Das Thema Kleidung in den Etymologien Isidors von Sevilla und im Summarium Heinrici 1 9783110293739, 9783110293654

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German Pages 631 [632] Year 2012

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Table of contents :
Danksagungen
Prolog
Einleitungen
Zu Isidor von Sevilla
Das historische Umfeld: Spanien im 6. und 7. Jahrhundert
Zur Quellenauswahl
Über das „Summarium Heinrici“
Texte, Übersetzungen und Kommentar
Isidor von Sevilla, Etymologien, Buch XIX, 20—34, Text und Übersetzung
Summarium Heinrici I, Buch IX, 1—14, Text und Übersetzung
Tabelle: Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen
Ergänzender Kommentar zu Isidors gesammelten Angaben
c.20 Die Erfindung der Wollearbeit
c.21 Die Priesterkleidung nach dem mosaischen Gesetz
c.22 Von den verschiedenen Arten und den Namen der Kleidungsstücke
c.23 Von der charakteristischen Kleidung [und den Kennzeichen] einiger Völker
c.24 Von den pallea der Männer
c.25 Von den pallea der Frauen
c.26 Von den Decken und den übrigen gebräuchlichen Textilien
c.27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe)
c.28 Von den Farben der Kleider
c.29 Über das Werkzeug [zur Herstellung] von Kleidung [vestes]
Exkurs 29
c.30 Vom Schmuck [ornamenta]
c.31 Vom Kopfputz der Frauen [ornamenta capitis]
c.32 Von den Fingerringen
c.33 Von den Gürteln
c.34 Vom Schuhwerk
Literaturliste
Personenregister
Einzeluntersuchungen aus archäologischer Sicht
Zum Phänomen der Nacktheit im römischen Reich. Eine Studie zum augenblicklichen Stand der Wissenschaft
Die Anfänge des Textilen
Auratae vestes
Textilarchäologie und Kleiderforschung nördlich der Alpen. Schwerpunkt: Alamannen und Merowingerzeit
Textiltechnologisches Glossar
Tafeln
Tafeln 1—23 mit Erläuterungen
Das römisch, christlich geprägte Westgotische Reich 600 n. Chr. — Karte mit Erläuterungen
Autorenverzeichnis
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Das Thema Kleidung in den Etymologien Isidors von Sevilla und im Summarium Heinrici 1
 9783110293739, 9783110293654

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Das Thema Kleidung bei Isidor von Sevilla und im Summarium Heinrici 1

Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Sebastian Brather, Dieter Geuenich, Wilhelm Heizmann, Steffen Patzold, Heiko Steuer

Band 80

De Gruyter

Das Thema Kleidung bei Isidor von Sevilla und im Summarium Heinrici 1 Herausgegeben von Mechthild Müller, Malte-Ludolf Babin und Jörg Riecke Unter Mitarbeit von Johanna Banck-Burgess, Hans Bauer, Tobias Espinosa, Margarita Gleba und Anne Reichert

De Gruyter

IV

ISSN 1866-7678 ISBN 978-3-11-029365-4 e-ISBN 978-3-11-029373-9 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar © 2013 Walter de Gruyter GmbH, 10785 Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ÜGedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degryuter.com

V

Danksagungen Nach der Fertigstellung des Buches „Kleidung nach Quellen des frühen Mittelalters“1 wuchs das Interesse an der Aufgabe, auch die Zeit davor auf ihre Quellen hin zu untersuchen. Denn natürlich fußte die Kleiderherstellung der Karolinger und Ottonen trotz mancher technischer Neuerungen auf dem Wissen und den Fähigkeiten, die lange vorher entwickelt worden waren. Im Verlauf der Forschungen stellte sich in zunehmendem Maße heraus, wieviel vom Gedankengut aus frühester Zeit in die Antike und das Mittelalter bis in das Heute hinein übernommen wurde. Was Carlo M. Sommer und Thomas Wind formulieren, gilt deshalb genauso für diese Arbeit: „Wir wollen in diesem Buch mit dem Vorurteil von der bloß ‚nützlichen‘ Kleidung und der nur unnützen, irrationalen Mode aufräumen und dabei vor allem die psychischen und sozialen Funktionen, die Kleidung und Mode für Individuen, Gruppen und Gesellschaft erfüllen, unter die Lupe nehmen. Dieses Buch über ‚Mode‘ ist weder eine Kostümgeschichte noch eine Hofberichterstattung […]. Die Schutzfunktion der Kleidung für den Menschen [ist] gar nicht so bedeutsam, wie oft behauptet wird. Wichtiger sind vielmehr die sozialen Funktionen der Kleidung: Auch durch die unauffälligste Kleidung tun wir uns wie anderen unsere Identität, unsere Hoffnungen und Ängste kund. Wir kommunizieren durch Kleidung. Wir senden mit ihr Botschaften aus, wir empfangen solche Botschaften und richten uns danach“2. Zu danken ist den Übersetzern vieler antiker Texte. Zu danken ist in besonderem Maße den Wissenschaftlern, die bereitwillig Fragen beantwortet haben, Unterlagen beisteuerten und mit Bildmaterial weiter halfen. Sie waren eine unerlässliche, stets bereichernde Hilfe und werden sich sicher an Details erinnern, auch wenn sie hier nicht namentlich erwähnt werden können. Der Dank gilt auch Herrn Walter Schön, der mir das Leben des Nachtfalters Pachypasa otus Drury in Einzelheiten schilderte. Herr Dr. Reza Sharifi 1

2

M. Müller, Die Kleidung nach Quellen des frühen Mittelalters, Textilien und Mode von Karl dem Großen bis Heinrich III. (Erg. zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 33), Berlin und New York 2003. C. M. Sommer und Th. Wind, Die Mode: wie das Ich sich darstellt (Psychologie, Taschenbuch 541), Weinheim und Basel 1991, S. 9–10.

VI

Danksagungen

erläuterte mir die Stationen seiner erfolgreichen Aufzucht der Bombyx mori – Raupen und ihrer Verpuppung. Mit Rabbi Nahum ben Jehuda gab es lange Gespräche über Leben und Traditionen im orthodoxen Judentum, die meine Kenntnisse über unterschiedliche jüdische Denkweisen erweiterten. Zu danken ist den Mitherausgebern für ihre Bereitschaft, auch langwierige Diskussionen auszuhalten und zu immer wieder neuen Gedanken erneut Stellung zu nehmen. Den Mitautoren dieses Bandes ist für ihre Geduld zu danken, die sie bis zur Fertigstellung aufbringen mussten. Ganz praktische Hilfe bekam ich von Frau Renate Körte, die Korrektur las und von Frau Nadja Salzmann, die meine Fähigkeit zum Lesen unterstützte. Die Mitarbeiter der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek halfen mit Informationen und der Bereitstellung vieler Bücher. Das Bildmaterial, unbedingt wichtig zum Verständnis einzelner Textabschnitte, wurde mir in großzügiger Weise von Einigen kostenfrei überlassen. Manche Museen verlangten nur geringe Preise. Zu danken ist den Herausgebern der Reihe der Ergänzungsbände für die Aufnahme des Manuskripts und in besonderem Maße der Cheflektorin Frau Dr. Gertrud Grünkorn und den Herren Christoph Schirmer und Andreas Vollmer für ihre gar nicht selbstverständliche Hilfsbereitschaft und ihre Förderung unserer Arbeit. Vor allen anderen aber danke ich – auch im Namen der Herausgeber – Frau Dr. Katharina Colberg, Hannover, für ihre vielfältige Unterstützung. Ohne ihr Engagement hätte diese Arbeit nicht veröffentlicht werden können. Im April 2012

Mechthild Müller

VII

Inhaltsverzeichnis Mechthild Müller Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Mechthild Müller Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitungen Mechthild Müller Zu Isidor von Sevilla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das historische Umfeld: Spanien im 6. und 7. Jahrhundert . . . . . . Zur Quellenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 5 11

Jörg Riecke Über das „Summarium Heinrici“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

Texte, Übersetzungen und Kommentar Malte-Ludolf Babin Isidor von Sevilla, Etymologien, Buch XIX, 20–34, Text und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

Malte-Ludolf Babin Summarium Heinrici I, Buch IX, 1–14, Text und Übersetzung . . . 103 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke Tabelle: Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Mechthild Müller Ergänzender Kommentar zu Isidors gesammelten Angaben . . . . c. 20 Die Erfindung der Wollearbeit . . . . . . . . . . . . . . . . c. 21 Die Priesterkleidung nach dem mosaischen Gesetz . . . . . . c. 22 Von den verschiedenen Arten und den Namen der Kleidungsstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 23 Von der charakteristischen Kleidung [und den Kennzeichen] einiger Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 155 . 155 . 157 . 172 . 211

VIII

Inhaltsverzeichnis

c. 24 Von den pallea der Männer. . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 25 Von den pallea der Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 26 Von den Decken und den übrigen gebräuchlichen Textilien c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe) . . . . . c. 28 Von den Farben der Kleider . . . . . . . . . . . . . . . . c. 29 Über das Werkzeug [zur Herstellung] von Kleidung [vestes] Exkurs 29 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 30 Vom Schmuck [ornamenta] . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 31 Vom Kopfputz der Frauen [ornamenta capitis] . . . . . . . . c. 32 Von den Fingerringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 33 Von den Gürteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 34 Vom Schuhwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

233 283 293 309 340 374 398 410 434 460 472 482 502 521

Tobias Espinosa Zum Phänomen der Nacktheit im römischen Reich. Eine Studie zum augenblicklichen Stand der Wissenschaft . . . . . .

537

Anne Reichert Die Anfänge des Textilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

547

Einzeluntersuchungen aus archäologischer Sicht

Margarita Gleba Auratae vestes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 Johanna Banck-Burgess Textilarchäologie und Kleiderforschung nördlich der Alpen. Schwerpunkt: Alamannen und Merowingerzeit . . . . . . . . . . .

565

Johanna Banck-Burgess Textiltechnologisches Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

577

Tafeln Mechthild Müller Tafeln 1–23 mit Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

583

Hans Bauer Das römisch, christlich geprägte Westgotische Reich 600 n. Chr. – Karte mit Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . .

620

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

623

1

Prolog Es war um das Jahr 632, und Isidor, der Metropolit von Sevilla, war zuerst fassungslos und dann wütend. Er hatte auf ein Gespräch mit seinem König gewartet, als ein königlicher Page ihm einen Brief von seinem besonders lieben Freund Braulio, Bischof von Saragossa, übergab. Noch ehe er ihn lesen konnte, musste er zum König gehen und legte den Brief in eine für solche Ablagen bereitstehende Schale. Bei seiner Rückkehr war die Schale leer und alles, was darin gelegen hatte, einschließlich des Briefes verschwunden. Voll Trauer schrieb er an Braulio und bat ihn, den Brief noch einmal zu schreiben. Die Antwort Braulios kam prompt und hatte es in sich. Nach einigen einleitenden höflichen Worten kam er zur Sache und beschrieb in eindrucksvollen Worten und mit immer neuen Redewendungen, unterteilt in 13 Abschnitte, seinen Ärger, dass er trotz vieler Bitten immer noch keine autorisierte Kopie der Etymologien oder origines erhalten habe. Der Brief, den einer seiner Diakone Isidor überbrachte, verfehlte seine Wirkung nicht1, denn Isidor schickte den codex der Etymologien zusammen mit anderen codices umgehend an Braulio, dem er erklärte2: „Obgleich er wegen meiner Hinfälligkeit nicht verbessert ist, hatte ich beschlossen, ihn dir [eigentlich] selbst zum Verbessern zu übergeben“. Damit gab Isidor kurze Zeit vor seinem Rücktritt vom Amt seine Arbeitsunterlagen aus der Hand. Die Etymologien, schreibt Braulio später, waren von Isidor nach Themen verfasst und geordnet worden, die Braulio, unter Beibehaltung einiger fehlender Ausführungen, in zwanzig Bücher unterteilte3. Die Begeisterung über die Etymologien hält bis heute an. Hier geht es um Isidors Kapitel 20 bis 34 des Buches 19. „Vom Phänomen der Nacktheit“, überschreibt Tobias Espinosa seinen Beitrag in diesem Band. Die Verwandlung einer Person ist durch Kleidung möglich: Vom Mann des Volkes zum Hohenpriester, vom Soldaten zum Kaiser oder von der Sklavin zur Kaiserin und umgekehrt. Darüber wird hier berichtet. Die Stichworte liefern Isidors Etymologien und für den althochdeutschen Sprachschatz das Summarium Heinrici. 1 2 3

Isid. epist. 11 und 12. Ebd. 13. Braulio, Renotatio, S. 203–204.

2

Prolog

3

Einleitungen

4

Prolog

Das historische Umfeld

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Zu Isidor von Sevilla Mechthild Müller

Das historische Umfeld: Spanien im 6. und 7. Jahrhundert Isidor, Metropolit von Sevilla von 599/601 bis 636, galt unter seinen Zeitgenossen als einer der gelehrtesten und kundigsten Männer. Geboren wurde er um 560. In seiner Schrift de viris illustribus schreibt er, dass sein Vater Severus hieß und die Familie Mitte des 6. Jahrhunderts aus der Provinz Carthagena nach Sevilla übersiedelte1. Offenbar starben seine Eltern, als er noch jung war, und so wurde er von seinen Geschwistern Leander, Fulgentius und Florentina betreut. Um sein Leben und sein Lebenswerk zu verstehen, ist es notwendig, etwas über das Land, in dem er wohnte, zu wissen. Die Ausführungen des folgenden Kapitels sind den Berichten verschiedener Autoren entnommen, insbesondere sind zu nennen R. Collins, „Early medieval Spain“, der von Alberto Ferreiro herausgegebene Sammelband, „The Visigoths“, E. A. Thompson, „The Goths in Spain“. Zeitgenössische Chroniken und wichtige Quellen sind neben anderen: Hydatius’ Chronik (endete 469), Martin von Bragas Schriften2, die Werke Gregors von Tours, Johannes von Biclar3 und Isidors Veröffentlichungen. Die iberische Halbinsel, seit alters Ziel von Eroberern, war seit etwa 200 v. Chr. dem Römischen Reich angegliedert. Plinius d. Ä. (ca. 23/24–79 1

2 3

Isid. vir. ill. 41, 57: Leander, genitus patre Severiano, Carthaginiensis provinciae Hispaniae, professione monachus, et ex monacho Hispalensis ecclesiae provinciae Bethicae constitutus episcopus, vir suavis eloquio, ingenio praestantissimus, vita quoque tantum atque doctrina clarissimus, ut etiam fide eius atque industria populi gentis Gothorum ab arriana insania ad fidem catholicam reverterentur. – R. J. Collins, Early Medieval Spain, S. 60 f., hält aufgrund der Namen Leander und Isidor eine byzantinische Herkunft der Familie für möglich, doch war der Name Isidor seit langem in Spanien bekannt, wie eine bilinguale Steininschrift aus der Zeit 80 v. Chr. belegt, Jürgen Untermann, in: Die Sprachen im römischen Reich der Kaiserzeit (Beihefte der Bonner Jahrbücher 40), Köln und Bonn 1980, S. 7. Isid. vir. ill. 22. Isid. vir. ill. 31.

6

Mechthild Müller, Zu Isidor von Sevilla

n. Chr.) war 73 n. Chr. Prokurator in der Hispania Tarraconensis4 und berichtet ausführlich an verschiedenen Stellen über Spanien, seine Bewohner und seine Städte5. Das Land besaß für Rom große wirtschaftliche Bedeutung. „Fast ganz Spanien hat Überfluß an Blei-, Eisen-, Kupfer-, Silber- und Goldbergwerken, das diesseitige [nach Italien hin] auch an Spiegelstein, die Baetica auch an Zinnober“6; hinzu kamen Zinngruben7. Florus ergänzt: „Gold, Borax, Mennige und Rohstoffe für andere Farben“8. Berühmt waren die Pferdezucht9, der Marmor, und von der hochgelobten Wolle aus der Baetica wird noch gesprochen werden. Plinius fügt hinzu, dass Kaiser Vespasian (69–79) ganz Spanien das Latinische Bürgerrecht verliehen habe10. Vorübergehende Herrrschaftsbildungen von Vandalen, Alanen und Sueben im 5. Jh. hinterließen ihre Spuren, und einige Machtbereiche wie die Provinz Galicien und Teile Lusitaniens blieben bis 585 unter suebischer Herrschaft. Deutlicher wurde Spanien von den Westgoten geprägt, die zunächst von den Römern zur Unterstützung herangezogen worden waren und deren Reich sich schließlich um 490 von Loire und Rhone bis zur Straße von Gibraltar erstreckte. In dieser Zeit wurden eigene Gesetze veröffentlicht. Der Codex König Eurichs (466–484) baut auf Gesetzen auf, die sein Vater Theoderich I. (418–451) erlassen hatte11. 506 veröffentlicht Alarich II. (484–507) sein Breviarium. Von Eurichs Codex haben nur einige Fragmente überlebt, eine revidierte Fassung stammt aus der Zeit König Leovigilds (568–586), sie wird 654 als Lex Visigothorum unter König Rekkeswinth (653–672) erweitert. Es wird kontrovers diskutiert, ob es sich hierbei um Gesetze handelt, die spezifisch gotisch waren, oder ob der römische Codex Theodosianus als Grundlage genommen worden war und nur den neuen Verhältnissen angepasst wurde12. Roger Collins schreibt, Eurichs Verordnungen seien praktische Gesetze, die das allgemeine Zusammenleben auf dem Land betrafen, während das Breviarium eine beträchtlich abgekürzte Version des Codex Theodosianus von 438, zusammen mit einigen Texten römischer Juristen, enthält13. Gotische und traditionell römische Verwaltungen innerhalb des westgotischen Einflussgebietes arbeiteten eng 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Plin. epist. 3, 5, 17. Z. B. Plin. 3, 1–4; 30–31 und 4, 34; 110–119. Plin. 3, 30. Plin. 4, 112. Flor. epit. 2, 60. Plin.4, 116. Plin. 3, 30. Isid. Goth. 35. R. Collins, S. 28. R. Collins, S. 28–30.

Das historische Umfeld

7

miteinander, ihre Rechte und Pflichten waren klar definiert. Vieles bleibt dennoch ungenau, so das Verhältnis zwischen den beiden Glaubensrichtungen. Der arianische König Eurich galt zumindest in Gallien als Verfolger der katholischen Kirche; wahrscheinlich hatten aber die Kirchen nicht viele gemeinsame Kontakte. Fränkische und burgundische Einfälle wurden am Beginn des 6. Jhs. mit Hilfe des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen (455–526) abgewehrt, der von Rom aus die Herrschaft für seinen minderjährigen westgotischen Enkel Amalarich (511–531) beanspruchte. Dadurch blieb ostgotisch/römische Verwaltungspolitik bestimmend. Eine nachhaltige Veränderung für Spanien bedeutete der Einmarsch der byzantinischen Truppen 552 unter der Führung Belizars, einem Feldherrn Justinians. Sie waren von Athanagild, der gegen den herrschenden König Agila I. (549–555) wahrscheinlich von Sevilla her rebellierte, aus Afrika zu Hilfe gerufen worden. Belizar nutzte die Gelegenheit, die wieder unter byzantinischer Herrschaft stehende afrikanische Küste auch von Spanien aus zu sichern und etablierte eine militärische Präsenz entlang der Süd- und Südostküste der Halbinsel. Damit war die Familie Isidors von den Ereignissen unmittelbar betroffen, Einzelheiten darüber sind aber nicht überliefert. Nach Agilas Ermordung wurde Athanagild König (555–567). Sein Nachfolger war Liuva I. (567–572), dessen mitregierender Bruder Leovigild (568–586) nach seinem Tode zum Alleinherrscher aufstieg. Dieser war der erste westgotische Herrscher, der sich als König auch mit einem Thronsessel und seiner Kleidung von den übrigen abhob14. Es wird angenommen, dass in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts das Nebeneinander der Konfessionen zunächst ohne größere Schwierigkeiten ablief. Doch schon unter Agila hatte sich das Verhältnis zwischen Katholiken und Arianern verschlechtert. Um 560 wurden die Sueben erneut katholisch; dies war wohl dem Einfluss aus dem fränkischen Reich und Martins von Braga zu verdanken. In Italien endete die ostgotische Herrschaft mit der „Rückeroberung“ des Reiches durch Justinian I. und seinen Feldherrn Narses 533 oder 534. Dadurch war es möglich, noch einmal West- und Ostrom unter einem Herrscher zu vereinigen. Doch schon 568 fielen die Langobarden unter ihrem Führer Alboin in das Land ein. Sie gliederten das Land in drei Herzogtümer. Die Herrscher in der Lombardei mit der Hauptstadt Pavia bezeichneten sich als Könige. Daneben gab es den italienischen Teil des Exarchats mit der Hauptstadt Ravenna, der bei Byzanz verblieb (der zweite Teil des

14

Isid. Goth. 51. Leider ist nicht bekannt, nach welchem Vorbild er sich richtete.

8

Mechthild Müller, Zu Isidor von Sevilla

Exarchats in der Provinz Afrika hatte als Hauptstadt Karthago); Rom mit seinem Patrimonium Petri verwaltete in erster Linie der Papst. Gregor der Große (um 540–604) schreibt über seine Stadt: „Wir sehen ja, wie die Stadtmauern verfallen sind, die Wohnhäuser eingestürzt, die Kirchen vom Sturm zerstört, die öffentlichen Gebäude baufällig und immer mehr zu Ruinen geworden sind“15. Da Gregor durch einen gemeinsamen Aufenthalt in Konstantinopel ein Freund Leanders von Sevilla geworden war, gab es enge Kontakte zwischen beiden. Der Mönch Johannes von Biclar, der spätere Bischof von Gerona und Metropolit von Merida, war nach Auskunft Isidors Arianer gewesen, ehe er Katholik wurde16. Er verbrachte einige Zeit (562–579) in Konstantinopel und war nicht der einzige Konvertit. Unter Leovigilds Führung wurde die Halbinsel wieder ein geeintes Reich. Von 570 bis 572 kämpfte er gegen die Byzantiner im Süden des Landes; diese behielten jedoch weiterhin Teile der Südwestküste in ihrem Besitz. 573 starb sein Bruder Liuva, und der König gab an seine beiden Söhne aus erster Ehe einen Teil der Regierungsgewalt ab; den älteren, Hermenegild, setzte er als Unterkönig über Baetica und Südlusitanien ein, seinem Sohn Rekkared übertrug er die Sicherung der Nordgrenze. Hermenegild war von seinem Vater mit der Fränkin Ingundis verheiratet worden, die entgegen der bisher geübten Sitte nicht zum arianischen Glauben übertreten wollte und deshalb am Hof in Toledo sehr angefeindet wurde. Stattdessen trat Hermenegild selber um 582 zum Katholizismus über und setzte sich damit in offenen Gegensatz zu seinem Vater. Leovigild bot eine Armee gegen seinen Sohn auf. Dieser wurde 584, als Corduba fiel, gefangen, musste nach Valencia ins Exil gehen und wurde 585 ermordet. Seine Frau, in der Hand der Byzantiner, fuhr mit ihrem Sohn Athanagild nach Konstantinopel und starb auf der Reise. Über die Hintergründe ist viel gerätselt worden. Vielfach wurde erklärt, Isidors Bruder Leander sei die treibende Kraft hinter der Konversion gewesen, doch gibt es manches, das dagegen spricht17. 585 übernahm Leovigild endgültig die Macht über das verbliebene Königreich der Sueben, das 176 Jahre lang Bestand gehabt hatte; die heidnischen Basken blieben ein unsicherer Nachbar. Als der König 586 starb, war die Trennung des Landes in Arianer und Katholiken weiterhin ein Hindernis auf dem Weg zu einer Einheit. 15 16

17

Greg. M. dial. 2, 14, 3. Isid. vir. ill. 31: Joannes, Gerundensis ecclesiae episcopus, natione Gothus, provinciae Lusitaniae Scallabi natus. Hic, cum esset adolescens, Constantinopolim perrexit, ibique graeca et latina eruditione nutritus, septimo demum anno in Hispanias reversus est, eodem tempore, quo incitante Leovigildo rege, arriana fervebar insania. R. Collins, S. 46–48.

Das historische Umfeld

9

R. Collins ist der Meinung, dass die Offensive Leovigilds zur Stärkung der Arianer erst um 578 begann, da er vorher zu viel mit Kriegführung beschäftigt war. Der König verschärfte die locker gewordenen gotischen Mönchsregeln hin zu einer strengeren Observanz und war besonders verbittert über Konvertiten. Die arianische Synode von Toledo von 580 (3. Konzil von Toledo) kam in der Frage der Trinität den Katholiken teilweise entgegen, ermunterte aber gleichzeitig zum Übertritt, indem man im Gegensatz zu früher nicht mehr neu getauft werden musste. Collins ist auch der Meinung, dass sich das Angebot weniger an Katholiken richtete, eher an Konvertiten unter den Arianern. Zugleich gab der König ihnen per Verordnung einige Kirchen, die vorher katholisch gewesen waren; Collins nannte als Beispiel u. a. Merida18. Nach Leovigild war es für die Goten eine Frage der Ehre, am Glauben der Väter, Arianer seit der Bekehrung durch Bischof Ulfila, festzuhalten und sich damit auch für die eigene Herkunft und deren Überlieferungen zu entscheiden. Am Beispiel Lusitaniens erläutert A. M. Jorge, dass es zusätzlich zu den bisher behandelten Gruppen andere gab, die im täglichen Leben eine Rolle spielten. Sie nennt in erster Linie die Juden, die weiterhin so gut wie möglich die alten Handelswege benutzten. Daneben gab es Griechen, Syrer, Flüchtlinge aus Nordafrika, die vor den arianischen Vandalen flohen, während später vor den Byzantinern geflüchtete Arianer kamen. Sie alle brachten ihr kulturelles Erbe und ihre Erfahrungen mit19. In Spanien folgte nach Leovigilds Tod sein Sohn Rekkared I. als Alleinherrscher (586–601). Er trat zum katholischen Glauben über. Damit wurden alle bisherigen gotisch-arianischen Kirchen ebenfalls katholisch; Bischöfe, Geistliche und Mönche mussten konvertieren oder fortgehen, wobei nur die langobardischen Besitzungen als eventuelle Rückzugsgebiete blieben. Rekkared wollte die Vereinigung als eine totale. Er erließ ein Vernichtungsgebot für alle gotischen Bücher, von denen heute kein einziges erhalten ist. Er verbot die gotische Liturgie und alles, was an arianischen Glauben erinnerte. Das betraf vor allem die Frage nach dem richtigen Glauben an die Dreieinigkeit. Isidor schrieb in seinen Etymologien einen langen Absatz über die Synoden, in denen einzelne Punkte behandelt wurden, und sprach von der „Blasphemie des arianischen Verrats“, da Arius für die Ungleichheit der Trinität eingetreten sei20. Im Kapitel über Glauben und Aberglauben schrieb er: „Die Arianer haben von Arius, einem Priester in Alexandria, ihren Anfang genommen, der, da er nicht anerkannte, daß der 18 19 20

Vgl. E. A. Thompson, S. 84–86. A. M. Jorge, Church and Culture in Lusitania, S. 108–110. Isid. Et. 6, 16, 6.

10

Mechthild Müller, Zu Isidor von Sevilla

Sohn gleich mit dem Vater ist, erklärte, es gebe völlig verschiedene Wesenheiten in der Dreifaltigkeit, entgegen dem, was der Herr sagt (Io 10,30): ‚Ich und der Vater sind eins‘“21. Es wäre unrealistisch anzunehmen, dass sich der Glaube der Arianer und ihrer Geistlichkeit durch eine Verordnung des Königs über Nacht verändert hätte22. Um jedoch den Argumenten der bisher arianischen Bischöfe entgegenzutreten, wurden Kleriker und Mönche umfassend ausgebildet. Isidors Liste über die berühmten Personen, De viris illustribus, enthält viele Namen; davon waren die meisten Bischöfe; alle wurden gelobt für ihre Schriften zu Glaubensfragen, in vielen Fällen handelte es sich um solche gegen Häresie. Die Entscheidung Rekkareds wurde nicht rückgängig gemacht, deshalb war es ungemein wichtig, sie auf allen kirchlichen Ebenen durchzusetzen und zu verteidigen. A. M. Jorge zählt das reiche Erbe dieser Zeit auf, das sich auch in den bedeutenden kirchlichen Bauten zeigte. Sie nennt Basiliken, Bischofsresidenzen und Klöster und befasst sich mit dem hohen kulturellen Wissen verschiedener kirchlicher Würdenträger23. Die Lehrausbildung, die die Kleriker erhielten, war grundsätzlich kirchlich, Rhetorik im althergebrachten Sinne wurde nicht mehr eingeübt. Dem 8. Konzil von Toledo 653 gemäß sollten die Geistlichen eine Examensprüfung ablegen, in der sie die Psalmen, die Hymnen und die liturgischen Rituale auswendig können mussten, um so den „Feinden des Glaubens“ entgegenzutreten. Nicht nur für die Arianer war es nötig, römische Kirchengeschichte und ihre Lehrer zu kennen, auch Anfänger in den Ausbildungsstätten brauchten Hilfe. Augustinus’ Schrift über den Gottesstaat, De civitate dei, z. B. erforderte ein gewisses Maß an Kenntnissen der römischen Antike. Gleiches galt aber auch für das Verständnis der von Hieronymus in das Lateinische übersetzten Bibel und die überlieferten Heiligenlegenden. Isidor selbst schrieb eigene Kommentare zu verschiedenen Kapiteln der Bibel. Dazu galt es für eine einheitliche liturgische Kleidung der Geistlichen, Mönche und Nonnen zu sorgen und innerhalb der neu hinzugewonnenen Klöster die römische Ordnung einzuführen. Die in seinen Etymologien in c. 19 behandelten Kleidungsbegriffe im weiteren Sinn gehören alle in diesen Kontext. Als mit König Sisebut 21

22

23

Isid. Et. 8, 5, 43, übers. D. Linhart. Isidor unterschlägt dabei, dass die arianische Synode 580 den Katholiken insoweit entgegengekommen war, dass sie die Gleichheit des Vaters mit dem Sohn anerkannt hatte und nur noch die Rolle des Heiligen Geistes eine andere war, s. R. Collins, S. 50. Zur langen Geschichte der arianischen Goten, die unter Bischof Wulfila (318–388) das Alphabet bekamen und die Schriften des Alten und Neuen Testaments in gotischer Sprache, s. Isidor, Geschichte der Gothen 8. A. M. Jorge, S. 112–117.

Zur Quellenauswahl

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(612–621) ein Herrscher auf den Thron kam, der nicht nur Krieger war, sondern auch an Künsten und Wissenschaften Interesse hatte und eigene Schriften verfasste, muss das für Isidor eine große Freude gewesen sein24. Der Überlieferung nach hat er ihm die ersten zehn Bücher der Etymologien gewidmet.

Zur Quellenauswahl Wallace Martin Lindsay, der Herausgeber der Etymologien Isidors von Sevilla, zählte diese zu „den drei großen Wörterbüchern oder Enzyklopädien, die von den alten in die modernen Zeiten überliefert worden sind“; die beiden anderen stammen von Festus und Nonius. Ende des 2. Jhs. stellte Festus Auszüge aus Verrius Flaccus De verborum significatu zusammen, um 400 schrieb Nonius Marcellus De compendiosa doctrina25. Eine ausführliche Einführung in die Etymologien findet sich in der 2006 erschienenen Gesamtausgabe in englischer Übersetzung von Stephen A. Barney, W. J. Lewis, J. A. Beach und Oliver Berghof26. Eine zweite Gesamtübersetzung stammt von Priscilla Throop27; eine Übersetzung ins Deutsche legte Lenelotte Möller vor28. Die beiden zuletzt genannten Werke wurden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. In den vergangenen Jahren erschien eine Reihe von zweisprachigen Ausgaben einzelner Bücher. Das Buch 19, lateinisch – spanisch, wurde herausgegeben von Miguel Rodríguez-Pantoja29, seine und die Gesamtausgabe von W. M. Lindsay30 bilden die Grundlage dieser Arbeit. Es kann zuvor festgehalten werden, dass Isidor sich für die Themen Kleidung, Textilien und Schmuck, die er in rund 300 Fachbegriffen behandelte, nur unter bestimmten Fragestellungen interessierte; eine allgemeine Übersicht über die antike und spätantike Mode lag nicht in seinem Interesse. Für ihn sind die Begriffe wichtig, die in den fünf Büchern Mose (Tora) vorkommen. An erster Stelle steht seine Suche nach Erkenntnissen über die Geschichte der Priesterkleidung und der Tempelausstattung einschließlich ihrer Farben, wie sie auch von den Kirchenvätern als Befehle Gottes kommentiert wurden. Isidor erläuterte den Aufbau der Bibel in den Etymolo24 25

26 27 28 29 30

Isid. Goth. 60, mit Loblied auf den König. Lindsay, Dictionary, S. 1 erläutert die Arbeitsweise von Nonius Marcellus und seine Quellen. Cambridge 2006. Charlotte, Vermont 2005. Wiesbaden 2008. Paris, 1995. Oxford 1911.

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Mechthild Müller, Zu Isidor von Sevilla

gien, sammelte die Spezialbegriffe zu Kleidung und Textilien mit mehr oder weniger kurzen Erklärungen im Buch 19, c. 20–34. Viele verwendete er in sachlichem Ton in seinem Werk De ecclesiasticis officiis31 und mit großer Ausführlichkeit als Glaubensaussage und unter mystischen Gesichtspunkten in den Fragen zu Exodus32. Der zweite Themenkomplex beleuchtet ebenfalls Stellen aus der Vulgata. Es sind dies Begriffe, die aus dem weltlichen Leben stammen und in Jesaja 3 und Hesekiel 16 behandelt werden. Andere finden sich z. B. im Buch Daniel oder im Hohenlied Salomos. Die Suche nach der Ausstattung der Klöster und Kirchen war Anlass für die Materialsammlung in c. 26 vom Bettzeug und von den Vorhängen. Für seine Mönchsregel zog Isidor Schriften der Kirchenväter heran. Begriffe wie Umhang oder Tunika wechseln ihr Aussehen ständig. Kleidung und ihre Sozialisierung hängen von lebendigen Personen ab. Deshalb sind die Einordnung einzelner Aussagen in den Kontext und die Datierung von besonderer Bedeutung. Pentateuch, hebräische Bibel, Mischna und Talmud Für Isidor war der Pentateuch (die fünf Bücher Mose, Tora) das Gesetz Gottes, das durch Mose den Menschen gegeben worden war, und die ganze Bibel war nicht nur ein Glaubens-, sondern ein Sachbuch, das die Menschheitsgeschichte von den Anfängen her beschrieb33. Heute wissen wir mehr über seine Entstehung. Zu Beginn des 6. Jhs. v. Chr. wurde Jerusalem von dem Babylonierkönig Nebukadnezar II. unterworfen, der Tempel zerstört und die Oberschicht der jüdischen Bevölkerung einschließlich der Handwerker in das Exil nach Babylon geführt (597 und 587 v. Chr.). Hier in Babylon begann man mit der Verschriftlichung auch der Kapitel Exodus 26–40 in Althebräisch. Dabei wurde das bis dahin auf mündlicher Weitergabe beruhende Wissen aus drei verschiedenen Redaktionen eingearbeitet. Im Augenblick gibt es unterschiedliche Ansätze zur Datierung: 1. Sie sind gegen Ende der Exilszeit in Babylonien entstanden. 2. Sie entstanden erst frühnachexilisch (kurz vor oder um 520 v. Chr.), und zwar als Programmschrift für die Errichtung des zweiten Tempels. 3. Andere Forscher gehen bei der Datierung bis in die erste Hälfte des 5. Jhs. hinab. Axel Graupner nimmt ein Verschriftlichungsdatum von vor 539 v. Chr. an. Die Frage nach der Entstehungszeit könnte 31 32 33

Isid. eccl. offic. 2, 4 und 5. Isid. expos. in exod. 56, 7. Isid. Et. 6, 1,1–5 und 6, 2, 1–50.

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als unwichtig abgetan werden, wenn es nicht folgendes Problem gäbe: Sind die Kapitel in Exodus 26–40 früh anzusetzen, könnten noch Priester beteiligt gewesen sein, die die vorexilischen Textilien aus eigener Anschauung kannten. Dies ist bei einer späteren Datierung nicht mehr zu erwarten. Erst recht ist bei einer späten Datierung von mündlichen Beschreibungen auszugehen, deren Umsetzung möglicherweise persischen Einfluss mit einbezog, da die Exilszeit unter König Kyruses endete. Auf jeden Fall ist festzuhalten, dass es zwischen den einzelnen Aussagen in Exodus 26–40 leichte Unterschiede in der Darstellung gibt. Axel Graupner weiter: „Die Texte [Ex 28,31, Lv 19,19 und Dt 22,11, die im Kommentar erwähnt werden] entstammen unterschiedlichen theologischen Schulen und repräsentieren konkurrierende Konzepte: Ex 28,31 stammt aus dem Trägerkreis der Priesterschrift, Lv 19,19 ist Teil des einmal selbständigen Heiligkeitsgesetzes Lv 17–26. Die Verfasser stehen dem Trägerkreis der Priesterschrift nahe, sind aber in nicht wenigen Fragen dezidiert anderer Meinung. Dt 22,11 ist Teil des vorexilischen Deuteronomiums (Mitte 7. Jh. v. Chr.!). Die Vorstellungen der Deuteronomiker und ihrer Schule – […] der deuteronomischen Bewegung – und der priesterlichen Kreise sind in vielen Punkten nicht kompatibel“34. Die übrigen kanonischen Schriften der (alt-)hebräischen Bibel (Tanach) wurden im Laufe der Jahre mit der Gesamtausgabe des Pentateuchs vereinigt. Die Liste über Kleidung und Zubehör, die der Prophet Jesaja aufstellte, nimmt einen großen Raum im Gedankengut der Kirchenväter ein. Jesaja entstammte der Oberschicht des Landes und wirkte in der zweiten Hälfte des 8. Jhs. v. Chr. zur Zeit der Bedrohung durch die Assyrer. Der Prophet Hesekiel (Ezechiel), Sohn eines Priesters, war selbst von der Einnahme Jerusalems durch die Babylonier betroffen und gehörte zusammen mit König Jojachin zur ersten Gruppe der Gefangenen, die man in das babylonische Exil führte. Beide Propheten thematisieren den Untergang der als „Frau“ bezeichneten Stadt Jerusalem. Ihre Bücher sind nicht als geschlossene Einheit anzusehen. Eingeschoben in das Hesekielbuch ist z. B. der Tyroszyklus, der einen Bericht über die Eroberung der Stadt 332 v. Chr. durch Alexander den Großen darstellt, wie Markus Saur belegt35. Das Hohelied Salomos lässt sich nicht exakt datieren, Angaben darüber schwanken zwischen dem 9. Jh. und dem 2. Jh. v. Chr. Bis um 200 n. Chr. entstand die Mischna. Sie „ist ein authentischer Kommentar zu den Gesetzen, Geboten und Vorschriften der fünf Bücher Mose, 34 35

Ich danke sehr A. Graupner, Bonn, für seine fachliche Hilfe, Oktober 2009. M. Saur, Der Tyroszyklus des Ezechielbuches.

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Mechthild Müller, Zu Isidor von Sevilla

der Tora, in systematischer Anordnung. Sie bildet zusammen mit weiteren, jüngeren Kommentaren, der sog. „Gemara“ […] die Grundlage für den Talmud, der bis heute maßgebenden Schrift des Judentums“36. Die Mischna enthält eine Fülle von Einzelvorschriften zur Wahrung der Gesetze im täglichen Leben mit Kommentaren von Ansichten verschiedener Rabbiner. Dadurch ist sie als eine wichtige Quelle zu sehen, wie gewöhnliche Menschen ihren Alltag zu bewältigen hatten. Für den Talmud gibt es zwei Überlieferungen: der Jerusalemer Talmud entstand bis 425 n. Chr.; heute gilt der Babylonische Talmud, der bis ca. 550 niedergelegt wurde, als die anerkannte Schrift. Seit dem Exil war Aramäisch die Umgangssprache auch in der jüdischen Bevölkerung geworden, und in den Synagogen wurde mit der Targumin genannten Bibel gearbeitet. Der offizielle Text blieb jedoch das Hebräische. Rabbi Akiba stellte im zweiten Jh. die Forderung auf, dass nicht ein Wort der Tora, keine Silbe und nicht einmal ein Buchstabe verändert werden dürfe. Von ca. 200 bis in das 9. Jh. blieb der masoretische Text, der sich mit Schreibweise und Lesart (Masora) befasst, im Prinzip konstant, obwohl es verschiedene Lesarten gab. Seit Anfang des 8. Jhs. begann man, masoretische Texte zu sammeln. Unter der Führung zweier Gelehrtenfamilien entstand bis zum 12. Jh. der Masoretentext. Es sollte nicht der letzte Versuch sein, eine Übereinstimmung über einzelne Textstellen herbeizuführen37. Heute gibt es auf der Welt etwa 6000 hebräische Bibelhandschriften. Orthodoxe Rabbiner sind der Meinung, dass der Pentateuch und das Buch Josua um 1250 v. Chr. fertiggestellt wurden und als Quelle aus dieser Zeit anzusehen sind38. Eine Hebrew-English Bible nach dem Masoretentext wurde im Internet veröffentlicht. Eine unterschiedliche Einschätzung der Bedeutung einzelner Begriffe, die in dieser Arbeit behandelt werden, ist nicht zu übersehen39.

36 37

38

39

Dietrich Correns, Einleitung S. XIII. Vgl. Nahum M. Sarna und S. David Sperling, The History of the Biblical Text, in: Encyclopaedia Judaica 3, 2. Aufl., 2007, S. 583–586; ferner Sebastian P. Brock, Bibelhandschriften, AT, in: TRE 6, 1980, S. 109–114. Freundl. Mitt. von Nahum ben Jehuda 2008: We believe that the entire Pentateuch was completed ca BCE 1250 by Moses and Joshua. The Jewish-Hebrew Pentateuch has only one edition, called „The Masoretic Text“ – meaning „traditional“. Very minute variations in the vocalisation do exist but they are not of importance to you. A Hebrew-English Bible. According to the Masoretic Text and the JPS 1917 Edition © 2005 all rights reserved to Mechon Mamre for this HTML: http://www.mechonmamre.org/p/pt/pt0.htm

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Septuaginta In der Mitte des 3. Jhs. v. Chr., zur Zeit des Königs Ptolemäus II. Philadelphos, begann man in Alexandria, den Pentateuch in die griechische Sprache zu übersetzen. Josephus Flavius (37/38-nach 100 n. Chr.) verarbeitete in seinen Antiquitates Judaicae den legendarischen Bericht des unter einem Pseudonym zwischen 150 und 100 v. Chr schreibenden Aristeas über den Anlass der Übersetzung40. Josephus berichtete, auf Wunsch des Königs seien aus jedem der zwölf Stämme Israels sechs Älteste vom Jerusalemer Hohenpriester Eleazar ausgewählt und nach Alexandrien geschickt worden, um die Übersetzungen vorzunehmen; 70 von ihnen hätten die Arbeit in 72 Tagen fertiggestellt41. In Anlehnung an die vom Hohenpriester ausgesandten Ältesten ist heute die griechische Gesamtausgabe des Alten Testaments unter dem Namen Septuaginta bekannt, Isidor berichtet darüber42. Sie wurde in griechisch sprechenden Gemeinden benutzt. Josephus Flavius entstammte dem Priestergeschlecht Jojarib, aus der ersten der 24 jüdischen Priesterklassen, seine Mutter gehörte zur Jerusalemer Oberschicht. Er erlebte den Fall Jerusalems, war Gefangener im Triumphzug von Vespasian und Titus, wurde später begnadigt und lebte als Historiker in Rom. Seine beiden wichtigsten Werke sind „Der jüdische Krieg“ und „Die Altertümer“ in griechischer Fassung. Auf Anregung Cassiodors wurden seine Schriften im 6. Jh. ins Lateinische übersetzt43. Josephus führte ein höchst abwechslungsreiches Leben, das er als Selbstbiographie in seine Bücher einfügte. Schon früh hatte er Gegner. Heidnische Kreise verurteilten ihn, weil er die jüdische Gotteslehre mit der Schöpfung der Welt als einzig wahre ansah und den Polytheismus ablehnte. Juden verachteten ihn, weil er sich den Römern ergeben hatte und später eine Verständigung zwischen Römern und Juden herbeizuführen suchte, indem er jüdisches Gedankengut erläuterte; er galt deshalb als Verräter. Antike Schriftsteller sahen in der Regel keinen Anlass, seine Schriften auszuwerten, die Kirchenväter zitierten ihn dagegen gern und häufig. „Für die moderne Geschichtsforschung besteht Josephus’ Bedeutung darin, daß sein Werk für einen großen Zeitraum der jüdischen Geschichte die einzige erhaltene Quelle darstellt; die Periode des zweiten Tempels, hauptsächlich der Zeitraum zwischen 135a. und 73p., wäre ohne sein Werk nicht mehr zu rekonstruieren. Seine Schriften füllen in gewissem 40 41 42 43

Karlheinz Müller, Aristeasbrief, in: TRE 3, 1978, S. 719–725. Jos. ant. 12, 2, 56; 86; 100 und 106–107. Isid. Et. 6, 1–2. The Latin Josephus, hrsg. von F. Blatt, 1958.

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Sinne die Lücke zwischen dem biblischen und talmudischen Schrifttum aus und sind als eine der wichtigsten Manifestationen der jüdischen Antike zu werten“44. Auch von der Septuaginta waren viele Handschriften bekannt. Die Christen übernahmen sie in der Fassung, wie sie in Alexandria gebraucht wurde. Doch als Gelehrte begannen, sie mit dem hebräischen Text zu vergleichen, stellten sie Unterschiede fest. Origenes wagte sich um 230–240 an die Aufgabe, verschiedene Übersetzungen und zwei hebräische Fassungen nebeneinander zu stellen, um so die griechische Form zu verbessern und dem masoretischen Text anzugleichen45. Eine „Kurzfassung“ seiner Arbeit, Tetrapla, verglich in vier Spalten Texte von Aquila, Symmachus, der Septuaginta und Theodotion. Aquila war Proselyt und ehemaliger Schüler des Rabbi Akiba und „schuf eine sklavisch wörtliche Übersetzung (um 218 n. Chr.), die zuweilen unverständlich war. […] Um eine gute griechische Sprachform bemühte sich Symmachos […] (Ende 2. oder Anfang 3. Jh.) […] Schließlich verbesserte und ergänzte der Proselyt Theodotion durchgehend die Septuaginta nach dem hebräischen Text“46. Die Septuaginta verlor unter jüdischen Gelehrten immer mehr an Bedeutung und spielte nach 400 keine Rolle mehr. Für die Griechisch-Orthodoxe Kirche ist sie die kanonische Schrift. Die Vulgata Schon früh gab es (alt-)lateinische Übersetzungen der Bibel (Itala), die Isidor in seinen Etymologien erwähnt47. Der Streit unter den Gelehrten war zum einen grundsätzlicher Natur, nämlich ob man das Wort Gottes aus der hebräischen heiligen Sprache, in der Gott zu Mose geredet hatte, in eine andere übertragen dürfe; zum anderen zweifelte man an der Korrektheit einzelner Übersetzungen in Vergleichen mit hebräischen Handschriften und Texten der Septuaginta. Die in den letzten Jahren gefundenen Schriftrollen in Höhlen am Roten Meer belegen die Richtigkeit mancher Zweifel, sowohl den hebräischen Text, als auch die Septuaginta betreffend. Es war Hieronymus’ Aufgabe ab 382, auf Wunsch von Papst Damasius I., eine Neuübersetzung der alttestamentlichen Texte aus dem Hebräi44 45 46

47

Jehoshua Gutmann, Josephus Flavius, in: Encyclopaedia Judaica, 9, 1932, Sp. 418. Vgl. Isid. 6, 4, 3–4. Otto B. Knoch und Klaus Scholtissek, Bibelübersetzungen 1, in: LThK 2, 3. Aufl. 1994, Sp. 382–385, hier 383. Isid. Et. 6, 4, 3. Er nennt sie die 5. Edition.

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schen und eine Revision des neutestamentlichen Textes aus dem Griechischen durchzuführen. Hieronymus verglich hierzu auch Angaben, die in der Tetrapla gesammelt worden waren. Seine Übersetzung wurde später Vulgata genannt48. Sie ist die für den hier vorliegenden Kommentar entscheidende Quelle, die auch Isidor benutzt hat. Er hielt sie für die beste, weil sie wörtlicher sei und die Übersetzung wahrer49. Für die Arbeiten an seiner Mönchsregel zog Isidor Regeln von Kirchenvätern heran. Pachomius, der Begründer des koinobitischen Mönchslebens, hatte bis zu 7000 Mönche in seinen Konventen; sein Einfluss, sowohl auf das östliche, wie auf das westliche Mönchsleben, war bedeutend. Er lebte von ca. 292–348, seine Regel wurde 407 von Hieronymus ins Lateinische übersetzt. Hieronymus selber wurde von Isidor unter die ganz großen Gelehrten gerechnet, wie er an verschiedenen Stellen in den Etymologien ausführte; über Augustinus schrieb er, dieser hätte so viele Bücher verfasst, dass man sie nicht alle in seinem Leben lesen könne50. Ferner zählt er in De viris illustribus und in seinem Bibliotheksgedicht Origenes, Johannes Chrysostomos, Cyprian, Paulinus von Nola, Eucherius und Gregor den Großen zu den berühmten Autoren; einzelne Ausdrücke aus ihren Werken sind in den Kapiteln über die Textilien eingefügt51. Cassianus und Cassiodor werden nicht namentlich erwähnt; Arbeiten von ihnen müssen ihm aber, wenn auch über Dritte, zugänglich gewesen sein. Ob Isidor allerdings aus den Schriften Tertullians zitierte, bleibt zweifelhaft, da er sich in Et. 8, 5, 60 abfällig über ihn äußerte. Zu einzelnen Begriffen zur Kleidung der Mönche, die sich von der Benediktusregel52 unterschieden, stellte im 8. Jh. der Kommentator Smaragdus fest, sie seien als gleich anzusehen53. Die Namen der Kleidungsstücke für die Priesterkleidung, die durch die einzelnen Kirchenväter überliefert sind, wie Tunika, Hosen, die auch als femoralia, campestre oder braca bezeichnet werden, Kopfbedeckungen wie tiara, cidaris oder mitra gehören ebenso zum Bestand der weltlichen Kleidung und sind hiervon abzugrenzen. Isidor nimmt sie deshalb unter den verschiedenen Titeln in seinen Bestand auf. Bestehen an den Forschungserkenntnissen über die weltlichen Luxusgegenstände und die Textilien in den Klöstern keine textentscheidenden 48

49 50 51 52 53

Knoch und Scholtissek, Bibelübersetzungen 1, Sp. 383. Nur wenige Texte stammen nicht von Heronymus. Eine von Alkuin unter Karl dem Großen 801 durchgeführte Revision wurde zum Reichstext. Isid. Et. 6, 4, 5. Isid. Et. 6,7. „De viris illustribus“, hrsg. von Codoñer Merino, und Versus, hrsg. von Sánchez Martín. Die Benediktusregel, Beuron1992. Expositio in regulam S. Benedicti, c. 55.

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Differenzen, gilt das nicht für die Priesterkleidung und die Ausstattungsstücke des Tempels. Hier ist die Datierungsfrage noch einmal aufzugreifen. Wenn Rabbiner die mündliche Überlieferung als eine gesicherte Quelle ansehen und sie um 1280 v. Chr. datieren54, ist es logisch, wenn sie, um zeitgenössische Beispiele zu finden, sich mit ägyptischer Kleidung befassen und nach Übereinstimmungen suchen. In ihrem Verständnis ist das von Gott gegebene Gesetz festgelegt, auch wenn viele anerkennen, dass die Verschriftlichung erst im 6. Jh. stattfand. Nach Ansicht orthodoxer jüdischer Rabbiner führt die Traditionslinie von der Verschriftlichung des hebräischen Textes im 6. Jh. direkt in die Vorschriften der Mischna und anschließend zum Talmud. Die Gebote Gottes, im Pentateuch mit wichtigen Details versehen, lassen jedoch eine Umsetzung in eine realistische Rekonstruktion nicht zu, es bleiben zu viele Fragen offen. Die Rabbiner lehnen aber die Septuaginta ab als von nicht autorisierten Verfassern geschrieben. Josephus Flavius gilt ihnen nach wie vor als jemand, dessen Name nicht erwähnt werden darf, auch wenn er der einzige Zeitzeuge ist, der, selber aus dem Priestergeschlecht stammend, die Textilien aus der Zeit des Herodes aus eigener Anschauung kannte. Der Tempelschatz wurde nach der Zerstörung des Tempels nach Rom gebracht, im Triumphzug mitgeführt und anschließend dem kaiserlichen Schatz hinzugefügt. Von dort verschwanden alle Teile und wurden trotz jahrhundertelanger Schatzsuche nicht mehr gefunden. Schon Hieronymus konnte nur noch versuchen, sich eine Vorstellung von ihrem Aussehen zu machen und sich schließlich für eine Lösung zu entscheiden, die er für glaubhaft hielt. Wie allerdings die Versuche von Origenes zeigen, war es schon im 2. Jh. n. Chr. nicht möglich, alle althebräischen Begriffe übereinstimmend in eine allgemeinverständliche „moderne“ Sprache zu übertragen. Unter Berücksichtigung dieser Schwierigkeiten und im Zusammenhang mit der Tatsache, dass eine Reihe von Quellen aus religiösen Gründen unterschiedlich beurteilt werden, ist festzuhalten, dass nicht alle Forscher die Schlussfolgerungen teilen, die in den Übersetzungen des Isidortextes und vor allem in dem Kommentar beschrieben werden. In jüngster Zeit gab es in Jerusalem Bestrebungen, die priesterlichen Gewänder nach dem Original zu rekonstruieren55. Hier sind deutliche Unterschiede zu den am Ende des Kommentars zu Kapitel 21 vorgestellten Ergebnissen zu erkennen. 54

55

Freundl. Mitteilung von Rabbi Nahum ben Jehuda, 8. August 2007: „The Exodus was in 1280 b.c.e. and the tabernacle was constructed the year afterwards.“ Siehe auch Aron Dotan, Masorah, 1. The Transmission of the Bible in Encyclopaedia Judaica 2. Aufl. Bd. 13, S. 606. http://www.templeinstitute.org/vessels_gallery_16.htm

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Einige Ausdrücke, um die es geht, sind mehrdeutig, andere sind ortsgebundene Bezeichnungen. Die Tabelle zwang ihre Verfasser dazu, sich auf einen Begriff festzulegen, der den von Isidor gemeinten Sinn verdeutlicht. Dies führte stellenweise zu einer zusätzlichen Bestimmung, als sie in den Lexika oder in Übersetzungen geläufig ist. Es wurde jedoch festgestellt, dass, entgegen einem ersten Eindruck, die Überschriften, die Isidor seinen einzelnen Kapiteln gab, in Verbindung zum Thema stehen. Auch seine kurzen Beschreibungen konnten in seinem Gedankengang zurückverfolgt werden. Nur an wenigen Stellen ließen sich keine sachlichen Hinweise finden: fibrinum (c. 22, 16 und c. 27, 4) konnte nicht eindeutig zugeordnet werden, gleiches gilt für das schon lange unterschiedlich behandelte cinctus Gabinus (c. 24, 7). Hier könnten Überlegungen eine Rolle gespielt haben, die uns heute unbekannt sind. Die von Jesaja, Hesekiel und anderen behandelten weltlichen Begriffe in der Vulgata suchte Isidor mit Hilfe von Textstellen antiker Autoren zu erklären. Dabei ging er bis zu Werken von Plautus um 200 v. Chr. zurück. Sie wurden von ihm in den Kapiteln mit mehr oder weniger kurzen Quellenzitaten versehen. Über die einzelnen Autoren äußerte er sich an verschiedenen Stellen in den Etymologien. Die aufgeführten Zitate zeigen allerdings, dass er eher Kurzfassungen benutzte, denn die Zitate stehen im Original nicht selten in einem anderen Kontext. Das gilt auch für die Werke von Vergil. Hierauf wird jeweils im Kommentar hingewiesen. Merkwürdigerweise wird Plinius nicht in den Etymologien erwähnt, obwohl das Kapitel über die Ringe (c. 19, 32) und an anderer Stelle Angaben zu Farben direkt von ihm stammen könnten. Ebenso lässt sich keine Verbindung zu Servius und seinem Aeneiskommentar herstellen, vielleicht mit Ausnahme einiger Anmerkungen zu palla (c. 25, 2), die aber auch aus anderen Quellen kommen mögen. In dieser Arbeit wurden nicht die Angaben der Historia Augusta ausgewertet, denn sie schienen nach Durchsicht der Texte keine realen Zeitzeugnisse zu sein, es handelt sich eher um Propagandadarstellungen, möglicherweise aus dem 5. Jh. Allerdings ist auch bei anderen römischen Historikern zu beachten, was Gerhard Wirth in seiner Einleitung zu Cassius Dios Römischer Geschichte schreibt: „Über die literarische Überlieferung hinaus, für die ihm allein in Rom wenigstens 28 Bibliotheken zur Verfügung standen, hatte er zweifellos auch zu den Archiven von Senat und Kaiserhaus Zugang, die ihn mit Material versorgten. Zwar ist eine genaue Abgrenzung beider ihrem Inhalt nach nicht mehr möglich, auch läßt sich die Vermutung nicht ganz von der Hand weisen, daß sich das in ihnen Gesammelte weitgehend bereits in manipuliertem Zustand befand. […] Daß er für die frührömische Geschichte zwar die längst als fiktiv erkannten einschlägigen Quellen kannte, ist anzuneh-

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Mechthild Müller, Zu Isidor von Sevilla

men“56. Ähnliches gilt auch für andere Autoren: „So sind etwa die Kaiserbiographien eines Sueton, Leiters immerhin der kaiserlichen Bibliothek, auch als literarische Gattung ein Zeitdokument und erklären sich nicht zuletzt vielleicht aus offizieller Absicht im Hintergrund, durch Veröffentlichung einschlägigen Materials zur Verwendung durch Historiker deren Publikum zu beeinflussen“57. Zwischen dem Tod von Sueton und Julius Caesar liegen ungefähr 160 Jahre, bei den ständig wechselnden Moden ist das eine enorme Zeitspanne. Tacitus hat sich in seinen Historien und Annalen ebenfalls vorhandener Literaturquellen bedient, in seiner Schrift Agricola berichtet er allerdings zeitnah vom Leben seines Schwiegervaters. Auch andere Schriftsteller schreiben in ihren Briefen von persönlichen Erlebnissen; ganz besonders Martials Schriften erlauben einen oft erheiternden Einblick in das gesellschaftliche Leben seiner Zeitgenossen. Bilddokumente können, wenn man sie als genaue Wiedergabe eines Augenblicks ansieht, irreführend sein. Ein interessantes Beispiel hierfür sind die Angaben von Plinius über das Aussehen der Vorfahren auf den Hausaltären und das Schicksal von Statuen, die er gelegentlich als Zeugen für antike Kleidung heranzieht. Zur Bewältigung von Isidors vielfältigen Arbeiten war es für ihn hilfreich, Stichpunkte zu einzelnen Themen zu sammeln. Hier konnte er auf eine Reihe von Mit- und Zuarbeitern zählen. Einen Blick in eine derartige Schreibstube bietet Eusebius: „Es standen nämlich Origenes beim Diktieren mehr als sieben Schnellschreiber zur Verfügung, welche sich zu bestimmten Zeiten ablösten; nicht geringer war die Zahl der Reinschreiber nebst den im Schönschreiben geübten Mädchen“58. Ob auch in Isidors Kanzlei Frauen arbeiteten, weiß man nicht59. Das Thema Kleidung hat selten die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern erweckt, das ist um so bedauerlicher, als es für jeden Menschen eine Rolle spielt. Nicht nur in der Antike, auch in heutiger Zeit wird die soziale Stellung einer Person an seiner Kleidung gemessen, und noch immer kann man viel Geld hierfür ausgeben. So kostete nach Zeitungsberichten Kleidung und Schmuck des Pop-Idols Madonna für eine einzige Welttournee eine Million Pfund60. Im Zusammenhang mit den untersuchten rund 300 Begriffen bleiben noch viele lateinische Quellen unberücksichtigt, die zusätzliche Ergebnisse bringen können. 56 57 58 59 60

Gerhard Wirth, Einleitung zu Cassius Dio, Römische Geschichte, Bd. 1, S. 39–40. Gerhard Wirth, Einleitung, Bd. 1, S. 21–22. Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte 6, 23, S. 290. Gregor der Große war stolz darauf, nur Männer um sich zu haben. Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 23. 8. 2008.

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Nicht untersucht werden konnten hier die griechischen Quellen; in Ägypten gefundene Papyri befassen sich manchmal mit Kleidungsstücken des ganz alltäglichen Lebens, aber viele Ausdrücke sind bisher nicht einmal ansatzweise einzuschätzen. Wünschenswert wäre ein Vergleich der Ausdrücke, die Hieronymus für die Vulgata wählte und von denen Isidor ausgeht, mit denen der Septuaginta und der hebräischen Bibel. Nur müssten diese Begriffe zusätzlich transliteriert werden, da Kenntnisse in Hebräisch oder Griechisch nicht immer vorausgesetzt werden können. Eins hat die vorliegende Arbeit gezeigt: Seit es Quellen gibt – und hier sind durchaus die mündlichen Überlieferungen einzuschließen – hat sich am generellen Aussehen der Menschen nicht viel geändert. Von jeher trugen sie Unterkleider, Oberkleider und Umhänge bzw. Mäntel und Schuhe. Schon immer schmückten sie ihren Kopf mit Haarfrisuren und einer Vielzahl von unterschiedlichen Kopfbedeckungen, legten Fibeln, Halsketten, Armbänder, Ringe und Beinschmuck an, schmückten sich mit Gürteln, bestimmten Regeln für das Aussehen der Priesterkleidung, kümmerten sich um Schlafplätze, sorgten sich um Rohstoffe, webten und färbten sie mit bunten Farbstoffen. Es ist an der Zeit, mehr darüber zu erfahren.

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Mechthild Müller, Zu Isidor von Sevilla

Über das „Summarium Heinrici“

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Über das „Summarium Heinrici“ Jörg Riecke

1. Zur Einleitung Im deutschen Sprachraum ist das „Summarium Heinrici“ am Ausgang des frühen Mittelalters das umfangreichste und zugleich bedeutendste Lehrund Nachschlagewerk. Es befand sich als Schulbuch in vielen Klosterbibliotheken und wurde vermutlich seit dem letzten Viertel des 11. Jahrhunderts im Elementarunterricht der Klosterschulen eingesetzt. Eine genauere Datierung, aber auch die Lokalisierung der nicht erhaltenen ältesten Fassung ist umstritten. Begründete Vorschläge lenken die Aufmerksamkeit auf das Kloster Lorsch und das Kloster St. Burkart in Würzburg. Bei diesem Lehr- und Nachschlagewerk handelt es sich um eine lateinische, nach Sachgruppen geordnete Enzyklopädie mit doppelter Konzeption: es bietet zunächst eine Summe des damals bekannten Schulwissens in zehn Büchern mit zahlreichen Unterkapiteln und dann als elftes Buch ein alphabetisch geordnetes Lexikon mit lateinischen, aber auch griechischen und hebräischalttestamentarischen Stichwörtern. Darüber hinaus ist es im fortlaufenden Text mit mehr als 4200 deutschen Wörtern durchsetzt und kann damit als ein herausgehobenes Beispiel für die Übernahme lateinischen Bildungswissens und seine Transformation in die sich entwickelnde Volkssprache gelten. Der zweisprachige Charakter des Werkes führte zur Aufnahme der deutschsprachigen Einträge in die verdienstvolle Glossensammlung Elias von Steinmeyers,1 aber erst die Edition Reiner Hildebrandts bildet das Gesamtwerk vollständig ab.2 Vor allem die deutschen Einträge haben die germanistische Forschung seit ihren Anfängen beschäftigt, das „Summarium Heinrici“ und sein Wort1

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Elias von Steinmeyer – Eduard Sievers (Hg.), Die althochdeutschen Glossen, Bd. 3, Berlin 1895, S. 78–175. Reiner Hildebrandt (Hg.), Summarium Heinrici, Bd. 1: Textkritische Ausgabe der ersten Fassung Buch I–X, Berlin – New York 1974; Bd. 2: Textkritische Ausgabe der zweiten Fassung Buch I–VI sowie des Buches XI in Kurz- und Langfassung, Berlin – New York 1982.

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Jörg Riecke

schatz bereichern wie kein zweiter Text unsere Kenntnis der deutschen Sprache an der Wende von der spätalthochdeutschen zur frühmittelhochdeutschen Zeit. Es tradiert ältere Wortbestände, die sonst verloren wären, und stellt zugleich in vielen Sachbereichen das lexikalische Reservoir bereit, aus dem sich im hohen Mittelalter neue einheimische Fachsprachen herausbilden.3 Die deutschen Wörter und der lateinische Text sind aber hinsichtlich ihrer zeitgenössischen Wirkung als eine Einheit zu betrachten, mit der forschungsgeschichtlich begründeten Konzentration auf die als Glossen interpretierten deutschen Wörter und der Einordnung als „Glossar“ wird nur ein Aspekt des Kompendiums sichtbar.4 Zunächst und vor allem ist das „Summarium Heinrici“ als Ganzes ein Hilfsmittel für den klösterlichen Schulunterricht. In diesem Unterricht gehörte es im neunten, zehnten und elften Jahrhundert in vielen Klöstern zur gängigen Praxis, zum besseren Verständnis der lateinischen Bildungssprache deutschsprachige Erklärungen direkt in die lateinischen Handschriften einzufügen, sei es zwischen den Zeilen oder am Textrand. Zu dieser Zeit entstehen auch erste größere Glossensammlungen zur Bibel, zu den Schriften der Kirchenväter oder zu verschiedenen lateinischen Schriftstellern wie etwa Vergil oder Prudentius. Neben die Glossensammlungen zu einzelnen Autoren und Werken treten dann auch breiter angelegte alphabetisch oder nach Sachgruppen angeordnete zweisprachige Werke. In diese Tradition gliedert sich das „Summarium Heinrici“ ein.5 Seine handschriftliche Überlieferung reicht wohl vom 12. bis ins 15. Jahrhundert, der Schwerpunkt liegt im 12. und 13. Jahrhundert. Der für diese Zeit schon recht altertümliche, eher in die althochdeutsche Zeit etwa des 10. Jahrhunderts zurückweisende Lautstand der deutschen Eintragungen beruht vielleicht auf älteren Vorlagen und kennzeichnet darüber hinaus eine konservative,

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Siehe dazu am Beispiel der Genese des mittelalterlichen medizinischen Wortschatzes Jörg Riecke, Die Frühgeschichte der mittelalterlichen deutschen Fachsprache, Bd. 1, Berlin – New York 2004, S. 187–198. In der Beschränkung auf die Betrachtung der deutschsprachigen Einträge des Summariums und der Überwindung dieses verengten Interesses in der neueren Forschung zeigt sich, mitunter fast unbemerkt, der Übergang von der Germanistik als „Nationalphilologie“ zu einer europäischen Wissenschaft. Man vergleiche zu diesem Themenkomplex Oskar Reichmann, Das nationale und das europäische Modell in der Sprachgeschichtsschreibung des Deutschen, Freiburg/Schweiz 2001. Zur Einordnung des „Summarium Heinrici“ in die Textsorte Glossar siehe Stefanie Stricker, Zur Typisierung von Glossaren, in: Rolf Bergmann – Stefanie Stricker (Hg.), Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie. Ein Handbuch, Bd. 1, Berlin – New York 2009, S. 595–601, hier S. 596 f.

Über das „Summarium Heinrici“

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die klösterliche Tradition hervorhebende Einstellung des Schreibers zur volkssprachigen Schriftlichkeit. Der Verfasser selbst ist – wie der Entstehungsort und die Entstehungszeit – unbekannt.6

2. Die Fassungen des Werkes Vermutlich hat das „Summarium Heinrici“ bereits auf seiner frühesten Stufe alle überlieferten 11 Bücher enthalten und bestand damit sowohl aus den sachlich geordneten Büchern I bis X als auch aus dem alphabetisch geordneten Buch XI (Redaktion A). Im einzelnen folgen dann nach der lateinischen Grammatik im ersten Buch in den Büchern II bis X, in zahlreiche Unterkapitel gegliedert, lateinische Erklärungen zu den verschiedensten damals bekannten Wissenschaften, zu den Menschen, seinen Tätigkeiten und seiner Umwelt. Aus einem Brief Senecas ad Lucilium, aus dem im Prosaprolog des „Summariums“ zitiert wird, ist ersichtlich, dass der Titel des Werkes auf eine im klassischen Latein nur bei Seneca nachgewiesene Wortprägung zurückgeht:7 Commentarios quos desideras, diligenter ordinatos et in angustum coactos, ego vero componam; sed vide ne plus profutura sit ratio ordinaria quam haec quae nunc vulgo breviarium dicitur, olim cum latine loqueremur summarium vocabatur. („Ich aber werde die Erläuterungen, welche du ersehnst, sorgfältig geordnet und auf engen Raum gedrängt, zusammenstellen; aber vielleicht mehr nützen wird eine normale Darstellung als die, die nun allgemein Kurzfassung genannt wird; einst wurde sie, als wir Latein sprachen, Summarium genannt.“)

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7

Ein Überblick über den Forschungsstand findet sich bei Reiner Hildebrandt, Das ‚Summarium Heinrici‘, in: Rolf Bergmann – Stefanie Stricker (Hg.), Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie, S. 665–680, hier S. 665. Man vgl. auch Stefanie Stricker, Basel ÖBU. B IX 31, Göttingen 1989. Studien zur Überlieferung des Summarium Heinrici, Langfassung, Buch IX. Die strittigen Fragen der Herkunft und Datierung, die aber nicht im Vordergrund dieses Beitrags stehen, werden im Folgenden noch einmal gesondert aufgegriffen. Seneca, Ad Lucilium 39. Brief, in: Philosophische Schriften, Bd. 3: Dialoge. Briefe an Lucilius. Erster Teil: Brief 1–81. Übersetzt, mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Otto Apelt, Hamburg 1993. Der Einfluss Senecas wird durch weitere Übereinstimmungen im 33. Brief gestützt. Man vgl. Werner Wegstein, Studien zum ‚Summarium Heinrici‘. Die Darmstädter Handschrift 6. Werkentstehung, Textüberlieferung, Edition, Tübingen 1985, S. 24–33.

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Darüber hinaus ist der Benutzerkreis, für den das Lehrbuch bestimmt war, aus dem Prolog zu erschließen:8 Quamvis, ut quidam sapiens ait, viro captare flosculos turpe sit et fuilcire se notissimis vocibus, tamen salva pace eorum, qui perfectos habent sensus, … illis, qui pueri sunt sensibus, eo quod minus aliquid certi capiant, istos late collectos redolendos sententiarum flosculos et ediscendos offerimus. […] non dubito quin hêc adhuc rudibus multum utilitatis conferant, si tenaci memoriê condant. Preterea brevitati studere omnimodis censuimus, quo etiam inerti et labili memoriê consuluimus. („Obwohl es, wie ein Weiser sagt, für einen Mann sehr beschämend ist, nach blumigen Redensarten zu haschen und sich nur auf sehr wenige Sprüche zu stützen, bieten wir, ohne denen zu nahe treten zu wollen, deren Verstand vollkommen ausgebildet ist, jenen, die noch über ein kindliches Denkvermögen verfügen, diese weit und breit aufgesammelten Sentenzen, die ihren Duft verströmen und auswendig gelernt werden sollen. […] Ich zweifle nicht daran, dass sie den noch Ungebildeten viel Nutzen bringen, wenn sie diese Dinge ihrem Gedächtnis für immer anvertrauen. Außerdem vertrat ich die Meinung, Kürze anzustreben, um auch dem schwachen und vergesslichen Gedächtnis gerecht zu sein.“) Auch diese Aussage legt den Schluss nahe, dass das Summarium zunächst als Lehrbuch und Nachschlagewerk für Lateinschüler gedacht war. Dafür spricht weiter, dass der Verfasser eine lateinische Grammatik an den Anfang des Textes gesetzt hat. Damals wie heute gilt, dass ohne Kenntnis der Grammatik in den Wissenschaften kaum etwas zu erreichen ist:9 Porro librum primum de grammatica posuimus, quia, qui litteras vel formas dictionum ignoraverit, aut vix aut nullo modo aliam artem assequi valebit. („Ferner stelle ich als erstes ein Buch über die Grammatik voran, weil diejenigen, die die Buchstaben oder Formen der Rede nicht kennen, es kaum oder auf gar keine Weise vermögen werden, eine andere Lehre zu verfolgen.“) Im Prosaprolog nennt der Verfasser darüber hinaus seine wichtigste Quelle, Isidors von Sevilla „Etymologiarum sive originum libri XX“10, und er hat etwa vier Fünftel seines Werkes den Etymologien Isidors exzerpierend entnommen. Andere Quellen erklärt er selbst für weniger bedeutend, aller8 9 10

Reiner Hildebrandt (Hg.), Summarium Heinrici, Bd. 1, S. 2. Reiner Hildebrandt (Hg.), Summarium Heinrici, Bd. 1, S. 3. W. M. Lindsay (Hg.), Isidori Hispalensis Episcopi Etymologiarum sive Originum libri XX, Oxford 1911, 3. Aufl. 1957/62.

Über das „Summarium Heinrici“

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dings erkennt man im ersten Fünftel seines Werks, im „Liber primus de grammatica“ einen komprimierten Extrakt aus den „Institutiones grammaticae“ des Priscian, und im „Liber secundus de variis dogmatibus“ neben Isidor auch Übernahmen aus Cassiodors „Expositio psalmorum“ (II, 14) und dem „Liber de schematibus et tropis“ des Beda Venerabilis (II, 6.7).11 Werner Wegstein führt zusätzlich den Herbarius des Pseudo-Apuleius als Quelle an.12 Dieses erste Fünftel unterscheidet sich aber nicht nur durch die herangezogenen Quellen deutlich vom Rest des Summariums. Während es sich nämlich bis zu dem auf Cassiodor zurückgehenden Buch II, 14 um einen rein lateinischen Text handelt, verwandelt sich das Werk im weiteren Verlauf, zunächst noch zögerlich, in ein erkennbar zweisprachig angelegtes Wörterbuch. Der Übergang in die neue bilinguale Wörterbuchkonzeption wird dem Benutzer im Kapitel II, 15 „De temporibus et mensibus et annis“ deutlich angezeigt, wenn hier, im ersten durchgängig glossierten Kapitel, die ersten deutschen Wörter gesterin ‚gestern‘, ubermorgene ‚übermorgen‘, ¯egestern ‚vorgestern‘, tagoro¯ta ‚Abendröte‘ und morgenro¯th bzw. morginro¯ta ‚Morgenröte‘ mit der textinternen lateinischen Glossierungsfloskel id est versehen sind. Hesternum est pridie id est gesterin […]. Perendie id est pro ante die, id est ubermorgene vel egestern. […] Crepusculum id est tagorota. […] Aurora quasi aurea hora, id est morgenroth/morginrota.13 Im weiteren Verlauf wird die id est-Formel nur noch selten und mit abnehmender Tendenz, meist bei sekundären Neueinträgen, eingesetzt. Der Umgang mit lat. perendie¯ deutet zudem das sprachliche Niveau des Verfassers an. Semantischer Mehrdeutigkeiten der Ausgangssprache Latein ist er sich durchaus bewusst; neben der klassisch-lateinischen Bedeutung ‚übermorgen‘ kennt er für perendie¯ im Latein Isidors auch die Bedeutung ‚vorgestern‘, so dass perendie¯ im mittelalterlichen Latein sowohl Zukunfts-, als auch Vergangenheitsbezug haben kann: pro bzw. ante die : ubermorgene vel egestern.14

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Reiner Hildebrandt, Das ‚Summarium Heinrici‘, S. 666; siehe auch mit genauen Quellenangaben ders., Summarium Heinrici, Bd. 1, S. XXV. Siehe Werner Wegstein, Studien zum ‚Summarium Heinrici‘, Die Darmstädter Handschrift 6, S. 58. Reiner Hildebrandt (Hg.), Summarium Heinrici, Bd. 1, S. 103 f. Über die unterschiedlichen Schreibungen in den verschiedenen Handschriften informiert Hildebrandts Variantenapparat, ebd. Reiner Hildebrandt, Das ‚Summarium Heinrici‘, S. 666 f.

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Neben dem Prosaprolog gibt es noch einen zweiten Prolog in Versen, der in zwei Haupthandschriften erhalten ist und durch die kunstvolle Herausstellung des Namens Heinricus als Akrostichon gekennzeichnet ist. Dieser Prolog geht vermutlich auf eine jüngere Bearbeitung des Werks aus dem frühen 12. Jahrhundert zurück.15Betrachten wir nun die einzelnen Bücher der Redaktion A, dann stellen wir die folgende Abfolge fest: Buch I: Grammatik (= Liber primus: „De grammatica“). Buch II: Verschiedene Lehrgebiete (u. a. Etymologie, rhetorische Figuren, Musik) (= Liber secundus: „De variis dogmatibus“). Das auf Priscian beruhende erste Buch des „Summariums“, der „Liber primus: de grammatica“ besteht aus 41 Kapiteln über die Laute, Buchstaben und grammatischen Formen des Lateins. Eine genauere Kennzeichnung findet sich in Anhang 1 dieser Studie. Das zweite Buch, der auf Isidor, Beda und Cassiodor fußende „Liber secundus: de variis dogmatibus“ besteht aus weiteren 21 Abschnitten, die ebenfalls im Anhang 1 benannt werden. Mit diesen Kapiteln kann der lateinische Sprachunterricht im Sinne des Triviums der „Septem artes liberales“ durchgeführt werden. Der Verfasser wendet sich nun aber mit den Büchern III bis X nicht etwa dem Quadrivium zu, wie dies noch bei Isidor der Fall war. Vielmehr entwickelt er ein neues Konzept einer Realenzyklopädie mit den folgenden Themenschwerpunkten:16 Buch III: Die Welt der Lebewesen, einschließlich Gott und den Engeln (= Liber tertius: „De omni quod vivit, sentit atque discernit“). Buch IV: Die Welt der pflanzlichen Lebewesen (= Liber quartus: „De his quê vivunt per viriditatem“). Buch V: Die bewegte, aber unbelebte Welt des Universum und der Erde (= Liber quintus: „De omni quod movetur sed non vivificatur“). Buch VI: Steine, Metalle und deren Verarbeitung (= Liber sextus: „De his que inveniuntur sub terra vel in terra“). Buch VII: Städte, Länder und menschliche Bauwerke (= Liber septimus: „De receptaculis hominum“). Buch VIII: Völkerschaften und Berufsstände (= Liber octavus: „In quo est de variis officiis hominum“).

15 16

Ebd., S. 666. Man vgl. ebd., S. 668.

Über das „Summarium Heinrici“

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Buch IX: Kleidung, Essen und Trinken (= Liber nonus: „De vestimentis et alimentis et potibus et vasis escariis“). Buch X: Militär, Schiffahrt, handwerkliche Tätigkeiten, Medizin (= Liber decimus: „De bellis et de variis artificiis“). Diese Themenschwerpunkte entsprechen also nicht mehr dem Quadrivium, der zweiten Stufe der „Sieben freien Künste“, die aus dem Fächern Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik besteht, sondern sie dienen der Beschreibung der unbelebten und belebten Natur, die dann in Buch X auf verschiedene menschliche Tätigkeiten ausgedehnt wird. Zwar gilt hier weiterhin Isidors Text in exzerpierender Kürzung als Grundlage, jedoch ist die Reihenfolge der Bücher und Kapitel wegen des neuen Konzepts einer Dualität von belebter und unbelebter Natur völlig umgestellt.17 Einzelne Kapitel, wie Isidors Buch II („De rhetorica et dialectica“), fehlen ganz. Man vergleiche die Abfolge der Kapitel bei Isidor und im „Summarium“ in Anhang 2. Es wird deutlich, dass der Isidor-Text vor allem für Buch X ganz neu zusammengesetzt wird. Während nämlich bei Isidor die Vermittlung von Kenntnissen der Welt dem Nachweis des göttlichen Wirkens in der Natur dient und im Zeichen der Bibelexegese und der Moraldidaxe steht,18 orientiert sich das Summarium stattdessen stärker an den einheimischen lebenspraktischen Bedürfnissen19 und wird so Teil einer Entwicklung, durch die sich im weiteren Verlauf des Mittelalters die Gruppe der dienenden „Eigenkünste“, die sog. Artes mechanicae, herausbilden.20 Den zehn sachlich geordneten Büchern folgt schließlich das alphabetisch angelegte Buch XI. Sein Konzept bildet gewissermaßen das Gegenmodell zu den Büchern I bis X. „Ganz ohne Isidors Vorbild geschah dies jedoch auch nicht: Isidors Liber X – also das mittlere seiner zwanzig Bücher – trägt den Titel ‚De vocabulis‘ und ist eine alphabetisch geordnete Sammlung von nomina agentis im weitesten Sinne. Die meisten dieser 17 18

19

20

Reiner Hildebrandt, Das ‚Summarium Heinrici‘, S. 668. Man vgl. Bernhard D. Haage – Wolfgang Wegner, Deutsche Fachliteratur der Artes in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin 2007, S. 97 f. Vgl. Werner Wegstein, Studien zum ‚Summarium Heinrici‘. Die Darmstädter Handschrift 6, S. 63 f. Eine erste Systematisierung der „Artes mechanicae“ findet sich bei Hugo von St. Victor (gest. 1141). Hugo unterscheidet: 1. Lanificium (Wollverarbeitung, stellvertretend für Handwerk), 2. Armatura (Kriegs- und anderes technisches Handwerk), 3. Navigation (Reisen, Handel), Agriculturum (Landwirtschaft, Garten), Venatio (Jagd, Lebensmittelgewerbe), Medicinae, Theatrica (Theater, Schau- und Wettspiel). Man vgl. Bernhard D. Haage – Wolfgang Wegner, Deutsche Fachliteratur der Artes in Mittelalter und Früher Neuzeit, S. 17.

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Wörter hatte aber auch der ‚Summarium‘-Verfasser exzerpiert und seinem umfangreichsten Kapitel ‚De variis officiorum vocabulis vel operariis‘ (VIII, 8) einverleibt, allerdings ohne die bei Isidor praktizierte Alphabetisierung zu beachten, sondern eher bestrebt, sie nach Berufsgruppen oder ähnlichen assoziativen Zusammenhängen umzugruppieren. Sein neues Buch XI dagegen beinhaltet einen gänzlich anderen Wortschatz, der offensichtlich zum besseren Verständnis biblisch-theologischer Lektüre beitragen sollte.“21 Von diesem Buch gibt es eine Kurzfassung und eine Langfassung in je drei Handschriften, die Langfassung wurde später auch ohne die ersten 10 Bücher als selbständiges Wörterbuch in mindestens elf Handschriften weitergeführt.22 Die Überarbeitung des „Summarium Heinrici“ als Sechs-Bücher-Fassung (Redaktion B) ist nur in einem Nachdruck aus dem Jahre 1765 vollständig erhalten, dessen Vorlage verloren ist. Ihr Alter wird aber durch vier Handschriftenfragmente aus dem 12., 13. und 14. Jahrhundert bestätigt.23 Diese Umarbeitung verzichtet nicht nur auf die ersten beiden Bücher der Langfassung und auf einzelne Kapitel wie die über Steine, Metalle, Gewichte, Maße (VI, 1–9), priesterliche Gewänder (IX, 1), Recht (X, 11–13, 15) und Medizin (X, 27), sondern sie kürzt die lateinischen Bestandteile des Werkes insgesamt, bei gleichzeitiger Ausweitung der deutschen Einträge.24 Es ist für jedes dieser Kapitel zu prüfen, warum es für die Bearbeiter nicht von Interesse war. Möglicherweise haben diese einzelnen Bereiche – etwa in der Medizin – so stark an Aktualität verloren, dass ihre Kommentierung überflüssig erschien. Auch scheint bei dieser Bearbeitung weitgehend auf die etymologischen Angaben Isidors verzichtet worden zu sein. Die Ergänzungen zeigen dagegen vor allem ein geistliches Interesse, erkennbar etwa an dem zusätzlich mit deutschen Einträgen versehenen Abschnitt I, 7 „De dei nominibus et sacris ordinibus“.25 Der Sprachstand der deutschen Wörter bleibt aber, auch wenn es sich um Neueinträge handelt, konservativ, das heißt althochdeutsch. Reiner Hildebrandt hat zudem nachgewiesen, dass die Sechs-Bücher-Fassung auch die wichtigste Quelle für Hildegards von Bingen – sprachlich ebenfalls konservatives – Glossar der „Lingua 21 22 23

24 25

Reiner Hildebrandt, Das ‚Summarium Heinrici‘, S. 669 f. Ebd., S. 670. Ebd., S. 671, siehe auch das Stemma ebd. S. 673 sowie die Handschriftenbeschreibungen in: ders., Summarium Heinrici, Bd. 2, S. XXVIII–XXXII. Man vgl. auch Werner Wegstein, Anmerkungen zum ‚Summarium Heinrici‘, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 101 (1972), S. 305 f. Reiner Hildebrandt, Das ‚Summarium Heinrici‘, S. 672. Werner Wegstein, Anmerkungen zum ‚Summarium Heinrici‘, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 101 (1972), S. 306.

Über das „Summarium Heinrici“

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Ignota“ darstellt, das um die Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert entstanden sein dürfte.26 Damit ist auch ein erster ungefährer Anhaltspunkt für einen „Terminus ante quem“ gefunden.

3. Die Überlieferung Die Beschreibung der einzelnen Handschriften findet sich in den verschiedenen Textausgaben, insbesondere in der Edition Hildebrandts.27 Ihre Datierungen erstrecken sich von der Zeit um 1100 bis in das späte 15. Jahrhundert. Es gibt vollständige Codizes mit teilweise prächtiger Ausstattung wie die Hs. B (München, BSB. Clm 2612; Mitte 13. Jh., aus Aldersbach), aber auch A (Wien, ÖNB. Cod. 2400; Anf. 13. Jh., aus Heiligenkreuz) und V (Erlangen, UB. Cod. 396; Ende 13. Jh., aus Heilsbronn). Daneben überwiegen aber die einfach gestalteten Ausgaben, die Auslassungen enthalten und wie die meisten Gebrauchstexte durch intensive Nutzung heute in einem schlechten Erhaltungszustand sind. Beispiele sind die Handschriften C (Trier, StB. Cod. 1124/2058; 13. Jh., Matthiaskloster Trier), H (Darmstadt, LB und Hochschulbibl. Cod. 6; Ende 12. Jh., Himmerod?) und Q (Graz, UB. Cod. 859; 13. Jh.). Andere Handschriften enthalten nur die zehn onomasiologisch angelegten Bücher bzw. Teile daraus: E (Einsiedeln, Stiftsbibl. Cod. 171; 12. Jh., aus dem alem. Sprachraum, seit dem frühen 13. Jh. in Einsiedeln), F (München, BSB. Clm 23796; 15. Jh.), G (Prag, SB und UB. Ms.

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Reiner Hildebrandt, Summarium Heinrici: Das Lehrbuch der Hildegard von Bingen, in: Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen. Bd. 9.2: Reiner Hildebrandt, Gesammelte Beiträge zur Germanistik II, Gießen 2003, S. 103–125, hier S. 103 f. Hildegards Glossar ist abgedruckt bei: Elias von Steinmeyer – Eduard Sievers (Hg.), Die althochdeutschen Glossen, Bd. 3, Berlin 1895, S. 390–404. Reiner Hildebrandt, Summarium Heinrici, Bd. 1, S. XXXVI–XLIII; Bd. 2, S. XVII– XXXII und XXXVIII–XLVII sowie ders., ‚Summarium Heinrici‘, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. völlig neu bearb. Aufl. hg. v. Kurt Ruh – Burghart Wachinger, Bd. 9, Berlin – New York 1995, Sp. 511 f. und Bd. 11 (2004), Sp. 1470. Siehe auch Stefanie Stricker, Editionsprobleme des Summarium Heinrici, in: Rolf Bergmann (Hg.), Probleme der Edition althochdeutscher Texte, Göttingen 1993, S. 38–75; hier werden 44 Handschriften genannt. Die aktuellste Zusammenstellung mit allerdings nur 35 Textzeugen findet sich auf der Internetseite „Handschriftenzensus“: http://www. handschriftencensus.de/werke/373. Offenbar ist nicht bei allen Überlieferungsträgern des XI. Buches sicher, ob es sich noch um „echte Textrepräsentanten“ oder um eigenständige Umarbeitungen handelt. Man vgl. auch die Angaben bei Rolf Bergmann – St. Stricker (Hg.), Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften, 6 Bde., Berlin – New York 2005.

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XXIII E 54; Anf. 13. Jh., aus Weißenau) und L (Erfurt, Wiss. UB. Fragm. T. hom. 81; Anf. 13. Jh.). Es gibt auch Handschriften, die nur eine ausgewählte Sachgruppe enthalten. So finden sich die Pflanzenkapitel aus Buch IV in S (Zürich, Zentralbibl. Cod. C 58; letztes Viertel 12. Jh., St. Gallen), T (Klagenfurt, UB. Cod. 11; aus Ossiach, Kärnten) und W (Wien, ÖNB. Cod. 2532; 12. Jh.). Die sekundäre Sechs-Bücher-Fassung tradieren die Handschriften D (St. Blasien, Stiftsb., verschollen; erhalten im Druck von 1765), M (Straßburg, StB. Cod. B 114, 1870 verbrannt; erhalten sind nur kurze Auszüge) und drei Einzelblattfragmente. Die meisten übrigen Handschriften überliefern das XI. Buch (Langfassung) in zwei Versionen. Anders als die Kurzfassung ist die Langfassung so zahlreich, dass vermutet werden kann, dass sie auch unabhängig von den ersten 10 Büchern rezipiert und überliefert wurde. Sie erscheint in einigen Handschriften als selbständiges Glossar unter eigenständigen Titeln wie „Glossarium latino-theotiscum“ (c: Kiel, UB. Cod. M S. KB 47; 11. Jh.), „Vocabularius secundum alphabeti ordinem“ (e: München, BSB. Clm 3215; 13./14. Jh., Asbach) oder „Glossae super alphabetum (i: München, BSB. Clm 17151; 12. Jh., Schäftlarn; k: München, BSB. Clm 17153; 12. Jh., Schäftlarn). Ob die Kurzfassung eine Vorstufe der Langfassung oder eine spätere Auswahl darstellt, kann beim derzeitigen Forschungsstand nicht entschieden werden. Daher ist es auch nicht möglich, eine inhaltskonstante „Urfassung“ zu ermitteln.28 Allerdings zeigt eine Analyse der deutschsprachigen Einträge viele Übereinstimmungen zwischen den Handschriften G (Prag, SB und UB. Ms. XXIII E 54; Anf. 13. Jh., aus Weißenau), S (Zürich, Zentralbibl. Cod. C 58; letztes Viertel 12. Jh., St. Gallen), und V (Erlangen, UB. Ms. 396; 1294, Heilsbronn) der Redaktion A sowie D (St. Blasien, Stiftsb., verschollen; erhalten im Druck von 1765) mit den Varianten I, M, N, R der Redaktion B. Für sie setzt Reiner Hildebrandt eine gemeinsame Vorstufe *Y an, die der ältesten Fassung am nächsten stehen müsste.29

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Reiner Hildebrandt, ‚Summarium Heinrici‘, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. völlig neu bearb. Aufl., Bd. 9, Berlin – New York 1995, Sp. 514 f. Reiner Hildebrandt, Das ‚Summarium Heinrici‘, S. 674.

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4. Isidors Etymologien als Vorlage für eine mittelalterliche Enzyklopädie Wie kein zweiter Text bot sich am Ausgang des Frühmittelalters Isidors von Sevilla Abhandlung als Textgrundlage für eine neue Sammlung des bekannten Schulwissens an. Noch nicht erklärt ist damit aber die Tatsache, dass eine „Enzyklopädie“, die das Weltwissen der Spätantike enthält, unter dem Titel „Etymologien“ verbreitet wurde. Unter dieser Überschrift würden wir heute wohl vor allem eine Abhandlung über die Herkunft von Wörtern erwarten. Es stellt sich also die Frage, welche Vorstellungen Isidor von Sevilla, die Spätantike und das frühe Mittelalter mit dem Stichwort „Etymologie“ verbunden haben. Ihre Beantwortung führt uns zu den Anfängen des Nachdenkens über Sprache überhaupt.30 Bereits im griechischen Altertum gab es philosophische Strömungen, die der „Richtigkeit“ der „Namen“ nachgingen. So fragte sich bereits Heraklit von Ephesos (um 500 v. Chr.), inwiefern der Name eines Dinges die Wahrheit einer Sache widerspiegele und damit tatsächlich dem durch ihn bezeichneten Gegenstand entspreche. Später beschäftigte sich Platon in seinem Dialog „Kratylos“ eingehend mit der Richtigkeit der Namen. In diesem Dialog lässt Platon einen Vertreter der These, laut derer alle Wörter ihre Bedeutung von Natur aus haben und keiner Definition bedürfen, antreten gegen einen Vertreter einer scheinbar modernen, im „Kratylos“ erstmals bezeugten Gegenthese, derzufolge der Zusammenhang von Wörtern und ihrer Bedeutung auf der willkürlichen Festlegung durch den Menschen beruhe. Der Genfer Indogermanist Ferdinand de Saussure, der die Sprachwissenschaft des 20. Jahrhunderts prägte, hat sich dieser These angeschlossen und das Verhältnis zwischen den Dingen der Welt und den sprachlichen Zeichen in diesem Sinne „arbiträr“ genannt. Denn waren die Dinge einmal bloß willkürlich so benannt worden, wie sie nun einmal hießen, dann waren die Wörter konventionelle „arbiträre“ Bezeichnungen, die keinerlei Wahrheit enthielten.31

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Zur Geschichte der Etymologie vgl. Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 3. Aufl., Bern – München 1948, S. 486–490; Willy Sanders, Grundzüge und Wandlungen der Etymologie, in: Rüdiger Schmitt (Hg.), Etymologie, Darmstadt 1977 (Wege der Forschung 373), S. 7–49. Man vgl. auch Hans Arens, Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 1, Freiburg – München 1969, S. 6 f. Zur Einordnung in die Forschungsgeschichte siehe Andreas Gardt, Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Berlin – New York 1999, S. 293 f.

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Platon wirft zunächst die Frage auf, ob die Bezeichnungen der Dinge durch „Natur“ oder durch „Übereinkunft“ entstanden seien. Nimmt man eine „natürliche“ Beziehung an, dann wird man aus den Bezeichnungen das „Wesen“ einer Sache herauslesen wollen. Kamen den Dingen ihre Namen von Natur aus zu, dann waren die Wörter folglich „richtig“, weil sie das „Wesen“ der Dinge trafen und spiegelten. Wenn aber das Wort das „Wesen“ der Dinge spiegelte, dann musste man durch die Betrachtung des Wortes zur Erkenntnis der Sache kommen. Die antike Rhetorik ist zunächst von dieser „natürlichen“, unmittelbaren, nicht willkürlichen Verbindung ausgegangen, mit Hilfe der Etymologie sollte unter dieser Voraussetzung die Bedeutung einer jeden Sache ermittelt werden. Etymologie wird so verstanden zu einer philosophischen „Denkform“.32 Mit der Frage: „Wie kommen die Dinge zu ihren Namen?“ in heutigen Worten: „Welcher Zusammenhang besteht zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendem?“ beginnt die Geschichte der Sprachwissenschaft. Platon bietet für den Namen des Meeresgottes Poseidon zunächst drei mögliche Etymologien. Vielleicht komme er zum Beispiel daher, weil die Gewalt des Meeres seinen, Poseidons, Füßen Fesseln anlegt: griechisch posi-desmos „den Füßen eine Fessel“33. Diese Etymologien beruhen manchmal auf lautlichen oder sachlichen Ähnlichkeiten, manchmal beruhen sie auch nur auf einer assoziativen, bedeutungserschließenden Silbenzerstückelung wie im Beispiel des lateinischen Grammatikers Marcus Valerius Probus (1. Jh. nach Chr.): so heißen die Bienen nach Probus apes, weil sie ohne Beine auf die Welt kommen: a-pes (zu lat. pês ‚Fuß‘). Man erkennt den Versuch, die in einem gegebenen Lautgebilde versteckte, als ursprünglich gedachte Sinneinheit zu rekonstruieren. Auch die christliche Namendeutung kann sich dabei auf zahlreiche Beispiele aus dem Alten, aber auch aus dem Neuen Testament stützen, so etwa auf Mt 16,18: „Du bist Petrus. Auf diesen Felsen [griech. pétra] will ich meine Kirche bauen …“. Eine Fundgrube für die hier anknüpfende spätantike Art der Etymologie sind dann die Schriften des Heiligen Augustinus: lat. lu¯cus ‚Hain‘ heißt so, weil er schattig ist: quod minime luceat; lat. bellum ‚Krieg‘ heißt so, weil er keine angenehme Sache ist: res bella; Parcae, die unerbittliche Schicksalsgöttin, heißt so, weil sie niemanden verschont: lat. parcere. 32

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Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 3. Auf., Bern – München 1948, S. 486. Dieses und die folgenden Beispiele, wenn nicht besonders vermerkt, nach Willy Sanders, Grundzüge und Wandlungen der Etymologie, S. 9 f.; zum Heiligen Augustinus S. 18 f.; zu Probus S. 31 f.

Über das „Summarium Heinrici“

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Den Höhepunkt dieser „wahrheitssuchenden Etymologie“ finden wir in Isidors von Sevilla Hauptwerk „Etymologiae libri viginti“. Hier gibt er zahlreiche Beispiele für Etymologien, mit denen die eigentliche Bedeutung, der erste Ursprung des Wortes und damit im Sinne der „Etymologie als Denkform“ der wahre Kern einer Sache aufgehellt werden soll. Ausgangspunkt sind ihm folglich nicht die Dinge, wie wir das heute erwarten würden, sondern ihre Bezeichnungen, durch deren etymologische Herleitung sowohl die Aussagekraft der Wörter wie zugleich die der behandelten Sache klarer werden soll. Isidor wollte also mit der Hilfe von Etymologien die Dinge durchsichtig und verständlich machen. Dass wir heute, nach der Entdeckung der sog. Lautgesetze, viele dieser Etymologien für sachlich falsch halten, steht auf einem anderen Blatt. Hier geht es nicht um die Richtigkeit einzelner Etymologien, sondern um die Vorstellung, dass eine richtige Etymologie den Kern einer Sache zum Ausdruck bringt. Kennt man die Etymologie, versteht man die Sache. In diesem Sinne galt die Etymologie „als Schlüssel zur Welt“.34 Isidor erläutert dies im ersten Buch seiner „Etymologien“ (I, 29,2): […] Nam dum videris unde ortum est nomen, citius vim eius intellegis. Omnis enim rei inspectio etymologia cognita planior est. („Denn wenn du den Ursprung eines Wortes kennst, verstehst Du seine Kraft viel schneller. Jedes Ding lässt sich klarer erfassen, wenn man seine Etymologie kennt.“) Isidor vermutet aber zugleich, dass nicht alle Dinge nach ihrer „Natur“ benannt seien, sondern manche nach Willkür. Daher, und weil nicht aller Wörter aus dem Griechischen oder Lateinischen stammen, lassen sich nicht alle Wörter etymologisieren. Und auch dort, wo die Beziehung zwischen Wort und Sache „natürlich“ sei, erschließt sich diese Beziehung nicht in jedem Fall von selbst, sondern bedarf der Auslegung (I, 29,1): Etymologia est origo vocabulorum, cum vis verbi vel nominis per interpretationem colligitur. („Die Etymologie ist der Ursprung der Benennungen, indem der Inhalt des Wortes oder Namens mittels einer Auslegung zusammengefasst wird.“)35 34

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Zur Diskussion dieser Frage vgl. man die Beiträge der Festschrift für Friedrich Ohly: Hans Fromm – Wolfgang Harms – Uwe Ruhberg (Hg.), Verbum et Signum. Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung. Friedrich Ohly zum 60. Geburtstag überreicht, 2 Bde, München 1975. Man vgl. auch Friedrich Ohly, Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter, in: ders., Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977, S. 1–31, hier S. 16 f. Zu dieser Stelle und dem daraus – möglicherweise – abzuleitenden Zweifel an der Bedeutung der „natürlichen“ Etymologie für den Bereich der Appellative im Mittel-

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Bei der etymologischen Forschung unterscheidet Isidor die drei Prinzipien „ex causa“ (rex kommt von regere und recte agere), „ex origine“ (der Mensch heißt homo, weil er aus humus besteht) und „ex contrariis“ (lucus a non lucendo, quia umbra opacus parum luceat).36 Das Verfahren dieser gelehrten „natürlichen“ Etymologie ist vergleichbar dem Typus der Volksetymologie, mit dem Menschen noch heute versuchen, in ihrer Zusammensetzung unbekannte, undurchsichtig gewordene Wörter neu zu motivieren, um sie wieder verständlich zu machen. Exemplarisch kann hier auf die Volksetymologie des Wortes Maulwurf verwiesen werden. Hier wurde wohl nicht mehr verstandenes ahd. mu¯-werfo, das zu einem Wort für „Hügel“ (vgl. altengl. mu¯wa, mu¯ha) gehört, zunächst zu molt-werfo umgedeutet und an das noch gebräuchliche Wort ahd. molta, mhd. molte ‚Erde‘ angeschlossen, bevor auch dieses außer Gebrauch kam und unverständlich wurde. Um einen verlorenen Sinn wiederherzustellen, folgte eine neuerliche Umdeutung als nhd. Maulwurf.37 Es lassen sich also insgesamt neben der heute üblichen „wissenschaftlichen Etymologie“ die Volksetymologie des Typs Maulwurf als (Um-)Deutung der Ausdrucksseite und die gelehrte Etymologie nach der Art Isidors von Sevilla als (Um-)Deutung der Inhaltsseite unterscheiden.38 Die Wirkung dieser gelehrten Etymologien für das Nachdenken über Sprache und den damit verbundenen Beginn der Sprachwissenschaft steht außer Frage. Es wird aber im Folgenden zu prüfen sein, welche Bedeutung diese Art der „Etymologie als Denkform“ einige Jahrhunderte nach Isidor von Sevilla für den Bearbeiter des „Summarium Heinricis“ noch haben konnte. Damit begeben wir uns in den Umkreis der Entstehung und der Entstehungsbedingungen dieser mittelalterlichen Enzyklopädie. Es sind daher zunächst auch die Angaben zur Entstehungszeit und zum Entstehungsort des Summariums noch einmal etwas genauer zu betrachten.

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alter vgl. man Klaus Grubmüller, Etymologie als Schlüssel zur Welt? Bemerkungen zur Sprachtheorie des Mittelalters, in: Hans Fromm – Wolfgang Harms – Uwe Ruhberg (Hg.), Verbum et Signum, Bd. 1, München 1975, S. 295–330, hier S. 330. Man vgl. Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, S. 53 f. Man vgl. Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Aufl., bearb. v. Elmar Seebold, Berlin – New York 2002, S. 606 f. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Ablehnung der Vorstellung einer „natürlichen Etymologie“ nicht zwangsläufig zur Annahme eines arbiträren Verhältnisses führt. Das Verhältnis von Sprache und Dingen beruht auf Übereinkunft und Konvention; es ist aber damit nicht willkürlich, sondern kultur- und sprachspezifisch im Sinne einer einzelsprachlichen Konstruktion von Wirklichkeit.

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5. Entstehungszeit und Entstehungsort des „Summarium Heinrici“ Die Entstehungszeit und der Entstehungsort des „Summarium Heinrici“ werden in der Forschung kontrovers diskutiert.39 Nachdem man zunächst glaubte, aus dem Kapitel über die Bischofsstädte (VII, 3), in dem bereits das Bistum Bamberg (gegründet 1007), aber noch nicht die Verlegung des Zeitzer Bischofssitz nach Naumburg (1032) genannt sind, eine sichere Eingrenzung der Entstehungszeit gefunden zu haben, hat sich später herausgestellt, dass die Angaben zu den Bischofsstädten auch andere Inkonsequenzen aufweisen. So fehlen etwa weitere frühere Gründungen wie Verden, Havelberg und Brixen.40 Zudem legt die Erwähnung von Tongern, das schon früh von Maastricht und dann um 722 von Utrecht als Bischofssitz abgelöst wurde, die Vermutung nahe, dass der Städtekatalog im Summarium nicht als Bestandsaufnahme zur Zeit der Niederschrift gelten kann, sondern auf älteren Vorlagen beruht.41 Als sichere Datierungsgrundlage scheidet er daher aus. Einen besseren Anhaltspunkt gibt das Kapitel „De Nationibus Gentium“ (VIII, 1), in dem einige Namen der benachbarten oder zumindest seinerzeit bekannten Völkerschaften aufgezählt werden. Unter anderem erscheinen hier beheima (Böhmen), ruzin (Russen), vngera (Ungarn), bulgara (Bulgaren) und als Flavi: valwun die Kumanen, ein turksprachiges Steppenvolk, das erst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in den Gesichtskreis der europäischen Völker trat. Auffällig ist hier zunächst, dass der Schreiber keine westlich gelegenen Völker erwähnt, sondern mit Interesse nach Osten blickt. Entscheidend ist aber, dass die von dort anrückenden Kumanen unter ihrem russischen Namen Polowzer überhaupt erst ab 1055 in der russischen Überlieferung erwähnt werden, in Ungarn erscheinen sie ab 1071/72, die byzantinische Überlieferung nennt sie erstmals 1078. Schließlich wird der Stamm, nicht aber der Name valwun, 1076 in der Kirchengeschichte Adams von Bremen genannt.42 39

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Man vgl. Reiner Hildebrandt, ‚Summarium Heinrici‘, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Sp. 516 f. Siehe auch Reiner Hildebrandt, Summarium Heinrici, Bd. 2, S. XV–XXI, Stefanie Stricker, Basel ÖBU. B IX 31, S. 70–79. Werner Wegstein, Anmerkungen zum ‚Summarium Heinrici‘, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 101 (1972), S. 312. Heinrich Tiefenbach, Der Name der Wormser im Summarium Heinrici, Bemerkungen zur Neuedition des Glossars mit Beiträgen zur Lokalisierung Datierung und Werktitel, in: Heinrich Tiefenbach, Von Mimigernaford nach Reganespurg. Gesammelte Schriften zu altsächsischen und althochdeutschen Namen, hg. v. Albrecht Greule – Jörg Riecke, Regensburg 2009, S. 9–37. Norbert Wagner, Zur Datierung des ‚Summarium Heinrici‘, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 104 (1995), S. 118–126, hier S. 120 f., 123 f.

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Dies macht alles in allem eine Entstehung des Summariums vor etwa 1070/80 sehr unwahrscheinlich. Dass es sich bei Polowzern und „Valwen“ um ein und dasselbe Volk handelt, scheint gesichert, weil beiden Namen die gleiche Etymologie (aruss. polov ч ‚blaßgelb‘, ahd. falo ‚bleich, gelb‘) zu Grunde liegt; lat. Flavi stellt dann lediglich eine Übersetzung ins Lateinische (zu lat. fla¯vus ‚gelb, blond‘) dar.43 Inzwischen scheint mit dem Jahr 1101 auch ein stabiler Terminus ante quem durch die Bezeugung einer heute verlorenen Handschrift von Buch III des Summariums im Bibliothekskatalog des Klosters Blaubeuren gefunden zu sein. Bei dem Eintrag „Glossarium librum de omni quod vivit, sentit atque discernit, atque alium glossarium“ handelt es sich genau um die Überschrift dieses dritten Buchs.44 Der konservative Sprachstand der Glossen und die bereits genannte Beziehung zur „Lingua ignota“ der Hildegard von Bingen machen es ebenfalls wahrscheinlich, dass eine Datierung ins 12. Jahrhundert, also in die Zeit der Abfassung der ältesten erhaltenen Handschriften, zu spät angesetzt ist. Für eine solche Spätdatierung, etwa um das Jahr 1150, hatte sich Werner Wegstein ausgesprochen45, vor allem, weil man in der Forschung lange Zeit der Meinung war, dass die Schriften Senecas, von denen der Summarium-Bearbeiter, wie oben erwähnt, Kenntnis gehabt haben muss, im deutschen Sprachraum erst im 12. Jahrhundert bekannt geworden seien.46 Dagmar Gottschall konnte jedoch die Sicherheit dieser Annahme ins Wanken bringen und macht die Kenntnis von SenecaBriefen im süddeutschen Raum schon sehr viel früher wahrscheinlich. Zwar gehörte Seneca vor 1200 nicht zum Kanon der Schulautoren, einzelne Schriften sind aber vereinzelt schon seit dem 9. Jahrhundert belegt.47 Mit der Erwähnung der „Valwen“ und dem Eintrag im Bibliothekskatalog des Klosters Blaubeuren liegen zwei gewichtige Datierungshinweise 43

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Ebd., S. 120. Heute hat sich im deutschen Sprachraum der Name Kumanen der byzantinischen Quellen durchgesetzt. In der lateinischen und mittelhochdeutschen Literatur des 12., 13. und 14. Jahrhunderts werden die „Valwen“ noch wiederholt genannt, etwa in „König Rother“ oder im Codex Cumanicus. Dagmar Gottschall, Ein neuer Fund zur Datierung des „Summarium Heinrici“, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 119 (1990), S. 397–403, hier S. 399. Siehe Werner Wegstein, Studien zum ‚Summarium Heinrici‘, Die Darmstädter Handschrift 6, S. 24–26. Siehe dazu auch Reiner Hildebrandt, Besprechung von Werner Wegstein, Studien zum ‚Summarium Heinrici‘, in: Anzeiger für deutsches Altertum 97 (1986), S. 120–129, hier S. 123. Dagmar Gottschall, Ein neuer Fund zur Datierung des „Summarium Heinrici“, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 119 (1990), S. 402 f. Man vgl. auch Nikolaus Henkel, Seneca d.J. Lucius Annaeus, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. völlig neu bearb. Aufl., Bd. 9, Berlin – New York 1995, Sp. 1080–1099.

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vor, die trotz des altertümlichen Sprachstandes der deutschen Einträge für eine Entstehung des „Summarium Heinrici“ im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts sprechen. Die Eingrenzung der Datierung hat Folgen auch für die Diskussion der Lokalisierungsvorschläge. Ein erster Versuch48 Edward Schröders, der die Heimat des Verfassers im Mittelrheingebiet um Worms bzw. aus sprachlichen Gründen in dessen unmittelbarer südlichen Umgebung suchte, überzeugt heute nicht mehr. Die Tatsache, dass nur zum Namen der Wormser ein volkssprachiger Insassenname notiert wird, spricht zwar für ein Interesse an Worms, dieses Interesse muss aber nicht zugleich unmittelbar auf den Entstehungsort weisen. Dennoch kommt Worms eine große Bedeutung zu, weil die Glosse Wormatienses: lu˚trudin (VII, 131 f.) möglicherweise den entscheidenden Hinweis auf den Entstehungsort gibt. Bei dem deutschen Eintrag handelt es sich zweifelsfrei um ein Schimpfwort in der Bedeutung ‚Rottenhunde‘ oder ‚Lästerhunde‘. Die erste Deutung könnte auf einen Verfasser weisen, dem die vielfach bezeugten Übergriffe von Horden des Wormser Bischofs auf rechtsrheinisches Gebiet ein Ärgernis waren. Damit käme das Kloster Lorsch als Sitz des Verfassers in den Blick. Da im Codex Laureshamensis von heftigen Auseinandersetzungen zwischen Bischof Winither von Worms (1085–1088), der von 1077 bis 1088 auch Abt des Klosters war, und einer innerklösterlichen Opposition die Rede ist, könnte in diesem Zusammenhang das Schimpfwort der lu˚trudin für die Anhänger Winithers gefallen sein.49 Bei der zweiten Deutung stünde ein theologischer Schulstreit im Vordergrund, der in den Jahren 1025 bis 1044 zwischen den Domschulen in Worms und Würzburg entbrannt war und in dessen Mittelpunkt ein Mönch des Würzburger Reformklosters Gorzer Richtung St. Burkart stand. Mehrfach erscheint in Würzburger Dokumenten der Ausdruck canes ‚Hunde‘ für die Wormser Seite.50 Angesichts der inzwischen wahrscheinlich gewordenen Spätdatierung in das letzte Viertel des 11. Jahrhunderts müsste man allerdings voraussetzen, dass der genannte Streit noch einige Jahrzehnte im Gedächtnis der Klosterbrüder lebendig geblieben war oder anderweitig Fortsetzung gefunden hätte.

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Eine Zusammenfassung der bisherigen Vorschläge bei Reiner Hildebrandt, ‚Summarium Heinrici‘, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. völlig neu bearb. Aufl., Bd. 9, Berlin – New York 1995, Sp. 517 f.; siehe auch Heinrich Tiefenbach, Der Name der Wormser im Summarium Heinrici, S. 20 ff.; Stefanie Stricker, Basel ÖBU. B IX 31, S. 79–85. Heinrich Tiefenbach, Der Name der Wormser im Summarium Heinrici, S. 23 f. Ebd., S. 270 f.

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Eine sichere Entscheidung für oder gegen Worms, Lorsch und Würzburg muss folglich weiterhin offen bleiben, es ist damit aber immerhin doch ein Großraum abgesteckt, der die Herkunftsfrage zumindest eingrenzt. Sprachgeographische Überlegungen können angesichts der verwickelten Überlieferung keine sichere Entscheidung zwischen diesen Orten bringen. Als Herkunftsregion des Verfassers, die nicht mit den Entstehungsort des Summariums identisch ist, hat Reiner Hildebrandt aus wortgeographischen Überlegungen das Nagoldtal bzw. den schwäbischen Neckarraum wahrscheinlich gemacht.51 Weitaus interessanter als die Frage nach dem Entstehungsort scheint mir jedoch ohnehin zu sein, in welcher geistigen Umgebung das „Summarium Heinrici“ möglicherweise entstand und unter welchen Bedingungen das Werk so rasch und weit verbreitet wurde. In diesem Zusammenhang ist es zumindest auffällig, dass gerade neue Gemeinschaften wie der Zisterzienserorden ganz wesentlich an der Rezeption und Bearbeitung des Summariums beteiligt sind.52

6. Die Entstehungsbedingungen Betrachtet man zunächst die von Hildebrandt als „verfassernah“ eingestuften Handschriften G, S, V der Redaktion A und D (mit den Varianten I, M, N, R) der Redaktion B, so lassen sich die Handschrift V (Erlangen, UB. Ms. 396; a. 1294) mit 2170 Glossen dem Zisterzienserkloster Heilsbronn, die Handschrift G (Prag, SB und UB. Ms. XXIII E 54; Anf. 13. Jh.) mit etwa 1680 Glossen dem Prämonstratenserkloster Weißenau und die Handschrift D (St. Blasien, Stiftsb., verschollen; erhalten im Druck von 1765; 14. Jh.?) mit etwa 1470 Glossen dem schwäbischen Reformkloster St. Blasien, das ab 1070 Kontakte zum cluniazensischen Reformkloster Fruttuaria hatte, zuordnen. Nur die Handschrift S (Zürich, Zentralbibl. Cod. C 58, letztes Viertel 12. Jh.), deren Herkunft aus dem Benediktinerkloster St. Gal51

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Reiner Hildebrandt, Nagolder Stecklinge. Zur Heimatfrage des Summarium-Verfassers, in: Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen. Bd. 9.2. Reiner Hildebrandt, Gesammelte Beiträge zur Germanistik II, Gießen 2003, S. 91–102. Erste Hinweise dazu, die allerdings nicht weiter ausgewertet werden, geben Heinrich Tiefenbach, Der Name der Wormser im Summarium Heinrici, S. 13 und Lothar Voetz, Summarium Heinrici Codex discissus p. Kodikologische und stemmatologische Vorarbeiten zur sprachlichen Auswertung einer althochdeutschen Glossenhandschrift, in: Sprachwissenschaft 5 (1980), S. 364–414, hier S. 410–413. Siehe auch die Zusammenstellung der überlieferten Handschriften mit Angaben zum Typ des Klosters bei St. Stricker, Editionsprobleme des Summarium Heinrici, S. 39–43.

Über das „Summarium Heinrici“

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len vermutet wird und die mit 265 Glossen nur einen deutlich kleineren Anteil an der Überlieferung hat, fällt hier aus dem Rahmen. Bei der Durchsicht der übrigen Handschriften begegnen die Zisterzienserklöster Aldersbach, Ebrach, Heiligenkreuz, Himmerod, Salem (für das Heidelberger Fragment)53 und Schönau (für die nicht erhaltende Vorlage von Hs. V). Die Trierer St. Eucharius-St. Matthias-Abtei stand ab 1111 unter dem Einfluss der hirsauischen Reform, zuvor schon das Kloster Blaubeuren. Die Benediktinerabtei Schäftlarn gehörte ab 1140 zum Prämonstratenserorden. Auch viele der bei Stefanie Stricker genannten Benediktinerklöster sind Reformklöster cluniazensischen Typs wie Niederaltaich und Ossiach. Da bei längst nicht allen Handschriften feststeht, wo sie entstanden sind, ist der Anteil der zisterziensischen und sonstigen Reformklöster an den sicher lokalisierten Handschriften außerordentlich hoch. Das bairische Kloster Aldersbach scheint zudem auch zu den frühen Orten der Seneca-Rezeption im deutschen Sprachraum zu gehören.54 Es muss weiterer Forschung vorbehalten bleiben, ob die Umgruppierung des Isidor-Textes und die Konzentration auf Gegenstände der belebten und unbelebten Welt in einer direkten Verbindung mit den Zielen bestimmter Reformorden stehen. Dann wäre ein Zusammenhang mit Bestrebungen gegeben, die unter den Stichwörtern „Rationalismus“ und „Wissensdurst“ sowie durch eine besondere Betonung der „artes mechanicae“ in einem weiteren Sinne mit der sog. Schule von Chartres zu verbinden wären.55 Andreas Speer hat das neue Verständnis der belebten und unbelebten Welt im 53

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Man vgl. dazu auch Gereon Becht, Die wiederentdeckten Fragmente des „Summarium Heinrici“, in: Heidelberger Jahrbücher 27 (1983), S. 144–148. Einzelne nicht aus Isidor entnommene Bezeichnungen wie cucullarius : munich (VIII, 108 f.) und Tunica: roc vel froccus (XI, II,6) weisen dagegen möglicherweise eher in eine gorzische Richtung, denn der zusätzlich zur „Kukulle“ getragene „Froccus“ als Teil der Mönchstracht gilt als Kennzeichen des cluniazensisch geprägten Mönchtums, das von Anhängern gorzischer Prägung heftig kritisiert wurde. Der Ursprung der Redaktion A wäre dann in einer Abtei gorzischer Prägung zu suchen Man vgl. Heinrich Tiefenbach, Der Name der Wormser im Summarium Heinrici, S. 27 f. Mechthild Müller, Die Kleidung nach Quellen des frühen Mittelalters, Berlin – New York 2003, S. 116 f. mit Abb. Tafel 5, hat allerdings gezeigt, dass sich die Zuschreibungen des „Froccus“ zu Cluny und Gorze aus den Quellen nicht belegen lassen. Wichtige Hinweise für die Wirkung des Reformmönchtums auf die frühmittelhochdeutsche Literatur gibt, mit anderen thematischen Schwerpunkten, Rudolf Schützeichel, Das alemannische Memento Mori. Das Gedicht und der geistig-historische Hintergrund, Tübingen 1962. Man vgl. Heinrich Schipperges, Chartres. Schule von, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, München – Zürich 1982, Sp. 1755–1757; Kurt Flasch, Das philosophische Denken im Mittelalter. Von Augustin zu Machiavelli. 2. Aufl., Stuttgart 2001, S. 255–258.

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12. Jahrhundert eindrucksvoll beschrieben.56 Wenn wir im „Summarium Heinrici“ einen Vorläufer dieses neuen Naturverständnisses sehen, dann ist dies ein weiteres Indiz dafür, seine Entstehung eher am Ende, nicht aber am Anfang des 11. Jahrhunderts zu vermuten. In jedem Fall ist deutlich, dass sich der Verfasser des Summariums kaum für den etymologischen Aspekt der Enzyklopädie Isidors interessiert und stattdessen ganz andere Ziele verfolgt. Die Isidor-Bearbeitung des „Summarium Heinrici“ unterscheidet sich damit deutlich von einer älteren Schicht der Isidor-Glossierung, die den lateinischen Isidor-Text nur durch den Filter der Bearbeitung des Hrabanus Maurus (780–856) kannte. Diese ältere Schicht der Isidor-Glossierung, die sich in den gesondert überlieferten Körperteilglossen „De homine et partibus eius“ des Walahfrid Strabo greifen lässt,57 könnte ein Vorbild für die Anlage des „Summarium Heinrici“ gewesen sein. Walahfrid ist ein Schüler Hrabans, in dem die ältere Forschung eine Art „Praeceptor Germaniae“ gesehen hatte.58 Hrabans enzyklopädisches Werk „De rerum naturis“ folgt Isidors Etymologien, aber bei ihm wird Isidors Enzyklopädie nach einer theologischen Rangordnung neu aufgebaut, die bei Gott dem Schöpfer beginnt und über die Welt der Geister und den Kosmos bis zu den niedrigen Lebensformen hinabsteigt. Ergänzungen und Zusätze dienen in dieser „theologischen Wesensschau“ nicht der Erkundung der Natur, sondern der allegorischen Exegese der Bibel. Zumindest was die Auseinandersetzung mit der Natur und den Artes liberales betrifft, fällt Hrabanus Maurus daher weit hinter Isidor von Sevilla zurück.59 Walahfrids „De homine et partibus eius“ ist vermutlich auf der Grundlage eines mündlichen Vortrags Hrabans entstanden und folgt Isidors Buch XI, stellt den Text aber nach der Ordnung „a capite ad calcem“

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Andreas Speer, Die entdeckte Natur: Untersuchungen zu Begründungsversuchen einer Scientia Naturalis im 12. Jahrhundert, Leiden – New York – Köln 1995. Man vgl. dazu Jörg Riecke, Die Frühgeschichte der mittelalterlichen deutschen Fachsprache, Bd. 1, Berlin – New York 2004, S. 156–198. Siehe auch Claudine Moulin – Falko Klaes, Glossierungen zu Hrabanus Maurus und Walahfrid Strabo, in: Rolf Bergmann – Stefanie Stricker (Hg.), Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie, S. 562–591. Zur Beurteilung Hrabanus Maurus’ siehe Loris Sturlese, Die deutsche Philosophie im Mittelalter. Von Bonifacius bis zu Albert dem Großen 748–1280, München 1993, S. 24 f. Loris Sturlese, Die deutsche Philosophie im Mittelalter, S. 26 f. Siehe auch Wolfgang Haubrichs, Die Anfänge. Versuche volkssprachiger Schriftlichkeit im frühen Mittelalter (ca. 700–1050/60), in: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit, hg. v. Joachim Heinzle, Bd. I: Von den Anfängen zum hohen Mittelalter, Teil 1, Frankfurt/M. 1988, S. 224 f.

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um.60 Es ist nicht auszuschließen, dass es über das Körperteil-Kapitel aus Isidor XI hinaus auch andere Abschnitte gibt, die mit althochdeutschen Glossen versehen wurden, die heute aber nicht mehr erhalten sind. Wenn der Verfasser des „Summarium Heinrici“ bei seiner Umgestaltung des Isidor-Textes im 11. Jahrhundert auf solche älteren Glossenhandschriften zurückgreifen konnte, wäre es denkbar, dass die deutschsprachigen Einträge mit ihrem althochdeutschen Lautstand aus diesen Vorlagen übernommen wurden oder zumindest doch das Vorbild für diesen Lautstand abgegeben haben.

7. Zur Stellung der deutschsprachigen Einträge Über die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Enzyklopädie Isidors von Sevilla und die Umstellung einzelner Kapitel hinaus, die bereits für die Erstfassung vorauszusetzen sind, fügen die Bearbeiter des „Summarium Heinrici“ von Anfang an ergänzende neue Sachverhalte mit ihren deutschsprachigen Entsprechungen ein, die den Text auch nach Jahrhunderten aktuell halten sollen.61 Bei der Beurteilung dieser Neuerungen ist zunächst davon auszugehen, dass der mittelalterliche Bearbeiter versucht, für sein Vorhaben eine schriftliche Vorlage heranzuziehen. Solange man davon ausgeht, dass alle Wahrheit und Erkenntnis bereits durch die göttliche Offenbarung vorliegt und vorgegeben ist, geht es schließlich nicht darum, originell zu sein und selbst um jeden Preis etwas Neues zu finden. Vielmehr geht es ausschließlich darum, das eigentlich bereits bekannte – und nur durch den Lauf der Zeiten verdunkelte – Wissen wieder freizulegen. Dies geschieht dann in der Regel durch Rückgriff auf bereits vorliegende Texte, in denen dieses Wissen vielleicht noch erhalten war. Nur selten lassen sich solche direkten Vorlagen aber heute noch nachweisen. Zumindest einen Anhaltspunkt geben aber zum Beispiel die Neuerungen im Kapitel III, 16 „De piscibus“, wo der Bearbeiter des Summariums aus dem Isidor-Kapitel XII, 6 „De Piscibus“ zunächst nur den ersten Satz übernimmt: „Pisces dicti unde et pecus, a pascendo scilicet.“ („Sie werden freilich von dem Wort fressen (pasci) Fische (pisces) genannt, woher auch das Vieh (pecus) seinen Namen hat.“).62 Im unmittelbaren Anschluss an diesen 60

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Claudine Moulin – Falko Klaes, Glossierungen zu Hrabanus Maurus und Walahfrid Strabo, 570–572. Reiner Hildebrandt, Summarium Heinrici: Eigilo der engagierte Kopist, in: Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen, S. 59–67. Reiner Hildebrandt, Summarium Heinrici, Bd. 1, S. 156 f.

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Satz werden dann 18 einheimische Fischbezeichnungen neu eingefügt, die nicht aus Isidor, sondern – allerdings in anderer Reihenfolge und mit Auslassungen – aus dem mittelalterlichen Glossar „Versus de piscibus“ oder einer gemeinsamen Vorlage stammen dürften. Die Fische erscheinen im „Summarium Heinrici“ in acht Handschriften, hier und da mit leichten Abweichungen in der Schreibung, darunter auch in den „verfassernahen“ Handschriften G (Prag, SB und UB. Ms. XXIII E 54; Anf. 13. Jh., aus Weißenau) und V (Erlangen, UB. Ms. 396; 1294, aus Heilsbronn) sowie die Handschrift C (Trier, StB. Cod. 1124/2058; 13. Jh., Matthiaskloster Trier). Die erhaltenen Handschriften der von Reiner Hildebrandt als mögliche Vorlage identifizierten „Versus de piscibus“ werden in das 12. und 13. Jahrhundert datiert.63 Wichtiger als die Datierungsfragen dürfte aber auch hier der Hinweis sein, dass der Summarium-Bearbeiter dem Isidor-Grundtext einheimische Bezeichnungen hinzufügt, die ein Interesse an der mitteleuropäischen Lebenswelt vermuten lassen. Für das Studium der Bibel und der lateinischen Klassiker wäre die Kenntnis lateinischer und einheimischer Fischbezeichnungen sicher nicht erforderlich. Es ist vielmehr zu vermuten, dass die Beschäftigung mit einheimischen Fischbezeichnungen auch ein konkretes ökonomisches Interesse bedient. Für die Ernährung in den Klöstern waren Fische und Fischfang, nicht nur zur Fastenzeit, von zentraler Bedeutung; man musste über sie Bescheid wissen. Eine neue Sicht der Natur und alltagspraktische Bedürfnisse gehen hier ganz offensichtlich Hand in Hand. Zur Verdeutlichung werden die Bezeichnungen des Summariums hier kurz zusammengestellt.64 Ipocus : huso Rombus : sturo Esox : lahs Gamarus : salmo Capedo : alant vl. munua

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ahd. hu¯so ‚Hausen‘ (SchGl. 4,472 f.) ahd. sturio ‚Stöhr‘ (SchGl. 9,308 f.) ahd. lahs ‚Lachs‘ (SchGl. 5,4751 f.) ahd. salm ‚Salm‘ (Lachs) (SchGl. 8,84) ahd. alunt ‚Aland‘ (Karpfenart) (SchGl. 1,127 f.) ahd. muniwa ‚Aland‘ (Karpfenart) (SchGl. 6,451 f.: ‚Alant‘)

Man vgl. Reiner Hildebrandt, Das „Summarium Heinrici“, S. 668. Die VersusGlossen sind ediert bei Elias von Steinmeyer – Eduard Sievers (Hg.), Die althochdeutschen Glossen, Bd. 3, Berlin 1895, S. 45–47. Zu diesem Glossartyp siehe auch Stefanie Stricker, Die Versus-Sachglossare, in: Rolf Bergmann – Stefanie Stricker (Hg.), Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie, S. 683–697, zur Datierung S. 686 f.

Über das „Summarium Heinrici“

Clama : ag Lucius : hechit Porca : bersich vl. bersa Timallus : ascho Tactuca vel trutta : forhana Angvilla : al Ysmerena : lamphrida vl. lantfrida Gracius : cresso vl. kressling

Turonilla : grundela Silurus : baruo

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ahd. ag ‚Barsch‘? (SchGl. 1,79: (Fisch))66 ahd. hehhit ‚Hecht‘ (SchGl. 4,224 f.) ahd. bersih ‚Barsch‘ (SchGl. 1,313) ahd. bersa ‚Barsch‘ (SchGl. 1,312 f.) ahd. asco ‚Äsche‘ (SchGl. 1,220 f.) ahd. forahana ‚Forelle‘ (SchGl. 3,259 f.) ahd. a¯l ‚Aal‘ (SchGl. 1,105 f.) ahd. lampfrida ‚Lamprete‘ (SchGl. 5,454 f.) ahd. kresso ‚Kressling‘ (Gründling) (SchGl. 5,333 f.) ahd. kressling ‚Kressling‘ (Gründling) (SchGl. 5,333) ahd. gruntila ‚Grüntling‘ (SchGl. 4,66 f.) ahd. barbo ‚Barbe‘ (SchGl. 1,266 f.)

Die Handschrift C aus dem Matthiaskloster Trier enthält darüber hinaus 17 weitere Fischbezeichnungen. Ein Teil der lateinischen Entsprechungen ist aus Isidor XII, 6 „De piscibus marinis“ entnommen, andere stammen jedoch nicht aus dieser Quelle und sind – wie ahd. pfaffendu¯mo – in keiner anderen Summarium-Handschrift enthalten und auch sonst nicht bezeugt. Es handelt sich hier um eine bunte Mischung aus Seefischen, die schon Isidor kannte, und einheimischen Flussfischen wie dem Rotauge, der Elritze und dem Pfaffendaumen. Bisher konnte für diese Liste noch keine Quelle ausfindig gemacht werden. Die altertümlich vollen Endsilbenvokale identifizieren die Wörter trotz ihrer späten Überlieferung deutlich als Althochdeutsch. Auch die Bezeichnungen der nicht aus Isidor geschöpften Flussfische dürften also ebenfalls auf einer – unbekannten – älteren Vorlage beruhen. Allerdings konnte Reiner Hildebrandt ahd. pfaffendu¯mo als einen klei66 nen Fisch namens Pfaffendaumen identifizieren, der in der Nahe lebt(e).65 64

Die Abkürzung SchGl. bezieht sich auf Rudolf Schützeichel, Althochdeutscher und altsächsischer Glossenwortschatz, 12 Bde., Tübingen 2004. 65 Reiner Hildebrandt, Historische deutsche Wortgeographie und Dialektlexikographie. Eine Fallstudie zum Wortschatz der Hildegard von Bingen, in: Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen, S. 186–197, hier S. 192. Der Fisch erscheint – in gleicher Sprachlandschaft wie Handschrift C – in Hildegards von Bingen „Physica“, man vgl. Hildegard von Bingen, Physica, hg. v. Reiner Hildebrandt – Thomas Gloning, Band 1, Berlin – New York 2010, S. 388 (Register). 66 Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen, Bd. 1, hg. v. Albert L. Lloyd – Otto Springer, Göttingen – Zürich 1988, S. 70 f.: ‚Barsch‘ (Perca fluviatilis L.) mit Verweis auf Vocabularius optimus, 14. Jh.: ag : perca, ahd. agabu¯z ‚Barsch‘ und regionales (westobd.) Egle, Egling.

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Thinna : sclio Clebia : hasela Amio : steinbiza Gobio : culhoubit Solea : bleicha Serra : stechela Suilla : phafendumo Parus : barbo Millago : hylare Glaucus : cofna Mitilus : rodouga Escaurus : erline Trutda : rupba Cephalus : carpfo Pectenus : halpfisc Tinnus : milcha Sarus : isal

ahd. sclio ‚Schleie‘ (SchGl. 8,368) ahd. hasala ‚Hasel‘ (Fisch) (SchGl. 4,194) ahd. steinbı¯za ‚Steinbeißer‘ (SchGl. 9,188) ahd. ku¯lhoubit ‚Kaulkopf‘ (SchGl. 5,368) ahd. bleihha ‚Blicke‘ (Karpfenart) (SchGl. 1,423) ahd. stehhila ‚Sägefisch‘ (SchGl. 9,185) ahd. pfaffendu¯mo ‚Pfaffendaumen‘ (SchGl. 7,248: (Fisch)) ahd. barbo ‚Barbe‘ (SchGl. 1,266 f.) ahd. hylari ‚Meerweihe‘ (SchGl. 4,481) ahd. kopfna (Fisch) (SchGl. 5,277) ahd. ro¯touga ‚Rotauge‘ (SchGl. 7,486) ahd. erling ‚Elritze‘ (SchGl. 2,485) ahd. ruppa ‚Aalquappe‘ (SchGl. 8,45) ahd. karpfo ‚Karpfen‘ (SchGl. 5,151 f.) ahd. halbfisc ‚Plattfisch‘ (Scholle) (SchGl. 4,123) ahd. milihha ‚Thunfisch‘ (SchGl. 6,373) ahd. isal ‚Makrelenhecht‘ (SchGl. 1,266 f.)

Sehr deutlich wird das Interesse an der einheimischen Lebenswelt auch im Abschnitt II, 15, wenn bei der Behandlung der zwölf Monate die schon seit Karl dem Großen propagierten deutschsprachigen Bezeichnungen für die Monate aufgenommen werden: Man vergleiche iarmanot bzw. wintarmanot für Januar, hornung für Februar, merze bzw. lenzimanot für März, ostarmanot bzw. aprille für April, wunnemanot bzw. meie für Mai, brachmanot für Juni, howemanot für Juli, arnomanot bzw. ernemanot für August, herbestmanot für September, windemanot bzw. wintarmanot für Oktober, wintermanot für November und hertimanot für Dezember.67 Hier ist die Nähe zum 29. Kapitel der von Einhard (um 770–840) in lateinischer Sprache verfassten „Vita Karoli Magni“, die althochdeutsche Monats- und Windnamen enthält, unverkennbar. Die Überlieferung dieser Texttradition ist aber noch nicht aufgearbeitet, daher lässt sich derzeit noch nicht sagen, ob die bei Einhard noch nicht genannten Bezeichnungen aus anderen Vorlagen stammen oder schon aus eigener Kenntnis.68

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Reiner Hildebrandt, Summarium Heinrici, Bd. 1, S. 104 f. Man vergleiche dazu die bei Einhart überlieferten Bezeichnungen: Wintarmanoth, Hornung, Lentzinmanoth, Ostarmanoth, Winnemanoth, Brachmanoth, Heuuimanoth, Aranmanoth, Witumanoth, Windumemanoth, Herbistmanoth, Heilagmanoth. Zitiert nach Rolf Bergmann, Volkssprachige Wörter innerhalb lateinischer Texte. Wind- und Monatsbezeichnungen in Einhards Vita Karolo Magni, in: Rolf Bergmann – Stefanie Stricker (Hg.), Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie, S. 976–991.

Über das „Summarium Heinrici“

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6. Das Beispiel Kleidung „Eine genauere Untersuchung über die sich in seinem deutschen Wortschatz widergespiegelten geistigen Horizonte […] steht bisher noch aus; sie würde sicherlich das Weltbild eines Klosterinsassen des 11. Jahrhunderts noch wesentlich genauer umreißen.“69 Die wichtigste Voraussetzung für eine solche Untersuchung, das zeigt der vorliegende Band, ist die detaillierte Auseinandersetzung mit den lateinischen Quellen. Für den Bereich „Kleidung“ schafft der vorliegende Band erstmals eine solide Grundlage für eine weiterführende Beschreibung auch der übrigen bei Isidor aufgerufenen Lebensbereiche. Abschließend sollen daher hier noch einige wenige Bemerkungen zu den Stoff- und Kleiderbezeichnungen des „Summarium Heinrici“ angeschlossen werden. Stoffe und Kleidung werden in Buch IX, 1–14 des „Summarium Heinrici“ behandelt. Die beigefügte Tabelle beschränkt sich auf diesen onomasiologisch motivierten Kernbestand und berücksichtigt das semasiologisch gegliederte Buch XI und jüngere Zusätze nicht. Quelle für das Summarium ist Isidors Buch XIX „De navibvs, aedificiis et vestibus“, Kapitel 20 bis 34, allerdings mit kleineren Umstellungen in der Abfolge der Kapitel. Die deutschen Einträge sind mit unterschiedlicher Dichte über die Kapitel verteilt. Erwartungsgemäß interessieren sich die Bearbeiter auch hier nicht für Isidors Etymologien, sondern für die Sachkultur. Die deutschen Einträge sind am häufigsten dort, wo es um die Bezeichnungen für lebenspraktische Tätigkeiten und Gegenstände geht. Sichtbar wird dies etwa in den Abschnitten „De Instrumentis vestium“ (Über die Werkzeuge zur Herstellung von Kleidung) und „De his quê in Usu habentur“ (Was in Gebrauch ist). Aber auch die Zusammenstellung „De Coloribus Vestium“ (Von den Farben der Kleider) nimmt einen wichtigen Platz ein. Durch die großen Fortschritte der althochdeutschen Lexikographie der letzten Jahrzehnte geben die Wörterbücher einen guten Einblick in die Bedeutung der althochdeutschen Bezeichnungen. Die onomasiologisch ausgerichtete Textlektüre ermöglicht aber gelegentlich, anders als in der alphabetisch angelegten Wörterbucharbeit, eine intensivere Auseinandersetzung mit den Ausgangstexten und Kontexten. Einige wenige Beispiele sollen das 69

Reiner Hildebrandt, Das „Summarium Heinrici“, S. 669. Schon Hans Sperber hat 1921 bei der Behandlung der Glosse Putamine : craffilin (Steinmeier-Sievers I, 383) nachdrücklich auf die kulturgeschichtliche Bedeutung der althochdeutschen Glossen verwiesen: „Wer sich der Mühe unterziehen wollte, etwa den althochdeutschen Bearbeitungen von Isidors Etymologien eine sprachlich-sachliche Untersuchung zu widmen, der könnte vermutlich recht wichtige Details zutage fördern.“ Eine ahd. Glosse, in: Wörter und Sachen 7 (1921), S. S. 146–148, hier S. 148.

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Jörg Riecke

im Folgenden – in der Reihenfolge ihres Auftretens im Summarium – für verschiedene Bedeutungstypen demonstrieren. Die erste Spalte zeigt das Lemma aus dem Summarium, die Spalten 2 bis 5 die Angaben der wichtigsten Wörterbücher70, Spalte 6 bietet den hier vertretenen ggf. neuen Bedeutungsvorschlag. Bei diesen Vorschlägen handelt es sich gelegentlich um Präzisierungen – manchmal auch um die Rücknahme einer vermeintlichen Präzisierung dort, wo sie vom Kontext her nicht angemessen scheint. Dazu treten nicht bemerkte oder nicht eigens vermerkte metaphorische Bedeutungen. Die in der Tabelle konkurrierenden Bedeutungsangaben bleiben daher in der Regel in denselben semantischen Feldern. Sie soll also nicht primär auf „Fehler“ aufmerksam machen, denn es ist nicht auszuschließen, dass ein Beleg in einem anderen Kontext genau die in den Wörterbüchern genannte Bedeutung trägt. Vielmehr ist sie geeignet, die Möglichkeiten der onomasiologisch ausgerichteten Lexikographie in Zusammenarbeit mit Spezialisten anderer Fächer zu demonstrieren. Eine Fehldeutung, die in ein anderes semantisches Feld führt, liegt bei den meisten Wörterbüchern strenggenommen nur im Falle von ahd. scarlachen vor. Die Tabelle bietet eine Auswahl von Bedeutungsangaben, die von den bisherigen Forschungsergebnissen abweichen, für weitere Beispiele vergleiche man das Gesamtverzeichnis in diesem Band. Auffällig ist die Angabe ‚Gewand aus Scharlach‘ für scarlachen im Wörterbuch Rudolf Schützeichels. Der Kontext und das lateinische Interpretament ralla (zu lat. ra¯lus ‚glatt geschoren‘) stellen das Substantiv jedoch eindeutig zu ahd. sceran ‚scheren, schneiden‘. Scharlach als Farbbezeichnung ist im Deutschen nicht vor dem 12. Jahrhundert bezeugt. Besonders schwierig ist der Umgang mit dem Fachwortschatz der Priesterkleidung, hier können Angaben wie ‚Rochett‘ eine Genauigkeit suggerieren, die aber durch den Kontext nicht gegeben ist. Bei der Bischofssandele ignorieren die Wörterbücher den Bestandteil rom- der den Schuh aber gerade als Teil der Priesterkleidung ausweist. Da sich Lexeme wie bal, ballo, boppa, puppa, stoz und tocko im Kapitel „Vom Kopfputz der Frauen“ befinden, sind Bedeutungsangaben wie ‚Ball‘ oder ‚Puppe‘ unangemessen. Hier kann es sich nur um eine Kopfbedeckung han70

KFWb. = Elisabeth Karg-Gasterstädt – Theodor Frings, Althochdeutsches Wörterbuch, Bd. 1 ff., Berlin 1968 ff.; SchGl. = Rudolf Schützeichel, Althochdeutscher und altsächsischer Glossenwortschatz, 12 Bde., Tübingen 2004; SplettWb. = Jochen Splett, Althochdeutsches Wörterbuch. Analyse der Wortfamilienstrukturen des Althochdeutschen, 3 Bde., Berlin – New York 1993; StWGl. = Taylor Starck – J. C. Wells, Althochdeutsches Glossenwörterbuch, 11 Lieferungen, Heidelberg 1972–1990. Da bei Splett und Starck – Wells die Bedeutungsangaben nicht den Einzelbelegen zugeordnet sind, werden nur die jeweils zum „Summarium Heinrici“ (am besten) passenden Angaben ausgewählt.

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Über das „Summarium Heinrici“ KFWb.

SchGl.

SplettWb.

StWGl.

scurliz



Talar

Untergewand, Überwurf

Weiberkamisol

Untertunika

hantfano

Serviette, Handtuch

Schultertuch Handtuch, Manipel

Handtuch, Serviette

Manipel, Handtuch

subtil



Rochett (Teil Tunizella des Priester- (liturgisches gewands) Gewand)

priesterliches Meßgewand

(Ober-)Tunika des Subdiakons, Tunicella

romscuha



Sandale

Sandale

Sandale

Bischofssandale

drilich

dreifädig, dreidrähtig

dreifach

dreifach, dreifädig

dreifädig, dreifach gewoben

dreifädig

scarlachen



Gewand aus ungesäumScharlach tes Gewand (?)

Kleid, geschorenes Gewand aus Tuch rotem Stoff

puppa, boppa –

Puppe

Puppe (Spielzeug)

Puppe, Docke

Kopfbedeckung, Docke

tocko



Puppe

Puppe (Spielzeug)

Puppe, Docke

Kopfbedeckung, Docke

bal, ballo

Kugel einer Kette, eines Schmuckstücks

Ball

Kugel

Spielball, Kugel

Kappe

stoz



Ball, Kreisel? Ball? Kreisel?

Stoß, Schlag Kappe

deln, was auch durch die Variante ahd. tocka nahegelegt wird. Damit ist allerdings nicht Docke in der Bedeutung ‚Puppe‘, sondern ein zu span. toca gehöriges Wort gemeint, das im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm von Docke ‚Puppe‘ abgetrennt und mit der Bedeutungsangabe ‚Mütze, Haube, geschmückte Kopfbedeckung für Männer und Frauen‘ versehen wird (Bd. 2, 1213. Leipzig 1860). Das „Summarium Heinrici“ enthält für dieses Wort den Erstbeleg. Die Untersuchung der althochdeutschen Bezeichnungen für Kleidungsstücke im „Summarium Heinrici“ macht exemplarisch deutlich, dass eine kulturgeschichtlich ausgerichtete Sprachgeschichte ohne Kenntnisse der Sachgeschichte nicht gelingen kann.

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Jörg Riecke

Anhang 171 Summarium, Buch I: SH I, 1 „De voce“ SH I, 2 „De littera SH I, 3 „De semivocalibus SH I, 4 „De sillaba“ SH I, 5 „De dictione“ SH I, 6 „De oratione“ SH I, 7 „De nomine“ SH I, 8 „De patronomicis“ SH I, 9 „De possessivis“ SH I, 10 „De comparativis“ SH I, 11 „De superlativis“ SH I, 12 „De diminutivis“ SH I, 13 „De denominativis“ SH I, 14 „De generibus nominum“ SH I, 15 „De forma genitivi casus“ SH I, 16 „De numero“ SH I, 17 „De figura“ SH I, 18 „De casu“ SH I, 19 „De prima declinatione“ SH I, 20 „De secunda declinatione“ SH I, 21 „De tercia declinatione“ SH I, 22 „De quarta declinatione“ SH I, 23 „De quinta declinatione“ SH I, 24 „De dubiis generibus SH I, 25 „De coniugationibus“ SH I, 26 „De specie verborum“ SH I, 27 „De preterito prime coniugationis“ SH I, 28 „De secunda coniugatione“

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Priscian I, 1–2 Priscian I, 3–5, 8–11, 13, 18, 20, 24–26, 30, 32, 33, 37, 43, 47, 14, 48 Priscian I, 56–58, 3 Priscian I, 44, 45, 38–40, 43, 41, II, 1–3, 5–11 Priscian II, 14 Priscian II, 15, 12, 15 Priscian II, 22–24, 26, 28, 31, 29–32, 27 Priscian II, 32, 34–39 Priscian II, 40, 43, 44, 41, 49, 50, 54–59, 61, 60–64 Priscian III, 1, 3, 4, 6, 7, 9–12, 14–16 Priscian III, 18–24, (--), 11, 8 Priscian III, 26, 28–38, 40–44 Priscian IV, 1, 3–19, 21–27, 24, 27–40 Priscian V, 5–24, 26–28, 30, 29, 27, 30, 32–34, 33–35, 32, 39, 37, 39, 40, 42, 40–42 Priscian VI, 2, 3, 7, 8, 11, 12, 14–17, 20, 22–25, 29–34, 38–41, 43, 44 Priscian V, 46, 48, 52, 54, 53, 55 Priscian V, 56, 58, 57, 58, 61, 62, 66, 67, 65 Priscian V, 68, 72, 74, 76, 77, 69 Priscian VII, 3, 4, 6, 8–11 Priscian VII, 14, 18, 22, 14, 24, 14, 15, 28, 27, 28 Priscian VII, 54, 45, 50, 51, 53, 55, 56, 61, 58, 64, 69, 67, 68, 70, 75, 77, 76, 78–81, 83, 84 Priscian VII, 87, 91 Priscian VII, 92, 93, 95 --Priscian VIII, 93–96, 36, 9–14, 22, 61, 28, 29, 33, (X, 3), 81, 33, 37, (--) Priscian VIII, 72–74, 30, 74–76, 78, 77, 104 Priscian VIIII, 32–38, (IV, 13) Priscian VIIII, 40, 41, 16, 14, 42, 44, (X, 40, 19), 45–48, 56, 48, 50–52, 51–53, 55–57

Der Anhang beruht auf den Angaben in: Reiner Hildebrandt (Hg.), Summarium Heinrici, Bd. 1, S. XI–XIII und S. XXVIf.

Über das „Summarium Heinrici“ SH I, 29 „De tercia coniugatione“ SH I, 30 „De quarta coniugatione“ SH I, 31 „De numero“ SH I, 32 „De figura“ SH I, 33 „De temporibus“ SH I, 34 „De persona“ SH I, 35 „De accentu“ SH I, 36 „De participio“ SH I, 37 „De pronomine“

SH I, 38 „De prepositione“ SH I, 39 „De adverbio“ SH I, 40 „De interiectione“ SH I, 41 „De coniunctione“ Summarium, Buch II: SH II, 1 „Quid sit disciplina“ SH II, 2 „De posituris“ SH II, 3 „Quid sit analogia“ SH II, 4 „Item de barbarismo“ SH II, 5 „De metaplasmo“ SH II, 6 „De scematibus vel figurê de divinis libris sumptê quêdam et de secularibus“ SH II, 7 „De tropis“ SH II, 8 „De opusculis librorum“ SH II, 9 „De metris“ SH II, 10 „De pedibus“ SH II, 11 „De primis sillabis“ SH II, 12 „De cognoscendis primis sillabis per exemplum„ SH II, 13 „De ultimis sillabis cognoscendis“ SH II, 14 „Figurê de divinis vel autenticis libris sumptê vel excerptê„ SH II, 15 „De temporibus et mensibus et annis“

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Priscian X, 1–15, 17–19, 21, 22, 21, 22–28, 27–29, 31, 33, 32–39, 41–48. Priscian X, 49–54, 56, 57 Priscian VIII, 105, 103, 105 Priscian VIII, 81, 84, 89 Priscian VIII, 38, 39, 51, 55, 40, 42, 59, 60, 62 Priscian VIII, 101–104 --Priscian XI, 8, 10, 9, 13–16, 32, 36–38, 19, 20, 22–25, 27, 31 Priscian XII, 1, 7, 8, 10, 13, 14, 18, 21, 22, 26, 23, 5, 24–27, 29, 30; Priscian XIII, 4, 8, 16, 11, 6–8, 13, 14, 17, 21, 35, 10, 29; Isidor I, 8 Priscian XIIII, 1, 2, 4, (--), 6, 7, (--), 29, 24–28, 32–38, 42, 44–46, 48, (--), 49–54 Priscian XV, 1, 4–9, 11–14, (9, 10, 12), 15–17, 19, 21, 24, 30, 32, 35–37, 39 Priscian XV, 40–42 Priscian XVI, 1, 5, 6, 14, 16; Isidor I, 12

Isidor I, 1, 5 Isidor I, 20 (II, 18) Isidor I, 28–30, 32, 33 Isidor I, 34 Isidor I, 35 Isidor I, 36 Beda S. 608–611 Isidor I, 37 Beda S. 612–616, 618 Isidor I, 38, VI, 8, I, 41, VI, 8–10, 13, 14 Isidor I, 39–41, 44, (--) Isidor I, 17 -------

Cassiodor Isidor V, 29–35

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Jörg Riecke

SH II, 16 „De annis“ SH II, 17 „De musica“ SH II, 18 „De musicorum vasis“ SH II, 19 „De officiorum nominibus“ SH II, 20 „De festivitatibus“ SH II, 21 „De signis quid valeant in divinis libris“

Isidor V, 36–38, VI, 17, (--) Isidor III, 15, 20, (--) Isidor III, 22, 21 Isidor VI, 19 Isidor VI, 18 Isidor I, 21

Anhang 2 Summarium, Buch IX: SH IX, 1 „De vestimentis sacerdotalibus, Abs. 1“ SH IX, 1 „De vestimentis sacerdotalibus, Abs. 2“ SH IX, 2 „De diversitate vestimentorum“ SH IX, 3 „De proprio quarumdam gentium habitu“ SH IX, 4 „De palliis virorum“ SH IX, 5 „De palliis feminarum“ SH IX, 6 „De stratu et reliquis quê in usu habentur“ SH IX, 7 „De laneis vestimentis“ SH IX, 8 „De instrumentis vestium“ SH IX, 9 „De coloribus vestium“ SH IX, 10 „De his quê in usu habentur“ SH IX, 11 „De ornamentis“ SH IX, 12 „De anulis“ SH IX, 13 „De cingulis“ SH IX, 14 „De calciamentis“ SH IX, 15 „De mensis et escis“ SH IX, 16 „De potu et coloribus vini“ SH IX, 17 „De vasis escariis“ SH IX, 18 „De vasis potatoriis“ SH IX, 19 „De vasis coquinariis“ SH IX, 20 „De vasis aquariis“ SH IX, 21 „De vasis repositoriis“ SH IX, 22 „De vasis luminariorum“

vgl. Hraban., inst. cler. Red. F, c. 14–23 Isidor XIX, 21 Isidor XIX, 22 Isidor XIX, 23 Isidor XIX, 24 Isidor XIX, 25 Isidor XIX, 26 Isidor XIX, 27 Isidor XIX, 29 Isidor XIX, 28 Isidor XIX, 5, 33 Isidor XIX, 30–31 Isidor XIX, 32 Isidor XIX, 33 Isidor XIX, 34 Isidor XX, 1, 2 Isidor XX, 3 Isidor XX, 4 Isidor XX, 5–6 Isidor XX, 8 Isidor XX, 6–7 Isidor XX, 9 Isidor XX, 10

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Texte, Übersetzungen und Kommentar

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Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, x

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Isidor von Sevilla Etymologien Buch XIX, 20–34 Text und Übersetzung von Malte-Ludolf Babin

Grundlage für den Druck der Originaltexte sind die Editionen von M. Rodríguez-Pantoja (Isidor) bzw. R. Hildebrandt (Summarium Heinrici). Aus Sicht des Bearbeiters erforderliche Eingriffe in diese Texte sind in den Fußnoten zu den jeweiligen Übersetzungen ausgewiesen, die Texte selbst aber nicht verändert worden. Offensichtliche oder bereits von den genannten Herausgebern notierte Druckfehler dagegen sind stillschweigend bereinigt worden.

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Isidorus, Etymologiae, XIX, XX–XXI

XX. De inuentione lanificii XXI. De ueste sacerdotali in lege XXII. De diuersitate et nominibus uestimentorum XXIII. De propio quarandum gentium habitu XXIIII. De palleis uirorum XXV. De palleis feminarum XXVI. De stratu et reliquis uestibus quae in usu habentur XXVII. De lanis XXVIII. De coloribus uestium XXVIIII. De instrumentis uestium XXX. De ornamentis XXXI. De ornamentis capitis feminarum XXXII. De anulis XXXIII. De cingulis XXXIIII. De calciamentis XX. De inuentione lanificii 1. Mineruam quandam gentiles multis ingeniis praedicant: hanc enim primam laneficii usum monstrasse, hanc etiam telam ordisse et colorasse lanas perhibent. 2. Oliuae quoque hanc dicunt inuentricem et fabricae, multarumque artium repertricem, ideoque illi uulgo opifices supplicant. Sed hoc poetice fingitur: non enim Minerua istarum artium princeps est, sed quia sapientia in capite esse dicitur hominis, et Minerua de capite Iouis nata fingitur, hoc est ingenium; ideoque sensus sapientis, qui inuenit omnia, in capite est; ideo et dea artium Minerua dicitur quia nihil excellentius est ingenio, quo reguntur uniuersa.

XXI. De ueste sacerdotali in lege 1. Octo sunt genera sacerdotalium uestimentorum. Poderis est sacerdotalis linea, corpori adstricta et usque ad pedes descendens: unde et nuncupata; quam uulgo camisiam uocant. 2. Abanet cingulum sacerdotale rotundum, polymita arte ex cocco, purpura, iacinthoque contextum, ita ut flores atque gemmae in eo esse uiderentur distinctae.

Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XX–XXI

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XX. Von der Erfindung der Wollverarbeitung XXI. Von der Priesterkleidung nach dem [mosaischen] Gesetz XXII. Von den verschiedenen Arten und den Namen der Kleidungsstücke [vestimenta] XXIIII. Von den pallea der Männer XXV. Von den pallea der Frauen XXVI. Vom Bettzeug und den übrigen gebräuchlichen Textilien XXVII. Von den Wollarten XXVIII. Von den Farben der Kleider XXIX. Über das Werkzeug [zur Herstellung] von Kleidung [vestes] XXX. Vom Schmuck [ornamenta] XXXI. Vom Kopfputz [ornamenta capitis] der Frauen XXXII. Von den Fingerringen [anuli] XXXIII. Von den Gürteln [cingulum] XXXIIII. Vom Schuhwerk [Calciamenta] XX. Von der Erfindung der Wollverarbeitung 1. Die Heiden rühmen einer gewissen Minerva zahlreiche Erfindungen nach: Sie hätte, so sagen sie, als erste gelehrt, wie man Wolle verarbeitet, sie auch [als erste] ein Gewebe angezettelt und Wolle gefärbt. 2. Diese Minerva soll auch die [Kultur der] Olive, das Bauhandwerk und viele Künste erfunden haben, weshalb sie allgemein von den Handwerkern verehrt wird. Das ist aber [lediglich] eine poetische Fiktion, denn Minerva ist die Urheberin dieser Künste nur insofern, als der Verstand im Kopf des Menschen seinen Sitz haben soll und Minerva angeblich aus dem Haupt des Juppiter geboren wurde. [„Minerva“] steht also für die [menschliche] Intelligenz, und daher sitzt der Verstand des Weisen, der alles erfindet, im Kopf, und so heißt Minerva Göttin der Künste, weil nichts über die Intelligenz geht, die über alle Dinge herrscht. XXI. Von der Priesterkleidung nach dem [mosaischen] Gesetz 1. Es gibt acht Gattungen von Priestergewändern. Der poderis ist ein leinenes Priestergewand, das eng anliegt und bis zu den Füßen [pedes] reicht, daher sein Name. Für gewöhnlich wird er camisia genannt. 2. Der Abanet ist der runde Gürtel der Priester, in Buntwirkerarbeit aus Kermesrot [coccus], Purpur und Blau [iacinthus] so gewebt, daß der Eindruck entsteht, er wäre mit Blumen und Edelsteinen besetzt.

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Isidorus, Etymologiae, XIX, XXII

3. Pilleum est ex bysso rotundum quasi sphaera media, caput tegens sacerdotale et in occipitio uitta constrictum. Hoc Graeci et nostri tiaram uel galerum uocant. 4. Mahil, quod est tunica talaris, tota iacintina, habens ad pedes septuaginta duo tintinnabula totidemque intermixta ac dependentia punica mala. 5. Ephot, quod interpretatur Latine superindumentum: erat enim palleum superhumerale ex quattuor coloribus et auro contextum, habens in utroque humero lapides duos smaragdinos auro conclusos, in quibus sculpta erant nomina patriarcharum. 6. Logium, quod Latine dicitur rationale, pannus duplex, auro et quattuor textus coloribus, habens magnitudinem palmi per quadrum, cui intexti erant duodecim pretiosissimi lapides. Hic pannus superhumerali contra pectus pontificis adnectebatur. 7. Petalum aurea lammina in fronte pontificis, quae nomen Dei tetragrammaton Hebraicis litteris habebat scriptum. 8. Batin siue feminalia, id est bracae lineae usque ad genua pertingentes quibus uerecunda sacerdotis uelabantur.

XXII. De diuersitate et nominibus uestimentorum 1. Diuersitas uestimentorum: tegmen, [tegumen] indumentum, uestimentum et reliqua. Tegmen dictum eo quod tegat membra, sicut tegumen tecta quae tegunt corpora. 2. Vestimentum uero est quod usque ad uestigium pertenditur, quasi uestigimentum, ut est tunica talaris. Sed et hoc consuetudo sermonis auctorum confundit. Indumentum, quod intus ad corpus induitur, quasi intumentum. Amictus. 3. Discernitur autem uestitus a cultu, quoniam latius intellegitur cultus. Item cultus ab habitu: nam habitus ad naturam pertinet, cultus ad homines.

Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXII

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3. Das pilleum ist aus byssus und rund wie eine Halbkugel; es bedeckt den Kopf des Priesters und ist am Hinterkopf mit einer Binde festgezogen. Die Griechen und unsere Leute nennen es tiara oder galerus. 4. Der mahil ist eine knöchellange tunica, ganz hyazinthfarben [blau], [unten] an den Füßen besetzt mit 72 Glöckchen im Wechsel mit ebensovielen herabhängenden Granatäpfeln. 5. Ephot heißt in lateinischer Übersetzung superindumentum [„Überkleid“]; es handelte sich nämlich um ein über die Achseln geworfenes [superhumerale] palleum, gewebt aus vier Farben und Gold, auf jeder Schulter mit zwei goldgefaßten Smaragden, in welche die Namen der Patriarchen geschnitten waren. 6. Das logium, lateinisch rationale, [war] ein doppeltes Tuch, gewebt aus Gold und vier Farben, von der Größe einer Handspanne im Quadrat. Eingewebt waren zwölf überaus kostbare Steine. Dieses Tuch wurde am superhumerale [ephot ] über der Brust des Priesters befestigt. 7. Das petalum war ein Goldblech auf der Stirn des Priesters, in welches das Tetragramm des Gottesnamens in hebräischen Buchstaben eingraviert war. 8. Das batin oder die feminalia sind bis zu den Knien reichende Leinenhosen, die zum Verhüllen der Schamteile des Priesters dienten. XXII. Von den verschiedenen Arten und den Namen der Kleidungsstücke [vestimenta] 1. Die verschiedenen Arten von Kleidung: tegmen1, indumentum, vestimentum und so weiter. Das tegmen heißt so, weil es die Gliedmaßen bedeckt [tegit], so wie tegumen die Dächer [tecta] bezeichnet, welche die Körper bedecken. 2. Vestimentum dagegen ist, was bis zur [Fuß-]Spur [vestigium] hinabreicht, als hieße es vestigimentum, wie zum Beispiel die tunica talaris. Allerdings vermengt auch dies der Sprachgebrauch der Autoren. Indumentum ist, was innen [unmittelbar: intus] am Körper getragen wird, als hieße es intumentum. Amictus [„Überwurf“]. 3. [Die Ausdrücke für Kleidung] vestitus und cultus sind aber verschieden, da cultus in weiterem Sinn aufgefaßt wird. Desgleichen ist cultus von habitus verschieden, denn habitus gehört zum Bereich der Natur, cultus zu dem der Menschen [zur „Kultur“]. 1

Hier folgendes tegumen fast der gesamten Überlieferung athetiert nach Vorgang von Lindsay und Rodríguez-Pantoja. Es dürfte aus dem folgenden Satz eingedrungen sein.

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Isidorus, Etymologiae, XIX, XXII

4. Plerique autem uestium aut a tempore, quo maxime in usu sunt, appellantur, aut a locis, ubi uel primum confectae uel maxime uenditantur, aut a genere coloris, aut a nomine repertorum. 5. Vestis antiquissima hominum fuit perizomatum, id est subcinctorium, quo tantum genitalia conteguntur. Hoc primum primi mortales e foliis arborum sibi fecerunt, quando post praeuaricationem erubescentes pudenda uelarunt; cuius usum quaedam barbarae gentes, dum sint nudae, usque hodie tenent. Haec et campestria nuncupantur, pro eo quod eisdem iuvenes, qui nudi exercentur in campo, pudenda operiunt. 6. Tunica vestis antiquissima appellata quia in motu incedentis sonum facit: tonus enim sonum est. Primum autem fuere pelliciae tunicae, quibus post offensam et eiectionem de Paradiso Adan et Eua induti sunt. 7. Talaris tunica dicta eo quod ad talos usque descendat et ad pedes defluat; sicut pectoralis, quia apud antiquos breuis erat ut tantum pectus operiret, licet nunc profusior est. 8. Manicleata tunica, id est manicata, eo quod habeat manicas; quam ciroditam Graeci uocant. 9. Dalmatica uestis primum in Dalmatia, prouincia Graeciae, texta est, tunica sacerdotalis candida cum clauis ex purpura. 10. Russata, quam Graeci Phoeniceam uocant, nos coccinam, repertam a Lacedaemoniis ad celandum coloris similitudine sanguinem, quotiens quis in acie uulneraretur, ne contemplanti aduersario animus augesceret. Hanc sub consulibus Romani usi sunt milites; unde etiam russati uocabantur. Solebant etiam pridie quam dimicandum esset ante principia proponi, quasi admonitio et indicium futurae pugnae. 11. Laculata est quae lacus quadratos quosdam cum pictura habet intextos aut additos acu. Iacintina uestis est aerio colore resplendens. 12. Molochinia quae maluarum stamine conficitur; quam alii molocinam, alii maluellam uocant.

Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXII

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4. Die meisten Kleidungsstücke haben ihren Namen aber entweder von der Zeit, zu der sie am meisten getragen werden, oder von den Orten, wo sie entweder zuerst hergestellt wurden oder wo sie am meisten feilgeboten werden, oder von ihrer Färbung oder vom Namen ihrer Erfinder. 5. Das älteste menschliche Kleidungsstück war das perizomatum, das ist ein Schurz [subcinctorium], der nur die Schamteile bedeckt. Einen solchen Schurz machten sich zuerst die ersten Sterblichen aus Blättern von Bäumen, als sie sich schämten nach der Übertretung [von Gottes Gebot] und ihre Schamteile verhüllten; einige barbarische Völker bewahren diesen Brauch bis heute, während sie ja [sonst] nackt sind. Diese Schurze werden auch campestria genannt, weil die jungen Männer, wenn sie nackt ihren Leibesübungen auf dem Feld [campus] nachgehen, damit ihre Schamteile bedecken. 6. Die tunica ist ein uraltes Kleidungsstück, sie heißt so, weil sie bei der Bewegung ihres einherschreitenden [Trägers] ein Geräusch [sonus] macht, denn tonus [„Ton“] ist soviel wie sonus. Ursprünglich waren die tunicae aber aus Fellen gemacht, in sie kleideten sich Adam und Eva, nachdem sie [Gottes Gebot] verletzt hatten und aus dem Paradies vertrieben worden waren. 7. Die talaris tunica heißt so, weil sie bis zu den Knöcheln [talus] hinabreicht und bis auf die Füße herabfällt, so wie die [tunica] pectoralis [so heißt], weil sie bei den Alten so kurz war, daß sie nur die Brust [pectus] bedeckte, wenn sie jetzt auch länger ist. 8. Die tunica manicleata, das heißt manicata, [wird so genannt,] weil sie [lange] Ärmel [manica] hat; die Griechen nennen sie cirodita [ «]. 9. Die [tunica] dalmatica wurde zuerst in Dalmatien, einer griechischen Provinz, gewebt, eine priesterliche weiße tunica mit purpurnen Streifen. 10. Die russata [„Rotgefärbte“], welche die Griechen „phoinikisch“, wir coccina [„mit Kermesrot gefärbt“] nennen, sollen die Lakedaimonier erfunden haben, um durch die Ähnlichkeit der Farben das Blut zu verbergen, wenn jemand in der Schlacht verwundet worden war, damit der Gegner aus dem Anblick [des Blutes] nicht neuen Mut schöpfen sollte. Dieses [rotgefärbte Kleidungsstück] trugen die römischen Soldaten unter den Konsuln; sie hießen daher selbst auch russati. Man pflegte diese [russatae] auch am Vorabend einer Schlacht vor dem Hauptquartier auszustellen, als Mahnung und Zeichen der bevorstehenden Schlacht. 11. Die laculata hat quadratische Felder mit Bildern, die entweder eingewebt oder aufgestickt sind. Die iacintina ist ein leuchtend himmelblaues Kleidungsstück. 12. Die molochinia wird aus der Faser der Malve [ ; d.i. Baumwolle] hergestellt, andere nennen sie molocina, wieder andere maluella.

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13. Bombycina e bombyce uermiculo qui longissima ex se fila generat, quorum textura bombycinum dicitur; conficiturque in insula Coo. Apocalama. 14. Serica a serico dicta, uel quod eam Seres primi miserunt. Holoserica tota serica: olo enim totum. Tramoserica stamine lineo, trama ex serico. Holoporphyra tota ex purpura: olo enim totum. 15. Byssina candida confecta ex quodam genere lini grossioris. Sunt qui et genus quoddam lini byssum esse existimant. 16. Fibrina tramam de fibri lana habens. 17. Caprina. Masticina et mena. Linea quia ex solo lino fit. Linostema uestis est ex lana linoque contexta; et dicta linostema quia in stamine linum, in trama lanam habet. 18. Recta dicitur uestis quam sursum uersum stantesque texunt. Segmentata zonis quibusdan et quasi praecisamentis ornata: nam et particulas cuicumque materiae abscisas praesegminas uocant. 19. Leuidensis quod raro filo sit leuiterque densata. Pauitensis contraria leuidensi, dicta quod grauiter pressa atque calcata sit. 20. Citrosa, quasi concrispa ad similitudinem citri. Naeuius: „Pulchra quae ex auro uestemque citrosam …“. 21. Velenensis tunica est quae affertur ex insulis. Exotica uestis peregrina deforis ueniens, ut in Spania a Graecis. Polymita, multicoloris: polymitus enim textus multorum colorum est.

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13. Die bombycina kommt von einem kleinen Wurm, dem bombyx [„Seidenraupe“], der sehr lange Fäden hervorbringt. Das daraus gewonnene Gewebe heißt bombycinum und wird auf der Insel Kos hergestellt. Apocalama. 14. Die serica heißt so nach der Seide [sericum] oder weil sie zuerst von den Serern geliefert wurde. Die holoserica besteht ganz aus Seide, denn olo [Ρ «] heißt „ganz“. Bei der tramoserica werden Kettfäden aus Leinen, Schußfäden [trama] aus Seide verwendet. Die holoporphyra wird ganz aus purpur[gefärbtem Garn] hergestellt, denn olo [Ρ «] heißt „ganz“. 15. Die byssina ist strahlend weiß und wird aus einer Art ziemlich groben Leinens hergestellt. Manche halten byssum auch für eine Art Leinen. 16. Bei der fibrina sind die Schußfäden des Gewebes aus Biber [fiber ]Wolle. Die caprina. Die masticina [„mastixfarbenes Kleidungsstück“] und die mena [„schwarzes Kleidungsstück“]2. 17. Die linea heißt so, weil sie aus reinem Leinen [linum] hergestellt wird. Die linostema ist ein aus Wolle und Leinen gewebtes Kleidungsstück, weil sie in der Kette Leinen, im Schuß aber Wolle hat. 18. Recta heißt ein Kleidungsstück, das im Stehen von unten nach oben gewebt wird. Die segmentata ist mit einer Art Bändern und Stoffstücken verziert, denn praesegminae nennt man auch von beliebigen Materialien abgeschnittene Stücke. 19. Die leuidensis heißt so, weil sie aus locker gewebten Fäden besteht und das Gewebe kaum verdichtet ist. Die pauitensis ist das Gegenstück zur leuidensis und wird so genannt, weil [ihr Gewebe] stark gepreßt und getreten (gewalkt) wird. 20. Die citrosa heißt so, weil sie gewissermaßen wie ein Zitronenbaum gekräuselt [concrispa] ist. Naevius schreibt: „Schön die […] aus Gold und ein gekräuseltes Kleid“3. 21. Die tunica velenensis wird von den Inseln importiert. Die exotica ist ein ausländisches Kleidungsstück, das von außerhalb kommt, wie in Spanien [Importe] aus Griechenland. Die polymita ist vielfarbig, denn polymitus heißt „aus vielen Farben gewebt4“.

2 3

4

Vgl. dazu XXVIII, 8. Bellum Punicum, Fragment 22 Strzlecki. Strzlecki schlägt vor zu lesen: pulchraque vasa ex auro „ … und schöne Gefäße aus Gold“. Eig.    « „vielfädig“.

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22. Acupicta uestis acu textilis uel acu ornata. Eadem et Phrygia: huius enim artis periti Phrygii omnes dicuntur, sive quia in Phrygia inuenta est; unde et artifices, qui id faciunt, Phrygiones dicuntur. Vergilius: „Phrygiam[que] … chlamydem“. 23. Trilicis a tribus liciis, quia est et simplex et bilex. Ralla, quae uulgo rasilis dicitur. Interpola uestis illa uocatur quae dum sit uetus ad nouam speciem recuratur. Pannucia nuncupata quod sit diuersis pannis obsita. 24. Colobium dictum quia longum est et sine manicis; antiqui enim magis hoc utebantur. Leuitonarium est colobium lineum sine manicis, quale Aegyptii monachi utuntur. 25. Lumbare uocatur quod lumbis religetur, uel quod lumbis haereat. Hoc in Aegypto et Syria non tantum feminae, sed et uiri utuntur. Vnde et Hieremias trans Euphraten tulit lumbare suum ibique illud in foramine petrae abscondit, et postea scissum repperit. Hoc a quibusdam et renale dicitur, quia in renibus alligatur. 26. Limus est uestis quae ab umbilico usque ad pedes producitur. Haec autem uestis habet in extremo sui purpuram limam, id est fluxuosam; unde et nomen accepit: nam limum oblicum dicimus. 27. Licinum uocatum quod textura eius ligata sit in totum, quasi diceret liginum, C pro G littera commutata. 28. Armilausa uulgo uocata quod ante et retro diuisa atque aperta est, in armos tantum clausa, quasi armiclausa, C littera ablata. 29. Camisias uocari quod in his dormimus in camis, id est in stratis nostris. Femoralia appellata eo quod femora tegant. Ipsae et bracae, quod sint breues et uerecunda corporis his uelentur.

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22. Die acupicta ist ein mit der Nadel [acus] gewirktes oder mit der Nadel verziertes [ornata] Kleidungsstück, das auch als phrygia [bezeichnet wird], denn die Phryger gelten alle als in dieser Kunst erfahren, oder [der Name ist daraus zu erklären,] daß [dieses Kleidungsstück] in Phrygien erfunden worden ist; daher heißen auch die Handwerker, die es herstellen, Phrygiones. Vergilius schreibt5: „eine phrygische chlamys“. 23. Die trilicis heißt so nach den verwendeten drei Fäden [licium], denn es gibt auch [entsprechende Kleidungsstücke] mit einfachem [simplex] und mit doppeltem Faden [bilex]. Die ralla, sie wird gewöhnlich als rasilis [„glatt geschoren“] bezeichnet. Interpola wird ein altes, zu neuem Glanz gebrachtes Kleidungsstück genannt. Die pannucia wird so bezeichnet, weil sie mit verschiedenen Stoffstücken [panni ] besetzt ist. 24. Das colobium heißt so, weil es lang und ärmellos ist [  « „gekürzt, verstümmelt“]; bei den Alten war es stärker in Gebrauch. Das leuitonarium ist ein colobium aus Leinen und ohne Ärmel, wie es die ägyptischen Mönche tragen. 25. Das lumbare [„Lendenschurz“] wird so genannt, weil es um die Lenden [lumbi ] gebunden wird oder dort sitzt. In Ägypten und Syrien tragen es nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Daher trug auch Jeremias sein lumbare zum anderen Ufer des Euphrat, versteckte es dort in einer Felsspalte und fand es später zerrissen vor6. Das lumbare wird von manchen auch als renale bezeichnet, weil es im Bereich der Nieren [renes] umgebunden wird. 26. Der limus ist ein Kleidungsstück, das vom Nabel bis zu den Füßen reicht. Dieses Kleidungsstück hat an seinem untersten Ende einen purpurnen, schrägen, d. h. gewellten Streifen, und daher hat es seinen Namen, denn limus bedeutet „schräg“. 27. Das licinum heißt so, weil sein Gewebe vollkommen gebunden [ligata] ist, als wenn man unter Vertauschung von -c- und -g- liginum sagte. 28. Armilausa nennt man gemeinhin [ein Kleidungsstück], weil es vorn und hinten aufgeschlitzt und offen, nur an den Schultern [armus] geschlossen [clausa] ist, als wenn es armiclausa heißen müßte und der Buchstabe -c- getilgt wäre. 29. Die camisiae heißen so, weil wir sie tragen, wenn wir in den camae schlafen, das heißt in unseren Betten. Die femoralia werden so genannt, weil sie die Oberschenkel [femora] bedecken. Sie werden auch als bracae bezeichnet, weil sie kurz [«] sind und die Schamteile [uerecunda] des Körpers verhüllen. 5 6

Aeneis 3, 484. Vgl. Jer 13, 1–7.

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30. Tubrucos uocatos quod tibias bracasque tegant. Tubraci, quod a braciis ad tibias usque perueniant.

XXIII. De propio quarandum gentium habitu 1. Quibusdam autem nationibus sua cuique propria uestis est, ut Parthis sarabarae, Gallis linnae, Germanis renones, Spanis stringes, Sardis mastrugae. 2. Sarabarae sunt fluxa ac sinuosa uestimenta, de quibus legitur in Danielo: „Et sarabarae eorum non sunt inmutatae“ Et Publi

  • us: „[Vt] quid ergo in uentre tuo Parthi sarabaras suspenderunt?“ Apud quosdam autem sarabarae quaedam capitum tegmina nuncupantur, qualia uidemus in capitibus Magorum picta. 3. Linnae saga quadra et mollia sunt. De quibus Plautus: „Linna coopertus est testrino Gallia“. 4. Renones sunt uelamina humerorum et pectoris usque umbilicum, atque intortis uillis adeo hispida ut imbrem respuant. Quod uulgo reptos uocant, eo quod longitudo uillorum quasi reptat. De quibus Sallustius: „Germani intectum renonibus corpus tegunt“. Dicti autem renones a Reno Germaniae flumine, ubi his frequenter utuntur. 5. Mastruga uestis Sarda ex pelliculis ferarum. De qua Cicero pro Scauro:

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    30. Tubruci werden so genannt, weil sie Schienbeine [tibiae] und Hosen [bracae] bedecken. Tubraci heißen so, weil sie von den Armen [brachia7] bis zu den Schienbeinen [tibiae] reichen. XXIII. Von der charakteristischen Kleidung einiger Völker 1. Nun haben einige Völker ihnen jeweils eigentümliche Kleidung, wie die Parther die sarabarae, die Gallier die linnae, die Germanen die renones, die Hispanier die stringes, die Sarden die mastrugae. 2. Die sarabarae sind weite, bauschige Kleider, von denen wir im Buch Daniel [3, 94] lesen: „Auch ihre sarabarae sind unverändert.“ Und bei Publilius [Syrus] heißt es: „Warum8 also haben die Parther um deinen Bauch sarabarae gehängt [… an deinem Bauch sarabarae aufgehängt, dich in sarabarae gesteckt]?“9 Bei einigen Autoren werden aber bestimmte Kopfbedeckungen sarabarae genannt, wie wir sie auf den Köpfen der Weisen [aus dem Morgenlande] gemalt sehen. 3. Linnae sind viereckige, weiche Mäntel, von denen Plautus sagt: „Er ist bedeckt mit einer linna aus gallischer Weberei“10. 4. Die renones verhüllen die Schultern und die Brust bis zum Nabel und sind durch ihre krausen Zotten so struppig, daß sie den Regen abweisen. Gewöhnlich nennt man sie repti, weil die Länge ihrer Zotten gleichsam kriecht [reptat ]. Dazu sagt Sallustius: „Die Germanen bedecken ihren bloßen Körper mit renones“11. Diese renones leiten sich aber von dem germanischen Fluß Renus [„Rhein“] her, wo sie häufig getragen werden. 5. Die mastruga ist ein sardisches Kleidungsstück und wird aus den Fellen wilder Tiere hergestellt. Cicero sagt davon in seiner Rede Pro Scauro [45]:

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    Es dürfte hier aus braciis zu bracis zu korrigieren sein: „ … weil sie von den Hosen [bracae] bis zu den Schienbeinen [tibiae] reichen“. „Tubraci … perveniant“ ist vermutlich eine korrigierende Variante, nicht unbedingt von Isidor selbst, zum vorangehenden Satz. Vorangehendes ut im lateinischen Text ist als wahrscheinlich aus ait verderbt mit ed. Ribbeck zu streichen. Fragmentum incertum 2 Ribbeck. Zur Konstruktion cf. 22, 25 in renibus alligatur. Mit Ribbeck ist vielleicht besser zu lesen suspenderit, mit Parthi als Genitiv: „Hosen eines Parthers“. Fragmentum incertum LV Lindsay. Die gebotene Übersetzung setzt freilich einen Text coopertus est e textrina Gallica voraus, vgl. Lindsay ad loc., der als Konjekturvariante bietet cooperta (est) ex textrina Gallica. Historiae 3, Fragment 104 Maurenbrecher.

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXIII

    „Quem purpura regalis non commouit, eum Sardorum mastruga mutauit?“. Mastruga autem quasi monstruosa, eo quod qui ea induuntur quasi in ferarum habitu transformantur. 6. Dinoscuntur et gentes ita habitu sicut et lingua discordes. Persae brachia et crura lin[i]amentis, caput tiara tegunt; eminent apicibus fastigiatis Alani; horrent et male texti cum latratoribus linguis Scotti; sagati sunt Alamanni, linteati Indi, gemmati Persae, sericati Seres, faretrati Armenii. 7. Nonnullae etiam gentes non solum in uestibus sed et in corpore aliqua sibi propria quasi insignia uindicant: ut uidemus cirros Germanorum, granos et cinnibar Gotorum, stigmata Brittonum. Circumcidunt quoque Iudaei praeputia, pertundunt Arabes aures, flauent capitibus intectis Getae, nitent Albani albentibus crinibus. Mauros habet tetra nox corporum, Gallos candida cutis; sine equis inertes extant Alani. Nec abest gens Pictorum, nomen a corpore, quod minutis opifex acus punctis et expressus natiui graminis sucus inludit, ut has ad sui specimen cicatrices ferat pictis artubus maculosa nobilitas. 8. Habet et sexus institutam speciem habitus; ut in uiris tonsi capilli, in mulieribus redundantia crinium, quod maxime uirginibus insigne est; quarum et ornatus ipse propie sic est, ut concumulatus in uerticem ipsam capitis sui arcem ambitu crinium contegat.

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXIII

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    „Wen der königliche Purpur nicht bewegt hat, ist der durch die mastruga der Sarden ein anderer geworden?“ Dabei ist mastruga nahe an monstruosa, und das hat folgenden Grund: Wer die mastruga anzieht, nimmt nahezu das Verhalten wilder Tiere an. 6. Die Völker sind an den Unterschieden ihrer Tracht genauso zu erkennen, wie sie verschiedene Sprachen sprechen. Die Perser hüllen ihre Arme und Beine in Leinenkleidung und bedecken den Kopf mit der tiara; die Alanen ragen mit ihren spitzen Mützen hervor; struppig und dürftig bekleidet sind die Scoten mit ihren belfernden Sprachen; die Alamannen tragen saga, die Inder Leinen, die Perser schmücken sich mit Edelsteinen, die Serer tragen Seide, die Armenier Köcher. 7. Einige Völker nehmen darüber hinaus nicht nur Eigentümlichkeiten ihrer Kleidung, sondern auch ihrer körperlichen Erscheinung als eine Art Kennzeichen für sich in Anspruch: Da sehen wir die Locken der Germanen, Schnurr- und Kinnbart der Goten, die Körperbemalung der Britannier. Desgleichen beschneiden die Juden die Vorhaut, durchbohren die Araber ihre Ohren, zeichnen sich die Geten durch das blonde Haar ihrer unbedeckten Köpfe aus, stechen die Albaner durch ihr weißes [albens] Haar hervor. Für die Mauren ist die scheußliche Nacht[schwärze] ihrer Körper, für die Gallier ihre glänzend weiße Haut charakteristisch; in Trägheit verharren ohne ihre Pferde die Alanen. Es fehlt auch nicht an einem Volk – dem der Pikten –, das seinen Namen von seinem Körper hat, den ein Künstler mit feinen Nadelstichen und aus einheimischen Kräutern gepreßtem Saft verziert, daß ein gefleckter Adel diese Narben auf gefärbten [pictus] Gliedern als sein Kennzeichen trage12. 8. Auch die Geschlechter haben ihre geregelte Erscheinungsform: Dem kurzgeschorenen Haar der Männer steht bei den Frauen die Überfülle des Haars gegenüber, wie sie besonders die jungen Mädchen auszeichnet und ihnen zum charakteristischen Schmuck dient: Zum Scheitel hin gerafft, umgibt das Haar schützend die Festung des Kopfes.

    12

    Also kein Komma hinter cicatrices ferat.

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXIIII

    XXIIII. De palleis uirorum 1. Palleum est quo ministrantium scapulae conteguntur ut, dum ministrant, expediti discurrant. Plautus: „Si quid facturus es adpende in humeris palleum, et pergat quantum ualet tuorum pedum pernicitas“; dictum autem palleum a pellibus, quia prius superindumenta pellicia ueteres utebantur, quasi pellea; sive a palla per diriuationem. 2. Chlamys est qui ex una parte induitur, neque consuitur, sed fibula infrenatur. Hinc et Graece nomen accepit. 3. Toga dicta quod uelamento sui corpus tegat atque operiat; est autem pallium purum forma rotunda et fusiore, et quasi inundante sinu, et sub dextro ueniens supra humerum sinixtrum ponitur, cuius similitudinem in operimentis simulacrorum uel picturarum aspicimus, easque statuas togatas uocamus. 4. Toga autem Romani in pace utebantur, belli autem tempore paludamentis. Mensura togae iusta si sex ulnas habeat. 5. Toga palmata dicebatur quam merebantur hii qui reportabant de hostibus palmas; ipsa uocabatur et toga picta, eo quod victorias cum palmis intextas haberet. 6. Toga candida eademque cretata in qua candidati, id est magistratum petentes, ambiebant, addita creta quo candidior insigniorque esset. Cicero, in oratione quam habuit contra conpetitores In toga candida scripsit. 7. Cinctus Gabinus est cum ita inponitur toga ut togae lacinia, quae post secus reicitur, adtrahitur ad pectus, ita ut ex utroque latere ex humeris picturae pendeant, ut sacerdotes gentilium faciebant aut cingebantur praetores. 8. Trabea erat togae species ex purpura et cocco qua operti Romanorum reges initio procedebant. Hanc primum Romulus adinuenisse perhibetur ad discretionem regii habitus. Trabea autem dicta quod in maiori gloria homi-

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXIIII

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    XXIIII. Von der pallea der Männer 1. Palleum heißt, womit sich die Diener ihre Schultern bedecken, um bei ihrem Dienst ungehindert hin- und herlaufen zu können. Plautus sagt: „Wenn du etwas tun willst, hänge dir das palleum über die Schultern, dann eile die Behendigkeit deiner Füße nach Kräften13.“ Palleum kommt [entweder] von pelles, weil ursprünglich die Alten Überkleidung aus Fellen trugen, als wenn es pellea [heißen müßte], oder durch Ableitung von palla. 2. Die chlamys wird von einer Seite angelegt und nicht zusammengenäht, sondern von einer Fibel gehalten. Daher hat sie auch ihren griechischen Namen erhalten. 3. Die toga heißt so, weil sie, indem sie den Körper verhüllt, ihn bedeckt [tegit ] und verbirgt. Es handelt sich um ein reines palleum von runder Form und ist ziemlich weit, mit einem gewissermaßen überfließenden Bausch; sie wird unter dem rechten Arm durchgezogen und auf der linken Schulter befestigt, wie wir es abgebildet sehen in der Kleidung von Statuen und auf Gemälden, und solche Statuen nennen wir togatae. 4. Die toga trugen die Römer in Friedenszeiten, im Krieg hingegen paludamenta. Das rechte Maß der toga beträgt sechs Ellen. 5. Die sogenannte toga palmata verdienten sich jene, die [im Kampf mit] den Feinden Palmzweige davontrugen; diese toga hieß auch toga picta, weil Siegesgöttinnen mit Palmzweigen in sie eingewebt waren. 6. In der toga candida, auch [toga] cretata, bewarben sich die „Kandidaten“, das heißt diejenigen, die ein öffentliches Amt anstrebten; sie wurde zusätzlich mit Kreide [creta] gebleicht, um desto weißer und auffallender zu sein. Cicero überschrieb eine gegen seine Konkurrenten gehaltene Rede In toga candida. 7. Von cinctus Gabinus spricht man, wenn die toga so angelegt wird, daß ihr Zipfel, der sonst über die Schulter nach hinten geworfen wird, zur Brust gezogen wird, so daß auf beiden Seiten von den Schultern die farbigen [d. h. Purpur-]Streifen [pictura] herabhängen; so hielten es die heidnischen Priester, so auch gürteten sich die Prätoren. 8. Die trabea war eine mit Purpur und Kermesrot [coccus] gefärbte Toga, in sie pflegten sich ursprünglich die Könige der Römer zu hüllen, wenn sie in der Öffentlichkeit auftraten. Wie man erzählt, hat Romulus sie erfunden,

    13

    Fragmentum incertum LVI Lindsay.

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    nem transbearet, hoc est ultra et in posterum ampliori dignitate honoris beatum faceret. 9. Paludamentum erat insigne palleum inperatorum, cocco purpuraque et auro distinctum. De quo Sallustius „togam“, inquit, „paludamento mutauit“. Erat autem palleum bellicum dictum, aliquibus uidetur, quod eo indutus palam faceret imperator bellum futurum. 10. Circumtextum est quod Graece cyclas dicitur. De quo Vergilius: „Et circumtextum croceo uelamen acantho“; circumtextum autem dictum quia est rotundum palleum. 11. Diplois Graecum nomen, ab eo quod sit duplex amictus. Horatius: „Contra quem duplici panno patientia uelat“. 12. Est autem uestis militaris, cuius usus Gallicis primum expeditionibus coepit e praeda hostili. De qua est uox illa senatui: „togis depositis Quirites ad saga fuerunt“. 13. Sagum autem Gallicum nomen est; dictum autem sagum quadrum eo quod apud eos primum quadratus uel quadruplex esset. 14. Penula est palleum cum fimbriis longis. Lacerna palleum fimbriatum quod olim soli milites utebantur; unde et in distinguenda castrensi urbanaque turba hos togatos, illos lacernatos uocabant. Inde autem lacernae quasi amputatis capitibus fimbriarum, neque ita laxis ut sunt penularum. 15. Mantum Spani uocant quod manus tegat tantum: est enim breue amictum.

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    um die königliche Kleidung hervorzuheben. Sie heißt aber trabea, weil sie den Menschen zu höherem Ruhm erheben [transbeare], das heißt ihn durch die [so noch] glänzendere Erhabenheit seiner [Königs-]würde segnen soll über seine eigene Lebenszeit hinaus. 9. Das paludamentum war das palleum, das die Feldherren auszeichnete, verziert mit Kermesrot [coccus], Purpur und Gold. Sallustius sagt davon: „Er tauschte die toga gegen das paludamentum“14. [Das paludamentum] wurde aber auch als palleum bellicum [„Kriegsmantel“] bezeichnet, und zwar, wie einige meinen, weil der Feldherr es trug, wenn er einen bevorstehenden Krieg bekannt machte. 10. Das circumtextum ist, was griechisch cyclas [ «] heißt. Dazu sagt Vergilius: „und ein Gewand [uelamen], umwebt [circumtextum] von krokosfarbenem Akanthus“15. Es heißt aber circumtextum, weil es sich um ein rundes palleum handelt. 11. Diplois [ «] ist ein griechischer Name; er erklärt sich daraus, daß es sich um einen doppelten Überwurf [amictus] handelt. Dazu sagt Horatius: „Anders der Mann [Diogenes], den Genügsamkeit in den doppelten Mantel [duplici panno] hüllt“16. 12. Es gibt ferner ein militärisches Kleidungsstück; sein Gebrauch [durch die Römer] geht zurück auf Beute, die während der gallischen Feldzüge dem Feind abgenommen worden war. Auf diese bezieht sich, wenn es [damals] im Senat hieß: „Die römischen Bürger legten ihre togae ab und griffen zum sagum.“ 13. Sagum aber ist ein gallisches Wort; man spricht auch von sagum quadrum, weil die Gallier ursprünglich viereckige oder vierfache saga hatten. 14. Die penula ist ein palleum mit langen Fransen. Die lacerna ist ein palleum mit Fransen, das ehedem nur Soldaten trugen; daher nannte man zur Unterscheidung der militärischen von den zivilen Massen diese toga-, jene lacerna-Träger. Daher [haben] die lacernae aber [ihren Namen], als wären nämlich die Köpfe der Fransen gleichsam abgeschnitten [vgl. lacer „verstümmelt“]; auch sind ihre Fransen nicht so weich wie die der penulae. 15. Mantum nennen die Hispanier [ein Kleidungsstück], weil es nur die Hände [manus tantum] bedeckt: Es handelt sich nämlich um einen kurzen Überwurf [amictus].

    14 15 16

    Historiae, 1, Fragment 87 Maurenbrecher. Aeneis 1, 649. Epistulae, 1, 17, 25.

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    16. Praetexta puerile est palleum quo usque ad sedecim annos pueri nobiles sub disciplinae cultu utebantur; unde et praetextati pueri appellati sunt. Dicta autem praetexta quia praetexebatur ei latior purpura. 17. Casula est vestis cucullata, dicta per diminutionem a casa, quod totum hominem tegat quasi minor casa. Inde et cuculla, quasi minor cella. Sic et Graece planetas dicta, quia oris errantibus euagantur. Vnde et stellae planetae, id est uagae, eo quod uago sui errore motuque discurrunt. 18. Birrus a Graeco uocabulum trahit: illi enim birrum bibrum dicunt. 19. Melotes, quae etiam pera uocatur, pellis est caprina a collo pendens praecincta usque ad lumbos; est autem habitus proprie necessarius ad operis exercitium. Fiebat autem prius, ut quidam existimant, de pelliculis melonum; unde et melotes uocatae sunt. 20. Fimbriae uocatae ora uestimentorum, hoc est fines; ex Graeco uocabulum trahunt: Graeci enim terminum ora uocant.

    XXV. De palleis feminarum Regillum est prelautum reginarum amiculum; unde et appellatum. Peplum matronale palleum ex purpura signatum, cuius fimbriae aurei staminis summitate resplendent. 2. Palla est quadrum palleum muliebris uestis, deductum usque ad uestigia, quod adfixis in ordinem gemmis. Et palla dicta μ # Λ  , id est a mobilitate, quae est circa finem huiusmodi indumenti, siue quod rugis vibrantibus sinuata crispetur. 3. Stola matronale operimentum, quod cooperto capite et scapula a dextro latere in laeuum humerum mittitur; stola autem Graece uocatur quod superemittatur. 4. Idem et ricinium Latino nomine appellatum eo quod dimidia eius pars retro reicitur, quod uulgo mauortem dicunt; uocatum autem mauortem

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXV

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    16. Die praetexta ist ein palleum für Kinder, das Jungen aus guter Familie bis zum Alter von sechzehn Jahren für die Dauer ihrer Erziehung trugen. Man nannte sie deshalb auch pueri praetextati. Die praetexta aber heißt so, weil bei ihr ein ziemlich breiter Purpurstreifen angewebt war [praetexebatur]. 17. Die casula ist ein Kleidungsstück mit Kapuze, ihr Name ist ein Deminutiv von casa, weil sie den ganzen Menschen bedeckt wie ein kleines Häuschen [casula]. Daher erklärt sich auch cuculla, das heißt etwa soviel wie „Kämmerchen“ [minor cella]. So wird [die casula] mit einem griechischen Wort auch als planeta bezeichnet, weil diese mit schweifenden Säumen [beim Gehen] schwingen [vgl.   « „wandernd, schweifend“]. Daher spricht man auch von stellae planetae, das heißt Wandersterne, weil sie in schweifender Irrfahrt und Lauf umherwandern. 18. Der birrus hat seinen Namen aus dem Griechischen entlehnt: Die Griechen nämlich bezeichnen birrus als bibrus [vielm. B «]. 19. Die melotes, auch pera genannt, ist ein vom Hals herabhängendes Ziegenfell, das vorn bis zu den Lenden aufgeschürzt wird; dabei handelt es sich vorzugsweise um ein für die Arbeit erforderliches Ausstattungsstück [habitus]. Wie manche meinen, wurde sie früher aus Marder [melo]-Fellen hergestellt, daher heißt sie auch melotes. 20. Fimbriae heißen die Säume, das heißt die Ränder [ora] der Kleidung; die Bezeichnung stammt aus dem Griechischen, denn die Griechen nennen die Grenze ora. XXV. Von den pallea der Frauen 1. Das regillum ist ein kleiner Prachtumhang [amiculum] für Königinnen [reginae], daher auch sein Name. Das peplum ist ein palleum für verheiratete Frauen, mit Purpur verziert, dessen Fransen aus goldenem Faden an den Kanten glänzen. 2. Die palla ist ein Kleidungsstück [vestis] für Frauen in der Form eines viereckigen palleum, sie reicht bis zu den Füßen, mit einer Reihe von aufgenähten Edelsteinen am [unteren] Ende. Palla kommt von   [„schwingen“], das heißt von der Beweglichkeit der Säume derartiger Kleidungsstücke [indumentum] oder weil sie sich in schwingende Falten legt und kräuselt. 3. Die stola ist ein Mantel [operimentum; eig. „Decke“] für verheiratete Frauen, der Kopf und Rücken bedeckt und von der rechten Seite über die linke Schulter geworfen wird; sie wird mit einem griechischen Wort stola [ ] genannt, weil sie nach oben geworfen [  ] wird. 4. Sie heißt auch mit lateinischem Namen ricinium, weil sie zur Hälfte nach hinten geworfen wird [vgl. reicere „zurückwerfen“]; [statt ricinium] sagt man

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXVI

    quasi Martem: signum enim maritalis dignitatis et potestatis in eo est. Caput enim mulieris uir est; inde et super caput mulieris est. 5. Amiculum est meretricum palleum lineum. Hunc apud ueteres matronae in adulterio deprehensae induebantur, ut in tali amiculo potius quam in stola polluerent pudicitam. Erat enim apud ueteres hoc signum meretriciae uestis, nunc in Spania honestatis. 6. Theristrum palleolum est quo usque hodie Arabiae et Mesopotamiae mulieres uelantur, quibus in aestu tutissimo teguntur umbraculo. De quo in Esaia. 7. Anaboladium amictorium lineum feminarum, quo humeri operiuntur, quod Graeci uel Latini sindonem uocant.

    XXVI. De stratu et reliquis uestibus quae in usu habentur 1. Stragulum uestis est discolor quod manu artificis diuersa uarietate distinguitur; dictum autem quod et in stratu et in amictu aptus sit. De quo Salomon: „Stragulam uestem sibi fecit“. 2. Ludices a ludis, id est theatris, uocatas quidam existimant; quum enim egrediebantur de ludi prostibulo iuuenes, horum uelamento tegebant caput et faciem, quia solet erubescere qui lupanar intrauerit. Galnapes. 3. Fulcra sunt ornamenta lectorum, dicta quod in his fulcimur, id est sustinemur, uel quod toros fulciant siue caput, quae reclinatoria uulgus appellat. 4. Ceruicalia autem eo quod ponantur sub ceruice uel cubito. Puluillus dictus a puluinar, qui est diuitum lectus. Culcitae uocatae quod calcentur, id est farciantur, pluma siue tomento, quo molliores calidioresque sint.

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXVI

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    gewöhnlich mauors, fast als ob es Mars hieße, denn [dieses Kleidungsstück] symbolisiert Würde und Macht des Ehemannes [maritus]. Der Mann ist ja das Haupt der Frau17; daher wird [die stola] auf dem Kopf der Frau getragen. 5. Das amiculum ist das leinene palleum der Prostituierten. Bei den Alten trugen beim Ehebruch ertappte verheiratete Frauen das amiculum, daß sie damit statt mit der stola bekleidet ihre Keuschheit besudeln sollten, denn bei den Alten kennzeichnete das amiculum die Kleidung von Prostituierten, heute gilt es in Hispanien als Merkmal der Ehrbarkeit. 6. Das theristrum ist ein palleolum, in das sich noch heute die Frauen in Arabien und Mesopotamien hüllen und das ihnen in der Sommerhitze aufs zuverlässigste Schatten spendet. In Jesaia [3, 23] ist davon die Rede. 7. Das anaboladium ist ein leinenes Tuch, das von Frauen getragen wird und die Schultern bedeckt. Im Griechischen wie Lateinischen heißt es sindon. XXVI. Vom Bettzeug und den übrigen gebräuchlichen Textilien 1. Das stragulum ist eine vielfarbige Textilie [uestis], die von der Hand des Herstellers bunt gefärbt wird; sie heißt so, weil sie gleichermaßen als Decke und als Überwurf [amictus] geeignet ist. Salomon sagte davon: „Sie hat sich eine stragula uestis [“Decke“] angefertigt“18. 2. Die ludices heißen so, wie manche meinen, nach den Spielen [ludi ], das heißt dem Theater; wenn nämlich die jungen Männer das Bordell des Theaters verließen, bedeckten sie damit Kopf und Gesicht, denn es pflegt sich zu schämen, wer ein Bordell betreten hat. Galnapes. 3. Die fulcra [„Lehnen“] bilden den Schmuck der Ruhebetten und heißen so [entweder], weil wir uns darauf stützen [fulcimur], d. h. davon gehalten werden, oder weil sie die Polster tragen bzw. den Kopf stützen; gewöhnlich nennt man sie reclinatoria. 4. Die cervicalia [„Federkissen“] dagegen werden so genannt, weil sie unter den Nacken [cervix] oder Ellenbogen gelegt werden. Der pulvillus [„kleines Kissen“] heißt so nach dem pulvinar [„Polster“], dem Ruhebett der Reichen. Die culcitae [„Matratzen“] haben ihren Namen von calcare, d. h. „stopfen“, mit Federn oder anderem [Stopfwerk], um so desto weicher zu sein und besser zu wärmen.

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    1 Cor 11, 3. Prov 31, 22.

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXVII

    5. Tappeta dicta quod pedibus primum strarentur, quasi tappedia. Sipla tappeta ex una parte uillosa, quasi simpla. Anphitapa ex utraque parte uillosa tappeta. Lucilius: „Siplae atque anphitapi villis ingentibus molles“. 6. Mantelia nunc pro operiendis mensis sunt, quae, ut nomen ipsud indicat, olim tergendis manibus praebebantur. Mappae conuiuii et epularum appositarum sunt, quasi manupae, atque ob id nominatae; cuius diminutiuum mapella est. Toralia longae perpetuaeque mappae, a toro dictae. 7. Sabanum Graecum est. Facistergium et manitergium a tergendo faciem uel manus uocatum. 8. Vela dicta quod obiectu suo interiora domorum uelent. Aulea uela picta et grandia, quae ideo aulea dicta sunt quod primum in aula Attili regis Asiae, cui successit populus Romanus, inuenta sunt. 9. Cortinae sunt aulaea, id est uela, de pellibus, qualia in Exodo leguntur, a quibus tabernaculum extrinsecus tegebatur; dictae autem cortinae a coreis, eo quod prius ex pellibus fuissent factae. Vnde et in eodem tabernaculo legis iubetur cortinas fieri ex pellibus arietum rubris et ex pellibus iacintinis. 10. Cilicia Arabes nuncupant uelamenta pilis caprarum contexta, ex quibus sibi tentoria faciunt.

    XXVII. De lanis 1. Lana a laniando, id est a uellendo, uocata; hinc et uellus dictum, quod prius lanae uellerentur, non tonderentur. Linum ex terra oritur, deflexumque nomen eius a Graeco: nam linum Graeci linarium dicunt; siue quod sit molle et lene.

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXVII

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    5. Die tappeta [„Teppiche“] heißen so, weil sie ursprünglich unter den Füßen [pedes] ausgebreitet wurden, als hieße es tappedia. Die sipla ist ein Teppich, der nur auf einer Seite Flor hat, als hieße er simpla [vgl. simplus „einfach“]. [Dagegen] ist die anphitapa ein Teppich mit Flor auf beiden Seiten. Lucilius sagt: „Siplae und anphitapi, mit dickem Flor, weich“ 19. 6. Die mantelia dienen jetzt zum Decken von Tischen, während sie, wie das Wort selbst zeigt, ehemals zum Trocknen der Hände [manus] gereicht wurden. Die mappae [„Servietten“] sind [Utensilien] für Gastmähler und zum Auftragen [apponere] von Festschmäusen, als hieße es manupae, und danach sind sie auch benannt; das Deminutiv dazu ist mapella. Die toralia [„Polsterabdeckung“], von torus [„Ruhebett“], sind lange, zusammenhängende mappae. 7. Sabanum ist ein griechischesWort. Facistergium und manitergium heißen so, weil sie zum Trocknen [tergere] von Gesicht bzw. Händen dienen. 8. Die vela [„Vorhänge“] heißen so, weil sie das Innere der Häuser verhüllen [velare], wenn sie vorgezogen werden. Aulaea [„Wandbehänge“] sind bestickte, große Behänge [vela], die deshalb so heißen, weil sie zuerst am Hof [aula] des kleinasiatischen Königs Attalos, dessen Nachfolge das römische Volk angetreten hat, erfunden wurden. 9. Cortinae sind auleae, d. h. Behänge aus Fellen, wie sie in Exodus [26, 14] vorkommen, damit wurde das Tabernakel von außen abgedeckt; die cortinae haben ihren Namen aber von coreum [„Leder“], weil sie früher aus Fellen hergestellt wurden. Daher wird auch geboten, in eben diesem Tabernakel des [mosaischen] Gesetzes cortinae aus roten Widderfellen und aus blauen [iacintinus] Fellen anzufertigen. 10. Cilicia nennen die Araber aus Ziegenhaar gewebte Decken [velamenta], aus denen sie ihre Zelte herstellen. XXVII. Von den Wollarten 1. Lana [„Wolle“] heißt so nach laniare [„zerreißen“], im Sinn von „rupfen“ [vellere], man spricht deshalb auch von vellus [„(die geschorene, noch zusammenhängende) Wolle“], denn früher wurde die Wolle gerupft und nicht geschoren. Das linum [„Flachs, Leinen“] wächst aus der Erde, und sein Name ist aus dem Griechischen entlehnt, denn die Griechen sagen für linum, linarium [  , eig. „Faden“]; oder [der Name erklärt sich daraus,] daß linum weich und geschmeidig [lenis] ist. 19

    Saturae, 1, Fragment 13 Marx.

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXVIII

    2. Stuppa uero cannabi est siue lini; haec secundum antiquam orthographiam stuppa dicta, quod ex ea rimae nauium stuppentur; unde et stippatores dicti qui in vallibus eam conponunt. 3. Tomentum apellatum quod aut in filo aut in tela tumeat nec subtilitatem habeat. Cannabum a similitudine cannae uocatum, siue a Graeca etymologia: nam illi cannabum cannabin uocant. 4. Byssum genus quoddan lini nimium candidi et mollissimi, quod Graeci papaten uocant. Fibrinum lana est animalium quos fibros uocant; ipsos et castores existimant, quos dum uenatores secuntur, ipsi sibi testiculos adimunt. Aranea uocatur eo quod aeris infusione in frondibus nutriatur. 5. Sericum dictum quia id Seres primi miserunt: uermiculi enim ibi nasci perhibentur a quibus haec circum arbores fila ducuntur; uermes autem ipsi Graece bombyces nominantur. Placium est stuppa et quasi crassedo serici, et est Graecum nomen.

    XXVIII. De coloribus uestium 1. Tinctura uocata quia tinguitur et in aliam fucata speciem nitoris gratia coloratur; coccum Graeci, nos rubrum seu uermiculum dicimus: est enim uermiculus ex siluestribus frondibus. 2. Conchylium dictum eo quod ex conchulis marinis color eius colligitur; idem et ostrum uocatur. 3. Ostrum, quod pro colore purpurae temperatur, plurimis quidem in locis, sed optimum in insula Cypro gignitur, siue in his quos propius solis cursus inluminat. 4. Conchylia autem sunt maris, quae circumcisa ferro lacrimas purpurei

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXVIII

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    2. Stuppa [„Werg“] andererseits wird aus Hanf oder aus Leinen hergestellt; sie wird der alten Orthographie folgend stuppa genannt, weil sie dazu dient, die Risse in Schiffen abzudichten [stuppare], und daher heißen stippatores [lies: stuppatores] die Leute, die sie [die stuppa] in Hohlräume stopfen. 3. Das tomentum [„Stopfwerk“, d. h. „Polstermaterial“] wird so genannt, weil es – im Einzelfaden oder im Gewebe – verdickt ist [tumere] und nichts Feines hat. Das cannabum [„Hanf“] heißt so seiner Ähnlichkeit mit dem Schilfrohr [canna] wegen oder ist griechischer Herkunft, denn die Griechen nennen cannabum, cannabis [«]. 4. Byssum ist eine Art strahlend weißen und sehr weichen Leinens, das die Griechen papaten nennen. Fibrinum ist die Wolle der fibri [„Biber“] genannten Tiere. Man glaubt, es handele sich um dieselben Tiere, die castores heißen und die, wenn sie von Jägern verfolgt werden, sich selbst die Hoden nehmen. Die aranea [„Spinnenseide“, eig. „Spinne“] wird so genannt, weil sie vom Wehen der Luft [aer] im Laub lebt. 5. Das sericum [„Seide“] heißt so, weil es zuerst von den Seres geliefert wurde; man erzählt nämlich, daß dort Würmchen vorkommen, die diese [Seiden-]Fäden um Bäume herum spinnen; diese Würmer aber heißen griechisch bombyces [ « „Seidenraupen“]. Placium ist eine Art stuppa, so etwas wie eine dicke Seide; es handelt sich um ein griechisches Wort. XXVIII. Von den Farben der Kleider 1. Tinctura [„das Färben“] wird so genannt, weil [ein Stoff] in Farbe getaucht [tinguitur], zu einem anderen Aussehen gebracht und um der Schönheit willen gefärbt wird. Die Griechen nennen coccum [  «], was bei uns rubrum oder vermiculum heißt; dabei handelt es sich um einen kleinen Wurm [vermiculus] aus dem Laub des Waldes. 2. Das conchylium [„Schneckenpurpur“] heißt so, weil seine Farbe aus den im Meer lebenden Purpurschnecken [conchula, d. h. conchylia] gewonnen wird; es wird auch als ostrum bezeichnet. 3. Das ostrum, das zur [Gewinnung der] Purpurfarbe bereitet wird, kommt an zahlreichen Orten, in bester Qualität aber auf der Insel Zypern vor bzw. an allen Orten, wo die Sonne auf ihrer Bahn der Erde aus größerer Nähe leuchtet. 4. Die conchylia [„Purpurschnecken“] sind aber Meeres[bewohner]; wenn man sie mit einem Messer rundum aufschneidet, sondern sie eine purpurfarbene Flüssigkeit ab. Diese wird gesammelt und daraus die Purpurfarbe

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXVIIII

    coloris emittunt; his collectis color purpureus temperatur. Et ostrum exinde appellatum dicunt quod ex testae humore elicitur. 5. Purpura apud Latinos a puritate lucis uocata. Apud Graecos autem purphira dicitur cum adspiratione, apud nos purpura sine adspiratione. Ferrugo color est purpurae subnigrae quae fit in Spania, ut „Ferrugine clarus Ibera“. Dicta autem ferrugo quod omnis purpura prima tinctura eiusmodi coloris existat. 7. Glaucus color est ferrugineus subniger. Elbidum ad elbo colore uocatum: elbum est enim medius color inter nigrum et album, et elbum ad albo dirivatum. 8. Luteus color rubicundus, quod est croceus: nam crocum lutei coloris est, ut: „croceo mutauit uellera luto“. Menum quod sit colore nigrum: Graeci enim melan nigrum dicunt. Masticinum quod colorem masticis habeat. Blatteum. Blabum. Mesticium. 9. Osticium, quia ex usto est: fit enim ex dependenti fuligine tectorum egesta assiduis ignibus; unde et color eiusdem tincturae flammeus est.

    XXVIIII. De instrumentis uestium 1. Tela pro longitudine staminum dicta, cuius diriuatiuum est telaria. Insubuli, quia infra et supra sunt, uel quia insubulantur. Radii dicti quia radendo fiunt. Pectines, quod pexa fila reddant et inpremant.

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXVIIII

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    bereitet. Ferner soll das ostrum seinen Namen daher haben, daß es aus der Flüssigkeit eines Schaltiers [Ρ  ] gewonnen wird. 5. Das lateinische purpura hat seinen Namen von der Reinheit [puritas] seines Schimmers. Bei den Griechen aber wird purphira [ φ] mit Aspiration [aspiriertem -p-] gesprochen, bei uns purpura ohne Aspiration. 6. Ferrugo ist eine schwärzliche Purpurfarbe, die in Spanien hergestellt wird, wie in: „strahlend von iberischem Purpur [ferrugo]“ 20. Die Farbe wird ferrugo genannt, weil beim ersten Färben jeder Purpur diesen Ton [von Eisen, vgl. ferrum] hat. 7. Die Farbe glaucus ist eine schwärzliche ferrugo. Das elbidum heißt nach der Farbe elbus [„gelblich“], wobei elbus zwischen Schwarz und Weiß liegt und von albus [„weiß“] abgeleitet ist. 8. Das luteum ist eine rötliche Farbe [rubicundus], die Safranfarbe [croceus], denn Safran [crocum] hat einen rötlichen Ton, wie [es heißt]: „[Der Widder] wechselte sein Vlies in safranfarbenes Gelb [croceo luto]“21. Das menum [heißt so] wegen seiner schwarzen Farbe, denn die Griechen sagen melan [  ] für „schwarz“. Das masticinum [heißt so], weil es die Farbe von mastix hat. Blatteum. Blabum. Mesticium. 9. Das osticium [heißt so], weil es von ustum [„gebrannt“] kommt: Es wird nämlich aus durch ständiges Feuer ausgeblasenem Ruß, der an Raumdecken haftet, gewonnen; deshalb hat diese Farbe eine flammenähnliche Tönung. XXVIIII. Über das Werkzeug [zur Herstellung] von Kleidung [vestes] 1. Tela [„Gewebe“] heißt der Länge der [verarbeiteten] Fäden wegen so22, telaria [„Webstuhl“] ist eine Ableitung davon. Die insubuli [„Litzenstäbe“] [heißen so], weil sie unten [infra] und oben [supra] sind oder weil sie ein zischendes Geräusch machen [insubulantur, vgl. insibilare]. Die radii [„Wirknadeln“] werden so genannt, weil sie durch Glätten [radendo] hergestellt werden. Die pectines [„Weberkämme“], weil sie die Fäden auskämmen [pexa … reddant] und [an das Gewebe] anschlagen.

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    Vergilius, Aeneis, 9, 582. Vergilius, Eclogae, 4, 44. Vgl.   „aus der Ferne“, dazu Is. Etym. 12, 3, 3; 18, 7, 10.

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXVIIII

    2. Colum, quod sit in longitudine et rotunditate quasi columna. Fusum, quod per eum fundatur quod netum est. Alibrum, quod in eo liberantur fila, id est soluantur. 3. Calatum leue gestamen ex lino uel canna aut ex iunco factum, in qua uel pensa ponuntur uel leguntur flores: cala enim Graece lignum est, a quo diriuatum est calatum; nam Latine quasillum dicitur. Cicero in Philippicis: „Aut uero inter quasilla pendatur aurum“. Pensum mulierum a pendendo dictum; unde pensa et inpensa. Netum. 5. Fila dicta uel quia ex pilis animalium sunt uel quia laneficium filis tenuibus constat in modum pilorum, id est quasi filorum. 6. Mataxa quasi metaxa, a circuitu scilicet filorum: nam meta circuitus; uel quod transferatur. Lubellum corrupte a globo dictum per diminutionem, quasi globellum. 7. Panuliae, quod ex eis panni texantur: ipsae enim discurrunt per telam. Stamen dictum quia rectum stat. Trama, quod uia recta transmittatur per telam: est enim filus intra stamen currens. Licia sunt quibus stamina ligantur, quasi ligia. Ordire est … Texere est …

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXVIIII

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    2. Die colus [„Rocken“], weil sie in Länge und Rundung einer Säule [columna] gleicht. Der fusus [„Spindel“], weil um ihn das Gesponnene herabfließt [funditur]. Das alibrum [„Garnhaspel“], weil auf ihm die Fäden abgewickelt werden [liberantur], d. h. herabhängen. 3. Das calatum [„Wollkorb“] ist ein leichter Behälter aus Flachs, Schilfrohr oder Binsen, in den entweder die Tagwerke [an zugewogener gesponnener Wolle] gelegt oder Blumen gesammelt werden: cala [  Λ ] heißt nämlich auf griechisch „Holz“, davon ist calatum abgeleitet, denn lateinisch sagt man quasillum [„Wollkorb“]. Bei Cicero heißt es in den Philippica23: „Oder aber man mag Gold wiegen inmitten von Wollkörben [quasilla].“ 4. Das pensum [„Tagewerk“] der Frauen heißt nach dem Wiegen [pendere]; daher kommen auch pensa [„Gewicht“] und impensa [„Aufwand“]. Netum [„das Gesponnene“]. 5. Die fila [„Fasern, Fäden“] werden so genannt entweder weil sie aus den Haaren [pili ] von Tieren bestehen oder weil ein Wollgewebe aus dünnen Fäden in der Art von Haaren [pili ] besteht, fast als wären diese fila [„Fäden“]. 6. Mataxa [„Seidenknäuel“], wie wenn es metaxa hieße, kommt vom Umlaufen der Fäden, denn meta [verweist auf] das Umfahren [der Zielsäule, meta], oder es kommt davon, daß [der Faden über das Knäuel] hinübergeführt wird [vgl.  ]. Lubellum [„Knäuel“] ist eine verderbte Deminutivform von globus [„Kugel“], so als müßte es globellus heißen. 7. Die panuliae [„Spulen“] heißen so, weil mit ihnen Stoffe [panni ] gewebt werden, denn sie laufen hin und her durch den Webstuhl. Das stamen [„Kette“] heißt so, weil es aufrecht steht [stat ]. Die trama [„Schuß“], weil sie geradenwegs durch das Gewebe geführt wird [transmittitur], handelt es sich doch um den Faden, der durch die Kette läuft. Die licia [„Litzen“] sind [die Enden], an welche die Kettfäden geknüpft werden [ligantur], als hieße es ligia. Ordire [„anzetteln“] heißt … Texere [„weben“] heißt …

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    a.a.O., 3, 4, 10. Der Text ist offenbar verderbt, wird aber von Lindsay und RodríguezPantoja belassen. Richtig (nach Clark ed.): At vero huius domi inter quasilla pendebatur aurum.

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXX

    XXX. De ornamentis 1. Hactenus de ueste; dehinc ad ceterum cultum ueniemus. Ornamenta dicta eo quod eorum cultu ora uultusque decorentur. Prima ornamenta corona, insigne uictoriae siue regii honoris signum, quae ideo in capite regum ponitur, ad significandum circumfusos in orbe populos, quibus adcinctus quasi caput suum coronatur. Haec a Lucilio corolla, ab Homero stephane dicta est. Huius principium a Libero quodam gentiles existimant, quod his in potando mota vino capita uincire fasciolis instituerint. Idcirco olim linei ac lanei generis coronas fuisse, sicut erat in sacerdotibus gentilium. 2. Nomen coronae hac ex causa uocatum, eo quod initio circum aras curreretur, atque ad imaginem circuitus uel cori et formatam et nominatam coronam. 3. Imperatores Romani et reges quidam gentium aureas coronas utuntur. Persae tiaras gerunt, sed reges rectas, satrapae incuruas. Reperta autem tiara a Semiramide Assyriorum regina. Quod genus ornamenti exinde usque hodie gens ipsa retinet. Athenienses autem cic[l]adas aureas gerebant partim in uertice, nonnulli in fronte. Non enim eadem sunt insignia omnium regnorum. Gentilium uates infulas, apices, pillea sive galeria utebantur. 4. Infula est fasciola sacerdotalis capitis alba in modum diadematis, a qua uittae ab utraque parte dependent, quae infulam uinciunt; unde et uittae dictae sunt, quod uinciant; infula autem plerumque lata erat, plerumque tortilis, de albo et cocco. 5. Apex est pilleum sutile quod sacerdotes gentiles utebantur, appellatus ab apiendo, id est a ligando: nam uirgula, quae in pilleo erat, conectebatur filo,

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXX

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    XXX. Vom Schmuck [ornamenta] 1. Soviel von der Kleidung [vestis]; nun kommen wir zum übrigen Putz [cultus]. Ornamenta [„Schmuck“] heißen so, weil Gesichter [ora] und äußere Erscheinung dadurch verschönert werden, daß man sie trägt. An erster Stelle unter den ornamenta steht die corona [„Kranz, Krone“], Siegeszeichen oder Kennzeichen der Königswürde, das den Königen auf den Kopf gesetzt wird, um die rings auf der Welt lebenden Völker zu bezeichnen, von denen [der König] umgeben ist und so sein Haupt gleichsam umkränzt wird. Diese [corona] nennt Lucilius corolla24, Homeros stephane25. Wie die Heiden meinen, liegen ihre Ursprünge bei einem gewissen Liber, denn sie hätten die Sitte eingeführt, beim Trinken die vom Wein berauschten Köpfe mit diesen Binden zu umwinden. Daher wären die coronae ursprünglich aus Leinen oder Wolle gewesen, wie es bei den heidnischen Priestern der Fall war. 2. Der Name der corona erkläre sich daraus, daß man ursprünglich um die Altäre gelaufen wäre und nach dem Bilde eines Umzugs oder Chortanzes [corus] die corona sowohl ihre Form als auch ihren Namen erhalten hätte. 3. Die römischen Kaiser und einige heidnische Könige tragen goldene Kronen. Die Perser tragen tiarae, doch tragen ihre Könige gerade, die Satrapen gekrümmte tiarae. Die tiara ist aber eine Erfindung von Semiramis, der Königin der Assyrer, und dieses Volk hält seit jener Zeit bis heute an dieser Art Kopfputz fest. Die Athener aber trugen goldene cicadae, teils auf dem Scheitel, einige auf der Stirn. Nicht aller Reiche Insignien nämlich sind gleich. Die heidnischen Seher trugen infulae, apices, pillea oder galeria. 4. Die infula ist eine weiße Binde für den Kopf des Priesters, nach Art des diadema, von der auf beiden Seiten vittae [„Bänder“] herabhängen, die zur Befestigung der infula dienen; daher haben die vittae auch ihren Namen, daß sie zum Befestigen dienen [vinciunt]. Dabei war die infula bald breit, bald verschlungen, weiß und kermesrot [coccus]. 5. Der apex ist eine genähte Kopfbedeckung [pilleum], welche die heidnischen Priester trugen; er hat seinen Namen von apere [„befestigen“], d. h. „binden“, denn der Stab [oben] auf der Kopfbedeckung [pilleum] wurde mit einem Faden aus der Wolle eines Opfertieres befestigt. Das galerium ist eine

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    Saturae, Fragment 1143 Marx.  φ; Ilias 18, 597.

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXXI

    quod fiebat ex lana hostiae. Galerium pilleum ex pelle caesae hostiae factum. Pilleum autem dictum a pelle hostiae unde fiebat. 6. Cidarim et ipsud sacerdotum erat, quod a plerisque mitra uocatur.

    XXXI. De ornamentis capitis feminarum 1. Ornamenta capitis feminarum: diadema, nimbum, capitulum et mitra. Diadema est ornamentum capitis matronarum ex auro et gemmis contextum, quod in se circumactis extremitatibus retro adstringintur; et exinde dictum Graece quod praeligetur. 2. Nimbus est fasciola transuersa ex auro adsuta in linteo, quod est in fronte feminarum. Plautus: „Quo magis eam aspicio, tam magis nimbata est“. Nam et lumen, quod circa angelorum capita pingitur, nimbus uocatur, licet et nimbus sit densitas nubis. 3. Capitulum est quod uulgo capitulare dicunt; idem et cappa, uel quod duos apices ut cappa littera habeat, uel quia capitis ornamentum est. 4. Mitra est pilleum Phrygium, caput protegens, quale est ornamentum capitis deuotarum. Sed pilleum uirorum est, mitrae autem feminarum. 5. Redimicula autem sunt quibus mitra alligatur. Pilleum autem, ut praediximus, a pelle erat; nam mitra ex lana est. Ricula est mitra uirginalis capitis. 6. Vittae sunt quae crinibus innectuntur, quibus fluentes religantur capilli; et uittae dictae quod uinciunt. Taenia autem est uittarum extremitas dependens diuersorum colorum. Item uitta est qua corona uincitur; taenia uero extrema pars uittae, quae dependet coronae.

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXXI

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    Kopfbedeckung [pilleum], die aus dem Fell eines getöteten Opfertieres hergestellt wurde. Das pilleum aber heißt so nach der pellis [„Fell“] eines Opfertieres, aus der man es herzustellen pflegte. 6. Auch die cidaris gehörte zur Ausstattung der Priester; meist wird sie als mitra bezeichnet. XXXI. Vom Kopfputz [ornamenta capitis] der Frauen 1. Der Kopfputz der Frauen: diadema, nimbus, capitulum und mitra. Das diadema ist der Kopfputz der verheirateten Frauen, mit eingewebtem Gold und Edelsteinen; es wird hinten befestigt, indem seine Enden umeinandergeschlungen werden, und daher wird es auf griechisch bezeichnet als etwas, das umgebunden wird [vgl.  „binden“]. 2. Der nimbus ist eine quer verlaufende Binde aus Gold, auf Leinen genäht, welche die Frauen auf der Stirn tragen. Plautus sagt: „Je mehr ich sie ansehe, um so deutlicher ist ihr nimbus 26“. Denn auch das Licht, das man um die Köpfe von Engeln malt, wird nimbus genannt, obwohl nimbus auch die dichte Substanz einer Wolke bezeichnet. 3. Das capitulum [„Kapuze“] ist, was gewöhnlich als capitulare bezeichnet wird; eben dafür sagt man auch cappa, sei es, weil es zwei Spitzen hat wie der Buchstabe Kappa, sei es, weil es ein Kopfputz ist [capitis ornamentum]. 4. Die mitra ist eine phrygische Mütze [pilleum], die den Kopf schützt, vergleichbar dem Kopfputz frommer Frauen. Das pilleum ist aber ein Kleidungsstück für Männer, die mitra eines für Frauen. 5. Mit den redimicula [„Bänder“] aber wird die mitra befestigt. Das pilleum war, wie gesagt, aus Fell, aber die mitra besteht aus Wolle. Die ricula ist eine mitra, die von den Jungfrauen auf dem Kopf getragen wird. 6. Die vittae sind [Bänder], die ins Haar geflochten werden und mit denen das offene Haar zusammengehalten wird; und sie heißen vittae, weil sie binden [vinciunt ]. Die taenia dagegen ist das herabhängende Ende der vittae und kommt in verschiedenen Farben vor. Desgleichen wird mit der vitta eine corona befestigt, die taenia aber ist der unterste Teil der vitta, der Teil, der von der corona herabhängt. 26

    Poenulus, 348. Von Isidors Deutung, der, wie das folgende „nam“ zeigt, „nimbata“ semantisch in die Nähe der späteren, christlichen Deutung von „nimbus“ rückt (etwa im Sinn von „Ausstrahlung“?), kann die moderne Forschung nur erheblich abweichen, doch gehen bis heute die Deutungen auseinander: OLD s.v. ad loc. „stormy“ neben G. Maurach, Der Poenulus des Plautus, Heidelberg 1988, S. 97, der gr. $ « vergleicht (LSJ s.v., III, b: „indefinite, vain, futile“).

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXXI

    7. Retiolum est quod colligit comas, dictum ab eo quod retinet crines ne effundantur. 8. Discriminalia capitis mulierum sunt uocata ex eo quod caput auro discernant: nam discriminare diuidere dicitur. Antiae sunt cincinni dependentes prope auriculas. Graeco uocabulo, ab auribus. 9. Acus sunt quibus in feminis ornandorum crinium conpago retinetur, ne laxius fluant et in sparsos dissipentur capillos. 10. Inaures ab aurium foraminibus nuncupatae, quibus pretiosa grana lapidum dependuntur. Harum usus in Graecia: puellae utraque aure, pueri tantum dextra gerebant. 11. Torques sunt circuli aurei a collo ad pectus usque pendentes. Torques autem et bullae a uiris geruntur, feminis uero munilia et catella. Dictae autem torques quod sint tortae, et bullae quod similes sint rotunditate bullis quae in aqua vento inflantur. 12. Munile ornamentum ex gemmis est, quod solet ex feminarum pendere collo; dictum a munere. Hoc etiam et serpentum dicitur, quia constat ex amphorolis quibusdam aureis, gemmisque uariis in modum facturae serpentis. Nonnuli hoc et „Segmenta et longos habitus“; licet et segmentatas uestes dicamus, ut ipse: „Et segmentatis dormisset paruola cunis“. 13. Plerumque autem et per munile omnia ornamenta matronarum significantur, quidquid illis munere datur. Murena uulgo uocatur quod scilicet auri metallo in uirgulis lentescente quaedam ordinis flexuosi catena contexitur in similitudinem murenae serpentis, quae ad collum ornandum aptatur. Haec interdum auri atque argenti texitur uirgulis. Vnde et in Canticis dicitur Canticorum: „Murenulas aureas faciemus tibi uermiculatas argento“.

    Isidor von Sevilla, Etymologien, XIX, XXXI

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    7. Das retiolum [„Haarnetz“] faßt die Haare zusammen und hat seinen Namen daher, daß es die Haare zurückhält [retinet], damit sie nicht herabwallen. 8. Die discriminalia [„Haarbänder“] am weiblichen Kopf heißen deshalb so, weil sie den Kopf [d. h. das Haar vom Gesicht] mit Gold abteilen, denn discriminare bedeutet „trennen“. Antiae sind die um die Ohren herabhängenden Locken, mit einem griechischen Wort nach den Ohren [benannt; vgl.    # „Ohr“]. 9. Die acus [„Haarnadeln“] halten bei Frauen den Aufbau der zu frisierenden Haare zusammen, damit sie nicht frei fallen und sich einzeln verteilen. 10. Die inaures [„Ohrringe“] werden so genannt nach den Löchern in den Ohren [aures], an denen kostbare Steinkügelchen [Kügelchen aus Edelstein] hängen. Sie wurden in Griechenland folgendermaßen getragen: Mädchen trugen sie in beiden Ohren, Jungen nur im rechten Ohr. 11. Torques sind goldene Reifen [circuli ], die vom Hals zur Brust herabhängen. Dabei werden torques und bullae [„Amulettkapseln“] von Männern, munilia und catellae von Frauen getragen. Die torques heißen aber so, weil sie gedreht [tortae] sind, und bullae, weil sie durch ihre runde Form Blasen ähneln, die auf dem Wasser vom Wind aufgeblasen werden. 12. Das munile ist ein Schmuckstück aus Edelsteinen, das vom Hals der Frauen zu hängen pflegt; es heißt [so] nach munus [„Geschenk“]. Man sagt dazu auch serpentum, weil es aus einer Art kleiner goldener Amphoren und verschiedenen Edelsteinen in Form einer Schlange zusammengesetzt ist. Manche [nennen] es auch [segmentum]: „segmenta und lange Kleider“ 27, obwohl wir [üblicherweise] von segmentatae vestes [„mit segmenta verzierte Kleidung“] sprechen wie Juvenalis selbst: „und, als sie klein war, in einer mit segmenta geschmückten Wiege geschlafen hatte“28. 13. Oft wird aber mit munile sämtlicher Schmuck verheirateter Frauen bezeichnet, alles was sie als Geschenk erhalten. 14. Die murena heißt gemeinhin so, weil aus geschmeidigen Stäbchen aus Metall (und zwar aus Gold) eine Art biegsame Kette nach dem Bild der Muränenschlange zusammengefügt wird; sie wird als Schmuck um den Hals gelegt. Gelegentlich wird sie auch aus Stäbchen aus Gold und aus Silber angefertigt. Deshalb heißt es auch im Hohenlied [Ct 1, 10]: „Wir werden dir Kettchen [murenulae] aus Gold machen, eingelegt mit Silber.“ 27 28

    Juvenalis, Saturae, 2, 124. Juvenalis, Saturae, 6, 89. Vgl. dazu auch E. Courtney, A Commentary on the Satires of Juvenal, London 1980, S. 143 ad loc.

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXXII

    15. Catellae sunt catenulae colli invicem se conprehendentes in modum catenae; unde et appellatae. 16. Dextras communes esse uirorum ac feminarum, quia utriusque sexus dexterae sunt. Armillae autem proprie uirorum sunt, conlatae uictoriae causa militibus ob armorum uirtute; unde et quondam uulgo uiriliae dicebantur. Ab intellectu autem circuli armilla non discrepat, quia ipsa quoque hoc, ubi ponitur, ambiendo constringit; sed armilla latius extenditur, circulus rotundus fit. 17. Fibulae sunt quibus pectus feminarum ornatur uel palleum tenetur a uiris in humeris, seu cingulum in lumbis. Lunulae sunt ornamenta mulierum, in lunae similitudinem bullulae aureae dependentes. 18. Specula sunt in quibus feminae vultus suos intuuntur; dictum autem speculum uel quod ex splendore reddatur uel quod ibi feminae intuentes considerent speciem sui uultus et, quidquid ornamenti deesse uiderint, adiciant. 19. Periscelides sunt apud feminas crurum ornamenta quibus gressus earum ornantur. Olfactoriola uascula sunt muliebria quibus odorameta gestantur.

    XXXII. De anulis 1. Primus Prometheus fertur circulum ferreum incluso lapide digito circumdasse; qua consuetudine homines usi anulos habere coeperunt. Anuli autem per diminutionem dicti a circulis et anis, qui sunt circum brachia et circum crura; unde et signa eorum per diminutionem sigilla: nam signa maiora sunt, sigilla uero quasi minora signa. 2. Anulos homines primum gestare coeperunt quarto a pollice digito, quod eo uena quaedam ad cor usque pertingat, quam notandam ornandamque aliquo insigni ueteres putauerunt. 3. Apud Romanos anuli de publico dabantur, et non sine discrimine: nam dignitate praecipuis uiris gemmati dabantur, ceteris solidi; anulum aureum

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    15. Catellae sind Halskettchen, [deren Glieder] ineinandergreifen nach Art einer Kette [catena]; daher haben sie auch ihren Namen. 16. Die dextrae sind Männern und Frauen gemein, denn beide Geschlechter tragen sie an der Rechten. Dagegen sind die armillae [„Armbänder“] den Männern [viri ] vorbehalten; sie werden Soldaten für siegreichen Kampf als Lohn ihrer Tapferkeit verliehen, und deshalb hießen sie früher gemeinhin auch viriliae. Armilla weicht aber der Bedeutung nach von circulus nicht ab, insofern auch sie die Stelle, wo sie angelegt wird, rundum umschließt, doch dehnt sich die armilla mehr in die Breite, während der circulus scheibenrund angefertigt wird. 17. Die fibulae dienen den Frauen als Brustschmuck oder den Männern zur Befestigung des palleum auf den Schultern bzw. zum Halten des Gürtels um die Hüften. Lunulae sind ein weibliches Schmuckstück, herabhängende goldene kleine Kapseln in Form des Mondes [luna]. 18. Specula [„Spiegel“] dienen den Frauen dazu, ihre Gesichter zu betrachten; die Bezeichnung speculum aber erklärt sich entweder daraus, daß [das Spiegelbild] vom Glanz [splendor] [des Spiegels] zurückgeworfen wird oder daß die Frauen beim Hineinschauen das Aussehen [species] ihres Gesichts betrachten und hinzufügen, was immer sie an Zierden fehlen sehen. 19. Periscelides dienen bei den Frauen zum Schmuck der Beine, der ihren Gang verschönt. Olfactoriola sind kleine Gefäße für Frauen, in denen sie wohlriechende Essenzen mit sich führen. XXXII. Von den Fingerringen [anuli] 1. Als erster soll Prometheus einen eisernen Reif [circulus] mit einem darin gefaßten Stein um den Finger gelegt haben; die Menschen folgten diesem Brauch und begannen, Fingerringe [anulus] zu tragen. Anuli sind aber als Deminutiv gebildet zu circuli und ani, die um Arme und um Beine gelegt werden; daher werden auch ihre signa [die in den Ring gravierten Zeichen oder Gestalten] mit einem Deminutiv als sigilla [„Siegel“] bezeichnet, denn signa sind etwas Größeres, sigilla aber so etwas wie kleinere signa. 2. Zuerst begannen die Menschen, Ringe auf dem vom Daumen gerechnet vierten Finger zu tragen, weil von dort bis zum Herzen eine Ader verläuft, die durch ein Zeichen [insigne] hervorzuheben und zu schmücken die Alten für erforderlich hielten. 3. Bei den Römern wurden Ringe auf öffentliche Kosten ausgegeben, und nicht ohne Unterschiede zu machen: Die höchstgestellten Männer erhielten

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXXII

    neque seruus neque libertinus gestabat in publico, sed anulo aureo liberi utebantur, libertini argenteo, serui ferreo; licet et multi honestissimi anulo ferreo utebantur. 4. Apud ueteres ultra unum anulum uti infame habitum uiro. Gracchus in Meuium: „Considerate, Quirites, sinistram eius; en cuius auctoritatem sequimini, qui propter mulierum cupiditatem ut mulier est ornatus“. Crassus, qui apud Parthos periit, in senectute duos habuit anulos, causam praeferens quod pecunia ei inmensa creuisset. Multi etiam Romanorum pro grauitate anulum gestare in digito abstinuerunt. Feminae non usae anulis, nisi quos uirgini sponsus miserat, neque amplius quam binos anulos aureos in digitis habere solebant. At nunc prae auro nullum feminis leue est atque inmune membrum. 5. Inter genera anulorum sunt ungulus, Samoth racius, Th ynius. Vngulus est gemmatus, uocatusque hoc nomine quia, sicut ungula carni, ita gemma anuli auro adcingitur. Samothracius aureus quidem, sed capitulo ferreo; a loco ita uocatus. 6. Thynius purus est, primum in Bithynia fabricatus, quam olim Th ynam uocabant. ad Flaccum: „Lucente, mea uita, nec smaragdos berillos[que] mihi, Flacce, nec nitentes percandida margarita quaero nec quos Thunica lima perpoliuit anellos nec iaspios lapillos“.

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    mit Edelsteinen besetzte, die übrigen Ringe aus massivem Metall; weder Sklaven noch Freigelassene trugen goldene Ringe in der Öffentlichkeit, vielmehr galt: Freie trugen goldene, Freigelassene silberne, Sklaven eiserne Ringe, wobei aber viele Männer aus bestem Hause Eisenringe trugen. 4. Bei den Alten galt es für einen Mann als entehrend, mehr als einen einzigen Ring zu tragen. [C. Sempronius] Gracchus sagt [in seiner Rede] „Gegen Maevius“: „Betrachtet seine Linke, Quiriten; da seht ihr, wessen Geheiß ihr folgt: [dem Geheiß eines Mannes,] der wegen seiner Leidenschaft für Frauen wie eine Frau sich putzt“29. Crassus, der beim [Feldzug gegen die] Parther zu Tode kam, trug im Alter zwei Ringe, was er damit zu begründen suchte, daß sein Vermögen ins Unermeßliche gewachsen sei. Viele Römer hielten es auch für unvereinbar mit ihrer Würde, einen Ring am Finger zu tragen. Frauen trugen keine Ringe, ausgenommen die Ringe, die sie als Mädchen von ihrem Bräutigam erhalten hatten, und sie pflegten nicht mehr als zwei goldene Ringe an den Fingern zu haben. Aber heutzutage ist bei den Frauen kein Glied mehr beweglich und frei vor [lauter] Gold. 5. Unter den Arten von Fingerringen sind ungulus, Samothracius und Thynius. Der ungulus ist mit einem Edelstein besetzt und trägt diesen Namen, weil wie die Klaue [ungula] in Fleisch der Edelstein im Gold des Ringes gefaßt ist. Der Samothracius ist zwar aus Gold, seine Einlage aber aus Eisen; er heißt so nach dem [gleichnamigen] Ort. 6. Der Thynius ist nicht verziert und wurde zuerst in Bithynien hergestellt, das einst Thynia hieß. [Maecenas sagt in einem Gedicht an] Flaccus: „Leuchtende Smaragde, mein Leben, suche ich nicht, nicht glänzende Berylle, oh Flaccus, nicht schneeweiße Perlen, nicht Ringe von thynischer [Thunica] Feile geglättet noch Steine von Jaspis“30.

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    Oratorum Romanorum fragmenta liberae rei publicae, ed. Malcovati Nr. 48, 58. E. Courtney, The fragmentary Latin poets, Oxford 1993, S. 276 f. Die Konjektur in V. 1 nach Covarrubias (lugenti) ist nicht zu übernehmen, vielmehr schlagend Courtneys Argumentation loc. cit. vom 2. Vers als genauer Umkehrung des ersten. Lucente ohne Emendation auf Flaccus zu beziehen, scheitert schon an der Metrik, wie Barney, Etymologies, S. 392, gesehen hat, doch ohne die Konsequenzen zu ziehen.

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    Isidorus, Etymologiae, XIX, XXXIII

    XXXIII. De cingulis 1. Cinctus est lata zona, et minus lata semicinctium, et utrisque minima cingulum: nam a cinctu per diminutionem cingulum nominatum. Cinctu autem iuuenes in exercitatione campestri uerecunda uelabant; unde et campestris dicebatur. 2. Balteum cingulum militare est, dictum pro quod ex eo signa dependent ad demonstrandam legionis militaris summam, id est sex milium sescentorum, ex quo numero et ipsi consistunt. Vnde et balteus dicitur non tantum quod cingitur sed etiam a quo arma dependent. 3. Zona Graecum est, quam illi zonarin, nos cingulum nuncupamus. Strophium est cingulum aureum cum gemmis. De quo ait Cinna: „Strophio lactantes cincta papillas“; et Prudentius: „Nomen hoc gemmae strophio inligatae est“. 4. Limus est cinctus quem publici habebant serui; et dictus limus quia transuersas habet purpuras, id est limas. Caltulum cinguli genus, a coacto loro dictum. Fibula Graecum est, quam illi fiblin dicunt, quod ligat. Subfibulum, subligaculum. 5. Redimiculum est quod subcinctorium sive bracile nuncupamus, quod descendens per cervicem et a lateribus colli diuisum, utrarumque alarum sinus ambit atque hinc inde subcingit, ut constringens latitudinem uestiat corpus, contrahat atque coniungendo conponat. Hunc uulgo bracilem, quasi bracialem, dicunt, quamuis nunc non brachiorum sed renum sit cin-

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    XXXIII. Von den Gürteln [cingulum] 1. Der cinctus ist ein breiter Gürtel [zona], ein weniger breiter [heißt] semicinctium, und schmaler als beide ist das cingulum, denn cingulum ist eine deminutive Ableitung von cinctus. Mit dem cinctus aber verhüllten die jungen Männer bei gymnastischen Übungen [in exercitatione campestri ] ihre Schamteile, weshalb [der cinctus] auch als campestris bezeichnet wurde31. 2. Das balteum ist der Gürtel [cingulum] der Soldaten und heißt so, weil militärische Abzeichen von ihm herabhängen, die dazu dienen, die Gesamtstärke der militärischen Legion anzuzeigen, d. h. sechstausend sechshundert, welche Zahl [die betreffenden Soldaten] selbst ausmachen. Daher heißt balteus nicht nur das, womit man sich gürtet, sondern auch das, von dem Waffen herabhängen. 3. Zona [!] ist ein griechisches Wort[;] was [die Griechen] zonarin [ ] nennen, bezeichnen wir als cingulus. Das strophium ist ein goldener, mit Edelsteinen besetzter Gürtel [cingulum]. Davon sagt Cinna: „mit dem strophium die milchspendenden Brüste gegürtet“ 32, und bei Prudentius heißt es: „Das ist der Name des Edelsteins, der an [deinem] strophium befestigt ist“33. 4. Der limus ist eine Schärpe [cinctus], welche die Staatssklaven trugen; und er heißt so, weil er schräg laufende [transversus, d. h. limus, eig. „schief, schielend“] Purpur[streifen] hat. Das caltulum ist eine Art Gürtel [cingulum], das so heißt nach dem festgezogenen Riemen [a coacto loro]. Fibula [„Fibel“] ist ein griechisches Wort; die Griechen nennen sie fiblis [φ ], weil sie bindet [ligat ]. Subfibulum, subligaculum. 5. Das redimiculum bezeichnen wir als subcinctorium oder bracile [„Band“]. Es fällt über den Nacken, verteilt sich auf [beiden] Seiten des Halses, wird unter den Höhlen beider Achseln34 hindurchgeführt und umschließt diese auf beiden Seiten, so daß es die Breite [des Stoffes] rafft, sie anliegen läßt, sie dadurch in Form bringt und so den Leib bekleidet. Dieses redimiculum wird für gewöhnlich bracilis genannt, fast als hieße es bracialis, obwohl es heute als Gürtel nicht um die Arme [brachia], sondern um die Hüften dient.

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    Vgl. XXII, 5. Vielmehr Catullus, vgl. Carmina, 64, 65, wo allerdings lactentis vincta, also „schneeweiß“ überliefert ist. Peristephanon liber, 4, 25. Abweichend von Rodríguez-Pantoja, aber in Übereinstimmung nit einem Teil der Isidor-Überlieferung lese ich also utrarumque statt utrumque alarum , was v. a. durch Isidors Quelle, Cassianus, 1, 5, gestützt wird.

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    gulum. Subcinctorium autem uocatum quod, ut dictum est, sub brachiis ductum alarum sinum ambit atque hinc inde subcingit. 6. Fascia est qua tegitur pectus et papillae conprimuntur, atque crispanti cingulo angustius pectus artatur: et dicta fascia quod in modum fasciculi corpus alligat. Hinc et fasciolae, quibus uulnera conligantur. 7. Vitta dicta quod ea pectus uincitur instar uitis ligantis. 8. Limbus est quam nos ornaturam dicimus; fasciola est quae ambit extremitatem uestium, aut ex filis aut ex auro contexta adsutaque extrinsecus in extrema parte vestimenti uel chlamydis. De qua Virgilius dicit: „Sidoniam picto chlamydem circumdata limbo“.

    XXXIIII. De calciamentis 1. Sutores nuncupatos quod insertis filo porcorum setis suant, id est consuant, quasi setores. 2. Caligarios uero non a callo pedum sed a calo, id est ligno, uocatos, sine quo consui calciamenta non possunt, quas Graeci calopodas dicunt; fiebant autem prius ex salice tantum. Hinc et calciamenta dicta quod in calo, id est ligno, fiant, uel quod calcentur. 3. Crepidas Graeci ante repertas usi sunt. Est autem genus singulari forma, et idem utrique aptum pedi uel dextro uel sinixtro; crepidas autem dictas quod cum sono stringantur, sive a pedum crepitu in ambulando. Calceos reges utebantur et Caesares. Forma eorum ***. 4. Patricios calceos Romulus repperit quattuor corrigiarum adsutaque luna; hos soli patricii utebantur. Luna autem in eis non sideris formam sed notam centenarii numeri significabat, quod initio patricii senatores centum fuerint.

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    Subcinctorium heißt es aber, weil es, wie gesagt, unter den Armen hindurchgezogen, um die Achselhöhlen herumgeführt wird und diese auf beiden Seiten umschließt. 6. Die fascia dient zum Bedecken des Busens und zum Schnüren der Brüste, und mit ihrem gefältelten Band wird der Busen allzusehr eingeengt; man sagt fascia, weil sie den Körper wie ein Päckchen [fasciculum] zusammenschnürt. Daher auch die fasciolae, mit denen man Wunden verbindet. 7. Die vitta hat ihren Namen daher, daß mit ihrer Hilfe die [weibliche] Brust wie durch eine rankende Weinrebe [vitis] gebunden wird. 8. Der limbus [„Bordüre“] ist, was wir „Verzierung“ [ornatura] nennen; es handelt sich um ein Band, das rund um den Saum der Kleider [vestis] geht, aus Garn [ex filis] oder aus Gold gewebt ist und von außen am Saum des Kleidungsstücks [vestimentum] oder der chlamys aufgenäht wird. Vergilius sagt davon: „Sie trägt die sidonische chlamys mit gemusterter Bordüre [limbus]“35. XXXIIII. Vom Schuhwerk [calciamenta] 1. Die sutores [„Schuster, Schuhmacher“] werden so genannt, weil sie nähen, d. h. zusammennähen, und zwar mit Faden, in den Schweinsborsten [seta] [an der Spitze] angedrillt sind, als hieße es setores. 2. Die caligarii [„Schuster, Hersteller von caligae“, vgl. unten § 12] dagegen heißen nicht nach den Schwielen [callus] der Füße, sondern nach calum, d. h. dem Holz, ohne das Schuhwerk nicht zusammengenäht werden kann; die Griechen nennen [die Leisten] calopodas [  «]. Sie wurden früher nur aus Weidenholz hergestellt. Daher spricht man auch von calciamenta: weil sie auf dem calum, d. h. Holz[-Leisten], hergestellt werden oder weil auf sie getreten wird [calcare]. 3. Die Griechen trugen die früher erfundenen crepidae. Das ist ein Schuh von einer einzigen Form, und dasselbe Stück paßt für beide Füße, den rechten wie den linken; sie heißen aber crepidae, weil sie beim Zubinden ein Geräusch machen sollen oder nach dem Klappern [crepitus] der Füße beim Laufen. Könige und Kaiser trugen calcei. Deren Form. 4. Romulus erfand die patrizischen calcei, mit vier Schuhriemen und einem aufgenähten mondförmigen Schildchen; diese pflegten nur die Patrizier zu tragen. Die aufgenähte Mond[sichel] aber bildete nicht das Gestirn ab, sondern bedeutete das Zeichen für die Zahl Hundert [C ], da ursprünglich die patrizischen Senatoren hundert an der Zahl waren.

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    Aeneis, 4, 137.

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    5. Ocreae tibialia calciamenta sunt, dicta quod crura tegant. Coturni sunt quibus calciabantur tragoedi, qui in theatro dicturi erant et alta intonantique uoce carmina cantaturi. Est enim calciamentum in modum crepidarum, quo heroes utebantur; sed tale est ut et in dextro et in laevo conveniat pede. 6. Baxeae calciamentum comoedorum erat, sicut tragoediorum coturni. Quos quidam etiam calones appellant, eo quod ex salice fierent: nam Graeci, ut diximus, lignum cala uocabant. Talares calcei socci sunt, qui inde nominati uidentur quod ea figura sint ut contingant talum; sicut subtolares, quod sub talo sunt, quasi subtalares. 8. Obstrigilli sunt qui per plantas consuti sunt et ex superiori parte corrigium trahitur ut constringantur; unde et nominantur. 9. Osas puto ab os primum factas, et quamuis nunc ex alio genere, nomen tamen pristinum retinent. 10. Mullei similes sunt coturnorum solo alto, superiori autem parte cum osseis uel aeneis malleolis, ad quos lora deligabantur. Dicti sunt autem a colore rubro, qualis est mulli piscis. 11. Soleae sunt quibus tantum pedum plantae teguntur; dictae a solo pedum. Item soleae materiales ex materia coreo intecta. 12. Socci, cuius diminutiuum socelli, appellati inde quod saccum habeant in quo pars plantae inicitur. Calliculae. Caligae uel a callo pedum dictae uel quia ligantur: nam socci non ligantur sed tantum intromittuntur. 13. Cernui socci sine solo. Lingulati, quos nos foliatos uocamus. Clauati quasi calibati, eo quod minutis clauis, id est acutis, sola caligis vinciantur. Perones et sculponeae rustica calciamenta sunt. Baxea calciamenta mulierum sunt. Corrigiae a coreis uocantur, uel a conligatione, quasi colligiae.

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    5. Die ocreae [„Beinschienen“] sind Schuhwerk [calciamenta] für die Schienbeine, sie heißen so, weil sie die Unterschenkel [crura] bedecken. Die coturni trugen die tragischen Schauspieler, die auf dem Theater sprechen und mit tiefer, volltönender Stimme Verse singen sollten. Es handelt sich dabei um Schuhwerk nach Art der crepidae, welche die Helden zu tragen pflegten, doch ist es so beschaffen, daß es sowohl auf den rechten, als auch auf den linken Fuß paßt. 6. Die baxeae sind das Schuhwerk der komischen Schauspieler, so wie die coturni das der tragischen. Diese nennen manche auch calones, weil sie aus Weidenholz angefertigt wurden: wie bereits gesagt, nannten die Griechen „Holz“ ja cala [  Λ ]. 7. Die talares calcei sind socci und offenbar danach benannt, daß sie ihrer Form nach bis zum Knöchel [talus] reichen; so wie die subtolares [danach heißen,] daß sie bis unter [sub] den Knöchel reichen, als hieße es subtalares. 8. Die obstrigilli sind entlang der Sohle zusammengenäht, aus ihrem oberen Teil zieht man einen Riemen, um sie zuzubinden [constringere]; daher haben sie auch ihren Namen. 9. Die osae wurden, meine ich, ursprünglich aus Knochen [os] hergestellt, und obwohl sie jetzt aus anderem Material bestehen, haben sie indessen ihren alten Namen behalten. 10. Die mullei ähneln den coturni durch ihre dicken Sohlen, an der Oberseite aber haben sie beinerne oder bronzene Häkchchen [malleola], an denen die Schuhriemen befestigt wurden. Sie heißen aber nach ihrer roten Farbe [rubrum], wie sie die Rotbarbe [mullus] aufweist. 11. Die soleae bedecken nur die Fußsohlen und heißen nach der Fußsohle [solum]. Desgleichen bestehen hölzerne soleae aus mit Leder überzogenem Holz. 12. Die socci, wovon das Deminutiv socelli ist, heißen so, weil sie einen Sack [saccus] haben, in den ein Teil des Fußes geschoben wird. Calliculae. Die caligae [„Militärstiefel“] heißen so entweder nach den Schwielen [callus] der Füße oder weil sie zugebunden werden [ligantur]; denn die socci werden nicht zugebunden, sondern nur übergestreift. 13. Die cernui sind socci ohne Sohle. Die lingulati nennen wir foliati. Die clauati [„Nagelschuhe“] – wie wenn man calibati sagte [vgl.  " „Stahl“] – heißen so, weil ihre Sohlen mit kleinen, d. h. spitzen Nägeln an den caligae [d. h. am Oberleder] befestigt werden. Perones und sculponeae sind Schuhwerk, das auf dem Lande getragen wird. Baxeae sind Frauenschuhe. Die corrigiae [„Schuhriemen“] werden so [entweder] nach dem Leder [coreum] genannt oder nach dem Zubinden [der Schuhe; conligatio], als hieße es colligiae.

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    Summarium Heinrici I Buch IX, 1–14 Text und Übersetzung von Malte Ludolf Babin

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    Summarium Heinrici I, IX, I

    I. De Vestimentis Sacerdotalibus. II. De Diversitate Vestimentorum. III. De propio quarumdam Gentium Habitu. IIII. De Palliis Virorum. VI. De Stratu et reliquis que˛ in Usu habentur. VII. De laneis Vestimentis. VIII. De Instrumentis Vestium IX. De Coloribus Vestium X. De his que˛ in Usu habentur XI. De Ornamentis. XII. De Anulis XIII. De Cingulis. XIIII. De Calciamentis

    I. De Vestimentis Sacerdotalibus. Subucula est camisia, que˛ sub alba induitur scurliz. Superhumerale quod hebraice dicitur ephot. Bath id est superhumerale lineum. Poderis est vestis sacerdotalis, id est alba, que˛ et circumpedilis vel talaris, quod ad talos pertingat. Cingulum gurtil. Mantile vel fano vel mappula hantfano. Orarium quod vulgo stola, id est supermissa dicitur. Colobium vel subdiaconale vel subtile subtil. Dalmatica a Dalmatia insula, ubi primum texta est tunica sacerdotalis candida cum clavis ex purpura. Casula diminutivum a casa, quod totum hominem tegat missehachel. Hanc Gre˛ci planetam nominant. Sandalia romscuha/ romeschuha. Periscelides sunt ornamenta crurium vel calige˛ episcoporum klenzun. Cidaris, tiara, infula huotelin. Pallium quo archiepiscopi utuntur. De veste sacerdotali in lege: Octo sunt in lege genera sacerdotalium vestimentorum. Poderis id est alba. Cingulum rotundum vel balteum. Pilleum ex bisso rotundum. Machil quod est tunica talaris, tota iacin(c)tina habens ad pedes septuaginta duo tintinnabula totidemque mala punica. Ephot id

    Summarium Heinrici I, IX, I

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    I. Von der priesterlichen Kleidung II. Von den verschiedenen Arten der Kleidungsstücke III. Von der charakteristischen Kleidung einiger Völker IV. Von den pallia der Männer V. Von den pallia der Frauen VI. Von den Decken und den übrigen gebräuchlichen [Textilien] VII. Von der wollenen Kleidung VIII. Über das Werkzeug [zur Herstellung] von Kleidung [vestes]. IX. Von den Farben der Kleider X. Was [sonst] in Gebrauch ist XI. Vom Schmuck XII. Vom den Fingerringen XIII Von den Gürteln XIIII. Vom Schuhwerk [calciamenta]

    I. Von der priesterlichen Kleidung Die subucula ist ein Hemd [camisia], das unter der alba getragen wird[:] scurliz. Das superhumerale [„Amikt“], das hebräisch ephot bad heißt, d.i. ein superhumerale aus Leinen. Der poderis ist ein Priestergewand, d.i. eine alba, die auch circumpedilis [„was um die Beine geht“] oder talaris [genannt wird], weil sie bis zu den Knöcheln [talus] reicht. Das cingulum [„Gürtel“][:] gurtil. Das mantile oder fano oder mappula [„kleines Handtuch“][:] hantfano. Das orarium, das gewöhnlich stola genannt wird, d.i. „darübergeworfen“. Das colobium oder subdiaconale oder subtile[:] subtil. Die dalmatica [heißt so] nach der Insel Dalmatia, wo [diese] priesterliche tunica, weiß mit purpurnen Streifen, zuerst gewebt wurde. Casula ist ein Deminutiv von casa, weil sie den ganzen Menschen bedeckt[:] missehachel. Die Griechen sagen dafür planeta. Sandalia[:] romscuha/ romeschvha. Periscelides [hier „Schnürung an den Beinen“] bezeichnen einen Beinschmuck oder die caligae der Bischöfe[:] klenzun. Cidaris, tiara, infula[:] huotelin. Das pallium, das die Erzbischöfe tragen. Von der priesterlichen Kleidung nach dem [mosaischen] Gesetz: Nach dem Gesetz gibt es acht Gattungen priesterlicher Kleidung[:] Der poderis, d.i. eine Albe [alba]. Der runde Gürtel [cingulum] oder Leibgurt [balteum]. Das pilleum [besteht] aus byssus und [ist] rund. Der machil, das ist eine knöchellange tunica, ganz hyazinthfarben, [unten] an den Füßen besetzt mit 72 Glöckchen und ebensovielen Granatäpfeln. Das ephot, d.i. ein über die Achseln geworfenes

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    Summarium Heinrici I, IX, II

    est superhumerale quatuor coloribus contextum, habens duos smaragdos auro inclusos, quo solus summus utebatur pontifex; ceteri minores sacerdotes ephot lineo usi sunt. Logium quod latine retionale dicitur, pannus duplex, habens magnitudinem palmi per quadrum, cui intexti erant duodecim lapides. Petalum aurea lamina in fronte pontificis, que˛ nomen Dei tetragrammaton inscriptum habuit. Feminalia id est brace˛ usque ad genua pertingentes. II. De Diversitate Vestimentorum. Diversitas vestimentorum: tegmen, tegumen, indumentum, vestimentum. Tegumen quod tegat membra. Vestimentum quod usque ad vestigium pertenditur, quasi vestigimentum. Indumentum quod intus ad corpus induitur, quasi intimentum. Vestis antiquissima fuit perizomatum, id est succinctorium. Tunica roc (quasi tonica), quod incedentis sonum facit; tonus enim sonus est. Talaris quod ad talos usque descendat. Manucleata tunica vel manicata gistuchot roc/gistukoter roc. Rossata vel coccinea vel fenicea tunica rotroc. Laculata que˛ lacus quadratos quosdam cum pictura habet intextos aut additos acu. Discernitur vestitus a cultu, quoniam habitus ad naturam, cultus ad homines pertinet. Iacin(c)tina tunica gr˚vniroc/grunirroch. Sandicea vel persica weitinroc/wetinirroch. Bombicina a bombice vermiculo, qui longissima ex se fila generat, quorum textura bombicinum dicitur. Serica quod ea Seres primi miserunt sidinroc/sidinirroch. Oloserica tota serica. Tramoserica stamine lineo, trama ex serico. Olofora tota ex purpura. Molocinia vel molocina vel malvella, que˛ malvarum stamine conficitur. Bissina candida confecta ex genere lini grossioris zuilich. Polimita vel multicolor giggelvechroc. Purpurea pvrpurnroc. Ferruginea vel nigra suarzroc. Gilbea tunica geleroc. Linostema vestis est ex lino lanaque contexta, dicta quia in stamine linum intra lanam habet. Recta dicitur vestis

    Summarium Heinrici I, IX, II

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    [superhumerale; Isidor erg. palleum], gewebt aus vier Farben, mit zwei goldgefaßten Smaragden, allein der höchste Priester trug es; die übrigen, minderen Priester trugen ein ephot aus Leinen. Das logium, das lateinisch retionale [rationale] heißt, ein doppeltes Tuch von der Größe einer Handspanne im Quadrat, in das zwölf [Edel-]Steine eingewebt waren. Das petalum, ein Goldblech auf der Stirn des Priesters, in welches das Tetragramm des Gottesnamens eingraviert war. Die feminalia, das sind bis zu den Knien reichende Hosen [brace˛]. II. Von den verschiedenen Arten der Kleidungsstücke Die verschiedenen Arten von Kleidung: tegmen, tegumen, indumentum, vestimentum. Das tegumen [heißt so], weil es die Gliedmaßen bedeckt [tegit]. Das vestimentum, weil es bis zur [Fuß-]Spur [vestigium] hinabreicht, als hieße es vestigimentum. Das indumentum, das innen [intus „unmittelbar“] am Körper getragen wird, als hieße es intimentum. Das älteste Kleidungsstück war das perizomatum, d.i. ein Schurz [succinctorium]. Die [Ober-]tunica [:] roc, als hieße es tonica, weil sie das Geräusch ihres einherschreitenden [Trägers] hervorbringt; denn tonus ist soviel wie sonus. Die talaris [tunica], weil sie bis zu den Knöcheln [talus] hinabreicht. Die manucleata oder manicata tunica [„langärmlige tunica“][:] gistuchot roc/ gistukoter roc. Die rossata [„rotgefärbte“] oder cocinea [„kermesfarbene“] oder fenicea [„phoinikische“] tunica[:] rotroc. Die laculata, die quadratische Felder mit Bildern entweder eingewebt oder aufgestickt hat. Vestitus und cultus sind verschieden, denn habitus gehört zum Bereich der Natur, cultus zu dem der Menschen. Die tunica iacintina[:] gr˚vniroc/ grunirroch. Die tunica sandicea [„rot“] oder persica [„(dunkel-)blau, waidfarben“][:] weitinroc/ wetinirroch. Die bombycina [heißt so] nach dem Wurm bombyx [„Seidenraupe“], der sehr lange Fäden hervorbringt, das daraus gewonnene Gewebe heißt bombycinum. Die serica [heißt so], weil sie1 die Serer zuerst geliefert haben[:] sidinroc/ sidinirroch. Die [h]oloserica [besteht] ganz aus Seide. Bei der tramoserica werden Kettfäden aus Leinen, Schußfäden aus Seide verwendet. Die olofera [d.i. holoporphyra] wird ganz aus purpur[gefärbtem Garn] hergestellt. Die molocinia oder molocina oder malvella, die aus der Faser der Baumwolle [malvae] hergestellt wird. Die bissina ist strahlend weiß und wird aus einer Art ziemlich groben Leinens hergestellt[:] zuilich. Die polimita oder multicolor [„vielfarbig“][:] giggelvechroc. Die [tunica] purpurea[:] pvrpurvnroc. Die ferruginea oder nigra [„schwarz“][:] suarzroc. Gilbea [„gelb“] tunica[:] geleroc. Die linostema ist ein aus Leinen und Wolle gewebtes Kleidungsstück, sie heißt so, weil sie in der Kette Leinen, 1

    Corr. ea[m] Seres.

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    Summarium Heinrici I, IX, II

    quam sursum versum stantes contexerunt. Segmentata zonis quibusdam et quasi precisamentis ornata. Trilex drilich. Bilex zuilich. Simplex einlich. Trilices a tribus liciis, que˛ est et simplex et biplex. Levidensis quod raro filo sit leviterque densata. Pavitensis contraria levidensi dicta, quod graviter pressa atque calcata sit. Citrosa quasi crispata vel conscripta ad similitudinem citri. Velenensis tunica que˛ defertur ex insulis que˛ citro sunt. Exotica vestis peregrina deforis veniens. Accupi[c]ta vestis acu textilis vel acu ornata, que˛ et Frigia a loco ubi fit vel inventa est. Ralla vel rullo que˛ vulgo rasilis dicitur scarlachen. Interpola vestis dicitur, que˛ dum sit vetus ad novam speciem recurrit. Pannucia dicta, quod sit diversis pannis obsita. Stupeum colobium awirkinroc. Colobium dictum, quod longum est et sine manicis. Levitonarium colobium lineum sine manicis, quali Egyptii monachi utuntur. Lumbare quod lumbis religetur. Limus vestis, que˛ ab umbilico usque ad pedes producitur, nam limum obliquum dicitur. Licinium quod textura eius ligata sit in totum, quasi liginum. Camisia hemide quod in his dormimus in camis, id est in stratis nostris. Camisile hemidelachen. Femoralia quod femora tegant. Ipse˛ et brace˛, quod sint breves. Tubrucos vocatos quod tibias bracasque tegant. Tubrici quod a bracis usque ad tibias perveniant. Armelausa tunica que˛ ante et retro est divisa gislizzitroc, quasi armiclausa.

    Summarium Heinrici I, IX, II

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    im Schuß Wolle hat2. Recta heißt ein Kleidungsstück, das im Stehen von unten nach oben gewebt wurde. Die segmentata ist mit einer Art von Bändern oder Stoffstücken verziert. Trilex [„mit dreifachem Faden gezwirnt“][:] drilich. Bilex [„mit gezwirntem Faden“][:] zuilich. Simplex [„mit einfachem Faden“][:] einlich. Die trilices [heißen so] nach den verwendeten drei Fäden [licium], denn3 es gibt auch die mit einfachem [simplex] und die mit zweifach gezwirntem [biplex] Faden. Die levidensis [heißt so], weil sie aus locker gewebten Fäden besteht und das Gewebe kaum verdichtet ist. Die pavitensis ist das Gegenstück zur levidensis und wird so genannt, weil [ihr Gewebe] stark gepreßt und getreten wird. Die citrosa [heißt so], weil sie gewissermaßen wie ein Zitronenbaum gekräuselt ist4. Die tunica velenensis, die von den Inseln gebracht wird, die auf dieser Seite sind5. Die exotica ist ein ausländisches Kleidungsstück, das von außerhalb kommt. Die accupi[c]ta ist ein mit der Nadel [acus] gewirktes oder mit der Nadel verziertes [ornata] Kleidungsstück, das auch Frigia [Phrygia] genannt wird nach dem Ort, wo es hergestellt wird oder erfunden worden ist. Die ralla oder rullo, die gewöhnlich als rasilis [„glatt geschoren“] bezeichnet wird[:] scarlachen. Interpola wird ein altes, zu neuem Glanz zurückkehrendes Kleidungsstück genannt. Die pannucia wird so bezeichnet, weil sie mit verschiedenen Tuchstücken [panni ] besetzt ist. Ein colobium aus Hanf[:] awirkinroc. Das colobium heißt so, weil es lang und ärmellos ist. Das levitonarium ist ein colobium aus Leinen und ohne Ärmel, wie es die ägyptischen Mönche tragen. Das lumbare wird so genannt, weil es um die Lenden [lumbi ] gebunden wird. Der limus ist ein Kleidungsstück, das vom Nabel bis zu den Füßen reicht, denn limum bedeutet „schräg“. Das licinium heißt so, weil sein Gewebe vollkommen gebunden [ligatus] ist, als hieße es liginum. Camisia[:] hemide, weil wir sie tragen, wenn wir in den camae schlafen, d. h. in unseren Betten. Camisile [„Hemdentuch“][:] hemidelachen. Die femoralia [heißen so], weil sie die Oberschenkel [femora] bedecken. Sie werden auch als brace˛ bezeichnet, weil sie kurz sind. Die tubruci werden so genannt, weil sie Schienbeine [tibiae] und Hosen [bracae] bedecken. Die tubrici6 [heißen so], weil sie von den Hosen [bracae] bis zu den Schienbeinen [tibiae] reichen. Armelausa ist eine tunica, die vorn und hinten aufgeschlitzt ist[:] gislizzitroc [, nur an den Schultern [armus] geschlossen [clausa] ist], als hieße es armiclausa. 2 3 4 5

    6

    Corr. in tra[ma]. Corr. quia statt que˛. Corr. concrispa statt conscripta. „quae citro sunt“ beruht offenbar auf vorangehendem „citrosa“ und wurde von einem Kopisten dem neuen Kontext notdürftig angepaßt. Corr. tibraci.

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    Summarium Heinrici I, IX, III–IIII

    III. De propio quarumdam Gentium Habitu. Quibusdam nationibus sua cuique propria vestis est, ut Parthis sarabare˛, Gallis linne˛, Germanis renones, Hispanis stringes, Sardis mastruge˛. Sarabare˛ vel saraballa sunt fluxa vestimenta. Apud quosdam sarabare˛ sunt que˛dam tegmina capitum. Linne˛ sunt saga quadra et mollia. Renones sunt que˛dam tegmina humerorum et pectoris usque ad umbilicum; quos vulgo reptos vocant, eo quod longitudo villorum quasi reptat. Mastruga kursina quasi monstruosa, quod qui ea induuntur quasi in ferarum habitum transformantur.

    IIII. De Palliis Virorum. Pallium lachen a pellibus, quia prius super indumenta pellicia veteres utebantur, quasi pellea; sive a palla per derivationem. Clamis mantel. Fibula nuscil (vel Rinka), sed fibulum subligaculum (furspan). Toga quod velamento sui corpus tegat. Est autem pallium purum forma rotundum, quo Romani in pace utebantur, belli autem tempore paludamento. Toga palmata quam merebantur hi qui de hostibus palmas reportabant. Toga candida vel creata, qua potentes utebantur. Toga pretexta, que˛ in senatu a philosophis induebatur. Trabea erat toge˛ species ex purpura et cocco qua operti Romanorum reges initio procedebant. Toga pulla toga nigra. Togipurium toga pura. Paludamentum erat insigne pallium imperatorum. Ciclas gre˛ce, circumtextum latine, quia est rotundum pallium. Diplois gre˛cum nomen est, quod sit duplex amictus. Sagum est gallicum vestimentum quadrum. Penula est pallium cum fimbriis longis. Lacerna kozzo. Mantum Spani vocant quod manus tegat tantum; est enim breve amictum. Pretexta puerile pallium quo usque ad sedecim annos pueri nobiles utebantur; unde pre˛textati pueri, et

    Summarium Heinrici I, IX, III–IV

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    III. Von der charakteristischen Kleidung einiger Völker Einige Völker haben ihnen jeweils eigentümliche Kleidung, wie die Parther die sarabare˛, die Gallier die linne˛, die Germanen die renones, die Hispanier die stringes, die Sarden die mastruge˛. Die sarabare˛ oder saraballa sind weite Kleider. Bei einigen Autoren sind sarabare˛ bestimmte Kopfbedeckungen. Linne˛ sind viereckige, weiche saga. Die renones bedecken die Schultern und die Brust bis zum Nabel; man nennt sie in der Volkssprache repti, weil die Länge ihrer Zotten gleichsam kriecht [reptat]. Mastruga [„Pelz“][:] kursina, fast als hieße es monstruosa, weil wer die mastruga anzieht, nahezu das Verhalten wilder Tiere annimmt. IV. Von den pallia der Männer Pallium[:] lachen, kommt von pelles, weil ursprünglich die Alten Überkleidung aus Fellen trugen, als wenn es pellia [heißen müßte], oder durch Ableitung von palla. Clamis[:] mantel. Fibula [:] nuscil (oder Rinka); aber fibulum [bedeutet] subligaculum [hier „Spange“] (furspan). Die toga [heißt so], weil sie, indem sie den Körper verhüllt, ihn bedeckt [tegit]. Es handelt sich aber um ein reines pallium von [halb-]runder Form, das die Römer in Friedenszeiten trugen, während im Krieg das paludamentum in Gebrauch war. Die toga palmata verdienten sich jene, die [im Kampf mit] den Feinden Palmzweige davontrugen. Die toga candida oder creata7, welche die Mächtigen trugen. Die toga pretexta, welche die Philosophen im Senat trugen. Die trabea war eine Art mit Purpur und Kermes [coccum] gefärbte Toga, in sie pflegten sich ursprünglich die Könige der Römer zu hüllen, wenn sie in der Öffentlichkeit auftraten. Toga pulla [oder8] toga nigra [„schwarz“]. Togipurium [:] toga pura [„ohne Ornamente“]. Das paludamentum war das pallium, das die Feldherrn auszeichnete. Ciclas [ «] heißt auf griechisch, was lateinisch circumtextum [„rings umwebt, mit einer Borte versehen“] heißt, weil es sich um ein rundes pallium handelt. Diplois [ «] ist ein griechischer Name, er erklärt sich daraus, daß es sich um einen doppelten [ « Λ ] Umhang [amictus] handelt. Sagum ist ein gallisches Kleidungsstück von viereckiger Form. Die penula ist ein pallium mit langen Fransen [ fimbria]. Lacerna [:] kozzo. Mantum nennen die Hispanier [ein Kleidungsstück], weil es nur die Hände [manus tantum] bedeckt; es handelt sich nämlich um einen kurzen Mantel [amictus]. Die pretexta ist ein pallium für Kinder, das Jungen aus guter Familie bis zum 7 8

    Corr. cretata. Erg. vel ? Vgl. oben II, 10 rossata vel coccinea.

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    Summarium Heinrici I, IX, V–VI

    dicta quia pre˛texebatur ei latior purpura. Birius vel birrus Gre˛ci, nos birrum kappa vel kozzo. Crista kamb. Melotes, que˛ et pera, pellis est caprina a collo pendens pre˛cincta usque ad lumbos; et fiebat prius de pellibus melotum, unde et dicitur. Fimbrie˛ zatun/zotun. Capitium hobitloch. ˇ Collarium halstu˚ch. Lisinne˛ lesun.

    V. De Palliis Feminarum. Regillum est prelautum reginarum amiculum; unde et dictum. Peplum hoˇ bitlachen (vel gotewebbi). Palla quadrum pallium muliebris vestis, deductum usque ad vestigia. Stola matronale operimentum, quod cooperto capite a dextro humero in le˛vum mittitur. Ipsum ricinium dicitur ruhelin/ ruhela/ ruchilinc, quod eius dimidia pars retro reicitur; quod vulgo dicunt mavortem. Vocatum autem mavortem quasi Martem; signum est enim maritalis dignitatis. Amiculum est pallium lineum meretricum. Theristra palliola sunt muliebria, dicta quod in theri, hoc est e˛state et caumate, corpora tegant mulierum id est linz/ risa. Anaboladium amictorium lineum feminarum quo humeri teguntur, quod Gre˛ci vel Latini sindonem dicunt.

    VI. De Stratu et reliquis que˛ in Usu habentur. Stragulum est varium vehlachen, dictum quod et in stratu et in amictu aptum sit. (Est autem firmissima habens texturam variam non tantum colore, sed etiam opere.) Ludices a ludis theatris, quibus iuvenes de lupanari egredientes caput ob verecundiam tegebant. Fulcra ornamenta lectorum, dicta

    Summarium Heinrici I, IX, V–VI

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    Alter von sechzehn Jahren trugen; man nannte sie deshalb auch pueri pretextati, und [die pretexta] heißt so, weil bei ihr ein ziemlich breiter Purpurstreifen angewebt war [pretexebatur]. Birius oder birrus [sagen] die Griechen, wir [nennen] den birrus kappa oder kozzo. Crista [„Helmzier“][:] kamb. Die melotes, die auch pera [genannt wird], ist eine vom Hals herunterhängende [Tasche aus] Ziegenfell, die vorn bis zu den Lenden aufgeschürzt [mit einem Riemen über die Schulter gelegt] wird und früher aus Marder [melo]-Fellen hergestellt wurde, wonach sie auch benannt ist. Fimbrie˛ [„Fransen“][:] zatun/ zotun. Capitium [„Öffnung für das Gesicht“][:] hoˇ bitloch. Collarium [eigentl. „Halsband, -kette, -kragen“][:] halstu˚ch. Lisinne˛ [„Gewand“][:] lesun. V. Von den pallia der Frauen Das regillum ist ein kleiner Prachtumhang [amiculum] für Königinnen [reginae]; daher auch sein Name. Peplum [hier „großer Schleier“][:] hoˇ bitlachen (oder gotewebbi [„Seide“]). Die palla [ist] ein Kleidungsstück für Frauen in der Form eines viereckigen pallium, sie reicht bis zu den Füßen. Die stola ist eine Bedeckung [operimentum] für verheiratete Frauen, die den Kopf bedeckt und von der rechten Schulter über die linke geworfen wird. Diese wird [auch] ricinium[:] ruhelin/ ruhela/ ruchilinc genannt, weil sie zur Hälfte nach hinten geworfen wird; man sagt gewöhnlich dafür mavors, fast als ob es Mars hieße, denn [dieses Kleidungsstück] symbolisiert die Würde des Ehemannes. Das amiculum ist das leinene pallium der Prostituierten. Die theristra sind kleine pallia [palliola], die von Frauen getragen werden und so bezeichnet werden, weil sie im Sommer [ «], d. h. in Hitze und Glut die Körper der Frauen bedecken[:] linz/ risa. Das anaboladium ist ein leinenes Tuch, das von Frauen getragen wird und die Schultern bedeckt. Im Griechischen wie Lateinischen heißt es sindon. VI. Von den Decken und den übrigen gebräuchlichen [Textilien]. Das stragulum ist ein vielfarbiges vehlachen; es heißt so, weil es gleichermaßen als Decke und als Überzug [amictus] geeignet ist. (Dabei handelt es sich um ein sehr festes Gewebe, das nicht nur farblich, sondern auch der [Web-]Technik nach vielgestaltig ist). Die ludices [heißen so] nach den Spielen [ludi ], d. h.9 dem Theater; mit diesen [ludices] bedeckten die jungen Män9

    Erg. ludis, id est

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    Summarium Heinrici I, IX, VII

    quod in his fulcimur, id est sustinemur. Item stratoria vel lectisternia. Culcitrum federbetti quod calcetur, id est farciatur plumis. Cervical kussin/ kussi quod ponatur sub cervice vel cubitu. Item pulvillus a pulvinari, qui est divitum lectus. Tapeta teppit/tebich quod pedibus primum sternerentur, quasi tapedia. Simpla tapetia ex una parte villosa. Amphitappa ex utraque parte villosa. Capitale phulwo/phului. Plumatium wankussin/wankussi. Mantelia nunc pro operiendis mensis sunt; que˛, ut nomen ipsum indicat, olim tergendis manibus pre˛bebantur hanttu˚ch. Mappe˛ convivii et epularum sunt, que˛ quasi manipule˛, atque ob id nominate˛; cuius diminutivum est mappula hantilla/hantwela. Mensale tisclachen maius et mantile minus. Facetergium et manutergium twehela/ tuahil a tergendo faciem vel manus dictum. Toralia vel linteamina lilachen. Zomentum ziecha. Lena zussa/ koz. Coopertorium deckilachen. Cilicium harra /hera quod de pilis caprarum sint, vel aliorum peccorum; item psiatium. Vela quod velent umbihange. Item aulee˛ gimalot umbihange dicte˛ quod primum in aula Attali regis Asie˛, cui successit populus romanus, invente˛ sunt. Item cortine˛ umbihange/ruggelachen dicte˛ a coriis, quod primum de pellibus facte˛ sint (vel quod cor inspicientium teneant).

    VII. De laneis Vestimentis. Lana a laniando, id est vellendo wolla; unde et vellus scappere/ scebbere/ scaper/ skeper, quod prius lane˛ vellerentur, non tonderentur. Linum flahs quod lene sit et molle. Stuppa awirki quod ex ea rime˛ navium stuppentur;

    Summarium Heinrici I, IX, VII

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    ner beim Verlassen des Bordells aus Scham den Kopf. Die fulcra [„Lehnen“] bilden den Schmuck der Ruhebetten [und] heißen so, weil wir uns darauf stützen [fulcimur], d. h. davon gehalten werden. Ebenso verhält es sich mit stratoria und lectisternia. Das culcitrum [„Polster“][:] federbetti [heißt so] nach calcare, d. h. dem Stopfen mit Federn. Das cervical [„Kopfkissen“][:] kussin/ kussi [heißt so], weil es unter den Nacken [cervix] oder Ellenbogen gelegt wird. Desgleichen [heißt] der pulvillus [„Kissen“] nach dem pulvinar [„Polster“], dem Ruhebett der Reichen. Die tapeta[:] teppit/ tebich heißen so, weil sie ursprünglich unter den Füßen [pedes] ausgebreitet wurden, als hieße es tapedia. Die simpla ist ein Teppich, der nur auf einer Seite Flor hat. [Dagegen] hat die amphitappa Flor auf beiden Seiten. Capitale [„Kopfkissen“][:] phulwo/ phului. Plumatium [„Federkissen“][:] wankussin/ wankussi. Die mantelia dienen jetzt zum Decken von Tischen, während sie, wie das Wort selbst zeigt, ehemals zum Trocknen der Hände [manus] gereicht wurden [:] hanttu˚ch. Die mappe˛ [„Servietten“] sind [Utensilien] für Gastmähler und Festschmäuse [epulae], als hieße es manipule˛, und danach sind sie auch benannt; das Deminutiv dazu ist mappula[:] hantilla/ hantwela. Mensale[:] tisclachen [bezeichnet] ein größeres [Tischtuch], mantile ein kleineres [Tischläufer]. Facetergium [facistergium „Gesichts-, Handtuch“] und manutergium [„Handtuch“, liturg. „Manipel“][:] twehela/ tuahil heißen so, weil sie zum Trocknen [tergere] von Gesicht bzw. Händen dienen. Toralia [„(Über-)Decke“] oder linteamina [„Leintuch“][:] lilachen. Zomentum [„Bettbezug“][:] ziecha. Lena [laena; „Bettdecke“][:] zussa/ koz. Coopertorium [„Zudecke“][:] deckilachen. Cilicium[:] harra/ hera [heißen so], weil sie aus dem Haar [pili ] von Ziegen oder anderem Kleinvieh bestehen. Desgleichen psiatium [„Ziegenhaardecke“]. Die vela [„Vorhänge“][heißen so], weil sie verhüllen [velare][:] umbihange. Desgleichen heißen die aulee˛ [„golddurchwirkte oder mit Gold bemalte Wandbehänge“][:] gimalot umbihange so, weil sie zuerst am Hof [aula] des kleinasiatischen Königs Attalos, dessen Nachfolge das römische Volk angetreten hat, erfunden wurden. Desgleichen haben die cortine˛ [„Vorhänge“][:] umbihange/ ruggelachen ihren Namen von corium [„Leder“], weil sie ursprünglich aus Fellen hergestellt wurden (oder weil sie das Herz [cor] der Betrachter erfüllen). VII. Von der wollenen Kleidung Lana [„Wolle“][heißt so] nach laniare [„zerreißen“] im Sinne von „rupfen“ [vellere][:] wolla; daher auch vellus [„Vlies“][:] scappere/ scebbere/ scaper/ skeper, denn früher wurde die Wolle gerupft, nicht geschoren. Linum [„Leinen, Flachs“][:] flahs [heißt so], weil es geschmeidig [lenis] und weich ist.

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    Summarium Heinrici I, IX, VIII

    unde et stuppatores, qui eam in vallibus componunt, dicuntur. Tumentum quod in filo aut in tela tumeat. Canapum (hanf) a similitudine canne˛. Byssum (Bokkerat) genus est quoddam lini nimium candidissimi et mollissimi. Fibricium lana est animalium, quos fibros vocant. Aranea vocatur quod aeris infusione nutriatur in frondibus.

    VIII. De Instrumentis Vestium. Tela (weppe) pro longitudine staminum dicta, cuius diminutivum est telaria weppiboum. Insubuli weppigerta quod insubulantur. Radii ragin/raden quia radendo fiunt. Pectines kambe quod pexe˛ fila reddant et inprimant. Colum kunkula/rocko quod sit in longitudine et in rotunditate. Fusum spinnila quod per ipsum fundatur quod netum est. Alibrum wirtin/haspel quod in eo librantur fila, id est solvuntur. Calatus ceinna in quo pensa ponuntur vel flores leguntur; cala gre˛ce lignum, inde calatus. Pensum wichelin/wiekelin a pendendo; unde pensa et inpensa. Netum vel netula haspil. Fila fadema dicta quod ex pilis animalium sunt, quia lanificium filis tenuibus constat in modum pilorum, id est quasi filorum. Mataxa meidimsporo quasi metaxa, a circui(u)tu filorum; nam meta circuitus dicitur. Globellum clvwelin/kloˇ vilin/klungilin diminutivum a globo. Panulie˛ spu˚lun quod eis panni texantur. Stamen warf quia rectum stat. Trama (spulin.

    Summarium Heinrici I, IX, VIII

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    Stuppa [„Werg“][:] awirki [heißt so], weil es dazu dient, die Risse in Schiffen abzudichten [stuppare], und daher heißen stuppatores die Leute, die sie [die stuppa] in Hohlräume stopfen. Das tumentum [tomentum „Stopfwerk“] wird so genannt, weil es im Einzelfaden oder im Gewebe verdickt ist [tumere]. Das canapum (hanf) heißt so seiner Ähnlichkeit mit dem Schilfrohr [canna] wegen. Byssum (Bokkerat) ist eine Art strahlend weißen und sehr weichen Leinens. Fibricium10 ist die Wolle der fibri [„Biber“] genannten Tiere. Die aranea [„Spinne“] wird so genannt, weil sie vom Wehen der Luft [aer] im Laub lebt. VIII. Über das Werkzeug [zur Herstellung] von Kleidung [vestes]. Tela [„Stoff, Gewebe“] (weppe) heißt der Länge der [verarbeiteten] Fäden wegen so; telaria [„Webstuhl“][:] weppiboum ist davon ein Deminutiv [vielm. derivativum „Ableitung“]. Insubuli [„Litzenstäbe“][:] weppigerta [heißen so], weil sie ein zischendes Geräusch machen [insubulantur]. Die radii [„Wirknadeln“][:] ragin/ raden [heißen so], weil sie durch Glätten [radendo] hergestellt werden. Die pectines [„Weberkämme, Rietblätter“][:] kambre [heißen so], weil sie die Fäden auskämmen11 und [an das Gewebe] anschlagen. Der colus [„Spinnrocken“][:] kunkula/ rocko [heißt so], weil er in Länge und Rundung [einer Säule; erg. quasi columna] gleicht. Der fusus [„Spindel“][:] spinnila [heißt so], weil um ihn das Gesponnene herabfließt [funditur]. Das alibrum [„Garnwinde“][:] wirtin/ haspel [heißt so], weil auf ihm die Fäden abgewickelt werden [librantur, d.i. liberantur], d. h. herabhängen. Der calatus [„Korb“][:] ceinna, in den die Tagewerke [an gefüllten Spindeln] gelegt oder Blumen gesammelt werden; cala [  Λ ] heißt auf griechisch „Holz“, daher calatus. Das pensum [„Tagewerk“][:] wichelin/ wiekelin [heißt] nach dem Wiegen [pendere]; daher pensa [„Gewicht“] und impensa [„Aufwand“]. Netus oder netula [„das Gesponnene“][:] haspil. Fila [„Fäden“]. Mataxa [„Seidenknäuel“][:] meidimsporo, wie wenn es metaxa hieße, [kommt] vom Umlaufen der Fäden12; denn meta heißt das Umfahren [der Zielsäule, meta]. Globellum [„Fadenknäuel“][:] clvwelin/ kloˇ vilin/ klungilin ist Deminutiv von globus [„Kugel“]. Die panulie˛ [„Weberspulen“][:] spu˚lun [heißen so], weil mit ihnen Stoffe [panni ] gewebt werden. Das stamen [„Kettfaden“][:] warf [heißt so], weil es aufrecht steht [stat]. Die trama (spulin. subtemen [„Einschlag“]) wefel [heißt so], weil sie durch das Gewebe geführt wird [transmittitur]. An die licia [„Litzen“] vizza werden die 10 11 12

    Corr. Fibrinum. Corr. pexa statt pexe˛ … reddant. Corr. circuitu.

    118

    Summarium Heinrici I, IX, IX–X

    Subtemen) wefel quia transmittitur per telam. Licia vizza quibus stamina ligantur, quasi ligia. Liciatorium mittel. Lienvenis harliua. IX. De Coloribus Vestium. Tinctura vocata quod tinguitur ut coloretur. Coccum Gre˛ci, nos rubrum seu vermiculum dicimus rotphellol/rotphelle. Idem conchilium quod ex conchulis marinis colligitur color eius; vel ostrum dictum quod ex teste˛ humore colligitur. Purpura brunphellol/ brunphelle. Ferrugo color purpure˛ subnigre˛ svarzphellol/swarzphelle. Glaucus color ferrugineus subniger. Iacin(c)tus gru˚niphellol/gru˚nphelle. Sandicium vel persicum weitinphellol/ weitinphel. Albus color medius color inter nigrum et album, et elbum ab albo derivatum. Luteus color rubicundus, quod est croceus. Osticium quod ex usto est; fit enim ex dependenti fuligine tectorum egesta assiduis ignibus; unde et color eius flammeus est.

    X. De his que˛ in Usu habentur. Conopeum mugkunnezzi a Canopea, id est Egipto, ubi abundant culices. Limbus lista. Lacinia ora vestimenti soum. Cirotheca hantscu˚ch a gre˛co ciros, id est manus. Wanti fustilinga. Marsupium sekkil/phoso. Fascialis windinc. Item fasciola. Orarium vel sudarium ougfano. Item sudarium sweiztu˚ch. Culleus saccus in quo rei in mare iactabantur. Prosegmina dicuntur particule˛ cuiuscumque materie˛ abscise˛ (abscrotun). Spartus drat.

    Summarium Heinrici I, IX, IX–X

    119

    Kettfäden geknüpft [ligantur], als hieße es ligia. Liciatorium [„Geschirr“][:] mittel. Lienvenis [„Litze“][:] harliua. IX. Von den Farben der Kleider Tinctura [„das Färben“] wird so genannt, weil [ein Stoff] in Farbe getaucht wird [tinguitur], um gefärbt zu werden. Die Griechen nennen coccus, was bei uns rubrum oder vermiculum heißt[:] rotphello/ rotphelle. Desgleichen13 [heißt] das conchilium [so], weil seine Farbe aus den im Meer lebenden Purpurschnecken [conchula] gewonnen wird; oder es wird ostrum genannt, weil es aus der Flüssigkeit der Schale [teste˛ humor] gewonnen wird. Purpura[:] brunphellol/ brunphelle. Ferrugo [ist] eine schwärzliche Purpurfarbe[:] svarzphellol/ swarzphelle. Die Farbe glaucus ist eine schwärzliche ferrugo. Iacintus [„Blaupurpur“][:] gru˚niphellol/ gru˚nphelle. Sandicium oder persicum14 [:] weitinphellol/ weitinphel. Albus ist eine Farbe zwischen Schwarz und Weiß [albus], und elbus ist von albus abgeleitet. Das luteum ist eine rötliche Farbe, was auch für Safran [croceus] gilt. Das osticium [heißt so], weil es von ustum [„gebrannt“] kommt15; es wird nämlich aus durch ständiges Feuer ausgeblasenem Ruß, der an Raumdecken haftet, gewonnen; daher hat er eine geflammte Tönung. X. Was [sonst] in Gebrauch ist Das conopeum [„Mückennetz“][:] mugkunnezzi [heißt so] nach Canopea, d.i. Ägypten, wo Mücken im Überfluß vorhanden sind. Limbus [„Borte“][:] lista. Lacinia [„(Toga-)zipfel“][,] ora vestimenti [„Kleidersaum“][:] soum. Cirotheca [„Handschuh“][:] hantscu˚ch aus dem griechischen ciros [ «], d.i. „Hand“. Wanti [„Handschuhe“][:] fustilinga. Marsupium [„Geldbeutel“][:] sekkil/ phoso. Fascialis [„Binde“][:] windine. Desgleichen fasciola [„Schenkelbinde“]. Orarium oder sudarium [„Taschentuch“][:] ougfano. Desgleichen sudarium [„Schweißtuch“][:] sweiztu˚ch. Culleus, ein Sack, in dem Verurteilte ins Meer geworfen wurden. Prosegmina heißen die abgetrennten Teilchen jeglicher Materie (abscrotun). Spartus [„Seil“][:] drat. Pitacium [„Flicken“][:] blezzo/ plez oder klebetu˚ch/ cleibetu˚ch. Daher pitaciolum [„Flickenstück“][:] plezelin. Ca-

    13 14 15

    Corr. item statt idem. Vgl. oben § II. Corr. quod ex usto.

    120

    Summarium Heinrici I, IX, XI

    Pitacium blezzo/plez vel klebetu˚ch/ cleibetu˚ch. Inde pitaciolum (plezelin). Calumna gre˛ce candidum velamen. Retedipium est vestis parasitica. XI. De Ornamentis. Suppara witidi/witti vel lesa vel afdirhemidi. Diadema ornatus capitis cranz vel corona. Nimbus est fasciola transversa ex auro assuta in linteo, quod in fronte feminarum est, id est goltbant. Nam et lumen, quod circum angelorum capita pingitur, nimbus vocatur; licet et densitas nubis nimbus vocetur. Gentilium vates infulas, apices sive galeria utebantur. Infula fasciola sacerdotalis, a qua vitte˛ ex utraque parte dependent, que˛ infulam vinciant. Pilleum hu˚t quod ex pelle factus sit, quod est virorum, sucut mitra feminarum, quod ex lana fit. Redimiculum hu˚tilsnu˚r/h˚vtelinessnvr. Ricula est mitra virginalis capitis. Decerniculum harsnu˚r. Vitta binda. Tenea extrema pars vitte˛, qua dependent corone˛. Reticulum est, quod colligit comas hrsn˚vr/harnezze, dictum quod retinet crines. Discriminale vnderbant dictum quod auro caput discernat. Ancie˛ dicuntur cincinni prope aures dependentes zophe, ab auribus dicte˛. Bulle˛ nusculin/nuschiliu quod sint simil(i)es bullis in aquis, que˛ et ipse˛ a bulliendo sunt dicte˛. Inaures orringe vel orgolt ab aurium foraminibus dicte˛. Torques dicte˛ quod sint torte˛ circuli aurei a collo pendentes halsboˇ ga. Monile vel segmentum vel serpentum halsgolt. Item murenule˛ quod murenis sunt similes. Catelle˛ vel catenule˛ ketinlin /ketinliu. Lunule˛ sunt in modum lune˛ facte˛ insigili. Dextralia sunt ornamenta manus, que˛ ante manicam mulieres portant armboˇ ga. Armille˛ sunt communes viris et feminis boga. Speculum spiegel quod ex splendore

    Summarium Heinrici I, IX, XI

    121

    lumna ist auf griechisch ein weißer Schleier [  ]. Das retedipium ist eine [große] Serviette, die von Tischdienern16 getragen wird. XI. Vom Schmuck Suppara [„Schleier“][:] witidi/ witti oder lesa oder afdirhemidi. Das diadema ist ein Kopfputz[:] cranz oder corona. Der nimbus ist eine quer verlaufende Binde aus Gold, auf Leinen genäht, welche die Frauen auf der Stirn tragen, d.i. goltbant. Denn auch das Licht, das man um die Köpfe der Engel malt, wird nimbus genannt, obwohl nimbus auch die dichte Substanz einer Wolke bezeichnet. Die heidnischen Seher trugen infulae, apices oder galeria. Die infula ist eine [Kopf-]Binde des Priesters, von der auf beiden Seiten vitte˛ herabhängen, die zur Befestigung der infulae dienen sollen. Das pilleum [„Mütze“][:] hu˚t [heißt so], weil es aus Fell [pellis] hergestellt wird; es handelt sich um [ein Kleidungsstück] für Männer, wie die mitra eines für Frauen ist, das aus Wolle hergestellt wird. Redimiculum [„Band“][:] hu˚tilsnu˚r/ h˚vtelinessnvr. Die ricula ist eine mitra, die von den Jungfrauen auf dem Kopf getragen wird. Decerniculum [sonst discerniculum „Haarband“][:] harsnu˚r. Vitta [„Band“][:] binda. Die tenea [taenia] ist der untersteTeil der vitta, von der die corone˛ herabhängen. Das reticulum [„Haarnetz“] faßt die Haare zusammen[:] harsn˚vr/ harnezze, es hat seinen Namen daher, daß es die Haare zurückhält [retinet]. Die discriminalia [hier „Haarband“][:] vnderbant heißen so, weil sie den Kopf [d.h. das Haar vom Gesicht] mit Gold abteilen [discernere17]. Ancie˛ [d.h. Antiae] sind die um die Ohren herabhängenden Locken [:] zophe, sie heißen so nach den Ohren [aures]. Bulle [„Amulettkapseln“][:] nusculin/ nuschiliu [heißen so], weil sie Blasen auf dem Wasser ähneln18, die auch ihrerseits nach dem Kochen [bullire] so genannt werden. Die inaures [:] orringe oder orgolt werden so nach den Löchern in den Ohren [aures] genannt. Die torques heißen so, weil sie gewunden [tortus] sind, goldene Reifen [circuli], die vom Hals herabhängen[:] halsbˇoga. Monile oder segmentum oder serpentum[:] halsgolt. Desgleichen die murenule˛ [„Kettchen“], weil sie den Muränenschlangen [murenae] ähneln. Catelle˛ oder catenule˛ [„Kettchen“][:] ketinlin/ ketinliu. Lunule˛ sind nach Art des Mondes [luna] gestaltet[:] insigili. Dextralia [„Armbänder“] sind Schmuck für den Arm, den die Frauen vor den Ärmeln [d.h. um die Handgelenke] tragen[:] armbˇoga. Die armille˛ [„Armbänder“] sind Männern und Frauen gemein[:] bˇoga. Das speculum[:] spiegel [heißt so], weil [das Spiegel16 17 18

    Parasitus in diesem Sinne mlt. belegt Corr. dicta … discernant. Corr. similes.

    122

    Summarium Heinrici I, IX, XII–XIII

    reddatur vel quod femine˛ speciem suam in eo considerent. Spinter spenela. Ventrale buchgurtil/buchgurtila/br˚vchgurtil. Acus nadela. Periscelides sunt ornamenta vel armille˛ crurum. Aurifrigium goltborto. Cirostringa hantwinc/hantwinga/hentewinc. Succinctorium vel brachiale halftra. Olfactoriola vasa odoramentorum apud mulieres. Pupa simulacrum puellarum (boppa vel) tocca. Pila stoz vel bal/ballo.

    XII. De Anulis. Anuli fingerlin/fingirliu per diminutionem dicti a circulis et anis, quid sunt circa brachia et crura; unde et signa eorum per diminitionem sigilla dicuntur. Tria genera sunt anulorum: Ungulus est gemmatus, vocatusque hoc homine quia, sicut ungula carne, ita gemma anuli auro accingitur. Samotracius aureus quidem, sed capitulo ferreo; a loco ita vocatus. Tinnius purus, quem olim tinem vocabant.

    XIII. De Cingulis. Cinctus est lata zona, et minus lata semicinctium, utriusque minima cingulum, quod est diminutivum a cinctu. Balteum cingulum militare balderich/ belderich, cuius caput renda dicitur. Balteus non tantem quo cingitur, sed etiam quo arma dependent. Zona gre˛cum. Strophium cingulum aureum cum gemmis. Limus cingulum servorum dictus, qui transversas habet purpureas limas. Caltolum cinguli genus, a coacto loro dictum. Bracile cingulum renum modo, olim brachiorum unde et dicitur.

    Summarium Heinrici I, IX, XII–XIII

    123

    bild] vom Glanz [splendor][des Spiegels] zurückgeworfen wird oder weil die Frauen darin ihr Aussehen [species] betrachten. Spinter [„Armschmuck des linken Armes“][:] spenela. Ventrale [„Leibgurt, Hosengürtel“][:] buchgurtil/ buchgurtila/ br˚vchgurtil. Acus [„Nadel“][:] nadela. Periscelides [„Fußreifen“] sind der Schmuck oder die Armreifen [armille˛] der Beine. Aurifrigium[:] goltborto. Cirostringa [chirostringa „Armband, Borte am Handgelenk“][:] hantwinc/ hantwinga/ hentewinc. Succinctorium [„Schurz, Schürze“] oder brachiale19[:] halftra. Olfactoriola [„Riechfläschchen“] sind Gefäße mit wohlriechenden Essenzen bei den Frauen. Pupa [„Docke“], das Abbild von Mädchen[:] (boppa oder) tocca. Pila [„Haarknoten“][:] stoz oder bal/ ballo. XII. Vom den Fingerringen [anuli] Anuli[:] fingerlin/ fingirliu sind als Deminutiv gebildet zu circuli und ani, die um Arme und Beine gelegt werden; daher werden auch ihre signa [eig. „Zeichen“] mit einem Deminutiv als sigilla [„Siegel“] bezeichnet. Es gibt drei Arten von Fingerringen: Der ungulus ist mit einem Edelstein besetzt und trägt diesen Namen20, weil wie die Klaue [ungula] im Fleisch der Edelstein im Gold des Ringes gefaßt ist. Der Samothracius ist zwar aus Gold, seine Einlage aber aus Eisen; er heißt so nach dem [gleichnamigen] Ort. Der Tinnius [Thynius] ist nicht verziert und wurde früher tinis genannt. XIII Von den Gürteln [cingulum] Der cinctus ist ein breiter Gürtel [zona], ein weniger breiter [heißt] semicinctium, und schmaler als beide ist das cingulum, was eine deminutive Ableitung von cinctus ist. Das balteum ist der Gürtel [cingulum] der Soldaten[:] balderich/ belderich, sein Kopf wird als renda [ ? ] bezeichnet. Balteus heißt nicht nur das, womit man sich gürtet, sondern auch das, wovon Waffen herabhängen. Zona ist ein griechisches Wort. Das strophium ist ein goldener, mit Edelsteinen besetzter Gürtel [cingulum]. Limus heißt der Gürtel [!, cingulum] der Sklaven, der schräg laufende Purpur[streifen] hat21. Das caltolum ist eine Art Gürtel [cingulum], das so heißt nach dem festgezogenen Riemen [a coacto loro]. Das bracile diente in neuerer Zeit als Gürtel um die Hüften, einst [als solcher] um die Arme [brachia], wonach es auch benannt ist. 19 20 21

    Corr. bracile „Schürze“. Corr. hoc nomine. Corr. purpuras id est limas.

    124

    Summarium Heinrici I, IX, XIIII

    XIIII. De Calciamentis. Calciarios a calo, id est ligno, quibus calciamenta fiumt; hinc calciamenta giscu˚he, vel quod calcentur. Crepide˛ genus sunt calciorum forma singulari, aptum utrique pedi. Patricii usi sunt calceis quatuor corrigiarum, assutis quasi luna, que˛ forma notam centenarii numeri significabat, quod initio patricii senatores centum fuerint. Ocree˛ sunt tibialia calciamenta ledirhosun vel beinberga, dicta quod crura tegant. Coturnis calciabantur tragedi cum in theatro dicturi erant, quibus et heroes utebantur. Braxee˛ calciamentum comicorum, sicut coturni tragedorum; quos quidam calones vocant, quod ex salice fierent. Talares socci sunt, dicti quod talum contingant; sicut subtelares, quod sub talo sint, quasi subtalares. Osas ab oso primum facte˛ sunt. Obstringilli qui per plantas consuti sunt, et superius corrigia constringuntur; unde et dicuntur. Mullei similes sunt coturnis solo alto, dicti a rubeo colore, qualis est mulli piscis. Solee˛ sunt quibus tantum plante˛ teguntur (solen), dicte˛ a solo pedum. Socci, cuius diminutivum soccelli, dicti quod socium habeant. Calige˛ hosun vel caligule˛ a callo pedum, vel quod ligentur. Cernui socci sunt sine solo. Perones et culponie˛ clavati rustica calciamenta sunt. Baxea mulierum. Corrigie˛ a coriis vel a colligatione, quasi colligie˛.

    Summarium Heinrici I, IX, XIIII

    125

    XIIII. Vom Schuhwerk [calciamenta] Die calciarii [„Schuhmacher“][heißen so] nach calum, d.i. dem Holz, aus dem22 Schuhwerk [calciamenta] hergestellt wird; calciamenta[:] giscu˚he kommt daher, daß auf sie getreten wird [calcare]. Die crepidae sind eine Art Schuhe [calcii ] von einzigartiger Form, [dasselbe Stück] paßt für beide Füße. Die Patrizier pflegten calcei mit vier Schuhriemen zu tragen, mit aufgenähter23 Mond[sichel]; diese Figur bedeutete das Zeichen für die Zahl Hundert [C ], da ursprünglich die patrizischen Senatoren hundert an der Zahl waren. Die ocree˛ [„Beinschienen“, „Gamaschen“] sind Schuhwerk [calciamenta] für die Schienbeine[:] ledirhosun oder beinberga, sie heißen so, weil sie die Unterschenkel [crura] bedecken. Die coturni trugen die tragischen Schauspieler, die auf dem Theater sprechen sollten, auch die Helden pflegten sie zu tragen. Die braxee˛24 sind das Schuhwerk der komischen Schauspieler, so wie die coturni das der tragischen; diese nennen manche calones, weil sie aus Weidenholz angefertigt wurden. Die talares sind socci, sie heißen so, weil sie bis zum Knöchel [talus] reichen; so wie die subtelares25 [danach heißen], daß sie bis unter [sub] die Knöchel reichen, als hieße es subtalares. Die osae26 wurden ursprünglich aus Knochen27 hergestellt. Die obstrigilli sind entlang der Sohle zusammengenäht und werden oben mit einem Riemen zusammengebunden [constringuntur]; daher haben sie auch ihren Namen. Die mullei ähneln den coturni durch ihre dicken Sohlen, sie heißen nach ihrer roten Farbe [rubrum], wie sie die Rotbarbe [mullus] aufweist. Die soleae bedecken nur die Fußsohlen (solen), sie heißen nach der Fußsohle [solum]. Die socci, wovon das Deminutiv socelli ist, heißen so, weil sie einen Gefährten haben [socius]. Die calige˛ [„Stiefel“][:] hosun oder caligule˛ heißen so nach den Schwielen [callus] der Füße oder weil sie zugebunden werden [ligantur]. Die cernui [„Gamaschen“] sind socci ohne Sohle. Perones und culponie˛28 sind Schuhwerk, das auf dem Lande getragen wird29. Die baxea ist ein Frauen[schuh]. Die corrigie˛ [„Schuhriemen“] werden so nach dem Leder [corium] oder nach dem Zubinden [der Schuhe; conligatio] genannt, als hieße es colligie˛.

    22 23 24 25 26 27 28 29

    Oder: „mit dessen Hilfe“; corr. quo calciamenta. Corr. assuta statt assutis. Corr. baxeae. Corr. subtolares. Corr. osae. Corr. osse. Lies sculponeae? clavati dürfte aus einer oberen Zeile eingedrungen sein.

    126

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    127

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller und Jörg Riecke

    hantfano ‚Manipel, Handtuch‘

    mantile, fano, mappula orarium, stola ‚Orarium, Klerikerstola‘ colobium, subdiaconale, subtile

    1,23 1,23 1,24

    missehachel ‚Meßgewand, Kasel‘ romscuha, romeschuha [rômscuoh sg.] ‚Bischofsschuhe‘

    casula, planeta sandalium

    1,26 1,28

    Isid. 24,17

    dalmatica ‚Dalmatika‘

    gurtil ‚Priestergürtel‘

    cingulum

    1,22

    subtil ‚(Ober-)Tunika des Subdiakons, Tunicella‘

    alba ‚Albe, Priestergewand‘

    scurliz ‚Untertunika‘

    poderis

    superhumerale, ephot, bath ‚leinenes Superhumerale, Amikt, Schultertuch‘

    subucula, camisia

    Von der priesterlichen Kleidung [liturgische Kleidung]

    1,21

    1,19

    9,1 [Abs. 1]

    1,25

    vgl. Hraban.inst. cler., Redaktion F, c. 14–23

    Die Erfindung der Wollearbeit

    Summarium Heinrici I, S. 318–333

    Isid. 22, 9

    (c. 21)

    c. 20

    Isidor Et. Buch 19

    128 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    pallium ‚Pallium des Erzbischofs‘

    1,30

    ‚langärmelige lange Obertunika‘ ‚Ephod des Hohenpriesters‘ ‚Rationale des Hohenpriesters‘ ‚Kopfbedeckung des Hohenpriesters‘ ‚Schaublech‘

    mahil (hebr.), tunica talaris f. ephot, ephod (hebr.), palleolum n., superhumerale n. logium n., rationale n.

    tiara f., cidaris f., mitra f.

    E

    G

    H

    F

    petalum n.

    1,33

    ‚Kopfbedeckung‘

    pilleum n.

    D

    1,40

    1,38

    1,35

    1,33

    1,41 1,32 1,32

    B C

    A

    9,1 [Abs. 2]

    Die Priesterkleidung nach dem mosaischen Gesetz batin (hebr.), feminalia n. ‚Priesterhosen‘ pl., bracae f. pl. poderis m., camisia f. ‚Priestertunika‘ abanet (hebr.), cingulum n. ‚Gürtel‘

    c. 21

    petalum

    logium, retionale

    ephot, superhumerale

    poderis, alba cingulum rotundum, balteum ‚Priestergürtel‘ pilleum rotundum ‚Priesterturban‘ machil, tunica talaris

    Die Priesterkleidung nach dem mosaischen Gesetz Abs. 2 feminalia, brace˛

    huotelin ‚Mitra, Bischofshut mit Inful‘

    cidaris, tiara, infula

    1,30

    Isid. 21; 30,6

    klenzun [klenza sg.] ‚Beinschmuck, Kniespange‘

    periscelis

    1,29

    Isid. 31,19a

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    129

    ‚Kleidung‘

    ‚personenbezogene Bekleidung und Trachtbestandteile‘ ‚jede Art von Bekleidung von Menschen und Sachen‘ ‚Schurz‘ ‚Schurz, kurze Hose‘ ‚Tunika‘ ‚Pelztunika‘ ‚lange Tunika‘

    vestimentum n.

    indumentum n.

    amictus m.

    vestitus m.

    cultus m.

    habitus m.

    vestis f.

    perizomatum n., subcinctorium n., succinctorium n.

    campestre n., lumbare n.

    tunica f.

    pellicia tunica f.

    talaris tunica f.

    22,1c

    22,2

    22,3a

    22,3b

    22,3c

    22,4

    22,5a

    22,5b

    22,6a

    22,6b

    22,7a

    ‚Tracht und Accessoires‘

    ‚Bekleidung‘

    ‚Überwurf, (Über-) Bekleidung, Umhüllung‘ (allgemein)

    ‚Bedeckung‘ ‚Kleidung (allgemein)‘

    tegmen n., tegumen n.

    22,1b

    Von den verschiedenen Arten und den Namen der Kleidungsstücke

    22,1a

    c. 22

    2,49

    2,48

    2,47

    2,54

    2,54

    2,53

    2,44

    2,44 f.

    2,44

    9,2

    talaris

    tunica

    habitus

    cultus

    vestitus

    indumentum

    vestimentum

    tegmen, tegumen

    Von den verschiedenen Arten der Kleidungsstücke

    roc ‚Obergewand, Tunika‘ [Rock]

    130 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    ‚Tunika mit langen Ärmeln‘ ‚Dalmatika‘ ‚rotgefärbtes Kleidungsstück‘

    ‚Textilie aus Seide‘

    ‚Textilie von Tuch aus Leinenkette und Seidenschuss‘

    tunica manicleata, (c(h)iridota) f.

    dalmatica f. russata f.

    laculata f.

    iacintina f.

    moloc(h)inia f.

    bombycina f.

    apocalama

    serica f.

    tramoserica f.

    22,8

    22,9 22,10

    22,11a

    22,11b

    22,12

    22,13a

    22,13b

    22,14a

    22,14b

    s. 1,25 2,51

    2,50

    ‚Textilie aus Baumwolle‘ ‚Textilie aus Seide von der Pachypasa otus Drury‘

    2,58

    2,57

    2,56

    2,59

    ‚eckig gemusterte Tex- 2,52 tilie‘ ‚mit Purpurfarbe in 2,54 verschiedenen Blautönen gefärbtes Kleidungsstück‘ 2,55

    ‚taillenlange Tunika‘

    pectoralis tunica f.

    22,7b

    tramoserica

    serica

    bombicinum ‚Seidengewand vom Bombyx‘

    sidinroc, sidinirroch ‚seidenes (Ober-)gewand (aus der Seide der Serer)‘

    weitinroc, wetinirroch ‚blaues (Ober-)gewand‘

    sandicea, persica molocinia

    grvniroc, grunirroch ‚grünes (Ober-)gewand‘

    rotroc ‚rotes (Ober-)gewand‘

    iacinctina tunica

    laculata

    dalmatica rossata, coccinea, fenicea tunica

    manucleata tunica, manicata gistuchot roc, gistukoter roc ‚(Ober-)gewand mit langen Ärmeln (Stauchen)‘

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    131

    ‚mastixfarben‘ ‚schwarze Textilie‘ ‚Textilie aus Reinleinen‘ ‚halbleinenes Kleidungsstück‘ ‚nach oben gewebtes Kleidungsstück‘ ‚mit Segmenten versehene Textilie‘ ‚leichte Textilie‘ ‚gewalkte Textilie‘ ‚gekräuselte Textilie‘

    byssina f.

    fibrina f.

    caprina f.

    masticinus adj.

    mena f.

    linea f.

    linostema f.

    recta f.

    segmentata f.

    levidensis f.

    pavitensis f.

    citrosa f.

    22,15

    22,16a

    22,16b

    22,16c

    22,16d

    22,17a

    22,17b

    22,18a

    22,18b

    22,19a

    22,19b

    22,20

    2,58

    ‚Textilie aus Ziegenhaar‘

    ‚Textilie mit Biberhaar‘

    2,70

    2,69

    2,68

    2,66

    2,65

    2,63

    ‚fein gewebte Textilie 2,60 aus Leinen oder Baumwolle oder Muschelseide‘

    ‚mit reinem Purpur ge- 2,59 färbte Textilie‘

    holoporphyra f.

    22,14d

    ‚Textilie von Tuch aus Seidenkette und Seidenschuss‘

    holoserica f.

    22,14c

    citrosa

    pavitensis

    levidensis

    segmentata

    recta

    linostema

    bissina candida confecta ex genere lini grossioris

    olofora

    oloserica

    zuilich [roc] ‚Gewand aus (zweifädig) gezwirntem leinenen Byssus‘

    132 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    ‚dreifädige, dreifach ge- 2,66 zwirnte oder aus Fäden in drei Farben hergestellte Textilie‘ ‚zweifädig, gezwirnt oder zweifach‘ ‚einfädig, einfach‘

    trilicis f.

    bilex adj.

    simplex adj.

    22,23a

    22,23b

    22,23c

    2,67

    2,67

    2,73

    ‚phrygisches Kleidungsstück (= acupicta)‘

    phrygia f.

    22,22b

    simplex

    bilex

    trilicis

    frigia

    einlich ‚einfadig, einfach‘

    zuilich ‚zweifadig‘

    drilich ‚dreifadig‘

    geleroc ‚gelbes (Ober-)gewand‘

    gilbea tunica

    2,63 accupita

    suarzroc ‚schwarzes (Ober-)gewand‘

    ferruginea, nigra

    2,62

    acupicta f.

    pvrpurvnroc ‚purpurfarbenes (Ober-)gewand‘

    purpurea

    2,63

    22,22a

    giggelvechroc ‚buntes (Ober-)gewand‘

    polimita, multicolor

    exotica vestis

    velenensis tunica

    2,61

    2,72

    2,71

    ‚„mit der Nadel gemal- 2,72 tes“, gesticktes oder gewirktes Kleidungsstück‘

    ‚vielfädige, vielfarbige Textilie‘

    polymita, polimita f.

    22,21c

    28,6

    ‚exotisches, fremdländisches Kleidungsstück‘

    exotica vestis f.

    22,21b

    ‚Tunika aus Velia‘

    velenensis tunica f.

    22,21a

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    133

    2,83 2,84

    ‚Lendenschurz‘ ‚Lendentuch‘ ‚Schurz der Opferdiener, Schärpe‘ ‚Litze, Schlaufe‘ ‚geschlitzter Umhang‘ ‚langärmelige Tunika‘

    colobium n.

    levitonarium n.

    lumbare n.

    renale n.

    limus m.

    licinum n.

    armilausa f.

    camisia f.

    femoralia n. pl., bracae f. pl. ‚Hosen‘

    tubruci, tubraci m. pl.

    22,24a

    22,24b

    22,25a

    22,25b

    22,26

    22,27

    22,28

    22,29a

    22,29b

    22,30

    ‚Beinbekleidung, Hosen‘

    ‚ärmellose Tunika ägyptischer Mönche‘

    ‚ärmellose Tunika, Obertunika, leinenes ärmelloses Gewand ägyptischer Mönche‘

    ‚Textilie, besetzt mit Stoffstücken‘

    pannucia f.

    22,23f

    hemidelachen ‚Hemdenstoff‘

    camisile 2,82

    tubruci

    femoralia

    hemide ‚Hemd, langärmelige Tunika‘

    gislizzitroc ‚geschlitztes (Ober-)gewand‘

    awirkinroc ‚grobes, ärmelloses Bußgewand (aus Werg)‘

    scarlachen ‚geschorenes Tuch‘

    camisia

    armelausa tunica

    licinium

    limus

    lumbare

    levitonarium colobium

    stupeum colobium

    pannucia

    interpola vestis

    ralla, rullo, rasilis

    2,81

    2,85

    2,80

    2,79

    2,78 f.

    2,77

    2,76

    2,75

    2,74

    ‚aufgefrischtes Kleidungsstück‘

    interpola vestis f.

    22,23e

    2,74

    ‚Textilie aus glatt geschorenem Gewebe‘

    ralla f., rasilis f.

    22,23d

    134 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    Sardi: mastruga f.

    23,1e

    ‚Alanen: spitze Mütze‘ ‚Schotten: schlecht bekleidet; Belferer‘ ‚Alamannen: Sagum Tragende‘ ‚Inder: Leinen Tragende‘ ‚Serer: Seide Tragende‘

    Alani: apex fastigiatus m.

    Scotti: male tecti, latratores

    Alamanni sagati

    Indi linteati

    Seres sericati

    23,6c

    23,6d

    23,6e

    23,6f

    ‚Perser: Leinenkleidung, Tiara; mit Edelsteinen versehen‘

    ‚Sarden: Pelz‘

    23,6b

    23,6a

    Persae: lin[e]amentum n., tiara f.; gemmati

    Hispani

    Hispani: stringes

    23,1d Sardi: mastruga mastruga

    3,89 3,94

    3,89

    Germani

    Germani: reno m., cirrus m. ‚Germanen: Pelzwams, 3,89 Locke ‘

    23,1c ‚Spanier: Goldornament(e)?‘

    Galli

    Galli: linna f.; candida cutis ‚Gallier: Leinen3,89 f. umhang (sagum); weiße Haut‘

    23,1b

    Parthi

    3,88

    ‚Parther: weite Kleidung‘

    Parthi: sarabara f.

    23,1a

    Von der charakteristischen Kleidung einiger Völker

    9,3

    Von der charakteristischen Kleidung [und den Kennzeichen] einiger Völker

    c. 23

    kursina ‚Pelzkleidung‘

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    135

    ‚Umhang‘ ‚gefibelter Umhang‘

    ‚Toga‘

    toga f.

    24,3–8

    24,1 24,2

    Von den pallea der Männer palleum, pallium n. chlamys f.

    ‚Armenier: Köcher Tragende‘ Gothi: granus m., cinnibar ‚Goten: Schnurrbart (Zopf ?), Kinnbart‘ Brittones: stigma n. ‚Britannier: Bemalung‘ Judaei circumcidunt praeputia ‚Juden: Beschnittene‘ Arabes: pertundunt aures ‚Araber mit Ohrlöchern‘ Getae flavent capitibus in‚Geten mit goldtectis blonder Haarfarbe‘ Albani: albens crinis ‚Albaner: weißes Haar‘ Mauri: nox corporis ‚Mauren: nachtschwarzer Körper‘ Picti: acus puncta n. pl. ‚Pikten: Nadelstichmuster‘ crines m.pl. ‚Haartracht der Männer und Frauen‘

    Armenii pharetrati

    c. 24

    23,8

    23,7h

    23,7f 23,7g

    23,7e

    23,7b 23,7c 23,7d

    23,7a

    23,6g

    Von den pallia der Männer pallium clamis fibula fibulum, subligaculum toga

    4,98 4,99 4,100 4,100 4,101

    9,4

    lachen ‚Umhang‘ mantel ‚Umhang, Mantel‘ nuskil ‚Spange‘ rinka [ringa] ‚Spange‘ furspan ‚Spange‘

    136 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    ‚Lacerna‘ ‚Mantel‘ ‚verzierte Toga‘

    lacerna f.

    mantum n.

    praetexta f.

    24,14b

    24,15

    24,16

    pretexta puerile pallium ‚Knabentoga‘ toga pretexta ‚Toga von Philosophen im Senat‘ 4,105

    mantum

    lacerna

    penula

    4,113

    4,112

    4,112

    4,111

    sagum

    ‚Paenula, Umhang‘

    4,110

    4,110

    p(a)enula f.

    ‚Soldatenumhang, Decke‘

    ‚„doppelter“ Umhang‘

    24,14a

    24,10

    sagum n.

    paludamentum

    24,12

    4,103

    trabea

    diplois

    ‚Feldherrnumhang‘

    paludamentum n.

    24,9

    4,106

    togipurium ‚unverzierte Toga‘

    4,108

    diplois f.

    ‚Trabea‘

    trabea f.

    24,8

    toga nigra ‚schwarze Toga‘

    4,107

    24,11

    ‚Gabinische Gürtung‘

    cinctus Gabinus m.

    24,7

    toga candida

    4,104

    toga palmata

    ciclas, rotundum pallium ‚Schleier oder rund geschnittenes männliches Kleidungsstück‘

    ‚weiße Toga‘

    toga candida f.

    24,6

    4,103

    circumtextum n., cyclas (gr.) ‚Kleidungsstück mit 4,109 f. umlaufender Randverzierung‘

    ‚Triumphtoga‘

    toga palmata f.

    24,5

    kozzo ‚wollener Mantel, Umhang‘

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    137

    5,121

    ‚Umhang von Königinnen‘ ‚Umhang‘ ‚Umhang‘ ‚Stola‘

    regillum n.

    peplum n.

    palla f.

    stola f.

    25,1a

    25,1b

    25,2

    25,3

    5,123

    5,122

    5,122

    9,5

    Von den pallea der Frauen

    stola

    palla

    peplum

    regillum

    Von den pallea der Frauen

    hˇobitlachen, gotewebbi ‚Prachtumhang‘

    lesun [lesa sg.] ‚Gewand‘

    lisinna

    4,119

    ora

    halstu˚ch ‚Halstuch‘

    collarium

    4,119

    s. 10,201

    hˇobitloch ‚Gesichtsausschnitt der Kapuze‘

    capitium

    4,119

    c. 25

    ‚Rand, Saum‘

    zatun, zotun [zata, zota sg.] ‚Quasten, Zotteln‘

    melotes, pera fimbria

    4,118 4,111

    ora f.

    ‚Quaste, Schaufaden; Franse‘

    24,20b

    24,20a vgl. fimbria f. 27,4

    ‚Tasche aus Ziegenfell‘ 4,116

    melotes f. oder pera f.

    kamb ‚Helmbusch‘

    crista

    4,116

    24,19

    kappa ‚Kapuzenumhang‘ kozzo ‚Kapuzenumhang‘

    birrum

    ‚Umhang‘

    birrus m.

    24,18

    4,115

    ‚Kapuze, Kukulle‘

    cuculla f., cucullus m.

    24,17b

    s. 1,26

    ‚Kasel, Planeta‘

    casula f., planeta f.

    24,17a

    138 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    galnapis f. fulcrum n.

    reclinatorium n.

    26,2b 26,3a

    26,3b

    ‚Umwurf aus Leinen‘

    anaboladium n., sindon f.

    25,7

    ‚Bettzeug (allgemein)‘ ‚Tagesdecke‘ ‚Decke aus gewalktem Tuch‘ ‚Zudecke, Laken‘ ‚Rücken- und Seitenlehne‘ ‚Rücken- und Seitenlehne‘

    ‚Umhang‘

    theristrum n.

    25,6

    26,1a 26,1b 26,2a

    ‚kleiner Umhang‘

    amiculum n.

    25,5

    Von den Decken und den übrigen gebräuchlichen Textilien stratus m. stragulum n. ludix, lodix f.

    ‚Mafortium‘

    mavors m.

    25,4b

    c. 26

    ‚Umschlagtuch‘

    ricinium, recinium n.

    25,4a

    6,139

    6,138

    6,134 6,134 6,136

    9,6

    5, 130 f.

    5,128

    5,128

    5,126

    5,125

    stratorium, lectisternium: ‚Lagerstatt‘

    fulcrum

    Von den Decken und den übrigen gebräuchlichen [Textilien] stratus stragulum ludix

    anaboladium, sindon

    theristrum

    amiculum

    mavors

    ricinium

    vehlachhen ‚bunte Decke‘

    linz ‚Schleier‘ risa ‚Schleier‘

    ruelin [rockilîn] ‚kurzer Umhang‘ ruhela [rockila] ‚kurzer Umhang‘ ruchilinc [rockiling] ‚kurzer Umhang‘

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    139

    tappetum n.

    26,5a

    ‚ Teppich, Wandbehang, Unterlage im Zeltlager‘

    ‚Federkissen‘ ‚kleineres Kissen‘ ‚Kissen aus besonders edlem Material und mit aufwendigem Muster‘ ‚Polster, Matratze‘ 6,142

    6,139

    6,140 6,141 6,141

    mantele n., mantelium n.

    mappa f.

    26,6a

    26,6b

    ‚Tischdecke, Handtuch‘ ‚kleines Tuch, Serviette‘

    6,147

    6,145

    6,144

    sipla [psila] tappeta n. pl. (mit einseitigem Flor) 6,143 anphitapos [amphitapos] m. (mit beidseitigem Flor) 6,143 6,144

    culcita f.

    26,4d

    26,5b 26,5c

    cervicale n. pulvillus m. pulvinar n.

    26,4a 26,4b 26,4c

    mappa

    mantelium

    plumatium

    simpla tapetia amphitappa capital

    tapetum

    culcitrum

    cervical pulvillus pulvinar

    phulwo, phulwo [pfuluwo] ‚Kissen, Kopfkissen‘ phului [pfuluwîn] ‚Kissen, Kopfkissen‘ wankussin, wankussi [wangkussîn] ‚Kopfkissen‘ hanttu˚ch ‚Handtuch‘

    federbetti ‚Federbett, Federpolster‘ teppit [teppid] ‚Teppich, Wandteppich‘ tebich [teppich] ‚Teppich, Wandteppich‘

    kussin, kussi ‚Kissen‘

    140 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    ‚Handtuch‘

    ‚Vorhang‘ ‚großer, mit Gold verzierter Behang‘

    manitergium n.

    velum n.

    auleum n., aulea f.

    26,7c

    26,8a

    26,8b

    6,154

    6,153

    6,149 f.

    aula

    velum

    manutergium

    facetergium

    gimalot umbihange ‚an die Wand gemalter Vorhang‘

    umbihange ‚Vorhang‘

    twehela [dwahila] ‚Taschentuch, Handtuch‘ tuahil [tuohhila] ‚Taschentuch, Handtuch‘

    twehela [dwahila] ‚Taschentuch, Handtuch‘ tuahil [tuohhila] ‚Taschentuch, Handtuch‘

    deckilachen ‚Bettdecke‘

    coopertorium

    6,152

    faci(s)tergium n.

    zussa ‚grobe Wolldecke, wollener Überzug‘ koz ‚grobe Wolldecke, wollener Überzug‘

    lena

    6,151

    26,7b

    ziecha ‚Bettbezug‘

    zomentum

    6,151

    ‚Tuch, aus Leinen oder Baumwolle‘ ‚Handtuch‘ 6,149

    lilachen ‚Leintuch‘

    torale, linteamen

    6,151

    sabanum n.

    tisclachen ‚Tischtuch‘

    mensale

    6,149

    26,7a

    ‚Polsterabdeckung‘

    hantilla, hantwela [hantdwahila] ‚Serviette‘

    mappula

    6,148

    torale n.

    mapella, mappella, mappula ‚Tüchlein‘ f.

    26,6d

    26,6c

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    141

    vellus

    7,160 7,160

    ‚Polstermaterial‘ ‚Hanf‘ ‚Leinen, Baumwolle, Muschelseide‘ ‚Biberwolle; Quaste‘ ‚Spinnenseide‘ ‚Seidenwurm, hier der Pachypasa otus Drury‘ ‚Seide von den Serern‘ ‚nicht haspelbare Seide‘

    lana f.

    linum n. stuppa f.

    tomentum n. cannabum n., cannabis f.

    byssum n., byssus f.

    fibrinum n.

    aranea f. bombyx m.

    sericum n. placium n.

    27,1a

    27,1b 27,2

    27,3a 27,3b

    27,4a

    27,4b

    27,4c 27,5a

    27,5b 27,5c

    ‚Leinen‘ ‚Werg, ungeglättetes Leinen‘

    ‚Wolle‘

    Von der wollenen Kleidung lana

    9,7

    Von den Wollarten

    7,167

    7,166

    7,165

    7,164 7,165

    7,162 7,162

    aranea

    fibricium

    byssum

    tumetum canapum

    linum stuppa

    cilicium, psiatium

    c. 27

    6,153

    ‚Ziegenhaardecke‘

    cilicium n.

    cortina

    26,10

    6,156

    ‚Behang‘

    cortina f.

    26,9

    bokkerat ‚Batist‘

    hanf ‚Hanf‘

    flahs ‚Flachs‘ awirki ‚Werg‘

    scappere, scebbere, scaper, skeper [scâppâri] ‚Schaffell, Vlies‘

    wolla ‚Wolle‘

    umbihange ‚Vorhang, Wandteppich‘ ruggelachen ‚Tuch zwischen Wand und Rücken, Rückendecke‘ harra, hera [hâra] ‚Ziegenfell als Decke‘

    142 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    ‚eisenfarbener Purpur, 9,192 schwarzgrauer Purpur‘

    ferrugo f., purpura subnigra f.

    elbidum n. luteus adj.

    croceus adj. menum n. masticinum n. blatteum n. blabum n. mesticium n. osticium (usticium) n.

    28,7b 28,7c 28,8a

    28,8b 28,c 28,d 28,e 28,f 28,g 28,9

    28,7a

    28,6

    ‚rötlich-gelber Purpur‘ ‚hell-, blassfarbig purpurn‘ ‚safranfarben purpurn‘ ‚Schwarz‘ ‚Mastixfarbe?‘ ‚blutroter Purpur‘ ‚Blaupurpur‘ ‚Mischung‘ ‚Schwarz-Rot‘

    ‚Sandixfarbe‘, wie flammeus

    glaucus, ferrugineus subniger ‚graublau purpurn‘ adj. ‚blau purpurn‘

    ‚Purpur‘

    purpura f.

    28,5

    croceus

    osticium 9,197

    albus elbum luteus color, rubicundus

    9,196

    9,194 9,195 9, 196

    sandicium vel persicum

    iacinctus

    9,193 9,194

    glaucus, ferrugineus subniger

    ferrugo, purpura subnigra

    conchilium ‚Tuch, mit Purpur gefärbt‘ purpura

    Von den Farben der Kleider tinctura coccum Greci

    9,193

    9,191

    9,189

    9,188 9, 188

    ‚Schneckenpurpur‘

    ‚Färben‘ ‚Kermesrot‘

    28,2–4

    28,1a 28,1b

    SH 9,9

    Von den Farben der Kleider tinctura f. coccum n., rubrum n., vermiculum n. conchylium n., ostrum n.

    c. 28

    gru˚niphellol, gru˚nphelle ‚grünes Tuch‘ weitinphellol, weitinphel ‚blaues Tuch‘ ‚wollweiß‘

    brunphellol, brunphelle ‚purpurfarbenes Tuch‘ svarzphellol, svarzphelle ‚dunkelgraues, schwarzes Purpurtuch‘

    rotphellol, rotphelle ‚rotes Tuch‘

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    143

    pecten m.

    colum n., colus f.

    fusum n., fusus m. alibrum, alabrum n.

    calatum n., calathus m. oder quasillus m., quasillum n. pensum n.

    netum n., netus m.

    filum n.

    29,1e

    29,2a

    29,2b 29,2c

    29,3

    29,4a

    29,4b

    29,5

    ‚das Gesponnene, das Gezwirnte, das Gewirkte‘ ‚Faser, Faden‘

    ‚Tagesarbeit‘

    ‚Spindel‘ ‚Garnhaspel, Weife, Winde‘ ‚Wollkorb‘

    8,179

    8,178

    8,177

    8,176

    8,174 8,175

    8,173

    8,172

    8,172

    radius m.

    29,1d

    ‚Wirknadel, Wirkspindel‘ ‚Rietblatt, Weberkamm‘ ‚Rocken‘

    8,171 8,171

    8,170

    9,8

    29,1b 29,1c

    Über das Werkzeug [zur Herstellung] von Kleidung [vestes] tela f.

    ‚aufgezogene Kette, Gewebe‘ telaria f. ‚Webstuhl‘ insubulus m., insubulum n. ‚Litzenstab, Schaft‘

    29,1a

    c. 29

    filum

    netum, netula

    pensum

    calatus

    fusum alibrum

    colum

    pecten

    radius

    telaria insubulus

    Über das Werkzeug [zur Herstellung] von Kleidung [vestes] tela

    fadema [fadum] ‚Garn, Faden‘

    wichelin, wieklin [wickilîn] ‚zugewogene Wollmenge‘ haspil ‚Haspel‘

    kunkula [konakla], ‚Spinnrocken, Kunkel‘ rocko ‚Spinnrocken, Kunkel‘ spinnila ‚Spindel‘ wirtin, haspel ‚Spinnwirtel; Haspel‘ ceinna [zeina] ‚geflochtener Korb‘

    weppiboum ‚Weberbaum‘ weppigerta ‚Schaft am Webstuhl‘ ragin, raden [raha] ‚Wirkspindel‘ kambe [kamb] ‚Weberkamm‘

    weppe [webbi] ‚Gewebe‘

    144 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    ‚anzetteln‘

    licium n.

    ordire, ordiri v.tr.

    texere v.tr.

    29,7e

    29,7f

    29,7g

    corona f. corolla f. stephane f. corona aurea

    ‚Litze, Schlaufe‘

    trama f.

    29,7c

    30,1a 30,1b 30,1c

    ‚Schuss, Eintrag‘

    stamen n.

    29,7b

    Vom Schmuck [ornamenta]

    ‚Spule‘ ‚Kette‘

    panulia f.

    29,7a

    c. 30

    ‚Knäuel‘

    lubellum n.

    29,6b

    ‚Kranz, Krone‘ ‚kleiner Kranz‘ ‚Kranz, Krone‘ ‚goldene Krone‘ (in 30,1a behandelt)

    ‚weben, herstellen textiler Flächen‘

    ‚Matassenseide‘

    mataxa, metaxa f.

    29,6a

    Vom Schmuck (Zusammenfassung von Isid. c. 30 und 31)

    harliua [harlufa] ‚Litze, Flachsfaden‘

    lienvenis

    8,186

    9,11

    mittel ‚Weberschaft‘

    vizza [fizza] ‚Litze, Schlaufe‘

    spulin ‚Einschlag beim Gewebe‘ wefel ‚Einschlag beim Gewebe‘

    warf ‚Gewebeaufzug‘

    clvwelin, klˇovilin, klungilin [kliuwilîn] ‚kleines Knäuel‘ spu˚lun ‚Spule‘

    meidimsporo ‚gedrehter Seidenfaden‘

    liciatorium

    licium

    trama subtemen

    stamen

    panulia

    globellum

    mataxa

    8,186

    8,185

    8,184

    8,183

    8,183

    8,182

    8,181

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    145

    ‚Spitze eines Priesterhuts, Helmspitze‘ ‚Kopfbedeckung‘ ‚Helm, Kappe‘ ‚Diadem‘ ‚Vitta‘ ‚Kopfbedeckung‘

    ‚Diadem‘ ‚Stirnband, Ausstrahlung, Heiligenschein‘

    apex m.

    pilleum n., pilleus m. galer(i)um n., galea f. diadema n. vitta f.

    cidaris f., mitra f.

    Vom Kopfputz der Frauen [ornamenta capitis]

    diadema n.

    nimbus m.

    30,3e

    30,3f 30, 3g 30,4a 30,4b

    30,6

    c. 31

    31,1

    31,2

    ‚Tiara‘ ‚Kranz der Athener‘ ‚Inful‘

    tiara f. cicada f. infula f.

    30,3b 30,3c 30,3d

    11,212

    11,211

    11,211

    11,211 11,217 11,2 21

    11,217

    11,216

    11,216

    hu˚t [huot] ‚Mütze, Hut‘

    nimbus

    diadema ornatus capitis

    goltbant ‚goldenes Stirnband, Nimbus‘

    cranz [kranz] ‚Kranz‘ corona [korôna] ‚Krone‘

    supparum ‚Schleier (unter witidi, witti ‚langer Schleier, dem Diadem)‘ Überwurf‘ lesa ‚Gewand‘ aftirhemidi ‚Obergewand‘

    diadema vitta

    pilleum

    infula fasciola sacerdotalis ‚Kopfbedeckung der heidnischen Priester‘ apex

    146 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    ‚kleines Kopftuch‘ ‚Band‘ ‚Band‘ ‚Haarnetz‘ ‚Band am Haaransatz, Unterband‘ ‚Löckchen‘ ‚Haarnadel‘ ‚Ohrring, Ohrgehänge‘ 11,226 ‚Halsschmuck‘ ‚Amulettkapsel‘

    ricula f.

    vitta f.

    taenia f.

    retiolum n.

    discriminale n.

    antia f.

    acus m.

    inauris f.

    torquis f.

    bulla f.

    31,5b

    31,6a

    31,6b

    31,7

    31,8a

    31,8b

    31,9

    31,10

    31,11a

    31,11b

    ‚Band zur Befestigung der Kopfbedeckung‘

    redimiculum n.

    31,5a

    11,225

    11,227

    11,235

    11,224

    11,223

    11,221

    11,221

    bulla

    torquis

    inauris

    acus

    ancia

    discriminale

    reticulum

    tenea

    vitta

    nusculin, nuschiliu [nuskilîn] ‚Amulett‘

    halsbˇoga [halsboug] ‚Halskette‘

    orringe [ôrring] ‚Ohrring‘ orgolt ‚goldenes Ohrgehänge‘

    nadela ‚Nadel‘

    zophe [zopf sg.] ‚Zopf ?‘

    vnderbant ‚Unterband, Haarbinde, Haarband‘

    harsnvr [hârsnuor] ‚Haarband‘ harnezze ‚Haarnetz‘

    binda ‚Band, Binde‘

    harsnu˚r [hârsnuor] ‚Haarband‘

    decerniculum

    11,220 11,220

    ‚Mitra‘

    hu˚tilsnuor [huotsnuor] ‚Hutband‘ hvtelinessnvr [huotilînessnuor] ‚Hutband‘

    hu˚t [huot] ‚Mütze, Hut‘

    ricula

    redimiculum

    pilleum

    mitra

    capita

    11,220

    11,219

    11,217

    ‚Kopfbedeckung‘

    pilleum n.

    31,4b

    11,218

    11,214

    ‚Mitra, Stirnbinde, phrygische Mütze, Turban‘

    ‚Kapuze‘

    mitra f.

    capitulum n., capitulare n., cappa f.

    31,4a

    31,3

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    147

    ‚Armband‘

    ‚Spiegel‘

    ‚Beinschmuck‘

    armilla f.

    virilia n. pl.

    circulus m.

    fibula f.

    lunula f.

    speculum n.

    periscelis f.

    31,16b

    31,16c

    31,16d

    31,17a

    31,17b

    31,18

    31,19a

    ‚mondförmiges Schmuckstück, Abzeichen‘

    ‚Fibel‘

    ‚kreisförmiges Schmuckornament‘

    ‚männlicher Armschmuck‘

    ‚Ornament „Hände“‘

    ‚Halskette‘

    dextra f., dextrale n.

    munile n., monile n., segmentum n., murenula f., catella f., catenula f.

    31,16a

    31,12–15

    aurifrigium 11,236

    goltborto ‚Goldborte, Goldband‘

    buchgurtil, buchgurtila, ‚Hosengürtel‘ brvchgurtil [bruohgurtil] ‚Hosengürtel‘

    ventrale 11,234

    periscelis : armilla crurum

    spenela ‚Spange‘

    spinter ‚Spange; Frauenarmband für den linken Arm‘

    11,234

    11,236

    spiegel ‚Spiegel‘

    insigili ‚mondförmiges graviertes Schmuckstück‘

    bˇoga [bouga] ‚Armring‘

    armbˇoga [armboug] ‚Armreif‘

    halsgolt ‚goldenes Halsband‘ ketinlin, ketinliu ‚Kettchen‘

    speculum

    lunula

    circulus

    armilla

    dextrale

    monile catella, catenula

    11,233

    11,230

    11,227

    11,232

    11,231

    11,228

    148 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    32,6

    32,5b

    32,5a

    32,1–2

    c. 32 32,1

    31,19b

    22,5a

    halftra ‚Umgürtung (vergleichbar einem Gewehrhalfter); Riemen‘

    succinctorium, brachiale

    12,247

    12,246

    12,244

    tinnius

    samotracius

    ungulus

    Von den Fingerringen circulus anulus fingerlin, fingirliu ‚Fingerring‘ sigillum

    stoz ‚Kopfbedeckung, Kappe‘ bal, ballo ‚Kopfbedeckung, Kappe‘

    pila

    11,240

    9,12 12,242 12,242 12,244

    boppa [puppa] ‚Kopfbedeckung, Docke‘ tocco (tocko) ‚Kopfbedeckung, Docke‘

    pupa

    olfactoriolum

    hantwinc/hentewinc [hantdwing] ‚Armband; Borte am Handgelenk‘ hantwinga [hantdwinga] ‚Armband; Borte am Handgelenk‘

    cirostringa

    11,239

    ‚Salb- und Parfümgefäß‘ 11,238

    Von den Fingerringen circulus m. ‚Ring‘ anus m., anulus m. ‚Fingerring‘ sigillum n., insigne n. ‚Ring als Erkennungszeichen‘ ungulus m. ‚Ring mit gefassten Edelsteinen‘ Samothracius m. ‚goldener Ring mit Eiseneinlage‘ Thynius m. ,Ring mit Ziselierung‘ ?

    olfactoriolum n.

    11,237

    11,236

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    149

    ‚schmalerer Gürtel‘ ‚Gürtel‘

    ‚Kopfbinde, Busenband‘ 13,254 ‚Schärpe‘

    ‚Gürtelschließe‘ ‚besondere kultische gefibelte Kopfbekleidung‘ ‚besondere kultische gefibelte Kopfbekleidung‘

    ‚Band‘

    cingulum n.

    balteum n., balteus m.

    strophium n.

    limus m.

    caltulum n.

    fibula f.

    subfibulum n.

    subligaculum n.

    redimiculum n., subcincto- ‚Umgürtung‘ rium n., bracile n., bracilis f. ‚Armband, Taillengürtel‘

    semicinctium n.

    brac[h]ialis f.

    fascia f.

    33, 1c

    33, 1d

    33,2

    33,3

    33,4a

    33,4b

    33,4c

    33,4d

    33,4e

    33,5a

    33,5b

    33,6a

    ‚Gürtel, mit dem ein Kleid unter der Brust gegürtet wird‘

    ‚Gürtel der Soldaten, Priestergürtel‘

    ‚Gürtel‘

    zona f.

    33,1b

    13,256

    13,255

    13,254

    13,251

    13,251

    13,253

    ‚Umgürtung, Gürtel‘

    cinctus m.

    33,1a

    9,13

    Von den Gürteln

    c. 33

    bracile ‚Hüftgürtel‘

    caltolum

    limus

    strophium

    balteum

    cingulum

    zona

    Von den Gürteln

    balderich, belderich ‚Gürtel, Wehrgehenk‘

    150 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    ‚Vitta‘ ‚Randborte‘

    vitta f.

    limbus m.

    33,7

    33,8

    s. 22,18b

    33,6b

    19,5,5 33,7

    ‚kleines Band, Binde‘

    fasciola f.

    33,6b

    spartus pitacium

    sudarium culleus ‚Sack‘ prosegmen

    fascialis, fasciola orarium, sudarium

    marsupium

    10,202 10,203 10,203 s. 1,23 10,204 10,204 10,205 s. 2,66 10,206 10,206

    Was in Gebrauch ist conopeum limbus lacinia cirotheca wanti

    9,10 10,200 10,201 10,201 10,201 10,202

    abscrotun [abscrota] ‚abgeschnittenes Stückchen‘ drat ‚Seil‘ blezzo, plez [blezzo, blez] ‚Flicken (aus Leder oder Textilie)‘ klebetu˚ch [klebatuoh], cleibetu˚ch [kleibetuoh] ‚Flicken (aus Leder oder Textilie)‘

    mugkunnezzi ‚Mückenetz‘ lista ‚Borte‘ soum ‚Saum‘ hantscu˚ch ‚Handschuh‘ fustilinga [fûstiling sg.] ‚Fausthandschuh‘ sekkil ‚Geldbeutel‘ phoso [pfoso] ‚Geldbeutel‘ windinc [winting] ‚Binde‘ ougfano ‚Gesichtstuch, Taschentuch‘ sweiztu˚ch ‚Schweißtuch‘

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    151

    ‚Leisten aus Holz‘

    caligarius m.

    calopous m. (gr.)

    34,2a

    34,2b

    ‚Sandale, Fußbekleidung der griechischen Tracht, der Etrusker, Soldatenschuh‘ ‚Schuh für das Forum‘ ‚Beinschiene‘

    ‚Kothurn‘ ‚Sandale der Komödianten‘ ‚Schuhwerk aus Holz‘

    crepida f.

    calceus m.

    ocrea f.

    cot(h)urnus m.

    bax(e)a f.

    calo m.

    34,3a

    34,3b

    34,5a

    34,5b

    34,6a

    34,6b

    calciamentum, calceamentum ‚Schuhwerk‘ n.

    ‚Schumacher‘

    sutor m.

    34,1

    34,2c

    ‚Schuhmacher‘

    Vom Schuhwerk

    c. 34

    14,267

    14,266

    14,265

    14,264

    14,261

    14,260

    14,260

    14,259

    9,14

    calo

    braxea

    coturnus

    ocrea

    calceus

    crepida

    calciamentum

    calciarius

    Vom Schuhwerk

    calumna (gr.) ‚Abdecktuch für liturgische Geräte‘ retedipium ‚Serviertuch‘

    10,208

    10,208

    pitaciolum

    10,207

    ‚Komödiantenschuh‘

    ledirhosun [ledarhosa] ‚Ledergamasche‘ beinberga ‚Gamasche‘

    giscu˚he [giscuohi] ‚Schuhwerk‘

    plezelin [blezzilîn]‚Flicken, kleines Stück‘

    152 Malte-Ludolf Babin, Mechthild Müller, Jörg Riecke

    ‚Schuhwerk (auch der Langobarden)‘ ‚Mulleus, roter Schuh‘ ‚Riemensandale, Sohle‘ 14,272 ‚Soccus‘ ‚kleiner Soccus‘

    ‚Schuh für Gaukler, Ballettschuh‘ ‚zungenförmig‘ ‚genagelt‘ ‚Pero‘ ‚Holzschuh‘ ‚flacher Frauenschuh‘ ‚Schuhriemen‘

    osa f.

    mulleus m.

    solea f.

    soccus m.

    socellus m.

    callicula f.

    caliga f.

    cernuus soccus m.

    lingulatus adj.

    clavatus adj.

    pero m.

    sculponea f.

    baxea f.

    corrigia f.

    34,9

    34,10

    34,11

    34,12a

    34,12b

    34,12c

    34,12d

    34,13a

    34,13b

    34,13c

    34,13d

    34,13e

    34,13f

    34,13g

    14,277

    14,277

    14,276

    14,276

    14,275

    ‚Fußbekleidung der 14,275 Soldaten und Mönche‘

    ‚Fußbekleidung für 14,275 Kinder, leichtes Schuhwerk‘

    14,274

    14,274

    14,271

    14,269

    14,270

    ‚Riemensandale‘

    obstrigillus m.

    34,8

    14,268 14,268 f.

    ‚Soccus, bis zu den Knöcheln reichend‘

    subtolaris, subtalaris calceus ‚Soccus, bis unter die m. Knöchel reichend‘

    talaris calceus m.

    34,7b

    34,7a

    corrigia

    baxea

    culponia

    pero

    clavatus

    cernuus soccus

    caliga

    caligula

    soccellus

    soccus

    solea

    mulleus

    osa

    obstringillus

    subtelaris, subtalaris

    talaris

    hosun [hosa] ‚Stiefel, lange Beinbekleidung‘

    solen [sola] ‚Sandale‘

    Die Transformation lateinischen Bildungswissens in die Volkssprachen

    153

    154

    Die Erfindung der Wollearbeit

    155

    Ergänzender Kommentar zu Isidors gesammelten Angaben Mechthild Müller

    c. 20 Die Erfindung der Wollearbeit Es kommt nicht allzu häufig vor, dass Minerva explizit als Erfinderin der Textilarbeit genannt wird. Ovid rät allen, sich Pallas Athene/Minerva geneigt zu machen, besonders an ihrem Fest am 19. März, und zählt die einzelnen Handwerke und Berufe auf, bei denen es wichtig ist, auf ihr Wohlwollen zu setzen1. Für Isidor war Minerva eine besonders begabte Frau aus der Frühzeit der Menschheitsgeschichte, die aufgrund ihrer Fähigkeiten als Göttin verehrt worden sei. Die literarisch vielleicht wertvollste Quelle für die Möglichkeiten des Musterwebens um die Zeitenwende stammt ebenfalls von Ovid. In Buch 6 seiner Metamorphosen beschreibt er den Wettstreit zwischen Pallas Athene bzw. Minerva und der berühmten lydischen Weberin Arachne, der „Tochter kleiner Leute“. Deren Kunst in der Bildwirkerei ist so groß, dass sie sich nicht vor einem öffentlichen Wettstreit mit der Kunst der Göttin scheut. Ausführlich werden die Bildgeschichten erläutert, die die beiden Künstlerinnen im Einzelnen ausführen, nachdem sie zum besseren Arbeiten zu Beginn die Kleider unter dem Busen hochgebunden haben. Zunächst wird die Wolle vorbereitet und gesponnen, dann werden die Kettfäden mit dem Webbaum verbunden; die Kette teilen sie mit Hilfe des runden Trennstabes, hier ein Rohr, arundo. Mit Hilfe von spitzen Wirknadeln oder kleinen Schiffchen, radii, von denen die Finger die Fäden abwickeln, wird der Einschlag durch die Grundfäden, stamina, geschoben. Der Anschlag geschieht mit Hilfe der ausgeschnittenen Zähne eines durchstoßenen Kammes. Sowohl Purpur, der „den Färberkessel in Tyros geschmeckt hat“, als auch „tausend“ andere verschiedene Farben und biegsames Gold werden unter die Kettfäden geschoben und verwebt zu Landschaften und Geschichten aus der griechischen Sagenwelt. Von beiden Frauen sagt Ovid, dass sie ihre Bilder je1

    Ov. fast. 3, 809–848, bes. 817–822.

    156

    Mechthild Müller, Kommentar

    weils in feiner Schattierung „mit fast unmerklichen Übergängen“ arbeiten, um z. B. den Himmel zu gestalten. Arachne „webt Europa, wie sie sich vom Trugbild eines Stiers täuschen lässt. Man könnte glauben, einen wirklichen Stier, ein wirkliches Meer zu sehen“. In die Ecken webt Minerva Bildchen, sigilla. Auch die äußere Kante erhält kunstvolle Muster: bei Arachne sind es eingewebte Blumen, „mit Efeuranken verflochten“; Minerva webt in die äußersten Ränder, orae, friedenbringende Ölzweige. Aus dem Wettstreit geht Arachne in fachlicher wie in künstlerischer Hinsicht als Siegerin hervor. Die deshalb überaus zornige Minerva schlägt sie mehrfach mit der Wirknadel aus Buchsbaumholz und verwandelt sie in eine Spinne. „Ganz Lydien tuschelt darüber, auch durch Phrygiens Städte eilt die Kunde von dem Geschehen und erfüllt mit Gerüchten den gewaltigen Erdkreis“. Viele Berichte erzählen von berühmten Hausherrinnen, die sich besonders gut auf die Webkünste verstanden. Ovids Erzählung zeigt jedoch, dass es richtig war, Sklaven und Sklavinnen davor zu warnen, laut zu äußern, ihre Webkünste seien besser als die der Herrin2. Diese Art Bildwirkerei hat es tatsächlich gegeben, sonst wäre das Gedicht Ovids nicht verstanden worden. Ein weiteres Beispiel für die Webkunst der Minerva findet sich in den Carmina des Apollinaris Sidonius. In ihrer Weberei hängt die schwerseidene, schimmernde Palla des Jupiter. Ihr Purpur leuchtet besondes durch den Glanz der sidonischen Doppelfärbung von Kette und Schuss in changierenden Rottönen3. Augustinus hat eine zwiespältige Sicht auf Pallas Athene/Minerva tradiert. Als die Stadt Athen nach ihr benannt wurde, geschah das zum großen Ärger von Neptun. Den Ausschlag zur Wahl des Namens gaben die Frauen, während die Männer für Neptun stimmten. Als daraufhin Neptun zur Strafe mit einer großen Flut die Stadt verheerte, bestrafte man die Frauen, die eine Vielzahl ihrer Rechte verloren, und damit wurden nicht nur die Frauen, sondern auch Minerva besiegt4. Nicht alle Autoren waren der Ansicht, dass die Textilarbeit eine hohe Kunst sei. Ein Lehrgedicht über die Anfänge der Webkunst entsprach wohl eher der herrschenden Ansicht. Es handelt sich um einen Abschnitt des Lukrez „Über die Natur“5.

    2 3

    4 5

    Ov. met. 6, 1–147, S. 264–273. Sidon. carm. 15, 126–134: At parte ex alia textrino prima Minervae/ palla Iovis rutilat, cuius bis coctus aeno/ serica Sidonius fucabat stamina murex./ ebria nec solum spirat conchylia sandix;/ insertum nam fulgur habet, filoque rigenti/ ardebat gravidum de fragmine fulminis ostrum. Aug. civ. erzählt Varro nach: 18, 9, S. 306. Lucr. 5, 1350–1360.

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    „Kleider wurden geflochten, bevor es gewebtes Gewand gab. Weben entstand nach dem Eisen, da Eisen zum Weben gebraucht wird. Anders kann man nicht so glatte Geräte gewinnen: Spulen und Spindeln und Wirknadeln und die tönenden Schäfte6. Wolle zu spinnen hat Männer zuerst gelehrt die Natur, Dann erst das Frauengeschlecht; denn weit überlegen im Handwerk Ist überhaupt das Männergeschlecht und um vieles geschickter; Doch die Bauern, die streng das Geschäft für schimpflich erklärten, Wollten aus diesem Grunde in weiblichen Händen es wissen, Um selbst härteres Werk mit der Hand zu verrichten“.

    c. 21 Die Priesterkleidung nach dem mosaischen Gesetz A. batin, feminalia, bracae (Isid. 8) B. poderis, camisia (1) C. abanet, cingulum (2) D. pilleum (3) E mahil, tunica talaris, F. ephod, ephot, palleolum, superhumerale (5) G. logium, rationale (6) H (tiara, cidaris, mitra) petalum (7) Zusatzinformationen: Material und Farbe; Kleidersymbolik Isidor beginnt seine Ausführungen über die Kleidungsstücke der Priester und des Hohenpriesters im Jerusalemer Tempel mit einer knappen Übersicht. Unsere wichtigste Quelle ist der Brief des Hieronymus an Fabiola7, sie wird ergänzt durch weitere Hinweise von ihm selbst und von anderen Interpreten. Die vier Kleidungsstücke der Priester A. batin, feminalia, bracae Priesterhosen Hieronymus erwähnt die Hosen, hebräisch machnase, die „unsere Leute“ als feminalia oder bracae bezeichnen, als erstes Kleidungsstück der Priester. Sie wurden unter dem Nabel straff zusammengezogen, reichten vorn bis zum Knie und hinten bis in die Kniekehlen. So waren die Priester vor Blicken auf ihre Schamteile geschützt. Dies war wichtig, denn die in Sprangtechnik gearbeitete Tunika konnte bei starken Bewegungsabläufen wie dem Op6

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    Z. 1353: insilia ac fusi, radii, scapique sonantes; es kann sich bei den Schäften auch um Anschlagstäbe und Litzenstäbe handeln. Hier. epist. 64, bes.c.10–17.

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    fern, durch ihr Netzwerk Körperformen preisgeben. Hieronymus zitiert Josephus, demzufolge ein feiner Leinenfaden, byssus, verzwirnt verwebt wurde, um das Material zu verstärken. Das Tuch wurde anschließend zugeschnitten und mit der Nadel genäht, denn die Hosen, so Hieronymus nach Josephus, könnten in dieser Form nicht auf dem Webstuhl gemacht werden8. B. poderis, camisia Priesertunika, Tafel 16 Als zweites Kleidungsstück wird von Hieronymus die enganliegende, lange, leinene Tunika, auch als poderis, hebr. ketoneth, gr. chiton bezeichnet9. Sie wurde, wie Josephus schreibt, als Gewebe aus doppelt (gedrehtem?) byssinischem Sindon10 gemacht und reichte bis zu den Knöcheln11. Dem Bericht des Pentateuch zufolge wurde der Tunikastoff in einer Weise gearbeitet, die Anlass zu vielfältigen Interpretationen gegeben hat. Moses Mendelssohn übersetzt: „Den Leibrock machst du durchwirkt mit Leinen“. Wohlgemuth und Bleichrode schreiben: „Und den Rock sollst du würfelförmig aus Byssus weben“. Bei Buber und Rosenzweig heißt es: „Flechtmustre den Leibrock in Byssus“12. Augustinus berichtet von der Tunika mit corymbae, er be8

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    Hier. epist. 64, 10. Damit sind die Hosen keine Wickelhosen, wie M. Buber – F. Rosenzweig (S. 231) meinen, und auch keine „pampersähnlichen“, heutigen Windelhosen gleichenden Schurze, wie Claudia Bender (S. 208) in Anlehnung an ägyptische Vorstellungen annimmt. Ein Beispiel aus dem 19. Jh. von Fr. Bock (S. 403–404) zeigt, dass im Laufe der Zeit die Angabe, die hohepriesterliche Obertunika sei in einem Stück gewebt, auf alle Kleidungsstücke übertragen wurde. Bock hat deshalb versucht, Webstühle zu entwickeln, auf denen man auch Hosen aus einem Stück gewebt haben könnte. Er schreibt: „[…] um, wie es ausdrücklich in der h. Schrift heisst, die oben besprochenen priesterlichen und hohenpriesterlichen Gewänder ohne Naht und ohne Zuthat irgend einer Nadelarbeit aus einem Stück anzufertigen […]. Schon vor der Zeit des grossen Bibelübersetzers Hieronymus scheint, wie früher schon bemerkt, die Kunst, namentlich im Occidente, ungeübt, ja vollständig unbekannt geworden zu sein, Gewänder ohne Naht anzufertigen, so zwar, dass er in seiner ‚epistola ad Fabiolam‘ auf den Grund hin, dass es nicht anginge, runde Gewänder ohne Naht zu weben, ausdrücklich anführt, die verschiedenen oben beschriebenen Gewänder nach der alten Gesetzordnung seien ein ‚opus acus‘ gewesen, nicht ein ‚opus textoris‘, und zwar stützt sich auch Hieronymus auf dieselbe Ansicht des Josephus, der angibt: ‚foeminalia et ejusmodi alia in tela fieri non posse‘“. Hier. epist. 64, 11. Lat. Jos. ant. 3, 7, 2: lineo indumento duplicis sindonis byssinae vestitur. Jos. ant. 3, 7, 2. M. Mendelssohn Ex 28, 39; J. Wohlgemuth – J. Bleichrode Ex 28, 39; M. Buber – F. Rosenzweig Ex 28, S. 230.

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    tont dabei, dass diese ein Kleiderornament seien13. Hieronymus drückt sich ähnlich aus, wenn er die Tunika kosymbotos nennt14. Der jüdische Gelehrte Maimonides (12. Jh.) gibt an, es handele sich um ein Gewebe, das der Innenansicht des Netzmagens, reticulum, der Wiederkäuer entspricht15. Das bedeutet, das Gewebe ist wie von einem Netz überzogen, wodurch die innenliegenden Felder eingetieft erscheinen. Das reticulum hat sowohl sechseckige als auch quadratische Muster. Franz Bock entscheidet sich in seinem Bericht für die sechseckige Form, während Isidor sich für die quadratische ausspricht, wenn er die tunica laculata (vgl. c. 22, 11a) erwähnt, die ein zusätzliches (kreisförmiges Faden-) Muster innerhalb des Quadrats besitzt. Dazu Malte Babin: „Das betreffende Verbum schabátz kommt in Ex 28, 39 vor und außerdem nur noch einmal in Ex 28, 20 in bezug auf die gefaßten bzw. eingewebten Edelsteine. Deshalb hat man dies gedeutet im Sinne von „zellenförmig weben bzw. wirken“, und daher wohl auch der zweite Bestandteil von Buber/ Rosenzweigs „flechtmustern“. In der Septuaginta fehlt an der entsprechenden Stelle überhaupt das Prädikat“. Ein festes und dauerhaftes Gewebe herzustellen, war wichtig, denn die Tunika sollte eng und faltenlos an Körper und Armen anliegen. Hieronymus ergänzt nicht, wie Josephus es tut, dass man die Ärmel am Unterarm mit Schnüren band16. Die Halsöffnung wurde mit Bändern vorn auf der Brust und hinten am Rücken geschlossen. Lv 8, 6 nennt diese Tunika in der Aufzählung der Kleidungsstücke des Hohenpriesters subucula17. Hieronymus vergleicht die engen Tuniken, die die Priester als Diener Gottes tragen, mit den engen Tuniken der Soldaten, gewöhnlich camisia ge13 14

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    Aug. quaest. hept. 2, Ex. quaest. 114, 1897–1898. Hier. epist. 29, 4, vgl. Hier. in Ezech. 4, 16, 1233 (zu Ez 16,11), wo er corymbi wie auch murenula (vgl. c. 31, 12–15) mit torques, Gedrehtes (vgl. c. 31, 11a), zusammenbringt. Maimonides, hier zitiert nach F. Bock, S. 333: „tunica cum Sacerdotis Magni, tum caeterorum Sacerdotum fundis consita erat; habuit enim multas domos in sua textura, quemadmodum stomachus, quem reticulum dicunt, prout textores facere solent vestes duras“. Die Netzmägen der Wiederkäuer haben vier-bis sechseckige Haubencellen, Cellulae reticuli, die der inneren Oberfläche des Netzmagens ein waben- oder netzartiges Aussehen geben. Jos. ant. 3, 7, 2. Während bei heutigen Ärmelschnitten die Biegung durch den Ellenbogen eingerechnet ist, war das bei früheren Schnitten nicht der Fall. Um die nötige Bewegungsfreiheit zu erreichen, musste mit Keilen unter den Achseln gearbeitet werden, am Unterarm konnte man durch eingelegte Falten die benötigte Nachgiebigkeit erreichen, oder man musste mit Schlitzen und Schnüren arbeiten. Amalar, eccl. off. 22, Sp. 1098 verwechselt die subucula oder Untertunika des Hohenpriesters mit der blauen Obertunika. Dies trug zur Konfusion der Benennungen bei.

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    nannt, in denen man leicht laufen kann. So seien auch die Priester in ihren Tuniken für den Gottesdienst gerüstet, „damit sie die Schönheit von Bekleideten haben, aber mit der Schnelligkeit von Nackten umherlaufen können“18. (Hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Tuniken der Soldaten kurz waren). Da es keine weiteren Hinweise auf die Technik gibt, in der das Gewebe hergestellt wurde, wird die Sprangtechnik zur Diskussion gestellt. Diese Technik, die Hieronymus mit „Gedrehtes“ angibt und die durch texere, Herstellung textiler Flächen, abgedeckt ist, lässt Gewebe zu, die die Kriterien Netzmuster – dauerhaft und haltbar – faltenlos enganliegend – gut beweglich – problemlos erfüllen. Abbildungen zufolge sind Kleidungsstücke in Sprangtechnik von persischen und griechischen Kunstwerken aus der Zeit um 500 v. Chr. bekannt, sie können einfarbig oder vielfarbig nachgearbeitet werden. Zur besseren Erforschung der Sprangtechnik19 hat Dagmar Drinkler beeindruckende Beispiele vorgelegt20. C. abanet, cingulum Gürtel Ein vier Finger breiter, schmaler Gürtel ist der dritte Teil der Ausstattung. Er heißt abaneth, bei den Babyloniern wird er laut Josephus als hemian bezeichnet21, und war geformt wie die abgeworfene Haut einer Schlange, demnach rund gewebt wie eine Börse (marsuppium)22 und hatte eine Breite von vier Fingern23. In ihn sind nach Josephus coccische und purpurne (violette) Blumen eingewirkt, vermischt mit Hyazinth (Blau) und Byssus24. 18 19

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    Hier. epist. 64, 11. D. Drinkler, Eng anliegende Bekleidung, S. 6: „Sprang ist eine Handarbeitstechnik zur Herstellung von Textilien, bei der parallel gespannte Fäden durch Heben und Senken miteinander verdreht, verdrillt, verzwirnt oder verkreuzt werden. Dabei entsteht ein netzartiges elastisch-dehnbares Geflecht. […] Bei der Sprangarbeit […] erfolgt die Flächenbildung ohne ein zweites Fadensystem allein durch die Manipulation, d. h. Verdrehen oder Verkreuzen, der senkrecht gespannten Fäden“. D. Drinkler, Eng anliegende Bekleidung in Antike und Renaissance; dies., Tight-Fitting Clothes in Antiquity. Jos. ant. 3, 7, 2. Der Übers. Thackeray dazu, S. 389, Fn. h: „The Aramaic equivalent used in the Targum, and said to be of Persian origin“. Hier. epist. 64, 12. Dazu A. Stauffer, Die Textilien aus Palmyra, S. 23: „In drei Fällen sind die Köper [die Bindungspunkte werden bei jedem Eintrag von der Kante an verschoben] 2–1 als Schlauchgewebe gewebt, wobei die schmalen Schlauchbänder von 0,8 bis 2,0 cm Breite nicht auf einem Gewichtswebstuhl, sondern auf einem einfacheren, schmaleren Gerät hergestellt sind“. Lat. Jos. ant. 3, 7, 2: in qua flores intexti sunt coccinei et purpurei cum iacincto et bysso commixti. stamen autem eius zonae est solummodo byssus.

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    Hieronymus zufolge ist er gewebt, „aber im Schuss von Coccus, Purpur, Hyazinth und in leinener Kette, des Schmuckes und der Stärke wegen, und so mit polymitischer Kunst bunt geschmückt, dass man glauben möchte, verschiedene Blumen und Edelsteine seien von kunstfertiger Hand nicht gewebt, sondern hinzugefügt“25. Der Gürtel wurde zweimal um die Brust geschlungen, dann gebunden und hing bis zu den Knöcheln herab, so wurde seine Schönheit zum Vorteil des Trägers dargestellt. Während des Opferdienstes schlug man den herabhängenden Teil über die linke Schulter, um bei den Verrichtungen nicht behindert zu werden26. Dem Talmud zufolge war der Gürtel insgesamt 32 Ellen lang27. D. pilleum Kopfbedeckung28 Das vierte Stück, so Hieronymus, ist das runde pilleum, ein pilleolum, das „die Griechen und unsere Leute tiara, andere galerus nennen“29; mitra heißt es in Ex 29, 9 und Lev 8, 13; Origenes bezeichnet es als cidaris30. Es hatte oben keine Spitze31 und bedeckte nicht den ganzen Kopf, sondern ließ etwa ein Drittel von der Stirn ab unbedeckt. Gefertigt war es aus einem gezwirnten Leinenband, das fest zusammengepresst, rund gewunden und wiederholt genäht wurde. Darüber legte man einen Schleier bis zum Vorderkopf, damit man die Nadelstiche nicht erkannte. Es sah nach Hieronymus aus, „wie man es auf der Darstellung des Odysseus“32 sehen kann, und hatte die Form einer Halbkugel, wie die griechische Tiara oder der galerus. Deshalb 25

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    Hier. epist. 64, 12: Textum est autem subtemine cocci, purpurae, hyacinthi et stamine byssino ob decorem et fortitudinem, atque ita polymita arte distinctum ut diversos flores et gemmas artifici manu non textas sed additas arbitreris. Es sei hier an die Blumenkleiderbeschreibung von Plinius erinnert, s. c. 28. Jos. ant. 3, 7, 2. Thackeray dazu, S. 389 Fn. f: „According to the Talmud it was 32 cubits (48 feet) long“. Die hebräische Elle, amma, wird mit 45 cm angegeben, vgl. W. Trapp, Handbuch der Maße, Zahlen und Gewichte und der Zeitrechnung, Stuttgart 1998, S. 203. M. Mendelssohn Ex 28, 40: „hohe Mützen“; J. Wohlgemuth, J. Bleichrode Ex 28, 40: „Mützen“; M. Buber, F. Rosenzweig, S. 231: „schlinge ihnen Hochbünde“. Hier. epist. 64,13. Orig. in Lev. hom. 9, 2, S. 421. Die römischen Kaiserpriester trugen auf der Ara Pacis eine enganliegende, runde galea mit Ausschnitten für die Ohren, darüber kam eine scheibenförmige Platte, und darauf erhob sich eine lange, mit einem Faden umwickelte Spitze. Die Kopfbedeckung wurde mit Bändern, die um die Ohren liefen, unter dem Kinn befestigt. Von Odysseus gibt es viele Darstellungen, einige zeigen ihn mit einer halbkugeligen, enganliegenden Kappe.

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    handelte es sich auf keinen Fall um eine hohe Mütze. Damit das pilleum nicht leicht herunterfiel, wurde es mit einer vitta oder taenia am Hinterkopf gehalten. Vier zusätzliche Kleidungsstücke der Hohenpriester, die über den anderen getragen werden E. mahil, tunica talaris33 langärmelige lange Obertunika Hieronymus schreibt, die obere Tunika heiße mail, das bedeute eine tunica talaris, eine bis zu den Knöcheln reichende Tunika, die ganz (also in Kette und Schuss) blau (hyazinthfarben, tekhelet) sei; die angenähten Ärmel seien von gleicher Farbe. Um die von der Brust bis in den Rücken reichende Kopföffnung, capitium, sei eine Belegborte angebracht. Sie solle den Schlitz vor den Augen verbergen und ein Zerreißen verhindern; durch einen ähnlichen Schlitz würden die Hände geschoben34. Diese Beschreibung erinnert F. Bock an eine Dalmatika35. Am unteren Saum hingen 72 goldene Glöckchen abwechselnd mit 72 Granatäpfeln; letztere wurden hergestellt aus byssus und in den gleichen Farben wie der Priestergürtel, also Purpur, Hyazinth, Kermes. Die Anordnung war wichtig, denn durch die Glöckchen entstand beim Gehen ein Klang, wenn der Hohepriester das Allerheiligste des Tempels betrat. So könne er ungefährdet die Schwelle des Heiligtums überschreiten und müsse nicht sterben36. Josephus ergänzt, diese tunica talaris sei nicht auf den Schultern und an den Seiten genäht37, sondern in einem Stück gewebt. Die Tunika

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    M. Mendelssohn Ex. 28, 31: „Unterrock des Mantels“; J. Wohlgemuth und J. Bleichrode Ex. 28, 31: „Oberkleid“; M. Buber, F. Rosenzweig, S. 229: „Mantel zum Umschurz“. Jos. ant. 3, 7, 4; Hier. epist. 64, 14. Vgl. Ex 39, 3. F. Bock, S. 363. Vulg. Ex 28, 35. Jos. ant. 3, 7, 4; vgl. Ex 39, 22–23. – Da die Tunika weder an der Seite noch auf den Schultern einen genähten Saum haben sollte, musste sie evtl. an den Seiten durch Fransen geschlossen werden; ein Rundgewebe herzustellen, wäre möglich, dabei bliebe die Frage nach den Schulternähten offen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Tunika quer zu weben, mit einem Ärmel zu beginnen, dann auf die volle Länge überzugehen und mit dem zweiten Ärmel zu enden. Hierbei wären Schulternähte nicht angefallen, dafür hätte man die Seiten durch Fransen schließen müssen. Verglichen wurde diese Tunika immer mit der tunica inconsutilis, die Jesus vor der Kreuzigung trug, s. Jo 19, 23.

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    wurde gegürtet, und der Gürtel besaß die gleichen Farben wie der Priestergürtel, allerdings mit zusätzlich eingelegtem Gold38. Für die Goldfäden wurden Goldplättchen unglaublich dünn geschlagen, zu Fäden geschnitten, gedreht und zusammen mit den anderen Schussfäden eingewirkt39. F. ephot, ephod, palleolum, superhumerale Ephod des Hohenpriesters40 Das sechste Kleidungsstück ist das superumerale, eine kurze Tunika bzw. ein kleines pallium, das auf den Schultern getragen wurde, nach Josephus mit einer Länge von einer Elle, d. h. 45 cm, und mit Ärmeln versehen41. Hieronymus will es bei seinem eigenen hebräischen Namen ephod nennen, denn es sei etwas Heiliges, das nur dem Hohenpriester zustehe42. Goldfäden wurden als Schuss zusammen mit den Hyazinth-, Purpur- und Kermesfäden und byssus eingewirkt; die Kette war aus reinem byssus43, eine spezielle Musterung wird nicht erwähnt44. Das Ergebnis ist, so Hieronymus, ein kleines Pallium, ein palleolum, von einer Schönheit, wie es dem opus vermiculatum, dem Kermeswerk, entspricht und das die Augen blendet. Es ist von der Art der caracalla45, jedoch ohne Kapuze. Zur Brust hin wurde eine Öffnung von 38

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    Lat. Jos. ant. 3, 7, 4: quae zona constringitur coloribus praedictis et floribus exornata auroque contexto variata. Ex 39, 3. Griech. epéndyma oder epomís. M. Mendelssohn Ex 28, 4: „Mantel“; J. Wohlgemuth und J. Bleichrode Ex 28, 4: „Ephod“; M. Buber, F. Rosenzweig, S. 228: „Umschurz“. Jos. ant. 3. 7, 5; Hier. epist. 64, 15: „in modum caracallarum, sed absque cucullis“. In der Bibel ist insgesamt 19 Mal von Ephod die Rede. Es ist jedoch nicht immer mit dem hohenpriesterlichen Ephod zu vergleichen. Einige werden mit Göttern in Verbindung gebracht, so das goldene, das Gideon machen ließ (Idc 8, 27) oder mit Jahwe wie bei Micha (Idc 17, 5 und 18, 14–20). Es war allerdings niemals ein Schurz, sondern immer ein Pallium oder Superhumerale, manchmal als Träger der Orakelsteine. Dazu A. Stauffer, Textilien aus Palmyra, S. 19, über einheimische Gewebe: „Bei den meisten Geweben ist die Anzahl der Kettfäden kleiner als die der Schußfäden, so daß letztere dicht aneinandergeschoben sind und die Kette kaum oder gar nicht zu sehen ist. Man spricht in diesen Fällen von schußbestimmter Leinwandbindung, die feste Gewebe mit ebenmäßiger Oberfläche entstehen läßt“. Hier. epist. 64, 15, hier spricht Hieronymus von Schussfäden in drei Farben und Kettfäden aus Leinen: cum subtemine trium colorum, hyacinthi, cocci, purpurae, et cum stamine byssino. Cass. Dio, Epitome des Buches 79, 3, 2. Die Tunika von Kaiser Aurelius Antoninus Bassianus, seines Umhangs wegen Caracalla genannt, wird von Cassius Dio, einem Zeitzeugen, so beschrieben: „deshalb hüllte er sich in Tuniken, die mit Ärmeln versehen und mehr oder weniger wie ein Brustpanzer geformt waren“. Damit sind sowohl die Ärmel als auch der Brustschild, das Rationale, in der Beschreibung enthalten. Weitere Hinweise zum Mantel des Caracalla s. unter c. 24, 15 mantum.

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    einer Handbreit im Quadrat ausgespart. Eine genaue Höhe ist nicht angegeben. Auf beiden Schultern saß jeweils ein in Gold gefasster Stein, auf hebräisch soom genannt. Gemäß Hieronymus bezeichnet Josephus ihn als Sardonyx; Aquila, Symmachus und Theodotion nennen ihn Onyx, in der Septuaginta heißt er Smaragd. In die Steine waren die Namen der Stämme Israels eingeschnitten. „Auf der rechten Schulter standen die Namen der älteren Söhne Jakobs, auf der linken die der jüngeren, damit der Hohepriester, wenn er das Allerheiligste betrat, das Volk, für das er den Herrn anrufen würde, auf den Schultern trug46“. Nach Josephus wurden diese Steine auf den Schultern mit goldenen Fäden und Nadeln befestigt. G. logium, rationale Rationale des Hohenpriesters Das Rationale, auf hebräisch essen oder hosen (hoshen) und griechisch logion (Orakel) genannt, ist ein kleines Stück Gewebe, heiliger als alles andere, aus Gold und den Farben des Ephod gemacht, von der Größe einer Hand im Quadrat47, doppelt gewebt, damit es nicht leicht zerreißt. Es war nach innen hin eine Tasche, nach außen wirkte es wie ein Schild48. Auf der Vorderseite waren zwölf kostbare, in Gold gefasste Edelsteine eingearbeitet, angeordnet in vier Reihen49. Die der ersten Reihe hießen Sardonyx, Topas und Smaragd, die der zweiten Karfunkel, Saphir und Jaspis, in der dritten saßen ein ligurischer Edelstein, Achat und Amethyst, in der vierten Reihe Chrysolyt, Onyx und Beryll50. In die Steine waren die Namen der Söhne Jakobs dem Alter nach eingeritzt51. Aus diesen Steinen sei auch das Himmlische Jerusa46 47

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    Hier. epist. 64, 15. Ein Palmus, die hebräische Handbreit, tepach, beträgt 7, 5 cm, s. W. Trapp, Handbuch der Maße, S. 203. – Wenn Augustinus in quaest. hept. 2, Ex 116 „hic vero in veste sacerdotali, quod ex auro et hyacintho et purpura et cocco duplici torto et bysso duplici torta fieri praeceptum est quadratum duplex“ erläutert, handelt es sich um einen Schreibfehler, weil man die Schildlauseier nicht doppelt drehen kann. Gemeint ist coccus bis tinctus. Moses Mendelssohn Ex 28, 15: „Schild des Ausspruches“; J. Wohlgemuth und J. Bleichrode Ex. 28, 15: „Brustschild der Rechtsentscheidung“; M. Buber, F. Rosenzweig, S. 229: „Gewappen des Rechtsspruchs“. Die Namen der Steine werden unterschiedlich angegeben. Hier. epist. 64, 16. Vgl. Jos. ant. 3, 7, 5. Dazu Nahum ben Jehuda, A Fresh Look at The Linen in the Hebrew Bible, 11. 8. 2009, unveröffentlichtes Manuskript: „Each stone of this breastplate was engraved with the name of one of the twelve tribes and set in place in the breastplate. The „standards and companies“ of the Camp of Israel in the Wilderness had a very specific arrangement, and so are the stones of the breastplate arranged in a very specific

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    lem erbaut und das Diadem des Königs von Tyros gefertigt52. Hieronymus findet es merkwürdig, dass der Hyazinth nicht aufgeführt ist, und denkt darüber nach, ob der ligurische Edelstein vielleicht ein Hyazinth sein könne. Das Rationale wurde in die Lücke des Ephods eingefügt und mit einer Reihe von Ringen und blauen Schnüren und Ketten, die mit kleinen Goldröhrchen bedeckt waren, so am Ephod befestigt, dass es wie ein einziges Stück erschien53. Nicht erwähnt wird von Hieronymus, dass in der Tasche Urim und Thummim liegen sollen: „Und in den Brustschild der Rechtsentscheidung sollst du die Urim und die Thummim legen, und sie sollen auf dem Herzen Arons liegen, wenn er vor den Ewigen tritt, und so soll Aron die Entscheidung für die Kinder Israels ständig auf seinem Herzen vor dem Ewigen tragen“54. H. tiara, cidaris, mitra Kopfbedeckung des Hohenpriesters55 Die Kopfbedeckung wurde über dem leinenen pilleolum56 der Priester getragen. Kein anderes Stück ist so unterschiedlich beschrieben worden wie diese tiara. Josephus erläutert, dass man über die Kappe des einfachen Priesters eine zweite, blaue setzte. Sie wurde von einer dreischichtig gehämmerten goldenen Krone umschlossen, über die eine goldene calyx spross, eine Pflanze, die „bei uns“ saccharon heiße und bei den Griechen henbane57. Es folgt eine lange Erklärung über das Aussehen der Pflanze, die einer gelben Möhre ähnele und so groß wie die Spitze eines kleinen Fingers sei. Die Nachahmung der Pflanze erstrecke sich vom Nacken bis zu den beiden

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    and orderly fashion. The High Priest – in his service in the Temple – represents all, and, each and every one of the tribes. If one of the „standards“ of the Camp of Israel or one of the stones of the breastplate is either missing altogether or even misarranged, the Sˇehina – Divine Presence cannot properly dwell on Earth and the High Priest cannot properly serve in the Temple“. Hier. epist. 64, 16. Jos. ant. 3, 7, 5; Hier. epist. 64, 16. J. Wohlgemuth und J. Bleichrode Ex 28, 30; vgl. M. Buber, F. Rosenzweig, S. 229: „die Lichtenden und die Schlichtenden“. M. Mendelssohn Ex 28, 30: „In das Schild des Ausspruchs legst du die Urim und Tummim, damit sie auf dem Herzen Aharons liegen, wenn er vor den Ewigen kommt“. Von einem Schild spricht auch Augustinus in Quaest. hep. 2, in Ex 115. J. Wohlgemuth, J. Bleichrode Ex 28, 28: Kopfbund aus Byssus; M. Buber, F. Rosenzweig S. 230: Gewind. Hier. epist. 64, 17. Henbane: Bilsenkraut oder Hyoscyamus niger, Familie Solanales.

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    Schläfen58. Origenes befindet, über der cidaris der Priester habe der Hohepriester die mitra gesetzt59. petalum Schaublech Vorn auf der Stirn dagegen sei eine Goldplatte angebracht, lamina aurea oder sis zaab, auf der der Name JHWE geschrieben stehe60. J. Wohlgemuth und J. Bleichrode übersetzen: „Und sie fertigten das Schaublech, das heilige Diadem, aus reinem Golde an und schrieben darauf in Siegelstecherschrift: ‚Heilig dem Ewigen!‘. Und sie befestigten daran eine purpurblaue Schnur, um sie oben um den Kopfbund zu legen, wie der Ewige Mose befohlen hatte“61. Hieronymus fasst sich in Brief 64 kurz; in der Vulgata übersetzt er: „mache auch eine Platte aus reinstem Gold, in der du eingravieren sollst: das Heilige dem Herrn, und du wirst sie mit einem hyazinthenen Band binden, und sie wird über der Tiara sein, in die Stirn des Priesters hineinragend“62. Material und Farbe In der Frage nach dem Gewebematerial ist ungeklärt, ob es sich um Mischgewebe aus Wolle und Leinen oder reines Leinen handelte, das verarbeitet werden sollte. Die Vorschriften aus Lv 19, 19 und Dt 22, 11 besagen, man solle Wolle und Leinen nicht mischen. Dementspechend wird bei Ez 44, 17–18 die Ansicht vertreten, die Priesterkleidung sei aus Leinen gemacht worden. Weiteres ist weder dem Pentateuch, noch der Septuaginta, noch der Vulgata zu entnehmen63. Byssus als feiner weißer Leinenfaden, der für die Kette ver58

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    Jos. ant. 3, 7, 6. Wie sehr die Übersetzungen hiervon abweichen können, soll am Beispiel von Fr. Kaulen, 1883, S. 87, gezeigt werden: „Der Hut, den der Hohepriester trägt, gleicht denen der übrigen Priester; über denselben trägt er aber noch einen andern, der aus Hyacinth gewirkt ist. Um denselben geht eine dreifache Krone; aus ihr strahlen goldene Knöpfchen, ähnlich den Knospen an der Pflanze, die wir Sacharum, die griechischen Botaniker aber Hyoscyamum nennen“. Möglicherweise hatte Kaulen hier das Bild einer päpstlichen Tiara aus der Renaissancezeit vor sich. Orig. in Lev. hom. 6, 5, S. 366: Propterea accipit primo ‚cidarim‘, quod est vel operimentum quoddam capitis vel ornamentum. Et post haec superponitur ei ‚mitra‘. Hier. epist. 64, 17. J. Wohlgemuth, J. Bleichrode c. 39, 30–32; vgl. c. 28, 36–39. Ex 28, 36–38. Die Kirchenlehrer sprechen von einer Vermischung in Kette und Schuss und dem Verbot, überhaupt Leinen für Mönche zuzulassen. Vgl. c. 22, Stichwort linostema.

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    zwirnt wurde, wird immer erwähnt. Für die blaue Obertunika des Hohenpriesters stellt Josephus ausdrücklich fest, sie sei aus Leinen gemacht64. Zu beiden Gürteln, Ephod und Rationale führt Josephus für die Kette byssus und für den Schuss Purpur (hebr. argaman, violett), Hyazinth (hebr. tekhelet, blau) und Kermes, hochrot, auf, ohne explizit zu betonen, dass das farbige Material Wolle sei65. Man muss also davon ausgehen, dass in der Kette reinweißer byssus verarbeitet wurde, ob der Schuss auch aus gefärbtem byssus66 oder gefärbter Wolle bestand, wird nicht gesagt. Hieronymus befasst sich ausführlich mit dem Problem. In seinem Brief an Marcella berichtet er, dass Samuel ein ephod aus Leinen getragen habe und ergänzt, dem Hohenpriester allein war es vorbehalten, ein ephod zu tragen, das aus Gold, Hyazinth, Purpura, Kermes und Byssus zusammengewebt und (auf dem Rationale) mit zwölf Steinen geschmückt gewesen sei67. Auch hier wird auf die Frage nach dem Rohstoff der farbigen Schussfäden nicht eingegangen. (Wenn Origenes in der Predigt zu Lv 8, 1–9 betont, die Tunika und Hosen des Priesters, der Gürtel und die cidaris seien aus Leinen gemacht, könnte er allerdings die Priesterkleidung der Christen gemeint haben68). Die andere Überlieferung stützt sich auf das Buch 4 des Josephus, in dem allgemeine jüdische Gesetzesvorschriften aufgezählt sind. Eine dieser lautet: „Niemand von euch soll ein Kleid tragen, das aus Wolle und Leinen gewebt ist; denn dies steht allein den Priestern zu“69. Von orthodoxen Juden wird weder die Angabe in Ez 44, 17–18 noch die Aussage von Josephus beachtet, für sie gilt die Mischna, in der es heißt: „Die Priester bekleiden sich, um im Heiligtum zu dienen, nur mit Wolle und Leinen“70. Der Babylonische 64 65 66

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    Tekhelet blau von der Hexaplex trunculus. Jos. ant. 3, 7, 2 und 5. Leinen lässt sich schwer mit Pflanzenfarben färben, eine Färbung mit Purpur und Kermes ist jedoch möglich. Hier. epist. 29, 5: Ceteri habebant ephod, non illa vero varietate distinctum et duodecim lapidibus ornatum qui in humero utroque residebant, sed lineum et simplex et toto candore purissimum; vgl. auch Hier. epist. 64, 15. Orig. in Lv hom. 9, 2, 420–421: ‚Tunica‘ ergo ‚linea sanctificata‘ induitur et ‚femoralia linea‘ super corpus eius sunt. […]. ,Zona’ ergo pontifex, ,linea cingitur et cidarim lineam ponit super caput suum’, omnia linea. Lat. Jos. ant. 4, 8, 11. Traktat „Kilajim“ 9, 1. – Die Mischna Traktate wurden um das Jahr 200 n. Chr. von Jehuda ha Nasi im Lehrhaus von Zippon gesammelt. Mischna Traktat Kilajim (Zweierlei bei Kleidern) 9, 1: (a) „Wegen Zweierlei ist nur verboten Wolle und Leinen (Dtn 22, 12). Und beim Aussatz erklärt man nur Wolle und Leinen für unrein (Lev 13, 47ff). Die Priester bekleiden sich, um im Heiligtum zu dienen, nur mit Wolle und Leinen (Ex 28, 5). (b) [Was ist mit] Kamelwolle und Schafwolle, die man ineinandergehechelt hat? Wenn der größere Teil vom Kamel stammt, ist es erlaubt [mit Flachs zu mischen], aber wenn der größere Teil vom Schaf stammt, ist es verboten.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Talmud ergänzt diese Vorschriften71. Eine blaue Obertunika aus Wolle schreibt Moses Mendelssohn dem Hohenpriester zu72. M. Soloweitschik und S. Kraus erläutern: „Sollte die Äußerung des Josephus, wonach dieses Mischgewebe deshalb verboten war, weil es nur für die Priester bestimmt gewesen ist, auch für die biblische Zeit zutreffen, so muss die Kleidung der israelitischen Priester nicht nur durch ihre Form, sondern auch durch ihr Gewebe besonders gekennzeichnet gewesen sein“73. Diese Ansicht wird heute weitgehend akzeptiert, indem gesagt wird, innerhalb des Tempels hätten verschiedene, für das Volk verpflichtende Gesetze keine Gültigkeit gehabt. Die Anweisung, Wolle und Leinen nicht zusammen zu verweben bzw. zu vermischen, musste in der römischen Welt eher auf Unverständnis stoßen. Den Isispriestern war die Kleidung aus weißem Leinen vorgeschrieben74, für die römischen Priester gab es keine solche Anweisung. Auch wenn das Zitat von Josephus in 4, 8,11 zu beachten ist, bleibt doch festzuhalten, dass er in seiner Beschreibung der Priesterkleidung Wolle nicht erwähnt. Es taucht aber noch ein zweites Problem auf, das bisher nicht behandelt wurde. Aus keiner Schriftstelle lässt sich ersehen, in welchem Mengenverhältnis die einzelnen Farben verwendet wurden, um eine Musterung des schmalen Gürtels, des Ephods, des Rationale und der Granatäpfel herzustellen. Franz Bock äußert sich zur Technik und gibt an, der Gürtel sei gestickt worden, dies „dürfte nicht Sache einer weiteren Discussion sein“; denn das opus plumarium sei identisch mit unserer Stickerei, dem römischen opus phrygionum. Diese Interpretation ist nicht richtig75. Ferner ist nicht richtig, dass sich nur Wolle gut mit Purpurfarben färben lässt76.Wie oben angeführt, schreibt Josephus davon, dass in den Priestergürtel coccische und purpurne Blumen eingewebt seien, vermischt mit Hyazinth und Byssus77. Nun hat der Gürtel eine Breite von vier Fingern, die eingewebten Blumen wären also sehr klein gewesen. Beim Ephod, dem Rationale und dem Gürtel des Hohenpriesters ist von keinem Muster mehr

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    Halb und halb ist verboten. Und ebenso [ist es] bei Leinen und Hanf, die man ineinander gehechelt hat. 9, 2 (a): Seide und ? (Shir’a’im und Kalak) fallen nicht unter Zweierlei, aber sie sind verboten wegen des Augenscheins“. Babylonischer Talmud, Bd. 1, 9, 1–9. M. Mendelssohn Ex 28, 31. M. Soloweitschik, Kurt Galling, in: Encyclopaedia Judaica, Stichwort Kleidung, Bd. 10 (1934) Sp. 77. s. c. 28 Farben. F. Bock, Geschichte der lit. Gewänder, S. 340. Vgl. Stichworte in c. 22, 21–22. Amm.16, 8 berichtet von purpurfarbenem Leinen als Decken für Liegen und Tische. S. o. C (2).

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    die Rede. Hieronymus zitiert in der Vulgata hyacinthus und purpura und coccus bis tinctus, jeweils ohne nähere Angaben78. In seinem Brief an Fabiola sagt er, ein Blumenmuster sei nicht gewebt, sondern man glaube Blumen hinzugefügt zu sehen79. Dies erinnert an Plinius, der die Purpurfarben mit dem Aussehen von Rosen in Verbindung bringt80. Irving I. Ziderman ist heute der Überzeugung, dass die Farbe des biblischen Purpurs, argamom, von der Bolinus brandaris stamme, die oft mit der Stramonta haemastoma gemischt wurde; das Blau des hyacinth oder tekhelet liefere die Hexaplex tunvulus81. In der Zusammenstellung mit coccus werden hier die Inhaltsstoffe der von Plinius beschriebenen Dreifachfärbung aufgeführt82. Jüdische Färber waren auch nach der Zerstörung des Tempels sehr lange für ihre Kunst berühmt; und da für die Tempelausstattung nichts zu kostbar war, haben sie sicher ihr Bestes gegeben. Es ist zu fragen, ob hyacinthus, purpura und coccus bis tinctus nicht als gefärbte Einzelfäden verwebt wurden, sondern dass durch Überfärbungen die von Plinius beschriebenen Textilien entstanden, die von ihm mit ihren vielfältig schimmernden Farbtönen in allerhöchstem Maße gerühmt werden. Solange man aber keine eindeutigen Beweise findet, können nur unsere Wissenslücken aufgezeigt werden. Kleidersymbolik Hieronymus beschreibt ausführlich die schon bei Josephus erwähnte Symbolik der Kleidung, sowohl der einzelnen Stücke, als auch besonders der Farben; dies wird hier nur in einer Kurzfassung wiedergegeben. Das weiße Leinen bedeutet die Erde, Blau ist die Verbindung zum Himmel, wie sie sich im vollständig blauen Obergewand, das vom Kopf bis zu den Knöcheln reicht, und in der zusätzlich aufgesetzten Kopfbedeckung und den blauen Bändern der cidaris ausdrückt. Purpur ist das Symbol des Meeres, denn es entsteht durch das Blut der Meeresschnecken, und der leuchtende coccus symbolisiert das Feuer. Gold ist das Symbol des Lichtes, das vom Ewigen ausgeht83. Die allegorischen Deutungen, die Isidor in seinen Fragen zu Exodus84 ausführt, werden von ihm sehr ausführlich behandelt und ergänzen das bisher Gesagte. 78 79 80 81

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    Z. B. Ex 28, 5 und 6; 15. Hier. epist. 64, 12: non textas sed additas arbitreris. Plin. 9, 126. Dies wird ausführlich in c. 28 Farben erläutert. I. Ziderman, Tekhelet – Enigma of the Septuagenarian Murex, Abstr. of the lecture in Pozen/Polen am 22. 10. 2009. Vgl. c. 28 Dreifachfärbung, Plin. 9, 141. Jos. ant. 3, 7, 7; Hier epist. 64,18. Isid. expos. in exod. c. 50–69.

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    Schlussbetrachtung, Tafel 3 Fasst man mit aller gebotenen Vorsicht die einzelnen Angaben zusammen, könnte sich folgendes Bild ergeben: Die Tempelpriester waren ausgestattet mit einer weißen, knielangen Hose und einer weißen, in Sprangtechnik gearbeiteten, langen und eng anliegenden Ärmeltunika aus feinem gezwirnten Leinen. Sie waren gegürtet mit einem dreifach in Purpur gefärbten, schwarzroten, wie eine dunkle Rose schimmernden, schmalen und sehr langen Gürtel. Ihre Kopfbedeckung bestand aus einem weißen, rund gelegten Turban, den ein weißer Schleier bedeckte. Der Hohepriester trug die gleichen Kleider, über der Tunika jedoch eine purpurblaue, mit Ärmeln versehene leinene Obertunika, deren längs verlaufender Kopfschlitz eine feste Besatzborte hatte. Das darüberliegende taillenlange Ephod hatte ebenfalls die schwarzrot schimmernde und changierende Dreifachfärbung, war jedoch durch eingelegtes Gold zusätzlich erhöht. Auf der Schulter wurde es mit Bändern und zwei großen Edelsteinen geschlossen, in die die Namen der Stämme Israels eingegraben waren. In Brusthöhe war das Rationale aus den gleichen Farben eingearbeitet, versehen mit zwölf kostbarsten Edelsteinen, ebenfalls mit eingearbeiteten Namen. Ein zweiter, mit den genannten Farben und Gold gewebter Gürtel, angenäht an das Ephod, ergänzte die Kleidung des Hohenpriesters. Als Pendant zur schimmernden Farbenpracht der Überkleidung von Ephod und Rationale besaß die blaue Obertunika an ihrem Saum eine Reihe von abwechselnd 72 goldenen Glöckchen und schwarzroten Granatäpfeln aus der dreifachen Purpurfärbung. Als zusätzliche Kopfbedeckung hatte der Hohepriester eine blaue Tiara. Sie war hinten mit einer dreifachen Reihe von goldenen Knospen geschmückt und trug vorn bis in die Stirn das goldene Schaublech mit dem eingravierten Namen Gottes. Eine interessante Darstellung stammt aus der Synagoge von Dura Europos, die im 3. Jahrhundert erbaut und mit Fresken ausgestaltet wurde85. Eine dieser Fresken zeigt die Weihe des Tabernakels mit den dazu gehörenden Gegenständen und Tieren. Ein Priester, gemäß einer griechischen Inschrift als Aaron bezeichnet, steht in seiner Amtskleidung neben dem Allerheiligsten. Er trägt über einer weißen leinenen Mütze eine spitz zulaufende Mitra, die bis über die Schultern reicht. Bekleidet ist er mit einer großen roten Cappa, die mit einer goldenen, ringsum laufenden Randborte verziert ist. Der Stoff ist geschmückt mit einem Muster, das jeweils aus einem Mit85

    Fresken Dura Europos Synagoge Aaron, The Consecration of the Tabernacle, s. unten Tafel 3.

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    telkreis und vier angehängten kleinen Kreisen besteht. Die große ovale goldene Schließe auf der Brust trägt einen Fisch( ? ) als Christussymbol, darunter könnte eine kleinere zweite Kettenschließe die Cappa zusätzlich halten. Damit ist aus dem Ephod ein Umhang geworden und aus dem Rationale ein Pectorale. Unter der Cappa sieht man eine wadenlange, blaue Obertunika, ihre goldene Borte fasst den Halsring und den unteren Rand ein. Die Mittelborte verläuft senkrecht und wird durch einen weißen Gürtel unterbrochen. Was unterhalb der Tunika zu sehen ist, lässt sich nicht genau bestimmen. Es könnte sich um eine grüne Untertunika mit zwei Stolenbändern handeln, oder das Grün gehört zum Cappafutter und die beiden senkrechten Streifen sind sichtbare, mit ebenfalls goldener Borte geschmückte Hosen. Hierzu ist anzumerken, dass die Tunika der Priester gemäß den Schriftquellen immer lang sein soll. Die Darstellung der Füße, die eine Identifizierung erleichtet hätten, fehlt leider. Carl H. Kraeling beschreibt 1956 die Priestergestalt ausführlich und sieht hier einen jüdischen Priester in den Kleidungsstücken des Hohenpriesters, die nur etwas anders ausgeführt worden seien86. Kapuze, Cappa und Tunika gehören zur Kleidung christlicher Mönchspriester. Auch wenn die Bilder keine vollkommen identische Kleidung zeigen, gibt es doch verblüffende Ähnlichkeiten zwischen der Darstellung koptischer Heiliger aus der Kirche des hl. Antonius in Ägypten und dem Bild des Priesters in der Synagoge, bis hin zu dem Muster auf der Cappa. Es könnte sich in der Synagoge um eine Darstellung eines Priesters oder Heiligen handeln (Tafel 3)87. Die Frage nach Isidors Interesse an Begriffen, die das SH an den Anfang stellt und Isidor in die folgenden Kapitel mit einbezieht, ergibt sich aus seiner Mitverantwortung an der liturgischen Kleidung in Spaniens Kirchen. Berühmt geworden ist das 633 unter Isidors Leitung stehende große IV. Konzil von Toledo, dessen Protokoll über siebzig Unterzeichner zählt. Aus drei Beschlüssen wird hier zitiert: Fälschlicherweise ausgeschlossene Geistliche sollen ihre Insignien zurückerhalten. Aufgeführt werden für den Bischof Orarium [Stola], Ring und Stab, für den Priester Orarium und Planeta [Kasel], für den Diakon Orarium und Albe. Das Orarium soll nicht farbig und ohne Goldverzierung sein. Die Kopfmitte ziert eine kreisrunde Tonsur, die sich von der gallischen unterscheidet88. 86

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    The Synygogue, The Consecration of the Tabernacle and its Priests, S. 125–131 und Taf. 60. Kirche des Hl. Antonius: von rechts: der hl. Pschoi und ein anonymer Heiliger. Das Antoniuskloster liegt inmitten der Berge der östlichen Wüste in Ägypten. Konzil von Toledo IV, c. 28; 40; 41.

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    c. 22 Von den verschiedenen Arten und den Namen der Kleidungsstücke 1 a. tegmen, tegumen, 1 b. vestimentum, 1 c. indumentum, 2. amictus, 3 a. vestitus, 3 b. cultus, 3 c. habitus, 4. vestis, 5 a. perizomatum, subcinctorium, succinctorium, 5 b. campestre, lumbare, 6 a. tunica, 6 b. pellicia tunica, 7 a. talaris tunica, 7 b. pectoralis tunica, 8. tunica manicleata (c(h)iridota), 9. dalmatica, 10. russata, 11 a. laculata, 11 b. iacintina, 12. moloc(h)inia (malvella), 13 a. bombycina, 13 b. apocalama, 14 a. serica, 14 b. tramoserica, 14 c. holoserica, 14 d. holoporphyra, 15. byssina, 16 a. fibrina, 16 b. caprina, 16 c. masticinus, 16 d. mena, 17 a. linea, 17 b. linostema (linostima), 18 a. recta, 18 b. segmentata, 19 a. levidensis, 19 b. pavitensis, 20. citrosa, 21 a. velenensis tunica, 21 b. exotica, 21 c. polymita, polimita, 22 a. acupicta, 22 b. phrygia, 23 a. trilicis, 23 b. bilex, 23 c. simplex, 23 d. ralla, rasilis, 23 e. interpola vestis, 23 f. pannucia, 24 a. colobium, 24 b. levitonarium, 25 a. lumbare, 25 b. renale, 26. limus, 27. licinum, 28. armilausa, 29 a. camisia, 29 b. femoralia, bracae, 30 tubruci, tubraci. Zusatz zu 22: plumaria 1a. tegmen, tegumen Bedeckung Tacitus schreibt von den Germanen, als tegumen diene allen ein sagum, das durch eine Fibel oder einen Dorn zusammengehalten werde89. Tegmen oder tegumen war die Bezeichnung nicht nur für die textile Bekleidung, sondern außerdem für eine metallene Rüstung. Als Textilie bedeckte sie auch einen Pferderücken90. 1 b. vestimentum Kleidung (allgemein) Der Begriff vestimentum wurde gebraucht, wenn es ganz allgemein um Kleidung ging, dazu konnte auch das Schuhwerk zählen. Als von den Samniten 600 römische Ritter zu Geiseln genommen und die übrigen entwaffnet wurden, durften sie nur ein Kleidungsstück, vestimentum singulum, 89 90

    Tac. Germ. 17, 1. Liv. 1, 43, 2: arma his imperata galea, clipeum, ocreae, lorica, omnia ex aere, haec ut tegumenta corporis essent; Suet. Cal. 55, 3: Caligulas Pferd Incitatus hatte purpurne Decken und Ketten aus Gemmen.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

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    behalten91. „Gold, Silber, Kleidung oder irgendwelche ornamenta“ verkauften überseeische Händler an die Provinzialen in Spanien92. 1 c. indumentum Kleidung Unter indumentum verstand man die gesamte Kleidung. Als indumentum wird Benedikts Bekleidung als Einsiedler bezeichnet93, indumentum heißt im Kloster von Arles die Kleidung der Nonnen94. Indumenta lintea retteten Ammianus und seine Gefährten vor dem Verdursten, denn aus ihnen knüpfte man Seile, die man in einen Brunnen hinabließ. Das angebundene Zeug, cento, sog wie ein Schwamm soviel Wasser auf, dass alle ihren Durst löschen konnten95. Ammianus sagt auch, Kaiser Jovianus sei so groß gewachsen gewesen, dass man lange Zeit keine passende kaiserliche Kleidung für ihn fand, indumentum regium96. Indumentum ist nicht mit indusium gleichzusetzen, denn eine Erläuterung von Nonius lautet: „Indusium ist ein Kleidungsstück, das unter zahlreichen Kleidungsstücken unmittelbar am Körper getragen wird, als hieße es intusium“97. 2. amictus Überwurf, (Über-)Bekleidung, Umhüllung (allgemein) Amictus, in der Verkleinerungsform amiculum, ist ein unspezifizierter Ausdruck einer Überbekleidung für beide Geschlechter; man kann sich beispielsweise eine Palla98 oder einen Schleier99 umwerfen, eine Toga100 oder eine Rüstung. Varro gibt an, es handele sich bei amictus um einen allgemei-

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    Aug. civ. 3, 17, S. 184. Vielleicht sind deshalb auf römischen Siegessäulen besiegte Feinde mit nacktem Oberkörper zu sehen. Tacitus beschreibt, agr. 39, 1, wie Domitian für einen nachgestellten Triumphzug Leute bezahlt habe, die in habitus und Haartracht die Gefangenen spielen sollten. Lex Visigothorum 11, 3, 1, S. 404: aurum, argentum, vestimenta vel quelibet ornamenta. Greg. M. dial. 2, 2. Caes. Arel. reg. virg. c. 28. Amm. 19, 8, 8. Amm. 25, 10, 14. Non. S. 866: indusium est vestimentum quod corpori intra plurimas vestes adhaeret, quasi intusium. Ähnlich Varro ling. 5, 131. Siehe c. 25 1b. Catull. 64, 64 und 68; Ov. met. 4, 104. Quint. inst. 11, 3, 137, 144 und öfter.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    nen Ausdruck für einen Überwurf101, so ist auch Festus zu verstehen102. Sokrates, den ein kleiner zerschlissener Umhang nur notdürftig bedeckte, wird als scissili palliastro semiamictus beschrieben103. Epigonus hielt der Folter unter Constantius Gallus nicht stand und wird daher von Ammianus als „nur seinem amictus nach als ein Philosoph“ bezeichnet104. 3 a. vestitus Bekleidung 3 b. cultus Tracht und Accessoires 3 c. habitus hier personenbezogene Bekleidung und Trachtbestandteile Die drei Begriffe werden von Isidor in einem Satz abgehandelt. Auf den ersten Blick bedeuten sie die vollständige Bekleidung eines Menschen einschließlich der jeweils nötigen Accessoires. Doch lassen sich durch Isidors Hinweise inhaltliche Unterschiede aufzeigen. Ob sie für die gesamte antike Literatur gelten, muss im Einzelfall geprüft werden. 3 a. vestitus ist ein allgemeiner Begriff für Bekleidung. 3 b. cultus Cultus ist ein äußerst vielschichtiger Begriff – es soll hier nur der Aspekt behandelt werden, der mit Tracht zu tun hat. In der Vulgata ist viel von cultus im Zusammenhang mit Gottesdiensten und Opferfeiern die Rede, also mit kultischen Handlungen. Dazu gehört die Kleidung derjenigen, die die Aufgaben wahrnehmen sollen, und die in c. 20 als Tempelkleidung behandelt wird. Abzugrenzen ist hiervon die Kleidung der Diener eines fremden Kults, cultus peregrinus105, auf die an einigen Stellen in den Etymologien hingewiesen wird, so besonders in c. 30 dieser Arbeit. Daneben gibt es die immer als prächtig beschriebene Tracht der Könige. Der Historiker Florus gebraucht cultus in 101

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    Varro ling. 5, 132: Amictui dictum quod a[m]biectum est, id est circumiectum, a quo etiam quo vestitas se involvunt, circumiectui appellant […]. Antiquissimi amictui ricinium. Fest. S. 26: amiculum genus [est] vestimenti, a circumiectu dictum. Apul. met. 1, 6, 1. Amm. 14, 9, 5: et Epigonus quidem amictu tenus philosophus. Wie ein Philosophenumhang in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. n. Chr. aussah, wird dabei nicht näher beschrieben. 2 Par 14, 2: et subvertit altaria peregrini cultus et excelsa.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

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    Zusammenhang mit dem Tod Kleopatras. „Dort (in einem Mausoleum) legte sie sich“, wie gewohnt mit ihren königlichen Gewändern angetan, „in einen mit Düften106 stark benetzten Sarkophag“, um zu sterben107. In der Vulgata wird beschrieben, wie die beiden Könige von Israel und Juda in königlichem Ornat vor den Propheten sitzen108. Bei Ovid erscheint Atalante, eine Jägerin aus Arkadien, mit gefibeltem Kleid und zum Knoten geschlungenem Haar, Köcher und Bogen109. Anders als am Ceresfest mit weißen Gewändern, ist die Tracht am Floresfest buntfarbig schillernd110. Plinius d. J. hebt in seinem Panegyrikus auf Kaiser Trajan die unaufdringliche Kleidung und den Schmuck dessen Ehefrau Pompeia Plotina hervor111. Auch die Geschlechter definieren sich durch die Kleidung. Im Petrusbrief werden die Frauen ermahnt, sich nicht mit aufwendigen Frisuren, goldenem Schmuck und aufwendiger Kleidertracht äußerlich zu schmücken112. Einen zahmen Bären in Frauenkleidern, cultu matronali, soll man bei einer Prozession in einer Sänfte getragen haben, so Apuleis113. In seiner berühmt gewordenen Schrift de cultu feminarum bringt Tertullian cultus mit Pomp zusammen und ermahnt die christlichen Frauen zur Bescheidenheit114. Unterschiedliche Tracht trugen Mädchen und Jungen; deshalb gelingt es Thetis, ihren Sohn Achilles lange als Mädchen auszugeben, in der Hoffnung, ihn vor einem frühen Tod zu bewahren115. Zur Tracht gehört das gesamte äußere Erscheinungsbild. Für Isidor ist wichtig, dass die Geistlichen, divinis cultibus mancipati, eine einheitliche Tonsur hatten, die sie als Anhänger des Nazareners kennzeichnen sollten116. Den Mönchen verbietet er, auffallende Kleidung, cultus insignis, zu tragen117. 106 107

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    Zu Düften s. c. 31 olfactoriola. Flor. epit. 2, 21, 11: Ibi maximos, ut solebat, induta cultus in differto odoribus solio […] se conlocavit. 3. Rg 22, 10: rex autem Israhel et Iosaphat rex Iuda sedebat unusquisque in solio suo vestiti cultu regio in area iuxta ostium portae Samariae et universi prophetae prophetabant in conspectu eorum; ebenfalls in 2 Par 18, 9. Ov. met. 8, 321–327: talis erat cultu. Ov. fast. 5, 355: cur tamen, ut dantur vestes Cerialibus albae, sic haec est cultu versicolore decens? Plin. paneg. 83, 7: Eadem quam modica cultu. 1. Pt 3, 3: quarum sit non extrinsecus capillaturae aut circumdatio auri aut indumenti vestimentorum cultus. Apul. met. 11, 8. Tert. cult. fem. 2, 9 u. a. Ov. met. 13, 162: Praescia venturi genetrix Nereia leti dissimulat cultu natum, et deceperat omnes, in quibus Aiacen, sumptae fallacia vestis. Isid. eccl. off. 2, 4, 1. Isid. reg. monach. 12, 1.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    3 c. habitus personenbezogene Bekleidung und Trachtbestandteile Habitus kann übertragen werden auf Kleidung, wenn diese durch ihr Aussehen eine bestimmte Berufsgruppe repräsentiert. Isidor selbst beschreibt zu Beginn seiner Etymologien habitus als zugehörig zu habere, haben. Dazu gehören alle Dinge, die man besitzen kann, also „Wissen im Geist, Kraft im Körper, Kleidung um den Körper und anderes, das unter diese Art des Habens fällt118. Dabei kann sich Isidor auch auf Hieronymus beziehen, der in seiner hebräischen Wortliste notiert: balath habitus, ab habendo, non ab habitu, id est cultu, vestis119. Kleidung und Bettzeug sind das Einzige, das der Mönch kurzzeitig im Besitz haben kann, denn durch das Armutsgebot sind ihm keine persönlichen Gegenstände erlaubt. Folgerichtig sprechen die Mönchsregeln von habitus monachorum, dem heutigen Habit, den die Mönche besitzen sollen120. Ein schönes Wortspiel stammt von Augustinus. Wer sich über gute Kleidung bei Mitmönchen beschwert, wird ermahnt: „prüft was euch abgeht in jenem Innern heiligen habitus des Herzens, die ihr für den habitus des Körpers kämpft“121. Soldaten erscheinen im militärischen habitus122. Der Codex Theodosianus erwähnt 369 den habitus der Philosophie123. Als Gratianus durch seinen Vater Valentianus I. den Truppen vorgeführt wird, der ihn als künftigen Kaiser empfiehlt, sagt er: „Es ist für mich ein günstiges Zeichen eurer ergebenen Gesinnung, dass ich dieses Gewand kaiserlicher Stellung tragen darf; dadurch wurde ich für würdiger als viele andere ausgezeichnete Männer erachtet“124. 4. vestis jede Art von Bekleidung von Menschen und Sachen. Festus schreibt, dass vestis ein allgemeiner Ausdruck ist, „etwa für Bettbekleidung, Ausgehkleidung (z. B. auf das Forum), Frauenkleidung, während vestimentum für ein bestimmtes Kleidungsstück steht, wie pallium, tunica, penula“125. Isidor drückt sich etwas anders aus, wenn er davon spricht, dass ves118 119 120 121 122 123 124

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    Isid. Et. 2, 26, 9: circa corpus vestimentum. Hier. nom. hebr. 25, 25 Z.B. Cassian. inst. 1, 7, 11; Isid. reg. mon. c. 12. Aug. reg.1, 104, 11. Tac. hist. 1, 48, 2. CTh. 13, 3, 7. Amm. 27, 6, 6: Faustum erga me vestri favoris indicium hunc loci principalis circumferens habitum. Fest. S. 506: vestis generaliter dicitur, ut stragula, forensis, muliebris; vestimentum pars aliqua, ut pallium, tunica, penula.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

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    tis zu den Oberbegriffen gehöre, da es sowohl eine Tunika, als einen birrus genannten Umhang bezeichnen könne126. Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, dass sich bei manchen der folgenden Ausdrücke nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob es sich um Stoffe, Decken, fertige Kleidungsstücke textiler Art handelt – selbst Rüstung und Leder werden einbezogen –, sofern sich das nicht aus dem Kontext ergibt. Aus der Fülle von Beispielen seien nur wenige erwähnt: Eine goldglänzende Rüstung, vestis, trugen die Gallier, als sie Rom angreifen wollten, sagt Vergil127. Bei einer Säuberung des Senats wollte Augustus die Anzahl der Senatoren (mittlerweile gab es 1000) verringern und versprach denjenigen, die freiwillig zurückträten, sie dürften die „Insignie der Kleidung“ und weitere Vorteile ihres Standes weiterhin behalten128. Plinius berichtet, dass schon Homer die mit Purpur gefärbten vestes gekannt habe und dass die gewirkten aus Phrygien stammten129. Er benennt bestimmte Kleider mit einem eigenen Namen, so das „wallende“ Kleid, das man undulata vestis nannte, oder eine Weiterentwicklung, die sororiculata hieß130. Mit einem breiten Goldstreifen auf dem Kleid, vestis, schmückte sich eine Frau, die einen, wie im einzelnen aufgeführt, grausamen Charakter hatte131. 5 a. perizomatum oder subcinctorium, succinctorium Schurz Die Ausdrücke, die hier unter Punkt 5 a und b genannt sind, gehören zusammen. Es handelt es sich jeweils um Schurze bzw. kurze bis sehr kurze Hosen, die mindestens die Genitalien knapp bedeckten. Bilder zeigen, dass sie vorn und hinten mit einem lose hängenden Teilstück versehen sein konnten. „Die Lenden mit Alaun gegerbtem Leder bedeckt, steht ein 126

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    Isid. Et. 2, 26, 3: Univoca sunt […] ut vestis. Nam et birrus et tunica et nomen vestis possunt accipere et eius definitionem. Verg. Aen. 8, 659. Suet. Aug. 35, 2: insigne vestis. Plin. 8, 195: pictas vestes iam apud Homerum fuisse, unde triumphales natae. acu facere id Phryges invenerunt, ideoque Phrygioniae appellatae sunt. Vgl. hier Stichwort Nr. 22b. Plin. 8, 195: undulata vestis prima e lautissimis fuit; inde sororiculata defluxit. Nach Georges, Handwörterbuch könnte statt „sororiculata“ „orbiculata“ anzunehmen sein. Hiermit sind möglicherweise kreisförmige Muster gemeint. Die Kommentatoren der Plinius-Edition verneinen diese Lösung, bieten aber auch keine andere an. Kleider mit orbiculae sind im allgemeinen nicht stoffreich fließend. Mit den wallenden Kleidern könnten die ganz dicht gefälteten Tuniken und Palla gemeint sein, die auf Statuen zu sehen sind. Juv. 6, 482. Welches Kleidungsstück gemeint ist, lässt sich nicht erkennen.

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    Sklave bereit“, um die Badegäste zu verwöhnen132, erzählt Martial. Caligula, dem wenig an der Würde des Senats lag, brachte es fertig, beim Essen einmal Senatoren hinter sich zu stellen, die nur mit einem leinenen Schurz bekleidet waren133. Ambrosius und Petrus Chrysologus gebrauchen statt perizomatum das Wort subcinctorium134. 5 b. campestre, lumbare Schurz, kurze Hose Augustinus schreibt in Verbindung mit der Schöpfungsgeschichte über Adam und Eva: „Und die Augen beider öffneten sich, und sie erkannten, daß sie nackt waren, und hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich campestria […]. Manche Übersetzer gebrauchten (für perizomata der Septuaginta) das Wort succinctoria. Nun ist campestria allerdings ein lateinisches Wort, hängt aber mit campus (Exerzierfeld) zusammen, wo die jungen Männer nackt ihre Übungen machten und wo sie succincti sind, deshalb nennt man sie gewöhnlich auch campestrati“135. Origenes überliefert in einer Homilie zum 3. Buch Mose die Order an die Priester: „sie sollen das leinene campestre anlegen, die femoralia gebrauchen“136. Isidor wiederholt: „Das Gymnasium ist nämlich danach benannt, weil die jungen Männer wohl nackt auf dem Sportplatz ihre Übungen abhalten, wo sie nur die Schamteile bedecken“. Später kommt er auf dieses Thema zurück und berichtet, dass man, bedingt durch einen Unfall, angefangen habe, von der gegürteten Bekleidung bei Spielen in die Nacktheit der kurzen Schurze oder Hosen zu wechseln137. Zwei äußerst knappe Teile, nämlich ein Band um die Brust und ein kurzes Hüftteil, diazona genannt, trug die spätere Kaiserin Theodora auf der Theaterbühne138. Gute Bilder der verschiedensten Möglichkeiten von kurzen Hosen, Genitalschürzen bis hin zu Tangas für Männer und Frauen sind in dem Katalog „Caesaren und Gladiatoren“ zu finden139. 132 133

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    Mart. 7, 35: Inguina succinctus nigra tibi servos aluta stat. Suet. Cal. 26, 2: et cenanti modo ad pluteum modo ad pedes stare succinctos linteo passus est. Ambr. parad. 13, 64 und Petr. Chrys. serm. 106, 68. Gn 3, 7: consuerunt folia ficus et fecerunt sibi perizomata. Aug. civ. 14, 17, S. 964: Porro autem „campestria“ Latinum quidem verbum est, sed ex eo dictum, quod iuvenes, qui nudi excercebantur in campo, pudenda operiebant; unde qui ita succincti sunt, campestratos vulgus appellat. Zum „Gürten“ brauchte man entweder eine kurze Hose oder einen Schurz. So Orig. hom. 6, 6 in Lv: imponant ‚campestre‘, utantur ‚femoralibus‘. Isid. Et. 8, 6, 17 bzw. 18, 17. Prokop, Anekdota 9, 20. Begleitbuch zur Ausstellung 2000, hrsg. von Eckart Köhne und Cornelia Ewigleben.

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    6 a. tunica Tunika Romulus „wählt hundert Senatoren aus – sei’s, weil diese Zahl ausreichte, sei’s, weil nur hundert da waren, die man zu Vätern wählen konnte. ‚Väter‘ sind sie gewiss nach ihrem Ehrenamt genannt worden, ihre Nachkommen aber Väternachkommen (Patrizier)“140. Plutarch fragt zu Recht, ohne eine definitive Antwort zu bekommen: „Weshalb war es Brauch, daß, wer sich um ein Amt bewarb, dies in der Toga ohne Tunica tat, wie Cato überliefert?“141. Gellius äußert sich ähnlich, wenn er vermerkt, dass in Rom zu Anfang die Männer ohne Tuniken, nur mit der Toga bekleidet gewesen seien; später habe man enge und kurze Tuniken getragen142. Sicher ist Plutarchs Frage berechtigt, denn die Tunika war der wichtigste Teil der Oberbekleidung in der antiken Gesellschaft. Material, Form, Farbe, Länge, Weite und Verzierungen variierten und änderten sich im Laufe der Jahrhunderte. Sprachlich wird nur das Äußere unterschieden; wenn keine weitere Angabe erfolgt, kann es sich um eine Tunika handeln, die kurze oder halblange Ärmel besitzt, oder kurze Ärmel werden durch eine übergroße Weite durch Gürtel vorgetäuscht. Die Pelztunika, die Tunika mit langem Ärmel, tunica manicata, die ärmellose Tunika, colobium, und die knöchellange Tunika, tunica talaris, werden, wie von Isidor vorgegeben, getrennt behandelt. Ihre Herstellung erfolgte auf unterschiedliche Weise: Sie konnte in einem Stück gewebt werden, dazu begann man mit einem Ärmel und webte quer, so dass die Kette waagerecht lief, ergänzte zur ganzen Länge und endete mit dem zweiten Ärmel143. Es war aber möglich, das Oberteil für sich zu weben und das Unterteil anzusetzen, oder eine zweiteilig gewebte Tunika hatte eine Naht auf den Schultern. Die römische Männertunika wurde in der Regel gegürtet. Die Höhe, in der der Gürtel getragen wurde, war unterschiedlich, und der Bausch, den der Gürtel durch Schoppung erhielt, wurde bewusst verschieden gestaltet. Quintilian erklärt, Männer, die nicht das Recht auf die breiten clavi hätten, 140

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    Liv. 1, 8, 7: Centum creat senatores, sive quia is numerus satis erat, sive quia soli centum erant qui creari patres possent. Patres certe ab honore patriciique progenies eorum appellati. Fragmente aus den „Ursprüngen“, Plut. quaest. Rom. 49, Nr. 123, in: Cato, Fragmente, S. 212/213. Gell. 6, 12, 3: Viri autem Romani primo quidem sine tunicis toga sola amicti fuerunt; postea substrictas et breves tunicas citra humerum desinentis habebant, quod genus Graeci dicunt exomidas. Hierzu lieferte A. Stauffer eine Reihe von Bespielen in: Textilien aus Palmyra, S. 32–36.

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    sollten die Tunika so gürten, dass sie vorn unter das Knie, hinten bis in die Kniekehle reiche. Als Erläuterung fügt er hinzu, dass unterhalb dieser Grenze die Frauentracht begänne, oberhalb die Tracht der Zenturionen144. Diese Tatsache ist auch Juvenal bekannt, als er sagt: „Der Weise setzt eine Grenze auch bei löblichen Dingen: denn wenn eine [Frau] allzu gelehrt und beredt erscheinen will, dann soll sie auch die Tunika bis zum halben Bein hinauf schürzen“145. Sueton überliefert von Caesar: „Auch durch seine Kleidung soll er aufgefallen sein; denn er trug eine mit dem breiten Purpurstreifen besetzte Tunika mit Fransen, die bis zu den Händen reichten, und gürtete sich stets so, daß über diesem der Gürtel lag und zwar so, daß sein Gewand schlaff herabhing. Darauf geht wohl ein Ausspruch Sullas zurück, der die Adelspartei mehr als einmal ermahnte, sich vor dem schlecht gegürteten Knaben in acht zu nehmen“146. Dies erwähnt auch Cassius Dio: „Sulla schon hatte ihn wegen seines lockeren Gürtels argwöhnisch betrachtet“, und er zitiert dazu Cicero: „Niemals hätte ich erwartet, daß ein so schlecht gegürteter Mensch den Pompeius besiegt“147. Die Fransen an der Hand deuten darauf hin, dass die Tunika quer gewebt wurde. Augustus verhängte z. B. als Strafe, „einen ganzen Tag vor dem Zelt des Feldherrn zu stehen, manchmal in der Tunika und ohne Gürtel“148, so Sueton, der ferner verbreitet, dass bei der Bestattung dieses Kaisers „die vornehmsten Angehörigen des Ritterstandes [nur] in der Tunika, ohne Gürtel und barfüßig“ die Asche des verbrannten Toten aufgesammelt und im Mausoleum beigesetzt hätten149. Nur die Senatoren hatten das Recht auf den latus clavus, den breiten Purpurstreifen, der jeweils senkrecht über die Schultern bis zum Saum verlief, wobei die im übrigen weiße Tunika das Rot umso strahlender aussehen ließ. Zu Zeiten von Plinius’ Vater begann man, die Tuniken mit breiteren Streifen auf beiden Seiten dichtwollig nach Art der gausapae zu weben150. Kaiser Augustus trug den Purpurclavus „weder zu breit noch zu 144 145 146

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    Quint. inst. 11, 3, 138. Juv. 6, 4–446. Suet. Jul. 45, 3: usum enim lato clavo ad manus fimbriato nec umquam aliter quam [ut] super eum cingeretur, et quidem fluxiore cinctura. In einem Stück gewebte Tuniken sind unter den Textilien in Palmyra zu finden; man webte von Ärmel zu Ärmel, wobei man die Kettfäden an den Seiten und wahrscheinlich an den Ärmelkanten als Fransen stehen ließ. A. Stauffer, S. 34, Taf. 55b. Cass. Dio 43, 43, 4–5. Suet. Aug. 24, 2: ut stare per totum diem iuberet ante praetorium, inderdum tunicatos discinctosque. Suet. Aug. 100, 4. Plin. 8, 193: nam tunica lati clavi in modum gausapae texi nunc primum incipit.

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    schmal“151. Die Bemerkung, man wolle „einen breiten Purpurstreifen heiraten“, brauchte nicht näher erläutert zu werden152. Vespasian wird nachgesagt, er habe einem jungen Mann 200 000 Sesterzen für die Beschaffung des breiten Purpurstreifens „abgepresst“153. Juvenal spricht einmal von einem reichen Freigelassenen, der sich fragt, was ihm breitere Streifen für Vorteile brächten, da er doch schon so viel besitze154. „Als Augustus [erstmalig] die Männertoga anlegte, fiel ihm die Tunika mit dem breiten Streifen zu Füßen, weil an beiden Seiten die Naht aufgegangen war. Manche meinten, dies könne nichts anderes bedeuten, als dass der Stand, dessen Zeichen dies sei, sich ihm einmal unterwerfen werde“155. Cassius Dio tradiert, dass während der Feier beim Wechseln in die Männerkleidung Oktavius’ (Augustus’) Tunika abriss und auf beiden Seiten von den Schultern auf seine Füße herunter fiel. „Nun kündete zwar das Ereignis an sich nur nichts Gutes als Vorzeichen […]; doch da kam Oktavius die Bemerkung über die Lippen: ‚Ich werde also die ganze senatorische Würde unter meinen Füßen haben!‘“156. Nonius notiert aus Varro Modio (313): „von denen, deren glänzende Togen die Streifen der Tunika zeigen“157. Gelegentlich wird die Ansicht vertreten, neben dem latus clavus für die Mitglieder des Senats habe es für Ritter Tuniken mit dem schmalen Streifen, angustus clavus, gegeben158. Es konnte allerdings keine Quelle dafür gefunden werden. Plinius schreibt, der Purpur unterscheide „die Kurie vom Ritterstand“, an anderer Stelle spricht er von der Unterscheidung zwischen „Tunika“ und „Ringträgern“159; dies muss also nicht heißen, den Rittern stünde ein schmalerer Streifen zu. Man konnte neben den breiten Purpur151

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    Suet. Aug. 73: veste non temere alia quam domestica usus est, ab sorore et uxore et filia neptibusque confecta; togis neque restrictis neque fusis, clavo nec lato nec angusto […]. et forensia autem et calceos numquam non intra cubiculum habuit ad subitos repentinosque casus parata. Mart. 5, 17. Suet. Vesp. 4, 3: cui latum clavum adversus patris voluntatem impetrarat. Juv. 1, 106: quid confert purpura maior optandum. Suet. Aug. 94, 10: Sumenti virilem togam tunica lati clavi resuta ex utraque parte ad pedes decidit. fuerunt qui interpretarentur, non aliud significare, quam ut is ordo, cuius insigne id esset, quandoque ei subiceretur. Cass. Dio 45, 5–6. Non. S. 861: horum, quorum vitreae togae ostentant tunicae clavos. So kommt zuletzt B. H. Spalthoff nach Durchsicht der Literatur zu dem Schluss, S. 28: „Zur offiziellen Gewandung der römischen Ritter gehörte also auch die tunica angusticlavia“. Plin. 9, 127: distinguit ab equite curiam; Plin. 33, 29: Anuli distinxere alterum ordinem a plebe, ut semel coeperant esse celebres, sicut tunica ab anulis senatum, quamquam et hoc sero. S. c. 32 Ringe.

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    streifen andere Verzierungen besitzen, auch wenn die Schriftquellen hierzu kaum Auskunft geben. Von dem schon oben erwähnten Patrizier namens Gracchus erzählt Juvenal auch, er sei als Mime in den Zirkus bestellt worden und machte keine gute Figur. Als er zu fliehen versuchte, verriet ihn sein goldener Halsbesatz an der Tunika160. Festus schreibt: „Eine tunica palmata heißt nach der Breite der Streifen, die jetzt nach Art eines Bildes bezeichnet wird“161. Welche Farbe eine Tunika im römischen Alltag haben konnte, ließ sich bisher noch in keiner schriftlichen Quelle finden. Vermutet wird, dass die Farbskala sehr groß war; zusätzliche Besatzmuster, Segmente oder eingewebte Bilderzählungen trugen zur Abwechslung bei162. Rom war schon vor der Zeitenwende eine Millionenstadt, die Zahl der Senatoren schwankte, die Höchstzahl reichte bis zu 1000. Es ist einfach nicht vorstellbar, dass die übrige Bevölkerung über die Jahrhunderte hinweg nur weiße Tuniken bevorzugte. Nach Ovid gehörte es zum Ceresfest, weiße Kleidung zu tragen, Floresanhänger trugen bei ihrem Fest so vielfarbige wie die Blumen163. Auf Catos Besitz erhielt jeder Landarbeiter eine 3 ½ Fuß lange Tunika, jedes zweite Jahr ein Sagum und Holzschuhe, sculponias bonas. Alte Kleidungsstücke waren zurückzugeben, damit man aus ihr gestückelte Kleidung machen konnte164. Die „tunica molesta war die euphemistische Bezeichnung für das pechgetränkte Gewand, in dem Brandstifter zur Strafe angezündet wurden“165. Wenn Isidor zur tunica anmerkt, dass sie beim Schreiten einen Ton macht, so erinnert er an die blaue Obertunika des Hohenpriesters, deren Saum abwechselnd mit Glöckchen und Granatäpfeln besetzt war, wobei die Glöckchen ausdrücklich die Aufgabe hatten, einen Klang zu erzeugen166. Als besondere Art wurde von Christen die ungenähte Tunika angesehen, mit der Jesus bei seiner Kreuzigung bekleidet war; um sie würfelten die

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    Juv. 8, 207. Fest. S. 228: Tunica autem palmata a latitudine clavorum dicebatur, quae nunc a genere picturae appellatur. Vgl. c. 29 Stichwort Wirken. Ov. fast. 5, 353–356: Flora […] wünscht sie sich doch, daß ihr Fest zugänglich sei für die Plebs! […] Doch warum ist sie schön im Schmuck ihrer bunten Kleider, während am Ceresfest weiße Gewänder man trägt? – cum tamen, ut dantur vestes Cerialibus albae, sic haec est cultu versicolore decens? Cato agr. 68, 59: Vestimenta familiae. Tunicam p. III S, saga alternis annis. Quotiens cuique tunicam aut sagum dabis, prius veterem accipito, unde centones fiant. Sculponias bonas alternis annis dare oportet. Juv. 8, FN 107, S. 393, vgl. Mart. 10, 25. Ex 28, 33–35 und 39, 23–24.

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    Soldaten unter dem Kreuz, damit sie nicht zerschnitten werden musste167. Sie bekam schon früh Symbolcharakter als Vorbild für die Einheit der Kirche. Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts machten sich viele Gedanken über diese tunica inconsutilis und nahmen schließlich an, die Tunika sei in Form der skandinavischen Rundgewebe hergestellt worden168. Dies kann nicht bestätigt werden, denn auch die quer gewebten Tuniken wurden in einem Stück gewebt und sind keine besonders seltene Erscheinung. Unter der Tunika wurde die subucula getragen, die man aber, korrekt gekleidet, nicht sehen durfte169. 6 b. pellicia tunica Pelztunika Der Überlieferung nach bestand die erste dauerhafte Kleidung von Adam und Eva aus Felltuniken170. Mit „Fellen des nahe lebenden Wildes“ bereitete die Gattin des Saturnus für sich und ihren Mann schon das Lager, als beide noch in Höhlen lebten171; sie waren sicher als Decken gedacht. Festus überliefert einen Brauch, der zur Hochzeit geübt wurde: „In Wolle tragendem Fell pflegt die Neuvermählte (in Gemeinschaft) zu sitzen, entweder eines alten Brauchs wegen, weil im Altertum die Menschen mit Fellen angetan waren, oder weil sie dem Mann bezeugen will, dass sie die Pflicht der Wollarbeit leisten werde“172. In römischer Zeit waren Pelze ein Kennzeichen fremder Völker. Plinius spricht von dem Pelz tragenden Pompeius Paulinus, der väterlicherseits von einem römischen Ritter aus Arles abstammte173. Columella empfiehlt, ein Gutsherr solle nicht nur aus Fürsorge, sondern auch aus Eigennutz – denn gute Arbeiter seien teuer – für angemessene Kleidung der Sklaven sorgen, und zwar sollten sie eine langärmelige Pelzbekleidung und/oder Kukullen aus sagum zugeteilt bekommen. Dies war ein Wetterschutz, bei dem die Sklaven auch im Winter bei Kälte und Regen 167 168

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    Io 19, 23–24. F. Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder des MA, S. 402–410 und Arbeit am Gewichtswebstuhl Tafel 9. Hor. epist. 1, 1, 95. Gn 3, 21: fecit quoque Dominus Deus Adam et uxori eius tunicas pellicias et induit eos. Juv. 6, 7. Fest. S. 102: In pelle lanata nova nupta consedere solet, vel propter morem vetustum, quia antiquitus pellibus homines erant induti, vel quod testetur lanificii officium se praestaturam viro. Plin. 33, 143: Pompeium Paulinum, Arelatensis equitis Romani filium paternaque gente pellitum.

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    draußen arbeiten konnten. Jemand, der z. B. am Herd, in der Schmiede oder beim Baumfällen arbeitete, war geschützt, sofern die Lederseite nach außen getragen wurde174. Die Pelzkleidung sollte nicht zu knapp bemessen werden, obwohl Pelz- oder Lederkleidung nicht unbedingt preiswert war. Eine längere Abhandlung findet sich bei Varro, der in Verbindung mit Ziegenhaaren schreibt, dass bei den alten Griechen „in den Tragödien die Greise […] ‚Fellbekleidete‘ genannt, werden und in den Komödien die, die mit der Feldarbeit ihr Dasein fristen“175. Wie Martial berichtet, konnte man aus fünf Schaffellen einen kleinen Umhang machen176. Die Sklaven in den Bergwerken trugen Pelze177. Ob das Kleidungsstück des zeitweise als Einsiedler lebenden Benedikt von Nursia, den Gregor der Große als den „mit Fellen bekleideten“ vorstellte, eine genähte Tunikaform hatte, lässt sich nicht erkennen. Laut Gregor glaubten vorbeikommende Hirten zunächst, nicht Benedikt im Gestrüpp zu sehen, sondern ein wildes Tier178. 7 a. talaris tunica lange Tunika Quintilians Bemerkung über die angemessene Tunikalänge galt den Togaträgern, sie wurde aber nicht von allen beachtet. Sueton ist es eine Bemerkung wert, dass Caligula (37–41) in palla und tunica talaris auf einem Brettergerüst zur Musik von Flöten und Taktsohlen tanzte179. Als Antoninus Elagabal (Heliogabal, 218–222) nach Syrien kam, gefiel ihm die dortige Tracht: In langen, „bis zu den Füßen und Händen reichenden Gewändern phönikischer Tracht, in der Mitte mit einem einzigen Purpurstreifen“, zusammen mit „Schuhwerk aus Leinen“ mussten die Kommandanten der Prätorianer und die Männer in den höchsten Ämtern auf Befehl des Kaisers den Dienst in Rom verrichten, „als er sie an seinen Opferriten teilnehmen ließ“. „Allein an Seide fand er Gefallen“, berichtet Herodian als Zeit174

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    Colum. 1, 8, 66: quae cuncta prohibentur pellibus manicatis, centonibus confectis vel sagis cucullatis. Vgl. 1: vestem manicas pedum que tegumina recognoscit und 11, 1, 740: quae utraque prohibentur optime pellibus manicatis et sagaceis cucullis. Die Tatsache, dass Columella dies dreimal betonte, beweist, wie wichtig ihm dieser Gesichtspunkt war – und vielleicht auch, wie oft dagegen verstoßen wurde. Varro rust. 2, 11, 11. Vgl. D. Flach, Kommentar, S. 348–349. Mart. 11, 27: sucida palliolo vellera quinque petit. Tert. pall. 3, 4: dehinc cum de originis loco exterminat, quippe deliquerat, pellitus orbi ut metallo datur. Greg. M. dial. 2, 1, 8: vestitum pellibus. Suet. Cal. 54.

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    zeuge180. Dieses bestätigt Cassius Dio, der sagt: „Außerdem ließ er sich wiederholt in der Barbarenkleidung, wie sie die syrischen Priester tragen, sogar in der Öffentlichkeit sehen. Nicht zuletzt deshalb erhielt er den Spottnamen ‚der Assyrer‘“181. Interessant ist hier besonders der Hinweis auf den Mittelstreifen, der zur phönizischen Tracht gehört182. Anzunehmen ist, dass ein Priester eine lange Tunika trug, der an der Gedächtnisstätte des Märtyrers Stephanus Dienst tat. Nach Augustinus breitete man seine priesterliche Tunika über einem Sterbenden aus, der sich daraufhin als Geheilter erhob183. Die talaris tunica, auch tunica manicata genannte Tunika der jüdischen Priester, hat Isidor bereits in c. 21 behandelt. 7 b. pectoralis tunica taillenlange Obertunika Das Ephod oder Superhumerale, das der Hohepriester des Alten Testaments trug, hatte die Länge von einer Elle (rund 60 cm) und reichte damit etwa bis zur Taille. Da das Rationale eingearbeitet werden sollte, konnte man annehmen, es handele sich um ein zusammenhängendes Kleidungsstück. In der christlichen Kirche war das Superhumerale als oberstes Kleidungsstück länger, wenn sich auch die genaue Länge im Laufe der Jahrhunderte stets änderte. Obwohl nicht näher beschrieben, ist eine Brusttunika, heute könnte man Wams sagen, sehr praktisch. Man kann deshalb davon ausgehen, dass es sich in einfacher Ausführung auch in der Antike um ein gebräuchliches, alltägliches Gewand handelte. 8. tunica manicleata oder c(h)iridota Tunika mit langen Ärmeln Häufig waren Ärmeltuniken gleichzeitig lange Tuniken. Hierzu sagt Gellius, es habe in Rom und Latium für unziemlich gegolten, wenn sich ein Mann mit Ärmeltuniken, chiridotae, bekleidete. Nur Frauen sei es zugestanden, „ein langes und weit ausgebreitetes“ Kleid zu tragen, das Arme und Beine bedecke. Gellius wiederholt die überlieferte und sicher unrichtige Formel, früher sei man ohne Tuniken bekleidet gewesen, später habe man kurze gegürtete getragen, die auf der Schulter genäht oder gefibelt wurden und 180 181 182

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    Herodian, Geschichte des Kaisertums nach Marc Aurel 5, 5, 1–10. Vgl. c. 29. Cass. Dio, Epitome des Buches 80, Xiphilinos 348, 11, 2, Bd. 5, S. 465. In Palmyra und Dura Europos sind aus dem 3. Jh. Tuniken mit Mittelstreifen sowohl auf den Kunstwerken als auch unter den archäologischen Funden zu sehen. Aug. civ. 22, 8, S. 782.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    die die Griechen exomis nannten184. Mit seiner unnachahmlichen Kunst, durch viele Worte Stimmung zu erzeugen, redet Cicero von einer Gefährtengruppe, Herzens- und Busenfreunde des von ihm als Staatsfeind angesehenen Catilina. Ihre Erkennungszeichen seien gekämmte, glänzende Haare, entweder Bartlosigkeit oder gepflegte Bärte, langärmelige, bodenlange Tuniken mit amicti, keine Togen!185. Angeblich war es unter den Etruskern unüblich, Ärmeltuniken zu tragen, denn von einem von ihnen wird der Trojaner Ascanius, Sohn des Aeneas, verhöhnt, weil seine Tunika Ärmel habe186, so jedenfalls die Ansicht von Vergil. Servius verweist in seinem Kommentar auf Cicero, der dem Catilina-Anhang auch ihre Ärmeltuniken vorwirft. Lange enge Ärmel mussten durch Querfalten eine Überlänge bekommen, damit der Ellenbogen die nötige Bewegungsfreiheit hatte187. Kaiser Commodus (180–192) leistete sich nach Cassius Dio „eine Menge unvernünftiger Ausgaben“. Ein Beispiel dazu: „Bevor er das Theater betrat, pflegte der Kaiser eine langärmelige, weiße, golddurchwirkte Seidentunika anzulegen und in solcher Aufmachung unsere Grüße entgegenzunehmen. Wenn er sich dann anschickte hineinzugehen, nahm er eine reinpurpurne, goldgewirkte Robe und eine gleichfarbige chlamys nach griechischem Schnitt und setzte sich einen Kranz aufs Haupt, der aus indischen Edelsteinen sowie aus Gold gefertigt war“188. Wie Gellius schreibt, machte man Sulpius Gallus zum Vorwurf, dass er Tuniken benutzte, die die ganzen Hände bedeckten. Anschließend rügt er die ganze Erscheinung dieses Mannes, der am Ehrenplatz der Tafel neben seinem Liebhaber lag189. „Die Tu184

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    Gell. 6, 12, 1–6. – 1. Tunicis uti virum prolixis ultra brachia et usque in primores manus ac prope in digitos Romae atque in omni Latio indecorum fuit. 2. Eas tunicas Graeco vocabulo nostri ‚chiridotas‘ appellaverunt feminis que solis vestem longe late que diffusam indecere existimaverunt ad ulnas crura que adversus oculos protegenda. 3. Viri autem Romani primo quidem sine tunicis toga sola amicti fuerunt; postea substrictas et breves tunicas citra humerum desinentis habebant, quod genus Graeci dicunt exomidas. Cic. Catil. 2, 22: quos pexo capillo, nitidos, aut imberbis aut bene barbatos videtis, manicatis et talaribus tunicis, velis amictos, non togis. Verg. Aen. 9, 616. Serv. unter 613: „tunicae vestrae habent manicas, quod etiam Cicero vituperat, dicens manicatis et talaribus tunicis: nam colobiis utebantur antiqui“. Moderne Schnitte haben diese Bewegungsmöglichkeit mit eingerechnet. Cass. Dio, Epitome des Buches 73, Ergänzungsbericht 16 (2) Exc. Val. 321 (p. 729) und 16 (3), Bd. 5, S. 296 bzw. S. 297. Gell. 6, 12, 4–6. – 4. Hac antiquitate indutus P. Africanus, Pauli filius, vir omnibus bonis artibus atque omni virtute praeditus, P. Sulpicio Gallo, homine delicato, inter pleraque alia, quae obiectabat, id quoque probro dedit, quod tunicis uteretur manus totas operientibus.

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    niken“, so Tertullian, waren im alten Karthago „berühmt wegen ihres Webeinschlags und des Glanzes der Verbindungen [von Kette und Schuss], sowie der Richtigkeit der Maße, weil sie weder über die Schienbeine üppig hinaus noch unanständig kurz bis zu den Knien, weder an den Armen knapp, noch an den Händen eng, sondern schön durch die viereckige Ebenmäßigkeit bei den Männern saß (und es war nicht dienlich, den Schoß durch einen Gürtel zu teilen)“190. Über die Tunika Josephs, die ihm sein Vater Jakob geschenkt hatte und die ihn aus der Geschwisterreihe heraushob, wird verschiedentlich berichtet. Hieronymus zufolge hat Aquila diese tunica astragalon mit tunica talaris übersetzt, Symmachus beschreibt sie als Ärmeltunika, tunica manicata, „oder weil sie bis zu den Knöcheln reichte und an den Händen kunstreich durch wunderbare Mannigfaltigkeit unterschieden war oder weil sie lange Ärmel hatte: doch die Alten benutzten mehr colobia“191. Nach Augustinus ist es „beispielsweise bei den alten Römern eine Schande, die Ärmeltunika bis zu den Knöcheln zu tragen; heutzutage aber ist es für Leute aus anständigem Hause eine Schande, sie gegebenenfalls nicht so zu tragen“192. Wen er damit meint, ist unklar, möglicherweise spricht er von Mönchen, Priestern und Privatleuten. Archäologisch belegt ist eine Ärmeltunika in Palmyra, die von A. Stauffer zur parthischen Kleidung gerechnet wird. Sie schreibt: „Das feine und schmiegsame Material der Gewebe erlaubt zudem eine feine Fältelung (Plissee) an Ärmeln und Hosen sowie seitlich der Ornamentbordüren“193. Auf den Bildern des Vergilius Vaticanus sind zwar nicht die Götter im Olymp, aber doch viele Männer, angefangen von Aeneas bis zu Turnus sowohl im zivilen Leben als auch bei Kampfhandlungen mit langärmeligen Tuniken ausgestattet. Die beiden Märtyrer Felix und Adauctus in der Commodillakatakombe haben Tuniken mit schwungvoll ausgestellten Ärmeln am Handgelenk. Sie tragen darüber ein pallium, mit dem sie die Dalmatika

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    Tert. pall. 1, 1: Tamen et vobis habitus aliter olim tunicae fuere, et quidem in fama de subteminis studio et luminis concilio et mensurae temperamento, quod neque trans crura prodigae nec intra genua inverecundae nec brachiis parcae nec manibus artae, sed (nec cingulo sinus dividere expeditum) beatae quadrata iustitia in viris stabant. Hier. quaest. hebr. in gen. 57, 18–19 zu Gn 37, 12–36: et fecit ei tunicam variam. pro varia tunica aquila interpretatus est tunicam astragalon (gr.), id est tunicam talarem, symmmachus tunicam manicatam, sive quod ad talos usque descenderet et manibus artificis mira esset varietate distincta sive quod haberet manicas: antiqui enim magis colobiis utebantur. Aug. doctr. christ. 3, 13: sicut enim talares et manicatas tunicas habere apud romanos ueteres flagitium erat, nunc autem honesto loco natis, cum tunicati sunt, non eas habere flagitium est. A. Stauffer, Die Textilien aus Palmyra, S. 33 mit Abb. 34.

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    gürten194. Auf den Konsulardyptichen aus der Zeit um 400 haben die abgebildeten Personen eine langärmelige Tunika, darüber ein kürzeres colobium, das seitlich geschlitzt sein kann, und darüber entweder eine lange chlamys oder eine schmale trabea. Wann eine langärmelige Tunika in der Kaiserzeit auch zur Toga getragen werden konnte, lässt sich vorerst nicht sagen. Auf den Mosaiken der Kirche in Ravenna tragen alle kirchlichen Würdenträger eine lange Tunika mit langen Ärmeln, hingegen die weltlichen Würdenträger, Justinian eingeschlossen, eine kurze, mit ebenfalls langen Ärmeln. Ob deshalb die zwei Statuen aus Rom – Magistratsbeamte, die als Spielegeber agieren und Tuniken mit fein gefälteten Ärmeln unter einer Toga zeigen, – richtig von H. R. Götte in das 5. Jahrhundert datiert werden, erscheint diskussionsbedürftig195. Lange Ärmel an der kurzen Tunika waren das Kennzeichen der Sklaven, von Plautus an bis hin zur Zeit der Kaiserin Theodora, denn von ihr wird berichtet, sie habe sie in ihrer Jugend als Sklavin tragen müssen196. M. Soloweitschik und S. Kraus nennen die in Mischna Kil. 9, 7 angeführte Dalmatika auch manicata, identifizieren sie als cheiridotos und erklären sie als ein Kleid des Propheten Samuel197. 9. dalmatica Dalmatika, Tafel 12 Die Dalmatika, eine T-förmige Tunika, soll aus der Provinz Dalmatien stammen. Sie ist bekannt als ungegürtetes oder in verschiedener Höhe gegürtetes Oberkleid mit rechteckig angewebten oder angenähten geraden Ärmeln, die bis über den Ellenbogen oder bis zum Handgelenk reichen. Unter den aus Dalmatien stammenden bzw. dort zeitweise amtierenden Tetrarchen wurde sie auch am Kaiserhof populär. In Diocletians Preisedikt von ca. 300 sind verschiedene Dalmatiken aufgelistet198, darunter eine dalmatica virilis subserica clabans ypoblattae, also eine halbseidene Dalmatika für Männer mit doppelter Purpurfärbung199.

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    Roms christliche Katakomben, Abb. 121, S. 107. H. R. Götte, Studien zu römischen Togadarstellungen, S. 146 und Taf. 46, 1 E8 und 2 E9 Rom, Pal. Cons. Prokop, Anekdota 9, 9. M. Soloweitschik und S. Kraus, Kleidung, Sp. 89. Preisedikt c. 19, 8–9, 12–16, S. 150–152. Abb. 148, 149 Rom, Antiquario Palatino, Wand aus Domus Praeconum, in: H. Mielsch, Römische Wandmalerei.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

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    Eine frühe Erwähnung einer Dalmatika, die von Bischof Cyprian von Karthago bei seiner Hinrichtung 258 unter einem Umhang und über einer leinenen Untertunika getragen wurde, findet sich in den Märtyrerakten200. Von Papst Eutychianus (275–283) heißt es, dass ihm zur Kenntnis gebracht werden müsse, wenn jemand einen Märtyrer in einer Dalmatika oder einem purpurnen Colobium begrabe201. Hebt ein Träger in der Dalmatika die Arme, so erscheint eine Kreuzform202; deshalb wurde sie auch als das Gewand der Christen bezeichnet und in den Kanon der liturgischen Kleidung aufgenommen; der Überlieferung nach bestimmte Papst Silvester I. (314–335) sie zum Obergewand der Diakone zusammen mit dem pallium linostimum203, eine besondere Auszeichnung204. Die in der liturgischen Kleidung über die Schulter und manchmal ebenfalls über die Ärmel laufenden mit Kermes gefärbten roten Streifen sind nach Bischof Amalar (10. Jh.) Symbole205. Schöne Abbildungen von weltlichen Dalmatiken sind auf einem Bild zu sehen, das in der sog. Villa des Herculius bei Piazza Armerina (Sizilien) als Mosaik gestaltet wurde. Es stellt die Kaiserin Eutropia, Frau des Kaisers Maximian mit ihren beiden Kindern und zwei Dienerinnen dar. Je höher der Rang, desto breiter und zahlreicher sind die Streifen206. In der Katakombenmalerei sind Märtyrer mit ihr dargestellt, so die Orantin im Coemeterium Jordanorum oder die beiden Märtyrer Felix und Adauctus in der Commodillakatakombe, die darüber ein pallium tragen, mit dem sie die Dalmatika gürten207. Zwei wadenlange Dalmatiken mit Ärmeln, die in voller Breite bis zur Mitte des Oberschenkels gehen, tragen die Mailänder Bischöfe Maternus und Ambrosius208. Ihre über die Schultern verlaufenden Längsstreifen wiederholen sich am Ärmel. Verschiedenartige Dalmatiken aus ägyptischen Funden stellt Frances Pritchard mit ausführlichen Herstellungsangaben und schönen Bildern vor209. Eine genaue Beschreibung, die 200 201

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    Märtyrerakten, S. 81. Lib. Pontificalis 28, S. 159: Qui et constituit ut quicumque de fidelium martyrem sepeliret, sine damaticam aut colobium purpuratum nulla ratione sepeliret, quod tamen usque ad notitiam sibi devulgaretur. Diese Kreuzform ist noch bei den Talaren zu erkennen. Zu den Begriffen subserica und linostima siehe 10 b. Lib. Pontificalis, 34, 7, S. 171: Hic constituit ut diaconi dalmaticas in ecclesia uterentur et pallea linostima leva eorum tegerentur. Amalar eccl. off. 2, c. 21. Ciurca und Bologna, Die Mosaiken, S. 32. Roms christliche Katakomben, Abb. 147, S. 137. Kapelle San Vittore in Ciel d’Oro, nach 400. Abb. 51 und 52, in: van der Meer, Die Ursprünge christlicher Kunst. F. Pritchard, Dress in Egypt in the first Millennium AD, S. 50–59.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    den Abbildungen entspricht, hat Hrabanus Maurus vorgelegt210. Für F. Bock hat die Obertunika des Hohenpriesters „fast dieselbe Form gehabt, wie die Dalmatik im Mittelalter“211. Hieronymus rät seiner frommen Schülerin Eustochium, keine Kleider mit weiten Ärmeln anzuziehen212. 10. russata rotgefärbtes Kleidungsstück Rote Farbe wird mit Triumph, Blut und Tod in Verbindung gebracht. Vom Purpur sagt Plinius, auch Homer habe das Blut als purpurfarben bezeichnet213. Rottöne gab es in der Purpurfärberei, durch Kermesfarbe und Krapp. Isidor stellt sie in c. 28 vor. 11 a. laculata eckig gemusterte Textilie Laculata nennt Isidor ein Tuch mit quadratischen Feldern, in das Muster eingearbeitet sind. Dazu Plinius: Apollodoros hatte große Reichtümer, weshalb er auch „in Olympia kleine Pallien zeigte, in deren viereckige Muster sein Name mit goldenen Buchstaben eingewoben war“214. Bei Isidor sind wahrscheinlich die von Franz Bock als pallia mit festem Gewebe, pallia reticulata oder lacuata (wohl laculata), genannten Tuniken gemeint, die von den jüdischen Priestern und dem Hohenpriester getragen wurden. Bock zitiert dafür Maimonides (1135/1138–1204) und beschreibt sie mit wabenförmigem Muster215. Es ist vielleicht nicht von ungefähr, dass dem Arzt Maimonides dazu das innenliegende Muster eines Netzmagens einfiel, das sowohl sechseckig als auch quadratisch sein kann. Isidor entscheidet sich für die quadratische Form des Netzes als reticulum. Bekannt sind scutulata genannte Gewebe, die man heute mit rautenförmig oder gegittert übersetzt216. Sie wurden zu Hesekiels Zeit z. B. von syrischen Händlern in Tyrus gekauft217. „Ungeeignet für wollene Kleider ist 210 211 212 213 214

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    Hraban. inst. cler. 1, 20: de dalmatica. F. Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder des MA, S. 356. Hier. epist. 22, 13 und 34. Plin. 9, 135. Plin. 35, 62: ut in ostentatione earum Olympiae aureis litteris in palliorum tesseris intextum nomen suum ostentaret. F. Bock, S. 333. Vgl. c. 21 Tunika. Georges HWB 2. Ez 27, 16: Syrus negotiator tuus propter multitudinem operum tuorum gemmam purpuram et scutulata et byssum et sericum et chodchod proposuerunt in mercatu tuo, so jedenfalls Hieronymus.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

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    auch die Wolle, die Salacia in Lusitanien durch ein scutulatus-Gewebe empfiehlt“, schreibt Plinius und berichtet wenig später, dass die Idee für diese Musterung aus Gallien kam218. Sollte es sich bei den Tuniken der Priester um Sprang219 gehandelt haben, sind diese mit scutulata-Geweben nicht zu vergleichen. 11 b. iacintina mit Purpurfarbe in verschiedenen Blautönen gefärbtes Kleidungsstück Der Begriff wird im c. 28 über die Farben erläutert. 12. moloc(h)inia, malvella Textilie aus Baumwolle Plinius beschreibt die „Wolle von den Bäumen“ sowohl unter „Bäume“ als auch unter „Sträucher“220: „Auf einem höheren Teil der gleichen Insel [Tylos] wachsen wolletragende Bäume, jedoch von anderer Art als die der Serer. Ihre Blätter sind unergiebig und, wären sie nicht kleiner, könnte man sie für Weinblätter halten. Sie tragen kürbisähnliche Früchte von der Größe einer Quitte (Cydonia oblonga) [Plinius: malum cotoneum], die bei der Reife springen und wollartige Knäuel zeigen, aus denen man Kleider von kostbarem Leinen macht. Man nennt den Baum gossypinus; die kleinere Insel Tylos [vielleicht Arad], die zehntausend Schritte entfernt ist, ist noch fruchtbarer (daran). Juba überliefert, dass um einen Strauch herum wollige Flocken seien und dass dieses Leinen hervorragender sei als das indische. Der Baum Arabiens aber, aus dem sie Kleider machen, werde cynas genannt, wobei das Blatt ähnlich einer flachen Hand ist (d. h. eine palmate Nervatur hat221). Ebenso kleiden sich die Inder mit Hilfe ihrer Bäume“222. Unter den Funden 218

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    Plin. 8, 191: pexis aliena vestibus et quam Salacia scutulato textu commendat in Lusitania. Plin. 8, 196: (instituit) scutulis dividere Gallia. S. Glossar. Plin. 12, 38/39. Juba II. von Mauretanien kompilierte z. Zt. des Augustus in griechischer Sprache verschiedene griech. und lat. Autoren, betrieb aber auch eigene Studien zur Geschichte und Kulturgeschichte verschiedener Völker. Die Werke sind, abgesehen von einigen Fragmenten, heute verloren. – Vgl. Plin. 19, 14 (gossipion bzw. xylon) und 13, 90. Die Familie der Malvaceae ist durch Blätter mit häufig palmater Nervatur charakterisiert, freundliche Mitteilung Margaret Wightman, Dronfield: es handelt sich nicht um die Ähnlichkeit mit einem Palmblatt Ausführlich zu Byssus vgl. M. Müller, Baumwollfaser und Malventuch in Abgrenzung zu anderen textilen Rohstoffen.

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    in Palmyra finden sich eine ganze Reihe von Baumwollgeweben, das Material war gut bekannt223. 13 a. bombycina Textilie aus Seide von der Pachypasa otus Drury Der Begriff wird im c. 27 behandelt. 13 b. apocalama Über diesen Begriff hat sich Johann Sofer Gedanken gemacht. Am Ende seiner Untersuchungen kam er zu dem Schluss: „Sicherheit freilich lässt sich, da das Interpretement fehlt, wohl kaum gewinnen224. 14 a. serica Textilie aus Seide Die Seide wird in c. 23, 6f und 27, 5a behandelt. Vgl. c. 23, 6 f. 14 b. tramoserica Textilie aus Leinenkette und Seidenschuss (vgl. trama in c. 29, 7c) Tramosericum und subsericum werden als zusammengehörig angesehen, so wie trama und subtemen den Einschlag bzw. Schuss beim Weben bedeuten. Verschiedentlich ist im Preisedikt des Diocletian subsericus zu finden, der, abgeleitet von subtemen, ein Kleidungsstück bezeichnet, das aus leinener Kette und seidenem Schuss bestand, sog. Halbseide225. Die Mischna Kilajim 9, 2a verbietet, im Anschluss an das Verbot aus Wolle und Leinen eine Mischung aus Shir’a’im und Kalakh. Shir’a’im wird als Seide gedeutet, Kalakh ist der Name einer alten assyrischen Stadt und einer Stadt in Ägypten, aus der möglicherweise das Leinen stammte.

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    Nach A. Stauffer, Textilien aus Palmyra S. 12, ist Baumwolle 42 mal vertreten: „Selbst unter dem Vorbehalt, daß nicht alle Textilfunde aus den genannten Grabbauten auf uns gekommen sind, deutet dieser Befund doch auf eine zunehmende Einfuhr von Baumwolle im Verlauf des 1. Jhs. n. Chr. hin“. J. Sofer, S. 31. Preisedikt 7, 50; 19, 9–10; 19, 12–14; 20 1a; 20, 9; 22, 8–11.

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    Eine camisia tramoserica, mit coccus und grün gefärbt, wurde 564 im Erbe des Stephanus mit 3 ½ Solidi angegeben226. Wahrscheinlich handelt es sich auch bei der kurzärmeligen Tunika, die als „gemischt“ bezeichnet wird, um ein Kleid, dessen Kette und Schuß aus unterschiedlichen Materialien bestand227. 14 c. holoserica Textilie aus Seidenkette und Seidenschuss Jedes Kleidungsstück konnte aus reinem Seidengewebe hergestellt werden. Reinseidene Dalmatiken und strictorae, enge Tuniken, gab es für Männer, Dalmatiken mit Kopfverhüllungen, dalmaticomafortium, für Frauen, um nur Beispiele zu nennen228. 14 d. holoporphyra in Kette und Schuss mit reinem Purpur gefärbte Textilie Sicher war das Kleid des Gottes Phöbus ganz aus Purpur gedacht, obwohl es nicht ausdrücklich beschrieben wird229. Die Palla Jupiters, die aus der Werkstatt Minervas stammte, ist in c. 20 erwähnt. 15. byssina fein gewebte Textilie aus Leinen oder Baumwolle oder Muschelseide Siehe c. 27, 4a. 16 a. fibrina Textilie mit Biberhaar Siehe c. 27, 4c. 226 227

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    Quittung S. 240. Quittung S. 242: sarcea misticia cum manicas curtas. Unter den Textilien in Palmyra wurden eine Reihe von Mischgeweben gefunden. Die untersuchenden Archäologen halten sie für Gewebe mit seidener Kette und Schuss aus Wolle, Leinen oder Baumwolle: A. Schmidt-Colinet, A. Stauffer, Die Textilien aus Palmyra, S. 13 und Kat. 55, 224, 320, 321, 454, 455, 489–492. Preisedikt 19, 15–19. Ov. met. 2, 23: purpurea velatus veste sedebat in solio Phoebus claris lucente smaragdis. Vgl. Sidon. carm. 15, 126–131.

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    16 b. caprina Textilie aus Ziegenhaar (vgl. c. 26, 10 cilicium) Als Plinius am Schluß seiner Schriften die besonders herausragenden Erzeugnisse der Natur beschreibt, erwähnt er „das Haar der Ziegen Arabiens, die wir ladanum genannt haben“230. Man brauchte es für viele Zwecke, gesponnen für „Seemannsbedarf, zu Kriegskatapulten und Handwerkerausrüstungen“ oder nur gegerbt, wie in den griechischen Tragödien, in denen die Greise „Fellbekleidete“ genannt wurden, oder in Komödien auch für diejenigen, die mit der Feldarbeit ihr Dasein fristen231. Nicht sehr feine Ziegenhaarfasern waren ein gebräuchliches Material für Bußkleider; Paulinus von Nola erwähnt verschiedentlich den Begriff cilicium232. Als Geschenk nahm er dankbar Pallien aus Kamelhaar an, die mit ihren rauen Borsten die Büßenden zerstachen233. An anderer Stelle schreibt er, David habe Tränen für seinen kleinen todkranken Sohn vergossen, die „königliche Pracht“ mit einer schwarzen Kleidung vertauscht und seine Gebete zu Gott „durch ein härenes Gewand, cilicium, Asche und Fasten“ verstärkt234. Eine Tunika aus Ziegenhaar trug, zusammen mit einer Kukulle, ein betrügerischer heiliger Wundertäter in Tours235. Es fällt auf, dass Isidor nicht das Kleidungsstück aus Kamelhaar erwähnt, das Johannes der Täufer zusammen mit dem Pelzschurz in der Wüste trägt236. 16 c. masticinus mastixfarben (vgl. c. 28. 8 d) Mastix ist ein vielseitig verwendbares Klebemittel, das auch in der Schönheitspflege angewandt wurde. Er gilt Isidor als ein besonders helles Harz (resina) vom Mastixbaum (Pistacia lentiscus L.) aus Chios237. Im Alten Testament ist er, in der Übersetzung von Hieronymus resina, ein Handelsobjekt238. Plinius erwähnt schwarzen Mastix aus dem Pontus zur Herstellung von Pech239. 230 231 232 233 234 235 236

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    Plin. 37, 204: et Arabiae caprarum villo, quod ladanum vocavimus. Varro rust. 2, 11, 11. Paul. Nol. epist. 38, 5. Paul. Nol. epist. 29, 1: et habitu indigentibus pallia camelorum pilis texta misistis. Paul. Nol. epist. 13, 7. Greg. Tur. Franc. 9, 6. Mt 3, 4; vgl. Cassianus, de habitu monachorum 1: ipse autem Iohannes habebat vestimentum de pilis camelorum et zonam pelliciam circa lumbos suos. Is 17, 7, 7, vgl. 17, 7, 71. Ez 27, 17; vgl. M. Saur, Tyroszyklus, S. 218 und 219 mit Belegstellen. Plin. 14, 128.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

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    16 d. mena schwarze Textilie? (vgl. c. 28, 8 c) Wenn mena hier als griechischer Ausdruck eingefügt ist und schwarz heißen könnte, so ist in Verbindung mit mastix darauf hinzuweisen, dass es sowohl weißen aus Chios als auch schwarzen Mastix vom Pontus gab, laut Plinius weißen für 10 Denar, schwarzen für 2 Denar.240. Vielleicht ist es aber auch angebracht, über die Überlieferung von Augustinus zu sprechen, der feststellt, die Göttin Mena, Jupiters Tochter, sei für die monatliche Menstruation der Frauen zuständig241. Frauen waren in dieser Zeit zu verschiedenen Arbeiten, von denen einige auch die Textilherstellung im weiteren Sinne betrafen, nicht zugelassen242. Die Göttin spielte deshalb in ihrem Leben eine wichtige Rolle. An anderer Stelle spricht er davon, dass Minerva „der oberste Äther und gleichzeitig der Mond“ sei, auch hier könnte man eine Verbindung zu Textilarbeiten sehen243. 17 a. linea Textilie aus Reinleinen z. B. für Priesterkleidung, Albe Linea oder lintea ist reines Leinen. In lintea wurden Verstorbene eingehüllt. Mit sacratis linteis angetan erschienen die Isispriester244. Über die Leinenkleidung der jüdischen Priester wurde schon in c. 21 berichtet. Die Albe und der Amikt der christlichen Priester sind aus Leinen. Festus berichtet aus der Vorgeschichte: „Die Legion der Samniter heißt die in Leinwand gekleidete, weil die Samniten, indem sie einzeln zu dem von Leinenschleiern umgebenen Altar traten, geschworen hatten, dass sie den römischen Soldaten nicht weichen würden“245. Für durchsichtiges Leinen, laconica, verweist Hieronymus nur auf die Septuaginta. Hiermit sollten die durchsichtigen Gewänder der Lakedämonier (Spartaner) bezeichnet werden246. Reine Leinenkleidung konnte natürlich jeder tragen. Der Ausdruck stand häufig für eine Untertunika. Gregor der Große lobt einen Jungen, der manchmal ohne linea, oft auch ohne tunica (gr. sticha’rion) nach Hause kam, 240

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    Plin. 12/13: Preisangaben S. 367. – Nach Krünitz Online, Stichwort Mastix, ist noch im 18. Jh. „der auf der Insel Chio gesammelte Mastix der beste“. Aug. civ. 7, 2, S. 416. Vgl. Purpurfärberei c. 28 Färbewerkstätten. Aug. civ. 7, 16, S. 448. Apul. met. 2, 24, 1–2 und 4, 11, 7; Leinenkleider im Isiskult 11, 27, 4. Fest. S. 102: Legio Samnitum linteata appellata est, quod Samnites intrantes singuli ad aram velis linteis circumdatam non cessuros se Romano militi iuraverant. Hier. in Is. 2, 3, 22, 1.

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    weil er diese Dinge an Arme verschenkt hatte247. Eucherius legt beim Ephod Wert darauf, dass es Ephot Bat heiße, nicht Ephod Bar: „Bat enim apud Hebraeos linum dicitur“. Hieronymus übernimmt diesen Satz248. 17 b. linostema, linostima halbleinenes Kleidungsstück Neben halbseidenen Materialien stellte man ein Mischgewebe aus Leinen und Wolle her, linostema. Wolle und Leinen zusammen verarbeitet ergeben ein sehr stabiles Material; es verbindet die guten Eigenschaften beider Rohstoffe und ist in dieser Zusammensetzung wärmend und haltbar. Wie in Kapitel 21 ausgeführt wurde, ist es Juden verboten, Kleidung aus Wolle und Leinen anzuziehen249. Dies wird in der Mischna im Einzelnen erläutert250. Offenbar haben die Kirchenväter unterschiedlich auf diese Verordnung reagiert. Wie schon unter dem Stichwort Dalmatika berichtet, bestimmt Silvester I. (314–335) die Dalmatika zum Obergewand der Diakone zusammen mit dem pallium linostimum, dem Manipel, das über den Arm zu legen ist. Zosimus (417–418) wiederholt diese Bestimmung251. Augustinus äußert sich so: „Einst war es Sünde, leinene Kleidungsstücke mit Purpur zu 247

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    Greg. M. dial. 1, 9, PL 77, Sp. 197: nonnunquam sine linea, crebro etiam sine tunica revertebatur. Eucher. instr. 2 p. 209, dazu Hier. epist. 29, 5: ‚bad‘ autem lingua Hebraica ‚linum‘ dicitur. – Siehe Stichwort citrosa. Lv 19, 19 und Dt 22, 11: Non indueris vestimento quod ex lana linoque contextum est. Vgl. Claudia Bender, Die Sprache des Textilen, S. 54–56: Verbotene Mischungen. Mischna: Traktat „Kilajim“ 9, 1: (a) Wegen Zweierlei ist nur verboten Wolle und Leinen. Und beim Aussatz erklärt man nur Wolle und Leinen für unrein. Die Priester bekleiden sich, um im Heiligtum zu dienen, nur mit Wolle und Leinen. (b) [Was ist mit] Kamelwolle und Schafwolle, die man ineinander gehechelt hat? Wenn der größere Teil vom Kamel stammt, ist es erlaubt [mit Flachs zu mischen], aber wenn der größere Teil vom Schaf stammt, ist es verboten. Halb zu halb ist verboten. Und ebenso [ist es] bei Leinen und Hanf, die man ineinander gehechelt hat. 9, 2: (a) Seide und Kalakh fallen nicht unter Zweierlei, aber sie sind verboten wegen des Augenscheins. (b) Matratzen und Kissen fallen nicht unter Zweierlei, aber nur, wenn sie nicht mit bloßem Leib berührt werden. (c) [Es gibt] kein gelegentliches [Tragen] bei Zweierlei. Man bekleidet sich nicht mit Zweierlei, selbst nicht über zehn Kleidern, selbst nicht, um dem Zoll zu umgehen. 9, 8: (a) Wegen Zweierlei ist nur verboten, was gesponnen oder gewebt ist […]. [Das heißt:] etwas, das gekrempelt, gesponnen oder gezwirnt worden ist. Lib. Pontificalis, Silvester, 34, 7, S. 171: Hic constituit ut diaconi dalmaticas in ecclesia uterentur et pallea linostima leva eorum legerentur; Zosimus, 43, 1, S. 223: ut diacones leva tecta haberent de palleis linostimis.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

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    vermischen und sich Kleidung aus linostima-(Gewebe) anzuziehen; jetzt ist es nicht Sünde“252. Isidor untersucht das Problem im Zusammenhang mit Dt 22, 11, und erklärt, man müsse dieses Verbot allegorisch verstehen, es bedeute, dass man nicht „unordentlich“ leben solle und verschiedene Bekenntnisse vermischen253. In karolingischer Zeit wird die Wolle als Material für die Mönchskleidung vorgeschrieben254, und Leinen, später Seide, ist der Rohstoff für die Priesterkleidung. Wie man sieht, wurde die jüdische Bestimmung umgedreht: nicht im Tempelbereich wurden Textilien aus Wolle und Leinen erlaubt, sondern die Trennung besagte, dass die Mönche immer nur Wolle und die Kleriker in der Kirche Leinen tragen sollten. Einen scharfen Kommentar gegen den Materialmix verfasst Hrabanus Maurus zu Anfang des 9. Jhs.: „Leinenkleid bedeutet die Sterblichkeit des fleischlichen Lebens, linostema aber, die aus Wolle und Leinen gewebt ist, bezeichnet Heuchler, die Güte (Wohltätigkeit) gegenüber den Nächsten zeigen und sich ränkevollen Ungerechtigkeiten entgegenstellen. […] Was wird durch Wolle bezeichnet wenn nicht Einfachheit, was wird durch Leinen bezeichnet wenn nicht Feinheit […], und oft zeigt ein feiner und scharfsinniger Mensch außen die Einfachheit der Sanftmut (Milde) und verbirgt innen die Feinheit der Bosheit. Der also zieht sich das Kleid seiner Tat gleichsam aus Wolle und Leinen an, wenn von ihm sowohl die Einfachheit an der Oberfläche gezeigt wird und die Feinheit der Bosheit im Geist (Gemüt) gehütet wird“255. 18 a. recta nach oben gewebtes Kleidungsstück Festus interessiert sich für den Begriff recta an zwei Stellen: „Rectae werden männliche Kleidungsstücke genannt, die Väter wegen der Vorbedeutung [nach feierlichem Brauch] für ihre Kinder anfertigen lassen, so benannt, weil sie von Stehenden in die Höhe gewebt werden“256. Servius kommentiert eine Stelle in der Aeneis, die von der webenden Circe handelt: „bei den

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    Aug. contra Faust. 6, 9, 301: lineis vestibus miscere purpuram et linostima veste indui aliquando peccatum fuit, nunc non est peccatum. Isid. expos. in Dt. 9, 2, Sp. 362. Papst Zacharias, in: Briefe des Bonifatius, Nr. 1, S. 420. Hraban. de rerum naturis, Migne PL 111, Sp. 572. Fest. S. 342: Rectae appellantur vestimenta virilia, quae patres liberis suis conficienda curant ominis causa: ita usurpata quod a stantibus et in altitudinem texuntur. Vgl. Fest. S. 364 unter Stichwort regillum in c. 25, 1a.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Alten woben sie stehend, und so, wie wir heute die Leinweber sehen“257. Viele Römer liebten die traditionellen Werte, und die Hochzeitskleidung für das Brautpaar wurde auf die alte Art als Glücksbringer für ein langes gemeinsames, scheidungsfreies Leben hergestellt. Plinius schreibt über die Sage, die Anlass für diese Sitte war: „Tanaquil, [Ehefrau des sagenhaften fünften Königs von Rom, Tarquinius Priscus, der die Herrschaftsgewänder eingeführt haben soll] war die erste, die eine gerade Tunika gewoben hat, womit Jünglinge und neuvermählte Frauen zusammen mit der ungeschmückten Toga eingekleidet werden“258. Tunika und Toga wurden im Stehen am Joch- oder Gewichtswebstand gewebt. Auf diese altertümliche Weise ließen sich besonders feine Gewebe herstellen259. 18 b. segmentata Textilie mit Segmenta (vgl. c. 31, 12), Tafel 12 Der Begriff und das Endprodukt, das Isidor und andere praesegmina nennen, kann auf alles Abgeschnittene im täglichen Leben angewendet werden. Segmenta, Bortenstücke, Muster als Quadrate, Sterne oder ähnliches geformt, können eingewebt, gestickt oder aufgenäht sein. „Was soll ich von der Kleidung reden? Ich will jetzt weder Zierstücke, noch dich, Wolle, die du von tyrischem Schneckensaft rot schimmerst“, so Ovid in ars amatoria260. „Eine lange Tunika besetzt mit Verzierungen, segmenta, und dazu Brautschleier, flammea, legt der an, der […] unter dem Salierschild schwitzte“. Als Isidor dieses Zitat von Juvenal in c. 31, 12 anführte, war er sich möglicherweise nicht bewusst, dass es sich auf die „Hochzeit“ des Gracchus bezog, die er mit einem Mann feierte. „Gracchus gehörte der den Patriziern vorbehaltenen Priesterschaft der Salii an, die bei ihren mit Tanz und Gesang verbundenen Umzügen die an Riemen befestigten heiligen Schilde König Numas trugen“, was seine Hochzeitsinszenierung besonders peinlich machte261. Möglicherweise kennzeichneten solche segmenta die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, wie die Darstellungen in der sog. Villa des Herculius nahelegen. Die paragaudae, ebenfalls kurze Besätze, gehörten 257 258

    259 260

    261

    Serv. Aen. 7, 14: aut quia apud maiores stantes texebant, ut hodie linteones videmus. Plin. 8, 194: ea prima texuit rectam tunicam, quales cum toga pura tirones induuntur novaeque nuptae. Siehe c. 29, 1b Webstand, tela iugalis, tela iogalis. Ov. ars 3, 169: Quid de veste loquar? Nec nunc segmenta requiro, nec quae de Tyrio murice, lana, rubes. Juv. 2, 124: segmenta et longos habitus et flammea sumit arcano qui sacra ferens nutantia loro sudavit clipeis ancilibus, dazu Kommentar J. Adamietz FN 48, S. 333.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

    199

    als Insignien zur Tracht des Kaisers und bestimmter Beamter262. Es gab auch die aufgesetzten und in besonderer Weise geschmückten Besätze auf den Chlamiden, mit denen man vor dem Kaiser die Hände verhüllen konnte. Ammianus beschreibt eine Szene, in der jemand entgegen der Sitte von Kaiser Julian (361–363) ein Geschenk mit offenen Händen annehmen wollte263. 19 a. levidensis leichte Textilie Locker gewebte Tuche werden z. B. für Schleier gebraucht. Cicero benutzt den Begriff in übertragenem Sinn, wenn er einen Text „aus grobem Faden“ schnell gemacht, als leichtes, geringfügiges Geschenk ansieht264. 19 b. pavitensis gewalkte Textilie (siehe Exkurs 29 a, Walker) Feste Tuche sind für viele Gelegenheiten nötig. Warum Isidor den Begriff hier aufführt, kann im Augenblick nicht gesagt werden. Die Walker mussten die Wolltuche mit den Füßen treten, damit sich die Wolle an der Oberfläche verfilzte. 20. citrosa nach Isidor gekräuselte Textilie; nach Zitrusöl duftend Was mit diesem kurzen Satz über citrosa vestis gemeint ist, kann man nur vermuten. Allein Isidor bringt citrosus mit „kraus“ zusammen, und da er wie auch Festus auf die „Ähnlichkeit mit einem Zitrusbaum“ hinweist, stellen sie sich wohl den Anblick von dessen unruhig wirkenden Zweigen vor265. Kräusel können auf verschiedene Arten entstehen; eine gebräuchliche Methode ist das Herstellen von Kreppgewebe durch stark gedrehte Fäden. Macrobius verweist darauf, dass der stark duftende Zitrusapfel (citreum malum) gegen Motten zwischen Kleidungsstücke gelegt wird266 und führt dafür Naevius an267. 262 263 264

    265 266 267

    CTh 10, 21, 1 (369 Juli 18), S. 565. Amm. 16, 5, 11; vgl. Mosaik in S. Vitalis, Ravenna, Kaiser Justinian und Gefolge. Cic. fam. 9, 12, 2: sed ego hospiti veteri et amico munusculum mittere volui, levidense crasso filo, cuius modi ipsius solent esse munera. Fest. S. 37: citrosa vestis appellata est a similitudine citri. Macr. Sat. 3, 19, 4: est autem odoratissimum, ex quo interiectum vesti tineas necat. Macr. Sat. 3, 19, 5: hinc et Naevius poeta in bello Punico ait citrosam vestem.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Von kraus ist noch in einem anderen Zusammenhang die Rede. Das leinene ephod, das z. B. Samuel trug268, heiße ephod bad und nicht ephod bar; denn bad bedeute Leinen, linum, bar jedoch kraus, crispus, erläutert Hieronymus269. 21 a. velenensis tunica Tunika aus Velia Bei Nonius wird eine „unverzierte [lange] Hose aus Velia“ angeführt270. Cicero erwähnt, dass Ceres-Priesterinnen „fast immer aus Neapel oder Velia“ kämen271. 21 b. exotica vestis exotisches, fremdländisches Kleidungsstück Varro benutzt den Begriff exotisch nicht, er verwendet statt dessen peregrinus im Hinblick auf die in römisches Sprachgut eingegangenen Begriffe272: „Exoticum nennt man fremdartig, peregrinus,“, sagt Nonius, der einige Modenamen aus einer Aufzählung des Plautus kommentiert. Da gibt es durchscheinende und blickdichte Tuniken, das weiße Leinenkleid mit beschnittenen Säumen und die Untertuniken, bortenbesetzte, Ringelblumen- und safranfarbene Kleider, Pluderhosen, das Königs- oder exotische Gewand, Seidenkleider273, Kleider in Nussbraun oder Wachsfarbe ebenso wie das Kleid aus Lakonien274. c. 21 c – 22 a und b Die folgenden Begriffe polymita, acupicta, phrygia und plumaria beschreiben Gewebe, die in textilen Techniken, die Ton in Ton, mit Vielfar268 269

    270 271 272

    273 274

    1 Sm 2, 18. Hier. epist. 29, 5 und Hier. in proph. minores, in Za 3, 12, 285: pro quo hebraico latino que sermone, male quidam legunt ephod bar; siquidem bar, aut filius appellatur, aut frumenti manipulus, aut electus, aut oulus (gr.), id est crispus. Non. (nach Novius Paedio) S. 866: supparum purum, Veliense interim. Cic. pro Balbo 55. Varro ling. 5, 167: In his multa peregrina, ut sagum, reno Gallica, ut gaunaca et amphimallum Graeca. S. c. 29 a Moireé. Non. S. 867. Plautus Epidicus 230–234: tunicam rallam, tunicam spissam, linteolum caesicium, indusiatam, patagiatam, caltulam aut crocotulam, subparum aut subnimium, […], basilicum aut exoticum, cumatile aut plumatile, carinum aut cerinum […]. Laconicum. Siehe auch c. 28 Farben.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

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    bigkeit oder Verzierungen im Sinne von Ornamenten hergestellt werden. Heutige Sprachforscher stehen vor der Schwierigkeit, dass sich keine eindeutigen Unterscheidungen zwischen Sticken und Wirken (Musterweben) feststellen lassen. Insofern bleibt es häufig bei Vermutungen. Stickereien gab es schon in frühester Zeit, erhalten sind nicht nur die Goldstickereien aus dem sarmatischen Grab einer „Priesterin“ aus der Sololova Mogila, Bronzezeit, deren Grabbeigaben ihre Kontakte zum Mittelmeerraum zeigen. Auch in Europa wurde gestickt275. In Palmyra sind gestickte chinesische Seiden erhalten276Jedoch war die Art der Musterherstellung eine Sache des jeweiligen Modetrends. 21 c. polymita, polimita vielfädige, vielfarbige Textilie Plinius erklärt: „Aus vielen Fäden Gewebe herzustellen, welche poliymita genannt werden, hat Alexandrien gelehrt“277. Martial überliefert mit der Überschrift „Cubicularia polymita“: „Das Land von Memphis beschert dir diese Geschenke; besiegt ist durch den Weberkamm vom Nil nunmehr Babylons Nadel“278. Schöne Kleidung jüdischer Frauen, so wird in Ez 16, 13 beschrieben, sind aus byssus gemacht, polimitus und multicolor im Aussehen. In seinem Kommentar erklärt Hieronymus polymitus mit subtilis, fein in Kette und Schuss, und folgt damit Symmachus; gemäß der Septuaginta war es trichapta. Aquila übersetzt floridus, in lebhaften Farben, und meint damit nach Hieronymus ebenfalls trichapta, drei feine Fäden279. Moses Mendelssohn stellt sich in der Thora gewirkte Bilder vor, wenn er die Tempelvor275

    276

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    279

    A. K. Elkina, Goldstickereien mit „Seidenseele“ in dem Grab einer sarmatischen „Priesterin“ aus der Sokolova Mogila, S. 227–229. R. Grönwoldt beschreibt Stickereien aus dem Besitz des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart, von denen das älteste aus der Zeit um 600 v. Chr. stammt, Kammergrab VI, Hohmichele, Krs. Biberach, S. 31–32. Dazu A. Stauffer:, Textilien aus Palmyra, S. 47: „Bei den Seidenstickereien kann man zwei Gruppen unterscheiden, wobei technische und stilistische Merkmale darauf hinweisen, daß die sekundären Stickereien der zweiten Gruppe nicht in China selbst, sondern eher weiter westlich, möglicherweise im persischen Raum ausgeführt worden sind. […] Besonders aufschlußreich ist Kat. 240 (Abb. 52.105 Taf. 96–97) mit der Darstellung von Männern bei der Traubenernte und Fabeltieren unter Weinranken“. Plin. 8, 196: plurimis vero liceis texere, quae polymita appellant, Alexandria instituit. Mart. 14, 150: Haec tibi Memphitis tellus dat munera: victa est pectine Niliaco iam Babylonos acus. Ez 16, 13; vgl. Hier. in Ezech. 4, 16, 1192–1203 und 1320: et amictus tui byssini et trichapta et versicoloria, hierzu sagt Symmachus polimitus. Vgl. 1321–1325.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    hänge mit Cheruben im Blick hat280, und ihm zufolge konnte man auf dem Gürtel des Hohenpriesters Blumen und Edelsteine unterscheiden281. Eine kunstvoll gewirkte Tunika soll Josef von seinem Vater Jakob zum Geschenk erhalten, dies erregte bei seinen Brüdern großes Ärgernis282. 22 a und b. acupicta oder phrygia „mit der Nadel283 gemaltes“, verziertes Kleidungsstück, Tafel 13 Plinius berichtet, „daß farbige, pictae, Kleider schon bei Homer vorgekommen sind, woraus die Triumphgewänder sich entwickelten. Diese mit der Nadel herzustellen, haben die Phrygier erfunden, und daher sind solche Gewänder phrygionische genannt worden“284. Im gleichen Absatz, in dem Plinius über die phrygische Kunst schreibt, wird von ihm Babylon gerühmt: „Babylon machte am meisten bekannt, verschiedene Farben einem Bild einzuweben“285. Martial sagt dazu, dass Semiramis286, in der griechischen Sage Königin von Babylon und Schöpferin der Hängenden Gärten und nach Isidor Erfinderin der Tiaren287, ebenso als Erfinderin aller wunderbar mit der Nadel gefertigten Tuche Babylons galt288. Vergil setzt die Phrygier mit den Trojanern gleich und sieht eine unmittelbare Verbindung zwischen ihnen, ihrer Kunst und den Anfängen des römischen Reiches289. Er dichtet in der Aeneis, Andromache habe Ascanius, dem Sohn des Aeneas, eine phrygische chlamys zur Erinnerung an die Heimat mit auf die Reise gegeben290. Servius kommentiert Vergils Aeneis-Stelle so: „Eine phrygische chlamys oder eine gewirkte, denn nach Plautus sagen wir von den Phrygern, dass sie 280 281

    282 283 284

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    Ex 26, 1 und 31; vgl. Wohlgemuth/Bleichrode, Pentateuch. Ex 39, 28: cingulum vero de bysso retorta hyacintho purpura ac vermiculo distinctum arte plumaria. Gn 37, 3: fecitque ei tunicam polymitam. Hier ist die Wirknadel anzunehmen. Plin. 8, 195–196: pictas vestes iam apud Homerum fuisse, unde triumphales natae. acu facere id Phryges invenerunt, ideoque Phrygioniae appellatae sunt. Plin. 8, 196: colores diversos picturae intexere Babylon maxime celebravit et nomen inposuit. Intexere wird heute mit Bildwirkerei übersetzt. Wirken ist ein Begriff mit doppelter Bedeutung; in der Textiltechnologie wird unter Wirkware Strickware verstanden. Hierzu siehe c. 29. Gemeint ist die assyrische Königin Samuramat um 800 v. Chr. Isid. Et. 19, 30, 3. Mart. 8, 28: non ego praetulerim Babylonos picta superbae texta Samiramia quae variantur acu. z. B. Verg. Aen. 2, 191; 1, 182; 7, 363. Verg. Aen. 3, 484.

    c. 22 Von den Arten und Namen der Kleidungsstücke

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    in dieser Kunst bewandert sind; in Phrygien nämlich ist diese Kunst erfunden worden; vielleicht hat er [Vergil] aber auch „phrygisch“ [zu „chlamys“] deshalb hinzugefügt, weil durch sie gewissermassen die Erinnerung an das Vaterland [nämlich Troia] festgehalten werden sollte“291. An anderer Stelle kommentiert er: „In der Tat haben die Phryger als erste mit Farben gewirkte Kleider erfunden, denn deshalb werden auch die Hersteller solcher Kleider phrygiones genannt“292. Plautus, in dessen Komödie Menaechmi eine palla häufiger erwähnt wird, schreibt einmal: „Er trägt die palla zu dem phrygio nach dem Frühstück“293; eine Erklärung, was genau dieser damit machen soll, fehlt. In Ovids Bericht über die große Weberin Arachne werden die Arbeitsgänge aufgezählt, die in fertigen Bildergeschichten münden: auf das Spinnen folgt das Wirken mit der Nadel294. In der Regel des Caesarius von Arles werden die verbotenen textilen Techniken detailliert aufgelistet295: „Plumaria und acupictura und alles Polymitum oder Tagesdecken für die Liegen oder Verzierungen sollen niemals im Kloster gemacht werden“. plumaria – Arbeiten mit Farben – bei Isidor nicht erwähnt Plumarius, von Isidor ausgelassen, ist nicht einfach zu erklären296. Eine interessante Interpretation bringt Gellius, der es als ein Ornament beschreibt, bei dem der (Stich-)Ansatz nach Art von Federkleidern oder Schuppen 291

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    Serv. Aen. 3, 484: Phrygiam chlamydem aut acu pictam: huius enim artis peritos Phrygiones dicimus secundum Plautum; in Phrygia enim inventa est haec ars: aut ob hoc addidit ‚Phrygiam‘, quasi per quam patriae memoria retineretur. Serv. Aen. 9, 611: sane vestes acu pictas coloribus Phryges primi invenerunt: nam ideo et artifices talium vestium phrygiones appellati sunt. Non. S. 862: „Plautus in Menaechmis (469): pallam ad phrygionem fert confecto prandio“. In einem anderen Beispiel heißt es bei Plautus in Menaechmi (426): „Bring doch die Palla zum Phrygier, die du mir vorhin geschenkt, um sie wieder herzurichten [wieder auszubessern] und um die Arbeiten hinzuzufügen, die ich möchte“. Ov. met. 6, 19–23: sive rudem primos lanam glomerabat in orbes, seu digitis subigebat opus, repetitaque longo vellera mollibat nebulas aequantia tractu, sive levi teretem versabat pollice fusum, seu pingebat acu. Caes. Arel. reg. virg. 45: plumaria et acupictura et omne polymitum vel stragula sive ornaturae numquam in monasterio fiant. Scherling, Plumarii. Während Georges, HWB, hier einen Brokatwirker sehen wollte, nahm K. Scherling an, es handele sich bei den plumarii um Plattstichsticker, während die phrygii Kreuzstichsticker gewesen seien.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    überdeckt wird297. Dies kann z. B. bei versetztem Plattstich der Fall sein, wenn Goldplättchen übereinander angebracht werden oder der Einschlag der Goldfäden im Gewebe so dicht ist, dass man die Kette nicht mehr sehen kann. Als Zitat nennt Gellius die Stelle in Vergil: „Er lenkte ein Pferd, das ein Leder bedeckte, das zu einem Federflaum mittels eherner Schuppen durch Gold zusammengefügt war“298. Dies kann allerdings nicht die einzige Erklärung sein, wie die Beschreibung der Handwerkerräume von Vitruv in römischen Privathäusern zeigt299. Nonius führt eine Cato-Stelle an, aus der hervorgeht, dass ein Buntwirker, plumarius, etwas von Malerei verstehen muss und dass ein Kenner dessen Werk von dem eines einfachen Webers zu unterscheiden vermag300. 23 a. trilicis dreifädige, dreifach gezwirnte oder aus Fäden in drei Farben hergestellte Textilie „Reichlich Wolle verbraucht“ das aus der Provinz Venetien stammende Gewebe aus dreifach gezwirntem Garn „und solch dicke Tuniken kann nur eine Säge durchschneiden“, dichtet Martial301. Je feiner ein Garn gesponnen wird, desto empfindlicher ist es. Ein gezwirnter Faden hat eine größere Haltbarkeit als ein gleich starker Einzelfaden, je nach Wunsch wird deshalb mit verschiedenen Fäden gezwirnt. Ob man jedoch ein dreifach gezwirntes Garn tatsächlich mit der Säge zerschneiden muss, hängt ganz von der Stärke des einzelnen Fadens ab und ist wohl eher eine schöne literarische Behauptung. Einen Weber, der sich auf dreifädige Webarbeiten spezialisiert hatte, nannte man triliciarius302.

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    Gell. 2, 6, 20: Id autem significat copiam densitatem que auri in squamarum speciem intexti. ‚Squalere‘ enim dictum a squamarum crebritate asperitate que, quae in serpentium piscium ve coriis visuntur. Ver. Aen. 11, 770: quem pellis aënis in plumam squamis auro conserta tegebat. s. c. 29, römische Werkstätten: plumariorum textrina. Non. S. 239. Mart. 14, 143: Vellera consumunt Patavinae multa trilices, et pingues tunicas serra secare potest. Georges, HWB 2, Sp. 3220.

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    23 b. bilex zweifädig, gezwirnt oder zweifach „Doppelt hält besser“, könnte man zu einem zweifach gezwirnten Garn sagen. Wenn man hierfür noch unterschiedliche Farben nimmt, lässt sich eine zusätzliche Musterung erzielen. Aus doppelt gedrehtem feinen weißen Byssus wurde nach der Vulgata das Leinen für die Priesterkleidung hergestellt. 23 c. simplex einfädig, einfach Ein einfacher Faden hält, wenn er nicht zu fein gesponnen wurde. Hieronymus benutzt den Begriff in seinem Brief an Fabiola, als er schreibt, das Ephod, das David trug, sei dem eines Priesters gleich, „einfach und aus Leinen“ gewesen303. 23 d. ralla oder rasilis Textilie aus glatt geschorenem Gewebe Zu dem Begriff rasus zitiert Plinius Fenestella, nach dessen Bericht sowohl die glatteToga, toga rasa, als auch die krauswollige, toga Phryxiana, in den letzten Jahren des „göttlichen Augustus aufgekommen“ seien304. Eine rasa toga wünschte sich ein Klient von seinem Patron für den Sommer, sagt Martial305. Der Begriff rasus drückt in diesem Zusammenhang eine besondere Qualität aus und ist daher nicht als eine abgetragene Toga zu verstehen. Nonius schreibt: Ralla, vestis dicta a raritate, bevor er Plautus in Epidico (230) mit den Worten zitiert: glatte Tunika, ralla, dichte Tunika, spissa306. A. Stauffer berichtet: „Mehrere Wollgewebe sind [in Palmyra] auf einer oder beiden Seiten gewalkt und geschoren. Dabei handelt es sich in der Regel um sehr feine Tuche“307. Ein Textil, das mit rasum (von rasilis) bezeichnet wird, meint in der Mönchsregel von Isidor ein abgetragenes, verschlissenes Teil, das exkommunizierte Mönche bekommen sollen308. 303 304

    305 306 307 308

    Hier. epist. 64, 15: aliud in similitudinem sacerdotum simplex et lineum. Plin. 8, 195. Tuchscherer, rasores pannorum, nannte man 1301 Handwerker, die die Wolltuche schoren. Mart. 2, 85: rasam tu mihi mitte togam. Non. S. 865. A. Stauffer in: Die Textilien aus Palmyra, S. 28. Isid. reg. monach. 18: Excommunicatis praeter hiemis violentiam cubile humus erit, stratum sive storea, amictus autem tegmen rasum aut forte cilicium; calciamentum vero aut sparteae aut quodlibet genus solearum.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    23 e. interpola vestis aufgefrischtes Kleidungsstück Sicher gab es viele verschiedene Möglichkeiten, gebrauchte Kleidungsstücke wieder aufzufrischen; eine davon war das Bürsten mit Kreide bei gelblich oder schmutzig gewordenen Togen. Bei farbigen Stoffen oder Streifen mochte vielleicht die mit in das Purpurbad gelegte, gefärbte Silberkreide, von der Plinius spricht, gute Dienste tun309. 23 f. pannucia Textilie, besetzt mit Stoffstücken Als Cassius Dio Statthalter von Oberpannonien wurde, fiel ihm auf, dass die Menschen „mit Ärmeln versehene Tuniken“ trugen. Zur Herstellung schnitten sie alte Oberkleider „auf eine ihnen eigene Art“ in Streifen, panni, und nähten diese zusammen. Dazu bemerkt er: „Sie tragen nun diesen Namen [Pannonier] entweder aus dem erwähnten oder aus irgendwelch anderem Grund“310. 24 a. colobium ärmellose Tunika, Obertunika Ärmellose Tuniken besaßen beide Geschlechter. Sie waren manchmal so weit, dass sie, durch Gürtel gehalten, über die Oberarme fielen311. Im Kommentar zur Aeneis schreibt Servius: „Und das Volk in der Toga [nennt er] richtig ‚Volk‘, weil sowohl jedes Geschlecht, als auch [jeder] Stand die Toga benutzte, aber die Sklaven hatten weder colobia noch calcei“312. An anderer Stelle notiert er: „Denn die Alten benutzten colobia“313. Diesen Satz wiederholt Hieronymus314. In Cassians Bericht nehmen die Erläuterungen über das Colobium, das als ärmellose Tunika zum Habit der ägyptischen Mönche gehörte, breiten Raum ein315. Es war die (Ober-)Tunika, die zusammen mit der paenula als Kleidung den Senatoren innerhalb einer 100 Meilen-Zone um Rom 382 vorgeschrieben war, sofern sie nicht in der gesetzgebenden 309 310 311

    312

    313 314 315

    Plin. 35, 44. Cass. Dio 49, 36, 5. Ein schönes Bild hierzu findet sich bei einer Dienerin der Kaiserin Eutropia in der Kaiservilla in der sog. Villa des Herculius bei Piazza Amerina, Sizilien, s. Tafel 12. Serv. Aen. 1, 282: Gentemque togatam bene ‚gentem‘, quia et sexus omnis et condicio toga utebatur, sed servi nec colobia nec calceos habebant. Serv. Aen. 9, 613: nam colobiis utebantur antiqui. Hier. quaest. hebr. in gen. 57, 19: antiqui enim magis colobiis utebantur. Cassian. inst. coen. 1, 4: colobiis quoque lineis induti.

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    Versammlung zu tun hatten316. Wie schon unter dem Begriff tunica manicata erwähnt, zeigen die Konsulardyptichen des Boethius über einer langärmeligen Tunika eine etwas kürzere, manchmal seitlich geschlitzte Obertunika ohne Ärmel unter der Trabea317. Ein großer Betrüger mit Colobium und einem Umhang von sindon angetan, in der Hand ein Kreuz tragend und viele durch seine Arglist täuschend, kam um die Mitte des 6. Jhs. nach Tours und behauptete, heilige Reliquien zu haben. So der Bericht Gregors von Tours318. 24 b. levitonarium, lebitonarium ärmellose Tunika ägyptischer Mönche Pachomius und Hieronymus nennen das leinene Colobium der ägyptischen Mönche in den Klöstern lebitonarium. Die Mönche waren ausgestattet mit „zwei lebitonaria, eine Art ägyptischer Kleidung ohne Ärmel, und mit einem schon abgenutzten zum Schlafen oder Arbeiten“319. 25 a und b. lumbare, renale Lendenschurz, Lendentuch Ein Lendenschurz, lumbare, aus Leinen ist durch den Propheten Jeremia bekannt geworden. Er sollte sich in Gottes Auftrag einen neuen kaufen, diesen an einem Bach in einer Felsspalte verstecken und ihn nach einiger Zeit wieder hervorholen. In der Feuchtigkeit der Felsspalte war das Lendentuch verrottet. Dies war als Beispielgeschichte gedacht für ein Abwenden des Volkes von Gott, das, ähnlich wie ein verrottetes Leinen, durch Hinwendung zu anderen Göttern, nichts mehr taugte320. Hieronymus nennt das lumbare aus Leinen auch cinctorium321. Als „Mann in haarigem Kleid mit einem um die Lenden gegürteten Fellschurz – vir pilosus et zona pellicia accinctis renibus“ – beschreiben Zuschauer den Propheten Elias, als er König Ahasja gegenübertritt322. 316

    317

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    320 321 322

    CTh 14, 10, 1, S. 787–788: Sine exceptione temporis matutini, dumtaxat intra moenia constitutus, nullus senatorum habitum sibi vindicet militarem, sed chlamydis terrore deposito quieta coloborum ac paenularum induat vestimenta. Konsulardiptychon des Boethius von 487, Brescia. Abb. in: Der Vergilius Romanus S. 12. Greg. Tur. Franc. 9, 6. Hier. praef. Pachom. 4, 6: duo lebitonaria, quod genus absque manicis aegyptii vestimenti est, et uno iam adtrito ad dormiendum vel operandum. Ier 13, 1–11. Hier. in Ier 3, l61, 11: cinctorium siue lumbare, quod dei renibus iungitur,. 4. Rg 1, 8.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    26. limus Schurz der Opferdiener, Schärpe323 Servius erklärt: „‚Die mit limus Bedeckten‘. Limus aber ist ein Kleidungsstück, womit vom Nabel bis nahe zu den Füßen die Schamteile der Opferdiener bedeckt werden. Dieses Kleidungsstück hat aber an seinem Außenrand einen gebogenen Purpur, d. h. voller Krümmungen, woher es auch den Namen erhalten hat, denn unter limum verstehen wir ‚schräg‘“324. 27. licinum Litze, Schlaufe Litzen brauchte man z. B. beim Weben. Hierbei werden Schlaufen geknüpft, die die Kettfäden mit den Litzenstäben verbinden. 28. armilausa geschlitzter Umhang Armilausa war das Kleidungsstück, das vorn und hinten geschlitzt und über den Schultern bis zu einem Teil der Oberarme geschlossen wurde. Sie gehörte zu den Umhängen der Soldaten und ist eine Abwandlung der paenula. Ein Bote, der Paulinus von Nola den Brief eines Freundes überbrachte, reiste nicht in einem Mönchsgewand, sondern trug caligae und eine rote armilausa wie ein Soldat325. Eine schöne Abbildung der verwandten paenula ist auf dem Grabstein des Firmus, Soldat der Cohors Raetorum, aus Andernach zu sehen; er trägt sie zusammen mit einem Halstuch326. 29 a. camisia langärmelige Tunika, Tafel 3 Isidor denkt bei der camisia zunächst an ein Hauskleid. Es scheint eine Obertunika mit langen Ärmeln zu sein – ob die Ärmel enger oder weiter waren, blieb vermutlich modeabhängig. Camisiae kommen in der Erbmasse 323 324

    325

    326

    Siehe c. 34, 4 Gürtel. Serv. Aen. 12, 120: velati limo. limus autem est vestis, qua ab umbilico usque ad pedes prope teguntur pudenda poparum. haec autem vestis habet in extremo sui purpuram limam, id est flexuosam, unde et nomen accepit: nam ‚limum‘ obliquum dicimus. Paul. Nol. ep. 17, 1 und ep. 22, 1: „Er wollte nicht gezwungen werden, den Mönch […] zu spielen […], soll also seinen Soldatenumhang, armilausa, seine caligae […] behalten“. Grabstein des Firmus, Soldat der Cohors Raetorum aus Rätien (Oberschwaben). Rhein. Landesmuseum Bonn, Mitte des 1. Jh. n. Chr., vgl. Tafel 2.

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    des Stephanus im Jahre 564 vor. Eine wird als geschmückte camisia bezeichnet, ihr Wert betrug 6 Goldsiliquae327. Nach Hieronymus ist die camisia der Soldaten mit der Tunika der Priester gleichzusetzen. Wenn demnach die Vandalen sich aus den Altartüchern einer katholischen Kirche camisiae und Hosen, femoralia, nähen ließen, war der Gebrauch der Altartücher der Frevel, nicht das Tragen von beiden an sich328. Der Begriff wird in der Literatur der karolingischen Zeit gebraucht. Als Bestandteil der Mönchskleidung war er den Verfassern geläufig und wurde aber auch für weltliche Kleidungsstücke verwendet. 29 b. femoralia, bracae Hosen (vgl. c. 21), Tafel 3, Tafel 12 Selbstverständlich trugen die Römer immer Hosen, anderes wäre mit den kurzen Tuniken nicht vereinbar gewesen. Sie waren allerdings in der Regel kurz und damit nicht zu sehen. Die vielen Reitervölker, vor allem im Norden des römischen Reiches, trugen lange Hosen. Berühmt waren die der Parther und Perser. Eindrucksvoll mit bunten Mustern versehen und hier möglicherweise aus Leder gemacht, sind Perser auf dem sogenannten Alexandersarkophag von 320 v. Chr. (in Istanbul) zu finden, der Kampf- und Jagddarstellungen zeigt. Eine Hose, anaxyrídes, wurde mit einem Riemen, himás, um die Hüften oder in der Taille gehalten329. Im Buch Daniel werden die weiten Hosen, die sarabarae erwähnt330. Ob darunter auch die als suppara bezeichneten leinenen Hosen fielen, von denen Nonius spricht, ist nicht ganz klar. Die Sprachbeispiele deuten aber darauf hin, dass diese leinenen Hosen, die bis zu den Knöcheln hängen und unter den Tuniken erscheinen, gut bekannt waren331. In römischer Zeit wurden die campestria als Hosen angesehen (siehe oben 5 b). In Dura Europos sind Männer mit langen Hosen unter kurzen Tuniken abgebildet. Gallia bracata, Gallien mit den langen Hosen, nannte man Südfrankreich, im Gegensatz zu Gallia togata in Norditalien, deren Bewohner seit der Zeit 327 328

    329 330 331

    Quittung S. 242. Vgl. Ph. von Rummel, S. 189–191 und FN 496, 497, der dies anders sieht; Victor von Vita, 1, 12: ipsi rapaci manu cuncta depopulabantur atque de palliis altaris, pro nefas! camisias sibi et femoralia faciebant. Zu camisia und femoralia der Priester siehe c. 21. Prokop, Anekdota 1, 20. Dn 3, 94. Non. S. 866–867. Er zitiert dazu Stellen aus Novius, Africanus und Varro. Varro überliefert er mit einem Vers aus den Eumeniden 121: hic indutus supparum, coronam ex auro et gemmis fulgentem gerit.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Caesars das römische Bürgerrecht besaßen332. Ein armer Britannier konnte eine alte Hose tragen333. Virodomarus, den Claudius besiegte, besudelte mit seinem Blut die Streifen seiner Hose und verlor seinen torquis334. Römische Soldaten bestaunten zeitweise die Germanen, von denen einige Stämme mit kurzen Hosen und nackten Beinen kämpfen konnten335. Für eine leinene braca wird der Wert mit einer Goldsiliqua angegeben336. Die Hosen, die im Codex Theodosianus für Rom verboten wurden, gehörten zusammen mit den Stiefeln, tzangae, zu einer bestimmten Art von Militärkleidung, d.h. es sollten sich weder fremde Soldaten im Gebiet der Stadt aufhalten, noch sich Römer wie solche kleiden. Ein generelles Hosenverbot lässt sich daraus nicht ableiten337. Geistliche und Mönche mussten Hosen tragen, dies ergab sich aus der Vorschrift zur Priesterkleidung in Exodus. Zwei Hosen konnten als Funde in Moorsärgen geborgen werden, die im Textilmuseum Neumünster ausgestellt sind: es sind die sog. Thorsberghosen aus dem 2. Jh.338. Eine davon wurde für das Niedersächsische Landesmuseum Hannover nachgearbeitet, wobei sich zeigte, dass der Schnitt besonders für Reiter, die auch auf dem Boden sitzen wollten, eine optimale Passform besaß. Hinten hat die Hose einen geraden Einsatz; angesetzt werden zwei Teile, die die Seiten bedecken und bis zur vorderen Mitte reichen; äußerlich ähnelt sie damit einer Kinderstrumpfhose. In der Taille wird sie durch einen Riemen gehalten, der Schritt liegt sehr tief, um bequemes Sitzen zu ermöglichen. Der Fadenlauf der beiden Teile ist so raffiniert gestaltet, dass am Oberschenkel keine Innennaht vorhanden ist, damit diese beim Reiten nicht stören kann. Am Unterschenkel konnte sie durch Längsschlitze und Schnüre den Beinen angepasst werden, angenähte Füßlinge wurden je nach Bedarf hinzugefügt. Für Isidor spielen die Texte des Origenes eine Rolle, die die bis zu den Knien reichenden femoralia der jüdischen Priester mit den campestria gleichsetzen339. Ferner betont Origenes in seiner Predigt zu Lev 8, 1–9, Tunika und Hosen, Hosengürtel und cidaris seien aus Leinen340. 332 333 334 335 336 337 338

    339 340

    c. 24 Toga. Mart. 11, 21. Prop. 4, 10, 43–44. Siehe c. 23. Quittung S. 242. CTh 14, 10, 2 (397 April 7?). Die Hosen, von denen eine nach ihrem Fundort aus dem Thorsberger Moor bei Süderbarup in Schleswig-Holstein, wurde dokumentiert von K. Schlabow, in: Textilfunde der Eisenzeit in Norddeutschland, S. 76 ff. mit Abb. 168–174. Die Funde aus Thorsberg gehören in die Stufe Eggers B2/C1, das bedeutet rund 175 n. Chr. Orig. hom in Lev 6, 368, 19: campestre, sive, ut alibi legimus, femoralia linea. Orig. hom in Lev 9, 2, 420–421.

    c. 23 Von der charakteristischen Kleidung einiger Völker

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    30. tubruci, tubraci Beinbekleidung, Hosen Wie die Hosen aussahen, die Isidor als tubruci bezeichnet, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Paulus Diakonus spricht von der Beinbekleidung der Langobarden, wie er sie nach einem von Königin Theudelinda in Auftrag gegebenen Palastgemälde identifiziert hat. Danach verwandten langobardischen Reiter zu dieser Zeit von den Römern abgesehenes Schuhwerk, osae, über dem sie tubrugo aus festem Material, birrus, trugen341.

    c. 23 Von der charakteristischen Kleidung [und den Kennzeichen] einiger Völker 1 a. Parthi, 1 b. Galli, 1 c. Germani, 1 d. Hispani, 1 e. Sardi, 6 a. Persae, 6 b. Alani, 6 c. Scotti, 6 d. Alamanni, 6 e. Indi, 6 f. Seres, 6 g. Armenii, 7 a. Gothi, 7 b. Brittones, 7 c. Judaei, 7 d. Arabes, 7 e. Getae, 7 f. Albani, 7 g. Mauri, 7 h. Picti, 8. crinis Das hier folgende Kapitel erläutert in Kurzfassung Aussehen, Bräuche und Kleidungsstücke, die Isidor bei bestimmten Volksgruppen als kennzeichnend ansah342. Für Juden und Christen, die die Bibel auch als Geschichtswerk benutzten, stammen alle Menschen von Noah und seinen Nachkommen ab, da nur sie die große Flut überlebt hatten. Isidor listet in seinen Etymologien die Herkunft der einzelnen Völker und ihre, manchmal wechselnden Wohngebiete auf343. Zu einigen von ihnen bestanden besondere Beziehungen. Die Zerstörung des jüdischen Tempels und die Vertreibung und Gefangenschaft der Oberschicht des jüdischen Volkes nach Babylon im 6. Jh. v. Chr. hatten sich tief in das kollektive Gedächtnis des jüdischen Volkes eingegraben, ebenso die Befreiung und Rückkehr mit Erlaubnis des Perserkönig Xerxes. Im Neuen Testament heißt es in der Apostelgeschichte 341

    342

    343

    Paul. Diac. Lang. 4, 22: Calcei vero eis erant usque ad summum pollicem pene aperti et alternatim laqueis corrigiarum retenti. Postea vero coeperunt osis uti, super quas equitantes tubrugos birreos mittebant. Sed hoc de Romanorum consuetudine traxerant. Mit vielen anderen Fragen z. B. zu Herkunft und Verbreitung vieler Völker befasst er sich ausführlich in verschiedenen anderen Stellen der Etymologien. Beispielsweise schreibt er über die Inder in Et. 9, 2, 5: Die Inder seien vom Stamme Sem, von Jektar, dem Sohn Hebers; nach 9, 2, 39 und 128 sind sie nach dem Fluss genannt, der sie von der westlichen Seite her einschließt; nach 9, 2, 51 war Heber ein Urenkel Sems.

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    (2, 9–11) bei der Beschreibung des Pfingstwunders, dass zur Zeitenwende Juden aus aller Welt in Jerusalem lebten, die ihre eigene Sprache hatten. Es waren: Parther, Meder und Elamiter, Kreter und Araber. Sie kamen aus Mesopotamien, Judäa, Kappadokien, aus Pontus und der Provinz Asien, Phrygien, Pamphylien, Ägypten, aus der Gegend von Zyrene in Lybien und aus Rom. Für Isidor waren die Spanier wichtig, aber auch die Alanen, Goten, Geten, Gallier, Sarden und Mauren, mit denen die Bevölkerung Hispaniens Kontakte hatte. Schotten, Britannier, Pikten, Armenier, Inder und Serer hatten andere Autoren erwähnt. Das Wissen, das Isidor überliefert, deckt nicht das Wissen der Antike ab, sondern informiert über das, was ihm selber im Augenblick wichtig erscheint. Die Frage, warum er gerade die vorliegenden Informationen auswählt, kann nicht beantwortet werden, da es durchaus andere, interessante Beschreibungen über verschiedene Volksstämme gibt. Einiges an Zusatzinformationen soll hier mit zitiert werden, es handelt sich um eine begrenzte Auswahl. 1 a. Parthi Parther344 Die Parther übten in der Nachfolge der Perser und Makedonen die Herrschaft über den Orient aus. Ihr Reich bestand etwa von 200 v. Chr. bis 224 n. Chr. und war ein Vielvölker- und Vielsprachenstaat. Eine einheitliche Tracht wird es deshalb nicht gegeben haben. Martial erzählt über Schmeichler, die unter Trajan dienten, aber besser zu den Parthern gehen sollen, mit ihren pillei und den bunten Sandalen345. Isidor bringt eine sehr weite Kleidung mit den Parthern in Verbindung und fasst hier zwei Aussagen über sarabarae zusammen, die in der Vulgata den Babyloniern zugeordnet werden: In Daniel 3 heißt es vom babylonischen König Nebukadnezar II. im 6. Jh. v. Chr. dass er eine goldene Statue aufrichten ließ, die seine Untertanen anzubeten hatten. Drei führende Juden im Dienste des Königs widersetzten sich und wurden daraufhin in einen Feuerofen geworfen und zwar mit ihren bracae, tiarae, calciamenta und der übrigen Kleidung. Durch Gottes Hilfe überstanden die Männer den Feuerofen und trugen keinen Schaden davon. Auch ihre Kleidung war unversehrt, so die sarabarae346. Daraus geht hervor, dass sich die Männer den babylonischen Kleidersitten angepasst hatten. Augustinus nennt so ihre Kopfbedeckung, Hieronymus die 344

    345 346

    Ausführlich befasst sich Alice Landskron, Parther und Sasaniden, mit dem Thema von derem Bild in der römischen Kunst. Mart. 10, 72. Diese pillei lassen sich nicht generell als Filzhüte übersetzen. Dn 3, 21 und 94.

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    Hosen, braca oder auf chaldäisch saraballa347. Vesta S. Curtis berichtet von „Parthian Costume and Headdress“. Über die Münzfunde stellt sie eine chronologische Entwicklung der Kleidung fest, die sich vor allem durch eine vorn geschlossene Wickeljacke und weite Hosen auszeichnet. Sie sieht eine Ähnlichkeit mit skythischer Tracht348. Rolf Michael Schneider hebt hervor: „Die starke Angleichung der Parther an die Perser manifestiert sich auch in der parthischen Tracht. Die Parther tragen in der römischen Bildkunst seit augusteischer Zeit häufig das Ärmelgewand mit V-Ausschnitt, das schon im 5. Jh. v. Chr. die Perser auf attischen Vasenbildern bezeichnet hat. Obwohl die Vasenbilder selbst in Rom kaum bekannt waren, ist auf einer allgemeineren historischen Ebene deutlich, wie stark auch hier das römische Partherbild dem Muster des griechischen Perserbildes entsprochen hat. […] Vergleichbare Quellen sind für die literarischen Zeugnisse vorauszusetzen, die das äußere Erscheinungsbild der Parther charakterisieren. […] Offizielle Bildwerke der augusteischen Zeit wiesen gezielt auf die griechischen Persersiege hin“349. Eine eingehende Untersuchung über „Parther und Sasaniden, das Bild des Orientalen in der römischen Kaiserzeit“ liegt von Alice Landskron vor, untermauert mit schriftlichen Quellen und umfangreichem Bildmaterial. Sie sieht Wickeljacke, weite lange Hosen, gefibelten Schultermantel, prygische Mütze, Köcher, Pfeil und Bogen als typische Kennzeichen für das römische Partherbild an, hebt aber hervor, dass es eine Inkongruenz zwischen literarischen und bildlichen Zeugnissen gibt und die indigene Kunst sich hiervon unterscheidet350. A. Landskron: „Hosen, die in weite Schaftstiefel gesteckt werden und dadurch pluderförmig erscheinen, begegnen uns an fast allen Reliefs parthischer Zeit. Die Faltengebung ist unterschiedlich, einerseits fallen sie in reichlich elliptischen Bögen, […] andererseits in dichten Längsfalten oder in fast waagerechten Querfalten […]. Darüber kann eine Ärmeljacke […] getragen werden, die bis zur Wade reicht. Der Ärmelmantel (Kandys) ist kein fester Bestandteil der parthischen Tracht, er wird von den arsakidischen Königen getragen […]. Weitaus häufiger wird der Mantel als Umhang über die Schulter gelegt“351. Als bemerkenswert sieht Herodianos die „bewundernswerten Textilien“ der Parther an352. 347 348 349

    350

    351 352

    Aug. mag. 10, 118; Hier. in Dan. 1, 3, 594. V. S. Curtis, The Parthian Costume and Headdress, S. 61–73. R. M. Schneider, Die Faszination des Feindes: Bilder der Parther und des Orients in Rom, S. 111. A. Landskron, Parther und Sasaniden, das Bild der Orientalen in der römischen Kaiserzeit, 194 Abbildungen. A. Landskron, S. 96. Herodianos 4, 10, 1 ff., zitiert nach A. Landskron, S. 35.

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    1 b. Galli Gallier Vergil berichtet über die Rettung Roms durch die schnatternden Gänse und beschreibt die angreifenden Gallier: „Golden ist ihr buschiger Helmschmuck, caesaries353, golden ihre Rüstung, vestis; sie tragen mit Streifen besetzte kurze Umhänge, saguli, und ihre milchweißen Hälse werden von Gold umschlungen“354. Isidor zitiert die Stelle so: „Die Gallier sind benannt nach der weißen Farbe ihres Körpers. […]. Weshalb auch die Sibylle sie so nennt, wenn sie sagt: ihre milchweißen Hälse werden dann von Gold umschlungen“355. „Gallien in seiner Gesamtheit ist in drei Teile geteilt, von denen den einen die Belgier bewohnen, den anderen die Aquitanier und den dritten diejenigen, welche in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier heißen. Diese sind alle nach Sprache, Gewohnheit, Gesetzen untereinander verschieden“356, mit diesen Worten beginnt Julius Caesar seinen Bericht über den gallischen Krieg. „Gallien als Ganzes“, so Plinius aus der Erfahrung seiner Zeit heraus, „das mit einem gemeinsamen Namen das (Lang-) Haarige, Comata genannt wurde, wird in drei Völkerschaften unterteilt, die durch Flüsse völlig voneinander getrennt sind“357. Andere wie Sueton358 unterscheiden die Kelten/ Gallier in diejenigen, die in Gallien/Cisalpina und diejenigen, die in Gallien/Transalpina wohnen. Isidor spricht noch von den Galatern, den GalloGriechen359, an die ein Brief des Apostels Paulus gerichtet ist. Plinius zufolge hatten die Römer lange Zeit nur wenig Gold, denn „die Gallier, die mit Gold [geschmückt] zu kämpfen pflegten“, hatten es nach der Einnahme von Rom „aus den Tempeln der eroberten Stadt entwendet“360. Um so größer war der ideelle Ruhm Caesars, als die Eroberung Galliens mit seinem Feldzug (59–51 v. Chr) endete. Als Julius Caesar erfuhr, „sein Lager in Germanien sei von Feinden eingeschlossen, drang er in gallischer Kleidung durch die feindlichen Posten bis zu seinen Leuten vor“361. 353

    354 355 356 357 358 359 360

    361

    caesaries, f., Oxford latin dictionary: 1. long flowing, or luxuriant hair 2. The plume (of a helmet), flava galeri caesaries in: C. Valerius Flaccus, Argonautica, 6, 227. Verg. Aen. 8, 652–662. Isid. Et. 9, 2, 104: Tunc lactea colla auro innectuntur. Caes. Gall. 1, 1–2. Plin. 4, 105–109; vgl. Plin. 11, 130. Suet. Jul. 22, 1. Isid. Et. 9, 2, 68; 14, 3, 40. Plin. 33, 15. Von den eigenen Goldbergwerken der Gallier hatte Plinius wahrscheinlich nichts gehört. Suet. Jul. 58, 2.

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    Gallische Kunst muss in hohem Ansehen gestanden haben362. Korallen galten unter den Römern als Ausweis von Frömmigkeit. „Bevor dies bekannt wurde, verzierten die Gallier ihre Schwerter, Schilde und Helme damit. Jetzt aber besteht an dieser leicht verkäuflichen Ware ein solcher Mangel, daß man sie selbst in ihrer Heimat nur noch selten zu sehen bekommt“363. Für Plinius waren die Gallier berühmte Segelmacher; dazu zählt er „die Kadurker, Kaleter, Rutener, Bituriger und die Moriner“, um sich abschließend zu korrigieren: „nein, vielmehr alle Gallier“364. Über die Pelze, die die Bewohner von Arles trugen, wurde schon berichtet365. Sueton erzählt, als Caligula einen Triumphzug anführte, habe er neben anderen „die größten Leute Galliens, unter ihnen auch einige von den Fürsten“ ausgesucht und diese für den Festzug bestimmt. „Er zwang sie nicht nur, ihr Haar rot zu färben und wachsen zu lassen, sondern sie mussten auch noch Germanisch lernen und barbarische Namen annehmen“366. Ammianus, der sich viel mit den an den Grenzen des römischen Reiches lebenden Völkern beschäftigt, schreibt: „Über den Ursprung der Gallier sind sich die alten Schriftsteller nicht klar, und so hinterließen sie nur unvollständige Kunde davon. Später aber hat Timagenes in griechischer Gründlichkeit und Sprache aus einer Fülle von Büchern Tatsachen zusammengetragen, die lange Zeit unbekannt waren. […]. Die ältesten Ureinwohner, welche in diesen Gebieten erschienen, waren, wie einige Zeugen behaupten, Kelten und hießen so nach dem Namen eines beliebten Königs, Galater aber nach dem seiner Mutter“367. Ammianus schreibt weiter: „Die Gallier sind fast alle von hohem Wuchs und heller Hautfarbe, candidus, dazu rotblond, rutilus […]. In ihrem Äußeren sind indessen alle Gallier gleichmäßig gepflegt und reinlich, und in jenen Landstrichen, vor allem aber in Aquitanien, wird man keinen Mann und keine Frau, mögen sie auch bettelarm sein, wie anderwärts in Fetzen und Lumpen sehen können“368. 362

    363 364 365 366 367 368

    Plin, 34, 162–163: „Das weiße Blei wird nach einer Erfindung der gallischen Provinzen zum Überziehen von kupfernen Gegenständen so verwendet, daß man Mühe hat, es vom Silber zu unterscheiden […]. Später begann man auch in der Stadt Alesia, auf ähnliche Weise mit Silber zu überziehen, vor allem die Verzierungen der Pferde und Saumtiere und der Joche; übrigens gebührt den Biturigen der Ruhm der Erfindung. Später begannen (die Gallier), auch ihre Streitwagen, Wagen und Kaleschen auf ähnliche Weise auszuschmücken, wobei es die Prunksucht auch bereits bis zu goldenen, nicht nur silbernen Statuetten brachte“. Plin. 32, 23. Plin. 19, 8. Plin. 33, 143; vgl. c. 22, 6 b. Suet. Cal. 47. Amm. 15, 9, 2–3. Amm. 15, 12, 1–2.

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    Der Gallo-Römer Sidonius begleitete einen Prinzen Sigismer auf seiner Brautfahrt und schreibt von dessen bewaffneter Eskorte, ihre Füße steckten in perones, die vom Zeh bis zum Knöchel gebunden wurden, die Waden, Beine und Knie seien unbedeckt. Darüber trugen sie ein sehr enganliegendes buntes Kleidungsstück, dessen Ärmel nur den Oberarm bedeckten. Sie trugen grüne saga mit perlenbesetzten purpurnen Borten. Die von der Schulter herabhängenden Schwerter streiften, während die Gürtel zuvorkamen [zu sehen waren], die durch Bullae geschmückten Lederkoller369. Sidonius schreibt in einem Brief an Thaumastus über seine Nachbarn, die Gallo-Römer, die sich schlechter als die Barbaren benähmen: „Hier sind die Männer, die (wenn ich dir sogar die kleinsten Verstöße erzähle) berauscht sind von ungewohntem Wohlstand und durch ihren maßlosen Gebrauch enthüllen, wie klein ihre Erfahrung mit Besitz ist; denn sie lieben es in Waffen zum Fest zu gehen, in Weiß zu Beerdigungen, in Pelzen zur Kirche, in Trauer zu Hochzeiten, in Biberpelz zum Gebet“. Sidonius schreibt weiter, dass sie auf dem Forum Skythen seien, in einem Raum Vipern, in Gesellschaft Possenreißer, im Verjagen Harpyen, im Gespräch Statuen, bei Verhören Bestien, in Diskussionen Schlangen; auf anderen Gebieten Schnecken, Panther, Bären, Füchse, Bullen, Minotauren370. Es ist klar: er kann sie nicht leiden. 1 c. Germani Germanen, Tafel 5 Vergil urteilt über die Germanenart: sie „schleudern Wurfkeulen, als Kopfschutz dient ihnen rasch der Korkeiche entrissene Rinde, ehern funkeln die Schilde, es funkelt ihr ehernes Schwert“371. Plinius notiert, es gebe „fünf Hauptstämme der Germanen“, die Vandiler, die Inguäonen, die Istuäonen, die Hermionen und die Peukiner und Bastarnen372. Caesar berichtet in seinem Bellum Gallicum, die Germanen trügen Pelze oder kurze Lederkoller, renones, der größte Teil des Körpers sei 369

    370 371

    372

    Sidon. Letter 20, Bd. 2, S. 138: quorum pedes primi perone saetoso talos adusque vinciebantur; genua crura suraeque sine tegmine; praeter hoc vestis alta stricta versicolor vix appropinquans poplitibus exertis; manicae sola brachiorum principia velantes; viridantia saga limbis marginata puniceis; penduli ex umero gladii balteis supercurrentibus strinxerant clausa bullatis latera rhenonibus. Sidon. an Thaumastus, Letter 5, 7, Bd. 2, S. 190. Verg. Aen. 7, 741: Teutonico ritu soliti torquere cateias, tegmina quis capitum raptus de subere cortex, aerataeque micant peltae, micat aereus ensis. Plin. 4, 99–100.

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    nackt gewesen373. Offenbar findet das auch Sallust, von dem als Fragment überliefert ist: „die Germanen bedecken den unbedeckten Körper mit Tierfellen“374. Varro zufolge sind sagum und reno gallische Wörter375. Tacitus schreibt zur Kleidung der Germanen, während des Kampfes seien die Krieger nackt oder mit kurzen sagae bekleidet376. Bisher kann man sich nicht einigen, was genau unter nackt zu verstehen ist. Es könnte sich darum handeln, dass die Körper, im Gegensatz zu denen von manchen gepanzerten Soldaten, einen Waffengürtel und eine Oberkörperbekleidung aus Leder hatten. Die saga könnten aus dick verfilztem Material oder Pelz bzw. Leder bestanden haben. Neben diesem Material gab es viele andere Möglichkeiten sich zu bekleiden, so wurden Gewebe mit eingesponnenen Haaren schon in der Bronzezeit verarbeitet377. Auch gab es gewebte und gewalkte Stoffe, die Fellen ähnlich sahen378. Tacitus beschäftigt sich ausführlich mit der Haartracht der zu den Germanen zählenden Sueben, die offenbar nicht nur bei den Römern Beachtung fand: „Bei den Sueben streicht man, bis es grau sogar, das struppige Haar rückwärts und knüpft es häufig sogar auf dem bloßen Scheitel zusammen; die Großen tragen es auch wohl geschmückter. […] gleichsam für des Feindes Auge schmücken sie sich so, wenn in den Krieg sie ziehen wollen, zu einer gewissen Hoheit und zum Schrecken aufgeputzt“379. Er befasst sich auch mit der Frauenkleidung: „Die Frauen kommen nicht anders als die Männer daher, außer daß sich die Frauen öfters in leinene Umhänge, amicti, hüllen, die sie mit Purpur verschieden färben; das Oberteil ihres Gewandes lassen sie nicht in Ärmel auslaufen, so daß der ganze Arm unbedeckt ist. Aber sogar der anschließende Teil der Brust bleibt frei“380. Was Tacitus sich bei dieser Schilderung gedacht hat, bleibt sein Geheimnis381. Viele Germanen hatten lockiges Haar. Doch 373

    374 375 376 377

    378

    379 380 381

    Caes. Gall. 6, 21, 5: et pellibus aut parvis renonum tegimentis utuntur, magna corporis nuda. Sall. hist. 3, 104, 1: Germani intectum renonibus corpus tegunt. Varro ling. 5, 167: sagum, reno Gallica. Tac. Germ. 6, 1. H. Farke: „Durch eingesponnene Rehhaare entstand ein effektvolles Schußgarn“, in: R. Feustel, H. Farke, Zur bronzezeitlichen Hügelgräberkultur in Südthüringen, S. 109. Abt Theodomar von Monte Cassino schreibt (S. 171) im 8. Jh. u.a., scapulare heiße ein Kleidungsstück der Benediktiner, das vor allem die Schultern und den Kopf bedecke; dieses Kleidungsstück benutzten fast alle Bauern in Italien, es bestehe aus dickerem Gewebe ähnlich den Fellen. Weiter gab es die in Knüpftechnik hergestellten Rya-Gewebe, die von Inga Hägg in Haithabu gefunden wurden. Dies sind Gewebe mit Zotten, an denen der Regen ablaufen kann: I. Hägg, Textilfunde aus der Siedlung, S. 97–99. Tac. Germ 38, 2. Tac. Germ. 17, 2. Das Entblößen der Brust war ein Zeichen von tiefem Schmerz und Trauer.

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    wenn von „der Locke“, cirrus, die Rede ist, wird es bedeuten, dass man langes Haar auf den Kopf drehte und zu einer Art Locke über die Kopfmitte legte. Juvenal sagt dazu: „Wer bestaunt [… die] Germanen, das blonde, sich in fettiger Locke zu Hörnern drehende Haar?“. Dies ist an einer Abbildung eines elbgermanischen Kriegers auf einer bronzenen Kesselattache aus Tschechien zu sehen382. Von Seneca wissen wir: „Nicht ist den Äthiopiern unter den Ihren auffällig die Hautfarbe, nicht entstellt rotes Haar, gebunden zu einem Knoten, bei den Germanen den Mann: nichts wirst du bei einem einzigen für bemerkenswert halten oder häßlich, was seinem Volk allgemein ist“383. Pelzkleidung trug man sowohl von Fellen einheimischer, als auch von importierten Tierarten. Schon früh dienten Germanen in Heeren des römischen Reiches, so auch unter König Herodes in Jerusalem. Sie gewannen im römischen Heer immer mehr an Bedeutung, „Hand in Hand damit ging der Aufstieg der Germanen im spätrömischen Offizierscorps. [Kaiser] Gallienus [253–268] verlieh dem Herulerfürsten Naulobatus die Konsularinsignien“, 303 war der Bataver Januarius ein dux, der erste namentlich genannte Konsul dürfte der Heermeister Flavius Ursus im Jahre 338 gewesen sein. „Etwa ein Drittel der Heermeister des 4. Jhs. war germanischer Herkunft, im 5. Jh. hatten sie die Übermacht“384. Jordanes berichtet, „Suehans“385 und Thüringer züchteten hervorragende Pferde: „Diese sind es auch, die den Römern auf dem Verkehrswege durch Vermittlung vieler anderer Völker die sappherinischen Felle liefern, und sie sind berühmt durch die prächtige Schwärze dieser Felle. Während sie dürftig leben, haben sie die reichste Kleidung386“. Über die Hunnen 382

    383

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    Juv. 13, 164: flavam caesariem et madido torquentem cornua cirro. Archäologische Staatssammlung München, Büsten nach bronzenen Kesselattachen aus dem „Fürstengrab“ von Musˇov. Sen. de ira 3, 26, 3 [dial. 5, 26]: Non est Aethiopis inter suos insignitus color, nec rufus crinis et coactus in nodum apud germanos virum dedecet: nihil in uno iudicabis notabile aut foedum quod genti suae publicum est. Vgl. epist. morales ad Lucilium, 124, 22: „Wozu kämmst du das Haar mit außerordentlicher Sorgfalt? Auch wenn du es nach Art der Parther offen auf die Schulter fallen läßt oder es nach Art der Germanen zum Knoten bindest oder, wie es die Skyten tun, flattern läßt – jedes Pferd schüttelt eine dichtere Mähne“. A. Demandt, S. 245. Skandinavisches Volk. Jord. Get. 3, 21, S. 59: alia vero gens ibi moratur Suehans, quae velud Thyringi equis utuntur eximiis. hi quoque sunt, qui in usibus Romanorum sappherinas pelles commercio interveniente per alias innumeras gentes transmittunt, famosi pellium decora nigridine. hi cum inopes vivunt, ditissime vestiuntur.

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    schreibt er, dass sie auch in Chersona wohnen: „wohin der habgierige Kaufmann Asiens Waren bringt“. Die Hunuguren handelten mit Hermelinfellen387. Jordanes informiert uns ebenfalls über Theoderich I.: „Im dritten Jahr nach seinem Einrücken in Italien gab er auf den Rat des Kaisers Zeno die Tracht eines Untertans und die Kleidung seines Volkes auf, nahm die Zeichen königlichen Schmuckes an als König der Goten und Römer, schickte eine Gesandtschaft an den Frankenkönig Childerich I. und bat ihn um seine Tochter Audefleda“388. Zu den Germanen gehörten auch die Franken. Agathias berichtet über das Militärbündnis der Goten und Franken zur Zeit Chlodwigs und die Kämpfe mit den Römern unter ihrem Feldherrn Narses. Dabei schilderte Agathias, in juristischer und kultureller Hinsicht unterscheide die Franken nichts von den Römern, anders seien „nur ihre barbarische Tracht (barbarische stolê) und Sprache“. Fränkische Könige dürften in ihrer Jugend „niemals ihr Haar schneiden lassen“, die Locken seien „vorne an der Stirn auseinander gekämmt [und] wallten gar schön auf beide Schultern herab“. Sie gingen „nicht wie die Türken und Awaren [Hunnen] ungekämmt, struppig, schmutzig und durch Wickel hässlich aufgeputzt, sondern verwende[te]n verschiedene Reinigungsmittel für die Haare“, die sie „mit aller Sorgfalt“ kämmten. Diese langen Haare seien „Erkennungszeichen […] für das königliche Geschlecht, während der Untertan es sich rundherum schneidet und nicht länger wachsen lassen darf“389. Jedem Mitglied des Herrscherhauses, das abgesetzt oder aus anderen Gründen nicht erwünscht war, wurden die Haare abgeschnitten. Wenn bei dieser Person auch nur der Verdacht aufkam, sie könne das Haar wieder wachsen lassen, wurde sie in der Regel getötet. 387

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    Jord. Get. 5, 37, S. 63: iuxta Chersonam Altziagiri, quo Asiae bona avidus mercator importat, qui aestate campos pervagant effusas sedes, prout armentorum invitaverint pabula … Hunuguri autem hinc sunt noti, quia ab ipsis pellium murinarum venit commercium. Jord. Get. 57, 296, S. 134. Theoderich König der Ostgoten, * in Pannonien 451 ( ? ), gest. in Ravenna 526; aus dem ostgotischen Königsgeschlecht der Amaler, wurde vom oströmischen Kaiser Zenon 476 zum Heermeister sowie Patricius ernannt und belagerte in dessen Auftrag ab 488 Odoaker in Ravenna, besiegte und ermordete ihn (493). Theoderich wurde als Stellvertreter des oströmischen Kaisers Regent Italiens und 497 als König anerkannt (Flavius Theodericus rex). Agathias Historien, 1, 2, S. 1115; 3, S. 1119. An anderer Stelle (S. 180–183) berichtet er von der militärischen Ausrüstung der Franken: sie trügen einen Brustpanzer (thorax), Beinschienen (knemís), kämpften ohne Helm (krános), mit Militärgürtel (diazonymí), in langen leinenen oder ledernen Hosen (anaxyrídes linos oder skytínos) mit Schwert (xíphos), doppelschneidiger Streitaxt (pélekys) und fränkischem Speer mit Widerhaken (angonen). „Brust und Rücken sind bis zur Hüfte nackt“.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Isidor schreibt dazu390: „Die germanischen Völker werden so genannt, weil sie einen riesigen Körperbau besitzen und riesige Stämme sind, abgehärtet durch grimmige Kälte; sie haben ihre Sitten entnommen aus derselben Härte des Klimas, sind von wildem Geist und niemals bezähmt, von Raub und Jagd lebend. Ihre vielen Stämme sind unterschiedlich hinsichtlich Waffen, Kleiderfarbe, unterschiedlich klingenden Sprachen und des ungewissen Ursprungs ihrer Namen, wie Tolosaten, Amsivarer, Quaden, Tuungren, Markomannen, Bruterer [Brukterer], Chamaven, Blangianer, Tubanter. Deren Ungeheuerlichkeit an Barbarei vermittelt sogar in ihren Namen einen gewissen Schrecken“. Die Sueben sind nach Isidor ein Teil der Germanen an der Nordgrenze. „Von diesen sagt Lucan (2, 51), (Elbe und Rhein) gießen die blonden Sueben aus dem äußersten Norden“391. 1 d. Hispani Spanier Über die Einwohner Spaniens, die von vielen Völkern abstammten, wird bei Isidor nur gesagt, dass sie stringes tragen, deren Bedeutung bisher rätselhaft ist. Vielleicht war die Kleidung bei vielen Reichen mit Gold verziert, das man nach Plinius als striges gewann392. 1 e. Sardi Sarden Varro berichtet von Fellen, die in der sardischen Kleidung verarbeitet wurden: „Wie das Schaf von der Wolle zur Kleidung Ertrag abwirft, so die Ziege von den Fellhaaren […]. Ja, manche Völkerschaften sind sogar mit Fellen dieser Tiere bekleidet, wie es zum Beispiel in Gätulien und Sardinien der Fall ist“393. Isidors im Text behandeltes Cicerozitat stammt aus dessen Verteidigungsrede für Scaurus, den früheren Praetor und Proquästor im Osten. Er wurde nach seiner Amtszeit als Statthalter von Sardinien der 390 391 392 393

    Isid. Et. 9, 2, 97. Isid. Et. 9. 2, 98. Plin. 33, 62: Hispania striges vocat auri parvolas massas. Varro rust. 2, 11, 11: Neque non quaedam nationes horum pellibus sunt vestitae, ut in Gaetulia et in Sardinia. Dazu D. Flach, Kommentar zum 2. Bd. S. 347: „Sowohl nach der Aussage sämtlicher Handschriften als nach dem Wortlaut der Erstausgabe trugen manche Stämme wie zum Beispiel die Gaetuler oder die Sarden statt Gewändern aus Schurwolle Schaf- oder Ziegenfelle. […] So oder so spricht Cossinius demnach nicht bloß von Ziegenfellen, sondern von Schaf- und Ziegenfellen gleichermaßen […]. Die Sarden […] trugen in jedem Fall Lederkleidung.

    c. 23 Von der charakteristischen Kleidung einiger Völker

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    Korruption, des Mordes und der sexuellen Belästigung einer Frau beschuldigt. Cicero verteidigte ihn mit den Worten: „Ihn, den der Königspurpur nicht [zu unrechtem Handeln] bewegt hat, hätte die mastruga der Sardinier verändert?“394. Cicero über die Ankläger: „fast möchte ich sagen […] fellbekleidete Zeugen“395. Quintilian beschreibt mastruga als aus dem Keltischen abgeleitet, denn Cicero habe absichtlich mastruca, das ist sardisch, als Schimpfwort genannt, und er zählt das Wort zu den Barbarismen396. Livius spricht von den „Pelz-Sardern“, die im Krieg gegen Hannibal zu den Feinden Roms gehörten397. Während Isidor Cicero zitiert und die mastruga der Sarden als ein häßliches, monströses Kleidungsstück bezeichnet, interpretiert Paulinus von Nola entgegengesetzt. Er preist keinen Mannes Pracht in der Toga oder sogar der Toga palmata, sondern einen Träger der mastruga: Posthumianus, ein Schiffseigner, wurde im „letzten Winter“ in Sardinien, zusammen mit anderen gezwungen, sein Schiff für den Transport der Getreideernte in die Staatsmagazine in Dienst nehmen zu lassen, obwohl das Meer vom 11. November bis 10. März wegen Sturmgefahr „geschlossen“ war. Als die Schiffe in ein Unwetter gerieten und zu zerschellen begannen, versuchten sich die Besatzungen an Land zu retten, kamen aber dabei um. Nur einen armen, mastruga tragenden Greis hatte man vergessen mitzunehmen. Er entkam, denn es war ihm mit Hilfe Gottes und der Engel möglich, ohne weitere menschliche Hilfe Posthumianus’ Schiff zu führen, bis er nach langer Irrfahrt von Fischern errettet wurde, die das Schiff an Land zogen. Als es nach dreiundzwanzig Tagen an Land kam, plünderte es der dortige Befehlshaber aus. Paulinus schickte deshalb seinen Secundarius zusammen mit dem Überlebenden nach Rom, damit der Schiffsbesitzer sein Eigentum zurückerhielt. Paulinus fragt: „welchen Abbruch erlitt der Greis, [… der der] geringste unter den Seeleuten ist, durch das ärmliche Äußere, durch die mastruga der Sarden? Denn er war mit zusammengenähten Fellen bekleidet, als ihn der Herr der Heerscharen […] durch seine tröstenden Worte seligpries“398. Der Bischof stellt ausdrücklich den Sarden in seiner mastruga in eine Reihe mit anderen Pelz tragenden Gestalten der Bibel und erwähnt 394

    395

    396

    397 398

    Cic. pro Scauro 45 h, siehe auch S. 832–839: Quem purpura regalis non commovit, eum Sardorum mastruca mutarit? Cic. pro Scauro 45 o: prope dicam pellitis testibus. Der Überlieferung nach galt Scaurus als ungeheurer Verschwender und musste in die Verbannung gehen. Quint. inst. 1, 5, 8: nam ‚mastrucam‘, quod est Sardum, inridens Cicero ex industria dixit. Liv. 23, 40, 3. Paul. Nol. epist. 49, 12: inops habitus et mastruca Sardorum. Nam pellibus sutis vestiebatur.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Elias in seiner melotes und Johannes den Täufer in der Kamelhaarkleidung399. Von welcher Art also die Pelze der Sarden waren, ist nicht genau bestimmbar. D. Flach kommentiert: „Die Sarden trugen auf jeden Fall Lederkleidung“400. 6 a. Persae Perser „Die Perser sind von allen Barbaren bei den Griechen am berühmtesten geworden“401. Was Isidor unter den Persern versteht, ist nicht ganz sicher auszumachen. Er könnte sowohl die Perser meinen, die vor den Parthern herrschten und von denen in der Bibel die Rede ist, weil durch sie das jüdische Volk aus der babylonischen Gefangenschaft befreit wurde, als auch die das Partherreich seit 224 n. Chr. beerbenden Sassaniden. Herodot berichtet über die Perser, ihre pillei oder tiarae und die bunten chitones, ihre Hosen und die Gürtel402. Strabon überliefert: „Um den Kopf haben sie eine turmartige Kopfbedeckung, pilema. […]. Die Kleidung ist bei den Anführern eine dreifache Hose, anaxyrídis, ein bis zum Knie reichendes doppeltes Hemd, chitón, mit Ärmeln403, chiridotos, das untere, hypendytes, ist weiß, das obere, ho epano, buntfarbig [anthinos, eig. „geblümt“, von anthos „Blüte“], ein Umhang, himation: im Sommer rotpurpurfarben, porphyrus, oder blau, ianthinos, im Winter bunt, anthinos, eine tiara, die der der Magier ähnlich ist, und ein doppelter Halbstiefel, koilon hypodema; bei den Mannschaften [haben sie] eine bis zur Mitte des Oberschenkels reichende Tunika, chiton [und] einen Doppelmantel [diploís, Konjektur] und ein Band, rakos, aus feinem Leinen, sindonios, um den Kopf“404. Curtius Rufus beschreibt wahrscheinlich im 1. Jh. n. Chr. Einzelheiten persischer Tracht, wie er sie sich als Teilnehmer am Feldzug des Königs Dareios I. gegen Alexander vorstellt. Danach trug der König eine purpurne, in der Mitte weiße Tunika, eine mit Gold geschmückte Palla, verziert 399 400 401 402 403

    404

    2. Rg 1,8; Mt 3, 4 und Mc 1, 6. Ausführlicher Kommentar zu 2, 11, 11 siehe D. Flach zu Varro rust. Bd. 2, S. 345–349. Strabon, Geographika, 15, 3, 23, S. 269. Herodot, Neun Bücher zur Geschichte 7, 61. Da „dreifaches Beinkleid“ neben „doppeltes Hemd“ steht, wobei letzteres eindeutig im Sinn von „zweilagig“ zu verstehen ist, ist vielleicht auch das Beinkleid als „dreilagig“ zu deuten. Wohl ein Band, das man zum Turban legen kann. Strabon, Geographika, Bd. 4, Persien, 15, 3, 19, S. 267.

    c. 23 Von der charakteristischen Kleidung einiger Völker

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    mit goldenen Habichten, einen goldenen Schwertgürtel (getragen nach Frauenart) und eine cidaris, die mit weiß-blauem Band geschmückt war. Seine Begleitungen waren unterschiedlich gekleidet. Innerhalb des Zuges schritten 365 Jünglinge in purpurnen amiculae, die sog. Unsterblichen waren in höherem Grade mit barbarischer Pracht ausgestattet, sie trugen goldene torques, ihre Kleidung war mit Gold verziert und ihre Ärmeltuniken waren mit Gemmen geschmückt405. Berühmt sind die Felsengräber nahe Persepolis, Südiran, in einer senkrechten Felswand. Bereits um 1300 v. Chr. bestand hier ein elamitisches Heiligtum. König Dareios I. ließ vor der eigentlichen Grabkammer eine 20 m hohe kreuzförmige Fassade herausarbeiten, ein Vorbild auch für die folgenden Anlagen Xerxes’ I., Artaxerxes’ I. und Dareios’ II. mit Reliefs aus achaimenidischer und sassanidischer Zeit. Kaiser Valerian, der 253 auf den Thron kam, unterlag 260 dem neupersischen Sassanidenkönig Shapur I. und geriet als erster römischer Kaiser in Gefangenschaft, in der er umkam. Shapur rühmte sich dieses Sieges in dem berühmten Felsrelief bei Naksch-e Rostam406. Hier hält der persische Großkönig den gefangenen Valerian an der Hand. Auffällig ist die riesige hochstehende ballonartige Kopfbedeckung, mit zusätzlichem Goldreif. Weiterhin sind sehr weite, aus dünnem Material bestehende flatternde Oberteile und Hosen zu sehen, eine Tracht, die von der der Römer sehr verschieden ist. Ammianus beschreibt die Menschen beinahe alle als schlank, von etwas dunkler oder bläulicher Hautfarbe, mit ziegenartigen finsteren Augen und darüber halbkreisförmig geschwungenen, zusammengewachsenen Brauen. Die Bärte seien gepflegt, während die Haare struppig herabhingen […]. „Die meisten Perser sind so fest in buntschimmernde Gewänder eingehüllt, dass vom Scheitel bis zur Sohle – mögen sie auch ihr Oberkleid vorn und an den Seiten offen im Winde flattern lassen – keine Stelle unbedeckt erscheint. Seit ihrem Sieg über Lydien und Krösus haben sie sich daran gewöhnt, goldene Armreifen und Halsketten und Edelsteine, vor allem aber Perlen zu tragen, woran sie Überfluss haben“407. Ammianus rühmt auch die 405 406 407

    Curt. 3, 10–19. Vgl. auch B. Bleckmann, Reichskrise des 3. Jhs., S. 47. Amm. 23, 6, 75–84: sed ne generaliter corpora describamus et mores, graciles paene sunt omnes, subnigri vel livido colore pallentes, /caprinis oculis torvi et superciliis in semiorbium speciem curvatis iunctisque, non indecoribus barbis capillisque promissis hirsuti […] indumentis plerique eorum ita operiuntur lumine colorum fulgentibus vario, ut, licet sinus lateraque dissuta relinquant flatibus agitari ventorum, inter calceos tamen et verticem nihil videatur intectum. armillis uti monilibusque aureis et gemmis, praecipue margaritis, quibus abundant, assuefacti post Lydiam victam et Croesum.

    224

    Mechthild Müller, Kommentar

    Tugenden des Königs Ataterxes im Gegensatz zu Valentinians Grausamkeit und sagt, er habe verschiedene Strafen abgewandelt und ließ gewissen Schuldigen statt des Hauptes die Tiara abnehmen, und, um nicht nach altem Königsbrauch Vergehen durch Abschneiden der Ohren zu sühnen, die von den galea herabhängenden Schnüre kürzen408. 6 b. Alani Alanen „Im 1. Jh. und Anfang des 2. Jh. n. Chr. erschienen am Don und im Schwarzmeergebiet Objekte offenkundig östlicher Herkunft. […] Das Fundgut aus diesen Gräbern (darunter chinesische Spiegel der HanZeit […]) könnte auf das Auftreten eines turkestanischen Volkes am Don und an der Wolga verweisen, eines Volkes, das enge Beziehungen zur zentralasiatischen Kultur besaß. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dieses Material unter anderem mit dem Aufstieg der Alanen zur Macht zu verknüpfen. […] Durch hunnische Angriffe wurden die Alanen [im 3.–4. Jh.] größtenteils nach Westen verdrängt oder den neuen Herren der Steppe unterstellt. Ein anderer Teil von ihnen blieb aber im Nordkaukasus“409. Ammianus widmet den Alanen einen längeren Beitrag und beschreibt ihr nomadisches Leben: Sie ziehen mit ihren Großvieh- und Kleintierherden in überdachten Wagen umher, seien „hochgewachsen und schön“ mit blondem Haar. „Ihre besondere Sorge gilt der Pferdezucht“, Reiterkünste werden von jungen Jahren an geübt. Ammianus zufolge zwangen die Hunnen die Alanen dazu, sich ihnen anzuschließen und die dort lebenden Goten zu verdrängen410. 6 c. Scotti Schotten Nicht nur den Schotten wurde nachgesagt, dass sie misstönende Stimmen hätten, auch den Goten wurde dies nachgesagt, als sie um den Tod eines Königs trauerten, dem sie, nach Jordanes’ Zeugnis, seiner Leiche „mit ihren unharmonischen Stimmen […] die letzte Ehre erwiesen“411. Beda zitiert in 408

    409 410 411

    Amm. 30, 8, 4: lenitate genuina castigans tiaras ad vicem capitum quibusdam noxiis amputabat et, ne secaret aures more regio pro delictis, ex galeris fila pendentia praecidebat. M. J. Olbrycht, Die Kultur der Steppengebiete, S. 23 und 25. Amm. 31, 2, 16–25 und 31, 3, 1. Jord. Get. 41, 214, S. 113: videres Gothorum globos dissonis vocibus confragosos adhuc inter bella furentia funeri reddidisse culturam.

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    seiner Kirchengeschichte Gregor den Großen mit den Worten: „Sieh die Zunge Britanniens, die nichts anderes konnte als Barbarisches zu zischen, hat schon lange begonnen, in göttlichen Lobgesängen das hebräische Halleluja erschallen zu lassen“412. Isidor ergänzt: „Die Schotten haben ihren Namen in ihrer eigenen Sprache von ihrem bemalten Körper her erhalten, weil sie diese mit eisernen Stacheln mit schwarzen Zeichnungen aus verschiedenen Figuren versehen“413. 6 d. Alamanni Alamannen Der Magister Equitum Jovinus kämpfte gegen die Alamannen und schlug eine größere Gruppe in der Nähe von Scarponna. Ein Kundschafter fand noch eine andere Gruppe und beobachtete, wie sie badeten und „nach ihrer Sitte die Haare rot färbten“. Sie wurden bis auf wenige erschlagen414. 6 e. Indi Inder Nach Isidor stammten die Inder von Sem ab, sie waren damit den Hebräern eng verwandt415. Herodot hielt die indische Kleidung aus Baumwolle für erwähnenswert416. „Freilich wurde mit Ausnahme der Parther, die lieber ein Bündnis schließen wollten, und der Inder, die uns bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannten, ganz Asien zwischen dem Roten und dem Kaspischen Meer sowie dem Indischen Ozean vom römischen Volk fest umklammert, nachdem es durch die Heere des Pompeius unterworfen oder unterdrückt worden war“, notiert Florus417.

    412 413

    414

    415 416 417

    Beda 2, 1; vgl. Greg. M. moral. 27, 11, 66. Isid. Et. 9, 2, 103: Scotti propia lingua nomen habent a picto corpore, eo quod aculeis ferreis cum atramento variarum figurarum stigmate adnotentur. Amm. 27, 2, 2: videbat lavantes alios, quosdam comas rutilantes ex more potantesque nonnullos. Isid. Et. 9, 2, 5. Herodot, Neun Bücher zur Geschichte 7, 65. Flor. epit. 1, 40, 31.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    6 f. Seres Serer In den Peutinger-Tafeln, deren Original auf M. Agrippa und seine Zeit zurückgehen soll, ist der Name „Sera maior“ verzeichnet418. Einig waren sich die antiken Schriftsteller in dem Wissen, dass die Serer in einem entfernten Gebiete wohnten, allerdings eine genaue Vorstellung darüber gab es nicht. „Mag jener [Augustus] die das latinische Land bedrohenden Parther als Besiegte im verdienten Triumph aufführen oder die Serer und Inder, die im äußersten Osten leben“, schreibt Horaz419. An anderer Stelle heißt es über den Kaiser: „[Du] überdenkst voll banger Sorge für die Stadt, was die Serer und das einst von Cyrus beherrschte Baktrien und das in sich selbst zerrissene Land am Don im Schilde führen420. „Sogar die Serer und die unmittelbar unter der Sonne lebenden Inder, die zusammen mit Edelsteinen und Perlen auch Elefanten unter ihren Geschenken mitführten, rechneten nichts stärker als die Dauer ihrer Reise als Ehrerweis an – vier Jahre lang waren sie unterwegs gewesen; und bereits die Hautfarbe der Menschen verriet, das sie von einem anderen Himmelsbereich kamen“ [,um Augustus die Ehre zu erweisen]421. Chinesische Akten sagen über direkte Verbindungen nichts aus: „Während der Regierungszeit des Kaisers Zhang [… 187 n. Chr.] hat dieses Land Gesandtschaften entsandt. […] Zur Zeit des Kaisers He [… 97 n. Chr.] hat der Protektor General Ban Chao den Gan Ying auf Gesandtschaft ins Land Da Qin [Imperium Romanum] geschickt. Als er in Tiaozhi ankam, befand er sich am Ufer eines großen Meeres und wollte es überqueren. Aber die Schiffer an der Westgrenze von Anxi sagten zu Gan Ying: ‚Dieses Meer ist sehr groß, die, die hin und wieder zurückfahren wollen, benötigen einen guten Wind; das dauert drei Monate, und dann kann man es erst überqueren. Wenn man wieder zurückfahren will, so ist das nochmals eine Sache von zwei Jahren. Deswegen müssen die Leute, die so dieses Meer befahren wollen, drei Jahre dafür veranschlagen‘. Als Gan Ying dies hörte, ließ er von seinem Vorhaben ab. [… Da Qin] verkehrt mit Anxi [Parther] und Tianzhu über den Seeweg. Die Könige dieses Landes wollten mit Han in diplomatische Beziehungen treten, aber Anxi wollte selbst mit ihnen den Seidenhan418

    419 420 421

    Freundl. Mitteilung von Hans Bauer. Vgl. Plin. 3, 16 und 6, 54–55. Agrippa war ein sehr bekannter Feldherr, Schwiegersohn von Augustus und Schwiegervater von Tiberius. Hor. carm. 1, 12, 53. Hor. carm. 3, 29, 26; vgl. carm. 4, 15, 23. Flor. epit. 2, 34, 62, S. 280. Der Kommentator G. Laser meint, S. 305, es sei ein zentralasiatisches Volk gemeint gewesen – vier Jahre sind jedoch ein langer Zeitraum für eine Delegation aus Zentralasien.

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    c. 23 Von der charakteristischen Kleidung einiger Völker

    del betreiben und stellte ihnen Hindernisse in den Weg, so daß sie nicht selbst Kontakte [mit China] aufnehmen konnten“422. Vergil verbindet mit den Serern die Vorstellung, dass sie Wolle von den Bäumen kämmen423. Plinius berichtet ausführlich über die Serer. Nachrichten über ihre Sanftheit, die „sie den Umgang mit den übrigen Sterblichen vermeiden und den Warenausstausch abwarten“ ließen, erwecken den Eindruck, dass sie sehr fremd erschienen424. Nicht nur Seide schickten die Serer, sondern auch von ihnen gefärbte pelles425, Pelze/Felle und das „serische Eisen“, schreibt Plinius426. Klaudios Ptolemaios, der bekannteste Geograph, Mathematiker und Astronom des Altertums, lebte um 140 n. Chr. in Alexandrien. Er informiert in seiner Geo¯graphike¯ hyphe¯gsis über die Lage von vier Städten Chinas mit ihren Längen- und Breitenkoordinaten. Serika

    China

    Koordinaten

    Issedon Serike

    Jiayuguan

    L 99,0

    B 43,6

    Drosache

    Wuwei

    L 102,8

    B 38,8

    Ottotokara

    Xining

    L 101,0

    35,3

    Sera Metropolis

    Xi’an

    L 109,2

    36,2

    Für die Seidenroute zur See liefert er folgende Informationen: Kurula, Cuddalore, Nikobaren, Straße von Malakka, Sabana, emporion = Singapur, Kattigara = Insel Karimata, Aspithra = Haiphong427. Ammianus wiederholt die Nachrichten über die friedlichen und sanften Serer, die „weder von Waffen noch Schlachten wissen […]. Den Ertrag ihrer

    422

    423 424 425 426

    427

    W. Posch, Chinesische Quellen zu den Parthern, Hou Hanshu, offizielle Dynastiegeschichte der Späteren Hanzeit, aus c. 88, hier S. 361 f. Verg. georg. 2, 121. Plin. 6, 54; vgl. 6, 55. Plin. 37, 204. Plin. 34, 145: ex omnibus autem generibus palma Serico ferro est; Seres hoc cum vestibus suis pellibusque mittunt. K. Ptolemaios, Geo¯graphike¯ Hyphe¯ge¯sis, Anleitung zur Geographie, in: Knobloch, Eberhard u. a., Zur hellenistischen Methode der Bestimmung des Erdumfanges und zur Asienkarte des Klaudios Ptolemaios, in: Zeitschrift für Vermessungswesen 2003, S. 211–217, hier S. 217: geographische Koordinaten von Xi’an = Sera Metropolos und anderen chinesischen Orten. – Kleineberg, Andreas u. a., Die antike Karte von Germania des Klaudios Ptolemaios, in: Zeitschrift für Vermessungswesen 2011, S. 105–112, hier S. 106: „Orte der Seidenroute zur See“.

    228

    Mechthild Müller, Kommentar

    Bäume aber bearbeiten die Einwohner durch häufiges Benetzen wie Tierhäute und holen aus der Mischung von Wollbällchen und Feuchtigkeit einen hauchdünnen Faden, verspinnen ihn zu Schußgarn und fertigen daraus Seidenstoff, der früher nur den Bedürfnissen der Vornehmen diente, heutzutage unterschiedslos aber auch den untersten Klassen zugute kommt“428. Isidor hält fest: „Seres ist eine Stadt des Ostens, nach der auch der Stamm der Serer und die Region benannt [sind]. Diese wendet sich vom Schwarzen und dem Kaspischen Meer zum östlichen Ozean, ist fruchtbar durch wertvolle Bäume, von denen Wolle gepflückt wird“429. 6 g. Armenii Arminier Auch die Armenier sollten nach Isidors Vorstellungen von Sem abstammen430. Florus bemerkt, die Albaner und die beiden armenischen Stämme gehörten zu den Völkern, die durch Pompeius im Zuge des Untergangs von Mithridates in den Einflussbereich des römischen Reiches kamen431. 7 a. Goti Goten Zur Zeit Isidors beherrschten die Westgoten fast ganz Spanien. Er hat eine eigene „Geschichte der Goten, Vandalen und Sueben“ geschrieben432. 7 b. Brittones Britannier Die Aussage, dass sich die Britannier stigmatisierten, muss allgemein verbreitet gewesen sein. Wie real aber diese Tätowierungen waren, darüber herrscht Unklarheit. Caesar schreibt nur, dass sich die Britannier mit Waid blau färbten, so dass sie im Kampf schrecklicher aussähen; ihre Haare lie-

    428

    429 430 431 432

    Amm. 23, 6, 67–68: a quibus arborum fetus aquarum asperginibus crebris velut quaedam vellera molientes ex lanugine et liquore mixtam subtilitatem tenerrimam pectunt nentesque subtemina conficiunt sericum ad usus antehac nobilium, nunc etiam infimorum sine ulla discretione proficiens. Isid. Et. 14, 3, 29. Isid. Et. 9, 2, 4. Flor. epit. 1, 40, 21–22 und 27. Siehe Beitrag: Zur Geschichte Spaniens.

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    ßen sie sich lang wachsen, dagegen seien sie bis auf den Kopf und die Oberlippe am ganzen Körper glattrasiert433. Tacitus berichtet ausführlich über die Briten, weil sein Schwiegervater dort Statthalter war. Es heißt hier: „Denn das rötliche Haar, die gewaltigen Glieder der Bewohner Caledoniens sprechen für germanische Abkunft; der Siluren dunkle Gesichter, ihr meist krauses Haar und das ihnen gegenüberliegende Hispanien machen es glaubhaft, daß die alten Hiberer herübergekommen sind und diese Gebiete besetzt haben“. Tacitus hält es auch für möglich, dass die Gallier in Britannien eingewandert sind434. Tertullian hält Tätowierungen für ein Kennzeichen der Britannier435. „Ein dem Wegerich ähnliches Kraut heißt in Gallien Waid. Die Ehefrauen und Schwiegertöchter der Britannier färben sich damit am ganzen Körper und schreiten so bei bestimmten Feierlichkeiten nackt daher, die Farbe der Äthiopier nachahmend“436. In Britannien wird von Waid als Färbepflanze in Verbindung mit Körperbemalungen bei religiösen Handlungen nur bei verheirateten Frauen gesprochen, von Tätowierungen der Männer ist nicht die Rede. Warum jedoch die blaue Farbe in Verbindung mit den Britanniern zum Topos wurde, lässt sich an der Martialstelle ablesen, in der es heißt: „Claudia Rufina stammt zwar von den blauen Britannern ab, doch wie sehr nach römischer Art ist ihr Empfinden“437. „Zum Schmuck oder aus irgendeinem andern Grund tätowieren sie sich mit Eisen […]. Dies wenige von Britannien gesagt zu haben, möge genügen“438, so Jordanes. Es gibt in der Literatur kurze Hinweise auf einen Zusammenhang von Britanniern und Vorhängen, der in der Kurzfassung schwer zu verstehen ist. So bei Nonius nach Vergil: „Purpurne Vorhänge sollen die eingewobenen Britannier aufziehen439“. Wie Servius erläutert, gehört dazu eine Geschichte: Nachdem Kaiser Augustus die Britannier besiegt hatte, schenkte er viele Gefangene an die Theaterämter. Eine Reihe von ihnen musste jeweils die Vorhänge tra433 434 435

    436

    437 438 439

    Caes. Gall. 5, 14. Tac. agr. 11, 2–3. Tert. virg. vel. 10, 2: Debebunt etiam et ipsi aliqua sibi insignia defendere, aut pennas Garamantum, aut stropulos barbarorum, aut cicadas Atheniensium, aut cirros Germanorum, aut stigmata Brittonum: aut ex diverso fiat: capite velati in ecclesia lateant. Plin. 22, 2: similis plantagini glastum in Gallia vocatur Britannorum coniuges nurusque toto corpore oblitae quibusdam in sacris nudae incedunt, Aethiopum colorem imitantes. Mart. 11, 53. Jord. Gotengeschichte 2, 14–15. Non. S. 861: purpurea intexti tollant aulaea Britanni.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    gen. Servius ergänzt, dies sei „mit erstaunlicher Zweideutigkeit“ ausgedrückt, denn auf den Vorhängen „waren sie selbst gemalt, wie sie dieselben Vorhänge trugen“440. 7 c. Judaei Juden Die Geschichte des jüdischen Volkes war durch die Bibel allgemein bekannt. In Spanien gab es viele jüdische Siedlungen, von denen aus Handel betrieben wurde. Das Gebot Gottes an Abraham zur Beschneidung der Vorhaut findet sich in Gn 17, 10–12: „Jeder von euch, der männlichen Geschlechts ist, muss beschnitten werden. Ihr müsst bei allen die Vorhaut am Geschlechtsteil entfernen. Dies soll das Zeichen dafür sein, daß ich meinen Bund mit euch geschlossen habe. An jedem männlichen Neugeborenen muss am achten Tag diese Beschneidung vollzogen werden. Das gilt auch für die Sklaven, die bei euch geboren werden oder die ihr von Fremden kauft“. 7 d. Arabes Araber Plinius findet: „Die Araber tragen entweder Mitren oder scheren ihr Haar nicht; der Bart wird abgeschoren außer an der Oberlippe, bei anderen bleibt er ebenfalls ungeschoren“441. 7 e. Getae Geten Darüber, wen man als Geten kannte, gehen die Ansichten auseinander. Die Geten seien von den Römern Daker genannt worden, berichtet Plinius442. Isidor befindet: „Die Massageten stammen von den Skyten ab, und die Massageten sind gewissermaßen starke, das heißt tapfere Geten“, und er sagt ferner: „Die Getuler sollen, wie man sagt, Geter gewesen sein, 440

    441 442

    Serv. Verg. georg. 3, 25:. hoc secundum historiam est locutus. nam Augustus postquam vicit Britanniam, plurimos de captivis, quos adduxerat, donavit ad officia theatralia. dedit etiam aulaea, id est velamina, in quibus depinxerat victorias suas et quemadmodum Britanni, ab eo donati, eadem vela portarent, quae re vera portare consueverant: quam rem mira expressit ambiguitate, dicens „intexti tollant“; nam in velis ipsi erant picti, qui eadem vela portabant. Plin. 6, 162. Plin. 4, 80.

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    die in einer riesigen Schar von ihren Wohnsitzen Schiffe bestiegen und die Orte an den Syrten in Libyen besetzten. Und weil sie von den Geten gekommen waren, wurden sie mit dem abgeleiteten Namen Getuler benannt“443. 7 f. Albani Albaner „Die Völker im asiatischen Teil Skythiens, die sich für Nachkommen Jasons halten, werden wegen des beständigen Schnees mit weißen Haaren geboren. Und die Farbe dieses Haares gab dem Volk den Namen. […] In deren Augen ist eine blaugraue gemalte Pupille, so dass sie bei Nacht mehr als am Tag wahrnehmen“444. 7 g. Mauri Mauren Nach Plinius nannten die Griechen Afrika Libyen und das Meer davor das Libysche. Er übermittelt, bis zur Zeit des Kaisers Gaius waren die beiden Mauretanien in zwei Provinzen geteilt. Ihr König Juba II. war berühmt durch seine wissenschaftlichen Studien, aus denen Plinius häufig zitiert445. Isidor überliefert: „Die Meder aber vermischten sich mit den Lybiern, die Hispanien am nächsten wohnten. Nach und nach entstellten die Lybier deren Namen, indem sie in ihrer barbarischen Sprache die Meder Mauren nannten, obwohl die Mauren von den Griechen wegen ihrer Farbe bezeichnet werden. Die Griechen bezeichnen nämlich schwarz als mauros. Tatsächlich haben sie, angeblasen durch heiße Glut, das Aussehen von schwarzer Farbe“446. „Damals“, als die Welt brannte, „trat bei den Völkerschaften Äthiopiens das Blut bis in die äußerste Haut, und so hätten sie ihre schwarze Farbe bekommen“447, so Ovid. Die Völker Äthiopiens, ergänzt Plinius, begehrten noch heute Zinnober, womit sich die Vornehmen ganz bemalten, und bei ihnen hätten die Standbilder der Götter diese Farbe448. Martial schreibt in seinem „Buch der Schauspiele“ von den aus vielen Gegenden der Welt hergekommenen Zu443 444 445 446 447 448

    Isid. Et. 9, 2, 63; vgl. 9, 2, 89 bzw. 9, 2, 118. Isid. Et. 9, 65. Plin. 5, 1–2 und 5, 16. Isid. Et. 9, 2, 122. Ov. met. 2, 235. Plin. 33, 112.

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    schauern; darunter befanden sich z. B. Sugambrer, die ihre „Haare zum Knoten geschlungen“ hatten, und Äthiopier mit ihren „anders geschlungenen“ Haaren449. 7 h. Picti Pikten Die Pikten sind ein Volk, das offenbar in verschiedenen Gegenden angesiedelt wurde. Caesar erwähnt sie kurz zusammen mit den Venetern in seinem Buch über den gallischen Krieg450. „Zum Aquitanischen (Gallien) gehören die […] Pictonen“, so Plinius. Er erwähnt hier nichts davon, dass sie „Gemalte“ seien451. Die Pikten teilten sich laut Ammianus in zwei Stämme, die Dicalydonier und Verturionen, die zur Zeit Kaiser Valentinians wie die „Attacotten und Scotten verschiedene Landstriche durchzogen und dabei viele Räubereien verübten“452. Servius berichtet: „Und die bemalten Agathyrsen sind Völker Skythiens, die den nördlichen Apoll verehren, dessen Archive, d. h. Antworten, überliefert werden. „Bemalt“ aber [sind sie], nicht Brandmale haben sie, nicht wie das Volk in Britannien, sondern schön, das bedeutet mit blauem Haar gefallend“453. 8. crinis Haartracht der Männer und Frauen Haare spielten in der Antike immer eine große Rolle, wie schon die Geschichte Samsons zeigt, der mit dem abgeschnittenen Haar auch seine außergewöhnliche Kraft verliert454. Nicht nur für Christen und Juden galt der Grundsatz: Männer tragen kurze Haare, Frauen lange455. Die Frisuren der Menschen in der antiken Welt waren schnell wechselnden Moden unterworfen, dies zu untersuchen ist hier nicht möglich. Bemerkenswert findet Ammanianus die Berichte über die zumindest zeitweise rot gefärbten Haare 449

    450 451 452 453

    454 455

    Mart. De spectaculis liber, 3: crinibus in nodum torti venere Sygambri, atque aliter tortis crinibus Aethiopes. Caes. Gall. 3, 11. Plin. 4, 108. Amm. 27, 8, 5; 26, 4, 5. Serv. Aen. 4, 146: Pictique Agathyrsi populi sunt Scythiae, colentes Apollinem hyperboreum, cuius logia, id est responsa, feruntur. ‚picti‘ autem, non stigmata habentes, sicut gens in Britannia, sed pulchri, hoc est cyanea coma placentes. Idc 16. Vgl. c. 31.

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    der Alamannen und die neben dem Körper auch die Haare blau färbenden Agathyrsen456. Für Kleriker und Mönche war die Frage nach der richtigen Tonsur wichtig. Abschließend ist zu sagen, dass es nur wenige Völker sind, über deren Kleidung Isidor berichtet. Er gibt in erster Linie Hinweise auf das natürliche Aussehen oder besondere religiös beeinflusste Kennzeichen. Auch in der übrigen Literatur ist nicht zu erkennen, dass es Anzeichen gibt, die für eine primitive „barbarische“ Kleidung sprechen. Es finden sich unter anderen Stichworten immer wieder Stellen, die zeigen, dass sich die antike Welt durchaus für fremdartige Kleidung begeistern konnte – das gilt nicht nur für die kostbaren Pelze, die von weither eingeführt wurden. Schmutzige, ungepflegte Haare, ungefärbte, sackbraune, fleckige, manchmal zerrissene Kleidung und unordentliches Aussehen, in denen z. B. in Fernsehfilmen selbst ranghohe Germanen vorgeführt werden, sind allein Bestandteil der Legende. Isidor unterscheidet nur zwischen barbarischer und lateinischer Sprache, denn letztere sei die Sprache der Kirchenväter.

    c. 24 Von den pallea der Männer 1. Palleum, pallium, 2. chlamys, 3–8. toga, toga candida, toga palmata, trabea, cinctus Gabinus, 9. paludamentum, 10. circumtextum, cyclas, 11. diplois, 12. sagum, 14 a. p(a)enula, 14 b. lacerna, 15. mantum, 16. praetexta, 17 a. casula, planeta, 17 b. cuculla, cucullus, 18. birrus, 19 melotes oder pera, 20 a. fimbria, 20 b. ora Zusatz zu 11 diplois: abolla und laena 1. palleum, pallium Umhang, Tafel 9, Tafel 1 unten, Tafel 2, Attis Isidor nennt alle Überbekleidungen pallea, unabhängig von ihrer Form und gleichgültig, ob es sich um Männer- oder Frauenkleidung handelt; hier wird stattdessen die übliche Form pallium benutzt. Sueton erwähnt häufig eine „griechische Tracht“, ihr Kennzeichen sind pallium und crepidae. Ihm zufolge soll Caesar „sich in den Provinzen ständig Gäste eingeladen haben, die an zwei Tafeln speisten; an der einen saßen Männer in saga oder Leute mit Pallien bekleidet, an der anderen Togaträger

    456

    Amm. 27, 2, 2 bzw. 31, 2,14, vgl. Serv. oben zu 7 h.

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    mit führenden Persönlichkeiten aus den Provinzen“457. Augustus verteilte in Capri „neben anderen kleinen Geschenken auch Togen und Pallien; daran war die Bedingung geknüpft, dass die Römer sich griechisch, die Griechen sich römisch kleideten und sich auch entsprechend ausdrückten“458. Einen wichtigen Hinweis gibt eine Beschreibung aus der Zeit Domitians. Als er zu Ehren des Kapitolinischen Jupiter einen alle fünf Jahre stattfindenden Wettkampf ins Leben rief, „leitete er ihn in crepidae und von einer purpurnen griechischen Toga eingehüllt, bekränzt mit der goldenen corona mit dem Bild Jupiters, Junos und Minervas. Neben ihm saßen der Jupiterpriester und das Kollegium der flavischen Priesterschaft in gleichem Aussehen, nur waren auf ihren Kränzen auch noch sein Bild“459. Bisher konnte die Autorin noch nicht erkennen, welches in der Kaiserzeit die genauen Unterscheidungskriterien zwischen der römischen Toga und der sog. griechischen Tracht waren und ob auch das „griechische Pallium“ eine jetzt togaähnliche Form besaß, die dadurch ein etwas anderes Aussehen hatte460. Rechteckig in der Form, aber wesentlich anders als auf den Statuen der griechischen Antike dargestellt, sah das gefibelte Pallium aus, das durch Tertullians eloquente Schrift gegen die Toga berühmt wurde und das er als „mein Pallium, welches, obschon mehr griechisch, doch in der Sprache bereits latinisiert“461, beschreibt. Von dem um 200 in Karthago wohnenden Lehrer erfahren wir: „Nichts ist dagegen bequemer als das Pallium, wenn es auch das doppelte des Krates [Name eines besonders dicken Mannes] wäre. Das Ankleiden ist niemals mit Zeitverlust verbunden. Denn die ganze Arbeit, die man damit hat, besteht in einem zwanglosen Sichbedecken. Dies kann man mit einem einmaligen Umwerfen erreichen, und zwar braucht es niemals gewaltsam zu geschehen. So umhüllt es den ganzen Menschen auf einmal. Was die Umhüllung der Schulter angeht, so gibt es dieselbe frei oder umschließt sie. Was das übrige betrifft, so sitzt es an der Schulter fest, es braucht nicht gehalten zu werden, es schnürt niemals ein, es macht keine Mühe wegen der Bewahrung der Längsfalte, es läßt sich leicht in Ordnung halten und leicht wieder in Ordnung bringen; auch wird es, wenn man es ablegt, nicht etwa einem Kreuz [vermutlich in T-Form] für den morgigen Tag 457

    458

    459 460

    461

    Suet. Jul. 47–48: convivatum assidue per provincias duobus tricliniis, uno quo sagati palliative, altero quo togati cum inlustrioribus provinciarum discumberent. Suet. Aug. 98, 3: inter varia munuscula togas insuper ac pallia distribuit, lege proposita ut Romani Graeco, Graeci Romano habitu et sermone uterentur. Suet. Dom. 4, 4. Vgl. F. Havé-Nikolaus, Untersuchungen zu den kaiserzeitlichen Togastatuen griechischer Provenienz. Tert. pall. 3, 7.

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    anvertraut. Wenn man noch eine Tunika, interula, darunter an hat, so ist man frei von der Plage des Gürtels“. Zur Vervollständigung des Anzuges braucht man auch keine Senatorenschuhe462. Über das Aussehen schreibt er, das Pallium sei viereckig, beidseitig zurückgeschlagen, durch eine Fibel am Hals befestigt463 und ruhe auf den Schultern; das Gewand trügen jetzt die Äskulappriester. Nicht nur in Karthago, auch in Utica, Tyrus und vergleichbaren Städten habe man den Umhang auf diese Weise getragen, bevor „Gott mehr den Römern hold war“464. Tertullian nennt diese Tragemöglichkeiten die punische, also die karthagische465. Als Constantius II. in Schwierigkeiten geriet, ernannte er seinen Vetter Julian zum Mitregenten. Dazu ließ er ihn aus dem Achäerland holen, wo er das pallium trug, erzählt Ammianus. Kurz darauf legte der Kaiser ihm den Purpur um und ernannte ihn zum Caesar466. Später, schreibt Ammianus, benahm er sich, als wolle er bald wieder zu seinem pallium zurückkehren467. Nicht immer wurde Kaiser Julian ärgerlich, wenn sich jemand als reicher Bürger ein pallium aus purpurner Seide machen ließ. Einen ihn deswegen belästigenden aufdringlichen Zuträger ließ er abblitzen und dem Bürger zusätzlich noch Purpurschuhe schicken mit der Mitteilung, die „paar armselige[n] Lappen“ allein verhülfen noch nicht zu „Riesenkräften“468. Wie Paulinus Nolanus berichtet, ist das Pallium ein Umhang der Christen, und sie sollten möglichst nicht mit der kurzen militärischen chlamys erscheinen469. Kamelhaarpallien als Bußgewänder bekam er von einem Freund geschickt470. Vom Pallium eines Priesters berichtet Gregor von Tours471. Über „gewisse Faulenzer und Müßiggänger, die in langem Bart und mit dem Pallium angetan, sich unterfingen, die nützlichen Vorschriften der Weisheit zu Zungengewäsch und Wortgekräusel zu verwenden“, macht sich Gellius lustig472. Augustinus schreibt über die Philosophen: „Und wir sehen, daß es noch immer zynische Philosophen gibt; heute erkennen wir

    462 463

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    465 466 467 468 469 470 471 472

    Tert. pall. 5, 3. M. Bieber zitiert in „Roman men in Greek Himation“ auch Tertullian, erwähnt aber die Fibel nicht, die das Pallium am Hals befestigt. Tert. pall. 1, 1–2: Pallii extrinsecus habitus et ipse quadrangulus ab utroque laterum regestus et cervicibus circumstrictus in fibulae morsu, humeris acquiescebat. Tert. pall. 2, 1. Amm. 15, 8, 1–2; Amm. 15, 8, 11. Amm. 25, 4. Amm. 22, 9, 11. Paul. Nol. epist. 22, 2. Paul. Nol. epist. 29, 1. Greg. Tur. Franc. 4, 12, Bd. 1, S. 208. Gell. 13, 8, 5; er zitiert hier seinen Freund Macedo.

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    sie daran, daß sie sich nicht nur in ihr Pallium hüllen, sondern auch einen Knotenstock tragen“473. Isidor wusste um den Bericht in der Genesis, nach der an einem der vier Zipfel des pallium, lacinia, die Frau des Potifar Josef zurückhalten wollte; er entkam allerdings unter Zurücklassen seines pallium474. Mit seinem Pallium vollbrachte der Prophet Elias Wunder, als er mit ihm auf das Wasser schlug und den Jordan teilte, so dass man hindurchgehen konnte475. Benedikt von Nursia schreibt seinen Mönchen gemäß den Forderungen Jesu bei den Seligpreisungen vor, Räubern, die die Tunika verlangten, auch das Pallium zu geben476. Im Laufe der Zeit wurde das Pallium, genau wie die Stola, zu einem Streifen verkleinert. Als Auszeichnung der Erzbischöfe ist es ein mit Kreuzen geschmücktes Band, das über die Schultern gehängt wird. Gregor der Große sandte 599 an Isidors Bruder Leander, Metropolit von Sevilla, ein Pallium477. Auch das Pallium der Juden, mit den Quasten des Zitzit an den Ecken, wird häufig als Band um die Schultern gelegt478. Es ist nicht möglich, den Begriff Pallium auf ein einzelnes Kleidungsstück einzugrenzen. Wenn es näher beschrieben wird, hat es vier Zipfel und ist rechteckig. Ob das auch für die Pallien gelten kann, die Sueton in Verbindung mit Caesar, Augustus und Domitian als griechische Tracht bzw. griechische Toga bezeichnet, muss noch erforscht werden. 2. chlamys gefibelter Umhang, Tafel 1, Tafel 2, Tafel 6, Tafel 12 Weit mehr als die Toga spielt die gefibelte chlamys im Leben der Römer eine Rolle. Sie ist ein einteiliger Umhang mit vier Ecken, dessen eine Längsseite oft etwas gebogen war und der über der Rüstung getragen werden konnte. Sie kam der Legende nach aus Sparta und war ein Umhang für die Soldaten, vorzugsweise für die Reiter479. Wenn Isidor sie an die zweite Stelle in die Reihe der Umhänge stellt, so zeigt das die Bedeutung, die sie im täglichen Leben und in der Literatur hat. 473 474 475 476 477

    478 479

    Aug. civ. 14, 20, S. 970. Gen. 39, 12. 4. Rg 2, 8; vgl. 2, 14. Mt 5, 40 und Regula Benedicti 7, 42. Greg. M. epist. 9, 229, 132. Ob sich hieraus kirchenrechtliche Schlussfolgerungen ableiten lassen, geht aus dem Brief nicht hervor. Die Berufung der Metropoliten war Sache des Königs. Vgl. Stichwort fimbria. Juv. 8, 101: Spartana chlamys, vgl. Verg. Aen. 9, 582.

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    Die Mehrheit der Bevölkerung trug die gewöhnliche chlamys. Ein 396 in Konstantinopel erschienener Erlass der Kaiser Arcadius und Honorius bestimmt: „Du sollst dafür sorgen, dass unseren tapfersten Soldaten im Illyricum für jeweils eine chlamys nicht je zwei tremissi (2/3 eines As), sondern ein solidus [die von Diocletian eingeführte Goldmünze] gegeben wird“480. In welchen Farben sie getragen wurden, ist unbekannt. Geschmückt werden konnte sie z. B. mit Fransen, die Qualität der Fibeln unterschied sich beträchtlich481. Auch für Kinder von Göttern und den Göttern selbst galt sie bei Dichtern als ein gern getragener Umhang, besonders wenn sie im tyrischem Rot mit goldenem Rand geschmückt daherkam482. Tiberius erhielt als Kind eine chlamys mit Fibel und goldene Amulettkapseln, bullae, zum Geschenk; zu Suetons Lebzeiten wurden diese Stücke noch in Baiae vorgezeigt 483. Caligula veranstaltete gern Spiele, so ließ er zwischen Baiae und Puteoli eine Schiffsbrücke bauen. „Auf dieser Brücke zog er während zweier aufeinanderfolgender Tage hin und zurück; am ersten Tag saß er zu Pferd; das mit phalerae geschmückt war; er trug einen Eichenlaubkranz und einen leichten Lederschild und ein Schwert und eine goldene chlamys; am nächsten Tag stand er in der Tracht eines Quadrigafahrers auf einem zweispännigen Wagen“484. Bei Cassius Dio liest sich die Angelegenheit so: „Als nun die Vorbereitungen [für die Überbrückung der Strecke] abgeschlossen waren, legte Gaius den Brustpanzer Alexanders, wie er wenigstens behauptete, und darüber eine purpurfarbene chlamys aus Seide an, die mit viel Gold und einer Menge kostbarer Steine aus Indien geziert war; auch gürtete er sich ein Schwert an die Seite, ergriff einen Schild und bekränzte sich mit Eichenlaub, […] worauf er [am nächsten Tage] in einer goldgestickten Tunika die gleiche Brücke […] zurückfuhr“485. Es galt als anstößig für Frauen, die chlamys zu tragen, sonst wäre nicht Sueton eigens auf Caesonia, eine Geliebte und spätere Frau Caligulas eingegangen, die neben ihm in chlamys, Schild und Schwert auf einem Pferd vor den Soldaten ritt486. 480

    481 482 483

    484 485 486

    CTh 7, 6, 4, S. 325: Fortissimis militibus nostris per Illyricum non binos tremisses pro singulis chlamydibus, sed singulos solidos dari praecipias. Zur Einführung des Solidus durch Diocletian vgl. H. Brandt, in: Katalog Konstantin der Große, S. 162. Vgl. c. 24, 20a und c. 31, 17a. Ov. met. 5, 51. Suet. Tib. 6, 3: chlamys et fibula, item bullae aureae, durant ostendunturque adhuc Bais. Suet. Cal. 19, 2. Cass. Dio 59, 17, 3–5. Suet. Cal. 25, 3.

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    Nero hatte in Griechenland eine Menge Spiele absolviert, nach denen er immer zum Sieger erklärt werden musste. Zurückgekehrt „in Rom aber zog er sogar auf dem Wagen ein, auf dem einst Augustus als Triumphator gestanden hatte; er trug ein purpurfarbenes Gewand und eine mit goldenen Sternen verzierte chlamys, auf dem Kopf trug er einen Siegerkranz aus Olympia“487. Von Kaiser Claudius berichtet Cassius Dio, dass er auf dem Campus der Praetorianer einmal als Zuschauer eine chlamys getragen habe488. Der Traumdeuter Antimodoros von Daldis brachte im 2. Jh. die chlamys in Träumen von Epheben mit deren künftigen Ehefrauen zusammen: eine weiße chlamys sollte danach die Heirat mit einer Freien, eine schwarze mit einer Freigelassenen und eine purpurne mit einer ständisch Höherstehenden bedeuten489. Über Kaiser Caracalla kommentiert Cassius Dio, „Die chlamys, deren er sich bediente, bestand entweder aus reinem Purpur oder aus Purpur mit einem weißen Mittelstreifen; gelegentlich war, wie ich selbst gesehen habe, auch nur das Mittelstück purpurn“490. Mit einer roten chlamys angetan, wird Jesus von den Soldaten vor der Kreuzigung als König der Juden verspottet491. Wie A. Demandt beschreibt, hat Diocletian Rituale ausgestaltet, die das römische Herrschaftszeremoniell betrafen. Sie wurden von Konstantin weiter entwickelt: Zeichen des Kaisertums waren die purpurne chlamys und ein Diadem aus doppelter Perlenreihe mit einem Mittelmedaillon. Begrüßt wurde der Kaiser durch adoratio purpurae, den Kuss des Purpursaums492. Ammianus überliefert: Mit der die Hand bedeckenden chlamys musste man von Kaiser Julian (um 331–363) Geschenke entgegen nehmen, wollte man nicht gegen die guten Sitten verstoßen493. Möglicherweise ließ sich die Hand auch hinter dem großen Viereck verbergen, das in Brusthöhe auf kostbare Chlamyden aufgesetzt wurde. Ammian berichtet auch, dass man zur Zeit des Kaisers Constantius einer chlamys, deren vorderer Teil nach in487

    488 489

    490 491 492

    493

    Suet. Nero 25, 1: sed et Romam eo curru, quo Augustus olim triumphaverat, et in veste purpurea distinctaque stellis aureis chlamyde coronamque capite gerens Olympiacam. Cass. Dio 60, 17, 9. Für diesen Hinweis danke ich Tobias Espinosa: K. J. Rigsby, An Ephebic Inscription from Egypt, S. 243. Cass. Dio, Epitome des Buches 79, c. 3, 3. Mt 27, 28. A. Demandt, Geschichte der Spätantike, S. 191 f.: „Die Zulassung der Proskynese war nach Rängen und Anlaß gestaffelt, ihre Form variierte zwischen Fußfall, Fußkuß und Verbeugung des vorgesetzten rechten Knies“. Amm. 16, 5, 11.

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    nen geschlagen wurde, das Aussehen eines Kaisermantels geben konnte. Das galt als Affront gegen den Kaiser und „genügte, eine reiche Familie ins Verderben zu stürzen“494. Kaiser Justin wurde von Corippus 566–567 mit einem Lobgedicht geehrt: „Die kaiserlichen Schultern hat die umgebende chlamys, die von Purpur brennt, bedeckt; die ausgestreckte Rechte des Prinzeps, die mit rötlichem Metall geschmückt war, besiegte das Licht. Die goldene Fibel hat die Nähte mit einwärts gebogenem Biß festgehalten, und von den obersten Ketten haben die Edelsteine geglänzt, Edelsteine, die der gückliche Sieg des getischen Krieges geboten hat“495. 3–8. toga dieToga für das Forum, Tafel 1, Tafel 2 Die Römer, das Volk in der Toga Die römische Toga ist eines der am meisten untersuchten Kleidungsstücke, und doch ist sie immer noch für Überraschungen gut. Es kann nicht die Aufgabe dieses Kommentars sein, eine vollständige Untersuchung zu dem Thema zu erstellen, hier können nur einige Quellen vorgetragen werden. Zu den Anfängen Frühe schriftliche Quellen über die Toga gibt es nur wenige. Eine Erwähnung, allerdings in einem ungesicherten Fragment, überliefert, wird Q. Ennius in seinen Annalen zugeschrieben496. „Von alters her“, schreibt Plinius, „wurden […] mit der Toga bekleidete Standbilder geweiht“497. Gellius äußert: „Anfangs ging nun zwar Roms männliche Bevölkerung ohne alle Tuniken, nur mit der Toga bekleidet, später aber hatte man knapp anliegende und kurze Tuniken, die an der Schulter aufhörten498, im Gebrauch, 494

    495

    496 497 498

    Amm. 16, 8, 8: anteriorem chlamydis partem utraque manu vehens intrinsecus structuram omnem ut amictus adornaverat principalis. Coripp. Iust. 2, 115–121: Caesareos umeros ardenti murice texit circumfusa chlamys, rutilo quae ornata metallo principis exerta vincebat lumina dextra. aurea iuncturas morsu praestrinxit obunco fibula, et a summis gemmae nituere catenis, gemmae, quas Getici felix victoria belli praebuit. Enn. ann. 32, 494: Dum quidem unus homo Romanus toga superescit. Plin. 34, 18. D. h. die Tunika war nicht so weit, dass sie bis zu den Ellenbogen reichte.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    eine Kleidungsart, welche die Griechen Exomis nannten“499; doch dieser Mythos ist vielleicht entstanden, weil berühmte Standbilder, wie die des Romulus in der Toga und ohne Tunika auf dem Forum aufgestellt sein konnten500. Tertullians Angaben zufolge „kam sie“, die Toga, von den Pelasgern zu den Lydern und von da aus zu den Römern, die sie bei anderen Völkern in Mode brachten501. Der Name der Pelasger, die vielleicht in Thessalien lebten, diente als Chiffre für die Urbevölkerung in vielen von Hellenen besiedelten Landschaften, deren Angehörige sich angeblich nach Vertreibung oder Aussiedlung auch in Italien niederließen502; das lydische Reich wurde 546 v. Chr. eine persische Satrapie. Tertullians Satz kann nicht nachgeprüft werden, weil die Quellenlage zur frühen Zeit zu unübersichtlich ist. „[Volk in der Toga] heißt zutreffend ‚Volk‘, weil sowohl jedes Geschlecht als auch [jeder] Stand die Toga gebrauchte, aber die Sklaven hatten weder kolobien noch calcei“, berichtet noch Servius503. Denn die Toga war das Kleidungsstück der freien Römer, der Quiriten, und Römerinnen. So zitiert Nonius Varro, der allgemein formuliert, dass die Toga [als Begriff] früher sowohl für das Bettzeug benutzt wurde, als auch für das Kleidungsstück der Frau und des Mannes, und zwar für tagsüber als auch für nachts504. Dazu passt auch ein Satz von Festus, nach dem die Alten in der Toga [mit Waffen] umgürtet, gekämpft hätten505. Wie Vergil in der Aeneis formuliert, sahen sich die Römer als die „Herren der Welt und das Volk in der Toga“. Dies sei ihnen von Jupiter bestätigt worden, dem habe sich auch Juno angeschlossen506. Als Kleidungsstück 499

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    505 506

    Gell. 6, 12, 3: Viri autem Romani primi quidem sine tunicis toga sola amicti fuerunt; postea substrictas et breves tunicas citra humerum desinentis habebant, quod Graeci dicumt exomidas. Erwin Pochmarski, in: Wörterbuch der Kleidung und Rüstung, Stichwort Toga, S. 267, ist der Ansicht, die Toga sei „urspünglich nur über dem Campestre (Subligaculum) ohne die Tunika getragen“ worden. Ein fester Hinweis darüber konnte nicht gefunden werden. Plin. 34, 24. Tert. pall. 1, 2. H. Beck, U. Walter, Die frühen römischen Historiker, S. 158 und 183. Tertullian handelt hier nach dem Motto, dass Übertreibung anschaulich macht. Serv. Aen. 1, 282. Non. 3, S. 867–868: praeterea quod in lecto togas ante habebant. ante enim olim toga fuit commune vestimentum et diurnum et nocturnum et muliebre et virile. Die Bedeutung als allgemeines Textil sowohl für die Bekleidung des Körpers als auch für die Bekleidung von Möbeln wurde auf vestis übertragen. Auch für Tacitus war die Toga nicht immer nur ein Textil, denn nach Germ. 13 war die „Toga“ junger Germanen Schild und Frame, die sie als ersten „Jugendschmuck“ vom Vater oder Verwandten erhielten. Fest. S. 67: Nam apud antiquos togis incincti pugnitasse dicuntur. Verg. Aen. 1, 223–295, Zitat V. 282.

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    wurde die Toga im Frieden getragen – gemäß einem Cicerozitat bei Servius: „Die Waffen sollen der Toga weichen, das heißt der Krieg dem Frieden“507. „Im Kriegs- und Friedensgewand war Caesar unvergleichlich“, schreibt Ovid508. „Zu ‚Herren der Welt‘ macht jener ‚die Römer und das Volk in der Toga‘“, wiederholt Martial509. Augustinus zitiert die Aeneis ebenfalls, fügt allerdings hinzu, es sei weder Juno noch Jupiter gelungen, „die Römer, die Herren der Welt, das Volk in der Toga“ zu schützen510. Wenn die Römer jemandem mitteilen wollten, dass ein Krieg möglich sei, „legten [sie] ihre chlamys an, als stünde der Kampf unmittelbar vor der Tür“511. Die Toga war schon darum ein Friedenskleid, weil sie ihrem Träger nur vornehmes Schreiten erlaubte. So war es ein Zeichen von „wenig Ehrerbietung“, wenn Caligula Senatoren zwang, „einige Meilen in der Toga neben seinem Reisewagen“ herzulaufen512. Als Nero die Prozesse gegen hochrangige Senatsmitglieder betrieb und ein Haufen von Togaträgern mit nicht versteckten Schwertern den Zugang des Senats belagert hatte, war dies als Affront zu werten513. Eine Toga erhielt ein Junge zum Bacchusfest514, so Ovid. „Wenn jemand die Männertoga anlegt, […] lädt er gewöhnlich den gesamten Stadtrat und eine Menge Leute aus dem Volk ein und schenkt jedem zwei Denare oder einen“515, stöhnt Plinius II. Sueton erklärt allerdings nicht, warum Kaiser Augustus erst einen Befehl erlassen musste, um „das Aussehen und die Kleidung früherer Zeiten wieder einzuführen“. Als er in einer Versammlung viele Männer sah, die dunkle lacernae trugen, war er entrüstet. „Die Ae507

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    Serv. Aen. 1, 1: sicut toga qua in pace utimur pro pace ponitur, ut Cicero cedant arma togae, id est bellum paci. Vgl. Plin. panec. 4, 5, von Trajan. Ov. met. 15, 746: Marte togaque. Mart. 14, 124. Vgl. Mart. 1, 55. Der Anspruch auf die Weltherrschaft findet sich auch bei Florus Ep. 2, 26, der sagt, dies solle schon 388 v. Chr. gegenüber feindlichen Moesiern geäußert worden sein, ohne dass die Toga hier mit erwähnt wird. Ergänzend Plin. panec. 89, 2, der von Trajan sagt: „Aber auch du, Vater Trajan – denn dein Sitz ist ebenso, wenn nicht unter den Sternen, so doch ganz nahe bei den Sternen“. Aug. civ. 3, 13, S. 162: Quo modo nec Iuno, quae cum Iove suo iam fovebat Romanos rerum dominos gentemque togatam. Vgl. Verg. Aen. 1, 282. Cass. Dio 50, 4, 4. Dies wurde im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Antonius und Kleopatra gesagt. Suet. Cal. 26, 2: quosdam summis honoribus functos ad essedum sibi currere togatos per aliquot passuum milia. Tac. ann. 16, 27, 1. Ov. fast. 3, 771. Plin. epist. 10, 116, 1. Plinius fragt in diesem Brief an Trajan, ob dieser das als rechtens ansähe.

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    dilen erhielten von ihm die Aufgabe übertragen, jemandem in Zukunft nur dann zu gestatten, sich auf dem Forum oder in dessen näheren Umgebung aufzuhalten, wenn er die lacerna ab- und die Toga angelegt habe“516. Augustus selber ging mit gutem Beispiel voran, denn die Gewänder und Schuhe für das Forum lagen immer in seinem Schlafzimmer bereit517. Martial kam als vierzigjähriger Mann aus Bilbilis in Spanien nach Rom; als Klient eines reichen Patrons hatte er die Toga zu tragen, wenn er in dessen Toga tragenden „Herde“ in der Stadt ausging. Weilte er in Ferien auf dem Lande, blieb die Toga weitgehend unbenutzt. In den Epigrammen ist davon die Rede, dass er in Rom in einem Sommer „vier Togen und mehr“ verbrauchte, auf dem Land aber eine „vier Herbste hindurch“518. Im Haus wählte man auch in Rom ein synthesis genanntes Kleidungsstück, das schnell zu wechseln war. Dies tat selbst Kaiser Augustus, der zu Hause seine synthesis trug, die die Frauen seines Hauses – Schwester, Ehefrau, Tochter und Enkelinnen – anfertigten519. Als Martial am Ende seines Lebens nach Bilbilis zurückkehrte, brauchte er seine Toga nicht mehr, sie war dort „unbekannt“520. Plinius Secundus ging so gern auf sein tuskisches Landgut, weil es dort im Gegensatz zu den Gütern in Tusculum, Tibur und Praeneste keinen Zwang gab, die Toga zu tragen521. Zu den Teilen des Reichsgebietes, die Caesar überlassen wurden, gehörte das Gebiet von Gallia Cisalpina, das heutige Oberitalien. Caesar gewährte den Bewohnern das volle Bürgerrecht, deshalb hieß es von nun an Togata Gallia522 und unterschied sich von dem anderen unterworfenen Teil Galliens, das Gallia bracata genannt wurde523. Nach Sueton trällerte man infolgedessen überall: „Gallier führte Caesar im Triumph nach Rom, jetzt führt er genau diese Leute ins Rathaus. Die Gallier haben die Hosen ausge516

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    Suet. Aug. 40, 5: Etiam habitum vestitumque pristinum reducere studuit, ac visa quondam pro contione pullatorum turba indignabundus et clamitans: „En Romanos, rerum dominos, gentemque togatam!“ Nach Nonius, S. 882, ist pullum die Farbe für Beerdigungen. Isidor Et. 12, 7, 5: Unde et vestis nigra pulla dicta est. Suet. Aug. 73: et forensia autem et calceos numquam non intra cubiculum habuit ad subitos repentinosque casus parata. – Damit war die Toga aber nicht der gewöhnliche Überwurf für die anderen Teile der Stadt. Mart. 10, 96: quattuor hic aestate togae pluresve teruntur, autumnis ibi me quattuor una tegit. Suet. Aug. 73. Mart. 5, 79. In diesem Fall wechselte angeblich Zoilus während eines einzigen Essens elfmal die synthesis. Vgl. Mart. 2, 46; Suet. Aug. 73, wo von vestis domestica die Rede ist: Suet. Nero 51 heißt es synthesina. Mart. 12, 18. Plin. epist. 5, 6, 45. Plin. 3, 112. Dazu auch Mart. 3, 1, vgl. Cass. Dio 46, 55, 4. Plin. 3, 31.

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    zogen und den breiten (Purpur) Streifen dafür angelegt“524. Die Karthager sollen erst zur Zeit des Sentius Saturninus (um 19 v. Chr.) die Erlaubnis zum Tragen der Toga bekommen haben525. Das Privileg, römischer Bürger zu sein, wollte Augustus nur wenigen zukommen lassen, auch wenn das einen Geldverlust für die Staatskasse bedeutete. Als Auszeichnung bekamen von ihm mit Rom befreundete Herrscher anderer Königreiche das Recht zur Toga, wenn auch „ohne die Insignien eines Königs“526. In die Zeit von Kaiser Claudius fällt eine Bemerkung Suetons: „Jemand war angeklagt, sich als Ausländer das römische Bürgerrecht angemaßt zu haben; da entbrannte unter den Verteidigern ein Streit um nichts, nämlich darum, ob der Angeklagte sich in der Toga oder im Pallium vor Gericht verantworten solle. So als wollte er [Claudius] zeigen, daß die Gerechtigkeit unwandelbar sei, befahl er [dem Angeklagten], er solle sich öfter umziehen, je nachdem, ob er gerade Angeklagter sei oder verteidigt werde“527. Andererseits stellt Cassius Dio fest, dass Claudius sowohl Senatoren als auch Rittern erlaubte, als Privatleute bei Wettkämpfen zu erscheinen; sie durften sich dann nur nicht auf die für den entsprechenden Stand freigehaltenen Plätze setzen528. Silio, Statthalter von Baetica, hatte einmal einige Freigelassene beleidigt; mit Hilfe einer falschen Anschuldigung wurde er daraufhin 44 n. Chr. vom Kaiser aus dem Senat ausgestoßen und verkaufte u. a. die Toga, die „er als Senator getragen hatte“, öffentlich auf dem Versteigerungsplatz529. Verbannte hatten nicht das Recht, die Toga zu tragen, wie Plinius II über Valerius Licinianus sagte, der als Lehrer der Beredsamkeit in Sizilien auftrat und im pallium erschien530. Tertullian zählte um 200 n. Chr. viele Togaträger auf. Das waren u. a. die Ritter, das „ganze Gladiatorenpack“, die Fechtmeister. Die Toga musste auf dem Forum, dem campus, in der Kurie, im offiziellen Dienst, auf der Rednerbühne des Forums, „im prätorianischen Amtshaus“, vom Ädilen, dem Prozessredner, von Richtern, Soldaten und Regierungsbeamten getragen werden. Dagegen konnten sich „der erste Elementarlehrer, der erste Sprachlehrer, der erste Rechenlehrer, der Grammatiker, der Rhetor und der 524

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    Suet. Jul. 80,2: Gallos Caesar in triumphum ducit, idem in curiam: Galli bracas deposuerunt, latum clavum sumpserunt. Tert. pall. 1, 2: sollemnia Sentius Saturninus enarravit, cum concordia iuvat, toga oblata est. Suet. Aug. 60. Suet. Claud. 15, 2: togatumne an palliatum dicere causam oporteret. Cass. Dio 60, 7, 4. Cass. Dio 60, 24, 5. Plin. epist. 4, 11, 3.

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    Sophist, […] der Arzt, der Dichter, der Chordirigent“, der Beobachter des Vogelflugs – alles Personen, die wissenschaftlichen Bestrebungen nachgingen – in die vier Ecken des pallium hüllen531. Materialangaben Es ist anzunehmen, dass die Togen im Winter den Körper stärker bedeckten und aus wärmerem Tuch bestanden. Plinius berichtet, nach Fenestella seien „die geschorenen ebenso wie die dichtwolligen Togen in den letzten Jahren des göttlichen Augustus aufgekommen“, während die „mit Mohn bereiteten“ älter seien. Gemäß Varro wurde die wallende, wellenartige, undulata, Toga schon in der Frühzeit des römischen Reiches getragen, denn wie Plinius zitiert, war eine solche von Tanaquil für Servius Tullius gewebte zu Varros Zeit noch im Tempel des Sanctus vorhanden532. Martial bietet eine ganze Reihe von Möglichkeiten an, aus welcher Region und von welchen Schafen man sich eine neue Toga wünschen könnte533. Nonius überliefert, dass in der Frühzeit die Könige weder undulatae noch praetextatae Togen getragen hätten, und beruft sich dabei auf Varros de Vita Populi Romani I534. Ein Cicerozitat belegt, dass es um 63 v. Chr. so große Togen gab, dass Cicero ihre Träger verspottete, sie trügen keine Togen, sondern Segel bzw. Vorhänge535. Quintilian zufolge sollte die Toga nicht aus rauer Wolle gemacht sein, aber auch Seide war im Stil nicht angemessen. Dazu gehörte, dass das Haar des Trägers geschoren sein sollte, aber nicht „in Stufen und Ringeln gekämmt“536. Eine neue Toga aus feiner, dichter Wolle konnte sich nicht jeder leisten, von einem knauserigen Patron sagt Martial jedoch, er könne „einen ganzen Stadtbezirk“ in seine weißen „Togen stecken“537. Gab es im Winter Togen aus dickem Material, waren Togen aus geschorener Sommerwolle [cool wool] angenehmer, sie mussten nur zur richtigen Jahreszeit geschenkt werden538. Caligula ließ, nachdem er selber Kaiser geworden war, seine lebens-

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    Tert. pall. 5, 4; 6, 2. Plin. 8, 194–195. Georges HWB sieht undulatus als „gewässert“ oder „geflammt“ an. Das lässt sich nur mit einem eingepressten Muster im Seidentaft erreichen. Mart. 8, 28. Non. S. 278. Cic. Catil. 2, 22. Quint. inst. 12, 10, 47. Mart. 2, 44 pexa; 2, 46 rasa. Mart. 2, 85.

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    große goldene Statue im Tempel aufstellen; „täglich legte man ihm das gleiche Gewand um, das auch er trug“, hält Sueton fest539. Aussehen und Trageweise der Toga Im Gegensatz zum rechteckigen Pallium, hatte die halbkreisähnliche Toga einen sinus, der eine gerade Längskante und ein mehr oder minder rundes Bogenteil besaß. Die Endpunkte der geraden Seite, die Togazipfel, wurden laciniae genannt540. Es gab viele verschiedene Möglichkeiten, die Toga umzulegen541. Eine einfache lässt sich so beschreiben: Vom vorderen Zipfel an, der vor dem linken Bein lag, wurde der Stoff gefaltet, gerade hochgeführt und über die linke Schulter gelegt, von dort quer über den Rücken unter dem rechten Arm hindurch vorn über die Brust gezogen, wieder über die linke Schulter gelegt, und von dort aus fiel der Stoff gerade gefaltet über den Rücken hinunter, das Ende bildete der zweite Zipfel542. Auf der Brust wurde die unterschiedlich stark gefaltete Kante straff gezogen, ein weiter, schön fallender Bogen bedeckte die Vorderseite. Das Bruststück ähnelte einem cingulus oder balteus. Da zu wenige Quellen erhalten sind, die ein Zeugnis für eine bestimmte Zeit abgeben, muss einem Bericht Quintilians besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Dieser ging am Ende der Regierungszeit Domitians und nach den Erfahrungen seiner zwanzigjährigen Lehrtätigkeit in Rom in seiner Schrift „Ausbildung zum wahren Redner“ auch auf die Kleiderfrage ein. Er schreibt: „Der gepflegte Anzug […] fällt beim Redner mehr ins Auge. […] Denn sowohl die Toga wie das Schuhwerk und Haar bietet gleichen Anstoß durch zu große Sorgfalt wie Vernachlässigung“543. Er erklärt: „Die Alten ließen die Toga bis zu den Schuhen reichen, wie die Griechen das Pallium; und daß man es so mache, findet sich als Vorschrift bei den Schriftstellern […] Plotius und Nigidius. Um so mehr wundere ich mich über die Auffassung, die Plinius Secundus, ein gebildeter […] Mann, vertritt, wonach Cicero es nur deshalb so zu machen gewohnt gewesen sei, um seine Krampfadern zu verhüllen, während doch diese Art amictus auch bei 539 540 541

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    Suet. Cal. 22, 3. Suet. Claud. 15, 3. Eine Übersicht bieten die Bildbände von H. R. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen und F. Havé-Nikolaus, Untersuchungen zu den kaiserzeitlichen Togastatuen griechischer Provenienz. Suet. Cal. 35, 3: Caligula trat auf einen der Zipfel und fiel kopfüber die Treppe hinunter. Quint. inst. 11, 3, 137.

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    Standbildern von Leuten, die nach Cicero gelebt haben, erscheint. Ein kleines Pallium [für Kopf und Schultern] wie auch Beinbinden sowie Halsbinden, und Ohrenschützer lassen sich nur durch Krankheit entschuldigen“544. (Diese große Toga hatte gelegentlich einen ganz praktischen Nutzen, denn sie konnte ihren Träger durch die Stofffülle in Maßen vor Verletzungen schützen)545. Quintilian sagt auch: „Die Alten hatten gar keinen sinus, ihre Nachfahren nur einen ziemlich knappen. Deshalb mußten sich die Redner, deren Arm wie bei den Griechen im Gewand steckte, in den Anfängen der Redekunst eines anderen Gebärdenspiels bedienen. Doch wir sprechen von der Gegenwart“546. Beginnend mit der Tunika erklärt Quintilian, Männer, die „nicht das Recht auf den breiten clavus“ hätten, sollten die Tunika so gürten, dass sie vorn unter das Knie, hinten bis in die Kniekehle reichte. (Als Erläuterung fügt er hinzu, dass tiefer die Frauentracht beginne, oberhalb die Tracht der Zenturionen). Die Männer, die Purpurstreifen tragen dürften, sollten ihre Tunika insgesamt kürzer herstellen lassen und weniger gürten, denn die Streifen sollten gerade fallen; die Gesamtlänge habe allerdings die gleiche zu sein. Die richtige Gürtung der Tunika und ihre korrekte Länge war Voraussetzung und Maßstab zum Anlegen der Toga. Quintilian: „Die Toga sollte möglichst rund sein und in passendem Zuschnitt, sonst kommt es zu allen möglichen Unebenheiten. Ihr Vorderteil endet am besten in der Mitte des Unterschenkels, ihr hinterer Teil im gleichen Verhältnis höher wie bei der gegürteten Tunika. Der sinus [-bogen] sitzt am schönsten, wenn er ein Stück über dem unteren Rand der Tunika ist, jedenfalls soll er niemals darunter sein. Der sinus, der schräg unter der rechten Schulter zur linken Schulter verläuft, wie ein balteus, soll weder spannen noch zu lose sitzen. Das Stück der Toga, das später umgeschlagen wird, soll tiefer hängen; denn so sitzt es besser und hat Halt. Umgelegt werden soll auch ein Stück der Tunika [des Tunikaärmels], damit es beim Vortrag nicht zum Arm zurückrutscht; dann soll der sinus über die Schulter gelegt werden, dessen äußersten Rand umzuschlagen durchaus nicht unpassend ist. Die Schulter aber darf nicht samt der ganzen Kehle bedeckt werden, sonst wird der Überwurf eng und verliert sein würdevolles Aussehen, das auf der breiten Brust beruht. Der linke Arm soll soweit erhoben werden, daß er gleichsam einen rechten Winkel bildet, worüber dann 544

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    Quint. inst. 11, 3, 143–144: palliolum sicut fascias, quibus crura vestiuntur et focalia et aurium ligamenta. Suet. Jul. 14, 2. Quint. inst. 11, 3, 137–138.

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    der doppelte Rand, den die Toga liefert, gleichmäßig nach beiden Seiten aufsitzen soll“547. Diese Art, die Toga zu tragen, war allerdings nur am Beginn einer Rede vorteilhaft: „Geht aber der Vortrag weiter […], wird der sinus von der Schulter ganz zu recht wie von selbst herabgleiten, und wenn man bis zur Beweisführung und den Glanzstellen gekommen ist, ist es durchaus in Ordnung, die Toga von der linken Schulter zurückzustoßen, auch den sinus, wenn er noch festsitzt, herabzuschieben. […] Und wie die Stimme heftiger wird und abwechselungsreicher im Ton, so hat auch der amictus seine Vortragsart, wie im Handgemenge des Kampfes. […] wenn wir die linke [Hand] in die Toga wickeln und diese um sich schlingen, den sinus von unten auf die rechte Schulter zu schleudern […] – und es findet sich doch noch Schlimmeres als dies, – warum sollten wir dann nicht den zu lose gewordenen sinus unter den linken Arm rücken?“548. Dies alles war Teil einer Schau, die den Erfolg sichern sollte. Rutschte allerdings schon bei Beginn der Rede die Toga und brachte man sie nicht wieder in Ordnung, so zeugte dieser Mangel an Sorgfalt von Trägheit oder völliger Unkenntnis der Sitte, wie der amictus getragen werden musste549. „Wenn nun also der Richter in einem Privatprozeß oder der Gerichtsdiener im öffentlichen Prozeß das Wort erteilt hat, so soll man sich ruhig erheben. Dann soll man sich damit, die Toga zurechtzurücken oder, wenn nötig, ganz neu umzuschlagen – freilich dies nur vor einem Schöffengericht, denn vor einem Herrscher, einer Behörde und einem Tribunal ist es nicht gestattet – eine Weile aufhalten, damit der amictus schöner sitzt und man gleich noch etwas Zeit zum Überlegen gewinnt“550. Tertullians Beschreibung vom Anlegen der Toga ergänzt lebhaft das Problem der damit verbundenen Schwierigkeiten: Beim Pallium „bedarf es keines Künstlers, der am Vortag die Falten von oben an formt und von da aus herabführt in (breite) Falten und das ganze Gebilde des zusammengezogenen umbo Aufsehern für die Zangen überantwortet; dann in der Morgendämmerung, nachdem zuvor die Tunika mit einem Gürtel zusammengerafft wurde, die man besser mäßiger gewebt hätte, nachdem der umbo noch einmal geprüft und, wenn etwas aus der Form geraten war, wiederhergestellt wurde, soll er (der Künstler/Träger) zwar einen Teil für die linke Seite bestimmen, seine Krümmung aber, aus der der sinus entsteht, dort, wo schon die breiten Falten abnehmen, von den Schultern zurückziehen und, 547 548 549 550

    Quint. inst. 11, 3, 138–141. Quint. inst. 11, 3, 144–146. Quint. inst. 11, 3, 147. Quint. inst. 11, 3, 156.

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    wobei die rechte [Schulter] ausgespart wurde, nunmehr auf die linke häufen mit dem anderen gefalteten Teil, der für den Rücken bestimmt ist, und so bekleidet den Mann eine Last“551. Bei den Darstellungen mit unterschiedlichen Trageweisen ist nicht klar zu erkennen, ob sich Moden einheitlich änderten, wie sich Stutzer von anderen unterscheiden wollten und ob es jahreszeitlich bedingte Trageweisen geben konnte. Die Sitte, beim Togatragen den rechten Arm frei zu lassen, war im Winter sicher nicht angenehm. Sueton berichtet, dass Kaiser Claudius bei einem Gladiatorenkampf, den er zusammen mit seinem Bruder zum Gedenken an seinen Vater veranstaltete, seiner schlechten Gesundheit wegen [zusätzlich zur Toga um Kopf und/oder Schultern] ein kleines Pallium trug552. Julius Caesar und seine Freunde hatten zumindest zeitweise die Toga auf einer Schulter, denn Curio sollte als ein verabredetes Zeichen bei einem Komplott seine „Toga von der Schulter herabfallen lassen“553. Folgt man Sueton, legte Augustus die Toga gelegentlich um beide Schultern554. An seinem Togazipfel hielten Anwälte oft Kaiser Claudius zurück, wenn er bei Gericht die Geduld verlor und weggehen wollte555. Von dem zuerst angelegten Vorderteil der Toga zog man ein Stück unter dem Brustband heraus, das dann einen kleinen eigenen Bogen, den umbo bildete. Der sinus konnte als eine Tasche benutzt werden, in dem sich z. B. ein Buch tragen ließ556. Ein plötzlich reich Gewordener ging zu Fuß, damit er den mit Geld bis „zum Platzen“ vollen sinus vorzeigen konnte557. In seinem Bausch ließ sich gut eine Waffe verstecken; damals, so wurde berichtet, sei nicht einmal ein Senator zu Augustus vorgelassen, dessen sinus nicht auf Waffen hin geprüft worden wäre558. Gleiches tat Kaiser Claudius, der alle Männer und Frauen, die ihm nahe kamen, untersuchen ließ. Erst unter Vespasian endete die allgemeine Leibesvisitation559. In der zeitgenössischen 551

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    Tert. pall. 5, 1: Adeo nec artificem necesse est qui pridie rugas ab exordio formet et inde deducat in tilias totumque contracti umbonis figmentum custodibus forcipibus assignet, dehinc diluculo, tunica prius cingulo correpta, quam praestabat moderatiorem texuisse, recognito rursus umbone et, si quid exorbitavit, reformato, partem quidem de laevo promittat, ambitum vero eius, ex quo sinus nascitur, iam deficientibus tabulis retrahat a scapulis et, exclusa dextera, in laevam adhuc congerat cum alio pari tabulato in terga devoto, atque ita hominem sarcina vestiat. Suet. Claud. 2, 2. Suet. Jul. 9, 3. Suet. Aug. 53, 1. Suet. Claud. 15, 3. Mart. 2, 6. Mart. 4, 51. Vgl. Juv. 1, 88. Suet. Aug. 35, 2. Cass. Dio 60, 3, 3.

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    Literatur wird der sinus als der herabhängende Teil des Bausches beschrieben und der straff gezogene als balteus. Man kann in dem herabhängenden Teil aber weder Geld noch Buch noch Waffe verstecken – ein zur Tasche hochgehaltener Bausch würde bestimmt auffallen. Sicher ist, dass die Toga kein bequemes Kleidungsstück war, das Arbeiten in ihr war entsprechend mühsam. Plinius spricht von einem Maler Famulus, der zur Zeit des Augustus berühmt war. „Er malte nur wenige Stunden am Tag, auch dies nur mit Feierlichkeit, weil er stets, sogar bei seinen Staffeleien, die Toga trug“560. Andererseits war sie zuweilen recht praktisch: Wenn sich nämlich die Plebs, überliefert Ovid, an den Iden des März am Tiberufer zu einem fröhlichen Picknick zu Ehren von Anna Perenna einfand, konnte man mit Hilfe von Stäben die Toga als Sonnenschutz benutzen561. Martial warnte seinen Freund: „Mach’ also bitte nichts Lächerliches“, und nannte als Beispiel: „laß’ nicht einen Tänzer in der Toga auftreten“562. Die Toga in der Rechtsprechung, toga candida Die Toga war untrennbar mit dem Senatorenamt verbunden. Als einmal die Senatoren nicht abstimmen wollten, wechselten sie ihre Kleidung und kamen ohne sie im Senat zusammen. Eine Abstimmung war damit unmöglich gemacht. Sueton berichtet: „Den Kindern von Senatoren gestattete [Augustus …], gleich nach Erhalt der Männertoga [die Tunika] mit dem breiten Streifen anzulegen und an Senatssitzungen teilzunehmen“563. In den besiegten Provinzen war es die „Toga“, die als Synonym für die Besatzungsmacht stand und die römische Rechtsprechung vertrat. Wenn dies nicht klug geschah, ging es den Eroberern wie mit den Germanen, die sich gegen die Besatzer auflehnten. Florus drückt das so aus: „Aber [die Germanen …] ergriffen, als sie sahen, dass ihnen die Togen der Richter und die Rechtsordnung heftiger zusetzten als unsere Waffen, unter der Führung des Arminius ihre Waffen“564. Die Germanen fänden niemals eine Entschuldigung dafür, „dass sie zwischen Elbe und Rhein Ruten und Beile und die Toga“ hätten sehen müssen565, erläutert Tacitus. 560 561 562 563

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    Plin. 35, 120: quod semper togatus. Ov. fast. 3, 529–530. Mart. 2, Widmung. Suet. Aug. 38: Liberis senatorum, quo celerius rei p. assuescerent, protinus virili toga latum clavum induere et curiae interesse permisit. Flor. epit. 2, 30, 32. Tac. ann. 1, 59, 4.

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    „Gestern wurden meine beiden Nomenclatoren – sie haben freilich erst das Alter, in dem man die Toga anlegt – für drei Denare zum Beifallklatschen [in der Gerichtsverhandlung] weggeschnappt“, beklagt sich Plinius d. J.566. Kandidaten traten als Bewerber für öffentliche Ämter in der weißen Toga auf, während Angeklagte in dunklen Togen erschienen. Die Rede, die Cicero 64 v. Chr. vor dem Senat als Kandidat für das Amt des Konsuls in der weißen Toga hielt, ist noch heute berühmt567. Scipio Nasica ist, so Plinius, vom vereidigten Senat „als der vortrefflichste Mann seit Erschaffung der Welt erklärt worden, […] und doch ist er [bei seiner Bewerbung] in der toga candida zweimal vom Volk durch Zurückweisung gebrandmarkt worden“568. [M. Catos] „Einfluß, den er sich durch die Geradlinigkeit seiner Lebensführung erworben hatte, wurde aber dadurch abgeschwächt, daß er selbst in der weißen Toga [für das Amt des Zensors] kandidierte“, urteilt Livius, und etwas später berichtet er: „Es bewarben sich [um das Amt des Prätors … u. a.] Q. Fulvius Flaccus – dieser, weil er zum kurulischen Ädil gewählt war, nicht in der weißen Toga, aber mit der größten Leidenschaftlichkeit von allen“569. „Seit 350“, schreibt A. Demandt: „hören wir von weiteren Leibwächtern, den weiß uniformierten candidati, unter denen zahlreiche Germanen waren. In dieser Truppe diente Justinian vor seiner Thronbesteigung“570. Weitere Quellen zum Thema weiße Kleidung im allgemeinen, zu der auch die weiße Toga gehören kann, sind unter c. 22 vestis zu finden. toga palmata Triumphtoga Da die Toga das für römische Bürger vorgeschriebene Gewand war, ist auffallend, wie wenig von Verzierungen auf der Kleidung gesprochen wird. Nur die Toga palmata oder Toga picta wird in der Literatur herausgehoben, oft zusammen mit tunica palmata oder tunica picta. Im Laufe der Zeit haben sich zu picta Begiffe wie „bestickt“ eingebürgert, die aber in der Archäologie und der Literatur nicht nachzuweisen sind. Aufschlussreich ist hier ein Satz von Festus: „Die Picta, die jetzt toga heißt, wurde früher gewöhnlich die Purpurne genannt, und sie war ohne Malerei“571. Als Symbol gehörte die 566 567 568 569

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    Plin. epist. 2, 14, 6. Ascon. tog. cand., S. 128. Plin. 7, 120. Liv. 37, 57, 13 zum Jahr 189 v. Chr.: cuius auctoritatem perpetuo tenore vitae partam toga candida elevabat; Liv. 39, 39, 2, zum Jahr 184 n. Chr. A. Demandt, S. 232. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sie das in der Toga taten. Fest. S. 228.

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    Siegespalme dazu. Sie als Zeichen für die Bezwingung eines militärischen Gegners zu erhalten, war das Ziel aller Feldherren; je stärker der bezwungene Feind gewesen war, um so größer der Ruhm572. War der Sieg erreicht, konnte der Sieger mit einem Triumph geehrt werden und erhielt die toga palmata. Als Triumphgewand wurde das Purpurkleid mit Gold durchwirkt. In welcher Form das geschah, ist bisher ungeklärt573. Der Kaiser selber kann zu seinem Triumph „in Gold“ gekleidet sein574. Als besondere Ehrung gewährte man Caesar, „dass er jederzeit und sogar in der Stadt selbst, mit dem Triumphgewand bekleidet, getragen werden […] dürfe“, erzählt Cassius Dio später575. Augustus gewährte den Volkstribunen das Recht, im Zirkus die Triumphkleidung, triumphalis vestis, zu tragen; „auf dem Triumphwagen zu fahren, wurde ihnen nicht gestattet“576. Von Tacitus ist ferner zu lesen: „Als man dann von den eifrigen Bemühungen des Ptolemaeus [zur militärischen Unterstützung der Römer, 24 n. Chr.] in diesem Krieg erfuhr, frischte man eine altem Brauch entsprechende Ehrung wieder auf und schickte einen Senator, der einen Elfenbeinstab und eine toga picta, althergebrachte Geschenke des Senats, überbringen und ihn als König sowie als Bundesgenossen und Freund begrüßen sollte“577. Juvenal beschreibt einmal die Pracht und stellt sich vor, wie wohl Demokrit gelacht hätte, wenn er die praetextae und trabeae erblickt hätte. „Was erst, wenn er den Prätor gesehen hätte, wie er auf hohem Wagen steht, emporgehoben in der Mitte des staubigen Zirkus, in der Tunika Juppiters und von den Schultern herab den tyrischen Vorhang der toga picta tragend und des großen Kranzes so gewaltiges Rund, daß ihm kein Nacken gewachsen ist? Denn schwitzend hält ihn der Staatssklave und fährt, damit der Konsul sich nicht überhebe, im selben Wagen mit“578. Die eindrucksvollste Schilderung des prächtigen Einzugs von Constantius II. in Rom mit all ihrem Prunk findet sich bei Ammianus. Traurigerweise fehlen alle Einzelheiten über die „in der Pracht bunter Edelsteine“ blitzenden kaiserlichen Kleidung579. 572

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    Mart. De spectaculis 32: Cedere maiori virtutis fama secunda est. illa gravis palma est, quam minor hostis habet. Plin. 9, 127. Ob es sich um die Toga oder Tunica handelt, wird leider nicht gesagt: in triumphali [veste] miscetur auro. Mart. 8, 65. Cass. Dio 44, 4, 2. Tac. ann. 1, 15. Tac. ann. 4, 26: scipionem eburnum, togam pictam, antiqua patrum munera. Juv. 10, 36–40. Amm. 16, 10, 6–10. Zum Triumphzug siehe c. 30.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Eine sehr kurze Bemerkung von Plinius verdeutlicht, dass beim Sühneopfer für die Götter Purpurkleider verwendet wurden, dies schloss wohl die Toga mit ein580. trabea Trabea Wie die trabea aussah, lässt sich wohl nicht mehr nachprüfen, da die Anfänge in den Beginn der Königszeit zurückgeführt werden und ihr Ende in spätantiker Zeit liegt. Möglicherweise war sie das der jeweiligen Tracht angepasste Kleidungsstück, das durch bestimmte Ornamente und Verzierungen Symbolcharakter besaß. In der Frühzeit könnte sie z. B. eine kurze Toga gewesen sein, am Saum mit einem Besatz verziert, wie sie ähnlich auf der aus etruskischer Zeit stammenden Statue des Aulus Metellus, der sog. Arringatore zu sehen ist581. Später berichtet Livius: Als König Tarquinius Priscus ermordet war, habe seine Frau Tanaquil ihren Schwiegersohn Servius Tullius zum König machen wollen; die Bekanntgabe des Mordes wurde aus diesem Grunde hinausgezögert, und inzwischen trat Servius als Vertreter des Königs auf. Er trug dazu die trabea, saß auf dem Königsstuhl, neben sich drei Liktoren, und festigte so seine Herrschaft, bis der Tod des Königs bekannt gegeben werden konnte582. Ovid dichtet, als die Römer um Romulus getrauert hätten, sei dieser dem Julius Prokulus erschienen, „schön, über Menschengröße und geschmückt mit der trabea“583. In seiner Schrift von den Grammatikern schreibt Sueton, ein C. Mellius, der mit Augustus befreundet war, habe ein neues Togaspiel erfunden, das er trabeatae nannte“584. Servius zitiert Sueton und spricht von drei die Trabea tragenden Personengruppen: „Eine ganz purpurgefärbte Trabea ist den Göttern heilig.“ Die Könige haben sie in den Farben Purpur und Weiß, und „die der Auguren ist purpur- und kermesfarbig“585. „Ich sehe“, folgert Plinius: „daß zu 580

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    Plin. 9, 127. – Palmatae vestes behandelt Cassiodor ausführlich in der Formula consulatus, Var. 6, 1, S. 174. Museum August Kestner, Hannover. Liv. 1, 41, 1–6. Lucius Tarquinius Priscus, antiker römischer König, Sohn eines Einwanderers aus Korinth, galt als 5. König (616–578 v. Chr.). Ov. fast. 2, 503, übernommen aus Livius 1, 16. Suet. gramm. 21, 4: fecit et novum genus togatorum inscripsitque ‚trabeatas‘. Serv. Aen. 7, 612: Ipse Quirinali Trabea Suetonius in libro de genere vestium dicit tria genera esse trabearum: unum dis sacratum, quod est tantum de purpura; aliud regum, quod est purpureum, habet tamen album aliquid; tertium augurale de purpura et cocco.

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    Rom der Purpur immer in Gebrauch war, von Romulus jedoch nur an der Trabea“586. Und weiter sagt Servius, die Insignien der imperatores seien nur die sella curulis und die Trabea, keine Diademe587. Tacitus erwähnt die Trabea der Ritter. Der Trauerzug mit der Urne des Germanicus bewegte sich durch viele Landschaften, „den Anfang des Zuges machten die Feldzeichen, ohne Schmuck, und die Rutenbündel, zur Erde gekehrt; und wo sie durch die Städte hindurchzogen, stand das Volk in Schwarz, die Ritter in der Trabea“588. Als Domitian Konsul war, erzählt Sueton, habe man „beschlossen, dass ihm […] römische Ritter, die das Los bestimmt hatte, in der Trabea und mit Speeren, wie sie die Soldaten trugen, zwischen Liktoren und Gehilfen vorangehen sollten“589. Hier werden also Insignien der Konsule auf Angehörige des zweiten Standes übertragen. Die Verleihung von „königlichen Trabeen“ spricht der Codex Theodosianus an, dies übernimmt der Codex Justinianus590. Im Loblied von Corippus auf Justinian ist davon die Rede, dass die Senatsmitglieder eine „bewährte Ordnung“ einhielten. Sie gingen einher „in der ehrenvollen Kleidung, teils in Trabeen, teils geputzt mit Togen“591. Sidonius schreibt an einen Freund und spricht ihn an als einen „Mann von senatorischem Geblüt, der sich täglich mit den Bildern seiner Ahnen, die die Trabea tragen, konfrontiert sieht“592. Cinctus Gabinus mit verhülltem Kopf und gegürteter Toga bzw. Trabea, Tafel 7, Tafel 10 Eine besondere Form, die Toga zu tragen, war das sog. gabinische Gürten bzw. capite velato. Cato erklärt es so: „Die Gründer einer Stadt nämlich schirrten einen Stier auf der rechten Seite und eine Kuh auf der Innenseite an, und geschürzt nach gabinischem Ritus, das heißt, das Haupt verhüllt mit einem Teil der Toga, den anderen Teil gegürtet, hielten sie die gekrümmte Pflugschar so, daß alle Schollen nach einwärts fielen“593. Die Sitte gab Anlass zu vielen Studien. Man konnte den Kopf verhüllen, indem man aus dem 586 587 588 589 590 591 592 593

    Plin. 9, 136, 1. Serv. Aen. 11, 334. Tac. ann. 3, 2: atrata plebes, trabeati equites. Suet. Dom. 14, 3. CTh 8, 11, 4; CJ 12, 63, 1: fastis si honor datus fuerit regalium trabearum. Coripp. Iust. 4, 231–235. Sidon. epist. 6, 2. Cato, Fragmente aus den „Ursprüngen“ 1, 20: incincti ritu Gabino, id est togae parte caput velati, parte succincti.

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    Rückenteil der Toga ein Stück herauszog oder sich das Ende der Toga über den Kopf legte. Den Kopf zu verhüllen, war nicht allein römisches Brauchtum, sondern wurde allgemeiner praktiziert, auch Mose verhüllte sein Haupt, als er sich bei dem brennenden Dornbusch Gott näherte594, und weitere Vorstellungen sind mit dem Begriff mavors zusammenzubringen595. Vergil erzählt: „Es gab einen Brauch im alten Latium, den die Städte um Alba fortan heilig hielten. Nun übt ihn das weltbeherrschende Rom, sooft man zu ersten Gefechten den Kriegsgott weckt […]. Es gibt zwei ‚Pforten des Kriegs‘ […]. Diese Pforten schließt, wenn im Senat der Kriegsbeschluss feststeht, mit der quirinalischen Trabea und gabinischem Gürten, der Konsul selbst auf, öffnet die knarrenden Tore und ruft selbst zum Kampf“596. Servius erläutert diese Stelle in einem langen Absatz zunächst unter dem Stichwort Cinctuque Gabino: „‚Gabinus cinctus‘ ist eine Toga so nach rückwärts geworfen, dass eine ihrer Zipfel von rückwärts den Mann gürtet. In dieser Art der Kleidung haben die alten Latiner, als sie noch keine Waffen hatten, mit umgürteten Togen gekämpft“. Er sagt weiter, dass „deshalb auch die Sodaten, milites, als in procinctu bezeichnet werden“. Diesen Brauch bringt er mit einer aus Gabii überlieferten Szene zusammen597.Festus überliefert ebenfalls: „Procincta classis hieß [es], wenn ein Heer umgürtet war, um mit gabinischem Gurt unverzüglich zu kämpfen“598. Mit verhülltem Kopf setzte sich der Vogeldeuter, ehe er nach der Zeichendeutung Numa zum ersten König nach Romulus weihte, berichtet Livius599. „Succinctus trabea, das ist die Toga der Auguren aus Coccus und Purpur“600, notiert Servius zu Vergils Aeneis, in der der Vater Latinus die Trojaner empfängt an einem Ort, 594

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    Ex 3, 6. F. Graf gibt an, in Griechenland sei diese Sitte unbekannt gewesen: Stichwort Gebet, in: Der Neue Pauly, Bd. 4, 1998, Sp.831–834. c. 25, 4 b. Verg. Aen. 7, 601–613: Mos erat Hesperio in Latio, quem protinus urbes Albanae coluere sacrum, nunc maxima rerum Roma colit, cum prima movent in proelia Martem […]. sunt ‚geminae Belli portae‘ – sic nomine discunt – […], has, ubi certa sedet patribus sententia pugnae, ipse Quirinali trabea cinctuque Gabino insignis reserat stridentia limina consul, ipse vocat pugnas. Vgl. Serv. Aen. 7, 612. Serv. Aen. 7, 612: Cinctuque Gabino ‚Gabinus cinctus‘ est toga sic in tergum reiecta, ut una eius lacinia a tergo revocata hominem cingat. hoc autem vestimenti genere veteres Latini, cum necdum arma haberent, praecinctis togis bellabant: unde etiam milites in procinctu esse dicuntur. hoc rursus utebatur consul bella indicturus ideo quia, cum Gabii, Campaniae civitas, sacris operaretur, bellum subito evenit: tunc cives cincti togis suis ab aris ad bella profecti sunt et adepti victoriam: unde hic ortus est mos. Fest. S. 251. Möglicherweise handelt es sich hier um ein Hochschürzen von Tuniken, wie man auf manchen Bildern beobachten kann. Liv. 1, 18, 7 ff. Serv. 7, 188.

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    der den Göttern heilig war. Vergil selber spricht an dieser Stelle auch von der gegürteten Trabea, die Picus, ein König der Latiner, auf einem Gemälde in der Königshalle der Latiner trägt601. Ein anderes Argument bringt die spätantike Schrift „Origo Gentis Romanae“: Laut Domitius habe Äneas die bekannte Sau geopfert, die zur Stadtgründung Laviniums beitrug. Dabei „soll zufällig eine argivische Flotte sich genähert haben, auf der auch Odysseus war. Und weil [Aeneas] fürchtete, vom Feind erkannt einer Gefahr ausgesetzt zu sein und durch Unterbrechung einer heiligen Handlung ein Sakrileg zu begehen, habe er den Kopf mit einem velamentum bedeckt und die Opfer mit vollständigem Ritual vollendet“. Zur Erinnerung daran wurde den Nachfahren aufgetragen, auf die gleiche Weise zu opfern602. Die Feststellung Isidors, Toga und Trabea hätten Streifen gehabt, deckt sich mit diesen Aussagen, sofern es sich um Amtspersonen handelte603. Auf Bildnissen vermittelte das Verhüllen des Kopfes das Einstehen für die Pietas, die gute Gesinnung im umfassenden Sinn. Als allerdings Vitellius nach seiner Rückkehr aus Syrien damit begann, vor Gaius Caesar (Caligula) mit verhülltem Kopf zu erscheinen, geschah das nur aus Berechnung, folgert Sueton604. Das Ende der Toga Die Frage, wann die Toga aus dem allgemeinen öffentlichen Leben verschwand, kann hier nicht beantwortet werden. Verhältnismäßig früh begannen die Kaiser, sie selten oder gar nicht mehr zu tragen. Schon Germanicus war in Ägypten dem Volk zu Gefallen, und wie schon vor ihm P. Scipio in Sizilien, in Schuhwerk und Umhang nach griechischer Art gereist; Tiberius tadelte ihn deswegen „nur leise“605. Kaiser Caligula (37–41) war dafür bekannt, die Tracht der Väter wenig zu lieben: „Oft zeigte er sich in der Öffentlichkeit mit gemusterten und edelsteingeschmückten Paenulen, langärmelig [Tunika] und mit Armspangen geschmückt, manchmal in Seide und 601 602

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    Verg. Aen. 7, 187–194. Origo Gentis Romanae 12, 1–2: Cum interim immolata sue in litore sacrificium perageret, traditur forte advertisse Argivam classem, in qua Ulixes erat; cumque vereretur, ne ab hoste cognitus periculum subiret, itemque rem divinam interrumpere summum nefas duceret, caput velamento obduxisse atque ita pleno ritu sacra perfecisse. Vgl. c. 16, Praetexta der Amtsinhaber. Suet. Vit. 2, 5. Tac. ann. 2, 59, 1–2.

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    mit einer cyclas angetan; und bald trug er Sandalen oder Kothurne, bald caligae, wie die Späher sie tragen, manchmal auch socci wie die Frauen“606. Nero, der sich laut Sueton nicht gut kleidete und öffentlich überwiegend in einem ungegürteten Hauskleid, synthesis, „mit einem sudarium, das er um den Hals gebunden hatte“, und ohne calcei erschien, wurde nach seinem Tode von einigen Menschen betrauert, die Statuen aufstellten, die ihn dennoch jetzt in der praetexta zeigten607. Und Dinge, die ein Kaiser bevorzugte, wurden sicher nachgeahmt. Von Cassius Dio stammt die Information, Kaiser Claudius habe zwar den Senatoren eigene Plätze im Theater zugewiesen, erlaubte aber „jedem von ihnen […], sich anderswo niederzulassen und sogar in Bürgerkleidung zu erscheinen“608. Juvenal begründet eine Abkehr so: „Nicht leicht kommen die hoch, deren [finanzielle] Fähigkeiten spärlicher häuslicher Besitz hemmt, doch in Rom ist für sie dieser Versuch noch mühseliger: teuer ist eine armselige Unterkunft, teuer die Mägen der Sklaven und teuer eine bescheidene Mahlzeit. Auf Tongeschirr zu speisen geniert man sich, was man nicht für schimpflich hielte, würde man plötzlich zu den Marsern versetzt und an den Tisch der Sabeller, wo man zufrieden wäre mit der blauen, dauerhaften Kukulle. In einem großen Teil Italiens legt, wenn wir ehrlich sind, niemand die Toga an außer als Toter. Selbst wenn einmal die Festtage im grasüberwachsenen Theater mit Pracht gefeiert werden […], wirst du die gleiche Kleidung dort sehen und einander ähnlich die Orchestra und das Volk: als Gewand im illustren Ehrenamt genügt den höchsten Ädilen eine weiße Tunika“. Ein anderes Mal spricht er von den Wünschen der Älteren: „unsere runzlige Haut soll die Frühlingssonne trinken und der Toga entfliehen“609. Caracalla (211–217) verkündet in der Constitutio Antoniniana [möglicherweise] das römische Bürgerrecht allen Freien im Reich610. Es ist schwer vorstellbar, dass dies das Tragen der Toga für alle erstrebenswert machte. In der Novelle Justinians, in der Regeln für den Prokonsul in Palästina erlassen werden, heißt es: „Er soll aber die edle und alte Toga benutzen 606

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    Suet. Cal. 52. Da noch an anderer Stelle von seiner Tracht berichtet wird, soll der ganze Satz hier zitiert werden: Vestitu calciatuque et cetero habitu neque patrio neque civili, ac ne virili quidem ac denique humano semper usus est. saepe depictas gemmatasque indutus paenulas, manuleatus et armillatus in publicum processit; aliquando sericatus et cycladatus; ac modo in crepidis vel coturnis, modo in speculatoria caliga, nonnumquam socco muliebri. Suet. Nero, 51 und 57. Cass. Dio 60, 7, 4. Juv. 3, 164–179 und 11, 203–204. Giess. lit. Papyri und die Caracalla-Erlasse, S. 218. Nach Cass. Dio. 78, 9 ff. war sein Geldhunger unersättlich, so konnte er von allen Steuern verlangen.

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    (wir sagen aber die Purpurstola), sie in den heiligen Monaten umgeworfen haben und soll mit solcher Ehre glänzen und den civitates vorstehen“611. Claudius Claudianus bewundert in seinem Panegyricus auf die Kinderkonsule Olybrius und Probinus des Jahres 395 ihre Kleidung. Für die Trabeen ist zwischen seidenen Kettfäden Gold überlappend eingewirkt. Die weiche Seide stammt, seinen Versen nach, von den Serern, die sie gewannen, indem sie die Vliese der „wolletragenden Wälder abpflückten“. Das Metall wurde aus ausgedehnten „dünnen Zügen“ platt gedrückt, d. h. es handelt sich hier um gezogenes Gold612. Der Übersetzer Werner Taegert kommt in seinem Kommentar mit Recht zu dem Schluss, dass die Trabea zu dieser Zeit eine breite Schärpe bzw. ein Gürtel ist, ähnlich der klassischen Toga geschlungen und über einer weiten, ärmellosen Tunika zu tragen. Dies entspricht den Bildern auf den Konsulardyptichen. Die Konsule haben hier über der langärmeligen Untertunika und einer häufig sehr weiten Obertunika ein schmales, stets stark verziertes Band, das von der vorderen Mitte kommend auf der rechten Seite um die Schulter gelegt wird, vorn über die Brust weitergeführt und über die linke Schulter auf dem Rücken wieder nach rechts gelegt wird. Dann verbreitert sich das Band, wie um einen sinus anzudeuten, und wird nochmal über den linken Arm geführt. Die Toga blieb die Insignie für das römische Recht und das offizielle Kleidungsstück der Juristen und des Magistrats. Sie ist aber nicht mehr die klassische Toga. Wie man an Hand der Konsulardyptichen sehen kann, erhielt sie eine sich langsam verändernde immer schmalere Form, die aber noch in gleicher Weise geschlungen wurde. Darunter wurden nun zwei Tuniken getragen, eine langärmelige und eine häufig sehr weite Obertunika. Möglicherweise sahen auch die Togen der Söhne der hl. Melanie ähnlich aus613.

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    Corpus iuris civilis 3, Nov. 103, 1, S. 497: Utatur autem nobili et antiqua toga (dicimus autem purpurea stola) sacris mensibus eam circumamictus, fulgeatque tanto honore et civitatibus praesit […]. Claud. 1, 177–184: et pollice docto iam parat auratas trabeas cinctusque micantes stamine, quod molli tondent de stipite Seres frondea lanigerae carpentes vellera silvae, et longum tenues tractus producit in aurum filaque concreto cogit squalere metallo: qualis purpureas praebebat candida vestes numinibus Latona suis. Siehe c. 25, Stola; Paul. Nol. epist. 29, 12.

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    9. paludamentum Feldherrnumhang, Tafel 4 Das Paludamentum war der auf der Schulter gefibelte große Umhang der Feldherrn der Kaiserzeit. Nonius schreibt: „Das Paludamentum ist ein Kleidungsstück, das heute chlamys genannt wird“614, und stellt auch fest, das paludamentum der barbarischen Soldaten sei wie ein großer, geschmückter Vorhang615. Plinius d. J. spricht von „dem Brauch jener Männer [Konsule], die gewohnt waren, das paludamentum gegen die praetexta einzutauschen und siegreich in unbekannte Länder vorzustoßen“616. Wie Sueton berichtet, wurde Caesar in Alexandria einmal während eines Kampfes zum Schwimmen gezwungen: „Er hielt die Linke hoch über dem Wasser, damit die Schriften, die er bei sich hatte, nicht durchweichten; sein Paludamentum zog er mit den Zähnen hinter sich her, damit es nicht ein Beutestück der Feinde wurde“617. Über Augustus heißt es von Sueton: „den Krieg, der ihm übertragen worden war, beendete er im dritten Monat durch zwei Schlachten. Antonius schreibt, er sei in der ersten davongelaufen, und man habe ihn erst nach zwei Tagen ohne paludamentum und Pferd wieder zu Gesicht bekommen“618. Weiter berichtet Sueton, als Galba vom Tode Neros hörte, wollte er sein Nachfolger werden. Er erreichte Rom paludatus, vom Hals hing ihm ein Dolch. „Die Toga legte er erst wieder an“, als er seine Macht gefestigt hatte619. Auch über Vitellius schreibt Sueton, er sei, nachdem er vom Tode Othos erfahren habe, als zukünftiger Kaiser in Rom eingezogen. Er kam als paludatus „und hatte sich mit dem Schwert gegürtet […]; seine Begleiter erschienen in saga“620. Festus überliefert dazu: „Paludati [sind] die Bewaffneten, Geschmückten: Alle militärischen ornamenta nannten sie nämlich paludamenta“621. Ammianus erwähnt den Begriff weiterhin. So sagt er, dass man bei der Absetzung des Caesars Constantius Gallus eine List gebrauchte, indem man ihm zunächst nur „die kaiserlichen Gewänder fortnahm und ihn statt dessen mit einer Tunika und einem gewöhnlichen paludamentum be-

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    Non. S. 864. Non. S. 861/862: Aulaea, genus vestis peregrinum […] et est tamquam paludamentum barbarici habitus militaris. Vgl. c. 26, 8 b: aulaeum. Plin. paneg. 56, 4. Suet. Jul. 64. Suet. Aug. 10, 3–4. Suet. Galba 11. Suet. Vit. 11, 1: urbem denique ad classicum introiit paludatus ferroque succinctus, inter signa atque vexilla, sagulatis comitibus. Fest. S. 299, vgl. S. 298.

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    kleidete“622. Mit seinem paludamentum bedeckte der Imperator Julian als Gnadenbeweis den Präfekten Nebridius623. Kaiser Julian hatte sich, laut Ammianus, als Nachfolger seinen Verwandten Procopius ausgesucht und ihm „heimlich ein purpurnes paludamentum übergeben mit dem Auftrag, „unbedenklich nach der Kaiserwürde zu greifen“, wenn er selber im Feldzug gegen die Perser getötet würde624. Nach Julians Tod „tauchte er [Procopius] plötzlich wieder in Konstantinopel und dann als Purpurträger auf“625. 10. circumtextum, cyclas Kleidungsstück mit ringsumlaufender Randverzierung Nach Isidor findet sich zu dem Ausdruck „ringsum gewebt“ eine Parallelstelle in Vergils Aeneis. Hier will Aeneas der Karthagerkönigin Dido einen Schleier, velamen, schenken, der mit einer Randborte umwebt war, die ein krokusfarbenes Akanthusmuster besaß. Dieser Schleier war zusammen mit anderen Kostbarkeiten aus Troja gerettet worden und hatte ursprünglich der Argiverin Helena gehört626. „Und der rundumwebte Schleier bezeichnet eine cyclas“627, erläutert Servius die Art des Schleiers, ehe er auf das Akanthusmuster eingeht. Isidor schreibt über den als Muster beliebten Akanthus: „Acanthus ist eine immer belaubte Pflanze, voll mit Dornen, mit biegsamem Gesträuch, in deren Nachahmung aufgrund von Kunst Kleidung geschmückt wird, die akanthisch genannt wird“628. Es wurden jedoch nicht nur Akanthusblätter in den Rand gewebt, auch Blumen, Efeu oder Ölzweige waren beliebte Motive629. Nach Varro kann auch ein amictus mit Purpurborte circumtextum heißen630.

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    Amm. 14, 11, 20: ingressusque obscuro iam die/ ablatis regiis indumentis Caesarem tunica texit et paludamento communi. Amm. 21, 5, 12. Amm. 23, 3, 2. Amm. 25, 9, 13: nisi quod multo postea apud Constantinopolim visus est subito purpuratus. Verg. Aen. 1, 647–650. Serv. Aen. 1, 649. Isid. Et. 17, 9, 20–21: Akanthus, Bärenklau. Vgl. die Geschichte von dem Wettkampf zwischen Minerva und Arachne Kap. 1. Varro ling. 5, 132: et quod amictui habet purpuram circum, vocant circumtextum.

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    11. diplois zwei Umhänge übereinander getragen oder kreisförmiger Umhang wie abolla und laena Der Begriff diplois kann zweierlei bedeuten. Es ist zu unterscheiden zwischen der Sitte, zwei Kleidungsstücke über der Tunika zu tragen, und der, einen besonders großen, kreisförmig oder kreisähnlich gearbeiteten Umhang zu besitzen, der in seiner runden Form den doppelten Umfang der halbkreisähnlichen Toga besaß. Zur ersten Kategorie gehört z.B. das ephod des Hohenpriesters, das Hieronymus diplois nennt, weil er über der tunica talaris getragen wurde; er bezieht sich dabei auf die hebräische Fassung, die vom ephod als superius pallium spricht631. An zwei weiteren Stellen wird in der Vulgata der Begriff des doppelten Umhangs oder Palliums behandelt. Im Psalm 108, 29 heißt es: „Es sollen diejenigen, die mich verleumden, mit Schande angezogen werden und bedeckt werden wie mit einem diplois aufgrund ihrer Schmach“. In Baruch 5, 1–2 ist diplois vergleichbar mit der doppelten Gerechtigkeit, die Gott der Stadt Jerusalem anstelle der Stola der Trauer verleiht. Eucherius meint dazu: „Diplois bezeichnet im Buch der Könige [Itala] ein ‚sagum‘ oder eine ‚chlamys‘ vom Verdoppeln, weil sie nämlich doppelt genommen wird, und jedes Kleidungsstück, das wir zweifach umlegen, kann man ‚diplois‘ nennen“632. Zur zweiten Kategorie sind abolla und laena zu zählen, runde Umhänge, die im Gegensatz zur halbkreisförmigen Toga gesehen werden. Jene trugen auch Philosophen. Dabei wollten sicher nicht alle den Umhang so verwenden, wie vom Kyniker Diogenes erzählt wird, der nur darum ein doppeltes pallium trug, um auch noch auf die Tunika verzichten zu können633. (Ob alle Philosophen einen runden Umhang besaßen, zu dem häufig ein langer Bart gehörte, ist zu bezweifeln; oft wird ihr Umhang nur einfach pallium genannt)634. Servius zitiert den Satz über den doppelten Umhang ähnlich wie Isidor aus einem Text von Horaz über einen Philosophen635. Hier beschreibt Horaz jedoch gerade nicht eine positive Gesinnung. Denn in seinem Brief erklärt er nicht den Philosophen als Vorbild, der Äußerlichkeiten brauche, um seine Gesinnung öffentlich zu machen, sondern hält ihn für einen Narren, 631 632 633

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    Hier. epist. 29, 2 und 4. Eucher. instr. 2, 208. So noch Juv. 13, 123, der davon spricht, dass sich die Stoiker nicht in der Lehre, sondern „nur durch die [bei Kynikern fehlende] Tunika unterscheiden“. Gell. 9, 2, 1–4. Serv. Aen. 5, 421: Duplicem amictum id est abollam, quae duplex est, sicut chlamys: Horatius contra quem duplici panno patientia velat. – Der amictus, den Servius hier anspricht, gehört einem riesengroßen Faustkämpfer.

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    der sich hinter seinem Kostüm verstecke und lieber vor Kälte stirbt, als etwas anderes anzuziehen. Dagegen lobt Horaz den Mann, der nicht auf den Purpurträger schaue, sondern seine Haltung ohne Unsicherheit im Auftreten bei jedem Stand der Dinge wahre, „ob auch Glück und Stellung und Besitz wechselte“636. Juvenals Geschichten sollen als Ergänzung dienen. Er berichtet, ein Stoiker, obwohl in die abolla gekleidet, brachte als Denunziant seinen Patron zu Tode; ein weiterer Klient, der sich von seinem Patron völlig abhängig fühlte, ließ sich selbst eine griechische endromida reichen, um sich dem frierenden Patron anzupassen637. Doch nicht jede abolla war Ausdruck einer philosophischen Haltung. Nach Sueton erregte Ptolemäus, der Veranstalter eines Spieles im römischen Amphitheater, durch den Glanz seiner purpurnen abolla den Neid Caligulas in solchem Maße, dass der Kaiser seinen Träger deshalb ermorden ließ638. Die abolla war in jedem Fall ein leicht umzulegendes Kleidungstück, denn sie konnte rasch ergriffen werden639. Wie andere Kleidungsstücke auch, wurde sie durch intensiven Gebrauch unansehnlich640. Besonders teure wurden manchmal gestohlen: „Crispinus weiß nicht mehr, wem er eine tyrische abolla gab, als er die Kleider wechselte und die Toga anzog“, schreibt Martial und begründet anschließend, warum es besser gewesen sei, eine weniger auffällige Toga zu stehlen641. Möglicherweise sind laena und abolla von der Form her gleich; dies war nicht eindeutig zu klären, da z. B. Martial beide Ausdrücke benutzt. Varro ist der Ansicht, dass die laena so viel Wolle wie zwei Togen brauche642. Auch sie konnte über der Toga getragen werden, ein Kleptomane ging u. a. mit zweien davon643. In Anspielung auf eine Pilzvergiftung des Kaisers schreibt Martial: „Silber und Gold, auch eine Laena und eine Toga zu schicken, ist leicht; Pilze zu schicken ist schwierig“644. Außerdem dichtet er: „Eines armen Mannes Geschenk ist es, aber nicht eines Armen Brauch: statt einer laena schicken wir dir diese endromida“645. 636 637 638 639 640 641 642

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    Hor. epist. 1, 17, 23–32. Juv. 3, 115 und 103. Suet. Cal. 35, 1. Juv. 4, 76. Mart. 4, 53. Mart. 8, 48. Varro ling. 5, 133: Laena, quod de lana multa, duarum etiam togarum instar; ut antiquissimum mulierum ricinium, sic hoc duplex virorum. Mart. 8, 59: lapsa nec a cubito subducere pallia nescit et tectus laenis saepe duabus abit. Mart. 13, 48. Mart. 14, 126: Pauperis est munus sed non est pauperis usus: hanc tibi pro laena mittimus endromida.

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    Aules Persius Flaccus erzählt von einem Redner, der um seine Schultern eine blaupurpurne laena hatte646. „In tyrischem Purpur prunkte die laena […], das Gewebe mit dünnem Gold durchwirkt“; in ihr arbeitete Aeneas beim Festungsbau, und sie war ein Geschenk, das Dido selbst gemacht hatte647. Servius kommentiert besonders ausführlich: „Die laena ist eine Sorte Kleidungsstück. Sie ist aber eigentlich eine doppelte Toga, ein Augurenumhang. Einige [sagen]: ein runder amictus, andere: eine doppelte Toga [vom Format her], in der die Flamines gefibelt opfern. Gewisse Leute überliefern, dass der Anzug der laena wohl dem Sohn der Venus gegeben ist, weil diesen Umhang das Geschlecht der Venus für sich beansprucht hat: daher heißen die Popilier laenates wegen dieses Aussehens, die sich aus dem Geschlecht der Venus herkommend erklärten. Andere überliefern, dass der Erfinder dieses Kleidungsstückes nach diesem selbst laenatis genannt war. Gewisse Leute wollen, dass (sie) als ein Frauengewand sozusagen für einen Liebhaber geeignet war, gewisse Leute vermuten, dass ein priesterlicher Ritus damit ausgeübt wurde. Nämlich durch die alte Religion der Priester wurde gelehrt, dass für die Einsetzung des Flamen das Kleidungsstück, das laena genannt wurde, von der Flaminica gewebt werden musste […]. Aber die doppelte Toga, die zweifellos purpurn sein muss, erklärt er mit diesem Vers: ,und in tyrischem Purpur prunkte die laena‘“648. Aus diesem langen Zitat lässt sich folgendes herauslesen: als Aeneas hier arbeitete, war er nicht mit einem Opferdienst beschäftigt, sondern trug die laena, die Dido ihm gewebt hatte. Entsprechend ihrer beider Stellung bestand sie aus doppelt gefärbtem, d. h. ganz aus echtem Purpur, tyrio murice, sie war also nicht mit einem billigeren Rot vorgefärbt worden649. Die Geschichte der Popilier überliefert Cicero in einer etwas anderen Version. Eine 646 647

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    Pers. 1, 32. Verg. Aen. 4, 262–264: Tyrioque ardebat murice laena demissa ex umeris, dives quae munera Dido fecerat et tenui telas discreverat auro. Serv. Aen. 4, 262: Laena genus est vestis. est autem proprie toga duplex, amictus auguralis. alii amictum rotundum: alii togam duplicem, in qua flamines sacrificant infibulati. quidam tradunt bene filio Veneris habitum laenae datum, quia hunc sibi amictum genus Veneris vindicavit: unde Popilii ‚Laenates‘ propter hunc habitum, qui se de Veneris genere ortos ferebant. alii inventorem huius vestis ab hac ipsa veste Laenatem appellatum tradunt. quidam muliebrem vestem quasi amatori aptam volunt. quidam pontificalem ritum hoc loco expositum putant. veteri enim religione pontificum praecipiebatur inaugurato flamini vestem, quae laena dicebatur, a flaminica texi oportere […]. togam autem duplicem, quam purpuream debere esse non dubium est, hoc versu declarat ‚Tyrioque ardebat murice laena‘. – Hinzuweisen ist hier auf die Beschreibung der Augurenumhänge unter dem Namen trabea. Servius’ Hinweis auf die Flaminica, die dem Flamen den Umhang weben sollte, ähnelt der oben genannten Stelle, in der Dido für Aeneas webte.

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    laena soll der Konsul Marcus Popilius getragen haben, als er um 350 v. Chr. als Priester der Carmenta opferte. Wegen eines Tumults in der Volksversammlung eilte er noch in der laena dorthin, um ihn zu schlichten650. Diese laena besaß eine Fibel; ihre Schnittform war ein Kreissegment, damit ähnelte sie der lacerna, die in der Aeneis nicht erwähnt wird. Goette nennt die laena eine Sonderform der Toga und nimmt den Hinweis auf die doppelte Toga wörtlich. Er hält sie für einen Kreis, der, mittig gefaltet als Halbkreis, die Toga ergibt. War aber die Toga schon schwerfällig genug, hätte man aus einer doppelt gelegten gar keine tragbare Form bekommen651. Nach Strabon trugen die Kelten einen schönen Umhang, laena genannt, der nicht nur nach Rom, sondern auch in die meisten Gegenden Italiens verschickt wurde652. Es gab sie in verschiedenen Farben. Jemand der sich eine mit Kermes gefärbte leisten konnte, verfügte auch über eine Schar von Begleitern, die ihn während der Nacht vor Räubern schützte653. Festus meint: „Laena [ist] eine Art Bekleidung mit doppeltem Aussehen. Einige meinen, sie sei tuskisch benannt, einige griechisch, die sie chlaina nennen654. Ennodius, ein hoher Geistlicher aus der Zeit um 500, bittet: „eine laena und [mehrere] racanae, welcher Farbe ihr auch wollt, rote oder dunkle, schickt mir möglichst schnell“655. Vielleicht waren es liturgische Kleidungsstücke und für den Gottesdienst bestimmt? 12. sagum Soldatenumhang, Decke, Tafel 2 Saga und Chlamiden, die Umhänge der Soldaten, sind von der Form her gleich; oft waren sie an einer Längsseite mit leichter Rundung versehen, und wenn sie auf einer Schulter gefibelt waren, blieb der Schwertarm zum Kämpfen frei. Als Überwurf war das sagum besonders für Reiter geeignet. 650

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    Cic. Brutus, 14, 56; der Übersetzer Bernhard Kytzler weist darauf hin, dass die Familie deshalb den Beinamen Laenas trug, S. 345/346. H. R. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen, S. 7–8. Es fehlt auch die Fibel. Strabons Erdbeschreibung 4, 4, 3. Juv. 3, 283. Fest. S. 104. A. Pekridou-Gorecki, Mode im antiken Griechenland, S. 90: „Die Chlaina, ein besonders wärmender Mantel, bestand aus dickem Stoff und mußte mit einer Nadel zusammengehalten werden“. Ennod. epist. 9, 17: Laenam et racanas cuius vos volueritis coloris, rubie aut fusci, mihi sub celeritate dirigite. Zu fuscus siehe Mart. 14, 129: Roma magis fuscis vestitur, Gallia rufis, et placet hic pueris militibusque color: „Rom kleidet sich lieber in Dunkel (Purpur), Gallien in Rot, und diese Farbe gefällt Kindern und Soldaten“. Zu rachana vgl. Preisedikt, 19, 4–7.

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    Im Allgemeinen wird angenommen, dass sagum ein aus dem keltischen stammender Name ist. Doch nennt Plinius diesen Begriff zwar in Verbindung mit Kelten, aber auch mit einem gätulischen Hirten656. Augustus wollte im Alter von 20 Jahren Konsul werden; um den Senat zu zwingen, ließ er Legionen an die Hauptstadt führen. „Als aber der Senat zögerte, schlug der Hauptmann Cornelius, der Führer der Gesandtschaft, sein sagulus auf, deutete auf den Knauf seines Schwertes und hatte keine Bedenken, der Kurie zu sagen: ‚Das hier wird’s tun, wenn ihr es nicht tut‘“657. „Ich streckte den Arm nun weit aus, drehte das Oberteil meines Sagums zusammen und hielt es hoch empor, um mit diesem gewohnten Zeichen die Anwesenheit der Feinde kundzutun“, schreibt Ammianus von sich selbst in einem Feldzug gegen die Perser658. Nicht nur die Römer, auch die Perser hatten Umhänge, die von Ammianus saga genannt werden. Im Perserkrieg ließen Mitglieder der königlichen Garde „als Zeichen für den Kampfbeginn ein purpurrotes sagum im Wind flattern“659. Vergil beschreibt die Gallier, die Rom zur Zeit von Manlius angreifen wollten und durch das Schnattern einer silbernen Gans vertrieben wurden. Sie trugen mit Streifen besetzte kurze sagula; Servius versucht, diese als Purpurstreifen zu erklären660. Ammianus spricht von den Stämmen, die im Gebiet von Assyrien bis zu den Katarakten des Nils leben: „Halbnackt und in bunte, nur bis zu den Hüften reichende sagula gehüllt, ziehen sie auf ihren flinken Pferden und hochbeinigen Kamelen bald friedlich, bald feindlich durch verschiedene Gegenden“661. Das Material der saga war in der Regel Wolle, die bei Bedarf lodenartig stark gewalkt wurde und damit sehr schützte. Eine unterschiedliche Fadendrehung von Kette und Schuss ermöglichte ein Verdrehen der Fäden innerhalb des fertigen Materials, und die Umhänge wurden winddicht und vom Gewicht her schwer. Sagum wurde deshalb mit dick gleichgesetzt, so schreibt Martial: „Da du dermaßen dicke lacernae trägst, Artemidor, könnte ich dich mit gutem Recht ‚Sagaris‘ nennen“662. Ein sagum wurde gern gebraucht, um mit anderen Menschen Schabernack zu treiben. Man breitete es auseinan656 657

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    Plin. 16, 251; 8, 54. Suet. Aug. 26, 1: Cornelius centurio, princeps legationis, reiecto sagulo ostendens gladii capulum non dubitasset in curia dicere: ‚hic faciet, si vos non feceritis‘. Amm. 18, 6, 13: porrecto extentius brachio et summitatibus sagi contortis elatius adesse hostes signo solito demonstrabam. Amm. 19, 5, 5: mane sago punici coloris elato, quod erat subeundae indicium pugnae. Verg. Aen. 8, 660. Amm. 14, 4, 3: seminudi coloratis sagulis pube tenus amicti. Mart. 8, 58: Cum tibi tam crassae sint, Artemidore, lacernae, possim te Sagarim iure vocare meo.

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    der, spannte es, legte ein Opfer auf die Decke und „schleuderte [es] in die Luft“. Noch Otho war bei seinen nächtlichen Ausflügen als ein Freund dieser „Scherze“ bekannt663. 583 verbietet das Konzil von Mâcon Klerikern das Tragen von saga664 Der Begriff sagum galt nicht nur für ein Kleidungsstück, sondern war auch eine Materialbezeichnung. Plinius berichtet von den Galliern: „[Die Druiden] bereiten nach ihrer Sitte das Opfer und das Mahl unter dem Baum und führen zwei weiße Stiere herbei, deren Hörner da zum ersten Mal umwunden werden. Der Priester, bekleidet mit einem weißen Kultgewand, besteigt den Baum und schneidet die Mistel mit einem goldenem Messer ab: Sie wird mit einem weißen sagum aufgefangen“. Denn, so fährt er an anderer Stelle fort, „manche denken, daß die (unter Wahrung) abergläubischer Gebräuche bei Neumond von der Steineiche ohne ein eisernes Gerät gesammelte (Mistel) wirksamer werde, wenn sie die Erde nicht berührt hat“665. Elf saga aus Ziegenhaar von jeweils 30 Ellen Länge und vier Ellen Breite sollten die äußere Haut des jüdischen Tabernakels bilden, wobei das elfte Teil als Schutz für den Eingang gedacht war666. 14 a. p(a)enula Paenula, Umhang, Tafel 2 Die Paenula oder penula, wie Isidor schreibt, ist eine sehr alte Umhangform, die aus dem Oval heraus entstanden war. Dieses wurde gefaltet und mit einem Kopfloch versehen, das oft, aber nicht immer, in der Mitte lag. Auch wenn die paenula auf den Schultern genäht wurde, blieben die beiden Seiten offen. Bilder zeigen, dass sie für Soldaten auch vorn bis zur Brust geschlitzt werden konnte; die Enden wurden über die Schultern geschlagen, so war es möglich, ungehindert die Waffen zu bedienen667. Ob es auch in der hinteren Mitte eine Schlitzung gab, ist nicht zu erkennen. Bestand der Umhang aus gekämmter Wolle, war man in ihr vor Wind und Regen geschützt. In der Regel hatte sie eine Kapuze und war damit eine ideale Wetterbekleidung für jedermann. Zur Zeit von Plinius wurde sie auch bei Standbildern als Neuerung gesellschaftsfähig668. Er erklärt, ihre Kapuze habe Ähnlichkeit mit den Blättern eines centunculus, der „auf den Feldern liegend“ wachse und „von 663 664 665

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    Suet. Otho 2, 1. Concilium Matisconense c. 5 S. 156. Plin. 16, 250–251: sacerdos candida veste cultus arborem scandit, falce aurea demetit, candido id excipitur sago. Ferner Plin. 24, 12. Ex 26, 7–13. Vgl. 20 b. ora und c. 26, 10: cilicium Suet. Galba 6, 2. Plin. 34, 18.

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    den Griechen klematis (Rankengewächs) genannt“ werde669. Während bei der Toga Schultertuch /Kopftuch, Halstuch, Ohrenschützer und Beinwickel nur bei Krankheiten benutzt werden durften, konnten die Halstücher, focalia, bei den Paenulen ohne weiteres getragen werden und waren sicher als ein modisches Beiwerk geachtet670. Die Toga war nur freien Bürgern zugänglich, und Lacerna und Laena werden häufig als elegante Kleidungsstücke beschrieben, doch die Paenula konnte ebenfalls elegant sein671. Auch ein Buch ließ sich in ihr transportieren; da sie aber keinen Bausch wie die Toga hatte, kann man eine Kleidertasche vermuten672. Eine weiße Paenula mit flauschigem Gewebe war sogar in der Erntezeit angenehm673. Caligula trug auch als Kaiser nicht die gewöhnliche Tracht seiner Vorfahren oder der Bürger, sondern blieb offenbar bei der Kleidung der Soldaten. Seine paenula war allerdings mit Gemmen besetzt674. Nur mit Tunika und einer verblichenen Paenula angezogen, floh Nero aus seinem Haus, kurz bevor er Selbstmord beging675. Nach Nonius ist sie „eine Kleidung, die wir über der Tunika anlegen“676. Apollinaris Sidonius gibt einen Überblick über die Kleidung der Mächtigen in Rom aus der Mitte des 5. Jhs., als er nach der Hochzeitsfeier des Ricimer berichtet: „Schon hat seinen Kranz der Bräutigam, schon seine palmata der Konsular, schon ihre cyclas die Brautführerin, schon seine Toga der Senator honoratus, schon seine Paenula der Privatier abgelegt“677. In einigen Provinzen sollte ein Konsul im Reisewagen mit einer paenula geschmückt sein678. 14 b. lacerna Lacerna Die Lacerna war wohl ein weiter verbreitetes Kleidungsstück als die Toga, ein kleiner kurzer Umhang (verwandt mit lacer). Ob sich grundsätzlich etwas über die Größe sagen lässt, bleibt allerdings offen. Auch wenn Au669

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    Plin. 24, 138: Centunculum vocant nostri, foliis ad similitudinem capitis paenularum, iacentem in arvis, Graeci clematidem. Die Pflanze ist nicht eindeutig bestimmbar. Bei Togen: Quint. inst. 11, 3, 144; ohne Zuordnung Mart. 14, 137 focale; bei der paenula des Soldaten: Grabstein des Firmus, Andernach. Mart. 2, 57; Regenmantel: Juv. 5, 79. Mart. 14, 84: Ne toga barbatos faciat vel paenula libros. Mart. 14, 145: Is mihi candor inest, villorum gratia tanta est, ut me vel media sumere messe velis. Suet. Cal. 52: saepe depictas gemmatasque indutus paenulas. Suet. Nero 48, 1–4; 49, 4. Non. S. 861. Sidon. epist. 5, 11. Cassiod. var. 6, 20, S. 193.

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    gustus die Toga zum Bestandteil der römischen Tracht erhob und die lacerna auf dem Forum und in dessen näherer Umgebung nicht mehr erlaubt war, wird sie doch immer wieder erwähnt. Gefertigt aus einem Kreis oder Kreissegment, wurde sie gern getragen, sei es als Regenschutz, sei es aus dickem Material gegen die Kälte oder als modisches Beiwerk, denn es gab sie in verschiedensten Ausführungen. Bei Properz erscheint sie als Soldatenmantel und als Bettdecke679. Als Ergebnis der Wettervorhersage beschreibt Plinius, dass man aus dem Untergang des Sternbilds der Plejaden erkennen könne, welcher Art der bevorstehende Winter sei. Die Folge: „Gehen die Plejaden im Nebel unter, so kündigen sie einen regnerischen Winter an, und sogleich steigen die Preise für lacernae; gehen sie aber bei heiterem Wetter unter, so wird der Winter streng, und es steigen (die Preise) für die übrigen Kleider“680. Lacernae gab es auch mit Kapuzen, denn dies legt eine Quelle bei Horaz nahe681. Nach Festus hatte sie keine Kapuze682. Besonders in den langen Stunden im Amphitheater wusste man wärmende, weiße lacernae zu schätzen, die über die Togen gelegt werden konnten, so Martial683. Einmal soll angeblich ein Sklave im Theater erschienen sein, der über der Toga, deren Weiß den „unberührten Schnee noch übertreffen muss“, eine leuchtend rote, kermesgefärbte Lacerna trug, zusammen mit Schnallen und lunulae geschmückten roten Schuhen684. Die Umhänge wurden nicht nur in Rom gefertigt: ein teurer kam z.B. aus Theben685, ein „trister“ aus der Baetica686. Ein Prahler erzählte, er habe für „zehntausend“ lacernae geschenkt bekommen687. Noch jemand erwarb sie laut Martial für den gleichen Preis: „Bassus kaufte sich lacernae für zehntausend, tyrische, in schönster Farbe: Ein Geschäft hat er dabei gemacht. ‚Hat er denn so billig eingekauft?‘ fragst du. O nein, nur zahlen wird er nicht“688. Die mit dem „Blut“ der Schnecke gefärbten waren unbestreitbar besonders teuer689.

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    Prop. 3, 12, 7 und 4, 3, 18 bzw. 4, 8, 85–87. Plin. 18, 225–226. Hor. sat. 2, 7, 55: caput obscurante lacerna. Fest. S. 105: lacerna, quod minus capitio est. Mart. 14, 135: Lacernae albae. Mart. 2, 29: quaeque Tyron totiens epotavere lacernae et toga non tactas vincere iussa nives. Vgl. 2, 46. Mart. 2, 43. Mart. 1, 96: amator ille tristium lacernarum et baeticatus atque leucophaetus. Mart. 4, 61. Mart. 8, 10: Emit lacernas milibus decem Bassus Tyrias coloris optimi. lucrifecit. ‚adeo bene emit?‘ inquis. immo non solvet. Mart. 13, 87.

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    Martial stellt aus dickem Wintertuch gemachte Umhänge (gausapinae) den leichten lacernae gegenüber690. Lacernae aus Gallien konnten bei ärmeren Leuten oder Klienten von geizigen Patronen aus rauer und grober Wolle sein: „Manchmal bekommen wir dicke lacernae, als Schutz für die Toga, von hartem und grobfädigem Äußeren und schlecht durchstoßen vom Wollkamm des gallischen Webers“691. Kaiser Claudius war sehr beliebt: „Bei seiner Ankunft im Theater pflegte man sogar aufzustehen und die lacernae abzulegen“692. Persius lässt einen Redner in einer lacerna auftreten693. Crispinus, ein reicher Emporkömmling aus Canopus im Nildelta, bei Domitian Mitglied des Kronrats, macht durch Zurückwerfen der purpurfarbenen lacerna und seinen am Finger steckenden „Sommerring“ gern auf sich aufmerksam; eine goldverzierte lacerna trug „ein Kitharöde oder gar Seleucus“694. Auch eine Frau, die als Geliebte gehalten wurde, konnte die lacerna tragen695. Noch lange später „schwitzen [Roms Bewohner] unter der Last ihrer lacernae, die sie sich über den Hals ziehen und unmittelbar an der Kehle zubinden und deren allzu feines Gewebe durchsichtig ist. Durch häufige Bewegungen, vor allem mit der linken Hand, wollen sie erreichen, daß die überlangen Fransen und die mit vielgestaltigen Tieren buntgewirkten Tuniken deutlich hervorleuchten“696, so Ammian über ihre Träger. Cassiodor stellt fest: „Dem Besitzer möge der Ertrag der Zahlung genügen: die Tribute sind Purpur, nicht lacernae!“697. Die Unterschiede im Erscheinungsbild der einzelnen Umhänge werden in der kirchlichen Kleidung der Spätantike relativiert. Der Apostel Paulus, so die Geschichte, hatte bei seinem Gastgeber Karpus in Troas seine paenula vergessen und bittet seinen Gefährten Timotheus, sie ihm nachzubringen698. Deshalb erhält dieser Umhang als Planeta oder Kasel sakrale Bedeutung und ist bis heute das vorgeschriebene Kleidungsstück katholischer Priester, Bischöfe und Päpste im Gottesdienst. Ihren prachtvollen Schmuck mit Streifen [und kreuzförmigen Motiven] hat sie von der lacerna 690 691

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    Mart. 6, 59. Juv. 9, 27–30: pingues aliquando lacernas, munimenta togae, duri crassique coloris et male percussas textoris pectine Galli accipimus. Suet. Claud. 6, 1. Pers. 1, 54. Juv. 1, 27–29 und 10, 212, dazu Fn. 81. Vgl. lacerna in Juv. 14, 287; 16, 45. Juv. 1, 62. Amm. 14, 6, 9. Cassiod. var. 1, 26, S. 29. 2. Tim 4, 13.

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    übernommen; daher befindet Eucherius: „Penula im Apostel[brief] ist lateinisch; sie ist aber gleichsam eine lacerna mit herabkommenden Streifen“699. Sedulius Scotus nimmt im 9. Jh. diese Stelle auf und schreibt: „Penula ist eine lacerna nach Art der Kukulle. Ebenso: Lacerna (ist eine) stola oder eine Art feiner Kukulle. Penula ist Latein, d. h. eine verherrlichte lacerna“. Damit ist für ihn die paenula durch den Träger glorifiziert, Form und Material sind uninteressant700. 15. mantum Mantel, Tafel 7 Neben den Umhängen muss es ein Kleidungsstück gegeben haben, das einem heutigen Mantel sehr ähnelt. Eine Abbildung ist an einem etruskischen Kunstwerk aus dem 7.–6. Jh. v. Chr. zu sehen. Die Figur, heute ohne Kopf und mit einem Beinansatz erhalten, hat einen Mantel, der vorn mit wellenförmigem Muster, hinten glatt gehalten und mit einem umgeschlagenen Halskragen versehen ist. Er wird vorne mit drei großen Fibeln geschlossen. Eine Hand trägt einen Vogel, die Figur wird daher als Priester angesehen, der sich mit der Vogelschau beschäftigt701. Margarete Bieber erwähnt griechische Bildbeispiele von vorn geknöpften und mit Kapuzen versehenen Mänteln von einem Orthographen, einem Tierzüchter und einem Landarbeiter702. Wahrscheinlich ist der mandye genannte Umhang des Kaisers M. Aurelius Antininius auch unter diesem Stichwort einzuordnen. Die von ihm erfundene sog. caracalla gilt als angeblich keltischer Begriff für eine Überbekleidung. Doch obwohl der Name Caracalla in alle Geschichtsbücher eingegangen ist, berichtet nur Cassius Dio darüber, einer der Begleiter des Kaisers. Neben den Chlamyden benutzte der Kaiser: „in Syrien und Mesopotamien indessen […] germanische Tracht und ebensolches Schuhwerk. Er erfand dazu noch ein eigenes Kostüm, das in fremdartiger Weise aus schmalgeschnittenen Streifen zusammengenäht, eine Art von Mantel, mandye, bildete. Und er trug ihn die meiste Zeit nicht nur selbst, weshalb man ihm den Spottnamen Caracalla gab, sondern befahl auch seine allge-

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    Eucher. instr. 2, 208: Penula in apostolo, Latinum est; est autem quasi lacerna descendentibus clavis. Sedul. Scot. Collectaneum in Apostolum 2, epist. ad Timotheum 2, 4, 10, 692. Solche Aussagen machten es Kostümforschern des 19. Jhs. nicht gerade leichter. Etruskische Kunst im Museum August Kestner, Katalog Nr. 262, S. 202. Vgl. c. 31, 17a. M. Bieber, Entwicklungsgeschichte der griechischen Tracht, S. 43.

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    meine Verwendung beim Militär“703. Das Preisedikt führt große und kleine caracallae704. Abt Theodomar schreibt 778/79 über die manti der Benediktinermönche in Monte Cassino: „Doch unsere früheren und vergangenen Äbte haben für unsere Brüder verordnet, dass sie auf Grund der verschiedenen Arbeiten drei Tuniken haben: zwei dickere im Winter, eine dünnere im Sommer; ebenso auch anstelle von Kukullen zwei, die wir manti nennen, die aus dickerem sagum gemacht werden, und eine feinere Bedeckung im Sommer“705. 16. praetexta verzierte Toga Die Praetexta war eine Toga der jugendlichen Senatorensöhne, der Prätoren, der Magistrate, der Konsule, des Kaisers und der Opferpriester und eine Toga bei kleineren Triumphen706. Zu ihrer Geschichte gibt es eine Reihe von Hinweisen. Nach Livius’ Überlieferung stammen von den etruskischen Nachbarn der kurulische Sessel und die toga praetexta ab, und Plinius ist der gleichen Meinung707. Florus tradiert, nach der Eroberung Roms hätten die Gallier die Häuser betreten: „Dort verehrten sie die alten Männer, welche in ihren curulischen Amtsstühlen und in ihrer Amtskleidung als praetextatos saßen, erst wie Götter und Schutzgeister […], nachdem klar war, dass sie Menschen waren“, töteten sie sie708. Plinius fügt hinzu: „Denn es ist sattsam bekannt, dass Tullus Hostilius als erster unter den Königen nach dem Sieg über die Etrusker die toga praetexta und den breiteren Streifen trug“709. Plinius erzählt weiter „Die praetextae des Servius Tullius, mit denen die Statue der von ihm geweihten Fortuna bekleidet war, haben sich bis zum Tode des Seianus erhalten, und es ist bewundernswert, daß sie in den 560 Jahren weder zerfielen, noch von den Motten zerfressen wurden“710. Seine Beschreibung hört sich allerdings an, als stecke eine gute Portion Ironie hinter den Worten. Eine andere Information von ihm lautet: „Man 703

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    Cass. Dio, Epitome des Buches 79, 3, 3. Hingewiesen wird auf die Pannonier, die diese Art von Kleidung pflegten, siehe c. 22, 23 f. Preisedikt 7, 44 und 45. Theodomari epist. ad Karolum regem 5, S. 170. Serv. Aen. 12, 169: „So haben die Magistrate und Opferpriester eine Toga praetexta“. Sie kann nicht nur eine Toga der Jungen aller freien Römer gewesen sein. Liv. 1, 8, 3 und Plin. 8, 195. Flor. epit. 1, 7, 14. Plin. 9, 136: nam toga praetexta et latiore clavo Tullum Hostilium e regibus primum usum Etruscis devictis satis constat. Plin. 8, 197. Ob es sich hier um die klassische Togaform handeln sollte, ist ungewiss.

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    tadelte den kurulischen Ädil P. Lentulus Spinther, der den [doppelt gefärbten tyrischen Purpur] zuerst an der Praetexta trug“711. Es verwundert, dass Isidor einen so wichtigen Begriff wie die Toga praetexta, die geschmückte Toga hinten ansetzt, die in der klassischen römischen Gesellschaft eine große Rolle spielte. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie zu seiner Zeit keinen bedeutenden Platz mehr einnahm und auch heute noch schwer zu fassen ist. Am Ende hat sich bei der Autorin der Gedanke durchgesetzt, dass sie eine geschmückte Toga war, wobei Purpur und manchmal Gold kennzeichnend waren. Differenzierungen und genaue Einzelheiten sind bisher aus den Schriftquellen nicht zu erkennen712. Die praetexta der Senatorensöhne Es wurde ein großes Fest mit vielen Teilnehmern veranstaltet, wenn mit ungefähr vierzehn bis sechzehn Jahren ein junger Mann zum erstenmal die toga virilis oder toga pura anziehen durfte. „Wenn jemand die Männertoga anlegt, heiratet, ein Amt antritt oder ein der Gemeinde gestiftetes Gebäude einweiht, dann lädt er gewöhnlich den gesamten Stadtrat und eine Menge Leute aus dem Volk ein und schenkt jedem zwei Denare oder einen“713, schildert Plinius d. J. eine der Zeittötungsmaschinen, die seinen Tagesablauf bestimmten, und klagt ein andermal: „Ich habe an einer offiziellen Feier teilgenommen, bei der die Männertoga übergeben wurde […]. Wie viele Tage habe ich mit so vielen unwichtigen Dingen verloren“714. Julius Caesar war mit Cossutia verlobt worden, „als er noch die Toga praetexta trug“, berichtet Sueton715. Augustinus erwähnt eine besondere Feier: „als Göttin Juventas führt er (Jupiter) die Jünglinge, wenn sie die praetexta abgelegt haben, in die Jugendzeit ein“716. Dies geschah bevorzugt am 17. März, dem Tag des Bacchus717. 711 712

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    Plin. 9, 137: Spinther war Ädil unter dem Konsulat Ciceros 63 v. Chr. Plin. paneg. 61, 7 gebraucht einmal anstelle von der Praetexta des Konsuls nur das Wort Purpur in einer Aufzählung zusammen mit den kurulischen Stühlen, den Rutenbündeln und Liktoren. Plin. epist. 10, 116, 1 an Kaiser Trajan. Bei mehr als 1000 Eingeladenen hatte Plinius Bedenken, ob solche Feiern nicht eher nach der Verteilung von Geldgeschenken aussähen: 10, 116, 2. Plin. epist. 1, 9. Suet. Jul. 1. Aug. civ. 4, 11, S. 238: ipse dea Iuventas, quae post praetextam excipiat iuvenalis aetatis exordia. Ov. fast. 3, 771–788.

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    „Und bei dem Zirkusspiel, das gegeben wurde, um ihm [Nero] die Gunst der Masse zu gewinnen, fuhren Britannicus in der praetexta, Nero in der Triumphkleidung vorüber: sehen sollte das Volk diesen im Schmuck des Imperators, jenen in der Knabentoga und sich entsprechend von der Rangstellung beider im voraus ein Bild machen“718. Augustus wünschte, die Söhne Agrippas [seines Schwiegersohns] zu Führern der Ritterzenturien zu machen, „obwohl sie die Praetexta der Knaben noch nicht abgelegt hatten“719. Als im Laufe der Zeit das öffentliche Geld knapp geworden war, kam man auf die Idee, vom Verkauf eines Sklaven zwei Prozent für den Staat zu behalten, später erhöhte man diese Summe auf vier Prozent. Sueton schreibt: „Als ein Sklavenhändler aus Brindisi eine Schar Sklaven, die zum Verkauf bestimmt waren, von Bord brachte, zog er einem schönen Jungen, der ihm eine beträchtliche Summe einbringen würde, eine bulla und eine toga praetexta an, weil er den Zoll scheute. Es war ein Leichtes, seine Betrügerei zu verheimlichen. [Doch] er kam nach Rom, der Betrug flog auf, und man verlangte für den Jungen die Freiheit, sei er doch bereits nach dem Willen seines Herrn ein freier Mensch gewesen“720. Es war nicht zu ermitteln, ob Söhne der Ritter oder der übrigen freien Römer Verzierungen an ihren Togen aufwiesen. Denkbar wäre es, doch möglicherweise fehlte der Purpur. Angaben über die Größe und das Aussehen der Verzierungen konnten bisher nicht gefunden werden. Interessant ist vielleicht eine Quelle, die die Gedanken eines jungen Mannes beschreibt, der zum ersten Mal ohne Begleitperson Rom erkunden durfte: „Zu der Zeit, da mich schüchternen Knaben der schützende Purpur verlassen und die bulla hing den gegürteten Laren zur Gabe, da mir mein weißer umbo und lockende Freunde erlaubten, frei in der ganzen Subura Blicke umherzuwerfen […]“721. Hieraus kann man schließen, dass der umbo, der herausgezogene Gewandbausch der Jugendtoga eine Purpurverzierung aufwies722.

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    Tac. ann. 12, 41. Tac. ann. 1, 3. Suet. rhet. 25, 17. Pers. 5, 30–33: cum primum pavido custos mihi purpura cessit bullaque succinctis Laribus donata pependit, cum blandi comites totaque impune Subura permisit sparsisse oculos iam candidus umbo. Fast alle der z. B. bei H. R. Götte gezeigten Standbilder hatten gemäß dem Faltenwurf keine aufgesetzten sichtbaren Borten; dies wird auch bei den von ihm selbst gefertigten Togabeispielen deutlich.

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    Die praetexta der Amtsinhaber In der Zeit seiner Praetur wollten Mitglieder des Senats Caesar unter Druck setzen. Er schickte deshalb seine Liktoren fort, legte seine praetexta ab und floh heimlich nach Hause723. Zu dieser Zeit war er etwa 40 Jahre alt. Tiberius kämpfte drei Jahre lang gegen die Illyrer, ehe sie besiegt und den Römern unterstellt wurden. Hätte Tiberius nicht gegen die Illyrer gewonnen, hätten sich die Germanen mit den Pannoniern verbünden können, und deshalb wurde Tiberius „ein Triumph zuerkannt“, den er aber wegen der Trauer um den verlorenen Krieg [des Varus] verschob. „Seinen Einzug in die Stadt hielt er aber dennoch in der praetexta und bekränzt mit dem Lorbeer“724. Im Traum hatte Germanicus anstelle der mit Blut bespritzten praetexta eine neue von seiner Großmutter Augusta erhalten. Dies nahm er zum Anlass, einen Krieg zu planen725. Nach dem einzigen, und nach Suetons Meinung unbedeutenden, Feldzug, den Claudius unternahm, hatte ihm der Senat die Triumphabzeichen anerkannt. Den Triumph hielt er in Rom mit „größter Pracht und Prunk […], aber alle mußten zu Fuß und in der Toga praetexta folgen“726. Plinius d. J. preist Trajans Konsulat mit den Worten: „Ausgeübt hast du es ja nicht hier in der Ruhe der Stadt und im Schoß des Friedens, sondern dicht an der Grenze zu barbarischen Völkern, nach dem Brauch jener Männer, die gewohnt waren, die praetexta einzutauschen gegen das paludamentum“727. Servius deutet eine Vergilstelle so, dass der Magistrat und die Opfernden die Toga praetexta trugen728. Der Familienname Praetextatus Von Cato stammt angeblich die schöne Geschichte, wie die bekannte Familie der Prätextati zu ihrem Namen kam. Danach gab es früher die alte Sitte, dass die Söhne in der Toga praetexta mit ihren Vätern zusammen in den Senat gingen. Die Mutter eines von ihnen fragte ihren Sohn Papirius, was denn verhandelt worden sei. Dieser berief sich auf seine Schweigepflicht, als 723 724 725 726

    727 728

    Praetoren waren Gerichtsmagistrate; Suet. Jul. 16, 1. Suet. Tib. 17, 2. Tac. ann. 2, 14, 1. Suet. Claud. 17, 3. „nur M. Crassus Frugi folgte auf einem Pferd, das mit phalerae“ geschmückt, in der [eigentlichen] Triumphkleidung, „weil ihm zum zweiten Mal diese Ehrung zuteil geworden war“. Vgl. c. 30 Ornamente: Triumphe und Insignien. Plin. paneg. 56, 4. – Ebenfalls zur praetexta der Konsule bei Plin. paneg. 61, 8. Serv. Aen. 12, 169.

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    die Mutter aber drängte, erzählte er, im Senat habe man verhandelt, ob es dem Staat mehr nütze, wenn „ein Mann zwei Frauen habe oder ob eine Frau mit zwei Männern verheiratet sei“. Die Mutter glaubte dies und zettelte mit anderen Frauen zusammen am nächsten Tag einen Aufruhr an, den niemand verstand. Erst als die ganze Geschichte publik wurde, beschloss man, dass künftig keine Jungen mehr an den Beratungen teilnehmen durften, mit Ausnahme des zuverlässigen Papirius, der den Ehrennamen „Praetextatus“ erhielt729. Ein Praetextatus mit „vielen Priestertiteln“ war ein führendes Mitglied der nichtchristlichen Kreise im Senat des 4. Jhs. Ein weiterer Angehöriger dieser alten Familie war Bischof zur Zeit Gregors von Tours730. 17 a casula, planeta Kasel oder Planeta, Tafel 9, cappa hier: Cape, Tafel 3 Casula nennt Gregor von Tours in einer Übernahme aus der Chronik des Hieronymus eine kleine Hütte, in die sich Kaiser Valens auf der Flucht vor den Goten versteckte731. Auch Isidor spricht von kleinen Hütten, die sich Mönche am Ufer des Jordan gebaut hatten732. Wann man diesen Begriff des kleinen Häuschens auf ein Kleidungsstück übertrug, ist nicht genau zu sagen. Keine casula besaß ein alter, armer Schneider mehr, von dem Augustinus berichtet. Der Mann betete deshalb an der Gedächtnisstätte der Zwanzig Märtyrer um 50 Folles für ein vestimentum, das er dann, wenn auch auf Umwegen, bekam733. Es war nicht einfach für Mönche, die Ende des 5. Jhs. nach der Regel des Macarius lebten, die Gemeinschaft wieder zu verlassen. Wenn sie ihre beim Eintritt getragenen Kaseln zurückfordern wollten, verwehrte man dies734. Kaseln trugen die Mönche nach der „Dritten Regel der Väter“; normalerweise waren sie mit ungefärbten Kaseln ausgestattet; als Ausnahme erlaubte man aber auch gekaufte casullae, sofern sie schwarz waren735. Im 6. Jh. schreibt Venantius Fortunatus vom heiligen Medard, er habe, als er in Vermandois „zur Schule zurücklief“, eine casulula, die ihm seine Mutter gemacht [gewebt] hatte und die er „einem Meister zum Zusam729 730 731

    732 733 734 735

    Cato, Reste der Reden Nr. 281; und Gell. 1, 23, 1–13. A. Demandt, S. 419 und nach dem Register bzw. Greg. Tur. Franc., Namenverzeichnis. Greg. Tur. Franc. 1, 41, S. 42. Valens, der Mönche zum Kriegsdienst gezwungen hatte, erhielt nach Gregor seine gerechte Strafe, da ihm die Goten diese Hütte über dem Kopf anzündeten. Isid. eccl. off. 2, 16, 1. Aug. civ. dei 22, 8, S. 780. Macarius-Regel, in: Die Regeln der Väter, 27–28, S. 100. Dritte Regel der Väter, 3, 1–2, S. 160/161: non diversis coloribus tincta, excepto casullas quae conperantur, si fuerint nigrae, uti eas debere censemus.

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    menfügen“ bringen sollte, stattdessen „sofort einem auf dem Weg entdeckten Blinden übergeben“736. Gregor von Tours erzählt von einem Diakon, dem eine casubla zugeteilt wurde, die offenbar einem Heiligen gehört hatte: „[Die casubla] war aber gewaltig, weil auch der Mann Gottes selbst von kräftigem Körper(bau) war. Die cappa [Kapuze] aber dieses Kleidungsstücks war so weitläufig und genäht, wie bei jenen weißen [cappae] gemacht zu werden pflegt, die an den Osterfesten den Schultern der Priester aufgelegt werden“. Der Diakon achtete dieses Kleidungsstück nicht, er trug sie im Bett, auf dem Markt, ohne darauf zu sehen, dass bei einem gläubigen Menschen die Fransen, fimbriae, der casubla Kranke hätten heilen können. „Ihm sagte jemand: ‚O Diakon, wenn du die Kraft Gottes kenntest, und wer er war, dessen Kleidungsstück du benutzt, gebührte es sich, dass du behutsamer mit ihm lebtest‘“. Der Diakon aber hörte nicht, schnitt sogar noch die cappa zum Teil ab und machte sich pedules (Beinbinden oder Fußlappen) daraus. Daraufhin erhielt er sogleich die „Strafe des göttlichen Gerichts“, denn „nachdem er den cucullus abgeschnitten und die pedules zurecht gemacht hatte, wurde er augenblicklich von einem Dämon ergriffen und stürzte auf den Estrich“737. Es handelt sich um eine casubla für einen Träger von ungewöhnlicher Größe, mit Fransen am Saum und einer Kapuze, die cappa bzw. cucullus genannt wird – cappa hier nicht im Sinn von Cape. Es ist schwierig, in der Frühzeit den Begriff casula von cucullus abzugrenzen. Wenn Isidor die casula als Häuschen und cuculla als Hütte, cella, ansieht, ist der Unterschied nicht eindeutig. Kasel und Kukulle werden mit der anianischen Reform Anfang des 9. Jhs. getrennten Personengruppen zugeordnet: die Kasel wird liturgisches Kleidungsstück des Klerus und die Kukulle, jetzt ein vollständiges Gewand, ist ausschließlich den Mönchen vorbehalten. Kasel bzw. Planeta werden deshalb im SH 9, 1, 26 als Meßgewand aufgeführt. Ein ordentlicher Windstoß konnte die Kasel flattern lassen, und es gehört wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass sich der Stoff um den Träger dreht. Der griechische Begriff Planeta drückt dies aus. In der Beschreibung von Cassianus über die ägyptische Mönchskleidung wird dem kleinen pallium oder mavors der Mönche planeta und byrrus gegenübergestellt, die ihres Preises wegen abgelehnt werden738. 736 737 738

    Ven. Fort. vita 5, S. 68. Greg. Tur. vit. patr. 8, 5, S. 696. Vg. c. 20, Stichwort fimbriae. Cassian. inst. 1, 6. „Danach bedecken sie mit einem kurzen Pallium, palliolum, indem sie sowohl die Dürftigkeit des amictus als auch die Wertlosigkeit und Ersparnis des Preises begleitet, die Hälse ebenso wie die Schultern, was mavors sowohl mit unserer wie auch mit ihrer Ausdrucksweise genannt wird, und so wenden sie dir Preise von planetica und byrri und gleichzeitig Eitelkeit ab“. Vgl. Isid. reg. monach. 12, in denen diese ebenfalls zusammen mit dem orarium verboten werden. Zu mavors siehe c. 25, 4 b.

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    17 b. cuculla, cucullus Kapuze, Kukulle,Tafel 3, Tafel 5 Die cuculla ist eine Kapuze, sie konnte an einem Umhang befestigt sein oder wurde separat getragen und gehört zu den unentbehrlichen Kleidungsstücken. Für die Arbeiter bestand sie aus möglichst wetterfestem, gewalktem unempfindlichen und derben Stoff, wie die Anweisungen Columellas zeigen739. Natürlich gab es daneben die eleganten Kapuzen für die gehobene Bevölkerung. Nachdem eine neue Sitzplatzverordnung für das Theater bekannt gegeben worden war, versuchten einige Männer mit allen Mitteln, an bessere Plätze zu kommen. So auch Nanneius, der sich, damit man ihn nicht so schnell erkannte, „die Kukulle über den Kopf gezogen hatte“ und deshalb nur noch mit einem Auge sehen konnte740. Die Kapuze konnte aus gallischer Importware (Saintonge) stammen741. Ein anderer kleidete sich in einen gallischen Bardocucullus, ein „santonisches Cape“; er war aus dem Fell von Meerkatzen hergestellt und hatte den Tieren vor nicht allzulanger Zeit als paenula gedient742. Sicher weiß Martial, wovon er spricht, wenn er ausführt: „Eine einzige Seite […] ist von dir, Fidentinus, aber sie ist geprägt von dem eindeutigen Abbild ihres Herrn, und sie überführt deine Gedichte des offenkundigen Diebstahls. So versaut ein lingonischer Bardocucullus mit seinen zottig-fettigen Tierhaaren mondäne Purpurgewänder, wenn man ihn dazwischen legt“743. Erinnert sei noch einmal an die caracalla, die wie das Ephod, jedoch mit Kukulle, aussah. Schon Pachomius verordnete seinen Mönchen zwei Kukullen744. Cassianus überliefert: „Sehr kleine Kukullen nämlich bis zu den Enden des Nackens und der Schultern herabhängend, die nur die Köpfe bedecken, benutzen sie ununterbrochen Tag und Nacht, selbstverständlich damit sie auch durch die Nachahmung des Schleiers gemahnt werden, die Unschuld und Einfachheit der Kleinen beständig zu bewachen“745. Die Kukullen sind in die Mönchsregeln Benedikts von Nursia und Isidors mit aufgenommen746. Ennodius freute sich über eine geschenkte Kukulle747, ebenso Gregor der 739 740 741 742

    743 744 745 746 747

    Siehe c. 22, 6 b: Colum. 1, 8, 66. Mart. 5, 14: illinc cucullo prospicit caput tectus oculoque ludos spectat indecens uno. Juv. 8, 145. Mart. 14, 128: Bardocucullus, Gallia Santonico vestit te bardocucullo, cercopithecorum paenula nuper erat. Mart. 1, 53, aus: „Ein Plagiator, der sich selbst verrät“. Hier. praef. Pachom. 4, 6. Cassian. inst 1, 3. Bened. reg. 55 und Isid. reg. monach. 12. Ennod. epist. 9, 17, S. 305.

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    Große, dem Isidors Bruder Leander dreihundert Kukullen für die „Armen des Apostels Petrus“ (Mönche) geschickt hatte748. Ein Bronzefigürchen aus Trier zeigt einen Mann in sehr enger, offenbar einteiliger Kukulle, die vorn zusammengenäht ist und kurz vor den Händen gerade abschließt. Als Karl der Große die Benediktinerregel für alle Orden verbindlich erklären lassen wollte, fragt er bei dem damaligen Vertreter der Benediktiner, Abt Theodomar in Monte Cassino, nach genauen Angaben. Dieser antwortete ihm, ihre beiden Kukullen seien manti, die in der Region hergestellt würden, [andere] Kukullen seien zu viel wert. Nach Anweisungen Benedikts von Aniane und Ludwigs des Frommen wurde deshalb speziell für die Mönche eine neue Form, die Skapularkukulle, entwickelt und allen Mönchen im karolingischen Reich verbindlich vorgeschrieben749. Nicht nur Männer trugen die Kukulle, wenn sie nicht erkannt werden wollten, auch die Frau des Kaisers Claudius versteckte sich unter ihr, wenn sie sich nachts mit einer blonden Perücke aus dem Palast zu einem Liebhaber stahl750. Hieronymus warnt Eustochium vor Frauen, die sich in härene Kleidung mit einer Kapuze hüllen und es den Eulen und Käuzen nachtun751. 18. birrus Umhang Der birrus (birrum, byrrus, burrus) war als Umhang im Material unterschiedlich, wie die folgenden Texte belegen. Im Preisedikt des Diocletian sind verschiedene burri aufgeführt752. Man benannte sie nach ihren Herkunftsorten, mehr als zehn von ihnen aus allen Teilen des römischen Reiches sind hier aufgezählt. Das Aussehen ist nicht beschrieben; was die burri von den anderen Umhängen unterschied, ist dadurch nicht erkennbar. Während jedoch die paenulae unter den Umhängen gelistet sind, werden lacernae nicht erwähnt. Möglicherweise sind sie in der Form den burri ähnlich. Auf dem Konzil von Gangra (um 355) geht es um die Frage, ob jemand, der aus Enthaltsamkeit ein pallium benutzt, sich über diejenigen (moralisch)

    748 749

    750 751 752

    Greg. M. epist. 9, 229. M. Müller, Kleidung nach Quellen des frühen Mittelalters, S. 118–126, Theodomari epist. ad Karolum regem, S. 170: similiter et in loco cocullarum duos, quos nos dicimus mantos, qui ex grossiori sago fiunt, et unum in aestate subtiliorum operimentum. Cocullas autem ideo non habemus, quia maioris sunt praecii. Juv. 6, 117. Hier. epist. 22, 27. Preisedikt 19, 37–38, 44–54.

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    erheben darf, „die birri tragen und ein anderes übliches Gewand benutzen“. Dies wird verneint753. Im Jahr 382 wurde durch Gesetz befohlen, dass Sklaven innerhalb des Bezirks von Rom keine Militärkleidung tragen sollten, sondern statt dessen byrri und cucullae754. Ob der birrus immer eine Kapuze hatte, ist ungewiss, möglicherweise konnte auch eine eigenständige Kapuze dazugehören. Augustinus findet, dass vielleicht ein kostbarer Birrus einem Bischof zieme, allerdings nicht ihm selber, „einem armen Mann, von Armen geboren“755. Er äußert sich hier nicht gegen den Birrus an sich, sondern über einen kostbar ausgestalteten Umhang. Gregor der Große schreibt an Bischof Januarius, die Juden der Synagoge von Caralis auf Sardinien hätten sich bei ihm beklagt, dass jemand namens Petrus, der vom jüdischen zum christlichen Glauben übergetreten war, am Tag nach seiner Taufe die Synagoge besetzte und ein Bild der Mutter Gottes, des Herrn, ein Kreuz und seinen weißen Birrus, in dem er getauft worden war, in der Synagoge niedergelegte756. Gregor von Tours erzählt von einem Bischof, der zu Unrecht einer sexuellen Verfehlung beschuldigt worden war. Um sich zu rechtfertigen tat er glühende Kohlen in seinen byrrus und trug sie zum Grab eines Heiligen757. Er hat neben den Grannenhaaren, die man in einen Regenschutz einarbeiten konnte, ein seidiges Unterhaar, aus dem sich feiner Filz herstellen lässt758. Allerdings ist die Schreibweise byrrus nicht mit der griechischen Feuerfarbe pyrrhós zu erklären, er ist also nicht immer von roter Farbe. 19. melotes oder pera hier Tasche aus Ziegenfell759 Melotes oder melota ist aus Ziegenfell gemacht, aber als Begriff nicht genau einzugrenzen. Im Hebräerbrief heißt es von heiligmäßigen Männern: „Sie zogen in melotis, in pellibus caprinis einher“760. Damit sind sie ihren Verfolgern 753

    754 755 756 757 758 759 760

    Konzil von Gangra, can. 12, Sp. 1102: Si quis vir propter eam quae existimatur exercitationem amiculo utitur, et tamquam habens ex eo justitiam, eos condemnet qui cum pietate beros ferunt, et alia communi et consueta veste utuntur, sit anathema. CTh 14.10.1 (ad Pancratium pr. urb. d. 12 Jan 382 Const.). Aug. serm. 356: birrus pretiosus: forte decet episcopum, quamvis non deceat augustinum, id est, hominem pauperem, de pauperibus natum. Greg. M. epist. 196, 1. Greg. Tur. Franc. 1, 2, 1, 38. I. Loschek, Reclams Mode- und Kostümlexikon, S. 120, Stichwort Biber und S. 122, Stichwort Birrus. Cassian. inst. 1, 7. Melotes ist hier kein Umhang. Hbr 11, 37.

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    schutzlos ausgeliefert. Hier erscheint melotes als allgemeine Bekleidung. Paulinus von Nola erwähnt, der Prophet Elias habe eine melotes getragen und vergleicht sie mit mastruga, dies wird in IV Reg 1, 8 als zona pellicia bezeichnet, also als Fellschurz761. Eine Fellbekleidung gilt auf jeden Fall als armseliges Bekleidungsstück, das für Mönche zur Erinnerung an die Hebräerstelle zum Kennzeichen wird. Schon Pachomius hatte in seiner Mönchsregel hierauf Bezug genommen, denn Hieronymus erläutert in seiner Vorrede zur Pachomiusregel, zur Mönchskleidung gehörten neben drei lebitionaria, einem leinenen Umhang, zwei Kapuzen, ein kleiner leinener Gürtel, Sandalen und Stab auf Reisen auch ein kleines Stück Ziegenfell, das man melotes nenne762. Laut Gregor dem Großen war melotes Teil des Habit von Abt Benedikt von Nursia763. Eucherius verdeutlicht, melotis, Bestandteil der ägyptischen Mönchstracht, hing an einer Seite herab764. Die Erläuterungen von Johannes Cassianus sind am ausführlichsten: „Zuletzt gehört zu ihrer Kleidung ein Ziegenfellchen, das melotis oder Schultertasche, pera, genannt wird und ein Stock“. Er sagt, Fellchen und Stock würden getragen in Anlehnung an Fromme des Alten Testaments, an die der Apostel im Hebräerbrief erinnert765. Eine Ziegenfelltasche oder Ranzen gehört auch zum Bestand von Isidors Mönchsbekleidung766. 761

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    Paul. Nol. epist. 49, 12: quod Eliae meloten et praevii Johannis habitum veste setigera imitabatur. Hier. praef. Pachom. 4, 6, 7: nihil habent in cellulis praeter psiathium et quae infra scripta sunt: duo lebitonaria, quod genus absque manicis aegypti vestimenti est, et uno iam adtrito ad dormiendum vel operandum, et amictu lineo, cucullis que duobus, et caprina pellicula, quam melotem vocant, balteolo lineo et gallicis ac bacillo, itineris sociis. – Karel C. Innermée übersetzte, S. 6, die Kleidungsstücke mit folgenden Namen: „a tunic or lebiton; a leather apron called in Coptic rahtou; a girdle of leather or textile (zonarion); a hood or koukoullion; a long linen scarf referred to in Latin as balteolus or sabanum; and a leather traveling coat called melote. The Pachomian monastic rule and its dress must have disappeared around the year 1000.“ Seinen Angaben wird an diesem Punkt nicht gefolgt. Es scheint, dass die Mönchskleidung des Pachomius nach Hieroynmus’ Angaben der Kleidung der unterägyptischen Mönche glich. Vgl. c. 33, 5a. Greg.M. Dial. 2, 7, 3. Euch. instr. 2, 209: Melotis in Regnorum pellis simplex qua monachi Aegyptii etiam nunc utuntur ex uno latere dependens. Cassian. inst. 1, 7: Ultimum est habitus eorum pellis caprina, quae melotis vel pera appellatur, et baculus, quae gestant ad imitationem eorum qui professionis huius praefiguravere lineas iam in veteri testamento. de quibus apostolus circumierunt, inquit, in melotis et pellibus caprinis egentes, angustiati, adflicti, quibus dignus non erat mundus, in solitudinibus errantes et montibus et speluncis et in cavernis terrae. Isid. reg. monach. 12, 109: Ternis autem tunicis et binis palliis singulisque cucullis contenti erunt servi Xpi. quibus superadicietur melotes pellicia, mapula, manicae

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Paulinus von Nola rühmt Menschen, die nur wenig brauchen, so Stab und pera767. Die pera ist ein Bestandteil der Kynikertracht. Martial erzählt von einem Alten, der mit Stock und pera oft vor dem Tempel der Pallas saß. Ihm standen „grau und verwahrlost“ die Haare, ihm fiel auf die Brust ein „schmutziger Bart“ und ihn bedeckte eine „vergilbte abolla“, von manchen wurde er für einen Kyniker gehalten768. Für den Dichter hat es die pera nicht leicht: „Daß er nicht das erbettelte Essen des bärtigen Nackten tragen und neben dem grimmigen Hund schlafen müsse, darum bittet die pera“769. Ein schönes Bild einer Tasche, die mit Henkel quer über die Schulter gelegt wurde, ist im Vergilius Vaticanus zu sehen, getragen von Meliboeus, der sich reisefertig von Tityrus verabschiedet770. Anders interpretiert Abt Theodomar von Monte Cassino den Begriff melotes: „Jenes Kleidungsstück aber, das von den gallikanischen [Mönchen] Kukulle genannt wird und das wir Cappa nennen, das eigentümlich den Habit der Mönche bezeichnet, müssen wir melotes benennen, […]. Diese Bekleidung ist deshalb so benannt, weil sie in alter Zeit aus dem Fell jenes Lebewesens gemacht zu werden pflegte, das melos wegen der Rundheit seines Körpers genannt wurde; diese Art Tierchen wird von einigen taxus genannt, wie es auch bis jetzt in dieser Provinz von manchen genannt wird“771. Es sieht so aus, als sei der Begriff melotes in karolingischer Zeit nicht mehr als Umhängetasche, sondern wieder als Umhang verstanden worden, der, regional unterschiedlich, mit der Kukulle oder Cappa identifiziert werden konnte. 20 a. fimbria Quaste, Schaufaden, Franse, Tafel 1 unten Wenn Isidor die fimbriae zusammen mit den Umhängen anführt, so hat er dafür sehr gute Gründe, denn sie konnten zu allen Zeiten ein schmückendes Detail sein772. Sie lassen sich aus verlängerten Kettfäden oder aus an ein Gewebe angeknüpften Fäden herstellen. Laut Varro saßen fimbriae am

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    772

    quoque, pedules et caligae. Dass es sich hier um eine Tasche handelt, geht aus den Bemerkungen in den Et. dieses Kapitels hervor. Paul. Nol. epist. 5, 18: non te virga, non pera, non sacculus praegravabit, non calciamenta nec duplex vestis inpediet. Mart. 4, 53. Mart. 14, 81. Vergilius Romanus 1. Ekloge, fol. 1r. Theodomari epist. ad Karolum regem 5, S. 167–168. Es folgt ein Hinweis auf Gregor M. Dial. 2, 7, 3. Taxoninus zum Dachse gehörig. A. Stauffer, in: Die Textilien aus Palmyra, S. 25 und Gewebeabschluss Abb. 26 und 27. Vgl. Caesars tunica in c. 22, 6a.

    c. 24 Von den pallea der Männer

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    äußeren Rand des sagum773. Dies bestätigen Bilder aus dem Tempel des Pnepheros (Fayum), Ägypten, mit zwei Fresken der späten Kaiserzeit, die drei Soldaten als Märtyrer abbilden und diese auch namentlich nennen. Tobias Espinosa schreibt: „Interessant dabei ist, dass sie farbig in ihrer vollen Montur dargestellt sind – also mit chlamys, Schuhen, Gürtel etc.“774. Die Chlamiden haben eine schöne Fransenreihe am rückwärtigen Rand. Ein weiteres Beispiel findet sich auf einem Mosaik in der sog. Villa des Herculius von Piazza Armerina, hier trägt ein Spieler eines Blasinstruments eine kurze, mit zwei Längsstreifen besetzte Tunika unter einer roten, am unteren Rand mit Fransen besetzten, auf der Schulter, gefibelten chlamys775. Mit goldenen fimbriae war das Kleid einer Braut umgeben, die einen König heiraten wollte776. Fimbriae gehörten als modisches Element zeitweise an die lacernae der Bürger in Rom777. Der besondere Grund, sie hier zu erwähnen, liegt wohl vor allem in der bis heute für Juden verpflichtenden Vorschrift von Nm 15, 38, fimbriae an den vier Ecken des Palliums (dem heutigen Gebetsschal) für jeden sichtbar zu tragen. Gesetzeslehrer und Pharisäer, die in der Öffentlichkeit als besonders fromm auffallen wollten, zeigten entsprechend große fimbriae von möglichst echtem Hyazinthpurpur778, weniger Begüterte beschränkten sich auf weiße. Es war allerdings verboten, Purpur des Schaueffekts halber mit Indigo zu fälschen und ihn als echt auszugeben779. Der Prophet Sacharia erzählt, durch das „Anhängen“ an die Quasten gläubiger Juden könnten Menschen gerettet werden780. Von Jesus wird im Neuen Testament an verschiedenen Stellen von Wunderheilungen an Personen berichtet, die nur die Quasten, fimbriae, seines Um-

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    Varro ling. 5, 79. Freundl. Hinweis vom 11. 2. 2010. Die Fresken befinden sich heute im Griechischrömischen Museum von Alexandria (Inv. 20223 + 20224 + 20225). SW-Aufnahmen und Beschreibung bei Bernand, Recueil des Inscriptions, Bd. 2, S. 79 ff. Nr. 126–127 Taf. 31–33. Ciurca und Bologna, Die Mosaiken, S. 31, s. unten Tafel 1. Vulg. Ps 44, 14 nach der Septuaginta. Amm. 14, 6, 9: ut longiores fimbriae tunicaeque perspicue luceant varietate liciorum effigiatae in species animalium multiformes. Nm 15, 38: ut faciant sibi fimbrias per angulos palliorum ponentes in eis vittas hyacinthinas. Vgl. Hinweise in c. 28. Dazu Nahum ben Jehuda: „Tzitzit: Schaufäden an den vier Enden des Tallit, die auf eine bestimmte Weise geknotet werden, so dass acht einzelne Fäden am Ende hängen. Sieben Fäden werden mit einem mehrmals umwickelt, so dass man fünf Doppelknoten erhält. Die Tzitzit sind eine Mahnung, die Gebote und Verbote der Thora einzuhalten“. Babylonischer Talmud, Baba Metzia 61b. Za 8, 23. Gemeint ist die Teilnahme am Gebet.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    hangs berührten781. Noch Gregor von Tours beschreibt, dass eine Frau sich heimlich dem Merowingerkönig Gunthramnus näherte, um sich Fransen von seinem Umhang abzureißen, die ihrem kranken Sohn Gesundheit bringen sollten782. Auch Fransen oder Quasten an liturgischer Kleidung konnten etwas Besonderes sein; so sagt Gregor von Tours über die fimbriae einer casubla, sie hätten Kranken bei richtigem Gebrauch die Gesundheit geben können783. Isidor warnt in seiner Schrift De Ecclesiasticis officiis vor Mönchen, die sich über andere erheben und mit Hilfe von prächtigen Schaufäden und filacteria von den Menschen Ruhm erhaschen wollen784. Die Fransen an der tunica talaris des Hohenpriesters waren ringsum am unteren Saum angebracht. 20 b. ora Rand, Saum, Tafel 3 Hieronymus gebraucht den Begriff ora, wenn er fordert, eine Frau solle ihr Gesicht in der Öffentlichkeit bis zum Rand verschleiern785. Isidor kennt die folgende Quelle: Für den Bau des jüdischen Tabernakels waren zehn Teppiche, cortinae, und elf saga vorgesehen. Für das Innere sollten je fünf cortinae zusammengenäht werden, beide Teile sollten an ihrem Rand, ora, fünfzig kleine Schlaufen und fünfzig goldene Ringe, circuli, erhalten, um die Teilstücke zu schließen. Die äußere Haut, mit den elf aus Ziegenhaarwolle bestehenden Teilen, sollte ebenfalls zu zwei Teilen zusammengefügt werden, einmal aus fünf und einmal aus sechs Teilstücken. An den Rändern der beiden Stücke sollten jeweils fünfzig Schlaufen angebracht werden, durch die man fünfzig bronzene Fibeln zu stecken hatte, um sie ebenfalls zu einem Teil zu verbinden786.

    781 782 783 784

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    Z. B. Mt 9, 20; Lc 8, 44; Mt 14, 36; Mc 6, 56. Greg. Tur. Franc. 9, 21. Greg. Tur. vit. patr 8, 5, S. 696, vgl Stichwort Kasel. Isid. eccl. off. 2, 16, 7: fimbrias et filacteria sua magnificant, gloriam captantes ab hominibus. Filacteria oder hebr. teffilin sind zwei lederne Schächtelchen, die Pergamentstückchen mit ausgewählten Torastellen enthalten; sie werden noch heute von orthodoxen Juden mit Bändern um den Kopf und um den Arm und die Hand gebunden. Ihr Gebrauch geht zurück auf Bestimmungen in Dt 6,8; Dt 11,18 und Ex 13,9. Hier. epist. 22, 25: adducto velamine ora contexti. Ex 26, 1–12. Vgl. c. 24, 13 sagum und c. 26, 9–10 cortina und cilicium.

    c. 25 Von den pallea der Frauen

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    c. 25 Von den pallea der Frauen 1 a. regillum, 1 b. peplum, 2. palla, 3. stola, 4 a. ricinium, 4 b. mavors, 5. amiculum, 6. theristrum, 7. anaboladium oder sindon Weiterer Begriff: velum Es war für Damen nicht üblich, ohne Überbekleidung auf die Straße zu gehen. Damit kam dieser eine erhöhte modische Bedeutung zu787. Hier werden verschiedene Namen für Schleier und große und kleine Umhänge vorgestellt; in der Regel handelt es sich um Tücher, die die jeweilige Sitte vorschrieb. Nicht erkennbar ist, wie viele Tücher gleichzeitig umgelegt werden konnten und welche Kleidungsstücke witterungsbedingt im Alltag unter den Tüchern oder Schleiern zur Gesamtkleidung gehörten. 1 a. regillum Umhang von Königinnen Nach Festus trug die Braut seit dem Vorabend ihrer Hochzeit eine weiße königliche Tunika, regilla tunica, und ein gelbes Haarnetz, die ebenso wie die Toga des Bräutigams auf traditionelle Weise auf dem Gewichtswebstand hergestellt wurden788. 1 b. peplum Umhang Peplum, ein anderer Ausdruck für palla, war ein Kleidungsstück für alle Bevölkerungsschichten und keinesfalls immer kostbar geschmückt. Doch nicht nur für Isidor, der zwischen dem regillum in Form eines amiculum und dem größeren peplum unterscheidet, kann es keinen großartigeren Luxus geben, als es mit Purpur und Gold auszustatten; anzunehmen ist, dass Isidor bei seiner Beschreibung eine literarische Vorlage auswertete. Nach Vergils Dichtung strotzte beispielsweise die palla Helenas mit Bildern und Gold, die Aeneas zusammen mit ihrem Schleier aus Troja mitgebracht hatte; ihre

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    Prop. 4, 8, 61–62. Fest. S. 364: Regillis tunicis, albis, et reticulis luteis utrisque ctis, textis susum versum a stantibus, pridie nuptiarum diem virgines indutae cubitum ibant ominis causa; ut etiam in togis virilibus dandis observari solet. Vgl. c. 22, 18a recta und c. 29, 1b Webstuhl. Auch Sprang lässt sich auf diese Weise herstellen.

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    Mutter Leda hatte sie ihr gemacht789. Servius erklärt, dass ein kostbarstes peplum, oder mit anderem Namen die palla der Königin, der Göttin Minerva geweiht werden konnte790. 2. palla Umhang Ihre palla bzw. das peplum, vervollständigte die Titanentochter Kirke durch einen goldenen Schleier791. Aber auch der Vater Liber war auf einem Kunstwerk mit einer palla bekleidet792, so jedenfalls gibt es Plinius weiter. Wohl die schönste Beschreibung einer palla, diejenige in der Pallas Athene/Isis auftritt, als sie dem in einen Esel verwandelten Lucius erscheint, lässt Apuleius vor unseren Augen erstehen. Die Göttin, Mozarts Vorbild der Königin der Nacht, trägt eine Palla, die im allerschwärzesten Glanz leuchtet und von ihr, ähnlich einer großen Toga, umgeschlungen ist. Nicht nur auf dem eingewebten Rand, sondern übervoll auf der ganzen Fläche verteilt, leuchten Sterne, während in der Mitte der Vollmond feurige Flammen versprüht793. Servius kommentiert auch hierzu Stellen in der Aeneis: „Die Palla ist eigentlich eine Frauenbekleidung, geführt bis zu den Fußsohlen“. Und „eine strotzende Palla, hart wegen des Goldes, wie wir z. B. neue Umhänge sehen. Es bedeutet aber tunicopallium, was nach Varro palla genannt wird, von der Faltenbildung und Beweglichkeit, die auch um das [untere] Ende 789

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    Verg. Aen. 1, 648: pallam signis auroque rigentem. Leda war nach der griechischen Mythologie die Gemahlin des spartanischen Königs Tyndareos und Geliebte des Zeus. Serv. Aen. 1, 479 und 480: „Inzwischen ermahnte Helenus, der Sohn des Priamus, an den Tempel gerichtet, als Diomedes mit Hilfe der Minerva die meisten der Trojaner geschlagen hatte, die Vaten, dass die Hoheit Minervas angefleht würde und sie mit Gebeten der Göttin das köstlichste Kleid, vestis, das die Königin hatte, hinlegten, das heißt ein peplum, woher nach der palla der Minerva das peplum genannt wird. […] Peplum ist eigentlich eine verzierte Frauenpalla, der Minerva geweiht, wie Plautus [sagt]: niemals komme ich in die Stadt, außer wenn das peplum hingebracht wird. Heute aber mißbrauchen viele diesen Namen“. Ov. met. 14, 262–263: pallamque induta nitentem insuper aurato circumvelatur amictu. Plin. 36, 29. Apul. met. 11, 3, 5–4, 1: palla nigerrima splendescens atro nitore, quae circumcirca remeans et sub dexterum latus ad umerum laevum recurrens umbonis vicem deiecta parte laciniae multiplici contabulatione dependula ad ultimas oras nodulis fimbriarum decoriter confluctuabat. Per intextam extremitatem et in ipsa eius planitie stellae dispersae coruscabant earumque media semenstris luna flammeos spirabat ignes. quaqua tamen insignis illius pallae perfluebat ambitus.

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    dieses Kleidungsstückes herum ist“794. Nonius wiederholt: „Die palla ist die Kleidung der ehrbaren Frauen, sie heißt tunicopallium“795. Es gilt, wie bei peplum, dass sich die Kostbarkeit oder Einfachheit einer palla nach dem Vermögen und dem Bedürfnis der Trägerin richtete. 3. stola Stola; stolae Ornat Aus der Neuzeit gibt es eine Vielzahl von sich teilweise widersprechenden Beschreibungen der römischen Stola, die hier nicht aufgeführt werden können. Nach Plinius gehört zur Stola der Patrizierin auch ihr [sichtbar] getragener Goldschmuck, ein Aufzug, der sie von den beiden anderen Ständen unterscheidet796. Paulinus von Nola trennt bei einer Beschreibung die in Seide gekleideten Kinder der hl. Melanie in die männlichen Togaträger und die Frauen, die in der Stola erscheinen, wie es „ihrem jeweiligen Geschlecht entsprach“797. Vitruv erklärt, die Kannelüren der dorischen Säulenschäfte seien Abbilder von Gewandfalten der Frauenstolen, damit meint er die in gleichmäßig geraden Falten gelegten langen Kleider798. Als Verächter von Stola und Purpur, der verflucht werden soll, bezeichnet Martial einen namenlos gebliebenen verleumderischen Dichter799. Doch wenn Isidor den Begriff Stola unter die Umhänge für Frauen einordnet, so übernimmt er damit einen in diesem Zusammenhang selten benutzten Ausdruck. Varro verweist darauf, dass das Geschlecht der Begriffe für Kleidung nicht unbedingt dem Geschlecht derjenigen entsprechen muss, die es vorwiegend nutzen, es geht ihm hier um die reine grammatikalische Form800. Nonius gibt eine umfassendere Interpretation: „Stola [nannten] die Alten nicht allein ein ehrbares Kleidungsstück, sondern auch alle Kleidung, die den Körper bedecken sollte“801. Deshalb ist die Stola der Frauen zu 794 795 796 797 798 799

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    Serv. Aen. 11, 576; 1, 648. Non. S. 862: Palla est honestae mulieris vestimentum, hoc est: tunicopallium. Plin. 33, 40. Paul. Nol. epist. 29, 12. Vitr. arch. 4, 1, 7: uti stolarum rugas matronali more demiserunt. Mart. 10, 5: Quisquis stolaeve purpuraeve contemptor quos colere debet laesit impio versu. Varro ling. 8, 28: itaque in vestitu cum dissimillima sit virilis toga tunicae, muliebris stola pallio, tamen inaequabilitatem hanc sequimur nihilo minus. Vgl. Varro ling. 9, 48, und 10, 27. Non. S. 862: Stolam veteres non honestam vestem solum, sed etiam omnem quae corpus tegeret.

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    unterscheiden von der vor allem unter den griechisch schreibenden Autoren stola oder stolé genannten Männerbekleidung. Cassius Dio bezeichnet mit stole he epinikios das Triumph- oder Siegesgewand des Julius Caesar, in dem er „jederzeit und sogar in der Stadt selbst […] getragen werden“ durfte802. Stolae hingegen ist die Gesamtzahl der zu einem Ornat gehörenden Kleidungsstücke und nicht eine größere Zahl von Umhängen. „Durch zwölf Stolen geheiligt, in wirklich geheimnisvollem Ornat“, der sog. Olympischen Stola, wird Lucius, nachdem er vom Esel zurückverwandelt wurde, in den Isiskult eingeführt; die oberste Stola war eine aus byssus bestehende chlamys, die von den Schultern hinten bis zu den Knöcheln reichte. Der Ornat war überall mit Tierbildern in verschiedenen Farben verziert, dazu gehörten indische Drachen und „hyperboreische Greife“ mit Flügeln803. Eine Kaiserstola (stola des Basileus) wurde von Kaiser Valens dem Procopius (365–366) überreicht; dieser nahm das Angebot jedoch nicht an und setzte sich, statt Kaiser zu werden, lieber mit Frau und Kindern in Kaisareia (Kappadokien) zur Ruhe804. Zosimus informiert auch über Magnentius, der zur Zeit des Kaisers Constans in einer stola erschien, weshalb er von seinen Anhängern zum Kaiser ausgerufen wurde805. Von der mit Gold gewirkten Stola berichtet Theodoret von Cyrus, die „der ruhmreiche Kaiser Konstantin in der Absicht, die Kirche in Jerusalem auszuzeichnen, dem Bischof dieser Stadt, Makarius“, schenkte; gerüchteweise wurde sie anschließend an einen Tänzer verkauft806. Augustinus spricht von stolae, die die Juden machen werden, und zählt dann die einzelnen Kleidungsstücke der Priester und des Hohenpriesters auf807. Hieronymus äußert sich ähnlich808. Isidor schreibt, dass zuerst Aaron Stola und Infula des Pontifex erhielt, und nennt die blaue tunica talaris der Priester die heilige Stola809. Die Stola, die zur Meßkleidung des katholischen Klerus, der Bischöfe, Priester und Diakone gehört, wurde im frühen Mittelalter zu einem über die Schultern gelegten, vorn herabhängen802

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    Cass. Dio 44, 4, 2: Über die Beschlüsse zu Ehren Caesars. Vgl. Cass. Dio 60, 6, 9, hier Claudius. Apul. met. 11, 24, 1–4. Zos. 4, 4, 2–3. Zos. 2, 42, 3–4. Theodoret von Cyrus, Kirchengeschichte 2, 28. Aug. quaest. hept. 2 Exod. 114: et stolae quas facient […] tunicam talarem et tunicam cum corymbis […] cum superius unam stolam faciendam proposuisset, notandum est. Hier. epist. 29, 4: et hae stolae quas facient […], hier werden ebenfalls die acht Kleidungsstücke des Hohenpriesters behandelt. Isid. eccl. off. 2, 5, 2–3.

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    den schmalen Band verkleinert, ihr entsprach das über der linken Schulter gelegte orarium der Diakone der Ostkirche. Wenn Isidor in den Etymologien die Stola als eine Bedeckung der verheirateten Frau ansieht, die über die Schulter zurückgeworfen wird, so muss er sich ein großes Umschlagtuch vorgestellt haben. 4 a. ricinium, recinium (Umschlag-)Tuch Nach Cicero sind gemäß dem Zwölftafelgesetz zur Bekleidung der Leiche nur noch drei Tücher, ricinia, und eine kleine Tunika aus Purpur sowie zehn Flötenspieler bei einem Leichenbegräbnis erlaubt; das öffentliche Wehklagen muss entfallen810. Laut Varro ist ricinium eine altertümliche Bezeichnung für amictus, die von Zurückwerfen abgeleitet wird811. Festus gibt eine ausführliche Erklärung. Es gab auf der Bühne Schauspieler, die unterschiedliche Personen symbolisierten. Während die Darsteller von Männern sich in Togen kleideten, trugen bestimmte barfüßige Frauendarsteller das recinium. Dies beschreibt er als quadratisches Tuch, das je nach Anlass Purpurschmuck aufwies812. Eine Stelle bei Nonius ist eine reine Aufzählung und zu kurz, um ein bestimmtes Kleidungsstück identifizieren zu können813. Servius und Isidor setzen es mit mavors gleich814. 4 b. mavors Mafortium, Tafel 11 rechts oben und unten Der mavors ist kein eigenständiges Kleidungsstück, sondern dokumentiert eine ideologische Einstellung, der sich alle Frauen zu unterwerfen hatten und die auch für ägyptische Mönche galt. Es handelt sich um die Bedeckung des Kopfes, die mit den in diesem Kapitel beschriebenen Kleidungsstücken ermöglicht wurde. Das Preisedikt Diocletians führt ein dalmaticomafor[t]ium muliebre aus dicken Wollen und mit Purpur verziert auf, worunter man sich wohl eine Frauentunika mit verbundenem Mafortium vorstellen 810

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    Cic. leg. 2, 59, 428: Extenuato igitur sumptu tribus riciniis et tunicula purpurea et decem tibicinibus tollit etiam lamentationem. Varro ling. 5, 132: Antiquissimi amictui ricinium; id quod eo utebantur duplici, ab eo quod dimidiam partem retrorsum iaciebant, ab reiciendo ricinium dictum. Vgl. 133. Fest. S. 342, 343. Non. S. 865: Novius Paedio 71: molucinam, crocotam, ciridotam, ricam, ricinum. Serv. Aen. 1, 282: togas autem etiam feminas habuisse, cycladum et recini usus ostendit. recinus autem dicitur ab eo, quod post tergum reicitur, quod vulgo maforte dicunt.

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    darf815. Die mafortes der ägyptischen Mönche sind Kukullen in Verbindung mit dem kleinen über die Schulter zu legenden Pallium zum Zeichen, dass sie eine höhere Macht anerkennen816. Eine ähnliche Kopfbedeckung, eine weiße Kapuze, trägt heute der Patriarch der Russisch Orthodoxen Kirche; die Spitze schmückt ein Kreuz, seitlich ist sie mit zwei fast bis zu Taille reichenden breiten weißen Bändern versehen, hinten ist bogig ein Schleier ausgebildet, auf der Stirn und auf den Enden der Bänder sind Brustbilder vierflügeliger Engel zu sehen. Der Gedanke an das Mafortium lebt vielfältig heute fort in der Tradition des Brautschleiers, der Nonnenhaube, des Gesichtsschleiers bei Beerdigungen, des Kopftuches der Muslima, in Kapuzen einer Reihe von Mönchsorden, den Mitren der Bischöfe und Päpste und der Kippa der Juden. Bekannt ist eine Pflicht zum Tragen einer Kopfbedeckung schon aus der Zeit der Steintafeln. Ausgangspunkt der spezifisch christlichen Tradition ist die Schriftquelle 1. Cor 11, 5–7. Hierzu gibt es eine Fülle von Kommentaren seitens der Kirchenväter, die alle den gleichen Inhalt haben und zu gleichen Schlussfolgerungen kommen. Tertullian informiert um 200 über arabische Frauen, die damit zufrieden sind, den Kopf bis auf ein Auge verhüllen, „statt das Gesicht zu prostituieren, die Frau will lieber sehen als gesehen werden“817. Auch die Jüdinnen in arabischen Ländern haben nach dem Talmud am Sabbat verschleiert zu gehen818. Hieronymus kritisiert christliche Frauen, die die Haare nicht zurückhalten und den mavors um die Schultern flattern lassen819. Ein besonders striktes Beispiel findet sich bei Johannes Chrysostomos in den Homilien über den 1. Korintherbrief. Er beleuchtet das Thema von allen Seiten und schreibt u. a.: „Denn wenn es sich nicht geziemt, daß sie [die Frauen] entblößten Hauptes einhergehen, sondern, daß sie das Zeichen der Unterwürfigkeit [den Schleier] überall an sich tragen, so müssen sie Dieß [so!] um so mehr in ihren Handlungen zeigen. So nannten sie denn in der Vorzeit ihre Männer auch Herren und überließen ihnen den Vorrang“820.

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    Preisedikt 19, 8, vgl. 12–14, 16. Ausführlich siehe M. Müller, Schleier, in: RGA 27, S. 159–164 und Taf. 3 und 4. Cassian. inst. 1, 6. Tert. virg. vel. 17, 2–3. – Viele Muslima in Ägypten tragen heute ein schwarzes Tuch, niqab, welches den gesamten Kopf- und Nackenbereich bedeckt. Babylonischer Talmud, Sab.VI, 6, vgl. S. Kraus, Kleidung, in: Encyclopaedia Judaica 10, 1934, Sp. 97. Hier. epist. 22, 13: ut crines decidant ligatum caput […] et per umeros maforte volitans. Chrysost. hom. 26, 11, 4–16, Zitat c. 16.

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    Isidor schreibt in De Ecclesiasticis officiis: „Dass wahrlich diese Frauen, wenn sie verheiratet sind, verhüllt werden, nämlich damit sie wissen, dass sie immer ihren Männern unterworfen und demütig sind. Daher nennen sie dieses velamentum gewöhnlich mafors, d. h. Mars821, weil das Zeichen der ehelichen Würde und Gewalt in ihm ist; ‚das Haupt nämlich der Frau ist der Mann‘. Wenn es auch möglich ist, dass sie daher verhüllt werden, während sie heiraten, dass sie das Schamgefühl des Frauseins anerkennen, weil schon daraus folgt, was mit Scham erfüllt. Daher hat auch Rebekka, als sie zu ihrem Bräutigam geführt wurde, gleich als sie ihn sah, einen Gruß oder Küsse nicht zugelassen, sondern sofort gefühlt, dass dies zukünftig sei, und mit dem pallium das Haupt verhüllt“822. Tänzerinnen brauchten kein Mafortium zu tragen, man konnte sie um 350 in Rom an ihren in der Öffentlichkeit auf dem Kopf aufgetürmten Locken erkennen823. Inwieweit sich die arianischen Christen diesem Verhaltenskodex anschlossen, ist unbekannt; vielleicht hatten sie andere Überlieferungen. Deshalb soll auf einen Vorfall eingegangen werden, der unter dem Begriff habitus barbarus diskutiert und 489 von dem strengen Katholiken Victor von Vita als ungeheuerlich nach Konstantinopel berichtet wurde824. Aus Spanien weiß man, dass es von den Königen bis zu Rekkareds Zeit als ärgerlich empfunden wurde, wenn Arianer, und hier besonders die Goten, zum Katholizismus neigten oder sogar übertraten. Dies könnte unter dem Vandalenkönig Hunerich in Nordafrika nicht anders gewesen sein. Solange sich jede Gemeinschaft an die Regel hielt, nicht zu missionieren, war die Glaubensfrage kein Thema. Nachdem allerdings Hunerich den Bischofsstuhl in Karthago mit dem sehr aktiven katholischen Bischof Eugenius besetzt hatte, kamen in seine Kirche offenbar auch Angehörige des Hofes825. Die 821

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    Mavors nennt Ovid alternativ den Gott Mars, in: fast. 3, 171 zum 1. März, und in 4, 828. Gn 24, 65; Isid. eccl. off. 2, 20, 6: Quod vero eaedem feminae, dum maritantur, velantur; scilicet ut noverint semper haec viris suis esse subiectae et humiles. Unde et ipsud velamentum vulgo mafortem vocant, id est Martem, quia signum maritalis dignitatis ac potestatis in eo est; caput enim mulieris vir [1 Cor 11,3] est. Licet et proinde velantur dum nubunt, ut verecundiam muliebritatis agnoscant, quia iam sequitur inde quod pudeat; unde et Rebecca quae, cum ad sponsum duceretur, simul ut eum ipsa conspexit, salutationem vel oscula non substinuit, sed statim sentiens quod esset futura pallio caput velavit. Vgl. 2, 20, 13 und 15. Amm. 14, 6, 20: feminas affatim multas spectare cirratas. Die bisherige Diskussionsgeschichte ist ausführlich nachzulesen bei Philipp von Rummel, Habitus barbarus 5. 12, S. 183–191. Noch in den 50er Jahren des 20. Jhs. war es Katholiken offiziell nicht erlaubt, die Gottesdienste der Protestanten zu besuchen. Umgekehrt wurden Protestanten am Besuch katholischer Kirchen gehindert.

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    arianischen Bischöfe forderten daraufhin vom König, dieses zu untersagen. Auf eine entsprechende Weisung des Königs erwiderte Eugenius jedoch, seine Kirche stehe allen offen. Die Antwort des Königs kam prompt, er ließ vor der Kirche Soldaten postieren, die alle, die diese im habitus barbarus besuchen wollten, folterten. Den Frauen wurden dabei die Haare ausgerissen, und man trieb sie durch die Straßen; einige starben, andere wurden schwer verletzt. Die heutige Diskussion entzündete sich nun an der Frage, wie sich der habitus barbarus darstellte. Sollte der arianische Glaube bei den Vandalen die Frage zur Verschleierung der Frauen nicht zwingend nötig gemacht haben, könnte dies ein äußerlich erkennbarer Unterschied gewesen sein. Auf jeden Fall galt es weithin als Schande für eine Frau, mit abgeschnittenen oder geschorenen Haaren zu leben826. 5. amiculum kleiner Umhang Isidor hat schon unter dem Stichwort nimbus Plautus zitiert. Nur zwei Zeilen weiter im Text wird dem Mädchen auf dem Hetärenmarkt geraten, sie solle doch mal den Schleier hochnehmen827. Natürlich ist nicht damit gesagt, dass sich Isidor hierauf bezieht, doch wenn er bei amiculum nur Hurentracht angibt, widerspricht er sich selber, da er auch den königlichen Umhang so bezeichnet. Die von ihm geteilte Ansicht der Kirchenväter lautet, Frauen hätten sich möglichst gut zu verhüllen. Dazu reichte ein kleiner amictus nicht. 6. theristrum Umhang Gemäß der Vulgata legt Tamar, die Schwiegertochter von Juda, eines Sohnes des Erzvaters Jakob, ihre Witwenkleidung ab und hüllt sich in ein theristrum, setzt sich an den Straßenrand und versucht erfolgreich, Judas sexuelle Aufmerksamkeit zu erregen828. Hieronymus gibt Auskunft über die zeitgenössischen theristra, die er pallia, hebr. ardidim, nennt und die „heute“ die Körper von Frauen Arabiens wie Mesopotamiens im Sommer und in der Hitze 826

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    1. Cor 11, 5, 6. In der Überlieferung des gotischen Textes von 1. Cor 11 fehlen die Verse 7–20. Da aber auch der Schluß von Vers 6 und der Anfang von Vers 21 nicht überliefert sind, liegt es sehr nahe, dass die Lücke zu den unlesbaren Partien des einzig überliefernden Palimpsests (Codex Ambrosianus A) gehört. Ob in der gotischen Version die Textstelle ursprünglich fehlte, ist nicht zu klären. Plaut. Poen. 349: Age, sustolle hoc amiculum. Gn 38.

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    bedecken. Sie sind offensichtlich ein Ganzkörperschutz, die er unter die pallia rechnet, so bei Rebekka, der Frau Jakobs829. Eucherius meint ebenfalls, das in der Genesis genannte theristrum sei das unter Arabern übliche Pallium der Frauen830. 7. anaboladium oder sindon Umwurf aus Leinen Sindon ist ein feines Leinen, dessen qualitative Abgrenzung zu anderen Qualitäten unbekannt ist. „Sie haben sindones, die amictoria genannt werden“, sagt Hieronymus in seinem Jesajakommentar zum Luxus der Frauen831. Und: „mutatoria aber und pallia, die treffender Symmachus übersetzt hat [mit] anabolaia (gr.), sind Schmuck von Frauen, der Schultern und Brüste bedeckt“832. Im Buch der Richter 14, 12 will Samson um die Lösung eines Rätsels mit 30 Männern wetten. Den sehr hohen Wettpreis setzt er mit 30 sindones und 30 Tuniken an. Papst Silvester (314–335) bestimmt, dass die Priester die Messe nicht in Seide noch gefärbtem Tuch, sondern in Leinen feiern sollen, da Jesus in reinem sindon aus Leinen begraben sei833. Die lateinische Übertragung des Josephus sagt vom jüdischen Priester, er sei: „mit einem Leinengewand von doppeltem byssinischen Sindon bekleidet“834. Hieronymus zitiert ebenfalls Josephus: die Leinentunika der jüdischen Priester sei aus gezwirntem sindon oder byssus gearbeitet835.

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    Gn 24,65; Hier. in Is. 2, 3, 23. Vgl. Hier. quaest. hebr. in Gen. 38, 21: theristrum pallium dicitur, genus etiam nunc arabici vestimenti, quo mulieres provinciae illius velantur. Eucher. instr 2, 209: Theristrum in Genesi apud Arabes genus pallii muliebris. Hier. in Is. 2, 3, 23, 5: habent sindones, quae vocantur amictoria. Hier. in Is. 2, 3, 22, 6: „mutatoria autem et pallia, quae significantius symmachus transtulit anabolaia (gr.) ornamenta sunt vestium muliebrium, quibus humeri et pectora proteguntur. Nach Mt 27, 59 und Mc 15, 46. Lib. Pontificalis 34, 7, S. 171: Hic constituit ut sacrificium altaris non in siricum neque in pannum tinctum celebraretur, nisi tantum in lineum terrenum procreatum, sicut corpus domini nostri Jesu Christi in sindonem lineam mundam sepultus est: sic missas caelebrarentur. Lat. Jos. ant. 3, 7, 2. Hier. epist. 64, 11: ex lino tunica est poderes, id est talaris, duplici sindone, quam et ipsam Josephus byssinam vocat, appellaturque ‚cotonat‘, id est chiton, quod Hebraeo sermone in lineam vertitur.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    velum Schleier in verschiedenen Größen, Gesichtsschleier Der Begriff velum als Vorhang wird von Isidor in c. 26 behandelt. Da in vielen Fällen darunter ein Schleier zu verstehen ist, soll der Begriff mit erwähnt werden; die Texte sind teilweise schon bekannt. Es gab die Schleier in verschiedenen Größen. Einen besonders kostbaren und mit umlaufender safranfarbener Akanthusborte geschmückten, brachte Aeneas aus Troja mit836. Laut Plinius stand luteum „seit ältesten Zeiten in Ansehen, wurde ausschließlich den Frauen für die Brautschleier überlassen“837. Ammianus berichtet, dass nach der Einnahme zweier römischer Kastelle der Perserkönig einer Frau zusicherte, die – bis zu den Lippen in einen schwarzen Schleier eingehüllt – vor ihm erschien, ihrem Mann und ihr werde nichts geschehen838. Sehr beachtet wurde die Schrift Gregors von Nazianz, eines christlichen Predigers (um 329–390) aus Kappadokien, der die schon seit allerfrühester Zeit bestehenden Ansichten über die Putzsucht der Frauen aufgreift und zusammenfassend so formuliert:839 „Baut nicht Türme auf euer Haupt, ihr Frauen, mit Flechten falschen Haares, kokett den zarten Hals aus dem Gewand gestreckt! Bestreicht nicht Gottes Ebenbild mit häßlichen Farben, so daß ihr Masken tragt, nicht Gesichter! Ist es doch sündig für die Frau, einem Mann ihr Haupt unverhüllt zu zeigen, mögen nun ihre Flechten von Gold festgehalten sein, oder mag ihr Haar lose auf den Schultern hin und her hüpfen, bacchantisch im lauen Wind; sündig auch, einen Kamm oben zu tragen wie am Helm, als weithin sichtbare Kuppe, die für die Männer leuchtet; oder das Haar durch feines Linnen schimmern zu lassen – verborgen und doch sichtbar –, und hier eine Locke auf der Stirn blond hervorblitzen zu lassen, soweit sie dem Kopftuch entschlüpft ist, so daß es sich als Werk der Hand verrät, die sich abmüht, wenn du dir den blinden Lehrmeister, das leblose Spiegelbild, hinstellst und danach deine Schönheit – malst!“. – In diesem Stil geht sein Text weiter. Es ist festzustellen, dass die gesellschaftlichen Anliegen, die zur Entstehung der Schleierpflicht führten, aus längst vergangener archaischer Zeit stammen. Sie wurden tradiert, und Isidors Angaben zur Lebensführung christlicher Frauen stützen sich auf die Aussagen vieler Kirchenväter vor 836 837

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    Verg. Aen. 1, 649: et circumtextum croceo velamen acantho. Plin. 21, 46: lutei video honorem antiquissimum, in nuptialibus flammeis totum feminis concessum. – Luteum ist eine leuchtend gelbe Purpurfärbung, nach Isidor gleicht sie der Safranfarbe, crocus sativus L., c. 28, 8 a. Amm. 18, 10, 3. Greg. Naz., Gegen die Putzsucht der Frauen 4–15, S. 19.

    c. 26 Von den Decken und den übrigen Textilien

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    ihm. Durch sie wurde im Christentum die Unterordnung der Frau unter die Herrschaft des Mannes festgeschrieben; das Verhüllen des Kopfes verkörperte dies als äußeres Zeichen. Daraus folgt ebenfalls, dass die Pflicht zum Tragen des Kopftuches oder des Gesichtsschleiers keine eigenständige islamische Sitte ist, sondern gleichfalls aus dieser uralten Tradition hervorging. Um ein solches Gebot durchsetzen zu können, bediente man sich der Hinweise auf das Gewohnheitsrecht und überhöhte es durch die Auskunft, es sei von Gott selber verordnet worden. Erst seit der Zeit der Aufklärung entstand in Europa langsam ein Wandel des Denkens; das heutige Grundgesetz stellt fest, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind.

    c. 26 Von den Decken und den übrigen gebräuchlichen Textilien 1 a. stratus, 1 b. stragulum, 2 a. ludix, lodix, 2 b. galnapis, 3. fulcrum oder reclinatorium, 4 a. cervicale, 4 b. pulvillus, 4 c. pulvinar, 4 d. culcita, 5 a. tappetum, 5 b. sipla [psila] tappeta, 5 c. anphitapos [amphitapos], 6 a. mantele, mantelium, 6 b. mappa, 6 c. mapella, mappella, mappula, 6 d. torale, 7 a. sabanum, 7 b. faci(s)tergium, 7 c. manitergium, 8 a. velum, 8 b. auleum, aulea, 9. cortina, 10. cilicium Zusatz zu 2 b galnapis: laena, lena Dieses Kapitel behandelt Textilien, die zum Wohnumfeld zählen. Dazu gehören Zelte und die textile Einrichtung der Speiseräume in den Wohnhäusern oder im Freien und in den Schlafräumen. Bettgestelle kommen in der Aufzählung nicht vor, ihnen sind bei Isidor in Buch 20, 8 und 11 eigene Abschnitte gewidmet. Die Gewohnheiten zu speisen änderten sich im Laufe der Zeit erheblich, und Textilien waren der Mode unterworfen, deshalb kann hier nur eine eingeschränkte Aussage zu den Bräuchen der Römer gemacht werden. Dem Mobiliar und der textilen Ausstattung wurde in großen Häusern sehr viel Wert beigemessen. Zum Prinzip einer gestalterisch einheitlichen Zusammenstellung von Speisesofas, Decken, Kissen und der übrigen Einrichtung äußert sich schon Varro840. Die ersten Betten mit ehernen Füßen und kostbaren Auflagen in asiatischer Üppigkeit sollen sich, Augustinus’ Bericht zufolge, durch den Prokonsul Gnaeus Manlius, Sieger über die Gal840

    Varro ling. 9, 47: Itaque ex eadem supellectili licet videre: nam nemo facit triclinii lectos nisi paris et materia et altitudine et figura. Qui[s] facit mappas triclinaris non similis inter se? Quis pulvinos? Quis denique cetera, quae unius generis sint plura.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    logriechen, „in Rom eingeschlichen“ haben841. „Metellus Scipio zählt unter den Anschuldigungen Catos auf, daß schon damals babylonische Lagerpolster, triclinaria, für 800 000 Sesterzen im Handel waren, welche jüngst den Kaiser Nero 400 000 Sesterzen kosteten“, übermittelt Plinius842. Eine eindrucksvolle Schilderung der Anlage eines gallo-römischen Landhauses des 5. Jhs. in Avitacum nahe Clermont-Ferrand in der Auvergne mitsamt seiner Einrichtung überliefert Sidonius Apollinaris in seinem Brief an Domitius843. Sowohl in den Speiseräumen als auch in den Schlafzimmern waren Liegen vorhanden. Insofern kann man, ohne den Kontext zu kennen, nicht immer verstehen, welchem Raum eine Textilie zuzuordnen ist. Die Regula Orientalis mahnt den Vorsteher, praepositus, am Ende des 5. Jhs: „Er lasse sich nicht auf erhöhten Lagerstätten finden, indem er die Sitte der Heiden nachahmt“844. „Es ist dem Mönch nicht erlaubt, eine auffällige oder mannigfaltige Ausstattung zu haben, seine Lagerstätte bestehe aus Stroh und Decke, zwei wolligen Fellen, Zudecke, galnapis, auch und einem Schweißtuch und einem Paar kleinen Kissen für den Kopf“, exkommunizierte Mönche bekamen nur das Lager, stratum sive storia845, so Isidor in seiner Mönchsregel. Damit hat er viele Stichworte genannt, die in der folgenden Übersicht erscheinen. 1 a. stratus Bettzeug (allgemein) Isidor erklärt den Begriff stratus mit Ausbreiten und bringt ihn mit storia, Matte, zusammen846. Hierzu gab es zwei Arten von Decken, diejenige die auf der Matte lag und eine andere zum Zudecken. Als Hilfe für König David in der Wüste brachten sie Lagerstätten, Decken, irdene Gefäße847. „Ich habe mein Bett mit Seilen umwunden, mit bunten Decken aus Ägypten überbreitet“848, heißt es in den Sprüchen Salomos. 841

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    Aug. civ. 3, 21, S. 196: Deinde tunc primum per Gneum Manlium proconsulem de Gallograecis triumphantem Asiatica luxuria Romam omni hoste peior inrepsit. Tunc enim primum lecti aerati et pretiosa stragula visa perhibentur. Plin. 8, 196. Sidon. epist. an Domitius, 2, 2. Reg. orientalis 17, 6, S. 128. Isid. reg. monach. 13: Speciosam et variam superlectilem monachus habere non licet, cuius stratus erit storia et strangulum [stragulum], pelles lanatae duae, galnapis quoque et facistergium, geminus que ad caput pulvillus bzw. 18. Isid. Et. 20, 11, 1: Stratus ab sternendo dictus, quasi storiatus. In his solis antiqui ad dormiendum adcubabant, nondum lancis stramentis repertis. Storia, quod sit terra strata. 2. Sm 17, 28: obtulerunt ei stratoria et tappetia et vasa fictilia. Prv 7, 16: intexui funibus lectum meum stravi tapetibus pictis ex Aegypto.

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    „Die Alten schliefen auf Strohsäcken, wie auch jetzt noch im Felde“, und „Ruhe und Schlaf fand man auf Stroh“849, berichtet Plinius. Befanden sich „bei den Alten“ Lager aus Stroh im Schlafzimmer und im Speiseraum Sitze, gab es nun seit langer Zeit in den Häusern Bettgestelle mit Bettzeug, und gespeist wurde auf Liegen. Während die Gallier ihre Lagerstätte tomenta nannten, heißt es: „In Italien hat sich bis auf den heutigen Tag dafür die Bezeichnung stramentum erhalten“850. Frauen sollten der Anständigkeit halber auf Stühlen sitzen, sella, sedda, cathedra, sie scheinen deshalb keinen Platz im Speiseraum, dem triclinium, gehabt zu haben851. 1 b. stragulum Tagesdecke Stragulum ist ein weitgefasster Begriff, er kann allgemein Bettzeug bedeuten oder eine bestimmte Decke auf der Liege sein, deshalb wird auch von vestis stragula gesprochen852. „Das, was sie hinbreiteten, nannten sie nach dem Ausbreiten stragulum“853, schreibt Varro und meint damit, dass die stragula über die culcitae ausgebreitet wurden. Martial benutzt stragulum meist in Zusammenhang mit einer bestimmten weiteren Art, hier mit tapeta. Unter der Überschrift cubicularia gausapina schreibt er: „Die flauschigen Tagesdecken leuchten aufgrund purpurner Teppiche“854. Eine Decke konnte, je nach Reichtum des Besitzers, äußerst kostbar sein; denn was Ausstattung und Luxus betrafen, waren der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Sie wurden von den Reichen und Mächtigen als Repräsentationsobjekte zur Unterstreichung ihres hohen Standes und des vorhandenen Besitzes genutzt. Hierzu gibt es reichlich Quellenhinweise. Stragulum war auch eine prunkvolle Pferdedecke, die man auf den bloßen Pferderücken legen konnte: Martial empfiehlt einem Jäger, dem Pferd eine stragula aufzulegen, damit man sich kein Geschwür holt855. Plinius nennt als Erfinder der Pferdedecke einen Pelethronius856.

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    Plin. 8, 193: antiquis enim torus e stramento erat; Plin. 18, 14: quies somnusque in stramentis erat. Plin. 19, 13: Galliarum hoc et tomenta pariter inventum. Italiae quidem mos etiam nunc durat in appellatione stramenti. Isid. Et. 20, 11, 9–10 und 15, 3, 8. Apul. met. 4, 11, 7. Varro ling. 5, 167: Hoc quicquid insternebant ab sternendo stragulum appellabant. Mart. 14, 147: Cubicularia gausapina: Stragula purpureis lucent villosa tapetis. Mart. 14, 86. Plin. 7, 202.

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    Zwei vielfädig gewebte oder bunte Bettdecken, stragula polimita, im Werte von 1 Solidus und 1 Tremissis zusammen mit einer gemusterten Bankdecke im Wert von 1 Solidus waren laut Urkunde von 564 Teil des Erbes von Stephanus in Ravenna857. „Ihre Bettzeuge aber seien einfach, denn schmählich genug ist, wenn im Bett einer Religiosen weltliche Bettdecken oder farbige Teppiche strahlen“858, bestimmt Caesarius von Arles. 2 a. ludix, lodix Decke aus gewalktem Tuch Unter der Überschrift lodices findet Martial: „Damit sich die Decken nicht auf dem bloßen Bett erstrecken, sind wir zu dir als Schwestern vereint gekommen“859, und erklärt damit, dass Zudecken in Gebrauch waren. Eine als lodix, sagum oder galnapis beschriebene Decke bestand aus gewalkter Wolle. Kaiser Augustus konnte sich in eine kleine Decke, lodicula, einhüllen, wenn er Übungen machte860. Vielleicht lässt sich hier auch das Tuch einordnen, das als Geschenk für einen Freund Martials gedacht war. Es stammte aus einer Weberei an der Mosel und sollte helfen, nach anstrengenden Übungen den Körper gegen Winde und Regen zu schützen und warm zu halten. Martial gab ihm den spartanischen Namen endromis. Das Tuch sei zwar nicht so fein wie ein Tuch aus tyrischem sindon, im Winter aber nicht zu verachten861. Unter der Überschrift Gausapum quadratum bringt Martial: „Bettdecken wird dir [auch] das Land des gelehrten Catullus schicken: Wir hier stammen aus Helikaons Gegend“862; und nach Juvenal kann ein Dichter sich nicht auf seine Dichtkunst konzentrieren, wenn er ständig von Sorgen um die Beschaffung einer Bettdecke, lodix, geplagt sei863. Wenn Isidor Jugendliche beschreibt, die „in das Bordell des Spiels gingen“ und sich am Ausgang hinter dicken Umhängen versteckten, um nicht erkannt zu werden, mag das von der Sache her richtig gewesen sein. Augustinus schreibt aus der Erinnerung: „Auch wir gingen als Jünglinge in Thea857

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    Quittung 8, 2, 6, S. 240: stragula polimita duo valentes solido uno tremisse uno, scamnile acopicto valente solido uno. Caes. Arel. reg. virg. 44: Lectaria vero ipsa simplicia sint: nam satis indecorum est, si in lecto religiosae stragula saecularia aut tapetia picta resplendeant. Mart. 14, 148: Lodices: Nudo stragula ne toro paterent, iuncta nos tibi venimus sorores. Suet. Aug. 83. Mart. 4, 19. Mart. 14, 152: Gausapum quadratum. Lodices mittet docti tibi terra Catulli: nos Helicaonia de regione sumus. Juv. 7, 66.

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    ter und zu den gotteslästerlichen Schauspielen“864. Lodix sprachlich von ludus abzuleiten, ist dagegen nicht einleuchtend. Kozzo und lodix gehörten in Thüringen zu den Zinsabgaben für das Kloster Fulda kurz nach 1015; da beide Begriffe nacheinander erwähnt werden, muss es zwischen ihnen einen Unterschied gegeben haben865. 2 b. galnapis, laena, lena Zudecke, Laken Galnapis wird nicht näher erklärt, es war für Isidor ein gut bekannter Begriff866. Lenae und galnapes waren in den Klöstern einfache, viereckige Bettdecken. Wahrscheinlich bestanden sie aus rauem Leinen. Ein Laken, lena und eine Decke, sagellum, für das Bett, beide schon alt, wurden, ohne angegebenen Geldwert, an Stephanus vermacht867. 3. fulcrum oder reclinatorium Rücken- und Seitenlehne der Betten und Speiseliegen Isidor spricht nicht von fulcrum, sondern von reclinatorium, denn im Hohenlied ist von einer goldenen Rückenlehne, reclinatorium, die Rede868. Die Betten hatten in der Regel vier oder sechs Beine und eine oder zwei Lehnen und waren, je nach Bedarf, mit Pelzen, Matratzen, Polstern, Kissen und Decken ausgestattet, dazu gehörten kleine Bänke oder Fußschemel. Waren Triklinen in Farbe und Ausstattung aufeinander abgestimmt, zeugte das vom guten Geschmack des Besitzers869. Vergil beschreibt die Pracht bei Königin Dido: „Es funkeln goldbeschlagene Liegen mit hohen Polstern für fröhliche Stunden“870. Plinius berichtet „Die Bronze, deren Ruf am ältesten ist, war die delische; die ganze Welt besuchte die Märkte auf Delos, 864 865

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    Aug. civ. 2, 4, S. 82: ad spectacula ludibriaque. Beispiel Codex Eberhardi II., S. 253: [12] Hagen […] 44 Liten zinsen u. a. jeder ein Tuch aus eigenem Flachs, andere 31 zinsen jeder ein Leintuch oder 1 lodix duplex. – Slawen zinsen lodices duplices. Aus dem Thüringer Verzeichnis für das Kloster Fulda, nach 1015. Vgl. M. Müller, Kleidung nach Quellen, S. 197. Isid. reg. monach. 13. Siehe stratus. Quittung 8, 2, 14, S. 242: lena vetere una, sagello vetere uno. Es wird angenommen, dass es sich hier um Bettzeug handelt. Ct 3, 10. Vgl. gradus, Varro ling. 9, 47. Verg. Aen. 6, 603–605: lucent genialibus altis aurea fulcra toris, epulaeque ante ora paratae regifico luxu.

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    und deshalb wurde in den Werkstätten mit Sorgfalt gearbeitet. Durch die Füße und Lehnen, fulcra, der Speiselager erhielt dort die Bronze ihre erste Berühmtheit“871. 4 a. cervicale Federkissen Cervicalia nannte man kleine Federkissen. Sie waren begehrt. Dazu Plinius: „Weiße Gänse bringen mit ihren Federn einen weiteren Nutzen. An manchen Orten rupft man sie zweimal im Jahre; dann wächst ihnen ein neues Federkleid nach. Der Flaum dicht am Körper ist weicher und der aus Germanien wird am meisten gelobt. Die Gänse sind dort weiß, aber kleiner; sie heißen Ganten. Der Preis ihrer Federn beträgt fünf Denare für das Pfund; und daher meist auch die Vorwürfe, die man den Befehlshabern der Hilfstruppen machte, daß sie ganze Kohorten aus ihren Standlagern an der Grenze auf solchen Vogelfang ausschickten; so weit ist die Verweichlichung bereits vorangeschritten, daß nicht einmal gestandener Männer Nacken es ohne diese Federkissen mehr aushalten kann“872. Weiter berichtet Plinius im Zusammenhang mit cervicale: „Folgendes sind Erfindungen der Magier: Wenn man einen Schleifstein, auf dem oft eiserne Geräte geschärft worden sind, einem an Vergiftung Leidenden ohne sein Wissen unter das Kopfkissen legt, bewirke dies, daß er sagt, was ihm eingegeben wurde, wo und zu welcher Zeit, jedoch ohne den Täter zu nennen“873. Auch Frauen liebten die Kopfkissen. Martial: „Benetze das Haupt mit Narde von Cosmus, und es duftet das Kissen: Wenn dein Haar das Parfüm verloren hat, dann hält das Federkissen es immer noch fest“874.

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    Plin. 34, 9: Antiquissima aeris gloria Deliaco fuit; mercatus in Delo celebrante toto orbe, et ideo cura officinis. tricliniorum pedibus fulcrisque ibi prima aeris nobilitas. Plin. 10, 54: Candidorum alterum vectigal in pluma. velluntur quibusdam locis bis anno; rursus plumigeri vestiuntur. mollior quae corpori proxima, et e Germania laudatissima. candidi ibi, verum minores; gantae vocantur. pretium plumae eorum in libras denarii quini; et inde crimina plerumque auxiliorum praefectis, a vigili statione ad haec aucupia dimissis cohortibus totis; eoque deliciae processere, ut sine hoc instrumento durare iam ne virorum quidem cervices possint. Plin. 28, 47: Magorum haec commenta sunt: ut cotem, qua ferramenta saepe exacuta sunt, subiectam ignari cervicalibus de veneficio deficientis evocare indicium, ut ipse dictat, quid sibi datum sit et ubi et quo tempore, auctorem tamen non nominare. Mart. 14, 146: Cervical. Tingue caput Cosmi folio, cervical olebit; perdidit unguentum cum coma, pluma tenet.

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    4 b. pulvillus kleineres Kissen Pulvillus hießen die kleineren Kissen. Von Martial wird der Luxus, den man mit Textilien betreiben konnte, gern als Thema verwandt, um sich über die Eitelkeit seiner Mitmenschen lustig zu machen: Ein Gastgeber, der sich mit Fresssucht und Anzüglichkeiten großtut, ruht auf purpurroten Kissen, pulvilli, mit Seidenbezug875. Oder der Dichter spricht von dem angeblich Kranken, der nur seine mit Kermes gefärbten Decken, die Polster vom Nil, die nach Öl duftenden sidonischen Tücher den Besuchern vorführen wollte, und riet: „Gesund willst du werden? Dann nimm doch meine Decken!“876. Auch die Stelle unter den pulvilli war ein besonders beliebter Platz für abergläubische Bräuche, da man allerlei, oft sehr fragwürdige, Heilmittel darunter legte. Plinius berichtet mehrfach von den unterschiedlichen Möglichkeiten. Zu den Kissen, pulvillus und cervical, sagt die Vulgata877: „Dies spricht der Herr Gott: „Wehe, welche Hände kleine Kissen unter jeden Ellbogen nähen und Federkissen unter den Kopf […] zum Einfangen von Seelen machen“. 4 c. pulvinar Kissen aus besonders edlem Material und mit aufwendigem Muster Pulvinaria waren die Kissen der Göttersitze an den Tempeln878. „Sieben Männer [Septemviri epulonum oder epulones] hatten die den Göttern zu Ehren veranstalteten, feierlichen Gastmahle zu besorgen. Bei solchen Gelegenheiten wurden die Bildsäulen der Gottheiten auf kostbare Polster gesetzt und diese Feierlichkeit hiess lectisternium“879. Trajan wurde gelobt, weil er Altäre, pulvinaria und einen Priester gestiftet hatte880. Nach Varro leitet sich pulvinar entweder von Federn oder Fellen ab881. Mit der Vergöttlichung der Kaiser wurde der Ausdruck auch für ihre Kissen übernommen. So bekam Caesar

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    Mart. 3, 82: et inde convivas effultus ostro Sericisque pulvillis. Mart. 2, 16: faciunt hanc stragula febrem. si fuerit sanus, coccina quid facient? quid torus a Nilo, quid Sidone tinctus olenti? Ez 13, 18: haec ait Dominus Deus vae quae consuunt pulvillos sub omni cubito manus et faciunt cervicalia sub capite universae aetatis ad capiendas animas cum caperent animas populi mei vivificabant animas eorum. Plin. 32, 20. F. Weiss, in Gellius, Attische Nächte, Anm. zu 1, 12, 6, Bd. 1, S. 52. Plin. paneg. 11, 3. Varro ling. 5, 167: Pulvinar vel a plumis vel a pellulis declinarunt.

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    unter anderem das pulvinar in der Öffentlichkeit zugesprochen882. Mit einem pulvinus aus seinem Bett soll Kaiser Tiberius erstickt worden sein883. Otho schlief sicherheitshalber mit einem Dolch unter seinem pulvinus884. Als Domitian seine geschiedene Frau zurückholte, rief er sie zu seinem pulvinar zurück885. Während einer Schlacht, in der Kaiser Constantius fliehen musste, fielen den Barbaren der kaiserliche Thronsessel samt dem goldenen Polsterkissen in die Hände886. Die Polster wurden von dem textor bzw. dem plumarius hergestellt, denn Nonius zitiert dazu: „Keine [Frau?] nämlich, die nicht zu malen gelernt hat, kann gut beurteilen, was gut gemalt sei durch den plumarius oder textor auf diesen pulvinarischen Teppichen“887. Die Stelle impliziert, dass die Kissen Bildmuster besaßen. Augustinus fragt in diesem Zusammenhang, wo die Götter waren, als die große Seuche ausbrach und das „geplagte Volk“ ihnen Göttermahle, lectisternia, bereiten und folglich die Kissen für die Lager herstellen musste888. Zur Zeit Juvenals saßen die Ritter im Theater auf pulvini genannten Kissen, von denen sich derjenige erheben sollte, dessen Besitz nicht dem der Gesetzesvorschrift entsprach889. 4 d. culcita Polster, Matratze Um eine besonders feste Polsterung zu bekommen, ging man dazu über, die Polster bzw. Matratzen mit den Füßen zu stopfen, schreibt Varro890. Cicero kannte fest gestopfte Federpolster891. Festus schreibt: „Culcita heißt [sie], weil sie mit Polsterung festgetreten wird“892. Plinius berichtet, für ihre 882 883 884 885

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    Suet. Jul. 76, 1. Suet. Tib. 73, 2 und Cal. 12, 2. Suet. Otho, 11, 2. Suet. Dom. 13, 1: neque in reducenda post divortium uxore edicere vocatam eam in pulvinar suum. Amm. 19, 11, 12. Non. S. 239: Plumarium. Varro Cato vel de liberis educandis (33): ‚etenim nulla, quae non didicit pingere, potest bene iudicare quid sit bene pictum plumario aut textore in pulvinaribus plagulis‘. Aug. civ. 3, 17, S. 182: Ubi erant, quando pestilentia maxima exorta diis inutilibus populus diu multumque fatigatus nova lectisternia, quod numquam antea fecerat, exhibenda arbitratus est? Lecti autem sternebantur in honorem deorum, unde hoc sacrum vel potius sacrilegium nomen accepit. Juv. 3, 154. Varro ling. 5, 167: Posteaquam transierunt ad culcitas, quod in ea sagus aut tomentum aliudve quid calcabant, ab inculcando culcita dicta. Non. S. 870, Cicero Tusculanarum lib III (46): conlocemus in culcita plumea; psaltriam adducamus. Fest. S. 43: Culcita, quod tomento inculcatur appellata.

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    Polsterkissen, culcitae, sei das gallische Volk der Kadurker berühmt893. Außerdem erzählt er von einer Pflanze akanthion, die dem Weißdorn ähnlich sei. Sie sei „mit einer spinnwebartigen Wolle überzogen“; es heißt: „Man sammelt [diese Wolle] und fertigt daraus im Orient auch vestes, die denen der bombycinae ähneln“894. Ein Kissen ohne Füllung aus Leukonien (Sitz eines gallischer Volksstammes) war ein Beispiel für „ausgeleiert“895, erklärt Martial. Ein Kissen im Wert von ½ Solidus ging an Stephanus als Erbe896. 5 a. tappetum, 5 b. sipla [psila] tappeta, 5 c. anphitapos [amphitapos] Teppich, Wandbehang, Unterlage im Zeltlager „Die struppige grobe Wolle hat man bereits in den ältesten Zeiten gerne zu Teppichen verwendet; daß sich sicherlich schon die Alten dieser bedienten, bezeugt Homer“897, so Plinius. Tappeta konnten zur Ausstattung der Betten gehören. Sie waren einfarbig oder gemustert, teilweise mit figürlichen Darstellungen, denn Muster einzuweben, war kein Problem für die geübten Weber und Weberinnen. Um 200 v. Chr. waren u. a. gemusterte Teppiche, peristromata, und geschorene, mit Tierdarstellungen verzierte tappetia aus Alexandrien bekannt898. Andere waren weich und hatten entweder auf der Oberseite einen Flor899, sipla [psila] tappeta, oder auf beiden Seiten, die anphitapos oder amphitapos genannt wurden, worauf auch Isidor hinweist. Es gab sie wie heute auch in unterschiedlichster Qualität; im Feldlager schliefen Könige bequem auf aufgeschichteten herrlichen Teppichen900. Ammianus berichtet von Kaiser Julian, dieser habe sich nicht aus Federbetten oder schimmernden Seidendecken erhoben, sondern aus einfachen tappeta und Felldecken901. Teppiche, tappeta, wurden nach Isidor „unter den Füßen ausgebreitet“. Es muss unter diesem Begriff kein reiner Filzteppich gemeint 893 894

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    Plin. 19, 13: sicut in culcitis praecipuam gloriam Cadurci obtinent. Plin. 24, 108. Dazu R. König, S. 155 f.: spina alba. „Die Samenwolle hat man zum Polstern verwendet“. Mart. 11, 21: culcita Leuconico quam viduata suo. Quittung 8, 2, 7, S. 242. Plin. 8, 191. Plaut. Pseud. 146–147. Lucil. Sat. fragm. Versus 13, S. 4: psilae atque amphitapae, villis ingentibus, molles. Vgl. Non., S. 867: „Amphitapos nennt man ein auf beiden Seiten zottiges Textil“. Verg. Aen. 9, 325 und 358: pulchrosque tapetas. Amm. 16, 5, 5: semper exsurgens non e plumis vel stragulis sericis ambiguo fulgore nitentibus, sed ex tapete et sisyra, quam vulgaris simplicitas susurnam appellat.

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    sein. Die Bewohner von Tyros kauften laut Handelsliste Satteldecken, tapeta, von den Leuten aus Dedan, einem Ort in Südwestarabien902. Purpurne Satteldecken trug der verzauberte „goldene Esel“ des Apuleius, der mit Kunststückchen seinem Besitzer viel Geld einbrachte903. Zweiseitig geraute Textilien gab es nicht nur für Teppiche, auch geraute Kleidung konnte bei Kälte angenehm sein. 6 a. mantele, mantelium Tischdecke, Handtuch Mit Handtüchern trocknete man sich den Körper ab. Varros Satz lautet: „Mantelium, wo die Hände getrocknet werden“904. Von Servietten und Handtüchern, die ein Gast gerne „mitgehen“ ließ, berichtet Martial905. Damit auf den sehr teuren Zitrustischen, die zu den Luxusgegenständen gehörten, keine Ränder von Speiseplatten zu sehen waren, legte man Tücher auf. Weniger Reiche hatten diese Probleme nicht906. Nach Servius trockneten sich die Opferpriester die Hände mit weichen, leinenen Handtüchern907. Hieronymus warnt in einem Brief Eustochium vor Geistlichen, die bis ins Schlafzimmer eindringen, ein kleines Kissen, pulvillus, und ein elegantes Handtuch, mantele, sehen und bewundern (bis man es ihnen schenken muss)908. 6 b. mappa kleines Tuch, Serviette Mappae waren als Geschenke zu den Saturnalien geeignet. Ein Epigramm Martials handelt auch von der Gier eines unverschämten Gastes, der von allem, was man auftischte, einen Teil in seine „fetttriefende“ Serviette, mappa, schlug und diese dann seinem Sklaven gab, der sie nach Hause tragen sollte. Servietten mussten demnach recht groß sein909. Zum Zeichen der 902

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    Ez 27, 20: Dedan institores tui in tapetibus ad sedendum. Vgl. M. Saur, Tyroszyklus, S. 206 und 221. Apul. met. 10, 18, 4. Varro ling. 6, 85: Mantelium, ubi manus terguntur. Mart. 12, 28 (29): mantele e mensa surpuit Hermogenes. Mart. 14, 139 (138). Serv. Aen. 1, 701 und 12, 169; Verg. georg. 4, 377, dazu Servius 3, 21. Hier. epist. 22, 28. Mart. 2, 37. Die Serviette musste eine Menge fassen können, folgt man den Beschreibungen, waren es: Saueuter, Schweinerippe, die Hälfte eines Haselhuhns, eine halbe Meerbarbe, ein Seebarsch, ein Muränenfilet, ein Hähnchenschlegel und eine

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    Eröffnung der Spiele ließ der zuständige Magistratsbeamte seine weiße mappa schwenken910. Eine mappa im Wert von 1/24 Solidus gehörte ebenfalls zum Erbe von Stephanus911. 6 c. mapella mappella, mappula Tüchlein Kleiner als die mappae waren die mappulae, die sich ein Mönch von gottgeweihten Frauen zum Entsetzen Benedikts von Nursia schenken ließ und die er heimlich in Gewandfalten an seiner Brust vor Benedikt versteckte912. Umherziehende Hirten Libyens hatten laut Vergil kleine Zelte, die schnell auf- und abgebaut werden konnten; man nannte sie mapalia; gleiches galt für maurische Eremiten913. Ein kleines Umhangtuch, mapula, gehörte zur Kleidung der Mönche, die kein Pallium besaßen oder Arbeiten verrichten mussten, bei denen ein pallium unpraktisch war914. 6 d. torale Polsterabdeckung Die als toralia bezeichneten großen Tücher wurden über die Polster gelegt. Auf einem prächtigen Gastmahl in Aquitanien waren, laut Ammianus, die breiten Purpurstreifen der leinenen toralia so geschickt gelegt, dass es wie eine zusammenhängende Purpurdecke aussah. Genauso war auch das Tischtuch gefaltet915. Nonius überliefert: „Plagae, große leinene Bedeckung, die nun torale oder sindon fürs Bett heißt“916.

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    Taube! Die anderen Gäste gingen danach leer aus, Martial wollte ihn deshalb nicht wieder einladen. Vgl. auch Mart. 7, 20: was der gierige Mensch nicht mehr in seiner Serviette verstauen kann, stopft er anschließend in seinen sinus. Mart. 12, 28 (29). Vgl. Suet. Nero 22, 3: In diesem Fall ließ Nero zu, dass ein Freigelassener diese Aufgabe erfüllte. – Juv. 11, 193. Quittung 8, 2, 14, S. 242. Greg. M. Dial. 2, c. 19, 1–2: quando ab ancillis Dei mappulas accepisti, tibique eas in sinu misisti? Verg. georg. 3, 340 und Serv. georg. 3, 340: mapalia casae Maurorum, qui in eremo habitare dicuntur, sicut illud Lucani [IX, 945] surgere congesto non culta mapalia culmo. et aliter: ‚raris‘, qui non iunguntur et distantibus locis fiunt. Isid. reg. monach. c. 12: Sane si forte quis pallium non habet humeris mapulam superponat. Amm. 16, 8: cum vidisset linteorum toralium purpureos clavos ita latissimos, ut sibi vicissim arte ministrantium cohaererent, mensamque operimentis paribus tectam. Non. S. 862: Plagae, grande linteum tegmen quod nunc torale vel lectuariam sindonem dicimus.

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    7 a. sabanum Tuch aus Leinen oder Baumwolle Sabanum muss im jeweiligen Kontext gesehen werden, es steht im allgemeinen für ein Tuch aus Leinen oder aus Baumwolle. In der Regel des Pachomius ist es, wie Hieronymus sagt, ein leinener amictus, von Benedikt von Aniane als „längeres sabanum bezeichnet, das um Hals und Schultern gelegt wird“917. Gregor der Große verwendet den Begriff in seinen Dialogen918. Die in Textilfragen zweifelhafte Regula magistri zählt es zu den Servietten der Mönche919. Ein anderes Mal war eine kostbare geistliche Handschrift in ein sabanum eingehüllt920. Auch eine spätere Quelle deutet auf eine besondere Verwendung hin; denn Erzbischof Bonifatius bekam im 8. Jh. als Geschenk vom Kardinalbischof Benedictus sabanum unum et facitergium unum et modica thymiama921. Nun ist anzunehmen, dass die Geschenke nicht für die private Körperpflege bestimmt waren, sondern bei gottesdienstlichen Handlungen als Decktuch für den Kelch, Manipel und Weihrauch eingesetzt wurden. 7 b. faci(s)tergium Handtuch Das facistergium oder facitergium ist ein Tuch zum Abtrocknen, das auch in den Klöstern benutzt wurde. Zu „facies“ schreibt Gellius eine längere Abhandlung und überliefert an Hand von Quellenhinweisen, dass einige glaubten, nur Gesicht, Augen und Wangen des Menschen seien mit dem Begriff gemeint, obwohl dieser den ganzen Körper erfasse und die Ableitung von facio (ich bilde) herrühre922. Damit lässt sich der Ausdruck facistergium mit unserem heutigen Begriff Handtuch vergleichen, das auch ein Tuch zum Abtrocknen des ganzen Körpers sein kann.

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    Hier. praef. Pachom. 4, 6, 7 bzw. Benedikt von Aniane, Concordia regularum c. 62, S. 523: sabano longiore quod collo humeris que circumdatur. Greg. M. dial 3, 17 und 4, 57. Reg. mag. 17, 10: mappae vel sabana. Gesta collationis Carthaginiensis, a. 411, cognitio 2, c. 53. Bonifatius, Brief 90 S. 308: Kardinalbischof Benedictus an Bonifatius, a. 751. Gell. 13, 30, 1–7.

    c. 26 Von den Decken und den übrigen Textilien

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    7 c. manitergium Handtuch Gesichts- und Handtücher dienten den Gästen beim Speisen. Während der Messe war es die Aufgabe des Subdiakons, Wasser in dem Kännchen, aquamanile, und ein Handtuch, manutergium, bereitzuhalten923. 8 a. velum Vorhang Velum ist ein Begriff, der sehr allgemein aufgefasst wird. Es ist z.B. ein Sichtschutz von Hauseingängen, Schutz vor der Sonne, Schiffssegel, Decktuch von liturgischen Geräten. Als Schleier für die Frauen wird es in c. 25 behandelt. Unter die Grausamkeiten Caligulas zählt Sueton auch die Tatsache, dass er bei einem Gladiatorenkampf, als „die Sonne am heißesten schien“, die Sonnensegel, vela, zurückziehen ließ924. Huren vertrieben einen Zeugen sowohl durch einen Vorhang als auch durch einen Riegel, wenn sie mit Kunden beschäftigt waren925. Plinius befasst sich in seinem Buch 35 durchgehend mit Kunstgeschichte und Angaben sowie Hinweisen zur Herstellung und Anwendung von Malfarben. Einige der erwähnten Farbstoffe wurden auch in der Textilfärberei für Kleidung benutzt, hierauf wird aber nicht näher eingegangen. Theatervorhänge und Kleidung der Schauspieler sind immer auf Fernwirkung bedacht; sie wurden im Muster gewebt, bestickt oder bemalt, sicher waren nicht alle mit Gold geschmückt. Von einem besonderen, in Ägypten angewendeten Verfahren spricht Plinius, zu dem er erwähnt, dass man hier einen weißen Vorhang mit verschiedenen Substanzen [Beizen] bestreicht, wobei die unterschiedlichen Farben erst hervortreten, nachdem das Tuch in einem Kessel mit einem Färbemittel gekocht wurde. Er findet dies erstaunlich, einmal weil es sich im Kessel nur um ein Färbemittel handelt, und zweitens, weil die Farben auf den Textilien besonders dauerhaft seien926. Mit einem purpurnen velamen war das Grabmal Diokletians bedeckt927. 923

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    Isid. eccl. off. 2, 10, 2, S. 69: et ab archidiacono scyphum aquae cum aquamanile et manutergium. Vgl. den Brief Isidors an Bischof Leudefredus, in: Letters Nr. 1, S. 11–12. Suet. Cal. 26, 5, S. 484: gladiatorio munere reductis interdum flagrantissimo sole velis emitti quemquam vetabat. Mart. 1, 34: at meretrix abigit testem veloque seraque. Plin. 35, 150: Pingunt et vestes in Aegypto, inter pauca mirabili genere, candida vela, postquam attrivere, inlinentes non coloribus, sed colorem sorbentibus medicamentis. hoc cum fecere, non apparet in velis, sed in cortinam pigmenti ferventis mersa post momentum extrahuntur picta. Amm. 16, 8, 4.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Der Legende nach webte Maria als junges Mädchen den mit Purpur geschmückten Vorhang für den Tempel in Jerusalem928. Dieser Vorhang, velum, spielte eine große Rolle, er trennte den heiligen Bezirk vom Allerheiligsten ab. Der Überlieferung nach wurde er gefertigt aus den vier Farben: hyacinthus, purpura, coccus und dem Weiß des zweifach gezwirnten byssus, das wohl die Kette bildete. Er sollte mit diesen Farben in Buntwirkerei gearbeitet und an Ringen aufgehängt werden929. Der Pentateuch schreibt, er sei „künstlich durchwirkt mit Cherubim“; nach der Tora sollte das Garn sechsfach gezwirnt sein und der Vorhang „mit Figuren von Kerubim durchwirkt“930. Dazu Isidor: „Es kann freilich dieser Vorhang, der den Teil des inneren Tabernakels verbarg, damit nicht das Aufbewahrte erblickt würde, jene Zeit bedeuten, die unter dem Gesetz [des Alten Testaments] war. Weil das, was Gesetz und Propheten sangen, verborgen war, und durch die dazwischenliegende Verhüllung nicht gesehen werden konnte“931. 8 b. aulaeum, aulea Wandbehang oder Vorhang im Inneren von Häusern und in Theatern; Paludamentum der Barbaren „Aulaea sind eine fremdartige Art von [Wandbe-] Kleidung“, schreibt Nonius und zitiert Varro: „wie viel aus der attalischen Erbschaft die aulaea, die clamides, pallae, plagae aus Gold –“932, (hier bricht der Satz ab). Nonius weiter: „und es ist gleich der Bekleidung, paludamentum, eines barbarischen Soldaten“933.

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    Die Figur der spinnenden Maria hat eine lange Tradition. Sie geht zurück auf das Protoevangelium des Jakobus aus der Mitte des 2. Jhs, c. 10–12, vgl. W. Hennecke, E. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 1, S. 284. Ex 26, 31–33: facies et velum de hyacintho et purpura coccoque bis tincto et bysso retorta opere plumario et pulchra varietate contextum. Vgl. die liturgischen Farben in c. 21 Priesterkleidung. J. Wohlgemuth, J. Bleichrode, Pentateuch Ex 26, 31; M. Mendelssohn, Tora Ex 26, 31. Isid. expos. in exod. 55, 3: Potest quidem hoc oppansum velum, quod partem tabernaculi interioris occultabat, ne prospicerentur illuc reposita, tempus illud significare quod fuit sub lege. Quia ea quae lex et prophetae cecinerunt occulta erant, et interjecto velamine videri non poterant. Non. S. 861: Aulaea, genus vestis peregrinum. Varro de Vita Populi Romani lib. 3: „quot ex heriditate Attalica aulaea, clamides, pallae, plagae, aurea“. Non. S. 862: et est tamquam paludamentum barbarici habitus militaris.

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    Dazu Plinius: „Das Einwirken von Gold erfand […] in Asien König Attalos, weshalb der Fachausdruck ‚attalisch‘ lautet“934. Zu Plinius’ Zeiten gehören aulaea zur Theatereinrichtung. Er erzählt, dass Sullas Stiefsohn, Scaurus, ein Theater errichten ließ, das besonders groß war. Die ganze Einrichtung, unter der sich auch eine attalische vestis befand, hatte einen Wert von 30 Millionen Sesterzen; sie wurde später ausgelagert und von wütenden Sklaven verbrannt935. „Darum magst du alle Vorhänge der Flora, der Ceres und der Cybele fahren lassen: soviel großartigere Spiele bietet das Treiben der Menschen“, rät Juvenal936. Von mit Gold durchwirkten Textilien ist verhältnismäßig viel die Rede. So bestanden die Bahrtücher Kaiser Augustus’ aus solchen937. Servius ist der Meinung: „Aulaea aber heißen sie von der Aula des Königs Attalus her, in der zuerst gewaltige Vorhänge gefunden wurden, nachdem er das römische Volk als Erben eingesetzt hat“938. Mit verschwenderischer Stofffülle ausgestattete gemalte Behänge und Wandteppiche waren in Pompeji ein dekorativer Schmuck, die sicherlich auch in der Realität vorhanden waren939. Es braucht nicht eigens betont zu werden, dass einfache Leute ohne aulaea und Purpur auskommen mussten, doch lebte es sich bei ihnen nicht zwangsläufig schlechter, findet Horaz940. Isidor spricht die vela oder aulaea in der Halle des Königs Attalos an. Die ganze Pracht des alttestamentarischen Tempelbezirkes und den mit den Säulen, dem farbigen Vorhang, die mit goldenen Ringen an den Schlaufen versehenen Umhänge und Decken des silberbeschlagenen Tabernakels, die Textilien, die mit hyacinthina, purpura und dem in Doppelfärbung leuchtenden Kermes prachtvoll gestaltet waren, der Leuchter und die anderen Kult934

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    Plin. 8, 196: aurum intexere in eadem Asia invenit Attalus rex, unde nomen Attalicis. Attalos III. (171–133 v. Chr.) vererbte den Römern testamentarisch sein Land und den Staatsschatz, den Tib. Gracchus für sein Ackergesetz einzusetzen hoffte. Im Gegenzug wurde Pergamon für frei erklärt. Plin. 36, 115: reliquus apparatus tantus Attalica veste, tabulis pictis, cetero choragio fuit, ut, in Tusculanam villam reportatis quae superfluebant cotidiani usus deliciis, incensa villa ab iratis servis concremaretur HSCCC. Juv. 14, 262–264: ergo omnia Florae et Cereris licet et Cybeles aulaea relinquas: tanto maiores humana negotia ludi. Cass. Dio 56, 34, 1. Serv. georg. 3, 25:. aulaea autem dicta sunt ab aula Attali regis, in qua primum inventa sunt vela ingentia, postquam is populum Romanum scripsit heredem. Literatur in archäologischem Kontext dazu: Klaus Stemmer, Casa dell’Ara massima (VI 16, 15–17), München 1992, 33. 49. 56 Abb. 80; Giovanni Pugliese Carratelli (Hrsg.), Pompeji, Pitture e Mosaici VI (Häuser in Pompeji 6), 1996, 255 ff. Abb. 54–56 (VII 1,25) [AB 6 Xf 6750–6 (evt. auch 7?)]; Theodor Kraus und Leonard von Matt, Pompeji und Herculaneum, Köln 1973, Abb. 162. Hor. carm. 3, 29, 15.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    gegenstände erinnerten ihn sicher an die legendäre Palasthalle. „Vela umbehanch. Aulea dicuntur vela picta gemalte umbe(h)anch“, so das Summarium Heinrici941. 9. cortina Behang Cortinae waren nach Exodus für die Innenwände des Tabernakels anzufertigen; cortinae heißen die Behänge im Tempelvorhof942. Als das jüdische Volk auf seiner vierzigjährigen Wanderung durch die Wüste unterwegs war, bewahrte man die heiligen Dinge in einem Zelt oder Tabernakel auf. Nach Ex 26 webte man hierfür zehn Behänge, cortinae. Jeder hatte eine Länge von 28 Ellen (12,60 m) und eine Breite von 4 Ellen (1,80 m). Gewebt waren sie aus weißem, doppelt gezwirntem Leinen, byssus, und in den Farben Hyazinth, Purpur und zweimaliger Kermesfärbung. Sie wurden mit eingewirkten Cherubim verziert. Jeweils fünf Bahnen wurden zusammengenäht und diese Teile durch 50 kleine blaue Schlaufen, ansulae, und 50 goldene Ringe, circuli, verbunden943. Eine cortina vor dem Bett des assyrischen Königs Holofernes verbarg dessen Leiche944. 10. cilicium Ziegenhaardecke (vgl. c. 22, caprina) Das Tabernakel bekam eine Außenhaut von elf gewebten dicken saga cilicina, in Bahnen von 30 Ellen Länge (13,50 m) und 4 Ellen Breite (1,80 m). Diese waren damit geringfügig länger als die Teppiche des Tabernakels. Hier sollte man einmal fünf und einmal sechs Teile zusammenfügen. Die beiden Teile bekamen fünfzig an den Rändern angebrachte Schlaufen, die mit fünfzig bronzenen Fibeln geschlossen wurden. Das zusätzliche sechste Teil schützte den Eingang945.

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    SH 2, 4, S. 34. Z. B. Ex 26, 1–6. bzw. Ex 35, 17. Ex 26, 1–6. Jdt 14, 13–14 Ex 26, 7–8: facies et saga cilicina undecim ad operiendum tectum tabernaculi longitudo sagi unius habebit triginta cubitos et latitudo quattuor. – Ex 36, 14: fecit et saga undecim de pilis caprarum ad operiendum tectum tabernaculi. – Ex 36,18: Zusätzlich legte man über das Dach rotgefärbte Widderfelle und darüber Dachsfelle( ? ). – Isid. expos. in exod. 56, 7, in: Migne Pl 83, Sp. 316/317: Per pilos autem caprarum, ex quibus ciliciorum asperitas texitur, dura paenitentiae afflictio designatur.

    c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe)

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    Über die Völker der Halbinsel Arabiens schreibt Plinius: „Hinter den Nomaden und den Bedrängern der Chaldaier wohnen zum Abschluß die Skeniten, […] ihrerseits ebenfalls umherstreifend, aber so nach ihren Zelten, tabernacula, benannt, die sie aus Ziegenhaardecken, cilicia, aufstellen, wo es ihnen beliebt“946. Zu den archäologischen Funden schreibt Ulla Mannering: „Es gibt eine Menge Ziegenhaar-Textilien in Ägypten, viele davon aus römischer Zeit, es wird allgemein angenommen, dass es sich um Fragmente von Matten oder ähnliches handelte“947. Isidors Mönchsregel bestimmt in c. 13, dass exkommunizierte Mönche nur dünne oder Ziegenhaardecken haben dürfen948.

    c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe) 1 a. lana, 1 b. linum, 2. stuppa, 3 a. tomentum, 3 b. cannabum, cannabis, 4 a. byssum, byssus, 4 b. fibrinum, 4 c. aranea, 5 a. bombyx, 5 b. sericum, 5 c. placium Weitere Rohstoffe Tertullian fasst in seiner Werbeschrift für den Gebrauch des pallium um 200 die damals wichtigsten Rohstoffe in unnachahmlicher Kürze zusammen: „[Seit jener Zeit gab es] das Material. Ich spreche nicht von den milesischen, selgischen oder altinischen Schafen oder jenen, durch die Tarent oder die Baetica berühmt sind, weil die Natur sie färbt, vielmehr [spreche ich davon], dass auch Bäume/Sträucher kleiden [Kleidung liefern] und das Grasartige des Flachses, nachdem es ursprünglich grün war, durch die Wäsche weiß wird wie Schnee. Und es sollte nicht genug sein, Tuniken zu pflanzen und zu säen, wäre es nicht gelungen, Kleidung auch zu fischen; denn auch aus dem Meer kommt Vlies, insofern größere Muscheln Haare von moosartiger Wolligkeit tragen. Ferner ist nicht unbekannt, dass der Bombyx, was er flüssig ausscheidet und durch die Luft spannt, gekonnter als die Sonnenuhren[-Netze] der Spinnen, dann wieder verschlingt, alsbald aus dem Unterleib wieder von sich gibt. Wenn du ihn getötet hast, rollst du daher schon von dem Gespinst die Kettfäden ab“. Mit dieser Aufzählung 946

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    Plin. 6, 143: Nomadas infestatoresque Chaldaeorum Scenitae, ut diximus, cludunt, et ipsi vagi, sed a tabernaculis cognominati, quae ciliciis metantur ubi libuit. Copenhagen, Mitteilung vom 19. Mai 2006. Ref. Jane Batcheller, Goat-hair textile from Karanis, Egypte, in: P. Walton Rogers (ed.), The Roman Textile Industry and ist Influences, London 2001. Isid. reg. monach. c. 13.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    sind bis auf Hanf und Baumwolle die damals gebräuchlichsten Rohstoffe genannt“949. „Die Ägypter erfanden das Weben, das Färben der Wolle zu Sardes die Lyder; Kloster, der Sohn der Arachne, erfand die Spindeln, fusi, für die Wollarbeit, das Leinen und Netze (Garne), linum et retia, Arachne, das Walken Nikias aus Megara“950, überliefert Plinius. 1 a. lana Wolle Plinius bezeugt: „Die alten Römer brachten der Wolle auch religiöse Wertschätzung entgegen, indem sie den Jungvermählten vorschrieben, die Türpfosten damit zu berühren; außer Bekleidung und Schutz gegen Kälte gewinnt man aus frischgeschorener Wolle sehr viele Heilmittel“951. In seinen Gesprächen über die Landwirtschaft berichtet Varro Einzelheiten über Herdentierhaltung und gibt Hinweise zur Zucht und Einblick in den Viehhandel. Unter den Tieren „wurden, glaubt man nicht ohne Grund, zuerst die Schafe hinzugenommen, sowohl wegen ihrer Nützlichkeit als auch wegen ihrer Sanftheit. […] Für das Essen lieferten sie nämlich – zusätzlich aufgetischt – Milch und Käse, für den Körper Kleidung und Felle“952. Er erwähnt die mit einem Schutzfell bekleideten Schafe „die – wie zum Beispiel die tarentinischen und attischen – wegen ihrer vorzüglichen Wolle mit Tierfellen bedeckt werden, damit ihre Wolle nicht so verschmutzt wird, dass sie nicht richtig gefärbt oder gewaschen und gereinigt werden kann“953. Über die Gewinnung der Wolle heißt es: „Die Schurzeit [der Schafe] liegt zwischen Frühlingstagundnachtgleiche und Sommersonnenwende, wenn die Schafe zu schwitzen angefangen haben; nach diesem Schweiß, 949

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    Tert. pall. 3, 6: Exinde materia. Nec de ovibus dico Milesiis et Selgicis et Altinis, aut quis Tarentum vel Baetica cluet natura colorante, sed quoniam et arbusta vestiunt, et lini herbida post virorem lavacro nivescunt. Nec fuit satis tunicam pangere et serere, ni etiam piscari vestitum contigisset; nam et de mari vellera, qua muscosae lanositatis lautiores conchae comant. Prorsus haud latet bombycem, quae per aerem liquando araneorum horoscopis idonius distendit, dehinc devorat, mox aluo reddere. Proinde, si necaveris, a nemate iam stamina volves. Plin. 7, 196. Plin. 29, 30; nicht nur hier folgt eine Liste der verschiedenen Rezepte, in Plin 20, 29 steht ein Beispiel von vielen: In naturfarbene Wolle eines Schafes, das ein weibliches Lamm geworfen hat, legt man Wurzeln z. B. von Eibisch und wilden Malven und bedeckt damit Geschwüre und Knorpel-und Knochenbrüche“. Varro rust. 2, 1, 4. Varro rust. 2, 2, 18.

    c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe)

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    dem sudor, hat man die frischgeschorene Wolle als sucida bezeichnet. Frischgeschorene Schafe reibt man noch am selben Tag gründlich mit Wein und Olivenöl ein, manch einer, nachdem er weißes Wachs und Schweinefett beigemischt hat; und wenn das Schaf mit einem Fell bedeckt zu sein pflegt, reibt man das Fell, das er als Decke getragen hat, mit demselben Mittel innen gründlich ein und legt es ihm wieder auf. […] Einige scheren sie zweimal im Jahr, wie es zum Beispiel im östlicheren Spanien der Fall ist, und nehmen im Abstand von sechs Monaten die Schuren vor. […] Ist [die Wolle] heruntergenommen und zusammengeballt, sprechen die einen von vellera, die anderen von vellimna. Aus deren Bezeichnung für Vliese kann man ersehen, dass man eher darauf kam, die Schafe zu rupfen, als sie zu scheren. Soweit man sie auch heute noch rupft, hält man sie vorher drei Tage lang nüchtern, weil man von einem entkräfteten Schaf weniger mühsam die Haarwurzeln zurückbehält. Überhaupt sollen Scherer nach Italien erstmals von Sizilien gekommen sein im Jahr 453 nach der Gründung von Rom“954. Varro schreibt auch: „Schon allein von den Schafen überlieferten [die Menschen] wegen ihres hohen Wertes, sie hätten goldene Felle besessen – wie in Argos das Vlies, […] oder wie in Kolchis […], zu dessen Widders Fell Argonauten von königlicher Abkunft in See gestochen sein sollen, oder wie in Libyen bei den Hesperiden, von denen Herkules […] etliche Ziegen und Schafe von Afrika nach Griechenland weggeholt hat“955. Noch Apuleius erzählt von goldenen Fellen der Schafe, denen Psyche auf Befehl der Venus Flocken stehlen soll956. Zu besonderen Anlässen konnte es vorkommen, dass man die Vliese lebender Schafe mit Purpur, Kermes und Conchylienfarbe färbte. Dazu brauchte man nach Plinius’ Angaben je anderthalb Pfund Farbe, „als wollte die Mode sie zwingen, so geboren zu werden“957. Columella, der berühmte Autor eines Sachbuches über die Landwirtschaft, das er in den sechziger Jahren n. Chr. verfasst, berichtet auch über die Schafzucht. Er behandelt darin auch die Rassen: „Unsere Bauern hielten für besonders gute Rassen die kalabrische, apulische und milesische, unter ihnen an erster Stelle die Tarentiner. Jetzt gelten die gallischen Schafe für wertvoller, vor allem die von Altinum958; ebenso diejenigen, die rings 954 955 956 957

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    Varro rust. 2, 11, 6–10. Varro rust. 2, 1, 6. Apul. met. 6, 11, 4–6. Plin. 8, 197. Tertullian greift diesen Satz auf und verarbeitet ihn, vgl. Tert. cult. fem. 1, 8, 2; 2, 10, 1. Altinum im Land der Veneter nördlich von Venedig.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    um Parma und Modena auf den ‚Dürren Feldern‘ stehen. Ist die weiße Farbe schon die beste, so ist sie vor allem auch am brauchbarsten, weil sie in die meisten anderen verwandelt werden kann, sie selbst aber aus keiner anderen gewonnen wird. An und für sich empfehlen sich durch ihren Wert auch Schwarzgraue und Schwarzbraune, wie sie Pollenza in Italien, Corduba in der Baetica und Kleinasien mit rötlicher Tönung bieten; man nennt diese Rotschafe. […] Da nämlich in die Stadt Gades [Cadiz] aus den benachbarten Gegenden Afrikas wilde Widder von prächtiger Färbung […] eingeführt wurden, kaufte sich mein Onkel Markus Columella, ein scharfsinniger Mann und ausgezeichneter Landwirt, einige davon“. Als Ergebnis kam der Onkel zu dem Schluss, dass die Enkelschafe die Vorzüge beider Rassen in sich vereinigten, denn sie „wiesen die Weichheit [der Wolle] ihrer Mütter und die Farbe ihrer Väter und Großväter auf959. Anschließend gibt der Autor Ratschläge für den Kauf von Widdern und die Bedeutung für die Farbstabilität. Weiter erläutert er, dass sich die Zucht der Tarentiner nur lohne, wenn der Besitzer anwesend sei, denn diese Tiere seien besonders empfindlich. Sie vertrügen weder Kälte noch Hitze und müßten fast immer „unter Dach gefüttert“ werden. Man müsse dem Schaf „öfter die Decke abnehmen und es abkühlen“ lassen, „seine Wolle auflockern und mit Wein und Öl tränken, manchmal sogar ganz waschen“. Die Ställe müßten immer völlig sauber sein. Wenn Columella sich ganz allgemein zu Schur, Nachbehandlung des geschorenen Schafes und Schafheilkunde äußert, wird deutlich, wie viel Wissen und Erfahrung nötig waren, wollte man eine gute Wolle erhalten960. Plinius’ Bericht über die Qualitätsmerkmale der Wolle in einzelnen Regionen deckt sich mit dem der anderen Autoren, ein Zeichen dafür, dass die Ansichten hierüber unstrittig waren. „Der Fluss Melas in Böotien färbt die Schafe schwarz, der Kephisos, der aus dem gleichen See fließt, macht sie weiß, der Peneios wiederum schwarz, der Xanthos bei Ilion rötlich, woher auch sein Name kommt“, notiert er innerhalb einer Aufzählung von Eigenschaften verschiedener Flüsse961. Er berichtet: „Es gibt zwei Hauptarten von Schafen, das starkwollige und das Landschaf; jenes hat weichere Wolle […]. Die apulischen haben kurze Wolle und sind nur durch paenulae berühmt. In der Gegend rund um Tarent und Canusium [Canosa] sind sie von bester Herkunft, in Asien von derselben Art zu Laodikeia [Latakie, Stadt in Syrien]. Weiße Wolle wird nirgends höher geschätzt, als an den Schafen der Po-Gegend, und doch ging […] der Preis für das Pfund Wolle 959 960 961

    Colum. 7, 2,3–5. Colum. 7, 4–5. Plin. 2, 230.

    c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe)

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    niemals über hundert Sesterzen hinaus. Schafe werden nicht überall geschoren; mancherorts hält sich noch die Sitte, sie zu rupfen. Farben gibt es in mehreren Arten […], von den sogenannten naturfarbenen gibt es einige Spielarten: Spanien bringt hauptsächlich Schafe mit schwarzem Vlies hervor, Pollenza in der Nähe der Alpen mit weißem, Asien die sog. erythräischen [Troia, Klazomenai, Erythrai und Kolossai im Nordwesten von Kleinasien] mit rötlichem, ebenso die Baetica, Canusium [Canosa] mit gelblichem und Tarent eines von eigentümlich dunkelbrauner Farbe“962. Auch andere Quellen loben Wolle aus bestimmten Regionen. Ein reicher Freigelassener besaß „zahllose Herden“ im gallischen Parma“963. Eine gallische Weberei an der Mosel lieferte dicke Tuche964. Auch die leukonische Wolle für die Polster stammte von gallischen Völkern965. Martial gewichtet: „Für die beste Wolle ist Apulien berühmt, Parma für die zweitbeste966: den drittbesten Schafen verleiht Altinum den Preis“967. Kaiser Nero befand deshalb die Wolle aus Canosa, der schon erwähnten Stadt im Weideland Apulien, für wert, damit seine Maultiertreiber auf der Reise zu kleiden968. Auch Syrer konnten in Canusiner Wollkleidern an der Tragstange einer Sänfte schwitzen969. Canusinische Schafe und Falernerreben waren Geschenke, die eine Frau gern hatte, vielleicht sogar der Autor Juvenal selbst970. Martial erwähnt Wolle aus Venetien971, und Juvenal hebt besonders die weiche Wolle des euganeischen Schafes aus Altinum hervor972. Die Wolle der Schafe des weißen Galaesus, der die Fluren von Tarent bewässert, lobt Martial und erwähnt die Pollentiner Wolle aus Ligurien, „die durch ihre dunkle Farbe Trauer trägt“973.

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    Plin. 8, 190–192. Mart. 5, 13: tondet et innumeros Gallica Parma greges. Mart. 6, 11: te Cadmea Tyros, me pinguis Gallia vestit: vis te purpureum, Marce, sagatus amem? Siehe gausapina, c. 26. Der Ausspruch, man bekleide jemanden mit gallischer Wolle, lässt sich ohne genauere Ortsangabe nicht einordnen. Die Leuci waren ein Stamm in Belgien; Mart. 11, 21 und 11, 56. Die Kalkhochflächen im Innern Apuliens sind berühmt für ihre Schafherden. Parma liegt am Nordrand des Apennin. Mart. 14, 155. Überschrift: Lanae albae. Suet. Nero 30, 3. Mart. 9, 22. Juv. 6, 150. Vgl. Mart. 13, 125, der gleiches schreibt. Timavus, Fluss in Venetien; Mart. 8, 28. Juv. 8, 15. Die Euganei waren ein Stamm in Venetien, hier wurde vorzügliche Wolle produziert. Mart. 12, 63: „Schafe des weißen Galaesus“ (Tarent). Mart.14, 157.

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    Lydische Wolle kam aus Kleinasien974. Lakedämonische Wolle [aus Sparta] war Martials Ansicht nach besser als der Purpur der Leda975. Ob die lacernae aus Theben, die ein „aufgeblasener Kaufmann“ seinem Anwalt als Geburtstagsgeschenk mitbringen sollte, aus Leinen oder Wolle waren, ist leider nicht überliefert976. Martial findet, das Tragen einer Lacerna aus bätischer Wolle sage noch nichts über den Charakter eines Mannes aus977. Diese Wolle wurde ihres Glanzes wegen hochgerühmt: „Baetis […], der du goldene Vliese mit deinen glänzenden Wassern färbst“978. Schafwolle aus Baetica, die „selbst die Natur des edlen Grases färbte, der aber auch die vortreffliche Quelle mit verborgenen Kräften und die Luft am Baetis förderlich ist“979, – auch für Juvenal war die Wolle etwas Besonderes. Ziegenwolle kam ebenfalls aus der Zucht, diese Tiere brauchten einen anderen Standort mit viel Unterholz. Von Varro hören wir: „Geschoren wird die Ziege, weil Tiere dieser Rasse grobe Zotten aufweisen, in einem großen Teil Phrygiens; daraus pflegen die Kilikerteppiche und die übrigen Erzeugnisse dieser Art hergestellt zu werden. Doch behauptet man, diesen Namen hätten die Kiliker ihnen beigelegt, weil diese Schur zuert in Kilikien eingeführt worden sei“980. Plinius fasst diesen Satz so zusammen: „In Kilikien und in der Gegend der Syrten tragen die Ziegen ein Fell, das man scheren kann. […] Am Kinn hängt allen ein Büschel Haare herab, das man Ziegenbart nennt“981. Über die Verwenung schreibt Varro: „Wie das Schaf von der Wolle zur Kleidung Ertrag abwirft, so die Ziege von den Fellhaaren zum Seemannsbedarf und zu Kriegskatapulten und Handwerkerausrüstungen“982. Columellas Erfahrung zufolge war ein Bock mit kleinen Warzen unter den Kinnbacken, „mächtigem Körperbau, dicken Beinen, vollem und ge-

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    Mart. 9, 65. Mart. 14, 156. Mart. 10, 87. Mart. 1, 96. Mart. 12, 98. Vgl. Mart. 5, 37; Mart. 9, 61: qua dives placidum Corduba Baetin amat, vellera nativo pallent ubi flava metallo et linit Hesperium brattea viva pecus. Juv. 12, 40–43: atque alias quarum generosi graminis ipsum infecit natura pecus, sed et egregius fons viribus occultis et Baeticus adiuvat aer; vgl. Kommentar FN 13 S. 418. Varro rust. 2, 11,12. Plin. 8, 203: in Cilicia circaque Syrtes villo tonsili vestiuntur. […] dependet omnium mento villus, quem aruncum vocant. Varro rust. 2, 11, 11. Dazu gehören z. B. Seile für die Katapulte und aus der Schurwolle werden Decken und Umhänge für die Ruderer gewebt.

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    drungenem Nacken, […] schwarzem, dichtem, glänzendem und sehr langem Haarkleid“, das geschoren wurde, am besten983. Mufflons, deren „Fell aber mehr dem Ziegenhaar als dem Schafvlies gleicht“, soll es in Spanien und Korsika gegeben haben, ihre Kreuzung mit Schafen „nannten die Alten Umbrer“984. Kamelhaarwolle war selbstverständlich bekannt. Sie ist in der Mischna erwähnt: „Wenn der größere Teil vom Kamel stammt, ist es erlaubt [mit Flachs zu mischen], aber wenn der größere Teil vom Schaf stammt, ist es verboten“985. 1 b. linum Leinen Pflanzenfasern werden heute eingeteilt in Pflanzenhaare, Weichfasern und Hartfasern. Zu den Pflanzenhaaren gehört u. a. die Baumwolle, zu den Weichfasern gehören Flachs und Hanf. Aus Flachs wird die Leinfaser gesponnen; im Material gibt es sehr große Qualitätsunterschiede. Wenn die Pflanze beispielsweise bei der Ernte noch jung und grün ist, kann man sehr feine Fäden daraus herstellen; wird sie später gerauft986, eignen sich die Fasern für eine gute, durchschnittliche Stoffqualität. Wird der Flachs jedoch geerntet, „wenn die Pflanze alt ist, kann man die Fasern zur Herstellung eines groben Stoffes und für Seile verwenden“987. Gegenüber anderen Bastfasern ist die Flachsfaser gut teilbar, daher konnte sie in Ägypten aneinander gespleißt werden, womit fast durchsichtiger Batist erzielt wurde. Oder sie wurde zu feinem und feinstem Garn versponnen. Ein Hinweis auf Leinen findet sich bei Herodot. Er berichtet, der Brustpanzer der Assyrer sei aus Leinen gemacht988. Plinius beschäftigt sich ausführlich mit dem Lein989: „Man sät ihn im Frühjahr und reißt ihn im Sommer aus“990. Er kann „weder zu den Feldfrüchten noch zu den Gartengewächsen gerechnet werden – doch in welchem Lebensbereich trifft man 983 984 985 986

    987

    988 989

    990

    Colum. 7, 6, 2. Plin. 8, 199. Mischna Traktat Kil. 9, 1. Zur vollständigen Verwendung der ganzen Faser wird der Flachs mit der Wurzel ausgezogen. G. Vogelsang-Eastwood, Die Kleider des Pharao, S. 19. Außerdem erntet man noch zusätzlich Leinsamen. Herodot, Neun Bücher zur Geschichte 7, 63. Plin. 19, 1–25. Plinius hat nirgends in poetischeren Sätzen über eine Pflanze geschrieben, als über den Lein. Plin. 19, 7.

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    ihn nicht an? […] und damit wir auch fühlen, daß der Anbau gegen den Willen der Natur geschieht, versengt der Lein das Feld und verschlechtert auch den Boden“991. Plinius bewundert vor allem die Segel, die vieles erst möglich machen: „Was gibt es für ein größeres Wunder als eine Pflanze, die Ägypten so nahe an Italien heranrückt, daß Galerius von der Sizilischen Meerenge in sieben Tagen, Balbillus, ebenfalls ein Statthalter, in sechs Tagen nach Alexandrien gelangte, im anschließenden Sommer aber Valerius Marianus, einer aus dem Kreis der Senatoren prätorianischen Rangs, die Strecke von Puteoli [Pozzuoli] aus trotz äußerst schwachen Windes in neun Tagen schaffte? […] Man sät etwas, um Wind und Stürme einzufangen, […] und was über den Erdkreis [die Schiffe] bald hierhin, bald dorthin führt, entsteht letztlich aus einem winzigen Samenkorn, erhebt sich mit einem so dünnen Stengel nur wenig über den Erdboden und wird nicht durch seine eigenen Kräfte zusammengefügt – nein, erst nachdem es gebrochen, zerquetscht und gewaltsam bis zur Weichheit von Wolle bearbeitet ist, dient es dazu, das Meer mit höchster Kühnheit zu befahren“992. Die weitere Verarbeitung von der Reife der Pflanze bis zum fertigen Produkt wird im Einzelnen ausgeführt993. „Ägypten kann man den Leinanbau noch verzeihen, damit es die Waren Arabiens und Indiens importieren kann […], doch weben […] alle Gallier Segel, sogar schon unsere jenseits des Rheins siedelnden Feinde; und ihre Frauen dort kennen keine schöneren Kleider […]. In Germanien aber verrichten sie diese Arbeit in abgetieften Räumen“994. Plinius zählt einige berühmte Anbau- und Herstellungsgegenden auf. Den ersten Rang nahm der Lein aus Faventia [Faenza]995 an der Via Aemilia ein, den zweiten der aus Retovium [Ritorbio]996, den dritten Rang erhielt in Europa der „von Saetabis“997. Plinius fügt einige Erläuterungen an: „Der Lein aus Retovium ist von höchster Feinheit und Dichte, ebenso weiß wie der von Faenza, aber nicht wollartig, was manchen angenehm ist, andern aber mißfällt“. Ausschlaggebend war die gleichmäßige Fadenstärke, „fast wie bei Spinnweben; wenn man ihn [den Faden] mit den Zähnen prüft, gibt er einen klingenden Ton von sich“. Der Preis war deshalb doppelt so hoch wie bei dem übrigen Lein998. Spanischer Lein war berühmt durch das Wasser „eines an Tarraco vorbeifließenden Gebirgs991 992 993 994 995 996 997 998

    Plin. 19, 2 und 6. Plin. 19, 3–5. Plin. 19, 16–18. Plin. 19, 7–9. Stadt in Galllien, nahe Parma. Stadt in Ligurien. Stadt im tarrakonischen Hispanien. Plin. 19,9.

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    baches, in dem man den Lein glättet“, hier wurde auch der carbasus erfunden. Netze für den Fisch- und Vogelfang wurden aus spanischem Leinen geknüpft. In Zoelae, einem Ort in Galizien, stellte man besonders stabile Jagdnetze her, die aus Cuma in Campanien hielten selbst Eberborsten stand. Einige besonders feine Netze konnte man sogar durch einen Fingerring ziehen, die laut Plinius, der sie gesehen haben will, einen ganzen Wald zu umspannen vermochten; einzelne Fäden wurden 150-fach verzwirnt. Ein weiterer Name, den Plinius nennt, war das noch zu seiner Zeit geschätzte pälignische Leinen, das von den Fullern verwendet wurde999. Der stärkste Leinenpanzer, im Tempel der Minerva in Lindos auf Rhodos aufgehängt, war der Brustpanzer des früheren ägyptischen Königs Amasis, der aus gezwirntem Garn mit 365 Einzelfäden bestanden habe. Er wurde so bewundert, „daß infolge der Beschädigung durch […] Untersuchungen nur noch geringe Reste vorhanden“ waren1000. Besonders hebt Plinius den ägyptischen Lein hervor: zwar hat er „am wenigsten Festigkeit, bringt aber den meisten Gewinn. Es gibt vier Sorten davon: die tanitische, die pelusische, die butische und die tentyritische, benannt nach den Namen der Landschaften, in denen sie wachsen“. (Bei dem anschließend genannten xylinischen Lein wird es sich um Baumwolle gehandelt haben)1001. Leinen wurde universell gebraucht. Unterschiedliche Qualitäten wurden auch unterschiedlich benannt. So dokumentiert Nahum ben Jehuda sieben verschiedene Ausdrücke für Leinen im Alten Testament: Sˇesˇ, Kütoneth, Bäd, Pisˇtim, Büs¸, ’Et¸ün und Miqwe1002. Ein gern gesehener Luxus war der Sonnenschutz, der über die Theater, über das ganze Forum und die Straße bis zum Kapitol gespannt wurde. Mit diesen Geschenken machten sich die Herrscher beim Publikum beliebt. Nero ließ sogar himmelblaue Sterne auf den Sonnenschutz anbringen. Schon Alexander der Große hatte die Insignia (wohl Flaggen) seiner Schiffe verschiedenfarbig färben lassen, und Kleopatra fuhr auf dem Schiff des Imperators M. Antonius mit einem purpurnen Segel1003. Weißes Leinen war das vorgeschriebene Material für viele Priestergewänder. Vom Isiskult und der Verehrung der Ceres in weißen Gewändern mit Ährenkränzen sprechen verschiedene Schriftsteller, so z. B. Ovid, Sue-

    999 1000 1001 1002 1003

    Die Paeligni waren eine italische Völkerschaft. Plin. 19, 10–13. Plin. 19, 14. Nahum ben Jehuda, A frech look at the linen in the Hebrew Bible. Plin. 19, 23–24 bzw. 22.

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    ton und Apuleius1004. Aus weißem Leinen bestanden die Tuniken der jüdischen Priestergewänder1005. In Leinentüchern bestattete man viele Tote1006. In einer politisch brisanten Situation trug Augustus unter seiner Kleidung eine lorica, die vermutlich aus Leinen war1007. Als Galba um sein Leben fürchtete, zog er sich eine leinene lorica an, „obwohl er sich nichts vormachte, daß sie gegen so viele Dolche kaum etwas nützen werde“1008. Zu den Leinewebern gehörten „nach Ausweis der (Gießener) Papyri sowohl Freie als auch Sklaven beiderlei Geschlechts ägyptischer und griechischer Nationalität […]. Die Kunst der Verarbeitung wurde innerhalb einer Familie von Generation zu Generation vererbt. Neben der Papyrusherstellung machte die Textilindustrie mit der Verarbeitung des teuren Leinens den Reichtum Ägyptens aus“. Caracalla ordnete in einem Erlass an: „Alle Ägypter, die in Alexandria sind, und vor allem Bauern, die von woanders her flüchtig sind und leicht ausfindig gemacht werden können, sind überall in jeder Weise auszuweisen“. Dabei nahm er die Leineweber ausdrücklich aus, denn „eine Ausweisung der Leineweber als Hersteller dieser auch für den Export bedeutsamen Luxuskleidung“ erschien ausgeschlossen1009. Sarmaten und Quaden verwendeten Panzer, die „aus geglätteten und blankgeriebenen Hornstücken“ hergestellt wurden und die man nach Art von Federn auf ihre Leinenkleider nähte1010, überliefert Ammianus. 2. stuppa Werg, ungeglättetes Leinen [Seil] Die beim Schwingen und Hecheln angefallene Hede (kurze, verworrene Bastfasern) wird teils zu Gespinsten geringerer Güte wie Hedegarn versponnen, teils zu anderen Zwecken verwendet. So wird daraus beispielsweise grobfädiges, unreines Leinengewebe wie Wergleinen hergestellt. Wenn Isidor von stuppa spricht, kann er allerdings, wie Plinius, auch Rohmaterial meinen, das von Fasern aufbereitet wurde, die spät geerntet und 1004

    1005 1006 1007 1008 1009

    1010

    Ov. met. 1, 746 und 10, 431–433; fast. 4, 616–620; Suet. Otho 12, 1; Apul. met. 11, 10, 1. Siehe c. 20 und Orig. z. B. in Lev 9, 2, 420. Apul. met. 4, 11, 7. Suet. Aug. 35, 1. Vgl. dagegen Isid. Et. 18, 13. Suet. Galba 19, 2. Die Giessener literarischen Papyri und die Caracalla-Erlasse, S. 250, dazu S. 255. – Die Auszuweisenden waren, so der Erlass, „leicht erkennbar […] an ihrer Sprache oder (daran), daß sie anderes Aussehen und andere Kleidung“ hatten. Amm. 17, 12, 2: loricae ex cornibus rasis et levigatis plumarum specie linteis indumentis innexae.

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    deshalb sehr hart waren, da die Gewinnung von Leinsamen im Vordergrund stand. Stuppa konnte zur Herstellung von Lampendochten verwendet werden1011. Vergil beschreibt in der Aeneis einmal brennende Schiffe: „Doch darum verliert die lodernde Feuersbrunst noch nicht ihre unbändige Kraft: Unter den nassen Eichenplanken glimmt das Werg“1012. Mit Seilen aus stuppa wird das trojanische Pferd von den Griechen in die Stadt gezogen1013. Als kleiner Exkurs sei vermerkt, dass Gellius aus einer Schrift von Varro berichtet: „Auch die Liburner […] fügten meistens ihre Schiffe mit Riemen [aus spartum] zusammen, die Griechen mehr mit Hanf- und Heede-[Flachs-]Werg und anderen Saaterzeugnissen […], woher sie auch den Namen „Gesätes“ erhielten“1014. Festus stellt fest: „Die griechischen Dorier nennen ungeglättetes Leinen stuppa“1015. Stuppae, hier wohl als Hanfseile, wurden laut Persius eingeführt, denn er zitiert die Habgier: „Er fragt noch! Na, Salzhering hol’ vom Schwarzmeer, Bibergeil, Hanf, stuppa, Ebenholz, Räucherwerk, süffigen Koer“1016. Ammian beschreibt eine Skorpion oder Wildesel genannte Belagerungsmaschine, an der eine Schleuder aus Werg oder Eisen hing. „Vor dem Holzarm aber ist als Widerlager eine große, härene, mit Häcksel vollgestopfte Decke ausgebreitet“1017Wenn Isidor stuppa hier so viel Raum gibt, kann das damit zusammenhängen, dass der Begriff im Dankgebet Daniels nach der Errettung aus dem Feuerofen genannt wird: „Und die Diener des Königs, die sie in den Feuerofen geworfen hatten, hörten nicht auf und warfen immerzu Öl und Werg und Pech und Brandpfeile“1018. Diese Art von stuppa meint Isidor möglicherweise.

    1011 1012 1013

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    Plin. 19, 17. Verg. Aen. 5, 680–682. Verg. Aen. 2, 235–237: accingunt omnes operi pedibusque rotarum subiciunt lapsus et stuppea vincula collo intendunt. Gell. 17, 3, 4. Fest. S. 418: Stuppam linum inpolitum appellant Graeci Dorii[s]. Pers. 5, 134–135: rogat! en saperdas advehe Ponto, castoreum, stuppas, hebenum, tus, lubrica Coa. Amm. 23, 4, 5: e quibus pendet stuppea vel ferrea funda, cui ligno fulmentum prosternitur ingens, cilicium paleis confertum minutis validis nexibus illigatum. Dn 3, 46: succendere fornacem naphta et stuppa et pice et malleolis; das Dankgebet Daniels gehört zu den zentralen Gebeten der Benediktiner.

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    3 a. tomentum Polstermaterial Über tomentum lässt sich bei Plinius erfahren: Wenn die Wolle in den Kesseln gewalkt ist, „wird sie dann zu Polstern verarbeitet, wie ich glaube, eine Erfindung der gallischen Länder; jedenfalls gebraucht man zur Unterscheidung heute noch gallische Wörter“1019. 3 b. cannabum, canabis Hanf „Der Hanf wuchs ursprünglich mit schwärzeren und rauheren Blättern in den Wäldern. Sein Same soll die Zeugungsfähigkeit der Männer zerstören“1020. Von den gezüchteten Sorten, weiß Plinius zu berichten, gebe es die beste aus Alabanda, die zweitbeste Sorte in Mylasa. Der Hanf sei für Taue und Netze nützlich, und Plinius beschreibt ausführlich Aussehen und Ernte1021. „Auf ein gerolltes Hanfseil gelehnt, nimmst du dein Mahl auf der Ruderbank ein“, sagt Aules Persius Flaccus in einer Satire1022. 4 a. byssum, byssus Leinen, Baumwolle, Muschelseide Byssum ist kein bestimmtes Material, sondern ein Qualitätsbegriff, hinter dem sich die Rohstoffe Leinen, Baumwolle und Muschelseide verbergen können. Welches das besondere Qualitätsmerkmal war, das den leinenen byssum von den anderen Qualitäten unterschied, kann nicht genau gesagt werden. Es war wohl die Feinheit der einzelnen Fäden und seine besonders weiße Farbe. Laut Plinius gebührt dem „Lein“, „der vom Feuer nicht verzehrt wird“, nämlich dem Asbest, der erste Rang; gleich anschließend „folgt der feine byssus, der von den Frauen am meisten geschätzt wird und rings um Elis in [der Provinz] Achaia hergestellt wird. Wie ich finde, wurden einst für einen scrupulus, wie für Gold, vier Denare bezahlt“1023. Wie von Josephus berichtet, bedankt sich König Ptolemäus für die Übersetzung der Septuagina bei den jüdischen Gelehrten mit kostbaren Geschenken, darunter befanden sich auch 100 Ellen byssus1024. 1019 1020 1021 1022 1023 1024

    Plin. 8, 192. Plin. 20, 259. Plin. 19, 173–175. Pers. 5, 146–147: tibi torta cannabe fulto cena sit in transtro. Plin. 19, 20. Die Provinz Achaia ist eine Halbinsel, mit der Hauptstadt Korinth. Jos. ant. 12, 2, 117.

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    Aus besonders feinem byssus ist die Tunika der Göttin Isis gewebt1025. Hieronymus erläutert in seinem Kommentar zum Buch Daniel, Leinen heiße nach Theodot baddin, nach der Septuaginta byssus, nach Aquila exaireta, was „etwas Besonderes“ bedeute1026. Augustinus warnt, „der Tod des frommen Armen […], dem die Hunde die Geschwüre leckten“, sei besser „als der des gottlosen Reichen in Purpur und Byssus“1027. Wenn Isidor schreibt, byssus sei festes Leinen, so meint er damit das Gewebe der Priestertunika, das aus festem Zwirn hergestellt wurde. Dazu passt, dass Hesekiel die Stadt Tyrus mit einem Schiff vergleicht, das mit Segeln aus farbigem, ägyptischem Byssus ausgestattet war1028. Wie berichtet, waren gute Gewebe immer kostbar, und so werden von Zosimos unter den Geschenken an die Göttin Aphrodite im Heiligtum zwischen Heliopolis und Byblos auch Leinen und Byssus genannt1029. Ob große Frauenumhänge, dalmaticomafortia marina subserica, einen Einschlag aus Muschelseide hatten, ist unsicher, wahrscheinlich handelte es sich um purpurblaue Umhänge1030. Byssus ist eine Art dickere und zugleich stärkere Seide, schreibt Eucherius1031. Leider benennt Tertullian das „aus dem Meer gefischte Vlies“ nicht mit Namen; heute nennt man es Muschelseide oder Byssus, und es hat eine goldgelbe glänzende Farbe1032. Allein aus der Wortwahl lässt sich nicht erkennen, ob das „in der oder durch die See gewirkte/ gearbeitete Kleid“, estheta ten halourge1033, oder ein „in der oder durch die See gewirktes/ gearbeitetes Himation“ (himation halourges)1034, als Purpurkleid angesehen werden soll oder tatsächlich aus Byssus gemacht wurde. Muschelseide war immer nur zu einem sehr hohen Preis zu bekommen. Zu seinen besonderen Eigenschaften gehört auch eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen Feuer1035.

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    Apul. met. 11, 3, 5. Hier. in Dan. 3, 10: pro ‚lineis‘ quod interpretatus est aquila, theodotio ‚baddin‘ posuit, septuaginta ‚byssina‘, aquila exaireta (gr.), id est ‚praecipua‘. Aug. civ. 1, 11, S. 28. Vgl. Lc 16, 19–31, zur Geschichte vom armen Mann und dem reichen Lazarus. Ez 27,7: byssus varia de Aegypto texta est tibi in velum ut poneretur in malo. Zos. 1, 58, 2. Preisedikt 19, 14. Euch. instr. ad Sal. 2, 195, 160: Byssus genus serici grossioris pariter et fortioris. Luther nennt in seiner ersten Bibelübersetzung wohl auch deshalb byssus Seide, z. B. Ex 28, 39. Tert. pall. 3, 6, siehe Kapitelanfang. Cass. Dio 49, 16, 1. Zos. 1, 60. Vgl. c. 28. Freundliche Mitteilung von Felicitas Maeder.

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    4 b. fibrinum Biberwolle, Biberhaar; Quaste Isidor befasst sich viermal mit dem Biber. In 12, 2, 21 spricht er vom Biber (castor) und seinem angeblichen Selbstkastrieren. An den drei anderen Stellen, hier, sowie in 22, 16 und 24, 18 ist die herausgehobene Stellung des Biberhaars schwer zu verstehen. Die Vermutung Isidors, ein birrus könne aus Biberhaaren bestehen (24,18), ist nicht von der Hand zu weisen, war aber sicher nicht die Regel. Biberpelze wurden schon vor 4500 Jahren getragen1036. Der birrus castoreus bei Claudian ist allerdings auf den Heros Castor zurückzuführen1037. Interessant ist eine Interpretation Varros. Er schreibt, der Biber lebe z. B. in Latium und Ägypten „weit weg am linken oder rechten Ufer eines Flusses und ist für gewöhnlich nur aus der Ferne zu sehen“, deshalb hätten die Alten den äußersten Rand eines sagum, die Quasten, mit fimbriae bezeichnet1038. Nach Festus hatte schon Plautus diesen Gedanken geäußert1039. Das Biberfell ist dicht, dick, schwer und strapazierfähig. Seine Unterwolle ist fein, seidenartig, blaugrau bis braun. In der Regel Sanctarum Virginum des Caesarius von Arles wird den Nonnen verboten, Biberpelz zu tragen1040. Ob Caesarius der Auffassung war, bebrinus kennzeichne ein von fernher kommendes, kostbares Material und sollte daher nicht erlaubt sein, ist nicht bekannt. Sie könnte aber in den Kontext passen.

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    Von Hermann Parzinger wird gemeldet: „Mit der Bergung einer 4500 Jahre alten Skythenmumie in der Mongolei ist einem internationalen Forscherteam mit deutscher Beteiligung ein Sensationsfund gelungen. – Der Skythenkrieger sei im Alter zwischen 30 und 40 Jahren gestorben. Die mumifizierte Leiche trage einen gut erhaltenen Mantel aus Biberfell. An der erhaltenen Haut des Oberkörpers fanden sich Tätowierungen“, Zeitungsnotiz afp. Claud. carm. 10, 1: De birro castoreo. Nominis umbra manet ueteris; nam dicere birrum, si Castor iuret, castoreum nequeo. sex emptus solidis! quid sit, iam scire potestis: si mihi nulla fides, credite uel pretio. Varro ling. 5, 79: Fiber, ab extrema ora fluminis dextra et sinistra maxime quod solet videri, et antiqui februm dicebant extremum, a quo in sagis fimbr[i]ae et in iecore extremum fibra, fiber dictus. Der Herausgeber Kent schreibt dazu, dass die etymologische Deutung nicht zutreffend sei. Fest. S. 80. Caes. Arel. reg. virg. 55: Moneo specialius, ut, sicut iam diximus, vestimenta lucida vel nigra vel cum purpura vel bebrina numquam in usu habeantur, nisi tantum laia et lactina.

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    4 c. aranea Spinnenseide Inwieweit die Römer auch Zugang zu Produkten der Nephila madagascarensis und der Miranda aurentia, den auf Madagaskar lebenden Spinnenarten, hatten, ist nicht bekannt. H. A. Möllmann erwähnt sie als Gold- oder Madagaskarspinne, „die in Käfigen gehalten wird“. Spinnenseide gehört zur höchsten Güteklasse1041. In der FAO wird unter dem Titel „non-mulberry silks“ von ihr berichtet: „Because of the high cost of production, spider silk is not used in the textile industry; however, durability and resistance to extremes of temperatur and humidity make it indispensable for cross hairs in optical instruments“1042. Neuerdings wird Spinnenseide auch in der Medizin verwendet, wie in der Medizinischen Hochschule Hannover bei Hauttransplatationen. 5. Seide, Tafel 13 Seide heißen nach dem heutigen Textilkennzeichnungsgesetz Fasern, die aus Kokons seidenspinnender Insekten gewonnen werden. Das Textilkennzeichnungsgesetz macht keinen Unterschied zwischen den Produkten der verschiedenen Seidenspinnerarten. 5 a. bombyx Seidenwurm, hier der Pachypasa otus Drury, aus Assyrien und von der Insel Kos, Tafel 18 Um den Begriff Bombyx zu verstehen, ist es wichtig, die Pliniusquelle 11, 75–78 sehr genau anzusehen. Plinius ist hier häufig missverstanden worden, denn er arbeitet mit besonders dicht gedrängten Informationen, bei denen jede Einzelheit von Bedeutung ist1043. Zu Beginn seines Buches 11 stellt er fest: „wir bleiben bei unserem Vorhaben, die offen zu Tage lie-

    1041

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    H. A. Möllmann, Welche Naturfaser ist das? S. 137. – R. Sharifi, Seidenraupenproduktion, S. 9. Jolly u. a. in: FAO 29/1979, S. 8. E. Panagiotakopulu u. a., A lepidopterous cocoon from Thera and evidence for silk in the Aegean Bronze Age, schreiben, S. 423: „Pliny (Historia Naturalis XI: 75), in a rather confused passage listing the food plants of the caterpillar, includes the plant hosts of both Pachypasa otus and Saturnia pyri. His suggestion that silk fibres were obtained by scraping trees may confuse the collection of bast fibre with the gathering of the cocoons of silk moths in the wild“.

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    genden Naturgegenstände zu beschreiben, nicht aber zweifelhafte Sachverhalte aufzuspüren“1044. Seine Informationen über die assyrischen und koischen Schmetterlinge gehören zusammen, und Plinius grenzt den Bombyx von den übrigen Insekten ab, wenn er sie an vierter Stelle, hinter Bienen, Hornissen und Wespen und vor den Spinnen behandelt. Seine Abschnitte 77 bis 78. beruhen, seiner Formulierung zufolge, auf Mitteilungen Dritter. Plinius 11, 75: „Eine vierte Art unter diesen [Insekten] ist die der bombyces, die in Assyrien vorkommen und größer sind als die oben genannten. Sie machen Nester [Lager, Kokons] wie aus Lehm mit einer Art Salz, angefügt an einen Stein, von solcher Härte, dass man sie mit spitzen Gegenständen kaum durchbohren kann. Darin erzeugen sie Wachs [Serizin, Seidenleim] reichlicher als die Bienen, danach ein größeres Würmchen“. Plinius 11, 76: „Aus einem ziemlich großen Würmchen wird eine Raupe, urica, die zwei arteigene [orangene] Bögen hervorstreckt, hieraus, was man bombylis nennt, aus ihr der necydallus, aus diesem in sechs Monaten der bombyx. [Diese bombyces] weben wie die Spinnen für die Bekleidung und den Luxus der Frauen Gespinste, die man bombycinische, bombycina, nennt. [Ein Verfahren,] diese abzuwickeln [zurück zu zetteln] und von neuem zu verweben, erfand als erste eine Frau auf Kos namens Pamphyle, Tochter der Platea, der man den Ruhm nicht absprechen kann, die Möglichkeit ausfindig gemacht zu haben, dass Kleidung die Frauen entblößt“. Plinius 11, 77–78: „Man sagt, dass – die Bombyces auch auf der Insel Kos entstünden, während der Dunst der Erde die durch Regengüsse abgeschlagene Blüte von Zypresse, Terpentinbaum, Esche und Eiche [wieder] belebten; – aber zuerst sich kleine und nackte Schmetterlinge [Schmetterlingsraupen] bildeten, die bald wegen der Unerträglichkeit der Kälte von Zotten starrten und sich zum Winter hin dichte Hüllen [tunicae] bereiteten, indem sie mit Hilfe der Rauigkeit ihrer Füße das Wollige von Blättern abschabten; – sie dieses [Wollige] zu Vliesen durch das Krempeln mit ihren Krallen verdichteten und bearbeiteten; – sie dann [dieses Wollige] zu Schussfäden auszögen, gleichsam mit einem Kamm dünn machten; – sie nachher [dieses Wollige] an den Körper anlegten und [sich] in ein rollbares Kokonnest einwickelten;

    1044

    Plin. 11, 8.

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    – [die Tiere] dann vom Menschen weggenommen und in Tongefäßen bei milder Wärme und mit Kleie ernährt würden, woraufhin ihnen die ihrer Art eigentümlichen [Muster auf den] Flügeln wüchsen1045; – sie mit diesen bekleidet zu anderen Arbeiten, pensa, entlassen würden; – man die gewonnenen Wollhüllen aber einweichte und bald mit einer Binsenspindel zu einem Faden haspelte. Auch Männer schämten sich nicht, diese vestes wegen ihrer Leichtigkeit im Sommer anzuziehen: so weit haben sich die Sitten vom Tragen einer lorica entfernt, dass sogar ein Kleid zur Last wird. Den assyrischen bombyx überlassen wir indessen bis jetzt den Frauen“1046. Es ist Plinius’ erstes Anliegen zu sagen, dass die Seidenwürmer, bombyces, in Assyrien vorkämen und sie ihre Kokonnester vorgeblich aus Lehm machten. Während Fibroin, der Seidenfaden, weiß ist, hat der Seidenleim eine bräunliche Farbe, das Farbspiel des Kokons dient zur Tarnung. Wenn die Kokons nicht durchstoßen werden können, liegt das an der Serizinschicht und an der innen liegenden Puppe, die mit einem harten, hornartigen Chitinpanzer umgeben ist, sowie an der dichten Hülle der eng gesponnenen Seidenfäden.

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    Gemeint ist das Muster auf den Flügeln, das die Schmetterlingsarten voneinander unterscheidet. Plin. 11, 75: Quartum inter haec genus est bombycum, in Assyria proveniens, maius quam supra dicta. nidos luto fingunt salis specie, adplicatos lapidi, tanta duritia, ut spiculis perforari vix possint. in iis ceras largius quam apes faciunt, dein maiorem vermiculum. Plin. 11, 76: Et alia horum origo. ex grandiore vermiculo gemina protendens sui generis cornuum urica fit, dein quod vocatur bombylis, ex ea necydallus, ex hoc in sex mensibus bombyx. telas araneorum modo texunt ad vestem luxumque feminarum, quae bombycina appellatur. prima eas recordiri rursusque texere invenit in Coo mulier Pamphile, Plateae filia, non fraudanda gloria excogitatae rationis, ut denudet feminas vestis. Plin. 11, 77: Bombycas et in Coo insula nasci tradunt, cupressi, terebinthi, fraxini, quercus florem imbribus decussum terrae halitu animante fieri autem primo papiliones parvos nudosque, mox frigorum inpatientia villis inhorrescere et adversus hiemen tunicas sibi instaurare densas, pedum asperitate radentes foliorum lanuginem. in vellera hanc ab iis cogi subigique unguium carminatione, mox trahi in tramas, tenuari ceu pectine, postea adprehensam corpori involvi nido volubili; Plin. 11, 78: tum ab homine tolli fictilibusque vasis tepore et furfurum esca nutriri, atque ita subnasci sui generis plumas, quibus vestitos ad alia pensa dimitti. quae vero capta sint lanifica, umore lentescere, mox in fila tenuari iunceo fuso. nec puduit has vestes ursurpare etiam viros levitatem propter aestivam: in tantum a lorica gerenda discessere mores, ut oneri sit etiam vestis. Assyria tamen bombyce adhuc feminis cedimus.

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    Plinius gibt jeder dieser Entwicklungsstufen, die heute mit 1.–4. instar bezeichnet werden, einen eigenen Namen. Die kleinste, aus dem Ei geschlüpfte Raupe hat zwei sehr ins Auge fallende orangerote Bögen dicht am Kopf, die älteren Raupen gleichen sich farblich der Rinde der Wirtsbäume an. Plinius erklärt, dass zwischen der dritten und vierten Häutung sechs Monate lägen, dies ist die Zeit der Winterruhe, die von November bis April reicht. Plinius endet mit dem bombyx, der seidenspinnenden Raupe und ihrem Kokonnest, in dem sie sich von der Raupe zur Puppe und anschließend zum Nachtfalter entwickelt. In 11, 77 beginnt er erneut mit dem Bombyx, der [nun, nach der Winterruhe] durch den „Dunst der Erde […] [wieder] belebt wird“1047. Diesen bombyx erklären Isidor und das Summarium Heinrici als den seidenspinnenden Wurm1048. Hingegen hat Plinius keine Vorstellung von den beiden Serizin und Fibroin ausscheidenden Spinndrüsen, durch die der Kokon gebildet wird1049. Doch geht er in erstaunlicher Weise ins Detail, wenn er über den Kokon spricht, der von den Raupen mit den zottigen Haarbüscheln gesponnen wird. Er berichtet zunächst über das Lager, das sich die Raupen bauen, um den Kokon zu befestigen. Danach erwähnt er die feinen Schussfäden, die den Mittelteil des Kokons bilden und die am wertvollsten sind, da nur sie abgehaspelt werden können. Anschließend beschreibt er die innere Serizin-Fibrionschicht, die unmittelbar an die Puppe gelegt wird. Die äußere und die innerste Schicht kann nur zu Schappeseide verarbeitet werden; Isidor führt sie unter dem Namen placium (27, 5c). Tertullians Angabe vom Anfang dieses Kapitels zeigt eine ähnliche Fehleinschätzung. Isidor hingegen berichtet über den Bombyx, dass er sich „ausleert“, wenn er den Faden spinnt1050. Plinius kommentiert ferner: „Unsere Frauen haben daher die doppelte Arbeit, die [Kokon-] Fäden [der Raupe] wieder aufzuziehen und von neuem zu verweben. Durch eine so mannigfache, von einer so weit entfernten Welt 1047

    1048

    1049

    1050

    R. König zu Plin. 11, S. 201. Roderich König schreibt in seinem Kommentar zu den Pliniuskapiteln: „bombylis ist der Kokon oder die Puppenhülle, necydallus die fertige Puppe, aus der dann der Seidenspinner (bombyx) entsteht. (Im Georges HWB ist der necydallus die Puppe.) Isid. Et. 12, 5, 8: „Bombyx ist ein Laubwurm, aus dessen Gewebe bombyxinum gemacht wird“. – SH 2, 143, S. 196 und 2, 171, S. 198: Bombix bzw. Borabix „Wurm der Seide macht, goteweppewrm“. Vgl. Verg. georg. 2, 2, 121: ut foliis depectant tenuia Seres. Plinius scheint zu meinen, dass es Blätter von Bäumen sind, die das Rohmaterial bilden und die die Insekten zusammenstrampeln. Dies zeigt seine Annahme, dass die Serer („bekannt für die Wolle ihrer Wälder“) Wolle von den Bäumen befeuchten und abkämmen. Isid. Et. 12, 5, 8.

    c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe)

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    hergeholten Arbeit sucht man zu erreichen, daß Matronen in der Öffentlichkeit durchscheinend wirken“1051. Es ist wichtig herauszufinden, auf welchen Kenntnissen die Aussagen von Plinius beruhen. Heute kann man feststellen, dass es sich bei dem koischen Seidenspinner um Pachypasa otus Drury handelt. Roderich König schreibt in seinem Kommentar zu Plinius 11, 76–78: „Gemeint ist aber nicht der Echte Seidenspinner, sondern der koische Seidenspinner, Lasiocama otus (Fam. Lasiocampidae oder Glucken)“1052. Der Nachtfalter Pachypasa otus Drury hat einen anderen Lebenszyklus als der Bombyx mori. Ramız Sıpahı, der über Untersuchungen berichtet, die in der Stadt Gaziantep und der Umgebung von Sarılar im Südosten der Türkei an der Grenze zu Syrien über den Lebenszyklus des Falters vorgenommen wurden, schreibt, seine Raupe ernähre sich hier auf Pistazienbäumen1053. Es handelt sich um den größten Falter in der Türkei mit einer Flügelspannweite von 13,5–15 cm. Sein charakteristisches Kennzeichen sind zwei braune Zickzacklinien auf den Flügeln. Die Nachtfalter erscheinen in den ersten drei Augustwochen und begatten sich jeweils innerhalb von ein bis zwei Tagen. Das Weibchen legt die Eier einzeln in Risse von Baumstämmen; in Laborversuchen wurden bis zu 90 Eier gezählt. Die Eiablage dauert bis Ende August, danach stirbt das Weibchen. Nach sieben bis acht Tagen beginnen die Eier zu platzen und die kleinen Räupchen, türkisch Tırtıl, 0,5 cm lang, kriechen heraus. Sie beginnen sofort zu fressen, allerdings nur während der Nacht, tagsüber bleiben sie bewegungslos in Baumrissen, Rissen in der Erde und unter Steinen; sie sind inzwischen 3–5 cm groß. Vom Beginn des Winters und dem Verlust ihrer Nahrung an, halten sie Winterruhe und verharren in einem bewegungslosen Zustand. Mit dem Erwachen der Bäume kriechen die Raupen nachts wieder hervor und beginnen wieder zu fressen, bis sie eine Länge von 8–10 cm erreicht haben1054. Die Raupen besitzen schwarze Haarbüschel auf dem Rücken, seitlich weiße Büschel und zwei orangefarbene Flecken. Im Juli verpuppen sie sich und hängen ihre Kokons in der bräunlichen Tarnungsfarbe an Risse in alten Bäumen oder zwischen oder unter Steinen auf. Wenn sie ausgewachsen sind, spinnen sich die bombyces in die Kokons ein und von Juli bis August fin1051

    1052 1053 1054

    Plin. 6, 54, – vgl. Serer in c. 23. Hier sind Kokons von wildlebenden Seidenspinnern gemeint. R. König, Plin. 11, S. 201. R. Sıpahı, Antep fıstıklarında Pachypasa otus Drury, S. 46–49. Dieser enormen Entwicklung der Raupe kann die chitinisierte Körperbedeckung nicht folgen. Sie wird bei den meisten Raupenarten viermal abgeworfen und erneuert.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    det die Metamorphose zum Schmetterling statt. Es gibt nur eine Population im Jahr. R. Sıparı ergänzt, dass das Ende der Seidenraupenzucht erreicht war, als sich mit dem Erscheinen des bombyx mori die Produktion nicht mehr lohnte. Sie sei nur zwischen 1860 und 1875 in Italien noch einmal wieder aufgenommen worden. Fritz Bock schreibt über die Pachypasa otus Drury [Lasiocama otus]: „Wir wenden uns nunmehr den Wollraupenspinnern oder Lasiocampidae zu. Diese haben den deutschen Namen wegen des meist zottigen Haarkleides ihrer Raupen. Als einzig wichtige Art ist Pachypasa otus Drury zu erwähnen. Dieser Schmetterling bildete im Altertum die Grundlage einer Seidenkultur auf der Insel Kos, worüber wir Aristoteles unsere ersten Kenntnisse verdanken1055. […] Das Verbreitungsgebiet umfaßt Klein-Asien und Armenien, ferner große Teile des Balkans bis Dalmatien und endlich Sizilien und Süd-Italien. […] Die Schmetterlingsart hat heute für die Seidengewinnung keine Bedeutung mehr. Die Aufzucht des Tieres erfordert nämlich besondere Mühe, weil die Art als Raupe überwintert und so vom September bis zum Juni des nächsten Jahres der Pflege bedarf. […] Die Raupe lebt auf Zypresse (Cupressus sempervirens L.), Eiche (Quercus pubescens Willd.) und nach Voelschow auch auf Pistacia lentiscus L. Die offenen Kokons sind 8,5 cm × 4 cm groß, glänzend weiß und von weicher Seide“1056. Die Pachypasa otus Drury wird als Coan silk auch in einem Forschungsbericht der FAO erwähnt. In dem kurzen Abschnitt heißt es u. a über sie: „feed primarily on trees such as pine, ash, cypress, juniper and oak. They spin white cocoons measuring about 8,9 × 7,6 cm“1057. K. Sengupta und Pradip Kumar erwähnen neben der Pachypasa otus Drury – die Kokongröße wird ebenfalls mit 8,9 × 7,6 cm angegeben – die Pachypasa lineosa Vill., über die aus Mauretanien und Marokko berichtet werde1058. Irene Good hält es gleichfalls für möglich, dass in der Pachypasa otus der koische Seidenspinner zu sehen ist1059. R. Sharifi erläutert die Herstellung des Kokons des bombyx mori so: „Die Raupe spinnt zunächst ein Gerüst aus Seidenfaden, das später den eigentlichen Kokon umgibt und festhält. Das Gerüst kann zwischen den Ästen eines Baumes oder an bzw. unter Steinen befestigt sein“1060. 1055 1056 1057 1058 1059 1060

    Arist. hist. anim. 19, 551 b, 9, S. 224, nach Bock. Fr. Bock, Seidenspinner, S. 27–29, Abb. 22, 23. FAO 29/1979, S. 8. Sericultural Development, in: Sericologia 1991, 31 (1), S. 159–165, hier: S. 162. I. Good, On the question of silk in pre-Han Eurasia, S. 965–966. R. Sharifi, freundl. Mitteilung vom 8. 2. 2010. Vgl. Martial 8, 33, der auf der Suche nach einem treffenden Vergleich mit ,einem allzu ärmlichen Saturnaliengeschenk’ dichtet: „Selbst der Seidenwurm betreibt hängend kein so leichtes Werk“.

    c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe)

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    Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Seidenfäden zu verarbeiten. Wenn der Falter auskriechen will, scheidet er eine Flüssigkeit aus, die den Seidenleim auflöst, so dass sich die Fäden zur Seite schieben lassen. Ein Abhaspeln des Fadens ist dann nicht mehr möglich, er muss mühsam versponnen werden. Deshalb tötet man vielfach die Puppe kurz vor dem Schlüpfen im Kokon ab und bedient sich dabei verschiedener Möglichkeiten wie Kochen in Seifenlauge oder der Hilfe von Salzsäure. Um den Seidenleim aufzuweichen, muss der Kokon aber immer mit Wärme und Feuchtigkeit behandelt werden. Plinius lehnt sich an Aristoteles an, äußert sich aber sehr viel ausführlicher. Roderich König verweist in seinem Kommentar zu 11, 75 auf die Mauerbienen, mit denen Plinius die bombyces verwechselt habe. Königs Hinweis auf Aristoteles, hist. anim. 5, 24, 555 a zeigt aber, dass die hier erwähnten Hummelarten und ihre Nester nicht mit den Angaben von Plinius über die bombyces zu vergleichen sind. Es wurde viel gerätselt, welcher Begriff der assyrischen Seide gerecht wird. Wenn Plinius das Wort Wolle, lana, in diesem Zusammenhang benutzt, so ist darauf hinzuweisen, dass er auch sonst nicht zwischen den Arbeiten mit Wolle und Seide unterscheidet und lana für die Schafwolle, aber auch für andere Materialien, wie Baumwolle, Federflaum, Pfirsichhaut und ähnliches benutzt. Das lässt sich gleichfalls bei der Behandlung der Spinnen erkennen, von denen er behauptet, dass sie für die Herstellung des Spinnengewebes in Kette und Schuss, stamina und subtemina, Wolle erzeugten1061. Isidor überliefert, auf Kos sei nicht nur Hippokrates geboren, sondern dass die Insel, „wie Varro bezeugte“, zuerst berühmt war für die Kunst, Wolle als Schmuck für die Frauen zu bereiten1062. Offenbar hat der Oberbegriff lana eine frühe Unterscheidung zwischen Wolle und Seide schwierig gemacht. Hilfreich ist ein Zitat von Prokopios, das die Verbindung zwischen Medien und der Textilproduktion verdeutlicht: „Metaxa1063 heißt der Stoff, aus dem man herkömmlicherweise jenes Kleid fertigt, das die Griechen früher das ‚medische‘, jetzt aber das ‚serikische‘ nennen“1064. Trogus berichtet über die Parther: „Ihre Kleidung war ehedem ihrem Volkscharakter entsprechend; als freilich ihr Reichtum immer mehr wuchs, kleideten sie sich wie die Meder in durchscheinende, fließende Gewänder“1065. M. Saur arbeitet 1061 1062 1063 1064 1065

    Plin. 11, 80–81. Isid. Et. 14, 6, 18. Abgehaspelter Kokon, siehe Stichwort Matassenseide, metaxa in c. 29. Prokop Perserkriege 1, 20, 9. Gnaeus Pompeius Trogus 41, 2, zitiert bei A. Landskron, Parther, S. 140.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    aus der Überlieferung von Ez 27, 23–24 heraus, dass die Meder [pers. mâda, Vulg. chelmad] am Textilhandel beteiligt waren1066. Hieronymus, der eine andere Quelle benutzt, führt Seide in Ez 27,16 als Produkt der Syrer1067 in seiner tyrischen Handelsliste auf, ohne auf die Meder Bezug zu nehmen. Herodot misst der „medischen Kleidung“, die als kostbares Geschenk gilt, besondere Bedeutung bei1068. Horaz spricht in den dreißiger Jahren des 1. Jh. v. Chr. mit Selbstverständlichkeit von seidenen Kissen (zwischen denen in diesem Fall ausgerechnet stoische Traktätchen liegen)1069. Bei Properz schimmert die Geliebte in arabischem bombyx1070. Auch bei Martial „leuchtet ein Frauenkörper durch bombycina hindurch“1071. Sie waren sicherlich sehr teuer, deshalb bat Phyllis um gestohlene bombycina, die „günstig erworben werden“ konnten1072. Pomade in herabhängenden Locken vertrage sich nicht gut mit bombycina, deshalb würden die Haare besser mit einer Nadel aufgesteckt, empfiehlt der Dichter, oder man stecke sich die Haare einer Kriegsgefangenen an1073. Einen Umhang aus bombycina erwähnt Apuleius1074. Sidonius Apollinaris kannte bombyx und schreibt an einen Freund Domitius, dass man zu dieser Jahreszeit sowohl in leichtem Leinen als auch in bombyce schwitzen kann, und lädt ihn deshalb in sein Landhaus in Avitacum in der Auvergne ein1075. In diesem Zusammenhang sind Untersuchungen aus Thera/Santorin wichtig. Die Siedlung Akrotiri wurde in der Mitte des 2. Jts. durch einen Vulkanausbruch zerstört; die Untersuchungen begannen 1967 unter der Leitung von S. Marinatos. 1997 berichten E. Panagiotakopulu und andere vom Fund eines Kokons mit Teil einer Puppe. In der Bearbeitung dieses Fundes stellen sie fest, dass es in der Ägäis eine ganze Reihe von Hinweisen auf Falter gibt, die sie zu den Seidenspinnern zählen. Dazu gehört u. a. eine Gemme aus Knossos und Abbildungen vom größten der Schmetterlinge Europas, dem großen Nachtpfauenauge, der Saturnia pyri Den. & Schiff., auf Segeln, deren Schiffe für den Transport der Seide zuständig gewesen 1066 1067 1068 1069 1070 1071 1072 1073 1074

    1075

    M. Saur, S. 210. Vgl. c. 22, 7 a und die Verbindung von syrischer Kleidung mit Seide. Herodot, Neun Bücher zur Geschichte 1, 135; 3, 84; 7, 116. Hor. epod. 8, 15. Prop. 2, 3, 15. Mart. 8, 68. Mart. 11, 49. Mart. 14, 24 und 26. Apul. met. 10, 31,1: nisi quod tenui pallio bombycino inumbrabat spectabilem pubem. Sidon. epist. 2, 2, 2: et nunc, dum in carbaso sudat unus, alter in bombyce.

    c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe)

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    sein könnten1076. Zum Lebenszyklus dieser Art ist zu sagen1077: die Falter schlüpfen aus den Puppen von etwa Mai bis Juni. Sie leben, wie alle Falter, nur kurze Zeit und nehmen keine Nahrung zu sich. Die Weibchen legen ihre Eier auf die Zweige der Futterpflanzen ihrer Raupen. Die Eier werden gleich nach der Paarung abgelegt, und zehn Tage später schlüpfen die Raupen. Sie fressen die Blätter und häuten sich hauptsächlich auf verschiedenen Obstbaumarten. Dies geschieht in einem Zeitraum von etwa acht Wochen. Danach spinnen sie sich in einen großen Kokon am unteren Teil der Stämme ein. An einem Ende dieses Kokons befindet sich hinter einer runden Öffnung eine Reuse aus starren Borsten, die Feinde abhält, und der fertig entwickelte Falter kann durch diese Öffnung leicht schlüpfen. Die Winterruhe verbringen sie als Puppen bis zum nächsten Mai, dies entspricht ungefähr einer Zeit von sechs Monaten. Auch bei ihnen gibt es nur eine Population im Jahr. Ob es sich bei den Abbildungen um ein Symbol zur Seidenverarbeitung handelte, kann auf diese Weise nicht geklärt werden, denn der in Akrotiri gefundene Kokon deutet von der Größe her eher auf die Pachypasa otus Drury hin, gleiches gilt für die Nachrichten, so wie Plinius sie beschreibt. Da es aber viele Seidenspinnerarten gibt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Kokon des großen Nachtpfauenauges zur Produktion genutzt wurde. Doch die Saturniae leben in der Hauptsache auf Obstbäumen, und ihr Lebenszyklus ist ein anderer, daher können sie nicht für die Pliniusquelle in Frage kommen. Es bleibt festzustellen, dass Aristoteles in seiner Tierkunde den bombyx kurz beschreibt, dessen Kokon sich abhaspeln lässt, ohne auf weitere Tatsachen einzugehen. Plinius hingegen hat sich sehr viel ausführlicher mit der assyrischen und koischen Seide auseinandergesetzt, Einzelheiten berichtet und von einer Haustierzucht gesprochen, bei der die Raupen in irdenen Gefäßen warmgehalten und gefüttert wurden. Die Tiere sind einfach zu züchten, auch wenn der zeitliche Aufwand beträchtlicher und der Seidenfaden nicht so fein und glatt ist, wie bei der Bombyx mori. Seide fand sich in einem reich ausgestatteten Frauengrab aus der älteren Bronzezeit um 1200 v. Chr. in Güstrow/Mecklenburg. Hier bedeckte ein Seidenschleier das Gesicht der „Dame von Thürkow“1078. Irene Good berichtet über eine Reihe von Funden, die in die Zeit der Etrusker zu datie1076

    1077 1078

    E. Panagiotakopulu u. a., A lepidopterous cocoon from Thera and evidence for silk in the Aegean Bronze Age. Sie weisen, S. 426, auf den Begriff Amorginon hin, von dem Suidas’ Lexikon sagt: „Amorginon“ is „like linen and very expensive“ and of „amorgis, it is much finer than cotton or linen“. Diese Hinweise verdanke ich Walter Schön, Bad Saulgau. R. Scherping und J.-P. Schmidt, Seide im Norden, S. 207–220.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    ren sind1079. „Der bekannteste afrikanische Seidenspinner“ ist der zu den Lasiocampiden gehörende Borocera madagascariensis Bsd., der die Gonometaseide liefert; die Raupen leben auf Akazienbäumen in den afrikanischen Savannen. Ihre „stark glänzende Seide wird in Botswana kommerziell genutzt“1080. Auf jeden Fall zeigen diese Ergebnisse, dass es im Einzugsgebiet der Römer weit vor der Mitte des 2. Jts. v. Chr. eine eigene florierende Seidenindustrie gegeben hat. Der Bericht des Plinius über die Pachypasa otus Drury ist eindeutig. 5 b. sericum Seide von der Serern1081 In China wird die Erfindung der Seidenspinnerei durch die Tradition um 5000 v. Chr. datiert, archäologische Funde stammen aus der Zeit zwischen 3300–2500 v. Chr. Der offizielle Export von chinesischer Seide begann allerdings erst während der Han-Zeit unter dem Herrscher Wu-ti um 119–115 v. Chr. Diese Seide ist allerdings, bedingt durch die jahrtausendealte Zucht in der Feinheit der Fäden und der strahlenden Weiße, die eine Färbung besonders leuchten lässt, unübertroffen und bei weitem die kostbarste. Eindeutige archäologische Belege für chinesische Seide finden sich in Palmyra1082. Erst langsam hat sich in der Forschung die Überzeugung durchgesetzt, dass es eine Vielzahl von Seidenspinnern gibt und die Entwicklung der Seidenproduktion nicht allein von China ausging1083. Eine Reihe von Namen seidenspinnender Falter listet Irene Good auf, erfreulicherweise zusammen mit archäologischen Funden1084. Neue Hinweise gibt sie über die Seidenproduktion in der indischen Gesellschaft, wiederum mit vielen schriftlichen und archäologischen Quellen; die frühesten sind in die Zeit ab ca. 2500–2000 v. Chr. zu datieren1085. Nach R. Sharifi werden

    1079 1080

    1081 1082

    1083

    1084 1085

    I. Good, On the question of silk in pre-Han Eurasia, S. 966. R. Sharifi, Seidenraupenproduktion, S. 7 (Systematik der seidenspinnenden Arten) und Fr. Bock, Seidenspinner, S. 29. Über Serer siehe c. 23 Völker. Zu Seide, A. Stauffer, Material und Technik, in: Die Textilien aus Palmyra, S. 16; L. von Falkenhausen, Die Seiden mit chinesischen Inschriften, ebd. S. 58–65. I. L. Good, J. M. Kenoyer, R. H. Meadow, New evidence for early silk in the Indus civilization, S. 7. I. Good, On the question of silk in pre-Han Eurasia. I. L. Good, I. M. Kenoyer, R. H. Meadow, New evidence for early silk in the Indus civilization.

    c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe)

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    heute mindestens zehn Arten noch kommerziell genutzt, auch wenn der bombyx mori die wirtschaftlich wichtigste ist1086. Pierer berichtet zu Anfang des 19. Jhs. über indische Rassen, die sich von Pipul- und Moogobäumen ernähren, und über drei ostindische Rassen. Er nennt eine tartarische Rasse: sie „soll ohne Pflege leben, […] sich auf den Bäumen einspinnen und sehr feine Seide liefern“; eine Rasse aus der Mandschurei, die sich von Eichenblättern ernähre; die Holer-PocaRasse, die auf der indischen Halbinsel und den Hochebenen von China „im Freien auf einer Art von Brustbeerenbaum“ leben. Er spricht u. a. von der Chiosayos Giorgios in Griechenland, die „viel und schöne Seide“ liefere, von Bombyx mylitta aus Bengalen, die sehr große Kokons spinne, und von Bombyx cynthia, die in Indien auf der Rizinusstaude lebe und „sehr feste Seide“ liefere1087. Ob man Sacrote, eine Naturseide von Raupen, die sich von den Blättern der Rizinuspflanze ernähren und besonders in Ägypten gezüchtet werden, in der Antike verarbeitete, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden; gleiches gilt für die afrikanische Anaphe- oder Nesterseide. Weitere Quellen Bei Properz wälzt sich ein von Liebe gequälter Jüngling auf bunten Seidenstoffen, und das Innere eines Wagens der Cynthia ist mit Seide ausgekleidet1088. Martial kennt die Tuskerstraße in Rom als die Straße der Seidenhändler, in der es „erstklassige Seide“ zu kaufen gab1089. Diese Quellenangaben sind nur wenige Beispiele von vielen. B. Hildebrandt sammelt Quellen, in denen von sericarius und sericaria die Rede ist, die als Händler, Hersteller und Pfleger von Seidenstoffen arbeiteten. Die Berufsbezeichnungen sind ab dem 1. Jh. n. Chr. fassbar1090. Der Senat „beschloss, es dürfe kein Geschirr aus massivem Gold zum Auftragen der Speisen hergestellt werden, und die Männer sollten sich nicht durch das Tragen von Kleidung aus Seide, vestis serica, entehren“, schreibt Tacitus über einen Beschluss aus der Zeit des Kaisers Tiberius (14–37). 1086 1087 1088 1089 1090

    R. Sharifi, Seidenraupenproduktion, S. 5–9. Pierer, Stichwort Seide. Prop. 1, 14, 22; 4, 8, 23. Mart. 11, 27: nec nisi prima velit de Tusco Serica vico. B. Hildebrandt, Sericarii: Silk traders or Silk workers?, freundliche Mitteilung der Autorin.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Cassius Dio wiederholt dies1091. Kaiser Caligula (37–41) ist der erste, von dem Sueton berichtet, er habe seidene Kleidung getragen1092. Seide wurde nicht nur allein verwebt, sondern auch durch eingewebte Goldfäden erhöht1093. In der Vulgata wird die Kleidung des jüdischen Verwalters Mordechai, der im 5. Jh. v. Chr. im persischen Reich unter Xerxes lebte, von Hieronymus mit Seide bezeichnet1094. Zosimos berichtet, Alarich habe im Herbst 408 als Gegenleistung für einen friedlichen Abzug der Goten aus der Stadt Rom fünftausend Pfund Gold, dreißigtausend Pfund Silber, viertausend Seidentuniken, serikos chiton, dreitausend kermesrote Felle und Pfeffer im Gewicht von dreitausend Pfund gefordert1095. In der Zeit zwischen 383 und 392 wurde von den Herrschern Valentian II., Theodosius und Arcadius die Anordnung erlassen, neben bestimmten Purpurfarben auch den Seidenhandel von Staats wegen zu kontrollieren: „Wir ordnen [hiermit] nochmals, wie bereits befohlen, an, jedermann (ausgenommen den comes commerciorum) die Vollmacht zu nehmen, Seide von den Barbaren zu erwerben“1096. Schon im September 393 gab es einen weiteren Erlass, der vorschreibt: „Keine Schauspielerin soll Edelsteine, keine soll Seide mit eingewebten runden Medaillons [und figürlichen oder ornamentalen Darstellungen] oder Gewänder mit eingewirkten Goldfäden tragen. Sie sollen auch wissen, dass es verboten ist, jene Kleidung zu tragen, die man mit dem griechischen Namen alethinocrusta [mit echtem Purpur eingelegt] bezeichnet, in der die Röte der reinen Purpurschnecke vermischt mit einer anderen Farbe glüht. Wir verbieten hingegen nicht, Kleidung mit Blöckchendamasten und verschiedenen anderen Seidenfarben und Gold ohne Edelsteine an Hals, Armen oder Gürteln“1097. Ein anderer Erlass aus dieser Zeit sagt nichts vom Verbot der 1091

    1092 1093

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    1097

    Tac. ann. 2, 33, 1: decretumque ne vasa auro solida ministrandis cibis fierent, ne vestis Serica viros foedaret; vgl. Cass. Dio 57, 15, 1. Suet. Cal. 52: aliquando sericatus et cycladatus. Apul. met. 4, 8, erzählt von einer Räuberbande, die aus dem Haus eines Reichen Seidenkleider mit Goldfäden stiehlt: vestique sericae et intextae filis aureis. Est 8, 15: vestibus regiis […] et amictus pallio serico atque purpureo. Zos. 5, 41, 4–6. Die Stadt hatte keine öffentlichen Gelder, und da man diese Beträge nicht allein durch Besteuerung der reichen Senatoren aufbringen konnte, wurden Standbilder aus den heidnischen Tempeln eingesammelt und teilweise eingeschmolzen. Ob daher die viertausend Seidentuniken lieferbar waren, ist unbekannt. CJ 4.40.2 S. 178: Imppp. Valentinianus II., Theodosius I. und Arcadius an Cariobaudus, duci Mesopotamiae: Comparandi serici a barbaris facultatem omnibus, sicut iam praeceptum est, praeter comitem commerciorum etiamnunc iubemus auferri. CTh 15. 7. 11 S. 824: Nulla mima gemmis, nulla sigillatis sericis aut textis utatur auratis. His quoque vestibus noverint abstinendum, quas Graeco nomine alethinocrus-

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    Seide an sich; verboten wird nur, rotgefärbte Seide als kaiserlichen Purpur zu überfärben1098. Prokopios geht in seinen Anekdota ausführlich auf verschiedene Verordnungen Justinians ein. Eine soll hier wörtlich zitiert werden: „Seidengewänder wurden seit alter Zeit gewöhnlich in den phönikischen Städten Berytos und Tyros verfertigt. Verkäufer, Hersteller und Bearbeiter wohnten dort schon lange, und die Ware ging in alle Welt. Als nun unter Kaiser Justinian die Seidenmanufakturen in Byzanz und den anderen Orten das Kleid teuerer verkauften und dabei als Begründung anführten, man müsse jetzt den Persern einen höheren Preis als früher bezahlen und außerdem sei die Zahl der römischen Zollstationen gewachsen1099, tat der Kaiser allen gegenüber sehr zornig und verfügte einen allgemeinen Höchstpreis von acht Goldstücken für ein Pfund Seidenstoff. Zuwiderhandelnden drohte außerdem Vermögenskonfiskation. Diese Anordnung erschien den Betroffenen unmöglich und widersinnig, da die Händler doch die Waren nicht teurer einkaufen und billiger an die Kunden weitergeben konnten. Sie verzichteten also auf diesen Handel und verkauften nur noch schwarz in kleinen Mengen von ihren Restbeständen, natürlich an vornehme Herren, die für ihr Geld gern solchen Prunk trieben“1100. Justinian wäre gern von dem Seidenhandel mit Persien unabhängig gewesen. Prokopios erläutert: „Damals nun, als in Äthiopien Hellestheaios und bei den Homeriten Esimiphaios herrschten, schickte Kaiser Justinian den Gesandten Julianos dorthin und verlangte von beiden Königen, sie sollten um des gemeinsamen Glaubens willen die Römer in ihrem Krieg gegen die Perser unterstützen, und zwar in der Weise, daß die Äthiopen die Seide von den Indern kauften und an die Römer weitergäben. Sie selbst sollten dadurch zu großem Wohlstand gelangen, den Römern aber nur den einzigen Vorteil verschaffen, daß sie ihr eigenes gutes Geld nicht mehr an die Feinde zahlen müßten. […]. Beide Könige entließen den Gesandten mit der Zusage, sie wollten sein Verlangen erfüllen, keiner aber hielt Wort. Den Äthiopen fehlte nämlich die Möglichkeit, Seide von den Indern zu erwerben; denn die persischen Kaufleute finden sich gerade an den Ankerplätzen ein, wo die indischen Schiffe zuerst anlegen – sie bewohnen ja auch das

    1098 1099

    1100

    tas vocant, in quibus alio admixtus colori puri rubor muricis inardescit. Uti sane isdem scutlatis et variis coloribus sericis auroque sine gemmis collo brachiis cingulo non vetamus. CJ 11.9.3 S. 431. Prokop Anekdota 25, 1–10, so mussten z. B. alle Schiffe von und nach Byzanz seit Regierungsantritt Justinians Abgaben zahlen. Prokop Andekdota 25, 13–25.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Nachbarland – und kaufen gewöhnlich alle Frachten auf“1101. Sicher wird der Schmuggel nicht unbeträchtlich gewesen sein, denn ein altes seidenes Kleidungsstück, gefärbt mit unbekannter Farbe, kostet immerhin noch drei Goldsiliquae1102. In einem ausführlichen angeblichen Brief [12. Jh.] an den Erzdiakon Redemptus soll Isidor erläutert haben, dass in der katholischen Kirche Spaniens im Gegensatz zur Kirche in Byzanz keine Seide zur Abdeckung von Kelch und Brot benutzt werden dürften, auch wenn Seide kostbarer sei. Als Begründung gibt er an, Jesus sei in Leinen begraben worden. Außerdem werde Reinleinen durch Waschen immer weißer, während weiße Seide im Laufe der Zeit dunkler werde (vergilbe)1103. Weil die Kämpfe an den anderen Fronten kein Ende nahmen, wurde Justinian gezwungen, mit den Persern einen zeitweiligen Frieden auszuhandeln. Propopios, der als Zeitzeuge schreibt, unterbricht deshalb seine Kriegsberichterstattung und fügt in seinem Text ein: „Zu dieser Zeit kamen einige Mönche aus Indien, und da sie sahen, daß dem Kaiser Justinian daran gelegen sei, daß die Römer ihre Seide nicht mehr von den Persern kauften, begaben sie sich zum Kaiser und versprachen ihm, die Seidenfrage derart lösen zu wollen, daß die Römer diese Ware nicht mehr von ihren persischen Feinden oder von einem anderen Volke beziehen müßten. Sie hätten nämlich lange Zeit in einem Lande gelebt, das jenseits der meisten indischen Völkerschaften liege und Serinda heiße, und so genau erfahren, auf welche Weise die Seide im Römerreich erzeugt werden könne. Als daraufhin der Kaiser immer weiter nachforschte und fragte, ob denn die Aussagen auf Wahrheit beruhten, erklärten die Mönche, die Seide sei das Erzeugnis einer gewissen Art von Würmern1104; ihre Lehrmeisterin aber sei die Natur, die sie zu unablässiger Arbeit zwinge. Lebend freilich könne man diese Würmer unmöglich herbeischaffen, doch sei dies mit ihrer Brut eine ganz einfache und leichte Sache. Die Brut dieser Würmer aber bestehe aus Eiern, von denen jeder eine zahllose Menge lege. Lange nach der Ablage bedecke man diese Eier mit Mist, worauf dann die Wärme in entsprechender Zeit die Tierchen auskriechen lasse. Soweit die Ausführungen der Mönche. Der Kaiser aber versprach ihnen reiche Geschenke und gewann sie dadurch, ihr Wort in die Tat umzusetzen. Sie begaben sich wieder nach Serinda und brachten die Eier nach Byzanz. Nachdem sie auf die erwähnte Art daraus Würmer gezogen hatten, fütterten sie diese mit Maulbeerblättern und erreichten so, daß nunmehr auf römischem Boden Seide erzeugt wurde. 1101 1102 1103 1104

    Prokop Perserkriege 1, 20, 9–13. Quittung S. 242. Isid. Letters, 7, S. 38–45. Vgl. Plin. 11, 75–76, siehe oben.

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    Damals standen, was Krieg und Seidenzucht anlangte, die Dinge so zwischen Römern und Persern“1105. „Späterhin ließen die Majestäten auch in Byzanz Seidengewänder in eigener Regie herstellen. Aufsicht über diese Manufaktur führt im Römerreich der kaiserliche Schatzmeister. Dem Petros Barsymas, dem sie diese Würde übertragen hatten, erlaubten sie bald grobe Unregelmäßigkeiten. Während er nämlich bei allen anderen auf peinliche Einhaltung des Gesetzes drang, nötigte er die Seidenarbeiter, ausschließlich für ihn zu schaffen, und verkaufte – nicht mehr heimlich, sondern auf offenem Markt – die Unze beliebiger Farbe für sage und schreibe sechs Goldstücke, die Unze Kaiserfarbe aber, sogenannte Holoveros, für mehr als 24 Goldstücke […]. In den erwähnten Städten wurde fast das ganze Volk von heute auf morgen bettelarm. Arbeiter und Handwerker hatten natürlich mit dem Hunger zu kämpfen, und so wechselten viele ihre Staatsangehörigkeit und flüchteten sich nach Persien“1106. Was Prokopios beschreibt, ist der Niedergang eines Industrie- und Handelszweiges, der Verkäufern, Herstellern und Bearbeitern in den phönikischen Städten Berytos und Tyros durch die Einrichtung eines kaiserlichen Monopols um ihre Lebensgrundlage brachte. Denn die Herrscher sicherten sich mit Hilfe des Bombyx mori eine bessere Materialqualität mit ihrer feineren und wertvolleren Seide. Hinzu kam, dass der Bombyx mori in einem viel höheren Maße Kokons in Menge produzieren konnte, da die Abläufe zwischen Eiablage und spinnfertigem Kokon erheblich kürzer waren. Dadurch benachteiligte man alle, die von dem Monopol ausgeschlossen waren und eine nicht ganz so glatte und glänzende Seide herstellten, verbunden mit mühsameren Arbeitsabläufen bei der Aufzucht der Tiere. Diese Entwicklung ist vergleichbar mit der des Kermes, der in dem Augenblick, in dem man die Färbekraft der Cochenille entdeckte, seine wirtschaftliche Bedeutung verlor und nur noch ein Nischendasein fristete. Ob in den Quellen immer genau zwischen sericum und bombyx unterschieden wird, bleibt offen. Eine deutliche Trennung besteht noch in der Nonnenregel des Caesarius von Arles, hier werden Seide und bombycina einzeln als verbotene Materialien aufgeführt1107. Diese Vorschrift hatte schon Hieronymus gefordert1108.

    1105 1106 1107 1108

    Prokop Gotenkriege 8, 4, 17, um die Mitte des 6. Jh. Prokop Andekdota 25, 13–25. Caes. Arel. reg. virg. 45: numquam oloserica, numquam bombycina. Hier. epist. 107, 10: lanam facere, tenere colum, ponere in gremio calatum, rotare fusum, stamina pollice ducere. Spernat bombycum telas, Serum vellera, et aurum in fila lentescens.

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    5 c. placium nicht haspelbare Seide Die äußeren Haltefäden und die stark verklebte innere Kokonschicht werden in der Abfallseidenspinnerei zu Schappeseide, z. B. zu Nähseide, und die hierbei wieder entstehenden Abfälle zu der weniger wertvollen Bouretteseide versponnen. Weitere Rohstoffe Plinius spricht von gossypinum arboreum, xylon und cynas: „Auf einem höheren Teil der gleichen Insel [Tylos] wachsen wolletragende Bäume, jedoch von anderer Art als die der Serer. Ihre Blätter sind unergiebig und, wären sie nicht kleiner, könnte man sie für Weinblätter halten. Sie tragen kürbisähnliche Früchte von der Größe einer Quitte [Cydonia oblonga; Plinius: malus cotoneus], die bei der Reife springen und wollartige Knäuel zeigen, aus denen man Kleider von kostbarem Leinen macht. Man nennt den Baum gossypinum; die kleinere Insel Tylos [vielleicht Arad], die zehntausend Schritte entfernt ist, ist noch fruchtbarer (daran). Juba1109 überliefert, dass um einen Strauch herum wollige Flocken seien und dass dieses Leinen hervorragender sei als das indische. Der Baum Arabiens aber, aus dem sie Kleider machten, werde cynas genannt, wobei das Blatt ähnlich einer flachen Hand ist1110 [d. h. eine palmate Nervatur hat1111]. Ebenso kleiden sich die Inder mit Hilfe ihrer Bäume“1112. Strabon erinnert an Aristobulos und seine Ausführungen über die Wolle tragenden Bäume. Wenn man den Samen von den Blumen entfernt, kann der Rest gekämmt werden wie Wolle1113. Unter den Funden in Palmyra findet sich eine ganze Reihe von Baumwollgeweben – das Material war gut bekannt1114. 1109

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    1113 1114

    Juba II. von Mauretanien kompilierte z. Zt. des Augustus in griechischer Sprache verschiedene griech. und lat. Autoren, betrieb aber auch eigene Studien zur Geschichte und Kulturgeschichte verschiedener Völker. Die Werke sind, abgesehen von einigen Fragmenten, heute verloren. Freundliche Mitteilung Margaret Wightman, Dronfield. Es handelt sich nicht um die Ähnlichkeit mit einem Palmblatt. „Die Familie der Malvaceae […] ist dann durch Blätter mit häufig palmater Nervatur […] charakterisiert“, in: Strasburger, S. 842. Plin. 12, 38–39, siehe M. Müller, Baumwollfaser und Malventuch in Abgrenzung zu anderen textilen Rohstoffen, in: Arch. Korr., 2007, S. 247–256. Strabon geogr. 15, 1, 21, vgl. 20. Nach A. Stauffer, Textilien aus Palmyra, S. 12, ist Baumwolle 42 mal vertreten: „Selbst unter dem Vorbehalt, daß nicht alle Textilfunde aus den genannten Grabbau-

    c. 27 Von den Wollarten (Wolle und andere Rohstoffe)

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    Eine kurios erscheinende Bemerkung liefert Plinius bei der Beschreibung der Bäume: „Die obere Seite [der Blätter] hat bei allen Bäumen mehr oder weniger Flaum, der bei anderen Völkern als Wolle dient“1115. Nun kann man diesen Satz mit seiner Vorstellung vereinbaren, die Raupen der Seidenspinner schabten ihre Kokons von den Blättern der Bäume. Es gab jedoch im 19. Jh. die Wolle aus Fichtennadeln. Unter dem Stichwort Waldwolle schreibt z. B. Mercks Warenlexikon: „Waldwolle, (franz. laine végétale, laine des bois), ist ein aus den grün eingesammelten Kiefern-FöhrenNadeln gewonnener Faserstoff, welcher in gröberer Sorte Polstermaterial für Möbel, Matratzen und dergleichen, in feinerer einen Spinnstoff abgibt, der allerdings […] nicht für sich, sondern in Vermischung mit Wolle oder Baumwolle versponnen wird. […]. Das Ausbringen der Fasern geschieht durch Kochen derselben mit Dampf und durch Schlagmaschinen. Die sich […] ergebende Flüssigkeit bildet eingedickt den Waldwollextrakt“1116. Meyers Konversationslexikon registriert ähnlich: „Waldwolle, die wollähnliche Faser der Kiefer- und Fichtennadeln, welche durch Kochen der Nadeln mit Dampf und Anwendung von Schlagmaschinen gewonnen wird, dient als Polstermaterial und in Vermischung mit Wolle oder Baumwolle als Spinnstoff zur Darstellung einer Art Gesundheitsflanell“1117. Zu den von Isidor im Gegensatz zu Plinius nicht genannten Rohstoffen gehören der aus der othonion genannten Binse hergestellte „Lein“. Ferner ist von Halfagras, spartum, die Rede, möglicherweise handelt es sich um die gleiche Faser. Ginster war ein textiler Rohstoff für „haltbare Fischnetze“. Welcher Art das Garn war, das Inder und Äthiopier „aus einer Art Apfel“ herstellten, „die Araber aus Kürbissen“, ist nicht gesagt; es könnte sich um Baumwolle oder Kapok gehandelt haben1118. Auch Asbest, der nach Plinius für Totenkleider verwendet wurde, wird von Isidor nicht behandelt1119.

    1115

    1116 1117

    1118 1119

    ten auf uns gekommen sind, deutet dieser Befund doch auf eine zunehmende Einfuhr von Baumwolle im Verlauf des 1. Jhs. n. Chr. hin“. Plin. 16, 88: superior pars omnium lanuginem quantulamcumque habet, quae in aliis gentium lana est. Vgl. Mercks Warenlexikon, Stichwort Waldwolle. Meyers Konservationslexikon, Bd. 16, S. 355. Auskunft Anne Reichert, Ettlingen: „Kaum noch bekannt ist die Nutzung der Kiefernnadeln zu Waldwolle. Als erstes zupfte man alle Nadeln vom Zweig ab. Daraufhin wurden die Nadeln so lange in lauwarmes Wasser gelegt, bis die harte Hülle aufsprang und abgestreift werden konnte. Übrig blieb ein weiches, watteähnliches Produkt, die Waldwolle. Erst nach ausreichender Trocknung wurden in ärmlichen Haushalten damit die Polster, Kissen und Matratzen gestopft“. Plin. 19. 15; 26–29. Plin. 19. 20, vgl. 4 a.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    c. 28 Von den Farben der Kleider 1 a. tinctura, 1 b. coccum, rubrum, vermiculum, 2–4. conchylium, ostrum, 5. purpura, 6. ferrugo, 7 a. glaucus, 7 c. elbidum, 8 a. luteus, 8 b. croceus, 8 c. menum, 8 d. masticinum, 8 e. blatteum, 8 f. blabum, 8 g. mesticium, 9. osticium (usticium). Zusätzliche Stichworte: Pflanzenfarben und mögliche Kombinationsfarben aus der Sammlung von Plinius Zusätzliche Hinweise Von der Art, sich angemessen zu kleiden Färbewerkstätten in den Quellen Quellen zu Beizen 1 a. tinctura Färben In der Antike konnten lebhafte Diskussionen über die Frage entstehen, welche Farbschattierung in Beschreibungen gemeint seien, Probleme, denen man seit 1927 mit die Einteilung und Numerierung in RAL-Farben zu begegnen versucht, ohne jedoch einzelne Ausdrücke immer erfassen zu können. In seiner Schrift „Attische Nächte“ berichtet Gellius über eine Unterhaltung des Konsuls Fronto mit dem Philosophen Favorinus über die Bezeichnungen von Farben und über ihre Abstufungen, die in Wirklichkeit viel größer seien, als die Anzahl ihrer Benennungen dies deutlich machten. Dabei werden auch Begriffe erwähnt, die in diesem Text eine Rolle spielen1120. Die Färbekraft der Naturfarben ist von den Lebensbedingungen, Jahreszeiten und Witterungsverhältnissen abhängig unter denen die Rohstoffe wachsen und die auch die besten Färber nicht immer durch ihre Kunstfertigkeit auszugleichen vermögen. Bezeichnungen können im alltäglichen Gebrauch benutzt werden, ohne dass die Farbstoffquelle genau definiert ist; ob es sich deshalb z. B. bei der Bezeichnung „Rot“ um eine Farbe handelt, deren Farbstoffe von Purpurschnecken, Kermes, Pflanzenfarbstoffen oder Kombinationsfärbungen stammen, muss im Einzelfall entschieden werden. Isidor behandelt in diesem Kapitel Herkommen, Herstellung und Aussehen der Farben, die für die Textilien des jüdischen Tempels vorgeschrieben waren und versucht dabei, Farbabstufungen sprachlich einzuordnen. Er beginnt mit dem Kermes oder coccus und geht über zu den verschiedenen Schattierungen des Purpurs. Im Vordergrund stehen 1120

    Gell. 2, 26, 1–22.

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    dabei weniger die Realien als vielmehr literarische Textstellen, die es zu erläutern gilt. Der Hauptzeuge für die Farben und die Färberei in der Antike ist Plinius. Seine konzentrierte Sprache, die es erschwert, alle Feinheiten zu verstehen, wurde schon erwähnt. In diesem Kapitel wird das besonders deutlich. Helmut Schweppe schreibt zur Geschichte der Färberei: „Die etruskischen Färber kannten eine beträchtliche Anzahl von Farbstoffen, wie man aus [Wand-]Malereien von Kleidungsstücken in einigen etruskischen Grabmälern entnehmen kann. Die Römer trugen in den ältesten Zeiten ungefärbte Gewänder in den natürlichen Farbtönen der Wolle […]. Unter dem Einfluß ihrer fortschrittlicheren Nachbarn wurden nach und nach bei besonderen Anlässen von bestimmten Personen Kleidungsstücke getragen, die von Menschenhand gefärbt waren“1121. Dies kann nur als Legende angesehen werden. Von Anfang an waren die Römer in das kulturelle Umfeld ihrer Nachbarn eingebunden und liebten genau wie sie die Farbigkeit. In den Quellen finden sich hinreichend Beispiele, wie Farbe in Feiern und im täglichen Leben eine Rolle spielte. Es handelt sich um Geschichten und Gesetze, die vom Zwölftafelgesetz bis zum Codex Justinianus reichen. Einige Färbewerkstätten, die in den Quellen aufgeführt sind, werden hier mit erwähnt. Eine wichtige Arbeit bestand aus dem Vorbereiten der Textilien, die häufig durch Beizen für die Farbstoffaufnahme bereit sein mussten. Diese Pliniusquellen wurden ebenfalls gesammelt. Die Angaben dienen als Beispiele und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 1 b. coccum, rubrum, vermiculum Kermesrot, Tafel 18 Der Kermes gehört zu der Gruppe der Schildläuse1122. Die gewonnenen Farben heißen coccum, rubrum oder vermiculum, und Plinius spricht von dem Kermes als von einem Korn, granum, oder einem Auswuchs an der Wirtspflanze. Während die archäologischen Funde beweisen, dass man die Färbekraft des Kermes schon im Neolithikum nutzte1123, wurde erst seit den Forschungen von R.-A. von Réaumur zu Beginn des 18. Jhs. in Europa 1121 1122 1123

    H. Schweppe, S. 54. Zum Ganzen vgl. Krünitz online, Stichworte Schildlaus und Kermes. Freundl. Mitt. von Margarita Gleba: „kermes has been in use since Neolithic. Dominique Cardon in her 2007 book Natural Dyes writes that kermes is said to have been identified in a kind of paste made of roasted barley and meat discovered in Neolithic Adaouste cave in Provence. In textiles, as far as I know kermes dye has been identified in numerous pre-Roman finds, including 6th c. BC textiles from a princely burial in Hochdorf, Germany“.

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    deutlich, um welche Parasiten es sich hierbei handelt und wie sich ihre Fortpflanzung vollzieht; Réaumur setzte sie in die Klasse der Gall-Insekten. Der wohl bekannteste Farbstoffproduzent, Kermes vermilio (PLANCHON) (früher Coccus ilicis), lebt an verschiedenen Orten auf der im Mittelmeerraum und Kleinasien heimischen, meist buschartig wachsenden Kermeseiche (Quercus coccifera L. Fagaceae) als Wirtspflanze1124. Réaumur fand heraus, dass der Kermes sich aus Larven entwickelt. Während die männlichen Larven Flügel besitzen, suchen sich die weiblichen Larven einen geeigneten Platz auf ihrem Wirt, saugen sich fest und ernähren sich von seinem Saft. Ein der Umgebung farblich angepasster Schild schützt sie vor Feinden. Nach der Befruchtung schwellen ihre Körper an, werden etwa wacholderbeerengroß und jedes Weibchen legt ca. 1800–2000 Eier, die mit rotem Saft gefüllt sind. Die Mutter stirbt danach, schützt weiterhin aber die Eier mit ihrem Körper. Ehe die Insekten durch die hintere Schildspalte herauskrochen, sammelte man den Körper ein. „In Langedoc und Provence [des 18. Jhs.] sammeln die Armen den Kermes; und die Weiber lassen ihre Nägel wachsen, um sie desto leichter abnehmen zu können. […] Einige Weiber sammeln des Tages 2 bis 3 Pfund. Es kommt nur hauptsächlich darauf an, den Platz zu wissen, wo die Kermes in einiger Menge zu finden sind, und sie früh mit dem Morgenthaue zu sammeln, weil alsdann die Blätter noch biegsamer sind, als nachher, wenn die Sonnenhitze dieselben mehr ausgetrocknet und steifer gemacht hat“, so Krünitz. Danach breitete man sie auf Leinwand oder Matten aus und besprengte sie mit Essig. Die Hülsen oder Schalen wurden von dem feinen roten Staub getrennt und hatten nur die Hälfte des Wertes1125. In Plin. 9, 141 heißt es: „coccus ist […] ein rötliches Korn, das in Galatien und bei Emerita in Lusitanien am vorzüglichsten gedeiht. Aber, um hier gleich die bemerkenswerten Färbemittel zu erwähnen, die einjährige Beere ergibt eine matte Flüssigkeit, während die von der vierjährigen verblaßt. Es hat also weder die junge noch die alternde [Pflanze] besondere Färbekraft“1126. Nach Krünitz müssen die Bäume die nötige Menge an Saft abgeben können, damit die Schildläuse genug Nahrung finden, dies könnte der Grund für die mangelnde Saftabgabe bei ganz jungen und älteren Bäumen sein. Plinius wurde oft vorgeworfen, er habe den Kermes gar nicht gekannt, wenn er ihn als Korn einschätzt. Da der getrocknete Kermes tatsächlich wie 1124 1125 1126

    H. Schweppe, S. 255–281, Abb. S. 255 und 256 und Farbt. 13A, S. 561. Krünitz, Stichwort Kermes, vgl. Stichwort Schildlaus. Plin. 9, 141: coccum Galatiae, rubens granum, […] aut circa Emeritam Lusitaniae in maxima laude est. verum, ut simul peragantur nobilia pigmenta, anniculo grano languidus sucus, idem a quadrimo evanidus.

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    ein kleines Korn aussieht, ist leicht vorstellbar, dass sich Plinius nach dem Aussehen gerichtet hat. Zur Pflanze wird in 16, 32 gesagt: „Alle diese Gaben [der Wintereiche] überragt jedoch die Ilex allein mit ihrem coccus. Dies ist ein Korn und erscheint anfangs wie ein Ausschlag an einem Strauch, und zwar an der kleinen spitzblättrigen aquifolia ilex, der Steineiche; man nennt es cusculium. Den Armen dient es zur Zahlung der Hälfte des Tributs. Seine Anwendungsweise haben wir bei der Erwähnung des Purpurs angeführt. Es wächst auch in Galatien, Afrika, Pisidien und Kilikien, das schlechteste auf Sardinien“1127. Während Krünitz davon spricht, dass man den Kermes auf der kleinen Steineiche findet, die ein kleiner ästiger Strauch ist und „überhaupt der Stech-Palme (Aquifolium) ähnlich“, zitiert H. Schweppe A. Balachowsky (1950), der (neben Quercus coccifera) auch Quercus ilex, die Stein- oder Grüneiche, und Quercus suber, die Korkeiche, als Wirtspflanze ansieht. Nach H. Schweppe haben die Kermesweibchen auf den beiden letzteren nicht die Typica-Form sondern die Ballotae-Form, „trotzdem handelt es sich um die gleiche Spezies“1128. Neben der Färbekraft des Kermes kennt Plinius noch seine Anwendung in der Medizin und sagt in 24, 8: „Coccum ilicis legt man mit Essig auf frische Wunden, mit Wasser auf entzündete Augen und träufelt sie ein, wenn die Augen mit Blut unterlaufen sind. Es gibt aber auch eine fast nur in Afrika und Asien wachsende Art, die sich sehr schnell in einen kleinen Wurm verwandelt, weshalb man sie auch scolecium nennt und sie verabscheut“1129. Am Schluß seiner Bücher fasst Plinius in 37, 204 noch einmal die Wunder der Erde zusammen und erwähnt darunter den aus der Erde wachsenden coccus. Es ist möglich, dass Plinius Kunde von der Armenischen Cochenille oder des Ararat Kermes (Porphyrophora hameli, Brandt) hatte: „Der Ararat-Kermes parasitiert an den Wurzeln eines Reitgrases (Phagmetis australis), das in den versalzten Niederungen am Fluss Araxes wächst“ und ebenso „am Fuße des Berges Ararat. An wenigen Tagen im Herbst kom1127

    1128 1129

    Plin. 16, 32: Omnes tamen has eius dotes ilex solo provocat cocco, granum hoc primoque ceu scabies fruticis, parvae aquifoliae ilicis. cusculium vocant. pensionem alteram tributi pauperibus Hispaniae donat. usum eius ac rationem in conchylii mentione tradidimus. gignitur et in Galatia, Africa, Pisidia, Cilicia, pessimum in Sardinia. „Nach dem Plinius stammt das Wort Cusculium von einem griech. Worte her, welches so viel bedeutet, als die Auswüchse abschneiden, welches hier in Ansehung des Kermes geschieht“, meint J. G. Krünitz. Krünitz, Stichwort Kermes und H. Schweppe, S. 256. Plin. 24, 8: Coccum ilicis vulneribus recentibus ex aceto inponitur, epiphoris ex aqua, oculis subfusis sanguine instillatur. est autem genus ex eo in Africa fere et Asia nascens, celerrime in vermiculum se mutans, quod ideo scolecium vocant inprobantque.

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    men die ausgewachsenen Tiere gleich nach Sonnenaufgang an die Erdoberfläche und suchen nach Wirtspflanzen zur Eiablage. In dieser kurzen Zeitspanne ist es leicht, die Tiere einzusammeln“, so der Bericht heutiger Forscher1130. Neben den erwähnten Kermesarten gibt es nördlich der Alpen die Polnische Cochenille (Porphyrophora polonica L.), auch polnischer Kermes genannt, die an den Wurzeln des Scleranthus perennis L. lebt, der zur Knauelfamilie gehört. Zur Gewinnung wurden die Wirtspflanzen mit einer Kelle ausgegraben und nach Abstreifen der Läuse wieder in den Boden gesetzt. Krünitz schreibt zu der Pflanze: „[Sie] ernährt an der Wurzel violettröthliche Körner von der Größe des Hanf-Samens und kleiner Erbsen, in welchen ein blutrother färbender Saft enthalten ist, und aus welchem zur bestimmten Zeit eine gewisse Art von Insecten hervor kommt. Man findet aber, nach Gleditsch Erfahrungen, dergleichen nur in manchen Jahren häufig, in andern sparsam, und an vielen Pflanzen, wo nähmlich das Land stark und oft [landwirtschaflich] bearbeitet wird, gar nicht. In Polen und Preußen werden dieselben statt der Cochenille in der Färberey gebraucht“. Der Berliner [Voßischen] Zeitung von 1763 zufolge seien aus der preußischen Mark viele Zentner von dieser Cochenille in die Türkei geschickt worden1131. Mosche Sternlicht identifizierte drei verschiedene Kermesarten in Israel, den Kermes biblicus (Bodenheimer), der an der israelisch-libanesischen Grenze lebt, den Kermes spatulatus (Balachowsky), der auf der Tabor-Eiche im Horshat Tal in Obergaliläa zu finden ist, den größten der drei Arten, und den gewöhnlichen Kermes, Kermes echinatus (Balachowsky): er lebt auf Unterarten der Calliprinos Eiche1132. Harald Böhmer schreibt im Vergleich der Kermes vermilio mit der Porphyrophora polonica: „Beide Kermes-Arten unterscheiden sich in ihren Farbstoffgehalten, sowohl nach deren Menge als auch nach deren chemischer Struktur. Mit geeigneten Analysemethoden sind die Unterschiede festzustellen“1133. Dies gilt auch für die anderen Kermesarten. Durch die Anwendung verschiedener Beizen ergeben sich weitere Möglichkeiten, Rottöne zu erzielen: sie reichen von Orangerot, Leuchtendrot, Bordeauxrot; ein etwas blaustichiges Rot ist das Karmoisin. Coccus ist ein häufig genannter Begriff in der Vulgata. 612 v. Chr. wurde Ninive, die letzte Hauptstadt Assyriens, von den Medern und Babyloniern zerstört. Der Prophet Nahum spricht in seiner Offenbarung diese Zerstö1130 1131 1132 1133

    H. Böhmer und R. Karadag, Farbanalytische Untersuchungen, S. 86. Krünitz, Stichwort Knaue, H. Schweppe, S. 268–270. M. Sternlicht, The Dye of the Coccid, S. 17–19. Brief von H. Böhmer, 9. 12. 1992.

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    rung an; er redet von den kommenden Heeren, die in coccus gekleidet sein werden. Dazu passt Isidors Erklärung in c. 22, 10 (Stichwort russata), dass man auf mit coccus gefärbter Kleidung Blut nicht erkennen kann1134. In der Apocalypse (17, 3–4) sitzt die große Hure auf einem coccusfarbenen Tier und ist umgeben von Purpur und coccus, Gold, Edelsteinen und Perlen. Auch von zweimal gefärbtem coccus ist die Rede, coccus bis tinctus; an anderer Stelle steht vermiculum für coccus1135. Nach der Entdeckung Südamerikas stellten die Siedler fest, dass es dort kermesähnliche Parasiten gab, die auf Kakteen lebende Cochenille, Dactylopius coccus. Mit der Zeit ersetzte sie die europäischen Läuse. Die spanische Regierung veranlasste, dass auf den Kanaren auf dem Feigenkaktus, Opuntia ficus-indica (zu den Caryophyllales gehörend), Cochenilleläuse angesiedelt wurden. Heute ist die Farbstoffgewinnung wirtschaftlich nicht mehr rentabel, wird aber z. B. auf Lanzarote mit staatlicher Unterstützung weiter betrieben, wobei der Farbstoff u. a. in der Kosmetik und der Lebensmittelindustrie verwendet wird. Der Begriff Scharlach für coccus wird in dieser Arbeit nicht benutzt, er ist eine spätere Bezeichnung. Krünitz zufolge erfand „der Erzbischof von Toledo, Roderich, welcher seine Geschichte von Spanien 1243 endigte“, für Kermesrot, coccus, das lateinische Wort scarlatum1136. W. A. Schmidt zufolge kam mit dem Untergang des byzantinischen Reiches der Purpurhandel zum Erliegen, und er fügt hinzu, dass Papst Paul II. 1464 deshalb „ausdrücklich die Einführung des Coccum statt des bisher üblichen Purpurs für die kirchlichen Gewänder anordnete“1137. 2 a. – 8 b. Der Schneckenpurpur, Tafel 10 und Tafel 18 Der zweite Farbkomplex, den Isidor anspricht, ist der Schneckenpurpur, der wie kein anderer Farbstoff überaus kostbar, begehrt und berüchtigt war. Die Palette der Purpurfarben schien unerschöpflich zu sein, mit Hilfe der Färberkunst reichte sie von fast Schwarz über sämtliche Rot-, Blau- und viele Grüntöne zu Grau bis Hellgelb. Unzählige Geschichten ranken sich um Purpur, er war die Kleiderfarbe von Göttern, Königen und der Reichen 1134

    1135 1136 1137

    Na 2, 3: viri exercitus in coccineis. Vgl. Ier 4, 30: Jerusalem ist wie eine Frau im Untergang, aber in coccus gekleidet; und viele andere Stellen. Beispiele: Ex 26, 31 und 28, 15 coccus bis tinctus; Ex 38, 18 und 39, 1 vermiculum. Krünitz, Stichwort Kermes. W. A. Schmidt, Die Purpurfärberei, S. 209. Da sich Wolle nur mit sehr hohem Aufwand färben lässt, ist davon auszugehen, dass inzwischen die Textilien aus Seide bestanden, die man mit byssus identifizierte.

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    und Mächtigen. Nach Juvenal war es der den Römern zunächst unbekannte Purpur, der zu Verbrechen und Frevel verleitete, dies hätten schon die Alten den Jüngeren erzählt1138. „Die in allen Weltmeeren verbreiteten Purpurschnecken gehören zur Familie der Muricidae. Unter den Schnecken zählt man sie zur Ordnung der Monotocardia und hier zu den Neogastropoda oder Stenoglossa (Schmalzüngler). Aus dem Mittelmeer sind 13 Gattungen mit 25 Arten bekannt“1139. „Die Schnecken erzeugen in ihren Hypobronchialdrüsen Vorstufen der Purpurfarbstoffe, nicht aber die Farbstoffe selbst, die sich erst über Zwischenstufen bilden. Der Purpur wird in der Hypobranchialdrüse synthetisiert, die in der Kiemenhöhlenwand gelegen ist, genauer in ihrem hinteren Bereich, der zwischen After und Kieme liegt. Zur Herstellung eines einzigen Gramms Purpur benötigte man 10 000 bis 12 000 Schnecken. Von Thais lapillus, der kleinen Nordischen Purpurschnecke, mussten hierfür sogar 40 000 Stück gesammelt werden“1140. 2–4. conchylium, ostrum Schneckenpurpur Isidor erklärt: „Die Purpurschnecke [murex cochlea] ist des Meeres, genannt von der Spitze und Rauheit, die mit anderem Namen conchylium genannt wird, weil sie, mit einem Eisen rundum geschnitten, Tränen (Tropfen) von purpurner Farbe absondert, aus denen mit Purpur gefärbt wird: und daher wird er ostrum genannt, weil dieses Färben aus der Flüssigkeit eines Schaltieres hervorgeholt wird“1141. Bei dem Begriff der Conchylien tritt das Problem der Mehrdeutigkeit auf, das in diesem Artikel häufig vorkommt. Isidor nennt die Purpurschnecken conchulae, wenig später aber auch wie Vitruv conchylia. Denselben Begriff wendet er auf ihre Farbstoffe an, die er mit einem anderen Namen als ostrum bezeichnet. Hierbei unterscheidet er allerdings nicht wie Plinius zwischen den Conchylien- und den Purpurfarben1142. Vitruv behandelt den Begriff ostrum in einem eigenen Kapitel und zwar so, dass der Kommentator Rivius im 16. Jh. schreibt: „Doch weil die Scribenten in disen sachen vast yrrig sind, ist dises Capitel ser zweyffelhafftig, und nit wol zu mercken“1143. Rivius selber liest ostrum als Namen des Tieres, 1138 1139

    1140 1141 1142 1143

    Juv. 14, 187–189. Rolf Melzer, Peter Brandhuber, Timo Zimmermann und Ulrich Smola, Der Purpur, Farben aus dem Meer, S. 32. R. Melzer, ebd. S. 34. Isid. Et. 12, 6, 50. Plin. 9, 124: conchylia et purpuras omnis hora atterit. Rivius, Auslegung zu Vitruv 7, 13.

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    das die Purpurfarbe abgibt, während Vitruv die Farbe meint. Vitruv spricht davon, dass das ostrum je nach Fundort unterschiedliche Farben hat, schwarz (atrum) sei er am Pontus und in Gallien, bläulich (lividum) im Occident, am aequinoktialen Orient und Occident sei es violett (violaceo colore) und um Rhodos rot (rubrum). Nonius definiert ostrinus „von der Farbe des ostrum, die hellrot ist“1144. 5. purpura Purpur Über die Bedeutung des Hauchlauts in purphira, den Isidor in 28, 5 anspricht, schreibt Gellius u. a., dass dies eine Eigenart Attikas sei. Der Klang trete auf diese Weise frischer und lebhafter hervor. Es habe „kein anderer Grund vorgelegen“, verschiedene Begriffe mit dem Hauchlaut zu versehen, als dass dadurch „die Stärke und Lebhaftigkeit des Wortlautes gesteigert werden sollte“1145. Die Schnecken werden als Synonyme von einzelnen Forschern unterschiedlich benannt, hier sind nur die gebräuchlichsten aufgeführt. Die Schneckenarten zitiert nach Plinius, Tafel 19, Tafel 13 Bucinum Trompetenschnecke heute Stramonita haemastoma L. 1766, Thais haemastoma, die Rotmund-Leistenschnecke [Purpura haemastoma]. „Von den Schnecken für die Purpur- und Conchylienfarben – die Substanz ist bei beiden die gleiche, sie unterscheiden sich nur in der Mischung – gibt es zwei Arten: die kleinere heißt Trompetenschnecke, bucinum minor concha, und hat ihren Namen nach der Ähnlichkeit mit dem Instrument, womit man den Trompetenton erzeugt, da ihre Mündung rund und am Rande eingeschnitten ist […]. Die Trompetenschnecke hängt nur an den Felsen fest und wird an den Klippen gesammelt“1146. Bucinum heißt sowohl die Schnecke als auch der Farbstoff.

    1144 1145 1146

    Non. S. 881: Ostrinam, ab ostri colore, qui est subrubeus. Gell. 2, 3, 1–5. Plin. 9, 130.

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    Purpura Trunculariopsis trunculus (Hexaplex trunculus L. 1758) [Murex trunculus] „Die andere [Art] heißt Purpurschnecke (purpura), hat einen röhrenartig vorgestreckten Mund und die Seite der Röhre ist inwendig [zu einem Gang] gewölbt, durch welchen die Zunge herausgestreckt werden kann. Außerdem ist sie bis zur obersten Windung hin mit Höckern versehen, so daß etwa sieben Stacheln auf eine Windung kommen, welche die bucinum nicht hat. Beide [purpura und bucinum] haben aber so viele Windungen als Jahre“1147.

    Pelagia Plinius nennt weitere fünf Arten von Purpurschnecken, „die sich durch Nahrung und Lebensraum im Meer voneinander unterscheiden, nämlich die lutensis, die Schlammschnecke, die auf faulem Schlamm lebt; algensis, die Seegrasschnecke – lutensis und algensis seien, so Plinius, für die Farbstoffgewinnung am wertlosesten; taeniensis Ceratostoma erinaceum, die Gerippte Purpurschnecke, Riffschnecke [Murex erinacea] – die taeniensis sei besser als die algensis, sie habe eine schwächere Farbe; calculensis Steinschnecke, Thais lapillus – wunderbar für Conchylienfarben eigne sich calculense. Sie ist in Norwegen und England zu Hause; dialutensis Bolinus brandaris L. 1758, Herkuleskeule, Brandhorn, Murex brandaris – sie ist nach Plinius bei weitem die beste für Conchylienfarben. H. Schweppe beschreibt ausführlich den Lebensraum dieser und weiterer Schnecken, die färbenden Inhaltsstoffe und Farbtöne1148. Fangarten Das Einsammeln der Schnecken ist eine schwierige Aufgabe. Plinius gibt Auskunft über die Fangzeit1149. Alle Vertreter sind Aasfresser oder Räuber, die im Flachwasserbereich nahe den Küsten nicht selten sind. Sie zeichnen sich durch ihre dicken, mit Höckern oder Spitzen (Varizen) versehenen 1147 1148 1149

    Plin. 9, 130. H. Schweppe, S. 315–318, Abb. und Farbtafeln. Plin. 9, 133–134.

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    Schalen aus und besitzen, wie für ihre Unterordnung typisch ist, einen Schalensipho. Dies ist ein Gehäusefortsatz, der den Sipho schützt. Nahrung nehmen sie mit ihrem kräftigen Rüssel auf1150. Plinius schreibt: „Auch die Purpurschnecken fängt man mit übelriechenden Ködern“. An anderer Stelle berichtet er von „kleinen großlochig geflochtenen Reusen“, in denen Muscheln als Köder dienen. Wenn die Schnecken diese fangen wollen, würden sie von den zuklappenden Muscheln festgehalten1151. Von der Trunculariopsis trunculus sagt er: „Die Purpurschnecke hat eine Zunge von der Länge eines Fingers, mit der sie ihre Nahrung sucht, wobei sie andere Muscheln durchbohrt: so hart ist ihr Stachel“1152. Dazu R. Melzer: „Trunculariopsis kann außerdem Muscheln öffnen und fressen. Hierauf hat sich auch Murex brandaris, die Herkuleskeule, spezialisiert. Zum Öffnen von Muscheln verwendet sie einen speziellen Zahn als ‚Büchsenöffner‘. Zunächst saugt sie sich mit dem Fuß an einer Schalenklappe ihres Opfers fest. Dann zwängt die Schnecke einen der Zähne ihres Gehäuserandes zwischen die Muschelschalen und hebelt sie wie mit einem Brecheisen auf. Sie benutzt also ihre stachelige Schale als Werkzeug und nicht nur, wie die meisten anderen Arten, um sich vor Räubern zu schützen. Schließlich steckt das Brandhorn seinen kräftigen Rüssel in die Muschel und schlürft sie leer. Einige Arten wie Thais und Nucella bohren ihre Beute, in der Regel Muscheln, mit der Radula an und fressen sie durch das Bohrloch leer. Der Speichel von Purpurschnecken enthält neben Säuren auch Gift, das zum Überwältigen der Beute dient“1153. Nach dem Fang konnten die Schnecken noch bis zu fünfzig Tagen leben. Plinius zufolge war nur der Farbstoff von lebenden Schnecken tauglich, die kleineren Tiere wurden lebend mit der Schale zerdrückt1154. Vitruv: „Wegen des Salzgehalts aber trocknet [der Drüsenschleim] schnell ein, wenn er nicht eine Umhüllung durch Honig hat“. Auch er beschreibt, wie die Tiere (conchylia) durch ein Eisen aufgeschlitzt würden, um die Drüsen zu entnehmen1155.

    1150

    1151 1152 1153 1154 1155

    R. Melzer u. a. Interessant sind die Erläuterungen zum Ernährungs- und Fortpflanzungsverhalten der Schnecken, zur Purpursynthese und Photochemie des Purpurs. Außerdem I. Irving Zidermann, The Biblical Dye, Thekhelet and ist Use in Jewish Textiles, Dyes in History and Archaeology, 21, 2008, S. 36–44. Plin. 10, 195; Plin. 9, 128; Plin. 9, 132. Plin. 9, 128. S. 35. Plin. 9, 128 und 126. Vitr. arch. 7, 13.

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    Färben Plinius gibt an, dass Purpurfarben und Conchylienfarben in der (Farb-)Substanz gleich seien, jedoch in der Farbmischung unterschiedlich sind1156. Sie werden als Einfach-, Kombinations- und Dreifachfärbungen ausgeführt. Melzer zu Versuchen: „Damit war nachgewiesen, dass die unterschiedlichen Farben der Purpurschnecken durch artspezifische, unterschiedliche Mengenverhältnisse von 6-Bromindigo, 6-Bromindoxyl, Indoxyl und Indigo entstehen“1157. Einfachfärbung Einfachfärbungen lassen sich herstellen aus dem Farbstoff des Brandhorns (dialutensis). Die Farbe ist wie eine dunkle Rose. Farbnamen sind purpura rubra, purpura rosea, rubrum, hebräisch argaman. Gefärbt wird unter Einwirkung von Luft und Belichtung. Je nach der Intensität des Lichts differieren die Farben1158. Einfachfärbungen als dunkelblaue Conchylienfarbe sind möglich mit der Farbsubstanz oder dem pelagium1159 der Trunculariopsis trunculus (Hexaplex trunculus), denn hier ist das Indigo führend. Von ihr stammt das Blau – das hebräische tekhelet, purpura hyacinthina, heliotropium caeruleum – der Obertunika des Hohenpriesters. Den speziellen Farbton des Blaus hat Ziderman beschrieben1160. Über Conchylienfarben schreibt Plinius: „Für ein conchylienfarbenes Kleid […] wird die Flotte mit Wasser und zu gleichen Teilen mit menschlichem Harn versetzt1161“. Eine zusätzliche intensive Belichtung ist nötig, denn: „Bei einer der Vorstufen handelt es sich um Indoxyl, [das] sich mit Sauerstoff in sein blaues Dimer Indigo überführen lässt. […] Die zweite Vorstufe war die bromierte Version des Indoxyls, 6-Bromindoxyl, und damit die direkte Ausgangssubstanz des Purpurs“1162. Für helle Conchylienfarben heißt es bei Plinius: „auch wird halb soviel Farbe zugesetzt.

    1156 1157 1158 1159

    1160 1161 1162

    Plin. 9, 130. R. Melzer u. a., S. 36. H. Schweppe, S. 309 und 315. Die Meeresschnecke selbst nennt Plinius pelagia, die Conchylienfarbstoffe pelagium: Plin. 9, 131 bzw. 134 und 138. I. I. Ziderman, Bibl. Dye Tekhelet, S. 36–44. Plin. 9, 138. Es handelt sich um das Grundprinzip der Küpenfärberei. R. Melzer, S. 36.

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    So entsteht durch unvollkommene Sättigung jene geschätzte blasse Farbe, die um so heller wird, je mehr die Wolle aufsaugen möchte“1163. Kombinationsfärbung Amethystpurpur, Tafel 10 Im Gegensatz zur blasseren Hyazinthfarbe ist die Amethystfarbe, Purpura amethystina, das Ergebnis einer Kombinationsfärbung1164. Hierzu werden Farbstoff vom bucinum der Bolinus brandaris und dem pelagium der Trunculariopsis trunculus verwendet. Plinius beschreibt ausführlich, die Farbe habe das violette Aussehen wie der indische Amethyst und „vollkommen die Farbe phönizischen Purpurs; diese Farbe zu erreichen ist der Wunsch der Färberwerkstätten“1165. Nach Plinius wurden zum Färben einer unbekannten Menge Wolle in Amethystpurpur 111 Pfund [unreines, grünes] pelagium und 200 Pfund bucinum benötigt. Er urteilt: „Auf das bucinum allein verzichtet man, weil es die Farbe nicht hält; mit dem pelagium wird es ganz fest gebunden und gibt der allzu großen Schwärze des letzteren jenen dunklen Ton und Glanz, den man am coccus sucht“, denn „die rötliche Farbe ist schlechter als die ins Dunkle gehende“1166. Das Aussehen des jeweils beliebtesten Purpurs war allerdings der Mode unterworfen. Plinius zitiert hierzu „Cornelius Nepos, der unter der Regierung des göttlichen Augustus starb“, mit den Worten: „In meiner Jugend war der violette Purpur, von dem das Pfund 100 Denare kostete, Mode und nicht lange nachher der tarentinische rote“1167. Doppelfärbung thyrischer Purpur Der weltberühmte Purpur war der tyrische Purpur (color tyrius, dibapha Tyria, blatta). „Dann kam der doppelt gefärbte tyrische [dibapha] auf, von dem man das Pfund nicht für 1000 Denare erstehen konnte1168“. Er wurde aus der gleichen Mischung wie der Amethystpurpur gefärbt, jedoch wurde die Wolle zunächst im Farbbad mit unreifem Pelagium gesättigt und erst danach durch bucinum verändert“1169. „Doppelt gefärbt wurde damals der Pur1163 1164 1165 1166

    1167 1168 1169

    Plin. 9, 138. Plin. 37, 122 und 125. Plin. 37, 122: Indica absolutum Phoeniciae purpurae colorem habet. Plin. 9, 134: bucinum per se damnatur, quoniam fucum remittit, Zitate aus 134 und 135. Plin. 9, 137. Plin. 9, 137. Plin. 9, 135: permutatur in bucino.

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    pur genannt, der zweimal gefärbt war, gleichsam mit großspurigen Kosten, und wie jetzt fast alle besseren Purpurstoffe gefärbt werden“1170. Dieser tyrische Purpur hatte eine schwarzrote, wie das geronnene Blut aussehende Farbe, die „beim Anblick schwärzlich wirkt und ebenso schimmert, wenn man an ihr hinaufsieht“1171. Plinius stellt dazu fest: „Es genügt nicht, dem Edelstein seinen Namen Amethyst genommen zu haben; wenn die (Amethystfarbe) fertig ist, färbt man sie mit tyrischer Farbe nach, so daß aus beiden ein unredlicher Name und doppelter Luxus entstehen; und, wenn man die Konchylienfarbe erhalten hat, glaubt man, daß diese (dann) doch besser in die tyrische übergeht“1172. Irving I. Ziderman forscht heute über die Farbe des biblischen Purpurs, argaman. Er berichtet, sie stamme von der Bolinus brandaris, die häufig mit der Stramonita haemastoma gemischt wurde1173. Mehrfachfärbung hysginum tyrischer Purpur und Kermes „Man mischte sogar Erzeugnisse des Landes bei und überzog das mit tyrischer Farbe Gefärbte noch mit coccus, um hysginum-Farbe zu erhalten“. Dies ist Luxus pur. Während Plinius wörtlich erläutert, der Stoff sei zuerst mit coccus gefärbt worden und danach mit tyrischer Farbe, hält der Übersetzer eine Überfärbung des doppelt gefärbten tyrischen Purpurs durch Kermes für gegeben1174. purpurissum Hysginumpurpur mit Zugabe von Krapp Nach Plinius’ Vorstellung kam allerdings die kostbarste Farbe, purpurissum, aus Puteoli, denn hier wurde außerdem noch Krapprot zugesetzt. Die

    1170

    1171 1172 1173 1174

    Plin. 9, 137: huic successit dibapha Tyria, quae in libras denariis mille non poterat emi […] dibapha tunc dicebatur, quae bis tincto esset, veluti magnifico inpendio, qualiter nunc omnes paene commodiores purpurae tinguuntur. Der Ädil P. Lentulus Spinther trug seine Praetexta zuerst damit gefärbt, später verwendete man ihn nun auch bei den Decken der Triclinen. Plin. 9, 135. Plin. 9, 139. I. Ziderman, Bibl. Dye Tekhelet, S. 36. Vgl. Kombinationsfärbung. Plin. 9, 140–141. Vgl. FN 1211 und 1226.

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    Farbe soll höher geschätzt worden sein als die „aus Tyros, Gaetulien und Lakonien“, während die schlechteste aus Canusium kam. Die Silberkreide wurde genauso wie die Textilien gefärbt. Sie war so teuer, dass ein Auftraggeber sie dem Maler zu stellen hatte1175. „Ist aber etwas zu Ende, beginnt anderes, und man freut sich, mit den Kosten zu spielen und die Spielerei durch Vermischen zu verdoppeln und selbst die verfälschte Natur nochmals zu verfälschen“. Plinius weiter: „Die Reue muß zuerst darauf gekommen sein, indem der Künstler das, womit er unzufrieden war, abänderte. Auf diese Weise entstand das (neue) Verfahren; abenteuerliche Geister hatten auch Gefallen an dem, was durch einen Fehler entstanden war, und dadurch wurde dem Luxus ein doppelter Weg geöffnet, indem man eine Farbe durch eine andere verdeckte“1176. Der Begriff der Fälschung soll hier genauer betrachtet werden. Plinius spricht von „verfälscht“ bei der Doppelfärbung, wenn er sagt, dass man „die verfälschte Natur nochmals verfälschen“ wollte. Mit dem Begriff Natur ist die ungefärbte Wolle gemeint, die je nach Farbe des Vlieses unterschiedlich aussehen kann. Die erste Verfälschung dieser natürlichen Farbe ist das Färben mit der Amethystfarbe, und offenbar meint er, dass man diese noch einmal mit tyrischer Farbe überfärbt, um das begehrte Schwarz-Rot zu erhalten, das die dibapha auszeichnet. Helmut Schweppe gibt noch den Hinweis, dass die Phönizier den Gätulischen Purpur möglicherweise mit Hilfe der Bolinus cornutus L. Muricidae hergestellt hätten und der „Purpur von Narbonne“ der gallo-römischen Zeit von der Taeniensis zusammen mit dem Farbstoff von der Dialutensis gemischt worden sei1177. Eine Ahnung von den verschiedenen Farbspielen vermittelt uns Plinius bei der Vorstellung der Blumen[-kleider]: „Wie ich bemerke, unterscheidet man drei Hauptfarben: das [rote] coccum, das, indem es von den Rosen die Lieblichkeit borgt, in einer gewissen Weise von unten betrachtet, auch in den tyrischen, den doppelt gefärbten und den lakonischen Purpur übergeht; die Amethystfarbe, die von Violett ebenfalls nach Purpur und nach der Farbe (spielt), die wir ianthinische genannt haben […]. Die dritte ist die eigentliche Conchylienfarbe mit vielen Farbtönen: einer findet sich an der „Sonnenwende“ (heliotropion), an manchem Exemplar schwach, meist aber gesättigter; ein anderer an der Malve, zum Purpur neigend; wieder ein anderer am Herbstveilchen (viola serotina), der von allen Conchylienfarben der lebhafteste ist. Gleiches wird nun einander gegenübergestellt und Natur und Luxus su1175 1176 1177

    Plin. 35, 44–45. Puteoli, heute Pozzuoli, liegt am Golf von Neapel. Plin. 9, 140. Schweppe, S, 316, s. o. Schneckenarten.

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    chen sich niederzukämpfen“1178. Etwas später beschreibt er Veilchen, die den Frühling ankündigen, und nennt das purpurne und das flammeum1179. Ähnliches gilt auch für den Purpur, unter dessen Bezeichnung „weit zahlreichere und verschiedenere Farbtöne zusammengefaßt werden als heutzutage“, schreibt von Lippmann in seiner Besprechung des Stockholmer Papyrus1180. Isidor stellt einige vor. Im Jahre 1859 befasste sich Félix Joseph Henri de Lacaze-Duthiers in seiner Schrift Mémoire sur le pourpre mit der antiken Purpurfärberei. Hier werden fünf Farbnuancen vorgestellt, die von einer oder mehreren Schneckenarten stammen. Auch wenn die Farbtönungen des in der Bildtafel abgedruckten Musters nicht vollständig der Originalfarbe entsprechen, sieht man doch, dass es sich um Farben handeln könnte, die bei Isidor aufgezeichnet sind. So könnte es möglich sein, dass die fast schwarze Tönung, die in der originalen Vorlage noch einen Rotschimmer aufweist, dem von Isidor als „iberischer Purpur“ oder „ferrugineus“ bezeichneten ähnlich ist. Der nächste Farbton lässt sich als glaucus bezeichnen, purpur der dritte, der vierte altrosa oder rötlicher croceus, und den untersten könnte man elbidus nennen, ohne diese Bezeichnungen eins zu eins umsetzen zu wollen1181. 6. ferrugo, purpura subnigra eisenfarbener Purpur, schwarzgrauer Purpur Ferrugo ist an sich keine gängige Farbbezeichnung für Purpur. Vergil spricht zweimal von ferrugo, einmal von Arcens Sohn, der in iberischem Schwarz glänzt, und ein zweites Mal von einem Helden in Troja, der in „fremdländischer“ ferrugo und in ostrum glänzt1182. Eine Interpretation zur Farbe stammt von Nonius, der erläutert: „Sie wollen, dass die ferrugineus-Farbe ähnlich des Eisens ist, in Wahrheit aber ist sie eine schwärzliche Himmelsfarbe“1183, und er zitiert Vergil, der diese und die folgenden Farben erwähnt, wenn er 1178

    1179 1180 1181 1182

    1183

    Plin. 21, 45–46: rubentem in cocco, qui a rosis migrante gratia nonnihil trahitur suspectu et in purpuras Tyrias dibaphasque ac Laconicas; amethystinum, qui a viola et ipse in purpureum, quemque ianthinum appellavimus; genera enim tractamus in species multas sese spargentia. tertius est, qui proprie conchylii intellegitur, multis modis: unus in heliotropio et in aliquo exilis, plerumque saturatior; alius in malva ad purpuram inclinans; alius in viola serotina conchyliorum vegetissimus. Plin. 21, 64. E. O. von Lippmann, Chemische Papyri, S. 6, s. unten Färbewerkstätten. H. Lacaze-Duthiers, Mémoire sur la poupre, S. 83. Aen. 9, 582: Stabat in egregiis Arcentis filius armis, pictus acu chlamydem et ferrugine clarus Hibera, und 11, 772: ipse peregrina ferrugine clarus et ostro. Non. S. 880: Ferrugineum colorem ferri similem esse volunt; vere autem ferrugineus color caeruleus est.

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    von hellgrauer, glaucus, Weide und rötlichem Safran und dunkler, ferrugineus, Hyacinthe erzählt1184. 7 a. glaucus, ferrugineus subniger graublau purpurn „Woher aber kommt es zu dem Preis der Conchylienfarben mit ihrem widrigen Geruch beim Färben und der strengen blaugrauen Farbe, die dem zürnenden Meere ähnlich ist?“, fragt Plinius1185. Gellius beruft sich auf Aristoteles, wenn er notiert, „dass das Meer beim Wehen des Westwindes grau und schwarzblau erscheint, bei Nordwind dunkler und schwärzer“1186. H. Schweppe knapp: „Eine dunkelblaue, ins dunkelgrün changierende Conchylienfarbe (glaucum ostrum). Erzeugt aus dem Pelagium; Verfahren: von Plinius nicht beschrieben“1187. 7 c. elbidum rötlich-gelb purpurn Die Frage nach der Bedeutung von elbus ist ohne Hilfe kaum sinnvoll zu beantworten. Isidor beschreibt in 17, 5, 26 die Weintraube helvola, die man auch mannigfarben nenne. Er erläutert, dass sie weder purpurn noch schwarz sei, sondern helvus und einen weißlichen Most ergebe. Festus erklärt helvus als eine Rinderfarbe, die zwischen rot und weiß liege1188. Es könnten daher auch die elbidus genannten Vliese ähnlich ausgesehen haben, nämlich weder schwarz noch weiß, sondern mit einem hellen, ins Rötliche schimmernden Ton versehen. Vielleicht gehört elbidum zu den hellen Conchylienfarben, von denen Plinius sagt, sie seien „jene geschätzte blasse Farbe, die um so heller wird, je mehr die Wolle aufsaugen möchte“1189. 8 a. luteus hell-, blassfarbig purpurn Gellius erklärt luteus [color ] als blasse Purpurfarbe1190. Er könnte sich hierbei auf Plinius beziehen, der sich (s. o.) zu diesen hellen Conchylienfarben äußert. 1184 1185 1186 1187 1188

    1189 1190

    Verg. georg. 4, 182–183. Plin. 9, 127. Gell. 2, 30, 12. H. Schweppe, S. 309. Fest. S. 88, 18: Helvacea genus ornamenti Lydii, dictum a colore boum, qui est inter rufum et album, appellaturque helvus. Plin. 9, 138. Gell. 2, 26, 14–15: ‚Rubidus‘ autem est rufus atrior et nigrore multo inustus, ‚luteus‘ contra rufus est dilutior.

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    8 b. croceus safranfarben purpurn Croceus könnte die Farbe des flammeum des Brautschleiers sein, ebenfalls eine Conchylienfarbe. Für Vergil war das neue Weltzeitalter mit vielen wunderbaren Dingen verbunden. „Schon wechselt von selbst im Wiesengrunde der Widder lieblich in glühenden Purpur sein Vlies und goldenen Safran. Sandyx kleidet nun von selbst die weidenden Lämmer“1191. Plinius denkt darüber nach, dass Vergil geglaubt habe, die jene weidenden Lämmer umhüllende Sandyx sei ein Kraut1192. Nonius benutzt diese Gedanken, um zu schreiben: „Luteus color ist wesenhaft crocinus“1193. Er fügt hinzu, das Zitat von Vergil stehe in Zusammenhang mit der Aeneis 7, 26, nach der Sonnenstrahlen der Aurora „im rosenfarbenen Wagen“ rosig leuchteten. 8 c. menum Schwarz Menum kommt außer zweimal bei Isidor nirgends vor und ist auch kein griechisches Wort. Schwarz, nigra, war noch eine Spur dunkler als der ferrugo genannte Purpur und war die Farbe der Trauer. Tiefschwarze Schafe gibt es nicht, doch solche mit sehr dunklem Vlies bezeichnet man allgemein als schwarz. Vielleicht ist menum nur eine Entstellung des griechischen melas: „Der Fluss Melas in Böotien färbt die Schafe schwarz“, schreibt Plinius1194. mena ist c. 22, 16 ohne Erklärung aufgeführt. 8 d. masticinum Mastixfarbe?, vgl. c. 22, 16 Ebenso wird masticinus in c. 22,16 nicht erklärt. Ein gelbliches Haarkleid ist bei Schafen sehr verbreitet. Mastix ist ein Harz, das aus Israel und Juda nach Tyros geliefert wurde1195. „Stocklack ist das von der Lackschildlaus ausgeschiedene Sekret“, ein Harz, in dem sich Farbstoffe befinden, die sowohl in der Textilfärbung als auch als Künstlerpigment verwendet wurden und das u.a. in Indien vorkommt. Das Färbematerial Lack-Dye der Lackschildlaus (Kerria 1191 1192

    1193 1194 1195

    Verg. ecl. 4, 43–45. Plin. 35, 40. Er erläutert, wenn man Sandarach, der die Farbe flammeus haben müsse, mit gleichen Teilen Rötel vermische und dies röste, erhalte man die Sandyx. Der Preis betrage die Hälfte von dem der Sandarach, und es gebe keine anderen Farben von größerer Wirkung als jene; vgl. Plin. 35, 45. Non. S. 881: Luteus color proprie crocinus est. Plin. 2, 230. Ez 27, 17.

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    laccifera) aus Indien und Südostasien liefert den Schelllack1196. Ihr Gebrauch wird bei Isidor nicht erwähnt und kommt in der Bibel nicht vor. Nach R. Hofmann-de Keijzer scheint er „in koptischen Textilien erst nach der arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert nach Christus. benutzt worden zu sein1197. Der Mastixstrauch oder der kleine Mastixbaum Pistacia lentiscus L. hat Blätter, die sich zum Gerben eignen1198. Möglicherweise haben sich masticinus und mena in die beiden Aufstellungen verirrt. 8 e. blatteum blutroter Purpur Blatta ist zunächst ein Falter und zweitens der spätantike Ausdruck für Purpur. Isidor nannte blatta einen Nachtfalter, der, wenn er gefangen wird, die Hand färbt und der das Tageslicht scheut1199. Oxyblatta ist eine Zweifachfärbung. In einem Loblied auf Kaiser Majorian erwähnt Sidonius Apollinaris u. a. auch blatta aus Tyrus unter den Dingen, die nach Rom aus den Provinzen geliefert wurden1200. Gregor von Tours berichtet, dass König Chlodovech nach seinem Sieg über die Hunnen vom Kaiser Anastasius ein Patent als Konsul bekam. Er kleidete sich in der Kirche des Martin von Tours in eine blutrote Tunika, tunica blattea, zusammen mit einer clamys und einem Diadem1201. In den unten genannten Codices ist einige Male von blatta bzw. oxyblatta die Rede1202. Papst Hormisdas (514–523) erhielt von den Griechen „eine ganz purpurrote Pallia mit goldgewirkten Tafeln von einer kaiserlichen Chlamys oder Stola“1203. 8 f. blabum Blaupurpur Da Isidor keine genaueren Erklärungen zu diesem Wort gibt, ist es nicht möglich zu sagen, welches Blau er mit dem Begriff meint. Der blaue Purpur des Himmels und des tekhelet sind oben beschrieben. Vielleicht handelt es sich hier um ein Synonym. 1196 1197 1198 1199 1200 1201 1202

    1203

    Schweppe, S. 272–276. Verletzliche Beute, S. 28. H. Schweppe, S. 484. Isid. Et. 12, 8, 7. Sidon. carm. 5, 48. Greg. Tur franc. 2, 38. CJ 4. 40. 1 S. 178, zwischen 383 und 392; CTh 10. 20. 13 S. 564 a. 406; CJ 11. 8. 10 S. 431 a. 406; CTh 10. 20. 18 S. 565 a. 436. Lib. Pontificalis, S. 271.

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    8 g. mesticium Mischung Mesticium ist die Nebenform von mixticius, misticius, abgeleitet von miscere mischen. Vitruv widmet ein sehr interessantes Kapitel dem Mischen von Farben zur Bemalung der Wände1204. Es kann aber wohl auch als Mischfarbe verstanden werden, die Schafvliese beschreibt. 9. osticium (usticium) Schwarz-Rot Osticium oder usticium ist eine schwarze Farbe, die in reiner Form nicht unmittelbar in der Textilfärbung gebraucht wird. Sie war für Maler und Schreiber gedacht. Vitruv erläutert ausführlich, wie das Schwarz, atramentum, herzustellen war. In einem besonderen, geschlossenen Ofen, ähnlich dem in einer lakonischen Badestube, wird Harz oder, wo das nicht zu bekommen sei, Reisig und Kienholz zu Holzkohle verbrannt und der sich an der Decke und den Wänden ablagernde Ruß abgenommen. Gleiches ließe sich auch mit verbrannter Weinhefe herstellen. Zum Verarbeiten wurde der Ruß mit Leim angemacht1205. Von Plinius erfahren wir, auch Schwarz werde zu den künstlichen Farben gerechnet. „Es hat Maler gegeben, welche die Kohlen aus Gräbern, deren Ruhe sie störten, ausgruben. All dies ist schamlos und neueren Datums. Denn das Schwarz lässt sich auf mehrfache Weise aus Ruß herstellen, […] wozu sogar Anlagen errichtet wurden“1206. In der frühen Neuzeit wurde Schornsteinruß als Zusatz gebraucht, um Seide gelb-braun zu färben1207. Es handelte sich um die Fillemort- oder Feuille-morte-Seide. Ihre Farbe glich abgestorbenen Herbstblättern. Wieweit Ähnliches in der Spätantike praktiziert wurde, ist ungewiss. Die von Isidor aufgeführte „flammenähnliche Tönung“ deutet allerdings auf die Verwendung von Ruß auch in der Textilfärberei hin.

    1204 1205

    1206 1207

    Vitr. arch. 7, 14. Vitr. arch. 7, 10. Bei Rivius Bl. 237 sind zwei schöne Bilder enthalten, in denen der Versuch dargestellt wird, diesen Ofen nachzubauen. Plin. 35, 41–43. Krünitz, Stichwort Feuille-morte: „eine braungelbliche Farbe, welche von den im Herbste abgefallenen Blättern (weil sie gleichsam erstorben und Todten=gelblich sind,) also genannt wird. Die durch Kunst bereitete Feuillemortefarbe wird aus Gelb und Braun zusammen gesetzt. Und zwar ist zu der braunen der Schornsteinruß noch besser, als die Nußbaumwurzel; insonderheit, wenn man erst zu Ende ihrer Färbung mit der Röthe, zu welcher die Curcuma oder Terra merita gesetzt worden, den Ruß gleich hinzu thut“.

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    Pflanzenfarben und mögliche Kombinationsfarben aus der Sammlung von Plinius Aus einer Vielzahl von Möglichkeiten hat Plinius eine Reihe von Farbstoffnamen gesammelt; sie sollen mit aufgeführt werden. Fucus Färberflechte Bei Plinius findet sich die „Orseille, das ist der Seetang [phykos thalassion bzw. fucus marinus], der dem Lattich ähnlich ist und bei der Purpurfärberei als Grundfarbe genommen wird […]. Es gibt“, wie er sagt, „drei Arten davon, […] eine dritte, die krause Blätter hat, mit der man auf Kreta Kleider färbt“1208. Nach Ísidor ist die Orseille – fucus oder Färberflechte, rocella tinctoria, eine Krautart, mit der Kleidung gefärbt wird – so genannt, weil sie eine falsche Farbe vorspiegelt1209. Herba rubia, Rubia tinctorum L. Krapp Eine Pflanze, die laut Plinius das gemeine Volk kennt, ist Krapp, notwendig zum Färben der Wolle und des Leders. Man kann sie züchten oder wild ernten. „Den besten liefert Italien, und vor allem die Umgebung der Stadt (Rom), aber auch fast alle Provinzen sind überreich daran. Er wächst wild und wird angebaut, […] seine Blätter und sein Stengel sind dornig. […] Der Samen ist rot, dann schwarz, die Wurzel rot“1210. Vitruv merkt an, dass Krapp mit Kermes, hier hysginum, ein Purpurrot ergebe1211. Von Krapp wird auch gesprochen, wenn er sagt, dass wir es „rubia nen-

    1208

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    Plin. 26, 103. R. Pfister ist laut Schweppe, S. 310, „der Ansicht, dass mit Fucus marinus nicht die Orseille, sondern die Alge Rytiphloea tinctoria C. Ag. gemeint ist, die einen fuchsia-roten Farbstoff liefert und um das ganze Mittelmeer verbreitet ist“. Plinius behandelt die Alge, alga maris, in 32, 66 und sagt, die färbende Alge wachse „bei der Insel Kreta in Landnähe“. Strasburger, S. 647 und 650: Bei den roccellae (Ordnung Arthoniales) handelt es sich um Symbiosen von Flechten und Algen. Isid. Et. 17, 9, 98: Fucus genus herbae est de qua tinguitur vestis, dicta quia mentitur alienum colorem. Plin. 19, 47: Sunt etiamnum duo genera non nisi sordido nota volgo, cum quaestu multum polleant, in pimis rubia, tinguendis lanis et coriis necessaria. laudatissima Italica et maxime suburbana, et omnes paene provinciae scatent ea. Vitr. arch. 7, 14, 1. – Dies ist vom Hysginumpurpur zu unterscheiden.

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    nen; mit ihm färbt man Wolle und vollendet [im letzten Arbeitsgang] Leder“1212. Im Codex Theodosianus gehören Alaun, herba rubia und vorbereiteter Flachs zu den tributpflichtigen Materialien auf den großen Landgütern in Numibien1213. Nach Harald Böhmer benötigt man, um Wolle mit Kermes, vermilio, zu färben und die gleiche Rotintensität wie von Krapp zu erhalten, 30 % Kermes, bezogen auf das Wollgewicht1214. Dies ist eine unvorstellbar große Menge an Kermes, die erklärt, warum so häufig von „Fälschung“ die Rede ist. Anchusa tinctoria L. Ochsenzunge „Die Wurzel der Ochsenzunge ist von der Dicke eines Fingers […], wird wie die Papyrusstaude zerschnitten, färbt die Hände blutrot und macht die Wolle für Farbtönungen von hohem Wert zurecht“1215. Isidor übernimmt die Einschätzung an anderer Stelle und ergänzt: „weshalb sie bei Malern zum Machen von purpura in Gebrauch ist“1216. Isatis tinctoria L.Waid Unter dem Stichwort Lattich führt Plinius als vierte Art den Waid, isatis, an „die die Wollfärber benutzen. Ihre Blätter würden dem Sauerampfer gleichen, wenn dieser sie nicht zahlreicher und schwärzer hätte“1217. Sie waren als Medikament gegen verschiedene Krankheiten hilfreich. „Ein dem Wegerich ähnliches Kraut heißt in Gallien Waid, glastum“1218. Diese kurzen Notizen stehen in keinem Verhältnis zur Wichtigkeit der blauen Farbe, zeigen aber, wie sehr die Schneckenfarbe, mit der man auch wunderbar blau färben konnte, in der Literatur im Vordergrund stand. 1212

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    Plin. 24, 94: Alia res erythrodanum, quam aliqui ereuthodanum vocant, nos rubiam, qua tinguntur lanae pellesque perficiuntur. Isidor erwähnt diesen Satz in seinen Et. 17, 9, 68: Rubia dicta quod radix eius sit rubra; unde et colorare lanas perhibetur. Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes, Theodosius et Valentianus AA-Albino II. PP, 13.1: de salinis alumine caractere herba rubia lini maceratura. Frdl. Mtl. vom 29. 7. 2002. Plin. 22, 48: Et anchusae radix in usa est, digitali crassitudine. finditur papyri modo manusque inficit sanguineo colore, praeparat lanas pretiosis coloribus. Isid. Et. 17, 9, 69. Plin. 20, 59. Plin. 22, 2.

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    Indigo Indigofera tinctoria L. Indigo „Wo Armenischblau und Indigo anstehen, wird durch ihre Benennungen angezeigt“, so Vitruv zum Namen. „Aus Mangel an Indigo“ konnte man auch Waid benutzen, „den die Griechen isatis nennen“1219. Neben indischen gibt es auch afrikanische Indigostraucharten. Plinius stellt fest, dass sich im Gegensatz zu Perlen die Conchylien- und Purpurfarben (conchylium et purpura) von „Stunde zu Stunde abnutzten“, obwohl der Luxus „beinahe ebenso hohe Preise wie für Perlen verlangt“1220. Weitere Farben Junge Triebe vom Ginster wurden „zum Färben von Kleidern gebraucht“1221. Man erhielt je nach Art des Ginsters und der Beize Farbtöne, die von leuchtend Gelb bis Mattgelb und Grün reichten. Mit der Schale der Perser- oder Königsnuß, auch Kopfnuß genannt, „färbt man Wolle“1222. Ein brillantes Gelb oder je nach Zusatz goldgelbe Töne oder Olivtöne erhält man vom Färberwau, Reseda luteola L. Vitruv zufolge nimmt man die Pflanze, wenn man aus Kostengründen keine echte Purpurfarbe benutzen kann. In der Mischung mit anderen Färbepflanzen gibt sie ein schönes Grün für den Maler1223. Die breitblättrige Eiche „bringt einen dunklen Gallapfel hervor; [er] ist brauchbarer zum Färben von Wolle“1224. Die Heidelbeere, auch Blaubeere genannt, benutzte man in Gallien, „um,“ nach Plinius, „die Kleider der Sklaven purpurn zu färben“1225. „Die Hyazinthe gedeiht ganz besonders in Gallien. Mit ihrem Farbstoff färbt man dort Karmesin. Die Wurzel ist zwiebelartig“1226, ist ein weiterer Hin1219

    1220 1221 1222 1223

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    1226

    Vitr. arch. 7, 9, 6 bzw. 7,14, 2. Obwohl hier die Malerfarben beschrieben werden, gilt gleiches auch für die Textilfarben. Eine gute Zusammenfassung über Indigo und die Färbetechnik gibt Tineke Rooijakker „Snapshot: Indigo“, S. 413–414. Plin. 9, 124. Plin. 16, 74. Plin. 15, 87: karyon, s. Plaut. Epid. 233: carinum, das Nussbraune (Kleid), Vitr. arch. 7, 14, 2, vgl. Preisedikt 24, 9–12; dazu Ausgabe von Th. Mommsen, 1893, S. 166. Plin. 16, 27. Plin. 16, 77: Galliae vero etiam purpurae tinguendae causa ad servitiorum vestes. H. Schweppe, S. 401: „Auf Wolle erhält man mit Alaunbeize ein Violettblau, auf Zinnbeize ein Blauviolett und auf Eisenbeize ein Blauschwarz“. Plin. 21, 170 und Anm. S. 302.: Hyacinthus in Gallia maxime provenit. hoc ibi fuco hysginum tingunt. Es soll sich nach König/Winkler um die Heidelbeere, Vaccinium

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    weis auf eine Pflanzenfarbe. Mit der Rinde der griechischen Bohne, eines Baumes, der vielerlei Eigenschaften wegen geschätzt wurde, färbte „man Felle, mit der Wurzel Wolle“1227. Der Perückenstrauch, coggygria, auch Färbersumach genannt, liefert Blätter und das Kernholz, Fisetholz. Man färbt damit Wolle und Leder und erhält verschiedene Farbtöne. Die Blätter dieses Strauches sind reich an Tannin1228. Hiervon sagt Plinius: „Auf dem Appenin wächst auch ein Strauch, cotinus genannt, bekannt als Färbemittel für Leinengewebe nach Art des Purpurs“1229. „Welcher Art aber die wahre helxine ist, haben wir im vorigen Buch dargelegt (Plin. 21, 96). Diejenige aber, (von der wir jetzt reden), färbt die Wolle“1230. Man wird sicher versucht haben, diese auch als Kleiderfarben herstellen zu können. Zusätzliche Hinweise Schon Vitruv widmet ein Kapitel der Herstellung von Ersatzstoffen für die Wand- und Bildermaler1231. Je mehr die teure Farbe durch Gesetze künstlich verknappt wurde, desto mehr wurde neben dem Schmuggel auch die Phantasie zur Entwicklung von Ersatzfarbstoffen angeregt; die Nachahmungen mit anderen Farb- und Zusatzstoffen waren teilweise von hervorragender Qualität. Der Stockholmer Papyrus enthält eine Vielzahl von Beispielen, wie schöne Farben herzustellen sind1232. Genannt wird u. a. Waid, syrischer Kermes, Orseille, Krapp, Schöllkraut, Wurzel der Granate, getrocknete Blüten des Safflors und die jeweils nötigen Zutaten wie Linsen, Gerste, Bilsenkraut, Kapernstrauch, Maulbeerbaum, Schachtelhalm, Amaranthblüten und weitere chemische Zusätze. An verschiedenen Tönungen werden aufgeführt: Hochroter Purpur, tyrischer Purpur, phönizischer Purpur, „prachtvoller Purpur, so schön, wie der barbarische“, „unvergänglicher“

    1227 1228 1229

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    myrtillus L., gehandelt haben, die aber keine zwiebelartige Wurzel hat. – H. Schweppe, S. 310, Purpurimitate. Plin. 16, 124: cortice pelles tingunt, radice lanas. H. Schweppe, S. 383. Plin. 16, 73. H. Schweppe, S. 394 und 477: cotinus coggygria SCOP. (Rhus cotinus L.) (Anacardiaceae). Plin. 22, 41. Vitr. arch. 7, 14. E. O. von Lippmann, S. 16–21.

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    Purpur, Rosenfarbe, Kermesfarbe, „galatisches“ Rot, Orseillefarbe, rotgelbe Farbe wie die Wolle aus Canusia, phönizisches Hellrot mit Heliotrop. Eine groß angelegte Radiocarbondatierung und Farbanalyse von 17 Fragmenten von Dalmatiken und Tuniken aus ägyptisch-römischer Zeit im Zuge des ID-Dress Projektes ergab, dass es im 1. Jahrtausend n. Chr. einen sehr effektiven Weg gab, Purpurfarben nachzuahmen. Von 19 untersuchten purpurfarbenen Fäden besaß nur einer echte Purpurfärbung, die anderen beruhten auf Färbungen von Indigo/Waid und dem Farbstoff der Rubiaceafamilie. Die Verfasser führten noch zwei weitere, schon früher untersuchte purpurne Objekte auf und befanden, dass die Wahrscheinlichkeit, es könne sich um echten Purpur handeln, umso größer sei, je schmaler der clavus oder das Mustermotiv1233. Von der Art, sich angemessen zu kleiden Lange Zeit hindurch war es üblich, die Kleidung der Griechen und Römer als weiß zu bezeichnen; eine Ausnahme machte man nur bei den roten Streifen der Senatsmitglieder. Weiß war bei vielen Völkern der Antike die Festfarbe für Feiern und kultische Handlungen. Weiß gekleidet ging das Volk zum Janusfest im Januar1234. Ein weißes Tuch, vestis, wurde von den Priestern ausgebreitet, und die darauf verstreuten kleingeschnittenen Mistelzweige dienten ihnen als Wahrzeichen und Lose1235. Als Kaiser Vitellius über die Mulvische Brücke in Rom einzog, kam er im paludamentum und mit dem Schwert gegürtet. „Durch den Rat von Freunden […] legte er“ dann aber „die praetexta an und rückte in geordnetem Zug ein“. In dem genau beschriebenen Triumphzug befanden sich bei ihm auch „die ranghöchsten Zenturionen in candida veste, in weißer Kleidung […], im Glanz ihrer Waffen“ und ebenfalls funkelnden phalerae und torques1236.

    1233

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    1236

    A. de Moor, I. Vanden Berghe, M. von Strydonck, M. Boudin, C. Fluck: Radiocarbon Dating and Dye Analysis of Roman Linen Tunics and Dalmatics with Purple Coloured Design, in: ATN 2/2010, S. 34–47 mit Abb. Ov. fast. 1, 80. Tac. Germ. 10, 1: virgam frugiferae arbori decisam in surculos amputant eos que notis quibusdam discretos super candidam vestem temere ac fortuito spargunt. Plinius 16, 250–251 sieht dieses Tuch bei Kelten und ihren Druiden und schreibt weißes sagum. Tac. hist. 2, 89: ante aquilas praefecti castrorum tribunique et primi centurionum candida veste, ceteri iuxta suam quisque centuriam, armis donisque fulgentes; et militum phalerae torquesque splendebant.

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    Bei Trauer trug man eine dunkle Kleidung, am besten schwarz; die offizielle Trauerzeit für den verstorbenen Gatten betrug für die Frauen zehn Monate1237. Servius zitiert: „Cato sagt, die Frauen hätten bei Trauer ihr Purpurkleid abgelegt und ein dunkles getragen“1238. Zu den vielen Frauenkleidern, die Plautus in seiner Komödie Epidicus (230–234) aufzählt, gehören auch die farbigen: caltula aut crocotula, das Ringelblumen- oder Safrankleid, cumatile; das Meerfarbene; carinum, das Nußbraune, oder cerinum, das Wachsfarbene1239. Varro zitiert daraus1240. Nonius kopiert ebenfalls die Kleidernamen aus der Komödie des Plautus; sie nehmen den größeren Teil seines Kapitels über die Textilfarben ein1241. Amethystinus und coccus seien eine Farbe für Frauenkleider, war die Meinung einiger Männer, wie Martial berichtet, und er findet außerdem: „Rom kleidet sich lieber in dunklen Purpur, Gallien in Rot, und diese Farbe gefällt Kindern und Soldaten“1242. Letzteres ist ein Hinweis darauf, dass sich die Senatsmitglieder nicht gern persönlich mit dem blutigen Soldatengeschäft befassen wollten. Martial spricht den angeblich schlechten Geruch von einem Schaffell mit doppelter Purpurfärbung an1243. Dies scheint aber niemand daran gehindert zu haben, die Farbe trotzdem zu begehren. „Mit unserem Blut [dem der Schnecken] gefärbte lacernae ziehst du an, Undankbarer, und das ist nicht genug: Wir dienen auch noch als Speise“, sagt er an anderer Stelle1244. Die Kosten für ein Purpurgewand waren hoch, deshalb wird einer Frau, die sich scheiden lassen will, vorgerechnet, der Purpur hätte hunderttausend Sesterzen gekostet, die Kosten für ein Schauspiel seien weitaus weniger gewesen1245. In einem Gedicht an einen nach Spanien zurückreisenden Freund schreibt Martial, nun brauche er nirgendwo einen „Halbmondschuh, nirgendwo eine Toga oder nach Purpur riechende Kleider zu sehen“1246. Außerdem sagt er: „Kermesgefärbte und iacinthinische Purpurgewänder 1237 1238

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    1243 1244 1245 1246

    Ov. fast. 1, 35; 3, 134. Serv. Aen. 3, 64: Cato ait, deposita veste purpurea feminas usas caerulea, cum lugerent. Plaut. Epid. 231–233. Varro ling. 5, 131. Non. S. 879–880. Mart. 1, 96: qui coccinatos non putat viros esse amethystinasque mulierum vocat vestes. – Mart. 14, 129: Roma magis fuscis vestitur, Gallia rufis, et placet hic pueris militibusque color. Mart. 4, 4: quod bis murice vellus inquinatum. Mart. 13, 87. Mart. 10, 41. Mart. 1, 49.

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    schenkst du der verrufenen Ehebrecherin. Willst du ihr die Geschenke geben, die sie verdient hat? Dann schick ihr eine Toga!“1247. Aules Persius Flaccus gibt zu verstehen, dass die Wolle, mit der man den Purpur färbte, von außerhalb kam; so wurde „mit geschändeter Purpurschnecke kalabrische Wolle gekocht1248. Cyprian von Karthago tradiert den alten literarischen Gedanken an eine Wolle, die schon gefärbt auf dem Schaf wuchs, und bestreitet ihn, wie schon Tertullian vorher: „Und Gott hat nämlich weder kermesfarbene oder purpurne Schafe gemacht oder hat gelehrt, mit den Säften von Kräutern und Conchylien die Wollen zu benetzen und zu färben, noch hat er monilia eingeführt, die mit verschiedenen Steinen, die mit Gold verziert sind, oder mit Perlen zusammengesetzt […] sind“1249. Es wurde genau geregelt, wer Purpur tragen durfte. Als deshalb die Einwohner von Utica das Bürgerrecht bekamen, bestimmte Caesar, „dass außer den als Beamten tätigen Senatoren niemand ein „in der oder durch die See gewirktes/ gearbeitetes Kleid“, estheta ten halourge, tragen dürfe, denn auch schon einige gewöhnliche Personen bedienten sich dessen“1250. Bereits Sueton bekundet: „[…] purpurfarbene Kleider, conchyliatae vestes, und Perlen zu tragen, räumte er niemanden mehr ein, einmal abgesehen von bestimmten Personen und solchen eines bestimmten Alters, allerdings auch denen nur an festgelegten Tagen“1251. – Offenbar hatten derartige Verbote keine dauernde Wirkung, denn von Tiberius wird berichtet, er habe, „als eine beträchtliche Zahl von Männern eine großenteils purpurne (wörtlich: aus „Meer-gewirkte“) Kleidung trug“, sie nicht bestraft, sondern sei nur selber mit gutem Beispiel vorangegangen und habe „ein dunkles, wollenes Oberkleid angezogen“1252. Sueton notiert: Nachdem Nero die Staatskasse geplündert hatte, brauchte er dringend Geld und ließ sich verschiedenes dazu einfallen. Unter anderem verbot er Amethystpurpur und tyrische Farbe und sandte unter der Hand Leute aus, die das Einhalten des Verbotes auf dem Wochenmarkt überprüfen sollten. „Ja, er soll sogar […] seine Beamten, unter deren Kompetenz solches fiel, auf eine Frau aufmerksam gemacht haben, die ihm aufgefallen war, da sie während der Veranstaltung die verbotene Purpurfarbe trug. Auf der Stelle wurde sie ergriffen und fortgebracht, nicht nur ihres Gewandes, sondern auch ihres Vermögens ging sie 1247 1248 1249 1250 1251 1252

    Mart. 2, 39. Pers. 2, 65: haec Calabrum coxit vitiato murice vellus. Cyprian hab. virg. 14, 197. Cass. Dio 49, 16, 1. Vgl. c. 27, Stichwort byssus, das aus dem Meer gefischte Vlies. Suet. Jul. 43, 1. Für ihn selber galt das dann nicht: Jul. 45, 3 und Jul. 49, 3. Cass. Dio 57, 12, 5.

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    verlustig“1253. Das allgemeine Verbot hatte aber wohl nicht lange Bestand, denn: „Den Anwalt empfehlen amethystfarbene [Kleider]“, befindet Juvenal; es zeigt, dass der Mann [nicht nur sich] etwas leisten konnte1254. Ammianus schildert, der Zeremonienmeister habe Ursicinus zum Kaiser Constantius II. geholt – „was als besondere Ehre gilt“ –, und der kaiserliche Purpur wurde ihm „viel huldreicher als zuvor zum Kusse dargeboten“1255. Ein „General fand“, laut Ammianus, „gnädige Aufnahme, und da ihn seine Mission an sich schon zwang, den Nacken zu beugen und vor dem stolzgeblähten Purpurträger einen feierlichen Fußfall zu tun, wurde er als geachteter, enger Freund behandelt1256. Der Begriff Purpur wurde in einem solchen Maße mit der Person des Kaisers, bzw. der engeren kaiserlichen Familie, identifiziert, dass es reichte, wenn man jemandem „den Purpurmantel“ umhängte, damit er als Kaiser anerkannt werden sollte. Zur engeren Familie des Kaisers Constantinus, die diesen Anspruch erheben konnte, gehörten nicht einmal der zum Caesar erhobene, also mitregierende Dalmatius und seine Brüder Constantius und Anniballianus. Sie erhielten lediglich – „mit Rücksicht auf die nahe Verwandtschaft“ mit Constantinus selbst – „die Würde von sog. nobilissimi“ und durften „rings mit Gold besetzte, kermesrote Gewänder“ tragen (esthês kokkobaphês)1257. Ammianus erzählt von einer Anzeige [bei Caesar Gallus], „in Tyrus sei insgeheim ein kaiserliches Gewand gewoben worden; man wisse aber nicht, wer der Auftraggeber sei und wem es dienen solle. Aus diesem Grunde wurde der damalige Provinzstatthalter […] vor Gericht gestellt“1258. „Sodann wurde das königliche Gewand zum Gegenstand einer gerichtlichen Untersuchung. Man folterte die Purpurfärber, und diese gestanden, es sei tatsächlich eine Brusttunika ohne Ärmel gewoben worden, worauf ein gewisser Maras, ein Diakon, wie man bei den Christen sagt, vorgeführt

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    Suet. Nero 32, 3: et cum interdixisset usum amethystini ac Tyrii coloris summisissetque qui nundinarum die pauculas uncias venderet, praeclusit cunctos negotiatores. Juv. 7, 136: causidicum vendunt amethystina, convenit illi et strepitu et facie maioris vivere census. Amm. 15, 5, 18. Ammianus fährt fort: „Diokletian hatte als erster Kaiser nach ausländischer Königssitte die Adoratio eingeführt, während die Herrscher zuvor, wie wir gelesen haben, stets so wie Richter begrüßt wurden“. Amm. 15, 5, 27: Suceptus tamen idem dux leniter adactusque inclinante negotio ipso cervices adorare sollemniter anhelantem celsius purpuratum ut spectabilis colebatur et intimus facililtate aditus honoreque mensae regalis adeo antepositus aliis. Zos. 2, 39. Amm. 14, 7, 20: indicatum est apud Tyrum indumentum regale textum occulte incertum quo locante vel cuius usibus apparatum.

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    wurde“1259. – Die kaiserlichen Feldzeichen hatten Purpurschmuck an den Drachenfahnen. Kaiser Julian, der die Verschwendung aus fiskalischen Gründen einschränkte, ließ ihn vorübergehend entfernen1260. Immer wieder sind es iacynthinus color und tyrische Farbe, die die Kaiser für sich behalten wollen. Der Caesar Julian strahlte nach Ammianus bei seiner Erhebung durch Contantius II. 355 im Glanze des Purpurs (hier murex)1261. Jemand, der sich als Kapitän verkleidet hat, trägt u. a. ein auf der linken Schulter zusammengeknüpftes kleines pallium in marineblauer Farbe1262. Zosimus zufolge verlangte der Gotenkönig Alarich, der 410 Rom eingenommen hatte, ihm u. a. viertausend Seidentuniken, serikos chiton, und dreitausend kermesgefärbte Häute, kokkobaphes dermata, für seinen Abzug auszuhändigen1263. Gekleidet in flammendes coccus-Rot, rötliches Gold und milchweiße Seide schritt Prinz Sigismer, den Sidonius Apollinaris begleitete, zwischen seinen Läufern und Dienern, als er sich auf Brautwerbung befand. Sigismer könnte Franke oder Burgunder gewesen sein1264. Besondere Bräuche sind zur Totenfeier bekannt. Von Trauer verkündeten Segel des Theseus in der Farbe spanischen Eisens1265; von Trauerfarbe, die Rom nach Caesars Tod bedeckte, spricht Vergil1266. Der Kahn des Fährmannes in die Unterwelt ist eisenschwarz1267; eisenschwarz ist die Hand der Göttin des Neides1268; in einem Wagen mit eisenschwarzen Zügeln wird Proserpina in den Hades entführt1269; einen eisengrau-grünen Bart hatte

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    Amm. 14, 9, 7: Post haec indumentum regale quaerebatur et ministris fucandae purpurae tortis confessisque pectoralem tuniculam sine manicis textam Maras nomine quidam inductus est, ut appellant Christiani, diaconus. Amm. 15, 5, 16. Amm. 15, 8, 15: Caesaremque admiratione digna suscipiebant imperatorii muricis fulgore flagrantem. Plaut. Mil. 1179: palliolum habeas ferrugineum (nam is colos thalassicust). Zitiert auch bei Non. S. 881. Zos. 5, 41, 4. Da weitere Verhandlungen stattfanden, ist es fraglich, ob diese Menge an Seidenstoffen und rotem Leder neben den fünftausend Pfund Gold und dreißigtausend Pfund Silber ohne weiteres zu beschaffen waren und die Möglichkeiten der Wirklichkeit entsprachen. Sidon. epist. 4, 20, 1, Brief an Domnicius: flammeus cocco rutilus auro lacteus serico; Anm. 1 zur Nationalität des Prinzen. Catull. 64, 227: carbasus obscurata dicet ferrugine Hibera. Verg. georg. 1, 467. Verg. Aen. 6, 303. Ov. met. 2, 798. Ov. met. 5, 404.

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    Glaukos, ein Meeresgott1270 – um nur einige Beispiele zu nennen. Ungehobeltes, barbarisches Auftreten fasst Sidonius Apollinaris in einer Satire zusammen, wenn er schreibt: „Hier sind die Männer, die […] lieben es, in Waffen zum Fest zu gehen, in Weiß zu Beerdigungen, in Pelzen zur Kirche, in Trauer zu Hochzeiten, im Biberpelz zum Gebet […]. Auf dem Forum sind sie Skyten […]“1271. Schon im Zwölftafelgesetz wurde nach Cicero bestimmt, dass bei Trauerfeierlichkeiten nur noch drei Tücher und eine kleine purpurne Tunika [für die Leiche] und zehn Flötenspieler erlaubt seien; das öffentliche Wehklagen musste entfallen1272. Es ist zu bezweifeln, dass man sich an dieses Gesetz auf Dauer gehalten hat. Das elfenbeinerne Totenlager Caesars war mit goldenen Purpurdecken geschmückt1273. „Die Bahre“ von Kaiser Augustus, so Cassius Dio, „war aus Elfenbein und Gold gefertigt“ und besaß purpurne, golddurchwirkte Decken1274. Josephus schreibt Ähnliches vom Begräbnis des Herodes1275. Das Grabmal Diokletians war mit einer purpurnen Decke, velamen, versehen, und sie zu entwenden, wäre Hochverrat gewesen1276. Isidor schreibt, Verstorbenen gebe man vom Blut der Purpurschnecke gefärbte Kleider (oder Leichentücher) und purpurrote Blumen, was er so begründet, dass Blut der Lebenssaft ist, das eigentlich aber im Besitz der Seele sei1277. Den Luxus konnten sich jedoch nur die reichen Bewohner leisten, ohne nachher in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Weitere Schriftquellen In den Rechtscodices ist vielfach von der Verwendung von Seide und Purpur die Rede. Hierzu einige Auszüge: In der Zeit zwischen 383 und 392 schreiben die beiden Kaiser Theodosius I. und Arcadius an den Regionalminister Faustus: „Kein Privatmann soll befugt sein, Purpur zu färben oder [als Rohstoff] zu verkaufen, es sei in Seide oder in Wolle, welche blatta oder 1270 1271

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    Ov. met. 13, 958. Sidon. epist. 5, 7, 4. Sidonius unterscheidet nicht zwischen Franken, Hunnen, Vandalen und Goten, vgl. S. 80, FN zu 5, 219. Cic. leg. 2, 59, 428. Suet. Jul. 84, 1. Cass. Dio 56, 34, 1. Jos. ant 17, 8, 3. Amm. 16, 8, 4–5. Isid. Et. 11, 1, 121–123: Proprie autem sanguis animae possessio est: inde genas lacerare mulieres in luctu solent; inde et purpurae vestes et flores purpurei mortuis praebentur.

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    oxyblatta und hyacinthina genannt wird“1278. 393 verbieten dieselben Kaiser und Honorius, in einem Schreiben an den Präfekten der Prätorianer Rufinus, mit Medaillons verzierte seidene Kleidung, die mit Purpur und anderen Farben gefärbt wurde, und Edelsteine an Schauspielerinnen zu benutzen1279. Zwischen 393 und 395 verbieten sie, mit unechter [Purpur-]Farbe [vor-]gefärbte Wolle so zu färben, dass sich der Anschein von kaiserlichem Purpur ergibt; es ist ferner verboten, rosenrot gefärbte Seide später zu überfärben. Dagegen ist es gestattet, ungefärbte Stoffe mit allen Farben einzufärben. „Wer Unerlaubtes versucht [d. h. gegen dieses Verbot verstößt], wird mit dem Tode bestraft“1280. Nach einem Erlass von 406 muss mit blatta gefärbte Seide und Metaxa gewaschen abgeliefert werden1281. Kaiser Theodosius II. lässt 424 verkünden, dass jedwede Seide nur dem Kaiser und seinem Haus vorbehalten sei und Conchylienfarbe weder als Kette noch als Schuss verarbeitet werden dürfe; ein Übertreten dieses Verbots gelte als Majestätsverbrechen1282. 436 wird festgestellt, dass in Phönizien 300 Pfund Seide gefärbt und außerdem ein großes Gewicht Purpursaft an den staatlichen Stellen vorbei zu Geld gemacht worden sei – und zwar zum wiederholten Male. Damit die Bestimmungen eingehalten werden, entsenden die Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. höhere Hofbeamte nach Phönizien1283. Zosimus bezeichnet einen Purpurumhang als „in der oder durch die See gewirktes/ gearbeitetes Himation“ (himation halourges)1284. Welche Menge an Purpurfarbstoff oder schon gefärbten Textilien in das Spanien des 7. Jhs. gelangte oder dort verarbeitet wurde, ist bislang nicht zu erkennen. Eucherius überliefert kurz und bündig: „Phoenicium heißt bei Jesaja coccinum“1285.

    1278 1279 1280 1281 1282 1283 1284 1285

    CJ 4.40.1, S. 178. CTh 15. 7. 11, S. 823–824. CJ 11.9.3, S. 431. CTh 10. 20. 13, S. 563–564; CJ 11.8.10, S. 431. Vgl. c. 29, 6a metaxa. CTh 10. 21. 3, S. 566; CJ 11.9.4 S. 432. CTh 10. 20. 18, bzw. 14, S. 565 bzw. 564. Zos. 1, 60. Vg. c. 27, Stichwort byssus, das aus dem Meer gefischte Vlies. Euch. instr. 2, 194.

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    Färbewerkstätten in den Quellen Nicht nur das Sammeln der Tiere, auch die Extraktion des Farbstoffs war mühsam und zeitaufwendig, und Plinius gibt Auskunft über die technische Arbeit in den Werkstätten. H. Schweppe bringt eine Zusammenstellung bedeutender Purpurfärbereien in der Antike und nennt Färbeorte in Phönizien, Israel, Griechenland, Italien mit Sizilien, in Dalmatien, Frankreich, Spanien, Afrika und Asien. In römischer Zeit (um 200 v. Chr.) gab es auch eine Reihe von Färbereien im Inland. Diese bezogen den fertigen Farbstoff von der Küste, von wo man ihn in speziellen Gefäßen zu den jeweiligen Orten transportierte1286. Man brauchte hier eine eigene Methode, um die Farben auf den Stoff aufziehen zu lassen. Einzelheiten über Farbstoffanalysen in koptischen [ägyptischen] Textilien behandelt R. Hofmann-de Keijzer. Sie schreibt ferner: „Alle in Ägypten gefundenen Textilien mit echten Purpurfärbungen sind mit Goldfäden kombiniert und in einen Zeitraum zwischen dem 3. und 4. Jh. einzuordnen“1287. Eine purpuraria namens Lydia, die in Philippi wohnte, gehörte zu den ersten Christinnen und ließ sich und ihr Haus von Paulus taufen1288. In Hierapolis, einer Stadt in der Landschaft Phrygien, heute Türkei, lebten während des 2. und 3. Jhs. Juden, deren Mitglieder die Gilde der Purpurfärber stellten; dies ergibt sich aus dortigen Grabinschriften1289. Heute existiert noch eine Färberei in Kfar Edumim in der Wüste Judäa, in der Stoffe für die Tempelgewänder gefärbt werden1290. Purpurfarben wurden verdorben, wenn Frauen während der Menstruationszeit mit ihnen arbeiteten, meint Plinius1291, und: „Die Gallier und die parthischen Völker haben eine unterschiedliche Art des Färbens1292. Horaz erzählt von einer Theateraufführung, in der die Menge schon klatschte, ehe das Stück überhaupt angefangen hatte. Ein Besucher, der sich darüber wunderte, wurde aufgeklärt, man klatsche nicht über das Stück, sondern über das „Veilchenblau“ der Wolle des Darstellers „aus der Giftküche des Färbers in Tarent“1293. Schriftliche Quellen, aus dem 3. Jh. stammend, sind enthalten in Luxus-Codices, die nahe Theben gefunden wur1286 1287 1288 1289 1290

    1291 1292 1293

    H. Schweppe, S. 313–314. R. Hofmann-de Keijzer, Farbstoffe in koptischen Textilien, S. 34. Act 16, 14. Jewish Encyclopedia.com – Richard Gottheil, Stichwort Hierapolis. Freundl. Mitteilung von I. I. Ziderman, Jerusalem, vom 3. 12. 2011. „Kfar Edumim is in the Judean Wilderness, not near the sea“. Plin. 28, 78: purpuram quoque eo tempore ab his pollui. Plin. 8, 191: aliter haec Galli pingunt, aliter Parthorum gentes. Hor. epist. 2, 1, 207: lana Tarentino violas imitata veneno.

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    den. Der Leidener Papyrus X besitzt mit insgesamt 152 chemischen Rezepten zur Fälschung von Metallen, Perlen und Edelsteinen elf Rezepte über das Färben von Wolle; im Stockholmer Papyrus befassen sich 70 von 73 Rezepten mit Anweisungen zur Wollfärberei1294. Kurz darauf erschien eine Würdigung der Arbeit durch den Chemiker E. O. von Lippmann, in der er den Inhalt beider Papyri aus seiner Sicht vorstellte. Von Lippmann vermutet, die beiden Codices stammten aus dem Grab eines hochrangigen Priesters, da sie Geheimrezepte enthalten1295. Ausführlich erläutert er die Chemiebücher, deren Inhalt „die Erfahrungen vieler Generationen […] und zwar auf Grund weitverzweigter Überlieferungen“ wiederspiegelt1296. Die Rezepte „streben […] ganz offen die Nachahmung und Verfälschung der Edelmetalle, der Edelsteine und Perlen, sowie der Luxusfarbstoffe an, sie benennen die erhaltenen Kunstprodukte ohne weiteres mit dem Namen der echten, – so z. B. heißt es einfach ‚du findest Smaragd‘ oder ‚du erhälst Purpur‘ –, und sie stellen ohne jedes Geheimtun und mit sichtbarer Befriedigung fest, zu wie erfreulichen Zielen ihre Vorschriften führen: die Erzeugnisse sind gut, schön, sehr schön, vortrefflich, herrlich, bewunderungswürdig, unbeschreiblich, wie echt, wie natürlich, schöner als natürlich, echt ägyptisch, schön wie die importierten, prima, probehaltig u. s. f., so daß sie selbst die Werkmeister täuschen, und diese nichts von der Nachahmung bemerken“1297. Schweppe nennt die beiden Papyri: „eine Fundgrube für Purpurimitate“1298. Im Hinblick auf die Arbeit des Übersetzers Lagercrantz schreibt von Lippmann, dieser bemerkte „selbst seine Bearbeitung sei ‚eine rein philologische, … da technische Kenntnisse ihm fehlten‘. Dies ist nun freilich keineswegs wörtlich zu nehmen […]; da er aber wohl keine Gelegenheit hatte, sich mit einem in der alchemistischen Literatur etwas belesenen Chemiker zu beraten, so sind doch mancherlei Irrtümer und Mißverständnisse unterlaufen“1299. Von Lippmann erklärt, „daß die Namen der vorgeschriebenen Präparate und verlangten Zusätze in vielen Fällen nicht buchstäblich zu nehmen sind, sondern sogenannte Decknamen vorstellen oder doch vorstellen können“. Er erinnert daran, dass auch Ärzte und Priesterärzte Schein- und Decknamen verwendeten, um ihre Rezepte vor 1294

    1295 1296 1297 1298 1299

    Papyri Graeci Musei … Lugduni Batavi, Bd. 2, 1885. Papyrus Graecus Holmiensis, 1913. Vgl. H. Schweppe, S. 53–54; erwähnt auch in R. Melzer u. a., Der Purpur. Farben aus dem Meer, S. 33 und von R. Hofmann-de Keijzer, Farbstoffe in koptischen Textilien, S. 26. E. O. von Lippmann, S. 22. E. O. von Lippmann, S. 2. von Lippmann, S. 21–22. H. Schweppe, S. 310. von Lippmann, S. 6–7.

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    ihren Abnehmern und Konkurrenten verborgen zu halten“ und so ihre Einnahmequellen zu schützen. Von Lippmann gibt einige Beispiele für diese Scheinausdrücke im Stockholmer Papyrus. So sei mit Anthrax oft Waid gemeint, unter „Blut der Taube“ müsse man sich Mennige, gelegentlich auch Zinnober vorstellen, um nur zwei Beispiele aus von Lippmanns Liste zu nennen1300. Quellen zu Beizen Wichtig für eine gute Färbung war von jeher das Beizen. Die wenigsten Naturfarben dringen unmittelbar so tief in die Faser ein, dass eine wasch- und lichtechte Färbung entsteht. Deshalb muss vor dem Färben das Material erst durch Beizen vorbereitet werden, ehe es mit den Farben zusammen eine feste Verbindung eingeht. Zu den Beiz- und Färbehilfsmitteln rechnet man die mineralisch-metallischen wie Chromkali, Eisensalz, Kupfersalz, Pottasche, Salmiakgeist, Seesalz, Weinsteinrahm, Weinsteinsäure und Zinnsalz. Zu den vegetabilen gehören z. B. Birkenasche, Gallapfelpulver, Sauerampfer, Sternmiere, Wein- und Apfelessig oder Weizenkleie. Sonstige Hilfsmittel sind u. a. Hydrosulfitpulver (Na2, S2O4), Kalk, Gelatine, Phenolphthalein, Rauchende Schwefelsäure, menschlicher Urin. Bei Natron nimmt man „für manche Anwendung das schmutzige Natron, wie zur Purpurfärberei und zur Färberei überhaupt“1301. Die einzelnen Beiz- und Hilfsmittel haben sehr unterschiedliche Wirkungen, so dunkelt der Gallapfel die Farben sehr stark. Jeder Farbstoff hat ein anderes Aussehen, wenn die Beize eine andere ist. Die gemahlene Wurzel der Ochsenzunge von Kreta kann, wenn z. B. mit Amoniak /Harnstoff, Meerwasser, Salz und Essig, Stipsi /Naturstein oder Holzasche gebeizt, ganz verschiedene Farbtöne ergeben. Es ist bei Plinius nicht immer erkennbar, ob er einen genauen Unterschied zwischen Beizen und Färben macht, da man auch mit Beizen allein bestimmte Farbwirkungen erzielen kann. Als Yigael Yadin die Textilien aus der Höhle von Nahal Hever beschreibt, die „mit Sicherheit auf eine Zeit vor 135 n. Chr. datiert werden können“, stellt er fest: „Die Chemiker, die die Farben für uns analysierten, waren voller Staunen darüber, wie die Farben fixiert und mit hochentwickelten Beizen aus verschiedenen Metallsalzen, mit deren Hilfe es den Leuten damals auch gelang, verschiedene Schattierungen von ein und derselben Grundfarbe zu 1300 1301

    von Lippmann, S. 7. Plin. 31, 110: (nitro) ad aliqua tamen sordidum, tamquam ad inficiendas purpuras tincturasque omnes.

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    erhalten, konserviert waren“1302. Farbanalytische Untersuchungen der Textilien aus Palmyra erstellten Harald Böhmer und Recep Karadac1303. Ein besonders wichtiger Stoff ist Alaun, der Plinius zufolge als salzige Ausscheidung der Erde betrachtet wurde. „Der Alaun, alumen, wurde nach dem Licht benannt, weil es den anzusetzenden Farben Licht verleiht“1304. Davon gab es mehrere Arten. „Auf Zypern,“ so Plinius, „kommt er weiß und schwärzer vor; der Unterschied in der Farbe ist nur gering, in der Anwendung aber groß; denn zum Färben der Wolle in heller Farbe sei der weiße und flüssige am nützlichsten, hingegen für schwärzliche oder dunkle Wolle der schwarze. […] Man gewinnt aber Alaun in Spanien, Ägypten, Armenien, Makedonien, am Pontos, in Afrika und auf den Inseln Sardinien, Melos, Lipara und Strongyle; am meisten schätzt man den ägyptischen, am nächsten kommt diesem der Alaun in Melos“1305. Offenbar war Alaun so begehrt, dass Plinius Hinweise gab, wie man gefälschten von echtem unterscheiden konnte. E. O. von Lippmann zitiert auch Rezepte zu den Beizen: „Die wichtigsten Materialien, die man zumeist als kochende Lösungen anwendet, sind Alaun und Harn, auch nebst gebranntem ‚phrygischem Stein‘ (d. i. ein poröses, vermutlich alaunhaltiges Mineral, von dessen ‚Brennen‘ Dioskurides und Plinius berichten), und Misy“. Zusatzstoffe können beispielsweise Granatblüte, Trester, unreiner Kupfer- und Eisenvitriol sein1306. Farbanalysen bei historischen Textilien oder Textilresten zeigen heute die verwendeten Farbstoffe an. Sie können jedoch durch eine Vielzahl von äußeren Einflüssen wie Tragedauer oder Aufbewahrungsorte eine Veränderung erfahren haben, so dass die ursprüngliche Originalfarbe in ihrer Intensität nicht immer erkennbar wird1307. Ein Beispiel von vielen für Isidors mystische Deutungen in den Abhandlungen zu Exodus lautet: „Fernerhin wird durch das hyacinth die Hoffnung auf himmlische Belohnungen gezeigt. Durch den Purpur werden das Blut und die Leiden der Passionen, die aus Liebe zum ewigen Reich verursacht worden sind, erklärt. Durch die Doppelfärbung mit Kermes wird die Liebe gezeigt, die für ihre Vollkommenheit doppelt gefärbt wird, weil sie durch Liebe zu Gott und dem Nächsten geschmückt ist“1308. Hrabanus Maurus übernimmt diese Deutungen in seine Enzyklopädie1309. 1302 1303 1304 1305 1306 1307 1308 1309

    Yigael Yadin, Bar Kochba, S. 66. H. Böhmer und R. Karadag, Farbanalytische Untersuchungen, S. 82–90. Isid. Et. 16, 2, 2: Alumen vocatum a lumine, quod lumen coloribus praestat tinguendis. Plin. 35, 183–184. E. O. von Lippmann, S. 16–17. Freundl. Mitteilung von Frau Renate Böhmer, Ganderkeesee vom 17. 9. 2011. Isid. expos. in exod. 56, 6, 316. Hraban. De rerum naturis 21, 14, in: Migne PL 111, Sp. 568–569.

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    c. 29 Über das Werkzeug [zur Herstellung] von Kleidung [vestes] 1 a. tela, 1 b. telaria, 1 c. insubulus, insubulum, 1 d. radius, 1 e. pecten, 2 a. colum, colus, 2 b. fusum, fusus, 2 c. alibrum, alabrum, 3. calatum, calathus oder quasillus, quasillum, 4 a. pensum, 4 b. netum, netus, 5. filum, 6 a. mataxa, metaxa, 6 b. lubellum, globellum, 7 a. panulia, 7 b. stamen, 7 c. trama, subtemen, 7 e. licium, 7 f. ordire, ordiri, 7 g. texere Zusatz zu 2: verticillus Die Verarbeitung von Gold Werkstätten Von den Webern Webkunst Webstühle im Bild Der Maler Antiphilos wird für ein Bild gelobt von „einer Spinnstube, in der alle Frauen emsig mit ihrer Tagesarbeit beschäftigt sind“1310. „Griechisch heißt es Gynäceum, weil dort eine Ansammlung von Frauen zum Wollarbeiten zusammenkommt“, stellt Isidor fest, „denn auf griechisch heißt Frau gyné“1311. Er nimmt in seine Etymologien einen Webstuhl mit Zubehör auf. Die beibehaltene Reihenfolge in der Aufzählung der Begriffe ergibt interessante Ergebnisse. Die Einrichtung 1 a. tela aufgezogene Kette, Gewebe,

    1 b. telaria Webstuhl, Tafel 15

    Mit tela kann in der Literatur sowohl die aufgespannte Kette, aber auch das fertige Stück Gewebe bezeichnet werden. Telarium im Sinn von Webstuhl ist belegt bei Ducange nach einem lateinisch-französischen Glossar aus SaintGermain (Johannes de Janua): „mestier ou instrument à tixtre“. Bekannt war zur Zeit des Augustus noch der ‚von den Alten‘ benutzte Jochwebstuhl, heute Gewichtswebstuhl genannt. Ein solcher, tela iugalis [tela iogalis], wurde von Cato zum Inventar eines Ölguts gelistet, zusammen mit Werkzeug zum Walken. Für die Einrichtung eines Gutshauses musste der Baumeister zwei Webstände, telae iugales, und ebenfalls Walkgerät liefern1312. Der Webstand 1310 1311

    1312

    Plin. 35, 138: lanificio, in quo properant omnium mulierum pensa. Isid. Et. 15, 6, 3: Gynaeceum Graece dictum eo quod ibi conventus feminarum ad opus lanificii exercendum conveniat. Mulier enim Graece gyné nuncupatur. Cato agr. 12, 5 und 17, 2.

    c. 29 Über das Werkzeug

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    wurde etwas schräg an eine Wand gelehnt und die Kette durch Gewichte, pondera, straff gehalten. Um den Schuss anbringen zu können, mussten die Kettfäden mit einem (h)arundo genannten Trennstab geteilt werden. Gewebt wurde nach oben zum Joch hin, zum Anschlagen des eingebrachten Schussfadens verwendete man ein spatha oder gladius genanntes Anschlagholz. Königin Tanaquil, Frau des sagenhaften antiken fünften römischen Königs Tarquinius Priscus und aus einem etruskischen Adelsgeschlecht, soll gemäß Isidor „nach oben“ gewebt haben. Man verwendete den Webstand um die Zeitenwende noch bei bestimmten kultischen Gelegenheiten, z. B. um Tuniken für Brautleute und den Brautschleier herzustellen1313. Fila telarum, die Kettfäden des Webstandes, spielen in der Geschichte von Samson und Dalila eine Rolle1314. Bilder zeigen, dass man die senkrechten Zweibaumwebstühle kannte; da sie aber mythologische Geschichten verdeutlichen sollten, muss nicht unbedingt ein Webstuhl mit zeitgemäßer Technologie dargestellt worden sein. Ein Zweibaumwebstand besteht aus den beiden Seitenstützen und den Querstäben, dem unten liegenden Warenbaum und dem oben befindlichen Kettbaum. Wenn nur in dem zwischen den Webbäumen liegenden Feld gewebt werden soll, sind die vier Stäbe miteinander fest verbunden. Sollen längere Gewebe mit entsprechend längerer Kette erstellt werden, sind Hilfsvorrichtungen nötig. Dann werden die oben und unten liegenden Webbäume durch Löcher in die Senkrechtstäbe gesteckt, so dass sie sich, entweder mit der Hand oder mit Hilfe von Speichen, drehen lassen. Dadurch werden an dem oberen Kettbaum die Kettfäden verlängert und unten schon gewebter Stoff auf dem Tuch- oder Warenbaum aufgewickelt. Hierbei kann das Arbeiten im Sitzen erfolgen und der Anschlag ist leichter. In der Mischna ist im Traktat Kelim von einem Webstuhl mit drei Bäumen und Litzen die Rede, an dem der Weber arbeitet1315. 1 c. insubulus, insubulum Litzenstab, Schaft Litzenstäbe oder Schäfte benötigt man, um mit Hilfe von Litzen (Fitzbändern) die einzelnen Kettfäden je nach Muster anzuheben oder zu senken (nach oben und unten). Bei einer straff gespannten Kette wird dadurch ein Geräusch verursacht, dass man als zischend oder schleifend bezeichnet.

    1313 1314 1315

    S. Stichwort recta in c. 22, 18a. Idc 16, 12. Mischna Traktat Kelim 21, 1.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    1 d. radius Wirknadel, Wirkspindel Radius hat verschiedene Bedeutungen. In der Weberkunst wird er als Schiffchen oder Schütze erklärt1316. Das Summarium Heinrici bezeichnet ihn als Speiche oder Rad. So wie das Weberschiffchen nur der Form nach einem echten Schiff gleicht, könnte der radius, in der Form einer römischen Radspeiche, einer Wirknadel ähneln1317. In der Geschichte vom Wettstreit zwischen Arachne und Minerva, deren Gewebe mit bunten Bildergeschichten angefüllt sind, benutzen die Künstlerinnen radii, Wirknadeln: „Durch scharfe radii wird inmitten [der Kettfäden] der Einschlag eingefügt, den die Finger abwickeln“1318. Das geschieht in einer für das Wettergebnis mitentscheidenden Schnelligkeit. Als am Ende feststeht, dass Arachne Siegerin wird, schlägt Minerva ihr voller Zorn einen radius aus Buchsbaumholz1319 mehrmals ins Gesicht und verwandelt sie, wie in c. 20 beschrieben, in eine Spinne. Stäbchen brauchte man zur Herstellung der Sprangtextilien. Ob diese einen eigenen Namen hatten, ist bisher nicht bekannt. 1 e. pecten Rietblatt, Weberkamm Einen Kamm braucht man zum Wolleauskämmen, um die Fäden parallel zu legen und die kürzeren Fasern auszusondern. Eiserne Kämme sind im archäologischen Fundgut erhalten. Zum Kämmen müssen diese erwärmt werden, doch daran ist hier offenbar nicht gedacht. Isidor meint einen Kamm, der die Kettfäden teilt, um den Schussfaden einzubringen, und ihn danach an das schon vorhandene Gewebe anschlägt. Dieser Anschlag geschieht durch einen Kamm, von dem Ovid sagt, er habe eingeschnittene und durchstoßene Zähne. Damit hat er ein Rietblatt beschrieben1320.

    1316 1317

    1318 1319

    1320

    Georges HWB 2, radius. An zwei Stellen beschreibt Ovid mit radius Speichen des Sonnenwagens: met. 2, 107–108: aureus axis erat, temo aureus, aurea summae curvatura rotae, radiorum argenteus ordo, und met. 2, 316–317: illic temone revulsus axis, in hac radii fractarum parte rotarum; ebenfalls mit radius wird die Strahlenkrone des Sonnengottes beschrieben: met. 2, 124. Ov. met. 6, 56–57: inseritur medium radiis subtemen acutis, quod digiti expediunt. Ov. met. 6, 132–133: utque Cytoriaco radium de monte tenebat, ter quater Idmoniae frontem percussit Arachnes. – J. P. Wilds Erklärung von radius als kleiner Kamm, pin-beater, lässt sich hier nicht einordnen. Ov. met. 6, 57–58: atque inter stamina ductum percusso pariunt insecti pectine dentes.

    c. 29 Über das Werkzeug

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    Bei der Bildwirkerei wird der Schussfaden von kleinen Kämmen so weit angeschlagen, dass die Kettfäden nicht mehr sichtbar sind und sich ein geschlossenes Bild ergibt. Die vorbereitenden Arbeiten und ihre Endprodukte 2 a. colum, colus Rocken Das zu spinnende Material wird zunächst lose auf den mit der linken Hand gehaltenen oder auf einen unter den Arm geklemmten Rocken aufgesteckt; dabei zieht die linke Hand die Fasern aus und ordnet sie zum Faden. Spinnrocken wurden aus verschiedenen Materialien gefertigt. Nach Plinius bedienten sich „die Frauen alter Zeit“ eines Rockens, der aus dem steifen Stengel einer wilden Saflorart hergestellt worden war, weshalb dieser von manchen noch als Spindelkraut, atraktylís, bezeichnet wurde1321. 2 b. fusum, fusus Spindel, Tafel 14 Spinnen, d. h. eine Faser, z. B. von Flachs, Hanf, Seide, Baum- und Schafwolle zu einem Faden zusammenzudrehen, geschieht mit Hilfe der Spindel oder Spille, fusus. Einen geputzten Rocken und eine Spindel nebst Kettfaden gab man Jungfrauen als Hochzeitsgeschenk1322. Es gibt verschiedene Arten von Spindeln. Sie sind regional unterschiedlich im Aussehen, und reiche Frauen besaßen häufig Spindeln aus kostbarem Material. Auch werden für die verschiedenen Rohstoffe und die unterschiedlichen Stärken des Garnes unterschiedliche Spindeln verwendet. Um in Kos den feinen Seidenfaden abspinnen zu können, benutzten die Frauen Spindeln, die aus Binsen gemacht waren, erzählt Plinius1323. Eine von antiken Vasenbildern her bekannte Art besteht aus einem runden Körper, der nach beiden Seiten hin in eine Spitze ausläuft. Die Spinnerin knüpft bei Wolle den aus dem Rocken gezogenen Faden an die Spindel, dreht diesen dann mit den Fingern der rechten Hand an der schlankeren oberen Spitze und wirft zuletzt die Spindel drehend noch ein Stück fort; hierdurch wird ein längerer Faden aus dem Rocken herausgezogen und gedreht bzw. gesponnen. Nun fängt sie die Spindel mit Hilfe des Fadens 1321 1322 1323

    Plin. 21, 90. Plin. 8, 194. Plin. 11, 78: mox in fila tenuari iunceo fuso.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    wieder auf, windet ihn auf den dickeren Teil kegelförmig auf, verschlingt ihn mit einer einfachen Schleife und spinnt auf die angegebene Weise ein neues Stück Faden, bei dessen Aufwindung die erste Schleife geöffnet wird. Sowohl in der Mitte als auch am oberen oder unteren Ende können Wirtel aufgesetzt werden. Steckt der Wirtel am unteren Ende, legt sich der gesponnene aufgewickelte Faden an diesen an. Eine weitere Form ist die Spindel mit einem unten aufgesteckten Kreuz, bei der man den Faden wie auf einer Haspel aufwickeln kann. Löst man das Kreuz, hat man ein fertiges Knäuel. Um Baumwolle zu spinnen, wird eine Schüssel zu Hilfe genommen, da die Baumwollfasern das Gewicht der fallenden Spindel nicht aushalten können. Die Spitze der Spindel steht, von der rechten Hand gehalten, in der Schale. Hier zieht und dreht man mit dem linken Arm die ungesponnene Baumwolle von der Schüssel weg nach oben, bis die Höhe zu unbequem wird. Dann wickelt man den Faden wie gewohnt auf die Spindel. In dieser Weise spinnt die Frau des Potiphar in der Wiener Genesis, ein kleiner Sklave hält ihr die Schüssel auf ihrem Schoß fest1324. „Durch ein ländliches Gesetz ist es in den meisten Gebieten Italiens den Frauen untersagt, wenn sie unterwegs sind, die Spindel zu drehen oder überhaupt nur offen zu tragen, weil dies aller Hoffnung, besonders auf Feldfrüchte, entgegenwirke,“ notiert Plinius einen offenbar gängigen Aberglauben1325. Hrabanus Maurus erläutert Isidors Text etwas ausführlicher: „Die spinnenden Frauen pflegen nämlich die Spindel, fusum, in der rechten Hand, den Spinnrocken, colum, in der linken Hand zu halten. Auf dem Spinnrocken nämlich ist die Wolle aufgewickelt [Vorgarn oder gekrempelte Wolle], die mit dem Faden zu führen und zu spinnen in die Spindel übergeht“1326. 2 c. alibrum, alabrum Garnhaspel, Weife, Winde Wenn die Spindel keinen Faden mehr aufnehmen kann, wird der gesponnene Faden auf eine Garnhaspel abgewunden (gehaspelt). Seidenfäden werden stets aus mehreren Kokons zu einem gehaspelt; der noch anhaftende erweichte Seidenleim klebt die einzelnen Fäden zusammen. Mit Hilfe von Fitzfäden werden die Längen dabei in bestimmte Maßeinheiten abgeteilt. 1324 1325

    1326

    Wiener Genesis, ÖNB, Cod. theol. gr. 31, Blatt 16r; 6. Jh. Plin. 28, 28: ne mulieres per itinera ambulantes torqueant fusos aut omnino detectos ferant, quoniam adversetur id omnium spei, praecipue frugum. Hraban. De rerum naturis 22, Sp. 579: Solent enim feminae nentes, fusum in dextera, colum tenere in sinistra. In colo enim lana involuta est, quae filo ducenda et nenda transeat in fusum.

    c. 29 Über das Werkzeug

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    Das Aussehen der Haspeln war unterschiedlich. Aus dem späten Mittelalter ist bekannt, dass sie aus einem eine Elle langen Stab bestehen konnten, an dessen Enden leicht gekrümmte Querhölzer befestigt waren. Der Begriff alabrum wird daher von ala, Flügel, abgeleitet. Der Erzähler Conrad von Mure dichtet im 13. Jh. einen Vers, der die Arbeitsgänge so beschreibt: „Auch bemerke, dass die Fäden der Spinnerin vom Rocken zur Spindel kommen, von der Spindel in die Haspel, von der Haspel in die Winde, von der Winde in das Knäuel, vom Knäuel zur Spule, von der Spule in das Schiffchen, vom Schiffchen in das Gewebe – daher der Vers: die Fäden für die Spindel, Rocken und Spindel für die Haspel, die Haspel für die Winde, die dem Knäuel gibt; dieses Knäuel gibt der Spule, die Spule aber [gibt] dem Gewebe durch das Schiffchen“1327. Hier werden vom Dichter zwei Haspeln genannt, alabrum und girgillus oder gyrgillus, die hintereinander gebraucht werden, oder, wie das Summarium Heinrici sagt, eine kleine Haspel mit Flügeln und eine Winde. Im Oberdeutschen heißt die Haspel Weife1328. verticillus Wirtel, Tafel 14 Der Wirtel kommt in Isidors Aufzählung nicht vor; er ist die Scheibe an der Spindel, welche ihren Umschwung beschleunigt, also ein wichtiger Teil. Spinnwirtel mussten leichter oder schwerer im Gewicht sein, je nachdem es die Feinheit des Fadens erforderte. Besonders gute Wirtel stellten die Frauen in Syrien aus Bernstein her, die sie harpax nannten, weil sie „Blätter und Spreu und die Fäden der Kleider rauben“1329.

    1327

    1328

    1329

    Conradus de Mure, Fabularius, Lexicon P, 420, 88: Item nota, quod filatricis fila de colo veniunt in fusum, a fuso in alabrum, de alabro in girgillum, de girgillo in glomicello, de glomicello in panum, de pano in naviculam, de navicula in telam, unde versus: Fuso fila colus et alabro fusus, alabrum Girgillo, qui dat glomicello; qui glomicellus pano, sed panus tele per naviculam dat. Krünitz, Stichwort Haspel. Damit ist die Vielzahl der Namen nicht erschöpt. Isid. Et. 20, 15, 2, erwähnt girgillus als Winde, einen beweglichen Holzblock für das Seil zum Holen von Brunnenwasser. Plin. 37, 37: in Syria quoque feminas verticillos inde facere et vocare harpaga, quia folia paleasque et vestium fimbrias rapiat.

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    3. calatum, calathus oder quasillus, quasillum Wollkorb In einem dafür bestimmten Korb, calathus, wurden die gefüllten Spindeln abgelegt1330. Ein calathus erlangte große Berühmtheit, denn Vitruv erklärt als Begründung für die Erfindung des korinthischen Säulenmotivs, dass Kallimachos in Athen einen mit einem Ziegel abgedeckten Korb gesehen habe, um den Akanthusblätter gewachsen waren. Der Anblick der um den Korb wachsenden eingerollten Blätter, niedergedrückt durch das Gewicht des Steines, hätten ihn veranlasst,„nach diesem Vorbild“ die Kapitelle der korinthischen Säulen zu erschaffen1331. Im Gegensatz zu den meisten berühmten Frauen der Antike, hatte Camilla, eine Frau aus dem Volskervolk, ihre Hände „nicht an den Spinnrocken und den Wollkorb der Minerva […] gewöhnt, sondern daran, […] schwere Gefechte durchzustehen“, erzählt Vergil1332. Festus erläutert: „calathos ist griechisch, wir sagen quasillus dazu“1333 und ferner, dass ein Wollkörbchen zur Hochzeit als Geschenk dazugehörte1334. Das von Isidor im Text erwähnte Cicerozitat stammt aus dessen dritter Philippica gegen Marcus Antonius 44 v. Chr. Entgegen der Überlieferung stellt Cicero hier König Tarquinius als jemanden dar, der wichtige politische und geschäftliche Angelegenheiten wie das Wiegen des Goldes und das Zählen des Geldes im Haus zwischen den zu wiegenden, mit Spindeln gefüllten Wollkörben der Frauen abhandelte: so dass die Geschäfte unter öffentlicher Kontrolle stattfanden1335. 4 a. pensum Tagesarbeit Von jeder Arbeiterin wurde ein bestimmter Tagessatz an gefüllten Spindeln, das sog. pensum erwartet. Pensum gebrauchte man auch im Sinne von Lebenszeit. Die drei römischen Geburtsgöttinnen, die Parzen, wurden später den drei Moiren aus der griechischen Mythologie gleichgestellt. Es sind dies Klotho, die den Lebensfaden spinnt, Lachesis, die ihn zuteilt, und Atropos, die ihn abschneidet. Martial schreibt deshalb: „Die drei Wolle 1330

    1331 1332 1333

    1334 1335

    Fest. S. 479: vas utique lanificiis aptum. Von Körben mit Feigen wird das Volk Israel in Verbindung gebracht, Ier. 24, 1–2. Vitr. arch. 4, 1, 9–10. Zum Akanthusmotiv auf Kleidern s. Isid. Et. 17, 9, 20, 21. Verg. Aen. 7, 805–806: non illa colo calathisve Minervae femineas adsueta manus. Fest. S. 41, 10, vgl. S. 478, 36. Ferner Fest. S. 479, 14: tallasionem in nuptiis Varro ait signum esse lanificii. Talassionem enim vocabant quasillum, qui alio modo appellatur calathus. Fest. S. 478–479. Cic. Phil. 3, 10, 4.

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    spinnenden Mädchen umzustimmen, ist noch keinem gelungen […]. Nichts fügt Lachesis der Wollmenge hinzu: Was die Schwestern gesponnen haben, wickelt sie ab, und immer schneidet eine von den dreien den Faden ab“1336. 4 b. netum, netus das Gesponnene, das Gezwirnte, das Gewirkte Netum führt Isidor zweimal auf, einmal in Verbindung mit Spindel und einmal ohne nähere Erklärung. Es ist abgeleitet von nere, spinnen/drehen. Möglicherweise hängt es auch mit Zwirnen zusammen, wenn der einmal gedrehte Faden noch einmal mit einem anderen zusammengedreht wird, so wie dies bei dem in der Kleidung der Priester erwähnten byssus geschieht. Zwirnen konnte man mit Hilfe von zwei Haspeln oder mit speziellen Zwirnschalen. Lausus, der gegen Aeneas kämpfte und unterlag, besaß eine Tunika, die die Mutter mit geschmeidigem (weichem) Gold gewirkt hatte1337. Das Summarium Heinrici ergänzt hier netula Haspel; auch die Haspel wird gedreht, um Garn aufzunehmen. 5. filum Faser, Faden Der Faden, filum, entsteht durch das Drehen der Fasern mit Daumen und Zeigefinger. Er ist das kleinste Element innerhalb der Gewebeherstellung oder, wie Varro sagt: „Ein Faden, der eine kleinste Faser ist, ist das kleinste Teil in einem Kleidungsstück“1338. Wenn Varro Recht hat und filum das kleinste Teil ist, wäre filum mit Faser richtig übersetzt, dies würde auch den Text des Conrad von Mure besser erläutern. Daneben nennt Varro aber auch einen Faden filum, als er angibt, die Flamines hätten ihren Namen erhalten, weil sie in Latium immer ihren Kopf bedeckt hielten und ihn mit einem Faden/Band, filum, umgeben hätten1339. Geschnitten wurden laut Vulgata die Goldfäden, die man in das Gewebe einwebte1340. Wollhaare sind 1336

    1337 1338

    1339

    1340

    Mart. 4, 54: nil adicit penso Lachesis fusosque sororum explicat et semper de tribus una secat. Verg. Aen. 10, 818: tunicam, molli mater quam neverat auro. Varro ling. 5, 113: Filum, quod minimum est hilum: id enim minimum est in vestimento. Varro ling. 5, 84: Flamines, quod in Latio capite velato erant semper ac caput cinctum habebant filo, f[i]lamines dicti. Ex 39, 3.

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    nicht besonders lang, Flachsfasern länger, die Baumwollfaser ist am kürzesten, hingegen gehören die Filamente der Seidenraupe zu den Endlosfasern. Es macht also Sinn, mataxa hinter filum aufzuführen. 6 a. mataxa, metaxa Matassenseide Unter Mataxa kann man heute eine bekannte Spirituosenmarke, eine Pflanze oder, wie in diesem Fall, einen von mehreren Seidenkokons abgehaspelten, noch nicht entbasteten Faden verstehen. Anders ausgedrückt: „Matassenseide, das ist solche, wie sie von den Kokons abgewunden worden, welche in Bällchen meist von auswärts in den Handel kommt“1341. Da sie weiterverarbeitet werden muss, ist es richtig, sie in diesem Kapitel zu behandeln. Bei dem Versuch, die Gedankengänge Isidors zurück zu verfolgen, stößt man auf seine Erklärung des Begriffes Senkblei, catapirates, wobei er sich auf ein Luciliuszitat stützt, nach dem mataxa ein Element dieses Senkbleis ist. Da es sich hier um das aus dem Zusammenhang herausgerissene Fragment einer Satire handelt, ist der Text nicht einfach zu verstehen1342. Deutlicher ist ein Zitat von Vitruv, in dem dieser die Herstellung eines Gewölbes beschreibt. Hierfür werden Holzleisten zusammen mit griechischem Schilfrohr als Unterbau gebraucht. Anstelle des griechischen Schilfs lässt sich dünnes Rohr aus den Sümpfen verwenden, das man zusammenfassen und im Abstand von höchstens zwei Fuß mit mataxa umwickeln muss1343. Seide hat im trockenen Zustand eine geringe und in nassem eine mittlere Dehnung und zudem die höchste Reißfestigkeit aller Naturfasern. Für komplizierte Anwendungen ist sie daher ein ideales Material. Nach Sachs-Villatte1344 ist Matasse der aus dem griechischen kommende Begriff für Rohseide. Meyers Lexikon ergänzt 1908: Matassa ist „in Italien das Gebinde von 450 m Länge, nach dessen Gewicht in halben Dezigrammen die Feinheit der Seide gemessen wird“1345. Wie lang ein Gebinde zur Zeit Isidors war, kann nicht gesagt werden, doch wenn er an die 1341

    1342

    1343 1344

    1345

    Krünitz, Stichwort Seide (Matassenseide), vgl. Pierer, Stichwort Seide. Es handelt sich um Greze oder Grezseide, heute Grège. Vgl. Alfons Hofer, Textil- und Modelexikon, S. 195: „Grège, gehaspelte Naturseide; 5–10 Kokon-Doppelfäden werden gemeinsam abgezogen, gereinigt und leicht miteinander verdreht (nicht verzwirnt). Isid. Et. 19, 4, 10: Hunc catapiratem puer eodem devoret unctum plumbi paucillum rudus lineique mataxam; vgl. Lucilius, Saturarum fragmenta, V. 1191. Vitr. arch. 7, 3, 1–2. Sachs-Vilatte, Enzyklopädisches Wörterbuch, Teil 1: Französisch-Deutsch, 4. Bearb. Berlin-Schöneberg 1917, S. 571. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 13, Leipzig 1908, S. 423.

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    Länge der Rennbahn denkt, um deren Endpunkte der Faden gewickelt werden könnte, muss der Faden schon beträchtlich lang gewesen sein. In den Codices wird mataxa erwähnt. Ein Befehl der Kaiser Arcadius, Honorius und Theodosius II. an den Comes des Staatsschatzes vom Jahre 406 lautet: „Wir befehlen, dass künftig derartige Sorten von Purpurseide und Metaxa gewaschen gebracht werden“. Bei Zuwiderhandlung wird an die Verantwortlichen und ihre Vorgesetzten, die dies geduldet haben, eine Strafe von zwanzig Pfund Gold verhängt1346. Der Codex Justinianus verzeichnet: „Es ist geboten, dass die Händler metaxa von den „Barbaren“ für 15 Solidi das Pfund kaufen und an die metaxa-Händler oder andere [Händler] weiterverkaufen für nicht mehr [Geld], und zwar reine metaxa ohne die Schnur [der Verpackung] oder andere Zusätze [Siegel?] oder Verunreinigungen. Wenn aber jemand, der kein Händler ist,von den Barbaren etwas kauft und metaxa von dort importiert, kann der commerciarius sie ihm wegnehmen, und der Käufer wird, nach Beschlagnahme seiner Güter, auf ewige Zeiten ausgetrieben. Wenn aber ein commerciarius oder ein metaxarius über die oben genannte (Geld-)Menge verkauft oder kauft, wird er entsprechend bestraft. Händler, die mit derartigen Gütern Handel treiben, müssen der Stadtpräfektur Bürgen dafür stellen, dass sie alles, was sie verkaufen, nicht heimlich, sondern öffentlich verkaufen; [andernfalls] werden sie nämlich bestraft. Danach ist es geboten, dass vom comes largitionum in die Rechnungsbücher des Fiskus eingetragen wird, was von ihm für jegliches ganzseidene Stück dem Fiskus gegeben wird. Der Käufer aber, der gezwungen wird, den oben festgelegten Preis zu geben, strengt gegen den Verkäufer einen Prozess an und verlangt den doppelten Betrag zurück: in diesem Fall unterliegt der Verkäufer der obigen Vorschrift“1347. Ein weiteres Beispiel bringt Pokop in seinen Perserkriegen, als Justinian versucht, über die Äthiopier direkt an die Ware zu kommen, die über Indien eingeführt wurde1348.

    1346

    1347 1348

    CTh 10. 20. 13, CJ 11. 8. 10: Constantinopel, 27 Juni 406: Imppp. Arcadius, Honorius et Theodosius AAA. Filometori, com. sacr. larg. Lotas in posterum sericoblattae ac metaxae huiusmodi species inferri praecipimus; viginti librarum auri condemnatione proposita his, qui scrinium canonum tractant, prioribus etiam eiusdem officii, si statuta caelestia a quoquam passi fuerint temerari. CJ App. Nov. 5. Prokop Perserkriege 1, 20, 9.

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    6 b. lubellum, globellum Knäuel Matassenseide komme von außerhalb meist in Bällchen in den Handel, schreibt Krünitz in seinem oben angeführten Artikel. Das Weben 7 a. panulia Spule Die Spule enthält das Schussgarn. Nach Varro heißt die Spule mit Garn panuvellium, abgeleitet von panus und volvere, Spule und abspulen1349. 7 b. stamen Kette Zuerst werden die Kettfäden auf den Webstuhl gespannt. Varro sagt dazu: „Stamen kommt von stehen, weil durch ihn in der Kette, tela, das ganze velamentum steht“1350. Kett- und Schussfäden haben oft unterschiedliche Eigenschaften, da die Kettfäden sehr viel mehr beansprucht werden. Sie konnten aus getrennten Lieferungen, wahrscheinlich auch von verschiedenen Zulieferern, bezogen werden, wie die Angaben über Diebstahlsdelikte im römischen Ägypten belegen1351. 7 c. trama, subtemen Schuss, Eintrag In der einfachsten, leinwandigen Bindung wird der querverlaufende Einschlag oder Schuss, trama1352, subtemen, abwechselnd über und unter die einzelnen Kettfäden geführt. Varro definiert: „subtemen, der unter dem Kettfaden geht“1353. Entgegen den Angaben vieler moderner Übersetzer haben antike Autoren durchaus zwischen Kette und Schuß zu unterscheiden gewusst. Beispielsweise schreibt Servius: „… mit Schussfaden aus Gold, d. h. 1349 1350 1351 1352

    1353

    Varro ling. 5, 114. Varro ling. 5, 113. H.-J. Drexhage, Eigentumsdelikte im Römischen Ägypten, S. 978–986. Varro ling. 5, 113: Der Ausdruck Trame steht in der heutigen Textilindustrie für „Schußmaterial aus endlosen Natur- oder Chemiefasern, nicht filierte, leicht moulinierte [leicht verdrehte] Grège und deshalb fülliger als Organsin“, A. Hofer, Textilund Modelexikon, Stichwort Trame, S. 503. Varro ling. 5, 113.

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    einem Faden, der innerhalb der Kette läuft […]. Denn schlecht akzeptieren gewisse Leute Schussfaden als Kettfaden, denn einen Kettfaden aus Gold könne es nicht geben“1354. Lepra war eine unheilbare schreckliche Krankheit. Die Kirchenväter orientierten sich in ihren Ratschlägen dazu an den Vorschriften in Levitikus 13. Man sonderte die Leprakranken ab; die Entscheidung, ob es sich um Lepra handelte, fiel dem Priester zu. Die Vulgata berichtet ausführlich über die Reinigungsvorschriften. Dazu gehörte, dass wollene und leinene Kleidungsstücke vorgezeigt werden und sowohl im Kettfaden als auch im Schussfaden gründlich untersucht werden mussten. Isidor stellt in seiner Auslegung der Stelle heraus, dass sich die Lepra nicht nur in der Kleidung im allgemeinen, sondern bis in Kett- und Schussfaden hinein festsetzen kann1355. 7 e. licium Litze, Schlaufe Um in der Gegenrichtung zu weben, werden auf dem Webstuhl die bisher oben liegenden Kettfäden nach unten und die unten liegenden nach oben geholt. Dies erfolgt mit Hilfe von Trennstäben oder Schäften und mit den an den jeweiligen Kettfäden angebrachten kleinen Schlingen, den sogenannten Litzen, licia, die das Hoch- oder Herunterheben ermöglichen. Auch um auf der Haspel eine bestimmte Länge abzuteilen, werden sie benötigt. Fitzband, Faden, „weil die Weberinnen ihr tägliches Werk abteilen, heißt es wegen des Durchfädelns“, sagt Festus1356. Mit Litzen des Webstandes wurde Samsons Haar angeflochten in der Geschichte von Samson und Dalila1357.

    1354

    1355 1356

    1357

    Serv. Aen. 3, 483: Auri subtemine id est filo quod intra stamen currit, quod Persius tramam dixit mihi trama figurae sit reliqua: ast illi tremat omento popa venter? nam male quidam ‚subtemen‘ stamen accipiunt, cum stamen de auro esse non possit. Lv 13, 59 und Isid. expos. in Lev. 11, 16–17. Fest. S. 80, 16: Forago, filum, quod textrices diurnum opus distinguunt, a forando dictum. Im Garnhandel nennt man Gebinde auch Fitzen oder Fitz, eine durch Umbinden eines Fadens (des sog. Fitzfadens) bezeichnete die Unterabteilung eines Strähns. Idc 16, 13 und 14.

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    7 f. ordire, ordiri anzetteln In einer Version seiner Chronik heißt es bei Isidor: „Minerva […] lehrte Gewebe anzuzetteln und Wolle zu färben“1358. 7 g. texere weben, herstellen textiler Flächen, Tafel 15 und 16 Textile Flächen erstellte man mit Hilfe von Flechten, Sprangarbeit oder Weben. Zum Weben fügt das Summarium Heinrici noch die Begriffe liciatorium mittel oder fizzeboum und lienvenis harliva hinzu. Der Schaft, dick wie ein liciatorium texentium (je nach Webstuhlart: Weberbaum, Weberschaft), wird in der Vulgata immer zum Vergleich herangezogen, wenn es um die Beschreibung eines besonders dicken Speerschaftes geht1359. Die Verarbeitung von Gold, Tafel 13 Margarita Gleba berichtet in diesem Band über die Verarbeitung des Goldes, das in der Literatur immer eine Rolle spielt. Hierzu seien noch einige Quellen angeführt. Wie in der Genesis ausführlich berichtet, wurde Gold in der jüdischen Tempelausstattung und der Kleidung des Hohenpriesters mitverarbeitet. Hierfür wurde das Metall flach ausgewalzt und in feine Streifen geschnitten, die zwischen die Kettfäden eingelegt wurden1360. Ovid beschreibt, wie Arachne und Minerva in ihr Gewebe Gold einfügen1361. Bei gesponnenem Gold werden textile Fäden mit einem zarten, geglätteten Lahn umwickelt. Plinius dazu: Das Gold lässt sich „überdies spinnen und verweben gleich der Wolle sogar ohne [Zusatz von] Wolle“. Er fügt hinzu: „Verrius berichtet, daß Tarquinius Priscus in einer goldenen Tunika triumphiert habe; wir haben erlebt, wie Agrippina, die Frau den Kaisers Claudius […] neben ihm saß und dabei ein aus gewobenem Gold ohne irgendeinen anderen Stoff gefertigtes paludamentum trug. In die attalischen Gewänder wird Gold schon lange eingewoben, eine Erfindung der Könige Asiens“1362. 1358 1359 1360 1361 1362

    Isid. Chr. 2, 38,S. 35: ordire telam et colorare lanas haec docuit. 1. Sm 17, 7; 2. Sm 21, 19; 1. Par 11, 23 und 20, 5. Ex 39, 3. Ov. met. 6, 68: et lentum filis inmittitur aurum. Plin. 33, 62–63. Daraus: superque netur ac texitur lanae modo vel sine lana. – Gesponnene Goldfäden fand man ab dem 4. Jhr. v. Chr. in Sibirien, Goldfolie mit Seidenseele, wobei die Windungen der Folie einander überlappen, im 1. Jh. n. Chr.:

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    Wann man begann, Goldfäden nicht mehr zu schneiden, sondern auszuziehen, ist nicht genau festzustellen. Zur Herstellung des reinen gezogenen Goldfadens zog man zu Anfang des 19. Jhs. mit Hilfe einer Handzange aus mit Wachs geschmierten und oft geglühten Goldstangen einen feinen Golddraht heraus, walzte ihn zu Lahn platt und verspann ihn zusammen mit den textilen Fäden1363. Durch das Vorglühen bekam er eine größere Festigkeit. In seinem Loblied auf die Kinderkonsule Olybrius und Probinus im Jahre 395 spricht Claudius Claudianus davon, dass man dünne Züge in langes Gold (weiter) auszieht; es wird also nicht mehr geschnitten1364. Vitruv befasst sich in einer Abhandlung mit der Wiederverwertung des Goldes aus alten oder unmodernen Kleidungsstücken: man „legt die Stoffstücke in ein irdenes Gefäß und verascht sie über Feuer. Die Asche davon wirft man in Wasser und setzt Quecksilber hinzu“, das sich mit dem Gold verbindet; „nachdem man das Wasser abgegossen hat“, gibt man den Rest in ein Tuch, drückt das Quecksilber hinaus und behält das reine Gold. Möglicherweise liegt es an dieser Wiederverwendung, dass so wenige mit Gold verarbeitete Textilien die Zeiten überdauert haben1365. Einen ausführlichen Einblick in die Arbeit des Gold- und Silberdrahtspinnens überliefert Krünitz in seiner Oekonomischen Encyklopädie1366. Werkstätten Die Werkstätten aufzuführen, ist in diesem kurzen Beitrag nur selektiv möglich; von daher sind die Angaben nicht als vollständig anzusehen. Eine Reihe von Namen wurden schon in den bisherigen Texten erwähnt.

    1363 1364 1365 1366

    A. K. Elkina, Goldstickereien mit „Seidenseele“ in dem Grab einer sarmatischen „Priesterin“ aus der Sokolova Mogila, S. 227–229. Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste, Bd. 73, S. 183. Claud. 177–184. Vitr. arch. 7, 8, 4. Stichwort Draht (=Gold). Hieraus ein Auszug: „Derjenige Künstler, welcher den geplatteten Gold= und Silberdraht mit Seide versetzet, und das Gespinnst verfertiget, wird der Gold= und Silberdrahtspinner genennet. Diese Gold= und Silber=Spinnerey wird an vielen Orten durch dazu abgerichtete Weibspersonen verrichtet, auf welche der Meister Achtung hoben, ihnen alles angeben und anordnen muß, weil solches an sich selbst eine sehr leichte Arbeit ist. Es wird aber eine gute Aufsicht dabey erfordert, damit alles wohl in Obacht genommen, und gute Arbeit verfertiget, auch solche insonderheit derb und tüchtig gedrehet, und nicht weit auseinander gesponnen werde.“

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    Phrygische Werkstätten Eine der ganz großen bekannten Textilwerkstätten wurde in Gordion, der phrygischen Hauptstadt1367 der Könige Gordios und Midas gefunden. Hier gab es eine entwickelte Industrie, deren Kunsterzeugnisse für das ökonomische System eine hohe Bedeutung besaßen. B. Burke glaubt, obgleich Dokumente fehlen, die Textilien der Phrygier hätten den gleichen Zweck gehabt, wie die in der Ägäis hergestellten, nämlich sowohl einen hohen Rang des Trägers zu betonen, als auch Textilien in großen Mengen zum Versand durch die oberste Elite herzustellen. Die hohe Zahl der in einem zentralen Werkstattviertel innerhalb der Stadtmauer von Gordion entdeckten Spinnwirtel und Webgewichte und ihre Größe zeigt, dass die gewebten Stoffe stark und strapazierfähig waren1368. Griechische Webräume Nach Vitruv lebten in griechischen Haushalten Frauen und Männer ihr gesellschafltiches Leben getrennt voneinander. Im Frauenteil des Hauses befanden sich Säle, in denen die Hausfrauen mit den Wollearbeiterinnen saßen1369. Römische Werkstätten, Tafel 23 Vitruv schreibt in De architectura über die ideale Anlage der Räume in römischen Privathäusern. Die Werkstätten liegen an den Längsseiten des Atriums, an dessen Abmessungen sich ihre Größe ausrichtet. Aus seinen Angaben ergeben sich Maße von jeweils zwischen etwa 10 bis 16 qm Fläche je Werkraum. Dabei sollen die Werkstätten der Buntwirker, plumariorum textrina, und der Maler, pictorum officinae, auf der Nordseite, ad septentrionem, liegen, weil damit durch die Beständigkeit des Lichts die Farben in unveränderter Qualität bleiben1370. Hatten die Außenseiten der Häuser aus Platz1367

    1368 1369 1370

    Das phrygische Reich des Königs Midas umfasste Ende des 8. Jhs. v. Chr. wohl den größten Teil des westlichen Zentralanatoliens; er selber wurde zu einer Gestalt der griechischen Mythologie. Um 695 v. Chr. wurde Phrygien von den Kimmeriern zerstört; seit 546 v. Chr. stand das Land unter persischer und seit Alexander dem Großen unter makedonischer Herrschaft und wurde nach 133 v. Chr römische Provinz. B. Burke, Textile Production at Gordion and the Phrygian economy, S. 69–81. Vitr. arch. 6, 7, 2. Vitr-arch. 6, 4, 2, vgl. 6, 3, 3–4.

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    mangel keine Fenster und bekamen nur über das Atrium Licht, könnten sich diese Angaben ändern. Wenn Sueton berichtet, die Frau, Töchter und Enkelinnen von Augustus hätten seine Hauskleidung selber hergestellt, so sagt er nichts über die Kleidung fürs Forum. Es ist auch nicht festzustellen, in welchem Umfang dies tatsächlich geschah1371 und wie hoch der Anteil der Importware war. Welche großen römischen Landgüter eigene Textilwerkstätten besaßen, hängt wohl von der Spezialisierung und vom Interesse des jeweiligen Besitzers ab. Varro lässt darüber diskutieren, dass Weber in Webereien nicht auf den Ackerbau betreibenden Gütern beschäftigt sein sollten, da sie nicht unmittelbar mit der Feldwirtschaft zu tun hätten1372. Laut Cato kaufte man in Rom Tuniken, Togen, saga, Arbeitskleidung und Holzschuhe; in Cales und Minturnae gab es neben vielen anderen Dingen Kukullen; Spartagras war besonders gut in Capua zu bekommen1373. Wie oben angeführt, gehörten jedoch Jochwebstände zumindest an einigen Orten zur Einrichtung in eigenen Anwesen. Anders sieht es Columella. Wie es in einem Gutshaushalt auf dem Land zugehen soll, schreibt er in seinen Büchern über die Landwirtschaft; das zwölfte Buch handelt von den Aufgaben der Verwalterin, aus ihm lassen sich auch für die Textilarbeit Schlüsse ziehen. Columella beginnt mit einer Stellenbeschreibung1374: Die Verwalterin solle aus der Zahl der Sklaven ausgewählt werden, eine junge Frau und kein Mädchen sein, „bei einwandfreier Gesundheit“, weder schön noch hässlich, denn sie müsse ihre „ungeschmälerte Kraft“ ihren Aufgaben widmen. Eine hässliche Frau treibe den Verwalter zum Fremdgehen, eine zu schöne nur ständig in ihre Arme. Ferner sei ihr Sinn nicht zu sehr aufs „Weintrinken, Essen, Aberglauben, Schlafen und Umgang mit den Männern gerichtet“; sie habe die Arbeit der Sklaven zu beaufsichtigen, Planung und Ordnung seien wichtige Eigenschaften – kurzum, es musste sich um die Idealfrau handeln. Ob Columella eine solche wohl gefunden hat? Möglich wäre es, denn er lebte offenbar gern auf dem Lande. Zum breitgefächerten Aufgabengebiet der Verwalterin gehörten u. a. die Aufsicht über die Textilarbeit und die Herstellung der Bekleidung. Die Kleidung musste in dem am höchsten liegenden Raum untergebracht sein; eine regelmäßige Prüfung sollte verhindern, dass die Gewänder durch zu langes Liegen Schaden erlitten. Die Geräte, die zur 1371 1372

    1373 1374

    Suet Aug. 64 und 73. Varro rust. 1, 2, 21: ut si habet plures in fundo textores atque institutos histonas, sic alios artifices. Vgl. W. Kaltenstadler, Arbeitsorganisation und Führungssystem bei den römischen Agrarschriftstellern, S. 15 f. Cato agr. 144, 1–3. Colum. 12, c. 1–2.

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    Wollarbeit benutzt wurden, waren getrennt von anderen Geräten aufzubewahren1375. Die Arbeit erledigten weibliche Sklaven hauptsächlich an Regentagen, oder wenn Frost oder Reif keine Landarbeit zuließen. Dann sollte ausgekämmte Wolle bereitliegen und die Verwalterin selbst ein gerechtes Maß an Arbeit erledigen, ebenso wie die anderen. Es schade nichts, schreibt Columella, wenn der gesamte Haushalt, d. h. einschließlich der Verwaltungsleitung, die Aufseher und andere Sklaven mit besonderen Posten, selbstgefertigte Kleidung trügen, um den Ertrag des Hausherrn nicht zu sehr zu belasten. Während die anderen webten, solle die Verwalterin selbst gelegentlich zum Gewebe sehen1376, etwas dazu lernen von jemandem, der es besser konnte oder diejenigen lehren, die nicht so gut seien. Weiter hatte sie bei der Schur zugegen zu sein, die Wolle zu übernehmen und mit der Stückzahl der Herde zu vergleichen. Werkstätten in Germanien Merkwürdigerweise wurde bisher der Bericht des Tacitus in seiner Germania nicht beachtet, in dem die Arbeitsteilung innerhalb eines Herrenhofes beschrieben wird. Unabhängig von der Frage, inwieweit der Hausherr selber einen Beitrag zur Arbeit leistete, stellt Tacitus fest, dass es drei verschiedene Aufgabengebiete gab, für die die Colonen, die in eigenen Wohnungseinheiten mit ihren eigenen Hausgöttern lebten, zuständig waren: die eine Gruppe hatte für die Feldbestellung zu sorgen, die zweite war für das Vieh und die Viehzucht zuständig und die dritte Gruppe hatte die Kleidung bereitzustellen. Damit ist bewiesen, dass die Textilherstellung in den Händen von Fachleuten lag, Männern und Frauen, die allein für diese Arbeit verantwortlich waren. Wenn Tacitus fortfährt, diese Arbeit solle der servus tun und die Frau und Kinder führten diese Dinge aus, kann das nur heißen, dass die servi auch mit den jeweiligen Vorarbeiten betraut wurden1377. Die archäologischen Funde im germanischen Raum zeigen, dass Tacitus hier richtig beobachtete, denn die sorgfältig hergestellten Textilien können nicht nur von nebenamtlich Arbeitenden oder Gelegenheitsarbeiterinnen stammen.

    1375

    1376 1377

    Im weiteren Teil zitiert Columella nach eigenen Angaben Cicero, der die Angaben wiederum von dem Griechen Ischomachos hat, Colum. 12, 2. Colum. 12, 3, 8: sed modo ad telam debebit adcedere. Tac. Germ. 25, 1: frumenti modum dominus aut pecoris aut vestis ut colono iniungit, et servus hactenus paret: cetera domus officia uxor ac liberi exequuntur.

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    Werkstätten in der Spätantike Nach Angaben des Codex Theodosianus gab es zwei Arten von kaiserlichen Werkstätten innerhalb des spätrömischen Reiches. Die einen waren für die Herstellung der Kleider der kaiserlichen Familie, für die amtliche Kleidung der Konsuln oder anderer vom Kaiser auszuzeichnenden Personenkreise zuständig. Manche Werkstätten waren wahrscheinlich nicht allzuweit vom Palast entfernt angesiedelt. Die zweite Gruppe, an vielen Stellen im Reich verteilt, war für die Kleiderabgaben an das Militär verantwortlich. Einzelgesetze sind in den Codices nachzulesen. (Dieses Gebiet kann nur in einer eigenständigen Arbeit behandelt werden). In wessen Händen die Herstellung der Kleidung für den Privatgebrauch der übrigen Bevölkerung lag, ist damit allerdings nicht dokumentiert. Auch wenn große Güter eigene Textilwerkstätten hatten – die Frage, woher die Textilien für die Stadtbevölkerung kamen, müsste ebenfalls noch genauer untersucht werden. Ein Mann, der in einer fränkischen Werkstatt arbeitete, war ein besonders guter Künstler. König Charibert liebte seine Tochter und heiratete sie, ohne sich des Vaters zu schämen1378. Klosterwerkstätten Hieronymus überliefert von den ägyptischen Klöstern, dass nach der Regel des Pachomius die Brüder, die Handwerke leisteten, in einem Haus unter einem Vorsteher versammelt wurden. Es waren dies jeweils die Leineweber, die Matratzenmacher, die Schneider, die Stellmacher, die Walker und die Hersteller der gallicae für die Mönche. Die Vorsteher sollten wöchentlich Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen1379. Der erste, der eine eindeutige Arbeitsteilung zwischen Frauen- und Männerklöstern überliefert, ist Isidor.Während Hieronymus seinen Brief über die hilfsweise Betätigung mit Spinnen und die Vorarbeiten zum Weben an die Töchter aus reichen Familien richtet, wird bei Isidor zwischen den Arbeiten der Männer- und Frauenklöster unterschieden: „Mit Wollarbeit auch üben und unterhalten sie [die Nonnen] den Körper. Diese Kleidungs1378 1379

    Greg. Tur. franc. 4, 26. Hier. praef. Pachom. 4, 6: fratres eiusdem artis in unam domum sub uno praeposito congregantur, verbi gratia: ut qui lina texunt sint pariter, qui mattas in unam reputentur familiam, sarcinatores, carpentarii, fullones, gallicarii seorsum a suis praepositis gubernentur, et per singulas ebdomadas ratiocinia operum suorum ad patrem monasterii referant. – Jedes Kloster hatte sich selbst zu versorgen.

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    stücke übergeben sie den Mönchen, von diesen umgekehrt erhaltend, was für die Nahrung nötig ist“1380. Eine Regel für die gleiche Arbeitsteilung innerhalb der Laiengesellschaft kann daraus nicht abgeleitet werden. Von den Webern Es gab zu allen Zeiten Kunsthandwerker, die besondere Begabungen hatten und einen hervorragenden Ruf genossen. Sie waren zugleich die Lehrmeister für andere Künstler. In Exodus sind zwei von ihnen mit Namen erwähnt. Es sind dies die Gold –, Silber- und Kupferschmiede und Edelsteinschneider Bezalel vom Stamme Juda und Oholiab vom Stamme Dan. Beide arbeiteten auch als Kunstwirker, die nach besonders guten Entwürfen fertigten1381. Bekannte Byssusweber in Israel waren Familien in Aschbea, Nachkommen von Schela, dem Sohn Judas1382. Berühmte Weber hatten ihre eigenen Zeichen1383. „Q. Remmius Palaemon aus Vicenza war der Haussklave einer Frau; zuerst soll er das Weberhandwerk, dann, als er den Sohn des Hauses in die Schule begleitete, lesen gelernt haben. Später übte er nach seiner Freilassung in Rom seine Lehrtätigkeit aus und war der Beste unter den Philologen“. Er kam zwar mit seinem Geld nicht aus, hatte jedoch Nebeneinkünfte, „da er Werkstätten betrieb, in denen Kleider für den Verkauf hergestellt wurden“1384. Eine sequanische Weberin, die in der Nähe von Belgien lebte, webte eine dicke Wolldecke mit dem spartanischen Namen endromida1385. Unterhalb des Walls des Servius Tullius befanden sich Textilwerkstätten, und darin arbeiteten Menschen, die „gegen Taglohn“ webten1386.

    1380

    1381 1382 1383

    1384

    1385 1386

    Isid. eccl. off. 2, 17: Lanificio etiam corpus exercent atque sustentant, vestesque ipsas monachis tradunt, ab his invicem quod victui opus est resumentes. Ex 38, 22–23. 1. Par 4, 21, vgl. Gute Nachricht Bibel, Stuttgart 1997: 1. Chronik 4, 21. Mischna Kilajim 9, 10, a: „Zeichen der Weber und Zeichen der Walker sind wegen Zweierlei verboten“. Diese Bestimmung zeigt, dass es außerhalb des Judentums gebräuchliche Praxis war, seine Ware zu kennzeichnen. Suet. gramm. 23, S. 966–968: Q. Remmius Palaemon, Vicetinus, mulieris verna, primo, ut ferunt, textrinam, deinde, erilem filium dum comitatur in scholam, litteras didicit. postea manumissus docuit Romae ac principem locum inter grammaticos tenuit […]; cuius diligentissimus erat, cum et officinas promercalium vestium exerceret. Mart. 4, 19. Sie wärmte besser als purpurnes Leinen. Juv. 8, 43, und Anm. 20.

    c. 29 Über das Werkzeug

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    Aus der Zeit des Kaisers Caracalla stammt ein Erlass, nach dem alle Ägypter aus Alexandrien ausgewiesen werden sollen, außer wenigen Berufsgruppen, zu denen auch ägyptische Leineweber gehörten. Zur Unterscheidung zwischen Leinewebern und anderen Ägyptern heißt es: „Außerdem: Leicht erkennbar im Vergleich zu den Leinewebern sind nämlich die echten Ägypter an ihrer Sprache oder (daran), daß sie anderes Aussehen und andere Kleidung haben“1387. „Als Leinweber waren nach Ausweis der Papyri sowohl Freie als auch Sklaven beiderlei Geschlechts ägyptischer und griechischer Nationalität tätig. Die Kunst der Verarbeitung wurde innerhalb einer Familie von Generation zu Generation vererbt. Neben der Papyrusherstellung machte die Textilindustrie mit der Verarbeitung des teuren Leinens den Reichtum Ägyptens aus, so daß eine Ausweisung der Leinweber als Hersteller dieser auch für den Export bedeutsamen Luxuskleidung nicht in Frage kam. Angesiedelt waren diese Erwerbszweige hauptsächlich im Nildelta“1388. Um Geld geht es in folgendem Bericht des Hieronymus. Ägyptische Mönche mussten in der Zeit des Makarios alle einen handwerklichen Beruf erlernen, wenn sie sich der Gemeinschaft anschließen wollten. Hieronymus schreibt über einen von ihnen in einem Brief an Eustochium: „Aber ich möchte etwas erzählen, was sich vor wenigen Jahren in der nitrischen Wüste ereignet hat. Ein Bruder, der mehr sparsam als geizig war und nicht wusste, dass Christus um dreißig Silberlinge verkauft wurde, hinterließ bei seinem Tod hundert Goldstücke, die er durch Leineweberei verdient hatte. Die Mönche, deren dort ungefähr 5000 in getrennten Zellen wohnten, hielten Rat, was zu geschehen habe. Die einen meinten, man solle das Geld unter die Armen verteilen. Andere wollten es der Kirche schenken, während eine dritte Gruppe riet, es den Eltern zu schicken. Makarius aber und Pambo und Isidor und die übrigen, die den Namen Väter führen, beschlossen, erleuchtet vom Hl. Geiste, es solle mit seinem Herrn begraben werden. Sie sprachen: ‚Dein Geld gehe mit dir ins Verderben‘. Darin darf man nicht eine Grausamkeit sehen. Aber alle (Mönche) in ganz Ägypten ergriff ein solcher Schreck, dass sie es für ein Verbrechen hielten, auch nur ein Goldstück zu hinterlassen“1389. Ammianus erzählt, dass in Rom des 4. Jhs. Matronen „verschleiert und in verdeckten Sänften“ durch Rom eilten und dabei „sämtliche Teile der Stadt“ besuchten. Sie ließen alle Mitglieder des Textilbereichs, textrinum, auf 1387

    1388 1389

    Die Giessener literarischen Papyri und die Caracalla-Erlasse, Kol. 2, (3. Erlaß) 6.3., S. 250. P. A. Kuhlmann, in: Giessener lit. Papyri, S. 255 zu Z. 27. Hier. epist. 22, 33.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Anweisung der Haushofmeister vor dem Wagen marschieren, anschließend folgte das Küchenpersonal, und schließlich kamen die restlichen Sklaven. Sinn der Sache war, Aufsehen zu erregen, wie es die Vornehmen taten, denen die Liktoren den Weg frei machten1390. Man erkennt an der Rangfolge innerhalb des Zuges die Stellung der Einzelnen. Ammianus berichtet ebenfalls, dass Fortuna Menschen erhöhen und erniedrigen konnte: so „erhöhte sie den Adramyttener Andriskos, der in einer Walkmühle geboren war“1391. Webkunst Wolle zu spinnen war auch für Frauen des römischen Kaiserhauses eine angesehene Tätigkeit. Wie schon erwähnt, erzog Augustus seine Töchter und Enkelinnen so, dass er sie „sogar mit dem Wollespinnen vertraut machte“, auch wenn „Lesen und Schreiben, Schwimmen und andere Grundfertigkeiten“ zum Stundenplan gehörten1392. Die Kunst Penelopes in der Textilarbeit wurde sprichwörtlich1393. Juvenal zitiert: „Ihr zupft die Wolle und liefert in Körbchen die fertigen Knäule ab, ihr dreht die von zartem Faden strotzende Spindel besser als Penelope, leichter als Arachne“1394. Die Nymphe Kallisto hatte allerdings anderes im Sinn, als „aus Wolle weiche Fäden zu spinnen“, sie nahm lieber Pfeil und Bogen in die Hand1395. Laut Ammianus feierte man statt Triumphen auf dem Schlachtfeld solche an der Tafel; „man pflegte mehr und mehr Seide zu tragen, die Textilkünste nahmen zu“1396. Demetrias, ein weibliches Mitglied der senatorischen Oberschicht und mutmaßliche Tochter des Konsuls Olybrius1397, wollte sich um 400 der Gruppe um Hieronymus anschließen. In einem Brief an sie erläutert er die seiner Ansicht nach für eine fromme Jungfrau angemessene Lebensweise. Interessant ist, dass die gewöhnlichen Alltagsaufgaben wie Kochen, Put1390

    1391 1392 1393 1394

    1395 1396 1397

    Amm. 14, 6, 17: ita praepositis urbanae familiae suos pense digerentibus sollicite, quos insignes faciunt virgae dextris aptatae, velut tessera data castrensi iuxta vehiculi frontem omne textrinum incedit; huic atratum coquinae iungitur ministerium, dein totum promisce servitium cum otiosis plebeiis de vicinitate coniunctis. Amm. 14, 11, 31: haec Adramytenum Andriscum in fullonio natum. Suet. Aug. 64, 2–3. Homer, Od. 2, 93ff; 19, 137 ff. Juv. 2, 54–56: vos lanam trahitis calathisque peracta refertis vellera, vos tenui praegnantem stamine fusum Penelope melius, levius torquetis Arachne. Ov. met. 2, 411–416. Amm. 22, 4, 5: ususque abundantes serici et textiles auctae sunt artes. W. Taegert, in: Claudius Claudianus, S. 26.

    c. 29 Über das Werkzeug

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    zen, Waschen nicht vorkommen. Hieronymus empfiehlt ihr, sie müsse alle Stundengebete einhalten, die Hl. Schrift kennen lernen und sich in der verbleibenden Zeit um die Textilarbeiten kümmern, die die „andern“ im Haus verrichten. Im Einzelnen heißt es dazu: „habe immer Wolle in Händen, entweder führe den Kettfaden mit Hilfe des Daumens, oder die Schussfäden […] sollen hingelenkt werden zum Drehen in Spinnschalen, und das Gesponnene der anderen wickle entweder zum Knäuel auf oder füge es durch Weben zusammen. Was gewebt ist, betrachte, was falsch ist, tadele; was zu machen ist, bringe zustande. Wenn du mit solcher Vielfalt an Tätigkeiten beschäftigt bist, werden dir die Tage niemals lang sein“1398. Eine bekannt gewordene, eindrucksvolle Predigt des Bischofs Asterius von Amaseia vom Ende des 4. Jhs. verurteilt die Luxuskleidung der Reichen seines Bistums, das sich am Schwarzen Meer nahe der Grenze zu Persien befand. Sie erlaubt einen Blick auf die damaligen Modeerscheinungen. Weit ausholend erzählt Asterius, wie aus Wolle, Leinen oder Byssus und dem Material persischer Seidenwürmer Chitone und Umhänge gewebt und mit Purpurfarben gefärbt wurden. „Man hat“, wie er sagt: „eine gewisse nichtswürdige Webtechnik [Wirken] erfunden, die mit dem Geflecht von Kette und Einschlag die Effekte der Malerei nachäfft und die Formen aller Lebewesen auf den Kleidern abbildet; mittels einer ingeniösen Technik machen sie dann ein beblümtes und in tausend Figürchen buntschillerndes Kleid für sich selbst, für ihre Frauen und für ihre Kinder. […] Stellen sie sich dann so zur Schau, werden sie von den Passanten angegafft, als wären sie gemalte Mauern. Ja bisweilen umdrängen sie die Gassenbuben und feixen und zeigen mit Fingern auf die Abbildungen auf ihren Umhängen, und sie heften sich ihnen an die Sohlen, so weit die Straße reicht. Da sieht man Löwen und Panther, Bären, Stiere und Hunde; Gebüsch, Felsen, Jäger, kurz, das komplette Repertoire der malerischen Naturnachahmung. Es scheint nämlich ein absolutes Muß zu sein, ihre Mauern und Häuser zu bemalen und obendrein ihre Tuniken und Umhänge. Und die reichen Herren und Damen, die für sehr fromm gelten, stellen dafür eine Blütenlese zusammen mit den Geschichten des Evangeliums und bestellen diese bei den Webern. Ja was sage ich? Sie wollen unseren Herrn selbst samt seiner Jüngerschar und sämtliche Wunderzeichen, wie sie dort berichtet werden. […] Und indem sie sich so aufführen, bilden sie sich ein, fromm zu handeln und gottgefällige Kleider zu tragen. […] Nicht den Gichtbrüchigen trage auf deinem Kleid, sondern such den Kranken auf in seiner Lagerstätte; […] nicht den Blinden trage auf deinem Kleid umher, sondern richte den lebenden Menschen auf, dem das Augenlicht fehlt, indem du ihm wohltust; nicht die Körbe mit den Brocken 1398

    Hier. epist. 130, 15.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    bilde ab, sondern gib dem Hungrigen zu essen; nicht die Krüge, die Er in Kana füllen ließ, schleppe mit auf deinem Kleid, sondern reiche dem Durstigen einen Trunk! Na, zu alldem verhalf die Kleidung des prunksüchtigen Reichen“1399. Auffallend ist, dass die Predigt in zeitlichem Zusammenhang mit dem Bericht von Ammianus steht über die mit Fransen versehenen paenulae, unter denen die gemusterten Tuniken sichtbar wurden1400. Noch eine zweite Beschreibung, ebenfalls aus der Zeit um 400 zeigt, dass Bildwirkerei auf Kleidungsstücken in dieser Zeit große Mode war. Claudian erzählt von einem Kleid, das die Tochter der Ceres, Proserpina, trägt. Es wird mit einem runden Jaspismedaillon gehalten und die Figuren sollen noch nie, so der Erzähler, so besonders realitätsnah durch die Fäden des Gewebes zur Geltung gekommen und niemals durch die „Eingebung des Weberkammes ein erleseneres Kunstwerk“ entstanden sein: „Hier hatte sie Sol dargestellt, wie er entstand aus dem Geschlecht des Hyperion, und Luna in gleicher Art, doch in anderer Form, die Anführer von Morgenröte und Nacht. Tethys hielt ihre Wiege bereit und tröstete die schwitzenden Kinder in ihrem Schoß; ihr bläulicher Busen schimmerte von den rosigen Zöglingen. Auf dem rechten Arm trug sie den kraftlosen Titan, noch nicht bedrängend mit seinem Licht und auch noch nicht hoch bekränzt von den erstarkenden Strahlen: Recht sanft war er dargestellt im frühesten Kindesalter und versprühte beim Wimmern ein zartes Feuer. Auf der linken Seite sog seine Schwester den Trank der kristallklaren Brust in sich auf und war an ihren Schläfen mit kleinen Sichelmondhörnern gekennzeichnet. In solch einer Kleidung, schritt Proserpina stolz dahin“1401. Diese Bildmuster werden in einer speziellen Technik, dem Wirken hergestellt. Um sie weben zu können, benutzt man Mustervorlagen. Die Zeichnungen im Maßstab 1:1 fixiert man rechts auf rechts hinter der Kette, gewebt wird von der Rückseite aus. Die Wirkarbeit kann auf einem senkrecht gestellten oder einem waagerechten Webrahmen ausgeführt werden. Durch festes Anschlagen der Schussfäden rutschen diese dicht aneinander, verdecken die Kettfäden und bilden so eine farbige Fläche; dabei ist es möglich, durch kleinteilige Farbabstufungen naturalistisch plastische Darstellungen zu erzeugen. Zur Herstellung eines gewirkten „Gemäldes“ braucht man viele Einzelfäden, die auf Spindeln oder Wirknadeln, langen Stäbchen, aufgewickelt sind. Die Schattierungen entstehen durch Verzah1399

    1400 1401

    1. Homilie des Bischofs Amasius von Amaseia. Übers. Frits van der Meer, S. 16 und 25. S. c. 24, Stichwort fimbria. Claud. 2, 40–55: pectinis ingenio numquam felicior artis contigit eventus; nulli sic consona telae fila nec in tantum veri duxere figuras.

    c. 29 Über das Werkzeug

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    nen der einzelnen Farben; plastische Darstellungen und graphische Elemente werden nach der Fertigstellung des Musters, mit einer Nadel und einem einzelnen Faden, ausgeführt1402. Ergänzend soll noch die Aussage von A. Schmidt-Colinet hinzugefügt werden, die er zu den Mustern in Palmyra macht: „Man muß daraus schließen, daß die Bauwerkstätten in Palmyra zur Erstellung der Architekturornamentik die gleichen Mustervorlagen benutzt haben wie die Skulpturenateliers, diese wiederum die gleichen Mustervorlagen wie die Textilwerkstätten“1403. Dass dies auch für andere Gegenden gilt, lässt sich an den Aussagen des Bischofs Asterius ablesen. Webstühle im Bild Auf Kunstwerken sind eine Reihe von Bildern erhalten, die den Gewichtsoder Jochwebstuhl zeigen, auf dem die Schussfäden nach oben angeschlagen werden mussten. Auf dem späteren Zweibaumwebstuhl, der hier noch senkrecht steht, wurde nach unten gewebt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es sich auf den hier beschriebenen Bildern um die Darstellung antiker Sagen handelt. Insofern ist nicht vorauszusetzen, dass die Künstler ein modernes Arbeitsgerät zeigen wollten. Die erste Darstellung ist in den römischen Katakomben, im Hypogäum (Totenkammer) der Aurelier am Viale Manzoni (Ende 2.–Anf. 3. Jh.) zu finden1404. Ein Detail zeigt einen Webstuhl, neben ihm Penelope, die sich dem heimgekehrten Odysseus zuwendet. Der sehr große Webstuhl steht auf zwei festen Ständern, die senkrechte Stützen tragen. Ob in regelmäßig angebrachten Löchern mit Hilfe von Zapfen Schär- und Warenbaum angebracht und seitliche Stäbe abgelegt werden können, ist nicht sicher auszumachen. Am unteren Ende befindet sich das angefangene Gewebe, darüber sind in weitem Abstand zwei Querstangen angebracht. Einer davon ist sicher ein Litzenstab, der andere könnte ein Anschlagstab sein. Da nach Homer Odysseus seit Jahren verschollen war, kamen viele Freier, die sein Erbe antreten wollten, indem sie Penelope heirateten. Um Ruhe zu haben, 1402

    1403

    1404

    A. Stauffer, Textilien aus Palmyra, S. 22, schreibt zur Musterung: „Das dichte Anschlagen des Schusses war auch bei den reichen mehrfarbigen Dekorationen in Wirktechnik notwendig. Die Muster sind in minuziöser Arbeit mit einzelnen Fäden in verschiedenen Farbtönen in einfacher Leinwandbindung über ein oder zwei Fäden ausgeführt“. Die Textilien von Palmyra, S. 46. Dies wird weiter aufgeführt bei A. Stauffer, Zum Nachleben babylonischer Wirktradition im Nahen Osten, S. 316. Nicolai, Bisconti und Mazzoleni, Roms christliche Katakomben, Abb. 135, S. 119.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    bestimmte sie, zuerst ein sehr übergroßes Gewebe als Totenkleid für Odysseus’ Vater Laertes weben zu müssen. Während sie am Tage webte, trennte sie nachts heimlich das Gewebe wieder auf1405. Vielleicht sitzt deshalb der Anschlagstab so weit von dem sichtbaren Gewebe entfernt. Ob sich bei einer Untersuchung vor Ort noch weitere technische Einzelheiten feststellen lassen, kann von hier aus nicht gesagt werden. Das zweite Bild eines Webstuhls ist im Vergilius Vaticanus1406 aus der Zeit zwischen 370 und 430 überliefert. Die Trojaner wurden vom Seher Helenus gewarnt, sie hätten viele Gefahren zu bestehen, bevor sie ihre neue Heimat in Italien erreichen könnten. Unter anderem müssten sie die Insel der Circe passieren. Diese war eine Tochter des Sol und eine berüchtigte Zauberin. Nach Vergil segeln sie deshalb im Mondlicht schnell an dieser Insel vorbei. Auf dem Bild bedient in der Ferne Circe an einer langen Tafel schmausende, in Tiere verzauberte Gefangene; auf der rechten Bildseite webt sie, ein Zauberlied singend, an einem großen Teppich1407. Die Trojaner, im fahrenden Schiff sitzend, sehen den Zweibaumwebstuhl der Zauberin im Hintergrund. Er ist im Aufbau ähnlich dem Penelopes, aber mit nur einem Trennstab versehen.

    Exkurs 29 Verarbeitung und Veredelung von Textilien, Tafel 20 Handwerker Aus römischer Zeit kennen wir eine Fülle von Handwerkern und Handwerkerinnen, die mit Herstellung, Verarbeitung und Verkauf der Textilprodukte beschäftigt waren. Eine Auswahl: aurufex, bapharius, braccarius, calcearius, calceolarius, caligarius, carinarius, crepidarius, diabathrarius, flammarius, fullo (für Wolle und Leinen), gallicarius, indusiarius, lanarius, limbularius, lintearius, linteo, manulearius1408, molocinarius, paenularius, phrygius, plumarius, sarcinator, sericaria, sericarius, solearius, strophiarius, sutor, textor, textrina, violarius, zonarius.

    1405 1406 1407 1408

    Homer, Od. 2. Gesang 95–106; 19. Gesang 133–145. Vergilius Vaticanus, fol. 58r. Verg. Aen. 3, 396–398; 7, 5–24. Handschuhmacher?

    Exkurs 29

    399

    Werkstätten, Tafel 20 Der Maler Simos wird von Plinius erwähnt, weil er u. a. eine Walkerwerkstätte und einen Mann malte, der ein Fest der Minerva feierte. Spekulativ ist die Vorstellung, es könne sich um die Malerei gehandelt haben, die sich heute im Nationalmuseum in Neapel befindet: Hier ist aus der Fullonica di Veranio Ipseo (Hypsaeus) in Pompeji ein Teil eines Pilasters erhalten, der dreiseitig bemalt ist. Eine Seite trägt auf der oberen Hälfte ein Minervabild, die Schutzpatronin der Handwerker; die untere Hälfte ist zerstört. Die zweite Seite gibt Auskunft über die Art und Weise, in der solche Arbeiten in der Antike gehandhabt wurden. Jemand steht vor einem aufgehängten Tuch und reibt mit einer Bürste über den Stoff; es ist nicht zu erkennen, ob er nur Staub ausbürstet oder ihn neu kreidet. Ein zweiter Mann trägt ein großes, vogelkorbähnliches rundes Gestell mit einer Eule (Minerva) auf der Spitze, in der anderen Hand hält er an einem Griff ein kleines Gefäß, in dem sich der zu verbrennende Schwefel befindet; hier ist er auf dem Weg zur Räucherkammer. Das untere Bild zeigt Männer, die mit Wasser und Zusätzen gefüllten Bottichen Textilien treten. Auf der dritten Seite des Pilasters steht eine sehr große Presse, mit der Stoffe gepresst werden. Das darunter liegende Bild zeigt Frauen, sie hängen Wäschestücke zum Trocknen auf1409. Schuster und Walker, Wäscher oder Fuller gehörten zu den Handwerkern, die ihren Beruf nicht in Wohnhäusern ausübten. Letztere waren für die Zubereitung der Rohstoffe und die Weiterverarbeitung der Textilien vor und nach dem Spinnen und Weben zuständig1410. Anders sah es auf den großen Landgütern aus1411. Dies ist leicht verständlich, wenn man die Umstände bedenkt, unter denen sie arbeiteten. fullo Tuchbereiter, Walker, Wäscher, Glätter, Veredeler Das Wollhaar hat einen sehr speziellen Aufbau, es besteht aus drei Schichten. Die innere Schicht ist die Markschicht oder Medulla. Je dünner sie ist, desto feiner und elastischer ist das Wollhaar. Die mittlere Schicht ist die 1409

    1410 1411

    Pompei, Fullonica di Veranio Ipseo, LR VI 8, 20, in: Neapel, Nationalmuseum, Inv. 9774. – Plin. 35, 143: officinam fullonis. Der Maler Simos wird nur von Plinius erwähnt als Maler, „der einen ruhenden Jüngling“, eine Nemesis und „eine Walkerwerkstätte malte und einen Mann, der die Quinquatrus feiert“. Letzteres war ein Fest der Minerva, das Teil des Gemäldes hätte sein können. Vgl. Kommentar König, Winkler S. 247. Vitr. arch. 6, 7. Cato agr. 10, 1, 21.

    400

    Mechthild Müller, Kommentar

    Spindelzellschicht, die Cortex. Sie besteht aus Millionen von feinen Spindelzellen und bildet den eigentlichen Faserstamm. Der Aufbau der Zellen ist nicht gleichartig, sondern sie bestehen aus zwei Halbzylindern, Orthocortex und Paracortex, haben also eine bilaterale Struktur. Durch die Spindelzellen werden Festigkeit, Dehnung und Elastizität des Wollhaares bestimmt. Sie werden durch das Lanolin zusammengehalten. Eine Außenmembranschicht, Epicuticula, ein dünnes Häutchen, umschließt die Spindelzellen. Sie ist durchlässig für Wasserdampf, lässt aber Tropfen an sich abperlen. Die äußere Schicht, die Exocuticula, ist eine Schuppenschicht. Sie besteht aus verhornten, plattenartigen Eiweißzellen, die sich gegenseitig überlappen. Durch Feuchtigkeit, Bewegung und Wärme werden die Haare gebogen und gegeneinander bewegt. Dabei schieben sich die Schuppenschichten ineinander, die Spitzen wirken wie Widerhaken und verhindern die Rückbewegung der Fasern, die damit fest miteinander verbunden werden. Auf diese Weise entsteht aus ungesponnener Wolle Filz, und bei verarbeitetem Tuch verfilzt die Oberfläche1412. Diese gewollten, kontrolliert ablaufenden Arbeiten waren aber nur ein Teil des Aufgabenbereiches, denn natürlich ist Voraussetzung für feine Wolltuche die ungefilzte Wolle. Nikias aus Megara erfand die Kunst des Walkens1413, weiß Plinius zu berichten, und er erwähnt das von M. Metilius eingebrachte Gesetz (lex Metilia) von 220 v. Chr. über den Gewerbebetrieb der Walker1414. „So sehr haben unsere Vorfahren für alles gesorgt“1415. Nach Varro gehört der Walker zu den notwendigen Arbeitskräften auf den Gütern. Deshalb wird Besitzern, deren Besitz nicht zu den Großgütern gehört, geraten, Walker nicht aus dem Kreis der Sklaven zu bestellen, da sie im Krankheitsfall oder Tod oft nicht zu ersetzen seien1416. „Wolle ist in dem Zustand, wie sie im Handel vorkommt, mit dem Wollschweiß verunreinigt, welchen man durch Behandeln mit faulem Urin (der durch seinen Gehalt an kohlensaurem Ammoniak wirkt) oder mit Soda und Seife bei nicht zu hoher Temperatur, um das Verfilzen der Wolle zu verhindern, entfernt“1417. 1412 1413 1414

    1415 1416

    1417

    U. Völker und K. Brückner, Von der Faser zum Stoff, S. 31–32. Plin. 7, 196. Tassilo Schmitt, in: Der neue Pauly 8, Sp. 100: „Ihr genauer Zweck, ihr Urheber und dessen Amt bleiben ebenso undeutlich wie dessen Identität mit M. M. […]. Die überlieferten Einzelheiten dieses Vorgangs sind allesamt spätannalist. Ausmalungen“. Plin. 35, 197. Varro rust. 1, 16, 4: „So nehmen denn auch die Landwirte für diesen Gutstyp lieber Leute aus der näheren Umgebung, denen sie Weisungen geben können, auf ein Jahr als Ärzte, Walker, Schmiede unter Vertrag“. Meyers Konversationslexikon, 1885–1892, Bd. 3, S. 17–18, Stichwort Bleichen.

    Exkurs 29

    401

    Plinius berichtet über das Seifenkraut: „Das sogenannte Seifenkraut, radicula [griech. struthion], enthält einen Saft, den man nur zum Waschen der Wolle verwendet; er trägt erstaunlich viel zu deren Weiße und Zartheit bei. Angepflanzt gedeiht [das Kraut] überall, wild aber besonders in Asien und Syrien, an steinigen und rauhen Stellen; das jenseits des Euphrat wachsende wird jedoch am meisten gelobt. Es hat einen pfriemenkrautartigen dünnen Stengel, ist eine geschätzte Speise der Einwohner und macht alles, was mit ihm gekocht wird, fettig1418; […] es hat keinen Samen, eine große Wurzel, die zu dem genannten Zweck zerschnitten wird“1419. An anderer Stelle schreibt er: „Auch von diesem gewöhnlichen Dorn, mit dem man die Walkerkessel füllt, läßt sich die Wurzel verwenden“1420. Nicht zum Waschen ist die herba lanaria gedacht; sie wird Schafen gegeben, die mehr Milch liefern sollen1421. Der Stockholmer Papyrus enthält auch einige Verfahren. Edmund O. von Lippmann schreibt in der Rezension über den Stockholmer Papyrus dazu: „Die zum Färben bestimmte rohe Wolle […] muß zunächst vorgereinigt werden, was durch Waschen, Aufkochen, Spülen, Abkühlen, Nachwaschen und Trocknen geschieht; als Zusätze dienen hierbei fein gepulverte Seifenwurzel, die ‚Skorpiurus‘ benannte Art des Seifenkrautes, das Kraut Asphodill nebst Sodalösung, kimolische Tonerde nebst Essig1422, filtriertes Kalkwasser, bereitet durch Löschen gebrannten Kalkes in Cisternenwasser und Abziehen der nach völligem Absitzen krystallklaren Lauge, sowie feine Tonerde nebst Aschenlauge“1423. „Harn [des Kamels] soll den Walkern sehr nützlich sein“, berichtet Plinius1424. „Männerharn heilt die Fußgicht, und die Walker gelten dafür als 1418 1419

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    1421

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    Damit ist die bei der Wolle nötige Rückfettung gewährleistet. Plin. 19, 48 und Plin. 24, 96. – Das Gemeine Seifenkraut, Saponaria officinalis L., wird bis zu 0,7 m hoch, mit ausläuferähnlichem Wurzelstock und rosaweißen, duftenden Blüten. Es wächst an Ufern und Wegrändern Mittel- und Südeuropas, Nord- und Ostasiens. Der abgekochte Sud der frischen Blätter und Wurzeln ist seifenartig, schäumt stark und nimmt wie Seife Fettflecken weg. Plin. 24, 111: Vulgaris quoque haec spina, ex qua aenae fulloniae inplentur. Die Übersetzer der Plinusstelle gaben in ihrem Kommentar den Hinweis auf die Ansicht einiger Forscher, dass hier ein Fehler vorläge und Plinius die Weberkarde gemeint habe. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Plin. 24, 168. Das Kraut, das Isidor (17, 9, 56) als struthios bezeichnet und unter dem Begriff herba lanaria aufführt, mit dem man meistens Wolle wäscht, wird von Plinius (24, 168) als herba lanaria verzeichnet, das bei Schafen auf nüchternen Magen gegeben, einen Überfluss an Milch erzeugt. Vgl. unten Stichwort Bleichmittel. von Lippmann, S. 16. Es folgt eine ausführliche Anleitung zur Gewinnung der Aschenlauge. Plin. 28, 91: urinam fullonibus utilissimam esse tradunt.

    402

    Mechthild Müller, Kommentar

    Beweis, weil man behauptet, sie würden deswegen von dieser Krankheit nie befallen“1425. Gewaschen wurde in großen Bottichen oder in die Erde eingelassenen Becken. Die Institutionen des Gaius bringen verschiedene Hinweise auf die Rechtsprechung. Hier geht es um Ansprüche aus Diebstahl: „Wenn ferner ein Walker zu glättende oder zu reinigende oder ein Schneider zu nähende Kleidungsstücke gegen einen bestimmten Lohn angenommen und diese durch Diebstahl verloren hat, so steht ihm selbst die Diebstahlsklage zu und nicht dem Eigentümer“1426. Weber und Walker brachten Zeichen an ihren Arbeitsstücken an, denn die Mishna sagt in 9, 10, a: „Zeichen der Weber und Zeichen der Walker sind wegen Zweierlei verboten“. Andere Aufgaben der Fuller werden in den weiteren Punkten besprochen. Einen interessanten Abriss über die Arbeit der Walker und ihre Arbeitsmittel anhand von Quittungen aus sumerischer Zeit schreibt Richard Firth in: „Fulling Agents Supplied to a Fuller’s Workshop in Garsˇana“ (2032–2026 v. Chr.)1427. Von den 39 am Schabbat verbotenen Arbeiten gehören 14 zum Arbeitsbereich Textil: Bleichen, Einfädeln, 2 Fäden aufspalten, 2 Fäden weben, Färben, 1 Knoten knüpfen, 1 Knoten lösen, Reißen um zu nähen, 2 Schnüre drehen, Spinnen, 2 Stiche nähen, Wolle scheren, Zerschneiden, Zupfen. Karden Ehe die Wolle gesponnen wird, muss sie kardiert, d. h. aufgelockert und in parallel liegende Fasern gebracht werden; zu kleine Fasern und Verunreinigungen werden aussortiert. Um größere Mengen Wolle zu lockern, verwandte man möglicherweise Kämme oder Karden mit eisernen Nagelspitzen. Kardendisteln sind für diesen Zweck ungeeignet. Auch fertig gewebte Stoffe konnten veredelt werden. Einige dieser Zurichtungen erledigten die Walker. Wenn sie die Wollstoffe mit verschiedenen Zusätzen in großen Bottichen wuschen, bis sie verdichtet und an der Oberfläche leicht verfilzt waren, verloren sie an Weite und Länge. Anschließend konnte man die wirr auf der Oberfläche liegenden Fasern mit Hilfe der Karden in eine Richtung bürsten. Hierdurch gewannen die Tuche an 1425

    1426 1427

    Plin. 28, 66: virilis podagris medetur argumento fullonum, quos ideo temptari eo morbo negant. Einer von ihnen, Titus Fullonius aus Bononia soll sogar 150 Jahre alt geworden sein, so Plin. 7, 159. Gaius inst. 3, 205. Vgl. inst. 3, 162. 2010, S. 22–25.

    Exkurs 29

    403

    Glanz, zusätzlich flossen die Wassertropfen bei Regen ab. Über die Weberkarde, dipsakos fullonum, schreibt Plinius: Sie „hat Blätter wie der Lattich und mitten auf dem Rücken stachlige Erhöhungen, einen zwei Ellen hohen, ebenfalls von Stacheln starrenden Stengel, dessen Gelenke je zwei Blätter umfassen mit einer hohlen Vertiefung in den Achseln, in denen sich ein salziger Tau festsetzt. An der Spitze (des Stengels) befinden sich igelartige Köpfchen mit Stacheln“1428. Linné sah keinen Unterschied zwischen der wilden, heute Dipsacus silvestris, und der gezüchteten Sorte Dipsacus sativus (L.) Honck. Der wilde Dipsacus hat schwache und gerade emporstehende Spitzen und ist unbrauchbar zum Kämmen von Wollstoffen. Dipsacus pilosus ist kleiner und schwächer, die Köpfchen sind klein und rund statt eiförmig oder länglich. Sie sind zwar stachelig, aber zum Kämmen nicht geeignet. Ihre Blätter sind haarig. Die kultivierte Weberkarde Dipsacus sativus Honck. hat steife Spitzen, die am Ende hakenförmig umgebogen sind. Nur mit ihr kann man Wolltuche bearbeiten, denn entscheidend ist die Beschaffenheit der Häkchen. Die abgeschnittenen Disteln werden getrocknet und mit hölzernen Kardengabeln gewendet, damit auch der Samen ausfällt. Die Distelköpfe müssen danach von den harten Hüllblättern befreit, auf die richtige Stengellänge geschnitten und nach der Größe vorsortiert werden, ehe man sie auf die Karde aufsetzt. Die Distelköpfchen nutzen sich schnell ab, bei Bedarf werden sie daher auf der Karde gedreht1429. Der Vollständigkeit halber soll noch eine andere Pliniusstelle zitiert werden, in der es heißt, dass man die Stacheln des Igels zum Glätten der Kleidung benötigte. Um ein ganzes Stachelkleid zu bekommen, musste man den zusammengerollten Igel mit heißem Wasser besprengen, an den Hinterbeinen packen, aufhängen und verhungern lassen. Plinius fügt hinzu: „gesetzt, man hätte seine Stacheln nicht, so wäre die weiche Wolle des Schafes dem Menschen umsonst gegeben; denn mit diesem Felle glättet man die Kleider“1430.

    1428 1429

    1430

    Plin. 27, 71. Weitere Informationen siehe Krünitz online, Stichwort Kardendistel, und Mercks Warenlexikon, 3. Aufl. 1884, Stichwort Rauhkarden, S. 455. Plin. 8, 135: si non sint illi aculei, frustra vellerum mollitia in pecude mortalibus data: hac cute expoliuntur vestes.

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    Veredelung Um einen geschorenen, glatten Stoff, rasilis, zu erhalten, schor man die überstehenden Fasern mit großen Scheren ab. Dazu musste der Stoff fest gespannt werden. Pressen Geglättet und gepresst wurden die Stoffe in der Tuchpresse: „Wie die blühende Hybla sich bunt färbt, wenn Siziliens Bienen den kurzen Frühling ausplündern, so leuchten deine Kleiderpressen von den untergelegten lacernae“, sagt Martial und fügt hinzu: „so schimmert deine Truhe von zahllosen Freizeitgewändern, syntheses, und einen ganzen Stadtbezirk kannst du in deine weißen Togen kleiden“1431. Martial spricht von Seidenpressen1432. Nun bricht Seide, wenn sie gepresst wird, sie muss daher gerollt aufbewahrt werden. Es könnte sich allerdings um die Herstellung der gewässerten Stoffe handeln, von denen Plinius spricht1433. Für Moiré „mit Bruch“ webt man zunächst ein Seidengewebe mit sehr dicht gestellter, dünnfädiger Kette und einem fülligen Schuss. Anschließend wird der Stoff in angefeuchtetem Zustand rechts auf rechts gelegt und mit Druck zwischen zwei Walzen gegeneinander verzogen. So entsteht ein typisches Wasserlinienmuster, undulatus. Bleichmittel Vom Färben wurde schon in einem eigenen Kapitel berichtet. Hier geht es nun um weiße Kleidung, auch in der Antike etwas Begehrenswertes, für das man vieles in Kauf nahm. Wohl das Gegenteil von den feinen Geweben sind die dichten, mit Mohn zubereiteten. Angeblich seien solche Kleider schon vom Dichter Lucilius an Torquatus getadelt worden1434. Durch einen speziellen Mohn konnten Leintücher weiß gemacht werden1435. An anderer Stelle nennt Pli1431

    1432 1433 1434 1435

    Mart. 2, 46: sic tua subpositis conlucent prela lacernis, sic micat innumeris arcula synthesibus, atque omnem vestire tribum tua candida possunt. Mart. 11, 8: de Palatinis dominae quod Serica prelis. vgl. c 24, Stichwort Materialangaben: Plin. 8, 194–195. Plin. 8, 195. Plin. 19, 21: est inter papavera genus quoddam, quo candorem lintea praecipuum trahunt.

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    nius eine Herakleion oder aphrodes genannte wilde Mohnart: „Ihre Blätter sehen, von fern betrachtet, wie Sperlinge aus, und ihre Wurzel (befindet sich) in der obersten Schicht der Erde, der Same ist mit Schaum bedeckt. Aus ihm zieht die Leinwand ihren Glanz“1436. Zusätzlich zu dem beschriebenen Verfahren gab es andere, denn nicht nur weiß, sondern schneeweiß wurde für die Kleidung der Götter gefordert und war damit auch für Menschen erstrebenswert. Wolle unterscheidet sich durch ihren Stickstoffgehalt wesentlich von den pflanzlichen Fasern. Sie kann nicht wie die Pflanzenfasern mit Oxidationsmitteln gebleicht werden; bei der Behandlung mit Chlor verliert sie ihre Filzkraft. Um eine weiße Farbe zu erhalten, zerstört man heute den Farbstoff auf elektrischem Wege, vor der Industrialisierung bleichte man mit Hilfe von Schwefel. Plinius beschreibt ausführlich den Ablauf dieses Prozesses für Textilien: „Zuerst wird das Kleid mit sardischer Kreide abgewaschen, dann geschwefelt, hierauf mit kimolischer Kreide, welche die wahre Färbung aufweist, abgerieben. Eine unechte Färbung nämlich kann man erkennen: sie wird schwarz, und durch den Schwefel verläuft sie; die echten und wertvollen Farben aber erweicht die kimolische Kreide und gibt ihnen durch eine Art von Schimmer ein lebhaftes Aussehen, wenn sie durch den Schwefel trüb geworden sind. Für weiße Kleider ist nach dem Schwefeln die Verwendung der Steinkreide nützlicher, für gefärbte Kleider ist sie unzuträglich. Griechenland verwendet anstelle von kimolischer Kreide tymphäischen Gips“1437. Isidor gibt eine verkürzte Fassung in den Etymologien wieder1438. Die sardische und die kimolische Kreide sind auch unter dem Begriff Walkerde bekannt1439. 1436 1437

    1438 1439

    Plin. 20, 207. Plin. 35, 198: primum abluitur vestis Sarda, dein sulpure suffitur, mox desquamatur Cimolia, quae est coloris veri. fucatus enim deprehenditur: nigrescitque et funditur sulpure; veros autem et pretiosos colores emollit Cimolia et quodam nitore exhilarat contristatos sulpure. candidis vestibus saxum utilius a sulpure, inimicum coloribus. Graecia pro Cimolia Tymphaico utitur gypso. Die Kommentatoren der Pliniusausgabe R. König und G. Winkler geben ausführliche Hinweise auf die verwendete Kreide und ihre chemische Zusammensetzung, S. 276–278. Sie schreiben: „Jedenfalls dienten die verschiedenen Mineralien dazu, das Aussehen der Stoffe – gefärbt oder ungefärbt – zu verschönern“ (S. 278). Isid. Et. 16, 1, 6. Im 19. Jh. heißt es in Mercks Warenlexikon (Seite 609): „Walkerde (Walkererde; frz. terre à foulon, engl. fullers earth), ein sehr fetter, sich seifenartig anfühlender Thon von weißlicher, gelblicher oder grauer Farbe, der sich in Wasser unter Ausstoßen von Bläschen zu einem milden Rahm zerrühren läßt. Die Walkerde saugt begierig Fette ein und man gebraucht sie demgemäß als Entfettungsmittel beim Tuchwalken, zur Anfertigung von Fleckkugeln u. dergl. Ihr Vorkommen in der Natur ist nicht selten“.

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    Eine Zusatzinformation gibt Plinius über die umbrische Kreide, die nur zum Appretieren der vestis verwendet wird1440. Plinius berichtet von vier Schwefelarten. In seiner Aufzählung werden die zweite und die dritte Art mit Wolle in Verbindung gebracht. „Die zweite Art heißt Stückschwefel und findet sich gewöhnlich nur in Walkereien. Auch die dritte Art hat nur eine einzige Verwendung, nämlich zum Räuchern der Wolle, weil der Schwefel sie aufhellt und weich macht. Diese Art heißt egula“1441. In welcher Weise die Behandlung mit Schwefel erfolgte, erläutert Plinius nicht. Pierer beschreibt ein gebräuchliches Verfahren, das sicher ähnlich auch in römischer Zeit angewendet wurde: „Schwefeln, die Behandlung gewisser Stoffe mit durch Verbrennen von Schwefel dargestellter schwefliger Säure, behufs des Bleichens oder der Zerstörung von fäulnisfähigen Stoffen; daher: Gebleicht werden durch schweflige Säure: Wolle, Seide, Federn, Stroh, Badeschwämme, Korbgeflecht, überhaupt Stoffe, welche durch Chlor entweder zerstört, oder nicht ganz farblos werden. Nur Seide pflegt man auch durch abwechselnde Behandlung mit Chlor und schwefliger Säure zu bleichen. Die zu bleichenden Stoffe werden zwei- bis dreimal abwechselnd mit immer schwächeren 60° warmen Soda- und Seifenbädern behandelt und 10 Stunden lang in die Schwefelkammern gehängt. Diese gut schließenden, gemauerten Räume, an deren Boden Schalen mit brennendem Schwefel aufgestellt werden, haben Vorrichtungen (Horden, Rahmen, Schwefelböcke), auf denen die feuchten Stoffe ausgebreitet werden. Zuletzt werden sie warm gewaschen, und durch das Blaubad, eine etwas Thonerdehydrat und Indigocarmin enthaltende schwache Seifenlauge, gezogen. Für kleinere Gegenstände, wie Strohhüte, Spitzen, Darmsaiten, bedient man sich eines Kastens mit doppeltem Boden (Schwefelkasten), in welchem sich unten der brennende Schwefel, oben die Waaren befinden. Aus Tischzeug etc. kann man Obst- und Weinflecke durch den Dampf brennenden Schwefels entfernen“1442. Meyers Konversationslexikon von 1885 gibt ergänzende Hinweise1443: „Zum Bleichen hängt man die Wolle in eine Kammer, die luftdicht verschlossen werden kann, auf horizontalen Gerüsten auf und bringt einen Topf mit brennendem Schwefel in die Kammer. Der Schwefel verbrennt zu 1440 1441

    1442 1443

    Plin. 35, 197. Plin. 35, 175: alterum genus appellant glaebam, fullonum tantum officinis familiare, tertio quoque generi unus tantum est usus ad lanas suffiendas, quoniam candorem mollitiamque confert. egula vocatur hoc genus. Pierer’s Universal-Lexikon, Bd. 15, S. 595, Stichwort Schwefeln. Meyers Konservationslexikon Bd. 3, S. 17–18, Stichwort Bleichen.

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    schwefliger Säure, welche von der feuchten Wolle absorbiert wird. Hierbei entsteht, weil Sauerstoff von der Schwefelflamme verzehrt wird, ein luftverdünnter Raum, und nach Verbrauch des in der Kammerluft enthaltenen Sauerstoffs erlischt der Schwefel; von dem heißen unverbrannten Schwefel aber steigen noch Dämpfe auf und bilden auf der Wolle einen sehr fest haftenden gelben Überzug. Um dies zu vermeiden, versieht man die Wände der Kammer mit Ventilen, die sich nach innen öffnen, wodurch, sobald die Luft in der Kammer verdünnt wird, Sauerstoff von außen neu eindringt, bis der ganze Schwefel verbrannt ist. Man läßt die Stoffe 24 Stunden in der verschlossenen Kammer und wiederholt alsdann nötigenfalls die Operation. Oft entwickelt man auch die schweflige Säure durch Erhitzen von Eisenvitriol mit Schwefel, wäscht sie mit Wasser und leitet sie durch Röhren in die Kammer. Viel gleichmäßiger als die gasförmige schweflige Säure bleicht eine gesättigte wässerige Lösung von schwefliger Säure, in welcher man die Stoffe 4 Stunden lang liegen lässt. Zur Gewinnung einer solchen Lösung wird schweflige Säure in den unteren Teil eines Koksturmes geleitet, in welchem Wasser herabtröpfelt. Man benutzt die wässerige schweflige Säure am besten bei 20–30° und muß, da das Gas in kaltem Wasser löslicher ist als in warmem, die gesättigte Lösung hinreichend verdünnen, damit beim Erwärmen kein Gas entweicht. Auch eine Lösung von schwefligsaurem Natron wird häufig angewandt. Die mit schwefliger Säure behandelte Wolle wird in schwache Sodalösung gebracht und dann gut ausgewaschen, worauf man eventuell den Bleichprozeß wiederholt. Rohe Seide wird zunächst durch Behandeln mit Soda, Seife oder kohlensaurem Ammoniak entschält (degummiert), gut gewaschen und durch ein Säurebad genommen. Sie verliert hierbei über 25 Prozent, und man behandelt sie deshalb häufig auch mit einer verdünnten und erwärmten Mischung von Salzsäure und Salpetersäure, bis sie grau geworden ist, und wäscht dann schnell und sorgfältig aus. Hierbei beträgt der Verlust höchstens 18 Prozent, das Produkt, die souplierte Seide, ist aber auch geringer. In beiden Fällen wird die gereinigte Seide mit gasförmiger, häufiger mit einer Lösung von schwefliger Säure gebleicht und dann gewaschen. In der Regel erteilt man ihr schließlich durch Orlean einen rötlichen oder durch Indigkarmin oder Anilinblau einen bläulichen Ton“. Herstellung von Leinen Plinius sagt zur Leinengewinnung: „Bei uns erkennt man die Reife des Leins an zwei Anzeichen, nämlich am Anschwellen des Samens oder am Gelbwerden der Pflanze. Sie wird ausgerauft, in handgerechte Büschel zusammen-

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    gebunden und zum Trocknen in die Sonne gehängt, und zwar einen Tag mit den Wurzeln nach oben und dann fünf weitere Tage mit den Spitzen der Büschel gegeneinander liegend, damit der Samen in der Mitte herausfällt. […] Nach der Weizenernte werden dann die Stengel selbst in Wasser getaucht, das von der Sonne erwärmt ist, und mit einem Gewicht niedergedrückt; es gibt nämlich nichts Leichteres. Daß die Stengel genügend aufgeweicht sind, zeigt die Lockerung ihrer Häutchen an; sie werden dann, wie vorher, umgekehrt an der Sonne gedörrt, und wenn sie dürr geworden sind, mit dem Flachsbleuel, stupparius malleus, auf einem Stein gebrochen. Was der Rinde zunächst lag, heißt Werg, stuppa, ist ein schlechterer Lein und eignet sich eher für Lampendochte; es wird jedoch ebenfalls mit eisernen Flachshecheln, ferrei hami, gekämmt, bis das Häutchen vollständig abgeschält ist. Beim Mark bestehen mannigfaltige Unterschiede hinsichtlich Weiße und Weichheit. Lein zu spinnen ist auch für Männer keine Schande. […] Das Hecheln und Zurichten des Flachses ist eine Kunst: in der Regel ergeben 50 Pfund Büschel 15 Pfund gekrempelten Lein. Darauf wird der Flachs im Faden wiederum geglättet, indem man ihn mit Wasser gegen einen Stein schlägt; ist er verwoben, so wird er noch einmal mit Schlegeln geklopft: durch solche gewaltsame Behandlung wird er immer besser“1444. Wirktechnik, Tafel 13 Neben den diversen Möglichkeiten zum Verzieren eines Stoffes z. B. durch Karos oder Streifen können Bildmotive auf verschiedene Arten in die Weberei eingewirkt werden. Ausführlich wird dieses Thema von Irmgard Peter und Annemarie Stauffer auf der Basis archäologischer Funde behandelt und mit höchst interessanten Abbildungen ergänzt. Der folgende Text ist ein Auszug aus diesen Arbeiten1445. Das Wirken kann gleichzeitig mit dem Weben des Grundstoffes erfolgen. Hierbei wird der Stoff bis zur halben Höhe des Motivs gewoben; nun werden die Einträge in seiner Achse durchschnitten und bis zur gewünschten Kontur ausgezogen, oft nach hinten frei hängen gelassen und die Fäden etwas beschnitten. Dann wird die andersfarbige Wirkerei eingefügt, bis sie das Niveau des Grundgewebes erreicht. Anschließend wird bis zur Fertigstellung des Motivs weiter parallel ge1444 1445

    Plin. 19, 16–18. Der fertige Stoff knitterte nicht. I. Peter, Textilien aus Ägypten, besonders S. 5–9. – A. Stauffer, Antike Musterblätter, Wirkkartons aus dem spätantiken Ägypten, 2008, und Zum Nachleben babylonischer Wirktradition im Nahen Osten, in: Damaszener Mitteilungen 15, 2008, Art. 14, S. 303–316. Zum Sticken vgl. c. 22, 21 c – 22 a und b.

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    woben und gewirkt. Eine andere Art sieht vor, dass für die Wirkerei Partien während des Webens ausgespart und nachträglich eingesetzt werden, oder die Wirkereien können als Einzelstücke auf einem Wirkrähmchen gewirkt und eingesetzt oder aufgenäht werden. Wenn die Farbränder der gewirkten Einsätze gerade sind, entsteht ein Schlitz zwischen den Kettfäden. Sofern er nicht technisch gewollt ist, kann er durch schräge bis fast runde Führungen ganzer Eintragpartien oder durch Übergreifen einzelner Einträge auf demselben Kettfaden oder durch Vernähen vermieden werden. Verbunden mit der Technik der Wirkerei ist die Technik des „fliegenden Fadens“ oder der „fliegenden Nadel“. Hier werden andersfarbige helle Fäden während des Wirkens über die Bindungen mehrerer Schussreihen hinweggeführt. Sie greifen meist diagonal über die Kette, umwickeln sie gelegentlich und bilden oft als stickereiartiges Netz über den gewirkten Stoffgrund ein eigenes Muster mit gegenseitiger Interaktion. Eingeknüpfte Noppen oder Schlingen, Flottierungen und Broschierungen ergänzen die Möglichkeiten der Musterungen. Kleinteilige Mustermotive lassen sich nicht mit dem Schiffchen eintragen und mit dem Kamm anschlagen. Hierfür werden Wirknadeln bzw. kleine Wirkspindeln gebraucht1446. Ausbessern Alle Umhänge konnten aus wertvollem Material hergestellt werden und kosteten dann ein Vermögen. Textilien sind aber nicht auf Dauer zu tragen; in der Literatur gibt es deshalb auch die zerrissene oder die löcherige lacerna, die schmutzige Toga1447. Martial befasst sich mit einer „abgetragenen Toga“1448 und empfiehlt an anderer Stelle, dass ein gut gestriegelter Körper die Leinentücher schone1449. Isidor hat in seinem Buch 19, 17 einen längeren Abschnitt von Plinius über Malerei übernommen1450. In 19, 17, 15 spricht er die Silberkreide an, die man in einer Purpurflotte färben kann, um sie danach in der Malerei zu benutzen1451. Sicher ließen sich auf diese Weise auch schlechte Stellen auf abgetragenen Purpurstoffen oder Borten aufpolieren, denn Purpur war fast 1446 1447 1448 1449 1450 1451

    Abb. von Wirknadeln in A. Stauffer, Antike Musterblätter, Abb. 4, S. 12. Juv. 3, 148–14; 5, 131. Mart. 12, 72. Mart. 14, 51: non tam saepe teret lintea fullo tibi. Vgl. R. König und G. Winkler im Kommentar zu Plinius 35, S. 144 ff. Isidor zitiert aus Plin. 35, 44.

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    unerschwinglich. Hunderttausend Sesterzen, beklagt sich jemand, habe der megalesische Purpur gekostet, der in einem Scheidungsverfahren zur Sprache kommt1452. Motten Kleidermotten richteten große Schäden an Textilien an, die bis zum Ausfall führten, und ihre Abwehr war ein ständiger Kampf. Cato rät: „Koche Ölfruchtwasser bis zur Hälfte ein: mit ihm bestreiche den Boden der Kleiderkiste und die Außenseite und die Füße und die Ecken. Sobald es angetrocknet ist, lege die Kleidungsstücke hinein“1453. „Drei Fingerspitzen voll Anis- und Fenchelsamen in Essig und in einem Cyatus Honig“ vermischt, sollte ebenfalls eines der Schutzmittel sein1454. Wermut, „in die Kleider gesteckt“, ist heute noch ein bekanntes Mittel gegen die gefräßigen Tiere1455. Merkwürdig erscheint uns heute die Vorstellung, „dass ein Kleid, das bei einem Leichenbegängnis getragen wurde, von den Motten nicht berührt wird“1456, es sei denn, die Luft bei einem Begräbnis war so mit Duftstoffen angereichert, dass die Motten sich fern hielten.

    c. 30 Vom Schmuck [ornamenta] 1 a. corona, 1 b. corolla, 1 c. stephane, 3 b. tiara, 3 c. cicada, 3 d. infula, 3 e. apex, 3 f. pilleum, pilleus, 3 g, galer(i)um, galea, 4 a. diadema, 4 b. vitta, 6. cidaris, mitra Zusatzinformationen: Triumphe und Insignien 1 a corona Kranz, Krone Als corona bezeichnet Origenes die Kopfbedeckung des Hohenpriesters, die sich aus cidaris, der darüber gesetzten Mitra und dem Schaublech zusammensetzt1457. Ornamenta gehören zum cultus, an ihnen lässt sich der Stand 1452 1453 1454 1455 1456 1457

    Mart. 10, 41. Cato agr. 107, 98, 1, 74. Plin. 20, 194–195. Plin. 27, 52. Plin. 28, 33. Orig. in hom. in Lev. 6, 5, 366.

    c. 30 Vom Schmuck

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    einer Person erkennen1458. Es handelt sich in dieser Aufzählung nur um Kopfbedeckungen für Personen; weitere Ornamente werden in den anderen Kapiteln behandelt. In den vorhergehenden Texten war verschiedentlich von Kränzen, coronae, die Rede, die in klassischer Zeit in Verbindung mit bestimmten Kleidungsstücken stehen und jeweils besondere Bedeutungen haben. Christen und christliche Künstler haben diese Gedanken weiterentwickelt und die Kronen als Ehrenzeichen für besondere Menschen und Märtyrer angesehen, die sie nach ihrem Tod als „Krone des Lebens“ erhalten. Zum besseren Verständnis dieser Überlieferung und des gedanklichen Zusammenhangs wird auf das Thema ausführlicher eingegangen. Die Bienenkönige, erläutert Plinius, „haben stets eine ausgezeichnete Gestalt und sind um das Doppelte größer als die übrigen Bienen“. Der König habe als einziger keinen Stachel und sei „nur mit seinem königlichen Aussehen bewaffnet […]. Um ihn sind einige Satelliten und Liktoren als ständige Beschützer seines Ansehens“1459. Da die Könige und Führer der Menschen nicht allein an ihrer körperlichen Größe zu erkennen sind, schmücken sie sich, um aus der Masse herauszuragen, mit verschiedenen Kopfbedeckungen. Das geschieht in der Antike vor allem mit Kronen und Kränzen. Neben den Insignien der Herrscher1460 entwickelt man für bestimmte Verdienste um die Gesellschaft besonderen Kopfschmuck. Viele Gewohnheiten reichen bis tief in die Vergangenheit zurück, andere werden im Laufe der Zeit neu geschaffen. „Sicher ist aber“, schreibt Plinius, „dass es bei unserem Volk allein mehr Arten von Kränzen gibt als bei allen anderen zusammen“1461. lemniscus Kranz, Krone aus Lindenbast, Tafel 17 Für Plinius sind die coronae, ihre Herkunft, ihr Aussehen und ihre Anwendung ein häufig wiederkehrendes Thema, für uns ein Beweis für ihre Wertigkeit im täglichen Leben seiner Zeit. Im Buch 21 schreibt Plinius einiges über die Geschichte der Kranzgewächse und erwähnt griechische Autoren und das Zwölftafelgesetz1462. Die ersten Kränze wurden ihm zufolge als 1458 1459 1460

    1461 1462

    Plaut. Pseud. 751 und 756: exornare bzw. cum ornamentis. Plin. 11, 51–53. Dazu gehören die in c. 31 und 32 behandelten Ornamente und andere wie die ornamenta quaestoria oder die ornamenta praetoria, zu denen alle Abzeichen der Stellung gehörten: toga praetexta, Liktoren und Rutenbündel, fasces, und die sella curulis. Plin. 16, 10. Plin. 21, 1–15.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Bänder aus Lindenbast hergestellt. Er schreibt: „Zwischen der Rinde und dem Holz befinden sich mehrfache Bastschichten; die feinsten [innersten Schichten] von ihnen heißen philyrae“1463. Und weiter: „Crassus Dives stiftete als erster zu seinen Spielen (212 v. Chr.) Kränze, bei denen er die Blätter aus Silber und Gold nachahmen ließ“1464. Die folgenden Einzelheiten sind eine Auswahl aus verschiedenen Literaturquellen. Kränze für bestimmte Verdienste, Tafel 5 unten, Tafel 8 oben Zu Plinius’ Zeiten standen in der Rangfolge die Gräser- oder Belagerungskränze an erster Stelle. Diese bekam nur der Feldherr von den Soldaten, wenn er durch seine Tapferkeit das ganze Heer gerettet hatte. „Die mit Edelsteinen geschmückten und goldenen Kränze, die Wall-, Mauer- und Schiffschnabelkränze, die Bürger- und Triumphkränze kamen (einst) nach diesen und sind heute noch alle zusammen in großem Abstand und mit großem Unterschied. Alle übrigen (Kränze) verliehen einzelne Personen, selbst auch Anführer und Feldherrn, den Soldaten oder zuweilen ihren Amtsgenossen“1465. „Wer die größte Tapferkeit besaß“, vermerkt er an anderer Stelle, „ist eine endlose Frage, vor allem wenn man die dichterische Erzählungsfreude in Betracht ziehen will“. Und gibt selbst die wohl bekannteste Antwort: „L. Siccius Dentatus (um 450 v. Chr.), der […] in 120 Schlachten gefochten, achtmal im Zweikampf gesiegt und 45 Wunden auf der Vorderseite seines Körpers, keine im Rücken, aufgewiesen hat; ferner hat er 34mal dem Gegner die Rüstungen abgenommen und wurde mit 18 unbeschlagenen Spießen, 25 Brustorden, phalerae, 83 Halsketten, torques, 160 Armbändern, armillae, 26 Kränzen – von denen 14 Bürger-, 8 Gold- und drei Mauerkronen und eine Belagerungskrone waren, […] beschenkt“1466. Zur Zeit von Aulus Gellius waren daraus geworden: „höchst merkwürdige Nachrichten über den ausgezeichneten Kriegshelden Sicinius Dentatus“; die Zahl der Ehrenzeichen stimmt mit denen bei Plinius genannten überein1467. 1463

    1464 1465 1466 1467

    Plin. 16, 65: inter corticem ac lignum tenues tunicae multiplici membrana, e quibus vincula tiliae vocantur tenuissimumque eorum philyrae, coronarum lemniscis celebres antiquorum honore. Plin. 21, 6. Plin. 22, 6–7. Plin. 7, 101–102. Gell. 2, 11, 1.

    c. 30 Vom Schmuck

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    Gellius schreibt ebenfalls einen ausführlichen Bericht über die coronae, die Kronen und Kränze und ihre Bedeutungen, in die auch die Angaben von Plinius mit eingeflossen sind. Er macht die Feststellung: „Die großen Triumphkronen, triumphales, sind [inzwischen nicht mehr aus echtem Lorbeer] von Gold und wurden dem Feldherrn zu Ehren des feierlichen Siegeseinzugs zugesendet. Man nennt dies gewöhnlich auch aurum coronarium: […] Die Belagerungskrone, obsidionalis, schenkten [die Belagerten] einem Feldherrn, der sie befreit hatte“; sie war bevorzugt aus Gras, welches in dem ehemals belagerten und nunmehr befreiten Gebiet gewachsen war. Die Bürgerkrone mit Zweigen aus Eichenlaub, von denen Eicheln hingen, civica, bekam jemand zugesprochen, der einem anderen das Leben gerettet hatte. Mit der Mauerkrone, muralis, wurde derjenige ausgezeichnet, „der zuerst die feindliche Mauer erstiegen hatte“; sie hatte das Aussehen von Mauerzinnen. Die Lagerkrone, castrensis, erhielt jemand, „der zuerst kämpfend in ein feindliches Lager eingedrungen war“. Eine Schiffskrone, navalis, als Nachahmung eines Schiffsschnabels gearbeitet, erhielt derjenige, der als erster mit Waffen in der Hand auf ein feindliches Schiff gesprungen war. „Mauer-, Lager- und Schiffskronen waren meist aus Gold gefertigt“. Ein Ovationskranz für einen kleinen Triumph „bestand aus einem Myrtenkranz“; man erhielt ihn, „wenn ein Krieg nicht feierlich und vorschriftsmäßig angekündigt“ war, der Gegner als nicht edel genug erachtet wurde oder der Sieg als zu leicht errungen erschien. Eine Krone aus Ölbaumzweigen (oleaginea) bekam derjenige verliehen, der zwar an der Schlacht nicht teilgenommen, aber die Vorbereitungen beim Triumphzug zu treffen hatte. Es erscheint schlüssig, dass Vermutungen aufkamen, man habe seine Soldaten mit dem Kranz geehrt, um sich ihre Gunst zu erschleichen1468. Einzelne Beispiele Spielkränze waren sehr angesehen, so Plinius’ Bericht, und der Gebrauch war streng geregelt. Einem Toten den Kranz aufzusetzen, den er zu Lebzeiten erworben hatte, und ebenfalls seinen Eltern, wurde nur gestattet, „solange der Tote im Hause aufgebahrt war oder während man ihn hinaustrug“1469. Tafel 8 oben rechts: M. Varro wurde der Schiffschnabelkranz „wegen seiner Verdienste in den Seeräuberkriegen verliehen“, und [der Schwiegersohn und berühmte Feldherr] M. Agrippa erhielt ihn von Augustus „für 1468 1469

    Gell. 5, 6, 1–27. Plin. 21, 7.

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    seine Siege in den sizilischen Kriegen […], die ebenfalls Kriege gegen die Seeräuber waren“1470. Augustus verlieh Soldaten gern Orden, phalerae, und torques aus Gold und Silber. „Wall- und Mauerkronen, welche weit ehrenvoller waren, […] verteilte er so sparsam wie möglich […], oft sogar an gemeine Soldaten“1471. Caligula erdachte nach einem erfundenen Krieg (laut Sueton) eine neue Art von Kronen, die Aufklärungskronen; sie waren mit dem Bild von Sonne, Mond und Sternen verziert1472. Kaiser Claudius ließ sich nach einer ohne Schlacht erfolgreichen Befriedung der Britannier feiern und an seinem Haus eine Schiffskrone befestigen, weil er „den Ozean sozusagen bezwungen“ hatte1473. Eine goldene corona Jupiters, die eigentlich 15 Pfund schwer sein sollte, war Galba von den Einwohnern Tarragonas geschenkt worden; da die Staatskasse von seinem Vorgänger Nero leer geplündert war, ließ er sie einschmelzen. Die daran fehlenden drei Unzen „ließ er noch eintreiben“1474. Domitian trug als Zuschauer bei den von ihm in drei Disziplinen initiierten Wettspielen zur „griechischen Purpurtoga“ die goldene corona mit dem Bild von Jupiter, Juno und Minerva; der Flamen Dialis und die flavische Priesterschaft neben ihm trugen die gleiche Tracht, nur war auf ihren coronae noch das Bild Domitians zu sehen1475. Vgl. das Bild Trajans Tafel 5 rechts unten. Ammianus überliefert, dass Kaiser Julian von den Kleinkönigen „der Sarazenenstämme kniefällig eine goldene corona überreicht“ wurde; sie ehrten ihn damit als ihren Herrn1476. Er berichtet auch, dass Männer von Kaiser Julian im Perserkrieg „nach altem Herkommen mit Belagerungskronen beschenkt und vor aller Mannschaft belobigt“ wurden1477. 1470 1471

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    1473 1474 1475

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    Plin. 16, 7, vgl. 16, 8. Suet. Aug. 25,3: Dona militaria aliquanto facilius phaleras et torques, quicquid auro argentoque constaret, quam vallares ac murales coronas, quae honore praecellerent, dabat. Suet., Cal. 45, 1: comites autem et participes victoriae novo genere ac nomine coronarum donavit, quas distinctas solis ac lunae siderum que specie exploratorias appellavit. Suet. Claud. 17, 3. Suet. Galba 12, 1. Suet. Dom. 4, 4: capite gestans coronam auream cum effigie Jovis ac Junonis Minervaeque, absidentibus Diali sacerdote et collegio Flavialium pari habitu, nisi quod illorum coronis inerat et ipsius imago. Jupiter, Juno Regina und Minerva herrschten auf dem Kapitol. Jupiters Heiligtum hier, wo er als Jupiter Optimus Maximus verehrt wurde, war das Wahrzeichen römischer Macht. Amm. 23, 3, 8. Amm. 24, 4, 24: ita nunc enituerunt hi, qui fecere fortissime, obsidionalibus coronis donati et pro contione laudati veterum more.

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    Die verschiedenen Laubarten Jede Kranzpflanze hatte ihren eigenen Symbolwert. Neben den verschiedenen offiziellen Ehrenkränzen, die alle ihre im Laufe der Zeit festgelegte Bedeutung gewonnen hatten, gab es die Vielzahl anderer Kränze; Plinius beschreibt sie unter dem Thema „Kranzgewächse“. Sie dienten als Schmuck, zur Abwehr von Unheil oder wurden bei Krankheiten auf dem Kopf getragen, schmückten Bäume zu Kultzwecken, schützten Türeingänge vor dem Eindringen des Bösen1478. Vielfach wurden sie von vornherein rund gezüchtet, so wie bei uns die Myrtenkränze. Einige dieser von verschiedenen Autoren überlieferten Berichte sollen hier angeführt werden. corona spicea der Ährenkranz „Romulus hat als erstes Flurpriester eingesetzt und sich den zwölften Bruder unter jenen genannt, die seine Amme Acca Larentia geboren hatte; er gab ihnen als heiligstes Abzeichen ihres Priestertums einen Ährenkranz, der mit einer weißen Vitta zusammengebunden war. Dies war der erste Kranz bei den Römern, und diese Würde endigte zugleich mit dem Leben [des Trägers]; sie begleitete selbst Verbannte und Gefangene“, so Plinius1479. Aulus Gellius schreibt dazu, Acca Larentia habe „der Sage nach ihren Körper jedermann preisgegeben und sich durch dieses Gewerbe grosse Schätze erworben“, die sie Romulus oder dem römischen Volk als Erbe hinterlassen habe. Er fährt fort, dass Geschichtsschreiber, wie z. B. Masurius Sabinus, anders berichteten, denn dieser habe im ersten Buch seiner „Denkschriften“ mitgeteilt, Acca Larentia sei die Amme des Romulus gewesen. Sie habe einen ihrer zwölf Söhne verloren und an seine Stelle sei Romulus getreten. „Er legte sich und ihren übrigen Söhnen den Namen ‚Arval-Brüder‘ bei. Seit dieser Zeit hielt diese Gilde der Arval-Brüder an der Zahl 12 fest. Die Abzeichen dieses Priesteramtes waren ein Kornährenkranz und weiße Infulen“1480. 1478

    1479

    1480

    Die Liste der Pflanzen ist sehr lang, sie werden unter ihrem jeweiligen Namen beschrieben. Plin. 18, 6: Arvorum sacerdotes Romulus in primis instituit seque duodecimum fratrem appellavit inter illos Acca Larentia nutrice sua genitos, spicea corona, quae vitta alba colligaretur, sacerdotio ei pro religiosissimo insigni data; quae prima apud Romanos fuit corona, honosque is non nisi vita finitur et exules etiam captosque comitatur. Gell. 7, 7, 5–8: Ex eo tempore collegium mansit fratrum arvalium numero duodecim, cuius sacerdotii insigne est spicea corona et albae infulae.

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    Kranz aus einem Granatapfelzweig Einen Kranz aus einem Granatapfelzweig über der rica zu tragen, war für die Flaminica Dialis bei jedem Opfer vorgeschrieben. Er wurde mit einem weißen Wollband zusammengebunden; diese Tracht habe schon die Königin Dido bei bestimmten Opfern benutzt, erklärt Servius1481. corona ex hedera der Efeukranz Ein Efeukranz wurde zuerst nur einem Gott verliehen und von Vater Liber getragen, wie Plinius berichtet. „Später nahmen (einen Efeukranz) auch diejenigen, die zur Ehre der Götter opferten, wobei sie zugleich die Opfertiere bekränzten“1482. Seiner Beschreibung nach hatte es zu Zeiten Alexanders kein Efeu in Asien gegeben. Der Seltenheit wegen habe Alexander deshalb sein Heer erst „bei der siegreichen Rückkehr aus Indien nach dem Vorbild des Vaters Liber mit Efeu bekränzen lassen“. Auch zu Plinius’ Zeit „schmückt der Efeu die Thyrosstäbe dieses Gottes und die galeae und Schilde der Völker Thrakiens“1483. Plinius schreibt weiter: „Das Volk, in seiner Unwissenheit, entheiligt seine Feste oft, indem es die Stechwinde für Efeu hält; ebenso steht es mit den Dichtern: Wer weiß schon, womit Vater Liber oder Silenos bekränzt werden sollen?“1484. Mit einer bestimmten Efeuart und ihrem safrangelben Samen bekränzten sich die Dichter: Nicht nur einen Eichen- oder einen Lorbeerkranz des Phöbus, „auch unsere Bürgerkrone aus Efeu’“ solle Domitian sich damit verdienen, dass er „die Werke der Dichter wohlwollend“ aufnimmt1485. „Antiochus IV. zwang die Juden, als Heiden zu leben: Wenn man aber das Fest des Dionysos beging, zwang man die Juden, dass sie mit Kränzen von Efeu dem Dionysos zu Ehren einherziehen mussten“, heißt es in 2. Mcc 6, 7 über Antiochus IV. Epiphanes

    1481

    1482 1483 1484 1485

    Serv. Aen. 4, 137: arculum vero est virga ex malo Punica incurvata, quae fit quasi corona et ima summaque inter se alligatur vinculo laneo albo, quam in sacrificiis certis regina in capite habebat, flaminica Dialis omni sacrificatione uti debebat. Zur rica vgl. c. 31, 5b. Plin. 16, 9. Plin. 16, 144. Plin. 16 155. Plin. 16, 147 bzw. Mart. 8, 82.

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    corona quercus der Eichenkranz, Tafel 5, Tafel 8 oben links Die schon erwähnten Bürgerkränze bestanden aus Eichenlaubzweigen, von denen Eicheln herabhingen. Man verwendete anfänglich das Laub von der Steineiche, später von der Speiseeiche, „die dem Jupiter heilig ist“, oder der Stieleiche oder nahm, „welche man gerade vorfand“, so Plinius1486. Gellius erinnert in diesem Zusammenhang an die Komödie Caecilius, in der jemand „mit einem Kranze von der Steineiche“ und einer chlamys auftritt1487. „Wer den Bürgerkranz empfangen hat, darf ihn immer tragen. Es ist Sitte, daß alle, sogar der Senat, aufstehen, wenn der Bekränzte bei Schauspielen erscheint“. Er hatte keinen Geldwert und wurde nicht, wie die übrigen, in Gold gefertigt, da es nicht „recht sei, bei der Rettung eines Menschenlebens an materiellen Gewinn zu denken“1488. „O Collinus, der du den tarpejischen Eichenkranz gewinnen und dein würdiges Haar mit dem ersten Siegeslaub umwinden durftest, wenn du klug bist, dann nutze alle Tage, und nimm immer an, dies sei der letzte“, schreibt Martial1489. corona pinea der Fichtenkranz Einen Kranz aus Fichten erhielten die Sieger bei den Isthmischen Spielen1490. corona laurea der Lorbeerkranz „Der Lorbeer [wurde] ausschließlich den Triumphen geweiht“, er galt als „Friedensspender“, seinen Zweig zu halten, war „ein Zeichen von Waffenruhe“. Er war deshalb „ein Bote der Freude“, wurde „an die Lanzen und Speere der Soldaten geheftet und schmückt[e] die Rutenbündel der Feldherren“. Plinius beschreibt dies in großer Ausführlichkeit1491. Ovid dichtet über die Anfänge des Lorbeerkranzes in den Metamorphosen: Der Gott Phöbus/Apollo war verliebt in die Nymphe Daphne. Als diese vor ihm floh, verwandelte er sie in einen Lorbeerbaum und rief: „Kannst du auch nicht meine Gattin werden, so sollst du zumindest mein 1486 1487 1488 1489

    1490 1491

    Plin. 16, 11. Gell. 5, 6, 12. Plin. 16, 13–14. Mart. 4, 54: O cui Tarpeias licuit contingere quercus et meritas prima cingere fronde comas, si sapis, utaris totis, Colline, diebus extremumque tibi semper adesse putes. Plin. 15, 36. Plin. 15, 127–138.

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    heiliger Baum sein! Ewig wirst du, mein Lorbeer, mein Haar […] bekränzen! Römische Feldherrn wirst du begleiten, wenn ‚Triumph!‘ das fröhliche Volk ihnen zujauchzt“. „Apollo hatte geendet“, fährt Ovid fort, „mit eben entstandenen Zweigen nickt ihm der Lorbeer Beifall zu“1492. Plinius bemerkt: „Er ist aber auch sehr geschätzt an den Häusern als Torwächter vor den Palästen der Caesaren und Priester. Er allein schmückt auch die Häuser aus und wacht vor den Türschwellen.“ Anschließend berichtet er über Streitigkeiten, die in Zusammenhang mit der „richtigen“ Lorbeerart ausgetragen wurden. Plinius erfährt, mit dem delphinischen, seinen grünen Blättern und sehr großen leuchtend roten Beeren „würden die Sieger zu Delphi gekrönt, wie auch die Triumphatoren zu Rom“1493. Später änderte sich diese Gewohnheit, denn Plinius berichtet über eine erwähnenswürdige Begebenheit, die mit dem Augustuslorbeer zusammenhängt: Livia Drusilla, der späteren Augusta, soll ein Adler, als sie dem Caesar versprochen war, „ein Huhn von besonders weißem Aussehen unverletzt in den Schoß geworfen“ haben; „weil das Huhn einen noch mit Beeren versehenen Lorbeerzweig im Schnabel hielt, ordneten die Zeichendeuter an, den Vogel und seine Nachkommenschaft zu erhalten, den Zweig anzupflanzen und […] zu bewachen. […] Auf wunderbare Weise entspross dort ein Hain“, aus dem „später der triumphierende Caesar den Lorbeerzweig [nahm], den er in der Hand hielt, und den Kranz, den er auf dem Haupte trug, und danach machten dies alle siegreichen Kaiser. Es wurde Sitte, die Zweige, die sie getragen hatten, anzupflanzen“. Die so entstandenen Haine „bestehen noch jetzt“, – soweit sein Bericht1494. Caesar machte von keiner Auszeichnung mehr Gebrauch „als von dem Recht“, das ihm von Senat und Volk zuerkannt worden war, „immer einen Lorbeerkranz tragen zu dürfen1495. Eine „zahlreich zusammengeströmt[e Menge] hatte sich mit Lorbeerkränzen geschmückt“, als Augustus „in Rom gerade Schauspiele besuchte“1496. Kaiser „Tiberius soll sich bei einem Gewitter jeweils gegen die Furcht vor den Blitzen mit einem Lorbeerkranz geholfen haben“1497.

    1492 1493 1494 1495 1496 1497

    Ov. met. 1, 556–566. Plin. 15, 127, vgl. 128–130. Plin. 15, 136–137. Suet. Jul. 45, 2: ius laureae coronae perpetuo gestandae. Suet. Aug. 58. Plin. 15, 135.

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    corona myrtea der Myrtenkranz „P. Postumius Tubertus ist anlässlich seines Triumphes über die Sabiner […], da er den Krieg leicht und ohne Blutvergießen geführt hatte, mit der Myrte der siegreichen Venus gekrönt einhergeschritten […]. Später diente die Myrte zum Kranz der kleinen Triumphe, mit Ausnahme des M. Crassus, der nach seinem Sieg über die flüchtigen Sklaven und über Spartacus mit dem Lorbeer bekränzt einherschritt. […] Marcus Valerius erhielt zwei Kränze, einen aus Lorbeer und einen aus Myrte“1498. Laut Cato hatte M. Fulvius Nobilior seine Soldaten schon deshalb mit Myrtenkronen beschenkt, weil sie bei Schanzarbeiten oder beim Laufgrabenziehen besonders fleißig gewesen seien.Vermutlich aus solchen Gründen lehnte M. Crassus den Myrtenkranz ab und forderte für sich den Lorbeerkranz1499. corona oleae der Olivenkranz „Dem Ölbaum hat die Hoheit des römischen Staates große Ehre verschafft, indem man die Reitergeschwader an den Iden des Juli damit bekränzt und ebenso die (Feldherren), welche den kleinen Triumph feiern. Auch Athen bekränzt die Sieger mit dem Ölzweig, Griechenland aber zu Olympia mit dem Zweig vom wilden Ölbaum“1500, schreibt Plinius. Als Noah aus seiner Arche eine Taube schickte, kam sie mit dem frischen Zweig eines Olivenbaumes zurück, um zu zeigen, dass die große Flut zu Ende war1501. Andere Kranzpflanzen Perseus soll in Memphis die Persea aus Persien angepflanzt haben, „weshalb Alexander dort zur Ehre seines Ahnherrn anordnete, dass die Sieger“ der abgehaltenen Spiele „mit ihr bekränzt werden sollten“1502. „Kränze darzubieten aus Nardenblatt oder mit buntem Seidengewebe, mit Wohlgerüchen getränkt, das ist in jüngster Zeit der Gipfel weiblicher Verschwen1498 1499 1500

    1501 1502

    Plin. 15, 125–126. Gell. 5, 6, 23–26. Plin. 15, 19: oleae honorem Romana maiestas magnum perhibuit turmas equitum Idibus Iuliis ea coronando, item minoribus triumphis ovantes. Athenae quoque victores olea coronant, Graecia oleastro Olympiae. Gn 8, 11. Plin. 15, 46.

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    dungssucht“, findet Plinius1503. Kränze erhielten die Schutzgottheiten von Staat und Haus und die Gräber und Manen. Die Liste der bekannten Möglichkeiten ist hiermit nicht erschöpft. Abb. Tafel 9: Für die Christen waren stets zwei Kronen wichtig: die Dornenkrone Christi1504 und die Krone des (ewigen) Lebens1505. „Eine tüchtige Frau ist ihres Mannes Krone; aber eine Schlampe bringt ihn um wie eine langsam fressende Krankheit“1506, steht in den Sprüchen Salomos. Eine allgemeine Feststellung lautet, dass die römischen Kaiser keine eigentlichen Kronen kannten, sie seien aus dem Sassanidenreich über Byzanz zu den Germanen gekommen. Es ist die Frage, wie der Begriff Krone zu verstehen ist; eine Einzeluntersuchung zu diesem Thema kann zu anderen Ergebnissen kommen. Andererseits darf der Traditionsgedanke nicht unterschätzt werden: Karl der Große trägt auf Münzen den goldenen Lorbeerkranz mit herabhängenden vittae. Die Krone der Geistlichen Nach Isidor trugen die Geistlichen die corona genannte Tonsur1507, Tafel 9, Petrus 1 b. corolla kleiner Kranz Augustus verlieh gelegentlich aus seiner Privatkasse kleine Kränze nach Spielen und Kämpfen, „die von anderen veranstaltet wurden“1508. Corollae wurden zu vielen Zwecken verwendet: „In Ägypten habe ein Elefant eine [berühmte] Kranzverkäuferin, corallas vendentem, geliebt,[… die] auch dem hochberühmten Grammatiker Aristophanes außerordentlich lieb“ gewesen sei, berichtet Plinius1509. „Allmählich drang auch zu Rom die Bezeichnung kleine Kränze (corollae) ein, wie man sie anfangs wegen ihrer 1503

    1504 1505 1506

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    Plin. 21, 11: lautissimum quippe habetur e nardi folio eas dari aut veste Serica versicolori, unguentis madida. hunc habet novissime exitum luxuria feminarum. Mc 15, 17: et inponunt ei plectentes spineam coronam. Iac 1, 12: accipiet coronam vitae, und Apc 2, 10: et dabo tibi coronam vitae. Prov 12, 4: mulier diligens corona viro suo et putredo in ossibus eius quae confusione res dignas gerit. Isid. eccl. off. 2, 4, 4: Quod vero, detonso superius capite, inferius circuli corona relinquitur, sacerdotium regnumque ecclesiae in eis existimo figurari. Suet. Aug. 45, 2: corollaria. Plin. 8, 13.

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    Feinheit nannte, später auch corollaria, nachdem sie aus vergoldetem oder versilbertem dünnen Kupferblech verliehen wurden“1510. Varro zufolge bedeutete der Begriff corollarium etwas, das über den Pflichtteil hinaus gegeben wurde. Er sei entstanden, weil die Zuschauer Kränze, corollae, auf die Bühne geworfen hätten, wenn ihnen die Schauspieler gefallen hätten1511. Nach Gellius bekam der Aedil Hostilius Mancinus Ärger, als er die Prostituierte Manilia belangen wollte, weil sie des nachts aus ihrem Stockwerk einen Stein nach ihm geworfen hatte. Sie verteidigte sich damit, dass sie ihn nicht hatte aufnehmen wollen und, als er Gewalt anzuwenden versuchte, ihn mit Steinen vertrieben habe. Die Tribunen erklärten daraufhin, sie habe den Aedilen mit vollem Recht vertrieben, denn es sei „ganz unschicklich gewesen“, dass er sich bekränzt, cum corollario, dorthin begeben habe1512. 1 c. stephane Kranz, Krone Der Maler Pausias liebte leidenschaftlich die Kranzflechterin Glykera; durch ihre von ihm gemalten abwechslungsreichen Arbeiten entstand „ein Wettstreit zwischen Kunst und Natur“. Plinius gab an, dass noch Gemälde von ihm über diese Kranzflechterin, stephanéplókos, erhalten waren, die aus der Zeit nach der 100. Olympiade, um 377 v. Chr., stammten1513. Nach Plinius nennen einige den Seidelbast unter anderem „Kranz des Alexander“1514. Eine Traube, die „durch ein Spiel ein kranzartiges Gewächs bildet, weil sich die Blätter zwischen den Beeren befinden“, heißt stephanitis1515. Kaiser Jovianus empfing Kränze und Bittschriften der Bürger von Nisibis, die ihn anflehten, die Stadt nicht an die Perser auszuliefern1516. In der Septuaginta gibt es eine Vielzahl von Stellenangaben über stephanos, die in der Vulgata mit Krone übersetzt werden. Es kann sich dabei um besonders schwere und mit Edelsteinen besetzte Exemplare handeln. Als Palastbewohner am persischen Hof König Xerxes’ soll der Jude Mordochai einen

    1510 1511 1512

    1513 1514 1515 1516

    Plin. 21, 5. Varro ling. 5, 178. Gell. 4, 14, 2–6: Tribuni decreverunt aedilem ex eo loco iure deiectum, quo eum venire cum corollario non decuisset; propterea, ne cum populo aedilis ageret, intercesserunt. Plin. 21, 4. Plin. 15, 132. Plin. 14, 42. Zos. 3, 33, 2.

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    gold-purpurblauen Kranz, stephanos, über einem purpurnen Diadem aus byssus getragen haben1517. Diese Kopfbedeckung erinnert an eine Tiara. 3 b. tiara1518 Tiara Semiramis wurde auch als Erfinderin der Tiaren gerühmt. Da sie besonders für ihre Kunst der Verzierung bekannt war, kann hier eine textile Tiara gemeint sein1519. Mit den arsakidischen Großkönigen wird eine hohe, oben abgerundete Tiara in Verbindung gebracht, auf Skulpturen der hattrischen Zeit, die dem 3. Jh. n. Chr. zugewiesen werden1520. In einer Komödie des Plautus trat ein als Perser verkleideter Sklave in der tiara auf, ohne dass es sich um eine besonders aufwendige Kopfbedeckung handeln musste1521. Die Tiara trug der jüdische Hohepriester1522. Ammianus berichtet, dass man am persischen Hofe Sapors den Überläufer Antoninus „mit offenen Armen“ aufnahm und „außerdem mit der Würde der Tiara [auszeichnete], einer Ehre, welche zur Teilnahme an der königlichen Tafel berechtigt und verdienten Persönlichkeiten bei den Persern erlaubt, bei Versammlungen Ratschläge und Ansichten vorzutragen“1523. Mit der gesamten Kleidung, einschließlich der Tiara, wurden Daniel und seine Begleiter in den Feuerofen Nebukadnezars geworfen1524. 3 c. cicada Kranz der Athener Der Kranz der Athener, der vorn oder auf dem Scheitel des Kopfes eine Zikade trägt, hat für viel Nachdenken gesorgt. Als Alternative schlagen Lindsay und Rodriguez-Pantora vor, hier ciclada zu lesen. Möller übersetzt: „Die Athener aber trugen goldene Reifen auf dem Scheitel, einige auf der Stirn“1525. Unbestritten aber, und hierauf weisen auch die englischen Über1517

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    Septuaginta, Est 8, 15. In der Vulgata wird diese doppelte Kopfbedeckung nicht mehr erwähnt; es wird nur von einer goldenen Krone gesprochen. s. auch c. 21, H; c. 23, 6 a mitra. s. acupicta in c. 22, 22. H. von Gall, Architektur und Plastik unter den Parthern, Taf. 10b. Plaut. Persa 463: tiara ornatum lepida condecorat schema. s. c. 21, Ex 28, 39: stringesque tunicam bysso et tiaram byssinam facies et balteum opere plumarii. Amm. 18, 5, 6. Dn 3, 21: cum bracis suis et tiaris et calciamentis et vestibus. L. Möller, Et. 19, 30, 3.

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    setzer hin1526, ist die Figur der Zikade ein beliebtes Schmuckstück gewesen, das andere Völker als Ornament schätzten1527. In Berlin wird ein mit Blättern versehener goldener Kranz aus dem 4. Jh. v. Chr. aufbewahrt, von dem A. Greifenhagen sagt: „Bei Grabungen in Uruk im Zweistromland wurde ein goldener Ölbaumkranz gefunden. Zwischen den Spitzen der Zweige schmückt eine Blüte die Mitte des Kranzes. Auf ihr sitzt honigsaugend eine Zikade“1528. Vielleicht hat Isidor einen solchen Kranz gesehen oder davon gehört. Auf jeden Fall passt er perfekt zu seiner Beschreibung1529. Ein insektenartiges Ornament in der vorderen Mitte des stilisierten Blätterkranzes besitzt auch der Kopfschmuck der Griechin „Isidora“ aus El Hibeh in Ägypten, um 100–110 n. Chr.1530. Die Kränze der Römer wurden im allgemeinen hinten geschlossen. 3 d. infula Inful, Tafel 5 und 8 Augustus Infulae sind Standes- und Herrschaftszeichen und von vittae inhaltlich nicht immer genau zu trennen: es handelt sich um Kopfbänder1531. Als besondere Ehrenzeichen unterlagen sie bei zeremoniellem Gebrauch strikten Regeln. Das Zeichen der Arval-Priester war, wie unter dem Stichwort Ährenkranz erläutert, die weiße infula, das Band. Auch bei Varro ist sie oft zusammen mit der vitta ein Zeichen für einen Priester oder für das Opfertier selber1532. In der Aeneis besaß sie Panthus, ein Priester Apollons, ebenso wie Haemonides, der sie um die Schläfe trug und sowohl ein Apollopriester, als auch ein Priester der Diana war1533. Theodosius empfing die Feldzeichen und einen Priesterkranz, den die Mauren geraubt hatten, von ihrem Führer Firmus zurück; wahrscheinlich ist damit eine leinene Inful gemeint1534.

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    Barney, Levis, Beach und Berghof, S. 390, FN 22. Im Katalog Attila und die Hunnen sind Zikaden als Ornamente abgebildet: S. 157, Beigaben aus einem Kindergrab, Zikadenfibelpaar, Silber, 5, 6 cm Länge, Museum für Urgeschichte des Landes Niederösterreich; S. 113, Beigaben aus Ungarn, Gräber von Kistokaj, Miskolc, Herman Ottó Múzeum. A. Greifenhagen, Schmuck der alten Welt, S. 30–31. Für diesen Hinweis danke ich Dr. Incisa Damm, Köln. Abb. in: Die Welt der Antike, S. 22–23. S. ferner vitta c. 31, 6 a; 33, 7 sowie fascia und fasciola in 33, 6. Varro ling. 7, 3, 24. Verg. Aen. 2, 429–430 und 10, 537–538. Amm. 29, 5, 16: militaria signa et coronam sacerdotalem.

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    In den Georgica wird das Opfertier kurz vor der Opferung mit der wollenen infula geschmückt, die durch ein schneeweißes Band gehalten wird1535. Für Ammianus ist die Inful ein Herrschaftszeichen. Als Silvanus zur Zeit Constantius II. zum Kaiser ausgerufen wurde, soll er sein Haupt mit der infula geschmückt haben. Daraufhin wurde er wegen Hochverrats ermordet1536. „Nachdem [das Volk] die Königsherrschaft [des Tarquinius Superbus] abgeschüttelt hatte, wandte es sich den Infulen der Konsuln zu“, berichtet Jordanes über den Übergang von der Königsherrschaft zur Republik1537. Im Dezember 381 schreiben die Kaiser Gratian, Valentian und Theodosius an Florus, den Prätorianerpräfekten: „Den obersten der Notare halten wir in der Zahl der Prokonsuln, als ob wir ihm immer die fasces eines comes mit den curules gegeben hätten. Die Prätorianer trennen wir nicht weit davon, damit wer zum Tribunat dieses Namens gelangt, die Infulen der comitiva des Orients oder Ägyptens erreicht zu haben scheint“1538. Origenes zählt die Infuln zur Amtskleidung der Hohenpriester, die mit dem Tempel untergegangen ist1539. Zu den Mitren der Bischöfe, Erzbischöfe und Päpste gehören auf den Rücken fallende Vitten oder Infuln. Sie sind bis heute, ungeachtet aller Veränderungen im äußeren Erscheinungsbild der Mitren, ihr fester Bestandteil. 3 e. apex Spitze, Tafel 7 oben rechts Apex, die oberste Spitze der Kopfbedeckung, kann sehr verschieden gestaltet sein. Plinius nennt Vögel, die Hauben, apices, auf dem Kopf haben, und zählt verschiedene Arten auf wie z. B. Phönix, Pfau, den sagenhaften Vogel

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    Verg. georg. 3, 486: saepe in honore deum medio stans hostia ad aram, lanea dum nivea circumdatur infula vitta. Amm. 15, 6, 3. Jord. Romana 110–111: mutataque regali dominatione ad consolum infulas se conferret. CTh 6.10.3, Constantinopel, 13. Dez. 381. Notariorum primicerium in numero proconsulum habemus, tamquam comitis ei sem per fasces cum curulibus dederimus. Praetoria(nos non) longe ab hoc abducimus, ut qui ad tribunatum nom(inis) huius accesserint, Orientis sive Aegypti comi(tivae) videantur infulas consecuti. Tribunos residu(i nomi)-nis nemo dubitet vicariis exaequandos et praef(eren)dos his, quos adepti honoris praecesserint; reliqu(os) vero, quos domesticum inter notarios et familiar[es] (no)bis nomen insinuat, parem gradum cum consularibus [ob]tinere sancimus. Orig. de principiis 4, 1, 3.

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    Stymphalis mit seinem cirrus, Fasan mit Hörnchen1540. Auch Straußenfedern waren ein beliebter Schmuck als Helmbusch für die Krieger1541. Nach Plinius’ Angaben sieht der apex des Flamen wie ein weißer Baumschwamm auf seinem charakteristischen Stiel aus1542. Servius schreibt ausführlich über das Thema: „Apex heißt eigentlich der mit Wolle versehene Stiel oben auf dem pilleus des Flamen, d. h. an seinem Ende befindet sich etwas Wolle. Man weiß, dass Ascanius als erster dies in Alba eingeführt hat. Heute aber verstehen wir [unter apex] den obersten Teil des pilleus“1543. Festus überliefert dazu: „Apex ist das Kennzeichen der Priester und heißt so, weil die Alten für comprehendere sagten: mit einem Band befestigen“1544. Gellius schreibt, der Flamen Dialis „trug nie einen Knoten an sich, weder an der Spitze [des Priesterhuts], apex, noch im Gürtel noch irgendeinen an einem anderen Teil“; ohne apex durfte er aber nicht ins Freie gehen1545. Abbildungen zeigen den Faden nicht. Auf der Ara pacis in Rom beispielsweise tragen die Priester eine enganliegende, die Ohren freilassende Kappe; darüber liegt ein kreisförmiges Ornament, in dessen Mitte sich eine hochstehende Spitze erhebt. An den Ausschnitten für die Ohren befinden sich jeweils zwei Bänder. Für Augustinus ist der Begriff apex ein Synonym für die Kopfbedeckung der Flamen. Er schreibt: „Aber ihren Romulus haben sie vielen Göttern vorangestellt, und eine Art Geheimlehre empfiehlt ihn, der doch bloß ein Halbgott ist, eher als Gott. So haben sie ihm sogar einen Flamen bestellt, jene besondere Gattung des Priestertums, die im römischen Kult mit dem äußeren Zeichen der Spitze eine so bedeutende Rolle gespielt hat, dass sie nur drei Flamines für die drei Gottheiten eingerichtet hatten, den flamen Dialis dem Jupiter, den flamen Martialis dem Mars und den flamen Quirinalis dem Romulus“1546. 1540

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    Plin. 11, 121: in capite paucis animalium nec nisi volucribus apices, diversi quidem generis, phoenici plumarum serie e medio eo exeunte alia, pavonibus crinitis arbusculis, stymphalidi cirro, phasianae cornuculis. Plin. 10, 2: et galeas adornantes pinnae. Plin. 22, 96: tutissimi [fungi], qui rubent callo, minus diluto rubore quam boleti; mox candidi, velut apice flaminis insignibus pediculis. Serv. Aen. 2, 683: ‚apex‘ proprie dicitur in summo flaminis pilleo virga lanata, hoc est in cuius extremitate modica lana est: quod primum constat apud Albam Ascanium statuisse. modo autem summitatem pillei intellegimus. Fest. S. 17: Apex, qui est sacerdotum insigne, dictus est ab eo, quod comprehendere antiqui vinculo apere dicebant. Gell.10, 15, 9: Nodum in apice neque in cinctu neque in alia parte ullum habet. – 10, 15, 17: Sine apice sub divo esse licitum non est. Aug. civ. dei 2, 15, Bd. 1, S. 102: Nam etiam flaminem illi instituerunt, quod sacerdotii genus adeo in Romanis sacris testante apice excelluit, ut tres solos flamines haberent tribus numinibus institutos, Dialem Iovi, Martialem Marti, Quirinalem Romulo.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Wenn Isidor hierzu schreibt: „Apex ist, was auf dem Helm oben hervorragt, wo die crista befestigt wird […]. Denn die Helmspitze ist die Krümmung, die auf dem Helm vorsteht, über der die cristae sind“, so meint er hier die Spitze der militärischen galea1547. 3 f. pilleum, pilleus Kopfbedeckung Nikomachos, Sohn und Schüler des Aristeides, malte als erster den Odysseus mit einem pilleum1548. Ein einfaches pilleum aus derber Wolle durfte sich ein ehemaliger Sklave aufsetzen, der sich mit von ihm gespartem Geld die Freiheit erkauft hatte1549. „Das ist die wahre Freiheit, das schenken uns die pillea“1550, dichtet Aules Persius Flaccus. Nero machte gerne bei Einbruch der Dunkelheit einen Kneipenrundgang; dazu setzte er sich einen pilleus oder eine galea auf den Kopf1551. „Suetonius“, schreibt Servius, „nennt drei Arten von pillei, die bei den Priestern in Gebrauch sind: apex, tutulus, galerus: wobei der apex ein feiner pilleus mit einem in der Mitte aufragenden Stab, der tutulus ein wollener pilleus in Gestalt einer Wendesäule, meta, ein galerus ein pilleum aus dem Fell eines geschlachteten Opfertieres ist“1552. Andererseits kann das pilleum oder griech. pilos ein Standeszeichen sein, weshalb Isidor den Begriff darunter einreiht. Jordanes zitiert Dion Chrysostomos, wonach diejenigen Goten, die durch edle Geburt hervorragten und aus deren Reihen sowohl die Könige wie die Priester stammten, den Namen Tarabosten, später Pilleaten erhielten. An anderer Stelle schreibt er, dass ausgewählte vornehme Goten während der Regierungszeit von Tiberius durch einen Berater namens Dicineus in der Theologie unterwiesen und zu Priestern erhoben wurden, „denen er den Namen Pilleaten gab, wahrscheinlich, weil sie, die Häupter mit Tiaren bedeckt, opferten, die wir pillei nennen; das übrige Volk aber befahl er capillati zu heißen, ein Name, den die Goten hochhielten und dessen sie noch heute in ihren Gesängen gedenken“1553. 1547

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    Isid. Et. 18, 14, 2: Apex est quod in summa galea eminet, quo figitur crista; quam Graeci konon vocant. Nam conus est curvatura quae in galea prominet, super quam cristae sunt. Plin. 35, 108: Ulixi primus addidit pilleum. Mart. 2, 68: totis pillea sarcinis redemi. Pers. 5, 82: haec mera libertas, haec nobis pillea donant. Suet. Nero 26, 1. Serv. Aen. 2, 683. Jord. Get. 5, 40: qui dicit primum Tarabosteseos, deinde vocatos Pilleatos hos, qui inter eos generosi extabant, ex quibus eis et reges et sacerdotes ordinabantur. – Und 11, 71–72: Dicineus […] elegit […] nobilissimos prudentioresque viros, quos theo-

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    Das pilleum der jüdischen Priester (s. c. 21) war aus Leinen und wurde rund gelegt. 3 g. galer(i)um, galea Helm, Kappe Eine weißes galerum war Teil der Kopfbedeckung des Flamen Dialis, „entweder weil er den höchsten Rang einnimmt, oder weil das von Zeus bestimmte Opfer weiß [und rein] vollzogen sein muss“, zitiert Gellius nach einer Aufzeichung von Varro1554. Galeae waren vor allem Teil der Kriegerkleidung. Nach Plinius erfanden die Spartaner die galeae zusammen mit dem Schwert, gladium, und dem Spieß, hasta1555. Mit seinem gold- und edelsteingeschmückten Helm auf dem Kopf versank einer der Kammerdiener Kaiser Valentinians auf der Flucht vor den Alamannen im Sumpf1556. Von Schutzhelmen zusammen mit Brustpanzern und Beinschienen in realem und übertragenem Sinn ist häufig in der Vulgata die Rede1557. Isidor schreibt dazu: Die Sturmhaube, cassis, sei aus Metall, die galea aus Leder1558. 4 a. diadema Diadem „Der Tote war geschmückt mit einem Diadem, mit überragender goldener Krone, stephanos“1559, berichtet Josephus von König Herodes. Es gab also für Herrscher nicht nur eine Art von Kopfbedeckung, sondern sie konnten zwei übereinander tragen, wobei der Kranz auf dem Diadem aufsaß. Die

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    logiam instruens, numina quaedam et sacella venerare suasit fecitque sacerdotes, nomen illis pilleatorum contradens, ut reor, quia opertis capitibus tyaris, quos pilleos alio nomine nuncupamus, litabant. reliquam vero gentem capillatos dicere iussit, quod nomen Gothi pro magno suscipientes adhuc odie suis cantionibus reminiscent. Vgl. Cassiod. Var. 4, 49, capillatus, ein Ausdruck, den auch Theoderich gebraucht. Gell. 10, 15, 32. Plin. 7, 200. Amm., 27, 10, 11. So in Sap 5,19; Is 59,17; Ez 23,24; 1. Mcc 6,35; Eph 6, 17: et galeam salutis adsumite et gladium Spiritus quod est verbum Dei. Isid. Et. 18, 14, 1: Cassis de lammina est, galea de coreo. Nam galeros coreum dicitur. Cassidam autem a Tuscis nominatam: illi enim galeam cassim nominant, credo a capite. Zum Vergleich der Bericht über das Aussehen des Riesen Goliath, 1. Sm 17,5: et cassis aerea super caput eius et lorica hamata induebatur porro pondus loricae eius quinque milia siclorum aeris. Jos. ant. 17, 8, 197

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Frage, wie ein Diadem ausgesehen hat, kann nicht verallgemeinernd beantwortet werden. Als Titus in Alexandrien „bei der feierlichen Beisetzung des Apis-Stieres in Memphis ein Diadem trug, wie es der althergebrachte Brauch einer altehrwürdigen Religion verlangte“, geriet er in Verdacht, „sich die Herrschaft über den Orient“ verschaffen zu wollen, berichtet Sueton1560. „Vater Liber […] erfand auch das Diadem, das Zeichen der königlichen Würde, und den Triumph“, heißt es bei Plinius1561. Obwohl Caesar vom Volk als „König“ begrüßt wurde, stieß er „das Diadem, das ihm der Konsul Antonius vor der Rednertribüne mehr als einmal aufzusetzen versuchte, weg“ und ließ es dem „Iuppiter Optimus Maximus auf das Kapitol als Weihegeschenk bringen“. Es muss sich also bei dem Diadem um eine etwas andere Art von Herrschaftszeichen gehandelt haben, als die corona mit der weißen Binde1562. Caligula hätte sich gern auch ein Diadem aufgesetzt und den Prinzipat in die Herrschaft eines Königs umgewandelt, als er in Gesellschaft ausländischer Könige in Rom speiste1563. War die corona ein Ehrenzeichen für Römer, wurde diadema gebraucht, wenn es sich um Insignien ausländischer Könige handelte. Für Servius sind die königlichen Insignien die sella curulis und die trabea, denn das Diadem hätten nur die ausländischen Könige1564. Tiberius „gab Tigranes das Königreich Armenien zurück und setzte ihm vor dem Tribunal das Diadem auf“1565. Deshalb kann man wohl auch die königliche Insignie als königliches Diadem bezeichnen, welche Zenon, dem Sohn des pontischen Königs Polemon, der das Brauchtum der Armenier angenommen hatte, von „Germanicus in der Stadt Artaxata unter dem Beifall der Adeligen vor der versammelten Volksmenge“ aufs Haupt gesetzt wurde1566. Ammianus hebt hervor, dass der Perserkönig Sapor „an der Stelle seines Diadems ein goldenes Gebilde in der Form eines Widderkopfes [trug], und dieser war mit Edelsteinen besetzt“1567. Als der Caesar Julian 355 sein fünfjähriges Regierungsjubiläum feierte, trug er ein prachtvolles mit Edelstei1560 1561 1562 1563 1564

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    Suet. Tit. 5, 3. Plin. 7, 191. Suet. Jul. 79, 2. Suet. Cal. 22, 1. Serv. Aen. 11, 334: Romanorum enim imperatorum insigne fuit sella curulis et trabea: nam diadema, ut aliarum gentium reges, non habebant. Suet. Tib. 9, 1: regnum Armeniae Tigrani restituit ac pro tribunali diadema imposuit. Tac. ann. 2, 56, 3 (16 n. Chr.): igitur Germanicus in urbe Artaxata adprobantibus nobilibus, circumfusa multitudine insigne regium capiti eius imposuit. Amm. 19, 1, 3: insidens autem equo ante alios celsior ipse praeibat agminibus cunctis aureum capitis arietini figmentum interstinctum lapillis pro diademate gestans.

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    nen besetztes Diadem, „während er zu Anfang seiner Herrschaft nur einen bescheidenen Kranz genommen hatte […], so dass er mehr einem in Purpur gekleideten Leiter eines Gymnasiums glich“1568. In Konstantinopel wurde zwischen dem Aussehen der Insignien des Kaisers, diadema, und denen eines Caesars, kaisaros schema, unterschieden1569. Die Begriffe corona und diadema sind sehr zahlreich in der Vulgata zu finden. Hierzu einige Beispiele als Auswahl: Als König Saul die Macht an den neuen König David verlor und getötet wurde, brachte ihm jemand dessen Diadem und die Armspangen1570. Nach seinem Sieg über die Ammoniter nahm David dem König das Diadem ab und wurde nun selber damit gekrönt. Der Überlieferung nach war es ein Talent Gold schwer und hatte kostbarste Edelsteine1571. „König Ptolemaios kam nach Antiochia und setzte sich beide Diademe auf, die Ägyptens und die [Vorder]Asiens“1572. 4 b. vitta Vitta, Tafel 5 unten links, Tafel 8 oben links Wie schon oben vermerkt, sind weiße infulae und vittae Ehrenzeichen, wenn sie am Kopf von Priestern oder Opfertieren getragen werden; mit vittae umwand man Altäre und hängte Bänder an Bäume, um den Göttern zu danken. Als jemand an Caesars Statue einen Lorbeerkranz mit einer weißen Binde (hier fascia) zuband, gab er den Befehl, diese abzunehmen, da dies bedeutet hätte, den so Geehrten als König anzuerkennen1573. Es ist hier die Vitta gemeint, die die Verbindung zum Göttlichen aufzeigt und die auf vielen Kaiserbildern zu erkennen ist. Die Vitta, von Romina Schiavone „Tänie“ genannt, ist als „versteinertes“ Stoffband auf Grabmälern des 1. Jhs. n. Chr. zu finden1574. Hieronymus benennt in Hesekiel die leinene Kopfbedeckung des Hohenpriesters als Vitta1575.

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    Amm. 21, 1, 4: et ambitioso diademate utebatur lapidum fulgore distincto, cum inter exordia principatus assumpta vili corona circumdatus erat / xystarchae similis purpurato. Zos. 3, 9, 3–4. 2. Sm 1, 10. 2. Sm 12, 30: et tulit diadema regis eorum de capite eius pondo auri talentum habens gemmas pretiosissimas et inpositum est super caput David. 1. Mcc 11, 13: et intravit Ptolomeus Antiochiam et inposuit duo diademata capiti suo Aegypti et Asiae. Hierzu ausführlich Suet. Jul. 79, 1. Dies brachte Caesar Ärger ein. R. Schiavone, Versteinerter Stoff. Die Tänie, in: Marcus Caelius, S. 126–129. Ez 44, 18.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    6. cidaris, mitra Kopfbedeckung Kennzeichnend für die Kopfbedeckung der persischen Könige ist eine Cidaris mit weiß-blauem Band, hier des König Dareios, als er sich zum Kampf gegen Alexander den Großen bereitmacht – das schreibt Curtius Rufus in seiner Behandlung des Themas1576. Die Septuaginta nennt kidaris die Kopfbedeckung des Hohenpriesters. Der gleiche Ausdruck findet sich in der Vulgata1577; sie kann hier tiara aus feinem Leinen, mitra oder vitta heißen1578. Andere benennen auch die Kopfbedeckung der Söhne Aarons als cidaris. Origenes schreibt, „[…] dass er [Aaron] auch die corona empfange. Deshalb erhält er zuerst die cidaris: das ist entweder eine Art Kopfbedeckung oder ein Schmuck. Und dann wird ihm die mitra darauf gesetzt“1579. Wenig später zählt Origenes noch einmal die leinenen Kleidungsstücke der jüdischen Priester nach Mose auf, sie tragen: „nichts weiter als nur die cidaris und die Gürtel, die die Tunika zusammenziehen“1580. Hieronymus befindet in seinem Kommentar zu Hesekiel: „Die cidaris ist nämlich das Kennzeichen des Hohenpriesters, die Krone aber, d. h. das Diadem, das des Königs“1581. Eucherius schreibt: „Die cidaris ist die Kopfbedeckung des Priesters aus Byssus, Griechen und unsere Leute sagen dazu tiara, einige nennen sie auch mitra“1582. Als Ergebnis dieser Aussagen muss festgestellt werden, dass, mit Ausnahme des Kranzes mit der cicada, alle von Isidor angeführten Namen für Kopfbedeckungen von den Kirchenlehrern mit denen der jüdischen Priester und des Hohenpriesters verglichen werden. Die in der Realität und der weltlichen Literatur vorkommenden Unterschiede in Form und Material spielen hier keine Rolle, ja nicht einmal der hierarchische Unterschied zwischen dem Hohenpriester Aaron und seinen Söhnen lässt sich immer exakt festmachen. Allein die Goldplatte mit dem eingegrabenen Namen Jahwe 1576 1577 1578 1579

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    Curt. 3, 3, 19. Lv 8, 9. Vitta an der tiara: Ex 28, 37; tiara: Ex 29, 6; mitra: Ex 29, 9; vitta: Ez 44, 18. Orig. hom. in Lev. 6, 5: Sed nondum finivit et alius adhuc addendus ornatus est; necesse est, ut accipiat etiam coronam. Propterea accipit primo ‚cidarim‘, quod est vel operimentum quoddam capitis vel ornamentum. Et post haec superponitur ei ‚mitra‘. Orig. hom. in Lev. 6, 6, 367: nisi tantum ‚cidaris‘ et ‚zonae‘, quae tunicam stringant. Hier. in Ezech. 7, 21, 399–403: cidaris enim insigne pontificis est, corona, hoc est diadema, regis indicium. ‚nonne […] haec est cidaris et haec corona, quae nihil fecit iudicio sed, ad imitationem regis babylonii: quos volebat exaltabat et quos volebat humiliabat?’. Eucher. instr. 2, 208: Cidaris pilleus sacerdotalis ex bysso, hunc Graeci et nostri tiaram, quidam etiam mitram vocant.

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    und das dreifach umlaufende Band zeigen die Sonderstellung Aarons an. Hinzu kommt das von Josephus beschriebene Abzeichen in Form eines Calix am Hinterkopf. Triumphe und Insignien In den vorangegangenen Kapiteln wurden die Begriffe für die besonderen Insignien der Römer auf die einzelnen Stichworte verteilt. Da es auf diese Weise schwierig ist, einen Gesamtüberblick zu bekommen, sollen einige Erzählungen über Erhebungen und Triumphe beispielhaft wiedergegeben werden. Ernst Künzl, der viele dieser Berichte gesammelt hat, schreibt als Zusammenfassung: „Als juristischer und religiöser Akt war der Triumph an die Stadt Rom und an ihren höchsten Gott, Juppiter Optimus Maximus Capitolinus, gebunden. Das christliche Rom der Spätantike beendete folglich auch die Triumphzeremonie. Die heidnischen Tempel wurden von Kaiser Theodosius 394 n. Chr. geschlossen. Das Wort Triumph ist geblieben, es ging in viele moderne Sprachen ein. Triumphzitate finden sich bis hin in unsere Alltagsreden“1583. Die Kirchenväter tradieren sie in ihren Predigten z. B. über die Märtyrer, die nach dem Tode den himmlischen Triumph feiern konnten. Erhalten blieben sie stellenweise im byzantinischen Hofzeremoniell und im Aussehen und Auftreten mancher Kirchenfürsten. Laut Agathias hatten die Römer Teile des Gotenschatzes erobert; darunter waren auch die gotischen Reichsinsignien. „Sollte daher auch einer künftighin zum Gotenkönig erhoben werden, so fehlten ihm doch die Abzeichen seiner Würde und er müsse sich mit einem bloßen soldatischen Gewand (stratiotike ephestris) begnügen, worin er dann wie ein gewöhnlicher Mann aussehe“1584. Man kann davon ausgehen, dass eine entsprechende Kopfbedeckung dazugehörte. „Doch Tarquinius [Priscus, 616 v. Chr.] war zu Frieden ebenso schnell bereit wie zu Krieg. Denn er unterwarf zwölf Völker in Tuskien durch zahlreiche Feldzüge. Von dort stammen Rutenbündel, fasces, die trabea als Staatsgewand, kurulische Amtsstühle, Ringe, die Orden, phalerae, Feldherrnmäntel, paludamenta, praetextae, von daher auch die Tatsache, dass auf einem goldenen Wagen mit vier Pferden der Triumphzug gefeiert wird mit togae pictae und tunicae palmatae, schließlich jede Zier und Auszeichnung, durch welche die Würde der Herrschaft herausragte“. Mit dieser Zusammenstellung fasst Florus in seinen Auszügen aus dem Werk des Titus Livius alle 1583 1584

    E. Künzl, Vorwort zu Der römische Triumph, S. 7. Agathias, Historien, 1, 20, S. 1163.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Ornamente und Ehrenzeichen zusammen, die Rom zu vergeben hatte1585. Zosimos übernimmt diese seit jeher gebräuchlichen „Insignien des römischen Reiches“ und zitiert sie als diejenigen, die Kaiser Tacitus (275–276) bei der Übernahme des Amtes erhielt1586. Im 6. Jh. wiederholt Jordanes wörtlich den Text des Florus, der so immer im Gedächtnis der Römer verankert blieb1587. Plinius d. J. beschreibt, der Einzug Trajans in Rom sei zu Fuß erfolgt und nicht, wie bei seinen Vorgängern auf einem Staatswagen, der mit vier Schimmeln bespannt war, oder gar auf den Schultern von Menschen1588. Cassius Dio beschreibt in einem groß angelegten Bericht den Ablauf einer Siegesfeier, auch Triumph genannt, bei dem sich nach seinen Angaben Camillus 396 v. Chr. „als erster Römer eines Viergespanns von Schimmeln bediente […] Wenn ein großer, eines Triumphes würdiger Erfolg errungen war, wurde der Feldherr sogleich von seinen Soldaten als Imperator begrüßt, er umwand sein Rutenbündel mit Lorbeerzweigen und gab sie den Boten mit auf den Weg, die den Sieg in der Stadt verkündeten. War dann der Sieger selbst heimgekehrt, so versammelte er den Senat und ersuchte ihn um Bewilligung eines Triumphes. Und wenn Senat und Volk zustimmten, wurde ihm der Ehrentitel Imperator bestätigt. Das Amt, in dem er den Sieg erfochten hatte, behielt er, sofern er es noch verwaltete, auch für die Zeit der Feier bei; war hingegen die Amtsdauer bereits abgelaufen, erhielt er einen anderen dem Amt angemessenen Titel. Denn ein Privatmann durfte keinen Triumph abhalten. Angetan mit dem Triumphalgewand und mit Spangen um die Arme, auf dem Haupte einen Lorbeerkranz und in der Rechten einen Stab, rief er das Volk zusammen. Dann sprach er den Truppen, die ihm gedient hatten, allgemein und einzelnen auch namentlich seine Anerkennung aus, worauf er sie mit Geld beschenkte und dazu durch Auszeichnungen ehrte. Einigen verlieh er Armspangen und Speere ohne Eisen, anderen wieder teils goldene, teils silberne Kränze, auf 1585

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    Flor. epit. 1, [1,5] 5–6. Tarquinius Priscus war der vorletzte der sagenhaften Könige Roms, die in der Nachfolge des Romulus herrschten. Dazu der Herausgeber G. Laser, S. 286, FN 33: „Sein Vater soll der korinthische Aristokrat Demaratos gewesen sein, der durch Handel mit Etrurien zu Wohlstand gelangte und sich später in Tarquinii niederließ. Möglicherweise ist die Verwandtschaft konstruiert, um Beziehungen zwischen dem griechischen und dem italischen Adel zu suggerieren“. So blieb z. B. der Streitfrage, ob die römische Kleidung nur eine Kopie der griechischen war, bis in das 20. Jh. hinein aktuell. Zos. 1, 63, 1. Jord. Romana 100: inde fasces trabeae curules anuli phalere paludamenta praetextae, inde quod aureo curru, quattuor equis triumphatur, togae pictae tunicaeque palmate, omnia denique decora et insignia, quibus imperii dignitas aeminet, sumpta sunt. Plin. paneg. 22 und 23.

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    denen der Name des Betreffenden stand und seine besondere Leistung dargestellt war. Wenn zum Beispiel jemand als erster eine Mauer erstiegen hatte, trug der Kranz die Abbildung einer Mauer; oder wenn er auch einen Platz im Sturm genommen hatte, waren beide Taten abgebildet. Im Falle eines Seesieges war der Kranz mit Schiffen geziert, bei einem Reitersieg trug er das Abbild einer Reitergestalt. Wer einem Bürger aber in einer Schlacht oder sonst einer Gefahr oder bei einer Belagerung das Leben rettete, empfing den höchsten Preis einen Kranz aus Eichenlaub, der für viel ehrenvoller galt als die anderen Kränze alle aus Silber oder Gold. Und diese Auszeichnungen wurden nicht nur Einzelpersonen wegen besonderer Leistungen, sondern auch ganzen Abteilungen und Heeren verliehen. Dazu kam noch ein Großteil der Beute an die Kriegsteilnehmer zur Verteilung. […] Nachdem der Triumphator dies alles erledigt hatte, bestieg er den Wagen. Dieser glich keinem Gefährt, wie man es bei den Wettspielen oder im Krieg verwendete, es war vielmehr wie ein runder Turm gestaltet. Der Triumphator aber stand nicht allein darauf, sondern wenn er Kinder oder Verwandte hatte, so ließ er auch deren Mädchen und junge Söhne zu sich in den Wagen heraufsteigen, während er die älteren auf die Pferde setzte, sowohl auf die Zug- wie Beipferde. War ihre Zahl größer, dann begleiteten sie, Seite an Seite mit dem Sieger reitend, den Festzug auf Kriegsrossen. Sonst war niemand beritten, sondern alle gingen, lorbeerbekränzt, zu Fuß. Ein Staatssklave aber fuhr mit dem Sieger im Wagen selbst und hielt über seinem Haupte den Kranz aus kostbaren, goldgefaßten Steinen, wobei er ihm dauernd zurief ‚Schau zurück!‘ […]. So verliefen die Triumphzüge in alten Zeiten; Parteiungen und Gewaltherrschaften änderten aber sehr viel daran“1589. Tertullian erhebt Ende des 2. Jhs. seine Stimme gegen den Brauch, die Soldaten durch den Kranz für gelungenes Töten zu belohnen, und vertritt diese Ansicht ausführlich in einer langen Abhandlung1590. Von Kaiser Claudius meldet Cassius Dio: „Die Freigelassenen […] brachten Claudius dazu, für seine Taten in Mauretanien die ornamenta triumphalia entgegenzunehmen; dabei hatte er keinerlei Erfolge errungen, ja der Krieg war schon zu Ende, ehe er noch den Thron bestiegen hatte“1591. Anspruch und Wirklichkeit klaffen eben gelegentlich auseinander. In der frühen christlichen Kunst blieben die Herrschaftszeichen in der Regel Christus und Maria vorbehalten, anders die Kronen. Solche aus Lorbeer mit einer hellblauen Gemme in der Mitte werden zwei Aposteln so über die Köpfe gehalten, wie es die Sklaven im Triumphzug der Kaiser 1589 1590 1591

    Cass. Dio, Buch 1, Fragmente des Buches 6, Zonaras 7(21). Tert. coron., S. 1037–1065. Cass. Dio 60, 8, 6.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    taten: Rechts hält die „Kirche aus der Beschneidung“ ihre über Petrus, links die „Kirche aus dem Heidentum“ über Paulus, während beide vor Christus sitzen. Dieser selbst sitzt in der Mitte auf dem edelsteingeschmückten Thron mit dem Prachtkissen1592. – Andere Märtyrer halten den Siegerkranz aus Lorbeer selbst in den Händen, einer hat seinen mit einer hellblauen Gemme verziert, man sieht zwei hinten herabhängende weiße Vitten1593. Ein mit Edelsteinen verziertes Diadem als Märtyrerkrone trägt Bartholomäus, einer der zwölf Apostel, am Kuppelscheitel der Taufkirche von Ravenna1594.

    c. 31 Vom Kopfputz der Frauen [ornamenta capitis] 1. diadema, 2. nimbus, 3. capitulum, 4 a. mitra, 4 b. pilleum, 5 a. redimiculum, 5 b. ricula, 6 a. vitta, 6 b. taenia, 7. retiolum, 8 a. discriminale, 8 b. antia, 9. acus, 10. inauris, 11 a. torquis, 11 b. bulla, 12 a. munile, monile, 12 b. segmentum, 14. murenula, 15. catella, catenula, 16 a. dextra, dextrale, 16 b. armilla, 16 c. virilia, 16 d. circulus, 17 a. fibula, 17 b. lunula, 18. speculum, 19 a. periscelis, 19 b. olfactoriolum Sich zu schmücken, gehört zum Wesen des Menschen, und die Mittel dazu gab es immer und zu allen Zeiten; einzig die Ausführungen wechselten mit den steten Veränderungen, die Sitte und Mode verlangten. Es kann daher nicht Aufgabe dieses Kapitels sein, einzelne Schmuckstücke zu beschreiben. Isidor sammelt – und darin liegt der Reiz – jahrhundertealte Bezeichnungen. Sie sind, entgegen der Überschrift, nicht frauenspezifische Schmuckstücke, im Gegenteil: Mitren, Armreifen, dextrae, Ringe, Torques waren ebenso männliche Attribute. Schon Cato stellt jedoch eine Reihenfolge zusammen, die er den Frauen zuschreibt: „Frauen bedeckten sich mit Gold und Purpur; Kopfputz, Haarnetz, Diadem, goldenen Kronen, rötlichen Bändern, leinenen [oft mit Heilmitteln getränkten] Armbinden, Pelzen, Bändern für die Mitren. […] Unsere Frauen salbten das Haar mit Lauge, damit es rötlich sei“1595. 1592

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    1594 1595

    Apsismosaik in S. Pudenziana, Rom, kurz nach 400; in: van der Meer, Die Ursprünge christlicher Kunst, Abb. 31. Mosaik in der Taufkirche des Soter, neben S. Gennaro, Neapel, um 400; in: van der Meer, Die Ursprünge christlicher Kunst, Abb. 39. Um 450–452, Abb. in: van der Meer, Die Ursprünge christlicher Kunst, Abb. 50. Cato, orig. (fragm.) 7, 120–121: Mulieres opertae auro purpuraque; arsinea, rete, diadema, coronas aureas, rusceas [von ruscum?] fascias, galbeos lineos, pelles, redimicula – Mulieres nostrae capillum cinere unctitabant, ut rutilus esset.

    c. 31 Vom Kopfputz der Frauen

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    Hieronymus bezieht die Ausdrücke in seine Übersetzungen des Alten Testaments mit ein. In Ex 35, 22 spenden Männer und Frauen Gegenstände für das jüdische Heiligtum. Dazu gehören neben den Textilien Oberarmbänder, Ohrringe, Ringe und Armschmuck mit „Händen“. Ein andermal ist es Kriegsbeute, die im Kampf gegen die Midianiter gewonnen worden war und die man Gott opfern wollte: perisceles, armillae, anuli, dextralia und murenulae1596. Am deutlichsten zeigt sich die obige Zusammenstellung der Luxusutensilien in Jesaja 3, 16–24. Hier wird allerdings ein Zusammenhang hergestellt zwischen dem Untergang der als Frau dargestellten Stadt Jerusalem, dem Luxusleben und der zur Strafe folgenden babylonischen Gefangenschaft. Hieronymus nennt: lunula, torquis, monile und armilla, mitra, discriminale und periscelis, murenula, olfactoriole, inauris und anulus, gemma, acus und speculum. Bullulae fügt er in seinem Kommentar zu Jesaja hinzu1597. Damit ist die von Isidor aufgeführte Liste im Wesentlichen abgedeckt; die übrigen Begriffe aus Jesajas Aufzählung wie mutatorium, pallium, lintaeamen, sindon, vitta, theristrum, zona, fascia pectoralis, ornatum calciamentorum werden von Isidor unter den jeweiligen Kapitelüberschriften behandelt. Hieronymus hält es für wahrscheinlicher, dass [alle] Juden, „als sie von den Römern gefangen wurden, auch alles an Kleidung und Gemmen und Gold und an Ketten und verschiedenen Schätzen verloren“ hätten. „Oder“, so sagt er: „im übertragenen Sinn, ausgehend von Frauen, wird erzählt, dass aller Schmuck der Städte zerstört wurde“1598. Diskutiert wurde, wie Hieronymus berichtet, auch über die Bedeutung der Ausdrücke, die in Hesekiel 16, 6–19 aufgezählt sind. Hier übernimmt der Prophet in 16, 8–13 aus Anlass des Untergangs von Jerusalem die von Jesaja überlieferte Liste. Hesekiel zufolge waren diese Dinge der Stadt von Gott geschenkt worden, aber man hatte die Gaben zur Hurerei missbraucht; [Gott sagt:] „Ich habe meinen Umhang über dich gebreitet […] und dich mit verschiedenen Farben bekleidet und dich beschuht mit Hyacinth und dich gegürtet mit Byssus und dich angetan mit Feinem und dich geschmückt mit einem Ehrenzeichen und Armbänder an deine Hände gegeben und einen Halsring um deinen Hals und habe dir ein Gehänge über dein Gesicht gegeben und Ringe für deine Ohren und eine Krone der Ehre auf dein Haupt, und du bist geschmückt mit Gold und Silber und du bist 1596

    1597 1598

    Nm 31, 50: singuli quod in praeda auri potuimus invenire periscelides et armillas, anulos et dextralia ac murenulas. Hier. in Is 2, 3, 19+, 6. Hier. in Is 2, 3, 18, 2–6: sive per metaphoram mulierum, omnis ornatus urbium destructus esse narratur. Im Gegensatz zu anderen Kirchenvätern sieht Hieronymus also nicht die alleinige Schuld der Frauen als Zerstörungsursache an.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    bekleidet mit Byssus und Vielfädigem und vielen Farben“1599. Hieronymus erläutert die einzelnen Ausdrücke in seinem Kommentar1600. Cyprian von Karthago schreibt in der ersten Hälfte des 3. Jhs. über das Aussehen der Jungfrauen in den Klöstern: „Gott wird von ihnen aufheben die Pracht ihres Kleides und ihren Schmuck und die Haare und Locken und die mondförmigen Schmuckstücke und Haarspangen und Armbänder und die Frisur wie eine Traube und die dextralia und Ringe und die Ohrringe und Seidenes, das mit Gold und Hyazinth zusammengewebt ist“. Er gebietet stattdessen: „Und den Ohren sollen nicht Wunden angebracht werden, und die Arme und Hälse sollen keine kostbare Kette von Armillen und Monilen einschließen. Die Füße sollen von goldenen Fesseln frei sein, die Haare mit keiner Farbe gefärbt, die Augen würdig, um Gott zu schauen“1601. Zu den Begriffen im Einzelnen: 1. diadema Diadem Der Begriff Diadem wird schon im Zusammenhang mit dem Kap. 30 behandelt. Im Buch Esther wird erzählt, die Königin Washti sei von ihrem Mann, einem persischen König, herbeizitiert worden, um sich im Schmuck ihres Diadems den männlichen Gästen zu zeigen. Als sie sich weigert, wird sie getötet. Die an ihrer Stelle eingesetzte Jüdin Esther bekommt zu ihrer Krönung ebenfalls ein Diadem. Esther rettet das jüdische Volk vor der Vernichtung und wird bis heute von den Juden verehrt1602. Mit einem kostbaren Diadem und einem darübergelegten lockeren Schleier ist die Frau des Potiphar in der Wiener Genesis gekennzeichnet1603. 1599

    1600 1601

    1602 1603

    Ez 16, 8–13: et expandi amictum meum supere te […] et vestivi te discoloribus et calciavi te ianthino et cinxi te bysso et indui te subtilibus et ornavi te ornamento et dedi armillas in manibus tuis et torquem circa collum tuum et dedi inaurem super os tuum et circulos auribus tuis et coronam decoris in capite tuo et ornata es auro et argento et vestita es bysso et polymito et multicoloribus. Hier. in Ezech. 4, 16, 1041–1326. Cyprian. hab. virg. 13 und 21: et auferet Dominus gloriam vestis illarum et ornamenta earum et crines et cincinnos et lunulas et discrimen et armillas et botronatum et dextralia et anulos et inaures et serica contexta cum auro et hyacintho. – non inferantur auribus vulnera, nec brachia includat aut colla de armillis et monilibus catena pretiosa: sint a compedibus aureis pedes liberi, crines nullo colore fucati, oculi conspiciendo Deo digni. Est, hier 1, 11 und 2, 17. Wiener Genesis, ÖNB, Cod. theol. gr. 31, Anklage der Frau des Potiphar gegen Joseph, fol. 16v, 3. Viertel 6. Jh.

    c. 31 Vom Kopfputz der Frauen

    437

    Die christliche Sicht sieht das Diadem für jede Frau vor, denn: „Er [Hesekiel] nennt aber die Krone das Diadem von Frauen, mit dem der Umfang der Haare zusammengezogen und geschmückt wird“, schreibt der Hieronymuskommentar und meint damit die hochgebundenen Haare unter den Kopfbedeckungen1604. 2. nimbus Stirnband, Ausstrahlung, Heiligenschein, Tafel 13 oben Isidor zitiert zu Nimbus aus einer Plautuskomödie. Bei Plautus wird der Satz allerdings weitergeführt: Es geht hier um ein eigentlich freigeborenes Mädchen aus Karthago, das auf dem Hetärenmarkt am Venustempel steht. Ein Herr verliebt sich in ihren Anblick und der Sklave sagt: „Je mehr ich sie beschau, je mehr ist sie wie Dunst und Luft“1605. Nimbus ist ein mehrfach gebrauchter Ausdruck in der Aeneis. Er kann sowohl Sturm als auch Wind, Nebel, häufig Wolken oder Regen bedeuten. Servius, der sich damit länger auseinandersetzt, empfiehlt deshalb, die Deutung gemäß dem Zusammenhang zu suchen1606. In Lc 12, 54 sagt Jesus: „Wenn ihr eine Wolke aufsteigen seht vom Westen her, so sagt ihr gleich: Es gibt Regen, nimbus. Und es geschieht so“1607. Auch der Mond zeigt einen Nimbus, wenn er nur hinter Nebelschleiern zu erkennen ist1608. Eine eindrucksvolle Gefährtenschar des Kriegers Turnus wird als Nimbus beschrieben1609. „Die Wolke, nimbus, die von Juppiter kommt“, enthält reichlich [Regen-]Wasser (im Gegensatz zu dem angebotenen Glas Wein bei Martial)1610. Die Miniaturen der Handschrift des Vergilius Romanus (Ende des 5. Jhs.) zeigen u. a. bei Isis einen blauen, wolkenfarbenen Schein um den Kopf. Im Bild „Opfer zu Ehren des Anchises“ haben die Männer ebenfalls blaue Scheine hinter den Köpfen1611. Die Götter der Götterversammlung, Dido, Aeneas und sein Sohn Ascanius sind mit Gold nimbiert1612. 1604

    1605 1606 1607

    1608 1609 1610 1611

    1612

    Hier. in Ezech. 4, 16, 1283: coronam autem vocat diadema feminarum, quo capillorum stringitur et ornatur ambitio. Plaut. Poen. 348: Quam magis aspecto, tam magis est nimbata et nugae merae. Verg. Aen. 1, 51; 1, 80; 2, 616; 4, 161; Serv. Aen. 1, 51. Lc 12, 54: Dicebat autem et ad turbas cum videritis nubem orientem ab occasu statim dicitis nimbus venit et ita fit. Verg. Aen. 3, 587; Serv. Aen. 1, 80. Verg. Aen. 7, 793. Mart. 14, 112: nimbus vitreus. Vergilius Romanus: Iris besucht Turnus, Aen. 9, 1–5, fol. 74v, S. 38; Aen. 5, 42–103, fol. 76v, S. 32. Vergilius Romanus: Götterversammlung, linke Hälfte fol. 234v, S. 40, und Didos Bankett, linkes Frontispiz zum 2. Buch, Vers 1–2, fol. 100v, S. 28.

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    „Nimbus ist das Licht von Blitzen, das die Häupter von Göttern umgibt; so wird er auch gewöhnlich gemalt“, darauf wird von Servius hingewiesen1613. Die Strahlenkrone als Herrschaftszeichen symbolisiert die persönliche Verbindung des Sonnengottes mit dem Herrscher. Dieses nehmen ägyptische Herrscher wie z. B. König Ptolemäus IV. Philopator für seinen Vater, römische Herrscher wie Valerian bis Konstantin und der persische König Bahram I. für sich in Anspruch1614. In der bildenden Kunst gehen die Strahlen immer mehr in die reine Kreisform über. Einen solchen Nimbus hat z. B. Constantius II. auf einer Silberschale1615. Auf einem Goldmedaillon von 364–367 aus Wien sitzen die Kaiser Valens und Valentinian I. gemeinsam auf einem Thronsessel, in der Rechten die Weltkugel haltend und um die Köpfe kreisförmige Nimbi1616. Im Christentum wird der goldene Nimbus zum Kennzeichen der Heiligen und Märtyrer; zahlreiche frühe Beispiele finden sich in Roms christlichen Katakomben1617. Bei Christus selber ist der Heiligenschein gelegentlich mit einem zusätzlichen Kreuz versehen. Der Nimbus hat also immer etwas mit dem Außergewöhnlichen zu tun, keinesfalls ist er ein reines Frauenornament. Später wird unterschieden zwischen einem runden Nimbus für einen Verstorbenen und einem rechteckigen für einen noch Lebenden. 3. capitulum, capitulare, cappa Kapuze Ein capitulum mit zwei Spitzen ist in der bildlichen Darstellung nicht zu finden, die Vorstellung Isidors, sie mit Kappa in Verbindung zu bringen, ist vielleicht als Gedächtnisstütze zu werten, könnte aber auch ausdrücken, dass die Frauen zusätzlich unter der Gewalt des Mannes stehen1618. Zwei Spitzen haben bis heute die Mitren der katholischen Bischöfe, sie symbolisieren das Alte und Neue Testament. 1613

    1614

    1615 1616 1617

    1618

    Serv. Aen. 2, 616; vgl. 2, 590: In luce [id est] in nimbo, qui cum numinibus semper est. König Ptolemäus IV. Philopator ließ im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen mit den Seleukiden Sonderprägungen mit dem Bild seines Vaters Ptolemäus III. Evergetes herausgeben. Abb. 90 in: Kat. Götter und Pharaonen, Hildesheim 1979. Frdl. Mitteilung von Georgina Herrmann vom 23. 1. 2012: „The crown with rays was used by Bahram I at Bishapur and by Mithra at Taq-i Bustan“. Delbrück, Consulardyptychen, S. 71, Abb. 26; vgl. das Goldmedaillon, S. 69, Abb. 25. Abb. in Vergilius Romanus, S. 53. Vgl. auch A. Demandt, S. 423 und 457. V. Fiocchi Nicolai, F. Bisconti, D. Mazzoleni, Roms christliche Katakomben, Geschichte – Bilderwelt – Inschriften. Siehe c. 25, 4 b.

    c. 31 Vom Kopfputz der Frauen

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    4 a. mitra Mitra, Stirnbinde, phrygische Mütze, Turban, vgl. c. 30, Tafel 4 Die phrygische Mütze oder ein phrygisches pilleum, ist eine Kopfbedeckung, deren Spitze nach vorn geneigt ist. Sie gilt als Kopfbedeckung von Orientalen: Skythen, Amazonen Phrygier, Trojaner, Thraker und anderer „barbarischen Völker“. Auch mythologische Gestalten wie Mithras oder Attis, der Sohn und/oder Geliebter der Kybele, tragen sie aus Leinen, Filz oder Krieger als Metallhelm. Vergil setzt die Herkunft des Namens in Verbindung zu Phrygien als dem Ursprungsland der Trojaner, Isidor spricht in c. 30, 3b von den gekrümmten Tiaren der persischen Satrapen. Eine Mitra ist aber nicht generell ein phrygisches pilleum, denn bei beiden Geschlechtern war ihr Aussehen höchst unterschiedlich. Da Mitra auch als Mitte verstanden werden kann1619, ist zu überlegen, ob es eine Kopfbedeckung war, die die Mitte des Kopfes mit bedeckte. So spricht sich Tertullian für die mitra auf dem Kopf von Frauen aus und verurteilt die die Kopfmitte freilassenden Stirnbinden1620. Varro erklärt, „Mitren, und ganz allgemein die Ausdrücke für weitere Kopfbedeckungen, [seien] später mit griechischen Bezeichnungen hinzugefügt worden“; auf diese Weise hätten sie Eingang in die römische Sprache gefunden1621. Er wird aus Prometheus Liberus (433) bei Nonius so zitiert, dass man annehmen kann, aus der rica, dem großen Kopftuch, könne eine maltesische Mitra gemacht werden1622. Ovid beschreibt, wie sich jemand als altes Mütterchen verkleidet und eine bunte Mitra um den Kopf bindet1623. Jemand schätzte zu Juvenals Zeit an einem barbarischen Zirkusmädchen eine bunte Mitra1624. Die Digesten überliefern, dass Mitren weibliche Kleidungsstücke sind, „die bestimmt sind auf Grund [der Stellung] der Mutter der Familie […] wie Mieder, Gürtel, Mitren, die mehr, um den Kopf zu bedecken als zu schmücken, vorgesehen sind“1625. Hieronymus verurteilt gekräuselte Mitren auf dem Kopf von frommen Frauen1626. Mitren sind ebenfalls Kopfbedeckungen für Männer. Herodot nennt die Kopfbedeckung der Kissier Mitren, die sie anstelle der piloi trügen1627. 1619 1620 1621 1622

    1623 1624 1625 1626 1627

    Isid. Et. 19, 4, 7: die Mitra ist ein Seil, das das Schiff in der Mitte bindet. Tert. virg. vel. 17, 2. Varro, ling. 5, 130: Mitra et reliqua fere in capite postea addita cum vocabulis Graecis. Non. 14, S. 866: aliae mitram ricinam aut mitram Melitensem. Nach Gellius 10, 15, 28 soll auf der rica ein Reis von einem Glücksbaum befestigt sein. Ov. met. 14, 654: Ille etiam picta redimitus tempora mitra. Juv. 3, 66. Dig. 34, 2, 23, 2, in: Tetullian, Le voile des vierges, S. 265. Hier. epist. 54, 7. Herodot, Neun Bücher zur Geschichte 7, 62.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    In der Aeneis werden die Trojaner als Phrygierweiber verhöhnt, weil sie Mitren trügen, die mit Bändern gehalten seien. Servius schreibt in seinem Vergil-Kommentar dazu, Männer trügen pillei im Gegensatz zu den Frauen, die mit Bändern ihre Mitren zurückbänden und die man auch calauticae nenne. Servius sagt allerdings weiter, die Mitren stammten ursprünglich von den Lydern bzw. den Etruriern ab, von denen sie die Trojaner nachgemacht hätten; „andere meinten, sie seien eine Kopfbedeckung der Huren“. Die lydischen Mitren hätten einen „eingebogenen Hut“ und einen Backenschutz1628. Lydien und Phrygien waren unmittelbare Nachbarn in Anatolien, und unter persischer Herrschaft war Lydien eine der Satrapien. Der persische Großkönig selbst besaß auf den Felsenbildern eine sehr hohe, ballonartige und faltenreiche Kopfbedeckung unter seiner Metallkrone1629,Tafel 6. Die Miniaturen der Handschrift des Vergilius Romanus zeigen Trojaner mit phrygischen Mützen, das gilt für die Männer in privater Runde, wie für die zur Rüstung gehörenden Kopfbedeckungen1630. Gern werden die Magier aus dem Orient (Mt 2,1) mit phrygischen Mützen dargestellt1631. Auch Isidor hält die Mitra für phrygisch. Wie oben aufgeführt, ist sie nicht generell eine sog. phrygische Mütze, dazu ist der Name zu weit verbreitet. Eine Mitra tragen die jüdischen Priester nach Hieronymus1632, während dem jüdischen Hohenpriester nach Origenes die Mitra auf die cidaris gesetzt und das Schaublech an ihr befestigt wird1633; sie haben ganz sicher keine sich neigende Spitze. 4 b. pilleum Kopfbedeckung Das pilleum ist in erster Linie eine Kopfbedeckung der Männer, diese wird in c. 30 behandelt.

    1628

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    1631 1632 1633

    Verg. Aen. 4, 216–217; Serv. Aen. 4, 216; ferner: Aen. 9, 616, dazu Serv. Aen. 9, 613: Und die Mitren haben Bänder – das hatte er zu sagen: habt an den pillei Bänder: was er in größeren Tadel verwandelt, indem er sagt: ihr habt zurückgebundene Mitren, denn pillei sind der Männer, Mitren der Frauen, die calauticae heißen. Nonius kopiert den Text der Aeneis von 9, 616. Vgl. redimiculum. z. B. Felsrelief König Shapur,. Vergilius Romanus, Aen. 5, 42–103, fol. 76v, S. 32 und Dido und Aeneas in der Grotte, Aen. 4, 160–168, fol. 106r, S. 31. Vgl. z. B. in Ravenna, S. Apollinare Nuovo. Ex 29, 9 und Ex 39, 26: et mitras cum coronulis suis ex bysso. Orig. hom. in Lev. 6, 5, 366.

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    5 a. redimiculum1634 Band zur Befestigung der Kopfbedeckung Redimicula sind schmückende Bänder. Von den Bändern der Mitren wurde schon gesprochen1635. Ovid lässt seinen Helden Pygmalion, der sich eine Geliebte aus Elfenbein schnitzt und sie anzieht, folgendermaßen aussehen: „auch schmückt er sie mit Kleidern, steckt ihr Ringe mit Edelsteinen an die Finger und legt ihr eine lange Kette um den Hals […], am Busen hängen Bänder“1636. Bei Juvenal hängen sich Homosexuelle bei einer Feier nur Bänder an die Stirn1637. „Redimiculum nennen die Frauen das Kettchen, das sie vorwiegend des Schmuckes wegen benutzen“1638, schreibt Festus. Origenes hält redimicula für Bänder, mit denen Ketten am Hals zusammengezogen werden können1639. Ambrosius gebraucht redimiculum mehrfach in seinem Kommentar zu Psalm 1181640. 5 b. ricula kleines Kopftuch Ricula ist die Verkleinerungsform von rica. Varro schreibt, rica sei abgeleitet von Ritus, denn „im römischen Ritus verhüllten die Frauen beim Opfern die Häupter“1641. Dazu sagt Nonius: „Rica ist, was wir sudarium nennen“1642. Er zitiert aus Turpilius’ Hetaera (72), dass eine Jungfrau, die die Götter verehren wollte, auf dem Kopf mit einer purpurnen ricula angetan war1643. Auch Gellius sieht einen Zusammenhang zwischen rica und dem Kult, weil die Flaminica, die Frau des Flamen Dialis, ihre Aufgabe mit einer rica versah, an der ein Reis angebracht war1644. Servius erklärt zur Tracht der Flaminica Dialis, sie trage über der rica einen Kranz aus einem Reis vom Granatapfelbaum, der mit einem weißen Wollband zusammengebunden werde; die Königin (Dido) habe diese Tracht bei bestimmten Opfern benutzt, während 1634 1635 1636

    1637 1638

    1639 1640 1641

    1642 1643 1644

    Vgl. c. 33, 5 a. Serv. Aen. 9, 613. Ov. met. 10, 263–266: ornat quoque vestibus artus, dat digitis gemmas, dat longa monilia collo, aure leves bacae, redimicula pectore pendent. Juv. 2, 83–85: accipient te paulatim qui longa domi recimicula sumunt frontibus. Fest. S. 336: Redimiculum vocant mulieres catellam, qua[m] maxima utantur ornatus causa. Orig. in Ct 2, 2, 156. Ambr. in psalm. z. B.118, 3, 6. Varro ling. 5, 130: Sic rica ab ritu, quod Romano ritu sacrificium feminae cum faciunt, capita velant. Non. S. 865: Rica est, quod nos sudarium dicimus. Non. S. 865. Gell. 10, 15, 26–28; vgl. Kranz aus einem Granatapfelzweig in c. 30.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    sie für die Flaminica Dialis bei jedem Opfer vorgeschrieben gewesen sei1645. Die rica war offenbar ziemlich groß, sonst hätte man sich nicht unter ihr verstecken können, denn Euklid schlich sich, wie Gellius berichtet, mit einer rica auf dem Kopf, einer langen Frauentunika und einem bunten amictus versehen, abends zu Sokrates, nachdem die Athener den Bewohnern von Megara bei Todesstrafe verboten hatten, ihr Gebiet zu betreten1646. Noch zwei weitere Beispiele sind von Festus erhalten, das erste lautet: „Ricae und riculae heißen kleine Kopftücher, wie kleine, zum Gebrauch des Kopfes gemachte Deckchen. Gran[ius] freilich sagt, sie sei ein Frauengürtel des Kopfes, mit dem die Vitta der Flaminica umgeben werden soll“1647. Paulus Diakonus ergänzt, daß die rica der Flaminica aus frischer weißer Wolle von einheimischen Jungfrauen hergestellt werden mußte, deren beide Elternteile noch lebten und römische Bürger waren; anschließend wurde sie blau gefärbt1648. Hier tauchen die Schreiber tief in die römische Glaubenslehre ein, denn Leben und Auftreten der Flaminica unterlag besonders festgelegten strengen Verhaltensregeln. 6 a. vitta1649 Band Im Gegensatz zum redimiculum waren vittae Bänder für unterschiedlichen Bedarf. In Verbindung mit dem Alltagsleben werden sie in c. 33, 7a behandelt. Was redimiculum und vitta im Aussehen unterschied, ist bislang noch nicht deutlich geworden. Frauen benutzten Vitten zum Zusammenbinden der Haare. Zum Bacchusfest legten Herrin und Mägde ihre Arbeiten aus der Hand, lösten die Haare von den Vitten, umhüllten den Busen mit Felloder Lederbinden und bekränzten die locker fallenden Haare, in den Händen einen grünenden Thyrosstab haltend1650. Offenbar hatte Isidor eine Vitta im Sinn, die aus Purpur und Weiß gefertigt war, denn er schreibt von ihr: „Und auch, dass diese Vitta durchmischt wird aus weißer und purpurner Farbe; das Weiße freilich wird für die Reinheit des Lebens, der Purpur 1645 1646

    1647

    1648

    1649 1650

    Serv. Aen. 4, 137. Gell. 7 (6), 10, 4: tunica longa muliebri indutus et pallio versicolore amictus et caput rica velatus. Fest. S. 342: Ricae et riculae vocantur parva ricinia, ut palliola ad usum capitis facta. Gran[ius] quidem ait esse muliebre cingulum capitis, quo pro vitta flaminica redimiatur. Paulus aus Fest. S 369: Alii dicunt, quod ex lana fiat sucida alba, quod conficiunt virgines ingenuae, patrimae, matrimae, cives, et inficiatur caeruleo colore. Zu Vitta ausführlicher M. Müller, RGA 32, S. 469–472 und Abb. Taf. 25. Ov. met. 4, 4–7.

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    für die Nachkommenschaft des Blutes verwendet, damit durch dieses Zeichen sowohl das zu haltende Gesetz der Enthaltsamkeit von beiden auf Zeit angemahnt wird, als auch danach die abzutragende Schuld nicht verneint wird, was nämlich der Apostel den Verheirateten sagt: Enthaltet euch auf Zeit, damit ihr für das Gebet frei seid; das impft er mit der Weiße der Vitta ein; was er freilich hinzufügt: Und wiederum sollt ihr darin umkehren, das zeigt ihre Purpurfarbe“. Einfacher ausgedrückt meint Isidor hier, dass in der Ehe nicht nur die Frage der Nachkommenschaft [und damit der Sexualität] eine Rolle spielen soll, sondern Zeit für die Reinheit des Gebetes bleiben muss1651. 6 b. taenia Band, Tafel 8 unten Mit seiner Beschreibung der taenia scheint Isidor falsch zu liegen. Die Vitten, die die Haare halten, nennen die Griechen tainiae, schreibt Hieronymus1652. Vergil vergleicht bei der Beschreibung der Allecto, der schlangenbehaarten und mit Schlangen umgürteten Tochter der Nacht und Göttin der Zwietracht, die sich windenden Schlangen des Kopfes mit den Bändern der taenia/vitta1653. 7. retiolum Haarnetz Retiolum, vergleichbar mit reticulum, hält das Haar zusammen. Varro erklärt es so: „Das, was das Haar zusammenhält, nennt man nach dem Netz reticulum“1654. Bei einem Standbild der Göttin Bona Dea wurde das goldene Haarnetz, reticulum, „mit dem gewaltigen Haarschopf“ gefüllt, so ein Bericht von Juvenal1655. Servius zitiert die Aeneas, in der Königin Dido ihre

    1651

    1652 1653 1654 1655

    Isid. eccl. off. 2, 20, 7: At vero quod eadem vitta candido purporeoque colore permiscitur; candor quippe ad munditiam vitae, purpora ad sanguinis posteritatem adhibetur, ut hoc signo et continentiae lex tenenda ab utrisque ad tempus ammoneatur, et post haec reddendum debitum non negetur, quod enim dicit coniugatis apostolus: Abstinete vos ad tempus ut vacetis orationi, hoc ille candor vittae insinuat; quod vero subiungit: Et iterum revertimini in id ipsum, hoc purporeus color ille demonstrat. Hier. in Is. 2, 3, 23, 5: et vittas, quibus crines ligantur, quas appellant tainias (griech). Verg. Aen. 7, 341–353. Varro ling. 5, 130: Quod capillum contineret, dictum a rete reticulum. Juv. 2, 96: reticulumque comis auratum ingentibus implet.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Haare mit einem goldenen Haarnetz bedeckt1656. Augustinus sagt dazu, die Frauen sollten die Kopfbedeckungen so groß wählen, dass weder die Haare noch die Haarnetze sichtbar werden1657. Das Fragment eines goldenen und mit Perlen verzierten Haarnetzes und Stirnbandes aus einem Frauengrab bei Köln aus dem 2. Viertel des 3. Jhs. wurde rekonstruiert von Gabriele Schrade. Ein ähnlicher Fund aus der gleichen Zeit konnte auf dem Gelände der Universität von Mailand geborgen werden1658. 8 a. discriminale Band am Haaransatz, Unterband, Tafel 11 Isidor erklärt discriminalia schon in Et. 11, 1, 31. Der Begriff wird von Origenes gebraucht und im Zusammenhang mit der oben genannten Jesajastelle von Hieronymus1659. Das SH notiert an dieser Stelle, es sei ein Unterband, und bringt es, wie Isidor, mit Gold in Verbindung, weshalb es zu den Luxusornamenten zählt. Zusammenfassend lässt sich sagen, es handelt sich um ein Band, das den Haaransatz auf der Stirn und kleine Seitenlöckchen verdeckt, die sonst beim Tragen eines Schleiers oder einer Haube sichtbar werden könnten. Mit diesem Band lassen sich bei frommen Frauen alle Haare zurückhalten. Bildliche Darstellungen finden sich in der Commodillakatakombe z. B. auf dem Madonnenfresko1660. Bei vornehmen Damen konnte dieses Unterband auch aus Gold sein. Heute gehört es häufig zur Tracht frommer Muslima. 8 b. antia Löckchen Der Begriff antia scheint kein sehr gebräuchlicher gewesen zu sein. Tertullian benutzt ihn, als er von einer Löwenhaut spricht, bei dem „die Backen1656 1657

    1658

    1659 1660

    Serv. Aen. 4, 138: Crines nodantur in aurum veluti retiolum dicit, quod colligit comas. Aug. epist. 211, 10: non sint vobis tam tenera capitum tegmina, ut retiola subter appareant. Capillos ex nulla parte nudos habeatis nec foris vel spargat neglegentia vel componat industria. G. Schrade, Haarnetz und Stirnband aus einem Frauengrab bei Köln (2. Viertel 3. Jh.), in: ATN 45, 2007, S. 11–15 und Abb. 12–16. Die Restauratorin vermutet sicher zu Recht, dass das Haarnetz in Sprangtechnik angefertigt wurde, auf diese Weise war es genügend dehnbar. Orig. hom. in exod. 13, 5, 277; Hier. in Is. 2, 3, 19+. Roms christliche Katakomben, Abb. 121, S. 107, weißes Unterband unter schwarzem Schleier.

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    zähne unter den Seitenlöckchen versteckt“ worden sind1661. Für Festus scheinen antiae (gr.) die auf die Stirn fallenden Frauenhaare zu bedeuten1662. 9. acus Haarnadel, Tafel 11 oben links „Nadel heißt, was die Schneiderin oder auch die Schmückerin gebrauchen“, überliefert Festus1663. Frauenköpfe wurden häufig kunstvoll frisiert, dazu brauchte man Sklavinnen, die oft genug nicht gut behandelt wurden. Martial verurteilt öffentlich die wohl damals allseits bekannte Skandalgeschichte über eine Frau namens Lalage, die ihre Sklavin so mit dem Spiegel schlug, dass sie zu Boden ging, und das einer einzigen Locke wegen, die mit der Nadel schlecht befestigt worden war1664. „Damit nicht die Pomade im Haar die glänzende Seide beflecke, soll die [goldene] Nadel die Locken festhalten und stützen“, schreibt er an anderer Stelle1665. Mit einer goldenen Nadel steckte man das oben beschriebene Haarnetz fest. Bei Nonius liest man, dass discerniculum eine Haarnadel, acus, bedeute, die die Haare von der Stirn zurückhält1666. Dies ist wichtig, wenn eine textile Kopfbedeckung korrekt getragen werden soll. 10. inauris Ohrring, Ohrgehänge, Tafel 11, Tafel 12, Tafel 13 In einer Komödie des Plautus erscheint in Athen ein Mann aus Karthago mit goldberingten Ohren geschmückt, und der Beobachter fragt, ob der Mann keine Finger habe?1667. „Nichts versagt sich eine Frau, „hält nichts für schändlich, sobald sie sich grüne Edelsteine um den Hals gelegt und große Perlen an die langgedehnten Ohrläppchen gelegt hat. [Nichts ist unerträglicher als eine reiche Frau]“, befindet Juvenal1668. 1661

    1662

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    Tert. pall. 4, 3: genuini inter antias adumbrati. Die Verbindung zwischen Haar und Löwe findet sich heute in dem Ausdruck „Löwenmähne“ wieder, der für eine besonders lockige Fülle steht. Fest. S. 16: Antiae muliebres capilli demissi in frontem appellati ex Graeco videntur; quod enim nos contra, illi antion dicunt. Fest. S. 8. Mart. 2, 66. Mart. 14, 24. Non. S. 435: Discrimen rursum separatio, a discernendo, unde et discerniculum dicitur acus, quae capillos a media fronte disseparat. Plaut. Poen. 981, der Beobachter staunt. Juv. 457–460.

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    „An keinem anderen Körperteil [als den Ohren] entsteht bei den Frauen durch Perlengehänge größerer Aufwand; im Orient gilt es sogar bei den Männern als Zierde, an dieser Stelle Gold zu tragen“1669, so Plinius. Cassius Dio sagt: „Insbesondere war sein eines Ohr nach Sitte der meisten Mauren durchbohrt“1670. Ein reicher Freigelassener, gebürtig aus der Gegend am Euphrat und inzwischen Besitzer von fünf Ladengeschäften, kümmerte sich wenig um die Ohrlöcher, die seine Herkunft verrieten, da er Geld genug hatte1671. 11 a. torquis Halsschmuck, Tafel 8 Torques, Halsringe, ausgestaltet in wechselnden Formen, waren ein Standeszeichen für Männer und Frauen, das nicht nur Gallier, Germanen und Perser trugen. Nach Hieronymus kannte man sie auch in Israel. Plinius erzählt, Hirsche hätten „unzweifelhaft ein langes Leben“, denn einige von ihnen, denen Alexander der Große goldene torques habe anlegen lassen, seien hundert Jahre später eingefangen, und die Halsringe inzwischen durch den „zunehmenden Fettansatz von der Haut umwachsen“ gewesen1672. Als militärischer Ehrenschmuck wurden sie an Männer verliehen; römische Ehrengaben hatten eine verkleinerte Form, sie konnten, wie u. a. bei M. Caelius zu sehen ist, an einem über die Schultern gelegten Band vorn herabhängen. Es gibt viele Geschichten, in denen goldene torques getragen, erbeutet oder als kaiserliche Geschenke übergeben wurden. Drusus verteilte torques, die man im Kampf gegen Cherusker, Sueben und Sugamber erbeutet hatte1673. Verschiedene Versionen existieren auch über die Entstehung des Familiennamens „Torquatus“. Plinius dient der Name als Beweis dafür, dass die Gallier mit Gold geschmückt zu kämpfen pflegten1674. Laut Livius hatte T. Manlius Imperiosus, Konsul 347, 344 und 340 v. Chr., seinen Beinamen von einem Torques, den er einem im Zweikampf besiegten Kelten abgenommen hatte1675.

    1669 1670 1671 1672 1673 1674 1675

    Plin. 11, 136. Cass. Dio, Epitome des Buches 79, 11, 1. Juv. 1, 102–109. Plin. 8, 119. Flor. epit. 2, 30, 25. Plin. 33, 15. Liv. 7, 10–11; Plin. 33, 15.

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    Sueton berichtet, dass Kaiser Augustus häufig Spiele veranstalten ließ, an denen manchmal „junge Leute aus sehr erlauchten Familien“ teilnahmen. Bei einer Veranstaltung des Troja-Spiels sei „Nonius Asprenas zu Fall gekommen und dadurch ganz aus der Fassung“ geraten. Um ihn zu trösten, schenkte der Kaiser ihm einen goldenen torques und erlaubte ihm persönlich und seinen Nachkommen, den Beinamen Torquatus zu führen“1676. Der Geschlechtername ist aber, wie beschrieben, viel früher bekannt. Eine außerordentliche, breit ausgeschmückte Erzählung dieses Vorfalls bringt Gellius, der ihn aus der Beschreibung bei Quadrigarius Claudius im 1. Buch seiner Jahrbücher entnommen haben will. Sie kann hier nur sehr gekürzt wiedergegeben werden: Titus Manlius erhielt den Beinamen Torquatus, weil er einen bis auf den Schild, zwei Schwerter, torques und Armbänder nackten Gallier im Zweikampf umwarf, den Kopf abschnitt und sich den blutverschmierten Halsring an den Hals legte1677. Ähnlich äußert sich Cassius Dio. Ihm zufolge stammte der Familienname aus dem Jahr 367 v. Chr. und der Patrizier Titus Manlius erhielt ihn, nachdem er einen Kelten besiegte, „der ihn zum Zweikampf herausgefordert hatte“. Er griff sich die goldene Halskette des Kelten, trug sie von da an selber und erhielt den Namen Torquatus1678. Sueton zufolge nahm Caligula den vornehmsten Familien die Auszeichnungen ihrer Ahnen weg, darunter den Torquati die torques1679. Ammianus berichtet auch aus dem Perserkrieg, dass Manlius Torquatus einem Toten ein goldenes monile abgenommen habe, und damit die Geschichte mit der Überlieferung übereinstimmte, fügt er hinzu: „Valerius, nachher Corvinus zubenannt, erlegte mit Hilfe eines Raben den dreisten Gallier; dies hat ihm bei der Nachwelt Ansehen verschafft“1680. Plinius zufolge beschenkte man die Hilfstruppen und Fremde mit goldenen Torques, hingegen hätten die Bürger silberne bekommen, (armillae seien dagegen römischen Bürgern vorbehalten gewesen)1681. Goldene waren natürlich besonders begehrt; so gewann der spätere Soldatenkaiser Maximinus unter Severus silberne Ehrenzeichen und einen goldenen torquis für einen beein1676 1677

    1678 1679 1680

    1681

    Suet. Aug. 43, 2. Gell. 9, 13, 1–19. Text 9, 13,7: Cum interim Gallus quidam nudus praeter scutum et gladios duos torque atque armillis decoratus processit, qui et viribus et magnitudine et adulescentia simul que virtute ceteris antistabat. Vgl. Verg. Aen. 8, 652–662. Cass. Dio, Fragm. des Buches 7, Zonaras 7 (24). Suet. Cal. 35, 1: Torquato torquem. Amm. 24, 4, 5: sustulit in hoste prostrato aureum colli monile Torquatus, fudit confidentissimum Gallum alitis propugnatione Valerius, postea cognomento Corvinus, /hacque gloria posteritati sunt commendati. Plin. 33, 37.

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    druckenden Wettkampf1682. Zosimus berichtet, ein goldenes periauchenion (das, was um den Hals gelegt wird) habe der Feldherr Gerontios aufrührerischen Barbaren im Kampf abgenommen und nach eigenen Angaben der Staatskasse übergeben. Ursprünglich jedoch waren diese Torques kaiserliche Geschenke an diese Barbaren gewesen1683. Ammianus erzählt von dem „bekannten Themistokles“, der nach einer Schlacht und der Vernichtung der Perser die an den Gefallenen befindlichen armillae und einen torquis seinen Begleitern überließ1684. Ammianus sieht noch eine praktische Verwendung eines torquis: die Krönung Kaiser Julians zum Augustus sollte in aller Eile stattfinden, dazu musste der Caesar ein Diadem tragen. Er bekannte, selber keines zu haben, zum Kopfschmuck seiner Frau äußerte er, es sei „unpassend, sich mit Weiberschmuck zu behängen“; man suchte deshalb nach dem Brustschmuck eines Pferdes, phalera, und endlich „nahm ein gewisser Maurus, der spätere Comes, […] den von ihm als Draconarius getragenen torques ab und legte ihn entschlossen Julian auf den Kopf“1685. Mit einem goldenen Torques um den Hals, einer Stola aus Byssus und dem Siegelring als Zeichen bestimmte der Pharao Josef zu seinem Stellvertreter über Ägypten1686, so der Bericht in der Genesis. Es kann sich hier um einen Goldschmuck gehandelt haben, der in Form eines Halskragens gefertigt wurde. 11 b. bulla Amulettkapsel Bei Plinius liest man: „Es ist aber bekannt, daß Tarquinius Priscus als erster von allen seinen Sohn, als dieser in den Jahren, da er noch die Praetexta trug, einen Feind getötet hatte, mit einer goldenen bulla beschenkte; von da an währte die Sitte einer bulla, so daß die Söhne derjenigen, die zu Pferd gedient hatten, diese Auszeichnung, die übrigen ein ledernes Band trugen“1687. „Die freigeborenen Kinder trugen ein Amulett, die reichen eines aus Gold, die armen ein nur aus einem Lederknoten bestehendes“, so auch

    1682

    1683

    1684 1685 1686 1687

    Jord. Get. 15, 86: solusque a Caesare et argenteis praemiis et aureo torque donatus est. Maximinus, der Thraker, war Kaiser von 235–238. Zos. 4, 40, 8, S. 190. Gerontios wurde dafür nach Ansicht von Zosimos zu Unrecht vom Kaiser wegen angeblicher Bereicherung verurteilt. Amm. 30, 8, 8. Amm. 20, 4, 17–18. Gn 41, 41–43. Plin. 33, 10. Vgl. Fest. S. 32.

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    das Fazit von Juvenal1688. Diese bullae wurden von den Jungen zusammen mit der toga praetexta beim Eintritt in das Erwachsenenalter abgelegt. Wahrscheinlich war die Sitte nicht nur etruskisch, sondern in der damaligen Welt allgemein verbreitet. Über den Inhalt der bulla wird nichts gesagt. 12–15. munile, monile, segmentum, murenula, catella, catenula Halskette unterschiedlicher Ausführung Catena ist eine Kette für vielerlei Zwecke, hier ist sie als ein Schmuckstück anzusehen, in der Verkleinerungsform catella. Die Vielfältigkeit der Halsketten, die Frauen liebten, kann nicht annähernd gewürdigt werden. Es gab die unterschiedlichsten Arten, einige bestanden aus einer Reihe von gefassten Edelsteinen, die in Form von Rechtecken oder Quadraten angeordnet waren, andere besaßen kleine angehängte Teilchen, segmenta. Zu den segmenta- Zitaten bei Isidor ist anzumerken: während die erste Juvenalstelle Textilstücke meint (vgl. c. 22, 18b), kann die zweite auf Metallornamente hinweisen. Diese Passage handelt von der Wiege in einem reichen Haus, die mit Bändern und metallenen Amuletten, segmenta verziert war. Das Mädchen, das in ihr geschlafen hatte, führt als erwachsene Frau ein verderbtes Leben. Geschrieben wurde die Satire, um Kaiser Postumus von der Heirat mit ihr abzuhalten. Weil Juvenal sich aber nicht in Schwierigkeiten bringen wollte, richtet sie sich allgemein gegen bestimmte Frauen der reichen Gesellschaft und beschreibt ihre Verderbtheit in vielen Einzelheiten. Isidor wird die Satire kaum im Ganzen gelesen haben. Wenn Plinius schreibt, „einzelne Perlen“ trüge man „um den Kopf herum, die Edelsteine an den Fingern“1689, wird der Begriff Kopf weit gefasst, denn auch Halsketten waren mit Perlen geschmückt. Eine besonders schöne mit Perlen besetzte Kette gehörte zu den Geschenken, die Aeneas aus Troja mitgebracht hatte1690. Ein monile war also kein reiner Frauenschmuck, und bei Vergil bekommen es sogar Pferde, was Servius als besondere Auszeichnung für Reiter und Pferd erklärt1691. Festus sagt, monile heiße „ein Schmuckstück, das eine Frau namens Eriphyla gehabt haben soll“;

    1688 1689 1690 1691

    Juv. 5, 164–165; J. Adamietz, Juv. zu 5, FN 77, S. 352: etruskisch. Plin. 37, 49: uniones capite circumferuntur, gemmae digitis. Verg. Aen. 1, 654: colloque monile bacatum. Verg. Aen. 7, 278, dazu Serv. Aen. 7, 278: nam monilia non nisi hominum dicimus, quae nunc ad laudem pro phaleris posuit.

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    außerdem sei es ein Halsschmuck für Pferde1692. Nicht nur lebende Personen konnten mit Halsketten beschenkt werden; das Denkmal der Fortuna in Tusculum erhielt eine, die mit Perlen und Edelsteinen besetzt war1693. Ausgangspunkt für Isidors Überlegungen ist die im Hohen Lied beschriebene Kette: „dein Hals ist [schön] wie monilia; wir werden dir goldene, mit Silber wurmförmig [sich bewegende] murenulae machen“1694. Ihr Aussehen interessierte viele Autoren. In Isidors Etymologien sind verschiedene Gedanken dazu zusammen gefasst. Da ist einmal die Halskette der Frauen, die mit Anhängern geschmückt ist, bei ihm mit Amphoren und Edelsteinen, die sich um den Hals legt wie eine Schlange. Zum anderen erwähnt er eine Gliederkette, die aus geschmeidigen, goldenen oder/und silbernen Stäbchen wie eine sich windende Muränenschlange gefertigt ist. Als Erklärung fügt er wörtlich einen Teil aus dem Hieronymus-Brief an Marcella hinzu1695, der hier über die geschmeidigen Stäbe aus Metall spricht. Von Cassiodor kommt die ausführliche Erklärung, dass „die Stäbchen verschlungen aus Gold, manchmal vermischt in schöner Abwechslung mit feinsten Fäden aus Silber“ seien, „wurmförmig gedreht nach Art der Landwürmer, die man Spulwürmer nennt, und untereinander verbunden“. Anschließend erklärt Cassiodor das Aussehen der murenula mit der Ähnlichkeit des Muränenfisches, der sich wie eine Schlange bewege1696. Es geht also bei der Beschreibung der Kette im Hohenlied um die Beweglichkeit der Kette an sich, nicht um Schlangenabbildungen. Ketten mit Amphorenanhängern sind in wunderschönen Formen erhalten, keine von ihnen jedoch mit nachgeformten Schlangen als Anhänger. Von den Kirchenvätern wurde das Hohelied immer theologisch gedeutet, indem der Hals der Kirche gleichsam ein monile sei1697. Isidor notiert in

    1692

    1693

    1694

    1695 1696

    1697

    Fest. S. 122. Eriphyla verriet ihren Mann für ein goldenes Halsband und wurde deshalb von ihrem Sohn Alkmäon ermordet. Suet. Galba 18, 2: monile margaritis gemmisque consertum ad ornandam Fortunam suam Tuscalanam ex omni gaza secreverat. Ct 1, 9, 10: pulchrae sunt genae tuae sicut turturis collum tuum sicut monilia murenulas aureas faciemus tibi vermiculatas argento. Hier. epist. 24, 3. Cassiod. Expositio in Cantica Canticorum, in: PL 70, Sp. 1060 zu Vers 10. Zur Muräne schreibt Plinius 9, 73 und 76, sie sei lang, wie der Meeraal, es fehlten ihr nur die Kiemen, und sie „bewegen sich durch die Krümmung ihrer Körper […] derart vorwärts, wie die Schlangen auf dem Lande“. Cassiod. Expositio in Cantica Canticorum, in: Migne Pl 70, Sp. 1060 zu Vers 9: Hoc ergo collum Ecclesiae quasi monile est, quia castae doctrinae gemmis et virtutum ornamentis sancti doctores decorantur. Monile enim ornamentum est virginum vel matronarum.

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    seinem Liber Differentiarum1698: „Monile heißt ein Enterhaken von dem Mahnen, weil er mahnt, dass die Frau unter der Gewalt des Mannes ist; […] oder munile heißt ein Schmuck aus Edelsteinen, der vom Hals von Frauen zu hängen pflegt, genannt von Geschenk“. Diese Unterscheidung wurde nicht von anderen Autoren übernommen. 16 a. dextra, dextrale Ornament „Hände“, vgl. c. 32, Tafel 10 Der rechten Seite des Körpers kam immer eine besondere Bedeutung zu1699. Der Platz an der rechten Seite eines Menschen ist der Ehrenplatz. Bei der Weihe der jüdischen Priester wurden sie mit dem Blut des Widders am rechten Ohrläppchen, am Daumen der rechten Hand und an der großen Zehe des rechten Fußes bestrichen und so geweiht; die rechte Keule des Opfertieres wurde Gott geopfert1700. Die Begriffe dextralia oder dextrae bezeichnen Hände als Ornamente mit unterschiedlichem Symbolgehalt, der offenbar überall verstanden wurde. Mit einer Öse versehene bronzene Anhänger sind geformt als einzelne Hände, manchmal mit Armansatz, manchmal als offene Hand oder mit Figa [Fica]-Geste, mit zur Faust geballter Form oder mit Phallussymbol erhalten. Sie stammen aus unterschiedlichen Gegenden, so aus Mähren in der Latènezeit, Neu-Plötzin in Brandenburg, dem slowakischen Devín – mit dem Phallus versehen, gehören sie zu Anhängern, die aus römischen Kastellen überliefert sind1701. Sie sind noch heute beliebte Schmuckstücke. Mit Figa-Geste, entsprechend unserem „Daumendrücken“, gelten sie als glücksbringende Symbole z. B. in Portugal, Brasilien und den USA (während sie in China, Griechenland, Indonesien, der Türkei und Rußland eine Verachtungsgeste darstellen). Kleinkindern werden sie an einer Kette um den Hals gehängt, Erwachsene tragen sie an Armbändern, Ketten oder Fußketten. Die offene Hand, die „Hand der Fatima“ oder „Hamsa-Hand“ wird als Schmuckanhänger und Talisman zur Abwehr des Bösen besomders im Orient geschätzt. Bei Tacitus heißt es: „Der Stamm der Lingonen hatte nach altem Brauch den Legionen als Geschenk dextrae geschickt, das Zeichen der Gastfreund1698

    1699

    1700 1701

    Isid. diff. 1, 382: Monile dicitur harpago a monendo, eo quod moneat mulierem esse sub postetate viri; […] vel munile vero dicitur ornamentum ex gemmis quod solet ex feminarum pendere collo: dictum a munere. Zu dexterae verecundia, Hand- und Fußkuss für die Kaiser Domitian und Caligula s. W. Kühn, Plin. Paneg. Fn. zu 24, 2, S. 187, 188. Ex 29, 20 und 22; vgl. Lv 8, 23 und 25 u. a. Milosˇ Cˇizˇmárˇ, Latènezeitliche bronzene Hand- und Fußanhänger aus Mähren, S. 81–85. Funde sind Kelten, Germanen und Römern zuzuordnen.

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    schaft“. Und weiter erwähnt er „den Zenturionen Sisenna, der dextrae als Zeichen der Eintracht im Namen des syrischen Heeres an die Prätorianer überbringen sollte“1702. Ein Handschlag ist ein anerkanntes Symbol bei Vertragsabschlüssen in zwischenstaatlichen, innerstaatlichen und in privaten Beziehungen, das zeichenhaft heute noch in einigen Bereichen Gültigkeit hat. Mit ihm besiegelte man Bündnisse und Verträge. Es gibt Münzen, Ringe, Gemmen mit Abbildungen eines solchen Handschlags. In seinem Buch „Menschenhand und Gotteshand in Antike und Christentum“ beschreibt Karl Groß im Abschnitt dextrarum iunctio die rechten Hände als Symbole für das Kaiserhaus und die Verbindung zum Heer. Er schließt mit den Worten: „So bleibt das Zeichen der Hand auf den Signa und bei der dextrarum iunctio ein römisches Symbol für die Göttin Fides und der ihr verwandten Concordia, das den Glauben an ihre Gegenwart im privaten, soldatischen und öffentlichen Leben Roms bezeugt“1703. Aus vielen Ländern ist die Sitte bekannt, entsprechende Ornamente zu verschenken, die die Eintracht bezeugen sollen (auch wenn die Verträge schnell wieder gebrochen werden konnten)1704. Hierzu gibt es genügend Quellenbelege. Silke Knippschild untersucht „Drum bietet zum Bunde die Hände: rechtssymbolische Akte in zwischenstaatlichen Beziehungen im orientalischen und griechisch-römischen Altertum“ ebenso wie „Im Namen des Königs: Identifikationsmarken zur Autorisierung königlicher Befehle im Perserreich“. Sie schreibt: „Rechte Hände und die mit ihnen geleisteten Handschläge stehen als pars pro toto für Allianz“1705. Der Handschlag besiegelte auch den Ehebund; hierzu gibt es verschiedene Abbildlungen auf Sarkophagen. „Als Teil der Hochzeitszerenomie kann sie [dextrarum iunctio] nur dann angesehen werden, wenn zwischen dem Paar Concordia oder Hymenäus erscheinen und der Mann den Ehevertrag in der Linken hält. Sonst drückt sie nur allgemein die Verbundenheit der Gatten aus, manchmal meint sie wohl auch den Abschied beim Tode“1706. Dass das Symbol nicht nur in der Antike Gültigkeit hatte, beweist ein Zufallsfund, der vor kurzer Zeit in einem Garten der Wiener Neustadt 1702

    1703

    1704 1705 1706

    Tac. hist. 1, 54, 1: Miserat civitas Lingonum vetere instituto dona legionibus dextras, hospitii insigne, bzw. 2, 8, 2: centurionemque Sisennam dextras, concordiae insignia, Syriaci exercitus nomine ad praetorianos ferentem variis artibus adgressus est. Vgl. Verg. Aen. 11, 292. Karl Groß, „Menschenhand und Gotteshand in Antike und Christentum“, hier S. 393. Vgl. Silke Knippschild, „Drum bietet zum Bunde die Hände“, S. 16–54. Im Namen des Königs, S. 294. G. Koch, H. Sichtermann, Römische Sarkophage, S. 98, Abb. 97 Rom, S. Lorenzo fuori le mura und 93 Mantua.

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    entdeckt wurde. Unter den Schmuckstücken, die aus dem 13. Jh. stammen, befindet sich auch ein Ring mit dem Handschlagsymbol1707. Der Begriff dextralia für Ornamente ist durch die Kirchenlehrer überliefert und in der Vulgata dokumentiert. Laut Ex 35, 22 sind sie Stücke, die für den Tempelschatz gegeben werden. In Nm 31,50 zählen sie zum Schatz, der den Midianitern abgenommen wurde und in den Tempelschatz überging; in Jdt 10, 3 schmückt sich Judith u. a. mit dextraliola, Lilien, Ohrringen und Ringen für Holofernes. Isidor sagt in seinen Überlegungen zu Ex 35, 22: „Ferner werden durch die dextralia gute und richtige Werke ins Gedächtnis gerufen“1708. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Isidor Schmuckstücke gekannt haben wird, die die Hand oder den Handschlag zeigen. Das SH konzentriert sich hier auf das Armband mit Anhänger. 16 b. armilla Armband, Tafel 8 Wie Livius schreibt, trugen die Sabiner der Sage nach „am linken Arm goldene Armreife von großem Gewicht und großartig anzusehende edelsteinbesetzte Ringe“1709. Armspangen galten schon früh als militärische Ehrenzeichen für Männer, sie wurden an beiden Handgelenken getragen und wurden mit Scharnier und Stift geschlossen. Aus der Überlieferung berichtet Plinius, unter den zahlreichen Ehrenzeichen, die L. Siccius Dentatus (454 v. Chr.) ‚sammelte‘, seien auch 160 armillae gewesen1710. An anderer Stelle notiert er: „Hilfstruppen und Fremde nämlich beschenkte man mit goldenen torques, [römische] Bürger aber nur mit silbernen; außerdem gab man den Bürgern armillae, die man den Fremden nicht verlieh“1711. Bisher ist von metallenen Armreifen, in die man eine Medizin stecken konnte, in archäologischen Funden nichts bekannt1712. Doch wurden auch 1707

    1708

    1709

    1710 1711 1712

    Nina Schedlmayer, Kleinodien im Plastiksack, in: Profil 17, 22. April 2011, 131–135. Für den Hinweis auf diese Geste und ihre Bedeutung danke ich Franz Glaser, Landesmuseum Kärnten. Vgl. Bündnisring in c. 32. Isid. expos. in exod. 56, 5, 316: Porro per dextralia opera bona et dextra commemorantur. Liv. 1, 11, 8: Additur fabula, quod volgo Sabini aureas armillas magni ponderis brachio laevo gemmatosque magna specie anulos habuerint. Plin. 7, 102. Plin. 33, 37: praeterque armillas civibus dedere, quas non dabant externis. Zu fragen ist, ob es sich auch um kleine Kästchen gehandelt haben könnte, die, möglicherweise mit seitlichen Ösen versehen, an den Arm gewickelt werden konnten, ähnlich den jüdischen Gebetsriemen mit der Kapsel.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    genähte oder gewickelte am Arm befestigte Binden armillae genannt. Plinius überliefert eine ganze Reihe von Rezepten: „Der erste Zahn, der einem Knaben ausfällt, ohne die Erde zu berühren, verhindert, in ein Armband eingeschlossen und ständig am Arm getragen, Schmerzen an den weiblichen Geschlechtsorganen“1713. „Nach Lais und Salpe ist Menstruationsblut, in der Wolle eines schwarzen Widders in einem silbernen Armband eingeschlossen, gut gegen die Bisse tollwütiger Hunde und beim Drei- und Viertagefieber, nach Diotimos aus Theben, [genügt] aber überhaupt ein Stückchen eines so befleckten Kleides und sogar ein Faden davon in einem Armband“1714. „Wer die Zunge eines Fuchses im Armband trage, soll keine triefenden Augen bekommen“, ist ein weiterer guter Rat1715. Festus schreibt eine längere Erklärung, dass armillae aus Gold, die von den Kaisern an die Soldaten verschenkt wurden, deshalb so hießen, „weil die Alten Schultern mit Armen armi nannten“1716. Isidor in seinen Fragen zu Exodus: „Durch armillae, die die Muskeln des Oberarms zusammenziehen, werden die Werke der sehr arbeitenden Vorsteher gezeigt“1717. 16 c. virilia männlicher Armschmuck „Mögen sogar auch die Männer bereits [Goldschmuck] an den Armen tragen, [eine Sitte], die von den Dardanern stammt und deshalb auch Dardanium genannt wird; auf keltisch heißen [diese Schmuckstücke] viriolae, auf keltiberisch viriae“1718, so Plinius’ Kommentar, der ergänzt, auch die Frauen hätten armillae getragen. In der Aufzählung der Schmuckstücke wie Halsketten, Armbänder und Ringe standen die Männer den Frauen offenbar in nichts nach, der Unterschied wird in der Ausführung und im Detail gelegen haben. 1713

    1714

    1715 1716

    1717 1718

    Plin. 28, 41: pueri qui primus ceciderit dens, ut terram non attingat, inclusus in armillam et adsidue in bracchio habitus muliebrium locorum dolores prohibet. Plin. 28, 83: Lais et Salpe canum rabiosorum morsus et tertianas quartanasque febres menstruo in lana arietis nigri argenteo bracchiali incluso, Diotimus Thebanus vel omnino vestis ita infectae portiuncula ac vel licio bracchiali inserto. Plin. 28, 172: nam vulpinam linguam habentes in armilla lippituros negant. Paulus aus Fest. S. 23: Armillas ex auro, quas viri militares ab imperatoribus donati gerunt, dictas esse existimant, quod antiqui umeros cum brachiis armos vocabant; unde arma ab his dependentia sunt vocata. Isid. expos. in exod. 56, 4, 316. Plin. 33, 39: habebant in lacertis iam quidem et viri, quod ex Dardanis venit, itaque et Dardanium vocabatur; viriolae Celtice dicuntur, viriae Celtiberice.

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    16 d. circulus kreisförmiges Schmuckornament An dieser Stelle ist zu erkennen, dass Isidor sich mit dem Hieronymuskommentar zu Ez 16, 12 beschäftigt: „Und ich habe das Ohrgehänge über dein Gesicht gegeben und die circuli deinen Ohren“. Hieronymus stellt hierzu fest, dass man statt dessen nach dem Pentateuch auch sagen kann, „und ich habe das Ohrgehänge über das Gesicht ober über deine Nase, super nares tuas, gegeben“. Als Erklärung führt er an, dass die Übersetzer in diesem Fall das hebr. Wort nezem mit Ausnahme von Symmachus, der das griechische epirrinion benutzt, von Ohrgehängen schreiben. Erläuternd fügt Hieronymus hinzu, dass die kleinen goldenen Kreise, die „bis heute […] von der Stirn ins Gesicht hängen“ können, in der Form Ähnlichkeit mit Ohrringen hätten und auch die Nase anstießen1719. Clemens von Alexandreia äußert sich abfällig zu den durchbohrten Ohrläppchen und fügt hinzu: „warum denn nicht auch die Nase [durchbohren], damit wirklich jenes Wort in Erfüllung geht: ‚Wie ein goldener Ring in der Nase einer Sau, so Schönheit bei einem boshaften Weibe?‘ […] Wie nun der goldene Ring durch die Unreinlichkeit der Sau beschmutzt wird, die mit ihrem Rüssel den Kot aufwühlt, so lassen sich die üppigen Frauen durch den Reichtum zu Ausschweifungen verführen“1720. Einen allerdings symbolischen Nasenring soll der Assyrerkönig angelegt bekommen, als versprochen wird, er würde den Krieg verlieren1721. Hieronymus hält die Interpretation von circulus in der Hesekielstelle als Nasenring für Personen nicht für gerechtfertigt, und Isidor übernimmt seine Ansicht.

    1719

    1720 1721

    Hier. in Ezech. 4, 16, 1241: et dedi inaurem super os (sive nares tuas). verbum hebraicum ‚nezem‘, excepto symmacho qui interpretatus est epirrinion, omnes ‚inaurem‘ transtulerunt, non quo inaures ponantur in naribus – quae ex eo quod de auribus pendeant inaures vocantur –, sed quo circulus, ad similitudinem factus inaurium, eodem vocabulo nuncupetur; et usque hodie, inter cetera ornamenta mulierum, solent aurei circuli in os ex fronte pendere et imminere naribus. – Freundliche Mitteilung von Nahum ben Jehuda, Israel: Yehezk’el 16, 12 reads as follows: „I (God) put a nose-ring on your nose, and earrings on your ears, and a crown of glory on your head“. There is no doubt about the words here. Of course, this is the simple, not metaphoric, meaning of the verse. Clemens von Alexandreia, Der Erzieher 3, 56, 3–5. 4. Rg 19, 28.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    17 a. fibula Fibel1722 „Fixulae“ nennt Festus die Fibeln1723 und überliefert: „Gefibelt opferten die Flamen, wegen des frühesten Brauchs mit Fibeln aus Bronze1724. Sie wurden im Alltagsleben und zu besonderen Festlichkeiten von beiden Geschlechtern benutzt und dienten zum Befestigen einer Kleidung, die in der Regel ohne Knöpfe und Knopflöcher auskam. Frauenumhänge, aber auch saga, Chlamyden oder paludamenta der Männer mussten durch Fibeln geschlossen werden. Zum Thema goldene Fibeln schreibt Plinius: „Aber auch im Kriegsdienst nahm dieser Luxus derart zu, daß Briefe des M. Brutus aus dem Felde bei Philippi sich fanden, worin dieser seinen Unwillen äußert, daß von den Tribunen goldene Fibeln getragen werden“1725. Als unter Leo I. für Privatleute verboten wurde, Perlen, Smaragde und Hyazinthen (dunkler Amethyst) an der Kleidung zu tragen, wurde für die Fibeln an den Umhängen der Soldaten bestimmt: „Sie sollen auch solche Fibeln an chlamyden benutzen, die bloß durch Gold und die Kunst wertvoll sind“1726. Damit die Fibeln den Stoff nicht zerreißen konnten, war es möglich, den Verschluss mit Lederriemen zu unterstützen. Mit Fibeln und Ringen wurden laut Exodus die textilen Behänge, saga, des Tabernakels zusammengeschlossen1727. 17 b. lunula mondförmiges Schmuckstück, Abzeichen Neben dem Sonnenabzeichen war der Mond, besonders in der Form der Mondsichel, ein überall beliebtes Motiv für Schmuckstücke unterschiedlichster Art. Es gab sie als Halsschmuck oder in Form von Ohrringen1728. „Die Frauen haben herunter hängende kleine runde Gebilde in Nachahmung des Mondes, die wir zum Schmuck der Kirche verwandeln“, sagt Hieronymus in seinem Kommentar zu Jesaja1729. 1722 1723 1724

    1725 1726 1727

    1728 1729

    Siehe auch Fibel in c. 33 als Gürtelschließe. Fest. S. 80. Fest. S. 100: Infibulati sacrificabant flamines propter usum aeris antiquissimum aereis fibulis. Vgl. c. 24, 15. Plin. 33, 39. CJ 12(11), S. 433, Leo I. von Byzanz (Regierung von 457–474). Ex 26, 10–11: facies et quinquaginta ansas in ora sagi unius ut coniungi cum altero queat et quinquaginta ansas in ora sagi alterius ut cum altero copuletur quinquaginta fibulas aeneas quibus iungantur ansae et unum ex omnibus operimentum fiat. Das C am Schuh stand für Centum und war als Mondsichel ausgebildet, vgl c. 34, 3b. Hier. in Is 73, 2, 3.

    c. 31 Vom Kopfputz der Frauen

    457

    18. speculum Spiegel Die wichtigste Quelle in Fragen zur Technik der Spiegelherstellung ist Plinius, und aus seinen Schriften sind die folgenden Aussagen übernommen: Spiegel schlug man aus gut poliertem Silber; da Silber teuer war, lohnte es sich offenbar, es durch Betrug zu verfälschen. Zerrspiegel erhielt man „durch die Formgebung des Materials“. Dabei kam es sehr „darauf an, ob [die Spiegel] hohl [waren] und becherartig oder, wie beim thrakischen Schild, in der Mitte eingedrückt“. Die besten kamen aus Brindisi, sie bestanden „aus einem Gemisch von Werkblei und Kupfer. [… Später] wurden die silbernen vorgezogen“. „Vor kurzem“, so Plinius weiter, „entstand die Meinung, das Bild werde deutlicher zurückgeworfen, wenn man die Rückseite mit Gold belegt“1730. Weiter dokumentiert er, dass man „auch sehr geschätzte Spiegel“ aus Kupfer mit einem Überzug aus stagnum, Silber und Blei in Brindisi herstellte, „bis sogar die Mägde anfingen, solche aus Silber zu verwenden“1731. Glasspiegel waren selten, der Sage nach sollen sie in Sidon erfunden worden sein; das Glas wurde hier „teils durch Blasen, teils durch Bearbeitung auf der Drehscheibe, teils durch Ziselieren“ angefertigt1732. In der Praxis bedeutete dies, dass Spiegel immer einen wichtigen Platz innerhalb eines Haushaltes hatten. Sie waren für Frauen und Männer wichtig, denn Schönheitspflege hatte einen hohen Stellenwert. Gellius äußert sich allerdings in verächtlicher Eloquenz über Männer, die ihre Zeit vor dem Spiegel verbringen1733. Den Kirchenvätern waren Spiegel stets Stein des Anstoßes, weil man sich ihrer Hilfe in vielfacher Hinsicht bediente, um sein Aussehen der Mode anzupassen – eine Anstrengung, die z. B. in dem oben angeführten Text in Cyprians Schrift De habitu virginum nachzulesen ist1734. Laut Exodus wurden die kupfernen Rückseiten der Spiegel der Frauen zu Becken und Gestell für den Altar des Tabernakels umgearbeitet1735.

    1730 1731 1732

    1733 1734 1735

    Plin. 33, 127–130. Plin. 34, 160. Plin. 36, 193–194: Plinius spricht außerdem davon, dass es inzwischen ein neues Herstellungsverfahren für Glas gab, das auch in Spanien und Gallien angewandt wurde. Gell. 6, 12, 5. Cyprian. hab. virg. c. 12–21. Ex 38, 8.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    19 a. periscelis Beinschmuck, Tafel 21 Frauen trugen Gold um die Fußknöchel1736. „Manchmal rückt das Silber auch an die Stelle des Goldes, und zwar durch die Prunksucht der Frauen aus dem Volke, die sich daraus compedes anfertigen lassen, denn goldene zu tragen verbietet ihnen eine allzu überlebte Sitte“1737. In Hieronymus’ Kommentar zu Jesaja findet sich die Vorlage zu Isidors Satz: „und periscelidae, durch die unser Gang verschönt wird“1738. Eucherius bestätigt, sie seien Schmuck weiblicher Schienbeine1739. Das Beispiel der Merowingerkönigin Arnegunde zeigt, dass Riemen bis zu den Knien die leichten Schlupfschuhe halten konnten. Kunstvoll gestaltete Ornamente an diesen Riemen verstärkten den Schmuckeffekt. Amalar beschreibt im 10. Jh. die zu den Sandalen des Klerus gehörenden Beinriemen, die er Ligaturen nennt. Sie werden je nach Stand des Trägers unterschiedlich ausgeführt1740. 19 b. olfactoriolum Salb- und Parfümgefäß „Bisher hatten im Bereich der Riechstoffe die Wälder einen Wert, und jeder einzelne war für sich erstaunlich; an Üppigkeit hat man Gefallen gefunden, dies alles zu mischen und aus allen zusammen einen einzigen Duft zu schaffen: so wurden die Salböle erfunden. […] Die Salbe muss eine Erfindung des Volks der Perser sein. Diese triefen davon und vertreiben durch Anwendung dieses künstlichen Wohlgeruches den durch Unsauberkeit erzeugten üblen Gestank“, findet Plinius1741. Sicher wurden auch die Haare parfümiert. Die Liste der von ihm beschriebenen Duft- und Parfümstoffe ist sehr lang. Aus der Fülle der Möglichkeiten soll hier der am meisten geschätzte Duft in Auszügen beschrieben werden: „Allen Riechstoffen wird aber der vom Balsambaum vorgezogen, der Judäa allein von allen Ländern vorbehal1736 1737

    1738 1739

    1740 1741

    Plin. 33, 39: mulierum pedibus aurum gestari tacuisti. Plin. 33, 152. Den Begriff compedes gebraucht auch Cyprian anstelle von periscelides in seiner Schrift über das Aussehen der Jungfrauen, c. 21: sint a compedibus aureis pedes liberi. Hier. in Is. 73, 2, 3: et periscelidas quibus noster gressus ornatur. Eucher. instr. 2, 209: Periscellidae in Esaia, ut quidam dicunt, apud feminas crurum ornamenta. Amalar, De ecclesiasticis officiis, 2, 25, in: Migne Pl 105, Sp. 1100. Plin. 13, 1, dazu 3: Hactenus in odoribus habebant pretia silvae, erantque per se mira singula; iuvitque luxuria omnia ea miscere et e cunctis unum odorem facere: ita reperta sunt unguenta.

    c. 31 Vom Kopfputz der Frauen

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    ten ist und einst nur in zwei Gärten gezogen wurde, beide in königlichem Besitz, von denen der eine nicht mehr als zwanzig Jucharte groß, der andere noch kleiner war. Die beiden Kaiser Vespasianus zeigten zuerst Rom diesen kleinen Baum, und es mag rühmend mitgeteilt werden, daß wir seit Pompeius dem Großen auch Bäume im Triumph mitgeführt haben. Jetzt dient uns der Baum und leistet uns gemeinsam mit seinem Volk Abgaben […]. Der aus der Wunde fließende Saft, opobálsamon genannt, ist von außerordentlicher Süßigkeit […]. Auch die Zweige sind im Handel. Der Schnitt allein und der Schößling wurden innerhalb von fünf Jahren nach der Eroberung Judäas um 800 000 Sesterzen verkauft; man nennt jenen Holzbalsam, xylobalsamon, und kocht ihn (für die Herstellung) von Salben […]. Am meisten schätzt man jedoch die Tränen […]. [Der Balsam] wird auch verfälscht mit dem Öl der Rose, des Hennastrauches, des Mastix, des Bennußbaumes, des Terpentinbaumes, der Myrte, (ferner) mit Harz, Galbanum und zyprischem Wachs, was eben gerade zur Verfügung steht; am schlimmsten aber mit dem Gummi […]. Das beste Kennzeichen für seine Echtheit ist, daß er Milch zum Gerinnen bringt und auf Kleidern keine Flecken macht“1742. Höchst interessante Salbenrezepte, in denen ätherische Öle verarbeitet wurden, überliefert Plinius, viele davon im 13. Buch1743: „Alles ist ausländisch und ungeheuerlich sind die Preise“ z. B. für die Zimtsalbe1744. Eine ganze Reihe von Salbendöschen sind erhalten geblieben, besonders wertvolle bestanden aus Muscheln, in denen die Perlen noch festsaßen. Nicht nur Frauen, auch römische Männer liebten Parfüm, das im Alltag in der Regel erst in Verbindung mit der abendlichen Hauptmahlzeit benutzt wurde. Reichliche Verwendung fanden die Duftstoffe bei Bestattungen1745. Martial zieht die gedankliche Verbindung: „Laß dich in die Polster fallen, bestelle den Wein, nimm Rosen, beträufle dich mit Nardenöl! Der Gott selbst fordert dich auf. Denk an den Tod!“1746. „Narde und Safran, Röhrenkassia und Zimt mit allen Hölzern des Libanon, Myrrhe und Aloe mit allen erstklassigen Salbölen“ sind zusammen mit anderen schönen Din1742

    1743 1744 1745

    1746

    Plin. 12, 111–123. Auch heute sind Parfüme und Salben teilweise teuer. So kosten 50 ml Parfüm von Clive Christian in Hannover 796 3, und vom Inhaltsstoff einer Creme heißt es von Daniel Maes, Forschungsleiter aus dem Estée-Lauders-Labor, sie enthalte einen aus hawaiianischem Tiefseewasser gewonnenen Mineralstoff-Mix, dieser koste bis zu 13 000 3 pro kg. Am ausführlichsten in Plin. 13, 1–26. Plin. 13, 15. Hor. sat. 2, 7, 55; Juv. 4, 108–109, dazu J. Adamietz, Kommentar, FN 46 und 47, S. 346; Plin. 13, 3: „und man begann, auch den Toten damit Ehre zu erweisen“. Mart. 2, 59: frange toros, pete vina, rosas cape, tinguere nardo: ipse iubet mortis te meminisse deus. Vgl. c. 29 b Exkurs, Stichwort Motten.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    gen in einem Liebesgarten zu finden, den das Hohelied Salomos beschreibt1747. Olfactoriolae waren nicht nur als Riechfläschen begehrt, sie dienten auch zur Aufbewahrung von Medizin1748. Mit einem sehr kostbaren Nardenöl aus einem Alabastrum genannten Fläschchen im Wert von mehr als 300 Silberdenaren wurde Jesus von einer Frau kurz vor seinem Tode gesalbt1749.

    c. 32 Von den Fingerringen 1–2 circulus, anus, anulus, sigillum, insigne, 4. Ringe für Frauen, 5 a. ungulus, 5 b. Samothracius, 6. Thynius Zusatzinformationen: Siegelring, Ritterring, Ring für besondere Verdienste, Bündnisring, Treuering, Trageweisen, Ringe für den persönlichen Gebrauch, Gewohnheiten, Giftring „Weil die Welt nach Gold, Silber, Elektron [Gold mit einem Fünftel Silberanteil] und Kupfer verlangt …“1750. „Du aber versagst die Gabe mit der Ausrede, es sei dir unmöglich, ihrer Bitte zu willfahren. Du beschwörst mit der Zunge, was deine Hand Lügen straft mit dem funkelnden Diamantring am Finger. Wieviele [Menschen] könnte dieser eine Ring von den Schulden befreien!“1751 Plinius hält in seiner Naturgeschichte eine lange Abhandlung über Geschichte, Anwendung und Gebrauch von Ringen für wichtig; seine Hinweise, verteilt auf verschiedene Stellen, können hier nur in Auszügen wiedergegeben werden. Isidor widmet diesem Themenkomplex ein ganzes Kapitel, in der Reihenfolge seiner Aufstellung weicht er jedoch vom Pliniustext ab1752. Zur geschichtlichen Entwicklung sagt Plinius: „Wir reißen [der Erde] ihr Eingeweide heraus, damit wir einen Edelstein an dem Finger tragen, mit dem wir sie angreifen. Wieviel Hände reiben sich auf, damit nur ein Fingerglied glänzen kann!“1753.

    1747 1748 1749 1750 1751 1752 1753

    Ct 4, 14. Plin. 20, 92. Mt 26, 6–13; Mc 14, 3–9; Lc 7, 37; Jo 12, 3–7. Plin. 33, 1. Basilius der Große von Cäsarea, Predigt 6 über Mt 19, 16 an die Reichen, c. 4, S. 248. Plin. z. B. 33, 1–41; Buch 37 in Verbindung mit Edelsteinen. Plin. 2, 158: viscera eius extrahimus, ut digito gestetur gemma, quo petitur.

    c. 32 Von den Fingerringen

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    1–2. circulus, anus, anulus, sigillum, insigne Ringe als Erkennungszeichen „Das schlimmste Verbrechen gegen die Menschheit beging der, welcher zuerst Gold an die Finger steckte, aber wer dies tat, wird nicht berichtet. Denn alles, was man über Prometheus erzählt, betrachte ich als Mythos, obgleich das Altertum auch ihm einen eisernen Ring gab und diesen als Fessel, nicht als Schmuck angesehen haben wollte“1754, meint Plinius. Die Übereinstimmung Isidors mit ihm wird in dem Teil deutlich, den Plinius im Zusammenhang mit Edelsteinen schreibt: „[…] einige [Edelsteine] stellt man aber über jeglichen Preis und jede Schätzung menschlicher Reichtümer […]. Die Sagen verlegen den Anfang an einen Felsen des Kaukasus, mit einer verhängnisvollen Deutung der Fesseln des Prometheus, wonach damals zuerst ein Stück von jenem Felsen in Eisen gefaßt und um den Finger gelegt worden sei: das Eisen sei der Ring gewesen und der Felsen der Edelstein“1755. Siegelring Der Siegelring war ein wichtiges Instrument. Neben Dokumenten wurden auch andere Gegenstände gesiegelt; denn schon bevor in den großen Haushalten der Reichen die Schar der Sklaven so groß geworden war, dass der Hausherr einen eigenen Sklavennenner brauchte, siegelte man auch die Kleidertruhen, die Tafelgeräte und die Vorräte, damit sie nicht entwendet wurden1756. Die Siegelbilder waren dem Luxus und der Mode unterworfen; es gab sie aus ziseliertem Gold oder mit geschnittenen Edelsteinen. Die besten Abdrücke erhielt man von einer Jaspisart, die man Sphragiden nannte1757. Ab wann Siegelringe in Gebrauch waren, weiß Plinius nicht genau, Homer spreche von Knoten, mit denen man Briefe und Truhen versiegelt habe1758. Er vermutet sogar, das es zuerst Ringe gab und dann erst Münzen, denn, wie er sagt, war es die „Gewohnheit des Volkes, bei Bürgschaften auch jetzt noch einen Ring hervorzuziehen“1759. Kaiser Augustus räumte seinen Freunden während der Bürgerkriege weitgehende Vollmachten ein, 1754 1755 1756 1757 1758 1759

    Plin. 33, 8. Plin. 37, 1–2. Plin. 33, 12. Plin. 33, 23 und 24; 37, 117. Plin. 33, 12. Plin. 33, 28.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    dazu gehörte auch das Absenden von Briefen und Verordnungen. Sie bekamen daher einen Siegelring, der eine Sphinx darstellte, denn er hatte zwei gleiche unter den Ringen seiner Mutter gefunden. Augustus siegelte später mit einem Bild Alexanders des Großen1760, nach Cassius Dio mit seinem eigenen Bild1761. Plinius zählt noch andere Siegelbilder auf, darunter fällt ein von Maecenas benutzter Frosch, der bei Steuererhebungen verwendet wurde1762. Als der Augustus meinte sterben zu müssen (23 v. Chr.), traf er alle nötigen Vorbereitungen für die Zeit nach seinem Tod „und händigte seinem Schiegersohn Agrippa seinen Siegelring aus“. Doch sein Arzt Antonius Musa, ein Freigelassener, konnte ihn wieder retten und erhielt zum Dank dafür neben einer Reihe von anderen Geschenken das Recht, „goldene Ringe zu tragen“1763. Sueton berichtet, Kaiser Tiberius (14–37) habe man, als er im Sterben lag, den Ring abgezogen, als er ihn wieder zurückverlangte, „habe man ihn mit einem Kissen erstickt“. Er war zu unbeliebt geworden. Andererseits soll gemäß Seneca der Kaiser bis zuletzt die Linke mit dem Ring zusammengepresst und ihn nicht abgegeben haben1764. Auch Cassius Dio nimmt sich des Themas an: Julius Caesar „huldigte“ im Allgemeinen „der Venus […]. Er trug daher auch einen Siegelring, dem das Bild der ‚Venus in Waffen‘ eingraviert war“1765. Beamte des Römischen Reiches, „die [im 3. Jh. v. Chr.] außer Landes gingen“, bekamen Siegelringe aus der Staatskasse1766. Nach Apuleius konnten auch Sklaven mit ihren eisernen Ringen siegeln1767. Die Vulgata erzählt viele Geschichten, in denen Siegelringe eine Rolle spielen. So ist zu lesen, dass Josef den Ring des ägyptischen Königs überreicht bekam, als er zum Bevollmächtigen über Ägypten bestellt wurde1768. Der Prophet Jeremia sagt zum König von Juda: „So wahr ich lebe, spricht der Herr: Wenn Konja, der Sohn Joachims, ein Siegelring wäre an meiner rechten Hand, so würde ich ihn abreißen“1769. Um sich widerrechtlich einen Weinberg anzueignen, schickte Königin Isebel mit dem Siegel des Königs 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768 1769

    Plin. 37, 10. Vgl. Suet. Aug. 50, 1. Cass. Dio 51, 3, 6. Plin. 37,10. Cass. Dio 53, 30, 2 und 3. Suet. Tib. 73, 2. Vgl. auch Cal. 12, 3. Cass. Dio, 43, 42, 3. Cass. Dio Fragm. 10, Zonaras 8 (6), Bd. 1, S. 232. Apul. met. 10, 9, 4–5 und 10, 3. Gn 41, 42. Ier 22, 24: vivo ego dicit Dominus quia si fuerit Iechonias filius Ioachim regis Iuda anulus in manu dextera mea inde avellam eum.

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    Ahab versehene falsche Botschaften an die Ältesten des Landes1770. Als Daniel in die Löwengrube geworfen wurde, siegelte der König den Stein, der die Grube schloss, nicht nur mit seinem eigenen Ring, sondern auch mit dem der Mächtigen des Landes1771. Clemens von Alexandreia rät Männern, den Frauen zu erlauben, einen goldenen Siegelring zu tragen: „damit sie, weil ihnen die Sorge für den Haushalt übertragen ist, mit ihm Dinge versiegeln können, die im Hause besonders sorgfältige Aufbewahrung verdienen“1772 Der Bischofsring gehört für Isidor zu den Insignien des Amtes, die zusammen mit den entsprechenden liturgischen Kleidungsstücken und dem Hirtenstab zum Amtsantritt übergeben werden1773. Ein genaues Aussehen kann nicht beschrieben werden.

    Ritterring Schien es zunächst eine einfache Aufgabe zu sein, über den Ritterring, zumal den goldenen Ritterring zu schreiben, erwies es sich am Ende als schwierig, zu eindeutigen Aussagen zu kommen1774. Zur Geschichte der Ringe gehört die Geschichte des zweiten Standes der Ritter und Richter, die Plinius zusammenfasst und erläutert1775. Dabei ist dies interessant: „Die Ringe schieden […] den zweiten Stand vom Volke, wie die Tunika den Senat von den Ringträgern […]. Die Ringe haben aber geradezu einen dritten Stand mitten zwischen dem Volk und den Vätern eingefügt, und den Namen, den früher die Kriegsrosse gegeben hatten, verleihen jetzt die Kennzeichen des Geldbesitzes. Auch dies besteht noch nicht lange. Als der göttliche Augustus die Dekurien ordnete, trug der größere Teil der Richter einen eisernen Ring, und sie wurden nicht Ritter, sondern Richter genannt. Der Name Ritter bezog sich nur auf diejenigen Reiterabteilungen, die auf Staatskosten Pferde erhalten hatten“1776. Plinius nach zu urteilen, gelangte 1770 1771

    1772 1773

    1774

    1775 1776

    3. Rg 21, 8. Dn 6, 17: quem obsignavit rex anulo suo et anulo optimatum suorum ne quid fieret contra Danihel. Clemens von Alexandreia, Der Erzieher 3, 57, 1. 4. Konzil von Toledo c. 28, Mansi 10, Sp. 617. Isid. eccl. off. 2, 5, 12: datur baculus […] et anulus propter signum pontificalis honoris vel signaculum secretorum. So kommt B. H. Spalthoff, Repräsationsformen des römischen Ritterstandes, 2010, S. 19–27, zu teilweise anderen Ergebnissen. Plin. 33, 29–36. Plin. 33, 29: Anuli distinxere alterum ordinem a plebe, ut semel coeperant esse celebres, sicut tunica ab anulis senatum, quamquam et hoc sero.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    der Ritterstand erst unter Tiberius zu einer Einheit, und 23 n. Chr. wurde eine Regelung über „das Vorrecht der Ringe getroffen, und zwar“, wie der Autor befindet, „aus einem fast nichtigen Anlaß: C. Sulpicius Galba, der in jugendlichem Eifer beim Kaiser durch Bestrafung der Trinkstuben sich Ansehen verschaffen wollte, führte im Senat Beschwerde darüber, daß die Aufseher dieser unerlaubten Betriebe sich gewöhnlich durch Ringe schützten. Aus diesem Grund wurde festgesetzt, daß niemand dieses Recht habe, der nicht persönlich von seinem Vater und Großvater her freigeboren sei, ein Vermögen von 400 000 Sesterzen versteuere und nach dem julischen Theatergesetz in den (ersten) vierzehn Reihen seinen Sitz habe1777. Daraufhin setzte scharenweise das Rennen nach dieser Auszeichnung ein. Wegen dieser Rangesunterschiede fügte Kaiser Caligula noch eine fünfte Dekurie hinzu, und nun hat (das Jagen) nach dieser ‚stolzen‘ Stellung solche Formen angenommen, daß die Dekurien, die unter dem göttlichen Augustus nicht aufgefüllt werden konnten, diesen Stand nicht mehr fassen und sogar Freigelassene, die eben noch Sklaven gewesen waren, überall zu dieser Auszeichnung einen Sprung machen, was vorher niemals der Fall gewesen war, weil man sowohl Ritter als auch Richter an ihrem eisernen Ring erkannte“1778. Galba (68–69) wohnte zusammen mit drei Personen im Palast. Einer war der Freigelassene Icelus und hatte nach Sueton vor nicht allzu langer Zeit goldene Ringe „und den Beinamen Marcianus als Auszeichnung erhalten, und jetzt wartete er bereits auf die höchste ritterliche Würde“1779. Einen direkten Zusammenhang zwischen dem goldenen Ring und dem Ritterstand stellt Sueton an anderer Stelle her. Zur Zeit Galbas spricht er von jungen Leuten aus dem Ritterstand, die „Freiwillige“ hießen und vor Galbas Tür Wache stehen sollten, aber „den goldenen Ring weiterhin tragen durften“; und aus der Zeit des Vitellius (69) berichtet er, dass dieser an einen Günstling Goldringe verschenkte und ihn damit in den Ritterstand beförderte1780. Zu den silbernen Ringen sagt Plinius nur: „Wir sahen selbst auch den Arellius Fuscus silberne Ringe tragen, der infolge einer unerhörten Verleumdung […] aus dem Ritterstande ausgeschlossen worden war“1781. 1777

    1778

    1779 1780 1781

    Bei Suet. Caes. 33 ist gleichfalls vom „ius anulorum“ und den 400 000 Sesterzen die Rede. Plin. 33, 32–33. L. Roscius Otho, Volkstribun 67 v. Chr., Prätor 63 v. Chr. „setzte ein Theatergesetz durch, wonach dem Ritterstand die ersten 14 Reihen im Theater reserviert werden sollten“. Vgl. Plin. 7, 117 und FN. Suet. Galba 14, 2: ac iam summae equestris gradus candidatus. Suet. Galba 10, 3; Vit. 12. Plin. 33, 152. Arellius Fuscus gilt als einer der Lehrer von Plinius und Ovid.

    c. 32 Von den Fingerringen

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    Um 300 blickt Cassius Dio zurück: „Bei den alten Römern durfte […] niemand, weder ein ehemaliger Sklave noch auch ein Freigeborener, goldene Ringe tragen, ausgenommen die Senatoren und Ritter“. Wenn demnach ein Freigelassener von einem Herrscher [Augustus, hier zwischen 41–37 v. Chr.] einen goldenen Ring bekam, bedeutete es, dass der Herrscher diesen Freigelassenen als im Rang über einem Freigeborenen sah und er ein Ritter werden konnte. Ein Ritter war er damit also noch nicht1782. In das Bewusstsein der Römer hatte sich eingegraben, dass im zweiten Punischen Krieg viele Römer und befreundete Verbündete besiegt worden waren. Zur Bestätigung der Nachricht ließ Mago, Hannibals jüngerer Bruder und Überbringer der Siegesnachricht, laut Livius im Vorhof des Rathauses von Karthago goldene Ringe ausschütten, die man den Gefangenen und Toten abgenommen hatte, „die einen solchen Haufen ergaben, daß – einigen Schriftstellern zufolge – sich beim Abmessen dreieinhalb Scheffel ergaben. Wie die mündliche Überlieferung, die der Wahrheit näher kommt, festgehalten hat, waren es nicht mehr als ein Scheffel. Seinem Bericht fügte er dann hinzu, […] niemand außer den Rittern und auch unter diesen selbst nur die Angesehensten trügen dieses Abzeichen“. Livius war der Ansicht, dass die Ritter von Servius Tullius, dem sagenhaften sechsten König der Römer, in einen der fünf Stände eingeteilt worden seien. Von goldenen Ringen als Abzeichen ist an dieser Stelle nicht die Rede1783. Bei Plinius sind es drei, nach Florus zwei Scheffel, die in Karthago gezählt wurden. Um dem Staat wieder Handlungsfreiheit zu geben, „streckte der Senat seine eigenen Mittel gerne vor, und außer dem Goldanteil, der in bullae und in jedem einzelnen Ring war, ließ keiner für sich selbst einen Goldvorrat zurück. Die Ritter folgten dem Vorbild, und die Stimmbezirke ahmten die Ritter nach1784. Augustinus schreibt wieder von drei Scheffeln goldener Ringe, an denen „man erkenne: in dieser Schlacht sei soviel römischer Adel gefallen, daß man ihn nur messen, aber nicht zählen könne, und damit man glauben solle, daß die Menge der Toten im übrigen Heer, die, da sie niedrigeren Standes und daher ohne Ringe gefallen, jedenfalls umso zahlreicher war […] und nicht gezählt werden konnte“. Er fügt hinzu, dass man anschließend das Heer mit bisherigen Sklaven auffüllen musste, der leeren Staatskasse wegen die Waffen aus den Tempeln holte und alle Stände ihr Vermögen, 1782 1783

    1784

    Cass. Dio 48, 45. Liv. 23, 12, 1–2: Ad fidem deinde tam laetarum rerum effundi in vestibulo curiae iussit anulos aureos, qui tantus acervus fuit, ut metientibus dimidium supra tres modios explesse sint quidam auctores: fama tenuit, quae propior vero est, haud plus fuisse modio. Liv. 1, 43: Einteilung des römischen Volkes in fünf Klassen. Plin. 33, 20; Flor. epit. 1, 22, 18: modii duo anulorum, bzw. Flor. epit. 1, 22, 24.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    auch die Senatoren alle Ringe und goldenen bullae bis auf je einen für die Löhnungen hergeben mussten1785. Unbestreitbar sind im punischen Krieg viele Römer gefallen, die Geschichte um ihre goldenen Ritterringe gehört aber an dieser Stelle in das Reich der Legenden, und der Stand der Ritter ist nicht mit dem zweiten Stand des 1. Jh. v. Chr. gleichzusetzen. Es gibt keinen direkten Verweis auf ein Aussehen der goldenen Ringe, oder ob ein bestimmtes Identifikationsmerkmal eine Zugehörigkeit speziell zum zweiten Stand erkennen lässt. Auch gibt es keinen Hinweis, ob die Ringe mit oder ohne Edelsteine getragen werden konnten. Denkbar wäre die Verleihung eines Siegelrings an die Juristen, den sie für ihre Amtsführung benötigten; ob dies auch für die Reiter galt, ist fraglich. Nach der Neuordnung durch Tiberius bleibt die ausdrückliche Betonung des Goldes ausschlaggebend, und Funde von Bronze- und Silberringen liefern zusammen mit den Bemerkungen von Plinius Hinweise, dass dies das wichtige Kriterium war. Im Laufe des 3. Jhs. ergaben sich Veränderungen innerhalb der Grundstruktur der Gesellschaft. Ein Teil des Ritterstandes stieg in den Senatorenstand auf, hingegen verloren die niederen ritterlichen Ränge seit Konstantin zunehmend an Bedeutung1786. Isidor führt ihre Ringe in seiner Aufstellung nicht mehr auf. Ring für besondere Verdienste, Tafel 10 AMO TE MERITO – „ich liebe dich nach Verdienst“, steht auf einem goldenen Ring, der im Römisch-Germanischen Museum in Köln aufbewahrt wird. Bündnis- und Treueringe, vgl. dextrae, dextralia in c. 31, 16 a, Tafel 10 Während der Regierung des Claudius (41–54) bestand ein auszeichnendes Vorrecht für diejenigen“, die „das Bild des Kaisers aus Gold am Ring“ tragen durften, sie bekamen nämlich freien Zugang zum Herrscher. „Dem allen machte der heilbringende Regierungsantritt des Kaisers Vespasian (69–79) ein Ende“1787. 1785

    1786 1787

    Aug. civ. 3, 19, S. 190–192: Unde tres modios anulorum aureorum Carthaginem misit, quo intellegerent tantam in illo proelio dignitatem cecidisse Romanam, ut facilius eam caperet mensura quam numerus. E. Herrmann-Otto, Die Gesellschaftsstruktur der Spätantike, S. 183–185. Plin. 33, 41.

    c. 32 Von den Fingerringen

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    Einen besonders schönen Goldring besitzt die Münchener Antikensammlung. Er stammt vom „Heidehübel“ bei Rheinheim im Saarland, trägt seitlich die Bilder von Marc Aurel und Faustina und in der Mitte den Händedruck zweier rechter Hände. Die Inschrift lautet: SIT IN EUM CONCORDIA. Aus dem 4. Jh. sind goldene und bronzene Treueringe mit der Inschrift fidem und verschiedenen Kaisernamen der konstantinischen Zeit gefunden worden. Es wird vermutet, dass sie eine ähnliche Funktion wie die Bündnisringe hatten1788. Ein silberner Ring mit der Inschrift DEXTRARUM IUNCTIS und dem Handschlag auf der Vorderseite befindet sich im Römisch-Germanischen Museum in Köln1789. Trageweisen Plinius hält es für möglich, dass man zunächst höchstens Eisenringe getragen habe; sie seien ein Zeichen der kriegerischen Tapferkeit, weshalb man sie im Triumph trug: „War doch der Ring aus Eisen, gleich dem des Sklaven, der den Kranz vor sich hielt. So triumphierte C. Marius über Iugurtha und er soll vor seinem dritten Konsulat keinen goldenen Ring genommen haben. Auch diejenigen, welche wegen einer Gesandtschaft goldene Ringe erhalten hatten, trugen diese nur in der Öffentlichkeit, zu Hause aber eiserne“1790. „Wer es auch immer war, der [die Ringe] zuerst einführte, er machte es nur zögernd: er steckte sie an die linke Hand“. Plinius begründet dies damit, dass die meisten Standbilder, z. B. das des Romulus auf dem Kapitol, keinen Ring zeigten1791. Weiter schreibt er: „Anfänglich war es Sitte, (die Ringe) nur an je einem Finger zu tragen, und zwar an jenen, die dem kleinsten am 1788

    1789 1790

    1791

    Für diesen Hinweis danke ich Yvonne Schmuhl, München. Abb. mit Literaturhinweisen finden sich auf der CD zum Ausstellungskatalog Konstantin der Große, Trier 2007, Stichwort Treuering. Vgl. auch A. Demandt, Geschichte der Spätantike, S. 197: „Beliebt waren Spangen und Ringe, die Bilder des Kaisers, Treuegelübde oder Segenswünsche für ihn enthielten“. Weiterführende Angaben zum „Händefassen“ siehe Gell. 20, 10. Plin. 33, 9; 11–12. Auch heute wird die „Eiserne Hochzeit“ nach der Goldenen und der Diamantenen Hochzeit gefeiert. Plin. 33, 13 und 9. Macr. Sat. 7, 13, 13, äußert um 400 die Ansicht, dass man den Ring deshalb an der linken Hand getragen habe, weil diese nicht so stark beansprucht werde, weshalb die kostbaren Edelsteine im Ring nicht so leicht beschädigt würden. – Ringe zu tragen galt zunächst als griechische Sitte. Vgl. B. H. Spalthoff, Repräsentionsformen des römischen Ritterstandes, der viele Standbilder gesammelt hat, deren Träger mit Ringen dargestellt sind, S. 21–27.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    nächsten sind. So sehen wir es an den Statuen des Numa und des Servius Tullius. Später steckte man sie an den Finger, der dem Daumen am nächsten ist, auch an Götterbildern, dann machte es Freude, sie auch dem kleinsten zu geben“. Gallier und Britannier trugen ihn am Mittelfinger, den die Römer allein ausnahmen. „Alle übrigen werden belastet, sogar die Fingerglieder für sich mit besonderen kleineren. Es gibt Leute, die alle Ringe zusammen nur an den kleinsten Finger stecken, andere aber auch an diesen nur einen, wodurch sie ihn als siegelnden bezeichnen“1792. „Noch laßt euch irreführen […] durch die Reihe der Ringe, die an die Finger gesteckt sind. Vielleicht ist unter ihnen der am meisten Gepflegte ein Dieb“, denkt Ovid1793. Gellius führt den Gedanken weiter, warum man den Ring an den linken Ringfinger steckte, der dem kleinsten Finger am nächsten ist: „Apion giebt in seinen ‚Aegypten‘ betreffenden Schriften als Grund dieser Sitte folgendes an: Bei Zergliederung und Oeffnung menschlicher Leichname, wie sie in Aegypten vorgenommen werden, wofür die Griechen den Ausdruck Anatomie gebrauchen, machte man die Entdeckung, dass ein gewisser sehr zarter Nerv von diesem einen, besagten Finger ununterbrochen bis zum menschlichen Herzen sich erstrecke, deshalb es nicht ungereimt erschienen sei, gerade diesen Finger durch eine solche Ehre auszuzeichnen, da er in so enger Verbindung mit dem Hauptsitz der Seele zu stehen schien“1794. Diese Vorstellung überliefert Isidor nicht nur in seinen Etymologien, sondern auch in seiner Schrift De Ecclesiasticis officiis1795. Quintilian hält es für eine Stilfrage, wenn er mahnt: „Die Hand soll nicht mit Ringen überladen sein, zumal nicht mit solchen, die höher sitzen als auf dem mittleren Fingerglied“1796. Ringe für den persönlichen Gebrauch Der Mode war es vorbehalten zu bestimmen, entweder viele kleine Ringe am kleinsten Finger zu tragen oder nur einen, den man als Siegelring hervorzuheben gedachte. Außerdem galt ein einzelner Ring am kleinsten Finger als Understatement, mit dem man hervorheben wollte, dass man noch wertvolleren Schmuck zu Hause besaß1797. „Sechs Ringe trägt Charinus an 1792 1793 1794 1795 1796 1797

    Plin. 33, 24–25. Ov. ars 3, 446–447: Anulus in digitis alter et alter erit. Gell. 10, 10, 2. Isid. eccl off. 2, 20, 8. Quint. inst. 11, 3, 142. Plin. 33, 25.

    c. 32 Von den Fingerringen

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    jedem Finger und legt sie auch bei Nacht nicht ab, noch wenn er badet. Was der Grund sei, fragt ihr mich? Er hat kein Ringkästchen“, dichtet Martial1798. Ringe für Frauen Frauen bekamen einen Ring zur Verlobung von ihrem zukünftigen Partner geschickt, dieser bedeutete das Heiratsversprechen. Nach Plinius wird „auch jetzt noch der Braut anstelle eines Geschenkes ein eiserner Ring, und dieser ohne Edelstein, zugesandt“1799. Auf Hochzeitssarkophagen besiegeln Braut und Bräutigam in Gegenwart der Göttin Concordia mit dem Handschlag der rechten Hände ihren Ehebund. Möglicherweise kann ein Ring mit dem Handschlag eine Erinnerung an einen solchen Akt sein, doch konnte dies bisher nicht nachgewiesen werden1800. Für Juvenal galt: der Ring am Finger einer Frau war das Pfand für das Heiratsversprechen1801, genauso wie für Isidor1802. Er wird nicht umsonst diesen Bericht an eine so wichtige Stelle gesetzt haben. Vielleicht erhielten die Nonnen zu ihrer Einsegnung in seiner Zeit einen eisernen Ring. In der Familie der Quinctier war es „Brauch, dass nicht einmal die Frauen Gold trugen“1803. Doch es blieb nicht bei den eisernen Ringen, unzählige Geschichten ranken sich um kostbarste Ringe an Frauenhänden. Sogar an die Füße der Frauen wurden Ringe angelegt1804. Offenbar waren auch römische Frauen daran interessiert, eine sehr dünne Figur zu haben. Das musste nicht immer mit männlichen Idealen gleichgesetzt werden, sonst könnte Martial nicht dichten: „Keine dünne Freundin, Flaccus, will ich haben, an deren Arme meine Fingerringe passen“1805.

    1798

    1799

    1800

    1801 1802 1803 1804 1805

    Mart. 11, 59: Senos Charinus omnibus digitis gerit nec nocte ponit anulos nec cum lavatur. causa quae sit quaeritis? dactyliothecam non habet. Plin. 33, 12. Der Text deutet auf eine lange Tradition für Brautringe hin. Eisen mit einem hohen Anteil von Kohlenstoff rostet nicht. Es gibt eine Abbildung, in der sich ein Paar im Beisein der Göttin und verschiedener Angehöriger die rechten Hände reichen: G. Koch, Sarkophage der römischen Kaiserzeit, in: Koch – Sichtermann, Römische Sarkophage, Abb. 39. Juv. 6, 25–28. Isid eccl. off. 2, 20, 8. Plin. 33, 21. Plin. 33, 39: mulierum pedibus aurum gestari tacuisti. Mart. 11, 100. Eine zu dicke lehnte er allerdings auch ab, denn „Ein Liebhaber von Fleisch bin ich, nicht von Fett“.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    5 a. ungulus Ring mit gefassten Edelsteinen Plinius zufolge war der ungulus der Ring der Alten, den die Griechen daktylon und beide später symbolum nannten1806. Dem Flamen Dialis war es deshalb nur erlaubt, einen durchbrochenen Ring zu tragen, denn er durfte keinen gefassten Edelstein besitzen, schreibt Gellius1807. Ungula nannte man die Klaue eines Wildtieres1808, nach Festus war ungulum der Name, den die Osker benutzten, ein von den Römern ausgerottetes Volk aus Kampanien, um Ringe zu bezeichnen1809. Plinius erwähnt den Ring des Polykrates und den des Pyrrhos, der einen Achatring mit ungewöhnlicher Musterung besessen haben soll1810. In der Folge zählt Plinius die verschiedenen Edelsteine auf und verbindet diese Aufzählung mit geschichtlichen Ereignissen. Bekannt wurden einzelne berühmte Edelsteinsammlungen. Wie alles, was einen gewissen Wert hat, wurden auch Edelsteine gefälscht: so färbten die Inder Kristalle, besonders den Beryll1811. Juvenal berichtet, im heißen Ägypten habe ein reicher Emporkömmling nur einen Ring mit einem kleineren Edelstein getragen, da ihm in der Hitze ein großes Gewicht des Steines zu lästig gewesen sei1812. Auch in römischer Zeit galt die Regel, dass Kleider Leute machen, und ein purpurgekleideter Bürger bekam eher einen Kredit als jemand in armseliger Aufmachung. Juvenal sagt in diesem Zusammenhang: „Niemand würde heute Cicero 200 Sesterzen geben, wenn nicht ein riesiger Ring bei ihm funkelte“1813. Gab es in antiker Zeit noch eine Vielzahl von geachteten und kostbaren Steinen, wurde der indische Amethyst im Laufe der Zeit immer mehr geschätzt, weil er die Farbe des phönizischen Purpurs hatte. Je mehr der Purpur als alleinige Herrscherfarbe angesehen wurde, desto mehr wurde der Amethyst zu einem kaiserlichen Symbol. Isidor war sehr konkret in seinen Ansichten, für ihn war der ungulus ein Ring, der einen Edelstein umschloss wie eine Klaue. 1806 1807

    1808

    1809 1810 1811 1812 1813

    Plin. 33, 11. Gell. 10, 15, 6: item anulo uti nisi pervio casso que fas non est. Einen gefassten Edelstein hielt man für ein Zeichen der Fesselung. Plin. ungulus als Ring 33, 11 bzw. 8, 124: ungulae bifidae, die gespaltenen Klauen beim Rentier. Plin. 33, 11; Fest. S. 515: Ungulum Oscorum lingua significat anulum. Plin. 37, 3 bzw. 6. 37, 1–5. Plin. 33, 22; 37, 1–7 bzw. 79. Juv. 1, 29. Juv. 7, 139–140.

    c. 32 Von den Fingerringen

    471

    5 b. Samothracius goldener Ring mit Eiseneinlage Der Samothracius war ein eiserner mit einer goldenen Einfassung versehener Ring, ein Ring reicher Sklaven. Die Erläuterung des Begriffes Samothracius stimmt bei Isidor mit der von Plinius überein, der beschreibt: „Schon fassen auch die Sklaven das Eisen ringsum in Gold – andere Gegenstände schmücken sie ohnehin mit reinem Gold –, wobei der Ursprung der Frechheit schon durch den Namen verrät, daß dies in Samothrake eingeführt worden ist“1814. Ein Stein, der möglicherweise auch in einen Ring gefasst werden konnte, war der Samothraca, ein schwarzer, leichter, holzähnlicher Stein1815. 6. Thynius Ring mit Ziselierung? Der Thynius ist ein Ring, der mit der Feile geglättet und abgerundet wurde. Hierüber ist bei Plinius nichts zu lesen. Um einen durchbrochenen Ring herstellen zu können, muss man allerdings zusätzlich mit Stichel und Hammer arbeiten (vgl. 5a ungulus). Gewohnheiten „Wenn man sich zu Tische begibt, ist es, wie wir sehen, Gewohnheit, den Ring abzulegen, da ja offenbar abergläubische Gebräuche auch ohne Worte wirksam sind“, erläutert Plinius, leider ohne den Hintergrund näher zu schildern1816. Seinen Angaben zufolge „beginnen auch die Männer, den Harpokrates und die Bildnisse ägyptischer Gottheiten an den Fingern zu tragen“. Als zur Zeit Galbas (68–69) bei Schanzarbeiten ein auf alte Weise gefertigter Ring gefunden wurde, mit einer Gemme, in die „die Siegesgöttin mit einem Siegesmal eingeschliffen“ war, sah man dies als Vorzeichen für einen siegreich zu bestehenden Krieg an1817. Am Tage des Begräbnisses von Augustus diskutierte man, ob man die goldenen Ringe ablegen und ihm zu Ehren eiserne anziehen solle1818. Der Ring des Vaters gehörte für viele Nachkommen zu den Dingen, die ihnen 1814 1815 1816 1817 1818

    Plin. 33, 23. Plin. 37, 181: Samothraca insula dat sui nominis, nigram ac sine pondere, similem ligno. Plin. 28, 24, bzw. 33, 41. Suet. Galba 10, 4–5. Suet. Aug. 100, 3.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    vom Vater nach dessen Tod teuer sind, überliefert Augustinus1819. Leo I. von Byzanz schreibt nach der Mitte des 5. Jhs. an Leonticus, es sei verboten, etwas aus Gold und Edelsteinen herzustellen, das zu den kaiserlichen Insignien gehört; ausgenommen seien der Schmuck der Matronen und Männer- und Frauenringe1820. Giftring Es war gut bekannt, dass ein Ring auch Gift enthalten konnte. Dies war zu erreichen, indem man dünne Goldschichten unterfütterte und das Gift darin einschloss, oder man konnte das Gift unter dem Edelstein verstecken. Ein „Tempelhüter, dem die Wache oblag, zertrümmerte bei seiner Festnahme die Gemme des Ringes im Mund und verschied sofort“. Dies war schon zur Zeit des Demosthenes, des griechischen Redners, eine Option, den Tod bei sich zu tragen1821. Als unter Kaiser Tiberius die Zeiten unsicher wurden und Folterungen und Todesurteile an der Tagesordnung waren, wird berichtet, „ein gewisser Ritter Vibullius Agrippa“ habe in der Kurie Gift aus seinem Ring gesogen und sei unmittelbar darauf gestorben1822. Jesus erzählt als Gleichnis, dass der verlorene Sohn bei der Heimkehr von seinem Vater zusammen mit Schuhwerk und der besten Stola des Hauses einen Fingerring als Geschenk erhielt1823. Einen Ring und ein pallium als Umhang schenkte Isidor seinem Freund, dem damaligen Archidiakon Braulio1824.

    c. 33 Von den Gürteln 1 a. cinctus, 1 b. zona, 1c. semicinctium, 1 d. cingulum, 2. balteum, balteus, 3. strophium, 4 a. limus, 4 b. caltulum, 4 c. fibula, 4 d. subfibulum, 4 e. subligaculum, 5 a. redimiculum, subcinctorium, bracile, bracilis, 5 b. brac[h]ialis, 6 a. fascia, 6 b. fasciola, 7. vitta, 8. limbus Zusatzinformationen zu 5 a: resticula, rebracchiatorium

    1819 1820 1821 1822 1823 1824

    Aug. civ. 1, 13, S. 30. CJ 11.12, S. 433, Reg. von 457–474. Plin. 33, 15 und 25. Cass. Dio 58, 21, 4. Lc 15, 22; angeführt bei Hraban., de rerum naturis, in: Migne PL 111, Sp. 583. Isid. epist. 2.

    c. 33 Von den Gürteln

    473

    Im Gegensatz zu den Ausdrücken in c. 22 ist hier von Gürteln und Bändern die Rede, die nicht als Schurze anzusehen sind. Da die Begriffe teilweise identisch sind, kann nur aus dem Kontext heraus eine genauere Einordnung erfolgen. 1 a. cinctus Umgürtung, Gürtel Eine Tunika musste sorgfältig gegürtet werden, um darüber in angemessener Weise die Toga tragen zu können. Die Toga selber gürtete man mit Hilfe des sinus, d. h. der sinus wurde so festgezogen, dass die Toga Halt bekam. Deshalb ist es verständlich, dass der Begriff Umgürtung auch bei Plinius umfassend gebraucht wird. So berichtet er, man müsse, um eine bestimmte gesundheitsfördernde Vorsorge zu betreiben, vorher „sich von jeder Umgürtung“ frei machen, auch von den Schuhen und selbst vom Ring1825. Sueton lässt Nero ohne Umgürtung auftreten, d. h. in der synthesina, ohne Tunikagürtel, der Toga-Gürtung und die der calcei1826. Varro leitet cinctus und cingillum von cingere, gürten, ab und ordnet cinctus den Männern, cingillum den Frauen zu1827. 1 b. zona Gürtel Zona wird gern von griechisch beeinflussten Schriftstellern gebraucht. Es kann sich um einen Soldatengürtel handeln, dessen Wegnahme Degradierung bedeutete; so entzog Julianus dem Anführer eines Spähtrupps den Gürtel, „weil er das Feldzeichen in der Hand des Feindes gelassen“ hatte1828. Zosimos führt das Gesetz von Honorius aus dem Jahr 408 an, nach dem Heiden am kaiserlichen Hof den Gürtel nicht tragen durften. Deshalb legte auch der gebürtige Barbar und Heide Generidus, der „in Rom ein militärisches Kommando führte“, als er an den Kaiserhof befohlen wurde, den (Waffen-)Gürtel ab und weigerte sich zunächst, vor dem Kaiser zu erscheinen; daraufhin wurde das Gesetz zurückgenommen1829. 1825 1826 1827

    1828 1829

    Plin. 23, 110. Suet. Nero 51, das bedeutet nicht, dass er ganz ohne Schuhe auftrat. Varro ling. 5, 114: Cinctus et cingillum a cingendo, alterum viris, alterum mulieribus attributum. Zos. 3, 19, 2. Zos. 5, 46, 3–4 und Anm. 111; CTh 16. 5. 42 vom 14. 11. 408.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Origenes nennt den Gürtel zona, den Moses den Priestern zusammen mit der Tunika und der cidaris vorschreibt, und fordert, der Gürtel der christlichen Priester sei aus Leinen, eine zona linea1830. Ein einfacher oder kostbarer Taillengürtel, rund gewebt wie bei den jüdischen Priestern, eignete sich vorzüglich als Geldgürtel1831.Wenn der Täufer Johannes unter seinem vestimentum aus Kamelhaaren eine zona pellicia um die Hüften trug, ist hier wohl an einen Schurz zu denken1832. zona als Frauengürtel In der Schwangerschaft wird ein Gürtel zu kurz, lässt Martial die zona sagen1833. Ein punischer Gürtel umband laut Ausonius die schwellenden Brüste der Hermione, in ihn war eine elegische Zuschrift eingewebt1834. „Wenn der jungfräulichen Gattin der Gürtel gelöst wird, ruft man ihn [Jupiter] als Göttin Virginensis an“, schreibt Augustinus1835. Mit diázoma bezeichnet Prokop die Brust- und Hüftbinde einer Hure, die vor Publikum auftrat, weil „niemand dort völlig nackt auftreten darf“1836. 1 b. semicinctium schmalerer Gürtel Das semicinctium, das Martial verschenken kann, muss an sich nicht wirklich klein sein, nur im Vergleich zum Geschenk einer Tunika handelt es sich um etwas Bescheidenes1837. In der Apostelgeschichte wird dem semicintium des Paulus Heilkraft zugeschrieben1838.

    1830 1831 1832

    1833 1834

    1835 1836

    1837 1838

    Orig. hom. in Lev. 6, 6, 367; hom. 9, 2, 421. Juv. 14, 297. Mt 3, 4; Ipse autem Iohannes habebat vestimentum de pilis camelorum et zonam pelliciam circa lumbos suos. Mart. 14, 151. Auson. carm. 96, 1: Punica turgentes redimibat zona papillas Hermiones: zonae textum elegeon erat: ‚qui legis hunc titulum, Paphie tibi mandat, ames me exemplo que tuo neminem amare vetes‘. Aug. civ. 4, 11, S. 238: et cum virgini uxori zona solvitur. Prokop, Anekdota 9, S. 88/89. In diesem Fall spricht er von der Kaiserin Theodora, die in ihrer Jugend im Theater ihr Geld verdiente. Mart. 14, 153. Act 19, 12.

    c. 33 Von den Gürteln

    475

    1 d. cingulum Gürtel Das cingulum spielte im privaten wie im militärischen Leben in der Kleidung eine große Rolle. Ein assyrisches Heer steht laut Jesaja 5, 27 mit dem Taillengürtel, cingulum renum, und fest gegürteten Schuhen bereit, Israel anzugreifen. In römischer Zeit ist das cingulum in erster Linie ein Militärgürtel mit einem Aussehen, das sich nach den jeweiligen Anforderungen für die Ausrüstung richtete. Einen Waffengürtel, cingula, trägt auch die Anführerin der Amazonen, Penthesilea1839. Wenn einem Hofbeamten „der Gürtel“ genommen wurde, war dies ein schwerer Ansehensverlust1840. Gürtel anderer Berufsgruppen hatten andere Zwecke zu erfüllen. Sie mussten nicht immer besonders groß und breit sein, denn nach einem Aberglauben konnte ein Jäger eine Hyäne besser fangen, wenn er „in seinen Gürtel und in die Peitsche, mit der er das Pferd antrieb, sieben Knoten gemacht“ hatte1841. Isidor hält die Beschreibung der Gürtel der jüdischen Priester und des Hohenpriesters für wichtig, weil auch die Kleidung der christlichen Priester gegürtet werden musste. Basilius von Caesarea verfügt in seiner groß angelegten Regel, dass die Mönche bei der Handarbeit mit einem cingulum gegürtet sein sollen1842. In Cassians Schrift De institutis coenobiorum beginnt der Bericht über den Habit der Mönche mit dem Gürtel, und der dazugehörende interpretierende Text ist länger als der zu allen anderen behandelten Punkten1843. cingulum als Frauengürtel, Tafel 21 Festus überliefert: „Mit einem cingillum wurde die frisch Verheiratete umgürtet, das der Mann im Bett löste, es ist aus Schaffell gemacht“1844. Nonius versteht cingillum nach Varro ebenfalls als Busenband1845. Da die Klei-

    1839 1840 1841 1842

    1843

    1844

    1845

    Verg. Aen. 1, 490–493. Amm. 22, 10, 5. Plin. 28, 93–94. Ex regula sancti Basilii c. 11, 37 und 38, in: Benedict von Aniane, Concordia regularum 62, 4. Cass. inst. 1, De cingulo monachi, 1, 3: itaque monachum ut militem Christi in procinctu semper belli positum accinctis lumbis iugiter oportet incedere. Vgl. 1, 11. Fest. S. 55: Cingillo nova nupta praecingebatur, quod vir in lecto solvebat, factum ex lana ovis. Non. S. 68.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    dermode der Frauen nicht spezifiziert wird, sind auch Tunikagürtel nicht extra angegeben. Man kann sie aber modeabhängig als sicher vorauszusetzen1846. 2. balteum, balteus Gürtel der Soldaten, Priestergürtel Einen Waffengürtel hatten die Soldaten; dies war eine solche Selbstverständlichkeit, dass incinctus und praecinctus gleichbedeutend mit Waffen tragen gesagt wurde. Dabei wird zwischen balteus und cingulum häufig nicht unterschieden. Gleiches gilt auch für die Gürtung der jüdischen und christlichen Priester1847. „Einer mit einem gegürteten balteus stellte einen Soldaten vor“, schreibt Apuleius über einen Mann, der an einer Isisprozession teilnahm1848. Er diente auch der Schau, denn Varro zufolge ist er aus Leder und mit bullae besetzt1849, oder er konnte, wie Plinius berichtet, „von Scheibchen nur so klirren“1850. Dem Träger eines balteus standen der Tradition nach bestimmte Privilegien zu, die Juvenal in einer Satire behandelt1851. Beim testamentum in procinctu handelte es sich um eine letztwillige mündliche Erklärung, die der Bürger im Felde vor drei oder vier Zeugen vortrug. Jupiter liebte laut Martial den Geruch eines balteus, diesen zeichnete aus, dass er mit kytherischem Nektar getränkt war1852. Paulinus von Nola bemerkt über einen ihm gesandten Boten: „Er wollte nicht gezwungen werden, den Mönch […] zu spielen“. Und er rät: „Uns sollen unsere Mitdiener und die anderen, die unsere blasse Gesichtsfarbe teilen, immer wieder besuchen: […] nicht mit kurzen chlamyden knapp bedeckt, sondern mit Pallien aus sagum verhüllt, nicht mit einem balteus, sondern gegürtet mit einem Strick“1853. Für Mönche, die sich nach eigenem Selbstverständnis als Soldaten Gottes ansehen, besitzen der Gürtel und die Gürtung einen hohen Stellenwert, zumal von Petrus berichtet wird, er habe 1846 1847

    1848 1849

    1850 1851 1852 1853

    Vgl. H. J. Drexhage, Eigentumsdelikte, S. 983. Hier. epist. 64, 12: nos cingulum vel balteum et zonam possumus dicere, Babylonii novo vocabulo ‚hemian‘ vocant. Zum Priestergürtel der Christen: cingulum sive baltheum: Hraban inst. cler. 1, 17; cingulum: Amalar eccl. off. 2, 22, in: Migne Pl. 105, Sp. 1098. Apul. met. 11, 8, 1–2: hic incinctus balteo militem gerebat. Varro ling. 5, 116: Balteum, quod cingulum e corio habebant bullatum, balteum dictum. Plin. 33, 152: baltea lamnis crepitent. Juv. 16. Mart. 14, 207. Paul. Nol. epist. 22, 1–2.

    c. 33 Von den Gürteln

    477

    sich bei seiner Befreiung im Gefängnis gürten sollen1854. Mönche trugen häufig ein leinenes balteolum1855, Benedikt von Nursia nennt ihn bracile1856, während Isidor in seiner Mönchsregel den Gürtel nicht erwähnt. 3. strophium Kopfbinde, Busenband Plinius führt den Begriff strophium auf das von „den Alten verwendete“ stroppus zurück, den Kranz, von dem sich das Kränzchen, strophiolum, ableitete1857. Festus erweitert die Aussage um die Angabe, dass es sich um eine priesterliche Kopfbedeckung handeln kann1858. Auch die Busenbinde wird strophium genannt, unterscheiden lässt sich das nur durch den Kontext. Isidor selber ist das beste Beispiel. Während er zunächst Cinna, vielmehr Catull zitiert, der in einem Gedicht das gelöste Haar, den abgelegten amictus und die von strophium gelösten weißen Brüste der am Strand verlassenen Ariadne beschreibt1859, redet im zweiten Zitat Prudentius allegorisch von Christus als dem „Edelstein“, der am strophium, der Krone der Märtyrer, befestigt ist1860. Ein cingulum im üblichen Sinn ist es in beiden Fällen nicht; auch der deutsche Ausdruck Gürtel ist zu ungenau. Als Busenband sieht es Nonius, wenn er schreibt: „Das strophium ist eine kurze Binde, fascia, die die jungfräuliche Brust zusammenhält“1861. 4 a. limus Schärpe Einen interessanten Vorschlag zum Begriff limus macht Gellius, der über lictor referiert und verschiedene Möglichkeiten zur Entstehung des Wortes anführt. Unter anderem zitiert er Tiro Tullius, den Freigelassenen Ciceros,

    1854 1855 1856 1857 1858 1859

    1860 1861

    Act 12, 8. Hier. praef. Pachom. 4, 6, 7. Ben. Reg. 55, 19. Plin. 21, 3. Fest. S. 410. Catull. 64, 63–65: In der griechischen Mythologie gab Ariadne Theseus das Garnknäuel, mit dem er aus dem Labyrinth herausfand, nachdem er den Minotaurus getötet hatte (Ariadnefaden). Ariadne flüchtete mit ihm; das gelöste Busenband ist ein Zeichen für ihre Hingabe. Sie wurde aber von ihm auf Naxos zurückgelassen. Prud. perist. 4,25. Non. S. 863: Strophium est fascea brevis quae virginalem horrorem cohibet papillarum.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    der der Meinung war, lictor sei entweder von limus oder von licium abgeleitet. Mit einem schrägen Band, das limus heißt, waren diejenigen umgürtet, sagt er, die den Magistraten dienten, licio transverso. Damit wäre limus einer heutigen Schärpe ähnlich1862. Am Kleid, vestis, das die Opferdiener tragen, ist der schräg verlaufende Purpurstreifen der limus1863. 4 b. caltulum Gürtel, mit dem ein Kleid unter der Brust gegürtet wird, u. a. von Ringelblumenfarbe, Tafel 12, Tafel 13 Caltulum ist kein sehr gebräuchlicher Begriff in der Literatur. Nonius hält caltula mit Plautus für ein unter der Brust gegürtetes Kleidungsstück, das – gemäß einer Wortverwandtschaft mit calta/Ringelblume – gelb gewesen sei. Es läßt sich vermuten, dass das auch von Plautus erwähnte Kleid eine Art ringelblumengelbes Miederband hatte1864. Im Laufe der Jahrhunderte ist davon nur der Gedanke an die Gürtung geblieben; Isidor bekräftigt dies, indem er caltulum in seine Aufzählung der Gürtel hinein nimmt. 4 c. fibula hier Gürtelschließe, Tafel 13 Gürtel konnten mit einer Fibel geschlossen werden; eine solche war Bestandteil des Erbes von Stephanus1865. Mönchen war sie nicht erlaubt. 4 d. subfibulum besondere kultische gefibelte Kopfbekleidung Beim Fest zu Ehren der Göttin Ops Consiva sollen die Staatspriester und die vestalischen Jungfrauen ein subfibulum tragen, lernt man bei Varro1866. Festus ergänzt: „Suffibulum ist eine weiße Bekleidung, mit besonderem Schmuckband, viereckig, länglich, das die vestalischen Jungfrauen beim

    1862

    1863 1864 1865 1866

    Gell. 12, 3, 3: sed Tiro Tullius, M. Ciceronis libertus, ‚lictorem‘ vel a ‚limo‘ vel a ‚licio‘ dictum scripsit: Licio enim transverso, quod, ‚limum‘ appellatur, qui magistratibus inquit praeministrabant, cincti erant. Vgl. c. 22, 26. Plaut. Epid. 231; Non. S. 880. Quittung S. 240: fibula de bracile. Varro ling. 6, 21. Ihr Fest wurde am 25. August gefeiert.

    c. 33 Von den Gürteln

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    Opfern auf dem Kopf haben und das durch eine Fibel zusammengehalten wird“1867. 4 e. subligaculum besondere kultische gefibelte Kopfbekleidung Dies ist nach Varro mit subfigabulum identisch. Heribert Eigner setzt es hingegen mit campestre gleich1868. 5 a. redimiculum1869, subcinctorium, bracile, bracilis Umgürtung Zusatzinformationen: resticula, rebracchiatorium Ab dem 4. Jh. gibt es Nachricht über eine besondere Art von Gürtung für Mönche, die von Cassian überliefert wird: „Sie tragen auch kleine Schnüre/ Stricke, resticulae, die mit einem Wollgarn doppelt geflochten sind, die die Griechen analabous nennen, wir aber können sie Gürtel oder Bänder, subcinctoria seu redimicula oder eigentlich rebracchiatoria nennen können“1870. Die Bänder oder Schnüre werden von hinten um den Hals gelegt, vorn in Kreuzform unter den Armen hindurch nach hinten geführt. Hier hört die genaue Beschreibung auf, anzunehmen ist aber, dass sie vom Rücken aus wieder in Kreuzform nach vorn geführt werden und dann zwischen Taille und Hüften als Gürtel enden. Bei der großen Bedeutung, die Cassian der Gürtung zumaß, war es für die Mönche wohl nicht damit getan, die Tunika nur mit einem Hüftgürtel zu gürten. Das Bild erinnert an Gürtel der griechischen und römischen Wagenlenker, die, unterschiedlich angelegt, ganz oder teilweise den Oberkörper bedecken konnten und so die Tunika fest am Oberkörper anbanden. Isidors Beschreibung dieser Gürtung lässt, ebenso wie die des Summariums Heinrici, vermuten, dass er Schwierigkeiten hatte, das genaue Aussehen zu erklären. Es erscheint unsicher, ob das scapulare der Benediktiner, das laut Benedikt von Nursia zur Kleidung der Mönche zuzurechnen ist1871, in der Frühzeit mit diesen redimicula identisch war. 1867

    1868 1869 1870

    1871

    Fest. S. 475: Suffibulum vestimentum album, praetextum, quadrangulum, oblongum, quod in capite Vestales virgines sacrificantes habebant, idque fibula conprehendebatur. Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, Stichwort campestre, S. 42–43. Vgl. c. 31, 5 a. Cass. inst. 1, 5, 12: Gestant etiam resticulas duplices laneo plexas subtemine, quas Graeci analabous vocant, nos vero subcinctoria seu redimicula vel proprie rebracchiatoria possumus appellare. Bened. reg. 55, 6.

    480

    Mechthild Müller, Kommentar

    Ein subcinctorium gehört als Gürtel zur mittelalterlichen liturgischen Kleidung; seit dem 12. Jh. ist es ein am Gürtel des Bischofs „aufgehängtes bandartiges Ornatstück“1872. 5 c. brac[h]ialis Armband, Taillengürtel Eine brachialis (ein bracchiale) war ein Armband, in das man auch Schönheitsund Zaubermittel hineinlegte1873. In Jesus Sirach steht geschrieben, ein Weiser halte „Zucht für ein goldenes Ornament und soviel wert wie ein Armband am rechten Arm“1874. In seiner Schrift De ecclesiasticiis officiis bezeichnet Isidor den goldenen Gürtel des Hohenpriesters als brachiale aureum1875. 6 a. fascia Band Plinius war der Ansicht, dass Schmerzen im Kopf nachlassen, wenn man diesen mit der Brustbinde einer Frau umwickelt1876. Fasciae waren die Gurte, mit denen die Betten bespannt wurden1877. Es konnten aber auch purpurne und conchylienfarbene Bänder, fasciae, sein, wie sie z. B. Caligula auf einem Fest mit Angehörigen des Senatoren- und Ritterstandes als Geschenke an die miteingeladenen Frauen und Kinder verteilte1878. Von Cicero wird gesagt, er habe während seiner Reden Beinbinden, fasciae, getragen, um seine Krampfadern zu verstecken1879. Kaiser Galbas „Hände und Füße waren [im Alter] von der Gicht so verkrümmt, dass er keine Schuhe tragen konnte“. Er wird wahrscheinlich die Beine und Füße mit Binden umwickelt haben1880. Ob diese Schriftquelle in Zusammenhang gesehen werden kann mit den Binden, mit denen einige

    1872 1873

    1874

    1875

    1876 1877 1878 1879 1880

    H. Kühnel, in: Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, S. 255. Plin. 25, 129: et hoc perunctos venustiores fieri nec ullo malo medicamento laedi posse aut si quis in bracchiali habeat, arbitrantur Magi. Sir 21, 24: ornamentum aureum prudenti doctrina et quasi brachiale in brachio dextro. Isid. eccl. off. 2, 5, 3: Aaron super tunicam accipiebat poderem stolam sanctam et coronam auream mitram et brachiale aureum et superhumerale et cetera quae supra memorata sunt. Plin. 28, 76: invenio et fascia mulieris alligato capite dolores minui. Mart. 5, 62: et abrupta fascia reste iacet. Suet. Cal. 17, 2: feminis ac pueris fascias purpurae ac conchylii distribuit. Quint. inst. 11, 3, 143. Suet. Galba 21.

    c. 33 Von den Gürteln

    481

    Herrscher auf karolingischen Thronbildern zu sehen sind, bleibt zu untersuchen. Mit fascia, tunica und pallia waren züchtige Frauen bekleidet1881; fasciae hießen auch die Busenbinden, die eine Jungfrau nur für ihren Bräutigam lösen sollte1882. 6 b. fasciola kleines Band, Binde Eine offenbar sichtbare Binde, die den Busen hochgürtete, trägt die Dienerin Photis, die auch sonst gern einen gefälligen Anblick bietet1883. Bei Herrschern gehörten fasciolae (vittae) oft zu den Kronen. Unter Kaiser Constantius war die Angst vor Umstürzen so groß, dass wenig reichte, jemanden zu verdächtigen. Ammianus verurteilt dies und sagt von Pompeius: „Er kratzte sich auf eine gewisse ihm eigene Art mit einem einzigen Finger den Kopf und trug, ein unschönes Geschwür zu verdecken, bisweilen eine weiße Binde, fasciola, um sein Bein. Das eine tue er, wie sie behaupteten, aus Weichlichkeit, das andere aus Verlangen nach einem Umsturz; denn es mache keinen Unterschied, so keiften seine Widersacher mit ihrem albernen Argument, welchen Teil seines Körpers er mit dem Abzeichen königlicher Majestät umwinde. Dabei bestätigten glänzende Beweise, daß er der tapferste und vaterlandsliebendste Mann war“1884. 7. vitta Vitta Das Stichwort Vitta wurde schon unter c. 30 und 31 Ornamente und Kopfputz behandelt. In diesem Kapitel sind Bänder nicht die Insignien verschiedener Gruppen, sondern gehören als Gebrauchstextilien zum Alltagsleben der Bevölkerung. Mit vittae wurden Wunden verbunden, Reben an Weinstöcke befestigt, und Brustbänder der Frauen wurden so bezeichnet1885. Die Vulgata bringt verschiedene Bedeutungen von vitta. Die blauen Schnüre, die das Rationale des Hohenpriesters festhalten, sind vittae1886; der Schild auf

    1881 1882 1883

    1884 1885 1886

    Mart. 11, 104. Hier. in Is 2,3, zu Vers 24. Apul. met. 2, 7, 3: ipsa linea tunica mundule amicta et russea fasceola praenitente altiuscule sub ipsas papillas succinctula. Amm. 17, 11, 4: ulceris causa deformis fasciola candida crus colligatum gestabat. Vgl. M. Müller, in: RGA 32, Stichwort Vitta. Ex 28, 28 und 39, 19.

    482

    Mechthild Müller, Kommentar

    Aarons tiara wird mit einer blauen vitta befestigt1887. Wie eine kermesrot leuchtende Vitta sind die Lippen der Freundin, die im Hohenlied Salomos besungen wird1888. 8. limbus Randborte, Tafel 3 Tafel 12, Tafel 13 Servius erläutert die von Isidor angeführte Stelle aus Vergil und sagt: „Limbus ist […] ein Band, fascia, das den Rand von Kleidungsstücken nach altem Brauch umgibt, wie für einen Sieger eine vergoldete chlamys, meist ringsum mit Purpur [besetzt]“1889. Neben der von Isidor angeführten Stelle gibt es noch andere Quellen. Zwei davon stehen bei Ovid, der über einen Athis genannten Inder schreibt. Dieser schöne Jüngling habe eine purpurne chlamys mit goldener Randborte getragen; ferner ist es Merkur, der die chlamys mit der Borte sorgfältig anordnet1890. Im Wettstreit Arachnes mit Minerva webt erstere in den Schmuckrand des Gewebes Blumen, mit Efeu verflochten1891.

    c. 34 Vom Schuhwerk, Tafel 21, Tafel 22 1. sutor, 2 a. caligarius, 2 b. calopous, 2 c. calciamentum, calceamentum, 3 a. crepida, 3 b. calceus, 5 a. ocrea, 5 b. cot(h)urnus, 6 a. bax(e)a, 6 b. calo, 7 a. talaris calceus, 7 b. subtolaris oder subtalaris calceus, 8. obstrigillus, 9. osa, 10. mulleus, 11. solea, 12 a. soccus, 12 b. socellus, 12 c. callicula, 12 d. caliga, 13 a. cernuus soccus, 13 b. lingulatus, 13 c. clavatus, 13 d. pero, 13 e. sculponea, 13 f. baxea, 13 g. corrigia Zusätzliche Information zu 12 c: caligula gallica Sandale und weitere Ergänzungen

    1887 1888 1889

    1890

    1891

    Ex 28, 37. Ct 4, 3. Serv. Aen. 4, 137: limbus est, sicut supra diximus, fascia, quae ambit extremitatem vestium secundum antiquum ritum, ut victori chlamydem auratam, quam plurima circum purpura. Ov. met. 5, 51–52: indutus chlamydem Tyriam, quam limbus obibat aureus, bzw. Ov. met. 2, 733–734. Siehe c. 20, Ov. met. 6, 127–128.

    c. 34 Vom Schuhwerk

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    1. sutor Schuhmacher „Die Anfertigung von Schuhen erfand Tychius aus Böotien“, überliefert Plinius, der eine lange Aufzählung aller wichtigen Erfindungen und ihrer Entdecker verfasst1892. Ein bestimmter Schuster kann mit guter Arbeit auch gutes Geld verdienen, denn inzwischen besitzt er das Pränestiner Gut des verstorbenen Herrn, stellt Martial fest, der sicher selber gerne mehr Geld gehabt hätte1893. Wenn wir jedoch von Sueton wissen, dass nach Cassius Severus („er findet Unterstützung durch andere“) ein Ahnherr des Kaisers Vitellius ein Flickschuster gewesen sei, dessen Sohn zum Agenten des Staates, der Enkel in den Ritterstand aufgestiegen sei, so ist anzumerken, dass Cassius Severus berüchtigt war für seine Schmähreden und um 32 n. Chr. starb. Die Geschichte ist daher nicht als realistisch zu anzusehen1894. Um zu nähen, wurde ein harter Schweineborsten an die Spitze eines Fadens angedreht, den man auf diese Weise durch vorbereitete Löcher ziehen konnte1895. 2 a. caligarius Schuhmacher Der Begriff des caligarius ist nicht so geläufig wie sutor. Wahrscheinlich war er spezialisiert auf die caligae, so wie der crepidarius mit seinem Schustermesserchen, cultellus, auf die Herstellung von crepidae1896. 2 b. calopous Leisten aus Holz Zum Arbeiten brauchte der Schuster u. a. eine Ahle, subula oder scalprum, und Leisten, forma1897. Isidor notiert den griechischen Namen1898.

    1892 1893 1894 1895

    1896

    1897 1898

    Plin. 7, 196. Mart. 9, 73. Suet. Vit. 2, 1–2. Freundl. Mitteilung von Marquita Volken, die damit hervorragend Schuhe nähen kann. Gell. 13, 22, 8: Sempronius Asellio in libro rerum gestarum 14: Crepidarium inquit cultellum rogavit a crepidario sutore. Hor. sat. 2, 3, 106. Thomas a Kempis schreibt später in dial. noviciorum 7, 3, 12: An den Füßen hatte er keine schönen (Kleriker-) Sandalen wie andere Vikare in der Kirche, sondern an ihrer Stelle hatte er geringe und niedrige Holzschuhe gemacht, die aus altem Leder unten benäht worden waren: mit denen betrat er den Chor ohne Geräusch.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    2 c. calciamentum, calceamentum Schuhwerk Herstellung und Pflege der Schuhe Das Rohmaterial vieler Schuhe war Leder. Seine Beschaffung war nicht immer leicht, denn Lederschuhe hatten nur eine begrenzte Lebensdauer, und die Versorgung der Einwohner in der Millionenstadt Rom war sicher oft schwierig. Plinius hält fest, dass zur Zeit des Kaisers Claudius ein aus Gallien stammendes Schiff, das eine Ladung Häute transportierte, Schiffbruch erlitten habe1899. Tacitus sieht in der zwangsweisen Verordnung des römischen Verwalters Olennius an die Friesen, Häute als Tribut nach Rom zu liefern, einen Grund für den letztlich erfolglosen Krieg des Tiberius gegen die Friesen. Man hatte, so der Bericht, bei den Tributforderungen für die Häute die Größe von Auerochsen zum Maßstab genommen und nicht das normale Ochsenmaß; dies führte zur Rebellion1900. „Zur Aufbereitung der Häute dienten die Wurzeln und Beeren der wilden Rebe“1901. Mit Ölschaum schützte man nach Cato sowohl die Kleiderschränke gegen Motten, als auch die Riemen und alles Leder; Schuhe werde mit gekochtem Ölschaum bestrichen1902. Häute wurden in den Gerbereien zu Leder verarbeitet. Leider gibt es hierzu nur spärliche Informationen. Unter dem Thema Düngemist gibt Plinius einen kurzen Hinweis auf die Bedeutung des menschlichen Harns, in den die Häute eingeweicht wurden, um die Haare zu entfernen1903. Denn eine Methode, die man zum Schwellen und Enthaaren verwendete, geschah mit Hilfe von fauler Gärung des Urins und der damit verbundenen Ammoniakentwicklung. Sohlleder konnte auch in eine Mistbeize gelegt werden1904. Der beste zur Lederbereitung geeignete Gallapfel stammte von der hemeris, einer Eichenart1905. Anstelle von Galläpfeln konnte man auch den Samen einer Akazienart nehmen1906. Unter den Sumachsträuchern gab es nach Plinius „einen Gerberstrauch, der rötlich ist, eine Elle hoch und fingerdick wird; mit seinen dürren Blättern gerbt man Häute wie mit 1899 1900 1901 1902

    1903

    1904 1905 1906

    Plin. 9, 14. Tac. ann. 4, 72. Plin. 14, 98: praeter hoc radix labruscae et acini coria perficiunt. Plin. 15, 33–34: lora etiam et coria omnia et calceamina […] decocta ungui; es handelt sich um amurca, vgl. Cato agr. 106. Plin. 17, 51: alii [Schriftsteller] ex his praeferunt potus hominum in coriariorum officinis pilo madefacto. Meyers Konservationslexikon, Ausgabe 1885–1892, Bd. 10, Leder. Plin. 16, 26: sed gallam hemeris optimam et coriis perficiendis aptissimam. Plin. 13, 63.

    c. 34 Vom Schuhwerk

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    der Granatapfelschale“1907. Weiße Felle wurden mit Hilfe eines syrischen Sumachstrauches gegerbt1908. Samen einer Akazienart verwendete man zur Fertigstellung von Leder anstelle des Gallapfels1909. Ein Kraut notia – es gebe auch noch weitere Namen – werde in den Gerbereien häufig verwendet, sagt Plinius1910. Birkenrinde diente nördlich der Alpen zum Gerben des Leders. Abfall aus den Gerbereien konnte z. B. für die Düngung des Granatapfel- und des Ölbaumes Verwendung finden, allerdings musste man ihn vorher mit Wasser verdünnen, und die Anwendung durfte nicht zu häufig geschehen1911. Zur Haltbarmachung des Leders ist Alaun nötig, von dem Plinius berichtet, es gebe eine weiße und eine schwarze Art, letztere war beim Schwarzfärben wichtig: „Von allen Alaunarten ist diejenige die beste, welche […] nach der Insel (Melos) Melinum benannt wird. Keine andere ist in ihrer Wirkung größer, weder im Zusammenziehen noch im Schwarzfärben oder Verhärten, keine ist fester“1912. Die Unterscheidung zwischen weißem, flüssigem Alaun und schwärzlichem, wie Plinius für die Wolle angibt, könnte auch für Leder gelten, da er wenig später schreibt: „Denn wie wichtig (der Alaun) für die übrigen Erfordernisse des täglichen Lebens zur Herstellung des Leders und zur Bearbeitung der Wolle ist, haben wir bereits angeführt“1913. Viele Schuhe hatten eine schwarze Farbe. Plinius erzählt, wie die Schusterschwärze, atramentum, gewonnen wird, und erläutert ausführlich ihre Herstellung in unterschiedlichen Verfahren und mit unterschiedlichen Qualitäten1914. Ein weiteres Mittel, um Leder zu färben, war die Rinde des herben Granatapfels1915. Zweimal spricht Plinius von der Krappfärbung; dabei erwähnt er diese als die rote Farbe des gemeinen Volkes, mit der man Leder/Häute färbe,

    1907

    1908 1909 1910 1911 1912

    1913

    1914 1915

    Plin. 24, 91: et frutex coriarius appellatur, subrutilus, cubitalis, crassitudine digitalis, cuius aridis foliis ut malicorio coria perficiuntur. Plin. 13, 55. Plin. 24, 110: ad coria perficienda semine pro galla utuntur. Plin. 24, 175: Notia herba coriariorum officinis familiaris est aliis aliisve nominibus. Plin. 17, 258. Plin. 35, 183–188; 187–188: optimum ex omnibus, quod Melinum vocant ab insula, ut diximus. nulli vis maior neque adstringendi neque denigrandi neque indurandi, nullum spissius. Plin. 35, 190: nam ad reliquos usus vitae in coriis lanisque perficiendis quanti sit momenti, significatum est. Plin. 34, 123–126 und FN S. 186 zu 112 und S. 190 zu 123. Plin. 23, 107: hic acerbis in magno usu. vulgus coria maxume perfici illo novit; ob id malicorium appellant medici.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    das zweite Mal schreibt er, man färbe mit Krapp Wolle und vollende Leder damit1916. Die Reichen werden echte Purpurfarbe bevorzugt haben. 3 a. crepida Sandale, Fußbekleidung der griechischen Tracht, der Etrusker, Soldatenschuh Crepidae gelten im allgemeinen als Teil der griechischen Tracht, zum pallium gehörend, so wie die calcei zur Toga. Plinius lässt sich über eine Geschichte berichten, die man sich von dem berühmten griechischen Maler Apelles (4. Jh. v. Chr.) erzählte. Dieser „stellte seine vollendeten Werke im Vorbau seines Hauses aus und hörte, hinter der Tafel verborgen, die Fehler, die man anführte, wobei er das Volk als einen sorgfältigeren Richter betrachtete als sich selbst“. Ein Schuster tadelte ihn, „dass er auf der Innenseite an den crepidae eine Öse, ansa, zu wenig angebracht habe; als dieser aber am nächsten Tag […] etwas am Bein bekrittelte, soll Apelles […] gesagt haben, der Schuster solle nicht urteilen über die crepida hinaus, was auch in ein Sprichwort eingegangen ist“1917. Crepidae wurden also mit Riemen und Ösen geschlossen. Möglicherweise ist diese Geschichte auch der Ursprung der Vermutung, crepidae seien links und rechts gleich gewesen, also ohne Fußform gefertigt, doch zeigen Bildnisse häufig eine links und rechts unterschiedliche Sohlenform. Die crepidae können genagelte Sohlen haben, denn auf dem Berg Ida wurde der Sage nach der Magnetstein Heraklion entdeckt; sein Entdecker, ein Hirte, habe ihn gefunden, als „die Nägel seiner crepidae und die Spitze seines Speers an ihm hängen blieben“1918. Aules Persius Flaccus nennt in seiner Satire crepidae Schuhe der Griechen1919. Als Tiberius sich aus Rom entfernt und als „Privatmann“ in Rhodos aufhält, legt er auch die römische Tracht ab und zieht pallium und crepidae an1920. Der crepidatus steht im Gegensatz zum praetextatus, einem Geehrten. Caligula liebte crepidae. Sueton berichtet von ihm: „er schreitet einher […] manchmal in crepidae oder Kothurnen, manchmal in caligae, wie sie die Späher tragen, zuweilen mit socci der Frauen“1921. Quintilian berichtet, Hippias von Elis, einer der an1916 1917 1918

    1919 1920

    1921

    Plin. 19, 47 und 24, 94. Plin. 35, 85. Plin. 36, 127: invenisse autem fertur clavis crepidarum, baculi cuspide haerentibus, cum armenta pasceret. Pers. 1, 127: non hic qui in crepidas Graiorum ludere gestit. Suet. Tib. 13, 1: deposito patrio habitu ad pallium et crepidas atque in tali statu biennio fere permansit. Suet. Cal. 52: ac modo in crepidis vel coturnis, modo in speculatoria caliga, nonnumquam socco muliebri.

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    gesehensten Sophisten zur Zeit des Sokrates, habe „nicht nur die Kenntnis […] der edlen Studien“ gehabt, „sondern auch die Kleidung, den Ring und die crepidae mit eigener Hand angefertigt“1922. Es gibt selten einen so erfreulichen Fund wie die Quelle, die Gellius über einige Schuharten liefert. Er zählt die Ausdrücke solea, crepidula, gallica und crepida auf und erläutert, dass soleae, die mit dünnen Riemen gebunden werden, nach dem Griechischen auch crepidulae heißen können. Die Geschichte beginnt mit dem Lehrer Castricius, der „der Schule der bedeutendsten Redekunst“ in Rom zur Zeit Hadrians vorsteht und dessen Schüler Gellius war. Castricius maßregelt eines Tages Schüler, darunter Senatoren, die an einem Festtag in gewöhnlicher Kleidung, nämlich Tunika und Lacerna kommen und leichtes Schuhwerk, gallicae, tragen. Wenn sie schon keine Toga anzögen, sei es doch wenigstens geboten, [in der Tunika] gegürtet und in der Paenula zu erscheinen, rügt er. Käme man aber in Tunika und Lacerna, sollte man wenigstens „nicht als Sandalenträger, soleatus, durch die Straßen der Stadt gehen“. Nachdem sich der Lehrer noch länger mit dem Thema befasst hat, verlangen die Zuhörer Auskunft über die Frage, warum er die Betroffenen soleati genannt habe, da sie doch in gallicae erschienen seien. Darauf erwidert der Lehrer, er habe „sich in der Tat ganz richtig ausgedrückt, denn alle derartigen Fußbekleidungen, womit nur die untersten Fußsohlen, plantarum calces, bedeckt und die mit feinen Riemen“ gebunden seien, würden soleae oder griechisch crepidulae genannt. Er ist der Meinung, „dass der Ausdruck gallicae für diese Art der Fußbekleidung ein neuer […] und nicht lange vor der Zeit Ciceros in Gebrauch gekommen“ sei1923. Man nannte, so der Lehrer, solches Schuhwerk im Allgemeinen crepidae (Sandalen) oder crepidulae (Sandälchen)1924. Karbatinai oder crepidae carbatinae waren in Griechenland als Bauernschuhe aus rohem Leder bekannt. Die Aufforderung, crepidae carpatinae, rohlederne Schuhe, zu lecken, benutzt Catull als gezielte Beleidigung1925. Tertullian kritisiert einen Philosophen, „der in Seide und genagelten crepidae einherging“1926. Servius geht von einer ganz anderen Vermutung über die Herkunft der crepidae aus, er nennt „crepidae, die zuerst die Senatoren hatten, danach 1922 1923

    1924 1925 1926

    Quint. inst. 12, 11, 21. Gell. 13, 22, 6 zitiert Cicero, 2. phillippinische Rede 76. Cicero wirft hier Marcus Antonius vor, nicht öffentlich bei Tage in Rom erschienen zu sein, wie Cicero selber mit calcei und Toga, sondern heimlich in einer Kutsche und unauffällig mit gallicae und lacerna bekleidet. Gell. 13, 22. Catull. 98. Tert. pall. 4, 7: Atquin alius et sericatus et crepidam aeratus incessit.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    die römischen Ritter, jetzt die Soldaten. Andere wollen senatorische calcei [darunter verstehen], weil diese Art von Beschuhung von den Tuskern (Etruriern) genommen ist“1927. Der Kommentar bezieht sich auf eine Vergil-Stelle, in der Volcanus sich die etruskischen Schuhe umbindet1928. Die Etrusker gelten als keltisches (gallisches) Volk, das schon früh über die Alpen nach Italien eingewandert ist. Man sieht, dass schon unter den antiken Autoren keine Einigkeit über die Herkunft der crepidae herrscht. 3 b. calceus Schuh für das Forum Horaz über einen Senator: „Denn sobald einer – unklug genug – als Senator sein Schienbein bis hoch hinauf in schwarze Riemen zwängt und von der Brust den breiten clavus herabfallen lässt, – gleich umschwirren ihn die Fragen: ‚Wer ist der Mann? Was ist sein Vater‘?“1929. Als Romulus Rom zur neuen Stadt machte, brauchte er Einwohner und „eröffnete […] nach dem uralten Prinzip aller Städtegründer“ eine Freistatt, in die sich „alles haufenweise, ohne Unterschied ob Freier oder Sklave“ flüchtete. Als „beratende Instanz“ wählte Romulus 100 Senatoren zu Vätern, „ihre Nachkommen aber zu Väternachkommen“, den Patriziern1930. Die Senatoren trugen deshalb die Mondsichel, als Symbol C für centum an ihren Schuhen. „Der Glückliche befestigt unten am schwarzen Schuhleder das Mondzeichen“, so Juvenal1931. Patrizier und Volk, schreibt Cassius Dio über die Zeit des Tullius, 578 v. Chr., „unterschieden sich nur noch durch ihre Schuhe; denn die von den Patriziern in der Stadt benutzten Schuhe waren geschmückt mit durchgezogenen Schnürriemen und dem Zeichen des Buchstabens, damit man daran erkennen könne, daß sie von den hundert Mann, den ursprünglichen Senatoren, abstammten. Wie man sagt, war dies der Buchstabe ‚Rho‘1932, er solle entweder die Zahl der erwähnten hundert Männer oder auch den Anfang des Römernamens angeben“1933. 1927

    1928 1929 1930 1931 1932

    1933

    Serv. Aen. 8, 458: et dicit crepidas, quas primo habuere senatores, post equites Romani, nunc milites. alii calceos senatorios volunt, quia hoc genus calciamenti a Tuscis sumptum est. Verg. Aen. 8, 458. Hor. sat. 1, 6, 27–29. Liv. 1, 8, 5–7. Juv. 7, 191–192: nigrae lunam subtexit alutae. Der Buchstabe Rho wird als Zahlzeichen für 100 oder als Anfangsbuchstabe für Römer erklärt. Cass. Dio, Ergänzung Zonaras 7(9).

    c. 34 Vom Schuhwerk

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    Für Kaiser Augustus standen seine calcei für den Gang aufs Forum zusammen mit Tunika und Toga immer in seinem Schlafzimmer bereit. Welche höher besohlten Schuhe Augustus sonst trug, um größer zu erscheinen, überliefert Sueton leider nicht. Verwechselte der Kaiser in der Frühe den rechten mit dem linken Schuh und zog sie verkehrt an, sah er darin eine unglückliche Vorbedeutung1934. Jemand, der sich aus Rom in seine Heimatstadt Bilbilis zurückzieht, braucht weder Toga noch Purpurkleidung und auch keinen Mond am Schuh mehr zu sehen1935. Vom sehr weißen calceus spricht Martial, der nicht zur schmutzigen Toga des Trägers passte1936. Nach Darstellung des Ammianus haben der Kaiser und die Mitkaiser Schuhe, die zu den kaiserlichen Insignien gehören, denn als Caesar Gallus ermordet war, reißt jemand seine Schuhe an sich, um sie dem Kaiser Constantius II. zum Beweis zu zeigen1937. Sie waren purpurfarben. Hat der Senatorenschuh ein offizielles Abzeichen, das ihn als den Patriziern zugehörig ausweist, schmücken sich andere mit Anhängern in Schuhform oder Beschlägen anderer Art. Diese sind in verschiedenen Formen erhalten; ein goldener und mit Granateinlagen verzierter kleiner Schuh befindet sich heute im Móra Ferenc Múzeum1938. 5 a. ocrea Beinschiene Varro schreibt, ocrea sei ein Schienbeinschutz, „weil sie gegen das Schienbein gesetzt war“1939. Ein Mitglied einer Isisprozession geht laut Apuleius als Gladiator und zeigt sich in Beinschienen, Schild, Helm und Schwert1940. Vielleicht war für Isidor ein Vers von Augustinus interessant, in dem dieser die Dinge umkehrt und mit der ocrea den Kopf und mit der galea die Glieder beschuht1941. Bronzene Beinschienen trägt der Riese Goliath, als er König David gegenübersteht1942. Sedulius Scotus nennt sie später beinberga1943. 1934 1935 1936 1937 1938

    1939 1940

    1941 1942

    Suet. Aug. 73: calciamentis altiusculis, ut procerior quam erat videretur; und 92, 1. Mart. 1, 49: lunata nusquam pellis et nusquam toga olidaeque vestes murice. Mart. 7, 33: calceus autem candidior prima sit tibi, Cinna, nive. Amm. 15, 1, 2: raptos eius calceos. Katalog Attila und die Hunnen, S. 255, und Milosˇ Cˇizˇmárˇ, Latènezeitliche bronzene Hand- und Fußanhänger aus Mähren, S. 81–85. Varro ling. 5, 116: quod opponebatur ob crus. Apul. met. 11, 8, 3: porro alium ocreis, scuto, galea, ferroque insignem e ludo putares gladiatorio procedere. Aug. conf. 3, 7. 1. Sm 17, 6.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Über das genaue Aussehen der ocreae kann hier nichts gesagt werden, da sowohl das Material als auch die Form vom jeweiligen Stand der militärischen Ausrüstung abhing. 5 b. cot(h)urnus Kothurn „Auch wir haben einen Mann, der den verheißungsvoll prahlenden Namen Athanatus [der Unsterbliche] führte, mit einem fünfhundert Pfund schweren bleiernen Brustpanzer und mit ebenso schweren Kothurnen angetan auf der Theaterbühne umhergehen sehen“, so Plinius1944. Ammianus schreibt über den Heermeister Lupicinus, er sei „ein zwar kriegerischer […] Mann, der aber seine Brauen gleich Hörnern emporrichtete und, wie man so sagt, vom tragischen Kothurn herab seine Stimme ertönen ließ“1945. „Jetzt, bester Leser mußt du wissen, daß du also eine Tragödie, kein Lustspiel mehr liest und daß du vom soccus zum Kothurn hinaufsteigst“, lässt Apuleius den Esel sagen, als er von Verhängnis und unerhörter Schande spricht, die in einem Haus durch Eifersucht, Verrat und Morde hervorgerufen wurden1946. 6 a. bax(e)a Sandale der Kommödianten, siehe 13 f. Die baxeae sind leichte Sandalen, die aus pflanzlichem Material wie Palmblättern oder Weiden geflochten werden können. Sie sind auch Schuhwerk für Frauen, wie bei Plautus und Isidor zu lesen ist1947, für Philosophen und für Schauspieler auf der komischen Bühne. Kleidung kauft man in der Weberei, baxeae in der Schusterwerkstatt, sagt Apuleius1948. In leinenem Pallium, baxeae und kahlgeschorenem Kopf stellt Apuleius den Ägypter Zatchlas vor, als „einen Propheten erster Klasse“1949. Ein anderer ist

    1943 1944

    1945 1946 1947 1948 1949

    Sedul. Scot. De graeca 623, 5. Plin. 7, 83. Die Athanatoi waren die aus 10 000 Mann bestehende Garde des persischen Großkönigs. Amm. 20, 1, 2 und 27, 11, 2. Apul. met. 10, 2, 4: et a socco ad coturnum ascendere. Plaut. Men. 391 und Isid. Et. 19, 34, 13. Apul. flor. 9, 13, 8: vestem de textrina emere, baxeas istas de sutrina praestinare. Apul. met. 2, 28, 1–3. – 2, 28, 2: et cum dicto iuvenem quempiam linteis amiculis iniectum pedesque palmeis baxeis.

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    ähnlich gekleidet mit Pallium, Stab, baxeae und Ziegenbart eines Philosophen1950. „Wenn man in Purpur den Philosophen spielt, warum dann nicht auch in der baxa. Denn tyrische Fußbekleidung ohne Gold zu tragen, heißt noch keineswegs graezisieren,“ sagt Tertullian in seiner Abhandlung über das Pallium1951. Eine genaue Angabe über das Aussehen der baxa oder baxea ist das nicht. Aber diese Sandalen können wohl auch kostbar sein, darauf deutet sein folgender Ausspruch hin: „Socci und baxa werden alle Tage vergoldet, Merkur- und Serapisbilder aber nicht“1952. 6 b. calo Schuhwerk aus Holz „Calones sind aus Holz gemachte Schuhe“, sagt Festus1953. Das bedeutet nicht, dass anderes Schuhwerk keine Holzsohle haben kann. Wahrscheinlich war Holz ein sehr gebräuchlicher Rohstoff, insbesondere für die Sohlen. 7 a. talaris calceus Soccus, bis zu den Knöcheln reichend Nicht zu verwechseln mit einem bestimmten Schuhwerk sind die Flügelschuhe, mit denen man sich nach Aussagen der Dichter durch die Luft bewegen konnte1954. 7 b. subtolaris oder subtalaris calceus Soccus, bis unter den Knöchel reichend Zwei niedrige Nachtschuhe sollen die Mönche nach der karolingischen Mönchsregel Benedikts von Aniane von 817 im Sommer während der Nacht tragen1955.

    1950

    1951 1952 1953 1954 1955

    Apul. met. 11, 8, 3: pallio baculoque et baxeis et hircino barbitio philosophum fingeret. Tert. pall. 4, 7: Tyrium calciari nisi auro minime Graecatum decet. Tert. idol. 8, 4: Soccus et baxa quotidie deauratur, Mercurius et Serapis non quotidie. Fest. S. 40. Ov. met. 10, 591: aura refert ablata citis talaria plantis. Capitulare Monasticum c. 22: subtalares per noctem in aestate duas, in: MGH Capit. 1, Nr. 170, S. 345.

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    8. obstrigillus Riemensandale Die obstrigilli haben entlang ihrer Sohlen Ösen, durch die man Riemen zieht, mit deren Hilfe man die Sandalen an die Füße bindet. Die langen Riemen, obstragula, konnten mit Perlen verziert sein, berichtet Plinius1956. 9. osa Schuhwerk (auch der Langobarden) Eine besondere Bemerkung sind Paulus Diaconus die langobardischen Schuhe wert, die er allerdings nicht benennt. Sie seien fast bis zum großen Zeh ausgeschnitten gewesen und gehalten von darüber gezogenen Riemen. Diese Beschreibung passt zu den Schuhen, die Justinian auf dem Mosaik in Ravenna zeigt. Später, so Paulus, habe man hohe Schuhe, osae, getragen, über die man beim Reiten wollene Beinbinden (tubrugi aus birrus) schlang; dies habe man den Römern abgeschaut1957. 10. mulleus Mulleus, roter Schuh Plinius zitiert Fenestella, nach dem die Rotbarbe, Mullus barbatus, ein geschätzter Fisch, seinen Namen nach den Schuhen bekommen habe1958. Herrscher lieben rote Schuhe, schon Romulus trug sie, so behauptet man1959. Caesar „benutzte späterhin zuweilen hohes, purpurrotes Schuhwerk, nach Art der einstigen Könige in Alba, mit denen er, wie er behauptete, durch Julus verwandt war“1960. Gleiches sagt Festus: „Sie sagen, dass mullei eine Art von calcei seien, die als erste die Albanerkönige, dann die Patrizier benutzt haben.“. Dann führt er Cato an: „Wer ein curulisches Amt erhalten, habe mullei getragen mit alaungegerbten Schuhriemen, die anderen waren mit perones beschuht“1961. Weiter zitiert er Titinius in Setina, der damit hohe Schuhe beschreibt, und stellt die Ableitung des Wortes von

    1956 1957 1958

    1959 1960 1961

    Plin. 9, 114: nec crepidarum tantum obstragulis, sed totis socculis addunt. Paul. Diac. Lang. 4, 22. Plin. 9, 65: nomen his Fenestella a colore mulleorum calciamentorum datum putat. Cass. Dio Fragm. 1, 7. Cass. Dio 43, 43, 2. Cato orig. (fragm.) 7, 7: Qui magistratum curulem cepisset, calceos mulleos aluta vinctos, ceteri perones. Lindsay liest in der Festus-Ausgabe S. 128 anstelle von aluta vinctos: †allitaciniatos†.

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    mullare in der Bedeutung von ‚nähen‘ zur Debatte1962. Mulleoli calcei zusammen mit weißer Kleidung trugen Aufseherinnen von Latrinen, die dem Dienst der Ceres geweiht waren, lästert Tertullian1963. Rote Schuhe waren zunächst noch keine purpurfarbenen elitären Herrschaftsinsignien wie später am byzantinischen Hof1964. 11. solea Riemensandale, Sohle Solea ist eine leichte Sohle von unterschiedlichem Material, die mit Riemen gehalten wurde1965. Cicero berichtet von hölzernen soleae an den Füßen eines zum Tode Verurteilten, den man am Fliehen hindern wollte1966. „[…] wo man Hanf, Lein, Binse oder Spartgras anbaut, [kann man] daraus Sandalen für die Rinder, Schnüre, Stricke oder Seile flechten“, erläutert Varro1967. Sandalen aus Spartagras werden über den Leinenverband der Hufe gezogen, wenn sich Rinder verletzt haben, unterrichtet Columella1968. Soleae trägt man zu einer Einladung zum Essen, die man dann auf den Speisesofas ausziehen kann“1969. Nach Plinius „ließ zu unserer Zeit Poppaea, die Gattin des Kaisers Nero, ihren Lieblingszugtieren auch noch soleae aus Gold anziehen1970. Als bemerkenswert stellt Plinius die Tatsache hin, dass Frauen, wie der Mutter der Gracchen, selbst in Rom ein Standbild errichtet wurde: „Sie ist sitzend dargestellt, auffallend durch soleae ohne Riemen, ammentum“1971. Silberne soleae bekommen die Maultiere Neros auf seinen Reisen1972. Mit soleae, aus den Blättern der Siegespalme geflochten, schwingt sich die Göttin Isis zur Erde, um mit dem Helden der Geschichte, dem zum Esel verwandelten Lucius, zu reden1973.

    1962

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    Fest. S. 128: Paul. Diac. kürzt ab, S. 129: Mullei calcei regum Albanorum et post patriciorum a millando, id est suendo, dicti. Tert. pall. 4, 10. Rote Schuhe zu tragen, ist heute in der katholischen Kirche ein Vorrecht des Papstes. Siehe Gell. zu crepida. Cic. inv. 2, 50, 149: ligneae soleae in pedes inditae sunt. Varro, rust. 1, 23, 6. Colum. 6, 12, 1. Hor. sat. 2, 8, 77 und Mart. 12, 87. Plin. 33, 140. Plin. 34, 31. Dazu Festus, S. 11: Ammenta, quibus ut mitti possint, vinciuntur iacula, sive solearum lora; ex Graeco. Suet. Nero 30, 3. Apul. met. 11, 4, 3: tegebant soleae palmae victricis foliis intextae.

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    12 a. soccus Soccus Socci sind Schuhe ohne Riemen, in die man hineinschlüpfen kann – sicher sind sie zum Teil hinten geschlossen. Im allgemeinen gelten sie als Frauenschuhe, bequem zu tragen und oftmals aufwendig verziert. Das hindert Männer nicht, sich ihrer zu bedienen, sowohl Pompeius als auch Caracalla trugen sie. Plinius mokiert sich über das Verhalten von Kaiser Gaius Caligula, „der außer anderem Frauenschmuck auch socci aus Perlen anzog“1974. Plinius berichtet von Varro, der ein Kunstwerk des Arkesilaos aus Marmor besessen habe; auf ihm waren Reliefs herausgehauen, u. a. spielende Liebesgötter, die einer Löwin socci anzogen1975. Kaiser Claudius spielte man gern üble Streiche, als er noch ein Junge war: „Auch zogen sie ihm, jedesmal wenn er tief schlief, socci über die Hände, damit er sich, wenn er plötzlich aufwachte und sich durch das Gesicht rieb, das Gesicht zerkratzte“1976. Zu seidenen Kleidern, „kostbarem Schmuck und enganliegender Perücke“, die durch goldene socci ergänzt wurden, „mimte [ein Mann in einer Isisprozession] in wiegendem Gang eine Dame“, vermerkt Apuleius1977. Goldene socci gehören nicht zur Tracht einer frommen Frau, befindet Hieronymus, sie soll stattdessen schwarzes Schuhwerk tragen1978. Als Horaz sich über Plautus und seine Komödien äußert, bewundert er die Art, wie dieser seine Charaktere durchhält, von denen er einen mit ungebundenem soccus über die Bühne eilen lässt1979. In einer Personenbeschreibung des Prätorianerpräfekten aus Rom schreibt Ammianus unter anderem: „Man konnte den Eindruck gewinnen, er donnere im Augenblick der Selbstsicherheit von tragischem Kothurn herunter und laufe, wo er Angst spüre, auf dem allerniedrigsten soccus einher“1980. Billige socci sollte die Senatorentochter Eustochium als christliche Frau tragen, dies legte ihr der Berater Hieronymus nahe1981.

    1974

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    1981

    Plin. 37, 17: qui super cetera muliebria soccos induebat e margaritis. – Suet. Caligula 52: ac modo in crepidis vel coturnis, modo in speculatoria caliga, nonnumquam socco muliebri. Plin. 36, 41. Suet. Claud. 8. Apul. met. 11, 8, 2: alius soccis obauratis inductus serica veste mundoque pretioso et adtextis capite crinibus incessu perfluo feminam mentiebatur. Hier. epist. 79. In karolingischer Zeit gehörten socci zur Mönchstracht. Hor. epist. 2, 1, 174. Amm. 27, 11, 2: cum sibi fideret, de coturno strepere tragico et, ubi paveret, / omni humilior socco. Hier. epist. 22, 13: soccus vilior.

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    12 b. socellus kleiner Soccus Plinius erwähnt in seiner langen Beschreibung über die Perlen und ihre Bedeutung auch das Tragen von Perlen auf dem Schuhwerk: „denn schon seit der Zeit der Einführung nennen sie [diesen Schmuck] ‚Klappern‘, als ob sie sich auch am Klange und dem bloßen Aneinanderstoßen der Perlen erfreuten; auch die Armen begehren bereits danach und sagen, eine Perle sei auf der Straße der Liktor der Frau. Ja, man befestigt sie […] nicht nur an den Riemen der crepidae, sondern auch an den ganzen socculi1982. Vom späteren Kaiser Vitellius erzählt Sueton, dass dieser, um sich bei Claudius einzuschmeicheln, Messalina darum bat, „ihm als Zeichen ihrer höchsten Gunst zu erlauben, ihr die Schuhe auszuziehen. Den ihr ausgezogenen rechten socculus trug er ständig zwischen Toga und Tunika mit sich herum, manchmal küsste er ihn“1983. 12 c. callicula Fußbekleidung für Kinder, leichtes Schuhwerk Germanicus’ Sohn Gaius, der spätere Kaiser, wächst inmitten der Militärlager auf und heißt bei den Soldaten Caligula, denn er trägt kleine caligae der Soldaten1984. Eine Sandale, (caligula) seines Vorgängerabtes Honoratus trägt Libertinus als Reliquie in seiner Kleidung1985. 12 d. caliga Fußbekleidung der Soldaten und Mönche Caligae gehören zum Schuhwerk derer, die nach der Benediktusregel leben wollten. Isidor übernimmt den Ausdruck in seine Regel1986. Ein genaues Aussehen ist aus den schriftlichen Quellen nicht zu erkennen. Die caligae der Soldaten sind durch Bildmaterial und archäologische Funde gut belegt und nachzuarbeiten. Ob allerdings die Mönche mehr als nur den Namen – entsprechend dem Gürtel, den sie balteus nannten – als Soldaten Christi in der gleichen Form übernommen haben, ist zu bezweifeln. Ebensowenig läßt sich beurteilen, ob alle caligae dieser Mönche eine einheitliche Form hatten. 1982 1983 1984 1985 1986

    Plin. 9, 114: nec crepidarum tantum obstragulis, sed totis socculis addunt. Suet. Vit. 2, 5. Tac. ann. 1, 41, 2; Suet. Cal. 9. Greg. M. dial. 1, 2. Bened. reg. 55, 19; Isid. reg. monach. 12, 109, 322.

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    13 a. cernuus soccus Schuh für Gaukler, Ballettschuh Festus schreibt kurz: „cernuus calciamenti genus“1987. Oberteile und Sohlen der socci konnten von jeweils zuständigen Handwerkern getrennt gearbeitet werden. Das Oberteil des Soccus, eines Schlupfschuhs oder Slippers, hat eine gebogene Form. Allerdings sind die Hinweise auf die Bedeutung von cernuus in diesem Zusammenhang zu gering, als dass eine genaue Definition möglich ist. Der Begriff Gamaschen, wie bei Georges HWB, entspricht nicht Isidors Beschreibung. Gaukler und Tänzer brauchen für ihre Vorführungen Schuhe mit so biegsamen und weichen Sohlen, dass man sie kaum wahrnimmt. Vielleicht ist Schuhwerk dieser Art gemeint. 13 b. lingulatus zungenförmig Lingula ist eine Verkleinerung von Zunge, so Festus; er fügt seiner Erklärung an, dass die Zunge am Schuh sichtbar ist, während sie im Mund hinter den Zähnen verschwindet1988. Bischof Amalar legt im 9. Jh. in seiner Beschreibung der Priesterkleidung auch eine mystische Deutung der klerikalen Sandalen vor und erläutert darin Farbe und Bedeutung der Schuhlaschen, hier sind es die Mittelstege der Sandalen1989. 13 c. clavatus genagelt Clavus ist ein Wort mit doppelter Bedeutung. Mit clavatus werden sowohl die mit Streifen besetzten Kleidungsstücke, als auch das mit Nägeln zusammengefügte oder sohlengenagelte Schuhwerk bezeichnet, wie Festus erwähnt1990. Schuhnägel erwähnt Plinius im Zusammenhang mit magnetischen und antimagnetischen Bergen. Am Indus gebe es zwei magnetische Berge, sie hielten Schuhe mit Nägeln fest, so dass man entweder die Füße nicht hoch-

    1987

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    Fest. S. 48. Wasserpflanzen, wie scirpus cernuus oder saururus cernuus, stehen „mit den Füssen im Wasser“. Fest. S. 103: Lingula per deminutionem linguae dicta; alias a similitudine exertae, ut in calceis; alias insertae, id est intra dentes coercitae, ut in tibiis. Amalar, eccl. off. 2, 25, in: Migne Pl 105, Sp. 1100: Lingua sandaliorum quae super pedem est, linguam praedicatoris potest figurare. Linea opere sutoris facta praecedens a lingua sandalii usque ad finem ejus, Evangelicam perfectionem. Fest. S. 49: Clavata dicuntur aut vestimenta clavis intertexta aut calciamenta clavis confixa.

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    heben oder nicht auftreten könne1991. Für Schuhnägel eigne sich ein Eisen, das „nur in kurzen Stücken verwendbar“ sei1992. Nägel konnte man „in schönen Zierlinien einschlagen“ oder mit ihrem Abdruck eine bestimmte Botschaft hinterlassen. Otto Stählin weist in einer Anmerkung im Kapitel Fußbekleidung auf die Sohle einer Hetäre hin, deren Schuhabdrücke die Inschrift „folge mir“ aufwiesen, wie sich an der Anordnung der Nagellöcher ablesen lässt1993. Genagelte caligae trägt Equitius, während er eine Wiese mäht, und so trifft ihn ein Abgeordneter des Papstes an1994. Inzwischen sind auch Holznägel gefunden worden, mit denen Schuhsohlen und Oberleder zusammengehalten wurden1995. 13 d. pero Pero Perones trugen in den Anfängen Roms die Nichtpatrizier1996. „Verbotenes wird nicht begehren wollen, wer sich nicht schämt, mit dem pero sich im Eis zu schützen, wer die Ostwinde abwehrt durch umgekehrte Felle: der ausländische und uns unbekannte Purpur, was er auch sein mag, verleitet zu Verbrechen und Frevel“1997, erinnert Juvenal an die alten Zeiten. Die Männer, die im Gebirge um Praenestre und Gabii wohnen und sich zum Kampf sammeln, tragen „nicht alle klirrende Waffen, dröhnende Schilde und rollende Wagen; der größte Teil schleudert Kugeln aus bläulichem Blei, ein Teil schwingt auch mit der Hand zwei Spieße, galeri aus rotgelbem Wolfsfell haben sie auf dem Kopf, mit dem linken Fuß treten sie unbeschuht auf, den andern schützt ein pero aus rohem Leder“, dichtet Vergil1998. Servius schreibt dazu: „Pero ist aber ein bäurisches Schuhwerk“1999. Perones trägt ein Holzarbeiter im Gebirge2000. Tertullian spottet, dass sie von Parthern, Medern und anderen Barbaren, geschmückt mit Perlen und Edelstei1991 1992

    1993

    1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

    Plin. 2, 211. Plin. 34, 143; die genagelten crepidae, deren Nägel durch Magnetismus herausgezogen werden konnten, sind schon erwähnt. Clemens von Alexandreia, Der Erzieher 2, 116, 1 und Pauly-Wissowa RE 8, 1345 Stichwort Hetairai. Greg. M. dial. 1, 4. Freundl. Mitteil. Serge Volken, Lausanne, 1. 10. 2008. Cato orig. 7, 7, 28. Siehe mulleus. Juv. 14, 185–188. Verg. Aen. 7, 686–690: vestigia nuda sinistri instituere pedis, crudus tegit altera pero. Serv. Aen. 7, 690. Apul. met. 7, 18.

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    nen, durch den Dreck geschleift werden2001. Über die Begleiter des Prinzen Sigismer schreibt Sidonius Apollinaris in einem Brief (ca. 400), der vordere Teil ihrer Füße sei durch einen behaarten Pero bis zu den Knöcheln umschlossen2002. Wie sich aus der Aufstellung ergibt, ist der pero kein eleganter römischer Schuh, aber auch keine rein barbarische Fußbekleidung. 13 e. sculponea Holzschuh Nach Cato erhielt ein Sklave jedes zweite Jahr Holzschuhe2003. Eine nähere Beschreibung ist nicht überliefert. 13 f. baxea flacher Frauenschuh 13 g. corrigia Schuhriemen Als Schuhriemen werden hier diejenigen Riemen angesehen, die durch Schlaufen oder Ösen mit dem Schuh verbunden sind und ihn halten. Sie gehören zu fast allen Schuhmodellen. Verzierungen durch Anhängsel oder farbige Schuhriemen sind Bestandteil von aufwendig gehaltenem Schuhwerk. Schuhe und Schuhriemen sind in der Vulgata häufiger ein Thema. „Ich behalte nichts von dem, was dir gehört, von einem Schussfaden bis zu einem Schuhriemen“, sagt Abraham zum König von Sodom2004. Als Mose sich Gott im brennenden Dornbusch nähert, soll er die Schuhriemen lösen, denn „der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land“2005. Nach Is 5, 27 steht das assyrische Heer mit unzerrissenem Schuhriemen bereit, Israel anzugreifen. In Mc 1, 7 spricht der Täufer Johannes davon, dass er nicht würdig sei, Jesus die Schuhriemen aufzubinden2006. Für jeden Schuh zwei mit Gold besetzte Schuhriemen von 1.80 m Länge, am Ende mit je zwei silbernen, feu2001 2002

    2003 2004

    2005

    2006

    Tert. cult. fem. 1, 7, 2; 2, 10, 1. Sidon. epist. 4, 20 (an Domitius), 2: quorum pedes primi perone saetoso talos adusque vinciebantur. Cato, agr. 68: Vestimenta familiae: […] Sculponias bonas alternis annis dare oportet. Gn 14, 23: quod a filo subteminis usque ad corrigiam caligae non accipiam ex omnibus quae tua sunt. Ex 3, 5: solve calciamentum de pedibus tuis locus enim in quo stas terra sancta est. Mc 1, 7: cuius non sum dignus procumbens solvere corrigiam calciamentorum eius. Vgl. auch Lc 3, 16 und Act 13, 25.

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    ervergoldeten Bommeln verziert, die vom Knöchel bis zum Knie kreuzweise gebunden wurden, fanden sich vor kurzer Zeit in einem Merowingergrab etwa aus der Zeit Isidors2007. Ein aus dem Griechischen stammender Ausdruck für Riemen bzw. Riemenschleifen für Sandalen ist amentum für soleae2008. In der klerikalen Hierarchie unterschieden im Mittelalter die Schuhriemen mittels der Ligaturen die einzelnen Rangstufen2009. Im 9. Jh schreibt Smaragdus im vergleichenden Kommentar der beiden Mönchsregeln von Benedikt von Nursia und Isidor über die Schuhe der Mönche: „caligas [nennt Benedikt], was wir subtalares oder socci heißen“2010. Damit sind alle sachlichen Unterschiede im Aussehen zwischen caligae, subtalares und socci aufgehoben bzw. als unwesentlich abgetan. gallica Riemensandale Ob die gallicae identisch sind mit den caligae, ist nicht klar. Auffälligerweise fehlen sie in Isidors Zusammenstellung, obwohl sie häufig im Zusammenhang mit den äyptischen Mönchsregeln zitiert werden2011. Zur Beschreibung ist wichtig, dass man bei einem reichen Mann noch die Spur der Sklavenfessel am nackten Knöchel sehen konnte, als er die gallica trug – dabei ist nicht gesagt, wie lang die Riemen waren und wie weit sie das Bein mitbedeckten. Bei Juvenal sind es Ritter aus Asien, Kappadokien und Bithynien, die „einer ihrer gallicae durch den nackten Knöchel entlarvt“2012. Nach Georges, HWB, sind die gallicae „ursprünglich“ Holzschuhe aus Gallien, dies scheint angesichts der Quellenlage nicht zwingend zu sein.

    2007 2008

    2009 2010 2011 2012

    M. Müller, in: RGA 27, 2004, Stichwort Schuhe mit Abb. Taf. 12. Nach Plin. 34, 31, gab es ein Standbild von Cornelia, der Mutter der Gracchen, die, „sitzend dargestellt“, Plinius auffiel, weil ihre soleae keine Riemen hatten: sedens huic posita soleisque sine ammento insignis. Fest. S. 11 verkürzt: ammenta […] vinciuntur […] sive solearum lora; ex Graeco. Amalar, eccl. off. 2, c. 25, Sp. 1100: De varietate sandaliorum. Smar., Expositio c. 55, S. 286. Cassian. inst. 1, 9. Juv. 13, 14–16.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Weitere Ergänzungen Nicht jeder kann sich gute Schuhe leisten, manche sind drei- und viermal mit Lederstücken besetzt2013. Zur Ergänzung soll gesagt werden, dass es auch andere Materialien für Schuhe gibt. So kann man aus Ziegenwolle vorn geschlossene Schuhe anfertigen, die wahrscheinlich gefilzt wurden und möglicherweise besser gegen Regen schützten als die Lederschuhe2014. „Schuhwerk aus Biberfell zu tragen, vor allem vom pontischen Biber, aber auch vom Seekalb (vitulus marinus)“ war gut, wenn man unter Fußgicht litt, sagt Plinius2015. Aus Korkeichenrinde arbeitete man Winterschuhe für Frauen2016. Einfache Leute in Spanien bedeckten ihre Lagerstätten mit Halfagras und stellten daraus Schuhe und die Kleider der Hirten her2017. Nicht in Isidors etymologischen Aufzählungen enthalten ist das Schuhwerk aus Spartagras, spartae, „oder irgendeine beliebige Art von soleae“, die er in seiner Regel für straffällige Mönche vorsieht2018. Schuhe müssen wohl oft gedrückt haben, von Gegenmitteln weiß Plinius zu berichten: „Durch Schuhwerk wundgeriebene Stellen heilt die Asche einer alten Schuhsohle, ferner die Lunge eines Lammes und eines Widders, das Nagelgeschwür [heilt] aber besonders das Mehl eines zerriebenen Pferdezahnes; das Blut der grünen Eidechse streicht man auf die wundgelaufenen Füße von Menschen und Zugtieren, Hühneraugen an den Füßen heilt der Harn des Maulesels oder der Mauleselin, mit seinem Bodensatz aufgestrichen, der Schafmist, die Leber der grünen Eidechse oder ihr mit einer Wollflocke aufgelegtes Blut, Regenwürmer in Öl, der Kopf eines Geckos mit [Blättern] des Mönchspfeffers in Öl zerrieben, auch in Essig abgekochter Taubenmist“2019. Auch andere Mittel sollten gegenüber Widrigkeiten helfen: „Wer aber die Zunge [einer Hyäne] im Schuh unter dem Fuß mit sich trägt, soll von Hunden nicht angebellt werden“2020. Weiter gibt er an: 2013 2014

    2015 2016 2017 2018

    2019

    2020

    Mart. 1, 103: calceus est sarta terque quaterque cute. Mart. 14, 141 (140): Non hos lana dedit sed olentis barba mariti: Cinyphio poterit planta latere sinu. Plin. 32, 110. Plin. 16, 34: in hiberno feminarum calceatu. Plin. 19, 27: hinc calceamina et pastorum vestes. Isid. reg. monach. c. 18: calciamentum vero aut sparteae aut quodlibet genus solearum. Plin. 30, 80. In heutigen Fußpflegemitteln ist zum Erweichen der Hornhaut Harnstoff zusammen mit fetthaltigen Substanzen enthalten. Plin. 28, 100.

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    „[die Hunde] bellen aber nicht, wenn man im Schuh die Zunge eines Hundes unter die große Zehe legt oder auch den Schwanz eines Wiesels, das man, nachdem man ihn abgeschnitten hat, wieder laufen ließ2021. In dieser Zusammenstellung der Schuhnamen können weder das jeweils verarbeitete Material genau angegeben, noch die steten Modewechsel einzelner Modelle berücksichtigt werden. Hierfür reichen die Quellenhinweise nicht aus. Clemens von Alexandreia lehrt in seiner Schrift vom Erzieher, welche Überlegungen im täglichen Leben frommer Menschen eine Rolle spielen sollen. Frauen, so schreibt er, sollen aus Gründen der Schicklichkeit keinen nackten Fuß zeigen, sondern Schuhe benutzen. Man soll „nichts wissen von den sinnlosen Kunstwerken der mit Gold verzierten und mit Edelsteinen besetzten Schuhe und den Halbschuhen aus Athen und Sikyon und den persischen und tyrrhenischen Kothurnen“. Man soll das „Naturgemäße wählen“. Frauen dürfen weiße Schuhe, bei Wanderungen im Gebirge aber Stiefel mit genagelten Sohlen tragen. Für Männer, so heißt es, ist es „eine gute Übung, barfuß zu gehen; und es fördert die Gesundheit und die körperliche Frische, wenn nicht ein dringender Grund davon abhält. Wenn wir aber keinen größeren Marsch machen […], so sollen wir Sandalen oder Halbschuhe tragen“2022.

    2021 2022

    Plin. 29, 99. Clemens von Alexandreia, Der Erzieher, Über die Fußbekleidung, 2, 116–117.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Literaturliste Eine Reihe von lateinischen Quellen ist den Ausgaben entnommen, die der Datenbank der Library of Latin Texts zugrunde liegen; diese ist auch für Privatpersonen zugänglich. Falls vorhanden, wurden die lateinischen Quellen der zweisprachigen Ausgaben benutzt. Im Kommentar wurde die Schreibweise von u für v zu v ausgeglichen. Die Übersetzungen wurden von Katharina Colberg mit den Vorlagen verglichen; Abweichungen sind möglich, ohne dass dies eigens gekennzeichnet wird. Andere Texte wurden neu übersetzt.

    Abkürzungen Abb.: Abbildung, Abbildungen ATN: Archaeological Textiles Newsletter BKV: Bibliothek der Kirchenväter CCM: Corpus Consuetudinum Monasticarum CCSL: Corpus Christianorum Series Latina CJ: Codex Justinianus CTh: Codex Theodosianus LThK: Lexikon für Theologie und Kirche MGH: Monumenta Germaniae Historica Migne Pl: Migne, Patrologia Latina ND: Nachdruck RE: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaften, hrsg. von Georg Wissowa RGA: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde SH: Summarium Heinrici TRE: Theologische Realenzyklopädie

    Quellen Agathias, Historien: Auszüge aus den Historien, in: Prokop, Gotenkriege, S. 1111– 1213. Amalar, eccl. off.: Amalar, De ecclesiasticis officiis libri IV, in: Migne Pl 105, Paris 1864, Sp. 985–1242. Ambr.: Ambrosius Ambr. in psalm.: Expositio in psalmum 118. Ambr. parad.: De paradiso. Amm.: Ammianus Marcellinus, Rerum gestarum libri qui supersunt, hrsg. von Wolfgang Seyfahrth, 2 Bde., Leipzig 1978. – Das römische Weltreich vor dem Untergang, hrsg. von Gerhard Wirth, übers. von Otto Veh, Zürich und München 1974, ND Amsterdam 1997.

    Literaturliste

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    Apul.: Apuleius Apul. flor.: Florida. Apul. met.: Der goldene Esel – Metamorphosen, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Edward Brandt, München 1958. Arist. hist. anim.: Aristoteles, [Historia animalium] Tierkunde, deutsch hrsg. und übers. von Paul Gohlke (Die Lehrschriften 8,1), Paderborn 1949. Ascon. tog. cand.: Asconius, In toga candida, in: Commentaries on Five Speeches of Cicero, lat.-engl., hrsg. und übers. von Simon Squires, Bristol und Wauconda, Ill. 1990, V, S. 125–145. Asterius von Amaseia, Homilien, in: Frits van der Meer, Ursprünge, S. 16 und S. 25. Aug.: Augustinus Aug. civ.: Der Gottesstaat – De civitate Dei, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Carl Johann Perl, 2 Bde., Paderborn u. a. 1979. Aug. conf.: Confessionum libri XIII. Aug. contra Faust.: Contra Faustum. Aug. doctr. christ.: De doctrina christiana, hrsg. und übers. von Sigisbert Mitterer, in: BKV 1, 49, München 1925, S. 1–225. Aug. epist.: Epistulae. Aug. gen. c. Manich.: De Genesi contra Manichaeos. Aug. in psalm.: Enarrationes in Psalmos. Aug. mag.: De magistro. Aug. quaest. hept. 2 Exod.: Quaestiones in heptateuchum, liber 2: Quaestio Exodi. Aug. reg.: [Regula] Augustine of Hippo and his Monastic Rule, lat.-engl., hrsg. und übers. von George Lawless, Oxford 1987. Aug. serm.: Sermones. Auson. carm.: Ausonius, Epigrammata [Carmina]. Babylonischer Talmud s. Talmud. Basilius der Große von Caesarea, Ausgewählte Homilien und Predigten, hrg. v. Anton Stegmann (BKV 1, 47), München 1925. Basilius, Regula s. Regeln. Beda: Kirchengeschichte des englischen Volkes, lat.-deutsch, hrsg. von Günter Spitzbart, 2. Aufl. Darmstadt 1997. Benedikt von Aniane, Concordia s. Regeln. Bened. reg.: Benediktusregel s. Regeln. Bibeln: Septuaginta und Vulgata, CD-ROM Bibel Edition, hrsg. von der Deutschen Bibelgesellschaft. Vulg.: Biblia Sacra iuxta Vulgatam versionem, 2 Bde., hrsg. von Robert Weber, 2. Aufl. Stuttgart 1975. Die Bibel mit Apokryphen, übers. von Martin Luther, rev. Fassung von 1984, Stuttgart 1999. Gute Nachricht Bibel, Stuttgart 1997. Mendelssohn: Die Tora nach der Übers. von Moses Mendelssohn, hrsg. von Annette Böckler, Berlin 2001. Buber-Rosenzweig: Die Fünf Bücher der Weisung, übers. von Martin Buber und Franz Rosenzweig, 11. Aufl. Darmstadt 1992. Wohlgemuth-Bleichrode: Pentateuch, mit deutscher Übers. von J. Wohlgemuth und J. Bleichrode, Basel 1985.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Bibelbücher, benutzte Siglen: Pentateuch Gn Genesis Ex Exodus Lv Leviticus Nm Numeri Dt Deuteronomium

    Das Alte Testament 1. Buch Mose 2. Buch Mose 3. Buch Mose 4. Buch Mose 5. Buch Mose

    Idc Judicum Sm Samuhel Rg Regum Par Paralipomenon Jdt Judith Ps Psalmi Prv Proverbia Ct Canticum Canticorum Die Propheten Is Isaias Ier Hieremias Ez Hiezechiel Dn Danihel Na Naum Za Zaccharias Apokryphen Est Hester Sap Sapientia Sir Sirach seu Ecclesiasticus Mcc Macchabeorum Das Neue Testament Die Evangelisten Mt Matthaeus Mc Marcus Lc Lucas Io Johannes

    Buch der Richter Zwei Bücher Samuel Zwei Bücher der Könige Zwei Bücher der Chronik Das Buch Judit Psalmen Sprüche Salomos Das Hohelied Prophet Jesaja Prophet Jeremia Prophet Hesekiel Prophet Daniel Prophet Nahum Prophet Sacharja Das Buch Ester Weisheit Salomos Buch Jesus Sirach Zwei Bücher der Makkabäer Matthäus Markus Lukas Johannes

    Act Actus Apostolorum Apostelgeschichte des Lukas Briefe Eph Epistula ad Ephesios Brief an die Epheser Tim Epistula ad Timotheum Brief an Timotheus Hbr Epistula ad Hebraeos Brief an die Hebräer Iac Epistula Jacobi Brief des Jakobus Pt Epistula Petri Brief des Petrus Bonifatius Brief 90: Kardinalbischof Benedictus an Bonifatius, in: Briefe des Bonifatius, lat.-deutsch, hrsg. und neu übers. von Reinhold Rau (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 4 b), 3. Aufl. Darmstadt 1994, Nr. 90, S. 306–309. Braulio, Renotatio librorum domini Isidori, hrsg. von Jose Carlos Martín, in: Scripta de vita Isidori Hispalensis episcopi (CCSL 113 B), Turnhout 2006, S. 11–274.

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    Capitulare Monasticum, in: MGH. Capitularia regum Francorum 1, hrsg. von Alfred Boretius, Hannover 1883, ND 1984, Nr. 170, S. 343–349. Caes. Arel. reg. virg. s. Regeln. Caes. Gall.: C. Julius Caesar, Commentarii belli Gallici. Cassian. inst.: Cassianus, De institutis coenobiorum et de octo principalium vitiorum remediis Liber I: De habitu monachorum. Cass. Dio: Cassius Dio, Römische Geschichte, 5 Bde., eingel. von Gerhard Wirth, übers. von Otto Veh, Zürich und München 1985–1987. Cassiod.: Cassiodor, The „Variae“, lat.-engl., hrsg. und übers. von S. J. B. Barnish (Translated Texts for Historians 12), Liverpool 1992. Cato Cato agr.: [De re agri cultura] Vom Landbau. Cato, Praeter Librum de re rustica quae exstant, hrsg. von Heinrich Jordan, Leipzig 1860, ND Stuttgart 1967. Cato, Vom Landbau – Fragmente – Alle erhaltenen Schriften, lat.-deutsch, hrsg. von Otto Schönberger, München 1980. Catull: Gedichte, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Werner Eisenhut, 9. Aufl. München und Zürich 1986. Chrysost. hom.: Johannes Chrysostomus, Homilien, übers. von Johannes Chrysostomus Mitternutzner (Ausgewählte Schriften 5 – BKV), Kempten 1881. Cic.: Cicero Cic. Balb.: Pro Balbo oratio, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Manfred Fuhrmann, in: Die Prozessreden, Bd. 2, München 1997, S. 230–309. Cic. Brutus, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Bernhard Kytzler, 2. Aufl. München 1977. Cic. Catil.: In Catilinam orationes – Vier Reden gegen Catilina, hrsg. und übers. von Dietrich Klose, Stuttgart 1982. Cic. fam.: Epistulae ad familiares. Cic. inv.: De inventione – Über die Auffindung des Stoffes, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Theodor Nüßlein, Düsseldorf u. a. 1998. Cic. leg.: De legibus. Cic. Phil.: Die philippischen Reden, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Manfred Fuhrmann (Die politischen Reden 3), München 1993. Cicero, Die politischen Reden, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Manfred Fuhrmann, Bd. 1, München 1993. Cic. Scaur.: Pro Scauro oratio, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Manfred Fuhrmann, in: Die Prozessreden, Bd. 2, München 1997, S. 434–471. Cic. Tusc.: Tusculanae disputationes – Gespräche in Tusculum, hrsg. und übers. von Olof Gigon, Stuttgart 1980. Claud.: Caudian Claud. carm.: Carmina minores. Claud. Panegyricus dictus Olybrio et Probino consulibus, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Werner Taegert (Zetemata 85), München 1988. Claud. Der Raub der Proserpina, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Anne Friedrich und Anna Katharina Frings, Darmstadt 2009. Clemens von Alexandreia, Der Erzieher, übers. von Otto Stählin (BKV 2, 8), München 1934. Der Codex Eberhardi des Klosters Fulda, hrsg. von Heinrich Meyer zu Ermgassen, 2 Bde. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 58), Marburg 1995–1996.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Codex Iustinianus (CJ), hrsg. von Paul Krüger (Corpus iuris civilis 2), Berlin 1900, ND Dublin und Zürich 1970. Codex Theodosianus (CTh), hrsg. von Theodor Mommsen, 2 Bde, Berlin 1904–1905, ND Dublin und Zürich 1971. Colum.: Columella, Zwölf Bücher über Landwirtschaft, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Will Richter, 2 Bde., München und Zürich 1981–1982. Concilium Matisconense 583, in: MGH. Concilia 1, hrsg. von Friedrich Maassen, Hannover 1893, S. 155–161. Conradus de Mure, Fabularius, Lexicon P, 420. Coripp. Iust.: Corippus, In laudem Iustini, hrsg. von Joseph Partsch, in: MGH. Auctores antiquissimi 3, 2, Berlin 1879, S. 111–156. Das Corpus iuris civilis (Romani), übers. von Karl Eduard Otto, Bruno Schilling und Karl Friedrich Ferdinand Sintenis, Bd. 5–6, Leipzig 1832, ND Aalen 1984–1985. Curt.: Curtius Rufus, Alexandergeschichte, nach den Übersetzungen von J. Sibelis und H. Weismann neu bearb. von Gabriele John, Essen und Stuttgart 1987. – Historiarum Alexandri Magni Macedonis libri qui supersunt, hrsg. von Theodor Vogel, 2. Bde., 4. bzw. 3. Aufl. von Alfred Weinhold, Hildesheim u. a. 2002. Cyprian. hab. virg.: Cyprianus, De habitu virginum – Über die Haltung der Jungfrauen, in: Cyprianus, Traktate, übers. von Julius Baer (BKV 1, 34), Kempten und München 1918, S. 56–82. Digesta, hrsg. von Theodor Mommsen, in: Institutiones. Digesta (Corpus iuris civilis 1), Berlin 1889. Eucher. instr.: Eucherius, Instructionum ad Salonium libri II. Enn. ann.: Ennius, Annalium fragmenta. Ennod. epist.: Ennodius, Epistulae, in: Opera, hrsg. von Friedrich Vogel (MGH. Auctores antiquissimi 7), Berlin 1885. Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte, übers. von Philipp Haeuser (BKV 2, 1), München 1932. Fest.: Sextus Pompeius Festus, De verborum significatu quae supersunt cum Pauli epitome, hrsg. von Wallace M. Lindsay, Leipzig 1913, ND Hildesheim 1965. Flor. epit.: Florus, [Epitome de Tito Livio] Römische Geschichte, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Günter Laser, Darmstadt 2005. Gaius inst.: Gaius, Institutiones, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Ulrich Manthe (Texte zur Forschung 81), Darmstadt 2004. Gell.: Gellius, Noctes Atticae, hrsg. von P. K. Marshall, 2 Bde, Oxford 1968. – Die attischen Nächte, hrsg. und übers. von Fritz Weiss, 2 Bde., Leipzig 1875–1876, ND Darmstadt 1981. Gesta collationis Carthaginensis. Die Giessener literarischen Papyri und die Caracalla-Erlasse, hrsg. und übers. von Peter Alois Kuhlmann (Berichte und Arbeiten aus der Universtitätsbibliothek und dem Universitätsarchiv Giessen 46), Giessen 1994. Greg.M.: Gregorius Magnus Greg. M. dial.: Dialogi – Vier Bücher Dialoge, übers. von Joseph Funk (BKV 2, 3), München 1933.

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    Greg. M. dial.: Der heilige Benedikt, Buch II der Dialoge, lat.-deutsch, hrsg. im Auftrag der Salzburger Äbtekonferenz, St. Ottilien 1995. Greg. M. epist.: Registrum epistularum. Greg. M. in cant: Expositio super Cantica Canticorum, in: Migne Pl 79, Paris 1849, Sp. 471–548. Greg. M. moral.: Moralia in Iob. Greg. Naz.: Gregor von Nazianz, Gegen die Putzsucht der Frauen, griech. – deutsch, hrsg. und übers. von Andreas Knecht, Heidelberg 1972. Greg. Nyss.: Gregor von Nyssa, Schriften, übers. (BKV 1, 56), München 1927. Greg. Tur.: Gregor von Tours Greg. Tur. Franc.: Historiarum libri decem – Zehn Bücher Geschichten, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Rudolf Buchner, 2 Bde. (Ausgewählte Quellen zur Geschichte des Mittelalters 2–3), 5. Aufl. Darmstadt 1977 bzw. ND 1964. Greg. Tur. vit. patr.: Liber vitae patrum 8: De sancto Niceto episcopo Lugdunensi, in: MGH. Scriptores rerum Merovingicarum 1, Hannover 1885, S. 661–744. Herodian, Geschichte des Kaisertums nach Marc Aurel, griech. – deutsch, hrsg. und übers. von Friedhelm L. Müller, Stuttgart 1996. Herodot, Neun Bücher zur Geschichte, 1898, überarb. Wiesbaden 2004. Hier. Hieronymus Hier. epist.: [Epistulae] Saint Jérôme, Lettres, lat.-französisch, 8 Bde., hrsg. und übers.von Jérôme Labourt, Paris 1949–1963. – Ausgewählte Briefe, Bd. 1–2, übers. von Ludwig Schade (BKV 1, 16 und 18), München 1936–1937. Hier. in Dan.: Commentarii in Danielem. Hier. in Ezech.: Commentarii in Ezechielem. Hier. in Ier.: In Hieremiam prophetam libri VI. Hier. in Is.: Commentarii in Isaiam. Hier. in proph. minor.: Commentarii in prophetas minores, in Zachariam. Hier. praef. Pachom.: Praefatio in Pachomiana Latina. Hier. quaest. hebr. in Gen.: Liber quaestionum hebraicarum in Genesim. Hier. Tractatus LIX in psalmos: psalmus 132. Homer, Od.: Odyssee, übers. von Johann Heinrich Voss (Reclams Universalbibliothek 280–283), Stuttgart o. J. Hor.: Horaz Hor. carm.: Carmina. Hor. epist.: Epistulae. Hor. epod.: [Epodi] Oden und Epoden, lat.-deutsch, übers. von Will Richter, überarb. von Friedemann Weitz, Darmstadt 2010. Hor. Sämtliche Werke, lat.-deutsch, übers. von Wilhelm Schöne, München 1957; 11. Aufl., hrsg. und übers. von Hans Färber und Wilhelm Schöne, Darmstadt 1993. Hor. sat.: [Saturae] Sermones, Satiren, lat.-deutsch, übers. von Wilhelm Schöne und Hans Färber, neu hrsg. von Gerhard Fink, Düsseldorf 1999. Hraban.: Hrabanus Maurus Hraban. inst. cler.: De institutione clericorum libri tres, hrsg. von Detlev Zimpel (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 7), Frankfurt/M. 1996. Hraban. De rerum naturis (de universo) libri XXII, in: Migne Pl 111, Paris 1864, Sp. 9–614. Isid.: Isidor von Sevilla Isid. Chr.: Chronica, hrsg. von Jose Carlos Martin (CCSL 112), Turnhout 2003.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Isid. diff.: Liber differentiarum [II], hrsg. von María Adelaida Andrés Sanz (CCSL 111A), Turnhout 2006. Isid. eccl. off.: De ecclesiasticis officiis, hrsg. von Christopher M. Lawson (CCSL 113), Turnhout 1989. Isid. epist.: [Epistulae] Letters, lat.-engl., hrsg. und übers. von Gordon B. Ford jr., 2. Aufl. Amsterdam 1970. Isid. Et.: Isidori Hispalensis episcopi Etymologiarum sive originum libri XX, hrsg. von Wallace Martin Lindsay, 2 Bde., Oxford 1911. Isid. Et.: The Etymologies of Isidore of Sevilla, engl. hrsg. von Stephen A. Barney, W. J. Lewis, J. A. Beach und Oliver Berghof, Cambridge 2006. Isid. Et.: Isidore of Seville’s Etymologies, engl. Gesamtübers. von Priscilla Throop, 2 Bde., Charlotte, Vermont 2005. Isid. Et.: Die Encyklopädie des Isidor von Sevilla, deutsch übers. von Lenelotte Möller, Wiesbaden 2008. Isid. Et.: Isidoro de Sevilla, Etimologías libro XIX, lat.-span., hrsg. und übers. von Miguel Rodríguez-Pantoja, Paris 1995. Isid. expos. in dt.: Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Vetus Testamentum: In Deuteronomium. Isid. expos. in exod.: Mysticorum expositiones sacramentorum …: In Exodum. Isid. expos. in lev.: Mysticorum expositiones sacramentorum …: In Leviticum. Isid. Goth.: Geschichte der Gothen, Vandalen, Sueven, hrsg. von David Coste (Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit 2, 10), Leipzig 1887. Isid. reg. monach.: Regula monachorum. Isid. versus: Versus, hg. v. José María Sánchez Martín (CCSL 113 A), Turnhout 2000. Isid. vir. ill.: El „De viris illustribus“ de Isidoro de Sevilla. Estudio y Edicion critica, hrsg. von Carmen Codõner Merino (Theses et Studia Philologica Salamanticensia 12), Salamanca 1964. Johannes Cassunus s. Cassianus. Jord.: Jordanes Jord. Get.: Getica. Jord. Got.: Gotengeschichte nebst Auszügen aus seiner Römischen Geschichte, übers. von Wilhelm Martens (Die Gechichtschreiber der deutschen Vorzeit 2, 6), 3. Aufl. Leipzig 1913. Jord. Romana et Getica, hrsg. von Theodor Mommsen (MGH. Auctores antiquissimi 5, 1), Berlin 1882, ND München 1982. Jos.: Josephus Jos. ant.: [Antiquitates Judaicae] Josephus in nine volumes, Bd. 4: Jewish Antiquities, Books 1–4, hrsg. und übers. von H. St. J. Thackeray, Cambridge/ Mass. und London 1978. [Jos.] Lat. Jos. ant.: The Latin Josephus, hrsg. von Franz Blatt, Bd. 1. Introduction and Text, The Antiquities: Books 1–5 (Acta Jutlandica 30, 1 = Humanistisk Serie 44), Kopenhagen 1958. Jos. Jüdische Alterthümer, übers. von Franz Kaulen, 2. Aufl. Köln 1883. – Jüdische Altertümer, nach der Ausgabe Halle/S. 1899 hrsg. und übers. von Heinrich Clementz, Wiesbaden 2004. Juv.: Juvenal, Satiren, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Joachim Adamietz, München und Zürich 1993.

    Literaturliste

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    Konzil von Gangra, in: Johannes Dominicus Mansi, Sacrorum Conciliorum nova et amplissima Collectio, Bd. 2, Paris 1901, ND Graz 1960, Sp. 1095–1122. Konzil von Toledo IV, in: Johannes Dominicus Mansi, Sacrorum Conciliorum nova et amplissima Collectio, Bd. 10, Paris 1901, ND Graz 1960, Sp. 611–650. Lat. Jos. ant. s. Josephus. Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes, hrsg. von Theodor Mommsen und Paul M. Meyer (Codex Theodosianus 2), Berlin 1905, ND Dublin und Zürich 1971. Leges Visigothorum (MGH. Leges Nationum Germanicarum 1), Hannover und Leipzig 1902, ND 1973. Lib. Pontificalis: Le Liber Pontificalis, hrsg. von Louis Duchesne, Bd. 1, Paris 1955. Liv.: Livius Liv. [Ab urbe condita] Römische Geschichte, Buch 1, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Robert Feger (Reclams Universalbibliothek 2031), Stuttgart 1981. Liv. Römische Geschichte, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Hans Jürgen Hillen, München und Zürich: Buch 7–10, 1994; 27–30, 1997; 31–34, 1978; 35–38, 1982; 39–41, 1983. Lucil. Sat. fragm.: Lucilius, Saturarum fragmenta. Lukrez, [De rerum natura] Von der Natur, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Hermann Diels, München 1993. Macarius-Regel s. Regeln. Macr. Sat.: Macrobius, Saturnalia, hrsg. von Jakob Willis, Leipzig 1963. Märtyrerakten: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, übers. (BKV 1, 14), Kempten und München 1913. Mart.: Martial Mart.: Epigramme, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Paul Barié und Winfried Schindler, Düsseldorf und Zürich 1999. Mart. De spectaculis, in: Epigramme. Mischna: Die Mischna, hrsg. und übers. von Dietrich Correns, Wiesbaden 2005. Naevius, Belli Punici carmen, in: Fragmenta poetarum Latinorum, epicorum et lyricorum, hrsg. von Jürgen Blänsdorf, 3. Aufl. Stuttgart und Leipzig 1995, S. 38–71. Die Nichtliterarischen Lateinischen Papyri Italiens aus der Zeit 445–700, Bd. 1: Papyri 1–28, hrsg. von Jan-Olof Tjäder (Acta Instituti Romani Regni Sueciae in 4o, 19,1), Lund und Uppsala 1955. Non.: Nonius, De compendiosa doctrina libros XX, hrsg. von Wallace M. Lindsay, 3 Bde., Leipzig 1903, ND Hildesheim 1964. Novellae, hrsg. von Rudolf Schöll und Wilhelm Kroll (Corpus iuris civilis 3), Berlin 1899. Orig.: Origenes Orig. übers. Rufin. s. Rufinus. Orig. in Ct: Commentarium in Canticum canticorum. Orig. hom. in exod.: In Exodum homiliae. Orig. hom. in Lev.: In Leviticum homiliae. Orig. De principiis. Origo Gentis Romanae – Die Ursprünge des römischen Volkes, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Markus Sehlmeyer (Texte zur Forschung 82), Darmstadt 2004.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Ov.: Ovid Ov. ars: [Ars amatoria] Die Liebeskunst, lat.-deutsch, übers. von Friedrich Walter Lenz (Schriften und Quellen der Alten Welt 25), Berlin 1969. Ov. fast.:Fasti – Festkalender, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Niklas Holzberg, 2. Aufl. Düsseldorf und Zürich 2001. Ov. met.: Metamorphosen, hrsg. und übers. von Gerhard Fink, Düsseldorf und Zürich 2004. Pachom.: Pachomius s. Hieronymus, Praefatio in Pachomiana Latina. Papyri Graeci Musei Antiquarii Publici Lugduni Batavi, hrsg. von Conrad Leemans, Bd. 2, Leiden 1885. Papyrus Graecus Holmiensis, hrsg. von Otto Lagercrantz, Uppsala 1913. Paul. Diac. Lang.: Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (MGH. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 48), Hannover 1878, ND 1978. – Geschichte der Langobarden, hrsg. von Alexander Heine, übers. von Otto Abel, Essen und Stuttgart 1986. Paul. Nol. epist.: Paulinus von Nola, Epistulae – Briefe, 1. Teilband, hrsg. und übers. von Matthias Skeb (Fontes Christiani 25,1), Freiburg u. a. 1998. Pers.: Persius, Satiren, hrsg. und übers. von Walter Kißel, Heidelberg 1990. Petr. Chrys. serm.: Petrus Chrysologus, Collectio sermonum. Petrus Johannis Olivi, Expositio in Canticum Canticorum. Plaut.: Plautus Plaut.: Komödien, lat.-deutsch, 6 Bde, hrsg. von Peter Rau, Darmstadt 2008–2009: Plaut. Aul.: Aulularia. Plaut. Epid.: Epidicus. Plaut. Men.: Menaechmi. Plaut. Mil.: Miles gloriosus. Plaut. Persa. Plaut. Poen.: Poenulus. Plaut. Pseud.: Pseudolus. Plin.: Plinius [d. Ä.] Plin.: Naturalis historia – Naturkunde, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Roderich König und Gerhard Winkler u. a., 37 Bücher., München u. a. 1973–1994. PLin.: Plinius [d. J.] Plin. epist.: [Epistulae] Sämtliche Briefe, lat.-deutsch, übers. und hrsg. von Heribert Philips und Marion Giebel, Stuttgart 1998. Plin. paneg.: Panegyrikus, Lobrede auf den Kaiser Trajan, lat.-deutsch, übers. und hrsg. von Werner Kühn (Texte zur Forschung 51), Darmstadt 1985. Plutarch, Grosse Griechen und Römer, Bd. 6, hrsg. und übers. von Konrat Ziegler, Zürich und Stuttgart 1965. Preisedikt: Diokletians Preisedikt, hrsg. von Siegfried Lauffer (Texte und Kommentare 5), Berlin 1971. Prokop Prokop, Anekdota, Geheimgeschichte des Kaiserhofs von Byzanz, griech.-deutsch, hrsg. und übers. von Otto Veh, Düsseldorf und Zürich 2005. Prokop, Gotenkriege, griech. – deutsch, hrsg. und übers. von Otto Veh (Werke 2), München 1966. Prokop, Perserkriege, griech. – deutsch, hrsg. und übers. von Otto Veh (Werke 3), München 1970.

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    Prokop, Vandalenkriege, griech. – deutsch, hrsg. und übers. von Otto Veh (Werke 4), München 1971. Prop.: Properz, Tibull, Liebeselegien – Carmina, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Georg Luck, Zürich und Düsseldorf 1996. Protevangelium des Jakobus, übers. von Edgar Hennecke, in: Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 1, hrsg. von Wilhelm Schneemelcher, 4. Aufl. Tübingen 1968, S. 277–290. Prud. perist.: Prudentius, Liber Peristefanon. Ps. Ascon. s. Asconius. Ptolemaios, Klaudios, Geo¯graphike¯ Hyphe¯ge¯sis, Anleitung zur Geographie, in: Knobloch, Zur hellenistischen Methode der Bestimmung des Erdumfanges, S. 211–217. Publilius Syrus, Minorum fragmenta varia. Quint. inst.: Quintilian, [Institutionis oratoria] Ausbildung des Redners, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Helmut Rahn, 2 Bde., Darmstadt 1972–1975. Quittung, in: Die Nichtliterarischen lateinischen Papyri Italiens aus der Zeit 445–700, hrsg. von Jan-Olof Tjäder, Bd. 1, S. 235–246. Regeln: Aug. reg. s. Augustinus. Basilius, Regula s. Benedikt von Aniane. Benedikt von Aniane, Concordia regularum. Bened. reg.: Die Benediktusregel, lat.-deutsch, hrsg. i.A. der Salzburger Äbtekonferenz, Beuron 1992. Caes. Arel. reg. virg.: Caesarius von Arles, Regula Sanctarum Virginum, hrsg. von Germanus Morin (Florilegium Patristicum 34), Bonn 1933. Cassian inst. s. Cassian. Dritte Regel der Väter, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Michaela Puzicha, in: Die Regeln der Väter (Münsterschwarzacher Studien 40), Münsterschwarzach 1990, S. 153–170. Macarius-Regel, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Michaela Puzicha, in: Die Regeln der Väter (Münsterschwarzacher Studien 40), Münsterschwarzach 1990, S. 81–105. Pachomius, Regula s. Hieronymus bzw. Benedikt von Aniane. Reg. mag: Regula magistri, hrsg. und übers. von Karl Suso Frank, St. Ottilien 1989. Reg. orientalis: Regula Orientalis, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Michaela Puzicha, in: Die Regeln der Väter (Münsterschwarzacher Studien 40), Münsterschwarzach 1990, S, 107–152. Rivius, Gualther Hermenius (Ryff, Walther Hermann),Hrsg., Marcus Vitruvius Pollio, Zehen Bücher von der Architectur und künstlichem Bauen, verteutscht, Nürnberg 1548, ND Hildesheim und New York 1973. Rufin.: Rufinus, Übersetzer von Origenes. Sall. hist.: Sallust, Historiarum reliquiae. Sedul. Scot.: Sedulius Scotus Sedul. Scot. Collectaneum in Apostolum II in epistulas ad Timotheum. Sedul. Scot. De graeca. Sen.: Seneca Sen.: de ira. Sen. Philosophische Schriften, Bd. 1: Dialoge I–VI, lat.-deutsch, hrsg. und übers. von Manfred Rosenbach, 5. Aufl. Darmstadt 1999; Bd. 4: An Lucilius, hrsg. und übers. von Manfred Rosenbach, 2. Aufl. Darmstadt 1999.

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    Mechthild Müller, Kommentar

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    Personenregister

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    Personenregister Aaron, Aron, Name des ersten Hohenpriesters des jüdischen Volkes aus dem Stamm Levi, Bruder von Mose. Abraham, Urvater des jüdischen Volkes. Acca Larentia, Amme von Romulus. Achilles, griechischer Held vor Troja. Adauctus, Märtyrer, gest. um 287 oder um 303 in Rom. Aeneas, Held der griechischen Mythologie aus Troja, Sohn des Anchises und der Venus. Floh zusammen mit dem Vater und seinem Sohn Askanius aus dem brennenden Troja, landetete in Karthago bei Königin Dido. Späterer Zufluchtsort Italien. Agamemnon, sagenhafter König von Mykene. Agathias, etwa 536–nach 579, Jurist, Historiker und Geschichtsschreiber. Agila I., westgotischer König in Spanien 549–555. Agricola, Gnaeus Julius, 40–93 n. Chr., Schwiegervater des Tacitus, zeitweise Statthalter in Britannien. Agrippa, Marcus Vipsanius, 64/63–12 v. Chr., Schwiegersohn und Vertrauter von Augustus, Schwiegervater von Tiberius; berühmter Feldherr; gilt als Verfasser einer Weltkarte, möglicherweise auf Marmor. Ahab, ca. 872–857 v. Chr., König des Nordreiches Israel. Ahasja, Sohn Königs Ahab, König von 853–852 oder 850–849, Anhänger des BaalKultes. Alarich I., um 340–410, Westgote, erster germanischer König, der 410 Rom eingenommen hat. Alarich II., König der Westgoten 484–507. Alexander der Große, 356–323 v. Chr., seit 336 König von Makedonien. Amalar von Metz, um 775/780–um 850, Erzbischof von Trier seit 809. Amalarich, König der Westgoten in Spanien 511–531. Amasis, ägyptischer Pharao, 570–526 v. Chr. Ambrosius von Mailand, 339–397, römischer Politiker, Kirchenlehrer, Bischof von Mailand seit 374. Ammianus Marcellinus, um 330–um 395, Historiker; die ersten 13 Bücher bis zum Jahre 352 sind nicht erhalten, in den anderen verarbeitete er zeitgenössische Erlebnisse. Anastasius, byzantinischer Kaiser 491–518. Anchises, sagenhafter Vater des antiken Trojaners Aeneas. Anna Perenna, Schutzgöttin der Frauen. Antimodoros von Daldis, Traumdeuter im 2. Jh. Antiochus IV. Epiphanes, um 215–164 v. Chr., Geisel in Rom 189–175, Seleukidenkönig 175–164. Antiphilos, 4. Jh., griechischer Maler am Ptolemäerhof. Antoninus, römischer Überläufer an den persischen Hof Shapurs um 340. Antonius der Eremit, um 250–356, ägyptischer Einsiedler, Mönchsvater. Antonius s. Marcus. Antonius, Marcus, 143–87 v. Chr,. angesehener Redner. Apelles, 4. Jh. v. Chr., Maler. Aphrodite, griechische Göttin. Apollinaris Sidonius s. Sidonius.

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    Apollo, griechischer Gott, Sohn des Jupiter und der Göttin Latona, Bruder der Diana. Apollodoros, 5. Jh. v. Chr., Künstler aus Athen. Apuleius, um 125 in der numidischen Stadt Madaura – nach 170 wahrscheinlich in Karthago, aufgewachsen in Karthago, Studium in Athen, u. a. Provinzialpriester. Aquila, 2. Jh, aus Pontos, vermutlich Schüler von Rabbi Akiba, übersetzte das ganze Alte Testament in die griechische Sprache. Arachne, sagenhafte lydische Weberin, konkurrierte mit der Göttin Minerva, erfand das Arbeiten mit Leinen und die Herstellung von Netzen. Arcadius, Flavius A., (ost-)römischer Kaiser 383–408. Arcens, Sikuler, sagenhafter Vater eines Kriegers im Heere des Aeneas. Arellis, berühmter Maler zur Zeit des Augustus. Ariadne, sagenhafte Tochter des kretischen Königs Minos und Enkelin des Sonnengottes Helios. Aristophanes, 5. Jh. v. Chr., Athener Dichter. Aristoteles, 384–322 v. Chr., griechischer Philosoph, Lehrer Alexanders des Großen. Arkesilaos, um 316–241 v. Chr., Akademiker. Arminius, um 18 v. Chr. – um 19 n. Chr., Fürst der Cherusker. Arnegunde, um 515/520–565/570, Merowingerkönigin, 3. Frau Chlothars I. Artaxerxes I., persischer König 465–424 v. Chr. Artemidor, Zeitgenosse Martials. Arval-Brüder, Priestergilde. Ascanius, sagenhafter Sohn des Aeneas, gründete Alba Longa und gilt nach Vergil als Ahnherr der Julier, also Caesars und dessen Adoptivsohns Augustus. Asterius, Bischof von Amaseia um 400. Atalante, sagenhafte Jägerin aus Arkadien, Tochter des Jason. Athanagild, westgotischer König in Spanien 555–567. Athanatos [der Unsterbliche], Zeitgenosse von Plinius. Attalos III. Philomethor, 171–133 v. Chr., letzter König von Pergamon. Attila, König der Hunnen 434–453/454. Audefleda (Audofleda), gest. nach 526, Tochter des merowingischen Königs Childerich I. Augusta, Ehrenbezeichnung von Ehefrauen oder nahen Verwandten römischer Kaiser. Augustinus, Aurelius, 354–430, Kirchenlehrer und Bischof von Hippo Regius seit 395, Hauptwerk „Der Gottesstaat“. Augustus, römischer Kaiser (Julisch-Claudisches Haus) 27 v. Chr.–14 n. Chr. Aulus Metellus, etruskischer Redner, Bronzestatue um 100 v. Chr., sog. Arringatore. Ausonius, D. Magnus, um 310–um 395, Rherorikprofessor und Erzieher Kaiser Gratians. Bahram I., persischer König 273–276. Balbillus, T. Claudius, Präfekt von Ägypten unter Kaiser Nero. Ban Chao, General, Protektor in China um 100. Barsymas, Petros, Schatzmeister und Aufseher der kaiserlichen Werkstätten zur Zeit Justinians. Bartholomäus, einer der zwölf Apostel. Basilius der Große von Caesarea, 329/330–379, Kirchenlehrer, Asket seit 357/358, Herausgeber von Mönchsregeln, Bischof von Caesarea (Kappadokien) seit 370. Bassus, von Martial erwähnter Käufer von „lacernae“ in tyrischer Farbe. Beda Venerabilis, 672–735, Benediktiner, Theologe und Historiker. Benedictus, Kardinalbischof von Mentana um 750.

    Personenregister

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    Benedikt von Aniane, um 750–821, Klosterreformer. Benedikt von Nursia, um 480–547, Abt des Klosters auf Monte Cassino. Bezalel vom Stamm Juda, ca. 500 v. Chr., Gold-, Silber- und Kupferschmied, Edelsteinschneider und Buntwirker. Bona Dea oder Damia, Heilsgöttin in der römischen Antike, deren Namen von Männern nicht ausgesprochen werden durfte. Bonifatius, Wynfrith, um 673–754, Benediktiner, Missionar, Bischof und Erzbischof. Braulio, nach 581–um 651, Bischof in Saragossa seit 631, Freund Isidors. Britannicus, Tiberius Claudius, 41–55, Sohn des Kaisers Claudius (Julisch-Claudisches Haus). Brutus, M. Junius, 85–42 v. Chr., Schwiegersohn Catos, Caesarmörder. Caesar, Gaius Julius, 100–44 v. Chr., römischer Politiker, später Diktator auf Lebenszeit. Caesarius von Arles, um 470–542, Erzbischof von Arles seit 513. Caesonia, eine Geliebte und spätere Frau Caligulas. Caligula Gaius Caesar Augustus Germanicus, genannt Caligula, römischer Kaiser (Julisch-Claudisches Haus) 37–41. Camilla, eine Frau aus dem Volskervolk (6.–4. Jh. v. Chr.), wohl umbrischer Herkunft. Camillus, 396 v. Chr., soll als erster Römer ein Vierergespann von Schimmeln bedient haben. Caracalla, M. Aurelius Antoninus, römischer Kaiser (severische Dynasie) 211–217. Cassianus, Johannes oder Johannes von Massilia, um 360–um 435, aus der Provinz Scythia minor (Dobrudscha), christlicher Schriftstelller, Abt in Marseille. Cassiodor, um 485 in Kalabrien – um 580 im Kloster Vivarium, Mitglied einer sehr reichen Senatorenfamilie, Inhaber hoher Ämter bei Odoaker, dem Ostgotenkönig Theoderich und dessen Tochter Amalasuntha. Cassius Dio Cocceianus, um 155–235, Imperiumsrömer, griechisch schreibender Historiker und Verfasser einer römischen Geschichte, u. a. Statthalter in Pannonien und Dalmatien. Cassius Severus, gest. um 32 n. Chr., römischer Ankläger in Prozessen, berühmt und berüchtigt für seine Redekunst und Schmähschriften. Castricius, berühmter Lehrer zur Zeit Hadrians. Catilina, Lucius Sergius, um 108–62 v. Chr., römischer Politiker, Gegner Ciceros. Cato, Marcus Porcius, 95–46 v. Chr., Begründer der lateinischen Historiographie. Catull, um 84–um 54 v. Chr., römischer Dichter. Ceres, gleichgesetzt mit Demeter, Göttin. Charibert, um 520–567, Merowingerkönig. Childerich I., gest. 482, Merowingerkönig. Chlodwig I., 466–511, Merowingerkönig. Chrysologus, Petrus, um 380–um 451,Kirchenlehrer, Bischof von Ravenna. Chrysostomos, Johannes von Antiochia, um 344/349–407, Kirchenlehrer, Erzbischof von Konstantinopel seit 397. Cicero, Marcus Tullius, 106–43 v. Chr., römischer Redner, Politiker und Schriftsteller. Claudius, römischer Kaiser (iulisch-claudisches Haus) 41–54. Claudius Claudianus (Claudian), bewundert in seinem Panegyricus auf die Kinderkonsule des Jahres 395 Olybrius und Probinus deren Kleidung. Clemens von Alexandria, Klemens Alexandreus, um 150 – um 215, griechischer Theologe und Kirchenschriftsteller. Columella, Lucius Iunius Moderatus, um 4–um 70 n. Chr., römischer landwirtschaftlicher Schriftsteller.

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    Commodus, römischer Kaiser (Adoptivkaiser) 180–192. Conradus de Mure, um 1210–1281, Schulmeister und Didaktiker in Zürich. Constans, Caesar 337–350. Constantin der Große, s. Konstantin. Constantius II., Caesar und Kaiser 337–361. Corippus, Flavius Cresconius, um 500–um 570, lateinischer Dichter. Cornelius, Hauptmann unter Augustus. Cornelius Nepos, um 100–nach 28 v. Chr., römischer Historiker. Corvinus, Sohn des heldenhaften Valerius Corvus Poplicola, 3. Jh. v. Chr. Cosmas und Damian s. Kosmas. Crassus, M. Licinius Crassus Dives, 115–53 v. Chr., wurde der reichste Mann Roms. Crassus, P. Licinius Crassus Dives, gest. 183 v. Chr., trug als erster seines Geschlechts den Namen Dives. Crispinus, ein reicher Emporkömmling aus Canopus im Nildelta, bei Domitian Mitglied des Kronrats. Cyprian, Thascius Caecilius, um 200/210–258, Märtyrer, Kirchenlehrer, Redner, Jurist, Bischof von Karthago. Dalmatius, Caesar unter Constantin dem Großen 335–337. Daniel, jüdisches Mitglied der Oberschicht im babylonischen Exil zur Zeit Nebukadnezars II. Daphne, von Apollon geliebte griechische Nymphe. Dareios I., persischer König 522–486 v. Chr. Dareios II., Ochos, Sohn des Artaxerxes, persischer König 423–404 v. Chr. David, um 1040–um 965/964 v. Chr., israelitischer König. Demaratos, der Sage nach korinthischer Aristokrat, Händler, der die Herrschaftsgewänder eingeführt haben soll, und Vater von Tarquinius Priscus. Demetrias, 1. Hälfte 5. Jh., ein weibliches Mitglied der senatorischen Oberschicht und Tochter von Olybrius. Demokrit aus Abdera, 460–370 v. Chr., griechischer Philosoph. Demosthenes, 384–322 v. Chr., athenischer Redner und Staatsmann. Dentatus, L. Siccius, um 450 v. Chr., „sammelte“ kriegerische Orden und Ehrenzeichen aller Art. Dicineus, Berater der Goten zur Zeit des Kaisers Tiberius. Dido, sagenhafte Gründerin und Königin von Karthago. Diocletian, römischer Kaiser 284–305; Preisedikt ca. 300. Diogenes von Sinope, um 412–um 323 v. Chr., Kyniker. Domitian, römischer Kaiser (Julisch-Claudisches Haus) 81–96. Domitius, 5. Jh., Freund von Sidonius Apollinaris. Domitius, L. Ahenobarbus, wahrscheinlich der Caesargegner. Drusilla, Livia, 58 v. Chr.–29 n. Chr., 2. Frau des Kaisers Augustus. Elagabal, Antoninus (Heliogabal), römischer Kaiser 218–222. Elia, Prophet der jüdischen Frühzeit (9. Jh.) zur Zeit König Ahabs und dessen Nachfolger. Ennius, Q., 239–169 v. Chr., Dichter und Verfasser römischer Annalen. Ennodius, Magnus Felix, 473/474–521, Gesandter von Papst Hormisdas in Konstantinopel, Bischof von Pavia seit 513. Eriphyle, sagenhaft, verriet ihren Mann für ein goldenes Halsband und wurde deshalb von ihrem Sohn Alkmeon ermordet. Esimiphaios, König bei den Homeriten im Jemen, Anfang 6. Jh.

    Personenregister

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    Esther, Jüdin, Frau eines persischen Königs, Retterin ihres Volkes, romanhafte Erzählung aus dem 5. oder 3. Jh. v. Chr. Eucherius, gest. um 450, Bischof von Lyon seit etwa 434. Eugenius, Bischof von Karthago 481–505, zur Zeit des Vandalenkönigs Hunnerich. Euklid, um 300 v. Chr., griechischer Mathematiker. Eurich, König der Westgoten 466–484. Eusebius, nach 260–um 340, Theologe und Historiker, Metropolit von Caesarea. Eustochium, um 367 in Rom –420, Tochter des römischen Senators Toxotius und seiner Frau Paula. Beide Frauen standen in Verbindung mit Hieronymus, in Bethlehem gründeten sie verschiedene Klöster. Eutropia, Frau des Kaisers Maximian. Eutychianus, Papst 274/275–282/283. Ezechiel, Hesekiel, jüdischer Prophet, 6. Jh. v. Chr., lebte hauptsächlich in Mesopotamien. Fabiola, gest. 399, eine Vertraute von Hieronymus. Faustus, Regionalminister der Kaiser Theodosius I. und Arcadius um 390. Favorinus von Arelate, um 80/85–143/176, Redner und Philosoph, Lehrer von Gellius. Felix von Nola, 3. Jh., Märtyrer. Fenestella, 35 v. Chr.–um 35 n. Chr., römischer Dichter und Annalist. Festus, Sextus Pompeius, 2. Jh., aus Gallien, römischer Lexikograph und Grammatiker. Firmus, Mitte 1. Jh., Soldat der Cohors Raetorum. Firmus, aus der Provinz Afrika, Sohn eines einheimischen Fürsten, römischer Gegenkaiser ca. 372–375. Flaccus, Q. Fulvius, verschiedene Mitglieder dieser Familie waren Konsule im 3. und 2. Jh. v. Chr. Flavius Ursus, der erste namentlich genannte germanische Konsul, vermutlich der Heermeister Flavius Ursus im Jahre 338. Florentina, Schwester des Isidor von Sevilla, Verfasserin einer Klosterregel für Jungfrauen. Florus L. Annaeus oder Iulius F., Anfang 2. Jh., Historiker. Fronto, M. Cornelius, Konsul 142, Lehrer Marc Aurels. Fulgentius, Bruder des Isidor von Sevilla und Bischof von Astigi. Galba, römischer Kaiser (Julisch-Claudisches Haus) 68–69. Galerius, C., Statthalter, Präfekt von Ägypten unter Kaiser Tiberius. Gan Ying, chinesischer Gesandter in den Westen um 97. Gellius, Aulus, um 113–um 165, Historiker, veröffentlichte wahrscheinlich nicht vor 165 seine „Attischen Nächte“. Germanicus, Nero Claudius Germanicus, 15 v. Chr.–19 n. Chr., römischer Feldherr und bekannt durch seine Feldzüge in Germanien; Vater von Kaiser Caligula und Großneffe von Augustus. Gerontios, Feldherr unter Kaiser Theodosius. Glykera, 4. Jh. v. Chr., Kranzflechterin und Jugendliebe des Pausias. Goliath, riesengroßer Philister aus der Zeit König Davids. Gordios, sagenhafter Gründer des phrygischen Reiches, Vater des Midas. Gracchus, von Juvenal behandelt als Patrizier und Mitglied der Priesterschaft der Salii, Homosexueller. Gratian, römischer Kaiser von 367–383. Gregor I., der Große, um 540–604, Kirchenlehrer, Papst seit 590, entstammte der Familie der Ancii.

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    Gregor von Nazianz, um 329/330–390, Ausbildung u. a. in Alexandrien und Athen, Freund Basilius des Großen, zeitweilig Eremit, Bischof von Konstantinopel seit 379. Gregor von Tours, 538/539–594, Geschichtsschreiber, Bischof von Tours seit 573. Gunthram I., 532/534–592, Merowingerkönig seit 561. Hadrian, römischer Kaiser 117–138. Hannibal, 247/46–183 v. Chr., Staatsmann und Feldherr aus Karthago. He, chinesischer Herrscher um 97. Heber, ein Urenkel Sems, eines der drei Söhne Noahs. Helena, sagenhafte Tochter des Zeus und der Leda, heiratete den spartanischen König Menelaos und wurde später von Paris nach Troja entführt. Helenus, sagenhafter Sohn des Priamus und der Hekuba, ein Seher, Gemahl der Andromache und später König von Buthroton. Hellestheaios, Ella Asbeha, um 500–540, Herrscher von Aksum, heute Äthiopien. Herodes der Große, römischer Vasallenkönig der Juden 37–4 v. Chr. Herodian, kurz vor 180–nach 238, griechischer Grammatiker. Herodot, um 485–um 425 v. Chr., aus Halikarnassos, griechischer Historiker. Hesekiel s. Ezechiel. Hieronymus, Sophronius Eusebius, 347/348–419/420, Kirchenvater und Lehrer, Schriftsteller und Übersetzer des Alten Testaments und der Evangelien, Gründer mehrer Männer- und Frauenklöster, u. a. in Bethlehem. Hippias von Elis, spätes 5. Jh. v. Chr., griechischer Sophist. Homer, 8. Jh. v. Chr. ( ? ), Name des ältesten epischen Dichters des Abendlandes. Honorius, weströmischer Kaiser 395–423. Horaz, Quintus Horatius Flaccus, 65–8. v. Chr., römischer Dichter. Hormisdas, Papst 514–523. Hostilius Mancinus, 1. Hälfte 2. Jh v. Chr., Feldherr gegen die Numantiner. Hraban, Hrabanus Maurus, um 780–856, Erzbischof von Mainz seit 847. Hunnerich, um 420–484, König der Vandalen seit 477. Icelus, Marcianus, Freigelassener und Vertrauter Kaiser Galbas. Isebel, 9. Jh. v. Chr., König Ahabs Frau, Tochter des Königs der Sidonier oder des Königs von Tyros. Isidora, um 100–110, Griechin aus El Hibeh in Ägypten, Jakob, Enkel von Abraham, Stammvater des Volkes Israel. Jakobus, Verfasser des Protoevangeliums aus der Mitte des 2. Jh. Januarius, Aurelius, Bataver, 303 römischer Heerführer. Jeremia, Ende 7. – Anfang 6. Jh. v. Chr., Prophet des Alten Testaments. Jesaja, 8. Jh, Prophet des Alten Testaments. Johannes s. Cassianus. Johannes s. Chrysostomos. Johannes, Evangelist. Johannes der Täufer, lebte zur Zeit Jesu. Jordanes, Gote, Geschichtsschreiber des 6. Jahrhunderts, Sekretär eines hochrangigen römischen Generals. Josef oder Joseph, einer der Söhne des Erzvaters Jakob, nach Ägyten verkauft, dort Aufstieg zum Statthalter. Josephus Flavius, 37/38–nach 100, Mitglied der jüdischen Oberschicht, bedeutender Historiker. Jovianus, römischer Kaiser 363–364.

    Personenregister

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    Jovinus, gest. 413, Magister Equitum, von 411–413 zum weströmischen Kaiser proklamiert. Juba II., König von Mauretanien 25 v. Chr.–23 n. Chr., verheiratet mit Kleopatra Selene, der Tochter Kleopatras VII. von Ägypten und des Marcus Antonius; als Quellenschriftschriftsteller von Plinius vielfach benutzt. Juda, Sohn Jakobs und der Lea, Stammvater des Stammes Juda. Jugurtha, um 160–104 v. Chr., König von Numibien und Gaetulum. Julian Apostata, römischer Kaiser 361–363; als Caesar feierte er 355 sein fünfjähriges Regierungsjubiläum. Julianos, Gesandter Kaiser Julians. Juno, römische Göttin, Lebenskraft der jungen Frau. Jupiter, Optimus Maximus, Hauptgott Roms. Justinian, 482–565, römischer Kaiser seit 527, Balkanrömer bäuerlicher Herkunft, ließ ab 529 das Corpus Juris publizieren. Juvenal, um 60–nach 128, Satiriker. Juventas, göttlich verehrte Jugendkraft, gleichgesetzt mit Hebe, der Gattin des Herakles. Kallisto, waffentragende Nymphe. Karl der Große, 747–814, fränkischer König, römischer Kaiser seit 800. Karpus, Gastgeber des Apostels Paulus in Troas. Kastor, Sohn des Zeus und der Leda. Kirke, Titanentochter. Kleopatra VII., 69–30 v. Chr., ägyptische Königin. Kloster, sagenhafter Sohn der Arachne, Erfinder der Spindeln für die Wollarbeit, das Leinen und die Netze. Klytaimestra, sagenhafte Frau Agamemnons, des Königs von Mykene. Konstantin der Große (Flavius Valerius Constantinus), um 280–337, römischer Kaiser seit 306, Alleinherrscher im Westen seit 312, Alleinherrscher im Gesamtreich seit 324; Einweihung der neuen Hauptstadt Konstantinopel 330. Kosmas und Damian, Märtyrer 282/283, Zwillingsbrüder, Ärzte, Heilige. Laertes, sagenhafter Vater von Odysseus. Lalage, die ihre Sklavin so mit dem Spiegel schlug, dass diese zu Boden ging, und das einer einzigen Locke wegen, die mit der Nadel schlecht befestigt worden war. Leander, Bruder des Isidor von Sevilla, um 540–600, Mönch, Metropolit von Sevilla seit 577/578. Leda, Mutter der Helena und der Dioskuren, Großmutter von Hermione. Leo I., Thraker, oströmischer Kaiser 457–474. Leovigild, westgotischer König in Spanien 568–586. Liber, Pater, bildet mit Libera ein italisches Götterpaar. Er wurde mit Dionysos und Bacchus gleichgesetzt. Licinianus, Valerius, Zeitgenosse von Plinius d. J., von Domitian verbannt. Liuva I., westgotischer König in Spanien 567–571/572. Livius, Titus, 59 v. Chr.–17 n. Chr., römischer Geschichtsschreiber, in Rom u. a. Lehrer des späteren Kaisers Claudius. Lucilius, C., 2. Jh. v. Chr., berühmter Satiriker. Lucius, in einen Esel verwandelter Held in den „Metamorphosen“ von Apuleius. Ludwig der Fromme, 778–840, fränkischer Kaiser. Lukan, M. Annaeus Lucanus, 30–65, Literat. Lukrez, T. Lucretius Carus, um 97–55 v. Chr., römischer Dichter. Lupicinus Flavius, Heermeister unter Julian, Konsul 367.

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    Macarius, Macarios von Alexandrien, gest. um 397, Einsiedler und Mönchsvater. Macrobius, Ambrosius Theodosius, um 385/390–nach 430, römischer Philosoph und griechisch-römischer Grammatiker. Maecenas, C. Cilnius, 1. Jh. v. Chr., Vertrauter des Kaisers Augustus, Förderer der Dichter. Magnentius, Flavius Magnus, Gegenkaiser 350–353. Maimonides, 1135/1138–1204, jüdischer Gelehrter. Majorian, Julius Maiorianus, römischer Kaiser 457–461. Mancinus s. Hostilius. Manilia, angeblich 2. Jh. v. Chr., Prostituierte. Manlius Imperiosus Torquatus, Titus, Konsul erste Hälfte 4. Jh. v. Chr. Manlius Torquatus, Titus, Politiker, Konsul 235 und 234 v. Chr. Manlius Vulso, Gnaeus, Politiker, Konsul 189 v. Chr. Marcella, um 325–um 410, aus altem römischen Adelsgeschlecht, studierte bei Hieronymus, Tod durch den Goteneinfall unter Alarich. Marcus Antonius, 82–30 v. Chr., Anhänger von Caesar, Verbündeter und später Gegner von Augustus, Verbindung mit Kleopatra VII. Marcus Caelius, um 45 v. Chr.–9 n. Chr., hochdekorierter Hauptmann, Tod in der Varusschlacht. Maria, Mutter Jesu. Marianus, Claudius P. Valerius, von Galba zum Konsul designiert, reiste zu Vespasian nach Ägypten. Marius, C., Konsul u. a. 107 v. Chr. Mark Aurel, Marcus Aurelius, römischer Kaiser 161–180, verheiratet 145 mit Faustina d. J. Markus, Evangelist. Martial, Marcus Valerius Martialis, um 40 n. Chr. in Bilbilis, Spanien – 102/103, Klassiker des lateinischen Epigramms, in Rom etwa 64–98. Martin von Tours, um 336–397, Bischof von Tours seit 371. Maurus, Begleiter Kaiser Julians. Maximian, genannt Herculius, mit Diocletian römischer Kaiser 286–305. Maximinus Thrax, römischer Kaiser (Severische Dynastie) von 235–238. Medardus, um 480–um 560, Bischof von Noyon und Tournai, bekannt für seine Freigiebigkeit. Melanie d. J., um 383–439, Mitglied der Familie der Valerii, mit einem Jahreseinkommen von 1600 Pfund Gold. Mellius, C., 1. Jh. v. Chr., mit Augustus befreundet. Mena, Göttin, eine Tochter Jupiters. Merkur, römischer Gott des Handels, entspricht dem griechischen Gott Hermes. Messalina,Valeria, 25–48, 3. Frau des römischen Kaisers Claudius. Metilius, Antragsteller der lex Metilia, eines Walkergesetzes von 220 v. Chr. Midas, 8. Jh. v. Chr, König im größten Teil des westlichen Zentralanatoliens, oder mythischer König, dem alles zu Gold wird. Minerva, Schutzgöttin der Handwerker, gleichgesetzt mit Pallas Athene. Mithras, persisch-indische, später auch römische Gottheit; Kennzeichen: phrygische Mütze. Mithridates VI., König von Pontos 120–63 v. Chr. Mordechai, 5. oder 3. Jh. v. Chr., jüdischer Verwalter ( ? ) am persischen Hof. Mose, Führer des Volkes Israel auf der Wanderung durch die Wüste 1225 v. Chr., Vermittler der Gesetze.

    Personenregister

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    Musa, Antonius, Arzt des Kaisers Augustus. Naevius, Gnaeus, um 265–um 201 v. Chr., römischer Dichter. Nahum, 7. Jh. v. Chr., Prophet des Alten Testaments. Nanneius, lebte zur Zeit Martials. Narses, um 480–574, Heerführer des byzantinischen Kaisers Justinian. Nasica, P. Cornelius Scipio, Konsul 191 v. Chr. Nasica Serapio, P. Cornelius Scipio, Konsul 138 v. Chr., Enkel des vorigen. Naulobatus, Herulerfürst. Weil er sich den Römern ergeben hatte, verlieh ihm Gallianus 268 die Konsularinsignien. Nebridius, Präfekt zur Zeit Julians. Nebukadnezar II., 6. Jh. v. Chr., König von Babylon. Nepos, Cornelius, 1. Jh. v. Chr., römischer Historiker und Biograph. Nero, römischer Kaiser (Julisch-Claudisches Haus) 54–68. Nigidius Figulus, P., um 98–45 v. Chr., römischer Gelehrter und Schriftsteller. Nikias, sagenhafte Person aus Megara, erfand das Walken. Noah, Urvater, Überlebender der großen Flut (Sintflut) in der Arche. Nobilior, M. Fulvius, Mitte des 2. Jh. v. Chr., Konsul 159. Nonius Asprenas, junger Mann aus guter Familie zur Zeit des Augustus. Nonius Marcellus, Ende 3. oder Anfang 4. Jh., Lexikograph. Numa, erster römischer König nach Romulus. Odysseus, sagenhafter Held von Ithaka, Teilnehmer am trojanischen Krieg. Oholiab, 6. Jh. v. Chr., vom jüdischen Stamm Dan; Gold –, Silber- und Kupferschmied, Edelsteinschneider und Buntwirker. Olennius, Präfekt im Friesenland im Jahr 28. Olybrius, gest. 410, Mitglied der Familie der Ancii, zusammen mit seinem Bruder Probinus Kinderkonsul des Jahres 395, Vater von Demetrias, der Schülerin des Hieronymus. Ops Consiva, auch Rhea, göttliche Verkörperung des Erntesegens, des Überflusses und Reichtums, Gattin des Saturn. Origenes (Horigenes), 185–um 253/254, Kirchenlehrer; zeitweise Leiter der Katechetenschule in Alexandrien. Otho, römischer Kaiser (Claudisch-Julisches Haus) 69. Otho, L. Roscius, Volkstribun 67 v. Chr. Ovid, Publius Ovidius Naso, 43 v. Chr.–17/18 n. Chr., Dichter. Pachomius der Ältere, um 287–346, Klostergründer und Abt in Dandara, später von neun Männerklöstern mit (überlieferten) 9000 Mönchen und zwei Frauenklöstern. Palaemon, Q. Remmius, berühmter Grammatiker unter den Kaisern Tiberius und Claudius. Pallas Athene / Minerva / Isis, aus dem Kopf Jupiters geborene Göttin. Pamphyle, Tochter der Platea, berühmte sagenhafte Seidenspinnerin. Papirius, Senatorensohn in einer Erzählung von Cato. Parzen: Klotho, die den Lebensfaden spinnt, Lachesis, die ihn zuteilt, und Atropos, die ihn abschneidet (Geburtsgöttinnen). Paul II., Papst 1464–1471. Paulinus von Nola, um 355–431, Schriftsteller, aus senatorischer, unermeßlich reich in Südwesteuropa begüterter Familie, Bischof von Nola (nahe Neapel) seit 404/415. Paulus, um 10–um 54, Apostel. Paulus Diaconus, 725/730–797/799, Sohn des Warnefrit, Langobarde, Geschichtsschreiber. Pausias aus Sikyon, zweite Hälfte oder Mitte 4. Jh. v. Chr., Maler in Griechenland.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Penelope, sagenhafte Frau des Odysseus. Perseus, Sohn des Zeus und der Danae, von Alexander d. G. als Ahnherrn bezeichnet. Persius, Aulus Persius Flaccus, 34–62, römischer Dichter mit etruskischer Abstammung. Petrus, einer der zwölf Apostel. Phaedrus, frühes 1. Jh., Fabeldichter. Philippus Arabs, M. Julius, römischer Kaiser 244–249. Phöbus / Apollo, griechischer Gott. Photis, Dienerin, von Apuleius erwähnt. Phyllis, von Martial genannt. Picus, ein König der Latiner. Plautus, T. Maccius, um 254–184 v. Chr., Dichter. Plinius, C. Plinius Caecilius Secundus, der Jüngere, 61/62–nach 111, Staatsbeamter, Briefschreiber und Panegyriker. Plinius, C. Plinius Secundus, der Ältere, 23/24–79 n. Chr., Militär, Beamter, Schriftsteller und Forscher. Plotius Gallus, L, 1. Jh. v. Chr., Rhetoriker. Plutarch, um 45–125, griechischer Philosoph und Historiker. Polemon I., 1. Jh. v. Chr. pontischer König. Polykrates, 6. Jh. v. Chr., Tyrann auf der griechischen Insel Samos 538–522. Pompeia Plotina, gest. 122, Frau Kaiser Trajans. Pompeius, lebte zur Zeit des Kaisers Constantius II. Pompeius der Große, Cn., 106–48 v. Chr., römischer Feldherr, Politiker. Poppaea, Frau Neros. Potamius, 4. Jh., Bischof von Lissabon. Potifar, ägyptischer Hofbeamter zur Zeit Josefs. Prätextatus, Familienname. Probinus, Kinderkonsul aus der Zeit zwischen 393 und 395, s. Olybrius. Procopios s. Prokop. Procopius, Anwärter auf die Nachfolge des Kaisers Valens 365–366. Prokop, Prokopios von Kaisareia, um 500–nach 562, oströmischer Geschichtsschreiber. Prokulus, Julius, sagenhafter Zeitgenosse des Romulus. Prometheus, Sohn des Titanen Iapetos. Properz, Sextus Propertius, um 49–15 v. Chr., römischer Elegiker. Proserpina, Tochter der Göttin Ceres/Demeter. Prudentius, Aurelius Clemens, 348–nach 405, christlicher lateinischer Dichter. Ptolemaeus, letzter König von Mauretanien 23–40, von Caligula getötet. Ptolemaios II. Philadelphos, 308–246 v. Chr., Herrscher im Alten Ägypten und angrenzenden Gebieten seit 284. Ptolemaios IV. Philopator, 245–205 v. Chr., Herrscher im Alten Ägypten und angrenzenden Gebieten seit 225/221. Ptolemaios, Claudius, um 100–vor 180, Geograph, Mathematiker und Astronom. Quintilian, Marcus Fabius Quintilianus, um 30–um 96, Rhetoriker und Prinzenerzieher. Rebekka, Frau des Stammvaters Jakob. Rekkared I., König der Westgoten 586–601. Rekkeswinth, König der Westgoten 653–672. Remmius Palaemon, Q., 1. Jh., Besitzer einer Weberei, Schulgründer und berühmter Grammatiker, Lehrer von Persius und Quintilian. Ricimer, Rikimer, Flavius, um 405–472, Sohn eines Suebenfürsten und einer gotischen Prinzessin, Heermeister und Königsmacher im römischen Westreich seit 457.

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    Romulus, sagenhafter erster König und Gründer Roms. Rufina, Claudia, galt um 90 in Rom als Mustergattin. Rufinus, Tyrannius Rufinus oder Rufinus von Aquileia, um 345–411/412, Mönch, Historiker, Theologe, Übersetzer. Rufus, Quintus Curtius, 1. Jh., Historiker Alexanders des Großen. Sabinus, Masurius, 1. Jh., römischer Jurist, unter Tiberius in den Ritterstand erhoben. Sacharia, (Zacharias), Prophet des Alten Testaments, zweiteilige Datierung seiner Schriften: 5. und 4./3. Jh. Sallust, C. Sallustius Crispus, 86–35/34 v. Chr., römischer Historiker. Salomo, 965–926 v. Chr., König von Israel und Juda. Sammuramar Samuramat Semiramis, um 800 v. Chr., sagenhafte Königin von Assyrien. Samson, Simson, Held im Alten Testament, Buch der Richter. Saturn, Gott der römischen Mythologie. Saturninus, C. Sentius, Konsul 19 v. Chr. Saul, erster israelitischer König um 1010–1005 v. Chr. Scaurus, M. Aemilius, Stiefsohn des Diktators Sulla, Praetor und Proquästor im Osten und Statthalter von Sardinien, Zeitgenosse Ciceros. Schela, Sohn des Juda, unter seinen Nachkommen bekannte Byssusweberfamilien in Aschbea, Israel. Scipio Metellus, Q. Caecilius Metellus Pius Scipio Nasica, um 100/9–46 v. Chr., Schwiegervater des Pompeius; soll 56 v. Chr. eine Schmähschrift gegen Cato verfasst haben. Scipio, P., Zeitgenosse von Kaiser Tiberius. Scipio, P. Cornelius Scipio Nasica, Konsul 191 v. Chr. oder der Enkel P. Cornelius Scipio Nasica Serapio, Konsul 138 v. Chr. Sedulius Scotus, Mitte 9. Jh., Ire, lateinischer Schriftsteller in Lüttich. Seianus, L. Aelius, Prätorianerpräfekt unter Kaiser Tiberius 14–31. Sem, von dem die Inder abstammen sollen. Semiramis s. Sammuramar. Seneca, Lucius Annaeus, der Jüngere, um 1–65, römischer Philosoph und Dramatiker. Servius, Maurus oder Marcus Honoratus, Ende 4. Jh., Grammatiker und Vergilkommemtator. Servius Tullius, gest. um 534 v. Chr., sagenhafter sechster römischer König. Severus Alexander, römischer Kaiser 222–235. Sextius, ein in der Heilkunde sehr genauer Mann. Shapur I., König der Sassaniden 240/242–270/272. Shapur II., König der Sassaniden 309–379. Sibylle, nicht näher zu identifizierender Name einer Frau, die in Ekstase weissagt. Siccius s. Dentatus, L. Sidonius Apollinaris, G. Sollius Modestus, um 431–um 486, gallo-römischer Aristokrat, Schwiegersohn von Kaiser Avitus, Staatsmann, Dichter, Bischof von Clermont-Ferrand seit 470/471. Sigismer, um 400, Franken- oder Burgunderprinz. Silenos, gehört zum Gefolge des Gottes Dionysos. Silo, Umbonius, als Statthalter von Baetica 44 abgesetzt. Silvanus, Gegenkaiser gegen Constantius II. 355. Silvester I., Papst 314–335. Simos, nur von Plinius erwähnt als Maler, der einen ruhenden Jüngling, eine Walkerwerkstätte, einen Mann, der die Quinquatrus, das Fest der Minerva, feiert und eine Nemesis dargestellt hat.

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    Mechthild Müller, Kommentar

    Sisibut, König der Westgoten 612–621. Smaragdus von St. Mihiel, um 760–um 840, Beneditinermönch. Sokrates von Athen, um 470–399 v. Chr., griechischer Naturphilosoph und Sophist. Sol Invictus, Sonnengott, dessen Kult von den Kaisern Elagabal und Aurelian im 3. Jh. gefördert wurde. Spinther, P. Cornelius Lentulus, Ädil unter dem Konsulat Ciceros 63 v. Chr. Stephanus, 564 Teilerbe von Hausrat in Ravenna. Strabon, um 63 v. Chr. – um 26 n. Chr., Historiker und Geograph. Sueton, C. Suetonius Tranquillus, um 70–nach 122, römischer Schriftsteller, Verfasser der Kaiserviten. Symmachus, Symmachos, Ende 2. Jh., Samaritaner und Ebionit, Übersetzer des Alten Testaments in die griechische Sprache. Tacitus, römischer Kaiser 275–276. Tacitus, Publius Cornelius, 55/56–um 120, Senator und römischer Historiker. Tamar, die Schwiegertochter von Juda, einem der zwölf Söhne des Jakob. Tanaquil, auch Gaia Caecilia ( ? ), 6. Jh., Etruskerin, Frau des sagenhaften fünften Königs von Rom. Tarquinius Priscus, L., sagenhafter fünfter König von Rom 616–578 v. Chr., aus Tarquinii, Sohn des Korinthers Demaratos Tarquinius Superbus, L., sagenhafter siebter und letzter König von Rom 534–509. Tertullian, Q. Septimius Florens, um 160–nach 220, Kirchenschriftsteller, radikaler Moralist. Tethys, Meergöttin. Themistokles, um 525–um 459 v. Chr, athenischer Staatsmann zur Zeit der Perserkriege, Sieger der Schlacht von Salamis. Theoderich I., König der Westgoten 418–451. Theoderich der Große, König der Ostgoten 473–526, von Kaiser Anastasius als Regent Italiens und König 497 anerkannt mit dem Recht, den Purpur zu tragen. Theodomar, um 800, Abt des Benediktinerklosters von Monte Cassino. Theodora, um 497–548, Frau und Mitregentin Kaiser Justinians. Theodoret von Cyrus, 393–um 460, Theologe und Kirchenhistoriker, Bischof von Cyrus seit 423. Theodosius I., der Große, Flavius, 347–395, römischer Kaiser seit 379, erklärte das Christentum zur Staatsreligion und verbot 391/392 alle heidnischen Kulte. Theodosius II., 401–450, oströmischer Kaiser seit 408, ließ das römische Recht mit den seit Konstantin dem Großen erlassenen Kaiserkostitutionen im Codex Theodosianus von 438 kodifizeren. Theodotius, Theodotios, Ebitionist aus Ephesus, schrieb eine Revision der griechischen Fassungen des Alten Testaments und ergänzte Teile. Theophrastos von Erasos, um 370–287 v. Chr., griechischer Philosoph und Naturforscher. Theseus, Held der griechischen Mythologie. Thetis, sagenhafte Mutter von Achilles, des Helden vor Troja. Tiberius, römischer Kaiser 14–37. Timagenes von Alexandria, 1. Jh. v. Chr., griechischer Rhetor und Geschichtsschreiber. Timotheus, Adressat des 1. Briefes von Paulus an Timotheus im Neuen Testament, wahrscheinlich verfasst von einem Paulusschüler Ende des 1. Jh. Tiro, M. Tullius, ein Freigelassener und Sekretär Ciceros. Titus, römischer Kaiser (Claudisch-Julisches Haus) 79–81.

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    Titus Fullonius, Walker aus Bononia zur Zeit des Kaisers Claudius. Trajan, Marcus Ulpius Trajanus, römischer Kaiser 98–117. Trogus, C. Pompeius, 1. Jh. v. Chr., römischer Historiker. Tubertus, P. Posthumius, Konsul 505 und 503 v. Chr. Turisind, 6. Jh., König der Gepiden. Turnus, sagenhafter Herrscher der Rutuler und Gegner von Aeneas. Turpilius, gest. ca. 104 v. Chr., Komödiendichter. Tychius aus Böotien, kunstfertiger Sattler, der nach Homer den Lederschild des Ajax fertigte. Ursicinus, Mitte 4. Jh., Heermeister unter Kaiser Constantius II. Valens, Flavius, römischer Kaiser 364–378. Valentinian I., Flavius Valentinianus, römischer Kaiser 364–375. Valentinian II., Flavius Valentinianus, römischer Kaiser 375–392. Valentinian III., Flavius Placidus Valentinianus, weströmischer Kaiser 424/425–455. Valerian, P. Licinius Valerianus, römischer Kaiser 253–260. Valerius s. Corvinus. Valerius Marcus, sagenhafte Persönlichkeit. Varro, Marcus Terentius, 116–27 v. Chr., der bedeutendste römische Universalgelehrte. Varus, P. Quinctilius, um 46 v. Chr.–9. n. Chr., Patrizier, römischer Feldherr. Venantius Honorius Clementinianus Fortunatus, 536–um 610, Dichter, Hagiograph, Priester und Bischof von Poitiers um 600. Venus, Göttin und Ahnherrin des Geschlechts der Julier. Vergil, P. Vergilius Maro, 70–19 v. Chr., Sohn einfacher Landleute in Andes bei Mantua, einer der bedeutendsten römischen Dichter. Verrius Flaccus, M., geb. um 60 v. Chr. römischer Grammatiker, Philologe, Altertumsforscher und Lehrer zur Zeit des Kaisers Augustus. Vespasian, Titus Flavius Vespasianus, römischer Kaiser 69–79. Vibullius Agrippa, starb 36, Ritter. Victor von Vita, gest. nach 484, Bischof von Vita, Verfasser einer Geschichte der Vandalenherrschaft aus katholischer Sicht im Auftrag des Bischofs von Karthago. Vitellius, römischer Kaiser (Claudisch-Julisches Haus) 69. Vitruv, Vitruvius Pollio?, römischer Architekt und Ingenieur, u. a. für Augustus. Volcanus, Gott des Feuers. Washti, persische Königin im Buch Esther. Wu-ti, chinesischer Herrscher der Han-Zeit um 119–115 v. Chr. Xerxes I., persischer König 485–465 v. Chr. Zatchlas, Ägypter, von Apuleius als „ein Prophet erster Klasse“ bezeichnet. Zenon, isaurischer Fürst, oströmischer Kaiser 474–475 und 476–491. Zenon, 8/7 v. Chr. getötet, Sohn des pontischen Königs Polemon. Zeus, lat. Juppiter, Gott. Zhang, chinesischer Kaiser um187 n. Chr. Zosimos, 5. /6. Jh., aus dem syrisch-palästinensischen Raum, griechischer Jurist und Historiker.

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    Einzeluntersuchungen aus archäologischer Sicht

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    Zum Phänomen der Nacktheit im römischen Reich

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    Zum Phänomen der Nacktheit im römischen Reich Eine Studie zum augenblicklichen Stand der Wissenschaft Tobias Espinosa

    Der idealen Nacktheit in der griechischen Bildsprache als Visualisierung spezifischer physischer Funktionen und ideeller Vorstellungen wie Schnelligkeit, Schönheit, Tüchtigkeit oder Mut stand eine negativ konnotierte Blöße gegenüber, wie sie sich in Darstellungen von Sklaven, Dienern oder Missgestalteten äußerte1. Athletische Nacktheit galt darüber hinaus bei den Griechen als ein Kriterium zur kulturellen Abgrenzung gegenüber barbarischen Völkern2. Anders als in der griechischen Kultur, die den männlichen nackten Körper im antiken Alltag und damit auch in der Kunst nicht als anstößig empfand, war nach römischer Moralvorstellung der unbekleidete Körper tabuisiert und galt bis zum Ende des 1. Jh. v. Chr. als schändlich3. Es galt als unsittsam, zusammen mit seinen männlichen Familienmitgliedern zu baden, um sich nicht nackt zu zeigen4 und selbst im Sterben soll Cäsar sein 1

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    N. Himmelmann, Ideale Nacktheit in der griechischen Kunst (Berlin 1990); T. Hölscher, Gnomon 65, 1993, 519–528. L. Bonfante, Nudity as a Custom in Classical Art, AJA 93, 1989, 543–570. Vgl. weiterhin L. Thommen, Nacktheit und Zivilisationsprozess in Griechenland, HistAnthr 4, 1996, 447, der in der Verbreitung von Nacktheit ein Gleichheitsprinzip im demokratischen Athen entstehen sieht. Cic. Tusc. 4, 70 (in Bezug auf Homosexualität und die griechischen Gymnasien): „Mit Recht sagt Ennius, Anfang der Schandtat ist es, unter Mitbürgern seinen Körper zu entblößen“. Cic. off. 1, 126: „Körperteile, die den Bedürfnissen der Natur dienen, sollen bedeckt werden“. Bezeichnenderweise gilt auch in der römische Kultur für Sklaven eine Ausnahme. Sie galt es vor einem Kauf nackt zu betrachten, damit kein körperlicher Fehler unerkannt bliebe. Vgl. Sen. epist. 80, 9; Suet. Aug. 69. Cic. off. 1, 129: „Als Zeichen der Sittsamkeit sollten es die Söhne vermeiden, mit ihren Vätern oder Schwiegervätern zusammen zu baden“. Plut. Cato maior 20, 8: „Cato vermied es nach Sitte der Alten selbst mit Sohn und Schwiegersöhnen zu baden, weil er sich schämte, nackt vor ihnen zu stehen“. Spöttisch übernimmt Martial 3, 87 das Gebot, die entsprechenden Körperteile zu bedecken, wenn er einer Frau namens Chione vorwirft, sie würde beim Baden nie den Teil bedecken, den sie solle. Ansonsten hätte sie vor Scham künftig den Schurz vor das Gesicht zu ziehen.

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    Tobias Espinosa

    Gewand bis zu den Knöcheln herabgezogen haben, damit er mit Anstand falle5. Denn für einen Römer gehörte es sich nicht, Körperteile, die den Bedürfnissen der Natur dienten, unbedeckt zu lassen6. Noch rigoroser waren die römischen Vorstellungen in Bezug auf das Geschlechterverhältnis. So sollte die Frau im antiken Rom die Thermen und Sportstätten meiden, wo sie auf teilbekleidete Männer hätte treffen können7, und ein Mann sollte sich niemals nackt vor einer Frau zeigen8. Das gleiche Gebot galt selbstverständlich für ehrbare Frauen, die sich in der Öffentlichkeit immer bekleidet zu zeigen hatten9. Rom trat mit den ersten Elementen der griechischen Kultur bereits im 7. und 6. Jh. v. Chr. über die Etrusker und in der Folgezeit über die unteritalischen Koloniestädte in Kontakt10. Dabei übernahm die römische Aristokratie seit der zweiten Hälfte des 4. Jh. v. Chr. die für sie neue Repräsentationsform der Ehrenstatue zur öffentlichen Dokumentation ihres nobilitären Standesbewusstseins11. Im Zuge der nach dem zweiten Punischen Krieg einsetzenden römischen Expansionspolitik im griechischen Osten wurde Rom direkt mit der griechischen Kultur konfrontiert. Dabei gelangten nicht nur zahlreiche griechische Kunstwerke als Siegesbeute nach Rom, sondern die Trophäen wurden gleichsam im Triumphzug, bzw. durch die Aufstellung in Tempeln oder auf öffentlichen Plätzen dem römischen Volk vor Augen geführt12. Parallel dazu fand ein großer Teil der erbeuteten oder über den antiken Kunsthandel erworbenen Werke als luxuriöse Villenausstattung der römischen Oberschicht Verwendung und führte nach hellenis-

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    Suet. Iul. 82. Cic. off. 1, 26. Mart. 3, 68. Plut. Romulus 20. So berichtet Ammianus Marcellinus 28, 1, 28 vom Beginn des 4. Jh. n. Chr. von einem Scharfrichter, der lebend verbrannt wurde, weil er einer Ehebrecherin bei der Hinrichtung alle Kleider vom Leib reißen ließ, bis sie völlig nackt war. T. Hölscher, Hellenistische Kunst und römische Aristokratie, in: G. HellenkemperSalies – H. H. v. Prittwitz und Gaffron – G. Bauchhenß (Hrsg.), Das Wrack. Der antike Schiffsfund von Mahdia (Köln 1994) 875 f. T. Hölscher, Römische Nobiles und hellenistische Herrscher, in: Akten des 13. Internationalen Kongresses für Klassische Archäologie, Berlin (Mainz 1990) 76; M. Sehlmeyer, Die kommunikative Leistung römischer Ehrenstatuen, in: M. Braun – A. Haltenhoff – F.-H. Mutschler (Hrsg.), Moribus antiquis res stat Romana. Römische Werte und römische Literatur im 3. und 2. Jh. v. Chr. (Leipzig 2000) 271–284. T. Hölscher, Hellenistische Kunst und römische Aristokratie, in: G. HellenkemperSalies – H. H. v. Prittwitz und Gaffron – G. Bauchhenß (Hrsg.), Das Wrack. Der antike Schiffsfund von Mahdia (Köln 1994) 877 f.

    Zum Phänomen der Nacktheit im römischen Reich

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    tischem Vorbild zu einer Gräzisierung und Prunkentfaltung des privaten Ambientes13. Die untereinander konkurrierende römische Führungsschicht der späten Republik brachte in Zusammenhang mit der Rezeption griechischer Bildnisdarstellung eine neue statuarische Repräsentationsform hervor. Neben der wohl auf etruskischer Tradition gründenden Wiedergabe in der römischen Toga14 übernahm man unter anderem die Darstellungsweise der hellenistischen Herrscher15. Bereits Alexander der Große und nach dessen Tod seine ehemaligen Generäle, die das hellenistische Weltreich unter sich aufgeteilt hatten, verwendeten das im 4. Jh. v. Chr. nur von jungen Männern benutzte statuarische Schema des nackten Körpers16. Mit der Angleichung an Götterfiguren sollte nicht nur der eigene Herrschaftsanspruch unterstrichen werden, sondern vor allem die „übermenschlichen Qualitäten und die göttliche Abkunft“17. So wurde in der Folgezeit ebenfalls die berühmte, nackte Statue ‚Alexander mit der Lanze‘ des Lysipp als vorbildhaft angesehen und in unterschiedlichen Varianten nachgeahmt18. Doch nicht nur die Götter- und Heroenbilder der griechischen Klassik wurden rezipiert, sondern ebenso das griechische Motiv der Panzer- oder Reiterstatue19. 13

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    R. Neudecker, Die Skulpturenausstattung römischer Villen in Italien (Mainz 1988) 115–117. 124 f. Liv. 1, 8, 3; G. Lahusen, Griechisches Pathos und römische Dignitas. Zu Formen bildlicher Selbstdarstellung der römischen Aristokratie in republikanischer Zeit, in: G. Vogt-Spira – B. Rommel (Hrsg.), Rezeption und Identität. Die kulturelle Auseinandersetzung Roms mit den Griechen als europäisches Paradigma (Stuttgart 1999) 201–203. P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder (München 1987) 15–18. P. Zanker, Zur Bildnisrepräsentation führender Männer in mittelitalischen und campanischen Städten zur Zeit der späten Republik und der julisch-claudischen Kaiser, in: M. Cébeillac-Gervasoni (Hrsg.), Les ‚Bourgeoisies‘ municipales italiennes aux IIe et Ier siècles av. J.-C. (Paris 1983) 255. N. Himmelmann, Herrscher und Athlet. Die Bronzen vom Quirinal (Mailand 1989) 102. Vgl. auch H. Wrede, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1981) 28. G. Lahusen, Griechisches Pathos und römische Dignitas. Zu Formen bildlicher Selbstdarstellung der römischen Aristokratie in republikanischer Zeit, in: G. VogtSpira – B. Rommel (Hrsg.), Rezeption und Identität. Die kulturelle Auseinandersetzung Roms mit den Griechen als europäisches Paradigma (Stuttgart 1999) 204 f. 208. Zu dem Einfluss des Alexanderideals auf griechische Götter- und Heroenbilder vgl. T. Hölscher, Ideal und Wirklichkeit in den Bildnissen Alexanders des Großen (Heidelberg 1971) bes. 43–51. G. Lahusen, Griechisches Pathos und römische Dignitas. Zu Formen bildlicher Selbstdarstellung der römischen Aristokratie in republikanischer Zeit, in: G. VogtSpira – B. Rommel (Hrsg.), Rezeption und Identität. Die kulturelle Auseinandersetzung Roms mit den Griechen als europäisches Paradigma (Stuttgart 1999) 204 f.

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    Tobias Espinosa

    Mit der Zuwanderung griechischer Künstler gelangte auch ihr bildliches Vokabular nach Rom, das sich kontinuierlich zum kulturellen Mittelpunkt entwickelte20. Die variierenden Ansprüche der Auftraggeber sowie das reiche griechische Repertoire statuarischer Darstellungsweisen führten zu einer neuen Qualität individueller Bildnisstatuen. Die griechischen Bildhauer kombinierten die idealen Körper der klassischen Götter- und Heroenbildnisse mit der dynamischen Körperhaltung der hellenistischen Herrscherikonographie und versahen die Statuen mit einem programmatischen und individuellen Porträt21. Im Zuge dessen übernahm die italische Kultur Nacktheit in die Repräsentationskunst und versah sie mit einem Virtusideal, das ihnen wie auch die damit verknüpfte Herosvorstellung bisher fremd war22. Während in den italischen Städten männliche Ehrenstatuen auf öffentlichen Plätzen seit der Mitte des 1. Jh. v. Chr. nackt dargestellt werden konnten, war ein solches Vorgehen für stadtrömische Vorstellungen absolut undenkbar. Die restriktive Überwachung des römischen Senates, der das Herausheben des einzelnen Bürgers über die Gemeinschaft nicht duldete, ließ für verdiente Militärs lediglich Panzer- oder – als höchste Auszeichnung – Reiterstatuen zu23. Die jedoch häufigste Darstellungsform für den römischen Bürger war die Togastatue, die durch ihre farbliche Ausgestaltung gleichzeitig den sozialen Stand kennzeichnete24. Anders stellte sich die Situation im privaten Bereich dar, wo es besonders im sepulkralen Kontext zu neuartigen Ausdrucksformen kam. Mit den römischen Freigelassenen rückte in spätrepublikanischer bzw. frühaugus20

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    T. Hölscher, Römische Nobiles und hellenistische Herrscher, in: Akten des 13. Internationalen Kongresses für Klassische Archäologie, Berlin (Mainz 1990) 79–84. G. Lahusen, Griechisches Pathos und römische Dignitas. Zu Formen bildlicher Selbstdarstellung der römischen Aristokratie in republikanischer Zeit, in: G. VogtSpira – B. Rommel (Hrsg.), Rezeption und Identität. Die kulturelle Auseinandersetzung Roms mit den Griechen als europäisches Paradigma (Stuttgart 1999) 209–213. Zum Porträt vgl. L. Giuliani, Bildnis und Botschaft. Hermeneutische Untersuchung zur Bildniskunst der römischen Republik (Frankfurt 1986); K. Fittschen, Pathossteigerung und Pathosdämpfung. Bemerkungen zu griechischen und römischen Porträts des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr., AA 1991, 253–270. H. Wrede, Gnomon 62, 1990, 454. P. Zanker, Zur Bildnisrepräsentation führender Männer in mittelitalischen und campanischen Städten zur Zeit der späten Republik und der julisch – claudischen Kaiser, in: M. Cébeillac-Gervasoni (Hrsg.), Les ‚Bourgeoisies‘ municipales italiennes aux IIe et Ier siècles av. J.-C. (Paris 1983) 251–266. Allgemein dazu H. R. Goette, Studien zur römischen Togadarstellung (Mainz 1990); K. Fittschen, Der ‚Arringatore‘, ein römischer Bürger, RM 77, 1970, 177–184; P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder (München 1987) 15–18; E. Flaig, Politisierte Lebensführung und ästhetische Kultur, HistAnthr 1, 1993, 199–203.

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    teischer Zeit eine Bevölkerungsschicht in den Fokus, die ihren neu erworbenen sozialen Status der Öffentlichkeit stolz vor Augen führte. Neben immer aufwändigeren Grabanlagen, mit denen man sich seiner Verdienste oder seines Standes rühmte25, entwickelte sich eine neue Art der Selbstdarstellung. So trugen die Gräber der Freigelassenen an der Außenfassade nicht nur für alle sichtbar Inschriften, in denen sie ihr neugewonnenes Standesbewusstsein zum Ausdruck brachten, sondern außerdem die Porträts ihrer Familie. Da sie auf öffentlichen Plätzen über kein Bildnisrecht verfügten, übernahmen sie die Darstellungsweise öffentlicher Ehrenstatuen auf den Grabreliefs. Selbstbewusst präsentierten sich die Männer in der Toga als Zeichen des römischen Vollbürgers und ihre Frauen in der stola, um die neue Rolle der achtbaren Familienmutter zum Ausdruck zu bringen26. Auch in der Folgezeit waren es die römischen Freigelassenen, überwiegend wohl die des Kaiserhauses, die ihrem gestiegenen Bedürfnis nach Repräsentation nachkamen. Hatte sich der jugendliche Octavian zur Zeit seines Triumvirates mit Marc Anton und Lepidus in Rom noch mit Statuen ehren lassen, die ihn nackt und in der Tradition hellenistischer Könige, Feldherren oder mythischer Gestalten zeigte27, änderte er mit Beginn seiner Alleinherrschaft und der Annahme des Ehrentitels Augustus seine Bildnissprache28. Von nun an ließ sich der Kaiser zu Lebzeiten in Rom nicht mehr nackt darstellen, sondern hauptsächlich in der Toga, um spezifische Werte wie Frömmigkeit oder Traditionsbewusstsein zu symbolisieren29. Daneben bediente er sich einer Darstellung, die zur Norm der julisch-claudischen Kaiserikonographie werden sollte30: die Ehrenstatue im Hüftmantel. Dabei wurde in der Regel der Feldherrenmantel so um die Taille geschlungen, dass der Oberkörper frei bliebt, oder ein Teil des Mantels über die linke Schulter auf die Brust fiel. Auch dieses statuarische Motiv ging auf griechische Vorbilder zurück und sollte den Kaiser nicht in eine abgehobene Sphäre rücken,

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    Allgemein dazu H. v. Hesberg, Römische Grabbauten (Darmstadt 1992) 26–37. Allgemein dazu P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder (München 1987) 167–170; V. Kockel, Porträtreliefs stadtrömischer Grabbauten (Mainz 1993). Leider haben sich diese Statuenehrungen nur als Reflexe auf den römischen Münzen erhalten. Vgl. dazu P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder (München 1987) 46–52. Allgemein zur Repräsentation des Augustus vgl. P. Zanker, Prinzipat und Herrscherbild, Gymnasium 86, 1979, 353–368. C. H. Hallet, The Roman Nude. Heroic Portrait Statuary 220 BC – AD 300 (New York 2005) 160. Vgl. auch D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus (Berlin 1993) 96–103. C. H. Hallet, The Roman Nude. Heroic Portrait Statuary 220 BC – AD 300 (New York 2005) 161 f.

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    sondern kriegerische, heroische oder erhabene Qualitäten ausdrücken31. Das Statuenschema des Hüftmantels wurde nicht nur für die männlichen Verstorbenen der kaiserlichen Familie benutzt, vereinzelt rezipierten es auch die römischen Aristokraten32. Auf einen größeren Vorrat an Bildformeln griffen die freigelassenen höfischen Sklaven und die gesellschaftlichen Aufsteiger zurück. Wie auch die jung verstorbenen Mitglieder des augusteischen Kaiserhauses übernahmen sie für sich und ihre Familie die Darstellungsweise in völliger Nacktheit33. Gerade diese Unter- bzw. Mittelschicht verfügte weder über das Recht, öffentlich Ehrenstatuen aufzustellen34, noch besaßen sie die Tradition einer bildlichen Selbstdarstellung35. Um so größer war jedoch ihr Bedürfnis nach Repräsentation36; und somit war es aus ihrer Sicht nur konsequent, sich in der statuarischen Erscheinung am Kaiserhaus zu orientieren37. Da es ihnen verwehrt blieb, den neu errungenen Status einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen, waren sie gezwungen, auf nicht öffentliche Plätze wie Grabbezirke oder häusliche Umgebung auszuweichen. So errichteten die kaiserlichen Freigelassenen ab der Mitte des 1. Jh. n. Chr. in Rom und der umliegenden Gegend Grabstatuen, die sie den Götterfiguren – in formam deorum – anglichen. Dabei bedienten sie sich des Vorrates an Götterbildern aus der griechischen Kunst der Klassik38 wie Darstellungen der Aphrodite/Venus, Tyche/Fortuna, Hermes/Merkur, Ares/Mars oder Herakles/Herkules und damit auch des Schemas des unbekleideten Körpers. Gerade die griechische Klassik bot sich mit ihrem künstlerischen Repertoire als Modell an. Exemplarisch dafür stand der Doryphoros des Polyklet, 31

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    Umfassend A. Post, Römische Hüftmantelstatuen. Studien zur Kopistentätigkeit um die Zeitenwende (Paderborn 2004). P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder (München 1987) 250. C. Maderna, Iuppiter, Diomedes und Merkur als Vorbilder für römische Bildnisstatuen (Heidelberg 1988) 110; C. H. Hallet, The Roman Nude. Heroic Portrait Statuary 220 BC – AD 300 (New York 2005) 190. 199. G. Alföldy, Bildprogramme in den römischen Städten des Conventus Tarraconensis. Das Zeugnis der Statuenpostamente, in: Homenaje a García Bellido IV (Madrid 1979) 225. H. Wrede, Das Mausoleum der Claudia Semne und die bürgerliche Plastik der Kaiserzeit, RM 78, 1971, 154; A. Filges, Standbilder jugendlicher Göttinnen. Klassische und frühhellenistische Gewandstatuen mit Brustwulst und ihre kaiserzeitliche Rezeption (Köln 1997) 179. C. H. Hallet, The Roman Nude. Heroic Portrait Statuary 220 BC – AD 300 (New York 2005) 202. H. Wrede, Das Mausoleum der Claudia Semne und die bürgerliche Plastik der Kaiserzeit, RM 78, 1971, 154 f. Für die Bildnisse der Frauen des römischen Kaiserhauses und den verwendeten Typen vgl. A. Filges, Standbilder jugendlicher Göttinnen (Köln 1997) 197–200.

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    der mit seinem ponderierten Standmotiv und seiner kaum bewegten Haltung als besonders würdevoll galt39 und dessen Formensprache nach den Wirren des Bürgerkrieges für das augusteische Kaiserhaus als programmatischer Neuanfang stand. Dabei bemühten sich Bildhauer und Auftraggeber nicht so sehr um eine detailgetreue Kopie des griechischen Vorbildes, sondern sie interessierten sich lediglich für die motivische Schönheit klassischer Kunst zur Nobilitierung ihrer Bildnisse40. Welche genaue Vorlage jeweils konkret zugrunde lag, ist in den meisten Fällen nicht exakt zu bestimmen. Die Grabstatuen versah man zusätzlich mit mehreren, teilweise auch unterschiedlichen Gottheiten zugeordneten Attributen, welche die jeweiligen Eigenschaften des Porträtierten unterstreichen und für alle verständlich machen sollten. Dazu gehörte beispielsweise der Heroldstab – caduceus – des Merkur, Keule und Löwenfell bei einer Herkulesangleichung oder Eroten bei einer Venusfigur41. Die intendierte Botschaft war eindeutig. Während die Figur des Merkur bzw. Herkules sich für die kaiserlichen Freigelassenen durch ihre Assoziation zu Handel oder Handwerk anbot und damit ihre ausgeübten Tätigkeiten demonstrierte42, war die Aussage bei einer Venusangleichung abstrakter. Die römische Göttin der Liebe stand für die Schönheit und Treue der Verstorbenen43, aber auch für Schamhaftigkeit und Keuschheit44. Anders als für die Ehefrauen der Freigelassenen war die Verwendung und öffentliche Zurschaustellung eines nackten Statuenschemas für die weiblichen Angehörigen des Kaiserhauses undenkbar45. 39

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    Quintilian 5, 12, 20 f.; P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder (München 1987) 103 f.; C. Maderna, Iuppiter, Diomedes und Merkur als Vorbilder für römische Bildnisstatuen (Heidelberg 1988) 121. P. Zanker – B. C. Ewald, Mit Mythen leben. Die Bilderwelt der römischen Sarkophage (München 2004) 197. C. H. Hallet, The Roman Nude. Heroic Portrait Statuary 220 BC – AD 300 (New York 2005) 199–204. H. Wrede, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1981) 67–73. 98 f. 159 f.; C. Maderna, Iuppiter, Diomedes und Merkur als Vorbilder für römische Bildnisstatuen (Heidelberg 1988) 110 f. H. Wrede, Das Mausoleum der Claudia Semne und die bürgerliche Plastik der Kaiserzeit, RM 78, 1971, 144–149; H. Wrede, Die Ausstattung römischer Grabtempel und der Übergang zur Körperbestattung, RM 85, 1978, 418 f.; H. Wrede, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1981) 110. E. D’Ambra, The Calculus of Venus. Nude Portraits of Roman Matrons, in: N. Kampen u. a. (Hrsg.), Sexuality in Ancient Art (Cambridge 1996) 222. Vgl. auch P. Zanker, Eine römische Matrone als Omphale, RM 106, 1999, 119–131. A. Filges, Standbilder jugendlicher Göttinnen. Klassische und frühhellenistische Gewandstatuen mit Brustwulst und ihre kaiserzeitliche Rezeption (Köln 1997) 184.

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    Für Kinder und in jugendlichem Alter Verstorbene wurden Gottheiten aus dem griechischen Pantheon übernommen, die auf kindliche Geborgenheit oder auf eine glückliche Kindheit anspielten, bzw. dies für ein Leben in der Unterwelt erhofften46. So wählten die Eltern für ihre Söhne Figuren wie Amor, Dionysos oder den kleinen Herakles aus und ließen sie nackt oder nur leicht bekleidet abbilden. Ihre unverheiratet verstorbenen Töchter verbanden sie mit Eigenschaften wie Keuschheit und glichen ihre Erscheinung der männerscheuen, griechischen Göttin Diana mit Bogen, Mantel und Chiton an. Die auffallend große Anzahl an Bildnisstatuen in Göttergestalt von Knaben und Mädchen ist das Ergebnis eines neuerworbenen Selbstbewusstseins, da sich der freigelassene Patriarch durch den Besitz einer Familie von den Unfreien abhob47. Die Blütezeit der theomorphen – götterähnlichen – Darstellung in Rom und seinem direkten, künstlerischen Einflussgebiet begann in der Regierungszeit des Kaisers Hadrian48. Doch nicht nur als Grabstatue, sondern ebenso in der funerären Reliefkunst wie auf Grabaltären oder Sarkophagen, erfolgte eine Identifikation der Verstorbenen mit Göttern, um spezifische Tugenden zu visualisieren. Dahingehend boten die Reliefs auf den Sarkophagen für die individuelle Repräsentation neue Möglichkeiten. Sie blieben jedoch nicht nur auf die Gruppe der Freigelassenen und Aufsteiger beschränkt, vielmehr bedienten sie darüber hinaus auch das Klientel einer freigeborenen, gebildeten oder aristokratischen Bevölkerungsschicht49. Im Gegensatz zu den Statuen rühmten die Sarkophagreliefs den Toten nicht mehr mit einem einzelnen Bildnis, sondern sie stellten ihn in den Kontext einer oder mehrerer mythologischer Szenen und idealisierten ihn über die entsprechende Erzählung. Der Kombination von mythischer Figur und individuellem Porträt entsprang die Inszenierung des Einzelnen bzw. des Ehepaares (selten mit Familie), um Tugenden wie männliche Tüchtigkeit (virtus), eheliche Liebe und Eintracht (concordia) aber auch Trauer zu veranschaulichen50. 46

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    P. Zanker – B. C. Ewald, Mit Mythen leben. Die Bilderwelt der römischen Sarkophage (München 2004) 199. H. Wrede, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1981) 105–108 mit zahlreichen weiteren Darstellungsweisen. H. Wrede, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1981) 98. H. Wrede, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1981) 170. 173–175. P. Zanker – B. C. Ewald, Mit Mythen leben. Die Bilderwelt der römischen Sarkophage (München 2004) 201–224.

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    Während die statuarischen Darstellungen von Kindern, Frauen und Männern in götterähnlicher Weise vor der Mitte des 3. Jh. n. Chr. so gut wie endeten, erreichten sie auf Sarkophagreliefs ihren Höhepunkt51. Erst mit dem sukzessiven Rückgang von öffentlichen Ehrenstatuen und dem generellen Wandel der Selbstinszenierung von einer mythologischen Ebene hin zu einer ausgeprägt statusbezogenen, dem realen Leben entsprechenden Darstellungsform findet – beginnend mit dem späten 3. Jh. n. Chr. – die Identifikation mit Göttern und Heroen langsam ein Ende52. Die Verherrlichung von verschiedenen Familienmitgliedern mit Statuen, die berühmte Götterbilder imitieren, wurde primär für Frauen und jung Verstorbene im sepulkralen Kontext benutzt53. Auch für den gesellschaftlichen Aufsteiger oder Freigelassenen war die statuarische Form in erster Linie die Darstellung in der Toga und damit die Kennzeichnung als römischer Bürger54. Der ideale, alterslose Körper einer Grabstatue wird dabei mit einem Porträt versehen, das wegen seiner zwar am römischen Herrscherbildnis orientierten, aber trotzdem noch individuellen und teilweise betagten Miene häufig einen starken Kontrast zum Torso bildet. Zusätzlich konnten dem Bildnis ein oder mehrere Attribute auch verschiedener Gottheiten zugefügt werden, um die Aussage über den Toten verständlicher und vielfältiger zu machen. Die Gleichsetzung mit dem vorbildhaften Gott war für diese Form der privaten Repräsentation jedoch nicht intendiert. Vielmehr ging es darum, die Persönlichkeit und ihre Eigenschaften zu rühmen und in das Gedächtnis zu rufen. Der nackte Körper fungierte dabei als metaphorisches Gewand, um Prädikate wie weibliche Schönheit oder männliche Tüchtigkeit auszudrücken. Dieses Phänomen belegen gleichzeitig die Grabinschriften und Grabgedichte, die ebenfalls die Tugenden priesen, bzw. bei jung Verstorbenen die einst von ihrer Familie in sie gesetzten Erwartungen ausdrückten55. Jung verstorbene Knaben werden darin mit Herakles, Apoll oder Endymion 51

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    H. Wrede, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1981) 170 f. Zusammenfassend B. Borg, Bilder für die Ewigkeit oder glanzvoller Auftritt? Zum Repräsentationsverhalten der stadtrömischen Eliten im dritten Jahrhundert nach Christus, in: F. A. Bauer – C. Witschel (Hrsg.), Statuen der Spätantike (Wiesbaden 2007) 43–77. Vgl. auch H. Wrede, Das Mausoleum der Claudia Semne und die bürgerliche Plastik der Kaiserzeit, RM 78, 1971, 146. P. Zanker, Bürgerliche Selbstdarstellung am Grab im römischen Kaiserreich, in: H.-J. Schalles – H. v. Hesberg – P. Zanker (Hrsg.), Die römische Stadt im 2. Jahrhundert n. Chr., Kolloquium Xanten 1990 (Köln 1992) 343–349. Allgemein P. Zanker – B. C. Ewald, Mit Mythen leben. Die Bilderwelt der römischen Sarkophage (München 2004) 242–245.

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    gleichgesetzt, Mädchen hingegen beispielsweise mit Nymphen56. Für Frauen standen Gottheiten wie die mütterliche Ceres oder die unschuldige Venus Pate57. Das Repräsentationsstreben der Verstorbenen über die Identifizierung mit Gottheiten und den ihnen zugesprochenen Eigenschaften nahm immer größere Ausmaße an, so dass der frühchristliche Schriftsteller Tertullian um 200 n. Chr. vorwurfsvoll äußerte58: „Den Göttern erbaut ihr Tempel, Tempel in gleicher Weise auch den Toten; den Göttern errichtet ihr Altäre, Altäre in gleicher Weise auch den Toten. Ihr setzt die gleichen Buchstaben auf die Inschriften, die gleiche Gestalt gebt ihr den Bildern der Statuen; je nachdem, welche Kunst oder welches Handwerk einer ausübte oder in welchem Alter er war. Der Greis wird nach Saturn, der bartlose Jüngling nach Apollo, die Jungfrau nach Diana gebildet. Der Soldat wird in Mars und der Schmied in Vulcan konsekriert“.

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    H. Wrede, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1981) 52–54. 105–108; A. Filges, Standbilder jugendlicher Göttinnen. Klassische und frühhellenistische Gewandstatuen mit Brustwulst und ihre kaiserzeitliche Rezeption (Köln 1997) 198. H. Wrede, Das Mausoleum der Claudia Semne und die bürgerliche Plastik der Kaiserzeit, RM 78, 1971, 147–149; P. Zanker, Eine römische Matrone als Omphale, RM 106, 1999, 120. Tert. nat. 1, 10, 26 f. Übersetzung nach H. Wrede, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1981) 79 Anm. 127.

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    Plinius, 16, 65: inter corticem ac lignum tenues tunicae multiplici membrana, e quibus vincula tiliae vocantur tenuissimumque eorum philyrae, coronarum lemniscis celebres antiquorum honore.

    Bast, die Schichten zwischen der äußeren Rinde eines Baumes und dem Holz, ist ein faseriges Gewebe, durch das die in den Blättern hergestellten Nährstoffe in die übrigen Teile des Baumes transportiert werden [32]. Die Verarbeitung von Bast und Rinde zu textilen Gebilden, Schnüren und Netzen ist durch archäologische Funde seit dem Mesolithikum belegt [14]. Das schließt allerdings nicht aus, dass sie bereits früher verarbeitet wurden, da botanisches Material sich nur unter besonderen Bedingungen erhält: in dauerhaft feucht gebliebenen Ablagerungen (z. B. mesolithischer Moorfundplatz Friesack [13], neolithische Ufersiedlungen am Bodensee [19, 34], Federsee [7] und an den Schweizer Seen [21, 41, 42, 46]), eingefroren im Eis („Ötzi“ [3, 36], Schnidejoch [39]), als Abdruck auf Keramik. Bei gefällten Bäumen, die längere Zeit am Boden liegen, findet durch die Einwirkung von Pilzen u. a. ein Zersetzungsprozess statt. Abhängig von der Baumart und der Witterung lassen sich nach einiger Zeit die Bastschichten ablösen und verarbeiten [28]. x

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    Lindenbast Im Neolithikum wurden vor allem Lindenbast und -rinde sehr viel verwendet. Es ist anzunehmen, dass neben dem natürlichen Rotteprozess das Rotten auch kontrolliert stattfand, wie das u. a. in archäologischen Experimenten geschieht. Junge Schösslinge mit sehr dünner Rinde und nur zwei oder drei Bastschichten können direkt zum Binden verwendet werden. Da sich jedes Jahr

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    eine weitere Bastschicht bildet, sind ältere Bäume zur Bastgewinnung aber wesentlich ergiebiger. Im Frühjahr, wenn der Baum voll im Saft steht, lässt sich die Rinde mit allen Bastschichten sehr leicht in langen Bahnen abziehen, nachdem sie durch einen Schnitt quer zum Stamm bis zum Holz durchtrennt worden war. Die Rinde von jungen Linden lässt sich gleich nach dem Ablösen umbiegen und zu Behältern verarbeiten, wie die Funde aus den bandkeramischen Brunnen von Erkelenz-Kückhoven [43], Zwenkau u. a. [2, 37] zeigen. Der Bast lässt sich allerdings noch nicht von der Rinde trennen. Um ihn zu gewinnen, muss die abgezogene Rinde mit den Bastschichten gerottet werden [24]. Ein kleiner Bach oder Teich, in den die Rinde zum Rotten gelegt werden könnte, wäre ideal. In einem Bottich rottende Lindenrinde stinkt entsetzlich – trotz mehrfachem Wasserwechsel. Nach sechs bis acht Wochen Rotten lassen sich die inneren, besonders weichen Bastschichten ablösen (Tafel 17, Abb. 1), die äußeren brauchen etwas länger, zum Teil bis zu vier Monate. Beim Ablösen bleiben meist mehrere Schichten aufeinander haften, auch die Bastfaserbündel bleiben zusammen, d. h., man erhält immer mehr oder weniger breite Streifen, abhängig davon, in welcher Breite mit dem Abziehen begonnen wird – und vom Wuchs des Baumes. Bei manchen Linden verlaufen die Fasern so schräg, dass ein zunächst breiter Streifen immer schmaler wird [28]. Textile Techniken [35] Mit einem Baststreifen kann man etwas zusammenbinden. Wird dieser Baststreifen gedrillt, ist er haltbarer. Drillt man ihn in gespanntem Zustand sehr fest und hält ihn dann etwas lockerer, fängt er von selbst an, sich umeinander zu verdrehen – eine Beobachtung, die vermutlich schon die Menschen der Steinzeit gemacht haben: der Anfang der Zwirntechnik! Zwirnen und Zopfflechten Gezwirnt werden kann in einem Arbeitsgang direkt mit dem Rohmaterial: Rinden- oder Baststreifen, Fasern von Brennnessel, Flachs u. a., Binsen, Seggen und beliebig anderem Material, das beim Drehen nicht bricht. Abhängig von der gewünschten Stärke des Zwirns nimmt man zwei gleich dicke Faserbündel, dreht eines der beiden und legt es in Gegenrichtung über das andere. Dasselbe wiederholt man mit dem zweiten Bündel – und so fort. Am Ende von Fasern werden weitere überlappend dazugelegt und

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    mitgedreht. Nach wenigen Verdrehungen ist die Verbindung stabil. Auf diese Weise können beliebig lange feine Fäden, Schnüre, dicke Seile hergestellt werden (Tafel 17, Abb. 2). Daneben – allerdings wesentlich seltener – sind seit dem Mesolithikum auch in Zopftechnik geflochtene Seile und Schnüre nachgewiesen [15, 18]. Gleiches Material und gleiche Dicke vorausgesetzt, sind sie allerdings weniger haltbar als in Zwirntechnik hergestellte, was auf die doppelte Drehung der Faserbündel beim Zwirnen zurückzuführen ist [27]. Zwirnbinden Unter Zwirnbinden oder Zwirnflechten versteht man eine stoffbildende Flechttechnik, die ebenfalls in einem Arbeitsgang und ohne irgendwelche Hilfsmittel direkt mit dem Rohmaterial ausgeführt werden kann. Sie ist sicher sehr viel älter als die seit dem Neolithikum bekannte Webtechnik, bei der gesponnene oder gezwirnte Fäden, die Kette, in einem Webgerät gespannt und durch einen senkrecht dazu verlaufenden Faden, den Eintrag, gebunden werden. Beim Zwirnbinden beginnt man mit U-förmig umgelegten Baststreifen als „Kette“, deren Schenkel nacheinander in einer Verdrehung der beiden quer dazu verlaufenden „Eintragsfäden“, ebenfalls Baststreifen, gebunden werden. Fasst man jeweils einen Schenkel eines Kettstrangs mit einem Schenkel des folgenden Kettstrangs in einer Zwirnbindung zusammen, wird die Anfangskante stabiler. Auch ein Verkreuzen der Kettstränge ist möglich. Die als „Kette“ dienenden Baststreifen können auch über eine gezwirnte Schnur gelegt und dann in einer Zwirnreihe fixiert werden. Ist die gewünschte Breite erreicht, wird das Geflecht gewendet, und die durch die erste Zwirnreihe fixierten, nach unten lose hängenden Baststreifen werden in jeder weiteren Verdrehung der beiden „Eintragsfäden“ gebunden. Ein Zwirngeflecht (in der Schweiz Kettenstoff genannt [33]) kann auch rund gearbeitet werden. Durch unterschiedliche Abstände zwischen den Zwirnreihen entstehen dichte oder löcherige Geflechte. Die Stabilität wird erhöht, wenn die senkrechten Baststreifen vor dem Einlegen in die Zwirnbindung leicht gedreht werden, wie das bei den meisten neolithischen und bronzezeitlichen Zwirngeflechten der Fall ist, oder wenn statt der Baststreifen gezwirnte Fäden verwendet werden, und zwar sowohl für die „Kette“ als auch für die „Eintragspaare“. Zwirngeflechte mit gezopften Fäden als „Kette“ sind ebenfalls nachgewiesen [34]. Zickzackähnliche Muster entstehen, wenn die Kettstränge in jeder quer dazu verlaufenden Zwirnreihe halbiert und mit einer Hälfte des benachbarten Kettstrangs gebunden

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    werden. Bei sogenannten Polster- oder Vliesgeflechten [41] sind lose hängende Baststreifen entweder mitgebunden oder nachträglich aufgenäht, so dass auf einer Seite eine fellartige Oberfläche entsteht (Tafel 17, Abb. 3). Andere textile Techniken Neben den verschiedenen Zwirngeflechten gab es im Neolithikum und in der Bronzezeit auch leinwand- und köperbindige Geflechte aus Lindenbaststreifen [1, 16]. Knotenlose Netze entstehen durch Einhängen eines gedrehten Baststreifens in einen Maschenbogen der vorhergehenden Reihe. Die Stabilität wird erhöht, wenn die eingehängte Schlinge ein-, zwei- oder mehrfach mit sich selbst verdreht wird oder wenn statt der gedrehten Baststreifen gezwirnte Fäden verwendet werden. Diese Technik, die seit dem Mesolithikum bekannt ist [18], kann rund ausgeführt werden oder in Reihen, wobei das Netz am Ende einer Reihe jeweils gewendet wird. Für geknotete Netze wurden gezwirnte Lindenbastfäden verwendet [11]. Verschiedene Knotenarten sind nachgewiesen. Beim Spiralwulstflechten wurden Binsen oder anderes Material zu einem Wulst gedreht, spiralig aufgerollt und mit Lindenbaststreifen an dem weiter innen liegenden Wulst befestigt [23]. Textile Gegenstände Vor allem in den Seeufersiedlungen des Alpenvorlandes (4200–2400 v. Chr.) ist Lindenbast als Rohstoff für viele Dinge des täglichen Gebrauchs nachgewiesen, oft allerdings nur in verkohltem Zustand und bruchstückhaft. Neben Fäden, Schnüren und Seilen wurden Matten, Beutel, Taschen, Netze, Spiralwulstkörbe, Siebe u. a. aus Lindenbast hergestellt [1, 4, 5, 9, 19, 30, 34]. Auch bei dem Mann aus dem Eis, „Ötzi“, wurden verschiedene Gegenstände aus Lindenbast gefunden: gezwirnte Schnüre, ein aus Zwirnfäden zusammengeknotetes grobmaschiges Netz, die netzartigen Innengeflechte seiner dreilagig aufgebauten Fellschuhe, die dazu dienten, eine Isolationsschicht aus Gras rundum im Schuh festzuhalten, und die Dolchscheide, das älteste komplett erhaltene Zwirngeflecht, das bei der Bergung allerdings durch einen Pickelhieb beschädigt wurde [3, 20, 25, 26, 29, 45]. Kleidungsstücke wurden ebenfalls aus Lindenbast gemacht [10]. Am Bodensee wurden Fragmente von mehrlagigen Zwirngeflechten gefunden, die zu einem Umhang oder Rock gehört haben könnten [8]. Sicher als Hüte

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    zu interpretieren sind die auf verschiedene Art hergestellten spitzkegeligen Zwirngeflechte mit auf der Oberseite lose herabhängenden Baststreifen [1, 7, 8, 19, 21, 31]. Sandalen aus Lindenbast, in Zwirnbindung oder leinwandbindig geflochten, sind aus Ufersiedlungen am Bodensee und an den Schweizer Seen bekannt [8, 19, 31, 44]. Da botanisches Material sich nur unter besonderen Bedingungen erhält, sind archäologische Nachweise von Lindenbast aus späterer Zeit selten. Schnüre und dicke Seile aus Lindenbast wurden bis in die vorrömische Eisenzeit u. a. im Salzbergbau von Hallstatt verwendet [17]. Plinius erwähnt die Verwendung von Lindenbaststreifen. In der frühmittelalterlichen Wikingersiedlung Haithabu wurde Lindenbast verarbeitet, u. a. für Schiffstaue. Über Jahrhunderte war Lindenbast ein wichtiges Rohmaterial zur Herstellung von Säcken, Matten, Sandalen u.a., nicht nur in den skandinavischen Ländern und Sibirien, wo er bis heute in Gebrauch ist. Lindenschälniederwälder gab es z.B. in Frankreich noch in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts [6]. Der Bast wurde u.a. zum Aufbinden der Reben benutzt. Manche Geigenbauer verwenden heute noch Leimpinsel aus Lindenbast. Man kann sie im Internet bestellen, ebenso wie die Lapti genannten Sandalen, die in Sibirien aus Lindenbast geflochten werden – wie in der Steinzeit!

    Literatur [1] Bazzanella, M. u. a. (Hg.): Textiles – intrecci e tessuti dalla preistoria europea. Provincia Autonoma di Trento, Servicio Beni Culturali, 2003. [2] Campen, I., Stäuble, H.: Holzfunde im Braunkohlentagebau Zwenkau: Ausnahme oder Regel? Plattform. Zeitschrift des Vereins für Pfahlbau und Heimatkunde e. V. 7/8, 1998/99. Unteruhldingen 1999, 46–57. [3] Egg, M., Spindler, K.: Die Gletschermumie vom Ende der Steinzeit aus den Ötztaler Alpen. Vorbericht. Sonderdruck aus: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 39, 1992. Mainz 1993. [4] Egloff, M.: Le panier du cueilleur. Etapes de la vannerie préhistorique en Europe. Jagen und Sammeln. Jahrbuch des Bernischen Historischen Museums 1983–1984. 1985, 81–87. [5] Egloff, M.: Des premiers chasseurs au début du christianisme. Histoire du Pays de Neuchâtel, Tome 1. De la Préhistoire au Moyen Age. Hauterive 1989, 11–160. [6] Fabricius, L.: Die Forstbenutzung. Ein Lehr- und Handbuch. Begr. v. K. Gayer. Berlin 1935. [7] Feldtkeller, A.: Die Textilien von Seekirch-Achwiesen. Ökonomischer und ökologischer Wandel am vorgeschichtlichen Federsee. Hemmenhofener Skripte. Freiburg i. Br. 2004, 56–70. [8] Feldtkeller, A., Schlichtherle, H.: Jungsteinzeitliche Kleidungsstücke aus Ufersiedlungen des Bodensees. Archäologische Nachrichten aus Baden 38/39. Freiburg i. Br. 1987, 74–84.

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    [9] Feldtkeller, A., Schlichtherle, H.: Flechten, Knüpfen und Weben in Pfahlbausiedlungen der Jungsteinzeit. Archäologie in Deutschland, Heft 1, 1998, 22–27. [10] Feldtkeller, A.: Spuren der ersten Kleidung. Archäologie in Deutschland, Heft 1, 2005, 22–24. [11] Fleckinger, A., Steiner, H.: Der Mann aus dem Eis. Bozen/Wien 1998. [12] Goedecker-Ciolek, R.: Zur Herstellungstechnik von Kleidung und Ausrüstungsgegenständen. Die Gletschermumie vom Ende der Steinzeit in den Ötztaler Alpen. Vorbericht. Sonderdruck aus: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 39, 1992. Mainz 1993, 100–113. [13] Gramsch, B.: Mesolithische Jäger in Brandenburg. Archäologie in Deutschland, Heft 3, 1994, 6–9. [14] Gramsch, B.: Baumbast und Holz. Archäologie in Deutschland, Heft 4, 1999, 20–21. [15] Gramsch, B.: Friesack: Letzte Jäger und Sammler in Brandenburg. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 47, 2000, Teil 1. Mainz 2002, 51–96; Tafel 1–6. [16] Hafner, A., Suter, P. J.: 5000 Jahre abgetaucht – aufgetaucht 1984–2004. Archäologischer Dienst des Kantons Bern, 2004. [17] Kern, A. u. a (Hg.): Salz-Reich. 7000 Jahre Hallstatt, Veröffentlichungen der Prähistorischen Abteilung 2, Naturhistorisches Museum Wien, 2008. [18] Kernchen, I., Gramsch, B.: Mesolithische Netz- und Seilreste von Friesack, Bezirk Potsdam, und ihre Konservierung. Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam 23, 23–28, 1989. [19] Körber-Grohne, U., Feldtkeller, A.: Pflanzliche Rohmaterialien und Herstellungstechniken der Gewebe, Netze, Geflechte sowie anderer Produkte aus den neolithischen Siedlungen Hornstaad, Wangen, Allensbach und Sipplingen am Bodensee. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland V. Stuttgart 1998, 131–242. [20] Pfeifer, K., Oeggl, K.: Analysis of the bast used by the Iceman as binding material. In: S. Bortenschlager, K. Oeggl (Hg.): The Iceman and his Natural Environment. Palaeobotanical Results. The Man in the Ice, Vol. 4. Wien/New York 2000, 69–76, sowie persönliche Mitteilung von K. Oeggl vom 14. 1. 2003. [21] Rast, A.: Die Verarbeitung von Bast. Die ersten Bauern, Band 1: Schweiz. Pfahlbaufunde Europas. Forschungsberichte zur Ausstellung im Schweizerischen Landesmuseum. Zürich 1990, 119–121. [22] Rast, A.: Le vêtement néolithique. In: A. Gallay (Hg.): Dans les Alpes à l’Aube du Métal. Archéologie et Bande dessinée. Sion 1995, 149–153. [23] Rast-Eicher, A.: Die Textilien. In: J. Schibler u. a. (Hg.): Ökonomie und Ökologie neolithischer und bronzezeitlicher Ufersiedlungen am Zürichsee, Band A: Text. Zürich 1997, 300–328. [24] Reichert, A.: Rotten oder Rösten von Lindenbast? AEAS (Arbeitsgemeinschaft für Experimentelle Archäologie der Schweiz) Anzeiger 2000, 1–4. [25] Reichert, A.: Zur Rekonstruktion der „Ötzi“-Schuhe. Experimentelle Archäologie, Bilanz 1999. Oldenburg 2000, 69–76. Experimentelle Archäologie in Europa, Sonderband 1. Oldenburg 2005, 255–262. [26] Reichert, A.: Zwirngeflechte in der Ausrüstung des Gletschermannes. Zur Herstellungstechnik der Dolchscheide, des Umhangs und der Innengeflechte der Schuhe. Experimentelle Archäologie im 3. Jahrtausend n. Chr., Internationale Fachtagung der Arbeitsgruppe für Experimentelle Archäologie in der Schweiz, ETH Zürich, 1998. Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 58, 1/2001, 61–66.

    Die Anfänge des Textilen

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    [27] Reichert, A.: Zur Herstellungstechnik von neolithischen und bronzezeitlichen Siebgeflechten in Zwirnbindetechnik. AEAS Anzeiger 2004, 4–7. [28] Reichert, A.: Be- und Verarbeiten von Lindenbast. AEAS Anzeiger 2005, 5–7. [29] Reichert, A.: Ötzi-Schuhe – High Tech der Steinzeit. AEAS Anzeiger 2005, 8–9. [30] Reichert, A.: Zur Rekonstruktion neolithischer und bronzezeitlicher Siebgeflechte. Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz 2005. Oldenburg 2006, 87–94. [31] Reichert, A.: Von Kopf bis Fuß – gut behütet und beschuht in der Steinzeit. Rekonstruktion von neolithischer Kopf- und Fußbekleidung und Trageversuche. Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz 2006. Oldenburg 2006, 7–23. [32] Reichert, A.: Zwischen Rinde und Holz: Bast – textiles Material der Steinzeit. 1. Gewinnen und Aufbereiten von Bast und Rinde. 2. Verarbeiten von Bast – textile Techniken. 3. Rekonstruktionen aus Bast nach neolithischen Funden. In: Holz-Kultur. Von der Urzeit bis in die Zukunft. Wissenschaftlicher Begleitband zur gleichnamigen Sonderausstellung 4. 2.–28. 5. 2007 im Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburg, 203–230, 2007. [33] Ruoff, E.: Stein- und bronzezeitliche Textilfunde aus dem Kanton Zürich. Helvetia archaeologica 12, 1981, 252–264. [34] Schlichtherle, H.: Die Sondagen 1973–1978 in den Ufersiedlungen HornstaadHörnle I. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland I. Stuttgart 1990. [35] Seiler-Baldinger, A.: Systematik der Textilen Techniken. Basler Beiträge zur Ethnologie, 32, Basel 1991. [36] Spindler, K.: Der Mann im Eis. Neue sensationelle Erkenntnisse über die Mumie aus den Ötztaler Alpen. München 1993. [37] Stäuble, H.: Brunnen der Linienbandkeramik. Ein unerschöpfliches Wissensreservoir. In: W. Menghin, D. Planck (Hg.): Menschen, Zeiten, Räume – Archäologie in Deutschland. Berlin/Stuttgart 2002, 139–141. [38] Suter, P. J.: Das Eis gibt neue Schätze frei. Archäologie in Deutschland, Heft 2, 2006, 56–59. [39] Suter, P. J., Hafner, A., Glauser, K.: Lenk – Schnidejoch. Funde aus dem Eis – ein vor- und frühgeschichtlicher Passübergang. Archäologie im Kanton Bern, Band 6B, Bern 2005, 499–522. [40] Suter, P. J., Hafner, A., Glauser, K.: Prähistorische und frühgeschichtliche Funde aus dem Eis – der wiederentdeckte Pass über das Schnidejoch. Archäologie der Schweiz 28, Heft 4, 2005,16–23. [41] Vogt, E.: Geflechte und Gewebe der Steinzeit. Monographien zur Ur- und Frühgeschichte der Schweiz, I. Basel 1937. [42] Waterbolk, H. T., van Zeist, W. (Hg.): Niederwil, eine Siedlung der Pfyner Kultur, Band IV: Holzartefakte und Textilien. Bern/Stuttgart 1991. [43] Weiner, J.: Behälter aus Rindenbast aus dem bandkeramischen Brunnen von ErkelenzKückhoven: Rinden„taschen“ oder Schöpfbeutel? Plattform. Zeitschrift des Vereins für Pfahlbau und Heimatkunde e. V. 5/6, 1996/97. Unteruhldingen 1997, 76–82. [44] Winiger, J.: Feldmeilen-Vorderfeld. Der Übergang von der Pfyner zur Horgener Kultur. Antiqua 8, Basel 1981. [45] Winiger, J.: Die Bekleidung des Eismannes und die Anfänge der Weberei nördlich der Alpen. In: K. Spindler u. a. (Hg.): Der Mann im Eis, Band 2. Neue Funde und Ergebnisse. Wien/New York 1995, 119–187. [46] Wyss, R.: Steinzeitliche Bauern auf der Suche nach neuen Lebensformen, Egolzwil 3 und die Egolzwiler Kultur. Band 1: Die Funde. Archäologische Forschungen, hg. vom Schweizerischen Landesmuseum Zürich 1994.

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    Tafel 13: Bereits in der Bronzezeit wurde Gold zum Schmücken von Kleidung verwendet. Insbesondere die Völker des östlichen Mittelmeerraums und des Nahen Ostens begannen, das kostbare Metall in Gewebe zu integrieren und nähten Goldbrakteaten oder -applikationen auf ihre Gewänder. Derartige Applikationen entdeckte man beispielsweise in den Schachtgräbern von Mykene. Die Verwendung von Goldplättchen auf Trachten in der achämenidischen Ära ist in historischen Texten beschrieben und durch archäologische Funde wie den „Lydischen Schatz“ und den „Oxus-Schatz“ belegt.1 Besonders gut dokumentiert ist dieser Brauch aber vor allem durch eine große Menge entsprechender Funde aus skythischen Bestattungen in der Ukraine und Russland. Die Skythen beherrschten die Steppen nördlich des Schwarzen Meers vom sechsten bis zu Beginn des dritten vorchristlichen Jahrhunderts. Möglicherweise hatten sie diese Sitte im Zuge ihrer Einfälle in das Persische Reich im siebten Jahrhundert v. Chr. übernommen. Ihre Kleidung wurde anhand der Anordnung solch goldenen Zierrats in Gräbern bereits mehrfach rekonstruiert.2 Die Brakteaten wurden gewählt, weil die besondere Farbe des Goldes (ebenso wie die anderer Metalle) sehr schwer zu reproduzieren ist, sofern man nicht das Metall selbst verwendet. Die archäologischen Zeugnisse verraten uns, dass es noch andere Techniken zur Herstellung von Goldtextilien gab.3 Die wahrscheinlich älteste Technik, für die uns nur sehr wenige eindeutige Beispiele vorliegen, bestand darin, einfache Golddrähte oder -streifen anzufertigen und das weiche Metall direkt als „Fadenmaterial“ zu nut1

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    J. Curtis, „Jewelry and personal ornaments“, in: J. Curtis und N. Tallis (Hrsg.), Forgotten Empire. The World of Ancient Persia (2005) 134–135. L.S. Klochko, „Skythische Tracht“, in: P.P. Tolochko und V.Y. Murzin (Hrsg.), Gold der Steppe. Archäologie der Ukraine (1991) 105–110. A. Geijer, Birka III. Die Textilfunde aus den Gräbern (1938) 68; J.P. Wild, Textile Manufacture in the Northern Roman Provinces (1970) 39; M. Járó, M. „Manufacturing technique of gold threads and their imitations on museum textiles – chronology of the preparation of metal threads. Result of the scientific investigations“, in: E. Walter (Hrsg.), Yearbook of the Textile Museum (Budapest)8 (1995): 31–49.

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    zen. Eine komplexere Herstellungsmethode war das Umwickeln einer Seele aus organischem Material (in der Regel Seide, Leinen oder Wolle) mit Golddraht oder flachem Goldband. Diese Methode scheint ab dem dritten Jahrhundert v. Chr. üblich gewesen zu sein. Die überwiegende Zahl der uns vorliegenden Artefakte wurden mittels dieser Technik gefertigt, die sich in Hinblick auf Materialbedarf, Zeitaufwand und Endprodukt als optimal herausstellte. In den meisten Fällen überlebt nur die Spirale aus dünnem, flachem Goldband, während die organische Seele zerfallen ist. Nicht vergessen werden darf auch die Verwendung von vergoldeten Bändern aus tierischer Haut, d. h. Därmen oder Leder, die um eine Seele aus Seide gewickelt wurden. Diese Erfindung stammt aus dem Fernen Osten und hielt erst nach dem Mittelalter auch in Westeuropa Einzug. Gold wurde auf unterschiedliche Arten in die Kleidung integriert. Eine Möglichkeit bestand darin, aus Fäden mit Goldanteil einen Kleiderstoff herzustellen, aber häufiger wurde er in Form dekorativer Elemente eingesetzt. So ist uns eine Vielzahl an Bändern, Zierkanten, kleinen Mustern und sogar gewebten und gestickten Buchstaben bekannt. Sowohl Männer als auch Frauen trugen Gewänder, in denen Gold verarbeitet war, und nur Haarnetze scheinen ausschließlich Frauen vorbehalten gewesen zu sein. Da nahezu alle erhaltenen Gegenstände, in denen Gold verarbeitet ist, im Zusammenhang mit Bestattungen gefunden wurden, überrascht es nicht, dass wir Gold auch als Bestandteil von Leichentüchern antreffen. Doch welche Funktion diese Textilien aus Gold auch immer erfüllen sollten oder letztlich erfüllten, sie waren extrem kostspielig und dürften nur den höchsten Gesellschaftsschichten zugänglich gewesen sein. Die erhaltenen Funde zeigen, dass Gold sich mittels verschiedener Techniken in Textilien integrieren ließ. Es konnte einfach verwebt oder zu aufwändigen Mustern in Flächengeweben gewirkt werden. Goldlahn wurde in der Regel als Schuss verwendet, aber in einigen schmalen Bändern bestehen offenbar sowohl die Kett- als auch die Schussfadensysteme aus Gold. Auch wenn Stickerei gelegentlich zum Einsatz kam, verweist die überwältige Mehrzahl der archäologischen Zeugnisse darauf, dass Goldlahn hauptsächlich am Webstuhl verarbeitet wurde.4 Er konnte auch als alleiniges Ma4

    Bereits A.J.B. Wace wies in „Weaving or embroidery?“, American Journal of Archaeology 52 (1948) 51–55, auf das Problem der fehlerhaften Übersetzung von Begriffen in antiken Texten in Zusammenhang mit der Textiltechnologie hin. So entstand die Annahme, dass die einzige Möglichkeit zur Verzierung von Stoffen das Besticken sei. Dies ist immer noch die vorherrschende Meinung unter Altphilologen und Historikern. Siehe auch M. P. Speidel, „Late-Roman Military Decorations II: Gold-embroidered Capes and Tunics“, Antiquité tardive 5 (1997), 231–237, der spätrömische Mantel und Tuniken als „goldbestickt“ bezeichnet, obgleich die von ihm zur Illus-

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    terial für in Sprangtechnik gefertigte Haarnetze oder zur Herstellung von Kordeln und Fransen dienen, indem mehre Fäden mit Goldanteil miteinander verflochten wurden. Geijer und Thomas gehen davon aus, dass in Gold und Purpur ausgeführte hellenistische Wirkereien als Prototypen für weniger kostbare Ausführungen dienten, bei denen statt Fäden mit Goldanteil weißes Leinen und statt königlichem Purpur ein weitaus weniger kostbares Färbemittel in diesem Ton benutzt wurden. In Ägypten fand man solche Wirkereien in großer Zahl in spätantiken Gräbern.5 Den einschlägigsten Beweis für die Verwendung von Goldfäden in der Antike liefern die Textilien selbst. Obwohl das Material in der Vergangenheit häufig wiederverwendet wurde, blieb dank der antiken Bestattungssitte, die Toten in ihre besten Gewänder zu hüllen, eine hinreichende Zahl von Textilfragmenten aus Gold bis heute erhalten.6 Die meisten Funde aus frühester Zeit kennen wir aus dem Mittelmeerbecken einschließlich des nördlichen Schwarzmeergebiets. Einer der ältesten Funde ist ein silber-goldener Faden, mit dem Leinen aus einem Grab aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. aus Koropi in Athen bestickt ist.7 Das Muster ist immer noch als Gitterwerk aus Rauten mit einem schreitenden Löwen in jeder Raute erkennbar, auch wenn der Metallfaden heute verschwunden ist und nur noch die Löcher sichtbar sind.

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    tration verwendeten Kleidungsstücke auf dem Mosaik in Piazza Armerina mit großer Wahrscheinlichkeit gewebt sind, da die Orbiculi aussehen wie die tatsächlich gefundenen (siehe D. Renner, „Spätantike figürliche Purpurwirkereien“, in: M. FluryLemberg und K. Stolleis (Hrsg.), Documenta Textilia. Festschrift für Sigrid MüllerChristensen (1981) 82–94). Stickereien werden erst ab der ausgehenden Spätantike üblicher. D. Renner, „Spätantike figürliche Purpurwirkereien“, in: M. Flury-Lemberg und K. Stolleis (Hrsg.), Documenta Textilia. Festschrift für Sigrid Müller-Christensen (1981) 82–94. Einen Katalog publizierter Goldfadenfunde aus der Zeit vor 500 n. Chr. finden Sie in M. Gleba, „Auratae vestes: Gold textiles in the ancient Mediterranean“ in: C. Alfaro und L. Karali (Hrsg.), Purpureae Vestes II, Vestidos, Textiles y Tintes: Estudios sober la produccion de bienes de consumo en la antiguidad (2008) 63–80. Zur Entwicklung der Herstellungstechnik siehe M. Járó, „Manufacturing technique of gold threads and their imitations on museum textiles – chronology of the preparation of metal threads. Result of the scientific investigations“, in: E. Walter (Hrsg.), Yearbook of the Textile Museum (Budapest)8 (1995) 31–49, sowie zahlreiche Arbeiten von Rinuy. E.J.W. Barber, Prehistoric Textiles. The Development of Cloth in the Neolithic and Bronze Ages (1991). – Ein neuerer Hinweis mit einer Farbfotografie findet sich in: Y. Spantidaki and C. Moulherat, „Greece“, in: M. Gleba and U. Mannering (Hrsg.), Textiles and Textile Production in Europe from Prehistory to AD 400 (2012) 195, Abb. 7.16.

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    Ebenfalls aus Griechenland stammt das wahrscheinlich am vollständigsten erhaltene und schönste Beispiel für ein Goldgewebe, das die Jahrhunderte überdauert hat. Es datiert in das vierte Jahrhundert v. Chr. und wurde in dem so genannten Philipp-Grab in Vergina entdeckt, das Philipp II von Makedonien zugeschrieben wird. Dort fand man in einer goldenen larnax die kremierten Überreste einer Frau, eingeschlagen in zwei Textilien, bei denen es sich um gold- und purpurdurchwirktes Gewebe handelt.8 Man nahm zunächst an, die beiden Stücke seien trapezförmig, aber inzwischen weiß man, dass sie ursprünglich rechteckig waren.9 Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die in ihnen verwendeten Goldstreifen um eine organische Seele gewickelt waren. Die Stoffstücke zeigen eine Reihe von Blumenmotiven sowie zwei Vögel, und ihre Randeinfassung mit Wellen- und Sägezahnmuster erinnert an hellenistische Werke in anderen Medien. Es könnte sich bei diesen Stoffen folglich um einheimische Produkte handeln. Zahlreiche Textilfragmente wurden aus dem so genannten Tomba degli Ori im süditalienischen Canosa aus dem dritten bis zweiten vorchristlichen Jahrhundert geborgen.10 Sie sind allesamt in einem sehr schlechten Konservierungszustand, doch von extrem feiner Qualität. Auch sie weisen Spuren von Goldfäden auf. Einige Stücke davon bildeten vielleicht ein geometrisches Muster und könnten zum Schleier der Verstorbenen gehört haben. Goldfäden entdeckte man auch in vier Beisetzungen in der griechischen Kolonie Taranto in Süditalien, die in das vierte Jahrhundert v. Chr. datieren. Hier konnte man kleine Reste eines Goldgewebes sicherstellen, bei denen es sich um Teile der dekorativen Bordüre eines Kleidungsstücks oder eine Applikation auf einem Lederartikel, wie beispielsweise Schuhen, gehandelt haben könnte.11 Ettore De Juliis stellte die These auf, dass dieser Ort – das heutige Tarent, lateinisch Tarentum – in hellenistischer Zeit ein italienisches Produktionszentrum für Goldfäden und -textilien gewesen sein könnte. Dies ist nicht unwahrscheinlich, bedenkt man das frühe Datum zahlreicher Funde sowie die Berühmtheit von Tarentum als Zentrum von Handwerken rund um das Gold. Auf apulischen rotfigurigen Vasen derselben Epoche sind immer wieder reich verzierte Gewänder abgebildet, die möglicherweise mit Gold gewebte Kleider darstellen. Textilien, in denen Gold verarbeitet war, waren besonders zur Zeit des 8

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    M. Andronikos, Vergina: The Royal Graves (1984) 164, Abb. 140; D. Cardon, Natural Dyes: Sources, Tradition, Technology and Science, London (2007) 573. M. Flury-Lemberg, „The Fabrics from the Royal Tomb in Vergina“, in: M. FluryLemberg (Hrsg.), Textile Conservation and Research (1988). M. Guarducci, Le reliquie di Pietro (1965) 32–33; E. De Juliis, Gli ori di Taranto in Età Ellenistica (1984) 329–330, 339 Nr. 277. E. De Juliis, Gli ori di Taranto in Età Ellenistica (1984), 339–340, Nr. 278–290.

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    Römischen Reichs populär, und viele Funde aus dieser Zeit stammen aus Rom selbst.12 Goldfäden kamen hier zum Weben, Sprangen, Sticken sowie in Flechttechniken zum Einsatz. Zu den ungewöhnlicheren Funden zählt ein fast vollständiges Haarnetz oder reticulum – ein Gegenstand, der uns auch von pompejanischen Fresken her vertraut ist.13 Ein relativ großes, aus Goldlahn gewobenes Stück Band hat man im Tonnengewölbe 5 im antiken Hafen des römischen Herkulaneum gefunden.14 Aus Pompeji und Herkulaneum sind zahlreiche weitere Textilfunde mit Goldanteil bekannt, die jedoch bislang nicht publiziert wurden. Auch außerhalb Italiens hat man überall im Römischen Reich und sogar über dessen Grenzen hinaus Textilien gefunden, in denen Goldfäden vorkommen. Ein Großteil der alten und neuen Funde aus dem antiken Palmyra in Syrien wurde zusammen mit anderen Textilfunden aus den berühmten Gräbern aus dem ersten bis zweiten Jahrhundert n. Chr. untersucht und publiziert.15 In allen Fällen bestand der Schuss aus Leinen, die Kette hingegen aus Gold (mit einer Seele aus Leinen oder Seide) und purpurgefärbten Wollfäden. Überreste von Goldfäden wurden auch an einem anderen für seine prähistorischen Textilien bekannten syrischen Fundort entdeckt: im antiken Dura-Europos.16 Man nimmt an, dass zwei Fragmente einer Wirkerei aus Gold unbekannter Herkunft, die sich im Besitz des Museum of Fine Arts in Boston (Massachusetts, USA) befinden, ebenfalls in Syrien angefertigt worden sein könnten, da hier in der Zeit des Römischen Reichs vermutlich ein großer Anteil derartiger Luxustextilien produziert wurde.17 12

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    A. Bedini, I.A. Rapinesi und D. Ferro, „Testimonianze di filati e ornamenti in oro nell’abbigliamento di etá romana“, in: C. Alfaro, J.P. Wild und B. Costa (Hrsg.), Purpureae vestes (2004) 77–88. Das beste Beispiel liefert das Porträt der so genannten Sappho von Pompeji (VI, Insula Occidentalis, Inv. 9084). L. D’Orazio und E. Martuscelli, „Il tessile a Pompeii: tecnologia, industria e Commercio“, in: A. Ciarallo und E. De Carolis (Hrsg.), Homo Faber. Natura, scienza e tecnica nell’antica Pompeii (1999) 92–94, 177 no. 202. R. Pfister, Textiles de Palmire (1934) 18, 45; R. Pfister, Textiles de Palmyre III (1940) 16; A. Schmidt-Colinet, A. Stauffer und K. al-As’ad, Die Textilien aus Palmyra. Neue und alte Funde (2000) 267–269; A. Rinuy, „Analyse des Goldfäden“, in: A. SchmidtColinet, A. Stauffer und K. Al-As’ad, Die Textilien aus Palmyra, Neue und alte Funde (2000) 16–18. R. Pfister und L. Bellinger, Part II. The Textiles, The Excavations at Dura-Europos. Final Report IV (1945) 60, Taffel 31, Nr. 305; A.J.B. Wace, „The Cloaks of Zeuxis and Demetrius“, Jahteshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien 39 (1952), 111–118. G. Townsend, „Two Fragments of late Hellenistic tapestry“, Bulletin of the Museum of Fine Art 46 (1948), 12–18; A. Geijer und E. B.-Thomas, „The Viminacium Gold Tapestry. A Unique Textile Fragment from Hungary“, Meddelanden från Lunds

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    Goldfadenfunde werden unter anderem für mindestens zehn Gräber aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert n. Chr. aufgeführt, die in Tyros im Libanon freigelegt wurden. Ein Vorkommnis von Silberfäden ist ebenfalls belegt.18 Tyros wird als ein weiteres mögliches Zentrum für die Herstellung von Textilien aus Gold in Betracht gezogen.19 1999 entdeckte man winzige Goldlahnfragmente im Steinsarkophag einer Frau, die im vierten Jahrhundert n. Chr. im heutigen Spitalfields (London, Großbritannien) beigesetzt wurde.20 Kleine Stückchen eines Gewebes aus Goldlahn – nach Aussage der Ausgräber die größte Anhäufung römischer Textilien aus Gold auf britischem Boden – wurden in Nähe der Oberschenkelknochen, um die Rippen geschlagen und auf Höhe der Handgelenke der Bestatteten gefunden, was darauf hinweist, dass das Goldgewebe ihre Kleidung verziert haben könnte. Der verwendete Faden ist außergewöhnlich fein (die Stärke beträgt nur 0,1 mm), und er war spiralförmig um eine Seele aus organischem Material gewickelt, möglicherweise Seide. Die Ausgräber nehmen an, dass dieser feine Goldlahn in Syrien hergestellt wurde. Ein syrischer Ursprung wird auch für diverse andere Funde angenommen, zum Beispiel für eine Tunika aus Seide, die mit purpurgefärbter Wolle und Gold verziert ist. Sie stammt aus einem Grab aus dem vierten Jahrhundert n. Chr. in Maximin, Trier.21 Ein weiterer, spektakulärer Fund wurde aus einer gallo-römischen Kinderbestattung in Naintré (Frankreich) zutage gefördert.22 Ein kleines Mädchen war hier in einem aufwändigen Gewand aus Seide mit goldenen und purpurnen clavi und einem Frontbesatz aus goldenen und purpurnen Streifen bestattet worden. Uns sind auch einige interessante Funde aus Ungarn bekannt. Der ins vierte Jahrhundert n. Chr. datierende Sarkophag 53 aus einem Mausoleum des antiken Römerkastells Iovia (Alsóhétény, Ungarn) enthielt Reste chine-

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    Universitets Historiska Museum (1964–1965), 223–236; A. Stauffer, „Imports and exports of textiles in Roman Syria“, Topoi suppl. 8 (2008) 357–373. M. Chéhab, Fouilles de Tyr, La nécropole, III, Description des fouilles, Bulletin du musée de Beyrouth 35 (1985). J.-P. Rey-Coquais, „Textiles, soie principalement, et artisanat du textile dans les inscriptions grecques du proche Orient“, Studies in the History and Archaeology of Jordan (1995). C. Thomas, „Laid to rest on pillow of bay leaves“, British Archaeology 50 (1999). B. Dreyspring, „Textiltechnische Untersuchungen an einer frühchristlichen Sarkophagbestattung aus St. Maximin in Trier“ in: S. Martius und S. Russ (Hrsg.), Historische Textilien, Nürnberg (2002) 9–24. D. Cardon (Hrsg.), Teintures précieuses de la Méditerranée: Pourpre – Kermès – Pastel (1999) 96–99; I. Bédat, S. Desrosiers, C. Moulherat und C. Relier, „Two Gallo-Roman Graves Recently Found in Naintré (Vienne, France)“, in: F. Pritchard und J.P. Wild (Hrsg.), Northern Archaeological Textiles NESAT VII(2005) 5–11.

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    sischer Seide, die zusammen mit Gold zu einer Wirkerei verwoben wurde.23 Vermutlich handelt es sich um einen Import aus Syrien.24 Ein weiteres Fragment eines Goldstoffs stellt die Siegesgöttin Victoria mit einem Palmblatt in der rechten Hand dar. Es stammt aus einem Sarkophag aus dem dritten Jahrhundert n. Chr., der in der römischen Siedlung Viminacium (Kostolac, Serbien) geborgen wurde und mittlerweile im ungarischen Nationalmuseum aufbewahrt wird.25 Im antiken Gadir (heutiges Cádiz, Spanien) wurde eine weitere Gruppe von Goldtextilien in zwei Gräbern aus augusteischer Zeit gefunden26 – möglicherweise mit Goldgewebe verzierte Stirnbänder. Die Fäden bilden geometrische Muster und Blumenmotive. Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um Textilien aus einheimischer Produktion handelt, ist ein Import aus dem Osten – unter Umständen aus Alexandria – wahrscheinlicher. Obgleich Alexandria unter den vermuteten Produktionszentren für Goldgewebe immer wieder genannt wird, kommen tatsächlich nur sehr wenige Goldtextilien aus Ägypten. Einer dieser Funde unbekannter Herkunft, der jetzt im Koptischen Museum in Kairo verwahrt wird, ist ein Orbiculus aus Purpur- und Goldgewebe.27 Diesem Artefakt sehr ähnlich sind zwei große und zwei kleine aus Purpur und Gold gewirkte Medaillons, die sich mittlerweile in der Abegg-Stiftung befinden.28 Andere Orbiculi, die even23

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    Die Wirkerei im historischen Kontext ist tatsächlich eine Webtechnik, bei der Motive in das Webstück eingearbeitet werden. Der Begriff ist nicht im Sinne seiner neuzeitlichen Verwendung zu verstehen, die sich ausschließlich auf Maschengewebe (Trikotagen) bezieht. W. Endrei und E. Sipos, „New finds of silk fabrics in Hungary“, Buletin CIETA 65 (1987) 32–33; E. Tóth, „Die spätrömische Festung von Iovia und ihr Gräberfeld“, Antike Welt, Jahrgang 20, Heft 1 (1989) 38; A. Stauffer, „Imports and exports of textiles in Roman Syria“, Topoi Suppl. 8 (2008) 363. A. Geijer und E. B.-Thomas, „The Viminacium Gold Tapestry. A Unique Textile Fragment from Hungary“, Meddelanden från Lunds Universitets Historiska Museum (1964–1965); E. Tóth, „Die spätrömische Festung von Iovia und ihr Gräberfeld“, Antike Welt, Jahrgang 20, Heft 1 (1989) 38. C. Alfaro Giner, „Recent discoveries of gold textiles from Augustan age Gadir (Cádiz)“, in: P. Walton Rogers, L. Bender Jorgensen und A. Rast-Eicher (Hrsg.), The Roman Textile Industry and its Influence (2001) 77–83. D. Renner, „Spätantike figürliche Purpurwirkereien“, in: M. Flury-Lemberg und K. Stolleis (Hrsg.), Documenta Textilia. Festschrift für Sigrid Müller-Christensen (1981) 82–83. S. Schrenk, Textilien des Mittelmeerraumes aus spätantiker bis frühislamischer Zeit(2004) 109–111; A. Stauffer, „Zur datierung spätantiker Gold-Purpurgewebe“, in: A. De Moor und C. Fluck (Hrsg.), Methods of Dating Ancient textiles of the 1st Millennium AD from Egypt and the Neighbouring Countries, Tielt (2007) 71–78.

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    tuell aus derselben Werkstatt stammen, kennen wir aus Sammlungen in Orléans (leider verschollen), London und Wien.29 Darüber hinaus belegen Mumienporträts aus Al Fayum und von anderen Fundorten die Verwendung von Gold in Textilien. Eines der berühmtesten Beispiele hierfür ist das Porträt eines Mädchens mit einem goldenen Schal aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. aus dem ägyptischen Antinoupolis.30 Obgleich die Schwarzmeerregion am Rande des Mittelmeerraums liegt, zeigt sie ein ungebrochenes Kontinuum in Bezug auf die Verbreitung von archäologischem Material allgemein und insbesondere von Textilien. Die überwiegende Zahl der Funde stammt von der Krim, wo sich viele griechische und römische Siedlungen befanden. Fragmente eines dünnen, mit Gold bestickten Purpurstoffs wurden bereits im Jahr 1872 in einem Grabhügel aus dem dritten Jahrhundert n. Chr. nahe der griechischen Ausgrabungsstätte Panticapeum, dem neuzeitlichen Kerch, gefunden.31 Dieses Stoffstück aus dem Bleisarkophag einer reichen Frau war aus purpurfarbener Wolle gefertigt und mit Goldfäden bestickt worden. Einst zierte es ein Muster in Form einer Girlande aus Efeu.32 Stephani, der diese und viele weitere Textilfragmentfunde aus antiken Bestattungen in der südlichen Ukraine erstmals im Jahr 1881 veröffentlichte, erwähnt in einer Fußnote, dass große Mengen Goldlahn von ähnlicher Qualität entdeckt wurden, obwohl bei den meisten Funden die Trägertextilien vergangen sind.33 Es sind auch Goldlahnfunde jenseits der Krim bekannt: 1974 wurde in Sokolova Mohyla am Südlichen Bug das Grab einer reichen, 45 bis 50 Jahre alten sarmatischen Dame aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. freigelegt.34 Zahlreiche Goldapplikationen – insgesamt 1218 – wurden auf und um ih29

    30 31

    32

    33

    34

    D. Renner, „Spätantike figürliche Purpurwirkereien“, in: M. Flury-Lemberg und K. Stolleis (Hrsg.), Documenta Textilia. Festschrift für Sigrid Müller-Christensen (1981) 83–84. E. Doxiadis, The Mysterious Fayum Portraits (2000) 114. L. Stephani, Compte-Rendu de la Commission Impériale Archéologique1878–1879 (1881) 135–136, Tafel V, Nr. 4; E.H. Minns, Scythians and Greeks (1913) 336; M.A. Rostovtsev, Skifiѕ i Bospor (1925) 223. D.S. Gerziger, „Antiљn«e tkani v sobranii Ѓrmitaхa“, Pamѕtniki antiљnogo prikladnogo iskusstva (1973) 71–100, 96 Nr. 32. L. Stephani, Compte-Rendu de la Commission Impériale Archéologique 1878–1879 (1881) 136. G.T. Kovpanenko, „Die sarmatische ‚Priesterin‘ aus der Sokolova Mogila“, in: R. Rolle, M. Müller-Wille und K. Schietzel (Hrsg.), Gold der Steppe, Archäologie der Ukraine (1991) 221–226; A.K. Elkina, „Goldstickereien mit ‚Seidenseele‘ in dem Grab der sarmatischen ‚Priesterin‘ aus der Sokolova Mogila“, in: R. Rolle, M. Müller-Wille und K. Schietzel (Hrsg.), Gold der Steppe, Archäologie der Ukraine (1991) 227–229.

    Auratae vestes

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    ren Körper verstreut gefunden, deren Anordnung eine teilweise Rekonstruktion der Kleidung der Toten erlaubte. Doch zusätzlich zu dieser gebräuchlicheren Art der Dekoration befanden sich im Bereich der Unterschenkel Textilreste, die mit Goldfäden verziert waren. Letztere waren dank eines Stücks Holzrinde, welches man unter den Füßen der Verstorbenen platziert hatte, erhalten geblieben. Darüber hinaus entdeckte man zahlreiche Reste von dicken Goldfäden, mit denen das Leichentuch verziert gewesen sein dürfte, das man über die Tote gehängt hatte. Sie fanden sich überall in der Grabkammer, wobei die Konzentration in Wandnähe höher war. Bei vielen dieser Fragmente stellte sich heraus, dass sie aus chinesischer Seide bestanden, die mit königlichem Purpur gefärbt und mit Goldfäden bestickt war. Der in dem Grab von Sokolova Mohyla gefundene Goldlahn lässt sich in drei Typen einteilen, die sich zwar in Stärke, Spinnrichtung und Goldanteil unterscheiden, jedoch alle eine Seele aus Seide besitzen. Die stärksten Fäden wurden überall in dem Grab gefunden und bildeten vermutlich einst ein Muster auf dem Leichentuch, während die mittelstarken und dünnen Fäden ehemals den Saum des Gewandes geziert haben dürften. Die Fäden mittlerer Stärke formten das grundlegende Muster aus Palmetten, Rauten, Spiralen, Wellen und Triglyphen-Motiven. Diese Muster wurden gewissermaßen skizziert, bevor man sie auf das seidene Trägertextil aufnähte, denn jedes Element besitzt eine aus Goldlahn angelegte Kontur. Die feinen Fäden mit dem höchsten Goldanteil wurden für die figürlichen Verzierungen eingesetzt. Von ihnen haben leider nur die kleinsten Fragmente überdauert, die ein Säulenkapitell, eine Spirale aus Akanthus-Blättern sowie einen Olivenzweig zeigen. Sie alle wurden in derselben Konturentechnik ausgeführt (Tafel 13). Die Funde von Sokolova Mohyla, aber auch anderenorts (z. B. Naintré und Trier) zeigen, dass der Wert der auratae vestes noch gesteigert wurde, indem man Goldfäden mit Seidenfasern und Purpurfärbung kombinierte. Solche Kleidungsstücke waren von höchster Qualität und nur für die höchsten Gesellschaftsschichten erschwinglich. Zwischen dem vierten und sechsten Jahrhundert n. Chr. wurde das Weben von Textilien aus Gold und Seide zum Monopol des römischen Staates, während private Handwerker es nicht mehr ausüben durften.35 Gerade in dieser Zeit erlangten Goldtextilien große Beliebtheit, da Angehörige europäischer Königshäuser und kirchliche Würdenträger begannen, Stoffe aus Gold und Silber für ihre 35

    J.-P. Rey-Coquais, „Textiles, soie principalement, et artisanat du textile dans les inscriptions grecques du proche Orient“, Studies in the History and Archaeology of Jordan (1995) 79.

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    Amtstrachten und zeremoniellen Gewänder sowie für kostspielige Wandbehänge und Dekorationen zu verwenden.36 Aus dem Englischen übersetzt von Bettina von Stockfleth

    36

    Siehe die selten zitierte, aber immer noch hervorragende Publikation von S. Larsen, Nordisk Guldspinding og Guldbroderi i den tidlige Middelalder (1939). Einen Überblick über die Goldtextilien des frühen Mittelalters vermittelt der Artikel von J. Banck-Burgess, „Goldtextilien“, Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 2, Berlin, New York (1998) 386–392.

    Textilarchäologie und Kleiderforschung nördlich der Alpen

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    Textilarchäologie und Kleiderforschung nördlich der Alpen Schwerpunkt: Alamannen und Merowingerzeit Johanna Banck-Burgess

    Quellenlage und Forschungsstand Im Kernland des römischen Imperiums und vor allem in den südlichen Provinzen, wie in Ägypten können verschiedene Fragestellungen zur Kleidung und zum Textilhandwerk erforscht werden. Schrift-, Bildquellen und umfangreiche Bodenfundkomplexe bieten hier eine Quellenbasis, deren Aussagekraft vor allem in der interdisziplinären Auswertung der Quellen zu finden ist. Nördlich der Alpen sieht die Quellenlage bedeutend schlechter aus, was zwangsläufig dazu führt, dass die Kleiderforschung hier methodisch und inhaltlich einen anderen Weg eingeschlagen hat. Die Bodenfunde sind zwar anzahlmäßig nicht weniger, in ihren Ausmaßen jedoch erheblich kleiner und schlechter erhalten. Bei den vereinzelten Bildquellen, die Kleidung abbilden, ist der kulturhistorische Hintergrund und die Wege ihrer tradierten Darstellungsweisen häufig unzureichend geklärt. Der Realitätsgehalt der wenigen Schriftquellen, zumeist in Form weniger Angaben in Sekundärquellen, muß zumindestens dann abgeklärt werden, wenn der Archäologe sich ein Bild von tatsächlich getragenen Kleidungsstücken machen möchte. Aufgrund der schwierigen Quellenlage, hinsichtlich der Schrift- und Bildquellen, kommt den Bodenfunden vor allem bezüglich der Kleiderfrage eine große Bedeutung zu. In der zurückliegenden Archäologengeneration spielten vor allem die sog. „Trachtbestandteile“ eine wesentliche Rolle. Bei den Bestattungen wurde aufgrund der Position und Anzahl der Fibeln und der Lage des Gürtels auf das Aussehen der Kleidungsstücke geschlossen. Am bekanntesten ist dabei die sogenannte „Vierfibelmode“ oder „Vierfibeltracht“, die während der älteren Merowingerzeit (5. Jh./Anfang 6. Jh.) vorwiegend in den reich ausgestatteten Gräbern zu finden ist. (Martin 1995 und 1997). Die Vorschläge für die getragenen Kleidungsstücke begrenzten sich dabei auf wenige Stücke, was den Eindruck einer Uniformität vermittelt. Während die Frauen anfangs mit der Kombination

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    Johanna Banck-Burgess

    Bluse und Rock, später mit einem tunikaartigen Gewand versehen wurden, wurde den Männern Hose und hemdartiges Oberteil zugesprochen. Diese Kleidung wird bei beiden Geschlechtern stereotyp durch Mantel bzw. Umhang ergänzt. Veränderungen innerhalb des nichttextilen „Trachtensemble“ werden unmittelbar mit einer Änderung der „Kleidermode“ in Verbindung gebracht und zumeist auf Einflußnahmen jenseits der eigenen kulturellen Grenzen zurückgeführt. So wird die Vierfibeltracht zu Beginn des 5. Jahrhunderts bei den Alamannen mit der Einflussnahme aus den römischen Gebieten in Verbindung gebracht. Das Verschwinden des Kleinfibelpaars im Oberkörperbereich bei gleichzeitigem Auftreten einer einzelnen Scheibenfibel mit Beginn des 7. Jahrhunderts wird auf einen mediterranen Einfluß zurückgeführt und mit einer Veränderung der Kleidung in Aussehen, Schnitt und Tragweise in Verbindung gebracht.1 Der Grundgedanke, dass die Fibeln vorrangig eine funktionale Bedeutung haben, ist aufgrund textilarchäologischer Beobachtungen inzwischen mehrfach widerlegt worden. Die Position der Fibeln im Fundverband, hier vornehmlich im Hüft- bzw. Oberschenkelbereich, verweist darauf, daß die Fibel oftmals Teil des Gehänges waren oder mit einem Textilobjekt im Hüftbereich in Verbindung standen. Dabei können die Reste von Bändern, die sich wiederholt im Verbund mit der Fibelnadel erhalten haben, zumeist nicht eindeutig als Teil einer Befestigung oder einer kleidungsbezogenen Verschlusskonstruktion gedeutet werden. Demnach muß auch die häufig formulierte These, daß sich Aussehen, Schnitt und Tragweise der Kleidungsstücke änderte, wenn sich nichttextile Bestandteile in Art und Position änderten, überdacht werden. Der unzureichende Erhaltungszustand der Bodenfunde führt dazu, dass die Textilarchäologie zunehmend nach facheigenen und naturwissenschaftlichen Methoden zur Analyse, Dokumentation und Auswertung dieser Funde sucht. Die Erkenntnis, dass die „Lesbarkeit“ eines Bodenfundes nur bei genauer Beobachtung des Befundes d. h. des Fundzusammenhanges besteht, führte vor allem in den letzten Jahren dazu, dass viele Funde als Blockbergung zur Untersuchung vorliegen. D. h. Befunde, bei denen sich der Erhalt organischer Funde abzeichnen, werden im Block geborgen. Da zumeist die Korrosionsprozesse von Metallbeigaben für den Erhalt der Organik verantwortlich sind, sind diese Beigaben häufig Bestandteil der Blöcke. Ihre Position kann direkt oder indirekt über einfache Röntgenbilder oder über Aufnahmen der Computertomographie erschlossen werden. 1

    Übersicht der genannten Kleidungstücke und entsprechende Literatur siehe: Walter, Peek und Gillich 2008.

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    (Ebinger-Rist, Stelzner, Peek 2009) Dieser „Lageplan“ ermöglicht eine zielgerichtete Herangehensweise bei dem Abbau der Blöcke. Dabei werden, vergleichbar zu einer Ausgrabung, die organischen Materialien, wie Gewebe, Leder, Fell oder pflanzliche Polsterbestandteile in ihrer Lage zueinander und in Bezug zu den Objekten aus Metall oder anderen Materialien erfasst. Diese mikrostratigraphischen Beobachtungen sind die Grundlage für die funktionale Deutung der Funde, die sich zum überwiegenden Teil im Grabkontext befinden. Zu klären ist hier, ob die Organik Teil der Grabausstattung, in Form von Boden-, Wandverkleidungen oder Polsterelementen ist, oder zu Beigaben gehört, die jenseits der Bestattung niedergelegt wurden; inwieweit sie gegebenenfalls Teil der Bekleidung ist, zu einer Abdeckung gehört, die Beigaben oder Toten verhüllte, oder Bestandteile eines Behältnisses ist. In fast allen Blockbergungen mit Metallobjekten können inzwischen organische Reste und deren Befunde dokumentiert werden. Die Anzahl der organischen Funde ist demzufolge um ein Vielfaches größer, als bisher angenommen und dokumentiert wurde. Dabei richtet sich der Blick inzwischen verstärkt auf Reste und Verfärbungen, deren vergangene Strukturen keine rasche Bestimmung mehr erlauben. Langfristig gesehen müssen hier naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden gefunden werden, die eine rasche, standardisierte Untersuchung von Proben erlauben. Hier spielt vor allem die Bestimmung des Materials und Herkunftsfragen eine Rolle. Entnommene Materialproben gehören nach Abbau des Blocks ebenso zum Fundkomplex, wie die geborgenen Artefakte selber.

    Kleiderforschung ohne Kleidung Betrachtet man die vorliegenden Funde und Befunde zur Kleidung, so fällt auf, dass neben wenigen, zumeist spektakulären Altfunden, wie das Grab der Arnegunde (geboren 533/534) in der Basilika Saint-Denis (Lit.), vor allem Neufunde der zurückliegenden Jahre wichtige Informationen ergeben haben. Die Dokumentationen der Altfunde lassen häufig Fragen offen und eine zeitgemäße Fundaufnahme ist häufig durch den Umstand erschwert, daß die Funde im Laufe der Zeit stark gelitten haben, verschollen sind oder durch Kriegsereignisse zerstört wurden. Der Erhaltungszustand der Neufunde bietet in der Regel keine Hinweise auf das Aussehen einzelner Kleidungsstücke oder gar kompletter Kleidungsensemble. Über die Anzahl der Einzelbeobachtungen können jedoch wichtige Elemente der Kleidung erfasst werden, die sich im Laufe der Zeit möglicherweise zu einem klareren Bild von der Kleidung verdichten werden. So sind die mehrfach beobach-

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    teten Lederbändchen im Armbereich, möglicherweise Applikationen von Lederhandschuhen, wie sie im Knabengrab unter dem Chor des Kölner Doms beschrieben werden (Walter, Peek und Gillich 2008, 10 f.). Erst die umfassende Befunderhebung bei den Neufunden ermöglichte Rückschlüsse auf Kleidungsstücke oder deren Bestandteile. Beispielhaft sind hier die Goldtextilien aus Greding-Großhöping und Straubing-Alburg (Niederbayern) zu nennen (Bartel 2007). Im Grab von Greding-Großhöping deutet die Lage einer breiten Goldborte und wenige Textilfasern auf einen langen, blauen Umhang hin (Lit. S. 15). Genauso außergewöhnlich ist der Befund aus Straubing-Alburg, bei dem feine Goldbänder in gekreuzter Führung um die Unterschenkel der Männerbestattung geschlungen waren. Im oberen Bereich wurden diese Bänder jeweils durch zwei zusätzliche silber-vergoldete Bommel verziert. Große Erwartung bezüglich der Kleidung ist stets mit Feuchtbodenfunden verbunden, wie sie in den letzten 15 Jahren in Lauchheim, Trossingen und Oberflacht (alle Baden-Württemberg) gefunden wurden. Trotz großflächiger Lagen organischer Substanz ist es bisher kaum möglich Kleidungstücke aus diesen Befunden eindeutig zu benennen. Es können jedoch verschiedene Kleiderstoffe bezüglich ihrer Ausdehnung im Grab beschrieben werden. So kann im Grab von Oberflacht über Mikrostratigraphien im ganzen Bereich der bestatteten Frau ein Kleidungsstück aus Taft gefasst werden; die Ausdehnung erstreckt sich vom Oberkörperbereich bis zu den Fussknöcheln. Ob die Kleinfibeln im Brustbereich nur im Seidenstoff festgesteckt waren oder als Verschluss dienten, konnte nicht mehr eindeutig festgestellt werden. Die Tote war von den Füßen bis über den Kopf mit einem Stoff abdeckt, der offen lässt, ob es sich um ein Kleidungsstück oder eine erlesene Decke gehandelt hat. Der mit feinen Pflanzenteilen gepolsterte Stoff bestand aus einem Diamantköper, der eine feine, rautenförmige Musterung trug. Der Nachweis von Waid belegt, dass der Stoff eine blaue Farbe trug.(Banck 1996, 116–124) Auch wenn die Feuchtbodenfunde hinsichtlich kleidungsrelevanter Aspekte bisher die Erwartungen nicht erfüllt haben, sind sie für das methodische Vorgehen bei textilarchäologischen Untersuchungen von unschätzbarem Wert. Bezüglich dem Nachweis von Kleidungsstücken sollte überlegt werden, ob es sinnvoll ist Gebereste, die zumeist mit Fibel, Gürtelschnallen oder Riemenzungen vergesellschaftet sind, bereits funktionell als Mantel, Tunika oder Hose anzusprechen. Diese Begriffe implizieren ein uniformes Bild, was durch geläufige Rekonstruktionen noch verstärkt wird. Kleidung ist ein zu elementares gesellschaftliches und individuelles Ausdrucksmittel, um es durch „anschauliche Rekonstruktionen“ zu verflachen bzw. Fakt und Fiktion soweit zu vereinen, dass der Betrachter dies nicht mehr zu trennen vermag.

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    Fasst man alle textilarchäologischen Funde und deren Befunde zusammen so fällt es schwer, sich ein Bild von „der alamannischen bzw. merowingerzeitlichen Kleidung“ zu machen. Auch die Schrift- und Bildquellen können dieses Defizit nicht wesentlich ausgleichen, d. h. beim derzeitigen Forschungsstand reicht die Quellenlage nicht aus, um wissenschaftlich fundierte Rekonstruktionen anzufertigen. Kleidung – Aussehen allein zählte nicht Aus heutiger Sicht wird Kleidung in der Archäologie in erster Linie über das Aussehen definiert. Forschungsansätze der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass wir archäologische Kleidung viel mehr aus ihren Herstellungsprozessen heraus begreifen müssen, die weitgehend von traditionellen Vorgaben geprägt waren. Dies bedeutet, daß die Wertigkeit von Kleiderstoffen und demnach auch der Kleidungsstücke maßgeblich auch von Faktoren geprägt waren, die optisch nicht zum Tragen kamen. Veränderungen im optischen Bereich, die zumeist als Änderungen in der Mode begriffen werden, sind lediglich als Teil eines Ganzen zu verstehen. Textilarchäologie: neue Schwerpunkte in der Kleiderforschung Denkt man an die soziologische Bedeutung von Kleidung, wird dies in der Ur- und Frühgeschichte verständlicherweise in erster Linie mit ihrem Erscheinungsbild in Verbindung gebracht.2 Ausgehend von den archäologischen Geweberesten zeigt sich auch ein weiterer, gesellschaftsrelevanter Zugang zur Kleidung, der sich über die verwendeten Stoffe definiert. Vorrangig lassen sich bei den Stoffen zwei Ebenen ausmachen, die von dem damaligen Nutzer wahrgenommen wurden. Das „Aussehen der Stoffe“ betrifft die erste Ebene, während die zweite Wahrnehmungsebene, die optisch kaum ins Gewicht fiel, die „kulturspezifischen Herstellungstraditionen“ betrifft, die zur Umsetzung der Strukturen bzw. der Muster notwendig waren.

    2

    Beispielhaft Brather 2004, 391 ff.

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    Zum Aussehen der Stoffe Lange Zeit ist man in der Textilarchäologie davon ausgegangen, dass über einen Grundbestand an herstellungstechnischen Daten, wie Gewebebindung, Webdichte, Fadendrehung und -stärke die kennzeichnensten Merkmale eines Stoffes wiedergeben werden. (Bender-Joergensen 1986 und 1992). Dies ist auch zutreffend, obwohl dadurch der Eindruck entsteht, als wären die Gewebe alle recht einheitlich. Durch Untersuchungen der experimentellen Archäologie zeichnet sich jedoch ab – dies v.a. anhand besser erhaltener Vergleichsfunde aus den oströmischen Provinzen-, dass sich die Gewebe, durch Varianten der genannten und anderer herstellungstechnischer Merkmale, in ihrem Aussehen viel stärker unterschieden haben. (Hammarlund 2004) Dies bedeutet, daß z.B. feine, leinwandbindige Gewebe, wie sie häufig im Kontext mit der Scheibenfibel aus der jungen Merowingerzeit vorliegen, durch Unterschiede im Rohmaterial (Qualität, Aufbereitung der Fasern u.a.), in den Farbmustern oder durch Nachbehandlungen ein unterschiedliches Aussehen und eine andere Griffigkeit haben konnten. Obwohl wir uns beim bisherigen Forschungsstand keinen befriedigenden Einblick vom Aussehen der alamannischen und merowingerzeitlichen Gewebe verschaffen können, lassen sich Gruppen von textilen Herstellungsverfahren fassen, die für charakteristische Musterungen kennzeichnend sind. Hierbei sind vorrangig fünf Gruppen erkennbar3: 1.) Abbindungsmuster 2.) Gewebe mit einer dreidimensionalen Oberfläche in Form plastischer, reliefartiger Muster 3.) Lichtbrechungsmuster „Lichtspiele“ (optische Plastizität) 4.) Farbmuster 5.) Muster, die durch die Kombination von zwei Herstellungstechniken entstehen. Zu den Abbindungsmuster (Gewebebindung, Abbindung Kett- und Schussfäden) der „Grundgewebe und ihrer Ableitungen“, wie sie seit der vorrömischen Eisenzeit geläufig sind, gehören Schrägschraffuren, Zickzacklinien und Rauten (Gleichgratköper, Fischgratköper, Rauten- und Diamantköper). Kleinteilige Musterungen, wie sie seit dem frühen Mittelalter vereinzelt auftreten (z.B. Rosettenköper), gehören zu den dreibindigen Köpergeweben (Tidow 1998), werden jedoch auch mit Hilfe der Brettchenweberei erzeugt. Zu den Geweben mit einer dreidimensionalen Oberfläche, d. h. plastischen, reliefartigen Mustern gehören vor allem die Gewebe mit einer rippenartigen Struktur. Diese rippenartigen Strukturen basieren auf unterschiedlichen Herstellungstechniken und führen jeweils zu einem unterschiedlichen Erscheinungsbild der Rippen. „Rippenköper“: Eine prägnante, rippenartige Struktur, die auf einem Bindungseffekt beruht. „Rips/Ripsgewebe“: Leinwand3

    Die angeführten Fachausdrücke befinden sich im Glossar, im Anhang dieses Beitrags.

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    bindiges Gewebe, das in einem Fadensystem eine höhere Webdichte besitzt, wodurch das andere Fadensystem kaum oder gar nicht mehr zu erkennen ist. Quer zur Richtung des sichtbaren Fadensystems zeichnen sich auf dem Gewebe feine Rippen ab. „Plissierung“: Bei einer Plissierung werden die Rippen (feine Falten) nachträglich, beim sog. Ausrüsten der Gewebe, ins Gewebe geprägt. „Kreppgewebe“: Die Kreppgewebe besitzen eine plastische Oberflächenzeichnung, die durch stark gedrehte bzw. überdrehte Fäden gebildet wird. Dadurch entsteht keine rippenartige, sondern eine unruhige, kreppartige Oberfläche, die durch Fäden unterschiedlicher Faserqualität und Fadenstärke noch zusätzlich belebt werden kann. Lichtbrechungsmuster „Lichtspiele“, d.h. bei Geweben mit Spinnmusterung basiert der Mustereffekt auf einer unterschiedlichen Lichtreflektion, die durch einen Wechsel von S- und z-gedrehten Fäden entsteht. Wie intensiv das Licht reflektiert wird und sich damit die Musterung abzeichnet, hängt jedoch von weiteren Faktoren, wie der Stärke der Fadendrehung, der Qualität der Fasern oder der Webdichte ab. Gewebe mit Spinnrichtungsmusterungen besitzen in mindestens einer Fadenrichtung d.h. in Kette oder/und im Schuß, Gruppen s- und z-gedrehter Fäden. Wenn diese Gruppen in alternierender Folge gleich groß sind und nur in einem Fadensystem auftreten, entsteht bei einer Leinwand- oder Köperbindung eine Streifenmusterung. Eine Karo- bzw. Pepitamusterung entsteht, wenn sich die Fadendrehung in beiden Systemen regelmäßig ändert und eine Leinwand- bzw. Köperbindung vorliegt. Sehr viel häufiger als die regelmäßigen Spinnrichtungsmuster treten jedoch Gewebe auf, bei denen sich die Spinnrichtung in einem oder beiden Fadensystemen unregelmäßig ändert. Wechselt die Spinnrichtung alternierend in kleinen Gruppen d.h. nach spätestens vier Fäden, entsteht eine „gescheckte Musterung“. Farbmuster sind aufgrund fehlender Analysen nur schwer zu beurteilen. Einzelfunde, wie ein Brettchengewebe aus Hüfingen, dessen technischer Aufbau mindestens eine Vierfarbigkeit voraussetzen lässt, lassen jedoch erahnen, wie farbenprächtig einige Gewebe gewesen sind. Bei der Kombination eines Grundgewebes mit einer anderen Herstellungstechnik (Supplementäre Verbindung) wurden Gewebe mit einer plastischen Musterung gebildet, die sich farblich abhob. Dabei handelt es sich durchweg um Broschierung in Grundgewebe oder Brettchengewebe. Eine Konzentration dieser Funde im alamannischen Raum ist möglicherweise eher das Spiegelbild einer unterschiedlichen Forschungsintensität.4 4

    Aufgrund seiner Materialkenntnis geht H.-J. Hundt davon aus, dass diese „Mustergewebe während des 6. und 7. Jahrhunderts besonders im alamannischen Raum beliebt waren. Sie begegnen uns aber auch im bajuwarischen und auch im fränkischen Gebiet.“ (Hundt 1978, 163; 1994, 112).

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    Bei den Alamannen und in der Merowingerzeit lassen sich Stoffe mit den Verfahren zur Musterherstellung bzw. den daraus resultierenden Mustern einhergehend mit genannten Mustern bzw. Strukturmerkmalen fassen. Angaben über die Fundverteilung machen wenig Sinn, da die Fundstreuung zu stark sekundären Faktoren, wie dem unterschiedlichen Fundanfall bzw. Forschungsstand, verfälscht wird. Herstellungstechnische Traditionen bei Weben In ganz Europa gibt es während des frühen Mittelalters gängige Gewebebindungen, von denen vorherrschend die Grundbindungen und ihre Ableitungen d. h. die Leinwandbindung und einfache Köpergewebe vertreten sind. Die komplexeren Gewebebindungen, die mehr als vier Schäfte oder mehrere Sets von Litzenstäben erfordern, wie Damast oder SchußKompositbindungen, sind ausschließlich in den öströmischen Provinzen vertreten und wurden nur in Einzelstücken nach Mitteleuropa importiert. Auffallend ist bei diesen Geweben, dass es sich dabei stets um „zusammengesetzte Bindungen in komplementärer Verbindung“ handelt, d. h. alle Kett- und Schussfäden sind gemeinsam an der Stoffbildung beteiligt. Sie bestätigen, dass es im Bereich der oströmischen Webstuhltechnologie zu Veränderungen gekommen ist, die das Anfertigen komplexerer Gewebebindungen, wie den Blöckchendamast oder Taqueté ermöglichten. (Ciszuk 2004, Wild 1992). Inwieweit diese webstuhltechnologischen Entwicklungen auch für die Herstellung einfacherer Gewebe genutzt wurden, ist anzunehmen, aber vorerst kaum belegbar. Vergleichbare Entwicklungen in der Webstuhltechnologie, wie sie sich im oströmischen Raum abzeichnen, gab es in Mitteleuropa bzw. im alamannischen Siedlungsraum nicht. Betrachtet man sich die Gewebe, die ein komplexere Musterung aufweisen, fällt auf, dass es sich um „kombinierte Bindungen in supplementärer Verbindung“ handelt, d. h. die vorhandenen Kett- und Schusssysteme sind nicht gemeinsam an der Stoffbildung beteiligt. In der Regel wurden zwei Herstellungstechniken, ein Webund ein Kettenstoffverfahren miteinander kombiniert. Die Kombination mehrerer Herstellungstechniken in „supplementärer Verbindung“ (d. h. sie sind nicht gemeinsam an der Stoffbildung beteiligt) hat eine Tradition, die bis ins Neolithikum zurückreicht und vor allem von den Kelten in meisterhafter Form beherrscht wurde (Banck-Burgess 1999). Im alamannischen Siedlungsraum gehören dazu vor allem die broschierten Gewebe. Diese müssen deutlich von der sog. Wirkerei, ebenfalls ein Kettenstoffverfahren, unterschieden werden, die im mediterranen Raum beheimatet waren. Wirkereien, die auch als sog. Gobelinstoffe bezeichnet werden,

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    kommen bei den Alamannen bzw. im frühmittelalterlichen Mitteleuropa kaum vor.5 Obgleich die Herstellungstechniken der Gewebe im mittel-/europäischen Raum keine komplexen Webstuhleinrichtungen voraussetzen, lassen sich überraschende Parallelen bei bestimmten Strukturen mit den Geweben aus den oströmischen Provinzen erkennen. Merkmale, wie Doppelgewebe und eine bevorzugte Köperbindung in 3/1 sind Merkmale der alamannischen Brettchengewebe, aber auch von Geweben, wie Blöckchen-Damast oder Taqueté (Leinwand-Schuß-Kompositbindung), die in den oströmischen Provinzen in Zusammenhang mit bedeutenden webstuhltechnologischen Veränderungen gebracht werden. Hier handelt es sich jedoch um flächige Gewebe, während mit der Brettchenweberei nur Bänder bzw. Webkanten hergestellt werden können.6 Die Schuß- bzw. Zierschussfolge der broschierten Gewebe erinnert strukturell an kombinierte Gewebebindungen mit mehr als einem Schusssystem („Schuß-Kompositbindung“ bzw. „compound-weave“), die aus den oströmischen Provinzen vorliegen. Obgleich diese strukturellen Ähnlichkeiten zwischen den Geweben aus den oströmischen Provinzen und dem mitteleuropäischen Raum vorliegen, besteht kein Zweifel, daß die jeweils genutzten Herstellungstechniken bzw. Webstühle anders waren. Sowohl in Mitteleuropa, wie auch in den römischen Provinzen wird der Gewichtswebstuhl vermutlich überwiegend für die Herstellung der „Grundgewebe und seine Ableitungen“ verwendet. In Mitteleuropa bleiben jedoch die Kettenstoffverfahren, von denen sich die Gewebe technisch ableiten lassen, weiterhin ein Element bei der Herstellung komplexer Gewebebindungen. Diese Tendenz hat Einfluß auf die Ausrüstung der dabei verwendeten Webeinrichtungen, bei denen eine einfache Rahmenkonstruk5

    6

    Bei den Geweben, die als Vergleichfunde zu dem Gobelingewebe aus dem Kölner Knabengrab angeführt werden (Bender-Joergensen 1992, 44), handelt es sich vermutlich um andere Herstellungstechniken. Der Neufund von „La Tour-de-Trême“ aus dem Greyerzerland in der Schweiz, der als Gobelingewebe bezeichnet wird (Rast-Eicher) ist nach der beschriebenen Herstellungstechnik eher ein broschiertes Gewebe. Auch weitere Funde, die vor allem wegen ihrer ungewöhnlichen Fadendrehung (s-gedrehte Garne in Kette und Schuß) als Gobelingewebe in Erwägung gezogen werden (Bender-Joergensen 1984, u.a 86; Rast-Eicher 2003, 8 ff., Anm.47) sind in ihrer Ansprache als Gobelingewebe fraglich. Von einer nennenswerten Verbreitung dieser Gewebe, die auch als koptische Gewebe bezeichnet werden, kann zumindestens vorerst nicht gesprochen werden. Obgleich die Brettchenweberei in den Textilsystematiken zu den Webereiverfahren gezählt wird, ist auch hier die enge Anbindung an die Kettenstoffverfahren unverkennbar. Von einer mechanisierten Anhebung der Kettfäden kann mit Hilfe der einfachen Webgeräte (quadratische Brettchen) kaum gesprochen werden.

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    tion zum Straffen der Kettfäden und eine Einrichtung zur Bildung von einem oder zwei Fächern genügte. Sie wurden im Neolithikum für einfache Gewebe mit wickelndem Eintrag (Kettenstoffverfahren: Soumak), bei den frühen Kelten für den wickelnden Eintrag bei Rips, Köperbindung und Brettchengewebe und bei den Alamannen und anderen frühmittelalterlichen Gruppen für broschierte Gewebe und Brettchengewebe verwendet. In den oströmischen Provinzen kommt es zu einer Weiterentwicklung der Gewebebindungen, bei denen alle Kett- und Schussfäden gemeinsam an der Bindung beteiligt sind. Dies erfordert eine wesentliche, technologische Weiterentwicklung im Webstuhlbereich, die das Webverfahren stärker differenzierte und automatisierte.

    Zusammenfassung Aus textilarchäologischer Sicht kann das Thema Kleidung über einen bisher unbekannten Aspekt beleuchtet werden. Herstellungstechnische Traditionen spielten beim Weben der frühmittelalterlichen Stoffe (5. bis Anfang 8. Jahrh.) eine maßgebliche Rolle. Die Wertschätzung von Kleiderstoffen und den daraus gefertigten Kleidungsstücken sind demnach auch von Faktoren geprägt worden, die optisch nicht zum Tragen kamen. Diese spezifische Wertigkeit spricht dafür, daß ein Handel von Textilien im größeren Umfang, zumindestens bis zu Einführung des Trittwebstuhls, keine wesentliche Rolle im frühen Mittelalter spielte. Dies schließt wiederum nicht aus, das es lokale Herstellungszentren für außergewöhnliche Textilien, wie z. B. die Goldtextilien (Banck-Burgess 1998), gab. Mit der Einführung von Webstuhltypen, die ein effektiveres Weben erlaubten, d. h. vor allem längere Stoffbahnen in kürzerer Zeit, wird auch die Bindung an bestimmte Herstellungstraditionen nachgelassen haben, wodurch sich auch die Kriterien für die Wertigkeit von Stoffen geändert haben werden. Mit Blick auf die schriftlichen Quellen bleibt die Frage, inwieweit sich die Bedeutung der herstellungstechnischen Traditionen in den Schriftquellen wiederspiegelt. Interessanterweise ist bei den Übersetzungen der Kleidungsstücke häufig die Form der Kleidungsstücke oder der Zeitpunkt, wann sie am meisten getragen wurden (Isiodorus XXII/4) bei der Namengebung ausschlaggebend. Möglichweise kommt die soziologische Bedeutung der Kleiderstoffe, basierend auf den herstellungstechnischen Traditionen, verstärkt bei der Bezeichnung der Stoffe zum Tragen. Was die Herstellungstraditionen betrifft, galt jedoch nicht für das Erscheinungsbild der Stoffe. Muster, basierend auf komplexen Gewebestrukturen, lassen sich gleichermaßen mit weiter entwickelten Webstuhleinrich-

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    tungen und mit einfachen Webgeräten herstellen. Die Übernahme von Textilmustern aus anderen frühmittelalterlichen Kulturgemeinschaften, wozu noch differenzierte Untersuchungen ausstehen, erfolgt jedoch nicht in Form einer Nachbildung, sondern als gezielter Akkulturationsprozess, bei dem die traditionellen, kulturspezifischen Herstellungstechniken eine maßgebliche Rolle spielten.

    Literatur J. Banck-Burgess, Ein merowingerzeitlicher Baumsarg aus Lauchheim/Ostalbkreis – Zur Bergung und Dokumentation der Textilfunde. In: NESAT VI. Textiles in European Archaeology. Report from the 6th NESAT Symposium, held in Boras 7–11. May.1996 (GOTARC, Series A, Vol.1), edited by Lise Bender Joergensen & Christina Rinaldo, Göteborg 1998, 116–124. J. Banck-Burgess, Goldtextilien. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (HOOPS), Bd. 12, 1998, 386–392. J. Banck-Burgess, Prähistorische Textiltraditionen. In: Traditionen und Innovationen. Prähistorische Archäologie als Historische Wissenschaft. Festschrift für Christian Strahm. Hrsg. B. Fritsch u. a. Internationale Archäologie, Studia honoraria, Bd. 3, Hrsg. C. Dobiat und K. Leidorf. (Rahden/Westf. 1998), 469–478. J. Banck-Burgess, Hochdorf IV, Die Textilfunde aus dem späthallstattzeitlichen Fürstengrab von Eberdingen-Hochdorf (Kr. Ludwigsburg) und weiteren Grabtextilien aus hallstatt- und latènezeitlichen Kulturgruppen. Forschungen und Berichte zur Vorund Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 70 (Stuttgart 1999). J. Banck-Burgess, Textilien. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (HOOPS), Bd. 30, 2005, 372–392. S. Brather, Ethnische Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie. Geschichte, Grundlagen und Alternativen. Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 42, Hrsg. H. Beck, D. Geuenich, H. Steuer. (Berlin, New York 2004). A. Bartel, Die Goldbänder des Herrn aus Straubing-Alburg (Niederbayern). In: NESAT IX, Nordeuropäisches Symposium für archäologische Textilien in Braunwald (CH). Archäologische Textilfunde, Hrsg. A. Rast-Eicher, R. Windler. (Ennenda 2007), 112–118. L. Bender Joergensen, Ein koptisches Gewebe und andere Textilfunde aus den beiden fränkischen Gräbern im Kölner Dom. In: Kölner Domblatt 49, 1984, S. 88, Abb. 3. L. Bender-Joergensen, Forhistoriske Textiler I Skandnavien. Prehistoric Scandinavian Textiles. Nordiske Fortidsminder, Serie B, Bind 9 (Kopenhagen 1986). L. Bender Joergensen, North European Textiles until AD 1000 (Kopenhagen 1992). CIETA, Vokabular der Textiltechniken deutsch (Lyon 1971). M. Ciszuk, Taqueté and damask from Mons Claudianus: a discussion of Roman looms for patterned textiles. In: Purpurea Vestes. Actas del I Symposium Internacional sobre Textiles y Tintes del Mediterráneo en época romana, 2002. Eds.: C. Alfaro, J.P. Wild y B. Costa. Consell Insular D’Eivissa i Formentera Universitat de València 2004, 107–113. O. Doppelfeld, Die Domgrabung. In: Kölner Domblatt 20, 1961/62, S. 103 ff.

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    Johanna Banck-Burgess

    O. Doppelfeld, Die Domgrabung. In: Germania 42, 1964, 188 ff. N. Ebinger-Rist, J. Stelzner, Chr. Peek 2009 – im Druck. L. Hammarlund, Handicraft Knowledge Applied to Archaeological Textiles – Visual Groups and the Pentagon. In: Archaeological Textiles Newsletter, Number 41, Autumn 2005, 13–19. H.-J. Hundt, Die Textilreste. In: P. Paulsen u. H. Schach-Dörges, Das alamannische Gräberfeld von Giengen an der Brenz. Forsch. u. Ber. Vor- und Frühgesch. Baden-Württemberg, Bd. 10 (Stuttgart 1978), 149–163. H.-J. Hundt, Die Textilfunde aus den Körpergräbern von Liebenau. Studien zur Sachsenforschung, Band 5,4. Hrsg. H.-J. Häßler, Niedersächsisches Landesmuseum (Hannover 1994), 89–120. D. De Jonghe, From the Roman horizontal loom to the 3/1 twill damask loom of the early medieval period. In: P. Walton Rogers. L. Bender Joergensen, A. Rast-Eicher, The Roman Textile Industry and ist Influence. A Birthday Tribute to John Peter Wild, Oxford, Books 2001, 137–147. M. Martin, Tradition und Wandel der fibelgeschmückten frühmittelelalterlichen Frauenkleidung. In: Jb. RGZM 38, 2, 1991 (1995), 629–680. M. Martin, Kleider machen Leute. In: Der Alamannische Ausstellungkatalog, 1997, 349–358. P. Paulsen u. H. Schach-Dörges, Das alamannische Gräberfeld von Giengen an der Brenz. Forsch. u. Ber. Vor- und Frühgesch. Baden-Württemberg, Bd. 10 (Stuttgart 1978). A. Rast-Eicher, Das organische Material aus den Gräbern 3 und 4 der Grabung 1999/6. Frühmittelalterliche Grabfunde im Umkreis des Antikenmuseums in Basel. In: Archäologische Bodenforschung des Kanton Basel-Stadt, Jahresbericht 2001, Basel 2003 (JbAB 2001), 136–143. A. Rast-Eicher, römische und frühmittelalterliche Gewebebindungen. In: De l’Antiquité Tardive au Haut Moyen-Âge (300–800). Kontinuität und Neubeginn, Hrsg. R. Windler und M. Fuchs. Antiqua 35, Veröffentlichungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (Basel 2002), 115 ff. A. Rast-Eicher und G. Graenert, La fibule estampée de La Tour-de-Trême: une trouvaille particulière de l’époque mérovingienne en Gruyère. Cah. In: Arch. Fribourgeoise/ Freiburger H. Arch. 5, 2003, 158–173. S. Schiek, Das Gräberfeld der Merowingerzeit bei Oberflacht. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Band 41/1 (Stuttgart 1992). A. Seiler-Baldinger, Systematik der Textilen Techniken. Basler Beiträge zur Ethnologie, Bd. 32 (Basel 1991). E.-G. Strauß, Studien zur Fibeltracht der Merowingerzeit (Bonn 1992). J. Thompson and H. Granger-Tayler, „The Persian Zilu Loom of Meybod“. In: CIETABulletin 73, 1996, 27–53. K. Tidow, Kleingemusterte Woll- und Leinengewebe aus der Eisenzeit und dem Mittelalter. Herkunft. In: NESAT VI, Hrsg. L. Bender Joergensen, L. and C. Rinaldo, Textiles in European Archaeology. Report from the 6th NESAT Symposium, 7–11th May 1996 in Boras. GOTARC, Series A 1 (Göteborg 1998). S. Walter, Chr. Peek, A. Gillich, Kleidung im frühen Mittelalter: Am liebsten schön bunt (Esslingen 2008). J. P. Wild, The Roman Loom in Western Europe. The Evidence of Art and Archeology. In: VVOHT Bulletin 1992, 12–17. R. Windler, Das Gräberfeld von Elgg und die Besiedlung der Nordostschweiz im 5.–7. Jh. Züricher Denkmalpflege, Archäologische Monographien, Bd. 13 (Zürich/Egg 1994).

    Textiltechnisches Glossar

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    Bindung: Zur Bildung eines Gewebes verkreuzen die Fadensysteme miteinander. Als Bindungspunkt wird die Stelle bezeichnet, an der sich die Fadensysteme verkreuzen. „Die Bindungsart wird charakterisiert durch den Bindungsrapport, der sich zusammensetzt aus der Zahl der Kett- und Schußfäden, die der kleinsten Einheit einer Bindungsart zugrunde liegt und sich im Gewebe fortlaufend wiederholt.“ (CIETA 1971, 5 f.) Brettchengewebe: Zur Herstellung eines Brettchengewebes werden Brettchen oder gelochte Karten benötigt. Die Kettfäden werden durch die Löcher gezogen und an beiden Enden befestigt. Beim Weben stehen die Brettchen hochkant nebeneinander, so daß die horizontal gespannten Kettfäden, entsprechend Anzahl und Positionierung, in mindestens zwei Höhenlagen zu liegen kommen. Der Schuß wird durch das dazwischenliegende Fach eingeführt. Die Webstruktur eines Brettchengewebes ist u. a. von der Drehfolge bzw. dem Drehrhythmus der einzelnen Brettchen abhängig. Die Kettfäden verzwirnen zu einer sog. Kettschnur, wenn die Brettchen in gleichbleibender Richtung vor- oder rückwärts gedreht werden. Ändert sich die Drehrichtung der einzelnen Kettschnüre abschnittsweise, kann ein sog. Drehrichtungsmuster entstehen, das auf Licht- und Schatteneffekten beruht (Begriff wird nur in dieser Arbeit verwendet). Bei einem ‚aufhebenden Drehrhythmus‘ wird ein Verzwirnen der Kettfäden verhindert und es kann eine köperbindige Gewebestruktur entstehen. An der Musterung sind zumeist nur 1 oder 2 Kettfäden jedes Brettchens beteiligt. An der Ober- und Unterseite des Gewebes zeigt sich eine unterschiedliche Gewebestruktur bzw. dominieren unterschiedliche Kettfäden. Die Bezeichnung der Gewebestrukturen erfolgt nach E. Hansen (1990): eine köperbindige Gewebestruktur wird als ‚double-faced weave: double twill‘ bezeichnet, eine köperbindige Gewebestruktur mit Ripscharakter als ‚double-faced weave: double twill with repp structure‘ und eine 3/1 Köperbindung als ‚double-faced weave: double 3/1 twill‘. Brokat: Im Vokabular der textilen Techniken wird unter Brokat „ein Stoff mit reicher, im Webverfahren hergestellter Verzierung“ vor allem mit Gold-

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    und Silberfäden verstanden (CIETA 1971, 8). Da der Begriff keinen näheren Bezug zur Webtechnik nimmt, wird er vom Centre International d’Etude des Textiles Ancien in Lyon (CIETA) als zu „unpräziser Ausdruck“ jedoch nicht empfohlen. (Banck-Burgess 1998, 386) brocade/d: Das englischsprachige „brocade/d“ kann mit Brokat gleichgesetzt werden und gibt damit keine eindeutigen Angaben über die Herstellungstechnik. Broschieren: In das Grundgewebe aus Kette und Schuß wird ein zusätzlicher Musterfaden eingetragen, der parallel zum Grundschuß nicht über die ganze Breite des Gewebes verläuft, sondern nur so lang ist, wie das eingewebte Muster an dieser Stelle breit ist. Der Musterfaden wird in Leinwandoder Köperbindung abgebunden. Im Aussehen gleichen sie Stickereien. Diamantköper: Siehe Köpergewebe. Drehfolge: Syn. Drehrhythmus; siehe Brettchengewebe. Drehrichtungsmuster: Siehe Brettchengewebe. Drehung: Einfaches Garn besteht aus zusammengedrehten Fasern, Zwirn aus zusammengedrehten (einfachen) Garnen. Entsprechend der Buchstaben-Achse von S oder Z wird die Drehrichtung der Einzelfäden (einfaches Garn oder Zwirn) angegeben. Diese Angabe der Drehrichtung gilt auch für die Kettschnüre der Brettchengengewebe. In dieser Arbeit erfolgt die Angabe der Drehrichtung bei einfachem Garn mit Kleinbuchstaben (s, z), bei Zwirn (und Kettschnüren) mit Großbuchstaben (S, Z). Eintrag: In einem Gewebe wird der Eintrag als Schuß bezeichnet. Sofern es sich um ein Kettenstoffverfahren handelt oder eine Herstellungstechnik, bei der nicht geklärt werden kann, wie die Webeinrichtung ausgestattet war, bzw. ob es sich um eine einfache Rahmenkonstruktion oder um einen Webstuhl gehandelt hat, ist es zutreffender den Begriff „Eintrag“ zu verwenden. Fadendrehung: Siehe Drehung. Fadenrichtung: Siehe Fadensystem. Fadensystem: Syn. Fadenrichtung. Ein Gewebe besteht aus zwei rechtwinklig zueinanderstehenden Fadensystemen, der Kette und dem Schuß; siehe Gewebe. Farbmuster: Der Begriff wird in dieser Arbeit für Gewebe verwendet, die aufgrund verschiedenfarbiger Fäden Muster aufweisen. Karierte Farbmuster entstehen, wenn in beiden Fadensystemen in alternierender Folge Gruppen gleichfarbiger Fäden verwebt werden (Abb.5.11). Flechten Fliegender Faden: Zusätzlicher Musterfaden, der während des Webvorgangs als „wickelnder Eintrag“ eingearbeitet wird (Kombination von Webund Kettstofftechnik). Auch als Soumak bekannt. Garn: Siehe Drehung.

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    Gewebe: Ein im Webverfahren hergestellter Stoff, bei dem zwei rechtwinklig zueinanderstehende Fadensysteme, die Kette und der Schuß, entsprechend ihrer Abbindung (Bindung) miteinander verkreuzt werden. „Weben ist in erster Linie gekennzeichnet durch die Möglichkeit, in einer gespannten Kette zur Einführung des Eintrags oder Schusses auf mechanische oder automatische Weise mindestens zwei Fächer zu bilden und damit im Gewebe mindestens zwei verschiedene, jeweils durch Einträge voneinander getrennte Verkreuzungen der Kettfäden zu erhalten.“ (Seiler-Baldinger 1991, 80). Zu den Webverfahren gehört auch die Brettchenweberei (Brettchengewebe). Grundbindung: Dazu werden hier alle leinwandbindigen Gewebe und einfachen Köperbindungen gezählt. Grundgewebe: Während der Herstellung des Grundgewebes können weitere Zierfäden eingetragen werden. Sie sind jedoch nicht an der Bildung des Grundgewebes beteiligt. Kette: Siehe Gewebe. Kettschnur: Siehe Brettchengewebe. Kettenstoffverfahren (-technik): Zum Eintrag des Schusses werden die Kettfäden nicht mechanisch (wie beim Weben), sondern einzeln angehoben. Der Eintrag kann in Leinwand- oder Köperbindung abbinden oder um Kettfäden gewickelt werden. Kettenstoffverfahren werden häufig mit Webverfahren kombiniert. Kombinierte Bindungen: Die verwendeten Herstellungstechniken sind nicht gemeinsam an der Stoffbildung beteiligt; sondern binden jeweils gesondert ab. Komplementäre Bindung: Alle Kett- und Schussfäden, auch wenn mehrere Kett- oder/und Schusssysteme vorliegen, die unterschiedlich abbinden, sind gemeinsam an der Stoffbildung beteiligt. Köperbindung: Kett- bzw. Schußfäden verlaufen über bzw. unter mehreren Fäden des anderen Fadensystems. Bei einem 1/2 Köper verläuft jeder Kettfaden regelmäßig über 2 und unter 1 Schußfaden. Bei dem Gleichgratköper 2/2 läuft jeder Kettfäden regelmäßig über und unter zwei Schußfäden. Die Bindungsstellen benachbarter Kettfäden liegen in der Regel versetzt, so daß die Gewebestruktur eine für Köpergewebe charakteristische Diagonalgratbildung zeigt. Bei einem Spitz- und Fischgratköper ändert sich die Richtung der Bindungsgrate nach einer Gruppe von Kett- oder Schußfäden. Die Umkehrkehrstelle bildet entsprechend der Verschiebung in der Abbindung eine regelmäßige Spitze oder eine leicht versetzte Spitze. Der Rautenköper (abgeleitet vom Spitzgratköper) und der Diamantköper (abgeleitet vom Fischgratköper) zeigen durch eine gezielte Umkehr der Bindungsgrate eine Rautenmusterung.

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    Leinwandbindung: Einfachste Bindung, bei der jeder Kett- bzw. Schußfaden in Folge über und unter einem Schuß- bzw. Kettfaden verläuft. Lahn: Lahn ist ein flacher, schmal geschnittener Streifen aus Metallfolie. Panama: Leinwandbindiges Gewebe, wobei Kett- und Schußfäden mindestens als Doppelfäden geführt werden. Pepita: Gleichgratköper 2/2 mit Gruppen verschiedenfarbiger Fäden in Kette und Schuß, wodurch eine karierte Musterung entsteht (Farbmusterung). Rautenköper: Siehe Köpergewebe. Rips: Syn. Ripsgewebe. Leinwandbindiges Gewebe, das in einem Fadensystem eine dichtere Webdichte besitzt, wodurch das andere Fadensystem weitgehend verdeckt wird. Quer zur Richtung des sichtbaren Fadensystems zeigt das Gewebe feine Rippen. Ripscharakter: Arbeitsbegriff in dieser Arbeit: verwendet für Gewebe, die durch ein dichteres Fadensystem den Charakter eines Ripsgewebes (Rips) aufweisen. Schaft: Siehe Webstuhl. Schuß: Siehe Gewebe. Schuß-Kompositbindung: Gewebe mit zwei Kettsystemen; eine Hauptund eine Bindekette, die mit einer Schussfolge aus mind. zwei Schüssen arbeitet. Die Hauptkette liegt zwischen den Schüssen, die beide von der Bindekette abgebunden werden. Werden die Schüsse in Leinwandbindung abgebunden, spricht man von Leinwand-Schuß-Kompositbindung (Taqueté); werden sie in Köperbindung (K 3/1 oder K 2/1) abgebunden, spricht man von einer Köper-Schuß-Kompositbindung (Samitum). Deutsch: Leinwand-Schuß-Kompositbindung Englisch: weft-faced compound tabby Französisch: taqueté Deutsch: Köper-Schuß-Kompositbindung Englisch: weft-faced compound twill Französisch: Samitum Spinnrichtungsmuster: Der Begriff wird in dieser Arbeit für Gewebe verwendet, die eine Musterung aufweisen, die durch einen Wechsel der Fadendrehung hervorgerufen wird. Gestreifte bzw. karierte Spinnrichtungsmuster entstehen, wenn in einem bzw. in beiden Fadensystemen in alternierender Folge Gruppen gleichgedrehter Fäden verwebt werden. Supplementäre Bindungen: Gewebe mit zusätzlichen Musterfäden in Kette und/oder Schuß, die nicht an der Bildung des Grundgewebes beteiligt sind. Es handelt „sich hier um Bindungen mit zusätzlichen Zierfäden in Kette und/oder Eintrag, die an der Bildung des Grundgewebes nicht beteiligt sind. Die Zierfadenbindung dient nur der Befestigung dekorativer Teile

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    auf dem meist einfarbigen Stoffgrund. Im Aussehen gleichen diese gemusterten Stoffe Stickereien. In vielen einfachen Verfahren mit Verwendung zusätzlicher Zierfäden erfolgt die Fachbildung für die Musterung von Hand (mit Hilfe von Nadeln, Leseruten usw.), für das Grundgewebe dagegen mechanisch. Vorder- und Rückseite sind in der Regel verschieden.“ (SeilerBaldinger 105) Webdichte: Syn. Fadenzahl oder Einstellung. Die Anzahl der Kett- bzw. Schußfäden in 1 cm der Stoffbreite bzw. -länge. Webstuhl: Unter einem Webstuhl versteht man eine Einrichtung zum Weben. Ein Webstuhl besitzt eine Einrichtung, die eine mechanisierte Anhebung der Kettfäden erlaubt. Nach der Lage der Kette unterscheidet man Flachwebstuhl mit waagerechtem Verlauf der Kette und Hochwebstuhl mit senkrechtem Verlauf der Kette. Durch die Litzen, die nebeneinander auf einem Schaft aufgezogen sind, werden die Kettfäden gezogen. Nach der Bindungsart richtet sich die Anzahl der Schäfte (gekürzter Auszug in CIETA 1971, 69 f.). Weben: Siehe Gewebe. Webeinrichtungen: Arbeitsbegriff; bei archäologischen Textilien ist eine genaue Ansprache von Kettenstoffen, Halbgeweben und Geweben häufig nur unter Vorbehalt möglich, da weder die Herstellungsgeräte bzw. Webstühle erhalten sind, noch eine klare Abgrenzung zwischen diesen Techniken möglich ist. Da sowohl das Webgerät, als auch der Webstuhl technologisch bzw. terminologisch genau definiert sind, können diese Begriffe nur verwendet werden, wenn die Technik eindeutig geklärt ist. Sofern eine Kombination von verschiedenen Herstellungstechniken bzw. keine klare Abgrenzung möglich ist, wird der Begriff Webeinrichtung verwendet. Wickelnder Eintrag: Zusätzlicher Musterfaden, der während der Textilherstellung um die Kettfäden gewickelt wird. Die Technik wird auch als Soumak oder bei den koptischen Geweben als „fliegender Faden“ bezeichnet. Wirkerei: In der Systematik der textilen Techniken zählt Wirken zu den Kettenstoffverfahren. Bei der CIETA (S. 72) werden unter Wirkerei Webverfahren verstanden, „die im allgemeinen mit Schüssen von verschiedenen Farben arbeiten. Die einzelnen Schüsse binden nur so weit mit der Kette, als es das Muster erfordert, und kehren dann wieder um. Zwirn: Siehe Drehung. Zwirnbindung Sprang (nach D. Drinkler): Herstellung von Textilien, bei der parallel gespannte Fäden durch Heben und Senken miteinander verdreht, verdrillt, verzwirnt oder verkreuzt werden. Dabei entsteht ein netzartiges elastischdehnbares Geflecht.

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    Tafeln mit Erläuterungen Mechthild Müller

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    Erläuterungen

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    Erläuterungen Nähere Angaben zu den Literaturhinweisen finden sich ggf. in der Literaturliste des Kommentars. Einige Inhaber von Bildrechten konnten leider nicht ermittelt werden.

    Tafel 1 Oben: Togatus München, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, Inv. Nr. Gl 540 – Höhe: 202 cm – um 30 n. Chr. Hier handelt es sich um die Togastatue eines unbekannten Mannes; es ist vermutlich eine Ehren- oder Grabstatue zur Repräsentation eines jungen römischen Bürgers. Literatur: Die Bildnisse des Augustus, Herrscherbild und Politik im kaiserlichen Rom. Ausstellungskatalog München Glyptothek, München 1979, S. 91, Nr. 9,8. Unten: Tubabläser und Spielegeber Auf einem Fußbodenmosaik in der Palästra der Villa Casale, Piazza Armerina, des Kaisers Maximian Herculius tritt ein Tubaspieler auf, der eine leuchtend rote, an zwei Seiten mit Fransen geschmückte chlamys trägt, die auf der Schulter mit einer goldenen Fibel geschlossen wird. Der Spielegeber hält in einer Hand die Mappa. Literatur: Ciurca und Bologna, Die Mosaiken der „Erculia“-Villa. Tafel 2 Zwei Grabsteine Oben links: Grabstein des Firmus Bonn, LVR-Landesmuseum, Inv. Nr. 2801/2082 – Fundort: Andernach – Kalkstein – Höhe: 295 cm – um 50 n. Chr. Entsprechend der Inschrift ist dies der Grabstein des Firmus, Soldat aus der Kohorte der Raeter, Sohn des Ecco, eines Togaträgers. Firmus starb mit 36 Jahren nach 14( ? ) Dienstjahren. Er trägt eine Rüstung mit einem kreuzweise um Taille und Hüfte geschlungenen Militärgürtel, in dem jeweils seitlich zwei Waffen stecken. Seine paenula ist bis in Brusthöhe vorn genäht, die Enden werden über die Schultern zurückgeschlagen. Ein gedrehtes Halstuch, focale, ergänzt die Kleidung; auf dem Grabstein sind seine Beine und Füße nackt. In seiner rechten Hand hält er zwei Lanzen, das Kennzeichen römischer Hilfstruppen. Zu seiner Linken steht sein Vater Ecco. Sein Erbe, sein Diener Fuscus zu seiner Rechten, ließ den Grabstein dem Testament entsprechend setzen. Von dessen Kleidung sind Reste einer schulterlangen Kukulle sichtbar.

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    Erläuterungen

    Oben rechts: Grabstein des Annaius, Soldat der Cohors IIII Delmatarum aus Dalmatien Bad Kreuznach, Museum Römerhalle, Inv. Nr. Rö13 – Fundort: Bingerbrück – zweite Hälfte 1. Jh. nach Chr. Der Grabstein gehört zur gleichen Kategorie wie der des Firmus. Annaius war Mitglied in der gleichen Art der Hilfstruppen, wie die beiden Lanzen zeigen. Auch die Rüstung und die Art der Bewaffnung sind gleich. Eine Lithografie des Grabsteins, die der Kustos der Kreuznacher Sammlungen, der Baumeister Peter Engelmann, 1877 angefertigt hat, zeigt ihn ohne Beinbekleidung und ohne Schuhe. Entsprechend seiner Herkunft ist sein Umhang eine chlamys bzw. ein sagum, auf der Schulter von einer Fibel gehalten. Das Nebeneinander der beiden Umhänge lässt sehr schön die Unterschiede zwischen paenula und chlamys/sagum erkennen. Unten links: Seitenteile des Firmus-Grabsteins Die beiden Seiten des Firmus-Grabsteins nehmen je eine Abbildung des Attis ein. Er gehört zusammen mit der Fruchtbarkeitsgöttin Kybele zu den hochkomplexen Göttergestalten, die viele Interpretationen offenlassen. In der Mythologie ist Attis ein phrygischer Jüngling. Sein Aussehen kennzeichnen hier die phrygische Mütze, das großes pallium, die langärmelige kurze Tunika und schön ausgebildete lange Hosen. Von Kybele wurde er in eine Pinie verwandelt; Pinie und Pinienzapfen sind deshalb der Göttin heilig. Zum Fest der Tag- und Nachtgleiche im Frühling feierte man zunächst den Tod von Attis und anschließend die Wiederauferstehung. Deshalb ist Attis auf dem Grabstein umhüllt von den Umrissen des Pinienzapfens, seine Beine befinden sich aber schon außerhalb. Anhänger dieses Kultes, zu dem später noch eine Stiertaufe gehörte, glaubten an eine Wiedergeburt. Unten rechts: Lithographie des Annaius-Grabsteins Bad Kreuznach, Schloßparkmuseum Auch die Schmalseiten der Annaius-Stele schmücken zwei Attis-Figuren, wie die Lithographie von Peter Engelmann von 1877 beweist. Literatur: Zu Firmus: Künzl, Römische Steindenkmäler 1. Zu Annaius: Angela Nestler-Zapp, Die Soldatengrabmäler von Bingerbrück, Museen im Rittergut Bangert – Römerhalle (Hrsg.), Bad Kreuznach 2007. – Gabriele Ziethen, Römisches Bingen – Vom Beginn der römischen Herrschaft bis zum 3. Jahrhundert n. Chr., in: Gerd Rupprecht und Alexander Heising, Hrsg., Vom Faustkeil zum Frankenschwert (Bingen – Geschichte einer Stadt am Mittelrhein 2), Mainz 2003, S. 23 – 107. Tafel 3 Oben: Synagoge in Dura Europos (zwischen 254 und 260 zerstört) Kapuze, Cappa und Tunika gehören zur Priester- und Mönchskleidung der christlichen Kirche. Es gibt verblüffende Ähnlichkeiten zwischen der Darstellung koptischer Heiliger aus der Kirche des hl. Antonius in Ägypten (1. Hälfte 13. Jh.) und dem Bild des Priesters in der Synagoge, bis hin zu dem vierpassähnlichen Muster auf der Cappa. Es könnte sich bei dem Priester in der Synagoge um die Darstellung eines Proselyten, Priesters oder Heiligen handeln. Unten links: Detailansicht des Priesters Literatur: Kraeling, The Synagogue, Tafel 60, der hier das Bild eines jüdischen Hohenpriesters sehen will.

    Erläuterungen

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    Unten rechts: Kirche des Hl. Antonius Detailansicht aus der Kirche des hl. Antonius, die inmitten der Berge der östlichen Wüste in Ägypten liegt. Von rechts: ein anonymer Heiliger und der hl. Pschoi. Literatur: Mahmoud Zibawi, Koptische Kunst. Das christliche Ägypten von der Spätantike bis zur Gegenwart, München 2004, Abb. 234. Tafel 4 Kasten des Ludovisisarkophags, Frontalansicht Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Inv. Nr. 42747: Kopie nach Rom, Archäologisches Nationalmuseum (Palazzo Altemps), Inv. Nr. 8574 – Fundort: Rom, bei Porta S. Lorenzo – Marmor – Höhe: 143 cm, Breite: 273 cm, Tiefe: 127 cm – um 260 Das Paludamentum des Feldherrn ist auf dem Kasten des Ludovisisarkophags zu sehen. Es handelt sich hierbei um einen kostbaren Marmorsarkophag. Die Breitseite zeigt einen jugendlichen Feldherrn in Begleitung seiner Offiziere, der das Schlachtgeschehen mit traumwandlerischer Sicherheit beherrscht und als Sieger über viele Völker triumphiert. Während sein Sklave ängstlich hinter seinem hohen Sattel kauert, streckt der Feldherr siegessicher seine Hand aus. Sein großes, auf der Schulter mit einer Fibel geschlossenes Paludamentum flattert hinter seinem Rücken. Zu Füßen der Römer sind dicht gedrängt Angehörige vieler Völker zu sehen, über die der Sieg errungen wird. Ernst Künzl zeigt auf, dass es sich auf der rechten Seite um Angehörige germanischer Völker handelt. Links sind Orientalen zu sehen; ein Gefangener trägt eine phrygische Mütze, wie man sie auch bei Parthern findet. Literatur: Künzl, Der Traum vom Imperium. Tafel 5 Oben links: Bronzestatuette aus dem Raum Trier Trier, Landesmuseum, Inv. Nr. G I O 22 – Größe: 11,8 cm – 3. Jh. n. Chr. Die Statuette zeigt einen schreitenden Mann. Werkzeuge, die ihn identifizieren könnten, sind abhanden gekommen. Von seiner Kleidung ist nur ein weiter kurzer oberschenkellanger Tunikarock zu sehen. Darüber trägt er eine, bis zu den Handgelenken reichende und vorn geschlossene Kukulle mit schmaler, das Kinn berührender Kapuze. Diese hat eine Form, wie sie Plinius als Blatt der Liebstöckelpflanze (siehe nebenstehende Zeichnung) beschreibt. Die Unterschenkel sind mit Gamaschen bedeckt, die durch seitliche Nähte gekennzeichnet sind. Möglicherweise trägt er darunter eine sehr eng anliegende Hose. Schuhe mit vorderem Schuhsteg vervollständigen das Bild. Es ist denkbar, dass die Kukulle aus gefilztem Loden gemacht wurde. Oben rechts: Liebstöckel – Ligusticum scoticum L. Blatt mit „Kapuze“ und Stengeldurchschnitt – schematisch Zeichnung von Margaret Wightman Mitte rechts: „Die Locke des Germanen“ – Germanenkopf Kopie in Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Bekannt ist der Knoten, den die Sueben flochten. Die langen Haare mancher Germanen konnten auch als gedrehte Locke auf den Kopf gelegt werden. Dies wird am Beispiel

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    Erläuterungen

    der Büsten auf einem bronzenen Kessel aus dem „Fürstengrab“ von Musˇov, Tschechien, deutlich aus der Zeit um 180 n. Chr. Literatur: Ernst Künzl und Susanna Künzl, Die römischen Bronzegefäße, S. 357–366. Unten: Zwei Kaiserbüsten München, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, Augustus Inv. Nr. Gl 317 und Trajan Inv. Nr. Gl 335 – Fundort unbekannt, aber sicher aus Italien – Marmor Unten links: Kaiser Augustus (27 v. Chr. – 14 n. Chr.) Der Kaiser trägt den Eichenkranz (corona civica) mit Vitta, der zu Ehren der Rettung römischer Bürger verliehen wurde. Bei Augustus, der als „Erneuerer der Republik“ und als Retter aller Bürger galt, ist der Kranz als Ehrung für die Bewahrung des gesamten Staates zu verstehen. Unten rechts: Kaiser Traian (98–117) Der Kaiser trägt auch den Eichenkranz (corona civica). Das Medaillon über der Stirn könnte wie bei Domitian die Bilder von Göttern zeigen, vgl. c. 24,1. Über seiner linken Schulter liegt die Ägis, ein schlangenbesetztes und mit dem Medusenhaupt verziertes Fell, welches ein Zauberschild war und die Feinde bannte. Die Ägis war normalerweise ein Attribut von Göttern wie Jupiter oder Minerva.

    Tafel 6 Shapur I. als Sieger über zwei römische Kaiser Sassanidisches Felsrelief in Naqsh-e Rostam Der Perserkönig Shapur I. sitzt auf seinem aufwendig geschmückten Pferd als Sieger vor den beiden unterlegenen römischen Kaisern Valentinian und dem sein Knie beugenden Philipp Arabs, dessen Chlamys im Wind flattert. Shapur trägt eine Oberkörperrüstung, sehr weite Hosen aus Seide und eine ballonförmig hohe Kopfbedeckung mit einer darüber gesetzten Krone. Eine große Halskette liegt über seinem geschmückten Kragen. Literatur: Herrmann und Curtis, Sasanian Rock Reliefs.

    Tafel 7 Oben links: Vogeldeuter Hannover, Museum August Kestner, Inv. Nr. 3114 – Sammlung August Kestner – Höhe: 8, 9 cm – 7./6. Jh. v. Chr. Es handelt sich um die Figur eines Priesters, eines Vogeldeuters oder Haruspex. Er trägt einen langen Mantel mit langen Ärmeln, der auf der Vorderseite mit einem Wellenmuster versehen ist, so dass er wie ein Fellmantel aussieht. Vorn wird er durch drei Fibeln geschlossen. Da der Mann in einer Hand einen Vogel hält, wird er als Vogeldeuter angesehen. Oben rechts: Drei Köpfe von Flamen, den Kaiserpriestern Detail aus der Seitenansicht der Ara pacis Die Ara pacis wurde 13 v. Chr. vom römischen Senat in Auftrag gegeben, um Augustus’ Rückkehr aus Spanien zu feiern. Flamen mit einer derartigen Kopfbedeckung wur-

    Erläuterungen

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    den noch zur Zeit von Marc Aurel abgebildet bei einer Opferhandlung vor dem Kapitolinischen Tempel um 180 n. Chr. Literatur: Spivey und Squire, Die Welt der Antike, Abb. 287 – 290 bzw. 158. Unten: Opferhandlung Köln, Römisch-Germanisches Museum, Inv. Nr. 670 – Fundort: Köln, Wolfstraße 160 Altar für die Göttin Vagdavercustis, eine germanische Göttin der Tapferkeit. Gesetzt wurde er von T. Flavius Constans, der zwischen 165 und 167 hoher Beamter in Köln war. In der Opferszene streut er, den Kopf mit einem herausgezogenen Togazipfel, cinctus Gabinus, bedeckt, Weihrauch in die Flammen. Mit dabei sind Diener und ein Flötenbläser. Tafel 8 Oben: Goldmünze, Augustus und Agrippa London, Britisches Museum, Reg. Nr. 1864, 1128.28 – verantwortlich für Design und Produktion: C. Sulpicius Platorinus Auf der Vorderseite Kopf des Augustus mit Lorbeerkrone und Vitta, auf der Rückseite Agrippa mit Mauer- und Schiffsschnabelkrone. Unten: Grabstein des Marcus Caelius Bonn, LVR-Landesmuseum Bonn, Inv. Nr. U 82 – Fundort: Fürstenberg zwischen Xanten und Birten – Höhe: noch 127 cm, Breite: 108 cm, Tiefe: 18 cm – Kalkstein – nach 9 n. Chr. Caelius stammte aus Bologna und war Centurio der 18. Legion. Sein Bruder Publius Caelius ließ den Stein errichten, nachdem Caelius in der Varusschlacht im Alter von 53 Jahren starb. Als hochdekorierter Centurio hält er das Abzeichen des militärischen Ranges, die vitis, also den Centurionenstab in seiner rechten Hand. Über seinen Schultern hängen an einem Band zwei torques. An einem Ledergehänge sind fünf (sechs?) phalerae aus getriebenem Silber, mit Symbolen versehene Metallscheiben, sichtbar. Auf dem Kopf trägt er den Eichenkranz, der etwas später nur noch dem Kaiser verliehen wird. Seine Handgelenke schmücken jeweils eine mit Ösen und Stift geschlossene armilla. Neben ihm stehen auf Sockeln die Büsten zweier Freigelassener. Am oberen Rand zeigt eine in enge Falten gelegte Vitta (taenia) die Verbindung zum Jenseits an. Literatur: Katalog Marcus Caelius. Tod in der Varusschlacht. Tafel 9 Petrus und Damian Detail aus dem Apsismosaik in SS. Cosma e Damiano am Forum in Rom Im Jahre 527 richtete Papst Felix die Kirche SS. Cosma e Damiano ein. Auf dem Detailbild führt Petrus Kosmas zu Christus. Petrus trägt eine kreuzförmige weiße Tunika mit zwei über die Schultern laufenden clavi. Sie wird teilweise verdeckt durch ein großes Pallium. Sein Kopf ist mit der großen, corona genannten Tonsur geschmückt. Damian trägt eine hellbraune Tunika und darüber eine braune paenula (Kasel). Am linken Handgelenk hängt seine mit einem weißen Kreuz verzierte rote Arzttasche. In den mit der paenula verdeckten Händen hält er die große, mit einem blauen Edelstein geschmückte Märtyrerkrone.

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    Literatur: Hugo Brandenburg, Die frühschristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahrhundert. Fotos von Arnaldo Verscovo, Mailand und Regensburg 2004, S. 222 – 230. – van der Meer, Die Ursprünge christlicher Kunst, Abb. 70. Tafel 10 Dextrae: Rechte Hände im Symbol Oben: Sarkophag mit Abbildung eines Ehepaares München, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, Inv. Nr. Gl 533 – Länge: 223 cm – 3. Jahrzehnt des 3. Jh. n. Chr. Das Relief des Sarkophags zeigt eine Hochzeitsszene, bei der sich das Ehepaar die rechte Hand reicht. In seiner Linken hält der Mann den Ehevertrag. Vor ihnen steht der Hochzeitsgott Hymenaeus, ein Knabe mit einer Fackel in der Hand. Im Gegensatz zu vielen anderen Sarkophagen mit Hochzeitsmotiven hat der Mann den Zipfel seiner Toga über den Kopf gelegt. Er bezeugt damit seine pietas, seine aufopfernde Liebe. Literatur: Michaela Fuchs, Römische Reliefwerke (Katalog der Skulturen, Gyptothek München 7), München 2002. – Carola Reinsberg, Vita Romana (Die antiken Sarkophagreliefs 1, 3), Berlin 2006. Mitte: Goldener Ring für besondere Verdienste Köln, Römisch-Germanisches Museum, Inv. Nr. N 5301 – Fundort Köln, Luxemburger Straße „AMO TE MERITO – Ich liebe dich nach Verdienst“ ist auf dem goldenen Ring zu lesen. Unten links: Silberring Köln, Römisch-Germanisches Museum, Inv. Nr. 2011,18 – Fundort unbekannt – 1.–3. Jh. Ein silberner Ring mit der Inschrift DEXTRARUM IUNCTIS und dem Handschlag auf der Vorderseite befindet sich in Köln. Unten rechts: Goldener Ring München, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, Inv. Nr. 11013 – um 175 Dieser achteckige Ring gehört ebenso zu den Bündnis- und Treueringen. Der Ring hat drei ovale Bildfelder, umrahmt von einer Schnur. Das mittlere Bild zeigt zwei im Handschlag vereinigte rechte Hände. Die seitlichen Bilder sind mit Portraits von Marc Aurel und Faustina besetzt. Die Inschrift lautet: SIT IN EUM CONCORDIA. Tafel 11 Frauen Oben links: Mumienbildnis einer jungen Frau Kairo, CG Inv. Nr. 33237 – Fundort: Hawara (Grabung Petrie1888) – Höhe: 38 cm, Breite: 21 cm – um 90 n. Chr. Zu dieser Zeit starb 23-jährig diese Frau, deren Porträt als Mumienbildnis erhalten blieb. Demos, „Volk“, stand auf einem Zeugstreifen, der auf ihrer Brust befestigt war. Sie trägt ein Purpurgewand mit dunkleren Längsstreifen und einem darübergelegten Tuch

    Erläuterungen

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    und um den Hals eine dreireihige Kette. Mehrteilige Gehänge schmücken ihre Ohren. Quer durch die hochgesteckten Haare ziert am Oberkopf eine große goldene Nadel die Frisur. Ein sehr ähnliches Bild befindet sich im Britischen Museum. Literatur: Barbara Borg, „Der zierlichste Anblick der Welt“ …: ägyptische Porträtmumien, Mainz 1998. – Barbara Borg, Mumienporträts: Chronologie und kultureller Kontext, Mainz 1996. – Katalog Götter und Pharaonen, Abb. 161, Foto: D. Johannes. Oben rechts: Junge Frau aus dem Jemen Auf dem Bild von 2002 ist eine junge Frau aus dem Jemen zu sehen. Die unterschiedliche Farbigkeit ihrer Kopftücher zeigt, dass sie zu diesem Arrangement mehrere Tücher verwendete. Der Haaransatz wird durch ein Unterband verdeckt. Unten: Zwei Matronen als „Mutter Kirche“ Gemäß der Dedikationsinschrift von S. Sabina, Rom (422–432), sind an der Westwand links ECCLESIA EX CIRCUMCISIONE, „die Kirche aus der Beschneidung“, rechts: ECCLESIA EX GENTIBUS, „die Kirche aus dem Heidentum“, abgebildet. Dargestellt sind zwei Matronen, die zusammen die „Mutter Kirche“ symbolisieren. Als Matronen tragen sie weiße Tuniken mit langen, engen Ärmeln, dunkelpurpurne Obertuniken, die Haare unter weißen Kopfbedeckungen verborgen. Große, rechteckige Pallien bedecken Kopf, Schultern und Arme, die linken Enden sind mit einem Kreuz verziert. Beide weisen mit dem Redegestus auf die geöffnete Bibel in der linken Hand. Die „Kirche aus dem Heidentum“ hält zusätzlich eine mappula. Literatur: W. Greisenegger, Ecclesia, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 1, 1968, Sp. 568. – van der Meer, Die Ursprünge christlicher Kunst, Abb. 34 und 35. Tafel 12 Kaiser Maximian (286–305) und seine Familie Fußbodenmosaiken in der Villa Casale, Piazza Armerina, Sizilien Oben: Eutropia mit Sohn Maxentius und Tochter Fausta mit zwei Dienerinnen auf dem Weg zum Bade Eutropia trägt eine Dalmatika mit zwei über die Schultern laufenden breiten Borten. Drei breite Borten besetzen die sehr weiten Ärmel. Ihren Kopf schmückt eine geflochtene Haarkrone, Perlengehänge zieren die Ohren, und ihr breiter Halsschmuck schimmert. Maxentius’ knielange Tunika mit hellen Längsstreifen hat Bortenbesatz am Arm und runde Segmente auf der Schulter und in Oberschenkelhöhe. Der Umhang ist eine Chlamys, die zusätzlich zur Fibelhalterung ein Stück auf der Schulter genäht ist. Faustas knielange Tunika hat lange, geschoppte Ärmel mit Bortenabschluss und Besatzstücke auf Schultern und in Oberschenkelhöhe. Sie trägt ebenfalls eine Chlamys. Alle Besatzstücke oder Segmente sind mit einem Muster verziert, dessen Bedeutung noch erforscht werden muss. Die Tunika der Dienerin auf der rechten Seite hat angeschnittene kurze Ärmel mit Abschlussborten; Längsstreifen laufen über die Schultern, ein hoch angesetzter Gürtel hält die Tunika unter der Brust zusammen. Sie trägt einen Ölbehälter an zwei Schnüren und hat eine Schultertasche. Die Dienerin auf der linken Seite ist in eine breite Tunika gekleidet, mit tief angesetzten weiten Ärmeln, breiter Abschlussborte und breiten Längsstreifen. Sie hält einen Behälter mit gefalteten Textilien.

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    Erläuterungen

    Unten: Kaiser Maximian auf der Jagd und zwei Leibwächter Der Kaiser trägt eine kurze Tunika mit langen, engen Ärmeln und Bortenkante. Am Taillengürtel ist eine Waffe befestigt. Segmente schmücken die Schultern und die Tunika in Oberschenkelhöhe. Seine gefibelte Chlamys hat ein großes, ovales Segment unterhalb der Taille. Wahrscheinlich hat er Hosen an. Seine runde Kappe ist eine typische Mütze des assyrischen Heeres, da er, wie Diocletian, aus Dalmatien stammte. Es ist die gleiche Kopfbedeckung, wie man sie auf der Statue der Tetrarchen am Schatzhaus von S. Marco in Venedig sehen kann. Sein linker Leibwächter hat als Schultersegment oder Schulterstück ein Efeublatt, das ihn als Mitglied der Legion „Herculia“ ausweist. Literatur: Salvatore Ciurca und Giuseppe Walter Bologna, Die Mosaiken der „Erculia“-Villa von Piazza Armerina – Morgantina –, Bologna [ca. 1990], S. 32/33 und 54. Tafel 13 Oben: Dionysosbehang Riggisberg, Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 3100a – Ägypten – Wirkerei in Leinen und Wolle – Höhe: ca. 210 cm, Breite: ca. 700 cm (heutige Montage) – 4. Jahrhundert Die Bilder sind Teil eines Behangs, auf dem in einer Reihe Personen stehen, die durch Arkaden voneinander getrennt sind. Eine von ihnen, eine Frau, hat eine helle Untertunika, ein hochgegürtetes Kleid und ein farblich zum Kleid passendes pallium. Alle Kleidungsstücke sind mit aufwendig gearbeitetem Bortenbesatz verziert. Um ihren Kopf liegt ein blauer Nimbus. Es bewahrheitet sich hier die Bemerkung Catos, dass ein Buntwirker, plumarius, etwas von Malerei verstehen muss, wie in c. 22, 22 beschrieben wurde. Literatur: Sabine Schrenk, Textilien des Mittelmeerraumes aus spätantiker bis frühislamischer Zeit, Gewebeanalysen von Regina Knaller (Die Textilsammlung der AbeggStiftung 4), Riggisberg 2004. Unten: Goldstickerei Kiev, Museum of Historical Treasures of Ukraine, Fragment NVF-199 – Fundort: Sokolova Mohyla, Ukraine – 1. Jh. n. Chr. Es handelt sich um ein purpurgefärbtes Seidengewebe mit Goldstickerei. Der Goldfaden ist um eine Seidenseele gesponnen. Tafel 14 Spindeln Zeichnung Margarita Gleba Oben links: wirtellose Häkchenspindel Oben rechts: Häkchenspindel mit unten sitzendem Wirtel Mitte links: Häkchenspindel mit oben sitzendem Wirtel Mitte rechts: Kreuzspindel Unten: wirtellose Spindel, die in der Schüssel gedreht wird

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    Tafel 15 Ein Gewichtswebstand oder Jochwebstand, tela iugalis oder tela iogalis, gezeichnet von Margarita Gleba Tafel 16 Herstellung von Geflechten in Sprangtechnik, hergestellt von Dagmar Drinkler Oben links: Rekonstruktion des Paris vom Westgiebel des Aphaiatempels, 490–480 v. Chr. Übrige Abb.: Musterauswahl Sprang ist die Herstellung von Textilien, bei der parallel gespannte Fäden durch Heben und Senken miteinander verdreht, verdrillt, verzwirnt oder verkreuzt werden. Dabei entsteht ein netzartiges, elastisch-dehnbares Geflecht. Die Dichte einer Sprangarbeit ist abhängig von Material und Art der Fadenverdrehung sowie dem Anschlagen nach jeder gesprangten Reihe Literatur: Drinkler, Eng anliegende Bekleidung in Antike und Renaissance. – Drinkler, Tight-Fitting Clothes in Antiquity – Experimental Reconstruction, mit Abb. Tafel 17 Zu Anne Reichert, Lindenbast. Die Anfänge des Textilen, Beitrag in diesem Band Auswahl der von Anne Reichert aus Lindenbast hergestellten Fasern und Geflechte: Oben: Lindenbast Mitte: Zwirnschnüre verschiedener Dicke Unten: Geflechtmuster Tafel 18 Seidenspinner Bild und Text Heiner Ziegler: „Ich habe Pachypasa otus auf Samos gefunden und gezüchtet.“ Pachypasa otus Drury 1773 an Kiefer Oben: Männchen Oberseite Zucht e.l. Griechenland, Samos, Kokkari, Lemnoskia Beach 2 km w. Kokkari, 50–150m. Bild 070641 © Heiner Ziegler. 12. August 2007. Mitte oben links: Raupe Zucht e.l. Griechenland, Samos, Nordküste, 100m. Bild 073026 © Heiner Ziegler. 20. Oktober 2007. Mitte oben rechts: Raupe Zucht e.l. Griechenland, Samos, Nordküste, 100m. Bild 073045 © Heiner Ziegler. 26. Oktober 2007. Mitte unten links: Puppe Zucht e.l. Griechenland, Samos, Nordküste, 100m. Bild 081231 © Heiner Ziegler. 12. Juni 2008.

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    Erläuterungen

    Mitte unten rechts: Puppe Zucht e.l. Griechenland, Samos, Nordküste, 100m. Bild 081232 © Heiner Ziegler. 12. Juni 2008. Datum: 20. März 2008 um 23:07 Uhr schreibt Ziegler: „Letzten Herbst hatte ich Jungraupen von Pachypasa otus vorgestellt, der angeblich grössten Glucke Europas. Inzwischen habe ich die damaligen Jungraupen erfolgreich überwintert, und zwar völlig verlustfrei. Ich zog sie an Kiefer. Die Ueberwinterung geschah in einem sehr luftigen Freilandkäfig in einer Abstellkammer draussen. Darin brannte nachts eine Leuchtstoffröhre während 6 Stunden, also eine künstliche Tag-Nacht-Umkehr. Der Zweck war es, die tiefen Nachttemperaturen damit anzuheben und mit der 6-h-Beleuchtung den Raupen den richtigen Eindruck zu geben, es sei Winter. Die Durchschnittstemperatur betrug ausgeglichene 7 Grad plus. Etwa wöchentlich habe ich mit einem Wasserzerstäuber besprüht. Anfangs März begannen sie zu fressen, seither hausen sie im Zimmer und fressen mich zu armen Tagen. Ich füttere weiter mit Kiefer. Die Raupen sind inzwischen im letzten Kleid (ich verzichte bewusst auf den viel verwendeten, aber sprachlich unkorrekten Ausdruck ‚die Raupen sind erwachsen‘, um nicht den Groll allfälliger Sprachpuritaner auf mich zu laden: Raupen sind Jugendstadien, die somit definitionsgemäss nie erwachsen werden)“. Unten: Cochenille von Lanzarote und Mittelmeerkermes Hier zeigt sich der Größenunterschied zwischen der aus Mexiko stammenden Cochenille und den kleinen Schildläusen der Mittelmeerkermes. Tafel 19 Purpurfarben Beispiele von Färbungen nach Fotografien von Henri de Lacaze-Duthiers Aus seinen Notizen S. 83 ergibt sich in der Reihenfolge von oben nach unten: 1. Die dunkelste Nuance erreicht man vor allem mit Purpura haemastoma und einem Teil Murex brandaris, viel Farbsubstanz und langer Bestrahlung durch kräftige heiße Sonne. 2. Diese Farbe wird erzielt mit dem Farbstoff von der Purpura lapillus, Purpura haemastoma, Murex brandaris, Murex erinaceus, einem Teil Murex trunculus. Damit erhält man eine recht große Menge an Farbstoff. Es gelten die gleichen Bedingungen an Luft- und Lichtzufuhr wie bei Nr. 1. 3. Gemischt ist hierfür die Farbsubstanz von Purpura haemastoma, Purpura lapillus, Murex erinaceus, Murex brandaris. Es wird aber weniger Farbsubstanz als in den beiden obigen Fällen verbraucht. Die gut aufgelöste und gut verdünnte Farbsubstanz ergibt das Bild. 4. Purpura haemastoma, Purpura lapillus, Murex brandaris, Murex erinaceus wurden gemischt; die Abstufung ergibt sich entweder durch wenig Farbsubstanz oder weniger Luftund Sonneneinwirkung. 5. Farbstoff der Murex trunculus.

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    Tafel 20 Walkerwerkstatt oder fullonica im Haus des Veranius Hypsaeus Auf dem Pilaster sind Bilder einer Walkerwerkstatt in Pompeji zu sehen (Regio VI, 8, 20). Er befindet sich heute im Nationalmuseum in Neapel, Inv. Nr. 9774. Die Arbeiten in der Werkstatt werden im Exkurs (c. 29b) beschrieben. Tafel 21 Zu den Rekonstruktionszeichnungen nach Untersuchungen von Marquita Volken schreibt Serge Volken: „Es handelt sich um Fundstücke aus dem Grabinventar der Königin Arnegunde, Daueraustellung im Nationalen Antiquitätenmuseum in Saint-Germain-en-Laye“. Oben: Der Gürtel der Königin ist reichlich mit Schmuckelementen bestückt. Mitte rechts und unten rechts: Mit ähnlichen Schmuckelementen und ebenso reichlich sind die Beinbinden ausgestattet. Als interessantes Detail ist zu werten, dass diese unter dem Schuh geführt wurden. Serge Volken: „Über vorchristliches Werkzeug wissen wir nur ganz wenig Bescheid“. Mitte links: „Zu sehen sind Römische Werkzeuge, so wie man sie etwa um das 2. bis 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung benutzte. Von links nach rechts: drei Stemmeisen, ein Zirkel, ein Messstock, ein Hammer, ein Bündel Schweinsborsten, zwei Ahlen und ein Pfriem (Ahlen haben ein eckiges Profil, Pfrieme ein rundes). Oberhalb Ahlen und Pfriem sitzen noch ein Stück Hanfdraht mit montierter Schweinsborste und ein paar Schuhnägel. Nicht zu vergessen das Halbmondmesser oben links, mit dem man Leder rund schneiden kann. Die Abbildungen sind gemäß archäologischen Funden nachgebaut. Das Beispiel ist eine 1:1 Rekonstruktion aus der Schuhmacherei von Pompeji. Der Halbmond dient für Schneidearbeiten; man kann einerseits das Leder damit schneiden, es aber auch zum Ausschärfen benutzen, das heißt, die Leder entlang der Kanten verdünnen. Das Halbmondmesser gilt als das typische Emblem der Leder verarbeitenden Berufe, weil es das typische Ledermesser ist“. Unten links: „Mittelalterliche Werkzeuge so um das 13.–14. Jahrhundert: Auffallend ist, dass man bei mittelalterlicher Schusterei vom Hammer eigentlich keinen Gebrauch mehr macht. Bei den Römern diente dieser, um die Nägel einzuschlagen, diese aber verschwinden in der mittelalterlichen Schuhmacherei und man bedient sich eines Reibstockes, um die Nähte glatt zu pressen“. Tafel 22 Römische Schuhformen, Zeichnungen Marquita Volken Reihen von oben nach unten: 1. Calceus 2. Caliga 3. Ein Schuh aus einem Teil bestehend inklusive Sohle, der mit Riemchen über dem Fußrücken zusammen gebunden ist. Die leichte Ausführung besteht aus einem einzigen Stück Leder, bei robusteren Ausführungen ist eine zusätzliche Sohle aufgenagelt (nach S. Volken: Carbatina).

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    Erläuterungen

    4. Soccus 5. Solea Von den Sculponea, Holzschuhen, gibt es leider kein Bild. Die bisherigen Einteilungen in Schuhtypen sind ungenau, weil sich die Schuhmode und die Benennungen an unterschiedlichen Orten im Laufe der Zeit so sehr geändert haben, dass sich daraus allein keine eindeutigen Identifikationsformen ableiten lassen. Deshalb sagt Serge Volken: „In der neuesten Aufarbeitung archäologischer Schuhe fallen sogar diese Namen weg, und wir benennen Schuhtypen lediglich nach deren erst bekannten Fundorten. Von den ca. 5’000 archäologisch belegten Schuhfunden unterscheiden wir ungefähr 400 Stile bzw. Typen, welche wiederum in ca. 40 Schnittmusterarten unterteilbar sind, die wiederum nur 15 unterschiedlichen Schnittmustergruppen angehören und dies vom Neolithikum bis zum Beginn der Neuzeit“. Tafel 23 Grundriss Freistehendes Wohnhaus mittlerer Größe in der Idealform nach Vitruv. In die Anlage des Hauses sind in der Nähe des Eingangs Werkräume der Maler und Buntwirker integriert. Dabei wird nicht gesagt, ob es sich bei den Beschäftigten um auswärtige Kräfte, Hauspersonal oder um Familienmitglieder handelte, die hier arbeiteten.

    Tafel 1

    Oben: Togatus. München, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek. Foto Renate Kühling. Unten: Tubabläser und Spielegeber auf einem Fußbodenmosaik der Villa Casale, Piazza Amerina. Foto H. R. Goette.

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    Tafel 2

    Oben links: Grabstein des Firmus. Bonn, LVR-Landesmuseum. Oben rechts: Grabstein des Annaius. Bad Kreuznach, Römerhalle. Unten links: Grabstein des Firmus, Seitenansichten. Bonn, LVR Landesmuseum Unten rechts: Lithographie des Annaius-Grabsteins von Peter Engelmann, 1877. Bad Kreuznach, Schloßparkmuseum.

    Tafel 3

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    Oben: Fresko in der Synagoge von Dura Europos. Publ. in: Kraeling, The Synagogue. Unten links: Detail. Unten rechts: Zwei Heilige im Antoniuskloster im Sinai, Detail. Publ. in: Zibawi, Koptische Kunst.

    Kasten des Ludovisisarkophags, Frontalansicht. Publ. in: Künzl, Der Traum vom Imperium.

    600 Tafel 4

    Tafel 5

    601

    Oben links: Bronzestatuette aus dem Raum Trier. Trier, Landesmuseum. Oben rechts: Liebstöckel – Ligusticum scoticum L. Zeichnung Margaret Wightman. Mitte rechts: „Die Locke des Germanen“. Publ. in: Künzl, Die römischen Bronzegefäße. Unten links: Büste des Kaisers Augustus. Unten rechts: Büste des Kaisers Trajan, beide München, Staatliche Antikensammlungen und Glypothek. Foto S. Künzl.

    602

    Tafel 6

    Shapur I. als Sieger über zwei römische Kaiser. Sassanidisches Felsrelief in Naqsh-e Rostam. Foto Georgina Herrmann.

    Tafel 7

    603

    Oben links: Vogeldeuter. Hannover, Museum August Kestner. Oben rechts: Drei Köpfe von Flamen, den Kaiserpriestern. Detail aus der Seitenansicht der Ara pacis. Foto G. Fittschen-Badura, Universität Köln, Forschungsarchiv für antike Plastik. Unten: Opferhandlung. Köln, Römisch-Germanisches Museum.

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    Tafel 8

    Oben: Goldmünze, Augustus und Agrippa. London, The Trustees of the British Museum. Unten: Grabstein des Marcus Caelius. Bonn, LVR-Landesmuseum.

    Tafel 9

    Petrus und Damian. Details aus dem Apsismosaik in SS. Cosma e Damiano am Forum in Rom. Bildrechte Herder-Verlag, Freiburg/Br.

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    Tafel 10

    Oben: Sarkophag mit Abbildung eines Ehepaares. München, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek. Foto Renate Kühling. Mitte: Goldener Ring für besondere Verdienste. Köln, Römisch-Germanisches Museum. Unten links: Silberring. Köln, Römisch-Germanisches Museum. Unten rechts: Goldener Ring. München, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek.

    Tafel 11

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    Oben links: Mumienbildnis einer jungen Frau. Kairo. Publ. in: Katalog Götter und Pharaonen. Oben rechts: Junge Frau aus dem Jemen, 2002. Foto Eckardt Nick. Unten: Zwei Matronen als „Mutter Kirche“, Rom, S. Sabina. Bildrechte Herder-Verlag, Freiburg/Br.

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    Tafel 12

    Fußbodenmosaiken in der Villa Casale, Piazza Armerina Oben: Eutropia mit Sohn Maxentius und Tochter Fausta mit zwei Dienerinnen. Publ. in: Ciurca und Bologna, Die Mosaiken der „Erculia“-Villa. Unten: Kaiser Maximian und zwei Leibwächter. Foto H. R. Goette.

    Tafel 13

    Oben: Dionysosbehang, Detail. CH-3132 Riggisberg, Abegg-Stiftung, 2004, Inv. Nr. 3100a, Foto Christoph von Viràg. Unten: Goldstickerei. Kiev, Museum of Historical Treasures of Ukraine. Foto Margarita Gleba.

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    Tafel 14

    Spindeln. Zeichnungen Margarita Gleba.

    Tafel 15

    Ein Gewichtswebstand oder Jochwebstand, tela iugalis oder tela iogalis. Zeichnung Margarita Gleba.

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    Tafel 16

    Beispiele für die Arbeit mit der Sprangtechnik von Dagmar Drinkler.

    Tafel 17

    Oben: Lindenbast. Mitte: Zwirnschnüre verschiedener Dicke. Unten: Geflechtmuster. Arbeiten von Anne Reichert.

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    Tafel 18

    Pachypasa otus Drury 1773 an Kiefer. Fotos Heiner Ziegler. Unten: Cochenille von Lanzarote und Mittelmeerkermes. Foto Mechthild Müller.

    Tafel 19

    Purpurfarben. Beispiele von Färbungen nach Fotografien von Henri de Lacaze-Duthiers.

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    Walkerwerkstatt oder fullonica, Pilaster im Haus des Veranius Hypsaeus in Pompeji. Soprintendenza Speciale per i Beni Archeologici di Napoli e Pompei; Mitte: Foto H. R. Goette.

    616 Tafel 20

    Tafel 21

    Oben, Mitte rechts, unten rechts: Fundstücke aus dem Grabinventar der Königin Arnegunde. Rekonstruktionszeichnungen Marquita Volken. Mitte links: Römische Schusterwerkzeuge, 2. bis 3. Jahrhundert. Unten links: Mittelalterliche Schusterwerkzeuge, 13. bis 14. Jahrhundert. Fotos Serge und Marquita Volken.

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    Tafel 22

    Römische Schuhformen. Zeichnung Marquita Volken.

    Freistehendes Wohnhaus mittlerer Größe in der Idealform nach Vitruv. Zeichnung Ulfrid Müller.

    Tafel 23

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    Tafel 1

    Das römisch, christlich geprägte Westgotische Reich 600 n. Chr. Hans Bauer

    Das römisch, christlich geprägte Westgotische Reich 600 n. Chr.

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    1 Narbonne antiker Mittelmeerhafen am Atax, heute Aude genannt. Wichter Ort an der antiken Straße von Spanien an die Rhonemündung und nach Italien, der Via Domitia. Hauptstadt der Septimania von den Pyrinäen bis an die Rhone. Seit dem 3. Jh. christlich geprägt, Sitz eines westgotischen Metropoliten. römischer Name Narbo. 2 Zaragossa am Ebro (der römische Name ist Ibro). Zaragossa wurde als Caesaraugusta von Augustus an Stelle einer iberischen Siedlung gegründet. Es ist ein frühes christliches Zentrum, ab 250 Bischofssitz. In westgotischer Zeit ständige Münzstätte und Sitz eines Metropoliten, u. a. Braulios, der das Werk Isidors von Sevilllia vollendete. 3 Tarragona am Mittelmeer, natürliche Festung auf einem nach Norden, Osten und Süden 160 m hohen Sandsteinfelsen. In den punischen Kriegen wichtiger römischer Stützpunkt und Hafen. Seit Augustus Hauptstadt der Provinz Hispania. Römischer Name Tarraco und das verwaltete Gebiet Tarraconensis. In westgotischer Zeit ist Tarraco Sitz eines der sechs Metropoliten und Westgotischer Regierungssitz bevor Toledo Hauptstadt des westgotischen Reiches wurde. 4 Toledo, am Fluß Tajo, römischer Name Toletum, der Tajo hieß damals tagus. Er umfließt die Stadt im Osten, Süden, Westen. Der Ort liegt auf einem steilabfallenden Felsen, einer natürlichen Festung. Toletum war seit 580 n. Chr. Hauptstadt des Westgotischen Reiches und gleichzeitig Sitz einer der sechs Metropoliten. Toletum war eine römische Stadt. 5 Mérida am Guadiana. Es wurde 25 vor Chr. von Augustus als Augusta Emerita für die Veteranen (Eriti) der 5. und 6. Legion gegründet. Schon um 250 wurde es Bischofssitz. In westgotischer Zeit residierte hier ein Metropolit. Es war auch Münzstädte und Endpunkt der wichtigen Straße von Zaragossa über Toledo an den Guadiana, der damals Anas genannt wurde. Augusta Emerita lag in der Provinz Lusitania, die weitgehend dem heutigen Portugal entspricht. 6 Sevilla, Seehafen am Guadalquivir, römischer Name Hispalis, der Fluß wurde Beatis genannt. Die Stadt diente Caesar als Stützpunkt. Hispalis war Verwaltungssitz der Provinz Atica, etwa Andalusien. In westgotischer Zeit residierte in Hispalis als Metropolit ab 579 Leander und von 599–636 Isidor von Sevilla. Es ist die wissenschaftliche Hochblüte des Westgotenreiches. Isidor sammelte hier antikes Wissen und ordnete es systematischen Grundsätzen in seiner Etymologie, die er aber nicht vollenden konnte. Das besorgte nach 636 Braulio in Zaragossa.

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    Das römisch, christlich geprägte Westgotische Reich 600 n. Chr.

    Autorenverzeichnis Dr. Malte-Ludolf Babin, Hannover, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Leibniz-Archiv Dr. Johanna Banck-Burgess, Stuttgart, Regierungspräsidium, Landesamt für Denkmalpflege, Archäologische Denkmalpflege, Textilarchäologie Dr. Hans Bauer, Garbsen, Kartograph Tobias Espinosa M. A., Göttingen, Georg-August-Universität, Archäologisches Institut und Sammlung der Gipsabgüsse Dr. Margarita Gleba, London, University College, Institute of Archaeology Mechthild Müller, Garbsen, Kostümhistorikerin Anne Reichert, Ettlingen, Experimentelle Archäologie/Archäotechnik Prof. Dr. Jörg Riecke, Heidelberg, Ruprecht-Karls-Universität, Germanistisches Seminar