Das Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz: Unzulänglichkeiten und Lösungswege [1 ed.] 9783428544547, 9783428144549

Allen Bemühungen des Gesetzgebers zum Trotz erweist sich das im Jahr 2003 reformierte Spruchverfahren immer noch als zu

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Das Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz: Unzulänglichkeiten und Lösungswege [1 ed.]
 9783428544547, 9783428144549

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Schriften zum Prozessrecht Band 235

Das Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz Unzulänglichkeiten und Lösungswege

Von Max Noack

Duncker & Humblot · Berlin

MAX NOACK

Das Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz

Schriften zum Prozessrecht Band 235

Das Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz Unzulänglichkeiten und Lösungswege

Von Max Noack

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Sommersemester 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Buch Bücher de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-14454-9 (Print) ISBN 978-3-428-54454-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84454-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im August 2013 der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation vorgelegt. Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand vom Juni 2014. Mein Dank gilt in erster Linie meinem sehr verehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Christian Armbrüster. Er hat den Fortgang der Arbeit stets gefördert, ihre Entstehung mit konstruktiver Kritik und persönlichem Zuspruch begleitet und mir zugleich die erforderlichen Freiheiten gelassen. Herrn Prof. Dr. Martin Schwab danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Der Arbeitskreis Wirtschaft und Recht im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat die Erstellung dieser Arbeit durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums großzügig unterstützt, wofür ich mich stellvertretend bei dem Vorsitzenden des Auswahlausschusses Herrn Prof. Dr. Martin Henssler bedanke. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle auch meinen beiden Mentoren, den Herren Dr. Hartwin Bungert (Hengeler Mueller) und Dr. Thomas Kremer (Deutsche Telekom AG), sowie Frau Dr. Isolde Würz (ThyssenKrupp AG), Frau Dr. Petra Mennicke (Hengeler Mueller) und Herrn VRiLG Oliver Pade (Landgericht Berlin), welche diese Arbeit durch überaus wertvolle Hinweise und Anregungen bereichert haben. Tübingen, im Juni 2014

Max Noack

Inhaltsübersicht Teil 1 Einleitung A. Grundlagen des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Ziel und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Teil 2

Ermittlung der angemessenen Kompensation

A. Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 B. Methodik der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Teil 3

Zur überlangen Verfahrensdauer

A. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 B. Analyse der Gründe für die überlange Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 C. Lösungswege zur Verfahrensbeschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Teil 4

Zum Missbrauch der Antragsbefugnis

A. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 B. Analyse der Gründe für den Missbrauch der Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 C. Lösungswege zur Missbrauchsbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

8

Inhaltsübersicht Teil 5



Zur mangelnden Eignung des Spruchverfahrens bei grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen am Beispiel der Verschmelzungsgründung einer Societas Europaea

A. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 B. Analyse der Gründe für die „faktische Sperre“ des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . 258 C. Lösungswege zur Überwindung der „faktischen Sperre“ des Spruchverfahrens . . . . 266

Teil 6

Alternative Rechtsschutzkonzepte

A. Institutionalisierte Vorverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 B. Abgekürztes Verfahren bei Bagatellstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C. Klassische Instrumente der kollektiven Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 D. Zwangsweise gemeinschaftliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 E. Schiedsgerichtliches Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Teil 7

Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

Anhang 1: Beispiel aus der Praxis für ein strukturiertes Schätzungsverfahren . . . . 305 Anhang 2: Gesetzestexte Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Verzeichnis zitierter Gesetzgebungsmaterialien Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Verzeichnis zitierter Gesetzgebungsmaterialien Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung A. Grundlagen des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. II.

Wesen und Ziele des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Verfassungsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Schutz des Anteilseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Vorgaben für den aktienrechtlichen Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Gebot einer wirtschaftlich „vollen“ Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Gebot eines „wirksamen“ Rechtsbehelfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

III. Praktische Bedeutung des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 IV. Anwendungsfälle des Spruchverfahrens im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Gesetzlich genannte Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Gesetzlich nicht genannte Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Reguläres Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Weitere gesetzlich nicht genannte Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . 33 V.

Vorzüge des Spruchverfahrens gegenüber der Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . 34 1. Bestandssicherheit des Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Zielgenauer und effektiverer Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Verfahrenstechnische Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Verschlechterungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Geringeres Kostenrisiko für die Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 d) Inter-omnes-Wirkung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 e) Wahrung der Interessen der nichtantragstellenden Antragsberechtigten durch den gemeinsamen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 f) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

VI. Unzulänglichkeiten des Spruchverfahrens nach dem Spruchverfahrensgesetz . 39 1. Überlange Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Ungewöhnlich hohe Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Undifferenzierter Anwendungsbereich des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Hohe Missbrauchsanfälligkeit des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

10

Inhaltsverzeichnis 5. Mangelnde Eignung des Spruchverfahrens bei grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

B. Ziel und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Teil 2

Ermittlung der angemessenen Kompensation

A. Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I.

Verrechtlichung der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

II.

Bewertungskonventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

B. Methodik der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I.

Festlegung von Bewertungsgegenstand und -ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

II.

Auswahl einer geeigneten Bewertungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

III. Anwendung der ausgewählten Bewertungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Ermittlung des Zukunftsertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Kapitalisierung des Zukunftsertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Basiszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Risikozuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Pauschale Schätzung des Risikozuschlags durch das Gericht . . . . . 55 bb) Ermittlung des Risikozuschlags nach dem Capital Asset Pricing Model . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 cc) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Wachstumsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Stichtag für die Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Aussonderung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens . . . . . . . . . . . . . 59 5. Korrektur des Ertragswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Liquidationswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Börsenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 aa) Konzeptionelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 bb) Ausnahmen von der Berücksichtigung des Börsenkurses . . . . . . . . 60 cc) Bestimmung des zeitlich relevanten Börsenkurses . . . . . . . . . . . . . 60 IV. Berücksichtigung weiterer bewertungsrelevanter Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Verbundvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Weitere bewertungsrelevante Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Inhaltsverzeichnis

11

Teil 3

Zur überlangen Verfahrensdauer

65

A. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I.

Das Recht auf eine Entscheidung in angemessener Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Abs. 2 Satz 1 EuGrCh . . . . . . . . . . . . . . . 66

II.

Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine überlange Verfahrensdauer . . . . . . . . . 67

B. Analyse der Gründe für die überlange Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I.

Objektive Schwierigkeiten bei der Gutachtenerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Komplexität und Kompliziertheit der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Rückwirkende Anwendung von geänderten Bewertungsgrundsätzen auf den Bewertungsstichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Änderung von Rechtsansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Methodenanpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Methodenverbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

II.

Hohe Kontrolldichte bei der Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Gerichtlicher Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Plausibilitäts- oder Billigkeitskontrolle analog §§ 315 ff. BGB . . . . . . . 74 aa) Bedeutung der einseitigen Leistungsbestimmungsrechte . . . . . . . . 75 bb) Zulässigkeit der eingeschränkten Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Richtigkeitskontrolle auf gesicherter Schätzungsgrundlage . . . . . . . . . 77 aa) Bedeutung der richterlichen Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Zulässigkeit der richterlichen Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Ansätze für eine Reduzierung der Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Anerkennung von Bewertungsbandbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 aa) Maßstabbildung mithilfe der Bandbreitenlösung . . . . . . . . . . . . . . 81 (1) Quantitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (2) Qualitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Exkurs: Zulässigkeit einer generellen Bagatellgrenze . . . . . . . . . . . 83 (1) Zulässigkeit gegriffener Größen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . 83 (2) Zulässigkeit der Bagatellgrenze als gegriffener Größe . . . . . . . 84 b) Eingeschränkte Überprüfung von Planungen und Prognosen entsprechend § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Bedeutung der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Anwendbarkeit der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) Erhöhte Richtigkeitsgewähr bei verhandlungsgetragenen Verschmel­ zungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

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Inhaltsverzeichnis aa) Das Verhandlungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (1) Konzernfreie Verschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (2) Konzernverschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Konsequenzen der erhöhten Richtigkeitsgewähr für die Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Begrenzte praktische Wirksamkeit der konkreten Bewertungsrüge . . . . . . . . . . 94 1. Vorüberlegung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Anforderungen an die Konkretheit der Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Persönliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Sachliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (1) Standardbewertungsrügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (2) Bezugnahme auf die Antragsschrift eines anderen Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (3) Korrelation zur Begründungstiefe von Unternehmens- und Prüfungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (4) Relevanz der Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (5) Konkrete Bewertungsrüge bei einem Kompensationsangebot unterhalb des Börsenwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Bindung an die anfänglichen Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) „Nachschieben von Einwendungen“ durch die Antragsteller . . . . . . . . 104 aa) Restriktive Auslegung von § 7 Abs. 4 Satz 2 SpruchG . . . . . . . . . . 105 bb) Teleologische Reduktion von § 7 Abs. 4 Satz 2 SpruchG . . . . . . . . 105 cc) Präklusion gemäß § 10 Abs. 2 SpruchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Geltendmachung eigener Einwendungen durch den gemeinsamen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Anwendbarkeit der konkreten Bewertungsrüge im Beschwerdeverfahren . 109 a) Direkte Anwendung von § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Satz 1 SpruchG . . . . . 110 b) Analogie zu § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Satz 1 SpruchG . . . . . . . . . . . . . . . 110 aa) Grundsätzliche Analogiefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 bb) Ausnahmsweises Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5. Anwendbarkeit der konkreten Bewertungsrüge beim Delisting . . . . . . . . . 112 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 IV. Defizite bei der Einbindung des sachverständigen Prüfers in das Spruchver­ fahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Vorüberlegung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Der „Primat des sachverständigen Prüfers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Inhaltsverzeichnis

13

a) Verwertung des Prüfungsberichts als gerichtliches Sachverständigengutachten analog §§ 485 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Anhörung des sachverständigen Prüfers als sachverständiger Zeuge . . 117 c) Befragung des sachverständigen Prüfers als Auskunftsperson . . . . . . . 118 d) Bestellung des sachverständigen Prüfers zum gerichtlichen Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Unzureichende Objektivität und Qualität des Prüfungsberichts . . . . . . . . . 122 a) Defizite bei der Auswahl des sachverständigen Prüfers . . . . . . . . . . . . . 122 b) Wirtschaftliche Nähe des sachverständigen Prüfers zum Unternehmen 123 c) Parallele Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 V.

Zu geringe Vergütung des gerichtlichen Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Vorüberlegung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Zwangsweise Vergütung zu den Sätzen des JVEG . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Verkehrsübliche Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Vereinbarung zwischen Antragsteller und Antragsgegner gemäß § 13 Abs. 1 JVEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Erklärung der Antragsteller und Zustimmung des Gerichts gemäß § 13 Abs. 2 JVEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Lösungswege zur Überwindung des Verfahrensstillstandes bei Nichtzustandekommen einer Vereinbarung im Sinne von § 13 Abs. 1 JVEG . . . . . . . . 128 a) Teleologische Reduktion des § 13 Abs. 2 JVEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Behandlung der Zustimmungsverweigerung als Feststellungsvereitelung 131 c) Rechtsmissbrauch der Zustimmungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

VI. Geringes Kostenrisiko für den Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Vorüberlegung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Begrenzte Kostenlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Gerichtskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Grundsatz der Kostenfreiheit für den Antragsteller . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Abweichende Kostentragung aus Billigkeitsgründen . . . . . . . . . . . 134 (1) Offensichtlich aussichtslose Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . 134 (a) Weitere Beispiele für eine offensichtliche Unzulässigkeit . 135 (b) Weitere Beispiele für eine offensichtliche Unbegründetheit 136 (2) Rechtsmissbräuchliche Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (3) Verletzung einer Verfahrensförderungspflicht . . . . . . . . . . . . . 138 b) Kosten des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

14

Inhaltsverzeichnis c) Außergerichtliche Kosten des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Grundsatz der eigenen Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Abweichende Kostentragung aus Billigkeitsgründen . . . . . . . . . . . 142 (1) Ausgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (2) Weitere Billigkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 d) Außergerichtliche Kosten des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Begrenzte Spürbarkeit der Kostenfolge des § 15 Abs. 2 SpruchG . . . . . . . . 145 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 VII. Vorteilhafte Verzinsungsregelung für den Antragsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Vorüberlegung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Die Verzinsung der Kompensationsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Recht auf Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Beginn der Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Höhe der Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 VIII. Defizite in der Gerichtsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Vorüberlegung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Mehrstufiger Instanzenzug mit zwei Tatsacheninstanzen . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Unvollständige örtliche Bündelung der Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Parallele Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen und der allgemeinen Zivilkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5. Unzureichender Verfahrensförderungswille und häufiger Richterwechsel . 156 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IX. Sonstige praktische Erschwernisse bei der Verfahrensleitung . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Vielzahl von Antragstellern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Fehlen eines generellen Anwaltszwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 X.

Zusammenfassende Analyse der Gründe für die überlange Verfahrensdauer . . 159

C. Lösungswege zur Verfahrensbeschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I.

Verstärkter Gebrauch von Schätzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Klarstellung des richterlichen Schätzungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Festlegung einer verbindlichen Bagatellgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

II.

Grundsätzliche Bewertung anhand des Börsenkurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Regelungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Vorzüge einer Börsenkursbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Überlegenheit eines objektiven Markturteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung . . . . . . . . . . . . . . . . 164

Inhaltsverzeichnis

15

cc) Widerspruchsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 dd) Vermeidung von unnötigen Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 ee) Steigerung der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 ff) Erleichterung von grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen . . . 166 c) Einwände gegen eine Börsenkursbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 aa) Fehlende generelle Eignung des Börsenkurses als Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Ungleichbehandlung der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Informationsgefälle zwischen Markt und Gutachter . . . . . . . . . . . . 167 dd) Manipulations- und Spekulationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 168 ee) Unverzichtbarkeit von Unternehmensbewertungen im Einzelfall . . 169 ff) Sonderrecht für börsennotierte Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . 170 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Umsetzung der neuen Bewertungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Direkte gesetzliche Bewertungsvorgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Einführung eines satzungsautonomen Bewertungswahlrechts . . . . . . . . 173 aa) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Rechtspolitische Vorzugswürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 cc) Ausgewählte Einzelfragen zur Ausgestaltung und Umsetzung des Bewertungswahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (1) Anforderungen an die Satzungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Nachträgliche Einführung einer Satzungsklausel . . . . . . . . . . . 175 (3) Auswirkungen einer nachträglichen Gesetzesänderung auf die Satzungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 III. Stärkung der Figur des sachverständigen Prüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Veränderungen bei der Auswahl des sachverständigen Prüfers . . . . . . . . . . 177 a) Eigenes Vorschlagsrecht für die Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . 177 b) Ausschließliches Vorschlagsrecht für die Industrie- und Handelskammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Erhöhte Anforderungen an die gerichtliche Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Einführung einer gerichtlichen Leitungs- und Weisungsbefugnis bei der Erstellung des Prüfungsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Erweiterung des Prüfungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 5. Klarstellung des „Primats des sachverständigen Prüfers“ . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. Gewährung einer verkehrsüblichen Sachverständigenvergütung . . . . . . . . . . . . 184 V.

Erhöhung des Kostenrisikos für die Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Veränderungen bei der Kostenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Umstellung auf das Erfolgsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

16

Inhaltsverzeichnis b) Rückkehr zum Billigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Konkretisierung des Regel-Ausnahme-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Einführung einer Missbrauchsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 VI. Veränderungen im Bereich der Gerichtsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Instanzielle oder sachliche Rechtsmittelbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Rechtspolitische Bewertung der Regelungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Abschaffung des Instanzenzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 bb) Verkürzung des Instanzenzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Umgestaltung der Beschwerde in eine reine Rechtsbeschwerde . . . 197 2. Weitergehende örtliche Bündelung von Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Ausschließlicher bundesweiter Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Länderübergreifende Zuständigkeitskonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3. Einrichtung von spezialisierten Spruchkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Technischer Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts . . . . . . . . . . . 202 b) Österreichisches Gremium zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses 204 c) Spezialisierte Kammer für Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 VII. Weitere unterstützende Begleitmaßnahmen der Justizverwaltung . . . . . . . . . . . 207 1. Personelle Verstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Zielgenaue Entlastung der Spruchrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Bessere Sachausstattung und Fortbildungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 208 4. Veränderter Umgang mit Richterwechseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 VIII. Vorgabe von Entscheidungs- und/oder Verfahrensfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Befristung der gerichtlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Befristung der Gutachtenerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IX. Einführung eines generellen Anwaltszwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Teil 4

Zum Missbrauch der Antragsbefugnis

A. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I.

Dogmatische Einordnung des Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

II.

Tatbestandliche Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

III. Rechtsfolgen des Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 B. Analyse der Gründe für den Missbrauch der Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Inhaltsverzeichnis I.

17

Begrenzte praktische Wirksamkeit des Missbrauchseinwandes . . . . . . . . . . . . . 214 1. Geringe Wahrscheinlichkeit einer Verfahrensbeendigung durch Gerichtsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Beweisschwierigkeiten des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Darlegungs- und Beweislast des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Missbrauchsindizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Sehr geringer Aktienbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Kurze Vorbesitzzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 cc) Missbräuchliches Verhalten in früheren oder parallelen Verfahren . 216 dd) Bereitwilligkeit zum Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 ee) Desinteresse an einer Sachentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 ff) Schadloshaltung des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

II.

Unvollständige Regelung der Figur des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . 218 1. Verfahrensfortführungsbefugnis bei einseitiger Verfahrensbeendigung aus § 6 Abs. 3 SpruchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Antragsrücknahme im Ausgangsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Erledigungs- oder Verzichtserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Antragsrücknahme vor Bestellung des gemeinsamen Vertreters . . . . . . 220 d) Rechtsmittelverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Vorüberlegung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 bb) Selbständige Beschwerdebefugnis des gemeinsamen Vertreters . . . 222 e) Antragsrücknahme im Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 f) Rücknahme der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Vetorecht bei übereinstimmender Verfahrensbeendigung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SpruchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Zulässigkeit von Vergleichsmehrwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Zulässigkeit überhöhter Aufwandspauschalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

III. Möglichkeit der Blockade eines verfahrensbeendenden Vergleichs durch einzelne Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Beispiele zur mehrheitskonsensualen Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) LG Hannover, Beschluss vom 27.5.2009 – 23 AktE 37/07 . . . . . . . . . . 230 b) OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 8.8.2013 – I-26 W 17/12 AktE und I-26 W 15/12 AktE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2. Zulässigkeit der mehrheitskonsensualen Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Verbandsrechtliches Mehrheitsprinzip als Geltungsgrund . . . . . . . . . . . 233 b) Gesicherte Schätzungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 c) Kein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

18

Inhaltsverzeichnis aa) Wertung von § 11 Abs. 2 SpruchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Wertung von § 327b Abs. 1 Satz 3 AktG-RegE . . . . . . . . . . . . . . . . 236 cc) Wertung von § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG-RefE . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 IV. Intransparenz der verfahrensbeendenden und -vermeidenden Abreden . . . . . . . 238 V.

Rechtspolitische Bewertung der geltenden Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

C. Lösungswege zur Missbrauchsbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I.

Verschärfung der Anforderungen an die Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Erfordernis eines Mindestanteilsbesitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Erfordernis einer Mindestbesitzzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

II.

Einführung eines qualifizierten Mehrheitsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Ausgewählte Einzelfragen zur Ausgestaltung des qualifizierten Mehrheitsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) Feststellung der maßgeblichen Anteilsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Stärkere Rolle des gemeinsamen Vertreters bei den Vergleichsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 d) Gewährung rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 e) Art der Mitwirkung des Gerichts bei der Verfahrensbeendigung . . . . . . 247

III. Stärkung der Figur des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 IV. Bekämpfung von Vergleichsmehrwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Strafbewehrtes Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Zustimmung des Prozessgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Deckelung der Vergleichswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 V.

Einführung einer generellen Publizitätspflicht für verfahrensvermeidende und -beendende Abreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

Teil 5 Zur mangelnden Eignung des Spruchverfahrens bei grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen am Beispiel der Verschmelzungsgründung einer Societas Europaea



A. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 I.

Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

II.

Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben durch den deutschen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

Inhaltsverzeichnis

19

1. Statthaftigkeit des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Spruchverfahren zur Bestimmung einer angemessenen baren Zuzahlung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SEAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Spruchverfahren zur Bestimmung einer angemessenen Barabfindung gemäß § 7 Abs. 7 Satz 1 und 2 SEAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 c) Beteiligung der ausländischen Aktionäre an einem Spruchverfahren vor deutschen Gerichten gemäß § 6 Abs.  4 Satz  2 oder § 7 Abs.  7 Satz  3 SEAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. „Faktische Sperre“ des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Anfechtbarkeit des Verschmelzungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Freigabe wegen überwiegenden Vollzugsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Besondere Schwere des Rechtsverstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 bb) Abwägung der wirtschaftlichen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 B. Analyse der Gründe für die „faktische Sperre“ des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . 258 I.

Internationale Sonderstellung des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Außerstreitverfahren zur Bestimmung einer angemessenen baren Zuzahlung gemäß § 22 Abs. 1 und 2 öSEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Außerstreitverfahren zur Bestimmung einer angemessenen Barabfindung gemäß § 21 öSEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 c) Beteiligung der ausländischen Aktionäre an einem Außerstreitverfahren vor österreichischen Gerichten gemäß § 22 Abs. 3 öSEG . . . . . . . . . . . 264

II.

Geringe Zustimmungsbereitschaft der ausländischen Aktionäre zur Durchführung eines Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Rechtskulturelle Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Prozessuale Waffenungleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 3. Liquiditätsabfluss bei der Societas Europaea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 4. Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Verfahrensausgangs . . . . . . . . . . . . . . 265

C. Lösungswege zur Überwindung der „faktischen Sperre“ des Spruchverfahrens . . . . 266 I.

Bestellung eines besonderen gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

II.

Streitgenössische Nebenintervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

III. Aufhebung des Verschlechterungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 IV. Gesetzliche Einräumung eines materiellen Anspruchs zugunsten der ausländischen Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

20

Inhaltsverzeichnis V.

Effektive Umgestaltung des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

VI. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die Überprüfung des Umtauschverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 VII. Vereinbarung eines materiellen Anspruchs zugunsten der ausländischen Ak­ tionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Teil 6

Alternative Rechtsschutzkonzepte

A. Institutionalisierte Vorverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 B. Abgekürztes Verfahren bei Bagatellstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C. Klassische Instrumente der kollektiven Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 I.

Gruppenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

II.

Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

III. Musterklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 D. Zwangsweise gemeinschaftliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 E. Schiedsgerichtliches Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 I.

Vorzüge eines schiedsgerichtlichen Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 1. Freie Wahl des Schiedsrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2. Kürzere Verfahrensdauer und geringere Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . 289 3. Möglichkeit der freien Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 4. Nicht-Öffentlichkeit des Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

II.

Zulässigkeit eines schiedsgerichtlichen Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Schiedsfähigkeit im Sinne von § 1030 Abs. 1 und 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Durchführbarkeit der Schiedsvereinbarung im Sinne von § 1032 Abs. 1 a. E. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Allseitige Schiedsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 aa) Schiedsklausel in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (1) Einführung einer Schiedsklausel bei Gründung der Gesellschaft 293 (2) Nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel . . . . . . . . . . . . 294 bb) Schiedsklausel im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag 294 cc) Schiedsabrede nach Einleitung eines Spruchverfahrens vor einem staatlichen Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Möglichkeit der Verfahrensbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 c) Mitwirkung der Betroffenen bei der Schiedsrichterauswahl . . . . . . . . . 296 d) Konzentration in einem Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Inhaltsverzeichnis

21

Teil 7

Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

Anhang 1: Beispiel aus der Praxis für ein strukturiertes Schätzungsverfahren . . . . 305 Anhang 2: Gesetzestexte Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Verzeichnis zitierter Gesetzgebungsmaterialien Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Verzeichnis zitierter Gesetzgebungsmaterialien Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

Abkürzungsverzeichnis ARUG BlgNR

Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates (Öst.) Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages BT-PlPr CAPM Capital Asset Pricing Model DAV Deutscher Anwaltverein DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit Deutscher Richterbund DRB DS Der Sachverständige Einl. Einleitung Erg. Ergebnis EuGrCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den AngeFamFG legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Frankfurter Allgemeine Zeitung F. A. Z. Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in FGG-RG den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit GerJZustVO Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz (Hess.) HFA Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer International Chamber of Commerce ICC IDW Institut der Wirtschaftsprüfer IDW S IDW Standard [Jahr] ILF Institute for Law and Finance JVEG Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit zur EntscheiKonzVOGesR dung in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten und in Angele­ genheiten der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (NRW) Lfg. Lieferung MarkenG Markengesetz n. v. nicht veröffentlicht öAktG Aktiengesetz (Öst.) SE-VO Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft SpruchG-RefE Referentenentwurf eines Spruchverfahrensgesetzes SpruchNOG Spruchverfahrensneuordnungsgesetz StGG Staatsgrundgesetz (Öst.) UStAE Umsatzsteuer-Anwendungserlass VGR Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht e. V. Vorb. Vorbemerkung WpÜG-Angebotsverordnung Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und

Abkürzungsverzeichnis

23

die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in ZivilZFGGZuVO sachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Rh.-Pf.) zit. zitiert Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutz der MenschenZusProt EMRK rechte und Grundfreiheiten Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der GerichtsZustVO-Justiz barkeit und der Justizverwaltung (Nds.) * * * Alle übrigen Abkürzungen sind allgemein bekannt oder ergeben sich aus: Duden online, Dudenredaktion (Hrsg.), abrufbar unter: http://www.duden.de/ Kirchner, Hildebert (Begründer): Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Aufl., Berlin 2013

Teil 1

Einleitung A. Grundlagen des Spruchverfahrens I. Wesen und Ziele des Spruchverfahrens Einem Spruchverfahren geht stets eine bestimmte aktien- oder umwandlungsrechtliche Strukturmaßnahme voraus, die auf die Aushöhlung, Umgestaltung oder Entziehung von Gesellschaftsanteilen gerichtet ist und deswegen die Pflicht zur Entschädigung des betroffenen Aktionärs zur Folge hat (z. B. Squeeze-out gem. §§ 327a bis 327f  AktG).1 Im Regelfall liegt der Maßnahme ein Konflikt zwischen der Gesellschaft bzw. dem Großaktionär auf der einen Seite und den bei der Beschlussfassung überstimmten Minderheitsaktionären (nachfolgend auch: außenstehende Aktionäre) auf der anderen Seite zugrunde. Je nach Art der Strukturmaßnahme kann der betroffene Aktionär in der Gesellschaft bleiben und als Ausgleich eine einmalige oder laufende Geldzahlung verlangen, oder er muss aus der Gesellschaft ausscheiden und erhält dafür eine Abfindung in Geld oder in Anteilen einer anderen Gesellschaft. In jedem Fall muss die Kompensation „an­ gemessen“ sein. Falls der außenstehende Aktionär das Kompensationsangebot2 für zu gering hält, kann er dessen Höhe im Spruchverfahren, einem besonderen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, gerichtlich überprüfen und mit Wirkung für und gegen jedermann anpassen lassen. Veranlasst durch die lange Dauer von Spruchverfahren nach früherem Recht und durch die zunehmende praktische Bedeutung solcher Verfahren, sind die alten Verfahrensregeln (§ 306  AktG und §§ 305 bis 312 UmwG i. d. F. vom 28.10.1994) im Jahr 2003 reformiert worden und seitdem im Spruchverfahrensgesetz enthalten.3 Der inhaltliche Schwerpunkt des Verfahrens liegt weiterhin in der Überprüfung der Unternehmensbewertung, die zwecks 1

Obwohl die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär ausschließlich die Zusammensetzung des Aktionärskreises betrifft (E.  Vetter, ZIP 2000, 1817, 1821), wird sie wie eine „Strukturmaßnahme“ behandelt. 2 Der Begriff „Kompensationsangebot“ beruht auf den Erkenntnissen über die Anspruchsbegründung bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages (vgl. statt vieler Hüffer, AktG, § 305 Rn. 2–4c) und wird generell für alle Spruchverfahrensanlässe verwendet. 3 Begr. RegE SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 1, S. 11; Simon, in: Simon, SpruchG, Einf. Rn. 49 f.

26

Teil 1: Einleitung

Ermittlung des Kompensationsangebotes bereits im Vorfeld der Strukturmaßnahme von einem Erstgutachter und einem sachverständigen Prüfer durchgeführt worden ist. Das Spruchverfahren dient sowohl dem Interesse des außenstehenden Aktionärs an der Gewährung effektiven Rechtsschutzes als auch dem Interesse der Gesellschaft an der zeitnahen Durchführung der beschlossenen Strukturmaßnahme.4 Ersterer hat bei einer Beeinträchtigung seiner durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Vermögensrechte einen Anspruch auf eine wirtschaftlich „volle“ Entschädigung, für deren Durchsetzung ihm ein „wirksamer“ Rechtsbehelf zur Seite stehen muss [dazu sogleich Teil 1, A. II.]; gleichzeitig soll die Strukturmaßnahme nicht durch eine Anfechtung des betreffenden Hauptversammlungsbeschlusses blockiert werden können.5 Deswegen ist eine Anfechtungsklage ausgeschlossen, die als Begründung auf die Verfolgung von Sondervorteilen oder auf die Unangemessenheit der angebotenen Kompensation gestützt wird (vgl. nur für den Squeeze-out: § 327f Satz 1 AktG). Darüber hinaus erstreckt § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG den Anfechtungsausschluss auf die bewertungsrelevanten Informationsrügen.6 Das Spruchverfahren folgt somit dem aus dem Verwaltungsrecht bekannten Prinzip des „dulde und liquidiere“.7

II. Verfassungsrechtlicher Hintergrund Der bezweckte aktienrechtliche Minderheitenschutz bringt es mit sich, dass Spruchverfahren in besonderem Maße verfassungsrechtlich geprägt sind. 1. Schutz des Anteilseigentums Seit der grundlegenden Feldmühle-Entscheidung aus dem Jahr 1962 zur vermögensübertragenden Mehrheitsumwandlung einer Aktiengesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft nach § 15 UmwG i. d. F. vom 12.11.1956 entspricht es ständiger Rechtsprechung des BVerfG, dass die Aktie dem Anteilsinhaber neben Mitgliedschaftsrechten auch Vermögensrechte gewährt und beide Gewährleistungen den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen.8 4 Begr. RegE SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 1, S. 11; Simon, in: Simon, SpruchG, Einf. Rn. 2; Wittgens, Das Spruchverfahrensgesetz, S. 1 f. 5 Begr. RegE SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 1, S. 11; Simon, in: Simon, SpruchG, Einf. Rn. 2; Wittgens, Das Spruchverfahrensgesetz, S. 1 f. 6 Vgl. hierzu eingehend Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, Anlage 1, S. 26; Hüffer, AktG, § 243 Rn. 47b f.; Noack/Zetzsche, ZHR 170 (2006), 218 ff. 7 Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, Einl. Rn. 6; Simons, in: Hölters, AktG, § 1 SpruchG Rn. 1. 8 BVerfG, Urt. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 276 f. = NJW 1962, 1667; BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 301 f. = NJW 1999, 3769;

A. Grundlagen des Spruchverfahrens

27

Die Regelung greift in das so verstandene Anteilseigentum ein. Eine Besonderheit ist, dass die Umwandlung die privatrechtliche Beziehung zwischen den Aktionärsgruppen umgestaltet.9 Der Staat ist nur am Rande beteiligt, sei es dass der Gesetzgeber der Hauptversammlung überhaupt die Befugnis gibt, die Umwandlung zu beschließen, oder dass das Registergericht über dessen Eintragung zu entscheiden hat. Folgerichtig verneint das BVerfG eine Enteignung i. S. v. Art.  14 Abs. 3 GG.10 Die Grundrechtswirkung knüpft dabei an die richterliche Spruchtätigkeit an, die als öffentliche Gewalt unmittelbar den Grundrechten unterworfen ist (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte),11 wobei als „Einbruchstelle“ der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit dient.12 2. Vorgaben für den aktienrechtlichen Minderheitenschutz Die Eigentumsgarantie ist ein normgeprägtes Grundrecht. Das bedeutet, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG den Gesetzgeber ermächtigt, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Bei der Ausgestaltung der Rechtsordnung muss der Gesetzgeber die Interessen der Beteiligten in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (Gebot der praktischen Konkordanz) und zu sämtlichen Aktionären die gleiche Distanz wahren (Gebot der Äquidistanz).13 Hierfür steht ihm ein großer Gestaltungsspielraum zu. Danach ist der Eingriff in das Anteilseigentum nur gerechtfertigt, wenn er aus gewichtigen Gründen des gemeinen Wohls erfolgt und die berechtigten Interessen der Minderheit gewahrt bleiben. Zum Minderheitenschutz gehören ein „wirksamer“ Rechtsbehelf gegen einen Missbrauch der wirtschaftlichen Macht und eine wirtschaftlich „volle“ Kompensation für den Verlust der Rechtsposition.14

BVerfG, Beschl. v.  20.12.2010  – 1 BvR 2323/07, AG 2011, 128, 129; vgl. hierzu die Fundamentalkritik von Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 643 und 646 sowie 665–667, welche für einen rein vermögensbezogenen Aktionärsschutz nach Art. 2 Abs. 1 GG plädieren sowie die eingehende Erwiderung von Klöhn, Das System der Abfindungsansprüche, S. 79 f. in Fn 18 und S. 88. 9 Schön, in: Habersack u. a., FS Ulmer, S. 1359, 1384. 10 BVerfG, Urt. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 277 = NJW 1962, 1667. 11 Grundlegend BVerfG, Urt. v.  15.1.1958  – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198, 204–207 = NJW 1958, 257; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 55. Lfg. 2009, Art. 1 Rn. 59 und 63. 12 Ebenso Klöhn, Das System der Abfindungsansprüche, S. 78. 13 BVerfG, Beschl. v.  30.5.2007  – 1 BvR 390/04, NJW 2007, 3268, 3270; BayObLG, Beschl. v.  18.12.2002  – 3Z BR 116/00, BayObLGZ 2002, 400, 408 = AG 2003, 569; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.10.2010 – 20 W 16/06, juris Rn. 130 (insoweit nicht in AG 2011, 49 abgedruckt). 14 BVerfG, Urt. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 282 f. = NJW 1962, 1667.

28

Teil 1: Einleitung

a) Gebot einer wirtschaftlich „vollen“ Kompensation Das Gebot einer wirtschaftlich „vollen“ Kompensation, welches als ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung zu verstehen ist, besagt, dass der Aktionär für Eingriffe in sein Anteilseigentum zum „wahren“ Wert seines Anteils entschädigt werden muss. Das BVerfG leitet das Gebot aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG her. Wenn diese Vorschrift durch den Hinweis auf die Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und des zu enteignenden Eigentümers eine geringere als die volle Kompensation zulasse, dann fehle ein solcher Grund gerade für die Abwägung im Verhältnis zwischen Gleichstehenden.15 Konkretisiert wurde das Gebot erstmals in der DAT/Altana-Entscheidung, in der das BVerfG den betriebswirtschaftlich ermittelten „wahren“ Wert dem Verkehrsoder Börsenwert gegenüberstellt.16 Die Minderheitsaktionäre würden durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bzw. eine Mehrheitseingliederung den Verkehrswert der Aktie verlieren. Die Abfindung müsse daher so bemessen sein, dass sie nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der Strukturmaßnahme erlangt hätten. Der Verkehrswert der Aktie sei regelmäßig identisch mit dessen Börsenkurs. Eine Überschreitung des Börsenkurses sei jederzeit zulässig, eine Unterschreitung dagegen nur, wenn der Börsenkurs ausnahmsweise nicht den Verkehrswert der Aktie widerspiegle, was von der herrschenden Gesellschaft bzw. der Hauptgesellschaft darzulegen und ggf. zu beweisen sei. Dagegen sei es verfassungsrechtlich nicht geboten, einen etwa existierenden Börsenwert einer dieser Gesellschaften als Wertobergrenze heranzuziehen. In der Folgezeit wurde diese Rechtsprechung mehrfach bestätigt und auf andere Strukturmaßnahmen übertragen.17 b) Gebot eines „wirksamen“ Rechtsbehelfs Das Gebot eines „wirksamen“ Rechtsbehelfs kann als prozessuale Fortwirkung des Gebots einer wirtschaftlich „vollen“ Kompensation verstanden werden. Dahinter steht die Überlegung, dass jeder materielle Anspruch nur so viel „wert“ ist, wie er auch in einem gerichtlichen Verfahren durchgesetzt werden kann. Geschützt sind – als Ausfluss des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs (Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) – der freie Zugang zu Gericht und 15

BVerfG, Urt. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 284 = NJW 1962, 1667. BVerfG, Beschl. v.  27.4.1999  – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 305–310 =  NJW 1999, 3769. 17 BVerfG, Beschl. v.  29.11.2006  – 1 BvR 704/03, NJW 2007, 828 ff. (Eingliederung); BVerfG, Beschl. v.  30.5.2007  – 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, NJW 2007, 3266 ff. (Verschmelzung); BVerfG, Beschl. v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04, NJW 2007, 3268 ff. (Squeezeout); BVerfG, Beschl. v.  20.12.2010  – 1 BvR 2323/07, AG 2011, 128 ff. (Verschmelzung); BVerfG, Beschl. v. 26.4.2011 – 1 BvR 2658/10, NJW 2011, 2497 ff. (Verschmelzung). 16

A. Grundlagen des Spruchverfahrens

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die Durchführung eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens vor dem gesetzlichen Richter sowie die Gewährung rechtlichen Gehörs. Nicht zuletzt haben die Verfahrensbeteiligten ein Recht auf eine Entscheidung in angemessener Zeit, worauf noch genauer eingegangen wird [siehe Teil 3, A. I.]. Das BVerfG deutet in der Feldmühle-Entscheidung an, dass es sich bei dem Gebot eines „wirksamen“ Rechtsbehelfs um einen sog. Fall des Grundrechtsschutzes durch Verfahren handelt. Danach macht Art. 14 Abs. 1 GG nicht nur Vorgaben für das materielle Recht, sondern auch für das dazugehörige Verfahrensrecht. Während die Rechtsweggarantie dem Betroffenen überhaupt den Weg zu einem staatlichen Gericht eröffnet, so bedeutet Grundrechtsschutz durch Verfahren, dass die Gerichte im jeweiligen Verfahren der normativen Geltung der Grundrechte tatsächliche Wirksamkeit verschaffen müssen.18 Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt das Recht auf effektiven Rechtsschutz, während Art. 14 Abs. 1 GG dieses Recht konkretisiert. Damit erfährt der Rechtsbehelf eine grundrechtsspezifische Prägung, was unter allen in Betracht kommenden Auslegungsmethoden eine verfassungskonforme Auslegung der Verfahrensregeln besonders nahelegt. Allerdings zeigt die Entwicklung in der Rechtsprechung des BVerfG, dass man den verfahrensrechtlichen Aspekt des Art.  14 Abs.  1  GG nicht überbewerten sollte.19 In der Feldmühle-Entscheidung spricht sich das BVerfG noch für ein Spruchverfahren anstelle eines Zivilprozesses aus.20 In der darauf folgenden DAT/Altana-Entscheidung stellt es nur noch fest, dass die Kompensationsansprüche durch die Möglichkeit, ein Spruchverfahren zu betreiben, verfahrensrechtlich abgesichert seien.21 In der Moto Meter-Entscheidung zur übertragenden Auflösung des Vermögens einer Aktiengesellschaft auf den Mehrheitsaktionär nach § 179a AktG hält das BVerfG das Spruchverfahren schließlich nicht mehr für zwingend geboten, sondern weist darauf hin, dass die gerichtliche Kontrolle auch im Rahmen einer Anfechtungsklage erfolgen könne.22

III. Praktische Bedeutung des Spruchverfahrens Spruchverfahren kommen häufig vor, wobei sich ihre praktische Bedeutung auf börsennotierte Gesellschaften mit Streubesitz konzentriert.23 So wurden im Zeitraum von 1965 bis 2010 insgesamt 594 Verfahren eingeleitet, von denen inzwi-

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BVerfG, Beschl. v. 10.10.1978 – 1 BvR 475/78, BVerfGE 49, 252, 257 = NJW 1979, 538. Gude, Strukturänderungen, S. 175. 20 BVerfG, Urt. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 287 = NJW 1962, 1667. 21 BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 297 und 304 = NJW 1999, 3769. 22 BVerfG, Beschl. v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, NJW 2001, 279, 281. 23 Kubis, in: MünchKomm-AktG, Vorb. SpruchG Rn. 6; zustimmend Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 27. 19

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Teil 1: Einleitung

schen 400 rechtskräftig beendet worden sind.24 Auch gemessen an der Gesamtzahl der entschädigungspflichtigen Strukturmaßnahmen wird von einer außerordentlich hohen Bereitschaft ausgegangen, ein Spruchverfahren einzuleiten.25 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass hierzu bislang keine wirklich belastbaren Daten vorliegen, da sich die entsprechenden Untersuchungen jeweils nur auf bestimmte Zeiträume und Strukturmaßnahmen beschränken. Im Gegensatz zu den Beschlussmängelstreitigkeiten, d. h. der Nichtigkeitsund Anfechtungsklage einschließlich des Freigabeverfahrens, bei denen die Eingangszahlen seit dem Jahr 2009 deutlich zurückgegangen sind,26 ist die Anzahl der Spruchverfahren auch nur leicht rückläufig.27 Ursächlich dafür ist ein Rückgang der Squeeze-out-Verfahren, deren Einführung im Jahr 2002 zunächst zu einem sprunghaften Anstieg der Spruchverfahren geführt hat.28 Diese „Anfangswelle“ spiegelt sich nun zeitversetzt in der Anzahl der beendeten Spruchverfahren wider. Demgegenüber wirken sich bei dem Rückgang der Beschlussmängelstreitigkeiten v. a. die Regelungen des zum 1.9.2009 in Kraft getretenen ARUG aus, welche auf eine wirksame Bekämpfung des „Klagegewerbes“ zielen.29 Vor diesem Hintergrund prognostizieren Engel/Puszkajler, dass sich die Aktivitäten der „Berufskläger“ auf die Spruchverfahren verlagern werden,30 während in älteren Studien noch davon ausgegangen wird, dass gerade umgekehrt Anfechtungsklage erhoben wird, um – quasi funktionswidrig – eine höhere Kompen­sation zu erlangen, die an sich im Spruchverfahren festzusetzen wäre.31 Dies unterstreicht einmal mehr die zunehmende praktische Bedeutung von Spruchverfahren. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in wachsendem Maße dazu tendiert, die Überprüfung des Kompensationsangebotes nach bestimmten Strukturmaßnahmen dem Spruchverfahren zuzuweisen.32

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Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 27. Zum empirischen Nachweis vgl. W.  Baums, Der Ausgleich nach § 304  AktG, S.  190; Dörfler/Gahler/Unterstraßer/Wirichs, BB 1994, 156, 159 in Fn 16; Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 33; Rathausky, AG-Report 2004, R 24; ohne empirischen Nachweis auch Simon, in: Simon, SpruchG, Einf. Rn. 62; Tomson/Hammerschmitt, NJW 2003, 2572. 26 Zum empirischen Nachweis vgl. Bayer/Hoffmann/Sawada, ZIP 2012, 897, 899 und 903; Bayer/Hoffmann, ZIP 2013, 1193, 1200 f. 27 Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 30. 28 Zum empirischen Nachweis vgl. Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 31; Munkert, Der Kapitalisierungszinssatz, S. 104. 29 Bayer/Hoffmann/Sawada, ZIP 2012, 897, 900 und 903; zurückhaltender Schatz, Der Missbrauch der Antragsbefugnis, S. 210 und 220. 30 Engel/Puszkajler, BB 2012, 1687, 1692. 31 So T.  Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629, 1645; T.  Baums/Drinhausen/Keinath, ILF Working Paper Series No.  130, S.  84 (insoweit nicht in ZIP 2011, 2329 abgedruckt); zustimmend Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 265 f.; Simons, in: Hölters, AktG, § 15 SpruchG Rn. 3. 32 Vgl. zur Rechtsentwicklung Hüffer, AktG, § 1 SpruchG Rn. 2; Kubis, in: MünchKommAktG, Vorb. SpruchG Rn. 4. 25

A. Grundlagen des Spruchverfahrens

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IV. Anwendungsfälle des Spruchverfahrens im Überblick Die Tendenz zur umfassenden Verfahrenszuweisung leitet über zu der Frage, welche Fälle dem Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes de lege lata unterfallen bzw. de lege ferenda unterfallen sollen. 1. Gesetzlich genannte Anwendungsfälle Die gesetzlich genannten Anwendungsfälle des Spruchverfahrens sind im Wesentlichen in § 1 Nr. 1 bis 6 SpruchG zusammengefasst.33 An erster Stelle ist der aktienrechtliche Squeeze-out zu nennen, bei dem Minderheitsaktionäre durch die zwangsweise Übertragung ihrer Aktien auf den Hauptaktionär aus der Gesellschaft hinausgedrängt werden (§ 1 Nr.  3  SpruchG i. V. m. §§ 327a bis 327f AktG). Seit dem 15.7.2011 sieht § 62 Abs. 5 UmwG als vorbereitende Maßnahme für eine Konzernverschmelzung auch die Möglichkeit eines umwandlungsrechtlichen Squeezeout vor, welcher hinsichtlich der Rechtsfolgen freilich auf den aktienrechtlichen Squeeze-out verweist und deswegen hier nicht weiter interessieren soll.34 Eng mit dem aktienrechtlichen Squeeze-out verbunden, aber praktisch weniger bedeutsam, ist die Mehrheitseingliederung (§ 1 Nr. 2 SpruchG i. V. m. § 320b AktG). Am zweithäufigsten kommen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge vor, bei denen die Vermögensrechte der außenstehenden Aktionäre verkürzt werden (§ 1 Nr. 3 SpruchG i. V. m. §§ 304, 305 AktG). Ebenso führt die Änderung eines solchen Vertrages zu einem erneuten Spruchverfahren, wenn sie sich wesentlich auf die Kompensation auswirkt und deshalb gem. § 295 Abs. 2 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf.35 Des Weiteren erfasst § 1 Nr.  4  SpruchG diverse Umwandlungsvorgänge, und zwar die Verschmelzung (§§ 15, 34 UmwG), die Auf- und Abspaltung (§ 125 UmwG), den Formwechsel (§§ 196, 212 UmwG), die Vermögensübertragung (§§ 176 bis 181, 184, 186  UmwG) sowie die grenzüberschreitende Verschmelzung (§§ 122h, 122i UmwG). Nach § 1 Nr. 5 SpruchG ist das Spruchverfahren zudem statthaft für die Bestimmung der Zuzahlung an Anteilsinhaber oder der Barabfindung von Anteilsinhabern bei der Verschmelzungsgründung (§§ 6, 7 SEAG), Holdinggründung (§§ 9, 11 SEAG) oder Sitzverlegung (§ 12 SEAG) einer SE. Die jüngste Erweiterung des Anwendungsbereichs des Spruchverfahrensgesetzes datiert vom Jahr 2006 und betrifft die Bestimmung der Zuzahlung an Mitglieder bei der Verschmelzungsgründung einer Europäischen Genossenschaft (§ 1 Nr. 6 SpruchG i. V. m. § 7 SCEAG). 33 Zur Häufigkeit der einzelnen Verfahrensanlässe vgl. Fast/Hofmann/Knoll, ZSteu 2010, 21, 22; Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 27–32; Lorenz, AG 2012, 284, 285; Munkert, Der Kapitalisierungszinssatz, S. 104. 34 Vgl. hierzu eingehend Austmann, NZG 2011, 684 ff.; Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 62 Rn. 32c–32h. 35 BayObLG, Beschl. v. 23.10.2002 – 3Z BR 370/01, AG 2003, 631, 633; LG München I, Beschl. v. 12.5.2011 – 5 HK O 14543/10, AG 2011, 801, 802; Kort, NZG 2004, 313, 315.

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Absichtlich nicht in den Katalog des § 1 SpruchG aufgenommen wurde wegen ihrer sachlich und zeitlich begrenzten Bedeutung die Bestimmung des Ausgleichs bei dem Erlöschen oder der Beseitigung von Mehrstimmrechten (§ 5 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 EGAktG).36

2. Gesetzlich nicht genannte Anwendungsfälle Die Aufzählung in § 1 SpruchG hat nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine klarstellende Funktion,37 auch wenn sich die Vorschrift abschließend lesen mag. Es ist deshalb nicht generell ausgeschlossen, das Spruchverfahrensgesetz auf vergleichbare Streitigkeiten entsprechend anzuwenden,38 zumal Verfahrensregeln nicht vorgeben können, unter welchen materiellen Voraussetzungen ein Spruchverfahren stattzufinden hat.39 Vielmehr folgt aus dem Bestehen eines materiellen Anspruchs, dass dieser auch prozessual durchsetzbar sein muss. Eine Vertiefung dieses Problems ist hier nicht angezeigt. Die folgenden Ausführungen sind daher lediglich als ein Überblick zu verstehen.40

a) Reguläres Delisting Der praktisch einzig anerkannte, gesetzlich nicht genannte Anwendungsfall betrifft das reguläre Delisting. Darunter versteht man den Widerruf der Zulassung zum regulierten Handel, den die Zulassungsstelle durch Verwaltungsakt auf Antrag des Emittenten ausspricht (§ 39 Abs. 2 BörsG).41 Nach der Macroton-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2002 ist ein Delisting nur dann zulässig, wenn (1) die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit zugestimmt hat, (2) die Gesellschaft oder der Großaktionär den betroffenen Minderheitsaktionären ein angemessenes Barabfindungsangebot gemacht haben und (3) dieses Angebot im Spruchverfahren überprüft werden kann.42 Zur Begründung verweist der BGH auf die DAT/Altana-Entscheidung, in der das BVerfG den Ver-

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Begr. RegE SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 1, S. 12; Wasmann, BB 2003, 57. Begr. RegE SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 1, S. 12; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses SpruchNOG, BT-Drucks. 15/838, S. 16. 38 Büchel, NZG 2003, 793, 794; Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1  SpruchG Rn.  16; Hüffer, AktG, Anh. § 305, § 1 SpruchG Rn. 6; a. A. für eine bei Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes bereits erörterte analoge Anwendung Rühland, WM 2002, 1957, 1966. 39 Bidmon, Die Reform des Spruchverfahrens, S. 53 f. 40 Ausführlich Wulff, Die Anwendung des Spruchverfahrens auf gesetzlich nicht geregelte Fälle (demnächst veröffentlicht). 41 Vgl. statt vieler Hüffer, AktG, § 119 Rn. 21. 42 BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 53–59 = NJW 2003, 1032. 37

A. Grundlagen des Spruchverfahrens

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kehrswert der Aktie und die Möglichkeit seiner jederzeitigen Realisierbarkeit als Eigenschaften des Anteilseigentums bezeichnet hat.43 Die vom BGH leider offen gelassene gesetzliche Grundlage des Barabfindungsanspruchs soll sich aus §§ 305, 320b, 327a AktG, §§ 29, 207  UmwG analog er­ geben.44 Bejaht man eine Barabfindungsverpflichtung, so ist es auch nur konse­ quent, die Angemessenheit des Angebots analog § 1 SpruchG im Spruchverfahren zu überprüfen (Anspruchslösung),45 anstatt sie zur Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses zu machen (Bedingungslösung).46 Das BVerfG hat dieser Rechtsprechung nunmehr die verfassungsrechtliche Grundlage entzogen, indem es feststellte, dass der Widerruf der Börsenzulassung den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht berühre, da dieser nur die rechtliche Übertragbarkeit einer Aktie und nicht deren tatsächliche Verkehrsfähigkeit erfasse.47 Daraufhin hat der BGH in der FRoSTA-Entscheidung aus dem Jahr 2013 seine bisherige Rechtsprechung zum Delisting aufgegeben.48 Dies hat nach allgemeiner Auffassung zur Folge, dass entsprechende Spruchverfahren in Zukunft nicht mehr statthaft sind.49 Soweit im Rahmen dieser Arbeit noch auf das Delisting eingegangen wird, sind deswegen die Altfälle gemeint. b) Weitere gesetzlich nicht genannte Anwendungsfälle Mitunter wird schon de lege lata für die Überprüfung überhöhter Kompensationsleistungen durch die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers bei einer Verschmelzung eine entsprechende Anwendung des Spruchverfahrensgesetzes angenommen.50 Das soll auch für die Bestimmung der angemessenen Kompensation bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einer 43 BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 305 = NJW 1999, 3769. 44 KG, Beschl. v. 31.10.2007 – 2 W 14/06, AG 2008, 295, 296 f.; Wulff, Die Anwendung des Spruchverfahrens auf gesetzlich nicht geregelte Fälle (demnächst veröffentlicht); zur Annahme davon abweichender Rechtsgrundlagen vgl. BayObLG, Beschl. v. 1.12.2004 – 3Z BR 106/04, BayObLGZ 2004, 346, 355 = AG 2005, 288 (Analogie zu § 207 UmwG); Hüffer, AktG, § 119 Rn. 25 (Analogie zu §§ 29 Abs. 1 Satz 2, 207 UmwG); J. Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 39 f. (Analogie zu §§ 207 UmwG, 305 AktG). 45 BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 57 f. = NJW 2003, 1032; KG, Beschl. v. 31.10.2007 – 2 W 14/06, AG 2008, 295, 297; Hüffer, AktG, § 119 Rn. 25; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 802 f. 46 Krolop, NZG 2005, 546 f. 47 BVerfG, Urt. v. 11.7.2012 − 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, NJW 2012, 3081, 3­ 082–3084. 48 BGH, Beschl. v. 8.10.2013 – II ZR 26/12, NJW 2014, 146 ff. 49 Kocher/Widder, NJW 2014, 127, 130; Wieneke, NZG 2014, 22, 25; Wasmann/Glock, DB 2014, 105, 108. 50 Fritzsche/Dreier/Verfürth,  SpruchG, § 1  Rn.  156 f.; tendenziell auch BGH, Urt. v. 18.12.2000  – II ZR 1/99, BGHZ 146, 179, 189 =  NJW 2001, 1425; ablehnend Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 1 SpruchG Rn. 29; J. Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 35–37.

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Teil 1: Einleitung

abhängigen GmbH gelten.51 De lege ferenda wird eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Spruchverfahrensgesetzes insbesondere für folgende Fälle diskutiert: (1) die Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG;52 (2) die Überprüfung des Pflichtangebotes gem. § 35 Abs. 2 WpÜG;53 (3) die Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss gem. § 255 Abs.  2  AktG;54 (4)  die Kapitalherabsetzung durch Zwangseinziehung gem. § 237 AktG;55 (5) die faktische Beherrschung.56 Hierbei handelt es sich – wie eingangs erwähnt – um eine verfahrensrechtliche Folgefrage. Primär geht es darum, in welchen Fällen Eingriffe in die Mitgliedschafts- und/ oder Vermögensrechte der Anteilsinhaber durch einen materiellen, der Höhe nach bewertungsabhängigen Anspruch kompensiert werden müssen.57

V. Vorzüge des Spruchverfahrens gegenüber der Anfechtungsklage Die Diskussion über die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Spruch­ verfahrensgesetzes lässt sich nur im Hinblick auf die Vorzüge jenes Verfahrens gegenüber der alternativ in Betracht kommenden Anfechtungsklage verstehen. 1. Bestandssicherheit des Hauptversammlungsbeschlusses Für die Gesellschaft hat das Spruchverfahren den Vorteil, dass sie nicht befürchten muss, die geplante und mit der erforderlichen Mehrheit beschlossene Strukturmaßnahme werde letztlich durch die Anfechtungsklage einer Minderheit blockiert. Dabei ist zu bedenken, dass die Maßnahmen oft unternehmensstrategische Entscheidungen von großer wirtschaftlicher Tragweite betreffen und das Unternehmen auf eine zeitnahe und u. U. sogar zeitgenaue Durchführung angewiesen ist.58 51 Bidmon, Die Reform des Spruchverfahrens, S. 57 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 SpruchG Rn. 14; Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 1 SpruchG Rn. 18. 52 Befürwortend Bidmon, Die Reform des Spruchverfahrens, S.  63; Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, § 1 Rn. 50. 53 Befürwortend Bidmon, Die Reform des Spruchverfahrens, S.  67; Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, § 1 Rn. 141; ablehnend Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 SpruchG Rn. 26. 54 Befürwortend Bidmon, Die Reform des Spruchverfahrens, S.  62 f.; BDI u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum RegE SpruchNOG, S. 2; Wulff, Die Anwendung des Spruchverfahrens auf gesetzlich nicht geregelte Fälle (demnächst veröffentlicht); ablehnend LG Mannheim, Beschl. v. 4.12.2006 – 23 AktE 24/04, NZG 2007, 639, 639 f.; Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 1 SpruchG Rn. 30; Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 SpruchG Rn. 23. 55 Befürwortend Hüffer, AktG, § 237 Rn. 18; ablehnend Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 SpruchG Rn. 23. 56 Ablehnend OLG München, Beschl. v. 24.6.2008 – 31 Wx 83/07, AG 2008, 672, 673 f.; Drescher, in: Spindler/Stilz,  AktG, § 1  SpruchG Rn.  22; Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 1 SpruchG Rn. 19. 57 Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 SpruchG Rn. 16; J. Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 16. 58 Holler, Das Verhältnis von Anfechtungsklage und Spruchverfahren, S. 42.

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Die Blockade ergibt sich – verkürzt gesprochen – daraus, dass die zur Wirksamkeit der Strukturmaßnahme erforderliche Registereintragung die Negativerklärung voraussetzt, dass gegen den Beschluss keine Anfechtungsklage erhoben worden ist bzw. dass das Gericht eine solche Klage für unbeachtlich festgestellt hat. Die Registersperre kann zwar auf Antrag der beklagten Gesellschaft im Freigabeverfahren überwunden werden. Das setzt voraus, dass das Gericht die Klage entweder für unzulässig oder offensichtlich unbegründet hält, ein vorrangiges Interesse am alsbaldigen Wirksamwerden des Beschlusses annimmt oder der Kläger nicht fristgerecht einen hinreichenden Anteilsbesitz nachgewiesen hat (vgl. nur für die Verschmelzung: § 16 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bis 3 UmwG). Beim Freigabeverfahren handelt es sich jedoch um ein besonderes Eilverfahren, welches im Allgemeinen als ungeeignet zur Entscheidung über Bewertungsrügen angesehen wird.59 Ob diese Auffassung nach der Reform des Freigabeverfahrens durch das ARUG noch zutrifft, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt [siehe hierzu eingehend Teil 5, A. II. 2. b)]. Immerhin wird durch die Verweisung des Rechtsstreits in das Spruchverfahren die Anfechtungsklage ein Stück weit entlastet. 2. Zielgenauer und effektiverer Rechtsbehelf Für die Minderheitsaktionäre stellt das Spruchverfahren den zielgenauen und damit rechtsschutzintensiveren Rechtsbehelf dar.60 Die Anfechtungsklage würde das Rechtsschutzziel des betroffenen Aktionärs gleich in zweifacher Weise verfehlen. Zum einen würde sie die Nichtigerklärung des Beschlusses bewirken, selbst wenn der Anfechtungskläger die Maßnahme an sich befürwortet und nur die Höhe der angebotenen Kompensation bemängelt. Die Entkoppelung des Rechtsstreits vom Primärrechtsschutz erspart ihm dann den Konflikt, ob er seine individuellen, kurzfristigen Interessen den kollektiven, langfristigen Interessen hintanstellt.61 Zum anderen könnte der Anfechtungskläger auch nur die Aufhebung einer unangemessenen Kompensation erreichen, nicht aber die Festsetzung einer angemessenen Kompensation. Er müsste im Anschluss entweder mehrere Anfechtungsklagen hintereinander führen oder die angemessene Kompensation selbständig im Verhandlungsweg durchsetzen.62 Die Entscheidung im Spruchverfahren führt stattdessen zu einem reformatorischen Ergebnis, weil das Gericht von vorn 59 Vgl. zu § 16 Abs.  3  UmwG i. d. F. vom  28.10.1994 Fraktionsentwurf UmwBerG, BTDrucks. 12/6699, S. 89; vgl. zu § 16 Abs. 3 UmwG i. d. F. vom 22.7.1998 DAV, NZG 2000, 802, 803; Martens, AG 2000, 301, 305 f.; J. Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 16. 60 Ding, Missbräuchliche Anfechtungsklage, S.  135; Holler, Das Verhältnis von Anfechtungsklage und Spruchverfahren, S. 39. 61 Fritzsche/Dreier, BB 2002, 737, 739; Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, Einl. Rn. 10; ähnlich Hoffmann-Becking, ZGR 1990, 482, 484 in Bezug auf die Einführung eines Widerspruchserfordernisses als Voraussetzung für die Durchführung eines Spruchverfahrens. 62 Ding, Missbräuchliche Anfechtungsklage, S.  135; Holler, Das Verhältnis von Anfechtungsklage und Spruchverfahren, S. 38.

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herein die angemessene Kompensation festsetzt, auch wenn der Beschluss selbst noch keinen Vollstreckungstitel darstellt.63 Deswegen muss, wenn der Antragsgegner die geschuldete Leistung nicht erbringt – was in der Praxis freilich nur sehr selten vorkommt –,64 zusätzlich Leistungsklage erhoben werden (§ 16 SpruchG). 3. Verfahrenstechnische Vorteile Im Hinblick auf die Effektivität des Rechtsschutzes bietet das Spruchverfahren dem rechtsschutzsuchenden Aktionär gewisse verfahrenstechnische Vorteile gegenüber der Anfechtungsklage. § 17 Abs. 1 SpruchG weist das Spruchverfahren den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu. Konkret handelt es sich um ein Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit,65 welches sich dadurch auszeichnet, dass die Beteiligten vergleichbar den Parteien eines Zivilprozesses über ein Recht oder Rechtsverhältnis streiten. Damit vereinigt das Spruchverfahren Elemente der klassischen freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Zivilprozesses. Da für Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit das FamFG allerdings keine besonderen Vorschriften enthält, fragt sich, ob insoweit auf das Verfahrensrecht der ZPO zurückgegriffen werden kann, wenn nicht bereits das Spruchverfahrensgesetz selbst die Geltung einzelner ZPO-Vorschriften anordnet (vgl. z. B. § 8 Abs. 3 SpruchG). Ein Analogieschluss könnte daran scheitern, dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, weil das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erst kürzlich grundlegend reformiert worden ist. Anders als das FGG ist das FamFG eine auf systematische Geschlossenheit angelegte Verfahrensordnung66 und weist deshalb eine deutlich höhere Regelungsdichte auf. Allerdings standen Verfahren, für die das FamFG lediglich über eine Verweisung Anwendung findet, nicht im Fokus der Reformbestrebung.67 Außerdem hat der Gesetzgeber den Begriff der Streitsachen, und zwar der Familienstreitsachen, selbst in § 112 FamFG ausdrücklich definiert. Für sie gilt über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG das Verfahrensrecht der ZPO. Diese Zusammenhänge legen es nahe, auch bei Spruchverfahren bestehende Lücken durch Anwendung der ZPO-Vorschriften zu schließen, wenn und soweit das Verfahren im Hinblick auf die vorgefundene Interessenlage mit derjenigen des Zivilprozesses vergleichbar ist.68

63 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 SpruchG Rn. 4; Simons, in: Hölters, AktG, § 13 SpruchG Rn. 10. 64 Simons, in: Hölters, AktG, § 16 SpruchG Rn.  1; Weingärtner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 16 SpruchG in Fn 1. 65 BGH, Beschl. v. 13.3.2006 – II ZB 26/04, BGHZ 166, 329, 333 = AG 2006, 414; Bidmon, Die Reform des Spruchverfahrens, S. 28; Puszkajler, in: Kölner Komm SpruchG, Vorb. §§ 7–11, Rn. 14. 66 Begr. RegE FGG-RG, BT-Drucks. 16/6308, Anlage 1, S. 164. 67 Preuß, NZG 2009, 961. 68 Ulrici, in: Münch Komm, ZPO, Vorb. §§ 23 ff. FamFG Rn. 3.

A. Grundlagen des Spruchverfahrens

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a) Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes Diverse Gesetzgebungsmaterialien älteren und jüngeren Datums offenbaren die gesetzgeberische Vorstellung, dass das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine gerechtere und schnellere Entscheidung ermöglicht.69 Als Vorteil der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist v. a. anzusehen, dass gem. § 26 FamFG der Richter anstelle der Parteien für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen zuständig ist. Die größere Unabhängigkeit, die der Richter bei der Wahrheitsfindung und Verfahrensführung genießt, spiegelt sich in dem weitgehenden Verzicht auf Förmlichkeiten und in den weitläufigen richterlichen Befugnissen wider. Dies soll einerseits einen optimalen Interessenausgleich bei der Gestaltung der oft sehr komplexen Rechtsverhältnisse sicherstellen und andererseits ein zügiges, effizientes und ergebnisorientiertes Arbeiten ermöglichen.70 Folglich wird durch die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes der Antragsteller in gewissem Umfang entlastet, die Höhe der angemessenen Kompensation selbst darlegen und beweisen zu müssen, zumal typischerweise nur die Gesellschaft über die erforderlichen Informationen verfügt (sog. strukturelles Informationsdefizit).71 b) Verschlechterungsverbot Ein weiterer Vorteil des Spruchverfahrens stellt das ungeschriebene Verbot der reformatio in peius dar. Es soll bei Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Rechtsmittelführer davor bewahren, durch die Anfechtung der ihm teilweise ungünstigen Entscheidung zu verlieren, was ihm die Vorinstanz bereits zuerkannt hat.72 Dieser Verfahrensgrundsatz findet auch bei Spruchverfahren entsprechende Anwendung, insofern als das Gericht die ursprünglich angebotene Kompensation nur herauf-, nicht aber herabsetzen darf.73

69 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S. 189; Begr. RegE FGGRG, BT-Drucks. 16/6308, Anlage 1, S. 161; ebenso Jänig/Leißring, ZIP 2010, 110, 111. 70 Begr. RegE FGG-RG, BT-Drucks. 16/6308, Anlage 1, S. 161. 71 BVerfG, Urt. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 287 = NJW 1962, 1667; Begr. RegE SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 1, S. 18; Stellungnahme des BR SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 2, S. 25; Emmerich, in: Keller u. a., FS Tilmann, S. 925, 932. 72 BGH, Beschl. v. 30.11.1955 – IV ZB 90/55, BGHZ 19, 196, 199 = NJW 1956, 380; Sternal, in: Keidel, FamFG, § 69 Rn. 22. 73 OLG Karlsruhe, Beschl.  v. 15.11.2012  – 12 W 66/06, AG 2013, 353, 354; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 SpruchG Rn. 3; Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 11 SpruchG Rn. 6.

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Teil 1: Einleitung

c) Geringeres Kostenrisiko für die Antragsteller Dem Verschlechterungsverbot steht auch nur ein geringes Kostenrisiko für die Antragsteller gegenüber. Die Kostenverteilung im Spruchverfahren folgt dem Billigkeitsprinzip (§ 15 Abs.  2 und Abs.  4  SpruchG), wohingegen sich bei der Anfechtungsklage die Kostenverteilung streng nach dem Obsiegen und Unterliegen richtet (§§ 91 ff. ZPO). In der Praxis müssen die Antragsteller kaum je befürchten, mit den Kosten des Verfahrens belastet zu werden [siehe hierzu eingehend Teil 3, B. VI.]. d) Inter-omnes-Wirkung der Entscheidung Beachtung verdient zudem die Inter-omnes-Wirkung der Entscheidung gem. § 13 Satz  2  SpruchG, welche zum einen für eine materielle Gleichbehandlung der Anspruchsinhaber sorgen und zum anderen den Antragsgegner vor einer Vielzahl von Einzelklagen mit u. U. divergierenden Entscheidungen schützen soll.74 Danach erwächst die Entscheidung in materieller Rechtskraft nicht nur zwischen den unmittelbaren Verfahrensbeteiligten, sondern sie wirkt auch für und gegen alle übrigen, nicht am Verfahren beteiligten Anspruchsinhaber. e) Wahrung der Interessen der nichtantragstellenden Antragsberechtigten durch den gemeinsamen Vertreter Bei Anfechtungsklagen wirken die rechtskräftigen Urteile gem. § 241 Nr. 5 AktG zwar auch rechtsgestaltend, verfahrensrechtlich abgesichert wird die Inter-omnesWirkung in Spruchverfahren aber zusätzlich durch die Rechtsfigur des gemeinsamen Vertreters. Dieser hat v. a. die Aufgabe, das Recht der nichtantragstellenden Antragsberechtigten auf rechtliches Gehör zu wahren,75 welche aufgrund der Inter-omnes-Wirkung unmittelbar rechtlich von der Entscheidung betroffen sind.76 Dazu gehört, dass er für eine sachgemäße Durchführung des Verfahrens sorgt, insbesondere dann, wenn die Antragsteller selbst nicht fachkundig oder nicht anwaltlich vertreten sind.77 74

Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 13 SpruchG Rn. 1; Wiesen, ZGR 1990, 503, 505. Fritzsche/Dreier/Verfürth,  SpruchG, § 6  Rn.  2; Kubis, in: MünchKomm-AktG, §  6 SpruchG Rn. 1. 76 Zum Erfordernis der unmittelbaren rechtlichen Betroffenheit vgl. BVerfG, Beschl. v.  9.2.1982  – 1 BvR 191/81, BVerfGE 60, 7, 13 =  NJW 1982, 1635; BVerfG, Beschl. v. 3.11.1983 – 2 BvR 348/83, BVerfGE 65, 227, 233 = NJW 1984, 719; Schmid-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 48. Lfg. 2006, Art. 103 Rn. 40. 77 LG Dortmund, Beschl. v. 22.6.1971 – 10 AktE 3/70, AG 1971, 302; Wiesen, ZGR 1990, 503, 509. 75

A. Grundlagen des Spruchverfahrens

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f) Kritische Würdigung Bei all den verfahrenstechnischen Vorteilen ist darauf hinzuweisen, dass durch die Reform des Spruchverfahrens dem Antragsteller diverse Darlegungs- und Verfahrensförderungspflichten auferlegt worden sind und dass sich sein Kostenrisiko – zumindest theoretisch – erhöht hat (vgl. § 4 Abs. 2, § 7 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5, § 8 Abs. 3, §§ 9, 10, § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG). Außerdem hat das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Fassung des FamFG durch die An­ näherung an den Zivilprozess inzwischen einen großen Teil  seiner Verfahrens­ flexibilität eingebüßt.78 Deswegen werfen Teile des Schrifttums dem Gesetzgeber eine mangelnde Konsequenz vor und plädieren für eine Integrierung des Spruchverfahrens in die Zivilprozessordnung.79 Dabei wird jedoch verkannt, dass auch dies nicht ohne Inkaufnahme von Systembrüchen geschehen kann. Beispielsweise würde das strukturelle Informationsdefizit der Minderheitsaktionäre Erleichterungen bei der Darlegungsund Beweislast erforderlich machen. Auch führt die uneingeschränkte Geltung des Beibringungsgrundsatzes dort zu Schwierigkeiten, wo das materielle Recht dem Richter ein weites Ermessen einräumt. Damit die Parteien ihrer Darlegungslast genügen können, müssen sie wissen, an welche Tatbestandsvoraussetzungen bestimmte Rechtsfolgen geknüpft sind. Verzichtet das Gesetz aber auf die Normierung klarer Tatbestände, lassen sich die Verantwortlichkeiten für die Auf­klärung des Sachverhalts kaum abstrakten Regeln zuweisen.80 So liegt der Fall hier in Bezug auf die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“. Außerdem ist zu bedenken, dass der Zivilprozess auf eine Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien ausgerichtet ist, während bei dem Spruchverfahren immer noch ein gemeinsamer Vertreter zur Wahrung der Interessen der nichtantragstellenden Antragsberechtigten zu beteiligen wäre. Nach alldem erscheint die Zuweisung des Spruchverfahrens zu den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach wie vor berechtigt.

VI. Unzulänglichkeiten des Spruchverfahrens nach dem Spruchverfahrensgesetz Die Vorzüge des Spruchverfahrens nach dem Spruchverfahrensgesetz können freilich nicht über dessen Unzulänglichkeiten hinwegtäuschen.

78

Jänig/Leißring, ZIP 2010, 110, 111. Bidmon, Die Reform des Spruchverfahrens, S. 265; Puszkajler, ZIP 2003, 518, 520. 80 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 2 Rn. 4. 79

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Teil 1: Einleitung

1. Überlange Verfahrensdauer Das oberste Ziel der Reform des Spruchverfahrens, die als zu lang empfundene Verfahrensdauer spürbar zu verkürzen,81 wurde nach einhelliger Ansicht nicht erreicht.82 Dies belegen zahlreiche empirische Studien älteren und jüngeren Datums.83 So ermittelte Lorenz für die in den Jahren 2009 bis 2011 rechtskräftig beendeten Spruchverfahren eine durchschnittliche Verfahrensdauer von 6 Jahren und 11  Monaten.84 Über einen längeren Zeitraum  – nämlich von 1986 bis 2003  – betrachtet, kommt Munkert auf eine durchschnittliche Verfahrensdauer von 8,32  Jahren für die durch Entscheidung beendeten Verfahren bzw. 3,2  Jahren für die durch Vergleich beendeten Verfahren.85 Teilweise liegt die Verfahrensdauer noch deutlich darüber.86 Zum Vergleich, die durchschnittliche Verfahrensdauer von Zivilsachen betrug im Jahr 2010 in der Eingangsinstanz lediglich 4,7 bis 8,1 Monate und bis zur endgültigen Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz 16,7 bis 24,6 Monate.87 Obgleich diese Befunde nicht über jeden Zweifel erhaben sind, sei es, weil sich die Untersuchungen nur auf begrenzte und/oder schon lange zurückliegende Beobachtungszeiträume beziehen, oder weil die Untersuchungen lediglich einzelne Strukturmaßnahmen behandeln,88 zeugen sie doch von einer solchen Stärke und Kontinuität, dass auch nach der Reform des Spruchverfahrens von einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann. Dabei ist zu bedenken, dass die lange Verfahrensdauer für beide Parteien mit erheblichen Nachteilen verbunden ist: Der Anspruchsinhaber muss oft mehrere Jahre auf seine Nachzahlung bzw. auf die Gewährung zusätzlicher Aktien warten. Außerdem läuft er mit zunehmender Verfahrensdauer Gefahr, dass sein Prozesserfolg durch die zwischenzeitliche Insolvenz der Gesellschaft faktisch entwertet wird. Weder steht ihm ein Anspruch auf Sicherheitsleistung vergleichbar

81

Begr. RegE SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 1, S. 11 f. Engel/Puszkajler, BB 2012, 1687, 1691; Krieger/Mennicke, in: Lutter/Winter UmwG, Einl. SpruchG Rn. 1; Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 67; Weingärtner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, Einl. SpruchG Rn.  3; zweifelnd bereits Wittgens, Das Spruchverfahrensgesetz, S. 308. 83 W.  Baums, Der Ausgleich nach § 304  AktG, S.  191–193; Fast/Hofmann/Knoll, ZSteu 2010, 21, 22; Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S.  60–72; Lorenz, AG 2012, 284, 286; Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen, S. 307–310; Munkert, Der Kapitalisierungszinssatz, S. 106; Wenger/Kaserer/Hecker, ZBB 2001, 317, 328. 84 Lorenz, AG 2012, 284, 286. 85 Munkert, Der Kapitalisierungszinssatz, S. 106. 86 Vgl. hierzu W. Meilicke/Heidel, DB 2003, 2267 m. w. N. in Fn 4. 87 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1. Rechtspflege (Zivilgerichte), Stand 2010, dort Tab. 2.2 lfd. Nr. 8, Tab. 5.2 lfd. Nr. 8, Tab. 6.2 lfd. Nr. 14 sowie Nr. 22, Tab. 8.2 lfd. Nr. 9 sowie 17. 88 So BRAK, Stellungnahme Nr. 1/2013, S. 8. 82

A. Grundlagen des Spruchverfahrens

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dem § 327b Abs. 3 AktG zu,89 noch löst die vom Gesetzgeber unterlassene Insolvenzsicherung seiner Ansprüche eine Staatshaftung aus.90 Die Gesellschaft wiederum ist während der gesamten Verfahrensdauer mit einer ungewissen Verbindlichkeit belastet, für die sie keine Rückstellungen der Höhe nach beziffern und bilden kann, was weitere Transaktionen erschweren mag.91 Verschärft wird die Lage für die Gesellschaft dadurch, dass sie nach rechtskräftiger Entscheidung eine Nachzahlung mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die gesamte Verfahrensdauer verzinsen muss [siehe hierzu eingehend Teil 3, B. VII.]. Eine Verfahrensbeschleunigung kann daher nur im Interesse beider Parteien sein. 2. Ungewöhnlich hohe Verfahrenskosten Kritisch zu sehen sind auch die ungewöhnlich hohen Verfahrenskosten. Allein für die Erstellung der Bewertungsgutachten können Beträge in 6-stelliger Höhe anfallen,92 die regelmäßig von der Gesellschaft zu zahlen sind [siehe Teil  3, B. VI. 2. a)]. Hinzu kommt, dass Spruchverfahren überdurchschnittlich oft durch Nachzahlungen von teils erheblichem Umfang enden.93 Laut Lorenz lag die Erfolgsquote für die in den Jahren 2009 bis 2011 rechtskräftig beendeten Spruchverfahren bei 76 %; die durchschnittliche Erhöhung betrug dabei 26 %.94 Das entspricht einer Erhöhung um 16 % bei den durch Entscheidung beendeten Verfahren bzw. einer Erhöhung um 40 % bei den vergleichsweise beendeten Verfahren. Eine Auswertung aller rechtskräftig beendeten Spruchverfahren im Zeitraum von 2003 bis 2008 durch Fast/Hofmann/Knoll kommt zu ähnlichen Ergebnissen.95 Danach lag die durchschnittliche Erfolgsquote bei 72,1 % (Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag: 88,2 %; Squeeze-out: 72,7 %; Verschmelzung: 50 %). Die durchschnittliche Erhöhung betrug 25,3 % (Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag: 27,1 %; Squeeze-out: 19,8 %; Verschmelzung: keine An­gaben). Das entspricht einer Erhöhung um 19,3 % bei den durch Entscheidung be­endeten Verfahren bzw. 53 % bei den vergleichsweise beendeten Verfahren. Als Extremwert konnte auch schon einmal eine Nachbesserung von 726 % (!) im Rahmen eines

89 BGH, Beschl. v.  25.7.2005  – II ZR 327/03, AG 2005, 921; OLG Hamburg, Beschl. v. 11.8.2003 – 11 W 28/03, AG 2003, 696, 697; Hüffer, AktG, § 327b Rn. 10. 90 OLG Köln, Urt. v. 8.3.2001 – 7 U 146/00, AG 2002, 94 ff.; kritisch hierzu Meilicke, DB 1976, 567 f.; ders., AG 2007, 261, 262. 91 DAI, Stellungnahme vom 15.1.2013, S. 2 f.; DNotV, Stellungnahme vom 19.12.2012, 6 f. 92 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vorb. § 1 SpruchG Rn. 7; zustimmend Wittgens, Das Spruchverfahrengesetz, S. 227; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes vgl. bereits Bilda, NZG 2000, 296. 93 Zum empirischen Nachweis vgl. Fast/Hofmann/Knoll, ZSteu 2010, 21, 22 f.; Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 84 f.; Lorenz, AG 2012, 284, 287. 94 Lorenz, AG 2012, 284, 287. 95 Fast/Hofmann/Knoll, ZSteu 2010, 21, 22 f.

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Teil 1: Einleitung

Vergleichs festgestellt werden.96 Um für eine finanzielle Entlastung des Kompensationsschuldners zu sorgen, wird deshalb bspw. vorgeschlagen, den Nachteilsausgleich nach § 15 Abs. 1 UmwG durch die Gewährung zusätzlicher Aktien anstelle einer baren Zuzahlung zu ermöglichen,97 was durchaus diskus­sionswürdig erscheint. 3. Undifferenzierter Anwendungsbereich des Gesetzes Kritik richtet sich auch gegen den zum Teil  recht undifferenziert anmutenden Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes. Als Problem erweist sich insbesondere, dass bei einer Verschmelzung § 14 Abs.  2 SpruchG die Antragsberechtigung auf die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers beschränkt und nicht auch für die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers vorsieht. Das hat zur Folge, dass jene Aktionäre ein aus ihrer Sicht unangemessenes Umtauschverhältnis nur dadurch beseitigen können, indem sie den Verschmelzungsbeschluss erfolgreich anfechten. Die Praxis versucht diese gesetzliche Beschränkung dadurch zu umgehen, dass beide Gesellschaften als übertragende Gesellschaften auf eine neu zu gründende oder bereits vorhandene Vorratsgesellschaft verschmolzen werden, auch wenn dies nicht unerhebliche wirtschaftliche Belastungen mit sich bringt [siehe Teil  5, A. III.].98 Den nachdrücklichen Forderungen aus dem Schrifttum, hier für eine Gleichbehandlung beider Aktionärs­ gruppen zu sorgen,99 hat der Gesetzgeber bislang leider nicht nachgegeben.100 Umgekehrt fragt sich, ob bestimmte Anwendungsfälle wie z. B. das Austrittsrecht gegen eine angemessene Barabfindung gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 SEAG nicht ersatzlos gestrichen werden können. Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass kein Anteilsinhaber gezwungen werden soll, die mit dem Wechsel in eine andere Rechtsform verbundene Änderung seiner Rechte und Pflichten hinzunehmen.101 Dies gilt unabhängig davon, ob die Gesellschafterrechte nach ausländischem Recht stärker oder schwächer ausgeprägt sind. Zumindest im Hinblick auf ausländische Gesellschaften, deren Anteile an einem regulierten Markt gehan-

96

Graf von Bassewitz/Krüger, Börsen-Zeitung v. 23.2.2005, Nr. 37, S. 2. DAV, NZG 2007, 497, 500–505; Noack, Gesetzgebungsvorschlag Aktienrechtsnovelle 2012, S. 3 f. 98 DAV, NZG 2007, 497, 499; Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, § 1 SpruchG Rn. 143. 99 BDI, Stellungnahme zum RegE Aktienrechtsnovelle 2012, S. 3; T. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 151; DAV, NZG 2000, 802, 803; ders., NZG 2002, 119, 124; ders., NZG 2007, 497, 499; Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, § 1 Rn. 146–150; J. Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 24. 100 Gegenäußerung der BReg UmwBerG, BT-Drucks. 12/7265, Anlage 3, S. 11; Fraktions­ entwurf UmwBerG, BT-Drucks. 12/6699, S. 87. 101 Begr. RegE 2.  UmwÄndG, BT-Drucks. 16/2919, Anlage 1, S.  16; Begr. RegE SEEG,­ BT-Drucks. 15/3405, S. 32 f. 97

A. Grundlagen des Spruchverfahrens

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delt werden, erscheint so viel Misstrauen gegenüber den erreichten einheitlichen europäischen Kapitalmarktstandards unangebracht.102 Würde man diesen Fall von dem Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes ausnehmen, würde letztlich der Kapitalmarkt über die Angemessenheit der Kompensation entscheiden und die finanziellen Belastungen durch ein Spruchverfahren könnten sinnvoll begrenzt werden. 4. Hohe Missbrauchsanfälligkeit des Spruchverfahrens Nicht nur bei Anfechtungsklagen, auch bei Spruchverfahren begegnet man dem Phänomen, dass sich einzelne, professionelle Antragsteller den „Lästigkeitswert“ ihres Antrags gegen die Gewährung von Sondervorteilen „abkaufen“ lassen.103 Umgekehrt neigen manche Antragsgegner dazu, die Antragsteller „auszukaufen“, um so das Verfahren zu beenden und Zahlungen, die aufgrund der Interomnes-Wirkung der Entscheidung allen Anspruchsberechtigten zustünden, zu ver­meiden.104 Zwar wird davon ausgegangen, dass das Missbrauchspotential bei Spruchverfahren aufgrund der fehlenden Blockademöglichkeit geringer zu veranschlagen ist als bei der Anfechtungsklage gegen eintragungsbedürftige Hauptversammlungsbeschlüsse.105 Es wäre jedoch verfehlt, daraus den Schluss zu ziehen, dass Spruchverfahren keinerlei Missbrauchspotential aufweisen. Nur die Qualität ist eine andere; d. h. nicht die Blockade der Strukturmaßnahme macht das Unternehmen erpressbar, sondern die hohen administrativen Kosten, die mit der Durchführung eines Spruchverfahrens verbunden sind.106 Dabei fällt auf, dass einige der statistisch erfassten „Berufskläger“ in Spruchverfahren bislang nicht in Erscheinung getreten sind, was daran liegen mag, dass es sich bei der Unternehmensbewertung um eine besonders schwierige und komplizierte Materie handelt, mit der sich Spezialisten für Anfechtungsklagen nicht automatisch auskennen müssen.107 Nichtsdestoweniger lässt die im Prinzip vergleichbare Ausgangslage es geboten erscheinen, den Missbrauch im Spruchverfahren in Parallele zur missbräuchlichen Anfechtungsklage zu untersuchen.

102

J. Vetter, AG 2006, 613, 623. OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.6.2010 – 20 W 2/09, AG 2010, 758, 759 f.; Diekgräf, Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktionäre, S. 271 f.; Hüffer, AktG, Anh. § 305, § 3 SpruchG Rn. 8; Lehmann, in: Timm, Missbräuchliches Aktionärsverhalten, S. 51, 58–61; Wittgens, BB 2007, 1070, 1071 f. 104 BayObLG, Beschl. v. 16.5.1973 – BReg. 2Z 15/73, BReg. 2Z 17/73, BayObLGZ 1973, 106, 112 =  WM 1973, 1030; Diekgräf, Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktionäre, S. 271 f.; Hüffer, AktG, Anh. § 305, § 3 SpruchG Rn. 10; Meilicke, DB 1972, 663. 105 Drescher, in: Spindler/Stilz,  AktG, § 3  SpruchG Rn.  23; Hüffer,  AktG, Anh. § 305, § 3 SpruchG Rn. 8; Simons, in: Hölters, AktG, § 3 SpruchG Rn. 29. 106 Diekgräf, Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktionäre, S. 282; Lehmann, in: Timm, Missbräuchliches Aktionärsverhalten, S. 51, 61. 107 Schönwitz, Handelsblatt v. 25.11.2010, Nr. 229, S. 54. 103

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Teil 1: Einleitung

Das Mittel zur Erlangung von Sondervorteilen ist der Vergleich. In Betracht kommen entweder der außergerichtliche Vergleich, der erst in Verbindung mit einer Antragsrücknahme, einer Erledigungs- oder einer Verzichtserklärung zur Verfahrensbeendigung führt,108 oder der unmittelbar verfahrensbeendende Prozessvergleich, welcher erstmals durch das Spruchverfahrensgesetz zugelassen worden ist.109 In der Tat enden Spruchverfahren überdurchschnittlich oft durch (außer)gerichtlichen Vergleich.110 Bei den in den Jahren 2009 bis 2011 rechtskräftig beendeten Verfahren traf dies in 47 % aller untersuchten Fälle zu111 – ein Anteil, welcher trotz sinkender Tendenz immer noch deutlich über der Vergleichsquote von 24 % bei den erstinstanzlich erledigten Zivilsachen liegt.112 Das Zustandekommen eines Vergleichs hängt naturgemäß von der Anzahl der Antragsteller ab. Dabei ist die Vergleichsbereitschaft umso höher ist, je weniger Antragsteller an dem Verfahren beteiligt sind, da die erhöhte Geschlossenheit der Antragstellerseite die Vergleichsverhandlungen vereinfacht oder sogar erst ermöglicht.113 Das könnte erklären, weshalb das Druckmittel der gesetzlichen Kostenverteilung eher bei kleinen Unternehmen wirkt. Große Unternehmen würden solche Verfahren i. d. R. durchfechten behauptet Müller-Michaels. Sie stünden stärker unter öffentlicher Beobachtung und oft gäbe es so viele Antragsteller, dass sich unmöglich ein gemeinsamer Vergleich aushandeln ließe.114 Neuerdings gehen die professionellen Anfechtungskläger dazu über, die Sondervorteile versteckt in einer für sie günstigen Prozesskostenregelung zu verfolgen. Zu diesem Zweck vereinbaren sie einen hohen Gesamtvergleichswert (Vergleichswert für die Erledigung der Anfechtungsklage plus Vergleichsmehrwert), an dem sich die Höhe der Anwaltsgebühren richtet, und verbinden dies mit einer Vereinbarung über die Kostentragungslast der beklagten Gesellschaft.115 Es ist 108

Zu Verdachtsfällen vgl. Beyerle, ZGR 1977, 650 ff. Begr. RegE SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 1, S. 16; Büchel, NZG 2003, 793, 799; Hüffer, AktG, § 11 SpruchG Rn. 5; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes vgl. Bilda, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. 2000, § 306 AktG Rn. 39. 110 Zum empirischen Nachweis vgl. Fast/Hofmann/Knoll, ZSteu 2010, 21, 22; Freitag, in: Kempf u. a., FS Richter II, S. 139, 160; Loosen, Reformbedarf im Spruchverfahren, S. 92–94; Lorenz, AG 2012, 284, 287; Munkert, Der Kapitalisierungszinssatz, S. 105. 111 Lorenz, AG 2012, 284, 287. 112 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1. Rechtspflege (Zivilgerichte), Stand 2010, dort Tab. 5.1.2. lfd. Nr. 40. 113 Diekgräf, Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktionäre, S. 283. 114 Müller-Michaels bei Schönwitz, Handelsblatt v. 25.11.2010, Nr. 229, S. 54. 115 Als Vergleichswert für die Erledigung der Anfechtungsklage wird der höchste Regelstreitwert nach § 247 Abs.  1 AktG (500.000,00 Euro) gewählt. Der Vergleichsmehrwert entsteht dadurch, dass in den Vergleich Ansprüche einbezogen werden, die nicht Gegenstand der Anfechtungsklage sind. Es wird z. B. aus trivialen Gründen Anfechtungsklage gegen einen Squeeze-out-Beschluss erhoben, um in einem gerichtlichen Vergleich eine Erhöhung der Abfindung zu vereinbaren. Auf diese Weise wird das Spruchverfahren umgangen (T. Baums/ Drinhausen, ZIP 2008, 145, 154, 156; Simon/Winter, in: Simon, SpruchG, § 15 Rn. 36; Simons, in: Hölters, AktG, § 15 SpruchG Rn. 3). 109

A. Grundlagen des Spruchverfahrens

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anzunehmen, dass die Antragsteller und ihre Anwälte die erstatteten Kosten unter sich aufteilen.116 Bedenklich dabei ist, dass die Gerichte die Vergleichsmehrwerte häufig ungeprüft übernehmen und dadurch ungewollt dem neuen Geschäftsmodell zum Erfolg verhelfen. Nun wird davon ausgegangen, dass auch in Spruchverfahren Vergleichsmehrwerte vereinbart werden.117 In diesem Fall profitieren von der Erstattung der überhöhten außergerichtlichen Kosten ausschließlich die Antragsteller, und zwar unabhängig davon, ob der gemeinsame Vertreter das Verfahren für die Nichtantragsteller gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 SpruchG fortführt oder nicht [siehe Teil 4, B. II. 1.]. Empirisch belegt ist der Missbrauch im Spruchverfahren zwar noch nicht. Insbesondere konnte bislang nicht nachvollzogen werden, aus welchen Ansprüchen sich ein Vergleichsmehrwert zusammensetzt, weil regelmäßig ein Punkt – offenbar die Prozesskostenregelung  –  von der Vergleichsveröffentlichung ausgenommen wird.118 Allerdings deuten die hohe Vergleichsquote und die Intransparenz bei der Vergleichsveröffentlichung auf eine akute Missbrauchsproblematik hin. 5. Mangelnde Eignung des Spruchverfahrens bei grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen Im Zuge der Internationalisierung des deutschen Gesellschaftsrechts neu hinzugekommen ist schließlich das Problem, dass das Spruchverfahren bei grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen faktisch leerläuft und dadurch seine beschriebenen Vorteile nicht zum Tragen kommen [siehe Teil  5, A. II. 2.].119 Hierüber gibt es  – soweit ersichtlich  – keine empirischen Studien. Immerhin ist bekannt, dass die meisten grenzüberschreitenden Verschmelzungen so strukturiert sind, dass kein Barabfindungsangebot erforderlich ist; für die verbleibenden Fälle wird von einer expliziten Verzichtserklärung auf eine Barabfindung ausgegangen.120

116

T.  Baums/Drinhausen/Keinath, ZIP 2011, 2329, 2346 f.; Hess/Leser, in: Burgard u. a., FS Schneider, S. 519, 526; vgl. auch jüngst Gartmann, Handelsblatt v. 25.2.2013, Nr. 39, S. 1 und 4 f. 117 Keunecke, Handelsblatt v.  25.11.2010, Nr.  229, S.  55; Simon, in: Simon,  SpruchG, § 11 Rn. 30; Winter, in: Simon, SpruchG, Anh. § 15 Rn. 28; Wittgens, BB 2007, 1070, 1072. 118 Vgl. Vergleich v.  20.2.2012 betreffend den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der CSS Computer Security Solutions Erwerbs GmbH und der Computer Links AG, LG München I – 5 HK O 16571/09, unter lit. D., abgedruckt in: Handelsblatt v. 14.3.2012, Nr. 53, S. 31 f.; Vergleich v. 4.7.2012 betreffend den Gewinnabführungsvertrag zwischen der BHF-Bank AG und der BHF Holding GmbH, LG Frankfurt a. M. – 3–08 O 176/01, abgedruckt in: Handelsblatt v. 31.7.2012, Nr. 146, S. 33 unter Ziff. 6. 119 Kulenkamp, Grenzüberschreitende Verschmelzung, S. 339; Scheifele, Die Gründung der SE, S. 244. 120 Bayer/Je. Schmidt/Hoffmann, Der Konzern 2012, 225, 230 und 236.

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Teil 1: Einleitung

B. Ziel und Gegenstand der Untersuchung Die Arbeit befasst sich in erster Linie mit der überlangen Dauer von Spruchverfahren. Ziel der Untersuchung ist es, die Gründe hierfür zu analysieren und darauf aufbauend Lösungen zur Verfahrensbeschleunigung zu entwickeln und gegeneinander abzuwägen. Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Ursachen nicht allein verfahrensbezogen sind, sondern ihren Grund auch und gerade in der außerordentlichen Komplexität und Kompliziertheit von Unternehmensbewertungen haben. Die materiell-rechtlichen Fragen zur Bestimmung der angemessenen Kompensation, insbesondere zur Bedeutung des Börsenkurses als Bewertungsmaßstab, werden jedoch bewusst nur insoweit behandelt, als es für das Verständnis der Problematik notwendig erscheint. Im Übrigen sei auf das umfangreiche Schrifttum zu dieser Thematik verwiesen.121 Auf die hohen Verfahrenskosten wird nicht gesondert, sondern im Rahmen der überlangen Verfahrensdauer eingegangen, da insoweit Korrelationen zu erwarten sind. Dabei soll auch nur die Kostenverteilung und nicht die Höhe der abrechenbaren Kosten interessieren.122 Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Analyse und Bekämpfung des Missbrauchs der Antragsbefugnis. Die bisherigen Untersuchungen hierüber sind im Gegensatz zu den zahlreichen aktuellen Untersuchungen über missbräuchliche Anfechtungsklagen entweder sehr spärlich und/oder schon veraltet.123 Die geringe wissenschaftliche Durchdringung dieser Thematik steht im auffälligen Widerspruch zu der Idee, die Blockade von Strukturmaßnahmen gerade durch die Verweisung von Bewertungsrügen in das Spruchverfahren zu überwinden.124 Dass sich die Aktivitäten der „Berufskläger“ infolge des ARUG voraussichtlich auf die Spruchverfahren verlagern werden, sei an dieser Stelle noch einmal betont. Schließlich wird der Frage nachgegangen, wie die Spruchverfahren bei grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen praktisch zur Anwendung gebracht werden können. Es ist zu erwarten, dass diese Thematik noch an Bedeutung gewin 121

Vgl. hierzu eingehend Adolff, Bewertung börsennotierter Aktiengesellschaften; Großfeld, Unternehmensbewertung; Gude, Strukturänderungen; Ramesohl, Aktieneigentum, „wahrer Wert“ und Börsenkurs; Simon/Leverkus, in: Simon, SpruchG, Anh. § 11 Rn.  186–240; Ullrich, Abfindung und Börsenkurs. 122 Vgl. hierzu eingehend Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, § 15 Rn.  40–53; Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 15 SpruchG Rn. 11–14 und 20–23. 123 Vgl. zum Missbrauch im Spruchverfahren Bidmon, Die Reform des Spruchverfahrens, S.  260 f.; Diekgräf, Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktionäre, S.  271 ff.; W.  Meilicke, DB 1972, 663 ff.; vgl. demgegenüber zur missbräuchlichen Anfechtungsklage T. Baums/ Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629 ff.; T. Baums/Drinhausen/Keinath, ZIP 2011, 2329 ff.; Bayer/ Hoffmann/Sawada, ZIP 2012, 897 ff.; Bayer/Hoffmann, ZIP 2013, 1193 ff.; Ding, Missbräuchliche Anfechtungsklage; Jacobs, Der Missbrauch der Anfechtungsklage im Lichte des ARUG; Schatz, Der Missbrauch der Anfechtungsbefugnis; S. Schilling, Die Bekämpfung missbräuchlicher Aktionärsklagen. 124 Begr. RegE SpruchNOG, BT-Drucks. 15/371, Anlage 1, S.  11; Ding, Missbräuchliche Anfechtungsklage, S. 133; Schatz, Der Missbrauch der Anfechtungsbefugnis, S. 234 f.

C. Gang der Untersuchung

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nen wird. Daher soll als Grundlage für eine weitere Diskussion ein exemplarischer Blick auf die Rechtsordnungen ausgewählter EU-Mitgliedsstaaten geworfen werden. Dabei wird auch auf den Umstand eingegangen, dass bei einer Verschmelzung die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ein Spruchverfahren wegen einer zu geringen Kompensation einleiten können, während die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers vor der Festlegung einer zu hohen Kompensation lediglich durch die Anfechtbarkeit des Verschmelzungsbeschlusses geschützt sind. Die vielfältigen Probleme, welche hier eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Spruchverfahrensgesetzes mit sich bringen würde, sollen aber nicht mehr behandelt werden.125 Im Interesse der Übersichtlichkeit beschränkt sich die Arbeit auf die praktisch wichtigsten Anwendungsfälle, nämlich den aktienrechtlichen Squeeze-out, den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages und die Verschmelzung. Wenn es um die Entwicklung von Lösungen geht, wird gelegentlich auch die österreichische Rechtslage herangezogen. Das österreichische Recht kennt mit den §§ 225c bis 225m  öAktG ein besonderes gerichtliches Verfahren, welches sich eng an das deutsche Spruchverfahren anlehnt (nachfolgend: Außerstreitverfahren).126 Im Hinblick auf das österreichische Recht ergeben sich damit vergleichbare Probleme, wie sie in Bezug auf die deutsche Rechtslage untersucht werden.

C. Gang der Untersuchung Mit der genannten Zielsetzung ist gleichzeitig der Gang der Untersuchung im Wesentlichen vorgezeichnet. Zum besseren Verständnis der materiell-rechtlichen Grundlagen wird zunächst in Grundzügen dargestellt, wie die angemessene Kompensation ermittelt wird (Teil  2). Im Anschluss daran werden die überlange Dauer von Spruchverfahren (Teil 3), der Missbrauch der Antragsbefugnis (Teil  4) und die mangelnde Eignung des Spruchverfahrens bei grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen am Beispiel der Verschmelzungsgründung einer SE (Teil 5) untersucht. Diese drei Teile folgen einem einheitlichen Aufbau. Nach einer einführenden Schilderung der Problematik folgt eine Analyse der Ursachen und darauf aufbauend eine Entwicklung von Lösungen de lege lata und de lege ferenda. Sodann wird auf alternative Rechtsschutzkonzepte eingegangen (Teil 6). Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und einem Ausblick (Teil 7).

125

Vgl. hierzu eingehend Block, Das angemessene Umtauschverhältnis im Verschmelzungsrecht; Rebmann, Die Ausweitung des Spruchstellenverfahrens, S. 38 ff. 126 Bachner, in: Kalss/Bachner, Kommentar zur Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung, § 225e AktG Rn. 1.

Teil 2

Ermittlung der angemessenen Kompensation A. Vorüberlegung Zur Ermittlung der angemessenen Kompensation bedarf es stets einer Unternehmensbewertung. Bevor auf die Methodik eingegangen wird, ist eine Vorbemerkung gestattet.

I. Verrechtlichung der Unternehmensbewertung Bei der Unternehmensbewertung stellen sich sowohl Rechts- als auch Tat­ sachenfragen. Die Unterscheidung spielt insofern eine Rolle, als ausschließlich Tatsachen Gegenstand einer Beweiserhebung und -würdigung sein können. Außerdem geht es um die Kompetenzabgrenzung zwischen den Gerichten und den Gerichtssachverständigen sowie um die Kompetenzaufteilung zwischen den einzelnen Gerichtsinstanzen etwa bei Einlegung einer Rechtsbeschwerde. Im Ausgangspunkt besteht Einigkeit darin, dass es sich bei der „Angemessenheit“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der einen gerichtlich voll überprüfbaren Beurteilungsspielraum eröffnet.1 Die Verwendung dieses Begriffs soll sicherstellen, dass bei der Wertermittlung alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.2 Maßgeblich für die „Angemessenheit“ der Kompen­sation ist die zutreffende Bewertung der an der Strukturmaßnahme beteiligten Unternehmen. Es stellt sich somit die weitergehende und ungleich schwerer zu beantwortende Frage, ob auch die Art und Weise der Unternehmensbewertung eine Rechtsfrage darstellt. Richtigerweise bleibt die Auswahl und Festlegung einer geeigneten Bewertungsmethode dem Gericht vorbehalten.3 Denn ob eine Bewertungsmethode geeignet ist, richtet sich nach dem normativ vorgegebenen Bewertungsziel. An der 1 OLG Celle, Beschl. v.  31.7.1998  – 9 W 128/97, AG 1999, 128, 130; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.3.2006 – 20 W 5/05, AG 2006, 420, 422; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 17; Meyer, Ausgleichs- und Abfindungsansprüche im Spruchverfahren, S.  337; Paulsen, in: MünchKommAktG, § 305  Rn.  76; Puszkajler, in: Creutzmann u. a., Tagungsband Symposium Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, S. 48. 2 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S. 399. 3 Ebenso Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 305  AktG Rn.  52; Hüffer, AktG § 305 Rn. 17; Hüttemann, WPg 2007, 812, 813.

A. Vorüberlegung

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Einordnung als Rechtsfrage ändert auch nichts, dass es nach dem sog. Prinzip der Methodenoffenheit keine rechtlich verbindliche Bewertungsmethode gibt [dazu sogleich Teil 2, B. II.].4 Soweit sich zu einer Bewertungsmethode allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze entwickelt haben, tangieren auch diese Rechtsfragen. Dazu gehören etwa die direkte Anteilsbewertung, der Bewertungsstichtag, die (Nicht-)Berücksichtigung bestimmter Bewertungsabschläge, die Behandlung des Liquidationswertes als Wertuntergrenze und die Teilhabe an Verbundvorteilen.5 Eine Tatsachenfrage betrifft hingegen die konkrete Ermittlung des Unternehmenswertes auf der Grundlage der ausgewählten Bewertungsmethode.6 Zu diesem Zweck lassen sich die Gerichte regelmäßig sachverständig beraten, da ihnen insoweit die eigene Sachkunde fehlt. An dieser Stelle ist zu betonen, dass die Sachverständigengutachten immer nur ein Hilfsmittel für die richterliche Überzeugung sind und somit der freien Würdigung durch das Gericht unterliegen.7 Aufgrund des deutlichen Übergewichts von Rechts- gegenüber Tatsachenfragen lässt sich von einer Verrechtlichung der Unternehmensbewertung sprechen. Dabei ist eine verfassungsrechtliche Überwölbung der einfachgesetzlichen Bewertungsgrundsätze durch Art. 14 Abs. 1 GG festzustellen, was durchaus kritisch zu sehen ist, da der Spruchrichter dazu verleitet wird, den Anwendungsvorrang des einfachen Gesetzes zu vernachlässigen und Problemlösungen voreilig aus dem Verfassungsrecht zu gewinnen.8 Zudem zwingt das sog. Abfindungsverfassungsrecht zu einer schwierigen Abgrenzung und Koordinierung von Mitgliedschafts- und Vermögensschutz des Anteilsinhabers, was etwa im Hinblick auf das Delisting bis heute nicht ganz zufriedenstellend gelöst ist.

II. Bewertungskonventionen Mit der Verrechtlichung, nicht Kodifizierung, der Unternehmensbewertung kommt zwar der Rechtsprechung eine überragende Bedeutung für die Bestimmung der angemessenen Kompensation zu. Die Gerichte orientieren sich aber regelmäßig an den Verlautbarungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer. Dabei handelt es sich um einen privaten Verein, dem die meisten Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften angehören. Seine Bewertungsstandards  – aktuell ist es der IDW S 1 2008 – spiegeln die gemeinsame Berufsauffassung wider und bilden aufgrund der §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 57 Abs. 3 und 4 WiPO i. V. m. § 4 Abs. 1 4 Nicht überzeugend unter diesem Aspekt daher BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 52 = NJW 1978, 1316; Kuhner, WPg 2007, 825, 834; Meyer, Ausgleichs- und Abfindungsansprüche im Spruchverfahren, S. 338. 5 Fleischer, AG 2014, 97, 109. 6 Hüttemann, WPg 2007, 812, 813; Meyer, Ausgleichs- und Abfindungsansprüche im Spruchverfahren, S. 340. 7 Greger, in: Zöller, ZPO, § 402 Rn. 7a. 8 Fleischer, AG 2014, 97, 110.

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Teil 2: Ermittlung der angemessenen Kompensation

Satz  1 der Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer den Maßstab für eine ordnungsgemäße Berufsausübung.9 Obgleich die Bewertungsstandards nicht die Qualität von Rechtsnormen haben,10 wirken sie doch tief in die Rechtsprechungs- und Bewertungspraxis ein.11 Man mag sich an dieser Stelle die Frage stellen, weshalb der Gesetzgeber von einer Kodifizierung bestimmter Bewertungsmethoden bislang abgesehen hat. Ohne entsprechenden Vorschlägen vorweggreifen zu wollen [siehe Teil 3, C. II. 2. a)], spricht grundsätzlich dagegen, dass dies die Gefahr einer „Versteinerung“ birgt, wenn sich die betriebswirtschaftlichen Bewertungsstandards fortentwickeln und der Gesetzgeber untätig bleibt.12

B. Methodik der Unternehmensbewertung Die Unternehmensbewertung vollzieht sich in mehreren Schritten. Nachdem das Gericht den Bewertungsgegenstand und das Bewertungsziel festgelegt und eine geeignete Bewertungsmethode ausgewählt hat, folgt die Unternehmensbewertung im engeren Sinne nach der in der Rechtsprechungs- und Bewertungspraxis üblichen Ertragswertmethode unter Berücksichtigung des Börsenkurses. Gegebenenfalls sind noch weitere bewertungsrelevante Aspekte zu ­berücksichtigen.

I. Festlegung von Bewertungsgegenstand und -ziel Der Bewertungsgegenstand ist nach dem vorherrschenden Verständnis der quotale Anteil am Unternehmen und nicht der Anteil selbst.13 Deshalb leitet sich der Wert des jeweiligen Anteils von dem errechneten Gesamtwert des Unternehmens ab (indirekte Methode).14 Der Anteilswert ergibt sich aus dem Verhältnis der Aktiennennbeträge zum Grundkapital bzw. aus dem Verhältnis des Grundkapitals 9 Paulsen, in: MünchKomm-AktG, § 305  Rn.  77; Simon/Leverkus, in: Simon, SpruchG, Anh. § 11 Rn. 36. 10 BayObLG, Beschl. v. 28.10.2005 – 3Z BR 71/00, AG 2006, 41, 43, OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.12.2009 – 20 W 2/08, juris Rn. 189 (insoweit nicht in AG 2010, 513 abgedruckt); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.4.2013 – 12 W 5/12, AG 2013, 765, 766; Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn. 5 und 7. 11 DIS, Schiedsspruch v. 4.11.2005 – DIS-SV-B 710/97, SchiedsVZ 2007, 219, 221; Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn. 7. 12 Fleischer, AG 2014, 97, 110. 13 IDW S 1 2008 Tz. 13; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.3.2006 – 20 W 5/05, AG 2006, 420, 421 f.; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24c; kritisch hierzu vgl. Busse von Colbe, in: Schneider u. a., FS Lutter, S. 1053, 1064 f.; W. Müller, in: Westermann/Mock, FS G. Bezzenberger, S. 705, 715. 14 BGH, Urt. v. 10.10.1979 – IV ZR 79/78, BGHZ 75, 195, 199 = NJW 1980, 229 (zum Zugewinnausgleich); vgl. hierzu eingehend Simon/Leverkus, in: Simon, SpruchG, Anh.  § 11 Rn. 14–22.

B. Methodik der Unternehmensbewertung

51

zur Zahl der Stückaktien. Dabei muss sich eine unterschiedliche Bewertung der Anteile an dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53a AktG messen lassen.15 Unternehmen haben keinen „Wert an sich“. Maßgeblich ist vielmehr, welches Bewertungsziel das Gesetz verfolgt. Bezogen auf die Abfindung nach § 305 AktG könnte es bspw. auf den „Grenzwert“16 für die ausscheidenden Gesellschafter oder auf den „Einigungswert“17 zwischen den ausscheidenden und den verbleibenden Gesellschaftern oder auf einen „objektivierten Wert“18 ankommen. Die Rechtsprechung verlangt einheitlich für alle Bewertungsanlässe und Rechtsformen eine Entschädigung zum „wahren“ Wert.19 Der „wahre“ oder „wirkliche“ Wert wird verstanden als ein fiktiver Verkehrswert, wie er bei bestmöglicher Verwertung am Markt voraussichtlich erzielt werden könnte.20

II. Auswahl einer geeigneten Bewertungsmethode Weder das Grundgesetz noch das einfache Gesetz schreiben eine bestimmte 293e Abs.  1 Satz  3 Bewertungsmethode vor.21 Vielmehr ergibt sich aus §  Nr.  1 AktG bzw. § 12 Abs.  2 Satz  2 Nr.  1  UmwG, denen zufolge der sachverständige Prüfer angeben muss, nach welchen Methoden Ausgleich und Abfindung ermittelt worden sind, das Prinzip der Methodenoffenheit.22 Dahinter steht die Überlegung, dass die Auswahl und Gewichtung der verschiedenen Bewertungsmethoden je nach Art und Gegenstand des Unternehmens sehr verschieden sein können. Die Offenheit des Gesetzgebers trägt im Übrigen dem Umstand Rechnung, dass es unter Juristen und Ökonomen keine Einigkeit über die „richtige“ Bewertungsmethode gibt und so neue sachdienliche Bewertungsmethoden Berücksichtigung finden können [siehe bereits Teil 2, A. II.]. 15 Paulsen, in: MünchKomm-AktG, § 305  Rn.  141; Simon/Leverkus, in: Simon, SpruchG, Anh. § 11 Rn. 21. 16 Hüffer, AktG, § 305 Rn. 18. 17 Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn. 143–145. 18 IDW S 1 2008 Tz. 13. 19 BGH, Urt. v. 21.4.1955 – ZR 227/53, BGHZ 17, 130, 136 = WM 1995, 802 (zur Abfindung bei der Personengesellschaft); BGH, Urt. v. 30.3.1967 – II ZR 141/64, NJW 1967, 1464 (zur Abfindung bei der Aktiengesellschaft); BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 51 = NJW 1978, 1316 (zur Bewertung der beiderseitigen Leistungen bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlage); BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 370 = NJW 1992, 892 (zur Abfindung bei der GmbH). 20 BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 165 = NJW 1995, 1739; Hüttemann, WPg 2007, 812, 814 f. 21 BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 307 = NJW 1999, 3769; BGH, Beschl. v. 13.3.2006 – II ZR 295/04, NZG 2006, 425, 426; BayObLG, Beschl. v. 29.9.1998 – 3Z BR 159/94, BayObLGZ 1998, 231, 235 = AG 1999, 43. 22 Simon/Leverkurs, in: Simon, SpruchG, Anh. § 11  Rn.  48; Riegger, in: Kölner Komm SpruchG, Anh. § 11 Rn. 4.

52

Teil 2: Ermittlung der angemessenen Kompensation

Eine Ausnahme von dem Prinzip der Methodenoffenheit ist darin zu sehen, dass für die Bestimmung des festen Ausgleichs gem. § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG die bisherige und künftige Ertragslage der Gesellschaft zugrunde zu legen ist.23 Insoweit scheidet also der Börsenkurs als Bewertungsmaßstab aus.

III. Anwendung der ausgewählten Bewertungsmethode Ungeachtet des Prinzips der Methodenoffenheit hat sich als dominierend die Ertragswertmethode durchgesetzt,24 welche auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist.25 Die Ertragswertmethode betrachtet das Unternehmen als Bewertungseinheit und Investitionsobjekt. Das bedeutet, dass sich der Wert des Unternehmens nicht aus der Summe der einzelnen Vermögensgegenstände ableitet, sondern daraus, welche Erträge das Unternehmen aus Sicht der Anteilsinhaber in der Zukunft erwirtschaftet. Der Unternehmenswert wird durch eine Abzinsung der Zukunftserträge auf einen bestimmten Bewertungsstichtag ermittelt. Hinzu kommt, soweit vorhanden, der Barwert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Der so ermittelte Wert darf den Liquidations- bzw. Börsenwert nicht unterschreiten. Im Folgenden wird ein Überblick über das Bewertungsverfahren gegeben. Dabei soll anhand aktueller Studien26 darauf eingegangen werden, inwieweit die jüngere Recht­ sprechung mit der Bewertungspraxis übereinstimmt. 1. Ermittlung des Zukunftsertrages In einem ersten Schritt sind die den Anteilsinhabern zufließenden Unternehmensüberschüsse auf der Grundlage der Unternehmensplanungen nach Steuern zu ermitteln. Zu diesem Zweck wird die Zukunft in zwei Phasen unterteilt. Für die nähere Phase („Detailplanungsphase“)  werden über einen bestimmten Zeitraum die Überschüsse anhand der Unternehmensplanungen prognostiziert.27 Für die fernere Phase („ewige Rente“) wird grundsätzlich von einer unbegrenz 23

OLG Hamburg, Beschl. v. 7.8.2002 – 11 W 14/94, AG 2003, 583, 585; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 9.1.2003 – 20 W 434/93, 20 W 425/93, AG 2003, 581, 582; Hüffer, AktG, § 304 Rn. 8. 24 OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.3.2006 – 20 W 5/05, AG 2006, 420, 425; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.5.2009 – I-26 W 1/07 AktE, AG 2009, 907, 908; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 5.3.2011 – 21 W 11/11, AG 2012, 417, 418; Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn. 226; Hüffer/Schmidt-Aßmann, in: Hüffer u. a., Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, S. 69; Paulsen, in: MünchKomm-AktG, § 305 Rn. 80; IDW S 1 2008 Tz. 7. 25 BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 307 = NJW 1999, 3769. 26 Hachmeister/Ruthardt/Lampenius, WPg 2011, 519 ff.; dies., WPg 2011, 829 ff.; Hachmeister/Ruthardt/Gebhardt, Der Konzern 2011, 600 ff.; Ruthardt/Hachmeister, WPg 2012, 451 ff. 27 IDW S 1 2008 Tz. 77.

B. Methodik der Unternehmensbewertung

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ten Lebensdauer des Unternehmens ausgegangen und die Überschüsse werden als konstante Rate oder mit einer moderaten Steigerung fortgeschrieben.28 Das Phasen­modell entspricht gängiger Rechtsprechung.29 Die Länge der „Detailplanungsphase“ beträgt im Durchschnitt 4 Jahre. Bei der Ermittlung der zukünftigen Überschüsse beschränken sich die Gerichte häufig darauf, die Unternehmensplanungen und -prognosen lediglich auf Plausibilität und Konsistenz zu überprüfen.30 Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens wird noch genauer eingegangen [siehe Teil 3, B. II. 2. b)]. Lange Zeit bewertete man das Unternehmen vor Steuern (Vorsteuerbetrachtung), bis sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass das Unternehmen nur so viel wert ist, wie den Anteilsinhabern letztlich aus ihm zufließt. Das hängt davon ab, was nach Steuern auf Ebene des Unternehmens und der Anteilsinhaber übrig bleibt (Nachsteuerbetrachtung).31 Als typisierende Annahme wird von einem inländischen, unbeschränkt einkommenssteuerpflichtigen Anteilsinhaber ausgegangen.32 Die jüngere Rechtsprechung akzeptiert im Allgemeinen die Nachsteuer­ betrachtung, wenngleich Zweifel an der empirischen Datenbasis geäußert werden und die Ungleichbehandlung zwischen in- und ausländischen Anteilsinhabern sowie solchen Anteilsinhabern kritisiert wird, die ihre Aktien im Privat- oder Betriebsvermögen halten.33 Dem lässt sich hinzuzufügen, dass sich angesichts der ständigen Entwicklung des Steuerrechts die künftige Steuerlast kaum abschätzen lässt. Es verwundert daher kaum, dass in der internationalen Bewertungspraxis die Berücksichtigung von Steuern aus Komplexitätsgründen ausgeklammert wird.34 Als Folge der Nachsteuerbetrachtung geht die Bewertungspraxis anders als noch die jüngere Rechtsprechung von einer Teilausschüttung aus.35 Für die „Detailplanungsphase“ wird eine Ausschüttungsquote nach den Unternehmensplanungen gemäß den handelsrechtlichen Beschränkungen bestimmt.36 Für die „ewige Rente“ wird typisierend angenommen, dass das Unternehmen so ausschüttet wie der Durchschnitt der Unternehmen einer Vergleichsgruppe, es sei denn, es bestehen andere Besonderheiten der Branche, der Kapitalstruktur oder der rechtlichen

28

IDW S 1 2008 Tz. 85. Hachmeister/Ruthardt/Lampenius, WPg 2011, 519, 522 m. w. N. 30 OLG Stuttgart, Beschl. v.  14.2.2008  – 20 W 9/06, AG 2008, 783, 788; OLG Stuttgart, Beschl. v.  19.1.2011  – 20 W 2/07, AG 2011, 420, 424; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 29.4.2011 – 21 W 13/11, AG 2011, 832, 833 f.; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 7.6.2011 – 21 W 2/11, Der Konzern 2011, 497, 504; Hachmeister/Ruthardt/Lampenius, WPg 2011, 519, 523 m. w. N. 31 IDW S 1 2008 Tz. 28. 32 IDW S 1 2008 Tz. 29–31. 33 Hachmeister/Ruthardt/Lampenius, WPg 2011, 829, 838 f. m. w. N. 34 Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn. 491. 35 Hachmeister/Ruthardt/Lampenius, WPg 2011, 519, 524 m. w. N. 36 IDW S 1 2008 Tz. 35. 29

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Teil 2: Ermittlung der angemessenen Kompensation

Rahmenbedingungen.37 Die einbehaltenen Überschüsse sind u. U. zu beachten beim Risikozuschlag (bessere Kapitalausstattung) und beim Wachstumsabschlag (schnelleres Wachstum).38 2. Kapitalisierung des Zukunftsertrages Der ermittelte Zukunftsertrag ist in einem zweiten Schritt auf den Stichtag abzuzinsen. Durch Abzinsung lässt sich der gegenwärtige Wert eines in der Zukunft erwarteten Geldbetrages berechnen. Dahinter steht die Überlegung, dass aufgrund der Existenz von Zinsen derselbe Geldbetrag einen umso höheren Wert hat, je früher man ihn erhält.39 Dadurch, dass ein Investor nicht in das zu bewertende Unternehmen und gleichzeitig in eine Alternativanlage investieren kann, entgeht ihm die dort erzielbare Rendite. Der Kapitalisierungszinssatz soll den Wert des zu bewertenden Unternehmens mit dem einer anderen Investition vergleichbar machen. Dem Kapitalisierungszinssatz kommt eine überragend wichtige Bedeutung zu. Schon eine geringe Veränderung bewirkt eine deutliche Veränderung des Unternehmenswertes.40 Ein geringer Zinssatz ergibt einen hohen, ein hoher Zinssatz einen geringen Ertragswert. Um ihn wird daher lebhaft gestritten. Hinzu kommt, dass sich infolge der eingeschränkten Überprüfung der Unternehmensplanungen die gerichtliche Prüfung immer mehr auf eine Kontrolle des Kapitalisierungszinssatzes verlagert.41 a) Basiszinssatz Ausgangspunkt für die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes ist der Basiszinssatz. Abgestellt wird auf einen Zinssatz für eine quasi risikofreie Anlage, zu der die festverzinslichen Anleihen der öffentlichen Hand gezählt werden.42 Der Basiszinssatz wird kapitalmarktorientiert aus der Zinsstrukturkurve von Nullkuponanleihen mit bis zu 10-jähriger Laufzeit abgeleitet.43 Die Zinsstrukturkurve

37

IDW S 1 2008 Tz. 37. Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn. 503. 39 Großfeld/Frantzmann, in: Schöpflin u. a., FS Beuthien, S. 155, 157. 40 Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn. 558 mit Berechnungsbeispielen unter Rn. 550– 552 und Rn. 555–557. 41 Decher, in: Grunewald/Westermann, FS Maier-Reimer, S. 57, 64. 42 IDW S 1 2008 Tz. 116. 43 Bei Nullkuponanleihen wird der Nominalbetrag samt Zinsen erst am Ende der Laufzeit zurückgezahlt. Das hat den Vorteil, dass es nur eine Zinseinschätzung gibt, und zwar bezogen auf das Verhältnis zwischen dem Rückzahlungswert und dem aktuellen Wert. Die Zinsstrukturkurve veranschaulicht dann den Zusammenhang zwischen der Verzinsung von Nullkuponanleihen und deren Laufzeit (Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn. 587). 38

B. Methodik der Unternehmensbewertung

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wird mithilfe der sog. Svensson-Methode indirekt aus der Verzinsung von Kuponanleihen der öffentlichen Hand geschätzt.44 Hachmeister/Ruthardt/Lampenius kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass selbst die jüngste Rechtsprechung den Basiszinssatz noch aus einem Vergangenheitsdurchschnitt ableitet, es aber eine Tendenz zur Ableitung des Basiszinssatzes anhand der Zinsstrukturkurve gibt. Betrachte man zusätzlich die Höhe der in Abhängigkeit vom Stichtag angesetzten Basiszinssätze, so zeige sich im Zeitablauf ein deutlicher Trend zu geringeren Werten.45 b) Risikozuschlag Da die Investition in ein Unternehmen mit einem höheren Risiko verbunden ist als die Investition in festverzinsliche Anleihen, muss der Basiszinssatz um einen Risikozuschlag erhöht werden.46 Zu unterscheiden ist das allgemeine Risiko (z. B. nicht absehbare Entwicklungen aus Konjunktur, Politik, Umwelt und Branche des Unternehmens) von dem besonderen Risiko (z. B. Konkurrenzsituation, Managementqualifikation, Stand der Produktinnovation, Finanzierungs- und Ka­ pitalstrukturverhältnisse). Früher berücksichtigte man das allgemeine Risiko durch einen Zuschlag zum Kapitalisierungszinssatz (Risikozuschlagsmethode) und das besondere Risiko durch einen Abschlag von den erwarteten Unternehmensüberschüssen (Risikoäquivalenzmethode). Heute tendiert man aus prozessökonomischen Gründen dazu, das gesamte Risiko allein im Zuschlag zum Kapitalisierungszinssatz zu erfassen.47 Bislang uneinheitlich gesehen wird die Frage, ob der Risikozuschlag pauschal durch das Gericht oder kapitalmarktorientiert bestimmt werden soll. aa) Pauschale Schätzung des Risikozuschlags durch das Gericht Bis zum IDW  S  1  2000 galt eine pauschale Schätzung des Risikozuschlags durch das Gericht.48 Der Risikozuschlag wurde allerdings nicht „pauschal“ gegriffen, sondern der Basiszinssatz wurde mit dem Zinssatz von Bankkrediten an Unternehmen verglichen. Die Zinsdifferenz bildet nur den Risikozuschlag der Banken ab.49 Banken können anders als Anleger ihr Risiko durch Sicherheiten begrenzen und haben zeitnahe und weitreichende Möglichkeiten, sich über die wirtschaftliche Situation ihres Schuldners zu informieren. Außerdem entspricht 44

Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn. 590. Hachmeister/Ruthardt/Lampenius, WPg 2011, 519, 526 f. 46 Großfeld/Frantzmann, in: Schöpflin u. a., FS Beuthien, S. 155, 157. 47 Hachmeister/Ruthardt/Lampenius, WPg 2011, 829, 832 m. w. N. 48 IDW S 1 2000 Tz. 94–98. 49 LG München I, Beschl. v. 3.12.1998 – 5 HK O 14889/92, AG 1999, 476, 477. 45

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Teil 2: Ermittlung der angemessenen Kompensation

die Dividendenerwartung des Aktionärs nicht den fest vereinbarten Zins- und Tilgungsraten der Banken. Als alternativer Vergleichsmaßstab kam deshalb der Zinssatz von Unternehmensanleihen in Betracht.50 bb) Ermittlung des Risikozuschlags nach dem Capital Asset Pricing Model Seit dem IDW S 1 2005 gilt das Kapitalmarktpreisbildungsmodell. Ursprünglich im Rahmen einer Investitionsrechnung aus der Sicht eines Investors entwickelt, wird es heute auch für die Bestimmung der angemessenen Kompensation akzeptiert.51 Der Grundgedanke ist, dass die Rendite eines Wertpapiers abhängig ist von dessen Risiko. Das CAPM fragt danach, welche durchschnittliche Mehrrendite Anleger veranlasst, in stärker risikobehaftete Aktien anstelle von festverzinslichen Anleihen zu investieren (Risikoprämie). Es wird davon ausgegangen, dass der Anteilsinhaber durch die Investition in das zu bewertende Unternehmen gezeigt hat, dass er zu riskanteren Investitionen neigt. Die Risikoprämie setzt sich zusammen aus der Marktrisikoprämie und dem Betafaktor. Die Multiplikation der beiden Rechengrößen ergibt den Risikozuschlag. Addiert man das Ergebnis zum Basiszinssatz, erhält man den Kapitalisierungszinssatz.52 In einem ersten Schritt ermittelt man aus der durchschnittlichen Rendite der letzten Jahre die Mehrrendite, die der Markt für ein stärker risikobehaftetes Investment in Aktien fordert im Vergleich zu einem Investment in quasi risikofreie Anleihen. Die Differenz zwischen der Mehrrendite und dem Basiszinssatz bezeichnet man als Marktrisikoprämie.53 In einem zweiten Schritt wird die Marktrisikoprämie mithilfe des Betafaktors an das besondere Unternehmensrisiko angepasst. Man prüft, inwieweit das zu bewertende Unternehmen risikobehafteter ist als der Durchschnitt vergleichbarer Unternehmen. Als Indiz dafür wählt man die Schwankungsbreite des Kursverlaufs. Den Betafaktor erhält man, indem man die Vola­ tilität des zu bewertenden Unternehmens durch die Volatilität des Marktdurchschnitts teilt.54 Ist die Volatilität größer als beim Durchschnitt (Betafaktor > 1), so ist das Risiko relativ höher; ist sie kleiner (Betafaktor