Das Sprach- und Geschichtsbewusstsein in der rumänischen Literatur von 1780–1880 [Reprint 2021 ed.] 9783112583685, 9783112583678


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Das Sprach- und Geschichtsbewusstsein in der rumänischen Literatur von 1780–1880 [Reprint 2021 ed.]
 9783112583685, 9783112583678

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SITZUNGSBERICHTE DER DEUTSCHEN AKADEMIE D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst Jahrgang 1967 . Nr. 3

WERNER

BAHNER

DAS SPRACH- UND GESCHICHTSBEWUSSTSEIN IN DER RUMÄNISCHEN LITERATUR VON 1 7 8 0 - 1 8 8 0

AKADEMIE-VERLAG•BERLIN 1967

Vorgetragen und für die Sitzungsberichte angenommen in der Sitzung der Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst am 25. 3. 1965, ausgegeben am 12.10.1967

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, leipziger Straße 3—4 Copyright 1967 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/75/67 Herstellung: IV/2/14 • VEB Werkdruck, 445 Gräfenhainichcn • 2877 Bestellnummer: 2010/67/V/3 • ES 7 H

Inhaltsverzeichnis

I . Einleitung

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I I . Die Siebenbürgische Schule bis 1830 A. Voraussetzungen u n d Grundlagen

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B. Zur H e r k u n f t der R u m ä n e n u n d ihrer Sprache

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C. Die sprachreformerischen Bestrebungen

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I I I . Die B e m ü h u n g e n u m die Schaffung u n d E m a n z i p a t i o n der Nationalsprache in den beiden rumänischen F ü r s t e n t ü m e r n A. Die sprachreformerischen Anfänge in der Walachei bis 1828 . .

59

B. Die theoretischen B e m ü h u n g e n Heliade Radulescus u m die F o r m u n g der rumänischen Nationalsprache v o n 1828 bis 1840 . . .

67

C. Die sprachreformerischen B e m ü h u n g e n in der Moldau bis 1840 .

81

I V . Die nationalromantischen I d e e n u n d die Sprachenfrage V. Sprachreformerische Systeme n a c h 1840 A. Die italianisierende R i c h t u n g Heliade Rädulescus B. Die Siebenbürgische Schule n a c h 1830

89 101 112

V I . Die Sprachenfrage u n d das Geschichtsbewußtsein zwischen 1860 u n d 1880 A. Zur historischen u n d sprachlichen Situation

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B. T i t u Maiorescu

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C. H a s d e u s Auseinandersetzungen m i t Maiorescu u n d d e m Geschichtsbild der Siebenbürgischen Schule

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D. Ausblick

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Abkürzungsverzeichnis

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Namenregister

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I. Einleitung

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts setzte die Herausbildung der rumänischen Nationalsprache ein. Sie zeichnete sich im 19. Jahrhundert deutlich in ihren einzelnen Entwicklungsphasen ab. Diese Entwicklungsphasen waren unmittelbar mit den nationalen und gesellschaftlichen Emanzipationsbestrebungen verknüpft, die im Jahre 1859 zur Vereinigung der beiden rumänischen Fürstentümer Moldau und Walachei und nach dem RussischTürkischen Krieg im Jahre 1877 zur nationalen Autonomie führten. Auch Siebenbürgen, das erst nach dem ersten Weltkrieg dem rumänischen Nationalstaat angeschlossen wurde, hatte daran maßgeblichen Anteil. Die Formung einer allgemeinverbindlichen Nationalsprache bewegte in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts alle rumänischen Geistesschaffenden. Wie sehr philologische Fragestellungen höchste nationale Bedeutsamkeit erlangten, bezeugen die heftig geführten Diskussionen über Herkunft, Wesen und Funktion des eigenen Idioms. Dabei ging es nicht nur um die Schaffung einer für das moderne Leben ausgerüsteten einheitlichen Nationalsprache, sondern zugleich um eine aus der Geschichte herzuleitende nationale Selbst Verständigung. Das öffentliche Interesse für diese philologischen Bestrebungen fand geradezu exemplarischen Ausdruck in einem Aufsatz über die Ersetzung des kyrillischen Alphabets durch das lateinische, der in der ersten moldauischen Zeitung Albina romäneascä am 3. Dezember 1844 veröffentlicht wurde. Der Verfasser dieses Artikels spricht von einem philologischen Fieber, das sich ausbreite und mit dem Anwachsen des Nationalgefühls unter den Rumänen zusammenhänge. Er folgert: „Alle Nationen, die nach der Erfüllung ihrer Kultur trachten, behandeln die Sprache als eine Lebensfrage. Je kleiner ein Volk ist, desto eifriger ist es darauf bedacht, sein elterliches Erbe zu klären und zu bestimmen. Von diesem Bestreben geben sogar die kleineren, in große Staaten einverleibten Völker Zeugnis: Die Böhmen, Flamen, Finnen, Kroaten u. a. fordern für ihre Sprache das Bürgerrecht in ihrem Land und führen literarische Kämpfe, um es zu erlangen. Infolgedessen ist es nicht verwunderlich, wenn sieben Millionen Rumänen vom philologischen Fieber befallen und

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unaufhörlich beschäftigt sind, sich über ihre Sprache, Schrift und Geschichte Klarheit zu verschaffen."1 In der Tat gab es damals bei den hier genannten Völkern analoge Bestrebungen.2 Für die rumänische Sprachenfrage ist vor allem festzuhalten, daß es seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei den rumänischen Nachbarvölkern auf Grund ähnlicher gesellschaftlich-historischer Umstände ebenfalls eine Art nationale Wiedergeburt gab, die im gleichen Maße der Philologie eine Schlüsselstellung einräumte. Auch bei den Griechen3, Serben4 und Ungarn 5 erlangte die muttersprachliche Philologie große Bedeutung angesichts der notwendig erachteten Formung und Pflege der eigenen Sprache und der Entstehung eines nationalen Geschichtsbewußtseins. Nicht ohne Grund bezogen sich damals verschiedene Theoretiker der rumänischen Sprachenfrage bei ihren Disputen und Argumentationen auf die Renaissancephilologie in Italien, Frankreich und Spanien.6 Was jene heroische Epoche der Philologie des 16. Jahrhunderts für Italien und die westromanischen Länder darstellte7, bedeutete für Siebenbürgen und die 1

Vgl. B L R L , N r . 255, S.253: „Toate natiile carele píntese cäträ indeplinirea civilizatiei lor, tracteazä limba ca o evestie vitalä. Cu cît este mai mic u n popor, cu a t î t a e m a i gelos a-si lämuri, a-si delimita (hotarî) mostenirea pärintaseä. Despre astä tintire märturisesc chiar neamurile si cele mici, în s t a t u r i m a r i incorpórate: boemii, flamanzii, finezii, croatii etc. reclameazä p e n t r u limba lor dritul cetatenesc in patrie si incaerä l u p t e literare p e n t r u cîstigarea sa. D r e p t aceea n u este de mirare daca septe milioane de romîni sînt cuprinçi de febra filologicä si necontenit se îndeletnicesc a-si lämuri limba, scriptura si istoria." 2 Vgl. H . K o h n , Die Idee des Nationalismus. U r s p r u n g u n d Geschichte bis zur Französischen Revolution, F r a n k f u r t / M a i n 1962, S. 452—463 u n d S. 528ff. 3 Vgl. K . K r u m b a c h e r , Das Problem der neugriechischen Schriftsprache, München 1903; H . K o h n , op. cit., S. 511 ff. 4 Vgl. H . K o h n , op. cit., S. 522ff. ; B. U n b e g a u n , Les débuts de la langue littéraire chez les Serbes, P a r i s 1936. 5 H . K o h n , op. cit., S. 503ff. ; F . Valjavec, Geschichte der deutschen K u l t u r beziehungen zu Südosteuropa, B a n d I I I : Aufklärung u n d Absolutismus, München 1958, S. 309ff. 6 Vgl. W . Bahner, Die theoretischen B e m ü h u n g e n u m die F o r m u n g der rumänischen Nationalsprache in historisch-vergleichender Sicht, i n : R R L X (1965), S. 143ff. 7 L. K u k e n h e i m , Contributions à l'histoire de la grammaire italienne, espagnole e t française à l'époque de la Renaissance, A m s t e r d a m 1932; M. W i t t o n , Das Nationalisierungsprogramm der französischen Renaissance auf d e m

Sprach- und Geschichtsbewußtsein

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beiden rumänischen Fürstentümer Moldau und Walachei jener von 1780 bis 1840 währende Zeitabschnitt. I n beiden Fällen war die Bildung junger Nationalstaaten der entscheidende Beweggrund für die weit über den engen Fachbereich der Philologie hinausführende Geltung nationalsprachlicher Probleme und Kontroversen, wobei das Ineinanderfließen von philologischgrammatischen, literarischen, historischen, ethnographischen und politischen Betrachtungen geradezu bezeichnend war. Die in den einzelnen Ländern im Zusammenhang mit der nationalen Emanzipation auftauchenden philologischen Probleme und Diskussionen bieten ohne Zweifel viele gemeinsame Grundzüge, die sich aus ziemlich gleichgelagerten historischen Bedingungen erklären lassen. Dies darf aber nicht dazu führen, die zwischen den Ländern bestehenden Unterschiede in der Sprachenfrage zu übersehen. 8 Bei genauerem Studium treten diese deutlich hervor, denn von den vorhandenen spezifischen geschichtlichen Voraussetzungen und Gegebenheiten des betreffenden Volkes wird auch die nationale Sprachenfrage geprägt. Ferner gilt es die Auseinandersetzungen auf der jeweiligen nationalen Ebene zu beachten. Es wäre ein trügerischer Schluß, hier ein einheitliches Programm zu erwarten. Auf Grund der gesellschaftlichen Spannungen, die sich aus dem mit der nationalen Emanzipation unmittelbar verknüpften Aufstieg des Dritten Standes ergaben, kam es zu verschiedenen Standpunkten in der Sprachenfrage und dem damit verbundenen Geschichtsbewußtsein. Bei dieser nationalen Sprachenproblematik handelte es sich nicht nur um geistig-philologische Auseinandersetzungen schlechthin. Dieses neu auf-

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Gebiet der Sprache, Dichtkunst, Religion und Sitte, Diss. Breslau 1940; J. Gerighausen, Die historische Deutung der Nationalsprache im französischen Schrifttum des 16. Jahrhunderts, Bonn 1963; Th. LabandeJeanroy, La question de la langue en Italie, Strasbourg 1925; V. Vivaldi, Storia delle controversie linguistiche in Italia da Dante a M. Cesarotti, Catanzaro 1925; B. Migliorini, La questione délia lingua, in: Questioni e correnti di storia letteraria III, Milano 1949, S. 1—75; N. Façon, Problemele limbii literare în cultura italianä, Bucureçti 1962; A. B. Beau, Nation und Sprache im portugiesischen Humanismus, in: Volkstum und Kultur der Romanen 1937, S. 77ff. ; W. Bahner, Beitrag zum Sprachbewußtsein in der spanischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts, Berlin 1956. So folgert E. Lemberg in seinem mit fragwürdigen Thesen aufwartenden Buch Geschichte des Nationalismus in Europa, Linz 1951, S. 153, daß sich in der Herausbildung des mit der Sprachenfrage verbundenen Nationalbewußtseins bei den einzelnen europäischen Völkern eine „verblüffende Gleichheit der Phasen und Formen" zeige.

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kommende Sprach- und Geschichtsbewußtsein hatte auch unmittelbaren Einfluß auf die praktische Gestaltung der Nationalsprache. Selbst wenn sich bestimmte theoretische Ausgangspunkte dabei nicht durchzusetzen vermochten, so trugen sie doch zur Dynamik der Auseinandersetzungen über Herkunft und Form der zu schaffenden einheitlichen Nationalsprache bei und wirkten damit „per negationem" auf deren Entwicklung ein. Diese aktivierende Rolle der philologischen Bestrebungen bei der Formung einer Sprache, die man nicht überbewerten sollte und die in ihrer Wirksamkeit vom Entwicklungsstand der betreffenden Sprache abhängt, wurde von der junggrammatischen Forschung des vergangenen Jahrhunderts völlig übersehen. Unter dem Einfluß der mächtig aufkommenden Naturwissenschaften betrachtete sie die Sprachentwicklung als einen autonomen, unbewußt sich vollziehenden Prozeß, dessen Gesetzlichkeit es, besonders im Lautlichen, zu ergründen gelte. 9 Ferner ergaben sich aus jenen Betrachtungen und Disputen über die Herkunft und Entwicklung der eigenen Sprache Probleme, die durch umfassende Studien zu einer gewissen Klärung gebracht worden sind oder heute noch in der sprachwissenschaftlichen Forschung erörtert werden. Es entbehrt dabei nicht des Interesses, daß verschiedene Gesichtspunkte, die damals ohne echt wissenschaftliche Fundierung vorgebracht wurden, weiterhin in der Forschung vertreten werden, wenn auch mit gewissen Modifikationen. Als die Sprachenfrage in Rumänien noch von größter Aktualität für die nationale Entwicklung war, wurde in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft begründet. Doch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fand sie auch in Rumänien Eingang, als sich bereits in den sprachreformerischen Bestrebungen ein gewisser Abschluß abzeichnete, ohne daß dadurch der Enthusiasmus der nationalen Romantik wesentlich an Kraft einbüßte. H. Schuchardt, der als Zeitgenosse die Entwicklung der rumänischen Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert wohlwollend und interessiert verfolgte, konstatierte im Jahre 1880 mit historischem Verständnis, daß die Liebe zu den vaterländischen Dingen der wissenschaftlichen Betrachtung der Muttersprache keine Marschrouten und keine Verhaltungsmaßregeln vorschreiben dürfe. Aber, so ergänzt er, „sie darf ihr Schwung, Kraft, Beharrlichkeit verleihen und vermag so ungemein glücklich auf sie zu wirken. In diesem Sinn gibt es keine patriotischere Wissenschaft als die, welche sich auf die Sprache 9

Vgl. I. Iordan, Einführung in die Geschichte und Methoden der romanischen Sprachwissenschaft, ins Deutsche übertragen, ergänzt und teilweise neubearbeitet von W. Bahner, Berlin 1962, S. 28ff.

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des eigenen Volkes bezieht, und wie anderswo eine solche unter dem Einfluß des erwachenden und sich steigernden Nationalgefühles in's Leben getreten und herangewachsen ist, so auch bei den Rumänen." 1 0

Der rumänischen Sprachenfrage und den damit verbundenen theoretischen Bemühungen u m die Herkunft und Formung der eigenen Sprache ist bisher unter verschiedenen Aspekten Aufmerksamkeit geschenkt worden. Erst seit dem letzten Jahrzehnt verstärkt sich in der Forschung die Tendenz zu einer allseitigen Aufhellung dieser Phänomene. Seitens der Sprachwissenschaft wurden diese Fragen erstmals von L. ü^äineanu in seiner Istoria filobgiei romäne, Bukarest 1892, behandelt, ^äineanu bietet in diesem Buch einen umfassenden Überblick über die Einschätzung des Rumänischen in den europäischen Ländern seit der Renaissance, über Anfänge und Entwicklung der philologischen Betätigung bei den Rumänen mit besonderer Berücksichtigung der einzelnen Richtungen im 19. Jahrhundert sowie über den damaligen Stand der rumänischen Philologie im weitesten Sinne des Wortes. I n der Geschichte der Philologie sieht er das Wirken zweier Strömungen. Die eine Richtung sei subjektiver Natur. I h r zufolge könne die Sprache nach bestimmten Systemen willkürlich verändert werden. Die andere Richtung dagegen bemühe sich nur darum, die vorgefundene Spräche mit ihren Lauten, Formen und Konstruktionen möglichst objektiv aufzunehmen, d. h. den wirklichen Sprachgebrauch festzustellen. Diese Methode allein ist nach seiner Meinung als Wegbereiterin der modernen Sprachwissenschaft zu betrachten. §äineanu referiert über den Aufbau, den Charakter und das Ziel der einzelnen philologischen Abhandlungen des 18. und 19. Jahrhunderts und bewertet sie danach, inwieweit sie der positivistischen Grundkonzeption und den Forschungsergebnissen der Sprachwissenschaft seiner Zeit entgegenkommen. Ausdrücklich betont fjSäineanu, daß er bei den einzelnen Vertretern der rumänischen Philologie ausschließlich nur deren Ansichten über die Sprache und die als notwendig erachteten Sprachreformen behandelt und beurteilt, nicht aber ihre persönlichen Verdienste und ihre Rolle in der Geschichte der nationalen Wiedergeburt. 1 1 10

Über B. P. Hasdeus Altrumänische Texte und Glossen, Leipzig/Bukarest 1880, S. IV/V. 11 Vgl. S. 223, Anm. 1, wo es heißt: „. . . in aprecierea activitätii filologice a unor bärbati atät de insemnati ca ijüncai, Maior, Laurian, Cipariu si Pumnul,

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Material über die philologischen Bestrebungen im 18. und 19. Jahrhundert bietet auch die zusammenfassende Übersicht über alle rumänischen Grammatiken von R. Iona^cu Gramaticii romàni. Tractat istorie destre evolutiunea studiului gramaticei limbei romàne delal757 pànàastàzi, Ia§i 1914. Da sie aber rein beschreibend ist und im Gegensatz zu §äineanus Werk unkritisch und thematisch begrenzt, ergeben sich, wenig Ansatzpunkte f ü r unsere Thematik. 1 2 Für die Forschung zu Beginn unseres Jahrhunderts ist charakteristisch, daß bezüglich unserer Problematik nur noch die Siebenbürgische Schule berücksichtigt wurde. ßäineanu hatte zwar die sprachreformerischen Tendenzen der Siebenbürgischen Schule als subjektiv und unwissenschaftlich gekennzeichnet, aber er konnte nicht umhin, die historische Bedeutung der mit ihr verbundenen nationalen Bestrebungen zu unterstreichen. I n diesen nationalen Aspirationen erblickten die rumänischen Gelehrten der verschiedensten Richtungen ein für die Geschichte ihres Volkes wichtiges Faktum, doch zu umfassenden Spezialuntersuchungen auf diesem Gebiet kam es nicht. Erst im Jahre 1941 erschien in Rom die Arbeit eines italienischen Linguisten, in der wichtige Aspekte der sprachreformerischen Bemühungen der Siebenbürgischen Schule dargestellt werden. Es ist M. Ruffini mit seinem Werk La scuola latinista romena (1780 —1871). Dieser Gelehrte stellt vor allem die verschiedenen philologischen Gesichtspunkte bei den einzelnen Vertretern dieser Strömung heraus und schenkt dabei den Fragen der Orthographie und des Neologismus gebührende Aufmerksamkeit. Bedeutenden Auftrieb erhielt die Erforschung der rumänischen Sprachenfrage durch die Diskussionen, die in den letzten zwölf Jahren in der Sozialistischen Republik Rumänien über den Charakter und die Entstehung der modernen rumänischen Literatursprache geführt worden sind. 13 Bedingt durch das hohe Ziel einer umfassenden und rasch durchzuführenden sozialistischen Kulturrevolution, wurden ein breit angelegtes normatives Wörterbuch und eine verbindliche Grammatik der eigenen Hochsprache geschaf-

am avut in vedere exclusiv sistemele lor de reformä linguistica, läsand cu totul la o parte ineritele lor personale si rolul lor de factori culturali in istoria renascerii poporului nostru." 12 Von aktuellem Interesse dagegen ist für diese Thematik der Aufsatz von I. Iordan, Scurt istorie al principalelor lucrari de gramaticä romineascä, in: LLit II, Bucuresti 1956, S. 163-196. 13 Vgl. Al. Niculescu, I problemi della lingua letteraria nella Repubblica Popolare Romena, in: V i l i Congresso internazionale di studi romanzi (Firenze, 3 - 8 Aprile 1956), Atti, vol. Il, S. 311-338.

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fen. 14 In unmittelbarem Zusammenhang mit der Bewältigung dieser Aufgaben galt es zu klären, was unter „Literatursprache" zu verstehen ist, wie sich diese herausgebildet hat und wann deren moderne Phase einsetzte. Die rumänischen Linguisten faßten hierbei unter Zugrundelegung der sowjetischen Forschung 15 die Literatursprache als Hochsprache schlechthin auf, nicht nur als Sprache der schöngeistigen Literatur. Sie einigten sich zwar dahingehend, den Beginn der modernen Literatursprache ihres Landes bei den um die Zeitschrift Dada literarä (1840ff.) gruppierten Schriftstellern anzusetzen 16 , doch es ergaben sich in diesem Zusammenhang viele weitere Probleme. Bei der intensiven Beschäftigung mit dieser vielfältigen Problematik der Literatursprache 17 mußte meistens Neuland betreten werden, denn auf diesem weiten Gebiet gab es nur wenige Studien, die, wenn auch nicht als Grundlage, so doch als Ausgangspunkt dienen konnten. Zu ihnen gehört die Arbeit von P. V. Hane? Desvoltarea limbii literare romdne in prima jumätate a secolului al XIX]ei, Bukarest 1904 (2. Auflage 1926), die er auf Anregung seines Lehrers Densusianu verfaßt hatte. Hane? untersuchte die Theorie und die Sprache der rumänischen Autoren des betreffenden Zeitabschnitts. Dabei kam er zu dem Schluß, daß sich erst in der zweiten Hälfte 14

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Vgl. Dictionarul limbii romine literare contemporane, vol. I—IV, Buoureijti 1955—1957; Gramatica limbii romine, vol. I—II, Bucurefti 1954 (Zweite neu durchgesehene u n d erweiterte Auflage 1963). I n diesem Zusammenhang ist auch auf die im J a h r e 1953 erfolgte Rechtschreibereform hinzuweisen: Vgl. Micul dictionar ortografic, Bucuresti 1953 u n d Indreptar ortografic, ortoepic §ii de punctuatie, Bucuresti 1960. Vgl. B. Cazacu, Unele probleme ale studierii limbii literare in lumina ultimelor lucräri ale lingviijtilor sovietici, in: L R I I (1953), Nr. 4, S. 47—56; I . Iordan, Despre limba literarä, i n : SCLV(1954), S. 151—164; derselbe, Limba literarä — Privire generalä, in: L R I I I (1954), Nr. 6, S. 52—77. Vgl. Vorwort zum Dictionarul limbii romine literare contemporane, vol. I, S. I X . Vgl. AI. Niculescu, op. cit.; T. Vianu, Din problemele limbii literare romine a secolului al X I X - l e a , in: L R I I I (1954), Nr. 4, S. 4 5 - 5 8 ; AI. Rosetti, Despre unele probleme ale limbii literare, Bucuresti 1955; W. Bahner, Zur Herausbildung der modernen rumänischen Literatursprache, in: V I I I Congresso internazionale di studi romanzi (Firenze, 3—8 Aprile 1956), Atti, vol. I I , S. 37ff.; G. Istrate, Originea si dezvoltarea limbii romine literare, i n : 1957, 1—2, S. 7 7 - 9 6 ; B. Cazacu, Studii de limbä literarä. Probleme actuale ale cercetarii ei, Bucuresti 1960; I. Coteanu, Romina literarä problemele ei principale, Bucuresti 1961; D. Macrea, Probleme de lmgvisticä rominä, Bucuresti 1961.

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des 19. Jahrhunderts eine einheitliche sprachliche Norm herauszubilden begonnen habe. Neben Hane? ist hier nur noch G. Ibräileanu zu nennen. Er befaßte sich in seinem 1909 in Jassy erschienenen Werk Spiritul critic in cultura romdneascä ebenfalls mit der Problematik, die mit der Entwicklung der modernen rumänischen Literatursprache verbunden war. I n neuerer Zeit war es dann erst Gh. Ivänescu, der sich in der Einleitung zu seinem der altrumänischen Literatursprache gewidmeten Werk Problemele capitale ale vechii romine literare, Ia$i 1948, wieder mit dem Fragenkomplex der modernen rumänischen Literatursprache beschäftigte. Durch die seit 1955 ständig zunehmenden Studien über die Probleme der rumänischen Literatursprache wurden beachtenswerte neue Grundlagen erarbeitet, die in der 1961 in Bukarest erschienenen Istoria limbii romine literare vol. I : De la origini pinä la inceputul secolului al X I X l e a von AI. Rosetti und B. Cazacu zu einer gelungenen Synthese zusammengefaßt wurden. Beide Autoren haben es ausgezeichnet verstanden, die wichtigsten Entwicklungsetappen der rumänischen Schriftsprache bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts allseitig zu markieren. Ihnen kommt es in entscheidendem Maße m i t darauf an, die seit dem 16. Jahrhundert zunächst spärlichen und d a n n immer deutlicher hervortretenden Tendenzen nach einheitlichen Normen in der rumänischen Literatursprache herauszustellen. Zugleich gehen sie kurz auch auf die sprachreformerischen Bemühungen einzelner Autoren ein, die mit der Herausbildung der rumänischen Literatursprache verbunden waren. Einen guten Einblick in die mit der Formung der rumänischen Literatursprache verknüpften geistigen Auseinandersetzungen gewährt die von Gh. Bulgär herausgebrachte und mit einem bemerkenswerten Vorwort versehene Anthologie Scriitorii romini despre limbä §i stil, Bukarest 1957. Weiteres Material f ü r die Verdichtung dieser Problematik in dem Zeitraum von 1780 bis 1848 bietet die Bibliografia limbii romine literare18, die im Jahre 1962 erschien und von einem unter Leitung von Tudor Vianu stehenden Kollektiv zusammengestellt wurde. Tudor Vianu bemerkte im Vorwort zu dieser Bibliographie, daß es bisher oftmals an Studien gemangelt habe, die eingehend darstellen, wie sich die Entwicklung der rumänischen Literatursprache im Denken der Schriftsteller eines bestimmten Zeitabschnitts widerspiegelt. 19 Tatsächlich gibt es verhältnismäßig wenige Arbeiten dieser Art. Aus jüngster Zeit ist hier der Aufsatz von A. Marino Ilumini§tii problema ,cultiväriil limbii20 zu nennen. Er stellt einen beachtlichen Verls Contrib., vol. I I I , S. 193-275. « Ebenda, S. 195. 20

L R X I I I (1964), Nr. 5, S. 4 6 7 - 4 8 2 und Nr. 6, S. 571-586.

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such dar, die theoretischen Bemühungen um die Formung der Nationalsprache von 1780 bis 1840 von der geistig-gesellschaftlichen Situation Rumäniens her, mit Bezug auf die europäische Aufklärung, zu beleuchten. Ehe sich Sprachwissenschaftler mit dieser Problematik eingehender beschäftigten, sahen sich die Literaturwissenschaftler, Historiker und Philosophen bei der Behandlung des Zeitraums von 1780 bis 1880 immer wieder genötigt, kurz auch auf die sprachhistorischen und sprachreformerischen Ansichten vieler rumänischer Autoren einzugehen, hing doch die Sprachenfrage in jener Zeit des nationalen Erwachens eng mit den anderen geistigen Bereichen zusammen. Hierbei sind vor allem die Arbeiten von N. Iorga, O. Densusianu und D. Popovici zu erwähnen. 21 Diese Tendenz hat sich im letzten Jahrzehnt noch verstärkt, denn die gebührende Beachtung dieser nationalsprachlichen Thematik des 19. Jahrhunderts durch die Linguisten brachte eher eine größere Berücksichtigung als eine Einschränkung dieses Gebietes in den gegenwärtigen historischen 22 , literarhistorischen 23 und philosophiegeschichtlichen 24 Abhandlungen über den genannten Zeitabschnitt. Dennoch gibt es kaum Studien, die allseitig diese Problematik aufhellen. Eine Ausnahme bilden nur die neuesten Abhandlungen über die Siebenbürgische Schule. In vielen Untersuchungen zur Sprachenfrage und zum Sprachbewußtsein in der rumänischen Literatur herrscht oftmals ein nur eindimensionaler, ausschließlich von der speziellen Fachproblematik bestimmter Gesichtspunkt vor. Überdies wird häufig direkt die Verbindung zur Gegenwart gezogen, statt vorher eine Einordnung dieser Bestrebungen und Ideen in die historisch-gesellschaftliche Totalität des betreffenden Zeitabschnitts vorzunehmen. Unser Anliegen wird es sein, die generellen Tendenzen bei der Herausbildung des Sprach- und Geschichtsbewußtseins in der rumänischen Literatur von 1780 bis 1880 von der historisch-geistigen Situation her zu erfassen. Dabei ergeben sich auch zu manchen Einzelfragen der bisherigen Forschung noch Ergänzungen und Korrekturen, die Detailstudien und einer synthetischen Sicht zu verdanken sind. 21

N. Iorga, Istoria literaturii romane în secolul al XVIII- l e a , vol. II, Bucuresti 1901 (2. Auflage 1933) sowie Istoria literaturii românesti în veacul al X I X - l e a , 3 vol., Bucureçti 1907—1909; O. Densusianu, Literatura romänä modernä, Bucuresti o. J. 4 ; D. Popovici, Ideologia literarä a lui I. Heliade Rädulescu, Bucuresti 1935 sowie La littérature roumaine à l'époque des lumières, Sibiu 1945. 22 Vgl. Istoria Romîniei, vol. III und IV, Bucuresti 1964. 23 Vgl. Al. Piru, Literatura romîna premoderna, Bucureçti 1964; R. Munteanu, Contributia fjcolii ardelene la cultivarea maselor, Bucureçti 1962. 24 Vgl. Istoria gîndirii sociale si filozofice în Romînia, Bucuresti 1964.

II. Die Siebenbürgische Schule bis 1830 A. Voraussetzungen

und

Grundlagen

Die nationalen Sprachbestrebungen der Rumänen setzten bezeichnenderweise zuerst in Siebenbürgen ein. Sie standen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Anstrengungen, welche die Rumänen in der österreichischhabsburgischen Monarchie im Sinne politischer und kultureller Selbstbehauptung unternahmen. Obgleich die Rumänen Ende des 18. Jahrhunderts mehr als 60 Prozent der Gesamtbevölkerung Siebenbürgens ausmachten, galten sie im Gegensatz zu den Ungarn, Sachsen und Szeklern nur als geduldete Nationalität, nicht als „konstitutionelle Nation" der ständischfeudalen siebenbürgischen Verfassung. Sie forderten die rechtliche Gleichstellung mit den genannten Nationalitäten und legten ein entsprechendes Programm in dem 1791 abgefaßten Supplex Libellus Valachorum nieder. Es wäre allerdings verfehlt, darin den Beginn dieser politischen Emanzipationsbestrebungen der Rumänen zu sehen. D. Prodan unterstreicht mit Recht: „Supplex Libellus Valachorum n'est point le début, mais la formule évoluée, complexe, durable d'une longue lutte pendant laquelle cette formule fut amplifiée et affermie." 25 Bereits Inochentie Micu, der Bischof der Unierten, hatte im 4. und 5. Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts seine Stimme erhoben, um die politische Gleichstellung seiner rumänischen Landsleute in Siebenbürgen mit den anderen Nationalitäten zu fordern. Er wurde nicht müde, zur Verstärkung dieses Anspruchs rechtliche, historische, ethnische, bevölkerungs- und kirchenpolitische Gesichtspunkte vorzubringen. Besonderes Gewicht maß er der Kontinuität der Rumänen als römische Nachkommen in Siebenbürgen bei, denn diese Kontinuität schloß zugleich die historische Priorität vor den Ungarn und Sachsen ein. Micus Bemühungen jedoch scheiterten. Der Hof in Wien und die Magnaten in Siebenbürgen hatten für die Forderungen des rumänischen Bischofs entweder taube Ohren 26 oder wiesen sie 25

26

La lutte de Inochentie Micu pour le relèvement politique des Roumains de Transylvanie, in: RRHist. IV (1965), S. 477. D. Prodan, ebenda, S. 491, weist darauf hin, daß das Vorgehen von Inochentie Micu zuweilen von der Krone geduldet, ja daß er dazu sogar er-

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als Anmaßung zurück. Inochentie Micu wurde gezwungen, auf sein geistliches Amt zu verzichten. Weitab von seiner Heimat mußte er in Rom seine letzten Lebensjahre verbringen. Noch zu seinen Lebzeiten fanden sich zwar Männer in Siebenbürgen, die seine Forderungen übernahmen und den offiziellen Stellen unterbreiteten 27 , doch auch sie hatten nicht den geringsten Erfolg. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren günstigere Voraussetzungen und eine breitere Basis hierfür gegeben. Die umfassende ideologische Instrumentierung dieser Aspirationen erfolgte nun in den historischen und philologischen Abhandlungen der rumänischen Gelehrten Ciain (eingedeutschte Form für Micu), Çincai, Maior, Budai-Deleanu u. a. I n der Forschung bezeichnet man diese Richtung als Siebenbürgische Schule. 28 Durch die nachdrückliche Betonung der ethnischen Herkunft von den Römern und durch die direkte Herleitung der Muttersprache vom Latein erhofften sich diese siebenbürgischen Gelehrten eine Legitimierung der elementarsten Ansprüche ihrer rumänischen Landsleute auf Gleichberechtigung mit den anderen Nationalitäten. Zugleich wollten sie mit diesen Ideen wirkungsvoll zur Erweckung eines rumänischen Nationalbewußtseins bei ihren Mitbürgern beitragen. Diese Latinitätsidee war in der rumänischen Literatur nicht neu. 29 Bereits die moldauischen und muntenischen Chronisten des 17. Jahrhundertmutigt wurde, wenn dieses der königlichen Politik bei dem Bemühen zugute kommen konnte, ständisch-adlige Interessen der bevorrechteten Nationalitäten zurückzudrängen. Sobald aber Interessen der Monarchie, vor allem die Katholisierungsbestrebungen, in Frage gestellt wurden, reagierte der Hof in Wien äußerst abweisend. 27 D. Prodan bemerkt ebenda: „Ses continuateurs apparurent de son vivant même — les premiers diplômés de retour des écoles de Rome ou d'ailleurs: Petru Aron, Grigore Maior, Silvestru Caliani, Atanasie Rednic, Gherontie Cotorea. Leur mémoire de 1748 est conçu dans son esprit et rédigé pour sûr sous sa directe orientation. Ils ne s'y adressent plus au nom du clergé uniate, mais à celui du clergé „Romano-Valachicus"; parfois, à la place de la nomination de Transylvanie apparaît tout comme chez Inochentie, celle de Dacie." 28 Vgl. u. a. N. David, Çcoala ardeleanä, Bucureçti 1949; E. Boldan, Çcoala ardeleanä. Antologie, Bucuresti 1959; Al. Piru, Literatura romînâ premoderna, Bucuresti 1964, S. 4 1 - 1 6 6 . 29 Zum Folgenden vgl. W. Bahner, Zur Romanität des Rumänischen in der Geschichte der romanischen Philologie vom 15. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Romanistisches Jahrbuch VIII (1957), S. 75—94; E. Stänescu, Premisele medievale aie constintei nationale românesti. Märturiile interne, in: Studii. Revistä de istorie X V I I (1964), S. 967-1000.

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hatten mit Stolz darauf hingewiesen, ohne sie jedoch zum Angelpunkt ihrer Darlegungen gemacht zu haben. Der moldauische Chronist Grigore Ureche (um 1590—1647) hob die lateinische Herkunft seiner Muttersprache sowie die ethnische Zusammengehörigkeit der Rumänen in der Moldau, in Muntenien und in Siebenbürgen hervor. Bei Miron Costin (1633—1691), einem weiteren moldauischen Chronisten, kam dieses Latinitätsbewußtsein wesentlich stärker zum Ausdruck. Leidenschaftlich vertrat er die Ansicht, daß die Rumänen ihrer Herkunft nach römische Kolonisten aus Italien seien. In seiner rumänischen Landessprache erblickte Miron Costin den überzeugendsten Beweis für die römische Herkunft seines Volkes. Ähnliche Ideen vertrat auch Constantin Cantacuzino (1650—1716), der als erster in Muntenien auf die Latinität der Rumänen und ihrer Sprache hinwies. Mit mehr Gelehrsamkeit und größerem kritischem Verstand als Miron Costin suchte er die Romanität seines Volkes zu begründen. Constantin Cantacuzino war zugleich der erste Rumäne, der die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den rumänischen Stämmen nördlich und südlich der Donau, den Dakorumänen und Aromunen, herausstellte. Hinsichtlich der Argumentation und Erudition ging der universalgelehrte Dimitrie Cantemir (1673—1723) über diese Chronistentradition noch hinaus. Gegenüber den Chronisten brachte Cantemir zwei neue Überlegungen, die in den Diskussionen der Siebenbürgischen Schule eine große Rolle spielen sollten: den Anspruch, daß sich die Reinheit des Römertums bei den Rumänen erhalten habe, und die Idee, wonach die Kontinuität "der Römer beziehungsweise Rumänen in Siebenbürgen als gesichert betrachtet werden müsse. Diese Thesen finden sich vor allem in seinem Werk Hronicul vechimei a RomanoMoldo-Vlahilor. Cantemir wollte sie mit der Behauptung stützen, daß die vorrömische dakische Bevölkerung völlig vernichtet worden wäre. Dadurch sei es zu keiner ethnischen Vermischung zwischen Römern und Dakern gekommen. Als im Verlauf des Zusammenbruchs des Römischen Reiches und noch Jahrhunderte später fremde Völker in die einstige römische Provinz Dazien einfielen, hätten sich viele Rumänen in die Berge zurückgezogen und auf diese Weise ihre römische Reinheit weiterhin bewahrt. 30

30

In der von einem Kollektiv herausgegebenen Istoria literaturii romine, vol. I : Folclorul. Literatura rominä in perioada feudalä (1470—1780), Bucure^ti 1964, S. 635/636, wird hervorgehoben, daß Cantemir gegenüber seinen Vorgängern, den Chronisten, einen Schritt weiter ging, indem er die Möglichkeit offen ließ, daß die römisch-rumänische Bevölkerung Daziens zur Zeit der Völkerwanderung mit den hereinbrechenden fremden Völkern in Kontakt trat, ohne daß eine ethnische Verschmelzung erfolgte.

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Das von Cantemir in seinem Werk verfolgte Ziel bestand ohne Zweifel darin, die Kontinuität der Rumänen in ihren heutigen Wohnsitzen zu beweisen und damit zu rechtfertigen. Für die Nachwirkung dieser Ideen Cantemirs verdient der Umstand Beachtung, daß der Bischof Inochentie Micu in Wien von einem Händler aus Petersburg eine Abschrift dieser Abhandlung des von den Osmanen verjagten moldauischen Fürsten gekauft hatte. Später erlangte auch Samuil Ciain, ein Neffe des Bischofs, durch eine Abschrift dieses Traktats Kenntnis von Cantemirs Ausführungen über die Herkunft der Rumänen. 3 1 Die dadurch mögliche Einflußnahme Cantemirs auf Vertreter der Siebenbürgischen Schule gilt es gegenüber der Meinung, daß die Wiedererweckung der Latinitätsidee bei den Rumänen Siebenbürgens hauptsächlich auf die durch die unierte Kirche geschaffene Verbindung mit Rom zurückzuführen sei, nachdrücklich zu unterstreichen. 3 2 Selbstverständlich ergaben sich Ansätze f ü r die Erneuerung der Latinitätsidee in Siebenbürgen auch durch das kirchengeschichtlich bedeutsame F a k t u m , daß sich um 1700 ein Teil der Siebenbürger Rumänen griechisch-orthodoxen Bekenntnisses der katholischen Kirche unter Beibehaltung der althergebrachten liturgischen Formen als „Unierte" anschloß. Durch diese Verbindung hatte sich eine neue Blickrichtung f ü r die eigene Tradition aufgetan. Viele unierte Priester erhielten ihre Ausbildung und Erziehung in Wien und Rom, und es fehlte nicht an Versuchen der katholischen Kirche, mit historischen und sprachlichen Argumenten das Band zwischen Rom und dem Rumänentum neu zu knüpfen. M. Gaster folgerte in seiner Geschichte der rumänischen Literatur: „Es war eine ethnische und religiöse Frage, die der Katholizismus anregte, die aber allmählich zu einer politisch-nationalen wurde. Der tiefere Beweggrund war, den Boden f ü r die religiöse Propaganda vorzubereiten und den Bruch mit der literarischen Vergangenheit der Rumänen herbeizuführen." 3 3 Es ist jedoch bezeichnend, daß, wie bereits angedeutet, erst Ende des 18. Jahrhunderts die Latinitätsidee von den Rumänen zu einem umfassenden nationalen Geschichtsbild entwickelt wurde. Konfessionelle Schranken traten hierbei kaum zutage. Zwar waren viele der geistigen Repräsentanten 31 32

33

AI. Piru, Literatura rominä premoderna, S. 46. Ebenso ist die Ansicht von L. Gäldi nicht zutreffend, daß der Bischof Inochentie Micu die Lehre von der Kontinuität der Rumänen in Siebenbürgen nur aus den Büchern von ungarischen und sächsischen Humanisten (15.—18. Jh.) geschöpft haben könne. Siehe Ungarisch-rumänische Kulturbeziehungen, in: Ungarische Jahrbücher X X I (1941), S. 76. Grundriß der romanischen Philologie, herausgegeben von G. Gröber, Bd. II, 3. Abt., Straßburg 1901, S. 326.

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der Siebenbürgischen Schule Unierte, doch fehlte es in Siebenbürgen und im Banat keineswegs an Männern griechisch-orthodoxer Konfession, die gleiche Ideen vertraten und ähnliche Intentionen damit verfolgten. Wenn erst zu jenem Zeitpunkt ein auf der Latinitätsidee beruhendes nationales Sprach- und Geschichtsbewußtsein im rumänischen Geistesleben zur vollen Entfaltung kam, so ist der Grund hierfür in der historischgesellschaftlichen Lage Siebenbürgens gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu suchen3'1, die auf Grund der ökonomischen und politischen Entwicklung durch den Zerfall der feudalen Verhältnisse und den Aufstieg der Mittelschichten gekennzeichnet war. Eng damit hingen die Versuche der Krone zusammen, durch Reformen von oben ein zentralisiertes und aufgeklärtes Staatswesen zu schaffen. In Auswirkung der Zentralisierungsbestrebungen der Habsburger Monarchie kam es bei den einzelnen Nationalitäten, nicht zuletzt durch die Erstarkung des Dritten Standes, in wachsendem Maße zu einer Akzentuierung der Eigenständigkeit. Da jene Zentralisierungstendenzen bei den Ungarn und Sachsen Privilegien einer ständisch strukturierten Gesellschaft in Frage stellten, stießen diese Bestrebungen der Monarchie sowohl in Kreisen des Feudaladels als auch in einem Teil des städtischen Bürgertums auf Ablehnung. Es fehlte nicht an sächsischen und ungarischen Gelehrten, die in historischen Abhandlungen um nationale Selbstverständigung' rangen und dabei Vorrechte ihrer Nationalität zu legitimieren suchten. 35 In ihren Schriften bemühten sie sich zugleich, die Ansprüche der 34

35

Vgl. Istoria Rominiei, vol. I I I (Redaktionskomitee: A Otetea, D. Prodan, M. Berza, Fl. Constantiniu, L. ijtefänescu), Bucuresti 1964, S. 585—595, S. 725-849. Vgl. Franz Joseph Sulzer, Geschichte des transalpinischen Daciens, 3 Bde., Wien 1781—82. Sulzer stammte aus der Schweiz, war mit einer Sächsin aus Kronstadt verheiratet und besaß das Bürgerrecht von Kronstadt. Joseph Karl Eder gab 1791 in Klausenburg den Supplex Libellus Valachorum mit kritischem Kommentar heraus. Der Historiker Johann Christian von Engel, ein in Ungarn geborener Banater Schwabe, wirkte als Sekretär der Siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien. Er hatte in Göttingen studiert und war ein Schüler von August Ludwig Schlözer. Engel verfaßte zur Rumänenfrage: Commentatio de expeditionibus Trajani ad Danubium et origine Valachorum, Wien 1794, und Geschichte der Moldau und Walachey, Halle 1804. M. Lebrecht, Geschichte der aborigenen dazischen Völker, Sibiu 1791. Von ungarischer Seite seien hier nur genannt: J. Benkö, Transilvania, Wien 1777/1778; Georg Pray, Annales veteres Hunnorum, Avarum et Hungarorum, Wien 1761. Die Bemühungen siebenbürgischer Gelehrter, durch ihre Abhandlungen zum geschichtlichen Selbstverständnis ihrer Nationalität beizutragen, reichen bis ins Zeitalter des Humanismus zurück. Vgl. bei-

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Rumänen auf rechtliche Gleichstellung mit den Ungarn, Sachsen und Szeklern durch historische Argumente zu entkräften, hatten doch im Zuge der erwähnten gesellschaftlichen Entwicklung auch die Rumänen inzwischen selbstbewußt ihre Forderungen erhoben. In dem an Kaiser Leopold II. gerichteten Supplex Libellus Valachorum forderten die rumänischen Verfasser gemäß ihrer ideologischen Tradition des 18. Jahrhunderts, daß der ältesten und zahlreichsten Nationalität in Siebenbürgen die alten Rechte wieder zugestanden werden müßten. Die nationalen Emanzipationsbestrebungen der Siebenbürger Rumänen erhielten durch die Aufklärungsbewegung josephinischer Prägung 3 ß einen gewissen Auftrieb. Die Aufklärung war in ihrer Gesamtheit die Ideologie des erstarkten Dritten Standes im Kampf gegen Feudalismus und klerikale Bevormundung. Der Josephinismus stellte den Versuch dar, den feudalabsolutistischen Staat so zu reformieren, daß unter Beibehaltung grundlegender ständischer Privilegien mit den durch den Dritten Stand hervorgerufenen ökonomischen und geistigen Veränderungen Schritt gehalten werden könnte. Hier traf sich die Absicht der Krone, durch einen mit wichtigen Reformen verbundenen aufgeklärten Absolutismus die feudalabsolutistische Struktur gegenüber einem revolutionären Aufbruch abzusichern, mit derjenigen des Bürgertums, einen modernen Nationalstaat zur besseren Durchsetzung der eigenen Interessen aufzubauen. Da innerhalb der habsburgischen Monarchie viele Nationalitäten existierten, vermehrten sich noch die bereits bestehenden Widersprüche. Einerseits wurden Maßnahmen eingeleitet, die eine generelle Aufwärtsentwicklung auf den verschiedensten Gebieten verhießen und den einzelnen Nationalitäten, besonders auf kulturellem Gebiet, ein größeres Betätigungsfeld gestatteten. Andererseits sprach daraus ein bürgerliches Nationwerden in Österreich 37 , das teilweise

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37 2*

spielsweise K. K. Klein, Die Goten-Geten-Daken-Sachsengleichung in der Sprachentwicklung der Deutschen Siebenbürgens, in : Südost-Forschungen X I (1946-1952), S. 8 4 - 1 5 4 ; F. Valjavec, Geschichte der deutschen Kulturbeziehungen zu Südosteuropa, Bd. I I I : Aufklärung und Absolutismus, München 1958, S. 324ff., und A. Pancratz, Der siebenbürgisch-sächsische Anteil an der rumänischen Geschichts- und Sprachforschung, in: Forschungen zur Volks- und Landeskunde I I (1959), S. 19ff. Vgl. D. Popovici, La littérature roumaine à l'époque des lumières, Sibiu 1945; F. Valjavec, Der Josephinismus. Zur geistigen Entwicklung Österreichs im 18. und 19. Jahrhundert, München 1945 2 ; F. v. Maaß, Der Josephinismus, 5 Bde., Wien 1951—1961; B.Winter, Der Josefinismus, Berlin 1962. Vgl. E. Winter, op. cit., S. 361.

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mit der heranreifenden Emanzipation der anderen Nationalitäten zusammenstoßen mußte. Joseph II. erklärte, daß Nationalität und Religion bei der Einstellung und Einschätzung eines Beamten keine Rolle spielen dürften. Die Hauptsache war, dieser Beamte erwies sich als nützliches Glied im feudalabsolutistischen Staatsapparat. Zugleich war dieser Herrscher bestrebt, überall in der Monarchie Deutsch als Amtssprache durchzusetzen. Durch die schon von Maria Theresia 1777 erlassene Ratio educationis kam es zwar bei den einzelnen Nationalitäten zu wichtigen Volksbildungsreformen, doch in den höheren Schulen wurde ausschließlich Deutsch gelehrt. E.Winter folgert: „Vor allem die Landschulen, in denen in der Muttersprache unterrichtet wurde, haben für die nationale Wiedergeburt der slawischen Völker in der Donaumonarchie den Grund gelegt. Mit der gleichzeitigen Aufhebung der Leibeigenschaft ging die Entfaltung eines nationalen Bürgertums, des Trägers der nationalen Wiedergeburt, rasch voran. Freilich dürfen die germanisierenden Tendenzen der josefinischen Schule nicht übersehen werden, die jedoch durch die in die Städte drängende Landbevölkerung vereitelt wurden." 3 8 Dank dieser neuen Bedingungen war auch unter den Rumänen Siebenbürgens auf dem Gebiet der Volksbildung ein mächtiger Aufschwung zu verzeichnen. Von den geistigen Repräsentanten der Siebenbürgischen Schule wurden allgemein-volksbildende aufklärerische Traktate und praktische Lehrbücher für verschiedene Erwerbszweige verfaßt, sollten doch „aufgeklärte" Untertanen und tüchtige Nachwuchskräfte für die gewerblichen Berufe herangebildet werden. Neben Einführungen in die Logik, Ethik und Naturlehre gab es Anleitungen zur Bodenbestellung, zur Obstbaumzucht, zum Hanfanbau, zur Kartoffel- und Baumwollkultur usw. 39 Wenn auch Joseph II. auf dem Sterbebett (1790) seine von ihm eingeleiteten Reformen widerrief und angesichts der Französischen Revolution die reaktionären Kräfte die Oberhand behielten, die bei den nichtdeutschen Nationalitäten der habsburgischen Monarchie aufgetretenen Emanzipationsbestrebungen ließen sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht mehr aufhalten, auch nicht von der Heiligen Allianz. Alle führenden Vertreter der Siebenbürgischen Schule waren mit der durch den Josephinismus geprägten Aufklärungsbewegung unmittelbar verbunden. Durch ihre Werke trugen sie zur Volksbildung unter den Ru38 Ebenda, S. 187. 39 Vgl. C. C. Bodea, Preocupäri economice culturale in literatura transilvanä dintre anii 1786-1830, in: Studii. Revistä de istorie I X (1956), Nr. 1, S. 87—106, und R. Munteanu, Contributia scolii ardelene la culturalizarea maselor, Bucurefjti 1962.

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mänen bei, oder sie engagierten sich für den Josephinismus, der hei aller Beschränktheit zumindest formal die Gleichberechtigung der Rumänen mit den Ungarn, den Szeklern und den Sachsen in Siebenbürgen einschloß. So wirkte Ciain für die Verbreitung der Wölfischen Philosophie 40 , der offiziellen Philosophie des aufgeklärten Absolutismus. §incai schrieb eine Abhandlung gegen den Aberglauben hinsichtlich der Naturereignisse. 41 I m Jahre 1783 verfaßte Maior die Abhandlung Procanon, die in ihrer Argumentation auf das erstmals 1763 in Frankfurt a. M. erschienene Werk De statu ecclesiae et legitima protestate Pontificis von Justinus Febronius zurückging. Unter diesem Namen verbarg sich als Verfasser der Weihbischof Johann Nikolaus von Hontheim. Die in De statu ecclesiae . . . dargelegten Ideen entsprachen der sich von Joseph II. als Ziel gesetzten Aufgabe: „. . . die Schaffung einer im Geiste der christlichen, jansenistisch beeinflußten Aufklärung reformierten katholischen Kirche, die in weitgehender Unabhängigkeit von der Kurie ein geeignetes Instrument des Staatskirchenregiments sein sollte, ein Instrument, das dem zeitlichen und ewigen Wohl der Untertanen des Habsburgerstaates zu dienen vorgab, .um einer revolutionären Entwicklung vorzubeugen." 42 Maior, der in seinem an Febronius orientierten Procanon die Unfehlbarkeit des Papstes angriff und der aus seinem Mönchsorden austrat, setzte in die Politik Josephs II. großes Vertrauen, da er von ihr eine Förderung der nationalen Emanzipation seiner Landsleute in Siebenbürgen erwartete. Ultramontane jesuitische Bemühungen mußten bei der breiten Masse der Unierten in Siebenbürgen scheitern, da sie im Gegensatz zum Josephinismus nicht im geringsten auf die tatsächlichen Belange der Rumänen Bezug nahmen. Auch die aufklärerischen Ideen Budai-Deleanus sind nicht aus dem Josephinismus auszuklammern, denn angesichts der revolutionären Ereignisse in Frankreich formierte sich unter den Anhängern des Josephinismus ein jakobinischer Flügel.

B. Zur Herkunft

der Rumänen

und ihrer

Sprache

Von den Vertretern der Siebenbürgischen Schule war es zunächst Samuil Ciain 43 , der sich der als dringlich und notwendig erachteten Aufgabe unter40

41

43

Vgl. I. Lungu, Gindirea social-politicä si filozoficä a lui Samoil Micu, in: Din istoria filozofiei in Rominia, vol. II, Bucuresti 1957, S. 130ff. Inv&^äturä fireasca spre surparea superstitiei norodului, Bucuresti 1964-, 42 herausgegeben von D. Ghise und P. Teodor. E. Winter, op. cit., S. 99 Vgl. I. Radu, Doi luceferi r&täcitori: G. ¡-Üncai si S. Micu Klein, Bucurefjt 1924; D. Panaitescu-Perpessicius, Samuil Micu, in: Mentiuni de istorio

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zog, seinen rumänischen Landsleuten in der Muttersprache einen Überblick über die Geschichte der nationalen Entwicklung zu Meten.4/1 Zutiefst war er davon überzeugt, daß der Geschichtsschreibung eine große nationalerzieherische Bedeutung zukomme. Kenntnisse über Herkunft und Entwicklung des eigenen Volkes dienten dazu, das Nationalbewußtsein zu wecken und zu festigen. Und gerade die Rumänen bedurften in ihrer bedrückten Lage eines nationalen Geschichtsbewußtseins, galt es doch, sich zum gemeinsamen entschlossenen Handeln durchzuringen. Im Vorwort zu seiner Scurtä cunoftinß a istorii rominilor, in dem sich Ciain an die Rumänen schlechthin wandte, manifestiert sich deutlich der Wille, hier einen Rückstand aufzuholen: „Für den Rumänen ist es häßlich, daß er die Geschichte seines Volkes nicht kennt, denn wie wir sehen, haben alle Völker über die Begebenheiten ihrer Vorfahren geschrieben." 45 Seines Erachtens vermag die Geschichte durch wirkliche Beispiele zu belehren und zum Selbstverständnis des eigenen Volkes beizutragen. In seinen geschichtlichen Darlegungen war es Ciain hauptsächlich darum zu tun, im Anschluß an Cantemir und die rumänische siebenbürgische Tradition des 18. Jahrhunderts die zwei folgenden Momente gebührend herauszuarbeiten: Erstens würden die Rumänen in direkter Linie von den römischen Siedlern und Soldaten abstammen, die Kaiser Trajan nach

44

45

grafie literarä si folclor (1948-1956), Bucuresti 1957, S. 5 0 2 - 5 2 4 ; Ion Lungu, op. cit.; D. Macrea, Samuil Micu, in: Lingvisti si filologi romini, Bucuresti 1959, S. 1 7 - 3 3 . An Geschichtswerken verfaßte Ciain in lateinischer Sprache: De ortu, progressu, conversione Valachorum; Brevis historica notitia (1778). In rumänischer Sprache schrieb er die vierbändige Istoria si lucrurile si intimpl&rile rominilor, ohne daß er sie zum Abschluß bringen konnte; außerdem die in Abschriften in Umlauf befindliche Scurtä cunostintä a istorii rominilor, die C. Cimpeanu 1963 in Bukarest herausgab. Zu Lebzeiten des Autors erschien jedoch von diesen historischen Werken nur ein Aufsatz in dem 1806 publizierten „Calendarul de la Buda", der auf ungefähr 40 Seiten den Anfang seines vierbändigen Werkes enthält. Diesen druckt Cimpeanu in seiner erwähnten Ausgabe wieder ab. Zur Rolle der Kalender bei der Volksbildung vgl. M. Tomescu, Calendarele rominesti (1733—1830), Bucuresti 1957. „. . . cä urit lucru iaste rominului sä nu §tie istoria neamului säu, cä vedem cum toate neamurile au scris lucrurile mai marilor säi, . . . " S. 3 der von Cimpeanu besorgten Ausgabe, der auoh die folgenden Zitate von Ciain entnommen sind. Dieses Vorwort erschien auch in dem 1806 herausgekommenen Kalender von Buda.

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Dazien gesandt hatte. Zweitens käme den Rumänen in Siebenbürgen die Priorität zu, da alle übrigen Nationalitäten später zugewandert seien. Ciain hielt sich an Cantemir nicht nur in bezug auf die These, wonach die Rumänen infolge der völligen Ausrottung der Daker echte und reine Nachkommen der Römer seien, sondern er begann ebenso wie Cantemir seine Geschichte des rumänischen Volkes mit der Zerstörung Trojas und der damit verknüpften legendären Gründung Roms, wie sie Virgil in seinem römischen Nationalepos Aeneis poetisch verklärt hatte. Beweise für die Romanität seines Volkes erblickte Ciain in Angaben älterer, meist nichtrumänischer Autoren, in Sitten und Bräuchen, die heute noch bei den Rumänen anzutreffen sind, in der eigenen Sprache und schließlich in dem Namen, den sich seine Landsleute selbst oder den ihnen die Nachbarvölker gegeben hatten. 4 6 Neu war daran ohne Zweifel der Hinweis auf Übereinstimmungen zwischen alten römischen und gegenwärtigen rumänischen Sitten und Bräuchen. Aus diesem Grunde wollte man in Ciain auch den ersten rumänischen Folkloristen Siebenbürgens erblicken. 47 Hinsichtlich der rumänischen Sprache bemerkte Ciain, daß für jeden, der über Lateinkenntnisse verfüge, die Verwandtschaft zwischen beiden Idiomen augenfällig sei. Da jedoch die Veränderungen, die das Rumänische im Laufe der Jahrhunderte erfahren hat, gegenüber der lateinischen Ausgangsform deutlich hervortraten, griff Ciain zur Korruptionstheorie und erklärte diese Wandlungen als Einfluß der auf die Rumänen im Laufe der Geschichte einwirkenden fremden Völker. 48 Hierbei wäre es im wesentlichen zu Wortentlehnungen gekommen. Zugleich nahm Ciain die Gelegenheit wahr, um im Sinne einer Verteidigungsposition auf Parallelen hinzuweisen. Auch das Lateinische in Italien und das Altgriechische in Griechenland seien auf Grund desselben Faktors so korrumpiert worden, daß heute die Italiener und die Griechen nicht mehr die Sprache ihrer einstigen Vorfahren aus dem Altertum verständen. Die große Zahl slawischer Wörter im Rumänischen möchte Ciain mit der im Großbulgarischen Reich zustande gekommenen kirchlichen Verbindung der Rumänen mit den Bulgaren erklären, welche die Einführung des Slawischen als Kultsprache zur Folge gehabt habe. 49 Ciain bewertete diese slawischen Elemente im Rumänischen als Zeichen einer Sprachverderbnis. In diesem Zusammenhang verwies er als einer der ersten darauf, daß die einstige römische Bevölkerung in Dazien schon vor der Ankunft der Slawen das « Ebenda, S. « Ebenda, S. 48 Ebenda, S. 49 Ebenda, S.

82ff. XXX. 88/89. 96-98.

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Christentum angenommen hatte, denn f ü r einige Grundbegriffe der christlichen Terminologie existierten im rumänischen Volk weiterhin lateinische Bezeichnungen. Die für die Rumänen übliche Bezeichnung war für Ciain ebenfalls ein Beweis der Latinität seines Volkes, denn ,romän' sei von lateinisch ,romanus' herzuleiten und ,vlah' sei die bei den Slawen übliche Benennung der Romanen, ganz gleich, ob Rumäne oder Italiener. 50 Wie vor ihm Cantacuzino und Cantemir hob er die ethnische und sprachliche Zusammengehörigkeit aller Rumänen nördlich und südlich der Donau hervor. 5 1 Sprachliche Unterschiede zwischen den Dakorumänen und den Aromunen seien hauptsächlich dadurch zustande gekommen, weil die Rumänen nördlich der Donau viele Wörter aus dem Slawischen und die Rumänen südlich der Donau zahlreiche Bezeichnungen aus dem Griechischen entlehnten. I n Clains Geschichtswerken zeigte sich in der Grundkonzeption gegenüber den Chronisten der Moldau und Walachei und gegenüber Cantemir eine neue Betrachtungsweise. Gemäß seinem aufklärerisch-josephinischen Weltbild spielte die göttliche Providenz in seinen Darlegungen keine Rolle mehr. E r war bemüht, die historischen Zusammenhänge mit Vernunftsgründen zu erklären, und räumte hierbei herausragenden Persönlichkeiten eine maßgebliche Rolle ein. 52 Den von Kaiserin Maria Theresia und J o s e p h l l . eingeleiteten Reformen zollte Ciain Beifall. Beiden Herrschern rühmte er nach, ein Herz f ü r die unterdrückten Rumänen gehabt und ihnen geholfen zu haben. 5 3 Clains weltanschaulich und sozial bedingte Grenzen wurden jedoch sichtbar bei der Einschätzung der im Jahre 1784 erfolgten mächtigen Erhebung rumänischer Bauern unter Horia, Clofjca und Cri§an in Siebenbürgen. Als Anhänger eines gemäßigten Reformismus lehnte er den revolutionären Aufstand der unterdrückten rumänischen Bauernschaft ab und verfluchte deren Anführer. Ciain hoffte durch die Entwicklung eines breiten nationalen Bewußtseins die Lage seiner rumänischen Landsleute in Siebenbürgen zu verbessern. Dabei t r a t er durchaus militant gegen jene Umstände und Kreise innerhalb und außerhalb des Rumänentums auf, die der nationalen Wiedergeburt entgegenstanden. Seine Reformen waren vorwiegend darauf ausgerichtet, den Rumänen zum Bewußtsein ihrer nationalen Würde zu verhelfen und sie auf einen modernen Bildungsstand zu heben. Den Ehrgeiz seiner Landsleute versuchte er durch einen Hinweis so Ebenda, Ebenda, 52 Ebenda, 53 Ebenda,

S. 89/90. S. 71/72. S. XLIV. S. 44.

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auf den Glanz und die Macht Roms zu wecken. Die rumänische Gegenwart stehe in einem sehr mißlichen Verhältnis zu diesem römischen Erbe. 54 Das Volk, so folgerte Ciain leidenschaftlich, das „einst die ganze Erde beherrschte, besitzt jetzt auf der ganzen Welt kein Stück Erde. Diejenigen, welche die Herren der Völker waren, dienen nun bei allen anderen Völkern. Und ein noch größeres Elend ist, daß sie sich schämen, sich Rumänen zu nennen. Einige schämen sich sogar, rumänisch zu sprechen, und unterhalten sich untereinander lieber griechisch oder ungarisch oder in einer anderen Sprache statt in ihrer eigenen. Sie sind zu müßig, ihre Sprache zu bearbeiten und zu pflegen, in ihr zu schreiben und zu lehren." 55 In diesen Unterlassungen erblickte Ciain wesentliche Gründe für die bestehende untragbare Situation. Dafür machte er vor allem den rumänischen Klerus und die Bojaren mitverantwortlich. Er mahnte, sie sollten endlich ihren Beitrag leisten zur Vermittlung von Wissen und Bildung in der Muttersprache an alle Schichten des Volkes. Die Besinnung auf das römische Erbe müßte als Ansporn dienen, um durch Wissen und Bildung wieder zu altem Ansehen zu gelangen. Nach den Grundsätzen eines gemäßigten Josephinismus erhoffte sich Ciain in dieser Hinsicht durch Reformen von oben, bei denen vornehmlich aufgeklärte, kluge und für das Allgemeinwohl sich aufopfernde Männer eine zentrale Position einnehmen sollten, einen entscheidenden Wandel. Adel und Klerus sollten sich mit großer Energie um eine allgemeine Volksbildung kümmern und dabei selbst nachahmenswerte Beispiele schaffen. 56 So sei es verfehlt, wenn die Angehörigen des Klerus ihre Aufgaben darauf beschränkten, den Gottesdienst zu verrichten und gut zu singen. Ciain meint, in den Klöstern müßten Bücher für die Volksbildung verfaßt werden. Ähnliche Ideen wie Ciain in bezug auf die Herkunft und Geschichte des rumänischen Volkes vertrat auch Gheorghe i->incai (1754-1816) 57 . Beide 54

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Ähnlich hatte sich bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts Cotorea, ein Kampfgefährte von Inochentie Micu, geäußert. Vgl. N. Comsa, Manuscrisele rominesti din Biblioteca centralä de Blaj, Blaj 1944, S. 97. •] Scurtä cunostintä . . . Ed. Cimpeanu, S. 70: „. . . cel ce stapinea tot pämintul, acum preste tot pämintul pämint nu au, cei ce era domnii neamurilor, acum la toate neamurile slujesc, si ce e mai mare ticälo^ie, lor le iaste ruijine a sä numi romini, unii sä rusineaza a vorbi romineste, si inträ sine unii cu altii mai voesc a gräi greceste sau ungureste sau altä limbä deeit a sa, si sä lenevesc a-si lucra a-§i iscusi limba sa si intru aceia a serie 56 inväta, . . . " Ebenda, S. 91. Vgl. u. a. AI. Papiu Ilarian, Viata, operele si ideile lui Georgiu SjSincai, Bucuresti 1869; D. Macrea, Gheorghe $incai, in: Lingvisti si filologi

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Männer waren miteinander befreundet und wußten sich in ihren nationalen Bestrebungen eins. In der Geschichte der rumänischen Historiographie nimmt ijüncai durch seine Hronica romänilor §i a mai multor neamuri einen besonderen Platz ein. M. Gaster bemerkte zu diesem Werk: „Es ist die erste gründliche, auf unermüdlicher Quellenforschung beruhende Geschichte der Rumänen, für welche der Verfasser die Bibliotheken in Rom, Wien und die Urkunden in der Moldau, Walachei und in Ungarn fast erschöpfend benutzt hat." 5 8 Edgar Quinet, der Historiker der französischen Romantik, verglich ¡•Jincais Geschichtswerke mit denen Muratoris in Italien und denen der Benediktinermönche in Frankreich. 59 Diese Einschätzung teilt M. Ruffini 60 nicht in vollem Maße, da nach seiner Meinung i-äincai den Archivstudien nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt habe. Obgleich hierzu für §incai alle Möglichkeiten vorhanden waren, habe er mehr den Büchern und Chroniken vertraut. Hinzu komme, daß §incai diese Quellen nicht immer kritisch genug betrachtete. Die gegenwärtige historische Forschung in der Sozialistischen Republik Rumänien urteilt bei aller Beachtung der vorhandenen Schwächen nicht so streng wie Ruffini über die Qualitäten ijüncais als Geschichtsschreiber. 61 In dem genannten Geschichtswerk beschrieb ijincai in der Form der Annalistik die auf die Geschichte aller Rumänen sich beziehenden Ereignisse vom Jahre 86 bis 1739. Voller Stolz berichtet er, daß er während seines fünfjährigen Studiums in Rom am Jesuitenkollegium De Propaganda Fide alle Quellen gelesen habe, die sich auf den römischen Ursprung seiner Sprache und seines Volkes bezogen. Wie Ciain war auch §incai bestrebt, die römische Reinheit und Kontinuität der Rumänen in Siebenbürgen zu erweisen. Daher polemisierte er gegen die in Siebenbürgen wirkenden nichtromini, Bucuresti 1959, S. 33—46; I. Lungu, Gheorghe §incai, invätat si ginditor iluminist, in: Cercetäri filozofice X (1963), S. 389-406 und S. 895 bis 911; M. Tomus, Gheorghe §incai. Viata si opera, Bucuresti 1965. 58 Geschichte der rumänischen Literatur, in: op. cit., S. 328. 59 Vgl. AI. Papiu Ilarian, op. cit., S. 134-138. 60 La scuola latinista . . ., S. 63/64. 61 Vgl. Pascu in Introduction ä l'historiographie roumaine jusqu'en 1918, Bibliotheca historica Romaniae, vol. V, Bucarest 1964, S. 30ff. In Istoria Rominiei, vol. III, S. 1095 heißt es: Cultura si härnicia lui ¡pincai au fäcut din opera sa una din cele mai bogate si mai oneste cercetäri privind istoria nationalä si, cu tot caracterul sau de compilatie si lipsa unei forme mai aträgätoare de prezentare, Hronica lui ramme unul din monumentele istoriografiei in limba rominä, exercitindu-si influenta sa si asupra istoricilor din principate, ca M. Kog&lniceanu si N. Balcescu.

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rumänischen Forscher, die dies in Abrede stellten und die Meinung vertraten, daß die Rumänen einst südlich der Donau ihre Wohnsitze gehabt hätten und im Mittelalter nach Siebenbürgen eingewandert wären. Besonders bekämpfte er hierbei die Gelehrten Engel und Eder. Als sich der siebenbürgischsächsische Schuldirektor Eder bemühte, die Argumente des Supplex Libellus Valachorum in einer Gegenschrift zu widerlegen, verfaßte Çincai im Jahre 1792 eine gegen Eder gerichtete Streitschrift, deren Veröffentlichung jedoch die staatliche Zensur untersagte. Die von Ciain und Çincai vertretenen Ideen bezüglich der Herkunft der rumänischen Sprache erfuhren durch Petru Maior (1760—1821)62 eine wichtige Modifizierung, die zugleich für die praktische Formung der Sprache Bedeutung erlangte. Maior, dessen Hauptwerke zu Lebzeiten des Autors publiziert wurden und ziemlich große Verbreitung fanden, wurde zum Hauptvertreter der Siebenbürgischen Schule, da er als erster äußerst wirkungsvoll das nationale Geschichtsbild seines Volkes zu entwickeln und zu verteidigen wußte. Seine Ideen über die Herkunft des rumänischen Volkes und seiner Sprache, die sich vielfach auf die bereits vorliegende Tradition stützten, wurden das Credo der Siebenbürgischen Schule. Temperamentvoll und von großem patriotischen Eifer erfüllt, verstand es Maior, die seines Erachtens bedeutungsvollsten Abschnitte der rumänischen Frühgeschichte darzulegen. Bei ihm gab es nicht mehr wie bei Clain und Çincai universalhistorische Tendenzen der mittal alterliehen Historiographie. Er polemisierte viel heftiger gegen die Theorien von Sulzer, Eder und Engel als Çincai und scheute sich nicht, dabei seine Gegner persönlich anzugreifen. Vor allem wurde Maior über Siebenbürgen hinaus publizistisch weitaus wirksamer in der von ihm unternommenen geschichtlichen Rechtfertigung der nationalen Existenz seines Volkes. Sendungsbewußt verkündete er im Vorwort zu seiner 1812 in Buda erschienenen Istoria pentru începutul românilor în Dacia, daß es eine vordringliche Aufgabe sei, das von Ausländern über die Rumänen zusammengesponnene Lügengewebe zu zerreißen: „Je tiefer die Rumänen schweigen, den ungerechten Verleumdern nichts antworten, um so stärker befleißigen sie sich, die Rumänen herabzusetzen und sie ab62

Vgl. A. Marienescu, Viata si operele lui Petru Maior, Bucuresti 1883; AI. Lapedatu, Petru Maior in cadrul vietii nationale si culturale a epocii sale, in: Anuarul Institutului de istorie nationalä I (1921), S. 79—86; I. Lupas, Scrierile istorice aie lui Petru Maior, ebenda, S. 87—108; S.Puçcariu, Pärerile lui Petru Maior despre limbä, ebenda, S. 109—119; D. Macrea, Petru Maior, in: Lingvisti si filologi romîni, Bucureçti 1959, S. 46—66; M. Protase, Petru Maior polemist, in: SCÇ, X I I (1961), S. 149-170.

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sichtlich zu verhöhnen." 6 3 Sein Ziel war es, nicht eine Geschichte der Römer schlechthin zu schreiben, sondern nur die Geschichte der Römer in Dazien unter Verwendung der alten Autoren, d. h. der Quellen. Die Rumänen sollten erkennen, welch erlauchter Abstammung sie seien, und sich an ihren römischen Vorfahren ein Beispiel nehmen. Die Grundthesen über die geschichtliche Entwicklung seines Volkes stimmen mit denen überein, die schon vor ihm Vertreter der Siebenbürgischen Schule formuliert hatten. Sie wurden von Maior in den Auseinandersetzungen mit Engel, Eder und Sulzer 64 teilweise noch zugespitzt, wobei er zugleich darauf bedacht war, sie durch umfassendere Argumentation stärker abzustützen. Neu jedoch waren die sprachhistorischen Überlegungen, die Maior in dieser Verbindung anstellte, denn er leitete das Rumänische nicht mehr wie Ciain vom klassischen Latein ab, sondern vom Volkslatein. Diese neue Konzeption verschmolz er mit dem oben skizzierten traditionellen Geschichtsbild der Siebenbürgischen Schule und legte seine diesbezüglichen Ideen in zwei Exkursen nieder, die er dem schon erwähnten Hauptwerk Istoria pentru inceputul romänilor in Dada hinzufügte: Disertafie pentru inceputul limbii romdne§ti und Disertafie pentru literatura cea veche a romänilor. Ferner behandelte Maior diese Ideen in seinem Dialog pentru inceputul limbii romäne intre nepot §i unchiu, Buda 1819, der in der Einleitung zu dem bekannten viersprachigen Wörterbuch von Buda (1825) wieder abgedruckt wurde. Maior nahm eine entschiedene Trennung vor zwischen dem klassischen Latein, der ,grammatica', und der römischen Volkssprache. Diese war f ü r ihn die gesprochene Sprache, jene die Schriftsprache. Zwischen beiden habe ein grundlegender Unterschied bestanden: „Die grammatische lateinische Sprache oder diejenige der Gelehrten, die sich bis heute in den lateinischen Büchern findet, ist, wie klar ersichtlich, keine natürliche Sprache, sondern eine künstliche, welche nur mittels der Grammatik erlernbar ist. Denn sie 63

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„§i cu cit romänii mai adinc tac, nemica räspunzind nedrep^ilor defäimätori, cu atita ei mai virtos se impulpä pre romäni a-i micsora, §i cu volnicie a-i batjocori." (S. V) Zitiert wird in lateinischer Umschrift nach der 1834 in Buda erschienenen 2. Auflage. Sulzer behauptete, die Rumänen wären erst im 12. Jahrhundert nach Siebenbürgen gekommen. In Geschichte des transalpinischen Daciens, Bd. II, S. 53 schreibt er: „Die Walachen sind keine Asiaten, kein ungarisch oder bulgarisches Volk. Sie sind in Mösien, Thracien, und dort herum, nicht in Dacien entstanden . . . Sie haben römische Gebräuche, römische Sitten, eine römische Sprache; sie haben aber auch slavische Sitten, Sprache und Gebräuche."

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ist so beschaffen, daß, wie oft sie auch jemand hören wird, er sie nicht mit solcher Vollendung erlernt, daß er nicht wiederholt schwere grammatische Fehler begeht, wohingegen jede natürliche und, wie man sagt, lebendige Sprache allein vom Hören her vollständig erlernt werden kann." 6 5 Dieser Gegensatz habe im antiken Rom von jeher existiert, behauptete Maior, indem er die römischen Grammatikerzeugnisse auf seine Weise auslegte, insbesondere Quintilians Unterscheidung von grammatice und latine loqui. Dieser siebenbürgische Gelehrte weist der lateinischen Volkssprache ein wesentlich höheres Alter zu als der lateinischen Schriftsprache. Bereits die Bevölkerung Latiums habe sie gesprochen. „Nachdem sie Rom erbaut hatten, besiegten die Römer allmählich alle Völker Italiens. Viele Wörter und Eigentümlichkeiten aus der Sprache jener Stämme wurden der lateinischen Volkssprache hinzugefügt, und so bildete sich die römische Volkssprache, die danach im Munde aller Völker Italiens war." 6 8 Das klassische Latein dagegen, erläuterte Maior, habe sich aus dem Volkslatein entwickelt und sei allmählich durch die Pflege der Gelehrten so gefeilt und bereichert worden, daß es zu Ciceros Zeiten als völlig ausgeformt gelten konnte. Hierbei sei im wissenschaftlichen Bereich auf das Griechische zurückgegriffen worden. Auf diese Weise entfernte sich die Schriftsprache immer mehr von ihrem volkssprachlichen Ausgangspunkt. 67 Diese römische Volkssprache setze in reinster Weise nur noch das Rumänische fort, das somit für die Kenntnis des Volkslateins für die heutige Forschung unentbehrlich sei. Die römische Volkssprache wäre im 2. Jahres Dialog pentru inceputul limbii romäne intre nepot unchiu, in: Lesicon romänescu-lätinescu-ungurescu-nemtescu, Buda 1825, S. 54: „Limba latinä cea gramaticeascä, sau a inv&tatilor, care päna azi este in cärtile latine chiar se vede cä este limbä nu fireascä, ci mestesugitä, §i care nu se poate inväta färä numai cu ajutoriul gramaticei. Cä asa este ea tesutä, cit m&car cit o va auzi cineva nu poate sä o invete cu acea deplinire, cit sä nu facä dese grele gresele asupra gramaticei, unde orice limbä fireasca cum se zice, vie, numai din auzit se poate inväta deplin." Die Transkription erfolgt hier nach den gegenwärtig geltenden orthographischen Normen. Die von Maior dem kyrillischen Text gegenübergestellte lateinische Schreibweise haben wir wegen der hierbei zutage tretenden Latinisierungstendenzen nicht übernommen. 66

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Ebenda, S. 76: „Dupä ce facindu-se Roma, romanii pre incet au invins toate popoarele Italiei; multe cuvinte si insusiri de ale limbilor acelor popoare s'au adus la limba poporanä latinä, si asa s'au intogmit limba romanä poporanä care dupä aceea au fost in gura tuturor popoarelor din Italia." Vgl. ebenda, S. 80/81.

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hundert von aus Italien stammenden römischen Soldaten und Siedlern nach Dazien gebracht worden, wo sie sich bis auf die heutigen Tage ohne tieferen Fremdeinfluß gehalten habe. Das Französische und das Spanische dagegen bezeugten nicht mehr die alte Reinheit der römischen Volkssprache, weil diese in Gallien und Hispanien mit Elementen durchsetzt worden sei, die aus den Sprachen der unterworfenen Völker kämen. Im Verlauf der Völkerwanderung sei diese Sprachverderbnis durch die hereinbrechenden germanischen Völkerschaften in diesen Gebieten noch verstärkt worden. Da in Dazien die Daker, falls sie nicht aus ihrem Land geflohen waren, von den Römern vollständig vernichtet worden wären, sei eine solche Vermischung mit der vorrömischen Bevölkerung nicht möglich gewesen. Mit dem Italienischen sei es in bezug auf die reine Überlieferung der römischen Volkssprache wesentlich besser bestellt als mit dem Französischen und Spanischen. Doch habe der Jahrhunderte später erfolgte Einfluß der Langobarden diese Reinheit der römischen Volkssprache auch in Italien ziemlich getrübt. Er wäre wesentlich tiefgehender gewesen als der slawische auf das Rumänische: „Weil aber die gemeine lateinische Sprache nach der Zeit der Besiedelung Daziens durch aus Italien gebürtige Römer einschneidende Veränderungen in Italien erfuhr, folgt daraus, daß die rumänische Sprache die reinere lateinische Sprache des alten römischen Volkes ist als die heutige italienische Sprache Vor allem aber ist eher nach der rumänischen Sprache zu beurteilen wie einst die Sprache der alten Römer beschaffen war als nach dem heutigen Italienisch. Wenn wir auch dies nicht leugnen können, daß sich in die rumänische Sprache Wörter der Slawen hineingemengt haben . . . Die Slawen indessen haben überhaupt nicht den inneren Aufbau der rumänischen Sprache berührt, vielmehr ist dieser intakt geblieben, so wie er anfangs war, als die Römer, die Vorfahren der Rumänen, nach Dazien kamen. Die Wörter, welche von den Slawen in die rumänische Sprache gebracht wurden, sind außerdem auch ziemlich leicht erkennbar, und es wäre einfach, sie auszumerzen und die rumänische Sprache zu reinigen, wenn sich die Rumänen hierzu einigen würden." 68 68

Disertatie pentru inceputul limbei romäne§ti, in: Istoria pentru inceputul romänilor in Dacia, Buda 1834 2 , S. 236: „Deoaräce darä, cum mai sus am insämnat, limba lätineasca cea comunä, dupa vremea iesirei romänilor din Italia la Dachia, cumplite schimbäri au mai suferit in Italia, urmeazä cä limba romineascä e mai curatä limbä lätineasca a poporului roman eelui vechi decit limba italieneascä cea de acum; si mai cu cädere iaste a judeca din limba cea romineascä cum au fost limba romänilor celor vechi decit din limba italieneascä cea de acum. Mäcar cä aceea nu putem tägädui cä in limba romineascä sint virite cuvinte de ale slovenilor, cu carii au petrecut

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Maior differenzierte zwischen den gelehrten und den volkssprachlichen Elementen in den romanischen Sprachen, um das Argument zu entkräften, daß das Rumänische weniger lateinische Wörter als die übrigen romanischen Sprachen enthalte. Er hob hervor, wie durch die katholische Kirche die schriftlateinische Tradition in den übrigen romanischen Ländern erhalten blieb und daher viele gelehrte lateinische Wörter in die betreffenden romanischen Sprachen übernommen wurden, die im Rumänischen nicht zu finden sind. 69 Andererseits existierten aber im Rumänischen noch viele in anderen romanischen Sprachen nicht mehr zu belegende Wörter aus der römischen Volkssprache. Vornehmlich wären dialektale Wörter und Wendungen der römischen Volkssprache im Rumänischen noch anzutreffen 70 , die von den besiegten italischen Völkern herrührten und vielfach im Italienischen untergegangen sind. Was damals bereits rein dialektalen Charakter trug, hätte sich bis heute in den einzelnen rumänischen Gebieten gehalten. Dialektale Unterschiede im Rumänischen werden von Maior durch unterschiedliche regionale Gegebenheiten der römischen Volkssprache erklärt. I n diesem Zusammenhang verwies er auch darauf, daß es im Aromunischen verschiedene lateinische Wörter gibt, die heute nicht mehr im Dakorumänischen vorhanden sind. Das Aromunische setze nach Maior dieselbe römische Volkssprache fort wie das Rumänische nördlich der Donau. Zu Unterschieden wäre es besonders durch die vielen griechischen Wörter gekommen, welche die Aromunen später im Laufe ihres Zusammenlebens mit den Griechen übernahmen. Die Kenntnis des Aromunischen verdankte Maior

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impreuna, . . . Insä slovenii de tesetura limbei rominesti cea din lontru nicecum nu s-au atins, ci aceea au rämas întreaga, precum era cînd întîi au venit romanii, strämosii romînilor în Dachia. Ci çi cuvintele, care sînt de la sloveni vîrîte în limba romîneasca, pre lesne se cunosc, ¡-si usor ar fi, de a-ar învoi rominii spre aceea a le scoate si a face curatä limba romîneascä." Vgl. Dialog . . ., S. 68/69. S. Puscariu, op. cit., S. 115, und D. Macrea, op. cit., S. 61, überschätzen diese Erkenntnis, wenn sie betonen, daß Maior diesen Unterschied zwischen 'mots savants' und 'mots populaires' damit Jahrzehnte vor Fr. Diez machte. I m 16./17. Jahrhundert nahmen in Italien diese Differenzierung schon C. Cittadini und Cl. Tolomei vor, und in Frankreich war es N. Cathérinot, der dieses Trennungsprinzip umfassend in seiner 1683 erschienenen Abhandlung Les doublets de la langue française entwickelte. Gröbers Geschichte der romanischen Philologie ist für solche Fragen noch immer ein vortreffliches Nachschlagewerk. Vgl. Grundriß der romanischen Philologie, Straßburg 1905, Bd. I 2 , S. 1 - 1 8 5 . Vgl. Dialog . . ., S. 70.

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in Budapest wohnenden aromunischen Gelehrten. Mit ihnen stand er in freundschaftlichen Beziehungen. 71 I n seinen Forschungen zur Geschichte der rumänischen Philologie erblickt D. Macrea in Petru Maior einen weit vorausschauenden Gelehrten. Insbesondere käme diesem siebenbürgischen Streiter für die gesellschaftliche Emanzipation der Rumänen das Verdienst zu, als einer der ersten klar den Unterschied zwischen römischer Volkssprache und Literatursprache hervorgehoben und die romanischen Sprachen vom Volkslatein hergeleitet zu haben. 72 Diese Ansicht dürfte allerdings etwas zu korrigieren sein. Bereits Kopitar deutete in seiner Besprechung von Maiors Istoria pentru inceputul

romdnilor

in Dada

a n , d a ß bei italienischen u n d französischen

Sprachforschern seiner Zeit die Tendenz vorhanden sei, die romanischen Sprachen von einer .lingua romana rustica' herzuleiten 73 Zweifellos kannte Maior die von italienischen Gelehrten noch im 18. Jahrhundert geführten Diskussionen über die Herkunft des Italienischen. Es handelte sich hierbei darum, ob das Italienische aus der mit dem Niedergang des römischen Imperiums erfolgten Verderbnis des Lateins entstanden sei oder ob es eine neben dem klassischen Latein existierende lateinische Volkssprache fortsetze. 74 Maior machte sich die Ansicht derjenigen Gelehrten zu eigen, die das gleichzeitige Bestehen einer volksrömischen und einer literarisch geformten lateinischen Sprache annahmen, und er zog daraus seine Folgerungen für die Geschichte der rumänischen Sprache. In seiner Abhandlung über die Anfänge des rumänischen Volkes zitierte Maior mehrmals Ludo71

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Vgl. Th. Capidan, Petru Maior Aromänii, in: Junimealiterarä X I I (1923) S. 63—69, und Aromänii. Dialectul aromän, Bucuresti 1932, S. 67ff. Es handelte sich hierbei vor allem um den in Pest wirkenden Arzt Gheorghe Roja, der zugleich ein leidenschaftlicher Philologe war, wenn es um die Romanität seiner Muttersprache ging. Im Anschluß an Thunmann sah er in den Aromunen romanisierte Thraker. Hervorzuheben ist hier ferner Mihail Boiagi, Griechischlehrer an der Wiener Nationalschule, der 1813 in Wien in deutscher und griechischer Sprache herausbrachte: Romanische oder Macedonowlachische Sprachlehre. So schreibt D. Macrea, op. cit., S. 57: „El are meritul de a fi fäcut aceastä importantä precizare printre primii lingvisti europeni." Vgl. Barth. Kopitars Kleinere Schriften, herausgegeben von Fr. Miklosich, Wien 1857, S. 235/236. Vgl. A. Fuchs, Die romanischen Sprachen in ihrem Verhältnisse zum Lateinischen, Halle 1849, S. 16—34. Über die Anfänge dieser Diskussionen im Zeitalter des Humanismus unterrichtet M. Vitale, Le origini del volgare nelle discussioni dei filologi del'400, in: Lingua nostra X I V (1953), S. 64—69.

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vico Antonio Muratori 75 . Er verwies insbesondere auf die 32. Abhandlung von Muratoris Antiquitates italicae medii aevi, in der er die Begründung für die Existenz eines Volkslateins fand. Muratori hob in dieser De origine linguae italicae betitelten Abhandlung die im Lateinischen bestehenden dialektalen Unterschiede hervor und machte darauf aufmerksam, wie schwierig es für viele Römer selbst zu Ciceros und Quintilians Zeiten gewesen sei, das Latein korrekt, gemäß den grammatischen Normen, zu verwenden. Der italienische Gelehrte verwarf die Korruptionstheorie der Humanisten, wonach erst durch den Einbruch der germanischen Völkerschaften die lateinische Sprache verderbt worden wäre und daraus die romanischen Volkssprachen entstanden seien. Muratori setzte die lateinische Sprachverderbnis Jahrhunderte früher an : „Noi dunque abbiam potuto finquì conoscere come ne' primi cinque secoli dell' era cristiana non solamente nelle provincie, ma in Roma stessa la lingua latina era scaduta nel commerzio popolare dalla sua naturai purità e bellezza ed avea contratto presso il volgo un colore di barbarie ; sì perché a deformarla era concorsa tanta feccia di gente forestiera, prima che i barbari piantassero qui il piede, e si perché le lingue naturalmente sono esposte a cangiamenti presso il popolo." 76 Bei der Darlegung dieser Ideen stützte sich Muratori auch auf den Philologen Celso Cittadini 77 , der im Jahre 1601 das Werk Trattato della vera origine, e del processo e nome della nostra lingua herausbrachte. I m Anschluß an die in der Renaissancephilologie über die Ursprünge der italienischen Sprache geführten Auseinandersetzungen hatte Cittadini den Gegensatz zwischen römischer Volkssprache und lateinischer Schriftsprache wie folgt formuliert: „Ora egli è da sapere, che per ogni tempo, e prima e poi, furono in Roma due sorte di Lingua. L'una rozza, e mezzo barbara, la quale era propria del volgo, cioè de' Romani, e de' Forestieri Idioti, o vogliamo dire, della gente bassa, e de' contadini senza lettere ; i cui modi di dire, e le cui voci erano rifiutate dagli Scrittori, e da'dicitori nobili; e fuor che le passioni di esse principalmente, e per la maggior parte sono rimaste nelle bocche degl' Italiani nomini senza distinzione di viltà, o di nobiltà; laonde ancor' al presente linguaggio è rimasto il nome antico, cioè volgare, siccome convenevolissimo; poiché 75

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Vgl. D i s e r t a l e pentru inceputul limbei romànesti, S. 233, 235, 238, 239 und 241. Mit Ausnahme von S. Pu§cariu, op. cit., S. 113, wird in allen Arbeiten über Maior darauf nicht Bezug genommen. Opere, a cura di G. Falco e F. Forti, Milano-Napoli o. J. (La letteratura italiana. Storia e testi), vol. I, S. 633. Wir zitieren nach der von Muratori selbst angefertigten italienischen Übersetzung. Vgl. ebenda, S. 632. Diese Schrift wurde zusammen mit anderen linguistischen Abhandlungen Cittadinis 1721 in Rom erneut gedruckt.

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principalmente la Lingua latina antica del volgo s'è conservata fra noi ; e di questa sorte di Lingue non avemo esempio alcuno di rilievo in iscritto; ma solamente se ne trovano così f a t t e reliquie in alcune iscrizioni, o titoli di statue, o di edificj, e in alcuni epitaffj di sepolcri di que' tempi." 7 8 Ähnlich hatte diesen Gegensatz zwischen römischer Volkssprache und klassischem Latein auch Maior ausgedrückt, als er beide scharf voneinander abgrenzte. Diese Ansicht Maiors, die von Sprachforschern des 18. Jahrhunderts immer häufiger vorgebracht wurde, war nicht originell. E r stützte sich hierbei auf Muratori. Originell war aber ohne Zweifel, welche Folgerungen Maior aus diesen Theorien f ü r die rumänische Sprachgeschichte im Sinne einer nationalen Apologetik zog. Sein spezielles Anliegen war es, das Rumänische als diejenige unter den romanischen Sprachen zu erweisen, die am ungetrübtesten diese römische Volkssprache noch repräsentiere 78 a . Von den rumänischen sprachhistorischen Abhandlungen der ersten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts verdienen ferner die Arbeiten von Ion Budai-Deleanu 7 9 unsere Aufmerksamkeit, obgleich, sie nur im Manuskript vorliegen, also nicht publiziert wurden. Budai-Deleanu ist der Autor des komischen Epos figaniada und vom literarischen Standpunkt aus als der hervorragendste Vertreter der Siebenbürgischen Schule zu betrachten. Die von Ciain, SjSincai und Maior über die vorrömische dakische Bevölkerung vorgebrachte Theorie entwickelte er in eine andere Richtung. E r teilte nicht mehr die Auffassung, wonach die dakische Bevölkerung von den Römern völlig ausgerottet worden sei. Bereits Maior 80 hatte ja die Möglichkeit offen gelassen, daß nicht alle Daker von den römischen Truppen vernichtet worden seien. Nach Budai-Deleanus Ansicht wäre ein großer Teil der Daker vor den Römern aus Dazien geflohen. Die Zahl der getöteten Daker schätzte er gering. I h n beschäftigte hierbei in erster Linie die Frage, nach welchen Gebieten diese Daker geflüchtet seien und ob es heute noch Völker gäbe, deren Ursprung auf diese Daker zurückgeführt werden könne. I n seinen auf historischen Abhandlungen seiner Zeit basierenden Überlegungen kam er zu dem Schluß, daß sich die Daker auf der Flucht vor den 78 Zitiert nach A. Fuchs, Die romanischen Sprachen . . ., S. 31, Anm. 71. 78a Vgl. auch I. Ghetie, Opera lingvisticä a lui Ion Budai-Deleanu, Bucuresti 1966, S. 36. 79 Vgl. AI. Cioränescu, Opera istoricä a lui Budai-Deleanu, in: Cercetäri literare I I (1936), S. 102—128; D. Popovici, Doctrina literarä a Tiganiadei lui Budai-Deleanu, in: Studii literare IV (1948), S. 83-118; P.Cornea, I. Budai-Deleanu — un scriitor de rena§tere timpurie intr-o renastere intirziatä, in: Studii de literaturä romìna moderna, Bucuresti 1962, S. 5—78. 80 Vgl. AI. Cioränescu, op. cit., S. 110.

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Römern nordwärts gewandt hätten und als Urahnen der Polen angesehen werden müßten. Ferner schloß er in seiner Erörterung auch die Möglichkeit ein, daß die ersten Römer in Dazien mit Dakern zusammengelebt haben könnten. Hinsichtlich der Herkunft der Rumänen brachte der Verfasser der figaniada im allgemeinen dieselben Ideen vor wie die übrigen Vertreter der Siebenbürgischen Schule. Auch er setzte sich mit den Ansichten von Sulzer, Eder und Engel auseinander. Diesen Gelehrten warf er vor, daß sie besonders deshalb falsche Theorien über die Herkunft der Rumänen aufgestellt und verbreitet hätten, weil sie zu wenig mit der Sprache und den Sitten der Rumänen vertraut waren. I n Kurzgefaßte Bemerkungen über Bukovina stellte Budai-Deleanu fest: „Über den Ursprung der Moldauer, wie auch insgesamt der Walachen, hat man Verschiedenes geschrieben, gemutmasset und erdichtet; dem ohngeachtet getraue ich es mir zu behaupten, dass wenn man mit ihrer Sprache und Sitten vollkommen bekannt ist und mit einem kritisch unparteiischen Blick in die Völkergeschichte des mittleren Zeitalters hineinschauet, vorzüglich aber kein Ursache hat, wegen ihm etwa in diesen Ländern zugestossenen Unannehmlichkeiten auf Unkosten der Wahrheit in der echten Geschichtskunde über eine ganze Nation zu schimpfen, als Herr Hauptmann Sulzer und Carro es taten; so wird man ihnen ihre römische Abkunft ohnmöglich streitig machen können." 8 1 Wie Maior war Budai-Deleanu der Ansicht, daß das Rumänische auf die altrömische Volkssprache zurückgehe. Budai-Deleanu wies die Meinung Sulzers als wissenschaftlich unhaltbar zurück, derzufolge 3 / 8 des rumänischen Wortschatzes slawischer und */3 griechischer Herkunft seien. Zwar gäbe es im Rumänischen nichtlateinische Elemente, doch man dürfe sie nicht überschätzen. Außerdem deute der grammatische Bau der rumänischen Sprache sehr klar auf eine enge Verwandtschaft mit dem Lateinischen hin. Da Budai-Deleanu die Polen auf die Daker zurückführte, wollte er in verschiedenen slawischen Wörtern des Rumänischen dakische Elemente sehen. 82 Hierbei wird auch gegenüber Maior ein Unterschied sichtbar. Während Maior darauf bestand, daß die Reinheit der römischen Volkssprache im Rumänischen am besten noch erhalten sei, ließ Budai-Deleanu zumindest im Wortschatz eine frühe Kontaktnahme zwischen den Römern und den später nach Dazien eindringenden Völkern zu. Er nahm sogar an, daß es 81 82

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Vgl. I. Nistor, Rominii si rutenii, Bucuresti 1915, S. 172. Vgl. AI. Cioränescu, op. eit., S. 113, und das Vorwort von Budai-Deleanu zu seinem rumänisch-deutschen Wörterbuch, herausgegeben von I. SänGiorgiu, Revista fundatiilor regale X I (1944), S. 405.

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schon frühzeitig zu Berührungen zwischen der römisch-rumänischen und der geflüchteten dakischen Bevölkerung gekommen sei. Maiors patriotische Ideen über die Herkunft der Rumänen und ihrer Sprache wurden für die damaligen jungen Generationen der Rumänen in der Tat zu einem Evangelium. Über Siebenbürgen hinaus fanden sie bei seinen Landsleuten lebhaften Widerhall. Es war symptomatisch, daß sich gerade aus dem Banat zwei Männer fanden, die diese Auffassungen Maiors als nationales Anliegen im dritten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts mit Feuereifer propagierten. Auch die Rumänen im Banat hatten es schwer, sich als Nationalität zu behaupten, da sie außer dem Druck seitens der österreichischen Monarchie noch mit den mächtig hervortretenden nationalen Emanzipationsbestrebungen der Serben in Kollision gerieten. Damaschin Bojinca 83 und Eftimie Murgu84 traten als Anwalt ihres Volkes auf, als der aus Arad stammende Serbe Sava Tököly in Halle 1823 eine Schrift herausbrachte, in der die römische Herkunft der Rumänen geleugnet und die rumänische Sprache als italienisch-slawisch bezeichnet wurde. Als Antwort darauf publizierte Bojinca 1827 in Pesta Animadversio in dissertationem Hallensem, und Murgu veröffentlichte 1830 in Ofen seine polemisch gewürzte Gegenschrift Widerlegung der Abhandlung: Erweis, daß die Wallachen nicht römischer Abkunft sind. In der Vorrede zu seinem Werk betont Murgu: „Schon frühzeitig war der aufrichtigen, sachkundigen Gelehrten eine Stimme über den römischen Ursprung der Romanier oder sogenannten Wallachen. Die römische Sprache, die römischen Sitten und Gebräuche derselben ließen, und laßen uns darüber gar nicht zweifeln. Selbst dem gemeinen Wallachen war einst, da Wissenschaft und Bildungsmittel noch bestand, nichts gewisser, als die Abstammung."85 Den Rumänen sei dieses Bewußtsein im 15. Jahrhundert geraubt worden. Infolge ihrer Zugehörigkeit zur griechisch-orthodoxen Kirche seien Versuche gemacht worden, sie ihrer Nationalität zu berauben, ihnen „einen slavischen und auch griechischen Ursprung anzuhängen". Jedem Menschen sollte es obliegen, seine Nation näher kennenzulernen. Dies müsse damit anfangen, daß man sich mit dem Ursprung seiner Nation vertraut macht. Zu diesem Zweck sei daher das Buch von Maior Istoria pentru inceputul romänilor in Dada außerordentlich wichtig. Welche Bedeutung diesem Werk Maiors im Hinblick auf den Nachweis der Romanität des Rumänischen in den außerrumänischen Gelehrten83

Vgl. G. Ungureanu, Jurisconsultul Damaschin T. Bojinca 1802—1869, Iaiji 1930, und T. Topliceanu, Damaschin Bojinca, Oravita 1933. 84 Vgl. G. Bogdan-Duicä, Eftimie Murgu, Bucurefti 1937. ss S . III.

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kreisen zukam, ergibt sich aus Kopitars Rezension. Bei allen kritischen Bemerkungen hielt dieser i n W i e n wirkende slowenische Forscher als Ergebnis der Darlegungen Maiors fest: „Nebst dem moralischen Nutzen, den also der Verfasser mit diesem Werke für seine Landsleute beabsichtigt, geht für uns andere daraus die wichtige linguistische Gewißheit hervor, daß die walachische Sprache nur mit einzelnen slavischen Wörtern gemengt (wiewohl auch das bei weitem nicht wie 3:8, sondern vielleicht wie 1:100), aber das, was im grammatischen B a u derselben v o n der lateinischen abweicht, weder aus den slavischen noch aus den gothischen oder sonst einer Sprache dieses Charakters erklärbar i s t ; daher i n Adelung's Mithridates das walachische mit Unrecht unter den slavischen Sprachen aufgeführt wird: es gehört unter die Töchter der lateinischen." 8 6 86

B a r t h . K o p i t a r s Kleinere Schriften, S. 237. K o p i t a r war zugleich b e m ü h t , a n h a n d der Darlegungen Maiors die besonderen Aspekte der L a t i n i t ä t des R u m ä n i s c h e n gegenüber den anderen romanischen Sprachen herauszustellen. So folgerte e r : „So viel aber scheint schon j e t z t klar, d a ß ihr lateinischer Bestandtheil aus einer älteren Periode dieser Sprache sich herechreibt, als der ihrer westeuropäischen Schwestern." (S. 238) Zu diesem Zweck f ü h r t e er einzelne lautliche u n d lexikalische Besonderheiten des R u m ä n i s c h e n an. I m Gegensatz zu Maior unterstrich K o p i t a r in diesem Z u s a m m e n h a n g a u c h die B e d e u t u n g des vorrömischen S u b s t r a t s : „Dieser (thracischen? getischen? illyrischen?) Sprache wird in F o r m u n d Materie fast alles angehören, was die walachische nicht m i t ihren lateinischen Schwestern gemein, oder erweislich aus anderen b e k a n n t e n Sprachen, besonders der slavischen, entl e h n t h a t " (S. 239). Schon J o h a n n T h u n m a n n h a t t e in seinen U n t e r n e h m u n g e n über die Geschichte der östlichen europäischen Völker, Erster Teil, Leipzig 1774, auf diese Gegebenheiten in ähnlicher Weise a u f m e r k s a m gemacht. Ü b e r die römische Volkssprache schrieb er: „Die Römische Bauernsprache war eigentlich die Sprache der Provinzen, wo sie m i t den Kolonien h i n k a m . D a h e r auch so viele W ö r t e r in der Sprache der Wlachen, die m a n f ü r Neu-Italienische, aber unrecht, aus der Ursache hält, weil m a n sie in der Römischen Bürgersprache nicht findet" (S. 340). Hinsichtlich der H e r k u n f t der R u m ä n e n v e r t r a t T h u n m a n n folgende Ansicht: „Von den Wlachen diesseits der Donau, will ich n u r wenig a n f ü h r e n . Sie sind B r ü d e r der jenseitigen Nachkömmlinge jener Thracier, die u n t e r dem N a m e n Geten u n d Dacier . . . so große Rollen spielten. U n t e r der Römischen Herrs c h a f t n a h m e n sie auch Römische Sprache u n d Gebräuche an, u n d n a c h d e m sie von K a r a k a l l a das Bürgerrecht erhalten, n a n n t e n sie sich R ö m e r . Man darf nicht b e h a u p t e n , d a ß sie alle von dem Aurelian n a c h d e m jenseitigen U f e r der D o n a u versetzt w o r d e n : natürlicher Weise blieben viele in einem so ungeheuren, so gebirgigten L a n d z u r ü c k " (S. 360/361). Wenige J a h r e

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C. Die sprachreformerischen

Bestrebungen

Alle Repräsentanten der Siebenbürgischen Schule waren sich bewußt, daß die Volksbildung zu den brennendsten Problemen ihrer Zeit gehörte. U m auf diesem Gebiet voll wirksam zu werden, war es notwendig, sich i m besonderen Maße der Muttersprache anzunehmen. Die rumänische Sprache bedurfte der Pflege und Formung, sollte sie doch nun für ihr bis dahin vorenthaltene Gebiete Verwendung finden. Sie mußte so beschaffen sein, daß in ihr modernes weltliches Wissen auf verständliche Weise an die Massen herangetragen werden konnte. Der Erfolg der aufklärerischen Bestrebungen war i n hohem Grade mit davon abhängig, inwieweit es gelang, die eigene Volkssprache ausdrucksfähig genug zu gestalten. Außerdem verknüpfte sich damit die Frage des internationalen Prestiges. Die siebenbürgischen Gelehrten waren davon überzeugt, daß die R u m ä n e n v o n anderen Völkern danach eingeschätzt würden, ob sie über eine normierte, gepflegte und ausdrucksreiche Literatursprache verfügten 8 7 .

87

vor T h u n m a n n noch h a t t e der Historiker August Ludwig Schlözer die L a t i n i t ä t des R u m ä n i s c h e n s t a r k in Zweifel gezogen. I n Allgemeine Nordische Geschichte, Halle 1771, stellte er zwar fest, d a ß das R u m ä n i s c h e zahlreiche W ö r t e r lateinischer H e r k u n f t besitzt, doch seine Schlußfolgerung l a u t e t e : „Allein die bey weitem grössere H ä l f t e ihrer Wörter, nebst der ganzen G r a m m a t i k , ist aus einer zur Zeit noch u n b e k a n n t e n Sprache, die aber vermutlich die alte Bulgarische i s t " (S. 252). Schlözers Schüler J o h a n n Christian von Engel folgerte in seiner Geschichte der Moldau u n d Walachey, Halle 1804: „Das aus den alten Geten u n d den Römischen Pflanzbürgern e n t s t a n d e n e Gemisch von Menschen, genannt Einwohner Daciens ward, wegen der Einfälle der B a r b a r e n von Aurelian über die Donau gezogen u n d in der heutigen Bulgarey, theils tief hinein a m H ä m u s (Dacia mediterranea) theils a m Ufer der D o n a u (Dacia ripensis) angesiedelt" (S. 138). Diese Bevölkerung h ä t t e sich d a n n weiter mit Slawen vermischt, u n d Teile von ihnen wären d a n n im 9. J a h r h u n d e r t nördlich der Donau, in der Walachei u n d in Siebenbürgen, angesiedelt worden. I m 1795 entworfenen P r o g r a m m einer rumänischen philosophischen Gesellschaft, die durch den Argwohn der österreich-habsburgischen Behörden gegenüber aufklärerisch-volksbildnerischen Bestrebungen nicht zustande k a m , w u r d e die Feststellung getroffen: „Ca prin poliirea Stilului, si deprinderea in i n v ä t ä t u r i , s'au inältat firea, a multor Neamuri, p ä n ä la cea inaltä stare a nemuririi." Zitiert n a c h T e x t e privind desvoltarea gändirii social-politice in R o m ä n i a , Bucuresti 1954, S. 94. Th. Aaron d r ü c k t e dies im Vorwort zu Apendice la istoria lui P e t r u Maior, B u d a 1828, wie folgt a u s : „Cunoscut

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Die hierbei anzutreffende Situation mußte als völlig ungenügend betrachtet werden. Aber das ließ sie nicht in Pessimismus verfallen. Vielmehr wurde dadurch ihr Eifer nur noch verstärkt. Alle Probleme, die sich irgendwie auf ihre Muttersprache bezogen, erachteten sie als vordringliches Anliegen. I n dieser Lage kam es ihrer Meinung nach darauf an, die in der rumänischen Volkssprache liegenden Möglichkeiten der Bereicherung des sprachlichen Ausdrucks zu erkennen und sie unverzüglich für die Bewältigung der großen vor ihnen liegenden Aufgaben zu nutzen. Das ebenso ehrenvolle wie verpflichtende römische Erbe verhieß den rumänischen Gelehrten besondere Vorzüge ihrer Volkssprache. So brachte beispielsweise Paul Iorgovici, der im Banat im Sinne der Siebenbürgischen Schule wirkte, zum Ausdruck, daß in der rumänischen Sprache sich zwar die römische Herkunft bekunde, doch der gegenwärtige Zustand der Rumänen deutlich bezeuge, wie weit sie von dieser ehrwürdigen Vergangenheit entfernt seien. Allerdings liege kein Grund zum Verzweifeln vor, wenn sich Männer finden, die den Anschluß an das römische Erbe vollziehen 88 . Ähnlich äußerte sich auch Budai-Deleanu, indem er den Gegensatz herausstellte zwischen dem, wozu das Rumänische imstande sei, und dem, wie es sich ihm damals bot: „Die moldauische und überhaupt die romanische Sprache hat alle Anlagen mit der Zeit einer der wälschen gleich in der Kultur zu werden, wenn geschickte Leute sich darüber machen und ihr die wahre Richtung geben möchten; bis her bleibt sie aber eine arme, rohe und unkultivierte Sprache. Der Walach schreibt so, wie er gewöhnlich spricht, ohne Regel und Wahl; man hat in dieser Sprache noch kein Wörterbuch, keine gründliche Sprachlehre, keine ordentliche Orthographie." 89 Für den in Wien lebenden Aromunen Boiagi gaben die anderen romanischen Sprachen dafür das Beispiel, zu welcher Höhe sich das Rumänische bei entsprechender Pflege zu erheben vermöchte. Im Vorwort zu seiner aromunischen Grammatik schrieb er: „Unsere wlachische Muttersprache . . . hat an ihren Schwestern, der italienischen, französischen und spanischen Sprache die sichersten Bürgen, was auch aus ihr werden könnte, wenn sie sich einst der glücklichen Pflege der ganzen Nation, Hoher und Niederer, erfreuen könnte." 9 0 este innaintea tuturor, cum cä mijlocirea si modru spre cultivarea si procopsirea natii fieste cäria, cel mai dintäiu, e cultivarea limbii; acasta se vede la toate ghintele, care se tan mai iscusite in Europa." Zitiert nach B R V , vol. III, S. 567. 88 Vgl. Observatii de limbä rumäneascä, Buda 1799, Vorwort S. XI—XVI, S. 10-14. 89 Kurzgefaßte Bemerkungen über Bukowina, in: op. cit., S. 174. 9° Zitiert nach B R V , vol. III, S. 73.

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In schöpferischer Weise die Potenzen des Rumänischen zu erschließen, bedeutete für diese siebenbürgischen Reformer, gemäß der gegebenen lateinischen Tradition zu verfahren, d. h. im Rückgriff auf das Lateinische die eigene Volkssprache zu einer modernen wohlgeformten Nationalsprache zu entwickeln. Die Anfänge dieser sprachreformerischen Bestrebungen in Siebenbürgen reichen bis 1779 zurück, als Samuil Ciain in Wien das in lateinischen Lettern gedruckte Werk Carte de rogacioni pentru evlavia homului chrestin herausbrachte und in einem Anhang sein neues orthographisches System erläuterte. Als eigentlicher Auftakt zu diesen Bemühungen ist jedoch das Erscheinen der ersten rumänischen Grammatik im Jahre 1780 zu betrachten 9 1 , die auch in Wien verlegt wurde. Sie trug den Titel Elementa linguae dacoromanae sive valachicae. Ihr Verfasser war ebenfalls Ciain. Das programmatische Vorwort dazu hatte sein Freund i-äincai beigesteuert. Dieses Werk wurde in lateinischer Sprache abgefaßt, weil ausländische Gelehrte immer wieder den romanischen Charakter des Rumänischen bezweifelten. Sie betrachteten das Rumänische als slawisch-romanische Mischsprache. 92 Im Vorwort erklärte §incai: Wenn das Rumänische vielfach vom Lateinischen abweiche, dann sei der Grund hierfür darin zu suchen, daß durch die nach Dazien eingedrungenen fremden Völker das klassische Latein korrumpiert worden sei. Vor allem die Loslösung der Rumänen von der katholischen Kirche und die dadurch bedingte Einführung des Slawischen als Kultsprache habe der Reinheit der eigenen Sprache großen Schaden zugefügt. 93 Clains Bestreben war deshalb in seiner Grammatik darauf gerichtet, die durch Sprachverderbnis verdunkelten Bezüge des Rumänischen zum klassischen Latein wieder deutlich hervortreten zu lassen. Dabei 91

Bereits vor 1780 waren von Dimitrie Eustatievici aus Kronstadt und von dem Erzabt Macarie Grammatiken der rumänischen Sprache verfaßt worden, doch sie wurden nicht publiziert und liegen noch heute in Manuskriptform vor. In der Terminologie und im Aufbau sind sie stark ihren slawischgriechischen Vorbildern verpflichtet. Vgl. R. Iona^cu, op. cit., S. 6—16. Zu Eustatievici siehe I. Pervain, S t U B B I I I (1958), Philologia, S. 27ff. 92 So z. B. noch Adelung, Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde, Berlin 1809, Bd. II, S. 723. Vgl. hierzu auch Anm. 86. 93 Vgl. Praefatio: „Re enim vera Alexander I. Moldaviae Authentes, & Princeps eidem morem gessit, & Linguam Slavico-Illyricam in Sacris pertotum suum Principatum adhiberi jussit. Hujus exemplum secuti fuere postea etiam alii Daco-Romanorum Dynastae, etsi cum duplici totius Nationis damno, nimirum cum longaeva ejusdem ab Ecclesia Latina scissione, & cum summo Linguae propriae detrimento."

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schenkte er den Fragen der Orthographie seine besondere Aufmerksamkeit. Er setzte sich für die Einführung des lateinischen Alphabets ein, da hierdurch die lateinische Herkunft seiner Muttersprache jedermann augenfälliger sei. Zugleich legte er der neuen rumänischen Orthographie in lateinischen Buchstaben das etymologische Prinzip zugrunde. Der Zusammenhang zwischen dem Rumänischen und Lateinischen sollte auch in der Schreibung klar erkennbar sein. Indem Ciain die Lautformen der Wörter des klassischen Lateins mit denen seiner eigenen Volkssprache verglich, um die Unterschiede, d. h. den Grad der „Korruption", festzustellen, stieß er auf einige lautliche Veränderungen, die dann in der junggrammatischen Sprachwissenschaft Ende des 19. Jahrhunderts als „Lautgesetze" bezeichnet wurden. 94 Ciain ging es in diesem Fall nur um die Schreibung. Unabhängig von der gegebenen rumänischen Aussprache wollte er die alten lateinischen Schriftzeichen wieder einsetzen. Damit legte er das Fundament für die in den folgenden Jahrzehnten einsetzende Richtung der etymologisch orientierten lateinischen Orthographie in der rumänischen Philologie, die dieses Prinzip im 19. Jahrhundert teilweise noch übertreiben sollte. Bei all diesen grundlegenden Neuerungen ist es aber für Clains schriftstellerische Tätigkeit bezeichnend, daß er in seinen zahlreichen anderen Werken das kyrillische Alphabet beibehielt. 95 Ciain, der auf eine Breitenwirkung seiner Schriften bedacht war, hatte wohl Rücksicht auf die vielen Rumänen griechisch-orthodoxer Konfession zu nehmen. Diese hätten bei allen damit verbundenen nationalen Aspirationen in einer solch radikalen Orthographiereform einen unbefugten Eingriff der römischen Kirche erblicken können. 96 Doch hier handelte es sich bei Ciain nicht nur um eine taktische Frage. Er war im Prinzip gegen radikale Neuerungen. Die sofortige Einführung einer lateinischen Schreibung auf etymologischer Grundlage hätte einen radikalen Bruch mit der Tradition bedeutet und wäre völlig ungewohnt gewesen. Schließlich sollte es noch achtzig Jahre dauern, bis nach vielen heftigen Diskussionen und Übergangssystemen die latei94 95

96

Vgl. D. Macrea, op. cit., S. 28. Eine Ausnahme bildete sein 1801 in Sibiu erschienenes Werk Acatist, das indessen eine Neuauflage seines bereits 1779 veröffentlichten Carte da rogacioni darstellte. Es ist bezeichnend, daß noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die für die Latinitätsidee leidenschaftlich streitenden Sprachreformer stets darauf bedacht waren zu erklären, daß die Anwendung des lateinischen Alphabets nur für die weltliche Literatur notwendig sei. Die religiösen Schriften sollten weiterhin in kyrillischen Lettern gedruckt werden.

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nische Schreibweise von offizieller Seite zur allgemein gültigen Schreibweise bestimmt wurde. Aber auch damit waren die Probleme einer einheitlichen rumänischen Orthographie noch nicht geklärt. Ciain erfaßte zwar in seiner Grammatik typische Züge der rumänischen Volkssprache in morphologischer und syntaktischer Hinsicht, doch zugleich zeigte sich bei ihm das Bestreben, bestimmte Erscheinungen etwas gewaltsam auf das klassische Latein zu beziehen. Bei allen Latinisierungstendenzen dieser Art, die der Absicht entsprangen, die Affinität des Rumänischen zum klassischen Latein zu erhärten, bot Clains Grammatik eine gute Grundlage f ü r die Kenntnis des Rumänischen. Mit Hilfe dieser Grammatik ergab sich f ü r viele ausländische Gelehrte die Möglichkeit, das Rumänische näher kennenzulernen, es eingehender zu studieren. Es entspricht allerdings nicht den Tatsachen, wenn auch bei Friedrich Diez, dem Begründer der romanischen Sprachwissenschaft, die Kenntnis dieser Grammatik vorausgesetzt wird 97 . Diez nimmt darauf nirgends Bezug. Ausdrücklich schreibt er, daß er f ü r das Rumänische nur die Grammatiken von Sulzer, Molnar, Clemens, Alexi, Vaillant, Blazewicz und Ißer benutzt habe. 9 8 Nur indirekt konnte Diez auf Grund der erwähnten Grammatiken zu sprachlichen Fakten des Rumänischen gelangen, wie sie erstmals von Ciain in seiner Grammatik festgehalten waren. Daraus läßt sich zugleich erkennen, welche Bedeutung der Clainschen Grammatik in der rumänischen philologischen Tradition zukommt. Sie stellte f ü r die in den folgenden Jahren erschienenen Grammatiken des Rumänischen eine wichtige Grundlage dar. J o h a n n Molnar bezeichnete im Vorwort zu seiner 1788 in Wien erschienenen DeutschWalachischen Sprachlehre die rumänische Grammatik von Ciain und >*>incai als in der T a t „schätzbare Arbeit".

97 98

Vgl. D. Macrea, op. cit., S. 28/29. Grammatik der Romanischen Sprachen, Bd. II, Bonn 18582, S. 253. Es sind dies: Franz Joseph Sulzer, Geschichte des transalpinischen Daciens, II. Band, Wien 1781, S. 151—269: Grammatikalische Abhandlung von der walachischen Sprache. Sulzer wollte die wichtigsten Regeln des Rumänischen auf der Grundlage der Grammatik von Ciain bieten und zugleich Clains Darlegungen korrigieren. Besonders polemisierte er gegen die latinisierenden Tendenzen von Ciain. Johann Molnar, Deutsch-Walachische Sprachlehre, Wien 1788. Diese Grammatik hält sich in den grammatischen Grundregeln streng an diejenige Clains. Molnar bringt wesentlich mehr praktische Beispiele für die einzelnen Bereiche, vor allem in lexikalischer Hinsicht. Die zweite Auflage erschien 1810 in Sibiu, die dritte mit einem noch ausführlicheren deutsch-rumänischen Wörterverzeichnis 1822. An-

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Mit seiner Grammatik wollte Ciain nicht nur den Beweis für die Latinität des Rumänischen liefern, sondern er verfolgte mit ihr zugleich einen praktischen pädagogischen Zweck. Und zwar sollte sie Ausländern und vor allem den Angehörigen anderer Nationalitäten in Siebenbürgen als Lehrbuch zur Erlernung des Rumänischen dienen. Dies wird von Sincai im Vorwort zum Ausdruck gebracht und zeigt sich ebenso im Aufbau dieser Grammatik. Als Anhang finden wir ein kleines, nach Sachgruppen gegliedertes rumänischlateinisches Wörterbuch für die wichtigsten Lebensbereiche sowie rumänische Alltagsgespräche mit lateinischer Übersetzung. Die gesellschaftliche Entwicklungim damaligen Österreich machte die Schaffung von Grammatiken der einzelnen Nationalsprachen in zunehmendem Maße erforderlich. Auf die Gebiete mit rumänischer Bevölkerung traf dies ebenso zu. Im Vorwort zu seiner Deutsch-Walachischen Sprachlehre wies Molnar gerade auf diesen Aspekt hin. Er schrieb: „In Siebenbürgen, Buckowina, Banat, und zum Theil in Ungarn, fordern die Geschäfte nothwendig die Kenntniß einer Sprache, die die Sprache des größten Haufens ist." Die im Anhang zu Clains Grammatik gebotenen rumänischen Texte bieten interessanterweise kaum latinisierende Tendenzen, sondern durchweg echte Volkssprache. Auch Clains Werke in rumänischer Sprache bezeugen eine ähnliche Richtung. Zwischen seiner schriftstellerischen Praxis und den Latinisierungstendenzen bei seinen Erläuterungen zur rumänischen Grammatik gab es also keine Übereinstimmung. Seine nationalerzieherischen Bemühungen verführten ihn in seiner schriftstellerischen Praxis nicht dazu, durch Einführung zahlreicher lateinischer Elemente unmittelbar eine Regenerierung der eigenen Volkssprache einzuleiten. Dennoch ist natürlich bei Ciain das Bestreben vorhanden, die rumänische Sprache zu formen, sie im Ausdruck geschmeidiger zu gestalten. Besonders gegenüber dem älteren religiösen rumänischen Schrifttum nahm er in dieser Hinsicht eine kritische Stellung ein. I n der Einleitung zu seiner 1795 in Buda erschienenen rumänischen Bibelübersetzung äußerte er, daß die 1688 in Bukarest veröffentlichte rumänische Übersetzung der Bibel vielfach dunkel und verworren sei. Er dreas Clemens, Walachische Sprachlehre für Deutsche, Ofen 1821, 2. Auflage Sibiu 1836. Ioan Alexi, Grammatica Daco-Romana sive Valächica, Wien 1826. I. A. Vaillant, Grammaire roumaine à l'usage des français, Boucourest 1840. Theoktist Blazewicz, Theoretisch-praktische Grammatik der dacoromanischen, das ist der moldauischen oder wallachischen Sprache nach ganz neuen Grundsätzen und einer leichtfasslichen Methode, Lemberg/Czernowitz 1844. Andreas Ißer, Walachische Sprachlehre für Deutsche, Kronstadt 1846, zweite Auflage 1855.

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selbst bemühte sich in seiner Bibelübersetzung um ein einheitliches rumänisches Stilgefüge." Clains Wirken für die Kodifizierung des Rumänischen im Sinne einer nationalen Sprachpflege erstreckte sich auch auf das Gebiet des Wortschatzes. Seine Grammatik wollte er durch ein rumänisch-lateinisches Wörterbuch ergänzt wissen, das dazu dienen sollte, den eigenen Landsleuten das Erlernen anderer Sprachen und den Nichtrumänen das Studium des Rumänischen zu erleichtern. Die Abfassung eines rumänisch-lateinischen Wörterbuches betrachtete er als eine zur Ehre seines Volkes unerläßliche Tat. Ironisch äußerte er angesichts des Fehlens eines solchen Werkes, daß nur für die Sprache der Rumänen und Zigeuner noch kein Wörterbuch vorhanden sei.100 Bei dieser Aufgabe sah sich Ciain einem Problem gegenübergestellt, auf das er auch bei seiner Übersetzertätigkeit immer wieder stieß: Wie konnten wissenschaftliche, kulturelle, technische und gesellschaftliche Erscheinungen und Begriffe auf Rumänisch bezeichnet werden, die die Rumänen neu kennenlernten oder für die sie noch keine Bezeichnungen hatten? Die Notwendigkeit der Einführung von Neologismen war nicht mehr zu übersehen. Doch für Clains Sprachauffassung und Sprache war in bezug auf den Gebrauch von Neologismen eine ziemliche Zurückhaltung charakteristisch. Wenn schon entsprechende moderne Bezeichnungen im Rumänischen fehlten, so suchte sie Ciain zunächst mit lexikalischen Mitteln seiner Muttersprache, durch Neuschöpfungen, Umschreibungen oder bedeutungsähnliche Wörter auszudrücken. 101 Nur dann, wenn das nicht möglich war und von der Sache her eine absolute Notwendigkeit zur Benennung vorlag, hielt Ciain Neologismen für gerechtfertigt, die aber nur griechischer oder lateinischer Herkunft sein durften. 102 Bei einem Sprachreformer wie Ciain, dessen rumänische Grammatik Latinisierungstendenzen aufweist, überrascht zunächst, daß er die allseits anerkannte Notwendigkeit der Bereicherung des rumänischen Wortschatzes auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet nicht großzügig im Sinne einer Relatinisierung auslegte. Die Gründe hierfür sind in seinen dem Wolffianismus verpflichteten Aufklärungsbestrebungen zu suchen. 99 Vgl. BLRL, Nr. 10, S. 199 und B R V , vol. II, S. 380-382. 100 Vgl. Perpessicius, op. cit., S. 521. Hinsichtlich Clains lexikographischer Tätigkeit siehe ferner L. Gäldi, Samuelis Klein, Dictionarium valachicolatinum, Budapest 1944. 101 Eine bemerkenswerte Studie in bezug auf diesen Aspekt verfaßte I. Lungu, Meritele lui Samuil Micu in problema creärii terminologiei filozofice romine?ti, in: Cercetäri filozofice I I I (1955), S. 301-310. 102 Loghica, adecä partea cea cuvintätoare a filosofiei, Buda 1799, S. 57/58.

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Wolff und seine Adepten forderten sprachliche Klarheit. Alles, was zweideutig, dunkel oder zu neuartig sei, solle vermieden werden. Den Sprachgebrauch gelte es stets zu beachten. Nur solche Wörter seien anzuwenden, die der Angesprochene auch wirklich versteht. 103 Von dieser Einstellung ausgehend, war Wolff dazu übergegangen, eine deutsche philosophische Terminologie zu schaffen. Er fand für die bis dahin überwiegend lateinischen Fachausdrücke Eindeutschungen, die er am Schluß des Buches erklärte. Nur selten entschied er sich für die Übernahme eines Neologismus. Ähnlich ging auch Ciain vor. Aber seine Bemühungen um die Schaffung einer rumänischen philosophischen Terminologie hatten nicht den gleichen Erfolg. Während viele der Wölfischen Eindeutschungen sich über Kant einbürgerten 104 , wurden die rumänischen Neuschöpfungen Clains bald im 19. Jahrhundert durch Neologismen französischer Herkunft abgelöst. Nur sehr wenige der von ihm gebrauchten Fremdwörter griechischer oder lateinischer Herkunft haben sich bis heute im Rumänischen gehalten.1043. Dieser Widerspruch zwischen dem Relatinisierungsprogramm Clains, wie es aus den Elementa linguae daco-romanae sive valachicae abgeleitet werden konnte, und der praktischen sprachlichen Gestaltung in seinen rumänischen Schriften wird von I. Lungu 105 dadurch erklärt, daß es sich hier bei Ciain um zwei Entwicklungsphasen handele. Zunächst habe Ciain bis zur Ablehnung des Swpplex Libellus Valachorum in lateinisch verfaßten Werken die Rechte der Rumänen durch seine Thesen von der römischen Reinheit und der Kontinuität der Rumänen mit historischen Argumenten erhärten wollen. Hierbei tauchte auch die Idee der Relatinisierung des 103 Vgl. Christian Wolff, Vernünfftige Gedancken von den Kräfften des menschlichen Verstandes und ihrem richtigen Gebrauche in Erkäntniß der Wahrheit, Halle 1725 4 , S. 59ff., Kap. 2: Von dem Gebrauche der Wörter. Fr. Chr. Baumeister, Institutiones philosophiae rationalis methodo Wolfii conscriptae, Wittenberg 1739, S. 89ff. In ähnlicher Weise äußerte sich hierzu Ciain, ebenda, S. 55. 104 J . G. Buhle, Lehrbuch der Geschichte der Philosophie, Bd. VII, Göttingen 1802, S. 35, bemerkte zu Wolffs Eindeutschungen: „Auch ist er in der Tat bei seiner Erfindung einer deutschen Terminologie überaus glücklich gewesen, denn bei weitem die meisten seiner Kunstwörter sind in der Folgezeit beibehalten worden, ob man gleich oft den Sinn anders als er bestimmt hat." 1044 Vgl. Gh. Ivänescu, Formarea terminologiei filozofice rominesti moderne, in: Contrib. I (1956), S. 171-204. 105 Gindirea social-politicä si filozoficä a lui Samoil Micu, in: Din istoria filozofiei in Rominia, vol. II, Bucure§ti 1957, S. 149 ff.

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eigenen Idioms auf. Nach 1792 habe er dann den Plan einer solchen Sprachreform aufgegeben und als sein Hauptanliegen die Erweckung der „römischen Tugenden" in den Volksmassen betrachtet. Clains Bekanntwerden mit der Wölfischen Philosophie hätte neben den politischen Veränderungen zu diesem Wandel beigetragen. Ohne Zweifel schaltete sich Ciain zunächst in die Auseinandersetzungen ein, die in der Habsburger Monarchie zwischen den Gelehrten der einzelnen Nationalitäten über die Herkunft ihrer Völker geführt wurden. Er sah seine Aufgabe darin, gegenüber „falschen" Meinungen und diskreditierenden Argumenten das nationale rumänische Geschichtsbild zu verteidigen und mit neuen Gesichtspunkten zu stützen. Seine lateinisch geschriebene Grammatik der rumänischen Sprache, die natürlich auch einem praktischen Zweck dienen sollte, war weitgehend von dieser Zielstellung bestimmt. Wenn Ciain aber später die im Vorwort zu seiner Grammatik von ^incai formulierten Leitsätze einer sprachlichen Reform nicht konsequent befolgte, so wagte er nur nicht, den entscheidenden Schritt zu vollziehen. Wie schon erwähnt, entsprach es nicht seiner Einstellung, einschneidende Veränderungen vorzunehmen. Radu Tempea, der in seiner 1797 in Sibiu erschienenen Grammaticä romäneascä ebenfalls für eine gewisse Relatinisierung eintrat und in seinen grammatischen Ausführungen vielfach Clains Grammatik folgte, befürchtete bei radikalen Änderungen folgendes: „Es ist allerdings schwer und es wird schwer sein, diese Sprache wieder rein auf ihre Ausgangsform, d. h. auf die alte romanische oder römische, zurückzuführen, denn wenn sie jemand zu dieser Reinheit brächte, so wäre sie genau wie Lateinisch und Italienisch und derjenige, der so reines Rumänisch lernen würde und kein Rumäne ist, könnte weder die Kirchenbücher verstehen noch die gewöhnliche Sprache, wie sie jetzt üblich ist. Der ungebildete Rumäne, meine ich überdies, würde sagen, daß die Sprache seiner Väter entstellt wird." 106 Damit sprach Tempea eine Überzeugung aus, welche die anderen Vertreter der Siebenbürgischen Schule teilten. Er bescheinigte Ciain und Molnar ausdrücklich, daß sie zwar eine Annäherung an die lateinische Ausgangsform erstrebten, doch hierbei vorsichtig zu Werke gehen müßten, um mit ihren Neuerungen die sprachliche Verständigung 106 Cuvintare inainte: „Cu greu este si va fi dirept aceea a aduce limba aceaeta in curetenia si orighinalul ei, adecä in limba veche romäneascä sau rimleneascä, cäci de ar aduce-o cineva in curatenie ar fi tocmai latineascä si italieneascä, cel ce ar inväta romäneste asa limpede, care nu este romän, cärtile biserice^ti nu le-ar putea intelege, nici vorba obsteascä de acum obisnuitä. Romänul neinvätat incä socotesc cä ar zice cä-i schimoseste limba pärinteascä."

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nicht zu beeinträchtigen. Als sich die Vertreter der Siebenbürgischen Schule im Rahmen des von der Krone gutgeheißenen und unterstützten Volksbildungsprogrammes um eine Hebung des wirtschaftlichen und kulturellen Niveaus der Rumänen in Siebenbürgen bemühten, wurden sie nur noch in der Auffassung bestärkt, diese breite Aufklärungsbewegung nicht durch kühne sprachliche Experimente zu gefährden. Lungu hat mit Recht darauf hingewiesen, daß Ciain zunächst für die nationalen Belange in Gelehrtenkreisen wirken wollte und dann immer mehr seine Hauptaufgabe darin sah, seine Landsleute durch rumänisch geschriebene Werke und Übersetzungen an die Quellen des Wissens zu führen. Doch dürfte es abwegig sein, bei Ciain von zwei Phasen in sprachlicher Hinsicht zu sprechen. Wenige Jahre nach 1780, als §incai im Vorwort zu Clains Grammatik ein puristische Latinisierungstendenzen einschließendes Geschichtsbild entwarf, zeigten sich in Clains Manuskripten dieselben Bemühungen um eine klare, verständliche Sprache wie in späterer Zeit. 107 Die Latinisierungstendenzen in den von 1780 bis 1782 verfaßten Schriften sind nicht stärker als in den danach fertiggestellten Werken. Sie hängen in beiden Fällen unmittelbar mit dem Neologismenproblem zusammen, an das Ciain nur sehr vorsichtig heranging. Er merkte von Anfang an, daß er die sich aus seinem nationalen Geschichtsbild ergebenden Konsequenzen nur maßvoll und allmählich in der sprachlichen Praxis realisieren durfte. Auch in seiner rumänischen Grammatik von 1780 brachte er kaum ungewöhnliche, d. h. latinisierte Formen und Wörter als sprachliches Material. Der Latinismus in dieser Grammatik zeigte sich vor allem in den gegebenen Erklärungen, in dem Hang, rumänische Erscheinungen selbst dort auf das Lateinische zurückzuführen, wo es keine Anhaltspunkte hierfür gab. In der Orthographie hielt er ebenso am historisch-erklärenden Prinzip fest. E r dachte nicht daran, die gegebene Aussprache eines rumänischen Wortes zu ändern. Allein in der Schreibung sollte die lateinische Herkunft zum Ausdruck kommen. Aber auch hier hütete er sich, eine latinisierende Orthographiereform durchzusetzen. Es waren nur programmatische Feststellungen, die unmittelbar mit dem von der Siebenbürgischen Schule entwickelten nationalen Geschichtsbild zusammenhingen. Bei §incai läßt sich eine ähnliche Einstellung konstatieren. J e dringender die Aufgabe der praktischen sprachlichen Gestaltung des Rumänischen wurde, um so deutlicher machte sich das Bestreben bemerkbar, verständ107

Einen interessanten Einblick vermittelt hierzu der Aufsatz von P. Teodoru, Izvoarele lucrärilor de filozofie traduse si prelucrate de Samuil Micu, in: SC§t X I (1960), S. 235-244.

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lieh zu wirken. Das erstreckte sich dann sogar auf die Orthographie. So bemühte sich §incai in der von ihm 1805 besorgten Neuauflage der Elementa linguae dacoromanae sive valachicae um eine Vereinfachung der Rechtschreibung. Im Vorwort zur zweiten Auflage dieser Grammatik deutete er an, daß dis 1780 vorgeschlagene etymologische Schreibung zu allzu großen Diskrepanzen zwischen Schriftbild und Lautung geführt hätte 108 . In bezug auf die unumgänglich gewordene Notwendigkeit, neue Begriffe und Gegebenheiten auf rumänisch bezeichnen zu müssen, verhielt sich §incai ebenso zurückhaltend wie Ciain.109 Nur dann, wenn er keinen annähernd •gleichen Ausdruck im Rumänischen fand, griff er zur Entlehnung. Dabei bevorzugte er ebenfalls das Latein als Bereicherungsquelle. Seine praktischen sprachreformerischen Bestrebungen waren dadurch gekennzeichnet, daß er das Prinzip der Selektion befolgt wissen wollte und eine sprachliche Norm forderte. Dabei ließ er sich von den Gedanken leiten, daß in einigen Gegenden besser rumänisch gesprochen werde als in anderen und daß die volle Entfaltung einer Sprache eine bestimmte Norm als Grundlage voraussetze. 110 Neben der Tendenz, eine einheitliche rumänische Sprache zu erreichen, zeigte sich bei den Vertretern der Siebenbürgischen Schule auch der Wille, zu einer literarisch gepflegten rumänischen Sprache zu gelangen. Es war daher geradezu symptomatisch, daß zu jener Zeit die erste Rhetorik in rumänischer Sprache verfaßt wurde. Ihr Verfasser war Molnar, und sie erschien 1798 in Buda unter dem Titel Retoricä adecä inväfätura §i intoemirea frumoasei cuvintäri. Auch Maior war es um eine wohlgeformte rumänische Sprache zu tun. Daher forderte er die Popen auf, ihre Predigten nach den Regeln der Rhetorik aufzubauen. Er selbst brachte Leichenreden heraus, die als Muster hierfür dienen konnten. Besonders den Popen in den Städten legte er wegen der gebildeteren Zuhörerschaft nahe, ihre Worte bei feierlichen Anlässen mit gehörigem Redeschmuck auszustatten. 111 108

S. 7 bringt er nämlich zum Ausdruck, daß man durch die 1780 vorgeschlagene lateinische Orthographie beinahe Gefahr gelaufen wäre, gleich der französischen Orthographie, zu sehr dem etymologischen Prinzip verhaftet zu bleiben. 109 Vgl. D. Prodan, U n manuscris al lui Gheorghe ijüncai impotriva superstitiilor, in: SC§t (Cluj) I (1950), S. 156. no y g i . ¡Jineais Vorwort zu Catehismul cel mare cu zntrebäri si respunsuri, Blaj 1783. 111 Vgl. BLRL, Nr. 19 und 21, S. 202/203.

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Von den Vertretern der Siebenbürgischen Schule war es ohne Zweifel Budai-Deleanu 112 , der der Schaffung einer rumänischen Literatursprache die größte Aufmerksamkeit schenkte. Er erblickte in der Literatursprache und in der Sprache der Wissenschaften die besonders gepflegte, grammatisch festgelegte und durch die Wissenschaften bereicherte überregionale, einheitliche Form der Volkssprache. Budai-Deleanu unterschied sie deutlich von der Umgangssprache und hob hervor, daß zu dieser Art von Literatursprache nur wenige gelangen würden. Hierbei käme es darauf an, Fremdwörter nur nach reiflicher Überlegung und bei wirklichem Bedarf zu gebrauchen. Sie dürften nicht gegen das Wesen der rumänischen Sprache und gegen die grammatischen Regeln verstoßen. Bei würdigen Anlässen oder bei wissenschaftlichen Themen sei eine solche Sprache am Platze. Doch gerade die in den Kirchen gehaltenen Predigten verstießen gegen die Grammatik und Rhetorik. Da es Budai-Deleanu in erster Linie um die Formung einer rumänischen Literatursprache, speziell auch für wissenschaftliche Zwecke, ging, wollte er durch eine Grammatik und ein Wörterbuch selbst dazu in entscheidendem Maße beitragen. Doch mit einer einzigen Ausnahme wurden seine für die Geschichte der rumänischen Philologie bedeutsamen Werke zeit seines Lebens nicht gedruckt. Noch heute liegen sie meistens nur als Manuskript vor. Im Vorwort zu seinem Lexiconu Romänescu-Nem(escu legte BudaiDeleanu die Prinzipien nieder, die er bei der Gestaltung einer rumänischen Literatursprache beachtet wissen wollte. Zunächst nahm er eine Bestandsaufnahme in bezug auf die sprachlich-literarische Situation der Rumänen vor, um für die anschließend zu entwickelnden Grundsätze einen klaren Ausgangspunkt zu haben. Hinsichtlich der regionalen Unterschiede des Dakorumänischen stellte er fest, daß bei weitem nicht eine so starke dialektale Differenzierung wie in Italien existierte. Bei allen Abweichungen zwischen den Dialekten sei die sprachliche Verständigung zwischen den Rumänen der einzelnen Gebiete von Siebenbürgen, der Moldau und ii2 y g i . e . Teodorescu, TJnele probleme de limbä in „Tiganiada" lui I. BudaiDeleanu, in: Aip 1954, S. 325ff. I. Ghetie, Budai- Deleanu, teoretician al limbii literare, in: LR 1958, Nr. 2, S. 23ff. und Prima gramaticä romineascä modernä, in: Omagiu lui Iorgu Iordan, Bucuresti 1958, S. 333ff. Seche, L. und M., Neologismele in „Tiganiada" lui I. Budai-Deleanu, in: CL 1961, S. 137 ff. und Limba §i stilul lui I. Budai-Deleanu in „Tiganiada", in: Contrib. III (1962), S. 7—74. L. Protopopescu, Contributii la istoria operei lexicografice a lui Ion Budai-Deleanu, in: CL 1961, S. 267ff. Die beste zusammenfassende Darstellung bietet I. Ghetie, Opera lingvisticä a lui Ion Budai-Deleanu, Bucuresti 1966. 4 Bahner

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Walachei möglich: Er folgerte: „Die dazischen Wlachen verstehen sich viel leichter unter einander als ein Venetianer einen Toskaner." Gegenüber diesem Positivum war es mit der vorhandenen schriftsprachlichen Tradition der Rumänen, bei der es sich meist um religiöse Literatur handelte, wesentlich schlechter bestellt. Hier meinte Budai-Deleanu eine schädliche Fremdeinwirkung erblicken zu müssen: „Da nun diese ihre Kirchen- und Ritualbücher theils aus der griechischen, theils aus der slavischen Sprache übersetzt worden, und weil man dabei auf Grammatik oder auf die Reinheit der Sprache, dann auf dem ächten National Ausdruck, wenig bedacht war, so erscheint darin die Volkssprache mit russischen Wörtern ganz überschwemmt. Die Übersetzer waren meisten Ausländer, der walachischen Sprache unkundig, welche statt sich die Landessprache eigen zu machen, nur mit einer oberflächlichen Kenntnis derselben zu Werke gingen. Daher geschah es, dass sie bey jeder Gelegenheit, wo sie das wahre walachische Wort nicht wussten mit unbeschränkter Freyheit ein russisches hinsetzten, welches das wlachische Volk bis heute nicht versteht." 113 Budai-Deleanu suchte bei der Formung der Literatursprache diese mißlichen Gegebenheiten in der schriftsprachlichen Tradition der Rumänen zu überwinden. Diese Literatursprache neuen Typs sollte durch eine richtige und umfassende Anwendung der Prinzipien der Sprachreinigung und der Sprachbereicherung geprägt werden. Diese beiden Prinzipien schlössen sich nicht aus. Dies stellte keine „contradictio in adjecto" dar, wie das beispielsweise bei ihrer gleichzeitigen Anwendung in den französischen Sprachreformen des 17. Jahrhunderts der Fall gewesen wäre. Im Frankreich des 17. Jahrhunderts galt es die durch die Plejade in großem Ausmaße erfolgte Bereicherung der Nationalsprache kritisch zu sichten, in Rumänien dagegen mußte zu Beginn des 19. Jahrhunderts erst einmal eine gewaltige Bereicherung der lexikalischen Ausdrucksmöglichkeiten vorgenommen werden, wenn die zu bildende Nationalsprache für alle Lebensbereiche ausdrucksfähig genug sein sollte. Doch dem nationalerzieherischen Programm zufolge achtete man bei aller Bereicherung der eigenen Sprache zugleich darauf, nicht fest im Rumänischen verankerte nichtlateinische Elemente auszuscheiden. In Budai-Deleanus sprachreformerischem Programm führte dies zu folgenden Konsequenzen: Gelehrte kirchenlateinische Wörter, die durch die Übersetzer der Kirchenbücher eingeführt und nicht allen Rumänen verständlich waren, sowie Turzismen, Gräzismen und Magyarismen, die nur regionalen Charakter besaßen, also nicht generell in Siebenbürgen, der Walachei und Moldau verbreitet waren, sollten eliminiert werden. Hierbei "3 Op. cit., S. 398.

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war Budai-Deleanu nicht streng puristisch im Sinne des etymologischen Prinzips. Entscheidend war für ihn stets, ob das betreifende Wort nichtlateinischer Herkunft fest im allgemein-rumänischen Sprachgebrauch verwurzelt war oder nicht. Nur nichtgängige Wörter dieser Kategorie wollte er aus der erstrebten rumänischen Literatursprache ausgeschieden wissen. Anders hielt es Budai-Deleanu mit den lateinischen Elementen des Wortschatzes dieser rumänischen Literatursprache, die bereits veraltet oder in ihrem Umlauf regional begrenzt waren. Diese sollten den Prozeß der Bereicherung mitgestalten helfen. Sie galt es neu zu entdecken oder als Regionalismen zu gemeinsprachlichen Wörtern aufzuwerten. Diesen Bezeichnungen schenkte Budai-Deleanu besondere Aufmerksamkeit. Dabei argumentierte er wie folgt: „Nur bey dem rohen Volke in den Gebürgen, wo es sich nicht mit fremden Nationen vermischen kann, findet m a n noch alte, ächte wlachische Wörter, und zwar eine grobe aber reinere Sprache." 1 1 4 Neben dieser puristisch gefärbten Erweiterung des Wortschatzes der zu schaffenden rumänischen Literatursprache war es hauptsächlich die Einführung von Neologismen, die dem Rumänischen ein modernes Gepräge geben sollte. Hier zeichnete sich bei Budai-Deleanu gegenüber Ciain und ijjincai ein neuer Aspekt ab, denn der Verfasser der figaniada griff im Bedarfsfall nicht mehr ausschließlich zum Lateinischen und Griechischen. E r empfahl auch d a s Französische und Italienische als Bereicherungsquellen. Bei Ciain beispielsweise unterblieb in diesem Fall nicht nur der Hinweis auf romanische Schwestersprachen, sondern er war sogar darüber ungehalten, daß es bei den Bojaren Mode geworden war, ihre Kinder früh schon mit dem Französischen vertraut zu machen. 1 1 5 Budai-Deleanu wollte vor allem auch solche Neologismen im Rumänischen einbürgern, die bei allen europäischen Völkern bekannt seien. Die von ihm angeführten Beispiele alian(ä, cabinet, echipaj, modä u. a. 1 1 6 dokumentieren, daß es sich meistens um Modewörter französischer Provenienz handelte, die auch im Deutschen damals üblich waren. Zusammengefaßt läßt sich sagen: Budai-Deleanus sprachreformerisches Programm lief darauf hinaus, durch Belebung alter lateinischer Elemente und durch Bereicherung mit Neologismen lateinischer, griechischer und romanischer Herkunft einen allen modernen Ansprüchen genügenden Wortschatz der rumänischen Literatursprache zu schaffen. Dazu gesellte sich in grammatischer Hinsicht das Bestreben, möglichst die dem

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Ebenda, S. 399. Scurtä cunostintä a istorii rominilor, herausgegeben von C. Cimpeanu, Bucuresti 1963, S. 91. Lexiconu romänescu-nemtescu, in: op. cit., S. 408.

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Latein noch am nächsten stehenden Formen und Konstruktionen zur allgemein verbindlichen literatursprachlichen Norm zu erheben. Diese Grundsätze trug Budai-Deleanu nicht nur als Theorie vor, auch in seiner eigenen sprachlich-literarischen Praxis, in seinem komischen Epos figaniada, richtete er sich danach. Da jedoch die wichtigsten Werke Budai-Deleanus damals nicht veröffentlicht wurden und damit breiten Kreisen nicht zugänglich waren, konnte von ihnen keine Wirkung im Hinblick auf die Formung der rumänischen Nationalsprache ausgehen. Anders verhielt es sich in dieser Hinsicht bei Maior. Obgleich er sich nicht so umfassend wie Budai-Deleanu über die zu schaffende rumänische Nationalsprache äußerte, sollten seine hierüber vorgebrachten Ideen in der Folgezeit nicht ohne Einfluß sein. Maior war sich bewußt, daß eine Volkssprache, wenn sie von befähigten Schriftstellern und Dichtern geformt wird, auf eine neue Stufe gehoben wird und dabei ihr Antlitz verändert. Die Herausbildung des Italienischen war ihm hierfür ein deutlicher Beweis.117 Wie Budai-Deleanu schätzte auch Maior die bei den Rumänen anzutreffende sprachliche Situation nüchtern ein. Er konstatierte: „Bis jetzt war man gewöhnt, in der rumänischen Sprache nur über häusliche, einfache Dinge zu sprechen, über die alle alten Frauen reden." 118 Angesichts dieser Lage war die Schaffung einer modernen, allen Ansprüchen genügenden rumänischen Literatursprache für ihn ebenfalls dringend geboten. In diesem Zusammenhang wandte er sich vorrangig der Frage zu, in welcher Weise seine Muttersprache bereichert werden sollte. Gegenüber Ciain und ¡-üncai wies er entschiedener auf die Notwendigkeit der Aufnahme von Neologismen ins Rumänische hin. 119 Die Quelle für solche Entlehnungen war für ihn nicht mehr allein im Lateinischen und Griechischen gegeben. Neben dem Latein sollten die romanischen Schwestersprachen dazu dienen. Für Maior war es eine Selbstverständlichkeit, daß junge, sich formende Literatursprachen hinsichtlich des wissenschaftlichen, geistig-abstrakten Wortschatzes Anleihen bei den entwickelteren, mit ihnen genealogisch verwandten Sprachen aufnehmen müßten. Er verwies in diesem Fall auf die 117

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Dialog pentru inceputul limbei romänä, in: Lesicon romänescu-lätinescuungurescu-nem^escu, Buda 1825, S. 64/65, heißt es: „Ci limba italianä mai tirziu värtos o au schimbat invätatii italianilor, si mai ales poetele cit mai se poate zice, cä au fäcutu limbä nouä italianä; ba pänä azi päsescu a o schimbare, mai värtos To^canii." „Pinä acum in limba romineascä numai de lucruri de casä, de lucruri de jos, de care gräesc toate moasele, au fost deprinsi a vorbi." Istoria besericei romänilor, Buda 1813, S. 183. Zitiert nach AI. Rosetti/B. Cazacu, Istoria 119 limbii romine literare, Bucuresti 1961, S. 373. Ebenda.

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Ergänzung des Neugriechischen durch Entlehnungen aus dem Altgriechischen und auf das Russische und Serbische, die durch das Altkirchenslawische bereichert wurden. Es war bezeichnend für Maior, daß er bei erforderlich werdenden Entlehnungen gern auf das Italienische zurückgriff. 120 Das war weniger begründet in seinem fünfjährigen Aufenthalt in Italien, sondern es hing vielmehr mit seiner sprachhistorischen Konzeption zusammen. Das Italienische war ja für ihn die romanische Volkssprache, die dem Rumänischen am nächsten stand. Hervorzuheben ist ferner, daß sich Maior bei der Gestaltung der rumänischen Orthographie mehr noch als ßincai und Budai-Deleanu auf das Italienische orientierte. 121 Er wollte durch diese Entlehnungen seine Muttersprache zu einem Idiom entwickeln, in dem auch philosophische und wissenschaftliche Probleme behandelt werden konnten. Nach seiner Ansicht war das Moment der Sprachverwandtschaft nicht nur bei der sprachhistorischen Betrachtung herauszustellen, sondern ebenso bei der notwendig gewordenen Neuformung des Rumänischen zur Geltung zu bringen. Von dieser Sicht aus betrachtete er die nichtromanischen Elemente im Rumänischen, vor allem die Wörter slawischer Herkunft. Maior meinte, wie wir bereits sahen, daß diese Slawismen ohne Schwierigkeit erkannt und leicht durch lateinische oder romanische Wörter ersetzt werden könnten. 122 Schien er in der Theorie dabei auch keine Rücksicht auf den Sprachgebrauch zu nehmen, so war er in der Praxis doch für eine allmähliche Ersetzung dieser Elemente. Wenn er selbst ein neues romanisches bzw. lateinisches Wort als Neologismus verwendete, setzte er die alte slawische Bezeichnung in Klammern dahinter, um dem Leser eine Stütze zu bieten. Maior wollte aber Wörter nichtlateinischer Herkunft nicht nur durch romanische Neologismen ersetzen, sondern er war zugleich auf der Suche nach alten volkstümlichen, vielfach nur noch dialektalen rumänischen «o Vgl. §t. Cuciureanu, Italienisme la Petru Maior, in: SCijt X (1959), S. 53ff. 121 Vgl. ferner R.Walter, Italienisme la Gh. §incai, in: SC§t X I V (1963), S. 283 ff. 122 Ähnlich äußerten sich auch Gheorghe Constantin Roja und Theodor Aäron. Roja wollte auf diese Weise eine Literatursprache schaffen, die sich von der Alltagssprache abhob. Vgl. BLRL, Nr. 20, S. 202. Aaron folgerte im Vorwort zu Apendice la istoria lui Petru Maior, Buda 1828: „Toate darä vorbele fji cuvintele, care in limba Romänilor nu sunä latineaste (inteleg eu limba cea poporeana a Romänilor vechi), ca imprumutate dela alte ghinte, precum volnici era Romänii a le imprumuta, a^ea volnici sänt si acuma a le päräsi §i cum cä pe löge putem limpezi limba de coade sträine, ne indrepteazä iaras istoria." Zitiert nach B V R , vol. III, S. 567.

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Bezeichnungen und Wendungen, die nach seiner Meinung auf die römische Volkssprache zurückgehen würden. Bei der neu zu formenden rumänischen Literatursprache sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, die sich von einer lateinisch-romanischen Basis her ergaben. Daher griff Maior auch auf das Aromunische mit zurück, wenn sich lateinische Elemente darin fanden, die im Dakorumänischen nicht existierten. 123 Bei der Anpassung lateinischer Elemente an das Rumänische legte Maior zuweilen die Lautveränderungen zugrunde, die das Rumänische gegenüber dem Lateinischen erfahren hatte; so wenn er statt ,distinct' die Form ,destimpt' wählte. Das sollte Aron Pumnul Jahrzehnte später zum Prinzip schlechthin erheben. Maior ließ sich davon leiten, daß ja das Rumänische auf die vom klassischen Latein unterschiedliche römische Volkssprache zurückgehen würde, für die jene Lautung typisch gewesen sei. In Maiors sprachtheoretischen Ausführungen gab es gegenüber denen von Ciain und §incai wesentlich mehr Ansatzpunkte für die in den folgenden Jahrzehnten auftauchenden Richtungen in der rumänischen Sprachenfrage. Der latinisierende Purismus von Massim und Laurian, der Italianismus Heliade Rädulescus und der „Ciunism" Aron Pumnuls fanden in Maiors Schriften Anknüpfungspunkte. 123 Ihren Niederschlag findet die hier skizzierte Sprachauffassung in dem 1825 erschienenen Wörterbuch von Buda, an dessen Konzeption auch Petru Maior in entscheidendem Maße mit beteiligt war. Ihm war im Jahre 1820 die Revision dieses Wörterbuches anvertraut worden. Da er 1821 starb, konnte er nur noch wenig zur Schlußredaktion beitragen. Höchstwahrscheinlich kümmerte er sich eifrig um die den rumänischen Wörtern beigegebenen Etymologien. S. Puscariu meinte, daß Maior verhältnismäßig wenig Entlehnungen aus dem Lateinischen in seinen Schriften gebrauchte, und fuhr fort: „Dasselbe stellen wir auch im Lexikon von Buda fest, das für eine Sprachreinigung das gegebene Werk gewesen wäre. Bei diesen „Latinisten" beobachtet man eher die Neigung, die Wörter fremden Ursprungs um jeden Preis aus dem Lateinischen herzuleiten, als sie durch lateinische Fremdwörter zu ersetzen." Die rumänische Sprache. Aus dem Rumänischen übersetzt und bearbeitet von Heinrich Kuen, Leipzig 1943, S. 482. M. Seche, Schitä de istorie a lexicografiei romane, in: LR V I I I (1959), Nr. 6, S. 18, hebt die besondere Bedeutung des Wörterbuches von Buda in der Geschichte der rumänischen Philologie hervor. Bei allen Latinisierungstendenzen hinsichtlich der Etymologie stellt es das erste größere rumänische Wörterbuch dar, in dem bei der Anordnung der Wörter den grammatischen, semantischen und idiomatischen Aspekten Beachtung geschenkt wurde.

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Die von den siebenbürgischen Gelehrten aufgeworfenen Fragen in bezug auf die Regenerierung der rumänischen Sprache fanden auch im Banat Widerhall. Hier war es vornehmlich Paul Iorgovici, der diese Probleme neu durchdachte. Ihm ging es in erster Linie um eine umfassende lexikalische Bereicherung seiner Muttersprache. Wie hierbei vorzugehen wäre, legte er in seinem 1799 in Buda erschienenen Traktat Observafii de limbä rumäneascä dar. Die Überlegungen von Iorgovici beschäftigten sich hauptsächlich mit dem Neologismenproblem. E r erblickte darin ein besonders aktuelles und wichtiges Anliegen, dem hohe nationale Bedeutung zukäme. Iorgovicis sprachreformerisches Wollen basierte auf der Einsicht, daß Sprache und Nation unmittelbar zusammengehören und daß die Entfaltung der Wissenschaften bei einer Nation auch dem Entwicklungsstand einer Sprache entspräche. Mit dem Niedergang der Wissenschaften und Kultur bei der romanischen Bevölkerung sei notwendigerweise der sprachliche Verfall verbunden gewesen. Beredten Ausdruck finde dies in der Tatsache, daß neuauftauchende, zum wissenschaftlichen Bereich gehörende Wörter lateinischer Herkunft dem Rumänen heute fremd vorkommen. Doch zum Pessimismus sei kein Grund gegeben. Da der lateinische Grundstock des Rumänischen noch deutlich erkennbar sei, komme es nur darauf an, die lateinischen Wurzeln der zunächst fremd erscheinenden gelehrten Wörter im Rumänischen freizulegen. Diese lateinischen Wurzeln gelte es dann, den Ableitungsregeln des Rumänischen gemäß, für die notwendig gewordenen Neologismen anzuwenden. Sie sollten so das Gerüst für die erforderlich gewordene Bereicherung des wissenschaftlichen, geistig-abstrakten rumänischen Wortschatzes abgeben. Wie umfassend Iorgovici dieses Prinzip angewandt wissen wollte, wird aus dem zweiten Teil seiner Abhandlung ersichtlich. Hier brachte er ein alphabetisch angeordnetes Verzeichnis solcher Neubildungen. Einige Beispiele seien zur Illustration angeführt: Zu venire bildete er u. a. advenire, adventu, devenire, evenire, eventu, invenire. Diesen Neubildungen stellte er die deutsche Entsprechung und deren Übersetzung ins Rumänische gegenüber: ankommen, veni la ceva, sosi ; die Ankunft, sosirea, venirea la ceva ; herabkommen, veni in jos, deci veni delà stare mai bunä la mai rea ; sich zutragen, veni din întîmplare ; der Ausgang einer Sache, eçitu de ceva; finden, veni in ceva, deci afla, gäsi, descoperi. 124

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S. 41/42. Einige dieser Grundsätze suchte dann Constantin Diaconovici Loga in seiner 1822 in Buda erschienenen Gramatica romäneascä pentru îndreptarea tinerilor zur Anwendung zu bringen.

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Iorgovici bemühte sich nicht darum, alte nichtlateinische Wörter im Rumänischen auszumerzen. Da es für ihn keine ungemischten Sprachen gab, war er nicht streng puristisch eingestellt. Er wußte, daß viele nichtlateinische Wörter zum gängigen Vokabular eines Rumänen gehörten. Wenn Popovici in diesem Zusammenhang schrieb: „Iorgovici reconnaît la place que le slave occupe dans la formation de la langue roumaine" 125 , dann gilt es zu beachten, daß Iorgovici dies nicht ausdrücklich feststellte. Popovici schloß dies nur aus der allgemeinen Äußerung Iorgovicis, wonach es im Rumänischen häufig verwendete nichtlateinische Elemente gäbe, die ihren festen Platz im Sprachgebrauch besitzen. 126 Außer den Wörtern slawischer Herkunft — sie wurden von ihm nicht besonders genannt — waren also auch solche ungarischer, griechischer oder anderer Herkunft gemeint. Die der Siebenbürgischen Schule eigene Purifizierungstendenz war indessen auch bei Iorgovici vorhanden. 127 Sie trat nur auf andere Weise in Erscheinung. Zunächst war sie ausschließlich auf die Neuformierung der Sprache beschränkt. Wie bei Budai-Deleanu oder Maior sollten bei der notwendig gewordenen Bereicherung des Rumänischen keine nichtlateinischen bzw. nichtromanischen Elemente Berücksichtigung finden. Doch hinsichtlich der neueinzuführenden lateinischen bzw. romanischen Elemente trennten sich die Geister. Iorgovici schlug einen völlig neuen Weg ein. Er übernahm nicht einfach das betreffende lateinische bzw. romanische Wort, sondern war bestrebt, die sich bemerkbar machenden Lücken durch eigene, auf das Latein zurückgehende Elemente zu füllen. Daher folgerte er: „Somit ist es meines Erachtens besser, aus den Wurzeln unserer Sprache gebildete Wörter zu übernehmen als solche von anderswo." 128 Bei der Ausarbeitung dieser Methode spielte bei Iorgovici eine weitere Überlegung eine große Rolle : Wenn die einfachen Menschen aus dem Volke bei diesen Neologismen schon bekanntes Sprachgut vorfinden, werde auch die Aufnahme und allgemeine Verbreitung dieser gelehrten Wörter auf günstigere Bedingungen stoßen als bei Entlehnungen aus fremden Sprachen. Damit zeichnete sich bei Iorgovici, auch gegenüber den Bemühungen von Ciain, eine neue Linie ab. Ciain suchte das Neologismenproblem, um für breite Schichten verständlich zu sein, weitgehend dadurch zu umgehen, indem er sich bemühte, die neu auftauchenden Begriffe mit den Mitteln der rumänischen Sprache zu umschreiben oder sie in Anlehnung an das ungarische Beispiel durch 125

La littérature roumaine à l'époque des lumières, S. 269. Observatii. . ., S. 14. «7 Vgl. Al. Rosetti/B. Cazacu, Istoria . . ., S. 385. 128 „Çi dupa judetul meu mai bine este a împrumuta aça cuvinte din limba noasträ cea de redecinä decît deaiurea." Observatii . . ., S. 76.

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Lehnübersetzungen auszudrücken. Iorgovici meinte darin eine Fehlentwicklung zu erkennen, denn ihm kam es gerade auf eine exakte Wiedergabe der neuen Begriffe in der Muttersprache an, die ihm durch das von ihm entworfene Ableitungsverfahren wesentlich besser garantiert zu sein schien. Neu ist ferner in Iorgovicis Argumentation im Vergleich zu den diesbezüglichen Erörterungen der Vertreter der Siebenbürgischen Schule, daß immer wieder vom Wesen (fiin^a) und von den Eigenheiten (proprietä^ile) des Rumänischen im Sinne einer eigenen Struktur die Rede ist. Dabei wird einerseits auf die Besonderheiten des Rumänischen gegenüber dem Latein hingewiesen, andererseits aber werden rumänische Lautungen zugunsten der lateinischen Ausgangsform korrigiert. Bei den neugeformten Ableitungen, die auf lateinischen Wurzeln basieren, möchte Iorgovici die dem Rumänischen adäquaten Regeln beachtet wissen. Daher wandte er sich vor allem gegen solche Konstruktionen, die bei den Neologismen fremden Einfluß verrieten. So lehnte er die Form des Partizips ,redutiruit' ab, der offensichtlich die deutsche Infinitivform .reduzieren' zugrunde lag. Das Partizip von ,a reduce' dürfe den grammatischen Regeln zufolge nur ,redus' heißen, d. h. analog zum alteinheimischen ,dus', abgeleitet von ,a duce'. 129 Heliade Rädulescu, der Iorgovicis Anstrengungen um die rumänische Sprache vorbehaltlos würdigte, sollte Jahrzehnte später an diese Überlegungen anknüpfen und sie umfassend ausarbeiten. Dies dürfte kein Zufall gewesen sein, denn allem Anschein nach kannte Iorgovici ebenfalls die Sprachtheorien Condillacs und suchte sie wie Heliade Rädulescu zum Teil seinem sprachreformerischen Programm zugrunde zu legen. In Iorgovicis Observafii de limbä rumäneascä sind es zwei Momente, die sich auf Condillacs Sprachauffassung beziehen könnten. Erstens wird die Sprache in ihrer Entwicklung in Verbindung mit den wachsenden menschlichen Erfahrungen gesehen und damit ein konsequent ahistorischer Purismus abgelehnt. So spielte es für Iorgovici keine Rolle, ob eine Sprache auf Grund der geschichtlichen Entwicklung eine starke Vermischung mit anderen Sprachen erfuhr oder nicht. Entscheidend war für ihn, daß diese Sprache für alle Lebensgebiete aus129

Observatii . . ., S. 38. Entgegen der Ansicht von D. Popovici (op. cit., S. 270) läßt sich nicht belegen, daß Iorgovici bei den angeführten Beispielen zugleich eine Bereicherung durch französische Elemente vornahm. Iorgovici umschrieb mit „avantirui" nur die von ihm vorgeschlagene Neubildung „aintare". Dasselbe gilt auch für „avantemänt", das die Neubildung „aintementul" definieren helfen sollte. Iorgovicis diesbezüglicher Hinweis auf französisch „avancer" bzw. „avant" ändert daran nichts. Offenbar handelte es sich hier um in Österreich-Ungarn gängige Bezeichnungen, die auch im Banat bekannt waren.

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drucksfähig war. Doch hierfür war seines Erachtens eine breite Kultur- und Wissenschaftsentwicklung bei dem Volk, das diese Sprache spricht, erforderlich. Am Beispiel der englischen Sprache erläuterte es Iorgovici näher. Nachdem er hervorgehoben hatte, daß die Engländer im Gegensatz zu den Rumänen ein politisch selbständiges, kein unterjochtes Volk seien, kam er zu dem Schluß: „Da bei ihnen die Wissenschaften in Blüte stehen, befindet sich auch ihre Sprache auf einer hohen Stufe. Sie haben gelehrte Männer in den höchsten Wissenschaften, und durch diese Wissenschaften haben sie ihre Sprache von ihrer Wurzel her bereichert." 130 Und zweitens ließe sich der Versuch von Iorgovici, die rumänische Sprache angesichts der wachsenden Bedürfnisse durch eigene, in der Sprache selbst aufzuspürende Bildungsmittel zu bereichern, mit der Condillacschen Konzeption von der Rolle der Analogie in Verbindung bringen. 131 Auf diese Weise bildete Iorgovici durch Ausbau der vorhandenen Wortfamilien die notwendig gewordenen Neologismen. 132 Die Ausführungen Iorgovicis dagegen bezüglich des Zeichencharakters der Sprache, des Verhältnisses von Sache und Bezeichnung 1 3 3 bieten weniger Anhaltspunkte für eine Kenntnis der Sprachauffassung von Condillac. Doch auch hier dürften sensualistische Gedankengänge nicht von der Hand zu weisen sein. 130

„La ei infloresc stiintele, cu acestea floreijte si limba. La ei sunt omeni invätati in ¡jtiintele cele mai inalte, prin stiintele acestora s'au mai immultit limba, din redecina ei." Observatii . . ., S. 79. 131 Auf die Bedeutung der Sprachauffassung Condillacs für die rumänischen Sprachreformer wird näher im folgenden Kapitel eingegangen, besonders im Zusammenhang mit der Darlegung der Ideen von Heliade Rädulescu. 132 Es müßte auch noch näher geprüft werden, inwieweit Iorgovici die Bemühungen von Campe um die Erneuerung der deutschen Sprache kannte, war Campes Einfluß in Ungarn doch von nachhaltiger Wirkung. 133 Vgl. besonders Observatii . . . , S. 21 ff. D. Popovici glaubte bei dieser Problematik Spuren Condillacs zu erkennen (op. cit., S. 268), doch hier läßt sich eine entschiedene Trennungslinie zwischen Rationalismus und Sensualismus schwerlich ermitteln.

III. Die Bemühungen um die Schaffung und Emanzipation der Nationalsprache in den beiden rumänischen Fürstentümern A. Die sprachreformerischen

Anfänge

in der Walachei bis 1828

Auch in der Walachei waren seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in wachsendem Maße Stimmen zu vernehmen, die eindringlich mahnten, die Pflege und Formung der eigenen Volkssprache als patriotisches Anliegen zu betrachten. I m Gegensatz zu den sprachreformerischen Bestrebungen in Siebenbürgen und im Banat beruhten diese sprachlich-nationalen Erneuerungsbemühungen in der Walachei nicht auf einem umfassend entwickelten Geschichtsbild, das die „römische Reinheit der Rumänen" demonstrieren sollte. Es fehlten zwar weder Hinweise auf die lateinische Herkunft des Rumänischen noch der Stolz, in den Römern die Vorfahren zu erblicken, doch dies hatte keine weitreichenden Konsequenzen. Es bestanden nicht jene erwähnten historisch-gesellschaftlich bedingten Reibungen, welche diese Theorien in Siebenbürgen in Kampfparolen verwandelten. Die Schriftsteller, Philologen und Historiographen in der Walachei sahen sich nicht in dem Maße wie ihre siebenbürgischen Kollegen in die Lage versetzt, über Sein oder Nichtsein des Rumänentums zu befinden. Die Vehemenz, mit der in Siebenbürgen über historische und philologische Probleme diskutiert wurde, war deshalb in der Walachei bis 1828 nicht anzutreffen. Während beispielsweise bis zu diesem Zeitpunkt die Fragen der Orthographie in Siebenbürgen heftig erörtert und verschiedene Systeme entworfen wurden, spielten Überlegungen dieser Art bis dahin in der Walachei kaum eine Rolle. Die Tatsache, daß die Ungarn und andere nichtromanische Völker das lateinische Alphabet gebrauchten, während die Rumänen als Romanen weiterhin an den kyrillischen Lettern festhielten, erregte bei den rumänischen Patrioten in Siebenbürgen heftigen Unwillen. Sie verstärkte ihren Eifer, eine lateinische Schreibweise für das Rumänische zu entwerfen und gegen den Widerstand der eigenen griechisch-orthodoxen Karchenkreise durchzusetzen. Eine ähnliche Situation war in der Walachei erst zwischen 1828 und 1860 anzutreffen. In der Walachei war in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts nicht im gleichen Umfange wie bei den rumänischen Landsleuten in der österreichischen Monarchie die Notwendigkeit gegeben, nationale

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Ansprüche auf allen Gebieten zu legitimieren. Vor allem die von der Siebenbürgischen Schule geradezu als Dogma betrachtete Theorie von der völligen Vernichtung bzw. Vertreibung der Daker und der Reinerhaltung der Römer fand in der Walachei zunächst kein Echo. E s war vielmehr typisch, daß Ende des 18. Jahrhunderts muntenische Chronisten und Schriftsteller mit Selbstverständlichkeit die These von der auf rumänischem Boden zwischen Römern und Dakern zustande gekommenen Verschmelzung vorbrachten. Der Chronist Naum Rîmniceanu (1764 geb.) erblickte in den Rumänen Nachkommen der mit Dakern vermischten Römer und Griechen. I n bezug auf diese Griechen nahm er an, daß es sich um Bewohner Unteritaliens handelte, die zusammen mit den Römern in Dazien angesiedelt worden seien. Die rumänische Sprache sei vom Lateinischen herzuleiten, doch besitze sie auch viele dakische Elemente. 134 Ähnlich drückte sich auch Ienächitä Väcärescu (1740—1797) im Vorwort zu seiner rumänischen Grammatik aus, die in zwei Auflagen 1787 in Rimnic und in Wien unter folgendem Titel erschien : Observatii sau bägäri de seamä asupra regulelor §i orînduelelor grammaticii romîneçti. Seines Erachtens wurden von den Römern Bewohner aus der Apenninenhalbinsel nach dem besiegten Dazien gebracht, die lateinisch und italienisch sprachen. Deren Nachkommen vermischten jedoch ihre Sprache mit fremden Elementen infolge ihres Zusammenlebens mit Dakern und später durch die nachbarlichen Beziehungen zu den Serben und Bulgaren. Diese Sprachkorruption habe dann zur rumänischen Sprache geführt. Väcärescu sucht diese Fehlentwicklung dadurch zu erklären, daß mit den römischen Kolonisten keine Gelehrten, besonders keine Grammatiker nach Dazien gekommen seien, sondern nur Angehörige der niederen Gesellschaftsschichten (proçti çi tärani), die nicht den grammatischen Normen des Lateins gemäß sprachen. Mit Bedauern folgert Väcärescu : „Denn wenn auch nur ein Grammatiklehrer vorhanden gewesen wäre, würden wir heute alle die lateinische oder italienische Sprache sprechen, mit denen jene als damalige Herrenschicht hierher kamen." 1 3 5 Väcärescu möchte damit unterstreichen, welch bedeutende Rolle den Grammatikern bei der Sprachpflege zukomme. Nur durch ihre Wirksamkeit könnte einer Sprach Verderbnis Einhalt geboten werden. Doch was f ü r die Vergangenheit galt, verstehe 134 Vgl. C. Erbiceanu, Viata si activitatea literarä a protosinghelului Naum Râmniceanu, Bucureçti 1900 und D. Popovici, La littérature roumaine à l'époque des lumières, Sibiu 1945, S. 176. 135 „Cäci da ar fi fost macar un dascâl da gramaticä, astäzi am gräi to$i limba latineascä sau talieneaseä, eu carele au venit acei stäpmitori dä atuneea aicea."

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sich auch für die Gegenwart. Soll den Rumänen zu einer besseren Zukunft verholfen werden, muß ihnen seines Erachtens der Weg zu den verschiedenen Wissenschaften in der Muttersprache geebnet werden. Dies wiederum setze aber die Schaffung einer Grammatik und eines Wörterbuches für das Rumänische voraus. Seine Vaterlandsliebe gebot ihm, sich dieser Aufgabe anzunehmen, obgleich er selbst keine vollständige Grammatik, sondern nur Bemerkungen zur rumänischen Grammatik zu liefern imstande sei. In seiner Zeit komme es vor allem darauf an, die eigene Sprache so auszustatten, daß in ihr auch wissenschaftliche Themen behandelt werden können. Es sei nicht länger zu verantworten, daß die Rumänen zu Zwecken wissenschaftlicher Belehrung eine fremde Sprache erlernen müßten. Da es im Rumänischen vielfach an geeigneten Ausdrücken für wissenschaftliche Begriffe und Sachverhalte mangelte, sah sich Väcärescu gezwungen, diese Lücken entweder durch Entlehnungen aus anderen Sprachen oder durch Bildungen mit eigenen sprachlichen Mitteln zu füllen. Er entschied sich im konkreten Fall für Entlehnungen und griff dabei auf das Italienische, Lateinische oder Griechische zurück. Ihm war bekannt, wie sehr in ähnlichem Fall das Italienische durch das Latein und das Latein durch das Griechische bereichert worden waren. Da Väcärescu italienische Vorlagen heranzog und um die Verwandtschaft der romanischen Sprachen wußte, bevorzugte er bei seinen Entlehnungen das Italienische. Zugleich ist aber für ihn auch bezeichnend, welchen hohen Rang er dem Griechischen zuerkannte. Das Griechische schätzte er als die vollkommenste Sprache. 136 Väcärescu war nicht nur ein gelehrter Mann, der sich in den wichtigsten orientalischen Sprachen auskannte, sondern er gab auch viele Proben eines dichterischen Talents. Hervorgehoben zu werden verdient in unserem Zusammenhang, daß er seinen Bemerkungen zur Grammatik einige Grundsätze für eine rumänische Poetik hinzufügte. Darin drückte sich ohne Zweifel das Bemühen aus, allseitig die Pflege der eigenen Sprache in Angriff zu nehmen. I n diesem Sinne legte er seinen Nachfahren in einem Gedicht nahe, die Formung der rumänischen Sprache und die Ehre des Vaterlandes als verpflichtendes Erbe zu betrachten. 137 136 Vgl. P. Hanes, Gramatica lui Ienächitä Väcärescu, in: LLit IV, Bucure^ti 1960, S. 7 5 - 9 2 . 137 Poe^ii Väcaresti, Versuri alese. Editie ingrijitä de E. Piru. Cu o introducere de AI. Piru, Bucuresti 1961, S. 5: „Urmasilor mei Väcaresti! Las vouä mostenire: Cresterea limbei rominesti §-a patriei cinstire."

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Es vergingen noch Jahrzehnte, bis dieses nationalsprachige Reform programm in der Walachei umfassend Gestalt erhielt und wirksam werden konnte. Bis ungefähr 1830 war zwar eine Belebung auf literarischem Gebiet zu verzeichnen, doch auch weiterhin wurde über die ungenügende Ausdrucksfähigkeit des Rumänischen für wissenschaftliche und hohe poetische Themen geklagt. Fühlten sich schon patriotisch gesinnte Männer zum schriftlichen Gebrauch der Muttersprache in ihren Werken verpflichtet, so schreckten sie doch oftmals vor den dabei auftauchenden Schwierigkeiten zurück. Ein typisches Beispiel hierfür bot Dinicu Golescu (1777—1830), ein aufgeklärter Bojar. 138 Seine Reiseberichte über Österreich-Ungarn, Süddeutschland, die Schweiz und Norditalien verfaßte er anfangs in seiner Muttersprache, doch bald sah er sich mangels geeigneter Bezeichnungen gezwungen, seine Eindrücke und Überlegungen neugriechisch zu formulieren. Dazu bemerkte er, daß er dies nicht ohne Beschämung getan habe, denn die anderen Reisegefährten hätten ihre Aufzeichnungen in ihrer jeweiligen Volkssprache abgefaßt. 139 Schließlich brachte er 1826 in Buda seine Insemnare a cälätoriei mele doch noch auf rumänisch heraus. Dinicu Golescu war ebenso wie die meisten Bojaren seines Landes tief der griechischen Sprache und Bildung verpflichtet. Im Zeitalter der Phanariotenherrschaft war das Neugriechische in der Walachei zur allgemeinen Sprache der Kultur und zum Teil auch der Administration avanciert. Gegen diese Vorrangstellung des Neugriechischen mußten die legitimen Ansprüche der eigenen Volkssprache durchgesetzt werden. Zu diesem Zwecke war das 138 Vgl. Perpessicius, Insemnarea cälätoriei lui Dinicu Golescu, in: Mentiuni de istoriografie literarä si folclor (1948-1956), Bucure§ti 1957, S. 167-198. 139 Dinicu Golescu berichtet: „Eu plecänd din Brasov, am inceput sä scriu cele ce vedeam, in limba nationalä, nu dupä zile multe, ci dupä pu^ine, am fost silit sä scriu in limba greceascä; cäci foarte des intämpinam vederi de lucruri, ce nu le avem numite in limba nationalä, cum: §adärvanul, statue, cascade §i altele, pentru care ar fi trebuit sä zäbovesc ceasuri, socotindu-mä de unde s'ar cuveni sä le intrebuintez, si a§& am fost silit sä las limba nationalä si sä incep greceste. §i aceasta nu fär'de a incerca rusine, cäci toti tovaräsii druma^i scriä fiescare in limba sa cea nationalä; si scriind si eu, m'au intrebat de este aceastä scrisoare in limba nationalä ? Si de nevoe am spus cä este greceascä, mai poftorind cä, in Patria noasträ, toti fiii nobletii obicinuesc mai mult in limba greceascä sä scrie." Insemnare a cälätoriei mele. Editie ingrijitä de Panaitescu-Perpessicius, Bucure^ti 1952, S. 94. Vgl. ferner zu diesem Problem A. Nicolescu, Observatii asupra neologismelor din „Insemnare a cälätoriei mele" a lui Dinicu Golescu, in: Contrib. vol. I I (1958), S. 5 - 5 3 .

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eingewurzelte Vorurteil auszuräumen, nach dem in einer grammatisch nicht festgelegten und für wissenschaftliche Darstellungen nicht erprobten Sprache wie dem Rumänischen keine über den Alltag hinausgehenden Themen behandelt werden könnten. Diese Ansicht war unter den walachischen Bojaren sehr verbreitet und wurde von nichtrumänischen Sprachlehrern gern als Argument benutzt. Aus diesem Grunde wandte sich der Bischof von Arge§ im Jahre 1826 gegen jene Sprachlehrer, die verkündeten, daß es unmöglich sei, philosophische Themen in der rumänischen Sprache zu behandeln, weil sie über keine geeigneten Ausdrücke und Bezeichnungen verfüge. Er hielt ihnen entgegen, daß es sehr wohl möglich sei, wissenschaftliche Fragen in allen Sprachen darzustellen. 140 In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts setzte sich allmählich die Erkenntnis durch, daß die bestehenden Schwierigkeiten hinsichtlich eines umfassenden Gebrauchs der eigenen Volkssprache hauptsächlich durch eine Neuregelung des Schulwesens, ja der Volksbildung überhaupt beseitigt werden könnten. Die Muttersprache sollte den ihr gebührenden Platz im Schulunterricht erhalten. Sie selbst müßte nicht nur Gegenstand des Unterrichts sein, sondern in ihr seien auch die einzelnen Fächer zu unterrichten. Überdies konnte ein muttersprachlicher Unterricht zur Stärkung vaterländischer Gesinnung und zur Heimatliebe beitragen, äußerten einige Zeitgenossen.1'''1 Gheorghe Lazär (1779—1823), der aus Siebenbürgen nach der Walachei gekommen war, setzte sich als erster leidenschaftlich für die Realisierung des muttersprachlichen Unterrichts an einer höheren Lehranstalt ein und gab damit seinen Landsleuten ein leuchtendes Beispiel. 142 Sein Schüler Petrache Poenaru (1799—1875) dagegen hatte hervorragenden Anteil an der Begründung und dem Ausbau rumänischer Elementarschulen. 143 Im Jahre 1832 erklärte Poenaru, daß die Erziehung und Bildung der Jugend aus den einfachen Schichten die erste Sorge eines Volkes und die heilige Pflicht der Regierung sei.144 Auch nach den Grundsätzen des „Regulamentul Organic" war der Pflege der eigenen Volkssprache besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Pflege sollte sich vornehmlich auf die Reinigung und Normierung erstrecken, ohne daß das besondere Gepräge des Rumänischen darunter leiden dürfte. Da für technische Begriffe und den abstraktwissen» «o Vgl. BLRL, Nr. 45, S. 208. 141 Vgl. Istoria Rominiei, vol. III, S. 1044ff. 142 y g i . G. Bogdan-Duicä, Gheorghe Lazär, Bucuresti 1924. 143 Vgl. G. Potra, Petrache Poenaru ctitor al inv&tämintului in ^ara noasträ 1799-1875, Bucuresti 1963. 144 Siehe ebenda, S. 337.

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schaftlichen Bereich das Rumänische nicht über genügend Bezeichnungen verfügte, wurde zum Zwecke der Vereinheitlichung vorgeschlagen, aus nur einer Sprache, und zwar aus dem Französischen, die notwendigen Entlehnungen vorzunehmen. 145 Dies wurde allerdings trotz des starken Anwachsens des französischen Einflusses in der Folgezeit nicht streng beachtet. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß sich nach der Beendigung des Russisch-Türkischen Krieges durch den 1829 erfolgten Friedensschluß von Adrianopel in den beiden rumänischen Fürstentümern eine entscheidende Wende in den sprachreformerischen Bestrebungen abzuzeichnen begann. Nationale Bestrebungen seitens der Rumänen hatten sich bereits in dem 1821 erfolgten Aufstand Vladimirescus kraftvoll kundgetan, dem auch die Sympathien Lazärs und vieler seiner Schüler galten. Zugleich brachte jenes Jahr das Ende der Phanariotenherrschaft, wodurch die dominierende griechische Kultur und Sprache nicht weiter an Einfluß gewinnen konnten. Ein aktives Zurückdrängen jener griechischen Kultursuprematie erfolgte in der Walachei aber erst nach 1828, als das bis 1834 währende russische Protektorat einsetzte. Hierfür waren mehrere Gründe maßgebend. 146 Durch die Aufhebung des von der osmanischen Herrschaft einst behaupteten ökonomischen Monopols über die beiden rumänischen Fürstentümer konnten sich die kapitalistischen Produktionsverhältnisse innerhalb der auseinanderbrechenden Feudalstruktur ungehinderter entwickeln. In Ausführung des „Regulamentul Organic" wurden Maßnahmen eingeleitet, die diese Entwicklung durch eine gestrafftere Verwaltungsstruktur sowie durch die Beseitigung von Hindernissen förderten, die der Schaffung eines inneren und äußeren Marktes entgegenstanden. Unmittelbar einher ging die Verbreiterung und Stärkung bürgerlicher Schichten. Die angehende bürgerliche Intelligenz orientierte sich auf Frankreich. Ebenso ließen viele Bojaren ihren Söhnen eine französische Bildung geben, begünstigten doch die Verhältnisse unter dem russischen Protektorat die Ausrichtung auf die französische Sprache und Kultur auf Kosten des Griechischen. Der erste Schriftsteller bürgerlicher Herkunft, der sich in der Walachei um die nationale Sprachenproblematik bemühte, war Barbu Paris Mumuleanu (1794—1837). Als Autodidakt hatte er sich umfassende Kenntnisse über die Literatur seiner Zeit verschafft. Er wußte um die eigene literarische 145 Vgl. M. Seche, Regulamentul Organic si problemele limbii romine literare, in: LR VI (1957), Nr. 6, S. 105. "6 Vgl. Igtoria Rominiei, vol. III, S. 933ff.

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Tradition Rumäniens und hatte die nationale Sendung in Petru Maiors Schriften vernommen. Zugleich war er mit der neugriechischen Literatur vertraut, kannte wichtige Werke der antiken Literatur und der französischen Klassik und nahm Kenntnis von frühromantischen englischen und französischen Dichtern. 147 In einem sehr ausführlichen Vorwort zu seinem 1825 in Bukarest erschienenen Werk Caracteruri setzte sich Mumuleanu eingehend mit der geistig-moralischen Situation in seinem Land auseinander. Es war die Bilanz eines Patrioten, in der es bei allen festzustellenden Mißständen darum ging, die Fundamente zu einer neuen nationalen Gesinnung zu legen. Ungeachtet aller Misere ergab sich die Erweckung eines patriotischen Bewußtseins als unmittelbares nationales Gebot. Für Mumuleanu hieß das, mit Hilfe der Muttersprache den nationalen Kräften zum Selbstbewußtsein zu verhelfen, die eigene Literatursprache voll zu entwickeln, sie in den Rang einer Nationalsprache zu erheben. Er ließ sich in seinen Überlegungen davon leiten, daß andere Völker durch intensive Pflege ihrer Sprache zu internationalem Ansehen gelangten. Nur so war auch die Entfaltung einer reichen, vielfältigen Literatur möglich. Die bestehende Situation ist nach Mumuleanu dadurch gekennzeichnet, daß es zu seiner Zeit keine rumänischen Schriftsteller gab, die in den Schulen als klassische Autoren behandelt werden konnten. Ebenso fehlten Wörterbücher und Grammatiken für das Rumänische, da Väcärescus Bemühungen keine Fortsetzer fanden. Diese mißliche Lage, betonte Mumuleanu, dürfe jedoch seine Landsleute nicht entmutigen, denn auch die modernen fortgeschrittenen Völker mit ihren ausgeformten Sprachen begannen einst unter ähnlichen Bedingungen. Dies sei letztlich eine Frage der Entwicklung. Deshalb, meinte Mumuleanu, müsse den Kräften entgegengetreten werden, welche diese Entwicklungsmöglichkeiten für das Rumänische leugnen. Der Wirksamkeit jener Dunkelmänner gelte es im ureigentlichen nationalen Interesse den Kampf anzusagen. Mumuleanu folgert: „Genug haben sie durch bösartige verleumderische Täuschungen auch uns, trunken von ihrer Täuschung, beschmutzt. Wir hatten vergessen, daß wir eine Sprache besitzen und daß wir ein Volk sind. Die Unkenntnis der Sprache veranlaßte uns, die nationalen Pflichten zu vergessen und neutral zu sein." 148 Diese Worte waren eindeutig gegen die Bojarenkreise 147

148

Siehe Al. Piru, Literatura romina premodernä, Bucure§ti 1964, S. 379. Zur Sprache Mumuleanus vgl. Gr. Brincus, Limba poeziilor lui Barbu Paris Mumuleanu, in: Contrib., vol. I (1956), S. 7—22. „In destul ne-au pätat prin amägiri räi birfitori si noi, beti de amägirea lor, uitasem cä noi avem limba si cä sintern neam. Necunoftinta limbii ne-au fäcut sä uitäm datoriile natioanele si sä fim neutri." S. 57—58.

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gerichtet, welche die eigene Sprache verachteten und sich weiter des Griechischen als der vornehmeren Sprache bedienten. Auch durch griechische Sprachlehrer war die Ansicht von der ungenügenden Ausdrucksfähigkeit des Rumänischen verbreitet worden. Mumuleanu war besonders darauf bedacht, eine ausdrucksreiche rumänische Literatursprache zu schaffen. Dem Argument von der Armut seiner Muttersprache trat er mit dem Hinweis entgegen, daß sich schließlich das Rumänische von der lateinischen Sprache herleite, aus der alle europäischen Sprachen schöpften. Dieses Latinitätsbewußtsein führte aber bei ihm nicht dazu, für eine radikale Relatinisierung des Rumänischen einzutreten. Er widersprach auch solchen Puristen, die durch Eigenbildungen jede Entlehnung aus einer anderen Sprache vermeiden wollten. Die Entlehnung aus einer Sprache in die andere war für Mumuleanu eine Selbstverständlichkeit. Eine rumänische Literatursprache neuer Qualität möchte Mumuleanu durch folgendes Mittel erreichen: „Laßt uns unsere Umgangssprache bearbeiten und nur von den Griechen oder Lateinern nehmen, was uns fehlen wird. Die slawischen Wörter und Ausdrücke, sofern sie wohlklingend für uns und sehr verbreitet im Volke sind, laßt uns gebrauchen, sofern sie aber nur im Munde der Gelehrten anzutreffen und schwer artikulierbar sind, lassen wir sie beiseite." 149 Vor allem sei Sorge dafür zu tragen, daß die Grammatik und die Wissenschaften in der eigenen Sprache erlernt werden. Fremde Sprachen zu erlernen, sei zwar nützlich, doch den Vorrang habe stets die Muttersprache. Mumuleanus Sprachprogramm sollte dazu dienen, das Nationalbewußtsein bei seinen rumänischen Landsleuten entwickeln zu helfen. Als einer der ersten in der Walachei verfolgte er die nationalen Emanzipationsbestrebungen der Siebenbürger Rumänen. Er lobte Maiors Abhandlung über die Herkunft der Rumänen und die Fabeln des Banater Rumänen Jichindeal. 150 149

„. .. sä lucräm limba noasträ cea vorbitoare sä luäm numai acelea care ne vor fi de lipsä dela Greci si dela Latini, iar ceale slavone^ti vorbe si ziceri, cite sint dulci la auzul nostru §i cite sint prea de obijte in norod, sä le intrebuintäm, iar cite sint numai in gurile celor invätati si cite sint aspre de färima limba §i dintii nostri, sä le läsäm." S. 62. 150 yg]. g. 74 : „Protopopu Petru Maior, revizor al tipografii universitätii din Buda, pentru iubirea de neam, multä vreme s-au ostenit la cartea ce ne-au fäcut, ca sä ne arate cä sintern din Romani iar nu din Dachi, a cäruia ostenealä este vrednicä de toatä cinstea, socotindu-1 de autor in limba romineascä. Asemenea scriitor se poate socoti §i un Dimitrie Tichindeal." Über die nationalen Bestrebungen bei Tichindeal vgl. M. Ruffini, op. cit., S. 138-139.

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Mit großem Bedauern vermerkte Mumuleanu, daß die Bücher der siebenbürgischen Patrioten in der Walachei keine gebührende Anerkennung fanden. Den Einwand, daß die rumänischen Schriftsteller Siebenbürgens keine schöne Sprache haben, ließ Mumuleanu nicht gelten. Jedes Werk, das zur Erweckung und Stärkung des Nationalbewußtseins verhilft, verdiene beachtet und gewürdigt zu werden. U n d jedes in rumänischer Sprache geschriebene Buch leiste einen solchen Beitrag. Mit diesen Ideen erwies sich Mumuleanu in der nationalen Sprachenfrage als bedeutendster muntenischer Vorläufer Heliade Rädulescus. Viele seiner Anregungen wurden von Heliade Rädulescu übernommen und noch umfassender entwickelt, ohne daß an Mumuleanus Grundkonzeption Abstriche vorgenommen werden mußten. Als bedeutsam für unsere Thematik verdient festgehalten zu werden, daß Mumuleanu ein nationales Sprachprogramm vorlegte, das an I. Väcärescu anknüpfte und zugleich die Aspirationen der Siebenbürger Rumänen als wichtigen Beitrag zur rumänischen Gesamtkultur würdigte. Seine Angriffe richteten sich zugleich gegen eine kosmopolitische, gehaltlose Salonkultur nationalvergessener Bojaren. B. Die theoretischen Bemühungen

Heliade Rädulescus um die Formung

der rumänischen Literatursprache

von 1828—1840

Die herausragende Rolle bei den sprachreformeri sehen Bestrebungen von 1828 bis 1840 spielte Ion Heliade Rädulescu. 151 Dieser enzyklopädisch gebildete Dichter, Philologe, Publizist und Kulturpolitiker verstand es, die vordringlichen Probleme der rumänischen Sprachenfrage als wichtiges nationales Anliegen in das öffentliche Bewußtsein zu tragen. Scharfsinnig erkannte er, worauf in erster Linie zu achten war, wenn die Schaffung einer einheitlichen modernen rumänischen Literatursprache als hauptsächliches Ziel unverzüglich in Angriff genommen werden sollte. Seine 1828 veröffent151 Vgl. Opere. Editie critica cu introducere, note si variante de D. Popovici, 2 Bde. Bucure§ti 1939, 1943; ferner: L. ijeineanu, Ioan Eliade Rädulescu ca gramatic filolog, Bucuresti 1892; Gh. Oprescu, Eliade Rädulescu si Franca, in: Dacoromania I I I (1923), S. 1—128; D. Popovici, Ideologia literarä a lui I. Heliade Rädulescu, Bucuresti 1935; E. Teodorescu, Gramatica lui Ion Eliade Rädulescu, in: A§ I (1955), S. 127—138; Al. Rosetti, Limba scrierilor lui Ion Heliade R&dulescu pina la 1841, in: Contrib. vol. I (1956), S. 57—66; L. Leonte, Pärerile despre limbä ale lui I. Eliade Rädulescu, in prima perioadä a activit&tii (pina la 1840), in SC§ X I (1960), S. 163—190; N. A. Ursu, Modelul francez al Gramaticii lui I. Eliade Rädulescu, in: LR X (1961), Nr. 4, S. 322-333; Gh. Caline? ¿u, Ion Eliade R&dulescu, in: RITL X I I I (1964), S. 5-49. 5*

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lichte Grammatik des Rumänischen stellt einen Markstein in der Geschichte der rumänischen Philologie dar. Heliade ging vom lebendigen Sprachgebrauch aus und lehnte die durch einseitig historische Blickrichtung übertriebenen Latinisierungstendenzen ab. Das Vorwort, das er zu seiner rumänischen Grammatik verfaßte, trägt den Charakter eines Manifestes. Ähnlich wie bei den philologisch-poetischen Traktaten und Einführungen der Vulgärhumanisten in den westromanischen Ländern des 16. Jahrhunderts werden hier die Grundzüge eines sprachpolitischen Programms entwickelt, die als Leitlinien für die unmittelbare Sprachpraxis gedacht waren. Zwei Problemkreise sind es dabei vor allem, die Heliade im Anschluß an die bereits geführten Diskussionen in den Mittelpunkt rückte: die Orthographie und der Neologismus. 152 Heliade erwies sich in seinen Ausführungen über die rumänische Orthographie als scharfer, geistvoller Polemiker. Mit treffendem Spott legte er dar, daß es in der damals üblichen rumänischen Orthographie an überflüssigen Buchstaben geradezu wimmele. Dafür gab es zwar eine Reihe historischer Gründe, auf die Heliade aufmerksam machte, doch es sei endlich Zeit, auf diesem Gebiet zu einer sinnvollen Vereinfachung zu kommen. Für jeden rumänischen Laut genüge ein Buchstabe des kyrillischen Alphabets. Damit setzte Heliade die bereits von I. Väcärescu unternommenen Bemühungen um die Vereinfachung der rumänischen Rechtschreibung fort. Heliade, dessen Bestrebungen auf die Vereinheitlichung seiner Muttersprache gerichtet waren, mußte sich darüber hinaus auch mit den betreffenden Reformversuchen der siebenbürgischen Philologen auseinandersetzen, war doch von letzteren der erste Anstoß hierzu ausgegangen. Den nationalen Aspirationen der Siebenbürgischen Schule zollte Heliade zwar Anerkennung, nicht aber ihrer latinisierten Orthographie. Die lebendige Sprache braucht seines Erachtens eine adäquate Rechtschreibung. Nicht etymologische, sondern phonetische Gesichtspunkte sollen ihr daher zugrunde gelegt werden. Eine latinisierte etymologische Schreibweise würde bei allen Angehörigen der Sprachgemeinschaft Lateinkenntnisse voraussetzen. Das aber ist irreal und unannehmbar. Die Orthographie einer Sprache müsse in erster Linie so beschaffen sein, daß sich alle, die diese Sprache sprechen, rasch zurechtfinden. Polemisch zugespitzt stellt Heliade die Frage: „Weshalb aber schreiben wir nicht so, wie wir sprechen, wenn wir für die Lebenden schreiben und nicht für die Toten?" 1 5 3 152 Vgl, auch die Kommentare von D. Popovici zu Opere, Bd. II, S. 515ff. 153 „A§a darä, pentru ce sä nu scrim dupa cum pronuntiem, cänd scrim pentru cei cari tr&iesc, iar nu pentru cei morti?" Bd. II, S. 192.

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Von einer Orthographie verlangte Heliade, daß sie nicht nur einfach und übersichtlich ist und auf dem phonetischen statt auf dem etymologischen Prinzip f u ß t , sondern sie muß auch einheitlich und damit verbindlich f ü r alle Mitglieder der Sprachgemeinschaft sein. Die bestehende Situation kritisierte- er als völlig ungenügend, weil mangels geeigneter Tradition und gesicherter Regeln jedermann so schreibe oder drucke, wie es ihm g u t d ü n k t . Soll in lateinischen oder in kyrillischen Lettern geschrieben werden ? Diese Frage wurde auch in den beiden rumänischen Fürstentümern gestellt, wenn auch nicht mit solchem Nachdruck wie in Siebenbürgen. Grundsätzlich war auch Heliade f ü r die Einführung der lateinischen Schriftzeichen, doch wollte er dies nach und nach erreichen. Er rechnete mit der Macht der Gewohnheit. Um die Leser der von ihm herausgegebenen Zeitungen an die neuen Schriftzeichen mit der Zeit zu gewöhnen, schuf Heliade eine Übergangsorthographie. Diese bestand in der allmählichen Ersetzung der kyrillischen durch lateinische Buchstaben. Auf diese Weise trug Heliade dazu bei, die Leser auf die 1860 von staatlicher Seite erlassene Verordnung vorzubereiten, nach der nur noch in lateinischen Schriftzeichen geschrieben oder gedruckt werden sollte. I n der von Heliade herausgegebenen Zeitung Currier de ambe sexe, die auf Grund der Vermischung von lateinischen und kyrillischen Lettern in einem sogenannten Übergangsalphabet gedruckt wurde, hieß es in einem 1838 erschienenen Artikel, daß die Ansicht falsch sei, wonach die rumänische Sprache bekannter wäre, wenn sie in lateinischen Buchstaben geschrieben würde. Nicht die kyrillischen Lettern seien der Grund f ü r ihre geringe internationale Geltung, sondern die Tatsache, daß in ihr keine bemerkenswerten literarischen Werke verfaßt worden seien. Außerdem ergebe sich die Notwendigkeit der Lateinschreibung nicht des nationalen Erbes wegen, sondern aus ökonomischen Gründen. 154 Weitaus stärker als das Problem der Orthographie hatten bereits in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in den beiden rumänischen Fürstentümern die sich auf die Neologismen beziehenden Fragen die Gemüter bewegt. Mit den ersten Anstrengungen um die Aufnahme neuer Lebensbereiche und Wissensgebiete, moderner Einrichtungen und Begriffe der materiellen und geistigen Kultur Westeuropas erhob sich die Frage, aufweiche Weise die Bezeichnung der bis dahin unbekannten Erscheinungen und Begriffe erfolgen sollte. Heliade suchte eine Lösung, die mit der sprachlichen Bereicherung zugleich auf eine Vereinheitlichung hinzielte. Den Anhängern der konservativen, neologismenfeindlichen Position t r a t er entgegen, indem er sich auf die sensualistischen sprachphilosophischen Aus154

Vgl. BLRL, Nr. 137, S. 227-228.

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führungen Condillacs stützte. Wie schon Iorgovici ging Heliade von der Erkenntnis aus, daß zwischen dem Umfang des Wissens bei einem Volk und dem Reichtum seiner Sprache ein direkter Zusammenhang besteht. Mit den wachsenden Erfahrungen und Kenntnissen nimmt auch das sprachliche Ausdrucksvermögen zu. Durch die Einführung neuer Wissensgebiete müssen Neubenennungen vorgenommen werden, die durch eigene Bildungsmöglichkeiten nicht bewältigt werden können. Entlehnungen aus anderen Sprachen sind in diesem Fall die natürliche Folge. Zwei Grundsätze allerdings, argumentierte Heliade weiter, müßten dabei beachtet werden. Es soll nur dann entlehnt werden, wenn sich dies als notwendig erweist. Ferner gilt es darauf zu achten, aus welchen Sprachen und in welcher Weise zu entlehnen ist. Wie bereits Maior, sah auch Heliade ausschließlich im Lateinischen und in den vollausgeformten romanischen Schwestersprachen die möglichen Quellen für die Bereicherung mit Neologismen. Damit schieden für Heliade das Neugriechische, das Deutsche oder andere nichtromanische Idiome als Quellen der Entlehnung aus. Er wandte sich angesichts der noch starken Nachwirkungen des griechischen Einflusses aus der Phanariotenzeit entschieden gegen Lehnwörter neugriechischer Herkunft. Besondere Beachtung schenkte er ferner der Frage, in welcher Form die Entlehnung erfolgen sollte. Seines Erachtens sei den Neuwörtern unbedingt das Gepräge der eigenen Sprache zu geben. Sie bedürften der Anpassung an den Geist und das Wesen der rumänischen Sprache. 155 Bei aller Verwandtschaft mit dem Latein und den romanischen Sprachen wollte damit Heliade die Eigengesetzlichkeit seiner Muttersprache gewahrt wissen. Die Frage, in welcher Form das Lehnwort ins Rumänische aufgenommen werden sollte, besaß für ihn deshalb höchste aktuelle Bedeutung, weil sich hierbei für die zu erstrebende nationalsprachliche Einheit gefährliche Tendenzen zeigten. Als mit der Aufnahme und Erschließung neuer wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Bereiche die Zahl der Neologismen ständig wuchs, stellte es sich heraus, daß auf Grund der fehlenden staatlichen Einheit sich nicht nur in manchen Fällen die neuen Bezeichnungen für bestimmte moderne Begriffe unterschieden, sondern daß dieselben Neologismen lateinischer bzw. romanischer Herkunft lautlich und morphologisch, wie sie in Siebenbürgen, 155 ygi. Bd. H j s. 198: „Trebue sä ne imprumutäm, dar trebue foarte bine sä bägäm seamä sä nu pätimim ca negu^ätorii aceia cari nu isi iau bine mfisurile rämän bancruti (mofluzi). Trebuie sa luäm numai acelea ce ne trebue de acolo de unde trebue, cum trebue. . . . Vorbele streine trebue sä se imfätoijeze in haine rumänefti cu mascä de Rumän inaintea noasträ."

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in der Walachei und in der Moldau gebraucht wurden, nicht übereinstimmten.156 Was ein Mittel zur Vereinheitlichung der rumänischen Literatursprache hätte sein können, entpuppte sich zu diesem Zeitpunkt als trennender Faktor. So entrüstete sich Heliade darüber, daß die Formen der lateinischen Verben „formare", „recomandare" oder „repetire" beispielsweise im Präsens der 1. Person Singularis in Muntenien „formalisesc", „recomandarisesc", „repetirisesc" lauteten, in Siebenbürgen, im Banat und in der Bukowina aber „formäluesc", „recomändäluesc", „repetiruesc". In beiden Fällen handele es sich um Formen, die dem Geist der rumänischen Sprache widersprechen. Sie verraten in Muntenien neugriechischen und in Siebenbürgen ungarischen Einfluß. Die echten rumänischen Formen könnten nur „formü" bzw. „formezü", „recomandü" bzw. „recomandezü" und „repetescü" heißen.157 Diese Tatsachen unterstreichen nach Heliade deutlich, Avie dringend eine baldige, für alle rumänischen Sprachgebiete verbindliche Regelung ist, die dem Wesen der rumänischen Sprache zu entsprechen hat. Alle in dieser Richtung unternommenen Versuche sind anerkennenswert, doch sie vermochten nicht eine Breitenwirkung zu erzielen. Die bisher verfaßten grammatischen Traktate, folgerte Heliade, kamen deshalb nicht zur Geltung, weil sie nicht als Grundlage für eine breite Volksbildung dienten. Einen wichtigen Schritt habe erst Gheorghe Lazär mit der Einführung des Rumänischen als Unterrichtssprache gewagt. Entscheidend vor allem aber sei im Hinblick auf eine umfassende Pflege des eigenen Idioms, daß sich ein Gremium von erfahrenen und gebildeten Rumänen zusammenfinde und sich um die Festlegung einheitlicher Normen für die eigene Sprache kümmere. Heliade schlug zu diesem Zweck die Gründung einer Akademie vor. Über die differenzierte Aufnahme der Neologismen im Rumänischen jener Zeit vgl. Gh. Adamescu, Adaptarea la mediu a neologismelor, in: Analele Academiei Romane. Memoriile Sectiuni literare, seria III, vol. VIII, Bucureçti 1936-1938, S. 49-126; Al. Graur, Etimologia multiplä, in: SCL XI (1960), S. 22—34 sowie Din nou despre etimologia multiplä, in: Etimologii românesti, Bucureçti 1963, S. 11—18; N. A. Ursu, Formarea terminologiei stiin^ifice, Bucuresti 1962 sowie Le problème de l'étymologie des néologismes du roumain, in: RRL X (1965), S. 53—59; Luiza si M. Seche, Despre adaptarea neologismelor in limba romänä literarä (Unele consideratii generale), LR XIV (1965), Nr. 6, S. 677-687. 157 Nach der für die rumänische Nationalsprache heute gültigen Norm lauten die entsprechenden Formen: formez, recomand und repet (denn die Infinitivform heißt heute: a répéta). Vgl. hierzu auch D. Ursu, Incadrarea morfologicä a verbelor neologice in limba romänä din perioada 1760—1860, in: LR XIV (1965), Nr. 3, S. 371-379.

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Deren Aufgabe habe u. a. darin zu bestehen, unter Heranziehung der entsprechenden Vorarbeiten ein normatives Wörterbuch der rumänischen Sprache abzufassen. Auch auf die Nützlichkeit zweisprachiger Wörterbücher verwies Heliade in diesem Zusammenhang. E r erhoffte sich ferner durch die Übertragung von poetischen Meisterwerken aus anderen Literaturen eine Veredelung und Verschönerung der eigenen Sprache. Durch zahlreiche Übersetzungen aus der italienischen und französischen Literatur gab er selbst seinen Landsleuten ein nachahmenswertes Beispiel. I n den Jahren nach dem Erscheinen seiner rumänischen Grammatik war Heliades Bestreben unvermindert darauf gerichtet, diese im Vorwort dargelegten Grundsätze einer nationalen Sprachpflege auszubauen, sie zu propagieren und in der Sprachpraxis durchzusetzen. Manches wurde hierbei noch in theoretischer Hinsicht verdichtet, was zunächst nur im Ansatz vorlag, doch auf Grand der Auseinandersetzung mit anderen Ansichten eine Vertiefung verlangte. I m Jahre 1832 veröffentlichte Heliade die Abhandlung Repede aruncäturä de ochiu asupra limbii §i inceputului Rumänilor, dem Titel nach zu urteilen eine Arbeit über die Herkunft der Rumänen und ihrer Sprache. Doch die Lektüre dieses Aufsatzes läßt erkennen, daß Heliade im betonten Gegensatz zu den Vertretern der Siebenbürgischen Schule der geschichtlichen Herkunft seines Volkes keine übermäßige Bedeutung beimaß. Ihm ging es auch hier vornehmlich um die gegenwärtige Situation. Für ihn erhob sich vordringlich die Frage, in welchem Maße die bestehenden Gegebenheiten zur Realisierung des Fortschritts ausreichen. Auf die Sprache bezogen hieß das, ob alle Ideen der zivilisierten Welt auch im Rumänischen ausgedrückt werden können. Heliade zeigte sich skeptisch in bezug auf die verschiedenen Theorien über die ethnische Herkunft der Rumänen. E r erachtete es f ü r ratsam, sich nur an sprachliche Tatsachen zu halten. Diese bezeugten eindeutig die Abstammung des Rumänischen vom Latein. Die gebräuchlichsten Wörter des Rumänischen, argumentierte Heliade, lassen sich auf das Lateinische zurückführen, und der grammatische Bau des Rumänischen beweist deutlich die Verwandtschaft mit den anderen romanischen Sprachen. Dieser lateinisch-romanische Grundstock konnte durch die vielen fremden Einflüsse nicht verändert werden, da er das Wesen der rumänischen Sprache ausmacht. Auch bei den f ü r seine Zeit erforderlichen Bereicherungen und Neuformungen gelte es, den spezifischen Eigenheiten des Rumänischen voll Rechnung zu tragen. 1 5 8 158 Vgl. Opere, Bd. II, S. 209: „Limba noastra si-a luat forma sa drumul sau atät in gläsuirea zicerilor cät si in mehanismul ei inca dela str&mo§ii nostri si orice imprumutare se va face este lege ob^teascä la toate natiile ca zicerea streinä sä se conformeze dupä insusirea limbii."

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Wie im Vorwort zu seiner rumänischen Grammatik hob Heliade auch in' seiner Abhandlung über die Sprache der Rumänen hervor, wie notwendig und vordringlich es sei, die Neologismen den Eigenheiten der rumänischen Sprache anzupassen und f ü r alle rumänischen Sprachgebiete einheitlich zu gestalten. Er machte darauf aufmerksam, daß es sich bei den Neologismen hauptsächlich u m wissenschaftliche Ausdrücke handelt. Getreu dem sensualistischen Grundsatz, daß wissenschaftliche Erkenntnis und sprachliche Prägung unmittelbar zusammenhängen, differenzierte Heliade zwischen der Sprache der Gelehrten und der Sprache des Volkes. Dank ihrer größeren Sachkenntnisse verfügten die Gelehrten über einen reicheren Wortschatz, während in lautlicher Hinsicht und in bezug auf Dinge des Alltags kein Unterschied zwischen ihrer Sprache und der des einfachen Volkes bestände. 159 Auf der Grundlage einer breiten Volksbildung müsse erreicht werden, daß auch die Angehörigen der niederen Stände mit neuen Erkenntnissen und Einrichtungen und deren Bezeichnungen vertraut gemacht würden. Da der Formung der Neologismen so allgemeine nationale Bedeutung zukam, fühlte sich Heliade verpflichtet, die Auseinandersetzung mit den bisherigen Ansichten und Praktiken verstärkt fortzusetzen. Außer den bereits im Vorwort zur rumänischen Grammatik kritisierten unrumänischen neugriechischen bzw. ungarischen Bildungselementen bei der Entlehnung lateinisch-romanischer Bezeichnungen nahm er diesmal in erster Linie jene Bestrebungen und Praktiken aufs Korn, die durch Lehnübersetzungen oder durch bedeutungsähnliche Wörter der Volkssprache eine neue wissenschaftliche rumänische Terminologie zu schaffen suchten. Anstrengungen dieser Art waren seit dem Ende des 18 Jahrhunderts vornehmlich in Siebenbürgen zu verzeichnen. Auch der moldauische Philologe Säulescu bewegte sich in den dreißiger und vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bei seinen Neubildungen in einer ähnlichen Richtung. 1 6 0 Wenn „persoanä" durch „obraz", „pronumele personele" durch „in loc de nume obraznice" oder „loghicä" durch „cuvintelnicä" wiedergegeben werden, dann komme das nach Heliade einem Flickwerk gleich, das weder den Gebildeten noch den Ungebildeten nützlich und zumutbar sei. Demgegenüber müßte die Methode gepriesen und propagiert werden, die Iorgovici zur Bereicherung des rumänischen Wortschatzes vorgeschlagen hatte. 1 6 1 Wie wir sahen, legte 159

Vgl. vor allem Asupra traductiei lui Omer, Bucuresti 1837, in: Opere, Bd. II, S. 98ff. und D. Popovici, Ideologia literarä . . S. 290ff. «so Vgl. M. Ruffini, op. cit., S. 160ff. 161 Vgl. Opere, Bd. II, S. 209: „Pentru drumul si arätarea mai pa larg ca din zicerile primitive sau de radäcina sä faoem ori sa intrebuintam pe cele

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er den Neubildungen rumänische Wortstämme zugrunde, die auf das Lateinische zurückgeführt werden konnten. Durch die Hinzufügung von geläufigen Präfixen oder Suffixen ergaben sich dann zahlreiche Möglichkeiten für die Neubildung von Bezeichnungen. Bei Heliades Bemühungen um die Formung einer modernen und für alle Rumänen einheitlichen Literatursprache fällt auf, daß er in den ersten Jahren seiner sprachreformerischen Tätigkeit sich hauptsächlich mit den in Siebenbürgen vorhandenen Tendenzen und Ansichten auseinandersetzte. Dort hatte sich zuerst eine stark nationalsprachreformerische Bewegung herausgebildet, zu deren Grundsätzen es Stellung zu nehmen galt, wollte man gesamtnationale Ansprüche erheben. Die historisch-ethnischen Probleme, welche die Siebenbürgische Schule immer wieder im Sinne nationaler Selbstbehauptung in die Diskussion warf und zum Angelpunkt ihrer nationalerzieherischen Bestrebungen machte, waren für Heliade von untergeordneter Bedeutung. Erst nachdem Heliade kritisch zu den praktischen Sprachreformen der Siebenbürgischen Schule Stellung genommen hatte, traten auch die sprachlichen Verhältnisse der Moldau näher in sein Blickfeld. Dabei ging es ihm darum, eine vollständige sprachliche Konformität zwischen der Walachei und der Moldau zu erreichen, wie es sein offener Briefwechsel mit dem bekannten moldauischen Schriftsteller Costache Negruzzi deutlich erhellt. 162 Erstes Gebot war für Heliade die Schaffung einer überregionalen einheitlichen rumänischen Literatursprache. Er suchte daher zunächst Anknüpfungspunkte in der eigenen Tradition und fand sie in der Sprache des religiösen rumänischen Schrifttums. Diese wiese, so stellte Heliade fest, eine einheitliche Form in Siebenbürgen, in der Walachei und in der Moldau auf, so daß bei der Formung einer für die modernen Lebensbereiche ausdrucksfähigen rumänischen Literatursprache nur davon auszugehen sei. Den Eigenheiten dieser rumänischen Kirchensprache gemäß gelte es nun auch die neuaufzunehmenden Elemente einheitlich in den einzelnen rumänischen Provinzen zu prägen. In dieser Verbindung hob Heliade hervor, daß gerade diese speziellen Eigenheiten des rumänischen Sprachbaues auch im Hinblick auf die verwandten romanischen Sprachen streng beachtet werden müßten, bekunde sich doch in ihnen der besondere Charakter seiner

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derivate sau pe cele vate putem avea iji scrierea r&posatului 1800." Vgl. Opere, Bd. II,

ce se trag dintr'insele, cum si cänd avem pe cele deripe cele primitive, pentru aceasta cu cinste recomand Iorgovici tiparita in Buda in veacul trecut intre 1,790 S. 213-244.

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Muttersprache. 163 Mit den anderen romanischen Sprachen hat das Rumänische zahlreiche lateinische Wörter gemein, im grammatischen Gefüge jedoch treten die spezifischen Züge des Rumänischen gegenüber den romanischen Schwestersprachen deutlich hervor. Der grammatische Bau wird für Heliade auch zum ausschlaggebenden Kriterium, wenn zu klären ist, ob von Sprache oder Dialekt gesprochen werden kann. Ein Dialekt ist für ihn dann gegeben, wenn zahlreiche regionale lexikalische Besonderheiten sowie gewisse Modifizierungen phonetischer und grammatischer Art vorliegen. Von diesem Blickpunkt aus konstatierte er drei rumänische Dialekte: das Dakorumänische, das Aromunische und, durch falsche Information bedingt, das Rätoromanische. 164 Die sprachlichen Unterschiede zwischen Siebenbürgen, der Walachei und der Moldau sind seines Erachtens zu gering, um als dialektale Besonderheiten zu gelten. Heliade meinte, wenn man erst einmal von kleinen Unterschieden ausgehe, dann ließen sich nicht nur zwischen den einzelnen Bezirken, Kreisen und Ortschaften sprachliche Divergenzen ermitteln, sondern sogar innerhalb der Familie besitze jeder einzelne eine besondere Sprechweise. Heliade verstand einmal unter Dialekt die sprachlichen Eigenheiten einer Provinz, zum anderen wandte er diesen Begriff an, um die sprachlichen Eigenheiten einer Berufsgruppe damit zu kennzeichnen. So betrachtete er zum Beispiel die Literatursprache als besonderen Dialekt, als eine nur den Schriftstellern eigene Sprache. Heliade formulierte: „Die Schriftsprache aber war überall eine besondere Sprache der Schriftsteller, d. h. eine Auswahl und eine Sammlung von all dem, was am schönsten und vorbildlichsten in den verschiedenen Sprachen (Dialekten) einer Nation ist." 165 Das Auswahlprinzip ist somit entscheidend. Wenn sich die kirchlichen rumänischen Autoren zu einer gemeinsamen Sprache fanden, warum sollte dies 163 Vgl. Opere, Bd. II, S. 229: „Limba noasträ dupä materia ei este si ea o limbä de familia latinä. Zicerea omü se aflä çi în latina, §i în italiana, si în franceza, çi în spaniola, §i în portugheza, si într'a noasträ, precum si mii de alte ziceri. Insa declinarea ei în cazuri, cum si conjugarea verbilor în timpi, numere çi moduri, face o deosebitä grämaticä si prin urmare o deosebitä limbä." 164 Nach D. Popovici, Ideologia literara . . ., S. 267—268, entnahm Heliade dies folgendem 1838 in Curierul Bomînesc veröffentlichten Aufsatz von einem gewissen Henri de Buvelot: Essai sur l'établissement de colonies suisses en Valachie. 165 „Dar limba cea scrisä pretutindini a fost un dialect deosebit al literatilor, adioä o alegere si culegere de tot ce este mai frumos si mai clasic în deosebitele dialecte aie unei natii." Opere, Bd. II, S. 238.

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nicht, so fragte sich Heliade, auch den weltlichen Schriftstellern gelingen. Eine solche Übereinkunft setze jedoch voraus, daß die betreffenden weltlichen Autoren erkennen, was in sprachlicher Hinsicht gut oder schlecht ist, was es zu bewahren oder auszumerzen gilt. Geschickt soll hierbei aus den verschiedenen Dialekten der rumänischen Nation ausgewählt werden. Auch das Aromunische möchte Heliade heranziehen. Lokalpatriotischer Eifer sei bei dieser Aufgabe völlig fehl am Platze. Ansprüche einzelner Provinzen, das beste Rumänisch zu bieten, erklärte Heliade für gegenstandslos. 166 In einem in Curierul Românesc veröffentlichten Aufsatz schrieb Heliade: „Rumänische Brüder, wir müssen bezeugen, daß jeder rumänische Volksteil seine Provinzialismen hat und daß keiner bisher in der Lage war, von sich behaupten zu können, die Toskana oder das Kastilien Rumäniens zu sein." 167 Worauf es ihm hierbei ankam, formulierte er in einem 1839 an Poenaru gerichteten Brief: „Der Rumäne, der weder nur Walache noch nur Moldauer ist, sondern Rumäne in des Wortes wahrster Bedeutung, und der erkennt, was verdorben und was gut ist, wird das Gute auch von seinen Brüdern aussuchen, und er wird eine Sprache, eine Grammatik und ein Wörterbuch schaffen, die in des Wortes wahrster Bedeutung rumänisch sind, gereinigt von jedem Egoismus und von Albernheit und von allen Rumänen aufgenommen." 168 Nach Heliades Überzeugung konnte nur durch die Auswahl des Besten aus den einzelnen Sprachgebieten eine schöne, wohlklingende, grammatisch geregelte, korrekte und vollendete Sprache für alle Rumänen erreicht werden. Heliade erkannte den Schriftstellern bei der Formung der Literatursprache die maßgebliche Rolle zu. Die Volkssprache vermag seines Erachtens nur als Rohmaterial zu dienen, das der Bearbeitung durch fähige Autoren bedarf. 169 Allein auf Grund des unterschiedlichen Kenntnisstandes 166 Vgl. Opere, Bd. II, S. 242. „Trebue sä märturisim, fratilor Romîni, cä fiecare norod romîn îçi are provincialismele sale, si cä nimeni n'am ajuns înca în stare a pretinde cä la rioi este Castilia sau Toscana Romîniei." Zitiert nach D. Popovici, Ideologia literarä . . ., S. 268. Dieser Literaturä betitelte Aufsatz erschien am 26. Juli 1839 in der 122. Nummer. 168 „Românul, care nu e numai Muntean niei numai Moldovean, ci e Român în toatä puterea insemnärii vorbei si cunoaste ce e stricat si ce e bun, va alege bunul si delà sine çi delà fratii säi si va lepäda stricatul si delà sine si delà fratii säi, si va face o limbä, o gramaticä, un dicsionar românesc în adevarata însemnare a vorbei, curate de orice egoism si neghiobie çi priimite de to£i Românii." Opere, Bd. II, S. 423. 169 Yg], Asupra traductiei lui Omer, Opere, Bd. II, S. 98 : „Limba norodului este numai un material; iar arhitectul nu e norodul, carele nu este de altä 167

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kann die Sprache der breiten Volksschichten nicht so ausdrucksreich sein wie die der Gebildeten oder gar wie die der Dichter. Heliade brachte in diesem Zusammenhang auch den vom Sensualismus entwickelten Gedanken vor, wonach die Sprache ein „Gemälde der Ideen und Gefühle eines Menschen oder Volkes ist". 170 Davon ausgehend betonte er, daß das jeweilige Material, d. h. die jeweilige Volkssprache, unterschiedlich ist. Indem aber der geniale Dichter die Volkssprache nach seiner Vorstellung und seinem künstlerischen Vermögen unter Berücksichtigung der speziellen Eigenheiten des Materials formt, verleiht er auch der betreffenden Volkssprache die höchste Ausdruckskraft. In seinen Werken vermögen auf diese Weise künstlerische Individualität und nationale Besonderheit zu einer inneren Einheit zu verschmelzen. Heliade war davon überzeugt, daß er als begnadeter Reformer und Schriftsteller zugleich eine schöpferische Funktion von außerordentlich weitreichender Bedeutung für die nationale Entwicklung der Rumänen ausübte. Diese Überzeugung war in ihm durch Condillacs sprachphilosophische "Überlegungen ohne Zweifel gestärkt, wenn nicht sogar geweckt worden. 171 Condillac konstatierte im Essai sur Vorigine des connaissances slujbä la aceastä zidire decät sä care sau sa-si vanzä materialul. Al$ii sänt cari fac planul, altii care zidesc si altii cheltuese. To£i insa la un loc, salahorii negutätorii, §i zidarii arhitectii sänt de trebuin^ä la zidirea acestui edifit mai mult §i mai pu^in grandios, mai mult si mai pu^in elegant, mai mult si mai pu$in regulat." 170 Vgl. ebenda, S. 100: „Limba este o icoanä a ideilor si sentimentului unui om sau a unui norod." 171 Heliade bezieht sich in seinen Schriften verschiedene Male auf Condillac. I n seinen Darlegungen über allgemeine Aspekte der Sprache sind außerdem Gedankengänge Condillacs ziemlich offenkundig. D. Popovici arbeitete sie in Ideologia literara . . ., S. 250ff., deutlieh heraus u n d stellte sie in die europäische Aufklärungsbewegung hinein. Schon Gh. Oprescu, op. cit., S. 7ff., wies d a r a u f h i n , daß der junge Heliade durch in Bukarest ansässige griechische Lehrer mit Condillacs Ausführungen über die Sprache im allgemeinen und über die Grammatik und Logik im besonderen vert r a u t gemacht wurde. An der ersten höheren rumänischen Lehranstalt Sf. Sava beispielsweise gab es in philosophischer Hinsicht unter den Lehrern und Schülern zwei Richtungen. Der Direktor Gh. Lazär t r a t f ü r die Philosophie K a n t s ein, andere Lehrkräfte dagegen, darunter Heliade, sprachen sich f ü r den Sensualismus eines Condillac aus. Condillacs Schriften las Heliade zuerst in neugriechischen Übersetzungen. N. Camariano meinte, daß der Einfluß zeitgenössischer griechischer Autoren auf Heliades sprachreformerische Ansichten bedeutsam gewesen sei. Die heftigen Diskussionen,

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humaines: „Les circonstances favorables au développement des génies se rencontrent chez une nation, dans le temps où sa langue commence à avoir des principes fixes et un caractère décidé. Ce temps est donc l'époque d e s grands hommes." 1 7 2 A n einer anderen Stelle dieses erkenntnistheoretischen Traktats heißt es: „Quand un génie a découvert le caractère d'une langue, il l'exprime vivement et le soutient dans tous ses écrits. Avec ce secours, le reste des gens à talens, qui auparavant n'eussent pas été capables de le pénétrer d'eux-mêmes, l'aperçoivent sensiblement, et l'expriment à son exemple, chacun dans son genre. La langue s'enrichit peu à peu de quantité de nouveaux tours qui, par le rapport qu'ils ont à son caractère, le développent de plus en plus; et l'analogie devient comme un flambeau dont la lumière augmente sans cesse pour éclairer un plus grand nombre d'écrivains." 1 7 3 die damals von griechischen Philologen a u c h in den beiden rumänischen F ü r s t e n t ü m e r n darüber g e f ü h r t wurden, ob m a n sich bei der notwendigen Erneuerung des eigenen Idioms auf die alte klassische Sprache orientieren sollte oder auf die lebendige Umgangssprache, h ä t t e n Heliades Sprachauffassung maßgeblich beeinflußt. (Vgl. Influenta greacä asupra prefetii gramaticii lui J o a n Eliade Rädulescu, i n : Revista istoricä r o m â n â X I V (1945), S. 483ff.) Bereits A. Marino, L R X I I I (1964), Nr. 5, S. 475, polemisierte mit R e c h t gegen eine solche „mechanische" Einflußtheorie, welche die inneren Notwendigkeiten gering achtete. Ohne Zweifel w u ß t e Heliade von diesen Diskussionen u n t e r den griechischen Gelehrten, doch seine Darlegungen im Vorwort zu seiner rumänischen G r a m m a t i k gestatten nicht, einen direkten Einfluß nachzuweisen. Heliade verarbeitete in diesem Zusammenhang kritisch die Ideen der Siebenbürgischen Schule, n a h m Bezug auf die praktischen philologischen Anfänge seiner Landsleute u n d ließ sich bei allgemeinen sprachtheoretischen Erörterungen von Condillacs Ideen leiten, die ihm zuerst durch griechische Autoren u n d Übersetzer verm i t t e l t worden waren. E s handelte sich hier u m eine schöpferische Auseinandersetzung, bei der das durch die historische Entwicklung bedingte Ziel, eine einheitliche Nationalsprache f ü r alle R u m ä n e n zu erreichen, im Mittelpunkt stand. Hinsichtlich der eigentlichen G r a m m a t i k k a n n dieses selbständig-schöpferische Moment n u r f ü r die P a r t i e n gelten, in denen es u m die Festlegung der rumänischen F o r m e n ging. Die allgemeinen grammatischen Erklärungen u n d Definitionen dagegen wurden meistens aus einer französischen Durchschnittsgrammatik jener Zeit einfach von Heliade ü b e r n o m m e n u n d ins Rumänische übersetzt. (Vgl. N. A. U r s u , Modelul francez . . .) 172 2. Teil, K a p . 15, § 146: Oeuvres philosophiques de Condillac. Texte établi et présenté p a r Georges Le Roy, Paris 1947—1951, Bd. I , S. 99. «3 E b e n d a , § 152, S. 101.

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In seinem Briefwechsel mit Costache Negruzzi bekannte Heliade selbstbewußt, ein solcher Sprachreformer zu sein. Er fühlte sich als wahrer Pionier. Auf sich allein gestellt, habe er eine Riesenarbeit bei der Formung der rumänischen Literatursprache vollbringen müssen. Um erfolgreich damit voranzukommen, habe er zunächst ein System entworfen, das mit dem Wesen und den Eigenheiten seiner Muttersprache übereinstimmte. Dieses System, so fährt Heliade fort, befolgte er konsequent in seiner sprachreformerischen Tätigkeit. Es war so aufgebaut, daß mit ihm die eigene Sprache in den Stand versetzt werden konnte, alles auszudrücken. Die erforderlichen neuen Bezeichnungen für moderne wissenschaftliche Begriffe und Gegebenheiten gewann er, indem er ausländische wissenschaftliche Werke ins Rumänische übersetzte und so zu Neubildungen gezwungen war. Nach der Schaffung eines systemgerechten Fachwortschatzes widmete er sich der schöngeistigen Literatur, um auch deren Sprache, die er als Sprache des Herzens oder Gefühls definierte, nach den Grundsätzen seines Systems zu formen und zu bereichern. Unter Bewahrung der vorhandenen literarischen rumänischen Tradition sei er nur dann sprachschöpferisch vorgegangen, wenn es im literarischen Ausdrucksvermögen seiner Sprache Lücken gab. Auch hierbei sollte durch das Übersetzen bekannter moderner literarischer Werke der Blick dafür geschärft werden, wo es nachzuhelfen galt oder wo bereits das Rumänische einen der Originalsprache adäquaten Ausdruck besaß.17,5 Heliade übersetzte zu diesem Zweck Gedichte von Lamartine und Lord Byron. Das damit von ihm verfolgte Ziel lautete nach seinen eigenen Worten: „Ich wollte sehen, wie geschmeidig und wie tauglich sich die Sprache erweist, jene so schönen, hohen und leidenschaftsvollen Gedanken auszudrücken." 175 Heliade meinte, daß dieser Versuch von Erfolg gekrönt gewesen sei, denn seine Übersetzungen hätten die umfassende Ausdruckskraft der rumänischen Sprache unter Beweis gestellt. 176 Diese Bemühungen Heliades wurden von vielen Zeitgenossen gewürdigt. Vor allem Costache Negruzzi begrüßte Heliades sprachreformerischen Eifer. 17

< Vgl. Opere, Bd. II, S. 213ff. „Am vrut sä väz pe cät se mlädia limba si eät este destoinicä sä esprime acele idei asa de frumoase, inalte si pline de patimä." S. 216. 176 Vgl. ebenda: „Destoinicia ei am väzut-o, am väzut-o mai destoinicä decät pe cea frantuzeascä, cä este croitä dela inceputul ei sä fie limba, dacä nu a cugetärii si a simtimäntului, incai a cuvantului si a intelegerii. Vorbele-i lipsesc si frasele; urzirea sau scheletul ei este mare, e elegant, e nobil. Energia nu-i lipseste, armonia se simte pretutindeni si cänd va sä fii zugrav," vezi insäsi natura."

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In seinem 32. Brief umriß er, welche nationale Bedeutung Heliades sprachpflegerischem Wirken zukomme. Nationalgesinnten Gelehrten in Siebenbürgen und im Banat sei es seit dem Ende des 18. Jahrhunderts zunächst zu danken gewesen, daß auch die Rumänen in den beiden Fürstentümern angesichts der griechischen Überfremdung an die edle Abkunft ihrer Sprache erinnert worden wären. Deren Abhandlungen hätten zwar das nationale Sprachbewußtsein gefördert, doch auf Grund der in ihrer Sprache enthaltenen deutschen und ungarischen Elemente kaum positive Ansätze für eine rumänische Sprachkultur geboten. Erst Heliade habe auf diesem Gebiet einen entscheidenden Fortschritt erzielt. Negruzzi schrieb: „Glücklicherweise kam ein Mann, der vollkommen seine Sprache kannte; ein Mann, der zugleich auch Dichter, Journalist und Schriftsteller war. Er hieß Heliade." 177 Sein Verdienst bestand nach Negruzzi darin, daß er die rumänische Sprache von fremden Elementen reinigte, deren Ausdrucksfähigkeit durch wirklich poetische Übersetzungen bewies, und daß er vielen Rumänen, die sich um ihn scharten, durch seine Tätigkeit ein nacheifernswertes Beispiel gab. Auf diese Weise habe in wenigen Jahren eine wohlgeformte Literatursprache entstehen können. Dieses Bewußtsein, daß das Rumänische bereits um 1840 über eine ausgeformte Literatursprache verfügte, war bei vielen Zeitgenossen Heliades verbreitet. Während bis etwa 1835 häufig geklagt wurde, die eigene Sprache reiche nicht aus, um in ihr philosophische und wissenschaftliche Probleme zu behandeln, verringerte sich nach 1835 beträchtlich die Zahl dieser Stimmen. Immer mehr wurde nun die Meinung geäußert, wonach die eigene Sprache bereits voll entwickelt sei und in ihr über alle Probleme geschrieben werden könnte. So glaubte N. Heruvim im Jahre 1839 feststellen zu dürfen, daß das Rumänische dank seiner Schriftsteller eine solche Bereicherung erfahren habe, daß es bei weiterer Pflege fähig sei, zu einer der zartesten und wohlklingendsten Sprachen Europas entwickelt zu werden. 178 In der Kronstädter Zeitschrift Foaia pentru minte, inimä si literaturä hieß es in einem Artikel vom 16. Juni 1840: „Die auf rumänischem Boden gesprochene rumänische Sprache hat bisher den faktischen Beweis dafür geliefert, daß sie die Sprache der Regierung, der Kirche, der Schule und um so leichter

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„Din norocire, un om veni; un cm care-fi stia in perfectie limba sa; un om ce era tot odata poet, jurnalist, literator. E1 se nume a Eliad." Gh. Bulgar, Scriitori romini . . ., S. 98. Bulgar bringt diesen 32. Brief (S. 92-101) in seiner Anthologie. BLRL, Nr. 159, S. 233.

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der Masse zu sein vermag." 179 Nach der in diesem Aufsatz vorgetragenen Ansicht werde das Rumänische durch die Dichter und Schriftsteller eine solche Formung erhalten, wie sie keine andere europäische Sprache jemals in einem so kurzen Zeitraum erfuhr.

C. Die sjyrachreformerischen Bestrebungen in der Moldau bis 1840 Eine ähnliche Situation wie in der Walachei bot sich auch in der Moldau. Während in Siebenbürgen die nationalphilologischen Bestrebungen um 1830 bereits voll zur Entfaltung gelangt waren, zeigten sich in der Moldau bis zu diesem Zeitpunkt nur geringe Ansätze für eine umfassende Sprachreform. Die römische Herkunft der Rumänen war schon seit den Chronisten des 17. Jahrhunderts Gemeingut in der Moldau.180 Vereinzelt traten hier zu Beginn des 19. Jahrhunderts Männer auf, die mahnten, sich der römischen Vorfahren würdig zu erweisen. Leon Asachi wies 1821 stolz auf die Verwandtschaft seiner Muttersprache mit den anderen romanischen Idiomen hin, „die heute die gelehrtesten und harmonischsten Sprachen Europas sind."181 Wenn das Rumänische nicht eine gleiche positive Entwicklung genommen habe, dann sei dies widrigen historischen Umständen und der isolierten geographischen Lage inmitten nichtromanischer Völker zuzuschreiben. Doch jetzt erwachten auch die Rumänen. Sie beginnen sich ihrer Sprache anzunehmen, um in ihr zur Volksbildung beizutragen. Leon Asachi wußte, daß dies nicht ohne Einführung von Neologismen ins Rumänische möglich war. Seiner Übersetzerpraxis gemäß riet er, aus der „Mutter unserer Sprache", d. h. aus dem Latein, zu entlehnen und diese Neuwörter dem Charakter der rumänischen Sprache anzupassen. Auch die Erneuerung von einigen lexikalischen Elementen aus der älteren rumänischen Literatur empfahl er.182 Diese Grundsätze ähneln denen, die Mumuleanu 1825 in der Walachei vorbrachte. Dabei handelte es sich um Parallelerscheinungen. Von Interesse ist ferner, daß auch in der Moldau versucht wurde, die rumänische Kirchensprache zu erneuern. Wie wir sahen, war schon Ciain „Limba romineascä in pämintul romin esc vorbita, . . . ea au dat §i pinä acum dovada in fapte cumca poate fi limba guvernului, a bisericii, a scoalei si cu atita mai usor a multimei." B L R L , Nr. 192, S. 240—241. 180 ygi. s. 16 dieser Abhandlung. 181 Vgl. B L R L , Nr. 40, S. 206-207. 182 Ebenda, S. 207: „. . . cuvintele ce ne lipsesc sau nu sint legiuite a noastre, am cercat de a le inprumuta de la maica limbii noastre si a le alcätui dupä haractirul eii, iar une in minte a le inoi din cärtile ceale vechi ale rominilor."

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in seiner rumänischen Bibelübersetzung bestrebt, eine modernere sprachliche Formung zu erreichen. Maior, Budai-Deleanu u. a. verpönten bekanntlich den Gebrauch von veralteten kirchensprachlichen Slawismen in der religiösen rumänischen Sprache. Der moldauische Metropolit Veniamin Costache hatte zweifellos Kenntnis von diesen philologischen Bestrebungen der Siebenbürgischen Schule. Er schlug vor, aus der Sprache der Liturgie die allgemein wenig bekannten Wörter slawischer Herkunft durch solche lateinischer Provenienz zu ersetzen. Diese Tendenz sei ohnehin bei einigen Vertretern des Klerus schon vorhanden gewesen, die sich in einer allen verständlichen Sprache ausdrücken wollten. 183 Wie in der Walachei besaßen auch in der Moldau die griechische Sprache und Kultur ein hohes Ansehen, und es bedurfte großer Anstrengungen, um der eigenen Sprache allmählich zu ihrem Recht zu verhelfen. Der moldauische Schriftsteller Beldiman erklärte 1820 im Vorwort zu seiner Übersetzung eines französischen Geschichtswerkes von Florian, daß entgegen allgemeiner Ansicht auch in einer grammatisch nicht festgelegten Sprache wie dem Rumänischen geschrieben werden könne.18,1 Diese Feststellung richtete sich vor allem gegen ein unter Bojaren verbreitetes, von Griechischlehrern gefördertes Vorurteil. Eine wesentliche Verbesserung der rumänischen Sprachpflege brachte auch in der Moldau die Verwendung der Muttersprache als Unterrichtssprache. Die Rolle, welche Lazär hierbei in der Walachei spielte, war in der Moldau Gheorghe Asachi 183 (1788-1869), dem Sohn des oben erwähnten Leon Asachi, vorbehalten. Bereits in den Jahren 1814—1818 demonstrierte Gheorghe Asachi durch seinen Unterricht an der „Academia Domneascä" in Jassy 186 , daß wissenschaftlich-technische Fächer in rumänischer Sprache gelehrt werden können, nicht nur in griechisch. Es war ein entscheidendes Verdienst Asachis, daß im Jahre 1828 in Jassy das erste moldauische Gym183 Vgl. D. Popovici, La littérature roumaine . . ., S. 310. 184 Vgl. BLRL, Nr. 37, S. 206. 185 Vgl. Gh. Asachi, Scrieri literare. Editie îngrijita, eu prefatä, note si glosar de N. A. Ursu, 2 Bde, Bucuresti 1957; ferner: N. Iorga, Istoria literaturii româneçti în veacul al XIX-lea, vol. I: Epoca lui Asachi si Eliad (1821 —1840), Bucuresti 1907; E. Lovinescu, Gh. Asachi, viata si opéra, Bucuresti 1927 2 ; V. Ciobanu, Aspecte aie operei lui G. Asachi, in: Studii si cercetäri de istorie literarä. si folclor X (1961), S. 635—659; N. C. Enescu, Gheorghe Asachi organizatorul scolilor nationale din Moldova, Bucuresti 1962. ' , 186 Vgl. Çt. Bîrsanescu, Academia Domneascä din Iasi 1714—1821, Bucuresti 1962, S. 138ff. ; N. I. Popa, Çcoala din Moldova ca instrument de difuzare a stiin^ei, in : SC§ V (1954), S. 529-564.

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nasium eröffnet wurde, in dem alle Fächer in der Muttersprache unterrichtet wurden. Ein J a h r später begründete er die Zeitung Albina Romäneascä, die ebenso wie die gleichzeitig von Heliade in Bukarest herausgegebene Zeitung Curierul Romdnesc in ausgedehntem Maße zur Volksbildung beitrug. Durch seine Volksbildungsbestrebungen mußte Asachi notwendigerweise mit Problemen in Berührung kommen, die sich auf die Formung einer modernen rumänischen Nationalsprache bezogen. Da er überdies auch dichterische Aspirationen zeigte und zahlreiche literarische Werke verfaßte, besaßen diese Probleme f ü r ihn sogar zentrale Bedeutung. 1832 stellte Asachi fest: „Die Schwierigkeit in einer Sprache zu schreiben, die f ü r die Literatur noch unbearbeitet ist und ungewohnt, höhere Gegenstände zu behandeln, ist fühlbarer als es scheint." 187 Vor allem käme man hierbei nicht., fügte er fast entschuldigend hinzu, ohne die Einführung von Neologismen aus. I m allgemeinen verhielt sich Asachi bei der als erforderlich erachteten Formung der rumänischen Nationalsprache ablehnend gegenüber radikalen Veränderungen. Er mißtraute übertriebenen latinisierenden Experimenten. Aufschlußreich hierfür war sein Gutachten über die rumänische Grammatik von Gheorghe Säulescu. Eine volkssprachliche Grammatik, so bemerkte er darin, sei nur dann von nationalem Nutzen, wenn sie sich auf das Wesen der betreffenden Sprache stützt und auf die praktischen Regeln, die sich daraus ergeben. Hypothesen und Meinungen des jeweiligen Grammatikers aber könnten nicht als Regeln betrachtet werden. 188 Asachi äußerte daher gegen Säulescus Grammatik als Schullehrbuch schwere Bedenken. Er lehnte sie wegen Subjektivität f ü r den allgemeinen Gebrauch ab und ließ sie nur als philologische Abhandlung gelten. Unmißverständlich gab er seiner Aversion gegenüber philologischen Experimenten mit folgenden Worten Ausdruck: „Die Sprache einem fremden System unterwerfen, sie in klassische Formen nur aus Liebe zu der Mutter, von der sie abstammt, 187 Vorwort zur Übersetzung Istoria Imperiii Rosiene: „Sarcina de a scrie in o limbä incä neprelucratä la literaturä si nedeprinsä a tractarisi obiecturi mai inalte este mult mai simtitoare deeit sä pare;" Ed. cit., Bd. II, S. 328. 188 Vgl. ebenda, S. 330: „Nici un lucru nu intereseazä indeobstie o natie ca limba, avind asupra ei drit de proprietate pän' fpi acia carii nu au alta nimicä. Din care urmeazä cä gramatica, spre a fianatiii, trebuiesäse intemeieze pe firea limbei si pe regulile practice ce sint intr-insa §i pre care datoria gramatistului este a le culege a le orindui in sistemä lämuritä. Ipotezuri, iscodiri si idei particulare ale autorului nu pot fi regule, iar alcätuirea cuvintelor noi este iertatä a sä face cu scumpätate si la nevoie neapäratä." 6*

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zu zwängen, ist eine philologische Tyrannei, die sich schwerer als die politische festigt." 189 Wie Mumuleanu und Heliade in der Walachei möchte Asachi die unerläßliche Erneuerung der rumänischen Nationalsprache im Anschluß an die bestehende Tradition vornehmen. Auch für ihn hieß das, von der Sprache der religiösen rumänischen Literatur auszugehen. Im Jahre 1839 umriß er die nationalsprachlichen Aufgaben wie folgt: „Die Grundlage unserer Sprache, die woanders gesucht wird, findet sich in der Heiligen Schrift, die von allen Rumänen verstanden wird. Diese behalte man rein und intakt als einziges Band, das noch die in verschiedene Staaten getrennten Rumänen verbindet, und dieser füge man die erforderlichen Verbesserungen nach einer einfachen Methode hinzu." 190 Diese Methode wollte Asachi von einem Gremium erarbeitet und festgelegt wissen, das aus Grammatikern Siebenbürgens, der Walachei und der Moldau bestand. Ähnliche Probleme bewegten auch einen anderen moldauischen Schriftsteller und Dichter jener Zeit. Es war der aus einer alten Bojarenfamilie stammende Costache Conachi191 (1778—1849). In einem an den Metropoliten Veniamin gerichteten Schreiben vom 13. Januar 1837 über das Bildungswesen in der Moldau nahm Conachi zu einigen brennenden Fragen Stellung. Eine seiner Hauptsorgen war, daß in der Moldau Maßnahmen eingeleitet werden könnten, welche die Unterschiede zur Walachei vergrößern würden. Es müsse vielmehr das Ziel sein, die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Fürstentümern hervorzuheben und zu verstärken.192 189 Vgl. ebenda, S. 330—331: „A supune limba la o sistema sträinä, ou de-a sila a o imbräca in forme clasice numai pentru dragostea maicii de la care sä trage este o tiränie filologhicä mai grea a sä statornici decit acea politicä." 190 Omul Literat, ebenda, S. 332: „Fondosul limbei noastre, ce pe aiure sä cautä, sä aflä in Sfinta Scripturä, ce este de to^i rominii intäleasä; aceastä sä se pästreze curatä §i intreagä, ca singura legäturä ce une§te incä pe rominii dispärtifi in staturi deosäbite, fi cäträ aceasta adaogä-sä imbunätä^irile cerute dupä un metod simplu". 191 Vgl. C. Conachi, Scrieri alese. Edi^ie, prefatä, glosar iji bibliografle de E . §i A. Teodorescu, Bucure§ti 1963; ferner P. Cornea, Costachi Conachi sau luminismul in anteriu §i giubea, in: Studii de literaturä rominä modernä, Bucureijti 1962, S. 79-102. 192 Ed. cit., S. 299: „Pre lingä aceste mai adaog incä cä ar fi o mare gresealä politiceascä de a se lua altä marijä spre luminare aice in Moldova §i alta in sotia ei Valachia, cind tot cuvintul cere a ne etringe §i a ne apropie in grai §i in pravile pe chiar duhul Reglementului."

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Conachi forderte weiterhin, daß die Wissenschaften in der Muttersprache zu lehren sind. Das Fehlen einer entsprechenden rumänischen Tradition dürfe nicht davon abhalten, endlich durch eigene Anstrengungen einen Rückstand aufzuholen. Eine Bereicherung der eigenen Sprache sollte zu diesem Zweck unverzüglich vorgenommen werden. Wie Heliade vertrat Conachi hierbei die Ansicht, daß mit den neuen Dingen und Begriffen auch die Bezeichnungen entlehnt werden müßten. E r wandte sich ebenso wie Heliade gegen diejenigen, die mit eigenem Sprachmaterial die erforderlichen Neubildungen vornehmen wollten. Conachi verwarf deshalb Bildungen wie „päminto-mäsurä" statt „gheometrie" oder „päminto-scriere" s t a t t „gheografie". 193 Wichtig war seines Erachtens, daß die Entlehnungen in einheitlicher Form erfolgten. Aus diesem Grunde hielt er die unverzügliche Bildung einer Kommission von Schriftstellern für notwendig, welche die hierfür verbindlichen Regeln festzulegen hatte. Sie sollte sich darüber hinaus mit allen wichtigen Fragen der Sprachpflege beschäftigen und verbindliche Entscheidungen treffen. Eine solche Kommission war nach seiner Meinung in der Moldau und auch in der Walachei ins Leben zu rufen. Zwischen beiden Kommissionen war dabei eine enge Zusammenarbeit unerläßlich. 194 I n dem Zeitraum von 1830 bis 1840 zeigten sich damit sowohl in der Moldau als auch in der Walachei bei den kulturpolitisch führenden Köpfen sehr deutlich Tendenzen, in Zukunft die sprachliche Entwicklung zwischen beiden Fürstentümern zu koordinieren, eine f ü r beide Gebiete verbindliche Nationalsprache zu formen. I m gleichen Maße wie es innerhalb der Kirche eine überregionale rumänische Schriftsprache gab, gelte es nun, im Anschluß an diese Tradition eine moderne allgemeinverbindliche Sprache f ü r alle Rumänen zu schaffen. Heliade propagierte diesen Gedanken bei den verschiedensten Gelegenheiten. Doch der moldauische Grammatiker Säulescu witterte in Heliades Reformbemühungen einen ungerechtfertigten im Vgl. ebenda, S. 300-301. 194 ygi. ebenda, S. 301: „Dar fiindcä atit la primirea, cit si la facerea din nou sau schimosirea cuvintelor pe teapa limbei noastre trebuiesc mfisuri si canoane, iar nu slobodä voie de a aduce pe unele, pentru C8L 8>S3> le-au gläsuit romanii, pe altele, pentru cä asa le vorovesc ardelenii, iar pe altele a lepäda numai §i numai pentru cä le avem de la slavoni sau cä sint rosiene§ti, socotesc, de neapäratä trebuintä, a se face o comisie inchegatä de bärbafi, buni scriitori in limba moldoveneascä, intoväräijitori Epitropiei scoalelor, numai numai pentru indreptarea limbei a gramaticei, carea comisie, in adunärile sale, sä steie sä socoteascä sä hot&reascä despre indreptarea limbii, atit intru priimirea, cit §i schimosirea cuvintelor."

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Hegemonieanspruch Munteniens. 195 Heliade wies diese Angriffe Säulescus zurück. 196 Er wurde dabei in der Moldau von Costache Negruzzi 197 unterstützt, der auch seinerseits sich gegen Säulescus Beschuldigung verwahrte, er würde die moldauische Literatursprache gewaltsam muntenisieren. Wenn er, so bemerkt Negruzzi, in einigen Fällen muntenische Formen vorgezogen habe, dann sei er damit nur den von Heliade aufgestellten Regeln gefolgt. Diese Regeln entsprächen dem Charakter der rumänischen Sprache wesentlich besser als diejenigen, die Säulescu als Norm ausgebe. 198 Die Diskussion wurde also nicht von dem Blickpunkt aus geführt, welche Provinz ein besseres Rumänisch bietet, sondern der alleinige Maßstab war, welche Formen am besten dem Grundcharakter der rumänischen Sprache entsprechen, ganz gleich in welchem Gebiet sie anzutreffen waren. Diese Maxime vertrug sich nicht mit lokalpatriotischer Engstirnigkeit. 199 Negruzzi 200 erstrebte wie Heliade und andere rumänische Zeitgenossen vor allem eine einheitliche Literatursprache. Wenn dies nicht gelänge, dann bestehe für die Zukunft die Gefahr einer stark divergierenden Entwicklung zwischen den Rumänen in Siebenbürgen, der Moldau und der Walachei. Außer der gemeinsamen Kirchensprache könnten sich drei verschiedene Staatssprachen herausbilden, „zu deren Verständnis der Rumäne die Hilfe eines Wörterbuches oder Dolmetschers nötig hat." 2 0 1 Auch Säulescu wollte eine einheitliche rumänische Sprache erreichen und erhoffte ebenfalls wirksame Hilfe von einem Gremium, das Philologen aus den verschiedenen rumänischen Gebieten umfassen sollte. Doch seine Prinzipien 195

Vgl. BLRL, Nr. 164, S. 234. Vgl. BLRL, Nr. 151, S. 231. 197 Vgl. E. Lovinescu, Costache Negruzzi, viata si opera lui, Bucüresti 1913. 198 Vgl. BLRL, Nr. 161, S. 233. 199 In den sprachreformerischen Auseinandersetzungen fehlte es damals nicht an solchen Stimmen. So behauptete z. B. I. Genilie, daß das in Muntenien gesprochene Rumänisch besser sei als das der anderen Gebiete, weil es weniger nichtlateinische Elemente aufweise. Vgl. BLRL, Nr. 131, S. 226. U n d ein gewisser Romänul verkündete 1848 in dem in Craiova erscheinenden Blatt Nationalul, daß das in Oltenien gesprochene Rumänisch besser und reiner sei als in anderen rumänischen Provinzen. Vgl. BLRL, Nr. 330, S. 267. 200 Vgl. Gh. Bulgär, Despre contributia lui C. Negruzzi la dezvoltarea limbii literare, in: LLit., vol. I (1955), S. 46—63; Gr. Brincus, Pärerilelui Costache Negruzzi despre limbä, in: LR V (1956), Nr. 4, S. 19-34. 201 Vgl. BLRL, Nr. 161, S. 233: „spre a cärora intäles rominul sä aibe nevoe a se agiuta cu un lexicon seau cu un dragoman."

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waren andere. Seines Erachtens sollten hierbei die dem Lateinischen nahestehenden Wörter, unabhängig von ihrem Umlaufswert, eine wesentliche Aufwertung erfahren. Nicht Auswahl aus dem lebendigen Sprachgebrauch, sondern Erweckung und Verbreitung papierener Formen lautete seine Devise. Auch er meinte, die Grundlage der rumänischen Nationalsprache sei in der Sprache des religiösen Schrifttums der vergangenen Jahrhunderte zu sehen, doch bedürfe sie einer Korrektur durch die von ihm aufgestellten philologischen Grundsätze, die sich vornehmlich auf die Wortbildung und Grammatik erstreckten. 202 Sosehr man sich auch darin einig war, daß es eine für alle Rumänen einheitliche Nationalsprache zu schaffen gelte, hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Ziels gab es verschiedene Auffassungen. Nach 1840 tauchten weitere sprachreformerische Strömungen auf, die in den folgenden Jahrzehnten verstärkt dafür sorgten, daß das Bild vom Turmbau zu Babel als Schreckgespenst den u m die nationale Einheit besorgten Männern im Nacken saß. 203 Mit Nachdruck wurde deshalb darauf hingewie sen, daß es ohne gemeinsame Sprache keine Nation gebe. Der unmittelbare Zusammenhang von Sprache und Nation war in Rumänien erstmals von Vertretern der Siebenbürgischen Schule herausgestellt worden und entwickelte sich zu einem Gemeinplatz in den philologischen Auseinandersetzungen. E s fehlte bei diesen Diskussionen auch nicht an Stimmen, die auf die damaligen deutschen Verhältnisse hinwiesen. So hieß es in der moldauischen Zeitung Albina Romäneascä vom 9. Mai 1837, daß die Rumänen zwar verschiedene Dialekte sprechen, doch wie die Deutschen eine einzige Literatursprache brauchten. 2 0 4 Sieben Jahre später wurde dieser Gedanke in derselben Zeitung erneut unterstrichen. Die Zusammenarbeit zwischen den rumänischen Schriftstellern werde zu dem in Deutschland erreichten Ergebnis führen, wo trotz 39 verschiedener Staatsgebilde eine 202

Vgl. M. Ruffini, op. cit., S. 160ff.; O. Densusianu, Literatura romänä modernä, S. 309ff.; BLRL, Nr. 78, 92, 164ff. 203 Ygi. u . a . (Jh. Asachi, Citeva observatii filologice, ed. cit., Bd. II, S. 346: „Läsäm bärbatilor de stat directia politicä a nationalitätii noastre; dorim, insä, spre a nu degenera limba in o babilonie, ca prelucrarea ei sä se facä conformcuun sistemrecunoscut mairational." N. Bälceseu, Opere, vol. IV: Corespondentä. Editie critica de G. Zane, Bucuresti 1964, S. 45: „Cele mai multe dezbateri s-au tinut asupra limbi. Am fäcut o apropriere intre deosibi$i autori si deosibitele sisteme si cäutam sa venim la unul, dupä care sä scrim toti, ca sä lipseascä o data aceastä al doilea Babel. (Cätre Ion Ghica, 11. 1. 1844). 204 Vgl. BLRL, Nr. 118, S. 223.

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einzige Nationalsprache geschaffen wurde. 205 Zugleich war man sich bei allen Mängeln bewußt, daß die verhältnismäßig rasche Formung einer einheitlichen modernen rumänischen Literatursprache eine gewaltige geschichtliche T a t sei, die kaum ihresgleichen in der Geschichte anderer Völker habe. Mit Stolz wurde 1831 in der Albina Bomdneascä verkündet: „Die rumänische Sprache in ihrer Kindheit und Armut wird heute als Organ der Politik, Literatur und Wissenschaften gebraucht, was in anderen Sprachen nur durch die Anstrengung von Tausenden von Gelehrten im Laufe vieler Jahrhunderte erfolgte." 206 205 Vgl. BLRL, Nr. 253, S. 253. 206 Vgl. BLRL, Nr. 72, S. 213: „Limba romineascä in a sa pruncie säräcie este intrebuintatä a fi astäzi organul politioei, a stiinfelor a literaturei, ce in limbile streine numai dupa ostineala a mii de invätati in cursul multor vecuri au räsärit!"

IY. Die nationalromantischen Ideen und die Sprachenfrage Mit der nach dem Frieden von Adrianopel stärker voranschreitenden ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung in der Moldau und Walachei bildete sich ein nationalgesinntes Bürgertum heraus, das auf Abschaffung noch bestehender Feudalverhältnisse drängte und eine Vereinigung zwischen den beiden Fürstentümern erstrebte. 207 Nationalromantische Ideen, wie sie in Deutschland, Frankreich und Rußland zu Beginn des 19. Jahrhunderts vertreten wurden 2 0 8 , fanden angesichts der neuen gesellschaftlichen Situation in Rumänien ab 1840 ein großes Echo. Sie wurden modifiziert und schöpferisch bei der Entwicklung eines eigenen nationalen Geschichtsbildes genutzt. Auch nach der gescheiterten Revolution von 1848, dem ersten mächtigen Aufbegehren der bürgerlich-demokratischen Schichten gegen die bestehende Ordnung, führten die fortschrittlichen K r ä f t e Rumäniens ihren Kampf f ü r nationale Unabhängigkeit und gegen feudale Rückständigkeit weiter. I h r nationalromantisches Weltbild bauten sie aus. Wie vor 1848 diente es auch danach der ideologischen Instrumentierung ihrer Bestrebungen und war zugleich ein Akt des nationalen Selbstverständnisses. Auch die heftig erörterte Sprachenfrage wurde davon erfaßt. I n einen größeren Komplex hineingestellt, ergaben sich f ü r diese Diskussion neue Aspekte. Die früher vorherrschende Einstellung, wonach für die rumänische Sprache und Kultur vieles rasch nachgeholt und sprachlich umgesetzt werden mußte, war nach 1840 immer weniger anzutreffen. Vielmehr war die nationale Eigenständigkeit, das Aufdecken der eigenen Tradition zum 207 Vgl. Istoria Romîniei, vol. III, S. 933ff. 208 Vgl. u. a. G. Weill, L'Europe du XIX i è m e siècle et l'idée de nationalité, Paris 1938; H. Kohn, op. cit.; F.Vegas, Il problema storiografico, in: Questioni di storia contemporanea, vol. III, Milano 1953, S. 370fF. Besonders die nationalen Geschichtskonzeptionen von Herder, den Gebrüdern Grimm, Michelet und Karamsin spielten bei der Herausbildung der nationalromantischen Ideen in Rumänien eine gewisse Rolle.

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Schlüsselpunkt aller Betrachtungen geworden. Fortan sollten die eigene Sprache und Kultur nicht mehr an denen fremder Völker gemessen werden. I n diesem Sinne t r a t in der Moldau besonders der Historiker und liberale Politiker Mihail Kogälniceanu 2 0 9 auf. Zu verschiedenen Anlässen und in mehreren Schriften entwarf er ein neues nationalerzieherisches Programm, das er leidenschaftlich verteidigte. Die nationale Eigenständigkeit wurde bei ihm zu einem prinzipiellen Ausgangspunkt für alle Überlegungen in bezug auf Geschichte, Literatur, Kunst und Sprache. Kogälniceanu legte seine neu gewonnenen Grundsätze erstmals nieder in der 1840 veröffentlichten Einführung zu der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Dada Literarä, die vor allem für nationalliterarische Beiträge gedacht war. Allen Rumänen, ganz gleich aus welchem Gebiet sie stammten, sollte sie dafür zur Verfügung stehen. Sein Ziel erblickte Kogälniceanu in der Schaffung einer für alle Rumänen gemeinsamen Sprache und Literatur. Heftige Angriffe richtete er deshalb gegen die anschwellende Unterhaltungsliteratur, die vornehmlich aus Übersetzungen bestand. Mit ihr entstehe ein großer Gefahrenherd f ü r die Entfaltung eines nationalen Geistes. Abgesehen von der sprachlichen Qualität, die bei vielen Übersetzungen sehr zu wünschen übrig ließe, werde auf diese Weise die Herausbildung einer eigenständigen Literatur in Rumänien verhindert. Übersetzungen machten noch keine Literatur aus. Nach dieser vernichtenden Kritik an der Übersetzungsliteratur verkündete Kogälniceanu programmatisch: „Sosehr wir können, werden wir diese Manie vertreiben, die f ü r den ursprünglichen eigenen Geschmack, diese kostbarste Eigenschaft einer Literatur, tödlich ist. Unsere Geschichte weist genug historische Daten auf, unsere schönen Gebiete sind groß genug, unsere Sitten sind malerisch und poetisch genug, u m auch bei uns lite-

209 Opere, vol. I : Scrieri istorice. Editie critica adnotatä cu o introducere si note de A. Otetea, Bucuresti 1946; vgl. auch die von D. Simonescu besorgten. Ausgaben: Scrieri alese, 2 Bde, Bucuresti 1955 und Despre literatura, Bucuresti 1956. V. Ionescu, Mihail Kogälniceanu. Contributii la cunoafterea vietii, activitätii si conceptiilor sale, Bucuresti 1963: ferner: S. Dänescu, Preocupärile lui Kogälniceanu despre limbä, in: LR II (1953), Nr. 6, S. 29—36; D. Simonescu, Limba si stilul operei lui M. Kogälniceanu, in: LR III (1954), Nr. 5, S. 34-43; L. Pop, Probleme de limbä la cercul Kogälniceanu, in: SC§ VI (1955), S. 63—73; D. Simonescu, Contributia lui Kogälniceanu la dezvoltarea §i imbogätirea limbii literare, in: Contrib. vol. I (1956), S. 67—87; N. Bagdasar, Conceptia istoricä a lui Mihail Kogälniceanu, in: SC$ VIII (1957), S. 239-264.

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rarische Stoffe finden zu können, ohne deshalb gezwungen zu sein, von anderen Nationen zu entlehnen." 210 Von der Entdeckung der eigenen Tradition hängt es nach Kogälniceanus Meinung ab, ob die Rumänen in der Gegenwart und Zukunft zu bestehen vermögen. Angesichts der existierenden ungünstigen geschichtlichen Bedingungen erhöhe sich noch die Dringlichkeit für eine baldige Erschließung der nationalen Traditionen. Durch einen plastischen Vergleich drückte Kogälniceanu dies im Jahre 1841 wie folgt aus: „Halten wir uns an unsere Sprache und Geschichte, so wie ein Mensch, der in Gefahr ist zu ertrinken, sich an einer ihm zugeworfenen Stange festhält, um mit dem Leben davonzukommen. Die rumänische Geschichte vor allem sei uns das hauptsächliche Buch, das Schutzschild für unsere Nationalität. I n ihr werden wir lernen, was wir getan und was wir noch zu tun haben. Durch sie werden wir die Zukunft voraussehen, durch sie werden wir Rumänen sein, denn die Geschichte ist das Maß oder Metermaß, durch das in Erfahrung gebracht werden kann, ob ein Volk Portschritte oder Rückschritte macht. Fragt also die Geschichte, und ihr werdet wissen, was wir sind, woher wir kommen und wohin wir gehen." 211 Die Zeugnisse dieser nationalen Geschichte meinte Kogälniceanu in den Volkstraditionen, in der Landschaft, in den Klöstern, in den Urkunden und Chroniken vergangener Jahrhunderte zu finden. Kurze Zeit darauf erhärtete Kogälniceanu noch sein für die Formung eines nationalen Geschichtsbildes entworfenes Programm, indem er zur Universalgeschichte und Historiographie der Siebenbürgischen Schule Stellung bezog. Die Universalgeschichte mag noch so interessant sein, hinsichtlich der Bedeutsamkeit kann sie nach Kogälniceanus Urteil nicht mit der eigenen nationalen Geschichte konkurrieren. Die Taten der eigenen 210

211

Scrieri alese, vol. I, S. 164: „Noi vom prigoni cit v o m pute aceastä manie ucigätoare a gustului original, insu§irea cea mai pretioasä a unii literaturi. Istoria noasträ are destule fapte eroice, frumoasele noastre £äri sunt destul de mari, obiceiurile noastre sunt destul de pitoresti si poetice, pentru ca sä putem gäsi si la noi sujeturi de scris, färä sä avem pentru aceasta trebuintä sä ne imprumutäm de la alte natii." Opere, vol. I, S. 612—613: „Sa ne tinem de limba, de Istoria noasträ, cum se $ine un om, in primejdie de a se inneca, de präjina ce i se aruncä spre scäpare. Istoria romäneascä mai ales sä ne fie cartea de cäpetenie, sä ne fie paladiul nationalitätii noastre. Intr'insa vom inväta ce am fäcut si ce avem sä mai facem; printr'insa vom prevedea viitorul, printr'insa vom fi Romäni, cäci Istoria este mäsura sau metrul prin care se poate sti dacä un popor propä§e§te sau dacä se inapoiazä. Intrebati dar Istoria si veti sti ce suntem, de unde venim si unde mergem."

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Nation seien erregender, weil sie unmittelbar das Nationalgefühl ansprechen. Kogälniceanu faßt das lapidar in dem Satz zusammen: „Suceava und Tirgovi§te bedeuten für mich mehr als Sparta und Athen." 212 Aus diesen Überlegungen leitete Kogälniceanu die Notwendigkeit ab, daß es unbedingt erforderlich sei, eine umfassende Geschichte des eigenen Volkes herauszubringen. Die Rumänen bedürften ihrer dringend zur Bildung des Nationalbewußtseins, zur Entfachung patriotischen Eifers und zur nationalen Selbstverständigung. In diesem Zusammenhang konnten die nationalen Bestrebungen der Siebenbürgischen Schule nicht übergangen werden. Kogälniceanu lobte zwar die nationalen Intentionen von Ciain, ¡-»incai und Maior, doch wandte er sich zugleich gegen deren Nachfolger in Siebenbürgen und in der Walachei. Er warf ihnen vor, eine nicht vertretbare Latinomanie zu entfalten. Ihre beständige Bezugnahme auf die ruhmvolle römische Geschichte würde die Rumänen bei den Nachbarvölkern nur lächerlich machen. Alle Völker, die sich immerzu auf ihre glorreichen Vorfahren berufen, argumentierte Kogälniceanu, seien suspekt. Auf die Gegenwart und Zukunft komme es an. Der eigenen nationalen Tradition gemäß müsse ein Volk an dem allgemeinen Fortschritt, an der Zivilisation teilhaben.213 Kogälniceanu wollte in der rumänischen Geschichte nur das herausarbeiten, was den Rumänen eigen sei. Er leugnete nicht ihre römische Herkunft, sondern erachtete sie vielmehr als historisch längst erwiesen. Was jedoch die Siebenbürgische Schule nicht beachtet habe, sei die Tatsache, daß die römische Geschichte noch nicht die rumänische Geschichte darstelle. Die eigentlich rumänische Geschichte setzte für Kogälniceanu erst mit der Gründung der Fürstentümer ein, nicht mit der Eroberung Daziens. In jenen mittelalterlichen Jahrhunderten sei eine glorreiche nationale Vergangenheit anzutreffen, als sich die beiden noch jungen Fürstentümer der Moldau und Walachei heldenhaft den osmanischen Heeren widersetzten.214 Kogälniceanu bemühte sich darum, historische Quellen der nationalen Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er selbst edierte die Schriften moldauischer Chronisten des 17. und 18 Jahrhunderts. Im Vorwort zu dieser Ausgabe bekundete Kogälniceanu, noch unter dem Eindruck der gescheiterten Revolution von 1848 stehend, daß es mehr denn je darauf ankomme, das Selbstgefühl seiner Landsleute durch ein nationales Ge212

213 214

Opere, vol. I, S. 639: „Suceava si Tärgovi^tea sunt pentru mine mai mult decät Sparta si Atena." Vgl. Opere, vol. I, S. 646ff. Vgl. ebenda, S. 648 ff.

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schichtsbewußtsein zu stärken. Von der Besinnung auf die eigene Geschichte hängt seines Erachtens die Herausbildung der Nationalität und ihrer Kultur ab. Er folgerte: „Ohne diese dürfen wir uns nicht wundern, wenn bei uns die Kunst noch nicht entstanden ist und wenn die Literatur blaß und schwach daniederliegt. Die Künste und die Literatur, die Äußerungen des Geistes haben nur dort Lebenserwartung, wo sie ihre Herkunft aus dem Stamm der Völker selbst herleiten. Sonst sind sie nur einige exotische Pflanzen, die der erste Wind erfrieren oder verdorren läßt. Um eine nationale Kunst und Literatur zu besitzen, ist es erforderlich, daß diese mit der Gesellschaft, mit den Überzeugungen, mit den Sitten, in einem Wort, mit unserer Geschichte verbunden sind."215 Dies waren entscheidende Hinweise. Zum Teil waren sie zwar schon auf literarischem Gebiet befolgt worden, doch erst in den folgenden Jahrzehnten wurden sie als Leitprinzipien erachtet und beeinflußten sehr stark das literarische Schaffen. Vor allem war es die Entdeckung der Volkspoesie, die zu einem Ereignis von nationaler Bedeutung wurde. Hierbei trat besonders der Dichter Vasile Alecsandri hervor. Zusammen mit Alecu Russo hob er diese volkstümlichen Schätze und stellte sie erstmals einer breiten Öffentlichkeit vor. Im Jahre 1852 erschien die Sammlung: Poezii poporale. Balade (cmtece batrine§ti) adunate §i indreptate de V. Alecsandri. Ihr wurde ein enthusiastischer Empfang seitens der nationalgesinnten Intelligenz zuteil. Alecsandri begann sein Vorwort zu dieser Ausgabe mit den Worten: „Der Rumäne wird als Dichter geboren."216 Er führte des weiteren aus, daß es sich bei den von ihm herausgegebenen Volksdichtungen um poetische Schönheiten voller Originalität handele, die keine andere Literatur aufzuweisen habe. Sie stellten einen nationalen Schatz dar, der als ein Ruhmestitel für die rumänische Nation würdig sei, ans Licht gebracht zu werden. Jahrhunderte hindurch ruhten diese Dichtungen als Edelsteine im Schöße des Volkes. Es sei heilige Pflicht, sie zu sammeln und vor der Vergessenheit zu bewahren.217 215

Ebenda, S. 674: „Färä acestea, nu trebue sä ne miräm dacä la noi arta nu eete incä n&scutä, ¡-li dacä literatura tänjeste, palidä ¡ji slabä. Artele si literatura, expresiile inteligen^ei, n'au sperantä de viatä, decät acolo unde ele i§i trag originea din insä§i tulpina popoarelor. Altmintrelea ele nu sunt decät niijte plante exotice pre care cel intäi vänt ori le ingheatä, ori le usucä. Ca sä avem arte si literaturä nationalä trebue ca ele sä fie legate cu sooietatea, cu credintele, cu obiceiurile, intr'un cuvänt cu istoria noasträ."

„Rominul e näscut poet". Vgl. auch die Anthologie: V . Alecsandri, Despre literaturä, Bucure§ti 1955. 217 Vgl. auch: „Poezia rominilor este o comoarä nesfirsitä de frumeseti originale, carele dovedesc geniul poporului." Despre literaturä, S. 23. 216

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Bereits vor dem Erscheinen von Alecsandris Sammlung hatte es nicht an Hinweisen auf die anonymen Schätze der rumänischen Volksdichtung gefehlt. 218 So schrieb im Jahre 1837 Kogälniceanu in seinem in „Lehmanns Magazin" veröffentlichten Überblick über die rumänische Literatur: „Aber was den Kern unserer nationalen Poesie bildet, sind die Balladen und die Volkslieder. Es gibt unter ihnen einige, die den besten Dichtern keine Schande machen würden." 219 Der bedeutende muntenische Historiker und Revolutionär Bälcescu bezeichnete die Volksdichtung und Volkstraditionen in seiner Einleitung über die Quellen der Geschichte der Rumänen als wichtige Dokumente zur Aufhellung der nationalen Geschichte. Auch er verlangte deshalb, daß die im rumänischen Volk mündlich überlieferten Dichtungen und Erzählungen gesammelt werden sollten. 220 Romantischen Auffassungen seines Zeitalters gemäß, erhoffte er sich davon einen tiefen Einblick in die nationale Vergangenheit. Er hob hervor: „In ihnen finden wir nicht nur allgemeine Tatsachen, vielmehr dringen sie bis in das Privatleben vor. Sie zeichnen uns die Sitten und zeigen uns die Gedanken und Gefühle des Jahrhunderts. Die Gelehrten Grimm und Michelet haben sich ihrer in ihren Schriften über die Ursprünge des deutschen bzw. französischen Rechts bedient." 2 2 1 Auch in Siebenbürgen und im Banat wurde auf die Bedeutung der Volksdichtung hingewiesen. Murgu brachte einzelne Proben, um damit deren sprachliche Ähnlichkeit mit dem Lateinischen zu demon218 Vgl. hierzu vor allem die Einleitung von Perpessicius zum 6. Bd. seiner Eminescu-Ausgabe: Literatura popularä, Bueuresti 1963, S. 9—20. 219 Opere, vol. I, S. 550. 220 Opere. Editie criticä adnotatä cu o introducere de G. Zane, Bueuresti 1940ff. Zu den demokratischen nationalen Ideen N. Bälcescus vgl. Istoria gindirii sociale si filozofice in Rominia, Bueuresti 1964, S. 175 ff. Bälcescu hatte erkannt, welche Bedeutung die eigene Volkssprache bei der Bildung einer Nation besaß. Am 29. November 1847 schrieb er an V. Alecsandri: „Acum mai mult decit totdauna avem trebuintä d-a ne gräbi a dezvolta, prin limbä, na^ionalitatea noasträ. Acum, cind vedem limba noasträ prigonita si osindita la moarte, dupe cum se fäcu in Bueuresti prin intocmirea de ¡jcoli streine." (Opere, vol. IV, S. 83.) Bälcescu wandte sich hier vor allem gegen die 1847 erlassene Maßnahme, an der Bukarester höheren Lehranstalt Sf. Sava in den oberen Klassen in französischer Sprache statt in rumänischer zu unterrichten. 221 Opere, vol. I, partea I - ä i , S. 108: „Intr'insele afläm nu numai fapte generale, dar ele inträ si in vieata privata, ne zugrävesc obiceiurile si ne aratä ideile si simtimentele veacului. Invatatii Grimm si Michelet s'au folosit mult de acest izvor istoric in scrierile lor asupra originii dreptului german si franeez."

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strieren. 222 Barit- jedoch bewertete das folkloristische Element schon im aufgezeigten nationalromantischen Sinn und wies im Jahre 1838 auf den Reichtum der rumänischen Volksdichtung hin. Wenn diese Dichtungen gesammelt würden, könnten sie viele Bände füllen. Zwei Jahre später mahnte er, doch endlich diese Schätze aufzuspüren und herauszugeben. Von nationalem Selbstbewußtsein durchdrungen, kommentierte er: „Laßt uns sehen, welche Nation uns dabei übertrifft. Wer weiß nicht, daß sich vor allem in den Gesängen, Erzählungen, Spielen, Sitten und Festen die Züge des wirklichen Charakters einer Nation finden?" 223 Diese nationalromantische Auffassung von der Volksdichtung als der nationalen Dichtung par excellence sowie die Neubewertung der Chroniken des 17. und 18. Jahrhunderts durch Kogälniceanu hatten auch für die rumänische Sprachenfrage beträchtliche Konsequenzen. Die Volkssprache wurde nicht mehr nur als Rohstoff erachtet, dessen Formung den Schriftstellern zukam, sie galt als Urgrund jeder literarischen Bemühung. Die Volksdichtung bot sich auch als sprachlicher Musterfall an. Während in den sprachreformerischen Erörterungen bis zum Aufkommen jener nationalromantischen Strömung nur die Sprache der religiösen rumänischen Literatur in Betracht gezogen wurde, spielte nun auch die Sprache der Chroniken des 17. und 18. Jahrhunderts eine Rolle. I n ihnen meinte man eine Grundlage des nationalen Stils gefunden zu haben. Von der neuen nationalromantischen Position aus wurde gegen die älteren sprachreformerischen Konzeptionen oder gegen neu auftauchende philologische Systeme polemisiert, wobei es zu heftigen Kontroversen kam. Starken Niederschlag fand dies in den Werken von Alecu Russo 22/j , der sich von der neuen Plattform her am umfassendsten mit der Sprachenfrage auseinandersetzte. In einem kurz nach 1846 verfaßten Aufsatz über Poezia poporalä schrieb Russo u. a., daß vom Studium der Volksdichtung her entscheidendes Licht auf den Ursprung der rumänischen Sprache und die Entstehung der rumänischen Nationalität fallen würde. Die Volksdichtung repräsen222 Vgl. G. Bogdan-Duicä, Eftimie Murgu, Bucuresti 1937, S. 50. 2-3 Articole literare, Bucuresti 1959, S. 45: „Sä vedem care natie ne va intrece cu aceste. Cine nu stie cum cä in cintecele, in povestirile, in jocurile, obiceiurile, teremoniile unei natii sä aflä mai cu deosebire trasurile adeväratului caracter?" 22'i Vgl. Opere complete. Editie ingrijitä de L. Predescu, Bucuresti 1942; A. Dima, Alecu Russo, Bucuresti 1957; T. Virgolici, Alecu Russo, Bucuresti 1964; ferner AI. Dima, Preocupärile lui AI. Russo cu privire la problemele limbii literare, in: A § I I (1956), S. 141—160; L. Leonte, Limba scrierilor rominesti ale lui Alecu Russo, in: SC§ I X (1958), S. 1 - 7 2 .

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tiere die erste Phase in der Kultur eines Volkes. Wenn ein Volk dann diese erste Phase hinter sich habe, würde die Volksdichtung zum Hort der Sprache und der urväterlichen Sitten. Daraus ergab sich für ihn die Folgerung : „Für uns ist die Volksdichtung sowohl eine Phase als auch ein Hort." 225 Das Volk besaß für Russo eine nie versiegende schöpferische Kraft in sprachlicher und literarischer Hinsicht. Er folgerte: „Das Volk ist ein großer Wortneuschöpfer, wenn hierzu die Notwendigkeit besteht; es wirft die Systeme der Gelehrten um, wenn sie nicht auf der Logik beruhen, und es formt sich eine reine, ausdrucksreiche und harmonische Sprache, denn ihm gefällt die Harmonie." 226 Die Volksdichtung vermag seines Erachtens mit den großen Kunstdichtungen zu konkurrieren. Da sie Ausdruck des rumänischen Nationalcharakters sei und zudem viel Licht auf gesellschaftlich-moralische Gegebenheiten vergangener Zeiten im Sinne nationaler Selbsterkenntnis zu werfen vermöge, müsse sie ernsthaft erforscht werden. Von der Erschließung und Pflege der rumänischen Volksdichtung erwartete Russo eine wirkliche und bedeutende Nationalliteratur, deren Entstehen durch die sprachreformerischen Bemühungen vieler Zeitgenossen eher verzögert als gefördert werde. Russo meinte in ihnen eine babylonische Sprachverwirrung zu erblicken, die alle echten Zeugnisse des Rumänentums verschütte. Vergeblich suche ein Fremder in den literarischen Werken oder Grammatiken seiner Zeit Zeugnisse des rumänischen Volksgeistes. I n diesen Grammatiken und literarischen Werken sei ein Mischmasch lateinischer, französischer und italienischer Elemente anzutreffen, nur nichts echt Rumänisches. 227 225 226

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Opere complete, S. 221: „Pentru noi ea este si o fazä un paladium." Ebenda: „Poporul e un mare neolog, cänd ii face trebuintä; el rästoarnä sistemele invä^a^ilor, cänd ele nu sänt intemeiete pe logicä i^i formeazä o limba curata, espresiva, armonioasä, eäci ii place armonia." Vgl. ebenda, S. 225: „Gramaticele imi par ni§te seci diserta^iuni de linguisticä latina, francezä, italianä . . ., insä nu adevärate gramatici romäne§ti. Cercetez literatura si dau de o amestecäturä indigestä de limbile neolatine, de o sumä de idei luate far& nici un sistem de la streini prin urmare nu-i gäsesc nici un caracter original. Unde este dar romanismul? Unde sä-1 caut, pentru ca sä-mi fac o idee esactä de geniul romän? Din intämplare mä primblu intr'o zi printr'un iarmaroc, si deodatä mä cred in altä lume. Väd oameni si haine ce nu väzusem in alte oraije; aud o limbä armonioasä, pitoreascä si cu totul sträinä de jargonul cärtilor. De unde eram la indoialä, dacä Romänii sänt o natie sau o colonie cosmopolitä modernä, un soiu de Algerie franco-italo-greceascä, incep a intrevedea adevarul."

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Diese Gesichtspunkte erweiterte Russo wenige Jahre später in seinen 1855 in der Zeitung Romtnia Literarä veröffentlichten Aufsätzen, die unter dem Sammeltitel Cugetäri zusammengefaßt wurden. Diese Erweiterung erfolgte hauptsächlich durch Russos Auseinandersetzung mit der zweiten Generation der Siebenbürgischen Schule und mit der italianisierenden Richtung in Muntenien, die nach 1839 Heliade begründet hatte. Russos Hauptvorwurf lautete, daß die Adepten sowohl der latinisierenden als auch der italianisierenden Richtung durch ihre philologischen Regenerierungsbestrebungen die Rumänen traditionslos gemacht hätten. Ein wirklicher Grammatiker sei nur, wer die rumänischen Gebiete durchwandere und die Sprache des Volkes aufnehme. Was die erwähnten grammatischen Systemschmiede aber als rumänische Sprache anböten, stelle nur ein künstliches, von Pedanten erzeugtes Produkt dar. Höhnisch bemerkte Russo in diesem Zusammenhang: „Andere Nationen besitzen als Archive ihrer Sprache Wörterbücher. Wir Rumänen brauchen Wörterbücher, um das zu verstehen, was in rumänischer Sprache gedruckt wird." 228 Alle Bestrebungen um die Formung der rumänischen Literatursprache, die irgendwie einem philologischen Eingriff gleichkamen, verdammte Russo als pedantisch. Unter den Begriff Pedantentum faßte er alle philologischen Richtungen zusammen, welche die Sprache, meistens in Anlehnung an eine andere Sprache, regulieren wollten. Sprachliche Gestaltung und Veränderung sei nur den Schriftstellern und vor allem dem Volke gestattet, keinesfalls aber den Grammatikern, die für Russo bloß Archivare sind. Die einen formen also die eigene Sprache, die anderen konstatieren nur, was vorliegt und registrieren es übersichtlich in ihren Grammatiken.229 Die von einem übertriebenen Italianismus geprägte Übersetzungskunst Heliades prangerte Russo als Verirrung an.230 Am häufigsten jedoch richtete Russo die spitzen Pfeile seiner Kritik auf die latinisierende Richtung in Siebenbürgen. Ihn verdroß besonders der Anspruch der Siebenbürgischen Schule, zuerst und am umfassendsten die nationale Idee begründet zu haben. Russo wies demgegenüber darauf hin, daß der Gedanke der Einheit aller Rumänen bereits vor dem Entstehen der Siebenbürgischen Schule in der Moldau und in Muntenien vorhanden war. Außerdem habe es in den früheren Jahrhunderten in den beiden Fürstentümern ernsthafte politische 228 Ebenda, S. 256: „Alte natii au leesieoane ca arhive a limbelor, nouä Románilor ne trebue lecsicon, ca sä putem infelege ce se tipäre^te in románente." 229 Ebenda, S. 252ff. und S. 267ff. 23» Ebenda, S. 254ff. 7 Bahner

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Bestrebungen gegeben, alle Rumänen in einem Staat zu vereinen. Eine Suprematie Siebenbürgens in der nationalen und sprachlichen Frage sei nicht gerechtfertigt, betonte Russo. Es müsse als anmaßend betrachtet werden, wenn siebenbürgische Gelehrte ihre Heimat zur Mutter des Rumänentums erklärten. Siebenbürgen könne schon deshalb keine führende Rolle bei der Neuformung der nationalen Kultur spielen, da es keine Literatur besitze, die als vorbildlich zu bezeichnen sei. Die latinisierende Mythologie und die zahlreichen Latinismen bei den siebenbürgischen Autoren vermögen nicht über die Armut ihres Stils hinwegzutäuschen. Durch ihre Latiniserungssysteme haben sie als erste die Gemeinverständlichkeit des Rumäniischen in Frage gestellt. 231 Russo nahm davon ausdrücklich §incai aus, der zwar mit diesen Bestrebungen verbunden war, doch in seinen Ideen und in seiner Sprache sich als echter Rumäne zeige. Mit Maior habe diese Latinomanie begonnen, doch zunächst nur theoretisch, nicht im Sprachgebrauch. Erst die auf ipincai und Maior folgenden Gelehrten und Schriftsteller verunstalteten mit ihren Latinisierungen ihre Muttersprache. 232 Rückwärts gewandt formten sie eine vom Pedantentum bestimmte Sprache, die höchstens noch in gedruckten Büchern verständlich war, niemals aber als lebendige, gemeinverständliche Sprache gelten konnte. Diese pedantischen Reformbemühungen, bemerkte Russo, benebelten zunächst viele Rumänen und bewiesen dadurch ihre Gefährlichkeit. Seiner Überzeugung nach dürfte sich aber diese Latinisierungsmanie bald überlebt haben. 233 Die Bekämpfung dieser Latinisierungstendenzen suchte Russo durch den Nachweis zu stützen, daß zwischen dem Rumänischen und dem Lateinischen bei aller Verwandtschaft ein grundlegender Unterschied bestehe. Russo schloß sich Maiors Ansicht an, wonach das Rumänische vom Volkslatein, nicht aber vom klassischen Latein sich herleite. Diese Theorie des siebenbürgischen Gelehrten müsse jedoch auch sinngemäß auf das Rumänische übertragen werden, d. h., das Rumänische ist entgegen der in Siebenbürgen geübten Praxis innerlich nicht mit dem klassischen Latein verbun231 Ebenda, S. 257 ff. 232 Vgl. ebenda, S. 261: „Ucenicii lui Petru Maior au restälmäcit cuvintele dasealului; afundati in cartile latine, colbul gimnaziilor le-au ascuns lumea; ei s'au uimit si s'au impetrit in fantastice teorii, s'au uitat la materialul zidirei in loc de a imbrätisa armonia liniilor, au invätat limba intr'o inchipuire retrospecivä in loc de a o inväta la isvorul ei adevarat, la sjcoala trebilor, a nevoilor si a istoriei neamului." 233 Ebenda, S. 262.

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den. Russo unterstrich immer wieder den Eigencharakter des Rumänischen. 234 Durch die geschichtliche Entwicklung bedingt, nahm die rumänische Sprache eine andere Entwicklung als die westromanischen Sprachen. Die Tatsache eines jahrhundertelangen Zusammenlebens der Rumänen mit den Slawen im Rahmen der griechisch-orthodoxen Kirche habe zwar auch seine Muttersprache mitgeprägt, doch sei hierbei ihr eigener Charakter nie verlorengegangen. Ihr Organismus hatte Bestand. Nur lexikalische Entlehnungen zeugten vom slawischen Einfluß. Russo lehnte grundsätzlich sprachhistorische Gesichtspunkte bei der sprachreformerischen Tätigkeit ab. Jedwede Anlehnung an eine fremde Sprache birge außerdem stets die Gefahr in sich, daß die breiten Volksschichten ihre eigene Sprache nicht mehr verstehen. Entscheidend sei stets, daß das betreffende Wort im lebendigen Sprachgebrauch gängig sei. Ob es sich dabei um ein Wort lateinischer oder nichtlateinischer Herkunft handele, spiele nicht die geringste Rolle. Russo wandte sich in diesem Zusammenhang gegen die siebenbürgischen Purifizierungstendenzen, die vornehmlich auf die Ausschaltung von Wörtern slawischer Herkunft hinausliefen. In diesen slawischen Elementen erblickte Russo Bezeichnungen, die auf Grund der historischen Entwicklung und dank ihres volkstümlichen Gebrauches im Rumänischen Heimatrecht erlangt hatten. 235 Russo ging davon aus, daß auch die Rumänen eine auf der Volkssprache basierende Gemeinsprache besitzen. Die rumänischen Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts schrieben ihre Werke in einer solchen Sprache. Auch die mündliche Tradition der Volksdichtung erweise sich hierbei als einigendes Band, denn die Sprache dieser Volksdichtung werde bei allen provinziellen Unterschieden, wie sie sonst zwischen Siebenbürgen, Muntenien und der Moldau bestehen, überall von den Rumänen verstanden. Diese rumänische Gemeinsprache sei nur durch die pedantischen Überfremdungsversuche der Grammatiker etwas in Vergessenheit geraten. Auf ihr müsse jedoch die rumänische Literatursprache aufbauen. Die Grammatiker könnten erst dann in Aktion treten, wenn schon zahlreiche literarische Werke vorlägen, welche die Gebrauchsnormen dieser Gemeinsprache enthielten. Dieser Zeit234

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Ebenda, S. 303ff. Vgl. auch S. 301: „Cänd se naste o limbä in lume, se nafte cu organismul ei, se naijte negresit pe o bazä solidä, pe baza alteratiilor sau a decompozitiei altor limbi, pe conditiile vietuirei a poporului ce o infie, sau care se na^te cu ea, preeum Romänii, pe conditiile climei, a vecinätatei si o mie de alte conditii ce alcätuesc istoria. N u doarä sä cainam Romänii cä, surzi muti, nemi§cätori §i nesimtiti, douä mii de ani, nu au avut räbdare a afjtepta zilele noastre pentru a Ii se face o limbä solidä." Ebenda, S. 304ff.

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punkt sei aber noch nicht gekommen. Russo meinte: „In der wirklichen Literatur wird nicht gesagt, schreibt, damit auch wir lernen, wie man schreibt, sondern jeder schreibt und die Kritik wählt aus."236 Während Heliade annahm, daß mit der Zeit die von den Gelehrten und Gebildeten zuerst gebrauchten Neologismen allmählich auch in die Sprache des Volkes dringen würden, befürchtete dagegen Russo, daß durch Neologismen dieser Art die sprachliche Verständigung zwischen den Gebildeten und dem Volke erschwert werde. Durch die neuen Wissenschaften tue sich hier geradezu eine Kluft auf.237 Es ist bezeichnend, daß Russo zwar gegen die Sprachreformer verschiedenster Observanz polemisierte, doch selbst auf das damals so brennende Problem der durch die wissenschaftliche und politische Entwicklung bedingten lexikalischen Bereicherung nur wenig einging. Gelegentlich bemerkte Russo zwar, daß es notwendig sei, Neologismen einzuführen. Er wußte um die Zusammenhänge zwischen Wortund Sach- bzw. Begriffsentlehnung, doch den Gelehrten wollte er hierbei kein Vorrecht einräumen. Russo erwartete alles von der Spontaneität des Volkes. Wenn ein Neologismus erforderlich sei, bringe ihn schon das Volk hervor und bürgere ihn in die Sprache ein.238 Russos Sprachauffassung bekundete deutlich ein nationalromantisches Gepräge. Was Kogälniceanu und Bälcescu in der Historiographie programmatisch verkündeten, was Alecsandri in bezug auf die Volkspoesie tat, das stellte Russo für die rumänische Sprachenfrage in all seiner Bedeutung heraus: die volkstümliche mündliche Tradition und die Werke der rumänischen Chronisten des 17. und 18. Jahrhunderts. In ihnen meinte Russo die Grundlage für die moderne rumänische Sprachkultur zu erkennen. Auf sie sollten 8'ch die Rumänen besinnen bei der Bewältigung ihrer Gegenwartsaufgaben. 23® Ebenda, S. 280: „In literatura adiväratä nu se zice: scrie^i ca sä invätäm noi cum se serie; dar flecare serie, ¡ji critica alege." 237 Ebenda, S. 250. 238 Vgl. ferner: S. 252: „Adevärat, nevoile nouä cer mijloace nouä ideile nouä au trebuinfä de cuvinte nouä, dar nevoea trebue sä le dee la ivealä, sä le creeze sä le impämänteneascä. Sä fim siguri cä unde ne-a trebuit un cuvánt, nevoia il va iscodi, nu dupä sistema cutäruia sau a cutäruia, dar dupä lógica limbei, pe care nu o face nici invä^a^ii nici lecsicoanele." AI. Dima, Preocupärile . . ., S. 149ff., geht leider nicht näher auf diese Problematik ein. Er stimmt der Ansioht Russos völlig zu, statt auf die Konsequenzen hinzuweisen, die sich daraus ergeben, daß Russo einerseits die Notwendigkeit der Entlehnung im wissenschaftlich-zivilisatorischen Bereich erkennt, andererseits aber in der Sprachentwicklung alles aus der schöpferischen Spontaneität des Volkes erklären möchte. Außerdem besitzt die Frage des Neologismus in den sprachreformerischen Überlegungen Russos nicht die Bedeutung, die ihr Dima zuerkennt.

Y. Sprachreformerische Systeme nach 1840

A. Die italianisierende

Richtung Heliade

Bädulescus

Im Jahre 1840 erschien Heliades Abhandlung Paralelism intre limba rumänä §i italianä. Sie bedeutete einen Einschnitt im Wirken dieses Sprachreformers. 239 Es wurden darin neue Grundsätze entwickelt, die vielfach den von ihm früher postulierten Prinzipien widersprachen. In Heliades sprachreformerischer Theorie und Praxis kündigte sich damit ein Purismus an, der zwar andere Konturen besaß als derjenige der Siebenbürgischen Schule, doch im Kern dasselbe Ziel verfolgte. Bereits ein Jahr früher hatte Heliade auf die engen Zusammenhänge zwischen dem Italienischen und seiner Muttersprache in der von ihm herausgegebenen Zeitung Curierul Rumänesc seine Leser aufmerksam gemacht. Er ließ ein von ihm selbst entworfenes Gespräch zwischen einem rumänischen und einem italienischen Bauern abdrucken, das weitestgehend Konformität zwischen beiden romanischen Sprachen bezeugte. In Paralelism . . . trug Heliade die Ansicht vor, daß es sich bei dem Rumänischen und dem Italienischen nicht um zwei verschiedene, sondern um nur eine Sprache handeln würde. Die Unterschiede zwischen dem Rumänischen und dem Italienischen seien allein durch die Sprachkultur zustande gekommen, die dem Italienischen durch bedeutende Schriftsteller zuteil wurde. Das Rumänische dagegen weise noch die einst gemeinsame Ausgangsstufe auf, abgesehen von einigen geringfügigen Veränderungen durch Fremdeinflüsse im Laufe von nahezu 2000 Jahren. Bei der Bezeichnungsgebung für die unmittelbar notwendigen Dinge und Begriffe des Alltags ließen sich die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Sprachen deutlich erkennen. Nur in den Bereichen, in denen fremde Völker im Laufe der Jahrhunderte maßgebenden Einfluß ausübten, wurden mit den neuen Begriffen und Gegebenheiten, be239 Vgl. D. Popovici, Ideologia literarä . . ., S. 273ff.; C. Tagliavini, U n frammento di storia della lingua rumena nel secolo X I X . L'italianiemo di Ion Heliade Radulescu, Roma 1926 (Europa Orientale), S. 20.

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sonders im Rumänischen, auch nichtlateinische Wörter eingeführt. Von den romanischen Sprachen habe zwar das Rumänische bisher am wenigsten eine literarische Pflege erhalten, doch dafür biete es noch am getreuesten die Vorzüge der allen romanischen Idiomen gemeinsamen Ausgangssprache. Heliade folgerte: „Und wenn das Italienische, Französische oder Spanische das Schicksal des Rumänischen gehabt hätten, bis heute ohne Pflege zu bleiben, dann wäre von allen die rumänische Sprache die größte und reichste, denn wenn auch heute ihre Schwestern sie hinsichtlich der Kleider übertreffen, so doch nicht hinsichtlich des Körpers. Einzig die rumänische Sprache bewahrt die Stärke, die Einfachheit, die Gleichheit, die Freiheit und die Energie der lateinischen Sprache." 240 Diese Apotheose auf die in der Muttersprache schlummernden Kräfte konnte Heliades Blick für die aktuellen Erfordernisse nicht trüben. Es galt einen Rückstand aufzuholen, d. h. durch Sprachpflege das Rumänische zu einer ausdrucksreichen Literatursprache zu entwickeln. Für Heliade bedeutete dies, nicht zum Latein zurückzukehren, sondern das italienische Beispiel als Richtschnur zu nehmen. Was aus der lateinischen Volkssprache zu formen war, erreichten bereits die italienischen Autoren. Daran müßten die Rumänen bei der Schaffung ihrer nationalen Literatursprache anschließen. Unter dieser Formung verstand Heliade in Paralelism . . . in erster Linie die Bereicherung des rumänischen Wortschatzes. Zu diesem Zweck wählte er rumänische Wurzelwörter aus, die eine lateinische und italienische Entsprechung haben. Mit Hilfe von Präfixen und Suffixen bildete er, indem er die entsprechenden italienischen Ableitungsformen anführte, neue Wörter für den rumänischen Sprachgebrauch. Das bereits von Iorgovici vorgeschlagene Verfahren zur Bereicherung des Wortschatzes wurde nun wieder von Heliade in leicht modifizierter Form aufgenommen. Heliade war überzeugt, daß damit alle erforderlichen Neologismen auf Jahrzehnte hinaus gebildet werden konnten. 241 In diesem Rahmen wandte sich Heliade mit Nachdruck gegen den wachsenden französischen Einfluß in den beiden rumänischen Fürstentümern. Die französische Sprache belegte er mit einem harten Verdammungsurteil, das in Rumänien damals kaum seinesgleichen gehabt hahen dürfte: „Die 240

Opere, vol. II, S. 249: „iji cänd italiana, franteza, spaniola ar fi avut soarta romänei de a rämänea necultivate pänä astäzi, din toate atunci romäna ar fi fost eea mai mare mai bogatä, cu toate eä si astäzi, surorile sale o intrec in haine iar nu in trup. Singurä limba romäna pästreazä si taria, simplitatea, si egalitatea, si libertatea, si energia limbii latine." 2« Ebenda, S. 291.

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französische Sprache hat uns die Sprache, die Köpfe, die Sitten und die Religion verdorben, weil nur wenige der Französischlernenden sich mit klassischen Autoren abmühten, und die unzüchtigsten Romane kann man in den Händen der jungen Leute sehen. Dies weiß ich aus eigener Erfahrung, denn als ich 19 Jahre alt war, lehrte mich der Chevalier Faublas französisch, und vielleicht wird dies der Grund sein, wenn ich nicht allzugut französisch gelernt habe mit solch einem Lehrer, solch einem Buch, solchen schlechten Sitten." 2 4 2 Heliades Polemik gegen die französische Sprache und Literatur verrät eine bojarenfeindliche Position. Sie stellt einen Protest gegen die mondäne, oberflächliche Salonkultur vieler Bojarenhäuser dar, die nichts für die eigene Sprache und Kultur übrig hatten und nach der Phanariotenzeit statt des Griechischen das Französische bevorzugten. Auch Mumuleanu hatte sich schon abfällig über diese französierende Mode in rumänischen Adelskreisen geäußert. 243 Hierbei brachte Heliade aber auch eine ablehnende Haltung gegenüber der Französischen Revolution zum Ausdruck. 244 E r bemerkte, daß seit kurzer Zeit zahlreiche junge Rumänen den Blick nach Frankreich wandten, um sich von dort ihr ideologisches Rüstzeug für eine bürgerlich-demokratische Revolution zu holen. Diese jüngste Entwicklung stimmte ihn ebenso nachdenklich wie die französierende Mode der Adelshäuser. Aus dieser Einstellung ist ersichtlich, daß Heliade nicht nur die kosmopolitisch gesinnten Bojaren verurteilte, sondern ebenso zu radikale Ideen und Maßnahmen seitens des Dritten Standes verwarf. E r fürchtete die bürgerlich-demokratischen Ideen, wie sie in Frankreich entwickelt worden waren, und gab der deutschen Philosophie gegenüber der französischen den Vorzug. 245 Mit dieser Gesinnung erinnerte Heliade an den nationaldenkenden Schriftsteller Conachi, der aus hohen Bojarenkreisen stammte. Auch Conachi erschien ein Rückgriff auf französisches Sprach- und Geistes242

Ebenda, S. 282—283: „Limba frantoseasca né a stricat limba, cápetele, obiceiurile, religia, pentru cä putiní din cáti o invatä bat capul cu autorií clasici §i romanéele cele mai neruijinoase se väd in mäinile tinerilor. Aceasta o stiü déla mine, pentru cä la virstä de 19 ani mä inväta frantoze$te cavalerul de Faublas, poate aceasta va fi pricina de niel n'am prea invätat asa bine frantozeste; cu asfel de dascäl, asfel de carte, asfel de näravurl." 243 Vgl. Mumuleanus Vorwort zu seinen Caracteruri, S. 39 und S. 64—65. 244 Zum politischen Weltbild Heliades vgl. besonders P. Cornea, Ion Heliade R&dulescu sau „echilibru intre antiteze" in teorie si practica, in: Studii de literaturä rominä moderna, Bucuresti 1962, S. 153—218; Istoria gindirii sociale !ji filozofice in Rominia, Bucuresti 1964, S. 138ff. 2« Vgl. Opere, vol. II, S. 284.

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gut wegen zu revolutionären Zündstoffes bedenklich, und die deutsche Philosophie war ihm als Alternative willkommen f ü r die geistige Formung der jungen rumänischen Generation. 246 Noch deutlicher drückte Heliade seine purifizierenden sprachreformerischen Ansichten aus in einem 1847 erschienenen Wörterbuch, das die fremden Elemente des Rumänischen erfassen sollte: Vocabular de vorbe streine in limba romänä. I m Vorwort umriß er die Prinzipien, von denen er sich leiten ließ. Mit gewisser Genugtuung vermerkte er, daß zahlreiche Neologismen lateinisch-romanischer Herkunft sich im rumänischen Gewände schon eingebürgert haben und alte nichtlateinische Elemente verdrängen. Das könne aber nur ein Anfang sein. Die Beseitigung fremder Elemente müsse fortgesetzt werden. Vor allem dürften mit den neuen Ideen keine fremden, d. h. nichtlateinischen Wörter ins Rumänische eingeführt werden. 247 Der Charakter und das Ziel dieser Reinigungsbestrebungen Heliades werden besonders deutlich in einem 1844 in Curierul Rumänesc erschienenen Aufsatz, der „Literatii Romäni" betitelt ist. Heliade gruppiert hier die rumänischen Schriftsteller seiner Zeit in Royalisten, Radikale und Anhänger des juste-milieu. Bei der Einordnung in diese nach der damaligen französischen politischen Terminologie benannten Kategorien ließ sich Heliade ausschließlich davon leiten, welche Position gegenüber sprachlichen Neuerungen jeweils von dem einzelnen Schriftsteller eingenommen wurde. Die Royalisten sind f ü r ihn diejenigen, die ausschließlich beim alten verharren wollen und jede Neuerung ablehnen. Die Radikalen dagegen möchten die Sprache von der Wurzel her umgestalten und reinigen. Kein fremdes Element dürfe weiterhin geduldet werden. Zwischen diesen beiden Richtungen stehen vermittelnd die Vertreter des juste-milieu. Nach ihrer Ansicht sollen im Rumänischen gängige Wörter, seien sie auch slawischer, türkischer oder sonstiger Herkunft, erhalten bleiben. Die erforderlich werdenden Neuwörter auf dem Gebiet der Künste und der Wissenschaften sind jedoch nur aus dem Lateinischen zu entlehnen. 248 Die Royalisten nahm Heliade 1844 nicht mehr ernst. Sie h a t t e n sich seines Erachtens selbst überlebt und besaßen keinen entscheidenden Einfluß mehr auf die Gestaltung der rumänischen Sprache. Noch im J a h r e 1838 aber hatte sich Heliade veranlaßt gefühlt, solchen Tendenzen, die jede Neuerung aus Prinzip ablehnen, entgegenzutreten. Vasile Pogor aus Jassy, 2« Scrieri alese, S. 299-300. 2« Opere, vol. II, S. 326ff. Ebenda, S. 537ff.

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ein Freund Costache Conachis, hatte Voltaires Epos La Henriade in ein archaisierendes Rumänisch übersetzt, das Heliades Kritik herausforderte. 249 Pogor fügte seiner Übersetzung ein Glossar bei, in dem er die wenig gängigen Wörter erklärte. Es handelte sich hier in der Regel um nichtlateinische Elemente des rumänischen Wortschatzes. Zuweilen waren es nicht mehr im Umlauf befindliche Wörter der alten rumänischen Literatursprache, die Pogor aus poetischen Gründen aufzufrischen suchte. Pogor machte daraus sogar ein Programm und erklärte, daß das Rumänische keine Entlehnungen nötig habe, vielmehr nur Autoren brauchte, welche der eigenen Sprache zum Ausdruck aller vorhandenen Potenzen verhelfen. 250 Grundsätzliche Bedeutung für die rumänische Sprachenfrage besaß nach Heliades Meinung nur die Auseinandersetzung zwischen den Anhängern des juste-milieu und den Radikalen. Die Vertreter der Mitte, wandte Heliade ein, könnten mit ihrem reformerischen Bestreben nur der Gegenwart dienen. Ihr Wirken visiere nämlich kein Ziel an, sondern beschränke sich allein darauf, von den Zeitgenossen verstanden zu werden. Da es jedoch mit der geschichtlichen Entwicklung Schritt zu halten gelte, könne die Sprache von heute nicht die von morgen sein, vor allem auf dem Gebiet der Künste und Wissenschaften. Die Gebildeten müßten dem Rechnung tragen. Ihre Sprache habe einen Vorgriff auf die Zukunft zu leisten. Heliade rief ihnen zu: „Schreibt, damit euch die Zeitgenossen verstehen, wenn ihr für sie schreibt. Euer Trachten sei indessen auf den Radikalismus gerichtet, auf die Pflege und Reinigung der Sprache. Vergeßt aber nicht, daß euere Anstrengungen sich um so nützlicher für die Gegenwart erweisen je undankbarer sie für die Zukunft sein werden; denn die Sprache der mittleren Partei, die ihr anwendet, ist noch nicht die fixierte, festgeprägte Sprache der Zukunft." 251 Für die Anhänger des juste-milieu gab es nach Heliade nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie beteiligen sich allmählich mit an den Reinigungsaktionen und schwenken dadurch in das Lager der Radikalen über, oder sie verharren auf der alten Position und handeln den nationalen Bestrebungen zuwider. Da es Heliades Ziel war, durch die Sprachreinigung eine für alle Rumänen gemeinsame Sprache zu schaffen, sollten hauptsächlich die Vgl. ebenda, S. 531. 250 Vgl. ferner BLRL, Nr. 135, S. 227. 251 Opere, vol. II, S. 539: „scriti cum sä inteleagä contimporanii, dacä scriti pentru ei; tinta insä sä vä fie cätre radicalism, cätre cultura curätirea limbii. Nu uitati insä cä ostenelele dumneavoasträ cu cät sunt de folositoare pentru prezent, cu atäta sunt cam ingrate pentru viitor; cäci limba mijlocismului ce o intrebuintati, incä nu e limba fixatä si hotaritä a viitorului."

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regionalen Besonderheiten, die sich meistens als Entlehnungen aus den verschiedensten Nachbarsprachen herausstellten, durch alte lateinische Elemente oder entsprechende Neubildungen ersetzt werden. Ein entschiedener Mangel der von den Vertretern des juste-milieu vorgebrachten Konzeption aber habe gerade darin bestanden, die anzutreffende provinzielle Partikularität als gegeben hinzunehmen. Innerhalb der Radikalen unterschied Heliade wiederum drei Gruppen: Provinzradikale, gemäßigte Radikale und Ultraradikale. Die unter der ersten Kategorie erfaßten Sprachreformer vermögen ihren Provinzialismus nicht abzustreifen. Auch die neuen aus dem Latein entlehnten Wörter erhalten ein provinzielles Gepräge, indem sie das verewigen wollen, was durch jahrhundertelange Unkenntnis zustande kam. Als Beispiele für diese Richtung unter den Radikalen führt Heliade u. a. an, daß statt „fundament" die Lautung „fundamint" vorgezogen wird oder statt „nafie" die Form „näciune" usw. Aus den zitierten Beispielen ist ersichtlich, daß sich Heliade hier in erster Linie gegen Säulescus sprachreformerisches Werk in der Moldau wandte, das dann, in der Grundtendenz ähnlich gelagert, durch Aron Pumnul in der Bukowina demonstriert wurde. Bei den Ultraradikalen herrschte kein Hang zum Provinzialismus vor. Die einzige Norm war für sie das Latein, das sie im Rumänischen in reiner Form regenerieren wollten. Statt des üblichen „bine credintä" schlugen sie daher „bene credentä" vor. Heliade spielte hier auf die Latinomanie siebenbürgischer Reformer an. Die gemäßigten Radikalen, deren Ansichten Heliade teilte, vermieden sowohl das Provinzielle als auch das streng puristisch Latinisierende. Sie würden Rücksicht auf den Geschmack und das Gehör der Sprachgemeinschaft nehmen und die Neologismen dem rumänischen Sprachbau anpassen. Heliade hielt als Quintessenz fest: „Wollen wir folglich unsere Sprache pflegen, dann müßt ihr sie soweit wie möglich von fremden Elementen und Provinzialismen reinigen und ihr die Besonderheiten lassen, durch die sie in der Lage sein wird, sich zu einer gepflegten rumänischen Sprache zu entwickeln, nicht aber zu einem lateinischen Jargon noch zu einem Provinzjargon." 252 Die rumänische Sprache, folgerte Heliade weiter, wird stets den Stempel ihrer Geschichte tragen. Sie wird davon Zeugnis ablegen, welche Veränderungen sie erfuhr, um schließlich eine gepflegte Sprache zu werden. 252

Ebenda, S. 542: „Prin urmare, vränd a ne cultiva limba, trebue a o curati cät se va putea de sträinismi si provin^ialismi; si a läsa haracteristicele ei prin care va putea deveni o limbä cultivata romänä, iar nu un gerg latin, nici un gerg provintial."

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Heliade entwickelte seine italianisierende Theorie unter Fortführung einiger Gesichtspunkte aus seiner früheren sprachreformerischen Tätigkeit. Die sensualistische Grundkonzeption behielt er bei. Die rückwärtsgewandte sprachhistorische Blickrichtung für die aktuelle Sprachpraxis lehnte er weiterhin ab. Unter neuem Aspekt faßte er allerdings den Eigencharakter des Rumänischen. Im Vorwort zu seiner rumänischen Grammatik hatte er die fremden Bildungselemente bei den neugeschaffenen Neologismen verdammt und für Wortbildungen plädiert, die dem System des Rumänischen angemessen sind. Nun suchte er nach Möglichkeiten, mit eigenen rumänischen Bildungsmitteln die erforderlich werdenden Neuwörter zu schaffen. Bei diesem Bestreben schlug Heliade allerdings immer mehr einen Weg ein, der ihn von seinen früher in dieser Hinsicht vertretenen Prinzipien wegführte, da er im Italienischen nicht mehr wie früher eine romanische Schwestersprache erblickte, sondern die gepflegte Variante des Rumänischen. I n einem 1839 an Poenaru gerichteten Brief über die rumänische Sprache und Orthographie 253 deutete sich schon dieser neue Blickwinkel an. Heliade überlegte sich hier, wie die Italiener verfuhren, als sie die Volkssprache zu pflegen begannen, welche Methode sie anwandten, um die Bereicherung und Verschönerung ihrer Volkssprache vorzunehmen. Zuvörderst aber legte er sich und seinen Zeitgenossen die Frage vor, ob die Italiener damit vollen Erfolg hatten. Die Beantwortung dieser Frage besaß nämlich seines Erachtens für die weitere Entwicklung des Rumänischen beträchtliche Konsequenzen : „Und wenn wir ihre Methode für gut und angemessen erachten, haben wir noch zu prüfen, ob wir für unsere Sprache (die im natürlichen Zustand genau dieselbe ist wie die italienische im natürlichen Zustand) eine andere, bessere Methode finden als die der Autoren und Schöpfer der italienischen Schriftsprache oder ob wir denselben Weg beschreiten." 254 Wie wir sehen, konnte für Heliade die Antwort auf diese vordringliche Frage nur lauten, daß es dem italienischen Beispiel nachzueifern gelte. Diese Erkenntnis schloß nicht unbedingt einen Purismus ein. Vielmehr kam dieser erst durch eine direkte Nachahmung oder Übernahme italienischer Sprachgegebenheiten zustande, wie sie Heliade vorschlug und propagierte. 253 Ebenda, S. 414-424. 254 Ebenda, S. 418: „si daca metodul lor il vom afla bun si potrivit, rämane sä vedem dacä noi, pentru limba noasträ (care in starea firei este tot acea limbä cu a Italianului in starea firei) putem sä afläm un alt metod mai bun decät al autorilor si creatorilor limbii italiane scrise, sau sä urmäm pe acelasi drum."

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Seinen Ausgangspunkt hatte dieser Purismus in einem entscheidenden Wandel der Sprachauffassung, wie er sich bei Heliade um 1839 vollzog, als der Sprachreformer das Rumänische und das Italienische in ihrem innersten Wesen zu einundderselben Sprache erklärte. Damit näherte er sich weitgehend der nationalgeschichtlichen Konzeption der Siebenbürgischen Schule. Aus Maiors Ausführungen über die Anfänge des rumänischen Volkes war zu entnehmen: Das Italienische und das Rumänische stehen sich unter den romanischen Sprachen am nächsten. Römische Siedler aus Italien brachten ihr Volkslatein nach Dazien und bewahrten es lange Zeit zäh gegenüber Fremdeinflüssen. Das Volkslatein in Italien dagegen wurde durch die Langobarden korrumpiert, wenn auch nicht in so starkem Maße wie dies durch andere Völkerschaften in Gallien und Hispanien geschah. Schließlich aber fanden sich Schriftsteller in Italien, welche die Volkssprache zur Literatursprache veredelten.255 Heliade fand damit bei Maior alle wichtigen Elemente für die Grundlegung seiner neuen Theorie. Er brachte sie jedoch in andere Zusammenhänge , denn ihn interessierte vorrangi g der Eigencharakter des Rumänischen. Dieser mußte seines Erachtens von Anfang an vorliegen. An Maiors Darlegungen anknüpfend hieß das für Heliade, in der ersten, nur mit dem Italienischen gemeinsamen volkslateinischen Phase war er bereits als Grundstock gegeben. Dies berechtigte auch von einer im Wesen gemeinsamen Sprache der Italiener und Rumänen zu sprechen. Da es für Heliade aber getreu seiner sensualistischen Grundüberzeugung kein Zurück gab, sondern stets Entwicklungsphasen zu beachten sind, konnte das für ihn nur bedeuten, sich an die jüngste Entwicklung zu halten. Er fand sie in der italienischen Literatursprache, beruhte sie doch seiner Ansicht nach auf der alten, einst Rumänen und Italienern gemeinsamen Volkssprache, die durch Schriftsteller zu einer für alle Lebensgebiete ausdrucksreichen Literatursprache geformt worden war. Die Italiener hätten den Rumänen durch ihre schriftstellerische Praxis gezeigt, wie die eigenen sprachlichen Elemente zur Schaffung einer modernen rumänischen Sprache zu gebrauchen sind. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß Heliade hierbei vor allem an die für seine Muttersprache neu erschlossenen Wortbildungsmöglichkeiten dachte, in geringerem Maße an direkte Entlehnungen aus dem Italienischen.256 255 Vgl. auch vorliegende Studie S. 27 ff. 256

Asachi dagegen trat in der letzten Phase seiner sprachreformerischen Tätigkeit für Entlehnungen aus dem Italienischen ein. Programmatisch verkündete er im Jahre 1861: „Dupre pärerea archeologilor, limba rominä

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Welche Gründe veranlaßten wohl Heliade, von 1839 ab diese Position zu beziehen? War es das Ergebnis einer folgerichtigen Fortentwicklung seiner sprachreformerischen Ideen der ersten Schaffensperiode ? Hing diese Wende damit zusammen, daß seine Einstellung zur Politik des zaristischen Rußland gegenüber Rumänien eine Änderung erfuhr ?257 Sollte seine italianisierende Theorie etwa ein Gegengewicht sein zu dem stärker werdenden französischen Einfluß ? 258 Diese Momente dürften nur in ihrer Gesamtheit dazu beigetragen haben, bei Heliade den auf das Italienische ausgerichteten Purismus entstehen zu lassen. In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zeigte sich bei Heliade in zunehmendem Maße das Bemühen, den Charakter und den Eigenwert der rumänischen Nationalität von der Sprache abhängig zu machen. Die Aufnahme fremder Elemente in die eigene Sprache konnte seiner Ansicht nach große Gefahren für den Bestand der Nation heraufbeschwören. Wenn die Entlehnungen aus dem Slawischen und später aus dem Griechischen fortgesetzt worden wären, hätte das zum nationalen Untergang geführt. Heliade formulierte: „Natürlich wäre es dann eines Tages so weit gekommen, daß man nicht mehr erkannt hätte, welcher Herkunft die Sprache des Rumänen ist und infolgedessen hätte der Rumäne selbst nicht mehr gewußt, wer er ist." 259 Eines der wichtigsten Mittel, um eine solche Entwicklung zu verhindern, sah Heliade in der Bewahrung und Stärkung der eigenständigen Elemente in der Sprache. Von dem Grade einer intensiven Sprachpflege in solch puristischer Absicht hänge auch ab, wie sehr die eigene Nationalität geschützt und gefestigt würde. Dieses Argument war bereits in der Siebenbürgischen Schule vorgebracht worden, este acea rusticä a romanilor, adecä contimpuranä acii latine, inoit imbunätä^irile ce eint neapärate a se introduce in ea se cuvine a sä face din tezaurile surorei sale cultivate; §i fiindcä latina este moartä, apoi acel drit au mo§ftenit italiana, a ei fiicä. Prin urmare, cuvintele ce ni lipsesc, frazele dicoiile nouä, dupre dizvoltarea ideilor iji a stiin^elor de azi, au a se imprumuta de la acea italianä, dindu-li forma terminatul rominesc. Asadar latino §i galomania sä nu se intindä asupra reformei limbei, cäci din fabricä färä matrice (calup) convenitä nu pot iesi decit figuri diforme, vätämätoare caracterului limbei." in: Scrieri literare. Editie ingrijitä, cu prefa^ä,, note si glosar de N. A. Ursu, Bucure^ti 1956, S. 346. 257 Vgl. P. V. Hane?, Dezvoltarea limbii literare . . ., S. 117ff. 258 Vgl. D. Popovici, Ideologia literarä . . ., S. 282ff. 259 Opere, vol. II, S. 418: „Fireste cä ar fi ajuns intr'o zi ca limba Romänului sä nu se mai cunoascä de ce originä este, §i prin urmare nici el insusi sä nu stie ce mai e."

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um die Eliminierung nichtlateinischer Elemente aus dem Rumänischen zu rechtfertigen. Heliade unterschied sich in dieser Frage von der Siebenbürgischen Schule daher nur durch die Methode, das bedeutete, die Puriiizierung wurde mit anderen Mitteln durchgeführt, zeitigte andere praktische Ergebnisse, war aber im Prinzip dieselbe. Auch Heliade wollte mit seinen nach 1839 unternommenen Reformbestrebungen in erster Linie eine für alle Rumänen einheitliche Literatursprache schaffen. Diese Bemühungen waren jedoch mit einem auf das Italienische ausgerichteten Purismus verknüpft, d. h., die bei der Neuschöpfung besonders zu beachtenden Eigengesetzlichkeiten der rumänischen Sprache waren für Heliade auf Grund der postulierten Identität beider Volkssprachen auch im Italienischen erkennbar. Da das Italienische bereits von Schriftstellern geformt worden war, zeigte es vielfach diese Eigengesetzlichkeiten, vornehmlich im Hinblick auf Neubildungen, wesentlich klarer. Diese im Italienischen deutlicher hervortretenden Eigenheiten sind auch für das Rumänische zur Bereicherung des Ausdrucks nutzbar zu machen. Für das Rumänische sollten diese im Italienischen existierenden Bildungsmöglichkeiten nachvollzogen werden. Damit wandte sich Heliade gegen die umfangreichen Entlehnungen aus dem Französischen, wie sie seine Zeitgenossen vornahmen. Störte es ihn um 1830, daß die Neologismen lateinischer oder romanischer Provenienz im neugriechischen oder ungarischen Gewände anzutreffen waren, so bedrückte ihn um 1840 die große Anzahl von französischen Elementen im rumänischen Wortschatz. 260 Heliade war zwar nicht gegen direkte Entlehnungen aus einer romanischen Schwestersprache, doch gab er Neubildungen, die auf rumänischen Stämmen beruhten und in Analogie zu den italienischen Wortbildungsmöglichkeiten erfolgten, den Vorzug. Die französische Sprache taugte nach Heliades Meinung deshalb am wenigsten als Bereicherungsquelle, weil in ihr der durch homogene Wortsippen gesicherte lautliche und begriffliche Zusammenhang nur in wenigen Fällen gegeben war. 261 Dadurch waren nur

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Bereits 1839 kritisierte Heliade, daß G. Alexandrescu in seinen Dichtungen zuviele Neologismen französischer Herkunft gebrauchte. Vgl. D. Popovici, Ideologia literarä . . ., S. 282. 261 Vgl. Proiect pentru instructia publica (1840), in: Scrieri politice, sociale si lingvistice. Editie comentatä de G. Baiculescu, Craiova o. J., S. 127ff. Heliade folgerte hier u. a. : „Apoi sä mai vazä cineva si vorbele ce au in sine o afinitate de în^eles cä n'au §i o afinitate de sunet ca in alte limbi. î n aceastä limbä vorbele pare cä sint aruncate de întâmplare, färä gândire. Vede cineva: lieu, si apoi localité si local; oeil si apoi occulaire; païen si

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wenige Anknüpfungspunkte für ein System von Neubildungen möglich. Das Italienische dagegen wahrte diesen lautlichen und begrifflichen Zusammenhang, wie es seine bildungsreichen Wortsippen dokumentieren. Aber nicht nur aus diesem Grunde wollte Heliade das Italienische zuungunsten des Französischen bevorzugt wissen. Auch aus seiner Anknüpfung an Maiors sprachhistorische Darlegungen resultierte eine unmittelbarere Verwandtschaft zwischen dem Rumänischen und dem Italienischen. Diese verstärkte Zuwendung zur nationalhistorischen Konzeption der Siebenbürgischen Schule setzte bei Heliade ein, als er befürchtete, daß das zaristische Rußland sich der beiden rumänischen Fürstentümer bemächtigen wollte und hierfür ethnisch-kulturelle Gründe suchte. 262 Die Romanität des Rumänischen zu beweisen und durch eine konsequente Sprachpflege zu bewahren, entsprach nun seines Erachtens einer ebenso dringenden wie verpflichtenden nationalen Aufgabe. Auch dieses Moment darf bei Heliades Purismus nicht übersehen werden. Mit seiner italianisierenden Theorie hatte Heliade nicht den erhofften Erfolg. Es fanden sich zwar Schriftsteller, die gern Entlehnungen aus der italienischen Sprache vornahmen und in der italienischen Literatur große Vorbilder erblickten 263 , doch zu einer solchen Breitenwirkung wie beim französischen Einfluß kam es hierbei nicht. Noch weniger vermochten die auf Wortsippen beruhenden Italianisierungsversuche, die Heliade als Maßnahmen zur Durchsetzung der Eigenständigkeit seiner Muttersprache aufgefaßt wissen wollte, Fuß zu fassen. Heliade fand nur mit seinen bis 1839 unternommenen Bemühungen zur Formung einer einheitlichen rumänischen Literatursprache ein günstiges Echo bei den meisten seiner Zeitgenossen. Diese brachten ihm den Ruhm ein, als „Vater der rumänischen Literatursprache" zu gelten. Sie allein bestimmten auch Heliades Wertschätzung durch die folgenden rumänischen Generationen. 264 Für die mit der rumänischen Sprachenfrage verbundenen Diskussionen ist jedoch auch Heliades sprachreformerische Tätigkeit nach 1839 von Bedeutung. Sie gibt einen apoi paganisme . . . Cum poate cineva inväta in asemenea limbä o literaturä unde nu poate aduna, ca in alte limbi, familii de vorbe cu rädacina lor." (S. 142-143). 202 Vgl. C. Tagliavini, op. cit., S. 26. 263 Vgl. A. Marcu, Romanticii italieni ¡¿i Rominii, Bucuresti 1924. 264 Zur Bewertung Heliades in der rumänischen Literaturgeschichte vgl. G. Munteanu, Asupra reconsiderärii lui I. Heliade Rädulescu. Chestiuni metodologice, in: Steaua X (1959), Nr. 4, S. 92ff.; ferner den bemerkenswerten Aufsatz von I. Oana, Eminescu despre Ion Heliade Rädulescu, in: Culegere de studii, Bucuresti 1961, S. 128-160.

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Wendepunkt an und zeugt von der Dynamik und Vielfalt jener Auseinandersetzungen. Nicht zuletzt legt sie Zeugnis ab von den historisch-gesellschaftlichen Entwicklungsbedingungen, welche die Grundlage und den Rahmen dieser Auseinandersetzungen bildeten. Diese reformerischen Bemühungen und die dabei entstehenden Kontroversen wiederum wirkten auf die Herausbildung der rumänischen Nationalsprache in irgendeiner Form ein, die Entwicklung beschleunigend oder retardierend. Auf diese Weise richteten sich auch die italianisierenden Bestrebungen Heliades selbst.

B. Die Siebenbürgische

Schule nach 1830

An dem von Ciain, $incai und Maior entwickelten nationalen Geschichtsbild hielten nach 1830 die siebenbürgischen Gelehrten unverrückbar fest. August Treboniu Laurian (1810-1881) und Timotei Cipariu (1805-1887) erweiterten es in sprachhistorischer Hinsicht, ohne daß es in irgendeiner Form zu Korrekturen an den Grundpositionen kam, was die Herkunft des rumänischen Volkes und seiner Sprache betraf. Die latinistische Tendenz wurde vielmehr in der sprachreformerischen Praxis weit konsequenter beachtet als in dem vorangehenden Zeitabschnitt. Laurian, der sich als fortschrittlicher Intellektueller energisch gegen die Bevormundung der Philosophie durch die Theologie wandte 2 6 5 , diente in der Geschichte der rumänischen Philologie oftmals als „Prügelknabe" f ü r latinistische Übertreibungen. Zu verdanken hatte er dies seinem Werk Tentamen criticum in originem, derivationem et formam linguae romanae in utraque Dacia vigentis vulgo valachicae, das 1840 in Wien erschien. Ohne Zweifel verfolgte er mit diesem Buch die Absicht, die internationale Gelehrtenwelt auf den romanischen Charakter der rumänischen Sprache aufmerksam zu machen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde publizierte er es in lateinischer Sprache. E r wußte nicht, d a ß Friedrich Diez bereits 1836 den ersten Band seiner Grammatik der romanischen Sprachen herausgebracht hatte, in dem die Romanität des Rumänischen nach den Grundsätzen der noch sehr jungen historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft erhärtet wurde. I n seiner Abhandlung legte Laurian die erstmals von Maior vertretene Theorie über die Herkunft des Rumänischen dar, indem er sie noch durch einige zusätzliche Quellenhinweise zum Vulgärlatein und zur rumänischen Geschichte abstützte. Neu gegenüber Maiors Ausführungen war, daß er wesentlich stärker die Möglichkeit des Vergleichs mit den anderen romanischen Sprachen nutzte. Laurian zeigte auf, welche lexikalischen und grammatischen Erscheinungen des 265 Vgl. Istoria gindirii sociale . . S . 21 Off.

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Rumänischen mit solchen des Italienischen, Französischen oder Spanischen übereinstimmen. Unter anderem stellte er fest: „6. Hispanica et Romanica formant comparationem adiecto Adverbio magis; Italica et Francica praeposito plus. 12. Italica, Hispanica et Francica formant futurum ex infinitivo modo Verbi principalis auxiliante habeo articulate coniuncto; Romanica autem Verbo simplici antiqua forma Latina, praeterea composito cum auxiliari volo, quod Franci quoque solent, apposito auxiliari vado. 14. I n constructione Italica, Romanica et Hispanica magnam amant libertatem, Francica serviles observat formulas." 266 Um den inneren Zusammenhang der romanischen Sprachen, einschließlich des Rumänischen, zu demonstrieren, zitierte er das Vaterunser in verschiedenen romanischen Sprachen und Dialekten. Dabei war er darauf bedacht, auch ältere Sprachzustände wie das Altitalienische oder das Altfranzösische zu berücksichtigen. Unter den von ihm angeführten romanischen Sprachen fehlten auch nicht das Sardische und Rätoromanische, die er unter die italienischen bzw. französischen Dialekte einreihte. Viele Sprachproben konnte er dem von Adelung begonnenen und von Vater fortgesetzten Werk Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde, Berlin 1806ff., entnehmen. Wie schon in Clains rumänischer Grammatik glichen auch in Laurians Abhandlung die dargebotenen rumänischen Beispiele sosehr den lateinischen Ausgangsformen, daß es kaum möglich war, die spezifisch rumänischen Aspekte zu erkennen. Die etymologisierende Schreibung verdunkelte in zu starkem Maße die tatsächlichen Gegebenheiten. Deshalb sah sich Laurian häufig gezwungen, die lautlichen Besonderheiten des Rumänischen in Zusätzen und Fußnoten mit Hilfe von Verweisen auf andere Sprachen annähernd zu charakterisieren. 267 In seinem Tentamen criticum . . . bemühte sich Laurian, die lautlichen, morphologischen und syntaktischen Erscheinungen des Rumänischen in ihrer Gesamtheit herauszustellen. Da er es aber von Anfang an darauf angelegt hatte, diese unbedingt auf das Lateinische allein zurückzuführen, scheiterte er, soviel Erudition er auch an den Tag legte. Die radikale Latinisierung der rumänischen Sprachformen erreichte 266 S. L I X . So umschreibt er beispielsweise den nach der etymologischen Schreibung durch a repräsentierten rumänischen Laut ä wie folgt: „Hic sonus respondet francico vel potius genevensi ai in: raison, maison, saison, et faisons, oratorio; anglico a in papd prima syllaba, germanico e in Verstand, ast in omnibus tantum adproximative, nam verus tonus nisi ex ore accurate percipi potest." (S. 5).

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bei ihm ein Höchstmaß. Jedoch waren bei allen Schwächen Ansätze zu einer historischen Grammatik des Rumänischen nicht zu übersehen. Cipariu 268 blieb es vorbehalten, hier neue Wege einzuschlagen. Innerhalb der Siebenbürgischen Schule war er der bedeutendste Sprachforscher. Als ein ebenso aufklärerisch eingestellter Gelehrter wie Laurian gehörte er zu den hervorragendsten Repräsentanten der nationalen Emanzipationsbestrebungen der Rumänen in der österreichisch-habsburgischen Monarchie. 1847 gab er die erste vollständig in lateinischen Lettern gedruckte rumänische Zeitschrift heraus, welche den bezeichnenden Titel Organul luminärii trug. Ebenso begründete er die erste philologische Zeitschrift Rumäniens: Archivul pentru filologie §i istorie (1867—1872). I n sprachgeschichtlicher Hinsicht bestand sein besonderes Verdienst darin, daß er sich der Erforschung des Altrumänischen zuwandte. Dies würdigte 0 . Densusianu in seiner wertvollen Histoire de la langue roumaine als eine bemerkenswerte Tat: „II fut le premier qui étudia l'ancien roumain, non comme simple amateur, mais avec la compétence d'un philologue qui comprenait la valeur de ce genre d'études. Il recueillit de tous côtés les textes du XVI e et du XVII e siècles et les fit connaître à ceux qui s'intéressaient à l'ancien roumain." 269 Densusianu vermerkte mit Recht, daß dieses Interesse für die altrumänische Sprache und Literatur sich bei Cipariu von der latinistischen Theorie her entwickelte. In altrumänischen Schriftdenkmälern 270 hatte Cipariu einige Wörter lateinischer Herkunft angetroffen, die inzwischen aus dem Sprachgebrauch verschwunden waren. Das führte ihn zu der These, daß sich das Rumänische um so mehr dem Lateinischen nähern müsse, je weiter es in die Vergangenheit zurückverfolgt werde. Wenn schon das Rumänische des 16. Jahrhunderts über mehr Elemente lateinischer Her2C8 Vg]. I. Stoian, Der Grammatiker Timotheus Cipariu, in: Zwölfter Jahresbericht des Instituts für rumänische Sprache zu Leipzig (1906), S. 1—90; I. Breazu, Timoteiu Cipariu si Italia, in: Studii literare I I (1943), S. 201 —216, und Succesul sistemului etimologic in Transilvania, in: ebenda I I I (1944), S. 197-222; G. Istrate, Timotei Cipariu, in: I (1955), S. 302—306; D. Macrea, Timotei Cipariu, in: Lingvisti si filologi romîni, Bucureçti 1959, S. 67—78; P. Gradea, Din ocupärile lexicografîce aie lui Timotei Cipariu, in: CL V (1960), S. 6 4 - 7 4 ; I. Pervain, Timotei Cipariu si „Foaia literarä", in: CL VII (1962), S. 9 7 - 1 0 5 ; I. Muçlea, Timotei Cipariu si literatura popularä, in: Studii de istorie literara çi folclor I (1964), S. 163—200; I. Coteanu, 160 de ani de la nasterea lui Timotei Cipariu, in: LR X I V (1965), S. 295-300. 2«9 Bd. I, Paris 1901, S. X X . 270 Chrestomatia sau analecte literare, S. X I .

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kunft als das seiner Zeit verfüge, wieviel mehr Wörter lateinischer Provenienz müsse dann das Rumänische des 10. Jahrhunderts besessen haben, von dem es keine Zeugnisse mehr gibt. Es ist symptomatisch für Ciparius Wirken als Philologe, daß er daraus sofort Schlüsse für die Formung seiner Muttersprache zog. Noch stärker als die ersten Vertreter der Siebenbürgischen Schule trat er dafür ein, die inzwischen untergegangenen lateinischen Elemente aus dem altrumänischen Schrifttum zu neuem Leben zu erwecken. Außerdem wollte er mit dieser These die Einführung von lateinischen Wörtern in den rumänischen Wortschatz rechtfertigen, von denen er annahm, daß sie in der rumänischen Sprache vor Beginn der schriftlichen Überlieferung existierten, dann aber vergessen worden seien. Die rumänische Sprache hatte nach Cipariu bereits im 7. Jahrhundert ihr besonderes Gepräge erlangt, das dem des Italienischen am nächsten stand. 270a Damit knüpfte er ebenfalls nur an eine bereits in der Siebenbürgischen Schule bestehende Tradition an, die im wesentlichen auf Maior zurückging. Auch die bei Cipariu vorhandene Unterschätzung des slawischen Einflusses in der rumänischen Sprachgeschichte leitete sich davon her. Cipariu erklärte, daß nur völlige Unkenntnis des Baues seiner Muttersprache ausländische Gelehrte dazu bringen konnte, den romanischen Grundcharakter des Rumänischen in Zweifel zu ziehen. Allerdings gebe es auch einige wenige nichtrumänische Philologen wie B. Kopitar und F. Diez, welche dank ihrer Studien das Rumänische unter die romanischen Sprachen einreihten. Cipariu kannte demnach entgegen der Ansicht verschiedener rumänischer Forscher die sprachhistorischen Werke von Diez. 271 Inwieweit er sie wirklich für seine eigenen Forschungen nutzte, ist eine andere Frage. I n seiner philologischen Tätigkeit lenkte Cipariu auch den Blick auf die anderen romanischen Idiome, um die spezifischen Seiten der rumänischen Situation deutlich zu erkennen. Ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen dem Rumänischen und den anderen romanischen Sprachen bestand seines Erachtens darin, daß das Spanische, das Italienische und das Französische Literatursprachen waren, die bereits seit Jahrhunderten eine feste Gestalt angenommen hatten und seitdem keine sprachreformerischen Eingriffe 270a Vgl. Elemente de limb'a romana dupa dialecte si monumente vechi, Blasiu MDCCCLIV; Crestomatia, sau Analecte literare, Blasiu MDCCCLVIII; Principia de limba si de scriptura, Blasiu MDCCCLXVI. 271 Zu Diez verfaßte Cipariu in diesem Zusammenhang folgende Anmerkung: „Frid. Diez, in operele sale gramatece, si in Etymologisches Wörterbuch der romanischen Sprachen, 8-o Bonn 1853, in pref. p. V I I : „Der walachischen in der fremde erzogenen mit den übrigen nicht aufgewachsenen tochter der römischen mutter, etc." (Principia . . ., S. 255). 8*

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mehr erfuhren. Der kastihsche bzw. der toskanische Dialekt sei durch hervorragende Dichter so geformt worden, daß sie allmählich als die nationale schriftsprachliche Norm betrachtet wurden. Die rumänische Sprache dagegen habe diese Entwicklungsstufe noch nicht erreicht. Sie sei noch in der Anfangsphase, bei der es zunächst darauf ankomme, sie zu bereichern und zu reinigen sowie ihren Sprachgebrauch festzulegen. Die alte rumänische Sprache in den religiösen Schriften könne nur als ein Anfang zur Sprachpflege betrachtet werden, nicht aber als Vorbild. Von ihr sei auszugehen. Sie bilde das Fundament, auf dem die für alle Rumänen verbindliche Hochsprache errichtet werden müsse.272 Für die Bereicherung des Rumänischen sei die Entlehnung aus anderen romanischen Sprachen oftmals nicht angebracht, da diese zahlreiche Wörter nichtlateinischer Herkunft aufweisen. Allein das Lateinische biete eine legitime Bereicherungsquelle. Diese germanischen, arabischen und keltischen Elemente im Französischen, Italienischen und Spanischen seien nicht mehr auszumerzen, weil sich diese romanischen Schwestersprachen inzwischen konsolidiert haben.273 Das Rumänische dagegen befinde sich in einer völlig anderen Lage. Die zu seiner Konsolidierung erforderliche Sprachreform, welche den Philologen ein breites Betätigungsfeld eröffnet und damit die Möglichkeit, das eigene Idiom von nichtlateinischen Wörtern zu reinigen, sei erst noch durchzuführen. Damit wollte Cipariu zu erkennen geben, daß die Rumänen zwar einen beträchtlichen Rückstand in bezug auf die Schaffung einer fixierten allgemeinverbindlichen Hochsprache gegenüber ihren großen romanischen Brudervölkern aufzuholen hatten, doch dank dieses Rückstands in der Lage waren, ihr sprachreformerisches Werk gründlicher, d. h. puristischer durchzuführen.274 Cipariu gehörte damals zu den eifrigsten Verfechtern der etymologischen Schreibweise in den heftigen Auseinandersetzungen über die Gestaltung der rumänischen Orthographie. Bei ihm war wie bei den ersten Vertretern der Siebenbürgischen Schule ebenso die Überzeugung vorhanden, daß die lateinische Herkunft des Rumänischen sich auch in der Orthographie ausdrücken sollte.275 Dieser Gesichtspunkt der Rechtfertigung des Rumänischen als romanische Sprache trat jedoch in Ciparius Überlegungen immer mehr in den Hintergrund, da am romanischen Charakter des Rumänischen, weniger gezweifelt wurde als zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts 272 Vgl. Principia . . ., S. 6-8. 2'3 Ebenda, S. 261. Ebenda, 275 Ebenda,

S . 267FF. S . 292FF.

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Neu dagegen war, daß Cipariu mit Hilfe der etymologischen Schreibweise eine einheitliche nationalsprachliche Norm erreichen wollte. Denn würde das phonetische Prinzip zugrundegelegt werden, so argumentierte er, dann öffnete man dem sprachlichen Partikularismus Tür und Tor und stellte dadurch die zu erstrebende nationalsprachliche Einheit völlig in Frage.276 Nur die Orientierung auf die lateinische Ausgangsform ermögliche die Darstellung dialektaler Aussprachevarianten durch einheitliche Schriftzeichen. Für eine phonetische Schreibung plädierte zu jener Zeit unter den Rumänen der österreichisch-habsburgischen Monarchie vornehmlich Aron Pumnul, einstiger Mitstreiter Ciparius in den Jahren 1847 und 1848. Um der nach der Niederschlagung der Revolution von 1848 einsetzenden politischen Verfolgung zu entgehen, hatte Pumnul seine siebenbürgische Heimat verlassen und sich nach der Bukowina begeben. In Czernowitz entfaltete er als Gymnasiallehrer eine umfassende kulturpolitische Tätigkeit, durch die er das Nationalbewußtsein seiner rumänischen Landsleute stärken wollte. Auch in der Bukowina mußten die Rumänen um die offizielle Anerkennung ihrer Sprache und Kultur kämpfen. Pumnul machte sich zu ihrem Wortführer und forderte im Jahre 1850, daß den Rumänen die einzelnen Wissensfächer an den Schulen in ihrer Muttersprache dargeboten werden sollten.277 Ursprünglich hatte sich Pumnul auch für das etymologische Prinzip in der Schreibung eingesetzt. Wie er selbst bezeugte, habe ihn dann die Schulpraxis eines Besseren belehrt. Während seiner Lehrtätigkeit erkannte er, wie schwer es den Schülern fiel, diese etymologischen Grundsätze zu handhaben. Er widmete sich daraufhin lautphysiologischen Studien und suchte für jeden rumänischen Laut ein Schriftzeichen. Das phonetische Prinzip erschien ihm als das zweckmäßigste für eine einheitliche rumänische Orthographie, die zugleich dem besonderen Charakter des Rumänischen Rechnung tragen müsse.278 Auf diesen Eigencharakter seiner Muttersprache kam es Pumnul in seiner sprachreformerischen Tätigkeit hauptsächlich an. Er entwickelte in dieser Hinsicht einen Purismus, der sich von dem der siebenbürgischen Latinisten 2

™ Ebenda, S. 300ff. 277 Vgl. Aron Pumnul, Voci asupra vietii si insémnatátii lui, dimpreunä cu documintele relative la infiin^area catedrei de limba si literatura romineasca la gimnasiul superior din Cernäut precum si scrierile lui märunte fragmentare, publícate de D-rul Ion al lui G. Sbiera, Cornau^ 1889, S. 194 ff. Ebenda, S. 67 ff.

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stark abhob. Bei den erforderlichen Neubenennungen galt es nach seiner Meinung weniger auf die lateinische Herkunft zu achten, als vielmehr auf deren Rumänisierung, die nach den Regeln der historischen Lautentwicklung vorgenommen werden müßte. Pumnul wollte unbedingt den Eigencharakter des Rumänischen, auch gegenüber dem Lateinischen, voll gewahrt wissen. Die Lautveränderungen, die bei der Entwicklung vom Lateinischen zum Rumänischen erfolgten und die Jahrhunderte zurücklagen, verabsolutierte er als die rumänischen Lautungen schlechthin. Auf diese Weise sollten die aus dem Lateinischen entlehnten Neologismen eine ähnliche Lautung erhalten wie die aus dem Lateinischen ererbten Wörter, nicht eveniment, sondern evenemint, nicht nafiune, sondern näciune, nicht obiect, sondern obiept. Noch empfehlenswerter erschien es ihm, die erforderlichen Neuwörter mittels rumänischer Wortverbindungen unter Beachtung der lautlichen Besonderheiten neu zu prägen. So sollte zum Beispiel an Stelle von astronomie der Ausdruck stelämint gebraucht werden, an Stelle von gramaticä das Wort limbämint oder statt psihologie die puristische Neubildung spirämint.279 In der Geschichte verschiedener Nationalsprachen tauchten in bestimmten Epochen solche Tendenzen auf, nur mit eigenem sprachlichen Material Neologismen zu schaffen. Ihnen waren mindestens Teilerfolge beschieden. Es dürfte die Annahme nicht abwegig sein, daß Pumnul hierbei von dem beeindruckt war, was in dieser Beziehung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in Ungarn in großem Umfang bei der Formung der Nationalsprache erfolgte. I n Deutschland gab es ähnliche Bemühungen. Es sei hier nur an die in Ungarn stark beachteten Versuche Campes erinnert, die Fremdwörter einzudeutschen. Eine gewisse Rolle haben sicherlich bei Pumnuls Rumänisierung der Neologismen auch pädagogische Gesichtspunkte gespielt. Vom Bekannten her wollte er das Unbekannte erschließen, d. h. durch bekanntes Wortmaterial den neuen Begriff erarbeiten. Pumnuls sprachreformerische Bestrebungen fanden zwar eine Zeitlang ein günstiges Echo in der Bukowina 28°, 279 280

Vgl. P. V. Hanes, Desvoltarea limbii literare . . ., S. 132ff. V. Curticäpeanu, Die rumänische Kulturbewegung in der österreichischungarischen Monarchie, Bukarest 1966, S. 43, stellte in bezug auf das Blatt des rumänischen Literatur- und Kulturvereins in der Bukowina fest: „Diese mit viel Eifer betriebene Spracherneuerung wies aber auch ihre Mängel auf, die besonders durch die Verbreitung künstlicher Ausdrucksformen, welche von Aron Pumnul eingeführt und später von I. Gh. Sbiera wieder aufgenommen wurden, deutlich hervortraten. Bald setzte aber

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doch weder in Siebenbürgen noch in den beiden Fürstentümern erhielten sie in irgendeiner Form Zustimmung. Sie wurden mit Lächeln oder gar mit Spott zur Kenntnis genommen und in der Walachei und in der Moldau als „ciunism" vielfach verhöhnt. Bei allen gewichtigen Einwänden gegen Pumnuls sprachreformerische Tätigkeit sollte in einer Geschichte der rumänischen Philologie neben dem nationalpolitischen Moment doch beachtet werden: Pumnul besaß umfangreiche Kenntnisse auf dem Gebiet der rumänischen Sprachgeschichte und schloß sich der von Maior aufgestellten Theorie hinsichtlich der Herkunft und Entstehung des Rumänischen an. Wie nur wenige Rumänen jener Zeit kannte er die verschiedensten Theorien über die Herausbildung der romanischen Sprachen und hatte darüber auch die Ausführungen von F. Diez gelesen.281 Die siebenbürgischen Schriftsteller, Gelehrten und Sprachreformer stellten sich nach 1830 geschlossen hinter die Anschauungen, die P. Maior in bezug auf die Herkunft der Rumänen und ihrer Sprache mit patriotischem Eifer entwickelt und verteidigt hatte. Hinsichtlich der Konsequenzen jedoch, die sich daraus für die sprachreformerische Praxis ergaben, herrschte keine Einmütigkeit mehr. Besonders trennten sich die Geister in der Frage, in welchem Maße in den verschiedensten Bereichen der Sprache eine Relatinisierung der Muttersprache erreicht werden müßte. Neben den Verfechtern einer radikalen Latinisierung des Rumänischen, wie beispielsweise Laurian und Cipariu, gab es eine nicht zu unterschätzende Gruppe von Männern, die bei allen zwischen ihnen bestehenden Unterschieden einer gemäßigten, sinnvollen Relatinisierung das Wort redeten. Zur letzteren Gruppe gehörten unter anderen I. Maiorescu (1811—1864)282, V. Popp (1789-1842)283, P. Vasici (1806-1881) 284 U nd Gh. BarH (1812-1893)285. auch die Gegenwirkung ein und es entwickelte sich ein regelrechter linguistischer Kampf, in dem schließlich die Sprache des Volkes den Sieg davontrug." 281 Vgl. Aron Pumnul, Voci asupra . . ., S. 272ff. Über die Ansicht von F. Diez vgl. S. 284-286.. 282 Vgl. N. A. Ursu, Preocupärile lingvistice ale lui Ioan Maioresou, in: SC$ X I I (1961), S. 203-220. 283 Vgl. N. A. Ursu, Pärerile doctorului Vasilie Popp asupra ortografiei rominesti cu litere latine, in: SC? VII (1956), S. 35-49. 281 Vgl. I. Breazu, Pavel Vasici si problemele limbii, in: CL X (1965), S. 53-65. 285 Vgl. Articole literare, Bucurefti 1959; Scrieri social-politice, Studiu §i antologie de V. Cherestesiu, C. Muresan, G. E. Marica, Bucure^ti 1962; Viata si ideile lui George Baritiu. Studiu introductjv, antologie si note de R. Pantazi, Bucuresti 1964; ferner: V. Netea, Ideile despre limbä ale lui

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Die herausragende Gestalt auf kulturpolitischem Gebiet war unter den Rumänen Siebenbürgens nach 1830 unbestreitbar Bari f. Sein unermüdliches Wirken für die politischen, sozialen und kulturellen Belange seiner siebenbürgischen rumänischen Landsleute läßt sich mit dem Heliades in der Walachei oder dem Asachis bzw. Kogälniceanus' in der Moldau vergleichen. 286 Durch die von ihm erstmals 1838 in Kronstadt herausgebrachten Blätter Foaia pentru minte, inimä §i literaturä und Gazeta de Transilvania begründete er das rumänische Pressewesen in Siebenbürgen. I n der erstgenannten Zeitschrift wurden grundlegende Fragen der rumänischen Sprache und Kultur erörtert und auf diesem Gebiet eine Kontaktnahme und Zusammenarbeit mit ähnlichen Unternehmen in der Walachei und in der Moldau angebahnt. Wesentlich mehr ausgeprägt als bei der ersten Generation der Siebenbürgischen Schule war bei Barit der Gedanke des innigen Zusammenhangs von Sprache und Nation, wobei das damit verknüpfte politische Moment stärker in den Mittelpunkt rückte. Hinzu kam die Erschließung der Volksdichtung. Ideen von Herder boten sich Bari^ hier geradezu an. 287 Bei den verschiedensten Gelegenheiten unterstrich Bari(, daß das Rumänische bei entsprechender Pflege durchaus geeignet sei, sich zu einer für alle Lebensbereiche ausdrucksfähigen Hochsprache zu entwickeln. 288 Er polemisierte gegen den Gebrauch einer fremden Sprache im geistig-wissenschaftlichen Bereich, vornehmlich dagegen, daß gebildete Rumänen das Französische der eigenen Muttersprache vorzogen. 289 Das nationalpolitische ErzdehungsGeorge Baritiu pinä la 1848, in: LR VI (1957), Nr. 5, S. 4 9 - 6 3 ; D. Prodan, Gheorghe Baritiu. Pour le 150 e anniversaire de sa naissanee, in: Revue roumaine d'histoire II (1963), S. 115—132; G. Istrate, Preocupäri de limbä in activitatea lui George Baritiu, in: Omagiu lui Alexandra Rosetti, Bucure?ti 1966, S. 417-421. 28C Vgl. D. Prodan, op. cit., S. 131. 287 Eine Verarbeitung Herderscher Ideen für die rumänische Problematik kommt deutlich bei dem siebenbürgischen Dichter A. Mure^anu (1816 bis 1863) zum Ausdruck. Vgl. besonders dessen Aufsatz Artile sau m&iestriile cele frumoase, in: Poezii si articole. Edi^ie ingrijitä si prefatä de D. Päcurariu, Bucure^ti 1963, S. 138-166. 288 Vgl, Viata si ideile . . ., S. 64: „In veacul acesta, cind limba noasträ prin rivna bärbatilor atita de nepregetori au fäcut pasi, care insu§i pe sträini pun la mirare, totdeodata dovedind in faptä, cum cä limba romineascä este destoinicä de a se putea deplini, regula si imbogäti ca oricare alta; si incä cu atita mai mult, cu cit are isvoara mai bogate pe maica surorile sale, de unde sä se poatä ajutora." 289 Vgl. ebenda, S. 102.

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und Aufklärungsprogramm werde dadurch in seiner Realisierung beträchtlich gehemmt. Barit möchte die Nation in erster Linie auf die gemeinsame Sprache gegründet wissen. Die Nation ist für ihn eine naturbedingte Notwendigkeit und ihre Sprache ihr heiliges Eigentum.290 Die Schaffung einer für alle Nationen verbindlichen Universalsprache lehnte er deshalb ab.291 Mit Nachdruck wandte er sich gegen die Anschauung, daß es der griechischorthodoxen Konfession und ihrem Kult zu danken sei, wenn die Rumänen über viele Jahrhunderte der Unterdrückung hinweg ihre eigene Sprache bewahrt hätten. Allein das Nationalbewußtsein ihrer Sprecher habe die rumänische Sprache vor dem Untergang gerettet, unterstrich Bari^.292 Die von Bant vorgebrachten Ansichten über die Herkunft und Pflege der rumänischen Sprache waren zwar nicht originell, doch sie bildeten einen nicht unwesentlichen Teil in seinem demokratischen nationalerzieherischen Reformprogramm. Dadurch war diesen Ideen in der rumänischen Öffentlichkeit ein starkes Echo sicher. An dem damals unter den Rumänen ausgefochtenen „Sprachenkrieg", wie Bant einmal diese Auseinandersetzungen nannte, hatte die von ihm herausgegebene Zeitung Foaia pentru minte, inimä literaturä großen Anteil im Sinne einer vermittelnden Position. Russos Angriffe gegen siebenbürgische Ansprüche bei der Klärung der rumänischen Sprachenfrage wies Barit mit dem Bemerken zurück, daß nur derjenige das latinistische Credo unter den Siebenbürger Rumänen in seiner vollen Tragweite zu würdigen verstehe, der ihre besonders schwierige politische Situation begreife und es als conditio sine qua non ihrer nationalen Existenz betrachte. Vor allem aber schadeten diese Streitigkeiten der zu erstrebenden nationalen Einheit.293 Bant wandte sich gegen zu starke Latinisierungstendenzen, weil er dadurch die Erreichung seines Ziels, die breiten Massen aufzuklären, erschwert sah. Prodan stellt hierzu fest : „Dans son ,latinisme' même, il est modéré, circonspect, constamment soucieux de ne pas s'écarter de la langue vivante. Dès les premières séances de l'Académie il s'élève contre les exagérations de l'étymologisme . . . Devant les conquêtes de la langue littéraire alimentée aux sources vives du langage populaires on le voit abandonner graduellement nombre d'expressions et de tournures artificielles, qui deviennent de plus en plus rares dans ses écrits."294 200 Vgl. Scrieri social-politice, S. 57. 291 Vgl. V. Netea, op. cit., S. 51. 292 Vgl. Scrieri social-politice, S. 226. 293 Vgl. Russo, Opere complété, S. 47 ff. 29'* D. Prodan, op. cit., S. 129-130.

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Die speziell philologischen Beiträge in Foaia ... wurden oftmals von anderen siebenbürgischen Nationalreformern verfaßt. So ließ Barit in den Nummern 18,20 und 21 des Jahrgangs 1838 V. Popp mit seinen Vorschlägen zu einer auf dem phonetischen Prinzip beruhenden Schreibung in lateinischen Lettern zu Worte kommen und forderte zur Diskussion darüber auf. Nicht nur in Siebenbürgen, auch in der Walachei und in der Moldau wurde hierzu Stellung bezogen und damit ein wertvoller Schritt zur gemeinsamen Erörterung gesamtnationaler Sprachprobleme eingeleitet. Viele philologische Beiträge zu Foaia . . . steuerte I. Maiorescu bei, der für seine Zeit von einer erstaunlichen Belesenheit in sprachhistorischer Hinsicht war. Über die sprachwissenschaftliche Tätigkeit von F. Diez war er unterrichtet, und er nahm als erster in Rumänien Bezug auf Fragen und Methoden der Indogermanistik. 295 Hierbei fühlte er sich auch verpflichtet, zur Romanität seiner Muttersprache Stellung zu beziehen. Die lateinische Herkunft des Rumänischen war zwar immer mehr auch in nichtrumänischen Kreisen allgemein als Faktum anerkannt, doch fehlte es weiterhin nicht an einzelnen Stimmen, die gegenteilige Meinungen vortrugen. So wandte sich I. Maiorescu in Foaia . . . , Nr. 2—6 des Jahres 1847, gegen die in der Moldau von F. Scriban durch Abschriften verbreitete Lehre, wonach die rumänische Sprache nicht lateinischer, sondern letztlich sarmatischer Provenienz sei, da das Dakische, das Skytische und das Slawische auf das Sarmatische zurückzuführen seien. Damit konstruierte Scriban eine Verwandtschaft zwischen dem Rumänischen, d. h. dem Dakischen, und dem Slawischen. Ebenso verdrehte er die These der Siebenbürgischen Schule von der Vernichtung der Daker durch die Römer auf rumänischem Boden. Die Daker wären durch die Römer nicht ausgerottet worden, sondern hätten auch nach ihrer Besiegung weitaus den größten Teil der Bevölkerung Daziens gebildet. Die schwache römische Minderheit habe in den 170 Jahren römischer Herrschaft nicht die alte einheimische dakische Sprache zu verdrängen vermocht. Eine Bereicherung der eigenen Sprache mit Wörtern, die aus dem Lateinischen oder Französischen entnommen werden, sei daher unstatthaft. Wenn schon entlehnt werden müßte, dann gelte es zum Griechischen zu greifen. Diese heute skurril anmutende These fand in der Moldau in jenen Jahren Unterstützung seitens konservativer Eiferer innerhalb der griechisch-orthodoxen Kirche. Hinter den Latinisierungstendenzen Siebenbürgens meinten jene Kreise die Gefahr eines Einflusses der katholischen Kirche auf die beiden rumänischen Fürstentümer zu erkennen. Sie be295 Vgl. N. A. Ursu, Preocupärile lingvistice ale lui Ioan Maiorescu, op. cit., S. 218.

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fürchteten durch solche sprachreformerischen Bestrebungen eine katholische Unterwanderung. Aus diesem Grunde opponierten sie auch gegen die Verwendung des lateinischen Alphabets an Stelle des kyrillischen. 296 Ferner , galt es gegen die Ansicht des Siebenbürger Sachsen Schuller zu polemisieren, nach der das Rumänische vom Gotischen abgeleitet werden müßte. Überdies sei nach Schuller die Zahl der griechischen Elemente im rumänischen Wortschatz weitaus größer als die der lateinischen. Diese erstmals 1831 von ihm vorgebrachte Theorie wurde von den rumänischen Gelehrten zunächst nicht für voll genommen. Erst als im Jahre 1847 Schuller erneut diese kuriosen Ideen vortrug, hielten es I. Maiorescu 297 und Barit 2 9 8 für erforderlich, diese phantastische Theorie zu entkräften. 296 Vgl. ebenda, S. 211-213. 297 Vgl. ebenda, S. 213. 29» Vgl. Articole literare, S. 4 6 - 5 1 .

VI. Die Sprachenfrage and das Geschichtsbewußtsein zwischen 1860 und 1 8 8 0

A. Zur historischen

und sprachlichen

Situation

Die nationalen Emanzipationsbestrebungen der Rumänen führten im Jahre 1859 zur Vereinigung der beiden Fürstentümer Moldau und Walachei unter Fürst Cuza. Nach dem Russisch-Türkischen Krieg von 1877, in dem rumänische Truppen auf der siegreichen russischen Seite mitgekämpft hatten, erlangte schließlich der junge rumänische Nationalstaat eeine Souveränität. In Siebenbürgen jedoch mußten die Rumänen weiterhin um ihre nationale Existenz ringen. „Durch die Entwicklung der nationalen Kultur glaubte die rumänische bürgerliche Intelligenz, alle materiellen und geistigen Kräfte des Volkes in Bewegung setzen zu können, um sich vom sozialen und nationalen Druck zu befreien." 299 Im Jahre 1867 erfolgte innerhalb der österreichischen Monarchie der Anschluß der einst selbständigen Provinz Siebenbürgen an Ungarn, der für die nationalen Aspirationen der Rumänen ungünstigere Bedingungen brachte. Mehr als früher hatten sie sich nun des Drucks der Magyarisierung zu erwehren. Mit dem Zusammenschluß der beiden Fürstentümer zu einem rumänischen Nationalstaat war auch die Sprachenfrage in eine neue Phase getreten. Zwar wirkte sich dies nicht sofort aus, doch konnten jetzt Aufgaben zielbewußter und energischer in Angriff genommen werden, die vorher nur Projekte waren oder nur teilweise realisiert werden konnten. Bezeichnend für diese neuen Entwicklungsmomente war die Bildung der Rumänischen Akademie. Die Idee, daß ähnlich wie in anderen Ländern eine zentrale Institution geschaffen werden müsse, die sich um eine einheitliche nationalsprachliche Norm kümmern sollte, tauchte bei den Rumänen mit den nationalen kulturellen Emanzipationsbestrebungen seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auf. Bei dem allseitigen Bemühen, eine für alle Rumänen verbindliche Nationalsprache zu schaffen, verstärkte sich zusehends der Wunsch, bald eine solche Akademie ins Leben zu rufen. Erst 299

V. Curticäpeanu, Die rumänische Kulturbewegung in der österreichischungarischen Monarchie, Bukarest 1966, S. 18.

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der neue nationalstaatliche Rahmen aber ermöglichte dies. 300 Im Jahre 1866 wurde die Societatea Literarä Romänä in Bukarest begründet, der hervorragende Intellektuelle aus dem jungen Nationalstaat sowie aus Siebenbürgen und der Bukowina angehörten. Ein Jahr später hieß sie Societatea Academicä Romänä. Ihre Hauptaufgabe bestand nach dem Statut in der Sprachpflege, die sich auf die Festlegung der Orthographie, die Ausarbeitung einer Grammatik und eines Wörterbuches der rumänischen Sprache zu erstrecken hatte. D a sich in dieser Akademischen Gesellschaft zunächst die Wortführer der latinistischen Richtung durchzusetzen verstanden, war diese Institution vorerst nicht in der Lage, diese Aufgaben den realen Erfordernissen entsprechend durchzuführen. Sie schlugen vielfach Normen vor, die puristische Phantasiegebilde darstellten, nicht aber auf sprachlichen Realitäten beruhten. 301 Erst u m 1880 hatten die Anhänger der latinisieren300

Vgl. D. Berindei, infiinfarea Societätii literare (academice) (1866) sesiunea din 1867, in: Studii. Revistä de istorie I X (1956), Nr. 5, S. 21—44; I . Iordan, Preocupäri de limbä la Academia Romänä, in: L R X V (1966), Nr. 5, S. 467—470; I. Ghetie, Societatea Academicä R o m ä n ä si unificarea limbii romäne literare, in: ebenda, S. 519—630; F. Marcu, Infiintarea Societätii literare (academice) romane, i n : ebenda, S. 549—554. 301 I n bezug auf die Orthographie setzten sich innerhalb der Akademischen Gesellschaft zunächst die von Cipariu vertretenen Grundsätze einer auf dem etymologischen Prinzip beruhenden Schreibweise durch. Vgl. D. Macrea, Ortografia cu litere latine a limbii romine, in: Probleme de lingvisticä rominä, Bucureijti 1961, S. 73—99; F . ¡juteu, Proiectele ortografice ale Societätii Academioe Romäne, i n : L R X V (1966), Nr. 5, S. 503-518. Was eine umfassende rumänische Grammatik anbetraf, so zeichnete die Akademische Gesellschaft die von Cipariu als Manuskript vorgelegte Gramm a t i k aus, den ersten Teil 1868, den zweiten Teil 1876. Ciparius Werk wurde in Bukarest unter folgendem Titel herausgebracht: Gramatec'a limbei romane, partea I. analitica (1869), partea I I . sintetica (1877). M. Avram, L R X V (1966), Nr. 5, S. 487-502, weist auf die Bedeutung von Ciparius Grammatik in der Geschichte der rumänischen Philologie hin, welche bei aller vorherrschenden latinisierenden Tendenz nicht verkannt werden sollte. Hinsichtlich eines umfassenden rumänischen Wörterbuches t r a t der latinisierende puristische S t a n d p u n k t verschiedener Repräsent a n t e n der Akademischen Gesellschaft ebenfalls deutlich zutage. Massim und Laurian veröffentlichten 1873—1876 ein Wörterbuch der rumänischen Sprache, das in den beiden ersten Bänden nur die Wörter romanischer H e r k u n f t bot u n d in einem Glosarü genannten dritten B a n d gesondert die nichtromanischen Elemente. Von den genannten Unternehmen u n d Maßnahmen der Akademischen Gesellschaft forderte dieses Wörterbuch a m

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den Richtung in der nunmehrigen Rumänischen Akademie ihre einst beherrschende Stellung eingebüßt. Aber schon von Anfang an war ihre sprachreformerische Tätigkeit im Rahmen der Akademischen Gesellschaft ihrer Übertreibungen wegen der Kritik seitens der führenden Schriftsteller und Dichter ausgesetzt gewesen. Diese Schriftsteller waren es in erster Linie, die nach 1860 den Grundstein für eine einheitliche nationale Sprachnorm auf der Basis der lebendigen Volkssprache legten. 302 Nach der Bildung des rumänischen Nationalstaates wurde zwar die lateinische Schreibweise an Stelle der kyrillischen eingeführt, doch eine erforderliche allgemeinverbindliche orthographische Norm existierte noch nicht. C. Negruzzi bedauerte, daß nach 1848 die angebahnte fruchtbare Herausbildung einer rumänischen Literatursprache zum Stillstand gekommen sei. 14 Jahre nach jenen revolutionären Ereignissen müsse er feststellen, daß weder die Sprache vervollkommnet noch ihre Regeln fixiert wurden. Nach der Abschaffung des kyrillischen Alphabets legte sich jeder seine eigene Orthographie zurecht. Äußerst bedenklich stimmten C. Negruzzi die hauptsächlich in Übersetzungen anzutreffenden neologischen Exzesse. Es wimmele darin nur so an Neologismen französischer, italienischer und lateinischer Herkunft. 3 0 3 Ebenso äußerte sich 1861 der moldauische Dichter Gh. Sion: „Eine pedantische Latinomanie und eine unberechenbare Gallomanie gelangten dazu, die gesamte, unserer Sprache eigene Originalität zu entstellen. Ein Radikalismus ohne ein System, gerade wie eine epidemische Krankheit, hat sowohl diejenigen ergriffen, die sprechen, als auch diejenigen, die schreiben." 304 Noch 1868 klagte C. Bolliac in ähnlicher Weise. Wie einst zur Phanariotenzeit durch Gräzismen würde nun seine Muttersprache von französischen Ausdrücken überschwemmt und ihres Antlitzes beraubt. 305 Angesichts dieser Situation verwies Negruzzi in Beziehung auf eine wohlgeformte rumänische Nationalsprache auf die vierziger Jahre. Diese Anschauung war nicht vereinzelt anzutreffen. M. Eminescu sprach heftigsten zum Widerspruch heraus. Über den Aufbau und Charakter dieses Werkes vgl. M. Seche, Schita de istorie a lexicografiei romäne, Bucure^ti 1966, vol. I, S. 131 ff. 302 Vgl. auch Gh. Bulgär, Scriitori romini despre limbä si stil, S. 18ff. 303 Scrisoarea X X X I I - a , Gh. Bulgär, Scriitori romini . . ., S. 9 8 - 9 9 . 304 „O latinomanie pedantescä si o galomanie nesocotitä au ajuns de au desfigurat toatä originalitatea proprie a dialecticii noastre. U n radicalism färä nici o sistemä, intocmai ca o boalä epidemica, a coprins si pe cei ce vorbesc si pe cei ce scriu." Zit. b. D. Berindei, op. cit., S. 22. 305 Vgl. Literatura limba, Opere. Editie, note si bibliografie de A. Rusu, vol. II, Bucuresti 1956, S. 64ff.

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sich später ebenfalls in diesem Sinne aus. Die Sprache der „Pa§opti?ti" stellte er als lobenswertes Vorbild dem Jargon vieler Journalisten seiner Zeit gegenüber. Das Rumänisch, das Bälcescu in den vierziger Jahren schrieb, zeigte seines Erachtens vollendete Formen und Ausdrucksmöglichkeiten. 306 Auch die rumänischen Dichter der ersten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts erfuhren durch die nach 1850 erfolgte Reaktion gegen die pedantischen oder modischen Entstellungen des Rumänischen eine Aufwertung, besonders in bezug auf ihre Sprache. A. Panns Povestea vorbii wurde als Philosophie des rumänischen Volkes herausgestellt. Schriftsteller wie Täutu, Conachi, Beldiman würdigte Alecsandri als Beispiele eines guten Geschmacks und eines noch nicht verfälschten Sprachzustandes. 307 Neben Alecsandri setzte sich hauptsächlich AI. Odobescu für eine Klärung der Sprachenfrage auf der Basis der lebendigen Volkssprache ein. Schon im Jahre 1855, als Odobescu zu Studien in Paris weilte, überlegte er ernsthaft, welche Voraussetzungen für eine Nationalliteratur gegeben sein müssen und inwieweit sie für sein Vaterland vorhanden sind. Von einem wahrhaften Schriftsteller, folgerte Odobescu, muß man verlangen, daß er erstens die Sprache, in der er schreibt, sehr gut kennt und daß er zweitens die literarischen Vorbilder der Vergangenheit studiert. Diese beiden Erfordernisse aber stießen in Rumänien auf Hindernisse. Die Kenntnis der eigenen Sprache bereite große Schwierigkeiten, da es im Gegensatz zur Literatur vieler anderer Völker keine Klassiker gibt, in deren Schriften die Korrektheit und Eleganz des Ausdrucks studiert werden kann. Die rumänische Schriftsprache seiner Zeit sei überdies vielfach verworren und überfremdet. I n Anbetracht dieser Verhältnisse lautete Odobescus Schlußfolgerung: „Der Leser erwartet vielleicht, daß wir nach einer solchen Kritik die Regeln der wahren Sprache geben. Eine solche Anmaßung liegt uns fern. Unsere Sprache wird sich noch herausbilden und allmählich formen. Einige unserer Schriftsteller haben uns in kleinen Arbeiten gezeigt, wie schön unsere Sprache ist, wenn sie in reiner Form geschrieben wird. Wir brauchen nur ihren Anfängen zu folgen. Laßt uns doch die Sprache im Volk suchen, denn dort hat sie sich reiner bewahrt als bei den oberen Klassen . . . Das Volk und die Chronisten stellen zwei nationale Quellen dar. Dies aber genügt 306

307

Bälcescu si urmasii lui, Timpul v o m 24. 11. 1877, in: Opera politicä. Editie ingrijitä de I. Cretu, vol. I, Bucuresti o. J., S. 120ff. Vgl. ferner: Gh. Bulgär, Eminescu despre problemele limbii romine literare, Bucuresti 1963. Despre literatura, Bucuresti 1955, S. 54 und S. 65ff.

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nicht. Es wird auch nötig sein, fremde Sprachen zu studieren, damit wir sehen, ob wir in ihnen nicht Elemente finden, die unsere Sprache bereichern könnten . . . Die Wissenschaften und die Philosophie zum Beispiel erfordern eine Sprache, die noch geschaffen werden muß. Laßt uns dann von den fremden Sprachen entlehnen, was wir nicht besitzen. Entlehnen wir vor allem von den Vorfahren unserer Sprache, von den Lateinern. Aber suchen wir wenigstens jenen Entlehnungen ein rumänisches Aussehen zu geben . . . Wenn wir andererseits das Wörterbuch bereichern, erachten wir es für absurd, es gleichzeitig zu verarmen, indem wir daraus alle Wörter hinauswerfen, die nichtlateinischer Herkunft sind." 308 Damit gab Odobescu eine Orientierung, die sich als sehr fruchtbar erweisen sollte. Er selbst richtete sich in seinem eigenen literarischen Schaffen danach und setzte sich auf dieser Plattform mit den Vertretern der verschiedenen Systeme auseinander. Diese von Odobescu entworfenen Leitsätze entsprachen im wesentlichen den Grundsätzen, die Heliade in der ersten Phase seiner sprachreformerischen Tätigkeit entwickelt hatte. Odobescu hatte sie in kritischer Auseinandersetzung mit den Vorstellungen anderer Sprachreformer den Bedingungen seiner Zeit angepaßt und durch nationalromantische Einsichten vertieft. Bei seiner Ablehnung der Purifizierungstendenzen der latinisierenden Richtung wurde ein grundlegender Gegensatz zu Cipariu sehr deutlich. Die Ausmerzung nichtlateinischer Wörter aus dem Rumänischen verwarf Odobescu aus zwei Gründen. Erstens würden die anderen romanischen Sprachen ebenfalls nichtlateinische Elemente besitzen und zweitens wären diese in der rumänischen Volkssprache inzwischen ein308

„Cititorul a^teaptä poate ca dupä atita criticä noi sä dam regulele adeväratei limbi. Departe de noi astfei de pretentie; limba noasträ va incä sä se formeze si se va forma cu incetul; unii din scriitorii noijtri ne-au arätat in mici lucruri cit de frumoasä e a noasträ limbä cind e scrisä curat; n-avem decit a urma inceputurilor lor. Sä cäutäm dar limba in popor, cäci acolo s-a pästrat mai limpede decit in clasele de sus; . . . Poporul si cronicarii sint douä izvoare nationale; dar atita nu e destul. Va incä sä studiem ^i limbele sträine, ca sä vedem dacä-ntr-insele nu gäsim elemente ce ar putea sä imbogäteascä pe a noasträ. . . . spre pildä, §tiintele si filozofia cer o limbä ce trebuie§te incä formatä. Sä-mprumutäm atunci de la sträini ceea ce n-avem la noi; sä-mprumutam mai ales de la strämoijii limbii noastre, de la latini; dar sä cäutäm cel putin a da o fizionomie romineaseä acelor imprumutäri; . . . Pe de altä parte, imbogätind dic^ionarul, credem cä e absurd de a-1 säräci totdeodatä, lepädind dintr-insul toate cuvintele ce nu sint de originä latinä." (Pagini regäsite. Editie ingrijitä de G. ijerban, Bucuresti 1965, S. 11).

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gebürgert worden. Wie wir sahen, war aber für Cipariu gerade ein Hinweis auf ähnliche Verhältnisse in den romanischen Schwestersprachen völlig unangebracht, da diese Idiome bereits im Gegensatz zum Rumänischen ihr festes Gepräge besaßen. Cipariu hatte das Bewußtsein, daß eine noch zu fixierende Sprache die aktive Unterstützung von erfahrenen Philologen brauche, die sich nicht scheuen sollten, notwendige Eingriffe vorzunehmen. Ganz besonders Odobescu. Er legte bei der Formung der rumänischen Literatursprache die Volkssprache zugrunde, die es umfassend zu erschließen gelte. Nur dort, wo eine Bereicherung erforderlich war, erwartete er einen aktiven Beitrag, aber nicht von Systeme schmiedenden Reformern, sondern von ästhetisch empfindsamen Schriftstellern. In dieser Hinsicht dürfte Odobescu wohl auch klarer gesehen haben als Russo. Das Problem der Neologismen beschäftigte ihn weit mehr. Außerdem überschätzte er hinsichtlich der Gestaltung einer ausdrucksreichen Literatursprache nicht wie Russo die Spontaneität des Volkes. In seiner späteren Kritik an den latinisierenden Produkten der Akademischen Gesellschaft ließ sich Odobescu gleichfalls von diesen Grundsätzen leiten. Ihm und Alecsandri war es in entscheidendem Maße mit zu danken, daß die latinisierenden Verzerrungen in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht und durch konstruktive Vorschläge in der Akademischen Gesellschaft überwunden wurden. 309 Wie Russo nahmen auch Alecsandri und Odobescu Stellung gegen den Anspruch siebenbürgischer Gelehrter, die nationale Vorhut in der Sprachenfrage zu repräsentieren. Alecsandri hielt den Vertretern der Siebenbürgischen Schule entgegen, daß sie nicht als Gesetzgeber in sprachlichen Fragen fungieren könnten, da sie auf wirklich literarischem Gebiet nichts hervorgebracht hätten. 310 Und Odobescu 309

310

Zu Alecsandris Kritik an der latinisierenden Richtung vgl. I. Diaconescu, Vasile Alecsandri problemele limbii literare din vremea sa, in: Analele Universitätii Bucuresti 1960, S. 351 ff.; G. C. Nicolescu, Viata lui Vasile Alecsandri, Bucuresti 1965 2 , S. 509 und S. 523ff. In seinem satirischen Beitrag Dictionaru Grotescu, Convorbiri Literare III (1869), S. 173ff. und S. 305 ff., goß Alecsandri besonders seinen Spott über die pedantischen latinisierenden Sprachreformer aus. Er schrieb u. a.: „Epizodul confusiei limbelor din turnul Babel este o metaforä poeticä ce esprimä efectul infiuen^ii pedantismului in omenire." (S. 173). Odobescu (Opere. Editie ingrijitä §i studiu introductiv de T. Vianu, 2 Bde, Bucuresti 1955) machte die latinisierenden Tendenzen lächerlich in Prinzul academic din 15 septemvrie 1871 (I, S. 297ff.) und unterbreitete wertvolle Vorschläge in Reviziunea dictionarului Academiei (I, S. 313ff.). Despre literaturä, S. 118-119.

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konstatierte in einem 1877 an Barit gerichteten Brief bezüglich der Verdienste der Siebenbürgischen Schule: „Die exklusiven, extremen und übertriebenen Ideen, die vor 75 Jahren sicherlich zum Nutzen des Volkstums waren, sind heute ernstlich nicht mehr zulässig, wo unsere Herkunft genug geklärt ist. Wenn ein Mensch erwachsen geworden ist, fragt ihn niemand mehr danach, wer sein Vater ist, sondern was er selbst zu tun weiß." 311 Zwischen den Jahren 1860 und 1880 erhielt die Sprachenfrage in Rumänien nochmals starken Auftrieb. Es war die letzte bemerkenswerte Phase in den Auseinandersetzungen der verschiedenen Richtungen. Die Zeitungen und Zeitschriften spielten hierbei schon seit 1829 in zunehmendem Maße eine nicht zu unterschätzende Rolle, mobilisierten sie doch das öffentliche Bewußtsein für diese nationalen Probleme. 312 Eine einheitliche allgemeinverbindliche Nationalsprache zu schaffen, schwebte allen als Ziel vor. Grundlegende Differenzen gab es nur bei der Verwirklichung dieses Ziels und hinsichtlich des Antlitzes der rumänischen Hochsprache. Daß die latinisierende Richtung dabei trotz mächtigen Einflusses in der Akademischen Gesellschaft zu Bukarest endgültig scheiterte, dafür dürften folgende Gründe maßgebend gewesen sein: Seit ungefähr 1840 bahnte sich eine literarische Entwicklung in der Moldau und in der Walachei an, die beachtenswerte dichterische Werke zeitigte und in ihrer sprachlichen wie literarischen Grundkonzeption den nationalromantischen Ideen verpflichtet war. I n den siebziger und achtziger Jahren rückten dann solche Klassiker der rumänischen Literatur wie M. Eminescu, I. Slavici, I. Creangä und I. Caragiale immer deutlicher in den Vordergrund. Damit klärte sich allmählich das einst oft aufgeworfene Problem der sprachlich-dichterischen Vorbilder in der nationalen Tradition. Angesichts dieser literarischen Entfaltung mußte der Versuch einer etwas künstlichen Regenerierung des Rumänischen fehlschlagen. Hinzu kam noch, daß in dem jungen rumänischen Nationalstaat die Volkssprache auch aus politischen, nationalerzieherischen Gesichtspunkten mehr beachtet werden mußte. Die latinisierenden Tendenzen trugen überdies bei allen nationalen Aspirationen den Stempel eines siebenbürgischen Partikularismus. Der Schwerpunkt des Rumänentums 311

Opere complete, Bucuresti 1908, vol. II, S. 254—255: „Ideile exclusiviste, extreme, exagerate, care au fost negresit spre folosul nationalitä^ii acum trei pätrare de secoli, nu mai sunt admisibile in mod seriös, astäzi cänd lumina s'a fäcut indestulä asupra originei noastre. Ajuns la värstniciä, nimeni nu-1 mai intreabä pe om oine este tätäne-säu, ci se stie face insu$i." 312 Vgl, D. Macrea, Contributia publicatiilor periodice la dezvoltarea lingvisticii rominesti, in: CL VIII (1963), S. 7 - 3 5 .

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mußte jetzt Staat liegen.

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notwendigerweise in dem neu errichteten rumänischen

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Russos Kampf gegen die philologischen Systemschmiede der verschiedensten Richtungen wurde nach 1860 hinsichtlich der theoretischen Begründung hauptsächlich von Maiorescu313, dem geistigen Inspirator der „Junimea", fortgesetzt. Maiorescus Angriffe richteten sich besonders gegen die sprachreformerischen Grundsätze, die Aron Pumnul in der Bukowina zu verwirklichen suchte, und gegen die Latinisierungstendenzen der Siebenbürgischen Schule. Mit Besorgnis nahm Maiorescu zur Kenntnis, daß in der neugegründeten Akademischen Gesellschaft zu Bukarest, der späteren Rumänischen Akademie, die latinisierende Richtung durch siebenbürgische Gelehrte eine starke Position besaß. Er nutzte daher jede sich ihm günstig erscheinende Gelegenheit, um die philologische Tätigkeit dieser Gelehrten einer strengen Kritik zu unterziehen. Hierbei brauchte Maiorescu nur an die kritischen Äußerungen anzuschließen, die schon Russo, Kogälniceanu und andere „pa§opti§ti" gegenüber den latinisierenden Reformern vorgebracht hatten. Auch für Maiorescu war allein der Sprachgebrauch des Volkes entscheidend. Jede bewußte Einwirkung auf die Sprachentwicklung wurde von ihm, wie einst von Russo, als unnatürlicher, pedantischer Eingriff abgelehnt. Russo und Maiorescu trafen sich ferner in der Ansicht, daß erst dann die Voraussetzungen für einen festen einheitlichen rumänischen Sprachgebrauch gegeben seien, wenn es auf einer bestimmten Entwicklungsstufe klassische, d. h. vorbildliche Autoren gebe, deren Werke dann als Grundlage einer einheitlichen nationalsprachlichen Norm dienen könnten. Obgleich diese beiden Männer ähnliche Sprachauffassungen vertraten, gingen sie doch von völlig verschiedenen ideologischen Voraussetzungen aus. Während Russos Sprachauffassung noch romantisch war, wurde diejenige Maiorescus bereits durch den beginnenden Positivismus geprägt. Das drückte sich vor allem deutlich aus in Maiorescus Konzeption von der Sprache als einem autonomen natür313

9*

Vgl. Critice 1866-1907, 3 Bde, Bucuresti 1915 2 ; ferner: Gr. Brincus, Titu Maiorescu si problemele limbii, in: LR X I I I (1964), Nr. 5, S. 4 8 3 - 4 9 3 ; D. Macrea, Titu Maiorescu si problemele limbii romäne, in: Studii de istorie a limbii si a lingvisticii romäne, Bucuresti 1965, S. 26—64; T. Vianu, Studii de literaturä romänä, Bucuresti 1965, S. 136—203; L . P o p , Problemele lingvistice la Convorbiri Literare, in: SC§ V I (1955), S. 2 6 3 - 2 9 9 ; Z. Ornea, Junismul, Contributii la studierea curentului, Bucuresti 1966.

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liehen Organismus. Unter Hinweis auf Schleicher und Max Müller sah Maiorescu in der Sprachentwicklung ein Phänomen der Naturgeschichte. 314 F ü r den beginnenden Positivismus des vergangenen Jahrhunderts war typisch, daß man die Sprache unter dem Einfluß der mächtig aufkommenden Naturwissenschaften als Naturprodukt zu fassen suchte, unabhängig von menschlicher Willensentscheidung. E s war bezeichnend, daß Maiorescu auf seine „Vorläufer" in der rumänischen Sprachenfrage überhaupt keinen Bezug nahm. Der Grund hierfür dürfte in Maiorescus Weltanschauung zu suchen sein, denn die politischen Ansichten der „Pa§opti$ti", jener revolutionären demokratischen Generation von 1848, zu der auch Russo gehörte, waren ihm zuwider. E r hielt nichts von ihrem nationalen Geschichtsbild, das vom Fortschrittsgedanken erfüllt war und von Optimismus zeugte. Maiorescu vertrat ein pessimistisches Weltbild Schopenhauer scher Prägung. Die historische und literarische Tradition seines Vaterlandes achtete Maiorescu gering. Überall fühlte er sich verpflichtet, dem nationalen Überschwang auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet einer vernichtenden Kritik unterziehen zu müssen. Der fortgeschrittenste internationale Stand h a t t e seiner Ansicht nach auch bei der Beurteilung der wissenschaftlichen und literarischen Werke Rumäniens als Maßstab zu dienen. Von hier aus verwarf er sehr viele rumänische Werke seines Jahrhunderts als mittelmäßig, klischeehaft oder unwissenschaftlich. Maiorescu kämpfte nicht nur gegen Schablone und Mittelmäßigkeit in der rumänischen Literatur. Auch die nationale politische Thematik wollte er daraus verbannt wissen. Vaterländische Töne in der Dichtung waren ihm von vornherein suspekt, da sie seines Erachtens nichts in einer echten Kunst zu suchen hätten. Maiorescu vertrat damit als einer der ersten in Rumänien das Prinzip des l'art pour l'art, eine Folge seiner Opposition zum nationalromantischen Geschichtsbild der „Pa§opti?ti". I n seiner Geschichtsfremdheit und seiner Verkennung des Durchbruchs neuer bürgerlich-demokratischer Ideen warf er den jungen, meistens aus Frankreich zurückgekehrten rumänischen Intellektuellen vor, daß sie Erscheinungen und Institutionen übernehmen wollten, für die in Rumänien noch keine Grundlage gegeben sei. Diese f ü r das westliche Ausland begeisterten Intellektuellen wollten in ihrem Vaterland rasch eine diesem ähnliche Literatur, Wissenschaft und K u n s t erreichen, einen freien Staat ins Leben rufen, ohne daß die Voraussetzungen hierfür vorlagen. Der eigentliche Beweggrund dieser Bemühungen, folgerte Maiorescu, „konnte nur die Eitelkeit der Abkömm314

Vgl. Critice Bd. I, S. 213 und Bd. II, S. 116 und S. 208.

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linge Trajans sein, die Eitelkeit, den fremden Völkern um jeden Preis zu zeigen, selbst unter Mißachtung der Wahrheit, daß wir ihnen in bezug auf das kulturelle Niveau gleich sind". 315 Maiorescu meinte hierbei eine tiefe Kluft zwischen Form und Inhalt zu erkennen, da seines Erachtens nur das Äußere, die Formen der kulturellen und politischen Einrichtungen der westlichen Länder von dieser jungen rumänischen Intelligenz übernommen worden seien. Der dazu erforderliche Inhalt habe aber nicht geboten werden können. Maiorescu wurde nicht müde, immer wieder einen solchen Gegensatz von Form und Inhalt in der rumänischen Gesellschaft seiner Zeit herauszustellen. Andererseits vermochte er aber auch nicht anzugeben, auf welche Weise der kulturelle und politische Aufstieg seines Volkes wirkungsvoll hätte gefördert werden können. Von einer bewußten aktiven Einwirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung versprach sich Maiorescu absolut nichts. Seine Überzeugung war, daß die gesellschaftliche Entwicklung allmählich und spontan vor sich gehe, einem Naturprozeß gleiche. Davon ausgehend bemerkte Maiorescu antithetisch zugespitzt: „Denn ohne Kultur kann noch ein Volk in der Hoffnung leben, daß zu einem natürlichen Zeitpunkt seiner Entwicklung auch diese erquickliche Form des menschlichen Lebens aufkommen wird; aber mit einer falschen Kultur kann kein Volk leben." 316 Mittelmäßigkeit sei um so bedenklicher, je ungebildeter ein Volk ist. In einer solchen Situation würde ein echter Maßstab fehlen, und eine objektive Selbsteinschätzung sei nicht mehr möglich. Deshalb meinte Maiorescu, daß eine kritische Sichtung der kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen seiner rumänischen Zeitgenossen dringendes Gebot sei. Er selbst zog diese Bilanz. Rigoros und pietätlos ging er an sein destruktives Werk. Nur wenige Autoren blieben von seinem vernichtenden Urteil verschont. So streng und scharfsinnig er hierbei auch vorging, es fehlte ihm der Blick für die historische Entwicklung, für positive Ansätze in der eigenen nationalen Tradition. Im Jahre 1869 hielt Maiorescu kritisch Umschau 317 , ob es bereits literarische Werke gab, die eine auf den üblichen Sprachgebrauch beruhende, künstlerisch geformte Sprache aufwiesen und als Vorbild dienen konnten. Nach 315

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Ebenda, Bd. I, S. 157: „Mobilul propriu nu a putut fi decät vanitatea desoenden^ilor lui Traian, vanitatea de a arätä popoarelor sträine cu orce pre£, chiar cu dispretul adevarului, cä le suntem egali in nivelul civilizatiunii." Ebenda, S. 164: „Caci färä culturä poate inca träi un popor cu nädejdea cä la momentul firese al dezvoltarii sale se va ivi aceastä forma binefäcätoare a vietei omenesti; dar cu o cultura falsa nu poate träi un popor." Observäri polemice, Critice, Bd. I, S. 123 ff.

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seinem Urteil boten nur Alecsandri, Bolintineanu, Alexandrescu und Negruzzi mit vielen ihrer Schöpfungen ein solches sprachliches Modell, nicht aber die zahlreichen anderen rumänischen Dichter zweiter und dritter Garnitur aus früherer Zeit, die Aron Pumnul in seiner sechsbändigen kommentierten Anthologie Leptuariu rumänesc zu Worte kommen ließ. Aron Pumnul wollte mit dieser Anthologie zeigen, daß schon eine umfangreiche rumänische Literatur vorhanden sei. Mittels dieser Anthologie erhoffte sich Pumnul eine Unterstützung der kulturellen nationalen Bestrebungen der Rumänen in der österreichisch-ungarischen Monarchie in zweifacher Hinsicht. Erstens sollte damit gegenüber fremden Vorurteilen kundgetan werden, daß auch die rumänische Sprache über eine Literatur verfügt, nicht nur das Deutsche und Ungarische. Zweitens hatte die Anthologie einen praktischen nationalerzieherischen Zweck. Sie diente an höheren Schulen als Lehrbuch und führte die Zöglinge in die nationale Literatur ein. Mihai Eminescu, Rumäniens größter Dichter, fand hier bei seinen poetischen Anfängen dichterische Anregungen und nationalhistorische Kenntnisse. Im Vordergrund stand bei Pumnul nicht der Gesichtspunkt einer kritischen Auswahl in ästhetischer Hinsieht, vielmehr das Bemühen, möglichst viele Autoren zu erfassen. Maiorescu ließ aber nur den ästhetischen Aspekt gelten. Nach seiner Auffassung war vieles von dieser Anthologie nicht als Literatur zu bezeichnen. Nur blindes Nationalgefühl könne über die eigenen Schwächen hinwegtäuschen. Eine nur aus Patriotismus entstandene Idee hielt keinem streng wissenschaftlichen Maßstab stand. Maiorescu beteuerte: „Unsere menschliche Würde erlaubt uns nicht, aus Erzeugnissen, die bei gebildeten Völkern Gegenstände des Gelächters oder des Mitleids sind, eine verehrungswürdige Sammlung zu formen und sie auf dem Altar des Vaterlandes mit dem Weihrauch der Schmeichelei niederzulegen."318 Auch die Werke der Siebenbürgischen Schule verwarf Maiorescu ohne jede Rücksicht auf die historischen Besonderheiten seines Volkes. So behauptete er, daß Ciparius Sprachtheorien für jeden westlichen Philologen nur eine Reihe von Irrtümern darstellten, und Bärnutius Auffassung vom öffentlichen Recht wäre für einen Juristen, der mit den elementaren wissenschaftlichen Begriffen vertraut sei, ein Gewebe von falschen Interpretationen und unverzeihlichen Konfusionen. Ebenso scharf ging Maiorescu mit den Historiographen der Siebenbürgischen Schule ins Gericht. Sie hätten wegen 318

Critice, Bd. I, S. 138: „Demnitatea noasträ de oameni nu ne permite, ca din produceri, ce la popoare culte ar fi obiecte de ras sau de compätimire, sä facem o colectie venerabila si sa o depunem pe altarul patriei cu tämäia lingu^irii."

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eines übertriebenen falschen Nationalstolzes die historische Wahrheit verdreht. I m Gegensatz zu den von den „Pa§opti$ti" gegebenen Einschätzungen fiel Maiorescus Urteil über Maior und §incai vernichtend aus. 319 Maiors These von der Ausrottung der Daker durch die Römer sei unhaltbar. Sie entspränge dem Wunsche, die Rumänen zu unverfälschten Nachkommen der Römer zu stempeln. Aus dem gleichen Grund verdammte Maiorescu auch das Wörterbuch von Buda und das 1840 erschienene Tentamen criticum in originem . . . Laurians. Derartige Untersuchungen wären eher geeignet, bei ausländischen Gelehrten Mißtrauen zu säen als wissenschaftlich zu überzeugen. I n völliger Diskreditierung der eigenen nationalen Tradition ging Maiorescu soweit, daß er behauptete: „Wenn heute das Rumänische allgemein als romanische Sprache gilt, so' ist das nicht jenen allzu patriotischen rumänischen Philologen zu verdanken, sondern ausländischen Sprachwissenschaftlern wie Diez, Fuchs, Miklosich usw." 3 2 0 Mit gleicher Vehemenz griff Maiorescu auch die Akademische Gesellschaft in Bukarest an, deren Aufgabe es sein sollte, f ü r einheitliche rumänische Sprachnormen zu sorgen. Ironisch stellte er die Frage, was m a n in dieser Hinsicht schon von ihren Mitgliedern erwarten könne, die überhaupt nicht mit den modernen sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen vertraut sind. Vor allem die auf der Etymologie basierenden Systeme würden dem modernen Sprachgebrauch überhaupt nicht Rechnung tragen. Maiorescu wollte hierbei als Prinzip beachtet wissen: „Je schneller und genauer ein Gedanke ausgedrückt werden kann, desto besser ist die Sprache." 3 2 1 Nach seiner Überzeugung war ein einheitlicher Sprachgebrauch zu seiner Zeit nicht zu erreichen, da der Entwicklungsprozeß auf diesem Gebiet noch nicht weit genug gediehen sei. Erst wenn durch die allmähliche Herausbildung einer als klassisch zu geltenden Poesie und Prosa genügend Werke vorhanden sind, sei das Vorbild gegeben, auf dem die einheitliche sprachliche Norm basieren könne. Bis diese Phase erreicht ist, müsse es notwendigerweise gewisse Schwankungen im Sprachgebrauch geben Jede Voraussicht lehnte Maiorescu auf diesem Gebiet ab, da sich das Leben als etwas Instinktives dem menschlichen Urteil entziehe. 322 Nur das könne festgestellt werden, daß die zur damaligen Zeit besten und verbreitetsten Ebenda, S. 158. Ebenda, S. 159: „Daca strainii stiu astazi si recunosc, ca noi suntem de vitä latinä, meritul este nu al nostru, ci al filologilor Dietz, Raynouard, Fuchs, Miclosich, Max Müller si altii." ™ Ebenda, S. 219. 322 Ebenda, S. 224.

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Autoren Alecsandri, Bolintineanu und Odobescu seien. Vieles von dem, was sie sprachlich gestalten, dürfte Aussicht haben, als etwas Bleibendes zu gelten. Das sei darauf zurückzuführen, weil es sich hier um ästhetisch fühlende Dichter handele, nicht um meditierende Gelehrte. Mit ihrem Ohr vermögen sie in sprachlicher Hinsicht mehr zu leisten als Hunderte von Philologen mit ihrem Kopf. 323 In den letzten Jahren bemühten sich verschiedene Literarhistoriker, Linguisten und Philosophen der Sozialistischen Republik Rumänien darum, die relativ progressiven Aspekte in Maiorescus kulturpolitischer Tätigkeit herauszuarbeiten, Maiorescus Rolle in der nationalen Tradition näher zu bestimmen.324 In gesellschaftlicher und philosophiegeschichtlicher Hinsicht war Maiorescus reaktionäre Position in der rumänischen Geschichte offenkundig. Ebenso offenkundig war aber auch, daß von seiner kritischen Tätigkeit auf dem Gebiet der eigenen Sprache und Kultur eine positive Wirkung ausgegangen war. Mochte der ideologiegeschichtliche Ausgangspunkt seiner Reformbestrebungen auch fragwürdig sein, die sich daraus ergebenden praktischen Konsequenzen zeitigten in der damaligen Situation fruchtbare Ergebnisse. Maiorescus nüchterner Standpunkt in den sprachlichen Fragen wirkte als willkommener Ausgleich gegenüber den von einem enthusiastischen Nationalbewußtsein getragenen Latinisierungstendenzen. Maiorescu ging vom traditionell Gewordenen aus und wandte sich gegen eine künstliche Regenerierung des Rumänischen. Eine zu eng an das Lateinische als der „Mutter des Rumänischen" angeglichene Rechtschreibung, die keine Rücksicht auf die historisch entstandene Lautung nahm, lehnte er ab. Die Vertreter der latinisierenden Richtung waren durchweg fortschrittlich gesinnte, bürgerlich-demokratische Gelehrte aus Siebenbürgen, die zum Teil in dem 1859 durch die Vereinigung der beiden Fürstentümer Moldau und Walachei gegründeten rumänischen Staat eine Wirkungsstätte gefunden hatten. Da in Siebenbürgen die nationale Frage nicht geklärt war, vielmehr durch den 1867 dekretierten Anschluß Siebenbürgens an Ungarn neue Spannungsmomente erhielt, war die latinistische Idee für die rumänischen Intellektuellen Siebenbürgens nicht nur ein unumstößliches nationales Credo, sondern sie blieb weiterhin Kampfparole. Diese Momente fehlten im jungen rumänischen Nationalstaat, so daß die latinistische Idee 323 Ebenda, S. 225. 324 Vgl. Viata Romäneasca 1963, Nr. 5 (S. 64ff.), 8 (S. 52ff.), 9 (S. 103ff.) und 12 (S. 101 ff.) ferner: C. I. Gulian, Titu Maiorescu exponent ideologic al regimului burghezo-mosieresc, in: Din istoria filozofiei in Rominia, vol. I, Bucuresti 1955, S. 71-92.

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nicht mehr dieses ideologische Gewicht bei der nationalen Selbstrechtfertigung besaß. Vor allem die praktische Seite der Sprachenfrage galt es nun mehr denn je zu klären, eine allgemeinverbindliche Orthographie, eine normative Grammatik und ein umfassendes Wörterbuch waren nach verschiedenen Ansätzen zu schaffen. In dieser Situation mußten die gelehrten latinisierenden Bemühungen der Siebenbürgischen Schule, die sich in der Akademischen Gesellschaft in Bukarest zunächst durchsetzten, scheitern. Mit der Erweckung bzw. Schaffung papierener Formen konnte der Sprachgebrauch nicht gelenkt oder gar normiert werden. Die Opposition dagegen setzte, wie wir sahen, früh schon in Muntenien und in der Moldau ein, besonders nach 1840 seitens der um die Zeitschrift Dacia Liter ara gruppierten Schriftsteller. 325 Diese nach 1860 von bedeutenden Schriftstellern wie Alecsandri und Odobescu fortgesetzte Opposition unterschied sich in der direkten Angriffsspitze nicht von Maiorescus Auseinandersetzungen mit der latinisierenden Richtung. Maiorescu konnte deshalb mit seinen Reformen so große Wirkung bei seinen Zeitgenossen haben, weil er diese Gegenposition zu systematisieren verstand. Mit seinen Vorschlägen zur rumänischen Orthographie bot er eine echte Alternative. In seiner 1866/67 erschienenen Abhandlung Despre scrierea limbei romàne entwarf er in umfassender Weise die Grundsätze einer auf lautlichen und logischen Kriterien beruhenden Rechtschreibung, die nach 1881 richtungweisend in Rumänien werden sollte. Auch in bezug auf die Sprachpflege übte Maiorescu von seinem Standpunkt aus eine Kritik, die in ihren praktischen Ergebnissen das entsprechende Erbe der nationalromantischen Kräfte in der Moldau fortsetzte. So bekämpfte Maiorescu die wahllose Entlehnung aus dem Lateinischen, Französischen oder Italienischen. Oder er rügte die rumänischen Schriftsteller und Journalisten in Siebenbürgen und der Bukowina, die ein in den sprachlichen Wendungen dem Deutschen nachgebildetes Rumänisch gebrauchten. 326 Es war somit die damalige besondere geschichtlich-gesellschaftliche Konstellation Rumäniens, die Maiorescu zu einer positiven Rolle als Reformer und Kritiker auf dem Gebiet der Sprache verhalf. Er setzte sich für eine allmähliche Anpassung an westeuropäische Vorbilder im geistigen und politischen Leben Rumäniens ein, wobei ihm besonders das preußische Beispiel imponierte. Die naturrechtliche liberale Ideologie und ihre Reprä325 Vgl. c . Parfene, Ìnsemnatatea ,Daciei literare' in dezvoltarea culturii rominesti, in: SC$ X I (I960), S. 1 3 - 3 0 ; G. C. Nicolescu, Curentul de la ,Dacia literara', in: Lit., vol. V (1961), S. 199-219. 326 Limba romàna in jurnalele din Austria (1868), Critice, Bd. I, S. 81 ff.

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sentanten lehnte er ab. Maiorescu huldigte einem Traditionalismus, der jedweden Neuerungen gegenüber vorsichtig war, ohne jedoch sich ihnen völlig zu verschließen, wenn sie sich nach und nach herausbildeten. Tiefgehenden Eingriffen auf politischem wie auf sprachlichem Gebiet gegenüber verhielt er sich abweisend. In der rumänischen Sprachenfrage wirkte sich eine solche Einstellung zu jener Zeit positiv aus, da sich in der sprachlichen Entwicklung keine grundlegenden Umwälzungen innerhalb weniger Jahrzehnte vollziehen können und da angesichts der ziemlich gewaltsamen Latinisierungsbemühungen eine den tatsächüchen Sprachgebrauch beachtende Gegenbewegung eine heilsame Reaktion darstellte. In politischer Hinsicht bedeutete diese Einstellung ein Negativum, den Verzicht auf grundlegende revolutionäre Veränderungen und damit zugleich eine Gegnerschaft zu den fortschrittlichen Kräften, welche die endgültige Beseitigung der feudalen Überbleibsel sich zum Ziel gesetzt hatten. In Maiorescus Angriff auf Bärnutiu, der sich in der ideologischen Instrumentierung seines Kampfes gegen verbliebene feudale Einrichtungen auf das römische Recht berief, fand diese Dialektik geradezu exemplarischen Ausdruck. 327 Maiorescu war im Recht, wenn er die latinomane rechtshistorische Konzeption Bärnutius als historischen Irrtum entlarvte. Vom Blickpunkt des historischen Prozesses aus betrachtet, war Maiorescu aber insofern im Unrecht, wenn er damit zugleich die antifeudalen demokratischen Aspirationen Bärnu^ius bekämpfte.

C. Hasdeus Auseinandersetzung mit Maiorescu und dem Geschichtsbild der Siebenbürgischen Schule Maiorescu konnte zwar den philologischen Arbeiten Hasdeus nicht die Anerkennung versagen, doch Hasdeus sprachwissenschaftliche Theorien forderten seinen Widerspruch heraus. Ein von Maiorescu oft vorgebrachter Einwand war, daß es Hasdeu bei seinen theoretischen Verallgemeinerungen nicht verstehe, mit abstrakten Begriffen richtig zu arbeiten. 328 Hier offenbarte sich ein Gegensatz, der von Hasdeus Seite noch wesentlich stärker akzentuiert wurde. Die zwischen diesen beiden Männern vorhandenen Spannungen, die vor allem Hasdeus polemischen Geist auf den Plan riefen, entsprangen weltanschaulich-wissenschaftlichen Gegensätzen. Sosehr auch 327 Contra scoalei B&rnutiu (1868), Critice, Bd. II, S. 185ff. Vgl. ferner: N. Bagdasar, Conceptia social-politicä a lui Simion Bärnutiu, in: SC§ VI (1955), S. 241-262. 328 Vgl. Critice, Bd. III, S. 33.

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persönliche Momente dabei mit im Spiele gewesen sein mögen, die Ursachen hierfür lagen tiefer. In diesen oft heftig geführten Diskussionen zeichnete sich im geistigen Leben Rumäniens zwischen 1860 und 1880 eine wichtige Auseinandersetzung ab zwischen romantisch-demokratischer und positivistisch-aristokratischer Grundhaltung, zwischen optimistischem nationalgetönten und desillusionistisch universal bestimmtem Bewußtsein, zwischen umfassender wissenschaftlicher Schau und einer nur auf ein Gebiet beschränkten Sicht unter Anwendung naturwissenschaftlich-mechanischer Methoden im historisch-philologischen Bereich. Dies war die letzte große Auseinandersetzung, welche die rumänische liberal gefärbte Romantik mit ihren Gegnern führte. Hasdeu bekämpfte Maiorescus Ideen im Sinne der nationalen Romantik als Schriftsteller, Historiker und Sprachforscher. 329 Zugleich lehnte er aber auch die Bestrebungen der latinistischen Schule ab. Gegen Maiorescu erhob Hasdeu den schwerwiegenden Vorwurf kosmopolitischer Gesinnung. Da Maiorescu die westeuropäische Literatur und Kunst schlechthin als Maßstab betrachte, würde er nicht die fruchtbaren Ansätze für eine zukunftsträchtige kulturelle und wissenschaftliche Entwicklung in Rumänien selbst sehen und sie überdies noch in nicht zu verantwortender Weise diskreditieren. Statt die rumänischen Intellektuellen zu ermuntern, die vorhandenen Ansätze in wissenschaftlicher und literarischer Hinsicht weiter auszubauen und rascher zu entwickeln, mokiere sich Maiorescu darübér, tue sie als inferiore Gebilde, als Zeugen eines noch sehr unentwickelten Stadiums ab. Hasdeu war demgegenüber überzeugt, daß die Rumänen auf verschiedenen Gebieten bereits mit anderen Nationen mithalten könnten. Außerdem, so warf Hasdeu ein, biete jede Nation innerhalb der Menschheit einen spezifischen Aspekt, ein nur ihr eigenes Antlitz, das sich auch in ihrer Kunst und Literatur ausdrücke. Universales könne 329

Scrieri literare, morale si politice. Editie critica cu note si variante de M. Eliade, Bucuresti 1937ff. (Nur 2 Bde bisher erschienen). Über die sprachwissenschaftlichen Anschauungen und Studien Hasdeus vgl.: S. Puscariu, B. P. Hasdeu ca lingvist, in: Analele Academiei Romane , (Memoriile Sectiei literare), 1932—1934; Th. Capidan, B. Petriceicu Hasdeu lingvistul, in: Limbä si cultura, Bucuresti 1943, S. 331—360; Lucia Pop, Preocupäri lingvistice la revístele lui Hasdeu in perioada ie§eanä, in: SC§ (1956), S. 51 ff.; D. Macrea, Lingvifti §¡i filologi romäni, Bucuresti 1959, S. 81—104; C. Poghirc, B. P. Hasdeu indo-europenist, in: LR X I I (1963), Nr. 5, S. 4 6 9 - 4 7 7 ; L.Wald, Hasdeu si problemele de teorie a limbii, in: ebenda, S. 464—468; AI. Rosetti, Bogdan PetriceicuHasdeu ¡ji studiul limbii romane, in: ebenda, S. 459—463. S. ferner: G. Munteanu, B. P. Hasdeu, Bucuresti 1963.

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sich deshalb lediglich auf einer nationalen Basis bekunden. Kunstwerke anderer Nationen als Maßstab schlechthin zu setzen, wie Maiorescu verfährt, verstoße gegen diese Grunderkenntnis. Hasdeu betonte in seiner Auseinandersetzung mit Maiorescu, daß es keinesfalls angehe, das spezifisch Nationale einer alleinigen universalen Betrachtung zu opfern. Damit führte er das von den „Pa?opti?ti" entwickelte nationale Weltbild weiter. Hasdeu erblickte in der Nation eine wesentliche Voraussetzung für jede wertvolle geistige Betätigung. Gegenüber Maiorescus Versuchen, die allzu patriotischen, nationalgetönten Äußerungen im rumänischen Geistesleben als unbegründet zurückzuweisen oder als Farce zu verhöhnen, wollte Hasdeu als Prinzip folgendes festgehalten wissen: „Der Nationalismus ist eine wesentliche Bedingung aller großen Schöpfungen im geistigen Bereich. Was für ein Individuum die Originalität darstellt, ist für ein Volk die Nationalität." 3 3 0 Auch in seinen historischen Arbeiten führte Hasdeu die nationalromantische Linie fort, wie sie von Kogälniceanu und Bälcescu vorgezeichnet worden war. Er suchte verschiedene Ansätze noch zu vertiefen und bezog dabei Front gegen das von der Siebenbürgischen Schule vorgebrachte nationale Geschichtsbild. Zwar hatten bereits Kogälniceanu und Bälcescu den Schwerpunkt der nationalen Geschichte im Gegensatz zur Siebenbürgischen Schule in das Mittelalter verlegt, doch die von Ciain und Maior vertretene These, wonach alle Daker im Kampf gegen die Römer umgekommen wären, ließen sie nicht nur unangetastet, sondern übernahmen sie teilweise sogar. Auch Hasdeu wandte sich der rumänischen Geschichte des Mittelalters zu, die für die Nationalerziehung wichtige Aspekte zutage fördern sollte. Doch zugleich setzte er sich mit der Theorie auseinander, daß die Daker ausgerottet worden wären. Im Jahre 1860 veröffentlichte er einen Aufsatz unter dem Titel: Sind die Daker umgekommen ? Darin bezweifelte er sehr stark die siebenbürgische These und entwickelte dann in seiner 1872 erschienenen Istoria criticä a Romänilor umfassend eine neue Theorie, nach der die Daker als Urahnen in die nationale Geschichte einbezogen werden müßten. Hasdeu deckte dakische Wörter in der rumänischen Sprache auf, und in Anlehnung an Miklosich sah er im Dakischen das vorrömische Substrat des Rumänischen, das in einzelnen Erscheinungen der grammatischen Struktur des Rumänischen bis heute nachwirke. Bei den Vertretern der Siebenbürgischen Schule erregten Hasdeus Ausführungen heftigen Wider 330

Cauzele rezultatele cosmopolitismului, Columna lui Traian, II, Nr. 7, zit. nach M. Eliade, Introducere zu Scrieri literare, . . ., s. vol. I, L X I I : „Nationalismul este o conditie esentialä a tuturor creatiunilor mari in sfera ideii."

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sprach 331 , hatte er damit doch einen ihrer ideologischen Kardinalpunkte getroffen. Zwar meinte auch Maiorescu, daß diese siebenbürgische Theorie sich schwer mit den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbaren würde, doch dabei ließ er es bewenden. Hasdeu dagegen zog die letzten Konsequenzen aus dem Geschichtsbild der nationalen Romantik, indem er dieses nationale Geschichtsbild auf die vorrömischen Verhältnisse ausdehnte und die These von der Ausrottung der Daker entkräftete. Wenn eine Nation etwas Spezifisches innerhalb der Nationen darstelle, folgerte Hasdeu, müsse diese Individualität bis in die graue Vorzeit zurückverfolgt werden. Der für viele romanische Völker gemeinsame römische Ausgangspunkt erkläre nicht die ethnische Spezifik. Die Daker bildeten für die Rumänen das Urvolk wie die Gallier für die Franzosen und die Iberer für die Spanier. 332 Auch in seinen sprachwissenschaftlichen Studien bekundete Hasdeu eine romantische Grundhaltung. In den methodologischen Ansätzen seiner Arbeiten tritt dies deutüch hervor. Die Weite seiner sprachwissenschaftlichen Konzeption, das Gigantische seiner linguistischen und historiographischen Unternehmen machten viele Zeitgenossen betroffen. Zwar führte Hasdeu keines seiner im großen Stil begonnenen Werke zu Ende, doch soviel Erudition, so umfassende Kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten, von der Philologie über die Literaturwissenschaft, Volkskunde, Geschichte bis zur Ökonomie, in einer Person vereinigt, erregten Bewunderung. Es war nicht zufällig, daß Hasdeu in Anlehnung an Jacob Grimm die Rechtsaltertümer seines Volkes sammelte und einen umfassenden Thesaurus des rumänischen Wortschatzes zu verfassen begann. Wie Grimm meinte Hasdeu: „Jedes große Wörterbuch einer Sprache müßte das verbreitetste, das anziehendste Lesebuch sein, denn dort und nur dort findet sich völlig das ,erkenne dich selbst' einer Nation." 3 3 3 Nachdrücklich lehnte Hasdeu Schleichers Stammbaumtheorie ab. 334 Überhaupt wandte er sich gegen die in der Linguistik durch Schleicher voll331

Massim, ein Vertreter der latinistischen Schule, polemisierte vor allem gegen Hasdeus Auffassung. Vgl. Scrieri literare, . . . vol. II, S. 340. 332 Vgl. Scrieri literare, . . . Introducere, S. L X X V . 333 „Ori-ce mare dic^ionar al unel limbl ar trebui sä fie cartea de lecturä cea mal respänditä, cea mal aträgötöre, cäcL acolo si numal acolo se afla deplinul yvw&i aeavrov al unel na^iunl." Din Etymologicum Magnum Romaniae (Dic^ionare dic^ionare, Bd. II, S. I X — XVIII), Bucureijti 18945, g. 18. 334 Ygi, Cuvente den bäträni. Texte alese cu o introducere si note de J. Byok, Bucure^ti 1937, S. 191, 194.

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zogene Wendung zur Naturwissenschaft, auf die sich Maiorescu berief. Hasdeu erblickte in der Sprache in erster Linie eine gesellschaftliche Erscheinung, die mit dem Geist des sie sprechenden Volkes unmittelbar verbunden sei. Hasdeus Auseinandersetzung mit Cihac spiegelte ebenfalls eine romantische Grundkonzeption wider gegenüber den aufkommenden positivistischen Methoden. Cihac stand der „Junimea" nahe und publizierte in den Convorbiri Literare. In ziemlich mechanistischer Weise zergliederte Cihac den rumänischen Wortschatz nach der etymologischen Herkunft. Hierbei kam er zu dem Ergebnis, daß zwei Fünftel dem Slawischen entlehnt sind. Hasdeu, der ebenso wie Maiorescu die latinisierenden Sprachreformen bekämpfte, entkräftete Cihacs Ergebnisse mit dem wichtigen Hinweis, daß bei solchen Untersuchungen vor allem der Umlaufswert der betreffenden Wörter gebührend beachtet werden müßte. 335 Schließlich sei noch erwähnt, daß Hasdeu in bezug auf das heftig erörterte Problem der rumänischen Sprachenfrage, welches Verhältnis zwischen den einzelnen Dialekten und der gemeinsamen Nationalsprache besteht, eine grundlegende wissenschaftliche Orientierung gab. Er definierte die Nationalsprache wie folgt: „Sie ist kein privilegierter Dialekt, sondern die Versammlung aller Dialekte unter der Präsidentschaft eines einzigen Dialekts." 336 Die Nationalsprache, erläuterte Hasdeu weiter, bilde sich auf der Grundlage 335 Ebenda, S. 233ff. Cihac wies darauf hin in seinem Dictionnaire d'etymologie daco-romane, Francfort s/M. 1870—1879 (Der erste Band enthält die lateinischen Elemente, der zweite Band die nichtlateinischen.). Daß es bei der Betrachtung des rumänischen Wortschatzes zwischen einem grundlegenden und einem weniger wichtigen Vokabular zu unterscheiden gilt, hoben schon Murgu und Heliade hervor. Murgu schrieb in Widerlegung der Abhandlung, welche . . ., S. 49—50: „Die Beschaffenheit einer Sprache kann meiner Meinung nach, aus folgenden Grundsätzen erhoben werden: ltens. Aus den nothwendigsten Wörtern einer im natürlichen Stande betrachteten Sprache. Diese Wörter könnten vielleicht nicht unrichtig Wörter der ersten Noth, verba primae necessitatis genannt werden; kurz darunter verstehe ich jene Wörter, welche den Bund des geselligen Lebens ausmachen, und die Menschen an einander mittelst der Vernunft fesseln. Diese Wörter sind wahrlich die wesentlichsten und in diesen besteht der Grund einer Sprache, welche ich darum Essential, alle übrigen aber Accidental-Wörter nenne. . . . Hieraus ist einleuchtend, daß man den Charakter einer Sprache aus den Essential-, keineswegs aber AccidentalWörtern beurtheilen müße." 33fi Istoria limbei romäne, partea I, Principie de lingvisticä, Bucuresti 1881, S. 82: „Limba nationalä ne infätisezä asa dicend congresul tuturor acelor dialecte sub presedinta acelul singur."

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eines einzigen Dialektes heraus und bereichere sich hierbei mit Elementen aus anderen Dialekten. Welcher Dialekt in diese bevorzugte Stellung gerät, hängt von den historischen Bedingungen ab. Hasdeu betonte die Vorbildgeltung der Nationalsprache in allen Provinzen des Landes und hob hierbei hervor, welche große Bedeutung der Sprache der Dichter und Schriftsteller für die nationale Einheit zukomme. Er machte ferner darauf aufmerksam, daß diese vereinheitlichende Tendenz der Nationalsprache in ihrer Wirksamkeit von der Bildung der Sprecher abhängt. Er erkannte, wie sehr eine breite Volksbildung hierzu erforderlich war und setzte sich dafür ein. D.

Ausblick

Um 1880 setzte in der rumänischen Sprachenfrage eine gewisse Klärung ein. Die puristisch-latinisierende Richtung hatte aufgehört, in der Rumänischen Akademie eine maßgebende Rolle zu spielen. Für philologische Systeme im sprachlich-literarischen Bereich erwärmte sich kaum noch jemand. Die bedeutendsten Schriftsteller, auch diejenigen aus Siebenbürgen, verfaßten ihre Werke in einer auf dem lebendigen Sprachgebrauch fußenden Literatursprache. 337 Im Jahre 1881 einigte man sich weitestgehend auf eine einheitliche Orthographie, in der nur noch wenige etymologische Kriterien zur Geltung kamen. Symptomatisch für diese neue Situation war ein 1881 veröffentlichter Aufsatz Maiorescus über die Neologismen. 338 Darin wurde mit Befriedigung festgestellt, daß die Kräfte der Latinomanie keine entscheidende Wirkung mehr ausübten. Ebenso seien nun die erhitzten Debatten über festzulegende Normen hinsichtlich der Aussprache und Schreibweise in sachliche Bahnen gelenkt worden. Das einzige Problem in der Sprachenfrage, das noch die Gemüter sehr bewege, sei das der Neologismen. Die ständige Zunahme von Neologismen romanischer Herkunft beunruhigte Maiorescu. Der Abstand zwischen den Gebildeten und der breiten Masse des Volkes würde dadurch zu einer Kluft vertieft. Davon ausgehend leitete Maiorescu die Forderung ab, daß der unbedachte Gebrauch von Fremdwörtern bekämpft werden müsse. Neue, vom Volke nicht verstandene Wörter sollten vermieden werden, wenn Vgl. auch I. Verbinä, Aspecte din lupta junimista in Transilvania, in: Studii literare I (1942), S. 5 9 - 9 3 ; T. Teaha, Slavici si problemele limbii noastre, in: LR III (1954), Nr. 3, S. 49ff.; G. Scridon, Cosbuc si problemele limbii, in: Pagini despre Cosbuc, Bucuresti 1957, S. 76—148. 338 Critice, Bd. II, S. 159-184.

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hierfür alte, jedermann bekannte Wörter im Rumänischen existieren, seien sie auch slawischer Herkunft. In der Tat hatte sich Maiorescu hier einer Aufgabe angenommen, die er mit seinen philologischen Hinweisen für einen reinen rumänischen Sprachgebrauch nicht lösen konnte. In den folgenden Jahrzehnten stand immer wieder das Problem der Neologismen, an dem sich die Geister schieden. Maiorescus zurückhaltende Einstellung gegenüber den Neologismen führte bei einigen seiner Zeitgenossen zu einer neologienfeindlichen Position und zur Förderung einer gewissen Archaisierung der Literatursprache. 339 Es fehlte Ende des 19. Jahrhunderts aber auch nicht an Gegenstimmen, die in der Aufnahme von Neologismen romanischer Herkunft einen notwendigen Schritt zur Modernisierung des Rumänischen erblickten. 340 Natürlich hörten die Diskussionen über sprachliche Fragen nach 1880 in Rumänien nicht auf. Manches galt es noch zu klären. Doch ihre Vehemenz hatten diese Diskussionen eingebüßt, denn im öffentlichen Bewußtsein besaßen sie nicht mehr den Charakter einer nationalen Lebensfrage. Es hatte sich eine moderne rumänische Hochsprache herausgebildet, bei der in theoretischer Hinsicht Sprachreformer aus Siebenbürgen, der Bukowina, dem Banat, aus Muntenien und der Moldau mitgewirkt hatten. Diese Beiträge waren unterschiedlich geartet. Teilweise erwiesen sie sich nur dadurch der Lösung der Sprachenfrage förderlich, indem sie zum Widerspruch herausforderten und so die Gegenposition deutlicher bestimmen ließen. Allen Reformern schwebte jedoch als Ziel ihrer Bemühungen die Schaffung einer einheitlichen rumänischen Nationalsprache vor Augen. Dieses Ziel war verknüpft mit nationalerzieherischen Aspirationen im weitesten Sinne des Wortes, die mit einer nationalen Selbstverständigung einhergingen. Sprach-, Geschichts- und Nationalbewußtsein verschmolzen dabei zu einer Einheit. 339 Vgl. AI. Andriescu, Exageräri „puriste" in limba presei romineijti din perioada 1860-1900, in: SC§ X I V (1963), S. 183-192. 340 Ygi, z . B. A. Macedonski, Evolufiunea limbei romane, in: Opere. Editie criticä de T. Vianu, Bd. IV, Bucuresjti 1946, S. 113-128.

Ábkürzungsyerzeichnis

AÇ BLRL

BRV CL Contrib. LLit. LR RITL RRHist RRL SCL SCS StUBB

10 Bahner

Analele stiintifice ale Úniversitatii „Al. I. Cuza" din Iasi. Bibliografia limbii romîne literare I (1780—1848). Redactatá sub conducerea acad. Tudor Vianu de un eolectiv, in: Contributii la istoria limbii romîne literare in secolul a l X I X ~ l e a , vol. I l i , Bucuresti 1962, S. 191-308. Bibliografia româneasca veche (1508—1830) de I. Bianu, N. Hodos siD. Simonescu, Bucuresti 1912—1936. Cercetàri de lingvistica (Cluj). Contributii la istoria limbii romîne literare ìn secolul al X I X - l e a . Limbâ si literatura (Bucuresti). Limba Romàna (Bucuresti). Revista de istorie si teorie literara (Bucuresti). Revue roumaine d'histoire (Bucuresti). Revue roumaine de linguistique (Bucuresti). Studii si cercetàri lingvistice (Bucuresti). Studii si cercetàri stiintifice (Iasi). Studia Universitatis Babes-Bolyai (Cluj).

Namenregister

Aaron, Th. 38, 53 Adamescu, Gh. 71 Adelung, J . Chr. 37, 40, 113 Alecsandri, V. 93, 94, 100, 127, 129, 134, 136, 137 Alexander I . Cuza 40, 124 Alexandrescu, G. 110, 134 Alexi, I . 42, 43 Andriescu, AI. 144 Aron, P . 15 Asachi, Gh. 8 2 - 8 4 , 87, 108, 120 Asachi, L. 81, 82 Aurelian 37, 38 A v r a m , M. 125 Bagdasar, N . 90, 138 Bahner, W . 6, 7, 8, 11, 15 Baiculescu, G. 110 Barfy(iu), G. 95, 119-123, 130 Baumeister, F r . Chr. 45 Bälcescu, N. 26, 87, 94, 100, 127, 140 B ä r n u t i u , S. 134, 138 Beau, A. E . 7 Beldiman, AI. 82, 127 Benkö, J . 18 Berindei, D. 125, 126 Berza, M. 18 Bischof v o n Arges 63 Birsänescu, St. 82 Blazewicz, T h . 42, 43 Bodea, C. C. 20 Bogdan-Duicä, G. 36, 63, 95 Boiagi, M. 32, 39 Bojinca, D. 36

Boldan, E . 15 Bolintineanu, D. 134, 136 Bolliac, C. 126 Breazu, I . 114, 119 Brincu?, Gr. 65, 86, 131 Budai-Deleanu, I. 15, 21, 34, 35, 39, 4 9 - 5 3 , 56, 82 Buhle, J . G. 45 Bulg&r, Gh. 12, 80, 86, 126, 127 Buvelot, H e n r i de 75 Byck, J . 141 Byron, Lord 79 Caliani, S. 15 Camariano, N. 77 Campe 58, 118 Cantacuzino, C. 16, 24 Cantemir, D. 16, 17, 2 2 - 2 4 Capidan, Th. 32, 139 Caragiale, I . 130 Carro ( = Carra) 35 Cathérinot, N. 31 Cazacu, B. 11, 12, 52, 56 Calinescu, Gh. 67 Cesarotti 7 Chereste^iu, V. 119 Cicero 29, 33 Cihac, Al. 142 Ciobanu, V. 82 Ciorànescu, Al. 34, 35 Cipariu, T. 9, 112, 114-117, 119, 125, 128, 129, 134 Cittadini, C. 31, 33 Cimpeanu, C. 22, 25, 51

Namenregister Clain, S. 15, 17, 2 1 - 2 8 , 34, 4 0 - 4 8 , 51, 52, 54, 56, 81, 12, 112, 113, 140 Clemens, A. 42, 43 Closca 24 Comsa, N. 25 Conaehi, C. 84, 95, 103, 105, 127 Condillac 57, 58, 70, 77, 78 Constantiniu, Fl. 18 Cornea, P. 34, 84, 103 Costache Veniamin 82, 84 Costin, Miron 16 Cosbuc 143 Coteanu, I . 11, 114 Cotorea, Gh. 15, 25 Creangä, I . 130 Cretu, I . 127 Crisan 24 Cuciureanu, St. 53 Curticäpeanu, V. 118, 124 Dante 7 David, N. 15 Dänescu, S. 90 Densusianu, O. 11, 13, 87, 114 Diaconescu, I . 129 Diaoonovici Loga, C. 55 Diez, Fr. 31, 42, 112, 115, 119, 122, 135 Dima, Al. 95, 100 Eder, J . K . 18, 27, 28, 35 Eliade, M. 139, 140 Eminescu, M. 94, 111, 126, 127, 130, 134 Enescu, N. C. 82 Engel, J . Chr. von 18, 27, 28, 35, 38 Erbiceanu, C. 60 Eustatieviei, D. 40 Façon, N. 7 Falco, G. 33 Faublas, Chevalier 103 Febronius, J . 21 Florian 82 10*

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Forti, F . 33 Fuchs, A. 32, 34, 135 Gàldi, L. 17, 44 Gaster, M. 17, 26 Genilie, I . 86 Gerighausen, J . 7 Ghetie, I . 34, 49, 125 Ghica, I . 87 Ghise, D. 21 Golescu, D. 62 Gradea, P. 114 Graur, AI. 71 Grimm, Gebr. 89, 94 Grimm, J . 141 Gröber, G. 17, 31 Gulian, C. I . 136 Hanes, P. V. 11, 12, 61, 109, 118 Hasdeu, B . P. 9, 138-143 Heliade Rädulescu, I . 13, 54, 57, 58, 6 7 - 8 0 , 8 2 - 8 6 , 97, 100-112, 120, 128, 142 Herder, J . G. 89, 120 Heruvim, N. 80 Hontheim, J . N. von s. Febronius, J . Horia 24 Ibräileanu, G. 12 Ionascu, R . 10, 40 Ionescu, V. 90 Iordan, I . 8, 10, 11, 49, 125 Iorga, N. 13, 82 Iorgovici, Paul 39, 5 5 - 5 8 , 70, 73, 102 Istrate, G. 11, 114, 120 Ißer, A. 42, 43 Ivänescu, Gh. 12, 45 Joseph I I . 20, 21, 24 Kant, I . 45, 77 Karakalla 37 Karamsin 89 Klein, K . K . 19

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Namenregister

Klein, S. s. Ciain, S. Kogälniceanu, M. 26, 9 0 - 9 2 , 94, 95, 100, 120, 131, 140 K o h n , H . 6, 89 K o p i t a r , B. 32, 37, 115 Krumbacher, K. 6 K u e n , H . 54 K u k e n h e i m , L. 6 Labande-Jeanroy, Th. 7 L a m a r t i n e 79 L a p e d a t u , AI. 27 Laurian, A. T. 9, 54, 112-114, 119, 125, 135 Lazär, Gh. 63, 64, 71, 77, 82 Lebrecht, M. 18 Lemberg, E . 7 Leonte, L. 67, 95 Leopold I I . 19 Le Roy, G. 78 Lovinescu, E . 82, 86 Lungu, I. 21, 22, 26, 44, 45, 47 L u p a f , I . 27 Maaß, F . v. 19 Macarie, E r z a b t 40 Macedonski, A. 144 Macrea, D. 11, 22, 25, 27, 31, 32, 41, 42, 114, 125, 130, 131, 139 Maior, Gr. 9, 15 Maior, P . 15, 21, 2 7 - 2 9 , 3 1 - 3 8 , 48, 5 2 - 5 4 , 56, 65, 66, 70, 82, 92, 98, 108, 111, 112, 115, 119, 135, 140 Maiorescu, I . 119, 122, 123 Maiorescu, T. 131-144 Marcu, A. 111 Marcu, F . 125 Maria Theresia 20, 24 Marica, G. E . 119 Marienescu, A. 27 Marino, A. 12, 78 Massim, 54, 125, 141 Michelet 89, 94 Micu, Inochentie 14, 15, 17, 25

Micu, S. s. Ciain, S. Migliorini, B. 7 Miklosich, F r . 32, 135, 140 Molnar, J . 42, 43, 46, 48 Müller, M. 132, 135 Mumuleanu, B. P . 6 4 - 6 7 , 81, 84, 103 Munteanu, G. 111, 139 M u n t e a n u , R. 13, 20 Muratori 26, 33, 34 Muresan, C. 119 Muresanu, A. 120 Murgu, E . 36, 94, 95, 142 Muslea, I . 114 Negruzzi, C. 74, 79, 80, 126, 134 Netea, V. 119, 121 Nicolescu, A. 62 Nicolescu, G. C. 129, 137 Niculescu, AI. 10, 11 Nistor, I. 35 Oana, I . 111 Odobescu, AI. 127-129, 136, 137 Oprescu, Gh. 67, 77 Ornea, Z. 131 Otetea, A. 18, 90 Pancratz, A. 19 P a n n , A. 127 P a n t a z i , R . 119 P a p i u Ilarian, AI. 25, 26 Parfene, C. 137 Pascu, St. 26 Päcurariu, D. 120 Perpessicius 21, 44, 62, 94 Pervain, I . 40, 114 Piru, AI. 13, 15, 17, 61, 65 P i r a , E . 61 Poenaru, P. 63, 76, 107 Poghirc, C. 139 Pogor, V. 104, 105 Pop, L. 90, 131, 139 Popa, N. I . 82

Namenregister Popovici, D. 13, 19, 34, 56-58, 60, 67, 68, 73, 75-77, 82, 101, 109, 110 Popp, V. 119, 122 Potra, G. 63 Pray, G. 18 Predescu, L . 95 Prodan, D. 14, 15, 18, 48, 120, 121 Protase, M. 27 Protopopescu, L . 49 Pumnul, A. 9, 54, 106, 117-119, 131, 134 Puscariu, S. 27, 31, 33, 54, 139 Quinet, E . 26 Quintilian 29, g3 Radu, I. 21 Raynouard 135 Râmniceanu, N. 60 Rednic, A. 15 R o j a , Gh. C. 32, 53 Románul 86 Rosetti, Al. 11, 12, 52, 56, 67, 120, 139 Ruffini, M. 10, 26, 66, 73, 87 Russo, Al. 93, 95-100, 121, 129, 131, 132 R u s u , A. 126 Sân-Giorgiu, I. 35 Sàulescu, Gh. 73, 83, 85, 86, 106 Sbiera, I. Gh. 117, 118 Schleioher 132, 141 Schlòzer, A. L . 18, 38 Schopenhauer 132 Sohuchardt, H . 8 Schuller 123 Scriban, F . 122 Scridon, G. 143 Seche, L . si M. 49, 71 Seche, M. 54, 64, 126 Simonesou, D. 90 Sion, Gh. 126 Slavici, I. 130

149

Stânescu, E . 15 Stoian, I. 114 Sulzer, F r . J . 18, 27, 28, 35, 42 Sâineanu, L. 9, 10, 67 Çerban, G. 128 Çincai, Gh. 9, 15, 21, 2 5 - 2 7 , 34, 40, 42, 43, 4 6 - 4 8 , 5 1 - 5 4 , 92, 98, 112, 135 Çtefânescu, L . 18 Çuteu, F . 125 Tagliavini, C. 101, 111 T à u t u 127 Teaha, T. 143 Tempea, R . 46 Teodor(u), P. 21, 47 Teodorescu, E . 49, 67 Teodorescu, E . si A. 84 Thunmann, J . 32, 37, 38 Tôkôly, S. 36 Tolomei, Cl. 31 Tomescu, M. 22 Tomus, M. 26 Topliceanu, T. 36 Trajan 22, 133, 140 Tichindeal, D. 66 Unbegaun, B . 6 Ungureanu, G. 36 Ureche, Gr. 16 Ursu, D. 71 Ursu, N. A. 67, 71, 78, 82, 109, 119, 122 Vaillant, I. A. 42, 43 Valjavec, F . 6, 19 Vasici, P. 119 Vater 113 Vàcârescu, I. 60, 61, 65, 67, 68 Vegas, F . 89 Verbinâ ( = Pervain), I. 143 Vianu, T. 11, 12, 129, 131, 144 Virgil 23

150 Vitale, M. 32 Vivaldi, V. 7 Virgolici, T. 95 Vladimirescu 64 Voltaire 105

Namenregister Weill, G. 89 Winter, E . 19, 20, 21 W i t t o n , M. 6 Wolff, Chr. 21, 4 4 - 4 6 Zane, G. 87, 94

Wald, L. 139 Walter, R . 53

WERNER

BAHNER

Dantes Bemühungen um die Geltung und Formung der italienischen Literatursprache (Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst, Jahrgang 1966, Nr. 5)

1966. 39 Seiten - 8° - MDN 3,10

In dieser Arbeit zeigt der Autor, mit welchen historisch-gesellschaftlichen Faktoren Dantes sprachtheoretische Bemühungen verknüpft sind. Ausgehend von „II Convivio" und ,,De Vulgari Eloquentia" legt er dar, wie Dante durch seine Bestrebungen, den dichterischen Gebrauch des Italienischen gegenüber dem Vorrang des Lateins und gegenüber der Geltung des Provenzalischen und des Französischen zu legitimieren, zum Vorläufer des Vulgärhumanismus wurde. Ferner wird der Frage nachgegangen, inwieweit es berechtigt ist, in Dante den Vater der italienischen Literatursprache zu sehen.

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In Vorbereitung VASIIB

ARVINTE

Die deutschen Lehnwörter in den rumänischen Mundarten (Schriften des Instituts für romanische Sprachen und Kultur)

Etwa 250 Seiten - etwa 50 Karten - etwa MDN

80-

Ausgehend von dem bisher veröfientliohten Material des Rumänisohen Sprachatlasses werden in der vorliegenden Arbeit die deutschen Elemente in den rumänischen Mundarten behandelt. Erstmalig wird dabei ausführlicher auf die regionale Verbreitung dieser Entlehnungen eingegangen. Da sich die Arbeit mit verschiedenen Aspekten der sprachlichen Berührung zwischen Rumänen und deutschen Sprachträgern in der Sozialistischen Republik Rumänien beschäftigt, dürfte sie sowohl für den Romanisten als auch für den Erforscher der deutschen Mundarten von besonderem Interesse sein.

Studien zur rumänischen Philologie Herausgegeben von W E E N E R

BAHNER

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