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German Pages 144 [156] Year 2016
Geschichte kompakt Herausgegeben von Kai Brodersen, Martin Kintzinger, Uwe Puschner, Volker Reinhardt Herausgeber für den Bereich Frühe Neuzeit: Volker Reinhardt Beratung für den Bereich Mittelalter: Sigrid Jahns
Mariano Delgado
Das Spanische Jahrhundert (1492–1659) Politik – Religion – Wirtschaft – Kultur
Für Fabrizio
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2016 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Kristine Althöhn, Mainz Redaktion: Mirjam Kromer, Fribourg Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Umschlaggestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-23953-5 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71389-9 eBook (epub): 978-3-534-71391-2
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
I.
Sendungsbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Translatio imperii unter den Katholischen Königen . . . . . Die Universalmonarchie Karls V. . . . . . . . . . . . . . . . Die Monarchia Hispanica Philipps II. und seiner Nachfolger Bekräftigung des spanischen Anspruchs im 17. Jahrhundert . Die Stunde Frankreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 5 6 7 9 10
II.
Staat und Kirche . . Staatsreform . . Religionspolitik Kirchenreform .
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13 13 15 15
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III. Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen Zwei Modelle von Religionspolitik . . . . . . . . . . . . Die Vertreibung von Juden und Morisken . . . . . . . . . Zwischen Entorientalisierung und Europäisierung – ein Historikerstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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21 21 22
IV. Geistige Wende in „schweren Zeiten“ . . . . . Aufdeckung der Kryptoprotestanten . . . . . Geistige Haupttendenzen im 16. Jahrhundert Belagerte Festung . . . . . . . . . . . . . . V.
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28 28 29 31
Die Kontroverse De Indis . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidende Fragen und erste Antworten . . . . . . Francisco de Vitoria: ein subtiler Theologe . . . . . . . JuanGinésdeSepÞlveda:einaristotelischerHumanist Bartolomé de Las Casas: ein christlicher Humanist . . Die spanische Politik nach der Kontroverse . . . . . . Die Folgen der geistigen Wende für die Kontroverse . .
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34 34 37 37 38 40 41
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VI. Die Kontroverse um die Limpieza de sangre . . . . . . . . . . . . Vom Statut des Gemeinderats von Toledo (1449) zum Statut der Kathedrale von Toledo (1547) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Statut der Kathedrale von Toledo (1547) bis zum Erlass Philipps IV. 1623 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Erlass Philipps IV. 1623 bis zur Aufhebung der Statuten 1833 Die theologische und soziale Brisanz der Kontroverse . . . . . . Rassismus in der Vormoderne? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 44 46 48 50 53
VII. Die Spanische Inquisition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanische Inquisition und Buchzensur . . . . . . . . . . . . . . Zum Buchprozess und zur Hermeneutik der Qualifikatoren und der Index-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum „Historikerstreit“ über die Folgen der Buchzensur . . . . .
61 64
VIII.Als Bibelübersetzungen subversiv waren . . . . Der Anfang in Antwerpen (1543) . . . . . . . Die Sefarden und die Bibel von Ferrara (1553) Das Neue Testament aus Genf (1556) . . . .
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V
Inhaltsverzeichnis
VI
Die Basler Bibel (1569) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
IX. Eine erneuerte Scholastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die „Schule von Salamanca“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die neue theologische Methode Melchor Canos . . . . . . . . .
73 73 75
X. Spiritualität und Mystik . . . . . . . . . . . Askese und Mystik . . . . . . . . . . . . Teresa von Ávila und Johannes vom Kreuz Volksreligiosität . . . . . . . . . . . . .
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XI. Ein missionierendes Weltreich . . . . . . . . . . . Evangelisierung in den einheimischen Sprachen . Die Einstellung zu den indianischen Religionen . Folgen für den Umgang mit dem „Götzendienst“ Die Missionsutopie: Missionsdörfer . . . . . . . Die afrikanischen Sklaven . . . . . . . . . . . .
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XII. Die Neue Welt – ethnographisch . . . . . . . . Anklagende und apologetische Ethnographie Regierungsethnographie . . . . . . . . . . . Missionsethnographie . . . . . . . . . . . . Indigene und kreolische Ethnographie . . . . „Wissenschaftliche“ Ethnographie . . . . . . Das Schicksal der ethnographischen Werke .
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XIII. Ein Weltreich geht bankrott . . . . . . . . . . . . . . . . Karl V. und das providentielle Gold aus der Neuen Welt Finanzsituation und Finanzpolitik unter Philipp II. . . . Eine Theologie des Goldes . . . . . . . . . . . . . . . Einige Reaktionen auf die Finanzkrisen . . . . . . . .
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XIV. Eine globale Kultur oder ein Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Malerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Höfische Malerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religiöse Malerei und Bildhauerei . . . . . . . . . . . . . Der Künstler als „Autor“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lyrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorschaft zwischen Selbstbestimmung und Abhängigkeit
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XV. Von der Exzellenz zur Mittelmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . .
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Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Chronologischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Geschichte kompakt In der Geschichte, wie auch sonst, dürfen Ursachen nicht postuliert werden, man muss sie suchen. (Marc Bloch) Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden. Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen, europäischen und globalen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte. Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissensstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden. Kai Brodersen Martin Kintzinger Uwe Puschner Volker Reinhardt
VII
Einführung „Spanisches Jahrhundert“, „Siglo de Oro“, „Spanisches Zeitalter“ sind heuristische Forschungsbegriffe zum besseren Verständnis der spanischen Hegemonie in der Frühen Neuzeit. Sie suggerieren, dass diese nicht nur politisch-militärisch war, sondern auch wesentliche Spuren in der Kultur und der Lebensart hinterlassen hat. Zugleich sind sie umstrittene, weil unpräzise Begriffe, wenn es darum geht, Anfang und Ende dieser Epoche zu markieren. Viele neigen dazu, den Anfang mit der Herrschaft Karls V. ({ 1558) zu setzen, sei es 1516 (Beginn seiner dynastischen Nachfolge in Spanien), 1519 (Kaiserwahl) oder 1525 (glanzvoller Sieg über Franz I. von Frankreich (1515–1547) bei Pavia und endgültige Brechung des Widerstandes in Kastilien und Aragón gegen die neue Monarchie). Das Ende wird zumeist mit 1648 (Westfälischer Frieden) angegeben, weil damit Spanien die Niederlande verliert und die Grenzen seiner Bedeutung in der europäischen Politik zu spüren bekommt. So befürwortet Bartolomé Bennassar (Un siècle d’or espagnol, 1982) den Zeitrahmen um 1525 bis um 1648. Antonio Domínguez Ortiz (The Golden Age of Spain, 1971) spricht hingegen von der Zeit zwischen 1516 und 1659. Und andere Forscher wiederum setzen den Anfang im Jahr 1479 (Beginn der eigentlichen Regierungszeit der Katholischen Könige mit der Thronbesteigung Ferdinands in Aragón ({ 1516), nachdem Isabella 1474 zur Königin von Kastilien ausgerufen worden war ({ 1504)) oder mit dem Jahr 1469 (Heirat von Isabella und Ferdinand) und das Ende mit dem Tod von Philipp IV. (1621–1665), dem letzten großen König aus dem Hause Habsburg, oder gar mit dem Tod seines Nachfolgers Karl II. (1665–1700). Wenn wir hier als langes „Spanisches Jahrhundert“ die Eckdaten 1492–1659 vorschlagen, so geschieht dies einerseits im Bewusstsein dessen, dass Anfang und Ende solcher Epochen eher prozesshaft vor sich gehen und konkrete Jahresangaben nur von symbolischem Wert sind; andererseits ist diese Wahl von der Überzeugung geprägt, dass die Translatio imperii, d.h. der Führungs- bzw. Hegemonieanspruch, bei solchen Epochengrenzen das eigentlich Entscheidende ist. Der spanische Führungsanspruch entsteht nicht erst mit dem Hause Habsburg, sondern wird bereits von den Ereignissen des Jahres 1492 geprägt, die bald darauf als providenziell betrachtet wurden: Eroberung des maurischen Königreiches Granada, Vertreibung der Juden als Fanal für die intendierte religiöse Uniformierung auf dem Boden des katholischen Glaubens, Entdeckung der Neuen Welt und Beginn der transatlantischen Expansion, Drucklegung der ersten spanischen Grammatik. Dass Ferdinand und Isabella – auch für ihre Nachfolger – im Jahr 1496 von Papst Alexander VI. (1492–1503) den Titel „Reyes Católicos“ verliehen bekamen, unterstreicht ihren Aufstieg im damaligen Europa, denn „Katholische Könige“ kommt von katholikós, allumfassend, und dieser Titel steht der kaiserlichen Würde kaum nach. Der damit entstandene und mit Karls Konzept der Universalmonarchie potenzierte Führungsanspruch hatte im „Spanischen Jahrhundert“ – abgesehen vom türkischen Sultan – nur im französischen König einen wirklichen Kontrahenten. Von daher markiert der Py-
Spanische Hegemonie
Translatio imperii
1
Einführung renäenfrieden von 1659 zwischen Spanien und Frankreich, eher als der Westfälische Frieden von 1648, die faktische Beerbung des spanischen Führungsanspruchs in Europa durch die Franzosen, die mit Ludwig XIV. (1643–1715) ihr eigenes „Siècle d’or“ einleiteten. Dass Baltasar Gracián, der scharfe Diagnostiker der Dekadenzerscheinungen, 1658 starb, spricht auch für eine Zäsur Ende der 1650er-Jahre – wenngleich Diego Velázquez erst 1660, Francisco de Zurbarán 1664, Pedro Calderón de la Barca 1681 und Juana Inés de la Cruz erst 1695 sterben werden. „Spanisches Jahrhundert“ scheint uns ein besserer Begriff für den hier intendierten Zugang als „Siglo de Oro“ zu sein. Denn Letzterer wird oft eher in kultureller Hinsicht verstanden, etwa als Übergang von der Renaissance zum Barock (1550–1680). Im „Spanischen Jahrhundert“ erlebt die hispanische Kultur auch ihr „Siglo de Oro“ als global wirkende Kultur. Aber die Zeitgenossen hatten kaum das Bewusstsein in einem „Goldenen Zeitalter“ zu leben, wohl aber in einem des spanischen Führungsanspruchs – mit all seinen Errungenschaften und Krisenerscheinungen. Ein „Goldenes Zeitalter“ wurde damals nur in der für die Renaissance typischen Nostalgie der von Vergil besungenen aetas aurea beschworen. Diese wurde von Missionaren und Entdeckern oft auf die Naturvölker der Neuen Welt projiziert, was den Spott von Geistesgrößen wie Juan Luis Vives und Miguel de Cervantes auf sich zog. Gegenüber den erwähnten Werken – und vielen anderen, die in den letzten Jahrzehnten erschienen sind – zeichnet sich dieses Buch durch die besondere Aufmerksamkeit aus, die aufgrund der Forschungen des Verfassers in den letzten Jahren darin wichtigen Kontroversen gewidmet wird (u.a. in der Kolonialfrage, der Buchzensur, der Frage der Blutsreinheit oder Limpieza de sangre, den Bibelübersetzungen, der Missionierung der Neuen Welt). Das Thema ist so umfangreich, dass verschiedene Annäherungen nicht nur erlaubt, sondern auch geboten sind. Mariano Delgado
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I. Sendungsbewusstsein Man hat Italiener, Franzosen und Deutsche die drei Hauptvölker des mittelalterlichen Abendlands genannt. Denn sie teilten sich das Papsttum, die Wissenschaft und das Kaisertum (sacerdotium, studium, imperium). Im Sinne der Ost-West-Wanderungstheorie des Otto von Freising, wonach die Religion, die Wissenschaft und die politische Führung von Osten nach Westen gewandert seien, bis sie in Europa den Höhepunkt erreichten und das Ende der Geschichte damit eingeleitet war, lag es nahe, dass gerade in diesen Völkern das Sendungsbewusstsein groß war. Zu Beginn der Neuzeit aber fand das Land, das an der südwestlichen Peripherie des christlichen Europas dieses gegen die Muslime verteidigte, seine historische Stunde. Das spanische „Sendungsbewusstsein“ speiste sich aus verschiedenen Quellen: (1) Die Bibel hat in allen christlichen Ländern ein Verständnis der Nationalgeschichte anhand der Kategorien „Erwählung-Bund-Gericht“ hervorgerufen. Alle Völker der Christenheit fühlen sich analog zum jüdischen Volk „erwählt“, verstehen ihren Eintritt in die Kirche als eine Art „Bund“ mit ihrem neuen Gott und deuten ihre historischen Niederlagen und Katastrophen als Gericht Gottes ob ihrer Untreue gegenüber ihrer Erwählung und Bundesverpflichtung. In Spanien markiert die Bekehrung des Westgotenkönigs Rekared vom Arianismus zum katholischen Glauben beim III. Konzil von Toledo 589 die entscheidende Wende. In der Geschichte der Goten des Isidor von Sevilla ({ 636) finden wir ein überschwängliches Lob Spaniens als „die heilige und immer glückliche Mutter von Fürsten und Völkern, das schönste aller Länder, die sich vom Westen bis Indien ausdehnen“, als die „Ehre und die Zierde des Erdkreises und der erhabenste Teil der Welt“. Diese Sicht ist in die Nationalchronik eingegangen, die im 13. Jahrhundert am Hof des kastilischen Königs Alfons X., genannt der Weise, (1252–1284) redigiert wurde. Darin wird Spanien als „Paradies Gottes“ bezeichnet, als „das scharfsinnigste, kühnste und tapferste aller Länder, wo alles im Überfluss zu finden sei“, es überrage „alle anderen Länder“ und werde „mehr als sie wegen seiner Treue“ geschätzt. Als das Reich der Westgoten nach der muslimischen Invasion 711 abrupt zugrunde ging, war dies erklärungsbedürftig. Die erwähnte Nationalchronik weiß es als Ausgießung des göttlichen Zornes ob der Sünden in den letzten Jahren der Westgotenherrschaft (Spaltungen, Verrat, wieder aufkeimender Arianismus) biblisch zu interpretieren. Daher entzog Gott den Westgoten seinen Schutz „und entfernte von ihnen seine Gnade“. Dazu wird der bereits im Alten Testament geschichtstheologisch konnotierte Begriff „Zerstörung“ verwendet, eine Zerstörung, die schlimmer sei als die Zerstörung Babels durch die Perser, die Roms durch Goten und Vandalen oder die Jerusalems und Karthagos durch die Römer: „Die Säuglinge wurden gegen die Mauer geschleudert, die Knaben von Wunden zerfetzt, die Erwachsenen durch das Schwert getötet, die Alten starben auf dem Schlachtfeld, und alle verendeten im Krieg […]. In den Kirchen und Türmen, wo man früher Gott zu loben pflegte, bekannte man sich und rief man nun nach Muhammad.“
Bibel und Nationalgeschichte
3
I.
Sendungsbewusstsein Endzeitkaiser/König
Translationslehre
Universalmonarchie
4
(2) Die joachimitische Tradition eines messianischen Endzeitkaisers ist spätestens seit den Schriften des Arnaldo de Vilanova um 1300 auch in Spanien präsent. Dieser prophezeite die Ankunft eines eschatologischen Königs, der den Antichrist besiegen, die Muslime aus Spanien vertreiben, Nordafrika und Jerusalem zurückerobern und die Universalmonarchie führen werde. Vilanovas Voraussagen wurden 1316 in Tarragona verurteilt, aber die Erwartung des genannten Königs war nicht aus der Welt zu schaffen, zumal die vielen zwangsbekehrten Juden im 15. Jahrhundert die Sehnsüchte ihres Messianismus auf die Könige von Kastilien und Aragón übertrugen. (3) Dazu kommt die Rezeption politischer Leitbegriffe der mittelalterlichen Christenheit wie „Translations-/Weltreichelehre“ und „Universalmonarchie“. Beide haben antike Wurzeln, sind aber auch biblisch geprägt. Gemäß der Translationslehre ist Gott derjenige, der „den Wechsel der Zeiten und Fristen“ bestimmt: „er setzt Könige ab und setzt Könige ein“ (Dan 2,21) und er lässt die Herrschaft von einem Volk zum anderen „wegen Gewalttat und Übermut“ (Sir 10,8) wandern. Diese Translationslehre wurde verbunden mit der Weltreichelehre aus dem Danielbuch (u.a. Dan 2,1–49), die eine Ost-West-Wanderung der Universalherrschaft nahelegt sowie die Ankunft eines fünften Weltreiches ankündigt, das nicht mehr untergehen werde. Der Stein, der im Traum Nebukadnezzars „ohne Zutun von Menschenhand“ (Dan 2,34) sich von einem Berg löste und das Standbild aus Gold, Silber, Bronze, Eisen und Ton (die vier Weltreiche) zermalmte und das fünfte Reich einleitete, wird mit der Hand Gottes identifziert. Das Römische Reich und seine christlichen Rechtsnachfolger im östlichen und westlichen Kaisertum galten als das vierte Reich, während das fünfte Reich, das Reich Gottes oder des Messias, das mit Jesus Christus angefangen habe, eigentlich ein jenseitiges sei, wenn auch bereits hier in der Kirche versinnbildlicht werde. Die Vollendung werde aber erst nach Erscheinen des Antichrists und dessen Depotenzierung eintreffen. Ähnlich verhält es sich mit der „Universalmonarchie“. Dieser Begriff, der biblisch auf die Zwei-Schwerter-Theorie zurückgeht, ist vor allem im Schatten der Auseinandersetzungen zwischen Papsttum und Kaisertum als Universalmächte entstanden. Kuriale Theologen und Juristen haben im 13., 14. und 15. Jahrhundert den päpstlichen Führungsanspruch begründet, während die auf der kaiserlichen Seite anders dachten; am Hof mächtiger, selbstbewusster Könige außerhalb des Reiches (Frankreich, Kastilien und England) entstand der Gedanke, dass der König ein Kaiser in seinem Reich sei, zumindest im Zeitlichen also keiner Universalmacht unterstellt sei. Das „Spanische Jahrhundert“ konvergiert mit dem Höhepunkt und der Krise der genannten Leitbegriffe und der politischen Rezeption des Danielbuches. Es ist eine Zeit der Bestreitung von universalen Führungsansprüchen und der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Nationen und Königreichen der Christenheit. Letzteres wird sich beim Westfälischen Frieden (1648) durchsetzen. Spanien, das spätestens seit den Katholischen Königen angefangen hatte, seine Ziele mit denen der Christenheit zu identifizieren, wird dies unter Karl V. und seinen Nachfolgern aus dem Hause Habsburg noch selbstbewusster tun. Im Deckenfresko, das Luca Giordano 1692 für das große Trep-
I.
Sendungsbewusstsein penhaus in El Escorial fertigstellte und das eine Apotheose (Gloria) der Habsburger darstellt, ist dieses Selbstverständnis plastisch ausgedrückt: Im offenen Himmel auf einer Wolke vor der Dreifaltigkeit kniend bietet Karl V. dieser in der linken Hand die Kaiserkrone und in der rechten die spanische Königskrone als Zeichen seiner Universalmonarchie dar, während sein Sohn Philipp II. (1527–1598), der keine Kaiserkrone mehr hatte, der Trinität einen katholisch gewordenen „Globus“ als Zeichen seiner weltweit missionierenden Monarchia Hispanica darbietet.
Translatio imperii unter den Katholischen Königen Wie Bernard Vincent betont hat, haben die Katholischen Könige das Thema des Kreuzzugs, das seit der Eroberung Konstantinopels 1453 überall im Okzident präsent war, aber niemand ernsthaft aufgriff, „zu ihrem eigenen Ruhm genützt“, d.h. ihrem Staatskonzept unterstellt. Sie verstanden die Vorteile, die sie innen- wie außenpolitisch aus ihrer Rolle als „Vorreiter der Christenheit“ ziehen konnten. Ihr Unternehmen visierte nicht nur die Eroberung Granadas, sondern auch die Einnahme Jerusalems an – jedenfalls in der Reichspropaganda. Die Massenbekehrung von Juden trug dazu bei, dass um 1500 der Gedanke eines messianischen Charakters der spanischen Könige sowie die Ausdehnung der Geistesfreiheit eines Christenmenschen auf den politischen und sozialen Bereich „das zentrale Motiv des spanischen Lebens“ war, vor allem in Kastilien. Das spanische Lebensgefühl dieser Zeit kennzeichnet Américo Castro folglich als eine „messianische Spannung“ oder ein „latentes Warten auf irgendeinen Messias“. Erst dies erklärt für ihn „das wunderbare Ereignis eines Weltreiches wie des spanischen“. Die schicksalhafte Entdeckung der Neuen Welt im Jahre 1492, das mit der Eroberung Granadas angefangen hatte, verstärkte das spanische Gefühl, das auserwählte Volk der Renaissance zu sein. Es ist kein Zufall, dass Christoph Kolumbus seine Entdeckung mit der Bestimmung der spanischen Könige zur messianischen Aufgabe der Rückeroberung Jerusalems in Verbindung brachte. Der Bezug zur Weltreichelehre aus dem Danielbuch ist auch vorhanden: Im Jahre 1499 schrieb z.B. Antonio de Lebrija, auch Nebrija genannt, Autor der ersten Grammatik einer modernen Sprache (1492), Humanist und Reichschronist Ferdinands, dass gemäß der Himmelsbewegung alle Reiche und Monarchien im Osten begannen und über Indien und die Assyrer, Griechenland und Italien nach Westen wanderten, „wo sie zum Stillstand kamen“. Nebrija zitierte das nicht von ungefähr, sondern um die Führungsrolle in der Christenheit für die Katholischen Könige Spaniens zu reklamieren, deren wunderbares Reich etwas Neues, noch nie Dagewesenes sei. Im Windschatten der Kreuzzugsexpedition von 1509 zur Eroberung Orans betonte er: Obwohl der Kaisertitel in deutschen Händen liege, sei die imperiale Macht de facto in den Händen der spanischen Könige, die nun, nachdem sie bereits Herren weiter Teile Italiens und der Mittelmeerinseln geworden seien, sich anschickten, den Krieg nach Afrika zu tragen und, indem sie ihre Flotten gegen Westen gemäß der Himmelsbewegung segeln
Das Jahr 1492
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I.
Sendungsbewusstsein ließen, bereits die an Indien angrenzenden Inseln, also die sogenannte Neue Welt, erreicht hätten. Die Translatio imperii von Osten nach Westen hatte also nun Spanien erreicht, und die Führung sollte für immer in Spanien bleiben.
Die Universalmonarchie Karls V. Dieses Sendungsbewusstsein wurde mit der Verbindung der spanischen und der kaiserlichen Krone in der Person Karls V. potenziert und mit der Tradition des Carolus redivivus, also des Endzeitkaisers, vereint. Eine besondere Rolle spielte dabei Karls Großkanzler Mercurino Gattinara. Für diesen hatte Karl V. nicht nur das Reich Karls des Großen (800–814) zu restaurieren, das ja lediglich die weströmische Reichshälfte betraf, sondern auch die Türken aus der oströmischen Reichshälfte zu vertreiben und so als Universalmonarch die ganze Christenheit unter der Führung eines Hirten (Joh 10,16) zu sammeln. Ähnlich äußerte sich der Erasmianer Alfonso de Valdés nach dem Sieg bei Pavia 1525 über den Erzrivalen Franz I. von Frankreich. Wie Franz Bosbach gezeigt hat, werden in dieser Zeit die Begriffe Monarcha und Monarchia eingesetzt, um die Herrschaftsstellung Karls V. zu bezeichnen. Nach dem Sieg von Goleta und Tunis 1535, Schlachten also, die Karl V. gegen die Türken bzw. ihre Vasallen geführt hatte, war in Spanien und Italien ein Sonett von Hernando de Acuña in aller Munde, das im Sieg Karls den Auftakt zu der ersehnten Universalmonarchie sieht (dritte Strophe), in der es nur eine Herde und einen Hirten (erste Strophe), einen Monarchen, ein Weltreich und ein Schwert (zweite Strophe) unter spanischer Führung geben werde; denn nach dem Seesieg fehlte nur noch der vernichtende Landsieg (vierte Strophe). Eiferer ermahnten Karl V. dazu, die Bekehrung der Neuen Welt notfalls mit Zwangsmaßnahmen voranzutreiben. So etwa Toribio de Benavente, auch Motolinía genannt, in einem Brief an den Kaiser vom 1. Januar 1555 aus Mexiko. Nachdem die Translatio imperii nach Spanien gekommen sei, solle man sich beeilen, das vom Propheten Daniel angekündigte fünfte Reich, das Reich Jesu Christi, zu vollenden. Dieses müsse sich ausdehnen, um die ganze Erde zu umspannen, und Karl V. sei davon der Anführer und der Hauptmann: „Möge Eure Majestät befehlen, dass alle mögliche Sorgfalt darauf verwandt werde, damit dieses Reich Wirklichkeit werde und sich ausbreite, und dass den Ungläubigen gepredigt werde.“ Wir könnten noch unzählige Zeugnisse heranziehen, die das potenzierte spanische Sendungsbewusstsein unter Karl V. dokumentieren. Aber für die meisten spanischen Autoren entsprang es mehr dem „wunderbaren“ Charakter der spanischen Expansion nach Übersee als dem nach Spanien konjunkturell gekommenen Kaisertum.
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Sendungsbewusstsein
Die Monarchia Hispanica Philipps II. und seiner Nachfolger Das spanische Sendungsbewusstsein blieb daher unter Philipp II., der ja nicht Kaiser war, ungebrochen. Nach dem Sieg von Lepanto (7.10.1571) schrieb Fernando de Herrera ein ähnliches Gedicht wie einst Hernando de Acuña nach der Eroberung Tunis’. Spanien ist darin das auserwählte Volk, die Türken sind der Pharao. Und der Sieg wurde vom Gott der Heerscharen selbst für die Spanier errungen. Ein Deutungsmuster im Zeichen des „Gott mit uns“, das auch für weitere Siege des imperialen Spaniens unter Philipp III. (1598–1621) und Philipp IV. gelten wird. Nach der Personalunion der Kronen von Portugal und Spanien im Jahre 1580 wurde es üblich, das spanische Weltreich als das Reich zu bezeichnen, in dem die Sonne nicht unterging, in dem rund um die Uhr bei Tageslicht dem wahren Gott das Messopfer dargebracht und für Seine „katholische“ Majestät, den König von Spanien und Portugal, gebetet wurde. Damit konnte das spanische Weltreich nach Dan 12,11 die Ankunft des Antichrist und das katastrophale Ende der Welt aufhalten, eine Aufgabe, die nach 2 Thess 2,6 üblicherweise dem Kaiserreich zugesprochen wurde. Die Entdeckung der Neuen Welt wurde von den Spaniern als providenziell, als von der Vorsehung bestimmtes Ereignis zur Verbreitung der spanischen Kultur und des katholischen Glaubens betrachtet. Es genüge hier, zwei Beispiele dieser triumphierenden Sicht zu nennen: 1552 publizierte Francisco López de Gómara eine allgemeine Geschichte der Eroberung der Neuen Welt unter dem Titel Hispania victrix (Siegreiches Spanien). In seinem Widmungsbrief an Karl V. heißt es: „Sire, das größte Ereignis seit der Erschaffung der Welt ist, wenn man die Menschwerdung und den Tod ihres Erlösers ausnimmt, die Entdeckung Westindiens; und daher spricht man von einer Neuen Welt […]. Niemals hat eine Nation ihre Sitten, ihre Sprache und ihre Waffen so weit getragen, wie dies die spanische getan hat, noch hat niemand so weite Strecken zu Wasser und zu Lande mit den Waffen auf dem Rücken zurückgelegt.“ Der Rückblick des Jesuiten José de Acosta am Ende des 16. Jahrhunderts bedient sich noch deutlicher einer geschichtstheologischen Sprache mit Bezug auf das Buch Daniel, indem er die Ankunft des Christentums in der Neuen Welt, als die Reiche der Azteken und der Inka den Höhepunkt ihrer Ausbreitung erreicht hatten, als providenzielle Fügung deutet: „Zu dieser Zeit befand der Allerhöchste, dass der Stein Daniels, der die Reiche und Königtümer zerbrochen hatte, auch diese Neue Welt zerbräche. Und wie das Gesetz Christi zur Zeit des Höhepunktes des Römischen Reiches kam, so war dies auch in Westindien der Fall. Wahrhaftig, dies war höchste Vorsehung des Herrn.“ Aufgrund der eingangs erwähnten biblischen Matrix rief der Gang der Ereignisse auch eine andere Sicht hervor, nämlich die einer Hispania peccatrix (Sündhaftes Spanien): Bartolomé de Las Casas, der das gewaltsame Vorgehen seiner Landsleute in der Neuen Welt als Frevel oder Sünde gegen Gott und die Indianer interpretiert, betont, dass Spanien damit den Auftrag der Konzessionsbulle Papst Alexanders VI. vom 4. Mai 1493 (s. Kap. V und
Hispania victrix versus Hispania peccatrix
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Sendungsbewusstsein
Zerstörung Spaniens
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XI) zur Evangelisierung und Hispanisierung der Neuen Welt verraten habe, weshalb ein göttliches Gericht über Spanien bevorstehe. Kaum hatte Las Casas den Widmungsbrief des López de Gómara gelesen, da schrieb er eine neue Begründung für seinen Ganz kurzen Bericht über die Zerstörung Westindiens, den er zwar 1542 verfasst hatte, aber ebenso 1552 in den Druck gab. Die ersten Sätze dieser Begründung sind eine unverkennbar ironische Antwort auf die Vertreter einer Hispania victrix: „Alle Dinge, die sich in Westindien ereignet haben […] sind für jemanden, der sie nicht miterlebt hat, so erstaunlich und in jeder Hinsicht so unglaublich gewesen, dass es scheint, als hätten sie all jene Geschehnisse, die man während der vergangenen Jahrhunderte in der Welt gesehen und vernommen, so rühmlich sie auch waren, überschattet und zum Schweigen gebracht und als wären sie ausreichend gewesen, jene anderen in Vergessenheit geraten zu lassen. Hierzu gehören die Blutbäder und Metzeleien, die man unter unschuldigen Menschen anrichtete, und die Entvölkerung von Orten, Provinzen und Königreichen, die man dort verschuldete, und alles Übrige, was nicht weniger schrecklich ist.“ Es ist kein Zufall, dass Las Casas das Wirken der Spanier als „Zerstörung“ Westindiens bezeichnet, denn die Nationalchronik des 13. Jahrhunderts beweinte bekanntlich die Invasion der Muslime als „Zerstörung“ Spaniens. Und Las Casas will seinen Landsleuten nicht nur klarmachen, dass sie den päpstlichen Auftrag zur Evangelisierung und Eingliederung der indianischen Völker in ein christliches Weltreich verraten haben, sondern auch, dass sie sich nun gegenüber den Indianern wie die verhassten Muslime in Spanien gegenüber den Westgoten benehmen. Las Casas fürchtet, dass Gott (durch die Hand der Türken) „über Spanien seine Wut und seinen Zorn ausgießen“ werde, wenn die Spanier sich nicht bekehren und den indianischen Völkern Gerechtigkeit widerfahren lassen: „weil ganz Spanien in mehr oder weniger großem Ausmaß beteiligt war und von den blutigen geraubten Reichtümern profitiert, die so verbrecherisch und übel und mit soviel Zerstörung und unter Auslöschung dieser Völker gewonnen worden sind“; und er fürchtet auch, das Bereuen werde zu spät oder gar nicht geschehen, „wegen der Blindheit, die Gott um unserer Sünden willen bei den großen und kleinen Menschen zulässt, und besonders bei denen, die sich für so geistreich und weise halten und Anspruch darauf erheben, die ganze Welt zu beherrschen“. So sah Las Casas das spanische Projekt der Universalmonarchie am Ende seines Lebens. Seine Ankündigung der von Gott zugelassenen Zerstörung Spaniens erfolgte 1564 „vor“ der Seeschlacht von Lepanto (1571), in einer Zeit apokalyptischer Ängste angesichts der Türkengefahr. Einige seiner Anhänger waren der Meinung, dass nach der Zerstörung der Kirche in Europa Lima das neue Rom sein werde. Nach dem Sieg von Lepanto ist die Geduld Philipps II. mit den Untergangspropheten am Ende: Viele werden in den Kerker geworfen, und Philipp II. gelingt es, seine Herrschaft in Amerika und auf den Philippinen zu festigen. Eine erneute Konjunktur haben die Untergangsprophezeiungen erst 1588 nach dem Verlust der „unbesiegbaren Armada“. Aber auch hier vermögen sie das Erwählungsbewusstein Spaniens nicht wirklich zu erschüttern. Denn dieses Ereignis, das von den Engländern als Fanal für eine Translatio imperii zugunsten ihrer Monarchie interpretiert
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Sendungsbewusstsein wurde, war aus spanischer Sicht eher eine Episode, die die globale Macht Philipps II. nicht besonders gefährdete.
Bekräftigung des spanischen Anspruchs im 17. Jahrhundert Der Dominikaner Tommaso Campanella, der sich für den besten Staatstheoretiker seiner Zeit hielt, befasste sich mit dem Thema in verschiedenen Werken und Lebensphasen: als er in Neapel dem spanischen König unterstand und als er ab 1634 in Paris den Schutz des französischen Königs genoss. Sein Werk Monarchia di Spagna (1601) enthält spanienfeindliche Stellen, die 1598 vor seiner Verhaftung wegen Anstiftung zur Rebellion geschrieben wurden, und spanienfreundliche Passagen, die vermutlich nach 1599 im Gefängnis – nicht zuletzt als Teil seiner Verteidigungsstrategie – entstanden. Campanella benennt darin drei Ursachen für die Entstehung von Reichen: Gott, die Klugheit und die Gunst der historischen Stunde, Ursachen, die ganz besonders bei der Entstehung des spanischen Weltreiches wirksam waren. Gott, weil die spanischen Könige nach einem 800-jährigen Kampf gegen die Mauren den Titel „Katholische Könige“, d.h. „universale Könige“, vom Papst erhalten hätten. Die Verleihung des Titels „universaler König“ zeige, so Campanella, dass der Heilige Geist am ehesten aus dem Munde der Geistlichen spreche. Klugheit, weil die Spanier ihr Weltreich mithilfe der Arkebuse und der Buchdruckpresse zusammenhielten, also der Waffen und der politischen Literatur, wozu viel Klugheit nötig sei. Die Gunst der historischen Stunde schließlich, weil man eine Neue Welt entdeckt, sich mit dem Haus Österreich verbündet und seit 1580 auch noch die Krone Portugals übernommen habe. Wenn die Spanier nun die Türken besiegten, die Einzigen, die genauso wie sie eine Universalmonarchie errichten wollten und könnten, könnten sie über die ganze Welt herrschen. Dann werde es nur eine Herde und einen Hirten geben. Dass man sich unmittelbar davor befände, zeige sich darin, dass im spanischen Reich ständig bei Tageslicht die Heilige Messe gefeiert werde. Für Spanien spreche schließlich auch die große Sternenkonstellation des Schützen, die letztmals um 800, also zur Zeit Karls des Großen, bzw. vor 1.600 Jahren, zur Zeit des Augustus, vorgekommen sei. Frankreich könne diese Führungsrolle nicht beanspruchen, denn seine Stunde sei schon vor 800 Jahren gekommen und es habe nach Ps 66,7 seine Früchte bereits getragen. Bestreitungen des spanischen Anspruchs, der letzte Sitz der Translatio imperii zu sein, entkräftete der Benediktiner Juan de Salazar in seinem Werk Política española (1619) mit folgender geschichtstheologischer Argumentation: Da Spanien immer von anderen Völkern beherrscht worden sei, nämlich von den Phöniziern, den Karthagern, den Römern, Vandalen, Sueven und Goten (von den Arabern ist nicht die Rede), also, biblisch gesprochen, das „kleinste“ unter den Völkern sei, entspreche es der Logik der Heilsgeschichte, dass Spanien zum Sitz der Universalmonarchie erhoben werde, dem alle anderen Nationen der Welt zu gehorchen hätten. Die Bedingung dafür sei, dass Spanien rein von Häresie dem wahren Glauben treu bleibe,
Tommaso Campanella
Juan de Salazar
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Sendungsbewusstsein
Diego Saavedra Fajardo
diesen in allen vier Teilen der Welt verkünde und dafür sorge, dass man Gott rund um die Uhr bei Tageslicht „das tägliche Opfer“ darbiete, von dem Daniel spreche und das das heilige Messopfer bedeute. Der jetzige Zustand der Geschäfte der Welt, nämlich die Eintracht der spanischen Reiche und die Zwietracht der benachbarten und fremden Reiche, sei eine günstige Gelegenheit für die Bewahrung und Ausdehnung der spanischen Monarchie. Eine potenzielle Gefahr sieht Salazar höchstens in der Einheit der Protestanten und in den Türken, die aber in der jetzigen Stunde die spanische Monarchie nicht ernsthaft gefährden könnten. Salazars Werk stellt den Höhepunkt der Legitimierung des spanischen Hegemonialanspruchs auf dem Boden des Danielbuches dar. Aber auch nach ihm wandten sich spanische Autoren dem Thema zu, denn während des Dreißigjährigen Krieges wurde – vor allem zwischen Franzosen und Spaniern – eine Propagandaschlacht um die Universalmonarchie geführt. In diesem Kontext entwarf Diego Saavedra Fajardo, Mitglied der spanischen Delegation bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden, in seinem Werk Corona gótica, castellana y austríaca (1648) eine Begründung des spanischen Sendungsbewusstseins, die das danielische WeltmonarchienSchema vollständig hispanisierte. Das Volk, dem die Herrschaft für ewig übergeben wird, ist das katholische Spanien nach der Bekehrung Rekareds 589. Seitdem ist die spanische Monarchie dem katholischen Glauben nämlich treu geblieben und das spanische Reich ist immer größer und mächtiger geworden, bis es alle vier Erdteile erfasst hat. Das spanische Reich ist also – zusammen mit der katholischen Kirche – das fünfte eschatologische Reich, von dem gesagt wurde, dass es in Ewigkeit nicht untergehen und keinem anderen Volk überlassen werden soll. Letzteres sei aber eher ungewiss und könne aus Daniels Prophetie nicht mit Sicherheit entnommen werden. Die Erfahrung und das Naturgesetz zeigten uns nämlich, „dass Reiche entstehen, leben und sterben“. Unfehlbar sei einzig die Wahrheit, dass die Dauer der Reiche als Lohn der Tugend zu verstehen sei und dass Gott wegen Gewalttat und Übermut die Herrschaft von einem Volk auf das andere übertrage – wie Saavedra unter Anspielung auf Sir 10,8 abschließend festhält. Mitten in der theologischpolitischen Propagandaschlacht suchte Saavedra also – dem spanischen Machtverlust im Schatten des Dreißigjährigen Krieges zum Trotz – Zuflucht in eine totale Hispanisierung der Visionen Daniels, die in Einklang mit den mittelalterlichen Geschichtschroniken aus der Zeit Alfons’ X. aus Spanien nach Rekareds Bekehrung das Israel des Neuen Testaments macht.
Die Stunde Frankreichs Quintomonarchismus
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1650 malte Rembrandt „Die Vision Daniels“, ein Bild, das als Symbol dieses für Christen und Juden im Zeichen des „Quintomonarchismus“ (der Erwartung des fünften und letzten Weltreichs auf Erden) messianisch schwangeren Jahrhunderts gelten könnte. In dieser Zeit bemühte sich der portugiesische Jesuit António Vieira in seinem Werk História do Futuro – Esperança
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Sendungsbewusstsein de Portugal – Quinto Império do mundo (Künftige Geschichte – Hoffnung Portugals – Fünftes Weltreich) um eine Lusitanisierung der Visionen Daniels. Vieira möchte „ohne jeden Zweifel“ beweisen, dass ein neues, fünftes Reich Christi hier auf Erden verheißen und Portugal dabei die zeitliche Führungsrolle der Universalmonarchie vorbehalten sei. Die Sefarden Amsterdams wandten sich mit dem Rabbiner Menasseh Ben Israel ebenfalls dem Danielbuch zu und erwarteten die baldige Ankunft des Messias mit der fünften und letzten Universalmonarchie, deren Führung natürlich immer schon Israel verheißen sei. Auch in England fühlten sich die Puritaner des „The Fifth Monarchy Movement“ zur Führung auserwählt. Dies galt auch für die Schweden und die österreichischen Habsburger, aber die besten Karten zum Aufstieg als neuem Hegemon in Europa hatte Frankreich. Einem politischen Theologen wie Campanella war diese Entwicklung nicht entgangen; daher wechselte er 1634 die Fronten. Als Hoftheologe Ludwigs XIII. (1610–1643) und politischer Propagandist Richelieus begründete er nun in einer unvollständig gebliebenen Schrift, die man in einer modernen Ausgabe Monarchia di Francia genannt hat, die Translatio imperii durch Gottes Fügung nach Frankreich. Campanella betont auch hier das hierokratische Prinzip seiner politischen Theorie, wonach der Papst das Haupt der Universalmonarchie sei und die Könige in seinem Auftrag das zeitliche Schwert führen. Die Frage ist allerdings, welcher christliche König die ganze Welt zu einer Herde unter Führung eines Hirten vereinen solle. Campanella schickt nun seine frühere These voraus: Allem Anschein nach sei dies die Aufgabe des spanischen Königs. Dann aber behauptet er kühn: „Das Wesen einer solchen Monarchie gehört eher zu Frankreich als zu Spanien.“ Die Spanier seien dazu nur die Wegbereiter. Es folgt eine Apologie Frankreichs. Denn der Titel „Katholischer König“, den der König von Spanien führe, sei nicht hochrangiger als der Titel „Allerchristlichster König“, der dem König Frankreichs zustehe. Wenn die Spanier ihrer Bestimmung nicht gerecht würden, so werde Gott Menschen anderer Länder, etwa aus Frankreich, auswählen und in Spanien ansiedeln usw. Das Werk endet mit Ratschlägen zur Renovatio imperii durch die Franzosen. Dazu sei es zuallererst nötig, den Hispanismus zu bekämpfen und die Propagandaschlacht gegen die Spanier mittels der Feder und der Gelehrtenargumente zu gewinnen. Dabei müsse man predigen, Gott wolle nicht, dass die Spanier in der Alten Welt blieben, wo sie nur Böses tun könnten; vielmehr wolle er, dass sie in die Neue Welt auswanderten, wo er für sie nur Gutes vorgesehen habe. Campanella träumte also von einer doppelten Universalmonarchie, d.h. von einer „bipolaren Weltordnung“: den Franzosen die Alte Welt, den Spaniern die Neue. 1635 trat Frankreich in den Dreißigjährigen Krieg ein, aber nicht gegen den Kaiser, sondern gegen Spanien. Daher geht der Kampf auch nach dem Westfälischen Friedensvertrag mit dem Kaiser 1648 weiter. Zunächst konnten die Spanier 1636 siegen und bis vor Paris vorrücken, aber nach der vernichtenden Niederlage 1643 bei Rocroi wandte sich das Blatt endgültig zugunsten Frankreichs. Nach dem Sieg von Lens 1648 folgten 1658 der Sieg von Dünkirchen und 1659 der Pyrenäenfriede zwischen einem würdigen Verlierer und einem sich gemäßigt verhaltenden Sieger: Danach musste Philipp IV. seine Tochter María Teresa mit Ludwig XIV. verheiraten und dem
Translatio imperii nach Frankreich
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Sendungsbewusstsein Franzosen einige Festungen in Flandern sowie die kleinen transpyrenäischen Territorien der alten Krone Aragóns, die keine große Bedeutung mehr hatten, überlassen. Die spanische Hegemonie in Europa wurde durch eine französische abgelöst. Aber Spanien mit seinem Weltreich blieb eine Großmacht.
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Spanisch-französiche Schlachten 1492–1659 Spanische Siege gegen Frankreich im 16. Jahrhundert: Cerignola (21. April 1503), Bicocca (29. April 1522), Pavia (24. Februar 1525), Ceresole (11. April 1544), Saint-Quentin (10. August 1557), Gravelines (13. Juli 1558). Französische Siege gegen Spanien im 17. Jahrhundert: Rocroi (19. Mai 1643), Lens (20. August 1648), Dünkirchen (14. Juni 1658). Die schwarze Legende (La Leyenda negra) Der Begriff wurde von Julián de Juderías ab 1912 eingeführt, um die „grotesken Beschreibungen“ des Charakters der Spanier und ihrer Kultur sowie Beschuldigungen aller Art gegen Spanien aufgrund von Übertreibungen und falschen Tatsachen zu bezeichnen. Wir haben darunter die Kehrseite des spanischen Hegemonialanspruchs in der Frühen Neuzeit zu verstehen und die erste politische Propagandaschlacht seit der Erfindung des Buchdrucks. Die schwarze Legende zeigt auch anthropologische Vorurteile und quasi-rassistische Komponenten, etwa wenn Martin Luther in seinen „Tischreden“ die Spanier als ein Volk von „ungläubigen Juden und getauften Mauren“ bezeichnet, die mit ihrer orientalischen Despotie Deutschland tyrannisieren wollen. „Abscheuliche Marranen“, „Scheinchristen und Dreckskerle“ ebenso wie „brutale Feinde des Menschengeschlechts“ oder „Spanische Servitut“ werden zu geläufigen Topoi in den antispanischen Pamphleten der Frühen Neuzeit. Die Gegner der Monarchia Hispanica – Italiener, Deutsche, Niederländer, Franzosen, Engländer – waren bestrebt, die Spanier als Menschen, ihre Herrscher (vor allem Philipp II.), ihre Kultur und Institutionen (wie die Inquisition) zu diskreditieren. Das antispanische Schrifttum speiste sich aus verschiedenen Quellen: aus der Anklage der Brutalität der Konquistadoren bei der Eroberung der Neuen Welt, die Bartolomé de Las Casas drucken ließ (Brevísima relación de la destrucción de las Indias, 1552; das Werk erreichte im 16. Jahrhundert vier und im 17. Jahrhundert 25 niederländische Ausgaben, dazu kommen fünf französische, vier englische und zwei deutsche Ausgaben); aus der Anklage der Kunstgriffe der Inquisition durch einen gewissen Reginaldo González Montano (Exposición de algunas mañas de la Santa Inquisición española, 1567), hinter dem sich der aus Sevilla geflohene Protestant Casiodoro de Reina verstecken könnte; aus der Anklage der von den Spaniern begangenen Gräueltaten während der katholischen Restauration unter Maria Tudor (1553–1558) in England, die der Exulant John Foxe vornahm (Acts and Monuments, 1554); aus einem Werk von Wilhelm von Orange-Nassau (Apologie, 1580), in dem Philipp II. als Bigamist und Mörder seines eigenen Sohnes dargestellt wird; aus einer ebensolchen Anklage dieses Königs durch seinen geflohenen Sekretär Antonio Pérez (Relaciones, 1594) sowie aus anderen Quellen. Die spanischen Könige verstanden es nicht, eine wirksame Gegenpropaganda ins Leben zu rufen.
II. Staat und Kirche Die Katholischen Könige waren von Anfang an um die Wiederherstellung und Stärkung der königlichen Autorität sowie um die Schaffung einer effizienteren staatlichen Organisation bemüht.
Staatsreform Bernard Vincent hebt drei Aspekte der Staatsreform der Katholischen Könige hervor, die von ihren Nachfolgern grundsätzlich übernommen und angepasst wurden: den finanziellen, den politisch-administrativen und den militärischen. In diesen Bereichen stellten sie die Weichen für das „Spanische Jahrhundert“. (1) Finanzreform. Zur Verbesserung der Einnahmen der Krone führten sie eine Reihe von Steuern ein. Allen voran wäre hier die alcabala zu nennen, d.h. eine indirekte Steuer, die für alle, auch den Adel, galt und der modernen Mehrwertsteuer nahe kommt. Sie machte 70% bis 80% der Einnahmen aus. Dazu kamen die verschiedenen Zölle, die diezmos oder almojarifazgos, die eine Art Einfuhrzoll an der Grenze waren und 10% bis 15% der Steuereinnahmen ausmachten; schließlich wären die tercias reales zu nennen, wonach der Krone zwei Neuntel des Kirchenzehnten zustanden, sowie servicio y montazgo, ein Viehzoll auf die auf die Sommerweide ziehenden Herden und auf den Gebrauch der Weiden und der Salinen. Ebenso griffen die Katholischen Könige auf das System der außerordentlichen Steuern zurück, die aber von den Cortes, der Ständeversammlung, ad hoc bewilligt werden mussten und nur von den Nicht-Adligen bezahlt wurden. (2) Politisch-administrative Reform. Die Katholischen Könige reformierten die Verwaltung durch die Neuorganisation des Kronrates von Kastilien (1480) und Aragón (1494). Der Kronrat behielt eine gerichtliche und eine politische Funktion, aber die Rolle des Adels wurde eingeschränkt. Denn zum Kronrat zählten nun zwölf Mitglieder, und diese wurden so ausgewählt, dass sie die Politik der Krone gegenüber dem Adel teilten: Der Vorsitzende war ein kirchlicher Prälat (Bischof oder Kardinal), dazu kamen drei Ritter und der Rest waren letrados (Juristen und Theologen) mit Sachverstand. Man hat dieses Organ „die Säule der Königreiche“ genannt, der alle Agenten und Sektionen der Macht unterstellt waren. Die königlichen Sekretäre sahen ihren Einfluss vergrößert und avancierten dabei zu „Vertrauensleuten der Herrscher“. Nach dem Modell des Kronrates schufen die Katholischen Könige andere Beratungsgremien, die der Verwaltungsmaschinerie genauso unentbehrlich wurden. Allen voran ist hier der Rat der Allerhöchsten und Allgemeinen Inquisition (Consejo de la Suprema y General Inquisición, auch Suprema genannt), zu erwähnen, der bereits 1483 eingerichtet wurde und der zweite im Rätesystem war. Zudem war er als einziger Rat für das gesamte Herrschaftsgebiet zuständig (s. Kap. VII).
Finanzreform
Politisch-administrative Reform
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Staat und Kirche
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Moderner Staat
Polizei- und Militärreform
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Rätesystem Im „Spanischen Jahrhundert“ war Spanien eher ein Konglomerat von verschiedenen Territorien und Königreichen, die durch die Krone und den katholischen Glauben zusammengehalten wurden. Die Verwaltungsstruktur bestand in einem System von Räten, die für verschiedene Institutionen, Regierungsgeschäfte und Territorien zuständig waren. Nach Philipp II. führte der König nicht mehr in die Schlachten, sondern zog sich auf die Regierung seines Reiches mithilfe seines Sekretärs und der Räte zurück. Philipp III. und Philipp IV. überließen die Regierungsgeschäfte weitgehend den validos oder mächtigen Ministern (Philipp III. dem Herzog von Lerma und Philipp IV. dem Graf-Herzog de Olivares). Räte für Institutionen und Regierungsgeschäfte: Inquisition (1483), Ritterorden (1495), Kreuzzug (1509), Krieg (1517), Staat (1522), Finanzen (1523). Territorialräte: Kastilien (1480, 1588 als Kastilische Kammer), Aragón (1494), Westindien (1524), Italien (1555–1557), Portugal (1582), Flandern (1588). Dazu kamen die Vizekönige (Vertreter des Königs in bestimmten Territorien), die Präsidenten der Gerichtshöfe (Audiencias) und andere Verwaltungsämter. Diese Ämter waren zeitlich befristet, und nach Ablauf des Mandats mussten sich die Amtsträger einer Untersuchung (Juicio de residencia) unterziehen.
Indem sie den königlichen Machtanspruch gegenüber dem Adel, der Kirche und den Städten zur Geltung brachten, die Zentralverwaltung ausbauten und sich in der Inquisition ein für alle Teilreiche gleichermaßen zuständiges Machtinstrument von hoch einzuschätzender politischer Bedeutung schufen, ermöglichten die Katholischen Könige ihren Nachfolgern den Weg zum absolutistischen Staat. Horst Pietschmann sieht die Überlegenheit Spaniens auf der Ebene der staatlichen Organisation in „der effektiven politischen Absicherung staatlicher Gewalt“ und folgert, dass Spanien hinsichtlich seiner politischen Organisation „als erster moderner Staat der frühen Neuzeit“ bezeichnet werden muss. Im politisch-administrativen Bereich wie im Finanzbereich wird den Katholischen Königen in der Forschung „vollendete Geschicklichkeit“ bescheinigt. Ein nicht geringer Wermutstropfen ist freilich, dass diese Stärkung königlicher Gewalt eine weitgehende Ausschaltung der ständisch-korporativen Tradition des spanischen Mittelalters zugunsten des Manövrierspielraums der Krone bedeutete. Ferdinand und Isabella riefen die Cortes Kastiliens nur zwei Mal zusammen, und dies zu Beginn ihrer Herrschaft: 1476 in Madrigal de las Altas Torres und 1480 in Toledo. (3) Polizei- und Militärreform. Zeichen von Modernität im Sinne der Stärkung der königlichen Autorität und der Zentralisierung der Staatsgewalt ist auch die Reform der Santa Hermandad. Bis dahin gab es mehrere Hermandades, die von den Kommunen finanziert wurden und die Sicherheit des offenen Landes gewährleisteten. Unter den Katholischen Königen wurde die Santa Hermandad zu einer allgemeinen ständigen Einrichtung. Zu deren Finanzierung genügte nach den Cortes von Toledo 1480 ein Beschluss des leitenden Rates, der alle drei Jahre gefasst werden musste, aber die Zustimmung der Cortes war nicht mehr nötig. Ebenso gelang den Katholischen Königen eine nachhaltige Militärreform, von der ihre Nachfolger profitierten. Ihr Heer zwischen 1482 und 1492 entspricht noch dem mittelalterlichen Modell, konnte aber auf der Ebene der neuen Feuerwaffen (Artillerie) eine erdrückende Überlegenheit vorweisen.
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Staat und Kirche Mit der großen Militärreform nach 1492 legen die Katholischen Könige den Grundstein für die Tercios, d.h. für die Berufstruppen, die bis zur Schlacht von Rocroi (1643) so gut wie unbesiegt bleiben werden. Neu ist in dieser Zeit auch der Drang nach Abschluss der territorialen Einheit Spaniens auf dem Boden der Iberischen Halbinsel. In diesem Sinne konnte es nicht bei Granada bleiben: Es musste auch verhindert werden, dass Navarra 1512 in die Hände Frankreichs fiele. Mit dessen Eingliederung durch Ferdinand den Katholischen wurde die Pyrenäengrenze geschlossen. Die Katholischen Könige betrieben also eine Politik der Machtakkumulation, die zugleich eine Politik der Vereinigung der alten christlichen Königreiche auf spanischem Boden war. Dazu gehörte eine kluge Heiratspolitik mit der Krone Portugals.
Religionspolitik Wir können von einer engen Einheit zwischen Staat und Kirche im Dienste eines gemeinsamen Ziels sprechen: ein homogenes Gemeinwesen auf der Grundlage des katholischen Glaubens zu schaffen. Dazu gehört die Vertreibung der nicht bekehrungs- oder assimilationswilligen Minderheiten, die inquisitorische Überwachung der Glaubensreinheit der Bekehrten, die Verfolgung religiöser Dissidenz, aber auch die religiöse und kulturelle Assimilation der unterworfenen Völker in Übersee. Die spanischen Könige werden zu Vorkämpfern des katholischen Glaubens und betrachten die Ziele der katholischen Kirche grundsätzlich als die eigenen. Dies bedeutet aber nicht, dass wir es mit hierokratischen Tendenzen zu tun hätten, bei denen die Politik von den religiösen Amtsträgern bestimmt wird. Vielmehr lässt sich deutlich ein modern klingender Primat der Politik erkennen. Von einem solchen Primat ist bereits die Religionspolitik der Katholischen Könige geprägt. Ihnen wird bescheinigt, dass sie die Religion zu einem „Instrument der Innenpolitik“ machten und sich der Kirche zur Verwirklichung ihrer Politik bedienten. Wir können sogar sagen, dass die Katholischen Könige mit der Erwirkung von Patronatsrechten die Voraussetzungen für ein quasi-„Staatskirchentum“ schufen; und die nachfolgenden Könige werden die Patronatsrechte immer selbstbewusst und extensiv beanspruchen. Das war nicht immer frei von Konflikten mit den Päpsten und anderen kirchlichen Autoritäten. Aber die spanischen Könige konnten diese zu ihren Gunsten entscheiden.
Staatskirchentum
Kirchenreform Bereits in den 1490er-Jahren finden wir eine „staatlich betriebene Kirchenreform“. Im Rahmen dieser Politik wurden u.a. folgende Maßnahmen angeordnet: die Residenzpflicht für alle Bischöfe und geistlichen Würdenträger,
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Ordensreform
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die Einführung von Pfarrbüchern und damit eine verstärkte Kontrolle über die Pfarrgemeinden, die Reform des klösterlichen Lebens entsprechend den jeweiligen Ordensregeln, d.h. es wurde bereits vieles von dem verwirklicht, was das Konzil von Trient (1545–1563) später für die gesamte Kirche beschließen würde. Einige Historiker – vor allem aus Spanien – sind daher der Meinung, dass die Kirchenreform unter den Katholischen Königen der hauptsächliche Grund dafür ist, dass der Protestantismus in Spanien keinen fruchtbaren Boden fand. Diese Deutung übersieht, dass die gebildeten Schichten Spaniens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts für die geistigen Reformströmungen aus Europa (Erasmianismus, Lutheranismus) durchaus offen waren und erst die geistige Wende 1557–1559 (s. Kap. IV) mit der damals von der Inquisition und der Krone getroffenen Maßnahmen zu einer Abschottung führte. Zur Kirchenreform wurden die Katholischen Könige mit einer Bulle vom 27. Juli 1493 von Papst Alexander VI. allgemein ermächtigt. Mit der Durchführung der Reform der einzelnen Orden ließen sie Geistliche ihres absoluten Vertrauens wie den Dominikaner Diego de Deza und den Franziskaner Jiménez de Cisneros, die zu ihren Beichtvätern gehörten, durch weitere Bullen 1496 kanonisch beauftragen. Bei Widerstand gegen die Reform zögerten die Katholischen Könige nicht, hart einzugreifen. Um 1507 war die Ordensreform weitgehend abgeschlossen, auch wenn sich einige Franziskaner (Konventualen) in Aragón noch widersetzten und sich andere in der Extremadura unter Führung von Juan de Guadalupe zu einer noch strengeren Observanz entschlossen, um 1519 die Ordensprovinz „San Gabriel“ zu gründen. Bei der Reform der Dominikaner ist der Einfluss der prophetischen Spiritualität Savonarolas nicht zu unterschätzen. Hier ragte in Kastilien Juan Hurtado de Mendoza hervor, der das Kloster Santo Tomás in Ávila reformierte. Diese Ordensreform schuf nicht zuletzt die Voraussetzungen für die Evangelisierung der Neuen Welt. Es ist gewiss kein Zufall, dass König Ferdinand sich 1508 zunächst an die Franziskaner wandte, um gute Missionare für die Antillen zu bekommen. Ebenso wenig erstaunt, dass die erste Dominikanerkommunität, die 1510 in Santo Domingo landete und 1511 (s. Kap. V) die Unterdrückung der Indianer durch die Spanier anprangerte, aus dem erwähnten Kloster in Ávila kam. Und schließlich ist kein Zufall, dass die ersten zwölf Franziskaner, die 1523 in die Mexiko-Mission aufbrachen, aus der Provinz San Gabriel kamen. Sie waren schon unterwegs, als Hernán Cortés in seinem Brief vom 15. Oktober 1524 Karl V. um die Aussendung von vielen Franziskaner- und Dominikanermönchen bat, „die für das Ziel der Bekehrung dieser Heiden recht feuereifrig sind“. Anschließend bekundet Cortés in aller Deutlichkeit die Gründe für seine Bevorzugung der Mendikanten: „Denn wenn wir Bischöfe und andere Prälaten bekommen, dann werden diese sicherlich der, zur Strafe für unsere Sünden, heute von ihnen angenommenen Gewohnheit folgen, wonach sie über die Kirchengüter verfügen, das heißt in Pomp und andern Lastern verschwenden und Majorate für ihre Söhne oder Vettern errichten.“ In der Tat waren die Ergebnisse bei der Reform des Weltklerus eher mäßig. Das Konkubinat blieb vor und nach Trient ein Grundübel – auch in Übersee; und das theologische und spirituelle Bildungsniveau des Klerus ließ trotz der Bemühungen Cisneros‘ und
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Staat und Kirche der Errichtung von Priesterseminaren nach den Anregungen des Juan de Ávila und des Trienter Konzils (23 zwischen 1565 und 1610 bei 55 Bistümern) viel zu wünschen übrig. Viele Kleriker studierten lieber an den Universitäten Zivil-, Kirchenrecht oder beides, um in der staatlichen und kirchlichen Verwaltung Karriere zu machen. Für die Zeit um 1600 geht man von etwa 15.000 Universitätsstudenten allein in der Krone Kastiliens aus, die meisten davon Juristen, sodass Spanien zu einem Land der letrados wurde. Etwa 5,5% der 18-jährigen Männer schrieben sich jährlich an Universitäten ein, was der höchste Prozentsatz in Europa sein dürfte. Die Kleriker folgten diesem Trend, arbeiteten daher lieber in den Städten (besonders in denen mit vielen Pfründen, staatlichen und kirchlichen Institutionen) als auf dem Land. Die Katholischen Könige waren bestrebt, vom Papsttum Patronatsrechte für ihre Territorien zu erhalten. Die Stifter von Kirchen, Kapellen oder Benefizien erhielten als Gegenleistung für sich und ihre Rechts-Nachfolger oft ein Patronat darüber, d.h. Privilegien (oft bei der Bestellung der Amtsträger), die mit bestimmten Lasten (materielle Sorge für die Stiftungen) verbunden waren. Den Katholischen Königen ging es um die Kontrolle der Ernennung von wichtigen kirchlichen Amtsträgern (Bischöfe vor allem), die mit Pfründen und Benefizien zu tun hatten, sowie um das Profitieren der unermesslichen Einkünfte der Kirche. Während sich die Einkünfte der Kirche Kastiliens um 1492 auf anderthalb Millionen Dukaten beliefen, erreichten die der Krone kaum eine Million. Die Könige erhielten davon – wie erwähnt – seit 1340 die tercias reales, aber es fehlte ihnen die päpstliche Bestätigung dieser Konzession auf Lebenszeit. So erleben wir unter den Katholischen Königen eine schrittweise Erlangung von Patronatsrechten, die als Ergebnis zäher und kluger Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zu verstehen sind, aber auch als Ausdruck der realpolitischen Kräfteverhältnisse: Dass die Könige letztlich das Erstrebte weitgehend erreichten, zeigt auch, dass sich das Papsttum ihrem Begehren beugen musste. Oft musste der kuriale Text so lange redigiert werden, bis er die Könige zufriedenstellte. Mit einer Bulle vom 13. Dezember 1486 wird ihnen das umfassende Patronat für die Kanarischen Inseln und Granada (hier mit sechs Neuntel des Kirchenzehnten) gewährt. Was die Neue Welt betrifft, so enthält bereits die Konzessionsbulle Inter cetera Alexanders VI. vom 4. Mai 1493 Formulierungen in der Tradition des Patronats, auch wenn sie es noch nicht formell verleiht. Darin wird den Katholischen Königen und ihren Nachfolgern ein Teil der Neuen Welt für alle Zeiten „geschenkt, gewährt und übertragen“. Zugleich werden sie bei ihrem „heiligen Gehorsam“ feierlich ermahnt, für die Evangelisierung der neu entdeckten Völker „würdige, gottesfürchtige, geschulte, geschickte und erfahrene Männer“ zu bestellen. Ein weiterer Schritt war die Bulle Eximiae devotionis vom 16. November 1501, mit der Alexander VI. den Katholischen Königen „für alle Zeiten“ den gesamten Zehnten „der Inseln und des Festlandes Westindiens“ verlieh. Da der Krone dies immer noch nicht genug war, erwirkte Ferdinand von Julius II. (1503–1515) am 28. Juli 1508 die ausdrückliche Patronatsbulle Universalis Ecclesiae. Mit diesen drei Bullen war das Patronat (Evangelisierungsauftrag, exklusives Recht auf Stiftung und Dotierung der Pfarreien und Kathedralkirchen, der Zehnte und das Präsentationsrecht) für die Kirche in Übersee begründet. Für
Patronat (Schirmherrschaft)
Die Neue Welt
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II.
Staat und Kirche
Patronatskonflikte
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ein Patronat über Spanien selbst waren zähere Verhandlungen nötig, die erst unter Karl V. und seinem ehemaligen Erzieher auf dem Stuhl Petri, Hadrian VI. (1522–1523), zum Ziel führten. Mit der Bulle Eximiae devotionis vom 6. September 1523 wurde Karl V. ein Patronat zugestanden, das ein Vorschlagsrecht für die Bistümer und Klöster einschloss, wenn auch nicht für alle Pfründen. Im Finanziellen blieb es in Spanien bei den tercias reales. Dies bedeutet, dass die Krone für die Kirche in Übersee ein umfassenderes Patronat als für Spanien erlangen konnte. Außer dem Präsentationsrecht und der Kontrolle des Kirchenzehnten, verbunden mit der Pflicht der Krone, gut geeignete und gelehrte Personen für alle kirchlichen Ämter, auch für die niedrigen, zu präsentieren sowie für den Bau von Kirchen und Klöster zu sorgen und die Reisen der Missionare zu finanzieren, gehörte mit der Zeit Folgendes dazu: das königliche Placet (pase regio) für alle kirchlichen Dokumente nach Westindien; der Treueeid der Bischöfe; die Beschränkung der kirchlichen Gerichtsbarkeit; das Verbot der Rom-Reise (Besuche ad limina) für die Bischöfe Westindiens; die Notwendigkeit, dass diese Bischöfe alle Berichte über ihre Bistümer an den Indienrat und nicht direkt nach Rom senden; die Kontrolle der Kleriker und Ordensleute, die nach Westindien fahren; die Pflicht der Ordensoberen, regelmäßig einen Bericht über ihre Aktivitäten an den Indienrat zu senden; die königliche Einflussnahme auf Konzilien und Synoden; die Möglichkeit für die präsentierten Kandidaten, ihr Bistum bereits vor dem Eintritt der päpstlichen Ernennungsbulle regieren zu können, usw. Die Wahrnehmung dieser Patronatsrechte bestätigte Philipp II. ausdrücklich im großen Erlass vom 4. Juli 1574 entgegen der tridentinischen Erwartung, zumindest die freie Kommunikation mit Rom nicht zu behindern. Der König verstand sich nicht nur als Schirmherr der amerikanischen Kirche, sondern auch als Vikar des Papstes. Diesen Titel bekamen jedoch weder Philipp II. noch seine Nachfolger. Versuche der indiophilen Missionare, den Papst zu einem Eingreifen in die Amerika-Mission zu bewegen, führten zu „Patronatskonflikten“. Diese entstanden unter Karl V. im Schatten der Bulle Sublimis Deus Pauls III. (1534–1549) von 1537 sowie unter Philipp II. in Folge des Bestrebens Pius’ V. (1566–1572) 1568, in den amerikanischen Vizekönigreichen einen Nuntius zu installieren, der den direkten Kontakt mit Rom garantieren sollte. Es scheint, als hätte sich Karl V. im Patronatskonflikt von 1537 vor allem die Einmischung des Papstes in sein königliches Patronat „prinzipiell“ verbeten wollen. Es ging ihm also um die Wahrung seiner Patronatsrechte, nicht um die Rückweisung der päpstlichen Meinung über die Zivilisationsund Glaubensfähigkeit, die Freiheits- und Eigentumsrechte der Indianer, von denen die genannte Bulle spricht. Denn seine „Neuen Gesetze“ von 1542 – im Wesentlichen von Bartolomé Las Casas selbst entworfen – stehen weitgehend in Einklang mit der Bulle und dem Idearium der indiophilen Partei. Vikariatstheorie Im Schatten der Wahrnehmung des Patronats für die Kirche in Übersee durch die spanischen Könige entstand im 16. Jahrhundert die sogenannte Theorie des „königlichen Vikariats“, wonach die Könige als „Delegierte des Apostolischen Stuhls und dessen Generalvikare“ zu verstehen sind. Die ersten Befürworter dieser Theorie waren nicht Juristen, sondern Ordensleute, allen voran die Franziskaner.
II.
Staat und Kirche Denn die Bulle Exponi nobis Hadrians VI. vom 9. Mai 1522 (besser bekannt als Omnimoda) verlieh den Franziskaneroberen quasi-episkopale Befugnisse und Privilegien, die von Pius V. mit der Bulle Exponi nobis vom 24. März 1567 auf alle in Westindien tätigen Orden ausgedehnt wurden. Trient aber wollte die bischöfliche Autorität stärken. Als die Bischöfe nun im Geiste Trients auch in den von den Orden kontrollierten Pfarreien und Gebieten die kanonische Visitation durchführen wollten, entstanden bittere Kämpfe zwischen den Orden und den Bischöfen, die bis Ende des 18. Jahrhunderts andauern sollten. In dieser Situation versuchten die Bettelorden, die Krone als Garantin ihrer Rechte zu gewinnen – etwa indem sie unter Berufung auf die Theorie des königlichen Vikariats die königliche Autorität stärkten und von der Krone einen ordenseigenen Generalkommissar für Westindien ernennen ließen, der für die Visitation zuständig war. Eine erste Begründung der Vikariatstheorie lieferte der Franziskaner Juan Focher (Itinerarium catholicum proficiscentium ad infideles convertendos, 1574). Kronjuristen werden dann diese Theorie vehement verteidigen, besonders Francisco Salgado de Somoza (De regia protectione, 1626) und Juan de Solórzano (De Indiarum Iure, 1629; 1648 erschien eine gekürzte spanische Version als Política indiana). Rom setzte beide Werke auf den Index, denn es sah in der Vikariatstheorie „eine exzessive Auslegung des Patronats“. Diese Werke gehören zu den wenigen, die sich auf dem römischen Index befanden, von der spanischen Krone aber immer verteidigt wurden.
Paradox ist, dass diese quasi-„Staatskirche“ vom Volk nicht nur als verlängerter Arm der Krone gesehen wurde – die königlichen Kronräte, nicht nur der Inquisitionsrat, wurden von Bischöfen präsidiert, manche von ihnen waren manchmal auch Vizekönige –, sondern auch als eine Institution, die zusammen mit den Gemeindebehörden an einem dichten Sozialnetz beteiligt war (Krankenhäuser, Armenspitäler, Häuser für Waisen- und Findelkinder, Almosenstiftungen, Stiftungen von Aussteuern für Waisen und von Bursen für bedürftige Studenten, Austeilung von Brot und Korn). Bartolomé Benassar behauptet sogar, dass es um 1600 den Armen in Spanien besser ging als denen in jedem anderen Land Europas. Darüber hinaus war die Kirche als Arbeitgeberin gefragt, sodass viele von ihr lebten; um 1600 z.B. nicht nur die mehr als 90.000 Kleriker des Landes, sondern auch unzählige Personen, die als Dienstpersonal, Künstler und Handwerker für die Kirche arbeiteten. El Escorial – Symbol für Verhältnis von Staat und Kirche unter Philipp II. Das Königliche Kloster (Real Monasterio) San Lorenzo de El Escorial wurde zwischen 1563 und 1584 gebaut (an der künstlerischen Ausstattung wurde jahrzehntelang weiter gearbeitet und das königliche Pantheon konnte erst 1664 fertiggestellt werden). Es liegt etwa 50km nordwestlich von Madrid am südlichen Hang des Guadarramagebirges, in einer Höhe von 1026m. Als Königliches Kloster steht es in der Tradition ähnlicher Gründungen durch die Könige des Mittelalters oder die Katholischen Könige um 1500. Solche Klöster standen unter der Protektion der Krone, wurden besonderen königstreuen Orden mit der Aufgabe anvertraut, für die Monarchie zu beten, hatten einen (bescheidenen) Palastteil für die Könige, in dem diese von Zeit zu Zeit fast wie Mönche wohnten (einschließlich der Teilnahme am Stundengebet), und waren zumeist auch als königliche Grabstätte vorgesehen. Oft wurden sie in Erinnerung an große Siege gebaut, was auch auf El Escorial zutrifft: Es ist dem heiligen Laurentius geweiht – in Erinnerung an den Sieg Philipps II. über die Franzosen bei Saint-Quentin am 10. August 1557, zu Beginn seiner Herrschaft und am Festtag des genannten Heiligen, der sich in Spanien von alters her einer besonderen Verehrung erfreute. Beim Bau hatten die Ar-
Sozialnetz
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II.
Staat und Kirche chitekten (zunächst Juan Bautista de Toledo und ab 1567 Juan de Herrera) die Vorgabe, die Anlage in Erinnerung an den Märtyrertod des Laurentius wie einen umgekehrten Rost zu planen: mit den Türmen als Beinen und den Innenhöfen als Lücken. Das Besondere sind zunächst die grandiose künstlerische Ausstattung sowie die Ausmaße: 207 x 161m, 15 Innenhöfe, 4.000 Räume usw. Philipp II. war alles andere als ein finsterer Monarch, er war vielmehr ein gebildeter Renaissancefürst mit Liebe zu den Künsten und den Wissenschaften. Davon zeugt eine prächtige Bibliothek (mit Handschriften, mit Frühdrucken oder Inkunablen und Drucken aus dem 16. Jahrhundert: die größte Privatbibliothek der Zeit!), in der gemäß dem königlichen Auftrag in der Gründungsurkunde von 1567 alle Wissenschaften, ja das Wissen der Zeit gesammelt werden sollte. Die Bibliothek liegt gegenüber der Kirche und so gut wie auf Augenhöhe des Hauptaltars – ein eindrucksvolles Zeichen für die Verbindung von Glaube und Vernunft. Auch wenn die Gruft mit den Königsgräbern direkt unter dem Hauptaltar der Kirche liegt, ist die Anlage nicht Ausdruck eines Primats des Klerus im Diesseits, sondern eher der politischen Theologie oder Reichstheologie der Monarchia Hispanica. Deutlich wird dies z.B. im Fresko ausgedrückt, mit dem Pellegrino Tibaldi in der Bibliothek die Theologie als Wissenschaft illustriert. Im oberen Teil sieht man die vier Kirchenlehrer des Westens mit einer allegorischen Darstellung des Glaubens in ihrer Mitte. Darunter findet sich eine Szene des Konzils von Nicäa mit Kaiser Konstantin in der Mitte auf dem Thron sitzend, umgeben von Bischöfen und mit dem Ketzer Arius zu seinen Füßen! Arius steht gewiss für die neuen „Ketzer“ des 16. Jahrhunderts, die beim Konzil von Trient verurteilt wurden, und Konstantin für Philipp II., der in seinem Reich die Beschlüsse des Trienter Konzils ohne Abstriche umsetzen ließ und den wahren Glauben beschützte.
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III. Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen Zwei Modelle von Religionspolitik Aus der spanischen Geschichte standen den Katholischen Königen zwei Modelle für den Umgang mit religiösen Minderheiten zur Verfügung: das katholisch-westgotische und das islamische. Das erste Modell wurde nach der Bekehrung Königs Rekared zum katholischen Glauben 589 beim III. Konzil von Toledo praktiziert und ist im Liber Iudiciorum (654) enthalten. Die Juden werden als Untertanen christlicher Fürsten betrachtet, gegen die Kirche und Krone Zwangsgesetze erlassen können. Dazu gehörten auch die Vertreibung der bekehrungsunwilligen Juden sowie die strenge Kontrolle der Bekehrten, die für immer im Schoße der Kirche bleiben sollten. Mit den Arabern kommt 711 das islamische Modell nach Spanien. Zur Erklärung der Expansion des Islam innerhalb eines Jahrhunderts von Südfrankreich bis an die zentralasiatischen Grenzen Chinas dient neben religiösen und politischen Gründen gewiss auch das kluge Vorgehen der Eroberer. Juden und Christen wurden „toleriert“, sofern sie sich der islamischen Herrschaft vertraglich unterwarfen, die Grund- und Kopfsteuern zahlten und bestimmte Einschränkungen in Kauf nahmen, wie etwa den Verzicht auf missionarische Expansion, auf den Bau neuer Kulthäuser und den Aufbau neuer Strukturen. Bei Mischehen hatte die Religion des muslimischen Teils Vorrang. Wenn in einer jüdischen oder christlichen Ehe ein Teil zum Islam konvertierte, konnte diese aufgelöst werden. Bekehrungen aus dem Islam zum Christentum oder Judentum wurden als Apostasie, als Abfallen vom Glauben, mit dem Tod bestraft. Im Übrigen konnten Christen und Juden in eigenen Quartieren leben und sich weitgehend selbst verwalten, sofern sie mit dem islamischen Recht nicht in Konflikt gerieten. Dieses Modell ist zwar nicht frei von Spannungen (viele Juden und Christen haben immer wieder das islamische Spanien verlassen, weil sie sich dennoch eingeschränkt fühlten), stellt aber einen religionsrechtlichen Fortschritt gegenüber dem westgotischen Modell dar und erlaubt die Gestaltung einer asymmetrischen plurireligiösen Gesellschaft mit einer dominierenden Staatsreligion und zwei geduldeten Religionen. Mit der Eroberung Toledos 1085 übernimmt der kastilische König Alfons VI. (1072–1109) das islamische und nicht das westgotische Modell. So können vom Ende des 11. bis Ende des 13. Jahrhunderts christliche Könige in Kastilien und Aragón einen Teil der muslimischen Bevölkerung halten und vom jüdischen Exodus aus dem Spanien der Almoraviden und Almohaden oder aus dem Europa der Kreuzfahrerzeit profitieren. Der Kodex Las Siete Partidas, entstanden unter Alfons X., nennt Synagogen und Moscheen „Häuser des Gebets“, die unter dem Schutz der Krone stehen, und begrüßt die freiwilligen Bekehrungen zum Christentum beim gleich-
Westgotisches Modell
Islamisches Modell
Spanien als Sonderfall
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III.
Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen zeitigen Verbot von Zwangsbekehrungen. Es geht darum, wie Juden und Muslime „unter Christen zu leben haben“, was ihnen dabei erlaubt und verboten sei, denn das Zusammenleben sei zu eng geworden. Aus diesem Grund markieren einige Gesetze die Grenzen des Zusammenlebens deutlich (Verbot von gegenseitigen Hausbesuchen, von gemeinsamem Baden, von christlichen Hausmägden und -knechten in den Häusern von Juden und Muslimen). Auf dieser Grundlage wird das christliche Spanien des Hochund Spätmittelalters zu einem Sonderfall im damaligen Europa. Während andere Länder im Schatten des Kreuzfahrergeistes dabei sind, sich der Juden zu entledigen (1290 werden sie aus England vertrieben, 1394 aus Frankreich) und kaum Muslime unter sich kennen, leben im christlichen Spanien Juden, Muslime und Christen in enger Nachbarschaft, und die Christen übernehmen dabei vieles von der orientalischen Lebensart. Es ist das Zeitalter, für das Américo Castro von der Convivencia (Zusammenleben) der drei Kulturen und Religionen spricht. Diese soziale Ordnung gilt diesseits der Pyrenäen als skandalös. Die hispani werden an den europäischen Höfen und in Rom als schlechte Christen, eine Mischung aus Juden, Christen und Mauren betrachtet. Ende des 15. Jahrhunderts stehen die Katholischen Könige vor der Alternative, für ihre Religionspolitik das restriktive westgotische oder das tolerantere islamische Modell zu wählen. Sie werden zwischen beiden schwanken, bis sie sich ab 1502 ganz für das westgotische entscheiden.
Die Vertreibung von Juden und Morisken Probleme mit Religionsvielfalt
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Das christliche Spanien hatte seit den Judenpogromen von 1391 und 1413–1414 mit den darauffolgenden Massenbekehrungen ein neues Problem: In den meisten Städten gab es nun neben den herkömmlichen Christengemeinden (cristianos viejos) auch Synagogen für die Juden, die eine oder andere kleine Moschee für die mudéjares (die unter chistlicher Herrschaft verbliebenen Muslime) und Kirchen für die vielen Conversos oder Neuchristen (cristianos nuevos) aus dem Judentum. Auf so viel „Religionsvielfalt“ war man im damaligen Europa nicht vorbereitet. Die Spannungen zwischen Juden, Conversos und Altchristen rufen ab der Mitte des 15. Jahrhunderts nicht nur die Statuten der Limpieza de sangre (s. Kap. VI) hervor, sondern begünstigen auch 1478–1480 die Errichtung der Inquisition (s. Kap. VII). Als diese 1482 operativ wird und zur Einsicht kommt, dass die Juden eine permanente Versuchung für die Conversos darstellen, drängt sie auf Vertreibungsmaßnahmen. Die Katholischen Könige selbst hatten zunächst vor, das islamische Modell weiter zu praktizieren, denn die jüdischen und muslimischen Minderheiten waren aufgrund der höheren Tribute eine gute Einnahmequelle. So wird am 28.11.1491 in den Unterwerfungskapitulationen den Muslimen Granadas die Pflege der eigenen Kultur und Religion gegen Tributzahlung gewährt, also nach dem in den Siete Partidas übernommenen islamischen Modell. Die Könige drängen nur die Eliten zur
III.
Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen Auswanderung nach Marokko. Als die Könige aber am 31.3.1492 in einem Edikt verfügen, dass die taufunwilligen Juden bis 31. Juli das Land unter widrigen Umständen verlassen sollen, fangen sie damit an, das islamische Modell gegen das westgotische auszutauschen. Sie werden noch alles Mögliche tun, um den Juden die Bekehrung schmackhaft zu machen. Abraham Senior, der 80-jährige Hofrabbiner, Berater der Krone und Steuereinnehmer, ließ sich in einer Prunkzeremonie taufen, in der die Könige selbst als Paten fungierten. Zwischen 50.000 und 100.000 Juden folgen diesem Beispiel, doch die Könige scheinen die „identitätsstiftende“ Kraft des Glaubens Israels in Krisenzeiten zu unterschätzen, die Fähigkeit, die schlimmsten historischen Katastrophen als die „Geburtswehen des Messias“ umzudeuten, wie es Isaac Abravanel, ebenfalls einflussreicher Finanzmann am Hof und geistiger Kopf der Vertriebenen, tun wird. So ziehen zwischen 50.000 und 150.000 Juden das Exil dem Glaubensabfall vor. Spätestens seit der Vertreibung der Juden wusste man, dass die den Muslimen Granadas Ende 1491 gewährte Toleranz unter dem Vorbehalt der Inquisition steht, sodass auch hier Bekehrung oder Vertreibung das Ziel sein werden, während es vorher keine ernsthaften Bekehrungsversuche der unterworfenen Muslime gegeben hatte. Hernando de Talavera, Beichtvater Isabellas und erster Erzbischof Granadas, versucht, sie mithilfe eines ins Arabische übersetzten Katechismus sanft für das Christentum zu gewinnen. Als dieser Weg scheitert, tritt ein anderer Beichtvater der Königin, der Erzbischof Toledos Jiménez de Cisneros, der für das alte Königreich Granadas inquisitorische Vollmachten hatte, mit der harten Linie auf den Plan: Zwischen 1499 und 1502 haben die Muslime Granadas die Wahl zwischen Bekehrung oder Vertreibung, und dabei werden etliche Moscheen in Kirchen umgewandelt sowie wertvolle islamische Handschriften verbrannt. 1502 werden alle Muslime der Krone Kastiliens vor diese Alternative gestellt und 1525–1526 schließlich auch die in Aragón und Valencia. Danach findet man weitere Aufstände und verschiedene Umsiedlungs- und Vertreibungsmaßnahmen von „Morisken“, wie die getauften Muslime nun genannt werden, in geopolitisch sensiblen Zeiten: 1569–1574 vor und nach dem Sieg über die Türken bei Lepanto (1571) und 1609–1614 im Schatten der Bedrohung durch die von den Türken unterstützten Berberei-Piraten Nordafrikas. Zahlen Auch wenn man sehr disparate Schätzungen in der Forschung findet, gehen seriöse Autoren von folgenden Zahlen aus: 1492: ca. 5,5 Millionen Bewohner auf der Iberischen Halbinsel (ohne Portugal), davon 4,2 Millionen in Kastilien, 850.000 in Aragón und Valencia, 300.000 im noch maurischen Granada und 120.000 in Navarra. Insgesamt ca. 10% Muslime, ca. 5,5% Juden (zwischen 200.000 und 300.000) und ca. 2% (etwa 100.000) Conversos. Juden und Conversos nach 1492: Juden, die 1492 Spanien verließen: ca. 50.000 bis 150.000. Juden, die 1492 die Taufe der Vertreibung vorzogen: zwischen 50.000 und 100.000. Muslime und Morisken nach 1492: 1499–1502: Zwangsbekehrung der Muslime Granadas unter Inquisitor Jiménez de Cisneros, etwa 50.000 Taufen (die Muslime wurde dann „Morisken“ genannt), Umwandlung der Moscheen in Kirchen. Etwa die Hälfte der Muslime Granadas ist zwischen 1492 und 1502 nach Nordafrika gegangen, vor allem 1502 nach dem ersten Moriskenaufstand in den Alpujarras
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III.
Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen (am südlichen Hang der Sierra Nevada). 1502: Die seit dem Mittelalter in der Krone Kastiliens lebenden mudéjares müssen zwischen Taufe oder Vertreibung wählen. 1516: Kulturelle Assimilationsgesetze gegen die Morisken (gegen orientalische Kleidung und Sitten). Nach einer hohen Tributzahlung werden die Maßnahmen für zehn Jahre ausgesetzt. 1525–26: Zwangsbekehrung der mudéjares in Aragón und Valencia. 1526: Kleiner Moriskenaufstand im Gebirge bei Segorbe (im nördlichen Gebiet der Krone Valencias). Um 1530 hatte Spanien ca. 350.000 Morisken, das sind 6% der Bevölkerung. 1562: Den Morisken Granadas wird der Gebrauch des Arabischen verboten. 1568–1569: Zweiter Moriskenaufstand in den Alpujarras unter dem „Moriskenkönig“ Aben Humeya. Niederschlagung des Aufstandes durch Don Juan de Austria, den Halbbruder Philipps II. und späteren Helden von Lepanto. Zwischen 1569–1574 wurden mehr als 80.000 Morisken aus dem Königreich Granada vertrieben oder in andere Territorien der kastilischen Krone umgesiedelt. Um 1600 hatte Spanien ca. 7,5 Millionen Bewohner, darunter etwa 330.000 Morisken. 1609: Mit Edikt vom 9. April verfügt der Herzog von Lerma im Namen von Philipp III. die Vertreibung aller Morisken. Diese findet in verschiedenen Schüben statt. Die meisten (90%) oder ca. 300.000 Morisken werden bis September 1610 aus Valencia, Aragón und Katalonien vertrieben. 1611–1614 werden die restlichen ca. 30.000 Morisken aus Kastilien vertrieben.
Allgemein kann gesagt werden, dass die Juden aufgrund der Gefahr für die Conversos eher ein Religionsproblem darstellten, aber kulturell weitgehend integriert waren. Aufgrund ihrer Scheinkonversion, zu der sie von den Religionsbehörden aus Marokko nach dem taqíyya-Verstellungsprinzip ermutigt wurden, stellten auch die Morisken ein religiöses Problem dar, und aufgrund ihrer orientalischen Lebensart auch ein kulturelles. Sie wurden daher als eine nicht assimilierbare Bevölkerung betrachtet.
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Convivencia
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Das taqíyya-Verstellungsprinzip Demnach ist es den Muslimen in Notzeiten erlaubt, sich gegenüber Nicht-Muslimen zu verstellen, d.h. eine andere Religion öffentlich anzunehmen und den Islam sowie dessen Bräuche und Traditionen im Geheimen zu praktizieren: Die Erfüllung der jährlichen Kommunion und Ohrenbeichte zu Ostern, das sogenannte cumplimiento, deuteten sie für sich als cumplo y miento (ich tu’s und lüge), oder sie gingen auf Reisen, um die Osterpflicht nicht erfüllen zu müssen; in einigen abgelegenen Dörfern wie Hornachos in der Extremadura, wo Morisken unter sich lebten, gelang ihnen die Verstellung trotz des 1530 in der Nähe gegründeten Franziskanerklosters bis zur Vertreibung von 1609. Ähnliche Geschichten gibt es auch unter Conversos aus dem Judentum, vor allem in Portugal.
Die von Américo Castro für das Hochmittelalter so gelobte religiös-kulturelle Convivencia hatte in diesen „schweren Zeiten“ (s. Kap. IV) keine Chance. In Wirklichkeit war sie immer, auch im 13. Jahrhundert, angesichts der immanenten Eifersucht der drei Monotheismen eine prekäre Sache: Die Angst um die „Glaubensreinheit“ und um die Pflege der eigenen Religionskultur ist in der Tat in den drei Religionen allgegenwärtig. Der religiös-kulturell Andere wurde stets als jemand gesehen, vor dem man sich in Acht nehmen muss, mit dem nur ein vorsichtiger Umgang möglich ist. So war die Convivencia, wie Castro selbst zugibt, mehr Ergebnis einer spontanen Lebensart in der Nachbarschaft als Frucht einer Toleranz gegenüber Religions-
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Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen verschiedenheit, auf die weder Spanien noch ein anderes Land der Christenheit vorbereitet war. Aber Juden und Morisken waren auch aus geopolitischen Gründen ein Problem angesichts der realen türkischen Gefahr nach der Eroberung Konstantinopels (1453). Vor dem Hintergrund der Erfahrung zu Beginn des 8. Jahrhunderts bei der arabischen Eroberung, als die Juden den Westgoten den Rücken kehrten und mit den Arabern kollaborierten, hegen Volk und Kirche Zweifel an der Loyalität von Juden und Morisken. In den letzten Jahren vor der Vertreibung der Juden finden wir Inquisitionsprozesse gegen Conversos, die ihnen nicht nur das Judaisieren zur Last legen, sondern auch, dass sie schadenfroh den Aufstieg der Türken kommentieren. In der von diesen betriebenen Zerstörung der Christenheit sehen sie ein Vorzeichen für die Ankunft des Messias. Es ist schwer zu sagen, wie viel davon den Tatsachen entspricht und wie viel von der Inquisiton hineininterpretiert wurde, um den Druck auf die Könige zu verstärken. Apokalyptische Schriften damaliger Sefarden wie der Danielkommentar des Isaac Abravanel, des führenden geistigen Kopfes der Vertriebenen, bestätigen jedenfalls, dass die Juden im Aufstieg der Türken ein Vorzeichen für die Ankunft des Messias und den Anbruch jenes „fünften Reiches“ sahen, des Reiches Israels, „dessen Herrschaft auf kein anderes Volk übergehen wird und in Ewigkeit bestehen soll“ (vgl. Dan 2,44–45; s. Kap. I). Angesichts dieser religiösen, kulturellen und geopolitischen Rücksichten entschloss sich Spanien zur Vertreibung von Juden und Morisken, obwohl dies aus wirtschaftlicher Hinsicht unvernünftig war. Mit der Vertreibung oder Bekehrung der Juden 1492 bzw. der Morisken zwischen 1502 und 1614 versuchen die Katholischen Könige und ihre Nachfolger ein religiös homogenes Reich zu schaffen. Die Vertreibung der Juden ist noch ein „mittelalterliches“ Phänomen, der Schlussstein der vielen Vertreibungen von Juden aus dem christlichen Europa im Schatten des Kreuzfahrergeistes. Die Massenvertreibung der Morisken zwischen 1609–1614 ist hingegen bereits ein „frühneuzeitliches“ Phänomen, vergleichbar mit der späteren Vertreibung der Hugenotten aus Frankreich. Juden- und Moriskenvertreibung in der spanischen Historiographie der Zeit Paradigmatische Bedeutung kommt hier dem monumentalen Werk des Jesuiten Juan de Mariana Historiae de rebus Hispaniae (1592) zu. Von der Einnahme Granadas am symbolträchtigen Epiphaniefest (6. Januar) des Jahres 1492 schreibt er, dass die anderen Nationen der Christenheit auch an der Freude teilnahmen. Im Zusammenhang mit der Vertreibung der Juden vermerkt er, dass viele diese Maßnahme kritisierten, weil Spanien damit „so tüchtige und wohlhabende Menschen, die alle Wege kennen, um Geld zu machen“, verlor. Und er fügt hinzu, dass viele von ihnen – um die Heimat nicht zu verlassen und ihre Güter in Bedrängnis nicht unter Wert zu verkaufen – sich taufen ließen: manche ehrlich, andere aber, „um sich mit der Zeit einzurichten und die christliche Religion als Maske zu benutzen […], wie Menschen, die aus Täuschung und Trug bestehen“. Über das Schicksal der Morisken nach der Niederschlagung des ersten Aufstandes der Alpujarras im Hinterland Granadas 1502 heißt es: „Man vereinbarte, dass diejenigen, die es wollten, nach Afrika übersetzen konnten […], sofern sie zehn Golddukaten pro Kopf bezahlten; die anderen sollten Christen werden […]. Viele gingen in die Berberei, aber die meisten blieben, obwohl sie nach der Taufe so schlecht wurden wie die ersten.“ Anlässlich des zweiten Aufstandes der Alpujarras
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III.
Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen 1568–1569 vermerkt Mariana trocken, dass die Morisken „niemals loyal waren“. Den Sieg über die Türken bei der Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571 nennt er „den erhabensten und nennenswertesten seit Jahrhunderten […], obwohl er die Ketzer [= die Protestanten] ganz und gar nicht erfreute“.
Zwischen Entorientalisierung und Europäisierung – ein Historikerstreit Américo Castro
Claudio SánchezAlbornoz
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Der bleibende Einfluss von Juden und Morisken auf die spanische Kultur und das Lebensgefühl ist u.a. von Américo Castro (España en su historia. Cristianos, moros y judíos, 1948) verteidigt worden. Es geht ihm um ein Spanien, das neben der christlichen auch eine islamische und vor allem jüdische Prägung beibehalten hat (vor allem in den alumbrados, den Mystikern, den Asketen) und diese auch anerkennen sollte. Aus diesem Grund sei das spanische Christentum „ganz anders als die europäische Religion“. Hinter jeder Geistesgröße dieser Zeit (von Vives über Las Casas bis Cervantes) vermutet Castro – bald mit sicherem Gespür, bald nach dem Prinzip, dass der Wunsch der Vater des Gedankens ist – einen Converso. Das orientalische Erbe findet sich auch in der Alltagskultur und Lebensart: in der Sprache (z.B. in Höflichkeitsfloskeln, in der Vorliebe für das Wehklagen, in der Vieldeutigkeit der Volkssprache oder in der barocken Fülle in Lobreden und Beschimpfungen), in der Gastronomie (bei den in Olivenöl fritierten Speisen und honigsüßen Desserts), in der Baukunst und in kulturellen Bräuchen (z.B. im nur in Spanien existierenden Mudéjarstil, in der Vorliebe für die mit weißem Kalk getünchten Fassaden und Wände sowie für den Schatten und das Wasser, die farbenprächtigen Pflanzen und die Blumen in Töpfen). Die Entorientalisierungsthese basiert nicht so sehr auf dem Abschied von kulturellen Bräuchen, sondern auf dem Willen Spaniens, die in der westlichen Christenheit „anomale“ religiöse Situation des Mittelalters mit großen jüdischen und islamischen Minderheiten unter christlicher Herrschaft zu beenden. Für Claudio Sánchez-Albornoz (España. Un enigma histórico, 1956) entspringt Spaniens Größe dem Geist des Christentums, sodass Spanien wesentlich zur abendländischen Kultur gehöre, ja sogar mehr als die anderen europäischen Nationen; denn schließlich habe Spanien als Grenzland zum Islam ca. 800 Jahre lang um diese Zugehörigkeit kämpfen müssen und als einziges christliches Land den Islam aus eigener Kraft zurückgedrängt. Die Entwicklung auf dem Weg zu einem ausschließlich katholischen Land nach 1492 wurde begleitet von einer zunächst begeisterten Aufnahme der kulturellen und religiösen Trends aus dem übrigen christlichen Europa (devotio moderna, italienischer Humanismus, Erasmianismus), die Ende der 1550er aus Angst vor dem Protestantismus in die Krise geriet (s. Kap. IV) und eine katholisch-tridentinische Identität eigener Prägung entstehen ließ. Mit der Vertreibung von Juden und Morisken gab Spanien dem übrigen christlichen Europa zu verstehen, dass man sich ihm zugehörig fühlte. Mit dem Wahn der Limpieza de sangre (s. Kap. VI) nährte Spanien aber selbst den Verdacht, dass viele Christen jüdischer und islamischer Herkunft waren. So stand Spanien für andere Europäer, die Juden und Muslime noch we-
III.
Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen niger als die Spanier unter sich geduldet hätten, in einem zweifelhaften Ruf. „Treulose Juden, Marranen“, rufen die Römer den Spaniern beim Sacco di Roma (1527) zu. Besonders ärgerlich war, dass selbst Papst Paul IV. (1555–1559), der die Spanier aus Italien abzudrängen suchte, diese als ein Volk von durch fremdes Blut abgewertete Barbaren bezeichnete. Man könnte viele andere Beispiele aus den mit Spanien verfeindeten Ländern als Belege für die Tatsache anführen, dass das Antispanientum auch eine kulturell-rassistische Komponente hatte (s. oben Kap. I, Leyenda negra). Converso-Typologien und sefardisches Leben im Exil Die vielen Conversos aus dem Judentum können einer fünffachen Typologie zugeordnet werden: a) Einige werden zu ganz eifrigen Katholiken und schlimmsten Feinden ihrer alten Glaubensgenossen; sie werden zu Vordenkern oder Mitarbeitern der Inquisition, drängen auf Vertreibungsmaßnahmen und sind mitverantwortlich für das intransigente Gesicht des spanischen Katholizismus in dieser Zeit (z.B. Alonso de Espina). b) Andere gelangen zu großem Einfluss in Kirche und Staat, lehnen die Methoden der Inquisition ab und sind voller Mitleid gegenüber den Opfern; sie treten für ein Christentum ein, das Juden und Muslime mit Vernunftargumenten und einer guten Lebensführung zu evangelisieren versucht (so z.B. Hernando de Talavera). c) Wieder andere bleiben überzeugte Christen, selbst wenn Angehörige ihrer Familie von der Inquisition verfolgt wurden, leben aber lieber außerhalb Spaniens, wenn sie nur können, und kritisieren auch die Inquisition (so Juan Luis Vives). d) Wiederum andere gehören als Conversos der zweiten, dritten oder vierten Generation zu den wichtigsten Gestalten der Kultur, Theologie und Mystik (z.B. Francisco de Vitoria, Teresa von Ávila, Luis de León). e) Und natürlich gibt es auch die Conversos, die heimlich judaisieren und auswandern, um anderswo (z.B. in Amsterdam) wieder öffentlich als Juden leben zu können – genauso, wie es viele Juden gibt, die nach der Vertreibung von 1492 wieder nach Spanien kommen und sich taufen lassen.
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IV. Geistige Wende in „schweren Zeiten“ Religiöse Sehnsucht
Das 16. Jahrhundert ist in Europa eine Epoche profunder religiöser Sehnsucht und dies auch in der breiten Masse der Bevölkerung unter den sogenannten Laien oder idiotas. Es ist auch die Zeit, in der die Massenerzeugnisse der Buchdruckpresse in den Volkssprachen die Bildungs- und Lesegewohnheiten breiter Bevölkerungsschichten revolutionieren und so etwas wie eine geistliche Belletristik im Taschenbuchformat entsteht. Und es ist schließlich die Zeit, in der sich jene konfessionellen Identitäten herausbilden, die die religiös-kulturelle Tiefengeschichte Europas bis in die Gegenwart hinein prägen werden, die Zeit, in der man zwischen dem protestantischen und dem katholischen Christsein wählen muss, keine Zeit für Kompromisse und Mittelwege also – jedenfalls nicht in Spanien nach der geistigen Wende der 1550er-Jahre. In religiös-kultureller Hinsicht lassen sich in Spanien zwei Phasen deutlich unterscheiden, die mit den Ereignissen auf der europäischen Makroebene eng zusammenhängen und zugleich durch den besonderen spanischen Kontext geprägt sind: eine erste, eher irenische oder erasmianische Phase, die bis zum Augsburger Religionsfrieden (25.9.1555) oder bis zur Abdankung Karls V. (1555–1556) dauert, und eine zweite, die sich zu Beginn der 50er-Jahre anbahnt, in den Krisenjahren 1557–1559 das Land in Atem hält und bis zum Tode Philipps II., ja eigentlich bis zu den bourbonischen Reformen des 18. Jahrhunderts unter Karl III. (1759–1788) anhält.
Aufdeckung der Kryptoprotestanten In den genannten Krisenjahren ändert sich das geistige Klima in Spanien radikal, auch wenn es vorher – in einem Klima relativer geistiger Freiheit (zwischen 1525 und 1533 erreichte Erasmus’ Werk De Milite christiano in Spanien neun Auflagen und zwischen 1541 und 1556 weitere vier, aber ab 1536 haben wir es mit einem wachsenden Verdacht gegen seinen Einfluss zu tun) – Anzeichen der Abkapselung gegeben hat, wie etwa die Verfolgung der alumbrados seit Mitte der 1520er-Jahre, dann auch die der Erasmianer und Valdesianer (Anhänger des spanischen Humanisten Juan de Valdés). Ihnen gemeinsam ist ein Christentum mit reformatorischen Anklängen bei einer optimistisch-humanistischen Anthropologie. Aber erst nach Aufdeckung der Kryptoprotestanten in den späten 1550er-Jahren kommt es zu einer nachhaltigen geistigen Wende gegen alle Tendenzen, die als „philoprotestantisch“ galten. Der Protestantismus, für die Spanier die „deutsche Häresie“, breitete sich durch den Buchdruck aus. Trotz des wachsamen Auges der Inquisition (s. Kap. VII) waren viele Bücher und kommentierte Bibelübersetzungen protestantischer Autoren nach Spanien gelangt. Als Fanal für die geistige Wende gilt die zufällige Aufdeckung 1557 und 1558 von Konventikeln in
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IV.
Geistige Wende in „schweren Zeiten“ Sevilla und Valladolid, denen es bis dahin gelungen war, solche Bücher einzuschmuggeln. Zur Gruppe von Sevilla gehörten mehrere Ordensmänner, vor allem Hieronymiten (20 von ihnen konnten zwischen 1555 und 1557 aus Spanien fliehen). Zur Gruppe in Valladolid gehörten zahlreiche Adlige wie auch Agustín de Cazalla, Hofkaplan Karls V. Dies alarmierte sowohl die Krone als auch die Inquisition. Von Yuste (Extremadura) aus, wohin sich Karl nach seiner Abdankung zurückgezogen hatte, schrieb er am 25. Mai 1558 an seine Tochter Johanna nach Valladolid, die in Abwesenheit Philipps II. Regentin war, und an seinen Sohn, der noch in Brüssel weilte, man müsse gegen die Dreistigkeit dieser „Lumpenkerle“ (piojosos) mit aller Strenge (mucho rigor y recio castigo) vorgehen, einen kurzen Prozess machen (breve remedio) und ein Exempel statuieren (ejemplar castigo). Generalinquisitor Fernando de Valdés begrüßte diese harte Linie und ging ans Werk. Die Protestantenprozesse in Valladolid und Sevilla Die Chronik weiß zu berichten, dass am 21. Mai 1559 in Valladolid in einer groß angelegten Zeremonie nach einer Predigt des Dominikaners Melchor Cano 14 Personen zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt und 16 „wiederversöhnt“ wurden; in Sevilla verbrannte man am 24. September 1559 19 „Ketzer“ (einen davon „in effigie“), während sieben „wiederversöhnt“ wurden. Nach der Ankunft Philipps II. fand in seiner Gegenwart in Valladolid am 8. Oktober 1559 ein weiteres Autodafé statt, das zur Verbrennung von zwölf Menschen und zur „Wiederversöhnung“ von 18 führte. Dazu wäre noch das Autodafé vom 22. Dezember 1560 in Sevilla zu nennen, wo 17 Personen verbrannt (davon drei „in effigie“) und 37 „wiederversöhnt“ wurden. Marcel Bataillon hat treffend bemerkt, dass in diesen schweren Zeiten Menschen verbrannt wurden, die einige Jahre zuvor mit einer kleinen Buße davongekommen wären.
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Geistige Haupttendenzen im 16. Jahrhundert Um diese Situation besser verstehen zu können, müssen wir auch einen Blick auf die geistigen Haupttendenzen in Spanien bis 1560 werfen: (1) Die alumbrados (die Illuminierten), viele davon waren Conversos, gingen von der Berufung aller zur geistlichen Vollkommenheit aus und befürworteten das Erlangen derselben mittels des dejamiento (= sich gänzlich der Gnade Gottes überlassen unter Geringschätzung der Werke und der aktiven Beteiligung am Reinigungsprozess), des inneren Betens und privater Erleuchtung abseits der kirchlichen Vermittlung. Die reine Liebe zu Gott, die weder der Hoffnung auf den Himmel noch der Angst vor der Hölle entspringt, war für die alumbrados das Ziel, und dies könne durch Gottes Fügung in jedem Stand erreicht werden. Nach dem Prozess und dem Edikt von Toledo 1525 (das Edikt systematisierte die Lehre der sogenannten alumbrados und schuf aus einer sehr heterogenen Bewegung den Illuminismus) galten sie als besiegt, jedenfalls als eine kontrollierte Gefahr (s. Kap. X); gleichwohl neigte die Inquisition im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts dazu, jede spirituelle Erneuerung dem Illuminismus gleichzusetzen. (2) Die Erasmianer (und die oben erwähnten Valdesianer) waren zumeist gebildete Laien oder Kleriker mit niederen Weihen. Sie teilten mit den
Alumbrados
Erasmianer
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IV.
Geistige Wende in „schweren Zeiten“
Mystiker
Bartolomé Carranza
Schultheologen
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alumbrados (und Protestanten) die Berufung aller zur Vollkommenheit und die Kritik am Ordensleben, an der Hierarchie, dem Zölibat, dem sakramentalen Charakter der Ehe und der katholischen Kultpraxis. Letztere wurde für „rabbinisch“ gehalten. Zugleich waren sie eine ernsthafte Konkurrenz für die „verstaubten“ scholastischen Theologen. Denn sie waren sozusagen Vertreter einer „liberalen Theologie“ avant la lettre und beriefen sich auf die Quellen: die hebräische und griechische Bibel, die Kirchenväter und die antiken Philosophen. Sie pflegten die Rhetorik und schrieben ein elegantes, geschliffenes Latein. Als christliches Ideal befürworteten sie eine Philosophia Christi, die sich an der Bergpredigt orientierte. Sie waren anthropologische Optimisten, elitäre Ireniker und Moralisten der internationalen Gelehrtenrepublik, keine Heiligen und Mystiker. Sie gefielen zeitweise vielen, lösten aber kaum wirkliche Begeisterung aus. (3) Die geistlichen Schriftsteller und Mystiker, vor allem Franziskaner (Francisco de Osuna, Bernardino de Laredo, Pedro de Alcántara) und Jesuiten (Ignatius von Loyola, Francisco de Borja), aber auch Augustiner (Alonso de Orozco), Weltpriester (Juan de Ávila) und Dominikaner (Luis de Granada) verteidigten das recogimiento, die geistliche Sammlung zum Gebet der Ruhe, das innere Beten, die allgemeine Berufung zur Vollkommenheit und die Lektüre der Bibel (zumindest des Neuen Testamentes) in der Volkssprache. Aber anders als die vorher genannten Gruppen kritisierten sie nicht das Klosterleben oder die katholische Kultpraxis als solche, sondern nur die Missstände. Sie schrieben in der Volkssprache, um der religiösen Bildungssehnsucht der Laien – besonders der Frauen – geistliche Nahrung zu geben; sie erreichten hohe Auflagen, da sie im Trend der Zeit lagen; sie vulgarisierten in geistlichen Wegweisern, aber auch in Einleitungen in die Hauptstücke christlicher Katechese (Glaubensbekenntnis, Dekalog, Vaterunser, Sakramente) theologisches Fachwissen. (4) Eine weitere Tendenz wurde von Bartolomé Carranza, dem Trienter Theologen, Beichtvater von Karl V. und Philipp II. sowie seit 1558 Erzbischof Toledos und Primas von Spanien, paradigmatisch verkörpert. Bei Carranza handelte es sich um einen hochrangigen akademischen Theologen und Kirchenführer, der die Zeichen der Zeit erkannt hatte und in vielen Punkten der Meinung der geistlichen Schriftsteller und Mystiker war. Daher befürwortete er, wenn auch mit Kautelen, mit Vorbehalten, die Übersetzung zentraler Bücher der Bibel in die Volkssprache, die allgemeine Berufung zur Vollkommenheit und das innere Beten der Laien. Mit seinem Werk Comentarios al Catechismo christiano (Antwerpen 1558) legte er in spanischer Sprache eine für Laien leicht zugängliche Einführung in das Christentum vor. (5) Die scholastischen Theologen vertraten nun angesichts dieser Tendenzen einen akademischen Aristokratismus, wonach die Theologie als sacra doctrina nicht für das gemeine Volk, und schon gar nicht für die Frauen wäre; sie standen der theologischen und geistlichen Literatur in der Volkssprache misstrauisch gegenüber, da sie nur Verwirrung im Volk und Unruhe in Kirche und Gesellschaft hervorrufen würde; sie verachteten zudem die Humanisten als Männer, die eher von Philosophie, Philologie und Rhetorik als von Theologie etwas verstünden. Und sie reklamierten die Deutungshoheit über alle wichtigen Fragen der Zeit. Die scholastischen Theologen, al-
IV.
Geistige Wende in „schweren Zeiten“ len voran Dominikaner wie Melchor Cano, waren entschlossen, mithilfe der Inquisition jedes Anzeichen von Illuminismus, Erasmianismus/Valdesianismus, Protestantismus und Carranzismus im Keim zu ersticken.
Belagerte Festung Die oben erwähnten Hinrichtungen wurden von einer Abriegelung gegenüber dem Ausland flankiert, denn in Spanien gewann nun die Mentalität einer „belagerten Festung“ die Oberhand: 1558 hatte die Krone verboten, ausländische Bücher einzuführen und überhaupt Bücher ohne ausdrückliche Druckerlaubnis der Krone in Spanien zu publizieren (s. Kap. VII). Nun folgten 1559 Schlag auf Schlag weitere Maßnahmen: Am 17. August veröffentlichte Generalinquisitor Valdés – wohl auf Anraten Canos – einen vielsagenden Index, der zur Konfiskation und Verbrennung vieler Bücher führte; dazu zählen alle Übersetzungen der Bibel oder deren einzelne Bücher in die Volkssprache; ferner zahlreiche Werke des Erasmus, die Werke seiner Schüler Alfonso und Juan de Valdés; die damals dem rheinischen Mystiker Johannes Tauler zugeschriebenen Institutiones und gar die geistlichen Hauptwerke in der Volkssprache von spanischen Mystikern wie Francisco de Osuna OFM, Juan de Ávila, Francisco de Borja SJ und Luis de Granada OP. Gleich darauf, am 21. August, ließ die Inquisition den Erzbischof Toledos Bartolomé Carranza nicht zuletzt aufgrund eines Gutachtens Canos zu seinem Werk Comentarios al Catechismo christiano in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verhaften. Und am 22. November ordnete schließlich die Krone an, dass alle im Ausland studierenden oder lehrenden Spanier innerhalb von vier Monaten zurückkehren sollten – ausgenommen waren nur jene, die sich in Bologna, Neapel oder Coimbra eingeschrieben hatten. Marcel Bataillon hat von einer Erschütterung gesprochen, die in der Geschichte der katholischen Kirche ihresgleichen sucht. Teresa von Ávila nannte ihre Epoche tiempos recios oder schwere Zeiten. Mit ihrem Urteil stand sie nicht alleine da. Zu den Merkwürdigkeiten dieser Epoche gehört, dass sie von Theologen und Mystikern, Hütern der Orthodoxie und Reformern als überaus schwer und gefährlich empfunden wurde. Die geistige Wende lässt sich anhand von drei Merkmalen aufzeigen, die mit Canos Gutachten über den Katechismuskommentar Carranzas zu tun haben. Denn für die Ideologie der geistigen Wende gibt es, wie Bataillon vermerkt hat, kaum ein aufschlussreicheres Dokument als eben dieses mit Polemik und Ironie argumentierende Gutachten, das Carranza vorhält, die Sprache von alumbrados und Lutheranern zu usurpieren. (1) Die Methode: in rigore ut iacent. Der Auftrag des Generalinquisitors an Cano lautete, das Werk Carranzas nach der Methode in rigore ut iacent zu begutachten: Aussagen werden im Zweifelsfalle gegen den Autor interpretiert, d.h. zugunsten des Häresie- oder Heterodoxieverdachts. Nach dieser Methode können Ketzer gemacht werden, auch wenn ihre Werke, wohlwollend interpretiert, im Rahmen eines legitimen Pluralismus liegen würden. Wohl auf seinen Namen anspielend sagte einer seiner Verehrer über
Maßnahmen 1559
Canos Gutachten als Ausdruck der geistigen Wende
Häresieverdacht
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IV.
Geistige Wende in „schweren Zeiten“
Bibel
Inneres Beten
Widerspruch zu Cano
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Cano, er könne die Ketzer wie ein „Spürhund“ von Ferne riechen. Mit Bezug auf Jes 56,10 hielt Cano die Theologen und Bischöfe seiner Zeit vielfach für „stumme Hunde, sie können nicht bellen“. Sie haben „keinen Spürsinn mehr, um die Spuren zu wittern“. Cano vermutete, „dass vielleicht alle, Hunde und Hirte, verstummt sind – von der Angst gelähmt“. Nach der strengen Methode des rigore ut iacent qualifiziert Cano die Aussagen Carranzas nach einer Skala, die von Anstoß erregend, waghalsig bzw. unklug und gefährlich, missverständlich, nach Häresie riechend und irrtümlich bis häretisch reicht. (2) Heilige Schrift und Theologie sind nichts für das Volk. Carranzas Meinung, dem Volk zumindest Teile der Bibel in der Volkssprache zu geben, wurde von Cano als „unklug und gefährlich“ eingestuft, denn das werde in Spanien zu ähnlichen Zuständen wie in Deutschland führen. Vielmehr sollte man davon ausgehen, dass die Bibel nicht für „Zimmermannsfrauen“ geschrieben worden sei: „auch wenn die Frauen mit unersättlichem Appetit danach verlangen, von dieser Frucht zu essen, ist es nötig, sie zu verbieten und ein Feuermesser davor zu stellen, damit das Volk nicht zu ihr gelangen könne“. Cano wirft Carranza vor, mit seinem Buch die Theologie, also alles, was die Hirten und Priester der Kirche wissen und tun sollten, „der Frau zu geben“. Das hieße wohl Perlen vor die Säue zu werfen. Cano ermahnte zum Beibehalten des Lateinischen in den Bibelübersetzungen sowie in den Stundenbüchern und den Schriften über wichtige geistliche Dinge, damit das Volk wenig davon verstünde; wenn nämlich der Ruf des Geheimnishaften, der mit dem Lateinischen beim Volk verbunden werde, verschwinde, ginge auch die Macht des Klerus verloren. (3) Das innere Beten ist nichts für das Volk. Neben der Bibelübersetzung in der Volkssprache ist die Ablehnung des inneren Betens und die Befürwortung des mündlichen das zweite große Thema des Gutachtens. Das gemeine Volk sollte beim Rosenkranz bleiben und sich nicht dem kontemplativen inneren Beten hingeben. Wer die allgemeine Berufung zur Vollkommenheit der Laien in der Welt ohne die evangelischen Räte verkünde, der, so Cano mit beißender Ironie, wisse mehr als Christus, der gesagt habe, „geh, verkaufe, was du hast … (Mk 10,21)“, und nicht „geh und bete innerlich im Geiste (vade et ora mentaliter)“. Ein solcher Theologe sei „ein Zerstörer des Ordenslebens und ein Volksbetrüger“. Cano griff die leichtfertige Berufung auf die mystische Erfahrung an, denn sie führe dazu, dass man das Lehramt der scholastischen Theologen ablehne und an ihrer Stelle die volkstümlichen Autoren von geistlicher Literatur zu Autoritäten erkläre. Cano blieb innerhalb des Predigerordens nicht unwidersprochen. Ein Anhänger Carranzas soll 1559 gesagt haben, Cano zu töten, „sei Gott so wohl gefällig wie das Messopfer“. Domingo de Soto hatte bereits am 14. Oktober 1558 auf Drängen des Generalinquisitors ein kleines Gutachten zum Katechismuskommentar Carranzas geschrieben und darin festgehalten, im besagten Buch finde sich gewiss keine formelle Häresie, auch wenn einige Ausdrücke missverstanden werden können, wenn man sie aus dem Kontext herausreiße und nicht das ganze Werk berücksichtige. Zudem sei die Absicht des Autors sehr heilig. Juan de la Peña, ein Schüler Carranzas, der ebenfalls um ein Gutachten zu seinem Katechismuskommentar gebeten wurde, bemerkte ironisch und scharfsinnig zugleich, das Problem scheine
IV.
Geistige Wende in „schweren Zeiten“ in der Sprache zu liegen und man dürfe nicht auf eine bestimmte geistliche Sprache verzichten, nur weil sich die Lutheraner ihrer bedienten. So lässt die heutige Forschung die Frage im Raum stehen, warum die Inquisition dem Gutachten Canos mehr Glauben schenkte als den Gutachten anderer großer Theologen: Hatte Generalinquisitor Valdés eine Rechnung mit Carranza offen, weil dieser und nicht er Primas von Spanien geworden war? Die ganze Affäre auf persönliche Rivalität zurückzuführen, wäre gewiss zu einfach. Man muss sie vielmehr als Teil der geistigen Wende in jenen schweren Zeiten betrachten.
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V. Die Kontroverse De Indis „Sire, […] geben Sie Gedankenfreiheit“ – diesen berühmten Satz aus Schillers Don Carlos stellt für viele eine Diagnose über den Zustand der Meinungsfreiheit im Spanien des 16. Jahrhunderts dar. In der Forschung wird hingegen mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass eine kolonialethische Debatte oder Kontroverse De Indis geführt werden konnte und die Könige alles getan haben, um diese nicht nur zu erlauben, sondern auch zu fördern – jedenfalls innerhalb bestimmter Grenzen, die ab Mitte der 1550er-Jahre aufgrund der geistigen Wende (s. Kap. IV und VII) verschärft wurden.
Entscheidende Fragen und erste Antworten Konzessionsbulle 1493
Conquista und Encomienda
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Die Bulle Inter cetera (4.5.1493) Papst Alexanders VI. steht in der kurialen Lehnstradition, die seit Mitte des 15. Jahrhunderts die Entdeckungsfahrten der Portugiesen begleitete. Im auffallenden Gegensatz zur Bulle Romanus Pontifex vom 8. Januar 1455, die Nikolaus V. (1447–1455) dem portugiesischen Königshaus zu Beginn seines Entdeckungsunternehmens ausstellte und die Calixtus III. (1455–1458) mit der Bulle Inter cetera vom 13. März 1456 bekräftigte, verzichtete Alexander VI. darauf, den Katholischen Königen und deren Nachfolgern eine vollkommene und frei zu verfügende Vollmacht zur Führung von Eroberungskriegen gegen Mauren, Heiden und andere „Feinde Christi“ zu gewähren. Dennoch spricht er zuerst von unterwerfen (subicere) und dann von bekehren (reducere) und überträgt ihnen zudem „für alle Zeiten […] alle entdeckten oder zu entdeckenden Inseln und Festländer mitsamt allen Herrschaften, Städten, Lagern, Plätzen und Dörfern und allen Rechten, Gerechtsamen und zugehörigen Berechtigungen“ – jenseits einer vom Papst gezogenen Grenze zwischen dem Nordund dem Südpol. Da Portugal mit dieser Demarkationslinie nicht einverstanden war, trafen sich Spanier und Portugiesen in Tordesillas, um in einem bilateralen Vertrag (vom 7.6.1494) die vom Nordpol zum Südpol verlaufende Teilung 370 Seemeilen westlich der Kapverdischen Inseln zu fixieren (s. Karte); so konnten später die Portugiesen die Herrschaft über Brasilien beanspruchen. Die anderen europäischen Länder (Frankreich, England, Niederlande) haben diese Grenzziehung und das iberische Monopol jedoch nie anerkannt. Darüber hinaus wurden die Katholischen Könige beauftragt, für die Evangelisierung „würdige, gottesfürchtige, geschulte, geschickte und erfahrene Männer“ zu bestellen, damit sie die neuen Völker im katholischen Glauben unterrichten und zu guten Sitten erziehen können. Die Konzessionsbulle reichte zunächst als Begründung des spanischen ingressus und progressus aus: Die Herrschaft wurde mit Eroberungskriegen oder Conquistas übernommen; und zur besseren Evangelisierung und Europäisierung der Indianer verfügte Königin Isabella Ende 1503 die Einführung der Encomienda oder des Repartimiento, d.h. die Zuteilung der Indianer
V.
Die Kontroverse De Indis zum Arbeitsdienst an die Spanier, die wie gute Herren über jene herrschen und sich dabei um deren zeitliches und geistliches Wohl kümmern sollten. Von Anfang an gab es Briefe und Berichte an die Krone, in denen die Misshandlung der Indianer oder Querellen zwischen den Spaniern und den königlichen Statthaltern zur Sprache kamen. Die Könige sorgten dafür, dass die freie Kommunikation aller Untertanen mit der Krone (Beschwerdefreiheit) respektiert wird. Die Gelehrtenrepublik des humanistischen Europa gab sich ihrerseits mit der Feststellung des in Paris lehrenden schottischen Philosophen und Theologen Johann Major zufrieden. 1509 hatte er unter Bezug auf Aristoteles’ Politik geschrieben, dass die Spanier über die Indianer herrschen können wie „die Griechen über die Barbaren“: Da die Indianer „Sklaven von Natur“ seien, „regiere sie rechtens die erste Person, die sie erobert“. Aristoteles unterscheidet zwischen dem juristischen und dem philosophischen Sklavereibegriff. Nach dem Ersten bestehe die Sklaverei in einem akzidentiellen Grund, der zum Freiheitsverlust führe (z.B. nach einem gerechten Krieg); nach dem Zweiten geht sie auf ein angeborenes Unvermögen des Verstandes sowie unmenschliche und barbarische Sitten zurück (Sklaven von Natur). Die Lage änderte sich erst nach der Predigt des Dominikaners Antón Montesino am vierten Adventssonntag des Jahres 1511 in Santo Domingo: „Sagt, mit welchem Recht und mit welcher Gerechtigkeit haltet ihr diese Indianer in solch grausamer und entsetzlicher Knechtschaft? Mit welcher Machtbefugnis habt ihr solch verabscheuungswürdige Kriege gegen diese Menschen geführt, die ruhig und friedlich in ihren Ländern lebten, in denen ihr so unendlich viele von ihnen getötet und mit unerhörten Verheerungen ausgerottet habt? […] Sind sie etwa keine Menschen? Haben sie keine vernunftbegabten Seelen? Seid ihr nicht verpflichtet, sie wie euch selbst zu lieben?“ Der Provinzial der Dominikaner in Spanien, Alonso de Loaysa, zeigte sich entrüstet und verbot solche Predigten, weil er darin eine Infragestellung der päpstlichen Konzessionsbulle und eine unnötige Beunruhigung des königlichen Gewissens sah. Auch die Krone reagierte empört. Montesino musste nach Spanien kommen, um sich zu rechtfertigen, aber die indiophilen Ordensbrüder ließen sich nicht den Mund verbieten. So musste die Krone eine Junta oder Kommission aus Theologen und Juristen einberufen. Ähnlich wie die Kronräte hatten solche Kommissionen die Aufgabe, für eine gute Regierung zu sorgen und so das königliche Gewissen zu entlasten. Auf die Bedenken bezüglich des ingressus und der Rechtstitelfrage wurde 1513 mit dem sogenannten requerimiento reagiert, einer Konquistadorenproklamation, die von den Rechten der spanischen Könige kraft der päpstlichen Konzessionsbulle sprach und die Indianer – auf Spanisch wohlgemerkt – aufforderte, sich diesem Herrschaftsanspruch freiwillig zu unterwerfen, wenn sie nicht mit Feuer und Schwert dazu gezwungen werden wollten (die Krone und ihre Juristen bezogen sich bis ins 19. Jahrhundert hinein auf die päpstliche Schenkung von 1493, um die spanische Herrschaft in der Neuen Welt zu legitimieren). Ebenfalls ist darin die Rede von der Sünde des Unglaubens und von Sünden wider die Natur, die von den Spaniern unterbunden werden sollten. In den Gutachten der Kommissionsmitglieder wird
Predigt 1511
Erste Maßnahmen
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V.
Die Kontroverse De Indis
Azteken und Inka
Karl V.
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die Unterwerfungsaufforderung nicht nur mit der päpstlichen Konzession und dem daraus erwachsenen Missionsrecht begründet, sondern auch unter Berufung auf Dtn 20,10–12 und Ex 1,13–14. Was den progressus betrifft, so führten die Beratungen der Kommission zu den Gesetzen von Burgos (1512) und Valladolid (1513), die eine bessere Behandlung der Indianer vorschrieben, ohne die Encomienda als Institution infrage zu stellen, obwohl diese aus der Sicht der Missionare zur harten Leibeigenschaft mutiert war, schlimmer noch als die Unterdrückung der Kinder Israels durch die Ägypter. Vereinzelt kam bei den Kommissionsmitgliedern auch das aristotelische Argument zur Sprache, dass die Indianer „Sklaven von Natur“ seien, also wie „sprechende, wilde Tiere“, die sich nicht selbst regieren könnten und daher gejagt bzw. unterworfen werden dürften. Auch der Franziskaner Juan Cabedo (Quevedo), erster Bischof des Festlandes (Santa María del Darién, Panamá), berief sich 1519 am Hof des jungen Karls bei Barcelona zum Entsetzen des anwesenden Bartolomé de Las Casas darauf. Die altamerikanischen Reiche der Azteken und Inka auf dem Festland wurden nach der Requerimiento-Methode unterworfen – und dies von Haudegen wie Hernán Cortés und Francisco Pizarro, die keinen königlichen Auftrag dazu hatten. Dieses Vorgehen wurde ruchbar, und Franzosen und Engländer versuchten auch, in Amerika Fuß zu fassen. So sandte Franz I. von Frankreich 1534 – im selben Jahr, in dem die erste Ladung Inka-Gold nach Spanien kam! – Jacques Cartier zur Erforschung des heutigen Quebec. Proteste des spanischen Gesandten wegen dieser Einmischung in das ihnen vom Papst übertragene Herrschaftsgebiet, soll der Franzose mit der Bemerkung quittiert haben, man möge ihm doch das Testament des Urvaters Adam zeigen, in dem dieser die Könige von Kastilien und Portugal zu Universalerben eingesetzt habe. KarlV.ginginderKontroverseDeIndiswieseinGroßvaterFerdinandder Katholischevor:FörderungderMeinungsfreiheitunddesdirektenZugangs zurKrone,VerbotderKontrolleoderUnterdrückungdieser Freiheitdurch diemittlerenBehörden,EinsetzungvonKommissionen,umdiegeäußerten Bedenkenzuprüfen,ErlassvonGesetzen,umdiezumeistvondenMissionaren angezeigten Missstände zu bekämpfen. Es ließe sich nachweisen, dassdiespanischeKronenichtnurdieBeschwerdefreiheitförderte,sondern auch,dassihrebeispielhaftenGesetzezumSchutzderIndianerweitgehend alsAntwortaufdiedurchdieMissionareangezeigtenMissständezuverstehen sind. Zeitweise erreichteauch die Encomendero-Partei, die sich über dieindiophilenMissionarebeschwerte,mehrGehöralsdiese–jenachdem, wiedieInformationskanäleunddieLobby-ArbeitamHofverliefen;aberim Allgemeinengilt,dassdieKronevorallemaufdieMissionarehörte,denn siewusste,dassesihnenumdasGedeihen,nichtumdieAusbeutungder Indianerging;unddieMehrungderUntertanenwarinderFürstenspiegelliteratur ein wesentliches Merkmal für eine gute Regierung. Mit Geistesgrößen wie Francisco de Vitoria, Juan Ginés de SepÞlveda und Bartolomé de LasCasaserreichtedieKontroverseumdieMittedes16.Jahrhundertsihren Höhepunkt.
V.
Die Kontroverse De Indis
Francisco de Vitoria: ein subtiler Theologe Vitoria äußert sich nur, weil die Sache eine umstrittene sei und man sie „nicht allein den Rechtskundigen“ überlassen dürfe; da es um die Instanz des Gewissens gehe, sei sie vielmehr „Aufgabe der Theologen“. Vitoria behandelt sie im Stil einer Quaestio, bei der man die verschiedenen Argumente sorgfältig abwägt. Im ersten Teil seiner Vorlesung De Indis (Über die Indianer) 1539 demontiert er die angeblichen legitimen Gründe für Eroberungskriege und die zivilisatorische Obhut der Spanier, einschließlich der päpstlichen Konzession, die nur als Evangelisierungsauftrag verstanden wird, nicht als Herrschaftsübertragung. Denn der Papst habe keine direkte Gewalt über die Ungläubigen. Im zweiten Teil erläutert Vitoria die Gründe für ein „humanitäres Interventionsrecht“ – nicht zuletzt, um die Faktizität der seit mehr als 40 Jahren stattgefundenen Expansion zu rechtfertigen und die Krone zu beruhigen. Die wichtigsten sind die Verletzung des Migrations- und des Missionsrechts der Spanier durch die Indianer. Ausgehend vom Vernunftpostulat, dass es am Anfang der Welt jedem erlaubt gewesen sei, überall hinzugehen, und dass seitdem das Menschengeschlecht eine universale Republik, gleichsam eine „Kommunikationsgemeinschaft“ bilde, fordert Vitoria für die Spanier – modern ausgedrückt – die freie Ein- und Auswanderung, das Recht auf Niederlassung, den freien Handel, die freie Ausbeutung der Naturressourcen und das Einbürgerungsrecht. Die Spanier dürften dieses Migrationsrecht beanspruchen, sofern ihre Präsenz den Indianern keine Nachteile oder Schäden bringe. Aber wer bestimmt das? Dass die Spanier die Interpretationshoheit behalten, geht aus diesem Schluss hervor: Wenn die Indianer die Spanier angreifen, auch nachdem diese ihnen bedeutet haben, dass sie keinen Nachteil oder Schaden hätten, so dürften die Spanier Gewalt anwenden, „weil es erlaubt ist, Gewalt mit Gewalt abzuwehren“. Sogar Schüler Vitorias wie Melchor Cano und Domingo de Soto (von Las Casas zu schweigen) mussten betonen, dass die Spanier aber nicht als Wanderer, sondern als Invasoren auftraten: „Kämen die Franzosen so nach Spanien, würden die Spanier das nicht dulden.“ Ähnlich verhält es sich mit dem Missionsrecht. Aus dem Sendungsbefehl Christi und aus dem Evangelisierungsauftrag des Papstes leitet Vitoria ein mehrstufiges Interventionsrecht ab, „bis sich Gelegenheit und Sicherheit zur Verkündigung des Evangeliums (und zum Schutz der Bekehrten) einstellen“.
Migrationsrecht
Missionsrecht
JuanGinésdeSepÞlveda:einaristotelischerHumanist Seine Beteiligung an der Kontroverse rechtfertigt SepÞlveda mit der eitlen Bemerkung,erdürfenichtschweigen,„wennsovieleredeten“.Mitseinem Werk Democrates secundus (1544) will er „andere Gründe für einen gerechtenKrieggegendieIndianer“insSpielbringen,„dienichtsooftzurAnwendungkommen,aberalssehrgerechtgeltenunddemnatürlichensowie demgöttlichenGesetz“entsprechen.DiesesinddiearistotelischeLehreder
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V.
Die Kontroverse De Indis
„Sklaven von Natur“
Sünden wider die Natur
Befreiung der Unschuldigen
Erleichterung der Christianisierung
Sklaven von Natur, die Sünde des Götzendienstes, die Befreiung von Unschuldigen aus dem sicheren Tod in Menschenopfern und schließlich die Erleichterung der Evangelisierung. Wie einst Major, aber viel ausführlicher, stuft 3EPÞLVEDA alle Indianer als „Sklaven von Natur“ ein, während die Spanier die Griechen der Renaissance sind, denen die Führung der Welt zustehe. Wenn die Indianer sich nichtfügten,könntensiedaher„wiewildeTiere“gejagtwerden. Sünden wider die Natur wie Sodomie und Menschenopfer, Folgen des „teuflischen“ Götzendienstes, rechtfertigen den Krieg, weil sie bei den IndianernvonihrenGesetzengutgeheißenwürden,d.h.alsöffentliche,strukturelleSündenzubetrachtensind.HatteAugustinusgeschrieben,einKrieg seinuralsAntwortauferlittenesUnrechtgerecht,someintSepÞlveda,dass eshierumdasUnrechtgegenGottgehe,„dasjaauchammeistenderRachewürdigist“. Die Befreiung der Unschuldigen ist für ihn, wie für Vitoria, ein Gebot der Nächstenliebe, zu dem man vom Naturrecht verpflichtet sei. SepÞlvedas Akzent liegt darin, dass er – den tendenziösen Berichten von Hernán Cortés Glauben schenkend – von über 20.000 Menschen spricht, die allein in Mexiko jährlich den Götzen geopfert wurden. Die Menschenopfer gewinnen damit den Charakter einer „Massenvernichtungswaffe“, die man schnell aus der Welt schaffen müsse. Auch die präventive Herrschaftsübernahme zwecks Erleichterung der Christianisierung ist für SepÞlvedaeine Folge des Liebesgebots, damit eine unendlicheZahlvonMenschen,die„indergefährlichenFinsternis“umherirre, „auf dem nächstgelegenen und kürzesten Weg zum Licht der Wahrheit“angezogenwerde.
Bartolomé de Las Casas: ein christlicher Humanist
Perspektivenwechsel
Kein Kriegsgrund
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Las Casas war seit 1502 ein Augenzeuge der Expansion. Er hatte die von den Hunden und den Waffen der Spanier zerfleischten Leiber der Indianer mit einem mitleidigen Herzen wahrgenommen. Die Schrecken des Krieges beschreibt er daher mit einer empathischen Feder, die Mitgefühl mit den Opfern und Entsetzen über das Wüten von „Christen“ wecken möchte. Und diese Feder hat die Schärfe eines Schwertes! Las Casas fordert einen Perspektivenwechsel. Er fragt sich, ob ein John Major so sprechen würde, „wenn er selbst ein Indianer wäre“. Während man seit Sokrates unter Apologie die Verteidigung der eigenen Position versteht, schreibt Las Casas 1551 seine Apologia zur Verteidigung der anderen. Dass sie manchmal idealisierende Züge trägt – so z.B. wenn er von den Indianern der Bahamas sagt, sie seien so einfältig, gelassen und friedfertig, dass es scheine, „Adam habe in ihnen nicht gesündigt“ –, darf nicht verschwiegen werden (s. Kap. XII). Für einen gerechten Krieg gegen die Indianer gäbe es überhaupt keinen Grund, denn sie haben uns kein Unrecht angetan. Auch der Unglaube oder das Heidentum sei kein Kriegsgrund. Dies gelte besonders bei den neu ent-
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Die Kontroverse De Indis deckten Völkern, da es sich bei ihnen nur um einen negativen Unglauben mangels Kenntnis des Evangeliums handelte. Ebenso wenig dürfe man unter Berufung auf das Missionsrecht gewaltsam einmarschieren und die Herrschaft an sich reißen. Denn sie behindern die Glaubenspredigt manchmal lediglich in der begründeten Annahme, wir würden sie als unsere Feinde berauben und töten. So dürfen sie sich rechtmäßig gegen uns zur Wehr setzen. Auch den Schutz durch bewaffnete Soldaten lässt Las Casas nicht gelten, da er darin eine subtile Form der Nötigung sieht, die die Freiheit des Glaubensaktes beeinträchtige. Für Las Casas wäre die wirklich freiwillige, d.h. zwangsfreie, und durch einen Herrschaftsvertrag mit gegenseitigen Rechten und Pflichten geregelte Anerkennung der (subsidiären) spanischen Oberherrschaft durch die Indianer (durch ihre natürlichen Herren wie durch das Volk) der einzige legitime Titel. Am härtesten geht Las Casas mit dem aristotelischen Argument SepÞlvedas und der sogenannten Verteidigung der Unschuldigen ins Gericht. Die Indianer seien keine Sklaven von Natur, sondern zivilisations- und glaubensfähig wie wir. Ihre Kulturen seien nicht barbarisch, sondern in ethischer Hinsicht besser als die meisten der Antike. Ihre Religionen seien als redliches Verlangen nach dem wahren Gott zu verstehen. Selbst die Menschenopfer seien Ausdruck davon, wenn auch durch das Fehlen des Glaubenslichtes ein irregeleiteter. Wenn die Indianer nach wiederholter Ermahnung Menschenopfer beibehielten, könnte man sie unter Anwendung eines gemäßigten Zwangs daran hindern, sie aber nicht dafür bestrafen oder ihnen Herrschaft und Güter wegnehmen; und zuvor sollte man abwägen, ob die Zahl der unschuldigen Opfer aufgrund der Intervention größer wäre, als die Zahl derer, die man vor dem ungerechten Tod zu retten beabsichtige. Las Casas’ Apologie gipfelt in einem Manifest der Einheit des Menschengeschlechts: „alle Menschen sind, was ihre Schöpfung und die natürlichen Bedingungen betrifft, einander ähnlich“, d.h. vom Schöpfer ausgestattet mit Verstand und freiem Willen. Ein solches Menschenbild ist die Bedingung der Möglichkeit einer partnerschaftlichen Weltordnung, wie sie heute intendiert wird. Die Rezeption der Kontroverse heute Auf dem Höhepunkt der Kontroverse De Indis durften SepÞlveda und Las Casas 1550–1551 im Kolleg San Gregorio zu Valladolid, dem Sitz des Indienrates, ihre Argumente vor einer von Karl V. eingesetzten Kommission von Theologen und Juristen erläutern. Dieses Ereignis hat die Aufmerksamkeit vieler moderner Künstler und Gelehrten auf sich gezogen, die darin eine Sternstunde europäischer Kultur sehen. Wir wollen hier nur drei Beispiele nennen: 1939 publizierte Reinhold Schneider seinen Roman Las Casas vor Karl V. Szenen aus der Konquistadorenzeit. Aus dem historischen Stoff der Kontroverse im Kolleg San Gregorio macht Schneider eine zeitlose Parabel über Macht und Moral, Prophetie und Politik. Mit der Erinnerung an Las Casas’ Freimut im fernen 16. Jahrhundert wollte er auch im „Dritten Reich“ das Gewissen wachrütteln. Im Kolumbusjahr 1992 schrieb Jean-Claude Carrière den Roman La controverse de Valladolid, der im selben Jahr von Jean-Daniel Verhaeghe mit bekannten Schauspielern verfilmt wurde. Hier geht es eher um die Nachdenklichkeit über den europäischen Umgang mit fremden Kulturen und Religionen. Schließlich hat sich der amerikanische Philosoph Immanuel Wallerstein 2006 in seinem Buch The European Universalism. The Rhetoric of Power mit der Kontro-
Keine Sklaven von Natur
Einheit des Menschengeschlechts
E
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V.
Die Kontroverse De Indis verse von Valladolid ausführlich auseinandergesetzt. Darin sieht er eine beispielhafte Debatte über die Moralität des Weltsystems. Seitdem wurden die vier von SepÞlveda angeführten Gründe immer wieder bemüht, um gewaltsame Interventionen humanitär zu rechtfertigen: „die Barbarei der anderen, das Unterbinden Þ von Praktiken, die universelle Werte verletzen, die Verteidigung Unschuldiger inmitten der grausamen anderen sowie die Schaffung der Möglichkeit, universelle Werte zu verbreiten“. Nach den großen antikolonialen Revolutionen des 20. Jahrhunderts ist die Position Las Casas’ nicht mehr die einer kognitiven, warmherzigen Minderheit, sondern die der Vereinten Nationen und anderer weltpolitischer Strukturen: Die unterdrückten Völker haben das moralische Recht, „die paternalistische Aufsicht durch die selbsternannten zivilisierten Völker zurückzuweisen“.
Die spanische Politik nach der Kontroverse Conquista
Encomienda
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1554 befand der Indienrat zwar im Sinne Las Casas’, dass die Conquistas aufgrund der Schwierigkeit, die dabei begangenen Sünden zu rechtfertigen, für das königliche Gewissen sehr gefährlich seien. Dass Karl V. daran gedacht haben soll, sich aus der Neuen Welt ganz zurückzuziehen, ist angesichts seiner Abhängigkeit vom peruanischen Gold (s. Kap. XIII) eher eine fromme Legende. Karl hat zwar nach der Kontroverse von Valladolid die Conquistas für einige Jahre suspendiert, aber danach ging es weiter wie gewohnt. Erst 1573, als es nach der Unterwerfung der Philippinen 1565 und der Niederschlagung des letzten inkaischen Widerstandes 1572 für Spanien praktisch nichts mehr zu erobern gab, da es den Zenit seiner Expansion erreicht hatte, wird Philipp II. verfügen, man möge künftig nicht mehr von Conquistas, sondern von Pacificación (Befriedung) innerhalb der Reichsgrenzen sprechen. Die Abschaffung der Encomienda als eine „in sich schlechte“ Institution wurde von Las Casas immer wieder gefordert. Karl V. kam ihm entgegen, indem er in den „Leyes Nuevas“ (1542, Ley 29) die Vergabe neuer Encomiendas und die Vererbung der bestehenden untersagte, sodass die Indianer nach dem Tod der Encomenderos als freie Vasallen in den unmittelbaren Herrschaftsbereich der Krone aufgenommen werden sollten; doch später (1545) beugte er sich dem Druck der Encomenderos und hob die Anwendung dieses Gesetzes auf. 1548 beschränkte er die Erblichkeit der Encomiendas auf zwei Generationen. So mussten die Encomenderos ein erneutes Verbot des Vererbungsrechts fürchten, wenn die Krone nun stark genug wäre, dieses auch durchzusetzen. Deshalb setzten sie in den 50er-Jahren ihre Hoffnung auf Philipp II. und nutzten die miserable Finanzlage, die dieser geerbt hatte (s. Kap. XIII), geschickt aus. Sie sandten Antonio de Ribera von Peru an den Hof, um dem König für die zeitlich unbefristete Vererbung der Encomiendas eine Geldsumme anzubieten, die er in dieser Lage nicht ablehnen konnte. Am 5. September 1556 schreibt der König von Gent aus an den Indienrat, er habe sich dazu entschlossen, die Erblichkeit der Encomiendas von Peru um weitere zwei Generationen zu verlängern; und er behielt sich das Recht vor, neue Encomiendas zu vergeben. So blieben diese als Institution bis zu ihrer Aufhebung 1718–1721 bestehen.
V.
Die Kontroverse De Indis
Die Folgen der geistigen Wende für die Kontroverse Auch für die Kontroverse De Indis hatte die geistige Wende (s. Kap. IV) Ende der 1550er-Jahre Folgen, nicht zuletzt weil die Traktate, die Las Casas 1552 in Sevilla drucken ließ, von den Feinden Spaniens als geistige Munition benutzt wurden, um die Spanier, die sich anmaßten, mit ihrem Projekt der Universalmonarchie die ganze Welt beherrschen zu wollen, als „brutale Tyrannen und Feinde des Menschengeschlechts“ hinzustellen. Am 21.9.1556 untersagte Philipp II. daher strengstens, Bücher über Westindien, die keine ausdrückliche Genehmigung der Krone hatten, zu drucken und zu verkaufen. Nach der Verschärfung dieser Zensurmaßnahmen durch die Pragmatische Sanktion von 1558 (s. Kap. VII) wird Las Casas sofort verstehen, dass seine Werke unter Philipp II. nicht gedruckt werden dürfen. Daher vermachte er im November 1559 das Manuskript seines monumentalen Werkes Historia de las Indias dem Dominikanerkolleg San Gregorio zu Valladolid mit der Auflage, es in den folgenden 40 Jahren unter Verschluss zu halten. Aber die Maßnahmen von 1556 und 1558 betrafen nur das gedruckte Wort, nicht die Beschwerdefreiheit auf dem ordentlichen Behördenweg, die weiterhin garantiert war. Las Casas wird bis zu seinem Tode im Jahre 1566 auch unter Philipp II. stets die Freiheit besitzen, Briefe und Denkschriften an die Krone und den Indienrat zu senden sowie persönlich zu erscheinen, um seine Meinung mit Nachdruck zu vertreten. Am Ende seines Lebens überreicht er dem Kronrat seine letzten zwei Werke, die er Testament und Kodizill nennt. Darin äußert er seine Sorge, dass die göttliche Gerechtigkeit ihren Zorn über Spanien entladen werde, wenn die Ausbeutung der Indianer weitergehe. Er bekräftigt seine Meinung, dass der ingressus durch Conquistas und der progressus durch Encomiendas oder Repartimientos jeder Rechtsgrundlage entbehrten und „in sich schlecht“ seien. Die darauf basierende Regierungsweise könne nur tyrannisch sein, sodass die Indianer im vollen Recht wären, „einen gerechten Krieg gegen uns zu führen und uns vom Angesicht der Erde zu vertreiben, und dieses Recht bleibt ihnen bis zum Jüngsten Gericht erhalten“. Las Casas starb am 18. Juli 1566 und gleich darauf wurden die Zensurmaßnahmen in der Kontroverse De Indis verschärft: Am 7.8.1566 wurde befohlen, alle Bücher, die über Westindien handelten und ohne Genehmigung gedruckt wurden, in Erfahrung zu bringen und zu konfiszieren. 1571 ließ Philipp II. alle Manuskripte des Las Casas im Kolleg San Gregorio zu Valladolid konfiszieren und an den Indienrat in Madrid übergeben. Nach 1566 forderte die Krone allerlei Informationen über Land und Leute, um die indianischen Untertanen besser regieren zu können. Sie ermunterte weiterhin zur Anzeige der Missstände, bekräftigte das Verbot, die direkte Kommunikation mit der Krone zu unterbinden, verabschiedete Schutzgesetze und richtete Schutzdörfer zugunsten der Indianer ein. Aber sie ließ nicht zu, dass über die Rechtstitel oder die Natur der Indianer erneut diskutiert wurde. 1588 durfte der Jesuit José de Acosta sein Werk De procuranda indorum salute publizieren. Aber darin hält er eingangs fest, er wolle
Zensurmaßnahmen Philipps II.
Nach Las Casas’ Tod
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V.
Die Kontroverse De Indis den Streitgeist hinter sich lassen, der wie ein dichter Nebel das Licht der Wahrheit verfinstere. Acosta meint, dass Spanier und Indianer gemeinsam und gleichberechtigt das Staatsvolk im spanischen Reich bilden: „Alle haben denselben König und sind denselben Gesetzen unterworfen.“ Dann aber fügt er hinzu, dass nach Aristoteles die mit intellektuellen Fähigkeiten Begabten führen und die lediglich handwerklich Geschickten sich führen lassen sollen. So soll es nun zwischen Spaniern und Indianern auch sein, die Ersten sollen die Zweiten, wenn notwendig, hart anpacken, aber nie unmenschlich unterdrücken; sie sollen sich vielmehr gegenseitig helfen, denn der Staat funktioniere nur, wenn die einen ihre Augen zum Sehen leihen und die anderen ihre Füße zum Gehen. 1601 brachte der Historiker Juan de Mariana den Zeitgeist auf den Punkt: „Niemand wagt es, den Königen die Wahrheit zu sagen.“
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VI. Die Kontroverse um die Limpieza de sangre Die Statuten der Limpieza de sangre (= Reinheit des Blutes) sind ein juristisches, manchmal vom Heiligen Stuhl und der Krone approbiertes Instrument zur Regelung der Aufnahme in einige Korporationen und Territorien (das Baskenland) des frühneuzeitlichen Spanien durch die Exklusion der Nachfahren von Juden, Muslimen und von der Inquisition Bestraften. Diese galten als ehrlos und nicht standhaft im Glauben. Die Beweislast lag bei den Anwärtern auf Aufnahme: Sie mussten nachweisen, dass sie überhaupt keine Vorfahren aus dem genannten Personenkreis hatten, dass ihre „Ehre“ also durch „unreines Blut“ nicht „befleckt“ war. Aber solche Statuten wurden nicht überall verabschiedet: Viele Domkapitel, wichtige Universitäten (z.B. Salamanca) oder die meisten Kronräte (Staatsrat, Indienrat, Finanzrat, Kastilienrat, Italienrat) und Höchstgerichte (Cancillería de Valladolid) hatten keine. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts haben diese Statuten die Aufmerksamkeit der Forschung verstärkt auf sich gezogen. Es fehlen aber noch viele Mikrostudien über die tatsächliche Wirkungsgeschichte in konkreten zivilen und kirchlichen Korporationen, wichtige Quellen sind immer noch nicht ediert, und viele Schriften – vor allem aus den Reihen der Kritiker – wurden vernichtet oder sind verschollen. Umstritten ist nicht nur die Breitenwirkung, sondern, ob es sich dabei nur um ein (religiös begründetes) sozial-juristisches Diskriminierungsprinzip handelt oder ob es auch eine Form von Rassismus in der Vormoderne darstellt. Dem Thema kann man sich – nicht zuletzt aufgrund der bekannten Folgen des rassistischen Antisemitismus im 20. Jahrhundert – nicht ohne eine gewisse Beklemmung nähern. Gleichwohl gilt gerade hier, dass die Geschichtsschreibung – will sie falsche Fragestellungen, Analogien oder Rückschlüsse vermeiden – die Vergangenheit nicht nur im Lichte der Gegenwart zu betrachten hat, sondern auch und vor allem im Lichte der damaligen Voraussetzungen und Ereignisse. Als Erstes fällt auf, dass die Statuten der Limpieza de sangre erst im 15. Jahrhundert das spanische Leben zu prägen beginnen. Wie Américo Castro bemerkt hat, machten sich die Christen des Mittelalters noch keine Sorgen über die sogenannte „Reinheit des Blutes“. König Alfons X., genannt der Weise, befahl im Kodex Siete Partidas, dass die bekehrten Juden im ganzen Reich geehrt werden und aufgrund ihrer Herkunft nicht diskriminiert werden sollten, dass sie nicht enterbt oder von Ämtern, Berufen und Ehren ausgeschlossen werden dürften. Den Bekehrungswilligen wurde damit signalisiert: Der König bürgt dafür, dass ihr weder von den alten noch von den neuen Glaubensgenossen um euer Recht gebracht werdet. Ähnlich äußerten sich Päpste und Konzilien. Das prominenteste Beispiel für diese Bekehrungspolitik ist der Oberrabbiner von Burgos Salamón Ha-Leví, der 1390 konvertierte und wie ein zweiter Saulus zum Pablo de Santa María wurde. In der Zeit vor der Einführung der Statuten gelang ihm eine glänzende Karriere: 1401 wurde er Bischof von Cartagena, 1415 von Burgos. Sein Sohn Gonzalo de Santa María wurde sukzessiv Bischof von Gerona, Plasencia, Astorga und Sigüenza und nahm an den Konzilien von Konstanz und Basel
Forschungsstand
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VI.
Die Kontroverse um die Limpieza de sangre
Converso-Problem
teil. Alonso de Cartagena, ein anderer Sohn und berühmter Humanist, wurde zunächst Bischof von Cartagena, nahm ebenfalls 1434 am Basler Konzil teil und wurde 1435 Bischof von Burgos. Die bekehrten Juden (Conversos oder Marranen) wurden erst zum Problem, als sie aufgrund ihrer Anzahl, ihres Fleißes, ihrer Tüchtigkeit, ihrer schlauen Zielstrebigkeit bei der Suche nach Ämtern und Pfründen und der Deutung der Gesetze zu ihren Gunsten, ihrer Gruppensolidarität, aber auch wegen der aufgedeckten Fälle unechter, getäuschter Bekehrung (judaizantes) bei den Altchristen (cristianos viejos) aus dem einfachen Bauernvolk Neid, Aversion und Ressentiments hervorriefen. Das heißt also, dass die Limpieza-Statuten nicht zuletzt als Antwort der altchristlichen Volksmehrheit auf die soziologische Veränderung der spanischen Gesellschaft durch die Massenbekehrungen zu verstehen sind, die nach den Pogromen von 1391, den Missionspredigten des Dominikaners Vicente Ferrer (besonders zwischen 1409–1419) und der Vertreibung von 1492 stattfanden. Sie machten aus dem jüdischen Problem eines der „Neuchristen“. Dazu kommen im Verlauf des 16. Jahrhunderts die aus dem Islam zwangsbekehrten Morisken (s. Kap. III). Kein christliches Land war damals auf die religiöse wie kulturelle Assimilation so vieler Neuchristen aus dem Judentum oder dem Islam vorbereitet – ebenso wenig auf die Kontrolle der Echtheit und Lauterkeit ihrer Bekehrung. Die Statuten der Limpieza de sangre, die Gründung des Inquisitionstribunals (1478–1480) und die radikale Maßnahme der Vertreibung der nicht bekehrungswilligen Juden 1492 (und später auch der Morisken in verschiedenen Schüben bis 1614) sind die Antworten der Altchristen auf dieses neue Phänomen. In der Entstehung und Anwendung der Statuten der Limpieza de sangre lassen sich drei grundlegende Phasen unterscheiden: 1449–1547, 1547–1623 und 1623 bis zu deren Aufhebung im 19. Jahrhundert.
Vom Statut des Gemeinderats von Toledo (1449) zum Statut der Kathedrale von Toledo (1547) Erste Statuten
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Antonio Domínguez Ortiz hat darauf hingewiesen, dass das Colegio Mayor San Bartolomé zu Salamanca – nach seinem Stifter Diego de Anaya, Erzbischof von Sevilla, auch Colegio Anaya genannt – wohl als erste Korporation Statuten der Limpieza de sangre einführte. Denn die Stiftungsbullen der Päpste Benedikt XIII. (1394–1423) und Martin V. (1417–1431) von 1414 bzw. 1418 halten nach dem Willen des Stifters fest, dass die 15 Stiftler aus reinem Blut sein sollten; und die Statuten, die der Stifter verabschiedete, untersagen ausdrücklich, dass Nachfahren der Hebräer „gleich in welchem entfernten Grad auch immer“ aufgenommen werden. Ebenso verfügte der Stifter minutiös, wie die Kandidaten ihre judenfreie Abstammung nachzuweisen hatten. Diese Statuten machten Schule und wurden von anderen Colegios Mayores oder Universitätsstiften (Santa Cruz zu Valladolid 1488, San Clemente zu Bologna 1488, San Antonio Portaceli zu Sigüenza 1497, San Ildefonso zu Alcalá 1519 etc.) übernommen. Da es sich dabei um pri-
VI.
Die Kontroverse um die Limpieza de sangre vate Korporationen handelte, über deren Statuten die Stifter nach Belieben verfügen konnten, nahm man keinen großen Anstoß daran. Eine lebhafte Kontroverse entstand erst im Sommer 1449, nachdem der Gemeinderat Toledos am 5. Juni auf Vorschlag des Oberbürgermeisters Pedro de Sarmiento ein Statut der Limpieza de sangre in Form eines Gerichtsurteils verlautbarte. Darin hieß es, dass alle Conversos aus dem „perfiden“ Geschlecht der Juden abstammen und daher rechtlich als ehrlos, unfähig und unwürdig für private oder öffentliche Ämter und Würden in der Stadt Toledo und in ihrem Territorium und Jurisdiktionsbezirk zu betrachten seien; ebenso wenig könnten sie als öffentliche Schreiber tätig sein oder als Zeugen vor Gericht auftreten. Der unmittelbare Anlass zu diesem Statut, das als das „wirkungsreichste und paradigmatischste“ aller Statuten gilt, war, dass Álvaro de Luna, Günstling Juans II. von Kastilien (1406–1454), am 26. Februar von der Stadt eine Steuer in Höhe von einer Million maravedíes forderte, um Verteidigungsausgaben zu finanzieren. Dabei beauftragte er den reichen toledanischen Neuchristen Alonso Cota mit dem Steuereinzug, was die Volkseele kochen ließ. Das Statut von 1449 argumentiert vor allem mit einem historischen Privileg der Stadt Toledo. Dieses wurde 1118 von Alfons VII. (1105–1157) verliehen, also vor den oben zitierten Siete Partidas Alfons‘ X., die die Diskriminierung der Conversos untersagten; und es stand weiteren Gesetzen der kastilischen Könige wie den päpstlichen Bullen und dem geltenden Gewohnheitsrecht entgegen. König Juan II. ließ daher Sarmiento und seinem Rechtsberater, dem Bakkalaureus Marcos García de Mora, den Prozess machen. Die Kontroverse hatte damit aber gerade erst begonnen. In der Forschung ist umstritten, ob das toledanische Statut von 1449 jemals rechtskräftig war. Aber diese Diskussion ist mühsam, denn das Wichtigste ist, wie die meisten Autoren betonen, dass es zu einem Präzedenzfall wurde, der Schule machte: 1473 wurden ähnliche Reinheitsstatuten in Córdoba und Jaén eingeführt, 1474 in Ciudad Real, Valladolid und Segovia, 1476 in Villena etc. Die Ritterorden führten die Reinheitsklausel 1462/1483 (Calatrava), 1483 (Alcántara) bzw. 1527 (Santiago) ein. Bei den anderen Orden machten die Hieronymiten – nach der Aufdeckung von Kryptojuden in ihren Reihen – 1486 bzw. 1495 (päpstliche Approbation durch Alexander VI.) den Anfang; 1520 folgten die Augustiner, 1525 die Franziskaner und 1540 die Dominikaner, die bereits 1489 einen Versuch gemacht und 1496 in Santo Tomás de Ávila sowie 1531 in zwei Klöstern Toledos die Limpieza de sangre eingeführt hatten. Bei den Kathedralkapiteln finden wir Reinheitsstatuten 1511 in Badajoz, 1515 in Sevilla, 1526 in Granada, 1530 in Córdoba u.a., und 1530 verabschiedete in Toledo die Kapelle der Reyes Nuevos ein entsprechendes Statut. Aber eine neue Qualität erreichte die Diskussion erst, nachdem der Toledaner Erzbischof Juan Martínez Silíceo, ehemaliger Erzieher des Kronprinzen Philipp, 1547 ein neues Statut eingeführt hatte und 1555 die päpstliche sowie 1556 die königliche Approbation dafür erwirken konnte.
Statut von Toledo 1449
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Die Kontroverse um die Limpieza de sangre
Vom Statut der Kathedrale von Toledo (1547) bis zum Erlass Philipps IV. 1623
Statut von Toledo 1547
Lebhafte Kontroverse
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Man wird der Herkunft von Martínez Silíceo und der Situation im Domkapitel und den meisten Kirchen Toledos bei seinem Amtsantritt im September 1546 Rechnung tragen müssen, um verstehen zu können, warum nun – von Toledo ausgehend – die Fixierung auf die Limpieza de sangre ihren Zenit erreichte. Silíceo war einfacher, bäuerlicher Herkunft, gehörte also zu der Kaste jener Altchristen, die sich, anders als der Adel, mit den Juden und Conversos nicht vermischt hatten. Besonders sie litten darunter, dass es den Conversos gelungen war, Schlüsselpositionen in vielen Korporationen zu besetzen. Im Domkapitel Toledos, dessen Mitgliedschaft mit reichen Pfründen und hohem Ansehen verbunden war, waren sie zahlreich vertreten, und in mancher Ortschaft des Bistums gab es unter 14 Priestern nur einen einzigen Altchristen. Silíceo war für die standesbewussten Conversos mehr oder weniger ein Arrivist, der es vom Bauernjungen zum Erzbischof Toledos gebracht hatte. Silíceo, der u.a. im Kolleg San Bartolomé zu Salamanca, der Wiege der Statuten, studiert und als Bischof von Cartagena 1544 für das Domkapitel der Kathedrale in Murcia bereits ein Limpieza-Statut verabschiedet hatte, wenn auch ohne päpstliche Approbation, war davon überzeugt, dass man nun in Toledo, dem Sitz des Primas, den Kampf für ganz Spanien führen müsse, denn die päpstliche Approbation eines toledanischen Statuts würde die Wende zugunsten der Limpieza de sangre allgemein herbeiführen. Kurz nach seinem Amtsantritt hatte Silíceo dem Converso Fernando Jiménez die Aufnahme in das Domkapitel verweigert und bei Papst Paul III. Verständnis dafür gefunden. Das Hauptargument war, dass die Conversos für den Dienst in der Kirche Toledos unwürdig wären, gelten doch für sie die warnenden Worte des Apostels Paulus im Brief an Titus (1,10): „Denn es gibt viele Ungehorsame, Schwätzer und Schwindler, besonders unter denen, die aus dem Judentum kommen.“ Ermutigt durch diesen Erfolg ließ Silíceo von einer Geheimkommission, die aus Altchristen bestand, über ein Limpieza-Statut für seine Kathedralkirche beraten. Dieses wurde dann am 29. Juli 1547 verabschiedet. Nach der Bezeichnung der Kirche Toledos als „die wichtigste auf der ganzen Welt nach der Sankt Peters zu Rom“, wird darin die zentrale Bestimmung folgendermaßen formuliert: dass von nun an und auf ewig als Pfründeninhaber und Würdenträger nur noch Erhabene oder Adlige oder Hidalgos oder Gelehrte mit Abschluss an berühmten Universitäten infrage kommen, die außerdem Altchristen sind. Ausdrücklich werden die Nachfahren von Juden, Mauren und Ketzern von diesen Ämtern ausgeschlossen. In der Folge finden wir – wie schon nach dem Statut des Toledaner Gemeinderates von 1449 – eine lebhafte Kontroverse, in der Befürworter und Gegner des Statuts bei der Krone und in Rom ein Ohr für ihre Argumente und Interessen zu finden versuchen. Dabei erhielt die Argumentation Silíceos in den Rechtfertigungsdenkschriften an Kaiser und Papst einen markant
VI.
Die Kontroverse um die Limpieza de sangre antijudaistischen Charakter. Die Theorie des Gottesmordes wird bemüht, ebenso wie die der jüdischen Weltverschwörung, wonach die Juden einen Plan zur Infiltration in die Kirche und so zum Griff nach der Herrschaft im orbis christianus ersonnen hätten. Silíceo zögert nicht, einen Bericht an den Papst zu senden, in dem der sogenannte „Brief aus Konstantinopel“ für authentisch erklärt wird, den die Juden dieser Stadt kurz vor dem Vertreibungsedikt von 1492 an die spanischen Juden geschickt hätten, um diese zur Scheinkonversion als Mittel einer sorgfältigen Strategie zur Kontrolle der wichtigsten Institutionen Spaniens zu ermutigen. Kurz und gut: Bei Silíceo kommt jenes grundsätzliche Misstrauen der Altchristen aus dem einfachen Volk gegenüber der Echtheit der Bekehrungen und damit der Loyalität der Conversos zum Ausdruck. Obwohl die theologische Lehre wie die zivilrechtliche und kanonische Legislation eine Diskriminierung der Conversos nicht zuließ, approbierte Papst Paul IV. 1555 das Statut der Kathedrale Toledos und Philipp II. ratifizierte es am 6. August 1556. Mit dieser doppelten Anerkennung – der ersten dieser Art – gewann das Statut Silíceos einen Modellcharakter und dem Prinzip der Limpieza de sangre gelang ein gewisser Durchbruch: Dies ist auch Teil der geistigen Wende, die in diesen Jahren Spanien erfasste (s. Kap. IV) und durch Aufdeckung der kryptoprotestantischen Konventikel in Sevilla und Valladolid bei den Altchristen wie bei der Krone und der Inquisition eine Wagenburgmentalität hervorrief. Was nicht bedeutet, dass die Kontroverse aufhörte: Zu klar war der Widerspruch der Argumente Silíceos zur theologischen und rechtlichen Tradition und zu groß das Ärgernis im Ausland (in Frankreich und Italien) wie in Spanien selbst, um die Sache ad acta zu legen. Die Inquisition versuchte 1572 der Kontroverse ein Ende zu bereiten, denn sie lief Gefahr – wir haben es in den ersten Jahren nach dem Statut Silíceos mit einer extrem konfliktiven Zeit zu tun –, in einen ideologischen Bürgerkrieg auszuarten. Aber die Kontroverse war zu einer causa publica geworden, die die Gesellschaft prägte und die Gemüter erregte: Die Inquisition griff mittels Exkommunikation, Buchzensur und Index ein. In den 1580er-Jahren ist zunächst ein entspannteres Klima zu beobachten, das die Befürworter einer gemäßigten Reform der Statuten (Einschränkung bis auf die dritte oder vierte Generation) ermutigt, sich für diese einzusetzen. Die Nachfahren der im 15. Jahrhundert bekehrten Juden galten als weitgehend assimiliert und die Reformvorschläge versuchten nun, dieser neuen Situation Rechnung zu tragen. Der Zustrom von Conversos oder „Marranen“ aus Portugal verschärfte allerdings die soziale Konfliktivität. In dieser Zeit mussten auch die Jesuiten (1593) und Karmeliter (1595) Statuten einführen, obwohl sie sich bis dahin standhaft geweigert hatten. Aber ebenso aus dieser Zeit stammen einige der wichtigsten kritischen Schriften gegen die Statuten, wie etwa 1599 der Discurso sobre la justicia de los estatutos des Dominikaners Agustín Salucio. Wie der Dominikaner Domingo de Valtanás (1557), der Augustiner Luis de León (De los nombres de Cristo, 1583), der Franziskaner Gaspar de Uceda (Tratado … contra el Statuto que … hizieron los frailes menores en el año de mil quinientos y ochenta y tres…, 1586) oder der Jesuit Juan de Mariana (De rege et regis institutione, 1598) wollte Salucio die Statuten nicht abschaffen, sondern im Sinne einer gemäßigten Reform (Einschränkung des Reinheitsnachweises auf die dritte oder vierte
Inquisition
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VI.
Die Kontroverse um die Limpieza de sangre
Gegen Meritokratie
Krone
Generation bzw. auf ca. 100 Jahre sowie auf maximal zwei positive Verfahren) verändern. Und dies nicht so sehr aus Einsicht in den Widerspruch der Statuten zur theologischen oder rechtlichen Tradition, sondern vielmehr, weil er sich der negativen Effekte in der spanischen Gesellschaft seiner Zeit bewusst war: Die Statuten riefen ein Klima hervor, in dem echte Werte wie die Meritokratie dem Abstammungsdünkel und der Ehre Platz machten. Die Statuten wirkten nicht integrierend, sondern zersetzten und schwächten die spanische Gesellschaft, die sich gezwungen sehe, für bestimmte Ämter und Posten auf die Besten zu verzichten. In einer seit Jahrhunderten so vermischten Gesellschaft wie der spanischen sei es absurd, von Limpieza de sangre zu sprechen. Mit der Fixierung auf den Reinheitswahn würden die Vorurteile des europäischen Auslands, die Spanier seien Marranen und Mauren, eher bestätigt, denn man erwecke den Eindruck von ihrer zahlreichen Präsenz oder Nicht-Assimilation, da jeder Kandidat für die Aufnahme in bestimmte Korporationen und Territorien zunächst nachweisen müsse, dass er nicht von ihnen abstamme. Berechtigtes Misstrauen verdienten für Salucio nur die Morisken und die seit 1580 aus Portugal einströmenden Marranen. Aber Salucios Werk mit seinen vernünftigen Reformvorschlägen war zum Scheitern verurteilt. Philipp II. hatte 1596 eine Junta oder Kommission unter dem Vorsitz des Generalinquisitors Pedro de Portocarrero eingesetzt, um über eine solche Reform nachzudenken (vor diesem Hintergrund ist gewiss der oben erwähnte Diskurs Salucios zu sehen). Aber Philipp II. starb 1598, bevor die Kommission den Bericht abschließen konnte. 1613 werden unter Philipp III. sein Günstling, der Herzog von Lerma, und der Generalinquisitor Bernardo de Sandoval y Rojas den Jesuiten Juan de Montemayor beauftragen, eine Denkschrift über die Mäßigung und zeitliche Einschränkung der Statuten zu schreiben, die leider auch ohne Wirkung blieb. Erst unter Philipp IV. wurde ein weiterer Versuch zur Reform der Statuten unternommen.
Vom Erlass Philipps IV. 1623 bis zur Aufhebung der Statuten 1833 Gleich nach seinem Herrschaftsantritt setzte Philipp IV. 1621 erneut eine Junta ein, die über Reformmaßnahmen, u.a. auch hinsichtlich der Statuten, beraten sollte. Es mehrten sich nun, zumeist anonyme, Petitionen an die Krone im Sinne des Diskurses Salucios. In einem Werk, das Juan Roco Campofrío, sukzessive Bischof von Zamora, Badajoz und Coria zugeschrieben wird, heißt es, die Hälfte Spaniens sei im Krieg gegen die andere Hälfte, das Abstammungsprinzip werde gegen die Meritokratie angeführt, über 5.000 Aufnahmen in die Ritterorden seien durch die Prozesse um die Limpieza de sangre seit Jahren blockiert, 5.000 bis 6.000 Inquisitionsprozesse kämen aus demselben Grund nicht voran, eine Kultur des allgemeinen Verdachts und des Denunziantentums habe sich ausgebreitet, die Neid und Ressentiments fördere. Als Heilmittel wird u.a. erneut vorgeschlagen: Man sollte keine anonymen Anklagen zulassen und den Nachweis der Limpieza de
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VI.
Die Kontroverse um die Limpieza de sangre sangre auf drei oder vier Generationen bzw. 100 Jahre einschränken; wenn in zwei Verfahren die Limpieza attestiert wurde, sollte dies genügen, statt bei jeder weiteren Bewerbung um ein Amt oder eine Würde ein neues Verfahren zu eröffnen. Die Empfehlungen der Junta gingen nicht so weit wie die Vorschläge Salucios und der königliche Erlass vom 10. Februar 1623 fiel eher im Sinne der Junta aus: keine anonymen Denunziationen; drei positive Limpieza-Verfahren sollten genügen, sofern diese in Korporationen mit einer soliden Tradition stattfanden (wie u.a. in der Inquisition, im Rat der Ritterorden, in der Kirche Toledos). In der Forschung wird diesem Erlass eine gewisse Mäßigung attestiert, zugleich wird aber betont, dass es sich alles in allem um eine Bestätigung des Prinzips der Limpieza de sangre handelt, denn die Nachfahren von Mauren, Juden und von der Inquisition Bestraften blieben ausgeschlossen, und von einer Einschränkung des Reinheitsnachweises auf vier Generationen oder 100 Jahre war nicht die Rede. Es ging also vielmehr darum, den Altchristen gewisse Unannehmlichkeiten und Verstimmungen bei einer allzu rigoristischen Interpretation der Statuten zu ersparen. Der spanische Reinheitswahn war so weit gekommen, dass eine Annahme der Einschränkung auf 100 Jahre als Gefahr zur Vermischung der Conversos mit den Altchristen verstanden wurde. Daher die salomonische Lösung: keine zeitliche Befristung des genealogischen Nachweises, aber Einschränkung auf höchstens drei positive Verfahren, um zu vermeiden, dass alle, auch die Altchristen, in ständigem Reinheits-Verdacht leben müssten. Zum Missfallen der Inquisition und der Ritterorden, die zur Mäßigung tendierten, wurde der Erlass von 1623 von einigen Korporationen wie der Kirche Toledos und den Kollegien Salamancas nicht sehr freundlich aufgenommen. Der Zeitgeist schwankte zwischen Philojudaismus bei den Herrschenden, Mäßigungsvorschlägen bei besonnenen Theologen und Juristen (auch Inquisitoren) und einem Aufflammen des Antijudaismus beim Volk und bei epigonenhaften Autoren aus dem niederen Klerus. Seit Ende des 16. Jahrhunderts offerierten Vertreter der aus Portugal kommenden Marranen viel Geld an die Krone, um vor der Inquisition geschützt zu werden und weitgehende Handlungsfreiheit in Spanien zu erhalten. Die Einschränkungsbestimmungen für die Einwanderung der Marranen aus Portugal wurden daher 1601 aufgehoben. Auch Graf Olivares, der allmächtige Günstling Philipps IV., setzte sich dafür ein und erreichte, dass mehr Marranen aus Portugal nach Spanien kamen. Es heißt, dass er sogar von einer neuen Ansiedlung von Juden in Spanien geträumt habe, da er die Prosperität Hollands nicht zuletzt auf die spanischen Juden zurückführte. Aufgrund des Misstrauens des Volkes gegen Marranen und Juden sowie des Aufstandes Portugals 1640 hatten solche Pläne kaum eine Chance. 1643, nach der Entmachtung Olivares’ und dem Ersatz des gemäßigten Generalinquisitors Antonio de Sotomayor durch Diego de Arce Reinoso, verließen 12.000 Marranen-Familien Spanien. Der Erlass von 1623 wurde zwar nie aufgehoben, führte aber in einzelnen Korporationen kaum zu der erhofften Mäßigung. Die Limpieza de sangre blieb ein „Damoklesschwert“ in der spanischen Gesellschaft bis zur Aufhebung der Statuten 1833, verlor aber die ursprüngliche soziale Virulenz und mutierte zum reinen Formalismus. Die Statuten wurden zwar auf weitere
Mäßigung
Reinheitswahn
Marranen aus Portugal
Damoklesschwert
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Die Kontroverse um die Limpieza de sangre Korporationen ausgedehnt (Anwalt, Gerichtsschreiber, Grundschullehrer), aber die Prüfung der Nachweise war eine formale Routine, die kaum jemanden aufregte.
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Einige bedenkliche Werke aus der Spätphase der Kontroverse im 17. und 18. Jahrhundert Die wenigen Werke über die Limpieza de sangre, die nach 1623 gedruckt wurden, haben eher einen epigonenhaften Charakter, auch wenn sie für eine strenge Handhabung der Statuten plädieren. Domínguez Ortiz betont, dass sie keine Originalität haben, ein Problem behandeln, das, von den aus Portugal gekommenen Marranen abgesehen, in Spanien nicht mehr aktuell war, und sie nur interessant sind, weil darin die Reinheitsfrage von einer religiösen zu einer biologischen mutiert. Die darin vorkommende Sprache scheint auf den ersten Blick den modernen Antisemitismus vorwegzunehmen. Juan Escobar del Corro vertritt in seinem Tractatus bipartitus de puritate et nobilitate probanda … (u.a. Madrid 1623) die Ansicht, dass Adel und Reinheit bereits bei der Empfängnis von Geschlecht zu Geschlecht durch das Blut übertragen würden, so wie auch Schande und Befleckung. 1674 wurde in Madrid das Werk Centinela contra judíos puesta en la torre de la Iglesia de Dios des Franziskaners Francisco de Torrejoncillo gedruckt, das bis 1736 mehrere Nachdrucke und im Werk des Antonio Contreras Mayor Fiscal contra judíos (Madrid 1736) auch ein Plagiat erlebte. Darin erhält der volkstümliche katholische Antisemitismus unter dem Deckmantel der Limpieza de sangre seine deutlichste Analogie zum modernen Rassismus. Der Hass der Diaspora-Juden auf Christus und die Christen wird für den Autor – Taufe hin oder her – von Geschlecht zu Geschlecht aufgrund des Blutes quasi wie eine zweite Erbsünde übertragen. Und für die Übertragung sei es nicht nötig, dass beide Eltern Juden seien: Es genüge, dass ein Elternteil ein Viertel oder gar ein Achtel jüdischen Blutes habe.
Die theologische und soziale Brisanz der Kontroverse Biblische Argumente
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Der oben erwähnte Franziskaner Gaspar de Uceda gehört zu denjenigen, die Ende des 16. Jahrhunderts nicht die Limpieza-Statuten als solche infrage zu stellen scheinen, sondern nur für eine gemäßigte Reform eintreten. Aber zwischen den Zeilen gibt er in seinem Traktat zu verstehen, dass die Statuten ein Malheur sind – nicht zuletzt, weil sie Begabte daran hindern, in den Franziskanerorden oder den geistlichen Stand überhaupt einzutreten. Im zweiten Teil seines Werkes versucht er, die Argumente der Befürworter der Statuten zu widerlegen. Auf das Argument, die Nachfahren der Juden sollten ausgeschlossen werden, weil ihre Glaubenstreue verdächtigt sei und sie zum Judaisieren neigten, antwortet Gaspar de Uceda u.a., dass man dies nicht generalisieren könne und es in der jüngsten spanischen Geschichte auch gute Beispiele für das Gegenteil gegeben habe, wie etwa die berühmte Familie der Santa María. Auf das immer wieder angeführte Argument aus dem Titusbrief (1,10–11, s.o. S. 46) wird ähnlich geantwortet, dass dies nicht für alle gelte, sondern nur für diejenigen, die wirklich judaisierten. Das Argument aus dem ersten Timotheusbrief (3,2–7: „wer das Amt eines Bischofs anstrebt, […] darf kein Neubekehrter sein“) wird u.a. entkräftet mit dem Hin-
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Die Kontroverse um die Limpieza de sangre weis, dass der Neophytenstatus auch allegorisch für die Bekehrung vom Laster zur Tugend verstanden werden könne, höchstens nur für die ersten vier bis fünf Jahre nach der Bekehrung gelte, und dass die Kirchengeschichte gute Neuchristen aus dem Judentum in wichtigsten Stellen kenne. Das Zitat aus dem Exodusbuch (34,7: „er verfolgt die Schuld der Väter an den Söhnen und Enkeln, an der dritten und vierten Generation“) ist für Gaspar de Uceda in der Statutendiskussion fehl am Platze, da die echte Bekehrung keine Sünde sei und darin nur diejenigen gemeint wären, die judaisieren und so die Sünden der Eltern fortführen. Auf das Argument aus dem Deuteronomium (23,3: „In die Versammlung des Herrn darf kein Bastard aufgenommen werden“) wird erwidert, dass diese Reinheitsgesetze durch den Tod Christi aufgehoben würden und die Kirche die vor der Taufe begangenen Sünden nicht bestrafen könne. Das Argument aus dem IV. Konzil von Toledo (633), wonach die Juden und ihre Nachfahren von Ämtern und Pfründen ausgeschlossen werden sollten, wird wiederum mit dem Hinweis entkräftet, es gelte nur für die, die nach der Taufe judaisieren und so dem Geiste nach Juden blieben. Auf das Argument des Pisaner Konzils (1409), wonach die Kinder der Kleriker aufgrund der Sünde ihrer Eltern von den Weihen ausgeschlossen seien und dies auch für die Conversos gelte, wird geantwortet, dass dies nicht auf sie zutreffe, weil sie nicht in Sünde gezeugt würden, nicht aus illegitimer Ehe entstammten und die Bekehrung keine Sünde darstelle, sofern man nicht judaisiere. In Verlegenheit bringen Gaspar de Uceda die Entscheidungen mancher Päpste für und wider die Statuten: So erteilte Clemens VII. (1523–1534) 1525 dem Franziskanerorden die Erlaubnis, Nachfahren von Juden bis in die vierte Generation auszuschließen, während Julius III. (1550–1555) diese Dispens 1550 aufgehoben habe, Paul IV. (1555–1559) die Erlaubnis Clemens‘ 1559 wieder bekräftigte, Pius V. sie erneut aufhob und Gregor XIII. (1572–1585) diese Entscheidung 1583 wiederum revidierte. Nikolaus V. zeigte schon im Zusammenhang mit dem Statut des Gemeinderates von Toledo (1449) eine ähnlich widersprüchliche Haltung: Hier könne also, so Gaspar de Uceda, jeder der Meinung folgen, die er für die bessere halte. Auf das Argument, die Conversos seien „unruhig, zornig, ehrgeizig und für den Ordensstand nicht geeignet“, wird mit Verweis auf die Erfahrungswerte geantwortet. Diese zeigen, dass dies eher für die Altchristen gelte und dass man dazu neige, die Fehler der Conversos zu übertreiben und die der Altchristen zu übersehen; nach Einführung der Statuten stünde es zudem mit der Tugend und der Gelehrsamkeit in den Orden schlechter als vorher. Ein weiteres, theologisch brisantes Argument, rechtfertigte den Ausschluss der Conversos, weil diese Nachfahren jener „perfiden“ Juden seien, die Christus gekreuzigt haben: Diese Perfidie hätten sie nun wie eine quasi zweite Erbsünde geerbt, die durch die Taufe nicht getilgt werde. Gaspar de Uceda antwortet, dass Jesus Christus am Kreuz für seine Feinde betete, die götzendienerischen Heiden der Antike die Kirche noch mehr verfolgt hätten und das Gleichheitsprinzip des Apostels Paulus (etwa im Römerbrief 10,12: „Darum gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen. Alle haben denselben Herrn.“) für alle gelte, wie das Konzil von Basel 1434 und Nikolaus V. 1449 betont haben; zudem bestrafe die Kirche – etwa bei den
Päpstliche Entscheidungen
Perfidie der Juden
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Die Kontroverse um die Limpieza de sangre
Zweierlei „Juden“
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Ketzern – nur die Sünden, die nach der Taufe begangen wurden, während sie für die vor der Taufe gemäß 1 Kor 5,12 keine Jurisdiktion besitze. Gaspar de Uceda schlägt vor, dass der König einen Gesandten nach Rom schicke mit der Bitte, der Papst möge eine Kommission von Kardinälen einsetzen, um zu beantworten, „ob die Nachfahren von Juden allein aus diesem Grund aus dem Franziskanerorden ausgeschlossen werden sollen“. Eine solche Entscheidung wäre dann verbindlich, denn der Papst könne in einer solchen Sache nach der Beratung mit den Kardinälen nicht irren. Obwohl sich der Franziskaner durch die Dominikaner Domingo Báñez und Juan Vicente, Professorenkollegen zu Salamanca, attestieren ließ, dass sein Traktat „keinen Irrtum gegen unseren Glauben und unsere christliche Religion enthält, noch die Gefahr eines solchen, sondern eine gesunde und katholische Absicht“, wurden die Exemplare von der Inquisition beschlagnahmt; und Gaspar de Uceda selbst musste sich am 21. Juni 1588 vor dem obersten Inquisitionsrat verantworten. Am 17. Mai 1588 hatte der Dominikaner Juan de Orellana, aus dem Kolleg Santo Tomás zu Ávila, einen Brief an den Generalinquisitor Gaspar de Quiroga geschickt, in dem der Traktat des Franziskaners als „gegenüber dem Heiligen Offizium sehr gewagt, sektiererisch, blasphemisch und irrtümlich“ bezeichnet wird: „gewagt“, weil das Heilige Offizium die Kontroverse schon geprüft und (1572) unter Androhung der Exkommunikation befohlen habe, dass man nicht weiter darüber disputiere; „sektiererisch“, weil der Autor des Traktates mit seinen Thesen über die Conversos die Aufruhr wieder entfache, die zuletzt nachgelassen hatte; „blasphemisch“, weil er den Herrn, seine Heiligste Mutter und die heiligen Apostel als „Juden“ bezeichne, wo doch dieses Wort im Spanischen eine andere Bedeutung habe: Denn der Spanier bezeichne als Juden nicht alle, die aus dem hohen Blut Abrahams, Isaaks und Jakobs abstammen, sondern nur jene „perfide“ Juden, die nicht gute Christen geworden sind. Die treuen Nachfahren Abrahams, Isaaks und Jakobs, die sich zum Glauben der Kirche bekannten, seien mehr Altchristen als alle anderen auf der Welt, denn diese Patriarchen waren in Wirklichkeit schon Christen. Daher sei es eine vorzügliche Blasphemie zu sagen, dass der Herr Christus und alle Heiligen, die vom Patriarchen Jakob abstammen, mit den Statuten gemeint seien, um so die heiligen Juden mit den perfiden zu verwechseln. „Irrtümlich“ schließlich, weil der Traktat im Einzelnen falsche Aussagen enthalte. Besonders interessant ist die Begründung der Blasphemie: In der Unterscheidung zwischen den guten, in der Urkirche für das Christentum optierenden Juden und wahren Nachfahren Abrahams, Isaaks und Jakobs auf der einen Seite, und den „perfiden“, sich damals dem Evangelium Christi verweigernden Juden auf der anderen Seite, von denen die spanischen Conversos abstammten, die aufgrund dieses Ursprungsmakels immer als Christen zweiter Klasse gesehen werden müssten, liegt die ganze theologische und soziale Brisanz der Kontroverse. Während viele Conversos aus ihrer jüdischen Abstammung einen Vorrang, eine Präeminenz, in der Kirche und der christlichen Gesellschaft ableiten wollten, pochten die Altchristen auf die Unterscheidung zwischen den einen und den anderen Juden: Sie betrachteten Kirche und Gesellschaft als eine Art Klub, in dem man durch Dauer der Zugehörigkeit, durch Anzianität, nicht durch Abstammung, Vorrechte er-
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Die Kontroverse um die Limpieza de sangre wirbt; aber sie führten paradoxerweise ein „Abstammungsargument“ wie die Limpieza de sangre als Anzianitätsnachweis ein!
Rassismus in der Vormoderne? Einige, besonders jüdische Autoren neigen dazu, die Kontinuität mit der nationalsozialistischen Rassentheorie zu betonen, während andere die Diskontinuität hervorheben und von einer vormodernen Form des Rassismus sprechen. Max Sebastián Hering Torres, der die jüngste Monographie zum Thema geschrieben hat, hält allen vor, dass sie unbewusst oder bewusst moderne Vorstellungen von Rassismus und Antisemitismus in die Vergangenheit projizieren. Besonders die oben erwähnte Judendefinition Torrejoncillos (Achtel- und Vierteljude) habe zur unreflektierten Gleichsetzung der Limpieza de sangre mit der Rassenideologie und dem Antisemitismus der Nationalsozialisten geführt. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass auch für die schlimmsten Apologeten des spanischen Reinheitswahns die Monogenese der Menschheit außer Frage stand; und auch in der schärfsten Form intendierten die Statuten und deren Befürworter „nur“ die Exklusion der Conversos von bestimmten Ämtern und Pfründen, nicht aber deren Auslöschung. Der katholische Antijudaismus ist nicht mit dem biologischen Antisemitismus der Moderne identisch. Doch gerade der Wille zur Ausgrenzung aufgrund der Herkunft stellt eine Brücke zum modernen Rassismus dar, auch wenn es ahistorisch wäre, die Statuten der Limpieza de sangre als „Vorläufer der Ariergesetze“ zu interpretieren. Die Statuten der Limpieza de sangre bei der Gesellschaft Jesu Es wurde bereits erwähnt, dass die Jesuiten die Statuten der Limpieza de sangre erst 1593 einführten. Es fällt auf, dass der Gründer, Ignatius von Loyola, als Baske aus einem Territorium kam, in dem alle Nachkommen von Juden, Muslimen und Ketzern generell ausgeschlossen waren. Dennoch nimmt er von Anfang an Conversos in die Gesellschaft Jesu auf, er widersetzt sich dem Druck von Kardinal Silíceo nach einem Converso-Verbot im Anschluss an das toledanische Statut von 1547 und er scheint gesagt zu haben, dass er selbst die jüdische Abstammung für eine große Ehre gehalten hätte, um Jesus noch näher sein zu können. War die Öffnung der Gesellschaft Jesu für die Conversos nur eine Frucht des christlichen Universalismus oder auch Ergebnis strategischer Überlegungen? Die Tatsache, dass die Dominikaner, Franziskaner und Augustiner die Conversos bereits ausgeschlossen hatten, ermöglichte doch, dass die junge Gesellschaft Jesu vom Zustrom der intellektuell und spirituell überdurchschnittlich qualifizierten Conversos profitierte. Doch dies wurde später zu einem Nachteil, wie aus einem Brief von Juan Ramírez vom 1. Februar 1582 an den General Francisco de Borja hervorgeht. Darin wird beklagt, dass die besten Familien Córdobas für ihre Kinder das Jesuitenkolleg meiden und das Dominikanerkolleg vorziehen, weil die Gesellschaft Jesu im Ruf eines „Judennestes“ stehe. Die Conversos sollten nun ausgeschlossen werden, um mehr Nachwuchs aus den besten altchristlichen Familien zu haben. Unter den Converso-Gegnern aus anderen Ländern finden sich unterschiedliche Beweggründe. Einige, wie der deutsche Jesuit Paul Hoffaeus Ende 1589, sehen in den Conversos eine Ursache für die Unruhen und die Zwietracht in der Gesell-
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Converso-Gegner
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Die Kontroverse um die Limpieza de sangre
Rigoroses Dekret
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schaft Jesu, weil sie diese unter den Adligen und Fürsten diskreditieren, indem sie ihr den Ruf einer „Synagoge von Juden“ einbringen. Aber andere Jesuiten, wie der Italiener Benedetto Palmio 1581, gehen weiter: Sie sehen in den Conversos die Ursache für alle Übel und Unruhen in der Gesellschaft Jesu und lassen sich von einem dezidiert antispanischen und antisemitischen Affekt tragen. Rassistisch klingt z.B. Palmios Beschreibung seines spanischen Converso-Rivalen in Italien, Dionisio Vázquez. Dieser wird als „ein Neuchrist von brutalem Aspekt“ bezeichnet, der ein „Meister der Verstellungskunst“ sei. Von den Conversos im Allgemeinen sagt Palmio, dass sie „eine markante Nase“ hätten. Das 52. Dekret der V. Generalkongregation 1593, das Conversos jüdischer oder islamischer Herkunft in einer äußerst rigorosen Art und Weise und ohne jede mögliche Dispens für alle Zeiten ausschließt und darüber hinaus die bereits aufgenommenen Conversos aus der Gesellschaft Jesu hinausdrängt, ist ein Verzicht auf den christlichen Universalismus und auf die Meritokratie. Dieser Verzicht wird „ad maiorem Dei gloriam“ gerechtfertigt sowie unter Hinweis auf den Rat des Gründers, die Gunst derjenigen Herren dieser Welt zu suchen, die imstande sind, den Jesuiten die Türen für den Dienst an Gott und den Seelen zu öffnen oder auch zu schließen. Was ist also der wahre Geist des Gründers? Sein vermeintliches Bedauern, anders als die Conversos mit Jesus nicht dem Blut nach verwandt zu sein, oder die Interpretation von 1593? Die Gesellschaft Jesu hat die Statuten der Limpieza de sangre verhältnismäßig spät eingeführt, diese aber bis 1946 beibehalten, als die Erfahrung des Holocaust zu einem Mentalitätswandel führte. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Bulle vom 21. Juli 1773, mit der der Franziskanerpapst Clemens XIV. (1769–1774) die Gesellschaft Jesu aufhebt (1814 wurde sie wieder errichtet), ähnlich wie die V. Generalkongregation für den Ausschluss der Conversos argumentiert: Die Aufhebung erscheint als notwendig zum Wohle der Kirche und der Länder, in denen diese tätig ist, weil die Gesellschaft Jesu die Gunst der Herren dieser Welt verloren habe.
VII. Die Spanische Inquisition Nach den Massenbekehrungen von Juden im Verlauf des 15. Jahrhunderts gab es ein Converso-Problem, das durch die ersten Statuten der Limpieza de sangre (s. Kap. VI) nicht nur religiösen, sondern auch sozialen Zündstoff enthielt. Vielfach wurde den Katholischen Königen von Kirchenvertretern geraten, die Inquisition einzuführen, um das Leben und den Glauben von Neu-Christen sowie die Häresiegefahr zu überwachen. Den Königen ging es aber nicht um eine Wiederbelebung der bischöflichen Inquisition des Mittelalters. Sie wollten eher eine Inquisition neuen Typs, die zwar mit Billigung des Papstes errichtet werden, aber als „staatliches Organ“ ihnen direkt unterstehen sollte. Mit der Bulle Exigit sincerae vom 1. November 1478 billigte Papst Sixtus IV. (1471–1484) dieses Vorhaben und autorisierte die Könige zur Ernennung der Inquisitoren. 1483 wurde der Dominikaner Tomás de Torquemada zum ersten Generalinquisitor ernannt. Als Institution bestand die Spanische Inquisition – mit kurzer Unterbrechung in den liberalen Phasen von 1813 und 1820 – bis zu deren endgültiger Aufhebung am 15. Juli 1834 durch die Regentin María Cristina fort. Der Generalinquisitor wurde vom Rat der Allerhöchsten und Allgemeinen Inquisition (auch Suprema genannt) unterstützt, der als einziger Kronrat für ganz Spanien zuständig war (s. Kap. II). Einmal ernannt, konnten die Generalinquisitoren von der Krone nicht mehr abgesetzt werden, was ihnen eine gewisse Unabhängigkeit garantierte. Aber einige resignierten. Generalinquisitoren im Spanischen Jahrhundert Tomás de Torquemada OP (1483–1498); Diego de Deza OP (1498–1507, resignierte); Francisco Jiménez de Cisneros OFM (1507–1517, nur in der Krone Kastiliens); Juan Enguera OP (1507–1513, nur in der Krone Aragóns); Luis Mercader OCart (1512–1516, nur in der Krone Aragóns); Adriano de Utrecht (1516, nur in der Krone Aragóns; 1518–1522, in Kastilien und Aragón; 1522–1523 Papst Hadrian VI.); Alfonso Manrique de Lara (1523–1538); Juan Pardo de Tavera (1539–1545); García de Loaysa y Mendoza OP (1546); Fernando Valdés (1547–1566, resignierte); Diego de Espinosa (1567–1572); Gaspar de Quiroga (1573–1594); Jerónimo Manrique de Lara (1595); Pedro de Portocarrero (1596–1599, resignierte); Fernando Niño de Guevara (1599–1602, resignierte; er ist der intellektuell wirkende Inquisitor mit Brille aus dem berühmten Portrait von El Greco); Juan de ZÞñiga (1602); Juan Bautista de Acevedo (1603–1608); Bernardo de Sandoval y Rojas (1608–1618); Luis de Aliaga OP (1619–1621, resignierte); Andrés Pacheco OFM (1622–1626); Antonio Zapata y Cisneros (1627–1632, resignierte); Antonio de Sotomayor OP (1632–1643, resignierte); Diego de Arce y Reinoso (1643–1665).
Ausgehend von einer Mikro-Studie der Inquisition im Bistum Toledo hat Jean-Pierre Dedieu vier Wirkungsphasen unterschieden, die sich auf den Rest des Landes extrapolieren ließen: (1) 1480–1525: Phase der judaisierenden Conversos oder Kryptojuden als Zielscheibe der Inquisition (mit einer heißen Phase bis 1510). (2) 1525–1590 bzw. 1525–1630: Nachdem die judaisierenden Conversos weitgehend verschwunden waren, werden nun vor allem die alumbrados, die Kryptoprotestanten und Erasmianer (Buchmarkt)
Gründung
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Wirkungsphasen
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Die Spanische Inquisition sowie der Lebenswandel der Altchristen kontrolliert, denen oft „sakandalöse Ausdrücke“ (Blasphemie) vorgeworfen werden. (3) 1630–1725: Die Judaisierenden gewinnen erneut an Aktualität aufgrund der Einwanderung von vielen Marranen aus Portugal. (4) 1725–1834: Bis zur Abschaffung der Inquisition gibt es kaum nennenswerte Ketzerprozesse. Dedieu kommt zum Schluss, dass es sich bei der Inquisition vor allem um eine antijüdische Institution gehandelt habe, die sich aber ein Jahrhundert lang (1525–1630) auf dem Höhepunkt ihrer Aktivität auch gegen die Altchristen richtete.
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Opferzahlen
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Strafmaßnahmen der Inquisition – „Relajación“: Verurteilung zum Tod und Übergabe an den weltlichen Arm zur Vollstreckung (das Urteil wurde außerhalb der Stadtmauer, also des religiösen und zivilen Bezirks, vollstreckt und konnte in Abwesenheit durch Flucht oder Tod auch „in effigie“ geschehen). Dies hatte Güterbeschlagnahmung sowie Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für die Nachkommen zur Folge. – „Reconciliación“: Aussöhnung mit der katholischen Kirche, aber Güterbeschlagnahmung sowie Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für die Opfer und deren Nachkommen. Im Falle von Selbstanzeige wurde nur ein Drittel des Besitzes konfisziert; etwa 90% der „Aussöhnungen“ in der heißen Phase der Verfolgung von Kryptojuden waren dieser Art. Bei Rückfälligkeit wurden die Ausgesöhnten dann als rückfällige Ketzer betrachtet und automatisch dem weltlichen Arm überstellt. – „Abjuración“: Widerruf. Dies galt als Voraussetzung für die reconciliación und konnte dreifach stattfinden: de levi (bei leichtem Häresieverdacht sowie bei Bigamie, Blasphemie oder Identitätstäuschung; die Strafe bestand in einer Geldstrafe und/oder in einer Frömmigkeitsübung); de vehementi (bei stärkeren Verdachtsmomenten und wenn die Beschuldigten trotz der Beweislast das Eingestehen zunächst verweigern; hier war die Strafe schwerer: Verbannung oder öffentliche Auspeitschung oder Verurteilung zu den Galeeren für eine bestimmte Zeit oder lebenslange Haftstrafe, die kaum eingehalten wurde, weil es der Inquisition zu teuer war) oder in forma (für die Geständigen und Reuigen, vor allem wenn sie des Judaisierens beschuldigt wurden; die Bestrafung war wie bei de vehementi). Diese Widerrufsformen fanden in der Regel bei einem privaten Autodafé oder autillo statt.
Die moderne Forschung hat viele Fabeln über die Spanische Inquisition versachlicht, nicht zuletzt die Opferzahlen. Die Gesamtzahl werden wir wohl nie kennen, nicht zuletzt weil die Archive zwischen 1499 und 1560 darüber praktisch schweigen. Heute geht man eher von 5.000 Todesurteilen in der heißen Phase der Converso-Verfolgung (also bis 1525) aus und von 700 für die restliche Zeit bis 1834. Dazu kommen gewiss Abertausende Opfer, die mit verschiedenen Strafen davonkamen. Die Zahl der Todesurteile mag relativ bescheiden anmuten, vor allem wenn sie mit den zahlreichen Hexenverbrennungen im protestantischen wie katholischen Europa außerhalb des Wirkungsbereichs der Spanischen, der Portugiesischen und der Römischen Inquisition verglichen wird. Dennoch kann mit Fug und Recht von einer grausamen Institution gesprochen werden: Die Inquisition war wie ein Damoklesschwert im vormodernen Spanien und respektierte nicht einmal die Totenruhe (es kam zur Exhumierung und Verbrennung der Gebeine Verstorbener). Ihre Urteilssprüche hatten einen feierlichen Schaucharakter, der die soziale Ächtung intendierte. Sie übte einen starken Druck auf die Gewissen und ermutigte mit einem abgestuften Straf- und Konfiskations-
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Die Spanische Inquisition system zur Selbstanklage. Sie schürte schließlich das Misstrauen zwischen den Nachbarn und förderte die Denunziation von verdächtigten Personen. Es fehlt nicht an Stimmen, die das Wirken der Inquisition relativieren oder gar von einem Rechtsfortschritt sprechen, weil die Inquisition die Prozesse gegen Häresie versachlicht habe. Aus den Quellen geht zuweilen etwas anderes hervor. Der Jesuit und Historiker Juan de Mariana hat ironisch den Unterschied zwischen der Prozesskultur der Inquisition und der spanischen Tradition festgehalten: Demnach wunderte man sich darüber, dass die Kinder für die Vergehen ihrer Eltern zahlen sollten, dass der Ankläger nicht bekannt war und dem Angeklagten nicht gegenübergestellt wurde, dass die Zeugen nicht öffentlich benannt wurden. Darüber hinaus schien den Menschen neuartig, dass bestimmte Vergehen (Speisegesetze z.B.), die eher Ausdruck von kultureller Anhänglichkeit an alte Bräuche denn formelle Häresien in Glaubensfragen waren, mit der Todesstrafe geahndet werden sollten. So wundere es nicht, fasst Juan de Mariana um 1600 zusammen, dass die Leute voller Furcht waren, „und die Angst, die verächtlichste und verderblichste Leidenschaft, korrumpierte alle“. In seinem enzyklopädischen Kommentar zu Augustins De Civitate Dei, der 1522 bei Johannes Frobenius in Basel gedruckt wurde, bezeichnet der Humanist Juan Luis Vives das Inquisitionsverfahren, von ihren Opfern durch Folterungen fragwürdige Geständnisse zu erpressen, als barbarische Erfindung. Denn die unerträglichen Schmerzen brächten auch den Unschuldigen zu jedem beliebigen Geständnis.
Rechtsfortschritt?
Spanische Inquisition und Buchzensur Das Inquisitionssystem lässt sich am besten anhand der Kontrolle des Buchmarktes, also der Buchzensur, erläutern. Als um 1500 das gedruckte Buch zum typischen Mittel sozialer Kommunikation avancierte und Auflagen und Verbreitung neue Dimensionen erreichten, wurde den staatlichen wie kirchlichen Behörden klar, dass sie eine gewisse Kontrolle ausüben mussten. Nach einigen Anläufen durch Innozenz VIII. (1484–1492) 1487 und Alexander VI. 1501 verabschiedete bekanntlich Leo X. (1513–1521) während des 5. Laterankonzils 1515 die Bulle Inter sollicitudines, die den Ortsbischöfen das Privileg vorbehielt, Druckgenehmigungen zu erteilen. Diesen Weg bestätigte das Trienter Konzil in der XVII. und XXV. Sitzung und Pius IV. (1559–1565) promulgierte 1564 die konziliaren Zensurmaßnahmen (die Trienter Regeln) zusammen mit dem neuen Index. Das Spanien der Katholischen Könige nahm sich aber die Freiheit, die Dinge anders zu regeln. Hier reservierte sich der Staat die Kontrolle über die Druckgenehmigungen, während der Inquisition die Kontrolle des Buchmarktes a posteriori überlassen wurde. Auch wenn es manchmal Konflikte zwischen beiden Zensurbehörden gab – nicht zuletzt, weil die Inquisition bestrebt war, ihre Kompetenzen zu erweitern und sich in das Verfahren der Druckgenehmigung einzumischen –, so kann man sagen, dass diese Aufgabenteilung weitgehend eingehalten wurde.
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VII.
Die Spanische Inquisition Erste Maßnahmen
Systematisierung des Zensurverfahrens ab 1551
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Die Katholischen Könige hatten mit der Pragmatischen Sanktion vom 8. Juli 1502 die Buchhändler verpflichtet, Einfuhrgenehmigungen zu ersuchen sowie die außerhalb des spanischen Machtgebietes erschienenen Bücher zur Prüfung vorzulegen. Für die im Inland gedruckten Bücher sollte vorab eine Druckgenehmigung eingeholt werden, die nur nach sorgfältiger Prüfung erteilt werden durfte. Zunächst wurden die obersten Gerichtshöfe (Audiencias) von Valladolid und Granada sowie die Erzbischöfe oder Bischöfe von Toledo, Sevilla, Burgos, Salamanca und Zamora mit dem Druckgenehmigungsverfahren betraut. Ab 1554 – und nachdem der Kronrat bedauern musste, dass einige Druckgenehmigungen zu leichtfertig erteilt worden waren (gemeint ist nicht zuletzt, dass Bartolomé de Las Casas einige kritische Traktate über das spanische Vorgehen in Westindien 1552 in Sevilla hatte drucken lassen, was wohl nicht ohne Billigung durch den Ortsbischof und Generalinquisitor Fernando de Valdés geschehen konnte; vgl. Kap. V) – wurde das Verfahren zentralisiert und ausschließlich dem Kronrat unterstellt. Bis Mitte des 16. Jahrhunderts tat sich die Inquisition lediglich durch einige Edikte als Zensurbehörde hervor. Am Anfang stand das Edikt des Generalinquisitors Adriano de Utrecht vom 7. Juni 1521, mit dem die Konfiszierung aller Bücher Martin Luthers, der nach der Exkommunikation als notorischer Ketzer galt, angeordnet wurde. Es folgten u.a. einige Verfügungen des Generalinquisitors Alonso de Manrique zwischen 1523 und 1534 zur Kontrolle der Einfuhr protestantischer Literatur sowie weitere Edikte in den 40er-Jahren, um die Verbreitung verdächtiger Bücher (auch von Erasmus und Sympathisanten) zu kontrollieren. Zum systematischen Ausbau des „Buchprozesses“ als eines „stummen Ketzers“ kam es erst ab 1551, nachdem Generalinquisitor Fernando de Valdés den ersten Index der Spanischen Inquisition verabschiedet hatte – nicht zuletzt, weil Bücher und kommentierte Bibelübersetzungen protestantischer Autoren und Erasmianer doch in den heimischen Markt gelangt waren, sodass die Entstehung eines Kryptoprotestantismus zu befürchten war. Valdés hat in der Forschung den Ruf, die Kompetenzen der Inquisition erweitern zu wollen. So dürfte er in der Verbreitung protestantischer Bücher und Bibelübersetzungen nicht zuletzt einen Grund dafür gesehen haben, sich selbst und das Inquisitionstribunal als Zensurbehörde zu profilieren. Der Index von 1551 übernahm die Liste des Kataloges der Universität Löwen aus dem Jahre 1550 und fügte einige spezifische Bestimmungen für die spanische Lage hinzu, so z.B. das Verbot von Bibelübersetzungen in der Volkssprache, von Anthologien der Heiligen Schrift, von Werken des Erasmus und seiner spanischen Schüler. Die Buchhändler protestierten noch 1551 mit einem Schreiben an den obersten Inquisitionsrat. Sie sahen nämlich in der Konfiszierung und Verbrennung von Werken protestantischer Autoren wie Philipp Melanchthon, die antike Philosophen oder Kirchenväter edierten und kommentierten, oder von medizinischen und juristischen Büchern, die lediglich hier und da fragliche Sätze enthielten, einen großen finanziellen Schaden, hatten einige doch Frau und Kinder und all ihr Vermögen in diese Bücher gesteckt. Nachdem die Inquisitoren Toledos Ende 1551 oder Anfang 1552 eine Denkschrift mit den praktischen Zweifeln bei der Anwendung der Index-Maßnahmen an den Inquisitionsrat gesandt hatten,
VII.
Die Spanische Inquisition antwortete dieser am 4. April 1552 mit einer carta acordada (Brief an alle Inquisitionstribunale mit den Beschlüssen anlässlich der Zweifelsfälle). Darin findet sich eine erste Systematisierung des Verfahrens der Buchzensur: (1) Alle Bücher sollten konfisziert, aber nur die häretischer Autoren öffentlich verbrannt werden, während die Werke katholischer Autoren bis auf Weiteres in den Lokalen der Inquisition aufbewahrt werden sollten; ebenso sollte eine Liste mit den Namen ihrer Besitzer erstellt und dem Inquisitionsrat zugeschickt werden, damit dieser die nötigen Maßnahmen verfüge. (2) Die Bücher in der Volkssprache, die Anthologien von Texten der Episteln, Evangelien und Predigten enthielten, sowie die Katechismen, Heiligenviten und sonstige Werke katholischer Autoren sollten ihren Besitzern zurückgegeben werden, wenn sie frei von Häresien oder Verdachtsmomenten waren. (3) Die Bücher katholischer Autoren wie z.B. der Kirchenväter oder von antiken Philosophen, die Kommentare von Ketzern enthielten, sollten nach der „Expurgation“ derselben an ihre Besitzer zurückgegeben werden. (4) Die Bibelausgaben sollten konfisziert und die Namen ihrer Besitzer aufgeschrieben werden; die Exemplare sollten nach den noch zu entwerfenden Regeln expurgiert und an die Besitzer zurückgegeben werden. Nachdem am 20. August 1554 Valdés die Regeln für die Censura general de Biblias drucken ließ, konnte das anvisierte massive Expurgatorium der Bibelausgaben vorgenommen werden. Es handelt sich um die erste wirklich autonome Buchzensur der Spanischen Inquisition, die von den Katalogen der Sorbonne und Löwen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wesentlich abweicht. Nicht weniger als 70 lateinische Bibelausgaben, die zwischen 1526 und 1552 aus den Druckorten Paris, Antwerpen, Basel, Zürich und Lyon nach Spanien gelangt waren, waren davon betroffen. Die Expurgationen beziehen sich in der Regel nicht auf den Bibeltext, sondern auf die Kommentare ketzerischer oder verdächtiger Autoren, vor allem wenn diese jene Fragen betrafen, die konfessionell umstritten waren: etwa das Verhältnis von Glaube und Heilsvertrauen, die Bedeutung der Werke bei der Rechtfertigung oder den freien Willen. Nach der Expurgation wurden die Exemplare mit einer Urkunde, die das expurgierte Material und das Datum festhielt, an ihre Besitzer zurückgegeben. So hat die Spanische Inquisition zu Beginn der 1550er-Jahre zwei wichtige Instrumente der Buchzensur eingeführt, die später von der Römischen Inquisition nachgeahmt werden sollten: den Index und das Expurgatorium. Die allgemeine Bibelzensur von 1554 wollte nicht die Verbreitung, den Besitz oder die Lektüre der Bibel verbieten, sondern eher den „sicheren“ Gebrauch gewisser Ausgaben ermöglichen, die im Index von 1551 verboten worden waren oder ähnliche Merkmale enthielten. In diesem Sinne ist der allgemeinen Bibelzensur eine gewisse Toleranz nicht abzusprechen. Der Spielraum für die Toleranz wurde aber in der zweiten Hälfte der 1550erJahre nach der Aufdeckung von kryptoprotestantischen Gruppierungen 1557 und 1558 in Sevilla und Valladolid, denen es bis dahin gelungen war, Bücher protestantischer Autoren aus dem Ausland einzuschmuggeln, immer enger (s. Kap. IV). Am 2. Juni 1558 sandte Valdés an Philipp II. eine Denkschrift über die Buchzensur, die den Versuch darstellte, die Gunst der Stunde zu nutzen und die Kompetenzen des Heiligen Offiziums zu erweitern. Darin schlägt
Bibelexpurgationen 1554
Denkschrift 1558
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Die Spanische Inquisition
Maßnahmen Philipps II. 1558
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er u.a. vor: dass die Inquisitoren regelmäßig die Häfen besuchen, um die Personen und die Bucheinfuhr zu kontrollieren; dass keine Bücher gedruckt werden, weder auf Lateinisch noch in der Volkssprache, ohne dass sie vorher von den Inquisitoren gesehen und geprüft wurden, bzw. ohne den Autor, den Druckort und den Drucker zu nennen; dass die Richter monatlich die Druckwerkstätten besuchen und in Erfahrung bringen, ob dort oder anderswo geheimes Drucken praktiziert wurde; dass die Buchhändler keine Ballen mit Büchern aus dem Ausland auspacken, ohne dass die Inquisition dies überwache, und dass die weltlichen Richter über die ankommenden Ballen und die darin enthaltenen Bücher genaues Protokoll führen; dass die Buchhändler keine Bücher verkaufen, ohne dass sie vorher von der Inquisition geprüft wurden; dass die Buchhändler in ihren Läden eine Liste der darin enthaltenen Bücher sowie der vom Heiligen Offizium verbotenen aushängen; dass niemand irgendein Buch in irgendwelcher Sprache von den Ausländern kaufe, die Spanien besuchen; dass man prüfe, ob es zweckmäßig wäre, überall bekannt zu geben, dass diejenigen, die anzeigen möchten, dass Andere Bücher mit lutheranischen Irrtümern besitzen, ein Drittel oder ein Viertel der Güter der Denunzierten bekommen werden sowie darüber hinaus Straffreiheit, falls sie an diesem Delikt beteiligt gewesen wären; man solle prüfen, ob es zweckmäßig wäre, alle Bücher in der Volkssprache zu konfiszieren, damit sie geprüft werden und man lediglich solche zum Lesen erlaube, die gut und über jeden Verdacht der Häresie erhaben wären; man solle verbieten, Bücher auf Spanisch zu verkaufen, die im Ausland gedruckt wurden; und schließlich sollten die Buchhändler auf dem letzten Blatt eines jeden verkauften Buches ihren Namen und ihre Unterschrift vermerken, damit man wisse, wer das Buch verkauft habe. Philipp II. wird auf der Grundlage dieser Denkschrift am 7. September 1558 eine Pragmatische Sanktion über den Buchdruck und die Bücher verabschieden, die als die schwerwiegendste Zensurmaßnahme in der Geschichte der Spanischen Inquisition gilt. Der König geht darin weitgehend auf die Vorschläge des Generalinquisitors ein, wenn auch mit zwei wichtigen Ausnahmen: Von einer Belohnung für die Denunziation ist darin nicht die Rede und von einer Beauftragung der Inquisition mit der Prüfung der Manuskripte vor dem Druck auch nicht, vielmehr wird bekräftigt, dass die Druckgenehmigung allein dem Kronrat obliege – unter Androhung der Todesstrafe für diejenigen, die Bücher ohne besagte Druckgenehmigung „drucken oder drucken ließen oder am Druck beteiligt wären“. Im Übrigen wird den Universitäten von Salamanca, Valladolid und Alcalá sowie den Erzbischöfen, Bischöfen, Prälaten und den Ordensoberen „aller Orden dieser Kronreiche“ befohlen, „sehr behutsam und schnell“ die Bibliotheken in ihrem Zuständigkeitsbereich gründlich zu visitieren: Über die verdächtigen oder verworfenen Bücher oder über solche, die Irrtümer und falsche Lehren enthielten oder von unzüchtigen Sachen handelten und ein schlechtes Beispiel gäben, sei es auf Lateinisch oder in den Volkssprachen, auch wenn es sich um solche Bücher handeln sollte, die mit Königlicher Genehmigung gedruckt wurden, sollten sie einen mit ihren Namen unterzeichneten Bericht an den Kronrat übersenden, „damit man dort die Sache prüfe und das Nötige verfüge“. Ein weiterer Erlass untersagte den Universitäten, die Buchzensur a posteriori zu praktizieren, da dies ausschließlich der Inquisition
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Die Spanische Inquisition zustehe. Flankiert wurden diese Maßnahmen von weiteren, die 1559 Schlag auf Schlag folgten und oben (s. Kap. IV) bereits erwähnt wurden. Die Besonderheit des neuen Valdés-Index von 1559 gegenüber den bisherigen Zensurmaßnahmen findet sich in der Abteilung der Bücher auf Spanisch und darunter in den geistlichen Büchern und Bibelübersetzungen. Gemäß dem Gutachten des Melchor Cano von 1559 zum Katechismuskommentar Carranzas galten sie nun als das Tor zu einer eventuellen Protestantisierung Spaniens. Dieser Index stellt den Versuch dar, die Volksfrömmigkeit in neue Bahnen zu lenken und den Geist Trients restriktiv zu interpretieren. Wie die neue Forschung klargemacht hat, hörte die Zensur mit diesem Index auf, „nur Teil der Strategie im Kampf gegen die Häresie zu sein“. Von nun an verwandelte sie sich „in ein Instrument zur Kontrolle der intellektuellen Produktion im Inland“. In den wissenschaftlichen Auseinandersetzungen sowie in den Kämpfen um Lehrstühle wurde nun die „anonyme“ Anklage des Gegners vor der Inquisition zur bevorzugten Waffe.
Index 1559
Index verbotener Bücher (1551–1640) 1551: Erster Index von Valdés 1554: Bibel-Expurgatorium von Valdés 1559: Zweiter Index von Valdés (erster ganz eigenständiger Index der Spanischen Inquisition) 1583/84: Index und Expurgatorium von Gaspar de Quiroga 1612: Index von Sandoval y Rojas 1632: Index von Zapata y Cisneros 1640: Index von Sotomayor
Zum Buchprozess und zur Hermeneutik der Qualifikatoren und der Index-Regeln In der Folge steht das Buch als Medium generell unter Verdacht – nicht nur das theologische und religiöse Buch, sondern auch die Literatur, die Geschichte, die Philosophie und die Naturwissenschaft. Im Index von 1612 hieß es: „Und es ist gewiss, dass durch kein anderes Medium sich die Häresie ausbreitet und verrät als durch die Bücher, die, obwohl sie stumme Lehrer sind, ständig sprechen und zu jeder Zeit lehren.“ Auch Generalinquisitor Antonio de Zapata gab treffend die Mentalität der Inquisition wieder, wenn er 1632 die Schreib- und Publikationslust als „das beste Instrument und das effektivste Mittel, das der Vater der Lüge und der Täuschung erfinden konnte“, bezeichnete. Beim Buchprozess geht es um die Orthodoxie eines stummen Opfers. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts kann man beobachten, dass dieser Prozess – von den ersten Verdachtsmomenten bis zum abschließenden Urteil – bei der Spanischen Inquisition eine feste Form annimmt (s. u. Skizze). Drei Aspekte dieses Prozesses verdienen besondere Beachtung: die Denunziation, die Zentralisierung der letzten Entscheidung und schließlich die hermeneutische Rolle der Qualifikatoren oder Konsultoren. Mit der Denunziation, zu der die Menschen in den Edikten der Inquisition ausdrücklich aufgefordert wurden, konnte das Buch „sichergestellt“ und der Prozess eröffnet werden. Die Denunziation erfolgte durch Privat-
Das Buch unter Verdacht
Etappen des Buchprozesses
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Die Spanische Inquisition
Rolle der Zensoren
Index-Regeln
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personen oder durch Institutionen und sie betraf immer das ganze Buch, auch wenn es sich dabei nur um eine Kleinigkeit handelte. Je präziser die Denunziation war, desto schneller konnte die Inquisition auch eine Entscheidung treffen. Zu den Denunzianten gehörten vor allem die Qualifikatoren selbst, da sie aufgrund ihrer Arbeit den Buchmarkt gut kannten. Man findet darunter aber auch Universitätsprofessoren, Ordensleute oder Angehörige des Weltklerus und Staatsbeamte. Die Denunziationen kamen also vor allem aus dem Kreis jener Menschen, die mit der Buchkultur vertraut waren. Mangels einer genauen Bestimmung der Dinge, die Gegenstand der Denunziation sein sollten, konnte diese sehr willkürlich erfolgen und ein generelles Klima des Verdachts um das Buch schaffen. Um zu verhindern, dass einige Personen sich manch schwerwiegende Entscheidung anmaßten, wurde aber die letzte Entscheidung dem obersten Inquisitionsrat vorbehalten. Zahlreiche Briefe zwischen dem Inquisitionsrat und den Distrikttribunalen zeugen davon, wie minuziös und hierarchisch das System funktionierte. Besonders bedeutsam war die bisher wenig erforschte Rolle der Qualifikatoren oder Zensoren. Sie sind „die Hauptakteure“ des Zensurprozesses, denn die Entscheidung der Inquisition basierte auf deren Gutachten. Sie hatten den Inhalt des Buches in Lehrkategorien zu fassen und dem Inquisitionsrat eine Entscheidung vorzuschlagen. Um Qualifikator zu werden, musste man, abgesehen von gutem Leumund, zwei Bedingungen erfüllen: ein zumeist durch akademische Titel nachgewiesenes intellektuelles Niveau und eine Herkunft aus der Kaste der Altchristen. Da diese Aufgabe, wenn auch unbesoldet, mit großem sozialem Prestige verbunden war, war die Nachfrage ab Ende des 16. Jahrhunderts sehr stark. So kommen dann praktische Kriterien hinzu: Beschränkung der Qualifikatoren auf eine bestimmte Anzahl nach Tribunal sowie Gleichgewicht unter den verschiedenen Orden. Letzteres wird aber nicht möglich sein, da zunächst die Dominikaner und später die Jesuiten die meisten Qualifikatoren stellen werden. Die Kandidaten mussten sich um das Amt von sich aus bewerben. Eine jahrelange Verzögerung der Inquisition bei der Antwort oder gar eine Ablehnung konnte beim Betroffenen Ansehensverlust zur Folge haben. Die Inquisition wird nie die Gründe für einen negativen Bescheid benennen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Qualifikator und der Inquisition konnte aufgrund einer ausdrücklichen Entscheidung dieser beendet werden, auch hier ohne Angabe von Gründen, zumeist aber waren Tod oder Wohnortwechsel des Qualifikators der Grund. Wir wissen wenig über die konkreten Kontrollkriterien, die in den Zensursitzungen bei dem Verbot oder der Expurgation eines bestimmten Werkes den Ausschlag gaben, denn die Index-Regeln genügten offenbar nicht. Während uns bei den Prozessen über Personen die Akten genug Information über die Kriterien und Gründe für den Arrest und die Verurteilung geben, ist dies bei den Buchprozessen nicht der Fall. Neben den Denunzianten und den Qualifikatoren sollte man in der Forschung der Hermeneutik der Index-Regeln verstärkte Aufmerksamkeit widmen. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die Regeln des Index von Generalinquisitor Gaspar de Quiroga aus dem Jahr 1583, die uns nicht zuletzt erkennen lassen, wie diese entstanden und wie sie sich zu den
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Die Spanische Inquisition Anzeige / Denunziation (Privatpersonen)
Konfiszierung (Kommissare oder Visitatoren)
Der Buchprozess
Inquisitoren eines Distrikts
Qualifikation (Begutachtung) im Tribunal des Distrikts
Inquisitionsrat
Prüfung im Tribunal des Distrikts
im Inquisitionsrat
an den Universitäten in Salamanca oder Alcalá
letzte Entscheidung durch den Inquisitionsrat (Beschluss)
Publikation: Edikt carta acordada Index
Distriktstribunale
Folgen: Ketzerei
Verbrennung
Partielle Heterodoxie
Expurgation und Retour an den Besitzer
Trienter Regeln verhielten. So hat Quiroga nicht nur nicht alle Bestimmungen Trients übernommen, sondern sogar selbstbewusst neue aufgestellt, die sich aus der Gesetzgebung der spanischen Buchzensur ergaben. Auffallend sind dabei die Unterschiede betreffend die Bibelübersetzungen, die obszöne Literatur und die Druckgenehmigung. So verbietet die VI. Regel kompromisslos alle Bibelübersetzungen in der Volkssprache, gleich ob es sich dabei um vollständige oder partielle Übersetzungen handelt, während der Römische Index in der IV. Regel eine konziliantere Position einnimmt und Übersetzungen unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Nach gründlicher Überlegung verzichtet der spanische Index von 1583 gänzlich auf die VII. Regel des Trienter Index über die obszöne Literatur. Aus verständlichen Gründen übernimmt der spanische Index nicht die X. Trienter Regel, da die Druckgenehmigung in Spanien ausschließlich der
Index 1583
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VII.
Die Spanische Inquisition staatlichen Zensur vorbehalten war. Im Falle der „obszönen“ Literatur kommt es mit der Zeit zu einer langsamen Annäherung an die Trienter Regel. Ähnlich wie 1612 schon Generalinquisitor Bernardo de Sandoval y Rojas kam ihr Zapata 1632 ein Stück entgegen: „Ebenso werden jene Bücher verboten, die von irgendwelchen obszönen Liebesdingen handeln oder davon erzählen und diese lehren, indem sie darin Häresien oder Glaubensirrtümer vermischen […]. Und man macht darauf aufmerksam, dass der Heilige Römische Stuhl besagte Bücher […] verboten hat, auch wenn darin keine Häresien oder Glaubensirrtümer vermischt wären.“ Im Index von 1640 wird Generalinquisitor Antonio de Sotomayor ganz die Trienter Linie vertreten – was dazu führen wird, dass ab der Mitte des 17. Jahrhunderts Werke verboten werden, „die bisher von der inquisitorischen Zensur frei waren“. Das hängt nicht zuletzt mit dem allgemeinen geistigen Qualitätsverlust Spaniens ab der Mitte des 17. Jahrhunderts zusammen, der sich auch auf die Engstirnigkeit der Qualifikatoren auswirkte.
Zum „Historikerstreit“ über die Folgen der Buchzensur
Apologeten der Inquisition
Folgen der Inquisition
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Seit dem Artikel „Espagne“ von Masson de Morvilliers in der Encyclopédie méthodique (1782), vor allem aber seit der Historia crítica de la Inquisición en España des Juan Antonio Llorente, die 1817 in französischer und 1819–1822 in deutscher Übersetzung in vier Bänden erschien, ist es üblich geworden, die Inquisition für den Nachholbedarf Spaniens in allen guten Wissenschaften verantwortlich zu machen. Die Apologeten der Inquisition, die sich im Schatten des Traditionalismus und Ultramontanismus formierten und noch in der Francozeit die spanische Inquisitionsforschung prägten, scheinen hingegen nichts anderes im Blick zu haben, als die Klugheit und die Mäßigung vieler Inquisitoren und Indices hervorzuheben, die, so Marcelino Menéndez Pelayo, „kein einziges, wirklich verdientes und relevantes philosophisches Werk verurteilten, weder von Ausländern noch von Spaniern“ – eine Behauptung, die einer kritischen Prüfung bereits anhand der ersten Indices nicht standhält, es sei denn, dass man Erasmus für irrelevant halten würde. Der Historikerstreit ist in seinem Kern insofern unlösbar, als wir natürlich nicht sagen können, was ohne die Inquisition aus der Literatur, der Naturwissenschaft, der Philosophie, der Philologie oder der Theologie in Spanien geworden wäre. Genauso wird man berücksichtigen müssen, dass die kirchliche und die staatliche Zensur das gedruckte Wort kontrollieren konnten, nicht aber den mündlichen Gedankentransfer, sodass es immer Kreise und Konventikel gab, die über die Tendenzen diesseits der Pyrenäen gut unterrichtet waren. Zudem häufen sich nach der endgültigen Abschaffung der Inquisition 1834 die „Kants“, „Einsteins“ und „Diltheys“ nicht gerade in Spanien, sodass die Inquisition als monokausale Erklärung für die intellektuelle Dekadenz seit der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht herhalten kann. Wir können aber einige Aspekte der spanischen Kultur und Mentalität feststellen, die nicht zuletzt aufgrund des historischen Wirkens der Inquisition
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Die Spanische Inquisition Spanien von anderen vergleichbaren europäischen Ländern unterscheiden: (1) Da wäre allen voran das Klima des Misstrauens gegenüber den Büchern zu nennen, das sich breitmachte und bis ins 20. Jahrhundert hinein die einfachen Volksschichten prägte, denn das Buch als Medium stand generell unter Verdacht. (2) Die Frivolität, mit der die Inquisition den Häresiebegriff auf eine diffuse „inquisitorische Häresie“ in den „theologischen Anmerkungen“ der Qualifikatoren ausdehnte, und der Kleingeist, mit dem sie dies bei den Expurgatorien praktizierte – von dem System ganz zu schweigen, das die Denunziation förderte –, schwebten wie ein Damoklesschwert über den heimischen Autoren, die sich vor dem Verfassen eines Buches gezwungen sahen, zunächst einmal Selbstzensur zu üben. (3) Die Prozesse gegen nicht-theologische Bücher im Allgemeinen sowie gegen Humanisten und Theologen, die in der Bibelforschung, in den patristischen Studien oder der Geschichtswissenschaft philologisch und quellenkritisch auf der Höhe der Zeit arbeiten wollten, zeigen, dass die Inquisition nicht bereit war, die wissenschaftliche Autonomie der nicht-theologischen Disziplinen anzuerkennen. Von paradigmatischer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Prozess gegen Antonio de Nebrija um 1500 sowie gegen die Hebräisten Salamancas um 1570. Das Ergebnis konnte der Wissenschaft nicht förderlich sein, denn Grammatiker, Philologen oder Humanisten mussten sich dem theologischen Vorverständnis beugen. (4) Aus theologischer Sicht ist besonders bedauerlich, dass das Verbot der Bibelübersetzungen in der Volkssprache den Laien die unmittelbare Bibellektüre entzog. So wurde der Klerikalisierungsprozess, den Trient für die Weltkirche ohnehin gefördert hatte, im Wirkungsbereich der Spanischen Inquisition so weit getrieben, dass das Volk jahrhundertelang die kirchlichen Angelegenheiten für Sache des Klerus hielt. Parodie der Buchzensur im „Quijote“ Im 6. Kapitel des Ersten Teils des Quijote wird eine sinnreiche Parodie der Buchzensur inszeniert. Bekanntlich handelt es sich dabei nicht um eine blinde, undifferenzierte Verbrennung aller Bücher des Ritters von der traurigen Gestalt, obwohl dessen Nichte dem Pfarrer, der sich vom Barbier ein Buch nach dem anderen reichen lassen wollte, „um zu sehen, was sie enthielten“, zuriet: „verschont kein einziges; sie haben alle gesündigt. Am besten mit allen zum Fenster hinaus in den Hof; dort schichtet man einen Scheiterhaufen daraus und verbrennt sie“. Der Pfarrer folgte diesem Rat nicht und verschonte einige Ritterromane, allen voran „Amadis von Gallien“, was nicht ohne Brisanz ist, wurden doch 1555 die zu Valladolid tagenden Cortes ersucht, alle „Bücher voller Lügen und Eitelkeiten wie der Amadis und sämtliche Bücher dieser Art, sowie solche, die Liebeslieder und -geschichten und andere Eitelkeiten“ enthalten, zu verbieten – was auch der Jesuit Juan de Mariana 1579 als Qualifikator des Index von Gaspar de Quiroga 1583 wärmstens empfohlen hatte. Im 3. Kapitel des Zweiten Teils des Quijote findet sich ein vielsagender Dialog zwischen dem Bakkalaureus Sansón Carrasco und Don Quijote. Der Bakkalaureus leitet das Thema mit einer Spitze gegen die engstirnigen, vom Neid geführten Zensoren fremder Werke ein, die selbst aber kaum ein lesenswertes Buch zustande bringen. Don Quijote legt nach: „denn es gibt auch Theologen, die nicht auf die Kanzel taugen und doch darum sehr geschickt sind, die Mängel oder die überflüssigen Auswüchse in den Predigten andrer wahrzunehmen.“ Cervantes, der die Gunst der Generalinquisitoren Gaspar de Quiroga und Sandoval y Rojas genossen hatte, verzichtete in der zweiten Auflage des zweiten Teils des Quijote, die kurz vor seinem Tod 1616 in Valencia erschien und zur Grund-
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Der „Quijote“ unter Verdacht
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Die Spanische Inquisition lage der meisten Übersetzungen wurde, auf einen Satz aus dem Kapitel 36, der im Rahmen des „Gnadenstreits“ jener Zeit missverständlich war: „las obras de caridad que se hacen tibia y flojamente no tienen mérito ni valen nada“ („Die Werke der Nächstenliebe, die lau und nachlässig getan werden, sind nicht verdienstvoll und haben keinen Wert“). Cervantes betrieb die „Auto-Expurgation“ vermutlich, weil ihm zu Ohren gekommen war, dass gerade dieser Satz beim Heiligen Offizium von einem Leser (vielleicht von Lope de Vega, seinem Rivalen um die Gunst der Lesergemeinde, der familiar der Inquisition war und sich damit brüstete, man werde bei Cervantes schon etwas finden?) als „skandalös und häretisch“ denunziert worden war. Die freiwillige Zensur ab der zweiten Auflage half aber nichts, denn in der Regel XIII des Quiroga-Index von 1583 wird ausdrücklich befohlen und verboten, „dass niemand aus eigener Autorität solche Irrtümer entferne, ausreiße und tilge oder die Bücher, Papiere und Blätter verbrenne, gleich wo diese sich befänden, ohne dass sie zunächst den Inquisitoren gezeigt werden: damit diese davon Kenntnis nehmen und das Nötige hierfür verfügen“. So lief der Buchprozess um den Quijote weiter und die angezeigte Stelle erscheint im Expurgatorium des Generalinquisitors Zapata 1632.
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VIII. Als Bibelübersetzungen subversiv waren Wissenschaftliche Bibelausgaben: 1514–1517: Complutense Polyglotta 1569–1572: Antwerpener Polyglotta Spanische Bibelübersetzungen: 1543: Francisco de Enzinas (nur Neues Testament) 1553: Bibel von Ferrara (nur die „hebräische Bibel“) 1556: Juan Pérez de Pineda (nur Neues Testament) 1569: Casiodoro de Reina (Basler Bibel oder Biblia del Oso: erstmals Altes und Neues Testament) 1602: Cipriano de Valera (Überarbeitung der Übersetzung von Casiodoro de Reina) In Spanien wurden Bibelübersetzungen in der Volkssprache streng verboten. Und doch waren zunächst die Voraussetzungen dafür gerade dort besonders günstig. Bereits während des Hochmittelalters wurde z.B. die Bibel ins Spanische übersetzt, und zwar sowohl von Christen als auch von Juden. Unter den christlichen Übersetzungen, die zumeist der Vulgata folgten, ragt die „alfonsinische Bibel“ heraus, so genannt, weil König Alfons X. sie um 1280 in die General e Grand Estoria aufnahm. Sie ist eher eine Paraphrase im Stil mittelalterlicher Chroniken. Die jüdischen Übersetzungen wurden aus dem Hebräischen oder dem Aramäischen gemacht, beschränken sich auf die „hebräische Bibel“ und folgen dem Prinzip der buchstäblichen Übersetzung. In der Frühen Neuzeit nimmt auch in Spanien die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Bibel zu. Ausdruck hiervon sind nicht nur die vielen Bibelkommentare, sondern vor allem die polyglotten Bibelausgaben für den wissenschaftlichen Gebrauch, wie etwa die Complutense (1514–1517) unter dem Patronat Kardinals Jiménez de Cisneros‘ in Alcalá de Henares gedruckt, und die Antwerpener Bibel (1569–1572), auch Biblia Regia genannt, die unter der Schirmherrschaft König Philipps II. von Benito Arias Montano herausgegeben wurde. Complutense Polyglotta (= CP) und die wissenschaftliche Exegese An der CP arbeiteten Hebräisten, Gräzisten und Humanisten seit 1502. Die sechs Bände wurden zwischen 1514 und Juli 1517 in Alcalá in 600 Exemplaren gedruckt (plus wenige Exemplare in Pergament), konnten aber erst nach der päpstlichen Approbation (22. März 1520) 1522 auf den Markt kommen. Ziel und Plan der CP werden von Cisneros selbst im Proemium oder Brief an Papst Leo X. festgehalten: strenge philologische Rekonstruktion und Glossen der Urtexte (Hebräisch, Aramäisch und Griechisch) auf dem Forschungsstand seiner Zeit, d.h. ausgehend von einer Haupthandschrift, die im Wesentlichen reproduziert und im Vergleich mit anderen Handschriften korrigiert wird, sowie der griechischen (Septuaginta) und lateinischen (Vulgata) Übersetzung, aber ohne Korrektur der vorhandenen Übersetzungsfehler anhand der Urtexte. Die CP geht also einen Mittelweg zwischen einerseits der pietas litterata und der philologischen Akribie der Humanisten und andererseits dem kirchlichen Wunsch, eine Substitution der
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Als Bibelübersetzungen subversiv waren etablierten Septuaginta und Vulgata zu vermeiden. Die CP war die erste polyglotte Bibel im Zeitalter des Buchdrucks. Sie hatte einen erheblichen Einfluss auf die anderen Polyglotten (Antwerpen: 1569–1572; Paris: 1628–1645; London: 1653–1657/8) und gilt als „das biblische Hauptwerk des 16. Jahrhunderts“. Nach dem Fall „Carranza“ (s. Kap. IV), der die Dominikaner tief spaltete und deren Einfluss an der Universität Salamancas schwächte, versuchten einige Hebräisten und Gräzisten, die Bibelwissenschaft (sie verteidigten den Literalsinn) zur Leitdisziplin zu erheben. Sie lehnten die scholastische Theologie nicht ab, aber waren gegen deren Führungsanspruch. In der Folge wurden 1572 drei Bibelwissenschaftler von der Inquisition verhaftet: Gaspar de Grajal (Professor für Bibelexegese; sein Prozess endete 1577 mit einem Freispruch), Martín Martínez de Cantalapiedra (Professor für Hebräische Bibel und Arabische Grammatik; der Prozess endete 1577 mit einem Freispruch) und Luis de León OSA (Professor für Moralphilosophie, aber Übersetzer des Hohenlieds ins Spanische; der Prozess endete 1576 mit einem Freispruch). Ebenso wurden in dieser Zeit an anderen Universitäten Spaniens Hebräisten und Gräzisten verhaftet, weil die Bibelwissenschaft mit Lutheranismus gleichgesetzt wurde. Viele davon waren durch einen Elternteil Conversos in der dritten oder vierten Generation. Der Inquisitionsprozess gegen die Salmantiner endete mit einem Freispruch, versetzte aber dem „philologischen“ Bibelstudium in Spanien den Todesstoß – auch wenn wir bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch Autoren von Bibelkommentaren finden (zumeist Jesuiten wie Juan Maldonado), die den Protestanten in nichts nachstehen. Wende in den 1550er-Jahren
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Mitte des 16. Jahrhunderts waren die Würfel für die spanische Sonderentwicklung noch nicht gefallen. Juan de Zumárraga OFM, erster Bischof von Mexiko, konnte 1546 am Ende seiner dort gedruckten Doctrina cristiana der Meinung derjenigen widersprechen, die dem Volk die Evangelien und die Episteln nicht geben wollten, denn das wäre wohl „gegen den Willen Christi“. Er äußerte den Wunsch, dass alle Völker der Welt, auch die Indianer, sie in ihrer Sprache lesen können. Obwohl die Inquisition 1550 Bibelübersetzungen in der Volkssprache verboten hatte, empfahl der Trienter Theologe und Erzbischof von Toledo Bartolomé Carranza OP in seinem Werk Comentarios sobre el Catechismo christiano (Antwerpen 1558) erneut die Übersetzung der Evangelien und der Episteln, wenn auch mit den nötigen Randbemerkungen, „um den schweren geistlichen Wein leichter trinkbar zu machen“. Carranza bemerkte auch, dass es im Christenvolk sehr kluge und andächtige Personen gebe, denen man die Lektüre der ganzen Bibel erlauben könnte, „sogar eher als vielen anderen, die Latein können und gebildet sind“, denn „der Heilige Geist hat seine Schüler, die er erleuchtet und unterstützt“. Carranza plädierte dafür, dies dem klugen Urteil der Hirten und Seelenärzte zu überlassen, die, weil sie die Schafe Christi durch Beichte und Umgang besser kennen, diesen von Fall zu Fall erlauben könnten, die Bibel in der Volkssprache zu lesen. Carranzas Mitbruder und ebenfalls Trienter Theologe Melchor Cano sprach sich aber 1559 in einem Gutachten zu diesem Werk (s. Kap. IV) vehement gegen die Lektüre der Bibel durch das einfache Volk, vor allem durch Frauen, aus. In den volkssprachlichen Bibeln sah er ein offenes Tor für allerlei Irrtümer, vor allem aber für die „deutsche Ketzerei“, wie der Protestantismus allgemein genannt wurde. Gerade diese Sicht setzte sich bei der Spanischen Inquisition durch, die im Index von 1559 das Verbot der Bi-
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Als Bibelübersetzungen subversiv waren belübersetzungen radikal bekräftigte, während die IV. Regel des Trienter Index konzilianter ausgefallen ist (s. Kap. VII). Aus diesen Gründen sind Bibeln auf Spanisch im Zeitalter der Inquisition das Werk vertriebener Juden oder mit der Reformation sympathisierender Exulanten.
Der Anfang in Antwerpen (1543) Der Humanist Francisco de Enzinas (hellenisiert Dryander) erstellte die erste spanische Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen (nach der Edition des Erasmus) und ließ sie 1543 in Antwerpen drucken. Er kam 1539 an die Universität Löwen und setzte im Herbst 1541 das Studium in Wittenberg fort, wo Philipp Melanchthon ihn in sein Haus aufnahm und für die Bibelübersetzung begeisterte. Gleich nach dem Druck überreichte er am 25. November 1543 persönlich ein Exemplar Karl V., der sich in Brüssel aufhielt. Daraufhin wurde er am 13. Dezember auf Veranlassung von Pedro de Soto OP, dem Beichtvater des Kaisers, verhaftet. Unter ausdrücklichem Verweis auf das Werk Adversus omnes haereses (Gegen alle Ketzer, Paris 1534) des Alfonso de Castro OFM sah Soto in der Übersetzung eine große Gefahr für den Glauben. Nachdem Enzinas am 1. Februar 1545 die Gefängnistore offen vorgefunden hatte, konnte er über Antwerpen nach Wittenberg fliehen. Das Widmungsschreiben an Karl V. kann als eine der scharfsinnigsten Apologien für die Bibelübersetzung sowie als geschickte Katholikentäuschung betrachtet werden. Unter Bezug auf den Rat des Gamaliel (Apg 5,38–39) wird betont, dass keine Gewalt dieser Welt die Verbreitung der Heiligen Schrift verhindern könne; danach wird an die Ehre Spaniens appelliert, denn in allen anderen Nationen sei die Bibel bereits in die Volkssprache übersetzt worden und man halte die Spanier für abergläubisch, weil sie es nicht tun; wenn nun die Spanier sich rühmen, auf allen anderen Gebieten die Ersten zu sein, so sei nicht verständlich, warum sie gerade in der wichtigsten Sache die Letzten sind; und schließlich wird vermerkt, dass bisher weder der Kaiser noch der Papst die Bibelübersetzungen ausdrücklich verboten hätten. Wenn jemand behauptet, die Bibelübersetzungen stellten eine Häresiegefahr dar, so sei zu bedenken, dass Häresien nur entstünden, weil jene von vielen gegen die Lehre der Kirche interpretiert werden, „die Säule und solides Fundament der Wahrheit ist“.
Francisco de Enzinas
Die Sefarden und die Bibel von Ferrara (1553) Für diese Bibel – in Ferrara gedruckt, weil Herzog Ercole II. die liberale Politik seines Vorgängers Alfonso I. gegenüber den aus Spanien und Portugal vertriebenen Juden fortsetzte – zeichnen die Sefarden Yom Tob Atías (Jerónimo de Vargas) und Abraham Usque (Duarte Pinel) verantwortlich. Sie
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VIII.
Als Bibelübersetzungen subversiv waren
Die Marranen
stellt keine neue Übersetzung aus dem Hebräischen oder Aramäischen dar, sondern eine Bearbeitung und Weiterführung der mittelalterlichen Übersetzungen, die unter den Sefarden seit dem 13. Jahrhundert zirkulierten. Viele davon wurden im Schatten der Judenfeindschaft zwischen 1391 und 1492 verbrannt. Die Chronik berichtet, dass nach der Vertreibung allein am 25. September 1492 in Salamanca 20 dieser Bibeln verbrannt wurden. Aufgrund des Verlustes vieler mittelalterlicher Codices wie der Komplexität der jüdischen Tradition ist die Forschung nicht imstande, die Genealogie der Bibel von Ferrara präzise zu rekonstruieren. Das darin verwendete Spanisch wird ladino oder ,Spanisch der Sefarden‘ genannt. Seit dem Exil von Babel schufen die Juden durch Hebräisierung der umliegenden Sprachen neue Verkehrssprachen für die Diaspora, in die ihre Bibel dann übersetzt wurde. Es handelt sich um „servile“ oder „buchstäbliche“ Übersetzungen, da die Struktur des Hebräischen in die anderen Sprachen transferiert wird. Die Bibel von Ferrara war vor allem für die Sefarden bestimmt, die im 16. Jahrhundert ihr Marranen- oder Converso-Dasein verließen und sich in Italien oder Amsterdam wieder offen zum Judentum bekannten. Bis Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie vielfach revidiert und neu gedruckt. Aber unter den kultivierten Sefarden fand die Übersetzung der spanischen Protestanten Casiodoro de Reina (1569) und Cipriano de Valera (1602) mehr Anklang, weil diese nicht so wörtlich vorgehen und ein schöneres Spanisch benutzen. In der Tat war vielen Sefarden das Spanisch des Siglo de Oro vertrauter als das der Bibel von Ferrara. So lag deren größter Nachteil für den Amsterdamer Rabbiner Yosef Franco Serrano darin, dass sie zur Rejudaisierung der Conversos gedruckt wurde, aber ihr barbarisches Spanisch „ein weiteres Hindernis“ hierfür darstellte.
Das Neue Testament aus Genf (1556) Juan Pérez de Pineda
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Die „anonyme“ Übersetzung des Neuen Testamentes von 1556, die zur besseren Verbreitung in Spanien Venedig als Druckort angibt, obwohl sie in Genf bei Jean Crespin gedruckt wurde, geht auf den Exulanten Juan Pérez de Pineda zurück. In Genf, wo er, hochgeschätzt von Calvin und Beza, als Minister der spanischen reformierten Gemeinde wirkte, besorgte Pineda verschiedene Übersetzungen von Teilen der Bibel und theologischen Schriften ins Spanische. Pineda hat keine neue Übersetzung aus dem Griechischen erstellt, sondern lediglich die von Enzinas stilistisch (und „kalvinistisch“) bearbeitet. Die vorgenommenen Änderungen erfolgten vor allem aufgrund der 1552 (bei Robert Estienne) und 1554 (bei Conrad Badius) in Genf gedruckten französischen Übersetzungen des Neuen Testaments. In der Vorrede wird die Notwendigkeit des Werkes begründet: zum einen weil das Evangelium an kein besonderes Volk und an keine besondere Sprache gebunden sei, sondern universalen Charakter habe; da die Autoren des Neuen Testaments sich nicht des Hebräischen, sondern des Griechischen, d.h. der Verkehrssprache ihrer Zeit, bedient haben, sollten wir diesem Beispiel folgen. Zum anderen weil er seiner spanischen Nation einen Dienst
VIII.
Als Bibelübersetzungen subversiv waren erweisen möchte, die sich rühmt, in Sachen des Glaubens die reinste und makelloseste zu sein, ohne die Irrlehren zu dulden, die andernorts verbreitet würden. Anders als die Inquisition, die zur Wahrung der Glaubensreinheit den Bibelübersetzungen misstraute, argumentiert Pineda, dass gerade diese nötig seien, damit das Volk den wahren Glauben verstehen und bekennen kann und so alle das Heil erreichen können, wie Gott in seiner Barmherzigkeit will. Nicht mehr anonym, aber weiterhin mit dem fiktiven Druckort Venedig, publizierte er 1557 seine Übersetzung der Psalmen. Darin bezeichnet er diese, sehr poetisch und zugleich um die Täuschung der katholischen Leser bemüht, als „sehr festen Anker, damit wir in der Einheit des Glaubens und des Geistes Gottes verweilen und durch die vielen Sekten und Irrtümer, die es auf der Welt gibt, nicht von der Einheit mit seiner Kirche getrennt werden“. Die Psalmen könnten den Menschen zeigen, dass Gott der „Befreier“ (libertador) ist.
Die Basler Bibel (1569) Aufgrund des Bärenmotivs auf dem Titelblatt auch Biblia del Oso genannt, stellt sie den ersten Druck einer spanischen Übersetzung der gesamten Bibel dar. Der Autor, Casiodoro de Reina, war vor seiner Flucht 1557 Mönch im Hieronymitenkloster San Isidro del Campo bei Sevilla. Aus verschiedenen Gründen – theologische Unterschiede mit anderen Protestanten, Intrigen Philipps II., der eine Belohnung auf seinen Kopf ausgesetzt hatte, finanzielle Schwierigkeiten, spanische Politik in Flandern, Druck seiner Bibelübersetzung – musste er den Wohnsitz zwischen Frankfurt am Main, wo er Mitglied der französisch-reformierten Gemeinde wurde, sich mit seiner Familie niederließ und am 16. August 1571 das Bürgerrecht erwarb, London, Antwerpen, Bergerac, Château de Montargis, Basel, Straßburg und wieder Frankfurt wechseln. Obwohl Reina außer in der Vorrede, die er mit C.R. unterzeichnet, namentlich nicht vorkommt, ist nicht daran zu zweifeln, dass er die Bibel aus den Originalsprachen übersetzt hat. Der Vorrede folgt eine „Ermahnung […] an den Leser und die gesamte Kirche“, in der er Rechenschaft über Sinn, Methode und Zweck seiner Übersetzung gibt. Zunächst rechtfertigt er diese mit vier Gründen: Die Heilige Schrift sei „das echte und legitime Instrument“, damit die Menschen das Heil erlangen; der Vorwand, eine solche Übersetzung verletze die ihr geschuldete „Ehrfurcht“, sei im Aberglauben und Götzendienst begründet; die Übersetzung zu verbieten, käme einem Affront gegen das Licht und die Wahrheit gleich, die das göttliche Wort bezeugt; schließlich sei das Studium des Wortes Gottes allen auferlegt worden, wie zahlreiche Zeugnisse aus beiden Testamenten belegten. Anschließend bezieht sich Reina sehr geschickt auf die IV. Regel des Trienter Index, die er auf der Rückseite des ersten Blattes wörtlich abgedruckt hat. Während das Konzil lediglich betont, dass Bischöfe und Inquisitoren „in Ausnahmefällen“ die Lektüre der Bibel in den Volksprachen
Casiodoro de Reina
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VIII.
Als Bibelübersetzungen subversiv waren
Cipriano de Valera
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schriftlich erlauben dürfen, wenn sie sicher wissen, dass der Leser eher Nutzen für den Glauben und die Frömmigkeit als Schaden ziehen werde und die Übersetzung von „katholischen Autoren“ erstellt worden sei, sieht Reina darin eine weit offene Tür für die Bibelübersetzungen. Der lateinischen Version sei er nicht gefolgt, weil sie voller Irrtümer sei. Gleichwohl habe er sie als Variante immer wieder konsultiert, wie andere Versionen auch. Ausführlich erklärt er, warum diese und jene Vokabel gewählt wurden, z.B. Jehova als Bezeichnung Gottes. Darüber hinaus gibt er uns Rechenschaft über die Randbemerkungen zur Erklärung von „Worten, Stilfiguren und Sprachformen“ oder über die langen Zusammenfassungen am Anfang der jeweiligen Kapitel. Zum Schluss bemüht Reina die Demutsfloskel, indem er schreibt, dass es in der spanischen Nation qualifiziertere Bibelkenner gebe und seine Übersetzung, weil sie die erste sei, vielleicht unvollständig und verbesserungsbedürftig sein werde; er hält aber selbstbewusst fest, dass Gott bisher keinem anderen Spanier „den Willen noch die Kühnheit“ zu einem solchen Werk verliehen habe. Klug interpretiert er nochmals die Trienter Regeln zu seinen Gunsten, indem er daraus die doppelte Empfehlung herausliest, eine neue lateinische Version für das Theologiestudium und eine Übersetzung in die Volkssprache für das allgemeine Volk zu leisten, von der man so viele Drucke und Nachdrucke wie nötig vornehmen sollte. Obwohl im Druck von 1569 der Druckort nicht genannt wird, erfuhr die Inquisition im Januar 1571, dass es sich um Basel handelte, und verfügte die Konfiszierung aller Exemplare, die man finden konnte. Daraufhin ließ Reina bei den in Antwerpen noch lagernden Stücken die Titelseite durch die des berühmten Wörterbuchs von Ambrogio Calepino austauschen, was die Inquisition alsbald ebenso aufspürte. Von den ca. 1.400 Exemplaren, die für die Einfuhr nach Spanien geplant waren, kann daher nicht genau gesagt werden, wie viele der Kontrolle durch die Inquisition entkamen. Die Basler Bibel hat viele Überarbeitungen (die erste 1602 durch Cipriano de Valera, die letzte 1995) erlebt und ist bis heute die Bibel spanischsprechender Protestanten. Reinas Übersetzungsmethode kommt der heutigen Translationswissenschaft nahe, da sie nicht wörtliche Wiedergabe intendiert, sondern die sinngemäße Rekonstruktion des ideologischen Kontextes der jeweiligen Vokabel.
IX. Eine erneuerte Scholastik Zu Beginn des 16. Jahrhunderts haben wir es mit verschiedenen Reformansätzen (Humanisten, Protestanten, katholische Reformer) zu tun, die als gemeinsamen Nenner den Weg ad fontes, zurück zu den Quellen, teilen, aber auch das Unbehagen gegenüber einer spätmittelalterlichen Schultheologie, die vielfach zu steriler Dialektik oder Sophisterei verkommen war (man lese die scharfe Ironie, mit der Erasmus in seinem Lob der Torheit die Fachtheologen kritisiert). Wenn ein Haus baufällig geworden ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Man kann sich für einen radikalen Neubau auf einem neuen Fundament entscheiden, wie es die Protestanten mit dem Prinzip der sola scriptura und dem Abschied von der scholastischen Theologie tun werden, oder man kann das Fundament neu abstützen und das Gebäude sanieren: Das ist der Weg der „Schule von Salamanca“ mit der Erneuerung der theologischen Methode.
Die „Schule von Salamanca“ Auch wenn es umstritten ist, ob man von einer „Schule“ sprechen kann, können wir darunter eine Bewegung aus dem 16. und 17. Jahrhundert betrachten, die sich der Erneuerung und Modernisierung der Theologie vor dem Hintergrund einer Hinwendung zu Thomas von Aquin und dem Naturrecht widmet. Im engen Sinne des Wortes werden dazu nur einige Professoren von Salamanca gezählt, im weiten Sinne kann man auch einige spanische Professoren an anderen Universitäten (Alcalá, Coimbra, E´vora) dazurechnen. Als Begründer der Schule gilt der Dominikaner Francisco de Vitoria. Er und der Dominikaner Domingo de Soto bilden die „erste Generation“ der Schule. Als dritter großer Dominikaner wäre Melchor Cano zu nennen, Nachfolger Vitorias und derjenige, der die theologische Methode der Schule systematisierte. Er sowie Pedro de Sotomayor OP, Juan de la Peña OP und Mancio de Corpus Christi OP – wir nennen nur die Lehrstuhlinhaber, nicht deren Vertreter – bildeten die zweite Generation. Die dritte – zu der Bartolomé de Medina OP, Domingo Báñez OP, Juan de Guevara OSA und Luis de León OSA gehörten – bestand zumeist aus Schülern von Cano und Mancio, aber auch Vitorias. Die ersten zwei Generationen werden „erste Schule von Salamanca“ genannt, während die dritte Generation die „zweite Schule“ bildet. Unter den Professoren an anderen Universitäten, die dazugerechnet werden können, wären vor allem die Jesuiten Luis de Molina, Gabriel Vázquez, Francisco Suárez und Juan de Mariana zu nennen. Sie und Domingo Báñez sind die letzten großen Theologen Spaniens. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts verliert die Schule die Frische und Originalität der Anfänge. Die Schultheologie mutiert dann wieder zur sterilen Dialektik, wie uns der „Gnadenstreit“ zeigt. Aber es wäre zu kurzsichtig, mit Ignaz von Döllinger 1863 zu sagen, dass danach in Spanien die Wissen-
Personen
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IX.
Eine erneuerte Scholastik
Vitorias Primat
Merkmale
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schaft „an der Inquisition“ zugrunde ging. Denn man darf nicht vergessen, dass die Schule von Salamanca ihre Blütezeit unter dem wachsamen Auge der Inquisition erlebte. Vitorias Primat steht außer Frage. Er, der Anfang des 16. Jahrhunderts in Paris studiert und dort das neu erwachte Interesse an Thomas von Aquin wahrgenommen hatte, ist derjenige, der bei der Aufnahme seiner Vorlesungstätigkeit in Salamanca 1526 erstmals die Summa Theologiae des Aquinaten als neues Lehrbuch einführte und die Sentenzen des Petrus Lombardus in den Hintergrund drängte. Er selbst hat kein Werk der Druckerpresse übergeben und wir haben von ihm keine Originalmanuskripte, sondern nur verschiedene Abschriften seiner Hörer. Aber sein Ruf als Lehrer war bereits zu Lebzeiten legendär. Cano wird in seinem Werk De locis theologicis (1563) über ihn ehrfürchtig schreiben: „Mag sein, dass irgendeiner der Schüler von Magister Vitoria so viel wissen wird wie er selbst, aber nicht einmal die zehn klügsten zusammen werden die Tiefe und die Klarheit seines Denkens erreichen.“ An einer anderen Stelle bemerkt Cano: „Sein Scharfsinn, seine Eleganz und Sanftheit in den Disputationes war eine solche, dass, wenn er für die Franzosen, die Deutschen oder die Italiener geschrieben hätte, die Schultheologie unter diesen Völkern nicht so danieder läge.“ Fassen wir nun einige Merkmale der Schule von Salamanca zusammen: (1) Es geht um eine neue theologische Methode, die den Ausgleich zwischen der positiven und der spekulativen Theologie intendiert; aus dem Humanismus nimmt man die Hinwendung zu den Quellen, aus der Scholastik aber den Charakter der Theologie als Glaubenswissenschaft, die Bezogenheit des Glaubens auf die Vernunft und die kirchliche Einbindung der Theologie, d.h. die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft und -tradition. (2) Mit der scholastischen Tradition, ja selbst mit den Schriften des Thomas von Aquin geht man nicht „doktrinär“ um, als hätten sie den Charakter einer Heiligen Schrift; vielmehr handelt es sich um einen kreativen und innovativen Thomismus, der sich an Thomas orientiert und zugleich die Freiheit nimmt, ihm gegebenenfalls zu widersprechen. „Ich aber sage“ – ist eine typische rhetorische Floskel dieser selbstbewussten Professoren. (3) Es geht um eine Theologie mit besonderer Sensibilität für die Fragen der Zeit in Kirche und Staat: Zentrale Fragen der Kontroverstheologie des 16. Jahrhunderts wie die nach der Rechtfertigung allein aus Glauben, nach dem Verhältnis von Natur und Gnade, der Rolle der Heiligen Schrift oder der Bedeutung der Eucharistie werden genauso behandelt wie die nach der Gewalt des Papstes und der Konzilien, nach der Legitimität der spanischen Herrschaft in der Neuen Welt, nach den Rechten der Völker und der Menschen, nach dem gerechten Krieg und dem Widerstandsrecht gegen Tyrannei, nach der zivilen Gewalt und der notwendigen Zustimmung des Volkes, weil sie von einer „kontraktualen“ Sicht der politischen Herrschaft ausgehen, nach der Magie und der Volksreligiosität, nach der richtigen Wirtschaftsordnung. Bei ihrer Arbeit kombinieren sie theologischen und juristischen Sachverstand mit einem innovativen Verständnis des Naturrechtes, das von der ursprünglichen Gleichheit und Freiheit aller Menschen ausgeht und als universale Legitimationsinstanz von Eigentum oder Herrschaft betrachtet wird – unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Aus diesem Grund werden die
IX.
Eine erneuerte Scholastik Theologen Salamancas auch „Iusnaturalisten“ genannt. (4) Es geht auch um eine Theologie, die bei aller Hinwendung zu Thomas von Aquin die monotone Struktur der quaestio aufgibt und dem humanistischen Geschmack der Renaissance entgegenkommt: durch die Einteilung der Werke in Bücher und Kapitel, die den Gegenstand besser gliedern, sowie durch die Bemühung um ein gepflegtes Latein und einen flüssigen Stil, gespickt mit Verweisen auf die Heilige Schrift und die anderen Autoritäten der katholischen Theologie, aber auch auf Autoren der heidnischen Antike. (5) Und es geht schließlich um eine Theologie, die nicht nur wissenschaftlich an den Universitäten – etwa gegenüber den Bibelforschern und Humanisten – einen Vorrang beansprucht, sondern auch eine Deutungshoheit in den Fragen der Zeit. Kritiker werfen der Schule von Salamanca vor, durch die einseitige Orientierung an Thomas von Aquin den Grundstein für eine immer größere Trennung zwischen Theologie und den Humandisziplinen in Spanien gelegt zu haben. Ihre Vertreter seien zudem „systemimmanente“ Denker gewesen. Denn sie waren nicht zuletzt bemüht, die spanische Expansion a posteriori völkerrechtlich zu legitimieren (s. Kap. V).
Kritiker
Die neue theologische Methode Melchor Canos Erst nach der geistigen Wende Ende der 1550er-Jahre (s. Kap. IV) kommt es zu einer methodischen Grundlegung der Theologie mit dem Werk De locis theologicis (1563) von Melchor Cano. Bei der Beurteilung dieses Werkes darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es mit Unterstützung des Generalinquisitors Fernando de Valdés 1563 in Salamanca posthum gedruckt wurde – nicht zuletzt weil es dem „Sicherheitsdenken“ der Inquisition in „schweren Zeiten“ entgegenkam. Aber Canos De locis enthält auch Aspekte, die von bleibender Bedeutung für die katholische Theologie sind. Aufgrund des frühen Todes des Autors mit nur 51 Jahren ist es leider unvollendet geblieben. Von den 14 geplanten Büchern fehlen die letzten zwei, die besonders interessant gewesen wären, da sie von der Verwendung der neuen theologischen Methode bei der Auslegung der Heiligen Schrift (Buch XIII.) sowie gegenüber den Ketzern, den Heiden, den Juden und den Sarazenen (Buch XIV) handeln sollten. Cano empfahl das Studium der biblischen Sprachen, polemisiert aber gegen eine humanistisch inspirierte und philologisch orientierte Exegese, deren Befürworter „als Widersacher des traditionellen Textes mit seiner kirchlichen Approbation“ apostrophiert werden. Daher verteidigt er den wissenschaftlichen und kirchlichen Wert der Vulgata und beteuert unter Berufung auf Trient, dass in allen den Glauben und die Sitten betreffenden Dingen die lateinischen Bibelausgaben nicht durch hebräische oder griechische korrigiert werden dürfen – sosehr die Kenntnis der griechischen und hebräischen Quellen auch erwünscht sei. Canos Hauptwerk richtet sich auch gegen die Übersetzung der Bibel in die Volkssprache und gegen die neuen Formen von Spiritualität und geistli-
Haltung zur Bibel
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IX.
Eine erneuerte Scholastik
Theologische Fundorte
Katholisches Selbstverständnis
Modernität Canos
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cher Literatur. Mehr noch: In Buch XII, das parallel zum Gutachten über Carranza (s. Kap. IV) entstanden sein dürfte, liefert uns Cano eine Kriteriologie, um die Methode in rigore ut iacent zu praktizieren, sodass dieses Buch sich auch als Anleitung für die Arbeit der Zensoren der Inquisition lesen lässt. Cano betont selbstbewusst, dass er in seinen Vorlesungen die Ordnung des Thomas von Aquin vertauscht habe: Während dieser in der Summa contra gentiles zunächst die Vernunftgründe erläutert und dann die Glaubenszeugnisse anführt, habe er, Cano, zunächst dargelegt, was der Glaube lehrt, und erst danach die Vernunftgründe erörtert. Seine theologische Methode besteht in der Suche nach positiven Autoritäten oder Fundorten für die Glaubensaussagen. Die Reihenfolge der zehn Fundorte (loci) wird so bestimmt: Heilige Schrift, Überlieferung, Lehramt der katholischen Kirche (vor der Trennung zwischen Ost- und Westkirche), Lehramt der Konzilien, Lehramt der Römischen Kirche, Lehramt der Kirchenväter, Lehramt der scholastischen Theologen (zu denen auch die Kanonisten gezählt werden), natürliche Vernunft, Autorität der Philosophen, Autorität der Geschichte. Daran sieht man, dass es Cano – anders als Melanchthon oder Calvin, die er „sehr eloquente, wenn auch unfromme Männer“ nennt – nicht um eine Sichtung der wichtigsten Fragen der Theologie nach der eigenen konfessionellen Identität geht, sondern um eine Grundlegung der Methode katholischer Theologie, nicht zuletzt angesichts der protestantischen Art, Theologie zu betreiben. Cano selbst meint, er möchte für die Theologie etwas Ähnliches leisten wie Aristoteles mit seiner Topik, d.h. allgemeine Fundorte begründen, aus denen man für jedwede theologische Frage die Argumente zur Beweisführung oder zur Widerlegung gewinnen könnte. Er möchte also die Methode und das technische Wissen zum Umgang mit den Argumenten liefern. Cano ist sich dessen bewusst, dass er mit seinem Werk als Erster die Methode katholischer Theologie systematisiert. Thomas von Aquin, den Cano „den tüchtigsten und vollkommensten Theologen“ nennt, sprach nur von einigen Fundorten der Theologie „kurz und bündig“, klammerte aber die Frage nach dem methodischen Umgang mit ihnen „völlig“ aus. Und Francisco de Vitoria, der andere Theologe, den Cano ehrfürchtig betrachtet, habe auch keinen methodischen Umgang mit den theologischen Fundorten begründet, diese nicht nach Gattungen rational eingeteilt oder geordnet. Canos Methode enthält bleibendes katholisches Selbstverständnis, etwa in seiner Aussage, dass die Heilige Schrift, jedenfalls das Neue Testament, im Schoße der Kirche entstanden sei, also nicht vor der Kirche da war, weshalb die Kirche, repräsentiert durch die verschiedenen Stufen des Lehramtes, die legitime Interpretin der Schrift sei und beides immer hüten werde: „sowohl das Wort als auch den Geist des Wortes“. Aber Canos Methode klingt in manchen Aspekten auch sehr modern: (1) So etwa wenn er betont, dass die ersten zwei Fundorte, also Schrift und Tradition, von einer ganz anderen Qualität als die restlichen sind. Sie seien vielmehr das Fundament des gesamten theologischen Gebäudes, während die anderen lediglich darauf bauten. (2) Modern ist auch die Etablierung einer „Hierarchie der Wahrheiten“ unter den christlichen Glaubensaussagen. So unterscheidet Cano zwischen den „ersten Prinzipien des Glaubens“
IX.
Eine erneuerte Scholastik – gemeint sind „die wichtigsten Glaubensartikel“ –, die er „erste und eigentliche Aussagen der Theologie“ nennt und ohne deren Annahme „der Theologe keinen Schritt vorangehen kann“, und den „nachgeordneten Prinzipien“, die als „Hypothesen“ der Theologie bezeichnet werden. (3) Modern ist ebenfalls seine Wertschätzung der natürlichen Vernunft, der Philosophie und der Geschichte als fremde Quellen der Theologie, auch wenn sie noch nicht in der ihnen gebührenden Autonomie betrachtet werden. (4) Modern ist ebenso das Festhalten an einer gewissen „Rationalität“ des Christentums, sodass wir „auf Christus wie auf einen unterweisenden Lehrer, nicht wie auf einen betrügerischen Zauberer hören“ sollten. Daher sollten wir auch „die Ursachen und Gründe“ der christlichen Lehre darlegen. (5) Modern ist schließlich das Selbstbewusstsein, mit dem Cano das Recht des Theologen – zumindest wenn er wirklich zu einem vollkommenen Theologen werden möchte – auf seinen eigenen Weg, auf seine eigene Autorität reklamiert, statt immer auf den Spuren des (Schul-)Magisters zu wandern. Die Methodenhierarchie Canos ist sicherlich eine katholische Antwort auf die reformatorische Überbetonung der Schrift bei gleichzeitiger Geringschätzung von Überlieferung, Lehramt und Philosophie. Aber Canos Methode ist auch Ausdruck eines negativen Tutiorismus, einer extremen Angst vor Irrtümern und Abweichungen; um solches zu vermeiden, müsse man in der Theologie den sichersten Weg gehen, und der bestehe eben darin, von den Glaubensaussagen auszugehen und diese nach allen Seiten hin abzustützen. Dieses „Sicherheitsdenken“ ist ein prägendes Merkmal der katholischen Schultheologie bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) geworden. Ein humanistisch gebildeter Theologe, aber kein „Humanist“ Melchor Cano war zweifelsohne ein humanistisch gebildeter Theologe. In seinem Werk De locis theologicis zitiert er die Heilige Schrift (1882 Male), die Kirchenväter (1705 Male) und so gut wie alle bekannten Autoren der heidnischen Antike (vor allem Aristoteles, Cicero und Plato). Und er schrieb ein elegantes Latein, das dem der Humanisten in nichts nachstand. Aber er war kein Humanist im Sinne der oben vorgestellten geistigen Tendenz im 16. Jahrhundert (s. Kap. IV) und auch kein Freund der philologischen Exegese, wie sie Humanisten, Hebräisten und Gräzisten praktizierten (s. Kap. VIII), sondern ein überzeugter Vertreter des scholastischen Aristokratismus in „schweren Zeiten“, d.h. einer Zeit des Wandels und der Richtungskämpfe in Kirche und Gesellschaft. Vertreter der „Schule von Salamanca“ Theologie: Francisco de Vitoria OP ({ 1546); Domingo de Soto OP ({ 1560); Melchor Cano OP ({ 1560); Pedro de Sotomayor OP ({ 1564); Juan de la Peña OP ({ 1565); Mancio de Corpus Christi OP ({ 1576); Bartolomé de Medina OP ({ 1581); Domingo Báñez OP ({1604); Luis de León OSA ({ 1591); Juan de Guevara OSA ({ 1600). Kirchenrecht und Zivilrecht: Martín de Azpilcueta (1491–1586); Diego de Covarrubias y Leyva (1512–1577); Fernando Vázquez de Menchaca (1512–1569). Jesuitentheologen außerhalb Salamancas, die im weiten Sinne zur Schule gehören: Luis de Molina SJ ({ 1600); Gabriel Vázquez SJ ({ 1604); Francisco Suárez SJ ({ 1617); Juan de Mariana SJ ({ 1624).
Negativer Tutiorismus
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X. Spiritualität und Mystik Einflüsse
Drei Perioden der Spititualität
Erste Periode
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Das Spanische Jahrhundert ist unter dem wachsamen Auge der Inquisition auch in Spiritualität und Mystik eine Zeit der Richtungskämpfe zwischen heterodoxen und orthodoxen Bewegungen und Schulen; und es ist zugleich eine Zeit der Blüte, in der die sogenannte spanische Mystik entsteht. Diese wurde begünstigt durch Einflüsse der devotio moderna, der oberrheinischen Mystik und der italienischen Spiritualität (Savonarola u.a.), die um 1500 nach Spanien kamen, und nicht zuletzt durch – zumeist unbewusste – Einflüsse aus dem Judentum und dem Islam. Dazu kommen andere Faktoren wie die asketische Reformbewegung hin zur strengen Observanz, die seit den Katholischen Königen nach und nach alle religiösen Orden erfasste und durch ihren Laienzweig (Terziaren) die spirituell Interessierten aus dem Volk erreichte; die Gründung neuer Orden (Jesuiten, unbeschuhte Karmeliter), die von Anfang an ein besonderes spirituelles Profil hatten; nicht unwichtig war auch die hohe Alphabetisierungsrate Spaniens, die ein ähnliches Niveau wie im protestantischen Europa (zwischen 10% auf dem Land und 50% in den wichtigen Städten) hatte. Dass die mystische Blüte mit dem Siglo de Oro der spanischen Kultur und dem Aufstieg Spaniens zu einem Weltreich, in dem die Sonne nicht unterging, zusammenhängt und so Teil jener spanischen „Klassik“ ist, die in der Frühen Neuzeit zur Referenz der abendländischen Kultur wurde, ist gewiss kein Zufall: Ein Volk scheint in dieser Zeit seine weltgeschichtliche Sendung gefunden zu haben (s. Kap. I). Aber während einige Spanier, wie der Kritiker imperialer Politik Bartolomé de Las Casas ironisch bemerkte, „sich für so geistreich und weise halten und Anspruch darauf erheben, die ganze Welt zu beherrschen“, proklamieren andere das grandiose „Sólo Dios basta“ (Nur Gott genügt) und widmen sich der Gottes- und Selbsterkenntnis. Wir können von drei Perioden in der Spiritualität und Mystik sprechen. Die erste geht von 1500 bis zur geistigen Wende 1556–1563 (s. Kap. IV). Sie ist markiert durch die Impulse des Franziskaners Jiménez de Cisneros und die Rezeption der genannten Einflüsse. Als Erzbischof Toledos und Gründer der humanistischen Universität von Alcalá fördert Cisneros den Druck von spirituellen Werken über das Leben Jesu von Francesc Eiximenis und Ludolf von Sachsen, die Imitatio Christi des Thomas von Kempen oder das Flos Sanctorum des Jakob de Vorágine. Sein Neffe und Abt von Montserrat, García de Cisneros, wird mit seinem Werk Exercitatorio de la vida espiritual (1500, das Werk erreichte sieben spanische und 14 lateinische Ausgaben, von den Übersetzungen in andere Sprachen ganz zu schweigen) großen Einfluss haben, nicht zuletzt auf Ignatius von Loyola, den Gründer der Gesellschaft Jesu. Dazu kommen der erste spanische Katechismus von 1498, die geistlichen Werke des Erasmus und vieler spanischer Autoren, die hohe Auflagen erreichten. Man hat „von einem echten Programm der Christianisierung durch Lektüre“ gesprochen. Wir können drei Grundformen der Spiritualität in dieser ersten Periode unterscheiden: Wir haben zunächst den Richtungskampf zwischen recogidos und dejados, in ihrer extremen Variante auch alumbrados genannt. Beiden ist
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Spiritualität und Mystik die Pflege des inneren Betens gemeinsam, das als die bessere Gebetsart betrachtet wurde und der große spirituelle Trend in Spanien war, wie Marcel Bataillon angemerkt hat. Die recogidos verbanden es mit klösterlichem Leben, Askese, kirchlicher Praxis und mündlichem Gebet. Die alumbrados neigten zur Verabsolutierung des inneren Betens, zur Betonung der Unmittelbarkeit vor Gott als lebendigem Buch und zur Geringschätzung des Ordenslebens sowie der kirchlichen Sakramente und Zeremonien. Nach dem Inquisitionsedikt von 1525 und weiteren Verurteilungen 1529/1534 galten sie als beseitigte oder zumindest kontrollierte Gefahr (s. Kap. IV). Gleichwohl bleiben sie das Damoklesschwert in der Spiritualität und Mystik der Frühen Neuzeit. Eine andere Form wird von Ignatius von Loyola verkörpert. In seinen Geistlichen Übungen (1522–1523, erste Fassung) verfeinert er aus eigener Erfahrung die Methode der Unterscheidung der Geister sowie die der gegenständlichen Meditation, d.h. der empathischen Betrachtung des Lebens und Leidens Jesu mit dem inneren Auge. Und dies wird mit einer neuen Art von Ordensleben verbunden, das durch den Verzicht auf das Chorgebet zugunsten der Aktion und des Apostolats mitten in der Welt geprägt ist. Lassen wir die alumbrados beiseite, so sind die wichtigsten spanischen Autoren dieser ersten Periode Francisco de Osuna OFM, Bernardino de Laredo OFM, Pedro de Alcántara OFM, Alonso de Madrid OFM, Ignatius von Loyola SJ, Juan de Ávila und Alonso de Orozco OSA. Der meistgelesene spirituelle Autor der Zeit, Luis de Granada OP, von dem einige geistliche Werke im Index von Fernando de Valdés 1559 verboten wurden, kann als Bindeglied zwischen der ersten und der zweiten Periode betrachtet werden. Diese ist dann bis 1591 die goldene Zeit der spanischen Mystik, die Zeit der Blüte und originellen Schöpfung. Mit Autoren wie Teresa von Ávila OCD, Baltasar A´lvarez SJ, Johannes vom Kreuz OCD und Luis de León OSA, um nur die wichtigsten zu nennen, erreicht die Mystik in Theologie und Kirche ihren Höhepunkt. Aufgrund der sprachlichen Qualität und Innovation ihrer Werke in den Prosakommentaren und der Lyrik gehören einige Autoren auch zur besten Literatur des Siglo de Oro. Der amerikanische Mystiker Thomas Merton hat nach der Lektüre der Schriften der Teresa von Ávila gesagt, dass man die Dinge der Seele offenbar am besten im Spanischen ausdrücken könne. Was danach als dritte Periode kommt, ist eher durch epigonenhafte Vertreter und Kompilatoren sowie durch neue Richtungskämpfe zwischen contemplativos und activos in den Orden geprägt. Einen Schwanengesang erlebt die spanische Mystik mit der Guía espiritual (1675) des in Rom als Seelsorger wirkenden Miguel de Molinos. 1685 wurde er aber von der Römischen Inquisition verhaftet und zu ewigem Kerker verurteilt. Man beschuldigte ihn des „Quietismus“ (von lat. quies, Ruhe), einer mystischen Tendenz in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der eine Verwandtschaft mit dem dejamiento der alumbrados unterstellt wurde. Nicht zuletzt aufgrund einer durch und durch pessimistischen Anthropologie misstraute diese Bewegung der menschlichen Initiative und predigte das völlige SichAusliefern an die Gnade. Der sichere und schnellere Weg zur unio mystica ist das innere Gebet der Ruhe. Wenn die Gotteinung erreicht wurde, sind alle anderen Übungen der Frömmigkeit und der Tugend sekundär, ja sogar
Zweite Periode
Dritte Periode
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X.
Spiritualität und Mystik
Pathologien
schädlich. In ethischen Dingen wird ein Indifferentismus vertreten, da der Vollkommene sich auch jenseits von Gut und Böse befindet und für böse Taten nicht mehr verantwortlich wäre (da er sozusagen nur ein passiv handelndes Objekt wäre). Am 20. November 1687 verurteilte das römische Lehramt 68 aus den Briefen Molinos‘ ausgewählte Sätze, die seitdem als Inbegriff des Quietismus gelten. In der Forschung ist allerdings umstritten, inwieweit diese Sätze wirklich für Molinos stehen oder ob die Römische Inquisition nach der Methode in rigore ut iacent sie aus dem Zusammenhang riss und so den Quietismus konstruierte. Das spirituelle Aufblühen Spaniens war von Anfang an begleitet von gewissen religiösen Pathologien, die von den seriösen spirituellen Autoren kritisiert und von der Inquisition verfolgt wurden. So finden wir vor allem im Schatten der alumbrados und Quietisten die Neigung zu einer laxen Sexualmoral. Diese produzierte bei den (schlechten) Beichtvätern nicht selten solicitantes, d.h. Seelenführer, die Frauen zu sexuellen Handlungen drängten. Und unter den beatas oder frommen Frauen in der Welt fehlten auch nicht wahre Nymphomaninnen. Ebenso gibt es bei den contemplativos in den Klöstern Personen, die „für vier Groschen Betrachtung“ besitzen, wie Johannes vom Kreuz ironisch sagte, und vermeintliche innere Ansprachen als „von Gott kommend“ tauften. Auch Teresa von Ávila widmete der Kritik der Pathologien lange und scharfe Analysen, in denen sie immer vor der krankhaften Melancholie warnt, da sie „die Unterjochung der Vernunft“ bewirke. Sie ermahnt, sich „durch unkluge Frömmeleien“ nicht täuschen zu lassen, relativiert außergewöhnliche Phänomene (wie etwa Visionen und Auditionen, Verzückungen, Ekstasen und Entrückungen) und unterscheidet mit beißender Ironie wie sprachlicher Genialität zwischen „Arrobamientos“ (Verzückungen) und „Abobamientos“ (Verdummungen).
Askese und Mystik Wir können hier nicht ausführlich auf die Unterschiede zwischen asketischer und mystischer Literatur eingehen. In der Askese geht es darum, mit frommen Übungen (damals einschließlich der Selbstkasteiung) in der Beherrschung seiner selbst, der Läuterung und den Tugenden zu wachsen. Die Mystik setzt die Askese voraus und relativiert sie zugleich. Für sie ist der Gedanke der „Vergöttlichung“ (théosis) des Menschen durch Teilhabe an Gottes Sein, also die Einheitserfahrung mit dem Göttlichen grundlegend: „Was Gott beansprucht, ist, uns zu Göttern durch Teilhabe zu machen, wie er es von Natur aus ist, so wie das Feuer alle Dinge in Feuer verwandelt“ – schreibt Johannes vom Kreuz. Die Voraussetzung für diese göttliche Verwandlung des Menschen in der mystischen Erfahrung ist für das Christentum die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Diese „Vergöttlichung durch Teilhabe“ kann nicht asketisch erwirkt werden, denn sie ist ein Gnadengeschenk, das Gott gibt, wem und wann er will. Und auf diesem Weg geht es nicht darum, viel zu tun oder zu denken, sondern viel zu lieben, wie Teresa von Ávila betonte. Die gottbewirkte Einung setzt aber unsererseits das be-
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Spiritualität und Mystik wusste „Dein Wille geschehe“ des Vaterunsers voraus, d.h. die liebevolle Übergabe unseres Willens in den Willen Gottes, denn die Gotteinung soll eine „Liebesheirat“ sein: „O Nacht, die du verbunden / Geliebten und Geliebte, / Geliebte dem Geliebten gleichgestaltet!“ – schreibt Johannes vom Kreuz in seinem wohl berühmtesten Gedicht Die dunkle Nacht in Anspielung auf das Wunder der Menschwerdung in der Nacht zu Bethlehem. In der mystischen Literatur wird seit Pseudo-Dionysius Areopagita von der Reinigung des Gedächtnisses (via purgativa) und der Erleuchtung des Verstandes (via illuminativa) als Weg zur Gotteinung (via unitiva) gesprochen. Ähnlich wie Luther lehnen die großen spanischen Mystiker aber eine vom Areopagiten und dem Neuplatonismus beeinflusste Stufen- oder Logosmystik ab, die von der Menschwerdung Gottes absieht. Ihr „solus Deus“ schließt das „solus Christus“ ein. Die Mystiker versuchen die erfahrene Gotteinung zu versprachlichen, wohlwissend, dass diese letztlich unaussprechlich ist. Aus diesen Gründen ist die Sprache der Mystiker so reich an Bildern und Metaphern, die in unseren Denkkategorien unvollkommene Perspektiven auf das Erfahrene öffnen. Die Versprachlichung ist immer „interpretierte Erfahrung“ vor dem Hintergrund der Glaubenstradition bzw. des religiösen Kontextes oder des „Vorverständnisses“ der jeweiligen Mystiker. Daher gilt, dass es keine Mystik an sich gibt, sondern immer nur Mystik von einer bestimmten religiösen Form, d.h. christlich, jüdisch, islamisch etc.
Versprachlichung des Unaussprechlichen
Teresa von Ávila und Johannes vom Kreuz Es ist ein Faktum, dass die Blüte der spanischen Mystik „nach“ der geistigen Wende von 1557–1563 (s. Kap. IV) unter dem wachsamen Auge der Inquisition stattfand, die den mystischen Furor der alumbrados gebändigt hatte. Die Konfiskation einiger verdächtigter Bücher spiritueller Literatur in der Volkssprache und das Misstrauen von Inquisition und scholastischen Theologen gegen das innere Beten und gegen die Sehnsucht der Frauen nach spiritueller Bildung und Erfahrung wirkten zunächst demoralisierend. Der Jesuit Pedro Navarro schreibt ironisch an seinen General Diego Laínez, man lebe wohl in einer Zeit, da man predigt, die Frauen müssten ans Spinnrad und sollten den Rosenkranz beten und dürften sich nicht mit anderen Frömmigkeitsformen befassen. Teresa von Ávila selbst spricht von „schweren Zeiten“ und berichtet im Buch meines Lebens (1562 in der ersten Fassung abgeschlossen) von ihrer Traurigkeit, als die Diener der Inquisition 1559 zu ihr in die Klosterzelle kamen und aus dem Regal einige Bücher auf Spanisch wegnahmen, die ihr viel Trost gespendet hatten. Aber im selben Augenblick erfuhr sie, wie sie sagt, Trost in der Unmittelbarkeit der mystischen Erfahrung: „Da sagte der Herr zu mir: ,Sei nicht betrübt, denn ich werde dir ein lebendiges Buch geben‘“. Nach anderen ähnlichen Erfahrungen und begleitet vom Rat guter, studierter Theologen fing sie 1562 an, ihr Programm der Reform des Karmels durch die Gründung einer neuen Form von Klöstern zu verwirklichen.
Unter dem Auge der Inquisition
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Spiritualität und Mystik Gestaltungsfreiheit
Teresas Selbstbewusstsein
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Nach den Maßnahmen der Jahre 1558/59 (s. Kap. IV), Melchor Canos De locis theologicis (s. Kap. IX) und der strengen Übernahme der Trienter Dekrete 1563 wusste man in Spanien, woran man war. Aber innerhalb der gezogenen Grenzen gab es eine erstaunliche Gestaltungsfreiheit. Dieselben Bücher des geistlichen Modeautors Luis de Granada, die 1559 indiziert wurden, konnten sechs bzw. sieben Jahre später mit geringfügigen Änderungen betreff des inneren Betens wieder erscheinen! Man kann mit Alain Milhou die Behauptung wagen, dass die Verfasser geistlicher Literatur nicht zu fürchten hatten, bei der Inquisition angeklagt zu werden, wenn sie bei all ihrem Nachdruck auf dem inneren Gebet auch die Askese und die Werke betonten und sich der Liturgie, den Volksandachten und dem lauten Gebet gegenüber nicht völlig feindselig zeigten. Das scholastische Misstrauen gegenüber der geistlichen Literatur in der Volkssprache und dem inneren Beten hielt Teresa und Johannes vom Kreuz nicht davon ab, ihre mystische Erfahrung in eben dieser Sprache zu beschreiben, das innere Beten zu verteidigen und Kritik an den Missbräuchen ihrer Zeit zu üben, nun eben mit den nötigen Kautelen. Teresa überlässt ihre mystischen Erfahrungen und vielfältigen Unternehmungen der Prüfung und dem Urteil ihrer Beichtväter; sie hebt den Wert liturgischer Handlungen und der volkstümlichen Andachten hervor, versöhnt Martha und Maria, das heißt Werke und Beschauung, miteinander und beschreibt nachdrücklich ihre Heilsangst. Dennoch ist ihr Leben und Werk von einem fraulichen Selbstbewusstsein durchzogen, das bei vielen Männern ihrer Zeit Anstoß erregt. Sie spricht mit einer eigenen Lehrautorität in der „Ich-Form“, bedauert, dass die Frauen in ihrer Zeit „weder lehren noch predigen“ dürfen, erlaubt sich zu sagen, was „sie“ unter „Meditation“ oder unter „innerem Beten“ versteht, und hätte sogar Lust, mit den akademischen Theologen darüber zu disputieren, die ihrer Meinung nach nicht wissen, was diese Sachen eigentlich bedeuten und deswegen so misstrauisch sind. Teresas Bedauern, sie könne als einfache, schwache Frau nichts tun, die Frauen seien im Allgemeinen ganz schwach und ungebildet, sind kluge, rhetorische Schutzbehauptungen, hinter denen sich das Bewusstsein versteckt, dass sie und ihre Schwestern wie „starke Männer“ zu handeln haben. Eine der subtilsten kritischen Anspielungen in ihrem Werk ist die auf den theologischen Misogynismus, wie er im 1486 gedruckten, einflussreichen Malleus Maleficarum (Hexenhammer) des Heinrich Kramer (Institoris) zum Ausdruck kommt. Während es darin heißt, dass die Frau von Natur aus „immer geringeren Glauben hat“, lässt Teresa mit diesem Stoßgebet aufhorchen: „Du, Herr meiner Seele, dir hat vor den Frauen nicht gegraut, […] du hast sie immer mit großem Mitgefühl bevorzugt und hast bei ihnen genauso viel Liebe und mehr Glauben gefunden als bei den Männern.“ Ihre Werke schreibt Teresa, wie sie in den Vorworten festhält, im Auftrag ihrer Beichtväter, die vielfach zu den besten Theologen ihrer Zeit gehörten. Diese verfassten dann Gutachten, in denen sie attestierten, darin nichts Häretisches noch Anstößiges zu finden, sondern eher das Gegenteil – und schützten sie so vor engherzigen Theologen und Inquisitoren. Durch die Kontrolle der Beichtväter hat Teresas Werk vielleicht an Spontaneität verloren, aber an theologischer Tiefe gewonnen. Denn so war sie gezwungen, ihre spirituelle Erfahrung auf den Begriff zu bringen, Intelligenz und Sensibilität, Theologie und Frömmigkeit zu einen.
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Spiritualität und Mystik Im Vorwort zur Erstausgabe ihrer Schriften 1588 (zu Lebzeiten durfte sie nichts publizieren) musste der Augustiner und Salamanca-Professor Luis de León ein rhetorisches Kunststück vollbringen, um Teresas Lehrautorität als „Frau“ zu verteidigen. Zunächst schickt er voraus, es sei sonst nicht Sache einer Frau zu lehren, „sondern belehrt zu werden, wie der Apostel Paulus schreibt“. Dann bezeichnet er es als „etwas ganz Neues und Unerhörtes“, ja als List Gottes zur besonderen Demütigung und Beschämung des Teufels, dass gerade „eine arme und einsame Frau […] so weise und geschickt“ die Ordensreform vorangetrieben und dabei die Herzen aller gewonnen habe. Anschließend bescheinigt er Teresa höchste Lehrautorität: „Ich halte für sicher, dass an vielen Stellen der Heilige Geist aus ihr spricht, der ihr Hand und Feder führte.“ Ganz besonders schätzt der Exeget Luis de León – wohlwissend, dass dies bei den kirchlichen Behörden der Hauptpunkt sein dürfte – Teresas Skepsis gegenüber den inneren Offenbarungen sowie deren Lehre, dass wir uns nicht von ihnen leiten lassen sollen, „sondern unser Leben ausrichten nach der Lehre der Kirche und nach dem, was Gott in der Heiligen Schrift offenbart hat“. Der Dominikaner Alonso de la Fuente, der Spürhund der Inquisition gegenüber den alumbrados in der Extremadura, ein zweiter, aber weniger talentierter Melchor Cano, zeigt am 12. Oktober 1589 die Schriften beim Kronrat mit den Worten an: „Und wenn diese Nonne wirklich heilig ist […], so konnte sie nicht die Autorin dieses Buches sein […]; dieses dürfte eher das Werk einiger Ketzer sein, die es ihr zugeschrieben haben, um es schönzufärben.“ Aber de la Fuente wird kein Gehör geschenkt. Nach der Heiligsprechung 1622 werden Teresas Schriften in der gesamten katholischen Welt erst recht zu einem geistlichen Bestseller. Teresa wurde einerseits verherrlicht (auch in der Kunstgeschichte: vgl. z.B. die Darstellungen von Velázquez, Rubens, Murillo, Zurbarán, Bernini oder Gregorio Fernández), während man ihr andererseits den Stachel zog. Bei der Erhebung zur ersten Kirchenlehrerin am 27. September 1970 fühlte sich Papst Paul VI. (1963–1978) noch bemüßigt, pädagogisch ähnlich vorzugehen wie Luis de León 1588. Er betonte nämlich, dieser Akt geschehe nicht ohne Erinnerung an das strenge Wort des heiligen Paulus, dass „die Frauen in der Versammlung schweigen“ sollen, ein Wort, das weiterhin gültig bleibe, weil die Frauen keine hierarchischen Weiheämter bekleiden dürfen. Johannes vom Kreuz schreibt kluge Prologe, in denen er sich gründlich absichert, alles dem Urteil der Heiligen Mutter Kirche freiwillig unterstellt und treuherzig bekundet, er werde beim Zitieren von Stellen aus der Heiligen Schrift diese zuerst lateinisch angeben „und sie dann im Hinblick auf das erklären, worauf sie sich beziehen“. Darüber hinaus bekundet er, weder der Erfahrung noch der Wissenschaft allein zu vertrauen, sondern diesen drei Kriterien folgen zu wollen: der Heiligen Schrift, der Überlieferung und der Lehre der Heiligen Mutter Kirche. Da diese Kriterien gerade die ersten drei Fundorte in Canos Werk De locis theologicis (s. Kap. IX) sind, war sich Johannes also dessen bewusst, dass er dem neuen Paradigma katholischer Theologie seine Reverenz erweisen musste. Johannes vom Kreuz ist um einen Brückenschlag zwischen Theologie und Spiritualität, Scholastik und Mystik besonders bemüht; er spricht in seinen Prologen ausdrücklich davon: Mit der scholastischen Theologie verstehe man die göttlichen Wahrheiten, mit der mystischen aber erfahre und schmecke man sie durch Liebe; so sind scholastische und
Teresas Lehrautorität
Verherrlichung und Domestizierung
Scholastische und mystische Theologie
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Spiritualität und Mystik mystische Theologie aufeinander angewiesen. Er drückt sich immer wieder in scholastischer Sprache aus und zitiert präzis nicht nur die Bibel, sondern auch Augustinus und Dionysius Areopagit, Bernhard von Clairvaux, Thomas von Aquin und Aristoteles. Seine Kritik an den kirchlichen (und gesellschaftlichen) Missständen seiner Zeit ist naturgemäß schärfer als bei Teresa ausgefallen, denn als gut ausgebildeter Theologe (er hatte in Salamanca studiert) konnte er treffsicherer den Finger in die Wunde legen. Er kritisierte die inkompetenten Beichtväter und Seelenführer seiner Zeit, die kaum über Glaubenserfahrung verfügten und mit ihrem Dilettantismus bei den nach Gott dürstenden Seelen mehr Schaden als Nutzen anrichteten.
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Frappierende Analogien
Originalität spanischer Mystiker
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Islamische Spuren in der spanischen Mystik? Es gibt manchmal frappierende Analogien zwischen der islamischen Mystik und Teresa von Ávila und Johannes vom Kreuz, die seit einigen Jahrzehnten die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen haben. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Heilsdramatik von Christentum und Islam (Dreifaltigkeit und Menschwerdung Gottes im Christentum, radikaler Monotheismus ohne Menschwerdung im Islam) ist ein „inhaltlicher“ Einfluss der islamischen Mystik auf die christlich-theandrische Form der théosis so gut wie ausgeschlossen. Die Analogien betreffen daher nicht das Wesentliche (die Beschreibung des Erfahrenen als Gleichgestaltung mit Gott in Liebe), sondern sind formeller Natur: Sie betreffen den Stil der Prosakommentare (zirkelhafte Kommentare, polyvalente und aleatorische, spirituelle Fachsprache) und einige darin vorkommende Symbole und Sprachbilder. Diese Analogien sind aber manchmal zu groß, um sie als bloßen Zufall oder Ergebnis der Universalität mystischer Erfahrung zu deuten. So wird in der Forschung vermutet, dass die Transmissionskette im Umfeld der Morisken im Spanien des 16. Jahrhunderts zu suchen ist, in der schriftlichen wie in der mündlichen Tradition. Das wäre nicht verwunderlich, denn in einer Gesellschaft wie der spanischen, die von der „mystischen Fabel“ (Michel de Certeau) gepackt war und zahlreiche Conversos aus dem Judentum und dem Islam in ihrem Schoße beherbergte, war die Kenntnis der jüdischen und der islamischen Mystik weit verbreitet: Sie lag sozusagen in der Luft. Wenn sich der direkte Einfluss der islamischen Mystik nachweisen ließe, wäre dies keine Anomalie, sondern eine Art „kulturelle Restitution“: Die spanischen Mystiker hätten sich von den asketischen Traktaten der Sufi inspirieren lassen, weil sie darin keine genuin islamische Lehre sahen, sondern ein von den Muslimen angeeignetes Gedankengut aus der Kirchenväterzeit. Aber der islamische Einfluss darf nicht überbetont werden und ist bei den heterodoxen Formen der christlichen Mystik wie den alumbrados wahrscheinlich größer. Die Versprachlichung mystischer Erfahrung gleicht dem schöpferischen Entstehungsprozess der Dichtung: So wie die Dichter aus ihren eigenen Lektüren und dem, was in der Luft ist, kreativ schöpfen, um die Sprachbilder und Figuren ihrer Texte zu gestalten, und dabei die Quellen ihrer Inspiration in der Schwebe lassen, so verhält es sich auch bei den Mystikern. Dass wir letztlich „die“ Quelle der „Nachtsymbolik“ bei Johannes vom Kreuz oder der „inneren Burg“ bei Teresa von Ávila nicht kennen, ist nicht verwunderlich, wissen wir doch auch nicht, woher Miguel de Cervantes seinen Don Quijote geschaffen hat, auch wenn darin viele Analogien mit diesem oder jenem Ritterroman oder historischen Gestalten zu finden sind. Zudem sind Johannes vom Kreuz und Teresa von Ávila mit der Feder so begnadet und in der Versprachlichung ihrer Erfahrung so originell – darin einem Cervantes auch ähnlich –, dass sie allem, was sie aus anderen Quellen bewusst oder unbewusst entnommen haben mögen, den eigenen Stempel aufdrücken.
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Spiritualität und Mystik Mystik als spanischer Weg zur Philosophie? Autoren wie Miguel de Unamuno, Henri Bergson und Antonio Machado haben die spanische Mystik (einschließlich der alumbrados) als den Anfang einer fruchtbaren und sehr vitalen, dem Buchstabengeist der Schultheologen und dem barocken Gepräge der Volksreligiosität entgegengesetzten geistlichen Strömung gesehen, die den großen introspektiven Kairos Spaniens darstellt und zu einer eigenen philosophischen Tradition hätte führen können, wenn die Inquisition sie nicht im Keim erstickt hätte. Diese Sicht überschätzt die Bedeutung der spanischen Mystik in ihrer heterodoxen und orthodoxen Variante. Gleichwohl kommt in der mystischen Introspektion und ihrer Devise „Sólo Dios basta“ (Nur Gott genügt) ein anderer Weg zur Moderne als beim cartesianischen „Ich denke, also bin ich“ zur Sprache. Die Hinwendung der Mystiker nach innen, zur Selbsterkenntnis in der Verbindung zur Gotteserkenntnis, ist eine Gegenbewegung zur Welteroberung der Konquistadoren im Zeichen des Plus Ultra und zum „faustischen“ Denken der Moderne, aber auch zur Zeremonienlastigkeit und Theatralik des spanischen Barock-Katholizismus.
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Volksreligiosität Die von den Katholischen Königen um 1500 betriebene Kirchenreform schloss auch die Volksreligiosität ein. Kirchensynoden verfügten, dass die Pfarrer dem Volk das Lesen und die Doctrina, also die vier Grundgebete (Vaterunser, Ave-Maria, Credo, Salve Regina) beibringen sollten. Spanische Granden förderten in ihren Territorien die Niederlassung von Franziskanern und Dominikanern der strengen Observanz zur besseren Katechisierung des Volkes und der Conversos. Die Inquisition kontrollierte bei den Angeklagten die Erfolge dieser Maßnahmen, wie wir aus dem Bistum Toledo wissen: Während hier um die Mitte des 16. Jahrhunderts nur 40% die vier Grundgebete auswendig konnten, waren es um 1600 beinahe 100%. Gleichwohl fehlte es nicht an Klagen, die manche Gebiete Spaniens mit Westindien verglichen, also als „Missionsland“ bezeichneten. Nach dem Konzil von Trient wurde die Volksmission ausgeweitet, nun auch getragen von Jesuiten und Kapuzinern, die gemeinsam mit den anderen Orden den spanischen Barock-Katholizismus mit folgenden Merkmalen prägten: Betonung der Heilsungewissheit (Heilsangst); Christozentrik mit einem Hang zur Darstellung des leidenden, blutüberströmten Jesus in farbigen Holzschnitzereien, die die Altäre schmückten und in Prozessionen durch die Straßen getragen wurden; große Marienverehrung mit einer starken Förderung des Glaubens an die Unbefleckte Empfängnis seitens der Monarchie; Heiligen- und Reliquienverehrung im Rahmen des entsprechenden Trienter Dekretes; Gründung von Laienbruderschaften (die Büßerbruderschaften der Karwoche, die Zunftbruderschaften zu den Patrozinien ihrer Heiligen, die Bruderschaften des Heiligsten Sakramentes für Fronleichnam) und Marienkongregationen. Der spanische Katholizismus weist dem gesprochenen Wort (Predigten, Andachten), dem Bild (sakrale Malerei und Holzschnitzerei) und der Gebärde (Mysterienspiele, Prozessionen) einen vorherrschenden Platz zu; all das, was alumbrados, Erasmianer und Protestanten als unnötige Fesseln kritisierten, wird – zumeist in einer von den Missbräuchen gereinigten Form – zum Inbegriff des spanischen Barock-Katholizismus; das geht gut, solange
Kirchenreform um 1500
Ambivalenz der Volksfrömmigkeit
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Spiritualität und Mystik der ursprüngliche Reformelan präsent ist, kann aber mit der Zeit zum leeren Ritus und zur zweifelhaften Volksreligiosität verkommen. Ein Mystiker wie Johannes vom Kreuz hebt einerseits den Wert des echten Bilderkultes nach dem Konzil von Trient hervor, während er andererseits die Auswüchse der Volksfrömmigkeit als zur Schau gestellte Religiosität der äußeren Gebärde schonungslos kritisiert, etwa bei den Wallfahrten und Prozessionen, der Verehrung der Mutter Gottes, der rituellen Beicht- und Gebetspraxis. Er spricht von „unkluger Frömmigkeit“, die viele Personen praktizieren, etwa wenn bei der Messe „so und so viele Kerzen da sein sollen, nicht mehr und nicht weniger, oder es soll sie ein Priester in dieser oder jener Form lesen“. Beim Bilderkult geißelt er die Torheit derjenigen, die mehr Vertrauen zu den einen Bildern als zu den anderen haben, „in der Meinung, Gott höre sie mehr durch das eine als durch das andere, obwohl beide das gleiche darstellen, wie zwei Bilder von Christus oder zwei von unserer Lieben Frau“.
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Traktate
Pedro Ciruelo
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Aberglaube und Zauberei In der Renaissance hatten Aberglaube und Zauberei in Europa Hochkonjunktur, auch in Spanien. Mit Ausnahme des Inquisitionsprozesses von Logroño 1610 gegen die Hexen von Zugarramurdi (Baskenland), bei dem sechs Personen lebendig und fünf „in effigie“ verbrannt wurden, wurde Spanien weniger von Hexerei und schwarzer Magie als vielmehr von jenen volkstümlichen Formen des Aberglaubens und der Zauberei erfasst, die gewissermaßen Teil eines „orientalischen“ Erbes waren, das noch in der Literatur des Siglo de Oro beobachtet werden kann. Theologen und Kirchenleute verfassten Traktate über den Aberglauben und die Zauberei – mit Ratschlägen zur Bekämpfung und Ausrottung dieser Praktiken. Was Amerika-Missionare im Zusammenhang mit dem indianischen „Götzendienst“ und Aberglauben Mexikos und Perus taten, fand darin seine spanische Entsprechung. Drei Traktate ragen besonders hervor: Tratado de las supersticiones, hechicerías y varios conjuros y abusiones y de la possibilidad y remedio de ellos (Logroño 1529) des Franziskaners Martín de Castañega; Reprovación de las supersticiones y hechizerías (u.a. Salamanca 1538) des Alcalá-Theologen Pedro Ciruelo; und schließlich das monumentale Werk Disquisitionum magicarum libri sex (Löwen 1599–1600) des Jesuiten Martín del Rio. Obwohl Ciruelos Traktat weniger gelehrt und reich an Informationen als das umfangreiche Werk von Martín del Río ist, hat es einen besonderen Wert: erstens weil es in der Volkssprache geschrieben ist und darin die Situation in Spanien behandelt. Zweitens weil es ausdrücklich den Prälaten sowie den kirchlichen und weltlichen Richtern gewidmet wurde, um ihnen zu bedeuten, dass Wachsamkeit nötig sei und Handlungsbedarf bestehe. Drittens weil der Autor zu den berühmtesten spanischen Gelehrten der Renaissance gehörte und sein Buch im 16. Jahrhundert elf Auflagen erreichte. Im ersten Teil wird zunächst die traditionelle theologische Bewertung des Aberglaubens und der Zauberei als teuflische Erfindung oder Ergebnis eines Paktes mit dem Teufel festgehalten, weshalb alle, die Aberglauben und Zauberkünste praktizieren, als Jünger des Teufels zu betrachten seien. Im Aberglauben unterscheidet Ciruelo diese vier Grundarten: Nekromantie, Wahrsagerei, Gesundbeten und Zauberei. Im zweiten Teil werden Nekromantie und Wahrsagerei besprochen. Die Hexerei wird der Nekromantie zugerechnet und kurz abgehandelt – wohl ein Zeichen dafür, dass sie im Spanien des 16. Jahrhunderts nicht ein so drängendes Problem wie etwa im deutschen Sprachraum darstellte. Ausführlicher ist von der Wahrsagerei die Rede.
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Spiritualität und Mystik Der dritte Teil behandelt das Gesundbeten und die Zauberei. Ciruelo geißelt zunächst die Leichtgläubigkeit der Spanier seiner Zeit, die jedem Scharlatan nachliefen; er beschreibt ausführlich die Praktiken der Gesundbeter oder Quacksalber und empfiehlt nachdrücklich mit gesundem Menschenverstand angesichts der Krankheiten und Übel das Zusammengehen von natürlichen und geistlichen Heilmitteln, von Medizin und Gebet: Man solle zunächst auf dem natürlichen Weg des menschlichen Wissens und der Medizin nach Heilmitteln suchen, dann aber auch zu Gott und den Heiligen um Genesung beten; denn in allen Krankheiten seien die natürliche und die spirituelle Hilfe wichtig. Ciruelo deckt auch Missbräuche auf, die die kirchliche Praxis selbst betreffen. So etwa wenn er den übertriebenen Reliquienkult derjenigen, die Reliquien mit sich tragen oder in den Häusern hüten, als eine Form des Aberglaubens brandmarkt. So stünde Ciruelos Werk in einer Tradition, die damals wie heute gute und schlechte Religiosität, Wahrheit und Trug, voneinander zu scheiden versucht. Wichtige spirituelle Autoren Francisco de Osuna OFM ({ 1541); Bernardino de Laredo OFM ({ 1540); Pedro de Alcántara OFM ({ 1562); Alonso de Madrid OFM ({ 1570); Ignatius von Loyola SJ ({ 1556); Alonso de Orozco OSA ({ 1591); Juan de Ávila ({ 1569); Luis de Granada OP ({ 1588); Teresa von Ávila OCD ({ 1582); Johannes vom Kreuz ´ lvarez SJ ({ 1580); Luis de León OSA ({ 1591); Miguel OCD ({ 1591); Baltasar A de Molinos ({ 1696). Wichtige Orden, die von Spaniern gegründet wurden 1534–1540: Gesellschaft Jesu (Ignatius von Loyola) Ab 1562 Reform der Karmeliterinnen und der Karmeliter durch Teresa von Ávila (ab 1567 unterstützt durch Johannes vom Kreuz, ab 1593 vom alten Orden getrennt und als Unbeschuhte Karmeliterinnen und Karmeliter anerkannt. Teresa gründete 17 Klöster zwischen 1562 und 1582) 1589: Augustiner Rekollekten (nach Statuten von Luis de León) 1617: Piaristen (José de Calasanz) Ab 1539: Barmherzige Brüder (Juan de Dios; die Aktivität beginnt 1539 mit der Gründung des ersten Spitals in Granada, aber der Orden wird formell 1572 gegründet).
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XI. Ein missionierendes Weltreich Zwei Aspekte
Europäisierung
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Spanien war in seinem Jahrhundert ein missionierendes Weltreich, ein „globales“ Reich, in dem die Sonne nicht unterging, besonders nicht nach der Übernahme der Krone Portugals durch Philipp II. ab 1580. Seit der Konzessionsbulle von 1493 (s. Kap. V) hatten die spanischen Könige die darin genannte Aufgabe ernst genommen, „würdige, gottesfürchtige, geschulte, geschickte und erfahrene Männer“ zu bestellen, um die neu entdeckten Völker „im katholischen Glauben [zu] unterrichten und sie zu guten Sitten [zu] erziehen“. Um 1650 wirkten in Spanisch-Amerika und auf den Philippinen ca. 15.000 Missionare männlicher Orden, fast die Hälfte Franziskaner. Zwei Aspekte sind bei der spanischen Weltmission zu unterscheiden: die Verpflanzung Europas nach Übersee und die religiöse und kulturelle Assimilation der unterworfenen Völker. „Europa portable“, tragbares Europa, nannte Baltasar Gracián die Schiffe, die von Spanien nach Übersee ausliefen. Der Wille zur Verpflanzung der Heimat in die neuen Länder ist allen Kolonialunternehmungen seit der Antike gemeinsam. So werden die neuen Länder Española, Neu-Spanien, NeuGranada etc. genannt und überall entstehen Städte – zumeist nach einem rationalen wie zweckmäßigen Schachbrettmuster geplant – mit Namen, die an die Heimat der Gründer oder an besondere religiöse Verehrungen erinnern (Trujillo, Santo Domingo, Santiago, Santa Fe de Bogotá, Santa María de los Buenos Aires etc.). Diese Städte werden zu Zentren der europäischen Präsenz. Entsprechend werden sie mit allem ausgestattet, was zur Lebensqualität gehört: Plätze, Gärten und Paläste, Kirchen, Klöster und Kathedralen, Schulen, Kollegien und Universitäten, Spitäler und Armenhäuser. In seinem Werk Compendio y descripción de las Indias Occidentales (1629) beschreibt Antonio Vázquez de Espinosa Lima als eine Stadt, die Sevilla oder Valladolid in nichts nachstand. Es hatte Männerklöster verschiedener Orden und dazu noch sechs „berühmte und vorzügliche“ Frauenklöster. Die Orden reproduzierten dort ihre Tätigkeit in der Heimat und passten diese den neuen Bedingungen an. So führten die Jesuiten eine Kongregation von Priestern, eine von Studenten, eine von Laien, eine von Chorknaben, eine der Indianer und eine der Schwarzen. Und all diese Kongregationen feierten jeden Monat ihr Fest mit Kommunion und prunkvoller Ausstellung des Allerheiligsten Sakramentes. Vom Königlichen Spital St. Andreas heißt es nicht ohne Stolz, dass es „mit den besten der Welt“ mithalten könne und die Kranken aller Art ohne Schranken und ohne Ansehen der Person aufnehme. Es habe Säle mit mehr als 500 Betten. Das Spital St. Annen, für die Pflege der Indianer gestiftet, könne bis zu 1.000 Betten mit allem Nötigen ausstatten und bereite die Mahlzeiten nach indianischer Art mit Mais, Kräutern und Aji-Pfeffer zu. Im Spital zum Heiligen Geist werden die Seeleute gepflegt, während das Spital St. Diego sich der Pflege der Rekonvaleszenten und der Alten widme. Es gebe auch Bruderschaften, die eigene Spitäler für arme und kranke Frauen betreuen, aber auch Klosterschulen für arme Mädchen und für die Töchter wichtiger Personen.
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Ein missionierendes Weltreich Von der Universität und den königlichen Schulen heißt es, sie seien so vorzüglich, dass sie nach keiner anderen auf der Welt zu schielen brauchten. Neben Lehrstühlen für scholastische Theologie, für die Heilige Schrift, für beide Rechte und die Philosophie gebe es auch einen für die Sprache der Indianer. Denn man könne nicht deren Pfarrer oder Katechet werden, ohne eine Bestätigung und ein Zeugnis des Professors für diese Sprache zu haben. Die meisten Professoren seien bereits in Lima geboren. Das Kollegium zähle mehr als 80 Doktoren und Magister und die akademischen Grade würden wie in Salamanca verliehen. Die Kolonialgesellschaft war eine „gemischte“ Kasten-Gesellschaft, in der ein jeder gemäß seiner sozialen Stellung seinen Platz hatte: Spanier, Kreolen (in Amerika geborene Nachfahren der Spanier), Mestizen (aus Spaniern und Indianerinnen vor allem), Indianer, Schwarze, Mulatten verschiedener Art und Mischlinge von Schwarzen und Indianern, Herren und Sklaven in der einen Christenheit. In seinem Werk Origen de los indios del Nuevo Mundo e Indias Occidentales, averiguado con discurso de opiniones (1607) schreibt der Dominikaner Gregorio García, in Westindien gebe es Kastilier, Indianer, Portugiesen, Galicier, Biskayer, Katalanen, Valencianer, Franzosen, Italiener, Griechen, Schwarze, Nachfahren von Juden, ja sogar „Morisken und getarnte Zigeuner, oder solche, die einen gewissen Zug, ein bisschen von dieser Kaste an sich haben“. Für ihn ist klar, dass sich alle vermischen müssen: „durch Heirat, durch unerlaubte Verbindung oder Begattung“. So entstand jener „Mestizierungsprozess“, der für Spanisch-Amerika prägend sein sollte. In Sakralkunst, Festen und Prozessionen, in Kongregationen, Bruderschaften und Wallfahrten war dies auch für die Volksreligiosität der Fall. Zu dieser Plantatio Europae und Plantatio ecclesiae in den städtischen Zentren kam der Versuch zur religiös-kulturellen Assimilation der Indianer und Schwarzen. Auch dies gehört zum Paradox jener Zeit: Dasselbe Spanien, das aus Angst um die Glaubensreinheit nicht zögert, seine „orientalischen“ Minderheiten zu vertreiben, wird alles Mögliche unternehmen, um bei der unterworfenen und fremdartigen Bevölkerung in Übersee seine Religion und Kultur zu verbreiten. Die Hauptsorge gilt dabei der Vermeidung von religiösen Synkretismen und der Verdrängung von Sitten, die im Widerspruch zur christlichen Lebensform stehen (z.B. Polygamie).
Kolonialgesellschaft
Evangelisierung in den einheimischen Sprachen Die Kirche hat immer das Prinzip der Evangelisierung in der Sprache der Adressaten hochgehalten, auch in der Weltmission der Frühen Neuzeit. „Der Spanier auf Spanisch, der Indio in seiner Sprache“ – ist daher die Devise beim III. Konzil von Lima 1583. Damit wird nur die Praxis bestätigt, die seit den Anfängen der spanischen Weltmission praktiziert wurde. Aus diesem Grund studierten die Missionare die indianischen Sprachen, schufen die ersten, und vielfach bis heute noch gültigen, Grammatiken und Wörterbücher derselben und übersetzten die wichtigsten Gebete und Glaubens-
Grammatiken und Wörterbücher
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Ein missionierendes Weltreich
Konzilsmaßnahmen
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prinzipien. Das führte zur Entstehung einer Fülle von Katechismen (allein in Mexiko sind mehr als 100 verzeichnet), viele davon in den einheimischen Sprachen oder als zwei- oder dreisprachige Katechismen. Ebenso entstanden auf Spanisch und oft auch in einheimischen Sprachen Lektionare und Evangelistare (leccionarios, evangeliarios), Beichtbücher (confesionarios), Predigtbücher (sermonarios), geistliche Traktate (tratados), Religionsdialoge (coloquios) oder Sammlungen von Liedern und Gebeten, die von den Missionaren in Anlehnung an die Psalmen geschaffen wurden. Die Bischöfe von Mexiko, Lima und Manila führten den Buchdruck vor allem als katechetisches Instrument ein. Und Missionskatechismen waren auch die ersten Bücher, die dort gedruckt wurden (1539 in Mexiko, 1584 in Lima, 1593 in Manila). Der Übersetzungsprozess hatte nur dort seine Grenzen, wo es darum ging, abstrakte Fachbegriffe christlicher Gottesrede adäquat zu übertragen. Vorherrschend blieb die – sich schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts herauskristallisierende – Meinung, die wir in einem Gutachten des Indienrates an den König vom 20. Juni 1596 finden. Demnach lassen sich – selbst in der besten und vollkommensten Sprache der Indianer – die Mysterien des Glaubens nicht gut und in ihrer Richtigkeit erklären, „sondern mit Ungereimtheiten und Mängeln“. So finden wir in den Katechismen und Predigtbüchern Wörter wie „Gott“, „Heiligste Dreifaltigkeit“, „Person“, „Glaube“ oder „Heiliger Geist“ stets in spanischer Sprache. Getragen von der Überzeugung, dass für die Bekehrung der Indianer die Kenntnis von deren Sprache unumgänglich sei, verpflichteten das I. Konzil von Lima (1552) und das I. Konzil von Mexiko (1555) die Pfarrer der Indianer zum Lernen der jeweiligen Sprache innerhalb einer bestimmten Zeit, „wenn sie nicht ihr Pfarramt verlieren wollen“. Die Krone nahm dies in ihre Gesetzgebung auf und ließ folgerichtig an den Universitäten von Lima und Mexiko Lehrstühle für das Studium der wichtigsten Sprachen dieser Gebiete, also für Quechua und Náhuatl, errichten. Die Gesetze der Krone verschärften die Kontrollen der Sprachkenntnisse. Die Praxis entsprach freilich nicht immer der Theorie. Die wiederholten Ermahnungen von Kirche und Krone, die indianischen Sprachen zu erlernen, zeugen davon, dass viele Missionare sie nur sehr mangelhaft beherrschten. Parallel dazu hat es auch Versuche gegeben, die spanische Sprache nach dem Beispiel der Römer zur Sprache des Weltreiches zu machen. Die Befürworter dieser Hispanisierungspolitik setzten sich aber erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts im Schatten des Regalismus und gegen den Willen der Missionare durch. So wurde ab 1770 der Lehrstuhl für indianische Sprachen an der Universität von Lima abgeschafft und in einen solchen für Moralphilosophie umgewandelt. Die Sprachleistungen sind ein wichtiger Grund dafür, dass trotz der kolonialen Rahmenbedingungen und des harten Vorgehens gegen den öffentlichen und den verborgenen „Götzendienst“ die Missionare das Herz vieler Indianer erreichen konnten.
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Die Einstellung zu den indianischen Religionen Anhand der katholischen Mission in Spanisch-Amerika lassen sich die grundlegenden Typologien in der Begegnung der christlichen Missionare mit anderen Religionen unterscheiden. Um sie angemessen zu verstehen, muss man sich der damaligen religionstheologischen Voraussetzungen bewusst werden. Zum einen ging das humanistische Europa mit antiken Autoren wie Cicero davon aus, dass Religion im Sinne der öffentlichen Gottesverehrung eine anthropologische Strukturkonstante ist, sodass kein Stamm oder Volk ohne irgendeine Art von Religion oder Gott wäre. Wenn aber Kultdiener und -stätten analog zu den unseren auf den ersten Blick fehlten, hatten die Missionare Schwierigkeiten, die fremde Religiosität als solche überhaupt wahrzunehmen. So dachten Katholiken und Protestanten (z.B. der portugiesische Jesuit Manoel da Nóbrega, der französische Calvinist Jean de Léry, der französische Kapuziner Claude d’Abbeville), dass die als Halbnomaden ohne feste Kultstätten und ohne die anderen sichtbaren Zeichen einer öffentlichen Religion lebenden Tupí-Indianer Brasiliens keinen Gott und keine Religion hätten, was wohl eine Ausnahme im Menschengeschlecht sein müsste. Für eine Schamanenreligiosität, bei der Rauschkräuter, Träume, Zauberer und Tanz eine zentrale Rolle spielten, hatten die Missionare kein Wahrnehmungsmuster. Zum anderen haben wir es in der Renaissance mit einer Blickverengung in der Rezeption der Vätertheologie im Zeichen des Heilsexklusivismus zu tun: Während das Konzil von Florenz (1442) mit dem Dogma „außerhalb der Kirche kein Heil“ zu verstehen gab, dass wahre Religion und Heil nur innerhalb der katholischen Kirche möglich waren, galt für die Kirchen der Reformation Luthers Diktum „außer Christus sind alle Religionen nur Götzendienst […]. Denn aller Heiden Götter sind Götzen“. Vor diesem Hintergrund finden wir im Entdeckungszeitalter drei religionstheologische Modelle: (1) Allgemeine Anklage indianischer Religiosität als unentschuldbarer, „teuflischer Götzendienst“: Die Einwohner der Neuen Welt wurden allgemein als fleißige, vom Teufel verführte und verstockte „Götzendiener“ eingestuft. Denn die festgestellte öffentliche Religiosität – etwa bei den Maya und den Völkern des Azteken- und Inkareiches – mit Götterbildern, Tempeln, Priestern und Riten wurde als Zeichen für die Unentschuldbarkeit der Indianer nach dem Römerbrief 1,18–21 gedeutet: „Denn was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbart. […] Daher sind sie unentschuldbar. Denn sie haben Gott erkannt, ihn aber nicht als Gott geehrt und ihm nicht gedankt.“ Die Franziskaner der Mexiko-Mission hielten die indianischen Götter allesamt für „schwarze“, „schmutzige“, „ekelhafte“ Teufel, die von den Indianern „verabscheut“, „verachtet“, „verwünscht“ und „bespuckt“ werden sollten. Auch der Jesuit José de Acosta hielt die Indianer Mexikos und Perus letztlich für unentschuldbar, da sie zwar dem höchsten Gott zahlreiche Tempel bauten, dort aber gleichzeitig ihrem absonderlichen Götzendienst nachgingen und polytheistische Darstellungen des Teufels anbeteten
Religion um 1500
Exklusivismus
Verteufelung
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Apologie
Verteufelung und Apologie
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oder den Sakramenten ähnliche Riten als „Nachäffung der wahren Religion“ praktizierten. „Unentschuldbar“ heißt auf Griechisch „án-apologétous“, also apologielos oder ohne jede Verteidigung. (2) Apologie indianischer Religiosität: Las Casas betreibt eine Entdämonisierung der indianischen Religionen – einschließlich von Götzendienst und Menschenopfern – sowie eine Apologie der darin enthaltenen Religiosität, die er als natürliche Phänomene und Ergebnisse eines redlichen Verlangens nach dem wahren Gott, einer konfusen Gotteserkenntnis ohne das Licht des Glaubens versteht (s. Kap. V). Paulus, so Las Casas, beziehe sich im Römerbrief auf die heidnischen Philosophen der Antike, welche die Existenz eines höchsten Gottes wohl erkannt hätten, ihn aber nicht entsprechend anbeteten. Das paulinische „unentschuldbar“ sei jedoch nicht auf die Indianer anwendbar, da sie bisher keine Glaubensboten gehabt hätten. Durch die Kritik der Gewalt und der Habgier als der „Götzen“ der Christen bekommt Las Casas’ Götzendiensttheorie zudem eine überraschende Wende: Der Götzendienst gedeihe auch im Schatten der wahren Religion, wobei der Götzendienst der Christen gravierender sei, denn ihnen war bereits nicht nur die natürliche, sondern auch die übernatürliche Gotteserkenntnis zuteil geworden. Las Casas’ Apologie fremder Religiosität gipfelt in der Aussage, dass Christen von den indianischen Religionen genug lernen könnten: „wenn man von den entsetzlichen und blutigen Opfern, die sie darbrachten“, absieht. (3) Zwischen Anklage und Apologie: Um 1600 haben wir es mit einer Generation von Mestizen und Kreolen zu tun, die sich als „Amerikaner“ fühlen und in der Geringschätzung und Verteufelung der indianischen Traditionen auch eine Beleidigung ihrer langsam keimenden kulturellen Identität sehen. Indem sie nun die indianischen Religionen positiv deuten, versuchen sie die geistigen Voraussetzungen für ein Miteinander von Indianern, Mestizen und Kreolen zu schaffen. Die indianischen Mythen, die von einem Kulturheros mit Tunika und Bart oder einem „weißen Gott“ – Viracocha bei den Quechua und Aymara, Zumé/Zomé oder Sumé bei den Tupí-Völkern, Bochica bei den Chibcha, Quetzalcóatl bei den Azteken oder Cuculcan bei den Maya – berichteten, konnten im Lichte des neuen Erkenntnisinteresses mühelos als legendäre Erinnerung an eine Urevangelisierung durch den Apostel Thomas uminterpretiert werden. Aufgrund apokrypher Literatur, die mit viel Phantasie gelesen wurde, dachte man, dass dieser Apostel nach Osten gegangen und nicht nur in Indien, sondern auch in Amerika gepredigt haben müsse. Für den Augustiner und Kreolen Antonio de la Calancha muss der Apostel Thomas nicht zuletzt aus Gründen „evangelischer Vorsehungsgerechtigkeit“ in der Neuen Welt gepredigt haben: Warum sollte die Verkündigung oder die universale Erlösung des Christentums räumlich auf die Alte Welt begrenzt gewesen sein? Denen, die solches behaupten, wirft er vor, sie suchten einen Vorwand, um die Verteufelung der indianischen Religionen und Kulturen mit gutem Gewissen vorantreiben zu können. Seine Gegenthese lautet: Die Indianer sind genauso Christen der ersten Stunde wie die Spanier gewesen, doch im Verlauf der Zeit verdunkelte sich das Licht des Glaubens durch den Mangel an Priestern und Lehrern, was die Arbeit des Teufels begünstigte. Sehen wir genauer hin, so stellten viele ihrer Riten nicht die radikal zu beseitigende „teuflische Nachäffung der wahren
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Ein missionierendes Weltreich Religion“ dar, sondern lediglich vom Heidentum überwucherte christliche Sakramente und Feste; diese werden dann wieder an die Oberfläche kommen, wenn man behutsam die heidnische Patina abträgt, an der die Indianer keine allzu große Schuld tragen, da sie während so vieler Jahrhunderte von der Kirche der Macht des Teufels überlassen wurden.
Folgen für den Umgang mit dem „Götzendienst“ Allen Missionaren war klar, dass das Ziel der Evangelisation in der Bekehrung der Menschen, im Aufbau der Kirche und in der Substitution der alten Götter und Riten durch den katholischen Glauben und Kult besteht, denn im Götzendienst sahen sie mit der Bibel „aller Übel Anfang, Ursache und Ende“ (Weish 14,27). Aber ihre religionstheologischen Modelle hatten auch Folgen für den faktischen Umgang mit dem öffentlichen und dem verborgenen Götzendienst: Die Verfechter der Anklagetheologie betrieben eine Politik der Tabula rasa bei der Beseitigung des öffentlichen Götzendienstes und gingen damit nicht zimperlich um, wie die ersten Franziskaner der Mexiko-Mission zeigen. Selbst Acosta, der ein gemäßigter Vertreter dieses Modells war, empfahl unter Bezug auf Dtn 7,5 und Ex 34,13 hinsichtlich der Heiden unter christlicher Herrschaft die unbedingte Schließung ihrer Tempel und die Zerstörung ihrer Götzenbilder. Behutsam, aber systematisch sollte mithilfe der katholischen Liturgie und Volksfrömmigkeit ein „Substitutionsprozess“ vorangetrieben werden, sodass „anstelle der schändlichen Riten andere hilfreiche eingeführt und die einen Zeremonien durch andere ersetzt werden“. Las Casas weiß, dass den Indianern die Götzen gegen ihren Willen weggenommen werden. Mit psychologischem Gespür betont er, dass niemand einfach aus freiem Willen und gern das verlassen kann, „was er viele Jahre für seinen Gott gehalten, was er mit der Muttermilch eingesogen hat und was ihm durch seine Vorfahren bezeugt wurde, ohne zuvor verstanden zu haben, dass das, was er erhält oder wofür er seinen Götzen eintauscht, der wahre Gott ist“. Mit Augustinus verweist er darauf, dass zunächst die Götzen in den Herzen ausgerottet werden müssten. Doch dies dürfe einzig und allein mit friedlichen Mitteln geschehen, „d.h. mittels unermüdlicher, eifriger und beständiger Lehre soll man die Vorstellung und Wertschätzung entfernen, welche die Götzendiener ihren Götzen entgegenbringen, um in ihnen die Vorstellung des wahren Gottes entfalten zu können“. Danach würden die Indianer ihre Götzen „mit ihren eigenen Händen und aus freiem Willen niederreißen und zerstören“. Die Substitution sollte also von den Indianern selbst freiwillig vorgenommen werden. Mit der Umdeutung der geistigen Traditionen der Indianer als alte christliche Überlieferung befürworten Mestizen und Kreolen ein neues Substitutionsmodell. Calancha belegt die neue Geisteshaltung mit einer Episode aus dem Leben von Toribio Alfonso de Mogrovejo, dem heiligen und klugen Erzbischof von Lima um 1600. Als in einer andinen Ortschaft im Osten von Cajamarca ein von den Indianern verehrter Stein gefunden wurde – „wo die
Tabula rasa
Freiwillige Substitution
Pastoral kluge Substitution
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Doppelidentität
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Spuren zweier Füße zusammen mit 14 Punkten erhalten sind sowie zwei Rundhöhlungen von zwei Knien und eine lange Vertiefung von einem Pilgerstab“ –, pilgerte der Bischof mit seinem Klerus dahin, deutete es als Spuren des Apostels Thomas und ließ darüber eine Kirche bauen, „in welcher der Stein zu liegen kam“. Hinter dieser legendär anmutenden Geschichte steht im Grunde dieselbe Substitutionsmethode, die mit pastoraler Klugheit im Umgang mit hellenistischen, römischen, keltischen, germanischen und slawischen Heiligtümern angewandt worden war. Auf die Zurschaustellung des „starken und eifersüchtigen Gottes“ bei der Bekämpfung des öffentlichen Götzendienstes reagierten die Indianer mit einer religiösen Doppelidentität nach der Taktik des Versteckspielens: in der Öffentlichkeit den Christengott anzubeten, um seinen und seiner Glaubensapostel Strafen zu entkommen; im Verborgenen aber ihre Götter zu besänftigen, um deren Rache zu vermeiden. Nach der „Sowohl-als-auch-Mentalität“ waren die Indianer in der Regel bereit, das Christentum anzunehmen; sie wollten sich aber von ihren alten religiösen Gewohnheiten verständlicherweise nicht trennen – nicht zuletzt, um mit ihren Vorfahren verbunden zu bleiben. Darin ist der Ursprung der synkretistischen Prägung indianischer Religiosität zu sehen. Manchmal wurden die Götzen sogar unter dem Altar der Kirchen versteckt, sodass die Indianer während des christlichen Gottesdienstes ihre eigenen Götzen anbeten konnten. Die Missionare mussten sich also in dem Studium der autochthonen Religionen sehr anstrengen (s. Kap. XII), um in einer zweiten Phase die geeigneten Maßnahmen zur Ausrottung des verborgenen Götzendienstes ergreifen zu können. Kollegien für die Kinder indianischer Eliten Parallel zur Förderung der Mission in den indianischen Sprachen wurden Kollegien zur Erziehung und Hispanisierung der Kinder der einheimischen Eliten gegründet. Die Krone verfügte bereits 1535 die Gründung von solchen Kollegien in den wichtigsten Städten Perus und Mexikos. Die Vizekönige sollten sich dies zu ihrem Herzensanliegen machen und die Kollegien gut ausstatten. Die Kinder seien darin sehr früh einzuschulen unter der Obhut von klugen und fleißigen Ordensleuten, die ihnen die Christenlehre sowie die spanische Lebensform und Sprache beibringen sollten. 1536 errichteten die Franziskaner Mexikos die ersten Kollegien, um die Kinder indianischer Vornehmer vom 8. bis zum 20. Lebensjahr in Lesen und Schreiben, Latein, Grammatik und Rhetorik, Logik und Philosophie, Musik und indigener Medizin zu unterrichten. Diese Förderungsmaßnahmen schufen zwar spanisch akkulturierte einheimische Eliten, die als mittlere Ebene zwischen der Kolonialverwaltung und den einfachen Indianern dienten. Aber zur Förderung eines einheimischen Klerus führten sie kaum – nicht zuletzt, weil den Franziskanern Mexikos nach dem Prozess gegen den Kaziken Don Carlos 1539 klar wurde, dass die Indianer eher zur Ehe als zur Ehelosigkeit neigten, wie Bischof Juan de Zumárraga 1540 in einem Brief an Karl V. festhielt.
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Die Missionsutopie: Missionsdörfer Die Missionsdörfer (doctrinas oder reducciones genannt) sind Ausdruck der „friedlichen Evangelisation“ als gemeinsamer Traum aller Missionsorden. Zunächst war es der Dominikaner Pedro de Córdoba, der bereits 1515 eine rein apostolische Evangelisation ohne vorhergehende Eroberungen und ohne Soldatenschutz anvisierte. Enttäuscht von den Vorgängen in den großen Antillen begeisterte er die Dominikaner und Franziskaner Españolas zur Erprobung dieser Methode an der Perlenküste Venezuelas. Bereits 1516, also im selben Jahr, in dem die Utopia des Thomas Morus erschien, entwarf Bartolomé de Las Casas Pläne für Mustersiedlungen, in denen die Indianer und einfaches spanisches Bauernvolk friedlich und zum gegenseitigen Frommen und Nutzen miteinander leben sowie sich vermischen sollten. Von dieser Vermischung mit den zu einem unverdorbenen genus angelicum stilisierten Indianern versprachen sich Las Casas und andere Missionare den Aufbau einer „wahren und sehr starken Kirche Christi in einer glücklichen Welt“, in die die Laster der dekadenten europäischen Christenheit der Renaissance, allen voran die Habgier, keinen Eingang finden sollten. Die Missionsdörfer waren ein Evangelisierungs- und Zivilisierungsprojekt und die Krone unterstützte es mit ihrer Gesetzgebung. Sie verfügte die sanfte Zusammenführung der Indianer in Siedlungen; sie legte fest, dass diese an Orten mit Wasser, Bergwäldern, Agrarland und guter Verkehrslage gegründet werden; dass sie mit einer Kirche, einer Schule und einem Spital ausgestattet werden; dass darin Ämter wie Kantor, Messner, Katecheten, Bürgermeister und Friedensrichter von den Indianern besetzt werden; der Aufenthalt von Spaniern, Schwarzen, Mulatten und Mestizen in diesen Siedlungen wird verboten; und die Indianer, die sich für das Leben in solchen Dörfern aufgrund der Arbeit der Missionare entscheiden, werden zeitweise von den Tributen befreit. Die Missionsdörfer sind das erfolgreichste katholische Missionsprojekt in der Frühen Neuzeit. Die Jesuiten gelten mit ihren Reduktionen als die bekanntesten Vertreter desselben, aber die Bettelorden, allen voran die Franziskaner der Mexiko-Mission hatten es von Anfang an praktiziert. Es ist daher kein Wunder, dass nach der Vertreibung der Jesuiten 1767 Franziskaner viele ihrer Reduktionen in Niederkalifornien übernahmen und das Projekt in Oberkalifornien fortführten. So gründete der Franziskaner Junípero Serra zwischen 1769 und 1782 eine ganze Kette von Missionsdörfern zwischen San Diego und San Francisco, in denen die Indianer zu einem Leben unter der Kirchenglocke sanft bzw. mit paternalistischem Zwang angeleitet wurden. Diese missionarische Utopie zielte auf die Schaffung von neuen katholischen Gemeinwesen hin, auf die Gewinnung von ganzen Völkern für die Herde Christi und das Kolonialprojekt. Sie intendierte mehr den Aufbau der Kirche und der neuen Gesellschaftsordnung als die (protestantische) Förderung einzelner Menschen durch individuelle Bekehrungsgeschichten mit Erweckungscharakter. Die Kirchen, die mit bewundernswerter Kunstfertigkeit und Großzügigkeit in der Mitte des Ortes gebaut wurden, dienten auch als Schulen. Sie waren Religions- und Kulturzentren zugleich. Die darin erfolgte religiöse
Friedliche Evangelisation
Evangelisierungsund Zivilisierungsprojekt
Unter der Kirchenglocke
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Ein missionierendes Weltreich und kulturelle Arbeit der Franziskaner der Mexiko-Mission beschreibt Diego Valadés in seinem Werk Rhetorica christiana (1579) in zutreffender, wenn auch ein wenig idealisierter Weise. Demnach wurden in den Ecken des Kirchhofes die Jugendlichen – je nach Einwohnerzahl kamen täglich tausend und mehr – unterrichtet (Lesen und Schreiben, Kunstfertigkeiten: letras y artes). Aber sie lernten auch Saiteninstrumente und eigene, in Europa nicht bekannte Instrumente zu spielen. Ebenso lernten sie zu zeichnen und zu malen. Der Unterricht begann und endete unter Glockengeläut, zu den religiösen Zeremonien ging man mit großer Andacht in die Kirche. Valadés vergisst nicht zu erwähnen, dass man in den Kirchhöfen köstliche Brunnen voll Wasser hatte, an denen sich die Kinder wuschen. Denn man lehrte sie vor allem „die Regeln der Sauberkeit“. Die von Bischof Vasco de Quiroga gegründeten indianischen Siedlungen in Santa Fe bei Mexiko-Stadt und in Michoacán, pueblos hospitales (Spitaldörfer) genannt, waren bewusst als Alternative zum Encomienda-System konzipiert. Die Dorfgemeinschaften sollten sich jeweils auf besondere Berufe und Gewerbe spezialisieren, die z.T. bis heute erhalten geblieben sind, und Tauschhandel betreiben. Die Wahl der Ämter, das Familienleben, die Erziehung der Kinder, das Gemeindeeigentum, die tägliche Arbeitszeit von nur sechs Stunden, die Versorgung der Bedürftigen, die Gestaltung der religiösen Feste und der Freizeit wird im Einzelnen sowohl nach der Utopia von Thomas Morus als auch nach christlichen Vorgaben geregelt. Das Ziel der Missionsdörfer war die friedliche Unterwerfung und Evangelisation der Indianer durch die Missionare, und der Soldatenschutz beschränkte sich zumeist auf das Wissen der Indianer um die (einschüchternde) Präsenz der spanischen Truppen in der nächsten Stadt.
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Die Reduktionen der Jesuiten Ähnlich wie die Franziskaner Mexikos im 16. Jahrhundert bezeichnete der Jesuit Antonio Ruiz de Montoya 1639 die Gründung von Reduktionen als Conquista espiritual. Er definierte sie als „Siedlungen von Indianern, die ihrer alten Gewohnheit nach in den Bergen, im Bergland, in Tälern und an verborgenen Bachbetten in drei, vier oder sechs einzelnen Hütten, zwei, drei oder mehr leguas voneinander entfernt lebten, die nun der kluge Eifer der Patres in große Ansiedlungen und zu einem zivilisierten und humanen Leben zusammenführte und zur Nutzung der Baumwolle, um sich zu bekleiden, denn üblicherweise lebten sie nackt, selbst ohne zu bedecken, was die Natur verborgen hat“. Die Reduktionen der Jesuiten sind Gegenstand der Literatur-, Film-, Musik- und Kunstgeschichte, nicht nur der Missionsgeschichte. Aber bei der Beurteilung ihrer Leistungen scheiden sich die Geister. Für die einen war dies ein „heiliges Experiment“, wo der urchristliche „Kommunismus“ verwirklicht wurde, bzw. eine „verwirklichte Utopie“; für andere handelte es sich um eine klerikal-paternalistische Hierokratie, ja um eine Art „geistliches Konzentrationslager“ und so um den verlängerten Arm einer kolonialen Ausbeutungsorganisation; wiederum andere sehen darin das beste Beispiel für einen gelenkten Kulturwandel im Rahmen der vorhandenen Verquickung von Mission und Kolonialismus. Die Reduktionen waren eine antikoloniale Utopie, die aber keine Politik gegen das Kolonialsystem zustande brachte, weil die Jesuiten es nicht wagten, die Wurzel dieses Systems selbst anzugreifen.
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Die afrikanischen Sklaven Bereits im 15. Jahrhundert ermächtigte Papst Nikolaus V. (1452) die portugiesische Krone zur Eroberung und Versklavung der „Sarazenen, Heiden und Ungläubigen“. Dahinter stand die aristotelische Theorie der legitimen Versklavung von in „gerechten Kriegen“ besiegten „Barbaren“. Für die afrikanische Sklaverei wurden aber auch biblische Legitimationsgründe herangezogen, wie etwa die Theorie, die Afrikaner seien die Nachkommen eines der Söhne von Noah mit Namen Ham, der von seinem Vater verflucht wurde, der Sklave seiner Brüder zu sein (Gen 9,25–27). Im Allgemeinen war die Sklaverei im abendländischen Bewusstsein eine „Selbstverständlichkeit“. Die spanische und die portugiesische Krone regelten mit entsprechenden Dekreten und Lizenzen den Transport von afrikanischen Sklaven in die überseeischen Provinzen. Die quantitative Erfassung der nach Nord-, Mittel- und Südamerika sowie in die Karibik lebend verfrachteten Afrikaner ist aufgrund der schwierigen Quellenlage nur schätzungsweise möglich. Vorsichtige Annahmen gehen von mindestens elf Millionen aus, die zwischen 1492 und 1870 ankamen, andere sprechen sogar von ca. 15 Millionen. Mindestens so viele dürften bei Gefangennahme und Transport ums Leben gekommen sein. Bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren die neu ankommenden afrikanischen Sklaven kaum das Ziel missionarischer Bemühungen. Erst die Jesuiten leiten hier eine Wende ein. Für Spanisch-Amerika verdienen Alonso de Sandoval und sein Schüler Pedro Claver besondere Beachtung. Mit seinem Missionshandbuch De instauranda Aethiopum salute (1627) will Sandoval in seinem eigenen Orden für die Mission unter den Afrikanern werben. Für ihn ist die Sklaverei ein bedauerliches Faktum; seine Kräfte konzentriert er deshalb nicht auf deren Aufhebung. Er und sein Schüler Pedro Claver, der „Sklave der Sklaven“, belassen es nicht bei der Spendung von Sakramenten, sondern praktizieren innerhalb der bestehenden Rahmenbedingungen mit den Afrikanern in Cartagena – dem Hauptumschlagplatz für den Sklavenhandel in Spanisch-Amerika – die äußersten Formen der Nächstenliebe, zu der die Gerichtsrede Jesu Christi (Mt 25) seine Jünger ermahnt. Ihren Mühen zum Trotz führte jedoch die Afrikanermission in Spanisch-Amerika ein Schattendasein. Gleichwohl entstanden in den Zentren der afrikanischen Präsenz Bruderschaften und Kongregationen für die Schwarzen. Las Casas hatte um 1558 geschrieben, dass „für die Neger dasselbe Recht wie für die Indianer“ gelte, dass also deren Versklavung genauso „ruchlos, ungerecht und tyrannisch“ wie die der Indianer sei. Aber Las Casas unternahm darüber hinaus nichts, um die Sklaverei der Afrikaner abzuschaffen, während er nicht müde wurde, gegen die der Indianer zu kämpfen. Erst die Kapuziner Epifanio de Moirans und Francisco José de Jaca, deren Wege sich Ende des 17. Jahrhunderts auf Kuba kreuzten, setzten sich für die Abschaffung der Sklaverei der Afrikaner ein. De Jaca verteidigte 1681 die Menschenwürde und die Freiheit der Afrikaner in einer Denkschrift. Die spanische Krone und der Indienrat lehnten dies mit dem Argument ab, ohne die Sklaverei der Afrikaner würde ganz Amerika wirtschaftlich zugrunde gehen. De Jaca und Moirans, der auch eine kleine Abhandlung mit ähnlichen Pos-
Sklaverei als Selbstverständlichkeit
Evangelisierung
Infragestellung der Sklaverei
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Ein missionierendes Weltreich tulaten geschrieben hatte, wurden verbannt und ihre Theorien blieben eher wirkungslos.
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Wichtige Katechismen für die Indianer und Filipinos Juan de Zumárraga OFM: Breve y más Compendiosa Doctrina Cristiana en Lengua Mexicana y Castellana (Mexiko 1539); Pedro de Córdoba OP: Doctrina Cristiana para instrucción e información de los indios por manera de historia (Mexiko 1544, mit einem Anhang von Juan de Zumárraga OFM 1546 neu gedruckt); Alonso de Molina OFM: Doctrina cristiana breve traducida en lengua mexicana (Mexiko 1546); Juan de la Anunciación OSA: Doctrina cristiana muy cumplida (Mexiko 1575), Catecismo en Lengua Mexicana y Española, Breve y muy compendioso (Mexiko 1577), Doctrina Cristiana y Catecismo para la instrucción de los Indios (Lima 1584), Tercero Catecismo y exposición de la Doctrina Cristiana, por sermones (Lima 1585); Juan de Plasencia OFM: Doctrina cristiana, en lengua española y tagala, corregida por los religiosos de las Ordenes (Manila 1593). Wichtige Grammatiken und Vokabulare indianischer Sprachen Alonso de Molina OFM: Aquí comiença un vocabulario en la lengua castellana y mexicana (1555/1571), Confessionario mayor, en lengua mexicana y castellana (1565), Arte de la lengua mexicana y castellana (1571), Confessionario breve, en lengua mexicana (1577); Domingo de Santo Tomás OP: Gramática o Arte de la lengua general de los indios de los Reynos del Perú (1560), Lexicon o Vocabulario de la lengua general del Perú (1560); Luis Jerónimo Ore OFM: Símbolo católico indiano (1598); Diego González de Holguín SJ: Gramática y arte de la lengua general de todo el Perú, llamada quichua o lengua del Inca (1607), Vocabulario de la lengua general de todo el Perú, llamada quichua o lengua del Inca (1608); Ludovico Bertonio SJ: Arte de la lengua aymara (1612), Vocabulario de la lengua aymara (1612); Antonio Ruiz de Montoya SJ: Tesoro de la lengua guaraní (1639), Arte y vocabulario de la lengua guaraní (1640); Fernando de Avendaño: Sermones de los misterios de nuestra santa fe católica, en lengua castellana y general del inca (1649).
XII. Die Neue Welt – ethnographisch „Dieses Tier hat den Kopf und Ohren eines Maultiers, den Leib eines Kamels, die Beine eines Hirsches und einen Pferdeschweif. Auch wiehert es wie ein Pferd.“ Viele Leser werden schon ahnen, um welches Tier es sich bei dieser Beschreibung handelt, weil sie es bereits gesehen haben und ihre Vorstellungskraft mit einem konkreten Inhalt gestalten können. Hätten wir aber in den 1520er-Jahren – der Text stammt aus Antonio Pigafettas Bericht der Begegnung mit den Guanacos Patagoniens während der Weltumsegelung Magellans (1519–1522) – Europäer gebeten, auf einem Blatt Papier ihre Vorstellung zu zeichnen, wäre das Ergebnis vermutlich sehr erheiternd ausgefallen. Die andersartige Fauna und Flora, die fremden Völkerschaften mit ihren Religionen und Kulturen rufen Fragen hervor, die in ethnographischen Werken beantwortet werden. Die Neugierde für das Fremde verbindet sich dabei mit ganz konkreten Erkenntnisinteressen, die wir anhand einer Typologie der ethnographischen Werke des 16. Jahrhunderts über Spanisch-Amerika aufzeigen können.
Interpretationsproblem
Anklagende und apologetische Ethnographie Die Rechtstiteldiskussion beeinflusst auch die ethnographischen Werke. Geographen (Martín Fernández de Enciso), Konquistadoren (Hernán Cortés), Hofchronisten (Gonzalo Fernández de Oviedo, Francisco López de Gómara, Juan Ginés de SepÞlveda), aber auch mancher Missionar (Juan Cabedo OFM, Tomás de Ortiz OP), dem der Kulturschock beim Kontakt mit manchen indianischen Stämmen nicht gut bekam, versäumen keine Gelegenheit, die abscheuliche „Barbarei“ der Indianer zu beschreiben, um die spanische Eroberung zu rechtfertigen. Die Indianer erscheinen dabei als Heiden und Barbaren, unfähig zu einem Christentum nach europäischem Maßstab, unfähig aber auch zum Aufbau eines vernünftigen Gemeinwesens und zur gesitteten Lebensweise. Darüber hinaus werden sie der Sodomie und der massenhaften Tötung und Verspeisung von Menschen angeklagt. Die meisten Autoren verbinden diese Anklage der Indianer mit einem Lob des Klimas wie der Fauna und Flora der Neuen Welt; nur wenige beschreiben diese als für die Menschen der Alten Welt ungeeignet. Der „anklagenden Partei“ stand die „apologetische“ gegenüber. Diese wird vor allem durch Bettelmönche vertreten, die eine Vielzahl von ethnographischen Traktaten, Briefen und Denkschriften schreiben, um die Glaubens- und Zivilisationsfähigkeit der Indianer zu verteidigen. Bei der Kontroverse von Valladolid 1550–1551 zwischen Juan Ginés de SepÞlveda und Bartolomé de Las Casas (s. Kap. V) spielt das anthropologische Argument eine zentrale Rolle: Sind die Indianer Sklaven von Natur im aristotelischen Sinne oder nicht?
Verachtung der Indianer und ihrer Kulturen
Apologie der Indianer und der Neuen Welt
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Die Neue Welt – ethnographisch In der Folge wird Las Casas die erste vergleichende Anthropologie des Entdeckungszeitalters schreiben: die Apologética historia sumaria (abgeschlossen um 1559). Darin vergleicht er die indianischen Religionen und Kulturen mit denen der vorchristlichen Antike. Die ethnographischen Informationen sind zumeist aus zweiter Hand, aber aus zuverlässiger Quelle, da Las Casas sich vor allem auf Berichte von Missionaren stützt, die jahrelang mit den Indianern zusammengelebt haben. Im Vorwort hält er sein apologetisches Erkenntnisinteresse fest: Er habe die Apologética geschrieben, damit „man all diese so unendlich vielen Völker in diesem überaus weiten Erdkreis kennenlernte; […] sie wurden nämlich von einigen Leuten verleumdet, die verbreiteten, diesen Menschen fehle es an gesunder Vernunft, um sich selbst zu regieren, sie hätten keine menschengemäße Regierungsform und keine geordneten Gemeinwesen“. Las Casas will dann „die Wahrheit“ über die Indianer beweisen, „die das genaue Gegenteil davon ist“. Die apologetische Tendenz führt Las Casas manchmal zu einer fraglichen Umkehrung der kosmologischen, anthropologischen und politischen Argumente der anklagenden Partei. Etwa wenn er die Naturbedingungen der Neuen Welt zumeist für lebensfreundlicher als die der Alten hält, die Indianer vieler Stämme körperlich für besser proportioniert, sodass ihre Körper-GeistRelation eine günstigere sei, viele indianische Völker schließlich für politisch „klüger“ sowie für das Christentum besser geeignet als die meisten der Alten Welt. Las Casas betrachtet die Neue Welt mit den Augen eines Verliebten. Wer verliebt ist, beschreibt seine Geliebte als die schönste, beste und anmutigste Person auf der Welt; er entschuldigt die offenkundigen Schwächen oder übersieht sie. Um einen Eindruck von der Materialfülle antiker Kulturen zu vermitteln, die Las Casas in den Vergleich einbezieht, genügt wohl zu sagen, dass er über 3030 Zitate von mehr als 202 verschiedenen Autoren verwendet. Las Casas verteidigt darin die Einheit des Menschengeschlechts, während Paracelsus um 1520 die kirchliche Monogenismuslehre missachtete und fragte, ob die Bewohner Westindiens „die Nachkommen Adams und Evas [seien], da die Söhne Adams sich keinesfalls auf abgelegene Inseln begeben hätten“. Für ihn mussten sie von einem anderen Adam abstammen. Andere wie der Jesuit José de Acosta gaben Ende des 16. Jahrhunderts offen zu, wir seien gezwungen zu sagen, dass die Indianer aus Europa oder Asien kommen, nur weil die Heilige Schrift lehre, dass alle Menschen von Adam abstammen.
Regierungsethnographie Herrschaftslegitimation
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Von Anfang an war die Krone an geographischen und ethnographischen Beschreibungen der neu entdeckten Länder interessiert. Nach der Junta Magna (1568), bei der die Weichen für die Kolonialpolitik Philipps II. gestellt wurden, wird die Regierungsethnographie besonders gefördert. Das Ergebnis sind zunächst die Informaciones, die der Vizekönig von Peru, Francisco de Toledo, zwischen 1570 und 1572 sammeln ließ. Sie sind auffallend bemüht,
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Die Neue Welt – ethnographisch die indianische Vergangenheit in ein schlechtes Licht zu rücken (Menschenopfer usw.) und nachzuweisen, dass etwa das Inkareich vor der Ankunft der Spanier juristisch als res nullius zu betrachten sei, da die Inka gewaltsame Usurpatoren gewesen seien. Trotz dieses Erkenntnisinteresses sind die Informaciones von großem ethnographischem Wert. Denn sie basieren auf der Befragung von 100 Indianern, die die ältesten und verständigsten waren, die man finden konnte, viele davon zudem Kaziken und Nachfahren der Inka. Dank der Informaciones sind wir heute über Mythen und Regierungsform der Inka gut unterrichtet – sofern man die Instrumentalisierung durch Toledo herauszufiltern vermag. Polo de Ondegardo, einer der mit der Sammlung der Informaciones betrauten Juristen, hat die Gesetze und Regierungsform der Inka gewissenhaft studiert. Im Vorwort seines Werkes erinnert er den König an die Meinung der Theologen, man sei verpflichtet, die Vorrechte und Sitten der Indianer zu respektieren, sofern sie nicht dem Naturrecht widersprächen. Die bisherige Kolonialpraxis bestehe darin, viele Indianer ihrer Rechte zu berauben und ihnen fremde Gesetze aufzuerlegen, die sie bisher nicht verstanden haben und auch in hundert Jahren nicht verstehen würden; dies habe die Spanier bei den Indianern um einen Großteil ihres Kredites gebracht. Ein zweites bedeutsames Werk im Dienste der guten Regierung sind die allgemeinen geographischen Berichte über Land und Leute Westindiens (Relaciones geográficas de Indias), die auf Anordnung von Philipp II. ab 1577 gesammelt wurden. Sie stellen eine ethnographische Fundgrube dar und vermitteln eine zuverlässige Bestandsaufnahme der indianischen Kulturen in Spanisch-Amerika. Sie kommen einer modernen ethnographischen Volksbefragung und dem heutigen Wissenschaftsverständnis am nächsten. Ein Katalog von 50 Fragen wurde aufgestellt, dabei wurden u.a. folgende Kriterien berücksichtigt: Lebensweise und Sprache der Indianer, demographische Entwicklung vor und nach der spanischen Zeit, Regierungsformen und religiöse Riten, gute oder schlechte Sitten, die sie hatten, Art der Kriegführung, Ernährungsweise – ob sie sich z.B. früher besser ernährten als in der spanischen Zeit –, Heilkräuter, die sie in ihrer Volksmedizin verwendeten. Koloniale Amtsträger (Statthalter, Richter, Bürgermeister, Priester, Ordensleute) wurden mit der Durchführung der Befragung vor Ort betraut.
Gute Regierung
Missionsethnographie Im Dienste der Mission stand bereits der kleine Bericht über die Altertümer der Indianer (Relación acerca de las antigüedades de los indios), den der „erste Ethnograph Amerikas“, der katalanische Hieronymit Ramón Pané, über die Religion und Kultur der Tainos, der Ureinwohner Españolas, 1498 geschrieben hat. Dieses Werk ist die wichtigste Quelle über die vorspanische Kultur auf dieser Antilleninsel und über die ersten Missionsversuche unter den Indianern. Die Beschreibung der Glaubensvorstellungen und Götzendienereien der Indianer, die Pané im Auftrag des Kolumbus vornimmt, soll ihrer besseren Evangelisierung dienen. In dieser Absicht werden spätere
Der erste Ethnograph Amerikas
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XII.
Die Neue Welt – ethnographisch
Franziskaner Mexikos
Bernardino de SahagÞn
Diego Durán
Ordenschroniken
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Missionare die Religionen und Kulturen, mit denen sie zu tun haben, studieren; denn sie wissen, dass ohne linguistische und ethnographische Kenntnisse die Evangelisierungsarbeit nicht voranschreiten kann. Besonders erwähnenswert sind auf diesem Gebiet die Arbeiten der ersten Franziskaner Mexikos. Mit ihren ethnographischen Arbeiten kämpften sie für eine Kultursynthese: Die Indianer sollten das Licht des Evangeliums aufnehmen, ohne ihre vorspanische kulturelle Identität zu verlieren. Abgesehen von den vielen Grammatiken und Wörterbüchern der indianischen Sprachen, die wir dem missionarischen Interesse verdanken (s. Kap. XI), kann man unter den eigentlichen ethnographischen Arbeiten folgende Werke unterscheiden: allgemeine Geschichten der indianischen Religionen und Kulturen, Ordenschroniken, (Visitations-)Berichte über den indianischen Götzendienst nach der ersten Missionierung, verbunden mit Richtlinien zu dessen Ausrottung. Unter den allgemeinen Geschichten ragen zwei ÞÞ besonders hervor: die Historia general de las cosas de Nueva España (1577) von Bernardino de SahagÞn OFM und die Historia de las Indias de Nueva España e islas de la tierra firme (1581) von Diego Durán OP. SahagÞn vergleicht die Tätigkeit des Missionars mit der des Arztes: Genauso wie dieser die Ursachen der Krankheiten erforschen muss, wenn er sie angemessen behandeln möchte, müssten die Missionare die Religionen und Kulturen der Indianer kennen, um gegen den nach der ersten Evangelisierung „verborgenen“ Götzendienst vorgehen zu können. Zugleich betont SahagÞn, dass die Indianer aus dem Stamm Adams hervorgegangen und „unsere Nächsten“ seien; sie seien auch keine Barbaren, denn in den Dingen der Staatsordnung überträfen sie viele andere Nationen, die sich für große Staatswesen hielten. SahagÞns Werk, die beste Informationsquelle über die aztekische Kultur, ist nicht nur wegen des Erkenntnisinteresses und des Inhaltes bedeutsam, sondern auch wegen der Arbeitsmethode, die der heutigen wissenschaftlichen Ethnographie sehr nahe kommt. Sie bestand in der langjährigen Sammlung von vielfältigen Informationen aus der mündlichen Überlieferung vor Ort (Feldforschung) anhand eines durchdachten Fragenkatalogs sowie in der mehrfachen Auswertung und Kontrolle der Ergebnisse durch Vergleiche des Inhaltes und der Form mithilfe seiner aztekischen Mitarbeiter. Das Werk wurde zuerst in der aztekischen Sprache (Náhuatl) geschrieben und anschließend von SahagÞn selbst ins Spanische übersetzt. Durán ist ebenfalls davon überzeugt, dass, solange die Spur der alten Religion nicht ausgelöscht und ihre abergläubischen Riten nicht völlig ausgerottet würden, die Indianer den wahren Gott der Christen nicht kennenlernen könnten. Dazu sei es aber zunächst nötig, die alte Religion der Indianer zu studieren. Und gerade aus diesem Grund äußert Durán deutliche Kritik an der Tabula-rasa-Methode der ersten Missionare: Indem sie die Bilder der indianischen Altertümer verbrannten und vernichteten, haben sie uns um die bessere Kenntnis ihres Aberglaubens gebracht. Auch Ordenschroniken, die sich zumeist darauf beschränken, in einem eher hagiographischen Stil die Evangelisierung einer Ordensprovinz zu beschreiben, können eine ethnographische Fundgrube sein. Ein gutes Beispiel dafür ist Francisco Ximénez OP, der Anfang des 18. Jahrhunderts mit der Abfassung der Geschichte des Predigerordens in Chiapa und Guatemala be-
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Die Neue Welt – ethnographisch traut wurde (1722). Als die Indianer ihm das Manuskript der Ursprungsgeschichte der Quiché, das sogenannte Popol Vuh, zeigten, kopierte er es, übertrug es ins Spanische und nahm es in sein Werk auf. Freilich, wie SahagÞn und Durán, vermerkt er im Vorwort, dass er das getan habe, damit wir über die Irrtümer des indianischen Heidentums besser unterrichtet sind und wissen, wie sehr diese von unserem Glauben abweichen. Eine weitere Gruppe von Ethnographen im Dienste der Mission stellen die Visitatoren der indianischen Siedlungen, die mit der Ausrottung des Götzendienstes betraut waren. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Werk Extirpación de la idolatría del Perú (1621) des Jesuiten Pablo José de Arriaga. Darin berichtet er zunächst ausführlich und mit großer ethnographischer Sorgfalt über die Götzen oder huacas der Indianer, die Opferriten und Feiern, die Kultdiener und Priester, den Aberglauben und den Götzendienst, die sie „heute noch“ haben, obwohl sie Kinder und Enkelkinder von Christen sind.
Indigene und kreolische Ethnographie Das indigene Bewusstsein ist ab 1600 ein wichtiger Faktor in SpanischAmerika. Einige Indianer und Mestizen, die in den Kollegien der Missionare ausgebildet wurden oder im spanischen Dienst standen, bringen nun ihre Sicht der indianischen Religionen und Kulturen sowie der Eroberung zur Sprache. Das sind zumeist Werke, die richtigstellen oder ergänzen wollen, was in Werken spanischer Autoren verzerrt oder unvollständig berichtet wurde. Sie sind auch um Ehrenrettung der indianischen Kulturen bemüht. Der Inka Garcilaso de la Vega, Sohn einer Inka-Prinzessin und eines Conquistadors, bekundet im Vorwort seiner Comentarios reales (1609) über das Inkageschlecht sein Erkenntnisinteresse: Er greift zur Feder, weil die neugierigen Spanier, die bisher darüber geschrieben haben, es nicht in der gewünschten Vollständigkeit getan hätten. Garcilaso gibt zu verstehen, dass er aufgrund seiner mütterlichen Vorfahren imstande ist, über die Inkaherrscher und ihre Kultur von innen her zu berichten. Dies liefert allerdings keine Gewähr für Wissenschaftlichkeit. Garcilaso betreibt schließlich eine Idealisierung und Apologie der Inka als Römer Perus – zulasten der vorinkaischen Einwohner, für deren Kultur er alle Vorwürfe bereithält, die von den Spaniern allgemein an die Indianer adressiert wurden: Götzendiener, Teufelsanbeter, Barbaren. Versuchte Garcilaso die Inka zu verteidigen um den Preis einer Verlagerung der Anklage auf die vorinkaische Zeit, so ist in der Nueva crónica y buen gobierno (1615) des Indianers Felipe Guamán Poma de Ayala genau das Gegenteil der Fall. Er gehört zu jenem vorinkaischen Landadel, der von der Inkasippe unterworfen wurde; daher entwirft er eine Apologie der vorinkaischen Religion unter Verschiebung der Anklage auf die polytheistischen Inka; diese hätten den Götzendienst eingeführt, während die alte Religion mit dem Christentum kompatibel gewesen sei, ja z.T. auf eine UrEvangelisierung in der Apostelzeit zurückginge. Interessant ist das Werk
Garcilaso de la Vega
Felipe Guamán Poma de Ayala
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XII.
Die Neue Welt – ethnographisch
Kreolen
nicht wegen dieser Polemik, sondern weil darin in Wort und Bild wichtige Informationen über religiöse Bräuche, Sitten, Gesellschaftsstruktur und landwirtschaftliche Kulturtechniken der inkaischen Vergangenheit enthalten sind und die frühe Kolonialgesellschaft aus indianischer Sicht kritisch dargestellt wird (das Werk enthält ca. 400 Federzeichnungen). Im 17. (und 18.) Jahrhundert entsteht in Spanisch-Amerika eine Literatur, die bemüht ist, eine gemeinsame amerikanische Identität zwischen den europäisch-stämmigen Kreolen, den Indianern und den Mestizen zustande zu bringen. Vorherrschendes Erkenntnisinteresse ist hier die Rekonstruktion einer eigenständigen nicht-kolonialen christlichen Vergangenheit unter Berufung auf eine Evangelisierung Amerikas in der Apostelzeit durch den Apostel Thomas (oder Bartholomäus). Demnach sind die Indianer genauso Christen der ersten Stunde gewesen wie die Spanier (s. Kap. XI). Es scheint diesen Autoren (Antonio de la Calancha in Peru oder Carlos de Sigüenza y Góngora in Mexiko) theologisch unmöglich, dass Amerika, wo ca. ein Drittel der Menschheit lebe, nicht die Ehre der apostolischen Evangelisierung empfangen habe. Der wissenschaftliche Wert der kreolischen Ethnographie Þ ist eher gering. Diese Werke schufen aber die geschichtstheologischen Voraussetzungen für ein emanzipiertes amerikanisches Selbstbewusstsein.
„Wissenschaftliche“ Ethnographie José de Acosta
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Es gibt in Spanisch-Amerika auch Autoren von ethnographischen Werken mit einem Erkenntnisinteresse, das am ehesten der heutigen wissenschaftlichen Einstellung entspricht. Das finden wir nicht nur in der „Regierungsethnographie“ oder im Werk SahagÞns. José de Acosta SJ hat seine Historia natural y moral de las Indias (1590) geschrieben, weil er mit dem bisherigen Stand der Forschung nicht zufrieden war. Acosta weiß, dass viele Autoren Bücher und Berichte über die Neue Welt und über die neuen und seltsamen Dinge, die man dort entdeckt hat, geschrieben haben. Doch bis heute habe er weder einen Autor gefunden, der die Ursache und den Grund für diese neuartigen Dinge zu erklären vermöge, noch einen, der Nachforschungen in diesem Sinne anstelle; auch habe er kein Buch gefunden, das die Taten und Geschichte der alten Indianer und Ureinwohner der Neuen Welt umfassend behandle. Acostas Werk markiert in der Ethnographie Spanisch-Amerikas den endgültigen Wandel von der naiven zur wissenschaftlich-systematischen Neugierde. Seine Quellen sind „weise und in diesen Dingen sehr verständige Männer“, aus deren Gesprächen und Informationen er entnommen habe, was ihm geeignet schien, um über die Bräuche und Taten der indianischen Völker zu berichten. Acostas abwägender Umgang mit den Fragen, die die Entdeckung der Neuen Welt hervorrief, wird am deutlichsten bei der Beantwortung der Frage nach dem Ursprung der Indianer. Er stellt drei Hypothesen auf, die er sorgfältig prüft: Die Indianer kamen nach Amerika entweder absichtlich auf dem Meeresweg oder unfreiwillig nach einem Schiffbruch oder sie kamen auf dem Landweg. Er lässt alle drei Hypothesen als wahr-
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Die Neue Welt – ethnographisch scheinlich gelten, befürwortet aber den Landweg, weil er – noch vor der Entdeckung der Beringstraße – von einer Landverbindung zwischen Asien und Amerika in der Vorzeit ausgeht. Acostas Historia wurde in Europa um 1600 zum Bestseller. Neben den spanischen Ausgaben von Sevilla (1590), Barcelona (1591) und Madrid (1608) erschienen auch zehn Übersetzungen: drei ins Deutsche, zwei ins Französische und ins Lateinische und je eine ins Englische, Italienische und Niederländische. Wissenschaftlich will auch das Werk von Bernabé Cobo SJ Historia del Nuevo Mundo (1653) sein. Den bisherigen Chroniken hält er vor, man würde merken, dass die einen vielfach von den anderen abgeschrieben haben. Selten werde darin getreu und aufrichtig berichtet, sondern eher mit Leidenschaft, Schmeichelei oder Ehrgeiz. Er nennt die Vorzüge, die sein Werk auszeichnen: Er lebe seit vielen Jahren (über 57) in Westindien, habe Zeitzeugen der Conquista und der ersten Evangelisierung sowie viele Indianer kennengelernt, die sich an die Zeit vor der Ankunft der Spanier erinnerten. Zudem habe er alle schriftlichen Zeugnisse konsultiert, die er bei den Konquistadoren und deren Nachfahren oder in den Archiven finden konnte. Cobos monumentales Werk – Synthese des ersten kolonialen Jahrhunderts, Katalog aller Pflanzen und Tiere der Neuen Welt, Geschichte aller indianischen Völker – ist leider nur im Fragment erhalten. Besonders bedeutsam ist es jedoch nicht in den historisch-ethnographischen Anteilen (trotz seiner Absichtserklärung hat Cobo nicht immer eine gute Hand für die Wahl der Quellen), sondern in den „naturwissenschaftlichen“ (Geographie, Fauna und Flora).
Bernabé Cobo
Das Schicksal der ethnographischen Werke Sieht man von der plumpen Instrumentalisierung der Ethnographie zur Rechtfertigung der Conquistas und Encomiendas ab, so sind die Erkenntnisinteressen vielfältig. Die Krone ist daran interessiert, eine möglichst genaue Beschreibung der Überseeprovinzen zu erhalten, um sie besser ausbeuten, aber auch gerechter regieren zu können. Die Missionare studieren die fremden Religionen und Kulturen, um sie besser evangelisieren zu können, aber auch, um sie vom Makel der Barbarei apologetisch zu befreien oder ihr kulturelles Gedächtnis nach den ersten Zerstörungswellen zu retten. Indianer und Kreolen sind bemüht, die vorspanische Vergangenheit ins rechte Licht zu rücken. Andere wiederum bewegt, wie später Alexander von Humboldt, die reine intellektuelle Neugierde. Der wissenschaftliche Wert entspricht nicht immer den in den Vorworten festgehaltenen Absichtserklärungen. Die Werke von Las Casas und Bernardino de SahagÞn, die einen Meilenstein in der vergleichenden Ethnographie darstellen, fielen der staatlichen Zensur zum Opfer, weil sie eine Apologie der indianischen Kulturen enthielten. Die Schriften des Las Casas wurden 1571 auf Anordnung Philipps II. konfisziert und an den Indienrat übergeben. Die Konfiskation von SahagÞns Unterlagen wurde am 22. April 1577 per königlichem Erlass an den Vizekönig von Mexiko, Martín Enríquez, verfügt. Der Vizekönig solle künftig in keiner
Erkenntnisinteressen
ÞÞ
Zensurmaßnahmen Philipps II.
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XIII.
Die Neue Welt – ethnographisch Weise erlauben, dass man – in welcher Sprache auch immer – Werke über den Aberglauben und die alte Lebensweise der Indianer schreibe. Die Zensurmaßnahmen von 1577 führten dazu, dass jene Werke, die ein halbwegs positives Licht auf die indianischen Kulturen vor der Ankunft der Spanier werfen, erst im 19. und 20. Jahrhundert erscheinen konnten. Dies betrifft nicht nur die Werke Las Casas’ (Erstdruck: 1909), SahagÞns (Erstdruck: 1830) und anderer Missionare, sondern auch die von Philipp II. selbst in Auftrag gegebenen Relaciones geográficas de Indias (nach 1577 entstanden, Erstdruck: 1881–1897) sowie das ihnen zugrunde liegende Werk Geografía y descripción universal de las Indias (1574, Erstdruck: 1894) des königlichen Kosmographen Juan López de Velasco. Aus Angst, dass die mit Spanien rivalisierenden Nationen davon profitieren könnten (s. Kap. I, Leyenda negra), verfügte Philipp II. am 28. September 1582, dass die Bücher seines Kosmographen aufgrund der Materie, die sie behandeln, wie der Nachteile, die entstehen könnten, wenn sie durch viele Hände gingen und Kopien davon gemacht würden, vom Indienrat konfisziert und in einer gut verriegelten Truhe aufbewahrt werden sollten.
E
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Wichtige ethnographische Werke über Spanisch-Amerika Apologetische Ethnographie: Bartolomé de Las Casas OP (1559: Apologética historia sumaria; 1564: Historia de las Indias). Missionsethnographie: Ramón Pané (1498: Relación acerca de las antigüedades de los indios); Toribio de Benavente „Motolinía“ OFM (1541: Relación de los ritos antiguos, idolatrías y sacrificios de los indios de esta Nueva España, y de la maravillosa conversión que Dios en ella obró); Religiosos Agustinos (1555: Relación de la religión y ritos del Perú); Diego de Landa OFM (1566: Relación de las cosas de Yucatán); Cristóbal de Molina (1574: Fábulas y ritos de los incas); Bernardino de SahagÞn OFM (1577: Historia general de las cosas de la Nueva España); Diego Durán OP (1581: Historia de las Indias de la Nueva España e islas de la tierra firme); Jerónimo de Mendieta OFM (1596: Historia eclesiástica indiana); Francisco de Ávila (1598?: Dioses y hombres de Huarochirí); Blas Valera SJ (ca. 1600: Las costumbes antiguas de los naturales del Perffl); Juan de Torquemada OFM (1615: Monarquía indiana); José de Arriaga SJ (1621: La extirpación de la idolotaría en el Perffl); Pedro Villagómez (1649: Exhortaciones e instrucción acerca de las idolatrías de los indios); Garci Díez de San Miguel (1567: Visita hecha a la provincia de Chucuito). Regierungsethnographie: Francisco de Toledo (1570–1572: Informaciones acerca del señorío y gobierno de los incas); Juan López de Velasco (1574: Geografía y descripción universal de las Indias); V.A. (1586: Relaciones geográficas de Indias); Juan Polo de Ondegardo (1554: De los errores y supersticiones de los indios). Indigene bzw. kreolische Ethnographie: El Inca Garcilaso de la Vega (1609: Comentarios reales, que tratan del origen de los incas); Juan de Santa Cruz Pachacuti (1613: Relación de las antigüedades deste reyno del Perffl); Felipe Guamán Poma de Ayala (1615: El primer nueva crónica y buen gobierno); Gregorio García OP (1625: Predicación del evangelio en el Nuevo Mundo viviendo los apóstoles); Antonio de la Calancha OSA (1639: Crónica moralizada del Orden de San Agustín en el Perffl). „Wissenschaftliche“ Ethnographie: José de Acosta SJ (1590: Historia natural y moral de las Indias); Gregorio García OP (1607: Origen de los indios del Nuevo Mundo e Indias Occidentales, averiguado con discurso de opiniones); Antonio Vázquez de Espinosa (1629: Compendio y descripción de las Indias Occidentales); Bernabé Cobo SJ (1653: La crónica del Perffl).
XIII. Ein Weltreich geht bankrott Die wirtschaftlichen Probleme Spaniens in dieser Zeit sind vielfach hausgemacht und strukturell bedingt; sie haben aber auch damit zu tun, dass mit den Ressourcen der kastilischen Krone in Spanien und der Neuen Welt eine ehrgeizige, habsburgisch-aragonesische Europapolitik (Kaiserreich, Flandern, Italien, Türken) finanziert werden musste, die Spanien letztlich überforderte. Wir können hier nicht im Detail darauf eingehen, sondern werden uns auf einige Impressionen beschränken. Auch in dieser Frage müssen wir bei den Katholischen Königen um 1500 ansetzen. Im Bewusstsein, dass sie zur Verwirklichung ihrer Pläne zunächst die Einnahmen der Krone verbessern sollten, führten sie eine Reihe von Steuern ein (s. Kap. II). Allen voran wäre die alcabala zu nennen, d.h. eine Steuer auf alle Transaktionen, die für alle, auch den Adel, galt und der modernen Mehrwertsteuer nahekommt (das arabische Wort deutet darauf hin, dass den Arabern in der Fiskalpolitik eine Vorreiterrolle zukommt: Als Erste haben sie so etwas wie einen Staatshaushalt entworfen, den die Normannen im 11. Jahrhundert übernehmen werden, wie auch die christlichen Könige Spaniens). Sie machte 70% bis 80% der Einnahmen aus. Dazu kamen die diezmos oder almojarifazgos, die eine Art Einfuhrzoll an der Grenze waren und 10% bis 15% der Steuereinnahmen ausmachten, die tercias reales, wonach der Krone, wie erwähnt (s. Kap. I), zwei Neuntel des Kirchenzehnten zustanden (in Spanisch-Amerika und auf den Philippinen bestand Anspruch auf den gesamten Kirchenzehnten), sowie der servicio y montazgo, ein Viehzoll auf die auf die Sommerweide ziehenden Herden und auf den Gebrauch der Weiden und der Salinen. Ebenso griffen die Katholischen Könige auf das System der außerordentlichen Steuern zurück, die aber von den Cortes bewilligt werden mussten und nur von den Nicht-Adligen bezahlt wurden. Dazu kamen die Einkünfte aus der Kreuzzugsbulle und der Meisterwürde in den Ritterorden.
Die Katholischen Könige
Karl V. und das providentielle Gold aus der Neuen Welt Die Wahl des spanischen Königs Karl I. zum Kaiser Karl V. fand 1519 statt. Da der unterlegene Franz I. von Frankreich nicht bereit war, Karls Hegemonialstreben anzuerkennen, kommt es bekanntlich zwischen 1525 und 1544 zu vier Kriegen zwischen Frankreich und Spanien, die allesamt zugunsten Karls ausgehen. Dazu kommt die Bekämpfung der Protestanten- und Türkengefahr, die Italien- und Englandpolitik, das Problem Flandern. Der in Europa kämpfende Karl schreibt wiederholt an seine Gemahlin Isabella von Portugal, sie möge mit den Kronräten darüber beraten, wie man Geld beschaffen könne, denn der nächste Kriegszug stehe an. Mit dem Argument, man habe die Grenze der Belastung erreicht und die Einnahmen der kastilischen und aragonesischen Krone seien nicht dazu da, Kriege außerhalb Spaniens, die dessen Interessen nicht unmittelbar betreffen, zu fi-
Verschuldungspolitik
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XIII.
Ein Weltreich geht bankrott
Gold aus Peru
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nanzieren, ein Argument, das zum Kern des Aufstandes der Comuneros (1520–1522) gehörte und im spanischen Recht des Mittelalters begründet war, verweigerten die Cortes mehrmals die Unterstützung. Die Türken (sie standen 1529 vor Wien) und ihr Vasallenreich in Tunesien seien eher für das Reich, Italien und Venedig eine Gefahr als für Spanien, die Lutheraner seien eine germanische Angelegenheit usw. Es ist ein eigenartiges Schauspiel, wie der mächtigste Herrscher seiner Zeit nicht nur bei Bankiers aus Augsburg oder Genua immer wieder Schuldbriefe unterschreiben musste und sich und sein Reich, d.h. letztlich die kastilische Krone, tiefer und tiefer verschuldete, sondern auch die Hilfe vermögender Untertanen wie des Erzbischofs von Toledo dankbar annehmen musste. In dieser Situation schien die Rettung nur aus dem 1533 eroberten Peru mit dem sagenhaften Inkagold zu kommen. 1534 verweilten einige Gefolgsleute von Francisco Pizarro in Spanien. Mit einem Teil des Lösegeldes, das sie für den Inkaherrscher Atahualpa erhalten hatten, waren sie sozusagen auf Goodwill-Tour. Sie hatten das Inkareich zwar ohne königlichen Auftrag erobert und Atahualpa hinterlistig ermordet, aber mit dem Inkagold würde man das nachträglich schon richten können – so Pizarros Kalkül. Seine Emissäre waren in Salamanca, um ihre Eroberung nachträglich von den angesehenen Theologen als „gerechten Krieg“ anerkennen zu lassen. Am 8. November 1534 schrieb Francisco de Vitoria an seinen Mitbruder Miguel Arcos, er versuche, solchen Menschen aus dem Weg zu gehen; und eher solle ihm die Zunge am Gaumen kleben und die Hand verdorren, als dass er eine so unmenschliche und unchristliche Sache absegne. Karl V. selbst hatte nicht so viele Skrupel. Das Geld aus Peru kam ihm angesichts der erwähnten Finanznot sehr gelegen. Am 1. Februar 1536 schreibt er an die Kaiserin, er habe gehört, dass Gold aus Peru in Sevilla eingetroffen sei; sie möge veranlassen, alles in Silber- und Goldmünzen zu gießen und mit den nötigen Sicherheitsvorkehrungen nach Barcelona bringen zu lassen, damit es von dort aus mit den Galeeren nach Genua gebracht werde, wo er darauf warte. Wenig später, am 18. Februar, schreibt er, da er wisse, wie schwierig es sei, Geld aus den Königreichen Aragón und Valencia herauszuführen (hier hatte das Gedankengut der Germanías, deren Aufstand 1519–1523 parallel zu dem der Comuneros in Kastilien stattgefunden hatte, die radikalsten Wurzeln), möge man das Geld aus Peru lieber zum Hafen von Cartagena (der zur Krone Kastiliens gehörte) bringen, wo die Galeeren warten würden. Und in einem weiteren Brief vom 20. Februar schreibt er gar: „treiben Sie Geld überall auf, und wenn Gott uns mit Geld aus Peru besucht, auch wenn es von Privatpersonen sei, greifen wir zu. Senden Sie mir die Galeeren mit den Menschen und dem gesicherten Geld so bald wie möglich.“ Aus der Korrespondenz Karls der 30er-, aber auch der 40er- und 50er-Jahre könnte man eine Fülle von Zeugnissen dieser Art zusammenstellen. Die europäischen Gläubiger, bei denen er trotz seiner Macht in der Kreide steckte und die ihn dies immer wieder spüren ließen, mussten stets warten, bis „Gott“ ihn mit einer neuen Ladung Geld aus Peru oder Westindien „besuchte“. Und da Frankreichs König, der die von Papst Alexander VI. 1493 vorgenommene Teilung der neu entdeckten und zu entdeckenden Welt zwischen Kastilien und Portugal nie anerkannt hatte (s. Kap. V), auch mit Geld aus Peru von Gott besucht werden wollte, musste
XIII.
Ein Weltreich geht bankrott Karl in seinen Briefen, besonders ab 1550, immer wieder Anweisungen zum Bau von gut bestückten Galeonen geben, die die Goldschiffe vor französischen Überfällen schützen sollten. Auf Anraten des Bartolomé de Las Casas, für den Karl V. immer ein offenes Ohr hatte, verabschiedete dieser 1542 die „Neuen Gesetze“ für Westindien, die ein Verbot der Indianersklaverei und der Encomienda-Arbeit vorsahen. Als sie jedoch in Amerika umgesetzt werden sollten, wurden sie rundweg als wirklichkeitsfremd abgelehnt (s. Kap. V). In Peru kam es zu einer Empörung der Encomenderos, die 1546 den Vizekönig Blasco NÞñez de Vela in offener Schlacht besiegten und töteten. Karl musste also in der Folge fürchten, dass Gott ihn künftig nicht mehr mit Geld aus Peru besuchen würde. In der Tat kam in den Jahren des Aufstandes kaum etwas aus Westindien, was Karl V. sehr beunruhigte. Die Korrespondenz Karls mit seinem Sohn und Regenten Philipp in den 1540er-Jahren ist von dieser Sorge durchzogen. So lässt er den klugen Juristen Pedro de la Gasca nach Peru entsenden, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Dieser besiegt 1548 in der Tat die empörten Encomenderos, lässt den Anführer Gonzalo Pizarro enthaupten und sein Hab und Gut konfiszieren. Am 22. Juli 1550 schreibt Karl an Maximilian und Maria, seine Regenten in Spanien, er habe noch nicht gehört, dass die Armada, die das Geld aus Peru bringen soll, in See gestochen sei; die Sache sei aber so dringend, dass jede Verzögerung schädlich sei. Am 26. September kann Karl die Ankunft La Gascas mit einer neuen Geldladung aus Peru gemeldet werden. Am 20. Oktober schreibt Karl an die Regenten, La Gasca solle mit dem Geld aus Peru (über Genua) nach Augsburg kommen und dabei zu See und zu Lande die nötigen Sicherheitsvorkehrungen treffen. Karl hatte das erhoffte Geld für Schuldbriefe in Flandern und Augsburg bereits verpfändet. Karl V. dankte bekanntlich am 25. Oktober 1555 in Brüssel als Kaiser ab, und Anfang 1556 als König von Spanien. Er hielt dabei wohlklingende Rechtfertigungsreden, aber eines erwähnte er nicht: dass er seinem Sohn und Nachfolger als König von Spanien Schulden in Höhe von ca. 25 Millionen Golddukaten hinterließ, eine ungeheuerliche Summe, wenn man bedenkt, dass die jährlichen ordentlichen Einkünfte der kastilischen Krone nicht einmal drei Millionen Dukaten ausmachten.
Die „Neuen Gesetze“ 1542
Das Erbe Karls V.
Einkünfte der „kastilischen“ Krone 1554 (in Golddukaten) Ordentliche Einkünfte (vor allem Alcabalas und Tercias)
1.365.550
Von den Cortes bewilligte Sonderabgaben
400.000
Einkünfte aufgrund päpstlicher Privilegien: Kreuzzugsbulle Anteil am Zehnten Maestrazgos (Ritterorden)
324.155 147.000 360.000
Gold und Silber aus Westindien (Amerika; Fünftel der Krone)
360.000 (unter Karl V., 1517–1556, insgesamt ca. 3.628.500)
Total
2.875.818
109
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Ein Weltreich geht bankrott
Finanzsituation und Finanzpolitik unter Philipp II. Bankrott-Politik
Silber aus der Neuen Welt
Finanzpolitik Philipps II.
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So muss Philipp II. 1557 den Bankrott erklären. Es sollte nicht der letzte Bankrott seiner Herrschaft sein: Weitere folgten 1575 und 1596, ebenso wie 1607 unter Philipp III., 1627, 1647, 1652, 1662 unter Philipp IV. und 1666 unter Karl II., um nur beim Spanischen Jahrhundert zu bleiben. Die aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sollten die schlimmsten sein. Genau genommen handelte es sich dabei nicht um einen Bankrott im heutigen Sinne, sondern um eine Aufschiebung der Schuldenzahlung: Die Schuldenlast wurde anerkannt, aber die Bezahlung auf einen späteren Zeitpunkt unilateral aufgeschoben, bis „Gott die Krone mit Geld aus Peru besuchte“, um es bildhaft zu sagen. Dabei gab die Krone den Schuldnern allerlei Garantien durch Papiere, u.a. die juros, d.h. eine Art Staatsanleihe, zu deren jährlicher Zahlung sich die Krone verpflichtete und die den Schuldnern, wenn sie warteten, noch mehr Zinsen einbrachte und diese so auch motivierte, weitere Kredite zu vergeben usw. Es handelte sich also um eine Konvertierung der flottierenden Schuld in eine konsolidierte (1565 waren 65% der jährlichen ordentlichen Einkünfte in juros verpfändet). Da die spanische Krone, nicht zuletzt aufgrund der Geldladungen, die aus Amerika mit einer gewissen Regelmäßigkeit eintrafen, als kreditwürdig galt, war die Geldbeschaffung immer möglich, aber nur, indem man sich immer mehr und mehr verschuldete und die Einkünfte auf Jahre hinaus so gut wie verpfändet waren: Man lebte auf Pump, d.h. Adel und Krone, nicht das Volk, das immer mehr Steuern und Abgaben entrichten und sehen musste, wie das Geld an Wert verlor. Während in den 1520er-Jahren Karl V. für die Kredite 17% Zinsen in Kauf nehmen musste, sind es am Ende seiner Herrschaft 49%, um also 9.000 Dukaten zu bekommen, muss er später 14.000 zurückzahlen, wie Ramón Carande im klassischen Werk Carlos V y sus banqueros gezeigt hat. Philipp II. kam zugute, dass ab 1562 die Silberminen von Potosí in den Anden und Zacatecas in Mexiko wegen der Verbesserung der auf Quecksilber basierenden Amalgam-Methode große Schiffsladungen an Edelmetall nach Spanien liefern konnten. Auch wenn vieles davon auf dem Meeresboden oder in den Freibeuterschiffen Englands, Frankreichs oder der calvinistischen niederländischen Provinzen landete, erreichten Philipps Einkünfte aus Westindien Summen, von denen Karl V. nur hätte träumen können. Und Philipp II., der als Kronprinz und Regent 1544 seinem Vater geschrieben hatte, man dürfe das Geld der Privatpersonen, das aus Westindien nach Sevilla kam, nicht beschlagnahmen, denn dieser notorische Machtmissbrauch werde zu einem allgemeinen Vertrauensverlust sowie zum Ruin vieler Händler und Untertanen führen, wird später keine Skrupel haben, sich bei Bedarf zu bedienen. Aus der Sicht der Krone handelte es sich dabei nicht um „Raub“, sondern um préstamos forzosos, Zwangsanleihen, denn die Krone unterschrieb den Privatpersonen juros, also Schuldbriefe. Die Finanzpolitik Philipps II. bestand, kurz gesagt, nicht in Strukturmaßnahmen zur dauerhaften Reform der Schwächen der spanischen Wirtschaft, sondern in fiskalpolitischen Maßnahmen zur kurzfristigen Erhöhung der Ein-
XIII.
Ein Weltreich geht bankrott künfte der Krone – und in der Hoffnung auf den regelmäßigen „Besuch Gottes“ mit Gold und Silber aus Westindien. Die ordentlichen Einkünfte kamen aus den oben erwähnten alcabalas und tercias. Philipp II. wird die alcabalas erhöhen, neue Zollstellen im Inland einführen, die Ausfuhrsteuer etwa für die Merino-Wolle generell erhöhen (was man ihm vor allem in Flandern übel nehmen wird, da die Flamen unter ihrem natürlichen Herrn Karl V. günstige Sonderkonditionen hatten, freilich zulasten der kastilischen Wirtschaft!). Allein die Ausfuhrsteuer für die Merino-Wolle brachte Philipp II. ca. 92.000 Dukaten jährlich ein, d.h. etwa so viel wie die Ausgaben für die Kronräte und die Gerichtsbeamten. Ebenso gelang es Philipp II., die Einkünfte aus päpstlichen Privilegien zu erhöhen (neue Kreuzzugsbullen für den Kampf gegen die Türken). Von den Pfründen des hohen Klerus profitierte er auch, nicht zuletzt, indem er diese während der Zeit, in der ein Bischofsstuhl vakant war, einkassierte (in Westindien betraf dies den gesamten Zehnten, weshalb es dort längere Vakanzen gab). Die meiste Last trug die einfache kastilische Bevölkerung, da die Cortes Kastiliens immer wieder Sonderangaben bewilligen mussten (während dies in Aragón nicht so einfach war, denn hier musste der König vor der Beantragung neuer Abgaben eine strenge Rechenschaft über die Verwendung der alten Einkünfte leisten sowie die Klagen des Volkes hören). Besonders schmerzlich war die Sonderabgabe, die die Cortes nach dem Untergang der Armada 1588 beschließen mussten und die in acht Millionen Golddukaten bestand, die in sechs Jahren zu bezahlen waren. Umstritten war auch eine Maßnahme, die Philipp II. in seinem Testament bereuen sollte: der Verkauf oder die Veräußerung von Kirchengütern, vor allem aus dem Besitz der Ritterorden und der Bistümer. Alles in allem konnte Philipp II. somit die jährlichen Einkünfte der Krone auf etwa zehn Millionen Golddukaten steigern, während sie bei seinem Herrschaftsantritt nicht einmal drei Millionen ausgemacht hatten.
Eine Theologie des Goldes Las Casas meinte, dass die wirtschaftlichen Ressourcen der Neuen Welt vorrangig dort reinvestiert werden sollten und indianisches Geld nur aufgrund von freiwilliger Schenkung oder gerechtem Handel in die Hände der Spanier gelangen dürfte. Darum hielt er in seinem Testament von 1564–1566 fest: „Alles Gold und Silber, alle Perlen und Reichtümer, die nach Spanien gelangt oder in Westindien unter den Spaniern im Umlauf sind, wenn auch deren wenig sein mag, sind geraubtes Gut […]. Wenn sie nicht zurückerstatten, was sie geraubt haben und noch heute durch Conquistas und Encomiendas rauben, werden sie nicht gerettet werden können, auch nicht diejenigen, die davon profitieren“ – womit nicht zuletzt der König gemeint war! Philipp II. ließ den alten Las Casas immer gewähren, ohne sich allerdings von ihm beeindrucken zu lassen. Nach seinem Tod ließ Philipp aber seine Thesen systematisch entkräften. Eine „Theologie des Goldes“ wurde nun entwickelt. Die Abrechnung mit Las Casas ist vor allem in der anonymen
Las Casas’ Meinung
Gegen Las Casas
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Ein Weltreich geht bankrott Denkschrift von Yucay, datiert auf den 16. März 1571 in der alten Sommerresidenz der Inka, enthalten. Sie wurde im Auftrag des Vizekönigs Francisco de Toledo erstellt. Las Casas wird hier beschrieben als ein guter Ordensmann, der ein wenig Recht studiert hatte, von der Leidenschaft verblendet war und letztlich nicht wusste, was er sagte. Die Denkschrift endet mit einem Anhang, in dem die Ausbeutung der Minen Perus, um die Kriege des Königs von Spanien in Europa zum Wohle des Glaubens zu finanzieren, legitimiert, ja heilsgeschichtlich gedeutet wird als Aussteuer oder Köder der hässlichen Tochter Peru, damit die schöne Tochter Spanien sich angelockt fühlen konnte, den christlichen Glauben und die abendländische Zivilisation in Peru einzuführen und zu beschützen: Die Minen Perus sind moralisch gesprochen so notwendig, „dass es dort ohne solche Schätze weder König noch Gott gäbe“, will heißen, ohne Aussicht auf Geld hätte es weder Eroberung noch Evangelisierung gegeben. Der Jesuit José de Acosta wird Ende des 16. Jahrhunderts daraus eine „Felix-culpa-Theologie“ machen: „So wurde die Habsucht der Christen zur Berufung der Indianer.“ Gold und Silber aus der Neuen Welt unter Philipp II. (in Golddukaten) Jahrfünft
E
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Krone
Privatpersonen
Total
1556–1560
1,5 Mio.
6,5 Mio.
8,0 Mio.
1561–1565
1,8 Mio.
9,4 Mio.
11,2 Mio.
1566–1570
3,8 Mio.
10,3 Mio.
14,1 Mio.
1571–1575
3,3 Mio.
8,6 Mio.
11,9 Mio.
1576–1580
6,6 Mio.
10,6 Mio.
17,2 Mio.
1581–1585
7,5 Mio.
21,8 Mio.
29,3 Mio.
1586–1590
8,0 Mio.
15,7 Mio.
23,7 Mio.
1591–1595
10,0 Mio.
25,1 Mio.
35,1 Mio.
1596–1600
10,9 Mio.
23,5 Mio.
34,4 Mio.
Total
53,4 Mio.
131,5 Mio.
184,9 Mio.
Die Preisrevolution Eine der bekanntesten Folgen der Finanzkrisen im imperialen Spanien und der Überschwemmung des europäischen Marktes mit Gold und Silber aus Amerika ist die sogenannte Preisrevolution. Sie ist unterdessen – z.B. durch E. Hamilton, F. Braudel und F. Spooner – sehr gut studiert. Sie bestand im steten Zuwachs der Preise im 16. Jahrhundert, wobei sie in der ersten Hälfte schneller als in der zweiten stiegen. Wer über gute Einkünfte verfügte, konnte sich somit mehr und bessere Güter leisten. Da das Angebot aber nicht im selben Tempo wie die Nachfrage wachsen konnte, stiegen die Preise der knapp gewordenen Güter. Nun, wo mehr Geld vorhanden war, war dieses zugleich weniger wert, und die Preise stiegen hier besonders schnell. Aus diesem Grund waren Zentralspanien und Andalusien, die Ankunftsregionen des Goldes und Silbers aus Amerika, besonders teuer.
XIII.
Ein Weltreich geht bankrott
Einige Reaktionen auf die Finanzkrisen (1) Die Denkschrift des Burgalesen Buchhalters Luis de Ortiz (1558) an Philipp II. ist besonders interessant. Denn sie enthält so etwas wie die „Strukturmaßnahmen“, die zur Bewältigung der Krise nötig gewesen wären. Er will vor allem erreichen, dass die spanische Wirtschaft konkurrenzfähig wird. Ortiz fiel auf, dass der Tuchhandel zulasten Spaniens ging: Denn die kastilischen Händler verkauften die Merino-Wolle den meistbietenden Käufern, die zumeist aus dem Ausland kamen, und mussten dann für die importierten Produkte aus Flandern oder Italien das Zehnfache bezahlen. Dies führte zu einer unausgeglichenen Zahlungsbilanz, da ein Großteil des Goldes aus Amerika so außer Landes ging. In seiner Denkschrift geht es nun darum, die Zahlungsbilanz und den Außenhandel mit einer angemessenen Zollpolitik zu verbessern, die heimische Wirtschaft zu fördern, soziale Reformen zustande zu bringen und die spanische Wirtschaft auf den Mittelmeerraum hin zu orientieren, statt auf Flandern und Norditalien. Seine Aufmerksamkeit gilt vor allem dem Umgang mit den spanischen Rohstoffen MerinoWolle aus Kastilien, Seide aus Andalusien und Eisenerz aus dem Baskenland: Man solle dafür sorgen, dass diese Produkte nur verarbeitet aus dem Land ausgeführt und keine Produkte aus diesen Rohstoffen ins Land eingeführt werden. Dies würde z.B. dazu führen, dass sich viele Tuchfabrikanten aus Flandern und Italien in Spanien ansiedeln, heimische Frauen heiraten und Wurzeln schlagen werden. Die spanischen Kinder und Jugendlichen, auch die der Granden, sollten alle einen Beruf erlernen. Wer mit 18 Jahren keinen Beruf hätte, der sollte wie fremde Personen behandelt und mit schweren Strafen versehen werden. Die Handwerker, Bauern, Hirten und alle, die von der Arbeit ihrer Händen lebten, sollten spürbare Steuerentlastungen, ja Steuerbefreiung erfahren. Aus Flandern sollten moderne Webstühle eingeführt werden, um in Spanien besser produzieren zu können. Bücher- und Kerzenimporte sollten reduziert werden (für den Import von Büchern wurden mehr als 200.000 Dukaten jährlich ausgegeben, für Kerzen über 500.000 Dukaten). Ebenso sollten in Spanien überall Windmühlen gebaut werden. Ortiz vergisst auch nicht, die Wiederaufforstung sowie die Schiffbarmachung der Flüsse zu empfehlen. Vieles in dieser Denkschrift mag utopisch und protektionistisch klingen, aber im Kern ist sie eine deutliche Kritik an den strukturellen Schwächen der spanischen Finanz- und Wirtschaftspolitik unter Karl V.: Was haben die Spanier letztlich vom Geld aus Amerika, wenn es gleich nach der Landung Spanien verlässt, sei es, um die Bankiers des Königs zu bezahlen oder um die Produkte zu kaufen, die aus dem Ausland importiert werden müssen und manchmal sogar mit aus Spanien ausgeführten Rohstoffen hergestellt werden? Dies will für Ortiz auch heißen: weg von der imperialen Politik in Europa – hin zu einer Politik der Konzentration auf das Mittelmeer und Amerika. (2) Der Traktat „Suma de tratos y contratos de mercaderes“ (1569, 1571) des Tomás de Mercado OP. Dieser Autor wird im Zusammenhang mit der Preisrevolution als Erster die „Geldmengentheorie“ und die „Logik des
Strukturmaßnahmen
Geldmengentheorie
113
XIII.
Ein Weltreich geht bankrott
Zustimmung des Volkes
Änderung des Münzwertes
114
Geldtausches“ entdecken. Dazu gehört u.a., dass der Geldtausch aus der Unterscheidung zwischen dem legalen, dem natürlichem und dem geschätzten Wert des Geldes je nach Zeit und Raum lebt, wobei beim Geldwechseln der geschätzte Wert den Ausschlag gibt. So können 100 Dukaten in Sevilla und 95 in Antwerpen in der Wertschätzung ungleich sein und diese Ungleichheit muss dann auch zu einer ungleichen Quantität beim Wechseln führen, d.h. es wäre falsch, für 100 Dukaten aus Sevilla in Antwerpen auch 100 bekommen zu wollen. Für Mercado sollte der Preis einer Ware nicht allein von Angebot und Nachfrage abhängen. Scharf kritisiert er die Preissteigerung bei knappem Angebot. Gleichwohl erkennt er an, dass der Preis von vier Faktoren beeinflusst wird: den Kosten der Ware, den Kosten des Transports, den Investitionsrisiken und der Schätzung des Warenwertes nach Knappheit oder Überangebot. Die legitime Autorität sollte marktregulierend wirken, um in Zeiten von Knappheit eine Warenakkumulation zu verhindern, die zu Preissteigerungen führen würde. (3) Der Traktat „De mutatione monetae“ (1609) des Juan de Mariana. Die frühabsolutistische Regierungsform Philipps II. und dessen Finanzpolitik riefen scharfe Kritik seitens einiger Theologen hervor. In einer seiner letzten Schriften mit dem Titel De imperatoria vel regia potestate (1571 posthum in Frankfurt erschienen) betonte Las Casas, dass der König nicht befugt sei, freie Untertanen aus seiner Krone auszugliedern (alienare) und unter die Jurisdiktion eines anderen Herren zu stellen, was das Wesen der indianischen Encomienda war; dass der König öffentliche Ämter nicht verkaufen dürfe; dass die Könige und Fürsten nicht Herren ihrer Königreiche seien, sondern nur Regenten, Vorsteher und Verwalter des Gemeinwesens sowie „erste Diener des Gesetzes“. Las Casas hob auch hervor, dass der König nicht ohne die Zustimmung des Volkes erlauben könne, den Wert des Geldes zu vermindern, denn dies sei nachteilig für das Volk. Aber nicht nur Las Casas, der alte, unerschrockene Prophet, erhob seine Stimme. Das tat z.B. auch der Jesuit Juan de Mariana. Mit seinem Traktat De mutatione monetae (1609) reagierte er auf die Finanzkrisen von 1596 und 1607. Mariana ist eine schillernde Gestalt. 1598, im Todesjahr Philipps II., erschien sein Werk De rege et regis institutione, ein Fürstenspiegel, den er im Auftrag von Philipp II. für die Erziehung seines Sohnes Philipp III. verfasst hatte. Da er darin die Ermordung Heinrichs III. von Frankreich (1474–1589) durch einen Dominikanerpater als „Tyrannenmord“ rechtfertigte, wurde das Buch auf den Index der Römischen Inquisition gesetzt und am 4. Juli 1610 in Paris öffentlich verbrannt, zumal im Mai dieses Jahres auch Heinrich IV. (1589–1610) ermordet worden war. Derselbe Mariana, der die Ansprüche der spanischen Monarchia Hispanica legitimierte, konnte auch deren Finanzpolitik scharfsinnig kritisieren. Wegen des bereits genannten Traktates über die Änderung des Münzwertes hatte er auch mit der Inquisition zu tun, diesmal mit der Spanischen. Er wurde 1609 unter Klosterarrest gestellt, blieb aber standhaft und kam schließlich nach vier Monaten wieder frei mit dem einzigen Zugeständnis, das Werk nicht wieder zu drucken. Im erwähnten Traktat über die Veränderung des Geldwertes erweist er sich wie Las Casas als Kritiker des Absolutismus und Verteidiger der Kaufkraft der Schwächeren: (1) Der gute König verfügt nicht nach Belieben über die Güter seiner Untertanen,
XIII.
Ein Weltreich geht bankrott sondern zügelt seine Habgier im Rahmen der Vernunft und der Gerechtigkeit, während nur der Tyrann sich rücksichtslos durchsetzt und alles als sein Eigentum betrachtet. (2) Der König kann seine Untertanen nicht mit neuen Abgaben belasten, ohne diese um ihre Zustimmung zu bitten. (3) Der König kann zwar die Form der Münzen ändern, nicht jedoch deren Gold- oder Silberanteil, also deren Wert, ohne die Zustimmung des Volkes: Denn das bedeutet, „das Volk um seine Güter zu bringen“. Und da der König nicht Herr, sondern nur Verwalter der Güter der Privatpersonen ist, kann er sich nicht der Güter des Volkes bemächtigen, was er immer dann tut, wenn er den realen Wert der Währung verringere, „auch wenn dies mit der Erhöhung des nominellen Wertes kaschiert wird“. Mariana erklärt den Zusammenhang von natürlichem und legalem Wert einer Münze anhand der Veränderung der einfachen Kupfermünzen unter Philipp II. und Philipp III. Im idealen Fall sollten diese Werte übereinstimmen, was zur Zeit der Katholischen Könige noch der Fall war. Die Änderung des Wertes einer Kupfermark nach Juan de Mariana 1497 (1 Kupfermark mit 7 Kernen – bzw. 4,5 gr – Silber)
1560 (1 Kupfermark mit 4 Kernen – bzw. 2,5 gr – Silber)
1608 (1 Kupfermark ohne Silberanteil)
96 Maravedíes (davon entsprechen 51 Maravedíes dem Silberanteil, 5 dem Kupferanteil und 41 dem Prägungsrecht der Krone = legaler und natürlicher Wert sind ziemlich gleich, da der Anteil für das Prägungsrecht selbstverständlich war)
110 Maravedíes (davon entsprechen 60 Maravedíes dem Prägungsrecht der Krone = legaler und natürlicher Wert weichen voneinander ab, aber noch nicht viel, das sei noch tolerabel)
280 Maravedíes (minus 80 Maravedíes als Wert des Kupfers und des Prägungsrechtes = Mehrwert von 200 Maravedíes pro Kupfermark, d.h. fünf Siebtel = legaler und natürlicher Wert weichen stark voneinander ab, das sei Betrug und unmoralisch)
Vor allem die Entwicklung von 1608 hält Mariana für Betrug. Die Krone mag mit dieser Geldentwertung schnell viele Tausend Dukaten gewonnen, dafür aber das Auseinanderdriften von natürlichem und legalem Wert in Kauf genommen haben, was auf Dauer nicht von Bestand sein werde, weil der Markt dies notwendigerweise werde korrigieren müssen. Ohne den Begriff „Inflation“ zu verwenden, hat Mariana den Kern der Sache erfasst. Er fürchtet, dass bei dieser Politik die Silbermark bald 4.000 von diesen minderwertigen Maravedíes kosten werde, die dann den Markt wie eine wachsende Flut überschwemmen und den Handel zum Stillstand bringen werden. Und die Probleme, die er anhand der Änderung der Kupfermünze aufgezeigt hat, wären noch größer, wenn man dazu überginge, auch bei den Silber- oder Goldmünzen den legalen Wert unabhängig vom natürlichen festzulegen. Demgegenüber schlägt Mariana andere Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzkrise vor: Zunächst die Ausgaben des königlichen Hauses (also des öffentlichen Haushaltes im heutigen Sinn) erheblich zu senken, denn man gebe das Geld mit vollen Händen aus, ohne darüber Buch zu führen. Zweitens die Gnadenerweise des Königs, d.h. Pensionen, Pfründe usw.
Inflation
Marianas Maßnahmen
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XIII.
Ein Weltreich geht bankrott sparsamer zu gewähren. Drittens, die unnötigen Kriege vermeiden und die krebsartigen und unheilbaren Teile des Reiches abtrennen (für Mariana war Philipp II. gut beraten, als er Flandern teilte, man sollte nun eine noch radikalere Teilung der katholischen und protestantischen Gebiete vornehmen). Viertens sollte der König alle öffentlichen Ämter, vor allem die Gerichtshöfe, visitieren lassen, da viel Korruption und Ämterkauf betrieben werde. Schließlich sollte man die Luxusgüter wie Kleider aus Seide und Brokat, Wandteppiche, Gewürze, Zucker und all das, was nach Spanien importiert werden müsse und wovon vor allem die Reichen Gebrauch machten, mit einer Sondersteuer belegen: So würden diese Güter entweder nicht nach Spanien gelangen oder zumindest nur so, dass die ausländischen Händler, die sie betreiben, einen erheblichen Teil ihres Gewinns im Lande lassen müssten. Am Ende seines Traktats beschwört der Historiker Mariana die gute alte Zeit der Katholischen Könige um 1500. Diese hätten nicht einmal die Hälfte der Einkünfte Philipps II. gehabt, aber damit dennoch erfolgreich die größten Taten, die Spanien jemals vollbrachte (nationale Einheit, Italienexpedition, Entdeckung des Weges nach Amerika, Sicherung der nordafrikanischen Küste), unternommen und lediglich eine halbe Million Dukaten Schulden hinterlassen. Mit dem Weg, den man später eingeschlagen habe, sei die Dekadenz vorprogrammiert, wenn Gott nicht bald Abhilfe schaffe.
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XIV. Eine globale Kultur oder ein Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ Wir sagten in der Einleitung, dass im „Spanischen Jahrhundert“ die hispanische Kultur ihr Siglo de Oro als global wirkende Kultur erlebt. Der Globus, den Philipp II. in Giordanos Deckenfresko von El Escorial der Dreifaltigkeit darbietet, meint ein Weltreich, das den katholischen Glauben und die hispanisch-europäische Kultur global verbreitete. Prägend für das Spanien dieser Zeit ist die Fähigkeit zur kulturellen Synthese, zur kreativen Verschmelzung verschiedener Einflüsse, wie dies im Mittelalter bereits der Fall war. Das Zusammenleben von Juden, Muslimen und Christen hatte z.B. die typische spanische Kunstrichtung des „Mudéjar“ hervorgerufen, d.h. dass für die Christen arbeitende Mauren Bauwerke mit islamischen Stilelementen schufen. Dieser Verschmelzungstrend wird sich im Siglo de Oro fortsetzen, etwa mit der Integration von indianischen Elementen in der Neuen Welt, die dem dortigen Barock ein eigenes Gepräge geben. Die Integrationsfähigkeit Spaniens zeigte sich auch in der Aufnahme von Künstlern, die aus Europa kamen und auf der Iberischen Halbinsel sesshaft wurden. Auch dies geschah bereits im Mittelalter, als der Jakobsweg wie ein Magnet wirkte und zum Eingangstor der Romanik oder der Gotik ins aufstrebende Kastilien wurde. Im „Spanischen Jahrhundert“ verstärkte sich dieser Trend aufgrund des Geldzuflusses aus der Neuen Welt wie des Geschmacks an Kunstwerken aller Art, die heute in Kirchen, Palästen und Museen zu besichtigen sind und sich als die wichtigste bleibende Investition des Siglo de Oro zeigen: Viele Künstler (Baumeister, Maler, Bildhauer, Eisen-, Gold- und Silberschmiede usw.), die aus Flandern, Frankreich, Burgund, Deutschland und Italien kamen, fanden in Spanien ihr Eldorado, heirateten, schlugen Wurzeln und gründeten nicht selten eine Künstlerdynastie (wie die Arfe, Biguarny, Carducho, Colonia, Egas, Juni, Leoni und Siloé u.a.). Einige spanische Künstler (so z.B. Pedro Berruguete, Pedro Machuca oder Diego Velázquez) machten ihrerseits eine Italienreise, die sie nachhaltig beeinflusste. Dichter, die oft Soldaten oder Diplomaten waren und den Waffendienst mit der Literatur verbanden, lernten fremde Länder kennen und ließen sich von den dortigen literarischen Trends beeinflussen, vor allem vom italienischen Versmaß der Renaissance. Auch nach den Abschottungstendenzen infolge der geistigen Wende der 1550er-Jahre (s. Kap. IV) blieb Spanien in Literatur und Kunst ein kreativer Schmelztiegel von Modellen, Formen, Bildern und Einflüssen, ja, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erlebte dieser Prozess seinen Höhepunkt – unter dem wachsamen Auge der Inquisition und der von Trient bestimmten Rahmenbedingungen für eine katholische Kultur. Im Schatten dieser Verschmelzung entstehen in Literatur und Kunst auch eigene, spanische Formen, die bisweilen stilprägend sein werden.
Kulturelle Synthese
Kreativer Schmelztiegel
117
XIV.
Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“
Architektur Im Siglo de Oro gedeiht der Mudéjarstil mit seinen Kassetendecken (artesonado) und seinen Arabesken in Kirchen, Klöstern und Palästen weiter. Die Gotik bekommt ein spanisches Gesicht, sei es als „isabelinische Gotik“ unter den Katholischen Königen (z.B. San Juan de los Reyes in Toledo), als graziöse, lichtfrohe Spätgotik (Kathedrale von Segovia) oder als Spätgotik mit plateresken Elementen (Kathedrale von Salamanca). Die italienische Renaissance prägt den Palast von Karl V. in Granada, sie wird in Kathedralen (Granada, Jaén), Klöstern (z.B. Salamanca, Valladolid) und Palästen (z.B. in Úbeda und Baeza) aber immer spanischer und mit dem Plateresk (so genannt, weil die filigrane Dekoration an die Arbeit der Silberschmiede erinnert) vermischt. Nach dem Bau von El Escorial setzt sich immer mehr der von Juan de Herrera geprägte Baustil (Herreriano) mit Steinquadern, klaren, strengen Formen und weitgehendem Verzicht auf Ornamentik durch, jedoch nicht von Dauer, weil er zu streng wirkte und aufgrund der massiven Materialien sehr kostspielig war. Der Barock, der von den Jesuiten und anderen geistlichen Orden gefördert wurde und sich im gesamten Weltreich rasch ausbreitete, transformiert die architektonischen Impulse aus El Escorial in eine Üppigkeit von Bildern und Formen und gestaltet die Kirchen innen und außen (Fassadenaltäre) nach dem Bilderprogramm der tridentinischen Reform – in Amerika auch unter Integration von indianischen Elementen, da die meisten Künstler ab 1600 Einheimische waren, und mit den erforderlichen katechetischen Anpassungen (z.B. große Plätze in den neu gebauten Städten, um die sakralen Handlungen in den öffentlichen Raum hinauszutragen). Die heutige Denkmallandschaft vieler spanischer und hispano-amerikanischer Städte entstand zumeist im Siglo de Oro.
E
Wichtige Architekten Enrique de Egas (ca. 1455–1534); Juan Gil de Hontañón (ca. 1480–1526); Alonso de Covarrubias (1488–1570); Pedro Machuca (ca. 1490–1550); Diego de Siloé (ca. 1495–1563); Rodrido Gil de Hontañón (1500–1577); Andrés Vandelvira (1509–1575); Juan Bautista de Toledo (ca. 1515–1567); Juan de Herrera (1530–1597); Juan Gómez de Mora (1586–1648); Alonso Cano (1601–1667).
Musik Einen bemerkenswerten Aufschwung erlebte auch die Musik, sowohl die höfische (seit Karl V. mit flämisch-französischen Einflüssen) wie die religiöse. Die meisten Werke wurden für Vihuela (spanisches Saiteninstrument, ähnlich der Laute), Harfe und Orgel geschrieben – oder zum polyphonen Gesang a capella. Das Werk El Maestro (1536) des Valenzianers Luis de Millán ist das erste in Spanien gedruckte Buch zum Erlernen der Vihuela. Eine Fülle von Komponisten stellte den polyphonen Figuralgesang der Re-
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XIV.
Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ naissance im Dienste der römischen Liturgie. Darunter ragen die Andalusier Cristóbal de Morales, Francisco Guerrero und Alonso Lobo sowie die Kastilier Antonio de Cabezón und Tomás Luis de Victoria hervor. Mit Letzterem erreichte dieser Trend seinen Höhepunkt. Er machte seine Ausbildung in Rom und wurde von Palestrina geprägt, den er als Leiter der Kapelle des Collegium Germanicum beerbte. Daher gilt er als Vertreter der „Römischen Schule“. Seine tiefreligiöse Musik atmet wie keine andere den Geist der tridentinischen Reform. Sie ist voller Expressivität, war im katholischen Europa weit verbreitet und beeinflusste u.a. die Musik und den polyphonen Gesang in den Reduktionen der Jesuiten. Wichtige Musiker Cristóbal de Morales (ca. 1500–1553); Luis de Millán (ca. 1500–ca. 1561); Antonio de Cabezón (1510–1566); Francisco Guerrero (1528–1599); Tomás Luis de Victoria (ca. 1548–1611); Alonso Lobo (1555–1617).
E
Malerei Die spanische Malerei wäre ohne die Einflüsse aus Flandern (den frühen Flamen) und Italien (Manierismus, Barock), die als Entstehungslabors der neuen Malerei galten, kaum denkbar gewesen. Gleichwohl haben wir es bei den meisten spanischen Künstlern nicht einfach mit „Schülern“ zu tun, sondern mit eigenständigen, kreativen Köpfen. Jonathan Brown unterscheidet drei Stilphasen in der spanischen Malerei des Siglo de Oro zwischen Pedro Berruguete und Claudio Coello: Die erste, die zugleich die komplexeste und am Schwierigsten zu charakterisierende ist, reicht bis 1555 und ist von Renaissance und Manierismus beeinflusst. Mit dem Herrschaftsantritt Philipps II. 1556 beginnt eine zweite Phase. Sie ist durch die Ankunft vieler Künstler aus Flandern und Italien geprägt, die eine neue Generation von spanischen Malern heranbilden. (Damals kam auch El Greco nach Spanien, aber er wirkte nicht stilbildend, weil seine Bildkomposition und die schlecht proportionierten Figuren eher dem byzantinischen als dem spanischen Geschmack entsprachen. Aus diesem Grund lehnten Philipp II. und die Hieronymitenmönche von El Escorial seine Mitarbeit ab. Mit der Zeit fanden seine mystisch wirkenden Porträts und Altarbilder in Toledo Gefallen.) Der von Philipp II. gegebene Impuls erreichte den Höhepunkt unter seinem Sohn Philipp III. Dieser und der Herzog von Lerma, sein Favorit, luden Künstler aus der Toscana ein, die den spanischen Naturalismus prägten. Die dritte Phase setzt nach Brown um 1630 mit Philipp IV. an, als dieser begann, Bilder von Peter Paul Rubens zu sammeln, aus der spanischen Krone den wichtigsten Mäzen des Reiches machte und das Korps der Königsmaler (pintores del rey) ins Leben rief. Es ist auch die Zeit (zum Teil schon unter Philipp III. beginnend), in der Maler wie Vicente Carducho (Carducci) und Francisco Pacheco Traktate über die Malkunst verfassen und über die Gründung von Akademien nachdenken oder zwischen Malern und Bildhauern Kompetenzkontroversen ausgetragen werden.
Drei Stilphasen
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XIV.
Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“
E
Auftragskunst
Sammlungen
Kunstproduktion
Zünfte und Bruderschaften
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Auftragskunst, Mäzenatentum, Sammlungen, Künstlerleben Bei der Malerei und Bildhauerei des Siglo de Oro handelt es sich im Wesentlichen um „Auftragskunst“ für die Krone, den Adel oder den Klerus. Aus den erhaltenen Verträgen geht hervor, dass die Auftraggeber ihre Wünsche sehr genau festhielten. Diese betrafen nicht nur die Lieferzeit oder die Verpflichtung, dass der Meister gewisse Teile selbst anfertigen sollte (z.B. die Köpfe und Hände der Figuren bei der religiösen Bildhauerei). Die Auflagen betrafen oft auch die Bildkomposition und die Wahl der ikonographischen oder narrativen Quellen, was – vor allem in der religiösen Malerei und Bildhauerei – die künstlerische Freiheit beschränkte (am strengsten waren hier die Jesuiten). Aus diesem Grund spricht man von der geringen Vielfalt in der spanischen Kunst dieser Zeit. Verglichen mit der italienischen oder flämischen und niederländischen Malerei ist die spanische arm an Landschaften, Innenräumen, Stadtansichten, Tiermotiven und mythologischen Themen. Bereits Isabella die Katholische besaß eine bedeutende Sammlung von Werken flämischer, italienischer und kastilischer Maler, die heute in der Königskapelle von Granada bewundert werden kann. Karl V. und Philipp II. hatten eine besondere Vorliebe für Maler wie Tizian, Veronese, Tintoretto und Hieronymus Bosch. Um 1600 betrug die Königssammlung etwa 750 Bilder, 250 davon in El Escorial. Jonathan Brown und John H. Elliott gehen davon aus, dass Philipp IV. diese Sammlung um mindestens 2.000 und vielleicht sogar um etwa 2.500 Bilder bereicherte (die meisten von außerordentlicher Qualität) – von den Gobelins, Goldund Silberwerken ganz zu schweigen. Klerus und Adel machten es dem König als Mäzen und Sammler von Kunstwerken nach – und auch die Laienbruderschaften beteiligten sich daran. Bartolomé Bennassar hat in einer Studie über Valladolid nachgewiesen, dass Bürgertum und Adel stärker als bisher angenommen Kunst sammelten. Man kann die Kunstproduktion „die erste Industrie Spaniens“ nennen. In jeder bedeutenden spanischen Stadt (vor allem in Valladolid und Sevilla) waren Künstler aller Art in großer Zahl tätig. Aus der Volkserhebung von 1561 geht hervor, dass in Valladolid, Salamanca, Segovia, Burgos und Medina del Campo nicht weniger als 450 Künstler arbeiteten (darunter 174 Gold- und Silberschmiede, 86 Bildhauer, 23 Vergolder, 44 Maler, 111 Gitterschmiede). Bei dieser beeindruckenden Kunstproduktion waren die Ausgaben insgesamt eher bescheiden, wenn man sie im Verhältnis zu den Gesamteinnahmen von Staat und Kirche setzt. Die Ausgaben für El Escorial zwischen 1562–1598 werden auf insgesamt 6.200.000 Dukaten geschätzt, was jährlich nur 1,67% der Staatseinnahmen entsprach. Für den Palacio del Buen Retiro spricht man zwischen 1631–1640 von 250.000 Dukaten jährlich, also 2.500.000 insgesamt, während der Flandernkrieg in dieser Zeit 3.000.000 jährlich verschlang. Trotz der herrschenden Rivalität und Konkurrenz verstanden es die Künstler, sich in Zünften und Bruderschaften zur Verteidigung der gemeinsamen Interessen wie etwa zur Regelung der Verträge, der Ausbildung und der Meisterprüfung zu organisieren. Die Lehrlinge waren oft einfacher Herkunft und machten ihre Ausbildung bei etablierten Meistern. Sie kamen mit etwa 13 oder 14 Jahren zu ihnen und in den Verträgen wurde festgehalten, dass sie nicht zu Hausarbeiten herangezogen werden durften, sondern nur zu Tätigkeiten im Zusammenhang mit ihrer Ausbildung. Die Meisterprüfung, die sie bei einer von der entsprechenden Zunft eingesetzten Kommission absolvieren mussten, verlieh ihnen das Niederlassungsund Ausbildungsrecht im gesamten spanischen Weltreich. Nicht selten entstanden auf diesem Weg auch familiäre Beziehungen und Verflechtungen (Diego Velázquez heiratete z.B eine Tochter seines Meisters Francisco Pacheco).
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Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“
Höfische Malerei In der Auftragsmalerei lassen sich zwei Grundgattungen unterscheiden: höfische Malerei zur Verherrlichung der Monarchie in ihren Palästen (Porträts, Schlachten, Allegorien, auch mythologische) und religiöse Malerei für Kirchen und Klöster (darunter auch Bilderprogramme mit Viten und Visionen der Gründergestalten und wichtigsten Heiligen der verschiedenen Orden). Das eindrucksvollste Beispiel der höfischen Malerei war der Salón de Reinos (Saal der Königreiche) Philipps IV. im Palacio del Buen Retiro. Der Saal mit einem rechteckigen Grundriss und einer sehr hohen Decke verdankte seinen Namen den Wappen der 24 Königreiche des spanischen Weltreiches, die darin nahe der Decke angebracht waren. Der Saal existiert nicht mehr, aber die meisten Bilder kann man heute im Prado-Museum in Madrid bewundern. An den Breitseiten waren fünf Reiterporträts der königlichen Familie angebracht – allesamt von Diego Velázquez. An den beiden Längsseiten hingen zwölf großflächige Schlachtenbilder (von den Hofmalern Eugenio Cajés, Felix Castelo, Vicente Carducho, Jusepe Leonardo, Juan Bautista Maíno, Antonio de Pereda y Salgado, Diego Velázquez, Francisco de Zurbarán), die spanische Siege unter Philipp IV. zeigten, zumeist „Rückeroberungen“ nach Angriffen der Engländer, Niederländer und Franzosen, die somit ehemalige Niederlagen zu glanzvollen Siegen umdeuteten. Zehn Taten des Herkules im kleineren Format und gemalt von Francisco de Zurbarán hingen zwischen den Schlachtenbildern (Herkules spielt in der spanischen Geschichte spätestens seit der Chronik aus dem 13. Jahrhundert am Hof Alfons X. von Kastilien eine besondere Rolle, um die doppelte Genealogie der spanischen Könige zu unterstreichen: Sie stehen einerseits in der Tradition der biblischen Auserwählung und andererseits in der des größten mythologischen Heros der Antike). Somit waren im Salón de los Reinos die drei wichtigsten Untergattungen der höfischen Kunst eindrucksvoll versammelt: Porträts, Schlachtenbilder, mythologische Allegorien. Der Zweck dieser Bilder war, Glanz und Gloria der spanischen Monarchie als globales Weltreich darzustellen – nicht zuletzt, um die ausländischen Besucher und Diplomaten zu beeindrucken. Die Schlachtenbilder vermittelten zudem die Botschaft – am eindrucksvollsten wohl „Die Übergabe Bredas“ von Velázquez –, dass die Spanier zwar stark genug seien, um ihre Feinde zu besiegen, sie sich dabei aber als großmütige, menschliche Sieger zeigten und die Besiegten nicht demütigten. Es lohne sich also, sich ihnen freiwillig zu unterwerfen. So gehört die höfische Malerei weitgehend zur Propaganda-Malerei – in den Händen von Velázquez oder Zurbarán zudem auf hohem künstlerischem Niveau. Das genannte Bild von Velázquez wird von Brown und Elliott als das Schlüsselbild des Salón de Reinos gehalten. Für Ulrich Pfisterer hingegen ist dies Maínos „Wiedereroberung Bahías“. Ein solches Urteil ist freilich nicht in der künstlerischen Qualität oder der Botschaft des Rex magnanimus begründet, sondern in der ikonographischen Komposition und der Rolle des Königs darin, der als Bild-im-Bild auf einem Gobelin verherrlicht wird, flankiert von der Friedens- und Kriegsgöttin Minerva und von Graf Oli-
Zwei Grundgattungen
Propaganda-Malerei
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Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ vares. Nach Art der antiken Kaiserapotheosen hält dieser einen Siegeskranz aus Lorbeer über den Kopf des Königs, während einige Feinde geschlagen zu seinen Füßen liegen und die überlebenden niederländischen Soldaten vor ihm quasi „anbetend“ in die Knie gehen. Ein spanischer Feldherr weist mit seiner rechten Hand auf Philipp IV. und scheint dem Betrachter die Botschaft zu vermitteln: Schaut her, das ist der glorreiche und mächtige „Planetenkönig“!
Religiöse Malerei und Bildhauerei Nach spanischer Art
Dem Kanon folgen
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Die spanischen Maler und Bildhauer integrierten die flämischen und italienischen Einflüsse in ihren eigenen Stil und Geschmack. In den Quellen der Zeit ist manchmal die Rede von der „spanischen Art“ (ad modum ispanje) oder dem „spanischen Geschmack“ (goût espagnol). Darunter wird eine religiöse Malerei und Bildhauerei verstanden, die streng den dogmatischen Vorgaben folgt und hyperrealistisch wirken möchte. Dies war schon vor dem Konzil von Trient der Fall, besonders aber danach, als die religiöse Kunst aufgrund der starken Nachfrage einen großen Aufschwung erlebte und man schärfer als vorher zwischen profaner und religiöser Kunst unterschied. Im Konzilsdekret über die „Heiligen Bilder“ (1563) wird an den glaubensdienenden und pädagogischen Zweck der religiösen Kunst erinnert. Bilder sollen zur Andacht und Frömmigkeit führen und das ungebildete Volk belehren. Bilder falschen Glaubensinhaltes, die etwa apokryphen Berichten oder Legenden folgen, sollten nicht geduldet werden, ebenso wenig laszive Bilder oder solche von verführerischer Schönheit und Ornamentik (d.h. im Zweifelsfalle hat die ikonographische Wahrheit Vorrang vor der künstlerischen Schönheit). Und die Bischöfe wurden ermahnt, über die Umsetzung dieser Vorgaben zu wachen. So mussten sich nach Trient einige Künstler vor der Inquisition rechtfertigen, die sich gewisse Freiheiten genommen hatten. Veronese etwa musste 1573 in Venedig begründen, warum er in einer Darstellung des Letzten Abendmahls viele Figuren in der frivolen Art der Renaissance gekleidet hatte, die das gebotene Decorum verletzte. Caravaggio hatte Schwierigkeiten, weil seine Figuren, für die er sich durch Menschen aus dem einfachen Volk und aus dem verbrecherischen Milieu hatte inspirieren lassen, vulgär und wenig erbaulich wirkten. Bei Darstellungen der Anbetung der Hirten bzw. der Könige oder der Kreuzigung Jesu sollten keine Figuren oder Tiere vorkommen, die dem biblischen Bericht und der Tradition nicht entsprechen. In Spanien war die Kontrolle stärker und die religiöse Kunst verlief mehr als anderwso in den erwarteten Kanälen, wie Émile Mâle in einem Vergleich mit Italien, Frankreich und Flandern festgestellt hat. Es entstanden so Gemälde und Skulpturen, die den theologischen Vorgaben sehr realisitisch folgten und den spanischen Katholizismus nach Trient besonders prägten. Bei den Darstellungen der Geburt Christi z.B. – seien sie von Velázquez, Zurbarán, Maíno, Murillo oder auch von El Greco – merkt man, wie die Maler bemüht sind, dem biblischen Bericht zu folgen, wonach mit der Mensch-
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Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ werdung das Licht in die Welt kam und in der Finsternis leuchtet (Joh 1). Das Kind in der Krippe wird stärker als in der Zeit vor Trient mit einem Kontrast von Licht und Dunkel als anziehende Lichtquelle der ganzen Bildkomposition dargestellt. Sein Glanz spiegelt sich in den Gesichtern der Anwesenden, allen voran bei Maria, und auch die Hirten oder Könige vermitteln eine Haltung von Staunen und Anbetung, die den Betrachter einlädt, es ihnen gleichzutun. Dies gilt auch für die Darstellung des Gekreuzigten, sei es in Gemälden oder als Skulpturen aus Holz, die dann bemalt wurden. Der Purismus ging so weit, dass man akribisch forschte, ob Jesus mit drei oder eher mit vier Nägeln ans Kreuz geschlagen wurde. Die von den diesbezüglichen Forschungen des Francisco Pacheco für seine Schrift El arte de la pintura (1649 posthum) beeinflussten Maler wie Diego Velázquez, Francisco de Zurbarán oder der frühe Alonso Cano stellten den Gekreuzigten mit vier Nägeln durch die nebeneinander liegenden Füße dar, während der Christus von Holzbildhauern wie Gregorio Fernández, Juan de Mesa und Juan Martínez Montañés die Füße übereinander hält und nur drei Nägel aufweist – was ab 1640 wieder generell der Fall sein wird. Der Realismus in der Bildhauerei – in der Zusammenarbeit von Bildhauern und Malern (etwa von Juan Martínez Montañés und Francisco Pacheco bzw. Pedro Roldán und Juan de Valdés Leal in Sevilla oder Gregorio Fernández und Diego Valentín Díaz in Valladolid) – ging so weit, dass man die Figuren manchmal mit natürlichen Haaren oder echt aussehenden Zähnen, Augen und Nägeln ausgestaltete und das koagulierte Blut (etwa mit rot bemaltem Eichenkork) so realistisch wie möglich darzustellen versuchte. Die erwähnte Zusammenarbeit war nicht immer reibungslos. Holzbildhauer und Maler gehörten verschiedenen Zünften an (zur Zunft der Zimmerleute die Ersten, zur Malerzunft die Zweiten) und es war genau geregelt, welcher Künstler für welche Produktionsphase zuständig war und wie die jeweilige Bezahlung aussehen sollte. Die Produktion von bemalten Holzfiguren war sehr gefragt und lukrativ. Um ihren Anteil daran zu sichern, setzten die Maler durch, dass die Bildhauer ihre Figuren nur dann selbst bemalen durften, wenn sie auch die entsprechende Meisterprüfung als Bildermaler (pintor de imaginería) absolviert hatten, was nur die wenigsten taten. Die Maler hielten sich für Künstler und betrachteten die Bildhauer als Handwerker. So wurde gestritten über das Recht der Bildhauer auf die Bemalung ihrer Werke und über die Präeminenz der Zünfte. Der wichtigste Streit ist der aus dem Jahre 1622 in Sevilla zwischen dem Bildhauer Juan Martínez Montañés und dem Maler Francisco Pacheco. Dieser verteidigte den Vorrang der Malerei, weil der Bildhauer sein Kunstwerk schaffe, indem er von der vorhandenen Materie (Holz) etwas wegnehme, während der Maler etwas dazu gebe, damit die Skulptur lebendig und andächtig wirken könne. So sei das Werk des Bildhauers unvollkommen, bis der Maler daraus ein wirkliches Kultbild schaffe. Zudem ahme der Maler mit seiner Kunst die gesamte Schöpfung (Wasser, Himmel, Bäume, Tiere, Fische, Stürme, Feuerbrände usw.) nach, während der Bildhauer sehr beschränkte Dinge nachahme. Somit sei die Malerei die universalere und lieblichere Kunst. Alonso Cano, der als Ausnahme Architekt, Maler und Bildhauer zugleich war, sah dies auch so. Von einigen Bildhauern und Malern ist überliefert, dass sie sich bei der Produktion von religiösen Werken
Holzbildhauer und Maler
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Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“
Eine Besonderheit
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mit Gebet, Fasten, asketischen Übungen und Kommunionsempfang auf ihre Arbeit vorbereiteten. Der Zusammenarbeit von Bildhauern und Malern verdankt sich eine Besonderheit der spanischen Malerei, nämlich dass Maler bemüht waren, Christusdarstellungen am Kreuz durch Kontrast von Licht und Schatten, hell und dunkel so zu gestalten, dass sie in den Altären aus einer gewissen Entfernung dreidimensional wirkten und den Platz von Skulpturen einnehmen konnten. Bei dieser Technik sind Einflüsse Caravaggios spürbar, gepaart mit dem Können, dass sich die Maler bei der Bemalung von Holzfiguren erarbeitet hatten. Ganz besonders ragte hier Francisco de Zurbarán hervor. Bei ihm bleibt die Tendenz zur Dreidimensionalität nicht bei den Christusfiguren stehen, wie dies z.B. bei Velázquez der Fall ist, sondern erfasst auch seine Darstellung der Falten der Mönchsgewänder, des Schweißtuches der Veronika oder seiner Stillleben. Ab 1640 wird der Rigorismus in der Befolgung der Trienter Weisungen für die religiöse Malerei und Bildhauerei aufgelockert und der Barock wird dynamischer bzw. weniger streng in der Bildkomposition. In dieser Zeit entstehen auch die meisten Werke der Schule von Quito und Cusco in Übersee mit zumeist anonymen indigenen Künstlern, die sich nicht scheuen, in der Kathedrale von Cusco das Letzte Abendmahl mit Meerschweinchen statt mit Lamm darzustellen – während in Europa im Umfeld der Jesuiten Eucharistie-Stillleben entstehen, in denen die Monstranz nicht nur von Weizenähren, sondern auch von Maiskolben umgeben ist. Visionsdarstellungen Eine besondere Gattung des spanischen Barock ist die Darstellung von mystischen Visionen und Ekstasen verschiedener Heiliger. Dies betrifft mehr die Malerei, fehlt aber auch nicht in der bemalten Bildhauerei. Visionsdarstellungen sind ohnehin etwas Heikles, denn es handelt sich dabei um Werke dritten Grades. Die Vision als solche ist als bildhafte Erfahrung nur der schauenden Person zugänglich. Was wir haben, ist nur die Versprachlichung – und somit auch Interpretation – der Vision durch deren Empfänger, wohl wissend, dass diese eigentlich unaussprechlich ist (s. oben Kap. X). Die künstlerische Umsetzung kann sich nur auf diese Versprachlichung und evtl. auch auf bereits vorhandene Darstellungen desselben Themas stützen. Nicht zuletzt aus diesem Grund bleibt die Darstellung von Visionen eine Kunst an der Grenze, auch des Geschmacks, die den Betrachter nie ganz zu befriedigen vermag, ja, aus heutiger Sicht ruft diese Kunst Verständnis für ein gewisses Bilderverbot hervor. Victor I. Stoichita nennt diese bevorzugte religiöse Kunst des Barock einen „Gegenstand der Metakunst“. Denn das Thema des Bildes ist eine bildhafte Vision, also „eine Erfahrung des Bildes“. Für die Visionsdarstellungen gilt auch, dass der Bildtyp aus Italien (Raffael, Tizian) kommt und sich in Spanien weiterentwickelte.
Der Künstler als „Autor“ Nicht bloße Erfüllungsgehilfen
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Wir sprachen von den flämischen und italienischen Einflüssen in der spanischen Malerei, aber auch von einer gewissen Eigenständigkeit der spanischen Maler. Die kreative Assimilation und Transformation/Adaptation der herrschenden Stilrichtungen nach dem Geschmack und den (in der religiö-
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Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ sen Kunst sehr strengen) Auflagen der Auftraggeber ist ein wichtiges Merkmal der spanischen Malerei und Bildhauerei. Die Wahl der freien Sujets war damals in der Auftragsmalerei und -bildhauerei kaum möglich. Dennoch waren die großen Künstler nicht bloße „Erfüllungsgehilfen“. Oft erforschten sie selbstständig und gründlich die narrativen und ikonographischen Quellen bei der Darstellung ihrer Sujets und sie entwickelten so etwas wie eine persönliche, unverkennbare Note. In kleinen Details schimmert der Wille der Künstler durch, Werke zu schaffen, die unverkennbar mit ihnen identifiziert werden. So lässt sich heute auf den ersten Blick erkennen, was ein Velázquez und ein Murillo ist, was ein Zurbarán und ein Ribera, was ein Greco, ein Gregorio Fernández, ein Juan de Juni oder ein Martínez Montañés ist. In den Porträts von Menschen aus dem einfachen Volk (z.B. „Die Alte beim Eierbraten“, 1618 von Velázquez), in der Interpretation mythologischer Themen (z.B. „Apoll in der Schmiede des Vulcan“, ca. 1630, oder „Der Triumph des Bacchus“, 1629, beide von Velázquez) oder im Werk „Fabel“ (1580) von El Greco schimmert schon die Freiheit durch, von der die Künstler nach Francisco de Goya Gebrauch machen werden. Velázquez erlaubte sich sogar, die Empfehlungen des Konzils von Trient bei seiner Aktdarstellung „Venus vor dem Spiegel“ (1647–1651) zu ignorieren. Gleichwohl hätte er sich damals in seinem einfühlsamen Werk „Las Meninas“ (1656) nicht getraut, die königliche Familie so vorzuführen, wie dies später Goya mit „Die Familie Karls IV.“ (1800/1801) tun wird. Wichtige Maler Pedro Berruguete (ca. 1450–1504); Luis Morales (1509–1586); Alonso Sánchez Coello (1531–1588); Domenikos Theotecopuli (El) Greco (1541–1614); Juan Pantoja de la Cruz (1553–1608); Juan Sánchez Cotán (1560–1627); Francisco Pacheco (1564–1654); Vicente Carducho (Carducci) (1578–1638); Francisco Ribalta (1565–1628); Juan Bautista Maíno (1578–1649); José Ribera (1591–1652); Francisco de Zurbarán (1598–1664); Diego Velázquez (1599–1660); Alonso Cano (1601–1667); Juan Carreño de Miranda (1614–1682); Barolomé Esteban Murillo (1618–1682); Claudio Coello (1624–1693); Juan Valdés Leal (1622–1690). Wichtige Bildhauer von Altären und Pasos Alonso Berruguete (1481–1561); Juan de Juni (Joigny) (1507–1577); Gaspar de Becerra (1520–1570); Esteban Jordán (ca. 1530–1598); Juan de Anchieta (ca. 1533–1588); Juan Martínez Montañés (1568–1649); Gregorio Fernández (ca. 1576–1636); Juan de Mesa (1583–1629); Pedro de Mena (1628–1688).
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Literatur Als Eckdaten für das Siglo de Oro der spanischen Literatur können wir als longue durée die Zeit von 1492 (Drucklegung der Grammatik des Humanisten Antonio de Nebrija) bis 1681 (Tod Calderóns) betrachten. In seinem Prolog zur Gramática de la lengua castellana, die als erste Grammatik einer modernen Sprache im Schicksalsjahr 1492 gedruckt wurde, schreibt Nebrija, dass die „Sprache immer Begleiterin des Imperiums“ war, mit ihm blühte und verschwand. Beim letzten Teil dieser Diagnose sollte Nebrija nicht recht behalten: Die spanische Sprache hat den Untergang des Weltrei-
Grammatik von 1492
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Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ ches überlebt und gilt als das wichtigste Band zwischen den verschiedenen Nationen, die aus ihm hervorgegangen sind. Auch in einem weiteren Urteil ging Nebrija fehl: Er hielt die Drucklegung der Grammatik zu diesem Zeitpunkt für opportun, weil das Kastilische den Gipfel seiner Entwicklung erreicht hätte, sodass man eher einen Abstieg als einen weiteren Qualitätssprung erwarten dürfe. In einer anderen Prognose sollte Nebrija hingegen recht behalten: Nicht zuletzt dank dieser Grammatik konnte Spanien seine Sprache unter den Völkern der Neuen Welt leichter verbreiten. Ebenso hatte die Grammatik einen wichtigen Anteil daran, dass das Spanische des 16. und 17. Jahrhunderts von der heutigen Sprache viel weniger entfernt ist als das Französische oder das Deutsche. Das Siglo de Oro der Literatur im „Spanischen Jahrhundert“ umfasste alle Gattungen: das Theater, die Lyrik und die erzählende Literatur. Autoren wie Ingrid Simson oder Hanno Ehrlicher haben wertvolle Überblicke geliefert, an denen wir uns bei dieser kleinen Zusammenfassung orientieren.
Theater
Neue Komödie
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Am Anfang des profanen Theaters des Siglo de Oro steht La Celestina (1499 anonym und ohne Titel erstmals erschienen) von Fernando de Rojas. Das Werk, eine tödlich endende Tragikomödie um die unglückliche Liebe zwischen Calisto und Melibea, wurde auch als Roman betrachtet, weil die Theatergattung um 1500 keine genauen Konturen hatte. Im 16. Jahrhundert fehlt es nicht an Autoren des höfischen und des religiösen Theaters wie der Komödien, aber die Glanzzeit setzt mit der volkstümlichen spanischen Komödie um 1600 an. Man geht von 10.000 bis 30.000 Stücken aus, die im 17. Jahrhundert gespielt wurden. Prägend für diese Phase ist die theoretisch anmutende Schrift von Lope de Vega Arte nuevo de hacer comedias en este tiempo (1609). Durch die Vermischung von Elementen aus Komödie und Tragödie wäre man hier geneigt von Tragikomödie zu sprechen. Doch diese Bezeichnung wird abgelehnt, weil die komischen Gestalten dominieren. Der Form nach handelt es sich um drei Akte, mit der Liebe als Hauptthema und einem glücklichen Ende. Die Personen sprechen in Versen mit wechselndem Versmaß je nach Situation. Die comedia nueva war ein Publikumserfolg, eine Massenkultur für ein heterogenes Publikum ohne viel Zeit- und Gesellschaftskritik, auch wenn dies heute manchmal anders gesehen wird (z.B. Lopes Fuenteovejuna, 1610). In der Literaturgeschichte werden verschiedene Untergattungen der comedia nueva unterschieden: die Mantel- und Degenstücke (Comedia de capa y espada), die Ehrendramen (Drama de honor), die historischen Dramen (Comedia histórica), die Schäferdramen (Comedia pastoril) und u.a. auch Dramen mit Heiligen- und Märtyrergeschichten als Thema, die besonders vom Jesuitentheater geprägt sind. Dazu kommen Kleinformen (teatro breve), die zur Eröffnung gespielt wurden, oder Zwischenspiele (entremeses). Aufgeführt wurden die Stücke in Corral-Bühnen (Innenhöfe, die als Theaterspielplätze mit Sitz- und Stehplätzen gestal-
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Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ tet wurden). Von Lope de Vega, dem bedeutendsten Autor der comedia nueva, sind über 400 Stücke erhalten, die alle Gattungen umfassen. Viele sind allerdings verloren (Lope de Vega spricht von 1.500 Werken dieser Art, die seiner Feder entsprungen seien), nicht zuletzt weil nur wenige schriftlich fixiert wurden. Bedeutsam sind auch Autoren wie der Merzedariermönch Tirso de Molina (Gabriel Téllez), von dem 80 Theaterstücke erhalten sind. Sein El burlador de Sevilla y convidado de piedra (ca. 1620) gilt als die erste Version des Don-Juan-Stoffes, auch wenn die Autorschaft zunehmend angezweifelt wird. Von Juan Ruiz de Alarcón sind 24 Stücke überliefert. Für das religiöse Theater sind die autos sacramentales prägend, Spiele aus einem Akt, die bei der Fronleichnamsprozession auf mitfahrenden Wagen (carros) oder auf Bühnen, die den Weg säumten, aufgeführt wurden. Diese Prozessionen hatten Volksfestcharakter und die autos galten als Höhepunkte des Theaterjahrs. Sie dienten der Glaubensaffirmation um die Eucharistie und hatten eine religionsdidaktische Funktion. Die Themen sind der Bibel entnommen, der Kirchengeschichte oder der religiösen Situation der Zeit. Sie beginnen sich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zu entwickeln, erreichen aber ihren Höhepunkt zur selben Zeit wie die comedia nueva im 17. Jahrhundert. Der Bezug zu dieser ist schon dadurch gegeben, dass die Schauspieler und die Autoren dieselben waren. Von Lope de Vega z.B. sind 42 autos sacramentales erhalten und auch Tirso de Molina hat einige geschrieben. Aber der unbestrittene Meister des Genres war Pedro Calderón de la Barca. Dieser hat auch 120 comedias (Mantel- und Degenstücke, aber auch Ehrendramen und das philosophische, christlich-moralische Lehrstück La vida es sueño, 1634/1635) und 20 mythologische Festspiele verfasst. Sein Nachruhm ist jedoch wesentlich in seinen 80 autos sacramentales begründet, die als gelungene „poetische Glaubenslehre“ zu verstehen sind. Das bekannteste davon, bis heute vielfach übersetzt und aufgeführt (Hugo von Hofmannsthal inspirierte es zu seinem Jedermann), ist El gran teatro del mundo (1655), in dem Calderón anhand der darin vorkommenden allegorischen Gestalten (König, Reicher, Bauer, Schönheit, Klugheit, Armer, Kind) Grundfragen einer christlichen Existenz in der Barockzeit thematisiert: die Vergänglichkeit des Lebens, die Verantwortung vor Gott („Tue recht! – Gott über euch!“, rufen immer wieder der Meister und die Chöre mit mächtiger Stimme), die göttliche Gnade und die menschliche Freiheit. Das höfische Theater etablierte sich dauerhaft erst dank der von Philipp IV. geförderten Festkultur. Die an seinem Hof organisierten Fiestas mitológicas umfassten Musik, Tanz und eine comedia mythologischen Inhalts. Es waren aufwendige, barocke Bühnenfeste zur Verherrlichung der Monarchie und Inszenierung von Spaniens Glanz und Gloria zu einer Zeit, wo sich sein Bedeutungsverlust bereits abzeichnete. Im Palacio del Buen Retiro wurde dazu ein eigenes Hoftheater gebaut. Lope de Vega war einer der ersten Autoren, aber zum Meister des Genres wurde hier auch Calderón, der Elemente der Komödie, des früheren Hoftheaters und der italienischen Oper harmonisch zusammenführte. Eine ebenso von Calderón geprägte Variante der Fiestas mitológicas stellen die Zarzuelas dar, eine Art von spanischer Operette mit Volksthemen und komischen Einlagen.
Autos sacramentales
Höfisches Theater
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Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“
Lyrik Neuerungen aus Italien
Traditionelle Lyrik
Barocke Lyrik
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Die spanische Lyrik, die im Mittelalter durch das Zusammenleben mit Juden und Muslimen, die Romanzen, die höfische Troubadour-Lyrik und die cancioneros beeinflusst wurde, öffnet sich mit der Renaissance dem italienischen Petrarkismus. Zum traditionellen spanischen Achtsilber kam nun der Elfsilber als Versmaß in Mode, ebenso die Strophenform des Sonetts und der Kanzone, die lira (Abfolge von Elf- und Siebensilbern in fünf Zeilen) und die silva (Elf- und Siebensilber ohne Stropheneinteilung). Dies waren die wichtigsten formalen Neuerungen. Dazu kommt die Imitation von antiken Formen wie Ode, Ekloge, Elegie und Epistel. Thematisch wird die Liebeslyrik gefühlsbetonter, geprägt vom neuplatonischen Liebesideal, wonach Schönheit und Liebe den Weg zur Wahrheit und Erkenntnis weisen, und der Bukolik oder Schäferdichtung. Während Juan Boscán als hauptsächlicher Vermittler und Begründer der italianisierenden Dichtung gilt, wird sein Freund Garcilaso de la Vega als bester Vertreter derselben gehalten. Bereits zu Lebzeiten galt er, der die für die Zeit typische Verbindung von Waffendienst und Dichtkunst wie kein anderer verkörperte, als Dichterfürst. Seine Gedichte erschienen erst 1543 posthum, aber spätestens nach den Ausgaben von 1574 und 1577 wurde er zum Klassiker. Vorher hatte Cristóbal de Castillejo gegen die italianisierenden Dichter bei der Inquisition vergeblich protestiert und den Achtsilber und die Themen der spanischen Lyrik (Cancioneros) verteidigt. Dichterschulen, die für den Einfluss Garcilasos empfänglich waren, etablierten sich in Sevilla (mit Fernando de Herrera als wichtigstem Vertreter) und Salamanca (hier ragten Fray Luis de León und Francisco de Aldana heraus). Auch die mystische Dichtung, am besten durch Johannes vom Kreuz verkörpert, ist vom italianisierenden Trend beeinflusst: vom Versmaß der Lira wie von den Themen (allegorische Liebeslyrik, Schäferdichtung), die dann auf die Gott-Mensch-Beziehung (a lo divino) übertragen werden. Die traditionelle spanische, achtsilbige Lyrik lebt in Cancioneros und Romanzen fort, die mündlich überliefert und von Zeit zu Zeit in Sammlungen publiziert werden. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts entsteht mit den Kunstromanzen (romancero nuevo bzw. artístico) eine neue Form von elfsilbigen Romanzen mit Vollreimen. In der barocken Lyrik wird die Sprache elaborierter und komplizierter, auch in der Syntax. Die Sprache ist nicht nur Mittel, sondern auch Zweck. Man delektiert sich an den Ausdrucksformen, Metaphern, Neologismen und rhetorischen Stilmitteln. Dies gilt vor allem für den Kulteranismus (culteranismo, auch cultismo) des Luis de Góngora, während Lope de Vega und Francisco de Quevedo für einen klar verständlichen Stil eintraten. Zwischen diesen drei Leuchttürmen der spanischen Barocklyrik wurden Rivalitäten ausgetragen, die sich geistreich der Verspottung und der Satire bedienten. Besonders Quevedo entpuppte sich dabei als Meister des Konzeptismus und der burlesken Pointe, d.h. der Schaffung von scharfsinnigen und originellen Formulierungen.
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Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“
Erzählende Literatur Zur erzählenden Literatur gehören auch die Epen, die in Versform historische, fiktionale oder religiöse Themen behandeln. Auch in dieser Gattung sind Einflüsse der italienischen Renaissance und der antiken Epen spürbar. Als Versmaß der spanischen Epen galt die octava real (elfsilbige Oktaven). Auch wenn sich die Mehrzahl religiösen Themen widmet, ist Araucana, das historisch-panegyrische Epos des Alonso de Ercilla über die Eroberung Chiles, an der er selbst anfänglich teilgenommen hatte, das Meisterwerk des Genres. Der Inbegriff der erzählenden Literatur ist freilich die Prosa. Die fiktionale Prosa stand als solche – wie die Parodie der Buchzensur am Anfang des Quijote zeigt (s. Kap. VII) – unter besonderem Inquisitionsverdacht. Dieser Literatur wurde unterstellt, dass es ihr nur um die Belustigung und Zerstreuung des Lesers gehe, nicht um dessen moralisch-didaktische Erbauung. Zur fiktionalen Prosa gehören die Ritterromane (novelas de caballería), die Schäferromane (novelas pastoriles), die Moriskenromane (novelas moriscas), der Schelmenroman (novela picaresca), die Novellen oder kurze Erzählungen, der Abenteuerroman (novela bizantina oder peregrina) und schließlich auch ein Sonderwerk wie der Criticón des Baltasar Gracián, der als philosophisch-allegorische Entgegnung des Abenteuerromans verstanden werden kann. Zur nicht-fiktionalen Prosa kann man die politische und moralisch-didaktische Traktatliteratur, die religiöse Literatur und die historiographischen und ethnographischen Schriften über Spanien und die Neue Welt (s. Kap. XII) zählen. In all diesen Gattungen findet man eine Fülle von herausragenden Autoren. Neben der bereits erwähnten comedia nueva, die Lope de Vega, Tirso de Molina und Calderón meisterhaft prägten, haben zwei aus Spanien kommende Romanformen in ganz Europa Schule gemacht: zum einen der Romanzyklus nach Art des Ritteromans wie im Quijote (oder des Schelmenromans wie im Lazarillo) mit der autobiographisch klingenden Lebensgeschichte von einer oder zwei Personen, die durch Zeit und Raum reisen und dabei alle möglichen symbolischen Episoden erleben. Zum anderen die auch von Cervantes meisterhaft geprägten Exemplarischen Novellen als kurze Erzählungen mit frei erfundenem Inhalt und moralisch-didaktischem Anspruch. Wichtige Autoren Gil Vicente (ca. 1465–1536); Fernando de Rojas (zwischen 1461 und 1476 bis 1541); Antonio de Guevara (ca. 1480–1545); Juan Boscán (ca. 1490–1542); Garcilaso de la Vega (1501?–1536); Luis de Granada (1505–1588); Juan de Valdés (1509–1541); Lope de Rueda (ca. 1510–1565); Teresa von Ávila (1515–1582); Fray Luis de León (1527–1591); Alonso de Ercilla (1533–1594); Fernando de Herrera (ca. 1534–1597); Johannes vom Kreuz (1542–1591); Juan de la Cueva (1543–1612); Miguel de Cervantes (1547–1612); Mateo Alemán (1547–ca. 1613); Vicente Espinel (1550–1624); Luis de Góngora (1561–1627); Lope de Vega (1562–1635); Francisco de Quevedo (1580–1645); Juan Ruiz de Alarcón (1580/1581–1639); Tirso de Molina (1579–1648), Pedro Calderón de la Barca (1600–1681); Baltasar Gracián (1601–1658); Juana Inés de la Cruz (1651–1695).
Epen
Prosa
Zwei Romanformen
E
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XIV.
Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“
Autorschaft zwischen Selbstbestimmung und Abhängigkeit Gewisse Freiheiten
Existenznöte
Belehren und Belustigen
130
Die Entdeckung des Ich ist ein wichtiges Merkmal der Frühen Neuzeit – und dies begegnet uns auch in der spanischen Literatur. Von einer Autonomie im heutigen Sinne kann dennoch nicht die Rede sein. Denn die Autoren mussten den Rahmenbedingungen der inquisitorischen Buchzensur, aber auch der politischen, religiösen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation des spanischen Weltreiches Rechnung tragen. Sie schrieben nicht als freie, professionelle Schriftsteller, sondern in einem Patronagesystem, wie die Widmungs- und Lobschreiben an die Gönner zu Beginn ihrer Werke zeigen. Gewisse Freiheiten waren aber erlaubt. Miguel de Cervantes betont im Quijote selbstbewusst, dass er nicht mit dem Hauptstrom (con la corriente del uso) gehen wolle und appelliert an den eigenen Kopf und den freien Willen des Lesers. Und Teresa von Ávila vermerkt an die Adresse der prüfenden Theologen (es waren ja schwere Zeiten), dass sie sich zwar in der Interpretation auch irren könne, betont aber zugleich selbstbewusst: „ich sage das, was ich verstehe“. Was die Typologie der Autoren betrifft, so haben wir es mit einer großen Vielfalt zu tun: gelehrte Humanisten (Juan de Valdés), spirituelle Autoren (Teresa von Ávila, Johannes vom Kreuz, Luis de Granada), geistliche Autoren weltlicher Literatur (Tirso de Molina), moralische Weltbetrachter und Autoren von Fürstenspiegeln (Antonio de Guevara, Baltasar Gracián), quasi-professionelle Schreiber für den Geschmack der Zeit (Lope de Vega, Calderón). Sehr häufig haben wir es mit Autoren zu tun, die Soldaten gewesen sind. Dies gilt für die meisten Chronisten der Neuen Welt (paradigmatisch für Hernán Cortés, Bernal Díaz del Castillo oder Gonzalo Jiménez de Quesada), aber auch für große Autoren des Siglo de Oro wie Garcilaso de la Vega, Cervantes oder Calderón. Für die Schriftsteller gab es tertulias und Akademien und zahlreiche Wettbewerbe, vor allem für Gedichte. Das Poesiefieber erreichte Personen aller Stände. Von der Literatur allein ließ sich allerdings nicht leben. Wer von der Herkunft nicht vermögend war, der musste sich im Dienste von Kirche oder Krone verdingen, einen wohlgesinnten Mäzen suchen oder den geistlichen Stand anstreben, auch im Alter (wie Lope de Vega und Calderón), um eine gesicherte Existenz zu haben. Nicht wenige Autoren des Siglo de Oro hatten zeitlebens Existenznöte und starben in Armut. Nicht selten entstanden – der historischen Wahrheit abträgliche, aber gut bezahlte – „Auftragsarbeiten“, um in epischen Gedichten und Geschichtswerken das „heldenhafte“ Leben der Auftraggeber zurechtzurücken. Einen Sonderfall von „Selbstbestimmung“ stellt der Indio Felipe Guamán Poma de Ayala (ca. 1615) dar: Nicht so sehr, weil er in seinem Werk Nueva crónica y buen gobierno die Kolonialgesellschaft mit Sympathie für seine indianischen Landsleute und einer scharfen Kritik an den Spaniern aller Stände (conquistadores, encomenderos, corregidores, clero regular y secular) beschreibt, sondern weil er dies in einer eigenen Sprachmischung von nach dem Hören geschriebenen spanischen Vokabeln und Quechuasyntax vermag. Vor allem nach Trient wurde auch erwartet, dass die Literatur – ähnlich wie die Kunst – sich an der Katechetisierung des Volkes, d.h. an der Verbrei-
XIV.
Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ tung der religiösen Kultur, beteiligt. Einige Werke wie die autos sacramentales dienten explizit diesem Zweck und alle Autoren mussten aufpassen, religiös zumindest nicht kontraproduktiv zu sein. Obwohl von 1625 bis 1634 in Kastilien ein generelles Druckverbot für Romane bestand, war die Spannbreite für die schöpferische Freiheit ziemlich groß, nicht zuletzt, weil die Spanische Inquisition bis zum Index von 1640 (s. Kap. VII) im Umgang mit der Profanliteratur liberaler war als etwa die Trienter Zensurregeln. Für die Profanliteratur des Siglo de Oro gilt, dass die meisten Autoren, wie Cervantes von sich selbst sagt, mit ihrer Feder dem „christlichen Beruf“ (Quijote, II,74) irgendwie dienen wollten; zugleich vergaßen sie nicht, dass das löblichste Ziel, das sich ein Schriftsteller setzen kann, darin besteht, „zu gleicher Zeit zu belehren und zu belustigen“ (Quijote, I,47).
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XV. Von der Exzellenz zur Mittelmäßigkeit
Desengaño und Decadencia
Weltreiche
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Für das Spanien der Katholischen Könige und Karls V. spricht José Antonio Maravall von einer conciencia de avance, von einem Bewusstsein des Vorwärtsganges voller Dynamik nach der Devise des Plus Ultra. Unter Philipp II. mehren sich die Anzeichen dafür, dass man sich zu viel vorgenommen hat. Politisch konnte Spanien noch unter Philipp IV. die Hegemonieansprüche weitgehend durchsetzen. Die Niederlage von Rocroi und die Entmachtung Olivares‘ im Jahre 1643 leiten das Ende dieser Periode ein. Für Spanien sind die 1640er-Jahre eine katastrophische Zeit: Zu den Niederlagen gegen Frankreich, dem Rivalen um die Universalmonarchie, 1643 und 1648 (Lens) kommt mit dem Westfälischen Frieden (1648) die Anerkennung der Unabhängigkeit der Niederlande. Zudem tobt seit 1640 der portugiesische Unabhängigkeitskrieg – und im selben Jahr findet ein Aufstand in Katalonien statt. Weitere Aufstände folgen in Andalusien, wo Sevilla 1648 von einer Pestepidemie erfasst wird, die ca. 60.000 Menschenleben fordert (bis 1652 auch in Katalonien und der Levante). In den 1650er-Jahren kommt dazu der Verlust Jamaicas an die Engländer 1655 und 1659 mit dem Pyrenäenfrieden die Abtretung der transpyrenäischen Territorien der alten Krone von Aragón an Frankreich, der neuen Hegemonialmacht (s. Kap. I). Autoren wie John H. Elliott und Henry Kamen relativieren den politisch-militärischen Bedeutungsverlust. Sie weisen darauf hin, dass Spanien eine europäische Territorialmacht blieb und die erwähnten Niederlagen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung, auch in Spanisch-Amerika, kompensiert wurden. Sie halten also die vermeintliche „Dekadenz“ eher für ein Lebensgefühl als für eine Realität. Tatsache ist, dass gegen Ende der Regierungszeit Philipps II. – parallel zum Höhepunkt des Siglo de Oro in der Literatur und den Künsten – desengaño (Enttäuschung) und decadencia (Dekadenz) immer mehr zu Schlüsselbegriffen werden. Auf Symptome der Dekadenz machen spanische Autoren seit Ende des 16. Jahrhunderts in Denkschriften aller Art und in der Literatur aufmerksam: der demographische Niedergang; der Wertverlust der Währung, die immer mehr Kupferanteile hat; die pikareske Haltung des Volkes und die Arbeitsscheue der Hidalgos, die zum niederen Adel gehörten, aber aufgrund ihres Ehrgefühls die Handarbeit vermieden; die geringe Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und die starke Abhängigkeit von Manufakturen und Produkten aus dem Ausland; die gesellschaftliche Lähmung durch Inquisition und Limpieza de sangre; die epigonenhaften Erscheinungen in Schultheologie und Spiritualität, die sich in spitzfindigen, unfruchtbaren Querelen (Gnadenstreit zwischen Jesuiten und Dominikanern, Streit zwischen contemplativos und activos in den Orden) verfangen. Wie das Menschenleben, so erleben die Weltreiche auch Genese, Aufstieg, Apotheose, Verfall und Untergang. Verschiedene Autoren haben uns auf die Vergänglichkeit der Imperien als immanentes Gesetz der Weltgeschichte aufmerksam gemacht. Die jüdisch-christliche Überlieferung hält hierfür ihre Geschichtstheologie parat: Gott selbst ist derjenige, der die Translatio imperii bewirkt, und er tut dies nicht zuletzt wegen der Sünden,
XV.
Von der Exzellenz zur Mittelmäßigkeit d.h. der Untreue der bisherigen Führungsnation – so dachten auch im imperialen Spanien Geister wie Bartolomé de Las Casas, während andere wie Saavedra Fajardo nach 1648 nicht aufhörten, an der historischen Bestimmung Spaniens festzuhalten (s. Kap. I). Die Dekadenz einer imperialen Nation kann auch dadurch erklärt werden, dass der wichtigste „menschliche“ Grund für ihren Führungsanspruch nicht mehr konsequent beachtet wurde. Gemeint ist jenes Prinzips, auf dem Spaniens Glanz und Gloria wirklich beruhten: die Meritokratie, das Plus Ultra, das Streben nach Höherem und der Wille, sich dabei von den Besten führen zu lassen. Stattdessen gewannen Klientelismus, Nepotismus, Korruption und Pikareske die Oberhand. Die spanische Literatur des 17. Jahrhunderts, die symptomatisch ist, auch wenn es um Spanien de facto nicht so schlecht bestellt war, ist voll von einer solchen Klage. Wir finden sie im Quijote des Miguel de Cervantes und im Buscón des Francisco de Quevedo, vor allem aber im Criticón des Jesuiten Baltasar Gracían, der uns schonungslos und selbstkritisch den Grund für die spanische Dekadenz vor Augen führt. In der sechsten Krisis beschreibt Gracián den Zustand des Säculums. Es sei dies „doch kein Jahrhundert für Menschen; ich meine, für solche berühmten wie zu früheren Zeiten“. In Spanien sei z.B. kein „Gran Capitán“ mehr in Sicht. Der Grund sei, dass die Menschen „verkommen sind“. Spanien, das einst stolz gewesen sei, gerade „in den Waffen und den Wissenschaften“ zu glänzen, habe jetzt „weder in armis noch in litteris“ hervorragende Männer. Andrenio und Critilo, die Protagonisten des Werkes, beschreiben nun, was sie auf der Plaza Mayor sehen: „gewisse Persönlichkeiten, die gingen kopfunter am Boden dahin, mitten im Schmutz, die Beine aber reckten sie nach oben, ganz hoch hinaus, und so warfen sie sich in die Brust, ohne doch einen Schritt voranzukommen; […] Andrenio begann zu staunen und Critilo zu lachen. ,Beherzigt‘, sagte Chiron, ,dass ihr im Wachen träumt. Oh, wie hat doch Bosch so gut gemalt! […] Macht euch klar: Die, die ihrer Klugheit und ihrem Wissen nach Köpfe sein sollten, die kriechen am Boden dahin, missachtet, gedemütigt, vergessen; die dagegen, die eigentlich Füße sein müssten, weil sie nichts können und von keiner Materie etwas verstehen, unfähige Leute, ohne Bildung und Erfahrung, die führen das große Wort. Und das ist der Lauf der Welt […]. Nichts stimmt zu nichts. Und eine Welt, die weder Fuß hat noch Kopf, die kommt noch gut weg, wenn man sie nur kopflos nennt.’“ Seine Zeit ist für Gracián eine verkehrte Welt, weil das meritokratische, „aristotelische“ Prinzip der Führung durch die Besten auf den Kopf gestellt wurde: „alle Guten sind am Boden, und die Üblen sind ganz oben.“ Am Schlimmsten sei aber, wie Gracián mit einer sinnigen Metapher zu verstehen gibt, dass sich in dieser verkehrten Welt nicht nur die Blinden anmaßen, die Sehenden zu führen, sondern dass diese sich von jenen widerstandslos führen zu lassen scheinen: „,[…] das ist eine unglaubliche Dummheit, ja ein ungeheuerlicher Wahn.‘ […] ,Die Minderbemittelten sind darauf aus, die andern zu lehren; ein paar Trunkenbolde schicken sich an, die Wahrheit vom Katheder zu verkünden.’“ Man braucht Graciáns Scharfsinn wohl nichts mehr hinzuzufügen. Spanien stieg unter den Katholischen Königen zur Hegemonialmacht Europas auf – und „sein Jahrhundert“ dauerte immerhin gute 150 Jahre.
Missachtung der Meritokratie
Zustand des Säculums
Verkehrte Welt
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Das Weltreich Philipps II. um 1598 (unter Einschluss der portugiesischen Anteile)
Nordpolarmeer
E U R O PA NORDAMERIKA Lissabon
Madrid
Atlantischer Ozean
Äquator
SÜDAMERIKA Pazifischer Ozean
Verwaltungszuständigkeit der verschiedenen Kronräte:
Kastilien Aragón Portugal Italien Indien Flandern Interessengrenze zwischen Portugal und Spanien nach dem Vertrag von Tordesillas 1494
134
Atlantischer Ozean
ASIEN
Pazifischer Ozean
AFRIKA Äquator
Indischer Ozean
AUSTRALIEN
A N TA R K T I S
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Chronologischer Überblick
136
Jahr
Ereignis
1478–1480
Errichtung der Spanischen Inquisition
1492
Eroberung Granadas und Abschluss der Reconquista Vertreibung der Juden aus Spanien Entdeckung Amerikas durch Kolumbus Drucklegung der ersten Grammatik der kastilischen (spanischen) Sprache
1504
Tod von Isabella der Katholischen
1516
Tod von Ferdinand des Katholischen
1516–1556
Karl I., König von Kastilien und Aragón (wird 1519 zu Kaiser Karl V. gewählt, 1530 vom Papst gekrönt)
1519–1521
Hernán Cortés erobert Mexiko
1525
Edikt der Inquisition gegen die alumbrados
1532–1533
Francisco Pizarro erobert Peru
1535
Eroberung von Tunis durch Karl V.
1545
Beginn des Konzils von Trient
1550–1551
Kontroverse von Valladolid zwischen Juan Ginés de SepÞlveda und Bartolomé de Las Casas
1556–1598
Philipp II., König von Spanien (ab 1580 als Philipp I. auch von Portugal)
1557
Erster spanischer Staatsbankrott. Im „Spanischen Jahrhundert“ folgen weitere 1575, 1596, 1607, 1627, 1647, 1652 und 1662
1559
Autodafés mit Verbrennungen von Kryptoprotestanten in Valladolid und Sevilla Index verbotener Bücher von Fernando de Valdés und weitere Zensurmaßnahmen
1563
Ende des Konzils von Trient
1563–1584
Bau von El Escorial
1566
Anfang des Aufstandes in den Niederlanden
1571
Seeschlacht von Lepanto, unter Führung Spaniens besiegt die Heilige Liga die Türken
1587–1602
Große Pestepidemie in Kastilien
Chronologischer Überblick 1588
Zerstörung der Armada, die England besetzen wollte
1598–1621
Philipp III., König von Spanien (als Philipp II. auch von Portugal)
1609–1614
Vertreibung der letzten Morisken
1618–1648
Spanien kämpft im Dreißigjährigen Krieg
1621–1665
Philipp IV., König von Spanien (als Philipp III. auch von Portugal bis 1640)
1643
Niederlage bei Rocroi gegen Frankreich
1648
Westfälischer Friede, Spanien muss die nördlichen Niederlande als autonome Republik anerkennen
1648–1652
Große Pestepidemie in Andalusien, Katalonien und der Levante
1658
Tod von Baltasar Gracián
1659
Pyrenäenfriede mit Frankreich mit einem kleinen Territorialverlust
137
Literatur Einführung 1) Überblicksdarstellungen: Belenger, Ernest: El imperio hispánico 1479–1665, Barcelona 1995; Bennassar, Bartolomé: Un siècle d’or espagnol (vers 1525–vers 1648), Paris 1982; ders. / Vincent, Bernard: Spanien. 16. und 17. Jahrhundert, Stuttgart 1997; Bernecker, Walther L./ Pietschmann, Horst: Geschichte Spaniens. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 42005; Carrasco, Raphaël u.a.: Histoire et civilisation de l’Espagne classique, 1442–1808, Paris 1991; Dedieu, Jean-Pierre: L’Espagne de 1492 à 1808, Paris 1994; Domínguez Ortiz, Antonio: The Golden Age of Spain, 1516–1659, London 1971; ders.: El Antiguo Régimen. Los Reyes Católicos y los Austrias (Historia de España, Bd. 3), Madrid 1973; Elliott, John H.: Imperial Spain, 1469–1716, London 2002 (1963); ders. (Hg.): Die spanische Welt. Geschichte, Kultur, Gesellschaft, Freiburg 1991; Goodwin, Robert: Spain. The Centre of the World, 1519–1682, London 2015; Kamen, Henry: Spain 1469–1714. A Society of Conflict, Hoboken 2014; Lynch, John: Spain 1516–1598. From Nation State to World Empire, Oxford 1992; ders.: The Hispanic World in Crisis and Change, 1598–1700, Oxford 1994; ders.: Spain under the Habsburgs, 2 Bde., Oxford 1964–1969; Schmidt, Peer (Hg.): Kleine Geschichte Spaniens, Stuttgart 2007; Weller, Thomas: Das „spanische Jahrhundert“, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz 2010-12-03. URL: http://www.ieg-ego.eu/wellert-2010-de.
I. Sendungsbewusstsein 1) Überblicksdarstellungen: Arco y Garay, Ricardo de: La idea del imperio en la política y la literatura española, Madrid 1944; Bernecker, Walther L. u.a. (Hg.): Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1: Mittel-, Südamerika und die Karibik bis 1760, Stuttgart 1994; Bosbach, Franz: Monarchia universalis. Ein politischer Leitbegriff der frühen Neuzeit (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 32), Göttingen 1988; Carlos V. Europeismo y universalidad. La organización del poder (Sociedad Estatal para la conmemoración de los Centenarios de Felipe II y Carlos V), 5 Bde., Madrid 2001; Chaunu, Pierre: L’Espagne de Charles V, 2 Bde., Paris 1973; Delgado, Maria-
138
no: Die Metamorphosen des Messianismus in den iberischen Kulturen. Eine religionsgeschichtliche Studie, Immensee 1994; Diez del Corral, Luis: La Monarquía hispánica en el pensamiento político europeo de Maquiavelo a Humboldt, Madrid 1975; Fernández Álvarez, Manuel: Política mundial de Carlos V y Felipe II, Madrid 1966; Fernández-Santamaría, José Antonio: Natural Law, Constitutionalism, Reason of State, and War. Counter-Reformation Spanish Political Thought, Bd. 1, New York et al. 2005 (Renaissance and Baroque: Studies and Texts 32); Maravall, José Antonio: Estudios de historia del pensamiento español. Serie segunda: La época del Renacimiento, Madrid 1984; ders.: Carlos V y el pensamiento político del Renacimiento, Madrid 1999; Martínez Millán, José / Carlos Morales, Carlos J. de: Felipe II (1527–1598). La configuración de la Monarquía Hispana, Salamanca 1998; Menéndez Pidal, Ramón: La idea imperial de Carlos V., Madrid 51963; Parker, Geoffrey: The World is not Enough. The Imperial Vision of Philipp II of Spain, Waco 2001; Strohmeyer, Arno: Die Habsburger Reiche 1555–1740. Herrschaft, Gesellschaft, Politik, Darmstadt 2012; Vincent, Bernard: 1492. „Das Jahr der Wunder“. Spanien 1492: Die Vertreibung der Juden und Mauren und die Einführung der Grammatik, Berlin 1992. 2) Einzelstudien: a) allgemein: Kohler, Alfred / Haider, Barbara / Ottner, Christine (Hg.): Karl V. 1500–1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee, Wien 2002 (Zentraleuropa-Studien 6); Parker, Geoffrey: Philip II. With a new bibliographical essay, Chicago 2002; Sánchez Montes, Juan: Franceses, protestantes, turcos. Los españoles ante la política internacional de Carlos V, Granada 1995; Schmidt, Peer: Spanische Universalmonarchie und „teutsche libertet“. Das spanische Imperium in der Propaganda des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart 2001 (Studien zur modernen Geschichte 54). b) Zur schwarzen Legende: Edelmayer, Friedrich: Die „Leyenda negra“ und die Zirkulation antikatholisch-antispanischer Vorurteile, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz 2010-12-03. URL: http://www.ieg-ego. eu/edelmayerf-2010-de; García Cárcel, Ricardo: La leyenda negra. Historia y opinión, Madrid 1996; Gibson, Charles (Hg.): The Black Legend. Anti-Spanish Attitudes in the Old World and the New, New York NY 1971; Greer, Margaret R. / Mignolo, Walter D. / Quilligan, Maureen (Hg.): Rereading the Black Legend. The Discourses of Religious and Racial Diffe-
Literatur rence in the Renaissance Empires, Chicago et al. 2007; Pérez, Joseph: La légende noire de l’Espagne, Paris 2009; Reinhard, Wolfgang: ’Eine so barbarische und grausame Nation wie diese’. Die Konstruktion der Alterität Spaniens durch die Leyenda Negra und ihr Nutzen für allerhand Identitäten, in: Hans-Joachim Gehrke (Hg.): Geschichtsbilder und Gründungsmythen, Würzburg 2001 (Identitäten und Alteritäten 7), 159–177.
II. Staat und Kirche 1) Überblicksdarstellungen: Maravall, José Antonio: Teoría del estado en España en el siglo XVII, Madrid 2 1997; Pietschmann, Horst: Staat und staatliche Entwicklung am Beginn der spanischen Kolonisation Amerikas (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft. Zweite Reihe 19), Münster 1980; Rouco Varela, Antonio M.: Staat und Kirche im Spanien des 16. Jahrhunderts, München 1965; Vincent (s. Kap. I); Sánchez Agesta, Luis: El concepto de Estado en el pensamiento español del siglo XVI, Madrid 1959; Sánchez Bella, Ismael: Génesis del estado moderno en España, Pamplona 1956; ders.: Iglesia y estado en la América española, Pamplona 1991. 2) Einzelstudien: De la Hera, Alberto: Iglesia y Corona en la América española, Madrid 1992; Egaña, Antonio: La teoría del Regio Vicariato Español en Indias, Rom 1958; Pérez, Joseph: Ferdinand und Isabella. Spanien zur Zeit der Katholischen Könige, München 1989.
tragedia. La expulsión de los judíos, Barceloma 1993; Roth, Cecil: A History oft the Marranos, New York 1959; Wenzel, Jürgen: Die Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492. Vorgeschichte und Vergleich mit der Stellung anderer Minderheiten im christlichen Teil Spaniens (1369–1516), Norderstedt 2013. b) Zu den Morisken: Bernabé Pons, Luis F.: Los moriscos. Conflicto, expulsión, diaspora, Madrid 2009; Cardillac, Louis: La polemique antichrétienne des morisques ou L’opposition de deux communautés (1492–1640), 2 Bde., Lille 1973; ders.: Morisques et chrétiens, Paris 1977; Caro Baroja, Julio: Los moriscos del Reino de Granada, Madrid 1957; Carrasco Manchado, Ana Isabel: De la convivencia a la exclusión. Imágenes legislativas de mudéjares y moriscos. Siglos XIII–XVII, Madrid 2012; Coleman, David: Creating Christian Granada. Society and Religion in an Old-World Frontier City, 1492–1600, Ithaca (NY)/ London 2003; Domínguez Ortiz, Antonio / Vincent, Bernard: Historia de los moriscos, Madrid 1978; Dressendörfer, Peter: Islam unter der Inquisition. Die Morisco-Prozesse in Toledo, 1517–1610, Wiesbaden 1971; García-Arenal, Mercedes / Wiegers, Gerard: The expulsion of the Moriscos from Spain. A mediterranean diaspora, Leiden 2014; Harvey, Leonard P.: Muslims in Spain, 1500–1614, Chicago (IL) 2006; Lapeyre, Henn: Géographie de l’Espagne morisque, Paris 1960; Lomas Cortés, Manuel: El proceso de expulsión de los moriscos de España (1609–1614), Valencia u.a. 2011.
IV. Geistige Wende in „schweren Zeiten“ III. Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen 1) Überblicksdarstellungen: Castro, Américo: Spanien. Vision und Wirklichkeit, Köln 1957; Kamen, Henry: Los desheredados. España y la huella del exilio, Madrid 2007; Mann, Vivian B. u.a. (Hg.): Convivencia. Jews, Muslims and Christians in medieval Spain, New York 1992; Rios, Amador de los: Historia social, política y religiosa de los Judíos de España y Portugal, 3 Bde., Buenos Aires 1943; Sánchez-Albornoz, Claudio: España. Un enigma histórico, Barcelona 2001 (1956). 2) Einzelstudien: a) Zu den Juden: Alcalá, Angel (Hg.): Judíos. Sefarditas. Conversos. La expulsión de 1492 y sus consecuencias, Valladolid 1995; Caro Baroja, Julio: Los judíos en la España moderna y contemporánea, 3 Bde., Madrid 31986; Heymann, Fritz: Tod oder Taufe. Die Vertreibung der Juden aus Spanien und Portugal im Zeitalter der Inquisition, Frankfurt am Main 1988; Pérez, Joseph: Historia de una
1) Überblicksdarstellungen: Abellán, José Luis: Historia crítica del pensamiento español, Bde. 2 und 3, Madrid 1979; Bataillon, Marcel: Erasmo y España. Estudios sobre la historia espiritual del siglo XVI, México u.a. 31986; Fernández Álvarez, Manuel: La sociedad Española del Renacimiento, 2 Bde., Madrid 1989; Milhou, Alain: Die iberische Halbinsel. I. Spanien, in: Die Zeit der Konfessionen (1530–1620/ 30), hg. v. Marc Venard (Geschichte des Christentums 8), Freiburg 1992, 662–726; Thomas, Werner: La represión del protestantismo en España 1517–1648, Leuven 2001. 2) Einzelstudien: Caballero, Fermín: Conquenses ilustres. Vol. 2: Melchor Cano, Madrid 1871 (536–615: Gutachten über das Werk Carranzas); Horst, Ulrich: Die Loci Theologici Melchior Canos und sein Gutachten zum Catechismo Christiano Bartolomé Carranzas, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 36 (1989) 47–92; Monter, William: Zwangskonfessionalisierung? Die spanische Inquisition gegen Lutheraner und Morisken, in:
139
Literatur Reinhard, Wolfgang / Schilling, Heinz (Hgg.): Die katholische Konfessionalisierung, Münster 1995, 135–144; Tellechea, José Ignacio: El arzobispo Carranza y su tiempo. 2 Bde., Madrid 1968.
V. Die Kontroverse De Indis 1) Ausgaben der Werke von Las Casas, SepÞlveda und Vitoria mit nützlichen Einführungen und Anmerkungen: Las Casas, Bartolomé de: Werkauswahl, 4 Bde., hg. v. Mariano Delgado, Paderborn 1994– 1997; SepÞlveda, Juan Ginés de: Demócrates segundo – o De las justas causas de la guerra contra los Indios, (lat.-span.), hg. v. Ángel Losada, Madrid 1984; Vitoria, Francisco de: Vorlesungen (Relectiones), 2 Bde. (Theologie und Frieden 7 und 8), hg. v. Ulrich Horst / Hans-Gerd Justenhoven / Joachim Stüben, Stuttgart/Berlin/Köln 1995–1997. 2) Einzelstudien: Fernández-Santamaría, José Antonio: The State, War and Peace. Spanish Political Thought in the Renaissance 1516–1559, Cambridge 1977; Fisch, Jörg: Die europäische Expansion und das Völkerrecht. Die Auseinandersetzungen um den Status der überseeischen Gebiete vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Stuttgart 1984; Hanke, Lewis: The Spanish Struggle for Justice in the Conquest of America, Philadelphia 1949 (Nachdruck: Dallas 2002); ders.: All Mankind is one. A Study of the Disputation between Bartolomé de Las Casas and Juan Ginés de SepÞlveda in 1550 on the Intellectual and Religious Capacity of the American Indians, DeKalb 1974; Höffner, Josef: Kolonialismus und Evangelium. Spanische Kolonialethik im Goldenen Zeitalter, Trier 3 1971; Losada, Ángel: The Controversy between SepÞlveda and Las Casas in the Junta of Valladolid, in: Juan Friede / Benjamin Keen (Hg.): Bartolomé de Las Casas in History. Toward an Understanding of the Man and His Work, DeKalb 1971, 279–307; Pagden, Anthony: The Fall of Natural Man. The American Indian and the Origins of Comparative Ethnology, Cambridge 1999 (1986); ders.: Spanish Imperialism and the Political Imagination. Studies in European and Spanish-American Social and Political Theory 1513–1830, New Haven/London 1990; Todorov, Tzvetan: Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen, Frankfurt am Main 102008; Wallerstein, Immanuel: Die Barbarei der anderen. Europäischer Universalismus, Berlin 2007.
VI. Die Kontroverse um die Limpieza de sangre 1) Überblicksdarstellungen: Domínguez Ortiz, Antonio: Los judeoconversos en España y América,
140
Madrid 1988; Hering Torres, Max Sebastián: Rassismus in der Vormoderne. Die „Reinheit des Blutes“ im Spanien der Frühen Neuzeit (Campus Forschung 911), Frankfurt am Main/New York 2006; Ruano, Eloy Benito: Los orígenes del problema converso, Madrid 2001; Sicroff, Albert A.: Les controverses des statuts de pureté de sang en Espagne du XV. au XVII. siècle, Paris 1960. 2) Einzelstudien: Maryks, Robert A.: The Jesuit Order as a „Synagogue of Jews“. Discrimination against Conversos in the Early Society of Jesus, Leiden 2009; Rastoin, Marc: Du mÞme sang que Notre Seigneur. Juifs et jésuites aux débuts de la compagnie de Jésus, Montrouge 2011.
VII. Die Spanische Inquisition 1) Überblicksdarstellungen: Bennassar, Bartolomé (Hg.), L’inquisition espagnole. XVe–XIXe siècle, Verviers 1983; Bethencourt, Francisco: The Inquisition. A Global History 1478–1834, Cambridge 2009; Edwards, John: Die spanische Inquisition, Düsseldorf 2003; García Cárcel, Ricardo: La Inquisición, Madrid 1993; Kamen, Henry: Inquisition and Society in Spain in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, London 1985; ders.: Die spanische Inquisition. Verfolgung und Vertreibung, München 1980; Lea, Henry Charles: Geschichte der spanischen Inquisition, 3 Bde., Nördlingen 1988 (Neudruck der Leipziger Ausgabe von 1911–1912); Lemm, Robert / Kumpmann, Walter: Die spanische Inquisition. Geschichte und Legende, Köln 2005; Pérez Villanueva, Joaquín (Hg.): La Inquisición Española. Nueva visión, nuevos horizontes, Madrid 1980; ders. / Escandell Bonet, Bartolomé (Hg.): Historia de la Inquisición en España y América, 3 Bde., Madrid 1984–2000; ders.: La historiografía de la Inquisición Española, in: ders. / Escandell Bonet (Hg.), Historia, Bd. 1, 3–39. 2) Einzelstudien und Quellen über die Buchzensur: Alcalá, A´ngel: Inquisición española y mentalidad inquisitorial, Barcelona 1984; Dedieu, Jean-Pierre: L’administration de la foi. L’Inquisition de Tolède (XVIe-XVIIIe siècle), Madrid 1989; Márquez, Antonio: Literatura e Inquisición en España (1478–1834), Madrid 1980; Martínez de Bujanda, JesÞs (Hg.): Index des livres interdits V: Index de l’Inquisition Espagnole 1551, 1554, 1559, Québec/Genève 1984; ders.: Index des livres interdits VI: Index de l’Inquisition Espagnole 1583, 1584, Québec/Genève 1993; Pardo Tomás, José: Ciencia y censura. La Inquisición española y los libros científicos en los siglos XVI y XVII, Madrid 1991; Perry, Mary Elizabeth / Cruz, Anne J. (Hg.): Cultural Encounters. The Impact of the
Literatur Inquisition in Spain and the New World, Berkeley 1991; Pinto Crespo, Virgilio: Inquisición y control ideológico en la España del siglo XVI, Madrid 1983; Reyes Gómez, Fermín de los: El libro en España y América. Legislación y censura (siglos XV–XVII), 2 Bde., Madrid 2000.
VIII. Als Bibelübersetzungen subversiv waren 1) Überblicksdarstellungen (zu der wissenschaftlichen Exegese in Spanien): Cabañas González, María Dolores: El sueño de Cisneros. V Centenario de la edición de la Biblia Políglota Complutense, Alcalá de Henares 2015; Domínguez Reboiras, Fernando: Gaspar de Grajal (1530–1575). Frühneuzeitliche Bibelwissenschaft im Streit mit Universität und Inquisition, Münster 1998; Fernández Marcos, Natalio / Fernández Tejero, Emilia: Biblia y humanismo. Textos, talantes y controversias del siglo XVI español, Madrid 1997; Pérez, Miguel / Trebollé, Julio: Historia de la Biblia, Madrid 2006; Reinhardt, Klaus: Bibelkommentare spanischer Autoren (1500–1700), 2 Bde., Madrid 1990–1999; Spottorno, Victoria: The Textual Significance of Spanish Polyglott Bibles, in: Sef. 62 (2002) 375–392. 2) Einzelstudien (zu den spanischen Bibeln im Exil): Fernández y Fernández, Enrique: Las Biblias castellanas del exilio. Historia de las Biblias castellanas del siglo XVI, Miami 1976; Hassán, Iacob M. (Hg.): Introducción a la Biblia de Ferrara. Actas del Simposio Internacional sobre la Biblia de Ferrara, Madrid 1994; Kinder, A. Gordon: Spanish Protestants and Reformers in the Sixteenth Century. A Bibliography, London 1983.
IX. Eine erneuerte Scholastik 1) Überblicksdarstellungen: Andrés Martín, Melquíades: La teología española en el siglo XVI, 2 Bde., Madrid 1976; Azevedo Alves, André / Manuel Moreira, José: The Salamanca School (Major conservative and libertarian thinkers 9), London 2010; Belda Plans, Juan: La escuela de Salamanca y la renovación de la teología en el siglo XVI, Madrid 2000; Duve, Thomas u.a.: Die Schule von Salamanca. Eine digitale Quellensammlung und ein Wörterbuch ihrer juristischpolitischen Sprache, Frankfurt am Main 2013; Peña González, Miguel A.: La Escuela de Salamanca. De la monarquía hispánica al orbe católico, Madrid 2009. 2) Einzelstudien: Cano, Melchor: De locis theologicis, hg. v. Juan Belda Plans, Madrid 2006; Domínguez Reboiras, Fernando: Die Schule von Salaman-
ca. Eine kritische Ortsbestimmung, in: Von der Suche nach Gott. Helmut Riedlinger zum 75. Geburtstag. Hg. v. Margot Schmidt / dems., Stuttgart/Bad Cannstatt 1998, 463–487; Garzón Valdés, Ernesto (Hg.): Spanische Studien zur Rechtstheorie und Rechtsphilosophie (Schriften zur Rechtstheorie 141), Berlin 1990; Grunert, Frank / Seelmann, Kurt (Hg.): Die Ordnung der Praxis. Neue Studien zur Spanischen Spätscholastik (Frühe Neuzeit Bd. 68), Tübingen 2001; Köck, Heribert Franz: Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, Berlin 1987; Körner, Bernhard: Melchior Cano. De locis theologicis. Ein Beitrag zur Theologischen Erkenntnislehre, Graz 1994; Mate, Reyes (Hg.): Spaniens Beitrag zum politischen Denken in Europa um 1600, Wiesbaden 1994 (Wolfenbütteler Forschungen 54); Pérez Luño, AntonioEnrique: Die klassische Naturrechtslehre in 5 Jahrhunderten (Schriften zur Rechtstheorie 165), Berlin 1994; Tapia, Joaquín: Iglesia y teología en Melchor Cano (1509–1560). Un protagonista de la restauración eclesial y teológica en la España del siglo XVI, Roma 1989.
X. Spiritualität und Mystik 1) Überblicksdarstellungen: Andrés Martín, Melquíades: Historia de la mística de la edad de oro en España y América, Madrid 1994; Behn, Irene: Spanische Mystik. Darstellungen und Deutungen, Düsseldorf 1957; Bernecker, Walther L.: Religion in Spanien. Darstellung und Daten zu Geschichte und Gegenwart, Gütersloh 1995; Christian, William A. Jr.: Local Religion in Sixteenth Century Spain, Princeton 1981; Dupré, Louis / Saliers, Don E.: Geschichte der christlichen Spiritualität, Bd. 3: Die Zeit nach der Reformation bis zur Gegenwart, Würzburg 1997; Saínz Rodríguez, Pedro: Espiritualidad española, Madrid 1961. 2) Einzelstudien: Caro Baroja, Julio: Las brujas y su mundo, Madrid 81988; Ciruelo, Pedro: Verwerfung des Aberglaubens und der Zauberei. Ein Inventar des Volksglaubens in der spanischen Renaissance. Hg. und eingeleitet von Mariano Delgado. Mit einem Beitrag über den „Quijote“ (Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte 7), Fribourg–Stuttgart 2008; Dobhan, Ulrich: Gott, Mensch, Welt in der Sicht Teresas von Ávila, Frankfurt am Main 1978; ders. / Körner, Reinhard (Hg.): Johannes vom Kreuz – Lehrer des „Neuen Denkens“. Sanjuanistik im deutschen Sprachraum, Würzburg 1991; Hamilton, Alastair: Heresy and mysticism in sixteenth-century Spain. The Alumbrados, Cambridge 1992; Huerga, ´ lvaro: Historia de los alumbrados (1570–1630), 5 A Bde., Madrid 1978– 1994; Márquez, Antonio: Los
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Literatur alumbrados. Orígenes y filosofía 1525–1559, Madrid 1972; Márquez Villanueva, Francisco: Espiritualidad y literatura en el siglo XVI, Madrid 1968; Pérez, Joseph: Teresa de Ávila y la España de su tiempo, Madrid 2007.
Mexiko, Immensee 1992; Phelan, John Leddy: The Millenial Kingdom of the Franciscans in the New World, Berkeley 1956; Ricard, Robert: La conquista espiritual de México, México 1992; Specker, Johann: Die Missionsmethoden in Spanisch-Amerika im 16. Jahrhundert, Schöneck-Beckenried 1953.
XI. Ein missionierendes Weltreich XII. Die Neue Welt – ethnographisch 1) Überblicksdarstellungen: Borges, Pedro (Hg.): Historia de la Iglesia en Hispanoamérica y Filipinas (Siglos XV–XIX), 2 Bde., Madrid 1992; Delgado, Mariano (Hg.): Gott in Lateinamerika. Texte aus fünf Jahrhunderten. Ein Lesebuch zur Geschichte, Düsseldorf 1991; ders.: Christentumsgeschichte Lateinamerikas in der katholischen Historiographie, in: Periplus. Jahrbuch für außereuropäische Geschichte 16 (2006) 61–86; Durán, Juan Guillermo (Hg.): Monumenta catechetica hispanoamericana (Siglos XVI–XVIII), 2 Bde., Buenos Aires 1984–1990; Dussel, Enrique: Geschichte der Kirche in Lateinamerika, Mainz 1988; Koschorke, Klaus / Ludwig, Frieder / Delgado, Mariano (Hg.): Außereuropäische Christentumsgeschichte: Asien, Afrika, Lateinamerika, 1450–1990 (Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen 6), Neukirchen-Vluyn 42012; Lopetegui, León / Zubillaga, Felix / Egaña, Antonio: Historia de la Iglesia en la América española, 2 Bde., Madrid 1965–1966; Milhou, Alain: Lateinamerika, in: Die Zeit der Konfessionen (1530–1620/30), hg. v. Marc Venard (Geschichte des Christentums 8), Freiburg 1992, 772–858; Prien, Hans-Jürgen: Das Christentum in Lateinamerika, Leipzig 2007; Saranyana, Josep-Ignasi (Hg.): Teología en América Latina, 3 Bde., Frankfurt am Main/Madrid 2005; Sievernich, Michael: Die christliche Mission. Geschichte und Gegenwart, Darmstadt 2009; Sievernich, Michael / Camps, Arnulf / Müller, Andreas / Senner, Walter (Hg.): Conquista und Evangelisation. Fünfhundert Jahre Orden in Lateinamerika, Mainz 1992. 2) Einzelstudien: Borges, Pedro: Métodos misionales en la cristianización de América, Madrid 1960; Gutiérrez, Lucio: Historia de la Iglesia en Filipinas, 1565–1900, Madrid 1992; Konetzke, Richard: Die Bedeutung der Sprachenfrage in der spanischen Kolonisation Amerikas, in: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas 1 (1964) 72–116; Marzal, Manuel M.: El sincretismo iberoamericano, Lima 1985; Meier, Johannes: Religiöse Begegnungen und Christliche Mission, in: Entdeckungen und neue Ordnungen 1200 bis 1800: WBG-Weltgeschichte. Eine globale Geschichte von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert, hg. v. Walter Demel u.a., Bd. 4, Darmstadt 2010, 325–383; Nebel, Richard: Santa María Tonantzin Virgen de Guadalupe. Religiöse Kontinuität und Transformation in
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1) Überblicksdarstellungen: Bitterli, Urs: Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung, München 21991; Brading, David A.: The First America, Cambridge 1991; Gerbi, Antonello: The Dispute of the New World, Pittsburgh 1983; ders.: La naturaleza de las Indias Nuevas. De Cristóbal Colón a Gonzalo Fernández de Oviedo, México 1978; Marzal, Manuel M.: Historia de la antropología indigenista. México y PerÞ, Lima 1981; Murray, James C.: Spanish Chronicles of the Indies: Sixteenth Century, New York u.a. 1994. 2) Einzelstudien: Baudot, Georges: Utopie et Histoire au Mexique. Les premiers chroniqueurs de la civilisation mexicaine (1520–1569), Toulouse 1977; Erdheim, Mario: Anthropologische Modelle des 16. Jahrhunderts. Über Las Casas, Oviedo und SahagÞn, in: Karl-Heinz Kohl (Hg.): Mythen der Neuen Welt. Zur Entdeckungsgeschichte Lateinamerikas, Berlin 1982, 57–67; Milhou, Alain: Die Neue Welt als geistiges und moralisches Problem (1492–1609), in: Pietschmann, Horst (Hg.): Handbuch zur Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1: Mittel-, Südamerika und die Karibik bis 1760, Stuttgart 1994, 264–296; Pagden: The Fall (s. Kap. V); Todorov: Die Eroberung (s. Kap. V).
XIII. Ein Weltreich geht bankrott 1) Überblicksdarstellungen: Chaunu, Pierre u. Huguette: Séville et l’Atlantique (1504–1650), 12 Bde., Paris 1955–1959; Grice-Hutchinson, Marjorie: El pensamiento económico en España (1177–1740), Barcelona 1982; Hamilton, Earl J.: American Treasure and the Price Revolution in Spain, 1501–1650, New York 1977 (1934); Klaveren, Jakob van: Europäische Wirtschaftsgeschichte Spaniens im XVI. und XVII. Jahrhundert, Stuttgart 1960; Pieper, Renate: Die Preisrevolution in Spanien (1500–1640). Neuere Forschungsergebnisse, Stuttgart 1985 (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 31); Sánchez Bella, Ismael: La organización financiera de las Indias: Siglo XVI, Sevilla 1968; Vicens Vives, Jaime (Hg.): Historia social y económica de España y América, 5 Bde., Barcelona 51988; Yun Casalilla, Bartolomé:
Literatur Marte y Minerva. El precio del imperio español (c. 1450–1600), Barcelona 2004. 2) Einzelstudien: Carande, Ramón: Carlos V y sus banqueros, 3 Bde., Barcelona 31990; Domínguez Ortiz, Antonio: Política y Hacienda de Felipe IV, Madrid 1960; Grice-Hutchinson, Marjorie: The School of Salamanca. Readings in Spanish Monetary Theory 1544–1605, Oxford 1952; TePaske, John J. / Klein, Herbert S.: The royal treasuries of the Spanish empire in America, 3 Bde., Durham, N. C. 1982; Ulloa, Modesto: La Hacienda Real de Castilla en el reinado de Felipe II, Rom 1963.
XIV. Eine globale Kultur oder ein Siglo de Oro im „Spanischen Jahrhundert“ 1) Überblicksdarstellungen: a) Kunst und Architektur: Barral i Alet, Xavier (Hg.): Die Geschichte der spanischen Kunst, Cologne 1997; Brown, Jonathan: Images and Ideas in Seventeenth-Century Spanish Painting, Princeton 1978; ders.: The Golden Age of Painting in Spain, New Haven/London 1991; ders.: Painting in Spain 1500–1700, New Haven/London 1998; Mâle, Émile: L’art religieux du XVIIe siècle. Italie – France – Espagne – Flandres, Paris 1984; Sebastián, Santiago: El barroco iberoamericano: Mensaje iconográfico, Madrid 1990; Sureda, Joan: The Golden Age of Spain. Painting, sculpture, architecture, New York 2008. b) Literatur: Ehrlicher, Hanno: Einführung in die spanische Literatur und Kultur des Siglo de Oro (Grundlagen der Romanistik 25), Berlin 2012; Gumbrecht, Hans Ulrich: Eine Geschichte der spanischen Literatur, 2 Bde., Frankfurt am Main 1990; Neuschäfer, Hans-Jörg (Hg.): Spanische Literaturgeschichte, Stuttgart 42011; Rico, Francisco (Hg.): Historia y crítica de la literatura española, Bd. 2 und 3, Barcelona 1980; Simson, Ingrid: Das Siglo de Oro. Spanische Literatur, Gesellschaft und Kultur des 16. und 17. Jahrhunderts, Stuttgart 2001. 2) Einzelstudien: a) Kunst und Architektur: Brown, Jonathan / Elliott, John H.: A Palace for a King. The Buen Retiro and the Court of Philip IV., New Haven/London 1980; Brown, Jonathan: Velázquez. Maler und Höfling, München 1988; Calvo Serraller, Francisco: La teoría de la pintura en el Siglo de Oro, Madrid 1981; Gállego, Julián: El pintor, de artesano a artista, Granada 1995; Martín González, Juan José: El artista en la sociedad española del siglo XVII, Madrid 1984; Mulcahy, Rosemarie: The Decoration of the Royal Basilica of El Escorial, Cambridge 1994; Scholz-Hänsel, Michael: Inquisition und Kunst. Convivencia in Zeiten der Intoleranz, Berlin 2009; Stoichita, Victor I.:
Das mystische Auge. Vision und Malerei im Spanien des Goldenen Zeitalters, München 1997. b) Literatur: Arellano, Ignacio (Hg.): Modelos de vida en la España del Siglo de Oro, 2 Bde., Madrid 2004–2007; Maravall, José Antonio: Teatro y literatura en la sociedad barroca, Madrid 1972; Oehrlein, Josef: Der Schauspieler im spanischen Theater des Siglo de Oro (1600–1681). Untersuchungen zu Berufsbild und Rolle in der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1986; Strosetzki, Christoph: Miguel de Cervantes. Epoche, Werk, Wirkung, München 1991; Teuber, Bernhard: Sacrificium litterae. Allegorische Rede und mystische Erfahrung in der Dichtung des heiligen Johannes vom Kreuz, München 2003; Tietz, Manfred / Trambaioli, Marcella (Hg.): El autor en el Siglo de Oro. Su estatus intelectual y social, Vigo 2011.
XV. Von der Exzellenz zur Mittelmäßigkeit 1) Überblicksdarstellungen: Andrés-Gallego, José: La crisis de la hegemonía española, siglo XVII (Historia General de España y América, Bd. 8), Madrid 1986; Carrasco, Raphaël: L’Espagne au temps des validos 1598–1645, Toulouse 2009; Defourneaux, Marcelin: Spanien im Goldenen Zeitalter. Kultur und Gesellschaft einer Weltmacht, Stuttgart 1986; Domínguez Ortiz, Antonio: Crisis y decadencia de la España de los Austrias, Barcelona 1984; Duchhardt, Heinz / Strosetzki, Christoph (Hg.): Siglo de Oro – Decadencia. Spaniens Kultur und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts / La cultura y la política de España en la prima mitad del siglo XVII (Münsterische historische Forschungen 10), Köln u.a. 1996; Kamen, Henry: Del imperio a la decadencia. Los mitos que forjaron la España moderna, Madrid 2006; Münkler, Herfried: Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Berlin 52005; Palacio Atard, Vicente: España en el siglo XVII. Derrota, agotamiento, decadencia, Madrid 1987; Sainz Rodríguez, Pedro: Evolución de las ideas sobre la decadencia española, Madrid 1962. 2) Einzelstudien: Duchhardt, Heinz: Der Pyrenäenfriede 1659. Vorgeschichte, Widerhall, Rezeptionsgeschichte (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz), Göttingen 2010; Elliott, John H.: The Revolt of the Catalans: A Study in the Decline of Spain, 1598–1640, Cambridge u.a. 1984; ders.: The Count-Duke of Olivares. The Stateman in an Age of Decline, New Haven/London 1986; Schulte, Hansgerd: El desengaño. Wort und Thema in der spanischen Literatur des Goldenen Zeitalters, München 1969.
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Personenregister Abraham 52 Abravanel, Isaac 23, 25 Acevedo, Juan Bautista de 55 Acosta, José de SJ 7, 41–42, 91, 93, 100, 104–106, 112 Acuña, Hernando de 6–7 Adam 36, 38, 100, 102 Alcántara, Pedro de OFM 30, 79, 87 Aldana, Francisco de 128 Alemán, Mateo 129 Alfons VI. 21 Alfons VII. 45 Alfons X., der Weise 3, 10, 21, 43, 45, 67, 121 Alfonso I. 69 Aliaga, Luis de 55 Álvarez, Baltasar SJ 79, 87 Anaya, Diego de 44 Anchieta, Juan de 125 Anunciación, Juan de la OSA 98 Arce Reinoso, Diego de 49, 55 Arcos, Miguel 108 Arfe (Enrique und Juan) 117 Arias Montano, Benito 67 Aristoteles 35, 42, 76–77, 84 Arius 20 Arnaldo de Vilanova 4 Arriaga, (Pablo) José de SJ 103, 106 Atahualpa 108 Augustinus 38, 57, 84, 93 Augustus 9 Austria, Juan de 24 Avendaño, Fernando de 98 Ávila, Francisco de 106 Azpilcueta, Martín de 77 Badius, Conrad 70 Báñez, Domingo OP 52, 73, 77 Bataillon, Marcel 29, 31, 79 Becerra, Gaspar de 125 Benavente, Toribio de OFM (auch Motolinía) 6, 106 Bennassar, Bartolomé 1, 19, 120 Bergson, Henri 85 Bernini, Gian Lorenzo 83 Berruguete, Alonso 125 Berruguete, Pedro 117, 119, 125 Bertonio, Ludovico SJ 98
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Beza, Theodor von 70 Biguarny (Felipe) 117 Borja, Francisco de SJ 30–31, 53 Bosbach, Franz 6 Boscán, Juan 128–129 Bosch, Hieronymus 120, 133 Brown, Jonathan 119–121 Cabedo, Juan OFM 36, 99 Cabezón, Antonio de 119 Cajés, Eugenio 121 Calancha, Antonio de la OSA 92–93, 104, 106 Calasanz, José de 87 Calderón de la Barca, Pedro 2, 125, 127, 129–130 Calepino, Ambrogio 72 Calvin, Johannes 70, 76 Campanella, Tommaso OP 9, 11 Cano, Alonso 118, 123, 125 Cano, Melchor OP 29, 31–33, 37, 61, 68, 73–77, 81, 83 Carande, Ramón 110 Caravaggio 122, 124 Carducho (Carducci), Vicente 117, 119, 121, 125 Carranza, Bartolomé OP 30–33, 61, 68, 76 Carreño de Miranda, Juan 125 Carrière, Jean-Claude 39 Cartagena, Alsonso de 44 Cartier, Jacques 36 Castañega, Martín de OFM 86 Castelo, Felix 121 Castillejo, Cristóbal de 128 Castro, Alfonso de 69 Castro, Américo 5, 22, 24, 26, 43 Cazalla, Agustín de 29 Certeau, Michel de 84 Cervantes, Miguel de 2, 26, 65–66, 84, 129–131, 133 Cicero 77, 91 Ciruelo, Pedro 86-87 Clairvaux, Bernhard von OCist 84 Claver, Pedro SJ 97 Cobo, Bernabé SJ 105–106 Coello, Claudio 119, 125 Colonia (Juan und Simón) 117
Contreras Mayor, Antonio 50 Córdoba, Pedro de OP 95, 98 Corpus Christi, Mancio de OP 73, 77 Cortés, Herán 16, 36, 38, 99, 130, 136 Cota, Alonso 45 Covarrubias y Leyva, Diego de 77 Covarrubias, Alonso de 118 Crespin, Jean 70 Cruz, Juana Inés de la 2, 129 Cueva, Juan de la 129 D’Abbeville, Claude 91 Daniel 6–7, 10–11 Dedieu, Jean-Pierre 55–56 Deza, Diego de OP 16, 55 Díaz del Castillo, Bernal 130 Díez de San Miguel, Garci 106 Döllinger, Ignaz von 73 Domínguez Ortiz, Antonio 1, 44, 50 Don Carlos (Kazike von Tezcoco) 94 Durán, Diego OP 102–103 Egas, Enrique de 117–118 Ehrlicher, Hanno 126 Eiximenis, Francesc 78 El Greco (Domenikus Theotecopuli) 55, 119, 122, 125 Elliott, John H. 120–121, 132 Enguera, Juan 55 Enríquez, Martín 105 Enzinas, Francisco de (hellenisiert Dryander) 67, 69–70 Ercilla, Alsonso de 129 Ercole II. (Herzog von Ferrera) 69 Escobar del Corro, Juan 50 Espina, Alonso de 27 Espinel, Vicente 129 Espinosa, Diego de 55 Estienne, Robert 70 Eva 100 Ferdinand von Aragón (siehe auch Katholische Könige) 1, 5, 14–17, 36, 136
Personenregister Fernández de Enciso, Martín 99 Fernández de Oviedo, Gonazlo 99 Fernández, Gregorio 83, 123, 125 Ferrer, Vicente OP 44 Focher, Juan 19 Franco Serrano, Yosef 70 Franz I. von Frankreich 1, 6, 36, 107 Fray Luis de León (siehe auch Luis de León OSA) 128–129 Freising, Otto von 3 Frobenius, Johannes 57 Fuente, Alsonso de la OP 83 Gamaliel 69 García de Mora, Marcos 45 García, Gregorio OP 89, 106 Gasca, Pedro de la 109 Gattinara, Mercurino 6 Gil de Hontañón, Juan 118 Gil de Hontañón, Rodrigo 118 Giordano, Luca 4, 117 Gómez de Mora, Juan 118 Góngora, Luis de 104, 128–129 González de Holguín, Diego SJ 98 Goya, Francisco de 125 Gracián, Baltasar SJ 2, 88, 129–130, 133, 137 Grajal, Gaspar de 68 Granada, Luis de OP 30–31, 79, 82, 87, 129–130 Guadalupe, Juan de 16 Guamán Poma de Ayala, Felipe 103, 106, 130 Guerrero, Francisco 118–119 Guevara, Antonio de 129–130 Guevara, Juan de OSA 73, 77 Ha-Leví, Salamón (Pablo de Santa María) 43 Ham 97 Hamilton, Earl J. 112 Heinrich III. von Frankreich 114 Heinrich IV. von Frankreich 114 Hering Torres, Max Sebastián 53 Herrera, Fernando de 7, 128–129 Herrera, Juan de 20, 118 Hoffaeus, Paul SJ 53 Hofmannsthal, Hugo von 127 Humboldt, Alexander von 105 Humeya, Aben 24
Ignatius von Loyola SJ 30, 53, 78–79, 87 Isaak 52 Isabella von Kastilien (siehe auch Katholische Könige) 1, 14, 23, 34, 120, 136 Isabella von Portugal 107 Isidor von Sevilla 3 Israel, Menasseh Ben 11 Jaca, Francisco José de OFM Cap 97–98 Jakob 52 Jakob de Vorágine 78 Jesus (Christus) 4, 6, 51, 53–54, 79–80, 85, 122–123 Jímenez de Cisneros, Francisco OFM 16, 23, 55, 67, 78 Jiménez de Cisneros, García OSB 78 Jiménez de Quesada, Gonzalo 130 Jiménez, Fernando 46 Johanna (Tochter Karl V.) 29 Johannes vom Kreuz OCD 79, 80–84, 86–87, 128–130 Jordán, Esteban 125 Juan de Ávila 17, 30–31, 79, 87 Juan de Dios 87 Juan II. (von Kastilien) 45 Juni (Joigny), Juan de 117, 125 Kamen, Henry 132 Karl der Große 6, 9 Karl II. 1, 110 Karl III. 28 Karl IV. 125 Karl V. (Karl I.von Spanien) 1, 4–7, 16, 18, 28–30, 36, 39–40, 69, 94, 107–111, 113, 118, 120, 132, 136 Kolumbus, Christoph 5, 101, 136 Könige, Katholische (s. auch Ferdinand und Isabella) 1, 4–5, 9, 13–17, 19, 21–22, 25, 34, 55, 57–58, 78, 85, 107, 115–116, 118, 132–133 Konstantin I., der Große 20 Kramer, Heinrich (Instoris) 82 Laínez, Diego SJ 81 Landa, Diego de OFM 106 Laredo, Bernardino de OFM 30, 79, 87
Las Casas, Bartolomé de OP 7–8, 18, 26, 36–41, 58, 78, 92–93, 95, 97, 99–-100, 105–106, 109, 111–112, 114, 133, 136 Laurentius (Hl.) 19–20 Leonardo, Jusepe 121 Leoni (Leone und Pompeo) 117 Lerma, Herzog von (Francisco Gómez de Sandoval y Rojas) 14, 24, 48, 119 Léry, Jean de 91 Llorente, Juan Antonio 64 Loaysa y Mendoza, García de 55 Loaysa, Alonso de 35 Lobo, Alsonso 118–119 Lombardus, Petrus 74 López de Gómara, Francisco 7–8, 99 López de Velasco, Juan 106 Ludolf von Sachsen 78 Ludwig XIII. 11 Ludwig XIV. 2, 11 Luis de León OSA (siehe auch Fray Luis de León) 27, 47, 68, 73, 77, 79, 82–83, 87 Luna, Álvaro de 45 Luther, Martin 58, 81, 91 Machado, Antonio 85 Machuca, Pedro 117–118 Madrid, Alsonso de OFM 79, 87 Magellan, Ferdinand 99 Maíno, Juan Bautista 121–122, 125 Major, John 35, 37–38 Maldonado, Juan SJ 68 Mâle, Émile 122 Manrique de Lara, Alfonso 55 Manrique de Lara, Jerónimo 55 Manrique, Alonso de 58 Maravall, José Antonio 132 Maria (Mutter Jesu) 123 Maria (von Bethanien) 82 María Cristina (Regentin Spaniens) 55 María Teresa (Tocher Philipps IV.) 11 Mariana, Juan de SJ 25–26, 42, 47, 57, 65, 73, 77, 114–116 Martha (von Bethanien) 82 Martínez de Cantalapiedra, Martín 68 Martínez Montañés, Juan 123, 125 Martínez Silíceo, Juan 45–47, 53
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Personenregister Maximilian und Maria (Regenten Spaniens) 109 Medina, Bartolomé de OP 73, 77 Melanchthon, Philipp 58, 69, 76 Mena, Pedro de 125 Mendieta, Jerónimo de OFM 106 Mendoza, Juan Hurtado de 16 Menéndez Pelayo, Marcelino 64 Mercader, Luis Ocart 55 Mercado, Tomás de OP 113–114 Merton, Thomas 79 Mesa, Juan de 123, 125 Milhou, Alain 82 Millán, Luis de 118–119 Minerva 121 Mogrovejo, Toribio Alfonso de 93 Moirans, Epifanio de OFM Cap 97–98 Molina, Alonso de OFM 98 Molina, Cristóbal de 106 Molina, Luis de SJ 73, 77 Molina, Tirso de (Gabriel Téllez) 127, 129–130 Molinos, Miguel de 79–80, 87 Montemayor, Juan de 48 Montesino, Antón 35 Morales, Cristóbal de 118–119 Morales, Luis 125 Morus, Thomas 95–96 Morvilliers, Masson de 64 Muhammad 3 Murillo, Bartolomé Esteban 83, 122, 125 Navarro, Pedro SJ 81 Nebrija, Antonio de (auch Lebrija) 5, 65, 125–126 Nebukadnezzar 4 Niño de Guevara, Fernando 55 Noah 97 Nóbrega, Manoel da SJ 91 NÞñez de Vela, Blasco 109 Olivares, Graf-Herzog von (Gaspar de Guzmán y Pimentel) 14, 49, 121–122, 132 Ondegardo, (Juan) Polo de 101, 106 Ore, Jerónimo Luis OFM 98 Orellana, Juan de 52 Orozco, Alonso de OSA 30, 79, 87 Ortiz, Luis de 113 Ortiz, Tomás de OP 99
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Osuna, Francisco de OFM 30–31, 79, 87 Pacheco, Andrés 55 Pacheco, Francisco 119–120, 123, 125 Palestrina, Giovanni Pierluigi da 119 Palmio, Benedetto 54 Pané, Ramón OSH 101, 106 Pantoja de la Cruz, Juan 125 Papst Alexander VI. 1, 7, 16–17, 34, 45, 57, 108 Papst Benedikt XIII. 44 Papst Calixtus III. 34 Papst Clemens VII. 51 Papst Clemens XIV. 54 Papst Gregor XIII. 51 Papst Hadrian VI. (siehe auch Adriano de Utrecht) 18–19, 55 Papst Innozenz VIII. 57 Papst Julius II. 17 Papst Julius III. 51 Papst Leo X. 57, 67 Papst Martin V. 44 Papst Nikolaus V. 34, 51–52, 97 Papst Paul III. 18, 46 Papst Paul IV. 27, 47, 51 Papst Paul VI. 83 Papst Pius IV. 57 Papst Pius V. 18–19, 51 Papst Sixtus IV. 55 Paracelsus 100 Pardo de Tavera, Juan 55 Paulus 46, 51, 83, 92 Peña, Juan de la OP 32, 73, 77 Pereda y Salgado, Antonio de 121 Pérez de Pineda, Juan 67, 70–71 Pfisterer, Ulrich 121 Philipp II. (Philipp I. von Portugal) 5, 7–9, 14, 18–20, 24, 28–30, 40–41, 45, 47–48, 59–60, 67, 71, 88, 100–101, 105–106, 109–117, 119–120, 132, 134, 136 Philipp III. (Philipp II. von Portugal) 7, 14, 24, 48, 110, 114–115, 119, 136 Philipp IV. (Philipp III. von Portugal) 1, 7, 11, 14, 46, 48–49, 110, 119–122, 127, 132, 136 Pietschmann, Horst 14 Pigafetta, Antonio 99 Pizarro, Francisco 36, 108, 136
Pizarro, Gonzalo 109 Plasencia, Juan de OFM 98 Plato 77 Portocarrero, Pedro de 48, 55 (Pseudo-)Dionysius Areopagita 81, 84 Quevedo, Francisco de 128–129, 133 Quiroga, Gaspar de 52, 55, 61–63, 65–66 Quiroga, Vasco de 96 Raffael 124 Ramírez, Juan SJ 53 Reina, Casiodoro de 67, 70–72 Rekared I. 3, 10, 21 Rembrandt 10 Reyes, San Juan de los 118 Ribalta, Francisco 125 Ribera, Antonio de 40 Ribera, José 125 Richelieu (Armand-Jean du Plessis, Kardinal von) 11 Río, Martín del SJ 86 Roco Campofrío, Juan 48 Rojas, Fernando de 126, 129 Rotterdam, Erasmus von 28, 31, 58, 64, 69, 73, 78 Rubens, Peter Paul 83, 119 Rueda, Lope de 129 Ruiz de Alarcón, Juan 127, 129 Ruiz de Montoya, Antonio SJ 96, 98 Saavedra Fajardo, Diego 10, 133 SahagÞn, Bernardino de OFM 102–106 Salazar, Juan de OSB 9–10 Salgado de Somoza, Francisco 19 Salucio, Agustín OP 47–49 Sánchez Coello, Alonso 125 Sánchez Cotán, Juan OCart 125 Sánchez-Albornoz, Claudio 26 Sandoval y Rojas, Bernardo de 48, 55, 61, 64–65 Sandoval, Alonso de SJ 97 Santa Cruz Pachacuti, Juan de 106 Santa María, Gonzalo de 43 Santo Tomás, Domingo de OP 98 Sarmiento, Pedro de 45 Savonarola, Girolamo OP 16, 78
Personenregister Schiller, Friedrich 34 Schneider, Reinhold 39 Senior, Abraham 23 SepÞlveda, Juan Ginés de 36–39, 99, 136 Serra, Junípero OFM 95 Serrano, Yosef Franco 70 Sigüenza y Góngora, Carlos de 104 Siloé, Diego de 117–118 Simson, Ingrid 126 Sokrates 38 Solórzano, Juan de 19 Soto, Domingo de OP 32, 37, 73, 77 Soto, Pedro de OP 69 Sotomayor, Antonio de 49, 55, 61, 64 Sotomayor, Pedro de OP 73, 77 Stoichita, Victor I. 124 Suárez, Francisco SJ 73, 77 Talavera, Hernando de OSH 23, 27 Tauler, Johannes OP 31 Teresa von Ávila OCD 27, 31, 79–84, 87, 129–130 Thomas 92, 94, 104 Thomas von Aquin OP 73–76, 84 Thomas von Kempen 78 Tibaldi, Pellegrino 20 Tintoretto 120 Titus 46
Tizian 120, 124 Toledo, Francisco de 100–101, 106, 112 Toledo, Juan Bautista de 20, 118 Torquemada, Juan de OFM 106 Torquemada, Tomás de OP 55 Torrejoncillo, Francisco de OFM 50, 53 Uceda, Gaspar de OFM 47, 50–52 Unamuno, Miguel de 85 Usque, Abraham (Duarte Pinel) 69 Utrecht, Adriano de (siehe auch Papst Hadrian VI.) 55, 58 Valadés, Diego OFM 96 Valdés Leal, Juan 123, 125 Valdés, Alfonso de 6, 31 Valdés, Fernando de 29, 31, 33, 55, 58–59, 61, 75, 79, 136 Valdés, Juan de 28, 31, 129–130 Valera, Blas SJ 106 Valera, Cipriano de 67, 70, 72 Valtanás, Domingo de OP 47 Vandelvira, Andrés 118 Vargas, Jerónimo de (Yom Tob Atías) 69 Vázquez de Espinosa, Antonio 88, 106 Vázquez de Menchaca, Fernando 77
Vázquez, Dionisio SJ 54 Vázquez, Gabriel SJ 73, 77 Vega, Garcilaso de la 128–130 Vega, Garcilaso de la (el Inca) 103, 106 Vega, Lope de 66, 126–130 Velázquez, Diego 2, 83, 117, 120–125 Vergil 2 Verhaeghe, Jean-Daniel 39 Veronese 120, 122 Vicente, Gil 129 Vicente, Juan 52 Victoria, Tomás Luis de 119 Vieira, António SJ 10–11 Villagómez, Pedro 106 Vincent, Bernard 5, 13 Vitoria, Francisco de OP 27, 36–38, 73–74, 76–77, 108 Vives, Juan Luis 2, 26–27, 57 Wallerstein, Immanuel 39 Ximénez, Francisco OP 102 Zapata y Cisneros, Antonio 55, 61, 64, 66 Zumárraga, Juan de OFM 68, 94, 98 ZÞñiga, Juan de 55 Zurbarán, Francisco de 2, 83, 121–125
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Ortsregister Alcalá (de Henares) 44, 60, 67, 73, 78, 86 Amsterdam 11, 27, 70 Antwerpen 59, 67–69, 71–72, 114 Astorga 43 Augsburg 28, 108–109 Ávila 16, 45, 52
Hornachos 24
Babel 3, 70 Badajoz 45, 48 Baeza 118 Barcelona 36, 105, 108 Basel 43–44, 51, 57, 59, 71–72 Bergerac 71 Bicocca 12 Bologna 31, 44 Brüssel 29, 69, 109 Burgos 35, 43–44, 58, 120
Lens 11–12, 132 Lepanto 7–8, 23–25, 136 Lima 8, 88–90, 93 Lissabon 134 Logroño 86 London 68, 71 Löwen 58–59, 69 Lyon 59
Cartagena 43, 97, 108 Ceresole 12 Cerignola 12 Château de Montargis 71 Ciudad Real 45 Coimbra 31, 73 Córdoba 45, 53 Coria 48 Cusco 124 Dünkirchen 11–12 El Escorial 5, 19, 117–120, 136 Ferrara 67, 69–70 Florenz 91 Frankfurt am Main 71, 114 Genf 70 Gent 40 Genua 108–109 Gerona 43 Granada 1, 5, 15, 17, 22–25, 45, 58, 87, 118, 120, 136 Gravelines 12
148
Jaén 45, 118 Jerusalem 3–5 Karthago 3 Konstantinopel 5, 24–25, 47 Konstanz 43
Madrid 19, 41, 50, 105, 121, 134 Madrigal de las Altas Torres 14 Manila 90 Medina del Campo 120 Murcia 46 Neapel 9, 31 Nicäa 20 Oran 5 Paris 9, 11, 35, 59, 68, 74, 114 Pavia 1, 6, 12 Pisa 51 Plasencia 43 Potosí 110 Quito 124 Rocroi 11–12, 15, 132, 136 Rom 3, 8, 18–19, 22, 26, 46, 52, 79, 119 Saint-Quentin 12, 19 Salamanca 43–44, 46, 49, 52, 58, 60, 65, 68, 70, 73–75, 77, 82, 84, 89, 108, 118, 120, 128
Santa Fe (Mexiko) 96 Santa Fe de Bogotá 88 Santa María de los Buenos Aires 88 Santa María del Darién 36 Santiago 88 Santo Domingo 16, 35, 88 Segorbe 24 Segovia 45, 118, 120 Sevilla 29, 41, 44–45, 47, 58–59, 71, 88, 105, 108, 110, 114, 120, 123, 128, 132, 136 Sigüenza 43–44 Straßburg 71 Tarragona 4 Toledo 3, 14, 21, 23, 29–31, 44–47, 49, 51, 55, 58, 68, 78, 85, 108, 118–119 Tordesillas 34, 134 Trient 16–17, 19–20, 30, 57, 61, 63–65, 68–69, 71–72, 75, 81, 85–86, 117, 122–125, 131, 136 Trujillo 88 Tunis 6–7, 136 Úbeda 118 Valencia 23–24, 65 Valladolid 29, 35, 39–41, 43–45, 47, 58–60, 65, 88, 99, 118, 120, 123, 136 Venedig 70–71, 108, 122 Villena 45 Wien 108 Wittenberg 69 Zacatecas 110 Zamora 48, 58 Zugarramurdi 86 Zürich 59