Das Recht der Nothwehr: Eine strafrechtliche Abhandlung [Reprint 2014 ed.] 9783111551197, 9783111181745


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German Pages 281 [288] Year 1856

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Table of contents :
I. Abschnitt Von der Bestimmung des Begriffs der Nothwehr und seiner Stellung zu verwandten Rechtsbegriffen
II. Abschnitt Das Recht der Selbstverteidigung nach den Grundsätzen des römischen Rechts
III. Abschnitt Das Recht der Selbstverteidigung in den Bufsordnungen und in dem canonischen Recht
IV. Abschnitt Die Entwicklung des Rechts der Selbstverteidigung in dem deutschen Recht
V. Abschnitt Die Nothwehr in dem heutigen Recht
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Das Recht der Nothwehr: Eine strafrechtliche Abhandlung [Reprint 2014 ed.]
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Das

Recht der Kothwehr·

Eine strafrechtliche Abhandlung

von

Dr. Carl Levita, Priratdocenten der RechtewUeenttcbaft in Gieiaen.

Giefsen, 1856. J. Bicker'ache Buchhandlung.

Herrn

Dr· Rudolph Iliering*, ordentlichem Professor der Bechtswisseoechaft in Gieieen,

in Dankbarkeit gewidmet.

Inhalt. I. Abschnitt.

Von der Bestimmung des Begriffs der Nothwehr und seiner Stellung zu verwandten Rechtsbegriffen.

II. Abschnitt

Das Recht der Selbstverteidigung nach den Grundsätzen des römischen Rechts.

III. Abschnitt

Das Recht der Selbstverteidigung in den Bufsordnungen and in dem canonischen Recht.

IV. Abschnitt

Die Entwicklang des Rechts der Selbstverteidigung in

V. Abschnitt.

Die Nothwehr in dem heutigen Recht.

dem deutschen Recht.

Die vorliegende A b h a n d l u n g

hat sich

eine zweifache

A u f g a b e g e s e t z t : sie will die E n t w i c k l u n g des rechtlichen Principe der Selbstvertheidigung schichtlich a u f z u w e i s e n ,

im deutschen Rechte g e -

und dann auf diesem Grunde die

L e h r e von der N o t h w e h r f ü r das h e u t i g e Recht zu f o r m u liren versuchen. mischen

und

Bei dem t i e f g e h e n d e n Einflüsse des r ö -

des

canonischen

Rechtsentwicklung Rechte

müssen

dargestellt w e r d e n .

Behandlung

fordert

Entwicklung

Abgrenzung

und

die

auf

Auf diese W e i s e g l i e d e r t sich

Zwecke

der

verwandte

jenigen die

des

Rechtsbegriffen,

nung

canonischen

und

der

Formulirung

bis des

Levita, Kothwehr.

heutigen

der

Rechts,

Entwicklung die

fünf

zweite

der dritte

zur Peinlichen

fünfte

in

Bestimmung

in s e i n e r S t e l l u n g

des römischen,

geschichtliche

schen Rechts

bestimmten

Rechtsgebiete.

die Abhandlung

des Begriffes d e r N o t h w e h r verwandten

dieser

als Grundlage d e r g e s c h i c h t -

zum

des Stoffes g e g e n

die G r u n d s ä t z e

deutsche

die rechtliche F e s t s t e l l u n g

A b s c h n i t t e , von welchen d e r e r s t e d i e zu

die

Grundsätze

Die Pflicht wissenschaftlicher

aufserdem

des Begriffes der N o t h w e h r , lichen

Rechts

auch

die-

der

vierte

des

deut-

Gerichtsord-

Principien Rechts

1

für

die

behandelt.

2

Erster Abschnitt.

Von der Bestimmimg des Begriffes der Nothwehr und seiner Stellung zu verwandten Reclitsbegriffen. W e n n ein f e s t e r Ausgangspunkt f ü r die Interpretation des positiven Rechtsstoffs g e w o n n e n w e r d e n soll, so müssen die Begriffe N o t b r e c h t , N o t h s t a n d zuvor

bestimmt

werden. gleich

an

sicli

und

Nothwehr

und g e g e n e i n a n d e r festgestellt

Indem wir dies versuchen,- müssen wir uns z u in Kürze mit den theoretischen V e r s u c h e n

critisch a u s e i n a n d e r s e t z e n

und diese darum

vorragenden Repräsentanten

Anderer

in ihren h e r -

aufführen.

Das N o t h r e c h t ist d a s R e c h t , zur

Erhallung

des eigenen

oder eines fremden Lebens

Eingriff

fremdes Eigenthumsrecht

chen,

in

einen zu

ma-

es sei durch A n e i g n u n g , wie das Stehlen in r e c h t e r

Hungersnotli, o d e r durch Beschädigung f r e m d e n Gutes, wie das Z e r s t ö r e n

einer Mauer

oder

das Durchstechen

eines

D a m m e s zur L e b e n s r e t t u n g in F e u e r s - o d e r W a s s e r s g e f a h r . Der R e c h t s g r u n d dahin

dieses Nothrechts

ist

festzustellen : Die Besonderheit

natürlichen W i l l e n s

Hegel

(1)

der I n t e r e s s e n

mit

des

in ihre einfache Totalität z u s a m m e n -

g e f a f s t ist das persönliche Dasein als L e b e n .

Dieses,

der

mit

letzten

Gefahr

rechtlichen

und

in

Eigen! hum

der

Collision

eines Anderen,

N o t h r e c h t (nicht als Billigkeit, s o n d e r n als R e c h t } sprechen,

in

dem

hat ein anzu-

indem auf der einen Seile die unendliche V e r -

letzung des D a s e i n s auf der a n d e r e n

und darum

nur

die

totale Rechtlosigkeit,

die V e r l e t z u n g eines e i n z e l n e n b e -

(1) G r u n d l i n i e n d e r P h i l o s o p h i e d e s R e c h t s .

§ 127.

3 schränkten Daseins der Freiheit steht, wobei zugleich das Recht als solches und die Rechtsfähigkeit des nur in diesem Eigenthum Verletzten

anerkannt

wird.

Dieses Nothrecht,

dessen Ausübung nicht etwa nur für e n t s c h u l d i g t

oder

n i c h t s t r a f b a r gilt, ist aber strenge zu beschränken auf das Eintreten einer Collision des Lebens des Einen mit dem Eigen thumsrechte des Anderen. Eine wirkliche, anders nicht abzuwendende Gefahr f ü r die Existenz, nicht blofs dringendes B e d ü r f n i s , wird ebenso bestimmt vorausgesetzt, als eine Collision gleichartiger Rechte, wie wenn Leben gegen Leben oder Eigenthum gegen Eigenthum steht, oder eine Collision

anderer

Rechte

überhaupt

ausgeschlossen

ist.

Innerhalb dieser Schranke darf dem Nothrecht darum auch Nothwehr,

die Abwehr eines ungerechten Angriffes, von

dem Angegriffenen nicht entgegengesetzt, und das Recht Dritter, dem Benöthigten beizustehen, um des allgemeinen Grundes des Nothrechts willen, Denn

nicht geläugnet

werden.

in solchem Falle erscheint ja das geringere Recht

dem höheren gegenüber als absolut unberechtigt, und jenem geschieht eben damit sein Recht, dafs es als untergeordnet aufgehoben wird : ein

absolutes Unrecht

müfste es

also

sein, wenn die Aufhebung des höheren Rechts zum Schutze des untergeordneten erfolgte ( 2 ) . In diesem selben Princip

(2) W i r

stimmen

zu, wenn m a n die Lage der M u t t e r , welche

zwischen Kaiserschnitt und Perforation gestellt ist, unter den Gesichtspunkt des Nothrechts rückt ( K ö s t l i n , N e u e R e v i s i o n begriffe

d e s d e u t s c h e n S t r a f r e c h t s I . A b t h . S.112flf.). der P e r f o r a t i o n , Hegt darin,

derGrund-

d e s C r i m i n a l r e c h t s S. 602 ff. D e s s e l b e n der T ö d t u n g

des Kindes,

System

D e r Rcchtsgrnnd

für Mutter u n d Arzt

dafs ihr wirkliches Leben gegen das blofs mögliche des

Kindes, die gewordene Persönlichkeit gegen die werdende sich erhalten darf.

Es ist ebensowohl eine Verkennung der rechtlichen Natur dieses

Verhältnisses, wenn m a n , darin

eine Collision

von

die Bedeutung des E m b r y o

überschätzend,

gleichen Rechten (Leben der Mutter gegen l*

4 wurzelt

letztlich

auch das Recht des Staates,

zu

seinem

rechtlichen Bestehen von dem Individuum das Opfer s e i n e r Rechte zu verlangen. Es

lassen

sich

f ü r die Auffassung und B e g r ü n d u n g

des Nothrechts in der Geschichte der n e u e r e n W i s s e n s c h a f t drei Richtungen unterscheiden, welche von H e g e l ,

Kant

und F i c h t e ihren A u s g a n g n e h m e n . Auf dem Grunde der Η e g e l'schen A n s c h a u u n g stehen A b e g g ( 3 ) und K ü s H i n ( 4 ) . schen Gedanken

durch

A h e g g führt den

den Ausspruch

zu

Hegel-

seiner

letzten

Consequenz, dafs da, w o das Höhere und Allgemeinere das Opfer eines u n t e r g e o r d n e t e n Rechts f o r d e r e , g a r eigentliche Collision

und

darum

keine

kein A'othverhältnifs

ob-

walte, weil eben die absolute Geltung und Macht des Einen dem Andern g e g e n ü b e r schieden sei.

schon im Voraus n o t h w e n d i g e n t -

Ob B e r n e r ( 5 ) hierher gerechnet w e r d e n

L e b e n des K i n d e s ) erblickt, als w e n n m a n die L e i b e s f r u c h t , eine P e r sönlichkeit,

wenngleich

eine w e r d e n d e ,

als pars ventris

im

physischen S i n n e , einem das L e b e n der Mutter g e f ä h r d e n d e n

stricten kranken

A r m e gleichstellt, und dieselbe d e r c h i r u r g i s c h e n O p e r a t i o n des Geburtshelfers P r e i s giebt ( W ä c h t e r , L e h r b u c h des röniisch-deutschen S t r a f rechts l I . B a m l , 8 . 1 2 0 . der die H a n d l u n g des A r z t e s a u s diesem Gesichtspunkt

beurtheilt wissen

will).

Die A n s i c h t , welche

d e r Mutter das

Recht der N o t h w c h r in solchem F a l l e giebt, verdient, da sie der e r s t e n B e d i n g u n g d e r N o t h w c h r , nämlich dafs die G e f a h r aus einem rechtlichen

Angriffe

entstehen

müsse,

vergifst,

eine

widerernstliche

W i d e r l e g u n g nicht. (3) U n t e r s u c h u n g e n wissenschaft,

aus dem G e b i e t e der

IL A b h a n d l u n g : Revision

geblich straflosen T ö d t u n g e n ,

der L e h r e

b e s o n d e r s S. 107

ff.

Strafrechtsvon den

Lehrbuch

ander

S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t § § 107. 108. (4) N e n e R e v i s i o n

§ 154, S y s t e m

§ 37.

(δ) I m A r c h . d . C r i m i n a l r e c h t s . N . F . 1848. Die N o t h w e h r t h e o r i e . S. 552 ff. Mit der von B e r n e r v o r g e s c h l a g e n e n E n t g e g e n s e t z u n g von Naturnoth

und 11 e c h t s n o t h , welche er j e n e r von L e b e n s n o t h u n d

5 dürfe,

kann

in

Darstellung Stelle

ist

d e r That nicht

die B e d r o h u n g

Nothstand,

zweifelhaft

recht

klar.

erscheinen.

Wahrend

er

Seine

an

einer

d e s L e b e n s durch N a l u r g e w a l t ,

derjenigen

durch d e n Angriff e i n e s

Wesens, g e g e n welchen Nothwehr zusteht, ganz

als

denkenden allgemein

e n t g e g e n s e t z t , j a a u c h das g e f ä h r d e t e E i g e n t h u m init d e n B e f u g n i s s e n d e s N o l h s t a n d e s a u f t r e t e n läfst

und n o c h

den

Z w a n g durch D r o h u n g d a z u s t e l l t , s o s c h e i n t e r sich durch ausdrückliche

Billigung

von

A b e g g ' s Ansicht

an

einer

a n d e r e n S t e l l e d i e s e m a n z u s c h l i e f s e n , stellt dann die nach dem Früheren

nicht

zu

erwartende Behauptung

geradezu

auf, dafs im N o t h s t a n d e ein a u s g e d e h n t e r e s h ö h e r e s R e c h t s i c h auf K o s t e n d e s mit ihm c o l l i d i r e n d e n g e r i n g e r e n R e c h t s erhalte,

und

beurlheilt

die

Tödtung

eines

angreifenden

T h i e r e s , a l s e i n e s f r e m d e n E i g e n t h u m s o b j e c t e s , aus Gesichtspunkte.

diesem

(6)

Rechtsnoth substituiren will, und welcher die Begriffe von N o t h s t a n d und N o t h w e h r entsprechen sollen, scheint zur näheren Bestimmung der Begriffe nichts gewonnen, um so weniger als er selbst in einem Fall entschiedener Rechtsnoth, wenn n'amlicb Drohungen Jemanden in die Lage versetzen, dafs er entweder das Recht eines Anderen angreifen, oder ein höheres eigenes Recht, vielleicht gar das Leben, aufgeben muis, die Straflosigkeit aus dem Notbstande herleitet. (6) Die ä l t e r e n criminalistischen Schriftsteller bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts beschränken, auf Grundlage der Artt. 166 und 175 d e r P . G . O . , das Nothrecht richtig auf die Collision von Leben und Eigenthum; ja sie suchen es selbst i n n e r h a l b dieser Gränze noch einzuengen, wie unter Anderen C a r p z o v , P r a c t i c a n o v a p. II, quaest. 83, §§ 40 u. 42 selbst in diesem Falle nicht Straflosigkeit, oder gar das Dasein eines Rechtes, sondern nur Befreiung von der poena o r d i n a r i a statuircn will. Indessen tiudet sich die Erweiterung desselben auf die Collision von Leben und Leben schon in den Schriften der alten Naturrechtslehrer. So erscheint schon bei P u f f e n d o r f , De j u r e n a t u r a e e t g e n t i u m , lib. 2, cap. 6, § 4, bei Abhandlung des „jus et favor necessitatis", die „tabula in naufragio, duorum non capax«, das von F i c h t e bespöttelte »berühmte Wunder-

6 Von K a n t ( 7 ) hebt in der neueren Wissenschaft die Ausdehnung des NothstandsbegrilTes

auf

die

Collision

v o n L e b e n u n d L e b e n an, ja diesen Fall allein hat er unter der durch den Inhalt nicht gerechtfertigten Ueberschrift „das N o t h r e c h t " abgehandelt.

( E r nennt es dann spä-

ter allerdings „ein v e r m e i n t e s Recht".) lich , so argumentirt K a n t ,

Es könne näm-

kein Strafgesetz g e b e n , w e l -

ches Demjenigen den Tod zuerkennete, der, im SchilTbruche mit einem Andern in

gleicher

Lebensgefahr

schwebend,

diesen von dem Brette, worauf er sich gerettet habe, w e g s t i e f s e , uin sich selbst zu retten.

Denn die durch

Gesetz

könne

angedrohte

Strafe

doch

das

nicht

g r o f s e r s e i n , als die d e s V e r l u s t s des L e b e n s Erst ere η (8).

Nun

könne

ein

des

solches Strafgesetz

beabsichtigte Wirkung gar nicht h a b e n ;

die

denn die Bedro-

hung mit einem Uebel, das noch ungewifs s e i ,

könne die

Furcht vor dem Uebel, das g e w i f s s e i , nicht überwiegen. Also sei die That der gewaltthätigen Selbsterhaltung nicht brett d e r S c h u l e « . sind

sie sich

worden. jure

F ü r den F a l l des N o t h r e c h t s i m eigentlichen S i n n e

siimmtlich des w a h r e n R e c h t s g r u n d e s n i c h t bewufst ge-

Statt Aller stehe hier eine Stelle

belli

gravissima utenili,

aus H u g o G r o t i u s ,

De

а с p a c i s , lib. I I , cap. 2, $ 6 : H i n c p r i m o sequitur, in necessitate

tan q nam

reviviscere si

jus

communes

illud

pristinum

rebus

m a n s i s s e n t ; quia in o m n i b u s

l e g i b u s h u m a n i s , а с p r o i n d e et in lege d o m i n i i , s u m m a illa neccssitas videtur e x c e p i a .

I m Hinblick

auf

die E n t w i c k l u n g ,

l o s o p h i s c h e B e t r a c h t u n g von R e c h t u n d S t a a t darf

man

Nothrechts

billig noch

erstaunen, bei

n ä m l i c h bei O e r s t e d , Ueber pflege.

das N o t h r e c h t

welche

seitdem

dieser A n s c h a u u n g

гиг B e g r ü n d u n g des

einem J u r i s t e n d e r n e u e r e n Z e i t Neues als

ein

Archiv

die phi-

durchgemacht, 211

begegnen,

d e s С r i m i n a l r e c h t s, V,

einflufsreiches P r i n c i p

der S t r a f r e c h t s -

S. 3 4 8 ff.

(7) Μ e t a p h y s i s c h e

A η f a n gs g r ü и d e

der

B e c h t sl с l i r e .

E i n l e i t u n g S. X L I . (8) Mit R e c h t schen

erkennt

Abschreckungstheorie.

man

hierin den K e i m d e r F e и e r b a c ti-

7 etwa als u n s t r ä f l i c h ( i n c u l p a b i l e ) , unstrafbar (impunibile)

zu

sondern

beurtheilen,

nur als

und

diese

subjective Straflosigkeit werde durch eine wunderliche Verwechslung von den Rechtslehrern für eine objective Rechtmäfsigkeit gehalten.

Bei dieser Deduction der Straflosig-

keit der Handlung im Nothstande

aus

der Unmöglichkeit

der Abschreckung durch das Strafgesetz ist K a n t von der Strenge seines Principe wichen.

Denn

des Strafreclits wesentlich abge-

nach diesem wird die Strafe wider

Verbrecher v e r h ä n g t ,

den

weil er verbrochen h a t , die Strafe

ist ihm ein categorischer Imperativ, ein absolutes Postulat der practischen V e r n u n f t , das keines weiteren Beweises, keiner Rechtfertigung aus der Unmöglichkeit der abschreckenden Kraft des Gesetzes bedarf.

W e n n sich K a n t d a r -

auf beschränkt hätte, die Handlungen in diesem Nothstande für einfach straflos zu erklären, so wäre dieser Auffassung, wenn auch nicht ihrer B e g r ü n d u n g ,

im Princip zuzustim-

men, allein durch seine weitere Behauptung, „dafs es k e i n e Noth g e b e , welche, was unrecht sei, gesetzmäßig mache" (S. X L I I ) ,

hat e r zugleich den Fall einer Collision

von

Leben und Eigenthum unter denselben Gesichtspunkt

der

blofsen Straflosigkeit gerückt, damit also ein wahres N o t lir e c h t geleugnet.

E r trägt darum sicher einen Theil der

Schuld für die nun in der Theorie eintretende Vermischung dieser beiden durchaus verschiedenen rechtlichen Verhältnisse.

Seine Verantwortlichkeit erstreckt sich freilich nicht

auch d a r a u f , dafs F e u e r b a c h ( 9 )

diese

verschiedenen

Fälle unter eine ganz andere strafrechtliche Categorie, nämlich diejenige der Z u r e c h n u n g , gebracht hat. In denselben, 1,9) L e h r b u c h Feuerbach

d e s p e i n l i c h e n R e c h t s § 91.

Wir nennen

als den bedeutendsten Vertreter dieser Richtung,

die

übrigen finden sich aufgezahlt bei K ö s t l i n , S y s t e m S. 114, Note 2 u. 3.

8 und es wird die durch thätliche Drohung ( v i s compulsiva) veranlafste Handlung als dritter Nothfall hinzugefügt,

soll,

da selbst bei dem Bewufstsein des S t r a f g e s e l z e s die m ö g liche Wirksamkeit desselben auf das Begehren werde, d i e Z u r e c h n u n g a u s g e s c h l o s s e n Erweiterung hat

nun

des

aber

Nothstandbegrifles

Beschränkungen

wendige Reaction d a g e g e n ,

aufgehoben sein.

Diese

dem Umfange

nach

desselben,

als

nach dem I n h a l t e

not-

zu h e r -

vorgerufen , wie die F r e i g e b u n g der Nothwehr g e g e n in Noth Angreifenden ( 1 0 ) Beschränkung Befindlichen

des

Rechtes

beizustehen

und

den

die A u s s c h l i e ß u n g

Dritter,

(11),

dem

im

oder

Nothstande

Beschränkungen,

welche

für das eigentliche Nothrccht unbedingt zu v e r w e r f e n , die mit

demselben

hier gewaltsam verbundenen

Nothfälle nur zum Theil zu r e c h t f e r t i g e n

sind.

für

anderen Die

wei-

teren B e s c h r ä n k u n g e n , wie namentlich dafs der Nothstand unverschuldet g e w e s e n sein m ü s s e ,

dafs

kein E x c e f s b e -

gangen , kein gelinderes Mittel ungebraucht geblieben sein dürfe, Beschränkungen, die einer gleichen Behandlung Nothstandes und der Nothwehr ihre Entstehung

des

verdanken,

trifft K ö s t l i n ' s V o r w u r f mit R e c h t , dafs hier die mit e i n e r Hand g e w ä h r t e Freiheit durch die andere wieder im Keime erstickt werde ( 1 2 ) . (10) B r e i d e n b a c h , lich

Hessische (11)

Breidenbach,

Strafgesetzbuch das heifst

Comraentar

S tra f ge sc t Lb uch,

auch

S.

Art. 45

wenn

529.

über

d a s G r o f s h e r z о Jü-

I. B a n d , 1. A b t h e i l u n g ,

Darin,

dafs

im

nur die n ä c h s t e n V e r w a n d t e n

sie fremdes L e b e n a n g r e i f e n ,

S. 528.

hessischen unbedingt,

entferntere

Ver-

wandte und F r e m d e a b e r w e n i g s t e n s dann straflos sind, wenu sie zum Schutze

haben,

bricht

unwillkürlich eine A n e r k e n n u n g der v e r s c h i e d e n e n Collisionsfalle

fremden L e b e n s

fremdes Eigenthum

durch.

(12) Diese Erweiterung von siimmtlichen d e u t s c h e n den.

des

verletzt

Nothstandsbegrifls

ist

auch

beinahe

S t r b f g e s e t z g e b u n g e η adoptirt wor-

S i e h a b e n a u c h in der K e g e l denselben m i t dem Z w a n g e

unter

9 Wenngleich

nun selbst

NolhstandsbegrifT in seiner aufgenommen h a t , Collisiousfall

Luden

(13)

weitesten

den

falschen

Ausdehnung

damit

dafs er den Nothstand definirt als den

zwischen

der

eigenen

Erhaltung

und der

Begehung einer verbotenen Handlung, und die Gefahr für Leib oder Leben entweder von Naturereignissen oder durch rechtswidrige Drohungen

begründet

sein

läfst,

derselbe

auch zu den meisten dieser Beschränkungen zustimmt ( w i e Verstattung der Nothwehr, Forderung eines unverschuldeten Nothstandes,

bedingte Anerkennung

des

Rechtes Dritter,

zu helfen), so ist er doch, was die r e c h t l i c h e Natur dieser Handlungen betrifft, dem von F e u e r b a c h Anstofse

nicht gefolgt.

ihm eine Handlung bestimmung, Nur

gegebenen

Die Handlung im Nothstande ist

ohne

verbrecherische

und darum kein Verbrechen

Willensund straflos.

in Beziehung auf verbotene Handlungen

verbrecherische eine Rubrik

Willensbestimmung

gebracht.

Ueber

das N e u e

kann

eine

gefafst werden : die Preufsische

Straf-

g e s e t z b u c h von 1851, welches in Art. 40 nur des Zwanges gedenkt, vgl. G o l t d a m m e r , M a t e r i a l i e n

zur Strafgesetzgebung

für

d i e p r e u f s i s c h e n S t a a t e n , T h . 1, S. 414, nach welchem bei dem Schweigen des Gesetzes das Notbrecht in seiner richtigen Begrenzung anerkannt wird. — Auf

das Einzelne

kann

hier

nicht

eingegangen

aus

dem

gemeinen

werden. (13) Sowohl

in den A b h a n d l u n g e n

d e u t s c h e n S t r a f r e c h t e , II B. ( U e b c r

den Thatbestand

des

V e r b r e c h e n s . ) S. 508 ff-, als auch in dem H a n d b u c h d e s S t r a f r e c h t s I, § 46.

D e r Rechtsgrund der Handlungen im Nothstand ist

in den Abhandlungen,

in dem H a n d b u c h e sind die Bedingungen der

Ausübung des Nothrechts ausführlicher entwickelt, dort mehr im Hinblick auf allgemeine Rechtsgrundsätze, hier mit überwiegender Berücksichtigung des deutschen Strafrechts.

In derselben Weise rechtfertigt

er im H a n d b u c h S. 302 die Nothwehr, nachdem er dieselbe in den A b h a n d l u n g e n II, S. 475 ff. nnter den Gründen abgehandelt hatte, aus welchen wird.

die R e c h t s w i d r i g k e i t

der Handlung

ausgeschlossen

10 Handlung im Nothslande das

objective Recht,

aber

ist

kraft dessen

keine v e r b o t e n e , der Mensch in

weil seiner

rechtlichen Integrität existirt, ihm die Verbindlichkeit nicht auferlegen k a n n ,

in diesem seinem Rechte aus einem an-

deren, als einem rechtlichen Grunde, eine Beeinträchtigung zu erleiden.

Durch Gewalt und Uebermacht, entweder von

der Natur oder von anderen Menschen herkommend, kann zwar der Mensch werden;

aber

in seinen Rechten bedroht und verletzt

er kann dem objectiven Rechte g e g e n ü b e r

nicht verbunden sein, sich denselben zu unterwerfen. aus folgt, dafs der Mensch dem objectiven Rechte über berechtigt sein m u f s ,

einen Anderen

zu

Dargegen-

verletzen,

wenn er aufserdem selbst in einem Rechte verletzt worden sein w ü r d e ,

oder wenn die Verletzung des Anderen das

einzige Mittel g e w e s e n sein w ü r d e ,

sich selbst unverletzt

zu erhalten. Während

Luden

für den Nothstand das Verbreche-

rische der Handlung zurückweist, K a n t die Rechtswidrigkeit, aber Unstrafbarkeit und F e u e r b a c h die Unzurechenbarkeit s e t z t ,

s o weist dagegen F i c h t e ( 1 4 )

Verhältnifs aus

dem Rechtsgebiete hinaus.

Kant'sehen Satz,

dafs

es

in dem Falle

das ganze

Er treibt den der Noth

kein

w i r k s a m e s S t r a f g e s e t z geben könne, auf seine Spitze durch mehr

die Behauptung, gebe.

Wenn

er

dafs es hier g a r

kein

Gesetz

auch das „vorgebliche" Nothrecht

zunächst nur für den Fall setzt, da zwei freie Wesen durch Naturcausalität in die L a g e k o m m e n , den

sich nur

durch

den

Untergang

dafs Einer von Beides

Andern

retten

k ö n n e , so ist doch mit der P r e i s g e b u n g des L e b e n s

zu-

gleich der Angriff auf j e d e s g e r i n g e r e Recht gestattet, (14) G r u n d l a g e d e s N a t n r r e c h t s

nach P r i n c i p i e n

der

W i s s e n sc h a f t a l e h r e , II, S. 250 ff. (III. Band nach der von J . H. Fichte

besorgten Ausgabe der sämmtlichen Werke.)

11 oder, und

mit Leben

anderen mit

Worten,

der

die

Collision

Collision

von

thum unter denselben Gesichtspunkt stellt.

Leben

von und

Leben Eigeu-

der Beurtheilung g e -

Die Frage wird von ihm dadurch dem Gebiete des

Rechtes entrückt, dafs er erklärt, die Rechtslehre, indem sie die Art und W e i s e des Zusammenbestehens freier W e s e n feststelle, setze damit stets die Möglichkeit dieses Zusammenbestehens voraus. Mit d i e s e r M ö g l i c h k e i t f a l l e n o t h wendig

die Frage nach der Bestimmung

derMög-

l i c h k e i t , a l s o d i e F r a g e n a c h dem R e c h t e , und g a r weg.

ganz

Sonach gebe es k e i n R e c h t , das Leben

des Anderen der eigenen Erhaltung aufzuopfern, es sei aber auch nicht r e c h t s w i d r i g d. i. nicht streitend mit einem positiven Rechte des Anderen, das eigene Leben um den Preis des fremden zu erhalten.

Die Natur habe die Berechtigung

für Beide zu leben zurückgenommen, und die Entscheidung falle der physischen Stärke und der Willkühr anheim.

Da

aber dennoch beide betrachtet weiden müfsten als stehend unter dem R e c h t s g e s e t z e ,

u n t e r welches

nach der That in Beziehung

sie denn

auch

auf Andere wieder kämen,

so könne man das Nothrecht beschreiben a l s d a s R e c h t , sich als g ä n z l i c h e x e m t v o n a l l e r g e b u n g z u b e t r a c h t e n . — Damit

Rechtsgesetz-

dafs der Staat

und

das Recht gewufst werden als etwas Uranfängliches,

mit

der menschlichen Natur unmittelbar Gegebenes und darum stets und überall V o r h a n d e n e s ,

das durch Vertrag nicht

gegründet, durch Vertrag nicht erhalten, durch die Gewalt natürlicher Zufälle nicht aufgehoben werden k a n n ,

stürzt

die Möglichkeit eines vom Staate eximirten Zustandes zusammen , in welchem Rechtes konnte.

statt der absoluten Herrschaft des

diejenige der röhen Fichte,

die

physischen Stärke erstehen

bedenklichen

Consequenzen

aus

dieser A n e r k e n n u n g der rohen Gewalt fühlend, beschränkt

12 die Herrschaft der Willkühr darum s e i h s t ,

indem er e i n -

wirft, die durch das Rechtsgesetz nicht bestimmte Willkühr stehe u n t e r

einer

höheren

Gesetzgebung,

der

morali-

s c h e n , diese enthalte die V e r o r d n u n g für diesen Fall d e r Noth,

indem sie sage : T h u e überhaupt N i c h t s ,

sondern

überlasse die Sache Gott, der dich wohl retten kann, wenn es sein Wille ist, und dem du dich ü b e r g e b e n mufst, w e n n es sein Wille nicht ist.

Mit dieser W e n d u n g wird

dann

die Entscheidung der physischen Stärke e n t r i s s e n und einem geduldigen Fatalismus an

ihrer Statt ü b e r w i e s e n .

Dieses

ist aber ebenso wenig das Gesetz einer thatkräftigen Sittlichkeit , als das Recht ein Recht Rechte ein

eximirt

Recht,

lehrern

betrachten,

Unrecht

folgen

Wächter (15)

zu

dieser

v.

Grolman,

dieselbe

thun.

Ansicht

und S c h r ö t e r

W i s s e n s c h a f t , $ 23, wo

zu

kennt,

oder

von

den»

Worten,

Von den Strafrechts-

namentlich

v.

Grolman,

(15).

Grundsätze

wo

sich

mit andern

die F r a g e

für

der

Criminalrechis-

das »allgemeine«, § 138,

f ü r das positive d e u t s c h e C r i m i n a l r e e h t

entschieden

„ E i n Verhältnifs von Z w a n g s i e c h t e n und Z w a n g s v e r b i n d l i c h k e i t e n

ist. zwi-

schen d e m Verletzer und d e m Verletzten findet d a n n n i c h t s t a t t , w e n n neben

den

Rechten

des Verletzten

s t i m m t e n R e c h t e n desselben unmöglich

ist.»

selbst bewufst

Er

scheint

überhaupt,

oder

neben

be-

die Coexistenz des V e r l e t z e r s p h y s i s c h sich des U n g e n ü g e n d e n

seines P r i n c i p s

g e w o r d e n zu s e i n , i n d e m er in der A n m e r k . zu § 2 3

f ü r den Fall des N o t h d i e b s t a h l s die A u f h e b u n g des R e c h t s v e r h ä l t n i s s e s von der Nichtexistenz g e n ü g e n d e r A r m e n a n s t a l t e n a b h ä n g i g m a c h t , weil, w e n n d e r g l e i c h e n wirklich b e s t e h e n , d e r j e n i g e , welcher diese a n z u g e h e n verschmähe, aus der w i l l k ü h r l i c h

erhaltenen Noth keinen Grund ab-

leiten k ö n n e , welcher die V e r l e t z u n g des E i n z e l n e n der R e c h t s v e r l e t z u n g Wächter,

und

des V e r b r e c h e n s

L e h r b u c h I , § 55.

zu

u n t e r den Begriff

subsumiren

F a l l einer Collision von L e b e n u n d E i g e n t h u m im A u g e . Handbuch Tittmann, Straf fälle

des p e i n l i c h e n Vorträge aus

und

verböte.

E r h a t allerdings z u n ä c h s t n u r den R e c h t s , I, S. 145, Note. Urtheile

A c t e n , S. 49,

welcher

über ein

in

Schröter, Vgl. a u c h

merkwürdige einem

Falle

des

13 Diese verschiedenen Auöassungsweisen

des Nothstan-

des, wie sie bisher besprochen w o r d e n , hat nun G r a t t e n a u e r (K>) aufgerafft und rein

Nothstandes

ergangenes Urtheil

äufserlich zusammenge-

des Schöppenstuhls

zu

Wittenberg

(1809), in dessen Entscheiducgsgründen dieselbe Auffassung enthalten ist, mittheilt. (16) U e b e r d i e N o t h w e h r . Behandlung

des Criminalrechts.

Ein Beitrag zur wissenschaftlichen Breslau

1806.

S. 48 ff. In

dieser

Monographie werden an ein Erkenntnifs des Criminalsenates der Oberamtsregierung in G l o g a u wider den Müller Meschter, welches diesen wegen

einer von ihm

Diebstahls

an

dem

in seine W o h n u n g

mittelst Einbruchs

eingedrungenen

zum Zwecke des

Exner

ausgeführten

T ö d t u n g wegen rechter Nothwehr freigesprochen h a t t e , Ausführungen über geknüpft.

das Wesen

und

theoretische

die Bedingungen der Nothwehr

Z u r Signatur des rechtswissenschaftlichen Standpunktes des

Verfassers m a g folgende Auslassung desselben losigkeit

des

einem zur

Meschter

Deportation

wird

daraus

nach Sibirien

aufser dem Rechte gestellte P e r s o n ,

genügen : Die Straf-

abgeleitet,

dafs

in

bestimmten Verbrecher, die aufgehört

Exner, я eine

h a b e , Pereon zu

sein, und rechtlose Sache geworden sei, da j a an einem Geächteten, Verwiesenen und Verbannten kein Verbrechen begangen werden könne", getüdtet worden sei.

Dies wäre n u n , »da jedes Verbrechen dergestalt

vom Staate ausschliefst, dafs der Bürgervertrag vernichtet, und mithin joder Verbrecher Singularität.« mildert,

rechtlos nnd

Allein

л weil sich

vogelfrei w e r d e ,

an

diese Strenge des Principe sei die vaterländische Staatsgewalt

sich

gar

keine

in Preufsen geüberzeugt

halte,

ihren Zweck ohne Realisirnng dieser absoluten Ausschliefsung, wenige Fälle a u s g e n o m m e n , erreichen zu können.« Zu diesen Ausnahmen gehören aber „Diejenigen

acht und fünfzig aus den inländischen Straf-

anstalten

incorrigibeln V e r b r e c h e r ,

1802

ausgehobenen

in die sibirischen Bergwerke deportirt seien.

welche im

Jahre

Die Deportation

gründe sich zwar auf kein criminalrichterliches Orthcil, sondern einen

an dessen Stelle getretenen Regierungsbeschluls;

auf

auch sei sie

nicht als Strafe, sondern als Polizeimafsregel realisirt. Daraus entstehe aber,

was

die Rechtlosigkeit

der Deportirten

betreffe, deshalb kein

Bedenken, weil nur solche Verbrecher deportirt seien, welche sich sogar während der Strafe als gefährliche Feinde der bürgerlichen Gesellschaft gezeigt hätten

und des bürgerlichen Todes schuldig befunden worden

14 stellt.

Bei ihm erscheinen die Aufhebung alles rechtlichen

Verhältnisses (womit die Verbindlichkeit des das Nothrecht Ausübenden zur Rückgabe und zur Entschädigung schlecht stimmt) und gleichwohl das Nothrecht als reines Unrecht, die Unmöglichkeit der abschreckenden Wirkung des Strafgesetzes

und

endlich

die Behauptung blofs subjectiver

Straflosigkeit der Handlung. Im Gegensatze zum Nothrecht, innerhalb seiner rechten Gränzen

gefafst als das Recht der Selbsterhaltung im

Falle der Collision

des Lebens des Einen

mit einem

be-

schränkten Rechte des A n d e r n , sind jetzt diejenigen Verhältnisse zu bestimmen, welche wir oben unter der generellen Bezeichung des N o t h s t a n d e s

diesem g e g e n ü b e r -

gestellt haben. Obgleich dieselben einer gleichen rechtlichen Beurtheilung nicht u n t e r l i e g e n , nung derselben

unter

so ist doch die Unterord-

die weitere Benennung des Noth-

standes darum gerechtfertigt, weil der in denselben erfolgende Eingriff in die Rechte eines Menschen durch eine Gefahr des Handelnden, also eine N o t h desselben, bedingt ist.

In diese Categorie gehören die Fälle einer C o l l i s i o n

gleich

starker Rechte

thuni gegen Eigenlhum),

(Leben gegen L e b e n , Eigen-

die Lage d e s j e n i g e n , der durch

D r o h u n g (vis compulsiva, psychologische G e w a l t ) ,

und

desjenigen, der durch p h y s i s c h e G e w a l t (vis absoluta) zu einer Verletzung der Rechte eines Anderen

genöthigt

wird.

In dem

e r s t e n Falle kann von einem Rechte des

wären.

D e s h a l b d ü r f t e sie d e r S t a a t a u c h als blofse Mittel 211m Z w e c k e

d e r i n n e r e n R u h e u n d S i c h e r h e i t b e t r a c h t e n , ihre R e c h t s f ä h i g k e i t d a m i t von selbst a u f g e h o b e n u. s. w.«

Dafs

auf

wäre

dieser S t u f e juristi-

s c h e r A u f f a s s u n g a u c h die D a r s t e l l u n g d e r N o t h w e h r a u s den Q u e l l e n , vor Allem

aus denjenigen

des d e u t s c h e n R e c h t c s ,

aller

begrifflichen

S c h ä r f e e n t b e h r e n u n d m i t w i l l k ü h r l i c h e n Z u t h a t e n aller A r t a u s g e s t a t t e t sein m ü s s e ,

b e g r e i f t sich von selbst.

15 Einen, das Leben oder das Eigenthum des Anderen, welche mit dem gleichen Anspruch ausgestattet werden.

auftreten,

auf rechtliche

zu v e r l e t z e n ,

Anerkennung

nicht

gesprochen

W e n n der Eine zu seiner Handlung als berech-

tigt angenommen

werden s o l l t e ,

so müfste der Andere

zuvor sein Recht verloren h a b e n ; allein es ist kein rechtlicher Grund v o r h a n d e n ,

dem Einen einen Verlust seiner

Rechte zuzuerkennen, weil der Andere die seinigen zu verlieren.

in Gefahr steht,

Da die Möglichkeit,

kühr sich selbst zu bestimmen,

mit Will-

in einer Lage nicht aus-

geschlossen ist, in welcher der Mensch noch mit Rücksicht a u f e i n e n b e s t i m m t e n Z w e c k , nämlich die Erhaltung der eigenen R e c h t e ,

handelt,

eine Aufhebung

Zurechnungsfähigkeit

Und

es kann

Rechte,

der

so ist es unstatthaft, hier anzunehmen.

die Handlung auch nicht als im objectiven

durch welches

der Mensch in seiner rechtlichen

Integrität existirt, gerechtfertigt erscheinen, weil auf dieses die rechtliche Existenz des Einen

ebensowohl

gründet ist, als diejenige des Anderen.

Es ist vielmehr die

ge-

Handlung desjenigen, welcher, um sein Leben, sein Eigenthum zu retten, dasjenige des Anderen angreift, unbedingt verbrecherisch. Allein weil die Strafbarkeit einer Handlung subjectiv gemessen wird an der Beschaffenheit des Willens dos Handelnden, an dessen Selbstständigkeit, Bestimmtheit und Beflissenheit, so mufs dieselbe da eine geringere sein, wo

der Wille n i c h t

a u s f r e i e m A n t r i e b e das Ver-

brechen erzeugt h a t , sondern besondere ä u f s e r e

Reiz-

mittel

haben.

auf

die Bestimmung desselben

gewirkt

Mit der Intensität des verbrecherischen Willens steigt und fällt die Intensität der verbrecherischen Schuld.

Ein sol-

ches äufseres Reizmittel liegt in einem Nothstande, in welchen elementare Kräfte den Menschen versetzen, die durch denselben hervorgerufene innere A u f r e g u n g mufs daher

16 eine die Strafbarkeil der in demselben b e g a n g e n e n Handlung v e r r i n g e r n d e W i r k u n g haben.

Soleher Reizmittel

kennt das Strafreeht noch m e h r e r e : denn es ist aus demselben Grunde, warum einer d e r That vorangehenden Beleidigung ,

einer besonders verlockenden Gelegenheit und

der das V e r b r e c h e n e r z e u g e n d e n V e r f ü h r u n g ein strafmindernder Einflufs z u g e s c h r i e b e n wird.

Es soll indessen mit

dieser Auffassung des Nothstandes nicht geleugnet werden, dafs in demselben j e n e

durch

die Noth

hervorgerufene

innere A u f r e g u n g e i n e n so hohen Grad e r r e i c h e n

könne,

dafs die Möglichkeit zu handeln, das ist mit Willkühr sieh zu bestimmen, aufgehoben, und dann a u s d i e s e m

Grunde

die Zurechnungsfähigkeit des Bedrängten und die Z u r e c h e n barkeit

seines

Thuns

ausgeschlossen

sein

müsse

(IT).

Ganz dieselben Grundsätze und aus denselben Gründen entscheiden f ü r die Beurtheilung der Handlung, welche unter dem Einflüsse

eines

nommen wird.

psychischen

Zwanges

vorge-

Dafs hier die Möglichkeit zu handeln nicht

unbedingt ausgeschlossen ist, erkennt auch dasCivilrecht, w e l chem die durch Drohung

veranlafste Handlung nicht

eine

nichtige, s o n d e r n n u r eine durch verschiedene Rechtsmittel anfechtbare ist, „weil sie, wie natürlich, so auch juristisch existirf

( P u c h t a ) , w ä h r e n d sie a l l e r d i n g s ,

h e r e n Falle,

wie im f r ü -

mit Rücksicht auf die Individualität des D r o -

h e n d e n , die Gemüthslage des Bedrohten, Art, Ort und Zeil

(17) D e r r m a n n , Z u r B e u r t h e i l u n g Criminalgesetzbuchs

des Entwurfs

für das K ö n i g r e i c h

Sachsen

eines S. 147

meint sogar, in solchem Collisionsfalle mache sich, da ein Vorzug des einen Hechts vor dem andern nicht entscheiden könne, die Macht den Zwanges, welche dem Hecht inne wohne und welche auch H e c h t soweit geltend,

als

es

ihr möglich s e i ,

sei,

und wenn darüber das Gut

(auch das Leben) des Anderen zu Grunde gehe, so sei es nur physisch dem R e c h t e ,

nicht

dem Unrechte

des Machtigeren

unterlegen.

17 der Drohung ausgeschlossen sein kann ( 1 8 ) . — Was die dritte Form des Nothstandes, die durch die Anwendung e i n e s p h y s i s c h e n Z w a n g e s verursachte Noth, betrifft, so ist man darüber mit Recht einverstanden , dafs ein dadurch hervorgebrachter rechtsverletzender Erfolg demjenigen, welcher denselben äufserlich hervorgebracht, n i c h t z u g e r e c h n e t werden kann. Der Mensch wird hier zum willenlosen Werkzeuge, welches entweder die Kräfte anderer Menschen, oder mechanische oder organische Naturgewalten ( 1 9 ) zur Hervorbringung einer Verletzung der Rechte der fremden Persönlichkeit mifsbrauchen. Während nun in dem Falle des Nothrechts und demjenigen des Nothstandes Uberall eine C o l l i s i o n von Rechten , die entweder in verschiedener oder gleicher Stärke einander gegenüberstehen, vorliegt, so kann von einer Collision da nicht geredet werden, w o d a s R e c h t dem U n r e c h t s i c h e n t g e g e n s t e l l t . Denn das Unrecht ist, weil das Recht absolut unaufhebbar, an sich nichtig und mufs in seiner Nichtigkeit manifestirt werden. Hierin, in (18) Es ist bemerkenswerth, dafs Ηβ η к e, H a n d b u c h d e s Crim i n a l - r e c h t s u n d d e r C r i m i n a l p o l i t i k I, Θ. 337, obgleich der psychische Zwang bei ibm unter den Gründen erscheint, welche eine willköhrliche Bestimmung des Willens аиввсЬНеГвеп, eine Zdrechnang des топ dem Bedroheten begangenen Verbrechens zur F a h r l ä s s i g k e i t znläfst, deren Grade in jedem einzelnen Falle zu berechnen seien nach dem Yerhältnifs des gedrobten Debels zu dem Debel des Verbrechens, und nach der gröberen oder geringeren, durch die Individualität der Personen bedingten, Verwirrung, worin der Bedrohte sich befand. (19) B e r n e r , G r u n d l i n i e n d e r j u r i s t i s c h e n I m p u t a t i o n s l e b r e S. 54 nimmt, neben mechanischen und organischen, als dritte Art, p h y s i k a l i s c h e Kräfte an, denen er ζ. B. die durch eine Electrisirmaschine oder in krankhaften Zuständen wirksam gewordenen physikalischen Zufalle hervorgebrachten Zuckungen zuschreibt. Er selbst rindicirt dieser Unterscheidung nur ein theoretisches Interesse. L e v i t a , Nuthwebr.

2

18 dieser Nichtigkeit des Unrechts, welches zwar eine äufserliche Existenz, aber eine in sich nichtige hat, wurzelt das Recht des Staates zu strafen, das Recht des Einzelnen zur Nothwehr.

Der Staat und der Einzelne sind nur verschie-

dene W e r k z e u g e , durch welche das Recht seine Anerkennung durchsetzt;

beide sind aber zu diesem Zwecke in

gleicher Weise nothwendig.

Die Aufgabe ist, die Gränze

aufzuzeigen, welche dem Einschreiten des Individuums im Verhältnifs zu demjenigen des Staates gesteckt i s t ;

erst

jenseits dieser Gränze beginnt die unerlaubte Selbslhülfe. Darum mufs es im Staate und durch den Staat eine Reaction geben gegen zukünftiges Unrecht, dessen

Eintreten

der Staat nicht zuvor w e i f s ; denn dürfte dieses bestehen, so würde damit dasselbe als Recht gesetzt werden. dieser Stelle tritt d i v i d u u m s zu i h r e m

die

eigenen

Schutze und

damit

zur Durchsetzung des Rechtes selbst gegen Unrecht

Α ιι

p e r s ö n l i c h e K r a f t d e s Indas

e i n : sie thut dies kraft ihres ursprünglichen

Verlheidigungsrechtes, welches der Staat da anerkennt und anerkennen mufs,

wo seine schützende Gewalt dem Un-

recht zu begegnen

nicht im Stande ist ( 2 0 ) .

Die Noth-

wehr ist demnach das dem Individuum gegen

drohendes,

durch die Macht des Staates nicht abwendbares Unrecht zu

(20) Mit Recht sagt S a n d e r , B e i t r ä g e Nothwehr,

im Archiv

die Nothwehr k e i n dern

zur L e h r e von

der

d e s C r i m i n a l r . , Nene Folge 1841, dafs

a u f s e r s t a a t l i c h e s natürliches Recht sei, son-

dafs sie vollständig

aus dem S t a a t e , als der Vereinigung der

Menschen zu einer vernünftigen rechtlichen Gesellschaft, dadurch entspringe und begründet werde, dafs der Staat nichts anderes wolle als Herrschaft des Rechts, und dafs er desshalb dem einzelnen Rechte Angegriffenen die Befugnifs ertheile,

für den Staat

in seinem und

im

Namen des Staats sein angegriffenes Recht da geltend zu machen, wo sich der Staat aufser der Lage dieses selbst zu thun.

befinde, mit der K r a f t des Gesetzes

19

seinem eigenen oder dem Schutz eines Dritten zustehende Recht ( 2 1 ) der Verteidigung.

„Sie ist nicht Rache, weil

sie nicht das verletzte subjective Rechtsgefühl

in

seiner

Unendlichkeit zum Princip, sondern objective Gränzen hat, durch deren Verleugnung Sie ist nicht Strafe ( 2 2 ) ,

sie

selbst zum Unrecht

wird.

weil sie von einem Individuum

ausgeht, und als Vertheidigung gegen ein erst drohendes, mithin mafsloses Unrecht nicht an das Princip der Wiedervergeltung gebunden sein kann."

Die objective Wieder-

herstellung des Rechts aus seiner Verletzung und die Tilgung der verbrecherischen

Schuld

in dem Inneren

des

Verbrechers geschieht durch den Staat in der Strafe des Verbrechens : durch seine Gerichte straft derselbe, wenn ein Verbrechen begangen ist.

Seine Reaction gegen das

Unrecht richtet sich aber auch gegen die blofse Möglichkeit desselben : durch seine Polizei beugt er der zukiinf-

(21) Mit Unrecht sagt daher M a r t i n , L e h r b u c h

des C r i m i -

n a l r e c h t s § 4 3 : V e r b r e c h e r i s c h e s Thun oder Unterlassen kann im einzelnen Falle ausnahmsweise völlig r e c h t m ä f s i g

sein;

eine

solche Ausnahme ist die Nothwehr. (22) Den Gegensatz des Rechtes zn strafen und des Rechtes der Sichernng, zn welchem das Recht der Nothwehr als eine Form desselben gehört, hat S c h r ö t e r , H a n d b u c h , I, 8 . 5 2 ff. richtig dahin bestimmt, dafs jenes sich anf eine V e r l e t z u n g des Rechtes, dieses sich auf eine B e d r o h u n g

desselben

bezieht,

jenes gegen eine bereite

vorhandene Wirknng, dieses auf die blofse Möglichkeit einer folgenden Wirkung gerichtet ist. bedrohung

Seine weitere Bemerkung, dafs die Rechts-

darum auch nicht nach den

Gesetzen

der W a h r h e i t ,

sondern nach den Erfordernissen der W a h r s c h e i n l i c h k e i t beurtheilt werde, dafs es mithin dabei nicht anf die i n n e r e Beschaffenheit der Handlung selbst, sondern blofs auf die ä u f s e r e Gestalt derselben ankomme, ist von eben so hoher Bedeutung für die Feststellung der Bedingungen der Nothwehr, als jene Unterscheidung

den richtigen

Standpunkt fiir die Bestimmnng der Gränzen angiebt, an welchen eine Ueberschreitung, ein strafbarer Excefs beginnt. 2*

20 tigen Begehung von V e r b r e c h e n vor.

E r wird dabei unter-

stützt durch die sittlichen Organismen der Kirche, der Familie, der Schule, die j e d e innerhalb ihrer e i g e n t ü m l i c h e n Sphäre gegen des

das

Unsittliche ,

Verbrechens,

und

damit gegen die Möglichkeit

reagiren.

Allein

es

reicht

dies

n o c h n i c h t a u s , wenn nicht das Recht der Vertheidigung hinzutritt;

„denn die S t r a f e hat die wirkliche Erscheinung

des Unrechts in der F o r m des Verbrechens zu ihrer Voraussetzung; die polizeiliche Vorbeugung e r s t r e c k t sich nicht auf den Einzelnen und das E i n z e l n e ,

nicht auf die singu-

lären W i l l e n s a c t e der Individuen, sondern beschränkt sich auf

die

allgemeinen

und

constanten

Möglichkeiten

und

Formen ihrer B e w e g u n g " . ( 2 3 ) W e n n nun diese Vertheidigung k e i n e Verletzung d e s j e nigen, der sie veranlafst hat, hervorbringt, reine Abwehr des widerrechtlichen Angriffes bleibt, so ist fUr den Staat und sein Strafrecht keine Ursache vorhanden, davon Kenntnifs zu nehmen.

D e r A n g r e i f e r bestreitet das R e c h t des Angegriffenen

weiter nicht, w e l c h e s j e n e r in der Vertheidigung einfach g e l tend gemacht hat. „Dadurch dafs eine Handlung zum Zwecke des eigenen Schutzes eines R e c h t e s vorgenommen wird, wird

(23) W i r haben uns mit dieser Auffassung des Bechtsgrundes der Nothwehr im Wesentlichen K ö s t l i n angeschlossen ( N e u e § § 188 u. 1 8 9 , Begründung

S y s t e m $28.)

und dies in

der

seiner

gern ausgesprochen : es bleibt der eigenen Arbeit noch

geniig, deren Schwerpunkt wir in die geschichtlichen und

Revision

Aufnahme

die Analyse

und

Formnlirung

der

Momente

Nothwehr in den vier folgenden Abschnitten verlegen.

Untersuchungen des Begriffs

der

Uebrigens wird

auch selbst Гаг diese durch die Leistungen dieses Forschers, welcher im System die begrifflichen Categorien der Neuen Revision mit concretem Rechtsstoff erfüllt, und

und so sein

im Eingange der Revision gegebenes

um der dort gewonnenen Resultate willen von der Wissenschaft

freudig aeeeptirtes Versprechen

gelöst h a t ,

das Werk jedes späteren

Bearbeiters unendlich erleichtert und zugleich unendlich erschwert.

21 sie.

wenn sie sonsl

erlaubt i s t , so wenig widerrechtlich,

als eine widerrechtliche (Puchta).

damit entschuldigt werden k a n n "

E s ist wahre unerlaubte Selbsthülfe, die rich-

terliche Gewalt zu umgehen

da , wo

hat, einzuschreiten, nicht a b e r , eines ganz

unbestrittenen

dieselbe

Rechtes

nicht anzurufen.

den Fall aber, dafs aus derVerlheidigung ung

des Angreifenden

den Beruf

dieselbe zur Anerkennung eine

Für

Verletz-

hervorgehen sollte, setzt das

Recht die Bedingungen f e s t ,

unter welchen

eine

solche

Verletzung, in welcher sonst aufserlich ein E r f o l g vorliegt, welchen der S t a a t ,

als Schützer des öffentlichen Rechts-

f r i e d e n s , nicht dulden d a r f , soll.

als gerechtfertigt erscheinen

Denn so wenig der Staat die Herrschaft des Rechts

nach seiner schrankenlosen Willkühr darstellt, sondern sie nach bestimmten Grundsätzen und Gesetzen ordnet, ebenso wenig kann

der in der Nothwehr Begriffene nach Will-

kühr sein Recht erhallen und vertheidigen.

Ihn bindet wie-

der der Staat durch seine Gesetze an die Gränze, die freilich, als g e g e n zukünftiges incommensurables Unrecht gerichtet, nicht im Voraus abstract, wie die S t r a f e , b e g a n g e n e Verbrechen

als Grundlage

und

welche das

Mafsstab hat,

festgesetzt werden kann, nicht weiter in der Nothwehr zu gehen, als zum S i e g e des angegriffenen Rechts nothwendig ist.

So wird die N o t h w e h r ,

d e r mit e i n e r V e r l e t z u n g greifers

der

Rechte

Recht

des

verbundenen Selb stvertheidigung

Falle der Noth, chen

das heifst das

zu

Verhältnisse,

Strafrechte

einem

bestimmten

dessen

im

rechtli-

Bedingungen

festgestellt w erden

An-

müssen.

im Das

ist indessen gleichgültig für die Bestimmung des Begriffes der Nothwehr, ob die Verletzung in e i n f a c h e r

Abwehr

oder in einem G e g e n a n g r i f f ( w a s z . B . H e n k e , Handbuch, Band I , S. 2 1 0 betont) entstanden

sei,

wenn nur

22 überhaupt

eine

Verletzung

vorliegt.

praclisch unfruchtbare C o n t r o v e r s e , allerdings

begründete

Ebenso über

Unterscheidung

der

eigentliche

und u n e i g e n t l i c h e

Versteht

unter eigentlicher N o t h w e h r

man

teidigung

ist

die

es

eine

theoretisch

Nothvvehr

in

N o t h w e h r z u streiten. nur

die

Ver-

durch G e g e n a n g r i f f , s o ist d i e s e B e s t i m m u n g

e n g e und darum unrichtig;

fafst

man

aber die

l i c h e N o t h w e h r a l s d i e V e r t h e i d i g u n g o h n e darauf Verletzung,

zu

uneigentfolgende

s o ist d i e s e b e n e i n e z w a r b e g r i f f l i c h r i c h t i g e ,

aber für das Strafrecht n u t z l o s e E r w e i t e r u n g d e s s e n ,

was

s p r a c h l i c h u n d h i s t o r i s c h in d e m W o r t e N o t h w e h r , a l s e i n e m d e i n S t r a f r e c h t a n g e h ö r i g e n , g e l e g e n ist

(24}.

Die grofse äufserliche Mannigfaltigkeit über das W e s e n (24) Einen

der

Ansichten

und den Rechtsgrund der N o t h w e h r ( 2 5 )

eigentümlichen

Gebrauch

von

dieser

Eintbeilung,

welche auch dem p r e u f s i s c h e n L a n d r e c h t , IX.Th., 2 0 . T i t . , 9. Abschn., §§ 517 u. 518 zum Grunde liegt,

macht L u d e n .

(Davon

an anderer Stelle.) (25) Nur beiläufig wollen

wir hier der Ansichten

der

alteren

Juristen des sechszehnten, siebzehnten und achtzehnten J a h r h u n d e r t s , die indessen in dieser Frage kaum zu den ersten Anfangen juristischer Begründung, über vages allgemeines Kaisonncment hinaus, gelangt sind, erwähnen. So sagt Ol a r u s, R e с с ρ t t . s c η t en 11., lib.V, § Homicidium : Est enim indubitata juris conclusio, qnod homicidium factum ad sui defensionem пои est pumbilo, cum licitum sit unicuique vim vi repcllere. D a m h o u d e r , P r a x i s r e r . c r i m . , C a p . 7 6 : Ob defensionem quempiam occidere, j u x t a sacratissimas leges civiles pcrmitti. I, q. 28, nr. 2 sqq. : Si enim nefas e s t ,

sequitur quod fas sit, insidianti homini rcsistere, fensionem propulsare, adeoque vim vi repellere. jure civili,

sed

Carpzov,

hominem homini

insidiari,

et injuriam per deIdque поп solum de

et naturali et canonico j u r e verum est, quo delensio

nedum hominibus,

sed etiam brutis animalibus permissa.

Idque поп

solum in foro politico, sed etiam in foro poli et conscientiac verum est. Qninimo, qui mavult perire, quam adversarium propellcndo caedcm perpetrare,

vel maxime p e c c a t , поп solum contra seipsum, dum sui

ipsius dilectionem negligendo quasi seipsum necare

intendit,

sed

et

23 — und nur dieser soll hier

zunächst besprochen werden,

während die Untersuchung der Bedingungen im Zusammenhange der Darstellung des heutigen Rechts gegeben werden

wird —

läfst

zurückführen.

sich

auf z w e i

Grundrichtungen

Die eine gründet sich darauf,

einen widerrechtlichen Angriff,

gegen

welchen der Staat

nicht schützen könne, d a s u r s p r ü n g l i c h e , Staat

vorhandene

dererwache, eingetreten, habe,

vor

allem

V e r t h e i d i g u η g s r e c ht

wie-

weil sich der Mensch, da er in den Staat

nur unter der Bedingung desselben

dafs ihm der Staat

währe;

dafs gegen

den

oder dafs in einem

n o t w e n d i g e n Schutz g e -

solchen Falle der Noth gar

alles rechtliche Verhältnifs, aufgehoben sei, existenz willen,

begeben

der Staat

und um der Unmöglichkeit

selbst der

Co-

auf deren Möglichkeit der Rechtszustand

beruhe, an seiner Statt ein Verhältnifs eintrete, auf welches die Categorieen

von Recht und Unrecht nicht mehr

angewendet werden dürften. Hegel'schen des

Salze

Unrechts

adversus D e u m ,

von

ihren

contra

Die andere nimmt von dem

der

inneren

Ausgang ( 2 6 ) .

Nichtigkeit J e n e r steht die

cujus voluntatem de sua etatione,

in

quam

collocatus est, discedit; nec non adversus Rempublicam, cui se snosque labores et operas subducit ante tempus, simulque laedit publicam tranquillitatem, et proximi emendationem, dum ipsius patientia perversorum hominum improbitas et malitia ad majora scelera deinceps pcrpetranda irritatur. — neben

In

dieser Weise

sich auch wohl

argnmentiren

auch

ausdrücklich berufend

die Uebrigen,

(Exodus), wie M a t t h a e u s , D e c r i m . ad D. 4 8 , 5 , S t e p h a n i , roli V Constitt. crim.

ad art. 139,

wie L e y s e r ,

a d P a n d . I X , spec. D C .

Meditatt.

(26) W a s die N e u e r e n

betrifft,

oder

auf Cicero

so findet sich

Untersuchung des Rechtes der Nothwehr

da-

auf die heilige Schrift Ca-

pro Milone,

eine principielle

noch nicht bei K a n t ;

denn

nur beiläufig, bei Gelegenheit der Darstellung des Nothrechts, anerkennt er ein jus inculpatae tutelae,

also ein R e c h t des Schutzes gegenüber

24 Einwendung entgegen, dafs die absolute sittliche N o t w e n digkeit des Staates ein solches unter Bedingungen geschehenes Eintreten und bedingungsweise vorbehaltenes Austreten aus dem Staate schlechthin nicht zuläfst, dafs ein ursprüngliches vor allem Staate vorhandenes Vertheidigungsrecht darum nicht wiedererwachen k a n n , dasselbe vorausgesetzter

weil ein durch

vorstaatlicher Naturzustand

nicht

existirt und nur von denen hat angenommen werden können, welche die anthropologische Nothwendigkeit des Staates verkannt und

Staatsformen

den

Staat nicht zu erkennen vermocht h a b e n , dafs a b e r ,

in unentwickelten

wie

wir schon bei Gelegenheit derselben Auffassung des Nothstandes hervorgehoben, gar ein von Staat und Recht eximirter Zustand innerhalb des Staates gar nicht

gedacht

werden kann; diese geht von der rechten Grundlage aus, w e n n sie auch noch ein weiteres Moment zu Hülfe n e h men mufs, um die Vernichtung des Unrechts durch den Einzelnen im concreten Fall als nothwendig zu rechtfertigen. Zu j e n e r Auffassung bekennt sich F e u e r b a c h ( 2 7 ) , welcher durch einen rechtswidrigen Angriff das Recht der Vertheidigung für den Fall der Unmöglichkeit des Staatseinem ungerechten Angreifer d e s L e b e n s , dem man durch Beraubung des seinigen zuvorkommen dürfe, bei welchem die Anempfehlung der Mäßigung (moderamen) nicht einmal zum Recht, sondern zur Ethik gehöre. ( M e t a p h y s . A n f a n g s g r ü n d e 8. XLI.) (27) L e h r b u c h § 36- M ö r s t a d t in seiner Ansgabe F e u e r b a c b ' s macht zu §37 die sonderbare Bemerkung, dafs sich Nothstand und Nothwehr zu einander verhalten, wie Armuth und Bettel, die erstere sei ein status, der letztere aber ein actus, welcher aus jenem status entsprösse; er fügt noch das bizarre Gleichnils hinzu, Sperling und Kuckuk seien sehr verschiedenartig, wenngleich im selben Neste ausgebrütet. Mit solchen Gleichnissen ist fur die juristische Begründung eines Verhältnisses nichts gewonnen, nm so weniger, wenn sie, wie hier, entschieden gar nicht zutreffen.

25 schutzes

e n t s t e h e n , und j e d e s R e c h t d e s A n g r e i f e r s , d e s

s e n Verletzung;

nothwendige Bedingung zur Festerhaltung

der e i g e n e n Rechte d e s A n g e g r i f f e n e n ist, durch d e n A n griff a u f g e h o b e n sein l ä f s t ,

da sich auf d e n Fall d e r Un-

möglichkeit

die

d e r Staatshiilfe

g e w a l t nicht e r s t r e c k t habe.

Entäufserung

der Privat-

H e n k e ( 2 8 ) läfst das R e c h t

d e s e i g e n e n Z w a n g e s und Gerichtes Wiederaufleben. Abegg(29)

ist die N o t h w e h r die durch d e n

Nach

Nothstand

(28) H a n d b u c h I, S. 206. (29) U n t e r s u c h u n g e n S. 111 —113. L e h r b u c h § 1 0 9 . Wenn wir A h e g g an dieser Stelle auffuhren, so hat dies seinen Grund in dessen polemischer Wendung gegen H e f f t e r , dem er einwirft, dafs, wenn dieser die Nothwehr darauf gründe, dafs Dnrecbt etwas an sich Nichtiges und unter keiner Bedingung zu Duldendes sei, aus diesem an sich richtigen Satze noch nicht die Berechtigung des Angegriffenen folge, diese Nichtigkeit des Unrechts därch seine Gewalt an offenbaren, und dafs derselbe, indem er die Befugnis namentlich nicht durch den Nothstand rechtfertige, consequent jede Eigenmacht zulassen müsse; aus jener richtigen Bezeichnung des Unrechts gehe vielmehr nur hervor, dafs es im Wege Rechtens und durch den Staat und dessen Hülfe aufgehoben werden müsse, und es könne die In dem Nothstande liegende Berechtigung als nothwendiger Grund und Torauesetzung nicht geleugnet werden. H e f f t e r ist übrigens dnrch die Bemerkung in Note 1 zu § 41, dafs dem Staate die Vernichtang des Unrechts überlassen werden müsse, wenn dieser einschreiten könne, gegen A b e g g ' s Einwurf geschützt, welchem hinwieder E ö s t l i n , R e v i s i o n 8. 711 den Vorwurf macht, dafs darin, dafs ihm hier die Person als Quelle des Rechts, nicht als blofser Träger gelte, ein Widerspruch mit derii Grundgedanken des Systems, dem er sonst huldige, zu Tage liege. — Indem A b e g g im Falle der Noth das Recht des Schutzes vom Staat auf das Individuum, und damit das individuelle Recht des widerrechtlich Bedrohten in das allgemeine h ö h e r e des Staates übergehen, und darum d i e n o t h w e n d i g e U n t e r o r d n u n g d e r a n d e r e n S p h ä r e a l s e i n e r u n b e r e c h t i g t e n , welche Strafe verwirkt habe, und welcher, obschon die Handlung des Einzelnen gegen ihn nicht Strafe im juristischen Sinn genannt werden könne, doch nur Gerechtigkeit widerfahre, eintreten läfst, löst er die vermeintliche Collision (denn es steht

26 g e r e c h t f e r t i g t e Eigenmacht gegen

den

Urheber

und g e w a l t s a m e

des Coilisionsfalles;

Verteidigung

das Recht

liegt

ihm in d e r N o t h . w e l c h e einen Kampf f ü r das W o h l und die Existenz h e r b e i f ü h r t , w o d u r c h der S c h u t z , den d e r Staat leistet, hier a b e r nicht g e w ä h r e n k a n n ,

sonst

als Be-

r e c h t i g u n g auf den A n g e g r i f f e n e n , kraft seines u r s p r ü n g l i chen V e r t h e i d i g u n g s r e c h t e s , ü b e r g e h t . Nach G r o l m a n ( 3 0 ) ist hier f ü r den Menschen d e r Staat vorhanden.

praktisch

nicht

mehr

G r a t t e п а и e r ( 3 1 ) w i e d e r h o l t nur seine zur

Beurtheilung d e s N o t h s t a n d e s g e m a c h t e n A u s f ü h r u n g e n mit g e r i n g e n Modificationen Nothwehr. ten

Z ö p f l (32)

Tödtung,

Form

zur B e g r ü n d u n g

nach

gesetzwidrige

welche

die G e s e t z g e b u n g entschuldige,

(nach F i c h t e )

der

sieht in d e r in N o t h w e h r v e r ü b -

Verwundung

standes

des Rechts

oder Mifshandlung eine

Handlung,

eine

in B e r ü c k s i c h t i g u n g

ignorire.

der

Missethat, des N o t h -

Dieser Nothstand ist ihm

die absolute Negation alles R e c h t s z u s l a n -

des ; darum k ö n n e die Handlung nicht U n r e c h t sein , weil, w o das R e c h t als Prädicat e i n e s Z u s t a n d e s zu denken nicht möglich

sei,

auch

seine Negation

nicht gedacht

werden

k ö n n e , aber auch als ein R e c h t , als eine B e f u g n i f s , w e l c h e r die Verbindlichkeit des A n d e r e n e n t s p r e c h e , sich die A u s ü b u n g d e r s e l b e n gefallen zu lassen, k ö n n e sie von d e r

ja das Recht gegen das Unrecht) in derselben Weise,

wie im Falle

des Nothrechtes. (30) G r u n d s ä t z e § 24. Ueber

Injurien,

Dieselbe Auffassung hat die Schrift:

Hausrecht,

preufsischem Recht. (Berlin 1827.) die Theorie

Nothwehr S. 107.

und

Duelle

Auch G r ä v e l l ,

der I n j u r i e n , d e r S c h m ä h s c h r i f t e n

nach Ueber

u n d der

N o t h w e h r , im N e u e n A r c h i v , III, S. 280 ff. (31) U e b e r d i e N o t h w e h r , S. 58 u. 59. (32) B e i t r ä g e

zur R e v i s i o n

der L e h r e

w e h r , im A r c h i v, N e u e F o l g e , 1843, S. 42 ff.

von der

Noth-

27 Gesetzgebung, deren ganze und einzige Tendenz die N o r mirung des regelmäfsigen socialen Zustandes s e i , um

der

im Nothstande liegenden Abnormität willen nicht

erklärt

werden.

Bürger

Wie schlimm

es

für

den ehrenhaften

wäre, bemerkt K ö s t l i n , wenn der Schlufs, dafs das Handeln im Nothstande nicht als Recht, sondern nur als Ausnahme vom Recht prädicirt werden

dürfe , je legislative

Anerkennung erhalten sollte, wollen wir uneiörtert lassen, weil derselbe zum

Glücke ebenso

als seine Consequenz unpraktisch

theoretisch

ist.

unrichtig,

Es ist aber dieser

Auflassung, welche auch an dem inneren Widerspruche leidet, dafs Z ö p f l die Handlung im Nothstande, indem er sie nicht f ü r Unrecht e r k l ä r t ,

was sie nur unter Voraus-

setzung des Bestehens des Rechtszustandes w ä r e ,

damit

selbst,als Recht setzt, weil es zwischen Recht und Unrecht kein Mittelding giebt, um so entschiedener entgegenzutreten,

als dieselbe,

so sehr

sie

auch

dem

innersten

Wesen der germanischen Rechtsanschauung vom Vertheidigungsrechte widerspricht, in dasselbe hineininterpretirt, und zugleich als die acht historische und nationale sogar dem Rechtsbewufstsein

der Gegenwart zur Aufnahme in

die neuen Strafgesetzgebungen empfohlen worden ist ( 3 3 ) .

(33) Wir könnten als Vertreter dieser Richtung noch viele andere Schriftsteller aufführen. Wir begnügen uns indessen hinzuweisen auf S m e t , D i s s e r t a t i o d e l e g i t i m a s u i d e f e n s i o n e (Lovanii 1824), besonders pag. 14 u. 15 : Injusto aggressu jus qualecumque in adgressore tolli, cujus sublatio necessaria conditio est, sine qua jus attentatum non possit conservari. Van d e r M a e s e n , D i s s e r t a t i o d e j u s t a s u i d e f e n s i o n e c u m c a e d e a g g r e s β ori s i n j u s t i . (Trajecti ad Rheiium 1807) pag. 4 : In periculo imminenti reviviscunt jura, quae in statu primaevo singulis competebant. Die breiten verstandesmäfsigen Reflexionen desselben vom natarrechtlichen Standpunkt, zu deren Begründung die Alten, namentlich Cicero, Quinctilian und Seneca, das mosaische Recht, das canonische und römische, Puffendorf,

28 Dagegen

spricht H e f f t e r ( 3 4 )

die N o l h w e h r nichl e l w a oder g a r nur durch die nifs sei, s o n d e r n

äufserste Noth begründete

und

dafs d i e s e

unter

dafs

Nothstand,

dafs s i e darauf b e r u h e , dafs das

e t w a s an s i c h N i c h t i g e s Duldendes s e i ,

e s g e r a d e z u aus,

eine blofs durch den

BefugUnrecht

keiner Bedingung

Vernichtung

auch

dem

Indivi-

duum z u s t e h e , w e n n g l e i c h die B e f u g n i f s dazu allerdings Staat ü b e r l a s s e n w e r d e n m ü s s e , könne (35).

dieser

Noch weiter gehen E i n i g e ,

und M i c h e l e t ( 3 6 ) ,

Leyeer und

wenn

zu

dem

einschreiten

wie

R i c h t e r

w e n n sie aus der absoluten V e r n u n f t -

Hugo Grotius

vor Allen

angerufen

untergeordneter wissenschaftlicher Bedentung.

werden,

sind

Die Ansicht,

von

dafs die

Staatsbürger anf ihr natürliches Vertheidigungsrecht durch Anerkennung des Staatszwangs nur insoweit verzichten,

als der Staat wirklich ihre

Rechte schützen kann , dafs dagegen dasselbe in jeder Lage fortlebt oder wiedererwacht, wo der Staat die Angriffe und Verletzungen nicht vollständig zurückweisen k a n n , spricht auch aus W e l c k e r im C o m m i s s i o n s b e r i c h t der z w e i t e n badischen Kammer (Thilo, Die

S t r a f g es e t z g e b η n g

I . Abtheilung.

d e s G r o f s h e rz o g t h u m s

S. 120) und L e o n h a r d t ,

Commentar

Baden.

Uber

Crimi nal geset ζ buch für das Königreich Hannover.

das I. Bd.

S. 335. (34) L e h r b u c h

§ 41, Anm. 1.

Dieselbe

Ansicht

bei

Herr-

m a n n , B e u r t h e i l u n g S. 143 u. 144. (35) W i r haben schon oben Note 29 H e f f t e r ' s erwähnen müssen; der ihm von A b e g g gemachte Vorwurf wird ihm auch von L u d e n , Abhandlungen,

II. B d . ,

S. 480, Note 2 zu Theil.

Köstlin,

N e u e R e v i s i o n S. 711 hat ihn dagegen vertheidigt. . (36) R i c h t e r , Michelet,

Philosophisches

System

der

Diese schon von C a r p z o v die M o t i v e genommen.

zum

Strafrecht,

philosophischen

Moral,

S. 135 ff. S. 61 ff.

ausgesprochene Auffassung haben

Baierischen

Entwurf

auch

von 1854, S. 257 auf-

B e r n e r , A r c h i v S . 5 5 7 wendet dagegen ein, Nothwehr

sei nicht nothwendig, sondern nur erlaubt,

sie

Bürgers, sondern nur ein Recht desselben.

Könne man ein G u t sitt-

licherweise verschenken, so

sei keine Pflicht des

könne m a n sich dasselbe auch sittlicher-

29 Widrigkeit des Angriffs den Schlufs ziehen, dafs die Nothwehr nicht nur kein Verbrechen, sondern vielmehr P f l i c h t des Bürgers sei. Während В e r η e r ( 3 7 ) sich auf der einen Seite gegen diese Erweiterung des Rechtes der Nothwehr zu einer Pflicht erklärt, so versucht er dagegen dasselbe in anderer Richtung auszudehnen, wenn er sagt, dafs es nicht befriedigen könne, dafs nur zum Schutze des Privatrechtes ein Nothrecht existire, dafs vielmehr auch ζ. B. eine Bürgerschaft, die gegen eine hochverrätherisch hereinbrechende Horde zum Schutze des Staates die Waffen ergreife, nicht strafbar sein könne ? „Warum wollte man irgend Jemand strafen, der irgend ein Recht, für sich oder Andere, im Falle der Noth zu schützen den Muth hat?" Und weiter : „Ich behaupte deshalb, dafs die Rechtsvertheidigung ganz allgemein, also auch zum Schutze der Familienrechte, auch zum Schutze der politischen Rechte statthaft sei. Denjenigen, der ehebrecherische Versuche gegen die Frau eines Anderen macht, darf dieser Andere, seine ehelichen Rechte vertheidigend, zurücktreiben; ein Volk, dem die Regierung seine Verfassung verletzen will, hat kraft des Rechtsgrundes der Nothwehr ein Revolutionsrecht, ein Recht des Widerstandes, das nicht als blofser Gegenstand der Politik bezeichnet und von dem Strafrecbt ausgeschieden werden darf, sondern vom Strafrichter als Strafaufhebungsgrund anerkannt werden mufs."

weise nehmen lassen; man habe nur das R e c h t , es sich nicht nehmen zu lassen. Es könne allerdings anter Umständen Pflicht werden, von diesem Rechte Gebranch zu machen; aber es würde wohl kein Vernünftiger blofs um das Vernunftwidrige zu vernichten, das in dem Angriff des Nötbigers liege, wegen eines angegriffenen Eigenthumsobjectes sein Leben in die Schanze schlagen, es dem Meutermesser eines räuberischen Banditen blolsstellen. (37) A r c h i v S. 551, 562, 563.

30 Indem wir hiermit

die h e r v o r r a g e n d e n Ansichten

den Rechtsgrund der Nothwehr

hervorgehoben

zu

über haben

glauben, so f ü g e n wir um der f o r m e l l e n Vollständigkeit willen noch hinzu, dafs man die N o t h w e h r auch w o h l unter d i e G r ü n d e der

aufgehobenen

Sie

wird

dann

Zurechnung

insbesondere

Zwang zusammengebracht. nach w e l c h e n

mit

gestellt hat

dem

psychologischen

D u r c h die f r ü h e r e n A u s f ü h r u n g e n ,

die N o t h w e h r

sich

als

ein Recht

während die unter dem Einflufs einer D r o h u n g m e n e Handlung

immer

eine verbrecherische,

w e n i g e r oder gar nicht strafbare, bleibt,

(38)

Jarefee,

Strafrechts

(38).

Handbuch

Bd. 1, S. 144

ff.

des Das

S t r a f g e s e t z b u c h von 18S2, I, 1, § 2 g

vorgenomwenn

auch

ist u n s d i e

aus-

gemeinen Neue

darstellt,

deutschen

О e s t er r e i c h i sc h e

stellt auch die Nothwehr

mit dem

unwiderstehlichen Zwange zusammen.

mentar

z u m O e s t e r r e i c h i s c h e n S t r a f g e s e t z , I. Theil, S. 199

behauptet, dafs die Nothwehr

Wenn H y e ,

Com·

insofern mit dem Nothstande und psy-

chologischen Zwange zusammenfalle, als sie allerdings eine Unterart desselben sei, indem auch der in Nothwehr Handelnde in Beziehung auf das zu schützende Recht

sich

in einer Nothlage befinde und in

derselben es vorziehen werde, j a nach den Gesetzen des menschlichen Begehrungsvermögens von seinem Gefühle

dahin gedriingt weide,

es

vorzuziehen, lieber dem rechtswidrigen Angreifer ein Uebel zuzufügen, als selbst an sich ein Unrecht zu leiden; so hebt er doch zugleich den wesentlichen

Unterschied

rechtswidrigen

hervor ,

dafs die Nothwehr

durch

einen

Angriff desjenigen hervorgerufen werde, der durch die

Nothwehr des sich Vertheidigcndcn wieder verletzt werde, was bei dem Nothstand nicht der Fall sei, und dafs daher die Zurechnung des von dem rechtswidrig Angegriffenen dem Angreifer zugefügten Uebels nicht blofs darum, weil er wie beim Nothstande

in einer unwiderstehlichen

phychologi6chen Zwangslage handle, sondern vor Allem deshalb wegfalle, weil dasselbe schon an sich k e i n U n r e c h t mehr sei. Erst ganz jüngst

setzt T e m m e , L e h r b u c h

des S c h w e i z e r i s c h e n

Straf-

r e c h t s , § 49. D r o h u n g , N o t h w e h r und N o t h s t a n d wieder als die drei Arten

psychischer

Gewalt,

wodurch die Zurechnung aufgehoben werde.

eines sittlichen Zwanges,

31 fuhrliche

Widerlegung

schiedenartiger fassung

dieser auf der Vermischung

rechtlicher Verhältnisse beruhenden

verAuf-

erspart.

Wenn wir hier und Nothwehr, gedenken,

wie

neben Nothrecht, Nothsland

des Rechtes

so geschieht

zur Nothwehr solche,

endlich,

noch

dies

nur,

hervorzuheben. in Beziehung

der

Selbstrache

um seinen Gegensatz

Wo

die

Gesetze

auf den Dieb,

cher, den Entführer, a n e r k e n n e n ,

eine

den Ehebre-

da stellt dies eine po-

sitive Singularität dar, ein Symptom einer noch nicht durchgebildeten öffentlichen Rechtsordnung, oder eine Ausnahme von den ordentlichen Grundsätzen des Rechtes, die darum auch principiell nicht zu begründen, sondern nur in ihrer Positivität

anzuerkennen

ist.

Die rechtlichen

von der Nothwehr sind geschichtlich, Staats- und Recbtsentwicklung,

Grundsätze

im Fortschritte der

an die Stelle von Selbst-

hülfe und Selbstrache getreten. Auch von unseren geschichtlichen Untersuchungen bleibt diese Selbstrache,

wie auch

Nothrecht und Nothstand, insoweit ausgeschlossen, als dieselben nicht zum Verständnifs des geschichtlichen Entwicklungsprozesses der Nothwehr,

wie ζ. B. im ältesten g e r -

manischen Recht, hervorgehoben werden müssen.

Zweiter Abschnitt.

Das Recht der Selbstverteidigung

nach

den

Grundsätzen des römischen Rechts. Die Grundsätze des

römischen

Doctrin zur Herstellung einer Theorie sucht,

Rechts,

welche die

der Nothwehr auf-

liegen zerstreut in den verschiedenen Theilen der

32 Justinianeischen Rechtsbücher.

Nur beiläufig, bei Gelegen-

heit der Erörterung anderer Materien, wie der l e x A q u i l i a oder der l e x C o r n e l i a d e ciis,

sicariis

et

venefi-

wird des Rechtes der Selbstverteidigung gedacht :

eine formal vollständige Auseinanderlegung des Begriffes der Nothwehr, als eines technischen, eine Behandlung d e r s e l b e n , als eines specifischen, in sich

abgeschlossenen

Rechtsverhältnisses, welches dem Strafrechte angehört, findet sich daselbst nicht.

Der liefere Grund dieser Erschei-

nung ist in dem Innersten Rechtes aufzusuchen,

des

welchem

römischen

Wesens

und

es widerstrebte, ein so

natürliches Recht, wie dasjenige, sich gegen widerrechtliche Angriffe im Falle der Noth zu vertheidigen, nachdem dasselbe nur überhaupt prineipiell in der Gesetzgebung a n erkannt w o r d e n , durch ausführliche Bestimmungen zu e r läutern oder

durch

verkünslelte Beschränkungen

lich wieder aufzulösen.

inner-

Es wird das einfache Princip ver-

trauensvoll der freien Bewegung des Lebens dahingegeben, in der Ueberzeugung,

dafs sich die Ansprüche desselben

nicht in einer Zersplitterung

in eine fruchtlose und nie-

mals erschöpfende Casuistik, sondern einzig in dem freien Walten des richterlichen Ermessens zu befriedigen vermögen.

Ja es bedurfte kaum der ausdrücklichen Anerkennung

des Rechtes der S e l b s t v e r t e i d i g u n g im Falle der Nolh bei einem Volke, w e l c h e s , nach den Worten I h e r i n g s in seinem Rechte seinen Ausgangspunkt

genommen

(1), hat

von der Idee, dafs das Individuum den Grund seines Rechtes in sich selber, in seinein Rechtsgefühl und seiner Thatkraft trage, und für die Verwirklichung desselben auf sich selbst und seine Thatkraft angewiesen s e i , bei dem noch

(1) I h e r i n g , G e i s t d e s r ö m i s c h e n R e c h t s schiedenen

Stufen

auf den

ver-

s e i n e r E n t w i c k l u n g , I . T h . , S. 79, 102 ff.

33 Jahrhunderte hindurch im geltenden Recht die Idee vibrirte, dafs diese persönliche Thatkraft die Quelle des Rechtes sei, bei welchem, ehe die Gemeinschaft Organe für die Verwirklichung des Rechtes aus sich hervorgelrieben hatte, diese nicht durch den Staat und seine Behörden, sondern durch die unmittelbare Macht des Lebens erfolgte, bei welchem endlich trotz allem diesem der Zufall nicht statt des Rechtes herrschte oder die physische Kraft den Ausschlag gab, sondern Jeder, der um erlittenes Unrecht zur Selbsthülfe schreiten wollte, bei der Gemeinschaft dieselbe Reaction des Rechtsgefühls wider das Unrecht und thätige reelle Hülfe hervorrief. So ist denn die Darstellung der Grundsätze des römischen Rechtes eine einfache und leichte, wenn dieselbe nur der Ansichten der modernen Doctrin und dessen, was dieselbe in das römische Recht hinein- oder aus demselben hinausinterpretirt hat, vergessen und sich darauf beschränken kann, die einfachen Rechtssätze desselben zu reproduciren. Aus dieser Darstellung wird sich aber gleichwohl das Resultat herausstellen, dafs diese wenigen Sätze für das Bedürfnis des Lebens völlig ausreichen, weil die Ausgiebigkeit eines Rechtes für das Leben nicht an dessen Reichthum an theoretischen Formeln gemessen wird (2). (2) Z ö p f l , A r c h i v , 1842, S. 124 ff. hebt seinen dem römischen Rechte gemachten Vorwarf, daft dasselbe die Nothwehr durchgehende nur beiläufig, in einzelnen abgerissenen and nichts weniger als nur einigermafsen erschöpfenden Sätzen casuistischen Inhalts, als einseitigen Ansfinfs und Conseqaenz einer anderen Lehre топ allgemeinerer Bedeutung darstelle, durch die Bemerkung wieder auf, dafs in der Beziehung der Lehre auf e i n

h ö h e r e s F r i n c i p die genügende Auf-

klärung für »diese anscheinende Sonderbarkeit« gegeben wäre. Jenem anderen Vorwurf, dafs das Princip, welches das römische Recht in dieser Materie voranstelle — die Identification des Begriffes der Nothwehr und der Sclbstvertheidignng — an sich maafslos, and eben daL e v i t a , Nüthwelir.

3

34 Das Grundprincip des römischen Rechtes, welches bedeutungsvoll in den Eingang der Digesten gestellt ist, wird dahin ausgesprochen, d a f s e s ein n a t ü r l i c h e s

Recht

d e s M e n s c h e n i s t , im F a l l e d e r N o t h s i c h g e g e n widerrechtliche

Angriffe

zu

ν e r t h e i d i g en,

dafs da, wo die Hülfe des Staates nicht gegenwärtig, der Einzelne sich selbst schützen

darf,

dafs diese Abwehr

des Unrechts kein Unrecht ist, wenn sie sich innerhalb der Schranken und des Maafses hält, welche ihr nach der Individualität des Angegriffenen durch den drohenden Angriff gesetzt sind.

In fr. 3 D. De just, et jur. ( 1 , 1 ) heifst

es : ( J u r i s g e n t i u m e s t ) , ut vim a t q u e i n j u r i a m propulsemus.

Nam jure hoc evenit, ut quod quisque

ob tutelam corporis sui fecerit, jure fecisse exislimetur, et cum inter nos cognationem quandam natura constituit, consequens est hominem homini insidiari nefas esse;

in fr. 1,

§ 27 D. De vi et vi armata ( 4 3 , 1 6 ) : Vim vi repellere liccre, Cassius scribit; idque jus n a t u r a comparator; und in const. 1 С. Unde vi ( 8 , 4 ) : Recte possidenti

(vgl.

unten S. 4 7 ) ad defendendam possessionem, quam sine vitio

tenebat,

inculpatae

tutelae

illatam vim propulsare licet.

moderatione

Dieses Recht der Selbstver-

teidigung ist nicht ein dem römischen Rechte eigenthümliches, sondern gehört dem jus gentium an,

weil es auf

durch, sowie durch den Mangel vermittelnder Grundsätze zwischen dem Princip höchst

und der Beweisfrage unbestimmt

nnd

im

unsicher

concreten F a l l e ,

die ganze Lehre

in ihrer Behandlung sei, und dafs

sich gar in den sparsamen Stellen desselben ein merkliches Schwanken offenbare, begegnen wir am Besten durch die Darstellung eben dieser geschmähten Grandsätze. Zöpfl's

Vielleicht

gelingt

durch den Nachweis die Spitze

es uns,

abzubrechen,

ihm als trefflich und erschöpfend prädicirte,

den Vorwürfen dafs das von

obwohl im Princip nicht

verstandene, germanische Recht im Wesentlichen a n f denselben Grundlagen, wie das römische, raht.

35 einer allgemein menschlichen Grundlage ruht, die C i c e r o in der Rede pro Milone cap. 4 mit den Worten gezeichnet hat : Est igitur haec, judices, non scripta, sed nata lex, quam non didicimus, accepimus, legimus, verum ex natura ipsa arripuimus, hausimus, expressimus, ad quam non docti, sed facti, non instituti, sed imbuti sumus : u t , si vita nostra in aliquas insidias, si in vim, si in tela aut latronum, aut inimicorum incidisset, omnis honesta ratio esset expediendae salutis. Silent enim leges inter arma, пес se exspectari jubent, cum ei qui exspectare velit, ante injusta poena luenda sit, quam justa repetenda ( 3 ) . Auf die Hinweisung auf diese Sätze könnte sich die Darstellung der römischen Auffassung der Selbstverteidigung füglich beschränken. Denn alle anderen Stellen, so zahlreich dieselben auch s i n d , dienen nur dazu, das in denselben ausgesprochene einfache, bestimmte und wahre Princip nach seinem vollen rechtlichen Gehalte klar zu stellen ( 4 ) . So liegt schon in ihnen ausgesprochen, dafs der Angriff ein w i d e r r e c h t l i c h e r sein müsse. Die Selbstvert e i d i g u n g im Falle der Noth und n u r i n d i e s e m (denn non est singulis concedendum, quod per magistratus publice possit fieri, fr. 176 D. De div. reg. jur. (50, 1 7 ) findet Statt gegen dasjenige, was die Römer i n j u r i a nennen, und zwar in dem weitesten Umfange dieses Begriffes. Injuria ist aber jede dolose Störung der Person in der (3) Bis zu welchem Punkte sie die Anwendung ihres Frincips durchführen, zeigt fr. 1, § 11 D. Si quadrupes pauperiem fecisse dicatur (9, 1) Quam arietes vel boves comisissent et alter alteram occidit, Quintus Mucius distinxit, ut s i q u i d e m is p e r i i s s e t , q u i a g g r e s sus e r a t , cessaret actio. (4) K o f s h i r t , E n t w i c k l u n g

der G r u n d s ä t z e

r e c h t s , § 33.

3*

des S t r a f -

36 ungehinderten Bewegung in ihrem vom Staate anerkannten Rechtskreise, wenn

nur

das Wesen

des Verbrechens in

der Richtung gegen die Person, nicht gerade in der Richtung gegen das Vermögen liegt ( 5 ) . Selbstvertheidigungsrecht

Dadurch erhält das

die breiteste

Grundlage.

Denn

gleich wie durch die Aufnahme der injuria als eines subsidiären Verbrechens im Strafrecht, welches sonst neben den verhältnifsmäfsig wenigen leges judiciorum publicorum vielfache Lücken Handlung,

gehabt h ä t t e ,

ihre

beinahe keine rechtswidrige

allgemeine Qualification

zur

strafrechtli-

chen Behandlung vorausgesetzt, von der criminellen Ahndung ausgeschlossen

ist,

so wird

durch die Anwendung

derselben auf das Recht der V e r t e i d i g u n g rechtswidrige

auch

AngrifT der Persönlichkeit

der Vertheidigung unterworfen.

jeder

dem Rechte

Es ist darum sicher eine

dem römischen Rechtsbewufstsein widerstrebende Auffassung, das Recht der Selbstvertheidigung auf g e w a l t s a m e Angriffe zu beschränken ( 6 } , selbst w e n n man auch unter „Gewalt" hier nicht blofs dasjenige v e r s t e h t , was die Römer technisch vis n e n n e n , also die Fälle der Lex Plautia, und diejenigen , welche die spätere Lex Julia als vis publica und vis privata bezeichnet, chen Angriffe, gegen

welche,

nicht hervorgehoben w a r e n ,

sondern

auch die thätli-

da sie in der Lex Plautia

die Lex Cornelia ihre Straf-

drohungen richtete (nach fr. 5 pr. D. De injur. (47, 10)

(5) K ö s t l i n , D i e E h r v e r l e t z u n g n a c h d e u t s c h e m R e c h t e , in

der

Bein,

Zeitschrift Das

für

deutsches

Criminalrecht

auf J u s t i n i а п и в .

der

Recht,

Römer

von

XV, 8. 155 ff. Romulus

(6) So glaubt R e i n , S. 142 u. 143; auch B a n g , D e mine inculpatae tutelae praemissis

bis

S. 355.

principiis

s i o n i s (Hauniae 1819).

ex

juris

legibus

patriis

universalis

Ueber L a d e n

modera-

romanisque,

de j u r e

unten Ausfuhrliches.

defen-

37 ex tribus causis dedit actionem, quod quis pulsatus verberatusve domusve

ejus

vi intro'ita sit).

Wenn

auch

die

meisten Stellen, welche von dem Rechte der Selbstvertheidigung handeln , von gewaltsamen Angriffen reden C» v > m vi repellere, arma armis r e p e l l e r e , illatam vim propulsare, defensor propriae salutis, dubium vitae discrimen, possessio vi erepta, ferro se petentem occidere e t c . " ) , so geschieht dies nur

darum,

weil in dem Falle eines

gewaltsamen

Angriffs durch den Angegriffenen eine Verletzung des A n greifers erfolgen konnte,

deren Rechtmäfsigkeit

man um

ihrer Schwere willen besonders betonen zu müssen glaubte. Dagegen ist daraus nicht zu schliefsen, auch wenn nicht einzelne Stellen bestimmt das Gegentheil s a g t e n ,

ζ. B. fr. 3

cit. : vim a t q u e injuriam, dafs die römischen Juristen ein R e c h t ,

welches

sie durch seine Begründung auf die

naturalis ratio nach allen in denselben begrifflich liegenden Momenten anerkannt hatten, nun hinterher

durch irgend

welche Ausscheidung hatten beschränken wollen.

Es ist

aber vollends unstatthaft, weil die Gesetze schweigen, die nicht thätlichen, also w ö r t l i c h e n

und

symbolischen

A n g r i f f e d e r E h r e von dem Rechte der S e l b s t v e r t e i digung auszunehmen, wenn man bedenkt, wie der römische Ehrbegriff im Gegensatz

des germanischen

sich mit der

äufseren Erscheinung der vollen persönlichen Rechtsfähigkeit (dem dignitatis illaesae status) i d e n t i f i c i r t , und sich, wie die römische existimatio, zu einer Art von staatsbürgerlicher Eigenschaft der Person objectivirt ( K ö s t l i n ) . Wenn

die Römer

aber auch keine Art von Angriff

gegen die Person — auch nicht gegen den Besitz und das Vermögen,

wie unten gezeigt wird — der Berechtigung

zur Vertheidigung dagegen entziehen, so premiren sie um so bestimmter dies Moment der W i d e r r e c h t l i c h k e i t

des

Angriffs, wie denn gerade dies in dem Ausdrucke „injuria"

38 enthalten ist. Darum giebt es kein Recht der Vertheidigung gegen Angriffe, welche von einem magistratus kraft und innerhalb seiner Amtsgewalt ausgehen : Sed vim accipimus atrocem,

et earn quae contra bonas mores fiat, non earn

quam magistratus intulit, scilicet jure licito et j u r e honoris, quem sustinet f f r . 3, §. 1 D. Quod met. с. gest. erit (4, 2).

Non potest dolo carere, qui imperio magistratus non

paruit ( f r . 199 D. De div. reg. jur. ( 5 0 , 1 7 ) .

E s wird aber

dabei ausdrücklich vorausgesetzt, dafs der magistratus nicht wider das Gesetz gehandelt habe.

Die G e s e t z e ,

die dies

bestimmt aussprechen — und es sind dieselben

zumeist

kaiserliche Constitutionen ( 7 ) — hätten es kaum hervorzuheben

nöthig gehabt, weil sich der Widerstand

gegen

rechtswidrige Acte der Obrigkeit bei dem lebendigen Freiheitsgefühl der Römer ebensowohl von selbst verstand, als die Unterordnung unter den rechtmäfsigen Befehl derselben bei ihrem Sinne für Disciplin und Unterordnung und bei der gern gewährten Machtfülle der römischen Magistratur. Die Römer geben

das Recht der Selbstvertheidigung

gegen die aus einem widerrechtlichen Angriffe drohende Gefahr

des Verlustes eines Rechtes : nam

adversus

p e r i c u l u m naturalis ratio permittit se defendere (fr. 48. D. (9, 2).

Eine Gefahr, die zur gewaltsamen Abwehr berech-

tigt, droht, auch wenn der Angreifer noch nicht vom Willen zur That übergegangen, also wenn der Angriff nur erst b e v o r s t e h t : Si latrocinantem peremisti, dubium non est,

(7) Const. 5 С. De jure fisci (10, 1 ) ; (10, 30); Const. 5 С. De

Const. 4 С De discassor.

executor, et exactor. ( 1 2 , 6 1 ) ; Const. 5 С.

De metat. et epidemet. ( 1 2 , 4 1 ) ; NOT. 124, Cap. 3, Stellen, in welchen ausdrücklich ein Recht des Widerstandes anerkannt ist. ( Z a c h a r i ä , Ueber

die

öffentliche S. 363 ff.

Strafbarkeit Beamte,

im

der

Widersetzlichkeit

Archiv,

gegen

Neue F o l g e , 1843,

bes.

39 eum, qui inferendae caedis v o l u n t a t e praecesserat, jure caesum videri ( c . 4 C. Ad leg. Corn, de sic. ( 9 , 1 6 ) .

Sie

kann auch drohen, selbst wenn der Angriff s c h o n

been-

d i g t ist;

gegen

darum wird das Recht der Verteidigung

den Dieb g e g e b e n , der seinen Angriff auf das Eigenthum schon vollendet h a t , wenn nur die Gefahr des Verlustes, etwa durch Tödlung des Fliehenden, noch abgewendet w e r den

kann

occiderit, periculo

: fr. 9 D. ( 4 8 , 8 ) Furem ita demum impune f e r e t ,

nocturnum

si

quis

si parcere ei

sine

s u o ( s c . p e r s o n a e e t r e i ) non potuit.

Die

Abwehr der Gefahr mufs aber s o f o r t § 9 D. De vi et vi arm. ( 4 3 , 1 6 )

geschehen : fr. 3,

Eum igitur, qui cum

armisvenit, possumus armis repellere, sed hoc с о η f e s t im, n o n e x i n t e r v a H o , dummodo sciamus, non solum resistere permissum, ne dejiciatur, sed etsi dejectus quis fuerit, eundem dejicere non ex intervallo, sed ex continenti; und in fr. 17 h. t. Qui possessionem vi ereptam

vi i n

ipso

c o n g r e s s u recuperet, in pristinam causam reverti potius quam vi possidere intelligitur.

Ideoque si te dejecero, illico

tu me, deinde ego te : Unde vi interdictum tibi utile erit. Mit dieser einfachen Fassung, dafs das Recht der Vertheidigung gegen eine Gefahr — adversus periculum — g e g e ben wird, eine Fassung,

welche,

wie sich noch ergeben

wird , bedeutsamer i s t , als sie scheint,

werden die Con-

trovcrsen der neueren Doctrin, welche sich an die Bestimmung

des Angriffs

als eines

angefangenen

oder

noch

nicht beendigten oder gar eines versuchten Verbrechens für die Nothwehr zum Schutze des Eigenlhums und der Ehre knüpfen, vermieden, Controversen, welche überhaupt nur dadurch erzeugt werden konnten, dafs man den rein factischen Begriff einer Gefahr fallen liefs und den Angriff juristisch als ein Verbrechen fafste.

Von dieser Verrückung

des natürlichen Gesichtspunktes durch das Hereinziehen der

40 Categorien des vollendeten und

versuchten

zur Bestimmung des Angriffs wird ausführlich gehandelt werden. solche

Die

Abschnitt

Römer also

der Natur der S e l b s t v e r t e i d i g u n g

Schranken a b , und gestatten

Verbrechens

im letzten

weisen

widerstrebende

einfach das Recht, sich im

Falle einer dringenden Gefahr zu vertheidigen,

indem sie

sagen : M e l i u s

tempore,

quam

post

enim

exitum

est

occurrcre

vindicare

in

(const. 1 С. Ouando

liceat unicuique sine judice. ( 3 , 2 7 ) , oder : Liceat cuilibet aggressorum nocturnum in agris, vel obsidenlem vias atque insidiantem praetereuntibus, impune occidere, etiamsi miles sit:melius namque quam

injuria

est his o c c u r r e r e

accepta

vindictam

et

mederi,

perquirere

(const. 4 C. Ad leg. Corn, de sic. (9,- 16). Aufser

diesen Momenten der Widerrechtlichkeit

des

Angriffs, des unmittelbaren Bevorstehens der Gefahr aus demselben, keine

der unverzüglichen Abwehr derselben,

weitere

wird

Voraussetzung desselben im römischen

Rechte hervorgehoben.

Die Bedingungen, dafs der Angriff

ein unverschuldeter, oder ein subjectiv verbrecherischer sein müsse, B e d i n g u n g e n , Doctrin b a l d ,

welche von der gemeinrechtlichen

aber in verschiedenem Sinne und mit v e r -

schiedenen Wirkungen, gefordert, bald ausgeschlossen w e r den, erwähnt das römische Recht nicht, und zwar mit vollem Rechte (siehe den letzten Abschnitt). Ebensowenig ist es im Geiste des römischen Rechts, welches überall die höchste Anerkennung der Persönlichkeit ausspricht, w e n n für die Ausübung dieses Rechtes vorausgesetzt w i r d ,

dafs die Dringlichkeit der Gefahr

andere

M i t t e l , aufser der gewaltsamen Selbstvertheidigung, nicht zuliefs.

Wenn fr. 45, §. 4 D. ( 9 , 2) sagt : Qui cum a li-

t e r tueri se non p o s s u n t , damni culpam d e d e r i n t , innoxii sunt : vim enim vi defendere omnes leges omniaque

jura

41 permittunt; und § 2 J. De leg. Aquil. (4, 3 ) : Itaque qui latronem Occident,

non tenetur, utique si a l i t e r pericu-

lum effugere non potest, so kann sich dies „aliter" nicht darauf beziehen,

date die Selbstvertheidigung nicht Statt

finden dürfe, wenn man etwa dem v e r r a u t h e t e n Angriff habe entgehen, oder sich dem unmittelbar bevorstehenden habe d u r c h

die Flucht

entziehen

können,

sondern

auf die Einhaltung der Schranke, welche eingehalten w e r den mufs , wenn in Wahrheit von V e r t e i d i g u n g soll g e sprochen werden können ( e t hoc si t u e n d i , n o n e t i a m u l c i s c e n d i c a u s a factum s i t ,

fr. 4 5 , § 4 cit.).

Es ist

nämlich nothwendig, d a f s d i e A b w e h r im Y e r h ä l t n i f s stehe mit der G e f ä h r l i c h k e i t

d e s A n g r i f f e s und

d e r G r ö f s e d e r G e f a h r , d . h . dafs ein geringeresMaafs von Gewalt als das angewendete z u r E r h a l t u n g d e s b e d r o h t e n R e c h t e s nicht ausgereicht haben durfte : fr. 1, §.27D. (43,16)

Vim ( v i ) repellere licere, Cassius scri-

bit : idque jus natura

comparatur.

Apparet autem ex eo,

a r m a a r m i s repellere licere; fr. 3, § 9 h. t. cit.; const. 1 С. ( 3 , 27 ) cit.; const. 2 С. Ad leg. Corn, de sic. ( 9 , 16) Is qui aggressorem vel quemcunque alium in d u b i o v i t a e d i s c r i m i n e o c c i d e r i t , nullam ob id factum calumniam metuere debet; const. 3 h . t . : Si quis p e r c u s s o r e m ad se venientem g l a d i o repulerit, non ut homicida tenetur : quia defensor propriae salutis in nullo peccasse videtur. Dafs mit dem „arma armis repellere etc. 0 nicht eine strenge Gleichartigkeit der Mittel der Abwehr

und

des Angriffs

gemeint sein k ö n n e , bedarf einer ausdrücklichen Hervorhebung nicht.

Denn die Römer, in der richtigen Einsicht,

dafs die Gefahr eines Angriffs im Voraus nicht immer ermessen werden k a n n ,

dafs das aufgeregte Gemüth

des

Angegriffenen dieselbe zu überschätzen ganz geeignet ist, dafs also Alles hier auf die Individualität der Menschen

42 dafs alle abstracte Bestimmung1 von

und Lagen ankommt,

Maafs und Verhältnirs im Voraus für die Eigenartigkeit der concreten Verhältnisse doch nicht ausreicht, dafs also eine strafbare Ueberschreitung des Rechtes der nur im Hinblick auf

Verteidigung

diese concreten Verhältnisse

festge-

stellt werden k a n n , stellen es dem angegriffenen

Manne

anheim, an der ihm drohenden Gefahr das Maafs s e i n e r V e r t e i d i g u n g selbst auszufinden.

Der Mann darf, wie sie

sagen, „vim illatam propulsare i n c u l p a t a e t u t e l a e

rao-

d e r a t i o n e " : was aber moderatio inculpatae tutelae

sei,

vermag nicht das Gesetz, sondern nur die richterliche E r wägung zu e r k e n n e n , welche im concreten Fall die durch das Verhältnifs der Persönlichkeit des Bedrängers und des Bedrängten bedingte Gefährlichkeit des Angriffs, namentlich die Aufregung des Gemüthes des B e d r ä n g t e n ,

zur

Grundlage hat. Sowie nun

aber,

wenn

diese Voraussetzungen

des

Rechtes der Selbstvertheidigung vorhanden sind, den Handelnden keine Strafe trifft, weil e r , der nur sein Recht ausgeübt,

kein Verbrechen begangen hat (.quia defensor

propriae salutis in nullo peccasse Yidetur"); so versteht es sich von selbst, dafs im entgegengesetzten Falle die Handlung eine strafbare wird, also dann, wenn der Angriff kein widerrechtlicher, oder die Gefahr v o r ü b e r g e g a n g e n ,

oder

die Schranken in der Ausübung nicht beobachtet waren. Für die strafrechtliche Behandlung dieser Fälle hat das römische Recht k e i n e b e s o n d e r e n Bestimmungen aufgestellt, sondern den Richter einfach auf

die allgemeinen Grundsätze

über die Bestrafung von dolus und culpa,

die Grundsätze

über Zurechnungsfähigkeit und Milderung der Strafe v e r wiesen.

Diese werden auch in der That ausreichen, wenn

derselbe nur bei ihrer Anwendung nicht vergifst, dafs sich die Gröfse der Gefahr nach der Individualität der

han-

43 delnden Personen bestimmt, und dafs diese im Drange des Angriffs das objective Maafs derVertheidigung in Rücksicht auf Zeit und Mittel überschreiten können, ohne dafs ihnen eine solche Ueberschreitung zum Verbrechen wird zugerechnet werden können. Wie ganz anders sind hier bisweilen die neuere Doctrin und Legislation verfahren, namentlich dadurch, dafs sie von dem abstracten Gegensatz von vorgegebener und überschrittener Nothwehr , die man starr gegeneinander fixirte, Consequenzen für die Bestrafung schlechthin abhängig gemacht wissen wollten. Uebrigens konnte das römische Recht sich hier um so vertrauensvoller auf seine allgemeinen Grundsätze verlassen, als es ja den mildernden Einflufs der Aufregung des Gemüths überall anerkennt, wie in fr. t l pr. D. De poenis ( 4 8 , 19) : Perspiciendum est judicanti, n e q u i d a u t d u r i u s a u t r e m i s s i u s c o n s t i t u a t u r , q u a m c a u s a d e p o s c i t ; nec enim aut severitatis aut clementiae gloria affectanda est, sed perpenso judicio, prout quaeque res expostulat, statuendum est. Plane in levioribus causis proniores ad lenitatem judices esse debent, in gravioribus poenis severitatem legum cum aliquo temperamento benignitatis subsequi ( 8 ) . Wenn wir jetzt noch einmal die Frage aufgreifen, ob das Recht der Selbstverteidigung im römischen Rechte eine Beschränkung erfahre mit Rücksicht auf das zu schützende G u t , eine Frage, die wir eigentlich oben, da wir dasselbe gegen injuria gaben, im Wesentlichen bereits beantwortet haben, so geschieht dies hauptsächlich zu dem Zwecke, um der dem römischen Rechtsprincip widersprechenden Ansicht L u d e η ' s ( 9 ) entgegenzutreten. L u d e n behauptet, d a f s d i e g e w a l t s a m e S e l b s t v e r t h e i d i -

(8) R e i n , S. 210 fl. (9) A b h a n d l u n g e n 8. 489 ff.

44 gung nicht und

der

dürfe.

zum S c h u t z e

Ehre

der

schlechthin

Vermögensrechte gebraucht

werden

Für die Vermögensrechte folge dies schon

aus

der in den XII Tafeln enthaltenen Vorschrift, dafs der bei Tage

betretene

Dieb nicht

d ü r f e , als wenn er habe.

anders

getödtet

werden

sich mit Waffen zur W e h r e gesetzt

Dafs im späteren

römischen

Rechte ein anderes

Princip befolgt worden sei, könne nicht nachgewiesen w e r den.

Zwar sei mehrfach anerkannt,

dafs der mit Gewalt

angegriffene Besitzer Gewalt gebrauchen dürfe, um sich im Besitze zu erhalten

oder

den durch Gewalt

Besitz in continent! wieder zu e r l a n g e n ; aus ergebe s i c h ,

allein auch dar-

dafs bei der Nothwehr immer zunächst

an eine Vertheidigung z u m S c h u t z e dacht sei.

verlorenen

der

Person

ge-

Denn aufserdem könnte dem angegriffenen Be-

sitzer die Anwendung von Gewalt nicht unter der Beschränkung gestattet sein, dafs es in continenti geschehe, da die G e f a h r , die weggenommene Sache entweder gänzlich zu verlieren

oder wenigstens einen Schaden daran zu erlei-

den, auf dessen Ersatz nach den Umständen des einzelnen Falles geringe Aussicht sei, noch eben so grofs sein könne, auch nachdem längere Zeit nach dem Verluste verflossen wäre.

Ebensowenig

könne nachgewiesen w e r d e n ,

dafs

das römische Recht gegen Ehrverletzungen, insofern sie nicht Realinjurien s e i e n , persönliche Integrität

welche einen Angriff gegen die

enthalten,

Wenn auch F l o r e n t i n u s

die Nothwehr

gestatte.

im Allgemeinen s a g e , es sei

im jus gentium b e g r ü n d e t , ut vim atque injuriam propulsemus, so f ü g e er doch weiter hinzu : nam j u r e hoc even i t , ut quod quisque ob tutelam corporis sui f e c e r i t , jure fecisse existiinetur,

zum B e w e i s e ,

dafs er dabei nur an

Schutz der persönlichen Integrität gedacht habe.

45 In Rücksicht des letzteren Punktes, nämlich der gewaltsamen V e r t e i d i g u n g der durch nicht thätliche Injurien verletzten E h r e , glauben wir auf dasjenige verweisen zu dürfen, was wir oben über den umfassenden Begriff der injuria ausgesprochen haben , indem damit irgend welche Beschränkung des Rechts der Person sich gegen widerrechtliche Angriffe zu vertheidigen schlechthin unvereinbar erscheint. Es würde diese Bedeutung der injuria zur Widerlegung jener einschränkenden Auffassung hinreichen, auch wenn jene Stelle des F l o r e n t i n u s dieselbe unterstützte, anstatt ihr durch die Berufung auf das jus gentium, durch das Nebeneinanderstellen von vis und injuria, wogegen das nochmalige Hervorheben eines einzelnen bestimmten Falles, der tutela corporis, verschwindet, geradezu entgegenzustehen. Was aber den Schutz der Vermögensrechte betrifft, so widersprechen der L u d e n ' s e h e n Auffassung die Stellen, welche von der Vertheidigung gegen den Dieb handeln, geradezu. Auf dieselbe beziehen sich besonders vier Stellen : fr. 4 , § 1 D. ( 9 , 2 ) Lex XII tabularum furem noctu deprehensum occidere permittit, ut tarnen id ipsum cum clamore testificetur; interdiu autem deprehensum ita permittit occidere, si is se telo defendat, ut tarnen aeque cum clamore testificetur; fr. 5 4 , § 2 D. De furtis (47, 2 ) Furem interdiu deprehensum non aliter occidere. Lex XII tabb. permisit, quam si telo se defendat. Diese beiden sagen nichts anderes, als dafs der nächtliche Dieb unbedingt, der bei Tage e r g r i f f e n e ( n i c h t d e r b e t r e t e n e ) nur dann getödtet werden dürfe, wenn er sich mit Waffen vertheidige (teli autem appellatione et ferrum, et fustis, et lapis, et denique omne, quod nocendi causa habetur, significatur. fr. 5 4 , § 2 cit.). L u d e n vergifst bei seiner Argumentation aus fr. 54, §. 2 , dafs darin von dem fur interdiu d e p r e h e n s u s gesprochen wird, dafs aber damit,

46 dafs der wirklich e r g r i f f e n e , der also jetzt dem Eigenthum k e i n e G e f a h r mehr bringt, nur getödtet werden durfte, wenn er sich zur Wehre setzte, nicht ohne Weiteres ausgeschlossen ist, dafs der n i c h t ergriffene, also fliehende, zum Schutze des j e t z t b e d r o h t e n Eigenthums habe g e tödtet werden dürfen ( 1 0 ) . Noch bestimmter sprechen aber gegen Lud e n ' s Auffassung die beiden Stellendes neueren Rechts, nämlich : fr. 9 cit. Furem nocturnum si quis Occident, ita demum impune feret, si parcere ei sine periculo

(10) Wenn wir die Frage nach dem Grunde dieser Bestimmung in d e n X I I Tafeln ( A b e g g , D n t e r s s . , S. 141 ff. D o l l m a n n , D i e E n t w e n d u n g nach den Quellen d e s gemeinen Rechts, S. 32), dann diejenige, ob die betreffenden Stellen der X I I Tafeln ein eigentliches gesetzliches Rache- oder Tödtungsrecht (D о 11 m a n n), oder Nothwehr, oder ob die eine Nothwehr, die andere vindicta privata meine, ob nicht Beschränkungen dieses Rechts Statt gefunden haben, so d a f s P a u l l u s sagen k o n n t e : Melius fecerit, si eum comprehensum transmittendum ad praesidem magistrates obtulerit, hier nur andeuten, so hat dies seine Rechtfertigung darin, dafs wir die Aufgabe der Abhandlung in die Darstellung der Entwicklung des Rechts der Selbstverteidigung im germanischen Rechte setzen, welches darum топ seinen frühesten geschichtlichen Anfangen an verfolgt werden mufs, wahrend das römische Recht nur in seiner dogmatischen Gestalt berücksichtigt werden k a n n , da es nur in dieser in die Entwicklung des germanischen eingegriffen hat. (vgl. auch C u j a c i i , O b s e r v a t i o n u m e t E m e n d a t i o n n m L . 1 4 , C . 1 5 (Opp. Pars prior. Tom. III). C u j a c i u s macht darauf aufmerksam, dafs für Einen Fall noch im neueren Recht ein gesetzliches Tödtungsrecht bestehe, nämlich in const. 1 С. Quand. lie. unic. sine jud. (3, 4) : Libcram resistendi cunctis tribuimus facultatem, ut quicunque militum vel privatorum ad agros nocturnus populator intraverit, aut itinera frequentata insidiis aggressionis obsederit, p e r m i s s a c u i c u n q u e I i c e n t i a digno illico supplicio subjugetur, ac mortem quam minabatur excipiat, et id quod intendebat ineurrat. Melius enim est occurrere in tempore quam post exitum vindicare. Vestram igitur vobis permittimus ultionem, et quod serum est punire jud^cio, subjugamns edicto, nt nullus parcat militi, cui obviare telo oportcat, ut latroni.

47 suo non potuit; und fr. 5 D. (9, 2 ) Et si metu quis mortis furem occiderit, поп dubitabitur, quin lege Aquilia non teneatur. Sin autem cum posset adprehendere, maluit occidere, magis e s t , ut injuria fecisse videatur : ergo et Cornelia tenebitur. Der Sinn dieser Stellen ist kein anderer, als dafs der fur, einerlei ob nächtlicher oder fur zur Tageszeit, dann ungestraft getödtet werden dürfe, wenn man desselben ohne Gefahr für seine Person o d e r S a c h e (es heifst ganz allgemein „sine periculo", also personae et r e i , so dafs also L u d e n mit Unrecht das periculum rei ausschliefst) nicht schonen könne, dafs man aber der Strafe d e r L e x C o r n e l i a unterliege, wenn man ihn, der entweder schon ergriffen war, oder hätte ergriffen werden können, dennoch, also ohne Noth, nur weil man lieber seine Rache befriedigen wollte ( m a l u i t о с c i d e r e ) , getödtet hat (11). Der f l i e h e n d e Dieb darf also, wenn das Eigenthum anders nicht geschützt werden kann, unbedingt getödtet werden. Sowie nun schon daraus die Anerkennung des Schutzes des Eigenthums, auch wenn eine Bedrohung der Person des Eigenthümers nicht stattgefunden, hervorgeht, so spricht die oben citirte const. 1 С. (8, 4 ) das Recht der V e r t e i digung nicht blofs für das Eigenthum, sondern auch für den blofsen B e s i t z aus. Denn ganz abgesehen von dem Zusatzwort „ r e c t e " bei possidenti, nach welchem es scheinen könnte, als ob das Vertheidigungsrecht nur dem Besitzer, dessen Besitz nicht unrechtlich angefangen hat, verstattet, also jedem Anderen, unter andern auch dem, welcher blofse Detention hat, versagt werde, auf welches aber, wie S a v i g n y ( 1 2 ) bemerkt, da es sich um die Inter-

(11) Z a c h a r i e ,

Bemerkungen

zur

Lehre

N o t h w e h r , A r c h i v , Neue Folge, 1841, S. 429 ff. (12) D a s R e c h t d e s B e s i t z e s , § 3, Nr. 5.

von

der

48 pretation eines Rescripts des Codex handelt, kein grofses Gewicht zu legen ist; geht wenigstens so viel aus der Stelle hervor, dafs, da in derselben nirgends von einer concurrirenden tutela c o r p o r i s die Rede ist, der Besitz an s i c h durchPrivatgewalt geschützt werden könne, sowie nach der Bestimmung in fr. 3, § 9 und fr. 17. D (43, 16) citt. dem Dejicirten ein Recht gegeben wird, welches ihm nicht hätte gegeben werden können, wenn das römische Recht nicht den Besitz an sich als wehrhaftig betrachtet hätte. So ist denn keines der menschlichen Güter dem Selbstschutze entzogen. Nur zur weiteren Bestätigung fügen wir noch einige Anwendungen dieses Princips hinzu. Es ist die Selbstvertheidigung vor Allem gerechtfertigt z u m S c h u t z e d e s L e b e n s u n d d e s L e i b e s : constt. 2,3,4 C. Ad leg. Cornel, de sie. ( 9 , 1 6 ) ; § 2 J. De leg. Aquil. ( 4 , 3 ) , fr. 4 D. Ad leg. Aquil. (9, 2) Itaque si servum tuum latronein insidiantem mihi occidero, securus его Sie ist gestattet zum Schutze der К e us с h h с i t : fr. 1, § 4 D. Ad leg. Com. de sie. ( 4 8 , 8 ) Item Divus Hadrianus rescripsit, eum qui stuprum sibi vel suis inferentem occidit, dimiltendum. Die Römer stellen dieselbe an Werth dem Leben gleich : fr. 8, § 2 D . Quod met. с. (4, 2 ) Quod si dederit, ne stuprum patiatur vir seu mulier, hoc edictum locum habet, cum viris bonis iste metus major quam mortis esse debet (13). Es könnte nach der Fassung des fr. 1, § 4 cit. scheinen, als ob in diesem Falle dem Verlheidiger der Keuschheit ein eigent-

(13) So auch bei P a u l l i , R e c e p t t . s e n t t . üb. 5, tit.23,

§8:

Qui latronem cacdem sibi offcrentem, vel alium quemque stnprnm inferentem occiderit, puniri non placuit: alius enim vitam, alius pudorem publico facinore defendit.

Const, un. pr. C. De raptu virg. (9, 1 3 ) . . .

cum virginitas vel castitas corrupta restitui non possit . . . cum nec a homicidii crimine hujusmodi raptores sint vaeni.

49 Iielies R a c h e -

und

wie ein solches und

Vater

Tödtungsrecht

inj ä l t e r e n u n d

gegen

eingeräumt

wäre,

neueren Recht dem

den Ehebrecher

gewährt

ist.

Manne

Es

diese Auffassung zwar schon bedenklich erscheinen, man e r w ä g t ,

d a f s im n e u e r e n R e c h t e

mufs wenn

das Streben

unver-

k e n n b a r h e r v o r t r i t t , d a s a l t e T ö d t u n g s r e c h t in d i e

engsten

Schranken zurückzuführen ( 1 4 ) , ja dafs recht eigentlich das Princip der V e r t e i d i g u n g

sich

desselben entwickelt hat,

ζ. B .

nocturnus,

ein G r u n d ,

eines solchen

aus

demselben

und

in B e z i e h u n g a u f d e n

aus welchem

auch die

statt fur

Verstattung

bei d e r E n t f ü h r u n g s e h r z w e i f e l h a f t ist ( 1 5 ) .

(14) Nach dem

älteren Recht

durften Mann and Vater die im

Ehebrüche ertappte Fran unbedingt tödten, an dem adulter aber sieb nach Willkühr

rächen

(ihn tödten, caetriren, loris caedere α. β. w.),

nur mit der Beschränkung, dafs sie, wenn sie tödtliche Rache nehmen wollten,

beide

tödten

mufsten

( R e i s , S . 838).

Dies Recht

Selbstrache wird später in der l e x J n l i a d e a d u l t e r i i s d i s in Beziehung auf beide beschränkt.

der

coercen-

Der Vater mufs den adulter

und die Tochter tödten, er darf es nur, cum in filia adulterum deprehenderit, in seinem oder des Schwiegersohns Hanse, in continenti etc. Der Gatte darf seine ungetreue Gattin nicht mehr, den Buhlen derselben nur dann tödten, wenn derselbe eine persona infamie, inhonesta oder vilior war (ζ. B . qui leno fuerit, quive artem ludicram fecerit, in scenam saltandi cantandire causa prodierit, judiciove publico damnatus,

neqne in integrum restitutus erit, quive Iibertus ejus mariti,

uxorisve patris, matris, filii, filiae ntrius eormn fuerit, quive servus erit. fr. 24 D .

Ad leg. J u l . de adult.)

S. 157 ff. R e i n , S. 843 n. 844.)

(Abegg,

Untersuchungen,

Diese Beschränkungen wären unter

Annahme eines Tödtungsrechts schlechthin unerklärlich. (15) Wegen des Ausdrucks „ с о η vi с t i" in der const, un. C. De rapt. virg. (9,13). E s scheint derselbe auf ein summarisches Verfahren hinzudeuten. Lehrbuch,

So

interpretiren die Stelle R e i n , S. 397;

S. 368,

Not. 1 ;

d e m S t r a f r e c h t , S. 66.

Wächter,

Heffter,

Abhandlungen

aus

M a t t h a e u s , D e c r i m i n i b u s , Ad lib.

48 D . , Tit. 4 , C. 2, 11 sagt zu nconvicti« : Convictos intellige,

non

legitimo judicio; alioquin enim judicis esset ultio, non eorum quibus L evi t a, Nothwehr.

4

50 Sie mute aber dadurch vollends unhaltbar werden, dafs mit der Annahme die

aus

einer solchen

der lex Julia

umfassenden Rachebefugnifs

de adulteriis aufgenommenen Be-

schränkungen gar nicht in Einklang zu bringen sind. den Mann und Vater

noch

ausdrücklich

Wozu

gegenüber

dem

adulter beschränken, wenn in fr. 1, § 4 ganz allgemein ein Tödtungsrecht gegen den stuprum inferentem gegeben sein sollte?

Denn stuprum

im weiteren Sinne

adulterium in sich, und

begreift auch

unter, den „suis" sind hier sicher

nicht die sui des alten Civilrechts, sondern alle diejenigen Personen zu v e r s t e h e n , die Jemand sittlich und rechtlich zu schützen verpflichtet i s t : es sind etwa die in der const, un. C. De rapt. virg. ( 9 , 1 3 ) genannten.

Die Fassung der

Stelle, welche allerdings nur von Tödtung spricht,

erklärt

sich am Einfachsten wohl daraus, dafs dem Kaiser H a d r i a n ein Fall vorgelegt worden w a r , in welchem der Keuschheit

eine Tödtung

zum Schutze

stattgefunden hatte, für die

e r nun in diesem R e s c r i p t e Straflosigkeit erkennt, weil in demselben das stuprum n u r

m i t d e m T o d e des An-

greifers hatte abgewehrt werden können ( 1 6 ) . injuria facta est; sed in ipsa rapina, adeamtis persecutoribus testibusf ita reprehensos, Weitesten

ut nec ipsi raptorcs crimen inficiari possint.

gehtHepp,

Versuche

über

S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t , S. 137 ff.,

einzelne

Lehren

der aus dem

Tödtungs-

recht in delicto manifesto sogar eine Pflicht zu tödten macht. B a n g , D i s s e r t , do m o d e r a m i n e

Am der Auch

i n c u l p . tat., S . 6 1 , nimmt ein

Tödtungsrecht an, und stellt den Fall mit der const. 1 С. Quando liceat unieuique (3, 27) zusammen als einen solchen, »ubi legislator ob atrocitatem nonnullorum delictorum de eis ultionem et supplicium sumere eivibus permittit.«

Abegg,

dafs hier zwar Nothwehr Erfordernisse

Untersuchungen,

gemeint s e i ,

ihrer gerechten Ausübung

S. 175 ff. glaubt,

dafs aber rücksichtlich der grofsere Freiheit

stattfinde,

indem die Tödtung allgemein erlaubt werde. (16) A b e g g , U n t e r s u c h u n g e n , S. 184 ff. bemerkt zwar, dafs es sich hier um die gewöhnlichen Grundsätze der Nothwehr handle,

51 Auf der breiten Grundlage des fr. 3 cit. steht dann auch das Recht, nicht blofs von der eigenen Person, sondern auch von D r i t t e n Gewaltthat

im Falle der Noth Unrecht und

abzuwehren.

Zwar giebt

das römische Recht

zunächst nur eine Reihe von Anwendungen

für Fälle, in

welchen die Pflichten der v e r w a n d t s c h a f t l i c h e n Liebe oder des h ä u s l i c h e n oder d i e n s t l i c h e n Hülfe zu leisten gebieten. schaftliche Bande

in

Gehorsams

So in Beziehung auf verwandt-

fr. 8 § 3 D.

Quod met. с. ( 4 , 23

Nihil interest in se quis veritus s i t , an liberis suis, cum pro affectu parentes magis in liberis terreantur; auch fr. 1, § 4 D. cit.

In Beziehung auf Sclaven

D. De Scto Silan. ( 2 9 , 5 )

bestimmt fr. 1 pr.

Cum aliter nulla domus tuta

esse possit, nisi periculo capitis sui custodiam dominis, tarn ab doinesticis, quam ab extraneis, praestare servi cogantur; und $ 18 eod. Quia toties puniendi sunt s e r v i , lium domino non tulerunt, vim opem ferre

qui auxi-

quoties potuerunt ei adversus

et non tulerunt.

In Rücksicht auf Solda-

ten verfügt fr. 6, § . 8 D. De r e milit. ( 4 9 , 1 6 )

Qui prae-

positum suum non protexit, cum posset, in pari causa factori habendus e s t ,

si resistere non potuit, parcendum e i ;

und § 9 eod. Sed et in e o s , latronibus circumventum

qui praefectum centuriae a

deseruerunt, animadverti

placuit.

Es soll indessen damit nicht das Recht, Dritte zu v e r t e i d i gen, auf diese wenigen Verhältnisse beschränkt werden : es

ist

demselben

vielmehr

nach

dem

allgemeinen

hebt dies aber dadurch selbst wieder auf, dais er es für etwas diesem Falle Eigentümliches erklärt, dafs die Tudtung schlechtweg für straflos erklärt werde, ohne dafs gefordert werde, dafs diese im concreten Falle das einzige Mittel, und dafs nicht irgend ein geringerer Grad von Gewalt zur Abwendung der Gefahr Den

hinreichend gewesen wäre.

Grund dieser Bestimmung findet er in der Schwierigkeit

Beweises, daü die Gränzen gerechter Nothwehr eingehalten seien.



des

53 Rechtsgrunde desselben auf

alle

durch

die unbedingte Ausdehnung

widerrechtliche

Angriffe Bedrängte

zu

geben ( 1 7 ) . Wenn wir zum Schlüsse der Darstellung noch h e r v o r heben,

dafs von dem römischen Rechte in der

Beweis-

f r a g e keine Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen des Beweises im Strafprozesse gemacht werden, so wollen wir damit einen weiteren lung des Vertheidigungsrechts

Vorzug seiner Behand-

im Gegensatze

zu anderen

Strafgesetzgebungen anerkennen, welche die Schwierigkeit desselben im concreten Falle öfters dazu verleitet hat, den Principien des Strafprozesses Widerstrebendes, Gestattung von Vermuthungen, tuiren.

Eine P f l i c h t z u r A n z e i g e

teidigung

wie die

in Nothwehrfällen zu stanach geübter Ver-

ist dem römischen Rechte ebenfalls unbekannt.

Dritter Abschnitt.

Das Recht der Selbstverteidigung in den Bufsordnungen (1) und in dem canonisclien Rechte. Wenn wir in einer Darstellung der genetischen Entwicklung der Nothwehr in den deutschen Rechtsquellen die Gestaltung dieser

Lehre in den

BufsOrdnungen

der

(17) R e i n , S. 143. (1) Wir

führen

dieselben

an

nach

Wasserschieben,

Bufsord η η η gen der abendländischen rechts geschichtlichen

Einleitung.

Kirche (Halle,

nebst

1851)

Auf

Die einer ihre

Bedeutung für die Entwicklung und das Verständnifs des germanischen Strafrechts hat schon W i l d a , D a s S t r a f r e c h t S. 114 u. 115 hingewiesen.

der

Germanen,

53 abendländischen

Kirche

a u f f ü h r e n , so

wird

dies

seine Rechtfertigung theils darin finden, dafs dieselben an sich als kirchenrechtlicher Stoff und wegen

ihres Zusam-

menhanges mit unserem canonischen Rechtsbuche von Bedeutung sind, theils darin,

dafs wir

aus ihren Satzungen

auf die rechtlichen und sittlichen Anschauungen

der g e r -

manischen Völker, deren Wandel sie zu regeln bestimmt waren, Schlüsse zu ziehen vermögen. lung, welche die Kirche

Denn eine Hand-

nicht als eine

oder unsittliche vor ihr Forum z o g ,

verbrecherische

konnte dem Rechts-

bewufstsein j e n e r Zeit nicht als eine strafbare erscheinen, weil sie sonst die Kirche hätte verurtheilen müssen,

und

das weltliche Recht konnte sie unmöglich als eine „Missethat" erklären, wenn das geistliche unverhohlen ihre Rechtmäfsigkeit anerkannte. Wenn man der

erwägt,

bufswürdigen

ausdehnt ( 2 ) ,

wie weit die Kirche den Kreis

Handlungen

wie selbst

s i n n u n g , der W u n s c h ,

in

der

noch

ehe

des inneren Lebens verlassen, sollen ( 3 ) ,

eine

wie

den

Bufsordnungen

blofse Gedanke, dieselben

die

das Gebiet

nicht ohne Bufse bleiben

reiche Casuistik

dieselben

(2) Wir verweisen hier statt Aller auf R e g i n o , D e libus

causis

i e b e η ),

et d i s c i p l i n i s

bei welchem

Ge-

na-

synoda-

e c c l e s i a s t i c is (ed. W a s s e r s c h -

p. 208 ff. ein

ausführliches Verzeichnifs der

Fragen steht, welche der Bischof im synodus

in Beziehung auf die

begangenen Sünden stellen soll, bei dessen Ausführlichkeit noch weiter in Anschlag

gebracht werden mufs,

dafs der Archidiaconus

oder

Archipresbyter demselben schon vorangereist ist, um die weniger bedeutenden Sachen abzuthtm (»de minoribus et levioribns causis corrigere"), nut pontifex veniens nequaquam in facilioribus negotiis fatigetur.« (3) So findet sich in dem P o e n i t e n t i a l e X X X V C a p i t u l o r u m ein Capitel (XXIX) »De ira, tristitia,

odio et maledictio«,

worin

es

unter Anderem heifst : § l . S i quis contra alium iram tenet i n c o r d e , homicida judicatur, si non vult reconciliari fratri s u o ,

qnem hodio

54 mentlich bei dem Verbrechen der Tödtung entfalten £ 4 ) : so mufs es in der That höchst bedeutsam erscheinen, dafs die T ö d t u n g , welche Jemand zu seiner oder der Seinigen Rettung aus Lebensgefahr vollzogen

hat,

nicht als

eine

verbrecherische, selbst nicht als eine unsittliche Handlung aufgefafst wurde.

Wem das Unglück

begegnet i s t ,

eine

h a b e t , tamdin ία pane et aqua vivat, asque d a m recoacilietur.

§ 2.

Si quis din in corde amaritudinem r e t i n e t , hilari vultu et laeto corde sanetur.

Si autem

sacerdoti.

non cito eam d e p o n i t , jejunio se emendet jadice

Si autem iterat, abscidatnr, donee alacer Ietusque cam p.

е. a. agnoscat delictum enum. tarnen

injuriosa, protulerit,

autem

cum

pallore

penit. i. p. e. a.

Qui v e r b a a c e r b i o r a in furore, non satisfaciat

ruboreque

fratri et ipse superponat.

vel tremore,

Si quis m e n t i s

tarnen

Si

t a c u i t , I diem

tantum sentit commotionem, satis-

faciat e i , qui ilium commovit, qui yero non vult confiteri e i , qui sc commovit,

abscidatnr pestifer ille a coetu s a n c t o r u m , qui si paenit.,

qaanto tempore contradixit, tanto jejunet. Si quis fratrem c o n t r is t a t juste vel injuste, contemptum rancorem ejus satisfactione liniat, et sic potest orare; sin autem inpossibile est recipi ab eo, paenit. ipse judice sacerdoti. niansit,

Is autem, qui non recipit eum, quanto tempore implacabilis tanto

i. p. e. a. vivat.

P s e u d o - E g b e r t i с. X X V I I I

(W. p. 522 u. 523.) wird

Im

P o e n it,

bestimmt : Si homo quis

adeo

furiosus et d u r o c o r d e

sit, ut nullum saeculare jus et pacem ad-

mittere velit cum eo, qui

in

p. 328.)

Im P o e n i t .

earn deliquerit, excommunicctur.

Pseudo-Theodori

(\V.

с. V I I I : Dominus

iu

evangelio dicit : Omnis, qui se exaltat, humiliabitur; ideo necesse est, ut s u p e r b u s veraciter se humiliet, et tres annos poeniteat (W.p.571). (4) Als Beispiel mag

das P o e n i t e n t i a l e

Bedac

dienen (W.

p. 224, 225), in welchem in с. IV die verschiedenen Arten der Tödtung aufgeführt sind : Qui odii

meditatione

occiderit

monachum aut clericum; qui laicum

vel possidendc

liereditatis ejus; qui per viadictani

fratris; qui per iram et rixam subitam; qui casu; qui in bello publico; qui jubente

domino suo servus; qui liber jubcntc majore suo;

mulier qui occidit filium suum XL.

Wir verweisen

in utero ante dies X L

und post dies

ferner auf das P o e n i t . C u m m e a n i , p. 478;

P o e n i t . X X X V C a p i t u l o r u m , p. 506; P o e n i t . P s e u d o - G r e g o rii

I I I , p. 538;

P o e n i t . P s e u d o - T h e o d o r i , p. 5 6 9 ;

Correct·

B u r c h a r d i , p. 631 ff.; P o e n i t . M e d i o l a n e n s e , p. 716 u . A .

55 solche zu begehen, der mag büfsen und fasten und Almosen geben, wenn ihn sein Herz dazu treibt, um sich dadurch von dem unschuldig vergossenen reinigen : allein

Menschenblule zu

die Kirche hat k e i n e

oder doch keine

strenge Strafe, höchstens eine milde Bufse vielmehr

zu

Ansicht

bedauern,

der Kirche

Poenitentiale p. 2 7 5 }

als

findet

zu

verdammen

sich

klar

Pseudo-Bedae

Si autem se defendendo

familias

occidisset

aliquid,

voluerit

jejunare,

in

hoc fecit

homicidium.

für i h n ,

non

Diese

ausgesprochen

с. X X X I X ,

im

§ 3 (W.

aut parentes suos aut erit

illius potestate Dieselben

ist.

der

ille est,

Worte,

reus;

quia

si

coactus

welche

diese

angelsächsische Bufsordnung enthält, stehen in einer fränkischen, nämlich dem P o e n i t e n t i a l e n u m . ( W . p. 3 7 3 )

sogar die christliche Milde n i c h t die irregularitas tiale

Pseudo-Roma-

J a es wird durch eine solche Tödtung verletzt, deren Mangel

ex delicto zur Folge

Civitatense

c. XLV1I

hat.

(Poeniten-

( W . p. 6 9 3 )

Sed

si

homicidium fuerit necessarium vel quia aliter evadere non potuit, et si culpa aliqua non fuit, n o n e s t Nur durch eine B u f s e

irregularis.

mufs sich der Cleriker

reinigen,

welche auch in einigen Bufsordnungen dem Laien gesetzt ist.

So dem Cleriker

in : P o e n i t .

Civitat.

c. LVIII.

Si sacerdos se defendens latronem interficiat, duobus amis penit. ( D e r milde Character dieser Bufse wird übrigens klar, wenn man die Strafe des homicidii voluntarii in demselben P o e n i t . c. CXLVII bedenkt : Si clericus homicidium voluntarie fecerit, debet deponi ab ordine et beneficio et Septem annis penitere). sionale

Dem Laien ist sie bestimmt im C o n f e s -

Pseudo-Egberti

с. X X I V ( W . p. 3 1 0 )

quis alium in bello publico occiderit, vel ex ubi rem domini

Si

necessitate,

s u i t u e b a t u r , X L dies jejunet; und

im P o e n i l e n t . P s e u d o - T h e o d o r i

c. III ( W . p. 5 7 0 )

56 § 14.

Si vero

aliquis cerlando

pro justitia

perpetraverit

homicidium, non ilium gravari oportet tarn diu annuali j e j u nio, n e q u e X L , sed ( p e r ) triduana, vel biduana, seu ferialia j e j u n i a , et per elemosinas expietur

ab sanguinis effusione,

ut aepiscopus judicaverit. § 15. ( w e l c h e r zunächst hierher gehört)

Simili

resistendo

modo paene

insurgentem

agatur

et de e o ,

prostraverit.

qui

In

meh-

r e r e n S t e l l e n wird dann insbesondere das Recht der V e r theidigung gegen den f u r und l a t r o anerkannt, indem e i n e Bufse nur für den Fall der U e b e r s c h r e i t u n g der G r e n zen desselben g e s e t z t wird. So in P o e n i t . C i v i t a t . c. L V I I (YV. p. 6 9 4 )

Occideris

sine o c c i s i o n e

furem

vel

latronem,

qui

c a p i p o t e r a t , per X L dies

alias

ecclesiam

non intret, et utatur cililio, et quarta et sexta feria j e j u n e t ; characteristisch für

die Auffassung einer solchen Tödtung

ist der Zusatz : Et si clericus pro rebus ecclesiae servandis hoc η ο η fecerit, deponatur, tarnen Ganz

dieselbe

Bestimmung

im

penit., quamdiu vivat. Poenitent.

l a n e n s e ( W . p. 7 1 7 ) ( C o r r e c t o r ( W . p. 6 3 6 ) ( 5 ) .

Noch

W a l l i c i с. X X I : Si

weiter

quis

Medio-

Burchardi

gehen

die

с. X X V I

Can ones

ingenuus furtum fecerit

et

in

ipso commisso morietur, nullus a suis habeat quaestionem. С. X X I I : Si quis ingenuus aut servus faciens furtum noclu et in ipso commisso l a n c e a fuerit feritus et mortuus fuerit, (jui eum occiderit, nullain habeat causam reddendi (VV. p. 1 2 8 ) . Auf diese Bestimmungen der Bufsordnungen lassen sieb die Grundsätze des c a n o n i s c h e n

Rechtsbuches

(6)

( 5 ) D i e s e S t e l l e , w e l c h e auch wörtlich in c. 2 X de homicid. volunt. e t c a s . ( 5 , 12) ü b e r g e g a n g e n

ist

( u n t e r der Ueberschrii't e x poeniten-

tiali R o m a n o , vgl. d a r ü b e r VVa s s e r s c h l e b e n E i n l . Cap. 8), wird unten mitgetheilt

werden.

( 6 ) Ueber

die

canonische Litteratur

r e c h t , I . B a n d , S . 5 9 4 , Not. 2 6 ( D r i t t e

vgl. P h i l l i p e , Auflage).

Kirchen-

57 zum Theil z u r ü c k f ü h r e n , ein anderer Theil derselben hat seine Wurzeln im römischen Rechte.

Dasselbe anerkennt

demgemäfs das Recht der S e l b s t v e r t e i d i g u n g als ein n a t ü r l i c h e s R e c h t , gleich dem römischen; ja es spricht sein Prinzip auch im Eingang

der ersten Sammlung

aus,

nämlich im Decretum Gratiani, in dist. 1 can. 7 : Jus naturale est commune omnium nationum, eo quod ubique instinetu naturae, non constitutione aliqua habetur : ut viri et feminae conjunctio, liberorum successio et educatio, communis omnium possessio, et omnium una libertas, acquisitio eorum quae coelo, terra marique capiuntur; item depositee rei, vel commendatae pecuniae, v i o l e n t i a e p e r v i m r e pulsio.

§ 1. Nam hoc, aut si quid huic simile est, n u n -

quam injustum, sed naturale aequumque habetur. — Allein es mufs die Ausübung des Vertheidigungsrechts c u m m o d e r a m i n e i n c u l p a t a e t u t e l a e und i n c o n t i n e n t i g e schehen.

Der Ursprung der Stellen, welche dies ausspre-

chen, aus dem römischen Rechte liegt klar zu Tage : c. 3 X. De sent, exeomm.

(5, 3 9 )

Si vero Clericum vim sibi in-

ferentem, vi quis repellat vel laedat, non debet propter hoc ad Sedcm Apostolicam transmitti, si i n

c o n t i n e n t i vim

vi repellat; cum vim vi repellere omnes leges jura permittant.

Wenn das moderamen

omniaque

inculpatae tutelae

nicht beobachtet ist, so tritt Strafe ein, nach c. 18 X. De hoinicid. vol. et cas. ( 5 , 1 2 )

Si vero, quemadmodum

perhibetur, saccrdos iste prius ab illo percussus sacrilego, mox eum cum ligone in capite repercussit, quamvis vim vi repellere omnes leges et omnia jura permittant: q u i a t a r n e n id d e b e t f i e r i c u m m o d e r a m i n e i n c u l p a t a e

tute-

l a e , n o n ad s u m en dam v i n d i c t a m , s e d a d i n j u r i a m p r o p u l s a n d a m ; non videtur idem sacerdos a poena homicidii penitus excusari, tum ratione instrument!, cum quo ipse percussit, quod cum grave sit, non solet levem plagam inferre;

58 tum ratione partis, in qua fuit ille percussus, in qua de modico ictu quis lethaliter solet laedi. — In Beziehung auf die Tödtung des f u r u n d l a t r o insbesondere setzt jenes c . 2 X ( 5 , i 2 ) Bestimmungen, welche theils den Bufsordnungen entnommen sind, theils an römischen Ursprung erinnern : die Tödtung zur V e r t e i d i g u n g ist bufslos, nur Fasten und Almosengeben wird empfohlen, schwere Bufse trifft aber

den.

der

den f u r oder latro getödtet hat, wo e r ihn hätte ergreifen können.

Die Stelle l a u t e t : Interfecisti furem aut latronem,

ubi c o m p r e h e n d i p o t e r a t a b s q u e o c c i s i o n e m

et

t a r n e n i n t e r f e c i s t i , quia ad ymaginem Dei creatus et in nomine ejus baptizatus, et sanguine ejus redemtus e s t ? XL dies non intres in ecclesiam, lanea veste indutus, ab escis et potibus, qui interdicti sunt, et a thoro, a gladio et equilalu illos supradictos dies te abstineas, et in tertia autem feria, et

in quinta, et in sabbato aliquo g e n e r e leguminum vel

oleribus et pomis vel parvis pisciculis, cum mediocri cervisa utere et temperate. Si autem sine odii meditatione t e t u a que

l i b e r a n d o diaboli membrum interfecisti, secundum

indulgentiam dico, propter imaginem Dei, si aliquid jejunare volueris, bonum est tibi et eleinosinas largiter fac. Si p r e s b i l e r e a d e m f e c e r i t , n o n d e p o n a t u r , tarnen q u a m d i u v i v i t , p e n i t e n t i a m a g a t . Dagegen geht in Hinsicht des f u r n o c t u r n u s das canonische Recht, gestützt auf eine Stelle im Exod., noch weiter, als das neuere römische R e c h t : c. 3, X, h. t.

Si perfodiens inventus fuerit fur, et percus-

sus mortuus fuerit, non

est illi homicidium

Si autem oriatur sol super e u m ,

reus

erit.

imputandum. Intelligitur

ergo, non pertinere ad eum homicidium, si fur nocturnus occidatur; nere.

si autem diurnus fuerit, ad homicidium

perti-

Hoc est enim quod ait : si oriatur super eum sol,

etc., quia poterat discernere,

quod ad furandum, non ad

occidendum v e n i s s e t : et ideo non debet occidi.

Hoc etiam

59 in antiquis legibus secularibus,

quibos

invenitur, impune scilicet occidi

nocturnuni furem

modo, diurnum autem,

si se telo

ista est antiquior, quoquo

defenderit : jam

enim

plus est quam fur. — Das Recht der Vertbeidigung darf auch zum S c h u t z e A n d e r e r geübt werden, wie ausdrücklich die

folgenden

Stellen bestimmen : c. 5,

caus. 3 3 q. 3.

Fortitude, quae vel in bello tuetur a barbaris patriam, vel domi defendit inürmos, vel a latronibus socios, p l e n a j u s t i t i a e e s t . c. 7 eod.

Non in inferenda, sed in depellenda inju-

ria l e x v i r t u t i s

est.

Qui enim non repellit a socio in-

juriam, si potest, tarn est in vitio quam ille qui facit. Unde S. Moyses hinc prius orsus est tentamenta bellicae fortitudinis.

Nam cum vidisset Hebraeum ab Aegyptio

injuriam

accipientem, defendit, ita ut Aegyptium prosterneret, atque in arena absconderet.

Salomon quoque

ait : (Eripe

eum

qui ducitur ad mortem.) C. 6 in 6to ( 5 , 1 1 ) . . . . Et quidem cum liceat cuilibet suo vicino vel p r o x i m o

prorepellenda

ipsius injuria suum impartiri auxilium; imo si potest et negligit, videatur i n j u r i a n t e m f o v e r e , а с e s s e p a r t i c e p s ejus culpae. . . . c. 6 , § 2. X ( 5 , 1 2 . ) ut ferirent, sed ut percussoribus

Uli etiam, qui non

opem ferrent, si

per aliorum violentiam impedirentur,

paulo minori

forte debent

poena mulctari : quia cum scriptum s i t : Qui potuit hominem liberare a morte, et non liberavit, eum occidit: constat ab homicidii reatu immunes

non esse, qui occisoribus

opem

contra alios praestare venerunt; nec caret scrupulo s o c i e tatis

o c c u l t a e , qui manifesto facinori desinit obviare.

Während

nun

die Anerkennung der

Rechtmäfsigkeit

und Straflosigkeit der Tödtung zum Zwecke der V e r t e i d i gung seiner selbst und Anderer aus den angeführten B e stimmungen unzweifelhaft hervorgeht, j a auch die Tödtung zur Vertheidigung

der

Person bestimmt

die

Irregularität n i c h t

zur Folge hat, nach c. un. Clem.

eigenen

De

60 homicid. volunt. vel. casual. (5, 4 ) Si furiosus, aut infans, seu dormiens, hominem mutilet, vel occidat, hoc

irregularitatem

censemus, suum

incur rat.

nullam

qui m o r t e m aliter v i t a r e non

occiditvel

ел

Et idem de

m u t i l a t inv a s o r e m ;

illo

valens,

fernerauch

nach с. 2 Χ (5, 12) cit. eine solche Tödtung die Deposition des Clerikers nicht mit sich führt („si presbiter eadem fecerit, und damit ist hier sogar ein Excefs der V e r t e i digung gemeint, non deponatur"), sondern es nur in sein Gewissen gestellt wird, ob er im Amte bleiben wolle, oder nicht, (nach dist. 50. c. 6 : De his clericis, pro quibus consuluisti, scilicet qui se defendendo paganum occiderunt, si postea per poenitentian emendati possint ad gradum pristinum redire, aut ad altiorem condescendere; scito

nos

nullam occasionem dare, nee ullam tribucre eis licentiam quemlibet

hominem quolibet modo occidendi.

Verum

contigerit ut clericus sacerdotalis ordinis saltern

si

paganum

occiderit, i n u l t u m s i b i с o n s u l i t , si ab officio sacerdotali recesserit : s a t i u s q u e

est

illi

in hac vila Domino sub

inferiori habitu irreprehensibiliter famulari, quam alta indebite appetendo damnabiliter in profundum demergi.); so wird darüber gestritten ( 7 ) ,

(7) P h i l l i p s , dafs

Uberall

ob nicht wenigstens die Tödtung,

К i r c h e a r e c h t , S. 5 9 5 ff., sich d a r a u f s t ü t z e n d ,

die Straflosigkeit

einer Handlung

von

dem Maugel

der

Irregularität zu unterscheiden sei, die, weil sie nicht selbst Strafe, auch von der Strafe wenigstens

insofern unabhängig s e i , als sie sehr wohl

eintreten könne, w o jene

nicht Statt

des

finde;

älteren Hechts und auf die G l o s s e

dann

auf die Principien

zur Clem.

Si furiosus. cit.,

welche sagt : H a e c littera innuit, secus in illo, qui occiderit volentem occidere patrem, aliter juvare

non

filium,

conjugem, vel personam

poterat.

conjunctam,

Quod verum puto : quasi

includatur sub necessitate inevitabili sed cvitabili.

casus

quam

ille non

E t hoc dico, dato

quod verum sit, quod notavit Innoc. d. sent. exc. si vero 1. ubi t e n e t : quod

eo

casu percutiens

clericum

non

est

excommunicatus, ut ibi

61 welche z u r V e r t e i d i g u n g e i n e s A n d e r n geschieht, die I r r e g u l a r i t ä t zur Folge habe.

Wenn man bedenkt,

in welcher Weise das canonische Recht das Recht der Selbstverlheidigung überall auffafst; dafs es von seinem Grundsatze, dafs die Tödlung eines Menschen die christliche Milde verletze und darum von

der Irregularität

begleitet

sei,

bei der Tödtung zum Zwecke der eigenen Verteidigung schon einmal ausdrücklich so wesentlich abweicht; dafs die Vertheidigung eines Dritten in so vielen Stellen verstattet, ja als ein Gesetz der Tugend hervorgehoben, die Unterlassung derselben

als

eine Regünstigung des Unrechts,

als eine Theilnahme am Verbrechen des Angreifers

ange-

schaut wird; dafs die citirte Stelle aus den Clementinen wohl nicht die Tödtung zur Vertheidigung Anderer hat ausschließen, sondern nur das Prinzip, dafs die Tödtung zum Zwecke der Vertheidigung

nicht

irregulär

mache,

durch die Hervorhebung des wichtigsten Falles, nämlich der eigenen Vertheidigung, hat aussprechen wollen; dafs schon die Rursordnungen ( z . R. P o e n i t . CXXXIX § 3 : „ p a r e n t e s

Pseudo-Redae

a u t f a m i l i e s " ) die Verthei-

digung Anderer der eigenen

ganz gleichstellen;

dafs principiell beide Rechte auf demselben Grunde beruhen, s i t t l i c h

endlich

innerlichen

gemessen, und darauf ist bei

Interpretation canonischer Stellen wohl besonderes Gewicht zu l e g e n ,

die Vertheidigung Anderer mit eigener Gefahr

sogar noch höher steht : so ist wohl auch für diesen Fall die Irregularität auszuschliefsen ( 8 ) . scrips!.

Trregolaritas nempe ista contrabitnr sine culpa etiam ex me-

rito, ut in jndice juste occidente. — behauptet für diesen Fall die Irregularität.

R i c h t e r , K i r c b e n r e c b t , § 9 5 geht so weit, anzunehmen,

dafs die Tödtnng immer irregulär mache, so lange irgend ein Grad von Z u r e c h n u η g s f ä h i g k e i t vorliege. (8) Zur Unterstützung

unserer Ansicht

führen wir noch

zwei

Stellen an, in denen die Entscheidung im Wesentlichen anf demselben

62 Eine

andere

Entscheidung

mufs

allerdings

Tödtung zur Vertheidigung von H a b ten.

und

bei

Gut

der

eintre-

Hier mufs ebenso entschieden die Irregularität als

Folge angenommen w e r d e n ; denn die Ansicht des canonischen Rechts, dafs man um zeitliches Gut Menschenblut nicht vergiefsen d ü r f e , ist klar ausgesprochen ( 5 , 1 2 ) : Suseepimus

litteras t u a s , per

in c·. 10 X

quas cognovimus

quod cum lator praesentium in custodia cujusdam domus cum altero fratre maneret, ingredientes de nocte

quidam

latrones, ad eos turpiter ipsos in personis affligere, et denudare vestimentis propriis praesumpserunt : in quos isti resumptis viribus insurgentes, ligaverunt illos, et detinere usque ad notitiam Capituli voluerunt.

Cum autem iste rem

ad tuam audientiam perlaturus, ligalos eos in fratris custodia dimisisset, et fures se solvere niterentur; frater illos, ne ipse ab eis interimeretur, occidit.

Verum

quoniam

expediebat potius post tunicam relinquere lium,

et

rerum

sustinere jacturam,

c o n s e r v a n d i s vilibus rebus

et

pal-

quam

pro

transitoriis

tain

Princip beruht, wenn auch die in ihnen entschiedenen Fälle nicht ganz dieselben sind : c. 3 X De cler. percuss. (5, 25) : Praesentium lator in quodam conflictu asserit se fuisse, pro p a r t e tarnen i l l o r u m q u i v i o l e n t i a i n r e p e l l a n t : in quo lapides ipse projeeit, eed aliqnem non percussit. Quam nos, quia per alios illic aliqni dicuntur occisi, a celebratione missartim per biennium praeeipimus abstinere. Mandamus itaqnc, ut si alia non irapcdieriut, decurso hujusmodi temporis spatio, ad sui officii executionem eum a d m i t t a s ; und c. 4. eod.: Continentia litterarum : Cum P. Acolytus cum quibusdam ad res i s t e n d u m p r a e d o n i b u s arma sumpsisset, in conflictu illo tres fuerunt vulnerati ad mortem, ita tarnen, quod illa homicidia neque facto ejus, neque consilio perpetrata fuerunt: Consultationi tuae taliter respondemus, quod cum praedictum Acolytum ad frugem melioris vitae transivisse dicatis, p o t e r i t ipse ad Subdiaconatus ordinem promoveri, et altaris ministerium exercere. (9) Dieser Ansicht ist auch P h i l l i p s S. 597 ff.

63 ас r i t e r in a l i o s e x a r d e s c e r e ; a b s t i n e a t iste humiliter ab altaris ministerio, et uterque peccatum suum ad arbitrium tuumstudeat expiare : constatenim eos c o n t r a m a n s u e t u d i n e m e c c l e s i a s t i c a m ex utriusque ope interemptos. Darum bemerkt die G l o s s e zu dieser Stelle : Ex hoc § colligitur aperte, non licere clericis occidere latrones pro rebus conservandis. Mit Unrecht würde man gegen die Annahme der Irregularität in Folge der Tödtung zum Schutze des Eigenthums eine Stelle anfuhren, welche von einem Angriff durch Diebe handelt, und nach welcher allerdings dieselbe nicht eintreten soll. Allein hier handelt es sich um einen Angriff auf L e i b u n d G u t , wie deutlich der Fall zeigt: c. 19 § 1, X (5, 12) Ad ultimum fuit ex parte tua propositum, quod quidam Scholaris metuens ne latrones in hospitio suo essent, de Strato consurgens, reperit ibi furem, qui non s o l u m i p s u m S c h o l a r e m p r o s t r a v i t ad t e r r a m , s e d p e n e ad m o r t e m v u l n e r a v i t e u n dem (Scholaris vero provocatus ab illo vim vi in continent repellens, extracto latroni gladio eundem servato juris moderamine repercussit, qui perterritus fugam quantocius potuit arripere maturavit). Mane itaque Scholares latronem quaesiverunt eundem, quem vulneratum, inventum potestati Vincentiae tradiderunt latronem ipsum apparitoribus suis tradidit puniendum; qui sibi amputaverunt virilia, et oculos eruerunt : latro vero ira et dolore commotus, nec potum sumpsit, nec cibum : et sie de medio est sublatus. Unde per nostrum oraculum postules edoceri, utrum praefatus Scholaris, ad sacros valeat ordines promoveri? Nos igitur, inqui. tuae respondemus, quod si praefatus Scholaris dignis meritis adjuvatur, propter praescriptum eventum a suseeptione sacrorum ordinum, η u 11 a t e η u s est arcendus. — Allein wenn auch die Tödtung um Gut die Irregularität zur Folge hat, so tritt doch eine S t r a f e bei

64 rechter V e r t e i d i g u n g

des Eigenthums

nicht e i n ;

denn

diese ist ja in den oben angeführten Stellen, welche von der Tüdtung des fur und latro handeln, in weitem Umfange anerkannt, und auch noch a n d e r w ä r t s ,

so in c. 6 in 6to.

( 5 , 1 1 ) Praeterea cum omnes leges, omniaque jura vim vi repellere,

cunctisque sese defensare permittant :

licuil

utique ipsi Decano (si praedictus Ballivus eum b o n i s s u i s mundanis

injuriose

spoliare,

occupare

praesumpserit,

*el

ut superius

ea

violenter

est

expressuni)

contra illius violentiam injuriamque s e t u e r i .

Et quoniani

adversus ejus nimiam potentiam sufficiens temporalis defensio sibi forte non aderat. potuit se etiam spiritaliter gladio videlicet

utendo

Ecclesiastico

defensare,

ac

recuriere

propter hoc ad arma spiritalia, quae sunt Ecclesiae propria, et pro suo munimine iIiis uti.

Vierter Abschnitt.

Die Entwicklung des Rechts der Selbstverteidigung in dem deutschen Recht. Es ist die Aufgabe dieses Abschnitts, durch alle Stufen der Entwicklung des deutschen Rechts hindurch, die Anerkennung

des

Noth nachzuweisen,

Rechtes

der

nachzuweisen,

Selbstverteidigung wie dasselbe,

in

wenn

gleich anfangs mangelhaft formulirt, mit wenigen Ausnahmen, in den Aufzeichnugen desselben, von den Zeiten der einfachen, in den Volksrechten

fixirten

Rechtssitte bis zu

dem ersten umfassenden Versuche, peinliches

Recht und

Prozefs in einem selbstständigen Rechtsbuchc zusammenzuf a s s e n , in der Bambergischen Halsgerichtsordnung,

einen

65 formellen Ausdrurk gefunden hat, und damit die Grundlage für das Verständnifs

und

die Forlbildung· des

Rechts zu erbauen.

Wenn auch das römische Recht in

diese Entwicklung eingegriffen, so war es

heutigen

doch

seinem

Einflüsse so wenig vorbehalten, dem Grundsatze, dafs der Mann ein R e c h t habe, sich im Fall der Noth des Unrechts zu wehren, im deutschen Rechte Geltung zu verschaffen, dafs dasselbe vielmehr dazu geholfen hat, das autochthone germanische Recht der Selbsthülfe zu brechen

und

ihm

die Schranken anzuweisen, deren Beobachtung das g e o r d nete Staatswesen von der rohen Kraft des Individuums zu fordern berechtigt

und

verpflichtet ist.

Das

Prinzip

wurzelt im germanischen Rechtsbewufstsein; bei der innigen Verwandtschaft des römischen das deutsche Recht sich

durch

Prinzips konnte

aber

die Aufnahme römischer

Categorien für das Recht der V e r t e i d i g u n g

bereichern,

das hier wahlverwandte, juristisch vollendete Recht dazu benützen, die Gestaltung seines eigenen

Rechtsgedankens

zu strengerer juristischer Form zu vermitteln und einzelne Starrheiten und Schranken in der Anwendung desselben zu überwinden, und zwar ohne den Boden nationaler Rechtsanschauung

zu verlassen,

und

eine gewaltsam

liche Vermischung einander innerlich mente

zu

vollziehen.

unnatür-

f r e m d e r Rechtsele-

In diesem Sinne hat K ö s t l i n die

Entwicklung des deutschen Rechts der Selbstvertheidigung als ein allmähliges Hinstreben

zu dem vollen

des im römischen Recht klar und vollständig ten Grundgedankens bezeichnet.

(1) A r c h i v ,

Neue

Folge,

Dagegen hat Z o p f l

1842,

S. 129 ff., 161, 311 fl., 329,

336 ff.; 1843, S. 37 u. 38, 42 ff. Schon K ö s t l i n Z ö p f l ' s c h e Auffassung Protest ner, Archiv,

Ausspruch ausgedrück-

erhoben,

hat gegen

die

und der Aufsatz von B e r -

N. F., 1843, S. 547 ff. ist gerade zur Widerlegung

derselben geschrieben worden, »zur restitutio in integrum der älteren L e v i t a , Notlxwelir.

Ь

66 im Einklang mit seiner Auffassung der rechtlichen

Natur

der Nothwehr, dem deutschen Rechte eine e i g e n t ü m l i c h e „nationale" Auffassung dieses Rechtes, mern schon juris gentium

welches den Ro-

ist, vindicirt.

Gegenüber dem

mafslosen Prinzipe des römischen Rechts,

der Identifica-

tion der Nothwehr und der Selbstvertheidigung, habe der Begriff der Nothwehr im deutschen Rechte von j e h e r eine e n g e r gefafste und schärfer begrenzte Bedeutung

gehabt,

indem sich dieselbe hier zwar nicht als absoluter Gegensatz zur Selbstvertheidigung entwickelt, aber doch immer scharf von derselben geschieden habe.

Die Nothwehr sei

nämlich dem deutschen Rechte eine, durch den von dem Angreifer

durch

seinen

rechtswidrigen

Angriff

P e r s o n (und nur auf dieseJ herbeigeführten

auf die

Nothstand,

e n t s c h u l d i g t e Tödtung oder Verwundung des

Angrei-

fers, nur eine ganz genau und bestimmt bezeichnete, nämlich die höchste, Art der in d e m N o t h s t ä n d e erlaubten Privatgewalt, aber als solche zugleich e i n o r b i t a n t e s , so n a h e

an

der

Gränze

höchst der

ex-

Straf-

b a r k e i t h i n s t r e i f e n d e s V e r h ä l t n i f s , dafs man sehr geneigt gewesen, sie wegen des möglicher- und muthmafslicherweise

dabei vorkommenden Excesses mit einer P r i -

v a t s t r a f e zu b e l e g e n , wenn man gleich über

die Un-

statthaftigkeit einer öffentlichen Strafe vollständig einverstanden gewesen

sei ( 2 ) .

Das Wort Nothwehr

Theorie, welche Z ö p f l ' s Auffassung geradezu

begreife

auf den Kopf

stellt".

K o s t Ii η konnte übrigens nach seiner umfassenden Aufgabe den Behauptungen jener Aufsätze im Einzelnen nicht nacbgehen, auch B e r n e r hat sich überwiegend an das beutige Recht gehalten. (2) Dasselbe selectae

hatte

ad C a r p z o v .

schon

u. A. B ö h m e r ,

Obser vationes

P r a c t . obs. 1 ad qu. 28, n. 16 ausgespro-

chen : Solae leges Germanorum

singulare

quid

contioere

quae, tametsi publicam satisfactionem, nec in casuali, nec in

videntur, Decessa-

67 daher auch nach der deutschen nationalen Anschauung die anderen niederen Arten der S e l b s t v e r t e i d i g u n g , also diejenige gegen nicht lebensgefährliche Angriffe auf Ehre und Vermögen und diejenige, welche eine andere oder geringere Verletzung des A n g r e i f e r s ,

als Tödtung

und

Ver-

wundung, zur Folge haben, nicht unter sich. Während nun die Doctrin anfangs nur bestrebt gewesen sei, durch Verweisung auf römische Rechlssätze,

die germanische Auf-

fassung der Nothwehr aus den kaiserlichen

Rechten

rechtfertigen, so habe dieselbe später durch der römischen

Doctrin

über

erlaubte

zu

Hinzuziehung

Privatgewalt

deutsche Prinzip der Nothwehr selbst zu erweitern

das

ange-

f a n g e n , und dadurch in die wissenschaftliche Behandlung Haltlosigkeit und Schwanken, in die Praxis Unsicherheit gebracht.

Die

Feuerbach

Wissenschaft

endlich habe

unseres

Jahrhunderts

die N o t h w e h r ,

seit

die bis dahin

die nationale Grundlage, wornach sie eine specielle E x ception in Bezug auf ein specielles Verbrechen

(Tödtung

und Verwundung) gewesen, dennoch noch nicht ganz v e r lassen gehabt, zu der erlaubten Privatgewalt zur

Abwehr

eines widerrechtlichen Angriffes ausgedehnt, also zu einem generellen Entschuldigungsgrunde

der Strafbarkeit

einer

Handlung Uberhaupt. Wenn auch die Zeugnisse der Quellen

minder v e r -

nehmlich sprächen, so wUrde zur Entkräftung der

eben

angedeuteten Ansicht und zum Beweise der vollen und unumwundenen Anerkennung des Rechtes der S e l b s t v e r t e i d i gung im Fall der Noth zum Schutze von Leib und Gut im germanischen Rechte der Hinweis auf den nationalen Cha-

rio homicidio probeot, n o n r e p r o b a n t t a r n e n

eam

nis s p e c i e m , qua d e m u l c e t u r familia occisi.

satisfaetio(vgl. auch die

unten zu Ssp. II, 14 Angeführten.)

6*

68 racier der germanischen Völker und ihres Rechtes g e n ü gen, nach dessen innerstem Wesen

es schlechthin

nicht

gedenkbar, dafs ein so wehrhaftes Volk, welches das W a f fentragen als das höchste Recht

des freien Mannes, ja

Recht und Wehrhaftigkeit als identisch, in dem Gottesurtheil

des Zweikampfes das vorzüglichste Beweismittel, in

dem Vorwurf

der Feigheit den schwersten Schimpf,

seinem Hause ein

durch

einen

besonderen Frieden

in ge-

schirmtes Heiligthum anschaute, in dessen Sitte und Recht diese in den frühesten Anfängen seines Staalslebens w u r zelnden Anschauungen noch bis in

das späte

Mittclalter

fortwirkten, dessen ganzes öffentliches Strafrecht

endlich

langsam aus Rache und Selbstliülfe hervorwuchs, — dafs ein solches Volk in der d u r c h N o t h abgedrungenen Vertheidigung von Leib und Gut ein „exorbitantes, an der Gränze der Strafbarkeit hinstreifendes T h u n , eine Missethat" blickt h a b e n , und

er-

anstatt dieselbe als ein ureigenes, na-

türliches Recht anzuerkennen, „vielmehr geneigt gewesen sein sollte, dieselbe mit einer Privatstrafe zu b e l e g e n . " Es ist begreiflich,

dafs man den

feinen juristischen

Begriff der Nothwehr noch nicht auf derjenigen Slufe der deutschen

Rechtsenlwicklung

Volksrechte

suchen

darf,

welche

die

darstellen, in welchen das Bedürfnifs des

Lebens eben erst die instinctive rechtliche Sitte in niedergeschriebenen begann.

Satzungen

Ihr Inhalt sind

zu

gestaltin

und

feslzuhallen

einfache Rcchlssätze,

abgefafst

mit noch schwacher Beobachtungsgabe, um unter der bunten Hülle der Lebensverhältnisse, aus denen die Regel zu abstrahiren i s t , den rechtlichen Kern wahrzunehmen, und geringer

Darstellungskraft,

um denselben

entsprechend

zu formuliren, schlichte Aufzeichnungen, die darum ausreichen, weil sie überall ihre nothwendige Ergänzung haben in dem lebendigen Rechtsbewufstsein

der das Recht

69 Uebenden und Findenden.

So machen denn die Verzeich-

nisse der Bufsen, für welche es fester Ansätze bedurfte, den wesentlichen Inhalt ihrer strafrechtlichen gen aus.

Bestimmun-

Dies der eine Grund, der andere liegt in Fol-

gendem : Da in der Regel

die Missethaten

der

Freien

durch Geld abgekauft werden konnten, wenn der Verletzte, auf dessen Wahl es natürlich gestellt war, nicht sein Recht gebrauchen wollte, mit seiner Familie und seinen Genossen gegen denjenigen Fehde zu erheben, der den Frieden an ihm gebrochen hatte, „und im Blute des Friedbrecbers Genugthuung für den erlittenen Hohn zu suchen" ( 3 ) , und nur erst einzelne öffentliche Strafen, wie gegen Unfreie, gegen Freie in Fällen,

da der Verbrecher sich als Feind

des Gemeinwesens darstellte, und in noch anderen Fällen in solchen Leges, bei deren Abfassung königlicher Einflufs die alten Volksgewohnheiten modificirte, vorkamen; so liegen hier erst die Anfänge eines

öffentlichen

Strafrechts,

wenn auch in dem unverkennbaren Streben derselben, die Blutrache zu beschränken, in der Ausbildung eines allgemeinen Bufssystems, in dem Zwange zur Bezahlung

der

Bufse durch

den

das Volksgericht,

wenn

Schutz desselben angerufen, darin, an den Verletzten

der Verletzte

dafs

auch das f r e d u m ,

neben der Bufse in manchen Fällen

sogar, wenn nicht ein Einzelner, sondern Wesen verletzt w a r ,

das fredum

das öffentliche

allein verwirkt

wurde,

die ersten Schritte zur Ueberwindung der rein privatrechtlichen Auffassung des Verbrechens geschehen.

Dentiman

kann die wahre Entstehung eines Strafrechts erst von dem Zeitpunkte

(3)

datiren,

Grimm,

da das Bewufstsein , dafs nicht blofs

Deutsche

Ree b t s altertbömer,

W ä c h t e r , B e i t r ä g e zur Deutschen G e s c h i c h t e , dere

des d e u t s c h e n S t r a f r e c h t s , S. 42 ff.

S. 623.

insbeson-

70 der Schaden des einzelnen durch das Verbrechen Verletzten zu ersetzen,

sondern die durch dasselbe

gebrochene

Rechtsordnung des Staates nur durch die strafende Gewalt des Staates an dem Verbrecher

gesühnt werden

könne,

in einem Systeme öffentlicher Strafen seinen Ausdruck g e funden hat. ches

Es ist nun einleuchtend, dafs ein Recht, wel-

die Rache

in

der Form

der Fehde am Verbrecher

n a c h der That in der Regel freigab, das Recht der V e r teidigung

gegen

einen

drohenden

Angriff nicht erst

a u s d r ü e k l i c h anzuerkennen brauchte, um dasselbe wirksam werden zu lassen.

Erst dann, wenn das Princip der

Rache und Fehde vor dem System der öffentlichen Strafen gewichen, bedarf es besonderer rechtlicher Festsetzungen für die Fälle, in welchen es nun dem Einzelnen noch verstattet sein soll, sein Recht an

dem Angreifer selbst zu

nehmen.

Die Grundsätze über Nothwehr sind dann gleich-

sam

rechtliche Niederschlag

der

rechtlichen

und gesellschaftlichen

aus

jenen

gährenden

Zuständen,

dasjenige,

was von Rache und Selbsthülfe in dem geordneten Staate zurückgeblieben. Wenngleich auf welche geringen

nun aber auch die älteren Volksrechte,

römisches Recht und königliche Macht noch

Einflufs geübt,

teidigung

des Rechtes d e r

Selbstver-

a l s s o l c h e n nicht zu gedenken brauchen

und seine rechtlichen Momente noch nicht zu construiren vermögen;

so haben

sie der Anerkennung

schutzes im Princip doch einen

des

bestimmten,

Selbstwenn

a u c h n o c h j u r i s t i s c h r o h e n , A u s d r u c k in derForm eines T ö d t u n g s r e c h t s gegen den Verbrecher auf frischer That gegeben, eines Rechtes, welches gestattet, den Dieb, denjenigen,

den man bei Nacht in seinem Hause antrifft,

den Ehebrecher,

denjenigen,

der Brandstiftung versucht,

.sine composilione" zu erschlagen.

Da ist der Unterschied

71 zwischen Nothwehr und Tödtungsrecht, zwischen V e r t e i digung und Rache, noch nicht hervorgebildet, da denkt man noch nicht daran, die Verteidigung, die am Sichersten durch Tödtung des Angreifers geschieht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, ihre Ausübung durch rechtliohe Schranken zu hemmen. Ein solches Recht giebt L e x B a j u v . Tit. VIII, с. V. Fur nocturno tempore captus in furto, dum res furtivas secum portal, si fuerit occisus, nulla ex hoc homicidii querela nascatur; Tit. VII, с. I, 2. Et si in lecto cum illo interfectus fuerit, pro ipsa compositione quam debuit solvere marito ejus, in suo scelere jaceat sine vindicta. D e c r e t . T a s s i l . , de popularibus legibus III. Ut si quis domum tarn liber, quam servus altius effoderit, et ibi occisus fuerit, sine compositione in sua damnatione permaneat. Si aulem supellectilia abstulerit de eadem domo; et eo fugiente in curtem, vel extra curtem, hie cui damnum intulit consequitur, et interfecerit, pari subjaceat sententiae. Ganz verschiedenartige Fälle stellt L e x F r i s . in Tit. V unter der Aufschrift „De hominibus qui sine compositione occidi possunt" zusammen ( 4 ) : Campionem, et eum, qui in praelio fuerit occisus, adulterum et furem, si in fossa, qua domum alterius effodere conatur, fuerit repertus, et eum, qui domum alterius incendere volens, facem manu tenet, ita ut ignis tectum vel parietem doinus tangat (das eigentliche „in flagranti delicto"}; qui

(4) Es ist ungenau, wenn Z ö p f l , A r c h i τ , 1842, S. 133 fur das hier gewährte Recht die Bezeichnung Nothwehr gebraucht, weil ja der Begriflf der Nothwehr noch gar nicht in juristischer Bestimmtheit vorhanden war. Deberhaupt bat derselbe die Stellen, die von Selbstracbe, und diejenigen, welche von dem eigentlichen Recht der Verteidigung handeln, ungeordnet und äufserlich neben einander gestellt, sowie auch die, welche seine Ansicht unterstützen, ohne innere Vermittelung neben diejenigen, welche dieselbe aufzuheben geeignet sind.

72 fanum fregit, et infantem ab utero matris sublatum enecat. Lex

Burg.

Tit. XXVII,

9.

Si

quis vineam

fructum

habentem noctu ingressus fuerit, el a custode vineae intra vineam fuerit interemtus, ab occisi domino aut parentibus non requiratur.

A d d it. I, Tit. XVI, 2. Certe si de nocte

hoc ( s c . in vineam i n t r a r e , 1 )

praesumserit f a c e r e , et

percussus fuerit, ila ut moriatur, cujus vinea est nullam calumniam patiatur.

4. (jn Beziehung auf Sclaven)

si de nocte intraverit, sicut superius diximus, Tit. LXVIII

De

adulteriis,

1.

Si

occidatur.

adulterantes

fuerint, et vir ille occidatur et femina. vandum e s t ,

Quod inventi

2. Nam hoc obser-

ut aut utrumque occidat : aut si unum Occi-

d e n t pretium ipsius solvat, sub ea traditioiie prelii,

quae

est prioribus legibus constituta. Auch die späteren Rechte kennen noch ein solches Recht : L e x Werinoruin,

Lex

Francorum

Angliorum

II,

5.

et

(Merkel)

Homo in furto occisus non solvatur, sed si proximus ejus dixeril innocentem occisum, campo eum conprobet

inno-

c e n t e m , vel 12 hominem sacramenlo furem credi juste occisum. corum

(vgl. unten.)

Lex

XXXII. ( M e r k e l )

Saxonum, Qui

eflodiens vel effringens intraverit pretium

abstulerit

capite punialur.

noctu

Lex

Fran-

domum

alterius

et duorum

solidorum

Si ibi occisus fuerit,

non solvatur. In

den

Beschränkungen

dieses

Tödtungs-

r e c h t e s in einigen Volksrechten, wie dafs der

Verbre-

cher erst getödtet werden d a r f , wenn er nicht gebunden, ergriffen werden k a n n , liegen indessen schon die ersten Versuche, dasjenige, was

das später entwickelte Recht

Nothwehr nennt, gegenüber dem Recht der Selbslrache zu bestimmen. homine

So in der L e x R i b u a r .

furbattudo.

Tit. LXXVII.

De

Si quis hominem super rebus suis

comprehenderit, et eum ligare voluerit, aut super uxorem,

73 seu super filiam, vel his similibus, e t n o n r i t l i g a r e , s e d c o l p u s ei e x c e s s e r i t , fecerit. . . ; und in dem D e er. T a s s i l . de Similiter, qui liberum vel maneipium suum c o m p r e h e n d e r e m i n i m e q u i v e r i t , et fecerit reum, superior permaneat sententia.

praevalueet eum interpop. legg. IV. furaverit, e t ibidem inter-

Mit dem Zurücktreten der Selbstrache und Fehde murste das eigentliche V e r t h e i d i g u n g s r e c h t von Leib. Leben und Gut im Fall der Noth, welches früher in jenen aufging, als ein bestimmtes selbstständiges Recht seine Entstehung haben. Und so anerkennen dasselbe denn auch diejenigen Gesetze ausdrücklich, in welchen, wie in den C a p i t u l a r i e n , den Gesetzen der L a n g o b a r d e n und A n g e l s a c h s e n , die erstarkte königliche Gewalt die Rache und Fehde beschränkte und öffentliche Bestrafung an ihrer Statt aufzurichten versuchte. Es mufste, da alle Gewaltlhal verboten war, jetzt ausdrücklich die Rechtmäfsigkeit der Tödtung ausgesprochen werden, welche der Todtschläger „ s e d e f e n d e n d o " ( 5 ) verübt hatte. Dieses „se defendere" ist die G r u n d l a g e für das bestimmte

(5) W i l d a , S t r a f r e c h t d e r G e r m a n e n , S . 5 6 3 u . 5 6 4 nimmt den Ausdruck »se defendendo" als gleichbedeutend mit «necessitate cogente«, und meint, dale damit eine Tödtung bezeichnet werden solle, bei welcher der Thäter, ohne die bestimmte Absicht, seinen Gegner umzubringen oder in einer vorgesetzten Weise an Leib und Gesundheit zu beschädigen, durch irgend eine von diesem gegebene Veranlassung sich zum blutigen Angriff habe hinreifsen lassen. Der Sinn beider Ausdrücke ist aber durchaus verschieden, der letztere bezieht sich gerade auf das Gegentheil der V e r t e i d i g u n g , nämlich auf die im Nothstand a n g r i f f s w e i s e verübte Tödtung. Seine Auffassung des use defendendo« hängt mit einem Mifsverständnisse in Beziehung auf Ca ρ it. a. 817 cap. 1 zusammen, in welches er die Verpflichtung zur Zahlung des Wergeides fur die Tödtung „se defendendo« mit Unrecht h ineininterpreti rt.

74 strafrechtliche Verhältnifs der Nothwehr,

wenn auch

die

einzelnen in demselben liegenden rechtlichen Momente noch nicht oder nicht alle entdeckt und

formulirt waren.

So

d a l i r e n wir d e n n die E n t s t e h u n g d i e s e s B e g r i f f s von

hier,

obgleich man sich des ganzen in

geborgenen rechtlichen Gehaltes noch

demselben

nicht bewufst g e -

worden war, und erst die spätere Zeit denselben allmählig mit Bewufstsein erkannt und dargestellt hat.

Ja der Aus-

druck „se defendendo" ist noch so wenig ein technischjüristischer, dafs selbst in den Stellen der C a p i t u l a r i e n , welche von der Tödtung „se defendendo" handeln, damit nicht immer dieVertheidigung gegen einen

widerrecht-

l i c h e n Angriff im Falle d e r N o t h , sondern auch wohl nur Vertheidigung ü b e r h a u p t , mäfsigen

Angriff,

ein

selbst gegen Einschreiten

einen der

recht-

öffentlichen

Gewalt, gemeint ist, so dafs sich erst aus dem Zusammenhange der Stelle die Bedeutung des „se defendere" ergiebt. So bezieht sich auf die letztere K a r l o m . C a p i t . Vernis

palat.

a. 884

fPertz ,

Legg.

I,

apud

p. 551),

wo es von dem Friedbrecher, der vom missus zur Verantwortung ad palatium geladen i s t ,

in c. 3 heifst : Quod si

ausu temerario venire contempserit, vi ad nostram praesentiam adducatur, subdendus praedecessorum sanctionibus.

nostrorum

Si autem et nos et missum nostrum contemp-

serit, et ad nos venire noluerit, et s e d e f e n d e n d o ibi occisus fuerit

Hier wird „se defendendo" von dem

Widerstande gegen die obrigkeitliche Macht gebraucht, von dem Widerstande des „rebellis" (c. 10), des „in contemptu permanens" (c. i d ) .

Dagegen

sind Stellen, in

mit der Tödtung „se defendendo"

welchen

diejenige zur Verthei-

digung gegen einen w i d e r r e c h t l i c h e n Angriff gemeint ist, H l u d o w . C a p i t . A q u i s g r . a.817. C a p . l e g g . a d d . с. d. ( P e r t z , L e g g . I, p. 210.); H l u d o w . e t H l o t h a r .

75 Capit. Worinat.

a. 829. C a p .

pro

leg.

hab.

c. 1.

( P e r t z , p. 353.) ( 6 ) . Indessen werden doch, wie bemerkt, schon e i n z e l n e r e c h t l i c h e M o m e n t e des Vertheidigungsrechts bestimmt hervorgehoben ( 7 ) . Moment

So

wird

in

den Capitularien

der W i d e r r e c h t l i c h k e i t

des

das

Angriffes

vorzüglich betont, indem die Bezahlung des Wergeides für die Tödtung „se defendendo"

davon

abhängig gemacht

wird, dafs der Todtschläger „ a u c t o r c o m m o t a e

inter

e o s r i x a e " gewesen sei (s. unten). Und in den n o r m a n n i s c h e n L e g e s H e n r i c i I erhält eine andere wesentliche Bedingung des Nothwehrrechts, nicht vorüber sein dürfe,

dafs die Gefahr

schon einen bestimmten

rechtlichen Ausdruck : Der Angreifer, der sich ergeben hat,

darf nicht getödtet w e r d e n , c. 83 pr.

Si quis juxta

quod praediximus in hostem suum incidat vel vagipulantem, vel alium qui juste requisitus rectum per omnia denegave-

(6) Wenn Z ö p f l S. 138 schreibt, von den Capitularien beziehe sich vornehmlich eines auf die Nothwehr, welches L u d w i g d e m F r o m m e n zugeschrieben werde, and sich mehrfach in Auszügen, ζ. B. in C a p i t . Lib. IV, cap. 13, in den L e g g . L a n g o b . L u d o v . P i i . с. IX etc., am richtigsten und besten aber in den L e g g . L a n g o b . L o t h a r i i I, c. 57 erhalten habe, so übersieht er, dafs z w e i Capitularien existiren, dafs nämlich das C a p i t . H l u d o w . a. 817 durch ein späteres, C a p i t . H l u d o w . e t H l o t h a r . a. 829, abgeändert worden ist. (7) Für die Auffassung des Rechts der Verteidigung im Rechtsbewufstsein jener Zeit ist auch F o r m u l . S i r m o n d . XXX (Walter.) von Bedeutung, auf welche freilich das römische Recht Einflufs gehabt hat. Wir heben folgende Stelle hervor : Auctoritate legis praeceptum est ut in toto litis termino requiratur per quem orta est contentio. Et si quis ad rapinam faciendam adgreditur, aut iter agentem insidiaverit, aut domum alterius nocturnas spoliaverit, mors animae ipsius ne requiratur Diese Formel ist noch in anderer Rücksicht interessant, davon nnten beim Beweise.

76 rit; s i t a r n e n s e r e d d i d e r i l e t p a c e m diam vel

acmisericor-

invitus quaesierit, non occidatur;

scd

ad salisfactionem a reperiente custodiatur XXX noctes, parentibus et amicis saepius interim ofleratur.

p. 264.) Und der Bedrohte braucht den Streich des greifers

nicht

abzuwarten

: Si inter

et

(Schmid

aliquos

An-

de rebus

repentinis verborum dicacitate, vel eventus aliqua procacitate dissentio

consurgat,

ex quo aliquis eorum gladium

scogilatum evaginat, n o n e s t

expectandum

etiam

ut

p e r c u t i a t (c. 83, § 5), eine Bestimmung, die den Schlufsworten des Art. 140 der P. G. 0 . entspricht : ist auch mit seiner g e g e n w e e r , biss er geschlagen wirdt zu warten nit schuldig.

Ja es darf auch die Nothwehr

nicht

blofs zu

eigenem Schutze, sondern anch z u m S c h u t z e d e r d u r c h dasBand der L e h n s t r e u e verbundenen geübt werden

: Et unicuique

Personen

licet D o m i n o

suo

sine

Wyta subvenire, si quis assalliat eum, et in omnibus legitimis obedire,

praeterquam

in proditione, f u r t o , murdro,

deinceps similia quae nullo prorsus ingenio ßeri concessa sunt, et Legibus infamantur. ( c . 8 2 , § 3.) Ad eundem modum Dominus consilio pariter et auxilio debet, et modis omnibus potest sine forisfacto h o m i n i s u o in suis opportunitatibus subvenire ( § 4. s. auch c. 88, § 10).

(A e l f r e d ' s

E n g l i s c h e G e s e t z e c. 38, § 5 u. 6. ( S c h m i d p. 52). Der nun längst entstandene Begriff des Vertheidigungsrechtes im Falle

der Noth

wird

aufgenommen von den

B e c h t s b i i c h e r n , d e n S t a d t r e c h t e n, den Reichsg e s e t z e n , und zwar zu gröfserer juristischer

Bestimmt-

heit hervorgebildet, als im früheren Rechte. Der S a c h s e n spiegel

spricht indessen nur schlechtweg

Bestimmung von

„notwere,

ohne nähere

notwerunge",

während

das S c h w ä b i s c h e L a n d r e c h t die rechte Nothwehr zu deGniren versucht, in A r t . 7 9 ( L a s s b e r g ) 6 3 ( W a c k e r -

77 η a g e l ) Und kvmt ein man an den andern ez si nahtes oder tages. und lovfet der eine den andern an. und da ist et niemen bi und siht och niemen. Der eine wichet hinder sich, ob er mac entwichen, vnd wolte gerne von im komen. er sieht vf in. dirre sieht vf in hin wider und wert sich, wan er ins niht erlat. so sieht ienen zetode in rehter n o t w e r . . . . der ienen da erslagen hat. dem sol man erteilen, daz er ze den heiligen swere. d a s e r im e n t w i c h e d r i e s c h r i t t e h i n d e r sich, o d e r m e r e o b e r e n t w i c h e n m о h t e. daz ist ob er also gehes vf in sieht, daz er im nvt entwichen mag. und daz er sich do aller erst werte, vnde swaz er getan habe daz habe er in r e h t e r notwer getan sines libes

Und in art. 314, III ( L . )

340 ( W . ) waz rehtiv notwer si daz suln wir iv sagen. Div reht notwer ist nit. wan ob ein man den andern a η l o v f e t . und reht als hie vor geschriben ist. — Ausführliche Bestimmungen über die Erfordernisse rechter Nothwehr, wie dieselben erst ein wissenschaftlich entwickeltes Strafrecht zu geben vermag, ein Rechtsbuch aber gar nicht aufnehmen soll, lag dem einfachen Sinn der Rechtsbücher fern ( δ ) . Dem Sachsenspiegel ersetzt das trefflich zusam-

(8) So kennt der S s p . anch eine Nothwehr g e g e n T h i e r e , sicher ein Beweis dafür, dale die Nothwehr auch noch in dem sprachlichen Sinne einer Vertheidignng gegen j e d e n , wenn auch daneben in dem strafrechtlich-technischen einer Vertheidigung gegen widerrechtliche Angriffe genommen wnrde. Aehnlich wird auch in der L e x B n r g . , Tit. XX, I neben dem Tödtungsrecht gegen Menschen ein solches gegen Thiere gegeben : Multorum Burgnndionnm, et Romanorum quaerimonia ad nos processit, quod vineae eoram ab animalibus, porcis, vel reliqnis vastarentur. Cnm optimatibus nostris de re impensins pertractantes jnstnm esse perspeximus, et ita nobis visnm est, a quocunque animalia in vinea invents fuerint, de grege porcorum unum habeat occidendi liberam potestatem, et suis nsibns vindicandnm. I I : Quod si facilius ad utilitatem et quietem omnium debeat pertinere,

78 mengefügte Wort N o t h - W e h r

(Noth

ist die

Voraus-

setzung, Wehr die Bedingung der rechtmäßigen Ausübung der Vertheidigung, moderamen inculpatae tutelae) Begriffsbestimmung und Theorie, wie denn die ungebrochene J u gendkraft des Rechtsgefühles, die Frische und

Lebendig-

keit der unmittelbaren Anschauung des Rechts das gewährt, was eine spätere Zeit von Theorie fordern mufs.

der Uebung und Reife der

Eine Feststellung der Bedingungen

wird aber auch durch die Grundsätze vom B e w e i s e überflüssig, indem der Eid mit Eideshelfern nicht auf die Beobachtung der

einzelnen

Bedingungen, sondern

auf die

r e c h t £ N o t h w e h r geht, oder der Zweikampf über ihr Vorhandensein schlechtweg entscheidet. So darf es denn nicht b e f r e m d e n , dafs ein Rechtsbuch,

welches nicht alles gel-

tende Recht umfassen, sondern der rechtfindenden Thäligkeit der Schöffen Vieles überlassen will, n u r tung .und

Verwundung

der

in Nothwehr und nur

Tödder

Nothwehr zum Schutze v o n L e i b u n d L e b e n ausdrücklich gedenkt.

Es soll damit ebensowenig

eine Beschrän-

kung derselben auf diese beiden Arten der Verletzung des Angreifers ausgesprochen, und jede andere geringere Art derselben ausgeschlossen sein ( w i e Z ö p f l S. 161, 338 und sonst

meint),

als

damit

das Recht

der

Vertheidigung

zum Schutze des Gutes geläugnet werden will, letzteres um so weniger, als das Rechtsbuch,

welches verstaltete, „in

düve oder in rove" Betroffene zu tödten, damit denn doch die Selbstvertheidigung anerkannt hat.

des Gutes genugsam

im Prinzip

Es wird dies noch dadurch bekräftigt, dafs

die anderen Rechtsbücher, welche aus dem Rechtsbewufslsein der Zeit des Sachsenspiegels heraus niedergeschrieben

de animalibtm vel reliquis pecoribns, praeter boves et caballos, sicnt de porci9 simili conditione, teneatur.

79 sind, und darum ebenso zur Ergänzung und Erläuterung desselben benutzt werden können, wie dieser die Grundlage zu ihrem Verständnisse

bildet, dieser weiteren Momente,

der geringeren Verletzungen des Angreifers, die der Sachsenspiegel als sich von selbst verstehend übergeht, und der Vertheidigung des Gutes, ausdrücklich gedenken. So spricht unter Anderem das S c h w a b . L a n d r e c h t 233 ( L . ) 194 ( W . ) geradezu von Nothwehr zum Schutz des Gutes : „und wil man mir nvt gelovben. daz ich minen lip v n d m i n g u t

also

mit der not wer gerettet habe"; und die Di s tin с tt. nennen neben Tödtung und „kamphbar wunde" die „ b l u t r u n s t " , das „ R o u f f e n " und „ S i e g e

mit k n u t l e n

o d e r mit

f e u s t e n i n n o t w e r e " , sowie ja auch die älteren Rechte, wie die L e x R i b u a r i a und das D e c r e t u m

Tassilonis,

des B i n d e n s d e s A n g r e i f e r s gedacht haben. Von den Rechtsbüchern geht der Begriff der Nothwehr, des Vertheidigungsrechts von Leib und Gut, in die R e i c h s g e s e l z e und S t a d t r e c h t e . der Gegensatz Nothwehr

von

In jenen tritt namentlich

unerlaubter

S e l b s t h ü l f e und

in bestimmter rechtlicher Form hervor, wie

in F r i d e r i c i II C o n s t ,

pacis

a. 1235 § 5.

(Pertz.

L e g g . II, p . 3 1 4 . ) Ut nemo se vindicet sine judicis auctoritate.

Ad hoc magistratus et jura sunt prodita, ne quis

sui doloris vindex sit; quia ubi juris cessat auctoritas, e x cedit licentia seviendi.

Slatuimus igitur, ut nullus,

in

quacumque re dampnum ei vel gravamen fuerit illatum, se ipsum v i n d i c e t ,

nisi prius querelam suam coram suo

judice propositam secundum jus usque ad diffinitivam sententiam prosequatur; nisi in continenti ad tutelam corporis sui vel bonorum suorum vim v i r e p e l l a t , notwere.

quod dicitur

In diese dringen auch r ö m i s c h e Begriffe und

Ausdrücke zur Bezeichnung der rechten Nothwehr ein (das „vim vi repellere", ( W i e n , B r ü n n ) „alio modo evadere

80 non posse

(Brünn)** (9).

Es

wird zuin

ersten

hervorgehoben, dafs nicht nur zum Schutz von ben und Gut,

sondern auch

durch That oder Wort finden

dürfe.

zum

Male

Leib, Le-

Schutz der E h r e ,

angegriffen

die

w i r d , Nothwehr

Statt

So in den S t a t u t . N o r d l i n g . c. 7. ( S e n -

kenberg. Visiones ein ander reht.

d i v e r s a e . p. 3 5 6 )

Darnah. ist

daz

Diz

einer den

ist auch

andern

ubel

(9) Diese werden an geeigneter Stelle angeführt werden.

Uebri-

gens ist die r ö m i s с h e Auffassung des Rechtes der S e l b s t v e r t e i d i g u n g , bald rein, bald weniger rein, schon in den aus dem römischen schöpfenden ä l t e r e n Rechten aufgenommen.

So in der L e x W i s i g . L.VII,

Т . II, c. 15 u. 16 : Fur qui per diem

se gladio defensare

voluerit,

si fuerit occisus, mors ejus nullatenus requiratur. Fur noctnrnus captus in furto, dum res furtivas secum portare conatur, si fuerit occisus, mors ejus nullo modo vindicetur.

Lib. VI, Tit. IV, c. 6 : Non est putanda

resistentes improbitas, ubi violenter conspicitur praesumentis audacia. Qnicunque

ergo

incaute praesumptuosus, fuste vel gladio se quocun-

que ictu, pcrcuterc idem praesumptor

aliquem

iratus voluerit, vel percusserit, et tunc

ab eo quem percutere voluit, ita fuerit percussus,

ut moriatur, talis mors pro homicidio computari non poterit, ne calumniam patiatur qui praesuinentem percusserit.

Quia commodius erit

irato viventem rceistere, quam se post obitum ulciscendum rclinquere. Lib. VI, Tit. V, c. 19 : Si pater filium, aut mater patrem,

filiam,

aut filius

aut frater f r a t r e m , aut quemlibet sibi propinquum, gravibus

coactus injuriis, aut

dum

repugnat

occidit;

et hoc idone'is testibus,

quibus merito fides possit adhiberi, apud judicem potuerit approbare, quod

parriciilium,

dum propriam

vitam t u e t u r , admiserit,

securus

abscedat, пес ullum vitae periculum, aut dispendia facultatum, vel tormenta formidet, ilia discretione servata, quae in cunctis casibus est de homicidis

constitute.

Römischen Ursprungs

ist auch

L e x A l a m a n n o r u m L a n t f r i d a n a XCVIII, nas

aut

ecclesiae

pugnaverit nullum

malo online pervaserit, crimen

admittat,

repellit quia sua

contradicit.

ritate p r a e s u m a t ;

qui

quia

qui facienti violencia reпоп facit violencia

qui

2) Nullus alienam terram sine aucto-

hoc fecerit, vindictam

cognoscat, vel habias gadano.

eine Stelle in

1) Si quis res alie-

se expellendum

esse

( P e r t z . L e g g . I I I , fasc. 1. p. 118.)

vgl. auch M e r k e l ' s Note zu dieser Stelle.

81 handelt, e z si mit w o r t t e n o d e r mit w e r c k e n . s w e l h e r g e w ä r e n m a c h , daz e z d e r a n d e r , an in b r a h t hab. d e r g i t kain beszerunge. Ludwigs lung

und sol er n o t w e r Rechtsbuch

historischer

bewern

c. 1 7 6

Kaiser

(Freyberg,

Schriften

und

Samm-

Urkunden

p. 4 4 8 ) : u n d g i c h t d e z m ö c h t e r n i c h t ü b e r i g w e r d e n , e r in b e n ö t t hab s e i n e s l e i b s u n d s e i n e r sin swert oder mezze Das

Moment

der

ie g e z u c k t h a b . . . .

wird

auch

ben ( 1 0 ) .

Auch

wird

Schranken

büchern anhaften.

in

ihnen

in

ihnen

befreit,

des

besonders der die

von

in d e n

Eine solche Erweiterung



ersten

hervorgeho-

Begriff ihm

е е daz e r

(s. unten).

Widerrechtlichkeit

Angriffs

zelnen

eren,

IV, wann

des

ein-

RechtsRechtes

(10) So in der F r e y b u r g e r H a n d f e s t e c. 130 ( G a u p p , D e u t s c h e S t a d t r e c h t e d e s M i t t e l a l t e r s . II, S. 104) : Si qnis defendendo corpus suum alicui malum absque morte fecerit, nulla erit satisfaccio nec Tille nec domino nee leso, sed q u i l i t e m i n c e p i t , tenetur scnlteto in banno triam librarum. C u l m e r R e c h t I I I c. 3 ( L e m a n ) . . . . unde bewyse dy not. und betzaget das myt synen schryluten. daz her den vrede an ym gebrochen habe, v n d d e r o r h a b e y e n e s w e r e u n d s y n e n i c h t , getziuget her das alse recht ist . . . . (Andere Belege folgen unten.) Ein interessanter Scböffensprnch 6ndet sich im B r ü n n e r S c h ö f f e n b a c h 368 ( R ö f s ler, Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren. II. B. D i e S t a d t r e c h t e т о п B r ü n n . S. 167.) Quibus sententialiter scriptum fuit. E x quo jura originalia civitatis dicunt : Si aliqua levis et inhonesta persona verberata fuerit, quae hoc forte ipsum sua meruit insolentia, si suspectus hoc probare poterit mettercius cum viris credibilibus, liber erit a judice et actore. E x quo etiam ille, a q u o e t i n i t i u m et o r i g o c o n t e n t i o n i s p r o c e d i t , potius offensor quam defensor est censendus, quia defensionem поп possit rationabiliter allegare : ergo »naiser« ad probandam defensionem et vim sibi factam admitti secundum justitiam поп debet proprie, nam que judicandus est defensor, qui поп dedit operam rei illicitae et qui поп est caput insaniae ac initium rixae et maxime, qui alio modo evadere поп potest invasorem, nisi eum mutilet vel occidat. (vg!. Stadtrecht von Ens. с. 10.) L e v i t u , Nothwohr.

6

82 der V e r t e i d i g u n g gegenüber dem S c h w ä b i s c h e n

Land-

r e c h t e hat das L a n d r e c h t s b u c h d e s R u p r e c h t

von

F r e y s i n g c . 7 ( M a u r e r ) . (Im I . R e c h t s b u c h schliefst sich R u p r c c h t c. 55 noch an das S c h w ä b i s c h e r e c h t an.)

Während

Land-

im Schwbsp. von dem Benüthigten

verlangt wird, „das er entwiche drie schritte hinder sich, oder mere ob er entwichen mohte. daz ist ob er also gehes vf in sieht, daz er im nvt entwichen mag. vnd daz er sich do aller erst werte", so bestimmt

R u p r e c h t : ( I t e m es

lauffen tzwen man an einander an über ein w e g dy veind an einander sein, jr yettweder

mag dy nottwer

wann sy paid an einannder an geloflen sind.) ein man auf der strassen und laufft jn

ainen

an unnd wil jn schlahen. ener

schampt sein

hat

swert

sich

das

unnd

er

wil jn

weichnn slagenn.

pringnn oder

veind

stet still sol.

er

unnd

diser sol

get unnd zuckt

das

sein

auch zuckenn unnd sich sein w e m . dy nottwer sol auch

beredenn

alzo

das

ener

sein

swert

ее

er

gezuckt

hat. hab dann er dy nottwer sol man pringnn als vor geschriben ist. Gegenüber dieser Erweiterung des Rechtes der Nolhwehr bei R u p r e c h t , wie in c. 16 (Get

der dasselbe überall

begünstigt,

ein priester oder evangelist oder ein

lelznär jn ein leuthaus unnd treytt ein längs messer an jm unnd hebt ain krieg mit ainem laienn an. der lay sol jm weichnn

wie er mag von der weich wegnn.

mag er

aber nicht weichnn sol er sich wernn unnd schlecht er jn zue tod unnd wirt gefanngnn. er sol sein notwer pringenn als vor geschriben stet für den weltlichnn richter unnd auch für den geistlichnn.) und in cap. 25 ( W i e ein wirt sein gesst beschützenn sol.

Ob ein gastgeb ain gast hab

der

sein pfennig bey im zert unnd laufft ainer oder mer hinein

unnd wellen

den gast schlahenn. so sol

der

wirt

83 schaidenn angevär. unnd wil sein ener nit lassenn durch seinenn wellenn er well den gast schlahenn. so sol der wirt dem gast zue legenn. unnd wurd enem von jn erslagenn das ist notwer. dy sullenn sy berednn als recht ist. ist aber das der gasst flüchtig wirtt. so sol man des wirts redt darumb nemenn das er gernn hiet geschaidenn angevär so er pesst möchtt. damit sol er ledig sein, alzo hab wir von todslegnn.) — ist dann die Beschränkung derselben in § 158 des B a m b e r g e r S t a d t r e c h t s auffällig : Der Benöthigte „schol ein offen wunten weysen in den leip nit in daz gewant. und schol sweren. Umb den mort als man im zu spricht, daz er dar an niht anders getan noch begangen hab. denn daz er seines leibs in rechter notwer gegen im gestanden sey. U n d d i e w u n t e n d y e r g e w i s e t hat. daz er dy v o n d e m s e l b e n e n p h a n g e n h a b v o r . e e r im y e k e i n l e y t g e t a n h a b e m i t w o r t e n o d e r m i t w e r k e n und da mit schol er denn ledig erteylt dar umb werden, und im fride gebannet werden als vor unterscheyden ist (11). Darum wendet sich S c h w a r z e n b e r g , der mit R u p r e c h t eine schimpfliche Flucht nicht fordert, in der B a m b e r g e n s i s art. 165 mit den kräftigen Worten polemisch gegen diese Bestimmung : ist auch mit seiner gegenwerh nit schuldig zu wartten biss er geschlagen wirt, „als etlich unverstendig lewt meinen". (Diese noch in dem I. Project stehenden Worte sind in dem gesetzlichen Text der F. G. 0 . dahin modificirt „unange§ehen ob es geschriben rechten unnd gewonheiten entgegen w e r " . ) (12).

(11) Z ö p f l , D a s a l t e B a m b e r g e r R e c h t a l s Q u e l l e C a r o l i n a . Urkundenbuch. p. 46, 47; auch § 164 p. 48. (12) Z ö p f l , a. a. 0 . S. 148.

6*

der

84 So sind

denn die w e s e n t l i c h e n

Momente

des

B e g r i f f e s derNothwehrallmählig aufgefunden und rechtlich dargestellt worden : der P e i n l i c h e n

Gerichtsord-

n u n g war es vorbehalten, diesen vorhandenen Rechtsstoff, der sporadisch in den einzelnen Rechtsbüchern zerstreut lag, zusammenzufassen, weiterzubilden u n d , mischen Rechts, zu einer abschliefsenden

mit Hülfe des rö-

die geschichtliche

Formulirung

zu

Entwicklung

bringen.

Aus

diesem

Grunde werden wir das Recht der Carolina erst nach der Untersuchung der Frage nach der Nothwehr

im_ deutschen

Recht,

rechtlichen Natur

der

nach den Garantien

für

ihre rechte Ausübung und nach den Grundsätzen des Beweises

derselben, also

am Schlüsse

der

geschichtlichen

Ausführung, im Zusammenhange entwickeln. Die Darstellung wendet sich demgemäfs jetzt zur U n tersuchung der r e c h t l i c h e n N a t u r der Nothwehr.

Es

ist

frühe

le-

dafs

die

dem

bendig in der

deutschen zum

Rechte

Bewufstsein

gekommen,

rechter Verteidigung Rechte

rechtmä fsige Wergeids,

schon

verübte

Verletzung

des

Angreifers

eine

ist,

dafs hier weder von Bezahlung des

noch von öffentlicher Strafe, selbst

Todtschlag die Folge war,

durchaus wenn ein

gesprochen werden kann,

Einem Worte, dafs es ein Recht der Nothwehr giebt.

mit Wir

werden, da es nun gilt, diese bereits im Eingange zu diesem Abschnitte ausgesprochene

Behauptung eines Rechtes der

Nothwehr im germanischen Rechte zu rechtfertigen, Zeugnisse der Quellen vorfuhren, welche beweisen, dafs dieser Grundsatz auch in a l l e n Phasen der deutschen Rechtsentwicklung demselben zum Bewufstsein gekommen ist.

Gegenüber

den unzweifelhaften und bestimmten Aussprüchen der meisten Rechtsbüchcr, konnte man nur dadurch zu der ungermanischen Auffassung der

Tödtung in Nothwehr,

als

85 einer „entschuldigten Missethat", gelangen, dafs man Stellen auf die Selbstvertheidigung bezog, die von ganz anderen rechtlichen Verhältnissen handeln, dafs man in anderen, in welchen bei Gelegenheit derselben einer compositio gedacht wird, die wahre Bedeutung dieser compositio nicht verstand, dafs man die in ihnen aufgestellten Grundsätze vom Beweise nicht zurecht zu legen wufste, dafs man transitorische, von den Königen zur Verhütung aller Gewaltthat erlassene, Verordnungen, oder Irrthümer der Praxis der Gerichte für den Ausdruck des wahren deutschen Rechts nahm, oder nicht erkennen wollte, dafs die Eigenartigkeit der städtischen Verhältnisse zur Bewahrung des inneren Friedens Beschränkungen der Selbsthülfe aufzurichten gebot, aus deren polizeilicher Singularität nicht auf das Dasein eines Prinzips im deutschen Rechtsbewufstsein, als Quelle derselben, geschlossen werden darf. So hat man in die L e x B u r g u n d i o n u m , welche dag Recht der Selbstvertheidigung noch in der Form eines umfassenden T ö d t u n g s r e c h t s gegen den adulter, gegen den, der zur Nachtzeit in einem fremden Weinberge betreten wird, anerkennt (siehe o b e n ) , welche den angreifenden latro zu tödten verstattet, in Tit. XXIX, II. Quod si superventum inferens, ab his quos latrocinio suo crediderat expetendos fuerit interfectus, nulla interfectoribus ab occisi dominis aut parentibus moveatur ex hac parte causatio — die Verpflichtung zur Zahlung des halben W e r g e i d e s hineininterpretirt. Die eine Stelle, auf welche man diese Ansicht gegründet hat, ist L e x B u r g u n d . Tit. II, 2. Illud sane huic legi rationabili censuimus provisione subjungi, ut si cui forte a quocunque inlata vis fuerit, ut aut ictibus verberum, aut vulneribus urgueatur, et dum i n s e q u i t u r percutientem d o l o r e aut i n d i g n a t i o n e c o m p u l s u s occiderit, atque ita factum

86 r e ipsa, aut idoneis, quibus

credi p o s s i t ,

comprobatum, m e d i e t a t e m

pretii

testibus

secundum

fuerit quali-

tatem occisi parentibus cogatur e x s o l v e r e : est, si optimatem nobilem Occident, CL. sol.

in medietatem

Si aliquem in populo nostro m e d i o c r e m ,

minore persona

LXXV

sol. praecipiinus

pretii C. p r o

numerare

Der Fall, den diese Stelle behandelt, ist nicht

hoc

(13}.

die in der

Noth eines Angriffes zur Abwehr desselben v e r ü b t e T ö d tung des A n g r e i f e r s , sondern ein n a c h g e n e r G e f a h r von dem Verletzten,

vorübergegander den

Angreifer

v e r f o l g t (insequitur), geschehener Todtschlag.

Hier soll

der durch Schläge oder Wunden zur R a c h e g e r e i z t e Todtschläger für den Todtschlag, den er in der, durch die ihm

verübte

(dolore

aut

Verletzung

hervorgerufenen,

indignatione

dieser Aufregung

an

Aufregung

compulsus) begangen h a t ,

um

w i l l e n , nicht das g a n z e W e r g e i d ,

sondern nur „medietatem pretii" zahlen.

Und w i e

diese

Bestimmung nur zum Beweise der A n e r k e n n u n g des Affects als eines strafmildernden Moments, nicht aber d e r Zahlung des W e r g e i d s bei Tödtung

in rechter S e l b s t v e r t e i d i g u n g

dienen kann, so wenig kann eine a n d e r e , Tit. XLVIII, 4, zu diesem Zwecke benützt w e r d e n .

Dieselbe lautet : Ce-

terum si quicunque in rem suam violenter r e s i s t e n s , haec quae dicta sunt, ex necessitate commiserit, i s q u i sus abscesserit,

medietatem statutae solutionis,

inlaeprout

diversitas culpae poposcerit, imminente judice cogatur inferre.

W e n n auch hier

allerdings

an eine

Verwundung

(13) Z ö p f l , a. a.O., 1842, S. 131 benützt die Stellea wiederum d a z u , um die Zahlung des Wergeides im Falle der „Nothwehr" zu erweisen.

Ebenso A b e g g , U n t e r s u c h u n g e n , § 7 1 , welcher auch

überhaupt in der Nothwehr fertigungsgrund Grund

im deutschen Rechte nur einen Becht-

der Ausschliefsang der Strenge des Strafrechts, einen

für die Ausschließung der öffentlichen Strafe

anerkennt.

87 (derTit. handelt „de inflictis vulneribus") gedacht ist, welche von dem V e r t h e i d i g e r seines Eigenthums im Falle der Noth — ex necessitate — dem Angreifer zugefügt wird, so wird doch dafür nicht unbedingt, sondern n u r f ü r d e n j e n i g e n Bufse gesetzt, w e l c h e r

ohne

Verletzung

d a v o n g e k o m m e n i s t (qui inlaesus abscesserit).

Der

Grund der Bestimmung ist, dafs der seine Habe Verteidigende, der einen Andern verletzt hat, ohne selbst verletzt worden zu sein, wahrscheinlich die Gränzen der Vertheidigung überschritten

hat.

Dafür

zahlt er

Bufse,

allein,

w e i l er denn doch das Recht der Vertheidigung

geübt,

nicht die ganze, sondern nur „medietatem pretii". E s kehrt diese Anschauung in ähnlicher Weise in dem oben citirten B a m b e r g e r R e c h t wieder : dort mufs der B e n ö t i g t e die Wunde z u e r s t empfangen haben, hier nur überhaupt verwundet worden sein, um aller Strafe zu entgehen. Obgleich es dem Gelingen des Beweises, dafs im deutschen Recht und denjenigen Darstellungen desselben, welche das wahrhaftige deutsche Rechtsbewufstsein repräsentiren, stets ein Recht der Selbstvertheidigung

anerkannt

worden s e i , nicht präjudiciren würde, wenn die carolingischen Könige in ihrem Bemühen, dem Fehderechte Schranken zu setzen, in den C a p i t u l a r i e n auch für die Tödtung in Nothwehr die Bezahlung des Wergeids überall angeordnet hätten, so legt nun aber der Umstand, dafs dies nicht von ihnen geschehen ist ( 1 4 ) , Zeugnifs dafür ab,

(14) Man kann die entgegengesetzte Ansicht nicht auf C a p i t Caroli

Μ. d u p l .

in T h e o d .

villa

p r o m u l g . a. 805 ( P e r t z ,

p. 133) stützen : Et si aliquis post pacificationem alteram occiderit, conponat illnm, et manum qnam perjuravit perdat, et insnper bannum dominicum solvat.

Denn darauf, dafs zwei Codd. hinter »conponat

illnm« die Worte rsi se defendendo fecerit si vero aliter omnem substantiam suam amittat« einschieben (Note b. P.), ist kein Gewicht

zu

88 wie tief die Ansicht von der Rechtmäfsigkeit der Tödtung in Nothwehr in der nationalen Ueberzeugung Wurzel geschlagen hatte.

H l u d o w i c i 1 C a p i t . a.817, c. 1, welches

man für den Beweis des Wergeids angerufen, kann

dazu

in keiner Weise benützt werden : De honore ecclesiarum. Si quis aut ex levi causa aut sine causa hoininem in ecclesia interfecerit, de vita componat.

Si vero foris rixati

fuerint, et unus aUerum i n e c c l e s i a m fugerit, et ibi s e defendendo

eum interfecerit, si hujus facti testes

non

habuerit, cum duodecim conjuratoribus legitimis per sacramenlum adfirtnet se defendendo eum interfecisse, et post haec sexcentos solidos ad partem e c c l e s i a e h o m i c i d i o ρ o l l u e r a I,

et insuper

quam illo

b a n η um

nostrum

solvere c o g a t u r ; i s v e r o q u i i n t e r f e c t u s e s t

absque

c o n p o s i t i o n e j a c e a t : ac deinde interfector secundum judicium canonicum congruam facinori quod admisit paenitentiam accipiat.

Si proprius serviis hoc commiserit,

ju-

dicio aquae ferventis examinetur, ulrum hoc sponte, an se defendendo fecisset. terficiatur.

Et si manus

ejus exusta fuerit, in—

Si autem non fuerit, dominus ejus juxta quod

wirgildus illius e s t ,

ad ecclesiam persolvat;

voluerit, eidem ecclesiae tradat.

aut eum,

si

De ecclesiastico et fisca-

lino et beneficiario servo volumus, ut pro una vice wirgildus ejus pro eo conponatur, supplicium tradatur.

altera vice ipse servus ad

Hereditas tarnen liberi hominis

propter tale facinus ad mortem fuerit judicatus, mos heredes illius perveniat. sanctorum

Si in atrio ecclesiae,

consecrata

est,

qui

ad legiticujus

porta

reliquiis

hujusccinodi

legen.

W i l d a a. a. O. S. 231 Not. 2 benützt diese Stelle zur Unter-

stützung seiner Ansicht über die Bedeutung des nse defendere«, übersieht aber, dafs die Worte »et manum quam perjuravit perdat« sich nicht auf die Tödtung se defendendo, sondern gerade auf Tödtungen — si vero aliter — beziehen.

andere

89 homicidium perpetratuni fuerit, simili modo emendetur vel conponatur.

Si vero porta ecclesiae non est consecrate,

eo modo conponatur quod in atrio committitur, sicut conponi debet quod in inmunitate violata committitur. — Es wird hier im Gegentheil das Wergeid ausdrücklich ausgeschlossen — absque conpositione jaceat — , und nur an die

durch vergossenes Menschenblut

entweihte

Kirche

ein Sühngeld, und an den König, als Beschützer der Kirche, der bannus entrichtet, weil der Todtschlag in der Kirche verübt worden.

Die

entschiedenste

Rechts liegt aber in einem spätem Capit.

Hludow.

et

Hlothar

Anerkennung Capitulare.

des

In dem

a. 829 ist nämlich das

C a p i t . a. 817 dahin modificirt, dafs an die Stelle der ad partem ecclesiae zu zahlenden DC sol. Wergeides in folgender Weise auctor

commotae

dem interfecti

inter

die Zahlung des

treten soll : Et si ipse

eos

rixae

exstiterit, leu-

cogatur solvere

Sin autem non

ille qui alterum interfecit, sed is qui interfectus e s t , dem rixam

commovit,

absque

conpositione

eanjaceat.

(In Beziehung auf denSclaven heifst es hinter „utrum hoc sponte an se defendendo fecisset" : Et si manus ejus exusta fuerit, interficiatur. Si autem non fuerit, publica poenitentia multetur. Nisi forte et ipse a u c t o r c o m m o t a e i n t e r e o s r i x a e inventus fuerit: tunc dominus ejus, juxta quod wirgildus est illius ad ecclesiam persolvat, aut eum, si voluerit, eidem ecclesiae tradat.)

Es

wird diese Bestimmung

leicht verstanden, wenn man e r w ä g t , wie die im Reiche mächtig zunehmenden Verbrechen Kaiser leicht zu strengeren

und Gewaltthaten

die

Strafdrohungen gegen jeden

Todtschlag, auch denjenigen, welcher zur V e r t e i d i g u n g verübt worden, bestimmen konnten, w e n n d e m ger nur i r g e n d eine Schuld daran

Todtschlä-

beizumessen

war. Und in welch' bedenklicherWeise die Verbrechen mögen

90 um sich gegriffen haben, das beweist ein von denselben Kaisern H l u d o w i c u s

und Hlotharius

in den

Capitt.

E x c e r p t t . a. 826. c. 13 ( P e r t z p. 255.), aus dem C o n с. T u r o n . с. 41 entnommener, Ausruf : Incestuosi, parricidae, homicidae multi apud nos heu pro dolor! repperiuntur, sed aliqui

ex illis sacerdotum

nolunt

admonitionibus

accomodare, volentes in pristinis perdurare quos oportet per

secularis potentiae

aurem

criminibus :

disciplinam a tarn

prava consuetudine cohercere, qui per salutifera

sacerdo-

tum monita noluerunt revocari : quorum aliquos jam communicavimus,

ex-

sed illi hoc parvipendentes in hisdem

perdurarunt criminibus. suetudo, quid de talibus

Quamobrem vestra decernat mandeinceps agendum sit.

So wird

denn von den Kaisern nicht ohne Weiteres für die Tödtung, welche Jemand se defendendo verübt, Wergeid gesetzt, s o n dern

dessen

Zahlung

nur

legt, welcher den S treit

demjenigen

und Kampf

aufer-

veranlafst

hat, der mit dem T o d t s c h l a g e n d i g t e , als S t r a f e dafür,

dafs

er

den S t r e i t a n g e f a n g e n ;

derjenige

aber, welcher o h n e s e i n e S c h u l d in eine Lage gekommen, in welcher die Selbstvertheidigung ihn zu einem Todtschlage zwingt, von

der Zahlung

desselben

befreit.

In

dieser Bestimmung „si is qui interfectus est, eandem rixam commovit, absque conpositione jaceat"

ist

ganze

Selbstvertheidigung

Anerkennung

unumwunden

des Rechts

der

die volle und

ausgesprochen.

So wenig aus den Bestimmungen der Capitularien auf dasjenige geschlossen w e r d e n

darf,

was im Recht

rechtlichen Yolksbewufstsein ihrer Zeit lebendig w a r ,

und so

wenig sind solche Schlüsse gerechtfertigt aus den E d i c t e n der

l a n g o b a r d i s c h e n Könige.

In ihnen tritt eben-

falls überall das Bestreben, alle Gewaltthat aus dem Reiche zu verbannen, hervor, und führt zu strengen Strafansätzen.

91 Daraus erklärt sich unter Anderem diese Fülle der bis in das Einzelste gehenden Strafbestimmungen gegen Verwundungen in dem Edict von König R o t h a r i s . Es darf demgemäfs nicht befremden, wenn auch die Tödtung zum Zwecke der Selbstverteidigung gebürst werden mufs. Gleichwohl anerkannte noch das E d i c t u m R o t h a r i s die Rechtmäfsigkeit derselben überall. So ist in cap. 32 und 33 ( B a u d i a V e s m e - N e i g e b a u r . ) bestimmt : 32, ("De curte.} De homine libero, si nocte in curte alterius inventus fuerit et non dans manus legendi, el occiditur, a parentibus n o n r e q u i r a t u r . Et si manus dederit ad legandum, et legatus fuerit, dit pro se octugenta solides : quia non convenit rationi, ut homo noctis tempore in curtem alienam silentio aut absconse ingreditur; sed si quacumque utilitatem habet, priusquam intret clamet. 33, Si servus in curtem aliena noctis tempore inventus fuerit', et non dans manus ad ligandum, si occiditur, non requiratur a domino; et si manus dederit et legatus fuerit, libere se cum quadragenta solidos. Und in gleicher Weise wird dies Prinzip ausgesprochen in c. 280. De rusticanorum seditionem. Si per quacumque causa homines rusticani se collegerint, id est concilios, et seditionis facere praesumpserint, et cuicumque se anteposuerint, et mancipium, aut peculium de manu tullerint quod de casa servi sui dominus tollere voluerit : tunc ille, qui in caput ex ipsis rusticis fuerit occidatur; aut redimat animam suam quantum appretiatus fuerit : et unusquisque qui in ipsam seditionem cucurrerit ad malum faciendum, conponat sol. XII, medietatem Regi, et medietatem cui injuria fecerit aut se anteponere presumpserit. Et si ille qui rem suam querere aut exegere videtur, ab ipsis rusticis feritas aut piagas habuerit facta, sicut superius statutum est ei conponatur : nam pro presumptione tantum, pena suprascripta patiantur. Et si aliquis

92 ex ipsis rusticis occisus fuerit, no η r e q u i r a t u r , quia ille qui eum occisit se d e f e n s a n d u m et res suas vindicandum hoc egit. Und es liegt dem cap. 323 zum Grunde: De hominem rabiosum. Si peccatis erainentibus homo rabiosus aut demoniaticus factus fuerit, et damnum fecerit in hominem aut in peculium, non requiratur ab heredibus; et si ipse occisus fuerit, simili modo n o n r e q u i r a t u r : tantum est, ut sine culpa non occidatur. Im Gegensatze zu R o t h a r i s Gesetzen bestimmt aber das E d i c t K ö n i g L i u t p r a n d ' s c.20. (De homicidium.) Si quis liber homo, se defendendum, liberum hominem Occident, etsi provatum fuerit quod s e d e f e n d e n d u m ipsum hominem occisessit, sie eum c o n p o n a t , sicut in anteriore Edicto contenit, quod gloriosae memoriae Rothari rex facere visus est. Nam qui super alium ambolaverit, et sie eum p r o q u a c u m q u e c a u s a occiserit, o m n e m s u b s t a n t i a m s u a m a m i t t a t , et habeant heredis ipsius qui occisus fuerit: in hoc ordine, ita sane ut si minus fuerit ipsa substantia humicidae, quam anterior conpositio erat, aut nisi tantum, tunc et res suas perdat ipse humicida, et persona ejus tradatur ad propinquos defuneti; nam si amplius habuerit ipse humicida substantia, quam ipsa conpositio anterior erat, amittat omnes res suas, et aeeipiant heredis ipsius qui occisus fuerit in antea tantum, quantum conpositio antiqua fuit, et quod superfuerit medietatem habeat curtis regia, et medietatem heredis defuneti: et ipse humicidam animam suam liberit. Und in c.62 wird die Gröfse der conpositio festgestellt, und dabei das Princip wiederholt in den Worten : Reminiseimur enim qualiter jam statuimus, qui hominem liberum occiserit ut res suas in integrum perdat; et qui se d e f e n d e n d u m hominem occiserit, c o n p o n a t secundum qualitatem personae Darnach wird also die Tödtung eines Menschen „pro quacumque causa" mit dem Verlust

93 des

ganzen

Vermögens

gebüfst



omnem

substanliara

amittat — , d i e j e n i g e , w e l c h e z u r V e r t h e i d i g u n g mit

der B e z a h l u n g

ciellen

Fall

c. 1 4 3 ( 1 5 ) ,

von

die

woselbst

rührerische W e i b e r , die

des Wergeids.

wird

für E i n e n

zu

und

spe-

ausgeschlossen,

strenge Bestimmungen

freie

d e n Männern

Nur

conpositio

geschieht,

unfreie,

gegen

gesetzt

in auf-

werden,

g e w a l t t h ä t i g e m Gebahren

auf-

g e r e g t w o r d e n sind. Damit, Langobarden

dafs Kaiser H l o t h a r bestimmten

Gesetze

unter das

seine

oben

Tür

die

angeführte

(15) Relattim est nobis, qnod aliqais perfidi et in m&liti&m astnti, dum per se non presampsessent mano fortia ant riolento ordinem intrare in vicum ant in casam alienam, timentes illam conpositionem qne in antiquo Edicto posita est, fecernot collegere mnlieres soas quascumqne habuerunt, Iiberas et ancillas, et misernnt eas saper homines qui minore habebant virtnte; et adprehendentes hominis de ipso loco, et piagas fecerant, et reliqua mala violento ordine, plas crudeliter quam viri, exercuerunt. Dum autem hoc ad nos perveniasit, et ipsi homines pro soa violentia qui minus potebant interpellabant : ita prospeximas in hoc Edicto adfigere, ut si amodo mulieres hoc facere in qualecnmque locum presumpserint, primnm omnium deeernimus, ut si aliqua injuria, aut obprobrium, aut piagas, ant feritas, aut mortem ibi acceperint, n i h i l a d i p s a s m u l i e r e s , a u t a d v i r o s a n t a d m u n d o a l d e a r u m c o n p o n a t i l l e q u i se d e f e n d e n d u m e i s a l i q u a f e c e r i t l e s i o n e m a u t in t e r n i c i o n e m . Insuper et poblicus, in qno loco factum fuerit, conprehendat ipsas mnlieres, et faciat eas decalrare et frustare per vicos vicinantes ipsius loci, ut de cetero mnlieres tale malicia facere non presnmaot. Et si in ipsa causa feritas aut piagas fecerint ipse mulieres cnicamque homini, mariti earum conponant ipsas piagas aut feritas quas ipsa fecerunt, secundnm Edicti tinore. Hoc autem ideo prospeximus tarn de disciplinam quam et de conpositionem, quia non potuimas mulierum collectionem ad arischild adsimilare, neque ad seditionem rusticanorum, quia istas causae viri faciunt, nam non mnlieres : ideoque sie de ipsis mulieribus faciat, sicut statuimus supra. Si quidem simpliciter in scandalum qualiscumque mulier cuenrrerit, et mortem aut piagas vel feritas ibi acceperint, sie ei faciat justitiam, sicut decessor noster Rothari rex instituit et judieavit.

94 C a p i t u l a r e a. 829 aufnimmt, ist denn später auch für das langobardische Recht die volle Anerkennung des Rechtes der Verteidigung, gegenüber den transitorischen Gesetzen L i u t ρ r a n d ' s von 721 und 724, ausgesprochen. I h e r i n g sagt einmal : Gesetze können freilich in kurzer Zeit viele erlassen werden, aber nicht jedes Gesetz betrachte ich als ein geschichtliches Ereignifs. Die Gesetze können sich drängen, wie die Wolken bei bewegtem Himmel, aber wenn sie ebenso wie letztere rasch vorüberziehen und keine Spur zurücklassen, so rechne ich sie nicht zu den Productionen der Geschichte, sondern zu dem Abfall, den Spänen, die davonfliegen, wenn die Geschichte arbeitet. Diese Worte sind gegen diejenigen geschrieben, welche in solchen Gesetzen, „die ihrer transitorischen Bestimmung oder ihrem untergeordneten, nichtssagenden Inhalt nach so bedeutungslos sind, dafs sie sich zu der Geschichte des Rechts verhalten, wie etwa die gewöhnlichen Lebensverrichtungen eines Individuums zu dessen Lebensgeschichte," ein Zeugnifs für die Existenz eines Rechtsprinzips anerkennen. Was insbesondere das Langobardische Recht angeht, so legen schon die Lombardisten A r i p r a n d und A l b e r t u s (16) nicht die L i u t p r a n d ' s e h e n Gesetze,

(16) Vgl. D i e L o m b a r d a - C o m m e n t a r e d e s A r i p r a n d a n d A l b e r t o s . Nach den Handschriften zum ersten Male herausgegeben von A n s c h ü t z . p. 23 sqq. Von dieser Frage handelt Lib. I, Tit.IX. De homicidiis Iiberornm hominum. Ihre Ausführung resiimirt sich in Folgendem : A r i p r a n d u s : Si vero masculus (occiditnr), distinguitnr snper eum ambulando vel se defendendo. Si super enm ambnlando, amittit omnem eubstantiam suam, a t widrigild aeeipiant heredes defuneti, reliqua inter heredes et curtem regis dividatur. Si vero se defendendo, distingit Eriprandus, u t r n m a u e t o r r i x e f u e r i t m o r t u a s , a n n o n : ut si anetor fuerit rixe, jaceat 8 i η e c o m p o s i t i o n e . Si vero non, componat widrigild. S e t h o c c o m m u n i c o n t r a d i c i t s e n t e n t i a e . A l b e r t u s : In masculo aotem libero, laico et jam nato et in mani-

95 sondern das H l o t h a r ' s c h e C a p i t u l a r e

ihrer Interpre-

tation zum Grunde, und unterscheiden demgemäfs bei der Tödtung „se defendendo", ob d e r T o d t s c h l ä g e r a u c tor r i x a e

gewesen,

o d e r d e r E r s c h l a g e n e , wäh-

festo, ei super eum ambulando simpliciter stantem interfecerit, substantiam suam omnem amittat hoc scilicet ordine, at ex ea guidrigild defuneti ejus heredes reeipiant, reliqanm vero inter heredes et cartem regis equaliter dividatnr, si interfectoris substantia erit major defaneti compositione. Set si minor faerit, tunc heredibus defaneti interfector tradatnr. Si rero a n e t o r c o m m o t e r i x e faerit et se defendendo hoc egerit, gaidrigild defaneti damtaxat prestabit. Set si s i m p l i c i t e r s t a n e e t s e d e f e n d e n d o hoc fecerit, a b s q u e c o m p o s i t i o n e jacebit Item interest, ntrnm in ecclesia an extra. Nam si in ecclesia faerit et saper enm ambalando simpliciter stantem hoc fecerit, de yita componat. Ejus autem bona ad suos legitimes heredes deveniant, ita tarnen, at gaidrigild heredibas defaneti et DC solidi ecclesie prestentar. Set si, cam est a a c t o r c o m m o t e r i x e , hoc egerit se defendendo, gaidrigild defuneti heredibas et DC solides ecclesie prestabit, mortis autem sententiam non ineurret. Si aatem s e d e f e n d e n d o s i m p l i c i t e r s t a n s hoc fecerit in ecclesia, n e c ecclesie n e c defaneti heredibus aliqaid prestabit. Hoc autem totum intelligas, si infra ecclesiam consecratam vel in ejus atrio factum faerit Nunc autem de servo restat animadvertere : Set si domino nolente hoc egerit et si saper liberum hominem ambalando simpliciter stantem interfecerit, tunc , dominus servi guidrigild defuneti et insuper servum heredibus ejus prestabit. Si autem servos a u e t o r c o m m o t e r i x e fuerit et se defendendo alium peremerit, dominus ejus guidrigild defuneti et servum infra compositione heredibus ejus prestabit. Set si s i m p l i c i t e r s t a n s se d e f e n d e n d o hoc egerit, dominus n i c h i l p r e s t a b i t Set si in ecclesia domino nolente homicidium fecerit super eum ambalando simpliciter stantem, dominus pro servo gaidrigild defaneti ejas heredibus prestabit et insuper servus interficiatur. Set ecclesiac nichil prestabit, quoniam servo caret nec dolo fecit, qnominus eum habeat. Set si a a c t o r c o m m o t e r i x e extiterit et se defendendo hoc egerit, dominus pro eo guidrigild defuneti ejus heredibus et servum vel ejus estimationem ecclesie prestabit. Si autem se d e f e n d e n d o s i m p l i c i t e r s t ä n d e hoc egerit, n u l l a e r i t c o m p o s i t i o .

96 rend

sie

für

den Gegensatz derselben,

„super eum ambulando", Gesetz beziehen.

sich

auf

den Todtschlag

das L i u t p r a n d ' s c h e

Obwohl sich A r i p r a n d , welcher also

gegen die beschränkenden Königsgesetze die alten wahren Grundsätze beweist,

des germanischen Rechts festhält

d a Ts d i e s e

Ueberzeugung werden

nicht

aus

der Juristen

können,

zur

der

und

damit

rechtlichen

hatten

Unterstützung

verdrängt

seiner

Ansicht

weiter auf das Gesetz von R o t h a r i s , 1. 3 L o m b . I , 17, und das spätere von L i u t p r a n d, 1.5 L o m b . eod., b e r u f t ; mufs er indessen

zugeben, dafs er damit der gemeinen

Meinung entgegentrete, welche diese Gesetze für „leges casuales", jenes L i u t p r a n d ' s c h e , 1. 19 Lomb. I, 9, w e l ches f ü r die Tödtung „se defendendo" Wergeid setzt, aber eine „lex generalis" nenne. Dafs diese communis sententia sich aber später den echten Principien des germanischen Rechts in der Auffassung des Rechtes der S e l b s t v e r t e i digung

angeschlossen

haben mufs, geht

daraus h e r v o r , dafs der prand'schen

Commentars,

augenscheinlich

spätere Ueberarbeiter des A r i Albertus,

ihrer

als

einer

entgegenstehenden gar nicht mehr gedenkt. Während

die

angelsächsischen

G e s e t z e (17)

das Recht des Selbstschutzes, gleich den älteren Rechten (17) So W i l i t r ä d ' s Gesetze 26. ( S c h m i d p.13)

Wenn Jemand

einen Laien beim Diebstabl erschlägt, so liege er ohne Wergeid. (Es ist bedeutsam, dafe auch die englische Kirche diese Bestimmung ausdrücklich billigte : C o n eil. B e r g h a m s t e d e n s e XXV ( B r u n s II, p. 318.)

Ine's Gesetze 16. (p. 17) und 35. (p. 21)

Wer einen Dieb

erschlägt, der mufs eidlich bewahrheiten, dafs er ihn schuldig erschlag, nicht die Genossen. — Wer einen Dieb erschlägt, kann eidlich bewahrheiten, dafs er ihn auf der Flucht als Dieb erschlug, und die Magen des Todten

sollen ihm Urfehde schwören.

G e s e t z e 25. (p. 35)

Aelfred's

mosaische

Wenn ein Dieb jemandes Haus des Nachts er-

bricht and er wird da erschlagen, so sei der nicht des Todschlags

97 der germanischen Völker diesseits des Meeres, in der Form eines Tödtungsrechts, gewähren,

so

wird

wie

namentlich

durch

gegen

den

diejenigen Gesetze,

Hieb,

welchen

schon frühe der Begriff des Verlheidigungsrechts aufgegang e n , durch die n o r m a n n i s c h e n Gesetze König H e i n r i c h ' s I die Rechtmäßigkeit

derselben,

als

solcher,

unbedingt

anerkannt.

So in c. 72. (S. p. 257) Definitio

homicidii.

Homicidium fit niullis modis, multaque distantia

in eo est in causa et in personis. cupiditatem

vel

Aliquando autein fit per

contentionem temporalium, fit etiam

ebrietatem, fit per jussionem alicujus. fensione

et

justitia,

de quibus ita meminit beatus

Augustinus de sermone Domini in monte : § 1. cidium

est

peccato.

occidere,

per

Fit etiam p r o d e -

potest

aliquando

Si homi-

accidere

sine

Nam miles hostem, et judex nocentem, et cui

forte invito vel imprudenti telum manufugit, non mihi videntur peccare cum hominem occidunt.

In seiner ganzen

Reinheit ist aber das Princip ausgesprochen in c. 83 pr. (S. p. 2 6 4 ) Qu od unicuique licet se defendere in quolibet negotio praeterquam contra Dominum suum. licet

se

defendere,

si

quis

eum

Unicuique assailiat

in

o m n i l o c o v e l n e g o t i o excepto contra Dominum, quem tolerandum, non occidendum jugiter ac salubrieter frequentamus

advertendum.

Es wird

sogar

in § 5, dessen wir

weiter unten noch gedenken werden, die Selbstvertheidigung mit der B l u t r a c h e

zusammengestellt : Si quis in

vin-

d i c t a m v e l i n s e d e f e n d e n d o occidat aliquem

schuldig, der ihn erschlug.

Wenn er es aber spater nach Sonnenauf-

gang thut, so ist er des Todschlags schuldig, und er sterbe dann selbst, aufser wenn er es a u s N o t h gethan hat. e i l . G r e a t a n l e a g . ) 1 § 2.

A e t h e i s t a n s Gess. ( C o n ·

Wenn er (der Dieb) sich aber wehren

will oder er entflieht, dann schone man ihn nicht, (vgl. auch 2 § 1.) b e v i t a , Nothwebi·.

7

98 Ja

das Recht

der V e r t e i d i g u n g

wenn dadurch d e r F r i e d e wird, eine

wenn Bufse

auch Iiier gezahlt

wird

fecerit

seibsl

gebrochen

für den Bruch des Pallaslfriedens

werden

mufs.

Denn

§ 7 ( S . p. 2 6 2 ) bestimmt : Si quis regis

anerkannt,

der curia regis

homicidium

während c. 8 0

in domo vel in curia

vel Hominiplagium

de

membris

coinponat, so fügt nun § 8 hinzu : Si quis tarnen legitimos coactionis testes habeat, vel Dei judicium oflerat quod s e d e f e n d en d o liceat.

fecerit, Dei

rectum

est,

ut

emend are

Und § 4 sagt : Forestal est, si quis ex

incurrat

vel

in via expectet

transverso

et assalliat inimicum suum;

si post eum expectet vel evocet ut ille revertatur in eum, non

est F o r e s t a l

si se d e f e n d a t

(18).

W i e die Capitularien, so legen auch die Landfrieden

kaiserlichen

Zeugnifs ab für die Anerkennung des Rech-

tes der Nolhwehr im deutschen Rechte : denn sie nehmen die Verletzung

in rechter V e r t e i d i g u n g

der Strafe des Landfriedensbruches Constit.

De p a c e

tenenda

et

ausdrücklich

aus. ejus

a. 1 1 5 6 . ( P e r t z , Legg. II, p. 1 0 1 ) § 1.

violatoribus. Si quis hominem

infra parem conslilulain occiderit, capitaleni subeat tiam, nisi per duellum hoc probare possit. su а ш

de f e n d e n d o

alium infra

pacis

ilium

edictum

quod

occiderit.

vulneraverit,

von

So F r i d e r i c i 1

§ 2.

scntenν it am Si

nisi duello

quis quod

vitain suam d e f e n d e n d о hoc fecerit probaverit, manus ei ampulelur,

et sicut

superius dictum est, judicelur.

§ 13.

Mercator ncgotiandi causa per provinciam transiens, gladium suum suae sellae alliget, et super ne unquani laedat innocentem,

( 1 8 ) c . 8 0 § 1. restal e s t ,

Si

vehiculum

set u t

sc

a

suum pönal, praedone

in via r e g i a fiat assultus super a l i q n e m ,

et С . sol. e m e n d e t u r ,

si

üieiur vel r e t i n c a t u r ibi m a l e f a c t o r .

ibi c a l u m p n i a m l i a b e a t ,

Fo-

ut diva-

99 d e f e n d at.

(Ucber die den Beweis betreffenden § § 7 п. 8

vgl. unten.)

F r i d e r i c i II C o n s t i t . р а с . a. 1235. § 5.

(siehe oben.) In der dieselbe bestätigenden R u d o l f i I C o n stit.

pacis

in F r a n c o n i a

a. 1281 ( P e r t z , p. 4 3 2 )

heifst es : § 2. Wir selten unde gebeden, so wat schaden ene manne gesche, dat he dat selven claget al irst sinen

nith

richte, he ne

richtern, unde volge siner clage an

dat ende alse reth is, i t n e s i e d a t h e d a r t o h a n t

sie

to n o t w e r e s i n e s l i v e s o d e r s i n e s g u d e s . (Wiederholt in

desselben

Kaisers

C o n s t i t . p a c i s . a. 1287

§ 7 ( P e r t z , p. 449). Ein Rechtsbuch, welches die Tödtung des Diebs und Räubers, des Friedebrechers gestattet, (Ssp. II, 69.

Но-

ш е у e r ) , welches den Verbrecher in handhafler That zu ergreifen (I, 66) oder mit Gerüfte, dem Jeder bei Strafe bewaffnet folgen mufs, zu verfolgen gebietet ( I , 53 § 1 ; II, 71 § 3 ) , erkennen.

m u f s die Rechtmäßigkeit der Nothwehr anSo wird dieselbe denn überall im

Sachsen-

spiegel

ausgesprochen.

Nothwehr

ist n i c h t F e l o n i e : III, 78 § 6. Wundet ok

Tödtung oder Verwundung

en man sinen herren, oder sleit he ine dot an oder die herre den man,

he ne

dut weder

in

notwere,

sine

triiwe

n i c h t , of die not up ine mit rechte volbracht wert ( 1 9 ) . (Die L e g e s

Henrici

I hatten gegen

den Dominus das

Recht der V e r t e i d i g u n g ausgeschlossen.) ger in Nothwehr

verliert

nicht

sein

Der TodlschläWartrecht :

III,84, § 3 . Dodet ok en man sinen vader oder sinen bruder oder sinen mach oder jemanne, des egenes oder lenes he wardende is, al sine wardunge hevet he verloren; h e n e du't in n o t w e r u n g e s i n s l i v e s ,

(19) S c h w a b . LR. 129 ( T h i i n g e n )

unde die not

151 iL.) 202 (W.) S a c h s . W e i c h b .

7*

uppe

art.

100 den doden beredet werde, oder he ne du't unwetene so , dat it geschi ane sinen dant ( 2 0 ) .

Die Handlung in N o t h -

wehr ist also hier dem gleichgestellt, was man „unwetene" thut.

Die Nothwehr wird auch z u m

Schutze

Dritter

anerkannt : III, 78 § 5. Jewelk man inut wol h e l p e n r e n siede,

we-

bürge unde land und lif sines herren unde

mages unde mannes unde san sines vründes, weder herren unde mage unde manne, die sie geweldichliken süken, unde mul wol uppe si striden, unde ne dut weder sine

trüwe

nicht; deste he selve irs selves have nicht ne neme;

und

§ 7. Sineme wechverdigen gesellen unde sime werde, dar he geherberget i s , unde sime gaste

unde svie to

sinen

gnaden vliit, deine sal die man h e l p e n w e d e r allir manlikenie, dat he sik irwere

Unrechter gewalt,

weder sine trüwe nicht (21}. r e s wird

durch Nothwehr

unde ne dut

Die Tödtung

eines Τ l i i e -

gerechtfertigt : II, 62 § 2.

Sleit en man enen hunt dot oder beir oder en ander dier binnen des it ime scadon wil, he blift des a n e

wandel,

of he dat geweren darn uppe'n hilgen, dat he't notweringe dede;

und III, 48 § 4 : Belemt

aver en man enen hunt

oder sleit hc ine dot, dar he ine biten w e l , sin ve bit up der strate ane wandel, anderes

nicht

(20) W e i c h b . (21) P r a g e r Stadtr.

art. 131.

(Ortloff.) hier

an

ne künde ( 2 2 ) .

dist.

3.

Das Schwab.

ältere Reehte an.

dal he ime

Die Bedeutung

D i e t i n c t t . 1 , 39 dist. 4.

Rechtsbuch

(22) G o s l a r . S t a t u t .

oder dat he

velde, he blift is

gevveret he't uppe'n hilgen, gesturen

Der Deutscheil

D i s t i n c t t . II, 9

oder uppe'n

194.

(Röfsler,

Rechtsdenkmäler S. 43.

(Göschen)

Eisenach'sches

Das

(Ortloff) altprag.

В. I, ρ 160.)

Weichb.

art.

304.

Rechtsb.

III,

67.

LR. 342, 343 (L.) 2 7 8

Da die

der

zur

Möglichkeit,

eines Rechtes

Persönlichkeit nicht

zu

das

ver-

kleinste

(82) W i r können diese Bestimmung der Gränze der Ausübung der Nothwchr nicht scharf genag hervorheben. wir behauptet,

An anderer Stelle hatten

dafs von dem Angegriffenen eine stricte Beobachtung

eines Verhältnisses zwischen dem Werthe des angegriffenen Guts nnd der dem Angreifer könne,

zuzufügenden Verletzung

und zwar ans vielen Gründen;

nicht

dagegen

gefordert werden

hier verlangen wir,

dafs die W e h r im Verhältnifs stehe mit der Gröfse der drohenden Gef a h r , diese gefafst als die Möglichkeit, den ungestörten Besitz eines Hechtes

einzubüfsen.

Dadurch, dafs die Bedeutung der Gefahr aber

nach

der Individualität des Angegriffenen bestimmt werden s o l l ,

auch

selbst

ist

diese Verhältnifsmäfsigkeit weit davon entfernt, eine ab-

stract oder gar mathematisch bestimmbare zu sein.

IG*

244 R e c h t einem

widerrechtlichen

Angriffe

g e b e n genöthigt ist, so rechtfertigt lustes

des kleinsten Gutes

ter Gewalt, w e n n gerer

gegenüber

die Gefahr

das höchste Mafs

nicht

erhalten

Ver-

angewende-

n u r d a s b e d r o h t e Gut mit

Gewalt

aufzu-

des

werden

gerinkonnte:

dagegen entschuldigt die Gefahr für das höchsto Gut nicht die

geringste

Gewalt

über

ches von der R e t t u n g W e n n aber die Gefahr keit der Gewalt

das

Mafs

desselben

hinaus,

wel-

gefordert

war.

den Mafsstab für die Rechtmäfsig-

abgiebt, so

ist dabei

festzuhalten,

dafs

diese Gefahr nicht an und für sich, nicht in der Gestalt, wie dieselbe einem unbetheiligten Dritten, etwa dem die Acten durchlesenden R i c h t e r , darnach

gemessen

nachher

e r s c h e i n t , sondern nur

werden d a r f , wie

dieselbe

sich

dem

Renöthigten im Drange des Augenblicks darstellen mufste : n i c h t die o b j e c t i v e , s o n d e r n

die

fährlichkeit

entscheidet

des

Angriffes

subjectiveGeüber

die

F r a g e , ob der Angegriffene das R e c h t d e r Nothwehr, w e l c h e s das R e c h t ist ( 8 3 J , sich nach seiner Individualität zu vertheidigen,

geübt,

oder das r e c h t e Mafs der

Verteidi-

gung überschritten habe. Die Individualität des Angegriffenen also, an und für sich und dann in der durch

den

rechtlichen Angriff hervorgerufenen A u f r e g u n g ,

wider-

die g a n z

dazu angethan ist, die Gröfse der Gefahr zu überschätzen, die

Persönlichkeit

des

Angreifers,

von

welcher

Schlimmste zu befahren ist, auch wenn vielleicht creten Falle nur ein minder gefährlicher beabsichtigt w a r ,

die Mittel

das

im c o n -

Angriff von ihm

des Angriffs,

die Zeit,

der

(83) Dafs die Nothwehr nicht blofs ein Entschuldignngsgrund, sondern dafs das kraft derselben Gethane völlig r e c h t m ä f s i g

ist,

ist

gerade für die Beurtheilung des bei der Nothwehr beobachteten Mafses von hoher Bedeutung.

B e s e l e r , 8 . 188, 189, billigt ausdrücklich aus

diesem Grunde die Schlufsbestimmung des Art. 41.

245 Orl desselben

müssen

von dein

Erwägung genommen werden,

urlheilenden

welcher

Richter

erst

dann

in

einen

gerechten Ausspruch über die Beobachtung der moderatio inculpatae tulelae zu thun vermag, wenn er, alle abstracte Norm abweisend, sich die psychische Lage des Benöthigten aus den concreten dabei auch zu

Verhältnissen reproducirt hat.

bedenken,

Es ist

dafs Uberhaupt die Gefahr

an

und für sich, weil der Zukunft angehörig, ein U n g e w i s s e s ist, dessen

Bedeutung in der Gegenwart

gar nicht

ermessen werden kann. Darum können der Muthige und der Furchtsame, der Erregbare

und der Ruhige in gleicher

Weise über die zu ihrer Abwehr objectiv Mittel hinübergreifen.

nothwendigen

Denn das Unrecht, gegen

Nothwehr geübt, ist nicht wie dasjenige,

welches

gegen

welches

Strafe verhängt wird, ein wirkliches, sondern ein

mögli-

ches ; während diese das begangene Verbrechen zur Grundlage hat, kämpft j e n e Gefahr

gegen die noch incommensurable

einer Rechtsverletzung.

Der strafende

Richter

kann darum an das Prinzip der Talion gebunden sein, nicht aber der Benöthigte, weil eben dasjenige n o c h g a r n i c h t vorhanden

ist, woran

er

seine Vergeltung

abmessen

könnte. Es ist nur wieder die unselige Verwechslung von Nothwehr und Strafe,

welche,

wie sie bei

Bestimmung

des Angriffs und des wehrhaftigen Guts zu falschen Consequenzen getrieben, auch hier ihren verwirrenden EinQufs leicht geltend machen kann. Aus diesen Gründen ist Nichts verwerflicher, als wenn eine Gesetzgebung die Fälle, in welchen eineUeberschreitung gefunden werden soll, e i n z e l n wie diefs ζ. B. die B a i e r i s e h e

aufzuzählen

versucht,

in Art. 1 2 8 unternimmt.

Dieselbe scheint den begangenen Fehler durch die Artt. 1 3 0 und 131 selbst wieder gut machen zu wollen, und die Officiellen

Anmerkgg.

zu Art. 128 beweisen durch

246 die Bemerkung,

date bei diesen

Glänzen

vorausgesetzt

werde, dafs der Angegriffene die gelinderen Mittel kannte, und sie anzuwenden Zeit und Gelegenheit hatte, auch ohne alle andere Gefahr fur sich anwenden konnte, sowie durch die ausdrückliche Verweisung

des Richters auf den

Zu-

sammenflufs der Umstände, dafs j e n e abstrafte Festsetzung doch überflüssig, und trotz derselben

das Ermessen

Richters im concreten Falle entscheidend anerkennen

auch

ausdrücklich

sei (84).

diejenigen

des Dies

Gesetzbücher,

welche zwar nicht die einzelnen Fälle des Excesses, s o n dern diesen nur überhaupt

in

allgemeinen

Umrissen

bestimmen, wie das W t i r t t e m b . Art. 103 und das H e s s . Artt. 4 8 u. 49. Die neusten, wie das P r e u f s . und O e s t e r reich.,

lassen

sich

mit Recht selbst auf

allgemeine Characteristik sondern

eine

solche

Hos Excesses nicht mehr

setzen den Begriff desselben,

ein,

eingedenk, dafs

alle Bestimmung doch nichts Anderes sagt, als „Nothwehr mufs Nothwehr bleiben", als mit dem Begriff der Nothwehr,

der gerechten

Nothwehr ( O e s t e r r . )

gegeben,

voraus (85).

(84) Die M o t i v e darum mit R e c h t ,

zum

Baierschen

Entw.,

S. 259,

sagen

in bewufstem Gegensatz zu Art. 128 des älteren

Gesetzbuchs, man habe es für zweckmäfsig erachtet, da die speciellc Aufzählung der einzelnen Fälle des Excesses im Texte des Gesetzes zn einer schwerfälligen und am E n d e doch immer lückenhaft bleibenden Casuistik führen w ü r d e , die Beantwortung der F r a g e ,

ob die

Gränze als überschritten zu betrachten s e i , in jedem einzelnen Falle dem auf die Erwägung aller Umstände gebauten vernünftigen Ermessen der Richter za überlassen. (85) Es ist interessant, zu beobachten, wie man jeden Versuch der näheren Bestimmung des Excesses in den P r e u f s i s c h e n vermied.

Im E n t w . v o n

Entwürfen

1 8 3 0 , § 80, war man schon bis zu dem

allgemeinen Satze gelangt : Die Nothwehr ist nur dann gerecht, wenn sie nicht weiter getrieben wird, als nothwendig ist; im E n t w .

von

247 Wenn nun aber die Theorie, deren Aufgabe es ist, die Gränzen der Strafbarkeit der Ueberschreitung begrifflich festzustellen, jene beiden oben hervorgehobenen Momente, nämlich die Rücksicht auf die Individualität des Benöthigten und auf die objective Unbestimmbarkeit der Gefahr, in Erwägung nimmt, so kann eine strafbare Ueberschreitung des Rechts der Nothwehr nicht in jedem Hinausgehen über das nöthige Mafs der Yertheidigung, sondern n u r d a n n angenommen werden, wenn der Angegriffene den Zustand der Nothwehr dazu benützt hat, dem Angreifer eine Verletzung zuzufügen, v o n w e l c h e r e r w u f s t e , d a f s s i e zu s e i n e m S c h u t z e g a r n i c h t o d e r n i c h t in d e r a n g e w e n d e t e n A r t u n d S t ä r k e n o t h w e n d i g w a r , oder wenn er zwar die Absicht hatte, sich zu vertheidigen, ihn aber e i n e g r o b e F a h r l ä s s i g k e i t übersehen liefs, dafs das Mafs angewendeter Gewalt weit über diesen Zweck hinausreichen werde. Im ersten Falle ist die Ueberschreitung eine d o l o s e , im zweiten eine c u l p o s e . Wo die Strafbarkeit der culpa b e g i n n e , läfst sich natürlich hier so wenig, wie anderwärts, absolut festsetzen, da die Frage, ob ein Irrthum oder ein Nichtwissen vermeidlich gewesen sei, so dafs es also eine Fahrlässigkeit des Handelnden ist, dieselben nicht vermieden und dadurch den rechtsverletzenden Erfolg mittelbar verschuldet zu haben, stets nur n a c h d e r I n d i v i d u a l i t ä t d e s H a n d e l n d e n u n d d e n U m s t ä n d e n d e s c o n c r e t e n F a l l s , und selbst hier nur n e g a t i v dahin beantwortet werden kann, dafs die Verantwortlichkeit wegfällt, wenn dem Handelnden als sol1 8 4 3 , $ 87 : Die Nothwehr darf nicht weiter geübt werden, als ihr Zweck erfordert ( G o l t d a m m e r , I , S. 421). — Dafs die P r a x i s darum doch den Excefs zu bestimmen weifs, zeigen η. A. die Entscheidungsgründe des W i e n e r Cassationshofs in einem Fall, in welchem Ueberschreitung angenommen wurde, bei T e m m e , A r c h i v , II, S. 192.

248 chem unter den vorliegenden Umständen nicht zugemuthet werden konnte, dafs e r den eingetretenen Erfolg als mögliche Folge seiner Handlung hätte vorhersehen sollen. Es ist also zur Herstellung einer strafbaren Fahrlässigkeit im einzelnen Falle, wenn in der durch den widerrechtlichen Angriff hervorgerufenen A u f r e g u n g die objectiven Glänzen der Verteidigung

überschritten worden

sind,

zu

untersuchen,

ob diese Aufregung einen solchen Grad erreicht hatte, dafs es von dem Angegriffenen in derselben

nicht

werden konnte, das Verhältnifs des gewählten

erwartet Vertheidi-

gungsmittels zu der drohenden Gefahr mit derjenigen Einsicht und Vorsicht zu ermessen, deren

Vernachlässigung

sonst den Handelnden strafrechtlich verantwortlich

macht.

Gerade hier ist es, dais die Erwägung des Richters Eigenartigkeit

des

Nothwehrverhältnisses

in

die

besondere

Berücksichtigung nehmen mufs, dafs die Nothwehr gegen ein Unbestimmtes, ein Zukünftiges, eine Gefahr gerichtet ist, deren

Gröfse im Beginne des Kampfes nicht sofort

erkannt w e r d e n , kann.

im Verlaufe des Kampfes sich steigern

Darum wäre

es aber ein Verkennen des Wesens

der culpa, w o l l t e m a n h i e r

nur

vvufstsein

Aufregung

vernichtende

der völligen Straflosigkeit

an e i n e a l l e s B e die

Folge

knüpfen.

Die Strafgesetzgebung, wie es scheint, in der

Er-

kenntnifs, dafs sie die Pflicht habe, dem nach allen Richtungen in seinem Vertheidigungsrechte eingeengten A n g e griffenen doch einigen Ersatz

zu g e w ä h r e n ,

dieses

So

letztere

ausdrücklich.

G e s e t z b . Art. 130, dafs, wenn

erklärt

im Fall

das B a i e r . überschrittener

Glänzen rechtmäfsiger Vertheidigung aus den des Ortes, der Zeit, der Personen,

anerkennt

Umständen

der Art des Angriffes

und dergleichen mit Wahrscheinlichkeit sich ergebe,

dafs

der Angegriffene aus Ueberraschung, übermächtiger Furcht

249 in gestörter Besonnenheit

(las Mafs erlaubter

Vertheidi-

gung überschritten habe, ihm die unverschuldete Unbedachtsamkeit z u k e i n e r S t r a f e gereichen dürfe (86).

Das-

selbe bestimmen, mit geringen Modificationen in der Redaction ( 8 7 ) , die Gesetzbücher von B r a u n s c h w e i g § 167, Baden

§ 91, T h ü r i n g e n Art. 67, P r e u T s e n Art. 41,

O e s t e r r e i c h I, 1, § 2 g ;

das letztere mit dem eigent-

lich überflüssigen Zusätze, dafs eine solche

Ueberschrei-

tung nach Beschaffenheit der Umstände als eine strafbare Handlung aus Fahrlässigkeit nach Mafsgabe der Bestimmungen des zweiten Theils des Gesetzb. geahndet werden solle (88). Es ist dies auch die Meinung derjenigen Gesetzbücher, welche, anstatt geradezu für solche Falle Straflosigkeit auszusprechen, dem Richter nur die Pflicht auferlegen, bei Beurtheilung der Frage, ob und in welchem Mafse eine Bestrafung eintreten solle,

auf den Gemütszustand

des

Angeklagten zurZeit des behaupteten Nothzustanrles, nach Mafsgabe des Orts und der Zeit des Vorfalls, der Persön-

(86) Sehl gate

Bemerkungen

k u n g e n , I, 6. 315. zagegeben, denden

Freilich

stehen

darüber in den

wird , auch in diesen

Anmer-

stillschweigend

dafs alle Beschränkungen des Gesetzbachs im

entschei-

Momente doch nicht berücksichtigt werden k ö n n e n , j a dafs

das Gesetzbuch selbst die Beobachtung derselben eigentlich gar verlange.

nicht

So reagirt die Natur des Verhältnisses selbst gegen das ihr

wider ihr eigenstes Wesen Aufgedrungene. (87) Das B r a u n s c h w .

nennt Ueberraschnng,

das P r e u f s . Be-

stürzung, F u r c h t oder Schrecken, das T h ü r i n g . geminderte Besonnenheit; das P r e u f s . sagt aufserdem, »dafs dies der Nothwehr gleich zu achten sei«.— B e r n e r , A r c h i v , S . 5 9 3 , will auch Z o r n u n d pfeshitze

Kam-

dazu gestellt wissen, und zwar mit Recht, während ohne

Grund H y e , S. 205, Not.** ausdrücklich

die Aufnahme dieser s. g.

asthenischen Gemüthsbewegungen und die Ausschliefsung der schen (Zorn, Rache, Hafs, wilde Aufregungen etc.) billigt. (88) H y e , S. 206.

etheri-

250 lichkeit der Betheiligten und der Ansicht des Angegriffenen über den gröfseren oder geringeren Grad der Gefahr, billige Rücksicht zunehmen. ( W ü r t t e m b . Art. 103. H e s s . Art.

51 ( 8 9 ) ,

H a n n ö v . Art. 79.)

Auch das

Sachs.

Art. 71 ist in diesem Sinne zu interpretiren, weil

es,

wenn es auch nur zunächst von Bestrafung redet, dennoch diese

in

das richterliche Ermessen stellt. — Wenn nun

durch solche Bestimmungen die Gesetze die dem Angegriffenen verderbliche Wirkung jener Beschränkungen practisch zu n e u t r a l i s i r e n

suchen,

so dient demselben Zwecke

auch die Vorschrift des B a i e r . G e s e t z b . Art. 131, des B r a u n s c h w . § 167 u n d T h ü r i n g . Art.67, dafs eineStrafe nicht eintreten solle,

wenn während der Gegenwehr

des

Angegriffenen aus der Anwendung eines an sich erlaubten und den Umständen angemessenen

Vertheidigungsmit-

tels unabsichtlich eine gröfsere Beschädigung des Angreifers entstanden sei, als zu dessen Abhaltung erforderlich und von dem Angegriffenen beabsichtigt gewesen wäre. Sosehr d i e s e Bestimmungen zu Gunsten desExcedenten den Grundsätzen des Rechts und der Humanität entsprechen (s. jedoch unten), so mufs dagegen an der Strafbarkeit der Ueberschreitung in denjenigen der

Berücksichtigung

und seiner Lage e i n e

Fällen, in welchen trotz

der Individualität des wahre

Handelnden

c u l p a zurückbleibt, mit

(89) B r e i d e n b a c h , 8. 626, 627, giebt zwar zu, dafs nach diesem Artikel auch unter Umständen v o l l e S t r a f l o s i g k e i t eintreten könne, allein er f ü r c h t e t , »dafs die Bestimmung desselben

den Gesetzen die

Spitze abbrechen und der Bosheit zum Asyle dienen könne«, und sucht ihn darum möglichst einschränkend zu erklären. Gerade das Hessische Gesetzbuch hätte Veranlassung gehabt, sein an dem widerrechtlich Angegriffenen geübtes Unrecht durch milde Grundsätze für die Bestrafung des Excesses wieder in etwas gut zu m a c h e n ,

zu

dessen

Begehung

ihn dasselbe durch die vielen Schranken gleichsam selbst treibt.

251 Bestimmtheit festgehalten werden ( 9 0 ) .

Es könnte sich

sonst Befriedigung der Rache und jede Gewaltthat hinter dem äufseren

Scheine

der Nothwehr

verstecken.

Die

Nolhwehr geht nur gegen den widerrechtlichen Angreifer, in der Ueberschreitung wird aber der Benöthigte selbst zum

widerrechtlichen Angreifer,

mehr vom Gesetze geschützt,

der nun nicht

sondern mit Strafe belegt

werden mufs, und von dem ersten Angreifer selbst kraft des Rechts der Nothwehr zurückgetrieben werden darf. Auch haben die meisten Gesetzbücher die culpose neben der dolosen Ueberschreitung als strafbar gesetzt, durch die

ausdrückliche Vorschrift an den Richter, im einzel-

nen Falle zu bestimmen, ob die Ueberschreitung blofe als Fahrlässigkeit, (Baier.

oder als böser Vorsatz zuzurechnen sei.

Art. 132,

Hannöv.

Art. 7 9 ,

Bad.

§

90.)

Im H e s s . Art. 52 ist an diesen Gegensatz eine gleich unten zu erwähnende, besonders bedeutsame Folge g e knüpft ( 9 1 ) .

Selbst wenn ein Gesetzbuch desselben nicht

(90) B e r n i r , A r c h . , S. 592. K ö s t l i n , S y s t e m , S. 94, Not. 5. A n m e r k g g . z u m B a i e r . S t r a f g e s e t z b . , I, S. 316. (91) B r e i d e n b a c h , S. 630, warnt hier vor einem möglichen Μ Unverständnisse, vermöge dessen der Begriff der absichtlichen Ueberschreitung z u w e i t ausgedehnt werden könnte. Man könne nämlich leicht versucht werden, eine jede Verletzung, die der Angegriffene dem Angreifer zugefügt habe, schon als eine im Sinne des Art. 52 geschehene vorsätzliche Deberschreitnng zu betrachten, also mit der sonst gesetzlichen Strafe zu belegen, wenn sie 1) nach den Ge- oder Verboten der Artt. 48 und 49 hätte ganz unterbleiben oder geringer ausfallen sollen, und wenn sie 2) absichtlich zugefügt worden wäre. Unvorsätzlich, aber doch schuldvoll wäre hiernach diejenige Verletzung, bei welcher zwar das Requisit unter 1), statt desjenigen unter 2) aber das vorhanden ist, dafs der Handelnde die nicht beabsichtigte Verletzung bei gewöhnlich gehöriger Aufmerksamkeit entweder ganz, oder doch in solchem Maafse hätte vermeiden können. Allein das sei nicht der Sinn des Art. 52 nach seiner ganzen Bildungsgeschichte.

252 ausdrücklich g e d e n k t , Ueberschreitung

so

will

s e t z t d e n s e l b e n v i e l m e h r als allgemeinen

es

die b e i d e n

Formen

damit nicht a u s g e s c h l o s s e n h a b e n ,

dolus ζ . B.

worden

sind ( 9 2 ) . —

aber

der

Slrafbarkeit

den

des

Württemberg,

von

nach

und d e r culpa, v o r a u s , o b g l e i c h d a g e g e n b i s w e i l e n , in

Grundsätzen

selbstverständlich,

der

sondern

mit U n r e c h t , Z w e i f e l

erhoben

D a s ist f r e i l i c h z u z u g e b e n , d a f s ,

wie

(92) Es ist nämlich eine ganz andere Frage , ob das Gesetzbuch diese Unterscheidung von culposer und doloser Ueberschreitung drücklich

aufnehmen solle, was allerdings

Mit Recht wurde darum

zu

verneinen

und dieselbe

ist.

bei der Revision des Ρ r e u fs. E n t w . von

1845 hervorgehoben, dafs sich eine solche Unterscheidung von verstehe,

aus-

gegen

die früheren

Entwürfe

selbst

weggelassen

( G o l t d a m m e r , S. 368). — Ebenso erklären die M o t i v e zum B a i e r . E n t w . , S. 260, der Unterschied zwischen doloser und culposer Ueberschreitung der Nothwehr, welchen mehrere Gesetzgebungen aufstellen, um hiernach die Bestrafung abzustufen, scheine eher geeignet, Begriffsverwirrung zu erzeugen, als derselben vorzubeugen, und dürfte namentlich da, wo Geschworene über die Thatfrage ab'zuurthcilen haben, sich als unpractisch darstellen.

Es sei daher für das Zwcckmäfsigste erach-

tet worden, die Bestimmung der Strafe in solchen Fällen lediglich dem richterlichen Ermessen anheim zu geben, ohne in Bezug auf Strafart und Strafgröfse dieses Ermessen auf irgend eine Weise zu beschränken. — In W ü r t t e m b e r g wurden aber darüber Ζ w e i f el angeregt, ob auch Ueberschreitung aus Fahrlässigkeit strafbar sei, weil Art. 103 für die Bestrafung übeschrittener Nothwehr auf die betr. Artt. der Lehre von der T ö d t u n g und Körperverletzung verweise,

und dort nur von

vor-

s ä t z l i c h e r Ueberschreitung, die eine Tödtung oder Körperverletzung zur Folge habe, gesprochen werde, sonach hier der Grundsatz des Gesetzbuches in Anwendung k o m m e , dafs Fahrlässigkeit nur in den Fällen bestraft werde,in w e l c h e · solches a u s d r ü c k l i c h sei.

ausgesprochen

Diese Ansicht ist niedergelegt in einer Entscheidung des O b e r -

t r i b u n a l s ( T e m m e , A r c h . , I, S. 166), worin weiter gesagt wird : Man könnte zwar s a g e n , dafs die Artt. 251 und 267 auch die Fälle der culposen Verletzung der Nothwehr

in sich begreifen; dieser Be-

hauptung schienen aber nicht nur die W o r t e , sondern auch der Sinn des Gesetzes zu widersprechen, indem der Gesetzgeber sich hier ganz

253 ü b e r h a u p t nicht, s o a u c h h i e r a b s o l u t e G r a d e d e r culpa s i c h nicht f l x i r e n l a s s e n , w e n n gen,

die

aber

nicht die

ner Grade haben, die g r ö f s e r e

oder

auch q u a n t i t a t i v e

Abstufun-

B e d e u t u n g qualitativ

verschiede-

nach den concreten Umständen, geringere

Leichtigkeit,

die

welche

strafbare

Folge vorauszusehen, bedingen, sich unterscheiden Wir w ü r d e n dies kaum h e r v o r h e b e n , w e n n lich

die

Doctrin.

die s i e a l l g e m e i n

der

Lehren

der

nicht

P. G. 0 .

lassen. nament-

vergessend,

und für die T h e o r i e der N o t h w e h r

ins-

b e s o n d e r e g i e b t , i h r e v o n d e m C i v i l r e c h t e mit U n r e c h t a u f das Strafrecht ü b e r t r a g e n e Gradeintheilung g r a d e der handlung d e s c u l p o s e n E x c e s s e s a u f g e d r u n g e n hätte

andere Fälle gedacht habe.

Ohnehin wäre es nahe gelegen

Be(93}.

gewesen,

in jenen A r t i k e l n , wo топ üebersehreitnng der Nothwehr die Rede sei, auch die colposen als strafbar zu erwähnen nnd auf die letztgenannten Artikel hinzuweisen.

Es wäre daher anzunehmen, dafs von

der culposen Ueberschreitung defshalb keine Rede gewesen sei, weil der Gesetzgeber n u r die dolose habe bestrafen wollen.

Dagegen wirft

nan Q n f n a g e l I, S. 224 m i t R e c h t ein, Üebersehreitnng der Nothwehr sei n i c h t e i n b e s o n d e r e s Verbrechen oder Vergehen, vielmehr sei der ihr zu Grnnde liegende Gemiithsznstand ein Milderungsgrond für die an sich strafbare Handlung, nnd da die Nothwehr in einer Gewalt gegen die Person des Angreifers, häufig in T o d t a n g oder Verletzung desselben, bestehe, so sei die vorsätzliche Üebersehreitnng bei Tödtung und Körperverletzung ausdrücklich erwähnt worden. oder Körperverletzung Verbrechen

seien,

D a nnn T ö d t u n g

in A n s e h u n g

welcher

a u c h F a h r l ä s s i g k e i t b e s t r a f t w e r d e , so werde man allerdings behaupten müssen, dafs auch T ö d t u n g

nnd Körperverletzung

durch

Ueberschreitung der Nothwehr ans Fahrlässigkeit strafbar sei, sofern nämlich der Zustand der Nothwehr, in welcher die Fahrlässigkeit begangen werde, nach Berücksichtigung der concreten Umstände

eine

Zurechnung zur Fahrlässigkeit noch zulasse. (93) So sagt C a r p z o v q. 29, nr. 6 : Hoc autem arbitrium

re-

gulari debet juxta rationem et qualitatem commissi excessus ex dolo vel culpa l a t a , sive l e v i o r i ,

aut l e v i s s i m a .

Dicitur autem vulgo

excessus lata culpa eommissus, qnando mod. i t. exceditur tribus mo-

254 Noch

verwerflicher,

Strafbarkeit

als

die

Nichtanerkennung

des culposen E x c e s s e s ,

der strafbaren U e b e r s c h r e i t u n g a u f b e s t i m m t e Arten

der Verletzung

Punkte hat

wisse Verbreeben

schwere

des Angreifers.

sich die B e s c h r ä n k u n g

In diesem

der Nothwehr auf g e -

practisch geltend gemacht.

doch fürwahr die Beschaffenheit der

E s ist aber

widerrechtlichen

Verletzung des Angreifers

kein Moment,

Entscheidung

ob

der F r a g e ,

der

ist die Beschränkung

welches

auf die

eine Ueberschreitung

Statt

gefunden, von Einflufs sein kann, sondern es kann diese nur bei Z u m e s s u n g tung sein.

der S t r a f e

Tür dieselbe

von B e d e u -

J e d e A r t der Verletzung, selbst die s c h w e r s t e ,

ist z w a r g e r e c h t f e r t i g t durch die N o t w e n d i g k e i t der V e r t e i d i g u n g , aber keine, nicht die kleinste, darf als r e c h t m ä ß i g oder

nicht

strafbar

angesehen

werden,

N o t w e n d i g k e i t nicht zur Seile steht.

wenn

ihr

diese

Am W e i t e s t e n

geht

in dieser falschen Richtung das H a n n ö v . G e s e t z b .

Art.

7 9 , w e l c h e s die U e b e r s c h r e i t u n g nur dann bestraft w i s s e n will, wenn dieselbe die T o d tu n g oder eine

bedeutende

Verletzung

gehabt

sollte ( 9 4 3 .

des Das

Angreifers

zur

Braunschweig.

Folge § 167

haben

verweist

für

dis, videlicet in genere armorum, tempore et modo percutiendi; levi calpa, qnando exceditur tantum circa duo ex praedictis; lerissima culpa, si defendens unum duntaxat ex tribus istis requisitis non servaverit. (94) Nach dem e r s t e n E n t w ü r f e erschien j e d e Verletzung des Angreifers strafbar, da derselbe allgemein redete. Gegen die Bestimmung des Gesetzb. s. L e o n h a r d t I S. 349, welcher wenigstens die Strafbarkeit geringerer Privatgewalt n a c h g ä n z l i c h e n t f e r n t e r G e f a h r zu retten sncht. In einer anderen Richtung geht freilich der schlecht redigirte Artikel so weit, dafs nach seinem Wortlaut jede Tödtung oder bedeutende Verletzung b e i A u s ü b u n g d e r N o t h w e h r , n i c h t b l o f s b e i d e r U e b e r s c h r e i tun g d e r s e I b e n , dann gestraft werden müfste, w en η d i e s e l b e ü b e r h a u p t n u r z u z u r e c h n e n ist. Ueber diese, durch ein Zusammenwerfen der Worte des ersten und des

255 die Bestrafung

nur auf die Strafbestimmungen über vor-

sätzliche ( § 1 4 6 ) oder unvorsätzliche ( § 1 5 2 ) T ö d t u n g und K ö r p e r v e r l e t z u n g

( § 160, 1 6 1 ) ,

dies die n o t w e n d i g e Folge Lehre

und

zwar ist

der unrichtigen Stellung der

zu diesen Verbrechen

( s . oben).

Dieser

Grund

war für das H a n n o v., welches die Nothwebr im allgemeinen Theil abhandelt, so wenig vorhanden, als für das Württemb.,

welches ebenfalls im Art. 103 auf die B e -

stimmungen Uber Todtschlag weist,

und Körperverletzung

sondere

Vorschriften

für Todtschlag

oder

Körperver-

letzung in Nothwehr giebt (Artt. 2 4 4 und 2 6 5 ) . spricht

ver-

und dann bei Gelegenheit dieser Verbrechen b e Dagegen

das B a i e r . mit Recht nur ganz allgemein

von

überschrittenen Grenzen, o h n e dieUeberschreitung an die Form eines b e s t i m m t e n Verbrechens anzuknüpfen, ebenso das H e s s . , das B a d . ( 9 5 ) , das T h ü r i n g . , das P r e u f s . , (das S ä c h s. ( 1 8 3 8 ) Art. 71 von dem dem Angreifer zugefügten Uebel), während hinwieder die beschränkende Fassung des О e s t e r r . ,

nämlich die ausdrückliche Verweisung auf

die S § 3 3 5 und 4 3 1 , zu einer von dem Gesetz nicht bc-

revidirten Entwurfs durch die Stände entstandene, verwerfliebe nnd a a s triftigen Gründen (namentlich wegen Art. 7 8 ) in einer von ihrem Wortlaute

wesentlich abweichenden

Weise

zu

interpretirende

Redaction,

s. L e o n h a r d t , S . 3 4 8 . (95) Doch macht das B a d .

eine A u s n a h m e

für die

im $ 87

statairte Beschränkung der Eigenthumsnothwehr. Hier nämlich ist η u r die T ö d t u n g Excefs.

oder lebensgefährliche Verletzung

oder lebensgefahrliche Verletzung In

dieser Weise

seiner und

strafbarer

Und zwar wird außerdem noch verlangt, dafs diese Tödtung sieht

sich

vorsätzlich

das Gesetzbach

Beschränkungen

richtiger wnre es gewesen,

der

zu

Nothwehr

verübt worden

sei.

Beschränkungen getrieben.

Einfacher

den ganzen § 87 wegzulassen.

256 absichtigten

beschränkenden

Interpretation

Veranlassung

geben kann ( 9 6 ) . Wenn

die dolose und culpose Ueberschreitung,

zwar ohne Rücksicht

und

darauf, welche Verletzung des A n -

greifers sie hervorgebracht haben, als strafbar gesetzt w e r den, so fragt es sich n o c h , welcher Behandlung tung

strafrechtlichen

die Gesetzgebung eine solche Ueberschrei-

unterwerfen

soll.

Die F r a g e kann auch so gestellt

w e r d e n , ob die a l l g e m e i n e n Grundsätze über die strafrechtliche Behandlung des den dolosen oder culposen E.\c c f s darstellenden Verbrechens oder Vergehens ausreichen, oder ob s i n g u l a r e stellt

werden

Strafansätze

sollen?

Es

für diese Fälle aufge-

würde

über

die

Beantwor-

tung dieser F r a g e kaum ein Streit entstehen können, wenn unsere

Strafgesetze

überall eine richtige Behandlung der

culpa und des Affects dadurch möglich m a c h t e n , das

richterliche

R e c h t e einsetzten. meinen

Ermessen Dann

dafs

sie

in die ihm gebührenden

könnte getrost auf die

allge-

G r u n d s ä t z e von der culpa, auf die die S t r a f -

barkeit erhöhenden und verringernden Gründe und die die Bestrafung

der

stimmungen

einzelnen

verwiesen

Verbrechen

werden.

Durch

normirenden diese

wäre

Beder

(96) Wenigstens sagt H y e , S . 206, dem man doch die Kenntnifs der Intentionen des Gesetzes zutrauen darf, dafs nicht blofs die im Gesetz b e i s p i e l s w e i s e

angeführten Verletzungen

oder

Gefährdungen

der körperlichen Sicherheit, welche in den citt. § § 335 und 431 vorkommen , sondern allerdings auch andere Uebertretungen,

ζ. B . j e n e

des § 4 5 9 gegen die Sicherheit des Eigenthums, als strafbare U e b e r schreitungen

begangen werden könnten (vgl. auch D e n s . , S. 199,

woselbst, wie bereits oben erwähnt, die Erweiterung des B e g r i f f s

der

Nothwehr über Tödtung und Körperverletzung hinaus — und in dieser Beschränkung des Begriffs wurzelt

j a auch

diese Beschränkung

Ueberschreitung — gegenüber dem früheren Gesetzbuch hervorgehoben wird).

der

ausdrucklich

25? Richter in den Stand gesetzt, auf Grundlage dieser,

bald

keine, oder die der geringen Verschuldung des einzelnen .Falles

adäquate

schweren Fällen

mildere

Strafe auszusprechen,

bald

in

den Verbrecher die ganze Strenge des

Gesetzes fühlen zu lassen.

Jenes würde um der A u f r e -

gung des Handelnden willen in den Fällen des culposen und selbst in denjenigen des dolosen Excesses im Falle wirklicher Aufregung Statt haben, dieses in denjenigen des dolosen, in welchen der Thäter mit ruhiger Ueberlegung die Verletzung seines Gegners beschliefst und ausführt ( 9 7 ) . Nach

der Art und Weise

aber,

wie manche Straf-

gesetzbücher

die culpa

behandeln, wie dieselben Straf-

minderungs-

und Strafmilderungsgründe

in

qualitativem

Unterschiede neben einander aufstellen, und, indem sie die Möglichkeit einer Steigerung derselben bis zur Aufhebung der Zurechnung verneinen, die Wirkung rungsgründe

beschränken

(Köstlin,

der StrafmildeSyst.,

§

142,

Not. 3 und 4, bes. S. 617 u. 618) ( 9 8 ) , wird es allerdings ebensowohl erklärlich,

dafs sich die Doctrin für eine b e -

ts?) Aach dies kann nothwendig werden; denn es ist ja aacb M o r d durch vorsätzliche Ueberschreitung der Gränzen der Nothwehr recht wohl möglich, wie dies denn bei Gelegenheit der Berathang des Württemb.

Strafgesetzb.

ausdrücklich

hervorgehoben

( H u f n a g e l , Π, S. 35, anch B r e i d e n b a c h , S. 631).

wnrde

Daraus stellt

sich übrigens schon die Unstatthaftigkeit einer ausschließlichen Verweisung anf den Titel vom T o d t s c b l a g n. s. w. in diesem Gesetzbache dar. — Dagegen ist eine im calposen Excels begangene Tödtnng nicht eine dolose, sondern allerdings eine c u l p o s e , weil das dolose Element in der unmittelbaren Verletzung durch den culposen Ursprung der Handlung ganz aufgezehrt wird ( K ö s t l i n ,

System,

S. 95,

Not. 2, vgl. auch oben Not. 91). (98) Das Nähere darf hier nicht untersucht werden, es würde einer speciellen Untersuchung der strafrechtlichen Behandlung der culpa, des Affects, des richterlichen Ermessens angehören. Levita,

Nothwplir.

17

258 sondere

strafrechtliche Behandlung' des Excesses öfters

entschieden hat, als es geradezu für diese Gesetzgebungen nothwendig

wird,

dafs sie

zu Gunsten desselben

Strenge ihrer allgemeinen Grundsätze durchbrechen.

die

Jenes

geschieht v o n K ö s t l i n ; dann von L e o n h a r d t ( 9 9 ) , welcher das auf die allgemeinen Grundsätze der Bestrafung des den Nothwehrexcefs darstellenden

dolosen oder culposen

Verbrechens oder Vergehens verweisende H a n n o v . G e s . darum

tadelt, dafs dasselbe

für den culposen,

nicht

cefs, dem Richter d e n habe,

zwar wegen seines Art. 50

aber so für den dolosen Ex-

nöthigen Spielraum

gewährt

indem ihm im Art. 97 das im Art. 112 des ersten

Entwurfs eingeräumte Recht, wegen Menge und Wichtigkeit zusammentreffender mildernder Umstände auf eine gelind e r e , als die niedrigste gesetzliche, Strafe, zu erkennen, entzogen worden sei.

Und B r e i d e n b a c h ( 1 0 0 )

betont

gerade, dafs die von der Tödtung und Körperverletzung aus Fahrlässigkeit handelnden Artt. 255 und 269 bei der schuldhaflen Ueberschreitung nicht zur Anwendung

kom-

(99) C o m m e n t a r , I, S. 350. A r t . 5 0 lautet niimlich : Ein Verbrechen aas Fahrlässigkeit soll, vorbehaltlich der im besonderen Theil des Gesetzb. enthaltenen höheren Strafbestimmungen (doch verweist ζ. B. A r t . 235 ausdrücklich

auf Art. 50), bestraft werden : I. Die grobe

Fahrlässigkeit w i r d , wenn das vorsätzliche Verbrechen eine

schwere

Strafe znr Folge gehabt hätte, mit einmonatl. Gefängnifs bis zu dreij. Arbeitshause, falls hingegen dasselbe mit einer lcichtercn Strafe bedroht i s t , nicht härter als mit Gefängnifs bestraft. Fahrlässigkeit

ist immer nur mit Geldbufse,

II. Die geringere

gerichtlichem Verweise

oder Gefängnifs zu bestrafen. Und nach Art. 97 soll wegen Menge und Wichtigkeit zusammentreffender mildernder Umstände zwar auf eine gelindere als die niedrigste gesetzliche Strafe nicht erkannt,

jedoch

mittelst eines an das Justiz-Minist, zu erstattenden gutachtlichen Berichts eine Strafmilderung im Wege werden. (100) S. 631.

der Gnade

in Antrag

gebracht

259 men

könnten,

weil der Art. 5 2

D i e s e s g e s c h i e h t von

milder

sei,

als

jene.

den m e i s t e n G e s e t z g e b u n g e n

(101),

w e l c h e in d i e s e n singulären B e s t i m m u n g e n für die B e s t r a f u n g d e s E x c e s s e s , für w e l c h e s i e i m U e b r i g c n lich Qz. B. B a i e r n , ( ζ . B. P r e u f s e n ) weisen ,

die

Hannover}, auf

die

Unzulänglichkeit

oder

allgemeinen dieser

ausdrück-

stillschweigend Grundsätze

ihrer

hin-

allgemeinen

Grundsätze selbst e i n g e s t e h e n . — S i e n o r m i r e n d i e s e A b w e i chungen

freilich auf eine h ö c h s t

ö f t e r s zum S c h a d e n

ungeeignete

gerechter Strenge

gegen

lichen V e r b r e c h e r , o d e r auf K o s t e n d e r l o g i s c h e n o d e r w e n i g s t e n s der Klarheit u n d l e i c h t e n ihrer B e s t i m m u n g e n . zung,

Weise,

den w i r k Gesetze,

Anwendbarkeit

So ist j e n e r Satz, dafs d i e in B e s t ü r -

Furcht o d e r S c h r e c k e n

begangene

überhaupt nicht strafbar sein s o l l e ,

Ueberscbreitung

dessen wir schon

ge-

ll Ol) Es ist dies begreiflieb, wenn man erwägt, daft ζ. В. das B a i er. S t r a f g e s . , Art. 151, dem einfachen Todtechlage die Strafe des Zuchthauses anf anbestimmte Zeit droht, die nach Art. 152 dann, wenn der Getödtete selbst dnreh unerlaubte Beleidigungen oder Be· schimpfangen den Todtschläger zum Zorne gereizt h a t , anf acht- bis zwölfjähriges Zuchthaus gemildert werden soll; oder daJb das

Han-

n o т., Art 231, bestimmt, dafs der Todtschlag mit Kettenstrafe bis zu 20 Jahren, and, wenn erwiesenermafsen der Vorsatz des Todtschlägers bestimmt and geradezu anf Tödtung gerichtet gewesen, am Leben gestraft werden, daft jedoch, wenn der Getödtete selbst den Todtschläger durch ganz besonders schwere Beleidigungen, öffentliche Beschimpfungen oder thätliche Mifshandlungen zum Zorne gereizt habe, auf Zuchtbaas (2 Jahre im Minimum nach Art. 14 und mit schweren Folgen für die Ehre, und zwar als nothwendig bei j e d e r

Vernrthei-

lung, nach Art. 16), und in dem Falle der sonst gesetzlichen Todesstrafe auf sechsjährige Zuchthauserkennen sei.

bis zehnjährige Kettenstrafe zu

Auch selbst die Bestimmungen über Bestrafung der

Fahrlässigkeit, ζ. B. im B a i er. Artt. 69 und 70, würden zur Zutbeilung einer jeder, auch der geringsten, fahrlässigen Ueberscbreitung adäquaten Strafe nicht ausreichen. 17*

260 dachl haben, ein solcher Ausfhils ihres Bemühens, zu Gunsten d e s E x c e s s e s eine von Grundsätze abweichende

d e r S t r e n g e der

Milde walten

zu

allgemeinen

lassen.

Allein

d e r s e l b e ist n i c h t , wie M i t t e r m a i e r ( N o t . II zu § 3 9 ) meint,

zweckmäfsig, sondern,

obwohl theoretisch richtig·,

d e n n o c h völlig ü b e r f l ü s s i g , da e r s i e h nach einer richtigen Auffassung d e r s t r a f b a r e n F a h r l ä s s i g k e i t , die durch eine durch den Angriff h e r v o r g e b r a c h t e A u f r e g u n g a u s g e schlossen w i r d , jener

von

ausdrücklichen

selbst

versteht.

Hinweisung

Dasselbe

gilt

von

des Richters

auf

die

Verhältnisse des c o n c r e t e n F a l l e s , zu g u n g derselbe

ohnedies

Hinweisung,

überall

d e r e n Berücksichtiverpflichtet ist, eine

die zu den allgemeinen G r u n d s ä t z e n , welche

die richterliche Thätigkeil bei Zumessung der Strafe leiten sollen, und u n t e r w e l c h e n sich in d e r Regel s c h o n

eine

diesen Verhältnissen e n t s p r e c h e n d e Categorie findet ( ζ . B. die

allgemeine

Bestimmung,

dafs die S t r a f b a r k e i t

eines

V e r b r e c h e n s s t e i g e o d e r falle im Verhältnifs d e r Bösartigkeit und S t ä r k e d e s auf die H e r v o r b r i n g u n g desselben g e richteten Willens

des Verbrechers),

bestimmbares

Etwas

ein

nicht

näher

h i n z u f ü g t , dessen Berücksichti-

g u n g den Richter nur v e r w i r r e n kann.

Die Annahme eines

besonderen

aus der iVothwehr,

Milderungsgrundes

w e l c h e das B a d . G e s e t z b . , § 9 2 , aufgenommen h a t , ist nach § 1 5 3 ,

nr. 2 , mindestens

A u f r e g u n g des G e m ü t h e s

tautologisch,

des H a n d e l n d e n , also

da der

die hier

s c h o n a n e r k a n n t e Milderungsgrund, doch auch im Falle des Excesses

das Motiv d e r milderen B e s t r a f u n g bildet ( 1 0 2 ) .

(102) In ähnlicher W e i s e erklärt auch der B a i e r . E n t w . , Art. 65, die Gerichte Umstände Strafe

für

und

befugt,

mit

genauer Erwägung

persönlichen Verhältnisse

hinabzugehen.

unter

aller die

obwaltenden gesetzliche

261 Während

nun

in diesem

Gesetze

wenigstens

zugegeben

wird, und zwar mit Recht, dafs selbst im Fall des

dolosen

Excesses eine mildere Beurtheilung eintreten könne, so giebt dies dagegen d a s H e s s . Art.52, wenigstens nicht unbedingt,zu, indem hier f ü r den c u l p o s e n Excefs ein e i g e n e s gehen

überschrittener Gränzen

der

Ver-

Nothwehr

geschaffen w i r d , welches mit Gefängnifs oder Geldbufse, in besonders schweren Fällen aber mit Correctionshaus bis zu sechs Monaten bestraft werden

soll, während

im Fall

der vorsätzlichen Ueberschreitung die gesetzliche Strafe des dadurch verübten Verbrechens eintritt ( 1 0 3 ) .

Das S a c h s .

( 1 8 3 8 ) Art. 71, verweist den Richter in einer höchst freien Fassung, die zu billigen wäre, w e n n nur die allgemeinen Grundsätze ausreichten,

auf diese allgemeinen Grundsätze

der Bestrafung, in einer Fassung, kraft deren derselbe die Bestrafung der Ueberschreitung, nach dem Verhältnifs des dem Angreifenden dadurch zugefugten Uebels und Berücksichtigung der individuellen Umstände, n a c h s e i n e m E r m e s s e n zutheilen soll.

unter

lediglich Auch die Be-

stimmung des T h ü r i n g . , Art. 67 (von K ö s t l i n

f ü r die

legislativ empfehlenswertheste erklärt) , welches verlangt, dafs die Ueberschreitung s t e t s m i t g e r i n g e r e r

Strafe

belegt w e r d e , als die in derselben begangene Rechtsverletzung ohne Zusammentreffen mit der V e r t e i d i g u n g g e habt haben würde

(und

zwar soll der

Richter,

unter

Berücksichtigung der Gröfse der Verletzung,

der eigen-

(103) Wir meinen nur, dafs das H e s s . G e s e t z b .

den culposen

Excefs dem

dolosen

abstract

gegenüberstellt.

Art. 51 auch im Fall des dolosen Excesses

Freilich

kommt

zur A n w e n d u n g ,

und es

gilt z . B . die Tödtuog nicht unbedingt als M o r d , sondern, топ besonderer Bosheit abgesehen, als T o d t s c h l a g , sowie auch noch weiter die in Art. 121 unter nr. 3 , 4 und 5 aufgeführten Minderungsgrunde Berücksichtigung kommen müssen ( B r e i d e n b a c h , S. 631).

in

262 thumlichen

Lage des Angegriffenen,

der

Persönlichkeit

desselben und des Angreifenden und der sonst obwaltenden Umstände ohne

die Strafe nach

rücksichtlich

der

seinem Ermessen

Strafart

und

bestimmen,

Strafgröfse

durch

einen geringsten Satz beschränkt zu sein), ist darum nicht zu billigen, weil a l l e r d i n g s

Fälle der Ueberschreitung,

nämlich der dolosen, vorkommen können ( s . N o t . 9 7 ) , welche auf diese mildere Behandlung des Gesetzes k e i n e n Anspruch haben. Von der Ueberschreitung der Gränzen einer

wirklich

begründeten Nothwehr ist aber der Fall des, im Gegensatz des Excesses, sogenannten P r ä t e x t e s

der Nothwehr zu

unterscheiden, welcher darin besteht, dafs eine gewaltsame Verletzungverübt worden ist, o h n e d a f s d i e B e d i n g u n gen d e r S e l b s t v e r t h e i d i g u n g vorhanden

waren:

also wenn kein widerrechtlicher, sondern ein völlig berechtigter Angriff drohte, wenn der Angriffnicht unzweifelhaft bevorstand ( 1 0 4 ) oder schon vorüber war, wenn obrigkeitliche Hülfe im entscheidenden Momente für den Benöthigten möglich war ( i 0 5 ) .

Mit Recht dringt die Doctrin von Alters

(104) Diefs k a n n nach dem Früheren

nicht bedeuten , dafs

die

Nothwehr ausgeschlossen w ä r e , wenn der Angriff überhaupt erst in nächster Zukunft bevorstand, nnd durch Anzeige bei der Obrigkeit oder durch Vermeiden

der

gefährlichen Stelle

hätte abgewendet

werden

können, da, wie gezeigt, n n r eine Milskennung der rechtlichen Grundlage der Nothwehr dem Individuum diese Schranken auferlegen k o n n t e ; es wird damit vielmehr

das Begründetsein des Rechts der Nothwehr

nnr für den Fall aufgehoben, d a h n n g , mit R ü c k s i c h t den

nnd

geschah,

die

concreten

auch

Möglichkeit

nach

einer

ausgesprochenen

auf die I n d i v i d u a l i t ä t des Verhältnisse,

der M e i n u n g

sofortiger Realisirnng

unter

Dro-

Drohen-

denen

sie

des H a n d e l n d e n ,

die

fehlen

mufste.

(106) Die F r a g e , w e l c h e F ä l l e als Prätext zu betrachten seien, beantwortet eich natürlich verschieden nach der Verschiedenheit in der

263 her, nicht erst seit F e u e r b a c h , Carpzov

da die Keime schon bei

liegen, auf die b e g r i f f l i c h e F e s t s t e l l u n g dieser

Unterscheidung ( 1 0 6 ) ,

wenn

auch ö f t e r s

im

Leben

die

Bestimmung der Bedingungen durch die Doctrin und die Strafgesetzbücher. So rechnen j a , wie wir gesehen, das H a n n ö v . und das Bad. das Nichtdasein anderer Mittel anfser der Gewalt zu den Bedingungen. Aach in der Doctrin herrscht k e i n e Ue b e r e i n · s t i m m u n g darüber, was zu den Bedingungen der Nothwehr gehöre, und was als Excels zu betrachten sei; namentlich schwanken die Ansichten über die rechtliche Natur einer n a c h v o r ü b e r g e g a n g e n e r G e f a h r verübten Gewalt. G r a t t e n a n e r , S. 151, H e f f t e r , § 44, und K ö s t l i n , R e v i s . , S. 733, stellen dieselbe zum Excels, der letztere hat aber auch dies im S y s t . , 8. 89 u. 90, zurückgenommen, mit Recht, weil das wirkliche D a s e i n einer Gefahr eine Grundbedingung des Rechtes der Nothwehr bildet. Diese richtige Auffassung ist a u s d r ü c k l i c h ausgesprochen im B a i e r . Ges., Art. 133, nnd im H e s s . , Art. 53; nach der Bestimmung des Begriffes der Nothwehr, ψίβ denselben die übrigen Gesetze geben, ist dieselbe aber anch hier n i c h t ausgeschlossen. (106) Das Bedürinife dieser Unterscheidung zeigte sich nämlich schon frühe, nnd F e u e r b a c h , dem dann die Meisten folgen, so G r a t t e n a u e r , W ä c h t e r , A b e g g η. Α., hat den bereits gewonnenen Gegensatz nnr präciser formnlirt. (Auf die in dem F e n e r bach'schen Ausdruck » m o d e r a m e n d e c u l p a t a e t n t o l a e « liegende contradictio in adjecto hat M ö r s t a d t , Not. 1 zu $ 39 hingewiesen; wir heben dies hervor, weil selbst B e s e l e r , C o m m e n t . I, S. 189 denselben noch gebrancht.) Denn die C a r p z o v ' s c h e Theorie vom e x c e s s u s d e f e n s i o n i s und i n c n l p a t a e d e f e n s i o n i s steht auf demselben Grundgedanken, wenn auch seine Fälle nicht überall (z.B. namentlich der excess us inc. def. circa tempns, der exc. mod. inc. tat. ratione causae etc.) unseren Categorien von Prätext und Excefs untergeordnet werden können. Diese Theorie, welche er, unter Berufung auf M a r i u s S a l o m o n i n s (q. 28, Dr. 16), in ausführlicher Darstellung in quaestt. 28, 29, 30 und 31 auseinanderlegt, resümirt sich in groben Zügen in Folgendem : Zuerst bestimmt er das m o d e r a m e n inc n l p a t a e t n t e l a e dahin : Attamen in genere tenendum, mod. inc. tnt. consistere in eo, quod quis non aliter adversus vim ас inju-

264 Gränzen beider zusaininenfliersen mögen (107). a

Es war

b e r zu weit gegangen, wenn man die Fälle des Prälex-

riam, quae infertnr vel imminet, se t u e r i , nec aliter mortis, vel altcrius gravioris offensionis periculum evitare potuerit. sariara suum ipse interficeret vel debilitaret.

quam si adver-

Hinc patet, circa mode-

ramen incalpatae tatelae tria consideranda esse : C a u s a m , m o d u m . t e m p us.

Causa mod. i. t. est injusta offensio, si nimirum quis ab alio

fuerit insultatus seu invasus. fensionem

seu

Modus eonsistit iD propulsatione ad of-

periculum mortis

imminens

proportionata.

Ration e

temporie defensio debet fieri in continenti, hoc est, illico in ipsa concertatioue et congreasu. — Es ist nun ein möglich : Ante qualisnam

omnia

exccssus

exacte

zweifacher

ponderandum

fuerit commissas,

excessus

et considcrandum

et an occisor

est,

inculpatam

d e f e n s i o n e m , an vero i p s a m d e f e n s i o n e m excesserit. Und zwar kann derselbe in Rücksicht auf c a u s a , finden : 1) Batione

causae

modus

committitur

und t e m p u s

ezcessus

Statt

defensionis,

quando nulla praecedit offensio a parte occisi (z. B. si homicida initio fuit provocans et auctor rixae; is qui ab uno offensus occidit

alium

i. e. sponte ac voluntarie; qui minantem, vel eum a qno vulnera . . . sibi inferri suspicatnr , occidit, wobei aber zu unterscheiden, an ad minas verbales accedat aliquis actus exequendi, an non etc.);

exces-

sus vero m o d e r a m i n i s i n c u l p a t a e t u t e l a e , quando offensio quidem subest, sed non praesens et violenta (ζ. B. si quis provocatus ab alio

ad

duellum

comparet,

et in conSictu

2) Circa m o d u l i excessus d e f e n s i o n i s

provocantem

occidit).

committitur, quando insul-

tatus in nullo prorsus pericnlo constitutus aggressorem occidit

(ζ. B.

si quis leviter ab aliquo offensus, in pericnlo tarnen non constitutus, nec in quapiam sui corporis parte laesus aut attactus offensorem occidit);

excessus

quando quis potest,

et

in

autem

moderaminis

tarnen

aggressorem

interficit.

baculo, vel alio modo percussus, armis tantem

interficit;

fugientem possit

qui

interficit;

citra

inculpatae

periculo constitutus istud

ab qui

aliquo cum

ullum periculum,

tutelae,

non occidendo ( ζ . B.

si

avertere

quis

pugno,

et gladio resistit ac insul-

insultatus

aggressorem

fuga

saluti

suae recte

id non

facit,

sed

defendendi causa occidit; qui i n j u r i i s v e r b a l i b u s

postea

consulere

aggressorem

sui

affectue ob de-

fensionem famae et honoris sui injuriantem occidit. — Biebei macht er

aber

eine

wesentliche M o d i f i c a t i o n : Attamen

haec

solum-

265 tcsunddenExcefs a b s t r a c t g e g e n s a t z l i c h

gegeneinan-

der fixirte, in dem Sinne, dafs man nur in dein Falle über-

modo obtinent in injurils atrocibus, si nempe iis personae honestae ac honoratiores lacessitae, ac iracundiac calore commotae, in continent injurianti Decern inferant, secus vero in iajuriis levioribus, qaibus personae viles affectae, si injurianti impias manas inferant, enmqae Occident, poenam ordinariam legis Corneliae de sicariis non eflugiunt.) 3) Quoad excessum d e f e n s i o n i s , ut et m o d e r a m i n i s i n c u l p a t a e t u t e l a e , quando et quo t e m p o r i s intervallo post aggressionem praeterlapso ejusmodi excessns committatur, et qnando propterea occisor poena ordiaaria vel extraordinaria puniri debeat, hoc sane regnla certa definiri non potest, ideoqne pnto haec omnia judicis arbitrio relinqnenda esse, pro multiplici diversitate intervalli, personarum et асш и т ratercedentiom. Das richterliche Ermessen wird geleitet durch die Bücksicht, ob die Tödtung in continent!, oder brevi intervallo oder longi temporis interyallo post aggressionem praeterlapso ausgeführt worden ist. (Diese ausführlichere Darstellung erscheint uns dadurch gerechtfertigt, dafs С а г р г ov'e Auffassungso häufig mifsverstanden wird.) — B ö h m e r , M e d i t t . ad art. 142, § I (und schon früher in O b s e r v a t t . a d C a r p z o r , obs. 1 ad q. 29, nr. 11) wirft gegen diese Unterscheidung ein : Moderamen tutelae et inculpatae tutelae ad i d e m r e d i t , et solis verbis, non re ipsa differt. Moderamen servare, est mensuram tenere. Quemadmodum vero in aliis juribus is mensuram servat, qui non qualicunqne, sed praefinito modo agit, ita moderamen defensionis non aliud intelligi potest, quam quod exacte legibus responded non quod qualicunqne reprobata resistentia absolvitor. Praeterea, qui non ex omni parte se intra limites moderaminis conti net, ant in dolo versatur, et animo occidendi colluctatnr, aut mera culpa peccat. Prius fit, si non offensns, nec inrasus ad pugnam progreditur, sed in pericnlo praesenti constitutus, adrersarinm confodit : posterius si vere offensns, et in statu defensionis constitutus, modnm non servat, quorum ille homicidii dolosi reus, a defensione autem alienus est, hic, dum parum circumspecte agit, in defensione cxcedit, et culposi homicidii reus fit. Inde vero apparet : 1) Non perpetuum signum excessus in defectu alterutrius requisiti, sed solius secundi et tertii latere (nämlich imminens, praesens vitae etc. periculum und defectus aliorum remediornm expediendi salutem). 2) Б и т s o l a c n l p a absolvi, nunq u a m in facto doloso consistere. 3) Eum gradu differre, et majorem

266 schrittener, nicht aber in den Fällen vorgegebener Nothwehr Rücksicht auf die

eigentümliche

Lage

des

Handelnden

vel minorem esse, pront quis in utroque rel in alterutro requisito allegata deficiat. talem

4) Ejus semper poenam extraordinariam, nunquam capi-

esse. — B ö h m e r hat jedenfalls darin

Möglichkeit

Unrecht, dafs er

eines dolosen Excesses überhaupt

die

läugnet (schon die

С. С. C. art. 142 spricht doch топ der »entleibung, die bösslich geschehen wer«), welcher, richtig gefafst, allerdings n i c h t

in dem von

ihm als homicidium dolosum gesetzten С a r p ζ ο ν'sehen Falle des excessus d e f e n s i o n i s

(nicht incnlpatae defensionis) gelegen,

anders zn bestimmen ist. Auch hebt es die t h e o r e t i s c h e

sondern

Richtigkeit

der Unterscheidung nicht a u f , dafs der dolose Excefs als homicidium dolosum bestraft werden kann.

Beine Polemik

gegen die C a r p z o v -

sohe Unterscheidung bleibt Uberhaupt eine ä u f s e r l i c h e , ohne den Kern derselben

anzugreifen,

da C a r p z o v

eben dasjenige, was B ö h m e r

i n o b s . 1, cit. p r a e t e x t u s defensionis nennt und dem e x c e s s u s entgegenstellt, mit dem Gegensatze des e x c . d e f e n s i o n i s u n d patae defensionis sicht W ä c h t e r ,

incul-

ausdrücket! w i l l . — W i e B ö h m e r (dessen An-

L e h r b . , § 52, Not. -9 billigt) gegen C a r p z o v , so

haben Neuere g e g e n F e u e r b a c h sich erklärt, so W e r n e r , b u c h , § 214.

Andere

Hand-

i g n o r i r e n die ganze Unterscheidung, z. Ii.

G r o l m a n , § 25 u. 140, und L u d e n H a n d b . , 8 . 293; auch J e n - u l l S. 250 spricht nur, wie oben bemerkt worden, von Bedingungen der Nothwehr, unter welchen die Vorschrift des moderam. neben der Ungerechtigkeit des Angriffs etc. erscheint. — W ä h r e n d dieselbe der früheren Strafgesetzgebung in Deutschland entweder ausdrücklich oder stillschweigend zum Grunde

lag,

Ueberschreitung.

so sprechen die neuesten Gesetze n u r Der

Begriff der Ueberschreitung

von

wird aber

der dann

w e i t e r gefafst, so dafs auch Fälle des Prätextes darunter fallen, wie dies für P r e n f e e n

aus der Geschichte des Gesetzbuchs hervorgeht.

Hier wird nämlich die G r ä n z e der Nothwehr gefunden i n d e r

Dauer

d e r N o t h , in der A r t und Gröfse der N o t h , und in der unter den obwaltenden Umständen gedachten Verhältnifsmäfsigkeit der Mittel zu ihrer Abwendung, der Excefs also in einem Uebergreifen in diesen b e i d e n Beziehungen. ( G o l t d a m m e r S. 420, 421.) Auch das T h i i r i n g . Art. 67 spricht nur von Ueberschreitung. — Eine andere, Wesentlichen

im

aber doch der herrschenden entsprechende, Auffassung

hat B e r n e r , A r c h . , S. 590 ff. Derselbe unterscheidet nämlich zwar als Arten der U e b e r s c b r e i t a n g : Vorzeitige Gewalt, Vertheidigungs-

267 g e n o m m e n wissen wollte ( 1 0 8 ) , obwohl doch a u c h namentlich

in dem Falle

einer Gewaltanwendung

hier, nach

excels und nachzeitige Gewalt, ohne indessen die rechtlich v e r s c h i e d e n e Natur der nachzeitigen Gewalt and des eigentlichen Excesses zu verkennen. (107) Die Durchführung ist allerdings schwierig, wie denn schon C a r p z o v , q. 29, nr. 36, hervorgehoben hat : Sed unde dijudicandnm, an quis ezcesserit moderamen defensionis, an vero incolpatae defensionis ? Hoc sane propter mnltifarias circnmstantias factorum certa regola definiri nequit, sicuti nec illud, qnomodo quivis ezcessus moderaminis inculpatae tutelae puniri debeat. Hic enim opus, hie labor est, adnumeratis adpensisque singulis facti totins circnmstantiis perpendere, qna in re occisor limites ezcesserit De juris enim apicibas hic agitur, in qnibus enodandis religiosissimos esse judices oportet, quod, ut praeclare Divus Trojanus rescripsit, satius interdum sit, impunitam relinqni facinus nocentis, quam innocentem damnare. — Die Motive zum S ä c h s . G e s . (1855), Artt. 96,97, meinen ebenfalls mit Recht, dafe sich die Fälle beider Arten i n f a c t o k a u m s o n d e r n lassen. Das Gesetzbuch unterscheidet aber dennoch formell die Fälle, in welchen Umstände vorliegen, welche an die in A r t 91 gedachten angranzen, o h n e d a f s jedoch ein w i r k l i c h e r Zustand der Nothwehr anzunehmen wäre (Art. 96), von dem Fall, da Jemand in einem wirklichen Zustande der Notbwehr die gesetzlichen Grenzen ü b e r s c h r i t t e n hat (Art. 97). Durch die Verweisung auf Ατι. 88 für die Strafe in b e i d e n Verhältnissen, nach welchem der Richter höchstens auf die Hälfte der sonst verwirkten Strafe erkennen soll, soll demselben die Möglichkeit gegeben werden, innerhalb des ihm gewährten Ermessens der Verschiedenartigkeit derselben Rechnung zu tragen (vgl. auch K r u g , C o m m e n t . , I , S. 203). (108) Auch diese abstracte Unterscheidung beider Fälle datirt schon von C a r p z o v , und ist dann von den meisten Neueren seit F e u e r b a c h , $39, Not. 1, aufgenommen worden. C a r p z o v , q. 28, nr. 16, bestimmt nämlich in Beziehung auf den e x c e s s u s m o d e r . i n c . tut. : Quod homicida, qui ad defensionem sui perpetraverit homicidium, vel in totum, vel ex parte a poena homicidii excusetur. In totum, quando servavit non solum moderamen defensionis, sed etiam inculpatae tntelae. Ex parte, ut nempe n o n o r d i n a r i a , sed mit i o r i et e x t r a o r d i n a r i a p o e n a afficiatur, quando defensionis

268 vorübergegangener tief

herabsinken

G e f a h r , die v e r b r e c h e r i s c h e

kann,

wie

verübten Ueberschreitung

bei

einer

der Grenzen. —

n u n e i n m a l E x c e f s u n d P r ä t e x t starr gestellt

hatte,

innerhalb

so

des

Unterschied Fälle,

führte

die

Gebietes

in

der

in

man

einander aufleicht

Prätextes

Strafbarkeit

der

daliin, keinen

einzelnen

j e n a c h d e m nämlich die e i n e o d e r die andere

d i n g u n g fehlte, z u staluiren, obgleich doch

einzelnen

V o r a u s s e t z u n g e n g a n z v e r s c h i e d e n gestalten mufs. abstracten

Nament-

lich leidet, w i e

bei

Prätextes g e g e n

den E x c e f s , s o bei der abstracten

stellung aller Fälle d e s Prätextes,

Entgegensetzung

die

gerechte

modoramen quidem servavit, attamen excessit moderamen tntelae.

Be-

die s t r a f r e c h t -

l i c h e W ü r d i g u n g s i c h n a c h der B e d e u t u n g dieser

der

so

Aufregung

Und w e n n

gegen

Consequenz des

Schuld

der

des

Gleich-

Beurthei-

inculpatae

Dagegen sagt er in Beziehung auf den e x c e s s u s d e f e n -

s i o n i ä (etwa unsern Prätext) in q. 29, nr. 35 : (Quoad poenam igitur evcedentibus moderamen inculpatae tutelae infligendam, ante omnia exacte

ponderandum

et considerandum

est,

qualisnam exceßsus fuerit

commissus, et an occisor inculpatam defensionem, an vero ipsam defensionem excesserit)

Isto enim casu pro ratioae excessus

arbitrarie,

h o c (exc. d e f ) v c r o p o e n a h o m i c i d i i o r d i n a r i a puniri solet. — Gerade das, dafs der Excefs im heutigen Sinne (exc. inc. def.) n i e m a l s mit der poena ordinaria bestraft werden dürfe, hebt er besonders hervor q. 29, nr. 26 u. 29 : Scd quaeritur hic, annon excessus gravissimus dolo manifesto commissus poena

homicidii

ordinaria

coerceri

possit ? . . . . ob excessum etiara d o l o m a n i f e s t i s s i m o commissum poenam homicidii ordinariam n e q u a q u a m infligendam esse. Gleichwohl wird er aber später selbst in einem Fall s e i n e s dolosen Excesses (bei ihm excessus moderam. inculp. tutelae circa modum defensionis) zu der Behauptung hingetrieben (quaest. 30, nr. 50) : Quinimo, si insultatus ex manibus aggressoris

arma eripiens ,

ipsum postea inermem insequatur, ac in

nullo periculo constitutus, e u m dolose percutiat ac occidat, negari vix poterit, occisorem habuisse animum occidendi, et extra omnem causam atque

rationem

terea p o e n a m

defensionis fugientem aggressorem necasse, ac prophomicidii ordinariam

ineurrere.

269 lung der Handlung desjenigen, der über den

wirklichen

Zustand der Gefahr hinaus seine Gewaltanwendung gegen den Benöthiger fortsetzte (109). — Ein erheblicher

practi-

s c h e r Nachtheil entsteht aber aus der Nichtbeachtung dieses Unterschiedes, aus der abstracten Entgegenstellung der Glieder dieses Gegensatzes und der

absolut gleichen Be-

handlung der Fälle

Nothwehr

vorgegebener

nur

Grundlage derjenigen Strafgesetzbücher, welche sten

des

Excesses

singulare

auf

zu G u n -

mildere Bestimmungen

( ζ . B. die Annahme eines Milderungsgrundes) aufgenommen haben, weil damit nun in a l l e n

Fällen des Prätextes der

Richter auf die Strenge der allgemeinen wiesen wird. Grund

Grundsätze

ver-

Gerade hierin liegt noch ein entschiedener

gegen

die von

den meisten

Strafgesetzbüchern

aufgenommene Aufstellung exceptioneller Grundsätze; denn ohne solche und nur auf der Grundlage richtiger Normen über

Fahrlässigkeit,

messen , wird

Zurechnung

der Richter

im

und

Stande

vorgegebener und überschrittener ihrer

Besonderheit

richterliches sein,

Nothwehr

die je

ErFälle

nach

richtiger strafrechtlicher W ü r -

digung in objectiver und subjectiver Rücksicht zu

unter-

werfen. Mit diesen

Ausführungen ist die Untersuchung

cardinalen Punkte der Theorie

der N o t h w e h r ,

der

nämlich

die Beschaffenheit des Angriffs, die Qualität des wehrhaftigen Guts, die strafrechtliche Behandlung der schuldhaften

(109) Darauf

hat namentlich wieder K ö s t l i n ,

Syst.,

S.

94,

hingewiesen, der indessen anf die Unterscheidung selbst ein g r ö ß e r e s practisches Gewicht legt, als sie verdient; dies wohl im Znsammenhange damit, dafs er für den eigentlichen Excefs eigenthümliche Strafbestiramnngen fordert.

Dies hindert ihn aber nicht, die W i r k u n g der Unter-

scheidung für die Strafe ganz richtig ги bestimmen a. Ε . , S y s t . , S. 88).

(Revis.,

§ 191

270 Nothwehr, beschlossen. — Die Frage, Verteidigung

unter

auch z u m S c h u t z e

den

ob

festgestellten

Dritter

das Recht der Voraussetzungen

geübt werden dürfe,

be-

dürfte nach dem inneren Rechtsgrunde der Nothwehr einer besonderen

Erörterung

nicht,

wenn

nicht

auch

dieses in der Theorie Bedenken angeregt worden Bedenken, die allerdings von irgend

welchen

Consequenzen nicht begleitet gewesen sind.

gegen wären,

practischen Der

Grund,

warum dieses Recht Dritter nicht bestritten werden kann, liegt einfach darin, dafs die Rechtmäfsigkeit der Privatgewalt unter den rechten Voraussetzungen o b j e c t i v , nicht blofe subjectiv für den Angegriffenen, vorhanden ist, indem durch sie dem an sich, also f ü r A l l e , n i c h t b l o f s f ü r d e n A n g e g r i f f e n e n , n i c h t i g e n Unrecht da begegnet wird, wo die zu seiner Verhinderung zunächst aufgerichtete Gewalt des Staates demselben

entgegenzutreten

nicht im

Stande

ist. Auch ist es der G e s e t z g e b u n g vom römischen Rechte durch das ältere

germanische

Recht

bis zu den

neuen

Strafgesetzgebungen herab niemals in den Sinn gekommen, dasselbe irgend in Frage zu stellen, indem dieselbe vielmehr gewöhnlich a u s d r ü c k l i c h , obwohl es dessen nicht einmal bedurft halte, dasselbe anerkannt hat.

Dagegen be-

hauptet L u d e n (110), und zwar zunächst zudem Zwecke,

(110) A b h a n d I. II, 491, 492.

Sein Schlufs geht dahin, dafs die

Eigenthumsnothwehr darum nicht in der P. G. O. anerkannt sei, weil in denjenigen A r t t . , welche von der Nothwehr zum

eigenen

Schutze

handeln, d e r V e r m ö g e n s r e c h t e n i c h t g e d a c h t sei, und der Art. 150, der dieselben nenne, zur Unterstützung der Ansicht von der Statthaftigkeit derselben darum nicht benutzt werden könne, weil das darin anerkannte Vertheidigungsrecht Nothwehr gehöre.

Dritter

nicht

zur

eigentlichen

Er will vielmehr umgekehrt schliefsen, dafs, da

in den Hauptartikeln der Schutz der eigenen Vermögensrechte erwähnt sei, derselbe in dem Art. 150

auch nicht

nicht

zu Gunsten der

Vermögensrechte eines Anderen als solcher zugelassen sein könne

271 um die beweisende Kraft des Arl. 150 der P. G. 0. für die Anerkennung der Eigenthumsnothwehr zu beseitigen, dafs es in der That überhaupt gar k e i n e No th w e h r sei, wenn Jemand, ohne selbst angegriffen zu sein, einen Andern gegen ungerechte Angriffe vertheidige. Damit solle zwar nicht in Abrede gestellt werden, dafs man das Recht habe, dem Schwachen beizustehen, und ihn gegen ungerechte Angriffe zu vertheidigen, aber an und Tür sich könne diese Vertheidigung n i c h t b i s z u r V e r l e t z u n g des Angreifenden getrieben werden. Denn für diese Verletzung würde nicht derselbe Rechtfertigungsgrund zutreffen;, aus welchem die Verletzung zum eigenen Schutze gerechtfertigt werde. Das aber verstehe sich von selbst, dafs die Vertheidigung eines Angegriffenen, welche nicht bis zur Verletzung des Angreifenden gehe, einem Jeden zustehen müsse, wie man zu jeder Handlung berechtigt sei, welche weder den Rechten eines Anderen, noch einem ausdrücklichen Verbote zuwiderlaufe. Es liege in der Natur der Sache, dafs diese Vertheidigung entweder zu ihrem Zwecke führe, so dafs der Angreifende von seinem Angriff abstehe, oder dafs im entgegengesetzten Falle der Vertheidigende in einen Fall versetzt werde, in welchem er Nothwehr zur Vertheidigung s e i n e r e i g e n e n P e r s o n gebrauchen dürfe. — Es ist L u d e n aber mit Recht entgegnet worden, dafs die Annahme, dafs der Vertheidigende, wenn die reine Defension nichts fruchte, unmittelbar selbst in den Zustand der Nothwehr gegen den Angreifenden gerathen werde, in vielen Fällen g a r n i c h t zutreffen werde, und dafs dadurch das mit einer Verletzung des Angreifenden verbundene Schutzrecht des Dritten häufig ganz w i r k u n g s l o s bleibenmüfste, weil dasselbe, an die beschränkende Redingung persönlichen Widerstandes des Angreifenden gegen den Hülfeleislenden gebunden, in sei-

272 ner Ausübung meistens zu spät kommen würde ( Ш ) . ist darauf auch von L u d e n

selbst erklärt

er mit der Behauptung·, bei der

worden,

Vertheidigung

Es dafs

eines An-

deren dürfe man nur in dem Falle zur Verletzung

des

Angreifenden schreiten, da derselbe Widerstand entgegensetze und dadurch zur Vertheidigung seiner selbst nüthige, z u w e i t gegangen sei. Allein seine Ansicht, dafs der Begriff der Nothwehr auf Verletzungen zur Abwendung ner

Gefahr

( n a c h den Quellen

Grundsätzen) beschränkt

und nach

eige-

allgemeinen

werden müsse, ist er so sehr

treu geblieben, dafs er die Verletzungen, die zur Vertheidigung eines Andern zugefügt werden, auch

äufserlicli

im System von der Nothwehr zum eigenen Schutze trennt, obwohl er zugleich dieser Ansicht durch die Bemerkung, dafs die Vertheidigung eines Andern zwar nicht zur Nothwehr gehöre, dennoch aber im Wesentlichen unter c h e n Grundsätzen,

den

nämli-

wie die eigentliche Nothwehr, stehe,

practisch die Spitze abgebrochen hat. ( H a n d b . S. 325). Wenn wir nun aber auch die Vertheidigung Dritter als ein R e c h t gefafst wissen wollen, welches auf derselben Grundlage, wie die Nothwehr, gegründet ist, so können wir der Meinung nicht zustimmen, welche dieses Recht, dessen Ausübung allerdings s i t t l i c h e einer R e c h t s p f l i c h t

Pflicht werden k a n n ,

erhoben wissen

will.

So

zu

meint

(111) Nämlich von Z a c h a r i a e , A r c h . , 1841, S. 434 ff., welcher daselbst auch L u d e n ' s Ansicht vom Standpunkte der P . G . О . bestreitet. Gerade auf seine Bemerkung, dafs die P. G. 0 . , wenn sie bestimme : So eyner zur rettung e y n e s a n d e r n erschlecht,

womit

klar ausgesprochen

leib, leben, oder gut jemandt sei,

dafs

die

Straflosigkeit

der T ö d t u n g nicht dadurch bedingt sein solle, dafs der Hülfcleistende zugleich zur Rettung seines e i g e n e n Leibes gehandelt haben müsse, hat L u d e n seine Ansicht später ( H a n d b . , S.297, Not. 10.) modificirt.

273 Ficlile (H2), rechtlich

dafs Jeder d u r c h

verbunden

sei,

den

dem

Stäatsvertrag

Bedrohten

Hülfe

zu

(112) F i c h t e , G r ü n d l . , II, S. 82 ff. Seiner Ansicht folgt G r a t t e n a u e r , S. 80. Eine eigentümliche Unterscheidung macht die Schrift » U e b e r I n j u r i e n , H a a s r e c h t , N o t h w e h r a n d D u e l l e , S. 111. Nachdem darin erklärt ist, unter eben den Bedingungen, unter welchen die Nothwehr dem Benöthigten im Falle eines ihn selbst betroffenen Angriffs gestattet werde, sei sie ihm aach zum Schutze des Lebens, des Leibes, der Freiheit, der Güter nnd der Ehre seiner Fraa, seiner Kinder, seiner Eltern, aller seiner Bluteverwandten nnd Schwäger, defsgleichen seines Regenten, seines Lehns- nnd Oberherrn, seiner freimanrerischen Bundesgenossen, seiner Freunde, seiner Gäste und seines Gesindes erlaubt, dagegen aber in Rücksicht seiner Mitbürger, seiner Reisegefährten und aller Fremden auf den dringendsten Fall einer Leibes-, Lebens-, Freiheits- and Eigenthumsgefahr eingeschränkt (die Ehre der letzteren zn vertheidigen, sei Niemand befugt); so wird nun unterschieden, dafs die Unterlassung des Beistandes zwar nnr als Verletzung einer Liebespflicht anzusehen, jedoch, Gatten, Eltern und Kinder, Lehnsherren, Vasallen and Freimaurer a u s g e n o m m e n , welche sich theils beständigen Schutz zngeschworen hätten, theils durch Natur und Gesetz dazu verbunden seien, als ein Vergehen gegen eine Zwangspflicht oder gar als Verbrechen n i c h t zu betrachten sei. — Ein Ausflufs jener Auffassung des Beistandes als einer Pflicht ist die Bestimmung d e s P r e n f s . L. R., II, 20, $782 : Wer ohne eigene erhebliche Gefahr einen Menseben aas der Hand der Räuber oder Mörder, aus Wasser- und Feuersnoth, oder ans einer anderen drohenden Lebensgefahr retten könnte, und es unterlafst, soll, wenn dieser wirklich das Leben einbüfst, Tierzehntägige Gefängnisstrafe leiden. § 783. Aufserdem soll seine Lieblosigkeit, und deren erfolgte Bestrafung, zu seiner Beschämung und Anderen zur Warnung, öffentlich bekannt gemacht werden. B r e i d e n b a c h , S. 583, Not. 14, tadelt diese und eine ähnliche Bestimmung des W ü r t t e m b . P o l i z e i · s t r a f g e s . , welches im Art. 32 denjenigen, der ohne eigene Gefahr einen in Lebensgefahr Befindlichen retten könne, und dies ohne genügende Entschuldigung unterlasse, mit Verweis oder Geldbufse bis zu 10 Gulden und in schwereren Fällen mit Arreststrafe bis zu 4 Wochen belegt, als falsch und schädlich, weil das Volk wohl begreifen könne, dafs man die Unterlassung einer Liebespflicht nicht vor den Richtersttihl ziehe und daher solche Feiglinge nicht bestrafe, sie Levita, Nothweltr. 18

274 leisten.

Er bring! dies mit e i n e r von ihm «resetzten

teren Voraussetzung des dafs nämlich Hülfe zu

Nothwehrrechls

d e r A n g e g r i f f e n e verpflichtet sein s o l l e , rufen.

Durch

um

diesen Hülferuf w e r d e einmal

das Recht d e r S e l b s t v e r t e i d i g u n g begründet,

«ei-

in Verbindung,

dem

Staate g e g e n ü b e r

indem dadurch d e r Staat Kunde von der Notli

erhalte, und sich dann erst h e r a u s s t e l l e , ob d e r s e l b e nicht helfen k ö n n e , sodann w e r d e d a d u r c h J e d e r berechtigt, den Angegriffenen

sogar

in

seinem

gegen jeden Eindringenden digen,

endlich

werde

die A n k ü n d i g u n g sei,

welcher

durch

enthalte,

der

tragen,

so z w a r ,

werden

könne,

diesen

dafs

der

sie

zu

welcher vorhanden

schützenden

Macht,

auf J e d e n die

unmittelbar zu s c h ü t z e n , dafs d e r j e n i g e ,

sonst

vertei-

Aufruf,

abhelfen könne,

wieder über-

welchem

nachgewiesen

dafs e r den Ruf g e h ö r t habe und

herbeigeeilt s e i , einer B e s t r a f u n g müsse.

welches

eine Gefahr

Stellvertreter

d e r S t a a t , nicht sogleich Bürgerpflicht,

Hause,

verschlossen sei,

unterworfen

nicht

werden

Diese Ansicht ist a b e r darum u n g e r e c h t f e r t i g t , weil

eben

verkennt,

dafs

nur

d e r Staat

die

rechtliche

Pflicht hat, durch seine Behörden die B ü r g e r z u s c h ü l z e n : dann duums,

raubt

sie

auch

dem

sittlichen

Muth

des

Indivi-

w e l c h e s seinem b e d r ä n g t e n M i t b ü r g e r in d e r G e -

fahr beispringen will, seinen diese Hülfe durch

höchsten W e r t h ,

indem sie

das S t r a f g e s e t z b u c h zu e r z w i n g e n v e r -

sucht. — Ebenso erscheint es uns m ü s s i g , Zweifel in Beziehung auf die F r a g e a n z u r e g e n ,

ob d e r Dritte von dem

Bedrängten

Hülfe g e r u f e n

ausdrücklich

m ü s s e , o d e r nicht ( H 3 J .

zu

sein

Die F r a g e ist e b e n nach dem

vielmehr der Verachtung überlasse,

dafs es aber

durch Androhung

von Bagatellstrafen irre werden müsse. (113) Die Gesetze geben auch zu solchem Zweifel Iceinen Anlnl's, j a das H e s s . G e s e t z b . , Art. 5 0 , erklär! a u s d r ü c k l i c h ,

dafs es

275 gesunden

Menschenverstände

negativ

zu e n t s c h e i d e n ,

da

die Hülfe des Dritten dann erst recht practisch wird, w e n n der Bedrängte nicht mehr rufen kann.

Die F r a g e dagegen,

w i e der hülfreiche Dritte zu behandeln sei, w e n n er seine Hülfe brachte,

o h n e dafs der A n g e g r i f f e n e sich im Stande

der N o t h w e h r

befunden,

ist

nach

den Grundsätzen

von

dem E i n f l ü s s e des Irrthums zu beantworten ( 1 1 4 } .

gleichgültig sei, ob der Angegriffene im Stande gewesen, sich selbst zu vertbeidigen, oder nicht. B r e i d e n b a c h , S. 623, fragt, ob diese Worte blofs sagen wollen, dafs der zum Beistand A n g e r u f e n e nicht zu untersuchen brauche, ob der Angegriffene ohne Hülfe den Angriff habe abwehren können, oder auch, dafs man, wenn man Jemanden in Noth sehe, v o n f r e i e n S t ü c k e n sich seiner annehmen dürfe. Das letztere erscheine zwar nicht ohne Bedenklichkeit, da Beneficien nicht obtrudirt, und gegen den Angreifenden nicht ohne, ja vielleicht wider den Willen des Angegriffenen -eine unbestimmte Anzahl solcher Personen, die es anf einen thätlichen Gegenangriff absehen, wodurch nur zu leicht mehr als nöthig geschehen könne, ausgesendet werden sollten. Gleichwohl aber entscheidet er sich, und zwar mit Recht, dafür, da sich von selbst verstehe, dafs der Beistehende nicht blofs alle Rechte, sondern anch a l l e P f l i c h t e n der Nothwehr habe, er also strafbar sei, wenn er mehr thue, als erforderlich erscheine. (114) Die weiteren Fragen, wie eine a b e r r a t i o i c t n s in rechter Nothwehr zu behandeln, und ob ein in Nothwehr Befindlicher zu seiner Rettung e i n e n D r i t t e n o p f e r n dürfe, sind nicht nach den rechtlichen Grundsätzen d e r N o t h w e h r zu entscheiden, und werden darum hier nur angedeutet. Doch wird die erste, wie oben bemerkt, von der P. G.O., Art. 145, im Zusammenhange der Lehre von der Nothwehr behandelt, und der Benöthigte für diesen Fall »von p e i n l i c h e r straff entschuldigt« (fr. 4 5 , § 4 D . Ad leg. Aquil. (9, 2), vgl. auch F e u e r b a c h , § 38, Not.5, H e f f t e r , §45. Dagegen B r e i d e n b a c h , S. 611,Not.3). Die weite Fassung, welche einige Gesetzbücher der Begriffsbestimmung der Nothwehr geben, z.B. das B r a u n s c h w . , §166 »Wer J e m a n d e n (also nicht blofs den Benöthigten) tödtet oder verletzt, des alteren O e s t e r r . , I, § 127, rDerjenige, der J e m a n d e n . . . . tödtet,« umschliefst diese beiden Fälle. — Die zweite Frage (und n u r d i e s e ist im § gemeint, T h i l o , S. 122, Nr. 2) behandelt das B a d . , § 86

276 Endlich Beweise dafs von

kann

nach

den

heutigen

Grundsätzen

vom

im Strafprocesse kein Zweifel d a r ü b e r stHttfinden.

in F ä l l e n den

der Nothwehr

ordentlichen

eine

Abweichung

Grundsätzen

desselben

n i c h t s t a t t f i n d e n d ü r f e . Dies wird jetzt ebensowohl von d e r P o c t r i n , als von der Legislation a n e r k a n n t , nicht so von d e r älteren Doclrin und von dem B a i e r . G e s e t ζ b. Art. 137 : W e n n durch Zeugnifs, A u s s a g e des verletzten A n g r e i f e r s oder aus dem Zusammentreffen b e s o n d e r e r Umstände und V e r i n u t h u n g s g r ü n d e glaubwürdig geschuldigte

dargethan i s t ,

dafs der A n -

durch gefährlichen Angriff in Nothstand g e -

setzt w o r d e n ; so wird die Rechtswidrigkeit dieses A n g r i f f e s , w i e a u c h , dafs die Gränzen rechtmäfsiger V e r t e i d i g u n g beobachtet w o r d e n , so lange v e r m u t h e t , als nicht aus

den

Umständen

(wie

schon

Clarus,

sich

das

Gegentheil

deutlich

§ Homicid., nr. 31 , der daran

er-

die W a r n u n g

knüpft : Qnod est notandum contra eos, qui de facili se interponunt rixis, ut dividant inter se rixantes, quorum multos ego vidi remanere volneratos, et quandoque etiam interfectos, ipsis principalibus salvis permanentibus.) ebenfalls bei der Nothwehr,

rixae

indem der § be-

stimmt, dafs auch die Verletzung oder Tödtung eines Dritten, wenn sie zur

Abwehr

eines mit Gefahr für d a s L e b e n

des in Nothwehr

Versetzten verbundenen Angriffs unvermeidlich war oder von dem Bcnöthigten als unvermeidlich betrachtet werden durfte, straflos sein solle. Doch wird die Handlung entschuldigt aus dem N o t h st a n d e

(Thilo,

S. 121, 122), unter dessen Begriff sie auch nach den übrigen Strafgesetzbüchern pafst, welche sie aus dem Gebiete der Nothwehr dadurch a u s d r ü c k l i c h ausschliefsen, dafs sie bei dieser nur der Tödtung oder Verletzung d e s A n g r e i f e r s Württemb.,

Art. 102,

gedenken, ζ. B. das B a i e r . , Art. 125,

Hess.,

Art. 47 ( B r e i d e n b a c h ,

S. 611)

Das H a n n ö v . und S a c h s , nennen zwar hier den Angreifer nicht ausdrücklich, meinen aber doch n u r d i e s e n , da sie von der V e r t e i d i g u n g gegen «einen Angriff« reden.

( A . M . B r e i d e n b a c h , S. 611, Not. 4.)

vgl. überhaupt K ö s t l i n , System, S. 87, Not. 7, S. 88, Not. 1 und 2.

277 giebt

( 1 1 5 ) . — Auf

diesem

Gebiete

liegen

aber

recht

eigentlich die Schwierigkeiten in Nolhwehrfällen : die rechtlichen Momente sind

leicht dem einfachen

Grundprinzip

abzugewinnen. Dafs hier oft grofse Schwierigkeiten in facto vorkommen,

berechtigt indessen noch nicht zu einer Ab-

weichung von den ordentlichen Grundsätzen des Beweises, die dann auch in anderen Fällen, wo w e g e n Mangels von Zeugen der Beweis schwer herzustellen wäre,

durchbro-

chen werden mUfsten. Mit dem Aufgeben einer bindenden Beweistheorie, mit der Einsetzung des Indicienbeweises in seine vollen Rechte,

mit der Anerkennung der Bedeutung

der moralischen Ueberzeugung

von der Schuld

ist auch

ein gut Theil dieser Schwierigkeiten verschwunden. Eigentliche Präsumtionen

sind

aber unter allen Umständen im

Strafprozesse, als seinem auf mehr als formelle civilprozessualische

Wahrheit gerichteten

Streben

zuwider,

zu

verwerfen ( 1 1 6 ) .

(116) Das Gesetzbuch kennt noch eine andere Vermuthung, davon sogleich nnten.

Die hier erwähnte sucht sogar H e n k e , I , 8 . 229,

»durch vernunftrechtliche Gründe« zu stützen. (116) W i r gehen darum auf die theoretisch und legislativ überwundene Ansicht von F i c h t e , G r ü n d l . , ter ein.

Fichte

II,

kommt selbst zur absolutio

für den Angeklagten

dann

eintreten

soll,

S. 87, 88 nicht weiab instantia, wenn

ihm

welche

nicht

negative Beweis geführt w o r d e n , dafs ein Fall der Selbsthülfe

der nicht

eingetreten, während völlige Lossprechung nnr erfolgen s o l l , wenn er den positiven Beweis hiefür erbracht

hat.

Eine eingehende Wider-

legung verdient aneb G r a t t e n a u e r , S. 155 ff., nicht, der seine practisch völlig unbrauchbaren (vgl. S. 169, 170), zum Theil F i c h t e

ent-

lehnten, aber von allem positivem Grunde verlassenen Ausführungen über den Beweis

und die einzelnen Beweismittel durch

eingestreute

historische, nur höchst unvollständige Notizen (S. 158, 159), rhetorische Auslassungen gegen den inquisitorischen

Prozefs (S. 163) und

ein weitläuftiges Excerpt aus einem anderen Autor über die Vermu-

278 Wenn die Doctrin öfter und einige Gesetzbücher, wie das

Braunschw.

§

168

und

das

Württenil).

Art.

105 ( 1 1 7 ) , demjenigen, w e l c h e r von dem Rechte der Noth-

thungen im Strafprozefs (S. 175 ff.) unterbricht. Mau darf aber gerecht erstaunen, der F i c h t e ' s c h e n Theorie, demselben Excerpt aus W e b e r ' s Verbindlichkeit zur Beweisführung im Civilprozesse, der ausdrücklichen Anerkennung

von Rechtsvermuthungen

S. 222 ff., zu begegnen.

bei

Henke,

über den Beweis bisweilen bei älteren Criminalisten, houder,

Handb.,

Noch wunderbarere Ansichten 6nden

1, sich

ζ. B. bei D a m

c. 76, nr. 32 : Quoties in seditione, pugna sen rixa,

alter

alterum grariter caeciderit et laeserit, atqne uterque constanter affirmat, se alterum cecidisse invasum et nonnisi ad defensionem s u i , ex alteratrius mendaeiis Veritas constare non posset,

uter

ita ut alterum

prior invaserit : e o in c a s u u t e r q u e е.ч a e q u o p u n i e n d u s (117) So F i c h t e , S. 87.

zeigepflicht mit seiner ganzen Auffassung der Nothwehr und

greift zugleich

est.

Bei ihm hängt die Forderung der An-

in seine Beweisgrundsätze ein.

zusammen,

Die

Notwen-

digkeit der Anzeige construirt er so : Der Einzelne hat sich auf immer unter die Gesetze des Staats begeben, und will fernerhin als unterworfen betrachtet w e r d e n ; sich denselben

denselben

in dem Falle der Nothwehr

hat er

entzogen, weil hier kein Rechtsgesetz gelten k o n n t e ;

er ist also die Anzeige schuldig, dafs der Fall dieser Ungültigkeit eingetreten sei. (vgl.auch G r a t t e n a u e r , S. 161,162, H e n k e , S. 230.) — Braunschw.

G e s . , § 168, lautet : Wer unterläfst, die von ihm in

der Nothwehr verursachte T ö d t u n g oder Verwundung, oder Zwang oder in einem Nothstande von ihm begangene

die aus

gesetzwidrige

Handlung der Obrigkeit sofort anzuzeigen, soll Gefangnifs bis zu drei Monaten erleiden.

(Die Anzeigepflicht in den Fällen des Zwanges und

Nothstandes billigt auch B r e i d e n b a c h ,

S. 633, Not

welchen ein Unschuldiger leiden mufste, und

1 , Fälle »in

in welchen der Gesetz-

geber verzeiht«, nicht aber in dem Falle der Nothwehr, »in welchem die Straflosigkeit von Rechtswegen eintritt".) W ü r t t e m b .

Art. 105 :

Die Unterlassung soll im Fall der Tödtung mit Kreisgefängnifs bis zu 3 Monaten, und wenn ein Unschuldiger defshalb in Untersuchung gezogen worden , mit Kreisgefängnifs bis zu 6 Monaten , im Falle der Verwundung mit Bezirksgefangnifs bestraft werden.

Die Commission

der II. Kammer war gegen die Aufnahme der Anzeigepflicht gewesen. H u f n a g e l , S. 226.

279 wehr Gebrauch oder

gemacht

verwundet hat,

Strafe

die

Pflicht

und einen Menschen

unter Androhung der

Anzeige

einer

getödtet mäfsigen

auferlegen,

so

stützen sie sich dabei auf die E r w ä g u n g , dafs eine solche Bestimmung gerechtfertigt sei durch die schleunige Hülfe, deren derjenige bedürfe, gegen welchen die Nothwehr ausgeübt worden, Straflosigkeit

oder durch die N o t w e n d i g k e i t , dafs die

oder

Strafbarkeit

desjenigen

ausgemitteit

werde, der in der Nothwehr gehandelt haben wolle, besonders aber durch die Rücksicht darauf, dafs das Unterbleiben der Anzeige den schwebenden Verdacht der Thäterschaft leicht auf einen Unschuldigen werfen könne ( 1 1 8 ) . Allein es ist diese Forderung der Gesetzgebung an den Angegriffenen vor Allem schon darum völlig sig,

überflüs-

weil die Anzeige in solchem Falle in dem

eige-

n e n I n t e r e s s e des Thäters, der sich vor dem Verdacht der

Tödtung

aber

mit Recht

schützen gegen

will, dieselbe

H e s s . G e s . geltend gemacht

liegt.

Aufserdem

ward

bei der Berathung des

(il9),

dafs man dem Ange-

griffenen, den in dem Nothzustande schon ein

Unglück

betroffen habe, nicht zu dieser p o s i t i v e n Handlung verpflichten könne, dafs er unter Umständen dadurch aufgehalten werde oder gar in Gefahr kommen könne, dafs, da eine bestimmte Frist nicht vorgeschrieben und vorzuschreiben sei, die Bestimmung zu willkührlichen Slraferkenntnissen führe, dafs endlich auch der in dem Menschen liegende Trieb, sich eines solchen Unfalls durch Anzeige bei irgend einer Behörde zu entledigen, die Strafandrohung unnöthig machen werde.

Und so wurde denn Art.

53 des Entwurfs : Wer in Nothwehr einen Anderen ver(118) B e r n e r , A r c h . , S. 596. (119) H e s s e , A n s s c h u f s b e r i c h t , S. 111.

280 wundet

oder getüdtet h a t ,

ist s c h u l d i g ,

den Vorfall der

nächslen Obrigkeit schleunigst a n z u z e i g e n ;

hat

er

dieses

unterlassen, so ist e r , wenn gleich nachher der gefährliche Angriff des Anderen

erwiesen

macht w i r d , dennoch

mit Gefängnifs, und z w a r

einer drei

oder

wahrscheinlich

ge-

im Fall

T ö d t u n g , von w e n i g s t e n s 14 T a g e n und höchstens Monaten,

und

im Falle

einer V e r w u n d u n g ,

bis zu

einem Monate zu bestrafen — von beiden Kammern

ein-

stimmig und ohne Discussion abgelehnt und auch von der Regierung aufgegeben. Schlechthin

verwerflich

ist

nun

gar

die

Be-

stimmung des B a i e r . G e s . , Art. 136 : W e r in Nothweineinen Anderen verwundet o d e r g e t ü d t e t h a t ,

ist schuldig,

den Vorfall d e r nächsten Obrigkeit schleunigst anzuzeigen. W e r dieses unterläfst, oder g a r den Vorfall zu

verheimli-

chen trachtet, hat, w e n n gleich n a c h h e r d e r g e f ä h r l i c h e Angriff d e s A n d e r n e r w i e s e n w o r d e n , dennoch d i e überschrittener

Nothwehr

die Untersuchung das Gegentheil soll

derselbe z w a r

in

Ansehung

wider dieser der

Vermuthung sich.

Ergiebl

V e r m u t h u n g , so Verwundung

und

Tiidlung l o s g e s p r o c h e n ; j e d o c h w e g e n der Verheimlichung oder d e r unterlassenen Anzeige zu viertägigem bis e i n m o natlichem Gefängnisse verurtheilt w e r d e n . — Denn dieselbe trifft wiederum d e r Vorwurf, mit welchem j e d e Vermuthung

von

zurückgewiesen

werden

(120) D i e гит

Beweise

dem

Boden

des

intifs ( 1 2 0 ) .

Anmerkungen

rechtfertigen

blofse W a h r s c h e i n l i c h k e i t

rechtliche

Criminalheweises Der

Art. 81

dieselbe

genüge

und

t h u n g e n zu G u n s t e n des B e n ö t h i g t c n aufgestellt w o r d e n

damit, auch

des

dafs

Vermu-

seien.

Auch

diese V e r m u t h u n g h a t t e schon F i c h t e а. а. O . aufgestellt : W e r sich n i c h t freiwillig dem R i c h t e r stelle, erhalte die P r ä s u m t i o n gegen s i c h ; ja der T h ä t e r ,

d e m bewiesen w e r d e n k ö n n e ,

dafs er sich e h e r

stellen k ö n n e n , gelte schon zur H ä l f t e seiner bösen PaHie

hätte

überwiesen.

281 Hannöv.

: Wer in Nothwehr

det oder getödtet h a t , messenen

Geldstrafe,

einen

schuldig,

sten Obrigkeit ohne Aufenthalt der weiteren Bestrafung,

den Vorfall

verwunder

näch-

anzuzeigen,

vorbehaltlich

wenn durch die

unterlassene

Anzeige der Tod oder eine bleibende der Gesundheit

Anderen

ist, bei Vermeidung einer ange-

Beschädigung

an

entstanden sein sollte — verkennt

aber

den obersten Grundsatz des Rechts der Nothwehr,

wel-

cher in Art. 78 desselben Gesetzbuchs chen

ist,

gen

seiner

soll ( 1 2 1 ) .

dafs

der

Angegriffene

dahin

wegen

ausgesproder

Fol-

H a n d l u n g n i c h t v e r a n t w o r t l i c h sein

Mit Recht haben die neuesten Strafgesetzge-

bungen ( P r e u f s e η ( 1 2 2 ) ,

Oesterreich,

Sachsen)

diese Pflicht der Anzeige nicht aufgenommen; die Motive zum Bai er.

Entw.

behalten die Strafbestimmungen des Ge-

setzbuchs von 1813 in dieser Beziehung dem Polizeistrafgesetzbuche, „als offenbar dahin g e h ö r i g " , vor.

(121) Der verwerfliche Zusatz wurde dem Entwurf von der zweiten Kammer beigefügt. (Gegen denselben L e o n b a r d t , S. 353.) (122) Der E n t w u r f v o n 1 8 4 7 hatte indessen in $ 67 noch die Bestimmung gehabt : Wer in Nothwehr einen Menschen tödtet oder erheblich verwundet, ist, bei Vermeidung einer Qeldbnfse bis zu zweihundert Thalern oder einer Gefängnisstrafe bis zn drei Monaten, verpflichtet, den Vorfall ungesäumt der Obrigkeit anzuzeigen.

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Druck TOS W i l b . K e l l e r In Oiefaen