Das Reich der Söhne [Reprint 2019 ed.] 9783111478838, 9783111111834

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German Pages 176 [180] Year 1940

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Table of contents :
Erstes Buch: DIE NEUEN TRÄGER
Zweites Buch: DIE SÖHNE
Drittes Buch: DER GOTT DER SÖHNE
INHALT
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Das Reich der Söhne [Reprint 2019 ed.]
 9783111478838, 9783111111834

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DAS R E I C H D E R S Ö H N E

JULIUS

SCHMIDHAUSER

DAS REICH DER SÖHNE

1940

V E R L A G W A L T E R D E G R U Y T E R & CO • B E R L I N

D r u c k v o l l W a l t e r de G r u y t e r & C o . , B e r l i n W 3 5 A r c h i v - N r . 3 + 5 6 3 9 - P r i n t e d in G e r m a n y

Erstes

Buch

DIE NEUEN TRÄGER

TRÄGER D E R W E L T Es müssen Träger

sein

Es müssen Träger sein, ist der welttragende Gott da, der Lebendige. In seinen Trägern sammelt der Lebendige unter neuen Zeichen das Ewige, das Reich. Es müssen Träger sein von Fleisch und Blut, daß es geschieht, was jetzt geschehen muß. Die kommende Welt will den ganzen Menschen und das volle Leben. In denen allein, die es selber sind, siegt das junge Schicksal. Es müssen Träger sein, denn in Lebendigen allein lebt der Lebendige. Nur der heiße Atem der Brennenden entzündet immer wieder das erkaltende Herz der Welt. Und der wagende Mut der Beherzten allein reißt die trägewerdende Welt in den Wirbel des Schöpfrischen. Es müssen Träger sein, die so eins sind mit dem Getragenen, daß sie mit ihm stehen und fallen. Und die sich dem Lebendigen so hergeben, daß sie zu seinem Leben werden. Und die sich so prägen lassen von der Hand des Schaffenden, daß nicht sie heraustreten, sondern das allein siegelnde göttliche Gesicht. Es müssen Träger sein, denn Tragende allein werden getragen. Die es auf sich nehmen, die nimmt der Gott auf sich. Es müssen Träger sein, denn Getragene allein werden getragen. Ergriffene allein ergreifen und Verwandelte allein verwandeln. Und es beschwingen die allein, die im Auftrieb mächtigerer Schwingen gehen. Es müssen Träger sein, daß der Gott die Welt tragen kann. Denn anders hat er sie noch nie ergriffen als

mit unseren Händen und anders hat er sie noch nie geliebt als mit unseren Herzen. In seinen Trägern trägt der Lebendige die Welt.

Weheden

Trägern!

I. Alle Erwählung ist grausam. Was nicht zu tragen ist, die Erwählten müssen es tragen: die ganze Ewigkeit in dieser Stunde, das grenzenlose Reich in lauter Grenzen, in tausend Fragen das Fraglose und voller Wunden das Heil. Und es dürfen die nicht fragen, nach denen gefragt wird. Denn das Fraglose allein gemahnt an das Göttliche. Eine Scham ist der Mensch in der Gebärde des Gottes. Ach, wie wollten wir lieber in unserem Namen es sein, was wir sein müssen, verhüllt in seinen menschlicheren Klang, verborgen in seiner erdlicheren Grenze. •Um den Gott zu verschweigen, beschwören wir die vielen Namen der menschlichen Dinge. Doch sie helfen nicht. Immer kommt unsere kleine Sache viel zu nah der großen. Und es wird groß, was klein ist, und klein das Große. Denn immer müssen wir sein, als ob wir es selber wären, was wir tragen und was uns trägt. II. Die Erwählten müssen kämpfen. Sie müssen es sich herausnehmen, daß sie die Last tragen dürfen, die sie tragen müssen. Denn keine Welt trägt die, die auserwählt sind, sie zu tragen. Sie gibt nie das göttlichere Recht zu. Sie

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hört den Anspruch, nicht den Spruch. Sie spürt Gewalt, nicht den Gewaltigen. Die Satten sehen nie den Gott, der kommt. Gewohnheit kennt nur alte Zeichen. Wer nicht geritten wird, weiß nichts vom Reiter. Immer ist untragbar der göttliche Auftrag. Unerträglich aber macht ihn die Welt. Sie fürchtet die Ergriffenen: sie spürt den Griff des Gottes. Sie fürchtet die sich Opfernden: sie wittert den Opferbrand des Gottes. Und sie hat tödliche Waffen gegen Gottherkünftige: für die heilig Unterlegenen hat sie Hohn und Spott. Die Blößen der Erwählten brennen. Es lieben aber Echte ihren Stachel. Doch gegen Eine Waffe sind sie wehrlos: ohnmächtig sind sie gegen das kleine und gemeine Maß. Sie haben keine Wahl. Wahllos sind Erwählte. Die der Lebendige zwingt, die müssen Welt bezwingen. Wer Gottgewalt erleidet, muß der Welt Gewalt antun. Und wenn es selbst zum Untergänge geht: wer geritten wird, muß reiten. III. An die es kommt, die müssen aufbrechen. Es ist ihnen keine Frist gegeben. Sie dürfen nicht zurücksehn. Einsame Einzelne müssen es auf sich nehmen, wenn des Gottes Weltlast sich über sie legt. Sie müssen sich ohne Rückhalt ausliefern dem größeren Schicksal. Und es müssen Empfindlichste das Ungewohnte durch die immer verlachenden Massen der Gewohnten hindurchtragen wie heilig-unerreichbare Tote. Völker müssen ihr Letztes hergeben, wenn ihre Stunde sie befällt. Sie müssen der weltaufreißenden Zeit in das Offene folgen in neues Land ohne Rückkehr. Und singend müssen sie durch der anderen

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Völker bösezungigen Totenchor hindurchschreiten in den Krieg des Lebendigen. Es ist dem, der in den Sturm des Lebendigen gerät, das sichere Haus genommen. Beschwingt ist sein Schritt im allesüberholenden Schreiten des Gottes. Wehe ihm aber, wenn er zurück will. Er ist verloren im gottleeren Lauf der Welt. Er steht, ein Verräter, gottlos-heimatlos zwischen den Zeiten. Der Lebendige kann ihn nicht mehr brauchen. Die alte Welt nimmt ihn nicht mehr auf. Tödlicher fallen, die der Lebendige einmal im Schwung seiner Schwingen trug. Erwählte sind aus ihrem eigenen Raum Vertriebene. Ihre Welt ist aufgerissen für den Einfall und den Ausfall Gottes. Sie haben keine Grenze mehr gegen Gott und haben keine Grenze mehr gegen die Welt. Sie sind kein Land mehr. Sie sind Pässe, Übergänge für den Zug des Lebendigen. Es träumen Ausgesetzte auf der wahllosen Straße des Schicksals in das Kinderland zurück, in dem uns Engel im Allmöglichen, der Großen Mutter, von Spiel zu Spiel geleiten. Und Überwache, die die herausholende Zeit peitscht, schließen auf befohlenem Marsche ihre müden Augen, sich jenem Schlafe innernd, aus dem der Engel mit dem Flammenschwert vertrieb. IV. Träger sind Krieger, die siegen oder fallen. Todbereite sind das Gefalle des Lebendigen. In den Sichopfernden aufersteht der Gott. Leidende sind die Blumen des freudigen Gottes. Um die Willigsten stehen die gebietendsten Engel. Wer der Verwandlung gewürdigt wird, wird geopfert. Die der Leben-

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dige mit sich nimmt, die werden mitgenommen. Schonungslos sind die Hände des großen Schicksals. Erwählten wird nichts erspart. Grausam wahllos ist es, Träger des Lebendigen zu sein.

Heil den Trägern

!

I. Doch die göttliche Zumutung ist das stolze Maß der Erwählten. Sie sind Rechtlose vor dem Gott, doch sie sind seine Geliebten. Die Unbeteiligten, die neugierigen Zuschauer beim Spiel des Lebendigen, stehen im Schicksalslosen. Und die sich zurückhalten in das Unbetroffene, verfallen dem Zufälligen. Und die den Weltraum besetzenden Besitzer des alten Gottes, die herrenlosen Herren der Welt, werden weggefegt vom Sturm der weltausräumenden Zeit. Die aber bewahrt der Lebendige, die sich nicht bewahren. Und denen gibt er sich bekannt, die sich deni Unbekannten anvertrauen. Und er macht zu Freien die Gebannten seiner Schöpferkraft. Und er macht lebendig, die in den Flammentod gehen. Wir aber sind flüchtig vor dem Weltbrand des Lebendigen wie das Tier vor der brennenden Steppe. Es dröhnt auch unsere großtuende Menschenwelt vom rasenden Hufschlag flüchtender Herden. Und doch entgehen dem weltverzehrenden Gott die allein, die mit ihm gehen. Die dem Feuer des Lebendigen sich geben, werden selber göttliche Feuer. Zuvorkommen — das ist der Weg der Erwählten. Und es ist die Würde der Geliebten des Lebendigen.

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Die echten Erwählten sind Freiwillige des Schicksals. Herausgefordert vom Schicksal fordern sie selber Schicksal heraus. Geworfen in den dunkelziehenden Strom des Lebens schnellen sie verwegen seinen Fällen zu. II. Träger sind wie tragende Frauen. Sie sind nicht mehr sie selber. Sie sind nicht mehr bei sich. Sie gehen unter einem anderen Gesetz. Sie werden überwachsen durch ein anderes Leben. Sie nehmen für sich ab, nimmt das Getragene zu. Träger sind wie tragende Frauen. Sie sind sie selber, wenn sie tragen. Sie sind bei sich erst, sind sie außer sich. Sie gehen tragend in dem eigensten Gesetz. Sie wachsen über sich hinaus mit dem in ihnen Wachsenden. Sie nehmen zu, nimmt das Getragene zu. Träger sind wie tragende Frauen. Sie sind in guter Hoffnung. Sie tragen Herkunft. Sie tragen Zukunft. Sie sind gesegnet, sind erfüllt. Tragende sind Triumphierende. O Lächeln werdender Mütter. O Wohllust-Wehelust wachsender Fülle. Zunehmender Mond. Triumph des Lebendigen. Triumph des Reiches. III. Von jeher wurde Volk groß, das trächtig war von einem jungen Schicksal. Und von jeher wurde Volk zur Mutter neuen Reiches, das geheimnisdunkel etwas in sich trug, von dem es wunderbar getragen wurde. Von jeher zwang die widerspenstige Welt in Furcht und Ehrfurcht der noch in seinem Sturm verhüllte Gott. Nie ist es Macht allein, was neue Welten schafft.

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O, selbst der ungeheuerlichste Wille schafft kein Reich. Der unbekannte Gott ist es, den das erwählte Volk aus heiler Herkunft siegend in die Zukunft trägt. IV. Die nichts tragen, sind — ohne zu sein. Sie sind die tauben Nüsse. Jeder wirft sie eilig weg. Sie sind die immer Leeren, immer Hungrigen. Aus ihnen schreit das Nichts. Anders die Träger. Sie tragen mehr als sie selber sind. Sie tragen mehr als ihr kleines Dasein. Sie tragen auf schwachen Schultern die schwere Erde. Aber ihr Herz ist erfüllt vom mächtigen Gott. Welt ist ursprünglich Trägerwelt, und Maß des Tragens ist ursprünglich Weltmaß. Wenn wir gewogen werden, wird gewogen, was wir tragen. Tragen ist das göttlichste und menschlichste Maß. Wenn wir tragen, sind wir alle Gott. Denn nur das Nichts trägt nichts. Gott ist Träger. Er trägt die Gottheit und er trägt die Welt. Und seine Träger sind göttliche Frachtschiffe auf dem Meere des Nichts. Heilig-selbstverständlich und schön ist das Maß des Tragens beim alten ewigen Volke. Und heilig-selbstverständlich und schön ist es bei den Frauen, die den Anfangen noch am nächsten stehen. Doch es ist in uns allen, ist unser fraglosester, weil unzerfragtester Teil. Und es verbindet uns alle, daß wir tragen. In uns Vielzerspaltenen ist nur noch dieser gemeinsame Grund, dieser verborgene, nicht umstrittene, nicht

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ausgespielte und noch nicht verspielte. Wir kämpfen auf ihm wie Heere auf dem gemeinsamen Schlachtfeld. Wir kämpfen um das, was wir tragen. Doch aller unserer Heere gemeinsames Paßwort ist, daß wir tragen. Wo dieser tiefste Grund in Vergessen sinkt vor der spielerischen Oberfläche der Welt, da fangt es an zu beben. Denn was trägt noch die Welt, wenn nicht Tragen der Grund ist? Von diesem göttlich-gemeinsamen Grund der Welt geschieht von jeher die Umkehr. Sie geschieht in denen, die wieder tragen. Ach, die Wortheiligen und Bekenntnisseligen und die Tugendreichen, sie trennen die Welt. In denen aber, die tragen, kommt die Welt zusammen. Da ist auf des Feindes Gesicht noch das Zeichen des welttragenden Gottes. Und wie der gründende Gott sich abhebt vom abgründigen Nichts, so heben sich heute von denen, die nichts mehr tragen als ihr eigenes hungriges Ich, die Tragenden ab, die wieder ein größeres Schicksal, ein gemeinsames Leben kennen. V. O, auch die Dinge sind mehr als sie selber. Denn auch die Dinge tragen. Es tragen alle Dinge. Nicht nur die nützlichen und für uns bereiteten Dinge. Es trägt die Rose, trägt den Duft des Zarten und den Glanz der Fülle, trägt in ihrer jungfräulichen Knospe und ihrem fraulichen Sichverlieren den Zauber alles Lebens, alles Todes. Und daß sie tragen, die Dinge, das vereint auch sie. Die großen Dinge werden darin klein, die kleinen 10

Dinge werden darin groß. Sie rücken näher zusammen. Die wehen Wertungen werden milder. Alle Dinge sind miteinander verwandt, wenn sie tragen. Denn dann sind sie verwandt mit Gott. VT. Es ist kein Mensch und kein Ding für sich allein dem Nichts gewachsen. Verloren ist, wer für sich selber ist, sich selbst nur trägt ohne den gemeinsamen Zug, ohne den göttlichen Bezug. Geborgen sind allein die Sichaussetzenden, die Sichhergebenden, die Mittragenden in der Karawane des Lebendigen durch die Wüste des Nichts. VII. Alles, was über sich hinausschwingt, ist noch frei und noch dem Lebendigen verwandt. Denn der Geist, der aus dem Lande des Lebendigen weht, ist der Schwung des Alls über sich hinaus. O Freude Gottes. Willige Welten. Erden, die sich der Sonne geben. Segel, die sich dem Winde bieten. Doch mit dem freien Menschen wandert der Lebendige noch im Offenen, auf der freien Straße der Schöpfung. Denn gebundener ist der Weg von Gestirn und Geschöpf. Es liebt der Lebendige Freie. Freie sind ihm im Herzen Verwandte. Sie sind ihm Bruder und Freund. Freie sind göttlich Unbefangene, göttlich Bereite, göttlich Willige. Sagt Gott Mensch, so meint er diese Freien. Sagt Gott Mensch, so meint er seine Freiwilligen. O Freude Gottes. Freiwillige Menschen. Freiwillige des größeren Schicksals. Freiwillige Träger der Welt. II

W er ist jetzt

Träger?

I. Wer aber ist jetzt Träger der Welt? Wer ist jetzt das Leben des Lebendigen? Wer ist jetzt am Werk des. Wirkenden? Wer ist jetzt die Liebe des Liebenden? Wer ist jetzt im Kampf des Kämpfenden? Die Welt hält den Atem an, wenn diese Frage sie ' befällt. Der helle Mensch steht überfragt vom dunkeln Schicksal. Denn dies ist nicht so wie die anderen Dinge. Dies ist das Unbekannte selbst. Der unbekannte Gott rührt uns mit ungesehener Gebärde an. Verhüllt in die Nacht des Geheimnisses zeugt der Lebendige und empfängt der Schoß der Zeit. Wer nicht selber bezeugt und nicht selber getragen und geboren wird, kann nicht recht fragen und nicht Antwort wissen. Wie gut, daß wir dies nicht in unseren Händen haben, daß dies nicht unsere Wahl ist und nicht unser Spiel. Wie könnte sonst der vielzerrissene Mensch zu Einem Schicksal kommen, wenn dies nicht aus dem Herzen Gottes käme? II. Immer kommt unvorhergesehen das neue Reich. Und Unvorhergesehene sind seine Träger. Denn der Lebendige ist der Ungewohnte. Der Lebendige atmet. Und es schlägt sein Herz. Darum ist Zeit. Zeit ist der Gang des göttlichen Atems. Zeit ist der Schlag des göttlichen Herzens. Zug folgt auf Zug. Schlag auf Schlag. Manchmal aber geht stürmischer der göttliche Atem und es schlägt wilder das göttliche Herz. Dann beginnt eine neue Zeit. 12

Mit einer neuen Liebe beginnt eine neue Zeit des Lebendigen. Es gibt die erwählte Stunde. Es ist nicht alles zumal an der Zeit. Es tragen nicht alle zur selben Zeit die Welt. Die die Liebe des Lebendigen trägt in der ausnehmenden Stunde — die sind die neuen Träger der Welt.

Es ist Krieg

der

Träger

I. Unruhig ist die Welt, stürzen die alten Träger. Es ist kein Maß mehr, fällt das Maßgebende. Die entfesselten Gewalten aber spielen gerne im Maßlosen. Die große Anmaßung droht. Wer sind die echten Träger? Wer die falschen? Schreckträume stehen steif auf ungeschützten Gesichtern. Doch großen Auges ist auch die Erwartung da. Wunschfieber überschauern kalte Angst. Urträume schlagen wild mit noch nicht tragenden Flügeln. Doch alle bannt das Urentsetzliche: das Ungewisse. Und doch geschieht es. Das Unwiderstehliche ist im Lauf. Und es zwingt alle der Zwang des Geschehens. Es ist so, wie wenn Krieg beginnt.

n.

Und es ist Krieg, stürzen die alten Träger. Es ist der Krieg der Kriege, es ist der weltentscheidende Krieg: Wer sind die neuen Träger der Welt? Wir alle stehen jetzt in diesem Krieg. Er muß bestanden werden bis zum Sieg. Wer jetzt die wirklichen Träger sind, das muß entschieden werden. Darum 13

allein darf gekämpft werden. Darum aber muß gekämpft werden. Der Lebendige ist ein Strom. Er will seine Richtung. Er will sein Gefalle. Berge bricht er auf, stehen Berge im Wege. Vieles hemmt, nichts hält dem Lebendigen stand. Der Lebendige will siegen. Und er will einen ganzen Sieg. Der Lebendige will eine entschiedene Welt. Er will das Reich. III. Gedanken können sich ausweichen. Sie bewohnen luftige Räume. Man kann sie endlos auseinanderund zusammensetzen. Es ist viel Spielraum im Blauen. Und selbst die Bekenntnisse, die ewig Ausschließlichen, ewig Eifersüchtigen, sie haben einen Ausweg: sie können abseits gehen. Aber die leibhaftigen Träger der Welt stoßen hart zusammen. Denn eng ist der Raum der Welt, und kurzatmig drängen sich die Zeiten. Mensch stößt an Mensch. Volk stößt an Volk. Rasse stößt an Rasse. Geschlecht an Geschlecht. Und Alter an Alter. Da wird es in der Welt des Lebendigen ernst. Denn da ist sie, wo die leibhaftigen Träger sind. Die heiligbunte Wiese des Lebens wird zum Schlachtfeld. Denn alle wollen kommen mit dem Lebendigen. Und niemand will mit dem Tode gehen. Es sind doch alle Kinder des ewig Lebendigen. IV. O meerloser Drang der Menschenströme I Heiliger Grund blutiger Drangsall Es ist Verdrängung das Gesetz der Welt. Verdrängung aber verböst. 14

Tödlich im Haß werden die Drängenden, denen der Weg versperrt ist. Tödlich im Haß werden die Verdrängten, deren Sinn ermordet wird.

Die alten

Träger

müssen

weichen

I. Es ist das grausam-große Gesetz der Träger: Wer seine Schickung erfüllt hat, muß weichen. Wer nicht mehr Schritt des Lebendigen ist, muß sich von ihm überschreiten lassen. Denn das ewig Lebendige ist der Sinn der Welt. Gewalt des Lebens ist Gewalt des Todes. Es kann nicht alles miteinander da sein. Gelebtes Leben — es muß sterben. Der Lebendige läßt es fallen. Er will der Lebendige bleiben. Tod muß sagen, wer Leben singt. Wenn der Lebendige aus seiner Weltverschwendung sich zurückzieht, holt er die grünen Fahnen des Angriffs ein. Wenn er sein Auge von den Wäldern wendet, regnen sie Herbste. Aber auch über uns Menschen, das gerne unsterbliche Geschlecht, kommen seine Herbste und Winter. Es verläßt der Lebendige auch das gewirkte Werk der überlebten Menschen. Denn er will wiederkommen, werdelustig mit den Werdenden, seinen Frühlingen. II. Dem Menschen aber ist das Unmögliche zugemutet: Vorbestimmtes freiwillig zu tun, Schicksal zu grüßen, bringe es Leben, bringe es Tod. Was die Sterne vollbringen in vorgeschriebenem Gang, in bemessenem Lauf, in geschlossenem Kreis, — der Mensch soll es tun in der offenen Bahn mit wissendem Willen. 15

Freiwillig soll er kommen, freiwillig soll er gehen. Freiwillig wirken, freiwillig ruhen. Und was den Elementen der Welt, den entfesselten Göttern, dem Feuer und der Luft, dem Wasser und der Erde nie gelingt — das mutet der Lebendige, der Gott des Reiches, dem Menschen zu, seinem verwandteren Sohn: Spielend soll er dem wechselnden Reigen der Zeiten und Mächte vorausleben und auch voraussterben. III. Doch der Mensch erträgt es nicht, erträgt nicht die leichtfüßige, immer enteilende Zeit. Urbild des Ewigen, das er als Siegel in der Seele trägt, läßt den Menschen nie enden. Grausam ist der erwählende Gott, grausamer aber der uns endlich doch überholende. Wer einmal im Atem des Lebendigen ging, erträgt nicht mehr die Leere des Schicksalslosen. Denn mehr als die drückendste Last fürchtet der Mensch das flügellos Schwere, nichts mehr zu tragen. Immer ist wieder zu Ende der stolze Zug. Und die eben noch vorstießen in das Kühne, werden von Nachdrängenden gestoßen. Und es wird Last, wer Träger war. Und wird abgeschüttelt von den eiligen Stürmen des Frühlings. Denn ungeduldig sind alle Kommenden. Wehe den Überschrittenen I Immer bleibt eine Wunde im göttlicheren Herzen des Menschen. Diese Wunde blutet Trotz. Der ewige Mensch steht auf gegen den lebendigen Gott. Es schickt sich das Gras, heilig-schöne Blumen verblühen festlich, es sterben mit ihrer Zeit und dem erfüllten Raum die großen Bäume.

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Doch der Mensch will verweilen, will ewig seines Gottes einmaliges Ereignis. Und er stellt seine Zeit still, seine große Stunde des Lebendigen. Und er baut Tempel, sammelt Weistum, zeichnet heiliges Wort auf, festzuhalten den Gott. Wenn aber Zeichen neuen göttlichen Schicksals drohen, erhebt er in feierlichem Krampf die alten Zeichen, zu bannen die unbekannte Gewalt. Und tote Bilder des Lebendigen als das Ewige preisend, zieht er durch die unrührbare Zeit. Ein wahnsinniger Träger Gottes ist der Mensch. Er trägt noch den gestorbenen Gott. Er trägt die gottverlassenen Weltgehäuse. Er trägt den toten Gott wider den Lebendigen. Er trägt Gottesbild wider Gottesbild, Gotteszeit wider Gotteszeit. Er trägt Gott wider Gott in die Schlacht. Der wahnsinnige Träger Gottes ist der Mensch. IV. Es weiß der Mensch, er weiß es allein, daß Göttliches nicht stirbt. Ein heiliger Stolz gebietet ihm, sich zu versagen dem vernichtenden Tod. Und wenn er gegen den Tod, das verschlingende Nichts, kämpft, kämpft er für Gott. Meist aber trotzen wir nur dem lebendigeren Gott. Es muß aber nicht flüchten vor dem verwandelnden Tod, wer daheim ist im Leben des Lebendigen. Wir fallen nie außerhalb des Unsrigen, sind wir im Zug des Lebendigen. Die selbstvergessen im Ganzen schwingen, erreicht kein tödlicher Tod. Wer aber die Gotteskrone, die wandernde, über sich festhalten will, auf den wartet höhnisch der tödliche Tod. 2

Söhne

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Wer den Lebendigen

trägt - trägt

alle

I. Es steht alles bei dem, der mit den zwingenden Zeichen des göttlichen Trägers der Welt kommt. Dieser darf nicht weichen in falschem Erbarmen. Schreiten muß er im unerbittlichen Schritt des alleüberschreitenden Gottes. Denn wer den Lebendigen trägt, trägt alle und alles. II. Um die, die den Lebendigen tragen, wächst eine Welt von Trägern. Denn das Leben des Lebendigen ist die einzige Last, die alle tragen können. Und es ist die einzige Last, die alle miteinander tragen können. Völker von Trägern tragen auf tausend Weisen das Reich des Lebendigen, das uns alle trägt. O eine gemeinsame Sachet Ein Sinn, der alle bewegt! Ein Leben, das alle trägt! Durchbrechung des Weltgesetzes! Ende des Weltzerfalles! Sieg des Reiches! Weh bringt der Träger, der den Lebendigen trägt. Denn wehe uns, ist der Lebendige in der Geburt. Blutend zerreißt der immer zu enge Schoß der Welt. Doch ist der Lebendige geboren — dann wachsen drangvoller Welt ungekannte Räume. Und es wandelt sich weitend die L u f t der Welt, und es kann wieder atmen das bedrückte Herz. Denn der Lebendige hat auf neue Weise ein Leben f ü r alle. Mit seiner Last beschwingt er die ganze Welt. Das Leben des Lebendigen ist der gemeinsame Schwung der Welt.

in. Fürchtet nicht! Der Lebendige ist der Ewige und

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Eine. Der Welt neu macht, verewigt sie. Und der sie aufschließt, schließt sie wieder zusammen. Fürchtet nicht I Der Lebendige ist der Ursprüngliche. Aus dem Ursprung dauern wir und sind wir eins. Aus dem Ursprung wächst vergehende Welt in das Ewige. Aus dem Ursprung wächst zerrissene Welt in das Eine. IV. Viele wollen kommen — die echten Träger aber sind da. Viele werfen sich auf — die echten Träger aber sind Geworfene. Der Lebendige selber wirft sich in ihnen in die überfragte Zeit. Sie sind Sammelbecken des göttlichen Ursprungs. Sie sind Gefälle des göttlichen Überschusses. In ihnen aufersteht der zerstückte Gott zu einem neuen Leib. In ihnen sammelt sich der Gott, der die zerrissene Welt zu neuem Reiche fügt. Die echten Träger trägt der ganze Gott. Verlaßt euch darauf. Die neuen Träger des neuen Reiches sind da. Denn der Lebendige ist da, alleund allesverwandelnd. Eine neue Liebe des Lebendigen trägt wieder die Welt.

M Ü T T E R - VÄTER - SÖHNE Viele Träger

tragen

die

Welt

I. Viele Träger tragen das Reich. Denn Reich ist Reichtum. Das Reich ist der göttliche Reichtum der Welt. Unendliche Fülle ist zu trägen. Unendlich ist die Zahl der Träger.

Alle Welt trägt den Lebendigen. Es ist kein Wesen und kein Ding, das nicht auf seine Weise das große Leben des Lebendigen trägt. Gott heißt: Es tragen alle Einen, der sie alle trägt. Nicht zu zählen sind die Träger und nicht aufzuzählen. Sie sind die ganze Welt — sie sind die Welt selbst. Blicke versinken in Meeren von Wellen. Worte gehen unter im Kriegslärm von Heeren. Namen versagen an den unzählbaren Himmeln der Sterne. II. Götter tragen, nahverwandt dem Gott, dem alltragenden, urgestaltige, urgewaltige Bilder des Lebendigen in die einmaligen Stunden des Ewigen. Und es tragen Engel den noch unsichtbaren Glanz des Kommenden in die Woge der Werdung, hüten ihn und bringen ihn heim mit dem ewigen Gesicht der Wesen und Dinge. Sterne tragen, Leuchtschiffe im Meere des Alls, geladen mit den vielen Bestimmungen, Strahlenmutterschiffe der weltdurchwirkenden Kräfte. Und es tragen die göttlichen Elemente, die dunkelfruchtbare Erde, das lichtend-zeugende Feuer, das tränkend-stillende Wasser, die atemschenkende Luft. Meere tragen die göttliche Weite, Berge die göttliche Höhe, Täler die göttliche Tiefe, Flüsse und Winde den göttlichen Zug. Blumen tragen die zarten Gedichte des Duftes, Bäume tragen die Krone des Gewaltigen, Tiere tragen die spielende Kraft des Lebens und Steine seine stumme Dichtung. Und mitten zwischen allen himmlischen und erdlichen Trägern trägt den allsinnigen Gott der allsinnige 20

Mensch. Tief reicht in den Menschen der alltragende Gott, weit reicht der Mensch in das gotttragende All. Und auf unaufzählbare Weise trägt dieser dem Allgott und dem Gottall Verwandteste das unbeschreiblich reiche Leben. Er trägt wie die Engel mit dem unsichtbaren Geiste, austragend die göttlichen Geschenke, die Blumen der Zeit, zurücktragend wie . Bienen den verklärten Seim der Dinge in die Waben der Ewigkeit. Und er trägt wie alle anderen Wesen und Dinge der Erde mit dem sichtbaren Leib das unsichtbare Leben. Und er trägt mit der Seele, der Mittlerin aller Reiche, das Herz des einströmenden und ausströmenden Blutes, in dem sich Engel verdichten und Tiere auflichten. Und er trägt, ein ganzer Mensch, allein und ungemein das alleinzige Bild des Lebendigen. Er trägt mit dem Geschlechte die gespannten Pole des Lebens und ihre hochzeitlichen Durchdringungen. Und was sich in ihm in den Geschlechtern ausbreitet im Raum, das strömt in den Altern in die Zeit. Und er trägt in Einzigen Bilder des einsamen Gottes und trägt in Völkern Bilder der Fülle des Reiches. Und es trägt der Mensch das Leben des Lebendigen letztlich mit seiner reichschaffenden Liebe, seiner gottverwandtesten Kraft. Aufsteigend in alle Himmel, absteigend in alle Erden, ausschreitend in alle Welt. Aufbrechend den einzwängenden Bann der Götter und die Gefangenschaft im Tierkreis in das Offene des Schöpferischen. Zusammenführend die gottsüchtigen Götter und die gottflüchtigen Geschöpfe in das Eine Schöpferleben des Lebendigen. 21

m. Und der Lebendige läßt seine Träger nicht beleidigen. Er hat sie mit Namen gerufen. Es ist Ursprüngliches in allen. Und ein Anzeichen ist noch in den Geringsten. Das Reich lebt durch alle seine Träger wie jeder Träger durch das Reich. Für das Mehr und Niegenug lebt im Räume des Lebendigen der Zeitgott, daß alle einmal ganz und groß sein dürfen. Doch n u r die Stunde des besonderen Glanzes soll er künden. Nie ist er geschickt, ewige Sterne zu löschen. Wir aber folgen gern den sondersüchtigen Göttern. Es ist ja unter Menschen nur ein einziges Geschlecht der Willkür. Und immer leicht verführbar ist der vielgeartete, vieles wollende Mensch. Die abtrünnigen Mächte hetzen auf allen Wegen der Freiheit zur Spaltung der Welt. Göttlich ist es, des Lebendigen eigenste Art, in besonderer Zeit Eines mit ausnehmender Liebe zu fassen. Doch wider die große Liebe des Lebendigen ist es, über dem Einen alles andere aus den Augen zu lassen. Immer ist in Einem alles. Nie ist Eines alles allein. Ein kleiner Schritt ist zwischen Reich und Unreich. Viele Träger tragen das Reich. Reich ist die Freude Gottes an der Fülle. Jeder Träger ist Reichtum vom Reiche. Und der Lebendige läßt das Reich nicht verarmen. Er ist der Willkür, die nur das Ihrige kennt, todfeind. Über dem wirren Weltchor der Dämonen, über dem betäubenden Lärm des Jahrmarktes der sich selber anpreisenden Narren, spricht der Lebendige gelassen 22

und breit mit der vollen Stimme des Gottes, in der alle Saiten der Götter klingen, das göttlichste Wort, das Reichswort: Alle — AllesI

Dieinnigste

Trägerschaft

I. Doch es gebietet der Lebendige auch den Neiddämonen, die Größe beschreien, Schweigen. Das Reich ist die Weltumarmung Gottes: doch es sind nicht alle auf dieselbe Weise dem göttlichen Herzen nah. Jedem ist ein Stück der Welt vertraut: doch es ist nicht jedem alles anvertraut. Kostbare Leist dürfen die allein tragen, die es selber sind. II. Unter den unzählbaren Trägern ist dem Lebendigen Eine Trägerschaft atemnah. Es ist des innersten Kreises der Gottheit innigstes Bild: Mutter — Vater — Sohn. Dies rührt an den Lebendigen selber. Hier sind wir bei der ursprünglichsten Quellung. Dies sind die drei Ursprünge des Lebendigen selbst: Mutter — Vater — Sohn. Hier bricht aus der Urliebe Leben. Hier bricht Urleben in Liebe aus. Hier spricht sich Urliebe in der Ursprache aus. Dies sind die drei Urworte des Lebendigen : Mutter — Vater — Sohn. III. Alle Welten tönen in dieser Sprache. Es dröhnen die dumpfen Schläge des Blutes und es klingen die hellen Posaunen des Geistes. In der Tiefe rauscht der dunkle Strom des Schicksals, reißend in den Stromschnellen

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des Geschlechtes, sich weitend in die Stromgebiete der Geschlechter. Doch über der schwindelnden Tiefe des abgründigen Blutes, auf den lichten Brücken der schwingenden Herzen spricht es sich gut, das helle, herzliche Wort: Du und ich. So weit der Lebendige reicht, so weit reicht das Reich, das Mütter, Väter und Söhne tragen. Durch alle Himmel wächst es und durch alle Erden und durch den ganzen Menschen. Die Wurzel dieses Reiches ist tief in den Müttern. Sein Stamm ist hoch in den Vätern. Seine Krone aber ist in den Söhnen weit. IV. Mütter — Väter — Söhne: das sind die ursprünglichsten Träger der Welt. Das sind die gottweitesten, reichweitesten. Denn immer kündet der ursprünglichere Name das größere Reich. Mütter — Väter — Söhne: alles Lebendige erkennt sich in ihnen urverwandt. Diese Namen schlagen den Gotteskreis um die ganze Welt. Es stehen Weltkreise fremd und feindlich voneinander ab. Doch noch haben Ost und West, Nord und Süd eine allgöttliche, allmenschliche Welt gemeinsam: Mütter — Väter — Söhne. Es stehen die Völker im ewigen Mißverstand widereinander. Doch noch haben sie eine letzte Sprache gemeinsam, die urgöttliche, urmenschliche Sprache: Mütter — Väter — Söhne. Und selbst der Völker gewachsener eigener Grund zerfällt in Abgründe, denen allein noch der steile Haß • gemeinsam ist. Doch noch trägt ein tieferer Grund die sich widerstehenden Abgründe, der innigere, ursprünglichere Bezug: Mütter — Väter — Söhne. 24

V. Alle heilige Geschichte handelt von der Mutter, der ewigen Erde und vom Vater, dem ewigen Himmel und vom Sohn, dem ewigen Menschen. Das ist die ewige Geschichte. Und sie geschieht jetzt.

Das Wort von den Söhnen Ohne Brauch ist das Wort von den Söhnen: doch es ist darum noch ohne Mißbrauch. Und es ist ungewohnt das Wort von den Söhnen: doch es ist darum noch ohne Gewöhnlichkeit. Es ist ein junges Wort: wie könnte anders das Wort von den Söhnen sein. Es ist kein fremdes Wort: es gehört mit den Worten Mütter und Väter an denselben Tisch. Innig vertraut sagen wir das Wort von den Müttern. Mit fernerer Ehrfurcht rühmend sagen wir das Wort von den Vätern. Nun müssen wir lernen, das Wort von den Söhnen auf deren Weise zu sagen: in der .nahen Kameradschaft des Weiten. Das Wort von den Söhnen hat warten müssen. Das ist vorbestimmt. Es ist das erwartete Wort. Denn die Söhne sind die Erwarteten. Immer sind die Mütter und die Väter vor den Söhnen. Sie sind die, die in der Erwartung sind. Die Söhne aber sind die Erwarteten. Die Mütter sind die Welt in der Hoffnung. Die Väter sind die ewig Hoffenden. Die Söhne aber sind die Erhofften. Jetzt aber ist es Zeit. Die Frucht der Mütter und der Väter ist nun reif. Die immer Erwarteten kommen. Die Erhofften sind da: Die Söhne.

25

Ein neues Element

ist da

Es ist eine besondere Stunde der Welt: Mütter, Väter und Söhne empfangen jetzt aus den Händen des Lebendigen neue Bestimmung im ewigen Reich. Denn die Wirrnis ist groß zwischen den Vätern, von denen wir herkommen und den Müttern, zu denen wir zurückgehen und den Söhnen, die in uns da sind. Die Söhne sind da. Immer waren sie da. Nie aber waren sie, wie sie jetzt da sind. Diese Macht hatten sie nie, die ihnen jetzt wie aus dem Selbstverständlichen zufällt. Sind sie es? Sind die Söhne die neuen Träger der Welt? Fallen darum die Väter in das Ohnmächtige? Und tauchen darum die Mütter aus der Flut des Vergessens auf? Die Zeit ist wild. Ein neues Element ist da. Es sprengt — Dynamit des Lebendigen — die alte Welt. Sind wir denn Fragende? Was liegt dem Lebendigen an Fragenden? Wagende sind die Antwort des Lebendigen auf die Fragen der Fragenden. Wer dürfte denn fragend entscheiden? Wer hätte das Recht, die heilige Urreihe Mütter — Väter — Söhne wählerisch auf und ab zu gehen? Wer dürfte zwischen Gottherkünftigem entscheiden, wenn nicht der Gott allein? Wir haben nicht zu entscheiden. Wir fragen, weil es entschieden ist. Wir fragen nach der Entscheidung im Herzen der Welt. Wir lesen bang die Zeichen des weltentscheidenden Gottes. Wir sagen bedingungslos Ja zum göttlich Entschiedenen. Wir sind wie Truppen vor der Schlacht. Vielfragende und doch schon Ahnende, daß der Befehl zum Vor-

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marsch gegeben und heimlich die göttliche Macht uns schon bewegt.

Wir kommen

von den

Vätern

Die Zeit, die war, war Väterzeit. Die Welt, aus der wir wuchsen, war Väterwelt. Vor uns trugen die Väter das . Reich, denn sie waren die Getragenen. Dies künden ihre gewaltigen Wege. Was groß war, war durch die Väter groß. Und was Jahrtausende hielt, das stand auf Vätergrund. Und noch sind die Trümmer gewaltiger a b der neue Bau. Und noch bauen wir mit geraubtem Stein. Das aber war und ist nicht mehr. Der väterliche Träger der Welt ist gestürzt. Vor unseren Augen vollendet sich der große Sturz. Unaufhaltsam fallt eine • Welt in das Grundlose hinab. Berge, die eben noch wie die ewige Fügung standen, stürzen fassungslos zertrümmernd. Und ihre Blöcke, die noch im Sturze trotzig getürmten, kehren nicht mehr auf ihre einstige Höhe zurück. Und Tempel fallen, die das steinerne, dauerselige Haupt der Väter als Festungen des Ewigen baute. Und es ist für das Gotteshaus der Väter gefährlicher ab die verwüstende und brandstiftende Hand — die schreckende Leere, die göttliche Abwesenheit, in der es von innen zerfällt. Es stürzen vieltausendjährige Bäume, heilig-ewig gepriesene, tief und gewaltig verwurzelte wider den Sturm der Zeit. Gründe, die wie Gott selbst Geschlecht u m Geschlecht trugen, brechen in Abgründe auseinander. Denn es bebt die vom unverwandten Geist nur überherrschte Erde. Gewaltige Träger waren die Väter. Solange sie Gott trugen, trug sie der Gott. Wer hätte sie da fällen

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können? Jetzt sind sie schwach wie alle Träger, die sich selber tragen. Es stürzen die Väter, gewaltige Träger ohne tragenden Grund. Wehe aber, wenn Väter ohnmächtig werden. Denn was die Väter sind, sind sie durch Macht. Machtlose Väter — sie sind ein Gespött. Einmal zitterte die L u f t der Welt vor ihren Gewittern. Nun sind ihre Blitze ungefährlich. Wetterleuchten sind sie an fernen Himmeln. Unfähig sind sie der großen Entladung des Zornes. Grollend ziehen sie sich zurück in ihre ewige Zurückhaltung. Schon lassen die Väter voller Genugtuung fallen die Welt. Ist dies ihr letzter Triumph? Die ewigen Rechthaber weiden sich noch als Stürzende am Falle der Welt. Uns aber reißt große Flut. Die Dämme, von den Vätern aufgeworfen, wildem Leben zu wehren, sind durchbrochen. Wir treiben, ein entfesselter Strom, zu inamer rasenderen Schnellen, immer abgründigeren Fällen.

Heimweh

nach den

Müttern

Viele von uns flüchten zu den Müttern. Wie ungeborgene Söhne den Namen der Mutter, so beschwören Heimatlose, Hauslose, Herdlose jetzt den Namen der Mütter. Und sie wärmen sich in erkaltender Zeit an diesem alten Zaubernamen, in dem das Herz der warmblütigen Erde schlägt. Heimweh suchte den Namen der Mütter. Erinnerung fand ihn. Klage sprach ihn aus. Denn längst ist das Reich der Mütter versunken. Es

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wich vor dem frechen Tag in die Tiefe der Erde, in die Urwasser des Lebens. Es ist die versunkene Stadt auf dem Grunde des Weltmeers. Und nur Ahnungsvolle hörten seine Glocken, die silbernen, aus dem Lichte des Mondes gegossenen. Die sonnenglänzenden Wolkenschiffe der Väter fuhren hochmütig über seinem demütigen Dunkel. I m m e r liegt das Heiligtum der Mütter unter Tag. Es ist die Krypta der Welt. Es trägt die Welt als tiefstes Fundament. Doch die Väter, die von oben bauen, achteten nicht mehr das erdliche Urgewölbe der Welt. Sie schütteten es zu, vermauerten den Eingang und überbauten es mit ihrer überlegenen Welt. Über der Wiege der Welt liegt seither das Vergessen, der tödlichste Tod. Dies aber rächte sich. Jede Verbannung von Ewigem wird gerächt. Unersetzlich sind alle urbestimmten Träger. Wer Urträger zum Fall bringt, bringt die Welt zum Fall. Es steht keine Welt fest ohne die tragenden Mütter. Die heiligen Gewölbe des Erdreichs zerfielen, da keine sorgliche Hand mehr an ihnen dichtete. Da aber begann der himmelahmende Bau der Väter im Grundlosen zu wanken. Denn fällt das Untere, muß das Obere stürzen. Es ist kein Himmel ohne Erde. Und maßlose Höhe macht nur steiler den Sturz. Es rächte sich der immer rächerische Geist der Tiefe. Der stets verächterische Geist der Höhe hatte ihn gemordet. Sehnsucht aber, die immer im Erdreich des Ewigen wächst, suchte das Urland der Seele. Und junge Ehrfurcht fand die Stufen zur Tiefe. Und es schauten 29

Spätgeborene scheu und schaudernd den Urraum der Welt, den Schoß der Erde. Und der erschütterte Tag träumte wieder wach die uralte nächtige Welt. Zerschlagen war das tönerne Gefäß, das empfängliche, behaltsame der Urmütter, das einst die heiligen Wasser des Lebens hielt. Doch noch sprachen die Scherben, sprachen zu uns draußen längst Verlorenen, von der allbergenden urmütterlichen Welt. Und es tastete unser Auge, verblendet von tausend Aufklärungen, in das Dunkel der Dinge, die einmal Bild und Sinn in Einem waren. Und längst verkümmerte Urweise schicksalsfrommer Zeit, in den Dingen selber Weisung des Lebens zu schauen, trieb zu neuen Augen. Das Seherische regte sich neu. Doch aus trauernder Klage ist peinliche Anklage geworden. Bezichtigt ist der väterliche Geist des Mordes ein der mütterlichen Seele der Welt. Bezichtigt ist der väterliche Geist des Mordes am mütterlichen Leib der Erde. Blutrache der Mütter an den Vätern ist im Gange: Es richten muttertreue Söhne die muttermörderischen Väter.

Mütter und Väter auferstehen in den

Söhnen

I. Ungewiß ist unsere Bestimmung. Wer wußte je so wissend und wer war je so ungewiß? Uns liegen alle Räume offen. Es fließen in uns alle Zeiten. Es treiben in uns alle Triebe. Was ist uns bestimmt? Wir kommen von den Vätern. Zwiespältige Erben: voll Antrieb und voll Abkehr. Wir hören die Stimme der Mütter, die verführerische der Erde, heimrufend

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zu wärmerem Leben. Es kämpfen in uns die urverfeindeten Stimmen — die Stimme des Geistes — die Stimme des Blutes. Welcher Stimme sollen wir folgen? Wir sind hineinverwirrt in die Urschlacht. Wem sollen wir helfen? Den Müttern? Den Vätern? II. O jetzt keine Rückflut zu den Müttern. Es ist vergeblich, ist n u r Flucht und nur Gebärde. Denn seht, die großen Mütter sind längst tot. Und ihre Zeit kehrt nicht mehr wieder. Es gehen nur noch ihre ruhelosen Schatten um. Die Mütter waren groß: die Große Mutter war in ihnen. Da waren sie Ein Leib, und alle Erde war ihr Leib. Da trugen sie noch gotteskräftig alles. Und das ist noch. Der Glanz der großen Güte leuchtet noch verklärend. Denn noch sind volle, weiche, silberne Monde von Frauen. Ach, es ist Nachglanz. Der Mond nahm ab. Nie sind Verspätete Schicksal. Und nie Vereinzelte. Denn immer ist Schicksal allebezwingend. Es ist nicht mehr in diesen Müttern. Es ist nicht mehr in diesen Vätern. Flammenlos ist ihr göttlicher Funke. Und ungefährlich ist selbst ihr dämonischer Brand. Wir verbeugen uns vor den ewigen Müttern. Sie leben fort im Geiste unseres Blutes. Wir verbeugen uns vor den ewigen Vätern. Sie leben fort im Blute unseres Geistes. Aber Schatten beugen uns nicht. III. Kameraden — die ihr bereit seid, das Schicksal zu wagen, das uns jetzt bestimmt ist, Miterreichte vom Sturm des Lebendigen, Mitaufgebotene in den Krieg u m die Trägerschaft der Welt: Laßt ab vom alten Kampf! Zerreißt die Urverstrickung I Brecht den 31

bösen Kreis der Toten! Folgt nicht der rächerischen Stimme der Mütter I Folgt nicht der verächterischen Stimme der Väter! Hört jetzt auf die Stimme des Lebendigen! Folgt dem Lebendigen in seinen jetzigen Kampf! Tragt den Lebendigen zu seinem neuen Sieg! IV. Kameraden — wir müssen nicht nur Verlassende sein, •wir dürfen Verläßliche bleiben. Löst euch gemut von der toten Welt der Mütter. Löst euch gemut von der toten Welt der Väter. Es gibt in ihrem Tod ein unerwartet neues Leben. Mütter und Väter auferstehen gemeinsam. Sie auferstehen in uns Söhnen.

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Zweites

Buch

DIE SÖHNE

DIE SÖHNE - DIE NEUEN T R Ä G E R Weltzeit

der

Söhne

I. Mütterzeit ist um. Väterzeit ist um. Es ist Zeit der Söhne. Schicksal sprach. Entscheidung fiel. Notwendiges geschieht. Heilsames wirkt. Vorbestimmt ist der Weg. Frei ist die Bahn. Die Söhne sind es. Die Söhne sind die neuen Träger. Denn die Söhne sind jetzt die Getragenen. Sie sind die Gemeinten, die Vorbestimmten. Sie sind die unbekannten Kommenden. Für sie sind die Wehen der Welt und für sie ist die Welt in Geburt. Immer steht die Welt in Einem Bilde. Denn der Eine Lebendige ist der Bildner. Einmal war die Welt Mutter. Einmal war die Welt Vater. Nun wird die Welt Sohn. Und immer tragen die erwählten Träger die ganze Welt. Denn der Eine Lebendige trägt die Welt. Einmal war von den Müttern die ganze Welt umsorgt. Einmal war von den Vätern die ganze Welt beherrscht. Nun ist in den Söhnen die ganze Welt geliebt. II. Endlich dürfen wir sein, dürfen sein, die wir sind und dürfen dessen froh sein, daß wir sind. Endlich dürfen wir mit uns selber eins sein. Endlich kommt es zu uns, langebereitetes Schicksal, erstes und letztes. Endlich gilt unser Maß, kühnstes Bild des Menschen, ältestes und jüngstes. Endlich sind wir, die wir sind, nach Urbestimmung und nach Endbestimmung: Söhne des Lebendigen.

Scheut nicht, ihr Freunde. Zieht das Mißtrauen zurück aus euren Augen, öffnet die Fenster f ü r eure, f ü r die junge Sonne. Ihr werdet nicht gebannt von einem alten Wort. Die ewigen Worte werden wieder jung. In jungen Sinnen blüht ein junger Sinn. Das Wort der Söhne wird ein junges Wort. Es war von Müttern überwünscht. Es war von Vätern überfordert. Es wird in unserem Munde wieder einfach. Denn alles wird in unserem Herzen wieder einfach. III. Freut euch, ihr Freunde! Wir wurzeln göttlich wie die Mütter und die Väter. Nun treibt in uns-die eigene Gotteswurzel. Der junge Gott steigt aus dem eigenen Grunde. Es ist kein fremder Gott mehr über uns. Wir trinken an der eigenen Quelle. Endlich dürfen wir eins sein mit dem eigenen Gott. Der Lebendige ist unser Gott. Jetzt enthüllt er sich. Der geworfene Gott. Die rollende Scheibe der Gottheit. Das wirbelnde Sonnenrad. Das Flammenkreuz. Der weltwagende, weltwandernde Gott. Der sonnenhaft-sohnshafte Gott. IV. Uns aber kleidet ein größerer Glanz. Endlich wissen auch wir es: Auch wir sind nicht nur wir — wir sind in einem Gott. O, auch wir Ausgesetzten sind in einem Gott geborgen. Auch unsere Ohnmacht trägt ein mächtigerer Gott. Auch unsere Leere füllt ein Gottesüberfluß. Noch war es unsere unbekannte Glorie. Es strahlte über ihr der großen Mütter Liebe und das Licht der großen Väter. Doch sie waren es und wir, wir waren es noch nicht. Wir lagen allzulange vor der Tür der Gottheit. Und waren nackt und hilflos für die ganze

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Kreatur. Wir mußten immer angenommen werden. Und wurden erst durch große Hände groß. Wir waren klein, daß Große waren. Wir schufen große Mütter, große Väter. Wir waren überleuchtet von den elterlichen Sternen und strahlten doch schon auf im eigenen Gotteslicht. Nun aber ist die Stunde unseres eigensten Gestirns. Die Kraft der Strahlung wächst. Es wächst der Gott in uns, die junge Sonne, der Lebendige. Nun sind wir nicht mehr nackt. Es deckt uns göttlicheres Leuchten. Wir wachsen mit dem Strahlenleib des jungen Gottes. Wir sind nun wieder göttlich nackt und müssen nicht mehr in der großen Scham verhüllt gehn. Wir stehen nicht mehr vor dem Auge eines fremden Gottes. Wir stehen stolz in einem Auge, voll von unserem Sinn. Wir stehen aufrecht in dem freien Blick des jungen Gottes. V. Wir dürfen wieder Freudige sein. Wir dürfen wieder allen Dingen Freund sein wie die spielenden Kinder. Wir dürfen wieder allem Sein vertrauen, da das Lebendige wieder der Sinn ist. Was wir ursprünglich sind, das sind wir endlich wieder. Denn immer kam ein kalter Frost aus mißgünstigem Himmel über unseren Frühling. Und eine starre Größe setzte sich vor uns zum Vorbild hin 'und machte klein, was bei uns groß ist: das Bereite und das Offene und Wagende. Und machte kümmerlich die vollen Sinne und betrübte unseren reinen Sinn. Nun aber ist der fremde Geist verjagt, der unsererGröße alle Freude und unserer Freude alle Größe nahm. Freude und Größe sind nun wieder miteinander groß. Denn das Lebendige ist unsere Freude und ist unsere Größe.

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Freunde, kommt mit! Wieder sind wir eine eigene Schar. Lange waren wir Herden unter den väterlichen Hirten und nur in der Hürde der Väter waren wir bei Gott. Nun aber haben wir wieder das eigene Leben und schreiten in des Lebendigen Zug im eigenen Heer. Freut euch, ihr Freunde 1 Gott ist nicht mehr der Herr: er ist der ewige Freund. Gott ist nicht mehr Gesetz: er ist das ursprüngliche Leben. Gott ist nicht mehr der Damm: er ist der freie Strom. Gott ist nicht mehr der Wächter: er ist unser Element. Sind wir in unserem Element, sind wir in Gott. Freut euch, ihr Freunde 1 Mit dem Lebendigen dürfen wir Lebendige sein. Kein Dürfen mehrl Wir sind! Endlich erhellt sich, wer wir sind. Aus wirrem Vorläufigen entringt sich das Gültige. Aus dunkel Drängendem leuchtet ein ewiges Gesicht. Nun müssen wir uns selber noch erreichen. VI. Warum es sagen? Müßte nicht Schweigen sich breiten über diese innigere göttlichere Geburt? Tötet denn nicht immer das Allzudeutliche? Und ist nicht alles Endgültige auch schon das Endliche? Wir sind doch nicht mehr gerne Festgestellte! Soll denn das Leben, das heute aus der Lehre kommt, um endlich Leben zu sein, schon wieder in meisternder Lehre erstarren? Erreicht uns denn nicht immer der Tod, erreicht uns die Lehre? Müßte nicht eher unser junges Leben blind und verkleidet in Wahnsinn und in Sinnloses verlumpt durch die Welt gehen als in der Scham, es zu sein, das lange Erwartete? Ach, wir werden nur Spießruten laufen müssen durch die immer geschlossenen Reihen der

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Blöden. Und sie werden recht haben, die kein Recht haben, denn wir sind es und sind es immer doch auch nicht. Und wir entblößen unseren größeren Namen doch mehr als daß wir ihn erfüllen. 0 , warum sagen wir es, sagen unseren geheimeren göttlicheren Namen? Haben wir denn die Wahl? Können denn Schicksale in den Sternen bleiben? Kinder im Schöße der Mütter? Was im Lauf ist, muß ihn vollenden. Die Söhne sind in der Geburt. Sie müssen an das Licht. Und ihr Name ist die Taufe. Sie sind nun da und müssen genannt sein. Denn das Geborgene muß in das Ausgesetzte. Und das Verhüllte muß in das Nackte. Und das Zarte muß in das Rauhe. Und das Weiche in das Harte. Wir haben keine Wahl. Das ist das Schicksal alles Lebendigen. Es ist das Schicksal des Gottes selbst. Wir aber stehen zum Lebendigen. Wir wagen das Licht. Wir stehen zur Geburt. Wir setzen uns aus. Wir wagen zu sein, die wir sind. VII. Wir sagen, daß wir siegen. Verworren ist die Welt. Alles gilt, und es gilt nichts. Es wogt im Schicksalslosen ein Meer von Bewegungen. Und es erschöpfen sich unsere Kräfte im sieglosen Raum. Doch endüch wollen wir siegen. Und wollen endlich einen ganzen Sieg. Wir Söhne wollen endlich unsere Welt. Wir wollen unser Reich. Wir sagen, daß die Söhne siegen. Unser Sagen ist wieder Beschwörung, ist wieder Bereitung, ist wie in der Jugend der Welt liebend zauberndes Nennen, daß es sei.

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Der entfesselte

Mensch

I. Immer erwünschen Mütter und Väter Kinder. Doch nie wünschen Mütter und Väter, daß es zu uns selber komme, zu uns, den mündigen Söhnen. Immer möchten die Mütter, daß es beim kleinen Kindlein bleibe. Sie drängen gewaltig zur Geburt, doch gewalttätig halten sie die Geborenen. Schoß um Schoß dichten sie um die im Lichte. Die ganze Welt der Mütter ist Schoß. Der Schoß reicht weit über die Geburt hinaus — soweit die Mütter reichen. Die Hände der Mütter sind ein schützender Schoß. Die kleine Wiege des Lebens und das ganze Haus der Welt ist Schoß. Alles was Heimat ist, ist Schoß. Immerfort weben die Hände der Mütter an neuen Hüllen. Die Mütter wollen uns geborgen wissen. Urangst will uns niemals ganz entlassen. Und immer möchten die Väter, daß es beim vielbedürftigen Zögling bleibe. Sie wecken schrill und schroff in den neuen Tag ihres Lehrganges die mutterschlafenden Knaben. Doch sie wachen wächternd auf abschließenden Mauern, daß wir nicht ihre ewige Stadt verlassen und auf eigenen Wegen zu uns selber ihnen entgehen. II. Mütter und Väter entbinden, um an sie selber zu binden. Wir Söhne müssen uns selber entbinden, um uns an uns selber zu binden. Alle Geburt aber ist grausam. Doch am grausamsten ist unsere Selbstentbindung. Schon die Geburt aus den Müttern ist voller Weh und voller Blut. Es ist der Urzwiespalt der Gottheit, allem

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in sich Leben zu geben und alles in sich zu behalten — Welt aus sich zu gebären, Welt in sich zu bergen. Wie sind auf beiden Wunschwegen Mutterherzen hinund hergeirrt. Ach, jeder Schritt ihrer Kindlein in das Land des Lebens ist den Müttern Freude und Leid, immer noch ein Kommen, und immer schon ein Gehen. Grausamer ist die zweite Geburt. Denn grausamer ist es, von der Liebe der Mütter zu lösen als von ihrem Leibe. Und grausamer, das Kind aus dem Herzen der Mütter zu reißen als aus ihrem Schöße. Grausamer als alle geburtshelferischen Hände ist der Geburtshelfer Geist, mit dem die Väter uns aller mütterlichen Geborgenheit entreißen. Die Väter sind groß in der Kunst der Abtrennung. Schnittig ist ihre Zeit von ihren schneidenden Messern. In den Vätern wächst das Element der Willkür und der Gewalttat. In ihnen scheidet sich die Welt. Es sind die Väter ihrem Gott gleich, der die Welt endgültig dem Schoß der Gottheit entreißt als seine Schöpfung und für seine Herrschaft. Doch am grausamsten ist die dritte Geburt. Über die Väter, die unwiderstehlich die Mütter überschritten, schreiten unwiderstehlich die Söhne. Die für die Ewigkeit binden wollten, die todflüchtigen Väter, sie ernten Stürme der sich immerfort lösenden Zeit. Und die das Rad der Geburt stille stellen wollten, die wandelflüchtigen Väter, sie ernten ungekanntes Sausen des rasend sich drehenden Weltrades. Und die das ohnmächtige Leben im allmächtigen Geiste erlösen wollten, die herrschsüchtigen Väter, sie ernten das allmächtige Leben und den ohnmächtigen Geist. Grausam sind die Väter, die fremden Geburtshelfer 41

mit dem ablöserischen Geiste: sie binden die Welt endgültig ab vom geschlossenen Mutterschoß f ü r den schon offeneren Lauf des himmlisch beschwingten Geistes. Grausamer aber sind die Söhne, die sich zum Eigenlebendigen entbinden: in i h n e n entreißt sich auch d e m himmlischen Schöße, d e m väterlichen H a u p t e der endgültig geborene, endgültig freie Mensch. III. Schon in den M ü t t e r n ist ein Lösendes. Mütter sind Werdende u n d sind die R ä u m e der W e r d u n g und sind die H ü t e r i n n e n des Werdenden. Doch ihre Lösung ist wie Zwiebelhäuten: i m m e r ist eine innigere Haut. Gewaltiger sind die Väter i m Lösen. Ihr Wort ist das W o r t Erlösung. I h r W e r k ist die Uberwindung der Schwerkraft der Erde. I h r e Verbündeten sind die flügelgewaltigen Engel. Doch die Väter erlösen den Menschen von der Erde, u m ihn an den H i m m e l zu binden. Und sie erlösen ihn vom t r ä u m e n d e n Blut, u m i h n an den wachen, wachsamen Geist zu binden. Und sie erlösen ihn von der i m m e r engenden Mutterschaft, u m ihn an ihre weiter gespannte Herrschaft zu binden. Herrscherliches Hochbewußtsein bedeuten die W a c h t t ü r m e der weißen Städte des allunterwerfenden Geistes. Die Lösekraft des Menschen vollendet sich erst in den Söhnen. Bindung ist Wesen der M ü t t e r u n d Väter. Befreiung aber ist der Söhne Element. Die Söhne erben die Freiheit der Väter, die Freiheit des Menschen vom Banne des Blutes. Die Söhne erben 42

die Tat der Väter, die Trennung des Menschen von der Welt als Schoß. Die Söhne erben den Aufbruch der Väter, den Aufschwung aus der Schwere der Erde. Die Söhne aber schreiten weiter. Sie überschreiten auch die Väter. Die Söhne lösen sich auch noch vom väterlichen Krampf des Geistes. Die Söhne lösen sich auch noch vom Väterhimmel. Sie wollen wieder frei zur Erde werden. Es ist jetzt unsere Bestimmung: von allem frei zu werden, um für alles frei zu sein. IV. Der Mütter Gottheit ist die Große Mutter, der Ursprung des Lebens, Urwassertiefe der Erde. Der Väter Gott ist der Hohe Vater, der Ursprung des Geistes, Urlichthöhe des Äthers. Mütter und Väter glauben an Ursprünge, weil sie es selber sind. Und sind gebunden wie aller Raum gebunden ist, der ewig in sich selber schwingt. Sie sind der Quellgrund, der ewig Leben emp fängt und Leben verschenkt, doch ewig kreisend in sich selber bleibt. Es gehen Zeiten aus von diesen Räumen wie Quellen ausgehn von dem Quellgrund, doch sie selber gehen wie der Quellgrund nie aus sich heraus. Mütter und Väter bleiben ewig zurück: sie sind nach rückwärts Gebundene. Und es binden Mütter und Väter ewig zurück. Mütter binden das verströmende Leben an seinen Ursprung : den Schoß der Großen Mutter. Leben muß im mütterlichen Weltleib kreisen wie Blut kreist. Es darf die schicksalige Linie des Lebens nicht ge-

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brochen werden. Und das heißt fromm sein im Reiche der Mütter. Väter binden den enteilenden Menschen an seinen Ursprung: das Haupt des Hohen Vaters. Die Menschensöhne sollen zurückkehren in den väterlichen Lichtquell wie verlorene Strahlen. Und das heißt fromm sein im Reiche der Väter. V. Der Gott der Söhne aber ist der Lebendige Sohn, der Ursprüngliche, der in der Muttergottheit und im Vatergott Entspringende. Wir Söhne glauben an das Ursprüngliche, weil wir es selber sind. Wir kommen aus Ursprüngen — doch wir sind die Ursprünglichen. Wir kommen aus Quellgründen — doch wir sind die Quellen. Wir kommen aus der Raumtiefe der Mütter und von der Raumhöhe der Väter — doch wir sind die Zeiten. Zeiten aber bleiben nie in sich, sie sind immer außer sich. Immer gehen sie aus und bleiben nie bei sich selber stehen. Wir Söhne sind voller Herkunft — doch wir sind gebunden wie Wanderer an die Hinkunft. Wir Söhne sind im Vormarsch und sind nach vorn Gebundene. Und wir binden uns und das Unsrige nach vorn. Wir binden uns wie Soldaten an den Marsch der Zeit. Wir binden uns als Freiwillige an den Zug des Lebendigen. Wir binden uns an jeden schöpferischen Aufbruch. Wir binden uns an den immer vorlaufenden Gott. Und das heißt lebendig sein im Reiche der Söhne.

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VI. Der Sohn ist immer voraus. Ermiß dies. Halte still. Ahne die Wendung. Vermauerte Welt bricht auf. Wir sind im Offenen. Der Raum ist durchbrochen in die Zeit. Die Welt steht nicht mehr still. Denn unser Gott bleibt nie mehr hinter uns zurück. Wir müssen ihn nie mehr verlassen. Der Lebendige ist uns ewig voraus. Er ist uns unerreichbar in seinem Lauf. Jetzt gilt als Maß, im Zug zu sein mit dem Lebendigen. Einstmals waren wir böse, waren wir wirklich Söhne. Da mußten wir jeden Tag Abtrünnige sein. Und alles, was wir taten, mußte für die Väter Untreue und Verrat sein. Unsere Schuld ist jetzt, zurückzubleiben. Und es trennt sich jetzt von Gott, der des Lebendigen Zug verläßt. Und es ist jetzt Feind, wer nicht marschiert. VII. Quellen bleiben nicht im Quellgrund. Söhne bleiben nicht bei Müttern und Vätern. Allzulang hielten uns Mütter und Väter in ihren Erden und Himmeln. Allzulang stauten sie uns mit ihren Engen und Zwängen. Nun brechen wir ungehaltener durch. Wir Söhne, wir sind der entfesselte Mensch. Schreiten ist unser Teil. Lauf ist unser Element. Fahrt ist unsere Bestimmung. Wir sind die Bereiten. Das ist unsere Spannung. Das Atemhalten der springenden Pferde. Sind wir Gesammelte — ist es zum Sprung. Das Unerwartete muß geschehen können. Wir müssen beständig sein im Offenen. Leben ist Bereitschaft zu jeder Wendung.

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Alles ist unterwegs. Unterwegs: so heißt unsere Welt. Die Väter waren Auswandernde. Wir Söhne sind Wandernde. Welt ist für uns die große Wanderschaft. Unser Reichtum ist da, wo es strömt vom größeren Leben. Unsere Heimat ist das wandernde Reich.

Die Neue

Zeit

I. In den Söhnen hassen Mütter und Väter die Zeit. Mütter hassen die immer schon eilende Zeit, die ihnen die Kinder so ungeduldig aus den Armen reißt. Väter hassen die unaufhörliche Geburt, die Zeit heißt, in der sich immer wieder Leben fortreißt vom endlich gefestigten Bestand. Mütter und Väter hassen die immer wieder allesüberschreitende Zeit. Darum ließen sie die Söhne niemals noch zu sich selber kommen. Sie fürchteten der Söhne Element: die Zeit. Und sie mühten sich, Zeit stille zu stellen. Weltzeitgroß ist der Kampf der mächtigen Mütter um die Wiederkehr des Gleichen. Weltzeitgroß ist der Kampf der gewaltigen Väter um die Heimkehr in das Ewige. Von jeher wollten die Mütter und Väter die entlaufende Zeit zwingen in den Umlauf der Ewigkeit. II. Doch unaufhaltsam wie die Zeiten sind die Söhne. Die Väter sind Berge. Die Mütter sind Täler. Die Söhne aber sind Flüsse. Flüsse müssen fließen. Es ist in ihrem Namen. Flüsse sind nicht zurückzuhalten.

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Die Söhne sind der Fluß der Zeit. Sie sind die fließende Ewigkeit. Die Söhne sind der Fluß der Welt. Seitdem die Söhne siegen, ist die Welt im Fluß. Die Söhne siegen — denn die Zeit siegt. Die Zeit siegt — denn die Söhne siegen. Das ist der Bund der Söhne und der Zeiten. Das ist der singende Sieg der marschierenden Heere der Söhne über die Burgen der toten Ewigkeit. Söhne sind Zeiten. Zeiten sind Söhne. In beiden siegt die Geburt. Stehen die Söhne zur schicksaligen Zeit, stehen sie zu sich selber. Sind die Söhne eins mit dem schicksaligen Augenblick, sind sie eins mit sich selber. Wir Söhne siegen, wir sind eins mit der Allsiegerin im göttlichen Weltraum, wir sind eins mit der göttlichen Zeit. III. Wir sind auf dem Marsch derZeit. Feind ist, wer uns im Wege steht. Wir überrennen, was aufhält. Weiterl Weiter! Nur weiterI Flugzeuge brausen über uns. Doch wir alle» sind ein schwirrender Schwärm. Wir alle müssen vorwärts. Es hat alle ergriffen. Die ganze Erde galoppiert. Es ist das Rasen selber, der ewige Wettlauf, das ewige Überholen, der ewige Endspurt. Es sind tausend Ziele, und es ist kein Ziel. Aber das muß erreicht werden: an der Front, an der Spitze der Zeit zu' sein. Und es genügt uns Ungenügsamen das allein, eins zu sein mit dem Gott der Zeit. IV. Neue Zeit. Das ist unser Wort. Das ist unser Kriegsruf. Das gellt durch die Jahrhunderte.

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Neue Zeit. ,Das sind wir selber. Das sind wir, die Söhne. Söhne sind die immer neue Zeit. Neue Zeit. Das heißt eine neue Welt. Das heißt eine verjüngte Welt. Wir wissen endlich, daß es Neues gibt. Wir wissen, daß wir es selber sind. Neue Zeit. Es löst sich tödliche Bedrückung, altes Wissen, daß es zu Ende geht. Der Druck des Lebens siegt, Urgefühl, daß es beginnt. Neue Zeit. Alter ist nicht mehr Maß. Nicht maßgebend mehr ist Gewordenes. Der junge Gott ist das Maß. Maßgebend ist das Werdende. Neue Zeit. Das ist unser Rausch und unsere Zucht. Und das ist unsere Macht und unser Recht. Darin sind wir alle eins. In diesem Marschbefehl sind wir Ein Heer. Zwiespalt verstummt vor diesem Trommelschlag. Neue Zeit. Ob wir die Wende noch nicht voll ermessen, oder die göttlichen Ausmaße schon erdämmern: der Mensch selbst, der Ursprüngliche, der Quellenhafte, der Sohn des Lebendigen ist da in diesem Schicksalswort.

Die jungen

Sonnen

I. Unwiderstehlich wie ein Frühling ist die Weltzeit der Söhne da. Sie ist der neue Frühling der Welt. Die Söhne — das sind die Frühlinge. Winde wehen und die L u f t ist flüssig und es lockert sich die vergreiste Erde. Willig wie brache Erde ist das Herz der Jugend: Pflüger und Säer haben gute Zeit. Der Saft der Erde blüht, es steigt die Flut des Lebens, es stößt der Trieb.

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Frühling ist Krieg. Es kämpft der junge Saft sich durch. Es kämpft das frische Element mit dem erstarrten. Durchdringen will die alleserneuernde Kraft. Blut ist ein Schlachtfeld. Denn soviel gehört dem Lebendigen als offen steht. Durchdringbarkeit ist die göttliche Bedingung der Welt. Da lebt die Welt, wo sie durchflutet ist. Wo der Saft des Lebens nicht durchkommt, herrscht der Tod. Alles Verstockte ist Festung des Todes. Viel Totes ist in der Welt, viel Undurchdringliches. Viel Tod ist in der Väterwelt. Sie ist zu hart, sie ist zu knöchern. Und da sie alles zu Ende treibt, ist sie verholzt. Und ihre Luft ist trocken und sengend ihr Licht. Es mangelt Erde und Wasser. Der Baum des Lebens verdorrt. Viel Totes ist in der Väterwelt, viel Undurchdringliches. Wir aber sind zum Leben da, zum Treiben, Wachsen, Blühen. Mit dem dürren Holz in das Feuer 1 Das Tote ist des Todes schuldig. Verlorene Triebe treiben am toten Baum. Der neue Baum wächst aus neuer Wurzel. Viel Ungewisses ist in uns. Doch ungewiß ist jeder Frühling. Wird ein guter Sommer sein und ein guter Herbst? In jedem Frühling ist es ungewiß. Frühling ist der Sieg der guten Hoffnung. Und das ist unsere Müdigkeit. Es ist nicht die des Herbstes, die schwermütige. Es ist die von Frauen, die bluten oder tragen. Es ist die Müdigkeit von Kindern, die wachsen. Es ist die Müdigkeit des Frühlings, die schwerblütige. 4

Söhne

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II. Es geschah bisher, daß junge Völker alternde Welt verjüngten. Mit dem Gefälle ihres jungen Blutes siegten sie über das müde Blut der alten Völker und mit der Keuschheit dichten Lebens über die Schwäche leerer Gier. Mit urgewissem Schicksal siegten sie über den mißtrauischen Scharfsinn und mit ehrfürchtigem Staunen über das verachtende Wissen. Mit Taten siegten sie über die sich sichernden Ängstlinge und mit Kindern über die Unfruchtbaren. Sie waren noch der Mutter des Lebens nah und in ihr guter Hoffnung. Es sind keine neuen Völker mehr. Es sind keine Muttervölker mehr, die aus dem Blute des Lebens kommen. Die Quellen der jungen Völker sind erschöpft. Sie sind alle gefaßt von den herrischen Händen der Väter. Ströme frischen Blutes sind alt geworden im Dienste des Geistes. Springfluten des Blutgottes haben sich gesetzt im Gesetz des Geistes. Die großen schicksalsträchtigen Völker sind herbstlich gereift an der Sonne des Geistes, der immer alternden. Die ganze Welt ist alt geworden, denn die ganze Welt war Väterwelt. Nun kann der Lebendige kein Kindervolk mehr erwählen zum Träger des Neuen Reiches. Doch noch ist junges Volk und noch ist ein frischer Quell. Die Jugend ist das junge Volk, in dem der Lebendige wieder leben kann. Die Jugend ist der frische Quell, in dem jetzt die Verjüngung alter Welt geschehen kann. 50

Die Jugend ist jetzt das Trägervolk des Neuen Reiches. Die Jugend ist der Quell in allen Völkern. Sie ist der einzige Quell, der auch in alten Völkern nicht versiegt ist. Dieser Jungbrunnen ist allen Völkern verblieben, auch denen, die sich längst uberlebten. Und darum geschieht jetzt über die ganze Erde hin Verjüngung. Es löscht nicht mehr, wie dies immer geschah, Ein Volk mit seiner Jugendkraft die anderen Völker aus, die altgewordenen. In allen Völkern treibt es aus der ewigen Triebkraft Jugend. Und . es wachen alle schlafenden Wurzeln auf wie im Frühling. Es ist Frühling der Welt. Es geschieht Neues. Es ist ein gemeinsamer Zug in der ganzen Welt. Alle die vielgetrennten Völker und Erdkreise sind in dem Einen Zug der Verjüngung. Denn nun ist Ein junges Volk in allen Völkern: die Jugend. Das ist die gute Hoffnung des Neuen Reiches. Uber die alten Reiche hinaus ist es das weltweite, allmenschliche Reich. Die Völker aber, die den heilen Quell der Jugend in ungehemmtem Gefälle springen lassen, sind die auserwählten Trägervölker des Neuen Reiches. Die Völker der Jugend sind es jetzt, die die Bestimmung der jungen Völker erfüllen, zum Lebendigen zu führen. Völker der Jugend aber sind heute die noch Jüngeren, in denen die Ursprünge noch mächtig sind in immer neuen Anfängen und denen heile Herkunft verpflichtende Ehre ist und die sich noch im Werden halten und die noch mächtig sind in ihrem Traum vom Kommenden. 4*

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Und sind diese Völker in ihrem Drang auch bedrängt und in ihrer Reichskraft weltarm, sie sind doch unvergleichlich reich durch ihre Jugend. III. Es ist die Stunde der Jugend. Jugend ist jetzt die Losung, denn es altert die Welt. Das ist mehr als ein Wort des Tages, mehr als ein billiges Geschrei von Unreifen und von Überreifen. Es ist das Wort einer Weltzeit. Es ist Weltzeit der Jugend, denn es ist die Zeit der Weltverjüngung. Die Jugend hat jetzt die Macht. Sie ist nicht von ihr. Sie ist in ihr. Der Strom geht jetzt durch sie. Darum ist sie mit sicheren Augen mächtig. Sie hat keine Wahl. Sie ist bestimmt. Sie ist jetzt ausgeschickt. Sie ist an der Front. Sie ist im Krieg für das neue kameradschaftliche Reich. Dies wird mißbraucht. Von der Jugend selbst, die immer mißbräuchlich ist. Und von den nachläuferischen Hunden, die überall sind. Doch Mißbrauch kann die nicht beirren, die in ihrem Schicksal sind. Immer hat Jugend gesiegt, das Tote überrannt, die Welt verjüngt. Doch jetzt ist es nicht mehr das gewohnte Spiel der Alten und der Jungen, das ewige Zwischenspiel zwischen den Altern, bevor es zu den Gemeinten kam, zu den Vätern, den Alten. Jetzt kommen alle Zwischenspiele in ihr Endspiel. Jetzt münden alle Wendungen in die Eine Wende. Jetzt wagt Jugend mehr als die Verjüngung der alten Welt — diese andere Verewigung. Jetzt wagt sie sich

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selbst, wagt ihre eigene Welt, wagt eine junge Welt, wagt das junge Reich des jungen Gottes. Immer war ein Traum ewiger Jugend. In diesem Traum sah der Mensch Götter ewiger Kraft und Schönheit im unendlichen Spiel des Lebens. Einmal mußte dieser Traum, der eigenste des Menschen, des unvergleichlich jungen, werdenden, offenen, sich wandeln zum Wirklichen. Das geschieht, und was Traum war, das ist jetzt geliebtes Leben, dauernd bedrohtes, doch in immer neuen Siegen. Wir sind jünger. Es ist mehr als ein Wunsch. Und es ist nicht nur der Jungen Freude, endlich jung zu sein. Es verjüngt sich Alter um Alter, und es verwandelt sich im neuen Zeichen des jungen Gottes das Gesicht des Menschen selber. Wie es einmal im Bilde des Alters verklärt war, so ist es jetzt blühender im Bilde der Jugend. Und jetzt ist Leidenschaft und Maß, was ewige Jugend schafft, Sichhalten in der Verwandlung, im flüssigen Element, in der immer wieder neuansetzenden Bewegung des Lebens. IV. Welt ist in Bewegung. Immer war sie bewegt. Sie ist, da sie bewegt ist. Sie ist das große Bewegte. Es ist in allem, was Welt heißt, Bewegung übermächtig. Es ist die große Leidenschaft der Welt. Der Himmel der Gestirne ist in Bewegung, und die Erde mit allen Wesen und Dingen ist in Bewegung. Mit unzählbaren bunten Fahnen bezeugt das aufbrechende Heer des Frühlings das Urgesetz der Welt.

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Über drei Jahreszeiten geht die Wucht der Bewegung des Lebens — eine ist Ruhezeit. Doch noch im ruhenden Winter ist die Bewegung nur im Geheimeren groß. Und sechs Tage ist der Mensch von seinem Werk bewegt, an einem ruht er. Und auch dieser Tag ist Zeit nur einer anderen, inneren oder ungefesselt äußeren Bewegtheit. Ruhe dient der Bewegung der Welt. Sie ist heilsame Helferin. Bewegung aber ist das Gesetz der Welt. Denn Bewegung ist das Gesetz des Lebendigen. Was lebendig ist, ist bewegt. Im Anfang ist der Lebendige, der bewegte Beweger. Doch jetzt ist die Bewegung der Welt entfesselt. Denn jetzt stehen wir zum Weltgesetz der Bewegung. Dies Gesetz erfüllen wir wie ein Strom das Gefälle eines Kataraktes erfüllt. Wir — das ist das Volk der Jugend. Dies gehört zusammen: Jugend und Bewegung. Jugend ist Bewegung. Es gibt Bewegung, weil-es ungelebtes Leben gibt, das zum Leben drängt. Es gibt Bewegung, weil es junges Leben gibt, das über sich hinaus will. Jugend ist die Macht der Bewegung. Bewegung ist die Macht der Jugend. Das ist der Bund, der unwiderstehlich siegreiche dieser Weltzeit. Auch die Mütter und die Väter sind Bewegte. Gewaltig schlug auch ihr Herz im Leibe der Zeit, wenn ihr Gott sie anrührte. Und es wären nicht Kinder, wenn Mütter und Väter nicht ursprünglich Zusammenbewegte wären. Und doch zog es die Mütter und die Väter im Grunde in das Unbewegte. Immer war die Welt für sie ein

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rasendes durchgehendes Pferd. Und sie konnten es nicht zurückhalten. Und sie sahen doch n u r i m dauernden Bestand einen Sinn. Sie witterten in den Kindern Urgefahr der alle fortreißenden Bewegung der Welt. Und sie zitterten i m ruhelosen S t u r m der Zeit. Und es verlangte die rasch E r m ü d e n d e n nach der feierabendlichen Stille des Wandellosen. N u n aber ist die Freude a m Bewegten selber groß. So wie kleine Kinder sich freuen, w e n n sich etwas bewegt, so wie kleine Buben sich f r e u e n , w e n n es läuft, das eigene Tierchen oder das eigene Maschinchen, so f r e u t sich jetzt die Jugend der ganzen Welt, daß alles, die ganze Erde in Bewegung ist. D e n n das ist Jugend selber: die Wanderschaft, die Fahrt, der Marsch der Welt. Die Jugend hat die ganze wandernde u n d sich wandelnde Welt f ü r sich. Und sie hat f ü r sich den Lebendigen selbst, den urbewegten Allbeweger. V. Das Alter ist heilig. Es steht in der Freiheit des nachbarlichen Todes. Es steht in der Verklärung des abendlichen Lichtes. Es steht in der Milde der überlegenen Schau. Aber das Alte ist voll H a ß des Toten gegen das Lebendige. Und es ist Totengift i m Blut des Lebens. Es ist der Krampf i m Gesicht u n d Leib der Welt. In den Reichen der Alten aber siegte das Tote. Und die Welt ist alt u n d böse geworden a m i m m e r befangenen, i m m e r abgeschlossenen, undurchdringlichen Toten. Tote Augen fragen die Welt zu Tode. Die Welt ist verhext von den rächerischen Alten. I n i h r e m bösen Blick seufzte viel junges Volk, vorzeitig verkümmerndes.

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Wider das tote Alte, das Leben bis in die göttliche Wurzel bedroht, k ä m p f t der Gott des Lebens mit der Werdelust der ungebrochenen, der offenen Jugend. Darin ist aller Ernst der Zeit: Die Jugend ist das letzte Aufgebot des Lebendigen. Gott hat gegen den Tod Jugend gesagt. Kristalle sind die Reiche der Alten. Doch so durchsichtig sie sind, so h a r t sind sie u n d ausgeworden u n d ohne Verwandlung. Und so w u n d e r b a r sinnzuläufig sie sind, so spitz sind sie u n d so ausschließlich in ihrer Einzigkeit, w e n n sie auch über alles das Eine stellen. So stehen jetzt die alten Völker sich i m Unverwandten, Ausgeborenen gegenüber. Sie können sich nicht m e h r ineinanderverwandeln z u m gemeinsamen größeren Reich. Es ist kein Gemeinsames m e h r in den alten Spitzen, w e n n auch jede die Spitze aller Völker sein möchte. Weltbewegung, alleverwandelnde geschieht d a r u m allein noch i m weicheren formbaren E l e m e n t der Jugend. W ä h r e n d das Alte sich i m m e r f r e m d e r wird u n d sich i m m e r m e h r gegeneinander abschließt u n d nicht m e h r einander verständlich ist und keine Sprache m e h r hat, sich einander aufzuschließen — wächst alles Junge seltsam n a h zueinander u n d ineinander. Und noch Feindschaft der J u n g e n versammelt m e h r als der kristallene Tod der Alten. Es wächst in todfeindlichen Völkern der junge Mensch in das gemeinsame Leben, wie sich todfeindliche Heere angleichen u n t e r demselben bleiernen H i m m e l des Schicksals.

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VI.

Jugend, das ist das Volk, das berufen ist, das Neue Reich zu tragen, das Reich der Söhne. Das Reich der Väter stand in der Weisheit des Alters. Heilige Greise trugen die goldenen Leuchter des Geistes in durchsichtigen Händen von Engeln. Und auch ihre Stirnen und Schläfen waren durchscheinende Ampeln des ewigen Lichtes. Und auch das Reich der Mütter wurzelte in der Geprüftheit des Alters. Das heiße Blut der jungen Weiber verbürgte keinen Bestand. Gebrannte Erde hielt die Wasser des Lebens. Das Reich der Söhne aber atmet in der frischen freien Luft der Jugend. In ihr ist sein offener weiter Raum. Denn die Söhne sind viele und vielartig ist ihr Gesicht. In der Luft der Jugend ist das Große Spiel, das Feindspiel der ewigen Spannungen, das Freundspiel der unendlichen Durchdringungen, das harte Auseinandergehen und das bunte Ineinanderwogen. Ein ewiger Bund ist zwischen Jugend und Sohnsschaft. Er ist von urher. Gott ist jung im Sohne. Nun aber wirft der Lebendige alle Macht der Jugend in das Recht der Söhne, das lange aufgehaltene. Davor weicht das alte Reich dem Neuen Reiche. VII. Lange schon und verhüllt in stolzabseitigen Herzen trugen wir durch fallende Zeit den Glauben Ein das neue, junge, das kameradschaftliche Reich. Doch der echte Glaube ist das Geglaubte selbst, und die echte Liebe ist immer schon das neue Leben.

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Gering achtet bestehende Welt das Ungeborene. Es ist aber das Mächtigere. Unwiderstehlich ist allein das Kind. Das Hilfloseste, ein zarter Keim, sprengt die Festung Welt, wenn sie sich d e m Lebendigen verschließt. W e n n Gott reif ist zu eines Gottes weltwendender Tat, so fällt er mächtig, ein Blitz, in die zarteste Seele. Doch lange w ä h r t O h n m a c h t der von d e m Gott Getroffenen. D e n n Welten m u ß der< göttliche Blitz verzehren, daß die Seele anders sich verleibe. Von wieviel Schlacke ausgebrannter Sonnen m u ß der junge sprengende Gottessame uns befreien, daß neues Leben aus wieder empfänglicherer Erde blüht. D e n n bis wir Verwandelte sind, verwandeln wir nicht. L a n g ist der T r a u m u n d kurz die Tat. Viel Atem ist not, einzuatmen den ausatmenden Gott. Und schwer ist, abzustoßen von der Insel des Traumes, der süßen Ohnmacht, in das Meer der Welt, die bittere Macht. Unsere Schiffe sind klein, das Meer ist groß u n d größer das Unbekannte. Viele flüchten zurück, viele gehen u n t e r . Aber die Wenigen, die durchkommen, retten reifend i m S t u r m die n e u e Seele. Nicht die gängige Zeit gebiert die Verwandelnden. Die Geburten der gemeinen Zeit sind schlecht. Flach sind sie, d e n n sie k o m m e n aus Oberflächen, u n d wurzellos haben sie keinen Bestand. Sie schreien so grell, denn ihr Geburtsschrei ist schon ihr Todesschrei. Ursprüngliche Zeit ist Geburt der Ewigkeit. Und die guten Früchte k o m m e n von fernher, von guten Wintern, guten Frühlingen, guten Sommern. So f l a m m t das Wendefeuer der Jugend.aus göttlicherer Geworfenheit. Heile Jugend k o m m t fernerher als

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von den Eltern, kommt aus heilerem Samen und heilerem Schoß. Unerwartet sind sie gekommen, die Vorläufer der Reiferen, der mündigen Söhne: die Knaben. Plötzlich waren sie da, von einem unsichtbaren Magnet herausgezogen aus beruhigt - behaglicher Zeit und zusammengezogen zum verschwörerischen Bund. Aber so kommen Erwählte. Denn nicht das sterbende Leben hat die Wahl. Es erwählt der Lebendige. So wie Knaben plötzlich draußen sind auf ihren Wegen, in Wäldern und Wassern, wenn der Frühling die Welt befällt, so ziehen sie jetzt hinaus, entwandern, entfliegen dem engen, dem winterlichen, dem alten Welthaus. Wohin wollen sie ? Sie wissen es nicht. Knaben wissen es nie. Aber das wissen sie gut: Sie wollen hinaus. Sie wollen ins Freie. Sie wollen in die Weite. Nicht irgendwelche Buben sind jetzt frech und anmaßend wie zu aller Zeit. Der Knabe ist selber da. Der ewige Knabe. Nun ist seine Zeit, kommt er auch nicht aus der Zeit. Er ist das rechte Element, mit dem der junge Gott die junge Welt zu bauen anhebt. Die alte Welt umsteht mißtrauisch besserwissend mit scharfen Brillen, immer verkleinernden, das immer unverständlich Jugendliche. Kurzsichtiges Auge erreicht nie ferne Herkunft. Ausgeborene wissen wenig von Geburt. Vielgewandte belächeln das Ungewandte, Fertige das noch im Weichen sich Wandelnde. Immer ist lächerlich Neugeborenes. Und doch ist es das Künftige.

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Greise prüfen Junges auf das Fertige, abgemessene Kraft, abgeklärte Form. W i r messen wachsende Gewalt und wachsende Gestalt des Lebendigen. Anders wissen Werdende, anders Gewordene. Wohl wissen Alte viel, doch nie das Kommende. W e r nicht mehr bezeugt wird, wird nicht mehr geboren. Und wer nicht mehr geboren wird, ist tot. Lauige währt die Geburt. W o sie endet, da beginnt der Tod. Solange währt Leben wie die Geburt. Werdende wissen aus der Geburt, so wissen sie aus dem Leben. Sie haben ein Wissen, das das Wissen nicht hat. Das Leben selber weiß in den Werdenden traumwandlerisch gewiß u m das Lebendige. Immer ist Jugend Welt in Geburt. Weit über den Schoß hinaus reicht die Geburt. Die Welt dehnt sich in jungen Seelen und in jungen Leibern von wachsendem Leben wie in Müttern. Auch Jugend gebiert. Das Leben gebiert sie. Sie gebären Leben. Der Saft steigt. Das Blut dichtet. D e r Strom des Lebens schwillt. So beginnt immer wieder das Leben, und so beginnt es heute, da sich verjüngen will die alternde Welt. Es ist wieder fruchtbare Zeit. Und alles W e h , das junge Seelen, junge Leiber tragen, ist Flut der W e h e n der größeren Lust, daß lebendiges Leben wieder in der Geburt ist. W i r haben ihn wieder, den Kindersinn für das Lebendige. Plötzlich ist er wieder da, der Ursinn, der nie gestorbene, immer nur verwehrte. Einfach ist er wieder, nicht mehr gelehrt, schlicht gelebt. Anfangende A u g e n

schauen urvertraut

der Freude des Lebendigen selber.

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in

Das ist der Magnet, der geheime, der uns alle anzieht und zusammenzieht. Kein Weil und kein Darum. Kein Grund, keine Begründung. Kein Wille. Nicht einmal Liebe zum Leben. Einfach Leben. Seitdem uns der Gott, unser Gott, der Lebendige einrührte, rinnt der elektrische Strom, das alldurchflutende Leben durch uns alle, und wir sind allem, was lebt, wieder angeschlossen, und unser Leben wogt wieder mit dem größeren Leben des Alls. Wieder sind wir selber sprießende Frühlinge, reifende Sommer, trächtige Herbste und ruhende Winter. Wieder sind wir ausbrechende Triebe, leuchtende Blüten, süßwerdende Früchte, wartende Samen. Wieder sind wir rauschende Wasser, reißende Ströme, wehende Winde, fahrende Wolken. Wieder sind wir atmende Wälder, bunte Wiesen, glänzender Tau und fester Stein. Und wieder sind wir flammende Feuer, strahlende Sonnen. Zu unseresgleichen kehren wir heim. Verlorene Söhne finden wieder verlorene Heimat. Wir gehen heim in die große Verwandtschaft alles Lebendigen. Leben trägt uns, der gemeinsame Strom. Und das wandernde All trägt uns heim zum wandernden Gott. Oder ist er es, der Wanderer Gott, der in uns auszieht? Sind wir nicht seiner Freude beschwingter Schritt? Führt nicht der Lebendige uns auf die freie Straße der wandernden Schöpfung? Nah und verwandt ist jüngstes Volk dem ältesten. Dieses stirbt nicht, ob es auch ausstirbt, solange Knaben und Mädchen überleicht und überschwer wie alle Frühlinge Leben wagen.

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Der Lebendige sagt mit der Jugend der Völker und dem Volk* der Jugend Eines: Leben bleibt siegreich, solange es in der Verwandlung wachstümlich bleibt. Wider das Maß von Jahrtausenden, das des grau gewordenen Geistes und der klein gewordenen Klugheit, stellen wir gelassen das Ursprünglichere: das Maß des Lebendigen. Am Maß des Lebendigen lesen wir, die Völker der Jugend, wie einst die frühen Völker, Gedeih und Verderben, Aufstieg und Untergang.

Der junge

Mond

I. In den Sturm der Söhne flammt ein uraltes Wetter, die aufgebrachte Wildheit der ersten Jugend, die den Vätern widerstand, die wirbelnde Glut der Amazonen. Einst zogen ihre Scharen männermordend über die Erde, Blutrache zu nehmen für den Mord an der Großen Mutter. Denn gebrochen war das uralte Recht der Mütter, abgerissen die mütterliche Linie des Blutes, übergangen die Töchter, die Erbinnen der Mütter. Und gezählt wurden die Geschlechter nach den Vätern, und die Söhne wurden Träger der Ahnen. Waffenklirrendes Licht hatte sich über die dunkelträchtige Erde gestürzt, und die Sonne des Tages hatte den nächtlichen Mond verdrängt. Ohnmächtig waren die Mütter erstarrt im unfaßlichen Kommen des Geistes. Sie hatten keine Wehr und Abwehr. Aber die Töchter ertrugen es nicht. Vor ihnen lag der leere Weg der entgotteten Mütter. Wozu Schmerz

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und Sorge der Mütter, w e n n es nicht die G e b u r t war, die galt, u n d der Schoß kein H e i l i g t u m m e h r war? Der rächerische H a ß der M ü t t e r wurde heiß in i h r e n Töchtern, u n d wer Erbe der mächtigen M u t t e r war, wurde Waffe wider die väterliche Gewalt. Doch erstmals regte sich auch das widerspenstige Blut der Jugend wider die herrischen Väter. D e n n sie ist, anders als die Mütter, nicht z u m Ertragen da. Wird aber der Stolz des jungen Weibes beleidigt, so wird dichter noch als in Jünglingen das Blut zu H a ß u n d verzehrender das Feuer der Rache. Entzaubert waren die Reiche der M ü t t e r . Die Töchter gaben sie auf. Doch sie ergaben sich den Vätern nicht. Der junge Mond der Mädchen, der z u m Schoß der Liebe bestimmte, wurde zur blitzenden Schärfe von doppelseitigen Äxten. Diese Monde zerschnitten die Nabelschnur zu den M ü t t e r n u n d bissen blutig die Männer. Das war u n d das ist. Es flammt in aller Zeit aus Mädchen, die nicht zur V e r f ü g u n g herrischer H ä n d e sind, die brennende Scham des entzündeten Stolzes. Auch dieses Feuer rast i m Weltbrand der Söhne. II. Denn n u n sind sie wieder da, die Sohnesgleichen, die eigenständig Freien u n d trotzig Unabhängigen. Wieder sind sie Herausgeborene aus d e m w a r m e n Stall des Geschlechtes, Ausgesetzte in die r a u h e r e Weltluft. Und wenn sie auch nicht m e h r auf Rossen in die Männerschlacht reiten, sie stehen männergleich im Kampf der Zeit. Und sie marschieren mit, Mitberauschte vom S t u r m der Taten, roßgleich stolzwillige Leiber roßgleich stolzwilliger Seelen.

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Frische von kalten Morgen steht auf dem Gesicht der jungen Frauen wie der jungen Männer. Wer will sich lösen, wer nicht dem schneidenden Wind des Schicksals sich stellt? Und wer wagt das Ungeheuerliche, als Weib die alten Ordnungen zu brechen, wen nicht die kalte Entschlossenheit des Notwendigen erreicht? Aber im unbedrückten Geist des weiten schweifenden entfesselten Lebens, dem jedes Element zum rasenden Rosse wird, wächst jetzt aus neuer durchbrauster Seele der neue durchatmete Leib. Der Bund ist geschlossen zwischen den jungen Sonnen, den Söhnen und den jungen Monden, den Töchtern. Lächelnde Sieger wenden sich rasch von den zerstörten Thronen der alten Sonne und des alten Mondes. Sie schreiten miteinander mit unbekümmerter Gebärde über die Trümmerfelder der alten Reiche. Und sie enttanzen mit neuer Sprungkraft und entfliegen mit neuer Schwungkraft der alten Weltenschwere.

in. Außerordentlich ist das Gesetz des kämpfenden Weibes. Doch es ist. göttlich. Das Außerordentliche gehört zum Reiche wie die Ordnungen, die durch alle Tage hindurch gelten. Denn der Lebendige liebt es, Leben zu steigern und steigernd seine gewohnten Maße zu überschreiten. Es ist die Schöpferfreiheit der Lebendigen, das Gesetzte in gewagteren Taten und geliebteren Bildern aufzuheben. Immer muß das Unmögliche möglich bleiben. Will der Lebendige das reine Feuer, in dem die Welt verzehrt wird, die im Gewöhnlichen verkommt, so

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ruft er seinen heldischen Jünglingen und Mädchen zum Tanz der Flamme. Und es ist ewig, weil von urher kommend, dieser Weltaugenblick wie die Zeit des immer Gültigen. Doch das kämpfende Weib ist das Außerordentliche selbst. Jünglingen ist Kampf Natur. Sie werden in ihr Element gerufen, werden sie gerufen zum Kampf. Und außerordentlich sind sie darin allein im Äußersten der kämpfenden Tugend. Mädchen aber werden aus ihrer Natur herausgerufen, sind sie berufen zum Kampf. Wehrloses wird gewaltige Waffe: jungfräuliche Bereitschaft, jungfräuliche Hingabe. Aber es schlägt aus diesen Inbrünsten eine fremde Flamme. So rasen n u r Selbstvergessene. Und nur Selbstverbrennende sind so kalt. Und nur Sichselberfremde so grausam. Wahnsinn ist der Kampf der heldischen Mädchen, Entrückung in ein fremdes Element, Entzückung, nicht mehr sich selber zu sein, nicht mehr in seinen Grenzen gefangen zu sein. Der Lebendige Hebt diesen heilen Wahnsinn. Er lebt in ihm. Er wäre nicht der Lebenschaffende und der Lebendigmachende ohne diese göttlichste Kraft. Und es wäre nicht Welt, nicht Mensch, nicht Ding, wenn der Gott nicht dieses wäre, dieses Außersichsein. Und in der stumpfen Welt, die in sich selbst gefangen geht, ist diese Kraft, aus der gewohnten Bestimmung in den fremden Ruf zu springen, die uns noch verbleibende ursprünglichste lösende Kraft. Völker, haltlos fallend in ehrloser Trägheit, standen 5

Söhne

fic

im Banne heldischer Mädchen wieder auf, wiedergeboren aus deren heißen Herzen. Jetzt aber, da eine Welt in den Flammentod muß, sind die Flammenden gerufen zu opfernden Geopferten. IV. Über dem kämpfenden Weibe aber ist eih Fluch. Das Außerordentliche ist groß. Doch es hat keinen Bestand. Nie vermag es dauernd zu gründen. Es war Steppenbrand, nicht Herdglut, der heiße Trotz der männermordenden Scharen. Seinem Wüten folgte die jähe Stille des Nichts. Anders waren die Mütter. Sie sind mit der Dauer verbündet. Sie sind mißtrauisch gegen die Feuer des Überschwangs. Sie nähren die stillen Feuer, die das Leben nähren. Sie bewahren mit der Güte des Feuers, der Wärme das Leben vor der Urkälte der Welt, die aus dem Nichts heraufzieht und aus jeder Vernichtung. So ist ihr Reich dauernd wie die Erde. Und wie die gute Erde lebt das Reich der Mütter mit der ewigen Macht des Notwendigen fort mitten in der fremden, der kämpf- und werkbesessenen, der männlichen Welt. Verweht aber sind die Reiche der kämpfenden Mädchen, verweht mit den lodernden Mähnen ihrer Rosse. Kein Reich wird nur mit Sturm und Brausen gegründet. Kein Reich wird nur im Krieg erkämpft. Kein Reich wird nur im Außerordentlichen gebaut. An jedem Reich wirkt alle Kraft, dann ist es Reich. Der Haß kann groß sein, er ist immer hoffnungslos. Die Rache kann verbissen sein, sie ist immer unfruchtbar.

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Die Liebe allein ist guter Hoffnung, und sie allein ist fruchtbar im Kampf. Auch die Mütter waren rächerisch und hungrig ihr Haß. Das aber hat ihr Reich nicht gebaut, das hat ihr Reich zerstört. Was das Reich der Mütter erhielt über unbekannten Zeitraum und was jetzt noch von ihm mächtig ist in uns, das ist, daß ihre Liebe unvergleichlich ihren Haß überwog. Der Haß der Mütter war der Haß einer größeren Liebe. Und wenn sie kämpften, kämpften sie für ein Geliebtes, für ihr Kind. Das ist der Mütter fernhindauernde Macht: sie sind mit ihrem Elemente eins. Doch ihre Töchter, die kämpferischen, sprangen für immer aus ihrer Natur. Sie sprangen aus allem Verwandten in das hochmütig Fremde. Sie sprangen aus aller Fruchtbarkeit in das harte Unfruchtbare, das wohllüstig Furchtbare. Sie sprangen aus der Liebe des Geschlechtes in die Liebe zu sich selbst. Liebten sie nicht endlich sich selber? Die eigene Schönheit und die eigene Kraft? Und waren nicht ringsum bewundernde Spiegel, vorbildtrunkene Kameradinnen? Zittern bei dieser Frage nicht auch heute viele stolze Herzen? Was aber blieb von ihnen selbst, von ihrem jungfräulichen Element? Ein Flammenfetzen: das rasende Weib. Und wenn sie davon ritten aus der Gefangenschaft des Geschlechtes in den Rausch des Krieges, so ritten sie in den Haß, die andere Gefangenschaft vom anderen Geschlechte. 5*

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H a ß ritt sie. H a ß war ihr Herr. H a ß verzehrte ihre Liebe. Sie h a ß t e n die n e u e Herrschaft. Sie h a ß t e n die Mütter u m der künftigen Söhne willen. Sie haßten die Söhne u m der künftigen Väter willen. Sie haßten in allem stampfenden Stolz u n d aller wilden W u t sich selbst, daß sie so waren, Weiber waren. Heiß steht i m Herzen des Lebendigen die heldische Liebe des kämpfenden Weibes. Aber widerwärtig ist dem Gott des Lebens die U n n a t u r , das männerahmend männermordende Weib. V. Göttlich ist das Außersichsein des kämpfenden Weibes, f r e m d ist es n u r d e m gewöhnlichen Sinn. Doch leicht a h m e n die Töchter fremde Bestimmung. Es ist ihre geschöpfliehe Schwäche. Es liegt daran, daß sie wie alle jungfräuliche Erde bestimmt sind, fremdes Leben in sich a u f z u n e h m e n u n d in i h m ihr Leben zu leben. Sie sind von den Müttern her die geborenen Träger. I m m e r waren sie wie die M ü t t e r darin groß, daß sie nie sich selber waren. Doch Heilstes f ü h r t i m m e r z u m Verlorensten. Noch ist es eigenes Element, wenn sie schon f r ü h leidenschaftlich die Mütter ahmen. Auch die Knaben spielen, spielen Große, spielen Soldaten, spielen Räuber, spielen alle Verwegenen. Nie spielen sie Väter. Aber die kleinen Mädchen spielen Mütterchen. Und noch ist es ihr eigenes Element, w e n n sie in erfüllter Zeit sich selber verlieren in ihr Mutterschicksal. Dieses Sichselberdahingeben ist heil — es ist zur Bewahrung die andere Bestimmung des Jungfräulichen. Es ist echtes Opfer, geben die Töchter wie brache Erde sich d e m F r u c h t b a r e n hin.

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Anders ist es, ahmen sie den Mann. Dies geschieht. Und dies geschah. Da nicht mehr die Große Mutter sie gab, sondern der herrische Mann sie nahm, da begann die falsche sich unterwerfende Demut und der falsche sich aufwerfende Hochmut der Töchter. Und da die Stolzeren, die sich nicht unterwerfen konnten, mit dem Manne in den Kampf traten, traten sie in das Gesetz ihres Feindes. Sie ahmten den mordend schweifenden Mann, den die Mütter einst u m der Kinder willen gebändigt hatten. Sie griffen zu Waffen, die des Mannes Macht sind. Und sie kämpften u m des Kampfes willen, wie es der Männer Geschick und Ungeschick ist. Sie mußten unterliegen. Sie müssen immer unterliegen, ahmen sie den Mann. Sieg ist immer nur i m eigenen Element. Männer sind mit Männerwaffen nicht zu zwingen. Männer sind i m Männerkampf nicht zu schlagen. Staubwirbel rasender Rosse waren die kämpfenden Mädchen im fremden Element, i m allgewaltigen der Männer, im Kampf.

VI. Jetzt müssen die Töchter, die im fremden Element versagten, nie in ihrem eigenen, nicht mehr die Felder des Lebens mit Rossen zerstampfen, u m frei zu sein gegen Männergewalt. Was die Töchter nicht vermochten, die Söhne haben es getan. Die Väter sind gestürzt. Die fremde Gewalt ist gebrochen. Was nicht eigenes Gesetz, ist nicht mehr Gesetz. Es ist für alle die große Freiheit zum eigenen Gesetze erkämpft. Nun ernten auch die Töchter die gute Frucht der Weltzeit: Freiwilligkeit.

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Es ist nicht mehr Gunst und Gnade. Es ist ein Geschenk von Kameraden. Kameradschaft aber ist die Luft des Selbstverständlichen. Diese Freiheit der Freiwilligkeit ist nicht mehr ein Stand. Sie kann nicht mehr verliehen werden. Sie muß selbst und immer erneut errungen werden. Immer bleibt notwendig der eigene und der unaufhörliche Einsatz. Frei wird und frei bleibt allein, wer im Elemente der Freiheit ist. Das Neue Reich ist Leben. Es muß beständig aus dem Urlebendigen erneuert werden. Es ist ewig in ewiger Jugend. Es steht nicht fest. Es ist ein Weg, der begangen werden muß. Das ist die Bestimmung der Söhne, die wache, die kämpferische, die heldische. Die Söhne führen. Immer führt der Mann. Und wenn ein Weib führt, ist es eine Männin. Nicht zu verrücken ist Urbestimmung. Siegreich im Kampf mit den Vätern konnten allein die Söhne sein. Denn ist Lösezeit, gilt der Kampf, und ist Kampfzeit, gilt der Mann. Auch die Söhne wählten im Kampf mit den Vätern die rasende Waffe. Doch es war die eigene. Sie überholten die Väter nicht mit Rossen, sie überholten sie mit der sprengenden Zeit. Es. ist geschehen. Die jungen Sonnen, die entfesselten, siegten über die alte, am Himmel gefesselte Sonne. Das Neue Reich ist das Reich der Söhne: doch zu ihm gehören in fragloser Kameradschaft die Töchter. Das Gesicht der Söhne prägt das Gesicht der Welt: mitgeprägt ist darin das töchterliche Gesicht.

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Söhnin ist die Tochter dieser Weltzeit. Die Söhnin ist da. Stark im Bau für das eigenständige Leben. Geschmeidig für den Vielkampf. Gelockert für das Spiel des großen Ernstes. Leicht im Gelenk für den Tanz des entfesselten Lebens. Die Söhnin ist da. Offenen Auges schaut sie das vielgesichtige Leben, furchtlos vertrauend, wie es Freien eignet. Festen Fuß faßt sie auf der gemeinsameren Erde und unbekümmert badet sie sich enthüllten Leibes in der näheren verwandteren Sonne. Sie ist nicht mehr die demütige Magd, nicht mehr die hochmütige Herrin. In ihrem Auge steht wieder die uralte Bereitschaft und der uralte Stolz. VI. Doch die Töchter haben die Söhne nicht zu ahmen. Denn es helfen am Bau des Neuen Reiches alle zuletzt allein mit dem Eigensten. Viel ist gemeinsam, doch es bleibt das unverwechselbare eigentümliche Gesicht. Töchter müssen Töchter sein. Mädchen müssen Mädchen sein. Töchter stehen als Freie im Bund mit den Söhnen. Sie fügen sich nicht den Söhnen. Sie fügen sich dem gemeinsamen Reich. Das ist sohnlich. Ein neues frisches Gesicht der Welt. Alt ist und tot alles fremde Gesetz, alle Fremdherrschaft. Endlose Zeitalter haben uns fremde Siegel aufgedrückt wie weichem wesenlosem Wachs. Nun aber, da die Hände der Mütter nicht mehr engen und die Hände der Väter nicht mehr zwängen, gilt für uns alle, die jung sind zu einem jungen Reich, unser einziges Gesetz, eins zu sein mit uns selber. 71

Die Töchter sind nicht Töchter der erfüllten Zeit ohne das Schicksalige der Mütter, nicht ohne das Herrschaftliche der Väter, nicht ohne das Freiwillige der Söhne. Aber dies alles tragen sie in einem unverwechselbaren ureigenen Element. Sie brauchen unser Element. Wir brauchen das ihre. So ist das Reich gebaut. Jedes Reich. Das Reich der Söhne, das Reich der vielen Kräfte und der vielen Formen, vor allen anderen Reichen. Kein Element darf geschwächt sein. Es ist ungeschwächt notwendig für das andere Element, wie der Tag für die Nacht und die Nacht für den Tag. Füreinander stehen wir im eigensten Element, so allein stehen wir miteinander im Element der Elemente, im Lebendigen. Im Anfang war es das elterliche, nun ist es das junge Paar. Wenn jetzt Kampfzeit auch die Töchter zeichnet den Söhnen gemäß, es mögen die Töchter der Großen Mutter nie ihr Urgesetz Liebe vergessen. Leben ist unser gemeinsames Element. Doch das Leben ist Kampf und Liebe. Und beidem gehören wir, und in beidem ist unsere junge neue Ehre. Wir müssen miteinander das Harte bestehen, Notwendigkeit des Sieges über die alte Welt. Und wir müssen miteinander das Harte bestehen, Notwendigkeit des Austrags der neuen Kräfte des Neuen Reiches. Doch es ist viel Krampf im Kampf mit den Alten, und schon sind auch die Jungen ineinander sinnlos verbissen. Und wir sind Vergiftete, Verstarrte. Wir

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sind nicht zu ahmen. Wir sind zu lösen. Wer aber ist lösende Macht? Wer löst die besessene Liebe zum Kampf in den freieren Kampf aus Liebe? Jetzt ist die echte Söhnin not, das junge Weib, das wirkliche, das u m das Geliebte zu kämpfen weiß, die große Freude Leben. Es hat das Weib nicht so wie der Mann der Zeit zu dienen. Es gehört zur dauernderen Natur. Jetzt ist die Urnatur der Töchter des Lebens not. Gefährtin in der Gefahr ist jetzt, wer auch lächeln kann, daß wir Schwerbewaffnete den immer engenden Panzer einmal ablegen, wer in der eigensten Macht ist, Milde junger silberner Monde, Glanz und Zauber von gelösten Nächten. Wenn jetzt Zeit des hellen Tages ist, Zeit der morgendlichen jungen Sonne, es mögen die Töchter der Großen Mutter nie vergessen, daß sie der junge Mond sind, zu der jungen Sonne das andere Gestirn. Wohl nimmt der Mond von der Sonne das Licht, doch er verwandelt es in die mildere Strahlung und er leuchtet in der Nacht. O die Wunder des Empfänglichen, wer trägt sie durch die harte, stoßende, bedrängende, eindringende, die zeugende Zeit? Wer wagt noch anderes Licht leuchten zu lassen? Und wer wagt, wo alles seine Wahrheit wahrhaben will, Mensch und Ding und das Schicksal und die Fügungen einfach wahrzunehmen? O die Wunder des Milden, wer hat die Gewalt, nicht gewalttätig zu sein? Wer ist noch in der Macht des sanfteren Gestirns? Und wer weiß in scharfer wissender Zeit um die unendliche Verklärung der armen Erde?

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0 die Wunder der Nacht, wer trägt sie durch die ernüchterte, die tägliche Zeit? Wer wagt noch, Nacht zu sein und Schlaf und Stern? Wer ist so vermessen, durch Heere der Tat den lösenden Tanz der beglückenden Erde zu tanzen? In welchen Augen könnten diese Wunder wohnen? Sie sind noch verstohlen und sie werden wieder mächtig in den jungen Monden von Mädchen sein. O heile Rache für den Tod der großen Mütter 1 Sie sind ungerächt. Die Söhne sind noch von den Vätern her zu muttermörderisch. Die großen Mütter werden in den Töchtern wieder da sein, jünger, anfänglicher, leichter, beschwingter — so wie der junge Mond.

Feuer der

Wandlung

I. Es raucht in den Tiegeln der allesverwandelnden Zeit. Eingeschmolzen wird, was war. Ausgeschmolzen wird, was sein wird. Erstarrtes kommt nicht in das Neue Reich. Aus Flüssigem geschieht jede neue Formung. Es zittert die Welt, die Werkstatt des Wirkenden. Der Lebendige ist an seinem neuen Bilde. Urvorhergesehenes soll jetzt werden: das endlich gültige Gesicht des Menschen, das Gesicht des Sohnes. II. Es müssen alle ausgewirkten Züge der gelebten Welten eingehen in das neue Allgesicht. Der Seelenzug der Mütter muß . in das Warme des Sonnenge-

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sichtes der Söhne eingehen zu seinem innigeren Sein. Und der Geistzug der Väter muß in das Lichte des Sonnengesichtes der Söhne eingehen zu seinem namenloseren Sein. Denn der Ewige ist der Lebendige. Das neue Gesicht ist kein Zusammenzug eines göttlichen Rechners. Das schöpferische Herz der Welt ist nicht beim Rechenspiel eines Weltabschlusses. Den schaffenden Sinn reizt ewig allein das Wunder eines neuen ureinfachen Geschöpfes. Denn der Ewige ist der Lebendige. III. Der Lebendige liebt, darum lebt er. Liebe reißt ihn ewig fort von der weiselos-unwandelbaren Gottheit. Liebe reißt ihn ewig hin zu der vielgestaltig sich wandelnden Welt. Und es zahlt der Lebendige göttlichen Preis für sein Schöpferleben. Gott zahlt ewig mit dem eigenen Tod. Die Glorie des Unendlichen gibt er dahin für die dunkle und brüchige Glorie einer einzigen gelungenen Gestalt. Und er verläßt für eine heile Erscheinung heilig-vollkommenes Wesen. Der Grenzenlose scheut nicht den immer bemessenen Raum der Welt, kann er ihm sein Maß der Größe geben. Und wie ein Liebender um einer einzigen wirklichen Geliebten willen seine unbegrenzten Wünsche verschmäht, also der Gott. Auch dem Lebendigen kann geliebte Welt nie nah genug und nie da genug sein. Doch göttlicher Scham voll hüllt er alles Geborene in den Glanz seiner ewigen Träume. IV. Und es liebt der Lebendige geprägte Gestalt. Welt wird aus Träumen gewoben, aber bestimmt ist

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nach Maß und Form und Farbe der Teppich der Welt. Welt steigt aus Nebeln des Nichts auf, aber es ragen aus den Schleiern des Geheimnisses feste Berge. Der Weg der Schöpfung ist der Weg der Dichtung. Gedichtet gleicht die Welt der innigwesenderi Gottheit. Und es liebt der Lebendige einmalige Gestalt. Gott ist kein Mischer, Gott ist Schöpfer. Er setzt nicht Zeiten zusammen. Er setzt an mit dem aufblitzenden Augenblick: Jetzt! Zeit ist ein Gedicht der Ewigkeit. Zeit ist ein Gesicht der Ewigkeit. Der Weg der Schöpfung ist der Weg der Zeitigung. Gezeitigt gleicht die Welt der ewigwesenden Gottheit. Und es liebt der Lebendige einzige Gestalt. Liebe will ein unverwechselbares Gesicht. Einmal muß alles in ein Einziges gefaßt sein, wie der Liebende alle Frauen in die Eine Einzige faßt. Der Weg der Schöpfung ist der Weg zum Einmaligen. Einmalig gleicht die Welt der all-einen Gottheit. Und es liebt der Lebendige neue Gestalt. Daß sie lebendig sei, dafür muß sie neu sein. Neusein ist unsere Form des göttlichen Lebendigseins. Neusein ist siegreich sein über das Tote. In der Erneuung gleichen wir Sterblichen der ewig-lebendigen Gottheit. V. Daß ein Bild werde, das noch nie da war, das drangvolle Schöpferliebe im Schöße des Ewigen bezeugt und im Schöße der Zeit gebiert, und das dann plötzlich da ist, aus allen Himmeln geschaut, aus allen Erden gebaut, ein fester runder Leib, atmend im Winde unendlicher Räume, eine sichtbare Gestalt, fernher leuchtend vom unsichtbaren Gottgehalt, fernhin wehend allwirkende Gottgewalt, ein Wesen,

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trächtig ruhend im eigenen Sein, zeugend Zug um Zug von einem göttlicheren Sinn, ein Ding, lebendig wie das Schöpferherz: für dieses Wunder stirbt der Gott des Lebens. Und mag Gestalt wieder vergehen, mag sie verblühen wie Blumen, verblassen wie Bilder, wie Worte verhallen und wie Tempel verfallen — wenn der schöpfrische Zauber gelang, das Unmögliche, Gottgestalt der Welt, eine Blüte des Unendlichen — so war es gut. VI. Der Lebendige ist der Offene. Todesland liegt vor ihm aufgetan wie Lebensland. Der Tod ist ein Name seines Lebens, das Leben ist ein Name seines Todes. Und es ist immer Tod und Leben in Einem. Beide Bereiche sind Ein Reich. Schwer aber fällt uns der Tod. Denn wir Geborenen neigen alle zum Leben. Wohl schreien wir zuerst auf aus dem großen Schlaf. Doch bald sind wir Versöhnte mit dem bunten Tag. Und unbegreiflich ist des Todes Ziehen. Große Angst ist vor des Gottes Feuer. Sterben ist nur ein erzwungener Rückzug. Unausgewogen ist noch unsere Welt. Unausgekostet ist die andere Heimat. Und unversucht der Flammentod. Das Morgendlichste der Geschöpfe kennt die Nacht noch picht. Der Mensch will nicht den Untergang der Sonne. Und doch ist ohne Tod das Leben ohne Zauber. Bringen wir das Endliche nicht mehr dem Unendlichen heim, so geht das Unendliche nicht mehr in das Endliche ein. O, auch der Mensch ist in der allweltlichen Todesangst und er ist doch das jüngste der Wesen, das unaus-

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gegebenste und noch am wenigsten festgestellte, dem Ei des Ursprungs nächste, immer noch dem Weichen entformbare und darum dem Tod überlegene. Das kindlichste Kind des Lebendigen, das ungemeine, wie ist es doch darin mit aller anderen Kreatur gemein. Denn der helle Tod, der heile, willige, die sprungbereite Quelle der Erneuung, der Verjüngung, die tanzende Flamme der Verwandlung: das ist in gemeiner Welt das Göttliche, das Ungemeine. VII. Der Tod ist nicht der Feind des Lebens, er ist des Lebens Freund. Aber das Tote, das leben will, das Tote, das nicht sterben kann, das ist der Todfeind des Lebens. Es ist das Tödliche, das Widerspiel des Lebendigen. Mit ihm hat der Lebendige keinen Markt. Mit ihm ist keine Versöhnung. Bei diesem Feind gilt nur der Sieg. O, nicht die Toten der großen Verwandlung. Sie sind sehr nahe dem Lebendigen. Sie sind daheim bei ihm. Der Lebendige ist reich an fruchtbarem Totenland. Denn viele sind gestorben, doch sie sind nicht tot. Und viele sind noch nicht gestorben und doch tot. Wer sterben kann, ist niemals tot. O lebendige Tote. Siege Gottes. Sonnen in der Nacht. VIII. Der Gott des Lebens heißt uns, Gestalt gelebten Lebens zu verlassen. Und unfraglich ist dies Geheiß, wie das des Schiiffens. Dem Todesblick des Lebendigen ist nicht auszuweichen. Wer dieses wahllose Gesicht nicht bestanden hat, besteht-ihn nicht, den Lebendigen.' Kein Leben läßt er uns halten, denn sich selber

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läßt er nicht halten. Der Lebendige will der Lebendige sein. Lebendigsein ist unser einziges Gesetz und Totsein unsere einzige Schuld. Uns ist aufgegeben, für das neue, offene Leben mit dem Tod zu schaffen. Uns ist der große Schmerz der Sichlosreißenden von jeher zugemutet. Und unser Teil ist die wehe Lust am Feuer der Wende, am Feuer der Wandlung. IX. Durchdringen will der Lebendige. Wir sind seine Krieger. Wir kämpfen in seinem Antrieb wider eine Welt von Tod. Das ist der Urkampf. Lebendiger Tod wider totes Leben. Sterbenskraft wider Totenmacht. Verwandlung wider Erstarrung. Lösung wider Krampf. Gott ist das Gegenwort zu tot. Wer Gott sagt, erklärt dem Toten den Krieg. Schaffend siegt der Lebendige über das Nichts. Zerstörend siegt er über das Tote. Wo Totes hemmt, wird Leben tödliches Element wie die Wasser der Berge, denen Geröll den Weg versperrt. Mit der Bedrängung steigt der Druck. Es muß ein Weg sein. Es muß das junge Wasser fließen. Das junge Leben muß leben. Der Lebendige kommt wie ein Widder. Geladen mit Frühling, stößt er in die Welt. Wild stürmt er wider das Tote. Wirbel der Schöpfung ist sein Horn. Welt muß neu beginnen. Gott ist ewig neu. Es rast der Lebendige. Er fährt im Sturm über die stillestehende Welt. Er rauscht in Gewittern über die verdorrende Erde. Er bricht donnernd das Eis der Ströme. Gott rast von Tod, denn er rast von Leben.

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Sieg ist Element

des

Lebendigen

I. Wer, wenn nicht wir, Kameraden des jungen Schicksals, wäre bestimmt zu dem im Kühnen schreitenden Leben des Lebendigen? Hochgezogen sind die Fahnen. Der frische Wind der Zeit schlägt sie mit übermütiger Wucht. Sie stehen auf Sieg. Geschlagen sind die Verleumder des Lebens. Vertrieben sind die Wucherer mit dem Leid des Lebens. Durchschritten sind die Sperrfeuer der Angst. Es ist nicht Zeit der schwachen Herzen. Es ist Zeit der Beherzten. Das Versöhnliche wohnt nicht bei den Schwächlingen. Die großen Herzen allein versöhnen die Welt. II. Entgeht dem Lebendigen nicht. Entgeht nicht seiner Liebe, nicht ihrer zaubernd schaffenden Hemd, nicht ihrem unerbittlichen Schritt. Seid mildes Feuer wie die gebärende Liebe, wildes Feuer wie die verzehrende. Seid werdelustig mit dem kommenden Gott und wehwild mit dem Scheidenden. Seid nicht Wehleidige. Beleidigt nicht mit eurer Klage das heilige Weh des ewig abschiednehmenden Gottes. Seid nicht Verräter. Fallt nicht dem Gott, der uns durch tote Welten Bahn bricht, verängstigt in den Arm. Seid nicht Fahnenflüchtige. Flieht nicht die Blutzeichen, unter denen der Lebendige sich selber überschreitet. III. Denn seht, es ist nie große Wandlung ohne großen Tod. Nie siegt das Leben ohne den sprengenden Trieb.

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Und es klagen die allein, die es nicht drängt. Sie sehen die blutige Not, sie sehen nicht das notwendende Heil. Sie erfahren Vertreibung, nicht den Trieb aus Gott. Es verweigern den Preis des Furchtbaren die Unfruchtbaren allein. Meidet die, die mit Vergleichen kommen. Meidet die Mischer, die den Feuerwein Gottes verwässern. Der Lebendige haßt sie, die Häßlichen, die das neue Leben zusammensetzen wollen aus Totem, die nachhinkenden Lumpensammler, die Besessenen vom Fetzendämon. Denn diese vereiteln die göttlicheren Versöhnungen, machen verächtlich das heilige »Und« des Reiches und verstellen in das Unkenntliche den alle- und allestragenden Gott. Es muß der Lebendige mit mächtigerer Gotteshand die mörderisch Entschiedenen meistern, daß sie das größere göttliche Reich nicht engstirnig verkleinern. Doch es erreicht eine wehe Liebe die, die um der entschlosseneren Tat willen die Schuld des Tötens auf sich nehmen. Immer will der feststellende Tod den Lebendigen erreichen. Aber der Schöpferische läßt sich nicht eingrenzen. Alle Grenzen überschreitet er mit dem wandernden Reich. Wer aber mit dem Lebendigen ist, muß auf schnellen Rossen daheim sein und zu jähem Aufbruch bereit. IV. Drum wagt es, Kameraden. Macht ein Ende mit dem, was zu Ende ist. Reißt ein die baufällige Welt. Schreckt nicht zurück vor dem großen Brand. Laßt das Feuer ganze Arbeit tun. Schafft Raum. Zerfallendes macht dem Erdboden gleich. Baut neu. 6

Söhne

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Hütet euch vor denen, die zu Ende sind. Beginnt. Beginnt unaufhörlich. Beginnt jeden Tag. Laßt die, die ihren eigenen Tod beklagen. Lebt. Lebt euer Leben. Lebt immer mehr, V. Freunde, es gelang uns. Wir sind draußen. Wir sind im Weiten, auf der freien Straße der Welt. Und es gibt keine Rückkehr mehr. Wir preisen Geworfenheit. Wir preisen die Welt im Fluß. Wir preisen die Flut des Lebens. Wir kennen keine Geborgenheit mehr als die im Lebendigen. Wir Söhne haben keine Welten zu vermauern. Wir hüten das Offene. Wir haben keine toten Welten zu verteidigen. Wir haben anzugreifen. Wir haben die Schiffe hinter uns verbrannt. Wir haben keinen Rückzug mehr. Wir Söhne sind die Geborenen und müssen leben. Wir sind die aufs Spiel Gesetzten und müssen spielen. Wir sind das ausgesandte Heer und müssen marschieren. Wir sind die an die Front Geworfenen und müssen. siegen. VI. Triumphe meiden wir. Sie waren Väterwohllust. Väter glaubten an endgültige Siege. Wir leben das ewige Siegen. Väter glaubten an die unsterbliche Form der Welt. Wir leben die ewige Wandlung. Väter glaubten an eine todlose Welt. Wir leben den ewigen Tod. Väter glaubten an den allfeststellenden Gott. Wir leben den Allüberschreitenden. Wir sind die jetzt Kommenden. Doch wir verfügen nicht über den morgigen Tag. Wir sind auf dem Weg zum endlich Gültigen. Doch über das Endgültige verfügen wir nicht.

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Mütterzeit ist um, doch es bleiben die Mütter. Väterzeit ist u m , doch es bleiben die Väter. Es ist Zeit der Söhne, doch über uns Söhnen weitet sich alle Zeit. VII. Sieg aber ist not. Wir siegen unbekümmert. Wir siegen mit hellen Augen. Denn der Lebendige ist ein siegender Gott. Er triumphiert nicht. Er siegt über sich selbst in allen seinen Siegen. Er ist der Überschreiter und der Überschrittene. Sieg ist das Element des Lebendigen.

DIE SÖHNE - DIE ERBEN Haß gegen

Erbe

I. Gegen das überschreitende Leben richteten Mütter und Väter heilige Schranke auf: Gesetz der Erben. Immer waren Söhne erwünscht. Es war kein Segen ohne Söhne. Doch in ihrer Geburt strahlte über sterblichen Geschlechtern der Stern der Unsterblichkeit. Söhne trugen in der Sänfte der Ehrfurcht die Ahnen im Leben und im Tod. Söhne dienten den Ahnen, daß diese keinen Mangel litten im vielentbehrenden Alter und im allesentbehrenden Tod. Söhne wahrten festen Besitz, daß die Toten den Sitz der Erde nicht verloren. Söhne hüteten die große Form, daß die Welt den lebenden und den toten Ahnen gemäß blieb. Söhne hatten zu wachsen, daß auch sie wieder des dunkeldrängenden Lebens helle Meister wurden.

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Söhne waren die jungen morgendlichen Sonnen über der Nacht des Lebens, die das Licht wieder erhoben, um es zu den großen Verklärungen des weiseren Abends des Alters zu tragen. Söhne hatten zu reifen, daß es wieder zu Vätern kam, den Ursprüngen und Vollendungen, in denen der Gott leibhaftig auf Erden war. Söhne waren Brücken von Ahn zu Ahn, auf denen der göttliche Ahn von einer Höhe des Lebens durch das Tal des Todes zur neuen Höhe wandelte. Söhne trugen die Ahnen, daß diese immer wieder den Ahn tragen konnten, den Gott. Und dennoch: Sie waren es — wir waren es nicht. Sie waren die Endgültigen — wir die Vorläufigen. Sie waren die Gemeinten — wir die für sie Bereiteten. Sie waren das Ziel — wir der Weg. Sie waren der Gott — wir waren es nicht. II. Uns aber hüllte lange der innige elterliche Wunsch in den Traum der Willkommenheit. Einmal waren wir eingeladene Kinder zu einem Fest der Spiele. Und wir tummelten uns auf der Wiese des spieligen Glückes. Und nur unmerklich wendete sich das fröhliche Einspiel in die Welt in das bitter-ernste Spiel auf Leben und Tod. Wir waren vor den sorge vollen Müttern und den schwerbedachten Vätern die Bevorzugten der Erde. Immer drang über die Schranken des elterlichen Ernstes die größere nähere Liebe. Mutterhände streichelten uns selber, nicht nur die immer ungewisse Erwartung. Und es schauten väterliche Augen wohlgefällig auf uns selber, nicht bloß auf ihre immer ferne Hoffnung. Der Göttertraum der ewigen Jugend war immer schon in uns geliebt,

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und im Geheimen standen wir doch auch in den Herzen der Alten im göttlich-ewigen Sinn. III. Der frühe Mensch der Erde war wie die kleinen Kindlein, seltsam alt geboren und doch ungewohnt des eigenen Lebens. Das Geschöpfliche war noch übergroß und schlafend das Schöpferische. Und das beständige Brausen der Schöpfung ängstigte noch die Geschaffenen. Der frühe Mensch suchte wie das kleine Kind den schützenden Schoß. Und heimwehvoll träumte er zurück zu den beständigeren Ursprüngen. Es verdämmerten Weltzeiten in träumender Erinnerung an das festere Haus der Gottheit. Und seltsam rasch war der erste Mensch ermüdet von dem unaufhörlichen Sterben alles Geborenen. Und seltsam rasch alternd verlangte er nach der ewigen Ruhe des Unwandelbaren. In seinen Augen stand der Aufschrei des Geschöpfes vor dem dunkel-gewaltigen Leben wie der Schrecken vor dem Ungewohnten, Unheimlichen in Kinderaugen steht. Geborgenheit verhießen die Mütter. Das Ewig-Gleiche war ihnen das heilig Beständige. Sie suchten im Kreislauf des Lebens das geängstigte Herz des Menschen zur Ruhe zu bringen. Und sie rasten wider die, die des Lebens geliebte Kette zerrissen. Geborgenheit verhießen die Väter. Das Ewig-Ungemeine war ihnen der heilige Bestand. Sie wollten im Endlauf des Lebens in den Geist zurück den endgültigen Sieg über den alles verwerfenden

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Tod. Und ihr Zorn galt denen, die den großen Lehrgang nicht zu Ende gingen. IV. Wider den allumstürzenden Tod entrollten die Väter mit kämpferischer Hand die Kriegsfahne. Die Lichtfahne des Geistes entfalteten sie, das weiße Banner der himmlischen Heere, die Flagge der Engel. Sie bauten die Burgen des unwandelbaren Geistes über dem Lande der leicht dahingehenden Kreatur. Sie zogen heraus aus dem Bereich des Lebens, dem Tod zuvorzukommen mit Unsterblichkeit. Sie kleideten sich als weiße Ritter mit der Rüstung der Ewigkeit. Sie verneinten ihre Verwandtschaft mit dem vergänglichen Geschöpf und suchten ihre Verwandten unter den Engeln. Sie glichen sich diesen an, den wandellosen, den unversehrbaren Strahlenleibern Gottes. Das Lichtreich der Engel war ihre Hoffnung in den dunklen Gängen des Lebens. Und sie gingen ihr Leben lang über die Verfallsstätte der Welt hinaus auf die große Verklärung zu. Aber auf dieser Erde schufen sie mit engelwilliger Hand wider den Tod des Vergessens Denkmäler des Unvergeßlichen. V. Es duldet der Geist kein Vergessen. Immer zwingt er in die vermeintlich endgültige Form. Nie ruht das Gedächtnis des Geistes. Um seine Kultstätten wimmelt es von Gespenstern. Die Väter , können nicht sterben. Sie sind tödlich in ihrer Todlosigkeit. Ihr Gott ist ohne Wandlung. Urfeind ist er unserem sich wandelnden Gott. Geschlossen ist der Himmelsbogen der Väter. Die

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Wahrheit ist in ihm beschlossen. Die ewige Lehre ist festgesetzt. Und alles ist vorgeschrieben. Was bleibt für uns noch zu tun? Die Vorschrift zu erfüllen? Ist das das Leben von Lebendigen? VI. Ach, immer waren wir darum jung, daß wir alt wurden. Nie gönnte man uns mehr als eine kleine Zeit. Nie gehörte junges Wesen zur Ewigkeit. Jahrtausende von Worten erwarteten uns schon mit gierig greifenden, begriffliehen Händen. Und unsere Seele erlag den alten Prägungen bevor noch aus ewigen Ursprüngen die Zeit in eigenster Bestimmung sprang. Vergeblich waren alle Knabenkünste des Entgehens: es wuchs doch endlich über dem jungen Leben das unentrinnliche Gehäuse. Und es begann der Schneckengang der Alten, die noch im Lauf ihr Haus mittragen. Und jeder Gedanke begehrte in uns steinerne Ewigkeit, bis Pyramiden unser junges Leben mit untragbarer Schwere begruben. Und nur wenigen gelang es, den mächtigsten und zartesten, immer den fernsten und unfaßbarsten, aus der träumenden Nacht der Gesichte den jungen frischen tatvollen Tag zu erreichen. VII. Der Geist, der Erlöser vom Tode, zieht uns heraus aus dem Leben. Wir aber zappeln in seinem Netz wie gefangene Fische. Und er läßt uns nicht mehr zurück iii unser Element. Längst ahmt der todflüchtige Mensch nicht mehr den Gott, sondern den Tod. Sein Geist ist zum Tod geworden.

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Der heilige Tod Geist ist zum tödlichen Tod geworden. Denn so wie der Gott sich in das innigste Wesen des Menschen verwandelt, so der Tod. Der Tod ist im Menschen Geist geworden. Die Väter aber sahen den Tod nur im Leben und im Leibe. Sie sahen ihn nicht im Geiste. VIII. Der alte Geist ist der Todfeind des Lebendigen. Er ist der Sammler des Toten, der Feststeller des Gewordenen, der Stillsteller der Zeit. Es füllt sich mit verstellendem Hausrat der kleine Wohnraum des großen Menschen. Und der Mensch geht darin u m mit Katalogen, ein irrsinniger Schöpfer unter seinen Geschöpfen. Doch nie spielte spielender der Todesdämon als mit diesem Menschen, diesem Narren der Unsterblichkeit. IX. Die Toten waren es — die Lebenden waren es nicht. Die Toten herrschten — die Lebenden dienten den Toten. Die Toten waren das große Meer — die Lebenden waren darin die kleinen Inseln. Die Toten waren das große Heer — die Lebenden waren davon die kleine Vorhut. X. Wir Söhne aber brachen die Herrschaft der Toten. Gegen todloses Erbe setzten wir den erblosen Tod. Groß ist der Haß gegen die Toten. Ehrfurcht starb und heilige Scheu vor den unsterblichkeitsgierigen Seelen. Härte der herrschenden Toten schuf harte. Herzen. Köpfe, die immer zu

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wiederholen gelehrt wurden, lernen jetzt vergessen. Und Grabsteine, einmal Denkmäler des Unvergeßlichen, trifft jetzt der wütende Hammerschlag. Es ist Sturm über dem Gräberfeld Welt — was nicht lebendig ist, wird in alle Winde verweht. Groß ist der Haß gegen Gott. Ist Gott nicht der Gott der Toten? Ist Gott nicht der allesvorbestimmende Ahn, der uns mit Endgültigkeit tötet? Hände zucken vatermörderisch — ist nicht Vater der Name des Totengottes? Hinter allem gehaßten Alten wird er gesucht, der alte Gott, der Herrgott, der vielberufene Herr unserer Vergewaltiger. In seiner Folterkammer wird er gerichtet, auf seinem Richtplatz wird er enthauptet, der Weltenrichter — Welthinrichter. Gott fällt — das Haupt der Toten. Groß ist der Haß gegen Erbe. Es wirft sich die junge Welt wie ein überdrüssiges Pferd — fallen muß der erdrückende Reiter, der alte Tod. Die jungen Hände schlagen leichthin Erbe aus, lassen es wie Sand durch die Finger laufen, lassen Wälder von Blättern voller Vorschriften in das Unbeachtete fallen. Kulte der Abschaffung verbreiten sich über die ganze Erde. Ganze Völker rasen in Festen der Zerstörung. Liturgien der Befreiung übersetzen sich leicht in alle Sprachen der Welt. Ungestüm und kalt wie der Abbruch baufälliger Häuser geschieht jetzt der Bruch mit aller Überlieferung. Die alten Täfeln toter Weisung kommen in Museen oder auf Schuttplätze — lebendige Wegweiser genügen der jungen Schar.

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Dennoch ist Erbe I. Und dennoch, Kameraden, ist Erbe. Es wandelt sich Erbe mit sich wandelnder Zeit. Das Wort darf nicht verworfen werden mit seinem alten toten Sinn. Es muß jetzt von uns aufgenommen werden mit seinem jungen lebendigen Sinn. Bestimmung zu Erbe ist ewig. Erbe ist über dem Tag unserer Willtür. Es fallt nicht mit den sich aufwerfenden Eltern. Es fällt nicht mit uns verwerfenden Söhnen. Erbe gehört zu den Dingen selbst. Erbe ist allem wachsenden Leben eigen. Erbe rauscht der ganze Baum des Lebens. Doch im Menschen ist Erbe am göttlichsten. Er ist unter allen Wesen auserwählt zum Erben. Ihm ist Fülle des Erbes zugleich mit der Freiheit gegeben. Erbe ist dem Menschen zwingendes Schicksal und freies Geschenk. II. Söhne ist der göttliche Name der Erben. Söhne heißt: Wir haben Mütter und Väter und wir kommen von ihnen und wir tragen sie in uns und tragen sie mit uns auf unserem Wege. Söhne heißt: Wir sind aus mütterlichem und aus väterlichem Land und wir wurzeln, treiben, blühen und fruchten aus ihnen. Söhne heißt: Wir gehören zu einem Volk und sind die Kinder seines Schicksals. Söhne heißt: Wir sind von der Erde und sind vom Himmel und sind Erde und Himmel. Söhne heißt: Wir sind Ursprüngliche und sind in

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jedem Sprung Entspringende aus älterem, elterlichem Erbgrund. Söhne heißt: Wir sind nach dem Wesen Herkünftige, und es bestimmt heile Herkunft über die drängende Zukunft. III. Söhne sind Erben. Unlöslich ist der Name von Erben mit dem Namen der Söhne verbunden. Wir können Bestimmung zu Erbe verneinen: wir sind bestimmt. Wir haben nicht die Wahl. Wir Wählerischen, wir Menschen, hier haben wir keine Wahl. Wir sind Erben, ob wir es auch nicht sein wollen. Denn was wir sind, das sind wir. Mächtiger als Willkür ist Wesen. Noch sind wir Unsohnliche und dennoch sind wir die Söhne. Unmütterlich waren die Mütter, die es nicht über sich brachten, daß wir Söhne wurden, Entbundene zu eigenem Schicksal. Dennoch waren sie die Mütter. Unväterlich waren die Väter, die es nicht über sich brachten, daß wir Söhne wurden, Freie eigener Bindung. Dennoch waren sie die Väter. Unsohnlich sind wir Söhne, die es nicht über sich bringen, daß Mütter und Väter ewig sind, unaufhörlich schenkende Ursprünge. Dennoch sind wir die Söhne. Es leuchtet Sohnsschaft auch im finstern Gesicht der Unsohnlichen. Und noch glüht in jeder sohnlichen Wut der Ablösung der väterliche Stern der Erlösung. Und es leuchtet im blutigen Morgenrot jeder Aufklärung die abendliche Sonne der Verklärung. IV. Übermächtig ist Erbe. Der wildeste Zug von Erblosen schreitet im Drang

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und Zwang des erblich aufrührerischen Menschenblutes. Und in all den kühnen Überschreitenden unter den Söhnen schreitet der Erbe der Gottheit, der junge Gott. Überschreitung selber ist noch Erbe, ist eingeborenes Schicksal der ganzen Schöpfung und Auserwählung des Menschen, des Geschöpfes im Aufbruch. Wenn der Mensch aus der mütterlichen Nacht des Geschöpfes jäher aufwacht, so wacht in ihm der schöpferische Gott auf. Und wenn der Mensch aus allen Fesseln von Himmel und Erde sich schneidender löst, so löst sich in ihm der ewige Sohn. Der Urlebendige ist es, der in den Morgenaugen des Menschen den neuen Weg der ewigen Wanderschaft erkundet. Und so beginnt selbst der Mensch, der leidenschaftlich Anfängliche, in seiner ewigen Bestimmung. V. Keine Entbindung macht ungebunden. Darum heißen wir ewig die Söhne, und unser Name stirbt nicht in der letzten Geburt. Er erfüllt sich in der Geburt zu uns selber. Auch die springendsten Quellen bleiben eins mit dem Quellgrund. So bleiben ursprüngliche Söhne eins mit den Müttern und Vätern. Und ursprünglich sind wir, solange wir den Ursprüngen treu sind. Wir verkümmern ohne den erdlichen Ursprung in den Müttern und verkommen ohne den geistigen Ursprung in den Vätern. Es wird allezeit alle Fülle und Nähe und Wärme des Lebens im mütterlichen Ur92

sprung liegen. Und es wird allezeit alles Reine und Lichte und Überlegene des Geistes beim väterlichen Ursprung stehen. Und wogen wir auch schon weit vorn und gewaltig gewachsen zu Strömen, es liegen hinter uns, im Geheimeren wirkend, die Quellgründe der Mütter und Väter. Und immer wieder entspringen wir, längst Geborene, zu jeder Erneuung, zu jeder springenden Zeit, den muttertiefen Tälern des Lebens und den vaterhohen Bergen des Geistes. Und es sind die mächtigsten Ströme, die aus den mächtigsten Ursprüngen kommen. Und es sind die Vollverströmenden, die am empfänglichsten sammeln. Denn es schwächt kein heiler Bezug: Treue zum Quellgrund ist Macht der Quellung. VI. Kameraden, wir sind die Erben aller Welten. Hört ihr den anderen Ton? Spürt ihr die andere Luft? Erbe ist nicht mehr Bedrückung, ist nicht mehr des atmenden Raumes Verstellung. Erbe ist Fülle der Weite und Reichtum im Offenen. Der Lebendige führte euch in die Weite und er führte euch durch die Leere. Noch rast ihr im endlich erschlossenen Raum. Doch es ist euer das göttliche Dasein der Welt. Nun laßt seine ewige Sprache sprechen. Erntet die Weltfrucht von Himmel und Erde. Erbt nun den Reichtum des weltgewordenen Gottes. Die atmende Welt des Lebendigen ist eure Heimat. Sie spricht in tausend Sprachen das brüderliche Wort. Hört jetzt die Steine, die Blumen und die Bäume sprechen. Ihr seid die Erben aller Sprachen des göttlichen Wortes.

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VII. Ein neues Erbel Das entfesselte Erbet Entbundener Söhne entbundenes Erbel Wir gehen nicht mehr zurück in die erdlichen Kreise der Mütter. Wir gehen nicht mehr zurück in die himmlische Richtung der Väter. Wir gehen unserer Spirale freieren Gang in das Offene und Neue. Wir gehen in der Schwerkraft der Mütter im ewigen Gefälle der Erde. Wir gehen in der Schwungkraft der Väter in der ewigen Steigerung des Himmels. Doch nie mehr verlassen wir den schwebenden Raum des Menschen zwischen Erde und Himmel, den Raum der eigenen fliegenden Fahrt. Wir erben Mütter und Väter wie Kinder erben in der Geburt. Wir bringen nach außen, was die Eltern nach innen bringen. Wir sind der inneren Empfängnis und der inneren Zeugung nach außen reifende Frucht. Wir reißen die in sich selber kreisenden Innenräume des Blutes und des Geistes in den sichtbaren Lauf. Wir erben, daß wir der Mütter und der Väter Welträume verwandeln in unsere Weltzeit. Wir wahren dankbar heiliges Erbgut. Doch nie mehr bewahren wir, wie die Alten bewahren, mit der krampfigen Gebärde der Angst. Und. nie mehr bewahren wir uns, wie sich die Alten bewahren, vor dem Schritt des Lebendigen. Wir wahren wieder heiliges Erbgut für das dichtere, vollere, reichere Leben. Wir sammeln wieder, doch so, wie es sich in den Samen sammelt: zu neuem Trieb. Wir sammeln wieder, doch so, wie es sich in Quellen sammelt: zu neuem Sprung.

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Wir erben jetzt Mütter und Väter als Söhne. Wir erben als Mündige und Gültige. Wir erben in eigener Macht und eigenem Recht. Wir erben in eigener Gewalt und eigener Gestalt.

Wir treten

heute

das Erbe

an

I. Ihr aber, ihr Mütter, ängstigt euch nicht I Grollt nicht, ihr Väter! Freut euch! Noch haben wir nicht unser letztes Wort gesprochen. Nun erst sagt es sich, das gültigere Wort. Denn nun erst erreicht uns das gültige Schicksal. Und es reifen die letzten Entschlüsse. Wir sind die Söhne. Wir sind willig für diesen Namen. Wir selber sind in ihm erschlossen. Und ihr, ihr Mütter und ihr Väter, seid in ihm beschlossen. Von allen unseren Namen ist dieser- der nennendste. Er ist unseres Daseins göttlichste Fassung. In ihm wohnt alle unsere Hoffnung. Und alle unsere Treue wohnt in ihm, Er weist gebieterisch in die Zukunft. Und heile Herkunft ist in ihm geheiligt. Wir treten heute das Erbe an. Das Erbe aller Zeit nehmen wir an. Euer Erbe, ihr Mütter, und euer Erbe, ihr Väter. O ewige Mütter! Fruchtbar werde, was ihr in uns gepflanzt. Denn wir sind eure Früchte und glauben an das Fruchtbare allein. O ewige Väter! Weiterzeugen soll, was ihr in uns gezeugt. Denn wir sind eure Werke und glauben an das Wirken allein.

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Wir lieben das Blut, in dem ihr uns liebtet, liebe Mütter, und uns warm hieltet im Schöße der Welt und uns einwiegtet in den Gesang des Lebens und uns nährtet mit den Säften der Erde und erfülltet mit den Traumbildern der Großen Mutter. Und wir bleiben in euch, daß wir des Empfänglichen Geheimnis und die Wunder des Willkürlosen und die heilige Waffe der Wehrlosen immer wieder und urgroß erfahren. Wir wahren den Geist, in dessen Wehen ihr uns aus dem Schlaf der Geschöpflichkeit wecktet, große Väter, und in dessen Sonnen ihr den göttlichen Funken des Schöpferischen in uns entbranntet. Und wir bleiben in euch, daß wir des Zeugerischen Geheimnis und die Wunder des Aufschwungs und die schimmernde Wehr des Lichtes immer wieder und urgroß erfahren. II. Wir keimen zu uns selber nur mit viel Vergessen. Kann euch das wundern? Kommt im Antlitz der Güte, ihr Mütter! Kommt mit den Augen der Gerechtigkeit, ihr Väter! Sagt selber, hatten wir nicht vieles zu vergessen? Waren wir nicht Begrabene in eueren Gräbern, o Mütter, Gebannte vom Traumwirbel eurer Wünsche und Ängste? Waren wir nicht Erdrückte unter euerem Druck, o Väter, Gezwungene vom Wachkrampf eueres Denkens und Bedenkens? Sagt selber, hatten wir nicht vieles zu vergessen? Seht, einmal mußten wir in eigener Luft aufatmen. Und mußten hinaus in das Freie und auf die Weide der Weite. Und mußten springen und sprengen und einmal alles hinter uns lassen und dem Verwegensten nach.

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Ihr, die ihr uns sehen lehrtet, schaut n u n durch den Schein. Seid ihr nicht selber unsere Leidenschaft zum Leben, Mütter? Seid ihr nicht selbst bejaht in unserem großen Ja? Seid ihr nicht selbst in unserem freudigeren Leib? Und seid ihr nicht geliebt in unserer Werdelust? Hört ihr euch nicht in unserer brausenden Werkstatt, Väter? Wer lehrte uns denn wirken mit dem wirkenden Geist? Wer lehrte uns des Schöpferischen ewige Unruh? Wer lehrte uns die weltverwandelnde Kraft? Seht, wir sind dennoch voll von euch, ewige Mütter, ewige Väter. III. Wir mußten eher sein, als daß wir waren. Wir waren Trieb und Sehnsucht. Wir waren Gefangene in schlechter Luft. Wir hingen aus den kleinen Fenstern. Wir entwichen aus den schweren Türen. Wir flohen vor dem Innen. Denn dort bedrückte uns eure engende Angst, arme Mütter. Dort geschahen eure schlagenden Wetter, zornige Väter. Was wußten wir denn von uns? Wir waren ja noch nicht. Wir waren bösartig wie lange eingesperrte Hunde. Freigelassen schössen wir in dunkle Gassen* Wir schnüffelten in allem Unrat, scharrten aus ihm alles Ungewohnte, das Verbotene. Jeder Pfiff trieb uns nur weiter fort. Wir blickten nicht mehr gern zurück. Das Zurück verschlug uns unseren Atem. Doch irgendwoher blies es in die Welt. Die abgeschlossene Welt mußte offen sein. Brände brachen aus im alten Welthaus. Wir retteten nicht mit den aufgeregten Rettern. Es war doch gut, 7

Söhne

M

das Feuer. Wir lieben Flammen. Wir schauten grausam, wie Kinder sind, dem Brennen zu. Vielleicht ahnten wir den Wind des Weltbrands. Wir stürzten uns dem Wind entgegen. Wunderbar stieg unser Drache im großen Wind. Es war unser Wind. Unsere Haare wurden seine Flammen. Unsere Herzen glühten in ihm auf. Funken des eigenen Lebens sprühten. Jahrtausende hatten nicht die Macht, sie auszutreten. Seitdem brennen wir. Flackern wild im Ungeschützten. Sind hingerissene Flammenzungen. Oft schier Verlöschende im Sturm. Für Augenblicke nur stehen wir zitternd a u f . . . wenn unseres Gottes Atem einmal stille geht. Es ist der Gott des Sturmes. Kinder des Windes sind wir. Windlinge. Ach, oft Windige nur. Hört dies ruhig, ihr Mütter und ihr Väter. Nehmt es mit Lächeln, mit euerer überlegenen Güte. Wir sehen manchen schadenfrohen bösen Blick. Wir aber stehen auch zu dem frei, was wir waren. Wir waren Windige. Wir waren ohne Stand und ohne Bestand. Schnell verbrennende Fackeln in des Windgottes Hand. Wir mußten eher sein, ab daß wir waren. IV. Es lockte uns wie Kinder in das Unbekannte. Und es zog uns das Vorenthaltene in seine verzauberten Gärten. Und Urlust zum Neuen trieb auf den abenteuerlichen Weg. Da war keine Hecke undurchdringlich und keine Mauer unübersteigbar. Was immer geschah, jetzt geschieht es im Großen. Auf eines Gottes Zeichen schwärmen alle Stöcke miteinander aus. Immer war die geheime Macht mit den ausbrechenden, den jungen Gewalten. Doch nun

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ist diese Macht mit hellen Augen siegreich im Offenen. Ach seht, jetzt sind die Dinge so, wie sie im Grunde immer waren. Nun spielen wir ein wenig mit der elterlichen Ohnmacht wie die Eltern lange und sehr viel mit ihrer Macht. Es stachelt uns die elterliche Ohnmacht, wie die Eltern einmal die Ohnmacht unseres Kindseins reizte. Und nun saugen wir wie Pferde auf Weiten tief wohllüstig den Spielraum des Grenzenlosen ein. Wir sind auf einmal im kindlichen Urraum, im Raum des Allmöglichen. Noch ist er leer. Und die Leere erschreckt. Doch bald werden wir in ihm dichten wie spielende Kinder. Wir haben immer am eigenen Spielzeug, dem verzauberten, viel mehr Freude gehabt als an den fertigen Puppen. Ach, schaut doch heller in die helle Kinderstube Welt, in der das ewige Spielkind Mensch auf seine Weise still schafft und laut lärmt. Für göttlichunbefangene Augen, gütige und gerechte, ist diese neue Welt nur scheinbar unvertraut — steht sie im Ewig-Vertrauten. V. Noch ist wild und namenlos das Geschehen. Doch es ist wie in jeder rechten Geburt. Fürchtet nicht die Geburt, fürchtet Mißlingen! Scheut nicht das langefließende Blut! Noch wurde nie ohne Blut geboren. Helft jetzt in dieser schwersten letzten Geburt! Helft jetzt, ihr helfenden Geister! Denn, was jetzt geschieht, ist Geburt. Und was jetzt geboren wird, ist euer Kind. Immer hat euer göttlichstes Herz dieses Kind erwartet. Seid jetzt nicht blind vor dem, das endlich kommt. 7*

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Rächer sind ausgeboren. Retter sind jetzt in Geburt. Blindgeborene drängen jetzt zur Wiedergeburt. Jetzt •will die Gottgeburt der Söhne geschehen. Freut euch, ihr Mütter und Väter! Ihr lebt, geschieht die göttlichere Geburt. In ihrem Glänze aufersteht auch ihr. Ihr geht auf Leben und Tod im Schicksal dieser Geburt. Die Geburt der Söhne ist euer gutes Geschick. Freut euch, ihr Mütter und Väter! Es ist nicht das Nichts, vor dem ihr steht. Es ist nicht Vernichtung, die euch jetzt geschieht. Es ist ein Sieg des Lebendigen. Was tot ist von euch, das gibt der Lebendige dem Tode. Doch das Unsterbliche in euch macht er neu. I m Namen der Söhne seid ihr nicht verloren. In ihm wird das Mütterlichste und das Väterlichste wiedergeboren. I m Namen der Söhne ist nichts verloren von aller Zeit. In ihm ist alles gewonnen für die Ewigkeit. VI. Ach, Mütter, Väter: Eines ist Frucht und Tod. Furchtbar allein ist das Unfruchtbare. Seht die gewaltigen Sonnenblumen. Sie neigen sich vor dem Schicksal. Denn vor dem Fruchtbaren verneigen sie sich. Sie überladen sich mit Frucht. Um die dichte Krone der Samen aber sterben sie ab. So sterben schicksalswillige Mütter und Väter. Sie sterben groß in die dichte Schar der Söhne. VII. Ängstigt euch nicht, ihr Mütter! Grollt nicht, ihr Väter! Freut euch! IOO

Nicht vergeblich waren eure schweren Wege. Sie verlaufen jetzt nicht irgendwo im Verlorenen. Sie münden gemeinsam in den neuen Weg der Welt, den Weg der Söhne. Um der Söhne willen überschritt euch der Lebendige. Er nahm die Söhne aus euren haltenden Händen, o Mütter, und gab sie in die ziehenderen der Väter. Nun nimmt der Lebendige die Söhne, da sie mündig werden, aus euren herrscherlichen Händen, o Väter, und gibt sie sich selber in die selbstverantwortliche Macht. Doch es schreiten die echten Mütter und die wahren Väter unüberschreitbar mit im neuen Zug des Lebendigen, im Heere der Söhne. Und wenn einmal der Name der Söhne in seinen Sonnen reift, dann werdet ihr Mütter und ihr Väter in eurer wahren Frucht stehen. Es ist jetzt Zeit für diese Frucht, zu reifen und zu fallen. Es reift jetzt die Frucht von Himmel und Erde und fällt dem Menschen zu. Es scheinen aus schauernden Dämmerungen des Sinnlosen und Wahnsinnigen junge Sonnen des Sinnes. Und rückwärts leuchtet über verfallende Wege, zerstörte Brücken, verwüstete Länder der Seele, ein frischer freudiger Morgen, der den grauen -Gram entwaffnet. Und es wendet von dem verlassenen Heil die klagenden Blicke der ungekannte Glanz des Neuen Reiches. Bestimmung

des

Sohnlichen

I. Einfacher sind heute alle Dinge, da wir uns den Ursprüngen nahen in der Vollendung der ersten KindIOI

schaft. Die Welt wird jetzt in entfalteter Vorzeit vom unmündigen Kind zum mündigen Sohn. Doch auch verworrener sind heute alle Dinge, da wir den Anfängen nah sind auf neuen Wogen des blinden Dranges. Wieder verwirren wir eigensinnig das Reich, und es verendet wieder viel Zeit sinnlos ungültig in Nichts. Die in der Urgeburt vom Lebendigen gemeint waren, die sind jetzt in den Wehen der Wiedergeburt. Sohnliche Söhne, Ursprüngliche, Freie und Treue, kommen jetzt endlich zu sich selber. Doch nun sind auch die unsohnlichen Söhne, die hemmungslos sich berechtigenden, treulos vom eigenen Gott fortschreitenden, in der rasenden Selbstgeburt. Denn wir ertragen auch jetzt nicht den Glanz der göttlichen Geschenke, die unbegreifliche Freiheit und das unfaßlichere Schöpferische. Urgeschichte geschieht. Denn es sind die Söhne des Lebendigen, die jetzt in erfüllter Zeit den hegenden Händen der Mütter und den herrschenden Händen der Väter enteilen in die eigene Bestimmung. Urgeschichte geschieht. Denn nun gehen wir Söhne wieder an den Abgründen des eigenen Willens und stürzen von Hang zu Hang in die grundlose Willkür. II. Laßt euch nicht verwirren, Kameraden, von den vielen Wellen des Meeres der Welt, die widereinanderwogen und aneinanderaufstehn im Sturm der kräftemessenden Zeit. Es gibt ein Maß für uns alle: urher gültige Bestimmung wird jetzt endlich gültig. Was jetzt geboren werden will aus dem Schöße der 102

Zeit, was die Keime des Kommenden dem Seher sichtig machen, das ist Urwesen des Menschen: das Sohnliche. Und was wiederum auswächst aus geschändetem Zeitschoß in blindem Trieb und des Anfangs stürzende Richtung in rasendem Lauf einschlägt, das ist Urunwesen des Menschen: das Unsohnliche. III. Einmal war es das Mütterliche, das die Welt hielt und die brudermörderische Wildheit besänftigte und die heilige Kette der Geschlechter beschützte und aus der Wirrsal der entfesselten Dämonen die gründende Gottheit erscheinen ließ. Und da war es das Unmütterliche, das die Welt in der Gefangenschaft des engen Schoßes hielt, die Geschöpfe den verwandelnden Schöpferhänden des Lebendigen entzog und den Kreis des Lebens zurückschlang in den Kreis des Todes. Und einmal war es das Väterliche, das die Welt dem Abgrund des Schoßes entriß und in die himmlischen Begründungen des Hauptes erhob, Herrschaft errichtete nach der Rangordnung des überlegenen Geistes. Da war es das Unväterliche, das die Welt, in verachtender Flucht zu den Engeln, verrief und in verachtender Herrschaft, aus dem Unverwandten überheblicher Himmel heraus, unterwarf. Nun ist es das Sohnliche, das die Welt von fesselnden Erden und gewalttätigen Himmeln befreit zu tanzender Freude und grenzenlosem Ja zu allem Leben. Und nun ist es das Unsohnliche, das die Erde nützt wie einer toten Mutter Geld und die Reichtümer des Geistes, des Vaters, verpraßt in eigensüchtiger Verwendung und spielerischer Verschwendung, 103

IV. Wir glauben nicht an das Böse. Ach, der Blick der Mütter und der Väter ist böse geworden im Bann des Bösen. Wir schauen mit eigenem Auge, freierem, vertrauenderem, jüngerem in das vielgesichtige Leben. Wir glauben nicht an das Böse, dieser Glaube hat die Welt verböst. Wir kennen nur Eine Welt. Wir haben nicht wie die Mütter eine andere Welt, die wir als äußere und wilde und unholde Welt verfluchen. Der häßliche Blick des Hasses hat das Lamm der Mütter zum reißenden Wölf verwandelt. Und wir haben nicht wie die Väter eine andere Welt, die wir als untere und getriebene und finstere Welt verdonnern. Auch des Geistes böser Blick ist enthüllt und wir schützen vor ihm bannend das geliebte Leben. Wir kennen nur Eine Welt. Alles gehört zu ihr. Innen und außen. Oben und unten. Mild und wild. Hell und dunkel. Nichts ist von ihr ausgeschlossen, alles in ihr miterfaßt. Wir kennen nur Eine Welt. Die Welt der Mütter gehört zu ihr. Wir sagen Ja zu Erde, Blut, Geschlecht und Volk. Die Welt der Väter gehört zu ihr. Wir sagen Ja zum welterhebenden, weltunterscheidenden, weltordnenden Geist. Alles ist ursprünglich und gehört zum Reich. Und das ganze Reich ist unser Erbe. Wir lassen uns nichts entreißen. Fülle ist uns eigentümlich. Wir selber sind der Reichtum des Reiches. Wir sind das Leben, das wie ein Weberschiffchen hinund herschlägt. Und sind der bunte Einschlag, der 104

die haltende Kette der Mütter und Väter durchwirkt. Und sind der ganze Teppich des Lebens. V. Doch, ihr mitleidigen Lächler, wir werden die W e l t nicht beschönigen. W i r werden die Welt nicht entschuldigen, wie die Väter sie beschuldigt haben. W i r haben keine Beweise der Unschuld gegen die vielen Väterbeweise der Sünde. Doch wir sind Todfeinde des tödlichen Hasses, der die Welt verhäßlichte. Mit letztem Mut sagen wir Ja. Die Welt ist dennoch des Lebendigen Welt. Wir, die wir im Herzen der Welt das Lebendige sehen, wir sehen das lebendige Herz der Welt. Und wir sehen darum in allen Fratzen des Lebens das ursprüngliche Gesicht. Und es bleibt urgründig das Schöpfertum des Lebendigen, auch wo wir das Gesicht der Welt willkürlich verstellen. Ja, wir lieben das Leben noch mit Versehrtem Gesicht. Und wir messen uns selber nach dem Maße dieser Liebe. D e n n dies ist das Maß der Macht des Lebendigen. Mit letztem M u t sagen wir Nein. Auch wir haben ein Nein. W i r sind nicht Narren des Ja. W i r sind frei zum Ja und frei zum Nein. Und das mächtige Ja ruft dem mächtigen Nein. Denn Liebe spricht leidenschaftlich Ja und Nein. Und die größere Liebe hat das größere Nein. Weit über das Nein der Väter hinaus reicht unser Nein. W i r haben keinen Himmel mehr jenseits des Nein. Der Geist ist nicht mehr Herr des Nein. D e n n Himmel kann entarten wie Erde. Geist kann entarten wie Blut. Und das Obere kann entarten wie das Untere. Und Lichtes wie Dunkles. W i r aber sagen Nein zu aller Mächte Entartung. Wir sagen ein heißes verzehrendes Nein. 105

Denn wir lieben heiß ursprüngliche heile Art. Die Macht des Lebendigen, das ist unser Nein. VI. Wir stehen zu allen Welten offen. Und es erreicht unser Drang in die Weite darin seine erste göttliche Weihe. Wir durchbrechen die eifersüchtige Enge der Welten: es sind für uns alle da — ohne Wahl. Und wir wissen, daß wir nicht allein da sind. Doch, wo der Gott jetzt ist, das ist unsere Frage und Entscheidung. Wir haben eine heiße Frage und eine leidenschaftliche Entscheidung. Gott ist nicht überall, nicht überall ist er ganz da. Wo das Tödliche gesiegt hat, da ist der Lebendige nicht mehr in seiner Macht. Wir aber kämpfen um den Ort und den Namen, in denen der Lebendige jetzt mächtig ist. VII.

O ihr Kommenden, erntet die reife Frucht unserer eigensten Erfahrung. Trinkt den Wein, den in der Kelter unseres tausendjährigen Leides geklärten. Denn, was wir erfuhren, heißt uns nicht, die Augen müde zuzuschließen. Unsere eigenste Erkenntnis heißt jüngeres offeneres Leben. Wunderbar kommt sie ohne das Tödliche, das Totengift der Enttäuschung. Sie kommt jung, aus jungen Seelen und aus jungem Leibe. Wir richten die Mütter nicht und nicht die Väter. Der Lebendige hat sie besessen und sie verlassen. Beides nach dem Gesetz der erfüllten Zeit. Ewig ist der Mütter und der Väter Wesen, denn es ist Leben des Lebendigen selbst. Es bleiben die Mütter und die Väter mit ihren Wurzeln in dem Gott, in dem auch wir sind. Und sie, die wir verlassen müssen,

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umarme unser jasagendes Herz vor allem. Wir verlassen sie, doch wir lassen sie nicht. Wir verlassen die Mütter und die Väter, denn es hat sie die waltende Gewalt des Lebendigen verlassen. Sie sind nicht mehr der Ort und Name des Lebendigen. Der Lebendige mußte sie zurücklassen auf seinem Weltzug. Sie sind nicht mehr das Heer, das das Reich trägt im Krieg des Lebendigen. Und wenn sie auch nicht schuldhaft geworden wären — sie hätten weichen müssen. Und wenn sie sich auch nicht eigensinnig gesondert hätten vom reicheren Gott und göttlicheren Reich — sie hätten weichen müssen. Sie sind, voll von ihrer Bestimmung, bis an ihre Grenze gegangen, und ihr Endliches ist erfüllt. Doch der Lebendige, der aus dem Unendlichen kommt, ist der Gott, der alle Grenzen überschreitet. Und wo sie mit dem Lebendigen ihre Grenzen überschreiten, da leben sie. Es leben die Mütter und die Väter, die selbstvergessen sich in die Söhne überleben. Denn die grausame Welt versöhnt sich allein im Göttlichen. VIII. Der Name der Mütter ist ein gesegneter Name. Von ihm wogt es her wie von Meeren schwerer Ähren. Und in der Sorgezeit Gottes um das Kind Mensch war er weltengroß. Aber dem wachsenden Knaben wurde der Name der Mütter, der Name der großen Weltangst, zum Fluch. Und es nahmen die Väter den Bann des Geschöpfes vom Menschen. Sie tauften den Menschen auf den Namen des Geistes, des Vaters. Und es kam von diesem Namen her die große Himmelsflut von Licht. IO7

Aber dem allempfänglichen Jüngling wurde der Name der Väter, der Name der großen Weltbedrückung, zum Fluch. Nun ist der Name der Söhne der Name des Lebendigen. Jetzt wohnt der Gott in diesem Namen. Und es öffnen sich alle Räume in diesem Namen. Und es lösen sich uralte Krämpfe im freien Schreiten des jungen Gottes. Doch es ist des neuen Namens siegender Segen noch nicht ausgemacht. Sind wir, die Söhne, endlich gültiger Segen oder endgültiger Fluch? IX. Immer ist es Ein Wesen, vielgestaltig, das einer Weltzeit Segen ist. Und immer ist es dieses Wesens vielfratziges Unwesen, das einer Weltzeit Fluch ist. Und keine Weltzeit ist je ohne Segen und nur Fluch. Sie wird erst Fluch, befangen in absonderlichem Wesen, im Unwesen. Wir sehen weniger als die Mütter und die Väter, denn wir sind allzunah der Geburt. Wir sehen mehr als die Mütter und die Väter, denn wir haben die Augen der Freiheit. Wir sehen nicht mehr von unten wie die Mütter, wir sehen nicht- mehr wie die Väter von oben, wir sehen alles im Offenen und Weiten. Wir entscheiden alle Welten in ihrem eigensten Herzen. Die Welt der Mütter ist ursprünglich und darum ewig-göttliches Reich. Das Untere ist der Gottheit allkräftiger Grund des Tragens. Das Dunkel gehört in seiner hüllenden Nacht zum weltträumenden Gott. Und der Schoß der Erde und der Schoß des Geschlechtes sind urbildlicher Raum der Empfängnis und der Geburt.

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Doch wo die Niederkunft Niedertracht wird, da wird die Mutter, die Göttliche, zur Dämonin. Und das Untere, das sich gegen das Obere verschließt und das Obere rächerisch herabzieht, wird dämonischer Bereich. Und das Dunkle, das sich selber genügt, undurchdringlich sich dem Licht verweigert, das Finstere, ist dämonische Macht. Das sondergierige Mütterliche^ das Kinder will für den hungrigen Schoß und unersättlich Geborenes wieder zurückschlingt, das den Namen des Mütterlichen verrät, das Unmütterliche — das ist Schauder und Schrecken der Weltzeit der Mütter. Und also ist die Welt der Väter ursprünglich und darum ewig-göttliches Reich. Es gehört die Erhabenheit des Hauptes von urher zur Überlegenheit des Lebendigen über das leicht verworrene Leben. Die erleuchtende Kraft des Geistes ist von urher Kraft des Lebendigen, Weltdunkel sieghaft zu durchdringen. Und des Geistes Wehen ist ewig-göttliches Kommen, das Welt von Schwere erlöst, Welt aus Verstrickung löst. Doch wo die heilige Erhebung hochmütige Überhebung wird, da wird heiliges Vatertum satanisch. Und das Obere, das sich gegen das Untere verschließt und das Untere verächtlich hinabstößt, ist satanischer Bereich. Und das Helle, das sich selber genügt, das die Augen blendet und die Welt auslöscht und des Gottes entleert, ist satanische Macht. Das sondersüchtige Väterliche, das Zöglinge will für gewalttätige Hände und sie nicht mehr aus den Händen gibt, das den Namen des Väterlichen verrät, das Unväterliche — das ist der schlagflüssige Krampf der Weltzeit der Väter. 109

Und also ist die Welt der Söhne ursprünglich und darum ewig-göttliches Reich. Unbändige Freiheit gehört zum schöpferischen Schreiten des Lebendigen. Strahlende Kühnheit ist der neuansetzende Morgen des jungen Gottes. Und die rasende Wendung und Drehung des Lebens der Söhne ist die des Sonnenrades des zum Weltlauf geworfenen Gottessohnes. Doch wo das lebendige Freie zum tödlich Ungebundenen wird, da wird der Göttliche, der Sohn, zum Verlorenen. Und der Wille, der Willkür wird, verwirrt mit seinen zufälligen Griffen das Weltwerk des Wirkenden. Und das Wagende, das in das Verwegene gerät, fährt räuberisch plündernd über die langher gemehrte Schöpfung. Das absonderlich Sohnliche, das in rasendem Leerlauf der ewigen Mutter Erde und dem ewigen Vater Himmel entgeht, das den Namen des Sohnes verrät, das Unsohnliche — das ist Grauen und Öde der Weltzeit der Söhne. X. Doch dies Sehen ist zum Siege. Laßt euch nicht brechen in eurem Sturm, ihr Kommenden. Es redet alter Geist, daß es ewig beim Alten bleibe und nur das Äußere sich wandle. Urwesentlich ist uns das Äußere, denn urwesentlich ist uns Gestalt. Jetzt aber geht uns leidenschaftlich nah, daß die neue Weltgestalt gelinge. Immer ist Gefahr und immer ist Kampf, denn immer ist alles möglich, Brauch und Mißbrauch. Das Gefahrlose ist nie der Sinn. Welt ist immer die gefährliche Fahrt des Lebendigen. Jetzt aber sind wir auf neuer Fahrt und in neuer Gefahr. Jeder wisse mit spürendem Herzen und wachem Auge, wenn der Lebendige führt. HO

Das eigenste Leben ist zu wagen. D e n n nicht, daß wir Söhne eigenen Willens u n d eigener Art sind, ist wider das Reich. Jetzt sind wir die, die wir sind u n d haben zu sein, die wir sind. Jeder ist verantwortlich in seiner Art u n d seiner Tat. Feig ist, wer i m Allgemeinen bleibt. Und nie ist es das große Maß, das uns entwegt. I n erweichter Zeit geschieht Verrat a m Lebendigen m e h r durch Verrat a m eigenen Schicksal als durch Übermaß u n d Übertrieb des Schicksals. Und in kleiner Zeit geschieht m e h r Schwächung des Lebendigen durch das kleine Maß als durch das Vermessene. Alles, was j u n g ist, weiß: Das Größte allein liebt der Lebendige. Es kann nie genug Mütterliches in der Welt sein. N u r wer den M u t t e r n a m e n ganz ausfüllt, erfüllt einen Gottesnamen. Mutter ist eine Leidenschaft des L e bendigen. D e n n n u r die letzte Kraft der Empfängnis gebiert das Göttliche. Und n u r die letzte Kraft der Bergung birgt die nackte, ausgesetzte, heimatlose Welt. Und es kann nie g e n u g Väterliches in der Welt sein. N u r wer den Vaternamen ganz ausfüllt, erfüllt einen Gottesnamen. Vater ist ein höchster M u t des Lebendigen. D e n n n u r die letzte Kraft der Befeuerung zeugt das Göttliche. Und n u r die letzte Kraft der Erleuchtung lichtet die dunkle verworrene reichlose Welt. Und also k a n n nie genug Sohnliches in der Welt sein. Es sind nie genug springende Quellen. Und es sind nie genug Neuanfänge des Lebens. Und es sind nie genug Durchbrüche des jungen Gottes. III

Noch sind wir

Rrblose

I. Noch sind wir wilde Freischaren vom zuchtvolleren Heere des kommenden Reiches. Noch rasen wir brandschatzend über die Erde, als ob wir in fremdem Leinde wären. Noch sind wir rauchende Brände des Wutfeuers, noch nicht Lichter des Lebendigen. Noch sind wir erst Gewitter in der Nacht, die dem geklärteren Tag vorausgehen. Noch sind wir rodende Gewalttätige, noch sind wenig pflanzende Hände. Und noch sind wir stoßender Trieb ohne die schönere Blüte und die reife -Frucht. Noch sind wir Erblose. II. Eine ganze Welt spielt n u n wie Kinder spielen. Und wie mit Kinderspielzeug spielen wir nun mit der ganzen Welt. Wir greifen nach allem wie Kinder und werfen es wieder überdrüssig fort wie Kinder. Einmal waren wir als Knaben draußen vor der Stadt im größeren Spielraum. Jetzt ist die ganze Stadt beständig draußen auf dem Tummelplatz des Rasens und des Rennens: Und alle plündern den gewachsenen Garten des Lebens wie Knaben die verbotenen Gärten plünderten. Und es gehen, die wie Mündige sich geben, wie Knaben frech und unverantwortlich im Schatten der Väter. Und es kümmert uns wie Kinder wenig die Zerstörung. Auch die geliebteste der Puppen fällt einmal in ihre frevlerischen Hände. Es öffnet Neugier und Mißtrauen und auch Grausamkeit des Kindes das verborgene Innere. Doch Kinder finden innen immer nur Sägmehl und Lumpen, nie die Seele. So sind wir 112

jetzt sehr klug und aufgeklärt über den leeren Weltgehalt. Wo aber Kinder das Zauberspiel mit den Dingen enden, beginnt das Spiel des Tötens. Denn tödlich ist die nicht mehr ergriffene Hand, die nach dem Zauber der Dinge greift. III. Wir kennen gut die Kunst des Tötens. Es ist die leichte Kunst, die leichtfertige Kunst. Wir wissen wenig von der Kunst des Todes. Denn davon wußten Kinder nie. Sie sind zu nahe der Geburt. Doch Tod ist mehr als Töten. Töten ist eine Not des Todes. Töten ist ein Zwang in wandlungsloser Welt. Töten ist die bittere Frucht des Nichtsterbenkönnens. Tod aber ist Verwandlung. Tod rettet Ewiges aus der Vergängnis. Tod ist die große Freiheit in der Welt des Toten. Wir aber vernichten, ohne zu erneuen. Wir lösen, um aufzulösen. Und töten, ohne lebendig zu machen. Töten ist von urher unsere Schuld. Wir folgen dem Leben, doch wir verraten den ewig Lebendigen. Wir folgen dem Neuen, doch wir verraten das Ewige. Wir folgen dem Trieb, doch wir verbleiben nicht in der Wurzel. IV. Alles Alte ist uns nur noch Hemmnis. Ewiges kennen wir Rasenden nicht mehr. Wir sind die Besessenen der Zeit. Wir sind Besetzte der Zeit. Wir sind ohne Zeitraum. Wir sind bedrängende Bedrängte der Zeiten. Uns hat die Zeit, wir aber haben keine Zeit. Wir selber sind die wahnsinnige Zeit. Wir sind die aus Gott gerückte Zeit. Wir sind die abtrünnige Zeit. 8

Söhne

n

3

Zeit ist unser Gott. Dieser Gott ist ein Dämon. Längst rast er in absonderlicher Bahn. Zeit ist ein Gott. Doch größer als der Gott der Zeit ist der Lebendige. Der Zeitgott ist ein Gesicht des Lebendigen. Der Zeitgott ist ein dienender Gott, der selbstherrlich geworden ist. Doch sinnvoll ist Zeit allein im Raum des Ewigen. Und Wandlung ist groß allein im Bleibenden. Wir aber sind Flugsand der Zeit. Er lagert sich hier, er lagert sich dort — und verweht. Und wenn wir als Massen daherbrausen und wenn wir Welten unter uns begraben: Wir sind Flugsand. Da sind wir wieder, am alten Ort der Söhne, in der verräterischen Zeit. Wir sind nach Urbestimmung Wanderer. Darum sind wir in die Zeit Geworfene. Doch Zeit ist ursprünglich wandernde Ewigkeit. V. Immer sind wir Söhne die Entgehenden. Es liegt in der Geburt. Jede Geburt ist ein Abschnitt. Jedes Kind ist ein Abschied. Doch jetzt reißen wir uns aus dem letzten Grunde. Wir vollenden, was im Anfang geschah: die große Entwurzelung. Wir sind die Gefangenen der Freiheit. Wir zerren wild an den letzten schwachen Banden. Bald werden wir ganz wurzellos in leerem Wissen und im leeren Willen stehen. Wir sind allem entgangen. Der Erde sind wir entgangen und dem Himmel. Dem Blute sind wir entgangen und dem Geiste. Den Müttern sind wir entgangen und den Vätern. Jetzt aber spüren wir: uns selber sind wir entgangen. Wir selber sind nicht mehr wir. Wir sind nicht mehr Söhne.

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Wir haben alles überschritten. Nun müssen wir uns selber überschreiten, daß wir zu uns selber kommen. VI. Haben darum die großen Mütter und nicht weniger die großen Väter uns zurückgehalten, weil wir von urher blindlings davonliefen in irgendein Unbekanntes, Neues? Und haben darum die Mütter sich verweint und die Väter sich verzürnt, weil wir von jeher haltlos Verlorene waren? Und sind die Mütter und die Väter darum so gewalttätig geworden, weil sie uns immer wieder zwingend zurückführen mußten auf festeren Grund? Und sind die Mütter und die Väter darum so schnittig geworden, weil wir allezeit zum Übertrieb neigen, zum hemmungslosen, immer zuletzt schwächenden Austrieb, daß sie, die Zeugenden und Gebärenden, dem Tode mehr glichen als dem Gott des Lebens? Wir aber haben nie viel verstanden von dem schmerzlich gebogenen Mund der Mütter und der gefurchten Stirn der Väter, diesem anderen Weltschoß. Jetzt aber, da wir Entfesselte geworfen sind in das Schicksalslose, die unendliche Wahl, in der alles möglich ist, und keine Fratze uns erspart bleibt, die nicht auch noch ausgeboren werden muß, jetzt erfehien wir, in das Bewußtsein gerissen vom eigenen herausgestürmten Tag, das Urverhängnis: wie in uns Söhnen die Welt den ewigen Ursprüngen entstürzt. VII. Nicht grundlos sind in abgründiger Welt in zäher Mütter Weben und mächtiger Väter Werk festere Gründe gewachsen. Mütter und Väter haben in ihren göttlicheren Gesichten den fruchtbaren Boden des allzuflüchtigen Lebens mit klammernden Wurzeln

verhalten. Nicht grundlos ist der Mütter und der Väter Grundlegung der Welt, Es braucht guten Grund, Welt zu tragen und zu ertragen. Wehe Augen, denen das göttliche Leid den verschütteten Quell aufriß, empfingen Urerinnerung. Die Mütter erschauten im blutenden Auge der Kreatur das menschlichere Gesicht des Menschen. Die Väter erschauten im urbesinnlichen Auge des heimwehvollen Geistes den fernherkommenden Funken des Menschen. Beide entrissen dem leicht verwildernden Leben das heile Bild des ewigen Menschen. Jetzt ist es an uns, den Söhnen, das eigentliche Bild des Menschen zu vollenden. Das Mutterbild des Menschen neigt im Übergewicht zur Kreatur. Das Vaterbild des Menschen ist nach den Engeln gerichtet. Es ist jetzt Zeit, das Bild des lebendigen Menschen, des Sohnes von Himmel und Erde, Geist und Blut, in seiner ganzen Fülle den leicht beraubenden Richtungen des Lebens zu entreißen. Denn nun ist es an uns, das allen Gemeinsame: mit den entfesselten Elementen, den himmlischen und erdlichen, im Menschen das Neue Reich zu formen. Es bauten die Mütter und die Väter im Gesetz des Ewigen. Es bauen die Söhne im Element des Lebendigen. Doch es ist Eine Schickung und Ein Bau. Denn es ist der Ewige und der Lebendige Ein Gott. Es wandelt der lebendige Ewige sich jetzt in uns Söhnen in den ewig Lebendigen. Diese Wandlung ist unser schöpferisches Erbe. VIII. Es ist gut, daß wir leben und nicht mehr zu Gericht sitzen über das Leben, wie sich die Väter vermaßen. Es ist gut, daß wir mehr Sinn haben für das Leben als

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Leben für den Sinn. Und es ist gut, daß wir nicht mehr mit krampfigen Händen den ewigen Sinn selber fassen und festhalten wollen, sondern die Hände dem wandernden Leben geben, um mit ihm selbst Wunder über Wunder zu erfahren. Und doch bleiben wir arm ohne den Sinn. Und es ist rasch verlebt das Erlebte. Und es ist Leere, wo eben noch Fülle schien. Der Mensch kann dieses Mehr nicht entbehren, das ihm geschenkt ist, das Dauerndere zu erfahren, die göttliche Sinnfülle des Augenblicks. Er allein weiß, daß in einer Blüte Ewiges blüht. Er allein kennt die Ewigkeit eines Lächelns, faßt die Ewigkeit einer Tat. Und es ist kein Wissen und kein Kennen und kein Fassen, es ist Berührtwerden vom Atem des Ewigen selbst. Es ist gut, mit allen Sinnen zu leben. Wir lassen die Sinne nicht mehr verdächtigen als Werkzeuge des Scheins, wie es die Väter taten. Die Welt ist uns nicht Schein. Uns gilt die Welt. Wir Söhne sind die, die da sind. Uns gilt Dasein. Und es ist unsere Freude, daß wir sind und daß alles ist. Und wir fassen dies wie Kinder durch wachsende Sinne. Welt ist nicht zu ersinnen. Welt wird Wahnsinn für den sinnenden Menschen. Welt ist Wunder für den vollsinnigen Menschen. Und es ist unsere Leidenschaft, unsere Sinne zu steigern. Wir erfinden Werkzeuge, die Sinne zu schärfen und zu mehren, die der Geist verkümmern ließ. Denn alles gehört zu uns, nicht mehr nur das Auserlesene peinlicher Himmel. Und es gilt ein neues Maß, ein den Söhnen gemäßes: der allsinnige Mensch. Unser letztes Maß aber ist der ganze Mensch. Die Väter haben den sinnenhaften Menschen verdächtigt. 117

Wollen wir uns rächen, daß wir den gottsinnigen Menschen verdächtigen? Wollen wir im Gesetz der Väter bleiben, i m Gesetz der Verdächtigung? Es sind zwei Atemseiten des ganzen Menschen, der allsinnige und der gottsinnige Mensch. Es genügt nicht unser besonderer Sinn, der Sinn für alles. Denn es ist nicht alles bei sich selber. W i r alle sind immer erst auf dem W e g e zu uns selber. O Urerfahrung der Söhne, nicht sie selber zu sein. O, auch wir brauchen Wahrheit, das zu sich selber Kommen aller Dinge. Dafür ist ein Sinn not, den die Sinne nicht haben. Der Mensch ist nicht ohne diesen ihm eigensten Sinn. Noch ist nicht der ganze Mensch und das volle Leben, die göttlichste Frucht unseres Reiches. IX. Der ganze Mensch hat auch den Schlüsselsinn, der erst das geheimere Herz der Welt aufschließt, das ewige Gewicht all dieser weltverlorenen Dinge, das ewige Gesicht in diesem verzerrten, zerrissenen Menschengesicht, das ewige Geschehen in all dieser sinnloswahnsinnigen Geschichte. W e n n der verewigende, vergottende Sinn hier mächtig wird, an allem nahen sinnenhaften Leib und allem nahen sinnenhaften Leben dieser wunderreichen, wahnstarrenden Welt — dann ist nach dem Geheimnis des Reiches das Uralte wieder da. Mütter und Väter sind wieder da. Und der W e g , der von ihnen zu uns führt, der wendungsreiche, ist nicht abgebrochen. Dann ist Erbe. Dann können wir ihre vielgereifte Frucht mit offenen Händen nehmen wie Trauben vom uralten Weinstock. O seht den Weinstock I Wieviele Sonnen haben ihn zu dieser Süße seines Saftes gereift? Und wieviel

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Hände haben i h m f ü r gute Erde gesorgt? Nach ein paar Lebensjahren ist er schon g e k r ü m m t und knorrig und gefurcht, als wenn er als Erfahrener von vielen tausend Jahren wüchse. Und seine Frucht? Frische u n d Süße ist sie in der Traube u n d i m Weine ist sie Feuer. Und seht, wie der Weinstock ungenießbaren Saft der Erde verwandelt in sein berauschendes Blut. I m m e r ging es darum, ging es u m diese Verwandlung in das göttlichere Sein. Köstlicher aber ist dieses f ü r die Sinne, kostbarer f ü r den Sinn. Ursprünglich sind die Sinne und der Sinn nicht getrennt, sind nicht Feinde, sind einander Freunde. Sie wachsen aneinander u n d steigern sich. Die Sinne werden reicher, ist der vergottende Sinn groß. Und wie gewaltig m u ß der vergottende Sinn werden, w e n n eine ganze Welt heute i m Unverwandelten ihre Blöße herausschreit. Wir sind ganz nah den M ü t t e r n u n d ganz n a h den Vätern, wenn wir heute mit allen nahen Sinnen die Welt ohne Ausschluß in das Auge des Herzens, das mit Ewigem wägende, n e h m e n . Doch noch n e h m e n wir nicht Besitz von der weltenreichen und n u n weltweiten Ernte des leidend gereiften Lebens. Und die Speicher der ewigen Erf a h r u n g verfallen. X. Heiles Vergessen gewährte uns der Lebendige zu einer neuen Weltzeit. Und er umbrauste uns mit seinem Atem, daß wir in der L u f t der Freiheit zu uns selber kämen. Es gibt heiles Vergessen. Es braucht f ü r frische Morgen einen tiefen Schlaf. Es braucht f ü r neue Fülle weite Leere des Raumes. 119

Es braucht f ü r gute Zeugung jungfräuliche Empfänglichkeit. Doch es gibt frevlerisches Vergessen. Schlaf verwandelt mit verewigender H a n d . Neugier aber verleert mit kurzer H a n d Ewiges. Heilsam sind die Söhne, die vergessen können. Heilsam ist die ewige W e n d u n g der Söhne vom Tödlichen zum Lebendigen. Heilsam sind die Söhne, die das Faule u n d Verfallende, das Verbrauchte u n d Verwirkte hinter sich lassen. Heilsam ist das unbek ü m m e r t e Schreiten der Söhne m i t dem schöpferischen Element. Heillos aber sind die Söhne, die vergessen wollen. Heillos ist der uralte Verrat der Söhne an heiliger Überlieferung, a m großen Vermächtnis der Ahnen. Heillos ist die uralte U n t r e u e der Söhne zur heilen H e r k u n f t . Jetzt rasen Schwärme nie reifender Wesen heimatlos, herkunftslos über die Erde, die größelos zusammenschrumpfende . Blöde Vergeßliche wissen nicht m e h r u m das Gemeinte : das Bad des Vergessens i m schöpferischen Strom des verwandelnden Todes. Der Trieb der Jugend hat sich vom Treibenden gelöst, d e m jungen Gott, dem lebendigen Sohn. N u r noch der Trieb stößt blind u n d gewalttätig aus dem Leeren in das Leere. D e r unsohnliche Sohn ist da, der Verräter der Mütter u n d der Väter, der sich selbst verrät. Der menschlose Mensch ist da: Spreu ohne Korn. XI. Es h i e ß : Jugend ist das Volk, das berufen ist, das Endreich zu tragen, das Reich der Söhne.

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Nun sei das Andere gesagt zum gültigeren Wort: Jugend ist im Sinn der Zeit, doch es fehlt ihr der gründende Grund der Zeit. Sohnschaft erst ist dieser Grund. Bevor wir diesen Grund erreichen, bevor uns dieser Grund begründet, ist kein Reich. Sohnschaft erst ist göttüche Fassung und Verfassung der Jugend. Sohnschaft erst ist das Reich. Jugend trägt Sohnschaft, doch tiefer trägt Sohnschaft die Jugend. Jugend ist Anfänglichkeit, Sohnschaft ist Ursprünglichkeit. Jugend ist Kraft, Sohnschaft ist Macht und Verantwortung. Jugend ist Befreiung, Sohnschaft ist Freiheit und Bindung. Jugend ist Natur, Sohnschaft ist Bestimmung und Berufung. Jugend ist Ausbruch, Sohnschaft ist Lösung und Beziehung. Jugend ist Leben, Sohnschaft ist Leben und Geist. XII. Es hieß: Wir sagen, daß wir siegen. Nun sei das Andere gesagt zum gültigeren Wort: Wir sagen, daß die Söhne in uns selber siegen. Die Mütter sind machtlos. Die Väter sind gestürzt. Wir aber sind noch nicht Söhne. Wir sind noch nicht die Söhne, die neuen Träger, denn wir tragen die Welt noch nicht. Und wir vermögen sie nicht zu tragen, denn wir sind grundlos. Wir sind entwurzelt. Wir sind nicht die Erben. Wir wissen nicht um den ewigen Bezug. Wir wissen nicht um die allestragende Sohnschaft. So sagen wir, daß die Söhne in uns selber siegen. 121

Klage

über uns

Verlorene

I. Ach, wir sind mutterlos. W i r sind nicht m e h r getragen von den Müttern, denn wir tragen sie nicht m e h r . W i r gehen mit uns selber. W i r sind zu weit vorn in der Welt. W i r sind aus allem Mutterschoß Herausgeborene. W i r sind allein. W i r stehen nackt in nackter Welt. W i r gingen einmal mit den M ü t t e r n wie Bauern gehn mit i h r e m Land. Nicht n u r die Mütter trugen. W i r Söhne t r u g e n in uns einst die Mütter. Und diese webten in uns an d e m neuen Weltstoff u n d dichteten in uns den n e u e n Weltleib. Und in uns empfingen u n d gebaren sie. Und was aus ihnen wuchs, war Heimat. Und dieses war uns anzusehn. W i r gingen weicher durch den harten Tag. W i r r ü h r t e n alle Dinge zarter an, denn wir erkannten sie mit dem verwandten Herzen. Sie waren wie in einem guten Hause sehr geliebt u n d sehr gelebt u n d darin sehr beständig. Jetzt spüren alle Dinge unsere muttermörderische Hand. W i r sind zu ihnen nicht m e h r gut. Wie aber können sie zu uns noch gut sein? Ach, sie verschließen sich vor uns. Sie haben vor uns Angst. Sie f ü r c h t e n unsere Gewalttat. D e n n mit scharfen Messern und mit allzunahen Augen k o m m e n wir zu ihnen, u m sie aufzuschließen. W i r wollen ihres Daseins äußerste Bedingung wissen. D a n n haben wir sie in der Hand. W i r müssen jetzt so sein. W i r D e n n unser Schicksal läuft in sein müssen mörderisch den W e g des mords zu Ende gehen. Wir müssen 122

sind i m Zwang. Verhängnis. Wir großen MutterWelt ausräumen,

die von Liebeshänden e i n g e r ä u m t ist. D e n n endlich müssen wir der Freiheit h e m m u n g s l o s e n R a u m erreichen, den Preis der Heimatlosigkeit. Die Welt liegt bloß. Die M ü t t e r weben u m die Dinge heilige Hülle, heilige H a u t , daß sie i m Kleid der Seele heimlicher erscheinen. W i r aber wollen alles nackt. F ü r uns ist alles außen u n d das Innerste d e m Zugriff offen. Die M ü t t e r weben harte Rinde u m den B a u m des Lebens, daß er innen weich u n d durchdringbar u n d so i m Safte bleibe. W i r aber schälen ihn, daß alles sichtbar werde. Der B a u m des Lebens stirbt. W i r Lebensgierigen, wir ernten Tod. Die Welt ist kalt. Es k o m m t vom Geist der Väter keine W ä r m e m e h r . Die alte Sonne ist in unserem Herz erloschen. Sie ist schon längst aus d e m Lebendigen gestürzt u n d klirrt mit eisigen Schwertern, eingefrorenen Begriffen i m blauen'Weltall. Die jungen Sonnen w ä r m e n nicht. Sie wachsen nicht m e h r eingehüllt i m Stromnetz warmen Blutes, i m m ü t t e r lichen Sonngeflecht. Ein kaltes Denken schaut die Welt. Ein kalter Wille baut die Welt. An diesen Städten sind die M ü t t e r ohne Anteil. Mütter sind I n n e n r a u m . Wo aber ist noch ein geheimes Wachsen, das sie h ü t e n m ü ß t e n ? M ü t t e r sind Herd. Wo aber ist noch jenes w a r m e Feuer, das uns nicht verzehrt, das uns zusammenhält? Ach, diese Städte sind n u r i m G e r e n n u n d i m Gelärm. Und alles ist an i h n e n n u r aus sich u n d stirbt m i t sich und hat nicht Spur von jeher in das Jemals. Und wenn wir flüchten in das E l e m e n t ? Ach, Freunde, sind denn dies noch Flüsse, ist denn dies noch Meer? Ist dies noch ursinniges Element? W i e leer u n d tiefelos sind alle heiligen Wasser! Und ist dies noch 123

Erde? Ach, Brüder, von der großen Mutter blieb nichts mehr. Fern ist und fremd uns nächstes Wesen — schenkende Mutter. Und nahe hegt uns nur noch — auszubeutende Materie. Weh uns Fortschreitenden, Fortschrittlichen! Vom menschlicheren Leib der Erde schreiten wir jetzt fort. Und ungesegnet nehmen wir den alten ewigen Reichtum. Und werden immer ärmer in der leeren unstillbaren Gier. Und wenn wir Schächte immer tiefer in die Erde treiben, wir erreichen ihre Tiefe nie mehr. Ach, wir sind mutterlos. II. Und wir sind vaterlos. Wir sind nicht mehr getragen von den Vätern, denn wir tragen sie nicht mehr. Untreue liegt auch zwischen uns und unseren Vätern. Die Nabelschnur der Worte ist durchschnitten. Nun ist vom Vätermund zu unserem Ohr kein Band mehr. Wir hören nicht mehr und sind nicht mehr gehorsam. Die alten Worte werden bald vergessen sein. Wir lärmen, um die alten Gottesnamen nicht mehr in der Macht zu hören, in der Stille innerer Himmel. Wir rasen im lebendigen Bild, um anders voll zu sein. Schon gehen wir dem Kampfe mit den Vätern aus dem Wege. Wir ehren sie nicht mehr, daß wir noch kämpfen. Wir gehen jetzt am Vatergeist, dem Höherstehenden, dem wir so lange hilflos unterlagen, vorbei, wie man an einem längst gewohnten Denkmal, das man nicht mehr sieht, vorbeigeht. Wir haben es sehr eilig. Die Väter sehen nur noch Rücken. Nicht einmal mehr der Haß bewegt sich auf sie zu. Gleichgültige wenden sich mit kaltem Munde ab. 124

Die Väter stehen irgendwo. Es kümmert uns nicht mehr. Wir lassen sie dort stehn. Sie werden einmal sterben und sind dann nicht mehr. Denn, was nicht da ist, ist für uns nicht mehr. Mehr als die Mütter sind die Väter uns Gespenster. Denn unfaßbar war immer ihre Welt und ist jetzt knöchern bleich. Die Weltnatur der Mütter ist noch Leib, die Weltstatur der Väter ist Gerippe. Wir nützen Geist, doch längst ist es nicht mehr der Väter Geist. Der Himmelsglanz des Vatergeistes ist nicht mehr um uns. Ein leerer Nutzgeist ist um unsere nüchterne Alltäglichkeit. Maschinenteile glänzen noch im Nachglanz. Und grelle Lichter blenden arme Städte. Es gibt viel Helle, wenige Erleuchtete. Und viele haben Scharfsinn, wenige hohen Sinn. Und die Verklärten wichen längst den Aufgeklärten. Die heiligfernen Firnen sind erloschen. Die Burg der reinen Stirnen ist geschleift. Denn unser Aufstand duldet keine Hoheit mehr. Der Geist, der Vater, irrt auf heimatloser Erde. Es gehen nicht mehr Flammenboten mit den Knaben, und in den Mädchen sind die Lilienengel nicht mehr da. Wer liebt noch Engel und wer ruft nach ihnen? Wer will noch in das innigere Sein? Und wenn wir fliegen? Ach, Freunde, fliegen wir denn noch im innern Aufschwung? Fliegen wir denn noch zu großem, größerem Blick? Wer fliegt im Unermeßlichen, im Gottesraum? Der große Adler Geist ist tot. Wir zwingen jegliche Entfernung, doch es zwingt uns keine Ferne mehr. Wir tragen keine Zeichen heiligferner Herkunft mehr. Wir sind von hier und sind 125

von irgendwo. Und unsere Gesichter werden irgendwie. Sie werden flach, es fehlen ihnen Täler tieferen Schicksals. Sie werden niedrig, es fehlt der hohe Berg der Ausschickung. Sie sind wie Straßen, die begierig sind nach Auflauf. Nachts sind sie leer und müssen Träume kaufen. Denn aus uns selber kommt der große Traum nicht mehr. Kein Gott träumt mehr in uns. Doch keine Leere dichtet. Leere schreit vor Leere. Darum schreit alle Welt. Die Welt ist klein in diesem Urwaldschrei. Sie ist darin verloren. Denn es gibt keine Stillung leerer Herzen. Die Väter fehlen. Die Welt ist ohne Höhe. Es ist jetzt alles auf derselben Straße. Und das Gemeine macht sich selbstverständlich breit. Das Ungemeine ist verdächtigt. Und viel zu viele stehen auf dem angemaßten Platz. Es stirbt der Sinn für Rang. Die Väter fehlen. Die Welt ist ohne Herrschaft. Die Pferde am Gespann der Welt sind zügellos. Der Knabe, der die Peitsche schwingt, er rast vor Rasen. Ihn kümmert kein Wohin, ihn reizt allein die tolle Fahrt. Welt aber ist der Wagen und er ist zerbrechlich. Erschöpf lieh sind die Pferde. Die Väter fehlen. Die Welt ist ohne Dauer. Denn wir Besessenen von den Bildern dieser Zeit, wir kennen nicht mehr ewige Bilder. Ach, wir genügen uns selber. Wir nehmen uns frech im Auffälligen aus. Und werden fortgeworfen, gleichgültig, wie alte Zeitung. Und alles ist am ersten Tag schon alt. Wir sind jetzt selbstgenugsam. Und sind darum auf unsere kleine Kraft verwiesen. Es trägt uns keine Kraft des mütterlichen Erdgrunds. Es trägt uns keine Kraft der väterlichen Geistesgründung. Und darum

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schwanken wir und schwankt die Welt. Wir sind dem eigenen Gott noch fremd, dem Urverwandten mit den Müttern und den Vätern. Wir sind erst Flüchtende. Wir haben unser Reich noch nicht. Wir sind Verlorene. III. Und wir sind kinderlos. Es stirbt in uns jetzt Ursinn: kinderseliger Sinn. Was fragen wir, die ewigen Kinder, nach dem Kind? Ach, unser Sinn geht nicht mehr über uns hinaus. Wir Söhne und wir Töchter denken an uns selbst allein. Uns selbst genießen wir. Was brauchen wir noch Kinder? Die Mütter und die Väter wiesen über sich hinaus. Sie wiesen auf das Kind. Wir aber weisen nur noch auf uns selber. Es ist im Mutternamen: er gebiert. Es ist im Vaternamen: er bezeugt. Ist nicht der Söhne Name in sich abgeschlossen? Steht nicht der Weltsinn bei uns wild Bewegten still? Ach, Ursprünglichstes stirbt. Es stirbt in uns Urlust der Gottheit: Kinderlust. Es stirbt in uns Urdrang des Zeugens und Gebärens. Wer wundert sich? Es stirbt mit Muttersinn und Vatersinn auch Kindersinn. Wir töten mit der großen Mutter auch das Kind. Und Vatermord ist unentrinnbar Kindermord. O redet nicht von Not! Wenn Not Verbot von Kindern wäre, es wäre Welt längst ausgestorben. Die Not, die Kinder ausschließt, ist von uns geschaffene Not. Erst wir, die nicht mehr tragen können, zählen Kinder zu der Macht der Not. Bisher war Kind der Name eines Sieges. Bisher war Kind und Segen nur Ein Wort. Und Reichtum war bei Ärmsten noch in Kindern groß. Nun sind die Kinder Last. Die Worte schon ver127

raten die Entartung unseres Sinnes. Die Kinder, die dem Leben doch am nächsten sind, die Leichten, Quellenhaften, Springenden — sie eine Last des Lebens 1 Sind wir so alt, daß Kinder für uns bleiern werden ? Ist dies das letzte Wort? Sind -Wir denn Anfang oder sind wir Ende? Sind wir Verjüngende in alter Welt — sind wir ein Jugend-Krampf von Späten? Sind wir die endlich reife oder die endgültig taube Frucht? Es rief der Sohn einstmals der Mutter und dem Vater. Er drängte sie zusammen zu der großen Hochzeit und zog sie ineinander zu der heiligen Zeugung. Es war der Sohn der Schöpfer, der die Mutter und den Vater in das Leben rief . . . Ist jetzt der Sohn der Mörder? Ist der Lebendigste der Tödlichste ? Sind wir die Letzten, die auf Gräbern spielen? Es stirbt urkindlich Selbstvergessen wieder in den alten Selbstgenuß. Es stirbt die Urverliebtheit aller Jugend in das frische Leben wieder in die eitle Selbstbespiegelung. Es stirbt die ursprüngliche Leichtigkeit der schwerelos Anfanglichen jetzt wieder in den schlechten Traum des leichten Lebens. Ach, sind wir selbstgenugsam, sind wir hoffnungslos. Dann sind wir tödlicher selbst als die todesnahen Eltern. Denn immer sind die Mütter und die Väter guter Hoffnung. Der kinderlose Gott der Jugend aber ist hoffnungslos. IV. Und wir sind untreu auch den Toten. Die Toten haben bei uns keine Stätte mehr. Es sind die Toten heimatlos bei uns. Sie fallen außerhalb des Lebens in das Nichts. Für .uns, die nur noch da sind, sind die Toten nicht mehr.

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Wie sollten wir denn Tote bei uns hegen können? In welchen Räumen sollten sie bei uns noch wohnen? Wir haben keine Tiefe mehr in uns, seitdem wir außerhalb der großen Mutter sind. Und mit dem hohen Geiste haben wir die großen Räume der Himmel eingebüßt. Denn dieses Leben, das ganz außen ist, weiß nichts mehr von den Toten. Wir drängen wie die Kinder blind nach außen — wie können wir von denen wissen, die nach innen gehen? Wir sind die Ausgeatmeten des Gottes — wie können wir von denen wissen, die der Gott einatmet? Wir sind so heftig weltenmacherischer Wille — wie können wir von denen wissen, die Verwandlung leiden? Ach, nicht mehr spüren wir die zarten Hände der geheimeren Verwandler, der Toten, die sich wieder innern. Es fehlen uns die heilsten Helfer des Lebendigen. Wir sind im Zug des jungen Gottes all den tödlich Toten, all den eifersüchtigen und neidenden und rächerischen Geistern in den Tag der Tat entronnen. Die ruhelosen, schreckenden Gespenster all der Ahnen, die nicht sterben können, sind von morgendlichen Sonnen, heilig-siegenden, gebannt. Doch auch auf jenen Toten liegt der Bann, den Frühvollendeten, von denen ewige Jugend in uns einstrahlt und jenen Ausgereiften, die verklären. Wir sind jetzt ohne heile Kraft und heiligende Weihe derer, die im Urlebendigen daheim sind. Denn unbegreiflich ist für uns Besessene vom Leben der Tod. Es neigen, die jung sind, alle blindlings zum Leben. Es ist im Drang der Geburt. Geburt weiß nichts vom Tod. Und doch ist Tod die andere Geburt. Der heile Tod ist die Geburt nach innen. 9

Söhne

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Und es ist in der Geburt viel Tod, im Tode viel Geburt. Doch immer maßen Lebende sich das Lebendige an. Für uns ist Leben das Lebendige schon. Wer will uns richten für den unsichtbarsten, den geheimsten, diesen tiefsten Irrtum aller Lebenden? Was kennen Lebende vom Tödlichen des Lebens? Was wissen Lebende um das Lebendige des Todes? Ach, fern ist unserem Kinderblick das Wissen von dem Tod, der inniger lebendig macht. Und darum sind uns die lebendigen Toten fern. Doch der Lebendige ist der Gott der Lebenden und Toten. Sein Reich ist Heimat aller Lebendigen. Und klein ist unsere Welt, die nur die Lebenden umfaßt, doch den Bereichen, den unendlichen, der Toten sich verschließt. Und groß ist des Lebendigen Reich, das offen, weit und grenzenlos die Lebenden und Toten untrennbar umschließt. Denn der Lebendige scheidet nicht die Lebenden und Toten, sondern die Lebendigen und Tödlichen. Nicht anders als wir Lebenden sind auch die Toten unterschieden in Lebendige und Tödliche. Denn Ursprüngliche will der Gott, die quellennahen Toten wie die quellenhaften Lebenden. Allen Lebendigen ist er freund und allen Tödlichen ist er feind. Und darum geht der heilige Krieg von urher um den Sieg des Urlebendigen, des geheimen und des offenbaren, des inneren der Toten, und des äußeren der Lebenden. Leben ist unser Element, doch der Lebendige ist unser Gott. Leben ist vergeßlich, der Lebendige aber zieht aus seinen guten Früchten Saat des Unvergeßlichen. 130

Leben stirbt mit dem Sichtbaren dahin, der Lebendige aber wandelt die gelebten Dinge in das engelgleiche Unsichtbare ihres Wesens. Leben mordet, was sich seinem Drange in den Weg stellt, der Lebendige aber siegt siegender, daß er das Überlebte in den ewigen Sinngrund des geheimeren Seins verpflanzt. Leben schließt die Toten aus, doch der Lebendige holt sie heim in sein unendliches Herz, aus dem sie uns, im Pulsschlag Gottes, mit dem Geheimsten, dem verborgenen Ewigen des Lebens, tief berühren.

Wir vertrauen

dem

Leben

I. Dennoch vertrauen wir dem Leben. Es ist das Element des Lebendigen. Und noch trägt es übermächtig die Züge des Gottes. Blitzend zerstört es, doch es bewahrt auch verklärend. Es erneuert sich kühn und bleibt das Uralte. Es überschreitet sich unaufhörlich und ist immer bei sich. Es bricht Tafel um Tafel und erfüllt sein innerstes Gesetz. Und wenn es schöpferisch hingerissen stürmt, verharrt es aus dem Ungeschaffenen geschöpflich still. Und wenn es im Bewegten wogt, strömt aus der Ruhe seine größte Kraft. Und alles Leben lebt doch im Maß des Lebendigen. Und wenn es seine Maße verliert, sind es die des Lebendigen, die unermeßlichen. Wer will die Grenze des Lebendigen ziehen? Wir können doch nie genug lebendig sein! Und werden wir auch immer wieder herausgeschleudert aus den sich steigernden Wirbeln des Lebendigen — immer wieder suchen wir diese

allein. Und noch im Wutkrampf der Zerstörung und im Starrkrampf der Bewahrung sucht das Leben sein ureinziges Maß, das Lebendige. Und das ist es, was uns dem Leben mit allen Wunden des Herzens doch blindlings vertrauen läßt. Wir können nicht anders. Wir sind mit ihm eins. Wir sind mit dem Leben unabbringbar auf das Lebendige gerichtet. II. Wir Söhne erst vertrauen dem Leben. Denn wir erst sind in ihm im Element. Denn seine Kraft ist unsere Kraft. Wir sind gemeinsam Geschwächte, das Leben und wir. Man hat dem Leben das Sohnliche, den Söhnen das Lebendige geraubt. Nun suchen wir im Leben, und das Leben sucht in uns das eigentliche Element. Die Mütter heben das Leben, klammern sich daran wie die mächtigen Bäume mit mächtigen Wurzeln an die Erde — doch sie ängstigen sich vor seiner unbezähmbar friedlosen Gewalt. Die Väter lieben das Leben wie Herrscher das Gefügige — das ewig Unbeherrschliche aber hassen sie mit dem Zorn der Ohnmacht. Wir Söhne erst, wir lieben das Leben fraglos. An dieser Liebe verspüren wir einander. Leben — das ist das Paßwort aller, ob sie einander auch todfeind sind. Es haben die Mütter sich vertrauert im ewigen Vergehen, und die Väter sind bedenklich geworden im ewigen Gehen. Wir kennen nicht mehr die Trauer der Mütter, nicht mehr das Bedenken der Väter. 132

Wir sind die ewig Kommenden. Das Werden ist in uns im Übergewicht. Wir sind der Sieg des Lebens. III. Doch noch steht unser Geist im Gesetz der Väter. Immer noch will der Geist seine eigene Wirklichkeit — noch weiß er nicht, daß er schon immer, in allem Leben am Werke war und jetzt nur heller, freier, offener im Menschen wirkt und nun bei sich selber ist. Immer noch will der Geist seine unverwandte Herrschaft — noch weiß er sich nicht als Sohn des Lebens, der das Leben zu tragen hat als der Verwandteste zum schaffenden Lebendigen. Immer noch ist der Geist Flammenschwert aus den Händen der Engel — noch ist er nicht das Auge des Lebens selbst, das den weisenden Gott erkennt, der auf dem Vormarsch ist zu seinem eigentlicheren Reich. Immer noch ist der Geist der Fremde aus anderem Reich — noch weiß er sich nicht als den Auserwählten des Lebens selbst, der aller Erwählung Schicksal trägt, der Nächste und der Fernste zu sein im schmerzlichen Zumal. Immer noch ist der Geist der König aus anderem Stamm, der einmal von fernher kam, um sich das Land des Lebens zu erobern — noch ist er nicht der Führer aus dem Herzen des eigenen Volkes. IV. Größere Weisheit als im wissenden Menschen ist im willigen Leben. Und gewahrter als im willkürlichen Menschen ist das göttliche Geheimnis der Welt im willkürlosen Leben. Da ist das große Kommen aus dem Einen in das All und das große Gehen aus dem All in das Eine. Da ist 133

die große Mitwirkung alles Geheimen im Offenbaren und die große Ernte alles Offenbaren für die innigere Heimat. Es blühen auch die Götter auseinander. Wirkt Gott die Welt, sind ihrer viele. Denn viele Gesichter hat der Lebendige und viele Kräfte. Doch sie rufen einander und treiben einander hervor aus dem Gott der Götter. Und sie bleiben ineinander im allstrahligen Kreis, reifen sie auch, von ihrer eigensten Gewalt getrieben, in ihre eigentümlichste Gestalt. Der Lebendige schickt sie aus, wenn es Zeit ist, und dann gilt Einer für alle. Und der Lebendige ruft sie wieder heim, wenn es Zeit ist, in die Zurückhaltung, und dann wirken alle für Einen. Das ist das Geheimnis des Reiches: Die unendliche Schwingung — Leben im wogenden Ineinander — in der Durchdringbarkeit füreinander, in der Durchdrungenheit voneinander. V. O seht die Zeiten des Jahres I Sie sind noch im Umkreis gebannt, und doch ist ihnen der eigenste Weg nicht so vielverbaut wie uns, den freieren Menschen. Sie haben unverstellt ihren eigensten Zeitraum, in dem sie ohne unsere Drangsal dranggewaltig ihre eigenste Bestimmung leben. Einmal ist Frühling. Und dann ist ganz die Zeit des jungen Gottes. Es siegt der sprießende Saft sprühend über den trockenen Winter. Und stürmisch laut überlacht der schöpferische Übermut das todernst zusammengezogene Gesicht der winterlichen Erde. Und es hängt plötzlich die Welt 134

voll von grünen Fahnen des Triebes und bunten Wimpeln der Blüte. Und einmal ist ganz Sommer. Das Licht des Himmels wird allmächtiges Element. Es muß das Blutfeuer des fiebrigen Frühlings vollenden und überwinden. Dann überholt im Siegeslauf den schwerblütigen Gott des Frühlings der leichtere Gott aus Mittagshöhe. Und einmal ist ganz Herbst. Der heiße Gott bereitet den Weg des reiferen Gottes. Und es rundet die Welt sich in guter Frucht, und es blutet die Traube den Überfluß des Lebendigen. Der volle Gott ist da und kann sich nicht genug verschenken. Doch schon färben sich die Felder und die Wälder zu dem Fest des bunten Sterbens, diesem anderen Frühling. Und einmal ist ganz Winter. Es müssen alle farbenfrohen Kleider fallen. Die laute Welt muß zurück in die schneeige Tiefe und Stille der Gottheit. Der Endgott des Jahres, der Winter, der heiligsammelnde Todesgott nimmt die vorgestoßene Welt zurück wie müde ausgegebene Truppen aus dem Feld zurückgenommen werden in die Lager der wieder ergänzenden Ruhe. Der Winter stirbt in den Frühling — ist aber der Frühling nicht des Winters Auferstehung? Der Frühling stirbt in den Sommer — ist aber der Sommer nicht des Frühlings siegenderer Sieg? Der Sommer stirbt in den Herbst — ist aber der Herbst nicht die vollere Reife des Sommers? Der Herbst stirbt in den Winter — ist aber der Winter nicht des abendlichen Herbstes gute Nacht?

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Ist nicht jeder Frühling das vollkräftige Kind des ganzen Jahres? Wäre denn je Frühling, ohne daß ein Sommer und ein Herbst, ein "Winter war ? Doch ist ein Jahr zu denken ohne die aufbrechende Jugend des Frühlings ? Wäre denn das Licht des Sommers und das Leuchten des Herbstes und die Erleuchtung der Winternacht, ohne daß der Feuersturm des Frühlings war? O könnten wir einmal so erben wie der Frühling den Winter erbt! O wäre einmal in unserem Erbe die ganze Zeit, so wie das ganze Jahr i m Frühling ist und wirkt I O wäre einmal Eines ganz und groß und übermächtig, weil in i h m alles ist und wirkend bleibt! VI. Und seht die Zeiten T a g und Nacht! Sie sind im. Urkreis gebannt, und doch ist ihnen der eigenste W e g nicht so vielverbaut wie uns, den freieren Menschen. Sie haben unverstellt ihren eigensten Zeitraum, in dem sie ohne unsere Drangsal dranggewaltig ihr Maß erreichen. Einmal endet der Tag. Es gibt der Verwirkte sein W e r k aus den müden, leeren Händen, den verschafften. Und dann ist ganz 'Nacht, stille, stillende, dunkelschoßige, alles in sich hineinnehmende Nacht. Und das wache Auge des Geistes schließt sich, und es wird offen i m willigeren Leibe die willigere Seele. Doch einmal endet die Nacht. Es streckt sich die Allverwobene aus dem gebannten Wurzelwerk des sich bereitenden Schicksals der befreienden Sonne entgegen. Und dann ist ganz Tag, lauterer und lauter Tag, offenäugiger, vielwollender

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Tag. Und die erleidende Nacht ergibt sich dem tätigen Tag, der an den Bau der Welt geht. Und es kann nie genug Nacht sein und nie genug Tag. Und die Nacht kann nie genug Nacht sein und der Tag nie genug Tag. Es helfen beide einander allein, sind sie für sich selber ganz und groß. Der Tag ist flau von einer Nacht, die keine Nacht war. Die Nacht ist unbefriedigt von einem taglosen Tag. Das Äußerste allein ist füreinander fruchtbar im Reiche des Lebendigen. Nichts darf vermischt werden. Alles ist vollkommen, ist es ganz sich selbst. Alles ist vollkommen, ist es selbst das Ganze. Ein Ganzes sein im Ganzen: das ist des Lebendigen Geheimnis. Der Tag stirbt in die Nacht. Doch er bleibt unvergangen in der Nacht. Er ruht nur in der Nacht. Er schläft in ihr. Die Nacht stirbt in den Tag. Doch sie lebt im Tage fort. Sie wird im Tage tätig. Sie wird im Tage wach. Die Nacht ist immer die Nacht des Tages. Und immer ist der Tag der Tag der Nacht. O könnten wir einmal so erben wie die Nacht den Tag erbt und der Tag die Nacht I O wäre einmal in unserem Erbe in jeder Zeit die andere Zeit, wie der Tag in der Nacht ist und die Nacht im Tage! O wäre einmal Eines ganz und groß und übermächtig, weil das Andere in ihm ist und wirkend bleibt! VII. Es ist gesagt: Es müssen alle ausgewirkten Züge der gelebten Welten 137

eingehen in das neue Allgesicht. Der Seelenzug der Mütter muß in das Warme des Sonnengesichtes der Söhne eingehen zu seinem innigeren Sein. Und der Geistzug der Väter muß in das Lichte des Sonnengesichtes der Söhne eingehen zu seinem namenloseren Sein. Denn der Ewige ist der Lebendige. Nun sei das Andere gesagt zum vollgültigen Wort: Unauslöschlich sind alle Züge der gottherkünftigen Welt. Unauslöschlich ist das mütterliche Zeichen des Tiefsinns im Antlitz der Erde. Unauslöschlich ist das väterliche Hoheitszeichen auf der Stirne des Manschen. Denn der Lebendige ist der Ewige. Es ist gesagt: Das neue Gesicht ist kein Zusammenzug eines göttlichen Rechners. Das schöpferische Herz der Welt ist nicht beim Rechenspiel eines Weltabschlusses. Den schaffenden Sinn reizt ewig allein das Wunder eines neuen ureinfachen Geschöpfes. Denn der Ewige ist der Lebendige. Nun sei das Andere gesagt zum vollgültigen Wort: Es ist im neuen Gesicht alles, was jemals Strahl war aus Gottes Glanz. Es wirken auch die lebendigen Toten am neuen Werk der Lebenden. Und es drängen die Ungeborenen schon aufdämmernd in den neuen Tag. Denn der Lebendige ist der Ewige.

I38

Drittes

Buch

DER G O T T D E R S Ö H N E

Wir vertrauen

dem

Lebendigen

I. Vertrauen ist unser Element. Es ist das Element des Lebendigen. Vertrauen ist das Mütterliche in den Müttern und ist das Väterliche in den Vätern und in den Söhnen das Sohnliche. Es ist das ursprüngliche Leben aller, Leben in der Übermacht der heilen Herkunft, Leben im Sieg des Göttlichen. An Mißtrauen gehen wir alle zugrunde. Unmütterlich werden die Mütter, unväterlich werden die Väter und unsohnlich die Söhne. Solange die Mütter Schoß der Großen Mutter sind, stehen ihre Augen wie volle Monde über der Nacht des dunkeln Schicksals. Und es flattert in ihnen noch nicht der gefangene Vogel der Angst. Und es verzieht noch kein Mißtrauen ihre vielumarmende Liebeskraft in häßliche Enge. Doch stirbt im Übergewicht des weltverworrenen Schicksals das urgewisse Herz der Großen Mutter in den Müttern, dann nehmen ihre Augen ab wie Monde und werden hart und kalt im Un vertrauten. Und solange die Väter Haupt sind des Hohen Vaters, stehen ihre Augen unbesieglich wie mittägliche Sonnen über der unterworfenen Erde. Und solange der Geist des Vaters weht, Strahlenflut des Äthers, sind die Väter noch nicht mißtrauisch besorgt um ihre Herrschaft wie die väterlichen Häupter der Wüste, die Löwen. Wenn aber die Väter das urschöpferische Vertrauen verlieren und auf ihre Gewalt und ihr Gesetz abstellen, dann wird ihr Blick steif und stechend 141

von Mißtrauen und blutunterlaufen von Zorn und von Starrkrampf verböst. Und solange die Söhne das schlagende Herz des Lebendigen sind, solange ist in ihnen siegreich der vertrauende Sinn und offen ihr Auge, staunend und bereit wie das von Knaben, die noch im Gott der Jugend sind. Wenn aber die Übermütigen den Rossen des Willens die Zügel lassen, verlieren sie plötzlich in der leicht sich verwirrenden Welt das ursichtig Beherzte. Und die Urgewissen werden unsicher in den unbekannten Schrecken der entfesselten Welt. Und die Yertrauendsten werden unvertraut. Von urher sind wir alle Vertrauende. Mißtrauisch werden alle Entwurzelten. II. Wir Söhne sind ursprünglich die Vertrauendsten. Wir sind die Eingeborenen des Weltvertrauens. Wir stammen aus Vertrauen. Denn Vertrauende zeugen und gebären. Das mütterliche und das väterliche Urvertrauen kommt in uns zusammen. Vertrauen ist geeintes Erbe. Und darin allein ist Himmel und Erde in uns nicht gespalten. Vielleicht, daß wir zu sehr Vertrauensselige sind und zu kindlich in unserem Vergessen und nicht so treulos wie die Väter und die Mütter meinen. Das Leben selbst in seinem Überschuß vertraut in uns. Es geht in uns mit frischen Kinderaugen an das Spiel der Welt. Es geht in uns mit unbefangenen Wandereraugen auf die Fahrt. Und es ist ungeduldig in uns, es kann kaum warten auf das Kommende. Ach, von uns ist nicht, was jetzt so kalt mißtrauisch in den jungen Augen steht. 142

Ihr wäret Mißtrauische, große Mütter, hohe Väter! Mißtrauische aber schaffen nie Vertrauen. Sie sind die Tödlichen. Und Tödliche erwecken nie Vertrauen. Ein mißtrauischer Tod war euer Gott. Vergiftete sind wir von ihm. Verstellte, die nicht sein können, wie sie sind. Wir möchten doch gern vertrauen. Und wenn wir jetzt gegen Gott sind, in der ganzen Welt im Aufstand gegen ihn, und mißtrauisch jedem Gottesnamen begegnen — so ist Gott selbst gegen Gott, so ist Gott selbst im Aufstand gegen Gott. Denn Gott ist ursprünglich der Lebendige. Wir aber vertrauen allein dem Lebendigen. Ewiges Leben.lieben wir im ewig Lebendigen. Nie haben wir das Ewige gehaßt. Ach, was wußten wir denn vom Ewigen? Immer haßten wir die tote Ewigkeit. Diese aber erfuhren wir ein todesstarren Müttern und an todesstarren Vätern. Denn den Müttern und den Vätern stand das Ewige still. Und sie wollten es halten mit ihren Händen. Es bannte sie Urerinnerung an die in sich kreisende, in sich bleibende Gottheit. Ewige Ruhe verlangten sie. Unseren Weg aber, des Lebendigen Weg, verstellten sie. Unvertraut war er ihnen. Wir aber vertrauen dem Weg des Lebendigen. Weg ist unser Wesen. Weiter befiehlt der Lebendige.

Der

Lebendige

Sohn

I. Der Sohn führt uns jetzt. Denn der Lebendige ist jetzt Sohn. Der Sohnsgott löst den Vatergott ab. Der junge Gott ist jetzt der Gott. J

43

Einmal war es die Große Mutter. Einmal war es der Hohe

Vater. Nun ist es der Lebendige

Sohn.

D e n n das ist das Erste in der Geburt: Siehe, es lebtl Es ist lebendigI Es ist ein lebendiges Kind! D a r u m ist vor allen Namen des Sohnes dieser der Erste. Der Sohn ist erstlich der Lebendige. Und darum ist von allen Namen des Lebendigen dieser der endlich gültige: Der Lebendige ist letztlich Sohn. W i r Verlorene sind nicht verloren. Der Lebendige Sohn ist vor uns. W i r sind nicht allein. Es geht durch uns eine göttlichere Macht. Und es geschieht

im

besessenen

Geschehen

der

Zeit

Gött-

licheres. Seid ruhig, Freunde, wenn es schwer geht. Es ist eine schwere Geburt. Ein Gott ist in Geburt. Immer ist der Sohnsgott die Weltgeburt Gottes. Er macht die W e l t ewig leiden. Er ist die ewige Freude der Welt. Doch jetzt kommt er nicht für die Mutter. Und jetzt kommt er nicht für den Vater. Jetzt kommt er in seinem eigenen Namen. Jetzt ist er sich selber geopfert. Jetzt ist er sich selber geweiht. II. W i r vertrauen dem Lebendigen. Er hat es von urher gewagt. Er hat sich eingesetzt. Er hat sich ausgesetzt. Er hat die Geborgenheit geopfert. A m Anfang ist das Wagnis. Gott ist das Wagnis. Gott ist der A u f b r u c h der Gottheit. Gott ist der Aus-

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gang der Gottheit. Gott ist das Schöpferleben der Gottheit. Gott ist die lebendige Gottheit. Der ganze Gott ist Wagnis. Vater ist Wagnis. Mutter ist Wagnis. Und der Sohn ist der Gewagte. Zeugung ist Wagnis. Empfängnis ist Wagnis und die Geburt. Und das Geborene ist das Gewagte. Der Sohn ist der geworfene Gott. Die Würfel sind in ihm gefallen. Der Sohn ist der entschiedene Gott. Er ist der Gott in Gott. Er ist der endgültig Eingesetzte und endgültig Ausgesetzte und endgültig Un geborgene. Denn nah der Gottheit sind Gottmutter und Gottvater. Sie kreisen gerne in sich selber. Und hüten gerne alles im innigeren Raum. Und holen immer wieder das Geborene in die Gottheit heim. Sie sind die 'Heimat, bergende Geborgene. Der Sohn aber zieht Vater und Mutter. Er zieht sie über sich hinaus. Der Sohn zieht Gott aus der Gottheit heraus. Er zieht die Gottheit über sich hinaus. Immer zieht der Sohn. III. Doch weiter zieht der Sohn den Gott. Er reißt Gott hin zur Welt. Gott ist Brücke, Bogen von der Gottheit in die Welt, von der Ewigkeit in die Zeit. Gott ist der Gottheit Herz. Der Sohn ist Gottes Herzschlag, Drang des Gottesherzens in die Welt. Es hält die Gottheit Gott nicht auf. Es hält der Gott die Welt nicht auf. Es zieht der Sohn, und übermächtig ist der Zug. Im Sohn wird alle Welt geschaffen, in ihm ist alle Welt gewagt. Im Sohn wird alle Welt geboren, in ihm ist alle Welt geliebt. 10

Söhne

T

. -

IV. Wir vertrauen dem Lebendigen. Der Leben wagt, schafft Leben. Und der sich überschreitet, schafft Reich. Und das heißt Gott: Größer als das Beisichbleiben ist das Sichverschenken. Größer als das Sicherhalten ist das Sich verwandeln. Und das ist der göttliche Gewinn: Die Gottheit wird reicher in Gott. Und Gott wird reicher in der Welt. Die Väter sahen das Abnehmen des Gottes. Sie sahen den Gottverlust der Welt. Sie sahen den Verlust des Einen im Vielen. Und sie zogen im Geheimen die Gottheit vor. Und immer dachten sie Welt zurück in Gott. Und immer dachten sie Gott zurück in die Gottheit. Sie taten Welt von ihm ab wie ein unnütz Kleid. Wir sehen das Zunehmen des Gottes. Wir sehen den Gottgewinn der Welt. Wir sehen den Samen zunehmen im Trieb, sehen den Trieb zunehmen in der Blüte und sehen die Blüte zunehmen in der Frucht. Und wir sehen die vielen Triebe, Blüten, Früchte. Wir sehen das wachsend sich mehrende Reich. Das Licht nimmt ab mit der Ferne des Ursprungs. Es nimmt an Reinheit ab und Stärke. Es verliert sich in der Welt. Und darum litten seine Hüter, die lichthungrigen Väter, Heimweh des Geistes. War das nicht Gottestod ? Wir aber wissen: Gott wagt den Tod. Gott stirbt, daß Leben sei. Der Vater nimmt ab, daß der Sohn zunehme. 146

Das Licht des Ursprungs wächst in den Ursprünglichen. Das Feuer Gottes wächst in den Entbrannten. Der Tag des Alls ist größer als die Sonne. Die Gottheit wächst in Gott. Gott wächst in Welt und Mensch. Wir Wachsenden aber stehen zum wachsenden Gott. Gott wird. Hinfort ist dies das Maß. Nicht mehr das Ungewordene und das Gewordene. Wir haben unser eigenes Maß. Y. Die ganze Welt ist nach dem Sohn geartet. Er ist der Urtrieb alles Lebens. In allem zieht der Sohn. Es zieht das Unsichtbare, sichtbar zu werden. Es zieht das Wesen in die Erscheinung. Unsichtbar noch ist der Same, doch er stößt schon urgewaltig vor zum Trieb. Einmal will er schön sein in der Blüte. Einmal reife süße Frucht. Unansehnlich ist die Erde. Ihre Kinder aber, die Blumen, sind schön. Wiesen sind das bunte Festkleid Gottes. Wälder rauschen vom gekrönten Gott. Das wissen wir. Und wir wissen, daß wir eins sind mit jeder Ähre und des Samens und der Erde Kinder. Und wir wissen, daß im Kind der Sinn der Welt ist, und daß wir niemals davon lassen, uns zu freuen. Die Welt ist Freude, darum treibt die Welt und blüht, und darum sind die Früchte süß. VI. Aber der Mensch ist vor allen Wesen nach dem Sohn geartet. Der Mensch ist mit dem lebendigen Sohn der Ur-

getriebene, ist mit ihm der Ausgesetzte und der Ungeborgene, der Geopferte. Mit uns begann es. Mit uns vollendet es sich. Wie er gesiegt hat über die Gottheit, siegt der Sohn jetzt über die Welt. Jetzt erst beginnt es, das freiere, frischere, das quellende, springende, das tanzende, marschierende, das junge Leben. Die Welt von gestern war alt. Das Sohnhaft-Sonnenhafte konnte noch nicht leben. Das UrsprünglichEntspringende war gefürchtet. Die jugendlichen Sinne wurden bald erstickt. Bleierne Erden hingen sich an junge Schwingen. Zornige Himmel fuhren über unbewehrte Herzen. Es erloschen frische Augen i m Gewohnten. Nun aber ist die W e l t jung. Es wohnt der junge Gott in uns. Über der ganzen Welt ist eine Leidenschaft der Jugend. Bis zum Rande ist die W e l t gefüllt mit Neuem. Bis zum Rasen ist sie gepeitscht von Bewegung. Und noch der Unverstand, der ungeheuerliche, redet vom Impuls des Lebendigen. Jetzt spricht der Gott und alle Götter: Leben. VII. A u f Tod und Leben sind wir zum Lebendigen bestimmt. Mütter und Väter konnten vergreisen und dem Tode gleichen, immer noch glichen sie sich selber. W i r dürfen nicht erstarren. W i r sind sonst nicht, die wir sind. W i r sind, solange wir lebendig sind. Das ist unsere Angst, das jagt hinter uns, das Unlebendige. Das ist unsere Befreiung, das treibt uns, das Lebendige. Andere W a h l ist nicht. W i r fürchten Krampf. Er ist für uns der Tod. Immer

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droht dieser Tod. Ihn hassen wir in den Müttern. Ihn hassen wir in den Vätern. Das hassen wir in uns, das tödlichste Erbe, das hemmend Gehemmte. Drum brechen wir das Steife, wirbeln Haltung zu Bewegung, tanzen den Tanz der Lösung, schütteln die Gelenke der Welt. Denn die große Spannung unseres jungen Reiches will Entspannte. Diese allein spannt der Lebendige an den Wagen der Welt. Das sind die guten Pferde. Wundert ihr euch, daß wir so leicht durchgehen? Wir haben es zu leicht. Mit uns ist aller Zug der Welt. Wundert ihr euch, daß wir so leicht versagen? Wir haben es zu schwer. Wir tragen den Lebendigen.

Der

Ewige

Sohn

I. In unserem Tempel stehen die Große Mutter und der Hohe Vater, die Ewigen am ewigen Ort. Sie lächeln. Es ist ihr Sohn, der siegt. Sie siegen^ siegt der Lebendige Sohn. Alle heilen Bilder stehen um ihn. Sie blicken auf ihn. Sie stehen zu ihm. Sie sind ihm gut. Sie leben, lebt er, der Lebendige. Alle haben Raum in seinem weiten Herzen. Sohn: das ist das Urwort eines ewigen Bezuges. Wer Sohn sagt, sagt auch Mutter. Wer Sohn sagt, sagt auch Vater. Mutter ist ein ewiger Bund. Vater ist ein ewiger Bund. Und so ist Sohn ein ewiger Bund. Der Sohn ist Mitte des größten Reiches. Er reicht bis in die ewigen Herzen der Großen Mutter und des Hohen Vaters. Und reicht bis in das Herz der Geschöpfe.

H9

Der Sohn trägt den ganzen Gott, und der ganze Gott trägt ihn. Er trägt die ganze Welt, und die ganze Welt trägt ihn. Er ist der ganze Gott, und der ganze Gott ist Sohn. Er ist die ganze Welt, und die ganze Welt ist Sohn. Die ganze Ewigkeit ist da in der Zeit des Sohnes, und das ganze Reich ist da i m Reich des Sohnes. D e r Sohn ist Erbe. Er ist der Erbe der Gottheit und des ganzen Gottes. Und er ist auch unser Erbe. Unser Ewiges trägt er weiter. Immer ist er Same, immer ist er Frucht des Ewigen. O auch i m Reiche des Sohnes ist Bestand. Es ist nicht sinnloser Wandel. Es ist nicht hetzerische Jagd. W i r sind nicht ausgeliefert der mörderischen Zeit. Die Zeit ist Zeit des Ewigen. Zeit ist ein Fluß i m ewigen Raum. II. D e r Sohn ist ewig. Ewig ist er i m göttlichen Kreise. Und er wird ewig. Ewig wird er gezeugt und geboren. E w i g kommt er. Ewig ist er auf dem Weg. Ewig wird Gott Sohn. D e r Sohn ist Zeit des Ewigen. Er ist die Zeit des Gottes in der Ewigkeit. D e r Sohn ist ewig Zeit. Er ist die Ewigkeit der Gottheit in der Zeit. E w i g ist Bewegung, Wandel, Wechselgang des Lebens. Ewig ist der Fluß der Zeit. W i r sind nicht ausgeliefert toter Ewigkeit. Es ist kein Anfang. Gott ist ewiges Beginnen. Es ist kein Ende. Gott ist ewiges Vollenden. III. W i r sind die andere Ewigkeit, die erreichte des Sohnes, zur ruhenden die bewegte, zur zeitlosen

150

die

gegenwärtige Ewigkeit. W i r sind eingetaucht in unser Element, die wachsende, werdende, die lebendige Ewigkeit. W i r suchen nicht m e h r wie die M ü t t e r u n d die Väter in den göttlichen Ursprüngen die ewige D a u e r . W i r finden das dauernd Ewige i m schöpferischen Augenblick. W i r sind nicht m e h r in den M ü t t e r n , nicht m e h r in den Vätern u n d auch nicht in den Kindern Unsterbliche. I n der lebendigen Schöpfung u n a u f h ö r l i c h e m Herzschlag sind wir Ewige. W i r haben keinen Anspruch auf Unsterblichkeit. W i r wollen nicht wie die Alten ewig sein, was wir waren. W i r sind Söhne, Ewige, sind wir eins mit d e m ewigen Wandel. Wir seufzen nicht m e h r aus vergänglicher Zeit nach ewiger Seligkeit u n d malen uns nicht m e h r jenseitige R ä u m e aus mit Wunschbildern endloser Lust. W i r sind hier u n d haben kein Dort. Dort ist ewiges Hier. Hier ist ewiges Dort. W i r sind auf d e m W e g u n d haben kein Ziel. D e r W e g ist das Ziel. W i r sind mit d e m Sohn in beständiger Gefahr auf der ewigen Fahrt. O nicht m e h r der kreisenden M ü t t e r Wiederkehr des Gleichen! O nicht m e h r der richtungsgewaltigen Väter H e i m k e h r in die Ewigkeit! O des schwingenden Lebendigen ewig verwandelnde H e i m k e h r — ewig verwandelte Wiederkehr I IV. Es ist gesagt: W i r weisen nicht m e h r über uns hinaus. N u n sei das andere gesagt z u m vollgültigen W o r t : W i r weisen ewig über uns hinaus. W i r selber sind zu uns das ewige Hinaus. W i r selber sind zu uns die 151

ewig Anderen. Wir selber sind zu uns die ewig Neuen. Der Gottestraum vom Menschen ist im Ewig-Sohnlichen erfüllt. Es ist des Lebendigen ewige Gegenwart. Es ist seines Atems ewiger Wechselgang.

Der

Wandere

r und der

Heimatliche

I. Immer ahnten wir Söhne, daß die Welt in uns in ihrem Elemente ist. Das hat uns kühn gemacht, alle die Zeit schon, die noch nicht die unsrige war. Und unser heiles Wissen lassen wir nicht, es geht mit uns auch auf dem verlorensten Weg. Immer wußten wir wider alle Bekenntnisse, daß wir selber das Bekenntnis des Lebendigen sind. Und daß das lebendige Leben selber das Bekenntnis des Lebendigen ist. Und in uns selber lasen wir, da wir noch nicht lesen konnten in den nachträglichen Werken der Väter, des Gottes gewaltige Schrift. Und wir fanden den sprechendsten, ausgesprochensten Gott allezeit mitten unter uns, auf allen Blättern des vielseitigen bilderreichen Buches des Lebens. Die Mütter versteckten es vor uns, sie wollten ihren Traum von uns, nicht unser Leben. Die Väter verboten es, sie schrieben ihre eigenen Bücher uns vor und schlugen uns, wenn sie uns über dem Verbotenen entdeckten. Denn im Geheimen lasen wir schon immer atemlos und mit klopfendem Herzen in dem vielerregenden Buch. Wir lasen unsere eigenste Geschichte: Die Abenteuer des Lebendigen auf seiner Weltfahrt.

»52

II. Der Lebendige ist der ewige Wanderer. Er ist auf der endlosen Fahrt. Er wandert in vielen Gestalten und mit wechselnden Gewalten. Das All ist die Bahn. Die Welt ist der Wagen. Die Räder sausen. Die Zeiten sind der Weg. Die Räume sind die Herberg. Götter sind seine Kräfte. Menschen sind seine Gefährten. Wir sind die Fahrenden. Der Lebendige ist der Führer. Wir vertrauen dem göttlichen Führer. Er ist der Ewige Bruder. Er ist der ' Treue Freund. Er ist der Gute Kamerad. Er ist der Verläßliche. Er wächst in der Gefahr. Er geht alle Wege zu Ende. Er wandert zum Aufgang. Er wandert zum Untergang. Er ist derselbe, geht es hinauf, geht es hinab. III. Aber die Sonne bleibt in allem Strahlen in ihrem glühenden Kerne. Also bleibt der Lebendige auf aller Weltfahrt daheim in der Gottheit. Er bleibt in allem stürmischen Ausgang im stillen Ursprung. Er bleibt in aller rasenden Zeit in der ruhenden Ewigkeit. Er bleibt in aller schöpferischen Tat im unerschöpflichen ungeschaffenen Grunde. Der Sohnsgott bleibt in allem Wagnis Welt der Gottessohn. Der Werdende Gott bleibt in aller Weltwerdung in der Ungewordenen Gottheit. IV. Wir bekennen den, der immer der Ferne ist, der Heile, der fernher kommt und fernhin geht und doch im Nächsten, im schlagenden Herzen ist. Wir bekennen den, der immer ausgeht in ewigem Abschied und ewig im Schöße der Gottheit, in der Wurzel bleibt.

*53

Er treibt uns und hält uns zugleich. Da wir kindlich Entlaufende sind, ist er des Sohnes göttlicher Lauf. Und da wir wurzellos Entwerdende sind, ist er des Sohnes treues Werden.

Der Freie

und der

Treue

I. Die Welt ist verwüstet. Sie hat der Erblosen Gesicht. Doch diese sind jetzt an ihrem Ende. Denn Erblose bauen nicht. Gebaut wird aus Wesen. Gebaut wird auf dauernden Grund. Die immer nur Vorlaufenden bleiben Vorläufige. Schon widerläuft dem Heer der Erblosen ein anderes Heer, das Heer der erbtreuen Söhne. Es marschiert jetzt aus dem Traum in die Tat. Es schützt jetzt mit dem Leibe die gewachsene Welt, die es von jeher mit der Seele schützte. Es erwachen zu mächtigem Trieb die schlafenden Wurzeln, Heimweh rührt die winterlichen auf. Es suchen Völker zurück zu ihrem Grund und ihren Gründern. Die Welt der Söhne ist Schlachtfeld. Sie ist schon mitten im eigensten Krieg. Die Söhne stehen aneinander auf. Schon sind sie ineinander verbissen. Schon sind sie mit Blut bedeckt. Die Fahne der Freiheit züngelt rot über die Welt. Doch die Fahne der Treue ist weltweit erhoben. II. Wir Söhne entspringen der Zukunft. Sowenig der Quell dem Meer entspringt, entspringen wir dem Gewordenen. Das Gewordene hat keine Zukunft. Wie der Quell dem Quellgrund entspringt, entspringen wir dem Werdenden. Das Künftige entspringt aus

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frischem Grund. Neu beginnt ein Volk aus n e u e m Trieb. W i r Söhne sind die Gegenwärtigen. Doch Gegenwart entspringt nie d e m Vergangenen. Gegenwart entspringt der Z u k u n f t . N u r Z u k ü n f t i g e haben Gegenwart. D e n n in i h n e n allein ist Kommendes gegenwärtig. Dies ist das Recht der Söhne, der n e u e n Träger. Und dies ist das Recht der Söhne, der E r b e n : W i r Söhne entspringen d e m k o m m e n d e n Ewigen. W i r sind die künftige Wirklichkeit der ewigen Art. Aus dem ewigen Wesen entspringen die echten Gestalten der Zeit. Die echten Anfänge entspringen den Ursprüngen. W e r nicht in die ewige Bestimmung kommt, k o m m t nicht in den Wirbel des n e u e n Schöpfungstages. Neu beginnt ein Volk in seinem ewigen Gott. W i r Söhne sind die Zukünftigen. Doch Z u k u n f t entspringt d e m Ewigen. D e r kommende Gott k o m m t f e r n h e r aus ewigem Grund. Ist der Lebendige gegenwärtig, ist Ewiges in Niederkunft. Es spricht aus Zukünftigsten die heile H e r k u n f t . Und aus den Jüngsten spricht die Vorzeit. III. W i r Söhne wollen kein totes Erbe. W i r wollen keine Ewigkeit des Vergangenen. W i r wollen kein totes Leben. Wir wollen keine Vermischung des Neuen mit d e m Alten. W i r wollen ein neues Leben. Dies ist das Recht der Söhne, der n e u e n Träger. Und dies ist das Recht der Söhne, der E r b e n : Es gibt kein Neues aus d e m Nichts. Es gibt keine Willkürwahl des Neuen. Es ist keine n e u e Welt zu

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erfinden. Es fängt nicht mit unserem Gutdünken am. Wir sind verantwortlich für das Schicksal, in dem wir sind. Wohl sind die Zeiten nicht zu vermischen, doch sie sind auch nicht zu scheiden. Wir haben in dem uns Gegebenen zu entscheiden. Erbe ist neugewagtes Leben aus ewiger Art. Erbe ist schöpferische Freiheit in der ewigen Bestimmung. IV. Kameraden, es ist nicht zweierlei Recht. Es ist Ein Recht in allen Söhnen. Das Recht des Lebendigen. Laßt euch nicht zerreißen I Wir Söhne sind ein einziges Heer. Das Heer des Lebendigen. Und wenn wir miteinander Krieg führen und zum letzten Ansprung bereit sind und zur Vernichtung des Anderen als Verräter an der jungen Sache — so sind wir Blinde. Wir führen gegeneinander den Krieg des Lebendigen, zu dem wir miteinander bestimmt sind. Denn, was uns von urher trennt, jetzt zerreißt, ist im Lebendigen eins. In ihm ist unsere Sehnsucht nach neuem Leben. In ihm ist unser Heimweh nach unserer ewigen Art. Ihr Freien, schaut in das Herz der Treuen. Ihr Treuen, schaut in das Herz der Freien. Ihr findet das eigene Herz. Ihr findet den gemeinsamen Zug aller Söhne, die Freude am Ursprünglichen. Ihr feindlichen Brüder, hier seid ihr eins. Ihr alle meint dasselbe Leben: das Urlebendige. Im Lebendigen vereinigen sich eure Herzen. Der Lebendige ist der Geburtsott eurer vorbestimmten Verbündung zum gemeinsamen Reich. V. Wir vertrauen dem Lebendigen.

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Wenn er vorläuft, ist er der Anlauf des Ewigen. Ünd wenn er zurückläuft, läuft er zum Quell des Neuen. Wir aber gehen nur scheinbar auseinander, im Herzen wogen wir ineinander. Laufen wir vorwärts, so wollen wir dem toten Vergangenen entgehen und des Lebendigen Freiheit erreichen, das unaufgehaltene Schöpferische, wollen getrieben werden vom eigensten Trieb, dem vielgehemmten. Laufen wir aber zurück, so wollen wir entleerter und geschwächter Zeit entgehen und des Lebendigen Quelle erreichen, das unverdorbene Schöpferische, wollen zurück in den Urtrieb, das eigenste Wesen, das vielverlorene. Beide Ströme sind Ein Strom, und wir nur trennen sie künstlich in der allzu trennenden Weise des Menschen, der immer zu Einer Richtung neigt, weil jede Richtung göttlich ist und gewaltig des Gottes Zug. Der

Siegende

und

Sehende

I. Wir sind in den Händen des freieren Gottes. Der Wind, der uns treibt, ist Schopferatem. In gelöste Luft kommt, wer in das Treiben des Lebendigen gerät. Denn der Lebendige ist ein Drang, der nicht bedrängt. Wir sind nicht mehr Gebeugte unter dem schweren Vollzug. Wir sind leichthin Schreitende im hingerissenen Zug. Wer nicht tanzen kann, ist nicht in der Schar. Und nur, wer im Spiel ist, ist im Lebendigen. Die Augen der Älteren folgen verwundert dem großen Wirbel. Das kann für sie nicht der Gott sein. Er ist es für uns.

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Nur, wer das Unerwartete liebt, liebt den Lebendigen. Denn der Lebendige kämpft auf die Weise des Lebens um das Reich. In jähen Umstellungen, blitzartigen Wendungen schlägt er die große Schlacht. Das Gesetz des Handelns muß ihm bleiben. Überraschend besiegt er die träge Welt. In unaufhörlichen Siegen ist es allein, das ewige Reich. II. Das Schicksal hat Flügel bekommen. Seine schwere Gestalt ist verwandelt im fliegenden Gott. Es hat nicht mehr das Gewicht der Erde noch die Gewichtigkeit des Himmels. Es schwebt zwischen Himmel und Erde im freieren Raum. Es ist der neue Raum, der endlich erreichte des entbundenen, entfesselten Menschen. Es ist der Raum der Freiheit. Aufgelockert ist das Weltgefüge. Alles ist Spielraum. Noch nie seit dem Urbeginn war soviel Spiel mit dem göttlichen Reichtum und soviel Willigkeit, werdend zu bleiben im wandlungsreichen Wandern. Das ist jetzt Schicksal, daß wir frei sind. Die Freiheit selber ist Schicksal. Der Weg geht nicht mehr zurück zu den Nomen, den schicksalspinnenden Müttern. Schicksal geschieht nicht mehr im dunkeln Schoß der Welt und ist nicht mehr hinzunehmen wie das Geborene. Schicksal wird nicht mehr ausgetragen wie Kinder. Wir tragen es selber. Schicksal ist Wachstum des wieder jüngeren Menschen im spielenden Raum des Allmöglichen. Es tragen die Mütter das Schicksal. Die Väter ertragen es. Wir aber wagen es. III. Schicksal — das ist Widerhall aus fernstem Reich. Wenn die willigere Seele wieder den Namen des

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Schicksals nennt, seufzt das mütterliche Herz der Welt aufatmend erlöst. Leben ist zu leben, auch wenn es dem Tod zuwächst. Leben ist Sieg, und Sieg ist Freude. Geburt ist mehr als Tod. Und Leid ist preisender Preis. So singen die Mütter, die urentschlossenen, die geheim mitziehn in den wandernden Scharen der wieder schicksalswilligen, der jungen Heere. Denn wieder nennen wir vergessenen Namen, den ausgeruhten des Schicksals. Und wieder wissen wir den unbekannten, gewiesenen Weg. Die Welt ist Weg, und der Weg muß gegangen werden, und wir haben keine Vollmacht der Frage vor dem allein vollmächtigen Gott. Und der Lebendige hat Irrende lieber als die, die in Bedenken stille sitzen und hat die Täter gern, die die Tat wagen, die notwendige. Und es ist unsere junge Ehre, freiwillig mit dem freiwilligen Gott den Weg des Schicksals zu gehen. IV. Mit angehaltenem Atem erspüren wir das Kommende. Und in bereitem Schritt sind wir mit dem schreitenden Gott. Wir sind die Soldaten des Schicksals. Der Zug des Lebens ist unsere Truppe. Wachsam aber sind wir, daß es unser Schicksal ist. Denn unser Schicksal muß es sein. Denn nur das Lebendigste kann uns Schicksal sein. Wir spüren nach dem Atem des Lebendigen. Denn Eines ist Schicksal in aller Zeit. Doch Anderes bedeutet Schicksal in jeder Zeit. Auch Schicksal steht unter wandelnder Gewalt. Namen sind Götter. Ewig sind sie nach Wesen, doch es wandelt sich ihre Gestalt. Wenn wir den Namen 159

des Schicksals jetzt wieder williger beschwören, es komme über uns der uns bestimmte Gott. V. Es wandelt Urwort des Schicksals, wenn es von den Müttern zu den Vätern, von den Vätern zu den Söhnen wandert. Jetzt ist es bei uns und hat unser Gesicht. Einmal klingt es unendlich ergeben. Mütter sagen, empfangend und gebärend, glückpreisend und wehklagend sich Schicksal an: Es geschehe mir also. Einmal klingt es erhabener. Väter sind Beter von den bittenden Müttern her. Gebietend sind sie aus dem Vater. Sie sagen der Welt, wozu sie bestimmt ist. Sie sprechen mit dem befehlenden Gott: Also geschehe es. Verwegener klingt das Urwort aus unserem Munde. W i r haben kein Gebet mehr und kein Gebot. W i r sagen: Es geschieht. Quellen springen, und wir sind Quelle und sind Sprung. Immer sind wir es selber. W i r selber sind das Schicksal. W i r sind das Schicksal wie wir das Klopfen des Herzens sind und der Atemzug. Es geschieht nicht an uns. Es geschieht nicht über uns. Es geschieht durch uns. Schicksal wird nicht mehr i m Schöße geboren, nicht mehr vom Haupte geboten. Es schlägt mit unserem Herzen. Einmal ruhte es in der Erde, einmal ging es von den Himmeln aus, jetzt ist es Mensch. VI. Kameraden, die ihr es nun selber seid, das jüngere Schicksal, ihr seid beschworen, nun befreit von den

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eilten Schatten frei zu stehen zum freieren Gott, zum jungen, zum Sohnsgott. Im Lebendigen Sohn ist das Schicksal schöpferisch und das Schöpferische Schicksal. Es weichen vor dem sonnenhafteren Lauf in der freieren Luft die dumpfen Räume des verhängteren Schicksals. Wir glauben an die gute Luft und die heile Sonne. Von ihren Kräften wallt voll und übermütig unsere badende Seele. Von ihrem erregenden Element, dem strahlenden, sind wir leichter und lichter. Doch wo das große Schicksal ist, ist immer auch der große Ernst. Und er ist unter denen, die es heute sind, nicht minder mächtig als unter den großen Müttern und den hohen Vätern. Doch anders ist der Ernst der jetzt Ergriffenen. Es ist der Ernst der schöpferisch Freien. Fluten der Freiheit sind verflossen, aber es rauscht der ewige Strom. Urfreiheit bleibt, das Element des Lebendigen. O alle ausschreitende Freiheit des erblosen Menschen war erst Vorwelle der göttlicheren Flut des Lebens, das sich selber überschreitet. Wir erreichen erst in dieser willigeren Freiheit den Menschen, denn in ihr erst erreicht uns der Gott des Menschen, der Lebendige. Wir sind ursprünglich da erst, wo wir in freierem Schwung uns selber überspielen. Und da erst, wo wir frei sind zum größeren Leben, ist nah unser Reich. Denn, wo der große Drang siegt, muß die größere Freiheit siegen. Ii

Söhne

TRT

D e r gewaltige Gott, der alles durchbricht, was seinem freien Strömen i m W e g e steht, ist nicht der- Gott der Gewalt, der Blinde, sondern der sehend Siegende. VII. Es ist Freiheit in den geworfenen Sonnen, den Söhnen, allein i m Lichte, in der Gabe des Sehens. Das Siegende ist immer das sehendere Auge. Ohne das aufblitzende Wissen, das den Augenblick faßt, den Zeitgott, wenn er sich uns gibt, sind wir nur dumpfe Geschöpfe. Aber das Auge, das zur Empfängnis des größeren Schicksals offene, ist Größe des Menschen. Anders ist uns das freiere Schicksal, das schaffende, nicht gegeben. Immer wird Schicksal im Wahllos-Willigen empfangen. Der Freie weiß seine Bestimmung. Und der Größte ist der Bestimmteste und Sehendste. Das ist das Maß des Menschen. W i r sind nach schicksalsloser Zeit wieder drängende Bereite zur Empfängnis des Gottes. Doch mit wachsendem Schicksal m u ß wieder wachsen das eigenste Geschick des Menschen, das Seherische. W e r nicht die Zeichen gefallener Weltentscheidung aufnehmen kann, hängt hilflos, in vielen Winden baumelnd, am Weltbaum. Es ist i m Menschen, der des Gottes Schicksal vor allen anderen Geschöpfen tragen muß, ureinzig das Seherische. Der Mensch ist das freiere Auge des Lebendigen selber inmitten der gebannten Geschöpfe. Der Lebendige liebt diesen Freien, diesen Menschen, denn er will nicht nur Werke, er will Wirkende. D e n n Schaffende allein sind seinesgleichen. 162

So ist den M ü t t e r n , die den Leib der Welt, dieses dichteste Schicksal weben, das seherische Auge gegeben, die Fäden des Schicksals zu sehen u n d ihre Verknüpfung. Und so ist den Vätern, die den Geist, dieses lichteste Schicksal wirken, das seherische Auge gegeben, d i e U r gedanken Gottes zu fassen u n d ihren Z u s a m m e n h a n g . Doch längst sind der Mütter seherische Augen an grauer Sorge erblindet. Und der Väter erleuchtete Augen, die einstmals göttlich glänzenden, schimmern m a t t durch m ü d e Lider. W i r aber zündeten erst m i t geraubtem Licht frech und grell in die Welt. Und das Göttliche wich, das unverhüllt nicht leben kann. Und unser Licht ist noch geblendet von sich selber. Es m u ß aber ein Auge sein, daß das Unsichtbare in den sichtbaren Dingen nicht stirbt. VIII. Ein drittes Mal blüht göttlichste Kunst, allverbindende, die seherische. Diesmal aber öffnet sich das Herz der Welt jungen heißen Herzen. Groß aufglänzende Augen schöpfen wieder den göttlichen R e i c h t u m des Lebens zurück in das verarmende Herz. Was blinder Jugend verwehrt schien, es gelingt von n e u e m , Schicksal zu schauen. D e n n das seherische Auge gehört keinem Geschlecht und keinem Alter, es gehört d e m gottahnenden Menschen. Doch ungewohnt u n d den Gewöhnlichen unsichtbar ist das junge Sehertum, das die alte, vergessene Erde, die winterlich verschlossene, mit Sonnenaugen wieder zum leuchtenden Stern entbrennt. 11

Es ist aber, was jetzt ungewohnt ist, das Ursprünglichste. Söhne — Seher: das ist vor allen Anfängen, das ist im Soknsgott selber gegründet. Denn der Sohn ist mehr als Urbild. Er ist der erste Seher. Er ist das Auge, das das Leben Gottes schaut. Seiendes sieht allein der Sohn. Sehen ist von urher unser Teil. Mütter und Väter haben Vorsehung. I m Unsichtbaren sehen sie das Sichtbare voraus. Anders die Söhne. I m Sichtbaren sehen sie das Unsichtbare. Denn sie selber sind das sichtbar gewordene Unsichtbare. Den Söhnen ist gegeben, in der Weise des Sohnsgottes zu sehen, was ist und des Werdenden Wachstum zu wissen. Jetzt kommen Seher, die am Äußern das Innere lesen und die im Sichtbaren verkommende Welt aus ihren unsichtbaren Quellen und ihrem göttlicheren Laufe erneuen. Nicht mehr biegt Klage die Lippen zum schmerzlichen Wundmal wie in den Zeiten der Mütter, der ohnmächtigen Seherinnen, wenn sie ihr Wehe riefen in die taube Welt. Nicht mehr steht Anklage auf unbestechlichen Stirnen, brennende Schrift des erhabenen Gottes wider die himmelfern vererdende Welt wie in den Zeiten der Väter, der urteilverkündenden Richter. Jetzt ist es der jüngere Mund. Wieder ist er ermächtigt, wie im Ursprung der Sohn, der Namengebende, die Dinge zu benennen und ihr ewiges Wesen zu beschwören. Denn es soll sein, was ist. Doch aus dem Ungewordenen muß es werden. Und aus heilen Ursprüngen fließe der Quell. Denn ungöttlich ist Abgestandenes. Es

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hat der Lebendige kein Leben im Abgeleiteten. Er lebt im frischen Element. Und es werden wieder Quellen gefunden. Wasserfinder mit der Wünschelrute gehen um in verdurstender Zeit. Und in zählender Welt werden wieder Wunder erzählt. Es lösen Heiligende die Heiligen ab. Hände streichen weich wie Frühlinge über die feste leibhaftige Erde, vor der sich die Väter bekreuzigten. Und wandernde Scharen besingen wieder wie die Vögel am Morgen die neuerwachende Welt, und es holt in ihrem Gesang der Lebendige seine Götter wieder heim. IX. Die Sehenden sind die Getroffenen. Und wenn sie die Gezeichneten sind mit dem Brandmal Gottes — einen Blitz lang sahen sie in das Herz des Lebendigen, sahen den Zug des Gottesherzens und das Bild, an dem der Schöpferische schafft. Das aber genügt. Wer dies sah, sieht. Die Meisten aber sind blind. Da sie nur im Sichtbaren wohnen, plagt sie kein Gott. Wir neigen aber von Geburt zum Sichtbaren. Und der Duft, der letzte Schleier des Unsichtbaren auf jungen Gesichtern wie auf frischen Früchten, schwindet mit dem zunehmenden Tag. Die Meisten erblinden am nackten Außen für den Zauber der Dinge. Die Sehenden allein halten noch des Unsichtbaren Übergewicht. Daß sie unabgelenkt mit der wirkenden Kraft des Lebendigen im Bunde bleiben, erblinden sie für den geheimnislosen Tag. Die Geborenen wachsen für das Werk, doch sie nehmen allzuleicht ab in der Kraft des göttlich Wirkenden. Sie werden tätiger mit jedem Tag, doch sie verlieren 165

vergessend die Bereitschaft für den göttlichen Täter. Sie freuen sich am Wind in den Segeln, doch sie wissen nicht mehr vom größeren, göttlicheren Wehen. Die Sehenden aber sind Geborene, die nie ausgeboren, immer in Geburt sind. Sie sind noch innen, i m geheimeren Wirkraum, da sie längst schon außen sind. Und sie wissen darum, daß wir in allem Wirken doch Gewirkte

sind und

halten uns — leicht sich Ver-

wirkende — i m Ewig-Wirkenden. Wind und Wetter weiß das Volk, doch sein summender Markt weiß nicht, woher es kommt, das Geschehende. Geschieht Geschick? Oder ist es schon Ungeschick? Sind wir Geführte oder schon Verführte? Die Sehenden allein, die i m Geschehenden wohnen, sehen die leuchtende Spur des immer unbekannten Weges der göttlichen Fahrt und sehen die Ränder, die immer nebelumwallten der ziehenden Abgründe. X. Es sind die Söhne die dem Sichtbaren Zugewiesenen. D e n Weltsinn tragen die Kinder, die das Unsichtbare sichtbar machen. So ist es ohne Wahl. Sturm und Drang Gottes, aus der Gottheit heraus in das wirkende W e r k der Welt, in das lebendige Leben — in uns ist er übermächtig. W i r aber, die mit den Dingen ausgesetzt sind dem äußern Element, verlieren leicht die führende Hand des inniger Wirkenden. Jugend der Völker hing darum am Munde der Seherinnen. Denn sie sprachen zu den Geborenen aus dem Schöße des Gottes. In W e h e n des Mundes wurde das sägliche Schicksal dem unsäglichen Geheimnis entbunden.

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W i r Völker der Jugend, blinder noch als die Jugend der Völker, verblendet von den A u f k l ä r u n g e n des altklugen Tages u n d viel weiter d r a u ß e n i m Nackten, Bloßen u n d viel getrennter vom dichteren Ding, vom Gestirn, von Blume u n d B a u m u n d vom Tier, von allem sprechenden Leben u n d verloren in den wirbelnden Sandstürmen der u n f r u c h t b a r e n Worte — wie sollen denn wir, in diesen Städten, in denen alle Winde des Zufalls wehen, das gültige Schicksal erfahren ? Lange vermeinten wir die Wahl. D a wir nach a u ß e n dachten, lag es a m Griff. U n d wie griffen wir nach der W e l t ! W e r hat sich so an der Welt vergriffen wie wir? Es ist alles abgegriffen an unserer Welt. Lange vermeinte Klugheit die Wahl. Doch wir sind längst toll von Willkür. Nie waren wir ferner dem Gültigen. Schon droht das Tödlichste, das Gleichgültige. W e n n alle wählen — tödlich ist es f ü r das gemeinsame Maß. W i e ist Gemeinsames ohne das göttlicher Erwählte ? Wie ist Richtung in vielgerichteter Welt ohne den göttlicheren Ausschlag? Wie ist gemeinsame Fahrt, ist der W e g beliebig? W e n n alle wählen — tödlich ist es f ü r das gemeinsame Reich. Wir k o m m e n nicht durch zu u n s e r e m Reich ohne Sehende. Es sind i m m e r Ferne, nie Abseitige. I m m e r sind sie m i t i m Zug, mitten i m Zuge. Sie sind überall, u n d es k ü m m e r t sie alles. Und drängender als die anderen drängen sie vorwärts. Nie h e m m e n sie Schicksal — sie machen es gültig. Nie schwächen sie Trieblust — sie treiben z u m 167

Letzten. Sie brechen nie Siegwille — sie führen zum siegenderen Sieg. XI. Sehende sind die Augen des Lebendigen. Sie sind die Führer im inneren Zuge des Lebens. Sie schreiten im freien Schritt des freien Gottes. Sie sind an allen Orten in seinem weiten Raum. Sie sind in allem Treiben in seinem großen Atem. Sie sind in jedem Augenblick in seiner unendlichen Gegenwart. Denn wer nicht allen fern ist, kann nicht allen nah sein als der Retter. Es sind die echten Führer überwältigte Geführte. Sie sind in den Lebendigen gehüllt, in ihre göttlichere Gewalt, wie sich der Gott in Sehende und Hingerissene, in seine Täter hüllt. XII. Führung — Vorzeit war durch sie groß. Wir sind die entfaltete Vorzeit. Wieder ist Führungsnot groß. Doch ein göttliches Auge ist. Das Leben, in das wir geworfen sind ohne Wahl, ist sehend im Lebendigen. Wir müssen nicht blind sein, sind wir mit dem Lebendigen. O Freunde, der göttüche Seher, der Lebendige Sohn ist mit uns. Er wacht, daß wir den Zug der Freiheit, den Zug der Söhne nicht verraten. Doch er will mehr. Er will in uns den Weg des Sieges bis zu Ende gehen, bis zur göttlicheren Wendung, in der wir uns selber überschreiten in das allemitnehmende Reich.

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Der Führende

und

Liebende

I. Der Sohn ruft nach Söhnen. Denn Eigene will der Gott, der selber ein Eigener ist in der Gottheit. Freie allein sind geschickt zu ewigem Bund. Freie allein haben Ehre. Mit dem freien Gott siegt der freie Mensch. Und es macht der Sohnsgott eigenlebendig die vom Vatergott gesetzlich verhaltene Welt. Dies spürt jetzt jedes Herz und Ding. Auch der Sohn ist mächtig. Denn nur das Herz der Macht verwandelt sich im Sohn. Gewalt des Sohnes vergewaltigt nicht. Und seine Schöpferhand bannt nicht in Werk, sie weckt die schöpferische Kraft. Wenn dieser Gott schafft, sind wir Schaffende. Ist es der Sohn in uns, sind wir es, sind es selber, die mächtig werden. II. Doch im Zauber der Freiheit ist der unendliche Raum der Verführung. Hier raunen die Dämonen, die absonderlichen Götter, wie sie von urher taten, uns ihre falschen Schlüsse zu: Ihr seid es selber I Und also ist kein Gottl Ihr seid frei! Wer will euch bestimmen? Und unmerklich leise kehrt sich in unseren Herzen das Eigene in das Sonderliche. Und unmerklich werden wir Untreue, Abtrünnige und Entwurzelte. Und die Gefährten des jungen Gottes werden Verschwörer, Empörer gegen das allebestimmende Reich. Und sie

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tragen die Waffen des verwandelnden Gottes, die heilen Freiheiten, zu tödlichem Schlag wider alle gewachsenen Wurzeln und alle Gottentstammung des Weltbaumes Leben. Und die Augen der Freiheit allein sehen es nicht, wenn wir auf dem Marsche unserer Ausschickung zu uns selber übergehen, sehen nicht den kleinen unendlichen Übergang aus dem eigenen Sein und Sinn in den absonderlichen Willen und Wahn. Und die Augen der Freiheit allein sehen es nicht, sehen nicht den immer zuerst unmerklichen Schritt des Übertrittes aus dem Zug des Lebendigen in das reichsfeindliche Lager, sehen nicht das zuerst immer unscheinbare Zeichen des großen Verrates. Wir ahnen Wahres. Und noch sind wir Geschonte. Denn der verstehende Gott, der verläßliche Freund, weiß, daß man Freien Zeit lassen muß. Aber es ist ernst geworden sein Blick. Und er sieht auf. Gespannt wie der Führer in der Schlacht verfolgt er unseren Weg, ob wir durchkommen. Und sein Atem geht heftiger, daß er uns, viel zu weit Vorgestürmte und Verbindungslose noch erreiche mit der frischen Kraft der göttlichen Reserven. Und bald ist nicht mehr zu verbergen unsere brennende Scham. Es glühen in ihr die Besten. Denn es werden auch die Frohgläubigen irr, wenn die Massen unserer Heere achtlos und lieblos und ohne neue Ehre das Land des Lebendigen verwüsten. Immer ist groß und grausam der Preis des Notwendigen. Wir selber wollen ihn zahlen, freudig und bereit. Doch Unreife nur spielen mit der furchtbaren Bedingung der Welt. 170

Wir halten Kriegsrat. Und da gilt, was wirklich ist, ist es auch schmerzlich. Keiner gelte im Rat, der etwas vormacht. Wir wollen nicht den leichten Weg, wenn er der falsche ist. Der Sieg verpflichtet. Uneingelöst ist unsere Verpflichtung. Jetzt wächst oder verdirbt der Sinn unseres Sieges. Und die Drohung ist groß, daß der Sieg des Lebendigen in unreifen Händen verdirbt. III. Immer ist der Mensch dem Gott entgangen. Denn ihm wie keinem anderen hat der Lebendige seines Schöpferschrittes unbändige Kühnheit vererbt. Immer war stürmisch die Liebe des weltfahrenden Menschen und immer wieder verscholl das weltentdeckende Schiff. Und es verlor sich die ursprünglich leuchtende Spur. Es hegt im Ausgehen von Gott. Wen Gott wirft, der muß fallen. Immer ist allein der Ursprung gewiß. Wer auf dem Wege ist, weiß nie, ob er noch über Gottesland geht oder schon verräterisch in Feindesland. Es liegt in der Freiheit, in der jeder neue Lauf beginnt. Denn die Freiheit entspringt, wo der Sohn entspringt. Und immer ist im Sohn die Gefahr alles Entspringenden gottbekannt. Und es hat alle menschüche Ausschreitung göttlichen Schreitens den Vatergott niemals erstaunt wie unsere Väter, denn immer ist der Vater auch der Sohn. Die Mütter waren geschickt, als die Söhne verwilderten und zerfielen, die Welt wieder einzuschoßen. Und es waren die Väter geschickt, mit Hochgedanken uns zu halten über der fallenden Erde. 171

Doch zuletzt, als die Mütter den Menschen nicht mehr zu tragen und die Väter ihn nicht mehr zu halten vermochten, ist der Sohn selber gekommen, der Ewige Bruder und Ewige Freund. Er ist uns der verwandteste Gott. Er entzündet in uns keine Scham mehr und er ruft nicht mehr unserem Trotz. Denn es brennt in ihm in freiem Atem das Feuer der Liebe. IV. Wir aber sind noch nicht Verbündete des Ewigen Bruders und noch nicht des Ewigen Freundes Gefährten. Wir sind noch nicht die von seiner Kraft bewegte und von seinem Bild gefaßte Schar. Da uns der Sieg zufällt, da die Väter fallen, entgehen wir dem, von dem wir sind und unser Recht und unsere Macht ist. Jetzt verraten auch wir, den die Väter immer verrieten, den Sohn. Und unser Verrat ist noch tödlicher als der der Väter. Denn da die Väter den Sohn verrieten, da waren noch Söhne, den Sohn aus den Händen der Väter zu befreien und ihm zu folgen, dem jungen Gott. Wer aber ist noch, wenn die Söhne selber den Sohn verraten ? V. Doch es ist nicht mehr eure Anklage, anklägerische Väter, daß wir den Gott verraten. Ihr seid nicht mehr die Richter. Ihr habt uns den Sohn genommen. Zertreten habt ihr immer wieder in unseren Herzen den zarten Trieb des neuen Lebensbaumes. Und Widerwillen wider den eigensten Gott habt ihr in uns schier unaustilgbar eingepflanzt. Und ihr habt 172

das große Gottesspiel u m diese Welt unendlich verwirrt, denn ihr unterschlüget allezeit den letzten Einsatz, mit dem allein der Gott das Spiel gewinnt: den Lebendigen Sohn. Denn nicht zu erkennen war in dem, den ihr Sohn Gottes nanntet, der Sohn. Es war doch euer Sohn. Und euer Sohn — er blieb uns fremd. I m m e r trug er eure Züge, richterlich und herrscherlich Erstarrte. I m m e r kam er in Heeren von Buchstaben über uns. Nie zeigte er des Lebendigen Sohnes freudige Macht. Und was ihr vom Antlitz der Schöpfung am Sohne ließet, das war die uralte Kreatur, eure Kreatur, die von euch bedrückte und gebannte, die gefügige, lammhaft herdenselige und die hilflos kindliche. Nie habt ihr in uns die junge Ehre entflammt, die Ehre des Sohnes, der m e h r als der Mund des Vaters, der der Mündige ist. VI. Es hilft nicht Berufung auf geschehene Schuld. Die Mütter, die rächerischen, und nicht weniger die Väter, die vergeltenden, wühlten todbesessen in alter Schuld. Wir fragen, was wir dem kommenden Reiche schulden. Das aber ist jung. Wir sind es, die den Gott verraten. Und wir stehen dazu. Es ist unsere Sache. Es ist nicht m e h r das Engende der Mütter und nicht m e h r das Zwängende der Väter, das uns fliehen läßt vor des Gottes Gewalt. Die Mütter sind ohnmächtig und auch die Väter. Wir aber sind mächtig. Und sind d a r u m in der eigenen Verantwortung. Und haben die Wahl zwischen unseres eigenen Gottes und eigenen Abgottes Gewalt.

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Jetzt ist die Stunde, in der die Wagschale der Entscheidung schwingt, da die Gewichte noch nicht endgültig gelegt sind, die Gewalten des Herzens sich noch nicht gelagert haben. Jetzt ist die Stunde, da wir endlich eins mit uns selber werden, Söhne, Geliebte des Sohnes, G e f ü h r t e des Sohnes, oder endgültig d e m eigensten Gott, d e m Sohn entgehen, u m als irgendwelche Besessene irgendeinem besessenen Z u g zu folgen. VII. Doch i m m e r siegt die größere Liebe. W i r lieben neu u n d heiß den Zauber der liebendsten Führung. I m m e r war es Liebe, erlagen wir d e m Gott. Anders gehörten wir nicht zur Großen Mutter. Anders gehörten wir nicht zum Hohen Vater. Jetzt sind es Freie, die der größeren Liebe erliegen. Es stirbt die letzte f r e m d e Gewalt, da es n u n lebt zwischen d e m Sohn u n d den Söhnen u n d zwischen Brüdern u n d zwischen Freunden. E i n m a l war es Mutterschaft, in der die größte Liebe alles u m f a ß t e . Einmal war es Herrschaft, in der die größte Liebe allem gebot. N u n ist es F ü h r e r schaft, in der die größte Liebe alle mitreißt. D e r Lebendige Sohn, der Ewige Bruder u n d Ewige Freund schafft jetzt, Liebender u n d Geliebter, das neue, das kameradschaftliche Reich.

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INHALT Erstes

Buch

DIE NEUEN TRÄGER Träger

der

Welt

Es müssen Träger sein

5

Wehe den Trägern!

4

Heil den Trägern!

7

Wer ist jetzt Träger?

12

Es ist Krieg der Träger

15

Die alten Träger müssen weichen

15

Wer den Lebendigen trägt — trägt alle . . .

18

Mütter

— Väter



Söhne

Viele Träger tragen die Welt '

19

Die innigste Trägerschaft

23

Das Wort von den Söhnen

25

Ein neues Element ist da

26

Wir kommen von den Vätern

27

Heimweh nach den Müttern

28

Mütter und Väter auferstehen in den Söhnen .

30

Zweites DIE

Die

Buch SÖHNE

Söhne

— die

neuen

Träger

Weltzeit der Söhne

35

Der entfesselte Mensch

40

Die Neue Zeit

46

Die jungen Sonnen

48

175

Der junge Mond

62

Feuer der Wandlung

74

Sieg ist Element des Lebendigen

80

Die

Söhne

— die

Erben

Haß gegen Erbe

83

Dennoch ist Erbe

90

W i r treten heute das Erbe an

95

Bestimmung des Sohnlichen

101

Noch sind wir Erblose

112

Klage über uns Verlorene

122

W i r vertrauen dem Leben

131

Drittes

Buch

DER GOTT DER

SÖHNE

W i r vertrauen dem Lebendigen

141

Der Lebendige

143

Der Ewige

Sohn

Sohn

149

Der Wanderer und der Heimatliche

152

Der Freie und der Treue

154

Der Siegende und Sehende

157

Der Führende und Liebende

169

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