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German Pages [572] Year 1975
Jörn Halbe Das Privilegrecht Jahwes Ex 34, 10-26
JÖRN
HALBE
Das Privilegrecht Jahwes Ex 34, 10-26 Gestalt und Wesen, Herkunft und Wirken in vordeuteronomischer Zeit
G Ö T T I N G E N · V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T · 1975
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Ernst Käsemann und Ernst Würthwein 114. Band der ganzen Reihe
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Halbe, Jörn Das Privilegrecht Jahwes: Ex 34, 10-26; Gestalt und Wesen, Herkunft und Wirken in vordeuteronomischer Zeit. (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments; Bd 114) ISBN 3 - 5 2 5 - 5 3 2 6 9 - 5 Gedruckt m i t U n t e r s t ü t z u n g d e r D e u t s c h e n Forschungsgemeinschaft. © Vandenhoeck & R u p r e c h t , G ö t t i n g e n 1975 — P r i n t e d in G e r m a n y . — O h n e ausdrückliche G e n e h m i g u n g des Verlages ist es n i c h t gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem W e g e zu vervielfältigen. G e s a m t h e r s t e l l u n g : H u b e r t & Co., G ü t t i n g e n
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Herbst 1973 von der Theologischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel als Dissertation angenommen. Sie geht zurück auf Anregungen, die ich von Herrn Professor Dr. Walter Beyerlin erhielt. Ihm an erster Stelle danke ich — für seine persönliche Anteilnahme und für alle Belehrung seit meiner Studienzeit, für die Freiheit und Selbständigkeit, in der er mich arbeiten ließ, und für Geduld und Humor, mit denen er mich bei meinen Untersuchungen begleitet und ermutigt hat. Mein Dank gilt zugleich der ganzen Theologischen Fakultät, insbesondere Herrn Professor Dr. Werner H. Schmidt für viel freundliche Hilfe und die Kritik in seinem Korreferat. Ich danke den Herausgebern der „Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments", Herrn Professor D. Ernst Käsemann und Herrn Professor D. Dr. Ernst Würthwein, für die Aufnahme der Untersuchung in diese Reihe. Dem Verlag und der Druckerei gilt mein Dank für Interesse, Großzügigkeit und vortreffliche Arbeit. Ermöglicht wurde die Drucklegung durch einen Zuschuß der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Weitere Unterstützung erhielt ich durch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schleswig-Holsteins. Ich danke auch für diese Hilfe. Die Untersuchung wurde 1972 abgeschlossen und erscheint in weitgehend unveränderter Gestalt. Ausgegliederte Teiluntersuchungen sind zur Veröffentlichung in VT und ZAW vorgesehen (1975). Inzwischen neu erschienene Literatur wurde ergänzend in den Anmerkungen berücksichtigt, doch mußte ich mich hier auf einzelnes Wichtige beschränken. Vielfalt und Tragweite der berührten Fragen schließen Vollständigkeit in dieser Hinsicht ohnehin aus. Ich danke den Freunden, die mir bei der Herstellung des Manuskripts, dem Lesen der Korrekturen und der Erarbeitung der Register geholfen haben. Ich danke meiner Frau, die alle Arbeit mitgetragen hat. Münster/W., im März 1975
Jörn Halbe
Meinem Vater Dem Andenken meiner Mutter
Inhalt Vorwort Einleitung I. Analyse von Ex 3 4 , 1 0 - 2 6 A.Die Vorgaben der Forschungslage 1. Der .kultische Dekalog' 2. Die Gegenthesen bis etwa 1960 3. Konsequenzen aus der Diskussion ums .apodiktisch formulierte Recht' 4. Konsequenzen aus der Diskussion um ,Bundesformular' und ,Bund' 5. Konsequenzen für den Ansatz
B. Der Text in seinen Teileinheiten 1. V. l O a ß b - l l a : Die Eröffnung a) Abgrenzung und Struktur b) Formgeschichte und Gehalt ba) Die Struktur in ihren formgeschichtlichen Bezügen bb) Das Verhältnis zur „Erkenntnisaussage" (W. Zimmerli) . bc) Ansatz und Zuordnung zum „Schema der Beweisführung" (N.Lohfink) bd) Formmerkmale forensischer Rede im Dienst der Paränese be) Beziehungen zur altvorderorientalischen Vertragsparänese c) Sprache d) Zusammenfassung 2. V. 1 lb—15a: Das Hauptgebot a) Abgrenzung und Struktur b) Formgeschichte, Komposition und Gehalt ba) Die Rahmenstruktur in forensischer Rede bb) Beziehungen zur altvorderorientalischen Vertragsparänese bc) Formgeschichte der Gliedelemente und ihre Komposition V. 12a/15a - Das Bündnisverbot V. 13 — Dreifache Vorschrift, fremde Kultmale zu vernichten V. 14a — Das Verbot, fremde Götter anzubeten . . V. 12b — Erste Motivierung: Preisgabe an den Bewohner des Landes . . . V. 14b — Zweite Motivierung: Jahwes Eiferheiligkeit V. I I b — Vertreibungszusage und Völkerliste . . . . c) Zusammenfassung
5 11 13 13 13 24 38 43 53
55 55 55 59 59 62 67 68 79 89 95 96 96 100 100 104 107 108 110 119 127 134 140 146
8
Inhalt 3. V. 15b—16: Eine Nachinterpretation a) Abgrenzung und Struktur b) Die Intention und der Erfahrungshintergrund der Kommentierung c) Zusammenfassung 4. V. 17—26: Die Einzelbestimmungen und das Problem ihrer Komposition a) V. 23—24 —Analyse und fragliche Kontextfunktion b) V. 17 -Götterbilder c) V. 18 — Die Massotverordnung d) V. 19.20aba — Erstgeburt von Mensch und Tier e) V. 20b|3 -Abgaben f) V. 21 - D e r Ruhetag g) V. 22 - Das Wochen- und das Lesefest h) V. 2 5 - 2 6 - Über Darbringungen i) Die Zuordnung der Elemente und die Schichtung der Komposition
147 147 149 160
....
C. Die Einheit im ganzen und im Licht der Rahmenaussagen v. 10aa.27 1. Aufbau, Einheit und Charakter des Grundtextes 2. Die Aussagen über das Wesen der Einheit in ihrem Rahmen v. 10aa.27 a) ITHS m s an diesen Stellen b) Die Wendung im Licht altvorderorientalischer Vertragsterminologie und erläuternder alttestamentlicher Texte . . . . c) Der Sinn der Rahmenaussagen v. 10aa.27 im Hinblick auf die Bundesworte 3. Zusammenfassung
II.
203
223 223 230 230 236 253 254
Der literargeschichtliche Ort der Bundesworte
256
A. Das Verhältnis der Einheit zum Deuteronomium und seiner Zeit
256
B. Das Problem der Schichtenzugehörigkeit des Textes
270
1. Rekonstruktion der Sinaierzählung, als deren Element die Bundesworte literarisch verabeitet sind 2. Die Bundesworte in der J-Erzählung Exodus bis Numeri 3. Die Bundesworte im Kerygma d e s j a h w i s t e n
C.Zusammenfassung III.
161 161 170 170 176 185 185 192 195
271 287 302
314
Der Text in seinem ,Sitz im Leben'
316
A. Das Selbstzeugnis der Bundesworte
316
B. Die Bundesworte im Handlungsrahmen
319
1. Die Evidenz der Theophaniedarstellung bei J
319
Inhalt 2. Das innere Verhältnis der Bundesworte zur Theophanie und das Wesen der ganzen Begehung
IV.
V.
9
325
C. Zusammenfassung
340
Der traditionsgeschichtliche H o r i z o n t der B u n d e s w o r t e . . . .
341
A . J o s 9: Das Bündnisverbot u n d der G i b e o n b u n d
341
B. Ri 2,1—5: Das H a u p t g e b o t in der Gerichtsrede 1. Analyse 2. Literar- und traditionsgeschichtlicher Horizont 3. Ansatz 4. Ergebnisse unter dem Hauptgesichtspunkt
346 346 358 368 390
C. Ex 2 0 , 2 2 - 2 3 , 3 3 : Die B u n d e s w o r t e u n d das B u n d e s b u c h 1. Begrenzung und Implikationen der Frage im Licht der Forschung 2. Die Parallelen zu Ex 34 im Aufbau des Bundesbuches a) Die heutige Gliederung in Ex 20,22-23,19 b) Schichtung in der Komposition c) Die Grundschicht des Bundesbuches und darin die Parallelen zu Ex 34 3. Werden und Wesen des Bundesbuches und das Problem seines .Anhangs' Ex 2 3 , 2 0 - 3 3 a) Privilegrecht und Gemeinschaftsfriede: Die Ausbaustufe I . . . b) Privilegrecht und Gesetze: Die Ausbaustufe II c) Kritik und Zuordnung von Ex 2 3 , 2 0 - 3 3 4. Ergebnisse unter dem Hauptgesichtspunkt
391
Zusammenfassung und Konsequenzen 1. Die Zeugnisse der Tradition 2. Die Tradition in der Zeit des Großreichs 3. Die Tradition in den Bundesworten bis zur Reichsgründung . . . 4. Bundesworte, ,Bund' und ,Deuteronomismus'
391 413 413 423 440 450 451 459 483 502 506 506 507 510 522
Abkürzungen
527
Literatur
531
Register
553
1. 2. 3. 4.
Stellen Hebräische Begriffe Begriffe und Sachen Autoren
553 560 561 565
Einleitung
Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die (nach Ex 34,27 und älterem Sprachgebrauch so genannten),Bundesworte' Ex 34,10—26. Um Herkunft, Geschichte und Wirkungsgeschichte dieses kleinen Textes geht es im Ziel. Doch kreuzen sich in diesem Gegenstand sehr viel weiter greifende Fragestellungen, obendrein solche, die durch die Diskussion der letzten Jahre besonderes Gewicht gewonnen und der Einheit einen Stellenwert gegeben haben, wie er ihr seit Wellhausens Tagen wohl nicht mehr zugekommen ist. War Ex 34,10—26 damals neben Ex 20,2—17 als der „jahwistische Dekalog" ein Basiselement quellenkritischer, als das „kultische Zehngebot" ein wichtiger Zeuge religionsgeschichtlicher Theoriebildung und in beiden Funktionen den einen so konstitutiv wie den andern verdächtig, so ist dieser Text in der Gegenwart, in der sich etwas wie die Renaissance auch jener alten Kontroversen ansagt, darüber hinaus zu einem zentralen Problem der Forschungen geworden, die sich auf die Geschichte des israelitischen Rechts und seiner Gattungen, aufs Deuteronomium und seinen Umkreis und auf den 3 u n d ' Jahwes mit Israel als Institution oder Theologumenon richten. In diesem Kontext ist es nun aber den Bundesworten ergangen wie wichtigen Zeugnissen kleineren Umfangs oft: Sie gerieten in den Sog von Hypothesen, die zur Lösung übergreifender Probleme unabhängig vom Befund an dieser Stelle ausgebildet worden waren — und mußten sich fügen. Einleitungsweise, also vom Textbefund selbst und der Auseinandersetzung mit bestimmten Einzelforschungen noch abgesehen, läßt sich das nur sehr pauschal belegen. Immerhin, wir haben es auf weiten Strecken unserer Untersuchung damit zu tun, längst als einschlägig erkannte, aber aus der Diskussion praktisch ganz herausgehaltene Befunde selbst erst einmal so weit aufzuarbeiten, daß sie in die Fragen aufgenommen werden können, die sich von den Bundesworten her und im Hinblick auf sie stellen (insbesondere Teil IV); wir müssen — grundlegend dazu — in die Analyse des Textes selbst, also seiner gegenwärtig wirklichen Gestalt, längst vertraute, aber diesem Gegenstand in der Tat noch vorenthaltene historisch-kritische Methoden überhaupt erst einmal einbeziehen, um die Tatbestände zu erreichen, die das Verständnis der
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Einleitung
Einheit und die spezifischen Fragen begründen, die geschichtlich aufzuarbeiten sind (Teil I, bes. Β 1.2). Beides beleuchtet, als materiale und als methodische Engführung, die Uneigentlichkeit des Interesses, mit dem man sich in dem Problemhorizont von „Recht", „Deuteronomismus", „ B u n d " und — immer wieder auch — „Dekalog" den Bundesworten zugewandt hat. Das Licht, in dem sie betrachtet werden, ist gerade gegenwärtig allermeist der Schatten, der von andern Fragen auf sie fällt. Dem setzt sich entgegen, was unsere Untersuchung strukturiert. Wir beginnen beim Text selbst und, um das zu können, mit dem Versuch, die Vorentscheidungen namhaft zu machen, die als solche schon der Fragestellung und Methode die herrschende Sicht des Textes und der entsprechenden Folgeprobleme bereits in seine Analyse eingetragen haben. Dieser Ansatz, der die Untersuchung mehrfach weit über den zentralen Gegenstand hinaustreibt — doch eben, um ihm als solchem gerecht zu werden — bezieht die Arbeit am Einzelbefund von vornherein auf die größeren Problemzusammenhänge, die den Stellenwert der Bundesworte in der aktuellen Diskussion bestimmen und in die dann die Überlieferungslage selbst uns immer tiefer hineinführt. Die Dekalogfrage freilich wird sich relativ früh erledigen; aber die andern drei großen Themen — „Recht", „Deuteronomismus", „ B u n d " — begleiten uns kontinuierlich bis zum Schluß. Daß wir sie jeweils wieder vom Haupttext her und sozusagen nur um seinetwillen aufrollen, liegt dann aber nicht mehr nur im Interesse einer möglichst unbefangenen Konzentration auf den zentralen Gegenstand. Dies Verfahren gewährleistet zugleich, daß die Evidenz der Bundesworte (und der mit ihnen eng zusammenhängenden Befunde) unverkürzt gerade auch dort zum Tragen kommen kann, wo sie geltenden Systematisierungen im Bereich jener drei großen Themen widerspricht. Sofern das der Fall ist, stehen wir vor der Aufgabe, Lösungen zu konzipieren, die diese Evidenz in den geschichtlichen Rahmen bekannter Befunde einbeziehen. Im selben Maß wird dann die Rekonstruktion der Geschichte der Bundesworte ein Beitrag zur Geschichte des israelitischen Rechts, zur Geschichte des Jahwe-Bundes und zur Geschichte eines „Deuteronomismus" ohne Deuteronomium. Vieles gerade in dieser Hinsicht bleibt hypothetisch. Die frühe Zeit, in die die Texte uns führen, erlaubt keine Illusionen über die Beweisbarkeit dieser Lösungsversuche. Ihr Recht liegt in der Analyse des begrenzteren Befunds, der sie herausgefordert hat, und in der Hoffnung, daß es in diesem Rahmen geglückt ist, einige Fehler nicht zu begehen.
I. Analyse von Ex 34,10—26
A. DIE V O R G A B E N
DER
1. D e r , k u l t i s c h e
FORSCHUNGSLAGE
Dekalog'
J. Wellhausen hat ihn berühmt gemacht. A n d e r e vor i h m h a b e n ihn g e f u n d e n 1 . Dabei zeigt eine der frühesten S t i m m e n , was die — trotz allem überwiegend v e r t r e t e n e 2 — A n n a h m e , die Zehnzahl sei das Bauprinzip der ursprünglichen Einheit, v o n allen quellenkritischen u n d historischen I m p l i k a t i o n e n der T h e s e a b g e s e h e n 3 , für die A n a l y s e des Textes b e d e u t e t . Gemünzt auf E x 3 4 , 1 2 - 2 6 schreibt F. Hitzig ( 1 8 3 8 ) : 1
Über einen alexandrinischen Theologen des 5. Jhs. und den jungen Goethe vgl. die Hinweise bei W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 94f., Anm. 4, und s. bes. O. Eissfeldt, Goethes Beurteilung. — In der atl. Wissenschaft vor J . Wellhausen vgl. F. Hitzig, Ostern und Pfingsten, bes. S. 40ff.; E. Bertheau, Die sieben Gruppen, S. 90ff.; H. Ewald, Geschichte des Volkes Israel. Bd. 2, S. 238, bei u. mit Anm. 2; F. Bleek (—J. Wellhausen), Einleitung, S. 109; erwägungsweise Κ. H. Graf, Die geschichtlichen Bücher, S. 28. — Vgl. ferner die Angaben bei A. C. Knudson, J Decalogue, S. 82—86. Ergänzend zur hiesigen, im Hinblick auf die eigene Aufgabenstellung systematisierten Zusammenfassung des Forschungsbefundes vgl. im übrigen das ausführliche Referat von F.-E. Wilms, Das jahwistische Bundesbuch, S. 1 5 - 1 3 5 ; dazu die Tabellen ebd. S. 2 0 0 - 2 0 5 sowie die fast ganz vom Referat beherrschten Ausführungen S. 2 0 8 - 2 3 0 . 2 Vgl. die Literatur bei Η. H. Rowley, Moses and the Decalogue, S. 9 (—10), Anm. 1.2; J . J . Stamm, DJD, S. 221—222, und die im Weiteren gen. neueren Arbeiten. 3 Zur quellenkritischen Funktion der These vom Dekalog in Ex 34 vgl. grundlegend die in Auseinandersetzung mit A. Kuenen entwickelte Position J . Wellhausens, Composition, S. 84—86 u. bes. S. 329—335. Danach exemplarisch die Diskussion zwischen C. H. Cornill (Zur Einleitung, S. 28—31) und E. Sellin (Zur Einleitung, S. 23—26) oder, neueren Datums, S. Mowinckels Kritik bes. an W. Rudolph (Erwägungen, S. 65—74, bes. S. 71—74). — Besondere Bedeutung als kultisches' Pendant zu Ex 20,2—17 haben die Bundesworte bei und um Wellhausen aufgrund der Annahme einer Entwicklung vom Unreflex-Kultischen zum BedingtEthischen in der Religionsgeschichte Israels. Nach Wellhausen bestand in vorprophetischer Zeit ein einfach „angestammtes, natürliches" Gottesverhältnis, das sich auf seiten Israels im Kultus, auf selten Jahwes im kriegerischen Beistand realisierte (Israelitische und jüdische Geschichte, S. 101); erst die Propheten seit (Elia und) Arnos zerrissen das „natürliche Band", das Jahwe und Israel bis dahin „ohne ein zum Nachdenken geeignetes Zwischen" verbunden hatte, und setzten „ein beding-
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
„Der Zehnzahl läßt sich gar nicht ausweichen; und der zu Tage liegende Mangel alles äussern und innern Zusammenhanges unter den verschiedenen Geboten erklärt sich zur Genüge nur daraus, daß jedes hier so gut, wie 2 Mos. 20, unabhängig und einzeln dastehn soll, indem der Verf. seiner Aufgabe nachzukommen strebte, die ihm gegebene Zehnzahl mit Gesetzen auszufüllen". 4
Die thetische Form dieser Sätze verbirgt nur dürftig, was das Entscheidende ist: Die Annahme dekalogischen Aufbaus ist notwendig, um fehlende Einsicht in innere Gestaltzusammenhänge zu kompensieren. Das gilt nicht allein für diese Einzelstimme. Daß die gesamte in diesem Abschnitt behandelte Diskussion betroffen ist, wird deutlich, wenn man beachtet, wie sehr in den späteren Dekalogrekonstruktionen die Auswahl der zehn festgehaltenen Glieder schwankt 5 , wie wenig Klarheit über den gesuchten Grundbestand also aus dem inneren Textgefüge selbst gewonnen wird, und wenn man weiter sieht, wie nahe andererseits die Ablehnung der Dekalog-Hypothese und die Bestreitung überhaupt einer sinnvoll gestalteten Einheit beieinanderliegen 6 . Die Frage ist in der Tat, ob nicht dies überhaupt der wichtigste Grund für die Langlebigkeit der Dekalog-Hypothese ist, daß sie einen einfachen Ausweg aus den schwer zu lösenden Kompositionsproblemen des Textes verspricht. Denn Hitzig übertreibt. Weit entfernt, sich unausweichlich aufzudrängen, zwingt die als Bauprinzip vermutete Zehnzahl zu umfangreichen Streichungen im Text. Ihnen fällt in erster Linie der Eingang v. 10—16 zum Opfer. Hitzig selbst 7 und H. Ewald 8 ließen es bei einer Gliederung bewenden, in der v. 12—16 insgesamt als erstes Glied der durch v. 10—11 eingeleiteten Zehnerreihe erschienen. Anders wollte E. Bertheau 9 v. 10—16 en bloc (und damit verbunden v. 17 1 0 ) als eigene, Ex 23,20—33 verwandte Überlieferungseinheit von v. 18—26 trennen, eine Lösung, die in H. Kosmala einen neuen Vertreter gefunden h a t 1 1 . Seit J . Wellhausen 1 2 aber tes und zwar sittlich bedingtes Verhältnis an die Stelle" (Prolegomena, S. 415f.; vgl. S. 415—417; Composition, S. 335, bes. Satz 4; Israelitische und jüdische Geschichte, S. 101.107ff.). Deswegen und in diesem Sinne kann Wellhausen sagen, der Dekalog von Ex 20 bezeichne dem von Ex 34 gegenüber „einen äusserst bedeutenden Fortschritt: er verhält sich zu ihm wie Arnos zu seinen Zeitgenossen" (Composition, S. 85, Anm. 1). — Vgl. zu dieser Konzeption (und ihrer Überwindung im ersten Drittel unseres Jahrhunderts): A. C. Knudson, J Decalogue, S. 86ff. 9 7 - 9 9 ; R. Smend, Mosebild, S. 9 - 1 1 ; J . J . Stamm, DLF, S. 14ff.; DJD, S. 226ff.; W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 94f., Anm. 4, und s. auch S. 395f., Anm. 18. 4 5 AaO, S. 4 3 - 4 4 . S. S. 21f. ' S. S. 24ff. I s AaO, S. 42. AaO, Bd. 2, S. 238, Anm. 2. 10 ' AaO, S. 9 1 - 9 2 . AaO, S. 92. II Ritual Decalogue, S. 3 3 - 3 8 (doch sieht K. in v. 1 8 - 2 6 kein Zehngebot). Vgl. in seiner Art auch F.-E. Wilms, aaO, S. 161.208: Diese Analyse deckt sich in der
Der ,kultische Dekalog'
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hat sich bei allen Differenzen in der Rekonstruktion der übrigen Einheit die Meinung durchgesetzt, daß bis auf v. 14a in v. 10—16 nichts (oder höchstens ein rudimentärer Rest) ursprünglich stehe 13 .
Dabei spielt ein Argument eine Rolle, das auf den ersten Blick mit der Dekalog-Frage gar nichts zu tun hat. Mit großer Einhelligkeit hält man seit langem Ex 34,10—16 für ein Konglomerat deuteronomistischer Zutaten14, — eine Meinung, die nur den nicht zu Streichungen zwingt, der die Bundesworte überhaupt ids deuteronomisch-deuteronomistische Komposition versteht 15 . Aber so ganz unbeeinflußt von der DekalogGesamtauffassung der Einheit mit der Kosmalas: I „Landgabebundestext" v. 10— 17; II „Festkalender" v. 1 8 - 2 4 ; III „Ergänzungstorot" v. 2 5 - 2 6 , wobei es sich um „ursprünglich nicht zueinander gehörende kleinere Einheiten" handeln soll (S. 208; vgl. u. S. 26-28!). 12 Composition, S. 85f. 333f. 13 Vgl. die Rekonstruktionen bei A. C. Knudson, aaO, S. 87; Η. H. Rowley, aaO, S. 9 (—10), Anm. 2, und darüber hinaus etwa J . G. Torralba, Decälogo ritual, S. 410—414; S. Mowinckel, Erwägungen, S. 68—72; G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, S. 6 8 - 6 9 ; H. Gese, Dekalog, S. 130(-131), Anm. 30. 14 J . Wellhausen, aaO, S. 86, führt „sehr Vieles in 34,10-13" auf den „Jehovisten" zurück, betont aber dessen „Verwandtschaft mit dem Deuteronomium" (ebd.; vgl. S. 89.94, Anm. 2, und Prolegomena, S. 387, wo 34,10 dem „Deuteronomisten" zuerkannt wird.); v. 15—16 ist ältere Erklärung zu v. 14 (ebd.). Ebenso unterscheidet A. Kuenen eine doppelte Redaktion: v. 14b—16 vordtr., v. 1 0 - 1 3 dtr. (Bijdragen, S. 220f., Anm. 1; Einleitung 1,1, S. 151-152.236, in Anm. 21; S. 250, in Anm. 32.). — Die Folgezeit urteilt zunehmend undifferenziert. Vgl. etwa B. W. Bacon, Triple Tradition, S. 155 (-156), Anm. z.St.; R. Smend, Lehrbuch der alttestamentlichen Religionsgeschichte, S. 280, Anm. 2 (doch vgl. ders.: Die Erzählung des Hexateuch, S. 172, wo v. 1 0 a a . l l . l 2 . 1 4 J 2 zuerkannt werden!); B. Baentsch, Exodus-Leviticus-Numeri, S. 2 8 2 - 2 8 3 (v. 10aa.l4a.b = vordtr.!); G. Wildeboer, Literatur, S. 103; C. H. Cornill, Einleitung, S. 88; A. C. Knudson, aaO, S. 86 ("It is commonly agreed that vss. 12—13.15—16 and 24 were later Deuteronomic additions. To these some would add vss. 10b and 11."); C. Steuernagel, Einleitung, S. 155; J . Morgenstern, Document, S. 58; J . A. Bewer, Literature, S. 233 mit Anm. 1; G. Beer, Exodus, S. 161; J . C. Rylaarsdam ( - J . E. Park), Exodus, S. 1078-1079; R. H. Pfeiffer, Introduction, S. 224ff., bes. 225; Μ. Noth, ÜSt, S. 13, Anm. 1; ders., Exodus, S. 215-216; A. Bentzen, Introduction, S. 57; W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 100, Anm. 1 (v. 10 = vordtr: S. 103-104); A. Robert-Α. Feuillet, Einleitung, S. 779; S. Mowinckel, Erwägungen, S. 6 8 - 7 0 ; H. W. Wolff, Kerygma des Jahwisten, S. 368. 15 F. Hitzig, aaO, S. 4 5 - 5 0 ; B. D. Eerdmans, Alttestamentliche Studien III, S. 88ff., bes. S. 91.96; R. H. Pfeiffer, Oldest Decalogue, S. 298-307; ders., Transmission, S. 105, bei u. mit Anm. 7; G. Hölscher, Geschichtsschreibung, S. 321; Ε. Kutsch, Passafeier, S. 5—8; ders., Verheißung, S. 78; L. Perlitt, Bundestheologie, S. 216ff. - Zur Herleitung aus Ρ durch F. V. Winnet vgl. Η. H. Rowley, aaO, S. 11, bes. Anm. 1.
16
Analyse von E x 3 4 , 1 0 — 2 6 : Forschung
Hypothese, wie es zunächst scheint, ist diese Sicht der Dinge nicht, auch wenn sie sich inzwischen verselbständigt hat und auch unter Gegnern des ,kultischen Dekalogs' vertreten wird 16 . Sie setzt voraus, daß in Vergessenheit geriet, was vor Kuenen und Wellhausen durchgängig, danach bis etwa 1910 noch immerhin vereinzelt die Wertung von Ex 34,10—16 bestimmte und erst nach langer Zwischenzeit wieder von N. Lohfink in Erinnerung gebracht worden ist 1 7 : die Tatsache, daß die Eingangsverse der Bundesworte nicht allgemein nur an Gedankengut und Sprache des Deuteronomiums erinnern 18 sondern neben Ex 23, 20—33 in Dtn 7 einen speziellen Paralleltext haben 19 . Solange diese Bezüge gesehen wurden, war dies die — von Κ. H. Graf formulierte — herrschende Meinung: „Die Ermahnungen in Betreff der Ausrottung des cannaanitischen Götzendienstes sowohl als die göttlichen Verheissungen Deut. C. 7 sind nur eine umschreibende Wiederholung der Ermahnungen und Verheissungen, welche die Gesetze des Exodus schliessen E x 23,20—33 . . . — Deut. 7,1—5 fasst den Inhalt des kürzern Gebotes E x 2 3 , 2 3 f . vgl. 2 3 , 3 2 f . und des erweiternden E x 3 4 , 1 1 - 1 6 zusammen." 2 0
16 Vgl. beispielsweise A. C. Knudson, aaO, S. 8 6 u. ff.; B. D. Eerdmans, aaO, S. 8 5 - 8 7 . 9 1 . 9 6 ; C. Steuernagel, aaO, S. 1 5 5 ; E. Kutsch, aaO, S. 6, Anm. 6; S. 7, bei u. mit Anm. 1; W. Beyerlin, aaO, S. 9 4 f f . u. bes. S. 100, Anm. 1; L. Perlitt, ebd. S. 2 2 1 f f . - S. dazu S. 3 7 f . 17 N. Lohfink, Hauptgebot, S. 1 7 2 - 1 8 0 ; vgl. Tabelle VII, S. 3 0 9 - 3 1 0 , und zum Folgenden bes. die forschungsgeschichtlichen Hinweise, S. 172—173. 18 Vgl. die entspr. Stellenverweise bei A. Kuenen, Einleitung, I, 1, S. 250, oder H. Kosmala, aaO, S. 37. 19 Über die Entsprechungen zwischen E x 23/34/Dtn 7 vgl. außer der von N. Lohfink, aaO, S. 172—173, besprochenen Literatur: J . J . Stähelin, Beiträge, S. 4 6 3 ; F. Hitzig, aaO, S. 48—50 u. passim; W. M. L. de Wette, Lehrbuch der historischkritischen Einleitung, S. 188—193 (passim); Α. Kuenen, Einleitung I, 1, S. 161 (Ex 23/Dtn 7). 2 5 0 (Ex 34/Dtn 7: s. gleich!); E. Reuss, Die Geschichte der Heiligen Schriften, S. 382, und vor allem A. Klostermann, Pentateuch Ν.F., S. 227— 2 4 6 , bes. 2 3 0 - 2 3 3 . 2 3 8 f f . (übersehen bei Lohfink, aaO, S. 173, Anm. 3 4 ) , und P. Karge, Geschichte des Bundesgedankens, S. 3 0 3 - 3 1 3 (Ex 23/Dtn 7). 3 3 6 - 3 4 1 (Ex 34/Dtn 7). ! 0 Die geschichtlichen Bücher, S . 2 0 ; folgt der Hinweis auf Dtn 7,2 „vgl. E x . 2 3 , 3 2 . 3 4 , 1 2 . 1 5 ; 7,3 vgl. Ex. 3 4 , 1 6 ; 7,5 vgl. Ex. 3 4 , 1 3 " (S. 2 1 ) . - Von dieser Sicht der Relationen weichen in der älteren Forschung m.W. nur J . J . Stähelin und F. Hitzig ab. Stähelin im Zusammenhang seiner These, daß die Gesetze des Pentateuch doppelt geschichtet (etwa P/JED) vorliegen: Entsprechend signalisieren ihm die Bezüge zwischen E x 23/34/Dtn 7 die Einheit des Verfassers (aaO, S. 4 6 3 ) . Hitzig will die Bundesworte als nachdeuteronomisch erweisen (aaO, S. 45—50): E x 3 4 , 1 0 - 1 6 ist Exzerpt aus E x 2 3 , 2 0 - 3 3 (S. 4 5 ) , das seinerseits von derselben Hand wie Dtn 7 stammt (S. 4 9 ) ; allerdings muß dann Dtn 7,5 wegen seiner Nähe zu E x 3 4 , 1 3 als sekundärer Eintrag fallen (S. 4 8 ) .
Der ,kultische Dekalog'
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Die Entwicklung, die zur Preisgabe dieses Standpunktes geführt hat, ist relativ gut zu übersehen. Entscheidend war einmal der Erfolg, den A. Kuenen mit seiner Behauptung umfassender deuteronomistischer Redaktion im Bereich der jehovistischen Sinaiperikope 21 hatte 2 2 . Bei Kuenen selbst zeichnen sich die Folgen dieser These für die Zuordnung von Ex 34 (23) zum Deuteronomium ab. Das Beweisinteresse richtet sich notwendig darauf, den deuteronomistischen Charakter der ExodusElemente auf möglichst breiter Belegbasis zu erfassen. Dabei wird Dtn 7 als spezieller Bezugstext uninteressant, ja zum Hindernis. Zu Ex 23,20—33: Hier unterscheidet Kuenen mit seiner Zeit 2 3 eine vordeuteronomische Grundlage (v. 2 0 - 2 2 * 2 5 - 3 1 a * ) 2 4 und eine Überarbeitung (v. 2 3 - 2 4 . 31b—33 ) 2 5 . Diese Uberarbeitungsschicht u m f a ß t genau die Elemente, die am engsten mit Ex 34 zusammengehen u n d von Κ. H. Graf geradezu als Vorlage von Dtn 7,1—6 verstanden worden w a r e n 2 6 . Auch Kuenen notiert die Anklänge in Dtn 7, doch von vornherein unter dem Gesichtspunkt der Abhängigkeit der ExodusStellen vom Sprach- und Gedankengut „ D ' s " 2 1 und entsprechend undifferenziert neben anderen deuteronomisch-deuteronomistischen Vergleichsstellen 2 8 . Dabei ist interessant, daß der besondere Rang von Dtn 7 als Paralleltext noch sichtbar bleibt und nur um den Preis erkennbarer Schwierigkeiten vernachlässigt werden kann. Die erste dieser Schwierigkeiten liegt darin, daß Kuenen einerseits die Grundschicht von Ex 2 3 , 2 0 - 3 3 einzig wegen Dtn 7,20a. 22 (par. Ex 2 3 , 2 8 - 2 9 ) für vordeuteronomisch erklärt 2 9 , andererseits aber die Ubereinstimmung desselben Kapitels mit der Erweiterungsschicht in Ex 23 geradewegs umgekehrt deutet, ohne ein Wort über Gründe und Recht dieser unterschiedlichen Wertung zu verlieren. — Die andere, diesmal Kuenen selbst auffallende Schwierigkeit fuhrt über Ex 23,24 hinüber zu Ex 3 4 , ( 1 0 - ) 13: In Ex 34,10—16 sind es — im Gegensatz zu späteren Generalisierungen 3 0 — nur die Verse 10—13, die Kuenen für deuteronomistisch hält 3 1 . Sie gelten als Erweiterung auf der Grundlage der ihrerseits schon sekundär in den .kultischen Dekalog' eingefügten Verse 15—16 32 . Um ihre deuteronomistische H e r k u n f t zu belegen, ver21
Vgl. dazu A. Kuenen, Einleitung I, 1, S. 2 4 6 - 2 5 1 ; bes. zu Ex 1 9 - 2 4 . 3 2 - 3 4 ebd. S. 248—251 (Zusammenfassung von Bijdragen, S. 164—223). 22 Vgl. etwa H. Holzinger, Einleitung, S. 492 (und dazu in den Tabellen S. 7—8), und vgl. im Blick speziell auf die uns interessierenden Textzusammenhänge und die Geschichte ihrer Deutung: N. Lohfink, aaO, S. 173. 23 Vgl. die von ihm, Einleitung 1,1, S. 249, gen. Literatur; H. Holzinger, Einleitung, Tabellen, S. 8 (z. St.). 24 A. Kuenen, aaO, S. 161, unter Hinweis auf Dtn 7,20a.22/Ex 23,28.29! 25 A. Kuenen, aaO, S. 249. 26 S. S. 16, mit Anm. 20, und entsprechend die S. 16, Anm. 19. gen. Literatur. " AaO, S. 249. 28 29 AaO, S. 250. S. o. Anm. 24. 30 S. S. 15, Anm. 14. 31 AaO, S. 250. 32 Vgl. Kuenen und Wellhausen S. 15, in Anm. 14. 2
H a l b e , Privilegrecht
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
weist Kuenen auch auf Dtn 7,5. Doch räumt er diesesfalls ein, daß der „Vers allerdings auch als Erweiterung von v. 13 und Ε XXIII,24 angesehen werden k a n n " 3 3 . Eben dies ist die mit Κ. H. Graf zitierte ältere Meinung. Bei Kuenen wird sie eine folgenlos notierte, von konträren Beweisinteressen überlagerte Möglichkeit.
So wenig es also ins Bild paßt, — das Faktum, daß es Beziehungen besonderer Art sind, die Ex 34 (23) gerade mit Dtn 7 verbinden, schlägt hier noch immerhin durch. Doch wird dem methodisch nicht so entsprochen, daß Dtn 7 als Vergleichstext vor anderen ernst genommen würde. Er tritt unterschiedslos in die Reihe aller sonst noch auffindbaren Sprach- und Sachparallelen, auf die, in ihrer Streuung gerade, das Beweisanliegen den Blick lenkt. Daß danach — als die deuteronomistische Redaktion im Eingang der Bundesworte und im Bundesbuch-Schluß auf dieser Materialgrundlage so gut wie allerseits anerkannt war 34 — die Sonderstellung von Dtn 7 im Kreis der deuteronomisch-deuteronomistischen Vergleichselemente erst recht nicht berücksichtigt und schließlich überhaupt vergessen wurde 35 , liegt lediglich nahe. Aber ein weiterer Faktor hat diese Entwicklung gefördert, jedenfalls, was die Bundesworte betrifft. Die folgende Beobachtung führt darauf hin: In der Einleitung seines Deuteronomium-Kommentars sucht A. Bertholet 3 6 gegen C. Steuernagel zu beweisen, „dass im Dtn Ex 34 als Quelle benützt sei" 3 7 . Trotz der schwierigen Beweislage angesichts nur weniger und obendrein umstrittener Vergleichsmomente bleiben dabei die Verse Ex 34,10—13.14b—16 völlig außer acht. Nicht, weil ihre Verwandtschaft mit Dtn 7 schon nicht mehr bekannt wäre; im Kommentar selbst sind alle Entsprechungen zwischen Ex 3 4 (23) u n d Dtn 7 notiert 3 8 . Auch nicht, weil etwa Dtn 7 nicht zum ursprünglichen Bestand des Deuteronomiums gerechnet würde; Bertholet zählt das Kapital zu den ursprünglichen Einleitungsreden 3 9 . Sondern darum, weil der Vergleich vom .kultischen Dekalog' ausgeht, der als Zehnerreihe nicht einmal Raum für alle überlieferten Einzelbestimmungen (v. 14a. 1 7 - 2 6 ) , geschweige für v. 1 0 - 1 3 . 1 4 b - 1 6 läßt 4 0 .
Das zeigt, welche Rolle in der hier erörterten Forschungsentwicklung die Dekalog-Hypothese spielen mußte. Sie schützte v. 14a. Dadurch, daß man ihn unmittelbar mit v. 17 verband, wurden im Eingang des ge33
AaO, S. 250. — Ex 23,24 ist Element der dort behaupteten deuteronomistischen Überarbeitungsschicht (S. 249)! 34 Zu Ex 3 4 , 1 0 - 1 6 : S. 15, Anm. 14; zu Ex 2 3 , 2 0 - 3 3 : S. 32f., Anm. 53. 35 Vgl. die Dokumentation bei N. Lohfink, aaO, S. 173. 34 Deuteronomium. KHC 5, 1899. 37 S. XIV. 38 AaO, S. 2 6 - 2 8 . 3 ' Vgl. aaO, S. X X - X X V . 40 AaO, S. XIV.
Der »kultische Dekalog'
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suchten ,zweiten Dekalogs' Textverhältnisse geschaffen, für die die nächstliegende Analogie das Vorbild lieferte: der klassische Dekalog in Ex 20 4 1 . Die darüber hinausgehenden, ausgeführt paränetischen Eingangsverse 10—13.15—16 fanden keinen Platz. Sie mußten als Zutaten fallen. Dabei zunächst nicht einmal durchaus als Zutaten deuteronomistischer Hände 4 2 . Wohl aber als redaktionell nachgetragenes Beiwerk, das als solches — und das ist entscheidend — nicht geeignet war, als möglicherweise originäres Traditionsgut aus der Vorgeschichte von Dtn 7 ernst genommen zu werden. Worum es noch ging, war allein, die Herkunft der bereits als sekundär erkannten Interpretamente zu bestimmen, und das ist die Ausgangslage, aus der es sich vollends erklärt, daß die Affinität von Ex 34,10—16 zum deuteronomisch-deuteronomistischen Sprach- und Gedankengut allgemein stärker beachtet wurde und tiefer ins Bewußtsein einging als seine spezielle Beziehung zu Dtn 7. So weit zum Anteil der Dekalog-Hypothese selbst an dem Argument, das ihr entscheidend zugute gekommen ist, insofern es die Reduktion von Ex 34,10—16 (also der knappen Hälfte des überlieferten Textes!) auf ein einziges ,erstes Gebot' (v. 14a) erleichterte. — Eine Konsequenz legt sich nahe: Wir werden das Problem der ,deuteronomistischen Erweiterungen' in Ex 34,10—16 im Bewußtsein der besonderen Beziehungen zu Dtn 7, vor allem und grundlegend aber auf der Basis einer Analyse zu bedenken haben, die sich die Frage nach der Funktion der umstrittenen Elemente im Textaufbau und nach ihrer möglichen Ursprünglichkeit durch keine literarkritischen Vor-Urteile wie die DekalogErwartung abnehmen läßt. Den Sinn der hier gezogenen Konsequenz verdeutlichen einige Arbeiten O. Eissfeldts 4 3 , in denen er die früher auch von ihm vertretene Annahme, Ex 34,10—13. 41
Vgl. hierzu die Argumentation O. Eissfeldts S. 20, und neuerdings die Vermutung, die beiden ersten Gebote in Ex 20 und Ex 34 gingen auf ein und dieselbe Grundlage zurück (im einzelnen verschieden: G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, S. 63.69; K. Koch, Formgeschichte [2. Α.], S. 63). 42 S. in Anm. 14. 43 Vgl. entsprechend auch G. Fohrer: In seiner Analyse von Ex 34,10—26 erklärt er v. 10a.ll—12 als „Einleitung" zum in v. 14—26* enthaltenen „Dekalog des Jahwisten" (Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, S. 68). Anderwärts zitiert er v. 11 — 12 als Votum des Jahwisten zum Problem des Verhältnisses Israels zu den Kanaanäern und urteilt, es handele sich „darin um einen geschlossenen formgeschichtlichen und motivgeschichtlichen Zusammenhang von drei Gliedern" (Israels Haltung, S. 69). — Wie verhält sich dies Votum des Jahwisten zum „Dekalog des Jahwisten"? Ist es „Einleitung", was macht dann die „Einleitung" aus dem „Dekalog"? Warum stellt sie J an den Anfang, obwohl der „Dekalog des E" nichts Ent-
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
15—16 seien die auch noch in sich komplexen Zusätze später Hände 4 4 , revidiert 4 5 . Statt dessen sieht er in ihnen 4 6 ein in sich einheitliches quellenhaftes Stück, das mit dem ,jahwistischen Dekalog' verschränkt worden wäre, als der Erzählfaden, dem es entstammt (L), mit der Quellenschicht J zusammengearbeitet wurde 4 7 . Bei dieser Lösung 4 8 wird n u n aber einfach v. 14 zum Rätsel: Eingekeilt in eine Schicht (v. 10—13.15—16), die „mit der Dekalog-Verkündigung nichts zu t u n " haben soll 4 9 , soll er doch erstes Glied eben dieses Dekalogs sein. Der Kompilator L + J hätte also den ursprünglichen Zusammenhang v. 10—13.15—16 zerrissen, nur um den ebenso ursprünglichen Zusammenhang v. 14.17 ff. zu zerreißen. Zur Begründung wird argumentiert 5 0 : „ . . . man wird sich doch fragen müssen, was eine späte Hand veranlaßt haben könnte, den sonst ziemlich straff aufgebauten kultischen Dekalog durch derartige Zusätze (sc. v. 10—13.15—16) zu stören. Näher liegt da schon die Annahme, daß die . . . Verse einem Zusammenhang angehören, den ein Redaktor mit dem den kultischen Dekalog enthaltenden Erzählfaden vereinen wollte, was ihn nötigte, auch diese Verse in seine Kompilation einzuarbeiten . . . " Aber die Grundlage dieser Argumentation, die Eissfeldt in Abwehr der herrschenden Meinung auch nur eine Lösung finden läßt, in der vom inneren Sinn der Textgestaltung nichts, sondern nur etwas von den Zwängen erkennbar wird, unter denen sie zustande gekommen sein soll: der Ansatz beim .kultischen Dekalog' wird in die Reflexion nicht einbezogen. Das führt dazu, daß die Möglichkeit einer beide Teile umgreifenden kompositorischen Einheit auch nur als Möglichkeit nicht in Betracht gezogen wird. Soviel für Eissfeldts Rekonstruktion der Quelle L in Ex 19—24.32—34 gerade an dieser Stelle abhängt 5 1 , — die Analyse des Gesprechendes enthält (Fohrer streicht Ex 20,2 als deuteronomistisch: Das sog. apodikt. formulierte Recht, S. 58; vgl. S. 56—61!), und obwohl — Fohrer legt darauf großes Gewicht (aaO, S. 69) — „beiden die Methode des Zusammensetzens gemeinsam" sein soll (ebd.)? — Sämtlich Fragen, die nicht einmal gestreift werden, weil der Gestaltzusammenhang des Ganzen nicht analytisch geklärt, sondern von der Dekalogerwartung so überschattet wird, daß beim Zehngebot die „Einleitung", bei der „Einleitung" das Zehngebot unbedacht bleibt. 44 O. Eissfeldt, Hexateuch-Synopse, S. 274*—275*; ebenso noch: Sinai-Erzählung, S. 2 2 - 2 3 . 45 Vgl. O. Eissfeldt, Die älteste Erzählung vom Sinaibund, KISchr I V , 1 2 - 2 0 ; Das Gesetz ist zwischeneingekommen, KISchr IV, 209—214; Die Komposition der Sinai-Erzählung (dazu die Kurzfassung gleichen Titels: FF 40[1966]213—215 [= KISchr IV, 2 1 3 - 2 3 7 ] ) ; Israels Führer, KISchr IV, 2 9 7 - 3 0 4 . 46 Nicht mehr nur in v. 1 0 - 1 3 * (So noch: Einleitung, S. 256.258, und KISchr IV, S. 20), sondern in v. 1 0 - 1 3 . 1 5 - 1 6 im ganzen: KISchr IV, S. 2 1 1 - 2 1 2 . 2 3 2 ; Die Komposition der Sinai-Erzählung, S. 22—23.2-5.31 (hier wird auch noch v. 24a hinzugezogen!). 47 KISchr IV, S. 211. 48 Vgl. schon R. Smend, Die Erzählung des Hexateuch, S. 172. 49 so O. Eissfeldt, KISchr IV, S. 18. O. Eissfeldt, KISchr IV, S. 211. 51 Vgl. zur Bedeutung von Ex 34,10—13.15—16 im Rahmen der — ohnehin nur sehr fragmentarisch nachgewiesenen — Sinai-Erzählung von L: Die Komposition der Sinai-Erzählung, S. 22—25 (Zusammenstellung der dazugehörigen Elemente: ebd., S. 31, oder KISchr IV, S. 232).
Der .kultische Dekalog'
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staltzusammenhangs der Bundesworte, die seine Folgerungen erst fundiert, reduziert sich auf die Unterstellung eines ursprünglichen Dekalogs. Die F r a g e w i r d also u n u m g ä n g l i c h , w a s e i g e n t l i c h d e r a r t z w i n g e n d für die T h e s e v o m , k u l t i s c h e n D e k a l o g ' in E x 3 4 s p r i c h t , d a ß i h r dieser E i n f l u ß a u f die B e h a n d l u n g des T e x t e s g e g e b e n w i r d u n d — v o n Eissfeldts T h e s e n z u r ü c k z u m H a u p t z u s a m m e n h a n g — i m m e r w i e d e r gegeben wurde. M a n k a n n n i c h t sagen, d a ß e t w a d e r B e f u n d n a c h S t r e i c h u n g v o n v. 1 0 — 1 3 . 1 5 — 1 6 sie u n m i t t e l b a r n a h e l e g e n w ü r d e . V i e l m e h r m u ß a u c h n o c h Ex
34,14.17—26
auf eine dekalogische Satzfolge erst zusammen-
g e s t r i c h e n w e r d e n . — N a c h w e l c h e n A n h a l t s p u n k t e n a b e r , d a j a das Z e h n e r s c h e m a n u r a n z e i g t , daß,
n i c h t , was zu s t r e i c h e n ist?
Die F r a g e ist h e u t e s t r i t t i g 5 2 w i e v o n A n f a n g a n : A u ß e r v. 2 5 a u n d v. 2 6 b gibt es in d e n B u n d e s w o r t e n k e i n E l e m e n t , das n i c h t s c h o n ges t r i c h e n w o r d e n w ä r e , u m d e n e r w a r t e t e n D e k a l o g zu r e a l i s i e r e n 5 3 . D i e K o n s e q u e n z liegt n a h e u n d ist a u c h o f t g e n u g g e z o g e n w o r d e n , die D e k a l o g - H y p o t h e s e fallen z u l a s s e n 5 4 . A n d e r e r s e i t s h a t m a n , u m sie zu r e t t e n , d a h i n g e h e n d a r g u m e n t i e r t , a u c h in E x 2 0 k ö n n e die Z e h n -
" Vgl. beispielsweise O. Eissfeldt, Sinai-Erzählung, KISchr IV, S. 2 3 ; J . G. Torralba, Decälogo ritual, S. 4 1 3 ; G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, S. 6 8 - 6 9 ; K. Koch, Formgeschichte (2. Α.), S. 6 1 - 6 2 : Keine der Rekonstruktionen stimmt mit einer anderen überein. — Unabhängig von dem entsprechenden Entwurf C. H. Cornills (Zum Segen J a k o b s und zum jahwistischen Dekalog, S. 111 — 113) sucht H. Gese den Zugang zum Ursprünglichen in paarweiser Zuordnung der Glieder: Dekalog, S. 1 3 0 ( - 1 3 1 ) , Anm. 30. " Vgl. die Tabelle bei A. C. Knudson, J Decalogue, S. 8 7 , und die von Η. H. Rowley, Moses and the Decalogue, S. 9, in Anm. 2, zusammengestellten Varianten. Desgl. F.-E. Wilms, aaO, S. 2 0 0 - 2 0 5 . M Vgl. z.B. L. B. Paton, Original Form, S. 8 6 - 8 7 ; A. D i l l m a n n - V . Ryssel, Exodus und Leviticus, S. 3 9 0 - 3 9 1 ; W. W. Graf Baudissin, Einleitung, S. 1 3 0 - 1 3 2 ; A. C. Knudson, aaO, S. 8 6 - 8 8 . 9 0 ; C. Steuernagel, Einleitung, S. 155; B. D. Eerdmans, aaO, S. 8 5 - 8 7 ; R. Kittel, Geschichte des Volkes Israel. Bd. 1, S. 3 1 5 ; ders., Die alttestamentliche Wissenschaft, S. 30—31; P. Karge, Geschichte des Bundesgedankens, S. 2 9 8 . 3 5 9 - 3 6 2 ; E. Sellin, Zur Einleitung, S. 2 3 - 2 6 ; H. Greßmann, Mose und seine Zeit, S. 4 7 4 ( — 4 7 5 ) , Anm. 4 ; H. Schmidt, Mose und der Dekalog, S. 1 0 0 - 1 0 3 ; A. Eberharter, E x 23 und 3 4 , S. 1 5 7 - 1 5 8 ; W. Stoderl, Das Gesetz Israels, S. 6, Anm. 3 ; S. 8; W. Rudolph, Aufbau, S. 4 7 (entspr. „Elohist", S. 5 9 ) ; O. Procksch, Theologie, S. 8 4 - 8 5 ; M. Buber, Moses, S. 1 4 1 - 1 4 2 ; Κ. H. Bernhardt, Gott und Bild, S. 115; (E. S e l l i n - ) L . Rost, Einleitung, S. 5 2 5 3 ; E. Kutsch, Passafeier, S. 5 - 7 ; W. Eichrodt, Theologie I, S. 3 4 , Anm. 6; A. Weiser, Einleitung, S. 9 9 ; G. v. Rad, Theologie I, S. 2 0 2 , Anm. 4 ; W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 9 4 ( - 9 5 ) , Anm. 4 ; H. Kosmala, Ritual Decalogue, S. 3 1 - 3 2 . Vgl. im übrigen J . J . Stamm, D J D , S. 2 2 0 - 2 2 1 .
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
zahl ja nicht „ohne eine gewisse Willkür gewonnen werden" S5 . Aber dies Argument zeigt den Kern des Problems: Die Formerwartung ,Dekalog' hat ihre Gründe außerhalb der Einheit, gegen deren Gestaltwirklichkeit (verkürzt selbst um v. 10—13.15—16) sie durchgesetzt werden muß, ohne daß der Textbefund klare Anhaltspunkte für die entsprechenden Streichungen böte. Einer der Gründe, dennoch dabei zu bleiben, liegt in der Erwähnung der „Zehn Worte" im heutigen Rahmen der Einheit, Ex 34,28bß 5 6 . Doch ist diese Stelle so umstritten wie der ,kultische Dekalog' selbst. Sei es, daß man den Ausdruck als sekundären Zusatz streicht 57 , sei es, daß man eine ursprüngliche Beziehung auf die Bundesworte bestreitet 5 8 , jedenfalls ist die Unsicherheit so groß, daß es sich beim Schiffbruch an die Wogen klammern hieße, wollte man allein durch dieses Element die These vom ,zweiten Dekalog' in Ex 34 begründen 59 . Die 55 A. Merx, Moses und Josua, S. 1 4 5 - 1 4 6 , in Anm. 11 (zu S. 42). Vgl. C. H. Cornill, Zur Einleitung, S. 30. 56 Vgl. dazu A. C. Knudson, aaO, S. 8 8 - 9 0 ; J . J . Stamm, DJD, S. 221; G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, S. 68, Anm. 59; K. Koch, Formgeschichte (2. Α.), S. 6 0 ( - 6 1 ) , Anm. 32. S1 Vgl. u.a. O. Meisner, Dekalog, S. 2 7 - 2 8 ; B. W. Bacon, Triple Tradition, S. 158 (Anm. z.St.); C. Steuernagel, Der jehovistische Bericht, S. 331; ders., Einleitung, S. 155; B. Baentsch, Exodus—Leviticus—Numeri, S. 285; K. Marti, Geschichte der israelitischen Religion, S. 127, Anm. 1; B. D. Eerdmans, aaO, S . 8 7 ; H. Schmidt, Mose und der Dekalog, S. 103; W. Stoderl, Das Gesetz Israels, S. 8; M. Noth, Exodus, S. 216; J . J . Stamm, DJD, S. 221, bei u. mit Anm. 1; H. Kosmala, aaO, S. 34; S. Mowinckel, Erwägungen, S. 46.49 mit Anm. 188; H. Haag, Der Dekalog, S. 23, Anm. 22. 58 Vgl. F. Bleek(—J. Wellhausen), Einleitung, S. 1 0 9 - 1 1 0 ; A. D i l l m a n n - V . Ryssel, Exodus und Leviticus, S. 390—391 (Literatur!); B. Baentsch, Bundesbuch, S. 81; E. Sellin, Zur Einleitung, S. 24; W. Rudolph, Aufbau, S. 47 (entspr. „Elohist", S. 59); (E. S e l l i n - ) L . Rost, Einleitung, S. 52; W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 94—96. — Bezogen wird Ex 34,28bß auf den klassischen Dekalog: a) man vermutet, daß dessen J-Version ursprünglich an der Stelle von v. 10—26 stand (Rudolph, Beyerlin); b) man sieht in v. 28 ein E-Element, das erst bei Kompilation von J und Ε mit den Bundesworten zusammengebracht wurde (Sellin, Rost); c) man versteht v. 28b als Hinweis von J , der nach den Bundesworten den Hauptdekalog in Erinnerung bringen sollte und derart die Analogie zum Nebeneinander von Dekalog und Bundesbuch in Ex 20—23E herstellt (Dillmann). 59 S. Mowinckel, selbst Verfechter dieser These: Daß v. 28b/3 „kein haltbares Argument" bietet, „muss einfach zugegeben werden" (Erwägungen, S. 130, Anm. 194 [zu S. 72])! Vgl. auch Th. Chr. Vriezen, Litterair-historische Vragen, der die Tradition von den „zehn Worten" für deuteronomisch, Ex 34,28bß für eine Glosse (S. 19) und doch die Bundesworte im Ganzen für einen Dekalog hält (S. 20—22): Da „het begrip Dk. (sc. Dekalog) en latere systematiseerende benaming kan zijn voor de Bondswoorden" (S. 19), darf man sich von ihm nicht derart leiten
Der .kultische Dekalog'
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Erwähnung der „Zehn Worte" mag „die Frage nach einem Dekalog in Ex 34 nicht zur Ruhe kommen" lassen 60 ; daß aber diese Frage immer wieder und überwiegend 61 positiv entschieden wurde, kann angesichts des widerspenstigen Befundes in v. 10—26 und der Schwierigkeiten in v. 28 selbst aus dem einen Vermerk in v. 28bj3 nicht verständlich werden. Hier schlägt vielmehr ein, was uns bereits in Hitzigs Äußerung entgegentrat 62 : Der Tatsache, daß unter den Vertretern des ,kultischen Dekalogs' nur die Zehnzahl der ursprünglichen Glieder nicht umstritten ist, entspricht bei den Gegnern eine deutliche Ratlosigkeit dem Gestaltproblem gegenüber. Man weicht ihm aus oder gibt den Text als nirgendwie ursprüngliches Konglomerat verloren 63 . So ist es am Ende ein einfaches ,Besser-als-Nichts', das dem Dekalog-Gedanken Wirkung sichert. Er setzt an die Stelle sonst fehlender Alternativen den Versuch, die Bundesworte gestaltkritisch zu erfassen, und dies mit Hilfe eines Zahlenschemas 64 , das in Ex 34,28bj3 immerhin explizit angesprochen und dessen Bedeutung als Kompositionsprinzip (und demgemäß auch als Prinzip der Analyse) entsprechender Texte erst neuerdings ernstlich zweifelhaft geworden ist 65 . Was dieser Versuch impliziert, daß nämlich lassen, daß man alles Gewicht auf Fragen der Gliedzahl legt; „de Dk. is naar zijn wezen iets meer dan een verzameling van tien w o o r d e n " (ebd. Hervorh. i.O.!). Die Zehngliedrigkeit der Bundesworte ergibt sich aus der Gegenüberstellung mit entspr. Sätzen des Bundesbuches (s. S. 30ff.!). 60 J . J . Stamm, DJD, S. 221. " J . J . Stamm, DJD, S. 2 2 1 - 2 2 2 . 6:1 S. S. 14. 63
Vgl. J . J . Stamm, DJD, S. 221, und das im nächsten Abschnitt besprochene Material! 64 Neuere Versuche, Sinn und Funktion der Zehnerreihung zu erklären: E. Nielsen, Zehn Gebote, S. 13—15; Η. A. Brongers, Zehnzahl, S. 30—40. — Im wesentlichen bleibt es bei der bereits von H. Ewald gegebenen mnemotechnischen Erklärung (abzählen an den Fingern), vgl. dazu L. Köhler, Dekalog, S. 164—165, und etwa H. Graf Reventlow, Gebot u n d Predigt, S. 12; H. Haag, Dekalog, S. 2 3 24. — G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, S. 51, verweist zudem auf die „symbolische oder gar magische Bedeutung" der Zahlen, doch sagt das nichts über spezifisch die Zehn und nichts über ihre Funktion spezifisch in Gebots- und Prohibitivreihen. 65 Ältere Zweifel gehen von Ex 20,2—17 aus, wo man die Zehnergliederung als sekundäre Stilisierung deutete: vgl. v.a. A. J i r k u , Das weltliche Recht, S. 153— 154; H. Meinhold, Dekalog, S. 15, und s. auch L. Köhler, Dekalog, S. 1 6 4 - 1 6 5 . — Selbst Einzelerscheinungen, gerieten diese Stimmen in Vergessenheit, nachdem A. Alt die Zehn- oder auch Zwölfgliedrigkeit als gattungstypisches Merkmal .apodiktischer Satzreihen' herausgestellt hatte (Urspünge, S. 311—320), und erst die neuere Kritik an seinen Thesen hat die Lage grundlegend gewandelt; vgl.
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
schon durch den analytischen Ansatz ein integrierender Sinn in der gegenwärtig wirklichen Gestalt des Textes negiert ist, das zeigt in einem die Schwächen der Dekalog-Hypothese und die Fragen, deren Beantwortung erst sie erübrigen würde.
2. Die G e g e n t h e s e n bis e t w a
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Unter den hier zu besprechenden Gegnern des ,kultischen Dekalogs' sind zwei Hauptgruppen zu unterscheiden. Zunächst diejenigen, die mit dem Gedanken ursprünglicher Zehngliedrigkeit die Einheit überhaupt als ebenso gestalt- wie wertloses Gebilde verwerfen 1 . Ihnen gegenüber namentlich E. Gerstenberger, Wesen und Herkunft, S. 77—88: „Die Prohibitive entstehen in der Regel als Einzel-, vorzugsweise jedoch als Zweier- oder Dreiergebote; selten lassen sich längere ursprüngliche Reihungen finden. Die Zehn- oder Zwölfzahl ist ihnen von Natur aus f r e m d " (S. 86). „Die Unsicherheit in den Dekalogen im Blick auf die Zehnzahl läßt . . . vermuten, daß die Überlieferung von der Zehnernorm erst ein Resultat langer Vereinheitlichungsbestrebungen ist" (S. 87). Vgl. zu Ex 2 0 , 2 - 1 7 : H. Graf Reventlow, Gebot und Predigt, S. 1 2 - 1 3 . 9 3 , und umfassend: W. Richter, Recht und Ethos, S. 81ff., bes. S. 117, bei u n d mit Anm. 266. — Einspruch erhebt vor allem noch G. Fohrer, stützt jedoch seine Annahme ursprünglicher Zehner- oder Zwölferreihung (Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, S. 51) auf nur einen Beleg (Lev 18,7ff.: aaO, S. 52—55), während er in allen andern von ihm diskutierten Reihen sekundäre oder tertiäre Kompositionen aus kleineren Satzgruppen erkennt, die ihrerseits aus primären Großreihen stammen sollen (aaO, S. 55ff.; vgl. Einleitung, S. 72—75). Was freilich zu diesem Rückschluß auf längere Primärreihen berechtigt, wird nicht deutlich (vgl. V. Wagner, Rechtssätze, S. 49, bei Anm. 9). — Alles in allem ist es vorerst ein Geb o t wissenschaftlicher Vorsicht, auf die Zehn- oder Zwölfzahl als Mittel der Analyse zu verzichten; ist nicht sicher, wo überhaupt und in welchem Stadium der Textgestaltung jeweils sie kompositionswirksam geworden ist, besteht also die Möglichkeit, daß in der Tradition von den „zehn Worten" (Ex 34,28bj3; Dtn 4,13; 10,4) nicht — wie in der Folge Alts ganz selbstverständlich angenommen — ein gattungshafter .apodiktischer Kern' ins Auge gefaßt ist, sondern eine Textgestalt, bei deren Zehnergliederung andere als unsere gattungskritischen Gesichtspunkte eine Rolle spielten, so „darf man schwerlich die Gewinnung der Zehnzahl zum Ausgangspunkt der Überlegung m a c h e n " (A. Jepsen, Beiträge zur Auslegung und Geschichte des Dekalogs, S. 299, Anm. 20). Vgl. auch E. Zenger, Wende, Sp. 1 9 1 - 1 9 2 ; G. Liedke, Rechtssätze, S. 1 3 5 - 1 3 8 . Anderseits V. Wagner, Rechtssätze, S. 47—50 (jedoch auf der Basis ihrerseits fraglicher Rekonstruktionen größerer Reihen: S. 16ff.). 1 Vgl. E. Sellin, Einleitung, S. 25 („Trümmer"), beibehalten bei (E. Sellin-) L. Rost, Einleitung, S. 52; A. Alt, Ursprünge, S. 317, Anm. 1 („sekundäres Mischgebilde"); W. Rudolph, A u f b a u , S. 47 (= „Elohist", S. 59: „Gerolle"); W. Eichrodt, Theologie I, S. 34, Anm. 6 („Trümmerstück"); ebenso Κ. H. Bernhardt, Gott und Bild, S. 115.
Gegenthesen bis etwa 1960
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stehen diejenigen, die in den Bundesworten Tradition guten Alters erkennen, nur eben nicht dekalogisch gestaltet 2 . Zwischen diesen beiden Hauptgruppen liegt eine Reihe von Deutungen, in denen die Bundesworte nicht einfach als ,Geröll' aufgegeben, doch auch nicht als eigenständig-alte Überlieferung verstanden werden. Sie erscheinen hier als eine späte, rein theoretische Kompilation 3 . All diesen Wertungen ist eins gemeinsam: Die im Text verwirklichte Struktur — „Struktur" verstanden als die in der Gestaltung der Einheit intendierte, die Zuordnung der Teile zueinander und zum Ganzen bestimmende, sei es auf einmal, sei es in mehreren kompositorisch-redaktionellen Schritten realisierte inhaltliche und formale Ordnung 4 — wird nicht, es sei denn negativ: in Abwehr der Dekalog-Hypothese, bestimmt. Wo die Bundesworte als spät aus verstreuten Bauelementen „zusammengebastelte" 5 Größe erscheinen, mag sich das noch am ehesten erklären. 2
So die meisten: vgl. L. B. Paton, Original Form, S. 86—90; O. Meisner, Dekalog, S. 2 8 - 2 9 . 3 2 ; A. D i l l m a n n - V . Ryssel, Exodus und Leviticus, S. 3 7 0 - 3 7 1 . 3 8 8 391; W. W. Graf Baudissin, Einleitung, S. 132; C. Steuernagel, Einleitung, S. 155; R. Kittel, Die alttestamentliche Wissenschaft, S. 3 0 - 3 1 ; ders., Geschichte des Volkes Israel. Bd. 1, S. 315; P. Karge, Geschichte des Bundesgedankens, S. 2 9 1 - 2 9 9 . 3 3 6 - 3 4 1 . 3 5 9 - 3 6 2 ; H. Greßmann, Mose u n d seine Zeit, S. 4 7 3 - 4 7 5 , bes. 474f. A n m . 4 ; H. Schmidt, Mose und der Dekalog, S. 1 0 0 - 1 0 3 ; A. Jepsen, Bundesbuch, S. 9 0 - 9 5 ; J . Hempel, Die althebräische Literatur, S. 7 1 . 7 2 - 7 3 . 1 1 0 - 1 1 1 ; A. Eberharter, Ex 23 und 34, S. 1 5 7 - 1 6 2 ; J . Hofbauer, Komposition, S. 5 2 1 - 5 2 6 ; W. Stoderl, Das Gesetz Israels, S. 6, Anm. 3; S. 8 . 1 7 - 1 9 ; P. Heinisch, Exodus, S. 2 4 1 - 2 4 4 ; M. Buber, Moses, S. 1 4 1 - 1 4 2 ; H.-J. Kraus, Gottesdienst, S. 4 2 - 4 4 ; H. Kosmala, Ritual Decalogue; Α. Weiser, Einleitung, S. 99; F.-E. Wilms, Das jahwistische Bundesbuch, S. 208—213 u. passim; Η. Horn, Traditionsschichten, S. 209ff. 3 S. die S. 15, Anm. 15 gen. Literatur! — Am detailliertesten bestimmt F. Hitzig die exzerpierten Vorlagen (hier freilich unter der Annahme eines Dekalogs): „An die Spitze stellte er (der Verf. der Bundesworte) mit Motivirung, die nur noch einmal V. 24. nöthig däuchte, das seines Erachtens wichtigste Gesetz aus C. 23, 32.33.24. Daran fügte er aus C. 20,4. das . . . Verbot der Götzenbilder, und nach dem Ostergesetze aus C. 23,15. nahm er aus C. 13,12.13. (vergl. C. 22,28) das Uber die Erstgeburt auf. Für die noch übrigen hielt er sich, mit weniger Freiheit verfahrend, an C. 2 3 , 1 6 - 1 9 . . . . " (AaO, S. 4 5 - 4 6 ) . - Vgl. entspr. B. D. Eerdmans, aaO, S. 88—91, u n d bes. S. 96; E. Kutsch, aaO, S. 7 (Kutsch verweist auf exakt die von Hitzig genannten Vergleichsstellen — mit einer Ausnahme: v. 11 bis 13.15—16 werden ohne Erinnerung an Ex 23,20—33 als deuteronomistisch bestimmt.). 4 Vgl. zum Begriff und seiner Problematik: R. Wellek, Die Begriffe Form u n d Struktur, S. 46—56. — Die hier gegebene Bestimmung modifiziert für unseren Gegenstand eine Definition von Herman Meyer (Das Zitat in der Erzählkunst, S. 9). 5 R. H. Pfeiffer, Oldest Decalogue, spricht nicht anders als von dem Redaktor, " w h o concocted the 'J Decalogue"' (S. 303.306).
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
Aber nicht anders liegt es dort, wo man in ihnen altes Traditionsgut erkennt. Das größere Vertrauen in den Text resultiert nicht aus einer positiveren Bewertung seines inneren Gefüges. Charakterisierungen der Einheit als eines „Konglomerats verschiedenartiger Bestimmungen" 6 , einer „Bündelung von Geboten und Gesetzen" 7 , eines — trotz altertümlicher Materialien — „sekundären Mischgebildes" 8 machen das deutlich, und ihnen steht (im Rahmen der hier besprochenen Forschung) nichts gegenüber, das größere Einsicht in einen irgend geordneten Aufbau des Textes verriete 9 . — Allenfalls die Analyse von H. Kosmala 10 käme als Ausnahme in Betracht. Aber sie bestätigt die Regel. Kosmala vertritt die These: " T h e paragraph in Ex XXXIV, which has so far been regarded as a 'ritual decalogue' . . . , is in reality an ancient feast-calendar (verses 18—24) with an appendix (verses 25—26) of four additional injunctions relating to the Feast of Passover . . . " u . Nun haben einen Festkalender als Teil 6
Α. Weiser, Einleitung, S. 99; vgl. H. Schmidt, Mose u n d der Dekalog, S. 1 0 0 103, der in Ex 34 ein aus dem Dekaloganfang Ex 20,2—6* herausentwickeltes „Konglomarat (sie!) von kultischen Einzelbestimmungen" findet (S. 103, Anm. 2). Nach P. Karge, Geschichte des Bundesgedankens, S. 341, handelt es sich um eine „trümmerhaft . . . erhaltene . . . Gesetzgebung"; nach W. W. Graf Baudissin, Einleitung, S. 132, um ein „Fragment". 7 H.-J. Kraus, Gottesdienst, S. 43. 8 M. Buber, Moses, S. 142, im Anschluß an Alt. 9 Daß man fürs Ganze einen gemeinsamen Nenner im kultischen Inhalt u n d antikanaanäischen Gehalt des Textes bestimmt (vgl. namentlich A. J e p s e n , Bundesbuch, S. 90—95) oder die Bundesworte als kulturlandbedingte Novellierungen und Ergänzungen älterer Gesetze versteht und als solche zusammengestellt denkt (vgl. S. 25, Anm. 2: A. D i l l m a n n - V . R y s s e l ; J . Hofbauer; P. Heinisch), macht die Komposition und innere Verarbeitung der Einheit nicht klarer, — wie schon daraus erhellt, daß diese Art übergreifender Gesichtspunkte bei Abfassung der Bundesworte auch dort angenommen wird, wo man sie als gestaltloses Gebilde versteht: vgl. A. Weiser, aaO, S. 99, und ausdrücklich M. Buber, aaO, S. 141 — 142: Der .kultische Dekalog' ist „kein in sich geschlossenes Gebild wie der .ethische' . . . , sondern eine Zusammenstellung von Nachträgen und Ergänzungen . . . , und zwar im wesentlichen solchen, die sich aus dem Übergang zu einem geordneten Bodenbau und der damit verbundenen Kultur ergeben". — Vgl. auf eigene Art wieder H. Horn, Traditionsschichten, S. 2 1 4 - 2 1 6 . 2 1 9 - 2 2 0 . 10 Ritual Decalogue. — Kosmala f u ß t nicht auf den neueren gattungsgeschichtlichen Erkenntnissen, die die in Abschnitt 3 und 4 besprochenen Analysen bestimmen, und ist daher im jetzigen Zusammenhang mit zu behandeln. — Aus andern Gründen genügt es, an dieser Stelle auf F.-E. Wilms, Das jahwistische Bundesbuch, S. 148ff., zu verweisen: Sein Verständnis der Textkomposition (zusammengefaßt aaO, S. 208) reproduziert so exakt die Thesen Kosmalas, daß das Folgende mutatis mutandis zugleich für seinen Entwurf gelten kann. — Vgl. auch H. Horn, Traditionsschichten, S. 209ff. 11 AaO, S. 56. Vgl. F.-E. Wilms, aaO, S. 1 6 1 - 1 7 6 . 2 0 8 .
Gegenthesen bis etwa 1960
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der Bundesworte auch andere erkannt 1 2 . Kosmala will diesen Teil fürs Ganze nehmen. Dahin bahnt er sich den Weg, indem er zunächst 1 3 Ex 34,10—17 von v. 18— 26 löst und als Kontextelement aus der Analyse der ihn interessierenden Festgesetzgebung ausschaltet. Für diese Trennung werden keine Gründe gegeben, die aus dem überlieferten Zusammenhang v. 10—26 selbst gewonnen wären. Daß jedenfalls im gegenwärtigen Text eine enge Verbindung der von ihm gesonderten Teile angestrebt ist, sieht Kosmala selbst 1 4 , aber sie paßt ihm nicht ins Bild, so daß er alles daran setzt, v. 10—17 als wesensmäßig von v. 18—26 verschieden zu erweisen: V. 18—26 "is of a legal nature, and it is inserted in a non-legal c o n t e x t " 1 5 . Freilich geht diese Unterscheidung nur auf, wenn im " c o n t e x t " zumindest v. 14 und 17 gestrichen werden: Kosmala streicht die beiden Verbote, ohne die Frage zu stellen, wie sie — wenn sekundär — den früheren ,nicht-rechtlichen' Zusammenhang verwandelt haben, und was aus v. 18—26 — wenn ursprünglich eigenständig — durch die Verbindung mit diesem erweiterten Kopfstück geworden ist 1 6 . — V. 14.17 ausgeschieden, behält Kosmala in v. 10—13.15—16, was er den ,Landnahme-Bundestext' n e n n t 1 7 . Dessen Einheitlichkeit, Geschlossenheit u n d Eigenständigkeit wird wiederum nicht durch eine Analyse des Komplexes selbst erwiesen. Kosmala verweist lediglich auf traditionsverwandte Texte 1 8 , ohne sich Rechenschaft davon zu geben, daß Überlieferung und Gestaltung der Uberlieferung im jeweiligen Textzusammenhang zweierlei Dinge sind und darum eigenständige Reflexe der .Landnahme-Bundestradition' an anderen Stellen nicht die Eigenständigkeit von Ex 34,10—13.15—16 im Gestaltungszusammenhang von v. 10— 26 beweisen können. Zudem: der Paralleltext, auf den Kosmala sich vor allem bezieht, ist Ex 2 3 , 2 0 - 3 3 19 , ein Abschnitt, dem ein Ex 3 4 , 1 8 - 2 6 aufs engste verwandter Komplex unmittelbar voransteht. Kosmala registriert auch, daß dem (wie er es sieht) Nebeneinander von Ex 34,10—17*/18—26 in Ex 23 das Nebeneinander von v. 20—33/14—19 entspricht 2 0 . Aber auch dadurch läßt er sich nicht dazu führen, die innere Beziehung zwischen ,Landnahme-Bundestext' u n d .Festkalender' zu erfragen. Er konzentriert sich ausschließlich darauf, Ex 23,20—33 als die in Ex 24,7 gemeinte .Bundesurkunde' zu identifizieren — losgelöst von und
12 Vgl. W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 97; H.-J. Kraus, aaO, S. 4 3 - 4 4 ; H. Horn, Traditionsschichten, S. 209ff. 13 AaO, S. 3 2 - 3 8 . 14 AaO, S. 39. 15 AaO, S. 33. Hier unterscheidet sich F.-E. Wilms, aaO, S. 208; denn zwar trennt auch er v. 10—17 als ursprgl. eigenständige kleinere Einheit von v. 18ff., doch hält er den Abschnitt immerhin für den eigentlichen „Kristallisationskern" des Ganzen (ebd.). " Ex 34,14 wird einfach als "general c o m m e n t " , der ν. 13 und 15 auseinanderreiße, gestrichen (S. 57, Anm. 10 zu S. 33; vgl. S. 37). V. 17 fällt als Nachtrag, der den Anschluß an Ex 32 herstellen solle (S. 33). 17 Vgl. S. 33 u. passim. F.-E. Wilms, aaO, S. 149 u.ö.: „Landgabebundestext", doch ohne v. 14.17 zu streichen. 18 AaO, S. 3 4 - 3 7 . 19 AaO, S. 34—36. Die daneben angeführten angeblichen Belege derselben Tradition (S. 36—37) werden sehr undifferenziert nur eben zitiert. 20 AaO, S. 38.
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
alternativ zu den unmittelbar voranstehenden Geboten und Gesetzen 2 1 . — All das ist gar nicht anders als so zu verstehen, daß schon im Ansatz der Analyse der postulierte Festkalender als eigenständige Größe vorausgesetzt, also nicht erst erhoben, sondern seinerseits zum heuristischen Prinzip genommen wird. Ebendas zeigt sich dann auch in der Behandlung von Ex 34,18—26. Das Kompositionsproblem dieses Abschnitts reduziert sich von vornherein auf die Frage, in welchem Verhältnis v. 19—21 (Erstgeburt, Ruhetag); 25—26 (Opfer, Erstlinge) zur eigentlichen Festverordnung (v. 18.22—24) stehen. Und von vornherein steht fest, daß es ein nachträgliches Verhältnis ist 2 2 . Für v. 19—21 kann Kosmala sich dabei aufs Fehlen entsprechender Elemente in Ex 23,14—19 b e r u f e n 2 3 ; wieso jedoch die einfache Gegenüberstellung von Ex 23,14—19 und Ex 34,18—26 zeigen kann, daß jeweils die beiden letzten Verse ein später Anhang sind 2 4 , ist uneinsichtig: Hier wird vom unterstellten Festkalender als eigenständiger Größe, nicht vom Befund der Parallelen her geschlossen. Und das einzige zusätzliche Argument für die Nachträglichkeit des .Anhangs' zeigt dasselbe: Kosmala findet in Ex 2 3 , 1 8 - 1 9 / 3 4 , 2 5 - 2 6 einen Beleg für die von D. Daube 2 5 erhobene antike Redaktionstechnik, Ergänzungsbestimmungen Kodizes anzuhängen statt einzufügen 2 6 , nennt aber keinen Anhaltspunkt im Text, der die Verse zunächst einmal als Ergänzungen ausweisen würde 2 7 . Sie müssen es sein, weil die Verordnung dreier Jahresfeste und nur sie als der von vornherein fixierte Kern des Ganzen das unbefragte Grunddatum der Analyse ist. Methodisch und im erreichten Verständnis des Textes entspricht diese Analyse den Dekalog-Rekonstruktionen, die sie b e k ä m p f t . Sie ist an einem vorfixierten Maßstab orientiert, der — wie die Zehnzahl — die Gestaltwirklichkeit der Bundesworte nur partiell erfaßt, und findet darum zu keinem Ex 34,10—26 im Gesamtaufbau (und sei er selbst redaktionell) verstehenden Urteil.
Woran liegt es nun aber, daß ein Entwurf wie dieser schon dadurch aus dem Rahmen fällt, daß er den Dekalogrekonstruktionen nicht nur ihre 21 AaO, S. 3 4 - 3 6 . Anders F.-E. Wilms, aaO, S. 1 6 1 f f . l 8 7 - 1 8 9 , der Ex 2 3 , 1 4 33 als Parallele Ex 3 4 , 1 0 - 2 6 gegenüberstellt. 22 AaO, S. 3 8 - 3 9 u. ff. Doch vgl. zu v. 1 9 - 2 1 F.-E. Wilms, aaO, S. 1 6 2 - 1 6 6 ; im Hinblick auf v. 25—26 stimmt er wieder mit Kosmala überein (S. 171 — 176. 177.208). 23 AaO, S. 3 8 . 4 3 - 4 4 . - Die Mehrdeutigkeit des Defizits in Ex 23 (vgl. R. Smend, Die Erzählung des Hexteuch, S. 182: in Ex 23 „ist fortgelassen, was in 20,22— 23,12 schon enthalten war.") wird freilich nicht berücksichtigt, da Kosmala Ex 23 und Ex 34 vergleicht, ohne daß er die Texte in sich und Ex 23 im Zusammenhang des Bundesbuches analysiert hat: s. dazu S. 30ff. 24 AaO, S. 39: " T h e comparison . . . shows that the following two verses (XXIII 18f. and XXXIV 25f.), practically the same· in b o t h A (= Ex 23) and Β (= Ex 34) . . . , are an appendix to the calendar." Vgl. S. 44—45. — Eine triftigere Begründung für die Abtrennung von v. 25—26 als „Ergängzungstorot" auch nicht bei F.-E. Wilms. 25 Studies in Biblical Law, S. 7 4 - 1 0 1 . 26 AaO, S. 4 4 - 4 5 . 27 Vgl. hierzu die Kritik von W. Richter, Recht und Ethos, S . 9 9 , Anm. 189.
Gegenthesen bis etwa 1960
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eigenen Schwierigkeiten entgegenhält 28 , sondern zumindest einen eigenen analytischen Ansatz? Was — noch weitergehend — hat das Interesse an der Bestimmung der Baugesetze blockiert, die bei aller Vielfalt der Glieder die Einheit konstituieren? Die Auskunft, der Text sei eben nicht mehr als ein komplexes Agglomerat, kann das nicht erklären, ist vielmehr selbst das Problem. Denn wenn er das ist, bleibt auch dann noch die Frage, nicht nur: „Woraus gemischt und wann?" 2 9 , — so ist in allen Fällen und gerade auch dort gefragt worden, wo man das ,Mischgebilde' als sekundäre Kompilation verstehen wollte 30 ; sondern zugleich und darüber hinaus ist die Frage: Wie, mit welchen Mitteln und zu welcher Einheit ist verarbeitet worden, was im Hinblick auf die Einzelelemente nicht anders denn als .Mischung' verschiedener Formen und Stoffe erscheint, im Ganzen aber mehr sein kann als die Summe verschieden gearteter Glieder? Die Bedeutung dieser Fragestellung zeigt am klarsten die Diskussion, in der das „Woraus gemischt und wann?" vor allem verhandelt worden ist, und die zugleich mit immer neuen Versuchen, den Textbefund anders als aus sich selbst heraus zu erklären, von der Notwendigkeit textimmanenter Gestaltanalyse abgelenkt hat: die Diskussion der Beziehungen zwischen den Bundesworten und dem Bundesbuch. Das Hauptproblem dieser Diskussion, das freilich als solches schon lange nicht mehr methodisch berücksichtigt worden ist, liegt darin, daß es sich bei den Vergleichstexten nicht wie etwa beim Dekalog in Ex 20 und Dtn 5 31 um zwei gleichermaßen fest umrissene, in ihrem Kontext deutlich eigenständige Größen handelt. Den Bundesworten stehen vielmehr Parallelelemente gegenüber, die im Verband des Bundesbuches 28
A. Eberharter, aaO, S. 157: „Die beste Stütze für die ablehnende Haltung ist ohne Zweifel darin zu finden, daß auch jene Forscher, die in Ex 34,11—26 einen Dekalog annehmen, in der Aufzählung der Gebote nicht unerheblich voneinander abweichen." — Tatsächlich wäre die „beste Stütze" doch wohl der positiv aus der Gestaltung des Textes geführte Gegenbeweis. " K.Koch, Formgeschichte (2. Α.), S. 60. Anm. 32. 30 Vgl. die S. 25, Anm. 2 u. 3 gen. Literatur, einschließlich A. Alt, Ursprünge, S. 317, Anm. 1, gegen den K. Koch sich absetzt, der aber keinen Zweifel daran läßt, woraus er den Text entstanden denkt: Gattungsmäßig (s. S. 34ff.) und im Hinblick auf ihr „literarisches Verhältnis zum Bundesbuch" stellt die Einheit sich als „sekundäres Mischgebilde" dar (ebd.). 31 Zu dieser Doppelüberlieferung vgl. gegenwärtig E. Nielsen, Zehn Gebote, S. 34—40; A. Jepsen, Beiträge zur Auslegung und Geschichte des Dekalogs, S. 2 8 1 - 2 8 4 ; K. Koch, Formgeschichte (2. Α.), S. 55ff., und vor allem N. Lohfink, Dekalogfassung. - Zur Forschung: J. J. Stamm, DJD, S. 1 9 8 - 2 0 0 ; J. J. S t a m m M. E. Andrew, Ten Commandments, S. 13—18.
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überliefert und — wie ihre durchaus schwankende Abgrenzung innerhalb dieses Verbandes beweist 3 2 — erst auf der Grundlage einer das Bundesbuch insgesamt durchdringenden Analyse derart als Glieder eines eigenen, in sich geschlossenen Überlieferungszusammenhangs zu identifizieren sind, daß ein Vergleich mit den Bundesworten auf vorher gesicherter Textgrundlage möglich wird. Diese Problemlage hat Konsequenzen für die Erforschung der Bundesworte, die hier zu umreißen sind. Wir können von einem neueren Entwurf ausgehen. Nach einem alten Grundgedanken 33 sucht K . K o c h 3 4 den Grundbestand der Bundesworte (einen, wie er annimmt, „rituellen Dekalog") dadurch zu bestimmen, daß er einfach die Elemente für ursprünglich hält, die durch ein Äquivalent in Ex 23,10ff. gedeckt sind 3 s . Die Begrenzung des Vergleichstextes auf „Ex 23,10ff." wird mit keinem Wort analytisch begründet, so folgenreich sie für die Bestimmung des Grundbestands in Ex 34 und so umstritten sie tatsächlich ist. Vergegenwärtigen wir uns beides an zwei Punkten und im Licht methodisch gleich angelegter, nur in der Bestimmung der Vergleichselemente im Bundesbuch divergierender Rekonstruktionen: 1. Ex 34,19—21: Das Problem dieser Verse ist ihr Ort zwischen der Verordnung des Massotfestes (v. 18) einer-, des Wochen- und Lesefestes (v. 22) andererseits 3 6 . K. Koch hält, gestützt auf Ex 23,15c. 12, den Prohibitiv v. 20bß und das Ruhetagsgebot v. 21 als ursprünglich fest und streicht die Erstgeburtsvorschrift v. 19—20aba, der in Ex 23,10ff. kein Äquivalent zur Seite steht 3 7 . Ein solches Äquivalent finden andere, die über Ex 23,10ff. hinaus auch Ex 20,23—26*; 22.27—30* als Teile einer im Bundesbuch verarbeiteten Parallelüberlieferung der Bundesworte betrachten 3 8 , in Ex 22,28—29* 39 . Für sie ist daher nach eben der Logik, die K. Koch zugrundelegt, die Erstgeburtsvorschrift innerhalb der Bundesworte als ursprünglich geschützt 4 0 . In ähnlicher Weise wird Ex 22,28—29 als 32
33 S. S. 392f. S. die gleich gen. Lit. und S. 397ff. Formgeschichte (2. Α.), S. 6 0 - 6 3 . - E. Otto, Bundes-Mazzotfest, S. 177ff. 218ff., folgt dem Ansatz Kochs. 35 AaO, S. 61, in Anm. 32 von S. 60. — Zu Einzelabweichungen von diesem Prinzip s. ebd., S. 62, Anm. 36.38.39. 36 Vgl. vorerst W. Richter, Recht und Ethos, S. 9 7 - 9 9 . Ferner S. 192ff. 205ff. 37 AaO, S. 62. 38 Vgl. hier exemplarisch J . Morgenstern, Oldest Document, S. 56—95; A. Jepsen, Bundesbuch, S. 90—95; Th. Chr. Vriezen, Litterair-historische Vragen, S. 2 0 - 2 2 . Im übrigen vgl. S. 397ff. 34
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Vgl. J . Morgenstern, aaO, S. 79—90; A. Jepsen, aaO, S. 95; Th. Chr. Vriezen, aaO, S. 22. 40 J . Morgenstern, aaO, S. 83—85.91 (reduziert auf v. 19a, der auch als das Ex 22.28—29 ursprünglich zugrundeliegende Traditionselement verstanden wird: S. 7 9 - 8 3 . 8 9 - 9 0 . 9 5 . ) ; A. Jepsen, aaO, S. 95; Th. Chr. Vriezen, aaO, S. 22.
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schützendes Äquivalent zu Ex 34,19—20* andererseits auch dort gewertet, wo man die unmittelbare Parallele zu den Bundesworten auf Ex 23,13 (15)—19 einengt, diesen Abschnitt aber als Nachtrag aus Ex 34 versteht und dabei den Ausfall der Erstgeburtsvorschrift wie auch des Ruhetagsgebots, das im so abgegrenzten Vergleichstext ebenfalls fehlt (Ex 34,21; vgl. 23,12), durch die Annahme erklärt, man habe in Ex 23 lediglich „fortgelassen, was in 2022—2312 schon enthalten war" 4 1 . Und noch einmal anders liegen die Dinge, wenn man die Parallele zu Ex 34 auf Ex 23,14—19 begrenzt 42 und darin keine nachträgliche Ergänzung, sondern eine traditionsgeschichtlich eigenständige Variante der Bundesworte sieht: Im Sinne Kochs geurteilt, muß dann mitsamt der Erstgeburtsbestimmung Ex 34,19—20* das Ruhetagsgebot Ex 34,21 fallen, denn beide kommen in Ex 23, 1 4 - 1 9 nicht vor 43 . Dies Hin u n d Her zeigt mehr als die Schwierigkeiten, mit denen es die Analyse der Bundesworte in Ex 34,19—21 zu tun hat. Begründet in der Erwartung, diesen Schwierigkeiten v o m Bundesbuch her beikomm e n zu können, u n d eine Funktion der im Bundesbuch selber herrschenden Unsicherheiten, dokumentiert es vor allem, daß eben jene Erwartung trügt. Daß Bundesbuch u n d Bundesworte sich vielfach entsprechen, steht außer Frage. Über Umfang aber u n d Art der Entsprechung ist methodisch verbindlich erst dann zu entscheiden, w e n n beiderseits der T e x t b e f u n d in sich analysiert und derart kritisch bestimmt ist, was überhaupt w o m i t verglichen werden k a n n 4 4 . 2. Ex 34,10—16: K. Koch deutet v. 10.11b-14 als integrierende Elemente der ursprünglichen Überlieferungseinheit, v. 12—14 als Gebot I und II des „rituellen Dekalogs" 45 . Das ist im Kreis derer, die in Ex 34 ein Zehngebot finden, so gut 41
R. Smend, Die Erzählung des Hexateuch, S. 182. Vgl. H. Holzinger, Exodus, S. 99; O. Eissfeldt, Einleitung, S. 287, und im Blick auf Ex 23,15-19 H. Cazelles, Etudes, S. 108. - Ganz entsprechend notiert K. Koch zu Ex 34,17: „Fehlt jetzt Ex. 23, weil ein ähnliches Verbot 20,23 vorangeht." (AaO, S. 62, Anm. 36)! 42 Vgl. A. Jülicher, Quellen, S. 300-301; O. Meisner, Dekalog, S. 3 2 - 3 3 ; J . J. Stamm, DJD, S. 222; H. Kosmala, Ritual Decalogue, S. 38ff. 43 Vgl. H. Kosmala, aaO, S. 38.43-44. 44 K. Kochs Rückgriff auf einen Grundbestand, der nur enthält, was doppelt überliefert ist, führt auch darum nur scheinbar aufs sicher Vergleichbare, weil er unterstellt, daß dieser Grundbestand als solcher wirklich existent gewesen und nachträglich rein additiv um Sondergut erweitert worden ist. Dagegen wäre erst noch zu prüfen, ob die übereinstimmenden Elemente in Bundesbuch und Bundesworten nicht gerade im Hinblick aufs jeweilige Sondergut verschieden, und zwar von Grund auf, nicht erst nachträglich verschieden verarbeitet worden und daher im jeweils anderen Gestaltungszusammenhang, nicht daraus abstrahiert, zu vergleichen sind. Kochs Subtraktionsverfahren würde dann das wirklich Vergleichbare gerade zerstören und auf den gemeinsamen Stoff reduzieren, was sich geschichtlich als je eigene Gestaltung dieses Stoffes gegenüber steht. — Im gleichen Sinn fragwürdig H. Horn, Traditionsschichten, S. 209ff. 45 AaO, S. 61.
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wie singular 46 . Aber wieder gibt Koch nur eine Begründung, die die Schwierigkeiten in Ex 34,10—26 um die Unsicherheiten der Bundesbuchanalyse vermehrt: Ex 34,11b—14 sollen zum Ursprünglichen gehören, weil entsprechende Elemente in Ex 2 3 , 2 3 . 2 8 . 3 2 - 3 3 . 2 4 parallel stehen 4 7 . Koch kritisiert nicht die Basis, auf der er argumentiert. Sie ist so ungesichert wie möglich. Daß der Vergleich der Bundesworte mit dem Bundesbuch sich über Ex 23,19 hinaus auch auf Ex 23, 20—33 erstrecken und den Nachweis einer gemeinsamen, in sich geschlossenen „Vorlage" 4 8 zum Ziel haben könnte, setzt voraus, was gegen die Forschung seit (spätestens) B. Baentsch 4 9 erst noch gezeigt werden müßte: daß Ex 23,20—33 irgend in ursprünglicher Beziehung zum Bundesbuch s t e h t 5 0 . Die entsprechende Verbindung von Ex 34,10—16 mit 34,17—26 könnte ein Hinweis darauf sein, — wenn sie nur aus dem T e x t b e f u n d selbst als ursprünglich erwiesen, nicht ihrerseits aus 23,10—19/20—33 erschlossen würde. Und noch ein Problem bleibt bei diesem Verfahren ganz außer acht, obwohl es den Ansatz selber betrifft: die Frage, ob es sich in den Elementen, auf die Koch sich b e r u f t , überhaupt um integrierende Bestandteile der Ex 23,20—33 zugrundeliegenden Tradition und nicht vielmehr um sekundäre Weiterungen handelt, die ihrerseits an Ex 34,10—16 orientiert sind. In den Analysen von Ex 23,20—33 ist eben dies zweite die seit Kuenen 5 1 und Wellhausen 5 2 ganz überwiegend vertretene Meinung 5 3 . K. Koch 46
Vgl. allenfalls frühe Gliederungsvorschläge S. 14. S. d. Parallelen aaO, S. 61. 45 AaO, S. 61. 49 Bundesbuch, S. 5 4 - 5 8 . so Den neuerdings (betont hypothetisch) an eine ursprüngliche Verbindung zwischen Ex 2 3 , 1 4 - 1 9 / 2 0 - 3 3 Denkenden erwähnt Koch nicht: N. Lohfink, aaO, S. 178; vgl. ders., Bundesurkunde, S. 4 8 6 - 4 9 1 . 51 S. S. 17f. 52 Composition, S. 91. 53 Die Analysen von Ex 23,20—33 lassen sich typologisch folgendermaßen ordnen: A: Grundschicht mit Erweiterungen; B: Verflechtung zweier Schichten J + Ε (mit Zusätzen); C: Komplex zusammengewachsene Einheit. — Α ist die normale Lösung (vgl. außer Kuenen und Wellhausen z.B.: A. Dillmann—V. Ryssel, Exodus und Leviticus, S. 281; B. Baentsch, Bundesbuch, S. 55—57; ders., Exodus—Leviticus—Numeri, S. 2 0 9 - 2 1 2 ; S. R. D r i v e r - J . W. Rothstein, Einleitung, S. 36; B. W. Bacon, Triple Tradition, S. 1 2 5 - 1 2 6 ; H. Holzinger, Exodus, S. 1 0 1 - 1 0 3 ; C. H. Cornill, Einleitung, S. 8 1 - 8 2 ; A. Klostermann, Der Pentateuch Ν.F., S. 5 4 9 562; P. Karge, Geschichte des Bundesgedankens, S. 2 9 9 - 3 0 2 ; C. Steuernagel, Einleitung, S. 157; J . Morgenstern, Book of the Covenant, S. 4; P. Heinisch, Exodus, S. 191; G. Beer, Exodus, S. 121; G. Schmitt, Landtag, S. 2 7 - 2 8 . ) . Β ist die Deutung von R. Smend, Die Erzählung des Hexateuch, S. 175 (aufgenommen von O. Eissfeldt, Hexateuch-Synopse, S. 58.150*—151*; ders., Die Komposition der Sinai-Erzählung, S. 1 0 - 1 1 . 1 7 f . 2 0 . 3 1 . Vgl. auch [E. S e l l i n - ] G . Fohrer, Einleitung, S. 146; ders., Israels Haltung, S. 69.). — C impliziert den Verzicht auf literarische Analyse des Abschnitts und wurde nach H. Greßmann (Die Anfänge Israels, S. 72: ,,lose[s] Geröll") vor allem von M. Noth vertreten (Exodus, S. 140. 156: „allmählich zu seinem überlieferten Bestand angewachsen"; deuteronomistisch.). — Nach C vermag Ex 23,20—33 keine der Folgerungen Kochs zu tragen. Nach Α ebensowenig: Bei allen Differenzen in der literarkritischen Abgrenzung 41
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unternimmt auch nicht den Versuch, sie dort zu widerlegen, wo sie begründet ist: in der Kritik von Ex 2 3 , 2 0 - 3 3 selbst. Wir fassen z u s a m m e n . Die Diskussion der M ö g l i c h k e i t , mit Hilfe der Entsprechungen im B u n d e s b u c h (bes. in Ex 2 3 ) den Grundbestand u n d damit w e n n s c h o n nicht die jetzige, so d o c h die Urgestalt der B u n d e s w o r t e zu b e s t i m m e n , hat in b e i d e n angeführten P u n k t e n als die Bedingung dieser Möglichkeit ergeben, daß unabhängig v o m Vergleich der T e x t e der beiderseits g e g e b e n e B e f u n d zuvor jeweils für sich analytisch geklärt wird. K. K o c h s Analyse krankt daran, daß sie diese Vorfrage ganz unterschlägt. Darin steht sie j e d o c h nicht allein. S o groß das Interesse an den Bezieh u n g e n z w i s c h e n E x 3 4 , 1 0 — 2 6 u n d d e m B u n d e s b u c h ist — u n d es ist, was die Erforschung der B u n d e s w o r t e angeht, dort am größten, w o auf das Dekalogprinzip als Mittel der A n a l y s e verzichtet w i r d 5 4 —: daß einzelner Versteile laufen fast ausnahmslos alle Analysen dieses Typs darauf hinaus, daß just die Elemente, die Ex 34,10—16 am nächsten kommen und von Koch darum als Glieder der beiderseits verarbeiteten „Vorlage" festgehalten werden — v. 23—24.32—33 —, als Zutaten deuteronomistischer Redaktion ausscheiden, so daß, falls man sich überhaupt der Parallele in Ex 34 erinnert, redaktionelle Abhängigkeit vom Eingang der Bundesworte die Erklärung ist (vgl. A. Dillmann—V. Ryssel, aaO, S. 282.283; B. Baentsch, Bundesbuch, S. 56; S. R. DriverJ. W. Rothstein, aaO, S. 36; B. W. Bacon, aaO, S. 126, Anm.; A. Klostermann, aaO, S. 561—562; P. Heinisch, aaO, S. 191. — Eine Ausnahme ist die Analyse von G. Schmitt, aaO, S. 27—28, in der nur v. 24—26 als dtr. gestrichen wird.). — Nur nach Β handelt es sich in diesen Versen um (überwiegend) quellenhafte Elemente, jedoch verschiedener Schichten (R. Smend, aaO, S. 175: J = 22b—24a,27. 29—31a; Ε = 2 0 - 2 2 a . 2 5 - 2 6 . 2 8 . 3 1 b - 3 3 ; v. 24b ist dtr. Einfügung nach Ex 34, 13: ebd. Anm. 2. — Mit minimalen Änderungen ebenso O. Eissfeldt, aaO.). Auch nach dieser Analyse könnte daher nicht einfach wie bei Koch verfahren werden. — Ganz aus der Reihe schlägt die Analyse N. Lohfinks, Hauptgebot, S. 174—175; s. dazu IV C 3c. 54 Die Verfechter des .kultischen Dekalogs' werden durch ihren Ansatz zu einer stärker eigenständigen Betrachtung der Bundesworte geführt. Der Grundbestand des Textes erschließt sich ihnen unabhängig vom Befund im Bundesbuch. Dem entspricht, daß die für diese Forscher typische Erklärung der beiderseitigen Übereinstimmungen die Annahme ist, das Bundesbuch sei nur redaktionell nach Ex 34 erweitert worden (s. d. Literatur u. S. 391f., in Anm. 3), während diese Deutung bei den Gegnern der Dekalog-Hypothese nur ausnahmsweise begegnet. Ihnen liegt vielmehr am Bundesbuch als eigenständiger Parallele, die es ermöglicht, die gestaltkritisch undurchsichtigen Bundesworte traditionskritisch zu analysieren: als Teilstück eines Ex 20,22—23,33 entsprechenden ,Bundesbuchs' (so früher oft: vgl. L. B. Paton, Original Form, S. 87, der freilich mit Verkürzungen auch in Ex 2 0 - 2 3 rechnet; W. W. Graf Baudissin, Einleitung, S. 132; R. Kittel, Die alttestamentliche Wissenschaft, S. 30—31; ders.: Geschichte des Volkes Israel I, S. 315; P. Karge, Geschichte des Bundesgedankens, S. 2 9 1 - 2 9 9 . 3 3 6 - 3 4 1 . ) ; als eigene 3 Halbe, Privilegrecht
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man die Deutung dieser Beziehungen vorgängig durch die Kritik der danach zu vergleichenden Texte fundierte, ist gerade in diesem Teil der Forschung nicht der Fall 55 . Man kann im Gegenteil sagen, daß es geradezu die Funktion der Entsprechungen zwischen Bundesbuch und Bundesworten gewesen ist, von den Problemen der je eigenen Gestaltwirklichkeit der Texte abzulenken: Der Vergleich der Bundesworte mit dem Bundesbuch, besonders mit Ex 23, richtet sich nicht auf Ex 34,10—26 als individuelle (einmalige) Größe, sondern auf das Material, das sie mit dem Bundesbuch gemein hat. Entsprechend werden die Unterschiede in der beiderseitigen Verarbeitung des Materials unmittelbar unter traditions- bzw. literargeschichtlichem Aspekt auf die Art des Verhältnisses beider Varianten hin ausgelegt, nicht auf den hier und dort eigenständig anderen Gestaltungswillen. Dabei liegt wohl zugrunde, daß man allein die zeitliche und sachliche Relation der Texte geschichtlich für aufschlußreich hält. Daß aber das Urteil über diese Relation von der Analyse jedes Textes für sich abhängt, geht dabei unter. Ganz begreiflich wird dies Desinteresse gegenüber Fragen der gegebenen Gestalt der Bundesworte aber erst, wenn man die entsprechenden Wirkungen der Gattungsforschung seit A. Alt mit berücksichtigt. Sie verlegte den Zugang zu diesen Fragen erst recht. Mit A. Alts Untersuchungen über „Die Ursprünge des israelitischen Rechts" (1934) gewann ein neuer Maßstab Einfluß auf die Analyse der Bundesworte. Maßstab wurde die „apodiktische Satzreihe" mit ihren zehn oder zwölf nach Umfang und Form möglichst gleichgestalteten Gliedern 56 . — Man braucht nur einen Blick auf die entsprechende Diskussion um die „Urform" des Dekalogs in Ex 20 zu werfen 5 7 , um an den Schwierigkeiten, die beim Vergleich schon dieses Textes mit der strengen Reihenform entstehen 58 , zu erkennen, daß mit diesem AnAusprägung der auch im Bundesbuch enthaltenen Kultgesetzgebung (so z.B. O. Meisner, Dekalog, S. 32f., wesentlich quellenkritisch interessiert; C. Steuernagel, Einleitung, S. 155; vor allem A. Jepsen, Bundesbuch, S. 90—95; A. Eberharter, aaO, S. 1 5 8 - 1 6 2 ; W. Stoderl, Das Gesetz Israels, S. 8 . 1 7 - 1 9 ; H. Kosmala, aaO, S. 38ff.); als sekundäre, aber alte Fassung des primär im Bundesbuch enthaltenen Materials (A. Dillmann-V. Ryssel, aaO, S. 3 8 8 - 3 9 0 ; J. Hofbauer, aaO, S. 524—526; P. Heinisch, aaO, S. 243); oder als spät im Anschluß speziell an Ex 23 kompiliertes Stück (S. 15, Anm. 15.). ss Vgl. dazu wieder H. Horn, Traditionsschichten, S. 209ff., und s. u. S. 391ff. " Vgl. dazu A.Alt, Ursprünge, S. 3 1 1 - 3 2 2 ; ders., Verbot des Diebstahls, S. 335. 57 J.J.Stamm, DJD, S . 2 0 0 - 2 0 3 ; DLF, S. 1 1 - 1 4 ; E. Nielsen, Zehn Gebote, S. 55ff. 66-67. " Vgl. A. Alt, Ursprünge, S. 3 1 8 - 3 2 2 ; Verbot des Diebstahls, S. 335. - Wieder betont bei A. Jepsen, Beiträge zur Auslegung und Geschichte des Dekalogs, S.
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satz dem Formproblem der Bundesworte erst recht nicht beizukommen war. Sie schlagen mit der Vielfalt ihrer Gliedformen 59 und auch im Inhalt 6 0 so sehr aus der Art, daß der Versuch, sie nach den Stilgesetzen „apodiktischer Reihen" gattungskritisch zu analysieren, lediglich unfruchtbar bleiben mußte: Er disqualifizierte die Bundesworte, nach der Wendung Alts, als nirgendwie gattungshaftes „Mischgebilde" 61 . Es ist die Kehrseite des Erfolgs, den Alt mit seinen Thesen hatte, daß diese seine Wertung des Textes auf Jahrzehnte hinaus nicht weiter hinterfragt wurde. Nur in einem Fall ist früh statt der Bundesworte der Ansatz bei der Reihenform, wie A. Alt sie definierte, aufgegeben worden: von S. Mowinckel, im Rahmen seiner gegen Alt festgehaltenen Konzeption von Ursprung und Geschichte der Gattung „(Do-)Dekalog" 6 2 . Mowinckel kritisiert an Alt, er lege bei seiner Bestimmung .apodiktischer Satzreihen' zu einseitig alles Gewicht auf die „rein formalen (stilistischen) Kennzeichen" ebenmäßiger Satzformulierung 6 3 . Wie auch sonst sei in der Reihenbildung „die straffe formale Uniformität" als das „Resultat einer längeren Entwicklung und einer bewußten Kultivierung einer Gattung" anzusehen 6 4 , so daß nicht zuerst das Gleichmaß der Glieder, sondern deren (do-) dekalogische Reihung eigenständige Einheiten gattungsmäßig qualifiziere 6 5 . Verbunden mit der Annahme, der ursprüngliche ,Sitz im Leben' (do-) dekalogischer Gebotsreihen sei die Einzugsliturgie, in der den Kultteilnehmern Heiligtumsregeln nach der Art der leges sacrae, erst in der späteren Geschichte der Gattung die Grundforderungen des Jahwe-Bundes überhaupt in Zehner- oder Zwölferfolge als Eintrittsbedingungen vorgelegt worden
295—297, wo freilich übersehen ist, daß A. Alt trotz aller Besonderheiten des Dekalogs ausdrücklich an seiner Zugehörigkeit zum „apodiktischen R e c h t " und entsprechenden Reihen festgehalten hat: Verbot des Diebstahls, S. 3 3 5 , bes. bei Anm. 2. " Vgl. dazu W. Richter, Recht und Ethos, S. 9 7 f f . 6 0 Vgl. zur Thematik „apodiktischer Satzreihen" A. Alt, Ursprünge, S. 3 1 9 - 3 2 1 ; andererseits zu E x 3 4 , 1 0 - 2 6 : ebd., S. 3 1 7 , Anm. 1. Ursprünge, S. 3 1 7 , Anm. 1. Vgl. S. Mowinckel, Psalmenstudien V , S. 74—75.107; ders., L'Origine du Decalogue; ders., Le Decalogue, S. 1 1 4 f f . , bes. 1 2 9 f f . ; ders., Zur Geschichte der Dekaloge; ders., Psalms I, S. 177—180 (mit einzelnen Modifikationen gegen früher). — Vgl. dazu ausführlich Α. T. Patrick, Literary and Historical Origin. — Im Folgenden beziehen wir uns v.a. auf ZAW 5 5 ( 1 9 3 7 ) , wo Mowinckel sich selbst gegen A. Alt abgegrenzt hat. 6 3 S. Mowinckel, Zur Geschichte der Dekaloge, S. 2 1 9 , Anm. 1. — Zum methodischen Hintergrund dieses Einwands vgl. S. Mowinckels Kritik an einer primär an der literarischen Form und ihrer Reindarstellung orientierten Gattungsforschung in seiner Auseinandersetzung mit H. Gunkel: Psalms I, S. 23—35, bes. S. 31—34. 6 4 Zur Geschichte der Dekaloge, S. 2 1 9 , Anm. 1. 6 5 Ebd., S. 2 2 0 , in Anm. 1 von S. 2 1 9 . 61
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
wären 66 , — verbunden also mit dem Gedanken, Kultus und Ritus seien die gattungstypischen Themen der ältesten (Do-) Dekaloge, erlauben es diese formkritischen Voraussetzungen, die Bundesworte als einwandfrei gattungshaftes Gebilde zu identifizieren: Im Kern, wie Mowinckel meint, als Dekalog zu rekonstruieren 67 , im Satzstil unausgeglichen, in der Thematik vorwiegend kultisch-rituell, erscheinen sie geradezu als Prototyp der Gattung ,(Do-) Dekalog', deren spätere Entwicklung erst die Tendenz zu ausgeglichener Gestaltung und zur Rezeption auch nicht-kultischer, .sozialethischer' Inhalte erkennen läßt 6 8 .
Aber diese Sicht der Dinge hat sich weder als gattungsgeschichtliche Konzeption durchsetzen, noch die Erforschung der Bundesworte aus hergebrachten Kontroversen lösen und zu Neuansätzen führen können. Die Herleitung der Dekaloge aus der Einzugsliturgie wurde angefochten 69 und zugunsten der Annahme aufgegeben, ,Sitz im Leben' apodiktischer Satzreihen sei die Verkündigung des Jahwe-Bundeswillens im Höhepunkt des Laubhüttenfestes70. Mit einem Ubergang von „zehngliedrigen leges sacrae zu religiös-ethischen Katechismen" 7 1 , dadurch verursacht, daß die Gattung aus ihrem Sitz in der Einzugsliturgie gelöst und unmittelbar mit dem Bundesschluß im Zentrum des Festes verbunden wurde 72 , brauchte nicht mehr gerechnet zu werden, weil eben dies Zentrum als der Ursprungsort der Gattung erschien 73 . Und auch die formalen KateS. Mowinckel, Le Decalogue, S. 129ff.; Zur Geschichte der Dekaloge, S. 233. — Vgl. übrigens schon H. Greßmann, Die älteste Geschichtsschreibung und Prophetie Israels, S. 232; ders., Mose und seine Zeit, S. 477, bei und mit Anm. 3. 67 Le Decalogue, S. 19—24; wieder: Erwägungen, S. 71 — 72. 6 8 S. Mowinckel, Zur Geschichte der Dekaloge, bes. S. 2 2 7 - 2 3 3 . " Vgl. G. v. Rad, Hexateuch, S. 32. Diese Kritik ist weitestgehend anerkannt (vgl. J . J . Stamm, DJD, S. 208.217), bes. von K. Koch fortgeführt (Tempeleinlaßliturgien, S. 4 5 - 6 0 ; Formgeschichte [2.Α.], S. 38) und schließlich von S. Mowinckel insofern aufgenommen worden, als er als möglichen ,Sitz im Leben' der Dekaloge neben der Einzugsliturgie auch die Theophaniefeier im Zentrum des Bundeserneuerungsfestes anerkannte, während er mit dieser Möglichkeit früher (Le Decalogue, S. 138 — 156) nur als einer Sekundärentwicklung der Gattung gerechnet hatte: Psalms I, S. 1 7 9 - 1 8 0 , bes. Anm. 188; Erwägungen, S. 7 3 - 7 4 . 70 A. Alt, Ursprünge, S. 3 2 2 - 3 3 0 ; G. v. Rad, aaO, S. 2 8 - 3 3 . 4 1 - 4 8 . - Vgl. forschungsgeschichtlich und zu Einzelheiten: J . J . Stamm, DJD, S. 207ff.; DLF, S. 22ff.; J . Schreiner, Die Zehn Gebote, S. 12ff. - H. Graf Reventlow, Kultisches Recht, zeigt diese Deutung in Konfrontation mit den Neuansätzen, bes. der Arbeit E. Gerstenbergers, in denen sich gleichzeitig ein grundlegend anderes Bild ankündigte: die Preisgabe eines Ansatzes der Gattung im Kult überhaupt. 71 S. Mowinckel, Zur Geschichte der Dekaloge, S. 231. 11 Le Decalogue, S. 138ff. - Dem Einfluß der Propheten ist dabei nicht die Erstformulierung eines Bundes-Ethos, sondern dessen Zusammenfassung in Zehnerreihen religiös-sittlicher Gebote zu verdanken: dem folgen spätere „Gesetzgeber" unter (auch rein literarischer!) Verwendung des Dekalogschemas (Zur Geschichte der Dekaloge, S. 23Iff.). 73 Umgekehrt wurde mit diesem Ansatz gerade die „Kultferne" etwa des Dekalogs Ex 20 besser verständlich: vgl. J . J . Stamm, DJD, S. 211; K. Koch, Formgeschichte (2. Α.), S. 39 ( - 4 0 ) , Anm. 14. 66
Gegenthesen bis etwa 1960
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gorien, die Mowinckel anbot, wurden nicht rezipiert. Das rein numerische, jedem Inhalt und allen denkbaren Gliedgestaltungen gegenüber neutrale Prinzip der Zehn- bzw. Zwölfzahl als einziges Konstituens einer eigenen „Gattung der dekalogischen Gebotesammlung" 74 konnte nicht überzeugen. Auch A. Alt sah in der Zehn- oder Zwölfgliedrigkeit das typische Maß apodiktischer Reihen 7 5 , aber das betraf nur den Umfang der durch andere Gattungseigenschaften mehr bestimmten Reihen 7 6 , und diese Sicht setzte sich durch.
Derart als frühester Versuch, die Prohibitiv- und Gebotsreihen des Alten Testaments gattungsgeschichtlich in einer bestimmten kultischen Praxis zu lokalisieren, epochemachend 77 , in ihren Einzelaufstellungen jedoch ohne Erfolg 78 , brachte Mowinckels Konzeption die Erforschung der Bundesworte nicht weiter, am wenigsten die Erforschung ihrer Gestalt. Denn selbst mit dieser Konzeption gerechnet: mehr als ein weiterer Versuch, zu einem Dekalog in Ex 34 zu finden, kommt nicht heraus. Das bedeutet: Der Beitrag der Gattungsforschung bis Anfang der sechziger Jahre zur hier verfolgten Diskussion erschöpft sich darin, die Alternative ,Dekalog' — .zusammenhaltloses Konglomerat' stabilisiert zu haben. Auf dieser Grundlage kommen wir abschließend auf eine Frage zurück, die mit unserer These entsteht, die landläufige Beurteilung der Einleitungsverse zu den Bundesworten (Ex 34,10—16) verdanke sich wesentlich dem Einfluß der Dekalog-Hypothese 79 . Warum wurde von den Gegnern des „kultischen Dekalogs" keine Revision der Meinung erreicht, es handele sich in diesen Versen um sekundäre und späte (deuteronomistische) Erweiterungen? Man hat diese Meinung im hier betrachteten Zeitraum überhaupt nicht geprüft und so allgemein werden lassen. Zur Widerlegung der DekalogRekonstruktionen wurden diese Elemente nicht gebraucht. Für den Vergleich mit dem Bundesbuch kamen sie — der herrschenden Auffassung von Ex 23,20—33 entsprechend und als Zusätze eben, denn man bewegt sich im Zirkel — nicht oder doch nur sekundär in Betracht 8 0 . Sie als kompositorisch integrierte Elemente der Bundesworte auch nur ins Auge zu fassen, wäre nötig gewesen, wenn die Komposition dieses 74 75 76
Zur Geschichte der Dekaloge, S. 220, in Anm. 1 von S. 219. Ursprünge, S. 320. Ebd. S. 3 1 1 - 3 2 2 .
" Vgl. J. J. Stamm, DLF, S. 1 9 - 2 2 . 78 Vereinzelte Nachfolger Mowinckels bei J. J. Stamm, DJD, S. 2 1 6 - 2 1 7 . 79 S. S. 15ff. 80 Der Entwurf K. Kochs (S. 30ff.) ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme.
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
Textes je als eigenes Problem ernst genommen worden wäre. Aber die Diskussion ging daran beharrlich vorbei. Zwar widersprach man vereinzelt der Streichung der Verse; aber was ihnen allenfalls hätte neue Beachtung verschaffen können, der Nachweis, daß eine bestimmte Funktion sie in den Gestaltungszusammenhang bindet, — dieser Nachweis ist nirgendwo auch nur angelegt 81 .
3. K o n s e q u e n z e n aus der D i s k u s s i o n u m s , a p o d i k t i s c h f o r m u l i e r t e
Recht'
Nach verschiedentlich schon früher angemeldeter Kritik stellte 1961 E. Gerstenberger die Thesen A. Alts über „Wesen und Herkunft des ,Apodiktischen Rechts'" in seiner Untersuchung dieses Titels 1 grundlegend neu zur Diskussion. Es kam zu einer Lösung aus den seit 1934 gültigen Positionen, die bald ziemlich allgemein vollzogen wurde 2 . Hinter dem geschlossenen Bild, das A. Alt vom apodiktisch formulierten Recht als einer einheitlichen Gattung gezeichnet hatte, wurde die 81
L. B. Paton, Original Form, S. 86—89, hält ab v. 12 alles für ursprünglich (S. 86f.), ist aber nur darauf aus, durch Sondergut aus Ex 3 4 zu ergänzen, was im — wie er annimmt — dekadisch gegliederten Bundesbuch an zwei nur teilweise erhaltenen Satzdekaden fehlt (S. 88 f. — Methodisch nur die Umkehrung der Argumentation K. Kochs, S. 3Off.!). - R. H. Pfeiffer, Oldest Decalogue, S. 306 insistiert: "34, 4 cannot be severed from its Deuteronomistic context (12—16): note the Ό. at the beginning of vs. 13,14." Worum es ihm geht, ist aber nur der Nachweis, daß die Bundesworte die deuteronomistische Reproduktion von Ex 23 sind (S. 302ff.). — P. Karge, Geschichte des Bundesgedankens, S. 339, streicht nur v. 15.16; v. 11 — 14 werden festgehalten, doch nicht aus Gründen textimmanenter Gestaltanalyse, sondern der Parallele in Dtn 7 wegen, und nur, um aus dieser Parallele zu folgern, daß die Bundesworte (ebenso wie das Bundesbuch wegen Ex 23,20—33/Dtn 7) ursprünglich i n j (E) an der Stelle des Deuteronomiums standen (S. 3 3 6 - 3 4 1 ; vgl. S. 2 9 9 - 3 1 3 . 3 2 3 f f . ) . Danach sind die Verse nur ein am Rand gebuchtes Argument gegen den .kultischen Dekalog', werden also nicht in einer positiven Deutung der Textgestalt verarbeitet (S. 359; vgl. 359—362). 1 Diss. Bonn 1961: WMANT 20, Neukirchen 1965. - Zur älteren Kritik an A. Alt vgl. hier S. 23, Anm. 1; G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, S. 50, Anm. 4; H. Schulz, Todesrecht, S. 1, Anm. 2. Ferner W. Kornfeld, Heiligkeitsgesetz, S. 3 3 - 6 8 ; F. Horst, Recht und Religion, S. 2 6 0 - 2 6 1 . Zudem über S. Mowinckel S. 35ff.; über H. Cazelles S. 406ff. 1 Die wichtigsten Arbeiten seit 1961 (darin die weitere Literatur!): G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht; R. Hentschke, Erwägungen; W. Richter, Recht und Ethos; W. Schottroff, Fluchspruch (bes. S. 9 4 f f . l 2 0 f f . ) ; H. Schulz, Todesrecht; G. Liedke, Rechtssätze; V. Wagner, Rechtssätze. Vgl. auch H.-J. Hermisson, Studien, bes. S. 81—96.
Diskussion ums .Apodiktische Recht'
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komplexe Welt apodiktischer' Formen erkannt, die nicht einfach mehr als verschiedene Ausprägungen derselben, im Bundeskult verankerten Gattung passierten 3 , sondern als Prohibitiv und Gebot 4 , partizipialer „Todesrechtssatz" 5 und Fluchspruch 6 je für sich Gegenstand gattungsgeschichtlicher Untersuchung wurden. — Der Vorgang ist mehrfach protokolliert 7 , der Stand der Diskussion in den entscheidenden Beiträgen selbst jeweils ausführlich dargestellt worden 8 , so daß wir uns hier auf die Punkte konzentrieren, die das analytische Problem der Bundesworte verändert und neuen Zugang zum Verständnis ihrer Struktur eröffnet haben. Sie liegen auf der Linie dessen, was über den Einfluß der gattungsgeschichtlichen Thesen Alts gesagt worden ist. Das Urbild, vor dem das Bild des gegebenen Textes verfiel, die Zehner- oder Zwölferreihe „möglichst gleichmäßig gestalteter kurzer Sätze . . . , die ihrem Inhalt nach bei aller Variation der Form immer kategorische Prohibitive sind" 9 , — dies Urbild wurde seinerseits zerstört. Die strengere Beachtung gerade der verschiedenartigen formalen Tatbestände, die dazu führte, daß „sich die formgeschichtlichen Erkenntnisse sukzessive dem 3
Vgl. A. Alt, Ursprünge, S. 3 0 8 - 3 3 1 . Gegen Gerstenberger (aaO, S. 4 3 - 5 0 ) erkennt W. Richter, aaO, S. 8 8 - 9 1 , im „ G e b o t " eine vom Prohibitiv verschiedene, „mehr und mehr von Priestern getragene, schließlich ausnahmslos kultische Gattung" (S. 91). Vgl. dazu S. 395f., Anm. 18. s So die Bezeichnung von H. Schulz, aaO; vgl. R. Hentschke, aaO; W. Richter, aaO, S. 1 7 1 - 1 7 4 ; W. Schottroff, aaO, S. 9 3 - 1 1 2 . 1 2 0 - 1 2 9 ; G. Liedke, aaO. 6 W. Schottroff, aaO, mit aller Literatur. 7 Vgl. H. Graf Reventlow, Kultisches Recht; E. Nielsen, Zehn Gebote, S. 4 9 - 6 3 , bes. 5 9 - 6 3 ; G. J . Botterweck, Dekalog; (J. J . S t a m m - ) Μ. E. Andrew, The Ten Commandments, S. 21—22.44—75; E. Zenger, Wende; O. Kaiser, Einleitung, S. 5 8 - 6 0 . 6 3 - 6 4 . Vgl. auch E. Gerstenberger, Weisheit, S. 3 6 - 4 4 . * Vgl. R. Hentschke, aaO, S. 1 0 8 - 1 1 3 ; W. Richter, aaO, S. 8 1 - 1 7 4 passim (Literatur!); H. Schulz, aaO, S. 1 - 4 ; W. Schottroff, aaO, S . 9 - 2 3 . 9 4 - 9 7 u. passim (Literatur!); G. Liedke, aaO, S. 10 I f f . u. passim. * Α. Alt, Ursprünge, S. 322; Hervorhbg. v. Vf. — In dieser Formulierung ist ein zentraler Punkt neuerer Auseinandersetzungen berührt: Im Gegensatz vor allem zu W. Richter, der „Prohibitiv", „Vetitiv" und „ G e b o t " („Bestimmung, Vorschrift") aufgrund der je anderen grammatisch-syntaktischen Form auch gattungsmäßig unterscheidet (aaO, S. 6 8 - 7 8 . 8 8 - 9 0 ) , faßt E. Gerstenberger unter der Gattungsbezeichnung „Prohibitiv" die Verbotsformulierungen sV + imperf., VX + Jussiv und positive Gebote zusammen (Wesen und Herkunft, S. 43—54; vgl. Weisheit, S. 36ff., bes. S. 37, Anm. 12). K. Koch hat darin einen „Verzicht auf formgeschichtliche Untersuchung" gesehen (Formgeschichte [2. Α.], S. 11, Anm. 9[1. Α., S. 11, Anm. 12]; vgl. E. Gerstenberger, Wesen und Herkunft, Vorwort!). Tatsächlich trifft sich Gerstenberger hier — mit A. Alt. 4
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
sprachlichen Befund" annäherten 10 , hatte auch die Konsequenz, daß die Gesetze der Reihenbildung, die Alt im Bereich apodiktischer Formen erkannt und für so verbindlich gehalten hatte, daß er selbst verstreut überlieferte Stücke zu (Do-)Dekalogen zusammenzog 11 , ihrerseits revidiert wurden. Daß Prohibitiv und Gebot zur Reihenbildung tendieren, blieb unbestritten 12 . Aber schon die exemplarischen Analysen entsprechender Satzgruppen, wie E. Gerstenberger 13 und G. Fohrer 14 sie vorlegten, ergaben ein wenig vertrautes, durch W. Richters Untersuchung des gesamten Materials 15 umfassend bestätigtes Bild: Es gibt im überlieferten Bestand von Geboten und Prohibitiven, sofern man das Gleichmaß der Glieder zum Formkriterium nimmt, keine an ihrer Invarianz als gattungstypisch erkennbare Gliedzahl ursprünglicher Reihen 16 . Die Zehner- oder Zwölfergruppierung als das Normalmaß zugrunde zu legen, hieße, nach der Ausnahme die Regel bilden: Kleinere Satzanordnungen überwiegen bei weitem 1 7 , und wo sie zu größeren Einheiten verarbeitet sind, erweisen die sich durchs nicht mehr erreichte formale Ebenmaß als sekundäre Komposition. Das ist der Sachverhalt, der das ,Mischgebilde' Ex 34,10—26 hat in neuem Licht erscheinen lassen. Eben in seiner Komplexität entspricht der Text dem normalen Befund, nicht zuletzt seinem klassischen Konkurrenten, dem Dekalog von Ex 20 (Dtn 5) 1 8 . Die Aufgabe stellt sich 10
W. Richter, aaO, S. 73, Anm. 47. Vgl. A. Alt, Ursprünge, S. 3 1 1 - 3 1 2 . 3 1 5 - 3 1 6 . - Vgl. dagegen S. Mowinckel, Zur Geschichte der Dekaloge, S. 219(—220), Anm. 1, wo übrigens auch schon eine schärfere Trennung von Prohibitiv u n d Gebot einer-, Fluchspruch u n d Partizipialsatz andererseits gefordert wird: Prohibitiv und Gebot sind das „Ursprüngliche", dagegen verrät „die Hinzufügung der Strafdrohung eine Beeinflussung durch das .kasuistische' R e c h t " (219, Anm. 1). 12 Nach G. Fohrer, aaO, S. 51, sind es im Gegensatz zum allgemein menschlichen „apodiktischen Stil" überhaupt nur die „apodiktischen Satzreihen, die aus mehreren, jeweils gleichartig aufgebauten Sätzen bestehen", die sinnvoll Gegenstand gattungsgeschichtlicher Untersuchung sein können. Vgl. aber (J. J . Stamm—) Μ. E. Andrew, aaO, S. 57. 13 AaO, S. 7 7 - 8 6 : Lev 1 9 , 1 - 1 8 ; Ex 22,20ff.; Dtn 2 2 - 2 5 . 14 AaO, S. 5 2 - 7 3 : hauptsächlich Lev 1 8 , 7 - 1 7 a ; Ex 2 0 , 1 - 1 7 ; E x 3 4 , 1 4 - 2 6 (S. 52—70; weitere Texte kursorisch: S. 70—73). ls AaO, S. 68—116; vgl. die Zusammenfassung S. 116—117. 16 E. Gerstenberger, aaO, S. 8 6 - 8 8 ; W. Richter, aaO, S. 117, bei u n d mit Anm. 266. Zuversichtlicher wieder V. Wagner, Rechtssätze, S. 16ff.; vgl. G. Liedke, aaO, S. 135—138. Zur besonderen Auffassung G. Fohrers s. S. 23f., in Anm. 65. 17 Vgl. E. Gerstenberger, aaO, S. 88; im einzelnen anders W. Richter, aaO, S. 78—116. 18 Der vorerst wohl letzte Versuch, diesen Text auf eine störungslos ebenmäßige ,Urform' zurückzuführen, bei E. Nielsen, Zehn Gebote, S. 68—69 u. ff. — Vgl. dagegen E. Gerstenberger, aaO, S. 57—59.88; H. Graf Reventlow, Gebot u n d Pre11
Diskussion ums .Apodiktische Recht'
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daher hier wie anderwärts auch, zurückzufragen nach d e n gattungskritisch erfaßbaren Bauelementen des T e x t e s u n d — m e t h o d i s c h damit gefordert — nach der Verarbeitung dieser E l e m e n t e zur g e g e b e n e n K o m p o s i t i o n 1 9 . Es bleibt dabei: Die B u n d e s w o r t e sind ein .Mischgebilde'. Aber diese ihre B e s c h a f f e n h e i t entzieht sie nicht länger als f o r m l o s e Einzelerscheinung gestaltkritischer R e f l e x i o n , sondern gibt erst recht Anlaß, Vorgeschichte u n d Z u s a m m e n s e t z u n g ihrer Teile zu ermitteln. Dazu liegen die Entwürfe G. Fohrers 20 und W. Richters 21 vor. Sie in Einzelheiten zu erörtern, ist nur im Zusammenhang unserer eigenen Analyse sinnvoll. Zwei
digt, bes. S. 93; G. Fohrer, aaO, S. 5 5 - 6 8 ; W. Richter, aaO, S. 1 0 1 - 1 0 7 ; vgl. 126—132; A. Jepsen, Beiträge zur Auslegung und Geschichte des Dekalogs, bes. S. 2 8 5 - 2 9 9 ; K. Koch, Formgeschichte (2. Α.), S. 2 4 - 2 5 . 5 5 - 6 3 ; W. H. Schmidt, Uberlieferungsgeschichtliche Erwägungen, S. 214ff. — Vgl. zusammenfassend (J. J . Stamm-) Μ. E. Andrew, aaO, S. 21-22.44ff.; E. Zenger, Wende. - Ältere Zweifel an einem einheitlichen Urdekalog: B. D. Eerdmans, Alttestamentliche Studien III, S. 136-143; A. Jirku, Das weltliche Recht, S. 1 5 2 - 1 5 6 ; P. Volz, Mose, S. 24; W. Stoderl, Das Gesetz Israels, S. 10—12. Verbunden mit einem Spätansatz (dtr/P): O. Meisner, Dekalog, S. 8 - 1 1 , bes. S. 10; J. C. Matthes, Dekalog, S. 25.41; H. Meinhold, Dekalog, S. 15.28, Anm. 33; C. F. Whitley, Covenant and Commandment, S. 48. 19 Es ist eine Schwäche in E. Gerstenbergers Argumentation, daß er (von den S. 40, Anm. 13 genannten Analysen abgesehen) nicht nach der Verarbeitung der Prohibitive und Gebote im jeweiligen Textzusammenhang fragt, sondern die Einzelsätze und Satzgruppen nach der Gliedzahl geordnet einfach nur aufzählt (aaO, S. 88). Auf diese Weise kann er, um die Ausbildung größerer Reihen zu erklären, nur sehr allgemeine Leitgedanken formulieren, keine konkreten Bestimmungen geben (vgl. S. 86—87). Und selbst die Identifizierung der gattungshaften Gliedgruppen und Einzelglieder entgeht der Kontrolle: Was an gattungshaften Elementen jeweils verarbeitet worden ist, läßt sich nur zugleich mit der Frage beantworten, was die Verarbeitung aus den Elementen gemacht hat (Wo und in welcher Absicht wurden bestehende Satzgruppen aufgelöst, aufgestockt, umstrukturiert usw.?). In Ex 34,10—26 liegen nach Gerstenberger (S. 88) zugrunde: drei Satzpaare (v. 14a.l7; 21aa.21aß; 25a.25b); vier Einzelsätze (v. 19a.20b(3.26a.26b). Unbedacht bleiben (abgesehen von v. 1 0 - 1 3 . 1 5 - 1 6 ) : v. 18*.20aba*.22*.23*. Nach welchen Kriterien hierbei verfahren wurde, ist nicht zu erkennen, und zumindest fraglich bleibt, ob bei der unvollständigen Erfassung des tatsächlichen Bestands und bei dem Vereicht auf jede Erörterung der Kompositionszusammenhänge nicht gerade das verfehlt wurde, was Gerstenberger will: die Reindarstellung der gattungshaft ursprünglichen Gliedeinheiten (vgl. die ganz anderen Ergebnisse bei Fohrer und Richter: s. gleich!). — Am Beispiel des Dekalogs vgl. exemplarisch W. H. Schmidt, Uberlieferungsgeschichtliche Erwägungen, aaO. 20 AaO, S. 6 8 - 7 0 . 21 AaO, S. 96—101; vgl. S. 125—126. — Die monographische Bearbeitung des Textes durch F.-E. Wilms, Bundesbuch, braucht hier nicht eigenständig refe-
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
Punkte aber sind hier anzusprechen, in denen es weniger um Ergebnisse der Textuntersuchung, als vielmehr um Voraussetzungen geht, die ihrerseits ein gut Teil der Ergebnisse präjudizieren. 1. G. Fohrer geht im ersten Schritt seiner Analyse nicht vom Textbefund selbst, sondern von Ex 34,28b(3 („Zehn Worte") aus. Noch ehe er sich der Komposition vergewissert, die Ort und Funktion der Teile im Aufbau des Ganzen bestimmt, zwingt ihn die Annahme, es liege ein Dekalog zugrunde, zu Streichungen unter den Einzelbestimmungen v. 14a. 17—26* 22 . Die Folge ist, daß nach dem Verhältnis der ausgeschiedenen Elemente zur ursprünglich intendierten und durch sie veränderten Komposition nicht gefragt wird. Und grundlegender noch: Daß diese Elemente und daß diese Elemente sekundär hinzugekommen sind, wird aus der Architektur des Textes nicht begründet. Das ist, im Entwurf Fohrers selber gedacht, ein ausgesprochenes Manko. Er argumentiert durchweg mit der Verschiedenartigkeit der Gliedformen, um auf die Grundelemente zu kommen, die im Text verarbeitet sind 2 3 ; nur für v. 19—20aba und für v. 23 soll die Eigenart der Satzform und des Umfangs 2 4 , nichts sonst, beweisen, daß diese Elemente unter Gliedern verschiedener Form und verschiedenen Umfangs sekundär sind 2 5 . 2. Das gleiche trifft zu für Fohrers Behandlung von Ex 34,10—13.15—16. Auch hier hält der Dekalog-Gedanke davon ab, die Funktion der Verse im Rahmen der Gesamtkomposition zu erwägen, obwohl immerhin v. 10aa.ll—12 ebenso dem Jahwisten zugewiesen werden wie der „Dekalog" hinter v. 14—26 26 . Aber auch W. Richter greift an dieser Stelle zu kurz. Zwar spricht er nur vom „sogenannten" Dekalog Ex 34 und ist an der Frage der Gliedzahl des Ganzen uninteressiert 27 . Doch beschränkt er seine Analyse begründungslos auf v. 14—2628 und läßt sich damit unreflex auf die verkürzte Sicht des Gegenstandes ein, die in der Dekalogtheorie ihren forschungsgeschichtlichen Hintergrund hat 2 9 . Das überrascht, weil nach den von W. Richter selbst entwickelten formkritischen Kategorien zumindest v. 13 30 sein Interesse hätte finden müssen: Abgesehen vom einleitenden ' 3 31 , liegt hier eine lupenreine Dreiergruppe von Geboten der Form riert zu werden; vgl. dazu die Auseinandersetzung im Rahmen unserer eige22 nen Analyse. AaO, S. 68. 23 AaO, S. 68—69: Ein Prohibitivpaar (v. 14a.l7); vier Prohibitive zum Thema Opfer (v. 20b/3.25a.25b.26b); eine Vierergruppe von Geboten (v. 18aa.21a.22aa. 26a). 24 Daß v. 23 in dieser Hinsicht völlig aus dem Rahmen fiele (G. Fohrer, aaO, S. 68), ist schwer einzusehen. Die Formulierung ist bemerkenswert (s. S. 161ff.), aber in der Reihe der übrigen Gebote nicht so abartig, wie Fohrer es — ohne zu explizieren, was formal so singulär ist — darstellt (W. Richter, aaO, S. 100, zählt v. 23 zur ursprgl. Gebotsreihe!). Der Umfang ist in v. 22 der gleiche. Nur streicht Fohrer ohne ein Wort der Begründung v. 22a0b (Lesefest!), während er v. 23 ohne Analyse nimmt, wie er ist. 25 24 AaO, S. 68. S. näher S. 19f., Anm.43. 27 Vgl. aaO, S. 96ff. und bes. S. 126, Anm. 18. 2S 25 AaO, S. 9 7 - 1 0 1 . 1 2 5 - 1 2 6 . Vgl. S. 15ff. 30 Von der Verbotsformulierung v. 12aa (= 15a) noch abgesehen! Vgl. dasselbe Verbot als echtenProhibitiv Ex23,32; Dtn 7,2b/3; Ri 2,2aa, und s. S. 108-110. 31 Vgl. ebenso v. 14; hier von Richter kommentarlos übergangen!
Diskussion um ,Bundesformular' und ,Bund'
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,χ-yiqtol' vor 3 2 . Nimmt man hinzu, welche Bedeutung gerade v. 14 mit der für ursprünglich gehaltenen Begründung v. 14b 3 3 für Richters Bestimmung der Verfasser· und Tradentenkreise hat, denen v. 14—26* entstammt 3 4 , so wird noch weniger begreiflich, daß der unmittelbare Zusammenhang dieses Verses keinerlei Beachtung findet. Z u s a m m e n g e f a ß t : Die neuere Diskussion u m s ,apodiktisch formulierte R e c h t ' hat die Forschung auf das Kompositionsproblem der Bund e s w o r t e geführt u n d damit einen Ansatz g e w i e s e n , der die so lange b e s t e h e n d e Alternative , D e k a l o g oder K o n g l o m e r a t ' hinter sich läßt. Die Frage nach d e n gattungshaften Teilen als Frage zugleich nach deren Verarbeitung im G e s t a l t z u s a m m e n h a n g des G a n z e n führt über die b l o ß e Verurteilung der Einheit als nirgendwie g a t t u n g s k o n f o r m e b e n s o hinaus, w i e sie andererseits d e n Rückgriff auf das Z e h n e r s c h e m a als Mittel der A n a l y s e überflüssig macht, ja geradezu gegen diese V e r w e n d u n g der Dekalog-Tradition ausschlägt.
4. K o n s e q u e n z e n a u s d e r D i s k u s s i o n um ,Bundesformular' und ,Bund' Die im vergangenen Jahrzehnt n e u a u f g e b r o c h e n e Diskussion u m d e n , B u n d l 1 z w i s c h e n G o t t u n d V o l k 2 im A l t e n T e s t a m e n t 3 hat die Kritik der B u n d e s w o r t e in P r o b l e m z u s a m m e n h ä n g e e i n b e z o g e n , die der Frage nach der Gestalt dieses T e x t e s neues G e w i c h t gaben, zugleich j e d o c h als übergreifende Z u s a m m e n h ä n g e eine eigenständige Erörterung dieser 32
Dazu W. Richter, aaO, S. 90, und die dort gen. Literatur. W. Richter, aaO, S. 99, bei und mit Anm. 192; S. 100. 34 Vgl. aaO, S. 125/126. 1 Zur Problematik des Begriffs vgl. E. Kutsch, Von ITHS zu „Bund"; zur dort S. 160, Anm. 6, gen. älteren Literatur vgl. aber auch D. J . McCarthy, Treaty, S. 10: "Covenant has a wider meaning, for it can refer to any agreement or union among parties . . . A handclasp or a meal in common may constitute a covenant." — Näherbestimmungen nach Form und Struktur des jeweils fraglichen .Bundes' ergeben sich im Einzelfall. Vgl. N. Lohfink, Landverheißung, S. 101; Η. P. Müller, Ursprünge und Strukturen, S. 184ff. 2 Zwischenmenschliche Bündnisse bleiben hier außer acht: vgl. dazu D. J . McCarthy, Gottesbund, S. 63ff.; Η. P. Müller, aaO, S. 176ff., passim. 3 Zur Forschungsentwicklung vgl. umfassend D. J . McCarthy, Gottesbund. Ergänzend zur dort, S. 8—16, gen. Literatur: ders., Treaty, S. XIII—XXIV, und ders., Old Testament Covenant, S. 59ff. ("Postscript"). Seither vor allem: G. Fohrer, Altes Testament, Sp. 893ff.; ders., Geschichte der israelitischen Religion, S. 68—71. 8 9 - 9 0 . 3 0 2 - 3 0 3 ; E. Kutsch, Gesetz und Gnade; ders., Der Begriff rV"!3; ders., Von zu „Bund"; ders., Sehen und Bestimmen; ders., die früheren Arbeiten neu zusammenfassend, Verheißung; J . Harvey, Plaidoyer; N. Lohfink, Landverheißung, S. 1 0 1 - 1 1 3 ; Η. P. Müller, aaO, S. 1 7 6 - 2 2 1 ; L. Perlitt, Bundestheologie. 33
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
Frage nicht zum Zuge kommen ließen, so daß beim aktuellen Stand der Diskussion die Analyse des Textbefunds selbst in keinem Verhältnis zur Häufigkeit steht, mit der man sich auf ihn bezieht. Anlaß, das Gestaltproblem der Bundesworte noch einmal neu in Angriff zu nehmen, war zunächst mit der Hypothese G. E. Mendenhalls 4 gegeben, daß Formen und Struktur des Jahwe-Bundes vorm Hintergrund altvorderorientalischer Staatsverträge, speziell in Analogie zum kleinasiatischen Typus hethitischer Vasallenverträge 5 zu verstehen wären: Das Formular dieser Verträge 6 sei von Israel übernommen und hier aus dem rechtlich-politischen Raum auf das Verhältnis Jahwes zu seinem Volk übertragen worden. Der Gottesbund sei in Vertragsgestalt als ein im Heilshandeln Jahwes begründetes, durch entsprechende Gehorsamspflichten Israels bedingtes, in konstitutiven kultischen Formen kraft rechtsverbindlicher Erklärung der Partner geschlossenes und durch Segen und Fluch sanktioniertes Verhältnis zwischen .König' und ,Vasall' artikuliert u n d gelebt w o r d e n 7 .
Mendenhall selbst fand diese Bundesform zunächst nur in Jos 24 und im Dekalog repräsentiert 8 . Die Folgediskussion jedoch stieß rasch auch auf Ex 34: 4
Recht und Bund. Das Echo dieser Studie blieb in den 50er Jahren gering. Erst an der Wende zum folgenden Jahrzehnt wuchs ihr Einfluß: G. Heinemann, Untersuchungen; J . Muilenburg, Form and Structure; vgl. zum damaligen Stand der Diskussion: J . J . Stamm, DJD, S. 2 1 2 - 2 1 6 . - Grundlegend wurden dann K. Baltzer, Bundesformular; W. Beyerlin, Sinaitraditionen, bes. S. 60ff. 165ff. 5 G. E. Mendenhall, aaO, S. 27ff. - Zum Material vgl. D. J . McCarthy, Treaty, S. 22—48. Hier, S. 15—106, auch die Besprechung der übrigen altvorderorientalischen Quellen, die McCarthy als erster umfassend mit einbezieht (vgl. ebd., S. 7). Ferner E. v. Schuler, Staatsverträge, S. 34—45, sowie die (z.T. erstedierten) Texte bei E. v. Schuler, Kaskäer, S. 1 0 9 - 1 4 0 . Vgl. auch die bei W. Schottroff, Fluchspruch, S. 20, Anm. 4. gen. Literatur. 6 Vgl. dazu (ausgehend von V. Korosec, Hethitische Staatsverträge, S. 12ff.) G. E. Mendenhall, aaO, S. 33ff.; K. Baltzer, aaO, S. 19ff., W. Beyerlin, aaO, S. 60ff. — Hier überall wurde freilich das Formular für stabiler gehalten als es sich tatsächlich (auch für den hethitischen Bereich!) nachweisen läßt: Durchaus konstitutiv sind nur Vertragsbestimmungen/Eidgötterliste/(Segen und) Fluch (vgl. D. J . McCarthy, Treaty, S. 1 6 - 1 7 . 4 7 - 4 8 . 8 0 - 8 1 u.ö.). Die für den Vergleich mit dem AT bes. wichtige „Vorgeschichte" (Herleitung der Vertragssituation aus früheren Beziehungen der Parteien) ist Sondergut der hethitischen Verträge (D. J . McCarthy, Treaty, S. 9 6 . 9 8 - 9 9 ; Ausnahme: der Abba-AN Vertrag, Alalah: ebd., S. 5 I f f . — Zur Erklärung dieses Befunds: H. G. Güterbock, Die historische Tradition; D. J . McCarthy, Treaty, S. 9 1 - 9 2 . 9 9 - 1 0 2 . ) . Aber auch hier kann sie fehlen (D. J . McCarthy, Treaty, S. 2 6 . 3 0 - 3 1 . 4 6 . 9 9 ; ders., Gottesbund, S. 47 [—49], Anm. 53; E. v. Schuler, Staatsverträge, S. 38; ders., Kaskäer, S. 109ff.)! ' Vgl. G. E. Mendenhall, aaO, S. 2 9 - 3 8 und bes. S. 4 0 - 4 1 (zum Dekalog Ex 20). - Vgl. W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 6 0 - 7 8 , u. bes. auch S. 8 6 - 8 7 . 167. — Zusammenfassend D. J . McCarthy, Gottesbund, S. 28ff. 8 AaO, S. 38 u. ff.
Diskussion um ,Bundesformular' und ,Bund'
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K. Baltzer: „Ex. 34 gibt in seinem Kern ( 1 0 - 2 7 / 2 8 ' ) die erste Hälfte eines Bundesschlußformulars, d.h. abgesehen von der Beschwörung, wieder" 9 . V. 10.11b entsprechen dem ,historischen Prolog' der Verträge 10 , v. I I a . 12—16 der .Grundsatzerklärung', in der grundlegend für das künftige Verhältnis der Parteien die gegenseitige Loyalität als Bündnisbedingung katexochen hervorgehoben wird 1 1 . V. 17—26 folgen die .Einzelbestimmungen': „Sie gehen aus der Grundsatzerklärung hervor, sind ihre Konsequenz" 1 2 . — „Mit Vorgeschichte, Grundsatzerklärung und Einzelbestimmungen ist damit der Inhalt des Bundes, soweit ihn Jahve gibt, erhalten. Es ist daher richtig, wenn 27 den Abschluß des Bundes durch Jahve feststellt" 1 3 . Das ist zugleich die erste u n d w e i t e s t g e h e n d e I d e n t i f i k a t i o n der Bundesw o r t e mit d e m Bundesformular. Ihre K o n s e q u e n z e n für die Bewertung der Gestaltwirklichkeit des T e x t e s z e i c h n e n sich vor d e m Hintergrund der früher b e s p r o c h e n e n Forschung o h n e weiteres ab: V. 10—16 ers c h e i n e n z u m erstenmal als konstitutive B a u e l e m e n t e im Formzusamm e n h a n g der Einheit. U n d , damit z u s a m m e n h ä n g e n d , die Reihe der E i n z e l b e s t i m m u n g e n v. 17—26 erscheint in n e u e m Licht. Im Hinblick auf die integrierten G l i e d f o r m e n bleibt sie ein ,Mischgebilde' 1 4 , aber kein b l o ß e s K o n g l o m e r a t . Nicht die Satzzahl, nicht die Satzform, w o h l aber die Struktur der „ R a h m e n g a t t u n g " 1 5 ,Bundesformular' bindet die E i n z e l b e s t i m m u n g e n untereinander u n d ins Ganze. Ihr Einheitspunkt ist die Grundsatzerklärung (v. I I a . 12—16), die sie konkret auf Einzelgegenstände hin spezifizieren. ® Bundesformular, S. 48. 10 Hierzu und zum Folgenden vgl. den Vertragsaufbau, wie Baltzer ihn ebd., S. 2 0 - 2 8 , bespricht. " K. Baltzer betont die Eigenständigkeit dieses Elements im Bundesformular stärker als alle Vorgänger (aaO, S. 22—23; vgl. danach v.a. N. Lohfink, Hauptgebot, S. 108, Anra. 3; S. 110.111 und passim; J . L'Hour, Ethik, S. 36ff. 6 3 - 6 4 u. ff.). Dagegen D. J . McCarthy, Treaty, S. 32. Doch vgl. F. C. Fensham, Clauses of Protection; Ε. Gerstenberger, Covenant, S. 41—42, und s. auch S. 82, Anm. 11. 12 K. Baltzer, aaO, S. 49. 13 Ebd., S. 49; vgl. S. 4 8 - 4 9 . 14 K. Baltzer, aaO, S. 48, Anm. 1. - Vgl. aber N. Lohfink, Hauptgebot, S. 177, Anm. 44; 1 7 8 - 1 7 9 . 15 Vgl. ad vocem K. Koch, Formgeschichte, S. 2 6 - 3 0 (2. Α., S. 2 9 - 3 1 ) . - Eine strengere Beachtung dieser Eigenschaft des Bundesformulars und seines Vorbilds in den Verträgen hätte die Forschung daran hindern können, im Formular verwendete Gliedgattungen als dem Formular entstammende Gattungen zu behandeln: vgl. zum .apodiktischen Recht': G. Heinemann, Untersuchungen; H. Graf Reventlow, Kultisches Recht, S. 276ff. Dagegen E. Gerstenberger, Wesen und Herkunft, S. 96—110 (Literatur!). — Zu ,(Segen und) Fluch' vgl. die Forschung bei W. Schottroff, Fluchspruch, S. 21—23, und seine eigene Position dagegen bes. S. 217-230.231-233.
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
Bei alledem ist im Auge zu behalten, daß diese Deutung, abgesehen noch von der Kritik an ihren Voraussetzungen 16 , nur die Ausgangslage der Gestaltkritik verändert, nicht selbst schon die Gestalt des Textes erklärt. Das gilt für v. 17—26; denn wird in ihnen die Grundsatzerklärung entfaltet, so bleibt doch die Frage nach ihrer Komposition unter diesem Gesichtspunkt und damit die Frage nach der inneren Geschichte des Textes. Und das gilt vor allem für v. 10—16; denn an ihnen hängt die ganze Erklärung, und doch sind sie am wenigsten klar. Baltzer hält sich von aller Literarkritik frei und will nur den „Zwang der Form" am Text, wie er vorliegt, erweisen 11 . Aber eben der Text, wie er vorliegt, bleibt in v. 10—16 ein von Baltzer nicht gelöstes Problem: ,Vorgeschichte' und .Grundsatzerklärung' gehen ineinander (v. 10.11b/lla. 12—16). Die ,Vorgeschichte' steht als Verheißung da: nach Baltzer redaktionell ins Futur übersetzt, um sie der erzählten Situation anzupassen 18 . Die Grundsatzerklärung' „läßt sich im vorliegenden Textbestand nicht mehr sicher abgrenzen" 1 9 : Baltzer verweist auf die Doppelung v. 12a/ 15a und die Besonderheit von v. 15—16 20 — ohne Konsequenz. Die Frage stellt sich zuletzt, ob bei derart eigenwilligen Strukturen die Form überhaupt unterstellt werden kann, deren Einfluß auf die Gestaltung des Textes Baltzer nachweisen will. Er hat ein neues Bild vom Text entworfen, es aber nicht analytisch verifiziert. Das wird noch deutlicher, wenn man den gleichzeitigen Versuch W. Beyerlins daneben hält, die Endgestalt der Bundesworte vom Bundesformular her zu erklären 21 . Hiernach handelt es sich in v. 14—26* um ein Heiligtumsgesetz,22, das sekundär in die Bundesschlußtradition Ex 34* (J) einbezogen 23 und erst in diesem Kontext, der seinerseits in mehreren Zügen der vertragsverwandten Bundesform entspricht 24 , im Sinne dieser Form um den „historischen Prolog" (v. 10) erweitert worden wäre 2 5 . V. 11—13.15—16 bleiben dabei als noch einmal späte" " " "
S. dazu S. 52ff. AaO, S. 48, Anm. 1. AaO, S. 48. Ebd. 20 AaO, S. 48, Anm. 6; 49. 21 W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 9 0 - 1 0 4 , bes. S. 1 0 3 - 1 0 4 . 22 AaO, S. 96—101. Die Analyse dieses Abschnitts stellt den Vergleich mit Ex 2 3 , 1 2 - 1 9 in den Mittelpunkt (S. 9 6 - 9 8 ) und bewegt sich insofern auf der S. 29ff. beschriebenen Linie. 23 Vgl. dazu aaO, S. 9 3 - 9 6 . 1 0 1 - 1 0 2 . 24 AaO, S. 103. 25 AaO, S. 103—104. Zur futurischen Fassung von v. 10 vgl. die Erwägung S. 104, Anm. 2.
Diskussion um ,Bundesformular' und .Bund'
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re Zutaten „im Sinne des Deuteronomiums" außer acht 2 6 ; die „grundsätzlichste und umfassendste Bestimmung" — wie in den Verträgen an der Spitze — ist v. 14a(b) 2 7 . — M.a.W.: Auch Beyerlin findet in den Bundesworten .Vorgeschichte', ,Grundsatzerklärung' und ,Einzelbestimmungen', die von Baltzer erkannte „erste Hälfte eines Bundesschlußformulars". Aber die Literarkritik, auf die Baltzer zugunsten einer einfachen Gliederung des gegebenen Textes verzichtet, führt hier zu einer Rekonstruktion von Ex 34,10—16, die ganz der traditionellen Meinung vom Eingang der Bundesworte entspricht. Ob es bei dieser Analyse bleiben kann, ist zu prüfen. Aber um sie zu prüfen, bedarf es der Analyse. Sie ist, wo Baltzers Deutung übernommen wurde, nicht nachgeholt worden 2 8 , und das ist umso entscheidender, als diese Deutung unmittelbar oder doch die Bundesformular-Hypothese als solche nicht unerheblich dazu beigetragen hat, das unter dem Eindruck der schwankenden Dekalog-Rekonstruktionen und noch mehr unter dem Eindruck der gattungsgeschichtlichen Thesen Alts stark negativ bestimmte Bild von den Bundesworten als einem durch und durch komplexen Gebilde abzubauen: Man fand, daß diese „Bündelung von Geboten und Gesetzen" 2 9 sich besser noch als der Dekalog in Ex 20 (der übrigens weit mehr Beachtung fand 3 0 ) zur Satzung des vertraglichen Bundes zwischen Gott und Volk eignet, insofern sich alle Bestimmungen inhaltlich streng auf das Gegenüber Jahwe-Israel beziehen, nicht darüber hinaus auch das Verhältnis der Israeliten untereinander erfassen 31 ; Ex 34,10—16 wurde als Teil der Bundesworte wiedererkannt und damit zugleich der Bezug dieses Textes zu einer mehrfach reflektierten 27 " AaO, S. 100, Anm. 1. AaO, S. 103. 28 Vgl. N. Lohfink, Hauptgebot, S. 176—179 (doch s. immerhin die Bemerkungen S. 176 im Rahmen des Vergleichs Dtn 7/Ex 23/Ex 34, S. 172-176!); s. auch ders., Landverheißung, S. 1 0 8 - 1 0 9 ; J. L'Hour, Ethik, S. 37.66.91. " H.-J. Kraus: s. S. 26. 30 Vgl. D. J. McCarthy, Gottesbund, S. 32, bei und mit Anm. 23; S. 92 s.v. ,Dekalog'. Zuvor schon J. J. Stamm, DJD, S. 2 1 2 - 2 1 5 ; DLF, S. 3 2 - 3 6 . 31 E. Gerstenberger, Wesen und Herkunft, S. 1 0 0 - 1 0 1 . 1 0 8 - 1 0 9 , bes. S. 109: „Die ältesten und besten Bezeugungen des Bundesschlusses zwischen Jahwe und Israel, die von gestellten Bedingungen reden, zählen sachgemäß nur das Fremdgötter- und Bilderverbot und Ähnliches auf. Diesem, dem kleineren Teil der Prohibitivgattung, dem man wohl eine eigene Bezeichnung, etwa: Bundesbestimmungen, zubilligen könnte, müssen wir die Beheimatung im Bundesschluß zugestehen. Die Koppelung zwischen Bundesbestimmung und (sozialen) Prohibitiven ist aber sekundär." — Vgl. N. Lohfink, Hauptgebot, S. 179 (ders., Bundesurkunde, S. 489); namentlich auch G. Schmitt, Landtag, S. 9 7 - 1 0 1 , bes. 98f. - Vgl. aber auch die Erwägungen Η. P. Müllers, Ursprünge und Strukturen, S. 195—200!
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Analyse von E x 3 4 , 1 0 — 2 6 : Forschung
Tradition (Ex 2 3 , 2 0 - 3 3 ; Ri 2 , 1 - 5 ; Dtn 7), die seiner überlieferungsgeschichtlichen Ortung ganz neue Wege eröffnete 3 2 ; und schließlich ein Punkt, der nicht speziell nur die Bundesworte betrifft, aber wesentlich ist für die Neuinterpretation ihres Eingangs: Das an sich alte Problem der Herkunft ,deuteronomistischen Stils' 33 , darin beschlossen speziell die Frage nach Alter und Herkunft der ,deuteronomistischen' Elemente in Gn-Num 34 , ist in der neueren Forschung als tatsächlich ein Problem wieder stärker als vorher ins Bewußtsein getreten. Und dazu kamen entscheidende Impulse aus der Diskussion ums Bundesformular. Ganz abgesehen von Einzelzügen .deuteronomischer' Theologie und Sprache, die in die politisch-rechtlichen Dokumente des Alten Vorderen Orients, speziell in die Staatsvertragsliteratur zurückverfolgt wurden: deuteronomisches Sprechen und Denken insgesamt erhielt mit der Konzeption vom Gottesbund als .Vertrag' einen neuen gattungs- und institutionsgeschichtlichen Hintergrund 3 5 , der mit 32 Grundlegend: N. Lohfink, Hauptgebot, S. 1 7 2 - 1 8 0 , bes. 1 7 6 - 1 8 0 (s. S. 16ff.). Vgl. ders., Bundesurkunde, S. 4 8 8 f . ; ders., Landverheißung, S. 9 8 f . 108ff. - Inzwischen v.a. J . Harvey, Plaidoyer, S. 67—71 (zu Ri 2,1—5),und H. Horn, Traditionsschichten, S. 2 0 3 f f . , dessen Aufstellungen über E x 2 3 / 3 4 im einzelnen und im ganzen freilich eine — v.a. methodische — Diskussion verlangten, die wir nur implizit führen können. — Vgl. zum ganzen Komplex S. 3 4 6 f f . 3 3 Zwei frühe Kritiker, die, anders als nach Durchsetzung der Neueren Urkundenhypothese die überwiegende Mehrheit, ausdrücklich mit vordeuteronomischen Zeugnissen .deuter onomistischen Stils' rechnen: S. R. Driver (—J. W. Rothstein), Einleitung, S. 104—105: „In ihren Hauptzügen ist die Phraseologie (sc. des Dtn) sehr originell, in gewissen Einzelheiten aber beruht sie auf der Phraseologie der paränetischen Abschnitte J E ' s im Buche Exodus (vgl. besonders Ex. 13,3—16; 15, 2 6 ; 1 9 , 3 - 8 ; 2 0 , 2 - 1 7 teilweise; 2 3 , 2 0 f f . ; 3 4 , 1 0 - 2 6 ) " (S. 1 0 4 ; dazu S. 105 die entspr. Statistik!). E. Sellin war dann wohl der erste, der (in Auseinandersetzung mit C. H. Cornill) das Problem aus reinen Ad-hoc-Bezügen gelöst und auf die prinzipiell-methodischen Fragen hin reflektiert hat; vgl. seine Einleitung in das Alte Testament, S. 4 3 . 9 2 . Dagegen C. H. Cornill, Zur Einleitung, S. 4 6 - 5 2 . Darauf E. Sellin, Zur Einleitung, S. 3 0 - 3 6 . Zur Geschichte des Problems, vgl. C. H. W. Brekelmans, Die sogenannten deuteronomischen Elemente. 34 In diesem Bereich blieb es trotz verschiedener Gegenstimmen (vgl. C. H. W. Brekelmans, aaO; s. auch Smend, Eissfeldt, Fohrer S. 19f., Anm. 4 3 . 4 5 . 4 8 ! ) im wesentlichen bei der zur Jahrhundertwende erreichten Sicht der Literarkritik (vgl. etwa H. Holzinger, Einleitung, S. 4 9 2 — 4 9 4 , und die entsprechenden „Tabellen über die Quellenscheidung"). Denn M. Noths Entdeckung, die im übrigen das Bild des „ R ^ " grundlegend veränderte, der Nachweis des planvoll geschlossenen „Deuteronomistischen Geschichtswerks", ließ diese Texte aus und hatte zur Folge, daß sie erst recht als disparate Randphänomene erschienen (M. Noth, Uberlieferungsgeschichtliche Studien, Kap. I, hier bes. S. 12—13). 3 5 Vgl. S. Loersch, Deuteronomium, S. 95—111. Die hierzu wohl wichtigste Studie: N. Lohfink, Bundesurkunde.
Diskussion um .Bundesformular' und ,Bund'
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neuem Interesse die Vor- und Frühgeschichte dieser Sprache und Theologie im Horizont des Jahwe-Bundes und seiner Geschichte erfragen ließ 3 6 , — einem Interesse, das umso größer sein mußte, als „die Texte, in denen es (sc. das Vertragsformular) sicher auftritt, verhältnismäßig spät sind und die anderen Texte, in denen wenigstens Elemente des Formulars mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit vorgefunden werden können, meist ebenfalls als spät angesetzt werden — praktisch als Texte der deuteronomistischen Schule oder mindestens stilistisch damit verwandt" 3 7 . Derart herausgefordert, mehrten sich die Versuche, schärfer differenzierend als normalerweise bis dahin der inneren Geschichte der deuteronomischen Sprach- und Gedankenwelt bei der Beurteilung der entsprechenden Texte Rechnung zu tragen, und einmal auf den Weg gebracht, ergab die Diskussion nun auch ganz abgesehen vom Bundesformular aufgrund des nochmals aufgenommenen Befunds, daß eine solche innere Geschichte tatsächlich in vordeuteronomische Frühstadien hinein zu verfolgen ist. Innerhalb des Deuteronomistischen Geschichtswerks wie namentlich im Hinblick auf die .deuteronomistischen' Stücke in Gn-Num kam es zur Unterscheidung deuteronomisch-deuteronomistischer von früh- oder protodeuteronomischen Texten, die im Vorfeld des Deuteronomiums und seiner Epoche geortet, nicht einfach mehr in die Abhängigkeit seiner Wirkungsgeschichte verwiesen wurden 38 .
36 Vgl. namentlich J. Muilenburg, Form and Structure; W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 78—90 u.ö.; ders., Gattung und Herkunft; ders., Paränese; F. C. Fensham, Clauses of Protection, bes. S. 138—139; G. Schmitt, Landtag, bes. S. 1 5 - 3 2 ; J . L'Hour, Ethik, S. 6 9 - 7 7 . 8 2 - 8 4 . 1 3 3 - 1 3 6 u.passim; J.Harvey,Plaidoyer, S. 67-71.106ff. u.ö. - Ferner vgl. die Literatur bei S. Loersch, aaO, S. 9 5 - 1 1 1 ; D. J . McCarthy, Gottesbund, S. 4 0 - 5 2 . 5 3 - 5 4 ; C. H. W. Brekelmans, Elements Deuteronomiques. — Speziell zur Erklärung der stark rhetorisch-paränetischen Eigenart deuteronomischen Stils aus der Vertragsstruktur des Bundes vgl. N. Lohfink, Hauptgebot, S. 2 7 8 - 2 7 9 ; W. Beyerlin, Paränese, S. 2 5 - 2 9 ; D. J. McCarthy, Gottesbund, S. 8 2 - 8 3 (Lit.), und dazu ders., Treaty, S. 111.113.115.119f.l29. 131.134f.137f.148.150-151.170-171; entsprechend zum Befund in den Verträgen: G. Heinemann, Untersuchungen, S. 8 8 - 9 0 ; D. J . McCarthy, Treaty, S. 3 4 35.99-102 (Funktion der .Vorgeschichte'); ders., Gottesbund, S. 40. 37 D. J . McCarthy, Gottesbund, S. 5 1 - 5 2 . - Vgl. entsprechend G. Fohrer, Altes Testament, der allenfalls in deuteronomischer Zeit Einflüsse zeitgenössischer Staatsvertragsformen einräumen möchte (Sp. 900); W. H. Schmidt, Alttestamentlicher Glaube, S. 103. 3e Dieser Stand der Diskussion ist aufgefangen bei C. H. W. Brekelmans, Die sogenannten deuteronomischen Elemente, und ders., Elements Deuteronomiques, aaO. — Außer der Literatur dort und oben Anm. 36 vgl. N. Lohfink, Landverheißung, S. 15ff.l08—111, bes. S. 17—18; J . G. Plöger, Untersuchungen, S. 68—78; M. Caloz, Exode, XIII,3—16. Siehe auch J . Ν. M. Wijngaards, Dramatization, passim. — Zur vordeuteronomischen Herkunft des Rahmenwerks in Ri vgl. (nach Beyerlin) auch J . Gray, Joshua, Judges and Ruth, S. 208—209, und zu den dort gen. Texten im Kommentar (vgl. aber auch W. Richter, Bearbeitungen: Von drei Hauptschichten im Rahmenwerk sind zwei vordeuteronomistisch, aber abhängig von Dt; bes. S. 56—62.85f.87—91!).
4 Halbe, Privilegrecht
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Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
Mit dieser Entwicklung hat sich die Ausgangslage für die Kritik der Bundesworte noch einmal entscheidend gewandelt 39 . Aber es handelt sich dabei bereits um eine nur mittelbar forschungsgeschichtliche, keine direkt-textbezogene Konsequenz aus der Bundesformular-Hypothese. Auf diese engere Frage kommen wir nunmehr zurück. Die Identifikation der Bundesworte mit dem Bundesformular ist noch auf dem Boden der Vertrags-Hypothese selbst angefochten worden. D. J. McCarthy bestreitet das Einwirken der Vertragsform auf die Darstellung des Sinai-Bundes bei J und E: " T h e Sinai covenant . . . is an affair of ritual more than c o n t r a c t . . . . More than a matter of agreement it is a question of kinship. Israel is n o t so much the vassal of Yahwe . . . b u t His family. And so the laws are n o t the terms of a contract b u t the conditions covering continued union in the f a m i l y . " 4 0
Diese Distinktionen — für die Bundesdiskussion seither von großer Bedeutung 41 — ergeben sich vor allem aus der Analyse von Ex 19—20. 24 4 2 . Welche Deutung von Ex 34, speziell v. 10—26, liegt zugrunde? McCarthy b e t o n t das Fehlen von .Segen und Fluch' und jeglicher Selbstverpflichtung, gar förmlicher Eidesleistung des Volkes 4 3 . Dies Defizit hatte auch Baltzer registriert 4 4 . Aber McCarthy geht weiter und bestreitet zudem die Existenz der .Vorgeschichte' 4 5 . An ihrer Stelle stehe — qualitativ etwas anderes als der .historische Prolog' in den Verträgen — die Theophanie. Die kultische Gegenwart Jahwes, sein darin offenbartes Wesen, nicht sein Handeln in der Geschichte begründe den Sinaibund: " T h e historical element is lacking . . . The coming of J a h w e with its awe-inspiring accompaniments is described, and it is the mere presence of J a h w e which founds the covenant. This is the antithesis of the historical prologue. It is n o t what J a h w e has done which is the source of the covenant, it is what He is."46
39 S. S. 15ff. Vgl. vor diesem Hintergrund bes. zu v. 11 — 16: F. Langlamet, Israel et ,1'habitant du pays', und s. auch die Überprüfung der Thesen von L. Perlitt zu Ex 34: u. II A. 40 D. J . McCarthy, Treaty, S. 173. Vgl. dazu ebd., S. 1 5 2 - 1 6 7 . 1 7 2 - 1 7 6 ; ders., Gottesbund, S. 3 5 - 3 6 . 5 1 - 5 3 . 8 6 . 41 Vgl. G. Fohrer, Altes Testament, Sp. 8 9 8 - 9 0 1 ; ders., Geschichte der israelitischen Religion, S. 2 3 - 2 5 . 6 8 - 7 1 . 8 9 - 9 0 . 3 0 2 - 3 0 3 ; ders., Art. υιός κτλ. Β: Altes Testament. ThWNT 8 , 3 4 0 - 3 5 4 , bes. S. 3 5 2 - 3 5 4 ; Η. P. Müller, Ursprünge und Strukturen, S. 176—200; L. Perlitt, Bundestheologie, passim. — Vgl. aber auch D. J . McCarthy, Gottesbund, S. 54—55; ders., Notes on the Love of God. 42 D . J . McCarthy, Treaty, S. 1 5 2 - 1 6 4 . 43 Ebd., S. 1 6 6 - 1 6 7 . 44 S. S. 45: Ex 34 enthält nur „die erste H ä l f t e " eines Bundesformulars! 45 AaO, S. 165.166f. - Vgl. ders., Gottesbund, S. 5 2 - 5 3 . 46 Treaty, S. 166—167 (Hervorhbg. i. O.). — Vgl. entsprechend zum Dekalog-Ingreß Ex 20,2b: ebd. S. 1 6 0 - 1 6 1 .
Diskussion um ,Bundesformular' u n d .Bund'
51
Diese Entgegensetzung von ,Theophanie' und ,Geschichte' ist für McCarthys Deutung des Sinaibundes im ganzen konstitutiv. Ist es nicht (wie in den Verträgen) das Argumentieren aus der Geschichte, sondern die kultische Gegenwart Gottes, nicht das Überzeugen, sondern das Uberwältigen des Volkes, das in die Bundesgemeinschaft mit J a h w e führt, so erklärt das zugleich das Fehlen von ,Segen u n d Fluch' und einer förmlichen Bündniserklärung Israels: "At Sinai J a h w e simply presents Himself: that is enough and more to establish a ground f o r what follows . . . God proclaims His will and that is enough. There is n o need for the people to express assent, nor is there any special promise attached to keeping it or threat to violating i t . " 4 7
Das entspricht unmittelbar den zitierten Antithesen von Ritus und Vertrag, Sohnschaft und Abmachung, Familie und Vasall, so daß erhellt, welche Bedeutung für diese Konzeption vom Sinaibund als einem Bund, der im „Ritus", nicht im „Wort" begründet ist 4 8 , die Frage nach der ,Vorgeschichte', d.h. für Ex 34: die Wertung der Einleitungsverse in den Bundesworten, hat. — Und wenn nicht alles täuscht, hat sich McCarthy unter dem Druck seiner Konzeption vom Textbefund abbringen lassen. " T h e historical element is lacking" 4 9 . Das trifft für Ex 34 nicht zu: v. l O a ß b . l l b . Die Verse mögen hinter der Theophanieschilderung v. 5—7 zurückstehen; aber was sollen sie im Eingang der Bundesworte, wenn Jahwes Erscheinen allein schon mehr als genug ist, seinen Bundesforderungen Grund und bindende Autorität zu geben? Die Verse mögen keine .Vorgeschichte' nach dem Vorbild der Verträge sein, — trotzdem sind sie .Geschichte', aus der das Gebieten hervorgeht, nicht .Theophanie'. Es ist darum falsch, wenn McCarthy erklärt: " F o r J the will of Yahwe, whose terrifying power and majesty have been manifested in His descent upon the mountain, is enough to ground the covenant. It is binding without any appeal to favors past or favors to c o m e " 5 0 . "Favors to c o m e " sind — .Vorgeschichte' oder nicht — Horizont des Gebietens in Ex 34,10—26.
Hier zeigt sich also, auf die Gestaltkritik der Bundesworte zurückgebracht: Das Kopfstück der Einheit, das mit den Versuchen, den Text vom Bundesformular her zu erklären, erstmals wieder wichtig geworden war, ist mit der Kritik an diesen Versuchen noch wichtiger geworden. Als umso gefährlicher aber erweist sich die Praxis, die Analyse des Textes, speziell dieses Elements, an übergreifenden Konzeptionen zu orientieren, statt zuerst und vor allem am inneren Befund der Einheit selbst.
47
Ebd., S. 167. Zur Entgegensetzung von „ R i t u s " und „Wort", die McCarthys Analysen durchzieht, vgl. aaO, S. 125.127, Anm. 4 2 , 1 4 5 . 1 4 9 . 1 6 3 . 1 6 9 f . l 7 1 - 1 7 3 . 49 AaO, S. 166. 50 AaO, S. 166. 48
52
Analyse von E x 3 4 , 1 0 — 2 6 : Forschung
Die weitere Behandlung des Textes in der McCarthy noch hinter sich lassenden, jeden (vordeuteronomischen) Einfluß der Vertragsform bestreitenden Bundesdiskussion51 kann das nur deutlicher machen. Im Zentrum dieser Diskussion steht — den umfassenden Entwurf L. Perlitts als solchen einmal ausgeklammert; er wird für sich zu diskutieren sein 52 - der Begriff n n a 5 3 . In Aufnahme und Präzisierung einer Beobachtung A. J e p s e n s s 4 hat E . Kutsch herausgearbeitet, daß ΓΡ"13 nicht primär das Verhältnis .zwischen' Partnern, sondern „die Verpflichtung der einen von zwei P a r t e i e n " 5 5 meint. Zwar verbinde sich mit dem Begriff vereinzelt auch der Gedanke der Wechselseitigkeit der V e r p f l i c h t u n g 5 6 , doch sei dieser Gebrauch ganz auf den zwischenmenschlichen Bereich beschränkt. Die Gottes mit den Menschen sei ausschließlich einseitig gedacht: als Selbstver^flichtung J a h w e s , die Israel nichts auferlegt, oder als Israel auferlegte Verpflichtung, die J a h w e nicht b i n d e t S 7 .
Da im engsten Horizont der Bundesworte gleich zweimal von ΓΤΗ3 die Rede ist (Ex 3 4 , 1 0 . 2 7 ) 5 8 , sind diese Kategorien zur Deutung des Textes herangezogen worden. Aber der Text paßt schlecht ins System: In v. lOaßb verpflichtet sich Jahwe zum Kampf für Israel 59 — dann erlegt er Israel seine Verpflichtungen auf — und auf sie wiederum bezieht sich v. 27, wo ΓΡΊ3 ΠΊ3 den „Akt der Verpflichtung" Israels auf „die Gebote von Ex 34,11—26" bedeuten soll 6 0 , — ausdrücklich alternativ zur Selbstbindung Jahwes: 51 Vgl. unter den S. 4 3 , Anm. 3 Genannten namentlich E. Kutsch, G. Fohrer, L . Perlitt. Ferner W. S c h o t t r o f f , Fluchspruch, S. 2 2 6 - 2 3 0 . 2 3 2 f . (Literatur!), und den Bericht bei D. J . McCarthy, Old Testament Covenant, S. 5 9 f f . 52 S. 2 5 6 f f . 5 3 G. Fohrer, Altes T e s t a m e n t , Sp. 8 9 7 f f . , stützt sich allein auf „Erwähnungen einer göttlichen bent — denn nur solche k o m m e n für die Bewertung ernsthaft in Frage" (Sp. 8 9 7 ) . E. Kutsch hat dann den Begriff noch einmal umfassend analysiert: Gesetz und Gnade; Der Begriff ]V"]3; Verheißung (zur älteren Diskussion des Begriffs: D. J . McCarthy, Gottesbund, S. 1 9 - 2 1 ; N. L o h f i n k , Landverheißung, S. 1 0 5 , Aran. 1 1 ) . Seine Ergebnisse haben sich durchgesetzt: vgl. G. Fohrer, Geschichte der israelitischen Religion, S. 6 8 — 6 9 ; N. Lohfink, Landverheißung, S. 1 0 5 — 1 0 7 , und s. (bes. auch zu L . Perlitt) eingehend u. I C 2 ! Immerhin vgl. auch D. J . McCarthy, Old Testament Covenant, S. 6 0 . 54 56
5S Gesetz und Gnade, S. 2 5 ; vgl. S. 2 0 - 2 4 . Berith. Belege ebd., S. 2 5 - 2 6 .
" E b d . S. 2 7 - 3 4 . Vgl. zusammenfassend: 1 3 5 - 1 4 2 ; ders., Verheißung.
E. Kutsch, der Begriff i T H 3 ,
S.
V . 1 2 a . 1 5 a gehen aufs Verhältnis Israels zur übrigen Bevölkerung. Im Blick hierauf E. Kutsch, Der Begriff Γ Ρ Ί 3 , S. 1 3 9 , A n m . 3 2 : „ I n E x 3 4 , 1 0 bezeichnet Γ Ρ Ί 3 J a h w e s feierliche Zusage außerordentlicher Wunder." — Sie hat geradezu Schwurform: ders., Gesetz und Gnade, S. 2 2 , A n m . 1 9 ! 4 0 E . Kutsch, Gesetz und Gnade, S. 3 1 ; ders., Der Begriff n n ? , S. 1 4 0 . 58 55
Konsequenzen für den Ansatz
53
„Gottes bent erscheint hier nicht als seine gnädige Zusage, sondern als sein Gesetz"61. Fügt man nun aber zusammen, was der Text zusammenfügt, dann verbinden sich unter dem Stichwort ]V"13 eidesverbindliche Zusage Jahwes und Israel auferlegte Verpflichtung: Die Bundesworte sind in einem, was es der Abrede nach in einem nicht gibt! Das freilich gilt zunächst nur vom Text, wie er vorliegt, speziell unter der Bedingung, daß v. 10—11 integrierende Elemente im Textzusammenhang sind 6 2 . Aber genau das ist der Punkt, um den es uns geht. Daß nicht einmal das hier gegebene Problem gesehen und reflex analytisch diskutiert worden ist, zeigt einmal mehr, wie wenig die Gestaltproblematik im Eingang der Bundesworte als solche bewußt geblieben und — andererseits — wie wenig sie zu umgehen ist 6 3 . Sie unverkürzt noch einmal aufzunehmen, ergibt sich so auch hier als Forderung der Forschungslage 64 .
5. K o n s e q u e n z e n f ü r d e n A n s a t z Die Forschung des vergangenen Jahrzehnts hat zwei Fragen, die in den traditionellen Analysen der Bundesworte zu kurz gekommen waren, neu gestellt: 1. Hatte einerseits die Dekalog-Hypothese ein nicht aus der Einheit selbst, sondern aus ihrem Rahmen erschlossenes Kompositionsprinzip, die Zehnzahl, zum Prinzip der Analyse werden lassen und dazu geführt, daß man nicht nach dem Aufbau des Textes aus seinen Teilen fragte, sondern nur nach den Zutaten zum selbst analytisch nicht mehr hinterfragten Kern, — hatten sich andererseits die Gegner des .kultischen Dekalogs' (zumal in der Nachfolge Alts) damit begnügt, den Dekalog-Re61
E. Kutsch, Gesetz und Gnade, S. 31 (Hervorhbg. i. O.). Sie sind es nach Kutsch: Gesetz und Gnade, S. 29 ( - 3 0 ) , Anm. 46. " Η. P. Müller, Ursprünge und Strukturen, S. 196, relativiert die am Begriff ΓΓ")? entwickelten Distinktionen: „Eine faktische Verpflichtung liegt selbst da auf dem Überlegenen, wo ausdrücklich nur der Unterlegene Leistungen zu erbringen hat. . . . selbst der nichtsnutzige Despot von Jdc 91S birgt sein Volk unter dem Schatten seiner Flügel." Und zum Sinaibund: „Gerade wo . . . keine Bundesverpflichtung Gottes expliziert wird, kann sie doch um so umfassender vorgestellt werden." — Dennoch beschränkt er sich in der Besprechung von Ex 34 begründungslos auf v. 14—26 als den Israel einseitig verpflichtenden „Inhalt des Bundes" (S. 191). 64 Vgl. N. Lohfink, Landverheißung, S. 108—109, und s. bes. zur Auseinandersetzung mit L. Perlitt, der diesen Teil des Textes nachdrücklich, aber ohne Analyse der gegebenen Strukturen und darum entsprechend pauschalierend verteidigt, u. II A. 42
54
Analyse von Ex 34,10—26: Forschung
konstruktionen ihre eigenen Schwierigkeiten vorzuhalten, und die Bundesworte — wenn überhaupt — unabhängig von ihrer inneren Verarbeitung als Paralleltradition zu entsprechenden Teilen des Bundesbuchs ernst genommen, so machte die Neuuntersuchung der Gattungen .apodiktischen Rechts' mit der Frage nach den Elementarformen der Einheit die Frage nach deren Verarbeitung im gegenwärtigen Gestaltgefüge zum Thema: Art und Mittel der Komposition, die die verschiedenen Glieder zum Ganzen gefaßt hat, wurden fraglich. 2. Der stark paränetisch gehaltene Einleitungsteil der Bundesworte (v. 10—16), unter dem Druck der Dekalog-Hypothese bis auf v. 14a(b), wenn nicht überhaupt als komplex und spät, so doch als nicht zur Einheit gehörig ausgeklammert und in der Folgezeit auch von den Dekalog-Gegnern nicht als womöglich ein wichtiger Teil im Gestaltungszusammenhang analysiert, wurde von dieser Entwicklung nicht mit erfaßt. Dieser Abschnitt blieb der Forschung uninteressant, bis die Diskussion um ,Bundesformular' und ,Bund' ihn selbst und seine Funktion im Ganzen der Bundesworte zu nachgerade einem Schlüsselproblem werden ließ. Aber in beiden Punkten kamen die neuen Impulse aus der Diskussion umgreifender Problemzusammenhänge, deren Eigengewicht spezifische Verkürzungen der Analyse erklärt: 1. In den Versuchen, die Komposition der Bundesworte auf die verarbeiteten Gliedgattungen hin zu hinterfragen, blieb — von allen nur am Textbefund selbst zu klärenden Einzelheiten abgesehen — der Horizont auf v. 14—26* beschränkt. Das hat einen besonderen Grund in der Beibehaltung der Dekalog-Hypothese (Fohrer), ist im übrigen aber kaum anders als so zu erklären, daß bei der Konzentration auf das Gattungsproblem speziell der Gebote und Prohibitive kein Anlaß gesehen wurde, die traditionelle Verkürzung des Textes um v. 10—13. 15—16 auf Gründe und Recht hin zu untersuchen. 2. Erst recht die Bundesdiskussion hat in bezug auf die Gestalt der Bundesworte mehr Fragen aufgeworfen als gelöst. Die hier anstehenden Kontroversen sind in die Deutungen des Textbefunds eingeflossen, nicht analytisch am Textbefund ausgetragen worden. Das Kopfstück der Einheit, Schnittpunkt der divergierenden Linien, steht umstrittener da als irgend zuvor. Wie es in sich verarbeitet ist und sich zum Ganzen der Bundesworte verhält, ist ein wieder gestelltes, doch kaum schon gelöstes Problem. Bei dieser Forschungslage ist unsere erste Aufgabe leicht definiert. Die Fragen, die die jüngste Diskussion neu aufgeworfen hat, sind aufzu-
V. 10aj3b—IIa: Abgrenzung und Struktur
55
nehmen. Denn mit ihnen sind charakteristische Engführungen der älteren Forschung aufgehoben worden. — Andererseits gilt es, die nicht im Gestaltproblem der Bundesworte selbst angelegten Kontroversen und alle übergreifenden Beweisinteressen, die die jüngste Diskussion bestimmen, so zurückzustellen, daß sie nicht ihrerseits wieder die Analyse präjudizieren. Beides wird dadurch erreicht, daß wir uns streng am Text in seiner gegegenwärtig wirklichen Gestalt orientieren: Aus der Bestimmung der in dieser Gegenwartsgestalt anzutreffenden Strukturen geht die Frage nach Gehalt und innerer Geschichte des Textes hervor.
B. D E R T E X T IN S E I N E N T E I L E I N H E I T E N Wir fassen zunächst die Teile des Textes ins Auge, wie sie aus seiner Gliederung zu erkennen sind. Kriterien und Recht der jeweils getroffenen Abgrenzung muß die Analyse jedes Abschnitts ergeben.
1. V. l O a ß b — I I a : Die E r ö f f n u n g a) Abgrenzung und Struktur V. lOaa ist in der Jahwe-Rede v. 10—27 ein Rahmenelement. Sein Verhältnis zum korrespondierenden v. 27 wird später untersucht 1 . Umstritten ist die Abgrenzung gegen v. lOaßb. Anders als MT hat man i|SJ?_1?3 "TU zu v. 1 Oaa ziehen wollen 2 . Die Entscheidung hierüber ist ohne Einsicht in die Struktur des ganzen Abschnitts v. lOaßb— I I a nicht zu fällen. Die Frage nach dieser Struktur stellt sich zugleich im Hinblick auf v. I I a . In aller Regel wird er von v. lOaßb abgesetzt und zum Folgenden gezogen 3 . Die Frage ist dann allerdings, wie die Ankündigung 1
S. S. 2 3 0 - 2 3 2 . 2 5 4 . H. Holzinger, Exodus, S. 116f.; P. Karge, Geschichte des Bundesgedankens, S. 337; N. Lohfink, Landverheißung, S. 108, mit Anm. 17. Erwägungsweise auch D. J. McCarthy, Treaty, S. 165. 3 Vgl. z.B. W. M. L. de Wette, Die Heilige Schrift Teil 1, S. 93; A. Dillmann-V. Ryssel, Exodus und Leviticus, S. 388; H. Holzinger, Exodus, S. 117; B. Baentsch, Exodus—Leviticus—Numeri, S. 283; G. Beer, Exodus, S. 161; M. Noth, Exodus, S. 215f.; K. Baltzer, Bundesformular, S. 48f.; G. Fohrer, Das sogenannte apodik2
56
Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
wunderbarer Gottestaten (ν. lOaßb) unmittelbar vor v. I I a zu verstehen ist, der ein Gebieten ankündigt, das tatsächlich erst nach erneuter Verheißung (v. IIb) in v. 12ff. einsetzt. Die Streichung von v. lOaßb 4 , von v. lOaßb + IIb—13 5 oder die einfache Umstellung v. 1 0 . 1 1 b / l l a . 12—16 6 zeigt die Schwierigkeiten. Nun greift v. I I a unbestreitbar auf Kommendes aus. Dennoch liegt ein klarer stilistischer Einschnitt zwischen v. I I a und v. IIb: Das "ΉΠ v. IIb Anfang 7 signalisiert den Neuansatz, nachdem die Rede im DI" Π ν. I I a Ende ein erstes Ziel erreicht hat. Die hier erkennbare Zäsur erlaubt es, v. 10—IIa vom Folgenden abzusetzen und zu prüfen, ob der Abschnitt strukturell als Einheit zu verstehen ist. — Das ist in der Tat der Fall. Die Angemessenheit der masoretischen Textaufteilung in v. 10 zunächst unterstellt, ergibt sich der folgende dreigliedrige Zusammenhang: ri&Vp? r r ö s x η » » ' 1 ? ! ' ΤΗ D^än-^aai ρΊΚΠ-Vaa nqai-tf1? itfx NIRR; N»»A-NI? I A I J ? ?
ΠΝΙΎΙ Π®»
Di»n
-pis
I
v. lOa/fy
II
v. 1 0 b
III
v. 1 1 a
Χ1Π ΝΎύ"'3 πκ
Glied I und II sind streng parallel aufeinander bezogen. Beide künden Jahwes Machttaten an, beide unterstreichen deren einzigartigen Charakter, beide nennen das „ganze Volk" als ihre Zeugen. Mit der Erkenntnis dieser Parallelität fallen aber bereits die Gründe, deretwegen man die Bestimmung iJSS _ l ? 3 "TU zu v. 10aa geschlagen hat. Es trifft nicht zu, daß die Wunder v. 10b „für die Völkerwelt demonstrative Bedeutung" hätten, und darum in v. lOaßy nicht Israel als Augenzeuge dieser Wunder vorgestellt sein k ö n n e 8 . Ebensowenig ist das „ganze Volk" v. lOaß Zeuge des n n a Γ Π 3 v. 10aa 9 , sondern hier wie v. 10b des verheißenen Eingreifens Jahwes.
Das wird noch klarer, wenn wir die Logik der Entsprechung zwischen Glied I und II näher bestimmen. Syntaktisch sind beide Elemente tisch formulierte Recht, S. 68. Nach F.-E. Wilms, Das jahwistische Bundesbuch, S. 149 (u. ff.) beginnt im Aufbau des Textes mit v. 11 geradezu „die nächste Einheit", die sich als „Landgabebundestext" bis v. 17 erstrecken und entstehungsgeschichtlich der „Kristallisationskern" des Ganzen gewesen sein soll (S. 208). 4 5 G. Fohrer, aaO, S. 68. M. Noth, aaO, S. 215f. 6 K. Baltzer, aaO, S. 48f. 7 Vgl. zur Konstruktion von v. I I b : C. Brockelmann, Syntax, S. 3, § 4; P.Humbert, La formule hebrai'que. — Dazu W. A. Ward, Comparative Studies, S. 34, der ägyptische, ugaritische und arabische Belege der Konstruktion anführt. 8 H. Holzinger, aaO, S. 116. 9 N. Lohfink, aaO, S. 108.112, Anm. 23; D. J . McCarthy, aaO, S. 165.
V. lOaßb—IIa: Abgrenzung und Struktur
57
durchs perf. cons. πίΟΙ (v. 10b) verknüpft. Die Wiedergaben dieser Verbindung schwanken zwischen einfacher Parataxe 1 0 und finaler Unterordnung von Glied II 1 1 . Doch ist eine relativ sichere Entscheidung zu treffen. Sie setzt eine Klärung der syntaktischen Gegebenheiten in v. 10b voraus. Es geht um die Funktion des Elements ΝΙΠ Κ Ί ύ * " ι 3 im Satzgefüge v. 10b. In aller Regel wird es dem Hauptsatz ΠΙΠΊ ΠΦΪΗ Γ)Ν· · ·ΟΒΠ _ 1 75 ΠΧΊ1 begründend untergeordnet 1 2 . Aber diese Fassung ist nicht die einzig mögliche. Der hebräische Satz legt es nahe, das Element vom Prädikat des übergeordneten Satzes ΓΙΝζΙ abhängig zu konstruieren. Regiert ein verbum sentiendi zwei Objekte, von denen das zweite Tätigkeit oder Beschaffenheit des wahrgenommenen Objekts angibt, so kann das zweite — das ist nach ΠΧ? die Regel — als selbständiger, durch eingeleiteter Satz formuliert werden 1 3 . Dieser Regelfall liegt in v. 10b vor. Mit 8ΊΠ wird nicht begründet, warum, sondern bestimmt, was das Volk „seh e n " wird: „Daß Jahwes Handeln furchtgebietend ist." Dies „ S e h e n " geschieht nicht als passives Zuschauen; es hat noetische Funktion. Damit erklärt sich zugleich eine weitere Eigentümlichkeit in v. 10b: der Wechsel zur Rede von J a h w e in 3. Pers. Dieser Wechsel gibt dem Erkenntnisinhalt v. 10ba Form und Gewicht einer bekenntnishaft-objektivierenden, in den Fluß der Jahwerede nicht auflösbaren Aussage. Er stört also nicht, sondern dient seinerseits der in v. 10b intendierten Struktur. Jahwes Handeln zielt auf Erkenntnis, die bekenntnishaft gültig formuliert werden kann: „daß Jahwes Handeln furchtgebietend ist."
Dies Verständnis von v. 10b vorausgesetzt, können wir das Verhältnis von Glied II zu Glied I unseres Abschnitts bestimmen. Dem Ausblick aufs künftige Jahwehandeln ν. ΙΟίΐβγ (I) folgt die Bestimmung der Erkenntnis, zu der es an diesem Handeln kommen soll v. 10b (II). Das ist eine Gedankenverbindung, die es nahelegt, Glied II prägnant als
Vgl. z . B . W. M. L. de Wette, aaO, S. 9 3 ; B. W. Bacon, Triple Tradition, S. 1 5 6 ; H. Holzinger, Das zweite Buch Mose oder Exodus, HSAT I, S. 1 3 7 ; O. Eissfeldt, Hexateuch-Synopse, S. 1 5 8 * ; M. Buber—F. Rosenzweig, Die fünf Bücher der Weisung, S. 250. " Vgl. E. Reuß, Die heilige Geschichte und das Gesetz Bd. 3, S. 3 7 0 ; B. Baentsch, E x o d u s - L e v i t i c u s - N u m e r i , S. 2 8 2 f . ; M. Noth, Exodus, S. 2 1 3 . 12 A. Dillmann—V. Ryssel, aaO, S. 3 8 8 : Das Volk wird Jahwes Tun sehen, „weil dieses . . . d. i. staunenswerth . . . sein wird, nicht etwas Kleines, was man übersieht." — S o bei weitem die meisten, jetzt wieder F.-E. Wilms, Das jahwistische Bundesbuch, S. 148f. Vgl. die Ausnahmen S. 58, Anm. 14. 13 W. Gesenius—E. Kautzsch, Grammatik, § 1 1 7 h ; vgl. C. Brockelmann, Syntax, S. 1 5 2 , § 160a. Bes. auch Th. J . Meek, The Syntax o f the Sentence, S. 12 ("emphatic accusative o f specification"); W. F. Albright, Refrain. Ferner auch die Belege bei J . Muilenburg, Linguistic and Rhetorical Usages, S. 143 (Zi. 3 u. Anm. 2 6 ) . 1 4 4 (Zi. 6). 10
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
Konsekutiv- bzw. Finalaussage Glied I unterzuordnen: Jahwes wunderbares Handeln zielt als Handeln „vor" dem Volk (I: v. lOa/fy) auf das Volk (II: v. 10b): I
Vor deinem ganzen Volk werde ich Wunder tun, wie sie nicht geschaffen worden sind im ganzen Land und unter allen Völkern,
II
damit das ganze Volk, in dessen Mitte du bist, sieht, daß Jahwes Tun furchtgebietend ist, das ich mit dir tun will 1 4 .
Glied III, der „Promulgationssatz" 15 v. IIa, schließt sich unmittelbar an. Seine Funktion an dieser Stelle ist nun nicht mehr rätselhaft. Mit ihm setzt die Rede nicht neu an, sondern hier kommt sie zum ersten Ziel: Er rückt alles Weitere ins Licht der Jahwe-Furcht (II), zu der die verheißenen Machttaten Jahwes (I) das „ganze Volk" führen, ja überführen. Ein Detail ist geeignet, die enge Verbindung zwischen v. lOaßb und v. I I a , die sich damit ergibt, noch zu bestätigen. am Ende von v. 10 macht Schwierigkeiten. W. Rudolph hat, „da es nur auf Mose bezogen werden könnte . . . , was im Zusammenhang keinen Sinn gibt", ursprüngliches ?JÖS"DS? konjiziert 1 6 . Das Problem ist richtig gesehen 1 7 . Aber seine Lösung ist ohne Änderung des einhellig bezeugten Textes zu finden, wenn man erkennt, wie durch dies "!]S5J der Ubergang vom Geschichtsausblick v. 10aj3b zur Paränese v. I I a stilistisch vermittelt wird 1 8 . Während in v. 10a/3b zunächst konsequent vom ,Volk' in 3. Pers. die Rede und Mose das angesprochene ,Du' ist, greift v. 1 Ob/3 insofern auf v. I I a vor, als in dem abschließenden 7]H57 nicht mehr nur Mose, sondern zugleich auch das Volk in der 2. Pers. und damit das ,Du' des folgenden Imperativs angesprochen ist. Noch während sie von künftigem Geschehen handelt, wendet sich die Rede unmittelbar dem Hörer als dem Augenzeugen zu, der in v. I I a das Gegenüber ist, und die Asyndese, die v. I I a unvermittelt auf v. 10b folgen läßt, beschleunigt diese Wende nur und macht sie zwingend.
14
Vgl. zu II auch die LXX-Minuskel f (Holmes-Parsons: 58): „ . . . καίϋφεται πάς ό λαός . . . 'άτι ϋανμαστά έστιν τα epya Κυρίου . . . " (Α. Ε. Brooke—Ν. McLean, The Old Testament in Greek 1,2, S. 271 z.St.). - Die hier vertretene Auffassung auch bei Β. Baentsch, Exodus—Leviticus—Numeri, S. 283 (i. d. Übers.). 15 N. Lohfink, Hauptgebot, S. 5 9 - 6 3 . 16 „Elohist", S. 59, A n m . 4 . 17 Anders A. Dillmann—V. Ryssel, Exodus und Leviticus, S. 388: Die Machterweise Jahwes „geschahen zum Theil durch Mose und werden daher als etwas bezeichnet, was Gott mit Mose thut, d.h. was er ihm anthut, womit er ihn ausstattet und auszeichnet." — B. Baentsch, Exodus—Leviticus—Numeri, S. 282f.: „mit oder an Moses, indem Jahve ihn zum Werkzeuge seiner Wunderthaten macht." — Diese tastenden Formulierungen zeigen aber die Schwierigkeit eher, als daß sie sie lösen. Die instrumentale Deutung, auf die sie hinauslaufen, ist durch DS nicht gedeckt. — F.-E. Wilms, aaO, S. 149, notiert die Schwierigkeit, findet aber keine Erklärung. 18 Zu analogen Randphänomenen bei solchen Ubergängen vgl. N. Lohfink, Hauptgebot, S. 2 5 0 - 2 5 1 .
V. lOaßb—IIa: Formgeschichtliche Bezüge
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Soweit zusammengefaßt, haben wir es in v. lOaßb—IIa mit einem klar strukturierten Gefüge zu tun. Grundlegend ist der dreigliedrige Aufbau: I: rö» (v. lOaß); II: ΠΧΤ (v. 10b); III:Hütf (v. IIa). Jahwes Handeln in Zukunft (I) wird die Wahrheit des jetzt schon bekenntnishaft gültig von Jahwe selbst proklamierten Xlft ΠΊΓΓ Π&Ϊ0ΤΚ erweisen (II), von dem her „heute" der Ruf zum Gehorsam ergeht (III). Dieser Ruf steht allen Einzelweisungen voran: Nicht die Positivität des Gebotenen, sondern das Gegenüber des Gebietenden, wie er sich in der Geschichte erweist, gibt Grund zu gehorchen. b) Formgeschichte und Gehalt ba) Die Struktur in ihren formgeschichtlichen Bezügen Die analysierten Strukturen erlauben es, Ex 34,10aßb—IIa näherhin formkritisch zu untersuchen. Die erkannte Dreigliedrigkeit weist die Einheit in bereits erforschte Formzusammenhänge ein. N. Lohfink 1 hat für Dtn 1,29-31; 4 , 3 2 - 4 0 ; 7,6-11; 8 , 2 - 6 ; 9 , 4 - 7 ; 10,20-22; 11,1 (2)—7(8); 2 9 , l b - 8 nachgewiesen, daß in all diesen Texten 2 der paränetische Gedankengang durch das folgende Schema geleitet wird 3 : „I II III
Geschichtliche Tatsachen Glaubensmäßige Schlußfolgerung Anwendung auf das Handeln".
Dies „Schema der Beweisführung" (Lohfink) scheint Dtn 8,2—6; 9,4—7 in literarischer Stilisierung vorzuliegen 4 , begegnet im übrigen aber in so verschiedenen Schichten und Bereichen des Deuteronomiums, daß es nach Lohfink als eine feste, wohl schon „vorliterarische Redeform der dt Predigt" anzusprechen ist 5 .
Daß Ex 34,10aj3b—IIa in Vielem dieser Redeform entspricht, ist unübersehbar. Die Grundstruktur stimmt überein. Die Verben Π'©57 (I), ΠΙΟ (II) und IDtf (III) haben ihren festen Platz im Schema 6 . Und
1
Hauptgebot, S. 1 2 5 - 1 3 6 . Analyse aaO, S. 1 2 5 - 1 2 8 . 3 AaO, S. 125. 4 AaO, S. 1 2 5 - 1 2 6 . 1 2 8 . 5 AaO, S. 128; vgl. 131. 6 Vgl. in den von Lohfink analysierten Texten ΠΡ57 (I): Dtn 1,30b; 4,34b; 11, 3al3.4aa.5aa.6aa.7b; 29,Iba. - ΠΧΊ (II; oft schon in I): l,31aa (I); 4,35aa; 10, 21b(I); 11,2a; 11,7(1); 29,lba.2aj3.3a/3 (I). - ID® (III): 4,40aa; 7,11; 8,6; 11,1b; 11,8a; 29,8aa. 2
60
Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
wie v. 1 la in Ex 34, kann ein Promulgationssatz die Redeeinheit beschließen 7 . Mit den Übereinstimmungen zeigen sich aber zugleich die Unterschiede. Zuerst fällt auf, wie straff Ex 34,10aj3b—1 la verglichen auch mit dem kürzesten der deuteronomischen Vergleichstexte gefaßt ist. Vor diesem Hintergrund wirkt unser Abschnitt wie eine einzige nicht wahrgenommene Gelegenheit, rhetorisch ausführlich zu werden 8 . Hinzu kommt: Er ist als Jahwe-Rede formuliert und kündigt die Machttaten, die das Wesen des Jahwe-Handelns erweisen, als kommende an. Die deuteronomische Paränese dagegen argumentiert an allen entsprechenden Stellen aus der Vergangenheit, und es ist ein menschlicher Sprecher — Mose im heutigen Rahmen —, nicht Jahwe, der argumentiert 9 . Gerade in dieser Verschiedenheit vom deuteronomischen Vergleichsmaterial aber nähert sich Ex 34,10a/3b—IIa einer anderen, von W. Zimmerli erforschten Redeform, der „Erkenntnisaussage" 10 . Als Grundform dieser „Erkenntnisaussage" hat sich ergeben 11 : I II
Ansage göttlichen Handelns Erkenntnisformulierung a: Erkenntnisformulierung im engeren Sinn CD
VI'')
b: Erkenntnisinhalt
Dieser Grundform entspricht in Ex 34 nur v. lOaßb: I
II
. . . rix 1 ??! nfc»K i p s » - 1 ? ?
a: b:
. . . n s j r V s Π£ΎΙ . . . Χ Ί Π Κ Ί ί ΐ — 3 ΠΊΓΡ
Aber die Übereinstimmung in diesem Teil ist frappant. Sie erstreckt sich auf Einzelheiten: Jahwe redet 1 2 . Seiner Ankündigung künftigen 7
Dtn 4,40aa; 7,11; 11,8a (doch ist hier die Gliederung unsicher: vgl. N.
Lohfink, aaO, S. 127). 8
Vgl. selbst dort, w o die Ubereinstimmung noch am weitesten geht: v.
IIa
mit Dtn 4,40; 7,11; 11,8! * Nur in Dtn 29,1b—8 erscheint ein Element direkter Jahwe-Rede: v. 4—5. Eben darum sind diese Verse umstritten. 10
W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes. — Vgl. außerdem W. Zimmerli, Das Wort des
göttlichen Selbsterweises (Erweiswort); ders., Der Wahrheitserweis Jahwes, S. 138ff. — Zusammengefaßt: ders., Ezechiel I, S. 55*—61*. "
Vgl. W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes, S. 45ff.89 und passim. Besonders zur
konstitutiven Zuordnung der Erkenntnisformulierung zu einer Aussage
künfti-
gen Jahwe-Handelns: S. 79—88. 12
Die von Zimmerli untersuchte „Erkenntnisformel" ist „nach ihrer formalen
Struktur Bestandteil der persönlichen Rede Jahwes oder des von ihm zum Reden im göttlichen Ich Bevollmächtigten": Erkenntnis Gottes, S. 66.
V. lOa/Jb—IIa: Formgeschichtliche Bezüge
61
Handelns (I) folgt, verbunden durchs perfectum consecutivum, die Erkenntnisformulierung (II) 13 . Deren Verb (IIa: ΠΚΊ) ist synonym fürs vorherrschende BT auch sonst in den entsprechenden Texten belegt 14 . Daß das Subjekt der Erkenntnis ausdrücklich — durch QVn-173 — bezeichnet wird, ist, wenn nicht die Regel, so doch auch nicht singular 15 , und wenn der Erkenntnisinhalt (IIb) nicht durch die feste „Formel der göttlichen Selbstvorstellung" Π1ΓΓ 'S 1 6 , sondern eigenständig formuliert wird, so ist das ein Zug, der unseren Beleg gerade in die Nähe der älteren unter den vergleichbaren Wortgefügen rückt, oder — mit mehr Vorsicht — ein Zug, der unter den Vergleichstexten gerade auch den früh anzusetzenden eignet 17 . Ein wirklich entscheidender Unterschied zur „Erkenntnisaussage" ergibt sich also in Ex 34,10aßb— I I a einzig daraus, daß Glied II (v. 10b) nicht selbst das im angekündigten Jahwe-Handeln (I: v. lOa/ify) letztgültig intendierte Ziel ist, sondern seinerseits in Glied III (v. IIa) zur praktischen Konsequenz gebracht wird. Genau die Eigentümlichkeit in unserem Text, die ihn den deuteronomischen „Beweisführungen" an die Seite stellt, setzt ihn also von den „Erkenntnisaussagen", die in der Hauptmasse bei Ezechiel und Ρ begegnen 18 , hier aber bereits eine lange Geschichte hinter sich haben 1 9 , ab. Umgekehrt sind es die typischen Züge der „Erkenntnisaussage", wie sie in v. lOaßb vorliegen, die unseren Abschnitt in spezifische Distanz zum „Schema der Beweisführung" im Deuteronomium bringen. — Wie läßt sich dieser doppelte Befund verstehen? 13
W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes, S. 4 9 - 5 0 . 8 9 . Vgl. Ex 1 6 , 6 - 7 ; Ez 21,4; 39,21, und dazu W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes, S. 44.59 mit Anm. 31; ders., Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 131. — Ferner N. Lohfink, aaO, S. 130 mit Anm. 11. Vgl. bes. auch Lev 5,1 und s. S. 70ff. 15 Vgl. zu Ez 17,24; 21,4; 29,6; 36,23.36; 37,28; 39,7.23; 39,22: W. Zimmerli, Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 131. 16 Zu diesem Element, dessen Untersuchung Zimmerli zur „Erkenntnisformel" (Ila.b) und dann zum „Erweiswort" (I.II) führte, vgl. W. Zimmerli, Ich bin Jahwe; K. Elliger, Ich bin der Herr. 17 Die nicht-prophetischen Belege der „Erkenntnisaussage" liegen am dichtesten im Bereich der Mosetraditionen (Zimmerli, Erkenntnis Gottes, S. 56ff.), und hier stellt Zimmerli fest, daß die „strenge Erkenntnisformel", die den Erkenntnisinhalt stereotyp durch die „Selbstvorstellungsformel" ausdrückt, „sich vor allem im Zusammenhang der theologisch scharf durchreflektierten Priesterschrift" findet, während „die älteren Berichte häufiger eine freiere und bewegtere Formulierung des Erkenntnisinhaltes" zeigen (ebd. S. 66). 18 W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes, S. 4 2 - 5 4 . 5 7 - 6 1 . " Vgl. zu den ältesten Belegen: W. Zimmerli, aaO, S. 54—56.61—66. — Zum übrigen Material: S. 72—78. — Vgl. zusammenfassend auch W. Zimmerli, Ezechiel I, S. 66*. 14
62
Analyse von E x 3 4 , 1 0 — 2 6 : Teileinheiten
bb) Das Verhältnis zur „Erkenntnisaussage" (W. Zimmerli) Einen Verdacht legt W. Zimmerli nahe. Er hat in seiner Untersuchung der „Erkenntnisaussage" schon drei der von Lohfink fürs „Schema der Beweisführung" gebuchten Belege — Dtn 4,32—40; 7,6—9; 29,4—5 — berücksichtigt, in ihnen jedoch nur Zeugnisse „für die Nachgeschichte und die Sekundärverwendung der Formel" gesehen 1 . Dies Urteil ist vor jeder Prüfung der Einzelstellen bereits in der Erwägung angebahnt, mit der er sich dem Deuteronomium nähert: „Da die strenge Erkenntnisformel nach ihrer formalen Struktur Bestandteil der persönlichen Rede Jahwes oder des von ihm zum Reden im göttlichen Ich Bevollmächtigten ist, das Deuteronomium aber als paränetisch eingekleideter Gesetzesvortrag im Munde Moses stilisiert ist, wird man von vornherein vermuten, daß sich die strenge Erkenntnisaussage im Deuteronomium nicht finden w i r d . " 2 Von hier aus gesehen wird alles, was die deuteronomische Verwendung der „Erkenntnisaussage" von deren Vorkommen sonst unterscheidet, als Auflösungserscheinung in der Geschichte der Form beurteilt. Geschähe das zu Recht, so hätten wir damit eine recht gute Möglichkeit, E x 34,10aßb—1 l a formgeschichtlich zu orten. Der Text stünde in v.lOaßb noch näher bei der straffen Ausgangsform der „Erkenntnisaussage" als die entsprechenden Stellen des Deuteronomiums, würde aber bereits im dritten, zur Paränese wendenden Glied, v. I I a , die Entwicklung der Form zum Befund im Deuteronomium hin indizieren. E x 34, lOaßb—IIa stünde formgeschichtlich in der Mitte zwischen einer nicht mehr streng eingehaltenen Urform und einer noch nicht erreichten deuteronomischen Endform. Aber die Rechnung geht nur oberflächlich so glatt auf. Wir haben bisher rein typologische Sachverhalte erwogen. Fragen wir dahinter zurück nach dem Formgrund im gelebten Leben, dem sich die hier verglichenen Strukturen verdanken, und nach den praktischen Funktionen, denen die jeweilige Formgebung entspricht, dann zeigt sich, wie wenig gesichert die Lokalisierung von E x 3 4 , 1 0 a ß b — I I a auf der von Zimmerli entworfenen Linie formgeschichtlicher Entwicklung wäre. In welchem Bereich israelitischen Lebens und unter dem Einfluß welcher Formkräfte sollte diese Entwicklung sich vollzogen haben? Bei Zimmerli findet sich darauf keine wirkliche Antwort. Zum deuteronomischen Befund sagt er: In der „paränetischen Entfaltung der Erkenntnisaussage dürfte der Hauptbeitrag des Deuteronomiums zur Geschichte der Erkenntnisformel l i e g e n " 3 . Wenn das nicht heißen soll, daß die Erkenntnisformel hier nurmehr als literarisches Klischee aufgenommen und literarisch umstilisiert wurde, dann genügt es nicht, vom Beitrag „des Deuteronomiums" zur Geschichte der Form zu sprechen, dann ist nach dem ,Sitz im Leben' zu fragen, der die paränetisch gewandte „Erkenntnisaussage" hervorgebracht hat. Daß Zimmerli diesen Punkt nicht auch nur streift, hat seinen Grund wohl darin, daß ihm schon für die ursprüngliche „Erkenntnisaussage" kein zureichend differenzierter Ansatz im gelebten Leben Israels gelingt. Er begegnet dieser Form in den verschiedensten Bereichen 4 , legt sei-
1 2 4
Erkenntnis Gottes, S. 6 8 ; vgl. S. 6 6 - 6 9 . 3 Erkenntnis Gottes, S. 6 8 - 6 9 . Erkenntnis Gottes, S. 6 6 . Erkenntnis Gottes, S. 88—89, ist der Befund zusammengefaßt.
V. 10a/3b—IIa: Verhältnis zur „Erkenntnisaussage"
63
ne Untersuchung der Wirklichkeitszusammenhänge, in die sie hineingebunden ist, dann aber nur darauf an, den Heimatbereich zu bestimmen, von dem her ihr Vorkommen überall sonst erklärbar wird 5 : Daß sie in verschiedenen Lebensbereichen in unterschiedlicher Funktion eigenständig entwickelt und spezifisch ausgeformt worden sein könnte, wird dabei nicht mit erwogen. Der äußerste Identitätspunkt aller Erscheinungsweisen der „Erkenntnisaussage", auf den sich Zimmerli derart zurückzieht, ist der „Bereich des Zeichengeschehnisses" 6 . Dadurch charakterisiert, daß es zum Erkennen nicht anders als in Konfrontation mit einem äußeren Geschehen kommt, besitzt die Form „eine ganz ursprüngliche Hinneigung zu allen Bereichen, in denen durch zeichenhafte Geschehnisse Entscheidungen fallen, ungeklärte Situationen erhellt werden. Sofern solches im priesterlichen und prophetischen Bereich geschieht, wird sie sich in diesen Bereichen beheimaten können. Sie wird aber immer die Freiheit behalten, in anderen Bereichen, in denen ebenfalls solche Entscheidungen fallen — etwa dem forensischen Geschehen, in dem durch Beweise Entscheidungen ermöglicht werden —, ganz ebenso Heimatrecht zu bekommen" 7 . Wenn dem so ist, dann stellt sich aber gattungsgeschichtlich notwendig die Frage, ob bei der Vielfalt der Verwendungsmöglichkeiten dieser Form nicht geradezu damit gerechnet werden muß, daß sie in verschiedenen Ausprägungen begegnet, die nicht einfach linear als Sekundärerscheinungen aus einer einzigen Grundform abgeleitet werden dürfen, sondern in ihrer Verschiedenheit genau dem jeweils anderen ,Sitz' im Leben Israels entsprechen, dem sie verhaftet sind. Bei Zimmerli selbst zeigt sich die Bedeutung dieser Fragestellung im Zusammenhang einer späteren Untersuchung. In dieser Untersuchung erfaßt er die „Erkenntnisaussage" als das Grundelement einer durchaus eigenständigen, nach Form und ,Sitz im Leben' fest umrissenen Gattung, — des prophetischen „Erweisworts" 8 . Es ist dies eine begründend erweiterte Ausformung der „Erkenntnisaussage", die doch eben nicht als bloße Sekundärform aus ihr abgeleitet werden kann. Konträr: erst im Erweiswort ist für eine (die wichtigste) Gruppe von Vorkommen der „Erkenntnisaussage" gattungskritisch der spezifische Ansatz erreicht, der es ermöglicht, andere ihrer Erscheinungsweisen, die entsprechend eigenständig geprägt sind, klar davon zu unterscheiden und für sie einen gleichermaßen eng umgrenzten ,Sitz im Leben' zu erfragen. Das ist der Punkt, auf den es uns angesichts der unklaren Bezüge von v. lOa/Jb—IIa zur „Erkenntnisaussage" ankommen muß. Wollen wir diese Bezüge klären, dann können wir nicht allgemein beim „Zeichengeschehnis" ansetzen, das alle wie immer geprägten Vorkommen der „Erkenntnisaussage" deckt. Dann ist spezifisch die Gattung zu vergleichen, die die „Erkenntnisaussage" als formal fest gebundene Größe eines bestimmten Lebens- und Funktionsbereichs bezeugt: das Erweiswort.
Vergleichstext ist uns einer der Grundbelege für das Erweiswort, lKö 20,28 9. Die Gegenüberstellung veranschaulicht Übereinstimmungen und Unterschiede in den beiderseitigen Strukturen: 5
4 Erkenntnis Gottes, S. 8 8 - 1 0 7 . Erkenntnis Gottes, S. 95; vgl. 98. AaO, S. 95. 8 Das Wort des göttlichen Selbsterweises. 9 W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes, S. 54—56; Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 1 2 1 - 1 2 4 . 7
64
Analyse von E x 3 4 , 1 0 — 2 6 : Teileinheiten
1 Kö
Ex
20,28
Begründung v. 28aj3 ... οίν n a «
0
ntfx
Handeln Jahwes v. 2 8 b a
I
Ϊ | Τ 3 . . . P A N N - V S M « ••ΒΓΙΪΊ
Erkenntnis
34,10aßb—lla
v. 28bß a: πηντι
Handeln Jahwes
v. lOaß
... rixVpi nferx TJBV-VS l y
II
b : ΠΊΠ? "•a«-'·?
Erkenntnis a:
v. 10b . . . DSn-^D Π«Ί·1
b: ...Wh inia-··? nin1? nto»B-nN III
Imperativ
v. I I a
Der Vergleich zeigt die grundverschiedene Funktion der in beiden Texten streng analog durchs angekündigte Eingreifen Jahwes gewirkten Erkenntnis (I + II). Im Erweiswort ist sie das Ziel des angesagten Geschehens; das Erkenntniselement steht am Ende und ist in dieser Endstellung unüberbietbar Abschluß 10 . Dies umso deutlicher, als allein die Ausrichtung auf dieses Ziel das normal zweigliedrige prophetische Ankündigungswort (0 + I) 1 1 gattungskonstitutiv verwandelt 12 : Das angesagte Eingreifen Jahwes ist als begründet angekündigtes Geschehen in seiner Bedeutung an sich klar umrissen. Eben in dieser Eindeutigkeit aber wird es zum ,Zeichengeschehen', das kein Deuten mehr zuläßt, sondern entscheidet. Und diese Entscheidung fällt als Erkenntnis 13 . Ganz anders ist der Bogen in Ex 34,10aj3b— I I a gespannt. Die Mittelstellung des Erkenntniselements (II) ist entscheidend: Das verheißene Zukunftsgeschehen (I) kommt im ,Sehen' des Volkes nicht zum Ziel, sondern das .Sehen' deckt auf, was das Zukunftsgeschehen für das Verhalten (III) bedeutet. Im Erweiswort entscheidet sich alles mit der zeichengewirkten Erkenntnis; Ex 34,10aßb—IIa zielt auf Entscheidung aufgrund von Erkenntnis.
10 Im Hinblick auf diese Verwendung der „Erkenntnisaussage" hat Zimmerli zweifellos recht, wenn er annimmt, daß dort mit sekundärer Zersetzung der Ausgangsform gerechnet werden muß, wo die Endstellung der Erkenntnisformulierung im Wortgefüge aufgegeben ist (Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 1 3 2 ; Erkenntnis Gottes, S. 4 6 ) . 11 Vgl. grundlegend H. W. Wolff, Begründungen; hier speziell zum häufigsten Typ „b—a" (= vorangestellte Begründung): S. 10—16. C. Westermann, Grundformen, S. 9 3 f f . l 2 0 f f . 12 Vgl. W. Zimmerli, Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 1 2 4 ; ders., Ezechiel I, S. 6 6 * . Gegen (E. Sellin-) G. Fohrer, Einleitung, S. 4 4 9 . 13 Vgl. dazu W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes, S. 78ff., bes. S. 9 5 - 9 8 .
V. 10a/3b—IIa: Verhältnis zur „Erkenntnisaussage"
65
D e r U n t e r s c h i e d w i r d k o n k r e t e r erfaßbar, w e n n m a n b e i d e T e x t e in der in i h n e n j e w e i l s v o r a u s g e s e t z t e n Situation
a u f s u c h t u n d die erkann-
t e n S t r u k t u r u n t e r s c h i e d e auf d i e s e E b e n e reflektiert. Das Erweiswort zunächst: W. Zimmerli erkennt als seinen ursprünglichen ,Sitz im Leben' die dem Kampf vorausgehende Siegeszusage im Fremdvölkerwort des Heiligen Kriegs 14 . Es ist in geschichtliche Entscheidungssituation hineingesprochenes Prophetenwort. Ausschlaggebend ist dabei die Funktion des Erkenntniselements: Der Erkenntnisinhalt wird gattungstypisch durch die „Formel der gottlichen Selbstvorstellung" 1 5 bezeichnet 1 6 . Diese von Haus aus eigenständige Formel entstammt dem gottesdienstlichen Leben Israels, näher der Theophaniefeier, die in der Selbstkundgabe Jahwes, in Proklamation und Prädikation seines Namens die geschichtliche Zuwendung Gottes zu seinem Volk laut werden ließ 1 7 . Die Aufnahme dieser Formel ins Erweiswort, das ganz woanders: im geschichtlichen Geschehen .draußen' gesprochen wird, zeigt dies Prophetenwort „als ein jenem primären Geschehen der göttlichen Selbstproklamation (sekundär) zugeordnetes Wort" 1 8 . In ihm „wird uns eine Prophetie greifbar, die auf den zentralen gottesdienstlichen Vorgang der Selbstvorstellung Jahwes ausgerichtet ist und das eigene prophetische Wort als Ankündigung des geschichtlichen Beweises für die Wahrheit des in jener gottesdienstlichen Mitte lebenden Anspruches versteht" 1 9 . Das ist das für u n s E n t s c h e i d e n d e : D a s E r w e i s w o r t ergeht in einer Sit u a t i o n , in der J a h w e s E i n g r e i f e n j e t z t d i e Wahrheit des z u v o r proklam i e r t e n Π1ΓΡ zur E r k e n n t n i s bringt, — u n d in dieser E r k e n n t n i s k o m m t J a h w e s die S t u n d e e n t s c h e i d e n d e s H a n d e l n g e g e n w ä r t i g z u m Ziel. E x 3 4 , 1 0 a ß b — I I a , d a g e g e n g e s e t z t , spricht aus g e n a u der S i t u a t i o n , auf die das E r w e i s w o r t z u r ü c k l e n k t . Z u m i n d e s t n a c h ihrer h e u t i g e n S t e l l u n g g e h ö r e n die V e r s e in e i n e n K o n t e x t , der in seiner G e s a m t a n l a g e ( T h e o p h a n i e , v. 5 — 7 / G e b o t s v e r k ü n d i g u n g , v. I I b f f . ) u n d in z a h l r e i c h e n Einz e l z ü g e n e b e n das g o t t e s d i e n s t l i c h e G e s c h e h e n reflektiert, d e m die S e l b s t v o r s t e l l u n g s f o r m e l e n t s t a m m t 2 0 . U n d näher n o c h : N a c h Ex 2 0 , 2 ; D t n 5 , 6 ; Ps 5 0 , 7 ; 8 1 , 1 1 ; vgl. L e v 1 8 , 6 ; 1 9 , 4 f f . s c h e i n t die (heilsges c h i c h t l i c h e x p l i z i e r t e ) S e l b s t v o r s t e l l u n g s f o r m e l die g o t t e s d i e n s t l i c h e 14
So v.a. wegen 1 Kö 20,13.28: Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 1 2 1 - 1 2 2 ; Ezechiel I, S. 66*. 15 Vgl. S. 61, Anm. 16. " Vgl. W.Zimmerli, Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 124ff.l31—132. 17 Vgl. W. Zimmerli, Ich bin Jahwe, bes. S. 1 7 - 2 4 . 3 4 - 4 0 ; ders., Erkenntnis Gottes, S. lOOff.; ders., Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 1 2 5 - 1 2 6 . - Umfassend: W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 1 5 6 - 1 5 9 . 1 6 3 . 1 8 4 . - S. auch Anm. 21. 18 W. Zimmerli, Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 125. " Ebd., S. 127. 20 Vgl. die Analyse W. Beyerlins, Sinaitraditionen, S. 1 5 3 - 1 6 4 ; vgl. S. 90ff. - Näherhin s. S. 319ff.325ff. 5 Halbe, Privilegrecht
66
Analyse von Ex 3 4 , 1 0 - 2 6 : Teileinheiten
Proklamation des Jahwewillens eröffnet zu haben 21 . Genau an entsprechender Stelle stehen unsere Verse im heutigen Zusammenhang von Ex 34. Zieht man das in Betracht, dann erklärt sich, daß hier die „Erkenntnisaussage" funktional und in der Textstruktur anders begegnet als im Erweiswortgefüge. Dort ist entscheidend, daß Jahwes Eingreifen geschichtlich beglaubigt, was als Anspruch zuvor und andernorts in seiner Selbstvorstellung laut geworden ist. Hier ist Jahwes Selbstvorstellung selber Gegenwart: Ein Handeln wird angekündigt — und übrigens so angekündigt, daß jeder spezielle Bezug auf eine konkrete geschichtliche Situation, wie notwendig, fehlt 2 2 —, das als Handeln in Zukunft (I) die Wahrheit des jetzt proklamierten Sin ΙΠύ"·3 Π1Π? vor Augen führen (II) und so beweisen wird, was gegenwärtig als gültig gesetzt den Ruf zum Gehorsam (III) begründet. Der Vergleich mit dem prophetischen Erweiswort macht also deutlich: Auseinander ableitbare Tatbestände sind nicht zu erkennen. In Ex 34, lOaßb—IIa steht das einer Ankündigung göttlichen Handelns zugeordnete Erkenntniselement dem folgenden Imperativ, der die Gebotsververkündigung eröffnet, ebenso situationsangemessen voran, wie im Erweiswort am Ende. Die hier und dort andere Wortstruktur, in die integriert die „Erkenntnisaussage" begegnet, entspricht vollkommen organisch der hier und dort andern Funktion der „Erkenntnisaussage" im Horizont der hier und dort andern, doch aufschlußreich korrespondierenden Redesituation. Die Untersuchung der Korrespondenzen zwischen Ex 34,10aßb—IIa und der von W. Zimmerli erforschten „Erkenntnisaussage" legt danach 21
W. Zimmerli, Ich bin Jahwe, S. 3 5 - 4 0 ; Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 1 2 5 - 1 2 6 (hier auch zu K. Elliger, Ich bin der Herr - euer Gott, aaO.); K. Koch, Formgeschichte (2. Α.), S. 12.38—40. — Koch rechnet nach wie vor damit, daß die Formel „zur Gattung" apodiktischer Satzreihen gehört (aaO, S. 12). Das ist seit E. Gerstenberger, Wesen und Herkunft, bes. S. 5 7 - 5 9 . 9 0 f f . ; G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, W. Richter, Recht und Ethos, spez. S. 129—130, und im Hinblick auf die Folgediskussion (vgl. [J. J. Stamm—] Μ. E. Andrew, The Ten Commandments, S. 4 4 - 7 5 , bes. S. 78; E. Zenger, Wende) so wohl kaum noch beizubehalten. Davon würden unsere hiesigen Erwägungen jedoch nur dann berührt, wenn nicht nur die Herkunft der Satzreihen aus dem ,Kult', sondern darüber hinaus auch ihre gottesdienstliche Verwendung im Rahmen vom Zentrum der Theophanie her geschehender Verkündigung des Gotteswillens bestritten würde. Das ist m.W. nicht der Fall (gegen G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht, S. 66, Anm. 56, vgl. G. Fohrer, Geschichte der israelitischen Religion, S. 188, Anm. 30). S. auch J. Jeremias, Kultprophetie, S. 1 2 5 - 1 2 7 . 12 S.S. 89f. zu n x V s i ! Vgl. andererseits zu den konkreten Ankündigungen im Erweiswort: W. Zimmerli, Das Wort des göttlichen Selbsterweises, S. 1 2 1 - 1 2 2 . 1 3 0 - 1 3 1 .
V. lOaßb—IIa: Verhältnis zum „Schema der Beweisführung"
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den Schluß nahe, daß die dreigliedrige Form der Rede in v. lOaßb— I I a dem kultischen ,Sitz im Leben' entstammt, den der heutige Kontext signalisiert. Aber es stellt sich die Gegenfrage im Blick aufs deuteronomische „Schema der Beweisführung": Erklärt derselbe gottesdienstliche Ansatz der Verse im Geschehenszusammenhang von Theophanje und Gebotsverkündigung auch ihre Beziehungen zu dieser Redeform der „levitischen Predigtpraxis" 23 ? Das Recht dieses Ansatzes wäre dann auch von hier aus erwiesen. bc) Ansatz und Zuordnung zum „Schema der Beweisführung" (N. Lohfink) Nun ist zunächst einmal sicher, Ex 34,10aßb— I I a ist nicht einfach literarisch den deuteronomischen „Beweisführungen" nachgebildet worden. Alle wesentlichen Divergenzen — die vergleichsweise straffe Wortgestalt, der Hinweis aufs göttliche Handeln als Ankündigung statt als Erinnerung 1 , die Form der Jahwerede 2 — sprechen gegen diese Annahme. Und zwar müßte nicht nur erklärt werden, warum ein imitierender Redaktor derart eigene Wege ging. Entscheidender ist, daß diese Divergenzen und mit ihnen dann auch die wirklichen Übereinstimmungen zwischen Ex 34,10aßb— I I a und den „Beweisführungen" ohne weiteres verständlich werden, wenn man v. lOaßb—IIa im anvisierten gottesdienstlichen Zusammenhang beheimatet sieht: Gerade die Ankündigung künftiger Gottestaten v. lOaßb entspricht als solche der Redesituation 3 , desgleichen die Form der Jahwerede. Die ursprunghaft feste Bindung an den ,Sitz im Leben' erlaubt noch kein Spiel mit der Form, das sie zu Reife und Reichtum der „Beweisführungen" in der deuteronomischen Rhetorik entwickelt 4 . Und was andererseits die gemeinsame Grundstruktur mit eben diesen „Beweisführungen" angeht, so ist es ja nicht eine hier und ad hoc nahegelegte Vermutung, sondern eine vom Deuteronomium selbst geforderte 5 und
" N. Lohfink, Hauptgebot, S. 131; vgl. o. S. 59. 'Wo das Schema im Dtn schon literarisch vorliegt (8,2—6; 9,4—7), wird durch das Formalwort "IDT betont gerade die Vergangenheit zum Argument: N. Lohfink, aaO, S. 125-126.128; vgl. S. 135. 2 Vgl. zu diesen Divergenzen S. 60. 3 Vgl. S. 66 bei Anm. 22 in Korrelation zum „Erweiswort"! 4 Vgl. dazu auch die Sprachuntersuchung u. I Β lc. 5 Vgl. namentlich G. v. Rad, Deuteronomium-Studien, S. 8.10.22ff.; N. Lohfink, Hauptgebot, passim; R. P. Merendino, Das deuteronomische Gesetz, passim. — S. Loersch, Deuteronomium, Kapp. IV u. V.
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
an vordeuteronomischen Texten ,deuteronomischer' Stilgebung verschiedentlich verifizierte 6 Annahme, daß die ausgebildete Rhetorik, die das Deuteronomium entfaltet, tief im gottesdienstlichen Leben Israels wurzelt 7 . Eben hier aber ist gerade auch das „Schema der Beweisführung" als vorliterarische Redeform beheimatet 8 . Liegt dasselbe für Ex 34,10aj3b—1 la nahe, dann wird sich aus diesem gemeinsamen Herkunftsbereich auch die zunächst rein formal erkennbare Verwandtschaft erklären. Dabei unterscheiden sich die deuteronomischen Belege von Ex 34,10a/3b—IIa so, daß sie als formgeschichtlich jüngere Erscheinung der paränetischen Grundform gelten müssen, wie sie im Eingang der Bundesworte bewahrt ist. Denn alle diese Belege sind nicht nur viel reicher entwickelt, sondern die gelöstere Form entspricht der Lösung aus dem speziellen liturgischen Rahmen, den Ex 34 anzeigt und in v. lOaßb—IIa fordert: Die Bindung an Jahwes Kommen zur Kundgabe seines Willens ist aufgegeben. Die „levitische Predigt" hat sich der Form bemächtigt, sie freier, ausgelegter, aber gleichbleibend im Dienst kultischer Gebotsparänese weiter gepflegt. Das erklärt beides: Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Verhältnis von Ex 34,10a/3b—IIa zu den „Beweisführungen". Diese Sicht der Dinge ist nun dadurch noch zu untermauern, daß sich die dreigliedrige Redeform in Ex 34,10aßb—IIa ohne Vermittlung der deuteronomischen „Beweisführungen" einfach aus der liturgischen Redesituation heraus erklären läßt, in der sie anzusetzen ist. Damit kommen wir zum eigentlichen Wesen dieser Form. bd) Formmerkmale forensicher Rede im Dienst der Paränese Im deuteronomischen „Schema der Beweisführung" hat N. Lohfink Ursprungsbeziehungen einerseits zum Bundesformular 1 , andererseits zum Formengut „der vorgerichtlichen und gerichtlichen Rechtsredepraxis" 2 erkannt, wobei Glied I im Vortrag der Beweismaterie, Glied II in einer schlußfolgernden Zusammenfassung des Beweisvortrags, Glied III im so vorbereiteten „Schlichtungsvorschlag" 3 seine Entsprechung findet 4 . 6
Vgl. dazu S. 48f. und die dort gen. Literatur! Vgl. zusammenfassend C. H. W. Brekelmans, Die sogenannten deuteronomischen Elemente; ders., Elements deuteronomiques. 8 1 S. S. 59. AaO, S. 125.127f.131; s. dazu aber S. 8 7 - 8 8 . 2 AaO, S. 131, Vgl. S. 1 2 9 - 1 3 6 . 3 So im Anschluß an H. J. Boecker, Redeformen des Rechtslebens, S. 117— 121, N. Lohfink, aaO, S. 130. - Vgl. bes. anschaulich 1 Sam 24,22 im Redegang v. 1 7 - 2 3 und dazu N. Lohfink, aaO, S. 134. 4 Vgl. bes. aaO, S. 1 3 0 . 1 3 2 - 1 3 6 . 7
V. lOaßb—IIa: Formmerkmale forensischer Rede
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Für das Verständnis von Ex 34,1 Oaßb— I I a ist vor allem der Hinweis auf den Hintergrund forensischer Redetechnik entscheidend. Zugleich auch mit Beziehungen zum Bundesformular zu rechnen, ist uns zunächst noch nicht möglich. Sachlich nicht, weil gerade die Eigentümlichkeit unseres Abschnitts, die ihn von der deuteronomischen „Beweisführung" absetzt — das Argumentieren nicht aus der Vergangenheit, sondern mit verheißener Zukunft —, ihn ebenfalls charakteristisch von der .Vorgeschichte' im Bundesformular unterscheidet. Methodisch nicht, weil es darauf ankommt, die Analyse freizuhalten von Prämissen, die selbst so umstritten sind, daß sie ihrerseits erst auf der Basis einer umfassenden Klärung des Textes neu bedacht werden müssen. Der Textabschnitt, der uns bisher beschäftigt, erlaubt in dieser Hinsicht noch keine Schlüsse. Dagegen zeichnen sich deutlich forensische Einflüsse ab.
Um sie herauszuarbeiten, ziehen wir — über Lohfink hinaus, dessen Argumentation im Entscheidenden grundlegend bleibt — eine Reihe von Texten zum Vergleich heran, die bei aller Unterschiedlichkeit im übrigen übereinstimmend zeigen, daß die Logik rechtlichen Redens immer wieder dahin tendiert, unserem Abschnitt entsprechende dreigliedrige Wortgefüge zu bilden, in denen ein konkretes Verhalten als Rechtskonsequenz (III) begründet wird in der persönlichen Kenntnis des unter dem Stichwort ΠΧΊ zusammengefaßten (II), vorher beschriebenen Tatbestands (I). Diese Tendenz ist auch dort zu erkennen, wo der Tatbestand von vornherein unter dem Aspekt der Augenzeugenschaft dessen geschildert wird, der aufgrund seiner Tatbestandskenntnis entsprechende praktische Konsequenzen zieht oder ziehen soll: In diesem Fall sind Glied I und II nicht formal deutlich voneinander abgesetzt, aber die Logik, die die klar ausgeprägt dreigliedrige Wortstruktur schafft, liegt auch hier erkennbar zugrunde. Wir nehmen entsprechende Beispiele auf. Wichtig für die Auswahl der Vergleichstexte ist schließlich noch dies: Sie müssen mit Ex 34,10aßb—1 la darin übereinstimmen, daß das Subjekt in Glied III identisch ist mit dem Subjekt des Erkenntniselements, dem Augenzeugen in Glied II; nur wo das der Fall ist, erscheint die ,Anwendung aufs Handeln' (III) tatsächlich stringent als Konsequenz aus der persönlichen Tatbestandskenntnis (II). Dagegen ist für die Grundstruktur nicht konstitutiv, daß Glied III als Imperativ dasteht. Diese Formulierung kann nur dort begegnen, wo eine Partei (aufgrund vorgelegter Beweise) die andere bzw. das Gericht zu entsprechenden Folgemaßnahmen auffordert 5 . Auf solche Belege hat Lohfink sich konzentriert 6 . Die folgenden Texte zeigen, daß es sich dabei um nur eine unter 5 Vgl. zu derlei Imperativen H. J. Boecker, Redeformen des Rechtslebens, S. 67. 72 (Appelation; Urteilsvorschlag); 117—121 (Schlichtungsvorschlag). ' AaO, S. 132ff.
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
verschiedenen anderen Erscheinungsweisen der grundlegend gleichen forensischen Wortstruktur handelt. 2 Kö 9,25— 26 7 berichtet von der Vollstreckung des v. 26a zitierten Prophetenspruchs. Das Wortgefüge v. 26a enthält nur Glied II und III, ist aber ein guter Ausgangspunkt für das Verständnis der vollen dreigliedrigen Struktur: II III
Wahrhaftig, das Blut Nabots und das Blut seiner Söhne habe ich gestern gesehen ("ΊνϊΠ), spricht Jahwe; so will ich dir vergelten auf diesem Feld(anteil), spricht Jahwe!
Evident ist der forensische Charakter des Prophetenspruchs. Die Gattung, ein klar gefugtes „Gerichtswort an Einzelne" 8 , signalisiert die „Nähe zum ordentlichen Gerichtsverfahren" 9 . Die Formulierung des ersten Teils ist eigentümlich. Der Tatbestand wird vom Ankläger nicht in einfacher Aussageform noch in Form einer beschuldigenden Frage vorgetragen10. Es geht nicht um das geschehene Verbrechen als solches, sondern um die Rechtsgültigkeit seiner Feststellung 1 1 . Dem dient die Form des Schwursatzes wie das Stichwort ΠΝ1: Der Ankläger schwört als Zeuge der Tat. Die Anklage wird damit rechtsgültig Urteil, der Ankläger als Augenzeuge Richter 1 2 . Eine weitere Eigentümlichkeit liegt darin, daß beide Spruchteile Jahwe-Wort sind. Normalerweise ist die „Anklage" als Wort des Propheten klar von der durch die Botenformel als Gottesrede bezeichneten „Ankündigung" unterschieden 13 . Daß I Element der alten Geschichtserzählung vom Sturz der Dynastie Omris durch Jehu 2 Kö 9 , 1 - 1 0 , 2 7 (M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, S. 84). Die Darstellung stammt „allem Anschein nach aus unmittelbarer zeitlicher Nähe der Ereignisse" (A. Alt, Der Stadtstaat Samaria, S. 283. Vgl. H. Gunkel, Elias, S. 33; H. Greßmann, Die älteste Geschichtsschreibung und Prophetie Israels, S. 272). Insbesondere 9,25—26 trägt, verglichen mit 1 Kö 21 (bes. v. 19), authentische Züge: „in unserer Stelle hat sich die Weissagung und ebenso der Bericht über ihre Erfüllung in der einfachsten Form der Uberlieferung . . . erhalten, aus welcher sich alle weiteren Ausführungen entwickelt haben" (J. Benzinger, Könige, S. 151). Vgl. bes. G. Fohrer, Elia, S. 2 7 . 6 2 - 6 4 (2. Α.: S. 2 9 . 6 9 - 7 1 ) . 8 C. Westermann, Grundformen, S. 92—115, bes. S. 92—98 (Westermann hat diesen Beleg übersehen). 9 C. Westermann, aaO, S. 97; vgl. S. 9 5 - 9 8 . - Vgl. zum Problem ebd. S. 54ff. 62—63 u. passim; Ε. v. Waldow, Gerichtsreden, S. 4—12; H. J . Boecker, Redeformen des Rechtslebens, S. 79—111 u. passim, bes. S. 91—94. 10 So normalerweise: C. Westermann, aaO, S. 9 4 - 9 5 . 1 0 2 - 1 0 6 ; . vgl. H. J . Boecker, Redeformen des Rechtslebens, S. 26—31.7Iff. I I Vgl. entsprechend im profanen Prozeß Jer 26,1 lbß^ und dazu H. J . Boecker, aaO, S. 72: „Der Kläger nennt . . . nach Möglichkeit nicht nur das Faktum des Vergehens. Er bemüht sich, für die Richtigkeit seiner Aussage Beweise oder Zeugen anzuführen, um so seiner Anklage größeres Gewicht zu verleihen." 12 Vgl. zur Möglichkeit derartiger Rollenwechsel im israelitischen Rechtsverfahren: H.J.Boecker, aaO, S . 8 0 - 8 1 . 8 7 - 8 9 , und die ebd. S. 81, Anm. 1 gen. Literatur! 13 C. Westermann, aaO, S. 94 (Ziffer 2). — Vgl. dazu auch die Erwägungen von H. J . Boecker, aaO, S. 1 5 7 - 1 5 9 .
V. 10aj3b—IIa: Formmerkmale forensischer Rede
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diese Differenzierung hier fehlt, ergibt sich mit den Veränderungen im ersten Teil und unterstreicht die Strenge juridischen Denkens, die hier ins Wort gefaßt ist: Jahwes vergeltendes Eingreifen ist Folge (nicht einer in der Anklageerhebung behaupteten, sondern) der von Jahwe selber bezeugten, damit rechtsgültig konstatierten Tat. Mit einer Distinktion, die diese reflektierte Formulierung abverlangt: Jahwes Vergelten ist — zurückbezogen auf Jahwes .Sehen* — stringent als Urteilsfolge, nicht einfach als Tatfolge angesagt. Diese Unterscheidung setzt 2 Kö 9,26a nicht in der Sache von anderen Gerichtsworten ab. De facto stellt auch die Anklage, die der Prophet ohne ausdrücklichen Hinweis auf Zeugen erhebt, den Tatbestand, der Jahwes Eingreifen zur Folge hat, vollgültig fest 1 4 . Aber diese Seite der Sache ist hier explizit gemacht, und darauf kommt es uns an. Der Rechtssinn wird deutlich, der die Entscheidung zu einem konkreten Handeln (III) begründet sein läßt im .Sehen' des Tatbestands (II), der, vor Augen, zum Handeln veranlaßt. Und insofern der Hinweis aufs .Sehen' nur formell explizit macht, was auch die einfache Tatbestandsdarstellung will — den gegebenen Grund des Eingreifens als gültigen Rechtsgrund erweisen —, kann nicht verwundern, daß diese formelle Explikation auch neben einer ausgeführteren Tatbestandsschilderung steht: Das volle dreigliedrige Gefüge tritt auf. Wir finden es — mit einer Besonderheit — in einem anderen „Gerichtswort an Einzelne": Jer 29,21—23 ls. Die Ankündigung des Gerichts steht hier, als Botenspruch formuliert, voran (v. 21—22). Den Grund für das Eingreifen Jahwes nennt die Anklage v. 23 1 6 . Diese Anklage — nicht als Prophetenwort vom Jahwe-Wort v. 21—22 abgesetzt 17 ! — hat zwei Glieder. V. 23a legt konkret die Vergehen dar, deren die Beklagten sich schuldig gemacht haben. Diese Tatbestandsdarstellung schließt v. 23b mit der Feststellung ab: „Ich aber bin, der es weiß 1 8 ( S T ) , und bin Zeuge ("TV)." Das angekündigte Strafhandeln Jahwes wird also auf einen Rechtsgrund bezogen, der so formuliert ist, daß die Tatbestandskenntnis Jahwes als Zeugen sein entsprechendes Handeln bewirkt. Neu gegenüber 2 Kö 9,26a ist, daß der den Tatbestand rechtsgültig fixierende Zeugenhinweis (v. 23b) abgesetzt neben die Tatbestandsdarstellung (v. 23a) tritt. Wir erhalten damit die Gliedfolge III—I—II: Jahwe handelt in Konsequenz der Vorgänge, deren Zeuge er ist. — Die Besonderheit dieser Stelle liegt nicht so sehr in der Gliedfolge; hier ist mit schematischer Stabilität von vornherein nicht zu rechnen 1 9 . Sie liegt vielmehr darin, daß die Selbstbenennung Jahwes als Zeugen keine eigene, den Kern der Sache bezeichnende Zusammenfassung der vorangehenden Tatbestandsdarstellung enthält. 14
Vgl. H. J . Boecker, aaO, S. 151 — 159. Entsprechend sind aufs Ganze gesehen „die Bezeichnungen ,Tatfolgebestimmung' und ,Urteilsfolgebestimmung' weitgehend austauschbar" (ebd. S. 150, Anm. 2). 15 Vgl. zur Abgrenzung: W. Rudolph, Jeremia, S. 169; A. Weiser, Jeremia, S. 256. Zur Gattung und Struktur: C. Westermann, Grundformen, S. 98ff. 16 Zur nachgestellten Begründung vgl. H. W. Wolff, Begründungen, S. 9—10.17 17 bis 18. V. 23a0yb spricht eindeutig Jahwe! " So mit dem Qere des MT; vgl. BH z.St.! " Vgl. H. W. Wolff, Begründungen. — Vgl. auch die relativ bewegliche Gliedkonstellation in den von N. Lohfink, Hauptgebot, S. 125—136, besprochenen Texten.
Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
72
Zwei Texte, die — bei Normalanordnung der Glieder — auch in diesem Punkt genau die gesuchte Struktur aufweisen, sind Dtn 9,12—17 und Ex 32,7—10. — Wir beginnen mit Dtn 9. N. Lohfink 2 0 hat die letzte eingehende Analyse des komplizierten Zusammenhangs Dtn 9,8—10,11 vorgelegt 21 . Er ermittelt eine unter rechtlich-theologischem Gesichtspunkt fünffach gegliederte Grunddarstellung ( 9 , 9 - 1 9 . 2 1 . 2 5 - 2 9 ; 1 0 , Ι δ. 10—11), die den Erzählungsstoff von Bundesschluß, Bundesbruch und Bundeserneuerung am Sinai in eine durchgestaltete Einheit faßt 2 2 . V. 11—17 geht es — in dieser Grunddarstellung — um den Bundesbruch. Er erscheint „als rechtsrelevanter Vorgang" 2 3 . V. 11 signalisiert einen neuen Darstellungsabschnitt 24 und fixiert den Ausgangspunkt: der Bund ist mit Ubergabe der Urkunde (vgl. v. 9—10) rechtsgültig in Kraft, v. l i b . V. 18 setzt den nächsten Hauptabschnitt ab 2 5 . Das Stück dazwischen ist klar in zwei entsprechende Teile gegliedert 26 . V. 15 ist Achse: Er vollzieht den Szenenwechsel, der es ermöglicht, Mose als Augenzeugen der Vorgänge gegen Israel auftreten zu lassen (v. 16—17), die Jahwe vorher (12—14) seinerseits konstatiert hatte, v. 15a; zugleich nimmt er mit dem Hinweis auf die „Tafeln des Bundes" (v. 15b) den Ausgangspunkt auf (v. I I b ) , der dem gesamten, in der Vernichtung der Tafeln (v. 17) gipfelnden Vorgang 27 seinerseits rechtlichtheologische Bedeutung gibt. V. 12—14 und v. 16—17 stehen sich so einander zugeordnet gegenüber. Es ist die innere Struktur beider Stücke, die uns angeht: V. 12—14: Dem Befehl Jahwes an Mose, vom Berg zu steigen (12aa) folgt die dreigliedrige Jahwe-Rede: I
Tatbestandsdarstellung
(v. 12aj3b): „Vergangen hat sich dein Volk . . . ; rasch sind sie abgewichen . . . , haben sich ein Gußbild gemacht."
II
Tatbestandsfeststellung
(v. 13): „Gesehen f i y i n ) habe ich dies Volk: Siehe, ein halsstarriges Volk ist es."
Rechtsfolge
(v. 14): „Laß mich, ich will sie vernichten . . . , will aber dich zu einem Volk machen stärker und zahlreicher als sie."
III
Glied II faßt unter dem Stichwort ΠΚ1 die Darstellung I zusammen und bringt — in einer Urteilsformulierung 28 — heraus, was das Handeln des Volkes im Kern Hauptgebot, S. 2 0 7 - 2 1 8 . Auf die verwickelten Entstehungstheorien über diesen Text einzugehen, ist hier unmöglich; vgl. Lohfink, aaO, S. 2 0 7 - 2 0 9 . 22 Vgl. insbesondere aaO, S.215—216. Vgl. auch zusammenfassend aaO, S. 290. 23 Lohfink, aaO, S. 215. 24 Vgl. zur gliedernden Funktion des Ausdrucks v. I I a in Dtn 9—10: N. Lohfink, aaO, S. 2 1 4 - 2 1 5 . 25 Vgl. v. 18aa und dazu aaO, S. 215.216. 26 Lohfink, aaO, S. 215, disponiert anders: v. 1 2 / 1 3 - 1 4 / 1 5 - 1 7 . 27 Zur Bedeutung von v. 17 — Annullierung des Bundes —: K. Baltzer, Bundesformular, S. 50; M. Noth, Exodus, S. 205; G. v. Rad, Deuteronomium, S. 55; N. Lohfink, aaO, S. 215. 28 Vgl. zu v. 13b/3 die bei H. J . Boecker, Redeformen des Rechtslebens, S. 123— 143, besprochenen Formen. 20 21
V. lOaßb—IIa: Formmerkmale forensischer Rede
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dokumentiert. Eben so aber ist es Entscheidungsgrund für Jahwe, entsprechend zu handeln (III). V. 15 vermittelt. Es folgt im Selbstbericht Moses, der vom Berg gestiegen ist, v. 1 6 - 1 7 : II
Tatbestandsfeststellung
(v. 16aa): „Und ich sah (ΝΊΧ1): Siehe, ihr hattet gesündigt gegen Jahwe, euern Gott."
I
Tatbestandsdarstellung
(v. löaßyb): „Ihr hattet euch einen gegossenen Jungstier gemacht, wart rasch abgewichen . . . "
Rechtsfolge
(v. 17): „Da ergriff ich die beiden Tafeln . . . und zerschmetterte sie vor euern Augen."
III
Glied I und II sind umgestellt. Davon unabhängig zeigt gerade die Korrespondenz mit v. 12—14 die innere Logik des Gefüges. Die Tatbestandsfeststellung (II), wieder unter dem Stichwort HUT, faßt — wieder eingeleitet durch Π3Π (v. 13b/3.16aa) — das äußere Geschehen (I) in einen, das Wesen der Sache aufdeckenden Ausdruck 2 9 und begründet so die Rechtsfolgehandlung v. 17 (III). Der Bundesmittler bezeugt Wort für Wort die Tatbestandsdarstellung Jahwes 3 0 und handelt entsprechend. Ex 32 enthält in v. 7—10 ein Dtn 9,12—14 genau parallel gestaltetes Stück: Die Vergehen des Volkes (I: v. 7—8) sind ausführlicher dargestellt als in Dtn 9,12aj3b; die zusammenfassende Tatbestandsfeststellung (II: ΠΧΊ) lautet — abgesehen von der Einleitungsformel — in Ex 32,9 und Dtn 9,13 vollkommen gleich; die Rechtsfolge (III) formuliert Ex 32,10 inhaltlich entsprechend, doch im Ausdruck eigenständig gegenüber Dtn 9,14. — Der Folgetext (v. 11—14) entspricht nicht der Fortsetzung in Dtn 9,15—17. Statt dessen schließt sich unmittelbar Moses Fürbitte an (vgl. Dtn 9 , 2 5 - 2 9 ) . Ein weiter in Einzelheiten gehender Vergleich ist hier nicht zu führen. Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen Ex 32,7—10 und Dtn 9,12—14 signalisieren relativ eigenständige Ausprägungen der gleichen Tradition. Dabei zeigt die unterschiedliche Fortsetzung, die die-vergleichbaren Stücke gefunden haben, daß sie in ihrer dreigliedrigen Struktur als gerundete Einheiten empfunden und überliefert worden sind. Der nächste Beispieltext, Gn 31,41—42 E 3 1 , weist uns in einen Zusammenhang (Gn 31,25ff.), der alle Züge lebendiger vorgerichtlicher und gerichtlicher Rechts29 D r x y n v. 16aa; in Moses Fürbitte v. 27 steht dies Stichwort neben '©p, Stichwort der Tatbestandsfeststellung v. 13bß: s.v. 27b! 30 Vgl. bes. v. 16a0Tb mit v. 12b! 31 Daß diese Verse Ε-Anteil sind, ist praktisch communis opinio (vgl. J . Wellhausen, Composition, S. 42/43; H. Holzinger, Genesis, S. XXVI. 204f.; O. Procksch, Elohimquelle, S. 3 0 - 3 1 ; O. Eissfeldt, Hexateuch-Syijopse, S. 6 3 * , vgl. S. 1 5 - 1 6 ; M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, S. 38). Vereinzelt nimmt man v. 42a aus (Procksch, Eissfeldt, aaO: J ) , doch mag das hier dahinstehen. Schwerer wiegt eine Divergenz in der Abgrenzung des weiteren Ε-Zusammenhangs, soweit er uns interessiert (ab v. 36; s. gleich!): M. Noth (ebd.) nimmt v. 36b.37. 41—44a für Ε in Anspruch (genauso bis auf 42a: O. Procksch, aaO). O. Eissfeldt
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
auseinandersetzung trägt 3 2 . Uns interessiert darin die Rede Jakobs v. 36b. 37. 41—42 E. Sie bringt seinen Streit mit Laban zuende. Nach Ε hatte Laban in einer Beschuldigungsrede v. 26a/3b.28—30 33 zwei Vorwürfe gegen Jakob erhoben: Heimliche Fortführung der Töchter (v. 26a0b. 28); Entwendung des Hausgotts (v. 3 0 b ) 3 4 . Den ersten Vorwurf verfolgt er nicht weiter und fügt sich damit einer nächtlichen Intervention Gottes (v. 29.30a) 3 S . Der zweite Vorwurf (v. 30b) wird von Jakob aufgegriffen und durch formelle Anklageerhebung (v. 32a E) zum Gegenstand gerichtlicher Untersuchung 36 . Die Untersuchung endet ergebnislos (v. 32—35). Damit ist Jakob als der zu Unrecht Beschuldigte am Zug: v. 36b. 3 7 . 4 1 - 4 2 . In der Form einer „Appellationsrede des Angeschuldigten" 37 fragt Jakob entrüstet nach seinem eigentlichen Vergehen (v. 36b), resümiert, was den gegnerischen Angriff entkräftet (v. 37aa) und schließt mit dem Appell, das Gericht entscheiden zu lassen (v. 37a0b): Der Tatbestand ist eindeutig und spruchreif. — Damit hat er (ebd.) dagegen weist v. 36b.37 an J . — Diese Lösung hat den Fehler, daß sie den Zusammenhang der „Appellationsrede" v. 36b.37.41—42 zerreißt (s. gleich!), aus deren Aufbau sich wiederum erklärt, inwiefern zwischen v. 37 und v. 42 kein literarkritisch aufzulösender Gegensatz besteht, den O. Eissfeldt, aaO, S. 2 6 4 * , Anm. z. v. 37 erkennt: „ B e i J sollen die Verwandten entscheiden, bei Ε v. 42 hat Elohim entschieden." (s. dazu S. 75, Anm. 38!). — Wir folgen der Quellenscheidung M. Noths. 32 Vgl. H. Gunkel, Urgeschichte, S. 2 2 4 - 2 2 5 ; J . Begrich, Studien zu Deuterojesaja, S. 2 7 - 3 1 ; A. Gamper, Gott als Richter, S. 1 0 8 - 1 1 0 ; namentlich H. J . Boecker, Redeformen des Rechtslebens, S. 41—45(47). 33 Zu v. 30a, den M. Noth, aaO, S. 31, zu J zählt, s. Anm.35! Auch O.Procksch, aaO, S. 30, läßt v. 30a E. 34 Vgl. dazu und zum Folgenden die Analyse von H. J . Boecker, aaO, S. 41—45. 35 Hier zeigt sich die Bedeutung von v. 30a im elohistischen Zusammenhang. H. J . Boecker, der das Element mit Noth (s.o. Anm. 33) ausklammert, vermißt bei Ε eine v. 31 J entsprechende beschwichtigende Antwort Jakobs und meint, sie sei zugunsten der jahwistischen Parallele unterdrückt worden (aaO, S. 42). Diese Annahme ist unnötig. Für Ε ist v. 30a das entsprechende Glied: Die göttliche Schutzerklärung für Jakob v. 29 E, von Laban selbst angeführt, kann von ihm nicht einfach unbeachtet bleiben. Er leistet ihr Folge, indem er Jakobs abschiedsloses Verschwinden schweren Herzens, aber von sich aus entschuldigt (v. 30a). Damit aber gibt Ε den Dingen eine erzählerisch wohlbedachte Wende. Nicht nur erspart er Jakob, dem Makellosen, dem „Jakob des Elohisten" (G. v. Rad), das Eingeständnis, das eine Beschwichtigung Labans immerhin kosten würde (vgl. v. 31 J ) . Vor allem, es ist typisch Laban, der Rechtsverdreher, der hier versucht, Gottes Eintreten für Jakob (v. 29) dadurch zu unterlaufen, daß er in einem Punkt nachgibt (v. 30a), im selben Atem jedoch eine neue Beschuldigung gegen Jakob erhebt (v. 30b): Jakob wird diese Taktik gebührend entlarven (v. 41— 42: s. gleich!). — Zu Jakob und Laban als Kontrastfiguren bei Ε und bes. in Gn 31 vgl. G. v. Rad, Genesis, S. 271. 34 Vgl. dazu H. J . Boecker, aaO, S. 4 3 - 4 4 . 3 7 J . Begrich, Studien zu Deuterojesaja, S. 27ff., bes. zu unserem Text S. 30—31; H. J . Boecker, aaO, S. 44.48ff.
V. lOaßb—IIa: Formmerkmale forensischer Rede
75
die Position bezogen, aus der er nun den „Gegenstoß" führt: v. 41—42 s 8 . Dieser Teil der Rede ist folgendermaßen gefügt: I
Tatbestandsdarstellung:
Jakobs Leistungen; Labans Unredlichkeiten (v. 41 [42a])
II
Tatbestandsfeststellung:
„Mein Elend und die Mühsal meiner Hände hat Gott gesehen (ΠΝΊ) und
Rechtsfolge:
er hat rechtskräftig entschieden (ns*1 hi) vergangene Nacht." (v. 42b).
III
Was wir bisher als direkte Rede des Augenzeugen kennengelernt haben, der einen konkret beschriebenen Tatbestand (I) unter dem Stichwort ΠΚ1 ( S T ) zusammenfaßt (II) und demgemäß handelt (III), begegnet uns hier im Munde dessen, der, selbst angegriffen, auf das Urteil verweist, das ein Dritter aus seiner Tatbestandskenntnis heraus gefällt hat und das die eigene Tatbestandsdarstellung stützt. Mit dieser Anlage seines Gegenangriffs schlägt Jakob Laban vernichtend. V. 42b Ende weist zurück auf v. 29 E 3 9 : Eben die göttliche Warnung, Jakob anzugreifen, der Laban in einem Punkt nachgab (v. 30a E), um gleich, als wäre sie damit erledigt, zum zweiten zu kommen (v. 30b E), — eben diese Warnung war in Wahrheit letztgültig richterlicher Entscheid 4 0 , begründet in der Kenntnis eines Tatbestands, der lauter Redlichkeit Jakobs und Labans Unrecht erweist. Mit Gn 18,20—21 erreichen wir einen Beleg, der die hier untersuchte Struktur forensischer Rede in einer der besonderen Verfahrenssituation eigentümlichen Abwandlung zeigt. Die Verse sind jahwistisch 41 . Im Rahmen des ursprünglich eigenständige Uberlieferungsblöcke verbindenden Zusammenhangs v. 17—18 (19). 20—33 42 leiten sie unmittelbar das Zwiegespräch Abrahams mit Gott v. 22b—33 ein 4 3 , schlagen aber darüber hinaus den Bogen zur Sodom-Lot-Erzählung Kap. 19 4 4 .
38 J . Begrich, aaO, S. 31: „Man beachte die eigentümliche Sicherheit des Tones, in dem der Gegenstoß an dieser Stelle (sc. im Verfahrensablauf: nach dem Appell an die Entscheidung des Gerichts) geführt wird." Der „Angeklagte braucht vor dem Richter nicht in der Abwehr zu bleiben." — In dieser Folge von Appell und Gegenstoß löst sich der von O. Eissfeldt empfundene Gegensatz zwischen v. 37 und v. 42 (s. S. 73f., in Anm.31). " Vgl. v. 29ba.42b fin.! 40 Zu dieser Bedeutung von riD' hi. vgl. H. W. Wolff, Dodekapropheton 1: Hosea, S. 94, und den Exkurs bei H. J . Boecker, aaO, S. 4 5 - 4 7 . 41 Einhellige Meinung; vgl. z.B. H. Holzinger, Genesis, S. XXV. 154f.; O. Eissfeldt, Hexateuch-Synopse, S. 28*; M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, S. 29; G. v. Rad, Genesis, S. 177-178.192. 42 Vgl. G. v. Rad, Genesis, S. 1 7 7 - 1 7 8 , und grundlegend M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, S. 1 2 3 - 1 2 5 . 1 6 7 - 1 7 0 . 2 5 8 - 2 5 9 . 43 G. v. Rad, Genesis, S. 179ff. 44 Vgl. bes. 18,20f. mit 19,13b! - Dazu G. v. Rad, aaO, S. 184.186, und die ebd., S. 182, zitierte Arbeit K. Gallings.
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
J a h w e zu Abraham: v. 20: „Das Klagegeschrei über Sodom und Gomorrha — ja, es ist groß, und ihre Sünde — ja, sie lastet sehr schwer 4 5 ! v. 21: Ich will doch hinabsteigen und sehen (ΠΧ~)Κ1), ob sie alle nach dem zu mir gedrungenen Klagegeschrei gehandelt haben oder nicht,—ich m u ß es wissen (flSTX)." Mit diesen Worten ist ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Anlaß für diese Ermittlungen ist der Rechtshilfeschrei nj?5?t/nj?S7S der Bedrängten. Im rechtlichen Sprachgebrauch entsprechen beide Begriffe dem altdeutschen ,Zetern' des gewaltsam Bedrohten 4 6 . Sie haben aber darin eine eigene Nuance, daß sie auch außerhalb akuter Gefahr, die unverzügliches Eingreifen erfordern würde, den Rechtshilfeappell dessen bezeichnen können, dem der normale Rechtsgang verwehrt ist 4 7 . Der Klageschrei in dieser Bedeutung ist das Mittel, das der nicht voll Rechtsfähige oder seines Rechts Beraubte einlegt, um die Behandlung seiner Sache zu erreichen 4 8 . — Diese Begriffsdimension ist hier wichtig: Was das .Zetern' aus unmittelbarer Bedrohung nicht fordert noch zuläßt — die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens zur formellen Tatbestandsfeststellung —, eben das kündet J a h w e hier a n 4 9 . V. 20 zeigt einen Tatbestand an (vgl. I), der erst rechtswirksam festgestellt werden muß (v. 21; Stichwort ΠΧΊ, S T 1 : vgl. II), ehe entsprechend eingeschritten werden kann. In 19,13 ist es so weit: „Das Ermittlungsverfahren ist abgeschlossen; die Vorbereitungen zum Strafvollzug b e g i n n e n " 5 0 . 45
Zum zweifachen deiktischen vgl. H. J . Boecker, aaO, S. 32, A n m . 5 (Lit.!). Vgl. den Hauptbeleg D t n 2 2 , 2 3 - 2 7 u n d G. v. Rad, Genesis, S. 86.179; H. J . Boecker, Redeformen des Rechtslebens, S. 62—66; W. Richter, Bearbeitungen, S. 18-20. Vgl. v.a. zu 2 Kö 8 , 1 - 6 : H. J . Boecker, aaO, S. 6 2 - 6 3 . 48 Vgl. Ex 2 2 , 2 0 - 2 3 . 2 6 . - S. auch D. Daube, Exodus Pattern, S. 27. 49 Vgl. mit K. Galling auch G. v. Rad, Genesis, S. 179.186 (zu 19,13). so G. v. Rad, aaO, S. 186. — Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang noch auf Ex 2,23aßb—25. Zur Diskussion dieser schwierigen Stelle vgl. J . Hoftijzer, Verheißungen, S. 33. Anstoß erregt vor allem v. 25: „Und G o t t s a h ( d i e Israeliten und Gott nahm Kenntnis ( S T l ) . " Man liest das letzte Verb mit LXX JHl'l (vgl. Hoftijzer, aaO, S. 33, Anm. 10; danach z.B. M. Noth, Exodus, S. 17; G. Fohrer, Überlieferung und Geschichte des Exodus, S. 50), um zu glätten. Vergleicht man aber Gn 18,20—21, dann ergibt MT bei aller Härte des Ausdrucks einen klaren Sinn: v. 23aj3b redet breit vom Klagegeschrei der Israeliten (pSJT!); v. 25 konstatiert als abgeschlossen, was Gn 18,21 infolge solchen Klagegeschreis noch Vorhaben ist: „ G o t t sah und w u ß t e " , statt „Ich will sehen und wissen". Der Sinn ist dann hier: Die Vergewaltigung des Volkes ist bereits rechtswirksam festgestellt, das rettend richtende Einschreiten Gottes steht jetzt bevor. Zwischengeschaltet ist v. 24, der die Bereitschaft Gottes zum Eingreifen noch zusätzlich motiviert. — Diese Deutung entspricht auch dem ursprünglichen Zusammenhang der Verse. Sie stammen aus Ρ (seit J . Wellhausen, Composition, S. 62, so gut wie alle Kritiker; gegen J . Hoftijzer, aaO, S. 32—35); hier standen sie direkt vor 6,2—12; 7,1 — 7, dem P-Bericht vom Anfang der Befreiungstat Gottes. Da ferner J und Ε Jahwes Eingreifen ganz entsprechend in seinem „Sehen" und „Wissen" begründet sein las46
V. lOaßb—IIa: Formmerkmale forensischer Rede
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Zwei Texte zum Schluß, die die durch einen Rechtshilfeschrei veranlaßte Voruntersuchung bereits als beendet voraussetzen: Ex 3,7—8 und 3,9—10. Sie sind Teil der Darstellungen des J und Ε von der Berufung Moses und bereiten nach beiden Versionen unmittelbar die Beauftragung Moses vor 5 1 . — Wir stellen v. 9 bis 10 Ε S 2 voran: I II III
„Siehe, das Klagegeschrei der Israeliten ist zu mir gedrungen (v. 9a). Und in der Tat 5 3 : Ich habe die Unterdrückung gesehen W S T , mit der die Ägypter sie unterdrücken (v. 9b). Und nun, auf! ich will dich zum Pharao senden und du sollst . . . herausführen (v. 10)."
Der Text ist stilistisch klar gegliedert; I: Π5Π, II: Dil, III: ΠΓΙΪ1. In mehreren Begriffen klingt Rechtssprache an 5 4 . Dem entspricht die Struktur: Das Klagegeschrei hat einen Tatbestand signalisiert (I), der, vollgültig festgestellt (ΠίΠ: II) ein entsprechendes Eingreifen des Augenzeugen und Richters 55 zur Folge hat (III). Das entsprechende Element in der jahwistischen Uberlieferungsschicht ist reicher gestaltet: v. 7—8. Interessant ist vor allem die Formulierung der Glieder I und II: I II III
„Genau gesehen ('IVXT ΠΝ^Ι) habe ich das Elend meines Volkes in Ägypten und ihr Klagegeschrei vor seinen Treibern habe ich gehört (v. 7aba): Ja, ich kenne (,Γι5Π!') seine Leiden (v. 7b/3). So bin ich herabgestiegen, um es aus der Gewalt Ägyptens zu erretten . . . (v. 8)."
Beim Vergleich mit v. 9—10 Ε wird unüberhörbar, wie anders: intensiver, beteiligter hier gesprochen wird. Das erste Wort zeigt Jahwe als Zeugen des dem Volk widerfahrenen Unrechts 56 , und es ist sein Volk ('SB: v. 7a), das betroffen ist, es sind nicht distanziert „die Israeliten" (vgl. v. 9a E). Weiter ist das Klagegeschrei v. 7ba nicht Anlaß zur Untersuchung und förmlichen Feststellung des zugrundeliegenden Tatbestands (Gn 18,20—21; Ex 3,9a.b), sondern — im deutlichen Parallelissen (s. gleich!), Ρ in diesem Teil seiner Darstellung aber „lediglich die Elemente von J und Ε in zusammengefaßter und verkürzter Art" benutzt (G. Fohrer, aaO, S. 51), spricht alles für diese Lösung. 51 Uber die Quellenscheidung, soweit sie hier von Belang ist, ist man sich einig: v. 7—8 sind jahwistisch und werden v. 16ff. fortgesetzt; v. 9—10.11 — 14(15) gehören E. — Vgl. J . Wellhausen, Composition, S. 70; E. Meyer, Israeliten, S. 4—6; M. Noth, Exodus, S. 22; G. Fohrer, Überlieferung und Geschichte des Exodus, S. 28-29.30ff.38ff.; zu allen Einzelfragen der Analyse vgl. ebd., S. 2 4 - 5 5 ! 52 Ohne Hfl»! v. 9 Anfang: R. Smend, Die Erzählung des Hexateuch, S. 116; G. Fohrer, aaO, S. 29! 53 Dil: vgl. zur Ubersetzung C. J . Labuschagne, The emphasizing particle GAM. s " S. S. 76; pH1?: vgl. Ex 22,20; 23,9; D. Daube, Exodus Pattern, S. 21. 23;ΠΧ"ί: vgl. (außer allen hier besprochenen Texten) N. Lohfink, aaO, S. 130, Anm. 11; ΧΪΓ hi: Ν. Lohfink, aaO, S. 1 6 1 - 1 6 2 (Lit!); vgl. H. J . Boecker, Die Beurteilung der Anfänge des Königtums, S. 40f., bes. 40, Anm. 3 (Lit.!). 55 S. S. 70, Anm. 12. " Vgl. v. 7a mit Gn 31,42b.
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
mus von v. 7a und 7ba, .Sehen' und ,Hören' — der von Jahwe bezeugte, sein Eingreifen fordernde Tatbestand selbst 57 . Entsprechend faßt die Zusammenfassung II mit keinem Wort mehr die Täter und ihr Handeln ins Auge S8 ; sie gilt ganz der Befindlichkeit, dem „Schmerz" der Betroffenen. Konstatiert wird weniger die Kenntnis eines rechtsrelevanten Sachverhaltes, als das Vertrautsein mit einer Leidenssituation. Auf sie hin greift Jahwe ein (III)". — Die Grundstruktur der Rede bleibt erkennbar gleich, aber die Aussage, die sie bindet, setzt den forensischen Aspekt hinter den soteriologischen, das Richten hinter das Retten zurück.
Wenden wir uns von hier aus nun zu Ex 34,10aj3b—IIa zurück, so kann kaum ein Zweifel daran bestehen, daß die Struktur dieses Abschnitts denselben Hintergrund rechtlichen Denkens und Sprechens anzeigt, wie er in den herangezogenen Beispieltexten greifbar geworden ist. Ein bestimmtes praktisches Verhalten wird nicht begründungslos befohlen, sondern in einem Evidenzzusammenhang beansprucht, der das ,Sehen', das persönliche Sich-Überzeugen von einem Tatbestand, den ein äußeres Geschehen dokumentiert, zur Verhaltensgrundlage macht. Konfrontiert mit den Machttaten Jahwes (I) wird der Augenzeuge, das Volk, selbst zu dem Urteil gelangen, „daß Jahwes Handeln furchtgebietend ist" (II), und sich entsprechend verhalten (III). Das ist die Struktur der Beispieltexte, hier in den Dienst der Gebotspar änese gestellt. Was sie zu dieser Verwendung geeignet macht, ist gut zu erkennen, und das bringt uns zum Ziel der gegenwärtigen Erwägungen: zum Verständnis der Form von Ex 34,10aßb— I I a aus der liturgischen Situation, in der sie beheimatet ist. Der unmittelbare Anknüpfungspunkt für die Gebotsparänese liegt darin, daß sie den Hörer nicht blind einem oktroyierten Willen unterwerfen, sondern ihm — mahnend, verwarnend, erläuternd, erinnernd — die Gründe zeigen will, die in ihm die Bereitschaft zum geforderten Verhalten wecken 60 . Diese paränetische Absicht, durch Beweggründe zu verpflich57
npBS Ιτ Τ : hier also der unmittelbar aus akuter Not hervorbrechende Hilferuf: vgl. S. 76, bei und mit Anm. 46. 58 Vgl. aber Gn 18,21; Ex 3,9b! 59 Zu weiteren Unterschieden zwischen v. 7—8 und v. 9—10, die das hier umrissene Bild vertiefen: M. Noth, Exodus, S. 2 7 - 2 8 . - Auch daß v. 8at* gegen v. 10b Π1?» hi statt Ν2Γ hi steht, mag der deutlichen Reduktion des juridischen Gehalts in v. 7—8 entsprechen; vgl. H. J . Boecker, aaO, S. 40—42. 60 Vgl. B. Gemser, Motive Clause, bes. S. 103ff.; E. Gerstenberger, Wesen und Herkunft, S. 4 9 - 5 0 ; N. Lohfink, Hauptgebot, S. 2 7 1 - 2 8 5 ; W. Beyerlin, Paränese; W. Richter, Recht und Ethos, S. 7 8 - 1 1 7 , bes. d. Zusfsg. S. 1 1 6 - 1 1 7 . - Vgl. auch M. Weber, Rechtssoziologie, S. 2 1 7 - 2 1 9 . 2 4 6 - 2 4 9 , insbesondere S. 248; M.Mühl, Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, S. 41— 43 (hier bes. S. 43, Anm. 2).
V. lOa/Jb—IIa: Beziehungen zur ao. Vertragsparänese
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ten, ergreift ein Ausdrucksmittel forensischer Rhetorik, das — und weil es — besonders dazu geeignet ist, ein bestimmtes Verhalten als Konsequenz aus verpflichtender Einsicht zu kennzeichnen. Dabei ist wichtig, was Ex 3,7—8 gezeigt hat: daß nämlich im Rahmen der hier betrachteten Wortstruktur auch abgesehen von ihrer paränetischen Verwendung der Grund zu handeln weniger technisch als Rechtsgrund denn als Beweggrund erscheinen kann, ohne daß dadurch das Wortgefüge seine innere Stringenz verlieren würde. Damit löst sich eine Schwierigkeit, die immerhin noch darin gesehen werden könnte, daß die Gebotsparänese, die ihrem Wesen nach nur appellieren, motivieren, nicht juristisch zwingend argumentieren kann, eine Sprachstruktur aufgreift, die primär gerade die Funktion hat, streng rechtsverbindliche Zusammenhänge aufzuweisen. Wie in Ex 3,7—8 das persönliche Vertrautsein mit einem Tatbestand, nicht so sehr technisch die Tatbestandsfeststellung durch .richterlichen Augenschein' als Grund zum Eingreifen erscheint, so ist es in Ex 34,10aßb—IIa das eigene ,Urteil', das persönliche SichUberzeugen vom Wesen des Jahwe-Handelns, das denHörer zum Handeln, zum Halten der Gebote verpfliehtet. In diesem Sinn gilt — noch einmal abgesetzt gegen die Deutung der Form durch W. Zimmerli —: Es trifft nicht den Kern, wenn er formuliert: „Zum Erkennen gehört hier das Halten der Gebote" 6 1 . — Zum Halten der Gebote gehört das Erkennen: das ist der Kerngehalt dieser Struktur. be) Beziehungen zur altvorderorientalischen Vertragsparänese Auf dieser Basis ist nun eine letzte Frage zum Wesen der Einheit zu klären: Wie eigentlich ist die Beziehung zwischen Gott und Volk verstanden, wo Jahwes künftiges Handeln als Anspruch begründendes Geschehen eingesagt und Gehorsam von Israel nur als Antwort auf dies verpflichtende Handeln beansprucht wird? Um es vorweg zu nehmen: der Befund ist mit den alternativen Kategorien der jüngsten Bundesforschung 1 schlichterdings nicht zu erfassen. Weder geht es einseitig um eine reine ,Selbstverpflichtung Jahwes' noch ebenso einseitig um eine einfache ,Ιη-Pflicht-Nahme Israels' 2 . Die Form setzt voraus, daß in einer Beziehung gesprochen wird, die als personhaftes Gegenüber Raum gibt zu argumentieren, die durchaus nicht in dem Sinn .wechselseitig' ist, daß gleichberechtigte Interessen nach Art 61 1 2
Erkenntnis Gottes, S. 67; vgl. S. 69 und s. S. 62ff. Vgl. S. 52f. Zu diesen Entgegensetzungen und ihrer Kritik s. näher noch S. 23Iff.
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
des Tauschvertrags z u m Ausgleich gebracht w ü r d e n 3 , in der aber die gebietende Autorität mit d e m Anspruch auftritt, sich als Autorität z u erweisen u n d so die Loyalität des sich b i n d e n d e n Partners z u gewinnen. D a n n aber führt uns E x 34,10aj3b—IIa, streng aus sich selbst heraus interpretiert, auf ein Verständnis der Beziehung J a h w e s zu s e i n e m V o l k , das gerade dem Bundesverständnis entspricht, das v o m Vergleichsmaterial altvorderorientalischer Vasallenverträge her e n t w i c k e l t w o r d e n ist. N a c h diesem Verständnis setzt J a h w e s B u n d m i t Israel eine Ordnung, in der die Ü b e r m a c h t des Mächtigen nicht verrechenbar aufgeht (do ut des), sondern die in der Ü b e r m a c h t des Mächtigen ihren Grund hat, die der R a u m ist, den diese Ü b e r m a c h t frei hält v o n anderen Mächten, der Herrschaftsbereich, in d e n der Starke d e n S c h w ä c h e r e n aufn i m m t : mit allem G u t e n u n d aller V e r p f l i c h t u n g zur Loyalität, die das impliziert. 4 Aus diesem Charakter des Bundes erklären sich Haltung, 3
So hat E. Kutsch, Gesetz und Gnade, S. 31, die außerisraelitischen Vasallenverträge mißverstanden, wenn er meint, der atl. Befund sei dadurch wesentlich von ihnen unterschieden, daß nie zugleich mit einer Israel auferlegten Verpflichtung eine Verpflichtung erwähnt werde, „die etwa Jahwe seinerseits als der Mächtige übernähme". Regel in den Vasallenverträgen ist, daß nur die Pflichten des Vasallen aufgeführt werden und nur der Vasall auch schwört: vgl. V. Korosec, Staatsverträge, S. 2 5 - 2 7 ; D. J . McCarthy, Treaty, S. 16.28 u. ff. 97. - Man beachte im übrigen einen Text wie J . Friedrich, Staatsverträge II, S.76—77 (Muwattalis — Alaksandus), Α III, Z. 76—79, und sehe zu, wie hier mit den Kategorien .einseitig' — .zweiseitig' auszukommen ist: „Diese Worte (sind) keineswegs von einem, vom anderen, (sondern) sie (sind) vom Lande Hatti. Nun [wirst du, Al]aksandus, gegen die Sonne Böses nicht tu[n], gegen dich.aber wird Hattus[aS Böses nijcht ins Werk setzen." (Vgl. dazu ebd. S. 77, Anm. 3!)! 4 Hier verdient besondere Beachtung, was Η. P. Müller über den sachlichen Geltungsbereich des vertragsanalog konzipierten Bundes, speziell zur Frage der Gegenseitigkeit der Bindung sagt: Ursprünge und Strukturen, S. 196—197. — Man unterlegt ein dieser Bundeskonzeption unangemessenes Rechtsdenken, wo man von .einseitiger' Verpflichtung des Schwächeren redet, weil nur dessen Pflichten bestimmt werden (s. Anm. 3). Die Übernahme der Verpflichtungen ist ihrem rechtlichen Gehalt nach nicht .Gegenleistung', sondern der Akt, der den Schwächeren in den Herrschafts- und Schutzbereich des Stärkeren versetzt. Die Bereitschaft des Stärkeren, den Schwachen in dies Verhältnis aufzunehmen, ist konstitutiv und bedarf darum keiner explizit rechtlichen Sicherung: die Auflage bestimmter Forderungen ist als Ausdruck dieser Bereitschaft Angebot, nicht (jedenfalls dem Grundsatz nach) Zwang (vgl. dazu konkret die gleich behandelten Texte!).— Damit steht dies Bundesdenken in einer Distanz zum modern geläufigen, vom Austauschprinzip bestimmten Vertragsdenken, die den Rechts- und Vertragscharakter etwa der hethitischen Vasallitätsdokumente geradezu hat fraglich erscheinen lassen (vgl. D. J . McCarthy, Treaty, S. 28, und s. K. Baltzer, Bundesformular, S. 33, Anm. 1!). — Zum ganzen s. ferner u. I C 2!
V. lOaßb—IIa: Beziehungen zur ao. Vertragsparänese
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Inhalte und Mittel einer reichen, schon in den politischen Verträgen nachweisbaren paränetischen Rhetorik 5 . Die Macht des Überlegenen will nicht als das auftreten, was sie de facto jedenfalls gewesen sein dürfte: Macht zu unterwerfen. Sie ist dem Grundsatz nach Herrschaftsmacht, die sich dem Schwächeren durch Festsetzung bestimmter Pflichten als Schutzmacht anbietet, der er sich aus eigener Entscheidung und mit der Bereitschaft unterstellt, Gehorsam — und notwendig exklusiven Gehorsam — zu leisten. Dies, Hoheit und Beistandsbereitschaft des Mächtigen, ist in seiner Dialektik Grundthema des ständigen Argumentierens aus der Geschichte, des Mahnens und Motivierens, zu dem es kommt und kommen muß, wo Herrschaft als Gut erkannt und angenommen, d.h. dann aber konkret: mit all ihren Ansprüchen anerkannt sein will. Wie sehr Ex 34,10aj3b—IIa diesem so begründeten Argumentieren verwandt ist, läßt sich an einer Gruppe außerisraelitischer, in Ras Schamra/Ugarit gefundener Texte des 14. Jhs. v. Chr. verdeutlichen. Es handelt sich um einen Brief und zwei Vertragsdokumente 6 (mit Parallelen und Duplikaten) zur Regelung der Beziehungen zwischen Suppiluliuma von Hatti und Niqmadu (II.) von Ugarit 7 . Die Texte geben Zeugnis von einer diplomatischen Aktion, durch die Suppiluliuma, im Kampf mit unbotmäßigen Kleinfiirsten, Niqmadu für sich zu gewinnen sucht (der Brief IIA1) 8 und die von Erfolg gekrönt ist (die Dokumente IIA2.3) 9 . — Wir geben Gliederungen der Texte und heben darin die für uns wichtigen Stellen hervor.
Der Brief IIA1 (17.132) fordert Parteinahme von Niqmadu. Er ist als Vertragsangebot seitens des Überlegenen (Suppiluliuma) besonders aufschlußreich: Ζ. 1 - 2: 3— 6: 7—13:
Anrede; Ermutigung, die Feinde Hattis nicht zu fürchten; Bündnisvorschlag: Die Grundverpflichtung:
„Wie früher deine Väter mit Hatti Freunde waren und nicht Feinde, siehe (anummama), du, Niqmadu, sei desgleichen mit meinem Feind Feind und mit meinem Freund Freund!" — Es handelt sich hier um die aus den Grundsatzerklärungen der Vasallenverträge bekannte „Schutzklausel" („Generalklausel") 10 , die 5
Vgl. N. Lohfink, Hauptgebot, S. 271ff., bes. S. 278f.; W. Beyerlin, Paränese, S. 2 5 - 2 8 ; J . L'Hour, Ethik, passim. 6 Zu deren Eigenart, s. S. 84.86f. ' J . Nougayrol, PRU IV, S. 3 2 - 5 2 ; Dossier IIA. ' AaO, S. 3 5 - 3 7 . 9 AaO, S. 3 7 - 5 2 . - Vgl. zur historischen Situation aaO, S. 3 2 - 3 4 , und ebd. zu den einzelnen Texten die Einleitungen. 10 F. C. Fensham, Clauses of Protection; vgl. K. Baltzer, Bundesformular, S. 22-23. 6 Halbe, Privilegrecht
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
in geprägter Form die Vertragsbedingungen fur den Vasallen so prinzipiell zusammenfaßt, daß sie hier fur den angebotenen Vertrag im Ganzen stehen kann 1 1 . Alles Weitere ist Argumentieren von hier aus und hierauf hin. Z. 14—18: Erste
Paränese:
„Wenn du, Niqmadu, diese Worte des Großen Königs, deines Herrn, hörst und bewahrst (*sm'; *nsr), König, so wirst du sehen ( * ' m r 1 2 ) das Gute, das der Große König, dein Herr, dir zugute tun wird." Die B e d e u t u n g dieser Stelle im Hinblick auf E x 3 4 , 1 0 a / J b — I I a ergibt der Wortlaut. Die volle dreigliedrige S t r u k t u r liegt nicht vor. Das Elem e n t erinnert in jeder Hinsicht, zumal in der Wortfolge „hören-bewahr e n " 1 3 an bedingte Verheißungen der d e u t e r o n o m i s c h e n P r e d i g t 1 4 . E n t s c h e i d e n d für uns ist die Art, in der — b e t o n t abgesetzt ( „ K ö n i g , so wirst du . . . " ) 1 5 m i t d e m Hinweis auf künftige ( ! ) G u t t a t e n des Großkönigs, die der Vasall ,sehen' soll, auf die Ü b e r n a h m e der Bündnisverpflichtung, das , H ö r e n und B e w a h r e n ' der , W o r t e ' 1 6 gedrungen wird. — Das gleiche Motiv im folgenden A b s c h n i t t : Z. 19—29: Zweite
Paränese:
(19—20) „Siehe (anummama), du, Niqmadu, bewahre (*nsr) den Freundschaftsbund mit Hatti! (21—27) Hernach wirst du sehen (*'mr) die Könige von Nuhas und Mukis, die den Freundschaftsbund mit Hatti verlassen haben und Feinde des Großen Königs, ihres Herrn, geworden sind, wie der Große König ihnen tun wird (*'ps), (28—29) und du, Niqmadu, in der Folge der Tage, wirst vertrauen den Worten des Großen Königs, deines Herrn." 11 Diese Eigenständigkeit des Elements rechtfertigt es u.E., die „Grundsatzerklärung" als eigenes (fakultatives) Glied in der Vertragsstruktur zu werten. Sie erklärt gerade, was D. J . McCarthy, Treaty, S. 32, dagegen anführt: daß die Generalklausel (als Struktursignal) auch im Korpus der Einzelbestimmungen vorkommt. Vgl. zur Frage S. 45, Anm. 11. 12 Nougayrol, aaO, S. 36, übersetzt: „tu connaitras" (Z. 17; anders dieselbe Wurzel Z. 22: „tu verras"). Grundbedeutung ist „sehen". Die Nuancierung des Herausgebers trifft den noetischen Wert. Das ist das Wortfeld von ΠΧΊ im S. 68ff. beobachteten Gebrauch! 13 Vgl. dazu N. Lohfink, Hauptgebot, S. 6 4 - 7 0 , und die Tabelle S. 3 0 0 - 3 0 2 . 14 Protodeuteronomisch: E x 1 9 , 4 - 6 a , bes. v. 5; Ex 23,22. - Vgl. Dtn 7,12 (ff.); 1 3 , ( 1 8 - ) 19; 1 5 , 4 - 5 ; 2 8 , 1 . 1 3 - 1 4 . - In der unmittelbaren Verbindung mit Z. 7—13 ist der hiesige Text zugleich im Hinblick auf das in der dt. Predigt besonders gepflegte „Paränetische Schema" von Interesse: vgl. dazu N. Lohfink, aaO, S. 90—97, bes. über mögliche Beziehungen zur .Grundsatzerklärung' S. 93.95f. 15 Z. 17; zur Ubersetzung vgl. J . Nougayrol, aaO, S. 36, Anm. 1. 16 Vgl. zur Terminologie W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 63—64; N. Lohfink, Hauptgebot, S. 5 8 . 6 8 - 6 9 .
V. lOaßb—IIa: Beziehungen zur ao. Vertragsparänese
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Das Element expliziert aufschlußreich das zugrunde liegende Bundesverständnis. Mit der Verpflichtung auf Hatti unterstellt sich Niqmadu einer Herrschaft, die nach außen als drohende Gewalt, nach innen als Vertrauen begründende Schutzmacht 1 7 auftritt, und es ist dies Vertrauen in, nicht die Bezwingung durch diese Macht, aus der das Bündnis lebt. — Formal stehen wir hier näher bei Ex 34,10aj3b—IIa als im vorigen Abschnitt. Die drei Stichworte aus Ex 34 — ni!W, ΠΝΊ, ~)ü® — begegnen äquivalent in umgekehrter Folge (*nsr, *'mr, * 'pi). Die beiden ersten oben abgesetzten Glieder (Z. 19—20/21—27) stehen sachlich und zeitlich im selben Verhältnis zueinander wie in Ex 34 v. I I a und v. lOaßb: Hier wie dort ist es das künftige ,Sehen' künftiger Machterweise 1 8 , auf das der Mächtige seinen Appell an den Schwächeren gründet, gegenwärtig bestimmte Verpflichtungen 1 9 zu .halten' (*nsr/ Tü©). Formal verschieden ist, daß der Hinweis aufs künftige Handeln von vornherein unter das Stichwort ,Sehen' gestellt ist, so daß die Zweigliedrigkeit (I) v. 10a.ßy; (II) v. 10b entfällt 2 0 . Der weitere Brief gilt den Rechten und Vorteilen, die Niqmadu aus dem vorgeschlagenen Verhältnis erwachsen: Z. 30—34: Beistandserklärung für den Fall eines Angriffs der Feinde; 35—48: Freie Hand für eigene Aktionen gegen die Feinde; 49—52: Zusage einer rechtsgültig vertraglichen Regelung nach einem Sieg über die Feinde.
Die beiden anderen Texte IIA2 ( 1 7 . 2 2 7 ) 2 1 und II A3 ( 1 7 . 3 4 0 ) 2 2 , deren erster fragmentarisch auch in ugaritischer Version erhalten ist 2 3 , geben Einblick in die Art der am Briefende angekündigten und nach Niederwerfung der Feinde schließlich getroffenen Regelung der beiderseitigen Beziehungen. Die Texte sind gleich aufgebaut:
17 Das unmittelbar, Z. 30—34, folgende Beistandsversprechen macht diese Schutzfunktion explizit. 18 Z. 27: ip-pu-us-su-nu-ti (3. m. Sg. Präs. G *'ps + Suff. 3. m. PI. Akk.) ist .Präsens' (Durativ), das bei fientischen Verben, „keinen gleichbleibenden Zustand, sondern immer die Handlung oder den Vorgang als solchen" bezeichnet: W. v. Soden, Grammatik, § 78a, S. 102. " Zu riksu, Z. 19, vgl. D. J . McCarthy, Treaty, S. 9 7 : "In the vassal treaties the overlord alone proclaims the riksu, while usually only the vassal binds himself by oath" (nach V. Korosec). 2 0 S. dazu S. 6 9 . 7 0 f . 21 Nougayrol, aaO, S. 4 0 - 4 3 . 22 Ebd., S. 4 8 - 5 2 . 23 RS 1 1 . 7 7 2 + 780 + 782 + 8 0 2 : aaO, S. 4 4 - 4 6 .
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten IIA2
Ζ..
II A3
1-- 2: Präambel 3-- 1 9 : Vorgeschichte: Loyalität Niqmadus 20-- 4 2 : Stipulationen: Tribut
43--48a: Rückverweis: Loyalität N's als Basis der Regelung 48b-- 5 3 : Schutzgötter
A Β
1: 2 -32
Präambel Vorgeschichte: Beistand Hattis; Loyalität Niqmadus C . . . l ' - 7' Stipulationen: Grenzfestsetzung 8' - 1 5 ' Rückverweis: Loyalität N's D als Basis der Regelung Ε 16' —2l'
Die Identität des Aufbaus empfiehlt, beide Texte gemeinsam zu werten 2 4 . Umstritten ist der genaue Charakter der Dokumente. Dagegen, sie formell als Verträge anzusprechen 25 , steht nicht so sehr ihre Einseitigkeit und Situationsbedingtheit 2 6 ; schwerer wiegt, daß die spätere Tradition sich nicht, wie sonst üblich, auf sie bezieht 2 7 , und — namentlich —, daß ein Fluch-Segen-Abschnitt fehlt 2 8 . Man hat sie darum schärfer als .Edikte' erfassen wollen 2 9 . Die Frage ist für uns insofern von Belang, als gerade die Elemente der Texte, auf die es hier ankommt, von dieser Diskussion betroffen sind. Z u n ä c h s t den Befund: In beiden T e x t e n ist das K o r p u s der Einzelbestimmungen (C) in einen R a h m e n gefaßt, der durch eine besondere zusammenfassende Gestaltung des E n d e s der V o r g e s c h i c h t e ( B ) und den in beiden Fällen deutlich ausgeprägten, j e d o c h im G r u n d f o r m u l a r nicht eigens vorgesehenen Teil D 3 0 gebildet wird. Diese Rahmengestaltung ist für uns interessant: Wir finden in ihr die früher an alttestamentlichen T e x t e n erläuterte dreigliedrige S t r u k t u r 3 1 . II A2: Vorgeschichte:
I II III
Niqmadus Verhalten (Z. 3—14a) Der Großkönig sah (*'mr) die Loyalität N's ( 1 4 b - 1 6 a ) „Siehe, der Großkönig hat N. die folgende Verpflichtung auferlegt" ( 1 6 b - 1 9 ) .
Die bisherige Diskussion (s. gleich) hat II A3 allein berücksichtigt (K. Baltzer, Bundesformular, S. 22f., Anm. 1.3; D. J . McCarthy, Treaty, S. 41f., Anm. 56). Aber die Gegenüberstellung ist fruchtbar bes. zum Verständnis des Elements D und seiner Funktion in den Texten im Ganzen. " So K. Baltzer, aaO, S. 22f., Anm. 1.3. " J . Nougayrol, aaO, S. 34, Anm. 2. Vgl. dazu aber D. J . McCarthy, Treaty, S. 42 (in Anm. 56 von S. 41). " J . Nougayrol, aaO, S. 34, Anm. 2. 2 8 Mit D. J . McCarthy, aaO, S. 41f., Anm. 56. " J . Nougayrol, aaO, S. 40.48; D. J . McCarthy, aaO, S. 42 (in Anm.56 von S. 41). 30 K. Baltzer, aaO, S. 22, Anm. 1, hat das für II A3 erkannt, wenn er diesen Teil als Grundsatzerklärung von den Einzelbestimmungen absetzt. 31 S. S. 68ff. 14
V. lOaßb—IIa: Beziehungen zur ao. Vertragsparänese
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(Einzelbestimmungen über Tribut: Z. 20—42) Rückverweis:
II I III
Der Großkönig sah (*'mr) die Loyalität N's (Z. 43—44a), als N. kam und huldigte (44b—46a), und der Großkönig hat ihm diese Verpflichtung auferlegt (46b—48a). Nach unseren früheren Beobachtungen zur gleichen Struktur wäre es die Funktion dieser Rahmung, die In-Pflicht-Nahme Niqmadus (III) als einen A k t zu erklären, der seinen Rechtsgrund in der v o m Großkönig selbst .gesehenen' Loyalität (kittum)32 hat (II), die Niqmadus Verhalten (I) dokumentiert 3 3 . — Die Folgen für das Verständnis des Ganzen entscheiden über das R e c h t dieser Deutung. Zuvor den zweiten T e x t 3 4 : II A 3 Vorgeschichte:
I II III
Verhalten der Partner, bes. Niqmadus (Z. 2—28) Der Großkönig sah (*'mr) die Loyalität N's (29-30a) [= 17.369 A, Z. 1 - 2 ] . Der Großkönig schonte Ugarit . . . (30b-32) [17.369A, Z. 3—6: „Siehe, der Großkönig hat N. die folgende Verpflichtung auferlegt."].
(Einzelbestimmungen über Grenzen: Z. 1—7') Rückverweis:
III I II
Vindikationsklausel (8'—IIa') 35 Siehe, N. ist mit meinem Feind Feind etc. ( I I b - 1 4 ). Siehe, der Großkönig sah (*'mr) die Loyalität N's (15).
Die Struktur ist im ersten Teil klar. Im zweiten ist sie strenger juristisch verarbeitet u n d gewinnt dadurch ein besonderes Gepräge. Der innere Zusammenhang zwischen Glied I u n d III wird nicht als Relation konkret sich entsprechender Taten ausgesagt, sondern prinzipiell juristisch als durch entsprechende Erklärungen verbindlich begründetes Rechtsverhältnis formuliert. Die Aussage ist nicht: ,Ich tue, weil du getan hast', sondern: ,Die Grenzfestsetzungen gelten (Vindikationsklausel) 3 6 , weil gilt, daß N. mit meinem Feind Feind und mit m e i n e m Freund 32
Vgl. ad vocem D. J . McCarthy, Treaty, S. 9 0 - 9 2 , bes. 90, Anm. 35 (Lit.). Dabei ist hier gut der Abstand zum do-ut-d«-Prinzip des Tauschvertrags zu erkennen: Kommt man von der Vorgeschichte her, deren einziges Thema die unverbrüchliche Treue Niqmadus ist, so ist es auf den ersten Blick ein geradezu ironischer Effekt, wenn als .Lohn' dafür — Tributauflagen folgen, die es in sich haben (zur Höhe: J . Nougayrol, aaO, S. 37 u. ff.). 34 Er ist im Ubergang von der Vorgeschichte zu den Stipulationen lückenhaft. In die Lücke fügt sich der Text 17.369 A (J. Nougayrol, aaO, S. 52). Wir verweisen auf ihn in eckigen Klammern. 35 „Künftig darf (den Vertragsgegenstand; hier: Grenzen) niemand anfechten!" 36 Vgl. zu diesem Element (Z. 8'—IIa'), das auch sonst in heth. Verträgen, v.a. aber in königlichen Schenkungsurkunden begegnet: E. v. Schuler, Staatsverträge, S. 39.41.(49), und z.B. den Text bei D. J . McCarthy, Treaty, S. 183-185. 33
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
Freund ist (Generalklausel)' 37 . Daß trotz dieser Umsetzung der Hinweis aufs eigene ,Sehen' (II) beibehalten wurde, zeigt wohl nicht nur den Formzwang der zugrunde liegenden Struktur, sondern darüber hinaus, worauf es juristisch ankommt: Das Glied erklärt es für rechtsfolgewirksam erwiesen, daß Niqmadu loyal Vasall im Sinne der Generalklausel ist und expliziert derart den Rechtsgrund der Grenzregelung, die der König dem Niqmadu als diesem Vasallen auferlegt. Das ist wieder nach unseren Erhebungen an entsprechend gefügten alttestamentlichen Texten geurteilt. Aber das Recht dieser Deutung läßt sich aus den hier betrachteten Dokumenten erhärten. Die Art, in der sie das grundlegende Vertragsformular abwandeln 38 und die ihren genauen Charakter hat fraglich werden lassen 39 , erklärt sich mit dieser Deutung. Das Fehlen eines Segen-und-Fluch-Teils, doch auch, daß die angeführten Schutzgötter (E) nicht als Zeugen eines von Niqmadu geleisteten Eides, sondern nur als Hüter der ausgefertigten und durch die Berufung der Götter für unantastbar erklärten Urkunde erscheinen 40 , ist in der hethitischen Vertragstradition nichts Singuläres 41 . Dieselben Modifikationen erscheinen in Sekundogeniturverträgen 42 und etwa auch dort, wo das Vertragsformular zum Instrument der inneren Organisation des Staatswesens entwickelt worden ist: im Treueeid-Formular für Hofund Staatsbeamte 43 . In diesen Fällen hat man angenommen, daß schon bestehende Bindungen familiärer, rechtlicher oder moralischer Art der Grund gewesen sind, das Verhältnis zwischen Krone und Klienten in einer Form zu regeln, die auf Eidgötterliste und Segen und Fluch als sakralrechtliche Sicherungen verzichtete 44 . Eben das erklärt aber auch 31
S. S. 45, Anm. 11; 81f., Anm. 10 u. 11. Grundsätzlich zur Wandlungsfähigkeit des Formulars: S. 44, Anm. 6, u. bes. E. v. Schuler, aaO, S. 3 8 - 4 4 , spez. S. 39. 39 Vgl. S. 84. 40 Vgl. D. J. McCarthy, Treaty, S. 42 (in Anm. 56 von S. 41). - Auch dies ein Zug, der die Texte königlichen Schenkungsurkunden annähert: vgl. E. v. Schuler, aaO, S. 39.41: „Bekräftigungsformel". 41 Gegen D. J. McCarthy, ebd. 42 E. v. Schuler, aaO, S. 3 9 . 4 1 - 4 2 , und die dort angeführten Texte. 43 Zu dieser Gattung: E. v. Schuler, aaO, S. 45—49; ders., Dienstanweisungen.— Zur Verwandtschaft mit den Verträgen: ders., Dienstanweisungen, S. 2—3, bes. ders., Staatsverträge, aaO, S. 47: „In der Tat muß man die Instruktion als einen Vertrag ansehen, dessen Einzelbestimmungen der König aufstellt und den der Beamte akzeptiert, indem er den Eid leistet." — Zur Abwandlung des Vertragsformulars in dieser Gattung durch Fortfall der Teile ,Schwurgötter' und .Sanktionen': ders., Dienstanweisungen, S. 3—4. 44 E. v. Schuler, Dienstanweisungen, S. 4 (im Anschluß an Schachermeyr); ders., Staats Verträge, aaO, S. 41. 38
V. lOaßb—IIa: Beziehungen zur ao. Vertragsparänese
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den hier untersuchten B e f u n d . Die R a h m u n g der Einzelbestimmungen in beiden T e x t e n hat — wie sich damit bestätigt — die F u n k t i o n , N i q m a d u s Verpflichtung auf den Großkönig (III) als Regelung auf der Basis schon bestehender, v o m Großkönig rechtskräftig festgestellter (II) Bindungen zu erklären, die N i q m a d u s Verhalten (I) geschaffen hat. K r a f t dieser in praxi vollzogenen, nun rechtsverbindlich konstatierten Selbstbindung des Vasallen k o m m t es zu einer (im Brief für diesen Fall schon z u g e s a g t e n 4 5 ) Regelung des Verhältnisses, die auf sakralrechtliche Sicherungen verzichtet. — Was so entsteht, ist ein Vertragsverhältnis, wie immer m a n die E i n z e l d o k u m e n t e für sich g e n o m m e n klassifiziert 4 6 . Damit stehen wir nun vor dem folgenden, im Hinblick auf E x 34,10aj5b bis I I a z u s a m m e n f a s s e n d zu wertenden B e f u n d : Dieser T e x t a b s c h n i t t selbst setzt voraus, daß J a h w e s Verhältnis zu seinem V o l k als eine Beziehung erfaßt ist, die ihren Grund im geschichtlichen Hoheitserweis des Mächtigen hat, der den Schwachen, indem er ihn auf seinen Willen verpflichtet, dem S c h u t z seiner Herrschaft unterstellt. Diesem so explizierten Verhältnis J a h w e s zu Israel ist zwischenmenschlich die rechtlich-personale Beziehung Großkönig — Vasall zu vergleic h e n 4 7 , denn es hat sich ergeben, daß die forensisch angelegte Grundstruktur des Abschnitts nicht nur in eigentlich-juristischer Verwendung ( I I A 2 . 3 ) , sondern auch in paränetisch a u f das ,Halten' festgesetzter Pflichten zielender F u n k t i o n e n ( I I A 1 ) analog in T e x t e n der außerisraelitischen Vasallenvertragstradition begegnet. Die B e d e u t u n g dieser Entsprechung ist kritisch zu b e s t i m m e n . Zunächst negativ: Der bisher analysierte B e f u n d erlaubt in keiner Weise das Urteil, in E x 34,10—26 liege ein B u n d e s f o r m u l a r vor. Nicht nur kann E x 34,10aj3b—IIa nicht über den T e x t im G a n z e n entscheiden. V o r allem hat gerade der Vergleich mit dem außerisraelitischen Material deutlich g e m a c h t , daß wir es in diesem Abschnitt mit einer Struktur zu tun haben, die nicht fest hineingebunden in ein ganz b e s t i m m t e s Formular begegnet, sondern die auftritt, w o ein ganz b e s t i m m t e s Gegenüber, eine rechtlich-personale Grundbeziehung vorausgesetzt ist u n d ins Wort gefaßt wird. A m stärksten berühren sich mit unserem Abschnitt die Paränesen im Brief! S o kann von hier aus auch nicht die S. S. 83 zu II A l , Z. 4 9 - 5 2 . E. v. Schuler, Staatsverträge, S. 44, spricht von einem „Vertragswerk", das „nicht in einer einheitlich redigierten Vertragsurkunde . . . , sondern in zwei spezi47 S. näheres noch u. I C 1! ellen Verträgen" vorliegt. 45
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
Erwartung entstehen, die bisher die Analyse bestimmte, wo man den Eingang der Bundesworte vom ausgeprägten Bundesformular her zu verstehen suchte: Es müßten besondere Gründe für die futurische Fassung der (dann so aufgefaßten) .Vorgeschichte' verantwortlich sein 4 8 . Und auch das läßt sich wohl nicht mehr so formulieren, daß die hier untersuchte dreigliedrige Struktur „vom Bundesformular her" entwickelt worden ist 49 . Erkennbar ist nur, das aber ist zu erkennen, daß diese Struktur als Form paränetischer Rede ein Verhältnis zwischen Sprechendem und Angesprochenen 50 voraussetzt, wie es etwa auch im Bundesformular zum Ausdruck kommt. — Das ist zugleich positiv die Bedeutung der aufgewiesenen Entsprechungen. Sie erlauben es, den Verstehenshorizont zu konkretisieren, in dem ein Wort wie Ex 34,10a/3b— I I a seinen spezifischen Sinn erhält. Sie werfen historisch die Frage auf — nicht, wo und wann ein ausgereiftes Formular des internationalen Rechts von Israel rezipiert und auf sein Verhältnis zu Jahwe übertragen worden ist, sondern — wo und wann Israel sein Verhältnis zu Jahwe als eine Beziehung zu deuten begann, der das Verhältnis Schutzherr — Vasall im zwischenmenschlichen Bereich vergleichbar ist und die darum ein Reden in Formen begründete, die analog ausgebildet waren, wo zwischenmenschlich aus eben diesem Verhältnis heraus gesprochen wurde. Diese Frage bleibt Gegenstand der weiteren Untersuchung. 48 Vgl. K. Baltzer, Bundesformular, S. 48; W. Beyerlin, Sinaitraditionen, S. 104, Anm. 2. Vgl. D. J . McCarthy, Treaty, S. 165. - Man hat in J o s 2 3 , ( 3 - ) 5 ein weiteres Beispiel für eine futurisch formulierte Vorgeschichte erkennen wollen: N. Lohfink, Hauptgebot, S. 119, Anm. 17; D. J . McCarthy, Treaty, S. 139. Tatsächlich bewegen wir uns an dieser Stelle im Rahmen der hier untersuchten paränetischen Struktur: Jahwes ins Auge gefaßtes Handeln (v. 3—5) bereitet den Appell zum „Halten" ("IBB: v. 6) des Hauptgebots vor (v. 6—8). Von diesem Handeln ist als vergangenem und künftigem die Rede (v. 3—4/v. 5). Zweimal begegnet im Hinweis aufs frühere Handeln das Stichwort ΠΧ1 (3aa.4aa); dazwischen steht in v. 3b eine zusammenfassende Bekenntnisformulierung (vgl. analog Dtn 29,5b im Rahmen von v. lb—8: N. Lohfink, aaO, S. 127), so daß in v. 3—4 die Glieder I und II unseres Schemas in enger Verschränkung vorliegen. V. 5aα eröffnet mit einer v. 3b parallelgestalteten Bekenntnisformulierung die Ankündigung künftigen Jahwehandelns v. 5aj3b: II—I. — Wir erhalten so die Struktur I—II—I/II—I/III: ein Ergebnis, das anschaulich macht, wie weit Ex 34,10aj3b—IIa in seinem straffen Aufbau von diesem deuteronomistischen Text entfernt ist. 49 N. Lohfink, Hauptgebot, S. 131; vgl. S. 125ff. 50 Das ist nach den verglichenen Texten die Beziehung, in der diese Form der Rede ursprünglich auftritt, so daß Ex 34,10a/Jb—IIa als direktes Jahwe-Wort auch von hier aus gesehen ursprünglicher dasteht, als die vermittelnd von Mose gesprochenen „Beweisführungen" des Deuteronomiums: s. S. 60.67.
V. lOaßb—IIa: Sprache
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Ehe wir aber den jetzt behandelten Abschnitt verlassen, sind die Ergebnisse durch eine Analyse seiner Sprache abzurunden. c) Sprache Die Verse gelten weithin für deuteronom(ist)isch 1 . Formgeschichtlich hat sich ergeben, daß Beziehungen zur deuteronomischen Paränese bestehen, daß aber alles dafür spricht, im Text ein Zeugnis ,protodeuteronomischer' Verkündigung zu sehen. So ergibt sich Fragestellung und Methode. Die Frage ist, ob die Sprache des Abschnitts im Wortschatz bestätigt, was im Blick auf die Form zu erkennen war. Methodisch ist wesentlich, daß, gesetzt wir finden Elemente, die schwergewichtig im Deuteronomium begegnen, zugleich auch geprüft werden muß, in welchem gattungs- und traditionsgeschichtlichen Zusammenhang sie erscheinen, und ob ihr Vorkommen in unserem Text auf dieser Ebene, statt direkt literargeschichtlich zu erklären ist. Mit aller Sicherheit nicht deuteronomisch-deuteronomistisch beeinflußt ist die Diktion in v. 10aß. Der Begriff Π(ί) NVDI begegnet im Deuteronomium gar nicht 2 , im Bereich des Deuteronomistischen Geschichtswerks zweimal (Jos 3,5; Ri 6,13), doch hier ids Begriff der zugrundeliegenden Tradition 3 . Verbunden mit ΠίΡϊ (Subjekt: Jahwe) steht er Ex 3,20 J 4 , Jos 3,5 und Jer 21,2, ganz überwiegend jedoch in liturgischer Sprache 5 . Überhaupt ist dies ein Begriff des gottesdienstlichen Lebens 6 . Im Bekenntnis und Lob der Gemeinde werden die nixVpl S. S. 15. Doch vgl. zum Folgenden insbesondere auch F. Langlamet, Israel et ,1'habitant du pays'; F.-E. Wilms, Das jahwistische Bundesbuch, S. 148ff. 2 Die Wurzel hVd dreimal: 17,8; 30,11 (ni.); 28,59 (hi.). - Nur 28,59 ist Jahwe Subjekt. Zu den beiden anderen Belegen: F. Horst, Privilegrecht, S. 133, bes. Anm. 324; W. Beyerlin, Rettung, S. 54ff., bes. 55, Anm. 7. 3 Zu Jos. 3,5 vgl. die Stimmen, die F. Langlamet, Gilgal, S. 22, zusammengestellt hat, dazu ebd. S. 93ff., bes. S. 9 7 - 9 8 . M. Noth, Josua, S. 26.33. - Zu Ri 6,13: W. Beyerlin, Geschichte und heilsgeschichtliche Traditionsbildung, S. 6—8; W. Richter, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen, S. 148—149. 4 G. Fohrer, Überlieferung und Geschichte des Exodus, S. 2 8 - 2 9 . 3 0 . 5 Jahwe-Prädikation, partizipial: Ps 72,18; 86,10; 106,22; 136,4; Hi 5,9; 9,10. Verb, finit. Ps 40,6; 98,1. - Vgl. zu Jos. 3,5 auch F. Langlamet, aaO, S. 9 7 - 9 8 . 4 27mal im Psalter, sonst 14mal (+ 1 Chr 16,9 = Ps 105,2; 16,12 = Ps 105,5; 16,24 = Ps 96,3). — Das Verhältnis wird noch eindeutiger, wenn man die Stellen außerhalb des Psalters herausstellt, die, auch unabhängig vom Begriff, kultischen Sprachgebrauch spiegeln. Vgl. z.B.: Jos 3,5 (vor. Anm.); Ri 6,13 (W. Beyerlin, Geschichte und heilsgeschichtliche Traditionsbildung, aaO, S. 6—8); Mi 7,15 (A. Weiser, Das Buch der zwölf Kleinen Propheten I, S. 288, zu v. 1 4 - 1 7 ) ; Neh 9, 17 (W. Schottroff, „Gedenken", S. 127ff.). - Andererseits steht Ps 131,1 abseits.
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
Jahwes „erzählend"'(η BO pi.) 7 , „gedenkend" (T3T; r r t o ) 8 Gegenwart 9 . Im Tradieren der Heilsgeschichte „ v o n Geschlecht zu G e s c h l e c h t " 1 0 wird das Wort Signal 1 1 , Inbegriff dessen, was J a h w e dem V o l k zugute getan hat. D e m entspricht, daß es vergleichsweise o f t in der „todä der Heilsvergegenwärtigung" b e g e g n e t 1 2 , dem Bekenntnis des akut Bedrängten, in dem er in seiner N o t die den Vätern erwiesene Wundermacht J a h w e s zum rettenden Eingreifen jetzt kultisch vergegenwärtigt 1 3 , u n d d e m entspricht andererseits — in paränetischer, jedenfalls nicht erst deuteronomistischer Wendung 1 4 — die Rede v o n den zur Treue verpflichtenden, gerade so kontrastierend die Untreue Israels aufdekkenden nisVsi J a h w e s 1 5 . Ganz singulär ist die Wendung, daß Wunder „geschaffen" werden (N13 ni.). Im D e u t e r o n o m i u m und Deuteronomistischen Geschichtswerk erscheint q. ein einziges Mal (Dtn 4 , 3 2 ) , bezogen auf die Erschaffung des Menschen. — D^ärrVDSI ^HNrrVDa für deuteronomistisch zu halten, wird niemandem einfallen 1 6 . Anders liegen die Dinge beim Begriff Π1ΓΡ ΠίΜ?» v. 10b. 7
Ps 75,2; 96,3. - Vgl. C. Westermann, Vergegenfrärtigung, S. 313ff.; H. Zirker, Vergegenwärtigung, S. 13.68ff. 8 Ps 105,2.5; 111,4; 145,5. - Vgl. W. Beyerlin, Kulttraditionen, S. 7 0 - 7 1 ; W. Schottroff, „Gedenken", S. 127ff.292ff.; H. Zirker, aaO, S. 7 - 1 1 u. passim. 9 Vgl. noch Ps 98,1; 107,8.15.21.31 ( n V II, hi.); 136,4 und s. Ps. 72,18; 119, 18.27. - Vgl. H. Zirker, aaO, S. 24. 10 Ps 78,4; vgl. H. Zirker, aaO, S. 6 8 - 7 4 . " Vgl. zu „Abbreviaturen" kultischen Redens: A. Weiser, Psalmen, S. 39—40. 51. — Wird überhaupt konkret bezeichnet, welche .Wunder* der Vergangenheit jeweils im Blick sind, so bleiben auch dann die Aussagen stichworthaft-andeutend. Vgl. mit Anspielungen, die alle Bekanntes voraussetzen, Ps 71,17; 78,12; Ex 15,11b; Ri 6,13; Mi 7,15; Neh 9,17 u.a. - Absolut steht der Begriff z.B. Ps 75,2; 96,3; 98,1a; 107,8.15.21.31 u.ö.; vgl. Ps 72,18. 12 Ps 9,2; 26,7; 40,6; 71,17; 86,10. - Das sind die Haupttexte der Gattung, die W. Beyerlin erhoben hat: Die todä der Heilsvergegenwärtigung (Ps 9,2—21; 26, 6 - 7 ; 4 0 , 2 - 1 2 ; 71,16-18a). 13 Vgl. W. Beyerlin, aaO, und ders., Rettung, S. 20-21.30-31.101. (117-) 120. (129-)135.155-156. 14 Vgl. zu Ps 78 Anm. 15; gegen W. Schottroff, „Gedenken", S. 127, und die dort, Anm. 1, gen. Lit. 15 Ps 78,4.11.32; Ps 106,7.22. - Vgl. H. Zirker, aaO, S. 35ff. - Zum geschichtlichen und theologischen Ort des 78. Psalms vgl. O. Eissfeldt, Das Lied Moses, bes. S. 2 6 - 4 1 ; G. E. Wright, Lawsuit, bes. S. 3 9 - 4 0 u. Anm. 28; W. Beyerlin, Gattung und Herkunft des Rahmens im Richterbuch, bes. S. 15ff.; W. F. Albright, Yahweh and the Gods of Canaan, S. 2 2 - 2 3 . 2 2 0 - 2 2 1 . " Die Zusammenstellung ist einfach sachgemäß: vgl. L. Rost, Bezeichnungen für Land und Volk, bes. S. 80-86.86-89.92.93. - Vgl. zum Material im Deutero-
V. 10a/3b-lla: Sprache
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G. v. Rad hat dem Wortfeld eine Studie gewidmet 17 . Er hält unseren Beleg für deuteronomistisch, doch gibt dabei nicht der Begriff, sondern die Annahme den Ausschlag, v. 10 sei ein „dtr. Einschub" 1 8 . Geht man streng vom Wort aus, so führt der Vergleich mit dem deuteronomisch-deuteronomistischen Befund, gerade wie G. v. Rad ihn charakterisiert h a t 1 9 , zu anderen Schlüssen. — Zunächst den Befund: Der Ausdruck begegnet vergleichbar, konstruiert mit ΠΝΊ, in D t n 1 1 , 3 . 7 2 0 , also im „ S c h e m a der Beweisführung" 2 1 . Im ganzen Bereich des D e u t e r o n o m i s t i s c h e n Geschichtswerks steht für J a h w e s Geschichtshandeln dreimal - J o s 2 4 , 3 1 (+ ST 1 ); Ri 2,7 (+ Π Χ Ί ) ; Ri 2 , 1 0 (+ VT1)—, an Stellen, die in ihrer G e s c h i c h t s t h e o l o g i e (nicht K e n n e n / S e h e n des ilfrSH begründet d e n Abfall) E x 3 4 , 1 0 — I I a nahestehen, die aber alle drei einem literar- b z w . redaktionsgeschichtlichen Zusammenhang angehören, in d e m sie als ad h o c formulierte Bindeglieder fungier e n 2 2 . Als solche k ö n n e n sie auch nur als ein Beleg gewertet werden. Ein fester deuteronomistischer Sprachgebrauch ist damit jedenfalls nicht gegeben. Die gedankliche N ä h e zu E x 3 4 , 1 0 — I I a fordert über diese N e g a t i o n hinaus aber eine genauere Zuordnung. G. v. Rad charakterisiert die g e n a n n t e n Stellen: „In fast schlagwortartiger Kürze wird hier ein langer geschichtlicher Weg bezeichnet, den Gott mit Israel gegangen ist. Diese Subsummierung einer langen Reihe intensiver Geschichtserfahrungen in einem kurzen Begriff setzt eine starke Reflexion und ein bemerkenswertes theologisches Abstraktionsvermögen voraus. Glaube keiner, daß sich der Oberbegriff ,Werk Gottes' für so eine ereignisreiche Geschichtsstrecke mehr oder minder von selbst einstellte! Es bedurfte eines langen Prüfens und Sichtens . . . , bis sich das Wort von dem Werk Gottes als die Formel ergab, in der das Vielerlei am vollständigsten, am sachgemäßesten umgriffen war." 2 3 V o n derart rückgewandt-systematisierender G e s c h i c h t s r e f l e x i o n könnt e m a n auch in E x 3 4 , 1 0 b einen Niederschlag f i n d e n , b e d e n k t man die nomium: O. Bächli, Israel und die Völker, S. 32—34.152—164 u. passim; J. G. Ploeger, Untersuchungen, S. 60—129. 17 Das Werk Jahwes. 18 AaO, S. 291, unter Hinweis auf M. Noth. " AaO, S. 2 9 1 - 2 9 2 . 20 Sonst im Dtn nur noch 3,24 als Ausdruck der Gebetssprache. Alle übrigen Belege bezeichnen die menschliche Arbeit (2,7; 14,29; 15,10; 16,15; 24,19; 28,12; 30,9), speziell in der Götzenpolemik das ,Machwerk' menschlicher Hände (4,28; 27,15; 31,29). - So bis auf die sekundäre Stelle Jer 51,10 (dazu v. Rad, aaO, S. 294) auch der Befund bei Jeremia. 21 N. Lohfink, Hauptgebot, S. 127. 22 Vgl. W. Beyerlin, Gattung und Herkunft des Rahmens im Richterbuch, aaO, S. 26.29; W. Richter, Bearbeitungen, S. 4 4 - 4 9 . 23 AaO, S. 292.
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
bekenntnishaft gewichtige Formulierung in v. 10ba 2 4 . Aber ist das deuteronomistische Reflexion und Formulierung? Einmal ist festzuhalten, was v. Rad unterstreicht: Die hier fragliche Verwendung des Begriffs Πψϊ» hat ihre Vorgeschichte in der „Kultsprache" 2 5 . Tatsächlich findet sich der Ausdruck auch ohne die Stellen, die vom Schöpfungswerk reden 26 , mit einer Häufigkeit in den Psalmen, die alle anderen Bereiche des Alten Testaments bei weitem übertrifft 2 7 . Hier auch begegnet er in Stichwortkonstellationen, die an unserer Stelle, doch nicht ein einziges Mal im deuteronomischdeuteronomistischen Bereich sonst gegeben sind 28 . Die Affinität der Sprache von Ex 34,10 zur Sprachwelt des gottesdienstlichen Lebens ist demnach — und im Einklang mit allen bisherigen Ergebnissen — stärker als die Beziehung zur deuteronomisch-deuteronomistischen Diktion, in der der flfoVD Jahwes, so reflektiert von ihm die Rede sein mag, eben nicht verbreitet als Topos vorkommt. Zu beachten ist weiter der Sprachgebrauch bei Jesaja 2 9 , der Ursprungsbeziehungen zum gleichen: gottesdienstlichen Raum voraussetzt 30 . 150 Jahre vorm Deuteronomistischen Geschichtswerk ist hier in einer Weise vom ΓΠΓΡ niffSö — und zwar vom überführenden, Erkenntnis wirkenden Geschichtserweis Jahwes 31 ! — in einer Art die Rede, deren Besonderheit im Unterschied zur Kultsprache der Psalmen und gerade auch zum deuteronomisch-deuteronomistischen Vorkommen des Ausdrucks man darin gesehen hat, daß nicht rückgewandt-reflektierend Vergangenheit erfaßt, sondern neues Geschehen angesagt wird: „Hier ist nicht heilsgeschichtlich Vergangenes gemeint, weder die gemeindegründenden Taten der Vorzeit im Einzelnen noch im Ganzen, sondern ein ganz neues Gottesgeschehen, das der Prophet in Gang kommen sieht, und das alle Lebenden in eine äußerste Krise führen wird." 32 24
S. S. 57. AaO, S. 292. 26 Dazu G. v. Rad, aaO, S. 295. 27 Ps 28,5; 33,4; 64,10; 66,3; 86,8; 106,13; 107,22.24; 111,2.6.7; 118,17; 143, 5; 145,4.9.10.17. — Vgl. dazu H. Zirker, aaO, S. 21, der seinerseits jede besonders theologisch reflektierte Qualität des Ausdrucks bestreitet: Er gehöre zu den „Termini, die nicht mehr besagen, als das handelnde Eingreifen Jahwes." 28 Vor allem neben ΠίΚ^ΒΙ: vgl. Ps 106,7.13.22; 107,21.22.24; 111,2.4.6.7; 145, 4.5.9.10.J7; (vgl. 1 3 9 , 1 4 ) . ' - Die einzige Stelle außer Ex 34,10, an der der HtPVtt Jahwes Kill genannt wird, ist Ps 66,3 (vgl. auch v. 5 und Ps 145,4—6!). — S. unten! 2 ' Jes 5,12.19; 10,12; 28,21; (29,23). 30 G. v. Rad, aaO, S. 2 9 3 - 2 9 4 ; H. Wildberger, Jesaja, S. 1 8 8 - 1 8 9 (Lit.). 31 Vgl. bes. 5,12.19 (,Sehen'!) und dazu H. Wildberger, aaO, S. 1 8 5 - 1 8 9 . 32 G. v. Rad, aaO, 293; vgl. H. Wildberger, aaO, S. 189. 25
V. lOaßb—IIa: Sprache
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Bei allem Abstand, der bleibt: In dieser Hinsicht hat Π1«Τ nfeVö in Ex 34,10b ganz ebenso einen eigenen Klang. Es geht um Zukunft, nicht subsummierbar um kanonische Geschichte. Um Zukunft, die Erweischarakter hat, nicht um Vergangenheit als Lehrstück. Dabei ist nfos?» nicht systematisch „Oberbegriff" (,Werk'), sondern schlicht — und situationsangemessen33 — der allgemeinste Begriff (,Tun*) für ein Handeln, dessen Art und Inhalt nicht einfach mit dem Stichwort Π1ΓΡ Πψνο als solchem erfaßt ist, sondern das seinerseits umfassend als „furchtgebietendes" Handeln gekennzeichnet wird: ΚΊΪ3 3 4 . Oder ist zumindest diese Kennzeichnung des Jahwe-Handelns ein Merkmal deuteronomisch-deuteronomistischer Sprachgebung? — Es gibt auch dafür keinen Anhaltspunkt. So zentrale Bedeutung die Wurzel XV im deuteronomisch-deuteronomistischen Sprachraum hat und so einheitlich sie (im Sinn „Gott-Fürchten = Gott-Verehren") in allen seinen Bereichen verwandt wird 35 , — im Derivat ΧΊ11 selbst und in seiner Beziehung aufs Geschichtshandeln Jahwes handelt es sich nicht um eine für diesen Raum typische, geschweige denn ihm spezifisch eigentümliche Erscheinung. Das Wort kommt im Deuteronomium sechs-, im Bereich des Deuteronomistischen Geschichtswerks zweimal vor 3 6 . Andererseits ist es so ausgeprägt ein „Terminus der Kultsprache" 37 , daß es als solcher in die deuteronomischen Rahmenstücke aufgenommen worden sein dürfte 38 . Aufs göttliche Handeln wird es an all diesen Stellen überhaupt nur zweimal bezogen (Dtn 10,21; 2 Sam 7,2 3 3 9 ) 4 0 , wobei wir uns 10,21 wieder im „Schema der Beweisführung" bewegen 41 . Zudem ist die Diktion charakteristisch verschieden. Dtn 10,21; 2 Sam 7,23 heißen die Taten Jahwes selbst ΓΐίίΠΪ, und wie im Deuteronomium das Wort
S. S. 6 6 und S. 6 7 , Anm. 3. Grundlegend für dies Verständnis ist freilich die syntaktische Analyse von v. 10b, wie wir sie S. 57 durchgeführt haben. 3 5 Vgl. die umfassende Studie von J . Becker, Gottesfurcht, S. 85—124. Dazu die Übersicht ebd., S. 2 8 4 - 2 8 5 , Ziffer 6. 3 6 Dtn 1 , 1 9 ; 7 , 2 1 ; 8 , 1 5 ; 1 0 , 1 7 . 2 1 ; 2 8 , 5 8 . Ri 1 3 , 6 ; 2 Sam 7,23. 3 7 J . Becker, aaO, S. 4 8 . Vgl. das Material ebd., S. 4 6 - 4 8 . 3 0 - 3 9 . 3 8 Mit J . Hempel, Gott und Mensch, S. 30. 3 9 Dtr: vgl. L. Rost, Thronnachfolge, S. 1 6 1 ; M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, S. 6 4 . 4 0 Sonst direkt Prädikat Jahwes (Dtn 7 , 2 1 ; 1 0 , 1 7 . Vgl. Ps 4 7 , 3 ; 7 6 , 8 ; 9 6 , 4 u.ö.) bzw. seines Btf (Dtn 2 8 , 5 8 . - Vgl. Ps 9 9 , 3 ; 1 1 1 , 9 u.ö.). - In Dtn 1 , 1 9 ; 8 , 1 5 Bezeichnung der Wüste. 4 1 N. Lohfink, aaO, S. 127 33 34
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
stereotyp zeugmatisch mit ViTl verbunden begegnet 42 , so entsprechend auch an diesen beiden Stellen, aber eben nicht in Ex 34,10. Also bleibt einzig der Promulgationssatz V. I I a , der hier ein Eingreifen deuteronomistischer Hände bezeugen könnte. Dabei handelt es sich in der Tat um ein typisches Element deuteronomischer Sprache 43 . Aber abgesehen selbst davon, daß es hier anders konstruiert ist als üblicherweise im Dtn und daß Äquivalente wie Ri 13,14; 1 Sam 13,13f. als Belege eigenständigen und älteren Sprachgebrauchs nicht von der Hand zu weisen sind 4 3 a : nach allen bisherigen Ergebnissen wäre es kurzschlüssig, wenn wir lediglich das zahlenmäßige Verhältnis der Belege zum Beweis deuteronomistischer Überarbeitung nähmen. Und in der Tat besteht dazu auch keinerlei Grund. Wir gingen ja davon schon aus, daß Beziehungen unseres Abschnitts zur deuteronomischen Paränese bestehen. Die Untersuchung der Form und Funktion von Ex 34,10aj3b— I I a hat in dieser Hinsicht ergeben, daß man allen Problemaspekten gerecht wird, wenn man annimmt, die Einheit sei der frühe Beleg einer dem gottesdienstlichen Gebotsvortrag im Rahmen der Jahwe-Theophanie entstammenden paränetischen Form, die freier, reicher entwickelt, zugleich auch vielseitiger verwandt und entsprechend gewandelt in der deuteronomischen Predigt weiter gepflegt und endlich offenbar auch Mittel literarischer Gestaltung 44 geworden ist. Dieser Annahme entspricht der bisher festgestellte sprachliche Befund. Spezifisch deuteronomischdeuteronomistische Diktion war in keinem Punkt zu erkennen, wohl aber wiesen alle zentralen Begriffe zurück in die Sprachwelt kultischen Lebens. Zweimal — bei den Begriffen Π1ΓΡ n»Vö und Nlili— führten uns die einzig vergleichbaren Belege im Deuteronomium (11,3.7; 10,21) in das „Schema der Beweisführung", die unserem Textabschnitt ursprungsverwandte Form gottesdienstlicher Gebotsparänese, und in beiden Fällen zeigte einerseits der ganz untechnische (ntoSJD), andererseits der terminologisch verschiedene, zugleich nicht formelhaft entwickelte Sprachgebrauch den Abstand unserer Stelle vom deuteronomischen Befund und den entsprechenden, nur ganz sporadisch 42
Dtn 28,58 ist mit der Verbindung ΝΊΪ3Π1 "7332ΓΙ die einzige Ausnahme. Vgl. N. Lohfink, Hauptgebot, S. 5 9 - 6 3 , und die Tabelle ebd., S. 2 9 7 - 2 9 8 . 43a Beides macht F.-E. Wilms, aaO, S. 152, geltend: Das Dtn konstruiert "IÖ® mit substantivischem Objekt, nicht wie hier mit Objektsatz (Belege ebd.). Zu Ri 13,14 und lSam 13,13—14 andererseits vgl. M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, S. 61.63. 44 S. S. 59 und zu Jos 2 3 , 3 - 8 S. 88, Anm. 48. 43
V. lOaßb—IIa: Zusammenfassung
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anzutreffenden Formulierungen deuteronomistischer Redaktion (Jos 24,31/Ri 2,7.10; 2 Sam 7,23). Und nun ist dies zu bedenken: Wann und wo immer der Promulgationssatz als literarischer Topos verwandt worden sein mag, er wurzelt — und zwar spezifisch in der Form, in der er, den aktuellen Vorgang des Gebietens ins Wort fassend, Ex 34,11a begegnet 45 — in der lebendigen Rede der „kultischen Gesetzespredigt" 46 . Das „kultische Ich", das einzig in Sätzen partizipialer Formulierung auftretende. „Heute" (v. lla/3) 4 7 signalisiert diesen Hintergrund 48 . Und was derart das Element in sich anzeigt, entspricht genau dem, was seine Verbindung mit v. lOaßb an unserer Stelle annehmen läßt. Alles konvergiert dahin, daß v. I I a wie die ganze Einheit, die er beschließt, Element vordeuteronomischer Gebotsparänese in gottesdienstlichem Rahmen ist. d) Zusammenfassung 1. Ex 34,10aj3b—IIa ist eine formgebundene Einheit. 2. Form und Sprache machen es gleichermaßen wahrscheinlich, daß der Text im Leben Israels bei der „Gelegenheit im Gottesdienst" (H. Gunkel) gesprochen worden ist, auf die ihn sein heutiger Kontext bezieht. 3. Der Versuch, die Beziehungen des Textes zur deuteronomischen Paränese durch die Annahme deuteronomistischer Redaktion zu erklären, hat den sprachlichen Befund gegen sich und führt im Hinblick auf die Beziehungen formgeschichtlicher Art in Schwierigkeiten, die beim Ansatz des Textes in der Praxis gottesdienstlicher Gebotsverkündigung (2.) sämtlich entfallen. 4. Im Text kündet Jahwe den Taterweis seiner Herrschermacht an, die als die Übermacht des Mächtigen nicht unterwerfen, sondern als Heils45
Vgl. zu den verschiedenen Formulierungen und Zeitbezügen, in denen er auftritt: N. Lohfink, aaO, S. 6 0 - 6 1 . 46 N. Lohfink, aaO, S. 62. — Diese notwendige Differenzierung zwischen literarischer Repräsentation und eigentlichem ,Sitz im Leben' der gattungsgebundenen Redeweise impliziert methodisch einerseits, daß genuine Vorkommen der Formel zunächst nur in Texten zu erwarten sind, die sich der „kultischen Gesetzespredigt" verdanken, und andererseits, daß sie selbst als Element lebendiger Rede erheblich älter sein kann als ihre literarische Dokumentation (vgl. in anderem Zusammenhang W. H. Schmidt, Königtum Gottes, S. 53). Beides relativiert die Möglichkeiten rein statistischer Erhebung. 47 Vgl. N. Lohfink, ebd. 48 N. Lohfink, aaO, S. 6 1 - 6 2 .
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
macht für das Volk vom Volk anerkannt sein will: Der Hoheitserweis Jahwes ist der Beweggrund, sich auf Jahwe zu verpflichten, und begründet derart den Appell zu halten, was er gebietet. 5. Diese Gedankenfügung, durch Ausdrucksformen forensischer Rede paränetisch vermittelt, setzt voraus, daß die Beziehung Jahwes zu seinem Volk als ein Verhältnis personhaft-rechtlicher Art erfaßt wurde. Der paränetische Grundgedanke, formal mit entsprechenden Mitteln zur Sprache gebracht, ist in der Umwelt Israels alt und begegnet hier im Bereich der Vasallenvertragsparänese in analoger Funktion. Das besagt nicht, daß wir unseren Text in Analogie zum Vasallenvertragsformular sehen müßten; deutlich ist nur, daß das im Text gemeinte Verhältnis Jahwes zum Volk als ein dem Gegenüber Großkönig — Vasall strukturell vergleichbares Verhältnis aufgefaßt und ausgesagt worden ist. 2. V. IIb—15a: Das H a u p t g e b o t a) Abgrenzung und Struktur Die auffälligste Erscheinung im hier betrachteten Textstück ist die genaue Wiederholung von v. 12a in v. 15 a. Von ihr ist darum auszugehen. Die Annahme doppelter Redaktion in unserem Abschnitt (v. 10—13 fußend auf v. 15—16)1 hat in dieser Wiederholung ihren wohl deutlichsten Anhaltspunkt. Je weniger differenziert v. 10—13.15—16 einfach als redaktionell verworfen wurde 2 , desto weniger bestand ein Grund, Uber diese Wiederholung nachzudenken. K. Baltzer schließlich findet sie eigenartig3, gibt aber nicht den Versuch einer Deutung.
Die Erscheinung literarkritisch zu beseitigen, ist unnötig. Es entspricht antiker Praxis, speziell dem hebräischen Stil, Aufbau und Gliederung eines Textes durch bestimmte konventionelle Mittel anzuzeigen 4 . Ein solches Mittel ist auch die Wiederholung 5 . Zu fragen ist darum, ob v. 12a/15a in ihrer Entsprechung eine positiv stilistische Funktion als gliedernde Struktursignale haben. Das ist in der Tat der Fall. V. 12a und v. 15a umspannen als äußere Glieder ein in sich symmetrisch strukturiertes Mittelstück und bilden 1
S. S. 15, Anm. 14. S. S. 15ff. 3 Bundesformular, S. 48 bei u. mit Anm. 6. 4 "N. Lohfink, Jona, S. 1 9 9 - 2 0 0 . Der hier vorgeschlagene Begriff „Struktursignal" wird im Folgenden übernommen. — Vgl. zum Weiteren methodenkritisch auch W. Richter, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen, S. 344ff., bes. S. 351—353. 5 Vgl. K. Koch, Formgeschichte (2. Α.), S. 18f., bes. die S. 18, Anm. 34, gen. Literatur. 2
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V. IIb—15a: Abgrenzung und Struktur
mit ihm zusammen ein chiastisch geordnetes Ganzes 6 . Eine entsprechende Textanordnung macht das am einfachsten sichtbar. -f? Ifitfn 1
,τ ?» xa nnx ntix p x n airrV m n m a n |B l a n p n tipi»1? rrir ρ p s n n annatn n x ό iriatfn a n a s a n x i p r n a n m t f « nxi i n « Vn1? ninntfn χ1? ό sin
Vx κιρ mrr 'a ρ χ π attfT'1? rrna m a n |D
A Β C
C' Β' A'
Auf den Inhalt gesehen ergibt sich: Α: Β : C: C': Β : Α':
Gebot - v. 12a (]B) Motivierung - v. 12b (|B) Gebot - v. 13 ('3) Gebot - v. 14a ( Ό ) Motivierung — ν. 14b ( Ό ) Gebot - v. 15a (ID)
Es kann bei dieser Struktur kein Zweifel daran bestehen, daß der Text, wie er dasteht, als Einheit gemeint ist. Reihenbildung, in der ein Element frei und gleichrangig neben das andere tritt, ist nicht gesucht, sondern — in der Komplementarität der Glieder ebenso wie in den Partikeln, die absetzen, zuordnen und so ihrerseits stilistisch als Struktursignale wirken —: geschlossene Komposition. Das Gefüge ist formal durchsichtig, der Gedanke unkompliziert: Das geforderte Verhalten gegen die Bevölkerung des Landes wird begründet im besonderen Verhältnis zu J a h w e 7 . Über die Ursprünglichkeit dieser Gestaltung ist damit nicht entschieden. Sie könnte redaktionell sein. Aber dieser Punkt ist später zu erörtern 8 . Hier geht es darum, den Aufbau des gegebenen Textes zu klären. Für ihn gilt, daß v. 14a(b) offenkundig nicht als .Erstes Gebot' einer folgenden Satzreihe empfunden ist 9 . Zusammen mit v. 13 steht er im Kern der geschlossenen Einheit, die mit dieser Mitte und in ihrem fe6
Zum Chiasmus als einer Stilform des atl. Hebräisch vgl. N. Lohfink, Jona, S. 200, und speziell für den Bereich der Komposition von Rechtstexten: R. P. Merendino, Das deuteronomische Gesetz, S. 36f.137.288f.377 u.ö. 7 S. näher u. I C 1. 8 S. S. 107ff.l26—127. 9 Vgl. dagegen S. 15.18ff. u. passim. 7 Halbe, Privilegrecht
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Analyse von Ex 34,10—26: Tefleinheiten
sten Gefüge wie eine einzige, ausgelegte Formulierung der Grundverpflichtung erscheint, die Jahwe dem Volk in Ex 34 auferlegt. Das Hauptgebot der Bundesworte ist danach der gesamte Text v. 12— 15a. Dem entspricht die Einleitungswendungv. 12aa Anfang. Mit η1? "lötfn begegnet uns eine Formel, die so häufig Hauptgebotsformulierungen oder entsprechende Paränesen eröffnet, daß N. Lohfink mit der Möglichkeit rechnet, sie habe „ursprünglich überhaupt nur diesem Zwekke" gedient 10 . Und dem entspricht auch, wie jetzt zu klären ist, die Zuordnung von v. IIb zu v. 12—15a. Das 'ΜΠ v. I I b Anfang hatte uns den Neuansatz an dieser Stelle angezeigt 11 . Es führt uns jetzt auf die Art der Verbindung, die zwischen v. I I b und dem Komplex v. 12—15a besteht. Wir stoßen hier auf die Konstellation Ia Interjektion: b Feststellungssatz: II Imperativ:
... ...
T 3 ? ? ®"!>J
Es handelt sich dabei um ein festes syntaktisches Schema 1 2 , das — mit möglichen formalen Modifikationen, die das Ganze nicht berühren 13 — so verbreitet im Alten Testament und entsprechend im altvorderorientalischen Sprachenkreis 14 auftritt, daß es uns zunächst ganz einfach als Grundmöglichkeit des Aus10
Hauptgebot, S. 156. Die Hauptstellen sind Ex 34,12; Dtn 4,9.14f.23; 6,12; 8, 11; 11,16; 12,30. Vgl. ferner ebd., Anm. 17.18! " S.S. 56. 12 Zuerst im Blick auf Dtn 1,8 herausgestellt von N. Lohfink, Darstellungskunst, S. 1 2 4 - 1 2 5 ; hier S. 125, Anm. 2, ein wichtiger Teil der im Folgenden erfaßten atl. Belege — Vgl. ders., Bundesschluß, S. 42, mit Anm. 44. 13 1.) Statt Π?Π/]Π kann HS"? stehen (Dtn 1,8.21; 2,31; Jos 6 , 2 - 3 ; 8 , l b - 2 ; Jer 40,4b; Ez 4,15). — 2.) An die Stelle des Partizipialsatzes (unser Beleg und z.B. Gn 50,5a; Ex 17,6; 2 3 , 2 0 - 2 1 a; 1 Sam 24,5a) kann ein einfacher Nominalsatz treten (z.B. Gn 12,19b; 16,6a; 20,15; 24,51; 30,3; Ri 19,24; Jer 40,4b), der sich u.U. auf das der Interjektion angefügte Personalsuffix reduziert (1 Sam 12,3; vgl. Jos 9,25; Jer 26,14); oder aber es steht ein Verbalsatz mit dem Perfekt der Koinzidenz (C. Brockelmann, Syntax, § 41 d. Vgl. z.B. Gn 19,21-22; 2 7 , 2 - 4 ; 4 7 , 2 3 - 2 4 ; Dtn 1,8.21; 1 Sam 8,5; 1 Kö 15,19; Jer 40,4a). - 3.) Anstelle des Imperativs begegnen andere Formen der Willensäußerung (vgl. z.B. Jos 6,2—3; 8,1b—2; Ri 19,24; 1 Sam 24,5a). - 4.) Das Schema kann invertiert auftreten (2 Sam 1 9 , 2 0 - 2 1 ; 2 Kö 19,10-11). 14 Beispielbelege: Mari: anumma + Nom. Satz: ARM V, Nr. 6, Z. 4—8; anumma + Perf. Satz: ARM V, Nr. 5, Z. 4 - 5 (vgl. zum Perfekt: W. v. Soden, Grammatik, § 80b). - Amarna: Knudtzon EA I, Nr. 133, Z. 9 - 1 0 ; Nr. 162, Z. 4 6 - 4 8 . - Ugarit: PRU IV, Nr. 17. 372 A + 360 A (S. 139-141), Ζ. 1 1 - 1 4 ; Ugaritica V, Nr. 10 (R. S. 17.67), Z. 1—3'; PRU IV, Nr. 17.247 (S. 191), Z. 1 2 - 2 0 . - Heth. Texte: A. Goetze, Madduwattas, Vs 70 (S. 18f.); J . Friedrich, Staatsverträge I, S. 116— 119 (Kupanta- d KAL-Kuwalija, § 10, C 3 8 - D 18); ebd., S. 113 (§ 6, C 6 - 7 , im Zus.hang D 4 6 - C 9). - Ägyptisch: Hochzeitsstele Ramses II., Z. 2 9 - 3 0 (ANET,
V. IIb—15a: Abgrenzung und Struktur
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drucks erscheint, wo immer sich einer mit einem Befehl (einem Vorschlag, einer Bitte) an einen andern wendet 1 5 . Konstitutiv ist die Zweigliedrigkeit. Der Redende nennt im ersten Glied die Voraussetzung des Handelns oder Verhaltens, das er im zweiten vom Angeredeten fordert, — sei diese Voraussetzung nun hervorgehoben der Gegenstand, auf den sich dies Handeln bezieht 1 6 , der Umstand, der es nahelegt 17 , ermöglicht 18 , erfordert 1 9 , oder das eigene Verhalten, dem das geforderte Handeln korrespondiert 20 . Wir lassen es vorerst bei dieser allgemeinen B e s t i m m u n g . Sie genügt, u m z u sehen, w o r u m es hier geht. V. 1 l b steht w e d e r an falsche Stelle versprengt, n o c h auch nur lose eingeschaltet, sondern fest verbund e n m i t v. 12—15a im heutigen T e x t z u s a m m e n h a n g . D i e Zusicherung J a h w e s v. I I b ist die — w i e i m m e r n o c h prägnant zu b e s t i m m e n d e 2 1 — Voraussetzung des in v. 12—15a geforderten Verhaltens. Im Hinblick auf diese Verbindung wird die R a h m u n g durch v. 1 2 a a / 15a d o p p e l t b e d e u t s a m . Sie integriert nicht nur d e n g e s a m t e n K o m plex. B e a c h t u n g verdient die K o n s t r u k t i o n v o n v. 15a. G e g e n allen G e b r a u c h 2 2 steht hier ]D verbunden mit einer Verbform in 2. Person scheinbar absolut als eigenständige Prohibitivpartikel. S o konstruiert begegnet |B sonst (bis auf Hi 3 2 , 1 3 ) nur in Abhängigkeit v o m übergeo r d n e t e n Prädikat, während es als selbständige N e g a t i o n e i n Verb in der l . 2 3 oder S . P e r s o n 2 4 bei sich hat. Daraus erhellt: V. 15a will nicht S. 257. Vgl. zur Übersetzung M. J . Yoyotte, Ugaritica V, S. 114.). - Das Material liegt so dicht, daß wir im Weiteren nur Belege erfassen, die zur Beleuchtung einzelner alttestamentlicher Tatbestände dienen können. 15 C. Brockelmann, Syntax, § 4, erfaßt die Erscheinung als eine „urtümliche Form des Befehls" (S. 3). — Beispiele für unspezifischen Gebrauch, die zugleich zeigen, daß es sich nicht durchaus strikt um Befehlsformulierungen handelt: Gn 42,2; 4 5 , 1 2 - 1 3 ; Ex 7 , 1 - 2 ; 17,6; 33,21; Num 2 2 , 5 b - 6 a a . l l ; Dtn 4 , 5 - 6 ; Ri 19, 9b; 1 Sam 20,5; 2 Sam 19,20-21; 2 Kö 19,10-11; Ruth 1,15. - Gewährung von Bitten: Gn 19,21-22; 2 Sam 14,21; Ez 4,15. - Bei Gn 2 7 , 2 - 4 ; 50,5a; Dtn 31,14a; 1 Sam 8,5 (vgl. 1 Sam 12,2) ist mir der unspezifische Gebrauch nicht sicher: es könnte sich um Fälle rechtlicher Verwendung des Schemas handeln (s. dazu S. lOOff.). Gn 50,5a (testamentarische Verfügung), Dtn 31,14a; 1 Sam 8,5 (Nachfolgeregelung) sprechen am ehesten dafür; Gn 27,2—4 weckt Bedenken. Hier müßte genauere Exegese entscheiden. " Vgl. Dtn 4 , 5 - 6 ; Ez 4,15. 17 Ri 19,9b; Ruth 1,15; 2 Kö 19,10-11. " Gn 4 5 , 1 2 - 1 3 ; 19,21-22; 2 Sam 14,21. " Num 2 2 . 5 b - 6 a a . i l ; Dtn 31,14a; 1 Sam 8,5. 20 Ex 7 , 1 - 2 ; 17,6; 2 Sam 19,20-21. 21 S.S. 1 0 2 - 1 0 3 . 22 Einzig vergleichbare Stelle: Hi 32,13 (Abwehr eines imaginären Einwands: „Sagt nicht . . . " ) . 23 24 Gn 44,34b; Ex 33,3b0(?). Gn 3,22b; Jes 36,18; Spr 5,6 (MT).
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Analyse von Ex 34,10—26: Teileinheiten
nur im Rückschlag auf v. 12aa, sondern wie v. 12aa in Abhängigkeit vom einleitenden Imperativ ...=|V ~ΙΗΒ>Π gehört werden, der seinerseits unmittelbar v. 1 l b zugeordnet ist. Damit ist die Struktur des Abschnitts klar. Der Text ist als zweigliedrige Einheit (v. l l b / v . 12—15a) gestaltet. — Es gilt jetzt zu prüfen, ob bestimmte Formkräfte diese Gestaltung bedingen, oder ob es sich um individuell und frei gewählte Formgebung handelt. b) Formgeschichte, Komposition und Gehalt ba) Die Rahmenstruktur in forensischer Rede Auszugehen ist von der Verbindung des Elements v. l i b (I) mit dem Komplex v. 1 2 - 1 5 a ( I I ) . Die Kombination Interjektion + Feststellungssatz/Imperativ ist, abgesehen jetzt vom unspezifischen Gebrauch, auf den wir hingewiesen haben 1 , von besonderer Bedeutung 2 als Formelement der Rechtssprache3. Wir geben wenige Beispiele: Gn 47,23 ( - 2 4 ) : I Siehe, ich habe euch u n d euern Boden heute für den Pharao gekauft: II Da habt ihr Saatgut, n u n besät das Land . . . (folgen Abgabebestimmungen)! 4 Ri 20,7: I Siehe, ihr alle seid Israeliten: II Fällt Spruch u n d Entscheidung hier! 5 J e r 26,14: I Ich aber, siehe, ich bin in euern Händen: II Tut mir, wie es gut und recht ist in euern Augen! 6 1
Belege S. 98f., Anm. 1 2 - 2 0 . Schon quantitativ: Es handelt sich im Folgenden u m mehr als die Hälfte aller erfaßten Belege. 3 Vgl. N. Lohfink, Darstellungskunst, S. 1 2 4 - 1 2 5 . 4 Zum rechtlichen Hintergrund vgl. Z. W. Falk, Hebrew Law, S. 48 mit Anm. 1;109 (Lit.). — Vgl. materiell anders, doch vergleichbar im Rahmen eines Verwaltungserlasses: 2Chr 19,11 (dazu mit Lit.: Z.W. Falk, aaO, S. 5 0 . 5 6 - 5 8 ) . 5 Abschluß einer Anklageerhebung durch Geschädigtenbericht (v. 4—7: Vgl. H. J . Boecker, Redeformen des Rechtslebens, S. 7 3 - 7 4 . 2 3 ) . Die Zuständigkeitserklärung (v. 7a) macht die Aufforderung zur Beschlußfassung zwingend (v. 7b): vgl. v. 8ff.! 6 Der Beklagte überantwortet sich dem Gericht u n d erkennt es damit formell als zuständig an. Vgl. dazu H. J . Boecker, aaO, S. 9 4 - 9 6 , bes. 95; N. Lohfink, Hauptgebot, S. 132. — Vgl. ebenso J o s 9,25 u n d s. als weitere Beispiele im Zusammenhang lebendiger Rechtsrede: 1 Sam 2 4 , 2 1 - 2 2 (dazu N. Lohfink, aaO, S. 134); 1 Sam 1 2 , 1 - 3 (zuletzt: H. J . Boecker, Die Beurteilung der Anfänge des Königtums, S. 64ff., bes. S. 6 6 - 7 0 ) . - Zu vergleichen ist etwa PRU III, Nr. 15.18, Z. 2
V. IIb—15a: Rahmenstruktur in forensischer Rede
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Gn 16,6a: I Siehe, deine Magd ist in deiner Hand: II Tue ihr, was gut ist in deinen Augen! 7 Dtn l , 8 a b a : I Siehe, ich gebe euch hiermit das Land preis: II Zieht hinein und nehmt das Land in Besitz . . . !
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9 - 1 5 (S. l l f . ) : Fall von Viehdiebstahl; Schadenersatzforderung aufgrund von Beteiligte naussage: „Jetzt, siehe (diese) Hirten, an dich sende ich sie: Befrage deine Diener, bestimme Ersatz und gib (ihn)!" (Folgt Drohung mit Appellation an den König). - Oder Ugaritica V, Nr. 10 (R. S. 17.67), Ζ. 1'—3' (S. 15): Urkunde; Sklavenfreilassung, Erklärung: „Siehe [NN], wie die Sonne rein ist, ist er rein: Niemand darf wegen des Sklaven Klage erheben!" (Prohibitiv. — Vgl. zum Text ebd. Anm. 1.). 7 Die formell erklärte Übereignung begründet freie Verfügungsgewalt (vgl. zum Rechtshintergrund: G. R. Driver—J. C. Miles, The Babylonian Laws I, S. 304— 305; G. ν. Rad, Genesis, S. 162). - Vgl. entsprechend Gn 12,19b (zum Rechtsredecharakter: H. J . Boecker, Redeformen, S. 6 6 - 6 7 ) ; Gn 24,51 (Z. W. Falk, Hebrew Law, S. 151; N. Lohfink, Darstellungskunst, S. 125, Anm. 3); Gn 30,3 (Z. W. Falk, aaO, S. 38.132.162f.; G. R. Driver-J. C. Miles, aaO, S. 304). Ferner Zur Auslieferung von Personen: Gn 19,8; Ri 19,24. Durch Jahwe: 1 Sam 24, 5a. Andererseits die Freigabeerklärung Jer 40,4a.b. — Erklärung persönlicher Haftung: 2 Sam 24,17. - Außerisraelitisch vgl. namentlich PRU IV, Nr. 17. 372 A + 360 A (S. 1 3 9 - 1 4 1 ) , Ζ. 1 1 - 1 4 : Abmachung Sausgamuwa ( A m u r r u ) Ammistamru II. (Ugarit); Voraussetzung ist die Auslieferung der Frau A.'s durch S., mit folgender Erklärung formell vollzogen: a-nu-ma marat fra-bi-ti ϊα-α hi-it-tä ra-ba-a a-na ka-a-sa te-te-pa-as li-qi-si u [α] t-ta ki-i libbi^-ka [