGH, Urt. v. 27.04.1999 – KZR 35/97 – Feuerwehrgeräte, WuW/E DE-R 357; BGH, v. 26.10.1972 – KZR 54/71 – Registrierkassen, WuW/E BGH 1238; OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.09.1997 – U (Kart) 20/94 – Richtfunkantennenanlage, berichtet bei Schultz/Wagemann, 14. Aufl., Rn 478 f. 110 Vgl. etwa K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 20 Rn 149; OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.09.1997 – U (Kart) 20/94 – Richtfunkantennenanlage, berichtet bei Schultz/Wagemann, 14. Aufl., Rn 478 f.; einschränkend J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 92. 105

1. Abschnitt: Bestehen von Zugangsansprüchen

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2. Behinderungsmissbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB Ein Anspruch auf Zugang zu einem Netz könnte unter Umständen auch im Wege der Abwehr einer Behinderung nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB begründet werden.112 Eine Behinderung im Sinne dieser Norm kann auch im Falle einer Nichtbelieferung vorliegen.113 Die Feststellung einer Behinderung erfolgt hier ebenso wie im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB im Wege einer Abwägung der Interessen der Beteiligten, wobei der Sicherung der Freiheit des Wettbewerbs erhöhte Bedeutung zukommt.114 Da sich § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB als weitgehend deckungsgleich zu § 20 Abs. 1 GWB erweist115, kommt der Norm im hier untersuchten Bereich keine weitergehende eigenständige Bedeutung zu, so dass auf die Ausführungen zu § 20 Abs. 1 GWB verwiesen werden kann. 3. Allgemeines Missbrauchsverbot Daneben können Zugangsansprüche unter Rückgriff auf die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB begründet werden.116 Auch dabei ist eine Abwägung der Interessen des Inhabers und des Zugangspetenten erforderlich. Bedeutung kann der auf die Generalklausel gestützte Anspruch in den Fällen erlangen, in denen der Bereich der Zugangsobjekte des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zu eng ist117 bzw. wo es an einer Tätigkeit des Inhabers auf dem abgeleiteten Markt und damit an einem Wettbewerbsverhältnis fehlt.118

B. Anwendung kartellrechtlicher Zugangsansprüche auf die Netzproblematik Nachdem die kartellrechtlichen Rechtsnormen, nach denen grundsätzlich Ansprüche auf Zugang zu Netzen bestehen können, dargestellt sind, ist im Folgenden die Eignung dieser Ansprüche zur Bewältigung der hier konkret herausge111 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20 Rn 149; zum Verhältnis auch J. Oechsler, ZHR 164 (2000), 479. 112 Vgl. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 149; BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – KVR 29/93 – Gasdurchleitung, BGHZ 128, 17. 113 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 149; BGH, Beschl. v. 25.10.1988 – KVR 1/87 – Lüsterbehangsteine, WuW/E BGH 2535. 114 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 138. 115 Vgl. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 128. 116 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 216 ff. 117 Zu den Grenzen in Bezug auf gewerbliche Schutzrechte W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 218. 118 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 217 ff.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

arbeiteten netzspezifischen Problembereiche zu erörtern. Als Regelungsproblem wurde die Eröffnung eines Zugangs zu Netzstrukturen mit dem Charakter eines natürlichen Monopols beschrieben. Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit einer Zugangseröffnung zu Netzen begründet, bei denen infolge von Netzeffekten im Einzelfall eine nachhaltig dominante Marktstellung besteht.119 Geprüft wird zunächst die grundsätzliche Eignung der vorhandenen kartellrechtlichen Rechtsgrundlagen hinsichtlich der erfassten Zugangsobjekte und der Zugangsadressaten. Im Anschluss wird die Möglichkeit der praktischen Durchsetzung bestehender Zugangsansprüche untersucht. Diese hängt insbesondere von der Effektivität der erforderlichen Interessenabwägung und der Behandlung von Kapazitätsengpässen ab. I. Grundsätzliche Eignung der kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen 1. Zugangsgegenstand Bei Betrachtung des Gegenstands der Zugangsansprüche ist zwischen den Ansprüchen im Falle natürlicher Netzmonopole und denen bei Vorliegen von Netzeffekten zu differenzieren. a) Natürliche Monopole als Ziel kartellrechtlicher Zugangsansprüche Für den Bereich der natürlichen Monopole liegt das Hauptaugenmerk auf dem Mitbenutzungsanspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB. Bei Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Norm ist deutlich geworden, dass die Lösung der Probleme natürlicher Monopole im Bereich der Versorgungswirtschaften wesentlicher Grund für die Einführung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB war.120 Das Bedürfnis für die Einräumung eines Zugangsanspruchs im Falle natürlicher Monopole wurde aus der Abhängigkeit der nachfolgenden Marktstufen von der Nutzung der Monopoleinrichtung begründet.121 Die vertikale Struktur des Wirtschaftsbereiches, die eine Voraussetzung für die Anwendung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB bildet, ist im hier behandelten Bereich natürlicher Monopole daher regelmäßig vorhanden. Der Bedarf für die Einräumung von Zugangsansprüchen wurde auf solche Netze eingegrenzt, bei denen infolge besonderer ökonomisch-technischer Bedingungen mit einer Beständigkeit der natürlichen Monopole zu rechnen ist, was insbesondere für den Bereich der physischen 119

Zu den Anforderungen oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B. Vgl. F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 73; vgl. auch oben 4. Teil, 1. Abschnitt, A.I. 121 Vgl. oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.I.2. 120

1. Abschnitt: Bestehen von Zugangsansprüchen

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Netze zur Versorgung mit Elektrizität und Gas sowie für den Bereich der Eisenbahnen festgestellt wurde.122 Diese Netze gehören zum unstrittigen Kernbestand der von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erfassten Einrichtungen.123 Soweit die Mitbenutzung nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB davon abhängig ist, dass die Duplizierung der Einrichtung ausgeschlossen ist, deckt sich dies mit der Situation im Bereich beständiger natürlicher Monopole. Merkmal des natürlichen Monopols ist die Unwirtschaftlichkeit des Eintritts eines weiteren Unternehmens in den Markt.124 In Erweiterung des Konzepts der Bestreitbarkeit wurde die Notwendigkeit von Zugangsansprüchen speziell auf solche Einrichtungen eingegrenzt, bei denen infolge fehlender Duplizierbarkeit von Wettbewerbsresistenz auszugehen ist.125 Wo die Möglichkeit einer Substitution der Einrichtung besteht, entfällt die im natürlichen Monopol bestehende Marktmacht und damit der Bedarf für die hier untersuchten Zugangsansprüche. Selbst wenn für die Bestimmung der Zugangsobjekte des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht alle Zweifelsfragen geklärt sind, ist daher davon auszugehen, dass die physischen Netze, die als beständige natürliche Monopole den Gegenstand der vorliegenden Betrachtung bilden, vom Begriff der Netze bzw. Infrastruktureinrichtungen im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erfasst sind. Die im Bereich beständiger natürlicher Monopole erforderlichen Zugangsrechte können folglich im Grundsatz aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB abgeleitet werden.126 Problematisch könnte der Bestand des nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erforderlichen Wettbewerbsverhältnisses zwischen Einrichtungsinhaber und Zugangspetent sein. Zwar ist bislang im Bereich der natürlichen Netzmonopole von einer Tätigkeit des Inhabers auf dem Sekundärmarkt auszugehen, dies ist allerdings für die Problematik des natürlichen Monopols nicht notwendig der Fall.127 Soweit ein Anspruch auf Mitbenutzung nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB in Erman122

Dazu oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.V.4. Vgl. oben 4. Teil, 1. Abschnitt, A.I.1. 124 Vgl. oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.III. 125 Oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.V.4. 126 In welchen Bereichen tatsächlich wettbewerbsresistente natürliche Monopole vorliegen, wurde als ökonomische Frage hier offen gelassen. Infolge hierbei bestehender restriktiver Bedingungen ist allerdings nicht zu erwarten, dass der Bereich der Zugangsobjekte des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB hierbei überschritten wird. Der Eignung der Norm steht auch nicht der Umstand entgegen, dass § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht als Dauerlösung konzipiert ist, sondern der Wettbewerbseinführung dient, W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 187. Jedenfalls für die Frage der Zugangseröffnung steht dies einer Anwendung der Norm nicht entgegen. Eine Beschränkung der Anwendung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB auf Fälle in denen eine Wettbewerbseinführung auf dem Primärmarkt als möglich angesehen wird, lässt sich der Norm nicht entnehmen. 127 Dies zeigt schon die Diskussion um die materielle Privatisierung der Deutschen Bahn AG und die hier diskutierte Trennung von Netz und Betrieb, dazu etwa FAZ vom 09. November 2006, S. 13. 123

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gelung eines Wettbewerbsverhältnisses ausscheidet, wird sich ein derartiger Anspruch jedoch in aller Regel aus §§ 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB, 20 Abs. 1 GWB ableiten lassen.128 Für den Fall, dass der Inhaber der Einrichtung nicht auf dem Sekundärmarkt tätig wird, ist davon auszugehen, dass er die Einrichtung bereits anderen Unternehmen auf dem Sekundärmarkt zur Verfügung stellt und somit der Tatbestand des Diskriminierungsverbotes einschlägig ist.129 b) Kartellrechtliche Zugangsansprüche im Falle von Netzeffekten Für den Bereich von Netzeffekten in immateriellen Netzen ist die Einräumung von Zugangsansprüchen nur in Ausnahmefällen nötig.130 Die Zugangsgewährung zu immateriellen Netzen kann dabei verschiedene Formen annehmen. Denkbar ist die Zugangsgewährung in Form der Zusammenschaltung von Netzen ebenso wie im Wege der Bereitstellung von Schnittstelleninformationen und Standards.131 Da die Problematik von Netzeffekten regelmäßig im Bereich immaterieller Netze auftritt, ist eine genauere Bestimmung des Netzbegriffs des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB und eine Erörterung, inwieweit immaterielle Netze von der Vorschrift umfasst sind, erforderlich. Schwierigkeiten ergeben sich dabei aus der Gesetzesformulierung, die Netze als Unterfall der Infrastruktureinrichtungen betrachtet, und aus dem im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Willen, Immaterialgüterrechte von der Regelung auszunehmen.132 Wegen der Bedeutung von Standards und Schnittstelleninformationen, die unter Umständen besonderem rechtlichen Schutz unterliegen können, werden Bedenken gegen die Erstreckung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB auf immaterielle Netze geäußert.133 Ein expliziter Hinweis auf den Ausschluss von immateriellen Netzen aus dem Anwendungsbereich des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB findet sich im Normtext indessen nicht. Berücksichtigt man allerdings, dass nach herkömmlichem Sprachgebrauch insbesondere Straßen, Schienen und sonstige bauliche Einrichtungen als Infrastruktureinrichtungen bezeichnet werden134, ist davon auszugehen, dass sich in der entsprechenden Formulierung die gesetzgeberische Intention zum Ausschluss 128 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 154; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 337 f.; F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 291. 129 Dies entpricht etwa der gegenwärtigen Marktlage im Bereich der Fernsehkabelnetze, vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.03.1996 – KZR 1/95 – Pay-TV-Durchleitung, WuW/ E 3058. 130 Dazu oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.II. 131 Vgl. S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 215 f.; siehe auch Kommission, Entsch. v. 24.03.2004 – Case COMP/C-3/37.792 Microsoft, C(2004)900. 132 Vgl. oben 4. Teil, 1. Abschnitt, A.I.1. 133 G. von Wallenberg, K&R 1999, 152, 154 f. 134 Dazu oben 2. Teil, 2. Abschnitt, A.

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rein immaterieller Netze aus dem Bereich des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB niedergeschlagen hat.135 Die Einbeziehung rein immaterieller Netze der Informationstechnologie in den Bereich des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB überdehnt die Grenzen des durch die Formulierung „Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen“ vorgegebenen Anwendungsbereiches. Damit sind die im Bereich der Netzeffekte erforderlichen Zugangsansprüche regelmäßig nicht aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ableitbar.136 Denkbar ist es demgegenüber, im Bereich immaterieller Netze Zugangsansprüche aus dem Behinderungsverbot nach §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB abzuleiten. Im Rahmen der hier vorzunehmenden Abwägung ist ein wesentlicher Unterschied zu dem im Bereich natürlicher Monopole zu gewährenden Netzzugang zu berücksichtigen. Anders als dort, steht der Zugang im Bereich immaterieller Netze regelmäßig nicht in direkter Konkurrenz zu einer eigenen Nutzung durch den Inhaber.137 So verhindert die Veröffentlichung von Schnittstelleninformationen die eigene Nutzung durch den Inhaber nicht. Berücksichtigt man, dass auch der Grundsatz, niemand sei zur Förderung des fremden Wettbewerbs verpflichtet, im Kartellrecht keine absolute Geltung beanspruchen kann,138 erscheint das Behinderungsverbot als taugliche Rechtsgrundlage für die im Einzelfall notwendige Verpflichtung zur Zugangsgewährung.139 Der Umstand, dass eine Behinderung nur aufgrund einer Abwägung im Einzelfall festgestellt werden kann, steht der grundsätzlichen Eignung nicht entgegen.140 Für den Bereich, in dem sich die Marktdominanz auf geistiges Eigentum stützt, ist die Annahme einer unzulässigen Behinderung ebenfalls nicht ausgeschlossen. Der vom Gesetzgeber intendierte Ausschluss der Anwendung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB auf Immaterialgüterrechte führt nicht zu einem generellen Vorrang des geistigen Eigentums im Kartellrecht.141 Neben dem Behinderungsverbot nach §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB besteht zudem die Möglichkeit, im Einzelfall einen Missbrauch, gestützt auf die 135 Kritisch dazu J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 170 f.; S. F. von Bechtolsheim/F. Bruder, WRP 2002, 55, 60. 136 Zwischen Offenlegung von Schnittstellen und Zwangslizenz differenzierend F. Scheuffele, Die Essential Facilities-Doktrin, S. 208; weiter offenbar H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 211. 137 Damit entfällt regelmäßig auch das im Bereich natürlicher Monopole bestehende Kapazitätsproblem. 138 Dazu schon oben 4. Teil, 1. Abschnitt, A.II.1. 139 J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 158 ff.; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 218; vgl. auch EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – Rs. C-418/01 – IMS Health; EuGH, Urt. v. 06.04.1995 – Rs. C-241/91 P und C-242/91 P – Magill, GRUR Int. 1995, 490. 140 Zur Abwägung noch unten 4. Teil, 1. Abschnitt, B.II. 141 J. Herrlinger, Das „Netz“ in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, S. 170; vgl. auch § 24 PatG, hierzu etwa K. Schwendy, in: Busse (Hrsg.), PatG, 6. Aufl., § 24.

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Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB, anzunehmen.142 Damit stehen für den Bereich der Netzeffekte dem Grunde nach adäquate kartellrechtliche Anspruchsgrundlagen zur Verfügung. 2. Marktbeherrschung durch den Einrichtungsinhaber Die Untersuchung möglicher kartellrechtlicher Zugangsansprüche hat ergeben, dass diese nur gegen marktbeherrschende Unternehmen bestehen. Der Eignung der dargestellten kartellrechtlichen Ansprüche für die Bereitstellung von Netzzugangsansprüchen steht dies indessen nicht entgegen. Die im Zweiten Teil der Untersuchung herausgearbeiteten netzspezifischen Eigenschaften bedingen die Existenz eines marktbeherrschenden Anbieters. Wo ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht vorhanden ist, fehlt es am Bedarf für die hier behandelten Netzzugangsansprüche. Das gilt nicht nur für den Bereich der natürlichen Monopole, sondern auch für den der Netzeffekte. Netzeffekte können die Einräumung von Zugangsrechten nur dann rechtfertigen, wenn eine nachhaltig dominante Stellung eines Unternehmens festzustellen ist.143 Die Marktmachtabhängigkeit der kartellrechtlichen Zugangsansprüche steht der Eignung des Kartellrechts zur Bereitstellung der netzspezifischen Zugangsansprüche danach nicht entgegen.144 II. Effektivität der kartellrechtlichen Interessenabwägung Neben der prinzipiellen Eignung zur Bereitstellung der Zugangsansprüche, ist auch die Durchsetzbarkeit der Ansprüche im Rahmen der Interessenabwägung erheblich. Einzugehen ist zum einen auf das Erfordernis einer Abwägungsentscheidung im Rahmen der kartellrechtlichen Zugangsansprüche und zum anderen auf die Schwierigkeiten in Verbindung mit der Behandlung von Kapazitätsengpässen. 1. Notwendigkeit einer Interessenabwägung Die im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erforderliche Interessenabwägung steht der Eignung für die Bewältigung der Problematik natürlicher Mono142 Vgl. S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 223; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 328 f. 143 Oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.II.2. 144 Auch wenn man entgegen der Rechtsprechung für einen Anspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB Marktbeherrschung (auch) für den Sekundärmarkt fordert, gilt nichts anderes. Handelt es sich tatsächlich um ein beständiges natürliches Monopol, deutet fehlende Marktbeherrschung im Sekundärmarkt darauf hin, dass die Einrichtung durch den Inhaber bereits Wettbewerbern zur Verfügung gestellt wird. In diesem Falle könnte ein Zugangsanspruch auch aus § 20 Abs. 1 GWB abgeleitet werden.

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pole nicht entgegen.145 Da nach der gesetzlichen Formulierung die Zugangsgewährung als Regelfall erscheint146, ist keine nachhaltige Einschränkung der Effektivität des kartellrechtlichen Zugangsanspruchs zu befürchten. Nichts anderes gilt im Bereich der Netzeffekte, wo Zugangsansprüche ohnehin nur aufgrund einer Abwägung im Einzelfall befürwortet werden können. Die im Falle des Behinderungsverbotes nach §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB erforderliche Abwägung der Interessen der Beteiligten, unter besonderer Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB147, ist geeignet, diese einzelfallorientierte Abwägungsentscheidung sicherzustellen und dabei das der Zugangseröffnung im Bereich von Netzeffekten immanente Spannungsverhältnis adäquat zu berücksichtigen.148 2. Behandlung von Kapazitätsengpässen Die Eignung der kartellrechtlichen Zugangsansprüche ist weiter von der tatsächlichen Durchsetzbarkeit der Ansprüche abhängig. Zu betrachten ist daher die Problematik von Kapazitätsengpässen, die zum Ausschluss der Mitbenutzung nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 HS 2 GWB führen können.149 Zu untersuchen ist, inwieweit die durch den Inhaber vorzunehmende Abwägung der Effektivität des Zugangsanspruchs entgegensteht. a) Kartellrechtliche Repartierung Nach hier vertretener Ansicht findet im Falle des Erreichens der Kapazitätsgrenze im Grundsatz eine Repartierung statt, die den Zugangspetenten auch eine Aussicht auf Zugangserlangung zu Lasten eigener Nutzungsinteressen des Inhabers einräumt. Allerdings können an die durch den Einrichtungsinhaber zu treffende Entscheidung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Ein Missbrauch der Entscheidungsbefugnis liegt insbesondere nicht schon dann vor, wenn eine andere Entscheidung über die Verteilung der knappen Kapazitäten 145 Für den Fall der Unmöglichkeit einer Mitbenutzung nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 HS 2 GWB sind keine besonderen Probleme ersichtlich. Soweit die Mitbenutzung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist, ist dies für den hier untersuchten Zugangsanspruch hinzunehmen. Eine Lösung ließe sich dann etwa im Wege eines Wettbewerbs um den Markt finden. 146 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 205. 147 BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 – BGHZ 38, 90, 102; BGH, Urt. v. 27.04.1999 – KZR 35/97 – Feuerwehrgeräte, WuW/E DE-R 357. 148 Vgl. J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 160. 149 Im Falle von Netzeffekten wird sich im Regelfall kein Kapazitätsproblem ergeben, da die Nutzungsintensivierung hier tendenziell zu einer Steigerung der Netzeffekte führt und im allgemeinen keine Nutzungskonkurrenz zu erwarten ist, vgl. oben 4. Teil, 1. Abschnitt Fn 137.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

zweckmäßiger erschiene.150 Damit können an die Wirkung der Repartierung aber auch keine allzu optimistischen Erwartungen gestellt werden. Es lässt sich weder eine gemeinwohloptimierte Nutzung der Einrichtung gewährleisten, noch ist eine rasche Überwindung der Dominanz des Einrichtungsinhabers auf dem Sekundärmarkt wahrscheinlich.151 b) Vergleich mit den Bedingungen im Falle eines natürlichen Monopols Aus dieser eingeschränkten Effizienz der kartellrechtlichen Repartierungslösung könnten sich Bedenken gegen die Eignung dieses Ansatzes für den Bereich der natürlichen Netzmonopole ergeben. Insbesondere der Umstand, dass im Falle von nicht bestreitbaren natürlichen Netzmonopolen von einem resistenten Wettbewerbshindernis auszugehen ist, könnte den zurückhaltenden Repartierungsansatz des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, der seine Rechtfertigung nicht zuletzt in der Erwartung und Ermöglichung künftigen Wettbewerbs findet152, für den Bereich natürlicher Monopole inadäquat erscheinen lassen. Stattdessen könnte eine gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung in diesem Bereich angemessener sein. Eine Bewertung dieser Bedenken erfordert eine genauere Betrachtung des Kapazitätsproblems im Bereich natürlicher Monopole. (a) Bedeutung der Kapazitätsgrenze im natürlichen Monopol In der Diskussion der Problematik natürlicher Monopole wurde auf die Bedeutung der Marktnachfrage für die Entstehung eines natürlichen Monopols hingewiesen. Nur, wo nennenswerte Kostenvorteile im relevanten Nachfragebereich vorliegen, kann sich ein natürliches Monopol bilden.153 Das Erreichen der Kapazitätsgrenze einer Anlage macht eine Erweiterung der bestehenden oder den Aufbau einer weiteren Anlage zur Nachfragedeckung erforderlich. Es tritt damit jener Effekt ein, der bereits für den Kraftwerksbau erwähnt wurde und der im Bereich der Energieerzeugung zu einer Entschärfung der Monopolproblematik führte.154 Soweit der Nachfrageanstieg über den Bereich bestehender Kostenvorteile hinausgeht, kann dies zum Fortfall des natürlichen Monopols führen. Bei Erreichen der Kapazitätsgrenze besteht mithin Anlass, die Grundannahme der Existenz eines natürlichen Monopols zu über150

Vgl. dazu oben 4. Teil, 1. Abschnitt, A.I.4.c). Dies gilt auch soweit flankierend gegen überlange Vertragsbindungen durch den Inhaber eingeschritten wird; vgl. auch K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20 Rn 181. 152 Zur Wettbewerbsorientierung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB oben 4. Teil, 1. Abschnitt, A.I. 153 Dazu oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.IV.3. 154 2. Teil, 1. Abschnitt, A.IV.2. 151

1. Abschnitt: Bestehen von Zugangsansprüchen

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prüfen. Entfällt mit dem Erreichen der Kapazitätsgrenze auch das natürliche Monopol, würde das Bedürfnis für den hier thematisierten Zugangsanspruch gleichfalls entfallen.155 Die Problematik verlagert sich dann darauf, die Chancengleichheit der Wettbewerber beim Aufbau der erweiterten Kapazitäten sicherzustellen,156 wozu insbesondere Ansprüche nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB in Form von Zusammenschaltungsansprüchen und der Ausschluss von Behinderungspraktiken erforderlich sein können.157 Gegen diese Sichtweise lässt sich der möglicherweise erhebliche Kostenaufwand einer Erweiterung des Netzes nicht anführen. Insbesondere wäre das Argument, eine Refinanzierung der Netzausbaukosten sei infolge der gegenwärtig zu geringen Netzentgelte unmöglich, nicht überzeugend. Sofern die Erweiterung bei den gegebenen Entgeltbedingungen nicht lohnend erscheint, handelt es sich in Wirklichkeit nicht um ein Problem zu geringer Kapazität, sondern um ein Problem ineffizient zu niedrig gesetzter Entgelte für die Inanspruchnahme der Einrichtung. Es wäre dann zu prüfen, welche Hindernisse dem Anstieg des Entgeltes auf ein Niveau entgegenstehen, bei dem entweder die Nachfrage so weit zurückgeht, dass der Kapazitätsmangel entfällt oder bei dem die Erweiterung wirtschaftlich realisierbar wird.158 Es ist Ziel der Grundentscheidung für den Wettbewerb, die notwendigen Preiskorrekturen zu ermöglichen.159 155 Auch wenn Größenvorteile nicht erschöpft sind und ein neues Netz die Gesamtnachfrage bedienen könnte, bliebe infolge der Irreversibilitäten annahmegemäß das alte Netz im Markt und würde so zu einer spürbaren Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse führen; vgl. hinsichtlich der möglicherweise eingeschränkten Effizienzwirkungen des entstehenden Oligopols allerdings schon oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.VI. 156 Die Möglichkeit der Wettbewerber eine solche Kapazitätserweiterung, gegebenenfalls auch unter Mitbenutzung vorhandener Einrichtungen selbst vorzunehmen gewinnt damit vorrangig Bedeutung. Wo die Erweiterung durch den Incumbent zu günstigeren Bedingungen möglich ist, als für Wettbewerber, ist hier zu überprüfen, ob weitere Marktzutrittshindernisse bestehen. Wo etwa dem bisherigen Netzmonopolisten ein Netzausbau durch Zugriff auf vorhandene Leitungen oder Leerrohre zu erheblich geringeren Kosten möglich ist, als den Wettbewerbern, besteht Anlass, an der Freiheit des Zugangs zu den wesentlichen Einrichtungen, als die sich dann diese Netzelemente herausstellen, zu zweifeln. 157 Wegen der erfolgten Erweiterung stünde diesen Ansprüchen dann die begrenzte Kapazität nicht mehr entgegen. 158 Ursache hierfür könnte ein durch Querfinanzierung gestütztes strategisches Verhalten des Einrichtungsinhabers sein, der hierdurch Konkurrenten vom Aufbau eines Parallelnetzes abhalten will. Zur Problematik zu niedriger Entgelte im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, die den Aufbau von Konkurrenznetzen behindern, vgl. sogleich 4. Teil, 2. Abschnitt, A.I. 159 Schwierigkeiten können hier jedoch in Grenzbereichen auftreten, wo zwar dem Grunde nach ausreichende Kapazitäten bestehen, sich allerdings unvereinbare Nutzungskonzeptionen gegenüberstehen. Hier ergeben sich aus der vertikalen Integration Wettbewerbsprobleme deren Lösung derzeit noch aussteht, vgl. J. Kruse, in: Kruse/ Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 247, 252, 258.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

(b) Nichtwirtschaftliche Ausbauhindernisse und fehlende Preisanpassung Eine andere Bewertung der Kapazitätsproblematik könnte geboten sein, wenn bei Erreichen der Kapazitätsgrenze nichtwirtschaftliche Ausbauhindernisse bestehen oder die geschilderte Preisanpassung scheitert. (1) Nichtwirtschaftliche Ausbauhindernisse Die Untersuchung der Problematik natürlicher Monopole hat ergeben, dass auch nicht-ökonomische Markteintrittsbarrieren zu einer dem natürlichen Monopol entsprechenden Situation führen können.160 Nachdem direkte Marktzutrittsbeschränkungen im Bereich der Netzwirtschaften abgebaut sind, können solche Barrieren beispielsweise auf einem technisch begründeten Frequenzmangel beruhen oder im Bereich primärer Netze durch raumplanerische Beschränkungen hervorgerufen werden.161 In dieser Konstellation kann trotz Erreichen der Kapazitätsgrenze keine Erweiterung erfolgen. Allerdings führt der Kapazitätsmangel auch hier zu einem Knappheitssignal, welches im wettbewerblichen Umfeld Preisänderungen angeregt, die tendenziell zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage führen. Bei Bestehen nichtwirtschaftlicher Ausbauhindernisse entfällt das Kapazitätsproblem mithin in einer längerfristigen Perspektive, soweit die freie Preisbildung im Markt gesichert ist.162 (2) Preishindernisse Ein bei Erreichen der Kapazitätsgrenze beobachteter Preisanstieg kann folglich als Ausdruck eines funktionierenden Marktmechanismus betrachtet werden. Im Bereich der Netzwirtschaften, die teilweise der Daseinsvorsorge zugerechnet werden, sind allerdings politische Widerstände gegen diesen knappheitsbedingten Preisanstieg nicht auszuschließen.163 Speziell dort, wo aus raumplanerischen 160

Vgl. oben 2. Teil, 2. Abschnitt, B.I. Vgl. dazu auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 113 der hinsichtlich der Repartierung für eine Differenzierung in Abhängigkeit von der erwünschten Netzduplizierung plädiert. 162 Wird trotz eines höheren Entgeltgebots kein Zugang gewährt, liegt eine Diskriminierung vor, die vom Kapazitätsproblem unabhängig ist, vgl. oben 4. Teil, 1. Abschnitt, A.I.4.c) a. E. 163 Anlass eine sogenannte Marktlücke dergestalt anzunehmen, dass die Zahlungsbereitschaft im Markt grundsätzlich hinter den Kosten der Angebotserstellung zurückbleibt (vgl. zur Problematik N. Eickhoff, Wirtschaftsdienst 1986, 468, 472), besteht im hier untersuchten Bereich nicht. Eine derartige Marktlücke würde gegenbenenfalls die Grundentscheidung für eine wettbewerbliche Erbringung in der gegenwärtigen Form untergraben. 161

1. Abschnitt: Bestehen von Zugangsansprüchen

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Gründen eine Kapazitätserweiterung nicht gewünscht ist, mögen sozialpolitische Erwägungen gegen die Realisierung des vollen Wettbewerbspreises sprechen. In der Sache handelt es sich dabei um die Konstellation des Universaldienstes.164 Zwar ist auch hier aufgrund der Grundentscheidung für wettbewerbliche Erbringung der Netzleistungen auf ein marktkonformes Finanzierungsregime zu achten165, eine kartellrechtliche Ausgestaltung des Universaldienstmodells scheidet allerdings wegen der immanenten Durchbrechung des Wettbewerbsprinzips aus.166 c) Fazit zur Behandlung von Kapazitätsengpässen Letztlich zeigt die Betrachtung der Kapazitätsproblematik die Bedeutung des Zeithorizonts der Analyse. Während § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB die Entstehung von Wettbewerb fördern möchte und speziell bei der Überbrückung des Zeitraums bis zur Etablierung paralleler Netzstrukturen hilft, orientiert sich die Betrachtung natürlicher Monopole an einer längerfristigen Perspektive, wodurch das Erreichen der Kapazitätsgrenze als Möglichkeit erscheint, das natürliche Monopol aufzubrechen. Zugangsansprüche zu natürlichen Netzmonopolen sind dort erforderlich, wo die Kosteneffekte noch im Bereich der aktuellen Nachfrage liegen, ein Kapazitätsproblem also nicht besteht. Trotz der Schwierigkeiten bei der kartellrechtlichen Behandlung von Kapazitätsengpässen führt der Zugangsanspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB daher auch im Falle natürlicher Netzmonopole zu einer adäquaten Lösung.

C. Fazit für das Bestehen kartellrechtlicher Zugangsansprüche Ansprüche auf kompetitiven Zugang zu Netzen mit dem Charakter eines natürlichen Monopols können aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB abgeleitet werden. Das dabei zu beobachtende Spannungsverhältnis zwischen der Ausrichtung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB auf die Einführung von Wettbewerb und der dauerhaften Wettbewerbsresistenz der natürlichen Monopole167 steht der Eignung der Norm zur Bewältigung der Zugangsfrage nicht entgegen.168 164

Dazu schon oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.III. Hierzu etwa C. B. Blankart/G. Knieps, ZögU 1996, Beiheft 19, 51. 166 Dazu schon oben 3. Teil, 3. Abschnitt, I.2. 167 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 187. 168 Zweifelnd indessen J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 188; B. Martenczuk/K. Thomaschki, RTkom 1999, 15, 25; anders auch J. Oechsler, ZHR 164 (2000), 479. 165

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Für Netzbereiche, die von erheblichen Netzeffekten geprägt sind, können die gegebenenfalls erforderlichen Zugangsansprüche auf §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB und unter Umständen auf § 19 Abs. 1 GWB gestützt werden. Demgegenüber lassen sich Zugangsansprüche in diesem Bereich regelmäßig nicht aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ableiten. Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass das kartellrechtliche Instrumentarium im Grundsatz geeignet ist, die zur Bewältigung der netzspezifischen Probleme der natürlichen Monopole und der Netzeffekte erforderlichen Zugangsansprüche bereitzustellen. Eine Bewertung des kartellrechtlichen Lösungsansatzes ist aber erst dann möglich, wenn auch die Frage der Zugangskonditionen unter Rückgriff auf das kartellrechtliche Instrumentarium gelöst werden kann. Die hierbei bestehenden Probleme, die auch in der Anwendungspraxis inzwischen im Vordergrund stehen,169 sind Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen. Zweiter Abschnitt

Konditionen des Zugangs Die Einräumung eines Zugangsanspruchs ist unvollständig, solange offen bleibt, zu welchen wirtschaftlichen Konditionen der Zugang zu gewähren ist. Ohne die flankierende Bestimmung der Nutzungskonditionen stünde es dem Inhaber der betroffenen Netze frei, den grundsätzlichen Zugangsanspruch im Rahmen der Konditionengestaltung wirtschaftlich zu vereiteln.170 Nur soweit es gelingt, unter Rückgriff auf kartellrechtliche Mittel, hinreichende Kriterien der Entgeltkontrolle für den Zugang zu Netzen zu entwickeln, ist die kartellrechtliche Bewältigung der Netzproblematik erfolgversprechend.171 Der Begriff der Zugangskonditionen umfasst zunächst das für die Inanspruchnahme zu entrichtende Entgelt. Zu beachten ist allerdings, dass die Bestimmung eines Entgelts nur auf eine näher bestimmte Leistung bezogen sein kann. Im Falle des Zugangs zu Netzen, ist diese Leistung durch zahlreiche weitere Parameter charakterisiert. Von besonderer Bedeutung für den Einsatz der Zugangsleistungen auf dem Sekundärmarkt sind die Leistungsqualität und die Schnellig169

Vgl. U. Büdenbender, WuW 2000, 119, 121. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 101 f.; vgl. schon oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.I.2. 171 Ob das von S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 221 angedeutete Verhandlungsmodell tatsächlich eine Entlastung bewirken könnte, muss vor dem Hintergrund der bestehenden Diskriminierungsanreize bezweifelt werden, vgl. hierzu E. Bohne, in: Lüder (Hrsg.), FS Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, S. 211, 229; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 101 f. Die Erfahrungen im Telekommunikationsbereich scheinen diese Zweifel zu stützen. 170

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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keit der Bereitstellung. In der Praxis sind deshalb die Fragen nach der Höhe des Zugangsentgelts und nach den Konditionen nicht zu trennen. Die folgenden Ausführungen, die die Konditionenproblematik vorwiegend am Beispiel der Zugangsentgelte behandeln, sind wegen der Parallelität der bestehenden Sachfragen entsprechend auch auf die übrigen Konditionen des Zugangs anwendbar.

A. Kartellrechtliche Kontrolle der Entgelte für kompetitiven Netzzugang Die bisher behandelten kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen für die Gewährung von Netzzugang behandeln die Frage der Zugangskonditionen regelmäßig nicht ausdrücklich. Allein § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB enthält Vorgaben zur Höhe des Zugangsentgelts. Hingegen werden im Wortlaut der Norm zu den übrigen Zugangskonditionen keine expliziten Vorgaben gemacht. Die Kontrolle des Entgelts nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB bildet den Schwerpunkt der folgenden Ausführungen zur Entgeltkontrolle. I. Angemessenheit des Entgelts nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist der Zugang nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB gegen ein „angemessenes“ Entgelt zu gewähren. Das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit gilt als wichtigstes Element des Zugangstatbestands des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB.172 Gleichwohl bleibt die Norm Anhaltspunkte zur Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit schuldig.173 Der Vergleich mit anderen kartellrechtlichen Vorschriften führt nicht weiter, da der Begriff der Angemessenheit auch dort keine nähere Bestimmung erfährt.174 Der Ermittlung des Mitbenutzungsentgelts kommt für die Erreichung des Normzwecks entscheidende Bedeutung zu. Während bei zu hohen Entgelten die Gefahr besteht, die Entstehung von Wettbewerb auf dem Sekundärmarkt zu verhindern, können zu niedrig bemessene Entgelte die Wirtschaftlichkeit und damit den Fortbestand der genutzten Einrichtungen gefährden.175 Der Begriff der An172 Vgl. F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 307; vgl. auch U. Büdenbender, ZIP 2000, 2225, 2232 ff.; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 156 f. 173 Kritisch etwa F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 157; vgl. auch A. Zimmerlich/U. Müller, N&R 2006, 46. 174 Die Härtefallregelung des § 34 Abs. 3 Satz 1 GWB ist in ihrer Zielrichtung kaum vergleichbar. Weitergehende Anhaltspunkte zur Bestimmung der Angemessenheit, liefert auch diese Regelung nicht; vgl. auch Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 23. 175 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204; W. Möschel, WuW 1999, 5, 8. Zu berücksichtigen ist auch der verfassungsrechtliche Aspekt der Kompensation des Inhabers, vgl. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2399.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

gemessenheit ist somit zweiseitig begrenzt. Die untere Grenze der Angemessenheit ergibt sich aus der notwendigen Kompensation des Einrichtungsinhabers, die obere durch den Zweck der Wettbewerbsermöglichung.176 Die Angemessenheit des Entgelts ist zunächst leistungsbezogen mit Blick auf das in der Zugangsgewährung liegende Austauschverhältnis sicherzustellen. Maßstab für die Bestimmung des angemessenen Entgelts nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist folglich der reale Wert der Leistung. Die Kosten der Leistungserstellung, einschließlich eines angemessenen Ertrages für notwendige Investitionen, sind abzudecken.177 Zur genaueren Konkretisierung des Entgelts werden allerdings verschiedene Ansätze vertreten.178 Hinsichtlich der teilweise vorgeschlagenen Berücksichtigung des für den Nachfrager bestehenden Nutzungspotentials179 erscheint Zurückhaltung angebracht, da sich hieraus eine Grundlage zur Verlagerung der auf den nachfolgenden Wirtschaftsstufen erzielten Wertschöpfung zum Einrichtungsinhaber ergeben könnte.180 Zweck der Vorschrift ist die Eröffnung von möglichst ungestörtem Wettbewerb auf dem Sekundärmarkt. Eine Abführung des im Sekundärmarkt erzielbaren Gewinns an den Einrichtungsinhaber ermöglichte diesem jedoch, die aus der Marktstellung im Primärmarkt folgende wirtschaftliche Macht zur Abschöpfung einer Monopolrente zu nutzen. Ausgangspunkt der Entgeltbestimmung kann daher nur eine Betrachtung des Primärmarktes selbst sein. Diskutiert wird für die Entgeltbestimmung zum Teil auch ein unmittelbarer Rückgriff auf spezialgesetzliche Wertungen181 bzw. die Heranziehung von Preissetzungsverfahren des sektorspezifischen Regulierungsrechts182. Auch eine Orientierung am Konzept des gerechten Preises183 und eine Anlehnung an den Billigkeitsmaßstab des § 315 BGB werden erörtert.184 176 Vgl. A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 228; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 157. 177 G. Wiedemann, in: Wiedemann (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rn 65; vgl. aber Erwiderung des Bundesrates, BT-Drs. 13/9720, S. 74. 178 Vgl. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2396; A. Zimmerlich/U. Müller, N&R 2006, 46, 47 ff.; auch S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 217 ff. 179 Dafür wohl Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2399 ff., 2401. 180 Vgl. auch H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 270. 181 So Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 23; F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 311; I. Zenke/H.-C. Thomale, WuW 2005, 28, 31. 182 Ablehnend hierzu J. F. Baur/K. Henk-Merten, Kartellbehördliche Preisaufsicht über den Netzzugang; dazu noch unten 4. Teil, 2. Abschnitt, C.II. 183 Gegen das Konzept des gerechten Preises im Kartellrecht schon E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 16; vgl. auch D. K. Munzinger, Mißbräuchliche Preise, Preisbildungssysteme und Preisstrukturen nach § 22 GWB, S. 57 f. 184 Zum Ganzen noch unten 4. Teil, 2. Abschnitt, C.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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Richtigerweise wird man bei Ausfüllung des Maßstabs für ein angemessenes Entgelt auf den Wettbewerbsbezug des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zurückzugreifen haben. Angemessen ist ein Preis für die Mitbenutzung nur dann, wenn er dem Preis entspricht, der sich auch in einem wettbewerblichen Umfeld herausgebildet hätte. Es kann daher bei Bestimmung des angemessenen Preises auf die Methodik der Entgeltkontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB zurückgegriffen werden.185 Aus dem Begriff der Angemessenheit lässt sich die Unanwendbarkeit des Entgeltmaßstabs des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB nicht ableiten.186 Neben der Bewertung im Austauschverhältnis enthält das Merkmal der Angemessenheit des Entgelts noch eine weitere Komponente. Nur soweit das Entgelt frei von einer diskriminierenden Behinderung ist, kann es als angemessen im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB gelten.187 Damit nimmt die Vorschrift zugleich die Wertungen der §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB auf.188 Im Folgenden werden die kartellrechtlichen Mittel zur Sicherstellung des angemessenen Entgelts einer genaueren Prüfung unterzogen. Dabei ist zunächst auf die Sicherung der austauschbezogenen Angemessenheit unter Rückgriff auf die kartellrechtliche Entgeltkontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB und im Anschluss ergänzend auf die Sicherung der Behinderungsfreiheit einzugehen.

185 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 168; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 203; H. Lutz, RdE 1999, 102, 109 f.; H. Lutz, in: Büdenbender/Kühne (Hrsg.), FS Baur, S. 507; U. Böge, in: Büdenbender/Kühne (Hrsg.), FS Baur, S. 399, 403; Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 25; U. Büdenbender, Kartellrechtliche Kontrolle der Netzzugangsentgelte nach dem Vergleichsmarktprinzip, S. 24 ff. Zu dem gleichen Ergebnis kommt R. Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 85, der auf den isolierten Betrieb der Einrichtung abstellen will und hierfür den Maßstab des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB heranzieht; trotz Verweis auf eine grundlegend andere Schutzrichtung im Ergebnis wie hier wohl auch H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 262 ff., 270; a. A. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2407; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 163 ff.; J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 181; wohl auch H. Weyer, in: FKKartellrecht, § 19 Rn 1050. 186 Da die Entgeltgrenze des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB allgemein auf Leistungen marktbeherrschender Anbieter anzuwenden ist, gelten die nachfolgenden Ausführungen entsprechend auch für die Entgelte bei Zugangsbegehren die auf Kontrahierungspflichten nach § 19 Abs. 1 GWB, § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB oder § 20 Abs. 1 GWB gestützt werden. 187 H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1051 mit Verweis auf Landeskartellbehörde Bayern, Verf. v. 10.11.2000 – Nr. 5555d5-W/1b-36409 – Bad Tölz, WuW/E DE-V 347, 348; BKartA, Beschl. v. 21.12.1999 – B9-63220-T-199/97 und T-16/98 – Hafen von Puttgarden, WuW/E DE-V 253, 265; Weyer, AG 1999, 257, 262. 188 Vgl. Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 25, 39 f.; A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 267.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

II. Sicherung der austauschbezogenen Angemessenheit unter Rückgriff auf § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB Nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB handelt ein marktbeherrschendes Unternehmen missbräuchlich, wenn es „Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden“. Untersagt sind mithin Preise und Bedingungen, die bei wirksamem Wettbewerb im Markt nicht durchsetzbar wären und die unter Ausnutzung der Marktstellung zu Lasten der Gegenseite gebildet werden.189 Zur Bestimmung des Missbrauchs verweist das Gesetz auf den Preis des sogenannten Als-Ob-Wettbewerbs.190 Der vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte Inhaber von Marktmacht soll zu einem Verhalten angehalten werden, als ob er wirksamem Wettbewerb ausgesetzt sei.191 1. Methoden der Missbrauchsbestimmung Die konkrete Methode zur Bestimmung eines Missbrauchs lässt das Gesetz mit dem Verweis auf den Als-Ob-Wettbewerb freilich offen.192 Zwar wird in § 19 Abs. 4 Nr. 2 HS 2 GWB die Bezugnahme auf einen vergleichbaren Markt mit wirksamem Wettbewerb – das Vergleichsmarktkonzept – genannt, andere hinreichend zuverlässige Bestimmungsmethoden werden allerdings nicht ausgeschlossen.193 a) Vergleichsmarktkonzept Grundlage der im Gesetz angesprochenen Vergleichsmarktmethode ist der Gedanke, den Als-ob-Wettbewerbspreis durch Beobachtung eines zweiten Marktes mit hinreichend wirksamem Wettbewerb zu ermitteln. Voraussetzung hierfür 189 Vgl. R. Knöpfle/H. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 1931; K. Schultz, in: Langen/ Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 92 f. 190 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 153; R. Knöpfle/H. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 1964; kritsch hierzu etwa E. Hoppmann, in: Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5, 9 f.; E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept; S. L. Gabriel, in: Gutzler/Herion/ Kaiser (Hrsg.), FS Günther, S. 263. 191 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 153; J. F. Baur/K. Henk-Merten, Kartellbehördliche Preisaufsicht über den Netzzugang, S. 57. 192 W. Möschel, JZ 1975, 393, 395; N. Reich, NJW 1974, 1353, 1353; vgl. auch H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1208 f. 193 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 95; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.04.2002 – Kart 2/02 (V) – Netznutzungsentgelt, WuW/E DE-R 914, 868.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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ist die Vergleichbarkeit der Wettbewerbsverhältnisse in beiden Märkten. Das Auffinden eines geeigneten Vergleichsmarktes erweist sich dabei als Kernproblem des Vergleichsmarktkonzepts, da einerseits ein möglichst hoher Grad an Ähnlichkeit anzustreben ist, andererseits aber eine höhere Wettbewerbsintensität Voraussetzung für eine wirksame Preismissbrauchsaufsicht nach der Vergleichsmarktmethode ist.194 Bei der Bestimmung des Vergleichsmarktes ist zwischen dem räumlichen, sachlichen und zeitlichen Vergleichsmarktkonzept zu unterscheiden.195 Während beim räumlichen Vergleichsmarktkonzept ein regional getrennter Markt des gleichen Gutes oder der gleichen Leistung untersucht wird, orientiert sich das sachliche Vergleichsmarktkonzept an Märkten vergleichbarer Güter oder Leistungen. Schließlich wird beim zeitlichen Vergleichsmarktkonzept regelmäßig ein früherer Preis des Marktbeherrschers als Vergleichsmaßstab herangezogen, was zu einer Beschränkung der Prüfung auf die Missbräuchlichkeit einer Preiserhöhung führt.196 Die Praxis orientiert sich zumeist am räumlichen Vergleichsmarktkonzept, wobei inländische Teilmärkte ebenso wie ausländische Märkte betrachtet werden.197 Ist ein grundsätzlich vergleichbarer Markt identifiziert, werden etwaige Unterschiede der einzelnen Märkte im Rahmen von Zu- oder Abschlägen ausgeglichen.198 Hierdurch können Vor- und Nachteile, die sich aus den konkreten Marktverhältnissen ergeben und die deshalb auch bei wirksamem Wettbewerb preisrelevant wären, berücksichtigt werden.199 Trotz der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung200 sollen demgegenüber solche Umstände ausgeklammert werden, die individuell mit dem marktbeherrschenden Unternehmen verknüpft

194 Vgl. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 96. In Ausnahmefällen ist auch ein Monopolpreisvergleich zulässig, vgl. BGH, Beschl. v. 21.10.1986 – KVR 7/85 – Glockenheide, WuW/E BGH 2309, 2311; kritisch hierzu H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1216; nicht überzeugend dagegen M. Kubiciel, Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen, S. 178 der einen Monopolpreisvergleich fordert. 195 Hierzu etwa K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 98 ff. 196 Zur Sockeltheorie vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 1, S. 44 f.; W. Möschel, JZ 1975, 393, 396. 197 Zu den Einzelheiten vgl. R. Knöpfle/H. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 1984. 198 Vgl. BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819, 1822; zur Notwendigkeit von Abschlägen vgl. F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 255. 199 R. Knöpfle/H. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 2023 unter Verweis auf BGH, Beschl. v. 21.10.1986 – KVR 7/85 – Glockenheide, WuW/E BGH 2309; H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1219 ff.; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 101. 200 Vgl. H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1221.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

sind.201 Die Einschätzung, in welchem Umfang sich solche Marktgegebenheiten unter der Annahme wirksamen Wettbewerbs tatsächlich im Marktpreis niederschlagen würden, beinhaltet allerdings notwendig ein spekulatives Element, da die entsprechenden Korrekturen nicht im Wege bloßer Marktbeobachtung ermittelbar sind.202 Um den Unsicherheiten bei der Berücksichtigung solcher Unterschiede Rechnung zu tragen, werden zu Gunsten des Marktbeherrschers zusätzliche Sicherheitszuschläge angesetzt, die zu einer Erhöhung des wettbewerbsanalogen Preisniveaus führen.203 Eine Missbrauchsfeststellung ist zudem von einer erheblichen Überschreitung des Vergleichsentgelts abhängig.204 b) Verfahren der Kostenanalyse Ein alternatives Konzept zur Bestimmung des angemessenen Entgelts ist die Kostenkontrolle. Grundlage hierfür ist die Überlegung, dass bei funktionierendem Wettbewerb im Grundsatz Marktpreise Kostenpreise sind205. Die Kostenanalyse versucht, die relevanten Kosten bei Erstellung des Gutes zu ermitteln und diese als Grundlage der Entgeltkontrolle heranzuziehen. Im Unterschied zum Vergleichsmarktkonzept, das auf einer Analogie zu einem beobachteten Wettbewerbspreis basiert, ist hier ein fiktiver Wettbewerbspreis Maßstab des Missbrauchsvorwurfs.206

201 BGH, Beschl. v. 16.12.1976 – KVR 2/76 – Valium I, BGHZ 68, 23; BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819, unter B. II.3.e),f); H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1221; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 103. Zur möglichen Berücksichtigung im Rahmen der Rechtfertigung vgl. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 106 ff. 202 Vgl. BGH, Beschl. v. 12.02.1980 – KVR 3/79 – Valium II, BGHZ 76, 142; zweifelhaft insofern jetzt BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819, 1823, wo offenbar die Ermittlung von Zu- und Abschlägen durch Aufklärung der tatsächlichen Verhältnisse für möglich gehalten wird und deswegen nur in begrenztem Umfang von hilfsweisen Schätzungen ausgegangen wird. Jedenfalls hinsichtlich der Frage, wie sich die Unterschiede unter Wettbewerbsverhältnissen auswirken würden, ist freilich kaum ohne eine wertende Betrachtung auszukommen. Wenn der Bundesgerichtshof bei Anwendung des Vergleichmarktkonzepts ohne Schätzung auskommen will, kann es sich damit wohl nur um Schätzungen im Rechtssinne handeln. Die tatsächliche Beobachtung bezieht sich auf den Vergleichmarkt und diese Beobachtung wiederum ist Basis für die Bestimmung des Zu- oder Abschlages. Indessen ist die Höhe des Zu- oder Abschlag nicht bereits durch Beobachtung und Sachverhaltsermittlung auf dem Vergleichsmarkt zu bestimmen. 203 Vgl. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 111. 204 BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 104 f. Zum Erheblichkeitszuschlag vgl. auch BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, siehe unten 4. Teil, 2. Abschnitt, C.III. 205 Vgl. etwa R. S. Pindyck/D. L. Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 381; T. Lenk, in: Neubäumer/Hewel (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 31, 97, 109 f.

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Während bislang das Vergleichsmarktverfahren die größte praktische Bedeutung hatte, erlangte die Kostenanalyse bei der Missbrauchsaufsicht im Bereich der Energieversorger eine gewisse Prominenz.207 In Ermangelung eines gefestigten betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs stellt sich hierbei zuerst die Frage, welcher Kostenbegriff der Analyse zugrunde zu legen ist. Neben der Bestimmung der Kostenhöhe, ist die Frage der Zuordnung der Kosten zum fraglichen Produkt zu berücksichtigen.208 c) Gewinnbegrenzung Das Konzept der Gewinnbegrenzung findet seine ökonomische Grundlage in der Erkenntnis, dass Gewinne im Wettbewerb nur insoweit erzielt werden, als sie Ausdruck des unternehmerischen Risikos sind. Suprakompetitive Gewinne regen bei freiem Marktzutritt andere Unternehmen zum Markteintritt an, wodurch in der Tendenz die erzielbaren Gewinne auf das wettbewerbliche Niveau abfallen209. Überhöhte Unternehmensgewinne erscheinen damit als Indiz für fehlenden Wettbewerb.210 Ziel der Ermittlungsmethode ist es, das Geschäftsrisiko einer Unternehmung mit Hilfe finanzwissenschaftlicher Methoden abzuschätzen und den Gewinn entsprechend zu begrenzen. Das Konzept der Gewinnbegrenzung ist insbesondere im europäischen Kartellrecht anerkannt211 und wurde vom Bundeskartellamt in verschiedenen Entscheidungen herangezogen212. Die Ermittlung des zulässigen Gewinns ist auf die Verfügbarkeit einer Berechnungsgrundlage angewiesen. Nach verschiedenen Konzepten werden hierzu die angemessenen Kosten oder der Unternehmensertrag bzw. -umsatz herangezogen,213 wobei der Ertrag durch Abzug der Kosten ermittelt wird. In beiden 206 Vgl. H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1208, zur Zulässigkeit Rn 1226 ff. Die Terminologie ist indessen uneinheitlich, so spricht BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819, 1821 von einem „fiktive[n] wettbewerbsanaloge[n] Preis“. 207 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.04.2002 – Kart 2/02 (V) – Netznutzungsentgelt, WuW/E DE-R 914; Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 27; vgl. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 93; F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 211 ff.; H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1227. 208 H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1228. Dazu noch unten 4. Teil, 2. Abschnitt, B.I.2. 209 Dazu R. A. Brealey/S. Myers, Corporate Finance, S. 78 f., 287 ff. 210 Vgl. K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 100. 211 EuGH, Urt. v. 13.11.1975 – Rs. 26/75 – General Motors, Slg. 1975, 1367, 1379 f.; EuGH, Urt. v. 14.02.1978 – Rs. 27/76 – United Brands, Slg. 1978, 207; EuGH, Urt. v. 11.11.1986 – Rs. 226/84 – British Leyland, Slg. 1986, 3263, 3305. 212 BKartA, Beschl. v. 16.10.1974 – B6-37/73 – Valium-Librium, WuW/E BKartA 1526, 1530; BKartA, Tätigkeitsbericht 1981/82, S. 58.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Varianten ist damit zumeist auch eine Untersuchung der Kostensituation des marktbeherrschenden Unternehmens erforderlich, worin sich die Nähe der Gewinnbegrenzungskonzepte zur Kostenanalyse zeigt.214 Werden im Rahmen eines Gewinnspannenvergleiches Unternehmen in einem wettbewerblichen Markt in die Betrachtung einbezogen, nimmt das Konzept auch Elemente der Vergleichsmarktmethode auf.215 2. Kritik am Konzept der Preishöhenaufsicht Obgleich das Konzept des Ausbeutungsmissbrauchs bereits im ursprünglichen GWB verankert war und im Laufe der Gesetzesentwicklung eher noch stärker akzentuiert wurde, sieht sich die kartellrechtliche Aufsicht über die Entgeltforderungen marktbeherrschender Unternehmen nachhaltiger Kritik ausgesetzt.216 Mit der vierten Novelle des Gesetzes sind allerdings die früher mitunter geäußerten Zweifel217 an der Verankerung des Ausbeutungsmissbrauchs im Gesetz ausgeräumt.218 Verfassungsrechtliche Bindungen können allenfalls eine zurückhaltende Anwendung bzw. verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift, nicht jedoch ihre Unanwendbarkeit, begründen.219 Daneben stehen juristische und rechtspolitische Forderungen, die kartellrechtliche Preisaufsicht zu streichen oder jedenfalls einzuschränken,220 wobei sich verschiedene Ansatzpunkte unter213 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 157 f.; R. Knöpfle, BB 1979, 1101; S. Weiß, Das Konzept der Gewinnbegrenzung für die Preishöhenkontrolle über Marktbeherrschende Unternehmen, S. 183. 214 Vgl. R. Knöpfle, BB 1975, 1607, 1608. Aus diesem Grund wird die Gewinnbegrenzung von F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 208 als Unterfall der Kostenanalyse eingeordnet. 215 F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 208; K. Schultz, in: Langen/ Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 100. 216 Vgl. E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept; S. L. Gabriel, in: Gutzler/Herion/Kaiser (Hrsg.), FS Günther, S. 263; vgl. auch H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 834 ff., 1211 ff. 217 S. Gabriel, Preiskontrolle im Rahmen der Wettbewerbspolitik, S. 6 ff.; dazu K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 92; vgl. auch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 149. 218 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 12. Zur früheren Diskussion etwa K. Markert, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs, S. 297, 299. 219 R. Knöpfle/H. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 1950 ff., 1956; H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1211 ff. Weitergehend sieht R. Knöpfle, BB 1994, Beilage zu Heft 21, 1, die Preishöhenkontrolle sogar verfassungsrechtlich abgesichert. Soweit teilweise verfassungsrechtliche Zweifel an der Zulässigkeit der kartellrechtlichen Preismissbrauchsaufsicht geäußert wurden (etwa H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage, S. 57 f., 74 ff.), sind diese jedenfalls im Wege der Auslegung zu bewältigen. 220 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 150; D. Runte, Behördliche Preiskontrollen im Marktsystem, S. 114 ff.; M. Kubiciel,

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scheiden lassen. Kritisiert wird zum einen die mangelnde Ordnungskonformität einer kartellbehördlichen Aufsicht über die Preise marktbeherrschender Unternehmen. Zum anderen entzündet sich die Kritik an zahlreichen praktischen Anwendungsschwierigkeiten, die auch durch die verschiedenen Modelle zur Bestimmung des wettbewerbsanalogen bzw. fiktiven Entgelts nicht beseitigt werden konnten. a) Ordnungskonformität der Preishöhenaufsicht Gegen die Preismissbrauchsaufsicht ist eingewandt worden, dass diese ihren Ursprung in der Wettbewerbskonzeption des Ordoliberalismus habe, dessen Orientierung an der Idealvorstellung vollkommener Konkurrenz inzwischen als überholt gilt.221 Der Verweis auf diesen historischen Ursprung der Missbrauchsaufsicht kann indes nicht als überzeugendes Argument gegen die Preisaufsicht herangezogen werden. Die Berechtigung der Preisaufsicht hängt nicht vom Modell der vollständigen Konkurrenz ab. Der Umstand, dass machtfreier Wettbewerb nicht möglich bzw. nicht wünschenswert ist222, steht der Durchführung einer Preishöhenaufsicht nicht entgegen. Es findet durch die Preishöhenkontrolle keine Pönalisierung der Marktmacht als solcher statt. Nur soweit ein Missbrauch der Marktmacht vorliegt, schreitet die Aufsicht ein. Indem grundsätzliche Machtgleichheit Voraussetzung der Richtigkeitsgewähr privatrechtlicher Vereinbarungen ist,223 bleiben erhebliche Konzentrationen von Marktmacht eine Herausforderung der Wettbewerbsordnung.224 b) Unzulässige Marktergebniskontrolle Gegen die Preishöhenaufsicht wird weiterhin eingewandt, diese sei nicht gegen wettbewerbswidrige Handlungen der Wettbewerber gerichtet, sondern knüpfe, anders als etwa die Kontrolle im Falle des Behinderungsmissbrauchs,

Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen, S. 163 ff. Anders dagegen R. Knöpfle, BB 1994, Beilage zu Heft 21, 1; ihm folgend S. Weiß, Das Konzept der Gewinnbegrenzung für die Preishöhenkontrolle über Marktbeherrschende Unternehmen. 221 Vgl. E. Hoppmann, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 61. 222 Diese Erkenntnis findet sich im Übrigen bereits im Josten-Entwurf, vgl. die Ausnahmeregelungen nach § 3 Abs. 3 des Entwurfes, S. 10. 223 W. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Band, Das Rechtsgeschäft, S. 7 f. 224 W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 347; R. Knöpfle/H. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 1936; nicht überzeugend dagegen M. Kubiciel, Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen, S. 56.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

an konkrete Wettbewerbsergebnisse an.225 Der hierin liegende Systembruch226 sei Ausdruck eines mit dem GWB nicht zu vereinbarenden Wettbewerbsverständnisses.227 Mit dem Gesetz vereinbar sei allein eine Aufsicht, die den Schutz der Wettbewerbsbedingungen bezwecke. Tatsächlich sei es gerade wesentliche Eigenschaft des Wettbewerbs, dass sich seine Ergebnisse nicht mittels anderer Methoden vorherbestimmen lassen.228 Da die Simulation von Wettbewerb nicht möglich sei, scheitere die vom Als-Ob-Konzept intendierte Bestimmung eines wettbewerbsanalogen Preises.229 Ein Vergleich mit dem hier herausgearbeiteten Ordnungsmodell des GWB230 offenbart in der Tat ein Spannungsverhältnis zwischen der Preishöhenaufsicht und dem gesetzlichen Wettbewerbsmodell. Innerhalb des Ordnungsmodells liegt die Besonderheit der Preiskontrolle darin, dass nicht lediglich die Entstehungsbedingungen des Preises betrachtet werden, sondern der Preis unmittelbar selbst zum Anknüpfungspunkt der kartellrechtlichen Kontrolle wird. Die hierin liegende Marktergebniskontrolle unterscheidet die Preishöhenaufsicht auch von anderen Instituten der Machtmissbrauchskontrolle.231 Es wurde als kennzeichnend für die Wettbewerbsordnung des GWB herausgearbeitet, dass ein Freiraum für individuelle wirtschaftliche Zielverfolgung geschaffen wird.232 Die in diesem Rahmen erreichten Ergebnisse tragen als Ergebnisse individuellen eigennutzgesteuerten Handelns die Vermutung der Richtigkeit in sich und werden wegen der Art ihres Entstehens geschützt.233 Der kartellrechtliche Begriff eines „richtigen“ Wettbewerbsergebnisses ist somit darauf begrenzt, dass ein Ergebnis deshalb als richtig erachtet wird, weil es in freiem Wettbewerb entstanden ist.234 225 Vgl. W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 200; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 92 f. 226 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 12; W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 295. 227 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 12 m.w. N.; K. Herdzina, in: Andreae/Kirchhoff/Pfeiffer (Hrsg.), FS Benisch, S. 3; H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage, S. 18 f.; H. Baum, Wirtschaftspolitische Chronik 28 (1979), 65, 67. 228 Monopolkommission, Sondergutachten 1, S. 41; E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 6. 229 Vgl. E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 515, 531 ff.; S. L. Gabriel, in: Gutzler/Herion/Kaiser (Hrsg.), FS Günther, S. 263, 271. 230 Dazu oben 3. Teil, 1. Abschnitt. 231 Vgl. etwa bzgl. Behinderungsmissbrauch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 12. 232 Dazu schon oben 3. Teil, 1. Abschnitt, D.II; vgl. auch W. Möschel, JZ 1975, 393, 394. 233 Zum ganzen schon oben 3. Teil, 1. Abschnitt, D.II.2. 234 Vgl. oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B; vgl. C. C. von Weizsäcker, in: Kirchhof (Hrsg.), Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 85, 94; sowie in Bezug auf den privatauto-

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Ein weitergehender, materieller Maßstab der Richtigkeit fehlt im GWB. Im Rahmen der Ordnungskonzeption des GWB, in der das Prinzip der Wettbewerbsfreiheit die Ergebnisrichtigkeit235 gewährleistet, ist ein solcher Maßstab aber im Grundsatz auch entbehrlich. Die an Ergebnisse anknüpfende Preiskontrolle ist damit innerhalb des GWB als Ausnahmetatbestand zu betrachten.236 c) Probleme beim Erlass von Verfügungen der Preishöhenaufsicht Bezweifelt wird teilweise auch die Möglichkeit kartellrechtliche Verfügungen zu erlassen, die eine effektive Preishöhenaufsicht ermöglichen. Zum einen handele es sich hierbei um kartellrechtlich unzulässige Gebotsverfügungen,237 zum anderen scheitere die Durchsetzbarkeit solcher Verfügungen an der auf die konkreten Tatsachen beschränkten Bestands- bzw. Rechtskraft238. Hinsichtlich der Bedenken gegen Gebote der Kartellbehörden ist anzuerkennen, dass diese in einem gewissen Konflikt zum Ordnungsmodell des GWB stehen. Hierin spiegeln sich die bereits grundsätzlich gegen die Preishöhenkontrolle vorgebrachten Bedenken. Im Rahmen der Missbrauchskontrolle obliegt es zunächst dem betroffenen Unternehmen selbst, zu entscheiden, wie ein festgestellter Missbrauch abzustellen ist.239 Gleichwohl ist dem GWB ein genereller Ausschluss von Gebotsverfügungen nicht zu entnehmen. Ist die Befolgung eines Verbotes nur durch ein konkret bestimmbares Verhalten möglich, kann dem Verpflichteten dieses konkrete Verhalten unmittelbar aufgegeben werden. Wo etwa die diskriminierende Verweigerung eines Vertragsabschlusses nur durch eine konkrete Handlung, im Beispiel nur durch Abschluss des begehrten Vertrages, beendet werden kann, ist eine entsprechende positive Anordnung der Kartellbehörden zulässig.240 Noch darüber hinaus geht nunmehr die Regelung des § 32 GWB, wonach unter bestimmten Voraussetzungen konkrete Anweisungen nomen Vertragsschluss W. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Band, Das Rechtsgeschäft, S. 8. 235 Deregulierungskommission, Marktöffnung und Wettbewerb, Tz. 5. 236 So auch BKartA, Tätigkeitsbericht 1991/92, S. 30. Zu den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sogleich 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.4. 237 H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage, S. 106; dazu W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 208; B. Börner, DB 1983, 923, 927; E.-J. Mestmäcker, in: Großfeld/Sack/Möllers/Drexel/ Heinemann (Hrsg.), FS Fikentscher, S, 557, 565. 238 E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 515, 535; W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 346. 239 Vgl. E.-J. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., Einleitung Rn 1; H. O. Lenel, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 316, 328 ff. 240 Nach früherem Recht zurückhaltend W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 242 f.; dagegen BGH, Beschl. v. 03.04.1975 – KVR 1/74 – Polyester-Grundstoffe, WuW/E BGH 1345; E.-J. Mestmäcker, in: Großfeld/ Sack/Möllers/Drexel/Heinemann (Hrsg.), FS Fikentscher, S, 557, 565.

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zur Abstellung eines kartellrechtswidrigen Verhaltens aufgegeben werden können.241 Letztlich wird die Problematik auch dadurch entschärft, dass die kartellbehördlichen Missbrauchsverfügungen auf die Festsetzung einer Obergrenze beschränkt werden, wodurch dem Unternehmen ein Spielraum zur Preissetzung belassen wird. Preismissbrauchsverfügungen werden daher von der Rechtsprechung im Grundsatz anerkannt.242 Ob der praktischen Durchsetzung kartellbehördlicher Höchstpreisfestsetzungen tatsächlich, wie befürchtet, die eingeschränkte Bestands- bzw. Rechtskraft entgegensteht ist zweifelhaft.243 Nicht jede Änderung tatsächlicher Umstände hat schon Einfluss auf die Durchsetzbarkeit einer Verfügung. Nur wenn die tragenden Gründe der Entscheidung einer Änderung unterliegen, tritt diese Wirkung ein. Zudem hätte die Kartellbehörde jederzeit die Möglichkeit gegenüber einem Unternehmen, welches sich nach ihrer Ansicht zu Unrecht auf geänderte Umstände beruft, eine erneute Verfügung zu erlassen. d) Unerwünschte Nebenwirkungen der Preishöhenaufsicht Maßnahmen der Preishöhenaufsicht führen zu einem Eingriff in den Preismechanismus des Marktes, wodurch weitere Störungen des Wettbewerbs ausgelöst werden können.244 Ein hoher Preis als Knappheitsindikator ist für potentielle Wettbewerber Anreiz, in den Markt einzutreten. Indem nacheilender Wettbewerb induziert wird, bildet der Preismechanismus eine Triebfeder für die Dynamik des Wettbewerbs. Der als hoch empfundene Preis signalisiert lukrative Wettbewerbs- und Gewinnmöglichkeiten für andere Marktteilnehmer und birgt damit Chancen für eine künftige Intensivierung des Wettbewerbs.245 Dieser Anreiz zum Markteintritt, der in der Tendenz zu einem Abbau der marktbeherrschenden Stellung führen kann, wird durch Preissenkungen, die im Rahmen der Missbrauchsaufsicht verfügt werden, abgebaut.246 Zu berücksichtigen sind auch unerwünschte Auswirkungen auf den verbliebenen Restwettbewerb. Die für das marktbeherrschende Unternehmen verfügte Preissenkung wird in der Regel die übrigen Wettbewerber ebenfalls zu eine Senkung der Preise zwingen. Bestehen für diese Wettbewerber größenbedingte 241 Dazu K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 176; J. Bornkamm, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 32 Rn 24. 242 Zuletzt BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819, wo weitergehend im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB auch Erlösobergrenzen anerkannt werden, vgl. dazu H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1207. 243 R. Knöpfle, BB 1994, Beilage zu Heft 21, 1, 14. 244 R. Knöpfle/H. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 1937; W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 346 f. 245 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 150. 246 W. Möschel, WRP 1987, 67, 70.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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Kostennachteile, führt dies zu einer weiteren Schwächung des Restwettbewerbs und im Extremfall zum Marktaustritt dieser Unternehmen.247 Schließlich wird eingewandt, eine isolierte Preisaufsicht sei praktisch nicht durchführbar.248 Da der Preis des angebotenen Gutes nur einen Wettbewerbsparameter darstelle, führe die Fixierung auf eine bestimmte Preishöhe dazu, dass der wettbewerblich nicht kontrollierte Handlungsspielraum durch den Marktbeherrscher auf anderen Feldern, etwa im Bereich der Produktqualität oder der Vertragskonditionen, ausgenutzt würde.249 Durch dieses Ausweichen könne die bindende Wirkung der Preisaufsicht im Ergebnis unterlaufen werden. Die Ausweichreaktion ließe sich nur vermeiden, wenn neben der Festlegung des noch zulässigen Preises gleichzeitig Vorgaben zum Qualitäts- und Konditionenniveau erfolgen würden. Der Preisaufsicht sei daher die Tendenz zur Gesamtsteuerung des Unternehmensverhaltens immanent.250 Es wurde für die hier untersuchten Zugangsansprüche bereits aufgezeigt, dass die Festsetzung der Entgelte letztlich nicht von den übrigen Konditionen zu trennen ist. Allenfalls könnte diesbezüglich darauf verweisen werden, dass auch marktbeherrschende Unternehmen beim Ausweichen auf andere Wettbewerbsparameter noch einer gewissen Kontrolle durch den Wettbewerb unterliegen werden.251 Da jedoch die Missbrauchsaufsicht nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB nicht auf die Kontrolle der Entgelte beschränkt ist, sondern auch sonstige Geschäftsbedingungen erfasst, lässt sich aus dem Zusammenhang der verschiedenen Konditionen untereinander die Unzulässigkeit der Preisaufsicht nicht ableiten. e) Kritik an der Methode des Vergleichsmarktkonzepts Speziell in Bezug auf das Vergleichsmarktkonzept wird auf das Problem der mangelnden Vergleichbarkeit verschiedener Märkte verwiesen.252 Ziel des Ver247 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 150; D. Runte, Behördliche Preiskontrollen im Marktsystem, S. 93; Beispiel bei N. Reich, NJW 1974, 1353; vgl. auch Monopolkommission, Sondergutachten 1, S. 57; skeptisch allerdings H. O. Lenel, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 316, 327. 248 D. Runte, Behördliche Preiskontrollen im Marktsystem, S. 106 f.; vgl. auch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 150; H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage, S. 37; sowie R. Knöpfle/H. Leo, in: GK-GWB, § 19 Rn 1940 m.w. N. 249 E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 35 f.; vgl. auch H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage, S. 37. 250 E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 36 f. 251 Zu denken ist etwa an Reputationsverluste bei einem spürbaren Qualitätsrückgang. 252 D. K. Munzinger, Mißbräuchliche Preise, Preisbildungssysteme und Preisstrukturen nach § 22 GWB, S. 64 ff.; E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 31 f.; skeptisch zur Verfügbarkeit eines räumlichen Vergleichsmarktes auch K. Markert, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs, S. 297, 313.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

gleichsmarktkonzepts ist die Bestimmung eines wettbewerbsanalogen Preises durch Untersuchung vergleichbarer Märkte, wobei Unterschiede der Märkte durch Zu- und Abschläge Berücksichtigung finden sollen. Neben den grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung dieser Korrekturbeträge253, wird hierbei noch auf die Abhängigkeit der Vergleichsmarktmethode von der Verfügbarkeit eines geeigneten Vergleichsmarktes verwiesen, woraus sich ein weiteres Willkürelement der Preisaufsicht nach dieser Methode ergebe254. Demgegenüber wird man dem Vergleichsmarktkonzept allerdings zugute halten müssen, dass es jedenfalls im Ausgangspunkt von einer Preisermittlung im Wettbewerb ausgeht.255 Die Orientierung an einem wettbewerblichen Vergleichsmarkt dient insofern der Reduzierung der immanenten Unsicherheiten der Preishöhenaufsicht.256 Aus dieser Sicht ist es auch konsequent den Monopolpreisvergleich, der nicht auf einen Wettbewerbspreis zurückgreift, auf Ausnahmefälle zu beschränken.257 Der Einwand, ein Vergleichsmarkt sei nicht immer verfügbar,258 ist zwar zutreffend, steht der Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts jedoch dann nicht im Wege, wenn ein geeigneter Vergleichsmarkt vorhanden ist. Allerdings werden die Grenzen des Vergleichsmarktkonzepts erreicht, wenn der missbrauchsfreie Preis wegen vorhandener Marktunterschiede letztlich überwiegend durch Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen ermittelt wird.259 Der Grundgedanke des Vergleichsmarktkonzepts, aus Beobachtung eines Marktes mit funktionierendem Wettbewerb, einen missbrauchsfreien Preis zu ermitteln, 253 Dazu etwa A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 241 f. 254 R. Knöpfle, DB 1984, 1129, 1133; zustimmend S. Weiß, Das Konzept der Gewinnbegrenzung für die Preishöhenkontrolle über Marktbeherrschende Unternehmen, S. 97; zu den unterschiedlichen Vergleichsmarktkonzepten, vgl. K. Markert, in: Cox/ Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs, S. 297. 255 W. Möschel, JZ 1975, 393, 396. 256 Dies verkennt R. Knöpfle, DB 1984, 1129, 1132 f. wenn er unter Verweis auf die Möglichkeit verschiedener Marktpreise die Existenz, beziehungsweise „Richtigkeitsgewähr“ des Marktpreises leugnet. Die Richtigkeit des Marktpreises ergibt sich innerhalb der kartellrechtlichen Bewertung gerade aus dessen Ursprung im freien Wettbewerb, vgl. schon oben 3. Teil, 1. Abschnitt, D.II.2. 257 BGH, Beschl. v. 21.10.1986 – KVR 7/85 – Glockenheide, WuW/E BGH 2309; nicht überzeugend dagegen M. Kubiciel, Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen, S. 178. 258 R. Knöpfle, DB 1984, 1129, 1133, dessen Kritik insofern gegen die ausschließliche Verwendung des Vergleichsmarktkonzeptes gerichtet ist. 259 Vgl. BGH, Beschl. v. 12.02.1980 – KVR 3/79 – Valium II, BGHZ 76, 142; dazu W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 164; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.03.2004 – VI-Kart 18/03 (V) – Stadtwerke Mainz, WuW/E DE-R 1439 wo Korrekturen zwischen 40 und 50 Prozent als problematisch erachtet wurden; hierzu K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 103.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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wird dann zu Gunsten einer fiktiven Berechnung aufgegeben. Da sich der Preis nicht aus dem Vergleich ergibt, liegt in diesem Falle schon kein geeigneter Vergleichsmarkt als Grundlage der Analyse vor.260 Im Ergebnis nähert sich eine solche Betrachtung dann einer Ermittlung auf Kostenbasis.261 f) Kritik an Verfahren der Kosten- und Gewinnkontrolle Die in der Literatur teilweise befürworteten Methoden der Kosten- oder Gewinnkontrolle262 sind trotz der Defizite des Vergleichsmarktkonzepts kaum geeignet, dieses für den Regelfall abzulösen.263 Die von Knöpfle geäußerte Hoffnung, die der Marktergebniskontrolle immanenten Probleme durch ein gewinnbasiertes Konzept zu umgehen264, ist zu optimistisch. Die grundlegende Schwierigkeit der Berücksichtigung der Entwicklungsoffenheit des Wettbewerbs besteht auch in diesem Bereich. Eine an Kosten oder Gewinnen orientierte Preishöhenaufsicht sieht sich ebenso gezwungen, das Wettbewerbsergebnis durch einen eigenen Maßstab zu ersetzen. Gegenüber dem Vergleichsmarktkonzept sind kosten- und gewinnbasierte Methoden zusätzlichen Bedenken ausgesetzt, die sich aus den unvermeidbaren Unsicherheiten der Methodik und der Qualität des Eingriffs in die Sphäre des Unternehmens ergeben. Die erforderliche Bestimmung der preisrelevanten Kostenpositionen stellt nicht nur erhebliche Anforderungen an die verfügbare Informationsbasis,265 darüber hinaus wirft die notwendige Zuordnung der Kosten zu verschiedenen Produkten des Unternehmens zahlreiche Probleme auf.266

260 BGH, Beschl. v. 12.02.1980 – KVR 3/79 – Valium II, BGHZ 76, 142; demgegenüber scheint BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819, 1822 Zu- und Abschläge nur dann für bedenklich zu halten, wenn diese auf Schätzungen beruhen; vgl. H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1217; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rn 102. 261 D. K. Munzinger, Mißbräuchliche Preise, Preisbildungssysteme und Preisstrukturen nach § 22 GWB, S. 67; so wohl auch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., §19 Rn 204 für § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB. 262 So maßgeblich R. Knöpfle, BB 1975, 1607; R. Knöpfle, BB 1979, 1101; R. Knöpfle, DB 1984, 1184; R. Knöpfle, BB 1994, Beilage zu Heft 21, 1; ihm folgend S. Weiß, Das Konzept der Gewinnbegrenzung für die Preishöhenkontrolle über Marktbeherrschende Unternehmen; ähnlich D. K. Munzinger, Mißbräuchliche Preise, Preisbildungssysteme und Preisstrukturen nach § 22 GWB, S. 93. 263 W. Möschel, Rechtsordnung zwischen Plan und Markt, S. 37. Zum Teil wird auch vertreten, das Konzept sei bereits als solches nicht gesetzeskonform, etwa K. Markert, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs, S. 297, S. 314; für grundsätzliche Vereinbarkeit hingegen W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 151. 264 R. Knöpfle, BB 1994, Beilage zu Heft 21, 1, 14. 265 Vgl. dazu noch unten 4. Teil, 2. Abschnitt, B.I.2.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Der Rückgriff auf betriebswirtschaftliche Methoden ist nicht geeignet, die für die Konzepte notwendige Bestimmung der anzusetzenden Kosten mit hinreichender Sicherheit zu gewährleisten.267 Der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff hängt maßgeblich vom jeweiligen Erkenntniszweck ab und entbehrt damit der mitunter unterstellten Eindeutigkeit.268 Gegen ein kostenbasiertes System zur Ermittlung von Ausbeutungsmissbrauch spricht zudem, dass die Preisbildung im Markt nicht auf Basis der Kosten erfolgt.269 Der wettbewerbliche Preismechanismus ist vielmehr wesentlich vom Wechselspiel von Angebot und Nachfrage geprägt. Unternehmen, deren Kosten durch den Marktpreis nicht gedeckt werden, können nicht unter Verweis auf ihre Kosten ein höheres Entgelt verlangen, sondern sind, soweit Kostensenkungen nicht gelingen, zum Marktaustritt gezwungen. Umgekehrt ist auch im Wettbewerb die phasenweise Erzielung von Entgelten, die zu einer Kostenüberdeckung führen, nicht ausgeschlossen. Hinzu kommt das der Kostenkontrolle immanente Umgehungspotential, welches als Folge der, insbesondere in den USA, in der Vergangenheit praktizierten Regulierung der Versorgungswirtschaft aufgezeigt wurde.270 Sofern die tatsächlichen Kosten Grundlage der zulässigen Preisbildung sind, besteht ein Anreiz für das Unternehmen, zusätzliche Kosten in die Kalkulation einzubeziehen.271 Die in diesem Zusammenhang vorgeschlagene Abgrenzung von erforderlichen und nicht erforderlichen Kostenpositionen272 ist nicht geeignet, das Problem einer befriedigenden Lösung zuzuführen. Die Abgrenzungen soll solche Kosten aus der Kostenanalyse herausrechnen, die letztlich Ausdruck marktmachtbedingten Ineffizienzen sind und die deshalb in einem wettbewerblichen Umfeld keine Auswirkungen auf den Preis erlangen könnten.273 Die hierzu nötige inhaltliche Beurteilung der Unternehmensstrategie stellt noch viel weitergehende Anforde-

266 Hierzu Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 27 ff.; zur Mitwirkungspflicht des Unternehmens, vgl. H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1230 f. 267 H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1228; a. A. S. Weiß, Das Konzept der Gewinnbegrenzung für die Preishöhenkontrolle über Marktbeherrschende Unternehmen, S. 170 ff., 188 ff. 268 Vgl. hierzu G. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 1250 f.; Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2. 269 Vgl. W. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 154 ff.; E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 16 Fn 19. 270 Vgl. K. E. Train, Optimal Regulation, S. 19 ff. 271 Vgl. K. E. Train, Optimal Regulation, S. 35. 272 So etwa Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 29 ff.; ebenso S. Weiß, Das Konzept der Gewinnbegrenzung für die Preishöhenkontrolle über Marktbeherrschende Unternehmen, S. 233; R. Knöpfle, DB 1984, 1184. 273 Vgl. R. Knöpfle, DB 1984, 1184.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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rungen an den erforderlichen Maßstab und öffnet die Missbrauchsaufsicht einer Einflussnahme auf das Wettbewerbsverhalten des Unternehmens, die mit dem wettbewerblichen Ordnungsmodell unvereinbar ist.274 Insbesondere sind die hierfür erforderlichen Leitsätze zur Kosten- und Gewinnermittlung mit dem Ordnungsmodell des GWB nicht zu vereinbaren.275 Zwar ist das Problem der Maßstabsfindung jeder Ergebniskontrolle immanent, indem die Kostenkontrolle jedoch auf die Heranziehung eines wettbewerblichen Vergleichsmarktes als Maßstab verzichtet, geht ein wesentliches Element des Wettbewerbsbezuges verloren, ohne dass die vorgeschlagenen Kriterien diesen Verlust zu kompensieren vermöchten. 3. Praktische Anwendung der Preishöhenaufsicht Die geschilderten Schwierigkeiten der kartellrechtlichen Preishöhenaufsicht sind nicht ohne Wirkung auf die praktische Anwendung des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB durch die Kartellbehörden geblieben. Hinsichtlich der methodischen Schwierigkeiten ist das Bestreben erkennbar, durch die Kombination verschiedener Berechnungsmethoden sowie durch die Einbeziehung von Sicherheitszuschlägen möglichst belastbare Ergebnisse sicherzustellen. Zudem zeigt sich das Bemühen, strukturelle Schwierigkeiten durch weitgehende Orientierung an den Besonderheiten des Einzelfalles zu bewältigen. Neben den praktischen Anwendungsschwierigkeiten tragen auch die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Anforderungen an wirksame Verfügungen276 zur geringen praktischen Relevanz dieses Instruments bei.277 Abgesehen von einigen Phasen der Aktivität führt die Preismissbrauchsaufsicht in der Praxis heute ein Schattendasein.278

274

Im Einzelnen hierzu noch nachfolgend 4. Teil, 2. Abschnitt, B.I.2.b). W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 157; E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 37 Fn 56; a. A. S. Weiß, Das Konzept der Gewinnbegrenzung für die Preishöhenkontrolle über Marktbeherrschende Unternehmen, 232. Die von R. Knöpfle, DB 1984, 1184, 1185 vorgeschlagene Heranziehung der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP, Anlage zur Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen v. 21.11. 1953), erscheint kaum geeignet dieses Problem zu lösen. Infolge der Subsidiarität der LSP gegenüber Marktpreisen (§ 1 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53) und der gänzlich anderen Zielrichtung dieser Leitsätze, können diese gegenüber anderen Kostenermittlungsmethoden im Bereich des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB keinen Vorrang beanspruchen. Die von Knöpfle intendierte Eindeutigkeit ist damit auch hierdurch nicht zu erreichen. 276 Vgl. H. Baum, Wirtschaftspolitische Chronik 28 (1979), 65, der auf die Bedeutung der von der Rechtsprechung aufgestellten Beweisanforderungen verweist; auch Monopolkommission, Hauptgutachten 1978/1979, Tz. 437; BKartA, Tätigkeitsbericht 1991/92, S. 30. 277 S. Klaue, ZNER 2000, 271, 273. 278 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 152; H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1217. 275

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Auch das Bundeskartellamt selbst zieht in dieser Hinsicht eine eher negative Bilanz.279 Neben den Schwierigkeiten der praktischen Umsetzung und dem Aufwand bei der Ermittlung der notwendigen Berechnungsgrundlagen, dürfte auch das Anerkenntnis des Spannungsverhältnisses zwischen Wettbewerbsschutz und Preishöhenaufsicht Anteil am zurückhaltenden Einsatz der kartellrechtlichen Preisaufsicht haben. 4. Eigene Stellungnahme und Schlussfolgerungen zur Preishöhenaufsicht Die rechtliche Ausgestaltung der kartellrechtlichen Preishöhenaufsicht muss versuchen, die Preishöhenkontrolle in das kartellrechtliche Ordnungsmodell einzufügen und den genannten methodischen Bedenken Rechnung tragen. a) Notwendigkeit der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle Die Notwendigkeit der Kontrolle des wettbewerblich nicht hinreichend kontrollierten Handlungsspielraums marktbeherrschender Unternehmen bleibt ungeachtet der ordnungstheoretischen Kritik bestehen. Auch in einer wettbewerblich organisierten Wirtschaftsordnung rechtfertigt das Interesse der Marktgegenseite an leistungsgerechten Preisen korrigierende Eingriffe bei fundamental gestörtem Machtgleichgewicht.280 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf die Mustervoraussage gestützte Wettbewerbskonzeption des GWB auch eine gemeinwohlorientierte Zielsetzung verfolgt.281 Dem steht ein Wettbewerbsverständnis, das den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren betrachtet, nicht entgegen. Insbesondere kann auch bei diesem Verständnis nicht ausgeschlossen werden, dass der Wettbewerb im Falle erheblicher Machtballungen seine eigene Beschränkung entdeckt282. Die Aufgabe des Kartellrechts, die der Wettbewerbsfreiheit innewohnende Tendenz zur Selbstaufhebung zu bekämpfen, besteht besonders im Falle ungleich verteilter wirtschaftlicher Macht. Die sich hier ergebenden, wettbewerblich nicht hinreichend kontrollierten Handlungsspielräume gefährden die allgemeine Richtigkeitsgewähr marktlicher Austauschprozesse und die freie wirtschaftliche Entfaltung der Individuen, die gleichfalls von einem Mindestmaß an ökonomischer Gleichheit abhängig ist.283 Wo dieses Kräftegleichgewicht nachhaltig zu Gunsten eines Marktteilnehmers verschoben ist, sind Beein279

BKartA, Tätigkeitsbericht 1991/92, S. 30. Vgl. W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 347. 281 Siehe oben 3. Teil, 1. Abschnitt, D.II.2. 282 W. Fikentscher, in: Immenga/Möschel/Reuter (Hrsg.), FS Mestmäcker, S. 567, 573 f.; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 120. 283 M. Habersack, in: Hoyer (Hrsg.), Gedenkschrift Knöpfle, S. 25, 26 f. 280

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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trächtigungen des wettbewerblichen Funktionsmechanismus, welcher die Grundlage der wettbewerblichen Mustervoraussage bildet, nicht auszuschließen. Indem die Preishöhenaufsicht die durch die fehlende Machtbalance ausgelösten Störungen aufgreift, dient sie zugleich dem Fortbestand der Wettbewerbsordnung. Auch im Hinblick auf die Schwierigkeiten der praktischen Umsetzung einer Preishöhenaufsicht, ist ein genereller Verzicht auf dieses Instrument nicht gerechtfertigt. Es bleibt zu bedenken, dass die Alternative – die Hinnahme offenbarer Missbräuche – kaum eine bessere Vereinbarkeit mit dem Ordnungsmodell des GWB aufweisen würde.284 Die Verfügbarkeit der Preisaufsicht, gewissermaßen als Notbehelf285, ist einer resignierenden Duldung von einseitigen Vertragsdiktaten, die allein durch wettbewerbliche Übermacht ermöglicht werden, vorzuziehen.286 Unabhängig von der wettbewerbspolitischen Bewertung der Preishöhenaufsicht, besteht vor dem Hintergrund der klaren Entscheidung des Gesetzes de lege lata allein die Möglichkeiteiner ordnungskonformen Ausgestaltung und Anwendung des Instituts der Preishöhenaufsicht. Das Spannungsverhältnis zum Ordnungsmodell kann nicht einseitig zu Lasten der Preisaufsicht aufgelöst werden. b) Preishöhenaufsicht als ultima ratio Soll sich die Preishöhenaufsicht in das kartellrechtliche Ordnungsmodell einfügen, ist zunächst das Verhältnis zu anderen kartellbehördlichen Befugnissen zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind die Auswirkungen zu prüfen, die sich im Hinblick auf Häufigkeit sowie die konkrete Form der Anwendung ergeben. (a) Subsidiarität gegenüber anderen Mitteln der Kartellaufsicht Der Schutz des wettbewerblichen Koordinationsprozesses durch Setzung von Rahmenregeln wurde als prägend für das kartellrechtliche Ordnungsmodell herausgearbeitet. Kartellrechtliche Verfügungen dienen in diesem System regelmäßig der Verhinderung von Übergriffen in den kartellrechtlich geschützten Frei-

284 Vgl. W. Möschel, JZ 1975, 393, 396; W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 160. Nicht ganz unbegründet scheint zudem die Erwartung, dass die Verweigerung einer kartellrechtlichen Lösung derartiger Probleme letztlich zur Aktivierung anderer hoheitlicher Interventionsinstanzen führen könnte. 285 W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 24, 160; E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 11. 286 W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 160; W. Möschel, JZ 1975, 393, 396.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

heitsbereich der Wettbewerber.287 Eine Kartellaufsicht, die die Gemeinwohlrichtigkeit der Wettbewerbsergebnisse nutzbar machen will, hat vorrangig solche Maßnahmen zu ergreifen, die auf die Aktivierung der Selbstheilungskräfte des Marktes zielen und die Funktion der Marktprozesse gewährleisten bzw. wieder herstellen.288 Die Eigenschaft der Preishöhenaufsicht, tendenziell Wettbewerbsanreize zu beseitigen und somit die Ursachen des Preishöhenmissbrauchs eher zu verstärken, als diese zu bekämpfen,289 spricht für einen zurückhaltenden Einsatz. Gegenüber solchen Maßnahmen, die auf die Beseitigung der Wettbewerbsstörungen durch Sicherung der Wettbewerbsfreiheit abzielen, ist die Preishöhenaufsicht somit subsidiär anzuwenden.290 Im Bereich der Missbrauchsaufsicht finden Maßnahmen zur Durchsetzung des Behinderungs- und des Diskriminierungsverbots nach §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB vorrangige Anwendung.291 Unter zusätzlicher Berücksichtigung von marktstrukturbezogenen Maßnahmen ergibt sich danach ein Stufenverhältnis, in dem die Preishöhenaufsicht als Notbehelf die letzte Stufe bildet.292 (b) Beschränkung auf Einsatz im Einzelfall Wo der Rückgriff auf die Preishöhenaufsicht als Notbehelf erforderlich wird, ist das kartellrechtliche Ordnungsmodell im Rahmen des Missbrauchsverfahrens weiterhin zu beachten. Die für das Kartellrecht prägende Ausrichtung auf die Richtigkeitsgewähr des Wettbewerbs293 entfaltet auch hier ihre Wirkung. Nur soweit die Marktergebnisse offenbar und marktmachtbedingt die Bandbreite 287 Vgl. dazu E. Hoppmann, in: Hoppmann (Hrsg.), Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 296, 300; dazu schon oben 3. Teil, 2. Abschnitt, C.II.2. 288 Vgl. W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 53. 289 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 150; H. Bartling, WuW 1993, 16, 24 f. 290 W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 158; W. Möschel, JZ 1975, 393, 395; zustimmend D. K. Munzinger, Mißbräuchliche Preise, Preisbildungssysteme und Preisstrukturen nach § 22 GWB, S. 99; im Grundsatz durchaus ähnlich mit einem Plädoyer für den Vorrang von Regel- vor Ergebniskorrekturen E.-J. Mestmäcker, in: Sauermann/Mestmäcker (Hrsg.), FS Böhm, S. 383, 416. 291 W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 158 ff.; W. Möschel, JZ 1975, 393, 397 spricht im Hinblick auf die Preismissbrauchsaufsicht treffend von einer Kompensations- im Unterschied zu einer Kausaltherapie. 292 W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 158 f.; W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 347; K. Markert, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs, S. 297, 314; weitergehend will E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 13 die von Möschel bezeichnete dritte Stufe auf die Kontrolle von Preiserhöhungen beschränken und die übrigen Fälle einer zusätzlichen vierten Stufe zurechnen. 293 Zu sogenannten Mustervoraussage vgl. schon oben 3. Teil, 1. Abschnitt, D.II.2.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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hinnehmbarer Wettbewerbsergebnisse verlassen, die generelle Richtigkeitsgewähr des wettbewerblichen Interessenausgleichs also offenbar versagt hat, erscheint innerhalb des kartellrechtlichen Ordnungsmodells die mit der Preishöhenkontrolle verbundene Substituierung des Wettbewerbs denkbar.294 Das auch durch die Preishöhenkontrolle nicht berührte Primat des Wettbewerbs im Bereich des GWB steht einer generellen, verdachtsunabhängigen Preisüberwachung ebenso entgegen, wie einer marktweiten präventiven Preiskontrolle.295 Preishöhenaufsicht bleibt damit eine auf den Einzelfall begrenzte Maßnahme.296 Die in der Literatur insbesondere von Knöpfle vertretene Auffassung, die Missbrauchsaufsicht in Form der Preishöhenaufsicht sei auszuweiten297, kann demgegenüber nicht überzeugen.298 Diese Ansicht basiert auf einer einseitigen Betonung des Ausgleichsgedankens und vernachlässigt dabei die dem Privatrecht und Wettbewerbsrecht immanente eigene Richtigkeitsgewähr. Die Auffassung, eine derartige in jedem Einzelfall durchzuführende Richtigkeitskontrolle sei verfassungsrechtlich geboten, ist nicht überzeugend. Die dem Sozialstaatsgebot zuzuordnende Verantwortung des Staates für die Sicherstellung eines angemessenen Interessenausgleichs wird von diesem Ansatz erheblich überdehnt.299 Auch verfassungsrechtlich lässt sich ein Eingriff in die Preisgestaltung in jedem Einzelfall nicht begründen.300 Darüber hinaus müsste die verfassungsrechtliche Betrachtung die tatsächlich begrenzten Möglichkeiten der kartellrechtlichen Preishöhenaufsicht ebenso berücksichtigen wie die Gefahr von Fehlentscheidungen.

294 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 150; wegen der Hoffnung auf eine Erosion der marktbeherrschenden Stellung möchte W. Möschel, Rechtsordnung zwischen Plan und Markt, S. 32 allerdings nur von einer Ergänzung sprechen. 295 Monopolkommission, Sondergutachten 1, S. 21. Zur Kontroverse um eine antizipierte Missbrauchsaufsicht vgl. U. Büdenbender, WuW 1980, 111; K. Schmidt, WuW 1980, 577. 296 W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 200; K. Markert, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs, S. 297, 314; M. Schmidt-Preuß, Verfassungsrechtliche Zentralfragen staatlicher Lohn- und Preisdirigismen, S. 235; zur Missbrauchsaufsicht allgemein E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 7. 297 Vgl. R. Knöpfle, BB 1994, Beilage zu Heft 21, 1; zustimmend S. Weiß, Das Konzept der Gewinnbegrenzung für die Preishöhenkontrolle über Marktbeherrschende Unternehmen. 298 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 150; H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 811. 299 Vgl. hierzu etwa H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 7. Aufl., Art. 20 Rn 108, 115 f. 300 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgenhaftung, BVerfGE 89, 214, 232.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

(c) Beschränkung der Kontrolltiefe Die Orientierung der Preishöhenaufsicht am kartellrechtlichen Ordnungsmodell hat Weiterungen nicht nur in Bezug auf die Häufigkeit der Kontrolle, sondern ebenso bezüglich der Kontrolltiefe der Preishöhenaufsicht. Auch das marktbeherrschende Unternehmen bleibt vorrangig der Kontrolle des Wettbewerbs unterworfen. Es findet keine Kontrolle des Gesamtunternehmens statt. Deshalb können im Rahmen der Preishöhenaufsicht Entscheidungen über den Umfang der Investitionen für Forschung und Entwicklung oder die grundsätzliche Unternehmensausrichtung nicht hinterfragt werden.301 Auch marktbeherrschende Unternehmen können im Rahmen der Wettbewerbsordnung des GWB selbst über ihr Wettbewerbsverhalten entscheiden. Die in den Vorarbeiten zum GWB, insbesondere im Josten-Entwurf, vorgesehene Aufsicht durch ein Monopolamt wurde vom Gesetzgeber verworfen.302 Eine umfassende und kontinuierliche Aufsicht über marktbeherrschende Unternehmen ist von der Missbrauchsaufsicht des GWB nicht intendiert.303 Die Tendenz der Preisaufsicht, zu einer Dauerkontrolle des Unternehmens umzuschlagen304, gemahnt folglich zu Zurückhaltung. Wegen des auch für marktmächtige Unternehmen fortbestehenden Wettbewerbsdrucks können grundsätzliche Entscheidungen zur Unternehmensausrichtung als Ergebnis von Wettbewerbsprozessen betrachtet werden. Auch aus diesem Grund genügt eine punktuelle Kontrolle, die nicht den Versuch zu unternehmen braucht, den Wettbewerbsprozess vollständig im Modell nachzuvollziehen.305

301 Vgl. BGH, Beschl. v. 16.12.1976 – KVR 2/76 – Valium I, BGHZ 68, 23; KG, Beschl. v. 24.08.1978 – Kart. 3/77 – Valium, WuW/E OLG 2053; vgl. auch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 8, 163. 302 Dazu schon oben 3. Teil, 1. Abschnitt, B.I. 303 E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 10; Monopolkommission, Sondergutachten 1, S. 21; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl. § 19 Rn 8, 155; M. Schmidt-Preuß, Verfassungsrechtliche Zentralfragen staatlicher Lohn- und Preisdirigismen, S. 235; J. F. Baur, RdE 2004, 277, 282 unter Verweis auf OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.03.2004 – VI-Kart 18/03 (V) – Stadtwerke Mainz, WuW/E DE-R 1439; vgl. auch R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 36; a. A. N. Reich, NJW 1974, 1353, 1356 der auch eine laufende Unternehmenskontrolle für möglich hält. 304 Dazu E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 37; Monopolkommission, Hauptgutachten 1978/1979, Tz. 449 f.; vgl. auch U. Büdenbender, WuW 1980, 111; K. Schmidt, WuW 1980, 577. 305 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 8.

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(d) Ordnungskonforme Ausgestaltung Der Einsatz der Preishöhenaufsicht ist damit durch das kartellrechtliche Ordnungsmodell in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Zunächst ist die Preishöhenaufsicht als ultima ratio gegenüber anderen Maßnahmen der Missbrauchsaufsicht subsidiär. Auch in ihrer Anwendung ist Zurückhaltung geboten. Zum einen ist nicht jeder einzelne Preis, der auf dem Markt gefordert wird, unter einen Kontrollvorbehalt gestellt.306 Zum anderen findet auch im Hinblick auf Unternehmen, bei denen in einem bestimmten Bereich von erheblicher Marktmacht auszugehen ist, keine umfassende Verhaltenskontrolle statt. Soweit Vermachtungstendenzen ausgemacht werden, bleibt die Kartellaufsicht am Prinzip des Wettbewerbs orientiert und damit notwendig einzelfallbezogen und punktuell. c) Ordnungskonformität des Maßstabs der Preishöhenaufsicht Dort wo trotz der geschilderten Einschränkungen eine kartellrechtliche Preishöhenaufsicht erfolgt, wirkt die Problematik der Ordnungskonformität der Preishöhenaufsicht im Bereich des Maßstabs zur Bestimmung des missbrauchsfreien Entgelts fort. Die konkrete Bestimmung des Wettbewerbspreises ist nicht einfach durch bloßes Wegdenken der Marktmacht möglich. Auch bei Abwesenheit marktbeherrschender Unternehmen sind verschiedene wettbewerbliche Ergebnisse und Preisbildungen möglich.307 Bei der Einschätzung der Wettbewerbsparameter verbleibt ein Spielraum, der die Grundlage für die Dynamik des Wettbewerbs bildet.308 Der Versuch einer rechnerischen Ermittlung eines wettbewerblichen Entgelts steht daher im Widerspruch zum Wesen des Wettbewerbs. Der Kontrollmaßstab muss diesen bestehenden Spielraum rechtsstaatlich ausfüllen. Hierzu genügt der Verweis auf den erforderlichen „Mut zur Entscheidung“309 nicht.310 Die notwendige Konkretisierung ist aus dem Gesetz selbst abzuleiten. Mit dem Merkmal des angemessenen Entgelts in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB verwendet das Gesetz ebenso wie in § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB mit dem Begriff des Entgelts, welches von dem bei wirksamem Wettbewerb abweicht, unbestimmte Rechtsbegriffe. Diese sind unter Rückgriff auf das Ordnungsmodell des GWB, insbesondere im Hinblick auf das Verständnis des Wettbewerbs, als Koordinationsordnung und damit die Betonung des Ziels der Wettbewerbs306

Dazu 3. Teil, 2. Abschnitt, C. R. Knöpfle, DB 1984, 1129, 1132 f. 308 M. Pohlmann, in: Büdenbender/Kühne (Hrsg.), FS Baur, S. 535, 540, 543. 309 So F.-U. Willeke, WuW 1975, 532, 547. 310 Überzeugend erscheint auch der weitere Einwand, die postulierte Maßstabsfreiheit führe lediglich dazu, dass die entscheidende Instanz den eigenen Maßstab verwendet. Es handele sich dann um eine Entscheidung nach Gutdünken der Entscheidungsinstanz, vgl. E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 15. 307

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freiheit auszufüllen311. Der Zielsetzung des GWB, eine Wettbewerbsordnung zu schaffen und zu erhalten, kommt dabei besonderes Gewicht zu.312 (a) Keine Ausrichtung des Missbrauchsmaßstabs am Kriterium der Gemeinwohlrichtigkeit Eine Orientierung des Entgeltmaßstabs unmittelbar an Erwägungen der Gemeinwohlrichtigkeit scheidet mit Rücksicht auf das Ordnungsmodell des GWB aus.313 Eine solche Öffnung hin zu Gemeinwohlerwägungen stünde auch im Widerspruch zum Zweck der Preishöhenaufsicht nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB. Die Bestimmung des Zwecks der Missbrauchsaufsicht begegnet zwar Schwierigkeiten, weil die bestehende Marktmacht nicht zu einem bestimmten Zweck zugelassen ist314, der Rückgriff auf das kartellrechtliche Ordnungsmodell vermag indessen eine Orientierung zu geben. Grundlage dieses Ordnungsmodells ist die in der Mustervoraussage ausgedrückte immanente Richtigkeitsgewähr der Wettbewerbsergebnisse. Die Anerkennung der Wettbewerbsergebnisse steht im GWB nicht unter dem Vorbehalt der im Einzelfall festgestellten Übereinstimmung mit einem Maßstab der Einzelfallgerechtigkeit oder der Gemeinwohlrichtigkeit.315 Entscheidend für die kartellrechtliche Richtigkeit des Marktergebnisses ist vielmehr dessen Entstehung im freien Wettbewerbsprozess. Als Voraussetzung für diesen freien Wettbewerb und damit auch für die Anerkennung der Wettbewerbsergebnisse als gemeinwohlrichtig, wurde die reale Handlungsfreiheit der Wettbewerber herausgearbeitet.316 In dem Maße, in dem die individuelle wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Wettbewerbsteilnehmer infolge von Marktmacht durch Fremdbestimmung verdrängt wird, wird gleichzeitig das Vertrauen in die Richtigkeitsgewähr des Wettbewerbs erschüttert. Es ist diese Beeinträchtigung der Wettbewerbsvoraussetzungen und nicht das Abweichen von einem eigenen kartellbehördlichen Richtigkeitsmaßstab, welche die am Einzelfall orientierte Preismissbrauchsaufsicht begründet. Die Anknüpfung an den Richtigkeitsmaßstab des Wettbewerbs würde vernachlässigt, wenn Gemeinwohlüberlegungen unmittelbar zum Gegenstand des Maßstabs der Preishöhenkontrolle gemacht würden. Soll die Preishöhenkontrolle das Ordnungsmodell des GWB nicht verlassen, ist zur Bestimmung der 311 Vgl. 3. Teil, 2. Abschnitt, C.II.2. Hierzu auch H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 954 ff.; W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 78. 312 W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 75, 77; vgl. st. Rspr. BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 – BGHZ 38, 90; BGH, Urt. v. 27.04.1999 – KZR 35/97 – Feuerwehrgeräte, WuW/E DE-R 357. 313 Vgl. oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B.I. 314 W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 293. 315 Oben 3. Teil, 2. Abschnitt, C.II.2. 316 Oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B.II.

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Höhe des missbrauchsfreien Entgelts weder ein Rückgriff auf einen wettbewerbsexternen Richtigkeitsmaßstab noch ein Durchgriff unmittelbar auf materielle Gemeinwohlerwägungen möglich.317 (b) Wettbewerb als Maßstab für die kartellrechtliche Preisaufsicht Auch dann, wenn die Anwesenheit eines marktmächtigen Wettbewerbers Anlass zur Missbrauchsprüfung gibt, gelten das Primat des Wettbewerbs und die Monofinalität des GWB fort. Die Kontrolle der Marktergebnisse führt nicht zu einem kartellrechtlichen Ausnahmebereich318, sondern bleibt dem Funktionssystem des Wettbewerbs verpflichtet. Auch hier gilt, dass es im Grundsatz der Wettbewerb ist, der die Richtigkeitsgewähr im Sinne einer Gemeinwohlverträglichkeit sichert.319 Das für das GWB kennzeichnende Wettbewerbsprinzip bildet auch die Grundlage für den Maßstab der Preishöhenaufsicht.320 Im Gesetz kommt dies darin zum Ausdruck, dass § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB zur Konkretisierung des missbrauchsfreien Entgelts auf die Ergebnisse bei wirksamem Wettbewerb verweist. Es wird also der inhaltliche Maßstab der Preishöhenkontrolle an den Wettbewerbsprozess rückgekoppelt.321 Nach der gesetzlichen Formulierung ist, in Einklang mit dem Ordnungsmodell, der Wettbewerb Maßstab der Entgeltkontrolle. Ziel ist nicht, einer behördlichen Vorstellung des richtigen Preises zum Durchbruch zu verhelfen, sondern die Begrenzung des Preises auf ein Niveau, das als Wettbewerbspreis plausibel ist. Um diese Plausibilität sicherzustellen, schlägt das Gesetz selbst das Vergleichsmarktkonzept vor. Der klare Vorzug des Vergleichsmarktkonzepts besteht darin, die Orientierung am Wettbewerb zum Ausgangspunkt zu nehmen und somit die Gemeinwohlvermutung zugunsten der Ergebnisse des Wettbewerbs zugrunde zu legen. Diese Bindung des Vergleichsmarktkonzepts an den Maßstab des Wettbewerbs führt nicht notwendig zum Ausschluss anderer Konzepte.322 Soweit diese 317 W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 151. 318 Monopolkommission, Sondergutachten 1, S. 17; W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 294; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 8; vgl. auch H. Baum, Wirtschaftspolitische Chronik 28 (1979), 65. 319 Vgl. W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 347; W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 151. 320 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 19 Rn 108; vgl. W. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 148, 152; dazu auch M. Schmidt-Preuß, Verfassungsrechtliche Zentralfragen staatlicher Lohn- und Preisdirigismen, S. 238 f. 321 Vgl. W. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 294; vgl. auch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 158. 322 Vgl. auch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 161.

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angewandt werden, ist allerdings auf andere Weise sicherzustellen, dass die Ausrichtung der Preishöhenaufsicht am Wettbewerbsmaßstab erhalten bleibt. Besondere Schwierigkeiten bestehen allerdings dann, wenn im Rahmen von kostenbasierten Modellen nicht mehr die tatsächlich entstandenen Kosten Grundlage der Preishöhenaufsicht bilden, also insbesondere dort, wo der fiktive Maßstab der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung herangezogen werden soll.323 Ein solches Konzept steht in der Gefahr, den Bezug zum Wettbewerbsmaßstab einzubüßen und eigene ökonomische Entscheidungen der Kontrollinstanz schon im Ausgangspunkt zum Entgeltmaßstab zu machen. Ebenso bedenklich ist es vor diesem Hintergrund, wenn ein Preishöhenmissbrauch unter Verweis auf unterlassene Rationalisierungen bzw. individuelle Unternehmensentscheidungen festgestellt wird.324 Je schwächer der Wettbewerbsbezug des Maßstabs der Entgeltkontrolle wird, desto wichtiger ist die Beschränkung der Entgeltkontrolle auf Einzelfälle. Hierbei gewinnt der grundsätzlich fortbestehende Wettbewerbsdruck, der längerfristig wettbewerbliche Ergebnisse sichert, an Bedeutung. Im Falle eines punktuellen Eingriffs zur Vermeidung erheblicher Nachteile der Marktgegenseite, kann sich die Bindung an den Wettbewerbsmaßstab faktisch auf eine nachträgliche Korrektur der Entscheidung durch künftigen Wettbewerb reduzieren. Erst die Aussicht auf die grundsätzlich mögliche Kontrolle durch den künftigen Wettbewerb vermag allerdings diese Lockerung zu rechtfertigen.325 5. Fazit zum Entgeltmaßstab des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB Trotz der bestehenden praktischen Probleme bei der Überwachung der Entgelte marktbeherrschender Unternehmen326, ist eine Konkretisierung des Maßstabs der Preishöhenaufsicht im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB aus dem Regelungszusammenhang des GWB möglich. Die Orientierung am Wettbewerbsprinzip gestattet in Verbindung mit dem Vergleichsmarktkonzept die Bewältigung des immanenten Spannungsverhältnisses der Preishöhenaufsicht. Durch die Ausrichtung der kartellrechtlichen Preishöhenaufsicht am Maßstab des Wettbewerbs bleibt diese in das wettbewerbliche Bezugssystem eingebet-

323 So etwa W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204 für § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB. 324 Vgl. etwa BGH, Beschl. v. 22.07.1999 – KVR 12/98 – Flugpreisspaltung, BGHZ 142, 239, 247, 249 f.; KG, Beschl. v. 12.03.1982 – Kart. 4/82 – regional unterschiedliche Tankstellenpreise, WuW/E OLG 2617; BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819. 325 Hierin zeigt sich die Abhängigkeit des kartellrechtlichen Ordnungsmodells von der Möglichkeit des Wettbewerbs, vgl. dazu oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B. 326 Dazu Monopolkommission, Sondergutachten 1.

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tet327 und auf die Richtigkeitsgewähr des Wettbewerbs bezogen. Die Fortgeltung des Primats des Wettbewerbs zur Gemeinwohlsicherung wird durch eine zurückhaltende Anwendung der Ergebniskontrolle in Gestalt der Preismissbrauchsaufsicht als ultima ratio im Einzelfall328 abgesichert. Dabei sind die unerwünschten Wirkungen der Ergebniskontrolle im Hinblick auf die Offenheit des Wettbewerbs zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bindungen bei Besorgnis struktureller Machtungleichheit329 rechtfertigt die grundsätzliche Fortwirkung der wettbewerblichen Richtigkeitsgewähr die Begrenzung der Preishöhenaufsicht auf den Einzelfall. Der trotz Marktmacht fortbestehende Wettbewerb und die der Wettbewerbsordnung immanente Selbstheilungstendenz ermöglichen es, die Verwirklichung des Gemeinwohls im Regelfall weiterhin der unsichtbaren Hand des Marktes zu überlassen und bei Anwendung der Ergebniskontrolle Zurückhaltung walten zu lassen.330 Die genannten Grundsätze der Preishöhenaufsicht finden über das Merkmal des angemessenen Preises auch im Rahmen der Bestimmung des Nutzungsentgelts nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB Anwendung. Der Einzelfallausrichtung der Preishöhenaufsicht steht nicht entgegen, dass die Bestimmung des Entgelts notwendiger Bestandteil jeder Vereinbarung über eine Mitbenutzung ist. Der Mitbenutzungsanspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB besteht ungeachtet der umgekehrten Beweislast immer nur im konkreten Einzelfall. Der Ausnahmecharakter der Entgeltkontrolle wird insofern bereits auf der Ebene des grundsätzlichen Mitbenutzungsanspruchs reflektiert. Zudem wird auch innerhalb des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB die Ausrichtung auf den Wettbewerb deutlich. Die Norm dient dem Schutz des Wettbewerbs auf dem abhängigen Markt und ist letztlich von der Hoffnung getragen, dass die Engpasssituation im Wettbewerb auflösbar ist. Die Notwendigkeit, die unerwünschten Nebenwirkungen einer zu geringen Entgelthöhe zu berücksichtigen, besteht daher auch bei § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB.331

327 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 5 unter Bezugnahme auf eine Formulierung der Rechtsprechung, etwa BGH, Urt. v. 27.04. 1999 – KZR 35/97 – Feuerwehrgeräte, WuW/E DE-R 357. 328 D. K. Munzinger, Mißbräuchliche Preise, Preisbildungssysteme und Preisstrukturen nach § 22 GWB, S. 99; F. Rittner, in: FIW (Hrsg.), FS Hartmann, S. 291, 266. 329 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgenhaftung, BVerfGE 89, 214, 232. 330 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 8; E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 13. 331 Vgl. schon oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.I.

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III. Behinderungsfreiheit des Entgelts Über die Angemessenheit im Austauschverhältnis hinaus muss das nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zulässige Entgelt auch behinderungsfrei sein.332 Es gilt der Maßstab des Behinderungsverbots nach §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB.333 Unzulässig sind Entgelte, die zu einer unbilligen Behinderung der Mitbenutzer führen bzw. diese ohne sachlichen Grund ungleich behandeln.334 Entscheidendes Element des Behinderungsmissbrauchs ist dabei das Merkmal der Billigkeit. Dieses grenzt den weiten Behinderungsbegriff im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall ein.335 Auch diese Abwägung ist in die kartellrechtliche Ordnung eingebettet und an der Freiheit des Wettbewerbs orientiert.336 Verboten sind Behinderungen gerade weil und soweit sie die Freiheit der Wettbewerber beeinträchtigen. Die gegen die Ergebniskontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs vorgebrachten Bedenken greifen für den Behinderungsmissbrauch nicht in gleichem Maße, da dieser dem marktbeherrschenden Unternehmen nicht ein bestimmtes Verhalten vorschreibt.337 Gegenüber dem Entgeltmaßstab aus § 19 Abs. 4 Nr. 2 ergeben sich aus §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB regelmäßig keine weiteren Anforderungen.338 Eigenständige Bedeutung könnte dem Kriterium der Behinderungsfreiheit indessen unter dem Gesichtspunkt der teilweise geforderten Gleichbehandlung mit eigenen internen Abteilungen des Einrichtungsinhabers zukommen. Das Erfordernis, den Zugangspetenten die gleichen Bedingungen zu gewähren wie sie der Inhaber sich selbst oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen gewährt, ist aus dem Bereich der sektorspezifischen Regulierung bekannt339 und wird auch für die Essential-Facilities-Doktrin befürwortet.340 Im Gesetzge332 Derartige Behinderungen können sich etwa aus der gewählten Preisstruktur oder aus Rabattsystemen ergeben, vgl. BNetzA, Beschl. v. 22.05.2006 – BK3-06/003 – DSL NetRental. 333 Vgl. Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 25, 39 f.; A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 267. 334 Hierzu K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 20 Rn 107 ff. 335 Vgl. BGH, Urt. v. 16.12.1986 – KZR 25/85 – Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II, WuW/E 2351, 2357; BGH, Beschl. v. 23.02.1988 – KVR 2/87 – Reparaturbetrieb, WuW/E 2479, 2482; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 20 Rn 121 ff. m.w. N. 336 K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 9. Aufl., § 20 Rn 130. 337 Vgl. W. Möschel, JZ 1975, 393, 395; J. F. Baur, RdE 2004, 277; S. Gabriel, Preiskontrolle im Rahmen der Wettbewerbspolitik, S. 6. 338 Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 39 f. 339 Vgl. etwa § 42 Abs. 2 TKG; § 21 Abs. 1 EnWG; vgl. C. Stumpf/A. Gabler, NJW 2005, 3174, 3177. 340 Vgl. J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 176; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 103; sowie K. Markert, BB 1997, 1421.

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bungsverfahren wurde das Prinzip der Gleichbehandlung, welches in der Regierungsbegründung nur anklingt,341 vom Bundesrat explizit erwähnt342. Das Prinzip hat zwar im Wortlaut des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB keinen Niederschlag gefunden343, steht allerdings mit dem Zweck der Norm in Einklang344. Der Zugangstatbestand geht von zwei getrennten Märkten aus und soll Beeinträchtigungen des Wettbewerbs auf dem Sekundärmarkt, die etwa durch Quersubventionierungen auftreten könnten, verhindern. Ob indessen schon der Umstand, dass die Vermeidung einer Quersubventionierung im Einklang mit dem Zweck der Norm steht, eine entsprechende Normauslegung stützen kann, ist fraglich.345 Es ist jedenfalls nicht zu erwarten, dass der Rückgriff auf interne Verrechnungspreise einen verlässlichen Maßstab bereitstellen könnte. Ursächlich hierfür sind praktische Schwierigkeiten eines kartellrechtlichen Rückgriffs auf diese Preise. Wo eine effektive vertikale Desintegration des Einrichtungsinhabers nicht erfolgt ist, besteht für diesen die Möglichkeit, durch Setzung willkürlicher interner Verrechnungspreise die Höhe des Mitbenutzungsentgelts zu manipulieren.346 Faktisch ließe sich das intendierte Diskriminierungsverbot wohl eher mit einer Anknüpfung des Entgelts an die Kosten effektiver Leistungsbereitstellung durchsetzen,347 da hier eine Besserstellung eigener Abteilungen zu einer Kostenunterdeckung führte, und so letztlich Verluste des Einrichtungsinhabers verursachen würde.348 IV. Fazit zur kartellrechtlichen Kontrolle von Zugangsbedingungen Die kartellrechtliche Kontrolle von Zugangsentgelten und -konditionen nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erfolgt innerhalb des Tatbestandsmerkmals der Ange341 BT-Drs. 13/9720, S. 37; vgl. dazu J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 176. 342 BT-Drs. 13/9720, S. 74. 343 J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 176; vgl. auch kritische Stellungnahme von F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 157 f. 344 H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 267; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204; vgl. auch S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 220. 345 Vgl. F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 157; dafür etwa S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 219 f.; unter Berufung auf die Stellungnahme des Bundesrats auch H. Weyer, in: FK-Kartellrecht, § 19 Rn 1051. 346 Vgl. H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 268; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204. 347 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204. 348 Zu den Schwierigkeiten insofern vgl. schon 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.4.c)(b), S. 195.

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messenheit unter Rückgriff auf den Maßstab des Preishöhenmissbrauchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB. Soweit Zugangsansprüche auf andere kartellrechtliche Rechtsgrundlagen gestützt werden, ist die Entgelt- und Konditionenkontrolle unmittelbar gestützt auf § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB möglich. Zusätzlich unterliegen die Entgelte und Konditionen den Anforderungen des Behinderungs- und Diskriminierungsverbots nach §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, was allerdings kaum zu weitergehenden materiellen Anforderungen an die Entgeltbestimmung führt.349 Kennzeichnend für die kartellrechtliche Kontrolle von Zugangsentgelten und -konditionen ist die Beschränkung auf die Kontrolle im Einzelfall als Notbehelf und die Orientierung am Maßstab des Wettbewerbs.

B. Eignung des kartellrechtlichen Ansatzes zur Bestimmung von kompetitiven Netzzugangsentgelten Die Ausführungen zu § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB und zur kartellrechtlichen Preismissbrauchsaufsicht nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB haben gezeigt, dass im Rahmen des kartellrechtlichen Verfahrens die Kontrolle von Entgeltforderungen marktbeherrschender Unternehmen möglich ist und auch die kartellbehördliche Vorgabe von Entgeltobergrenzen zulässig ist.350 Im Folgenden ist die Eignung der dargestellten Grundsätze zur Kontrolle der Entgelte für die Gewährung des kompetitiven Netzzugangs zu prüfen.351 Das kartellrechtliche Instrumentarium muss nach den bisherigen Ausführungen insbesondere sicherstellen, dass die Inhaber der Netzeinrichtungen keine Entgelte verlangen, die ihnen aufgrund bestehender netzspezifischer Marktmacht Monopolrenten sichern oder die den Wettbewerb auf dem Sekundärmarkt vereiteln.352 I. Probleme der Anwendung der kartellrechtlichen Entgeltgrundsätze Es ist zu untersuchen, ob das kartellrechtliche Verfahren der Entgeltkontrolle, wie es in den bisherigen Ausführungen herausgearbeitet wurde, im Bereich des 349 Eigenständige Bedeutung können diese Normen im Falle missbräuchlicher Preisgestaltungen erlangen, vgl. oben 2. Teil, 2. Abschnitt Fn 332. 350 Auch wenn im Folgenden hauptsächlich auf die kartellbehördliche Entgeltkontrolle eingegangen wird, sind die Ausführungen dem Grunde nach auch für Entgeltauseinandersetzungen im Rahmen zivilrechtlicher Auseinandersetzungen anwendbar. 351 Gegenstand der folgenden Untersuchung ist allein die grundsätzliche Eignung der kartellrechtlichen Normen. Der Umstand das, die Anwendbarkeit des GWB de lege lata teilweise spezialgesetzlichen Einschränkungen unterliegt (vgl. etwa § 111 EnWG), steht dieser Untersuchung nicht entgegen. 352 Vgl. dazu oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.I.2.

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hier betrachteten kompetitiven Netzzugangs handhabbar ist. Insbesondere im Zusammenhang mit § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB werden verschiedene Probleme der praktischen Anwendung diskutiert,353 deren Auswirkungen auf den hier untersuchten Bereich des Netzzugangs nachzugehen ist. 1. Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts Das vom Gesetz in § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB zugrunde gelegte Vergleichsmarktkonzept findet in den meisten Verfahren zum Entgeltmissbrauch Anwendung.354 Auch nach hier vertretener Auffassung verdient das Vergleichsmarktkonzept im Rahmen der Preishöhenaufsicht wegen seiner grundsätzlichen Anknüpfung an einen wettbewerblichen Markt den Vorzug gegenüber anderen Methoden.355 Voraussetzung für die Anwendung der Vergleichsmarktmethode ist indessen die Verfügbarkeit eines hinreichend ähnlichen Vergleichsmarktes. Dieses Erfordernis ist geeignet, die Tauglichkeit des Konzepts zur Bestimmung des Entgelts für die Mitbenutzung von Netzeinrichtungen erheblich einzuschränken.356 Besonders im Bereich des Zugangs zu Netzelementen mit dem Charakter eines natürlichen Monopols gestaltet sich die Suche nach einem geeigneten Vergleichsmarkt schwierig. Es ist konstituierend für das Bestehen eines beständigen natürlichen Monopols, dass die Reproduktion der Einrichtung nicht nur für ein konkretes Unternehmen ausgeschlossen ist, sondern dass aus ökonomischen Gründen nur ein Unternehmen im Einrichtungsmarkt effektiv tätig sein kann.357 Zwar führen die entsprechenden ökonomischen Bedingungen nicht notwendig zur Etablierung eines natürlichen Monopols, die Erfahrung in den hier untersuchten Netzbereichen zeigt aber, dass regelmäßig in den räumlichen Märkten nur ein Einrichtungsanbieter existiert. Es besteht daher die Gefahr, dass ein wettbewerblicher Vergleichsmarkt nicht gefunden werden kann bzw. dessen Vergleichbarkeit durch erhebliche strukturelle Abweichungen vom untersuchten Einrichtungsmarkt eingeschränkt ist.358 353 Vgl. etwa I. Zenke/H.-C. Thomale, WuW 2005, 28; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 262; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204. 354 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 162. 355 Vgl. oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.5. 356 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 740; Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 19. 357 Oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.III. 358 So mit Bezug auf § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204; W. Möschel, WuW 1999, 832, 840; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 268; F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 160; A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 253; vgl. auch F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 214. Bessere Aussichten einen Ver-

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Geringere Schwierigkeiten bei Anwendung der Vergleichsmarktmethode sind demgegenüber dort zu erwarten, wo der Zugangsanspruch auf die Nutzung von Netzstrukturen mit starken Netzeffekten gerichtet ist. Infolge der oft zu beobachtenden Dynamik und der regelmäßig offenen Entwicklung unterschiedlicher Märkte in diesem Bereich, bestehen hier deutlich bessere Aussichten, einen räumlich getrennten Vergleichsmarkt mit intensiverem Wettbewerb zu finden. Für den bei natürlichen Monopolen zu erwartenden Fall, dass die Heranziehung eines wettbewerblichen Vergleichsmarktes scheitert, hat die Rechtsprechung die Möglichkeit eines Monopolpreisvergleichs gebilligt.359 Ein solcher Monopolpreisvergleich schränkt indessen die Reichweite des Vergleichsmarktkonzepts erheblich ein. Indem die Preisbildung eines Monopolunternehmens als Vergleichsmaßstab herangezogen wird, beschränkt sich das Vorgehen auf die Verfolgung negativer Ausreißer.360 In der Form des Monopolpreisvergleichs bleibt das Vergleichsmarktkonzept hinter dem Ziel des Abbaus von Monopolrenten zurück.361 Im Falle der Entgelte für den Zugang zu Netzeinrichtungen mit Charakter eines beständigen natürlichen Monopols, ist eine hinreichende Preismissbrauchsaufsicht folglich nur unter Rückgriff auf andere Methoden der Preishöhenkontrolle, insbesondere also auf Verfahren der Kosten- und Gewinnkontrolle, möglich.362 Dem entspricht es, wenn in der Literatur darauf verwiesen wird, dass die Entgeltkontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB oft auf eine Kostenkontrolle hinauslaufen wird.363 gleichsmarkt zu finden bestehen nur dann, wenn außerökonomische Erweiterungshindernisse zu einer Perpetuierung des natürlichen Monopols führen. 359 BGH, Beschl. v. 21.10.1986 – KVR 7/85 – Glockenheide, WuW/E BGH 2309; BGH, Beschl. v. 21.02.1995 – KVR 4/94 – Strompreis Schwäbisch-Hall, WuW/E BGH 2967. 360 F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 160. 361 Vgl. auch Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 71; zu den Anforderungen, vgl. oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.I.2. 362 So auch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204; W. Möschel, WuW 1999, 832, 832. Die Kartellbehörden bemühen sich im Energiebereich, das Fehlen eines Vergleichsmarktes für Netzzugangsleistungen im Wege eines Subtraktionstests zu kompensieren. Im Rahmen dieser Methode wird der verlangte Zugangspreis mittelbar durch die Überprüfung der übrigen Preisbestandteile kontrolliert, wobei die Vergleichsmarktmethode für Strombeschaffungskosten und Stromvertriebskosten angewandt werden. Hierzu vgl. Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 25 ff.; F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 219; ablehnend W. Elberfeld/C. C. von Weizsäcker, Ist der Subtraktionstest ein geeignetes Verfahren zur Ermittlung missbräuchlich überhöhter Netznutzungsentgelte?; sowie BKartA, Beschl. v. 14.02.2003 – B11-40100-T-45/01 – TEAG, ZNER 2003, 145. 363 Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204; H. Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkung, S. 266 ff.

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2. Anwendung von Methoden der Kosten- und Gewinnkontrolle Nachdem das Gesetz die Vergleichsmarktmethode nicht als alleinige Grundlage der Preishöhenaufsicht festlegt, kann ein Missbrauch durch Fordern überhöhter Entgelte auch unter Anwendung von Verfahren der Kosten- und Gewinnkontrolle festgestellt werden, soweit diese Verfahren geeignet sind, die Missbräuchlichkeit des Entgelts nachzuweisen.364 Zunächst stellt sich hierbei konzeptionell das Problem des anwendbaren Kostenbegriffes, da abhängig von der spezifischen Fragestellung verschiedene Sichtweisen auf diesen Begriff möglich sind.365 Im Weiteren liegt die Schwierigkeit der Kostenkontrolle in der nötigen Ermittlung der Kostenbasis, die Grundlage der Feststellung einer Preisüberhöhung ist und den Ausgangspunkt der konkreten Prüfung darstellt.366 Eine solche Kostenermittlung bildet auch die Basis für Konzepte der Gewinnbegrenzung.367 Der Hinweis, der Kostenanteil im Falle der Gewinnkontrolle sei nicht Gegenstand der Überprüfung, da diese allein den Gewinnanteil erfasse,368 vermag nicht zu überzeugen. Indem das Entgelt in einen Kosten- und einen Gewinnbestandteil aufgespalten wird, ist die Ermittlung des Gewinnanteils nicht von der Ermittlung der Kosten zu trennen.369 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Missbrauchsaufsicht unter Rückgriff auf kosten- oder gewinnbasierte Methoden erhebliche Anforderungen an die Verfügbarkeit von Unternehmensdaten stellt.370 Besondere Probleme bereitet hier die Zuordnung von Kosten zur nachgefragten Leistung und die Entscheidung über deren Notwendigkeit oder Angemessenheit.371 Die mit einer kos364 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 161; zur Zulässigkeit der Kostenkontrolle OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.04.2002 – Kart 2/02 (V) – Netznutzungsentgelt, WuW/E DE-R 914. In Ermangelung einer effektiven vertikalen Desintegration dürfte diese Geeignetheit bei der Bezugnahme auf interne Verrechnungspreise fehlen, vgl. schon oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.III. 365 Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006. 366 Ziel ist es nicht einzelne Kostenbestandteile aus der Kalkulation auszuschließen, verbindlich ist allein die Entscheidung zum missbrauchsfreien Entgelt, vgl. R. Knöpfle, BB 1975, 1607 unter Verweis auf K. Markert, BB 1974, 580. 367 Dazu schon oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.1.c). 368 R. Knöpfle, BB 1979, 1101. 369 Eine Orientierung der Gewinnkontrolle am Unternehmensumsatz wäre demgegenüber nicht geeignet, monopoltypische Ineffizienzen zu erfassen. 370 Vgl. oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.2.f). 371 BKartA, Beschl. v. 14.02.2003 – B11-40100-T-45/01 – TEAG, ZNER 2003, 145. Ein Verzicht würde die Kontrolle letztlich in Richtung einer Höchstgrenze für die Umsatzrendite bewegen. Berücksichtigt man, dass Monopolisten typischerweise allerdings nicht überhöhte ökonomische Gewinne erzielen, sondern die Wohlfahrtsverluste oftmals in Ineffizienzen bestehen, wird deutlich, dass damit das Anliegen der Preishöhenaufsicht ebenso verfehlt würde, wie durch die hier abgelehnte Monopolpreiskontrolle.

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tenorientierten Preishöhenkontrolle im Bereich des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB verbundenen Schwierigkeiten lassen sich am Beispiel der kartellbehördlichen Bemühungen zur Kontrolle der Netznutzungsentgelte, insbesondere im Bereich der Stromnetze beobachten.372 Die entsprechenden Versuche der Praxis, eine kartellrechtliche Bewältigung zu erreichen, sind geeignet, die Anforderungen an den gesuchten Maßstab und den Detaillierungsgrad der zu treffenden Entscheidungen zu verdeutlichen.373 Es geht in der folgenden Darstellung nicht darum, die einzelnen bestehenden Streitfragen einer Lösung zuzuführen, sondern darum, die grundsätzliche Tragweite der notwendigen Entscheidungen aufzuzeigen. Das Hauptaugenmerk gilt also nicht der Berechtigung einzelner Kostenansätze, sondern der grundlegenden Entscheidungsdimension.374 a) Überblick über die Kostenelemente und die jeweiligen Bestimmungsprobleme Die Ermittlung der einzelnen Kostenelemente für die Missbrauchsaufsicht orientiert sich an der Kostenrechnung der Unternehmen unter Rückgriff auf betriebswirtschaftliche Methoden.375 Die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung erfolgt in einem mehrstufigen Prozess, der eine Zuordnung der verschiedenen Kosten zu den unternehmerischen Aktivitäten ermöglicht.376 Zu ermitteln sind einerseits die Grundkosten, denen ein Verbrauch von Gütern oder Dienstleistungen entspricht und andererseits die kalkulatorischen Kosten377, denen kein unmittelbarer Wertverbrauch gegenübersteht.378 Bei der Ermittlung der kalkulatorischen Kosten ergeben sich besondere Schwierigkeiten, die allein im Wege der Schätzung gelöst werden können.379 372 Behandelt wird dabei nur die kartellrechtliche Bestimmung des Netznutzungsentgelts, vgl. etwa BGH, Beschl. v. 21.02.1995 – KVR 4/94 – Strompreis SchwäbischHall, WuW/E BGH 2967; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.2.2004 – VI-Kart 4/03 (V) – TEAG, WuW/E DE-R 1239, 1244; BKartA, Beschl. v. 14.02.2003 – B11-40100-T-45/ 01 – TEAG, ZNER 2003, 145; hierzu auch Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006. 373 Vgl. dazu auch Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 27 ff.; BKartA, Marktöffnung und Gewährleistung von Wettbewerb in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft, Diskussionspapier, S. 25 ff. 374 Auch wenn im Rahmen der Entgeltkontrolle die Berücksichtigung konkreter Kostenfaktoren abgelehnt wird, handelt es sich insofern um eine zu begründende Entscheidung, so dass eine Reduzierung der Komplexität hierdurch kaum zu erwarten ist. 375 Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 27. Zur betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung etwa O. Hahn, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 500 ff.; G. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 1250 ff. 376 Vgl. O. Hahn, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 501 ff. 377 Hierunter versteht man etwa kalkulatorische Wagnisse und Abschreibungen, vgl. G. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 1251. 378 Vgl. G. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 1251.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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Dies gilt etwa für die Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen, die wesentlich durch die Bewertung der Lebensdauer der Anlagegüter beeinflusst werden.380 Auch der Ansatz kalkulatorischer Zinsen und des kalkulatorischen Unternehmerlohns ist mit vergleichbaren Bewertungsproblemen verbunden.381 Maßstab der kalkulatorischen Zinsen sind die Opportunitätskosten des Unternehmens, so dass es letztlich auf das wirtschaftliche Risiko der Unternehmung ankommt. Zwar kann man bei funktionierenden Kapitalmärkten davon ausgehen, dass die bestehenden Geschäftsrisiken im Allgemeinen im Markt zutreffend erfasst werden, hieraus ergibt sich allerdings keine Grundlage für eine hinreichend sichere Bezifferung dieses Risikos durch die Kartellbehörden.382 Einer allgemeinen Objektivierung ist die Ermittlung der kalkulatorischen Kosten nicht zugänglich. Nach Vorstellung der Kartellbehörden soll zur Bestimmung der kalkulatorischen Kosten auf bisherige Erfahrungen der Strompreisaufsicht zurückgegriffen werden können.383 So soll etwa der Zinsaufwand auf das günstigste am Markt realisierbare Niveau beschränkt bleiben. Trotz dieser offenbaren Orientierung am Marktniveau dürfte sich ein derartiger Ansatz letztlich als nur scheinbar genau herausstellen. Grundlage für das am Markt erzielbare Zinsniveau ist das jeweilige Ausfallrisiko. Die Ermittlung des geringsten möglichen Zinsniveaus setzt folglich notwendig zunächst eine Bewertung des Risikos der betroffenen Unternehmung voraus. Die Genauigkeit der hierzu zur Verfügung stehenden finanzwissenschaftlichen Methoden sollte indessen nicht überschätzt werden.384 Neben der höhenmäßigen Erfassung der Unternehmenskosten ist schließlich auch eine Zuordnung der Kostenpositionen zu den verschiedenen Unternehmensleistungen erforderlich.385 Es stellt sich hierbei das Problem der Aufteilung von Gemeinkosten, die nicht unmittelbar einem bestimmten Produkt zugeordnet werden können.386 Da das Verursacherprinzip dabei regelmäßig nicht anwendbar ist,387 bestehen auch hier grundsätzlich Gestaltungsspielräume.388 379

Vgl. L. Haberstock, Kostenrechnung I, S. 96. Kennzeichnend für die Art der zu treffenden Entscheidung ist der Hinweis, wonach die „von vielen EDV-Programmen“ veranlasste Berücksichtigung von Restwerten zu verhindern sei, Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 34. 381 Vgl. hierzu L. Haberstock, Kostenrechnung I, 93 ff.; sowie den Überblick bei G. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 1261 ff. 382 Vgl. zum Problem R. A. Brealey/S. Myers, Corporate Finance, S. 65; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 118; vgl. auch A. Schebstadt, RdE 2004, 181, 187. 383 Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 32. 384 Vgl. R. A. Brealey/S. Myers, Corporate Finance, S. 224. 385 Vgl. G. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 1270. 386 Vgl. E. Kaufer, Theorie der öffentlichen Regulierung, S. 59 ff. Hierzu auch Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 37 f.; U. Büdenbender, ZIP 2000, 2225, 2233; R. Knöpfle, BB 1975, 1607, 1609; R. Windisch, in: Windisch/ Knieps/Blankart/Boyer/Müller (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole, S. 1, 92. 380

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Bereits die Betrachtung des grundsätzlichen Vorgehens im Bereich der Kostenermittlung verdeutlicht die hiermit verbundenen Schwierigkeiten. Die Bestimmung der einzelnen genannten Positionen und deren Zuordnung zum betreffenden Produktionsbereich entzieht sich einer einfachen Berechnung und stellt insofern gewisse Anforderungen an die Entscheidungsfreude der Kontrollinstanz. Von tendenziell weitergehender Bedeutung sind indessen die im Zuge der Kostenermittlung zu treffenden Entscheidungen über die Ansetzbarkeit von Kosten. Nach Auffassung der Kartellbehörden ist die Berücksichtigung auf solche Kosten beschränkt, die auch im Wettbewerb überwälzbar wären.389 Damit wird versucht, dem Ansatz ineffizienter Kosten zu begegnen.390 Unter Beachtung des Ziels, die effizienzschädlichen Wirkungen des natürlichen Netzmonopols im Wege der Entgeltkontrolle zu minimieren, erscheint dies konsequent.391 b) Ausgestaltung des Marktangebots des Unternehmens Die Frage, inwieweit bestimmte Kosten im Rahmen der Missbrauchskontrolle berücksichtigungsfähig sind, hat jedoch unmittelbare Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Angebots des betroffenen Unternehmens.392 So wird etwa für die Bewertung der Netzentgelte im Bereich der Energieversorgung diskutiert, welche Kosten im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Versorgungssicherheit und der Verfügbarkeit von Zusatzkapazitäten in die Netznutzungsentgelte einbezogen werden können.393 In diesem Sinne wäre auch zu prüfen, ob die Anlagen einem bestimmten technischen Stand entsprechen. So könnte der Verdacht bestehen, das Unternehmen habe Kosten durch zu frühzeitige Außer-

387

G. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 1255. Vgl. E. Kaufer, Theorie der öffentlichen Regulierung, S. 59 ff.; J. Kruse, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 247, 257; Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 19; dazu auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 104. 389 Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 30 wo freilich eingeräumt wird, dass hierzu kaum belastbare Erkenntnisse vorhanden sind. Vgl. dazu auch Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 19. 390 Sogenannter Averch-Johnson-Effekt, vgl. E. Kaufer, Theorie der öffentlichen Regulierung, S. 112 ff. Zu dieser Gefahr, vgl. schon oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.2.f). 391 Dazu oben 2. Teil, 3. Abschnitt, B.I.2. 392 Vgl. U. Immenga, FAZ vom 18. Januar 2007, S. 10. Soweit R. Knöpfle, BB 1979, 1101 Fn 8 darauf verweist, es werde nur der Ansatz der Kosten verweigert, wohingegen die Verursachung der Kosten dem Unternehmen frei stehe, ist dies kaum geeignet, den durch die Nichtberücksichtigung entstehenden mittelbaren Zwang entscheidend abzuschwächen. Hinzu kommt, dass die kartellbehördliche Beurteilung regelmäßig gerade auf einer Entscheidung über die Zweckmäßigkeit des Marktangebotes beruht. 393 Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 37. 388

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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dienststellung von Altanlagen oder durch verzögerte Modernisierung von Anlagen verursacht.394 Die Entscheidung, im Rahmen der Entgeltkontrolle hier nur einen Teil der Kosten zu berücksichtigen395, führt unmittelbar zur kartellbehördlichen Beurteilung des richtigen Qualitätsniveaus der Netzbereitstellung. Auch die Nichtberücksichtigung von Kosten unter Berufung auf das Erfordernis rationeller Betriebsführung396 kann Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Angebots haben. Die anteilige Nichtberücksichtigung von Personalkosten kann Einfluss auf die Schnelligkeit und Bearbeitungsweise von Kundenanliegen haben. Kosten für Werbeaufwand und Sponsoring betreffen unmittelbar die Wahrnehmung des Unternehmens im Markt und berühren insbesondere im Falle weitgehend homogener Güter einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor. Die Entscheidungen über die Berücksichtigungsfähigkeit von Kostenpositionen sind allerdings nicht auf die Berücksichtigung vergangener Dispositionen beschränkt. Diskutiert werden vielmehr auch unmittelbare Änderungen der geschäftlichen Ausrichtung.397 Dies wird besonders deutlich bei der Bewertung von Kosten für Forschung und Entwicklung.398 Die Entscheidung über Umfang und Ausrichtung unternehmenseigener Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten hat grundlegende Bedeutung für die künftige Unternehmensentwicklung. Zudem ist es vor allem für längerfristige Forschungsvorhaben charakteristisch, dass eine Zuordnung zu bestimmten Produkten kaum möglich ist, wodurch auf der Ebene der Kostenzuordnung weitere Probleme bestehen. c) Tendenz zur Vollkontrolle Die der Preishöhenaufsicht innewohnende Tendenz zur Kontrolle des Gesamtunternehmens wird im Rahmen der kostenbasierten Missbrauchskontrolle noch verstärkt.399 Von besonderer Bedeutung ist dabei die Berücksichtigung von Gemeinkosten, die nicht produktspezifisch sind, sondern für die Gesamt394

Vgl. hierzu für den Bereich der Wasserversorgung H. Daiber, WuW 2000, 352,

358. 395

Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 37. Etwa die anteilige Nichtberücksichtigung von Personalkosten, Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 36; vgl. auch Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 19. 397 Auch wenn sich die kartellrechtliche Kontrolle der Wasserentgelte, noch auf fortgeltendes Sonderkartellrecht stützt, zeigen die hier diskutierten Anforderungen an Versorgungsunternehmen die Bandbreite möglicher Anforderungen. So wird etwa diskutiert, ob Versorger zum Ankauf langwirtschaftlicher Flächen zum Zwecke der Senkung der Nitratbelastung verpflichtet werden könnten, vgl. H. Daiber, WuW 2000, 352, 357 ff. 398 Vgl. hierzu KG, Beschl. v. 24.08.1978 – Kart. 3/77 – Valium, WuW/E OLG 2053. 399 W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 157. 396

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unternehmung anfallen.400 Die Berücksichtigung dieser Gemeinkosten erfordert die Ermittlung des Anteils, mit dem diese Gemeinkosten dem untersuchten Produkt zugeordnet werden können. Hierzu ist der Anteil der Leistung an der gesamten Unternehmenstätigkeit zu ermitteln und folglich das Gesamtunternehmen zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Das Anliegen, nur solche Kosten in der Berechnung zu berücksichtigen, die einer rationellen Betriebsführung entsprechen, führt dann dazu, sämtliche kostenrelevanten Unternehmensentscheidungen und damit jegliche Unternehmensentscheidung im relevanten Bereich schlechthin, einer missbrauchsorientierten Prüfung zu unterziehen. Wegen der Relevanz für die Kostenermittlung wäre auch über die Berücksichtigung eines besonders sozialverträglichen Belegschaftsabbaus oder über die Wettbewerbsadäquanz einer bestimmten Fremdkapitalquote zu befinden.401 Betrachtet man die einschlägige Diskussion zur Kostenkontrolle, so wird deutlich, dass das gesamte Spektrum betriebswirtschaftlicher Unternehmensentscheidungen entweder von Seiten der Kartellbehörden bemüht wird oder im Wege der Verteidigung gegen einen etwaigen Missbrauchsvorwurf von den Einrichtungsinhabern vorgebracht wird.402 Da das betroffene Unternehmen annahmegemäß nicht der wettbewerblichen Kontrolle unterworfen ist, wird die Entscheidung der Kartellbehörden über die genannten Punkte im Rahmen einer Kostenanalyse unausweichlich. Unabhängig davon, ob die Berücksichtigung einer bestimmten Kostenposition letztlich erfolgt oder nicht, basiert dies in jedem Falle auf einer Entscheidung der Kartellbehörde. Der hieraus resultierende Entscheidungsbedarf der kostenbasierten Entgeltkontrolle ist sowohl qualitativ als auch quantitativ erheblich.403 3. Fazit zu Verfügbarkeit von Ermittlungsmethoden Die Betrachtung der Methoden zur Feststellung von missbräuchlich überhöhten Netznutzungsentgelten hat gezeigt, dass das Vergleichsmarktkonzept in Ermangelung geeigneter wettbewerblicher Vergleichsmärkte im Falle natürlicher Monopole kaum praktikabel einsetzbar ist. In diesem Bereich wird somit die 400 Vgl. E. Kaufer, Theorie der öffentlichen Regulierung, S. 59 ff.; vgl. auch R. Knöpfle, BB 1975, 1607, 1609; sowie U. Büdenbender, ZIP 2000, 2225, 2234 f. 401 Beispiele nach L. Becker, K&R 1999, 112, 120; dazu auch F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 166; VRE, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2. 402 Vgl. etwa F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 358; BKartA, Marktöffnung und Gewährleistung von Wettbewerb in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft, Diskussionspapier; siehe auch U. Büdenbender, ZIP 2000, 2225. 403 Vgl. auch S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 221; J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 466.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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Kostenkontrolle zum Regelfall der Preishöhenkontrolle. Demgegenüber erscheint die Kontrolle der Entgelte für den Zugang zu Netzen mit starken Netzeffekten unter Rückgriff auf das Vergleichsmarktkonzept möglich. Die Auseinandersetzung mit den in der Kostenkontrolle aufgeworfenen betriebswirtschaftlichen und unternehmenspolitischen Fragen kann zu den Kernaufgaben der Unternehmensführung gerechnet werden. Vor dem Hintergrund des herausgearbeiteten Ordnungsmodells des GWB besteht allerdings Anlass, die Eignung des kartellrechtlichen Missbrauchsverfahrens zur Bewältigung des Entscheidungsprogramms der Kostenkontrolle, zu prüfen.404 II. Vereinbarkeit der Kontrolle der Netzzugangsentgelte mit dem Ordnungsmodell des GWB Zu untersuchen ist im Folgenden, inwieweit die skizzierte kostenbasierte Kontrolle von Netznutzungsentgelten im Wege der kartellrechtlichen Preishöhenaufsicht unter Einhaltung des kartellrechtlichen Ordnungsrahmens möglich ist.405 Besonderes Augenmerk gilt dabei der Möglichkeit, im Rahmen des kartellrechtlichen Ordnungsmodells einen adäquaten Entscheidungsmaßstab für die Kostenkontrolle bei natürlichen Netzmonopolen bereitzustellen.406 Im Rahmen der Darstellung der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle ist deutlich geworden, dass der Orientierung des GWB auf das Wettbewerbsprinzip besondere Bedeutung für die kartellrechtliche Preishöhenkontrolle zukommt.407 Zum einen erwies sich das kartellrechtliche Ordnungsmodell als prägend für die Ausgestaltung der Preishöhenkontrolle. Zum anderen wurde aufgezeigt, dass das Wettbewerbsprinzip grundlegende Bedeutung bei der Bestimmung des Maßstabs kartellrechtlicher Aufsicht hat. 1. Zurückhaltender Einsatz der Preishöhenaufsicht Aus dem Wettbewerbsbezug der kartellrechtlichen Aufsicht wurde die Notwendigkeit eines zurückhaltenden Einsatzes der Preishöhenaufsicht abgeleitet. 404 Kritisch auch S. Klaue, ZNER 2000, 271; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204; J. C. Haas, ,Essential Facilities Doctrine‘ und offene Netze, S. 185 f. 405 Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Kriterium der Ordnungskonformität nicht aus wettbewerbstheoretischen oder wirtschaftspolitischen Postulaten ergibt. Untersucht wird allein, ob sich das skizzierte Modell der Kostenkontrolle in das hier im Wege der Gesetzesauslegung gefundene Ordnungsmodell und die innere Systematik des GWB einfügt. 406 Vgl. insofern auch Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 3. 407 Vgl. oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.4.c)(b).

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Kernelement der Argumentation war dabei der Einsatz der Preishöhenkontrolle als ultima ratio unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Verfügungen auf den Wettbewerb. Die inhaltliche Beschränkung auf punktuelle Maßnahmen dient dem Schutz der künftigen Entfaltung des Wettbewerbs.408 Die Möglichkeit eines derart zurückhaltenden Einsatzes der Preishöhenkontrolle bei der Kontrolle der Netznutzungsentgelte ist für die hier untersuchten Zugangsobjekte differenziert zu betrachten. a) Entgeltkontrolle bei Netzzugang zu natürlichen Monopolen Der aus dem Ordnungskonzept des GWB abgeleitete Vorrang von wettbewerbsermöglichenden und -schützenden Maßnahmen verdient auch im Bereich natürlicher Monopole Beachtung. Zu denken ist insbesondere an die Möglichkeit der Verbesserung der Marktstruktur durch vertikale Desintegration.409 Wegen der hierfür erforderlichen Eingriffe in private Rechte wird diese Möglichkeit außerhalb von Privatisierungsprozessen freilich nur selten bestehen.410 Für die Möglichkeit eines zurückhaltenden Einsatzes der Entgeltkontrolle hat die Interessenlage des Einrichtungsinhabers entscheidende Bedeutung.411 Im Bereich angreifbarer Netzstrukturen kann davon ausgegangen werden, dass die Eröffnung von Zugangsmöglichkeiten für den Inhaber anreizkompatibel ist, da die Zugangseröffnung dem Inhaber die Erschließung eines weiteren Umsatzpotentials und die Sicherung der Auslastung seiner Einrichtung ermöglicht. Es ist folglich damit zu rechnen, dass im Regelfall die Zugangsbedingungen im Wege von Verhandlungen einvernehmlich festgesetzt werden können.412 Demgegenüber bestehen im hier untersuchten wettbewerbsresistenten Engpassbereich Anreize, die Tätigkeit von Wettbewerbern auf dem nachgelagerten Markt zu behindern, weswegen eine Verhandlungslösung in diesem Bereich kaum realistisch ist.413 Die Notwendigkeit einer Entgeltkontrolle ist hier nicht mehr auf den Einzelfall beschränkt. Ein zurückhaltender Einsatz der Kontrollbefugnis würde die Anforderungen, die sich aus den Eigenschaften wettbewerbsresistenter natürlicher Monopole ergeben, nur unzureichend erfüllen. 408

Vgl. oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.4.b)(b). M. Fritsch/T. Wein/H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 223 ff.; vgl. auch S. Haslinger, Netzmonopole in der Elektrizitätswirtschaft, S. 81. 410 Vgl. dazu die Überlegungen von J. Kruse, in: Kruse/Stockmann/Vollmer (Hrsg.), FS Ingo Schmidt, S. 247, 258. Vgl. nun auch Kommission, Eine Energiepolitik für Europa, KOM(2007) 1, S. 8 ff.; sowie die Auseinandersetzung zur Bahnreform oben Einleitung Fn 3. 411 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 97 ff. 412 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 98; S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 221. 413 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 111 f.; optimistischer wohl S. Beth, Rechtsprobleme proprietärer Standards, S. 221. 409

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

211

Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass wegen des zu erwartenden Fortbestands des natürlichen Monopols, die Entgeltkontrolle nicht als einmalig aufgefasst werden kann. Die wiederholten Überprüfungen lassen allerdings die für Preisfestsetzungen typischen Ausweichreaktionen des verpflichteten Unternehmens auf andere Wettbewerbsparameter wahrscheinlich werden. Dieser Verlagerung des Missbrauchs könnte nur durch eine Ausweitung der Missbrauchsaufsicht, die tendenziell zu einer Vollkontrolle führte, begegnet werden.414 Während im Regelfall kartellrechtlicher Preishöhenaufsicht die unternehmerischen Rahmenbedingungen und die sonstigen Wettbewerbsparameter im Ausgangspunkt als Ausdruck des Wettbewerbs hingenommen werden können415, ist im Bereich wettbewerbsresistenter natürlicher Monopole die hierzu erforderliche wettbewerbliche Kontrolle eingeschränkt. Es ist nicht mehr möglich, die unternehmerischen Rahmenbedingungen von der Missbrauchsprüfung auszunehmen, da bestehende Fehlallokationen der Korrektur im Wettbewerb gerade nicht unterliegen. Vor diesem Hintergrund ist das geschilderte Vorgehen der Kartellbehörden, im Grundsatz alle kostenrelevanten Unternehmensentscheidungen zu hinterfragen416, konsequent. Damit scheitert aber im Bereich natürlicher Monopole die aus dem kartellrechtlichen Ordnungsmodell abgeleitete Beschränkung der Preishöhenaufsicht. Das Fehlen geeigneter Vergleichsmärkte und die Unmöglichkeit, die Entgeltkontrolle in ihrer Anwendung auf einen Notbehelf zu beschränken, führen zu Spannungen mit dem kartellrechtlichen Ordnungsmodell. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass das für die kartellrechtliche Preishöhenkontrolle typische Spannungsverhältnis zwischen kurzfristigen Preissenkungen und langfristigen Wettbewerbsmöglichkeiten bei natürlichen Monopolen entfällt.417 Infolge der fehlenden Duplizierbarkeit begründen im Bereich beständiger natürlicher Monopole auch überhöhte Preise keine Möglichkeit zum wettbewerbsbegründenden Marktzutritt.418

414

Vgl. oben 4. Teil, 2. Abschnitt, B.I.2.c). Siehe oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.4.b)(c). 416 Vgl. dazu oben 4. Teil, 2. Abschnitt, B.I.2. 417 Dazu M. Habersack, in: Hoyer (Hrsg.), Gedenkschrift Knöpfle, S. 25, 31; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 12. 418 In diese Richtung letztlich auch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 151. Auf die Verschiebung der Abwägungsdimension verweist M. Habersack, in: Hoyer (Hrsg.), Gedenkschrift Knöpfle, S. 25, S. 31, der bei natürlichen Monopolen, den typischen Zielkonflikt ausgeschalten sieht. Dazu auch BKartA, Beschl. v. 13.02.2003 – B11-40100-T-20/02 – RWE Net, ZNER 2003, 156, wo für natürliche Monopole die Forderung nach einem strengeren Mißbrauchsmaßstab aufgestellt wird; ablehnend BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819; dazu nun BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, § 29 Nr. 1 GWB-E. 415

212

4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Aus dem Wegfall dieses Konflikts zwischen kurz- und langfristigen Wettbewerbswirkungen kann freilich nicht auf die Unbedenklichkeit kartellrechtlicher Entgeltkontrolle im Bereich natürlicher Monopole geschlossen werden. Selbst, wenn man die kartellrechtliche Entgeltkontrolle im Falle beständiger natürlicher Monopole unter Durchbrechung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells nicht mehr als Notbehelf, sondern als Regelmaßnahme gestalten möchte419, stellt sich als weiteres Problem die Frage nach dem Maßstab dieser Entgeltkontrolle.420 b) Entgeltkontrolle bei Netzeffekten In den Bereichen, in denen Zugangsansprüche infolge von Netzeffekten gewährt werden, stellt sich die Situation anders dar. Der aus dem Ordnungsmodell des GWB abgeleitete Vorrang von wettbewerbsschützenden Interventionen lässt sich in diesem Bereich beispielsweise durch Maßnahmen zur Förderung offener Standards und zur Sicherung der Kompatibilität umsetzen.421 Wegen der oftmals hohen Dynamik in den von starken Netzeffekten geprägten Wirtschaftsbereichen ist schon im Rahmen der Entscheidung über die Zugangsgewährung die Bedeutung von Pioniergewinnen als Triebfeder für die weitere Entwicklung des Wirtschaftsbereiches zu berücksichtigen. Die besonderen Bedingungen im Bereich von Netzeffekten machen einen eher sequentiellen Wettbewerb wahrscheinlich.422 Nicht zuletzt die hier in besonderem Maße bestehende Gefahr negativer Auswirkungen auf die Marktentwicklung spricht dafür, die Missbrauchskontrolle in diesem Bereich nur als Notbehelf anzuwenden.423 Wo gleichwohl eine Zugangseröffnung bei gleichzeitiger Missbrauchskontrolle über die Entgelte erfolgen soll, wird zudem eine Beschränkung auf einen punktuellen Einsatz möglich sein. Eine Zugangsgewährung durch Ermöglichung von Kompatibilität bzw. die Verfügbarmachung von Schnittstelleninformationen begründet die Gefahr einer Ausweitung der Missbrauchsaufsicht zu einer Kontrolle des Gesamtunternehmens nicht. Selbst soweit ein geeigneter Vergleichsmarkt nicht besteht, ist im Falle von Netzeffekten die aus dem Ordnungsmodell abgeleitete Zurückhaltung beim Einsatz der kartellrechtlichen Entgeltkontrolle realisierbar.

419 420 421 422 423

Dafür etwa G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 102. Dazu sogleich 4. Teil, 2. Abschnitt, B.II.2. A. Gröhn, Netzwerkeffekte und Wettbewerbspolitik, S. 145. Vgl. J. Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S. 59, 72. Vgl. C. Kirchner, FAZ vom 08. Januar 2005, S. 13.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

213

2. Wettbewerb als Maßstab der Entgeltkontrolle Die Orientierung am Maßstabs des Wettbewerbs ist wesentliches Kennzeichen der Missbrauchsaufsicht nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB. Die Konkretisierung des Missbrauchsbegriffs unter Rückgriff auf die Wettbewerbsorientierung des GWB fügt die zurückhaltend ausgeübte Preishöhenaufsicht in das Ordnungsmodell des GWB ein.424 Während im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts, jedenfalls im Ausgangspunkt mit dem Vergleichsmarkt, ein wettbewerbsorientierter Maßstab zur Verfügung steht, stellt sich die Maßstabsproblematik im Bereich der natürlichen Monopole, wo die kostenbasierte Entgeltkontrolle zum Regelfall wird, mit besonderer Dringlichkeit. Die Notwendigkeit, die Kostenkontrolle an den Maßstab des Wettbewerbs anzulehnen, wird auch von der Arbeitsgruppe Netznutzung Strom betont.425 Ermöglicht werden soll dies durch die Anwendung eines normativen Kostenbegriffes. Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 19 GWB wird hierbei eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung des Wettbewerbsgedankens vorgenommen.426 Dieser, an das Vorgehen im Rahmen des Behinderungsverbots angelehnte Ansatz, ist allerdings nicht geeignet, im Bereich der Kostenkontrolle die Willkürfreiheit der Entscheidungen zu sichern. Diese Abwägung ist durch die monofinale Ausrichtung auf den Wettbewerb gekennzeichnet. Innerhalb der kartellrechtlichen Abwägung findet das öffentliche Interesse im Schutz des Wettbewerbs Berücksichtigung.427 Demgegenüber findet ein Durchgriff unmittelbar auf Gemeinwohlerwägungen nicht statt.428 Die im Rahmen der Kostenkontrolle aufgeworfenen Fragen, die etwa das richtige Qualitätsniveau von Leistungen, die Existenz von Rationalisierungsmöglichkeiten und die grundsätzliche Geschäftsausrichtung des Einrichtungsinhabers betreffen lassen sich im Rahmen dieser Abwägung nicht beantworten. Die Entscheidung über die Berücksichtigung konkreter Kostenelemente ist von einer anderen Qualität als die typischerweise im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB aufgeworfenen Fragestellungen.429 Zum einen handelt es sich um eine Ergebniskontrolle, die unmittelbar auf Markt- und Wettbewerbskonstellationen einwirkt. Zum anderen ist die Tragweite der Entscheidungen im Bereich beständiger natürlicher Monopole größer als im Bereich herkömmlicher kartellbehördlicher Verfügungen. Die Wettbewerbsresistenz der natürlichen Monopole schränkt die Möglichkeit ein, 424

Oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.4.c)(b). Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 29 f. 426 Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 30; F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 318. 427 E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 54 (1990), 409, 420. 428 Vgl. oben 3. Teil, 2. Abschnitt, C.II.3. 429 Vgl. dazu schon D. K. Munzinger, Mißbräuchliche Preise, Preisbildungssysteme und Preisstrukturen nach § 22 GWB, S. 85. 425

214

4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Auswirkungen kartellrechtlicher Verfügungen durch adaptives Verhalten im Wettbewerb auszugleichen430. Die mit dem natürlichen Monopol verbundene Schwächung der wettbewerbsimmanenten Kontrollfunktion und die fehlende Beschränkung auf den Einzelfall stellen erweiterte Anforderungen an den kartellrechtlichen Entscheidungsmaßstab.431 Mit dem Wettbewerbsausschluss im natürlichen Monopol verliert allerdings der Wettbewerbsmaßstab seine Determinationskraft für die Entgeltkontrolle. Ein Wettbewerbspreis müsste im beständigen natürlichen Monopol annahmegemäß Fiktion bleiben. Während im Bereich grundsätzlich wettbewerblicher Märkte zumindest der Versuch unternommen werden kann, das Wettbewerbsergebnis durch Nachbildung der Ergebnisse auf Vergleichsmärkten näherungsweise zu bestimmen und somit konzeptionell die eigene Entscheidung über das Marktergebnis zu vermeiden, fehlt im Bereich beständiger natürlicher Monopole wegen der Wettbewerbsresistenz die Grundlage für diese Hilfskonstruktion.432 3. Wettbewerbstauglichkeit als entscheidendes Abgrenzungsmerkmal Im Dritten Teil der Untersuchung wurde die Abhängigkeit des Ordnungsmodells des GWB von der Möglichkeit des Wettbewerbs herausgearbeitet.433 Diese Abhängigkeit gilt auch für den Bereich der kartellrechtlichen Entgeltkontrolle. Nur dort, wo die grundsätzliche Möglichkeit von Wettbewerb besteht, kann im Rahmen der Entgeltkontrolle eine Orientierung am Maßstab des Wettbewerbs erfolgen. Damit ist zugleich das entscheidende Merkmal für die Eignung des kartellrechtlichen Modells zur Kontrolle der Entgelte identifiziert. Wo nur vorübergehende Wettbewerbshindernisse bestehen, die wettbewerbliche Koordination allerdings im Grundsatz intakt bleibt, ermöglicht das kartellrechtliche Modell einzelfallorientierte Interventionen, die sich am Maßstab des Wettbewerbs orientieren. Wo hingegen wegen anhaltender Unmöglichkeit wettbewerblicher Kontrolle die Richtigkeitsgewähr des Wettbewerbs ausgeschalten ist, fehlt der am Wettbewerbsprinzip ausgerichteten Kartellaufsicht der Maßstab zur Entgeltkontrolle.434 Dies ermöglicht eine Differenzierung zwischen den hier untersuchten Netzbereichen.

430

Hierzu F.-U. Willeke, WuW 1975, 532, 548. Vgl. S. Klaue, ZNER 2000, 271, 274. 432 So bereits für § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204; vgl. auch Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 19 f. 433 Vgl. oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B. 434 Vgl. W. Möschel, WuW 1999, 5, 7. 431

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

215

a) Bereich beständiger natürlicher Monopole Für den Bereich der materiellen Netze wurde die Möglichkeit der Bildung natürlicher Monopole herausgearbeitet, die unter bestimmten Bedingungen durch eine anhaltende Wettbewerbsresistenz gekennzeichnet sind.435 Das Vorliegen eines solchen beständigen natürlichen Monopols steht einer wirksamen wettbewerblichen Kontrolle des Inhabers der Engpasseinrichtung entgegen. Die Nichtangreifbarkeit der Monopolstellung stellt unabhängig von der Zugangseröffnung ein dauerhaftes Problem dar. Es ist nach ökonomischen Erkenntnissen nicht damit zu rechnen, dass einsetzender Wettbewerb im Zeitablauf die Machtstellung erodieren und damit den eingeräumten Mitbenutzungsanspruch entbehrlich machen könnte.436 In diesem Bereich fehlt es an den wesentlichen Voraussetzungen der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht. Anders als in Fällen nur vorübergehender Wettbewerbsstörungen, lässt sich die Entgeltkontrolle nicht mehr auf den Einzelfall begrenzen, sondern wird diese zum Regelfall der Preisfindung. Gleichzeitig ist ein Rückgriff auf das Vergleichsmarktkonzept ausgeschlossen, so dass zum Mittel der Kostenkontrolle zu greifen ist, wodurch tendenziell das gesamte Spektrum betriebswirtschaftlicher Entscheidungen in die Kontrolle einbezogen wird. Die dabei möglichen Fehlentscheidungen, die man bei Anwendung der Preishöhenaufsicht im Einzelfall unter Verweis auf den Fortbestand der Korrekturfunktion des Wettbewerbs noch hinnehmen mag, bergen hier die Gefahr einer langfristig wirkenden Verfälschung der Marktentwicklung. Da die Entgeltkontrolle im Bereich natürlicher Monopole tendenziell zu einer Prüfung sämtlicher Unternehmensentscheidungen führt, ist die Orientierung an einem verlässlichen Maßstab unverzichtbar. Dieser Erweiterung des Prüfprogramms steht allerdings ein Verlust an tragfähigen Entscheidungsgrundlagen entgegen, da wegen der Unmöglichkeit des Wettbewerbs eine Ausrichtung am Wettbewerbsmaßstab ausscheidet. Die Entscheidung im Rahmen der Kostenkontrolle kann sich nur noch an einem wettbewerbsfremden Richtigkeitsmaßstab orientieren, wodurch der Bereich des im kartellrechtlichen Ordnungsrahmen Zulässigen verlassen wird. Die kartellrechtliche Entgeltkontrolle ist danach zur Bewältigung der Probleme wettbewerbsresistenter natürlicher Monopole nicht geeignet. b) Nachfrageseitige Netzeffekte Anders stellt sich die Situation dagegen bei nutzerseitigen Netzeffekten dar. Im Unterschied zum Bereich natürlicher Monopole besteht nach bisherigem Er435 436

Dazu oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A. Oben 2. Teil, 3. Abschnitt, A.

216

4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

kenntnisstand im Bereich der nutzerseitigen Netzeffekte kein Anlass, an der Wirksamkeit des Wettbewerbsmechanismus zu zweifeln. Hier konnten zwar ebenfalls spezifische Gefährdungen des Wettbewerbs ausgemacht werden, indessen fehlte es an der Erwartung einer nachhaltigen Störung des Wettbewerbs.437 Das Erfordernis, im Bereich der nutzerseitigen Netzeffekte Zugangsansprüche zu gewähren, besteht damit nicht regelmäßig, sondern nur in besonderen Situationen mit Einzelfallcharakter. Entsprechend kann sich auch die Kontrolle von Entgelten für den Zugang zu Netzen, die durch starke Netzeffekte geprägt sind, auf eine zurückhaltende Einzelfallkontrolle beschränken. Die Kontrolle kann dabei im Regelfall auf das Vergleichsmarktkonzept zurückgreifen und bleibt am Maßstab des Wettbewerbs orientiert. Derartige punktuelle Interventionen fügen sich in den üblichen kartellrechtlichen Interventionsrahmen ein. Weil die Mustervoraussage im Bereich der Netzeffekte anwendbar bleibt, können Interventionen weiterhin an der Wettbewerbsrationalität ausgerichtet werden. Im Bereich der nachfrageseitigen Netzeffekte ist das kartellrechtliche Instrumentarium mithin auch für die gegebenenfalls nötige Entgeltbestimmung tauglich und geeignet. 4. Fazit zur Möglichkeit der Entgeltkontrolle im gegenwärtigen Ordnungsmodell Während die Frage der Zugangsentgelte im Bereich von Netzeffekten einer Lösung mit Hilfe des kartellrechtlichen Instrumentariums zugänglich erscheint,438 ist das kartellrechtliche Instrumentarium der Preishöhenkontrolle für die Kontrolle von Zugangsentgelten im Bereich beständiger natürlicher Monopole ungenügend.439 Das für diesen Bereich festgestellte Zusammentreffen eines erweiterten Entscheidungsbedarfs mit der Erosion des Entscheidungsmaßstabs, führt zu einer systematischen Überforderung der kartellrechtlichen Preishöhenaufsicht. Eine Lösung ist auch nicht durch eine Absenkung der Aufgreifschwelle und damit erhöhter Häufigkeit der Entgeltkontrolle möglich. Der Übergang von einer Entgeltkontrolle im Einzelfall zu einer Regelkontrolle440 kann das Problem des fehlenden Maßstabs der Entgeltprüfung nicht lösen. 437

Oben 2. Teil, 1. Abschnitt, B.IV.2. Vgl. oben 4. Teil, 2. Abschnitt, B.II.4. 439 Vgl. J. Basedow, in: Fuchs/Schwintowski/Zimmer (Hrsg.), FS Immenga, S. 3, 9 f.; für den Strom- und Gasbereich Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 19 f.; vgl. auch M. Ungemach/M. Wißmann/P. Cameron/P. Styles, ET 1997, 364, 366; S. Klaue, ZNER 2000, 271, 274; a. A. A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 48; optimistischer wohl auch W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 204. 440 Dafür G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 103; wohl auch A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 48; U. Böge, in: Büdenbender/Kühne (Hrsg.), FS Baur, S. 399, 401. 438

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

217

Im Rahmen des bestehenden kartellrechtlichen Instrumentariums stehen für die Entgeltkontrolle keine hinreichenden Entscheidungskriterien zur Verfügung, wenn Wettbewerb strukturell ausgeschlossen ist.441

C. Möglichkeit eines kartellrechtlichen Ersatzes des Maßstabs Nach hier vertretener Auffassung besteht das Defizit der kartellrechtlichen Entgeltkontrolle im Bereich beständiger natürlicher Monopole im Fehlen eines geeigneten Maßstabs zur Entgeltkontrolle. Konzeptionell lassen sich zwei mögliche Ansätze für die Lösung dieses Defizits innerhalb der kartellrechtlichen Systematik unterscheiden. Denkbar wäre es, die Maßstabsproblematik durch eine Anreicherung des Entscheidungsverfahren mit weiteren Abwägungsparametern zu bewältigen. Daneben bestünde auch die Möglichkeit, innerhalb der Preishöhenkontrolle auf Methoden auszuweichen, die hinsichtlich des Entscheidungsbedarfs weniger anspruchsvoll erscheinen als die Kostenkontrolle. Die nachfolgende Untersuchung bezieht dabei auch solche Lösungsansätze mit ein, die nur im Wege einer Fortbildung des kartellrechtlichen Instrumentariums realisiert werden können. In der Literatur werden im Zuge der Liberalisierung der Netzwirtschaften verschiedene Möglichkeiten für eine derartige Weiterentwicklung des Kartellrechts benannt, die insbesondere die befürchtete Zersplitterung des Kartellrechts eindämmen sollen.442 Grenze einer solchen Fortentwicklung ist das Ordnungsmodell des GWB.443 Nur solche Instrumente, die nach der wettbewerblichen Konzeption des GWB als kartellrechtlich betrachtet werden können, lassen sich zur Vermeidung einer Zersplitterung in das GWB integrieren. Handelt es sich hingegen um Instrumente, die innerhalb des GWB als Fremdkörper erscheinen, kann das Argument der Einheit des Kartellrechts die Integration in das GWB nicht begründen. Sinnvoll ist nur eine Fortschreibung des Kartellrechts, die die spezifische Leistungsfähigkeit des Rechtsgebiets nutzbar macht.444 I. Anreicherung des kartellrechtlichen Abwägungsmaßstabs Die Eignung der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle für die Entgeltkontrolle im Bereich natürlicher Monopole könnte durch eine Erweiterung des kartellrechtlichen Kontrollmaßstabs erreicht werden, die den Ausfall des Wettbewerbs441 Anders A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 48. 442 U. Böge, in: Büdenbender/Kühne (Hrsg.), FS Baur, S. 399, 414. 443 Dazu oben 2. Teil, 3. Abschnitt, D. 444 Vgl. hierzu H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 171.

218

4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

maßstabs kompensiert und so der Gefahr willkürlicher Entscheidungen vorbeugt. 1. Erweiterung des Abwägungsmaßstabs unmittelbar aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB Denkbar wäre, dass ein erweiterter Abwägungsmaßstab aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB abgeleitet werden kann. Aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB lässt sich ein dergestalt erweiterter Maßstab freilich nicht gewinnen. Der Begriff der Angemessenheit, den die Norm zum Maßstab des Zugangsentgelts macht, kann nicht im Sinne einer Generalklausel als Einfallstor sonstiger Interessen dienen. Fraglich ist allerdings, ob sich aus Sinn und Zweck der Norm bzw. dem gesetzgeberischen Ziel eine Anreicherung des Maßstabs ableiten lässt. Die Norm zielt auf die Absenkung bestehender Marktzutrittsschwellen zur Erleichterung des Wettbewerbs auf abhängigen Märkten.445 Damit wird kein wettbewerblicher Ausnahmebereich, sondern Raum für eine Intensivierung des Wettbewerb geschaffen.446 Eine über den Wettbewerb hinausgehende, von diesem unabhängige Zielsetzung, ist aus der gesetzgeberischen Intention zu § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht abzuleiten. Maßgebliches Ziel war es, die Zersplitterung des Kartellrechts zu vermeiden.447 Dass demgegenüber unter Erweiterung der Wettbewerbskonzeption des GWB ein Einfallstor für weitere Interessen oder die Grundlage für einen Durchgriff auf Gemeinwohlerwägungen geschaffen werden sollten, ist nicht erkennbar.448 Hiergegen kann auch nicht angeführt werden, der Gesetzgeber habe gerade die Problematik der natürlichen Monopole einer kartellrechtlichen Lösung zuführen wollen.449 Die allgemeine Intention des Gesetzgebers, die im Normtext keinen Niederschlag gefunden hat, kann eine abweichende Auslegung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht rechtfertigen. Die Norm behält nach der hier befürworteten wettbewerbskonformen Auslegung einen eigenen Anwendungsbereich. Auch außerhalb des Bereiches beständiger natürlicher Monopole kann § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB den Wettbewerb in liberalisierten Wirtschaftsbereichen stützen. In den Marktbereichen, die früher wegen vermuteter Wettbewerbsresistenz gänzlich dem freien Wettbewerb entzogen waren, die allerdings grundsätzlich wettbewerbstauglich sind, verbleibt ein erheblicher Anwendungsbereich der Norm. 445 446

Vgl. oben 4. Teil, 1. Abschnitt, A.I. Vgl. W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn

187. 447

Vgl. BT-Drs. 13/9720, S. 36 f.; A. Klimisch/M. Lange, WuW 1998, 15. Für eine solche Einbeziehung von Gemeinwohlerwägungen de lege ferenda L. Vollmer, in: Schwarze (Hrsg.), Der Netzzugang für Dritte im Wirtschaftsrecht, S. 41, 49 ff. 449 Vgl. BT-Drs. 13/9720, S. 74. 448

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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2. Einbeziehung von Wertungen aus anderen Gesetzen in den Abwägungsmaßstab Wenn der für die Bestimmung des Zugangsentgelts erforderliche Maßstab nicht unmittelbar aus dem Kartellrecht gewonnen werden kann, ist zu untersuchen, inwieweit das Kartellrecht im Rahmen der Entgeltbestimmung auf andere gesetzliche Regelungen zurückgreifen und die dort gegebenenfalls normierten Zielsetzungen zur Maßstabsbildung heranziehen kann.450 Zu der Frage ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine derartige Berücksichtigung außerkartellrechtlicher Wertungen im Rahmen kartellrechtlicher Entscheidungen zulässig oder auch geboten ist, werden verschiedene Ansichten vertreten.451 a) Argument der Einheit der Rechtsordnung Für eine Berücksichtigung außerkartellrechtlicher Wertungen wird geltend gemacht, das Kartellrecht müsse die Wertungen anderer Gesetze beachten und könne die dortigen gesetzgeberischen Ziele nicht ignorieren. Die Wahrung der Einheit der Rechtsordnung erfordere bei Auslegung kartellrechtlicher Normen die Berücksichtigung auch außerkartellrechtlicher Regelungen.452 In diesem Sinne sei der Begriff der Angemessenheit von Entgelten im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB unter Rückgriff auf bestehende Spezialgesetze zu konkretisieren.453 Hieraus ließe sich schlussfolgern, auch im Rahmen der kartellrechtlichen Entgeltkontrolle sei im Energiebereich der Entgeltmaßstab des § 21 EnWG mit seiner Orientierung an den Kosten einer effizienten Betriebsführung heranzuziehen.454 Geboten wäre aus dieser Sicht dann auch, die Ziele etwa des § 1 EnWG im Rahmen der Kontrolle der Entgelte für den Zugang zu Energienetzen umzusetzen. Die Entgeltkontrolle könnte dann neben dem Maßstab des Wettbewerbs auf weitere Kriterien gestützt werden.

450

Vgl. etwa Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 6. Vgl. die Diskussion bei A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 135 ff.; K. Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 10. Aufl., § 20 Rn 137 ff. 452 G. Kühne, in: Fuchs/Schwintowski/Zimmer (Hrsg.), FS Immenga, S. 243, 254; Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 6, 23 f.; skeptisch U. Büdenbender, ZIP 2000, 2225, 2229. 453 So etwa S. Klaue, ZNER 2000, 271, 272 f.; Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 23 f. 454 Vgl. insofern Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 23 f. mit Bezug auf § 6 Abs. 1 EnWG a. F. 451

220

4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

b) These der Reinheit des Kartellrechts Die Gegenposition zu der These der Einheit der Rechtsordnung lässt sich als These der Reinheit des Kartellrechts bezeichnen.455 Im Hinblick auf das Ordnungsmodell des Kartellrechts könnte die Gefahr drohen durch die Berücksichtigung wettbewerbsfremder Erwägungen die grundlegende Ordnungsfunktion des Kartellrechts zu gefährden. Der auf die Einheit der Rechtsordnung gestützte Rückgriff auf sektor- und branchenspezifische Normen führt in dieser Sichtweise kartellrechtsfremde Wertungen in die Entscheidung ein.456 Die Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Ziele könnte zu widersprüchlichen Entscheidungen führen und so einer Zersplitterung des Kartellrechts Vorschub leisten. Die Einheitlichkeit des Missbrauchsbegriffs457 könnte verloren gehen, wenn innerhalb der gleichen kartellrechtlichen Norm, abhängig von außerkartellrechtlichen Normen, unterschiedliches Verhalten sanktioniert würde. c) Vermittelnde Ansicht In ihrer schematischen Absolutheit vermögen beide Ansichten nicht zu überzeugen. Soweit sich die Befürworter einer weitgehenden Berücksichtigung etwa energierechtlicher Wertungen auf das Gebot der Einheit der Rechtsordnung berufen, ist dieses Prinzip kaum geeignet, die weitgehenden Konsequenzen zu tragen, die hieraus abgeleitet werden. Ursprung des Gebots der Einheit der Rechtsordnung ist insbesondere das Rechtsstaatsprinzip. Ziel ist es danach hauptsächlich, die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu gewährleisten.458 Daraus folgt, dass nicht eine Rechtsnorm ein Verhalten gebieten kann, welches von einer anderen verboten wird. Derart widersprüchliche Anordnungen würden die Rechtsbefolgung unmöglich machen. Demgegenüber stehen Wertungsdifferenzen innerhalb der Rechtsordnung nicht notwendig in Konflikt mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Es ist mit der Einheit der Rechtsordnung ohne weiteres zu vereinbaren, dass zwei Rechtsnormen an den gleichen Sachverhalt unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen, solange sich hieraus kein unüberbrückbarer Widerspruch ergibt. Im Zivilrecht ist es durchaus nicht untypisch, dass vertragsrechtliche und deliktsrechtliche Normen jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen für einen einheitlichen

455 Vgl. A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 135. 456 Vgl. auch F. C. Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 139; L. Vollmer, in: Schwarze (Hrsg.), Der Netzzugang für Dritte im Wirtschaftsrecht, S. 41, 43. 457 S. Klaue, ZNER 2000, 271, 273. 458 K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 207.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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Sachverhalt anordnen.459 In gleicher Weise schließt der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung auch nicht aus, dass kartellrechtliche Entscheidungen zu Ergebnissen kommen, die von denen des Energierechts abweichen. Auch unter Rückgriff auf die Regeln der Normenkonkurrenz wird sich die Frage der Berücksichtigung außerkartellrechtlicher Wertungen kaum überzeugend beantworten lassen.460 Entscheidend ist vielmehr, dass die jeweiligen Rechtsnormen den betroffenen Regelungsbereich einer bestimmten Ordnung und Rationalität unterwerfen, die in der Rechtsanwendung zu berücksichtigen sind. Die Abstimmung muss also Wertungswidersprüche zwischen verschiedenen Regelungsprogrammen vermeiden. Auslegung und Anwendung der Normen haben sicherzustellen, dass sich die verschiedenen Regelungsansätze nicht wechselseitig konterkarieren.461 In diesem Sinne hat das Kartellrecht auf gesetzgeberische Ziele, die in anderen Rechtsgebieten zum Ausdruck kommen, Rücksicht zu nehmen. Die Auslegung des GWB muss die teleologische Konkurrenz462 zu außerwettbewerblichen Zielen vermeiden.463 Ein Rückgriff auf außerkartellrechtliche Zielsetzungen der die gesetzgeberische Zielrichtung des Kartellrechts überspielt ist allerdings unzulässig. Kartellrechtsexterne Zielsetzungen können nicht selbst Ziel kartellrechtlicher Maßnahmen werden. Eine Indienstnahme kartellrechtlicher Handlungsbefugnisse zur Verfolgung spezialgesetzlicher Regelungsziele, welche die Befugnisse aus ihrem spezifisch kartellrechtlichen Regelungskontext herauslöst, ist mit diesem Ansatz unvereinbar. Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für kartellrechtliche Maßnahmen ist auch die Berücksichtigung der gesetzgeberischen Zweck-Mittel-Relation. Die Anwendung des kartellrechtlichen Instrumentariums ist auf den originär kartellrechtlichen Ordnungsrahmen beschränkt. Die Rechtsanwendung kann nicht die Wertungen des GWB überspielen und durch außerkartellrechtliche Ziele ersetzen.464 Auch wenn hier die Ausrichtung des GWB auf den Wettbewerbsprozess betont wurde, handelt es sich beim GWB keineswegs um ein reines Verfahrensrecht, das in den Dienst kartellrechtsfremder Regelungsprogramme gestellt werden könnte. Die Abwesenheit materieller Ziele im GWB ist vielmehr Ausdruck 459 A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 136; W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 253; U. Büdenbender, ZIP 2000, 2225, 2229. 460 Vgl. unter telekommunikationsrechtlichem Blickwinkel H.-H. Trute, in: Trute/ Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG, § 2 Rn 26; vgl. auch H.-H. Trute/W. Denkhaus/D. Kühlers, Regelungsstrukturen der Kreislaufwirtschaft, S. 96. 461 Vgl. K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 212. 462 A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 133 unter Berufung auf G. Kühne, RdE 2000, 1, 5. 463 Dazu W. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 3. Aufl., § 19 Rn 209; A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 137. 464 Vgl. J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 537.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

des spezifisch kartellrechtlichen Steuerungsansatzes, der auch durch die Berücksichtigung kartellrechtsexterner Zielsetzungen nicht überspielt werden darf.465 d) Schlussfolgerung Vor diesem Hintergrund begegnet die beispielsweise im Bereich der Energieversorgung teilweise befürwortete Berücksichtigung466 energiewirtschaftsrechtlicher Ziele bei Anwendung kartellrechtlicher Normen, die eine Ausrichtung der Entgeltkontrolle an den Zielen des EnWG ermöglichen soll, erheblichen Bedenken.467 EnWG und GWB stehen grundsätzlich als in ihrem Bereich eigenständige Regelungen nebeneinander. Ziele des EnWG und des GWB können nur unter Rückgriff auf die spezifischen Mittel der jeweiligen Gesetze verfolgt werden. Eine Verfolgung der Ziele des EnWG mit kartellrechtlichen Mitteln bedeutete dagegen eine Umgehung des gesetzlichen Instrumentariums des EnWG und damit die Gefahr, spezifische energierechtliche Bindungen zu vernachlässigen. Zugleich sähe sich eine solche Praxis des Vorwurfs eines rechtswidrigen Formenmissbrauchs ausgesetzt.468 Das subjektive Empfinden des Rechtsanwenders, das vom Gesetzgeber bereitgestellte Instrumentarium erweise sich im Vergleich zu den gesetzgeberischen Zielen als defizitär, macht zwar die Suche nach weitergehenden Handlungsermächtigungen verständlich, kann aber nicht zu einer eigenmächtigen Ausdehnung der Befugnisse führen. Die Erweiterung der monofinalen Zielsetzung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht im Wege des Rückgriffs auf außerkartellrechtliche Wertungen ist de lege lata ausgeschlossen.469 3. Aufnahme eines erweiterten Maßstabs de lege ferenda Nachdem de lege lata der Ausfall des Wettbewerbsmaßstabs nicht im Wege eines Zugriffs auf außerkartellrechtliche Abwägungskriterien kompensiert werden kann, stellt sich die Frage, inwieweit die Möglichkeit bestünde, im Wege einer Fortentwicklung des GWB den Zugriff auf derartige Wertungen zu eröffnen. Rechtstechnisch ließe sich eine solche Änderung etwa mittels einer Generalklausel oder der Aufnahme enumerativ genannter materieller Ziele der Entgelt465

Dazu oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B.I. Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 23 f. 467 So auch J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 537. 468 Zum Formenmissbrauch vgl. M. Schmidt-Preuß, Verfassungsrechtliche Zentralfragen staatlicher Lohn- und Preisdirigismen, S. 238; siehe auch BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 – 2 BvR 397, 398, 399/82 – BVerfGE 70, 35, 54 f. 469 So auch W. Möschel, WuW 1999, 5, 7. 466

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kontrolle erreichen. Mit dem gegenwärtigen kartellrechtlichen Ordnungsrahmen ist dies indessen nicht vereinbar. Die vom GWB errichtete wettbewerbliche Koordinationsordnung dient der Nutzung der Steuerungsressourcen des Marktes unter Zurücknahme des eigenen staatlichen Steuerungsanspruchs.470 Es ist kennzeichnend für den kartellrechtlichen Ansatz, dass die Bewertung von Wettbewerbsergebnissen nicht anhand eines inhaltlichen Maßstabs, sondern danach erfolgt, inwieweit diese als Ergebnis des freien Wettbewerbsprozesses aufgefasst werden können. Die monofinale Ausrichtung des GWB auf den Wettbewerb findet ihre Grundlage in der eigenen Richtigkeitsgewähr der wettbewerblichen Koordination. Wo infolge von Störungen, wie sie im Falle des beständigen natürlichen Monopols vorliegen, die Richtigkeitsgewähr der Wettbewerbsergebnisse nicht mehr besteht, ist die Grenze des kartellrechtlichen Steuerungsansatzes erreicht. Die Aufnahme materieller Ziele würde das Ordnungsmodell nicht fortschreiben, sondern verlassen. Daraus ergibt sich freilich für den Gesetzgeber keine rechtliche Schranke, eine solche Erweiterung gleichwohl vorzunehmen. Bedenken bestehen allein hinsichtlich der Zweckmäßigkeit einer solchen Erweiterung. Aus juristischer Sicht wäre diesbezüglich zu bedenken, dass auch die Aufnahme materieller Ziele die kartellrechtliche Nutzung der Steuerungsressourcen des Wettbewerbs im Bereich der natürlichen Monopole nicht ermöglichen würde. Mit dem Rückgriff auf derartige weitergehende Ziele wird das kartellrechtliche Steuerungsmodell verlassen. Ebenso wie bei der Einfügung des Vergaberechts in das GWB471 würde ein eigenständiger Regelungskomplex mit eigener Rationalität in das Gesetz aufgenommen. Eine Nutzung der spezifischen Leistungsfähigkeit des kartellrechtlichen Steuerungsansatzes wird dadurch nicht ermöglicht. II. Methoden mit geringerem Maßstabsbedarf Neben der Möglichkeit, den Maßstab der Entgeltkontrolle für den Bereich beständiger natürlicher Monopole zu erweitern, wird auch die Anwendung von alternativen Methoden der Entgeltkontrolle erwogen.472 Ziel dieser Überlegungen ist es, die Kostenkontrolle durch Methoden mit einem geringeren Maßstabsbedarf zu ersetzen. In der Regulierungstheorie wurden, nicht zuletzt wegen des enormen Informationsbedarfs und des strukturellen Informationsvorsprungs des regulierten Unternehmens, Alternativen zur klassischen Kosten- oder Gewinnregulierung 470

Zum ganzen oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B.I. Dazu oben 3. Teil, 1. Abschnitt, B.IV. Fn 56. 472 Vgl. etwa Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 14; hierzu J. F. Baur/K. Henk-Merten, Kartellbehördliche Preisaufsicht über den Netzzugang, S. 28. 471

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gesucht. Durch Reduzierung des Entscheidungsbedarfs sollen derartige alternative Methoden zugleich der Wertungsabhängigkeit der Ermittlung der entgeltrelevanten Kostenelemente und den hieraus folgenden Prognoseschwierigkeiten Rechnung tragen. 1. Methodenübersicht Diskutiert werden hier vorwiegend Formen der Anreizsetzung durch Festlegung von Entgelt- oder Erlösobergrenzen (sogenannte Price-Caps) für bestimmte Produktgruppen473, die Möglichkeit eines Leistungsvergleichs im Wege eines Benchmarkings474 und die als Methodenregulierung bezeichnete Vorgabe von Entgeltkalkulationsrichtlinien 475 für die betroffenen Unternehmen.476 a) Setzung von Erlösobergrenzen Ziel der Setzung von Erlösobergrenzen ist es, dem betroffenen Unternehmen einen eigenen Anreiz für Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen zu geben und gleichzeitig die Marktgegenseite an den Vorteilen der technischen Entwicklung in Form von sinkenden Preisen partizipieren zu lassen. Im Rahmen der Price-Cap-Regulierung wird für ein bestimmtes Produkt für einen meist mehrjährigen Zeitraum eine Preisobergrenze gesetzt, die in vorgegebenen Intervallen um einen festgelegten Betrag sinkt.477 Infolge der vorab festgelegten Preisentwicklung kann das Unternehmen für diesen Zeitraum die eigenen Gewinne durch weitere Kostensenkungen erhöhen. Zugleich führt der gesetzte Preispfad zu einer schrittweisen Entlastung der Marktgegenseite.478 In der Praxis wird die Flexibilität der Preisgestaltung zudem dadurch erhöht, dass die Preise für bestimmte, in Warenkörben zusammengefasste Produktgruppen festgelegt werden, sodass innerhalb der Warenkörbe unter Berücksichtigung der Marktsituation Preisanpassungen möglich werden.

473 Dazu etwa K. E. Train, Optimal Regulation, S. 317 ff.; G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 106 ff.; Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04. 2001, S. 40. 474 P. Burns/J. Davies/C. Riechmann, ZfE 1999, 285; Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 14; F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 205. 475 Dazu E. Staebe, DVBl 2004, 853, 858; F. J. Säcker, RdE 2003, 300, 303. 476 Vgl. zu weiteren Konzepten auch I. Vogelsang, in: Witte (Hrsg.), Regulierung und Wettbewerb in der Telekommunikation, S. 121; J. Borrmann/J. Finsinger, Markt und Regulierung, S. 342 ff.; P. Burns/J. Davies/C. Riechmann, ZfE 1999, 285, 286; M. Filippini/J. Wild, ZfE 2002, 51; S. Spelthahn, Privatisierung natürlicher Monopole, S. 63 ff. 477 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 106 ff. 478 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 110 f.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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b) Benchmarking Demgegenüber ähnelt der Leistungsvergleich des Benchmarkings dem Vorgehen des Vergleichsmarktkonzepts.479 Ziel des Benchmarkings ist es, die relative Effizienz eines Unternehmens zu ermitteln.480 Hierzu werden umfangreiche Kostendaten bei verschiedenen Unternehmen erhoben und unter Rückgriff auf ökonometrische Verfahren bewertet. Neben dem Bedarf an detailliertem Datenmaterial besteht ein wesentliches Problem des Benchmarkings in der Berücksichtigung der bestehenden Unterschiede zwischen den Unternehmen.481 c) Methodenregulierung Die Methodenregulierung schließlich zielt darauf ab, den Unternehmen möglichst geringe inhaltliche Vorgaben zur Entgeltgestaltung zu machen. Anstelle einer konkreten Prüfung der Entgelte unter Berücksichtigung der Unternehmenskosten werden den Anbietern nur Vorgaben zur Methode der Entgeltkalkulation und zu berücksichtigungsfähigen Entgeltpositionen gemacht.482 2. Vereinbarkeit mit § 19 Abs. 4 Nr. 2 und 4 GWB Die Anwendbarkeit der genannten Verfahren im Wege der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle im Bereich natürlicher Monopole hängt davon ab, ob diese Methoden mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar sind und geeignet erscheinen, die Defizite der bisher erörterten Methoden der Missbrauchskontrolle zu überwinden. Gegen die Zulässigkeit von Erlösobergrenzen des Price-Cap-Verfahrens könnte eingewandt werden, dieses Verfahren überprüfe nicht, wie vom Gesetz verlangt, die am Markt geforderten Entgelte, sondern knüpfe mit dem Erlös an eine im Wettbewerb irrelevante Größe an.483 Allerdings hat die Rechtsprechung auch Erlösvergleiche im Rahmen der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle im Grundsatz anerkannt.484 Die Festsetzung einer Erlösobergrenze ist damit grundsätzlich kartellrechtlich zulässig. Gleichwohl ist das Price-Cap-Verfahren nicht 479 Vgl. Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 14; P. Burns/J. Davies/C. Riechmann, ZfE 1999, 285. 480 P. Burns/J. Davies/C. Riechmann, ZfE 1999, 285, 287. 481 P. Burns/J. Davies/C. Riechmann, ZfE 1999, 285, 287. 482 E. Staebe, DVBl 2004, 853, 858; M. Schmidt-Preuß, IR 2004, 146, 147. Vgl. auch Art. 20 Richtlinie 2003/54/EG v. 26.06.2003, L 176/37. 483 Vgl. dazu U. Büdenbender, Kartellrechtliche Kontrolle der Netzzugangsentgelte nach dem Vergleichsmarktprinzip, S. 63 ff. 484 BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819, S. 10 f. des Umdrucks.

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mit § 19 Abs. 4 Nr. 2, 4 GWB zu vereinbaren. Kennzeichnend für das Verfahren sind nicht nur die Festlegung einer Erlösobergrenze, sondern die Setzung eines längerfristigen Anwendungszeitraums für diese Erlösobergrenze und die Vorgabe einer bestimmten Preisentwicklung. Damit überschreitet dieses Verfahren die Grenze kartellrechtlich zulässiger Anordnungen.485 Aus dem Gesetz ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, nach welchen Kriterien der konkrete Preispfad festzusetzen wäre. Allein der geringere Informationsbedarf und die durch die Bildung von Warenkörben ermöglichte größere Freiheit des Unternehmens im Rahmen der Preissetzung, können die Anwendung des Price-Cap-Verfahrens nicht rechtfertigen.486 Hinzu kommt noch, dass das Price-Cap-Verfahren unabhängig vom konkreten Einzelfall vorab zu einer Setzung von Wettbewerbsbedingungen führt. Anstelle der Schlichtung eines aktuellen Konflikts erfolgt eine prospektive Gestaltung des Wettbewerbsrahmens. Damit wird der auf reaktive Maßnahmen begrenzte Bereich des Kartellrechts verlassen. Unvereinbar mit dem kartellrechtlichen Ordnungsmodell ist auch die vorgeschlagene Vorabbestimmung bzw. -genehmigung der Kalkulationsmethoden. Wenngleich auf abstrakter Ebene erfordert auch dieser Ansatz eine Entscheidung über die Berücksichtigungsfähigkeit einzelner Kostenelemente und eine Auseinandersetzung mit der Angemessenheit des Marktangebots.487 Auch wenn die Methoden- gegenüber der Entgeltgenehmigung mehr Freiraum für die betroffenen Unternehmen lässt, ist sie mit dem kartellrechtlichen Ansatz nicht vereinbar. Demgegenüber scheint das Benchmarkingverfahren im Ansatz noch von § 19 Abs. 4 Nr. 2, 4 GWB gedeckt zu sein.488 Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Benchmarking im Rahmen der Vergleichsmarktanalyse zur Verbesserung der Vergleichbarkeit der Unternehmen herangezogen wird. Bedenken bestehen allerdings dann, wenn das Verfahren zu einer langfristigen Effizienzkontrolle ausgebaut wird.489 Eine vom Einzelfall gelöste, auf das Gesamtunternehmen bezogene, kontinuierliche Überprüfung der unternehmerischen Leistung ist von der

485 F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 217; J. F. Baur/K. Henk-Merten, Kartellbehördliche Preisaufsicht über den Netzzugang, S. 59 f. 486 Vgl. auch A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 276. 487 Letztlich erinnern die Vorgaben der Methodenregulierung an die von R. Knöpfle, DB 1984, 1184, 1185 vorgeschlagene Heranziehung der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP); dazu schon oben 4. Teil, 2. Abschnitt Fn 275. 488 F. Engelsing, in: BerlK-EnergieR, § 19 GWB Rn 206 f.; Arbeitsgruppe Netznutzung Strom, Bericht vom 19.04.2001, S. 14; a. A. J. F. Baur/K. Henk-Merten, Kartellbehördliche Preisaufsicht über den Netzzugang, S. 59. 489 J. F. Baur/K. Henk-Merten, Kartellbehördliche Preisaufsicht über den Netzzugang, S. 59.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

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kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht nicht gedeckt. Für die kartellrechtliche Entgeltkontrolle im Bereich beständiger natürlicher Monopole erscheint das Benchmarkingverfahren darüber hinaus ungeeignet. Schon der erhebliche Informationsbedarf spricht gegen das Verfahren. Hinzu kommt der Umstand, dass ein Benchmarking im Bereich natürlicher Monopole, ebenso wie der Monopolpreisvergleich, nur negative Ausreißer erfassen könnte. 3. Grundsätzliche Bewertung Die Hoffnung, das Maßstabsproblem durch Verwendung von Methoden mit geringeren Anforderungen zu lösen, erweist sich auch unabhängig von der Vereinbarkeit der Methoden mit § 19 Abs. 4 Nr. 2, 4 GWB als trügerisch. Die Untauglichkeit der kartellrechtlichen Entgeltkontrolle im Bereich natürlicher Monopole liegt darin begründet, dass deren Wettbewerbsresistenz die Richtigkeitsgewähr des Wettbewerbs untergräbt. Auch die Einführung etwa eines Price-Cap-Verfahrens könnte den daraus resultierenden Mangel eines tragfähigen Entscheidungsmaßstabes nicht beheben. Zudem erweist sich das Price-Cap-Modell in seiner praktischen Anwendung als durchaus anspruchsvoll. Die notwendige Bestimmung des Zeitintervalls für die Erlösfestsetzung sowie die Vorgaben zur Entwicklung des Preispfades erfordern Entscheidungen, die ohne einen hinreichenden Maßstab nicht getroffen werden können. Das Price-Cap-Verfahren verlangt zwar teilweise andersartige Entscheidungen als etwa die Kostenkontrolle, es kann aber selbst die Grundlage für diese Entscheidungen nicht zur Verfügung stellen. Mit der bloßen Zulassung derartiger Methoden der Entgeltkontrolle könnte das Maßstabsproblem auch im Wege der Gesetzesfortbildung nicht gelöst werden. Insbesondere lässt sich das Maßstabsproblem nicht durch Vorabfestlegung von Rahmenbedingungen lösen. Zwar würde hierdurch unter Umständen der Ausgleich zwischen den widerstreitenden Privatrechtsinteressen im konkreten Einzelfall erleichtert werden. Ein solcher Ansatz verlässt indessen den reaktiven Ansatz des Kartellrechts. Zudem bleibt offen, wie im Rahmen des monofinalen Ansatzes des Kartellrechts eine derartige Vorabfestlegung begründet werden könnte. III. Referentenentwurf zur Änderung des GWB Im Herbst 2006 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie einen Referentenentwurf zur Novellierung des GWB vorgestellt, der die kartellrechtliche Überprüfung der Entgelte auf den Energieversorgungsmärkten erleichtern soll.490 490

S. 14.

BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006; vgl. FAZ vom 29. November 2006,

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

1. Grundzüge des Referentenentwurfs Die vorgeschlagene Novelle soll die Möglichkeiten der kartellrechtlichen Kontrolle von Entgelten in den Bereichen der Elektrizitäts-, Gas- und Fernwärmeversorgung verbessern.491 Im Zuge der Energierechtsnovelle 2005 ging der Gesetzgeber noch davon aus, dass die Regulierung der Netzzugangsentgelte auf den Energiemärkten Wettbewerbsverhältnisse herstellen könnte, die eine umfassende Kontrolle der Entgelte entbehrlich machen würden.492 Der durch die Zugangsregulierung ermöglichte Wettbewerb sollte die adäquate Preisbildung in diesem Bereich sichern. Der vielfach beklagte Anstieg der Energiekosten für gewerbliche und private Energieverbraucher und die durch die erhebliche Konzentration der Energiebranche verursachten Schwierigkeiten bei der Einführung von wirksamem Wettbewerb493 haben allerdings den Ruf nach staatlichen Eingriffen in die Preisbildung in diesem Bereich stärker werden lassen.494 Kernstück der vorgeschlagenen Gesetzesänderung ist die Einfügung eines neuen § 29 in das GWB.495 Die vorgeschlagene Regelung knüpft dabei inhaltlich an den früheren § 103 Abs. 5 GWB an, welcher die Preisbildung von Versorgungsunternehmen einer besonderen kartellrechtlichen Aufsicht unterwarf496. Für den Bereich der Versorgung mit Elektrizität, Gas und Fernwärme soll nach § 29 Nr. 1 GWB-E ein unzulässiger Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung schon dann vorliegen, wenn die Entgelte eines marktbeherrschenden Versorgungsunternehmens ungünstiger sind als die eines vergleichbaren Unternehmens, auch wenn hierbei keine erhebliche Abweichung von den Entgelten des Vergleichsunternehmens vorliegt. Für die Preishöhenkontrolle im Bereich der Energiewirtschaft wird dadurch im Unterschied zur gegenwärtigen Rechtslage die Notwendigkeit eines Erheblichkeitszuschlags beseitigt. Der Referentenentwurf nimmt damit Stellung zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

491

BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Begründung, S. 1. Vgl. dazu auch P. Salje, EnWG, Einführung Rn 219 ff.; sowie auch BT-Drs. 13/ 7274, S. 23; BR-Drs. 735/06, S. 3. 493 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 12 ff. 494 Dazu auch Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 413. Vgl. auch die Bundesratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verlängerung der Strompreisaufsicht, BR-Drs. 735/06. 495 Art. 1 Nr. 4 des Referentenentwurfs (im Folgenden § 29 GWB-E). Der Vorschlag einer Sonderregelung in § 29 GWB-E knüpft an den im Gesetzgebungsverfahren zum EnWG gemachten Vorschlag an, die Missbrauchsaufsicht über die Endkundenentgelte im Elektrizitätsbereich in dieser Norm zu regeln, vgl. BT-Drs. 15/5268, S. 96. Für den Bereich des Lebensmittelhandels sieht der Referentenentwurf zudem eine Änderung des § 20 GWB zur Verschärfung des Verbots von Verkäufen unter Einstandspreis vor. 496 Dazu S. Klaue, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 2. Aufl., § 103 Rn 45 ff., 61 ff. 492

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Während das Bundeskartellamt für den Netzzugang der Elektrizitätswirtschaft unter Verweis auf den Charakter des natürlichen Monopols auf die Berücksichtigung eines Erheblichkeitszuschlages bereits unter Geltung von §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB verzichten wollte,497 lehnte der BGH eine solche Sonderbehandlung der Energiewirtschaft ab.498 Den nach dem Referentenentwurf vorgesehenen Monopolpreisvergleich hatte der BGH hingegen in der Vergangenheit für zulässig erklärt.499 Ein Missbrauch soll nach § 29 Nr. 2 GWB-E weiterhin dann vorliegen, wenn die von einem marktbeherrschenden Versorgungsunternehmen geforderten Entgelte die Kosten in unangemessener Weise überschreiten, wobei die Kosten der Leistungserbringung nur insoweit im Rahmen der Entgeltkontrolle berücksichtigt werden, als die jeweiligen Kostenelemente auch in einem Wettbewerbsumfeld entstehen würden. Die Einbeziehung unwirtschaftlicher und überhöhter Kosten in die Preiskalkulation soll vermieden werden.500 Damit würde die Novelle eine kartellrechtliche Kostenkontrolle anhand eines normativen Kostenbegriffs im Gesetz verankern.501 Eine zusätzliche Verbesserung der Missbrauchsaufsicht wird von der Ermöglichung einer Beschränkung der Entgeltkontrolle auf Entgeltbestandteile und von der Umkehr der Beweislast für das Vorliegen rechtfertigender Gründe für höhere Entgelte erwartet. Systematisch handelt es sich bei der vorgeschlagenen Neuregelung des § 29 GWB-E um eine sektorspezifische Ausprägung der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB.502 Dabei wird freilich der Bereich der Netznutzungsentgelte durch eine Ergänzung des § 111 EnWG vom Anwendungsbereich des § 29 GWB-E ausgenommen.503 Die kartellrechtliche sektorspezifische Missbrauchs-

497 BKartA, Beschl. v. 13.02.2003 – B11-40100-T-20/02 – RWE Net, ZNER 2003, 156; BKartA, Beschl. v. 17.04.2003 – B11-40100-T-38/01 – Stadtwerke Mainz, ZNER 2003, 263; dazu auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 123. 498 BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.02.1995 – KVR 4/94 – Strompreis Schwäbisch-Hall, WuW/E BGH 2967. 499 BGH, Beschl. v. 21.10.1986 – KVR 7/85 – Glockenheide, WuW/E BGH 2309; BGH, Beschl. v. 21.02.1995 – KVR 4/94 – Strompreis Schwäbisch-Hall, WuW/E BGH 2967; BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Begründung, S. 4; vgl. schon oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.2.e). 500 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2 f.; vgl. schon oben 4. Teil, 2. Abschnitt, A.II.2.f). 501 Kritisch dazu Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2; sowie C. Stadler, FAZ vom 03. Januar 2007, S. 19. 502 BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Begründung, S. 1; U. Ehricke, WuW 2006, 1219. 503 BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Art. 2 Nr. 5.

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aufsicht nach § 29 GWB-E wird dadurch auf die der Netznutzung vor- und nachgelagerten Märkte begrenzt.504 Wegen der erhofften künftigen Intensivierung des Wettbewerbs soll die Anwendbarkeit des § 29 GWB-E zunächst bis zum 31. Dezember 2012 befristet werden.505 Um die Entscheidung über eine mögliche verlängerte Anwendung zu unterstützen, hat die Bundesregierung nach dem Entwurf einen Erfahrungsbericht über die Anwendung des § 29 GWB-E vorzulegen. Flankiert wird die vorgeschlagene Einfügung des § 29 GWB-E durch den Vorschlag einer Aufhebung des § 64 Abs. 1 Nr. 1 GWB.506 Beschwerden gegen kartellbehördliche Verfügungen auf Grundlage von §§ 19 bis 21 GWB sollen danach künftig keine aufschiebende Wirkung mehr entfalten. Beabsichtigt ist hierdurch eine Effektivierung des kartellrechtlichen Missbrauchsverfahrens und eine Angleichung an europarechtliche Vorgaben.507 2. Stand der Diskussion über die vorgeschlagenen Regelungen In Stellungnahmen interessierter Kreise hat der Referentenentwurf widersprüchliche Reaktionen hervorgerufen. Während Vertreter der gewerblichen und privaten Energienutzer dem Reformvorhaben grundsätzlich positiv gegenüberstehen,508 sind kritische Stellungnahmen außer bei den Verbänden der betroffenen Industrie509 auch von Seiten der Wissenschaft510 und Praxis511 zu vernehmen. Im Einzelnen fiel die Bewertung dabei freilich differenziert aus. Weitgehend positiv wird etwa die Neuregelung zum Sofortvollzug bewertet,512 die eine Forderung aufgreift, die schon längere Zeit für den Bereich der Netzwirtschaften erhoben wird.513 Auch hinsichtlich der Beweislastumkehr finden sich positive Stellungnahmen.514 504 BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Begründung, S. 1; vgl. auch P. Salje, EnWG, § 111 Rn 2 f. 505 BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Art. 1 Nr. 19 d). 506 BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Art. 1 Nr. 13. 507 BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Begründung, S. 6. 508 Vgl. Bund der Energieverbraucher e. V., Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006. 509 VRE, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006; DIHT, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006; ASU/BJU, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006. 510 Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006; U. Ehricke, WuW 2006, 1219; U. Immenga, FAZ vom 18.01.2007, S. 10. 511 J. Schütze, Börsen-Zeitung vom 01. November 2006, S. 2; C. Stadler, FAZ vom 03. Januar 2007, S. 19. 512 Vgl. etwa DIHT, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 6 f. 513 Dazu sogleich unter 4. Teil, 2. Abschnitt, C.IV. 514 Vgl. ASU/BJU, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 4; kritisch C. Stadler, FAZ vom 03. Januar 2007, S. 19.

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Die Kritik entzündet sich dagegen an der ordnungspolitischen Grundtendenz des Entwurfs. Abgelehnt wird die liberalisierungsfeindliche Ausrichtung des Entwurfs, welche die Gefahr berge, das erreichte Liberalisierungsniveau durch die Einführung eines sektorspezifischen kartellrechtlichen Instrumentariums zu gefährden.515 Der geplante Eingriff in die Preisbildung könne zu einer Abkehr von der bisherigen Wettbewerbsorientierung der Energiemärkte führen. Die Vernachlässigung der Anreizfunktion überhöhter Preise deute zudem auf mangelndes Marktvertrauen. Zuweilen wird auch die Vereinbarkeit mit europarechtlichen Rahmenbedingungen bezweifelt516 Daneben steht der Verzicht auf den Erheblichkeitszuschlag und die vorgeschlagene Normierung der Kostenkontrolle im Zentrum der Kritik.517 Die durch die Novelle verordnete Gleichpreisigkeit sei geeignet, den entstehenden Wettbewerb auf den Energiemärkten zu schwächen. Zum einen werde die Signalfunktion des Preissystems eingeschränkt,518 zum anderen werde der Markteintritt von Wettbewerbern dadurch erschwert, dass dem marktbeherrschenden Unternehmen gesetzlich aufgegeben wird, die günstigeren Konditionen des neuen Wettbewerbers ebenfalls anzubieten.519 Ein Kundenwechsel zum neuen Anbieter verliere damit seine Attraktivität. Bezweifelt wird zudem die praktische Durchführbarkeit aus Sicht der Unternehmen, da die Informationen, die zur Sicherung der Gleichpreisigkeit erforderlich sind, im Regelfall nicht vorhanden sein werden.520 Hinsichtlich der vorgeschlagenen Normierung der Kostenkontrolle wird einerseits auf die Möglichkeit unerwünschter Ausstrahlungswirkungen auf das allgemeine Kartellrecht und andererseits auf die Unklarheit des Kostenbegriffs verwiesen.521 Die offene Begriffswahl führe hier zu einer Verlagerung der dahinterliegenden Streitfragen in die Gerichte.522 Der Entwurf liefere den Kartellbehörden keinerlei Anhaltspunkte zur Ermittlung der maßgeblichen Kosten. 515 VRE, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2; vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006. 516 VRE, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2 f. 517 U. Ehricke, WuW 2006, 1219; U. Immenga, FAZ vom 18.01.2007, S. 10; VRE, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 4 ff.; DIHT, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 5 f.; C. Stadler, FAZ vom 03. Januar 2007, S. 19. 518 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 4. 519 C. Stadler, FAZ vom 03. Januar 2007, S. 19. 520 VRE, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 4. 521 Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2 f. 522 Nach Ansicht der Entwurfsverfasser soll diese Offenheit demgegenüber durch das Bundeskartellamt ordnungskonform ausgefüllt werden und die Anpassung an weiterentwickelte ökonomische Theorien ermöglichen, vgl. M. Glos, Antwort vom 05.

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4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

Eine positive Würdigung gebührt demgegenüber der im Gesetz bereits vorgesehenen Befristung der Norm.523 Sofern der Gesetzgeber keine legislative Entscheidung für eine Verlängerung der Anwendbarkeit des § 29 GWB-E trifft, läuft die Regelung automatisch aus. Vor diesem Hintergrund stellt sich allerdings die Frage, ob tatsächlich das GWB der richtige Ort für diese Regelung ist. Es handelt sich nicht allein um eine sektorspezifische Regelung, sondern darüber hinaus auch um eine Regelung des Privatisierungsfolgenrechts. Die Einbeziehung in das GWB birgt vor diesem Hintergrund die Gefahr der ungewollten Modifikation des allgemeinen Wettbewerbsrechts und der Preiskontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB.524 3. Eignung des Referentenentwurfs zur Bewältigung netzspezifischer Probleme Vor dem Hintergrund der geschilderten Kritik stellt sich die Frage, inwieweit der Referentenentwurf geeignet ist, die hier herausgearbeiteten Probleme der Netzwirtschaften zu bewältigen. Im Rahmen der Anwendung der Vergleichsmarktmethode zur Feststellung von Preishöhenmissbrauch nach § 29 Nr. 1 GWB-E könnte die Umkehr der Beweislast gewisse Erleichterungen beim Nachweis missbräuchlicher Entgeltforderungen bewirken. Durch den Verzicht auf einen Erheblichkeitszuschlag könnte zudem die Aufgreifschwelle abgesenkt werden.525 Unverändert bestehen bleibt freilich das Problem der Abhängigkeit der Vergleichsmarktmethode von der Verfügbarkeit eines geeigneten Vergleichsmarktes. Die hier bestehenden Schwierigkeiten der Ermittlung können auch im Rahmen der vorgeschlagenen Änderungen nicht gelöst werden.526 Es ist damit fraglich, ob der Verzicht auf den Erheblichkeitszuschlag in der Praxis die erhofften Auswirkungen haben wird. Größere Bedeutung dürfte die Regelung des § 29 Nr. 2 GWB-E zur kartellbehördlichen Kostenkontrolle erlangen. Neben der grundsätzlichen Anerkennung dieser Methode527 sieht der Entwurf auch explizit eine normative Begrenzung der ansetzbaren Kosten vor. Ein Vergleich mit den gegenwärtigen kartellDezember 2006 auf die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2. 523 Vgl. dazu DIHT, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 4. 524 So auch Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 3. 525 Zweifelnd insofern DIHT, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 5. 526 Zur Schwierigkeit einen geeigneten Vergleichsmarkt zu finden auch Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2. 527 Kritisch dazu Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 2.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

233

rechtlichen Möglichkeiten der Kontrolle von Entgelten528 zeigt allerdings, dass die Bedeutung der vorgeschlagenen Neuregelung weniger in konkreten materiellen Änderungen des geltenden Rechts liegt, als in der legislativen Einforderung nachhaltigerer kartellbehördlicher Eingriffe in die Preisbildung auf den Versorgungsmärkten. Für die hier als ausschlaggebend herausgearbeitete Frage nach dem Entscheidungsmaßstab der Entgeltkontrolle, vermag der Referentenentwurf keine Lösung anzubieten.529 Eine Bewältigung der netzspezifischen Problematik durch eine kartellrechtliche Bestimmung der Netzzugangsentgelte ist auf diesem Wege nicht zu erreichen. Zu beachten ist jedoch, dass ausweislich der vorgeschlagenen parallelen Änderung des § 111 EnWG eine Anwendung des § 29 GWB-E auf den Bereich der Netznutzungsentgelte vom Referentenentwurf gegenwärtig auch nicht intendiert ist.530 Der Vorschlag zielt vielmehr auf die Bereiche der Versorgungswirtschaften, die im Grundsatz dem Wettbewerb zugänglich sind. Die Problematik des natürlichen Monopols liefert zwar den sachlichen Hintergrund der vorgeschlagenen Regelung, wird mit dieser allerdings nicht unmittelbar adressiert.531 IV. Weitere Vorschläge zur Fortbildung des Kartellrechtsrahmens Diskutiert werden zuweilen weitere Vorschläge, die das Kartellrecht in die Lage versetzen sollen, die mit dem Zugang zu Netzen verbundenen Probleme zu bewältigen. Diese Vorschläge sind nicht konkret auf das Problem des Kontrollmaßstabs ausgerichtet und betreffen verfahrensoptimierende und materiellrechtlich orientierte Änderungen. Besondere Bedeutung wird der Zeitabhängigkeit von Entscheidungen über den Zugang beigemessen, da Verzögerungsmaßnahmen des Einrichtungsinhabers die Effektivität der Zugangseröffnung erheblich einschränken können.532 Die Rechtsunsicherheit im Bereich des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB bedeute daher ein wesentliches Hemmnis für den entstehenden Wettbewerb.533 Um der Bedeu528

Vgl. dazu 4. Teil, 2. Abschnitt, A. Auf das Fehlen eines Entscheidungsmaßstabs verweist eindringlich auch Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 3. 530 Vgl. dazu BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Begründung, S. 1. 531 Die vorgeschlagene Regelung unterläuft damit die gebotene Einschränkung der Interventionen auf die vorhandenen wettbewerbsresistenten Bereiche, vgl. oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.IV.2; kritisch insofern auch DIHT, Stellungnahme zum Referentenentwurf GWB 2006, S. 5. 532 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 744. 533 J. Haucap/J. Kruse, WuW 2004, 266, 269; Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz. 740 ff.; zur Bedeutung zeitnaher Entscheidungen in der Missbrauchskontrolle vgl. auch K. Markert, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs, S. 297, 314. 529

234

4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

tung zeitnaher Entscheidungen Rechnung zu tragen, wurde gefordert, für diesen Bereich die sofortige Vollziehbarkeit kartellbehördlicher Verfügungen zum Regelfall zu erklären und damit den Anreiz für prozessuale Verzögerungen zu beseitigen.534 Weitere spezifische Schwierigkeiten werden im Bereich der Beweislage gesehen. Die Tatsache, dass die des Missbrauchs verdächtigten Unternehmen selbst über einen erheblichen Informationsvorsprung und die zur Beweisführung erforderlichen Unterlagen verfügen, wird zum Anlass genommen, in diesem Bereich eine Umkehr der Beweislast zu fordern.535 Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen solle es demnach dem Unternehmen selbst obliegen, die Missbrauchsfreiheit der Entgelte nachzuweisen. Ebenfalls als Reaktion auf die typischerweise bestehenden Beweisschwierigkeiten kann die Forderung nach einem Verzicht auf den Erheblichkeitszuschlag betrachtet werden.536 Nachdem die Rechtsprechung dies für die aktuelle Rechtslage abgelehnt hat537, wäre auch hierzu eine Gesetzesänderung erforderlich. Die Vorschläge, die auch im Rahmen des Referentenentwurfs zur Novellierung des GWB538 zum Teil aufgegriffen werden, mögen tatsächlich geeignet sein, die Effektivität der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht in bestimmten Konstellationen zu erhöhen. Setzt man die Vorschläge allerdings in Bezug zu dem hier herausgearbeiteten grundsätzlichen Problem im Bereich beständiger natürlicher Monopole, so ist eine grundlegende Verbesserung nicht zu erwarten, da das Problem des fehlenden Maßstabs der Entgeltkontrolle nicht gelöst wird.

534 U. Böge, in: Büdenbender/Kühne (Hrsg.), FS Baur, S. 399; J. Haucap/J. Kruse, WuW 2004, 266, 269. Vgl. dazu nun § 64 Abs. 1 Nr. 1 HS 2 GWB sowie BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, Artikel 1 Nr. 13. 535 U. Böge, in: Büdenbender/Kühne (Hrsg.), FS Baur, S. 399, 413; vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 122. 536 BKartA, Beschl. v. 13.02.2003 – B11-40100-T-20/02 – RWE Net, ZNER 2003, 156; BKartA, Beschl. v. 17.04.2003 – B11-40100-T-38/01 – Stadtwerke Mainz, ZNER 2003, 263, 264; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.02.1995 – KVR 4/94 – Strompreis Schwäbisch-Hall, WuW/E BGH 2967; ablehnend aber BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819; ebenfalls ablehnend A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 246 m.w. N. Dazu nun BMWi, Referentenentwurf zum GWB 2006, § 29 Nr. 1 GWB-E. Vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 122 zu einem „regulierungspezifischen“ Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs. 537 BGH, Beschl. v. 28.06.2004 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, WM 2005, 1819; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.2.2004 – VI-Kart 4/03 (V) – TEAG, WuW/E DE-R 1239, 1244. 538 Vgl. 4. Teil, 2. Abschnitt, C.III.

2. Abschnitt: Konditionen des Zugangs

235

V. Exkurs: Möglichkeit der Entgeltkontrolle nach § 315 BGB Auch die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 315 BGB ist nicht geeignet, die Frage der Entgeltkontrolle für den Netzzugang zu beantworten. Der Anwendungsbereich des § 315 BGB, der Gegenstand nachhaltiger Auseinandersetzungen in der juristischen Literatur war,539 wurde vom BGH ausdrücklich auch auf die Einräumung kompetitiven Zugangs zu Netzen ausgedehnt.540 Ohne dass dies vom Gericht näher problematisiert wurde, erscheint damit eine Kontrolle des Zugangsentgelts im Anwendungsbereich des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB auch unter Rückgriff auf § 315 BGB und den dort niedergelegten Maßstab der Billigkeit möglich.541 Inwieweit sich aus § 315 BGB nach Ansicht des BGH ein von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB abweichender Kontrollmaßstab ergeben soll, ist den Entscheidungsgründen nicht klar zu entnehmen. Auffällig ist indessen die in der Entscheidung zum Ausdruck kommende Überzeugung, die zivilgerichtliche Kontrolle sei in der Lage, die praktischen Defizite der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht zu umgehen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung genügt es, auf zwei Aspekte der Prüfung nach § 315 BGB zu verweisen. Zum einen ist die Billigkeitsentscheidung nach § 315 BGB an der Austauschgerechtigkeit im Einzelfall orientiert.542 Ähnlich der kartellrechtlichen Missbrauchsentscheidung bleibt auch die Billigkeitskontrolle an den Rahmen gebunden, der sich aus der Beteiligung zweier individueller Vertragspartner ergibt. In ihrer Orientierung an den konkreten Vertragsverhältnissen ist die Entscheidung kaum geeignet, die allgemeine Kontrolle der Entgelte im Bereich der natürlichen Monopole zu ermöglichen. Zum anderen stützt sich die Entscheidung des BGH ausdrücklich auf energiewirtschaftsrechtliche Maßstäbe.543 Es wird damit deutlich, dass auch bei § 315 BGB das Problem des Fehlens eines normimmanenten Maßstabs relevant wird. Es fehlt an einem Wettbewerbspreis, der herangezogen werden könnte, um den nachhaltig gestörten Interessenausgleich zwischen den Parteien im Wege des gerichtlichen Verfahrens 539 Vgl. B. Kunth/S. Tüngler, NJW 2005, 1313; U. Büdenbender/F.-A. Wesche, Zulässigkeit der Preiskontrolle von Fernwärmeversorgungsverträgen nach § 315 BGB; G. Kühne, NJW 2006, 654; U. Ehricke, JZ 2005, 599; H. Stappert, NJW 2003, 3177; P. Rott, VuR 2006, 1; F. J. Säcker, RdE 2006, 65; C. von Hammerstein, ZNER 2005, 9. 540 BGH, Urt. v. 18.10.2005 – KZR 36/04 – Lichtblick, RdE 2006, 81; BGH, Urt. v. 07.02.2006 – KZR 8/05 – Stromnetznutzungsentgelt II, ZNER 2006, 136; dem folgend nun auch OLG Schleswig, Urt. v. 05.04.2006 – 6 Kart U 66/05. 541 Dazu F. J. Säcker, RdE 2006, 65, 70; C. von Hammerstein, ZNER 2005, 9, 13; vgl. auch G. Kühne, RdE 2005, 241, 245. 542 P. Gottwald, in: MüKo-BGB, 4. Aufl., § 315 Rn 30. 543 BGH, Urt. v. 18.10.2005 – KZR 36/04 – Lichtblick, RdE 2006, 81, Tz. 12.

236

4. Teil: Kartellrechtliche Mittel zur Bewältigung der Zugangsproblematik

wiederherzustellen. Ob die Heranziehung des EnWG im Rahmen des am Einzelfall orientierten Billigkeitsausgleichs überzeugend ist, kann dahinstehen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass auch der vom BGH beschrittene Weg der Entgeltkontrolle nach § 315 BGB von der Existenz spezieller außerkartellrechtlicher Maßstäbe abhängig ist und insofern keine kartellrechtliche Lösung der Entgeltfrage ermöglicht.

D. Fazit für die kartellrechtliche Kontrolle der Zugangskonditionen Die Untersuchung hat ergeben, dass sich auch die kartellrechtliche Preishöhenaufsicht als einzelfallorientierter Notbehelf in das Ordnungsmodell des GWB einfügt. Die für das Kartellrecht insgesamt prägende monofinale Ausrichtung auf den Schutz des Wettbewerbs erstreckt sich auch auf diesen Bereich der Missbrauchsaufsicht. Die Orientierung der Preishöhenkontrolle am Wettbewerbsprinzip ermöglicht punktuelle Korrekturen der wettbewerblichen Preisbildung. Hinsichtlich der Entgelte für den Zugang im Bereich von Netzeffekten ist damit die Sicherstellung adäquater Zugangskonditionen möglich, soweit der Zugang zum Schutz des Wettbewerbs im Einzelfall zwangsweise eröffnet werden soll. Die Bindung der kartellrechtlichen Preishöhenaufsicht an das Wettbewerbssystem bedingt allerdings, dass die Leistungsfähigkeit des kartellrechtlichen Instrumentariums dort überschritten wird, wo der Wettbewerb infolge beständiger natürlicher Monopole nachhaltig gestört ist. Der nachhaltige Ausschluss des Wettbewerbs in diesem Bereich bewirkt gleichzeitig einen Wegfall des entscheidungsleitenden Maßstabs und eine Intensivierung des Kontrollbedarfs. Auch aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist ein erweiterter Maßstab, für eine Entgeltkontrolle innerhalb des kartellrechtlichen Rahmens, nicht zu gewinnen. Der Vorwurf der Maßstabslosigkeit, der gegen die Preishöhenaufsicht mitunter erhoben wird, der sich aber durch die Anlehnung an das Wettbewerbsprinzip, bei Beschränkung der Anwendung auf den Einzelfall, entkräften lässt, erweist sich im Bereich beständiger natürlicher Monopole als berechtigt. Die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht ist nicht in Lage, die Konditionen für den Zugang zu Netzstrukturen mit der Eigenschaft beständiger natürlicher Monopole hinreichend zu überwachen.

3. Abschnitt: Fazit zur Eignung des Kartellrechts

237

Dritter Abschnitt

Fazit zur Eignung des Kartellrechts Die Untersuchung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells und der Regelungen der Missbrauchsaufsicht hat ergeben, dass eine vollständige Lösung der netzspezifischen Probleme im Rahmen des Kartellrechts nicht möglich ist. Kartellrechtlicher Bewältigung zugänglich sind nach den hier gefundenen Ergebnissen die Besonderheiten der Netzeffekte. Die in diesem Bereich im Einzelfall notwendige Zugangsgewährung und die hierbei erforderliche Kontrolle der Zugangskonditionen ist mit kartellrechtlichen Mitteln möglich. Eine andere Beurteilung ist dagegen für Netzstrukturen mit dem Charakter beständiger natürlicher Monopole erforderlich. Während hier der Zugangsanspruch dem Grunde nach noch kartellrechtlich gewährleistet werden kann, überschreitet die erforderliche Kontrolle der Konditionen für die Nutzung nachhaltig wettbewerbsresistenter Engpassbereiche die Möglichkeiten kartellrechtlicher Problemlösung.

Fünfter Teil

Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass die Netzwirtschaften in einigen Bereichen einen dauerhaft fortbestehenden Regelungsbedarf aufweisen, der innerhalb des kartellrechtlichen Ordnungsrahmens nicht hinreichend bewältigt werden kann. Mit diesem Befund ist die Frage aufgeworfen, inwieweit außerhalb des Kartellrechts eine Lösung der netzspezifischen Regelungsproblematik erfolgen kann. Die Möglichkeiten einer rechtsstaatlichen Bewältigung der im Bereich natürlicher Monopole fortbestehenden Probleme sind Gegenstand der folgenden Ausführungen. Erster Abschnitt

Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption A. Maßstabsproblem und Problem der Gemeinwohlorientierung Ursächlich für das festgestellte Scheitern des kartellrechtlichen Ansatzes im Bereich der natürlichen Netzmonopole ist die Unmöglichkeit, im Rahmen des kartellrechtlichen Ordnungsmodells eine hinreichende Kontrolle der Entgelte für den kompetitiven Netzzugang zu gewährleisten. Infolge des systematischen Versagens des freien Wettbewerbs konnte der für die Entgeltkontrolle notwendige Überprüfungsmaßstab innerhalb des GWB nicht entwickelt werden.1 Das Fehlen ausreichenden Wettbewerbs im natürlichen Netzmonopol führt jedoch nicht allein zum Fortfall eines geeigneten Kontrollmaßstabs für die geforderten Zugangsentgelte. Die festgestellte nachhaltige Wettbewerbsresistenz birgt ein weiteres, grundsätzlicheres Problem. Nach dem Wettbewerbsmodell des GWB wird der freie wirtschaftliche Austausch auch wegen seiner gemeinwohlfördernden Wirkung geschützt. Aus diesem Grund ist die Kartellrechtsordnung auf die Ermöglichung des selbstbestimmten Handelns im Wettbewerb gerichtet. Wo indessen mit der grundsätzlichen Machtbalance eine der Voraussetzungen für den gemeinwohlfördernden wirtschaftlichen Austausch im Markt 1

Dazu oben 2. Teil, 1. Abschnitt, A.V.4.

1. Abschnitt: Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

239

verloren geht, ist die Richtigkeitsgewähr der Ergebnisse des Wettbewerbs untergraben.2 Im Unterschied zu Fällen temporärer wirtschaftlicher Machtstellungen, die beispielsweise im Falle von Pionierleistungen selbst Ausdruck von erfolgreichem Wettbewerbshandeln sein können, sind die Störungen im Bereich der natürlichen Monopole dauerhaft. Es erscheint fraglich, ob ein Rückgriff auf Konzepte eines „hypothetischen Wettbewerbspreises“ im Bereich nachhaltiger Wettbewerbshindernisse zur Bereitstellung eines hinreichenden Maßstabs geeignet wäre.3 Das Konzept eines hypothetischen Wettbewerbspreises begegnet erheblichen Bedenken. I. Unmöglichkeit einer Simulation von Wettbewerb Gegen den Versuch, hypothetische Wettbewerbsergebnisse im Wege einer Simulation zu bestimmen, sprechen zunächst wettbewerbstheoretische Bedenken. Zwar mag eine solche Nachahmung des Wettbewerbs mitunter zu einem plausiblen Preis führen, die Vorstellung indessen, dieser Preis könne als Wettbewerbspreis betrachtet werden, erweist sich als fehlsam.4 Wettbewerb ist durch seine Unvorhersagbarkeit und Unplanbarkeit geprägt. Der Versuch, einen Wettbewerbspreis auf anderem Wege als im freien Wettbewerb zu ermitteln, ist zutreffend als Anmaßung von Wissen bezeichnet worden5. Das diesem Versuch zugrunde liegende Wettbewerbsverständnis weicht von der durch das GWB geschaffenen wettbewerblichen Koordinationsordnung ab.6 Die Frage nach dem Maßstab der Entgeltkontrolle lässt sich wettbewerbstheoretisch nicht als objektivierbares, quasi mathematisches Problem der Suche nach der richtigen Formel zur Entgeltberechnung verstehen.7 Eine Überprüfung etwa, ob eine „vernünftige kaufmännische Kalkulation“8 vorliegt, sieht sich gezwungen, unternehmerische Entscheidungen selbst zu treffen und damit den vom GWB gezeichneten Bereich der kartellrechtlichen Auf-

2 So auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 118, ohne daraus allerdings die Konsequenz einer Abkehr vom Maßstab des Wettbewerbs zu ziehen. 3 Vgl. dazu auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 117 ff. der vom Maßstab hypothetischer Wettbewerbspreise ausgeht. 4 Hierauf hat insbesondere Hoppmann unter Berufung auf von Hayek immer wieder hingewiesen, vgl. etwa E. Hoppmann, Preiskontrolle und Als-Ob-Konzept, S. 6, 15; vgl. auch W. Möschel, JZ 1975, 393, 395. 5 F. A. von Hayek, in: Freiburger Studien, S. 249. 6 Vgl. schon oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B; dazu E. Hoppmann, in: Hoppmann/ Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5; E. Hoppmann, in: Tuchtfeldt (Hrsg.), Soziale Marktwirtschaft im Wandel, S. 27. 7 Vgl. J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 118. 8 Dazu A. Gabler, Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb auf Energiemärkten, S. 268.

240

5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

sicht zu verlassen. Die Effizienz der Leistungserbringung kann nach dem Ordnungsmodell des GWB nur im Wettbewerb selbst beurteilt werden.9 Auch das von § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB in Bezug genommene Als-Ob-Konzept bleibt von einem wettbewerblichen Maßstab abhängig und gibt den Kartellbehörden nicht die Befugnis, den Maßstab aus eigenen Präferenzen zu deduzieren.10 Wo keine Anhaltspunkte für die wettbewerblichen Marktverhältnisse bestehen, kann das Als-Ob-Konzept die Entscheidung im Rahmen der Entgeltkontrolle nicht determinieren. Die Problematik der Entgeltbestimmung im Bereich natürlicher Monopole liegt nicht im Fehlen hinreichend genauer Messverfahren, sondern in der Wettbewerbsabhängigkeit des kartellrechtlichen Steuerungsansatzes11 begründet. II. Legitimationsproblem der Entgeltkontrolle Zu den wettbewerbstheoretischen Problemen treten auch rechtsstaatliche Bedenken hinzu, die gegen die Simulation eines Wettbewerbspreises sprechen. Als Grundlage für die Anerkennung der Wettbewerbsergebnisse wurde deren Ursprung im eigennutzorientierten Individualhandeln und die im Wege der unsichtbaren Hand erreichte Gemeinwohlrichtigkeit herausgearbeitet.12 Indem der Wettbewerb als Kontrollmechanismus im Bereich des natürlichen Monopols ausfällt, geht auch die aus dem wettbewerblichen eigennutzorientierten Individualhandeln folgende Legitimationsgrundlage des Marktergebnisses verloren. Während Preise im Wettbewerb wegen ihres Ursprungs im Wettbewerb als gemeinwohlverträglich betrachtet werden und die Kontrolle auf die Sicherstellung der Einhaltung äußerster Grenzen zurückgenommen werden kann, entfällt diese Rechtfertigung im Bereich des beständigen Netzmonopols. Auch die im Bereich des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB im Wege des Wettbewerbsvergleichs ermöglichte Partizipation des Kontrollmaßstabs an der Wettbewerbslegitimation scheidet hier aus. Einer kartellbehördlichen Simulation des Wettbewerbsprozesses zur Ermittlung des Entgelts fehlt die spezifische wettbewerbliche Legitimation, da die Ergebnisse einer solchen Simulation nicht aus privatautonomem Handeln der Wettbewerber abgeleitet werden. Staatliches Handeln kann sich nicht unter Verweis auf Privatautonomie und grundrechtliche Handlungsfreiheit legitimieren.13 9 So richtig M. Röhrig, Schadensersatzansprüche im deutschen Kartellrecht nach der 6. GWB-Novelle, S. 77. 10 Vgl. oben 4. Teil, 2. Abschnitt, B.II.2. 11 Vgl. oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B. 12 Oben 3. Teil, 1. Abschnitt, E. 13 Zur Notwendigkeit hoheitliches Handeln durch Gemeinwohl zu legitimieren, E. Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 287.

1. Abschnitt: Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

241

Erforderlich ist stattdessen eine Entscheidungslegitimation, die sich nur aus einer eigenständigen Gemeinwohlorientierung ergeben kann. Die unsichtbare Hand des Marktes kann durch den Staat nur im Rahmen spezifisch staatlicher Handlungsrationalität ersetzt werden. Die Legitimation der Entscheidung erfordert mithin den Wechsel der materiellen Handlungsträgerschaft und den Übergang in eine andere Form der Gemeinwohlsicherung.14 Der Wegfall der aus der Mustervoraussage abgeleiteten Richtigkeitsgewähr und der dadurch begründete Wechsel der Handlungsträgerschaft bedingen demnach einen Perspektivwechsel. Die Frage nach dem Kontrollmaßstab beschränkt sich nicht auf die Bestimmung des „richtigen“ Entgelts, sondern erstreckt sich auf die grundsätzliche Sicherstellung der Gemeinwohlrichtigkeit der Entscheidung. Der Ausfall der wettbewerblichen Interessenkoordination ist danach im Wege eines rechtsstaatlich ausgestalteten Verfahrens zu kompensieren, das eine eigene, die materielle Dimension erfassende, Richtigkeitsgewähr besitzt.15 Erforderlich ist ein Entscheidungsmechanismus, der die Steuer- und Koordinationsfunktion des Wettbewerbs im Bereich der natürlichen Monopole ersetzt und sicherstellt, dass der Konflikt widerstreitender Interessen in gemeinwohlverträglicher Weise aufgelöst wird. Während die unsichtbare Hand des Marktes durch das legitime Eigennutzstreben der Individuen geprägt ist, bleibt die sichtbare Hand des Staates rechtsstaatlichen Bindungen unterworfen. Es sind diese rechtsstaatlichen Bindungen, die im Rahmen der staatlichen Handlungsrationalität die materielle Richtigkeit der Entscheidung absichern. Damit wird deutlich, dass nicht allein eine Abkehr von der monofinalen Ausrichtung des Kartellrechts, sondern gleichzeitig ein Wechsel in einen anderen Modus der Gemeinwohlverfolgung erforderlich wird.16 Für den Bereich wettbewerbsresistenter Netzmonopole ist ein öffentlich-rechtliches Verfahren mit eigener Richtigkeitsgewähr zu entwickeln. Die von Masing vorgeschlagene regulierungsspezifische Ausgestaltung der Entgeltkontrolle, die den Entgeltmaßstab aus einem modifizierten Missbrauchsverbot ableiten soll,17 verharrt demgegenüber im Rahmen der bisherigen kartellrechtlichen Lösungsansätze für die Maßstabsproblematik.18 Auch wenn grund-

14

Vgl. dazu W. Möschel, JZ 1975, 393, 394. Insofern greift die von J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 120 ff. angedeutete Ableitung des Missbrauchsmaßstabs aus dem Missbrauchsverbot zu kurz. 16 Zu dieser Sichtweise oben 3. Teil, 2. Abschnitt, A. 17 J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 117 ff. 18 Dazu schon oben 4. Teil, 2. Abschnitt, C. 15

242

5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

sätzliche Unterschiede zum kartellrechtlichen Ansatz der Preiskontrolle angenommen werden, ist der dadurch gekennzeichnete prozedurale Zugriff defizitär. Ein vergleichbarer Mangel in der Erfassung der gemeinwohlrelevanten Interessen ist für den Versuch einer gerichtlichen Entgeltkontrolle unter Rückgriff auf § 315 BGB sowie hinsichtlich der kartellbehördlichen Entgeltkontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB unter Rückgriff auf die Wertungen des sektorspezifischen Rechts zu konstatieren.19 Die auf eine Entscheidung im Einzelfall ausgerichteten Verfahren der Missbrauchsaufsicht und der Billigkeitskontrolle bleiben auf die konkrete Entscheidungssituation im Zweiparteienverhältnis bezogen. Die zur Sicherstellung der Gemeinwohlrichtigkeit erforderliche Berücksichtigung weitergehender Interessen ist hingegen von dieser Entscheidung schon im Ansatz nicht erfasst.

B. Netzwirtschaftsrecht als Netzregulierungsrecht Im Folgenden werden die Eckpunkte einer verwaltungsrechtlichen Sicherung des Gemeinwohls im Bereich natürlicher Netzmonopole behandelt, die an die Stelle des gescheiterten kartellrechtlichen Ansatzes treten könnten. Die aus der Ungewissheit der Entscheidungssituation und der Einbettung in den Wettbewerb folgenden Schwierigkeiten stellen dabei eine besondere Herausforderung an die Verfahrensgestaltung dar. Der mitunter geäußerte Pessimismus gegenüber der Fähigkeit hoheitlicher Verfahren zur Verarbeitung derartiger komplexer Informationslagen ist allerdings unbegründet.20 I. Anforderungen an eine Ausgestaltung der Entscheidung Bevor Möglichkeiten einer praktischen Umsetzung diskutiert werden, sind zunächst die grundlegenden Anforderungen an ein solches hoheitliches Verfahren zu betrachten. Als Hauptproblem bei der Ausgestaltung eines Entscheidungsmodells erweist sich das Problem des systematischen Informationsdefizits.21 Die zur Entscheidung erforderlichen tatsächlichen Informationen sind ty19

Dazu oben 4. Teil, 2. Abschnitt, C.I.2.d). Kritisch zur Gegenüberstellung eines flexiblen Marktes und eines monolithischen Staatsapparates etwa E. Bohne, in: Lüder (Hrsg.), FS Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, S. 211, 218; F. W. Scharpf, in: von Weizsäcker (Hrsg.), Staat und Wirtschaft, S. 15, 28; H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13, 18 f.; K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 207, 223; vgl. schon oben 2. Teil, 3. Abschnitt, C. 21 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 2. Aufl., S. 80 ff.; F. W. Scharpf, in: von Weizsäcker (Hrsg.), Staat und Wirtschaft, S. 15, 21; vgl. auch Monopolkommission, Hauptgutachten 2000/2001, Tz 760; H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Sellner (Hrsg.), FS BVerwG, S. 857, 858. 20

1. Abschnitt: Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

243

pischerweise für den Entscheidungsträger nicht unmittelbar verfügbar. Ein Teil der relevanten Informationen – etwa zur Kostenstruktur – ist zwar bei den betroffenen Unternehmen vorhanden, diese geben die vorhandenen Informationen jedoch regelmäßig nur selektiv frei, wobei nachteilige Informationen nach Möglichkeit zurückgehalten werden. Auch die Marktteilnehmer werden indes keineswegs über vollständige Informationen verfügen. Beispielsweise stehen Details der Nachfragepräferenzen nur eingeschränkt zur Verfügung. Hinzu kommt die Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung.22 Zum einen lassen sich technische und ökonomische Fortschritte kaum zuverlässig prognostizieren,23 zum anderen hat die Verwaltungsentscheidung ihrerseits Einfluss auf das weitere Verhalten der Marktteilnehmer.24 Die Fähigkeit, im Wege des Rückgriffs auf das im Markt verstreut vorhandene unvollständige Wissen, gemeinwohlrichtige Ergebnisse zu generieren, stellt eine wesentliche Leistung des Wettbewerbs dar.25 Das Verwaltungsverfahren muss auf diese Situation des Handelns unter Bedingungen der Ungewissheit und das typischerweise bestehende Informationsungleichgewicht26 ausgerichtet werden. In Konsequenz dieser Ungewissheit wird eine Folgenbeobachtung erforderlich, die eine Evaluation der Entwicklung und gegebenenfalls auch eine Revision der Entscheidung gestattet. So wie im Wettbewerb der Wechsel zwischen Innovation und Imitation den technischen Fortschritt und die Anpassung an geänderte Marktverhältnisse gewährleistet, sind auch im Rahmen der Administrativentscheidung Lernprozesse vorzusehen, die eine korrigierende Reaktion auf Fehlentwicklungen ermöglichen. Soll das Entscheidungsverfahren eine Gewähr für gemeinwohlrichtige Lösungen bieten, ist die adäquate Berücksichtigung der betroffenen Einzelinteressen sicherzustellen. Während die verschiedenen Einzelinteressen im Wettbewerb durch den Marktprozess zum Ausgleich gebracht werden,27 ist die Auflösung von Interessenkonflikten im staatlichen Handlungsbereich im Wege eines transparenten rechtsstaatlichen Verfahrens vorzunehmen. Ein derartiges Verfahren sollte die relevanten Interessen ermitteln und durch einen strukturiert-abgestuften Entscheidungsprozess ein faires Ergebnis generieren.

22 H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 836; H.-H. Trute, in: Eberle/Ibler/Lorenz (Hrsg.), FS Brohm, S. 169, 175 f. 23 Dazu K.-H. Ladeur, K&R 1998, 479, 480; H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/ Sellner (Hrsg.), FS BVerwG, S. 857, 858. 24 Vgl. auch J.-P. Schneider, ZHR 164 (2000), 513, 526; H.-H. Trute, in: Trute/ Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG, § 1 Rn 12. 25 F. A. von Hayek, in: Freiburger Studien, S. 249, 254 f.; E. Hoppmann, in: Hoppmann/Mestmäcker (Hrsg.), Normenzwecke und Systemfunktionen, S. 5, 10. 26 F. W. Scharpf, in: von Weizsäcker (Hrsg.), Staat und Wirtschaft, S. 15, 20 f. 27 F. A. von Hayek, in: Freiburger Studien, S. 249, 254 f.

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5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

Um der Bedeutung zeitnaher Entscheidungen Rechnung zu tragen, ist bei alledem auf zügige Entscheidungsabläufe Wert zu legen, da unangemessen lange Entscheidungsprozesse erhebliche Wettbewerbshürden für Neueinsteiger bedeuten können.28 II. Eckpunkte der Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens Anhand der geschilderten Anforderungen lassen sich die Eckpunkte der Ausgestaltung eines verwaltungsrechtlichen Regelungsansatzes herausarbeiten, wobei die gesetzgeberische Grundentscheidung für den Wettbewerb den äußeren Rahmen vorgibt. Die Bindung an die Grundentscheidung macht es erforderlich, die Wechselwirkungen des Regelungsmodells mit den Wettbewerbsbedingungen im Markt zu berücksichtigen. Insbesondere ist die Eigenrationalität des Wettbewerbsverhaltens auch im Falle von hoheitlichen Entscheidungen zu respektieren und zu erhalten. 1. Modifikation des wettbewerblichen Handlungsrahmens Die Intervention muss auf die Ermöglichung künftiger Marktentwicklung ausgerichtet werden, ohne diese selbst bereits zu präjudizieren. Der für die Entfaltung wettbewerblichen Handelns nötige Freiraum darf nicht durch Marktinterventionen verschlossen werden. Eingriffe, die administrativ gesetzten Präferenzen gegenüber den eigenen Handlungszielen der Marktteilnehmer zur Durchsetzung verhelfen, und die auf eine unmittelbare Korrektur der im Wettbewerb entstandenen Marktergebnisse abzielen, sind mit der Grundentscheidung nicht vereinbar. Sollen die Interventionen eigenrationales Handeln der Wettbewerber nicht unterbinden, bietet sich eine Einflussnahme durch Einwirkung auf das Handlungskalkül der Akteure an. Ein bloß reaktiver Ausgleich privater Rechtspositionen wäre demgegenüber ungenügend. Eine derart steuernde Einwirkung, die auf gemeinwohlverträgliche Marktergebnisse hinwirkt und gleichzeitig die Eigenverantwortlichkeit des Wettbewerbshandelns bewahrt, kann durch die proaktive Setzung eines wettbewerblichen Rahmens erfolgen.29 Solche dem Wettbewerb vorgelagerte Rahmenbedingungen können durch die Statuierung von Transparenzpflichten, die Verpflichtung zur vertikalen Separierung, die Einräumung von Zugangsrechten

28

Vgl. etwa J. Haucap/J. Kruse, WuW 2004, 266, 269. Vgl. J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 46; dazu auch H.-H. Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG, § 1 Rn 10; Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, Tz. 19 f.; vgl. auch J. Basedow, in: Fuchs/Schwintowski/Zimmer (Hrsg.), FS Immenga, S. 3, 9 f. 29

1. Abschnitt: Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

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sowie durch Vorgaben zur Entgeltbestimmung gesetzt werden. Hierdurch wird der allgemeine Rechtsrahmen, der die Voraussetzungen für die Entfaltung von Wettbewerb umfasst, ergänzt.30 So wie die Schaffung bestimmter Eigentumsrechte Einfluss auf die Wettbewerbsentwicklung haben kann, können auch administrative Vorgaben und Handlungspflichten Einfluss auf den Ablauf des Wettbewerbs nehmen. Innerhalb eines so modifizierten Rahmens verbleibt gleichwohl Raum für die Entfaltung der Eigenrationalität des Wettbewerbshandelns.31 Indem die Vorgaben nicht reaktiv an konkrete Wettbewerbsergebnisse anknüpfen, sondern vorab die Regeln des Marktverhaltens modifizieren, werden sie in das Handlungskalkül der Wettbewerber einbezogen und erlauben dadurch eine Überdeterminierung32 der individuellen Handlungsrationalität.33 Die Wettbewerbsordnung bleibt im so bezeichneten Rahmen erhalten und die privatautonome Handlungsrationalität kann sich weiter frei entfalten. Die Einwirkung auf das private Handeln erscheint aus Sicht der Wettbewerber nicht als öffentlichrechtliche Bindung ihrer Markttätigkeit34, die in Konflikt mit ihren individuellen Handlungszielen steht. Es wird den Wettbewerbern im hier beschriebenen Modell nicht aufgegeben, selbst fremde, hoheitlich gesetzte Ziele zu verfolgen. Prägend für die wettbewerbliche Betätigung ist vielmehr die eigenständige, keinem Begründungszwang unterworfene Zielverfolgung im Markt. Das legitime Gewinnstreben der Wettbewerber bleibt Grundlage ihres Marktverhaltens. Durch die vorherige Änderung des Handlungsrahmens ist allerdings eine Influenzierung des Wettbewerbs und damit eine mittelbare Einwirkung auf die Marktergebnisse möglich. Die zeitliche Vorverlagerung der Intervention ist zugleich geeignet, die Gefahr verspäteter Eingriffe bei zeitkritischen Wettbewerbskonflikten zu reduzieren. Indem bereits im Vorfeld Grundsätze und Rahmenbedingungen formuliert werden, sind die Rechtspositionen der Wettbewerber bereits abstrakt bestimmt, so dass in konkreten Konfliktfällen zeitnahe Lösungen möglich werden. Zugleich reduziert die vorausschauende Setzung von Rahmenbedingungen den Bedarf an kurzfristigen Interventionen infolge unerwünschter Marktergebnisse. 30

Vgl. oben 3. Teil, 1. Abschnitt, C. Vgl. H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13, 24; H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 197 f. 32 H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13, 24. 33 Ähnlich schon L. Miksch, Wettbewerb als Aufgabe, S. 63 der ein spezielles Wettbewerbsrecht vorschlug, um dem eigenrationalen Handeln der Unternehmer modifizierte Motive zu schaffen. 34 So aber offenbar J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 35. 31

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5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

2. Gemeinwohlorientierte Rahmensetzung Ausgangspunkt für die Modifikation des Wettbewerbsrahmens ist die Analyse der Wettbewerbsverhältnisse. Im Rahmen der Marktbeobachtung wird das vorgefundene oder prognostizierte Marktergebnis in Bezug zu den Zielen der Wettbewerbsentwicklung gesetzt. Der Maßstab für die Bewertung ist dabei aus einer gesetzlich legitimierten Vorprägung des Gemeinwohls abzuleiten. Der handelnden Behörde obliegt es, die gesetzlichen Vorgaben zu konkretisieren und für die Bewertung der Marktentwicklung operationalisierbar zu machen. Auf der hierdurch gewonnenen Grundlage kann sodann die Markt- und Wettbewerbsentwicklung evaluiert werden. Bleibt die beobachtete Marktentwicklung hinter den aus dem Gemeinwohl abgeleiteten Anforderungen zurück, hat die Behörde in einem weiteren Verfahrensschritt zu untersuchen, inwieweit die ihr gesetzlich zur Verfügung gestellten Instrumente zu einer Beeinflussung der Wettbewerbsverhältnisse geeignet sind und eine Verbesserung der Wettbewerbsentwicklung erwarten lassen. Schließlich ist durch die so individualisierten Maßnahmen auf den Wettbewerbsrahmen einzuwirken. Erforderlich ist also ein mehrstufiger Prozess von Marktanalyse und Marktinfluenzierung, der die kontinuierliche Annäherung der Wettbewerbsergebnisse an die aus den gesetzlichen Vorgaben abgeleitete Zielvorstellung anstrebt. 3. Verfahren der Informations- und Interessenverarbeitung Das strukturelle Informationsdefizit kann in diesem Verfahren durch kontinuierliche Marktbeobachtung, spezielle Auskunftsrechte und die Einbeziehung externen Sachverstands zum Teil verringert werden. Trotz Einführung solcher Instrumente bleibt allerdings die Ungewissheit prägend für Entscheidungen im Wettbewerbsumfeld. Die Verfahrensgestaltung ist an diese Situation anzupassen. Hierzu bietet sich eine Orientierung an öffentlich-rechtlichen Prognoseentscheidungen an, wie sie etwa im Immissionsschutz- und Umweltrecht verbreitet sind.35 Spezielle Entscheidungsformen sind geeignet, den Informationsbedarf weiter zu verringern. So vermindert das Price-Cap-Verfahren36 die Notwendigkeit detaillierter Kenntnisse zu den Kosten der Leistungserbringung. Die in der Befristung des Price-Caps angelegte Möglichkeit der Entscheidungsrevision erlaubt eine weitere Berücksichtigung der Ungewissheit. Auch die teilweise befürwortete Methodenregulierung ließe sich hierzu einsetzen.37

35 Hierzu K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 207, 213 ff. 36 4. Teil, 2. Abschnitt, C.II.1.a). 37 Dazu oben 4. Teil, 2. Abschnitt, C.II.1.c).

1. Abschnitt: Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

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Die Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Marktteilnehmer und sonstiger Beteiligter kann ebenfalls verfahrensmäßig erleichtert werden. In Anlehnung an Verfahren der planenden Verwaltung ist eine Verfahrensgestaltung zu finden, die die Erfassung von komplexen Informationslagen ermöglicht und eine Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen in einer entscheidungsleitenden Zielmatrix gestattet.38 Bestehende Interessenkollisionen sind hierbei nach Möglichkeit so zu bewältigen, dass eine optimale Entfaltung aller Interessen im Sinne praktischer Konkordanz ermöglicht und eine einseitige Parteinahme für Einzelinteressen vermieden wird.39 4. Finale Programmierung des Verwaltungshandelns Die hier beschriebene Setzung von Rahmenbedingungen ist von den allgemeinen Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zu unterscheiden. Anders als die allgemeinen Voraussetzungen der Wettbewerbsordnung, ist der beschriebene spezifische Rahmen kaum der legislativen Setzung zugänglich.40 Die Grundentscheidung für den Wettbewerb bedingt ein erhebliches Maß an Unsicherheit über die künftige Entwicklung. In welchem Umfang spezifische Vorgaben zum Wettbewerbsrahmen künftig nötig werden, lässt sich vorab kaum zuverlässig prognostizieren. Die erwünschte Offenheit der technischen Entwicklung und die hierdurch hervorgerufenen Änderungen der Wettbewerbsbedingungen stehen der starren Vorgabe von Rahmenbedingungen entgegen. Zudem ist die gewählte Rahmensetzung in der Praxis hinsichtlich ihrer Auswirkungen kontinuierlich zu beobachten und bezüglich ihrer Wirksamkeit zu bewerten. Die periodische Fortschreibung der gewählten Rahmensetzung zur Anpassung an gewandelte Wettbewerbsbedingungen spricht gegen eine gesetzliche Festlegung.41 Die notwendige kurzfristige Revision eines Gesetzes müsste in Konflikt mit der Generalität des gesetzlichen Geltungsanspruchs geraten und damit den Vorteil einer gesetzlichen Normierung aufheben. Der Gesetzgeber hat in diesem Ansatz die Aufgabe, allgemeine Leitlinien der Rahmensetzung zu formulieren. Nötig ist eine finale Programmierung des Verwaltungshandelns, die zu einer Flexibilisierung der gesetzlichen Steuerung und zur partiellen Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf die Exekutive führt.

38 Vgl. dazu H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 329, 388; J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 493, 535 ff. 39 Vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. d. Staatsrechts, § 26 Rn 93; sowie H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, S. 420. 40 H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 329, 334; vgl. auch H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 838. 41 Vgl. H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Sellner (Hrsg.), FS BVerwG, S. 857, 859.

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5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

III. Regulierung als kybernetischer Steuerungsansatz Die beschriebenen Eckpunkte des verwaltungsrechtlichen Verfahrens lassen sich in einem Regulierungsmodell umsetzen.42 Kennzeichnend für diesen im deutschen Verwaltungsrecht noch jungen Ansatz ist die Selbstbeschränkung des Gesetzgebers auf die Setzung grundlegender Ziele des Verwaltungshandelns und die Bereitstellung eines Spektrums abgestufter Interventionsinstrumente zum Einsatz durch eine regulierende Behörde. Innerhalb des legislativ abgesteckten Aktionsspielraumes obliegt es dieser Behörde, über Art und Ausgestaltung der Intervention zu entscheiden. Der Rechtsrahmen der Regulierung gestattet befristete Strategie- und Methodenfestlegungen ebenso wie eine periodische Revision derselben. Um die Ausfüllung des legislativ eingeräumten Spielraums zu gewährleisten und dadurch eine angemessene Balance zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit des Verwaltungshandelns zu wahren, wird die Übertragung der Entscheidungskompetenz auf die regulierende Behörde durch eine Konzeptpflicht abgesichert.43 Die Behörde wird damit betraut, selbst Strategien zur Ergebnisoptimierung im Sinne vorgegebener Endziele der Regulierung zu entwickeln. Wo die beobachtete Wettbewerbssituation gegenüber der erarbeiteten Zielvorstellung Defizite aufweist, sind unter Rückgriff auf das gesetzlich vorgesehene Instrumentarium Lösungswege zu erarbeiten. Der Regulierungsbehörde kommt hierbei die Aufgabe zu, selbst die jeweils adäquat erscheinenden Mittel zur Zielverfolgung zu identifizieren.44 Durch Anhörungen und eine transparente Strategiebildung kann dabei die Nutzung externen Sachverstands erleichtert und gleichzeitig die Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit der Regulierung gesichert werden.45 Die regulierungstypische Verfahrensstrukturierung, die im Dialog mit den Interessenträgern in einem mehrstufigen Prozess Lösungen inkrementell entwickelt, ist geeignet, die geringe gesetzliche Vorzeichnung in rechtsstaatlicher Hinsicht zu kompensieren.46 Die Regulierungsentscheidungen erhalten so eine eigene aus dem Verfahren begründete Legitimation. Für die intendierte Einflussnahme auf Wettbewerbsprozesse unter Beibehaltung der wettbewerblichen Handlungsrationalität ist das Regulierungsverfahren 42 Dazu J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), 1; H. C. Röhl, JZ 2006, 831; M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237; kritisch T. von Danwitz, DÖV 2004, 977; P. J. Tettinger/J.-C. Pielow, RdE 2003, 289. 43 Vgl. H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 837. 44 Die praktische Umsetzung des theoretischen Modells erweist sich damit als durchaus anspruchsvoll und stellt erhebliche Anforderungen an die beteiligten Amtsträger. 45 Vgl. dazu H.-H. Trute, in: Eberle/Ibler/Lorenz (Hrsg.), FS Brohm, S. 169, 172 ff. 46 H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 329, 339 f.; H.-H. Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG, § 1 Rn 14.

1. Abschnitt: Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

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besonders geeignet. Die Flexibilität des Regulierungsansatzes gestattet eine Einwirkung auf den wettbewerblichen Handlungsrahmen und ermöglicht es so, auf die Setzung von Wettbewerbsergebnissen zu verzichten.47 Trotz des hoheitlichen Eingriffs in das Marktverhalten bleibt es weiterhin möglich, die Eigenrationalität der Wettbewerber innerhalb des jeweils gesetzten Rahmens zu nutzen. Der Marktmechanismus wird durch die Regulierung zwar begrenzt, bleibt jedoch im Übrigen intakt. Die fortbestehende Eigenrationalität lässt sich als Parameter der Regulierung auffassen.48 Der Regulierer macht im Wege influenzierender Maßnahmen die private Handlungsrationalität gezielt zur Einwirkung auf die Marktentwicklung nutzbar.49 Das skizzierte Modell der Regulierung verwirklicht damit den von wirtschaftswissenschaftlicher Seite für Netzwirtschaften vorgeschlagenen kybernetischen Steuerungsansatz.50 Dieser Ansatz basiert auf einer zeitlichen Entscheidungsbefristung, die durch sukzessive Neuentscheidung eine flexible Anpassung an die Marktentwicklung zulässt.51 In Umsetzung dieses Modells können unter Rückgriff auf Gemeinwohlüberlegungen Eckpunkte der angestrebten Marktentwicklung festgelegt werden, beispielsweise im Hinblick auf das Verhältnis von Dienste- und Infrastrukturwettbewerb oder in Bezug auf die Einführung bestimmter Leistungen. Im weiteren Verlauf kann dann der Wettbewerbsrahmen in Abhängigkeit vom Erreichen der vorab definierten Ziele modifiziert werden. Ein solches auf Selbstrevision angelegtes Konzept trägt der immanenten Unvollkommenheit der Regulierung Rechnung.52 Die periodische Neuentscheidung ist zudem geeignet, den Prognosebedarf der Entscheidungen zu senken, da die zukünftigen Auswirkungen der Entscheidung begrenzt sind. Der beschriebene Regulierungsansatz lässt sich am Beispiel des Rechtsrahmens der Telekommunikation verdeutlichen.53 Das hier gesetzlich umgesetzte Zusammenspiel aus Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren mit nachgeschaltetem Anordnungsverfahren54 ist charakteristisch für die Gestaltungsaufgabe der Regulierung und reflektiert zugleich die Offenheit der wettbewerblichen Entwicklung.

47 Vgl. J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 46; siehe auch J. Masing, AöR 128 (2003), 558, 601. 48 Vgl. G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 2. Aufl., S. 81. 49 Dazu H.-H. Trute, DVBl 1996, 950, 954. 50 C. C. von Weizsäcker, ZfE 1994, 197, 201, vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 84. 51 Dafür auch H.-H. Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 329, 334. 52 Vgl. C. C. von Weizsäcker, ZfE 1994, 197, 201. 53 Vgl. H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Sellner (Hrsg.), FS BVerwG, S. 857. 54 Dazu F. Pape, in: BeckTKG, 3. Aufl., Vor § 9 Rn 18 ff.

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5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

Um die gewünschte Flexibilität der Regulierung zu gewährleisten, stellt das Telekommunikationsrecht eine Anzahl unterschiedlich stark in die Wettbewerbsfreiheit eingreifender Befugnisse zur Verfügung.55 In Abhängigkeit von den Feststellungen zur Marktsituation können den Marktteilnehmern Zugangsgewährungspflichten, Entgeltvorschriften oder sonstige Pflichten auferlegt werden.56 Diese Pflichten sind nach der gesetzlichen Systematik allerdings noch nicht unmittelbar anwendbar, es bedarf vielmehr noch einer Aktualisierung durch die Regulierungsbehörde. Solange nach Bewertung der Regulierungsbehörde die wettbewerbliche Entwicklung zufriedenstellend ist, erschöpft sich die Regulierung in einer bloßen Marktbeobachtung, die der freien Marktentwicklung Raum gibt. Damit ist der Vorrang des Wettbewerbs bereits innerhalb des Regulierungsrahmens gesichert. Wo die Wettbewerbsverhältnisse einer positiven Veränderung unterliegen, kann das Interventionsniveau ordnungskonform zurückgenommen werden. IV. Regulierung in der Rechtsordnung 1. Abgrenzung vom klassischen Verwaltungsrecht In seiner Ausrichtung und im Umfang bestehender Freiräume unterscheidet sich der Steuerungsansatz der Regulierung von herkömmlichen Verwaltungsverfahren.57 Prägend ist zunächst der gegenüber legislativen Festlegungen bestehende Spielraum, der durch den Regulierer auszufüllen ist. Charakteristisches Merkmal der Regulierung im Verhältnis zu anderen Formen des Verwaltungshandelns ist die Offenheit der gesetzlichen Programmierung. In der Verantwortlichkeit der Regulierungsbehörde für die Auswahl des jeweiligen Steuerungsinstruments kommt die Abkehr von der rein vollziehenden Verwaltung zum Ausdruck.58 Die dadurch gewonnene Flexibilität ermöglicht die behördliche Selbstkorrektur im Rahmen des geschilderten kybernetischen Ansatzes. Ein derartiger Gestaltungsspielraum geht typischerweise mit der Gewährleistung weitgehender Unabhängigkeit der Behörde einher.59 Die dem Kartellrecht

55

H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Sellner (Hrsg.), FS BVerwG, S. 857, 859. E. Gurlit, in: BerlK-TKG, § 13 Rn 8 ff. 57 Vgl. H.-H. Trute, in: Eberle/Ibler/Lorenz (Hrsg.), FS Brohm, S. 169, 171 f.; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 46, 152 ff.; H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/ Sellner (Hrsg.), FS BVerwG, S. 857, 859; H.-H. Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch (Hrsg.), TKG, § 1 Rn 10; a. A. M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237; I. Pernice, WHI Paper 3/06, S. 39 f. 58 Weitergehend dazu J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 134 ff. 59 Dazu K. Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde; H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 835; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 83 ff. Kritisch dazu T. von Danwitz, DÖV 2004, 977, 978 ff. 56

1. Abschnitt: Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

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nachempfundene Abschirmung des Regulierers von politisch motivierten Weisungen ist geeignet, die Wettbewerbskonformität der Regulierung abzusichern.60 Daneben ist der Regulierungsansatz noch durch den Freiraum gekennzeichnet, der zur Entfaltung individuellen Wettbewerbshandelns gelassen wird.61 Der Regulierer seinerseits ist nicht berufen, den legislativ gesetzten Spielraum durch Regulierungsvorgaben auszufüllen. Er hat vielmehr nur einen Rahmen zu setzen, innerhalb dessen sich der Wettbewerb frei entfalten kann. Hierin reflektiert der Regulierungsansatz die Grundentscheidung für eine wettbewerbliche Leistungserbringung, die die staatliche Verantwortlichkeit für die Leistungserstellung begrenzt. Das dargestellte Regulierungskonzept hat zugleich Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolle. Der Entscheidungsspielraum, der der regulierenden Behörde durch den Gesetzgeber eingeräumt wird, ist auch von den Gerichten zu respektieren. Unter Berücksichtigung der verfahrensabhängigen Legitimation obliegt den Gerichten nicht mehr die vollumfängliche Kontrolle der Ergebnisrichtigkeit. Die gerichtliche Kontrolle konzentriert sich stattdessen auf die Einhaltung von Verfahrensvorgaben, die hinreichende Ermittlung des Sachverhalts und die ausreichende Berücksichtigung der betroffenen Interessen. Aufgabe des Rechtsschutzverfahrens ist es nicht, die regulierungsbehördliche Entscheidung zu ersetzen, sondern deren Entstehungsbedingungen zu überprüfen.62 Durch den für die Marktteilnehmer offen gelassenen Freiraum unterscheidet sich die Regulierung von Formen der Wirtschaftslenkung. Zwar handelt es sich auch bei der Regulierung um eine administrative Intervention, allerdings erfolgt die Regulierung nicht im Hinblick auf im Einzelfall zu erzielende konkrete Marktergebnisse. Es handelt sich nicht um eine planwirtschaftliche Ersetzung des Marktmechanismus, sondern um eine Änderung des wettbewerblichen Handlungsrahmens. Durch diese Modifikation der Rahmenbedingungen des Wettbewerbs, die im Bereich beständiger natürlicher Monopole insbesondere über die Sicherstellung geeigneter Zugangskonditionen erfolgt, wird die Entfaltung der wettbewerblichen Eigenrationalität ermöglicht. Indem sich privatwirtschaftliches Handeln innerhalb des gesetzten Rahmens frei entfalten kann, ohne in seiner Rechtmäßigkeit von einer konkreten Übereinstimmung mit öffentlich-rechtlichen Zielen abhängig zu sein, wird die Grundentscheidung für den Wettbewerb umgesetzt.63 Wo demgegenüber der Versuch 60

Vgl. J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 44 f. J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 46. 62 Vgl. dazu H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Sellner (Hrsg.), FS BVerwG, S. 857, 866 ff.; H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 838 f.; VG Köln, Urt. v. 13.02.2003 – 1 K 8003/98, MMR 2003, 814, 816 ff.; dagegen aber OVG Münster, Beschl. v. 19.08.2005 – 13 A 1521/03, CR 2006, 101; kritisch auch T. von Danwitz, DÖV 2004, 977, 978. 63 Vgl. hierzu H.-H. Trute, DVBl 1996, 950. 61

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5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

unternommen würde, das Erreichen bestimmter Vorgaben zu eigenen Zielen der Wettbewerber zu erklären, wäre der Bereich der Gemeinwohlverwirklichung im Markt verlassen.64 2. Abgrenzung zum Kartellrecht Trotz seiner Orientierung an der Freiheit des Wettbewerbs unterscheidet sich der Regulierungsansatz auch vom allgemeinen Kartellrecht. Es wurde ausgeführt, dass Wettbewerb zu seiner Entstehung an Voraussetzungen gebunden ist, die etwa dem Bereich der Rechts- und Eigentumsordnung zuzuordnen sind.65 Diese Voraussetzungen bilden den Rahmen für die Betätigung im Wettbewerb, wobei die Wirkung der unsichtbaren Hand gemeinwohlverträgliche Ergebnisse sicherstellt. Aufgabe des Kartellrechts ist es dabei, innerhalb des so beschriebenen Rahmens die Selbstaufhebung des Wettbewerbs zu verhindern. Demgegenüber genügt der allgemeine kartellrechtliche Handlungsrahmen im Bereich beständiger natürlicher Monopole nicht, gemeinwohlverträgliche Ergebnisse zu ermöglichen. Ziel des hier skizzierten Regulierungsmodells ist es, für diesen Bereich die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs und damit die individuellen Rechtspositionen der Wettbewerber so zu setzen, dass einerseits der durch das natürliche Monopol behinderte Wettbewerb ermöglicht wird und andererseits die Marktaktivitäten der Wettbewerber nicht übermäßig eingeschränkt werden. Die beobachteten Wettbewerbsergebnisse bilden zwar den Anlass der Regulierung, werden aber nicht direkt korrigiert. Stattdessen erfolgt eine zukunftsorientierte Steuerung, die dem Wettbewerb vorgelagert ist. Diese im Rahmen der Regulierung erfolgende Modifikation der Rahmenbedingungen des Wettbewerbs grenzt die Steuerungsmethode vom allgemeinen Kartellrecht ab. Kartellrechtliches Handeln wurde seinem Wesen nach als reaktiv qualifiziert.66 Kartellrechtlich behandelte Konflikte betreffen den Widerstreit individueller Rechtspositionen im Verhältnis zweier Wettbewerber untereinander.67 Wo solche Konflikte auftreten, ist ein reaktives Verfahren der Rechtsdurchsetzung hinreichend. Eine Überprüfung der Vereinbarkeit des konkreten Wettbewerbsergebnisses mit Gemeinwohlüberlegungen ist infolge der wettbewerblichen Mustervoraussage entbehrlich. Dagegen ist die Regulierung auf das Ermöglichen von Wettbewerb in solchen Bereichen ausgerichtet, in denen infolge der netzspezifischen Besonderheiten 64 Dazu J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 526. 65 Vgl. oben 3. Teil, 2. Abschnitt, B.II. 66 Vgl. oben 3. Teil, 2. Abschnitt, C.II.2. 67 Vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, 49.

1. Abschnitt: Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

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kein stabiler Wettbewerb erwartet wird. Diese Tätigkeit ist auf die Sicherung der Wettbewerbsvoraussetzungen gerichtet und in diesem Sinne proaktiv. Kennzeichnend für die Regulierung ist, dass Korrekturen nicht am Einzelfall ausgerichtet werden, sondern zukunftsgerichtet den Wettbewerbsprozess begleiten.68 Empfundene Fehlentwicklungen werden durch Modifikation der Rahmenbedingungen und nicht durch eine billigkeitsorientierte unmittelbare Korrektur im Einzelfall beseitigt. Demgegenüber wird mitunter zur Unterscheidung zwischen Kartellrecht und Regulierung auf eine rein zeitliche Dimension der Entscheidung zurückgegriffen. Hierzu wird darauf verwiesen, dass die Regulierung typischerweise ex ante wirke, Regelungen also im Vorfeld treffe, wohingegen das Kartellrecht auf ex post wirkende Maßnahmen begrenzt sei.69 Als Abgrenzungskriterium ist diese Unterscheidung allerdings schon im gegenwärtigen Recht nicht eindeutig. Zwar mag es typisch sein, kartellrechtliche Verfügungen ex post zu erlassen, dies ist jedoch, wie der Blick auf den Bereich der Fusionskontrolle zeigt, keinesfalls zwingend. Umgekehrt schließt auch der Regulierungsansatz eine ex post Kontrolle keineswegs aus. Die Unterscheidung von reaktivem und proaktivem Handeln fasst den Charakter beider Rechtsgebiete dagegen klarer. Während das Kartellrecht die Einhaltung bestehender Regeln absichert und im Falle festgestellter Verstöße interveniert, dient die Regulierung der Setzung von Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Tätigkeit, die freien Wettbewerb erst ermöglichen. 3. Bedeutung von Gemeinwohlzielen im Recht der Netzwirtschaften Im Rahmen des skizzierten Regulierungsmodells wird die dauerhafte Bedeutung der Zielkataloge nach § 1 TKG, § 1 EnWG erkennbar. Die Aufnahme dieser gemeinwohlorientierten Ziele erlaubt der regulierenden Behörde die Ausrichtung des Wettbewerbsrahmens unter Rückgriff auf legislativ anerkannte Ausprägungen des Gemeinwohls. Damit lässt sich auch die eingangs erwähnte Streitfrage hinsichtlich der Berücksichtigung von wettbewerbsfremden bzw. gemeinwohlorientierten Zielen im Bereich der Netzwirtschaften beantworten. Trotz grundsätzlicher Gegensätze ist den geschilderten Ansichten70 gemeinsam, dass die Verfolgung von gemeinwohlorientierten Zielen im sektorspezifischen Recht der Netzwirtschaften als Durchbrechung der Grundentscheidung 68

Vgl. H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Sellner (Hrsg.), FS BVerwG, S. 857, 858. Vgl. J. Haucap/J. Kruse, WuW 2004, 266; differenzierend U. Büdenbender, Kartellrechtliche Kontrolle der Netzzugangsentgelte nach dem Vergleichsmarktprinzip, 58 f. 70 Vgl. dazu die Nachweise oben Einleitung, 1. Abschnitt, B. 69

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5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

für Wettbewerb betrachtet wird. Grundlage des einen Ansatzes ist die Überzeugung, dass der Wettbewerb das Gemeinwohl konkretisiert und bewirkt. In dieser Sichtweise scheidet das von der Gegenmeinung implizit unterstellte Auseinanderfallen von Wettbewerbsergebnissen und Gemeinwohl konzeptionell aus. Dagegen wird von der zweitgenannten Ansicht die Verantwortung des Gesetzgebers betont, eine Konkretisierung des Gemeinwohls vorzunehmen. Nach hier vertretener Ansicht ist hinsichtlich der Verfolgung der Gemeinwohlziele im Bereich der Netzwirtschaften allerdings zu differenzieren. Zunächst ist es richtig wenn darauf verwiesen wird, dass der Gesetzgeber innerhalb der Grenzen, die von der Verfassung gezogen sind, bestimmte gemeinwohlorientierte Ziele festschreiben kann. Die gegen solcherart normierte Ziele gerichtete Kritik bewegt sich letztlich im politischen Raum und braucht an dieser Stelle nicht weiter thematisiert zu werden. Andererseits bedingt die gesetzliche Grundentscheidung für Wettbewerb den Schutz des eigenrationalen Handelns der Wettbewerber als Grundlage für die Konkretisierung und Sicherstellung gemeinwohlverträglicher Marktergebnisse. Das Wettbewerbshandeln ist Ausdruck der individuellen Freiheit und bedarf keiner zusätzlichen Legitimation unter Rückgriff auf Gemeinwohlüberlegungen. Auch vor diesem Hintergrund liegt in der Normierung gemeinwohlorientierter Ziele für den Bereich natürlicher Netzmonopole gleichwohl keine Durchbrechung der gesetzgeberischen Konzeption. Die Aufnahme materieller Ziele erweist sich vielmehr als Konsequenz netzspezifischer Besonderheiten. Ursächlich ist nicht ein unterstellter Konflikt zwischen Wettbewerb und anderen speziellen Gemeinwohlzielen71, sondern die Anerkenntnis der Grenzen des Wettbewerbs zur Sicherstellung gemeinwohlverträglicher Ergebnisse. Die Gemeinwohlziele ersetzen nicht die Ziele der Wettbewerber. Stattdessen werden sie zur Setzung des Wettbewerbsrahmens herangezogen, ohne unmittelbarer Maßstab für die Beurteilung des Wettbewerbshandelns zu werden. V. Verhältnis der Teilrechtsordnungen Netzwirtschaftsrecht und Kartellrecht Aufbauend auf der beschriebenen Unterscheidung lassen sich Folgerungen für das Verhältnis zwischen Netzwirtschaftsrecht und Kartellrecht ableiten.

71 So aber wohl J.-P. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 537; C. Berringer, Regulierung als Erscheinungsform der Wirtschaftsaufsicht, S. 111; dazu auch H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 183.

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1. Dauerhaft fortbestehende Parallelität Für einige natürliche Netzmonopole hat die ökonomische Untersuchung eine dauerhafte Wettbewerbsresistenz ergeben. Somit ist der Fortbestand des netzspezifischen Regelungsbedarfs von Fortschritten bei der Einführung des Wettbewerbs unabhängig. Anders als für den Bereich des Privatisierungsfolgenrechts ist auch mit Etablierung funktionierender wettbewerblicher Strukturen in diesem Bereich ein Wegfall des Regelungsbedarfs nicht zu erwarten.72 Einfluss auf die Notwendigkeit netzspezifischer Regelungen können demgegenüber grundlegende Änderungen der Wettbewerbsverhältnisse in den betroffenen Wirtschaftsbereichen haben. Solche Änderungen erscheinen etwa im Bereich der Telekommunikation plausibel, wo durch Verwendung alternativer Zugangstechnologien ein Aufbruch der verbleibenden natürlichen Monopole denkbar ist.73 Gleichwohl ist mit einem völligen Fortfall der Problematik natürlicher Monopole im Bereich physischer Netze nicht zu rechnen, so dass von einem dauerhaft bestehenden netzspezifischen Regelungsbedarf auszugehen ist. Der auf den Bereich beständiger natürlicher Monopole ausgerichtete Regelungsbestand ist daher nicht einem absterbenden Privatisierungs- bzw. Liberalisierungsfolgenrecht zuzurechnen, sondern in seinem Bestand mit dem Fortbestand der Problematik der natürlichen Netzmonopole verknüpft.74 2. Rückführung des sektorspezifischen Rechts in das GWB Damit lässt sich die Frage beantworten, in welchem Maße ein Fortbestand sektorspezifischer Regelungen in Zukunft begründet ist bzw. welches Potential zur Überführung dieser Bereiche in das allgemeine Kartellrecht besteht.75 Der dargestellte Regulierungsansatz weist wesentliche Unterschiede zum kartellrechtlichen Modell der monofinalen Aufsicht auf. Während das Kartellrecht den Wettbewerb als Mittel der Interessenkoordination schützt und somit, vermittelt durch die Wirkungen des Wettbewerbs, das Gemeinwohl befördert, basiert das beschriebene Modell der Regulierung auf dem unmittelbaren Zugriff auf Gemeinwohlüberlegungen. Die mit der Regulierung verbundene materielle Determinierung verlässt den an privater Handlungsrationalität und Eigensteuerung des Wettbewerbs orientierten Ansatz des Kartellrechts.76 72

Diese Differenzierung vernachlässigt M. Ruffert, AöR 124 (1999), 237, 246. Vgl. hierzu G. Knieps, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 203, 215; zurückhaltend dagegen U. Immenga/C. Kirchner/G. Knieps/J. Kruse, Telekommunikation im Wettbewerb, S. 38. 74 Vgl. F. J. Säcker, ZNER 2004, 98; F. J. Säcker, N&R 2004, 46, 48; F. J. Säcker, RdE 2003, 300, 301. 75 Dazu die Nachweise oben Einleitung, Fn 24. 76 Ähnlich wie hier F. J. Säcker, RdE 2003, 300, 300; F. J. Säcker, N&R 2004, 46, 47. 73

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5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

Auch wenn man versuchen würde, ein derartiges Verfahren in das GWB zu integrieren77, müsste es wegen seiner Eigengesetzlichkeit ein Sonderbereich innerhalb des GWB bleiben.78 Nur in dem Maße, in dem man bereit ist, in Abkehr von der bisherigen monofinalen Ausrichtung des GWB, das Kartellrecht für die unmittelbare Durchsetzung allgemeiner Gemeinwohlzwecke zu öffnen und das Gemeinwohl zur Bewertung des Wettbewerbshandelns heranzuziehen, könnte auch die Kontrolle der Entgelte im Bereich natürlicher Netzmonopole in den kartellrechtlichen Bestand überführt werden. Solange man allerdings an der gegenwärtig vorherrschenden monofinalen Ausrichtung des GWB am Ziel des Wettbewerbs festhalten will, wird eine Kontrolle der Zugangsentgelte im Bereich natürlicher Monopole ein Fremdkörper bleiben. 3. Grenzziehung anhand der Wettbewerbsneigung Hält man demnach am Fortbestand eines eigenständigen Netzwirtschaftsrechts fest, ist das Verhältnis der beiden Teilrechtsordnungen auf Basis deren spezifischer Leistungsfähigkeit zu gestalten.79 Der wettbewerblichen Entfaltung ist dort Raum zu lassen, wo im Regelfall gemeinwohlrichtige Ergebnisse zu erwarten sind. Unter Geltung der Grundentscheidung für Wettbewerb ist die Substituierung der unsichtbaren Hand begründungsbedürftig.80 Wo freier Wettbewerb möglich ist, entspricht es dieser Grundentscheidung, die materielle Steuerung zurückzunehmen und staatliches Handeln auf den kartellrechtlichen Schutz der Wettbewerbsordnung zu beschränken. Die Grenze des kartellrechtlichen Steuerungsmodells ist allerdings dort erreicht, wo es an der grundsätzlichen Wettbewerbseignung des jeweiligen Bereiches fehlt.81 Wo infolge der Problematik der natürlichen Netzmonopole die wettbewerbsimmanente Richtigkeitsgewähr versagt, ist mit dem Regulierungsverfahren ein ergänzender Mechanismus zur Sicherstellung des Gemeinwohls zu implementieren. Nach den hier gewonnenen Ergebnissen findet das kartellrechtliche Modell im Bereich der Netzwirtschaften zunächst im Bereich nutzerseitiger Netzeffekte 77 Dafür wohl L. Vollmer, in: Schwarze (Hrsg.), Der Netzzugang für Dritte im Wirtschaftsrecht, S. 41, 54. 78 Vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 51 f.; W. Hoffmann-Riem, DVBl 1999, 125, 132. 79 Dazu oben 2. Teil, 3. Abschnitt, D. 80 A. Schebstadt, RdE 2004, 181, 185. 81 Anders wohl F. J. Säcker, AöR 130 (2005), 180, 185 der auf die erhöhte Sozialpflichtigkeit der betroffenen Wirtschaftsgüter abstellen will. Für Abgrenzung anhand der Konzepte der social und economic regulation dagegen J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 14; zu einer Unterscheidung zwischen wettbewerbspolitisch und technisch motivierten Regelungen G. Knieps, in: Berg (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, S. 59.

1. Abschnitt: Außerkartellrechtliche Maßstabskonzeption

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Anwendung. Daneben erweist sich das Kartellrecht auch in weiten Teilen der materiellen Netze als hinreichend. Nur soweit es infolge natürlicher Netzmonopole zu strukturellen Wettbewerbshindernissen kommt, findet das Regulierungsregime Anwendung. Die Schaffung eines neuen Ausnahmebereiches oder die Rückkehr zu Formen der früheren Monopolpreiskontrolle scheiden im gegenwärtigen Ordnungsmodell aus. Zugleich ist die Regulierung auf den Engpassbereich begrenzt.82 Soweit durch die Einräumung des kompetitiven Netzzugangs die Bedingungen für freien Wettbewerb auf den Sekundärmärkten gegeben sind, besteht das Bedürfnis für die Kontrolle der Endkundenentgelte nicht mehr.83 Damit wird deutlich, dass ein erheblicher Teil des gegenwärtigen Rechtsrahmens als Privatisierungsfolgenrecht dem künftigen Netzwirtschaftsrecht nicht zuzurechnen ist. Insbesondere konsumtive Zugangsansprüche werden im Wettbewerb ihre Notwendigkeit verlieren und können in den Bereich des Universaldienstes zurückgeführt werden. Es ist daher mit einem Bedeutungsgewinn für das Kartellrecht zu rechnen. Eine periodische Überprüfung des Regulierungsrahmens muss zudem das Auslaufen der Regulierung für solche Bereiche sicherstellen, in denen infolge einer Änderung der Wettbewerbsbedingungen die nachhaltigen Wettbewerbshindernisse entfallen sind. Andererseits bleibt der Bereich der wettbewerbsresistenten natürlichen Netzmonopole dauerhafter Gegenstand des Netzwirtschaftsrechts.84 4. Kooperationsverhältnis der Teilrechtsordnungen Die fortbestehende Netzregulierungsordnung führt nicht zur Unanwendbarkeit des Kartellrechts.85 Innerhalb des von der Regulierung geschaffenen Rahmens bildet das Kartellrecht wiederum die Begrenzung individueller Handlungen. Nicht die Übereinstimmung mit außerwettbewerblichen materiellen Zielen ist hier Handlungsmaßstab, sondern die Beachtung äußerer Grenzen der Handlungsbefugnisse.86 Auch dort, wo infolge der Bedingungen wettbewerbsresisten-

82 G. Knieps, Wettbewerbsökonomie, 1. Aufl., S. 97 ff. Hiervon zu trennen ist die hier nicht behandelte Frage, wo von solchen Bereichen auszugehen ist. Diese Frage ist nur im Wege einer ökonomisch informierten Prognose zu beantworten. 83 G. Knieps, in: Nutzinger (Hrsg.), FS von Weizsäcker, S. 203, 216 f.; U. Immenga/C. Kirchner/G. Knieps/J. Kruse, Telekommunikation im Wettbewerb, S. 43. 84 Als netzspezifische Aufgabe kann auch das Universaldienstregime neben der Entgeltkontrolle als weiterer Teil des Netzwirtschaftsrechts betrachtet werden. So im Grundsatz auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 67 der jedoch eine netzübergreifende Zusammenfassung nicht für möglich erachtet; zurückhaltend auch H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 833. 85 Vgl. dazu auch K.-H. Ladeur, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Umweltpolitische Steuerung, S. 207, 223 f. 86 Vgl. oben 3. Teil, 2. Abschnitt, C.II.2.

258

5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

ter natürlicher Monopole regulierende Eingriffe nötig werden, bleibt der Maßstab des Kartellrechts bindend für die Handlungen der Wettbewerber. Angesichts dieser parallelen Anwendung beider Bereiche ist auf ein Kooperationsverhältnis hinzuwirken, welches die Nutzung der jeweiligen Stärken der beiden Teilgebiete ermöglicht.87 Die etwa in § 123 TKG normierte Zusammenarbeit der Bundesnetzagentur mit den Kartellbehörden bietet hierfür einen geeigneten organisatorisch-instrumentellen Rahmen.

Zweiter Abschnitt

Vom Privatisierungsfolgenrecht zum Regulierungsrecht der Netzwirtschaften Die Untersuchung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells und der kartellrechtlichen Regelungen gegen den Missbrauch von Marktmacht hat ergeben, dass das GWB zur adäquaten Bewältigung von Wettbewerbsproblemen in weiten Bereichen der Netzwirtschaften geeignet und ausreichend ist. Daneben wurde allerdings mit der Unteilbarkeitenproblematik, die in einigen Bereichen zu beständigen natürlichen Monopolen führen kann, ein netzspezifisches Wettbewerbshindernis identifiziert, dessen Bewältigung innerhalb der Grenzen des kartellrechtlichen Ordnungsmodells nicht gelingt. In diesem Bereich ist von einem im Grundsatz dauerhaft fortbestehenden Netzwirtschaftsrecht auszugehen. Der netzübergreifende Charakter der zugrunde liegenden Probleme und die übergreifende Anwendbarkeit der aufgezeigten Lösungsansätze geben Anlass, über die künftige Ausgestaltung des Netzwirtschaftsrechts nachzudenken.88 Vor dem Hintergrund der sektorübergreifenden Zuständigkeit der Bundesnetzagentur stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten einer Zusammenführung der einzelnen Regelungsbereiche des Netzwirtschaftsrechts.

87 Vgl. exemplarisch H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 167, 174, 183; siehe E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 7; W. HoffmannRiem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261, 270; auch U. Böge, BB 2005, Heft 10, I. 88 Vgl. dazu F. J. Säcker, RdE 2003, 300; F. J. Säcker, N&R 2004, 46, 47; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT; H. C. Röhl, JZ 2006, 831.

2. Abschnitt: Vom Privatisierungsfolgenrecht zum Regulierungsrecht

259

I. Kodifikation des Netzwirtschaftsrechts Eine einheitliche Kodifikation des Netzwirtschaftsrechts könnte die bisher auf verschiedene Einzelgesetze verteilten Regelungen in einem gesetzlichen Rahmen zusammenfassen. 1. Voraussetzungen einer Kodifikation Grundlegende Voraussetzung einer derartigen Kodifikation ist die Möglichkeit der einheitlichen Erfassung der Regelungsmaterie. Nur wenn die einzelnen Sachprobleme hinreichende Ähnlichkeit aufweisen und es gelingt, die Problembehandlung einheitlichen Grundsätzen zu unterstellen, wäre eine Kodifikation des Netzwirtschaftsrechts möglich.89 Da allerdings das gegenwärtige positive Recht noch weitgehend durch die fehlende Abschichtung des Privatisierungsfolgenrechts gekennzeichnet ist, bietet es keine geeignete Basis für eine Kodifikation.90 Die Prüfung der Kodifikationsfähigkeit hat sich nicht an der Einheitlichkeit der gegenwärtig bestehenden Regeln in den einzelnen Netzwirtschaften zu orientieren, sondern an der Vergleichbarkeit des grundsätzlich bestehenden Regelungsbedarfs.91 Für den Bereich der natürlichen Netzmonopole besteht mit der Einräumung kompetitiver Zugangsansprüche ein netzwirtschaftsrechtlicher Kernbereich, der im Grundsatz einer Systematisierung zugänglich erscheint.92 Die hierbei jeweils bestehenden Wettbewerbsprobleme, die daraus folgenden Anforderungen im Bereich der Entgeltkontrolle und die hier skizzierte Regulierungslösung sind netzübergreifend vergleichbar. Dies erlaubt die gemeinsame rechtliche Erfassung und Herausarbeitung von tragenden Prinzipien und Methoden eines künftigen Netzwirtschaftsrechts.93 Aus der Betrachtung des gegenwärtigen Rechts lässt sich ein Regelungskanon gewinnen, der eine vereinheitlichende Kodifikation gestattet.94 Neben Normen über die Einräumung von Zugangsansprüchen und die

89 Dazu M. Burgi, NJW 2006, 2439, 2442 der zutreffend auch auf Grenzen der politischen Realisierbarkeit verweist. 90 Vgl. aber auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT der schon auf Basis des aktuellen Rechts ein Vereinheitlichungspotential identifiziert. 91 2. Teil, 3. Abschnitt, A. Erforderlich wird dabei auch eine Berücksichtigung der Fragen der Gesetzgebungskompetenz und der Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorgaben sein, vgl. dazu M. Burgi, NJW 2006, 2439, 2441, 2443; I. Pernice, WHI Paper 3/06. 92 So auch U. Böge, N&R 2004, 45. Ansätze zu dieser Systematisierung bei J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 350; C. Theobald, IR 2004, 2. 93 Vgl. F. J. Säcker, AöR 130 (2005), 180; C. Theobald/K. Hummel, N&R 2004, 2. 94 Vgl. auch J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 337 ff.; C. Koenig/W. Rasbach, DÖV 2004, 733; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 105; skeptisch hingegen M. Burgi, NJW 2006, 2439.

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5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

jeweilige Entgeltgestaltung sind hiervon insbesondere Transparenzpflichten und Entflechtungsvorschriften umfasst. Hinzu käme wohl der Bereich des Universaldienstes. 2. Vorzüge der Kodifikation Positive Wirkungen einer Kodifikation können sich durch die Möglichkeit einer von den Spezifika einzelner Netze gelösten, dogmatischen Durchdringung ergeben. Das Modell der Regulierung ist durch die Verfügbarkeit verschiedener Instrumente gekennzeichnet, aus denen die regulierende Behörde situationsbezogen auswählen kann. Eine sektorübergreifende Normierung würde die vom konkreten Einzelfall gelöste Analyse dieser Regulierungsinstrumente erleichtern. Besondere Anhaltspunkte hierfür liefert das gegenwärtige Telekommunikationsrecht wegen seiner vergleichsweise hohen Entwicklungsstufe.95 Aus den verschiedenen zur Auswahl stehenden Interventionen lässt sich eine Art Instrumentenkatalog ableiten, der die Regulierungsbehörde in die Lage versetzt, in Abhängigkeit von der konkret beobachteten Marktentwicklung, Einwirkungen auf den Wettbewerbsrahmen vorzunehmen. Perspektivisch kann aus einer solchen sektorunabhängigen Zusammenstellung von Regulierungsinstrumenten ein Allgemeiner Teil des Netzwirtschaftsrechts gebildet werden.96 Dieser könnte die grundsätzlichen Regelungen zusammenfassen, die für alle Netzbereiche anwendbar sind. Auch wenn im Ergebnis nicht alle Einzelinstrumente für jeden Bereich anwendbar sein mögen und physikalisch-technische Gegebenheiten zu beachten sind97, steht dies der Implementierung bereichsübergreifender Regelungen nicht entgegen. Im Rahmen des Regulierungsverfahrens besteht hinreichend Raum zur Berücksichtigung solcher sektorspezifischer Besonderheiten. Die Befürchtung übermäßiger Komplexitätsreduktion durch eine solche sektorübergreifende Zusammenfassung der Regulierungsinstrumente erscheint daher unbegründet.98 Wo gleichwohl der Bedarf an bereichsspezifischen Regeln fortbesteht, könnten diese innerhalb eines Besonderen Teils des Netzwirtschaftsrechts bzw. in fortbestehenden sektorspezifischen Fachgesetzen berücksichtigt werden.99 Vorteilhaft wäre auch der durch die Kodifikation ausgelöste Harmonisierungsdruck. Der geschilderte einheitliche Ansatz eines Netzwirtschaftsrechts führt hinsichtlich der Beibehaltung bereichsspezifischer Regelungen zu einer 95

Vgl. J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 105. J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 102; zurückhaltend hingegen M. Burgi, NJW 2006, 2439. 97 Vgl. dazu C. Koenig/W. Rasbach, DÖV 2004, 733. 98 Vgl. dazu J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 40. 99 H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 836; J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 102. 96

2. Abschnitt: Vom Privatisierungsfolgenrecht zum Regulierungsrecht

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Darlegungslast. Wo die Analyse auf unterschiedliche Regelungsansätze stößt, die nicht dem Privatisierungsfolgenrecht zuzurechnen sind, wäre die Verursachung dieser Abweichungen durch tatsächliche bereichsspezifische Besonderheiten zu untersuchen. Es besteht so die Möglichkeit, die überkommenen Sonderbereichslehren und die damit oft verknüpfte Besitzstandswahrung wirkungsvoll zurückzudrängen.100 Hinzu kommt, dass der gegenwärtig bestehende Detaillierungsgrad der Einzelbereiche teilweise noch als Überbleibsel ehemals staatlicher Erfüllungsverantwortung betrachtet werden kann.101 Infolge der Rückführung des Privatisierungsfolgenrechts ist daher insgesamt mit dem Auslaufen spezifischer Einzelregelungen zu rechnen, wodurch das Potential einer Vereinheitlichung steigt. Der Wunsch, Experimentierfelder zu belassen,102 macht den Fortbestand nebeneinanderstehender Regelungssysteme im Bereich der Netzwirtschaften nicht erforderlich. Im Rahmen des hier angedeuteten Prinzips einer kybernetischen Regulierung böte die zusammenfassende Kodifikation vielmehr die Möglichkeit, Erfahrungen aus anderen Sachbereichen sektorübergreifend nutzbar zu machen.103 Der einheitliche Rechtsrahmen würde fachübergreifende Analysen erleichtern und den Wissenstransfer unterstützen. Aus der Zusammenführung der verschiedenen sektorspezifischen Regelungen ergibt sich auch ein Ansatz, die befürchtete Vereinnahmung des Regulierers durch interessierte Wirtschaftskreise zu vermeiden.104 3. Aussichten einer Kodifikation des Netzwirtschaftsrechts Trotz der grundsätzlichen Möglichkeit einer Kodifikation im Bereich der Netzwirtschaften sind die hierbei zu erwartenden Hindernisse und Widerstände nicht zu unterschätzen. Neben den Schwierigkeiten, ein derartiges Projekt unter

100 C. Koenig/W. Rasbach, DÖV 2004, 733; H. C. Röhl, JZ 2006, 831, 836. Das der Kodifikation innewohnende Harmonisierungspotential erscheint bei M. Burgi, NJW 2006, 2439, 2442 unzureichend berücksichtigt. 101 Kritisch auch U. Böge, N&R 2004, 45. Die Aufgaben der technisch orientierten Fachverwaltung werden sich zumeist von denen unmittelbar wettbewerbsbezogenen Regulierungsaufgaben abschichten lassen; anders wohl J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 53. 102 So offenbar J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 40. 103 Zu Recht verweist J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 56 auf die Möglichkeit positive Regulierungserfahrungen auf andere Sektoren zu übertragen; vgl. auch C. Koenig/W. Rasbach, DÖV 2004, 733, 733 f. 104 Zur Gefahr eines regulatory capture, vgl. R. H. Weber, Wirtschaftsregulierung in wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen, S. 92; G. Knieps, in: Horn/Knieps/Müller (Hrsg.), Deregulierungsmaßnahmen in den USA, S. 39, 55; sowie oben 2. Teil, 3. Abschnitt, C. Dazu J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 56; vgl. auch U. Böge, N&R 2004, 45, 46.

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5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts

den Bedingungen praktischer Politik umzusetzen,105 ist insbesondere mit erheblichen Beharrungskräften der beteiligten Interessenträger zu rechnen. Zu denken ist auch an Schwierigkeiten, die sich aus der fehlenden Harmonisierung der europarechtlichen Vorgaben ergeben.106 Unabhängig von den tatsächlichen Umsetzungschancen ist die sektorübergreifende Betrachtung der Netzwirtschaften aus den genannten Gründen sinnvoll. Selbst wenn in absehbarer Zukunft mit der Verabschiedung eines sektorübergreifenden Rechtsrahmens der Netzwirtschaften nicht gerechnet werden kann, bietet die rechtswissenschaftliche Herausarbeitung der Grundzüge eines Netzwirtschaftsrechts die Möglichkeit, den Blick für die Gemeinsamkeiten zu schärfen und so die Anwendungseffizienz zu erhöhen.107 II. Schluss Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass mit der Überführung der Netzwirtschaften in ein wettbewerbliches Umfeld die Bedeutung des Kartellrechts in diesem Bereich erheblich zunimmt. Auch für die Zeit nach der Rückführung des Privatisierungsfolgenrechts wurde jedoch ein eigenständiger potentieller Regelungsbedarf108 im Bereich beständiger natürlicher Netzmonopole festgestellt. Nach dem Ergebnis dieser Arbeit kann das Kartellrecht eine adäquate Bewältigung dieses Bereiches nicht leisten. Aus juristischer Sicht stellt die hier skizzierte Form der Netzregulierung eine Möglichkeit dar, die wettbewerblichen Probleme in diesem Teil der Netzwirtschaften zu bewältigen. Die in der vorliegenden Arbeit gewonnenen Erkenntnisse können bei der künftigen Herausbildung eines sektorübergreifenden Rechts der Netzwirtschaften als Bausteine herangezogen werden.

105

Vgl. M. Burgi, NJW 2006, 2439, 2441. Dazu M. Burgi, NJW 2006, 2439, 2441 f. 107 Dazu schon auf Basis des positiven Rechts J. Kühling, Sektorspezifische Regulierung; vgl. auch J. Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S. 11, 38 ff. 108 Zu den hieraus folgenden Einschränkungen, vgl. oben 2. Teil, 3. Abschnitt, C. 106

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung Einleitung 1. Gemeinsames Merkmal der Telekommunikations-, Elektrizitäts- und Gaswirtschaft sowie der Eisenbahnen ist deren Netzgebundenheit. Seit Beginn ihrer jeweiligen Entwicklung standen diese Wirtschaftsbereiche im Zentrum staatlichen Einwirkens auf den Wirtschaftsprozess. Das rechtliche Umfeld in diesen Bereichen wurde jedoch seit Ende der 1980er Jahre erheblichen Umwälzungen unterworfen. 2. Mit der Fortentwicklung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zur Bundesnetzagentur im Jahre 2005 ist nunmehr erstmals eine gewisse Vereinheitlichung des organisatorischen Rahmens staatlichen Handelns auf dem Gebiet der Netze erreicht. Ein Abschluss der materiellen Rechtsentwicklung ging mit der organisatorischen Regelung freilich nicht einher. Die Frage, inwieweit im Ergebnis der fortschreitenden Rechtsentwicklung ein spezifisches und gegebenenfalls vereinheitlichtes Recht der Netzwirtschaften entstehen kann oder entstehen sollte, ist in der Literatur umstritten. 1. Teil: Netzwirtschaften als Gegenstand des Rechts 1. Obwohl der Begriff des Netzes inzwischen Eingang in die Rechtssprache gefunden hat, ist eine Legaldefinition nicht erfolgt. Die juristische Anwendungspraxis hat einen klar umrissenen Begriff bislang nicht herausarbeiten können. 2. Eine Bestimmung des Netzbegriffes kann sich auf das durch die Netze der Telekommunikation, der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft und des Eisenbahnwesens begründete Vorverständnis stützen. Auf dieser Grundlage bietet sich zur näheren Definition der Netze ein Rückgriff auf den von den Wirtschaftswissenschaften geprägten Netzbegriff an. Mit von Weizsäcker sind Netze demnach „raumübergreifende, komplex verzweigte Transport- und Logistiksysteme für Güter, Personen oder Information“. 3. Die hierdurch gewonnene Klarheit beschränkt sich jedoch auf einen Begriffskern, ohne in den Randbereichen für hinreichende Abgrenzungssicherheit sorgen zu können. In Bereichen immaterieller Netze sind die Grenzen der Definition erreicht. Eine abschließende Definition der Netze ist für die Frage nach der Schaffung eines Rechts der Netzwirtschaften indes entbehrlich. Gegenstand

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Zusammenfassung

eines sich entwickelnden Netzwirtschaftsrechts kann allein die Bewältigung solcher Sachprobleme sein, die sich als prägend für den Bereich der Netze erweisen. Den Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung bildet somit die Frage, inwieweit im Bereich der Netzwirtschaften typischerweise Eigenheiten oder Regelungsanliegen zu beobachten sind, die sich gerade aus dem Netzcharakter des jeweiligen Wirtschaftsbereichs ergeben. Der Bereich der Netzwirtschaften kann in diesem Sinne indirekt anhand der Feststellung netzspezifischer Sachprobleme erfasst werden. 4. Nach dem weitgehenden Abschluss der Liberalisierung ist der gegenwärtige Rechtsrahmen der Netzwirtschaften vom Ziel der Leistungserbringung im freien Wettbewerb geprägt. Trotz dieser Grundentscheidung für den Wettbewerb bestehen allerdings oftmals Regelungen, die die Vereinbarkeit der Wettbewerbsergebnisse mit sozialpolitischen und gemeinwohlorientierten Zielen bezwecken. Neben der Untersuchung möglicher ökonomischer Besonderheiten der Netzwirtschaften sind somit auch die gemeinwohlbezogenen Eigenheiten des Wirtschaftsbereiches zu berücksichtigen.

2. Teil: Netzspezifischer Regelungsbedarf 1. Ökonomische Untersuchungen haben auf der Kostenseite das Problem der Unteilbarkeiten als charakteristisch für Netzwirtschaften herausgearbeitet. Unteilbarkeiten können Kostenvorteile größerer Unternehmen begründen. Infolge spezifischer Kosteneffekte bei Aufbau und Betrieb von Netzen kann mitunter ein einzelner großer Anbieter den gesamten Markt zu günstigeren Konditionen versorgen als mehrere kleinere Anbieter. Die Verdrängung kleinerer Anbieter ist wegen der möglichen gesamtwirtschaftlichen Kostenersparnis auch volkswirtschaftlich vorteilhaft. Historisch führte dies in verschiedenen Bereichen zur Anerkennung und zum rechtlichen Schutz der sogenannten natürlichen Monopole. Das als volkswirtschaftlich unerwünscht betrachtete Eindringen von Wettbewerbern wurde rechtlich unterbunden. 2. Bei genauerer Betrachtung erweist sich die Analyse unter dem Gesichtspunkt natürlicher Monopole allerdings als unvollständig. Die durch die Ausschaltung des Wettbewerbs verursachten Effizienzverluste sind in die Betrachtung einzubeziehen. Hinzu kommt, dass es sich bei den betroffenen Netzwirtschaften nicht um homogene Bereiche handelt, sondern einzelne Abschnitte der Wertschöpfungskette in durchaus unterschiedlichem Maße dem Wettbewerb zugänglich sind. Unter Rückgriff auf die Figur der potentiellen Konkurrenz und die Erkenntnisse zur Bestreitbarkeit von Märkten ist daher eine Differenzierung der Unteilbarkeitsproblematik vorzunehmen. Nur dort, wo Subadditivität vorliegt und gleichzeitig die Kosten des Netzaufbaus in hohem Maße irreversibel sind, ist von einer nachhaltigen Gefährdung des Wettbewerbs auszugehen. Eine

Zusammenfassung

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Durchmusterung verschiedener Netze zeigt zudem, dass die aus der Unteilbarkeit folgende Effizienzproblematik im Wesentlichen auf den Bereich physischer Netze beschränkt ist. Allein in diesem Bereich kann aus wettbewerbsökonomischer Sicht von einer negative Effizienzerwartung ausgegangen werden. 3. Demgegenüber lässt sich das nachfrageseitige Phänomen der positiven Häufigkeitsabhängigkeit vorrangig im Bereich immaterieller Netze beobachten. Während die Nutzbarkeit physischer Netze bei einem Anstieg der tatsächlichen Nutzung tendenziell eher abnimmt, ist bei immateriellen Netzen, die auf einer Interaktion der Nutzer aufbauen, oftmals der gegenteilige Effekt zu beobachten. Die Hinzufügung eines neuen Nutzers kann hier zu einem Mehrwert für alle Nutzer führen. Folge ist eine Selbstverstärkung der Nachfrage, die dazu führen kann, dass ein Anbieter sich als Marktbeherrscher etablieren kann, wohingegen für andere Wettbewerber nur als Nischenanbieter Überlebenschancen bestehen. Zugleich kann die Interdependenz der Nutzung auch die Erosion einer bestehenden marktmächtigen Stellung durch Konkurrenten erschweren. Die so beschriebene Wirkungskette erweist sich letztlich aber nur als mögliche Entwicklung. Ein Automatismus, welcher eine ex ante Prognose einer Vermachtung des Marktes oder suboptimaler Wettbewerbsergebnisse ermöglichen würde, besteht nicht. 4. Jenseits der ökonomischen Sonderbedingungen werden auch Gemeinwohlaspekte zur Begründung staatlicher Einflussnahme auf die Netzwirtschaften herangezogen. Grundlage hierfür ist zunächst der Infrastrukturcharakter der Netze. Netzgebundene Kommunikations- und Transportindustrien liefern die Grundlage für die Bildung überregionaler Märkte. Zudem bilden die Leistungen dieser Wirtschaftszweige die Grundlage für zahlreiche weitere Wirtschaftsbereiche. Unter mehr individualorientiertem Blickwinkel kommt den Netzwirtschaften auch eine sozialpolitische Dimension zu. Der grundlegende Charakter netzgebundener Versorgungsleistungen lässt diese Dienste als Teil der Daseinsvorsorge erscheinen. Indem das befürchtete Auseinanderfallen des tatsächlichen und des gewünschten Marktergebnisses Grundlage staatlicher Einflussnahme im Bereich der Netzwirtschaften ist, lassen sich die bestehenden gemeinwohlbezogenen Besonderheiten allerdings kaum von den ökonomischen Besonderheiten trennen. 5. Die genannten ökonomischen und gemeinwohlorientierten Besonderheiten beruhen unmittelbar auf dem Netzcharakter der Wirtschaftsbereiche, so dass von einem netzspezifischen Regelungsbedarf ausgegangen werden kann. Im Unterschied zu den im Privatisierungsfolgenrecht adressierten Problemen der anfänglichen Wettbewerbseinführung in ehemals gesetzlich geschützten Monopolbereichen fehlt den herausgearbeiteten netzspezifischen Problemen der transitorische Charakter. Wenngleich das Vorliegen der konkreten Bedingungen etwa für die Problematik natürlicher Monopole im Einzelfall streitig sein mag, ist

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von der Dauerhaftigkeit der netzspezifischen Regelungsproblematik als solcher auszugehen. 6. Der aus der Netzeigenschaft abgeleitete und dauerhaft fortbestehende Regelungsbedarf kann zur Eingrenzung des Regelungsbereiches eines Rechts der Netzwirtschaften herangezogen werden. Zugleich bilden die herausgearbeiteten Besonderheiten die Grundlage für die Bestimmung geeigneter Lösungsansätze in der juristischen Umsetzung des Steuerungsziels. 7. Im Bereich der natürlichen Monopole führt die Erkenntnis, dass Wettbewerbshindernisse nur in Teilbereichen bestehen, zur Eröffnung des Wettbewerbs in den vor- und nachgelagerten Bereichen. In wettbewerbsresistenten Teilbereichen bieten dagegen Zugangs- bzw. Mitbenutzungsansprüche eine Möglichkeit, die wettbewerblichen Auswirkungen des natürlichen Monopols zu minimieren. Aufgrund des bestehenden Wettbewerbsverhältnisses zwischen Zugangsverpflichtetem und Zugangspetenten und des hieraus folgenden Diskriminierungsanreizes sind die Zugangsansprüche durch die Sicherung angemessener Zugangskonditionen zu flankieren. 8. Bei Netzeffekten, für die eine negative Effizienzprognose nicht begründet ist, können im Einzelfall eingeräumte Zugangsansprüche zum Aufbrechen punktueller Vermachtungen dienen. Daneben sind die Besonderheiten der Netzwirtschaften auch in der Bewertung neuartiger Geschäftsstrategien zu beachten. Die sozialpolitische Dimension der Netzwirtschaften findet in den Versorgungspflichten des Universaldienstes ihre Berücksichtigung. 9. Die festgestellten netzspezifischen Besonderheiten sind allein nicht geeignet, den staatlichen Eingriff in den Wettbewerb zu begründen. Auch soweit im Bereich der natürlichen Monopole teilweise ex ante eine negative Effizienzprognose begründet ist, ergibt sich daraus keine hinreichende Begründung für eine Intervention in den Wettbewerbsprozess. Die letztlich politisch zu treffende Entscheidung über die Intervention mit Mitteln des Rechts erfordert eine Prognose über die Wirksamkeit der intendierten Maßnahmen. Eine solche Wirksamkeitsprognose ist auf die konkrete Ausgestaltung des Interventionsrahmens zu beziehen. Die juristischen Möglichkeiten einer Implementierung der zur Reaktion auf netzspezifische Besonderheiten vorgeschlagenen Eingriffe sind folglich Grundlage der Interventionsentscheidung. 3. Teil: Eignung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells zur Bewältigung der netzspezifischen Regelungsaufgaben 1. Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Grundentscheidung für die Überführung der Netzwirtschaften in den Wettbewerb liegt die Bewältigung des netzspezifischen Regelungsbedarfs mit Mitteln des GWB nahe. Die Ausrichtung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells auf den Wettbewerb basiert auf den

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Prinzipien der individuellen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit und der gleichzeitigen Bewirkung gemeinwohlverträglicher Ergebnisse. Nach dem Modell der unsichtbaren Hand schützt das GWB eine Wettbewerbsordnung, die durch das freiheitsbestimmte Eigennutzstreben der Wettbewerber indirekt das Wohl der Allgemeinheit fördert. Man kann insofern von einer Mustervoraussage sprechen, wonach die Ergebnisse des freien Wettbewerbs regelmäßig mit den Interessen der Gemeinschaft im Einklang stehen. 2. Aus Sicht des gemeinwohlverpflichteten Staates erweist sich der vom GWB geschützte freie Wettbewerb als alternative Steuerungsressource, die zur Beförderung des Gemeinwohls nutzbar gemacht werden kann. Voraussetzung für die Nutzung des wettbewerbsimmanenten Steuerungspotentials ist indes die Anerkennung der Eigenrationalität wettbewerblichen Handelns. Eine Nutzung des Wettbewerbs auf Grundlage der Mustervoraussage bedingt daher, dass der individuellen wirtschaftlichen Entfaltung ein hinreichender Freiraum eröffnet wird, in dem die Wettbewerber selbst die Ziele ihres Handelns bestimmen. Zielsetzung und Zielverfolgung sind nach dem Ordnungsmodell des GWB Sache der Wettbewerber. Die hieraus entstehenden Wettbewerbsergebnisse tragen im Sinne der Mustervoraussage die Vermutung der Gemeinwohlverträglichkeit aufgrund ihrer Entstehung bereits in sich. 3. Mit dem GWB unvereinbar ist daher die Instrumentalisierung des Wettbewerbsmechanismus zur Verfolgung eigener, im politischen Prozess formulierter, Ziele. Innerhalb des wettbewerblichen Steuerungsmodells kommt dem Staat nicht die Rolle eines Akteurs, sondern die eines Schiedsrichters zu. Soll die Steuerungsressource des Wettbewerbs nutzbar gemacht werden, beschränkt sich die hoheitliche Tätigkeit auf den Schutz der Entstehensvoraussetzungen des Wettbewerbs und auf seine Aufrechterhaltung. Infolge dieser notwendigen Ausrichtung des Kartellrechts auf den Schutz der Funktionsvoraussetzungen des Wettbewerbs erscheint das GWB monofinal. Die monofinale Ausrichtung auf den Wettbewerb gilt auch im Rahmen der Kartellaufsicht. 4. Diese Orientierung des Kartellrechts am Schutz des Wettbewerbs als Mittel der Gemeinwohlsicherung legt die Bewältigung der netzspezifischen Probleme innerhalb des kartellrechtlichen Rahmens nahe. Vor dem Hintergrund der Entscheidung für die Erbringung der netzbasierten Leistungen im Wettbewerb bei gleichzeitiger Sicherung von Gemeinwohlinteressen erscheint das GWB als aufgabenadäquat. Dies gilt jedenfalls für die Bereiche der Eröffnung von Zugangsansprüchen im Bereich natürlicher Monopole und bei Netzeffekten. Zur Bewältigung der Probleme der natürlichen Netzmonopole und der Netzeffekte ist aber auch die konkrete Eignung des kartellrechtlichen Ansatzes zur Bereitstellung der erforderlichen Zugangsansprüche erforderlich. 5. Eine differenzierende Bewertung ist jedoch für den Bereich des Universaldienstes geboten. Während auch für die vom Universaldienst umfassten Leistun-

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gen der Vorrang der wettbewerblichen Erbringung anzunehmen ist, wird der Bereich des kartellrechtlichen Ordnungsmodells dann verlassen, wenn die Definition des gewünschten Universaldienstniveaus in Rede steht.

4. Teil: Eignung kartellrechtlicher Mittel zur Bewältigung der netztypischen Zugangsproblematik 1. Ansprüche auf Zugang zu bzw. Mitbenutzung von fremden Einrichtungen ergeben sich im GWB hauptsächlich aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB. Diese Vorschrift, die nach dem Vorbild der amerikanischen Essential-Facilities-Doktrin in das GWB aufgenommen wurde, soll insbesondere die Wettbewerbsprobleme natürlicher Monopole adressieren. Auch wenn die Grenzen des Anwendungsbereiches des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nach wie vor ungeklärt sind, gehört der Bereich der physischen Netze, für die hier die Problematik natürlicher Monopole herausgearbeitet wurde, zum gesicherten Anwendungsbereich der Vorschrift. Für im Einzelfall erforderliche Zugangsansprüche im Bereich von Netzeffekten kann dagegen auf das Behinderungsverbot nach § 19 Abs. 4 Nr. 1, § 20 Abs. 1 GWB zurückgegriffen werden. 2. Die für die Begründung kartellrechtlicher Zugangsansprüche erforderliche Marktbeherrschung wird im hier untersuchten Bereich regelmäßig gegeben sein. Erst die durch die Netzeigenschaften hervorgerufene nachhaltige Vermachtung des Wettbewerbs bildet die Grundlage für die Einräumung von Zugangsansprüchen. Auch die kartellrechtliche Behandlung von Kapazitätsengpässen ist im Grundsatz für die Bereitstellung der netzspezifisch nötigen Zugangsansprüche adäquat. 3. Für die Bestimmung der Zugangsentgelte nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB und §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB kann auf den Maßstab des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB zurückgegriffen werden. Die Problematik der kartellrechtlichen Preisaufsicht kommt somit auch im Rahmen der Zugangsansprüche zum Tragen. Trotz der bestehenden Schwierigkeiten, die Preishöhenkontrolle innerhalb des Wettbewerbssystems des GWB durchzuführen, sind ordnungspolitische Forderungen nach einem Totalverzicht auf das Instrument der Preishöhenkontrolle unbegründet. Als ultima ratio hat die Preishöhenkontrolle ihren Platz in der Wettbewerbsordnung. Erforderlich ist allerdings die Beschränkung der Preishöhenkontrolle auf Einzelfälle und die gleichzeitige Einschränkung der Kontrolltiefe. 4. Im Ordnungsmodell des GWB ist der Wettbewerb Maßstab der Preiskontrolle, so dass die grundsätzliche Möglichkeit des Wettbewerbs Voraussetzung für eine systemkonforme Preishöhenaufsicht ist. Die Wettbewerbsabhängigkeit der Preishöhenaufsicht führt bei natürlichen Monopolen zu Schwierigkeiten. Das in besonderer Weise auf den Maßstab des Wettbewerbs abstellende Ver-

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gleichsmarktkonzept steht in diesem Bereich in Ermangelung eines Vergleichsmarktes mit hinreichendem Wettbewerb regelmäßig nicht zur Verfügung. Für die kartellrechtliche Kontrolle des Zugangsentgelts kann somit nur auf das Mittel der Kostenkontrolle zurückgegriffen werden. 5. Die im Rahmen der Kostenkontrolle erforderliche Entscheidung über die Berechtigung bestimmter Kostenpositionen hat unmittelbare Auswirkungen auf das Marktverhalten des Unternehmens. Infolge der strukturellen Wettbewerbsresistenz des natürlichen Monopols fehlt allerdings der erforderliche wettbewerbliche Maßstab für die hier zu treffende Entscheidung. Hinzu kommt, dass die Entscheidung über das Zugangsentgelt nicht auf einen Ausnahmefall beschränkt werden kann. Da die Ersetzung durch einen wettbewerbsunabhängigen Maßstab innerhalb des Ordnungsmodells des GWB ausscheidet, ist eine effektive Kontrolle des Zugangsentgelts für natürliche Netzmonopole mit kartellrechtlichen Mitteln nicht möglich. 6. Demgegenüber bestehen hinsichtlich der kartellrechtlichen Kontrolle der Zugangsentgelte im Bereich von Netzeffekten keine besonderen Schwierigkeiten. Soweit hier eine zwangsweise Zugangseröffnung nötig ist, handelt es sich allein um Einzelfälle. Zudem wird für die Entgeltkontrolle regelmäßig ein wettbewerblicher Vergleichsmarkt zur Verfügung stehen. 7. Vorschläge zur Fortentwicklung des Kartellrechts sind nicht geeignet, das maßgebliche Problem des fehlenden Maßstabs der Entgeltkontrolle zu überwinden. Da im natürlichen Monopol der freie Wettbewerb an seine Grenzen kommt, gerät auch das auf den Wettbewerb ausgerichtete Ordnungsmodell des GWB an seine Grenzen. Ohne eine Durchbrechung des kartellrechtlichen Ordnungsmodells ist eine Bewältigung der netzspezifischen Probleme physischer Netze mit Mitteln des GWB nicht möglich. 5. Teil: Grundlagen eines Netzwirtschaftsrechts 1. Eine Lösung der netzspezifischen Probleme muss am festgestellten Mangel des Entgeltmaßstabs ansetzen. Nachdem aus dem Ordnungsmodell des GWB ein solcher Maßstab nicht abgeleitet werden kann, ist ein außerkartellrechtlicher Maßstab zu suchen. Zugleich muss wegen des Ausfalls der kartellrechtlichen Mustervoraussage eine eigenständige Richtigkeitsgewähr implementiert werden. 2. Der im Wettbewerb durch die unsichtbare Hand erfolgende Interessenausgleich ist durch ein Alternativmodell zu ersetzen, das über eine eigenständige Entscheidungslegitimation verfügt. Ein öffentlich-rechtlich strukturiertes Verfahren, das die beteiligten Interessen sammelt und ihre angemessene Berücksichtigung im Rahmen der Entscheidung sicherstellt, kann diesen Ausgleich gewährleisten. Ein solcher Ansatz verlässt jedoch das auf individueller Handlungsrationalität beruhende kartellrechtliche Steuerungsmodell. Es erfolgt ein

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Wechsel in einen anderen Modus der Gemeinwohlverfolgung und ein Übergang zu staatlicher Handlungsträgerschaft. 3. Im Rahmen der Grundentscheidung für eine wettbewerbliche Leistungserbringung ist die Ausschaltung des Wettbewerbs allerdings nicht beabsichtigt. Die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung erfolgt daher im Wege einer Einwirkung auf den Wettbewerbsrahmen. Ziel ist die Ermöglichung von Wettbewerb in vorund nachgelagerten Märkten. Für staatliches Handeln in diesem wettbewerbsnahen Bereich erweisen sich Formen der Regulierung als besonders geeignet. In einem kybernetischen Regulierungsansatz ist es möglich, dynamisch auf Entwicklungen des Wettbewerbsumfelds zu reagieren und Lernpotentiale auszunutzen. Die Einräumung eines relativ weiten Aktionsspielraums ermöglicht zudem die Eigenkorrektur von Entscheidungen des Regulierers. 4. Die regulierende Einwirkung auf den Wettbewerbsrahmen erfolgt unter Rückgriff auf gesetzliche Gemeinwohlvorgaben. Die Berücksichtigung dieser Gemeinwohlziele führt allerdings nicht zu einer systemwidrigen Durchbrechung des Wettbewerbsprinzips. In Anerkenntnis der Wettbewerbsresistenz der natürlichen Netzmonopole werden die Gemeinwohlziele nur für eine proaktive Modifikation des Wettbewerbsrahmens genutzt. Die darin liegende Überdeterminierung des Handelns der Wettbewerber lässt deren individuelle Handlungsrationalität unberührt. 5. Ein so ausgestaltetes Recht der Netzwirtschaften unterscheidet sich vom Privatisierungsfolgenrecht durch seinen fehlenden Übergangscharakter. Sein Fortbestand hängt letztlich vom Fortbestand der netzspezifischen Wettbewerbsdefizite ab. Dogmatisch bietet sich die Möglichkeit, netzübergreifende Grundzüge eines solchen Regulierungsrechtes herauszuarbeiten und so die gewonnenen Erkenntnisse für verschiedene Netzbereiche nutzbar zu machen. Die Herausbildung eines solchen gemeinsamen Kerns netzspezifischer Regelungen könnte die Grundlage für ein künftiges allgemeines Netzwirtschaftsrecht bilden.

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Sachwortverzeichnis § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB, Entgeltmaßstab 196 § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB 145 – Angemessenheit des Entgelts 218, 171 – Anwendungsbereich 218 – austauschbezogene Angemessenheit 174 – behinderungsfreies Entgelt 198 – Duplizierbarkeit der Leistung 150 – Gewinnbegrenzung 177 – Immaterialgüterrechte 162 – immaterielle Netze 162 – Intention des Gesetzgebers 218, 145 – Kapazitätsgrenzen 152 – Kostenanalyse 176 – Marktbeherrschung 149 – natürliche Monopole 160 – Netzeffekte 162 – Nutzungsentgelt 171 – Price-Cap-Verfahren 225 – Rückgriff auf Spezialgesetze 219 – Sinn und Zweck der Norm 218 – Substituierbarkeit der Leistung 150 – Vergleichsmarktkonzept 174 – Verhältnis zur Public-Utility-Regulierung 155 – Zugangsobjekt 147 – Zugangsverpflichtete 149 – Zugangsverweigerungsgründe 152 § 315 BGB 235 Allgemeines Missbrauchsverbot 159 Allokationseffizienz 42 Als-Ob-Konzept 240 Als-Ob-Wettbewerb 174 Angemessenheit des Entgelts 218

Anreizregulierung 224, 246, siehe auch Price-Cap-Verfahren Aufsicht, kartellrechtliche 131, 133, siehe auch Kartellaufsicht, Missbrauchsaufsicht, Preishöhenkontrolle Behinderungsmissbrauch 159 Behinderungsverbot 157 Benchmarking 224, 225 – Informationsbedarf 227 Bestreitbarkeit 69 – Anwendung im Netzbereich 67 – Bedingungen 60 – Kritik 62 – Theorie 58 – Wirkung 61 Billigkeitskontrolle 235 contestable markets 58, siehe auch Bestreitbarkeit Duplizierbarkeit 69, 150, 161 economies of scale 48 Einheit der Rechtsordnung 219 Endkundenentgelte 257 Entgeltkontrolle 102, siehe auch Preishöhenkontrolle – § 315 BGB 235 – Anreizregulierung 224 – Aufnahme materieller Ziele 223 – außerkartellrechtliche Wertungen 219 – bei Netzeffekten 212, 215 – Benchmarking 224 – im natürlichen Monopol 215 – Informationsbedarf 223, 227, 242 – kompetitiver Netzzugang 171

Sachwortverzeichnis – – – – – – –

Legitimation 240 Maßstab 233 Methoden 223 Methodenregulierung 224 Netzzugang 170 Price-Cap-Verfahren 224 regulierungsspezifische Ausgestaltung 241 – Versorungsunternehmen 228 – verwaltungsrechtlicher Ansatz 244 – Weiterentwicklung des Kartellrechts 217 Erheblichkeitszuschlag 228, 232, 234 Erlösvergleich 225 Essential-Facilities-Doktrin 146, 198 ex ante vs. ex post Kontrolle 253 Externe Effekte – Begriff 71 – netzbezogene 71 Finale Programmierung von Verwaltungshandeln 247 Frequenzallokation 88, 100, 106, 141, 142 Frequenzmangel 168 Frequenzregulierung 93, 94 Gemeinkosten 205, 207 Gemeinwohl 41, 124, 126, 132, 138, 253 Gemeinwohlorientierte Rahmensetzung 246 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, siehe auch Kartellrecht – Aufsicht 133 – Funktionsbedingungen 128 – historische Entwicklung 111 – Josten-Entwurf 112 – Missbrauchsaufsicht 115 – Monofinalität 138 – Ordnungsmodell 110 – Regelungsmethodik 120 – Verbotsprinzip 114

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– Wettbewerbsgewährleistungsrecht 131 Gestaltung des Wettbewerbsrahmens 226 Gewährleistungsverantwortung 91, 105 Gewinnkontrolle 185 – Kritik 185 Gleichpreisigkeit 231 Größenvorteile 48 Grundentscheidung für Wettbewerb 88, 97, 98, 105, 167, 244, 256 Häufigkeitsabhängigkeit, positive 74 Influenzierung des Wettbewerbs 245 Informationsasymmetrien 87 Informationsdefizit 242 Informationsvorsprung 234 Infrastruktur 90 Infrastrukturverantwortung 90 Infrastrukturwettbewerb 249 Instrumentalisierung der Wettbewerbsordnung 126 Irreversibilitäten 63 Kapazität 49 Kapazitätsgrenze 47, 56, 70, 152, 155, 165, 166 Kartellaufsicht 131, 133 – Abwägungsentscheidungen 136 – ordnungskonforme Ausgestaltung 134 – Verhältnis zum Gemeinwohl 133 – Zielkonflikte 137 Kartellrecht – außerkartellrechtliche Ziele 221 – Fortentwicklung 222 – Instrumentalisierung des Wettbewerbs 126 – Monofinalität 223, 255 – Mustervoraussage 124 – Steuerungsmodell 124, 223 – Verhältnis zum Energierecht 220 – Verhältnis zum Netzwirtschaftsrecht 254

302

Sachwortverzeichnis

– Verhältnis zur Regulierung 252 – Wettbewerb als Steuerungsressource 223 – Zersplitterung 217 Kartellrechtliche Entgeltkontrolle siehe auch Entgeltkontrolle, Preishöhenkontrolle Kodifikation des Netzwirtschaftsrechts 259 Kompetitiver Netzzugang 101, 141, 143, 235 – Entgeltkontrolle 171, 200 Konzeptpflicht der Regulierungsbehörde 248 Kosten – Begriff 203 – betriebswirtschaftliche 186 – ineffiziente 206 – kalkulatorische 204 – normativer Kostenbegriff 213, 229 – Unklarheit des Kostenbegriffs 231 – versunkene 63 Kostenanalyse 176 Kosteneffekte – beim Netzaufbau 48 – beim Netzbetrieb 49 Kostenkontrolle 185, 204 – Kritik 185 Kritische Masse 75 Kybernetische Regulierung 248, 261 Marktanalyse 246 Marktergebniskontrolle 179, 185, 213 Marktinfluenzierung 246 Marktzutrittsregulierung 99 Maßstab der Entgeltkontrolle 171, 185, 187, 193, 213, 238 – kartellrechtliche Alternativen 217 Materielle Handlungsträgerschaft der Entgeltkontrolle 241 Methodenregulierung 224, 225, 246 Missbrauchsaufsicht 116, 131

Mitbenutzungsansprüche 100, 144, siehe auch Netzzugang Modifikation des wettbewerblichen Handlungsrahmens 244 Monofinalität des Kartellrechts 138 Monopolpreisvergleich 184, 202, 229 Mustervoraussage 122, 124, 129, 133, 138, 241 Natürliche Monopole 51 – Auswirkungen 52 – Definition 51 – empirische Bedeutung 55 – Gemeinwohlsicherung 241 – Kapazitätsgrenze 166 – Kritik 53 – Nichtwirtschaftliche Ausbauhindernisse 168 – Preishindernisse 168 – Vergleichsmarktkonzept 201 Netze – § 19 Abs. 4 Nr. 4 147 – Begriff 32 – Definition 33, 148 – immaterielle 35 – klassische 34 – Kosteneffekte 48 – materielle 33 – physische 33 – technische Normen 94 Netzeffekte 71 – Auswirkungen 75 – Effizienzwirkung 84 – Internalisierung 82 – Kritik 81 – Prognoseschwäche 86 – reversible 81 – Vergleichsmarktkonzept 202, 216 Netzregulierungsrecht 242 Netzspezifischer Regelungsbedarf 45, 97 Netzwirtschaften – Daseinsvorsorge 91

Sachwortverzeichnis – gemeinwohlbezogene Besonderheiten 90 – Grundentscheidung für Wettbewerb 244 – Infrastrukturcharakter 90 – Kartellrecht 139 – Liberalisierung 40 – Monopolbereich 54 – öffentliche Güter 88 – Rechtsrahmen 256 – ruinöse Konkurrenz 87 – Unteilbarkeiten 46 – Wettbewerb 46 Netzwirtschaftsrecht 238, 242, 258 – Gemeinwohlziele 253 – Kodifikation 259 – Verhältnis zum Kartellrecht 254 Netzzugang 100, 141 – Durchsetzbarkeit 164 – Entgeltkontrolle 200 – kartellrechtliche Repartierung 165 – kompetitiver 101, 143, 171, 200, 235 – Konditionen 170 – Marktbeherrschung 164 Netzzugangsentgelt, siehe auch Entgeltkontrolle, Preishöhenkontrolle – Vergleichsmarktkonzept 201 Normenkonkurrenz 221 Nummernregulierung 95 Nutzungsentgelt siehe Entgeltkontrolle, Preishöhenkontrolle Öffentliche Güter 88 Paretoeffizienz 42 Periodische Revision des Regulierungsrahmens 248 Positive Rückkopplung 75 Preishöhenkontrolle – als ultima ratio 189 – Erlösobergrenze 225 – Gemeinwohl 194 – Kostenkontrolle 203 – Kritik 178

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– – – – – – – – – – – –

Marktergebniskontrolle 179 Maßstab 193, 195 Methoden 174 natürliche Monopole 209 Notwendigkeit 188 ordnungskonforme Ausgestaltung 193 Ordnungskonformität 179 Subsidiarität 189 Tendenz zur Vollkontrolle 207 ultima ratio 210 Vergleichsmarktkonzept 174 Verhältnis zum kartellrechtlichen Ordnungsmodell 188 – Wettbewerbsmaßstab 213 – Wettbewerbsprinzip 195 – Zulässigkeit von Verbotsverfügungen 181 Price-Cap-Verfahren 224, 227, 246 Privatisierungsfolgenrecht 30, 95, 143, 232, 255, 257, 258 Prognoseschwierigkeiten 243 Public-Utility-Regulierung 155 Reaktives vs. proaktives Handeln 253 Referentenentwurf zum GWB 227 Regulierung 248 – Befristung von Entscheidungen 249 – gerichtliche Kontrolle 251 – Grundentscheidung für Wettbewerb 251 – Konzeptpflicht 248 – Legitimation durch Verfahren 248 – positive Theorie 106 – Strategiebildung 248 – Telekommunikation 249 – Verhältnis zum Kartellrecht 252 – Verhältnis zum Verwaltungsrecht 250 – Verhältnis zur Wirtschaftslenkung 251 Reinheit des Kartellrechts 220 Richtigkeitsgewähr 127, 241, 256, siehe auch Wettbewerb Rufnummernregulierung 95 Ruinöse Konkurrenz 87

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Sachwortverzeichnis

Sektorspezifisches Recht 28, 102, 172, 198, 232, 242, 253 – Rückführung in das GWB 255 Standardisierung 84 Standards 36, 77, 104 Steuerungsmodell des Kartellrechts 223 Subadditive Kostenfunktion 52 Substituierbarkeit 150 Teleologische Konkurrenz 221 Überdeterminierung individueller Handlungsrationalität 245 Umkehr der Beweislast 229 Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde 250 Universaldienst 105, 141, 142, 169, 257, 260 Unteilbarkeiten 46 Verbundvorteile 57 Vergleichsmarktkonzept 174, 185, 195, 213, 225, 232 – Kritik 183 – Monopolpreisvergleich 202 – natürliche Monopole 201 – Netzeffekte 202 – Vergleichbarkeit der Märkte 201 Vertikale Integration 155, 160

Wesentliche Einrichtung siehe EssentialFacilities-Doktrin Wettbewerb – als Entdeckungsverfahren 188 – als Koordinationsordnung 122 – Bedeutung individueller Freiheit 122 – fehlende Vorhersagbarkeit 239 – invisible hand 124 – Mustervoraussage 122 – Richtigkeitsgewähr 124, 126, 127, 138, 188, 190, 194, 196, 223, 239 – Simulation 239 – Verhältnis zum Gemeinwohl 124, 126, 132, 213 Wettbewerb um den Markt 100 Wettbewerbsaufsicht siehe Kartellaufsicht Wettbewerbsneigung 89, 256 Wettbewerbsordnung – als Steuerungsressource 126 – Gewährleistung der 130 – Legitimation 127 – Verhältnis zum Gemeinwohl 138 Wettbewerbspreis, hypothetischer 239 Wettbewerbsprinzip 122 Wirtschaftslenkung 131 Wirtschaftspolitik, allokative und distributive 41 Zielmatrix 247