Das panamerikanische »Drug Court«-System als Alternative für die deutsche Strafrechtspflege?: Analyse und Vergleich internationaler Erfahrungswerte zum Umgang mit Drogenstraftätern [1 ed.] 9783428580590, 9783428180592

Ausgehend von den USA begann im Jahr 1989 die weltweite Verbreitung eines gänzlich neuen Gerichtstypus, den sog. »Drug C

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German Pages 284 Year 2020

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Das panamerikanische »Drug Court«-System als Alternative für die deutsche Strafrechtspflege?: Analyse und Vergleich internationaler Erfahrungswerte zum Umgang mit Drogenstraftätern [1 ed.]
 9783428580590, 9783428180592

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Schriften zum Strafrechtsvergleich Band 11

Das panamerikanische „Drug Court“-System als Alternative für die deutsche Strafrechtspflege? Analyse und Vergleich internationaler Erfahrungswerte zum Umgang mit Drogenstraftätern

Von

Matthias Hellmund

Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS HELLMUND

Das panamerikanische „Drug Court“-System als Alternative für die deutsche Strafrechtspflege?

Schriften zum Strafrechtsvergleich Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Würzburg und Prof. Dr. Brian Valerius, Bayreuth

Band 11

Das panamerikanische „Drug Court“-System als Alternative für die deutsche Strafrechtspflege? Analyse und Vergleich internationaler Erfahrungswerte zum Umgang mit Drogenstraftätern

Von

Matthias Hellmund

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2364-8155 ISBN 978-3-428-18059-2 (Print) ISBN 978-3-428-58059-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und Großeltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2019 von der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) als Dissertation angenommen. Zuallererst gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Dr. h. c. Jan Joerden besonderer Dank, der der Erforschung des Themas „Drug Courts“ von Anbeginn sehr offen gegenüberstand und den Entstehungsprozess der Arbeit mit großem Interesse sowie vielen wertvollen Anregungen und Hinweisen begleitet hat. Ferner gebührt mein Dank Herrn Professor Dr. Christian Becker für die freundliche Bereitschaft zur Übernahme der Zweitkorrektur und die überaus zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dem Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) danke ich für die großzügige ideelle und materielle Förderung meiner Promotion. Das Promotionsstipendium hat es mir ermöglicht, meinen vollen Fokus auf die Doktorarbeit zu legen und mich darüber hinaus international, auch abseits der rechtswissenschaftlichen Pfade, zu vernetzen. Bei dieser Gelegenheit sei Joaquín García-Huidobro, Pilar Irribarra, Caroline Cooper, Annemieke Serlippens und Alphonse Franssen herzlich für die professionelle fachliche Begleitung meiner Forschungsaufenthalte in Chile, den USA und Belgien gedankt. Auch meiner Familie und Freunden, die mich über die Jahre meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung in verschiedenster Art unterstützt und bekräftigt haben, möchte ich an dieser Stelle großen Dank aussprechen. Ihr habt sehr zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Berlin und Rüxleben, im August 2020

Matthias Hellmund

Inhaltsübersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Das panamerikanische „Drug Court“-System im Vergleich zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter nach deutscher Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kriminologische und historische Grundlagen des „Drug-Court“-Systems . . . . . II. „Drug Courts“ in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Therapierung drogenabhängiger Straftäter in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 37 140

C. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Drug Courts“ weltweit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Situation drogenabhängiger Straftäter in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eckpunkte eines deutschen „Drug Court“-Pilotprojekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

249 249 251 254

Gesetzestexte zum „Drug Court“-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Interviewleitfäden (Themenschwerpunkte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Internetquellen (letzter Zugriff jeweils am 15. 07. 2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Das panamerikanische „Drug Court“-System im Vergleich zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter nach deutscher Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Kriminologische und historische Grundlagen des „Drug-Court“-Systems . . . . . 23 1. Die Kernelemente eines „Drug Court“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Zur Beziehung von Droge und Delikt („Goldstein-Theorie“) . . . . . . . . . . . . . 24 a) Psychopharmakologisch bedingte Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 b) Straftaten aus wirtschaftlichen Zwängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 c) Systembedingte Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Zur Entstehungsgeschichte und gegenwärtigen Verbreitung von „Drug Courts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Der Ursprung der „Drug Court“-Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Die Ausbreitung über die Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 c) Die Internationalisierung im anglo-amerikanischen Rechtsraum . . . . . . . . 29 d) Die Expansion nach Lateinamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 e) Auf dem europäischen „Festland“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4. Zur Kosteneffizienz von „Drug Courts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Ansicht 1: Unwirtschaftlichkeit von „Drug Courts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Ansicht 2: „Drug Courts“ als effiziente Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Studie des US-Rechnungshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. „Drug Courts“ in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Zum allgemeinen Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Das „Drug Court“-Programm der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Strafprozessuale Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Allgemeine Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) Beispiele aus den Bundesstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Skizzierung der wesentlichen Elemente eines US-„Drug Court“ . . . . . . . . 44 aa) Zum Standardisierungsprozess in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Beteiligte Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (1) Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (2) Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (3) Strafverteidiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

8

Inhaltsverzeichnis (4) Case Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (5) Programmkoordinator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (6) Therapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (7) Bewährungshelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (8) Polizeibeamter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 cc) Typischer Teilnehmerkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 dd) Allgemeiner Verfahrensablauf im US-„Drug Court“ . . . . . . . . . . . . . 49 (1) Urteil oder Abgabe eines Schuldeingeständnisses . . . . . . . . . . . . 49 (2) Aufnahme in das Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (3) Programmphasen und gerichtliche Überwachung . . . . . . . . . . . . . 51 (4) Programmabschluss/-ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Praktische Umsetzung der UNODC-Erfolgsfaktoren für „Drug Courts“ 54 aa) Wirkungsvolle richterliche Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Starke interdisziplinäre Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Guter Wissensstand und Verständnis über Abhängigkeit und Heilung 57 dd) Verfahrenshandbuch für Beständigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . 58 ee) Klare Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 ff) Detaillierte Bedarfsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 gg) Vollumfänglich dokumentiertes Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 hh) Zügige Überweisung in Therapie und Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . 60 ii) Unmittelbare, bestimmte und widerspruchsfreie Sanktionierung . . . . 62 jj) Fortlaufende Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 kk) Ausreichende, fortwährende und zweckbestimmte Finanzierung . . . 66 ll) Änderungen der zugrundeliegenden Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . 66 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 e) Rechtliche Herausforderungen von US-„Drug Courts“ . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Gleichberechtigter Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (1) Recht auf einen „Drug Court“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (2) Schutz von Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Due-process-Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (1) Anforderungen an Drogentests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (2) Informationsweitergabe im „Drug Court“-Team . . . . . . . . . . . . . 71 (3) Sanktionierung und Ausschluss vom „Drug Court“ . . . . . . . . . . . 72 cc) Straferhöhung nach Programmausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 f) Besonderheiten des Programms für Jugendliche („Juvenile Drug Courts“) 74 aa) Einführende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Die 16 „Strategien“ für „Juvenile Drug Courts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Aktuelle Diskussion und Verbesserungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 g) Weitere Arten von „Drug Courts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Inhaltsverzeichnis

9

3. Funktionsweise der Tribunales de Tratamiento de Drogas y/o Alcohol in Chile 83 a) Gründungsprozess der TTD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Strafprozessuale Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Die Voraussetzungen der SCP (Art. 237 CPP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Gesetzliche „Brücke“ zum TTD (Art. 238 CPP) . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Besonderheiten der chilenischen TTD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Zusammensetzung der Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) Organe der Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (2) Dupla psicosocial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Teilnehmerprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 cc) Koordination des Programms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 d) Allgemeiner Verfahrensablauf im TTD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Aufnahme zum Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Festnahme bei Tatbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (2) Polizeiliches Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (3) Weiteres Vorgehen und medizinische Bestätigung . . . . . . . . . . . . 95 (4) Sitzung zur Aufnahme in den TTD (audiencia de ingreso) . . . . . 96 bb) Betreuung und Überwachung der TTD-Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . 97 (1) Regelmäßige Behandlung im Therapiezentrum . . . . . . . . . . . . . . 97 (2) Monatliche Kontrollsitzungen (audiencias de seguimiento) . . . . . 99 (a) Nicht öffentliche Vorbesprechung (preaudiencia) . . . . . . . . . 99 (b) Öffentliche Hauptverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Beendigung des Programms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (1) Ausschluss aus dem TTD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Erfolgreiche Absolvierung des TTD (audiencia de egreso) . . . . . 102 e) Bewertung des Programms durch seine Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 f) Praktische Umsetzung der UNODC-Erfolgsfaktoren für „Drug Courts“

103

aa) Wirkungsvolle richterliche Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Starke interdisziplinäre Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) Guter Wissensstand über Abhängigkeit, Therapie und Heilung . . . . . 107 dd) Verfahrenshandbuch für Beständigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . 108 ee) Klare Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 ff) Detaillierte Bedarfsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 gg) Vollumfänglich dokumentiertes Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 hh) Zügige Überweisung in Therapie und Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . 110 ii) Unmittelbare, bestimmte und widerspruchsfreie Sanktionierung . . . . 111 jj) Fortlaufende Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 kk) Ausreichende, fortwährende und zweckbestimmte Finanzierung . . . 112 ll) Änderungen der zugrundeliegenden Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . 114 mm) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

10

Inhaltsverzeichnis g) Arbeitsweise der TTD für Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4. Der „Drug Treatment Court“ von Gent (Belgien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Überblick zur Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Rechtlicher Hintergrund des Programms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Akteure und Teilnehmer im Genter DTC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 d) Zum grundlegenden Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Optionaler Proefzorg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Kernprinzipien des DTC-Programms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (1) Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Abfolge gerichtlicher Sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (3) Elemente der (stationären) Therapierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 cc) Besonderheiten des „Gent-Modells“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 e) Wesentliche Erkenntnisse zu Ertrag und Rückfällen im Rahmen des Programms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Proefzorg-Studie (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) 1. DTC-Studie (2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) 2. DTC-Studie (2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 f) Praktische Umsetzung der UNODC-Erfolgsfaktoren für „Drug Courts“

131

aa) Wirkungsvolle richterliche Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Starke interdisziplinäre Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 cc) Guter Wissensstand über Abhängigkeit, Therapie und Heilung . . . . . 133 dd) Verfahrenshandbuch für Beständigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . 133 ee) Klare Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 ff) Detaillierte Bedarfsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 gg) Vollumfänglich dokumentiertes Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 hh) Zügige Überweisung in Therapie und Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . 134 ii) Unmittelbare, bestimmte und widerspruchsfreie Sanktionierung . . . . 135 jj) Fortlaufende Evaluation des DTC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 kk) Ausreichende, fortwährende und zweckbestimmte Finanzierung . . . 136 ll) Änderungen der zugrundeliegenden Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . 136 g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 5. Fazit zu den „Drug Courts“ in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Therapierung drogenabhängiger Straftäter in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Ausgangslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Zur Grundausrichtung der Drogenpolitik der Bundesregierung . . . . . . . . . 140 b) Gesetzliche Zuständigkeiten und Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c) Anteil von Drogenstraftätern in Strafverfolgung und Strafvollzug . . . . . . . 142 d) Liberalisierungstendenzen bezüglich der Substanz Cannabis . . . . . . . . . . . 143 aa) Initiativen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsverzeichnis

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bb) Gesetzliche Reformen im globalen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 e) Zur bundesweiten Therapiesituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Strafprozessuale Vorbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Legalitäts- und Opportunitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) . . . . . . . . . . . . . 151 d) Verständigung im Strafverfahren (§ 257 c StPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 e) Interinstitutionelle Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Gerichtliches Verfahren nach JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 bb) Kooperation zur Durchführung der Führungsaufsicht . . . . . . . . . . . . 153 cc) Reintegration nach Haftentlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Rechtliche Grundlagen zum Umgang mit Drogenstraftätern . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Absehen von Strafe bei geringer Menge (§§ 29 Abs. 5, 31 a Abs. 1 BtMG) 155 b) Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 37 BtMG) . . . . . . . . 157 aa) Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Erfahrungen aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Strafaussetzung zur Bewährung unter Weisung (§§ 56, 56 c StGB) . . . . . . 159 aa) Sachliche Voraussetzungen der Strafaussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 bb) Therapieweisung nach § 56 c Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 cc) Grenzen der Weisungserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Weisungen bezüglich Aufenthalt und Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (2) Abstinenzweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (3) Weisung zum Drogenscreening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (a) Abgabe von Urinproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (b) Kontrolle mittels Haarproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (c) Transdermale Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (4) Entbindung des behandelnden Arztes/Therapeuten von der Schweigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (a) Beschluss des BVerfG vom 06. 06. 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (b) Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 02. 11. 2006 . . . . 169 (c) Aktuelle Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (5) Elektronische Aufenthaltsüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 dd) Zur Arbeit der Bewährungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 ee) Widerruf der Strafaussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (1) Substitution nach § 56 f Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (2) Aussetzungswiderruf nach § 56 f Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . 175 ff) Strafaussetzung zur Bewährung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

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Inhaltsverzeichnis d) Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) . . . . . . . . . . 178 (1) Hang zum übermäßigen Konsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (2) Hang- oder rauschbedingte Anlasstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (3) Erfolgsaussicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (4) Vollstreckung der Maßregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (5) Bedeutung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (1) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (2) Zusammenarbeit der beteiligten Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (3) Offenbarungspflichten nach § 68 a Abs. 8 StGB . . . . . . . . . . . . . 186 (4) Weisungskatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (5) Führungsaufsicht in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 e) Zurückstellung der Strafvollstreckung (§§ 35, 36 BtMG) . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Zielrichtung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 bb) Voraussetzungen des § 35 BtMG im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (1) Zusammenhang zwischen Tat und (Betäubungsmittel-)Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (2) Behandlungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (3) Grundsätzliche Anforderungen an die Therapie . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Zurückstellungsverfahren und -bescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 dd) Voraussetzungen eines Widerrufs der Zurückstellung . . . . . . . . . . . . 197 ee) Anrechnung der Therapiezeit und Aussetzung des Strafrests gemäß § 36 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 ff) Zurückstellungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (1) Aktuelle Zahlen zur Anwendung von § 35 BtMG . . . . . . . . . . . . 198 (2) Studie der Universität Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (a) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (b) Hauptursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (c) Kosten-Nutzen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 f) Therapie im Strafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4. Praxisbericht Berlin – Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Spezialermittlungsabteilung „Allgemeine Betäubungsmittelkriminalität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) Behördenstruktur und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) Allgemeines Täterprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Inhaltsverzeichnis

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(3) Wege in die Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (4) Verbesserungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Hauptabteilung Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (1) Abteilungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (2) Behandlung von Anträgen nach § 35 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (3) Therapieüberwachung und Widerrufskriterien . . . . . . . . . . . . . . . 211 (4) Verbesserungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 cc) Amtsgericht Tiergarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (1) Interne Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (2) Ablauf des Hauptverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (3) Therapieaufnahme und -überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (4) Verbesserungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 dd) Strafverteidiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (1) Verfahren in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (2) Therapieprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (3) Verbesserungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 ee) Drogenberatungsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (1) Funktion und lokale Organisation der Drogenberatung . . . . . . . . 217 (2) Antragstellung nach § 35 BtMG und Zusammenarbeit mit der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (3) Verbesserungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 ff) Therapiezentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (1) Therapieaufnahme nach § 35 BtMG und Therapieablauf . . . . . . . 221 (2) Zusammenarbeit mit der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (3) Verbesserungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 gg) Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (1) Soziale Dienste der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (2) Abteilung Justizvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 hh) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (1) Aktueller Praxisstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (2) Ansatzpunkte für Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Land Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 aa) Staatsanwaltschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (1) Behördenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (2) Allgemeines Täterprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (3) Wege in die Therapie und Erfahrungen mit Rückfällen . . . . . . . . 230 (4) Verbesserungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Strafgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 cc) Soziale Dienste der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

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Inhaltsverzeichnis dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (1) Aktueller Praxisstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (2) Ansatzpunkte für Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 5. Bewertung der Situation drogenabhängiger Straftäter in Deutschland . . . . . . 239 a) Wirkungsvolle richterliche Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Starke interdisziplinäre Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Guter Wissensstand über Abhängigkeit, Therapie und Heilung . . . . . . . . . 241 d) Verfahrenshandbuch für Beständigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 e) Klare Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 f) Detaillierte Bedarfsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 g) Vollumfänglich dokumentiertes Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 h) Zügige Überweisung in Therapie und Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 i) Unmittelbare, bestimmte und widerspruchsfreie Sanktionierung . . . . . . . . 244 j) Fortlaufende Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 k) Ausreichende, fortwährende und zweckbestimmte Finanzierung . . . . . . . . 245 l) Änderungen der zugrundeliegenden Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

C. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 I. „Drug Courts“ weltweit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 II. Situation drogenabhängiger Straftäter in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 III. Eckpunkte eines deutschen „Drug Court“-Pilotprojekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Gesetzestexte zum „Drug Court“-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Interviewleitfäden (Themenschwerpunkte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Internetquellen (letzter Zugriff jeweils am 15. 07. 2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Abkürzungsverzeichnis AG ASSIST BayVerfGH BGBl BGH BJA BT-Drs BtMG BVerfG BVG CCI CONACE CP CPP DBDD DTC EGMR EMCDDA EU GAO GG JPO JR JVA LD LG MAT NADCP NJW NPS NRW NStZ NYCPL OAS OLG OStA RANT RNR SCP SCRAM

Amtsgericht Alcohol, Smoking & Substance Involvement Screening Test Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bureau of Justice Assistance Bundestagsdrucksache Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgericht Berliner Verkehrsbetriebe Center for Court Innovation Consejo Nacional para el Control de Estupefacientes („Nationaler Drogenkontrollrat“) Código Penal de Chile (Chilenisches Strafgesetzbuch) Código Procesal Penal de Chile (Chilenische Strafprozessordnung) Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht Drug Treatment Court Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction Europäische Union Government Accountability Office Grundgesetz Justice Programs Office Juristische Rundschau Justizvollzugsanstalt Ley de Drogas de Chile (Chilenisches Drogengesetz) Landgericht Medically Assisted Treatment National Association of Drug Court Professionals Neue Juristische Wochenschrift Neue psychoaktive Substanzen Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht New York Criminal Procedure Law Organization of American States Oberlandesgericht Oberstaatsanwalt Risk And Needs Triage Risk-Need-Responsivity Suspensión condicional del Procedimiento („Aussetzung des Verfahrens“) Secure Continuous Remote Alcohol Monitoring

16 SENAME SENDA SGB StA StGB StPO TJ TTD UNODC VAIS WHO ZRP

Abkürzungsverzeichnis Servicio Nacional de Menores („Staatlicher Dienst für Minderjährige“) Servicio Nacional para la Prevención y Rehabilitación del Consumo de Drogas y Alcohol („Nationaler Drogenpräventions- und Rehabilitationsdienst“) Sozialgesetzbuch Staatsanwalt(schaft) Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Therapeutic Jurisprudence Tribunales de Tratamiento de Drogas y/o Alcohol („Gerichte zur Behandlung von Drogen- und/oder Alkoholabhängigkeit“) United Nations Office on Drugs and Crime Vivienda de Apoyo a la Integración Social („Wohnung zur Unterstützung der sozialen Wiedereingliederung“) World Health Organization Zeitschrift für Rechtspolitik

A. Einführung Die Entstehung von Delinquenz ist ein komplexes Phänomen, dessen Ursachen, Konsequenzen und Begleitumstände vielfältig und von unterschiedlichster Natur sein können. Diejenigen Personen1, die Straftaten begehen, bilden keinesfalls eine homogene Gruppe, sondern sind ebenso verschieden wie die Hintergründe, die einen jeden Gesetzesbruch umgeben. Daher bedarf es mehr als einer konstanten Vorgehensweise nach dem Muster – anklagen, verurteilen, wegsperren – um nachhaltige Erfolge in der Kriminalitätsbewältigung zu erzielen. Mit Blick auf die weltweit gestiegene Anzahl inhaftierter Personen und die damit verbundenen, oftmals ohne jedweden Erfolg investierten, finanziellen Mittel sind die Vereinten Nationen seit vielen Jahren der Ansicht, dass die Suche nach brauchbaren Alternativen zur Gefängnisstrafe intensiviert werden müsse.2 Der Strafvollzug werde vielerorts in überfüllten Haftanstalten und unter Bedingungen durchgeführt, die die Menschenrechte verletzten.3 Zudem betreffe er überproportional häufig Angehörige sozial schwacher Gesellschaftsschichten, die nicht selten voreilig inhaftiert würden.4 Begleitend zum Fehlen nachhaltig wirksamer Resozialisierungskonzepte seien viele Gefangene infrastrukturell unterversorgt, d. h. ohne angemessene Kontaktmöglichkeiten zu Familienangehörigen, Ernährung, Kleidung und gesundheitlichen Schutz.5 Ein erheblicher Teil der Insassen befindet sich dabei aufgrund von drogenbezogenen Delikten in Gewahrsam. Von weltweit ca. 714.000 weiblichen Inhaftierten betreffe dies 35 %, während der Anteil unter den ca. 9.600.000 männlichen Gefangenen immerhin 19 % betrage.6 Man schätzt, dass im Verlauf des Jahres 2016 weltweit ungefähr 275 Millionen Menschen (in etwa 5,6 % der Gesamtbevölkerung) im Alter zwischen 15 und 64 Jahren zumindest eine illegale Droge, meist aus der Cannabis-, Opium-, Kokain1 Gender-Hinweis: In dieser Publikation werden aus Gründen der besseren Lesbarkeit die weiblichen grammatischen Formen nicht gesondert genannt. Selbstverständlich beziehen sich diese Begriffe dann sowohl auf weibliche wie auch auf männliche Personen. 2 Vgl. Van Zyl Smit, Handbuch über grundlegende Prinzipien und erfolgversprechende Praktiken für Alternativen zum Freiheitsentzug, S. 3. 3 Vgl. Van Zyl Smit, Handbuch über grundlegende Prinzipien und erfolgversprechende Praktiken für Alternativen zum Freiheitsentzug, S. 4. 4 Vgl. UNODC, Maßnahmen gegen das weltweite Gefängnisproblem – Strategie 2015 – 2017, S. 2. 5 Vgl. UNODC, Maßnahmen gegen das weltweite Gefängnisproblem – Strategie 2015 – 2017, S. 2. 6 Vgl. UNODC, Weltdrogenbericht 2018, Teil 1: Schlussfolgerungen und Auswirkungen auf die Politik, S. 21.

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A. Einführung

oder Amphetamingruppe, zu sich genommen haben.7 Im Rahmen der letzten bezüglich Deutschlands durchgeführten Drogenstudie wiesen schätzungsweise 650.000 Bundesbürger einen klinisch relevanten Konsum illegaler Betäubungsmittel auf.8 Nach eigenen Angaben erfasste die hiesige Polizei im Jahr 2017 im Bereich der Rauschgiftkriminalität insgesamt 330.580 Fälle, was gleichbedeutend mit einer Zunahme von 9,2 % gegenüber dem Vorjahr war.9 Die Ursachen dieses relativ starken Anstiegs von Delikten und Tatverdächtigen lagen wahrscheinlich in der erhöhten Polizeipräsenz und verstärkten Kontrollintensität in mehreren Bundesländern begründet.10 Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass Betäubungsmittelstraftaten als typische Kontrolldelikte nur in wenigen Fällen durch Dritte zur Anzeige gebracht werden und eine hohe Dunkelziffer aufweisen.11 Seit Beginn des Jahres 2016 soll an allen deutschen Justizvollzugsanstalten eine einheitliche Erhebung von Daten zum Themenbereich Drogen und Sucht durchgeführt werden.12 Erste Ergebnisse im Bundesland Berlin zeigten dabei, dass etwa jeder vierte Haftinsasse ein ernsthaftes Drogenproblem im Sinne einer Abhängigkeit aufweist. Addiert man die Inhaftierten hinzu, die „nur“ gelegentlich konsumierten, beträgt die Substanzbelastung in dieser Kontrollgruppe insgesamt sogar fast 40 %. Um Drogenkonsum und -kriminalität allgemein entgegenzuwirken, wird neben diversen präventiven Aufklärungsmaßnahmen von der Bundesregierung auch ein repressiver Ansatz zur Erreichung einer Angebotsreduzierung durch gesetzliche Regulierung verfolgt. Dazu gehören beispielsweise die Nichtraucherschutzgesetze, das Jugendschutzgesetz und das Betäubungsmittelrecht. Die momentane EU-Drogenstrategie (2013 – 2020) konzentriert sich auf fünf Themenbereiche: Verringerung der Nachfrage, Verringerung des Angebots, Koordinierung, internationale Kooperation sowie Information, Forschung und Bewertung.13 Das Ziel der Europäischen Union ist es weiterhin, einen „integrierten, ausgewogenen und faktengestützten Ansatz“ zwischen Maßnahmen der Angebots- und der Nachfragereduzierung in der Drogenpolitik herzustellen.14 7 Vgl. UNODC, Weltdrogenbericht 2018, Globaler Überblick bezüglich Drogenangebot und -nachfrage, S. 6. 8 Vgl. Gomes de Matos/Atzendorf/Kraus/Piontek, Substanzkonsum in der Allgemeinbevölkerung in Deutschland, S. 274. 9 Vgl. Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, Bericht zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2017, S. 18. 10 Vgl. Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, Bericht zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2017, S. 18. 11 Vgl. Weber, BtMG, Einleitung Fn. 64. 12 Vgl. Abraham, Bundeseinheitliche Erhebung zur stoffgebundenen Suchtproblematik im Justizvollzug, S. 70. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 13 Vgl. Rat der Europäischen Union, EU-Drogenstrategie (2013 – 2020), S. 2 f. 14 Vgl. Rat der Europäischen Union, EU-Drogenstrategie (2013 – 2020), S. 2.

A. Einführung

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Im Bereich der internationalen Drogenpolitik unterstützt die Bundesrepublik seit vielen Jahren das Drogenkontrollprogramm der UN, das vom Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung der Vereinten Nationen (UNODC) geleitet wird. Als einen seiner Themenschwerpunkt nennt dieses die Reform des Strafvollzugs durch Förderung von Alternativen zur Freiheitsentziehung.15 Bereits im Jahr 1999 wurde vom UNODC in diesem Zusammenhang erstmals eine internationale Expertenkommission zur Untersuchung der Wirksamkeit und Übertragbarkeit sog. „Drug Courts“ (wörtlich übersetzt „Drogengerichte“) eingesetzt.16 „Drug Courts“ sind Spezialgerichte, deren Funktionsweise auf Täter drogenbezogener Kriminalität und deren erhöhten Resozialisierungsbedarf zugeschnitten ist.17 In der Praxis fungieren sie nicht als unabhängiges Gericht, sondern als Strafkammer mit Sonderzuständigkeit für Drogenstraftäter. Ziel des Verfahrens ist es, die genannte Personengruppe mit Hilfe einer gerichtlich geleiteten Therapie (courtdirected treatment) in einen nachhaltigen Heilungsprozess zu integrieren und zukünftig vor Rückfällen in kriminelle Verhaltensmuster zu bewahren. Hierzu wird zwischen den zuständigen Organen der Rechtspflege und den beteiligten Fachkräften therapeutischer und sozialer Dienste ein kooperativer Ansatz verfolgt. Während ihrer Zeit im „Drug Court“ überwacht ein multidisziplinäres Team unter Führung eines in Betäubungsmittelverfahren geschulten Richters im Rahmen regelmäßiger gerichtlicher Sitzungen den Therapiefortschritt jedes Teilnehmers. Mittels des Programms soll auf diese Weise im Idealfall eine strafrechtliche Verurteilung und ein Strafvollzug im engeren Sinne vermieden werden, um den Tätern einen leichteren Einstieg in ein Leben nach dem gerichtlichen Verfahren zu ermöglichen. In den USA ist das „Drug Court“-Modell unmittelbar mit der Lehre der therapeutic jurisprudence (TJ, „Therapeutische Rechtswissenschaft“) verknüpft. Diese untersucht, inwiefern Erkenntnisse aus anderen Fachgebieten wie beispielsweise der Psychotherapie, Psychologie, Kriminologie und Soziologie unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze für die Rechtswissenschaft nutzbar gemacht werden können.18 In diesem Kontext soll die Justiz nicht als direkter Problemlöser agieren, sondern vielmehr die Rolle eines „Vermittlers“ (facilitator) übernehmen, der die eigenständige Verhaltensänderung des Täters unterstützt.19 Durch die „therapie-

15 Vgl. Van Zyl Smit, Handbuch über grundlegende Prinzipien und erfolgversprechende Praktiken für Alternativen zum Freiheitsentzug, S. 3 ff. 16 Vgl. Van Zyl Smit, Handbuch über grundlegende Prinzipien und erfolgversprechende Praktiken für Alternativen zum Freiheitsentzug, S. 65, mit Verweis auf UNODC, Bericht der informellen Expertenkommission zu „Drug Treatment Courts“, Wien 1999. 17 Vgl. UNODC, Bericht der informellen Expertenkommission zu „Drug Treatment Courts“, S. 4 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 18 Vgl. Wexler, Zwei Jahrzehnte „Therapeutische Rechtswissenschaft“, S. 24. 19 Vgl. Wexler, Fördern gesellschaftlicher und gerichtlicher Toleranz für Rehabilitation: Zur Aufgabe „Therapeutischer Rechtswissenschaft“, S. 34.

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freundliche“ (TJ-friendly) Ausgestaltung und Durchführung gerichtlicher Verfahren könne diese Funktion nachhaltig gefördert werden.20 In Deutschland ist das „Drug Court“-Modell bislang nicht wissenschaftlich analysiert worden. Das dem Verfahren zugrundeliegende Konzept „Therapie statt Strafe“ ist dem deutschen Strafrecht jedoch keineswegs fremd. Bereits 1982 wurden im Zuge der Neugestaltung des Betäubungsmittelgesetzes die Therapiemöglichkeiten für betäubungsmittelabhängige Straftäter im Rahmen der Neueinführung des Abschnitts 7 (§§ 35 – 38 BtMG) erweitert, um durch nachhaltige Bekämpfung von Drogensucht einen primären kriminogenen Faktor zu beseitigen.21 Langjährige Erfahrungen mit drogenabhängigen Gefangenen in Justizvollzugsanstalten hätten überdies gezeigt, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit einer stationären Behandlung von Drogenabhängigen im Vollzug gegenüber Therapiebemühungen in Freiheit deutlich geringer sei und mit Zunahme der Strafzeitdauer die Therapiebereitschaft und der Wille, nach der Haft ein suchtfreies Leben zu führen, erheblich sinke.22 Die weitgehende Trennung der Strafgefangenen von zahlreichen sozialen Bindungen und Kontrollen, die Zusammenlegung Gleichgesinnter auf engstem Raum und die oftmals sinnleere Eintönigkeit des Vollzugsalltags ließen die Droge zum einzig verbleibenden Lebensinhalt werden.23 Trotz der rechtlich an sich vorhandenen Möglichkeiten ist es nach Einschätzung des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe sowie des Fachverbandes der Suchthilfe seit dem Jahr 2008 zu einem erheblichen Rückgang der Therapieaufnahmen gemäß der §§ 35 ff. BtMG gekommen.24 Als Ursachen hierfür werden u. a. die verhaltene Finanzierungsbereitschaft von stationären Rehabilitationsmaßnahmen durch die Deutsche Rentenversicherung, überlange Wartezeiten bis zu einem Therapiebeginn sowie die zunehmende Verneinung des für § 35 BtMG erforderlichen Kausalzusammenhangs zwischen Straftat und Drogenabhängigkeit durch die Vollstreckungsbehörden angeführt.25 Bei der Behandlung von Straftätern hat der Staat jedoch grundsätzlich deren Recht auf Resozialisierung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu beachten. Dieses verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot verpflichtet den Gesetzgeber dazu, ein wirksames Resozialisierungskonzept zu entwickeln und ihnen eine realistische Chance auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu geben.26 20

Vgl. Wexler, Fördern gesellschaftlicher und gerichtlicher Toleranz für Rehabilitation: Zur Aufgabe „Therapeutischer Rechtswissenschaft“, S. 26, 40. 21 Vgl. Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, 1. Kapitel Fn. 16. 22 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 2. 23 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 2. 24 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 7. 25 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 7 26 Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 Fn. 216 f.

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Ziel der Arbeit ist es vor diesem Hintergrund zunächst, dem Leser das „DrugCourt“-Modell als Alternative zum Strafvollzug anschaulich und verständlich zu machen. Hierzu soll am Anfang der Untersuchung ein kurzer Überblick zum Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und Straffälligkeit sowie zur Entstehungsgeschichte und Kosteneffizienz von „Drug Courts“ stehen. Als Kern der Arbeit folgt daran anschließend eine Überprüfung der Nachhaltigkeit des Programms anhand eines umfassenden Vergleichs internationaler Erfahrungswerte und praktischer Umsetzungsmöglichkeiten dieses Gerichtstypus. Die Begutachtung wird sich dabei auf die Funktionsweise des Modells in den Ländern USA, Chile und Belgien beziehen. Letzteres hat als bislang einziger Mitgliedsstaat der EU ein „Drug Court“-Pilotprojekt installiert. Wesentlich inspiriert wurden die Belgier dabei von den langjährigen Erfahrungen aus dem „Drug Court“-Feld Nordamerikas. Als „Geburtsland“ des Programms bieten die USA einen immensen Fundus an praktischen und theoretischen Erfahrungswerten, den es für die vorliegende Untersuchung nutzbar zu machen gilt. Das Modell Chiles ist als „Vorreiter“ innerhalb Lateinamerikas insoweit von besonderer Bedeutung, als dort aufgrund seines stark zentralistisch geprägten Staatswesens eine landesweit einheitliche „Drug Court“-Lösung angestrebt wird. Mit Hilfe der so gesammelten Erkenntnisse soll festgestellt werden, inwieweit sich das, vielerorts im Detail unterschiedlich praktizierte „Drug Court“-System optimieren und ggf. standardisieren ließe. Auch soll dabei Klarheit darüber gewonnen werden, ob die Einrichtung eines derartigen Pilotprojektes eine sinnvolle Alternative für die hiesige Strafrechtspflege darstellen könnte. Daher ist im abschließenden Teil der Arbeit eine Analyse des Umgangs mit Drogenstraftätern in Deutschland vorgesehen. Aufgrund der vorstehend erwähnten, schwindenden Therapiechancen bei steigender Haftbelastung spricht zunächst einiges dafür, die gesetzlich vorhandenen Voraussetzungen zugunsten einer Rehabilitationsmaßnahme nach den §§ 35 ff. BtMG möglichst frühzeitig auszuschöpfen. Zu untersuchen gilt es in diesem Zusammenhang insbesondere, aus welchem Grund in der deutschen Rechtspraxis von diesen Regelungen derart zurückhaltend Gebrauch gemacht wird und welche Alternativen stattdessen zur Anwendung gelangen. Rechtsvergleichend soll hierbei Bezug auf das innerhalb des „Drug Court“-Modells generell übliche Verfahren genommen werden. Zu klären wird die Frage sein, inwieweit eine Einführung des Programms mit den Justizgrundrechten und den Grundsätzen des Strafprozesses konformginge. Auch soll die Vereinbarkeit staatlich überwachter, therapeutischer Maßnahmen mit den Grundrechten der hiervon Betroffenen rechtlich gewürdigt werden. Basierend auf diesen Erkenntnissen soll anschließend die Frage erörtert werden, wie sich eine Aufnahme von „Drug Courts“ in das deutsche Rechtssystem praktisch überhaupt erzielen ließe. Ansatzpunkte bezüglich eines kooperativen Zusammenwirkens zwischen justiziellen Entscheidungsträgern finden sich in der hiesigen Gerichtspraxis gegenwärtig bereits im Bereich des Jugendstrafrechts. Nach § 38

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Abs. 2, 3 JGG ist dort zur Unterstützung der beteiligten Behörden und Geltendmachung erzieherischer, sozialer und fürsorgerischer Gesichtspunkte die Hinzuziehung (Anhörung) der Jugendgerichtshilfe während des gesamten Verfahrens verpflichtend vorgesehen. Hinsichtlich erwachsener Straftäter bestehen Regelungen zur ressortübergreifenden Zusammenarbeit im Rahmen der Führungsaufsicht. Gemäß § 68 a StGB sind für die erfolgreiche Umsetzung der Maßregel eine Vielzahl von Behörden verantwortlich. Neben dem Gericht trifft diese Verantwortung die Aufsichtsstelle, den gerichtlich bestellten Bewährungshelfer und die forensische Ambulanz. Die genannten Akteure sollen sich dabei miteinander ins Einvernehmen setzen und der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite stehen. Die Vorteile solch „multiprofessioneller Teams“ hat man in Deutschland u. a. bereits im Schulwesen erkannt.27 Immer mehr Ganztagsschulen entscheiden sich hierzulande, feste Zeitfenster für einen gemeinsamen Austausch zwischen Lehrern, Eltern, Sozialarbeitern, Integrationshelfern, Psychologen und Vertretern des Jugendamtes bereit zu halten, um über anstehende Projekte sowie verschiedenste Problemkonstellationen des Schulalltags, wie etwa Gewalt, Mobbing und Inklusion zu beraten. Neben einer seriösen Befassung mit diesen Konfliktlagen hätten diese Zusammenkünfte auch dabei geholfen, das Verständnis sowohl zwischen Lehrern und Eltern als auch innerhalb des Lehrerkollegiums selbst zu verbessern. In diesem Kontext bietet sich die Erforschung der Potenziale einer moderaten Ausweitung solcher kooperativ-sozialen Komponenten auf drogenabhängige Straftäter an.

27 Vgl. Bernewasser, Erst die Teamsitzung, dann der Unterricht. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

B. Das panamerikanische „Drug Court“-System im Vergleich zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter nach deutscher Rechtslage I. Kriminologische und historische Grundlagen des „Drug-Court“-Systems Vor einer Betrachtung der Arbeitsweise von „Drug Courts“ in den genannten Ländern (Kapitel II.) soll einführend ein Blick auf den kriminologischen Hintergrund des Programms und seine Entstehungsgeschichte im globalen Kontext geworfen werden. 1. Die Kernelemente eines „Drug Court“ Die Notwendigkeit einer Festlegung der Elemente, die den Verfahrenstypus „Drug Court“ maßgeblich ausmachen, trat zuerst in den USA auf. Dort hatten sich in den Jahren unmittelbar nach Gründung des ersten „Drug Court“ in Miami (1989) landesweit bereits über 100 solcher Kammern gebildet. Zur Bestimmung einheitlicher Kriterien und zur Schaffung gewisser Qualitätsstandards entwickelten auf Initiative des US-Justizministeriums fachkundige Experten unter Leitung der National Association of Drug Court Professionals (NADCP) die 1997 veröffentlichten „10 key components“ („10 Schlüsselelemente“).28 Dieser Kriterienkatalog bildete die Basis für die Arbeit der eingangs bereits erwähnten, internationalen Expertenkommission des UNODC. Um eine Übertragbarkeit auf möglichst viele Rechtsordnungen zu gewährleisten, wandelte diese die key components leicht ab und ergänzte sie um zwei weitere (praktische) Kriterien.29 Daraus resultierten insgesamt zwölf „Drug Court“-Kernelemente, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: (1)

Integration von Drogen- und/oder Alkoholtherapie in das justizielle Verfahren,

(2)

Vorgehen im Wege eines kooperativen Ansatzes zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Strafverteidigung,

(3)

Frühzeitige Auswahl und schnellstmögliche Aufnahme potenzieller Teilnehmer in das Programm, 28

Ashcroft/Daniels/Herraiz, Schlüsselelemente zur Bestimmung von „Drug Courts“. Vgl. UNODC, Bericht der informellen Expertenkommission zu „Drug Treatment Courts“, S. 17. 29

24

B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

(4)

Bereitstellung eines Zugangs zu vielfältigen und umfassenden Therapiemaßnahmen,

(5)

Objektive Überprüfung der Abstinenz der Teilnehmer mittels Drogen- bzw. Alkoholtests,

(6)

Im „Drug Court“-Team koordinierte Reaktion auf Erfüllung bzw. Nichterfüllung auferlegter Therapiemaßnahmen,

(7)

Kontinuierliche Interaktion des Richters mit jedem einzelnen Teilnehmer,

(8)

Überwachung und Bewertung von Zulauf und Effizienz des Programms,

(9)

Anhaltende interdisziplinäre Fortbildung des gesamten „Drug Court“-Teams,

(10) Eingehen von Partnerschaften mit staatlichen Stellen und örtlichen Behörden, (11) Begleitendes Case Management einschließlich Maßnahmen zur sozialen Reintegration, (12) Anpassungsfähigkeit des Verfahrens im Hinblick auf Sonderbedürfnisse spezieller Zielgruppen (z. B. psychische Erkrankungen). Die auffälligsten Abweichungen zum traditionellen strafrechtlichen Verfahren bilden unter diesen Elementen die Punkte (2), (6) und (7), die das kooperative Zusammenarbeiten des „Drug Court“-Teams sowie die direkte Beteiligung des Gerichts an der weiteren Überwachung des Therapieverlaufs betreffen. 2. Zur Beziehung von Droge und Delikt („Goldstein-Theorie“)30 Die theoretische Grundlage der „Drug Courts“ stellt die von Paul J. Goldstein entwickelte, dreidimensionale Theorie der Beziehung zwischen Droge und Gewalt(-delikt) (tripartite drugs/violence nexus) dar, sog. „Goldstein-Theorie“. Goldsteins Thesen bauen dabei auf drei separaten empirischen Untersuchungen auf: einer Befragung von 60 Frauen zum Zusammenhang zwischen Drogen und Prostitution (1976/77), einer Studie zum ökonomischen Verhalten von 201 Opiatabhängigen in Harlem (1978 – 82) sowie einer Untersuchung zur Beziehung von Drogen und Gewalt in Lower East Side, Manhattan (1984). Obschon ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Drogen und Gewalttätigkeit zur damaligen Zeit bereits vielfach in der Presse und in sozialwissenschaftlichen Studien dargelegt worden war, hatte die US-Regierung erst kurz zuvor damit begonnen, sich der Problematik anzunehmen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Auch hatte es an einer konzeptuellen, theoretischen Erfassung der Relation gemangelt, die als Grundlage für weitere Untersuchungen dienen konnte. Goldstein versuchte in der Folge seine gewonnenen Ergebnisse in ein eben solches Rahmenkonzept zu überführen. Ausgehend von der Annahme eines direkten Bezugs zwischen der Einnahme von Drogen und der Ent30 Bezüglich des nachfolgenden Abschnitts siehe Goldstein, Der Drogen-Gewalt-Nexus: ein dreiseitiges Bezugssystem, S. 143 – 174.

I. Kriminologische und historische Grundlagen des „Drug-Court“-Systems

25

stehung von Delinquenz differenziert er zwischen drei unterschiedlichen Arten der Interaktion: psychopharmakologisch, wirtschaftlich und systematisch. Auch die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) orientiert sich explizit an dieser Theorie, wobei sie zusätzlich zu den vorstehend genannten Interaktionsarten als vierte Dimension Straftaten anführt, die gegen nationale Drogengesetze verstoßen.31 a) Psychopharmakologisch bedingte Straftaten Auf erster Stufe gibt Goldstein Erläuterungen zum psychopharmakologischen Effekt der Droge und deren direktem Einfluss auf biologische Funktionsweisen des menschlichen Körpers. So führe die kurz- oder langfristig wiederholte Einnahme bestimmter Substanzen bei einigen Konsumenten dazu, sie in eine euphorisierte, gereizte Stimmungslage zu versetzen und dadurch unter Umständen irrationale bzw. gewalttätige Handlungsweisen hervorzurufen. Dabei verweist Goldstein insbesondere auf die unmittelbaren Konsequenzen eines verstärkten Konsums von Alkohol, Genussmitteln und Phencyclidin, der eine erhebliche Herabsatzung der Hemmschwelle zur Gewalt zur Folge haben kann. Die Einnahme von Marihuana, Heroin oder Opiaten stuft er dagegen nur mittelbar als Ursache für die Ausübung von Gewaltdelikten ein. Zwar sei deren Wirkung ungleich weniger gewaltstimulierend, dennoch könne sich ein nicht unerhebliches Gewaltpotenzial insbesondere aus der kritischen Situation einer dringend benötigten Substanzbeschaffung zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Entzugszeit ergeben. So habe die erstgenannte Untersuchung im New Yorker „Rotlichtmilieu“ ergeben, dass mehrere heroinabhängige Prostituierte unter dem Eindruck von Entzugserscheinungen Raubtaten gegenüber ihren Klienten verübten. Andererseits habe man in zahlreichen Studien festgestellt, dass der eigene übermäßige Konsum von Drogen umgekehrt dazu führen könne, selbst zum Opfer von Gewalttaten zu werden. Personen, die durch die Einnahme von Substanzen offensichtlich in ihrer Urteils- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt sind, stellten oftmals ein leichtes Ziel, insbesondere für Täter von Eigentums-, Vergewaltigungsoder gar Tötungsdelikten dar. Gerade in diesem Zusammenhang gibt Goldstein zu bedenken, dass das gesamte Ausmaß der Opferzahlen schwer zu erfassen sei. Häufig würden betroffene Personen aus Scham über den persönlichen Kontrollverlust sowie Zweifel an der Wertigkeit ihrer eigenen Aussage von einer strafrechtlichen Anzeige der erlittenen Taten absehen.

31

Vgl. Carpentier, Drogen und Kriminalität – ein komplexer Zusammenhang, S. 1 f.

26

B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

b) Straftaten aus wirtschaftlichen Zwängen Im zweiten Schritt geht Goldstein auf die wirtschaftliche Dimension der DrogeDelikt-Beziehung ein. Diese umfasse all jene Täter, die Straftaten begingen, um den Wunsch nach Befriedigung ihrer Sucht erfüllen und die damit verbundenen immensen finanziellen Kosten aufbringen zu können. Insoweit sei diese Kategorie indirekt mit dem psychopharmakologischen Effekt des Drangs zur Vorbeugung von Entzugssituationen vernetzt. Besonders betroffen seien aufgrund des hohen Marktpreises Konsumenten vergleichsweise teurer Substanzen wie Heroin und Kokain. Primäre Motivation der Täter müsse folglich die Beschaffung von finanziellen Mitteln zum Drogenerwerb sein. Ob und inwieweit zu diesem Zweck Gewalt eingesetzt werde, hänge von vielen Faktoren im unmittelbaren (sozialen) Umfeld der Tat ab, u. a. der Nervosität des Täters, dem Verhalten des Opfers und einer möglichen Bewaffnung bzw. begleitenden Unterstützung. Eine Reihe von Studien habe in diesem Kontext aber aufgezeigt, dass Drogenkonsumenten in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle von der Anwendung von Gewalt absehen, soweit eine gewaltfreie Alternative (List) zur Verwirklichung ihres Taterfolges zur Verfügung stehe. Als hierbei dominierende, weil gewaltfreie Straftaten, sind laut Goldstein in diesem Bereich (Laden-)Diebstahl, Betrug, Prostitution und der Handel mit Drogen zu nennen. Typische Opfer dieser Delikte fänden sich meist im nahen sozialen, geografischen Umfeld des Abhängigen. Oftmals seien diese auch selbst in illegale Geschäfte involviert, wie beispielsweise Drogenkauf und entsprechende Kurierdienste. c) Systembedingte Straftaten Auf dritter Stufe beschreibt Goldstein schließlich die Dimension der Gewalt, die sich im direkten und systematischen Drogenhandel, der sog. Organisierten Kriminalität, und damit zumeist in einem von Einschüchterung und Korruption geprägten lokalen Umfeld vollzieht. Beispielhaft führt er Machtkämpfe zwischen rivalisierenden Banden, Überfälle und Morde im Zusammenhang mit der Etablierung interner Hierarchien, Bestrafungen für fehlgeschlagene Verkaufsgeschäfte und die Liquidierung unerwünschter Informanten an. Die Tatsache, dass viele Konsumenten im Verlauf ihrer „Drogenkarriere“ Teil derartiger Strukturen würden, steigere ihr Risiko erheblich, irgendwann selbst einmal zum Opfer dieses „Systems“ zu werden. Gerade die eingeschränkte Nachprüfungsmöglichkeit bezüglich der angebotenen Qualität und die wiederholte Weitergabe der Substanzen führen oftmals zu unklaren bzw. unberechtigten Schuldzuweisungen, an denen sich gewaltsame Streitigkeiten entzünden könnten. Auch im Fall verschwundener Geldeinnahmen existiere im Drogenbusiness der Grundsatz, wonach das Blut (des für den Verlust verantwortlichen Dealers) alle Schulden tilge („blood cancels all debts“). Körperliche Attacken,

I. Kriminologische und historische Grundlagen des „Drug-Court“-Systems

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Verstümmelungen oder tödliche Verletzungen seien nicht selten die Folge solch interner Auseinandersetzungen. Der von diesen Repressalien ausgehende „Erhaltensdruck“ verursache, dass schon die kleineren Dealer sehr darauf bedacht seien, auf keinen Fall ausgeraubt und ihrer Umsätze entledigt zu werden. Dementsprechend sei es Gang und Gäbe, selbst stark bewaffnet und verteidigungsbereit zu sein. Befeuert werde dieser Effekt dadurch, dass sich das gesamte Verkaufsgeschäft außerhalb des Gesetzes und damit im rechtsfreien Raum bewege. Weder würden Handelsbräuche noch sonstige Umgangsformen gelten. Die hohen erzielbaren Gewinnspannen und die ständige Angst vor der Entdeckung durch die Polizei täten ihr Übriges zur Verrohung der Beteiligten. 3. Zur Entstehungsgeschichte und gegenwärtigen Verbreitung von „Drug Courts“ a) Der Ursprung der „Drug Court“-Bewegung Der erste „Drug Court“ entstand im Jahr 1989 in den USA im Dade County von Miami (Florida). Dort, wie auch in anderen Teilen der USA, bedrohte die Ausbreitung des Drogenkonsums und -handels und die damit einhergehende, inflationäre Aburteilung von Drogendelikten (war on drugs) zunehmend die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege.32 Konkret stellte sich die Problematik so dar, dass die Verurteilten ihre Strafen in den ohnehin schon überfüllten Gefängnissen ohne jedwede therapeutische Betreuung absaßen, um nach einiger Zeit rück- und somit erneut straffällig zu werden. Die vor Ort verantwortlichen Organe der Strafrechtspflege gelangten zu dem Entschluss, dass das existierende Modell zum Umgang mit Drogenstraftätern gescheitert war und es eine andere, effektivere Herangehensweise zu entwickeln galt. Zur Durchbrechung des beschriebenen „Teufelskreises“ zielte das so entstandene „Drug Court“-Programm darauf ab, die „leichtere“ Gruppe von Delinquenten einer Therapie zuzuführen, während die Nutzung der knappen Ressourcen des Strafvollzugs den wirklich gefährlichen Straftätern vorbehalten bleiben sollte. b) Die Ausbreitung über die Vereinigten Staaten Der neu entwickelte Ansatz fiel jedoch zunächst nicht überall auf fruchtbaren Boden. Erst nach und nach sahen die dem Projekt noch ablehnend gegenüberstehenden Richter, Staatsanwälte und Verteidiger ein, dass es in Anbetracht der angespannten Situation angezeigt war, innovativ zu handeln und alternativen Methoden 32 Lurigio, Arthur J., Die ersten 20 Jahre der „Drug Treatment Courts“: Eine kurze Beschreibung ihrer Geschichte und Wirkung, S. 1, 3. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

28

B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

eine Bewährungschance zu geben. 1994 hatte die Anzahl der in den Vereinigten Staaten Inhaftierten erstmals die Grenze von einer Million überschritten, wobei es seit 1990 unter Personen, die sich wegen Drogendelikten im Strafvollzug befanden, einen „dramatischen Anstieg“ gegeben hatte.33 Das Modell erhielt nun mehr und mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und fand schließlich während der ersten Amtszeit Bill Clintons durch die Bemühungen der damaligen Justizministerin Janet Reno Resonanz auf höchster staatlicher Ebene. Im Zuge der Verabschiedung des Violent Crime Control and Law Enforcement Act of 1994 („Gesetz über die Kontrolle und Strafverfolgung von Gewalttaten“) beschloss der amerikanische Kongress, die Bundesstaaten sowie deren obere und untere Landesgerichte zur Einführung von „Drug Courts“ zu ermutigen und sie zu diesem Zweck bis zur Jahrtausendwende mit der beträchtlichen Summe von insgesamt einer Milliarde US-Dollar zu bezuschussen.34 Einschränkend sah dieses Gesetz bereits den ausdrücklichen, bis heute fortbestehenden Ausschluss von Gewalttätern vom Programm vor. Noch im selben Jahr gründete sich die NADCP als gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Organisation. Parallel dazu wurde vom US-Justizministerium eine neue Abteilung zur professionellen Ausgestaltung, Betreuung und Überwachung der „Drug Courts“ eingerichtet (Drug Courts Program Office). Mit dessen finanzieller Unterstützung war es der NADCP möglich, die vorstehend bereits erwähnten key components des Programms auszuarbeiten.35 2003 veröffentlichte die Forschungsabteilung des US-Justizministeriums (National Institute of Justice) zudem eine Feldstudie, wonach die Rückfallquote unter ehemaligen Programmteilnehmer im ersten Jahr nach Teilnahmeende gerade einmal 16,4 % betrug.36 Einen wichtigen Impuls zur Standardisierung des Programms gab es im Zuge der Amtseinführung der Obama-Administration (2009), die die Vergabe öffentlicher Gelder noch fester an das Vorliegen wissenschaftlicher Beweiskraft knüpfte (Leitlinie des evidence-based funding). 2013 publizierte die NADCP daraufhin den ersten Band (Vol. I) ihrer „Adult Drug Court Best Practice Standards“, der auf der Grundlage einer Auswertung von über 24 Jahren „Drug Court“-Research und -Arbeit entstand.37 Hierin fanden sich zunächst fünf Standards formuliert, die jedes Gericht bei der Implementierung bzw. Umsetzung des Programms zwingend zu beachten

33

Vgl. U.S. Department of Justice, Inhaftiertenzahlen 1994, S. 1, 10 f. Der Violent Crime Control and Law Enforcement Act of 1994 ist abrufbar unter, http://leg counsel.house.gov/Comps/Violent%20Crime%20Control%20And%20Law%20Enforce ment%20Act%20Of%201994.pdf (letzter Zugriff am 15. 07. 2019). 35 Siehe B., I., 1. 36 Vgl. Roman/Townsend/Bhati, Rückfallraten von „Drug Court“-Absolventen: Abschlussbericht auf der Grundlage staatlicher Erhebungen, S. 2. 37 NADCP, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. I. 34

I. Kriminologische und historische Grundlagen des „Drug-Court“-Systems

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hatte. Der Folgeband Vol. II erschien im Jahr 2015 und beinhaltet weitere fünf Standards.38 Die Veröffentlichung ergänzender erfolgsversprechender Praktiken hat sich die NADCP ausdrücklich für den Moment vorbehalten, in dem ausreichende wissenschaftliche Beweiskraft gegeben sein wird.39 Im Zeitpunkt der Herausgabe des Vol. II hatte die deutliche Mehrzahl der hierzu befragten US-Bundesstaaten (20 von 25) die ersten fünf Richtlinien praktisch bereits angewandt. Generell ist seitens der NADCP für die Umsetzung der Standards ein Zeitraum von maximal fünf Jahren vorgesehen. Eine entscheidende Rolle bei der (angestrebten) Standardisierung spielt auch das Bureau of Justice Assistance (BJA), das sich innerhalb des US-Justizministeriums seit dem Jahr 2002 als verantwortlich für die Betreuung und Fortentwicklung der nationalen „Drug Courts“ zeichnet.40 Insbesondere im Wege der Festlegung von Vergaberichtlinien kann das BJA gewisse Qualitätsanforderungen an neue „Drug Courts“ stellen. Infolge der Beschränktheit eigener Research-Ressourcen orientiert man sich im Justizministerium im Rahmen der Subventionsvergabe neben den 10 key components auch an den NADCP-Standards.41 Parallel zur NADCP, die maßgeblich im Bereich Forschung und Personalschulung tätig ist, führt das BJA u. a. Partnerschaften im Rahmen einer technical assistance mit dem Center for Court Innovation (CCI)42 sowie dem Justice Programs Office der American University in Washington D.C. Während das CCI dabei hauptsächlich die Koordination der „Drug Courts“ auf bundesstaatlicher Ebene begleitet und zudem für das Erproben neuartiger gerichtlicher Techniken zuständig ist, übernimmt das JPO die Bewertung und Nachkontrolle einzelner Gerichte, die aus dem Budget des BJA gefördert worden sind. Diese staatliche Förderung stellt dabei immer nur eine Art „Starthilfe“ dar, die die Gerichte dazu befähigen soll, mittelfristig finanziell eigenständig zu arbeiten. c) Die Internationalisierung im anglo-amerikanischen Rechtsraum Seit ihrer Einführung in den USA hat sich international eine wachsende Anzahl von Ländern zur Installation von „Drug Courts“ entschlossen. Zunächst waren es vor 38

NADCP, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II. 39 Vgl. NADCP, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 1 – 3. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 40 Vgl. Ashcroft/Daniels/Herraiz, Schlüsselelemente zur Bestimmung von „Drug Courts“, Vorwort. 41 Vgl. U.S. Department of Justice, Subventionsprogramm für Erwachsenen „Drug Courts“ 2018, S. 5. 42 Das Center for Court Innovation besteht in New York City seit 1993 als gemeinnützige und unabhängige Organisation, die zunächst nur mit der Beratung von Gerichten im Bundesstaat New York betraut war und mittlerweile landesweite Justizberatung betreibt.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

allem Staaten aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum, die einer Erprobung des neuen Ansatzes aufgeschlossen gegenüberstanden. Als „Vorreiter“ sind hierbei Kanada und Australien zu nennen, wo erste „Drug Courts“ bereits im Jahr 1998 (in Toronto) bzw. 1999 (in Sydney) die Arbeit aufnahmen. Bald darauf folgten Irland (Dublin/2001), Schottland (Glasgow/2001), Neuseeland (Christchurch/2002) sowie England (London/2005) und Wales (Cardiff/ 2009).43 d) Die Expansion nach Lateinamerika Als erster Staat Lateinamerikas begann Chile44 im Jahr 2004 im Rahmen eines Pilotprojekts in der Stadt Valparaíso mit der Einführung von „Drug Courts“, den sog. „Tribunales de Tratamiento de Drogas y/o Alcohol“ (TTD, „Gerichte zur Behandlung von Drogen- und/oder Alkoholabhängigkeit“).45 Bis zum heutigen Tag gibt es in Chile 29 TTD, die sich landesweit über zehn (von insgesamt fünfzehn) Regionen verteilen und u. a. in den Großstädten Iquique, Antofagasta und Concepción angesiedelt sind.46 Nimmt man den wenig bevölkerten Süden des Landes einmal aus, ist das Modell inzwischen also flächendeckend verfügbar. Das TTD-Modell ist darüber hinaus im Wege der im Jahr 2010 durch die Generalversammlung der Organization of American States (OAS) verabschiedeten Estrategia Hemisférica sobre Drogas auch in vielen anderen Teilen des Kontinents bekannt. Nachdem es derartige Pilotprojekte schon frühzeitig in Brasilien gegeben hat, sind diese nun u. a. auch in Mexiko, Costa Rica, Peru und Argentinien zu finden.47 Im Fall Brasiliens haben inzwischen vier Bundesstaaten „Drug Courts“ implementiert: allein in Rio de Janeiro gibt es zwanzig solcher Gerichte für Erwachsene sowie derer zehn für Jugendliche.48 In Mexiko konnte der Bundesstaat Nuevo León (Monterrey) dank der Hilfe internationaler Experten sowie der Teilnahme an einer Vielzahl von Konferenzen zum Jahr 2012 vier „Drug Courts“ eröffnen.49

43 Bezüglich weitergehender Informationen zu den Programmen der vorstehend genannten Länder siehe Cooper/Franklin/Mease, Zur Errichtung von „Drug Treatment Courts“: Strategien, Erfahrungen und vorläufige Ergebnisse, S. 29 ff. 44 Zur Entstehungsgeschichte der TTD Chiles siehe unten B., II., 3., a). 45 Vgl. Droppelmann, Vorläufige Einstellung im Modell der TTD für Straftäter mit problematischem Drogenkonsum: Anwendung in Chile, S. 4 f. 46 Vgl. Ministerio de Justicia y Derechos Humanos de Chile, Handbuch über das Verfahren des TTD-Programms bei Erwachsenen, S. 9. 47 Vgl. Guzmán, „Drug Courts“ – Reichweite und Herausforderungen einer Alternative zum Gefängnis, S. 5. 48 Vgl. Guzmán, „Drug Courts“ – Reichweite und Herausforderungen einer Alternative zum Gefängnis, S. 5. 49 Vgl. Cadena/Santamaría/García, in: Cooper/Lomba/Chisman, „Drug Treatment Courts“: Eine internationale Antwort auf Drogenstraftäter, S. 112.

I. Kriminologische und historische Grundlagen des „Drug-Court“-Systems

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Aufgrund ihres, im regionalen Maßstab betrachtet, vergleichsweise großen Erfahrungsschatzes haben sich zuletzt eine ganze Reihe lateinamerikanischer Nachbarstaaten (insbesondere Argentinien50) interessiert an einer Kooperation mit den chilenischen Behörden gezeigt, um die Möglichkeiten einer Implementation des Programms im eigenen Land zu eruieren. Bereits im Jahr 2014 wurde der Ausbau bzw. die Einführung von TTD auf Bestreben der chilenischen Administration in das Arbeitsprogramm der Iberoamerikanischen Konferenz der Nationen (Lateinamerika sowie Spanien, Portugal und Andorra) für den Zeitraum von 2014 – 2016 aufgenommen.51 Auf Grundlage der Präsentation Chiles52 im Rahmen eines Workshops der Konferenz in Bogotá (Kolumbien) beschlossen die Mitgliedstaaten auf dem Iberoamerika-Gipfel 2016 in Asunción (Paraguay) die Einrichtung einer ständigen Kommission zur alternativen Konfliktlösung und TTD (Comisión Permanente MARC-TTD, Medios Alternativos de Resolución de Conflictos – Tribunales de Tratamiento de la Droga y el Alcohol).53 Anknüpfend daran unterzeichneten Paz Ciudadana und die Arbeitsgruppe im Bereich Justiz im Dezember 2017 in Santiago eine Übereinkunft zu Entwicklung, Verbesserung und Ausbau von Alternativen zu bestehenden traditionellen Verfahrensweisen innerhalb der iberoamerikanischen Justiz, die allen voran das TTD-Programm umfasst.54 e) Auf dem europäischen „Festland“ Auf europäischem Boden gibt es „Drug Court“(-Pilotprojekte) neben denen auf den britischen Inseln bislang auch in Norwegen und Belgien. Die Programme in Norwegen (Oslo und Bergen) wurden zum 1. Januar 2006 als Narkotikaprogram med domstolskontroll (ND)-Pilotprojekte eingerichtet.55 Als Orientierung dienten den Norwegern dabei hauptsächlich die europäischen Erfahrungen in Irland und Schottland, untergeordnet auch die der Vereinigten Staaten. Anlass für die Einführung dieses Projektes war die landesweit außerordentlich hohe Rückfallrate von 85 % unter ehemals inhaftierten Drogenstraftätern. Mit der Bewertung des Programmes bezüglich der ersten 115 Teilnehmer wurden die Correctional Service of Norway Staff Academy und das Norwegian Institute for Drug and Alcohol Research beauftragt. Obwohl die erwartete Teilnehmerzahl von etwa 100 pro Jahr schließlich deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb (nur etwa 25 50

2017. 51

Vgl. Unidad de Seguimiento de los TTD, Poder Judicial de Chile, Artikel vom 30. 05.

Vgl. Corte Suprema de Justicia de Paraguay, Mitteilung vom 13. 06. 2014. Vgl. Contreras, Antrag bezüglich der Einführung eines Modells und grundlegender Struktur von TTD. 53 Vgl. Cumbre Judicial Iberoamericana, Mitteilung vom 05. 10. 2017. 54 Vgl. Paz Ciudadana, Bevorstehende Ausweitung der Arbeit der TTD auf 23 Länder Iberoamerikas. 55 Vgl. Falck, Beurteilungsbericht über die norwegischen „Drug Treatment Courts“, S. 1 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 52

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

jährlich), wertete man das ND-Programm als Erfolg, da unter Programmabsolventen spürbar weniger Rückfälle zu verzeichnen gewesen seien. In Belgien gibt es „Drug Treatment Courts“ (Drugbehandelingskamer, im Folgenden DTC) seit Mai 2008, als das erste derartige Pilotprojekt in Gent startete.56 Bezüglich weiterer Ausführungen zum belgischen Programm sei an dieser Stelle auf den Abschnitt II.4. verwiesen. 4. Zur Kosteneffizienz von „Drug Courts“ In der Fachliteratur existieren unterschiedliche Auffassungen darüber, inwieweit „Drug Courts“ tatsächlich kosteneffizient sind. a) Ansicht 1: Unwirtschaftlichkeit von „Drug Courts“ Einerseits wird angenommen, dass „Drug Courts“ die Kosten bei nur leicht niedrigeren Rückfallraten gegenüber anderen rechtlichen Alternativen, insbesondere der früher üblichen Betreuung abhängiger Straftäter durch Bewährungsabteilungen, vervielfachen.57 „Drug Courts“ würden vorrangig nicht die Anzahl von Inhaftierungen reduzieren, sondern andere (mindestens gleich effektive) Alternativen zur Freiheitsstrafe verdrängen.58 Einige Gerichte hätten sich zudem von vornherein nur die am meisten versprechenden Teilnehmer herausgesucht (cherry picking), um im Anschluss positive Ergebnisse vorweisen zu können.59 Von geschätzt über 1,5 Millionen Menschen, die in den Vereinigten Staaten wegen eines Drogendelikts inhaftiert und als drogenabhängig einzustufen seien, würden streng genommen nur etwa 7 % die eigentlich anzuwendenden Aufnahmekriterien eines „Drug Courts“ erfüllen. Wiederum nur die Hälfte dieser Gruppe nehme auch tatsächlich am Programm teil. Die praktische Umsetzung des Modells beinhalte überdies eine Reihe von „versteckten“ Kosten wie beispielsweise den kurzzeitigen Freiheitsentzug im Rahmen von Sanktionen. So hätten „Drug Court“-Absolventen in Santa Clara/Kalifornien und Baltimore/Maryland während ihrer Zeit im Programm durchschnittlich 51 bzw. 55 Tage im Gefängnis verbracht.60 Die weitverbreitete Nutzung einer Kurzzeitinhaftierung als Reaktion u. a. auf positive Drogentests oder unentschuldigtes 56 Vgl. De Keulenaer/Thomaes/Colman/Vander Laenen/Vanderplasschen/De Ruyver, Bewertung des „Drug Treatment Court“-Pilotprojekts am Strafgericht Gent, S. 1. 57 Vgl. Walsh, Süchtig nach Gerichten: wie die wachsende Abhängigkeit von „Drug Courts“ Menschen und Gemeinwesen beeinflusst, S. 4. 58 Vgl. Walsh, Süchtig nach Gerichten: wie die wachsende Abhängigkeit von „Drug Courts“ Menschen und Gemeinwesen beeinflusst, S. 5. 59 Vgl. Walsh, S. 21, mit Verweis auf Bhati/Roman/Chalfin (2008). (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 60 Vgl. Walsh, S. 17, mit Verweis auf Gottfredson/Najaka/Kearley (2003).

I. Kriminologische und historische Grundlagen des „Drug-Court“-Systems

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Fehlen bei Veranstaltungen des „Drug Court“ führe dazu, dass manche Teilnehmer schlussendlich länger inhaftiert seien, als dies ohne eine Mitwirkung am Programm möglich gewesen wäre (net-widening).61 Als weitere Auswirkung dieses net-widening werde durch die Einrichtung eines „Drug Court“ unter den örtlichen Polizeiorganen generell ein Anreiz dafür geschaffen, die neu entstandenen Ressourcen des Programms zu beanspruchen.62 In Denver sei innerhalb von zwei Jahren nach Eröffnung des dortigen „Drug Court“ eine Verdreifachung der polizeilich aufgenommenen Drogendelikte registriert worden.63 Staatsanwälte gingen aufgrund der Möglichkeit einer Teilnahme am Programm dazu über, auch in solchen Fällen Anklage zu erheben, in denen sie zuvor aufgrund unzureichender Beweislage eher Abstand von einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung genommen hätten.64 Bereits 2005 war bei einer staatlichen Gegenprüfung von „Drug Court“-Studien festgestellt worden, dass von 117 zwischen 1997 und 2004 veröffentlichten Untersuchungen gerade einmal 27 methodisch korrekt durchgeführt worden waren.65 Erhebliche Mängel hatte gemäß diesem Bericht insbesondere die Bestimmung aussagekräftiger Vergleichsgruppen aufgewiesen: gelegentlich sei statt eines Vergleichs der Resultate der Programmteilnehmer mit denen der Nichtteilnehmer schlicht eine Analyse von Absolventen und erfolglosen Nutzern (dropouts) erfolgt.66 Weitere methodische Defizite neben der Bildung kaum repräsentativer Vergleichsgruppen seien durch die Nichtberücksichtigung vorzeitig ausgeschiedener Teilnehmer (intent-to-treat analysis) und die zeitlich stark begrenzte Nachverfolgung der Absolventen von maximal einem Jahr nach Verlassen des Programms registriert worden.67 b) Ansicht 2: „Drug Courts“ als effiziente Alternative Die in der Folge dargestellten Studien stellen repräsentative Vergleichsgruppen gegenüber. Einbezogen wurden sämtliche „Drug Court“-Teilnehmer, unabhängig davon, ob sie das Programm nur begonnen oder auch erfolgreich beendet hatten. Diese wurden jeweils mit Personen verglichen, die (ausschließlich) dem traditionellen Strafsystem zugeordnet waren. Nicht alle Analysen beinhalten konkrete Berechnungen bezüglich eingesparter öffentlicher Gelder.

61 Vgl. Abrahamson, „Drug Courts“ sind keine Lösung, Los Angeles Daily News vom 12. 05. 2015. 62 Vgl. Hoffman, Das rehabilitative Ideal und die „Drug Court“-Wirklichkeit S. 172. 63 Vgl. Hoffman, Das rehabilitative Ideal und die „Drug Court“-Wirklichkeit S. 174. 64 Vgl. Hoffman, „Problem-solving courts“ und ihr psycholegaler Fehler, S. 131. 65 Vgl. Specter/Leahy/Sensenbrenner/Conyers, „Drug Courts“ für Erwachsene, S. 2. 66 Vgl. Specter/Leahy/Sensenbrenner/Conyers, „Drug Courts“ für Erwachsene, S. 2. 67 Vgl. Erickson, Der „Drug Court“-Schwindel, S. 1 f.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Eine detaillierte Untersuchung des National Institute of Justice, die 23 „Drug Courts“ in acht US-Bundesstaaten einschloss, gelangte 2011 zu dem Ergebnis, dass nach einer Verweildauer von 24 Monaten im Programm durchschnittlich 52 % der Teilnehmer (gegenüber 62 % in der Vergleichsgruppe) erneut festgenommen worden waren.68 Ein noch größerer Effekt ergab sich bei der Feststellung von Rückfällen in den Drogenkonsum. Nur 56 % der Teilnehmer verglichen mit 76 % der Nichtteilnehmer hatten inzwischen wieder zu einer Droge gegriffen. Eine groß angelegte Meta-Analyse von 92 „Adult Drug Court“-Studien bewertete im Jahr 2012 88 % der begutachteten Gerichte als effektiv, d. h. rückfallreduzierend im Hinblick auf neuerliche Straftaten.69 Die Rückfallwahrscheinlichkeit von Programmteilnehmer betrug durchschnittlich 38 % gegenüber 50 % unter Nichtteilnehmern.70 Positive Ergebnisse bescheinigte eine aktuelle Studie des Centers for Court Innovation in Kooperation mit dem Urban Institute 86 den im Bundesstaat New York ansässigen „Drug Courts“.71 Im Rahmen dieser Untersuchung wurde der Fokus insbesondere auf die Ermittlung der Abschlussraten der Nutzer gelegt, da ein erfolgreiches Ausscheiden aus dem Programm in der Regel mit einer reduzierten Rückfallwahrscheinlichkeit assoziiert wird. Gemäß der Analyse befanden sich nach Abschluss des ersten Jahres durchschnittlich noch 66 % der Anfangsteilnehmer im Programm, wobei dieser Prozentsatz in den Folgejahren bis auf 53 % abnahm. Generell habe der Anteil der Teilnehmer, die das komplette „Drug Court“-Programm absolvierten, dennoch über dem der Nutzer der Alternative des community-based treatment gelegen. Hierfür seien höchstwahrscheinlich die direkten juristischen Konsequenzen verantwortlich, mit denen sich die Teilnehmer im Fall eines Ausschlusses vom „Drug Court“ konfrontiert sehen. Eine vom Northwest Professional Consortium (Portland) an allen 21 „Drug Courts“ des US-Bundesstaates Oregon durchgeführte Untersuchung kam 2011 zu dem Schluss, dass sich mittels des Programms auf eine Spanne von fünf Jahren gerechnet Einsparungspotenziale in Höhe von knapp 120 Millionen USD ergeben.72 68 Vgl. Rossmann/Rempel/Roman/Zweig/Lindquist/Green/Downey/Yahner/Bhati/Farole, Multi-Site-Studie über „Drug Courts“ für Erwachsene: Der Effekt von „Drug Courts“, S. 3. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 69 Vgl. Mitchell/Wilson/Eggers/MacKenzie, Die Wirkung von „Drug Courts“ auf die Delinquenz von Jugendlichen und Erwachsenen, S. 7. 70 Vgl. Mitchell/Wilson/Eggers/MacKenzie, Die Wirkung von „Drug Courts“ auf die Delinquenz von Jugendlichen und Erwachsenen, S. 21. 71 Auch zu den nachfolgenden beiden Sätzen vgl. Cissner, Amanda B./Rempel, Michael/ Franklin Walker, Allyson/Roman, John K./Bieler, Samuel/Cohen, Robyn/Cadoret, Carolyn R.; Eine Begutachtung der „Drug Courts“ für Erwachsene im Bundesstaat New York („A statewide evaluation of New York’s Adult Drug Courts“), New York 2013, S. 40 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 72 Vgl. Carey/Waller, Kostenstudie über die „Drug Courts“ von Oregon: Kosten im Bundesstaat und vielversprechende Praktiken, S. 74.

I. Kriminologische und historische Grundlagen des „Drug-Court“-Systems

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Grundlage für diese immense Summe waren dabei allen voran die ersparten Folgekosten, die aufgrund einer durchschnittlich um 23 % verminderten Rückfallrate zustande kamen.73 Dasselbe Institut ermittelte 2013 in Zusammenarbeit mit dem Center for Court Innovation für einen Zeitraum von fünf Jahren eine mögliche Ersparnis von knapp 39 Millionen USD an 92 „Drug Courts“ im Bundesstaat New York.74 Bei der Berechnung bezog man sich auf eine jährliche Kostenreduzierung in Höhe 5.564,00 USD je Teilnehmer im Vergleich zum konventionellen juristischen Verfahren. Der überwiegende Anteil dieses Betrages ergab sich durch die deutlich geringere Beanspruchung der Haftanstalten. So mussten nur 2 % des gesamten „Drug Court“Budgets für Freiheitsentzüge aufgewendet werden. Mehr als drei Viertel der Ausgaben umfassten den Bereich der Therapierung (Behandlung, Drogentests und Case Management), gegenüber einem Anteil von 18 %, den zusätzliche gerichtliche Sitzungen beanspruchten. Auch das unmittelbar dem US-Präsidenten unterstellte Office of National Drug Policy ging noch 2011 aufgrund der im Weißen Haus vorliegenden Zahlen davon aus, dass jeder in „Drug Courts“ investierte USD mittelfristig eine Einsparung in Höhe von mehr als zwei USD gegenüber dem traditionellen System nach sich zieht.75 c) Studie des US-Rechnungshofs76 In Anbetracht dieser teils sehr widersprüchlichen Ergebnisse überrascht es nicht, dass zuletzt der US-Rechnungshof (Government Accountability Office, GAO) dem Fair Sentencing Act (2010) folgend eine Begutachtung der Effizienz des Programms vornahm. Die Analyse erfolgte dabei auf Grundlage der im US-Justizministerium vorhandenen Daten aus dem Jahr 2010 sowie von insgesamt 32 „Drug Court“- und 11 Kosten-Nutzen-Studien, die jeweils zwischen Jahresbeginn 2004 und März 2011 veröffentlicht worden waren. Die Auswahl der Untersuchungen richtete sich nach den Maßstäben methodische Korrektheit, Berücksichtigung von allgemein gültigen Prinzipien der Sozialwissenschaft sowie Kriterien der Kosten-Nutzen-Analyse. Von zunächst 280 in Frage kommenden Studien wurde somit schließlich nur ein relativ kleiner Anteil einbezogen. Der Bericht gelangte zu dem Ergebnis, dass „Drug Courts“ die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls in kriminelle Verhaltensweisen generell verringern. Im73 Vgl. Carey/Waller, Kostenstudie über die „Drug Courts“ von Oregon: Kosten im Bundesstaat und vielversprechende Praktiken, S. 75. 74 Vgl. Carey/Waller/Farley/Rempel, Justizielle Alternativen im Kostentest, S. 31 ff. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 75 Vgl. Office of National Drug Control Policy, Drug Courts: Eine geschickte Herangehensweise der Strafjustiz. 76 Zum nachfolgenden Abschnitt vgl. Leahy/Grassley/Smith/Conyers, „Drug Courts“ für Erwachsene.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

merhin 18 der 32 „Drug Court“-Untersuchungen wiesen statistisch bedeutsame Reduzierungen auf, sodass sich insgesamt eine Rückfallwahrscheinlichkeit von durchschnittlich 6 % unter Teilnehmern gegenüber 26 % bei Nichtteilnehmern ergab. Eine weitaus größere Differenz von bis zu 58 % wurde sichtbar, soweit man die Vergleichsgruppe der „Drug Court“-Nutzer auf Absolventen des Programms beschränkte. Auch bezüglich des Drogenverhaltens der Nutzer konnte festgestellt werden, dass, wenn auch nur leicht, im „Drug Court“ weniger Rückfälle zu verzeichnen gewesen waren. Die festgestellten Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen betrafen dabei sowohl Überprüfungen, die während ihrer Teilnahme am Programm, als auch solche, die nach einem (wie auch immer begründeten) Ausscheiden durchgeführt worden waren. Die begutachteten Kosten-Nutzen-Analysen zeigten hingegen gemischte Resultate. So schwankten die pro Teilnehmer ermittelten Nettobeträge77 zwischen einem Kostenplus in acht der elf Studien von maximal 47.852,00 USD und einem Minus von bis zu 7.108,00 USD in den übrigen drei Untersuchungen. Dies mag daran gelegen haben, dass sich die Absolventenquoten der einzelnen Programme markant unterschieden (von 15 % bis hin zu 89 %). Wichtig sei auch das Umfeld, in dem ein „Drug Court“ operiere. Besonders hohe Kosteneinsparungen hätten sich in Gerichtsbezirken ergeben, wo innerhalb der Vergleichsgruppe traditionell schneller zu Haftstrafen gegriffen werde. d) Zwischenergebnis Anhand des erläuterten Gutachtens des GAO lassen sich relativ anschaulich die Unwägbarkeiten nachvollziehen, die eine Rolle bei der Beurteilung der Effizienz des „Drug Court“-Programms spielen können. Im Allgemeinen sei es mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, „Drug Courts“ zu bewerten und auch die hierzu notwendigen Ressourcen könnten erheblich sein.78 Obwohl die meisten Programme gewissen Schlüsselelementen folgten, könnten sie sich bezüglich Faktoren wie Aufnahmekriterien, Dauer der Therapierung und Verhängung von Sanktionen stark voneinander unterscheiden.79 Durch die Divergenz zwischen den bundesstaatlichen Rechtsordnungen und den daraus resultierenden Unterschieden in der Gerichtspraxis kann ein „Drug Court“Programm in einem eher konservativ eingestellten Umfeld deutlich größere Effekte erzielen als in tendenziell „nachsichtigeren“ Gerichtsbezirken. Diese komplexe Ausgangslage wird dadurch weiter verschärft, dass selbst die „Drug Courts“ innerhalb einer Jurisdiktion keineswegs immer nach den gleichen Maßstäben funk77

Diese Beträge errechnen sich aus der Differenz der im Justizsystem infolge reduzierter Rückfallzahlen eingesparten Kosten und den zusätzlichen Ausgaben für den „Drug Court“, die die üblichen Aufwendungen des traditionellen Verfahrens überschreiten. 78 Vgl. Leahy/Grassley/Smith/Conyers, „Drug Courts“ für Erwachsene, S. 8. 79 Vgl. Leahy/Grassley/Smith/Conyers, „Drug Courts“ für Erwachsene, S. 8.

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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tionieren. Auch die therapeutischen Möglichkeiten können lokal sehr verschieden ausgeprägt sein. Diese Umstände verursachen die bestehenden Differenzen, soweit sie die Kosten und Rückfallzahlen des Programms betreffen. Das grundsätzliche Potenzial der „Drug Courts“ dürfte unter Beachtung der vorliegenden Studien jedoch nicht in Frage stehen. Die Mehrzahl der Beurteilungen fällt zwar vergleichsweise zurückhaltend aus, im Grundsatz sind sie jedoch positiv. Viele der ablehnenden Studien stammen zudem aus den 2000er Jahren und damit aus einer Zeit, als weder fundierte Standards zum Verfahren noch ein nachhaltig ausgerichtetes Subventionsverfahren existierten. Wahrscheinlich ist es auch schlicht so, dass einige Programme es verstehen, mit den vorhandenen Mitteln besser und effektiver zu arbeiten als andere.80

II. „Drug Courts“ in der Praxis 1. Zum allgemeinen Beurteilungsmaßstab81 Die Programme sollen sodann jeweils im Hinblick auf die im Folgenden dargestellten 12 sog. „DTC success factors“ (Erfolgsfaktoren von „Drug Courts“) beurteilt werden, die eine Expertenkommission des UNODC bereits im Jahr 1999 aufgestellt hat: a) Effective judicial leadership of the court-directed treatment and rehabilitation programme team („Wirkungsvolle richterliche Führung des DTC-Teams“) Eine effektive richterliche Führung ist für den Erfolg des Verfahrens unverzichtbar. Der Richter muss vom Konzept der DTC überzeugt sein und dieses vollständig durchdringen. Neben einem gewissen Maß an Kritikfähigkeit muss er über gute Kenntnisse des Therapienetzwerks verfügen und in der Lage sein, die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten neutral und sachlich in Einklang zu bringen. b) Strong interdisciplinary team collaboration between team members, while each maintaining his or her professional independence („Starke interdisziplinäre Zusammenarbeit im Team unter Aufrechterhaltung beruflicher Unabhängigkeit“) Am Programm sollten neben Richtern, Staatsanwälten und Strafverteidigern auch Bewährungshelfer, Case Manager und Mitarbeiter der Therapiezentren mitwirken. Ohne dabei ihre traditionellen Verfahrensrollen grundsätzlich zu verlassen, besteht das gemeinsame Ziel des daraus gebildeten DTC-Teams darin, im Wege interdisziplinärer Zusammenarbeit die auf Drogenabhängigkeit beruhende kriminelle Ak80

Vgl. auch Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 128. 81 Zum nachfolgenden Abschnitt vgl. UNODC, Bericht der Expertenkommission zu „Drug Treatment Courts“, S. 14 ff.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

tivität des Betreffenden einzudämmen. Dies erfordert neben einer professionellen Behandlung der Sucht eine permanente Kommunikation sowohl unter den beteiligten Teammitgliedern als auch mit dem jeweiligen Programmteilnehmer. Wichtige Impulse zur Stärkung dieses Austauschs kann die Schaffung einer unabhängigen Schnittstelle (liaison) zwischen Gericht und Therapie geben. c) Good knowledge and understanding of addiction and recovery by by the nonhealth-care professionals on the team („Guter Wissensstand und Verständnis der beteiligten Juristen über Abhängigkeit und Heilung“) Die Mitglieder des DTC-Teams, die für gewöhnlich nicht im Therapiebereich tätig sind (Richter, Staatsanwälte und Strafverteidiger), müssen grundlegende Kenntnisse über Abhängigkeit, Behandlungsalternativen und Heilungsprozesse besitzen. Die regelmäßige Teilnahme an entsprechenden Fortbildungen ist empfehlenswert. d) Operational manual to ensure consistency of approach and ongoing programme efficiency („Verfahrenshandbuch für Beständigkeit und Effizienz“) Die Entwicklung eines verbindlichen Verfahrenshandbuchs ist für jeden DTC essenziell. Zum einen kann dadurch eine gewisse Beständigkeit im Verfahren gesichert werden. Zum anderen hilft ein solches Regelwerk dabei, die Effektivität des Programms auch dann zu wahren, wenn neue Kollegen eingearbeitet werden müssen. Das Handbuch sollte zu diesem Zweck zumindest Ausführungen zu den Auswahlkriterien, zur Kompetenzverteilung innerhalb des DTC-Teams und zu den Rechten und Pflichten der Teilnehmer enthalten. Ebenso sollten sich darin Angaben zu Ort und Verfügbarkeit von Beratungs- und Therapieangeboten wiederfinden. Im Handbuch sollte auch klargestellt werden, wo und in welcher Frequenz Urinproben seitens der Teilnehmer abzugeben sind und welche Sanktionen im Fall eines Fehlverhaltens zur Anwendung gelangen können. Optional kann es festlegen, an welchen Wochentagen der DTC für gewöhnlich seine Sitzungen abhält. e) Clear eligibility criteria and objective eligibility screening of potential participant offenders („Klare Auswahlkriterien samt objektiver Überprüfung aller potenziellen Teilnehmer“) Die Wahl der Teilnahmekriterien sollte sorgfältig und möglichst pragmatisch getroffen werden. Einerseits gilt es net-widening-Effekte auf Kleinstdelikte zu vermeiden, während andererseits Schwerkriminellen der Zugang zum Programm nicht gänzlich verschlossen werden sollte. Auch eine anfangs ggf. noch fehlende Therapiemotivation sollte kein absolutes Ausschlusskriterium sein. Vorsicht ist jedoch dann geboten, wenn der Verdacht besteht, dass eine bestimmte Straftat nur aus dem Grund begangen bzw. eingeräumt wurde, um die Hilfsleistungen des DTC in Anspruch nehmen zu können. f) Detailed assessment of each potential participant offender („Detaillierte Bedarfsanalyse bezüglich jeden potenziellen Teilnehmers“)

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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Der persönliche Therapiebedarf jedes DTC-Kandidaten sollte detailliert und umfassend untersucht werden. Die Analyse sollte sich dabei auch auf solche Bereiche beziehen, die ein unmittelbares Einschreiten erfordern (z. B. Schaffung stabiler Wohnverhältnisse). Sie muss das Gericht dazu befähigen, auf ihrer Grundlage individuelle und messbare Therapieziele einschließlich daran angepasster Sanktionen und Belohnungen zu formulieren. g) Fully informed and documented consent of each participant offender (after receiving legal advice) before participating in a programme („Vollumfänglich dokumentiertes Einverständnis jedes zum DTC zugelassenen Teilnehmers nach Erhalt rechtlicher Beratung“) Jedem Teilnehmer muss vor Aufnahme des Programms klar sein, was ihn im Verfahren erwartet, d. h. welches Verhalten welche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Auch sollte ihm verdeutlicht werden, dass man Manipulationen gleich welcher Form nicht tolerieren wird. h) Speedy referral of participating offenders to treatment and rehabilitation („Zügige Überweisung von DTC-Kandidaten in Therapie und Rehabilitation“) Idealerweise sollten die DTC-Kandidaten innerhalb von 72 Stunden nach Festnahme in das Programm aufgenommen werden. Im Zeitraum unmittelbar nach Tatbegehung stehen diese noch unter dem Eindruck der polizeilichen Maßnahmen und sind generell am empfänglichsten für Hilfsangebote. i) Swift, certain and consistent sanctions or rewards for noncompliance or compliance („Unmittelbare, bestimmte und widerspruchsfreie Sanktionierung von Verstößen oder Belohnung von ordnungsgemäßem Verhalten“) Programmverstöße seitens der Teilnehmer sind durch das Gericht unverzüglich im Wege unzweideutiger Sanktionen zu ahnden. Zuvor ist ihnen eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen, um eventuellen besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Gleichfalls bedeutend für den Programmfortschritt und die Motivation der Teilnehmer ist es aber auch, positives Verhalten hervorzuheben und angemessen zu belohnen. j) Ongoing programme evaluation and willingness to tailor programme structure to meet shortcomings („Fortlaufende Evaluation des DTC und Bereitschaft zur Programmoptimierung“) Die Notwendigkeit einer regelmäßigen Überprüfung des Programms sollte von Anfang an als Teil des DTC verstanden werden. Die Evaluation sollte sich dabei sowohl auf die Verfahrensdurchführung an sich als auch auf die eigentlichen Programmergebnisse beziehen. k) Sufficient, sustained and dedicated programme funding („Ausreichende, fortwährende und zweckbestimmte Finanzierung des DTC“)

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Zur Sicherung der Finanzierung des Programms sollte das Gericht Beziehungen zu Personen/Organisationen aus dem privaten Sektor entwickeln und pflegen. Da viele DTC aktuell noch von der Vergabe staatlicher Subventionen abhängen, kann deren Expertise von entscheidender Hilfe bei einer Folgeantragsstellung sein. Zudem können über sie ggf. zusätzliche Programmangebote im Bereich Wohnen, Arbeiten und Kinderbetreuung geschaffen werden. Hinsichtlich der Verwaltung dieses Netzwerks sollte man unter Umständen die Einstellung eines eigenen DTC-Koordinators erwägen. l) Changes in underlying substantive or procedural law, if necessary or appropriate („Änderungen der zugrundeliegenden materiell-rechtlichen und prozessualen Bestimmungen, soweit notwendig oder angemessen“) Die Entwicklung eines DTC sollte zunächst im Rahmen einer Integration in bestehende gesetzliche Regelungen angestrebt werden. Normänderungen sollten dagegen erst dann in Betracht gezogen werden, wenn bestimmte Hauptelemente des Programms anderenfalls praktisch nicht umsetzbar wären. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Drogenscreening, gerichtliche Folgebeteiligung am Verfahren (auch nach Urteilsverkündung), Rückfalltoleranz und die Möglichkeit einer Schweigepflichtentbindung zur Weitergabe von Informationen unter den Verfahrensbeteiligten. Die auf der Basis dieses allgemeinen Begutachtungsmaßstabs des UNODC durchgeführte nachfolgende Begutachtung der „Drug Courts“ in den Zielländern erfolgte dabei durch den Autor der vorliegenden Untersuchung sowohl im Wege eigener Anwesenheit während einer Reihe (vor-)gerichtlicher und therapeutischer Sitzungen einschließlich von Gesprächen mit beteiligten Akteuren als auch mittels einer Auswertung der öffentlich zugänglichen Literatur (insbesondere Verfahrensund Teilnehmerhandbücher). 2. Das „Drug Court“-Programm der USA Wie bereits eingangs festgestellt sind die USA das Geburtsland der „Drug Court“Bewegung, und nach wie vor ist trotz der fortschreitenden internationalen Expansion die überwiegende Anzahl derartiger Gerichte auch dort angesiedelt. Laut der letzten diesbezüglichen Erhebung aus dem Jahr 2016 gibt es in den Vereinigten Staaten inzwischen fast 3.100 „Drug Courts“ mit ca. 127.000 Teilnehmern, die sich gleichermaßen über alle 50 Bundesstaaten und Territorien verteilen.82 Dies entspricht einem Anstieg von 24 % im Verlauf der vorangegangenen fünf Jahre. Beinahe ein Viertel aller Bundesstaaten eröffnete über diesen Zeitraum hinweg gleich mehr als 20 neue „Drug Courts“. Demgegenüber wurden nur insgesamt 62 82 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 7. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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Programme, zumeist infolge mangelnder finanzieller Ressourcen, eingestellt. Trotz dieses erheblichen Zuwachses existiert auf dem US-Gebiet noch immer ein hoher Anteil (44 %) von Landkreisen (counties), die über keinen eigenen „Drug Court“ verfügen. Im Jahr 2014 erreichte die Subventionierung des Modells ein zuvor nie da gewesenes Volumen von beinahe 100 Millionen USD, wobei sich dieser Betrag in etwa hälftig aus dem Förderprogramm BJA und der CSAT Drug Treatment Court Initiative speiste.83 Für das Jahr 2019 hatte allein das BJA Fördermittel in fast dreistelliger Millionenhöhe für „Drug Courts“ ausgeschrieben.84 Bewerbungen waren in den Kategorien Neueröffnung, Optimierung (Fördersumme jeweils maximal 500.000 USD je Antrag) und bundesstaatliche Vereinheitlichung (bis zu 2.000.000 USD/ Antrag) möglich, wobei insgesamt bis zu 96 Beihilfen für höchstens zwei Jahre zu vergeben waren.85 a) Strafprozessuale Grundlage aa) Allgemeine Vorbemerkung Mit Blick auf das Rechtssystem der Vereinigten Staaten ist zunächst anzumerken, dass aufgrund seiner stark föderalistischen Prägung kein national verbindliches Gesetzesblatt gleich dem deutschen StGB existiert, sondern die Strafrechtspflege direkt dem Kompetenzbereich der einzelnen Bundesstaaten unterstellt ist. Auf gesamtstaatlicher Ebene gibt es lediglich ein auf nichtstaatlicher Ebene entwickeltes „Musterstrafgesetzbuch“ (Model Penal Code) aus dem Jahr 1962, das allerdings keine rechtsverbindliche Wirkung entfaltet.86 Obgleich sich in den darauffolgenden Jahrzehnten 40 der 50 US-Bundesstaaten bei der Ausgestaltung ihrer Strafgesetzbücher an diesem Muster orientiert haben, bestehen zwischen den konkreten Gesetzen nach wie vor markante Unterschiede.87 Auffällig werden diese Differenzen insbesondere bei der Auflistung illegaler Drogen sowie der Straferwartung, die diesbezügliche Delikte nach sich ziehen. Während beispielsweise in einigen Bundesstaaten (u. a. Colorado, Oregon, Alaska) und der Hauptstadt Washington D.C. im Wege von Volksentscheiden der Anbau, Besitz und Kauf von Marihuana bis zu einer gewissen Menge erlaubt wurden, steht dies in der Mehrzahl der anderen Landesteile nach wie vor unter Strafe. So ist etwa in Arizona und Oklahoma bereits der Besitz von Cannabis als Verbrechen mit einer 83 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 55. 84 Vgl. U.S. Department of Justice, Subventionsprogramm für Erwachsenen „Drug Courts“ 2018, S. 13. 85 Vgl. U.S. Department of Justice, Subventionsprogramm für Erwachsenen „Drug Courts“ 2018, S. 13. 86 Vgl. Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 16. 87 Vgl. Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 16.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

zwingenden Mindeststrafe (mandatory sentence) von einem Jahr Gefängnis zu ahnden.88 Seit kurzem lässt sich jedoch ein Trend hin zu einer Legalisierung des Umgangs mit Marihuana erkennen. Entsprechende Regelungen existieren mittlerweile in zehn Bundesstaaten.89 Die bundesstaatliche Kompetenz im Bereich des Strafrechts hat auch die gesetzliche Festschreibung der „Drug Courts“ beeinflusst und zum Teil zu erheblichen Unterschieden in der jeweiligen Ausgestaltung des Programms geführt. Nur etwa 60 % der Bundesstaaten haben bislang eine rechtliche Verankerung der „Drug Courts“ (meist durch Übernahme der 10 key components)90 vorgenommen.91 Als Argument hierfür wird u. a. angeführt, dass der Judikative nur auf diese Weise ein ausreichend großer Spielraum zur Gestaltung des Verfahrens verbleibe und eine „Invasion“ der legislativen und exekutiven Gewalten vermieden werden könne.92 Zudem habe sich das „Drug Court“-Programm vielerorts unter bereits bestehende Gesetze subsumieren lassen, sodass eine gesetzliche Modifizierung oder Neufassung nicht von Nöten gewesen sei.93 Genauere Ausführungen hinsichtlich des grundsätzlichen Ablaufs des Programms sucht man daher in den vorhandenen Strafgesetzen in der Regel vergebens. Meist ist die Regelung der Verfahrensdetails in die Zuständigkeit der Gerichte selbst gestellt, sodass sich entsprechende Informationen aus den Verfahrens- und Teilnehmerhandbüchern des jeweiligen „Drug Court“ erschließen. Dort, wo es verbindliche gesetzliche Richtlinien gibt, hat man sich meist mit dem Ziel einer Verbesserung der politischen und interinstitutionellen Akzeptanz des Programms für diesen Weg entschieden.94 bb) Beispiele aus den Bundesstaaten Im Bundesstaat New York wird das „Drug Court“-Verfahren seit dem Jahr 2009 unter der Bezeichnung Judicial Diversion Program in Sec. 216 der Strafprozess88

Vgl. American Addiction Center, Strafbare Besitzmengen von Marihuana, Statistik 2018. Zuletzt wurde im Zuge der Midterm-Wahlen 2018 von 56 % der Stimmberechtigten eine entsprechende Initiative in Michigan angenommen (Michigan Proposal, Marijuana Legalization Initiative), vgl. CNN, Michigan Proposition 1, aktualisiertes Abstimmungsergebnis vom 21. 12. 2018. 90 Vgl. etwa die Gesetzgebung im Bundesstaat Florida: The 2018 Florida Statutes, 397.334 Treatment-based drug court programs, Abs. 4 (siehe Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘Verfahren“). 91 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 55. 92 Fox/Wolf, Die Zukunft von „Drug Courts“, S. 10. 93 Vgl. Fox/Wolf, S. 11, mit Verweis auf Ohios Senate Bill 2 (1996) und das modifizierte Statute 2951.041 (2000), die generell eine bevorzugte Unterbringung von Straftätern in Therapieeinrichtungen anstelle von Gefängnissen vorsehen. 94 Vgl. Fox/Wolf, S. 10. 89

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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ordnung (New York Criminal Procedure Law, NYCPL) erwähnt.95 Eingangs der Norm werden zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen einer solchen Alternativbehandlung festgelegt, u. a. das Fehlen von Vorstrafen mit Gewaltbezug. Die Anklageschrift darf sich zudem nur auf den eingeschränkten Bereich der gewaltlosen Delikte der Stufen B-E beziehen, die im Strafgesetzbuch des Bundesstaates New York (Penal Law of New York State) aufgeführt sind.96 Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann das Gericht gemäß Sec. 216.05 No. 1 NYCPL bis zum Beginn der Hauptverhandlung auf Antrag des Angeklagten ein Gutachten bezüglich einer möglichen Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit einholen lassen. In der Folge können sowohl Strafverteidigung als auch Staatsanwaltschaft zur Suchtfrage Stellung beziehen und hierzu ggf. die Ladung von Zeugen anregen. Weitere Voraussetzung für die Anordnung einer Therapie und die anschließende Aufnahme in den jeweiligen lokalen „Drug Court“ ist die Abgabe eines verbindlichen Schuldeingeständnisses (guilty plea) durch den Angeklagten, Sec. 216.05 No. 4 NYCPL. Auf dieses kann nur mit ausdrücklichem Einverständnis aller beteiligten Parteien sowie in Ausnahmefällen, etwa bei erdrückender Tatsachenlage, verzichtet werden. Das Gericht behält auch nach Aufnahme des Angeklagten in die Behandlungseinrichtung die Befugnis, diesen jederzeit zu laden und seinen Therapiefortgang zu überprüfen. In West Virginia hat man dagegen mittels des West Virginia Drug Offender Accountability and Treatment Act („Gesetz über die Zurechnungsfähigkeit und Therapierung von Drogenstraftätern in West Virginia“) eine umfassende gesetzliche Regelung zum Programm getroffen und als neuen Artikel 15 in das 62. Kapitel des West Virginia Codes integriert.97 In seinen insgesamt dreizehn Absätzen enthält die Norm sehr detaillierte Anforderungen bezüglich der grundlegenden Aspekte des Verfahrens, die von der Auswahl der Kandidaten über die Zusammensetzung des „Drug Court“-Teams bis hin zur Überwachung und möglichen Sanktionierung der Teilnehmer reichen. Ähnliche Standards wurden in Louisiana im Wege der Louisiana House Bill 2412 als § 5304 im landeseigenen Prozessrecht (13. Titel der Louisiana Revised Statutes of 1950) etabliert.98 Allerdings ist in diesen Regelungen nicht explizit von „Drug

95 Vgl. Waller/Carey/Farley/Rempel, Überprüfung der Kosteneffizienz gesetzlicher Diversion, S. 3, siehe Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘-Verfahren“. 96 Im New York State wird zwischen insgesamt neun Deliktsstufen unterschieden: A, B (Violent/Non Violent), C (Violent/Non Violent), D (Violent/Non Violent), E (Violent/Non Violent). Der Deliktsstufe A gehören u. a. an: Mord, Landesverrat, besonders schwere Brandstiftung; zum Vergleich B (Non Violent) u. a.: Drogenhandel vor Schulen, schwerer Betrug, vgl. die Auflistung unter http://nyscriminallaws.com/penal.law/felony_sentences.htm (letzter Zugriff am 15. 07. 2019). 97 Vollständiger Gesetzestext abrufbar unter: http://www.legis.state.wv.us/wvcode/code. cfm?chap=62&art=15 (letzter Zugriff am 15. 07. 2019). 98 Vollständiger Gesetzestext abrufbar unter: http://law.justia.com/codes/louisiana/2014/co de-revisedstatutes/title-13/rs-13 – 5304 (letzter Zugriff am 15. 07. 2019).

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Courts“, sondern von Drug Divisions die Rede, die als spezielle Kammern an allen Strafgerichten eröffnet werden können. b) Skizzierung der wesentlichen Elemente eines US-„Drug Court“ aa) Zum Standardisierungsprozess in den USA Nach einer zunächst relativ unkoordinierten Verbreitung des Programms über einige Bundesstaaten konnte mittels der eingangs (unter I. 1.) erwähnten 10 key components sowie zehn nationaler NADCP-Programmstandards ein Konsens über die praktische Umsetzung des „Drug Court“-Programms erzielt werden. Ziel der Einführung dieser Standards war es, die bereits etablierten Grundprinzipien näher zu definieren (putting meat on the bones) und sie so für die Praxis nutzbarer zu machen.99 Es ginge nicht länger darum, die Wirksamkeit von „Drug Courts“ an sich (das „Ob“) zu beweisen, sondern vielmehr solle die Frage nach der vorteilhaftesten Ausgestaltung des Programms (das „Wie“) beantwortet werden.100 Auch das US-Justizministerium, das seit November 2002 über das ihm unterstellte Bureau of Justice Assistance (BJA) die Subventionsvergabe an „Drug Courts“ steuert, hat sich zuletzt in diesem Sinne positioniert.101 Erleichternd wirkte es sich bei der Formulierung dieser Grundsätze aus, dass man nunmehr auf die Erfahrungen aus beinahe 25 Jahren „Drug Court“-Praxis zurückgreifen konnte. Neu sind insoweit Ausführungen zu den Aspekten „historisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen“ (historically disadvantaged groups), „ergänzende Behandlung und soziale Hilfsangebote“ (complementary treatment and social services) sowie „Aufnahmekapazität und Auslastung“ (census and caseload). Gerade für Programme, die zeitlich nach der Einführung der NADCP-Standards öffneten, bildeten sie so eine wichtige Orientierungshilfe. Parallel hierzu ist in der Praxis eine kontinuierliche Verdrängung der deutlich älteren und weniger detaillierten 10 key components zu registrieren, die mehr und mehr die Rolle einer Art „Drug Court“-Verfassung einnehmen. Obwohl nicht vollkommen deckungsgleich, stimmen die NADCP-Standards im Wesentlichen mit den vorstehend erläuterten UNODC-Erfolgsfaktoren überein. Letztere sind jedoch für eine vergleichende Bewertung im internationalen Maßstab geeigneter, da sie nicht konkret auf die rechtlichen und gesellschaftlichen Umstände der Vereinigten Staaten zugeschnitten sind. Auf eine ausführlichere Darstellung der NADCP-Standards soll allerdings im Rahmen dieser Abhandlung verzichtet werden, wobei sich aber zumindest einzelne Teilaspekte in den Erläuterungen zu den Auf99

Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. I., S. 1. 100 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 62. 101 Siehe B., I., 3., b).

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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gaben der Verfahrensbeteiligten und zum allgemeinen Programmablauf in den USA wiederfinden. bb) Beteiligte Akteure Das Verfahren innerhalb eines „Drug Courts“ wird im Allgemeinen durch ein zuvor verbindlich bestimmtes, multidisziplinäres Team von Experten aus den Bereichen Recht (Richter, Staatsanwalt, Strafverteidiger, optional Bewährungshelfer und Polizeibeamte), Therapie (Angestellte und Leiter des Therapiezentrums) und Verwaltung (Case Manager und Programmdirektor) geführt.102 In Anbetracht der fachübergreifenden Kenntnisse, die die Mitwirkung am Programm erfordert, müsse es selbstverständlich sein, dass Berufsträger vor Beginn ihrer Tätigkeit an mehrtägigen Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen.103 Alle Mitarbeiter sollten zudem zur Erweiterung ihres Wissensstandes mindestens einmal jährlich ein Seminar insbesondere hinsichtlich solcher Aspekte des Programms besuchen, die nicht Bestandteil ihrer eigentlichen juristischen bzw. therapeutischen Ausbildung gewesen seien.104 (1) Richter105 Als „Schlüsselfigur“ des Verfahrens hat der „Drug Court“-Richter einen besonders großen Einfluss auf den Erfolg des jeweiligen Programms. Zur Gewährleistung einer gewissen Stabilität innerhalb des „Drug Court“-Teams sollte er möglichst auf unbegrenzte Zeit für das Verfahren ernannt worden sein und seinen Posten freiwillig antreten. Gerichtsinterne Rotationen sollten auch deshalb auf ein absolutes Minimum beschränkt werden, da die Programmteilnehmer regelmäßig selbst chaotische Leben führten und dringend auf eine stabile und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit festen Bezugspersonen angewiesen seien. Ebenso wichtig sei die Teilnahme des Richters an den Vorbesprechungen des „Drug Court“-Teams. Nur so könne er sich adäquat auf die unmittelbar folgende Sitzung vorbereiten und sämtliche Meinungen aller Teammitglieder einholen, um schließlich als anerkannter Entscheider in Zweifelsfragen zu agieren. Eine weitere 102 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 38. 103 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 39, 46, mit Verweis auf Carey et al. (2012), Shaffer (2010), Van Wormer (2010). 104 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II S. 39, 47, mit Verweis auf Van Wormer (2010), Berman & Feinblatt (2005), Holland (2010). 105 Die nachfolgenden Ausführungen sind NADCP-Standard III bezüglich „Rollen und Verantwortlichkeiten des Richters“ (Roles and Responsibilities of the Judge) entnommen, vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. I, S. 20 ff.

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erstrebenswerte Praxis stellt laut mehreren Studien die gerichtliche Vorladung von „Drug Court“-Teilnehmern in einem zweiwöchigen Rhythmus innerhalb der ersten Phase des Programms dar. Die persönliche Anhörung durch das Gericht sollte sich dabei innerhalb eines Zeitrahmens von drei bis sieben Minuten bewegen, um dem Richter ausreichend Möglichkeit zur individuellen Würdigung der Fortschritte oder auch Problemlagen eines jeden Teilnehmers zu geben. Der genaue Ablauf dieser Anhörungen sei einer der wesentlichsten Faktoren für den Erfolg oder das Scheitern eines Teilnehmers, weshalb hierbei unbedingt Wert auf Qualität gelegt werden müsse. Richter, deren Leitung von den „Drug Court“-Nutzern als gerecht, emphatisch, fürsorglich, besorgt und verständnisvoll empfunden würde, produzierten unter den Teilnehmern deutlich höhere Erfolgsquoten als willkürlich, verschlossen, intolerant und stigmatisierend handelnde Kollegen. Trotz des grundsätzlich kooperativen Ansatzes des Programms dürfe ein Richter seine abschließende Entscheidung aufgrund des Prinzips der richterlichen Unabhängigkeit niemals in die Hände eines oder aller Mitglieder des „Drug Court“-Teams übergeben. Vielmehr sei er verpflichtet, schließlich anhand eigener rationaler Würdigung der Meinungen der anwesenden Experten zu einem nachvollziehbaren und fundierten Urteil zu gelangen. (2) Staatsanwaltschaft106 Einem „Drug Court“-Team gehören ein oder mehrere Staatsanwälte an. Sie stellen zunächst sicher, dass jeder Kandidat für das „Drug Court“-Verfahren aus rechtlicher Sicht auf seine grundsätzliche Eignung für das Programm überprüft und ihm ein ggf. erforderliches Verständigungsangebot (plea agreement) unterbreitet wird. Nach erfolgter Aufnahme eines Kandidaten in das „Drug Court“-Verfahren, ist es ihre wesentliche Aufgabe, im Sinne der öffentlichen Sicherheitsinteressen und der Interessen der Opfer sicherzustellen, dass die gerichtlichen Auflagen von den Teilnehmern ordnungsgemäß erfüllt werden. (3) Strafverteidiger107 Teil des Teams soll zumindest ein (öffentlich bestellter) Strafverteidiger sein. Dieser arbeitet zumeist fest im Programm, um Sicherheit bezüglich der internen Abläufe zu besitzen. Auch in „Drug Courts“, die zunächst ein Schuldeingeständnis voraussetzen, habe sich dies als sehr praktikabel erwiesen. Zum einen garantiere die Mitwirkung eines Strafverteidigers, dass das Bewusstsein der Teammitglieder für die strikte Einhaltung der Verfahrensrechte der Teilnehmer nochmals geschärft würde. 106

Vgl. hierzu NADCP-Standard VIII bezüglich eines „Multidisziplinären Teams“ (Multidisciplinary Team), Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 40. 107 Vgl. hierzu NADCP-Standard VIII bezüglich eines „Multidisziplinären Teams“ (Multidisciplinary Team), Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 40.

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Zum anderen könne auf diese Weise die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz von Maßnahmen, die das Gericht gegenüber den Programmnutzern trifft, nachhaltig erhöht werden. (4) Case Manager108 Eine zentrale Funktion im „Drug Court“-Verfahren übernehmen die Case Manager. Vielerorts agieren sie in Aufgabenbereichen, die außerhalb des Programms an sich der Bewährungshilfe zukämen. Dies betrifft etwa die Suche nach einer passenden Therapieeinrichtung und Arbeits- bzw. Ausbildungsstelle, die Überwachung von Drogentests sowie das Bereitstehen als Ansprechpartner für organisatorische Fragen der Nutzer. Verfahrensrelevante Informationen werden durch sie hinterlegt und verwaltet, sodass die anderen Teammitglieder regelmäßig über den aktuellen Fortschritt jedes Teilnehmers unterrichtet werden können. Die Case Manager fungieren damit als wichtiges Bindeglied sowohl zwischen der Justiz und der Therapie als auch zwischen den Nutzern und dem Gericht. (5) Programmkoordinator109 Jeder „Drug Court“ sollte über einen eigenen Koordinator verfügen, der den Fortgang des gesamten Programms überblickt und überwacht. Hierzu sollte er grundsätzlich an möglichst vielen Vorberatungen und Sitzungen des „Drug Court“ teilnehmen. Meist handele es sich bei den Koordinatoren um vormalige Case Manager, die bereits mit den internen Abläufen vertraut sind. Zu ihrem Aufgabenfeld gehöre es, den Kontakt zu lokalen Partnern aufrecht zu erhalten und das hierüber bezogene Leistungsangebot bei Bedarf auszubauen bzw. zu optimieren. Zudem seien die Koordinatoren federführend bei der Datensammlung zur Evaluierung des Programms und diesbezüglich Ansprechpartner für externe Gutachter bzw. Wissenschaftler. (6) Therapeuten110 Das „Drug Court“-Team wird durch einen oder mehrere Mitarbeiter der beteiligten Therapiezentren vervollständigt. Diese Therapeuten haben maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung und Einhaltung des Therapieplans der Nutzer. Im Idealfall sollte ein Gericht mit maximal zwei lizensierten Therapiezentren kooperieren, 108 Vgl. hierzu NADCP-Standard VIII bezüglich eines „Multidisziplinären Teams“ (Multidisciplinary Team), Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 40. 109 Vgl. hierzu NADCP-Standard VIII bezüglich eines „multidisziplinären Teams“ (Multidisciplinary Team), Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 39 f. 110 Vgl. hierzu NADCP-Standard V zur „Behandlung der Drogenabhängigkeit“ (Substance abuse treatment), Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. I, S. 38 ff.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

deren leitende Angestellte regelmäßig an Sitzungen des „Drug Court“-Teams teilnehmen und dessen Mitglieder aus erster Hand über den Therapiefortschritt der einzelnen Teilnehmer informieren. Im Zuge einer Beauftragung weiterer Dienstleister bestünde aus praktischen Gründen die Gefahr einer Destabilisierung des Teams und einer Verzögerung des Informationsflusses. (7) Bewährungshelfer111 Zur Gewährleistung einer direkten Verbindung zum Strafvollzug kann überdies ein Bewährungshelfer in das Team aufgenommen werden. Dies sei insbesondere an solchen „Drug Courts“ zu empfehlen, die nicht nur Angeklagte, sondern auch bereits wirksam verurteilte Personen zulassen, die gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben. (8) Polizeibeamter112 Die Einbeziehung eines sachkundigen Polizeibeamten in die Arbeit des „Drug Courts“ kann angebracht sein, um sich innerhalb des Teams aus erster Hand über neue Tendenzen in der lokalen Drogenszene zu informieren. Zudem kennen diese Beamten für gewöhnlich die Problemviertel, aus denen viele der Teilnehmer stammen. Daher könnten sie die Diskussion und Entscheidungsfindung im Verfahren bereichern. Außerdem stehen sie den Case Managern als Unterstützung bei ggf. erforderlichen Besuchen an Wohnort und Arbeitsplatz der Nutzer zur Verfügung. cc) Typischer Teilnehmerkreis Auch wenn der Kreis möglicher Teilnehmer am „Drug Court“-Programm vor dem Hintergrund der eingangs erläuterten Strafgesetzgebungspraxis und lokal dominierenden ethnischen Gruppen von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich sein kann, lassen sich US-weit dennoch einige Tendenzen erkennen. So gehörten durchschnittlich zwei Drittel der Nutzer der „weißen“ Bevölkerungsgruppe an, während 10 bis 17 % von ihnen afro-amerikanischer oder lateinamerikanischer Herkunft seien.113 Das weibliche Geschlecht finde sich unter den „Drug Court“-Teilnehmern mit insgesamt immerhin 32 % repräsentiert. Unter den erwachsenen Nutzern leiden viele an einer Abhängigkeit hinsichtlich der Substanzen 111 Vgl. hierzu NADCP-Standard VIII bezüglich eines „multidisziplinären Teams“ (Multidisciplinary Team), Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 40. 112 Vgl. hierzu NADCP-Standard VIII bezüglich eines „multidisziplinären Teams“ (Multidisciplinary Team), Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 41. 113 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA S. 8. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Alkohol und Heroin (jeweils ca. 30 %). Der übermäßige Konsum von Marihuana werde dagegen eher in städtischen „Drug Courts“ behandelt (22 % der Teilnehmer). Bezogen auf jugendliche Nutzer sei die Abhängigkeit von Marihuana dagegen bei einem Anteil von über 60 % ein typisches Charakteristikum, unabhängig von der Tatsache, ob das Programm in einem städtischen oder ländlichen Umfeld angesiedelt sei. Während der Alkoholmissbrauch in dieser Gruppe ebenso stark wie unter den erwachsenen Teilnehmern verbreitet sei, nehmen andere berauschende Substanzen hierbei nur eine sehr untergeordnete Rolle ein. Darüber hinaus erfolgte bisher keine statistische Erhebung hinsichtlich der Frage, welche Art von Tatvorwürfen regelmäßig den Grund der Teilnahme am Programm darstellen. Generell verdeutlicht dies aber wohl, dass „Drug Courts“ in den USA vorrangig für Personen vorgesehen sind, denen ein Drogendelikt zur Last gelegt wird. dd) Allgemeiner Verfahrensablauf im US-„Drug Court“ (1) Urteil oder Abgabe eines Schuldeingeständnisses In den USA existiert aktuell eine Vielzahl verschiedener Modelle, anhand derer die Einbettung eines „Drug Courts“ in das jeweilige strafrechtliche Verfahren geregelt sein kann. Grundsätzlich lassen sich dabei zunächst zwei Konstellationen unterscheiden: einerseits die generelle Zurückstellung eines Strafverfahrens für die Zeit, die der Angeklagte im „Drug Court“ verbringt (deferred prosecution), und andererseits das Aufschieben des Urteilsspruches im Gegenzug zur Abgabe eines Schuldeingeständnisses vor Aufnahme in den „Drug Court“ (post-plea model).114 Bei ersterer Vorgehensweise wird auf eine Einlassung des Angeklagten zur Anklageschrift verzichtet.115 Nach erfolgreicher Teilnahme am Programm findet keine weitere strafrechtliche Verfolgung statt und das Verfahren wird eingestellt. Gemäß der zweiten Alternative, die sich unter den US-„Drug Courts“ mittlerweile zum Standard entwickelt hat116, muss sich der Angeklagte zunächst schuldig zum Tatvorwurf bekennen. Ein Urteilsspruch wird dann auf die Zeit nach Therapieende verschoben. Bei erfolgreichem Verlauf kann die eigentliche Strafe reduziert bzw. gänzlich erlassen werden. Sollte die Teilnahme am Programm dagegen keine Fortschritte erkennen lassen, wird das Verfahren zurück an das zuvor zuständige Strafgericht verwiesen und dort wiederaufgenommen.

114 Vgl. King/Pasquarella, Drug Courts: Eine Auswertung vorhandener Studien, S. 3. Daneben haben manche Gerichte das Verfahren auf bereits verurteilte Straftäter erweitert, denen ein Verstoß gegen Bewährungsauflagen nachgewiesen wurde. 115 Vgl. King/Pasquarella, Drug Courts: Eine Auswertung vorhandener Studien, S. 3. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 116 Nur noch 6 % aller „Drug Courts“ in den USA nehmen Kandidaten ohne ein vorheriges Schuldeingeständnis/Urteil auf, vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 40.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Interessierte Kandidaten werden aus diesem Grund vor Aufnahme in ein Programm für gewöhnlich zur Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung (plea contract/agreement) angehalten.117 Obwohl bei dieser Vorgehensweise mehr Zeit als im Rahmen einer Verfahrenszurückstellung beansprucht werde und die Attraktivität für die Strafverteidiger begrenzt sei, könne man in dieser Form eine effektivere Verfolgbarkeit der angeklagten Delikte auch noch Monate nach Eintritt in den „Drug Court“ garantieren. Dies stärke die Position des Gerichts und der Staatsanwaltschaft im Umgang mit dem Nutzer. Für den Fall eines Scheiterns im Programm seien von Beginn an klare Konsequenzen vorgezeichnet. Die Staatsanwaltschaft neige deshalb eher dazu, Kandidaten trotz des Vorhandenseins vergleichsweise schwerer Anklagepunkte eine Mitwirkung am Programm zu ermöglichen. Schließlich besteht die Möglichkeit, Kandidaten, die aufgrund der Schwere der angeklagten Tat bzw. vorhergegangener Verurteilungen an sich für keine der beiden genannten Verfahrensmodelle in Frage kämen, zur Vermeidung einer Inhaftierung nach erfolgter Verurteilung in den „Drug Court“ aufzunehmen (post-sentencing). Bei steigender Tendenz halten inzwischen 41 % der „Drug Courts“ ein solches hybrid model bereit, das das Programm neben post-plea auch auf post-sentencing-Verfahren erweitert.118 Dies sei jedoch nur dann empfehlenswert und überhaupt praktikabel, sofern zunächst die Aufnahmekriterien und vorgesehenen Verfahrensabläufe bezüglich der unterschiedlichen Kandidatengruppen sauber voneinander getrennt würden.119 (2) Aufnahme in das Programm Zur Identifizierung potenzieller Kandidaten sind grundsätzlich alle am „Drug Court“ beteiligten, justiziellen Akteure aufgerufen. In der Regel erfolgen Zuweisungen über die zuständige Staatsanwaltschaft bzw. den jeweils involvierten Strafverteidiger. Da die Arbeit im Programm an US-amerikanischen Gerichten oft nicht das alleinige Aufgabenfeld eines „Drug Court“-Richters bildet, kann es daneben auch vorkommen, dass die Vorsitzenden auf mögliche Kandidaten im Zuge der Abhaltung ihrer gewöhnlichen Hauptverhandlungen stoßen. Im Rahmen dieser Vorauswahl wird zunächst die juristische Eignung der Kandidaten untersucht. Obwohl die Zulassungsvoraussetzungen der Gerichte im Einzelnen voneinander abweichen können, erfordert dies im Allgemeinen eine Anklage aufgrund Besitzes/Konsums illegaler Drogen oder einer anderen, gewaltlosen

117 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 40 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 118 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 41. 119 Vgl. Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 134.

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Straftat.120 Soweit das Programm staatliche Förderung seitens des BJA erhält, sind Kandidaten, die man einer Gewalttat angeklagt hat bzw. entsprechende Vorstrafen aufweisen, von vornherein ausgeschlossen.121 Bezüglich einer erheblichen Drogenabhängigkeit des Kandidaten besteht zu diesem Zeitpunkt oft nur ein Verdacht. Zur Aufnahme in den „Drug Court“ muss sich diese Vermutung während der Befragung durch den Therapeuten des Teams bestätigen.122 Die entsprechende Diagnose erfolgt normalerweise mittels eines genau festgelegten Fragebogens (risk assessment tool), um die Auswahl auf besonders bedürftige Personen zu begrenzen. Eine solche Einordnung hängt dabei nicht allein von der vorgeworfenen Tat und deren Straferwartung, sondern auch von eventuellen Vorstrafen, der Konsumfrequenz, gescheiterten Therapien und den individuellen sozialen Lebensumständen des Kandidaten ab. Zur ungehinderten Weitergabe erlangter Informationen an das „Drug Court“Team unterzeichnen die Kandidaten vor Programmeintritt meist eine schriftliche Vereinbarung (waiver), die die Mitarbeiter der Therapieeinrichtungen von ihrer Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich zur Bewertung des Therapiefortschritt essenzieller Daten entbindet.123 (3) Programmphasen und gerichtliche Überwachung Das Programm unterteilt sich meist in vier Phasen, für die eine Dauer zwischen 12 und 24 Monaten vorgesehen ist.124 Vereinfacht beschrieben sollte das Verfahren in der ersten Phase neben der umgehenden Aufnahme einer Drogentherapie durch den Teilnehmer der Stabilisierung seiner Lebensverhältnisse dienen und von ihm zum Auffinden eines sponsor125 sowie programmergänzender Selbsthilfegruppen genutzt werden. Phase 2 sollte sodann auf die Erreichung einer möglichst langanhaltenden Drogenabstinenz gerichtet sein. Der Fokus der dritten Programmphase liegt demgegenüber bereits auf der Förderung prosozialen Verhaltens, insbesondere der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit. Dieser Ansatz wird in der abschließenden vierten Phase weiterverfolgt und um den Aspekt der Rückfallvermeidung erweitert.

120 Vgl. King/Pasquarella, Drug Courts: Eine Auswertung vorhandener Studien, S. 3; Herrera/Carey/Finigan/Marlowe, Bewertungsbericht zum Washington, D.C. Superior Court Drug Intervention Programm, S. 3. 121 Vgl. King/Pasquarella, Drug Courts: Eine Auswertung vorhandener Studien, S. 3. 122 Vgl. Marlowe/Meyer, Handbuch für „Drug Court“-Richter, S. 39. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 123 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 38, 42 f., mit Verweis auf Meyer (2011b). 124 Vgl. Marlowe/Meyer, Handbuch für „Drug Court“-Richter, S. 38. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 125 Als ehemalige „Drug Court“-Absolventen unterstützen diese Personen als eine Art „Tutor“ neue Teilnehmer dabei, den Anforderungen des Programms nachzukommen.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Die Nutzer sind verpflichtet, an Therapiemaßnahmen mitzuwirken.126 Zur Kontrolle ihres Therapiefortschritts müssen je nach genauer Anforderung der jeweiligen Phase mehrmals wöchentlich bzw. monatlich zufällig terminierte Drogentests (Urin) abgeben werden und die Teilnehmer sich in regelmäßigen Abständen einer öffentlichen Anhörung bei Gericht stellen (status review hearing). Zur Vorbereitung dieser Sitzungen trifft sich das „Drug Court“-Team unmittelbar zuvor im Rahmen einer internen Vorberatung (pre-court staff-meeting oder kurz pre-staffing), um untereinander den aktuellen Stand bezüglich jeden Nutzers auszutauschen und sich über die jeweils notwendigen Maßnahmen (insbesondere eventuelle Sanktionen und Belohnungen) abzustimmen. Ziel dieses Vorgesprächs sei es, eine kooperative Atmosphäre zu schaffen, in der frei von den jeweiligen Partikularinteressen der beteiligten Rechtsträger über zweckdienliche Maßnahmen hinsichtlich des Heilungsprozesses der Nutzer entschieden werden könne. Hierdurch sollen streitige Fragen zwischen den Teammitgliedern bereits im Vorlauf zur gerichtlichen Anhörung einvernehmlich gelöst werden, um einen größeren Teil der Zeit innerhalb des Gerichtssaals dem Dialog mit dem Teilnehmer zu widmen. Neben den juristischen Akteuren (Richter, Staatsanwalt, Strafverteidiger) nehmen auch die übrigen Mitglieder des „Drug Court“-Teams an dieser Verhandlung teil. Letztere können sowohl für eventuelle Rückfragen konsultiert als auch für die publikumswirksame Belobigung erfolgreicher Teilnehmer eingesetzt werden (courtroom as theater).127 Maßnahmen, die innerhalb eines „Drug Courts“ für ein bestimmtes Teilnehmerverhalten zur Verfügung stehen, werden auch unter dem Oberbegriff der consequences zusammengefasst.128 Eine „Belohnung“ beschreibt dabei eine Reaktion des Gerichts auf ein vom Nutzer gewünschtes Verhalten, die vom Teilnehmer positiv aufgenommen wird. Diese kann sich beispielsweise in Form verbaler Belobigung, eines Aufstiegs in die nächste Phase des „Drug Court“-Programms, sozialer Anerkennung und Wertschätzung in materieller Form ausdrücken. „Sanktionen“ stellen dagegen eine Reaktion des Gerichts auf missbilligtes Verhalten dar und können z. B. verbale Maßregelung, erhöhte Kontrolldichte, gemeinnützige Arbeit oder einen kurzzeitigen Gefängnisaufenthalt129 nach sich ziehen. Sofern „Drug Court“-Nutzer trotz der regelmäßigen Teilnahme an den gerichtlich verordneten Therapiemaßnahmen ernsthafte Probleme haben, abstinent zu bleiben, sollte vor einer Aus126 Vgl. Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 134 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 127 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 46, mit Verweis auf Satel (1998), Tauber (2011). 128 Vgl. NADCP-Standard IV hinsichtlich „Belohnungen, Sanktionen und Anpassungen der Therapie“ (Incentives, sanctions and therapeutic adjustments), Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 26 ff. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 129 Die Verhängung eines kurzzeitigen Freiheitsentzuges sollte als härteste und kostenintensivste Sanktion mit Bedacht eingesetzt werden und eine Dauer von fünf Tagen keinesfalls überschreiten.

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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schöpfung aller Sanktionen eine Anpassung ihrer Therapie überdacht werden. Generell habe das Programm eine gewisse Bandbreite von Sanktionen und Belohnungen bereit zu halten, um das Verhalten der Teilnehmer graduell zu reflektieren und so Verhaltensänderungen stimulieren zu können. Ein allzu begrenzter Maßnahmenkatalog könne schnell sog. ceiling effects hervorrufen, bei denen das Gericht sämtliche Sanktionsmöglichkeiten ausschöpfe, bevor die Therapie überhaupt fruchte.130 Bezüglich der Therapiedauer habe sich ein Zeitrahmen von drei bis maximal zwölf Monaten als besonders effektiv erwiesen, wobei die therapeutische Betreuung während der letzten Programmphase auf ein Minimum reduziert werden sollte.131 Trotz noch immer verbreiteter Vorbehalte132 sollten dem „Drug Court“ zugehörige Behandlungseinrichtungen bei fachärztlicher Verschreibung Drogenersatzstoffe wie Methadon einsetzen oder die Einnahme bereits verschriebener Substanzen aufrechterhalten dürfen (Medically Assisted Treatment, MAT).133 (4) Programmabschluss/-ausschluss Bei erfolgreichem Fortschreiten im Programm nehmen die Verpflichtungen, die ein Teilnehmer dem Gericht und seiner Therapieeinrichtung gegenüber hat, schrittweise ab.134 Die Abstinenz sollte allerdings nicht der alleinige Faktor sein, der über eine Entlassung aus dem „Drug Court“ entscheidet. Bei Absolventen müsse hierzu eine allgemeine Verhaltensänderung festgestellt werden können, die einen erneuten Drogenrückfall unwahrscheinlich erscheinen lasse (z. B. ein eigenständiger, geregelter Tagesablauf). Als symbolisches Programmende können „Drug Courts“ eine Abschlusszeremonie (graduation ceremony) samt feierlicher Zeugnisübergabe vorsehen.135 Je nach den Regularien des betreffenden Programms ist das jeweilige Strafverfahren zudem einzustellen bzw. eine Strafmilderung zu gewähren.136

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Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. I, S. 30. 131 Vgl. Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 134, mit Verweis auf Carey et al. (2012). 132 Beinahe die Hälfte aller „Drug Courts“ in den USA bieten noch kein MAT an, vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. I, S. 39, 45, mit Verweis auf Matusow et al. (2013). 133 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. I, S. 39, 44, mit Verweis auf Chandler et al. (2009), National Center on Addiction & Substance Abuse (2012), National Institute on Drug Abuse (2006). 134 Vgl. Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 135. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 135 Vgl. Marlowe/Meyer, Handbuch für „Drug Court“-Richter, S. 38. 136 Vgl. Marlowe/Meyer, Handbuch für „Drug Court“-Richter, S. 41.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Sollte es trotz aller Bemühungen des „Drug Court“-Teams nicht möglich sein, einen Nutzer zur Aufgabe seines Drogenkonsums zu bewegen bzw. sollten Sicherheitsaspekte dies erfordern, ist der zuständige Richter dazu angehalten, diesen als ultima ratio auch gegen seinen Willen zur Schonung justizieller und therapeutischer Ressourcen vom Programm auszuschließen.137 c) Praktische Umsetzung der UNODC-Erfolgsfaktoren für „Drug Courts“ Vom Autor der vorliegenden Untersuchung näher begutachtet wurde die Umsetzung der UNODC-Erfolgsfakoren138 durch den Montgomery County Circuit Court Adult Drug Court mit Sitz in Rockville/Maryland (im Folgenden Montgomery „Drug Court“/2004 eröffnet), das District of Columbia Superior Court Drug Intervention Program in Washington D.C. (Washington „Drug Court“/1993), den Brooklyn Treatment Court in New York City (1996) sowie den Arlington County Drug Treatment Court in Arlington/Virginia (Arlington „Drug Court“/2014). aa) Wirkungsvolle richterliche Führung Eine wirkungsvolle richterliche Führung war an allen aufgesuchten Gerichten gegeben. Zudem arbeiteten alle befragten Richter freiwillig und mit großer Leidenschaft in ihren „Drug Courts“, ohne dass ihre Tätigkeit einer zeitlichen Befristung unterliegen würde. Während die Gerichte in Washington D.C., Arlington und Brooklyn jeweils vor nur einem Vorsitzenden geführt wurden, wechselten sich im Montgomery County im Wochenrhythmus zwei Richter mit der Sitzungsleitung ab. Letztgenannte Konstellation erscheint insofern von Vorteil, als urlaubs- oder krankheitsbedingte Abwesenheiten eines Richters nicht durch fachfremde Vertretungen aufgefangen werden mussten. Bis auf den Brooklyn Treatment Court, an dem das Instrument der Vorbesprechung (pre-staffing) im Verlauf der Jahre infolge fehlender zeitlicher Ressourcen abgeschafft wurde, nahmen die Richter an jeder teaminternen Vorberatung teil. Die Richter zeigten durchweg die Absicht, die Standpunkte und Ideen aller Beteiligten zusammenzuführen, sodass trotz manch lebhafter Diskussion schließlich nahezu 100 % der Entscheidungen einmütig befürwortet werden konnten. Die Programmteilnehmer an den begutachteten Gerichten waren während der ersten Phase verpflichtet, alle ein bis zwei Wochen zur persönlichen Anhörung durch den Richter zu erscheinen. Mit fortschreitender Verweildauer im „Drug Court“ konnte sich dieser Rhythmus bei erfolgreichem Therapieverlauf jedoch deutlich, d. h. 137 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. I, S. 33. 138 Siehe B., II., 1.

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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auf bis zu sechswöchige Abstände, reduzieren. Sofern es die Teilnehmerzahl zuließ, waren die Gerichte darauf bedacht, die „Drug Court“-Sitzung blockweise bei wöchentlich identischer Terminierung abzuhalten, um feste Abläufe bei den Teilnehmern zu etablieren und das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Gruppe zu stärken. Im Durchschnitt wurde zur Befragung der Nutzer tatsächlich nur eine Zeitspanne von drei bis fünf Minuten aufgewendet. Trotz dieser kurzen Dauer können diese Anhörungen generell als sehr persönlich und individuell beschrieben werden. Die zuständigen Richter erkundigten sich zunächst immer nach dem allgemeinen Befinden des Teilnehmers, woraus sich zumeist ein Dialog entwickelte. Am „Drug Court“ im Montgomery County begann jede Anhörung mit einem kurzen Vortrag des Teilnehmers, in dem er von seinen Therapieerfahrungen der vergangenen Woche(n) berichtete. Die Richter waren zumeist im Bilde über die familiären und beruflichen Verhältnisse des Nutzers, sodass sie detaillierte Nachfragen stellen konnten. Allein im Brooklyn Treatment Court konnte solch ein persönlicher Umgang eher selten beobachtet werden, was der hohen Teilnehmerzahl von über 400 Personen geschuldet gewesen sein dürfte. Den Nutzern wurde ausreichend Raum für Äußerungen, insbesondere bezüglich eventueller Therapieverstöße gegeben. Auch wurden gerichtliche Entscheidungen/ Auflagen ihnen gegenüber stets sachlich begründet. Die Richter versäumten es nicht, den Nutzern bei Bedarf erneut die Herausforderungen und Chancen des Programms zu erläutern, ohne dabei belehrend zu wirken. Konfliktträchtige Situationen oder Unmutsbekundungen entstanden auf diese Weise innerhalb des Gerichtssaals so gut wie nie. Der weit überwiegende Anteil der Nutzer bekannte sich zum eigenen Fehlverhalten und gelobte Besserung. bb) Starke interdisziplinäre Zusammenarbeit Erfolgsfaktor Nr. 2 war durch die untersuchten Programme zum weit überwiegenden Teil bereits umgesetzt worden. Die Zusammensetzung der einzelnen „Drug Court“-Teams ähnelte sich untereinander sehr stark. Unabhängig von der Teilnehmerzahl wirkten an allen Gerichten zumindest ein Richter, ein Programmkoordinator, ein oder mehrere Staatsanwälte, Strafverteidiger, Case Manager und Angestellte des Therapiezentrums mit. Der Brooklyn Treatment Court verfügte aufgrund seiner Größe zusätzlich über einige weitere Koordinatoren, die die Vermittlung von Arbeitsplätzen und Wohnungen sowie die Gewinnung neuer Partner und Fördermittel organisierten. Diese Aufgaben wurden in den anderen „Drug Courts“ in der Regel durch den Programmkoordinator bzw. die Case Manager übernommen. Die bereits beschriebenen Vorberatungen des Teams fanden in der Regel unmittelbar vor Beginn der eigentlichen Hauptverhandlung im Beratungszimmer des Richters mit einer Dauer von ca. 45 bis 60 Minuten statt. Bei dieser Gelegenheit informierten ein oder mehrere Case Manager bzw. der Programmdirektor die Anwesenden über neue Entwicklungen bezüglich der einzelnen Teilnehmer, sodass

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jeder Fall diskutiert und eventuell erforderliche Maßnahmen vorentschieden werden konnten.139 Unterstützend erhielt jedes Teammitglied eine „Highlight-Liste“ ausgehändigt, auf der nutzerbezogen die wichtigsten Fakten aufgeführt waren und Raum für weitere Notizen blieb. Die Atmosphäre in diesen Gruppen konnte als sehr kooperativ und vertraut bezeichnet werden. Die Abarbeitung unproblematischer Fälle erfolgte zügig, sodass stets ein angemessener Zeitrahmen für die Beratung über Teilnehmer verblieb, die Rückfälle erlitten hatten. Jedes anwesende Teammitglied konnte überdies bei Bedarf Anregungen hinsichtlich der weiteren Verfahrensweise geben, wobei die endgültige Entscheidung stets durch den Richter selbst getroffen wurde. In den Vorberatungen war zu beobachten, dass sich die Vertreter der Staatanwaltschaft bzw. der Strafverteidigung zumeist reserviert verhielten, wenn notwendig jedoch das Wort im Sinne öffentlicher Interessen bzw. der ihrer Mandanten ergriffen. Das galt insbesondere dann, wenn die Verhängung einer schwerwiegenden Sanktion oder ein Ausschluss aus dem Programm im Raum standen. An den „Drug Courts“ in Arlington und im Montgomery County gab es zudem die Besonderheiten, dass jede Woche jeweils zwei Tage vor der eigentlichen gerichtlichen Vorbesprechung und Sitzung ein kleines pre-staffing stattfand, an dem allein die Vertreter des Therapiezentrums sowie die Case Manager teilnahmen, um sich über den Therapiefortschritt der „Drug Court“-Nutzer auszutauschen. Um eine größtmögliche Qualität und Effektivität dieser institutionenübergreifenden Zusammenarbeit zu erreichen, haben „Drug Courts“ ihre Aufnahmekapazität und Auslastung ständig im Blick zu behalten. Die Überschreitung einer Kapazitätsgrenze von 125 Personen könne dabei als eine Art „Warnsignal“ (red flag) dienen, das genauere Untersuchungen hinsichtlich der Angemessenheit der zur Verfügung stehenden Ressourcen auslösen sollte.140 Ähnliche Überprüfungen seien für den Fall anzustellen, dass ein Case Manager für mehr als 30 Teilnehmer zuständig werde.141 Um zu gewährleisten, dass er seinen Kernaufgaben nachkommen könne, sollte ein einzelner Case Manager in keinem Fall mehr als 50 Personen betreuen.142 Während der Besuche der „Drug Courts“ ließ sich feststellen, dass alle Programme zwar relativ nah an ihrer jeweiligen Auslastungsgrenze arbeiteten, jedoch keiner von ihnen einen „Aufnahmestopp“ oder ähnliches verhängt hatte. Lediglich 139 Zu diesem Zweck müssen die Teilnehmer der „Drug Courts“ bereits als Teil ihrer participant contracts in die Weitergabe entsprechender Daten einwilligen. Siehe hierzu Punkt gg) des vorliegenden Abschnitts. 140 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 51, 53. 141 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 51, 53 f., mit Verweis auf Studien zur Betreuung im Bewährungsverfahren, u. a. Jalbert et al. (2010). 142 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 51, 54, mit Verweis auf Jalbert & Rhodes (2012).

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die Gerichte in Washington D.C. und Brooklyn betreuten mit ca. 400 bzw. 500 Nutzern eine Teilnehmeranzahl weit oberhalb der genannten 125er-Grenze. Trotz dieser Verfahrensmasse hatte man in der Hauptstadt an dem Instrument der täglichen, gerichtlichen Vorberatung festgehalten. Praktisch durchführbar war dies dadurch, dass in diesen Sitzungen nur noch das Vorgehen bezüglich der eigentlichen „Wackelkandidaten“ besprochen wird. Soweit sich darüber hinaus unvorhergesehene Umstände im Hinblick auf die übrigen Teilnehmer ergaben, erlaubte es die Erfahrung des „Drug Court“-Teams, diese mittels direkter sachlicher Beratung im Gerichtssaal zu lösen. Im Unterschied zum Programm von Washington D.C. konnte anhand des Brooklyn Treatment Courts jedoch sehr gut nachvollzogen werden, welche negativen Folgen die übermäßige „Aufblähung“ eines „Drug Courts“ mit sich bringen kann. Als Konsequenz der kontinuierlichen Aufnahme neuer Teilnehmern hatte man sich dort für eine Zusammenarbeit mit einer großen Anzahl von Therapiezentren und Dienstleistern entschieden.143 Zudem hatte man es in der Vergangenheit versäumt, weitere „Drug Court“-Richter einzustellen, sodass das gesamte Programm von lediglich einem (!) Richter geleitet wurde. Schon seit einigen Jahren wird deshalb aufgrund des andernfalls enormen organisatorischen Aufwands gänzlich auf die Abhaltung einer internen Vorberatung verzichtet. Durch das Fehlen solcher Besprechungen konnte sich aber gerade kein eingespieltes „Drug Court“-Team bilden. Streitige rechtliche Fragen wurden daher oftmals erst während der gerichtlichen Anhörung diskutiert. Dies führte dazu, dass der an sich nichtstreitige Charakter der Hauptverhandlung gelegentlich verloren ging. Überdies verblieb dem Gericht deutlich weniger Zeit für eine persönliche Befragung des Nutzers. Eine solche Interaktion wäre dem Richter in Anbetracht der hohen Teilnehmerzahl und damit verbundenen Vielzahl von Gesichtern aber ohnehin kaum möglich gewesen. Dieser Dialog, eigentliches Kernelement eines jeden „Drug Courts“, konnte aus diesem Grund in Brooklyn nicht mehr angemessen zur Entfaltung kommen. Bezüglich der Auslastung der Case Manager wurde die empfohlene Höchstzahl von jeweils maximal 50 Teilnehmern dagegen allerorts eingehalten. Konkret bewegte sich diese Zahl zwischen 20 (in Arlington) und 40 Nutzern pro Case Manager (im Montgomery County). cc) Guter Wissensstand und Verständnis über Abhängigkeit und Heilung Die Mehrzahl der „Drug Court“-Mitarbeiter in den untersuchten Programmen arbeiteten seit vielen Jahren mit Drogenstraftätern und Therapiezentren und hatten sich im Zuge dessen umfangreiche praktische Kenntnisse im Bereich der Drogentherapie angeeignet. Zudem nahmen beinahe alle von ihnen zumindest einmal im 143 Demgegenüber hatte der Washington „Drug Court“ Übereinkünfte mit nur vier Therapiezentren getroffen. Im Montgomery County und Arlington waren nur zwei Einrichtungen direkt am Programm beteiligt.

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Jahr an einer Weiterbildungsveranstaltung teil. Unter den Teammitgliedern wurde dabei insbesondere die jährliche, viertägige NADCP-Konferenz sehr positiv eingeschätzt, um sich über Neuerungen im „Drug Court“-Bereich und Anregungen zur Verbesserung der Gerichtspraxis informieren zu können. Im Rahmen dieser mehrtätigen Veranstaltung werden zahlreiche Workshops angeboten, die an der Interdisziplinarität des Modells orientiert sind. „Drug Court“-spezifische Ausbildungsrichtlinien zur Aufnahme einer Mitarbeit im Programm existierten für die beteiligten Berufsgruppen indes nur eingeschränkt. Noch ungeschultes Personal, das an einer solchen Mitwirkung interessiert war, bereitete sich daher meist durch teilnehmende Beobachtung programmerfahrener Kollegen auf die neue Aufgabe am Gericht vor. dd) Verfahrenshandbuch für Beständigkeit und Effizienz Alle begutachteten Programme arbeiteten auf der Grundlage detaillierter Verfahrenshandbücher.144 Anknüpfend an eine vorstehende, übergeordnete Zielstellung (mission statement) enthalten diese Dokumente ausführliche Angaben bezüglich der (rechtlichen) Zugangsvoraussetzungen, dem grundsätzlichen Verfahrensablauf und der Rollenverteilung innerhalb des jeweiligen „Drug Court“-Teams. Teilnehmerbezogene Informationen fanden sich zum Teil in eigens bereit gestellten Teilnehmerhandbüchern (participant handbooks).145 ee) Klare Auswahlkriterien Zum Aspekt der Auswahlkriterien war positiv zu vermerken, dass diese an allen besuchten Gerichten verbindlich festgelegt und sehr leicht online bzw. per Aushang zugänglich waren. Im Zuge der Begutachtung zeigte sich jedoch, dass die „Drug Courts“ keine verbindliche Vorgehensweise zum umfassenden Screening potenzieller Nutzer vorhielten. Auch wurde der so, d. h. eher zufällig, ermittelte Kandidatenkreis im weiteren Verlauf nicht anhand geeigneter Kriterien beschränkt. Während die Programme im Montgomery County und in Arlington vornehmlich Personen zuließen, die bereits wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten und nunmehr eines Verbrechens (felony) angeklagt waren, konnten in Brooklyn und Washington D. C. ausdrücklich auch Angeklagte eines Vergehens (misdemeanor) sowie ohne vorhandene Vorstrafen, sog. low-risk-offenders, am Programm teilnehmen. Sehr strikte Zulassungsvoraussetzungen führten die untersuchten „Drug Courts“ dagegen bezüglich Gewalttätern. Die Programme standen grundsätzlich nicht für 144 Vgl. hierzu die Verfahrenshandbücher der „Drug Courts“ von Arlington, Washington D.C., Brooklyn und des Montgomery County. 145 Siehe hierzu B., II., 2., c), gg).

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Personen offen, die einer Gewalttat angeklagt oder in der näheren Vergangenheit einer solchen für schuldig befunden worden waren. Lediglich im Einzelfall waren die jeweiligen Staatsanwaltschaften dazu ermächtigt, ihre Zustimmung zu Ausnahmen von dieser Regelung zu erteilen. Maßgebliche Kriterien hierfür konnten insbesondere die Umstände der angeklagten/früheren Tat und das daraus resultierende Gefahrenpotenzial des Angeklagten für die Allgemeinheit sein. Am Brooklyn Treatment Court war die Anwendung einer solchen Ausnahmeregelung hingegen ausschließlich auf Gewalttaten von Veteranen beschränkt. Dieses Programm wies zudem die Besonderheit auf, dass rückfälligen „Drug Court“-Absolventen unter Umständen eine nochmalige Teilnahme gestattet werden konnte. Insbesondere Nutzer, die vormals nur wegen eines Vergehens in den „Drug Court“ aufgenommen worden waren, hatten Aussicht auf eine „zweite Chance“. Durchweg alle Programme nahmen Kandidaten mit einer mentalen Zweiterkrankung auf, sofern diese nicht so schwerwiegend erschien, dass sie eine ordnungsgemäße Teilnahme am „Drug Court“ gefährdete. In Brooklyn bestand darüber hinaus die Möglichkeit, Personen an den ortsansässigen „Mental Health Court“ zu überweisen. ff) Detaillierte Bedarfsanalyse Zur Analyse des individuellen Therapiebedarfs der Programmkandidaten arbeiteten die hierfür zuständigen Mitarbeiter mit zertifizierten risk-assessment tools, z. B. RANT® (Risk And Needs Triage)146, um deren Geeignetheit für den „Drug Court“ zu überprüfen und auf dieser Grundlage realistische Behandlungspläne aufstellen zu können. gg) Vollumfänglich dokumentiertes Einverständnis Wie bereits unter Punkt dd) angedeutet, waren die „Drug Courts“ inzwischen dazu übergegangen, neben dem Verfahrenshandbuch auch spezielle Teilnehmerhandbücher zu verwenden. Diese wurden den „Drug Court“-Kandidaten im Zuge der „Orientierungssitzung“ übergeben und konnten sodann mit dem jeweiligen Strafverteidiger besprochen werden. Sie enthielten neben leicht verständlich formulierten Erläuterungen zum grundsätzlichen Verfahrensablauf (insbesondere zu Phasen und Sanktionen) eine Vielzahl praktischer Informationen (Adressen und Telefonnummern von Strafverteidiger und Therapiezentren, Kontaktdaten der Case Manager etc.). Darüber hinaus konnte sich in diesen Handbüchern auch bereits ein Entwurf des participant contract befinden, der von jedem Teilnehmer vor Aufnahme in das 146 Eine zuverlässige Klassifizierung der Kandidaten kann auf diese Weise binnen 15 Minuten auch von therapeutisch nicht geschultem Personal durchgeführt werden. Vgl. hierzu die Übersicht des Treatment Research Institute (2012).

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Programm zu unterzeichnen war. Sinn und Zweck dieser Einverständnisvereinbarungen ist es, die für den Teilnehmer relevantesten Verfahrensaspekte (Rechte und Pflichten) nochmals unmissverständlich und übersichtlich auf wenigen Seiten zusammen zu fassen. Eine weitere zentrale Funktion der Vereinbarung besteht darin, die beteiligten Therapeuten von ihrer Schweigepflicht gegenüber den Mitarbeitern der Justiz zu entbinden und so eine Kommunikation innerhalb des „Drug Court“Teams zu ermöglichen.147 hh) Zügige Überweisung in Therapie und Rehabilitation Idealerweise sollten die DTC-Kandidaten innerhalb von 72 Stunden nach Festnahme in das Programm aufgenommen werden und therapeutische Hilfe erhalten. Eine solche Frist war jedoch von keinem der Verfahrenshandbücher vorgesehen. Trotz der an sich guten Ausstattung im Therapiebereich wäre dies praktisch aufgrund des zahlenmäßig begrenzten Justizpersonals in den „Drug Courts“ auch kaum zu gewährleisten gewesen. Unabhängig von der Frage, wann die Behandlung genau einsetzte, konnten die Teilnehmer aller untersuchten „Drug Courts“ in verschiedenen Therapieformen gemäß ihrem persönlichen Bedarf behandelt werden. Soweit gegen sie nicht gerade auf dem Sanktionsweg eine kurzzeitige Gefängnisstrafe verhängt worden war, nahmen alle Nutzer diese Therapieleistungen auch in Freiheit wahr. Über die größte Bandbreite möglicher Maßnahmen verfügte dabei der Brooklyn Treatment Court. Zur Therapierung konnte dort je nach Grad der Abhängigkeit und krimineller Vorgeschichte des Nutzers zwischen sieben unterschiedlichen Therapiestufen (treatment bands) gewählt werden. Neben der stationären, ganztägigen und ersatzstoff-fokussierten Therapie bezogen sich vier verfügbare Variationen auf intensiv-ambulante Behandlungenformen. Alle Programme legten sehr viel Wert darauf, dass den Teilnehmern unmittelbar nach ihrer Aufnahme in das „Drug Court“-Verfahren intensive Therapieleistungen zukamen. Je nach Art der Behandlung waren sie im Rahmen der Phase 1 verpflichtet, bei mindestens drei wöchentlichen Sitzungen ihrer Therapiegruppe mitzuwirken. Zusätzlich waren sie angehalten, an den entsprechenden Veranstaltungen geeigneter Selbsthilfegruppen, wie beispielsweise den „Anonymen Alkoholikern“, teilzunehmen. Daneben hatten sie einmal wöchentlich ein Einzelgespräch mit dem für sie zuständigen Case Manager zu führen. Soweit sich während dieser Gespräche ein von der vorgesehenen Therapie abweichender Bedarf ergeben hatte, konnte auf diese Weise umgehend eine Anpassung der Behandlung erfolgen. An den „Drug Courts“ im Montgomery Court und in Arlington bestand überdies die Pflicht, sich während der ersten Phase der Therapie einen sponsor zu suchen, der im Idealfall ein ehemaliger „Drug Court“-Absolvent war und eigene Erfahrungswerte weitergeben

147

Siehe B., II., 2., b), dd), (2).

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konnte. Von den dortigen Teilnehmern wurde diese Zusammenarbeit als einer der hilfreichsten Faktoren im gesamten Programm bezeichnet.148 Um eine zügige Entgiftung zu erreichen, konnten einzelne Teilnehmer zunächst in eine stationäre Behandlung überwiesen werden. Am Montgomery „Drug Court“ konnte die Aufnahme in das Programm von der erfolgreichen Absolvierung einer stationären Therapie abhängig gemacht werden. Auch in Brooklyn waren besonders bedürftige Nutzer (stationäre Behandlungsform) für die Dauer von drei Monaten zunächst von der Teilnahme an gerichtlichen Sitzungen freigestellt, damit sie sich gänzlich ihrer medizinischen Betreuung widmen konnten. An allen besichtigten „Drug Courts“ konnten zudem zur Unterstützung der Behandlung Drogenersatzstoffe (z. B. Methadon) verwendet werden. Die Teilnehmer durften diese auf fachärztliche Verschreibung hin konsumieren, damit sich ihr Körper Schritt für Schritt an den Drogenentzug gewöhnte. Für diejenigen Nutzer, deren Gesundheitszustand stabiler war und die von Anbeginn in einer ambulanten Therapieform betreut wurden, hielten die Programme zum Teil bereits in Phase 1, spätestens jedoch im Rahmen der Phase 2, Gruppensitzungen zum Thema criminal thinking und Strategien zur Rückfallvermeidung bereit. Bei diesen Sitzungen werden die Teilnehmer ermutigt, eigene Verhaltensweisen und ihr soziales Umfeld zu analysieren. AntiGewalt-Trainings und Aggressionsbewältigung können ebenso ein Sitzungsgegenstand sein. In der Regel waren die Nutzer parallel in mehrere Therapiegruppen integriert, sodass sämtliche Aspekte ihrer Abhängigkeitserkrankung adressiert werden konnten. Die Gruppengröße belief sich dabei auf durchschnittlich zehn Personen. Im Zuge dieser Sitzungen ließ sich unter den Beteiligten ein offener und freundlicher Umgang beobachten, da sich sowohl Therapeuten als auch Nutzer durch ihr häufiges Zusammentreffen von einer sehr persönlichen Seite kennenlernten und Vertrauen zueinander entwickelten. Gruppenwechsel wurden aus diesem Grund nur in absoluten Ausnahmefällen genehmigt. Bezüglich der Therapiedauer bestanden zwischen den „Drug Courts“ zum Teil erhebliche Unterschiede. Während das Programm in Washington D.C. z. B. bereits in sechs bis neun Monaten absolviert werden konnte, dauerte im Montgomery County allein die erste Phase der Therapierung nicht unter einem halben Jahr. Dieser „Drug Court“ wies mit einer Zeitspanne von mindestens zwanzig Monaten auch die mit Abstand längste Verfahrensdauer auf. Einige der Nutzer nahmen dort in Folge von Rückstufungen seit über fünf Jahren am Programm teil. Diese Ziellosigkeit konnte erhebliche Frustration unter den Teilnehmern auslösen. Auch wurde dadurch die Arbeit der Therapeuten erschwert, die immer neue Wege zur Gestaltung der Gruppensitzungen und zur Motivation ihrer Klienten finden mussten. Effektiver war

148 Vgl. Befragung von fünf aktuellen Nutzern des Montgomery „Drug Court“ im Zuge der gerichtlichen Anhörung vom 26. 05. 2016, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit.

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dagegen die Vorgehensweise am Brooklyn Treatment Court sowie in Arlington, wo grundsätzlich eine Therapiedauer von zwölf bis fünfzehn Monaten angestrebt wurde. Um erfolgreich aus dem Programm auszuscheiden, musste ein Teilnehmer grundsätzlich eine feste Arbeitsstelle vorweisen. Die Nutzer des Montgomery „Drug Court“ waren deshalb bereits innerhalb der ersten Programmphase zu einer beruflichen Betätigung aufgerufen und konnten sich hierzu unkompliziert an eines der Partnerunternehmen des Gerichts wenden. Zudem war es gängige Praxis, dass Entlassungskandidaten eine gewisse Zeit in betreuten Wohneinrichtungen, z. B. Oxford Houses149, verbrachten. Auf diese Weise sollte ein nachhaltiger Verhaltenswechsel gefestigt und überwacht werden. ii) Unmittelbare, bestimmte und widerspruchsfreie Sanktionierung Zur Überprüfung der Programmteilnehmer sahen die „Drug Courts“ die Durchführung regelmäßiger Drogentests mittels der Abgabe von Urinproben vor.150 Der genaue Ablauf dieses Verfahrens war im jeweiligen Teilnehmerhandbuch einsehbar. Während der ersten Phase des Programms waren zwei- bis dreimal wöchentlich Proben abzugeben. Mit fortschreitender Teilnahmezeit im „Drug Court“ konnte die Testfrequenz reduziert werden. In der Regel war es kurz vor Absolvierung „nur“ noch notwendig, sich einmal pro Woche einer Überprüfung zu stellen. Großer Wert wurde daraufgelegt, dass die Testreihenfolge soweit wie möglich zufällig und für keinen Teilnehmer vorhersehbar gestaltet war. Hierzu wurde jeder Nutzer einer Farbgruppe zugeordnet. Um zu erfahren, ob er für einen Drogentest nominiert war, musste er am Morgen eines jeden Werktags eine Hotline anrufen, die in einer Art „Dauerschleife“ den aktuellen Farbcode wiederholt. Zusätzliche Nominierungen konnten zudem jederzeit, d. h. auch an Wochenendtagen, durch die zuständigen Case Manager erfolgen. Zur Abgabe des Urintests hatte sich der Teilnehmer bis spätestens 20 Uhr desselben Tages im hierfür eingerichteten Laboratorium zu melden. Bei der Abgabe wurde er eng von einem geschlechtsgleichen Mitarbeiter überwacht, um möglichen Manipulationen vorzubeugen. Soweit ein Manipulationsverdacht vorlag, war die Urinabgabe sofort zu unterbrechen oder ggf. später nachzuholen. Den Teilnehmern war es untersagt, unmittelbar vor der Überprüfung große Menge von Wasser aufzunehmen, da dies das Testergebnis verfälschen kann. Für den Fall einer ihnen nachgewiesenen Manipulation hatten die Nutzer in der Regel mit 149 Oxford Houses sind Heileinrichtungen, die sowohl durch Spenden als auch durch monatliche Mietzahlungen ihrer Bewohner finanziert und von diesen selbstständig demokratisch verwaltet werden. Es gibt getrennte Wohnkomplexe für eine Anzahl von 6 – 15 Männer, Frauen und Frauen mit Kindern, siehe Oxford House Inc. (2018). 150 An den „Drug Courts“ im Montgomery County und in Arlington konnte ergänzend eine Atemprobe vorgeschaltet sein. Für den Fall einer positiven Atemprobe hatte sich der Betroffene innerhalb von 45 Minuten zur Abgabe einer Urinprobe zu melden.

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harten Konsequenzen zu rechnen. Aufgrund der verwerflichen Motivation, die ein solches Handeln in sich trägt, konnte unter Umständen sogar ein Ausschluss vom Programm ausgesprochen werden. Die Urinprobe wurde unmittelbar nach Abgabe auf sämtliche illegale Substanzen untersucht. Die Analyse bezog sich dabei allein auf das generelle Vorliegen von Drogen- oder Alkoholelementen, ohne deren genaue Menge bestimmen zu müssen. An allen begutachteten Gerichten wurde bei positivem Testergebnis der jeweils zuständige Case Manager unterrichtet, der diese Information seinerseits an das „Drug Court“-Team weiterleitete. Der Brooklyn Treatment Court verfügte innerhalb des Gerichtsgebäudes sogar über ein eigenes Labor, sodass eine Auswertung der Proben innerhalb weniger Minuten bereitstand. Neben einer Überwachung mittels zufälligen Drogentests hatten Teilnehmer an den Gerichten im Montgomery County und in Arlington für eine Zeit von mindestens 30 Tagen ein Armband zu tragen, mittels dessen sich ein Alkoholkonsum per Hautkontakt nachweisen lässt, sog. „SCRAM“ (Secure Continuous Remote Alcohol Monitoring).151 Diese Auflage konnte sowohl verhaltensunabhängig als auch aufgrund vorangegangener Verstöße erteilt werden und bildete daher bereits einen Teil der vor Programmbeginn zu unterzeichnenden Einverständniserklärung. Die besuchten „Drug Courts“ verfügten über sehr detaillierte Regelungen hinsichtlich der Sanktionierung von Verstößen. Diese Bedingungen fanden sich ebenfalls ausführlich im jeweiligen Teilnehmerhandbuch dargelegt. Die Bandbreite möglicher Sanktionen war an den untersuchten Gerichten immens und reichte bis zur ultima ratio eines kurzzeitigen Freiheitsentzugs. Mit Ausnahme des Programms in Arlington, wo noch eine vergleichsweise oberflächliche Maßnahmenliste existierte, waren sie jeweils verbindlich anhand der Art, der Anzahl und dem Zeitpunkt des Verstoßes definiert. Auf diese Weise verblieb den Gerichten ausreichend Spielraum, um auf das Verhalten des Teilnehmers Einfluss nehmen zu können, ohne zu schnell an die Schwelle eines eventuellen Ausschlusses zu geraten. Wie zuvor erwähnt, wurden dabei (versuchte) Manipulationen von Teilnehmern besonders hart geahndet. Ein verpasster Drogentest wurde stets als positiver Test gewertet und entsprechend bestraft. Auf etwas mehr Nachsicht konnten die Nutzer dagegen in der Regel bei unpünktlichem Erscheinen zu Tests und Therapiemaßnahmen hoffen. Generell waren fortgeschrittene Teilnehmer in den Phasen 3 und 4 einem deutlich strengeren Sanktionsregime unterworfen. Im Verlauf aller gerichtlichen Vorbesprechungen war insbesondere im Umgang mit neueren „Drug Court“-Nutzern der Wille der Entscheidungsträger erkennbar, vor der Verhängung einschneidender Sanktionen zunächst alle vorhandenen Therapiemöglichkeiten auszuschöpfen und dabei ggf. auch auf Wünsche des Nutzers hinsichtlich der terminlichen Organisation der Behandlung einzugehen. Sofern eine 151 Das Armband analysiert dabei den Körperschweiß seines Trägers und sendet die entsprechenden Daten im Abstand von 30 Minuten an eine zentrale Datei, auf die autorisierte „Drug Court“-Mitglieder zugreifen können, siehe SCRAM Systems, Produktbroschüre 2018.

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Sanktionierung des Teilnehmers infolge wiederholter Therapieverstöße unvermeidlich war, wurde dieses Vorgehen im Rahmen der Vorbesprechung mit dem Verfahrensbevollmächtigten abgestimmt und nach Anhörung des Nutzers im Zuge der gerichtlichen Anhörung eingehend begründet.152 Andererseits achteten die „Drug Courts“ darauf, dass die Therapieleistungen besonders hervorstechender Teilnehmer angemessen gewürdigt wurden. So legte man während der Vorbesprechungen insbesondere auch Ob und Wie einer Vergabe von Belohnungen fest. Der Kreativität der Gerichte waren dabei keine Grenzen gesetzt. So wurden am „Drug Court“ im Montgomery County vom Team wöchentlich verdiente Teilnehmer für den sog. fish bowl nominiert, eine Verlosung, bei der aus einer großen Glaskugel einmal im Monat fünf Gewinner jeweils eines 25 USD-Gutscheins gezogen wurden. Zudem durften sich Nominierte sofort aus einem kleinen Süßigkeitensortiment bedienen, das sich neben dem Richter aufgestellt befand. An der Verlosung nahmen auch die beiden jeweils „bestgekleideten“ Nutzer sowie der Urheber der sog. words of the week teil, eine Auszeichnung, die besonders bewegende Vorträge würdigte. Nominierungen erfolgten überdies in der Regel für langanhaltende Abstinenz, herausragende Mitarbeit in den Therapiegruppen und berufliche bzw. schulische Erfolge. Ein ähnlicher Belohnungsmechanismus existierte auch am „Drug Court“ von Washington D.C. allerdings in reduzierter Form hinsichtlich der Nominierungszahl als auch der möglichen Sachpreise. Zudem wurden die Namen der nominierten Nutzer während der Sitzung auf einem gut sichtbaren Bildschirm aufgeführt. In Arlington fand hingegen keine derartige Verlosung statt, sodass vorbildliches Verhalten eines Nutzers neben anerkennenden Worten und Applaus auch durch entsprechende Zertifikate oder vereinzelte Gutscheine prämiert wurden. Zur Verkündung dieser Maßnahmen rief der Richter regelmäßig den jeweils zuständigen Case Manager und/oder Therapeuten auf. Für die betroffenen Nutzer kam dies einer doppelten Auszeichnung gleich, da sie neben der eigentlichen Belohnung eine zusätzliche, verbale Anerkennung vor der gesamten Teilnehmergruppe erhielten. Deutlich am schwächsten war die Idee der Belohnung am Brooklyn Treatment Court ausgebildet. Wahrscheinlich konnte dies wiederum auf die hohe Teilnehmerzahl und die begrenzten Ressourcen des Gerichts zurückgeführt werden. Auszeichnungen materieller Art waren daher generell nicht vorgesehen. Auch lobende Worte und Applaus waren hier deutlich seltener zu vernehmen. Die größtmögliche Auszeichnung auf dem Weg zur feierlichen Graduierung stellte für die Teilnehmer der Aufstieg in die jeweils nächste Phase des Programms dar. Da ein solches Fortschreiten jedoch mit einer reduzierten Überwachungsdichte 152 Für Einwände gegen derartige Entscheidungen, steht den Betroffenen darüber hinaus die Beantragung einer gesonderten gerichtlichen Verhandlung zur Verfügung. Hintergrund dieses Verfahrens ist, dass der grundsätzlich einmütige Charakter der „Drug Court“-Sitzung nicht in eine offene und zeitintensive Konfrontation zwischen den Parteien abgleiten soll. Eine entsprechende Überprüfungsmöglichkeit besteht auch für den Fall des endgültigen Ausschlusses vom Programm.

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verbunden war, wurde diese Entscheidung durch die Gerichte wohlüberlegt getroffen und im Zweifel aufgeschoben. Im Prinzip war es daher beinahe ausgeschlossen, dass ein Teilnehmer die festgelegte Mindestverweildauer einer Phase unterschritt. An jedem begutachteten „Drug Court“ mussten die Nutzer vor einer erfolgreichen Entlassung zudem eine festgelegte Zeit sowohl drogen- als auch sanktionsfrei bleiben. Dieser Zeitraum konnte z. B. am Brooklyn Treatment Court bis zu acht Monate betragen. In diesem Zusammenhang behielten sich die Gerichte bei schwerwiegenden Verfehlungen auch die Rückstufung in eine vorhergehende Programmstufe vor. Die Voraussetzungen eines endgültigen Ausschlusses waren demgegenüber relativ offen und nicht abschließend gefasst, sodass den Gerichten diesbezüglich ein gewisser „Ermessenspielraum“ verblieb. Zwingend war ein Ausschluss lediglich für die Fälle eines Umzugs des Teilnehmers in einen anderen Gerichtsbezirk, die Begehung einer Straftat mit Gewaltbezug während der Zeit im Programm sowie eines andauernden, unentschuldigten Fernbleibens von Therapiemaßnahmen vorgesehen. Nachteilig konnte sich das dem Gericht gewährte Ermessen allerdings insofern auswirken, als ein Fehlen klarer Richtlinien bezüglich der rechtlichen Folgen des Ausschlusses (oder freiwilligen Ausstiegs) eines Nutzers Strafverteidiger, die an der Therapieeignung ihres Mandanten zweifelten, davon abhalten konnte, diesen von einem Eintritt in den „Drug Court“ zu überzeugen. In der Gerichtspraxis war es nämlich nicht unüblich, dass erfolglose Programmteilnehmer bei ihrer Rückkehr in das traditionelle Verfahren mit einer härteren Bestrafung rechnen mussten. Straferleichternde Konsequenzen waren dagegen die Folge einer erfolgreichen Absolvierung des „Drug Court“. Ob im konkreten Fall das jeweilige Verfahren eingestellt oder ein reduzierter Strafrahmen angewandt wurde, hing nicht zuletzt davon ab, inwieweit es sich bei der angeklagten Tat um ein Vergehen oder ein Verbrechen handelte. Letztere wurden an keinem der begutachteten Gerichte im Wege einer Einstellung erledigt. Für Personen, die als Auflage zu ihrer laufenden Bewährungsstrafe am „Drug Court“ teilnahmen, galt diese in der Regel als verbüßt. jj) Fortlaufende Evaluation Im Bereich der Evaluation besteht das wahrscheinlich größte Verbesserungspotenzial bei den Gerichten. Lediglich der Brooklyn Treatment Court hatte im Lauf der vergangenen Jahre eine Rückfallstudie durchgeführt. In Washington D.C. hatte man im Jahr 2011 eine Bewertung der Programmabläufe durch einen externen Gutachter in Auftrag gegeben.153 Die Effekte dieser Studie wurden durch die „Drug Court“-Mitarbeiter als sehr gewinnbringend hervorgehoben. Anhand der geäußerten Empfehlungen konnten gewisse Verfahrens153 Siehe Herrera/Carey/Finigan/Marlowe, Bewertungsbericht zum Washington D.C. „Drug Court“-Programm.

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details angepasst werden, u. a. wurden ein tägliches Teammeeting eingeführt sowie Sanktionen und Belohnungen verbindlich festgelegt und in ihrer Bandbreite erheblich erweitert. Untersuchungen sollten darüber hinaus auch eine Befragung zur Zufriedenheit der „Drug Court“-Mitarbeiter (judicial satisfaction) einschließen. Ein als angenehm, fair und kooperativ wahrgenommenes Arbeitsumfeld steigere die Effizienz der Mitarbeiter und erhöhe ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit untereinander, wie es für einen funktionierenden „Drug Court“ unabdinglich sei.154 Selbiges dürfte auch hinsichtlich der Teilnehmer gelten. Allerdings könnte eine Anpassung des Verfahrens nach ihren Wünschen selbstverständlich nur insoweit erfolgen, als zwingend zu beachtende rechtliche bzw. therapeutische Grundsätze nicht entgegenstehen. kk) Ausreichende, fortwährende und zweckbestimmte Finanzierung Dadurch, dass die Programme mit Ausnahme Arlingtons schon seit Jahr(zehnt)en existierten, hatte sich um sie inzwischen ein stabiles Netz aus sich finanziell selbst tragenden Partnerinstitutionen und -organisationen gebildet. Die hierfür relevante Netzwerkpflege übernahmen an allen begutachteten „Drug Courts“ jeweils fest angestellte Programmkoordinatoren. Die Aufrechterhaltung des Verfahrensbetriebs war damit grundsätzlich unabhängig von größeren staatlichen Zuwendungen gewährleistet. ll) Änderungen der zugrundeliegenden Bestimmungen Wie bereits eingangs des Abschnitts II.2. erwähnt, ist das „Drug Court“-Programm in den USA bislang lediglich in 60 % der Bundesstaaten rechtlich verbindlich ausgestaltet worden. Soweit dies überhaupt geschehen sein sollte, beschränkt sich die gesetzliche Formulierung zudem meist auf die 10 key components, ohne genauere Feststellungen zum Verfahrensablauf selbst zu treffen. Mit Ausnahme des Brooklyn Treatment Court, dessen rechtliche Grundlage sich aus dem New Yorker CPL ergibt155, hat bislang keiner der hierfür zuständigen Bundesstaaten bzw. -distrikte der begutachteten „Drug Courts“ eine solche gesetzliche Regelung getroffen. Für den eigentlichen Erfolg des Modells wäre dies allerdings erst zwingend notwendig, sofern die Hauptelemente des Programms anderenfalls nicht zuverlässig umgesetzt werden könnten. Diesbezüglich gab es vorliegend jedoch hinsichtlich der grundsätzlichen Vorgehensweise in den Bereichen Drogenscreening, gerichtliche Folgebeteiligung am Therapieprozess, Rückfalltoleranz und Möglichkeiten einer Schweigepflichtentbindung zur Weitergabe von Informationen innerhalb des „Drug 154

Vgl. Melnick/Wexler/Rajan, Die Bestimmung der Zufriedenheit von Teammitgliedern im „Drug Court“: ein Instrument zur Messung der wesentlichen „Drug Court“-Komponenten, S. 57, mit Verweis auf Beder et al. (2012), Verhaeghe & Brack (2012). 155 Siehe B., II., 2., a), bb).

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Court“-Teams keine praktischen Hindernisse zwischen den Verfahrensbeteiligten. Durch programmeigene, interinstitutionell abgestimmte Verfahrenshandbücher konnte eine angemessene Durchführung des Programms auch ohne gesetzliche Neuregelung gewährleistet werden. d) Zwischenergebnis Übereinstimmungen zwischen den untersuchten Verfahren konnten u. a. in der Zusammensetzung und Fortbildung der „Drug Court“-Teams sowie den Grundzügen des Programmablaufs (Gliederung in vier Phasen) festgestellt werden. Auch traten die Teams vor Abhaltung der gerichtlichen Anhörung grundsätzlich zu einer internen Vorberatung zusammen. Bezüglich dieser Sitzungen fiel positiv die kooperative, zielorientierte Zusammenarbeit der Teammitglieder auf. Ebenso richteten sich die „Drug Courts“ nach intern verbindlichen Verfahrenshandbüchern/participant contracts und einem detaillierten, teils innovativen System von Sanktionen bzw. Belohnungen aus, das eine direkte Einflussnahme auf das Verhalten der Teilnehmer ermöglichte. Zur Beurteilung des Therapiefortschritts wurden regelmäßig zufällige Drogentests durchgeführt. Darüber hinaus wurde Wert daraufgelegt, den Nutzern parallel zu den umfangreichen therapeutischen Angeboten berufliche Betätigungsfelder aufzuzeigen und ein entsprechendes Engagement auch einzufordern. Die Koordination all dieser Verfahrensschritte erschien insgesamt sehr routiniert zu verlaufen. Als ansprechendstes Programm wusste dabei der „Drug Court“ in Washington D.C. zu überzeugen. Die weite Mehrzahl der UNODC-Erfolgsfaktoren wurden durch ihn bereits eingehalten. Trotz seiner vielen Teilnehmer arbeitete er dank der vollen (arbeits-)zeitlichen Verfügbarkeit seiner Mitarbeiter effizient und begrenzt die Verweildauer seiner Teilnehmer auf das unbedingt Notwendige. Auf diese Weise konnten die vorhandenen Programmressourcen für neue Kandidaten bereitgehalten werden. Zum verbesserten Wirkungsgrad des Verfahrens hat sicherlich nicht unwesentlich die Implementierung einiger Empfehlungen der extern durchgeführten Begutachtung beigetragen. Vor diesem Hintergrund sollten noch mehr „Drug Courts“ damit beginnen, regelmäßig eine unabhängige Evaluation ihres eigenen Verfahrens vornehmen zu lassen. Optimierungsbedarf bestand allerdings auch beim Programm in Washington D.C. bezüglich der Bestimmung des Teilnehmerkreises. Aus Gründen der Effizienz sollte unbedingt eine gesteigerte Fokussierung auf Kandidaten der sog. high-risk Kategorie erfolgen, um die kostenintensiven Maßnahmen der „Drug Courts“ ausschließlich den wirklich bedürftigen Personen zukommen zu lassen. Ideal wäre es zudem, wenn eine therapeutische Einwirkung noch unmittelbarer nach Festnahme erfolgen könnte. Schließlich sollten die „Drug Courts“ zur Anfertigung einer repräsentativen Rückfallstatistik ihre Bemühungen hinsichtlich einer Nachverfolgung der Lebenswege ihrer Absolventen intensivieren und auch die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter nicht außer Acht lassen.

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e) Rechtliche Herausforderungen von US-„Drug Courts“ aa) Gleichberechtigter Zugang (1) Recht auf einen „Drug Court“?156 Der landesweit uneinheitliche Prozess der Eröffnung von „Drug Courts“ hat dazu geführt, dass es gegenwärtig Bundesstaaten wie etwa New York gibt, die ihren Bürgern beinahe in allen counties eine Teilnahme am Programm anbieten können, während andere Bundesstaaten bislang erst über ein sehr kleines Netz verfügen. Diese eingeschränkte Verfügbarkeit des Programms kann zur Folge haben, dass eine Person, die an sich perfekt für einen „Drug Court“ geeignet wäre, das traditionelle Strafsystem durchlaufen muss und sich dadurch gegenüber jemandem, dessen Gerichtsbezirk ein solches Programm bereithält, benachteiligt fühlen könnte. Trotz des im Kern gleichen Tatvorwurfs würde es dann allein vom Zufall der Wahl des Wohnorts abhängen, ob ein Angeklagter am Programm teilnehmen kann oder nicht. Der 14. Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika garantiert jedoch allen Bürgern den gleichen Rechtsschutz: [„N]or [shall any state] deny any person within its jurisdiction the equal protection of the laws.“

Seit Gründung des „Drug Court“-Programms hat es immer wieder Bürger gegeben, die sich in diesem Recht verletzt gesehen haben. Der (Nicht-)Zugang zum „Drug Court“ wird von den Gerichten anhand des Vorhandenseins eines sachlichen („rationalen“) Grundes für die Ungleichbehandlung (rational basis equal protection test) beurteilt.157 Darüber hinaus gehende Anforderungen seien nicht zu erfüllen, da die Teilnahme am „Drug Court“ weder ein fundamentales Recht darstelle, noch durch eine besonders schützenswerte Personengruppe beansprucht werde. Ein Entschluss zur Nichteröffnung eines „Drug Court“ könne folglich bereits anhand dieses legitimen öffentlichen Zwecks gerechtfertigt werden. In diesem Zusammenhang obliege es der Einschätzung eines jeden county, über die Einführung des Programms gemäß seinen finanziellen Möglichkeiten sowie dem voraussichtlichen Bedarf unter seiner Bevölkerung zu entscheiden.158 In der genannten Entscheidung des Washington Supreme Court spiegeln sich zwei wesentliche Aspekte wider. Zum einen kann ein Bürger nicht verlangen, dass sein jeweiliger Gerichtsbezirk einen „Drug Court“ für ihn bereithält. Zum anderen hat er selbst dann, wenn es ein solches Spezialgericht in seiner Nähe geben sollte, keinen Anspruch darauf, dass er von der entsprechenden Kammer in den Kandidatenkreis erhoben 156 Zum nachfolgenden Abschnitt vgl. Marlowe/Meyer, Handbuch für „Drug Court“Richter, S. 172 f. 157 Vgl. Lomont v. State, 852 N.E.2d 1002, 1005 – 1009 (Indiana App. 8/22/06). (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 158 Vgl. State v. Harner, 103 P.3d 738, 743 (Washington 2004). (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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wird und eine Einladung zu einer Anhörung bezüglich einer möglichen Teilnahme am Programm erhält. Dies ist in den USA inzwischen ständige Rechtsprechung.159 (2) Schutz von Minderheiten Im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz besteht des Weiteren der Konflikt, dass „Drug Courts“ durch ihre aktuelle praktische Ausgestaltung ethnische Minderheiten zumindest indirekt diskriminieren. Nachvollziehen lässt sich dieser Umstand anhand der Tatsache, dass die weit überwiegende Anzahl der US-Gefängnisinsassen afro-amerikanischer Abstammung ist (ca. 66 %), ihr Anteil unter den „Drug Court“-Teilnehmern jedoch nur 17 % ausmacht.160 Ein Grund hierfür mag sein, dass es für Afro-Amerikaner allgemein schwieriger ist, für das Programm berücksichtigt zu werden. Unter ihnen bestünde aufgrund von härteren Repressionen durch die Polizei eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Vorstrafen, die eine Teilnahme ausschließen.161 Ein ähnliches Ungleichgewicht hinsichtlich der Verhängung von Sanktionen im Programm und der daraus resultierenden Beeinflussung der Erfolgschancen im Programm lässt sich zumindest erahnen. So lag die durchschnittliche Abschlussrate afro-amerikanischer Teilnehmer bei nur 39 % und damit relativ deutlich unter der allgemeinen Quote von immerhin 58 %.162 Für „Drug Court“-Kandidaten der hispanischen Minderheit besteht indes ein weiteres Zugangshindernis. Für sie kann vielerorts (noch) keine zuverlässige Durchführung des (Therapie-)Verfahrens gewährleistet werden, soweit sie nicht des Englischen mächtig sind.163 bb) Due-process-Garantie Von Teilen der Literatur wird bemängelt, dass mittels des „Drug Court“-Programms eine schleichende Entmündigung der Teilnehmer sowie eine Beschneidung ihrer (Angeklagten-)Rechte vorgenommen werde.164 Diese Kritik bezieht sich

159 Siehe auch People v. Forkey, 72 A.D.3d 1209 (New York App. Div. 2010); State v. Saxon, No. A-1964 – 08T4, 2010 (New Jersey Mar. 23, 2010); Phillips v. State, 25 So. 3d 404 (Mississippi Ct. App. 2010). 160 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 46. 161 Vgl. Walsh, Süchtig nach Gerichten: wie die wachsende Abhängigkeit von „Drug Courts“ Menschen und Gemeinwesen beeinflusst S. 21, mit Verweis auf Bonczar (2001). 162 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 46. 163 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. 1, S. 13. 164 Boldt, Rehabilitative Strafe und die „Drug Court“-Bewegung, S. 1205, 1233 f.

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maßgeblich auf die Achtung der due-process-Garantie aus dem 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika (Abschnitt 1): „[Nor] shall any state deprive any person of life, liberty or property without due process of law.“

Der Grundkonflikt bestehe hierbei darin, dass „Drug Courts“ seit jeher einerseits den Anspruch einer kooperativen und einvernehmlichen Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Juristen verfolgen, andererseits aber deren grundsätzliche berufliche Rolle samt der Rechte der Teilnehmer auf ein faires Verfahren wahren wollen. In diesem Spannungsfeld liegen insbesondere Entscheidungen, die die Durchführung von Drogentests, den Ausspruch von Sanktionen und den Ausschluss vom Programm betreffen. (1) Anforderungen an Drogentests165 Bezüglich der Durchführung von Drogentests existieren an „Drug Courts“ landesweit unterschiedliche Voraussetzungen dafür, wann eine entnommene Probe als verlässliches Beweismittel angesehen werden kann. Der insoweit verbreitetste Standard entstammt der Entscheidung Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals.166 Demnach haben die Gerichte darauf zu achten, dass die verwendete Methode bereits von Fachexperten überprüft wurde, sie in der Wissenschaft anerkannt ist und mögliche Fehlerraten bekannt sind. Diese Kriterien werden hinsichtlich der Kontrolle von Urinproben im Wege des sog. EMIT-Tests (Enzyme-multiple Immunoassay Technique) gewahrt.167 Mittels dieses Verfahrens kann zwar nicht die genaue Menge einer ggf. eingenommenen Droge bestimmt werden. Jedoch lässt sich durch das zugrundeliegende Prinzip der Reaktion von Enzymen auf einzelne Substanzen nachweisen, ob ein Konsum stattgefunden hat. Für den Fall, dass eine so festgestellte Einnahme vom betroffenen „Drug Court“-Teilnehmer angezweifelt wird, sollte eine Nachkontrolle vorzugsweise mittels einer Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung (gas chromatography/mass spectrometry, GC-MS) stattfinden.168 Sofern auch diese einen Konsum bestätigt, seien dem Nutzer die Kosten für diese Überprüfung aufzuerlegen sowie seine fehlende Aufrichtigkeit entsprechend zu sanktionieren. Weitaus weniger verlässlich sei dagegen eine Kontrolle der Teilnehmer mittels der Entnahme von Schweiß- oder Haarproben. Bei beiden Methoden könne eine Be-

165 Zum nachfolgenden Abschnitt vgl. Marlowe/Meyer, Handbuch für „Drug Court“Richter, S. 169 f. 166 509 U.S. Supreme Court 579, 593 – 4 (1993). 167 Siehe hierzu u. a. Jones v. State 548 A.2d 35, 35 (D.C. 1998), mit Verweis auf sechs weitere, die Testmethode anerkennende Bundesstaaten. 168 Vgl. hierzu Nat’l Treasury Employees Union v. Von Raub, 489 U.S. Supreme Court 656, 656 (1989); Wilcox v. State, 258 S.W.3d 785, 785 (Arkansas Ct. App. 2007).

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einflussung des Testergebnisses durch die Einwirkung äußerer Umweltfaktoren nicht in hinreichendem Maße ausgeschlossen werden.169 (2) Informationsweitergabe im „Drug Court“-Team Zusätzlich zur Überwachung des Teilnehmerverhaltens mittels Drogentests können Mitglieder des „Drug Court“-Teams auch direkt Kenntnis von einzelnen Verstößen der Nutzer erlangen. Zunächst ist diesbezüglich festzuhalten, dass ein Teilnehmer berechtigt ist, freiwillig auf eigene Rechte zu verzichten, um im Austausch (prozessuale) Vorteile zu erhalten, die die Mitwirkung am Programm beinhaltet (therapeutische Behandlung, mögliche Straffreiheit).170 Daher könne er einzelne Mitglieder des „Drug Court“-Teams im Wege des participant agreement von ihrer Verschwiegenheitspflicht gegenüber ihren Teamkollegen entbinden, soweit dies Informationen betreffe, deren Offenlegung für die Arbeit des „Drug Courts“ unerlässlich und ihr Empfängerkreis vorab klar definiert sei.171 Probleme wirft allerdings sodann die Beantwortung der Frage auf, inwieweit diese Befugnis gleichsam eine Pflicht zur Mitteilung für den Nutzer nachteiliger Tatsachen hervorruft, die einem der Teammitglieder bekannt geworden sind.172 Während hiervon insbesondere bezüglich der Therapeuten zweifelsfrei ausgegangen werden könne, stelle sich die Situation für die beteiligten Strafverteidiger ungleich konfliktträchtiger dar. Im Sinne einer Mitteilungspflicht werde diesbezüglich argumentiert, dass die wissentliche Vorenthaltung von Informationen die effektive Zusammenarbeit innerhalb des Teams und das damit verbundene Therapieziel unterliefe. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass ein Strafverteidiger seinem Mandanten gegenüber die ethische Pflicht habe, für dessen rechtliche Interessen einzutreten. Ein Teilnehmer müsse deshalb sicher sein können, dass intime Informationen, die er eigens nur seinem rechtlichen Vertreter mitteile, auch bei diesem verblieben. Dabei dürfte letzterer Position in der weit überwiegenden Zahl der Fälle der Vorrang einzuräumen sein. Wichtiger als ein unerschütterliches Vertrauen innerhalb des „Drug Court“-Teams zu garantieren, ist es, das Verhältnis zwischen dem Teilnehmer und seinem rechtlichen Vertreter zu schützen. Die Nutzer des Programms 169 Vgl. zuletzt United States v. Meyer, 485 F.Supp.2d 1001, 1001 (N.D. Iowa 2006); Woods v. Wills, No. 1:03-CV105, 2005 (E.D. Missouri 2005). 170 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 43, mit Verweis auf Melton et al. (2007), Meyer (2011). 171 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 43, mit Verweis auf Melton et al. (2007), Meyer (2011). 172 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 43 f, mit Verweis auf Tobin (2012), National Association of Criminal Defense Lawyers (2009). (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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sind zumeist ohnehin schwer verunsichert und auf der Suche nach Personen, die ihnen Halt und Orientierung geben können. Diese Rolle nimmt neben dem therapeutischen Personal allen voran der Strafverteidiger ein. Zudem muss man sich des Umstands bewusst sein, dass Strafverteidiger in einem „Drug Court“ ohnehin nur sehr selten Kenntnis von belastenden Tatsachen erlangen, ohne dass diese bereits dem Therapiezentrum oder der Staatsanwaltschaft (über die Polizeibehörden) bekannt wären. Sollten sich dennoch derartige Situationen ergeben, könnte man das zusätzliche Kriterium anlegen, inwieweit durch die Zurückhaltung einer Information keine unmittelbaren Folgen für die öffentliche Sicherheit zu befürchten sind. (3) Sanktionierung und Ausschluss vom „Drug Court“ Viele Entscheidungen, die tagtäglich in „Drug Courts“ getroffen werden, weisen als Folge der grundsätzlichen Ausgestaltung des Programms ein gewisses Defizit an Transparenz auf. Oft werden im Rahmen der Vorberatungen wesentliche Verfahrensfragen (bei Anwesenheit eines Strafverteidigers) in Abwesenheit des Teilnehmers selbst besprochen.173 Dieser sieht sich sodann in der gerichtlichen Anhörung ggf. vor „vollendete Tatsachen“ gestellt. Um diesem Umstand gerecht zu werden, sollten „Drug Court“-Teilnehmern die gleichen Rechten wie einem Straftäter auf Bewährung zugestanden werden.174 Dies würde nach der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court bedeuten, dass zumindest vor dem endgültigen Ausschluss eines Teilnehmers vom Programm eine vorläufige sowie eine endgültige gerichtliche Anhörung stattfinden müssten.175 Eine solche Vorgehensweise sollte nur entfallen, soweit der Nutzer freiwillig ins traditionelle Strafverfahren zurückkehren möchte.176 Es sei auch nicht ohne weiteres möglich, bereits vor Aufnahme in den „Drug Court“ im Wege der Unterzeichnung der Teilnahmevereinbarung auf diese Prozessrechte zu verzichten.177 Im Rahmen des termination hearing hätten die Gerichte auf die Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Mindestvoraussetzungen (fundamental fairness) zu achten.178 So sei vor einer Ausschlussentscheidung vor allem anderen zu prüfen, ob die beigebrachten Beweise (insbesondere Drogentests) einer verlässlichen Quelle entstammen, ihrem Inhalt nach einen Ausschluss rechtfertigen und dem Teilnehmer die Möglichkeit zum Antritt eines Gegenbeweises eingeräumt wurde.179

173 Vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. II, S. 41 f. 174 Vgl. Marlowe/Meyer, Handbuch für „Drug Court“-Richter, S. 166 ff. 175 Vgl. Gagnon v. Scarpelli, 411 U.S. 778, 781 – 782 (1973). 176 Vgl. State v. Varnell, 155 P.3d 971, 971 (Wash. Ct. App. 2007). 177 Vgl. Staley v. State, 851 So.2d 805 (Florida Ct. App. 2003). 178 Vgl. People v. Joseph, 785 N.Y.S.2d 292 (New York Supreme Ct. 2004). 179 Vgl. People v. Joseph, 785 N.Y.S.2d 292 (New York Supreme Ct. 2004).

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Eng mit der Notwendigkeit der Durchführung eines termination hearing verbunden ist die Frage nach der Abhaltung eines sanction hearing, das sich gegen gerichtlich verhängte Sanktionen in Form des kurzzeitigen Freiheitsentzugs richtet.180 In Anbetracht der Tragweite eines jeden Freiheitsentzugs sei es angemessen, dem Betroffenen auch hierbei eine Anhörungsmöglichkeit zu eröffnen und die im Raum stehende Sanktion zuvor anzukündigen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass low-risk offenders, die bei „regulärer“ Verurteilung an sich keine Freiheitsstrafe zu befürchten gehabt hätten, als Folge der Sanktionierung eines Programmverstoßes im Ergebnis aber doch eine (wenn auch nur kurzzeitige) Inhaftierung erleiden könnten. Darüber hinaus sollte vom „Drug Court“-Team zumindest bezüglich der Entscheidung über den finalen Ausschluss eines Teilnehmers in Erwägung gezogen werden, diese einem anderen, außenstehenden Richter zu überlassen.181 Oftmals könne die Neutralität des bis dato in den Therapieprozess involvierten Richters in Zweifel gezogen werden. Schließlich habe dieser infolge seiner Sitzungsleitung, regelmäßigen Teilnahme an Teamsitzungen sowie persönlichen Dialoge mit den Nutzern sehr detaillierte Kenntnisse, insbesondere über deren individuelle Schwächen und Versäumnisse, erlangt. Dieser Umstand könne eine fehlende richterliche Neutralität nahe legen.182 Obwohl die Abhaltung von termination hearings durch den ursprünglich zuständigen „Drug Court“-Richter bislang nicht gerichtlich beanstandet worden sei, sollte dem Ausschlusskandidaten vor diesem Hintergrund die Möglichkeit eröffnet werden, diesen nunmehr wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. cc) Straferhöhung nach Programmausschluss183 Leider sei es in der „Drug Court“-Praxis nicht unüblich, dass eine Rückkehr in das traditionelle Strafsystem mit einer Erhöhung der ursprünglich drohenden Strafe einhergeht. An dieser Stelle sollten sich die Gerichte davon lösen, allein das Scheitern eines Teilnehmers in den Vordergrund zu stellen, und stattdessen seine Bereitschaft zur Therapie samt genauer Ursachen seines Misserfolgs im Programm würdigen. Generell sollten „Drug Courts“ daher Richtlinien bereithalten, die es sowohl den Nutzern als auch deren Rechtsbeiständen ermöglichen, das Risiko eines 180 Vgl. Marlowe/Meyer, Handbuch für „Drug Court“-Richter, S. 171 f, mit Verweis auf Nicely v. Commonwealth, 2007-CA-002109-MR, 2009 Ky. App. LEXIS 54 (Kentucky App. Apr. 24, 2009). (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 181 Vgl. Meyer/Marlowe, Handbuch für „Drug Court“-Richter, S. 170 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 182 Vgl. Alexander v. State, 48 P.3d 110 (Supreme Ct. Oklahoma 2002). 183 Zum nachfolgenden Abschnitt vgl. Marlowe/Fox, Standards erfolgsversprechender Praktiken in Erwachsenen „Drug Courts“, Vol. I, S. 33, u. a. mit Verweis auf National Association of Criminal Defense Lawyers (2009).

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erhöhten Strafausspruchs nach Programmausschluss abzuschätzen. Anderenfalls könne es geschehen, dass Strafverteidiger ihren Mandanten aufgrund der nicht kalkulierbaren Rechtsfolgen von einer Teilnahme am „Drug Court“ abraten. f) Besonderheiten des Programms für Jugendliche („Juvenile Drug Courts“) aa) Einführende Bemerkungen Parallel zu den voranstehende beschriebenen „Drug Courts“ für Erwachsene operieren in den USA aktuell über 450 sog. „Juvenile Drug Courts“, die auf die Betreuung jugendlicher Straftäter184 spezialisiert sind.185 Die ersten Programme für Jugendliche entstanden Mitte der 90er-Jahre, also etwas zeitversetzt zum Beginn der „Drug Court“-Bewegung selbst.186 Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Zahl der jugendlichen Straftäter in den Vereinigten Staaten auf einem Höchststand.187 Hauptursächlich hierfür sei die Einführung der Droge „Crack-Kokain“ in den amerikanischen Betäubungsmittelmarkt sowie der daraus resultierende, exponentielle Anstieg von Drogenhandel und Beschaffungskriminalität insbesondere unter der afroamerikanischen Jugend gewesen.188 Entgegen der damals vorherrschenden gettough-Doktrin entschieden sich einige Richter jedoch gegen eine bloße Aburteilung und Inhaftierung dieser Drogenstraftäter. Allein zwischen 1995 und 2001 eröffneten so 140 „Drug Courts“ für Jugendliche, während sich weitere 125 bereits in der Planungsphase befanden.189 Im Jahr 2003 veröffentlichte das US-Justizministerium nach dem Vorbild der 10 key components der „Drug Courts“ für Erwachsene 16 strategies („Strategien“) für „Juvenile Drug Courts“.190 Diese nachfolgend dargestellten Prinzipien basieren auf der Arbeit eines gemischten Teams aus „Drug Court“-Praktikern, Researchern und Ausbildern aus den gesamten Vereinigten Staaten, die zu diesem Zweck vom National Drug Court Institute und dem National Council of Juvenile and Family Court 184 Im Unterschied zum deutschen Strafrecht differenzieren die Strafgesetze der meisten US-Bundesstaaten nicht zwischen einem Kind, einem Jugendlichen und einem Heranwachsenden. Zum Zweck einer einheitlichen Darstellung umfasst der Begriff des (straffälligen) Jugendlichen daher die Zeit ab Beginn der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bis zum in der Mehrzahl der Bundesstaaten maßgeblichen 18. Geburtstag, vgl. Schaerff, Die Behandlung junger Straftäter in den USA, S. 23. 185 Vgl. Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 145. 186 Vgl. Ashcroft/Daniels/Nedelkoff, „Drug Courts“ für Jugendliche: Strategien für die Praxis, S. 6. 187 Vgl. Schaerff, Die Behandlung junger Straftäter in den USA, S. 230. 188 Vgl. Schaerff, Die Behandlung junger Straftäter in den USA, S. 231. 189 Vgl. Cooper, „Drug Courts“ für Jugendliche, S. 1. 190 Vgl. Ashcroft/Daniels/Nedelkoff, „Drug Courts“ für Jugendliche: Strategien für die Praxis. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Judges zusammengebracht wurden. Sie sollten interessierten Gerichten eine Hilfestellung zur Planung, Einrichtung und Ausführung des Programms geben. Zwar konnten in ihrer Erstfassung bereits erste praktische Erfahrungswerte berücksichtigt werden, jedoch stellten die Herausgeber bei der Veröffentlichung klar, dass es sich nicht um eine zwingend zu beachtende Checkliste wissenschaftlich erwiesener Prinzipien handele. Dadurch sollte ein Anreiz für eine weitere Erforschung und Raum für neue, ggf. abweichende Praktiken erhalten bleiben. „Drug Courts“ für Jugendliche unterscheiden sich aufgrund der besonderen Umstände, die Minderjährige zum Drogenkonsum motivieren können, fundamental von Programmen für erwachsene Straftäter.191 Jugendliche befänden sich noch mitten in der Entwicklung ihrer geistigen, sozialen und emotionalen Fähigkeiten, wobei dieser Lernprozess maßgeblich durch Familienangehörige, Freunde und die Schule beeinflusst werde und das Verfahren daher sorgfältig an ihre Bedürfnisse anzupassen sei.192 Keinesfalls sollte demnach davon ausgegangen werden, dass Jugendliche aufgrund ihres tendenziell leichter zu beeinflussenden Verhaltens eine weniger intensive therapeutische Behandlung als Erwachsene benötigten.193 bb) Die 16 „Strategien“ für „Juvenile Drug Courts“ Im Vergleich zu den 10 key components für Erwachsenen „Drug Courts“ enthalten die 16 „Strategien“ für „Juvenile Drug Courts“ einige zusätzliche Elemente (im Folgenden kursiv abgedruckt). Zudem sind sie insgesamt etwas konkreter formuliert. Dies könnte darauf zurück zu führen sein, dass bis zu ihrer Veröffentlichung (2003) sieben weitere Jahre vergangen waren und bestimmte Praktiken in der Zwischenzeit zumindest etwas genauer erforscht werden konnten. Die 16 „Strategien“ lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.

Gemeinschaftliche Planung: Einbeziehung aller Akteure in die Ausgestaltung eines interdisziplinären, koordinierten und systematischen Ansatzes zur Arbeit mit Jugendlichen und ihren Familien.

2.

Teamwork: Entwicklung und Pflege einer interdisziplinären und nicht rivalisierenden Zusammenarbeit.

3.

Klar definierte Zielgruppe und Auswahlkriterien: Definition von Zielgruppe und Auswahlkriterien, die mit den Zielen des Programms abgestimmt sind.

191 Vgl. Ashcroft/Daniels/Nedelkoff, „Drug Courts“ für Jugendliche: Strategien für die Praxis S. 8. 192 Vgl. Ashcroft/Daniels/Nedelkoff, „Drug Courts“ für Jugendliche: Strategien für die Praxis S. 8. 193 Vgl. Carey/van Wormer/Mackin, Die Wahrung von Treue zum „Juvenile Drug Court“Modell: Lasst uns das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, S. 75, 84.

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4.

Justizielle Einbindung und Überwachung: Anberaumung regelmäßiger gerichtlicher Anhörungen und Sensibilität hinsichtlich der Effekte, die gerichtliche Verhandlungen auf Jugendliche und ihre Familien haben können.

5.

Kontrolle und Bewertung: Einführung eines Systems zur Kontrolle und Bewertung des Programms um dessen Qualität zu erhalten, den Einfluss des Programms zu messen und zur generellen Erforschung beizutragen.

6.

Gemeinnützige Partnerschaften: Aufbau von Beziehungen mit gemeinnützigen Organisationen um das Angebot für Jugendliche und ihre Familien zu erweitern.

7.

Umfangreiches Therapieangebot: Bereitstellung von Interventionen bezüglich der komplexen und verschiedenartigen Bedürfnisse von Jugendlichen und ihren Familien.

8.

Altersgerechte Behandlungsformen: Bereitstellung eines Therapieangebotes, das die Entwicklungsphase des Jugendlichen berücksichtigt.

9.

Geschlechtsspezifische Angebote: Schaffung einer Therapie, die die einzigartigen Bedürfnisse jeden Geschlechts anspricht.

10. Kulturelle Sachkunde: Entwicklung von Grundsätzen und Verfahren, die kulturelle Unterschiede berücksichtigen und von entsprechend geschultem Personal ausgeführt werden. 11. Fokussierung auf Stärken: Beibehaltung einer Fokussierung auf Stärken des Jugendlichen und seiner Familie während des Programms und bei jeder Interaktion zwischen Gericht und Nutzer. 12. Einbeziehung der Familie: Anerkennung und Einbeziehung der Familie als wichtigen Partner in alle Phasen des Programms. 13. Schulische Anbindung: Abstimmung mit der jeweiligen Schule, um die Anmeldung und Teilnahme eines jeden Nutzers an angemessenen Bildungsmaßnahmen zu gewährleisten. 14. Drogentest: Entwicklung eines regelmäßigen, zufälligen und überwachten Testverfahrens. Schriftliche Festlegung von Testgrundsätzen und -verfahren. 15. Zielorientierte Belohnungen und Sanktionen: Reaktion auf Erfüllung bzw. Nichterfüllung mittels Belohnungen und Sanktionen, die helfen das Verhalten der Jugendlichen und deren Familien zu bestärken oder zu ändern. 16. Vertraulichkeit: Einführung von Vertraulichkeitsgrundsätzen und -verfahren, die die Privatsphäre des Jugendlichen achten und es dem „Drug Court“-Team dennoch erlauben, auf Schlüsselinformationen zuzugreifen. Generell ist erkennbar, dass die Anforderungen teilnehmerbezogener als die key components sind und die Organisation bzw. die leitenden Akteure des „Drug Courts“ eher in den Hintergrund rücken. So sind 7 der 16 „Strategien“ speziell auf Jugendliche zugeschnitten. Auch wird der Familie eine sehr wichtige Rolle innerhalb des Programms zugestanden. Diese Position manifestiert sich unter Punkt 12 der

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Leitlinien, der die Einbeziehung der Familie in „alle Phasen des Programms“ empfiehlt. Auffällig ist des Weiteren, dass die Liste im Gegensatz zu den Schlüsselelementen (dortige Nr. 9) keinen ausdrücklichen Bezug auf eine regelmäßige Fortbildung des „Drug Court“-Personals nimmt. Teilweise wird dies als Grund für die vergleichsweise schwach ausgeprägte Einhaltung der genannten Prinzipien durch die US-amerikanischen „Juvenile Drug Courts“ angesehen.194 cc) Aktuelle Diskussion und Verbesserungsansätze Anders als beim etablierten und vollständig erforschten Modell der „Drug Courts“ für Erwachsene steht bezogen auf die „Juvenile Drug Courts“ noch immer die Frage im Raum, ob das Programm für diese Zielgruppe überhaupt Vorteile mit sich bringt. Denn trotz der Veröffentlichung der beschriebenen Leitlinien fielen die Resultate unter den „Juvenile Drug Courts“ über die vergangene Dekade hinweg betrachtet verhältnismäßig ernüchternd aus.195 Die Mehrzahl der Untersuchungen kam zu dem Ergebnis, dass die Programme wenig bis gar keinen Einfluss auf die Rückfallraten Jugendlicher hatten und Nutzer zum Teil sogar schlechter abschnitten als Mitglieder von Vergleichsgruppen.196 Eine im Auftrag des US-Justizministeriums durchgeführte Studie ordnete über einen Zeitraum von 3,5 Jahren an neun „Juvenile Drug Courts“ einem teilnehmenden Jugendlichen jeweils eine Vergleichsperson im traditionellen Bewährungsverfahren zu. Nur eines der Programme erwies sich im Nachhinein als merklich rückfallreduzierend, während an sechs der „Juvenile Drug Courts“ überhaupt kein positiver Effekt konstatiert werden konnte.197 Als Hauptursache hierfür wurde gesehen, dass diese Gerichte vorrangig sog. „experimentelle“ Konsumenten als Personen mit einer ernsthaften, tatsächlich behandlungsdürftigen Abhängigkeit adressierten.198 Überdies hätten sie die Anwendung der 16 „Strategien“ für „Juvenile Drug Courts“ nicht konsequent genug verfolgt oder gänzlich vernachlässigt, weshalb es vor diesem Hintergrund dringend notwendig sei, eine sorgfältigere Anwendung des Modells unter den beteiligten Ge-

194

Vgl. Carey/van Wormer/Mackin, Die Wahrung von Treue zum „Juvenile Drug Court“Modell: Lasst uns das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, S. 79. 195 Vgl. Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 145; Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 23. 196 Vgl. Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 145, mit Verweis auf Latessa/Sullivan/Blair/Smith (2012), Shaffer (2006), Wilson et al. (2006). 197 Vgl. Blair/Sullivan/Latessa/Sullivan, „Drug Courts“ für Jugendliche: Eine Bewertung von Verfahren, Resultaten und Folgen, S. 4. 198 Vgl. Blair/Sullivan/Latessa/Sullivan, „Drug Courts“ für Jugendliche: Eine Bewertung von Verfahren, Resultaten und Folgen, S. 5 f.

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richten sicher zu stellen.199 Im Rahmen einer Untersuchung von 26 weiteren Programmen gaben überdies nur 27 % an, überhaupt Daten zur Bestimmung der eigenen Effektivität zu erheben.200 Aus diesen Gründen wurde seitens des BJA sogar kurzzeitig ein Subventionsstopp bezüglich der Neuförderung von „Juvenile Drug Courts“ verhängt. Das US-Justizministerium versucht nunmehr, die genannten Defizite zu beheben und hat über das U.S. Office of Juvenile Justice and Delinquency Prevention um die Einsendung von Vorschlägen zur Entwicklung allgemeingültiger Standards gebeten.201 Ein solches Bestreben sei zu begrüßen, da die (wenigen) „Juvenile Drug Courts“, die ihr Verfahren gemäß den 16 „Strategien“ ausrichteten, mehrheitlich positive Resultate verzeichnen konnten.202 Obwohl in Ermangelung einer ausreichenden Erforschung des Programms für Jugendliche momentan noch keine allgemeingültigen Standards festgehalten werden könnten, sei es wahrscheinlich, dass die meisten der Grundsätze effektiver Intervention durch „Drug Courts“ auch für diese zuträfen.203 Empfehlenswert sei daher insbesondere der Einsatz zertifizierter risk assessment tools, um geeignete Teilnehmer zu ermitteln.204 Auch sollten die Programme ausschließlich high-risk Tätern mit einer tiefergehenden Abhängigkeitsund Kriminalitätsgeschichte dienen, um die kostenintensiven Maßnahmen nur wirklich Bedürftigen zukommen zu lassen und die vorhandenen Ressourcen effizient einzusetzen.205 Das Verfahren im „Juvenile Drug Court“ sollte sich neben den erforderlichen therapeutischen Maßnahmen dabei verstärkt auf die soziale Wiedereingliederung der Jugendlichen mittels Bildungsmaßnahmen fokussieren.206

199 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 23. 200 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 24, mit Verweis auf Yelderman (2016). 201 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 25. 202 Vgl. Carey/van Wormer/Mackin, Die Wahrung von Treue zum „Juvenile Drug Court“Modell: Lasst uns das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, S. 75. 203 Vgl. Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 145. 204 Vgl. Latessa/Listwan/Koetzle, Was zur Rückfallreduzierung beiträgt (und was nicht), S. 145. 205 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 24, mit Verweis auf Konecky et al. (2016), Korchmaros et al. (2016), Long & Sullivan, (2016). 206 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 25, mit Verweis auf Korchmaros et al. (2016), Stein et al. (2013), u. a. wird die Aufnahme eines Vertreters der Bildungseinrichtung in das „Drug Court“-Team zu diesem Zweck angeregt.

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g) Weitere Arten von „Drug Courts“ Neben den „Drug Courts“ für Erwachsene bzw. Jugendliche existiert in den USA eine Vielzahl weiterer Variationen des Programms. So gibt es – eine Drogenabhängigkeit der in Frage kommenden Personen vorausgesetzt – speziell entworfene Verfahren für Veteranen („Veterans Treatment Courts“), für Eltern (-teile) („Family Drug Courts“), für indigene Bevölkerungsgruppen mittels traditioneller Heilmethoden („Tribal healing to wellness Drug Courts“), für kürzlich entlassene Gefängnisinsassen („Reentry Drug Courts“), für berauschte Verkehrsteilnehmer („Driving while intoxicated (DWI) Courts“), für Studenten („Campus Drug Courts“) und für Angeklagte mit einer parallel auftretenden geistigen Erkrankung („Co-occurring disorders courts“).207 Insbesondere bezüglich der Verbreitung der „Veterans Treatment Courts“ war in den Vereinigten Staaten über die vergangenen Jahre hinweg eine stark ansteigende Tendenz zu verzeichnen. Seit Eröffnung des ersten derartigen Programms im Jahr 2008 (in Buffalo, NY) wurden landesweit bislang mehr als 250 weitere Gerichte für Veteranen initiiert.208 Im Gegensatz zu „Drug Courts“ für Erwachsene und Jugendliche steht dieses Verfahren drogenabhängigen Veteranen grundsätzlichen auch dann noch offen, wenn sie einer Gewalttat, zumeist aufgrund häuslicher Gewalt, angeklagt sind. Damit möchte man dem Umstand Rechnung tragen, dass sich diese Personen in den Dienst ihres Vaterlandes gestellt haben und oftmals traumatisiert aus dem Kriegseinsatz zurückkehren.209 Im weiteren Sinne lassen sich diese Modelle unter dem Oberbegriff der problemsolving courts („Gerichte zur Problemlösung“) zusammenfassen. In diese Gruppe fallen u. a. auch die folgenden Programme, die in diesem Kontext nur kurz genannt seien: Gerichte für geistig kranke Straftäter („Mental Health Courts“), für häusliche Gewalt („Domestic Violence Courts“), Prostituierte („Prostitution Courts“), Obdachlose („Homelessness Courts“) und Spielsüchtige („Gambling Courts“).210

207 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 12. 208 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 35 f., Die Zuwachsraten übertrafen damit sogar die Zahlen hinsichtlich der „Adult Drug Courts“. 209 Es wurde festgestellt, dass zwischen 10 und 20 % der Militärangehörigen, die in Afghanistan und/oder im Irak gedient haben, nach ihrer Rückkehr unter Depressionen, Drogenabhängigkeit oder posttraumatischen Störungen litten, vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 25, u. a. mit Verweis auf Ilgen et al. (2012), Kemp & Bossarte (2012), Substance Abuse and Mental Health Services Administration (2012). 210 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 12.

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All diesen Gerichten ist gemein, dass die Prinzipien der therapeutic jurisprudence ihr theoretisches Fundament bilden.211 Sie entwickelten sich erst aufgrund der erfolgreichen Resultate der „Adult Drug Courts“, da man durch sie die Möglichkeit erkannt hatte, auf gerichtlichem Wege weitere soziale Probleme zu adressieren, die nicht zwingend mit einer Drogen- oder Alkoholabhängigkeit verbunden waren. Die Programme teilen daher wesentliche (aber nicht alle) Verfahrenseigenschaften eines „Drug Court“, d. h. regelmäßige gerichtliche Anhörungen, ein System aus Belohnungen und Sanktionen sowie die individuelle Betreuung durch Spezialisten und Case Manager. h) Zusammenfassung Resümierend lässt sich bezüglich der „Drug Courts“ in den USA ein gemischtes Fazit ziehen. In Anbetracht seiner immensen Verbreitung und stetig wachsenden Anzahl kann man aber behaupten, dass sich das Programm im Verlauf der Jahre zu einem wichtigen Bestandteil der US-amerikanischen Strafrechtspflege entwickelt hat. Mit aktuell über 3.000 „Drug Courts“ sind die USA weltweit mit weitem Abstand führend bei der praktischen Integration des Programms in das nationale Rechtssystem. Daneben gibt es landesweit gegenwärtig etwa 450 „Juvenile Drug Courts“ und 250 „Veterans Drug Courts“. Ergänzt wird dieses, auf dem Konzept der therapeutic jurisprudence basierende Angebot, durch eine Reihe weiterer Spezialgerichte (problem-solving courts), die auf die Bedürfnisse bestimmter Tätergruppen zugeschnitten sind. Jahr für Jahr beantragen immer neue Strafgerichte staatliche Mittel zur Erprobung solcher Modelle. Insbesondere mit Blick auf die Wirkung von „Juvenile Drug Courts“ bestehen allerdings (noch) Zweifel, inwieweit diese eine tatsächliche Verbesserung zum traditionellen gerichtlichen Verfahren bieten können. Die Mehrzahl der etablierten „Drug Courts“ hat inzwischen eine grobe gesetzliche Verankerung auf bundesstaatlicher Ebene erhalten. Alternativ bzw. ergänzend übernehmen lokal interinstitutionell abgestimmte Verfahrenshandbücher die Konkretisierung der einzelnen Programmabschnitte. Deshalb ist streng genommen jeder US-„Drug Court“ einzigartig und individuell. Eine steigende Anzahl von Gerichten und auch das BJA richten sich in der Praxis inzwischen aber nach den neuen NADCPStandards, die im Übrigen die ursprünglich maßgeblichen 10 key components nach und nach verdrängt haben. Im Programm selbst ist ein gemischtes Team von Experten aus den Bereichen Recht (Richter, Staatsanwalt, Strafverteidiger, optional Bewährungshelfer und Polizeibeamte), Therapie (Angestellte und Leiter des Therapiezentrums) und Verwaltung (Case Manager und Programmdirektor) mit dessen Durchführung betraut. 211 Vgl. Marlowe/Hardin/Fox, Aktuelles Panorama. Nationaler Bericht über „Drug Courts“ und andere „Problem-solving Courts“ der USA, S. 14. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Dabei steht dem Richter in einer zentralen Rolle als „oberstem Therapeuten“ das Letztentscheidungsrecht im Verfahren zu. Erheblichen Einfluss auf die Reichweite eines „Drug Court“ nehmen zudem die Staatsanwaltschaften. Unter Rücksprache mit der Strafverteidigervereinigung bestimmen sie oftmals einen Katalog von Delikten, deren Begehung eine Teilnahme überhaupt erst ermöglichen kann. Von fundamentaler Bedeutung sind überdies die Case Manager. Sie archivieren sämtliche Informationen, die im Verfahrensverlauf entstehen und fungieren durch ihren beinahe täglichen Kontakt mit den Nutzern und den Mitgliedern des „Drug Court“-Teams als wichtiges Bindeglied zwischen Justiz, Therapie und Teilnehmer. Vor Aufnahme eines Kandidaten in den „Drug Court“ hat sich dieser in den Vereinigten Staaten für gewöhnlich zunächst als schuldig zum Tatvorwurf zu bekennen (post-plea model). Gegenwärtig gibt es darüber hinaus die Tendenz, auch Angeklagten schwererer Delikte im Wege des hybrid model eine Teilnahmemöglichkeit am Verfahren nach Urteilsverkündung zu eröffnen (post-sentencing). Auch wenn dieses Vorgehen einem der wesentlichen Ansätze der „Drug Courts“, den eigentlichen Strafprozess in den Hintergrund rücken zu lassen, entgegenläuft, hat es zur Vermeidung späterer Beweismittelverluste zuletzt an Relevanz gewonnen. Ebenso hat ein Kandidat die zuständigen Mitarbeiter der ihn behandelnden Therapieeinrichtung von ihrer Schweigepflicht gegenüber dem „Drug Court“-Team zu entbinden (participant agreement), um diesem Zugang zu notwendigen Informationen zu gewährleisten und eine Beschleunigung des Verfahrens zu ermöglichen. Nach erfolgter Aufnahme durchlaufen die Programmnutzer grundsätzlich vier Verfahrensphasen, deren Gesamtdauer durchschnittlich zwischen 12 und 24 Monaten beträgt. Während in den ersten beiden Phasen die Stabilisierung der Lebensverhältnisse und der Drogenentzug (ggf. unter Substitutionsbehandlung) im Vordergrund stehen, verschiebt sich der Fokus gegen Ende des Programms auf die Entwicklung prosozialen Verhaltens. Hierbei werden Alternativen zur beruflichen Förderung und Rückfallvermeidung durch sinnvolle Freizeitgestaltung aufgezeigt und deren Umsetzung vom Teilnehmer eingefordert. Gerichtliche Sitzungen zur Kontrolle des Therapiefortschritts werden regelmäßig, in zumindest monatlicher Frequenz abgehalten. Während ihrer Zeit im „Drug Court“ wird die Drogenabstinenz der Nutzer in den USA überdies mit Hilfe zufällig stattfindender Urintests und weiteren Kontrollinstrumenten (Tragen eines Arm- oder Fußbandes) überwacht. Diese Ergebnisse sind insbesondere während der ersten beiden Programmphasen von besonderer Relevanz für die internen Beratungen des „Drug Court“-Teams, die im Vorlauf zu jeder Verhandlung stattfinden. Als Reaktion auf vorbildliches oder zu missbilligendes Verhalten der Teilnehmer können die Gerichte Belohnungen bzw. Sanktionen nach Maßgabe eigener, detaillierter Maßnahmenkataloge aussprechen. Bei erfolgreicher Beendigung des Programms besteht sodann die Möglichkeit zur Einstellung des Verfahrens bzw. zumindest zur Strafmilderung. Für Absolventen ist es in den USA überdies nicht unüblich, dass eine Abschlusszeremonie samt Zeugnisübergabe durchgeführt wird.

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Die UNODC-Erfolgsstandards werden in der US-Praxis überwiegend, ob bewusst oder unbewusst, beachtet. Verbesserungspotenzial besteht allerdings u. a. bei der Bestimmung des Teilnehmerkreises (Aufnahme und Betreuung von high-risk Straftätern), beim zügigen Therapiebeginn und bei der Erstellung repräsentativer Rückfallstatistiken. Aktuell ist es an den US-Gerichten nicht garantiert, dass jeder Beschuldigte im Hinblick auf eine Eignung für den „Drug Court“ überprüft wird. Der überwiegende Teil der späteren Nutzer gelangt eher zufällig in das Programm. Konkret hängt es im Einzelfall zumeist davon ab, inwieweit der beteiligte Staatsanwalt, Strafverteidiger oder auch Richter Kenntnis von der Existenz des „Drug Court“ und seinen Teilnahmevoraussetzungen hat. Eine systematischere Erfassung würde zudem eine erhöhte Einbindung der Polizei in das Auswahlverfahren und eine entsprechende Schulung voraussetzen. Die Therapiebedürftigkeit weiterer Kandidaten könnte auf die Weise mittels standardisierter risk assessment tools überprüft werden. Auch betreuen die Gerichte noch zu viele low-risk offenders, die einer derart intensiven Überwachung oftmals gar nicht bedürfen. Durch diese Vorgehensweise senken sie zum einen die Kosteneffizienz des Programms und erhöhen andererseits die Wahrscheinlichkeit, dass Personen die an sich keinerlei ernst zu nehmendes Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellen, eine kurzzeitige Inhaftierung erfahren können. Die Fixierung auf weniger gefährliche Straftäter liegt dabei möglicherweise auch darin begründet, dass ihre Betreuung für die beteiligten Justizbediensteten grundsätzlich die etwas konfliktärmere Arbeitsform darstellt und insofern kaum ein Interesse an einer Änderung dieser Praxis besteht. Sinnvoller, als Personen mit einem hohen Rückfall- bzw. Sicherheitsrisiko ab einer bestimmten Strafandrohung pauschal vom Programm auszuschließen, wäre es jedoch, eine Art „Untergrenze“ festzulegen, um die Aufnahme weiterer low-risk offenders zu beschränken. Zudem sollten Kandidaten nicht voreilig aufgrund von jedwedem Gewalt- oder Waffenbezug einer vorhandenen Vorstrafe oder aktuell vorliegenden Anklage abgelehnt werden dürfen. Darüber hinaus liegt der Anteil jener Personen, die allein im Zusammenhang mit reinen Drogendelikten am „Drug Court“ teilnehmen, deutlich zu hoch. Ziel sollte es vielmehr sein, diese Personengruppe auf den Konsum wirklich lebensgefährdender Substanzen zu reduzieren und stattdessen die Aufnahme von Angeklagten aus den (für die öffentliche Sicherheit relevanteren) Bereichen der Beschaffungskriminalität, (rauschbedingten) Straßenverkehrsdelikte und der (alkoholbedingten) häuslichen Gewalt zu fördern. Eine solche Adressierung weiterer Tätergruppen sowie sozialer Probleme könnte auch die Eröffnung immer neuer problem-solving courts obsolet machen und einer „Zersplitterung“ des „Drug Court“-Systems entgegenwirken. Ebenso sollten verstärkte Bemühungen unternommen werden, allen ethnischen Bevölkerungsgruppen der USA einen gleichwertigen Zugang zum Programm zu verschaffen. Schließlich ist es ratsam, die gerichtliche Anhörung zum Ausschluss eines Teilnehmers vom Verfahren generell einem anderen als dem ursprünglichen

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„Drug Court“-Richter zu überlassen und die gescheiterten Therapieanstrengungen insoweit zumindest nicht strafschärfend zu berücksichtigen. 3. Funktionsweise der Tribunales de Tratamiento de Drogas y/o Alcohol in Chile Wie bereits eingangs festgestellt, bekleidet Chile innerhalb Lateinamerikas eine Vorreiterrolle in der praktischen Umsetzung des „Drug Court“-Programms.212 Für das chilenische Modell ist die nationale Einheitlichkeit charakteristisch, die es im Gegensatz zu seinem stark föderal geprägten US-Pendant aufweist. Im Folgenden soll nach einem Überblick über die historischen und rechtlichen Grundlagen der TTD auf zusätzliche Besonderheiten in der Ausgestaltung des Programms eingegangen werden. a) Gründungsprozess der TTD Im Vorlauf zur Gründung des ersten „Drug Court“-Pilotprojektes in Chile (Valparaíso/2004) hatte eine Gesandtschaft des von der UNODC finanzierten, „Justiziellen Hilfsprogramms für Lateinamerika und die Karibik“ (Legal Aid Program for Latin America and the Caribbean), dem chilenischen Senator und zuständigen Berater des Justizausschusses Michel Diban das „Drug Court“-Programm vorgestellt und dessen Interesse an einer genaueren Auseinandersetzung mit der Thematik geweckt.213 Parallel zu diesen Bemühungen fanden bezüglich des Programms mehrere von der US-amerikanischen Botschaft in Chile in Kooperation mit der lokalen Menschenrechtsorganisation und Stiftung Paz Ciudadana (Fundación Paz Ciudadana) veranstaltete Seminare unter Leitung der New Yorker „Drug Court“Richterin Laura Safer statt.214 Im Zuge dieser Diskussionsrunden entschieden sich die anwesenden Richter, Staats- und Rechtsanwälte dazu, ein Pilotprojekt in der Stadt Valparaíso durchzuführen. Das Hauptargument für die Notwendigkeit einer Einführung des TTD-Programms lieferte neben den bereits vorhandenen internationalen Untersuchungen insbesondere eine auf die Metropolregion Santiago bezogene, dreiwöchige Studie von Paz Ciudadana in Zusammenarbeit mit der chilenischen Polizei.215 Diese ermittelte per Urintest unter Festgenommenen einen Anteil von 73,3 % derer, die bei Verübung der Tat unter Drogeneinfluss gestanden hatten.216

212

Siehe B., I., 3., d). Hoelge/Duenas, in: Hurtado/Valencia, „Drug Courts“ als Alternative zur Strafe, S. 56 f. 214 Vgl. Droppelmann, TTD in Chile, S. 28. 215 Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 16. 216 Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 16. 213

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Schon bald darauf wurde zwischen den zuständigen regionalen Justiz- bzw. Gesundheitsträgern eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit getroffen, die den Grundstein für die praktische Umsetzung des Modells in der V. chilenischen Region bildete.217 Darüber hinaus nahm eine chilenische Delegation eine Einladung nach Florida wahr, um sich vor Ort einen Eindruck von der Arbeitsweise der „Drug Courts“ zu verschaffen. Kurze Zeit später entstanden zwei weitere TTD-Pilotprojekte in der Región Metropolitana (Metropolregion Santiago de Chile). Des Weiteren vergewisserte sich eine Gruppe von US-amerikanischen und kanadischen Experten über den Fortgang des Programms und stand den chilenischen Behörden beratend zur Seite. Zusätzlichen Auftrieb bekam das Projekt als im Jahr 2007 eine staatliche Untersuchung zu dem Ergebnis gelangte, dass die Zahl der Inhaftierten in Chile zwischen 1987 und 2006 jährlich um 6,3 % zugenommen habe und das Land innerhalb Südamerikas über den höchsten Anteil Gefangener an der Gesamtbevölkerung (238 Inhaftierte pro 100.000 Einwohner) verfügte.218 Im Dezember 2007 unterzeichneten das Justizministerium, der Oberste Gerichtshof, das Innenministerium, vertreten durch den „Nationalen Drogenkontrollrat“ (Consejo Nacional para el Control de Estupefacientes, CONACE) und die Staatsanwaltschaft, eine Absichtserklärung über den Ausbau der TTD-Pilotprojekte in Chile.219 Kurz darauf konnte man auch eine Einigung über dessen mittelfristige Finanzierung im Wege einer Umverteilung von Haushaltsmitteln erzielen.220 Zum Jahr 2011 gab das Justizministerium schließlich bei der Stiftung Paz Ciudadana sowie dem „Forschungszentrum für Öffentliche Sicherheit der Universidad de Chile“ (Estudios de Seguridad Ciudadana de la Universidad de Chile) Studien in Auftrag, die die Wirksamkeit der TTD einschließlich einer Optimierung seiner Parameter erforschen sollte.221 Nach Abschluss dieser Detailuntersuchungen, die sich entschieden für eine Erweiterung des Programms aussprachen, war der Weg endgültig frei für einen Ausbau der „Drug Courts“ in Chile. Im März 2012 wurde zwischen dem chilenischen Justizministerium, dem Richterverband, der Staatsanwaltschaft, der Strafverteidigervereinigung, der Polizei und dem „Nationalen Drogenpräventions- und Rehabilitationsdienst“ SENDA222 eine institutionenübergreifende Vereinbarung über die verbindliche Einführung des TTD217

Vgl. Droppelmann, Vorläufige Einstellung im Modell der TTD für Straftäter mit problematischem Drogenkonsum: Anwendung in Chile, S. 4 f. Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes 218 Vgl. Jiménez, Das Gefängnis als Exklusionsfaktor innerhalb Chiles, S. 10. 219 Vgl. Droppelmann, TTD in Chile, S. 30. 220 Vgl. Droppelmann, TTD in Chile, S. 30. 221 Vgl. Morales/Hurtado/Soto/Ramírez, Das TTD-Programm. Statistische Zusammenfassung 2010, 2011 und 2012, S. 6 f. 222 SENDA (Servicio Nacional para la Prevención y Rehabilitación del Consumo de Drogas y Alcohol) ist dem chilenischen Gesundheitsministerium unterstellt und Nachfolgeorganisation von CONACE.

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Modells, einschließlich der Erarbeitung eines gesetzlichen Rahmens, getroffen. Als Ergebnis dieses Abkommens wurde unmittelbar darauf am Justizministerium eine Abteilung zur Koordination des Programms eingerichtet (Unidad Coordinadora). Im März 2015 kam die sog. Unidad de Seguimiento hinzu, die seitdem u. a. maßgeblich für die Erfassung aller ein- bzw. ausgehenden TTD-Fälle verantwortlich ist und auf der Grundlage dieser Daten in regelmäßigen Abständen eine Analyse des Programms durchführen soll.223 Nachdem sich in den vergangenen Jahren weitere chilenische Regionen zur Einführung von TTD entschieden hatten, lautete das mittelfristige Ziel der beteiligten Institutionen, die landesweit inzwischen 29 Spezialgerichte bis spätestens zum Ende des Jahres 2019 auf mindestens 70 aufzustocken.224 Diese Zahl umfasst auch die Ausweitung des Programms auf Jugendliche.225 b) Strafprozessuale Grundlagen Trotz der inzwischen fast fünfzehnjährigen Laufzeit des Programms gibt es innerhalb der chilenischen Rechtsordnung noch immer kein Gesetz, das das TTDVerfahren verbindlich regelt und dessen genauen Ablauf festlegt. Obwohl diesbezüglich bereits seit dem Jahr 2013 ein detaillierter Gesetzesentwurf vorliegt, hat es bislang noch keine der jeweils amtierenden Regierung vermocht, eine entsprechende normative Regelung parlamentarisch durchzusetzen. Erst im April 2017 haben sich die beteiligten Organe nach langen Verhandlungen auf den Inhalt eines Verfahrenshandbuchs226 (Manual de Procedimientos) einigen können, das nunmehr seit August 2017 zur Anwendung kommt.227 Strafprozessrechtlich hat man das Modell von Anbeginn ohne die Notwendigkeit einer Gesetzesreform unter die Rechtsfigur der Suspensión condicional del Procedimiento (SCP, Aussetzung des Verfahrens) gefasst.228 Die Aussetzung des Verfahrens regelt die Strafprozessordnung Chiles (Código Procesal Penal, CPP) in ihren Art. 237 – 240 sowie 245 und 246.

223

Vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 6, 10. Vgl. Cerna Carrasco, Die Justiz plant den Betrieb von insgesamt 70 TTD. 225 In ganz Chile gab es über sehr lange Zeit hinweg lediglich einen Gerichtsbezirk (Santiago Zentrum/Nord), der im Rahmen eines Pilotprojekts die Aufnahme von minderjährigen Kandidaten in den TTD zuließ. Nach dem auf Initiative von SENDA bereits im Jahr 2016 weitere Gerichte in chilenischen Regionen hinzukamen, hat nunmehr seit August 2017 die gesamte Metropolregion Santiago das TTD-Modell für Jugendliche übernommen. 226 Siehe Ministerio de Justicia y Derechos Humanos de Chile et al., Handbuch über das Verfahren des TTD-Programms bei Erwachsenen. 227 Vgl. Unidad de Seguimiento de los TTD, Artikel vom 02. 08. 2017. 228 Vgl. Droppelmann, Analyse des Einführungsprozesses der TTD in Chile, S. 11. 224

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Die genannten Normen wurden aufgrund ihrer Flexibilität bereits seit den Anfängen des TTD-Programms in Chile favorisiert.229 Gegenüber einer Therapie im Rahmen des offenen Vollzugs biete die Aussetzung den prozessökonomischen Vorteil, dass einer Aufnahme der Behandlung keine Verurteilung vorangehen müsse.230 Zudem stehe dieser Lösungsweg im Einklang mit den Zielen der Reformierung des chilenischen Strafprozessrechts aus dem Jahr 2000, wonach im Fall kleinerer und mittlerer Kriminalität an Stelle der Verhängung einer Strafe zunächst der eigentliche Konflikt hinter der Tat aufzulösen sei.231 Die Aussetzung des Verfahrens sei daher, ebenso wie andere alternative Lösungen, nicht allein aus einer ökonomischen Perspektive der Kosteneinsparung zu betrachten, sondern auch als Werkzeug einer integrativen Sozialpolitik.232 aa) Die Voraussetzungen der SCP (Art. 237 CPP) Art. 237 CPP enthält die grundsätzlichen Voraussetzungen, die zu einer Aussetzung des Verfahrens erfüllt sein müssen.233 Danach darf der Staatsanwalt mit Zustimmung des Angeschuldigten und bei Anwesenheit dessen Verteidigers die Aussetzung des Verfahrens beantragen, sofern das mögliche Strafmaß für den Fall einer Verurteilung nicht mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe beträgt, keine Vorstrafen bestehen und im Moment der Antragstellung kein weiteres Verfahren bezüglich des Angeschuldigten ausgesetzt worden ist. Soweit es sich bei den vorgeworfenen Taten u. a. um die Delikte Totschlag, Entführung, schwerer Raub, Delikte anderer Gesetze, die die Verwendung einer Waffe voraussetzen, Entziehung Minderjähriger, Fahren unter Alkoholeinfluss mit Todesfolge oder schwere Körperverletzung handelt, soll der Staatsanwalt die Entscheidung über einen Antrag dem zuständigen Oberstaatsanwalt überlassen. Soweit das Gericht dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stattgibt, hat es zugleich Auflagen zu erteilen, derer sich der Angeschuldigte zu unterwerfen hat. Diese dürfen weder die Dauer von einem Jahr unterschreiten noch für länger als drei Jahre gelten. Aufgrund der strikten Bedingungen einer Verfahrensaussetzung von nicht mehr als drei Jahren drohendem Strafmaß sind schwerere Straftaten damit generell vom Programm ausgenommen.234 In Frage kommen aber insbesondere leichtere Vermögens- sowie Körperverletzungsdelikte. Im Zuge der Erweiterung der TTD auf die chilenischen Regionen werden bezüglich des Programms neuerdings interinstitutionelle Vereinbarungen zwischen den 229

Vgl. Nùñez, in: Hurtado/Valencia, „Drug Courts“ als Alternative zur Strafe, S. 69. Vgl. Nùñez, in: Hurtado/Valencia, „Drug Courts“ als Alternative zur Strafe, S. 69. 231 Vgl. Chahuán Sarras, Handbuch zum neuen Strafprozessrecht, S. 98. 232 Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 10. 233 Siehe hierzu den Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘-Verfahren“. 234 Vgl. Rebolledo Latorre, in: Droppelmann, TTD in Chile, S. 84. 230

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lokal beteiligten Gerichten, Staatsanwaltschaften, Strafverteidigervereinigungen und Gesundheitsdiensten getroffen.235 Sie enthalten neben einer Aufteilung der Kompetenzbereiche in der Regel auch eine (nicht abschließende) Liste, die die für das TTD-Verfahren in Betracht kommenden Delikte zusammenfasst. Die einzelnen Vereinbarungen stehen in bewusstem Bezug zueinander und sind untereinander beinahe deckungsgleich, sodass an dieser Stelle repräsentativ folgender Katalog angeführt werden kann: – Art. 144 Chilenisches Strafgesetzbuch (Código Penal, CP) Hausfriedensbruch, – Art. 269 CP Bedrohung, – Art. 269 CP Erregung öffentlichen Ärgernisses, – Art. 288 CP Mitführen von Stichwaffen, – Art. 399 CP Körperverletzung, – Art. 436 Abs. 2 CP Raub mittels Hinterlist, – Art. 440 CP Einbruchsdiebstahl aus bewohnten Gebäuden, – Art. 442 CP Einbruchsdiebstahl aus Gebäuden, die nicht zum Wohnen bestimmt sind, – Art. 443 Abs. 1 CP Einbruchsdiebstahl aus öffentlichen Gebäuden, – Art. 445 CP Einbruchsdiebstahl mittels falschem Schlüssel, – Art. 446 CP Diebstahl, – Art. 456 bis A CP Hehlerei, – Art. 484 CP Sachbeschädigung, – Art. 115 A des „Verkehrsgesetzes“ (Gesetz Nr. 18.290, Ley de Tránsito) Fahren unter Alkoholeinfluss, – Art. 4 des „Drogengesetzes“ (Gesetz Nr. 20.000, Ley de Drogas, LD) Kleinhandel mit Drogen, – Art. 8 LD Illegaler Anbau von Cannabis und anderen Substanzen, – Straftaten häuslicher Gewalt (nach dem Gesetz Nr. 20.066, Ley de Violencia Intrafamiliar), – Straftaten gegen das geistige Eigentum, – Straftaten nach dem „Gesetz über Rechte und Pflichten im Rahmen professioneller Fußballveranstaltungen“ (Gesetz Nr. 20.844, Ley de Derechos y Deberes en Espectáculos de Fútbol Profesional).

235 Entsprechende Vereinbarungen wurden bislang in den Regionen Valparaíso, Tarapacá und Antofagasta (jeweils 2013) sowie Araucanía, Arica (2014), Bío-Bío (2015), Libertador General Bernardo O’Higgins/Rancagua (2016) und Aysén (2018) unterzeichnet.

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Zu beachten ist, dass bezüglich bestimmter Delikte, meist der Drogendelikte, des Raubes mittels Hinterlist sowie des Einbruchsdiebstahls aus bewohnten Gebäuden, die Entscheidung über eine Aufnahme des Kandidaten in das TTD-Programm gemäß Art. 237 CPP in das Ermessen der Staatsanwaltschaft gestellt ist. Auch für bestimmte Taten, die gegen das Chilenische Drogengesetz verstoßen, besteht aufgrund von Art. 54 LD die Möglichkeit einer Verfahrensaussetzung gemäß der Art. 237 ff. CPP.236 Als Argument für die Einbeziehung von Delikten nach dem Drogengesetz wurde bereits bei Einführung der TTD eine staatliche Studie angeführt, die vor Verabschiedung des LD im Jahr 2005 realisiert wurde und bei 89,7 % der im Zusammenhang mit Straftaten des illegalen Handels festgenommenen Personen einen Konsum von Drogen nachwies.237 Anzumerken ist, dass sich die Anwendung des TTD-Verfahrens auf Grundlage des Drogengesetzes in der Praxis auf Taten des Kleinhandels (microtráfico) nach Art. 4 LD beschränkt. Ein bloßes Konsumdelikt kann dagegen aufgrund seiner Eigenschaft als Ordnungswidrigkeit (multa) niemals die rechtliche Grundlage einer Aufnahme in den TTD sein. Nicht explizit im Gesetzestext erwähnt und dennoch als unabdingbar anzusehen sei, dass die Teilnahme am TTD mit Zustimmung des Angeschuldigten geschehen müsse und somit sowohl die Erklärung der Verfahrensaussetzung als auch der finale Eintritt des Kandidaten in das Programm Freiwilligkeit voraussetzen.238 Dies sei Ausdruck des „Opportunitätsprinzips in einem weiteren Sinne“: neben der Staatsanwaltschaft müsse auch der Angeschuldigte sein Einverständnis erklären.239 Es steht dem Angeschuldigten also frei, sich einer Aussetzung unter Auflagen (im TTD) zu verweigern und stattdessen den Weg des gewöhnlichen Strafverfahrens, einschließlich eventueller Verurteilung, zu wählen.240 Das Gericht hat dann lediglich sicherzustellen, dass der Angeschuldigte ordnungsgemäß über die Möglichkeit einer Aussetzung und die ihm daraus erwachsenden Rechten und Pflichten belehrt worden ist. bb) Gesetzliche „Brücke“ zum TTD (Art. 238 CPP) Hierauf aufbauend, enthält Art. 238 CPP die möglichen Auflagen, an die der zuständige Richter die Aussetzung des Verfahrens knüpfen kann.241 Diese Regelung stellt gewissermaßen das „Einfallstor“ des TTD-Programms in das chilenische 236

Siehe hierzu den Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘-Verfahren“. Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 16. 238 Vgl. Ministerio de Justicia y Derechos Humanos de Chile et al., Handbuch über das Verfahren des TTD-Programms bei Erwachsenen, S. 17. 239 Vgl. Núñez, in: Hurtado/Valencia, „Drug Courts“ als Alternative zur Strafe, S. 69. 240 Vgl. Núñez, in: Hurtado/Valencia, „Drug Courts“ als Alternative zur Strafe, S. 72. 241 Siehe hierzu den Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘-Verfahren“. 237

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Strafprozessrecht dar. Sie erlaubt es beispielweise, die SCP von einer Teilnahme an regelmäßigen gerichtlichen Anhörungen abhängig zu machen.242 Im Rahmen des Aussetzungsverfahrens können eine oder mehrere Auflagen erteilt werden. Von hervorgehobener Bedeutung für die TTD sind im Kontext dieser Norm insbesondere die Buchstaben c) und h). Ersterer ermöglicht es dem Gericht, die Aussetzung prinzipiell an die Durchführung einer Entzugstherapie zu binden. Ergänzend darf das Gericht gemäß Art. 238 h) CPP jede weitere Auflage erteilen, die ihm in Anbetracht der Tatumstände als angemessen erscheint. So können dem Einzelfall entsprechend individuelle Auflagen zur Umsetzung der Verfahrensaussetzung, insbesondere monatliche Folgeaudienzen im TTD, erteilt werden. Diese Flexibilität erlaube es, die zentralen Ideen und Ziele des „Drug Court“-Programms in das chilenische Strafprozessrecht zu integrieren.243 Fundamental ist daneben die Befugnis des Gerichts, die bereits verhängten Auflagen während des gesamten Verfahrens zu modifizieren. Auf diese Weise können die Therapiebedingungen des jeweiligen TTD-Nutzers bei unbefriedigendem Verlauf verschärft bzw. deren Kontrolldichte im gegenteiligen Fall abgesenkt werden. c) Besonderheiten der chilenischen TTD aa) Zusammensetzung der Teams Die chilenischen TTD-Teams ähneln sehr stark der US-amerikanischen Variante. Sie werden gebildet aus je einem Richter, einem Staatsanwalt, einem Strafverteidiger sowie einem Psychologen, der direkt mit einem Sozialarbeiter kooperiert, dem sog. „psychosozialen Duo“ (dupla psicosocial im Folgenden). Auch in Chile soll diese Mischung aus Berufsträgern unterschiedlichster Fachbereiche dazu beitragen, dass sich alle Beteiligten als Teil des Behandlungs- und Rehabilitationsprozesses des TTD-Teilnehmers verstehen, untereinander kollaborieren und ihre Kompetenzen in die Entscheidungsfindung des Gerichtes einfließen lassen.244 (1) Organe der Rechtspflege Wie im US-amerikanischen „Drug Court“ ist der Richter die Schlüsselfigur des Programms. Allerdings handelt es sich im Fall Chiles nicht um spezielle TTDRichter, sondern lediglich um gewöhnliche Strafrichter mit zusätzlichem Aufga242

Vgl. Droppelmann/Pérez Ramírez, Effektive Alternativen: Erfahrungswerte mit „Drug Courts“ in Chile, S. 4. 243 Vgl. Núñez, in: Hurtado/Valencia, „Drug Courts“ als Alternative zur Strafe, S. 70. 244 Vgl. Ministerio de Justicia y Derechos Humanos de Chile et al., Handbuch über das Verfahren des TTD-Programms bei Erwachsenen, S. 8.

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benfeld.245 In der Praxis ist es meist so, dass sich zwei Richter einer Strafkammer die jeweiligen Sitzungstermine untereinander aufteilen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass auf diese Weise eine regelmäßige Abhaltung der TTD-Verhandlungen im Monatsrhythmus garantiert und überdies zusätzliche Arbeit gerechter verteilt werden kann. Der Richter entscheidet über die Aussetzung des Verfahrens und damit über die Aufnahme des Kandidaten in den TTD.246 Seine wichtigste Aufgabe ist es aber, individuell die Auflagen eines jeden Teilnehmers festzulegen und deren Erfüllung zu überwachen. Zum Zwecke einer koordinierten gerichtlichen Betreuung der TTDNutzer wird den Richtern empfohlen, sich in der Sitzungsleitung strikt an die Empfehlungen der dupla psicosocial und die zuvor im Vorgang zur TTD-Audienz getroffenen Übereinkünfte des TTD-Teams zu halten. Die Hauptaufgabe der Staatsanwaltschaft im TTD besteht darin, zur Identifikation möglicher Kandidaten beizutragen und, sofern erfolgreich geschehen, eine Aussetzung des Verfahrens vor Gericht zu beantragen.247 Zur Unterstützung der Kandidatenauswahl hat die Staatsanwaltschaft einen Koordinator zu benennen, der der zuständigen dupla psicosocial anhand eines Deliktsabgleichs täglich eine neue Liste der infrage kommenden Festgenommenen zukommen lässt. Zudem soll er die Übermittlung der TTD-Fälle koordinieren, die erst während des Ermittlungsverfahrens identifiziert werden. Die am TTD beteiligten Staatsanwälte sollen Spezialkenntnisse über Abhängigkeiten besitzen und gewillt sein, mit den anderen Mitgliedern des TTD-Teams (insbesondere den Strafverteidigern) zu kooperieren. Die Strafverteidiger haben im TTD in erster Linie auf eine Einhaltung des Verfahrensablaufs und eine Wahrung der prozessualen Rechte ihrer Mandanten zu achten.248 Da das Gericht in der Anzahl der möglichen Auflagen nicht begrenzt ist, haben sie zudem sicherzustellen, dass deren Ausmaß die Mitwirkung am TTD nicht unattraktiv für den Teilnehmer macht bzw. demotivierend wirkt. Auch sollen die Strafverteidiger konstruktiv zur Arbeit des TTD-Teams beitragen und ihre Mandanten dazu anhalten, gerichtlich beschlossene Maßnahmen in die Tat umzusetzen. Bedeutsam für die Organisation des Verfahrens ist, dass der weit überwiegende Teil der am TTD teilnehmenden Strafverteidiger Staatsbedienstete sind und nicht als freiberufliche Anwälte arbeiten. In Santiago de Chile ist die Strafverteidigerverei245

Vgl. Núñez, in: Hurtado/Valencia, „Drug Courts“ als Alternative zur Strafe, S. 69. Vgl. Morales/Welsch/Cárcamo/Muñoz, Untersuchung zu den allgemeinen Kosten der Einführung des TTD-Programms auf nationaler Ebene, S. 46. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 247 Vgl. Droppelmann, TTD in Chile, S. 72 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 248 Vgl. Morales/Welsch/Cárcamo/Muñoz, Untersuchung zu den allgemeinen Kosten der Einführung des TTD-Programms auf nationaler Ebene für jugendliche und erwachsene Teilnehmer, S. 47. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 246

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nigung beispielsweise im Gebäude des Strafgerichts (centro de justicia) untergebracht, sodass sich kurze Wege für alle Beteiligte ergeben. Dadurch ist auch gesichert, dass der Angeschuldigte in kürzester Zeit einen Verteidiger erhält, der über Erfahrung im TTD-Prozess verfügt. Daneben steht es dem Beschuldigten frei, sich einen Wahlverteidiger zu suchen.249 (2) Dupla psicosocial Die dupla psicosocial ist aus einem Psychologen und einem Sozialarbeiter zusammengesetzt, die sowohl mit Umgang mit Drogenstraftätern als auch mit den rechtlichen Abläufen an einem Strafgericht und fachsprachlichen Ausdrücken vertraut sind.250 Innerhalb des TTD-Verfahrens übernimmt sie die fundamentale Funktion der fachgerechten Auswahl der Kandidaten mittels abhängigkeitsbezogener (Kurz-)Befragungen.251 Auch wird durch sie vom Moment der Aufnahme des Nutzers bis zu dessen Ausscheiden aus dem TTD die wesentliche administrative Arbeit geleistet, die zur professionellen Begleitung des Falles notwendig ist. So übernimmt sie u. a. die Archivierung aller Schritte und die Ladung der Teilnehmer zu den gerichtlichen Verhandlungen. Für die Arbeit der dupla psicosocial ist zudem charakteristisch, dass sie einen permanenten Austausch mit dem verantwortlichen Therapiezentrum zu organisieren bzw. koordinieren hat, um auf diese Weise über alle notwendigen Informationen bezüglich des TTD-Nutzers verfügen zu können.252 Diese Sachkenntnis ermöglicht es ihr, als Bindeglied zwischen Justiz und Therapie zu fungieren und das Gericht bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund wird es von ihr auch erwartet, Strategien zur Motivation der Teilnehmer zu entwickeln und im Bedarfsfall, d. h. bei Nichterfüllung des Therapieplans, Telefonanrufe oder gar Hausbesuche durchzuführen.

249

Vgl. Ministerio de Justicia y Derechos Humanos de Chile et al., Handbuch über das Verfahren des TTD-Programms bei Erwachsenen, S. 12. 250 Vgl. Lara, in: Droppelmann, TTD in Chile, S. 112. 251 Vgl. Morales/Welsch/Cárcamo/Muñoz, Untersuchung zu den allgemeinen Kosten der Einführung des TTD-Programms auf nationaler Ebene für jugendliche und erwachsene Teilnehmer, S. 47 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 252 Vgl. Lara, in: Droppelmann, TTD in Chile, S. 113. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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bb) Teilnehmerprofil253 Gemäß der offiziellen Statistik, die Paz Ciudadana seit dem Jahr 2008 im Auftrag des chilenischen Justizministeriums erstellt, waren seit Beginn der Erhebung bis zum Jahr 2018 etwa 84 % der TTD-Nutzer männlichen Geschlechts, wobei das durchschnittliche Teilnahmealter 29 Jahre betrug. Statistisch gesehen, führten Straftaten gegen das Eigentum (37 %), gegen die körperliche Unversehrtheit (35 %, inkl. häuslicher Gewalt) und Verstöße gegen das „Drogengesetz“ (17 %) in das TTD-Programm. Über ein Drittel aller Teilnehmer wies eine Abhängigkeit bezüglich der Substanz Pastabase (Pasta Básica de Cocaína, Kokain-Basispaste, PBC)254 auf (36 %). Mit einigem Abstand folgt der Konsum von Marihuana (27 %), Kokain (17 %) und Alkohol (6 %). Der hohe Anteil an PBCKonsumenten lässt sich insbesondere vor dem Hintergrund seines niedrigen Marktpreises und der einfachen Beschaffung dieser Droge erklären. Mit Blick auf ihr soziales Umfeld ließ sich feststellen, dass ca. 70 % der TTDNutzer ledig waren, wobei dennoch nur 7 % von ihnen allein lebten. Dies hatte den Vorteil, dass im Durchschnitt 78 % der Teilnehmer auf direkte Unterstützung aus dem Freundes- und/oder Familienkreis zurückgreifen konnten. Nur gut jeder Zweite verfügte über eine feste und regelmäßige Arbeitsstelle, auch weil der gleiche Prozentsatz von ihnen keine abgeschlossene Schulbildung vorweisen konnte. Die Gründe weshalb die Kandidaten eine Aufnahme in den TTD begehrten, waren dabei von unterschiedlicher Natur.255 Neben der Möglichkeit, eine therapeutische Behandlung zu erhalten (42 %), spielte im Entscheidungsprozess insbesondere das Wohl der Familie eine große Rolle (32 %). Nur insgesamt einem Viertel der TTDNutzer ging es primär darum, einen Gefängnisaufenthalt oder Vorstrafen zu vermeiden. cc) Koordination des Programms Jeweils einmal monatlich richtet die Unidad Coordinadora in den Räumen des chilenischen Justizministeriums Sitzungen aus, die sich mit der Koordination und 253 Zum nachfolgenden Abschnitt vgl. Figueroa Ossa, Vorläufige Ergebnisse der Wirksamkeitsstudie über das TTD-Programm Chiles, S. 7. 254 PBC wird (vergleichbar zum Crack) aus Abfallprodukten produziert, die bei der Herstellung von Kokain anfallen, und ggf. gemischt mit Chemikalien in der Regel rauchend konsumiert. Die Droge wirkt unmittelbar euphorisierend, verursacht nach kurzem Stimmungshoch jedoch umso schneller depressive Gefühle. Im Unterschied zum Kokain kann die Einnahme von PBC den Konsumenten bereits nach wenigen Wochen zur Vereinsamung sowie in eine schwere psychische und physische Abhängigkeit führen. Vgl. Canessa, Kokain-Basispaste. Vier Jahrzehnte Geschichte, Gegenwart und Herausforderungen für die Zukunft, S. 13, 16, 60 f. 255 Vgl. Droppelmann/Schwaderer, Umfrage zur Ermittlung der Zufriedenheit der TTDNutzer, S. 5. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Ausweitung des Programms (Mesa Operativa), der Standardisierung und Datenerfassung (Mesa Técnica) sowie einem TTD-Gesetzesentwurf (Mesa Legal) befassen. Hierzu sind alle am Programm beteiligten Behörden einschließlich der Unidad de Seguimiento aufgerufen, Vertreter zu entsenden. Diese Veranstaltungen sollen auch Raum dafür geben, um aufgetretene Probleme oder Engpässe auf höchster Ebene anzusprechen. d) Allgemeiner Verfahrensablauf im TTD256 Um eine gewisse Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit des Verfahrens zu gewährleisten, arbeiten die beteiligten Kammern und Staatsanwaltschaften mittels des vorstehend bereits erwähnten Manual de Procedimientos. Im Wesentlichen lässt sich das Verfahren danach in drei grundlegende Stufen unterteilen: – Aufnahme in den TTD, – Betreuung und Überwachung der TTD-Teilnehmer, – Beendigung des Programms. aa) Aufnahme zum Verfahren Wie schon am Beispiel der US-„Drug Courts“ festgestellt, entscheidet zu einem großen Teil bereits das Auswahlverfahren über die Effektivität und mithin die Rentabilität des Programms an sich. In Chile findet aus diesem Grund eine mehrfache, komplexe Kontrolle der Geeignetheit potenzieller Teilnehmer statt. Diese müssen sowohl aus rechtlicher als auch medizinischer Sicht die Kriterien des TTDProgramms erfüllen. Es gibt grundsätzlich zwei Wege, über die ein Tatverdächtiger in den TTD aufgenommen werden kann. Welche der beiden Varianten zur Anwendung kommt, richtet sich danach, ob es sich im konkreten Fall um eine Festnahme bei Tatbegehung (delito flagante) oder um ein gewöhnliches polizeiliches Ermittlungsverfahren ohne vorherige Festnahme (investigación desformalizada) handelt.257

256 Soweit keine abweichende Quelle angegeben ist, entstammen die nachfolgenden Erläuterungen zu den unterschiedlichen Etappen des TTD-Verfahrens dem Manuel de Procedimientos (dort S. 14 ff.) und den allgemeinen Beobachtungen des Verfassers an den begutachteten TTD-Kammern. 257 In den Jahren 2010 – 2012 betrafen die überwiegende Anzahl der späteren TTD-Fälle (ca. 60 %) Festnahmen bei Tatbegehung, während ca. 40 % dem gewöhnlichen Ermittlungsverfahren entsprangen. Vgl. Morales/Hurtado/Soto/Ramírez, Das TTD-Programm. Statistische Zusammenfassung 2010, 2011 und 2012, S. 14, 24, 36.

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(1) Festnahme bei Tatbegehung Im Fall einer Festnahme bei Tatbegehung258 darf die Polizei einen Tatverdächtigen zunächst für höchstens 24 Stunden festhalten. Sie informiert die Staatsanwaltschaft über die jeweiligen Tatumstände, sodass diese der zuständigen dupla psicosocial jeden Morgen eine Liste aller neuen Tatverdächtigen erstellen kann, die die rechtlichen Grundvoraussetzungen einer Verfahrensaussetzung erfüllen und somit für eine Aufnahme in das TTD-Programm prinzipiell in Frage kommen. In Anbetracht der Kürze der hierfür zur Verfügung stehenden Zeit beschränkt sich diese Prüfung in der Praxis meist auf eine Identifikation solcher Delikte, die typischerweise in den TTD führen können.259 Gemäß der übermittelten Liste führt ein Mitglied der dupla psicosocial immer vormittags, möglichst noch vor Abhaltung der sog. audiencia de control de detención („Haftprüfungstermin“260), anhand eines Fragenkataloges mit jedem der Festgenommenen im Schnellverfahren ein Gespräch bezüglich einer möglichen Drogenabhängigkeit durch (sog. entrevista de sospecha diagnóstica). An Gerichten mit niedrigeren Festnahmezahlen werden hingegen pauschal alle Festgenommenen befragt.261 Ziel ist es, auf diese Weise frühzeitig eine Vorauswahl zu treffen und für den TTD ungeeignete, d. h. nicht therapiebedürftige Personen von weiteren, kostenund arbeitsintensiveren Untersuchungen auszuschließen.262 Zuletzt lag der Anteil positiver Befunde unter diesen Kurzbefragungen bei gerade einmal 15 %.263 Es kommt dementsprechend häufig vor, dass Festgenommene keinen problematischen Konsum aufweisen und das Gespräch bereits nach weniger als einer Minute beendet ist. Sobald ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Drogenabhängigkeit und überdies seitens des Tatverdächtigen Interesse an deren Bekämpfung besteht, soll er unverzüglich über die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens im Rahmen des TTDProgramms informiert werden. Meist befänden sich die Betroffenen in den Stunden nach ihrer (oftmals überhaupt ersten) Festnahme in einer schlechten psychischen Verfassung und stünden angebotenen Alternativen daher offener gegenüber.264 In der Folge teilt die dupla psicosocial dem zuständigen Staatsanwalt sowie Strafverteidiger das Ergebnis der Unterhaltungen mit, damit diese bereits im Rahmen des unmittelbar anschließenden „Haftprüfungstermins“ eine mögliche Aufnahme 258

Hierzu zählen auch Festnahmen unmittelbar im Anschluss an einen polizeilichen Notruf. Siehe obiger Deliktskatalog, B., II., 3., b), aa). 260 Auf Deutschland bezogen ist dieser Termin am ehesten vergleichbar mit einer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter. 261 Vgl. Droppelmann, Analyse des Einführungsprozesses der TTD in Chile, S. 27. 262 Vgl. Droppelmann, Analyse des Einführungsprozesses der TTD in Chile, S. 27. 263 Vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 46. 264 Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 12. 259

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der Kandidaten in das TTD-Programm erörtern und ggf. weitere medizinisch-psychologische Untersuchungen anordnen können. (2) Polizeiliches Ermittlungsverfahren Sollte der Tatverdächtige zuvor nicht (vorübergehend) festgenommen und demnach keine richterliche Vernehmung durchgeführt worden sein, können der beteiligte Staatsanwalt oder Strafverteidiger diesen beim zuständigen Richter bei Verdacht einer Abhängigkeit und nach Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen der SCP zu jeder Zeit des Ermittlungsverfahrens für eine ausführliche Befragung durch die dupla psicosocial vorschlagen. (3) Weiteres Vorgehen und medizinische Bestätigung Soweit die beteiligten Justizorgane im Rahmen der „Haftprüfung“ (Alternative (1) oder während des gewöhnlichen Ermittlungsverfahrens (Alternative (2) zu dem Entschluss gelangen, dass ein therapiewilliger Kandidat für den TTD geeignet sein könnte, kann der zuständige Richter zunächst gem. Art. 237, 238 h) CPP unter Zustimmung des Angeschuldigten vorläufig die Aussetzung des Verfahrens unter der Bedingung der Teilnahme an weitergehenden medizinischen Untersuchungen beschließen. Zudem setzt das Gericht in ausreichendem Zeitabstand eine Folgesitzung (audiencia de SCP) an, in der abschließend über eine Aussetzung des Verfahrens, und damit über die Aufnahme in den TTD an sich, entschieden wird. Die tiefergehende Befragung durch die dupla psicosocial (primera entrevista de evaluación) wird im Rahmen der Alternative (1) meist direkt im Anschluss an den „Haftprüfungstermin“ durchgeführt. Ihr Ziel ist es, einen im Raum stehenden Anfangsverdacht einer Sucht zu bestätigen und, soweit erforderlich, die Motivation des Angeschuldigten zur Aufnahme des TTD-Programms zu stärken.265 Angewandt wird hierzu der Standard-Fragebogen ASSIST266 (Alcohol, Smoking and Substance Involvement Screening Test), der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt wurde. Mittels dieser Befragung lässt sich das Risiko eines erneuten Drogenkonsums einer Person anhand eines Punktesystems bestimmen. Der Test ist stufenweise aufgebaut und enthält neben Angaben zum Konsum auch Fragen zum familiären und sozialen Umfeld des Probanden. Ein diagnostiziertes hohes Konsumrisiko (riesgo alto) bedeutet, dass eine Person aufgrund ihrer derzeitigen Konsumgewohnheiten schwerwiegende Probleme erleben wird (gesundheitlich, im sozialen Umfeld, im Sinne von gesetzlichen Konflikten, in der Partnerschaft) und eine Abhängigkeit wahrscheinlich ist.

265

In 57,5 % der Fälle wurde hierbei zuletzt ein Anfangsverdacht bestätigt, siehe Contreras/ Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 46. 266 WHO, Alcohol, Smoking & Substance Involvement Screening Test (ASSIST), Version 3.0.

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Daneben erhält ein Kandidat von der dupla psicsocial auch dann eine Überweisung zu einem abschließenden Kontrollgespräch mit einem Psychiater (entrevista de confirmación diagnóstica), wenn „lediglich“ ein mittleres Risiko (riesgo medio) festgestellt worden sein sollte.267 Im Rahmen dieser Befragung wird sodann das Vorliegen einer pathologischen Zweiterkrankung geprüft. Um die Notwendigkeit einer Aufnahme in den TTD zu klären, sind zudem das kriminologische Profil des Kandidaten zu vertiefen und mögliche Risikofaktoren, die zu einem Rückfall in die Kriminalität führen könnten, zu identifizieren. Aus diesem Grund lassen die hierin enthaltenen Fragen dem Probanden einen weiteren Beantwortungsspielraum, ohne dass eine Bewertung anhand eines Punktesystems stattfindet. Am Ende des Gesprächs ist erneut sein Willen zur Teilnahme am TTD-Programm zu überprüfen. Der konsultierte Psychiater setzt die zuständige dupla psicosocial sodann über das Ergebnis dieser Untersuchung in Kenntnis. Sein Bericht soll auch eine Analyse der Bedürfnisse und Änderungsbereitschaft des Kandidaten (compromiso biopsicosocial) enthalten. Im Rahmen des zu fertigenden Gutachtens wird gemäß der im Gespräch angegebenen Konsumfrequenz und dem Vorhandensein eines Hilfsnetzwerkes im eigenen Familien- und Freundeskreis auch eine Entscheidung über die Art der Behandlung (ob stationär oder ambulant) getroffen. Die dupla psicosocial informiert den TTD-Kandidaten über die wesentlichen Ergebnisse der psychiatrischen Befragung und den angedachten Therapieplan. Parallel hierzu leitet sie diesen Bericht an Therapiezentren weiter, die gemäß der Diagnose des Psychiaters für eine Behandlung des Probanden in Frage kommen. Sobald eine Einrichtung ihre Zustimmung zur Aufnahme erteilt hat, ist mit dem Kandidaten ein Termin für ein dortiges Aufnahmegespräch abzustimmen.268 (4) Sitzung zur Aufnahme in den TTD (audiencia de ingreso) Über die Aussetzung des Verfahrens und die formale Aufnahme in den TTD wird an chilenischen Strafgerichten abschließend im Rahmen einer gesonderten Sitzung, der sog. audiencia de ingreso, entschieden. Diese findet statt, sobald ein TTDKandidat die Voraussetzungen der SCP erfüllt, die Notwendigkeit zur Behandlung therapeutisch bestätigt worden ist und er sich darüber hinaus bereits in Betreuung des Therapiezentrums befindet. Im Rahmen der audiencia de ingreso wird der Kandidat nochmals ausdrücklich über das Ziel des Programms und die damit verbundenen Rechten und Pflichten informiert. Danach soll er selbst umfangreich zu Wort kommen, um dem zuständigen Richter persönlich ein detailliertes Bild von seinem sozialen Umfeld einschließlich eventueller Risikofaktoren zu verschaffen. Seine Angaben sind für die Bestimmung 267 In knapp drei Vierteln aller Fälle bestätigt sich die vorhergehende Diagnose der dupla psicosocial, siehe Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 46. 268 Nur 77 % der identifizierten Kandidaten erscheinen schließlich im Therapiezentrum, siehe Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 46.

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der Auflagen, an die die Verfahrensaussetzung geknüpft werden soll, von entscheidender Bedeutung. Generell erfüllten zuletzt von den landesweit 851 vorläufig (im Rahmen der entrevista de sospecha diagnóstica) ausgewählten Personen nur 314 das juristische und medizinische Profil zur Teilnahme am TTD-Programm (36,9 %).269 Die Hauptgründe für ein Scheitern der Aufnahme würden dabei im freiwilligen Verzicht der Kandidaten bzw. nachträglich eingetretener Änderungen im Hinblick auf eine zuvor angenommene Möglichkeit der SCP liegen.270 Der Motivationsverlust der Kandidaten erklärt sich unter anderem vor dem Hintergrund, dass in Chile nicht unerhebliche Wartezeiten bezüglich einer Therapieaufnahme auftreten können.271 Den größten Eingang verzeichneten in den vergangenen Jahren die Strafgerichte der Metropolregion Santiago, allen voran die Gerichtsbezirke West und Nord (allein dort über zwei Drittel der Gesamtzugänge).272 bb) Betreuung und Überwachung der TTD-Teilnehmer (1) Regelmäßige Behandlung im Therapiezentrum Den Therapiezentren kommt innerhalb des TTD-Verfahrens die schwierige Aufgabe der Rehabilitation von Personen zu, die neben einer erheblichen Drogenabhängigkeit auch delinquente Verhaltensmuster aufweisen.273 Dies erfordert einen hohen Grad an Spezialisierung und, bezogen auf die Zusammenarbeit mit den Akteuren aus der Justiz, ein gesundes Maß an Teamfähigkeit. Im Allgemeinen gibt es allerdings kaum Unterschiede zwischen der Behandlung eines TTD-Nutzers und den übrigen Therapieteilnehmern. Denn, obwohl nicht unmittelbar angeklagt, hat die Mehrzahl von ihnen ebenfalls eine kriminelle Vorgeschichte. Die Arbeit in den Therapiezentren muss neben der Therapierung des Drogenkonsums folglich unbedingt darauf ausgerichtet sein, eine soziale Reintegration sowie Selbstfindung der Person zu erreichen. Die auferlegten Therapiemaßnahmen müssen dabei stets verhältnismäßig sein, nicht zuletzt um die Motivation des Teilnehmers aufrecht zu erhalten.274 Für viele von ihnen stelle die Aufnahme einer Behandlung nämlich einen weitaus größeren Schritt als das bloße Absitzen einer Haftstrafe dar.275 Chilenische Therapiezentren arbeiten 269

Vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 71. Vgl. Morales/Hurtado/Soto/Ramírez, Das TTD-Programm. Statistische Zusammenfassung 2010, 2011 und 2012, S. 10. 271 Vgl. Interview mit einer dupla psicosocial (Strafgericht Santiago de Chile/SENDA) vom 27. 11. 2015, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 272 Vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 40. 273 Vgl. Sanfuentes, in: Droppelmann, TTD in Chile, S. 114 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 274 Vgl. Droppelmann, Analyse des Einführungsprozesses der TTD in Chile, S. 31. 275 Vgl. Droppelmann, Analyse des Einführungsprozesses der TTD in Chile, S. 31. 270

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aus diesem Grund nach dem sog. RNR-Prinzip (Risk-Need-Responsivity, RisikoNotwendigkeit-Ansprechbarkeit).276 Demgemäß muss zunächst das exakte Risikopotenzial (Gefährlichkeit) des Therapiebedürftigen definiert, dessen wesentliche, dynamische Risikofaktoren behandelt und die Behandlung strikt nach seiner individuellen Ansprechbarkeit (geistige Fähigkeiten, Motivation, kultureller Hintergrund) ausgerichtet werden. Soweit sich konkrete Maßnahmen als (noch) nicht angemessen zeigen, sind sie umgehend an das persönliche Lerntempo anzupassen. Ziel ist es, dem Klienten unter stetig wachsender Eigenverantwortlichkeit einen selbstbestimmten Lebensweg zu ebnen. Zur Betreuung der Teilnehmer stehen dem TTD-Programm grundsätzlich drei unterschiedliche Behandlungsformen zur Verfügung: die stationäre (residencial), intensiv-ambulante (ambulatorio intensivo) sowie einfach-ambulante (ambulatorio basico) Therapie.277 Zur Aufnahme von TTD-Nutzern sind sowohl öffentliche als auch private Einrichtungen berechtigt. Der Therapieablauf unterteilt sich in jeweils vier Zwischenschritte: medizinische Eingangsuntersuchungen und Beginn der Entgiftung, Bekämpfung der Risikofaktoren eines Rückfalls, soziale Wiedereingliederungsmaßnahmen und schließlich eine einjährige Nachbeobachtung des Absolventen durch das Therapiezentrum. Die grundsätzliche Dauer der ambulanten Therapieformen beträgt dabei ca. ein Jahr und setzt die jeweils bis zu sechsstündige Teilnahme an Aktivitäten des Therapiezentrums an fünf Tagen pro Woche voraus. Um den Probanden ggf. die Fortsetzung einer bestehenden beruflichen Betätigung zu ermöglichen, werden Nachmittags-/Abendveranstaltungen angeboten. Für stationäre Behandlungen ist demgegenüber bei ganzzeitlicher Unterbringung in der jeweiligen Einrichtung ein durchschnittlicher Verbleib von drei bis zwölf Monaten bei einer täglichen Kursteilnahme von fünf bis sieben Stunden vorgesehen. Welche Therapie im Einzelfall zur Anwendung gelangt, richtet sich danach, welcher der drei compromiso biospicosocial (streng/moderat/leicht) mit dem Nutzer vor Eintritt in das Programm vereinbart worden ist.278 Individuell muss beurteilt werden, inwieweit es notwendig ist, den TTD-Nutzer aus seinem gewohnten Lebensumfeld zu entlassen oder allein die regelmäßige Teilnahme an Therapiekursen 276 Das RNR-Modell wurde aus einer Analyse von 80 Rehabilitationsstudien abgeleitet. Darin wiesen nach dem RNR-Prinzip betreute Straftäter eine deutlich niedrigere Rückfallrate als ihre Vergleichsgruppe auf, vgl. hierzu Andrews/Bonta, Rehabilitation per Klassifizierung: die Wiederentdeckung der Psychologie. 277 Vgl. SENDA, Regelwerk und technische Hinweise bezüglich der Behandlungs- und Rehabilitationspläne erwachsener Personen mit Problemen aufgrund von Drogenkonsum, S. 2 – 9. 278 In Chile zumeist „streng“ oder „moderat“, Durchschnittswerte errechnet aus Farren/ Droppelmann, Das TTD-Programm. Statistische Analyse 2008, S. 13; Schwaderer/Droppelmann/Rebolledo/Ahumada, Das TTD-Programm. Statistische Analyse 2009; Morales/Hurtado/Soto/Ramírez; Das TTD-Programm. Statistische Zusammenfassung 2010, 2011 und 2012, S. 16, 26.

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der Abhängigkeit effektiv entgegenwirken kann. In der Praxis überwiegen ambulante Behandlungen stationäre etwa im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel, wobei insbesondere die intensiv-ambulante Therapieform aus Gründen der Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeit sehr populär ist (durchschnittlich fast 50 % aller Therapien).279 Über den Gesamtzeitraum der Therapie gesehen, erfahren 37 % der TTD-Nutzer eine Modifikation hinsichtlich ihrer Behandlung.280 Ähnlich dem Verfahren in den Vereinigten Staaten soll der Therapiefortschritt des TTD-Nutzers durch das Behandlungszentrum mittels regelmäßiger Drogentests überprüft werden. Die Regierungsorganisation SENDA ist in staatlichen Behandlungszentren für die Überwachung dieser Qualitätsstandards verantwortlich.281 (2) Monatliche Kontrollsitzungen (audiencias de seguimiento) Wie in den USA bilden die monatlichen Kontrollsitzungen auch das Kernstück des chilenischen TTD-Programms. Sie finden blockweise statt und werden je nach regulärem Sitzungsplan des Gerichts zumeist immer am selben Wochentag (vormittags bzw. nachmittags) abgehalten. Zweck dieser Sitzungen ist es, dem Gericht anhand eines persönlichen Dialogs mit dem Teilnehmer die Überwachung seines Therapieverlaufs zu ermöglichen und ggf. die ursprünglich verhängten Auflagen entsprechend zu modifizieren. (a) Nicht öffentliche Vorbesprechung (preaudiencia) Vergleichbar zum pre-staffing in US-„Drug Courts“282 findet sich das TTD-Team auch im Vorgang einer jeden Kontrollsitzung zunächst nicht öffentlich im Rahmen einer sog. preaudiencia zusammen, um über den Fortschritt der Nutzer zu beraten. An dieser Vorbesprechung nimmt neben den juristischen Akteuren auch die dupla psicosocial teil, sodass bei Beginn grundsätzlich stets das komplette, fünfköpfige Team zusammengetreten sein soll. Die Anwesenheit eines Vertreters des Therapiezentrums ist hingegen nicht erforderlich. Diesbezüglich beantragt die dupla psicosocial bei der behandelnden Einrichtung monatlich einen Bericht, der im Detail über Fortschritte und ggf. Schwierigkeiten eines jeden Nutzers informiert und überdies Empfehlungen hinsichtlich des weiteren 279 Vgl. Farren/Droppelmann, Das TTD-Programm. Statistische Analyse 2008, S. 14 f.; Schwaderer/Droppelmann/Rebolledo/Ahumada, Das TTD-Programm. Statistische Analyse 2009; Morales/Hurtado/Soto/Ramírez, Das TTD-Programm. Statistische Zusammenfassung 2010, 2011 und 2012, S. 17, 27, 39. 280 Vgl. Morales/Hurtado/Soto/Ramírez, Das TTD-Programm. Statistische Zusammenfassung 2010, 2011 und 2012, S. 17. 281 Statistisch gesehen stieg der Anteil von TTD-Teilnehmern, die in öffentlichen Instituten betreut wurden, zwischen den Jahren 2008 und 2011 von 71 auf 95 %. Vgl. Farren/Droppelmann; Das TTD-Programm. Statistische Analyse 2008, S. 14; Schwaderer/Droppelmann/Rebolledo/Ahumada; Das TTD-Programm. Statistische Analyse 2009; Morales/Hurtado/Soto/ Ramírez; Das TTD-Programm. Statistische Zusammenfassung 2010, 2011 und 2012, S. 16, 26. 282 Siehe B., II., 2., b), dd), (3).

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Therapiefortgangs enthält. Dieser Bericht soll ihr mindestens fünf Tage vor der jeweils nächsten gerichtlichen Audienz des Teilnehmers zugehen. Er bildet die Grundlage für die Beratungen des TTD-Teams innerhalb der Vorbesprechung und wird daher durch die dupla psicosocial in einem neuen Dokument, möglichst frei von medizinischer Fachsprache, zusammengefasst. Diese Sitzung soll einen kurzen Austausch hinsichtlich jeden TTD-Teilnehmers ermöglichen. (b) Öffentliche Hauptverhandlung Hieran schließt die eigentliche Hauptsitzung an, in der die geladenen TTDTeilnehmer geschlossen in den Sitzungssaal eintreten und dort verbleiben, bis sie nacheinander angehört worden sind. Die Audienzen im TTD-Programm sind öffentlich und oft wohnen insbesondere Familienangehörige und enge Freunde diesen bei. Zu Beginn einer jeden Einzelanhörung befragt das Gericht den Teilnehmer zunächst ergebnisoffen nach seinem Befinden und dem Fortschreiten seiner Therapie. Meist ergibt sich daraus ein Dialog, in dessen Zug auch eventuelle Versäumnisse und Schwierigkeiten in der Behandlung besprochen werden können. Die Befragung durch den Richter (sowie auch durch die anwesenden Staatsanwälte und Strafverteidiger) soll dabei möglichst einfühlsam, respektvoll und geduldig erfolgen, um den Teilnehmer Wertschätzung und Rückendeckung spüren zu lassen. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, eine Art „Allianz“ zwischen dem TTD-Nutzer und dem TTDTeam zu kreieren, deren gemeinsame Ziele die erfolgreiche Absolvierung des Programms und nachhaltige Abstinenz sind. Nach vollständiger Erörterung und Anhörung aller Beteiligten können auf Antrag der Parteien seitens des Gerichts Modifikationen hinsichtlich der bei der Aussetzung des Verfahrens getroffenen Auflagen bestimmt werden. Diese können von einer Intensivierung der Behandlungsmaßnahmen bis hin zu einer Entlassung aus der Therapieanstalt reichen. Die Aufgabe der dupla psicosocial ist es, alle neuen Vereinbarungen und Termine zu notieren, die im Verlauf der Audienz getroffen wurden und das Therapiezentrum in Kenntnis zu setzen. Für den Fall, dass die Abstinenz bereits vor Ablauf der Mindestdauer des Programms bzw. der Verfahrensaussetzung, also vor Jahresfrist, eintritt, kann der Teilnehmer vorzeitig aus der Behandlung ausscheiden, ohne dass von der Pflicht zur Teilnahme an den monatlichen Audienzen abgesehen werden kann.283 Für gewöhnlich sind für die Anhörung eines Nutzers innerhalb eines Sitzungsblocks maximal zehn Minuten vorgesehen. Lediglich für den Fall, dass es einen schweren Drogenrückfall gab, kann eine längere, bis zu 20-minütige Anhörung von

283 Vgl. Droppelmann/Pérez Ramírez, Effektive Alternativen: Erfahrungswerte mit „Drug Courts“ in Chile, S. 4.

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Nöten sein.284 Im Rahmen der letzten Erhebung belief sich die durchschnittliche Dauer einer einzelnen Befragung dabei auf 6 Minuten und 36 Sekunden.285 Die Gesamtsitzungsdauer kann dagegen gemäß der Teilnehmeranzahl stark variieren. cc) Beendigung des Programms (1) Ausschluss aus dem TTD Soweit ein Teilnehmer die ihm erteilten Auflagen ohne Rechtfertigung, schwerwiegend oder wiederholt verletzt oder gegen ihn ein neues Ermittlungsverfahren in anderer Sache eingeleitet werden sollte, gibt Art. 239 CPP dem Gericht die (anfechtbare) Möglichkeit, die Aussetzung des Verfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Opfers zu widerrufen und gemäß dem gewöhnlichen Prozessablauf fortzufahren.286 Neben der von der Regelung ausdrücklich erwähnten Konstellationen erfolgt ein solcher Ausschluss auch dann, wenn der Teilnehmer keine ausreichende Motivation zur Fortsetzung der Therapie zeigt. Ob und wann ein Nutzer genau ausgeschlossen wird und mithin in das traditionelle Strafverfahren zurückkehrt, stellt nichtsdestotrotz eine Einzelfallentscheidung dar. Zu betonen ist vor diesem Hintergrund zunächst, dass auch in Chile nicht jeder Therapieverstoß zu einem sofortigen Widerruf der Verfahrensaussetzung führt. Im Verfahrenshandbuch wird nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Rückfälle Teil fast eines jeden Heilungsprozesses und mithin keinesfalls ungewöhnlich für das TTD-Verfahren sind. Je nach subjektivem Eindruck der Beteiligten, dem konkreten (Fehl-)Verhalten des Nutzers, seiner Vorgeschichte und seinem aktuellen sozialen Umfeld muss die Erkenntnis wachsen, ob weiterhin eine realistische Chance auf baldige Fortschritte in der Behandlung sowie einen erfolgreichen Abschluss des Programms bestehen. Zur Gewährleistung einer gewissen Gleichbehandlung der Teilnehmer hat man sich innerhalb des TTD-Programms nunmehr darauf verständigt, vor einem endgültigen Ausschluss grundsätzlich ein Maximum von drei sog. „Rettungsmaßnahmen“ (rescates) zuzulassen. Dies sind Aktionen seitens der dupla psicosocial bzw. des Therapiezentrums, die die Reintegration eines Teilnehmers in den TTD und dessen Motivationsstärkung zum Ziel haben. Sie kommen zum Tragen, sofern ein leichtes bis mittleres Fehlverhalten, beispielsweise etwa das unentschuldigte Fernbleiben von der Therapie oder das Fehlen bei gerichtlich festgesetzten Terminen festgestellt wird. Konkret können diese Maßnahmen in Telefonanrufen, schriftlichen Vorladungen oder Hausbesuchen bestehen. Fehlverhalten, welche die therapeutische Behandlung betreffen, werden dabei vom Therapiezentrum angegangen und doku284

Die weit überwiegende Anzahl der anwesenden TTD-Teilnehmer hatte zuvor die gerichtlich aufgegebenen Therapieauflagen erfüllt, sodass sich die Dauer einer individuellen Befragung in der Regel zwischen fünf und zehn Minuten bewegte. 285 Vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 76. 286 Siehe hierzu den Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘-Verfahren“.

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mentiert, während die dupla psicosocial diesbezüglich bei gerichtlichen Abwesenheiten übernimmt. (2) Erfolgreiche Absolvierung des TTD (audiencia de egreso) Sobald der Programmteilnehmer den Therapieprozess erfolgreich durchlaufen und zudem über zumindest ein Jahr hinweg an den monatlichen Kontrollsitzungen des TTD teilgenommen hat, wird er zur „Entlassungssitzung“ (audiencia de egreso) geladen. Diese abschließende gerichtliche Audienz findet als Teil der gewöhnlichen monatlichen Sitzungen statt, ist jedoch durch ihren beinahe feierlichen Rahmen gekennzeichnet. Neben dem TTD-Team sind insbesondere auch Familienangehörige und Freunde des TTD-Absolventen zur Teilnahme eingeladen. Als symbolischen Abschluss des Programms, bekommt jeder Absolvent vom zuständigen Richter ein Abschlusszeugnis überreicht. Mit dieser Übergabe gilt das Programm für den Nutzer als beendet, sodass auch sein zunächst nur ausgesetztes Strafverfahren vom Gericht für erledigt erklärt wird. Zuletzt beendeten jedoch lediglich 16 % der Teilnehmer den TTD erfolgreich, wobei die Rückfallrate unter diesen Nutzer innerhalb des Jahres nach Ausscheiden aus dem Programm ebenfalls etwa ein Sechstel betrug.287 Diese Rückfallrate lag leicht unter jener der Teilnehmer, die zuvor erfolglos am Programm teilgenommen hatten,288 und um 10 % niedriger als die der Nichtteilnehmer.289 e) Bewertung des Programms durch seine Teilnehmer290 Zwischen März und April des Jahres 2010 wurden im Rahmen einer Umfrage der Stiftung Paz Ciudadana unter 77 TTD-Teilnehmern erstmals Zahlen bezüglich der Zufriedenheit der Programmnutzer erhoben. Dabei sahen knapp 80 % der Nutzer das TTD-Verfahren als echte Chance für sich an und würden es einem Verwandten oder Freund, für den Fall, dass diese in eine ähnliche Situation gerieten, weiterempfehlen. Lediglich 11 % der Befragten empfanden die Teilnahme am TTD und dessen monatlichen Kontrollsitzungen als „Zeitverschwendung“. Neben dem generellen Eindruck, dass das Programm ihr Leben verbessere (97 %), gaben ebenso viele Teilnehmer an, dass sich ihre innerfamiliären Verhältnisse seit der Aufnahme in den TTD deutlich entspannt hätten. 91 % äußerten, ihren Drogenkonsum dank des Programms eingestellt zu haben. 287 Vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 61; Figueroa Ossa, Vorläufige Ergebnisse der Wirksamkeitsstudie über das TTD-Programm Chiles, S. 8. 288 Vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 61. 289 Vgl. Figueroa Ossa, Vorläufige Ergebnisse der Wirksamkeitsstudie über das TTDProgramm Chiles, S. 8. 290 Bezüglich des nachfolgenden Abschnitts vgl. Droppelmann/Schwaderer, Umfrage zur Ermittlung der Zufriedenheit der TTD-Nutzer.

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Auch der Einfluss der monatlichen Audienzen und die enge Bindung an das Gericht wurden von der weit überwiegenden Anzahl der Teilnehmer (88 %) positiv bis sehr positiv wahrgenommen, insbesondere in Bezug auf die eigenen Abstinenzbemühungen. Dagegen klagten nur 10 % der Programmnutzer über angebliche Vorurteile des zuständigen Richters bzw. überzogene Auflagen ihnen gegenüber. Vielmehr überwog deutlich das Gefühl eines beiderseitigen Vertrauens zwischen Gericht und TTD-Nutzer (91 % Zustimmung). f) Praktische Umsetzung der UNODC-Erfolgsfaktoren für „Drug Courts“ Neben einem Rückgriff auf die vorstehend bereits angeführten Studien erfolgte die Bewertung der chilenischen TTD im Hinblick auf die UNODC-Erfolgsfaktoren anhand der Auswertung von Gesprächen mit leitenden TTD-Mitarbeitern sowie des Besuchs mehrerer TTD-Sitzungen und -vorberatungen der 3., 5. und 7. Kammer des Strafgerichts von Santiago de Chile. aa) Wirkungsvolle richterliche Führung Im Rahmen der durch den Autor besuchten gerichtlichen Termine konnte den beteiligten Richtern überwiegend eine effektive Führung ihres jeweiligen TTD attestiert werden. Dies betraf sowohl die Leitung der teaminternen Vorberatung als auch die spätere Auseinandersetzung mit den Programmnutzern während der Kontrollsitzungen. Im Vorlauf hierzu fand zunächst in allen Kammern eine gebündelte, ca. 30 bis 45minütige Vorbesprechung statt. Die Richter sorgten dabei stets für eine angenehme und konstruktive Gesprächsatmosphäre. Bei gelegentlich aufkommenden Streitfragen wurden Lösungswege angestrebt und gefunden, die alle Beteiligten zufriedenstellen konnten. Alle beteiligten Teammitglieder konnten dem Gericht bei Bedarf Vorschläge hinsichtlich der Behandlung einzelner Teilnehmer unterbreiten. Zudem waren die Richter darüber im Bilde, welche Therapieressourcen dem Programm generell zur Verfügung standen. Kritisch war zu bemerken, dass der Zeitrahmen dieser Vorbesprechung ab und an zu eng gehalten war, um eine tiefgreifende Diskussion über TTD-Nutzer zu garantieren. In einigen der Beratungen wurde regelrecht durch die Teilnehmerliste „gehetzt“, sodass die Ausführungen und Hinweise der dupla psicosocial zumeist kommentarlos zur Kenntnis genommen wurden.291 Für den Fall, dass sich ein TTDTeam dennoch die erforderliche Zeit zu einer detaillierten Fallbesprechung nahm, verzögerte sich der Beginn der öffentlichen Sitzung mitunter erheblich (um bis zu eine Stunde). 291 Gemäß der Empfehlung der Unidad de Seguimiento de TTD soll sich das Verhältnis der Dauer von Vorbesprechung und öffentlicher Sitzung im Verhältnis von 3:1 bewegen, vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 74.

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Im Zuge der beobachteten Sitzungen ließ sich feststellen, dass die Gerichte insbesondere die Ehrlichkeit der Teilnehmer honorierten und diesen sodann stets eine zweite oder gar dritte Chance einräumten. Grundsätzlich wurden in der Reihenfolge der Anhörung zu Zwecken der „Vorbildwirkung“ solche Teilnehmer vorgezogen, die einen größeren Therapieerfolg vorwiesen. Soweit TTD-Nutzer nicht oder nur gelegentlich an Therapiemaßnahmen teilgenommen hatten, erinnerten sie die Richter eindringlich an die Wichtigkeit der Behandlung für ihren zukünftigen Lebensweg. In einem solchen Fall erfolgte meist auch der Hinweis an die Teilnehmer, dass sie auf eigenen Wunsch hin in das Programm aufgenommen worden seien und eine entsprechende Vereinbarung mit den beteiligten Organen geschlossen hätten (den compromiso biopsicosocial). Ihnen wurde sodann vor Augen geführt, dass sie sich im TTD in einer privilegierten Stellung gegenüber vielen anderen Straftätern befänden und das Programm nur über wenige, teure Plätze zur verantwortungsvollen Nutzung verfüge. Überdies zeigte man ihnen nochmals die Perspektive eines unbefleckten Strafregisters auf, die nach erfolgreicher Absolvierung des Programms die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit erleichtern werde. Ziel dieser Vorgehensweise war es, eine Drucksituation im Sinne einer „Bringschuld“ der Teilnehmer gegenüber dem TTD-Team, der eigenen Familie oder ggf. auch dem Opfer der Straftat zu schaffen. Bei Rückfällen in den Drogenkonsum war es dagegen die vorrangige Bestrebung des Gerichts, die Nutzer von einer vorschnellen Aufgabe der Therapie abzuhalten und sie zu einer Fortsetzung zu motivieren. Darüber hinaus wurden mögliche Risikofaktoren im direkten Umfeld der Rückfälligen besprochen, um in Zukunft gar nicht erst in die Versuchung einer Substanzeinnahme zu kommen. Im Anschluss an die richterliche Befragung kamen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der anwesende Strafverteidiger zu Wort. In der Regel waren diese Redebeiträge jedoch eher kurzgehalten, sodass die Sitzungen zu einem weit überwiegenden Teil aus einem Dialog zwischen Gericht und TTD-Nutzer bestanden. Dies verwundert insoweit nicht, als die grundsätzliche Vorgehensweise bereits im Rahmen der Vorbesprechung innerhalb des TTD-Teams abgestimmt worden war. Die Teilnehmer wurden abschließend vom Richter nach einem persönlichen Ziel befragt, das sie bis zur Abhaltung der nächsten Kontrollsitzung realisiert haben möchten. bb) Starke interdisziplinäre Zusammenarbeit Bezüglich der Zusammenarbeit innerhalb der TTD-Teams gab es nur geringes Verbesserungspotenzial festzustellen. Die Kommunikation lief fachbereichsübergreifend gut und ohne grundlegende Probleme. Allen Akteuren konnte eine große Bereitschaft zur Kooperation und Offenheit für Kompromisse bescheinigt werden. Einen entscheidenden Anteil am Funktionieren des Programms haben dabei die dupla psicosocial, die als Schnittstelle zwischen den involvierten Arbeitswelten dienen und darüber hinaus erste Ansprechpartner für die Nutzer sind. So war es im

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Verlauf einer TTD-Sitzung nicht ungewöhnlich zu beobachten, dass bei spontan aufkommenden Unklarheiten bezüglich des Therapieverlaufs ein Mitglied der dupla psicosocial direkt konsultiert wurde.292 Auch die endgültige Entscheidung über einen Ausschluss aus dem Programm wurde in der Praxis oftmals auf Empfehlung der zuständigen dupla psicosocial getroffen. Nahe liegt dies insofern, als sie im Unterschied zu vielen juristischen Entscheidungsträgern über langjährige Erfahrung im Umgang mit drogenabhängigen Straftätern verfügt. Zum anderen steht sie in intensivem Kontakt zur Therapieeinrichtung, dem Programmteilnehmer und ggf. dessen Angehörigen. Eine verlässliche Prognose über die zukünftige Entwicklung des Teilnehmers kann deshalb am ehesten von ihr geleistet werden. Ausbaufähig war dagegen die personelle Stabilität, mit der die beteiligten TTDTeams arbeiten. Gerade weil man innerhalb der Strafkammern stark darauf achtete, den zeitlichen Abstand zwischen den Folgesitzungen im Monatsrhythmus zu halten (in einem Fall wurde eigens sogar eine kurze Videokonferenz mit einem im Urlaub befindlichen Teilnehmer durchgeführt), war die Stabilität der Teams nicht zuverlässig gewährleistet. Eine „Blockaudienz“ wurde zur Vermeidung von Zeitverzug so beispielsweise durch einen Richter geleitet, der über keinerlei Erfahrung oder Ausbildung in der Abhaltung von TTD-Sitzungen verfügte. Dies zog einen ganz erheblichen Qualitätsverlust bezüglich der Befragung der jeweiligen Nutzer nach sich. Anstatt den Dialog mit ihnen zu suchen, ging der zuständige Richter unmittelbar in belehrende, floskelhafte Monologe über. In derartigen Situationen sollte deshalb eine angemessene Besetzung des Richterpostens Vorrang vor einer allzu strikten Einhaltung des Monatsrhythmus haben. Auch hatte im Zuge der Verfahren gelegentlich ein Wechsel des Staatsanwaltes und/oder des Strafverteidigers stattgefunden. Direkt zu einer Kontrollsitzung erschien ein Strafverteidiger, der offensichtlich erstmals an einer TTD-Audienz teilnahm und keinerlei Kenntnis von der (obligatorischen) Abhaltung einer Vorbesprechung hatte. In einem Fall verschwand die Staatsanwältin gar kurzerhand aus dem Sitzungssaal, um ein Nachgespräch mit einem TTD-Teilnehmer zu führen, ohne dass dies zu einer Unterbrechung der Audienz geführt hätte. Einmal kam es vor, dass ein Staatsanwalt trotz der Teilnahme an der Vorbesprechung unzureichend auf die Sitzung vorbereitet war und vor einer Beurteilung des Nutzers jeweils lange Zeit in den Akten blättern musste. Ein angemessener Sitzungsfluss und seriöser Dialog mit dem Teilnehmer war dementsprechend nicht mehr gegeben. Der häufige Wechsel der Strafverteidiger hatte dagegen zur Folge, dass zumeist keinerlei persönliche Kommunikation oder Beratung zwischen ihm/ihr und den Teilnehmern zu beobachten war. Einige Verteidiger begrenzten ihre Arbeit auf ein schlichtes Abarbeiten der Mandanten, ohne auch nur eine kurze Rücksprache mit ihnen zu führen. Verbesserungswürdig stellt sich die Situation der TTD auch im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen der beteiligten Organe der Rechtspflege dar. So erfolgt ihre 292 Die dupla psicosocial platziert sich während der TTD-Sitzung im Gerichtssaal in der ersten Publikumsreihe unmittelbar hinter der Anklagebank.

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Mitwirkung am Programm bislang freiwillig und ohne zusätzliche Entlohnung.293 Für Richter und Strafverteidiger ist nicht durchweg gewährleistet, dass sie als Gegenleistung für ihre Mitarbeit im TTD eine Entlastung an anderer Stelle erfahren.294 Dies geschehe insbesondere aufgrund der Tatsache nicht, dass es sich bei dem Programm nach wie vor um ein Pilotprojekt handele. Allein die Konditionen der Staatsanwälte konnten zuletzt etwas attraktiver gestaltet werden. Mittlerweile werden die entsprechenden Sitzungszeiten voll auf die Wochenarbeitszeit angerechnet, sodass eine Berufung zum TTD nicht länger als „Bestrafung“ wahrgenommen werde und sich auch neue Kollegen zur Mitarbeit motivieren könnten.295 Leider kommt es an chilenischen TTD infolge der beschriebenen „Doppelfunktion“ ihrer Mitarbeiter noch zu häufig vor, dass Teilnehmer während ihrer Zeit im Programm mit zu vielen verschiedenen juristischen Akteuren konfrontiert werden. Dabei ist es für den Therapieprozess des Nutzers ungemein wichtig, mit Personen zusammen zu arbeiten, die seine Vorgeschichte kennen und zu denen er Vertrauen aufbauen kann. Als Maßstab könnte hierbei das Verfahren am Strafgericht in Talagante (Región Metropolitana) dienen. Dort hat man es in kleinem Rahmen erreicht, für eine Entlastung der Akteure zu sorgen und so ein zuverlässig verfügbares TTD-Team zu schaffen.296 Auch müssen die TTD-Teams mehr Wert darauf legen, eventuelle Schwierigkeiten im alltäglichen Programmablauf zügiger von „unten“ nach „oben“ zu kommunizieren. Auf höherer Ebene, d. h. im Rahmen der monatlich vom chilenischen Justizministerium ausgerichteten Koordinationstreffen297, sollte sodann ein größere Konsensfähigkeit zwischen den am TTD beteiligten Institutionen angestrebt werden. Beim Besuch dieser Sitzungen war zu bemerken, dass sich die Umsetzung von Verfahrensanpassungen aufgrund der konträren Partikularinteressen und der fehlenden Weisungsbefugnis des Ministeriums gegenüber den Organen der Judikative sonst überaus komplex und langwierig gestalten kann.

293 Vgl. Interviews mit jeweils zwei TTD-Richtern vom 26.11. bzw. 04. 12. 2015 (Strafgericht Santiago de Chile), die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 294 Vgl. Interviews mit einem Mitarbeiter der Unidad de Seguimiento de TTD sowie mit zwei TTD-Strafverteidigern (Strafgericht Santiago de Chile) vom 02.12. bzw. 11. 12. 2015, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 295 Vgl. Interview mit dem Programmdirektor des Gerichtsbezirks Santiago Zentrum/Nord vom 10. 11. 2015, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 296 Vgl. Interview mit einem TTD-Richter des Strafgerichts Talagante vom 05. 01. 2016, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 297 Siehe B., II., 3., c), cc).

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cc) Guter Wissensstand über Abhängigkeit, Therapie und Heilung Sehr große Reserven ergaben sich sowohl bezüglich der fachbereichsübergreifenden Schulung der TTD-Mitarbeiter als auch im Hinblick auf ihre eigenen Arbeitsbereiche. Die Vorbereitung der Richter, Staatsanwälte und Strafverteidiger auf ihre Tätigkeit im TTD sei oftmals noch ungenügend: „Noch heute gibt es Defizite in der Schulung der beteiligten Akteure. Es werden einfach zu wenige und nur unregelmäßige Starterseminare angeboten. Auch die Fortbildung der Juristen, die bereits im TTD arbeiten, erfolgt bislang unzureichend.“298

Nur wenige unter ihnen hätten allerdings bislang eine spezielle TTD-Ausbildung genossen, sodass ihr Handeln eher auf dem Prinzip learning by doing sowie der Expertise eingearbeiteter Kollegen basiere.299 In der Praxis agierten im TTD-Programm kaum Staatsanwälte, die wirklich im Umgang mit Drogenstraftätern geschult seien.300 Auch unter den Strafverteidigern bestehe dieses Defizit: „Ich kann mich noch erinnern, dass ich die ersten beiden Jahre (2006 und 2007) an zahlreichen Seminaren von CONACE und auch vom Justizministerium teilgenommen habe. Danach gab es aber schlichtweg keine weiteren Veranstaltungen mehr.“301 „Ich habe nie eine TTD-Fortbildung genossen. Ich habe mir aber mehrere Verhandlungen angeschaut und so Erfahrungen gesammelt. Das ist auch heute im TTD überwiegend noch so.“302

Auch aus diesen Gründen sei es über die Jahre hinweg kaum gelungen, unter den Juristen „neue Gesichter“ für die Mitarbeit im TTD-Programm zu gewinnen.303 Dies hatte neben fehlenden Impulsen auch zur Folge, dass die Bekanntheit des Verfahrens an sich nicht signifikant gesteigert werden konnte. Insofern verwundert es kaum, dass die wesentliche Arbeit im Programm von einer kleinen, stets gleichen Gruppe von Juristen übernommen wird.

298 Vgl. Interview mit einem Mitarbeiter der Stiftung Paz Ciudadana vom 04. 11. 2015, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 299 Vgl. Interviews mit jeweils zwei TTD-Richtern vom 26.11. bzw. 04. 12. 2015 (Strafgericht Santiago de Chile). 300 Vgl. Interview mit dem Programmdirektor des Gerichtsbezirks Santiago Zentrum/Nord vom 10. 11. 2015. 301 Vgl. Interview mit zwei TTD-Strafverteidigern (Strafgericht Santiago de Chile) vom 11. 12. 2015. 302 Vgl. Interview mit zwei TTD-Strafverteidigern (Strafgericht Santiago de Chile) vom 11. 12. 2015. 303 Vgl. Pérez, Präsentation im Rahmen des Seminars „Erfahrungswerte und Herausforderungen der Justiz im TTD-Programm“.

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dd) Verfahrenshandbuch für Beständigkeit und Effizienz Seit August 2017 arbeiten die chilenischen TTD nunmehr nach einem einheitlichen Verfahrenshandbuch. Dieser Leitfaden enthält neben einer Definition der Rollen der einzelnen Teammitglieder die wesentlichen Schritte des Programms, auf die sich die beteiligten Institutionen schließlich einigen konnten. Er ist vergleichsweise knappgehalten und in einfacher Sprache gefasst. Dadurch ermöglicht er es sowohl juristisch nicht geschulten TTD-Mitarbeitern aus dem Bereich der Therapie als auch den Teilnehmern, einen schnellen Überblick über das Modell zu gewinnen. ee) Klare Auswahlkriterien Eine Aufnahme in den TTD bestimmt sich aktuell nach den Voraussetzungen der Rechtsfigur der SCP sowie ggf. regionalen Sondervereinbarungen zwischen den am Programm beteiligten Institutionen, die diese konkretisieren.304 Die Teilnahme ist danach klar geregelt und für Fälle leichter bis mittelschwerer Taten vorgesehen. Ebenso darf das Vorstrafenregister der Kandidaten keine Einträge aufweisen. Eine Überprüfung dieser rechtlichen Kriterien erfolgt in der Praxis maßgeblich durch die Staatsanwaltschaft. Im Gerichtsbetrieb ließ sich in Folge dieser Beschränkung auf eher „ungefährlichere“ Täter hinsichtlich einiger TTD-Nutzer ein gewisses Maß an „Überbetreuung“ bemerken. Nicht immer konnte schlüssig nachvollzogen werden, warum die betreffende Person unbedingt einer Aufnahme in den TTD bedurft hatte. Gerade Straftätern mit krimineller Vorgeschichte sollte vielmehr eine längere, gerichtlich betreute Behandlung zu Gute kommen, um den „Teufelskreis“ aus Droge und Delikt durchbrechen zu können.305 Zwar ließe sich an dieser Stelle einwenden, dass es Sinn und Zweck einer Beschränkung auf Teilnehmer ohne Vorbestrafung sei, gerade diese Personengruppe vor einem (erstmaligen) Aufenthalt in einer Vollzugsanstalt zu bewahren, um den oftmals schädlichen Kontakt zu Mitinsassen und möglicherweise vertieften Einstieg ins kriminelle Milieu zu verhindern.306 Auch könnte auf diese Weise eine Stigmatisierung und ein sozialer Ausschluss solcher Personen vermieden werden, die zum ersten Mal mit einem Strafprozess in Berührung kommen. Eine Öffnung der TTD für „Wiederholungstäter“ würde diese grundsätzliche Privilegierung der „Ersttäter“ jedoch weitestgehend unberührt lassen. Demgegenüber birgt die alleinige Fixierung auf Vorstrafenfreiheit (und eher leichte Delikte) das Risiko, das manche Kandidaten eine Aussetzung des Verfahrens 304

Siehe B., II., 3., b), aa). Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 14. 306 Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 11. 305

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mit der Perspektive einer mindestens einjährigen gerichtlichen Überwachung einschließlich strikter Therapie als wenig attraktiv gegenüber einer schnellen Aburteilung gegen Zahlung einer Geldstrafe oder erleichterten Vollzugsbedingungen nach dem Gesetz 18.216307 bzw. gemäß Drogengesetz308 empfinden.309 Eine im Verhältnis zum Tatvorwurf als zu umfangreich erscheinende Therapie könnte dem „Anreizsystem“ entgegenwirken, das durch das Angebot der Straffreiheit bei erfolgreichem Therapieabschluss gerade geschaffen werden soll. Für eine Ausweitung auf schwere Delikte spricht auch, dass viele der typischerweise unter Drogeneinfluss begangenen (Gewalt-)Taten aufgrund ihres hohen Strafmaßes gerade nicht der Figur der SCP unterfallen.310 Gleiches trifft auf die oft im Rahmen von Beschaffungskriminalität begangenen, qualifizierten Raubdelikte zu.311 Eine Lockerung der Aufnahmevoraussetzungen würde zwar durchweg begrüßt, allerdings war man sich im Zuge der in Chile durchgeführten Befragungen unter allen Beteiligten der mangelnden Popularität einer solchen Maßnahme innerhalb konservativ eingestellter Bevölkerungsteile und Medien bewusst. Vom Justizministerium ist eine Abschwächung der Auswahlkriterien dennoch als Teil des TTD-Gesetzesentwurfs vorgesehen: „Unser Ziel ist es, den Strafrahmen von bislang drei auf fünf Jahre anzuheben, um insbesondere Raubtätern mit problematischem Drogenkonsum eine Teilnahme am Programm zu ermöglichen. Auch soll mit Blick auf die positiven Erfahrungen anderer Länder eine Ausweitung des Teilnehmerprofils auf Täter mit einschlägigen Vorstrafen erfolgen. Diese Änderung soll nicht etwa mittels einer Anpassung der SCP, sondern vielmehr im Wege einer neuen rechtlichen Figur geschehen. Dabei soll vor der Aufnahme in den TTD zunächst ein verbindliches Urteil ergehen, um im Anschluss einfacher Druck auf die Teilnehmer ausüben zu können.“312

Mittels einer solchen Lockerung ließe sich zudem ein weiteres großes Problem der TTD (insbesondere außerhalb der Metropolregion Santiago) angehen: die relativ niedrigen Teilnehmerzahlen.313 Wie bereits erwähnt, betrug die Anzahl der TTDNutzer in ganz Chile bei letztmaliger Erhebung gerade einmal 314 Personen. Dabei 307 Gesetz über „Sanktionen als Ersatz für privative oder restriktive Freiheitsstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen)“ (Ley que establece penas que indica como sustitutivas a las penas privativas o restrictivas de libertad). 308 Insbesondere nach Art. 50 LD: Therapiemaßnahmen von bis zu 180 Tagen zulässig, siehe Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘-Verfahren“. 309 Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 15, 21; Moreno, TTD: Eine ambitionierte Initiative, S. 39. 310 Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 18. 311 Vgl. Moreno, TTD: Eine ambitionierte Initiative, S. 39. 312 Vgl. Interview mit zwei Mitarbeitern des chilenischen Justizministeriums (Unidad Coordinadora) vom 19. 11. 2015. 313 Vgl. Moreno, TTD: Eine ambitionierte Initiative, S. 39.

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verzeichnete das Strafgericht in Arica, im äußersten Norden des Landes, trotz seiner exponierten Lage im Grenzgebiet zu den drogenproduzierenden Nachbarländern Peru und Bolivien keinen einzigen TTD-Eingang, während 23,5 % aller TTD-Fälle auf das Strafgericht der Kleinstadt Talagante entfielen.314 ff) Detaillierte Bedarfsanalyse Jeder TTD-Kandidat durchläuft in Chile eine doppelte medizinische Bedarfsanalyse.315 Die dupla psicosocial nutzen dabei zunächst den Standardfragebogen ASSIST, um eine Vorauswahl der für den TTD grundsätzlich geeigneten Personen zu treffen. Die abschließende Begutachtung erfolgt dann durch einen Psychiater. Sein Bericht gibt Auskunft über die Bedürfnisse des Kandidaten und legt (soweit benötigt) auch die vorzugswürdige Behandlungsart fest. gg) Vollumfänglich dokumentiertes Einverständnis Vor Aufnahme in das Programm werden die Kandidaten mehrfach über die Ziele und Erwartungen des TTD informiert. Je nach Verfahrensstadium erfolgt dies zuerst durch die dupla psicosocial (Festnahme bei Tatbegehung) oder durch die Staatsanwaltschaft/den Strafverteidiger (laufendes Ermittlungsverfahren). Eine abschließende Belehrung erhalten die Kandidaten im Rahmen der audiencia de ingreso durch den TTD-Richter. Im Unterschied zum Verfahren in den USA unterzeichnen die zukünftigen Teilnehmer jedoch kein schriftliches Dokument, das ihre Rechten und Pflichten noch einmal ausdrücklich bestimmt bzw. praktische Informationen enthält. hh) Zügige Überweisung in Therapie und Rehabilitation Gegenwärtig kann durch die chilenischen TTD nicht gewährleistet werden, dass neue Programmnutzer bereits innerhalb weniger Tage an Therapiemaßnahmen teilnehmen können. Aufgrund des Umstands, dass die für die fachgerechte Begutachtung der TTDKandidaten zuständigen Psychiater (in Santiago de Chile) nur einmal wöchentlich im Gerichtsgebäude weilen, kann die für die Therapieplatzsuche maßgebliche confirmación diagnostica in der Praxis oft nur zeitlich verzögert erfolgen. Die dupla psicosocial darf sich aber erst nach Fertigstellung des jeweiligen Berichts an eine passende Behandlungseinrichtung wenden. Dieser Zeitverzug kann negative Auswirkungen auf die ursprünglich vorhandene Therapiemotivation der Kandidaten haben und ist ein wesentlicher Grund dafür, warum nicht einmal die Hälfte aller an 314 315

Vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 45. Siehe B., II., 3., d), aa), (3).

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sich für den TTD geeigneten Personen formal schließlich auch in das Programm aufgenommen werden. Des Weiteren stelle sich generell das Problem, dass das Therapieangebot trotz erheblicher Fortschritte noch immer nicht vollends ausgereift sei.316 So könne bei der Suche nach einer stationären Betreuung (weitere) wertvolle Zeit verloren gehen, bis sich eine passende Therapieeinrichtung für den Kandidaten gefunden habe. Viele Zentren stünden der Aufnahme erwachsener TTD-Nutzern zudem eher verhalten gegenüber, weil dies für sie im Vergleich zur Betreuung „normalen“ Klienten erheblich größere Dokumentationspflichten und mithin zusätzliche Arbeit (ohne erhöhte finanzielle Vergütung) bedeute. Da die Einrichtungen unter den momentanen rechtlichen Rahmenbedingungen jedoch nicht zu einer Aufnahme gezwungen werden könnten, bedürfe es hierzu gelegentlich Hartnäckigkeit und Verhandlungstalents seitens der zuständigen dupla psicosocial. Zudem könne der Therapiestandard zwischen den einzelnen Einrichtungen deutlich variieren, denn nicht alle Betreuer hätten eine Ausbildung gemäß des RNR-Modells genossen. Auch im Hinblick auf die angebotenen Leistungen bestünden teils gravierende Unterschiede, sodass beispielsweise nicht alle Zentren Zugang zu zusätzlichen Bildungsangeboten bereitstellen können. ii) Unmittelbare, bestimmte und widerspruchsfreie Sanktionierung In der TTD-Praxis fiel positiv auf, dass den Teams die Schwierigkeit des Therapieprozesses für die Nutzer bewusst war und man bei der Sanktionierung erfolgter Verstöße entsprechend mit Nachsicht und Geduld agierte. Größerer Wert sollte in diesem Zusammenhang jedoch auf zwei Aspekte gelegt werden. Zum einen könnte die Erstellung eines verbindlichen Sanktionskatalogs dabei helfen, das Verfahren für die beteiligten Mitarbeiter und Teilnehmer transparenter zu gestalten. Zudem war die Überwachung der Abstinenz der Nutzer zum Teil noch lückenhaft. Screening-Maßnahmen erfolgten zwar nach einem zufälligen Muster, allerdings nicht wöchentlich. An dieser Stelle sollten engmaschigere Urinproben anberaumt werden, um eine angemessene Beurteilung der Teilnehmer durch das Gericht zu garantieren. Im Gegensatz zur Vorgehensweise an US-„Drug Courts“ spielte der Faktor der Belohnungen vorbildlichen Verhaltens keine wesentliche Rolle im chilenischen TTD. Diese standen weit hinter gerichtlichen Sanktionierungen zurück und fanden ihren Ausdruck gelegentlich in verbaler Belobigung sowie Applaus. Abschlusszeremonien zur Verabschiedung erfolgreicher Nutzer wurden, wenn überhaupt, nur sehr unregelmäßig durchgeführt.

316 Vgl. Interview mit einer dupla psicosocial (Strafgericht Santiago de Chile/SENDA) vom 27. 11. 2015. (Dieser Nachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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jj) Fortlaufende Evaluation Die Evaluation der TTD hat sich in Chile bislang auf die statistische Erfassung der Teilnehmerzahlen sowie Programmabläufe (Sitzungsanzahl, Dauer der Verhandlungen etc.) beschränkt. Eine Studie, die die Wirkweise des Programms anhand einer statistischen Befragung der beteiligten Gerichte untersucht, ist durch die Unidad de Seguimiento de TTD erst mit Beginn des Jahres 2014 eingeleitet worden. Der zeitliche Verzug ist damit zu erklären, dass die Ausbreitung der Pilotprojekte zunächst unkoordiniert und auf Initiative regionaler Behörden stattfand. In vielen Programmen wurde der kurzfristige Nutzen für die Teilnehmer über eine profunde, langfristige Gesamtanalyse der TTD gestellt. Mit Beginn des Jahres 2017 hat man die Zuständigkeit für die Erfassung aller Daten bezüglich des Verfahrens vom Justizministerium (insbesondere Unidad Coordinadora) in den Bereich des Gesundheitsministeriums (SENDA) übertragen. Paz Ciudadana erhielt von der chilenischen Regierung für das Jahr 2018 sodann den Auftrag zur Erstellung einer Rückfallstudie anhand dieser Daten. Als problematisch für eine repräsentative Ermittlung der Effektivität des TTDModells könnte sich jedoch in diesem Zusammenhang die weiterhin geringe Teilnehmer- und mithin auch Absolventenzahl erweisen. Auch kann aktuell innerhalb des Justizapparates noch immer nicht effektiv nachvollzogen werden, inwieweit ein TTD-Absolvent erneut rückfällig geworden ist. Bei Begehung einer neuerlichen Straftat mit Drogenbezug existiert kein interner Algorithmus, der einen solchen Rückfall registrieren könnte. Die bislang vorhandenen Statistiken weisen so noch nicht auf eine nachweislich geringere Rückfallanfälligkeit von TTD-Absolventen gegenüber solchen Straftätern hin, die nicht am Programm teilnahmen oder vorzeitig ausschieden. kk) Ausreichende, fortwährende und zweckbestimmte Finanzierung Im Verlauf der Begutachtung ließ sich eine Unterfinanzierung der TTD feststellen, die direkt Konsequenzen für einige Schlüsselbereiche des Verfahrens hat. So kann mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, wie bereits erwähnt, aktuell kein zuverlässiges Drogenscreening der Nutzer durchgeführt werden. Ebenso leiden Maßnahmen, die die soziale Wiedereingliederung der Teilnehmer im Zuge des Programmabschlusses betreffen. Anders als im Programm der USA werden vor und nach Ausscheiden aus dem TTD kaum Aktivitäten hinsichtlich einer beruflichen Reintegration der Teilnehmer unternommen werden.317 Auch muss ein TTD-Absolvent keine feste Arbeits- oder

317 Vgl. Morales/Welsch/Cárcamo/Muñoz, Untersuchung zu den allgemeinen Kosten der Einführung des TTD-Programms auf nationaler Ebene für jugendliche und erwachsene Teilnehmer, S. 58.

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Ausbildungsstelle vorweisen.318 Den Schwerpunkt des Verfahrens bildet demnach allein die gerichtlich betreute Therapie, obwohl eines der Hauptziele des „Drug Court“-Systems gerade die vollumfängliche Reintegration der Teilnehmer in das gesellschaftliche Leben einschließlich der (Wieder-)Aufnahme eines Berufs bzw. einer Ausbildung ist. Im Allgemeinen endet die individuelle Betreuung des Kandidaten im TTD damit unbefriedigender Weise schon mit Abschluss der Therapie: „Generell finde ich, dass der Zusammenhang zwischen Droge und Delikt oft zu eindimensional gesehen wird. Es ist nicht allein entscheidend, abstinent zu werden. Auch die Lebensumstände (sozio-laborales Umfeld, Wohnort) haben erheblichen Einfluss darauf, ob jemand rückfällig wird oder eben nicht. Es muss daher vielmehr getan werden, als nur zu therapieren.“319

Langfristig gesehen, birgt eine Beschränkung und Ausklammerung der wirtschaftlichen Lebensumstände jedoch das Risiko, dass der Absolvent in alte Verhaltensmuster zurückfällt und erneut Drogen konsumiert bzw. straffällig wird.320 Viele TTD-Nutzer sind vor ihrer Teilnahme am Programm keiner geregelten Arbeit nachgegangen.321 Dementsprechend verfügen sie meist auch über keine Krankenversicherung oder sonstigen sozialen Schutz. Eine denkbare Variante wäre es zum Beispiel, die lokalen Arbeitsämter mit der Integration der TTD-Absolventen zu betrauen, sobald man dort einen Teil des Angebots auf diese Zielgruppe angepasst hat.322 Bei TTD-Nutzern, die bei Programmaufnahme einer Arbeit nachgehen, kann dagegen der Konflikt entstehen, dass sie aufgrund beruflicher Verpflichtungen nicht alle Behandlungsmaßnahmen des Therapieplans wahrnehmen können. An dieser Stelle könnte ein Sozialfond Abhilfe schaffen, der etwa in Form der Zahlung eines Lohnausgleichs eine regelmäßige Mitwirkung garantiert. Daneben gibt es in Chile im Wege des von SENDA geleiteten VAIS-Programms323 zwar erste Bestrebungen hin zur Förderung betreuten Wohnens, jedoch sind die finanziellen Mittel dieser Initiativen begrenzt.324 Defizite, die die TTD hinsichtlich der 318 Vgl. Interview mit jeweils zwei TTD-Richtern (Strafgericht Santiago de Chile) vom 26.11. und 04. 12. 2015. 319 Vgl. Interview mit Catalina Droppelmann (Paz Ciudadana) vom 04. 02. 2016, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 320 Vgl. Droppelmann, Analyse des Einführungsprozesses der TTD in Chile, S. 39. 321 Siehe B., II, 3., c), bb). 322 Vgl. Interview mit zwei TTD-Strafverteidigern (Strafgericht Santiago de Chile) vom 11. 12. 2015. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 323 Viviendas de Apoyo a la Integración Social („Wohnungen zur Unterstützung der sozialen Wiedereingliederung“). 324 Aktuell gibt es landesweit acht solcher Projekte, vgl. SENDA, Wohnungen zur Unterstützung der sozialen Wiedereingliederung.

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Bereitstellung von Wohnraum aufweisen, werden gegenwärtig durch die in Lateinamerika typischerweise engen Familienbande und ein Leben im gemeinsamen Haushalt kompensiert. Zur effektiveren Gewinnung von Partnerorganisationen und materieller Unterstützung durch staatliche Institutionen müsste jeder TTD möglichst über einen eigenen, fest angestellten Programmkoordinator verfügen. Dieser sollte geübt in der Beantragung entsprechender Fördermittel sein sowie Erfahrung in der Pflege informeller Netzwerke besitzen. ll) Änderungen der zugrundeliegenden Bestimmungen Am Beispiel der TTD Chiles lässt sich die Daseinsberechtigung dieses abschließenden UNODC-Erfolgsfaktors sehr gut nachvollziehen. Seit Beginn des ersten Pilotprojekts im Jahr 2004 befindet sich das Programm nach nunmehr 15 Jahren noch immer in der „Erprobungsphase“, ohne sich dabei auf eine eigene Gesetzesgrundlage zu stützen. Jedoch hat der Rückgriff auf die zuvor bereits vorhandene rechtliche Figur der Verfahrensaussetzung es erlaubt, die Prinzipien des Programms ungeachtet dieses Umstands landesweit und ohne größere politische Verwerfungen in das chilenische Rechtssystem zu integrieren. Hätte man vor Einführung der TTD zunächst den Gesetzgebungsprozess abgewartet, wäre das Projekt mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit nie in der gerichtlichen Praxis angekommen. Nichtsdestotrotz stellt das Fehlen einer gesetzlichen Verankerung der TTD nach wie vor das größte Hindernis für eine Weiterentwicklung des Programms dar. Aufgrund des erforderlichen „Umwegs“ über die SCP liegt die Durchführung des Verfahrens infolge des offen formulierten Art. 238 h) CPP („jede weitere Auflage“) in den Händen der beteiligten Organe der Rechtspflege, insbesondere des Richters und der Staatsanwaltschaft. Diese haben die Befugnis mittels Auflagenerteilung die genauen Konditionen des Verfahrens zu bestimmen. Bei aller Flexibilität, die den juristischen Akteuren hierdurch im Sinne einer individuellen Prozessgestaltung zur Verfügung steht, erschwert dies andererseits die Gewährleistung eines einheitlichen, qualitativ hohen Verfahrensstandards. Überdies ist die Anwendung der Ausnahmeregelungen zur Beantragung einer Verfahrensaussetzung für schwerere Delikte (Art. 237 Abs. 4 CPP) allein in das Ermessen der Staatsanwaltschaft gestellt. Ebenso wenig existiert ein rechtlich verbindlicher Leitfaden, der die Richter über Standards zur korrekten Abhaltung von TTD-Sitzungen informiert. Bereits bei Einführung der TTD wurde daher die Verabschiedung eines gesonderten Gesetzes bzw. eine Erweiterung der Bestimmungen der chilenischen Strafprozessordnung mit dem Ziel einer „Mechanisierung“ der Audienzen empfohlen.325

325 Vgl. Guerra Araya, Strategische rechtliche Werkzeuge zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter, S. 20.

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Im chilenischen Justizministerium ist man sich dieser Problematik bewusst, musste sich jedoch angesichts anderweitiger Prioritäten im Gesetzgebungsprozess und Ressourcenkürzung zunächst mit der Verabschiedung des TTD-Verfahrenshandbuchs begnügen. So waren zu Beginn des Jahres 2018 innerhalb der Abteilung für soziale Wiedereingliederung lediglich zwei Ministeriumsmitarbeiter tätig, zu deren Zuständigkeitsbereich die TTD gehörten. mm) Zwischenergebnis Insgesamt lässt sich zur Einhaltung der UNODC-Erfolgskriterien durch die TTD festhalten, dass diesbezüglich in der chilenischen Rechtspraxis zum Teil noch deutliche Reserven bestehen. Positiv fiel zunächst auf, dass die TTD-Richter es trotz des oftmals schwierigen Charakters der Teilnehmer sehr gut verstanden, diese zu einem Dialog über ihre Erfahrungen im Programm zu bewegen. Im Wege eines „Zuckerbrot und Peitsche“ ähnlichen Konzepts schafften sie es, sich einerseits in Geduld und Empathie gegenüber den Nutzern zu üben und sich auf ihre Lebensumstände einzulassen. Andererseits griffen sie im Fall wiederholter Verstöße auch durch und scheuten sich nicht davor, Programmausschlüsse auszusprechen. Innerhalb der TTD-Teams agierten die Richter offen für Ratschläge anderer Mitglieder. Die Kooperationsbereitschaft im Team war generell sehr hoch. Durch die teilweise jahrelange Zusammenarbeit im TTD hat man sich kennen und schätzen gelernt. Daher sollte die Bildung stabiler Teams samt einer Entlastung der Mitglieder an anderer Stelle einen Hauptschwerpunkt bei der Verbesserung des Programms darstellen. Insbesondere trifft dies für die Arbeitsauslastung der dupla psicosocial zu, die den Großteil der administrativen Arbeit verrichten und in ständigem Kontakt mit den Nutzern stehen. Auf diese Weise könnte auch mehr Zeit für eine angemessene Vorbereitung der TTD-Blocksitzungen geschaffen werden. Ansprechend ist bereits heute die Analyse des Bedarfs der TTD-Kandidaten. Aufgrund der doppelten Befragung durch dupla psicosocial und Psychiater kann beinahe ausgeschlossen werden, dass Personen ohne ernsthaftes Drogenproblem am TTD teilnehmen. Dem Modell kommt es ebenfalls zu Gute, dass inzwischen ein für alle Beteiligten verbindliches Verfahrenshandbuch existiert, das u. a. diesen Punkt übersichtlich und leicht verständlich festhält. Nichtsdestotrotz ließen sich auch einige kritische Bemerkungen zur TTD-Praxis treffen. So ist es für neue Mitarbeiter schwierig, Schulungen zum Programm zu erhalten. Gleichermaßen werden nur sehr wenige Fortbildungen für die etablierten TTD-Teams angeboten, weshalb vieles im TTD aktuell noch anhand des Prinzips learning by doing geschieht. Ähnlich unausgereift stellt sich die Lage hinsichtlich der Bereitstellung von sozialen Wiedereingliederungsmaßnahmen dar, die insbesondere die Berufs- und Wohnungssuche kommender TTD-Absolventen betreffen.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Größere Aufmerksamkeit sollte daneben einer zügigeren Überweisung der Kandidaten in Therapiemaßnahmen zukommen. Hierzu bietet sich die feste Anstellung eines Psychiaters beim jeweiligen TTD an, sodass diese die Erstuntersuchung der dupla psicosocial möglichst unmittelbar verifizieren können. Ein breiteres Angebot an Therapieplätzen sollte sodann zur schnelleren Verteilung der Nutzer zur Verfügung stehen, um einem möglichen Motivationsverlust unter ihnen vorzubeugen. Zur Überwachung des Therapieprozesses und angemessenen Beurteilung der Teilnehmer durch das Gericht müssen im Rahmen des Programms regelmäßigere Screening-Termine gewährleistet werden. Alle diese Maßnahmen sind mit der Notwendigkeit einer höheren Finanzierungsbereitschaft staatlicherseits verbunden. Gleiches trifft auf die Notwendigkeit einer professionellen Ermittlung und Bewertung der Rückfallquoten von TTD-Teilnehmern sowie den Ausbau des Angebots sozialer Wiedereingliederungsmaßnahmen im Bereich Arbeit und Wohnen zu. Die Verabschiedung eines TTD-Gesetzes könnte insbesondere letzterem Anliegen einen deutlichen Schub verleihen. Zwar hat der Umweg über die bereits vorhandene rechtliche Figur der SCP dazu geführt, dass man mit einer Erprobung des Programms überhaupt beginnen konnte. Jedoch sollte nunmehr auf politischer Ebene die Ernsthaftigkeit zur verbindlichen Umsetzung des Modells unterstrichen werden. Mittels eines solchen Gesetzes ließe sich zudem eine Erweiterung des Teilnehmerkreises ohne eine Bindung an die starre 3-Jahres-Frist der SCP realisieren und einer „Überbetreuung“ von low-risk-offenders im TTD entgegenwirken. g) Arbeitsweise der TTD für Jugendliche Obgleich es bis zum Jahr 2016 in ganz Chile lediglich ein TTD-Pilotprojekt für Jugendliche gab, befindet sich der Institutionalisierungsprozess aktuell in vollem Gange.326 Als ein wesentlicher Unterschied zum TTD für Erwachsene ist zunächst zu erwähnen, dass bei Jugendlichen auch schwerere Delikte die Grundlage für eine Aufnahme in den TTD darstellen können, ohne dass es hierzu einer Ausnahmeentscheidung durch die Staatsanwaltschaft bedarf. Nach Art. 7 des Chilenischen Jugendstrafgesetzbuchs (Gesetz Nr. 20.084, Ley de Responsabilidad Penal Adolescente) ist der gesetzliche Strafrahmen für jugendliche Täter im Alter von 14 – 18 Jahren nämlich stets um ein Jahr herabzusenken. Dementsprechend können hierbei im Unterschied zur eigentlichen Obergrenze des Art. 237 a) CPP auch Angeschuldigte mit einer (theoretischen) Straferwartung von bis zu 4 Jahren am TTD-Programm teilnehmen. Dies führt zu der nicht unbedeutenden Erweiterung des möglichen Deliktskatalogs um die praktisch äußerst relevanten (und für Strafverteidiger attraktiven) qualifizierten Raubtaten.

326

Siehe B., II., 3., a).

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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Auch hinsichtlich des Aufnahmeverfahrens ergeben sich zum bereits dargelegten Ablauf der TTD für Erwachsene einige kleinere Abweichungen, die aus der Minderjährigkeit des Kandidaten und der Zuständigkeit des „Staatlichen Dienstes für Minderjährige“ SENAME (Servicio Nacional de Menores) resultieren.327 Jegliche Kontaktaufnahme durch die dupla psicosocial muss so zunächst mit dem Strafverteidiger abgestimmt werden. Auch ist während des Gesprächs mit dem Psychiater (confirmación diagnóstica) die Anwesenheit eines der Erziehungsberechtigten zwingend vorgesehen, nicht zuletzt, um dessen Bezugspersonen kennenzulernen. Zudem gibt es mit der zuständigen dupla psicosocial ein zusätzliches Gespräch bezüglich der konkreten Risikofaktoren des Kandidaten (entrevista de evaluación de factores de riesgo y protectores asociados a la conducta infractora), in deren Anschluss SENAME über das Ergebnis informiert werden muss. Schließlich ist, soweit die audiencia de ingreso positiv verlaufen sollte, die Zustimmung von SENAME zur Aufnahme des Jugendlichen in das TTD-Programm erforderlich. Nach erfolgter Aufnahme sollen die TTD-Folgesitzungen der jugendlichen Teilnehmer blockweise und von denen der erwachsenen Nutzer getrennt abgehalten werden, sofern das jeweilige Gericht über entsprechende Kapazitäten bzw. Teilnehmerzahlen verfügt. Hierdurch soll den unterschiedlichen Entwicklungsstadien in persönlicher wie sprachlicher Hinsicht Rechnung getragen werden. Als häufigste Ursache für Komplikationen in der Zusammenarbeit zwischen TTD-Team und TTD-Nutzer wurde von beteiligten Akteuren die unzuverlässige Motivationslage der Minderjährigen benannt. In Anbetracht ihres noch jungen Alters verspürten diese zumeist nicht in dem gleichen Maße wie Erwachsene ein Verantwortungsbewusstsein für ihre Familie oder die eigene wirtschaftliche Situation, was dem Durchstehen einer Therapie nicht gerade zuträglich sei.328 Bezüglich der Gestaltung der Therapie existiert für Jugendliche die Möglichkeit einer kurzzeitigen Einweisung in ein Krankenhaus (hospitalización de corta estadía), die im Fall schwerer Entzugserscheinungen auf bis zu 60 Tage erweitert werden kann.329 Soweit es ihr Therapieverlauf zulässt, ist die regelmäßige Teilnahme an der Schulbildung bzw. an berufsbildenden Programmen zu gewährleisten. Für den Fall, dass während der Behandlung ernstere Probleme auftreten, berät sich die dupla psicosocial im Rahmen eines Arbeitstreffens mit den zuständigen Mitarbeitern von SENAME und des Therapiezentrums. Sie ist überdies angehalten, den Jugendlichen 327

Vgl. Morales/Welsch/Cárcamo/Muñoz, Untersuchung zu den allgemeinen Kosten der Einführung des TTD-Programms auf nationaler Ebene für jugendliche und erwachsene Teilnehmer, S. 61 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 328 Vgl. Interviews mit jeweils zwei TTD-Richtern (Strafgericht Santiago de Chile) vom 26.11. und 04. 12. 2015. 329 Vgl. Morales/Welsch/Cárcamo/Muñoz, Untersuchung zu den allgemeinen Kosten der Einführung des TTD-Programms auf nationaler Ebene für jugendliche und erwachsene Teilnehmer, S. 62. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

in der Zeit nach seiner Entlassung aus dem TTD zumindest zweimal monatlich zu kontaktieren und in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft einen eventuellen Rückfall zu registrieren. Parallel hierzu verfolgen die Therapiezentren die Entwicklung dieser TTD-Absolventen für einen Zeitraum von ein bis drei Jahren und informieren die dupla psicosocial quartalsweise im Berichtswege. h) Zusammenfassung Als erster Staat Lateinamerikas befasst sich Chile seit dem Jahr 2004 mit der Installation eines landesweiten „Drug Court“-Modells. Dieser Prozess begann zunächst vielversprechend und zielorientiert im Wege der staatlich finanzierten Pilotprojekte in Valparaíso und Santiago. Dabei gelang es, sowohl staatliche Institutionen wie auch Juristen und Therapeuten für die Förderung bzw. (freiwillige) Mitarbeit im TTD zu begeistern. Zudem konnte mittels der SCP eine passende rechtliche Figur für das Programm gefunden und dieses ohne die Notwendigkeit einer Gesetzesreform in die Gerichtspraxis überführt werden. Zugelassen zur Teilnahme am TTD sind demnach Täter leichter bis mittelschwerer Straftaten mit einer Strafandrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, soweit sie über keinerlei Vorstrafen verfügen. Auf dieser Grundlage konnte das Modell in den vergangenen Jahren auf weitere Regionen Chiles und darüber hinaus an einigen Orten auch auf jugendliche Straftäter übertragen werden. Die aktuelle Gesamtsituation der TTD kann jedoch nicht uneingeschränkt positiv beurteilt werden. Zwar ist es gelungen, die Pilotprojekte in verbindliche, landesweit verfügbare Programme zu überführen, jedoch lasse der eigentliche „Durchbruch“ des Verfahrens im Sinne einer anerkannten Größe innerhalb des chilenischen Strafprozesses weiterhin auf sich warten.330 Dies liegt vor allem darin begründet, dass man es versäumte, die Ausstattung der ersten TTD kontinuierlich zu verbessern. Stattdessen wurden weitere Strafgerichte im Land mit der Durchführung des Programmes betraut, ohne den dortigen Akteuren ausreichendes know how und ein funktionierendes Netzwerk von Therapiezentren und sozialen Hilfseinrichtungen bereit zu stellen. Auch die insgesamt recht niedrigen Teilnehmerzahlen lassen den Schluss zu, dass die Ausbreitung der TTD auf die chilenischen Regionen überstürzt geschehen ist. Diese Politik des „zweiten vor dem ersten Schritt“ lässt sich ebenfalls anhand der ungenügenden Aus- bzw. Fortbildung vieler am TTD beteiligter Juristen sowie der knappen Ressourcen für Maßnahmen zur Therapierung, Überwachung (Screening) und sozialen Wiedereingliederung der Nutzer nachvollziehen. Dabei könnte es gerade auf die Weise gelingen, die intensive, persönliche Arbeit der TTD-Teams mit den Programmnutzern zu nachhaltigen Erfolgen zu führen. 330

Vgl. Moreno, TTD: Eine ambitionierte Initiative, S. 39.

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Zu begrüßen ist es indes, dass sich die beteiligten Institutionen nunmehr auf ein allgemein gültiges Verfahrenshandbuch einigen konnten. Diese Arbeitsvorlage dürfte stark dazu beitragen, zukünftig eine feste und verlässliche Struktur des TTDProgramms zu schaffen und die Qualität der gerichtlichen und therapeutischen Betreuung anzugleichen. Ebenso positiv zu bewerten ist die nunmehr vorgesehene Erstellung einer repräsentativen Rückfallstudie durch Paz Ciudadana. Die bislang vorhandenen Rückfallstudien konnten infolge ihrer wenig repräsentativen Teilnehmerzahl nur begrenzt als Grundlage einer Beurteilung der Effizienz des Modells dienen. Vor diesem Hintergrund sollte die Steigerung der Teilnehmerzahlen absolute Priorität besitzen und deren Lebenswege auch nach einem Ausscheiden aus dem TTD konsequenter weiterverfolgt werden. Darüber, dass eine Steigerung der Teilnehmerzahlen maßgeblich für den zukünftigen Erfolg des Programms sein wird, besteht Einigkeit zwischen den beteiligten Institutionen.331 Neben einer verbindlichen Institutionalisierung der TTD einschließlich einer Lockerung der Teilnahmebedingungen müsse es generell das Ziel sein, die Bekanntheit des Programms im Justizsektor, beispielsweise mittels häufigerer Seminare oder Rundmails, zu steigern. Auf diese Weise könnten während des Ermittlungsverfahrens weitere Kandidaten für das TTD-Verfahren identifiziert und einer Erstbefragung durch die dupla psicosocial zugeführt werden. Aus den positiven Erfahrungen in Talagante ist zu erkennen, dass der Erfolg eines TTD in Chile nicht von dessen städtischer oder ländlicher Lage, sondern überwiegend von der individuellen Bereitschaft und zeitlichen Verfügbarkeit seiner Akteure zur Umsetzung des Programms abhängig ist. Vielerorts sind die TTD-Teams hierfür noch zu instabil, was nicht zuletzt auf deren arbeitsmäßige Überlastung zurückzuführen ist. Im TTD tätige Personen, die oftmals mit großem persönlichen Engagement und Hingabe für das Programm arbeiten, sollten auch in finanzieller Hinsicht Verbesserungen erfahren. Im Allgemeinen fehlt es dem Programm in Chile noch an einer gewissen „Lobby“, die zu einer größeren Wahrnehmung des Modells und Erhöhung der finanziellen Unterstützung führen könnte. Daher wird sich die weitere Zukunft der TTD wohl in den Parlamentsausschüssen entscheiden. Nur wenn es innerhalb dieser Beratungen gelingen sollte, den TTD-Gesetzesentwurf in ein mehrheitsfähiges Gesetz zu überführen, könnte dies das „Schattendasein“ des Programms als inzwischen fast fünfzehnjähriges Pilotprojekt beenden und den entscheidenden Schritt hin zu einer uneingeschränkten Akzeptanz und Förderung des Verfahrens bedeuten.

331

Vgl. Contreras/Urra/Díaz/Villalobos, TTD in Chile – Diagnose und Prognosen, S. 72.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

4. Der „Drug Treatment Court“ von Gent (Belgien) a) Überblick zur Entstehungsgeschichte Wie bereits kurz im Rahmen von Kapitel I erwähnt, wurde der erste belgische DTC 2008 in Gent eröffnet.332 Schon seit 2005 existiert am selben Ort daneben auf staatsanwaltschaftlicher Ebene das sog. Proefzorg-Verfahren.333 Im Verlauf seiner ersten zehn Jahre (2005 – 2015) hat dieser Proefzorg nach eigenen Angaben 1.585 Personen betreut.334 Parallel hierzu arbeitet die Staatsanwaltschaft in Lüttich mittels des sog. Narcotic Adviser Programme (Conseiller stratégique drogue). Beide Verfahren sind einem gerichtlichen Prozess vorangestellt und sollen drogenabhängigen Beschuldigten (leichter bis mittlerer Kriminalität) im Wege einer vorläufigen Einstellung unter Auflagen die Teilnahme an einer therapeutischen Behandlung ermöglichen. Im Laufe der Jahre vor Schaffung dieser rechtlichen Alternativen waren die beteiligten justiziellen Akteure zu der Einsicht gelangt, dass die traditionelle Verfahrensweise einer polizeilichen/staatsanwaltschaftlichen Reaktion auf drogenabhängige Straftäter gescheitert war und nur noch als ultima ratio eingesetzt werden sollte.335 Aufgrund ihrer personellen Unterbesetzung und generell limitierten Kenntnis von Suchterkrankungen konnte es weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft erwartet werden, dem sozialen Phänomen des Drogenkonsums und seinen Ursachen angemessen zu begegnen.336 Zur Vermeidung einer Freiheitsstrafe verhalfen zudem einige Strafverteidiger ihren Mandanten zunächst zu einer Therapie (meist im Rahmen einer Bewährung), bemühten sich allerdings nach dem Urteilsspruch nicht weiter um diese.337 Die Rückfallraten waren entsprechend hoch und standen in keinem Verhältnis mehr zu den aufgewendeten finanziellen Ressourcen.338 Daher mussten Alternativen gefunden werden, drogensüchtige Straftäter nicht nur einer Therapie zuzuführen, sondern diese zur Vermeidung von Inhaftierungen auch im weiteren Verlauf eng zu begleiten. Im Wege eines Stipendiums wurde im Jahr 2007 einem Genter Richter sowie einer Staatsanwältin die Möglichkeit zuteil, an verschiedenen „Drug Courts“ in den USA 332

Siehe B., I., 3., e). Vgl. Berteloot, Aktuelle Entwicklungen bezüglich quasi-erzwungener Behandlung innerhalb des belgischen Strafjustizsystems, S. 9. 334 Vgl. Interview mit dem Proefzorg-Manager des Strafgerichts Gent vom 09. 10. 2017, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 335 Vgl. De Keulenaer/Thomaes/Colman/Vander Laenen/Vanderplasschen/De Ruyver, Bewertung des DTC-Pilotprojekts am Strafgericht Gent, S. 1. 336 Vgl. De Keulenaer/Thomaes/Colman/Vander Laenen/Vanderplasschen/De Ruyver, Bewertung des DTC-Pilotprojekts am Strafgericht Gent, S. 1. 337 Vgl. Dangreau/Serlippens, in: Cooper/Lomba/Chisman, Drug Treatment Courts: Eine internationale Antwort auf drogenabhängige Straftäter, S. 87. 338 Vgl. Dangreau/Serlippens, in: Cooper/Lomba/Chisman, Drug Treatment Courts: Eine internationale Antwort auf drogenabhängige Straftäter, S. 87. 333

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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und Kanada zu hospitieren und das dahinter stehende Modell in der Praxis kennen zu lernen.339 Nachdem sie sich von der Wirksamkeit des Programms überzeugt hatten, entwickelten sie nach ihrer Rückkehr in Zusammenarbeit mit der örtlichen Staatsanwaltschaft, Strafverteidigern, Vertretern von Therapiezentren und Sozialarbeitern die Grundlage für den ersten DTC Belgiens. Der Standort Gent bot sich dabei an, da der Gerichtsbezirk über ein gut organisiertes Netz aus Therapiezentren verfügte und die Stadt darüber hinaus sehr schnell ihre Unterstützung signalisierte. Nach einer achtmonatigen Abstimmungsphase konnte die Arbeitsgruppe einen entsprechenden Entwurf beim belgischen Justizministerium340 einreichen, das den Antrag schließlich positiv beschied und die notwendigen finanziellen Mittel für die Einstellung zusätzlichen Personals zur Verfügung stellte. Am Strafgericht in Gent wurde bald darauf (zum 01. 05. 2008) eine eigene DTC-Kammer eingerichtet. Die wissenschaftliche Begleitung des Pilotprojekts übernahm die Universität Gent.341 Bereits die Ergebnisse der ersten, quantitativen Studie342 fielen vielversprechend aus: in über 70 % der Fälle gelang es, DTC-Kandidaten zur Aufnahme einer Therapie zu bewegen, wobei etwa die Hälfte der Behandlungen erfolgreich absolviert wurde. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen beriet man auf Regierungsebene in der Folge immer wieder darüber, dieses sog. „Gent-Modell“ zu institutionalisieren und auf ganz Belgien zu übertragen. Inzwischen gibt es seit 2015/2016 im Land zwei weitere Pilotprojekte in den Gerichtsbezirken Brügge und Antwerpen. Bis einschließlich Mai 2016 wurden am DTC in Brügge 63 Teilnehmer aufgenommen, wobei von den 46 bis zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen Verfahren 27 (58,7 %) einen positiven Ausgang gefunden hatten.343 Demgegenüber hatte die sog. Drugopvolgingskamer in Antwerpen bis zum Ende des Jahres 2017 36 Nutzer in ihr zehnmonatiges Programm integriert, von denen nur vier Personen vorzeitig in das traditionelle gerichtliche Verfahren zurückgekehrt waren.344

339 Vgl. Dangreau/Serlippens, in: Cooper/Lomba/Chisman, Drug Treatment Courts: Eine internationale Antwort auf drogenabhängige Straftäter, S. 87, 90. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 340 In Belgien ist es jeder Staatsanwaltschaft und jedem Gericht innerhalb der 27 existierenden Gerichtsbezirke mit Genehmigung des Justizministeriums erlaubt, Pilotprojekte ohne die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung zu initiieren. 341 Vgl. Berteloot, Aktuelle Entwicklungen bezüglich quasi-erzwungener Behandlung innerhalb des belgischen Strafjustizsystems, S. 10 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 342 Vgl. De Keulenaer/Thomaes/Colman/Vander Laenen/Vanderplasschen/De Ruyver, Bewertung des DTC-Pilotprojekts am Strafgericht Gent, S. 5 ff. 343 Vgl. De Vos, „Drug Treatment Court“ 2.0: das „Brügge-Modell“, S. 1, 54. 344 Vgl. Openbaar Ministerie, Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Antwerpen.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

b) Rechtlicher Hintergrund des Programms Der Genter DTC arbeitet seit seiner Einführung auf der Grundlage einer institutionenübergreifenden Vereinbarung, die zwischen dem belgischen Justizministerium, dem Gesundheitsdienst Ostflandern, dem Gerichtspräsidenten des Amtsgerichts Gent, der Staatsanwaltschaft Gent, dem Vorsitzenden der Genter Anwaltskammer sowie dem Koordinator der Genter Gerichte geschlossen wurde.345 Diese definiert neben den Zielen des Programms auch die Zuständigkeiten der beteiligten Behörden. Außerdem sind Festlegungen zur Projektevaluation und -finanzierung enthalten. Ergänzend zu diesen Regelungen existiert ein internes Verfahrenshandbuch, das allerdings keine rechtliche Bindungswirkung für die Akteure entfaltet und vorwiegend Verständniszwecken dient.346 Im DTC-Verfahren selbst findet das gesamte Belgische Strafgesetzbuch (Code pénal/Strafwetboek) einschließlich Nebengesetzen Anwendung.347 Von zentraler Bedeutung für das Programm ist daneben Art. 9 des Gesetzes über den Handel mit Giftstoffen, Schlafmitteln, Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen, Desinfektions- oder antiseptischen Mitteln und mit Stoffen, die zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen verwendet werden können (Drugswet).348 Danach gelten für einige Fälle von Drogenkriminalität erleichterte Voraussetzungen für eine Anwendung der Bestimmungen zur Bewährung (probatie). Normalerweise kann gemäß der Art. 3 und 8 des Gesetzes über die Aussetzung, den Aufschub und die Bewährung (Probatiewet)349 eine Strafe dann nicht zur Bewährung ausgesetzt bzw. ihre Vollstreckung aufgeschoben werden, wenn beim Angeklagten Vorstrafen von über sechs bzw. zwölf Monaten vorliegen. Art. 9 Drugswet erlaubt es, die Strafe bezüglich einer Tat mit Drogenbezug ungeachtet dieser Voraussetzungen zur Bewährung auszusetzen/ihre Vollstreckung aufzuschieben. Innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens hat das Gericht so die Möglichkeit, die Teilnahme eines Angeklagten am Programm und dessen Bemühungen strafmildernd im Rahmen seines Urteils zu berücksichtigen.

345

Vgl. Gemeinsames Protokoll über die Zusammenarbeit im „Drug Treatment Court“ – Pilotprojekt, zuletzt erneuert mittels „Annex VI“ (Addendum VI) vom 15. 12. 2015. 346 Vgl. Interview mit dem DTC-Staatanwalt des Strafgerichts Gent vom 09. 10. 2017, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 347 Vgl. Interview mit dem DTC-Staatanwalt des Strafgerichts Gent vom 09. 10. 2017. 348 Wet tot wijziging van de wet van 24 februari 1921 betreffende het verhandelen van gifstoffen, slaapmiddelen en verdovende middelen, psychotrope stoffen, ontsmettingsstoffen en antiseptica en van de stoffen die kunnen gebruikt worden voor de illegale vervaardiging van verdovende middelen en psychotrope stoffen, siehe hierzu den Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘-Verfahren“. 349 Wet van 29 juni 1964 betreffende de opschorting, het uitstel en de probatie, siehe hierzu den Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘-Verfahren“.

II. „Drug Courts“ in der Praxis

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c) Akteure und Teilnehmer im Genter DTC Gemäß der zwischen den beteiligten Institutionen getroffenen Vereinbarung soll sich ein Teilnehmer während seiner Zeit im Verfahren idealerweise einem personell stabilen DTC-Team gegenübersehen.350 Der Genter DTC steht daher unter der Leitung zweier Richter, die sich jeweils wöchentlich in der Durchführung der Verhandlungen abwechseln.351 Auf Seiten der Staatsanwaltschaft sind zwei Juristen für die Betreuung der DTC-Fälle zuständig. Demgegenüber werden die DTC-Teilnehmer von einer Vielzahl an Strafverteidigern vertreten, die inzwischen aber nach Angaben des Gerichts mit dem Verfahren vertraut sind. Als Bindeglied zwischen Justiz und Therapie fungieren innerhalb des DTCTeams zusätzlich zum Programmkoordinator zwei ebenfalls staatlich finanzierte liaisons.352 Als Sozialarbeiter übernehmen sie die Abstimmung mit den im Programm involvierten Behandlungszentren und helfen den DTC-Nutzern, die passende Einrichtung zu finden bzw. bei Bedarf in eine andere Therapieform zu wechseln.353 Neben ca. 60 Therapieeinrichtungen (stationär wie ambulant) gibt es im Gerichtsbezirk Gent etwa 100 soziale Dienste, deren Leistungen angefordert werden können.354 Die Nutzer des Genter DTC sind überwiegend männlich (77 %), niederländisch sprechend und zwischen 21 und 41 Jahren alt.355 Besonders oft weisen Teilnehmer einen problematischen Konsum hinsichtlich der Substanzen Heroin, Kokain, Amphetamine und Cannabis auf, während Alkoholiker eher selten anzutreffen sind. Die meisten von ihnen sind nicht zum ersten Mal in Konflikt mit der Justiz geraten, wobei in 40 % der Fälle sogar ein laufendes (Bewährungs-)Verfahren bestand. Einer Verweisung in den DTC liegen in etwa gleichen Teilen Beschaffungskriminalität (insbesondere Diebstahl/Raub), Drogendelikte (Besitz/Handel) und gescheiterte Proefzorg-Verfahren356 zu Grunde.

350 Vgl. Gemeinsames Protokoll über die Zusammenarbeit im „Drug Treatment Court“ – Pilotprojekt. 351 Stand: Oktober 2017 (letzter persönlicher Besuch des Verfassers). 352 Vgl. Gemeinsames Protokoll über die Zusammenarbeit im „Drug Treatment Court“ – Pilotprojekt. 353 Vgl. De Keulenaer/Thomaes/Colman/Vander Laenen/Vanderplasschen/De Ruyver, Bewertung des DTC-Pilotprojekts am Strafgericht Gent, S. 1. 354 Vgl. Interview mit Programmkoordinator des Genter DTC vom 05. 12. 2016, die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. 355 Vgl. De Keulenaer/Thomaes/Colman/Vander Laenen/Vanderplasschen/De Ruyver, Bewertung des DTC-Pilotprojekts am Strafgericht Gent, S. 6 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 356 Weiterführend zum Proefzorg siehe B., II., 4., d), aa) unmittelbar anschließend.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

d) Zum grundlegenden Verfahrensablauf aa) Optionaler Proefzorg Wie bereits erwähnt, durchläuft ein bestimmter Kreis von Beschuldigten vorgeschaltet zum gerichtlichen Verfahren des DTC zunächst den unter Leitung der Staatsanwaltschaft stehenden Proefzorg.357 Die rechtliche Grundlage hierfür ergibt sich aus Art. 216ter des Belgischen Strafprozessgesetzbuchs (Code d’instruction criminelle/Wetboek van Strafvordering).358 Als wesentliche Zugangsvoraussetzung zu dieser, unter das rechtliche Instrument der Mediation gefassten Maßnahme darf die angeklagte Tat eine Strafandrohung von zwei Jahren Haft nicht überschreiten. Ziel des Proefzorg ist es, drogenabhängige Straftäter so früh und schnell wie möglich einer Therapie zuzuführen, um kriminellen Rückfällen vorzubeugen und eine (vorstrafenfreie) Reintegration in die Gesellschaft zu fördern. Hauptverantwortlich hierfür ist der sog. Proefzorg-Manager, der die notwendige Koordination zwischen Justiz und Therapie übernimmt. Ihm stehen als Ansprechpartner auf Behandlungsseite zwei übergeordnete Therapiezentren zur Verfügung. Der jeweils zuständige Staatsanwalt entscheidet zunächst darüber, ob sich aus der ihm vorliegenden Aktenlage ausreichende Anhaltspunkte hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen Tat und Abhängigkeit eines Beschuldigten ergeben. Soweit dies der Fall sein sollte, übersendet er dessen Akte dem Proefzorg-Manager, der den Beschuldigten zu einem persönlichen Gespräch in sein Büro einlädt. Auf der Grundlage der hieraus gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich Motivationslage und Therapiebedürftigkeit des Kandidaten kann dieser ins Programm aufgenommen und dort entweder einem Kurzzeit- oder Langzeit-Proefzorg zugeordnet werden. Die Entscheidung richtet sich für gewöhnlich danach, inwieweit der Beschuldigte drogenbezogene Vorstrafen und Probleme in anderen Lebensbereichen aufweist, die über die Abhängigkeit hinausgehen. Die Langzeitvariante setzt vor Aufnahme einer Therapie drei Gespräche mit einer der beiden koordinierenden Behandlungseinrichtungen voraus, während dies beim Kurzzeit-Proefzorg auf einen Termin beschränkt ist. Die maximale Verweildauer im Programm beträgt insgesamt sechs Monate und beginnt mit dem Zeitpunkt der Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem. Der Nutzer hat dem Proefzorg-Manager monatlich Behandlungsnachweise vorzulegen. Bei erfolgreichem Abschluss der Therapie kommt es zur Einstellung des Verfahrens, ohne dass der Teilnehmer einen Eintrag in das Vorstrafenregister erhält. Sollte das Ergebnis des Proefzorg jedoch 357

Bezüglich der nachstehenden Ausführungen zum Proefzorg vgl. Dangreau/Serlippens, in: Cooper/Lomba/Chisman, Drug Treatment Courts: Eine internationale Antwort auf drogenabhängige Straftäter, S. 88 f. 358 Siehe hierzu den Anhang „Gesetzestexte zum ,Drug Court‘-Verfahren“.

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negativ sein, geht die Akte zurück zum bearbeitenden Staatsanwalt, der dem Strafgericht die entsprechende Anklageschrift übermittelt. bb) Kernprinzipien des DTC-Programms (1) Auswahlkriterien Neben gescheiterten Proefzorg-Nutzern kommen für die Teilnahme am DTC auch Kandidaten in Betracht, deren Tatvorwurf schwerer wiegt bzw. deren Abhängigkeitsbezug erst in der gerichtlichen Hauptverhandlung identifiziert worden ist. Von vornherein vom Programm ausgeschlossen sind lediglich Tatverdächtige im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität und Sexualdelikten.359 (2) Abfolge gerichtlicher Sitzungen Der Grundablauf im Genter DTC lässt sich im Wesentlichen anhand der vier Sitzungsarten „Einführungssitzung“ (inleidingszitting), „Orientierungssitzung“ (oriënteringszitting), „Folgesitzung“(en) (opvolgzitting) und „Endsitzung“ (eindzitting) beschreiben.360 Gerichtliche Verhandlungen finden immer dienstags zwischen 9.30 Uhr und 12.30 Uhr statt, wobei neue Kandidaten stets vor bereits Teilnehmenden angehört werden. Im Rahmen der „Einführungssitzung“ wird jeder DTC-Kandidat zunächst zum Tatvorwurf und bezüglich einer eventuell bestehenden Alkohol-/Drogensucht befragt. Sofern er gesteht, die Tat begangen zu haben, und eine Suchtproblematik zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, verifiziert das Gericht die Motivation des Angeklagten zur Aufnahme einer Therapie. Soweit dieser hierzu nicht bereit ist, wird das Verfahren unmittelbar auf dem traditionellen Weg fortgeführt. Bei Interesse an einer Behandlungsaufnahme wird mit einer der im Gerichtssaal anwesenden liaisons ein gemeinsames Gespräch noch für den Tag der Verhandlung vereinbart. Im Zuge dieser Unterhaltung informiert die liaison den Kandidaten über die bestehenden Behandlungsalternativen und entwickelt mit ihm unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Situation (Konsummenge, ggf. mentale Zweiterkrankungen) sowie gegenwärtigen Lebensumstände (Arbeit, Familie, Wohnsituation, Schuldenstand) einen Therapieplan, der ggf. die Durchführung eines Entgiftungsprogramms erfordern kann. Der Zeitpunkt dieses Screenings ist deshalb so wichtig, weil Beschuldigte unter dem Eindruck der Hauptverhandlung für gewöhnlich am empfänglichsten für Hilfsangebote sind.361 359 Vgl. Wittouck/Dekkers/Vanderplasschen/Vander Laenen, Die psychosoziale Arbeitsweise von DTC-Nutzern: eine Analyse von Fällen der Staatsanwaltschaft Gent, Belgien, S. 128. 360 Bezüglich der nachstehenden Ausführungen zum Programmablauf vgl. Dangreau/ Serlippens, in: Cooper/Lomba/Chisman, Drug Treatment Courts: Eine internationale Antwort auf drogenabhängige Straftäter, S. 91 f. 361 Vgl. UNODC, Bericht der Expertenkommission zu „Drug Treatment Courts“, S. 16.

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Zwei Wochen nach dieser einführenden Verhandlung findet die „Orientierungssitzung“ statt, in deren Verlauf der DTC-Kandidat dem Gericht seinen in Zusammenarbeit mit der liaison erstellten, individuellen Behandlungsplan vorstellt. Dieser Vorschlag wird von allen in der Verhandlung anwesenden Akteuren diskutiert und durch den vorsitzenden Richter abschließend bewertet. Soweit das Einverständnis hierzu erteilt wird, gilt der Angeklagte offiziell als Teilnehmer des DTC. Die Einhaltung der von ihm gewählten Therapiebedingungen wird von diesem Moment an gerichtlich überwacht. In Ausnahmefällen kann ein Nutzer vor Aufnahme einer Therapie zunächst bis zu sechs Monate im Gefängnis starten, bis sich ein passendes Therapiezentrum gefunden hat.362 Im Fall einer ambulanten Therapie sind die Nutzer dazu verpflichtet, sich um ein festes Arbeitsverhältnis zu bemühen, das auch aus (staatlich bezahlter) Sozialarbeit bestehen kann. In den ersten Monaten nach ihrer Aufnahme in das Programm haben die Teilnehmer in zweiwöchigen (später nur noch monatlichen) Abständen vor der DTCKammer zur Abhaltung sog. „Folgesitzungen“ zu erscheinen. Das Gericht kann jedem Nutzer im Vorlauf hierzu die Durchführung beaufsichtigter Urintests bei einem Arzt seiner Wahl aufgeben, um seine Abstinenz zu überprüfen. In den Sitzungen berät das DTC-Team sodann unter Anwesenheit der Teilnehmer und der liaisons, inwieweit eine Anpassung (i. S. e. Lockerung oder Verschärfung) des Therapieplans bzw. der Sitzungsabfolge notwendig ist. Rückfälle in den Drogenkonsum werden dabei als gewöhnlicher Teil des Heilungsprozesses angesehen. Im Fall wiederholter, mutwilliger Verstöße oder einer gänzlichen Behandlungsaufgabe kann das Gericht jedoch eine „Endsitzung“ anberaumen, in deren Verlauf ein Nutzer aus dem Programm ausgeschlossen und über die zuvor eingeräumte Tat befunden werden kann. Oftmals geschieht dies, sofern ein Teilnehmer das Gericht bewusst über einen neuerlichen Drogenkonsum oder erhebliche Komplikationen innerhalb des Therapieprozesses getäuscht hat. Demgegenüber ist bei positivem Ausgang der Therapie die „Endsitzung“ spätestens mit Ablauf von zwölf Monaten seit Durchführung der „Einführungssitzung“ abzuhalten. (3) Elemente der (stationären) Therapierung363 Die stationären Behandlungseinrichtungen vor Ort arbeiten anhand des Prinzips der therapeutic community („Therapeutische Gemeinschaft“).364 Diese Therapiegemeinschaften sind autonom verwaltet, d. h. Aufgaben wie etwa Kochen, Putzen und der Kontakt zu Behörden werden grundsätzlich von den Bewohnern persönlich 362

Vgl. Interview mit dem DTC-Staatanwalt des Strafgerichts Gent vom 09. 10. 2017. Nachfolgende Schilderung basiert auf den Beobachtungen des Verfassers in zwei stationären DTC-Therapiezentren des Gesundheitsdienstes De Sleutel in Gent und Merelbeke vom 05./06. 12. 2016. 364 Weiterführend zur „Therapeutischen Gemeinschaft“ vgl. Hilpert, Hermann R., Über den Beitrag der therapeutischen Gemeinschaft zur stationären Psychotherapie, Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychoanalyse 1983, S. 28 – 36. 363

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anhand eines internen Dienstplans übernommen. Die Entwicklung sozialer Fähigkeiten stellt das Hauptziel im Behandlungskonzept dar. Erst an zweiter Stelle folgen die Therapieziele im engeren Sinne (wie etwa Abstinenz). Neben der „Bewohnerversammlung“, die als Gremium des Hauses fungiert, steht das Pflege- und Aufsichtspersonal bei Bedarf als Ansprechpartner zur Verfügung und ist darüber hinaus in hausinterne Entscheidungsprozesse eingebunden. Innerhalb des ersten halben Jahres in der Einrichtung dürfen die Bewohner nur in zweiwöchentlichen Abständen Besuch empfangen. Wochenenden außer Haus sind je nach Therapiefortschritt ebenfalls erst nach Ablauf dieses Zeitraums möglich. Nichtsdestotrotz ist der Aufenthalt in der community freiwillig und wird nicht mittels Ausgangskontrollen überwacht. Es ist folglich jedem Bewohner selbst überlassen, ob er die vorgegebenen Regeln befolgt oder einen Ausschluss in Kauf nimmt. Drogenrückfälle werden als Teil des Heilungsprozesses angesehen und ziehen lediglich bei schweren Fällen eine kurzfristige Überweisung in ein crisis house nach sich. Eine endgültige Entlassung aus der Einrichtung erfolgt jedoch beispielsweise dann, wenn ein Hausbewohner nicht nur sich selbst, sondern auch andere Patienten mit Drogen versorgt. Da das Zusammenleben in der Therapiegemeinschaft allen voran auf den Prinzipien der Ehrlichkeit und Offenheit basiert, werden solche Verstöße besonders hart geahndet. Der Behandlungsplan sieht prinzipiell das Durchlaufen mehrerer Therapiephasen vor, wobei Rückstufungen möglich sind. In den ersten Wochen der Therapie finden neben den obligatorischen täglichen Gruppensitzungen auch Einzelsitzungen der Nutzer mit ihrem Therapeuten zur Feststellung des jeweiligen Addiction-SeverityIndex (ASI)365 statt. Inhalt der Arbeit in der Gruppe ist demgegenüber die Reflexion des eigenen Therapieprozesses, des täglichen Geschehens in der Gemeinschaft sowie die Steuerung des Drangs zu Droge. Um den grundsätzlich positiven Einfluss der Familie auf die Heilung der Nutzer zu stärken, werden regelmäßig sog. „Elternabende“ im Therapiezentrum abgehalten. Ungefähr ab dem 10. Therapiemonat beginnt sodann die berufliche Orientierung der Patienten, um sie auf ihre Zeit nach der Therapie vorzubereiten. Für bis zu sechs Monate können diese im Anschluss in Projekte des betreuten Wohnens überführt werden. cc) Besonderheiten des „Gent-Modells“ Abgesehen von den weitaus offener formulierten Teilnahmekriterien existieren innerhalb des DTC-Verfahrens in Gent einige bedeutende Unterschiede zum Programm in den Vereinigten Staaten bzw. Chile. Dem DTC-Team im engeren Sinne gehören in Belgien nur die Richter, Staatsanwälte und liaisons an, da die jeweiligen Strafverteidiger vom Beschuldigten frei bestimmt werden können und entsprechend wechseln. Interne Vorberatungen des 365 Siehe hierzu den Standardfragebogen des EMCDDA zum European Addiction-SeverityIndex (EuropASI).

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

DTC-Teams existieren zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens nicht. Darüber hinaus findet aus Gründen der Verschwiegenheit zwischen dem Gericht und dem Therapiezentrum generell kein direkter Austausch bezüglich des Therapieverlaufs des Teilnehmers statt. Gleiches gilt für die Kommunikation mit der jeweils zuständigen liaison, die unabhängig arbeitet und nicht gleich einem Bewährungshelfer gerichtlichen Weisungen unterworfen ist. Im belgischen DTC erfolgt darüber hinaus keine generelle Observation der Nutzer mittels zufälliger Drogenscreenings oder anderer (elektronischer) Hilfsmittel. Tests können zwar gerichtlich auferlegt, allerdings durch gerichtsunabhängige Allgemeinmediziner durchgeführt werden. Die Überwachung an sich ist daher, insbesondere im Vergleich zu den US-amerikanischen „Drug Courts“, insgesamt vorhersehbarer und weniger intensiv. Im Übrigen existiert im DTC kein Phasenmodell, d. h. die Ziele eines jeden Nutzers werden bei Beginn des Verfahrens individuell festgesetzt. Auch ist die mehrmalige Teilnahme am DTC möglich. In Gent wird zudem kein detailliertes Belohnungs- bzw. Sanktionierungssystem angewandt. Einfluss auf den Nutzer soll vorrangig mittels Erhöhung bzw. Absenkung der Kontrollintensität genommen werden. Soweit die Teilnehmer das Verfahren erfolgreich durchlaufen, findet neben dem obligatorischen Richterspruch keine Abschlusszeremonie oder Zeugnisübergabe statt. e) Wesentliche Erkenntnisse zu Ertrag und Rückfällen im Rahmen des Programms aa) Proefzorg-Studie (2008)366 Im Jahr 2008 erschien bezüglich des Proefzorg eine Studie, die die Ergebnisse des Pilotprojekts in seinen ersten beiden Jahren analysierte. Von den 388 untersuchten Fällen entfielen dabei 40 % auf das Kurzzeitprogramm und 60 % auf die Langzeitvariante. Bei letzterer durchliefen knapp zwei Drittel der Teilnehmer das Verfahren erfolgreich, während die kurzzeitigen Therapien eine nahezu 100 % Erfolgsquote aufwiesen. Auf der Basis von 41 leitfadengestützten Interviews mit Polizeibeamten, Justizangestellten, Therapeuten und Nutzern des Proefzorg wurden zudem Fragen zur Struktur des Projekts und zur Zufriedenheit der Beteiligten erörtert. Die große Mehrzahl der Befragten vertrat eine positive Grundhaltung zum Verfahren und zeigte sich zufrieden mit ihren eigenen Mitwirkungsmöglichkeiten. Negativ angemerkt wurden allein die damals noch recht eingeschränkten Therapieressourcen, die eine Behandlungsaufnahme erheblich verzögern konnten.

366 Zum nachfolgenden Abschnitt vgl. Dangreau/Serlippens, in: Cooper/Lomba/Chisman, Drug Treatment Courts: Eine internationale Antwort auf drogenabhängige Straftäter, S. 89, mit Verweis auf De Ruyver/Colman/De Wree/Vander Laenen, Eine Brücke zwischen Gerechtigkeit und Drogenhilfe. Eine Evaluierung des Proefzorg-Projekts.

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bb) 1. DTC-Studie (2011)367 Die Implementationsphase und das erste Jahr, in dem der DTC planmäßig operierte, wurden von einer quantitativen und qualitativen Verfahrensanalyse begleitet. Aussagen bezüglich der Wirksamkeit des Programms konnten demgegenüber (noch) nicht getroffen werden. Zwischen Mai 2008 und Dezember 2009 hatten insgesamt 280 Beschuldigte eine Aufnahme in den DTC angestrebt. In etwas mehr als der Hälfte der Fälle (148) befand das Gericht die Kandidaten als für das Programm geeignet. Hauptgrund für die Verweigerung einer Aufnahme in das Verfahren stellte das Nichterscheinen zur „Einführungssitzung“ dar. Dies traf für ca. ein Viertel (76) jener Kandidaten zu. 57 der DTC-Verfahren waren zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht abgeschlossen. Unter den 91 bereits beendeten Verfahren konnten 41 DTC-Nutzer einen positiven Ausgang ihrer Therapie vorweisen, während es in immerhin 30 der 50 erfolglosen Fälle gelang, die Auf- und mehrmonatige Teilnahme an einer Suchtbehandlung zu erwirken. Mindestens 78 % aller DTC-Teilnehmer konnte somit (hauptsächlich im Wege ambulanter Therapieangebote) ein nachhaltiger Zugang zu therapeutischen Maßnahmen eröffnet werden. Insgesamt waren 242 unterschiedliche Träger an der Behandlung der DTC-Nutzer beteiligt. Auf das abschließende Strafmaß hatte der Ausgang der Therapie einen erheblichen Einfluss. So wurde das Verfahren bei 13 der 41 DTC-Absolventen eingestellt, während dies nur für sechs der 182 verbleibenden Nutzer oder Kandidaten galt. Vergleichbar verhielt sich das Verhältnis bezüglich einer Verurteilung zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit. Personen, die nicht in den DTC aufgenommen werden konnten bzw. vorzeitig ausschieden, erhielten demgegenüber häufiger Geld- oder Freiheitsstrafen. In Gesprächen mit den beteiligten Akteuren und Nutzern wurde deutlich, dass grundsätzlich Zufriedenheit mit der neuen Verfahrensalternative bestand, wenngleich an einigen Stellen noch Defizite auszuräumen waren. Die Teilnehmer schätzten insbesondere den interaktiven Charakter des Programms und die Menschlichkeit, die sie in den Sitzungen durch das Gericht erfuhren. Auch spielten die liaisons als vertrauenswürdige Bezugsperson für sie eine große Rolle. Alle Akteure stimmten darin überein, dass das Programm ohne die Mitwirkung der liaisons nicht in der vorhandenen Form durchführbar wäre. In ihrer Position als Vermittler zwischen Justiz und Therapie sowie als Vertrauensperson der Nutzer seien sie die eigentlichen „Eckpfeiler“ des DTC. Gelobt wurden ebenfalls die umfassenden Hilfsangebote, die das Programm u. a. durch eine Kooperation mit der „Flämischen Agentur für Arbeit“ (Vlaamse Dienst voor Beroepsopleiding en Arbeidsbemiddeling) sowie lokale Schuldnerberatungen bietet. Den erhöhten Zeitaufwand, den das Pro-

367 Zum nachfolgenden Abschnitt vgl. De Keulenaer/Thomaes/Colman/Vander Laenen/ Vanderplasschen/De Ruyver, Bewertung des DTC-Pilotprojekts am Strafgericht Gent.

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gramm im Vergleich zum traditionellen Verfahren mit sich bringt, empfand man in der Justiz insofern als gerechtfertigt, als er langfristig wohl Arbeit ersparen werde. Verbesserungspotenzial sahen die Beteiligten hingegen bezüglich einer Definition der Befugnisse der liaisons. Insbesondere unter den Therapiezentren bestünde noch Unsicherheit, welche Informationen von diesen an das Gericht weitergegeben werden (dürften). Es müsse daher Aufklärungsarbeit dazu geleistet werden, dass die liaisons als unabhängige Mitarbeiter des Programms der Schweigepflicht unterliegen und keinesfalls Angestellte des Gerichts seien. cc) 2. DTC-Studie (2013)368 Auf der quantitativen Erstuntersuchung aufbauend, erschien im Jahr 2013 eine Folgen- und Rückfallstudie, die die individuellen Fortschritte der Teilnehmer, die Erfahrungen der beteiligten Therapeuten sowie strafrechtliche Rückfalle und die geschätzten öffentlichen Kosten des DTC analysierte. Zunächst untersuchte die Studie den Effekt des Programms auf Drogenkonsum und drogenbezogene Lebensumstände von 52 DTC-Absolventen sowie die Fortschritte von 48 verurteilten Drogenstraftätern, die Bewährungsstrafen unter der Leitung der Bewährungshilfe in Hasselt verbüßt hatten. Die innerhalb der beiden Gruppen erzielten Resultate wurden schließlich miteinander verglichen. Aufgrund unterbliebener Datenerhebung konnten u. a. bezüglich der Bereiche „Häufigkeit des Drogenkonsums“, „familiäre und soziale Beziehungen“ und „Freizeitaktivitäten“ keine Aussagen getroffen werden. Verbesserungen ließen sich gruppenübergreifend im Bereich „Drogen- und Substitutionsbehandlung“ feststellen, während DTCNutzer Fortschritte hinsichtlich der Aufnahme einer Beschäftigung und der Schuldenbekämpfung vorwiesen. Der Bereich „Arbeit“ war zugleich der einzige aller Lebensbereiche, in dem sich ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Vergleichsgruppen ergab. Zusätzlich hierzu fiel im Zuge der Studie auf, dass DTCTeilnehmern fördernde Maßnahmen weitaus schneller zukamen, als dies bei den Bewährungsstraftätern der Fall war (sechs gegenüber 22 Monaten nach Tatbegehung). In diesem Zusammenhang wurden auch die Behandlungspläne 15 früherer Teilnehmer zurückverfolgt und leidfadengestützte Interviews mit Mitarbeitern der beteiligten Therapiezentren sowie jeweils fünf Angehörigen der beiden Kontrollgruppen geführt. Bezüglich der Therapiepläne resümierten die Verfasser der Studie, dass durchgehend sehr viel Wert auf einen individuellen, an den Bedürfnissen des DTC-Nutzers orientierten Zuschnitt gelegt wurde. Kritisch bemerkten sie allerdings, dass die in den Plänen enthaltenen Ziele bezüglich Abstinenz, Wohnsituation und Arbeit häufig zu allgemein gehalten waren und dadurch die justizielle Überwachung 368 Zum nachfolgenden Abschnitt vgl. Vander Laenen/Vanderplasschen/Wittouck/Dekkers/ De Ruyver/De Keulenaar/Thomaes, Folgen- und Rückfallstudie zum „Drug Treatment Court“ von Gent, Universität Gent 2013.

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des Teilnehmers durch das Gericht potenziell erschwerten. Von den beteiligten Therapeuten wurde das Programm sehr positiv wahrgenommen. Besondere Wertschätzung fanden sowohl die Möglichkeit der Begleitung des Therapieprozesses durch das Gericht als auch die Unterstützung, die sie durch die Zuarbeit der liaisons erfuhren. Auch sei es nach Einrichtung des DTC nicht zu einer zuvor befürchteten Überbeanspruchung der Therapieressourcen gekommen, da viele Nutzer bereits Therapieversuche absolviert hatten und somit gewissermaßen bereits im System „registriert“ waren. Verbesserungspotenzial wurde hingegen bezüglich der Durchführung von Nachsorgemaßnahmen gesehen, die den Übergang von der Therapie in das selbstständige Leben betreffen und fördern. Die Teilnehmer selbst zeigten sich generell zufrieden mit der gerichtlichen Alternative, die ihnen der DTC zur Vollziehung eines Lebenswandels gab. Der Austausch mit Gericht und liaisons wurde grundsätzlich positiv bewertet, insbesondere dann, wenn diese den persönlichen Lebensumständen des Nutzers Aufmerksamkeit entgegenbrachten. Als störend bzw. hemmend wurde demgegenüber die Öffentlichkeit der Sitzungen und der im Gerichtssaal nicht auszuschließende, unfreiwillige Kontakt zu anderen (vormals) Drogenabhängigen wahrgenommen. Im Rahmen der Rückfallstudie wurde der Zeitraum von 18 Monaten nach Urteilsausspruch anhand einer Überprüfung des belgischen Strafregisters der Lebensweg von 44 DTC-Absolventen im Hinblick auf erneute kriminelle Aktivitäten untersucht und dem Verhalten von Mitgliedern zweier Kontrollgruppen gegenübergestellt. Bei diesen beiden Gruppen handelte es sich zum einen um 41 Angeklagte, die entweder trotz entsprechender Ladung nicht an der „Einführungssitzung“ teilgenommen hatten oder denen die Aufnahme ins Programm aus anderen Gründen verweigert worden war. Die andere Vergleichsgruppe bildeten 59 Straftäter, die vom Strafgericht Hasselt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden waren. Im Zuge der Untersuchung stellte man fest, dass „nur“ 38,6 % der DTC-Absolventen erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten waren, während diese Ziffer in den anderen beiden Gruppen 56,1 % bzw. 57,6 % betrug. Die Studie hob das allgemein komplexere Drogenproblem vieler DTC-Teilnehmer samt einer durchschnittlich längeren und damit verfestigten kriminellen Karriere hervor. Darin könnte auch die Ursache dafür liegen, dass rückfällige DTC-Absolventen im Vergleich zu den anderen beiden untersuchten Personengruppen mindestens gleich viele, wenn nicht sogar mehr neue Straftaten begingen. Die geschätzten Personalkosten des DTC lagen jährlich zwischen ca. 104.000 – 120.000 EUR und bezogen sich auf die zusätzliche Arbeitsbelastung der beteiligten Richter bzw. Staatsanwälte sowie die monatlichen Bezüge der liaisons. f) Praktische Umsetzung der UNODC-Erfolgsfaktoren für „Drug Courts“ Zur praktischen Begutachtung des Programms wurden vom Verfasser am Strafgericht Gent zwei DTC-Sitzungen am 06. 12. 2016 sowie 10. 10. 2017 besucht. Beim Termin im Dezember 2016 handelte es sich in drei Fällen um eine „Einführungs-

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sitzung“, während neun DTC-Nutzer zur „Folgesitzung“ erschienen. Im Oktober 2017 ging es um zwei „Einführungssitzungen“, fünf „Folgesitzungen“ und eine „Endsitzung“. Parallel hierzu konnten unter Begleitung einer liaison im Genter Stadtgebiet zwei Therapiezentren des Gesundheitsdienstes De Sleutel besucht werden, die stationäre Behandlungen für DTC-Teilnehmer anbieten. Unter Einbeziehung der dortigen Beobachtungen und Gespräche sowie der vorstehenden Erläuterungen zur belgischen Variante der „Drug Courts“ ergibt sich am Maßstab der UNODC-Erfolgsfaktoren die nachfolgende Bewertung. aa) Wirkungsvolle richterliche Führung Die am Programm beteiligten Richter verstanden es, die Teilnehmer einerseits motivierend und fachkundig bei ihrem Therapieprozess zu unterstützen, andererseits Verfehlungen entsprechend ihrer Programmrelevanz zu ahnden. Ihnen gelang es in der überwiegenden Zahl der Fälle, die Nutzer zu erreichen. Dies wurde nicht zuletzt durch das durchweg positive Feedback der Teilnehmer bestätigt, die insbesondere den humanen Dialog mit dem Gericht schätzten. Überdies beachteten die Richter die Meinungen der anderen Mitglieder des DTC-Teams und kreierten auf diese Weise eine kooperative Arbeitsatmosphäre. Durch die Staffelung der gerichtlichen Verhandlung nach Art der Sitzung konnten überlange Wartezeiten für Nutzer vermieden werden. Im Rahmen der „Einführungssitzungen“ befragte der Richter den jeweiligen DTC-Kandidaten ausführlich zu sozialem Hintergrund, Abhängigkeitsgeschichte und Tatvorwurf. Darauffolgend konnten Staatsanwaltschaft und Strafverteidiger bei Bedarf weitere Nachfragen an ihn richten bzw. Stellungnahmen abgeben. Soweit sich für das DTC-Team anhand der Anhörung die Eignung des Angeklagten für das Programm ergab, erhielt dieser eine Belehrung bezüglich seiner Rechte und Pflichten im DTC. Bei den „Folgesitzungen“ fiel auf, dass die Anhörungszeiten grundsätzlich mit ca. fünf Minuten deutlich unter denen der „Einführungssitzung“ (ca. 15 Minuten) lagen. Falls es zu Rückfällen im Therapieprozess gekommen war, versuchte das Gericht einerseits den Teilnehmer zum Weitermachen zu motivieren, ermahnte ihn andererseits aber auch über mögliche Konsequenzen. Dem DTC-Nutzer und seinem Strafverteidiger kam es dann zu, die aufgetretenen Probleme näher zu erläutern. Sofern die Verfehlungen derart stark waren, dass ein Ausschluss aus dem DTC unvermeidlich wurde, kehrte man in Form der „Endsitzung“ zum traditionellen Verfahren zurück. Staatsanwaltschaft und Strafverteidiger gaben entsprechend ihr Plädoyer ab, während dem Angeklagten das letzte Wort zustand. Bei wiederholter, nicht entschuldigter Abwesenheit von Teilnehmern konnte das Gericht ebenfalls Maßnahmen bis hin zu Programmausschlüssen aussprechen.

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bb) Starke interdisziplinäre Zusammenarbeit Trotz der Tatsache, dass die am Programm beteiligten Strafverteidiger an sich keine festen Mitarbeiter des DTC-Teams sind, funktionierte die Zusammenarbeit reibungslos. Dies wird durch den hohen justizinternen Bekanntheitsgrad des Verfahrens begünstigt. Die juristischen Akteure verbleiben grundsätzlich in ihren traditionellen Verfahrensrollen, wenngleich sie diese in etwas zurückhaltender Form ausüben. Durch die Schaffung der zusätzlichen Position unabhängiger liaisons ist eine stabile Kommunikationskette zwischen Justiz, Therapie und Nutzer gewährleistet. Defizite im Informationsfluss, die aus der beruflichen Schweigepflicht resultieren, sind zum Schutz der Rechte der Teilnehmer in diesem Zusammenhang hinzunehmen. Durch das Fehlen einer teaminternen Vorberatung herrschte im Zuge der Verhandlungen generell viel Bewegung im Gerichtssaal. Die liaisons nutzten diesen Rahmen zur direkten Vor- und/oder Nachbereitung mit den Nutzern. Auf Nachfrage des Gerichts gaben sie darüber hinaus ihre Meinung zu konkret denkbaren Therapiealternativen ab, ohne dabei jedoch Details zum gegenwärtigen Behandlungsverlauf des Teilnehmers preiszugeben. Soweit gewünscht, erhielten entlassene Nutzer von ihnen Kontakte zur Weiterführung der Therapie außerhalb des DTC. cc) Guter Wissensstand über Abhängigkeit, Therapie und Heilung Interdisziplinäres Wissen ist im Genter DTC in hohem Maße vorhanden. Dies resultiert nicht zuletzt aus dem Umstand, dass der überwiegende Teil des Teams sowie auch die Therapiezentren und sozialen Dienste schon seit einigen Jahren am Programm beteiligt sind. Überdies werden von den Akteuren jährliche Fortbildungen wahrgenommen.369 dd) Verfahrenshandbuch für Beständigkeit und Effizienz Im Programm existiert zusätzlich zu den Regelungen der institutionenübergreifenden Vereinbarung ein Verfahrenshandbuch. Dies ist zwar weder öffentlich verfügbar noch rechtlich verbindlich, erlaubt es dem DTC-Team aber, den grundsätzlichen Verfahrensablauf verlässlich vorherzusehen. ee) Klare Auswahlkriterien In Ermangelung einer abschließenden, rechtlich bindenden Vereinbarung zwischen Staatsanwaltschaft und Strafverteidigung370 gibt es momentan (noch) keine klaren justiziellen Auswahlkriterien. Die Aufnahme in das Programm steht mit 369 370

Vgl. Interview mit Programmkoordinator des Genter DTC vom 05. 12. 2016. Vgl. Interview mit dem DTC-Staatsanwalt des Strafgerichts Gent vom 09. 10. 2017.

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Ausnahme Angeklagter von Sexualdelikten oder organisierter Kriminalität allen Tätergruppen offen. Dies garantiert, dass alkohol- bzw. drogenabhängigen Schwerkriminellen und Wiederholungstätern eine einzelfallbezogene Zugangsmöglichkeit verbleibt. Andererseits besteht dadurch die Gefahr des net-widening, da für den DTC, vor allem über den „Umweg“ des (gescheiterten) Proefzorg, auch kleinere (Drogen-)Delikte in Betracht kommen. Auch kann ein rechtlich nicht ausreichend klar festgelegtes Teilnehmerprofil unter diesen Umständen zu verfehlten Schwerpunktsetzungen innerhalb des Auswahlprozesses führen. Gewisse Mindeststandards sollten daher unter den Beteiligten abgestimmt werden. ff) Detaillierte Bedarfsanalyse Eine Bedarfsanalyse wird prinzipiell durch eine der liaisons anhand eines Standardfragebogens im Anschluss an die „Einführungssitzung“ vorgenommen und, soweit in der Folge Bedarf hierfür besteht, in Absprache mit dem Therapiezentrum aktualisiert. gg) Vollumfänglich dokumentiertes Einverständnis Zwar erhält jeder Teilnehmer im Rahmen der „Einführungssitzung“ und im persönlichen Gespräch mit der liaison eine Belehrung über seine Rechte und Pflichten im Programm. Allerdings wird durch die Nutzer kein separater Vertrag unterzeichnet, der dies nochmals schriftlich festhält.371 hh) Zügige Überweisung in Therapie und Rehabilitation Trotz des an sich hervorragenden Therapieangebots war ein schneller Therapiebeginn der Nutzer am DTC nicht durchgängig gewährleistet. Gerade im Rahmen der stationären Therapien kann es inzwischen zu mehrwöchigen Wartezeiten kommen. Die Ursachen hierfür sollen darin liegen, dass Belgien zuletzt seitens der EU zur konsequenteren Umsetzung der Behandlung psychisch kranker Menschen außerhalb von Haftanstalten angehalten worden sei.372 In der Folge sei eine gewisse Umverteilung von Ressourcen stationärer Therapiezentren in Gang gesetzt worden, die auch Kandidaten des DTC betreffen könne.373 Die angesprochenen Engpässe werden sich voraussichtlich nicht kurzfristig beseitigen lassen. Daher gilt es, die vorhandenen stationären Ressourcen effizient zu

371 372 373

Vgl. Interview mit dem DTC-Staatsanwalt des Strafgerichts Gent vom 09. 10. 2017. Vgl. Interview mit dem Programmkoordinator des Genter DTC vom 05. 12. 2016. Vgl. Interview mit dem Programmkoordinator des Genter DTC vom 05. 12. 2016.

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nutzen und „Lobbyarbeit“ zur Stärkung der Verbindungen zwischen DTC und Therapiezentren zu betreiben. ii) Unmittelbare, bestimmte und widerspruchsfreie Sanktionierung Bezüglich einer Sanktionierung möglicher Verstöße besteht zunächst das Problem, dass die Therapiepläne der Nutzer samt ihrer (Zwischen-)Ziele oftmals noch zu allgemein gehalten sind und demnach keine „Checkliste“ existiert, anhand derer das Gericht seine Kontrollfunktion ausüben könnte. Überdies arbeitet das Gericht nicht mit einer Liste möglicher Sanktionen und Belohnungen, sondern regelt dies allein über die Erhöhung bzw. Absenkung der Kontrollintensität. Insbesondere das Konzept der Belohnungen ist im Programm sowohl verbal als auch materiell noch relativ schwach ausgebildet. Erschwerend kommt hinzu, dass eine lückenlose Überwachung der Teilnehmer mittels regelmäßiger Urinproben nicht durchgeführt werden kann. Der DTC verfügt über kein eigenes Labor, in dem diese Proben abgegeben und ausgewertet werden können. Die Verschiebung dieser Aufgabe auf den jeweiligen Hausarzt birgt neben einem möglichen Zeitverlust auch gewisse Manipulationspotenziale. Soweit Drogentests als Teil des Behandlungsplans von den Therapiezentren selbst durchgeführt werden, steht den DTC-Nutzern alternativ auch die Möglichkeit offen, deren Ergebnisse bei Gericht einzureichen.374 Um eine Beurteilung der Teilnehmer hier verbindlicher zu gestalten, sollten die Richter dazu übergehen, die Zielsetzung von Zeit zu Zeit den Nutzern selbst zu überlassen. Auch sollten häufiger zufällige Drogentests, möglichst bei einem Amtsarzt, abgegeben werden müssen. jj) Fortlaufende Evaluation des DTC In Kooperation mit der örtlichen Universität hat man sich in Gent bewusst von Anbeginn der wissenschaftlichen Begleitung des Pilotprojektes verschrieben. Die Beteiligten waren sich folglich im Klaren darüber, dass das Verfahren einen gewissen Entwicklungsprozess durchlaufen muss. Um zu diesem Zweck noch aussagekräftigere Ergebnisse zu erhalten, sollte jedoch die Anzahl der Programmteilnehmer im Rahmen des finanziell vorhandenen Budgets erhöht werden und bezüglich der aktuellen Nutzer eine erschöpfende Datenregistrierung erfolgen. Auch sollte generell der Datenzugang zu Forschungszwecken erleichtert werden.

374

Vgl. Interview mit dem DTC-Staatanwalt des Strafgerichts Gent vom 09. 10. 2017.

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kk) Ausreichende, fortwährende und zweckbestimmte Finanzierung Infolge der guten Vernetzung des Programms mit Therapieträgern und Politik sowie der ansprechenden Startergebnisse ist es zumindest auf lokaler Ebene gelungen, zahlreiche Unterstützer für den DTC zu gewinnen. Nach erfolgter Aufnahme in das Verfahren kann somit gewährleistet werden, dass die Teilnehmer Zugriff auf ein breit aufgestelltes Therapie- und Hilfsnetzwerk haben. Ebenso wurde die Finanzierung der am DTC beteiligten liaisons durch das „Flämische Gesundheitsministerium“ zuletzt im zweijährlichen Rhythmus verlängert.375 Zusätzliche Anstrengungen sollten allerdings insbesondere zur Schaffung eines verlässlichen Drogenscreenings sowie einer (noch) besseren Nachsorge unternommen werden, um Absolventen auch nach Abschluss des Programms Angebote wie beispielsweise betreutes Wohnen (länger) zur Verfügung stellen zu können. ll) Änderungen der zugrundeliegenden Bestimmungen In Belgien hat man das Programm mit seinen wesentlichen Prinzipien zur Vermeidung eines langwierigen Gesetzgebungsverfahrens in bestehendes Recht integriert und konnte ein entsprechendes „Pilotprojekt“ auf diese Weise bereits nach Abschluss einer ca. einjährigen Planungsphase umsetzen. Die für den DTC zentrale Norm des Art. 9 des belgischen Drogengesetzes hat dabei lange vor Einführung des Programms bestanden. Dies beinhaltete zudem den Vorteil, dass die beteiligten Akteure mit den wesentlichen Regeln bereits bestens vertraut waren. g) Zusammenfassung Eine Betrachtung des belgischen DTC-Programms ist für die deutsche Strafrechtspflege bedeutsam, da zwischen beiden Rechtssystemen eine hohe Vergleichbarkeit mit einem ähnlich strengen Grundrechtsschutz besteht. In Belgien hat man es verstanden, die bereits vorhandenen Normen für das Programm nutzbar zu machen. Der DTC steht zudem im Unterschied zu den Verfahren in den USA und Chile einer breiten Tätergruppe offen. Grundsätzlich können daher auch sog. high risk offenders, unabhängig von eventuell bereits vorhandenen Vorstrafen, teilnehmen. Für low risk offenders wurde zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, zunächst ohne jedwede Involvierung des Gerichts, den von der Staatsanwaltschaft geleiteten Proefzorg zu durchlaufen. Dieses Verfahrens hat sich bislang als sehr erfolgreich und effektiv erwiesen. Die umfangreiche Betreuung, die der DTC gewährleistet, kann so im Regelfall nur den wirklich bedürftigen Straftätern zu Gute kommen.

375

Vgl. Interview mit dem Programmkoordinator des Genter DTC vom 05. 12. 2016.

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Generell ist hervorzuheben, dass durch die inzwischen erfolgte Sensibilisierung der Staatsanwaltschaft für die Thematik Beschuldigte mit möglichem Abhängigkeitshintergrund frühzeitiger erkannt werden. Die Zuständigkeiten innerhalb des DTC-Teams sind mittels der institutionenübergreifenden Vereinbarung aufgeteilt. Auch existiert eine klare Sitzungsstruktur, die zwischen vier unterschiedlichen Sitzungsarten unterscheidet und den jeweiligen Verhandlungstag umrahmt. Weitere wichtige Unterschiede im Programmablauf ließen sich hinsichtlich eines Verzichts auf die Durchführung einer internen Vorberatung sowie auf die Verpflichtung der liasions zur Geheimhaltung von Informationen, die den Therapieverlauf des Teilnehmers betreffen, feststellen. Trotz dieser Umstände waren die beobachteten gerichtlichen Sitzungen von einer kooperativen Atmosphäre geprägt. Aufgrund des großen Erfahrungsschatzes und der vorhandenen Spezialisierung aller Mitglieder des TTD-Teams konnten weitere Folgemaßnahmen ohne großen Zeitverzug getroffen und dem Teilnehmer nähergebracht werden. Eine Schlüsselrolle innerhalb dieses Prozesses übernehmen die liasions. Als neu geschaffene Position vermitteln sie in ihrer „Brückenfunktion“ bei ggf. auftretenden Konflikten oder Engpässen zwischen Justiz und Therapie. Im Rahmen dieses koordinativen Prozesses nehmen sie den beteiligten Mitarbeitern der Justiz überdies einen großen Teil verfahrensbezogener, bürokratischer „Kleinarbeit“ ab. Auch haben sie durch ihren beinahe täglichen Kontakt mit den DTC-Nutzern genaue Kenntnis über deren jeweiligen Charakterzüge, soziale Hintergründe und Bedürfnisse. Sie sind damit nicht zuletzt Vertrauens- und Ansprechpersonen der Teilnehmer bei auftretenden Komplikationen. Das Programm ist insbesondere im Vergleich zu seinem Pendant in den USA im Allgemeinen etwas reduzierter und sachlicher ausgestaltet. Auf ein detailliertes Sanktionierungs- und Belohnungssystem wird ebenso wie auf die Abhaltung einer Abschlusszeremonie samt Zeugnisübergabe verzichtet. Den (Verfahrens-)Rechten der Nutzer wird ein weitaus größeres Gewicht eingeräumt als Interessen der Justiz, soweit sie sich auf eine lückenlose Überwachung der Therapieverläufe beziehen. Dennoch sind die Resultate des DTC in Gent, auch wenn sie sich bisher lediglich auf einen kleinen Teilnehmerkreis beziehen können, überwiegend positiv ausgefallen. Programmnutzer wiesen trotz durchschnittlich längerer und komplexerer Kriminalitätskarrieren eine reduzierte strafrechtliche Rückfallrate im Vergleich zur Gruppe der Bewährungsstraftäter auf. Die geschätzten Mehrkosten, die für das zusätzlich notwendige DTC-Personal aufgewendet wurden, dürften sich damit aller Voraussicht nach vor dem Hintergrund ersparter Inhaftierungskosten bzw. eventueller Neuanklagen rentieren. Allerdings sind anhand der praktischen Erfahrungen, die die leitenden Akteure des Programms in den Jahren seit dem Bestehen machen konnten, auch sehr gut die Aspekte erkennbar, die eine noch größere Wirkung des DTC behindern. Durch die starke Abhängigkeit von staatlichen Finanzierungsmaßnahmen geht es für den Programmkoordinator Jahr für Jahr zunächst einmal darum, das bereits vorhandene

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Förderungsniveau aufrecht zu erhalten. Die dort zur Verfügung gestellten Ressourcen sind jedoch nicht ausreichend, um den DTC auf die nächste Entwicklungsstufe zu heben. Ohne die Einstellung zusätzlichen Personals wird eine Erhöhung der Teilnehmerzahlen des Programms nicht realisierbar sein. Auch fehlen für die Betreuung der aktuellen Nutzer Mittel zur Durchführung eines regelmäßigen Drogenscreenings und zur Erweiterung des Angebots von Nachsorgemaßnahmen. Zudem zeichnet sich gegenwärtig ein Engpass bei der Bereitstellung stationärer Behandlungsplätze ab, was in Einzelfällen zu einer erheblichen, der Therapiemotivation abträglichen Verzögerung der Programmaufnahme führen kann. Daher ist das Modell unter Berücksichtigung seiner jetzigen finanziellen Ressourcen trotz aller Fortschritte noch nicht massentauglich. Die Eröffnung weiterer DTC in Brügge und Antwerpen spricht aber dafür, dass das Programm von den zuständigen staatlichen Organen generell als effiziente Alternative zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter betrachtet wird. 5. Fazit zu den „Drug Courts“ in der Praxis Obgleich einige Elemente identifiziert werden konnten, die im Rahmen des Programms für gewöhnlich anzutreffen sind, haben die Ausführungen des Kapitels II gezeigt, dass sich „Drug Courts“ in ihrer konkreten praktischen Ausgestaltung stark voneinander unterscheiden können und grundsätzlich kein Gericht einem anderen gleicht. Zudem sind „Drug Courts“ in der betreffenden Rechtspraxis unterschiedlich stark etabliert. In den USA gibt es das Modell schon seit mehreren Jahrzehnten, sodass über diesen Zeitraum hinweg diverse Erfahrungswerte gesammelt werden konnten. Die gesetzliche Einbindung der „Drug Courts“ wird dort im Allgemeinen lokal (auf bundesstaatlicher Ebene) vollzogen, indem man auf schon existierende Regelungen Bezug nimmt. Die einzelnen Verfahrensschritte werden basierend auf zwischen den beteiligten Behörden zuvor abgestimmten Verfahrenshandbüchern konkretisiert. Ähnlich verhält es sich in Chile und Belgien, wo „Drug Courts“ eher noch zu den neueren justiziellen Erscheinungen zu zählen sind. Sowohl das chilenische als auch das belgische Programm funktionieren auf der Grundlage bereits bestehender Gesetze. Dies hat die Erprobung des Systems ohne die Notwendigkeit zeitraubender Gesetzgebungsprozesse und damit ggf. verbundener, politischer Grundsatzdiskussionen ermöglicht. Insbesondere im Bereich der Zulassungskriterien konnten zwischen den untersuchten Modellen jedoch erhebliche Abweichungen festgestellt werden. Während in Belgien etwa bis auf wenige Ausnahmen alle Täter von Delikten mit einem Drogenbezug für das Programm in Frage kommen, ist die Teilnahme in den Vereinigten Staaten und Chile grundsätzlich an vergleichsweise strikte Bedingungen wie etwa Vorstrafenfreiheit, drohendes Strafmaß (Chile) und Gewaltlosigkeit der Tat (USA) geknüpft. Allen voran bei den Programmen in Chile und Belgien war das grund-

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sätzliche (justizielle) Verfahren zur Erfassung von für den „Drug Court“ geeigneten Kandidaten jedoch noch nicht ausgereift. Zurück zu führen war dies vor allem auf die (noch) begrenzte Bekanntheit des Modells unter nichtbeteiligten Juristen. Aus diesem Grund gab es nur wenige Teilnehmer, die in Folge einer „externen“ Überweisung zum Programm fanden. Auswirkungen hatte dieser Umstand auch auf die vielerorts geringe Teilnehmeranzahl, die überdies nicht selten einer repräsentativen Beurteilung der Effizienz des jeweiligen „Drug Courts“ im Wege steht. Weitestgehende Übereinstimmung konnte indes in der Zusammensetzung und Zusammenarbeit der „Drug Court“-Teams beobachtet werden. Im Normalfall besteht es aus zwei sich abwechselnden, leitenden Richtern, einem oder mehreren Staatsanwälten sowie Strafverteidigern, einem Programmkoordinator, Verbindungspersonen zwischen Justiz und Therapie (Case Managern) sowie Mitarbeitern des Therapiezentrums. Als „Schlüsselfiguren“ des Verfahrens sind in diesem Kontext die „Drug Court“-Richter, die Case Manager (dupla psicosocial/liaison) und (soweit vorhanden) der Programmkoordinator anzusehen. Die Bedeutung ihrer Rollen erklärt sich dadurch, dass sie zum einen als Vermittler zwischen Justiz und Therapie bzw. zwischen Programm und Partnerinstitutionen agieren und zum anderen von allen Beteiligten am häufigsten in direktem Kontakt mit den Teilnehmern stehen. Aufgrund der unterschiedlich starken Regelungstiefe der jeweiligen Verfahrenshandbücher ergaben sich zwischen den Programmen allerdings zum Teil erhebliche Differenzen bezüglich des Drogenscreenings der Teilnehmer und einer entsprechenden Sanktionierung oder Belohnung ihres Verhaltens. Während diesen Aspekten als Ausdruck der langjährigen praktischen Erfahrung in den USA sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, konnten in Chile und Belgien Defizite bei der Überwachung der Abstinenz der Nutzer sowie bei der Breite der zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten bemerkt werden. Den positiven Effekten von Belohnungen wurde in diesen Ländern zudem kaum Bedeutung beigemessen. Gerade das Programm in Belgien ist vergleichsweise nüchtern und sachlich ausgestaltet. Dort wird u. a. auch auf die Durchführung einer Abschlusszeremonie verzichtet. Die Teilnahmedauer am Verfahren kann ebenfalls variieren, wobei sie sechs Monate nicht unterschreitet und in der Regel auf maximal zwei Jahre ausgelegt ist. Nur gravierende Regelverletzungen, insbesondere wiederholte Rückfälle und bewusste Täuschung des Richters über den Therapieverlauf, können dabei den Ausschluss aus dem Programm nach sich ziehen. Die erfolgreiche Teilnahme am Verfahren ermöglicht es dem Gericht, die ursprünglich verhängte bzw. drohende Strafe signifikant zu reduzieren bzw. das Verfahren einzustellen. Zur Gewährleistung eines nachhaltigen Effektes wird in den USA hierfür der Nachweis einer unmittelbar an das Programm anschließenden Arbeitsaufnahme sowie geregelten Wohnsituation gefordert. An allen untersuchten „Drug Courts“ fiel auf, dass die Mehrzahl der UNODCErfolgsfaktoren bereits in die Tat umgesetzt worden war. Die beteiligten Richter

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agierten sehr routiniert, geduldig und weitsichtig im Umgang mit Nutzern und anderen Teammitgliedern. Vielerorts hatten sich stabile „Drug Court“-Teams gebildet, in denen eine kooperative Arbeitsatmosphäre herrschte. Insbesondere in den USA wurde ein sehr detailliertes Sanktionierungs- und Belohnungssystem verwendet, dem ein intensives Drogenscreening zugrunde lag. Gemein hatten die „Drug Courts“, dass sie das tatsächliche Vorhandensein einer behandlungsbedürftigen Drogenabhängigkeit vor Aufnahme eines Kandidaten genau überprüften. Nennenswerte Verbesserungspotenziale gab es dagegen (trotz vorhandener Verfahrenshandbücher) hinsichtlich der Auswahl potenzieller Teilnehmer. Zu oft wurde hierbei noch low risk offenders die Möglichkeit einer Mitwirkung am Programm eingeräumt. Probleme gibt es überdies, u. a. aufgrund gewisser finanzieller Engpässe, noch bei der Überweisung der Nutzer in (stationäre) Therapiemaßnahmen, bei der Nachbetreuung von „Drug Court“-Absolventen und bezüglich einer repräsentativen Evaluation der Effekte der jeweiligen Verfahren.

III. Therapierung drogenabhängiger Straftäter in Deutschland Kapitel III. der vorliegenden Abhandlung ist der Frage gewidmet, welche Wege drogenabhängigen Straftätern zur Aufnahme einer Therapie innerhalb des deutschen Rechtssystems zur Verfügung stehen und inwieweit „Drug Courts“ eine brauchbare Alternative zur aktuell üblichen Verfahrensweise darstellen könnten. 1. Ausgangslage in Deutschland a) Zur Grundausrichtung der Drogenpolitik der Bundesregierung Die aktuell von der Bundesregierung verfolgte Drogenpolitik richtet sich nach der 2012 verabschiedeten „Nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik“.376 Sie löste den „Aktionsplan Drogen und Sucht“ aus dem Jahr 2003 ab. Eingebettet ist sie in die europäische Drogenpolitik, deren Umsetzung sich auf der Grundlage von EUDrogenaktionsplänen377 vollzieht. Im Einzelnen basiert das gegenwärtig angewandte Konzept auf vier Säulen: – Prävention378, 376 Vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik, S. 6, 8. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 377 Vgl. Rat der Europäischen Union, Drogenaktionsplan der EU 2017 – 2020 (2017/C 215/ 02), in Kraft seit dem 05. 07. 2017. 378 Siehe auch das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz) vom 25. 07. 2015.

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– Beratung und Behandlung, Hilfen zum Ausstieg, – Maßnahmen zur Schadensreduzierung, – Repression (und Interventionen im Justizbereich). Verfolgt wird dabei ein integrativer Ansatz, der legale Suchtmittel (Alkohol, Tabak) und illegale gemeinsam betrachtet.379 Drogensucht sei nicht als persönliches Versagen, sondern als Krankheit und Ergebnis individueller Lebensumstände und -erfahrungen einzustufen. Ziel müsse es daher sein zu verhindern, dass es überhaupt zu einer solchen Erkrankung kommt, und dort, wo Prävention versagt, Hilfe zur Wiedererlangung eines selbstbestimmten Lebens bereit zu stellen. Für den vorliegend angestrebten Vergleich mit den „Drug Court“-Verfahren in den USA, Chile und Belgien sind aus dem obigen Modell die Aspekte Behandlung und Repression von hervorgehobener Bedeutung. Auch die Bundesregierung räumt ein, dass es zwar vorrangig erstrebenswert sei, innerhalb der Gesellschaft einen breiten Konsens über die Gefahren des Suchtmittelkonsums zu erzielen, daneben allerdings auch gesetzliche Normen eine wichtige Rolle beim Erreichen gesundheitsförderlichen Verhaltens spielen können.380 b) Gesetzliche Zuständigkeiten und Koordination Die Kompetenz für die Gesetzgebung im Bereich des Strafrechts bzw. des Betäubungsmittelrechts liegt grundsätzlich beim Bund (Art. 72 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 19 GG). Wichtigste Rechtsgrundlage in Bezug auf die Verwendung illegaler Substanzen ist das BtMG samt seinen Anlagen sowie die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen. Die Länder sind hingegen nach Art. 83 GG mit der Ausführung dieser Bundesnormen betraut, sodass insbesondere die Finanzierung der entsprechenden Maßnahmen überwiegend von ihnen (und den Kommunen) übernommen wird. Sie besitzen darüber hinaus eigene Kompetenzen in Schlüsselmaterien wie dem Strafvollzug, sowie dem Schul-, Gesundheits- und Bildungswesen. Die Zuständigkeit für den Strafvollzug wurde den Ländern im Zuge der Föderalismusreform (2006) übertragen.381 Dies hatte die Entstehung ländereigener Strafvollzugsgesetze zur Folge, die in Detailfragen voneinander abweichen können. Ein Teil der Bundesländer hat vor diesem Hintergrund schon 2011 in einer Arbeitsgruppe aus Vertretern ihrer Justizverwaltungen einen Entwurf für ein einheit379 Vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik, S. 8. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 380 Vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik, S. 16. 381 Vgl. Schneider/Dammer/Pfeiffer-Gerschler/Bartsch/Friedrich, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EMCDDA – Gefängnis, S. 3. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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liches Strafvollzugsgesetz für den Erwachsenenstrafvollzug vorgelegt, der mittlerweile in zehn Bundesländern verabschiedet wurde. Die Rahmenbedingungen für die Kostenübernahme einer Behandlung von Drogenabhängigen richten sich einheitlich nach dem Sozialgesetzbuch (SGB). Die Kostentragung übernehmen dabei hauptsächlich die Rentenversicherungsträger (SGB VI), die Gesetzlichen Krankenkassen (SGB V) sowie örtliche bzw. überörtliche Sozialhilfeträger (SGB XII).382 Als Medium der Koordination und des Austauschs fungiert im Bereich der Abhängigkeitsbekämpfung der sog. „Drogen- und Suchtrat“.383 In ihm sind gesellschaftlich relevante Gruppen und Vertreter aus Bund, Ländern und Kommunen vertreten, die an der Reduzierung von Suchtproblemen und an Hilfen für Suchtkranke beteiligt sind. Er wird von Experten und Sachverständigen aus den Bereichen Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Verbände und Einrichtungen des Gesundheitswesens gebildet und hat die Aufgabe, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung bei der Erledigung ihrer Aufgaben als hochrangig besetztes Gremium zu beraten und zu unterstützen. Er tritt zu diesem Zweck mindestens einmal jährlich zusammen. Darüber hinaus können befristet Facharbeitsgruppen gebildet werden. c) Anteil von Drogenstraftätern in Strafverfolgung und Strafvollzug Im Laufe des Jahres 2016 (letzte Erhebung) kam es deutschlandweit zu 302.594 Gesetzesverstößen aufgrund von Betäubungsmitteldelikten.384 Davon standen 80 % im Zusammenhang mit Drogenbesitz/-konsum, während 20 % den Bereich des unerlaubten Handels betrafen.385 39 % der registrierten Delikte bezog sich auf die Substanz Cannabis, gefolgt von Amphetaminen (17 %).386 Eine Verurteilung erfolgte in 65.969 Fällen387, was in etwa einer Quote von einem Fünftel entspricht. Der Anteil der Personen, die aufgrund von Verstößen gegen das BtMG inhaftiert waren, belief sich zuletzt im gesamten Strafvollzug auf knapp 13 % (6.551 von 50.957 Inhaftierten insgesamt).388 Zu beachten ist, dass diese Zahl nur einen groben Richtwert hinsichtlich einer Abhängigkeitsproblematik dieser Personengruppe 382

Die grundsätzlich festgelegte Kostenteilung sieht in diesem Kontext die Übernahme von Ausgaben bezüglich (sekundärer) Erkrankungen in Folge von Drogenkonsum und körperlicher Entgiftung durch die Krankenversicherungen vor, während ambulante und stationäre medizinische Rehabilitation in der Regel von den Rentenversicherungsträgern übernommen werden. 383 Vgl. Geschäftsordnung des Drogen- und Suchtrats vom 01. 12. 2014, §§ 1, 2, 5, 7. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 384 Vgl. EMCDDA, Germany Drug Report 2018, S. 1. 385 Vgl. EMCDDA, Germany Drug Report 2018, S. 5. 386 Vgl. EMDCCA, Germany Drug Report 2018, S. 1. 387 Vgl. Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2017, Wiesbaden 2018, Tabelle 2.1. 388 Vgl. Statistisches Bundesamt, Strafvollzug, Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31. 3. 2018, Tabelle 5.

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darstellen kann, da sie u. a. keine Fälle der suchtbezogenen Beschaffungskriminalität erfassen.389 Andererseits sind nicht alle auf Grundlage eines BtMG-Verstoßes inhaftierten Personen automatisch als betäubungsmittelabhängig einzustufen, insbesondere soweit die Verurteilung den Handel mit Drogen betrifft.390 Erste Untersuchungen haben diesbezüglich unter Berliner Strafvollzugsinsassen einen höheren Anteil von ca. 25 % ausgewiesen.391 d) Liberalisierungstendenzen bezüglich der Substanz Cannabis Besonders umstritten ist aktuell in Deutschland, wie die Handhabung der Unmenge strafbewehrter Verstöße geschehen soll, die insbesondere die Droge Cannabis betreffen.392 Die im Amt bestätigte Drogenbeauftragte der Bundesregierung sieht zum jetzigen Zeitpunkt keine Veranlassung, die diesbezüglich bestehenden Regelungen zu lockern.393 Bezugnehmend auf den Drogen- und Suchtbericht 2018394 und die Ergebnisse der „CaPRis“-Studie395 betont sie insbesondere das Gefährdungspotenzial von Cannabis für die gesundheitliche Entwicklung Jugendlicher sowie seine Rolle als „Einstiegsdroge für härtere Drogen“. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass Strafverfolgungsbehörden und Justiz einen bedeutenden Teil ihrer Ressourcen für Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis aufwenden.396 Zur Erhöhung der Verfahrenseffizienz hatte der Gesetzgeber deshalb einst bezüglich bestimmter Fälle leichterer Drogenkriminalität im Wege der §§ 29 Abs. 5 und 31 a BtMG für Gerichte bzw. Staatsanwaltschaften die Möglichkeit zum Absehen von der Verhängung einer Strafe bzw. von der Tatverfolgung geschaffen.397 Darüber hinaus ist hierzulande seit dem 10. 03. 2017 das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften („Cannabis als Medizin“) in Kraft getreten, das den Einsatz von Cannabisarzneimitteln als Therapiealternative bei schwerwiegenden Erkrankungen erlaubt.398 Voraussetzung ist danach, dass andere therapeutische Möglichkeiten ausgeschöpft sind und durch die Verabreichung 389 Vgl. Schneider/Dammer/Pfeiffer-Gerschler/Bartsch/Friedrich, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EMCDDA – Gefängnis, S. 7. 390 Vgl. Kühne, in: Kreuzer, Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts, § 22 Fn. 1. 391 Siehe Einführung S. 18. 392 Vgl. Pfeiffer-Gerschel/Dammer/Schneider/Bartsch/Friedrich, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EBDD – Drogenpolitik, S. 17 ff. 393 Vgl. Marlene Mortler im Gespräch mit Jörg Münchenberg, Deutschlandfunk vom 17. 10. 2018. 394 Vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Drogen- und Suchtbericht 2018. 395 Siehe Hoch/Friemel/Schneider, Ergebnisse der CaPRis-Studie, Cannabis: Potential und Risiken. Eine wissenschaftliche Analyse. 396 Vgl. Weber, BtMG, S. 24. 397 Siehe hierzu unten B., III., 3., a). 398 Siehe BGBl. Jahrgang 2017 Teil I Nr. 11 vom 09. 03. 2017.

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eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (Schmerzlinderung) oder auf schwerwiegende Symptome zu erwarten ist. Zur Gewährleistung einer Versorgung mit Cannabisarzneimitteln soll zukünftig in Deutschland der kontrollierte Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke mit Hilfe des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte als staatliche „Cannabisagentur“ durchgeführt werden.399 aa) Initiativen in Deutschland Vielen Strafrechtsexperten erscheinen diese Regelungen allerdings nicht weitgreifend genug. Befürworter einer Reform des Betäubungsmittelstrafrechts haben sich zu diesem Zweck im Verlauf der vergangenen Jahre im Rahmen des „Schildower Kreises“ zusammengefunden. Als Mitglieder dieser Vereinigung fordern 122 Strafrechtsprofessorinnen und -professoren in einer Resolution an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Einsetzung einer parlamentarischen EnqueteKommission, um auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse die „Geeignetheit, Erforderlichkeit und normative Angemessenheit des Betäubungsmittelstrafrechts unvoreingenommen zu überprüfen“. Die Unterzeichner beziehen sich in ihrer Argumentation auf die aus ihrer Sicht weltweit gescheiterte Prohibitionspolitik.400 Durch den finanziell höchstlukrativen Drogenschwarzmarkt sei eine „extreme und globalisierte Schattenwirtschaft mit weiterer Folgekriminalität und destabilisierenden Auswirkungen auf globale Finanzmärkte ebenso wie nationale Volkswirtschaften“ entstanden. Dies habe zu einer „massiven Machtanballung bei Kartellen und Mafia“ und damit einhergehend zu einer schleichenden Erosion der Zivilgesellschaft sowie staatlicher Strukturen geführt. Konsumenten würden „diskriminiert, strafrechtlich verfolgt und in kriminelle Karrieren getrieben“. Aus diesen Gründen empfiehlt der „Schildower Kreis“, einer Ausweitung der Gesundheitsvorsorge den Vorzug vor strafrechtlicher Verfolgung der Täter zu geben.401 Hierzu müsse die gesetzliche Handhabung aller übrigen, bislang illegalen Drogen nach aktuellem Stand der Wissenschaft beurteilt werden. Hinsichtlich der Substanz Cannabis sollte dabei der Ansatz einer Legalisierung gepaart mit staatlicher Regulierung von Herstellung und Vertrieb verfolgt werden.

399 Vgl. Sipp/Dammer/Pfeiffer-Gerschler/Schneider/Bartsch/Friedrich, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EMCDDA – Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 27. 400 Vgl. Schildower Kreis, Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und -professoren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 401 Vgl. Schildower Kreis, Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und -professoren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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In dieselbe Richtung zielt ein (erneuter) Gesetzesentwurf der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Cannabiskontrollgesetz vom 20. 02. 2018.402 Dieser regt an, Cannabis aus den strafrechtlichen Regelungen des BtMG „herauszunehmen“ und stattdessen für Volljährige einen „strikt kontrollierten legalen Markt“ über den Vertrieb der Droge mittels „Cannabisfachgeschäften“ zu eröffnen. Eine ähnliche Position vertreten im Bundestag die Fraktionen der FDP und insbesondere DIE LINKE, die im Verlauf dieser Legislaturperiode bereits entsprechende Anträge in das Parlament eingebracht haben.403 Für eine Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten hat sich zu Beginn des Jahres 2018 auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter ausgesprochen.404 Die Motive hierfür lagen vor allem in den im Vergleich zu den legalen Substanzen Alkohol und Tabak erheblich niedrigeren Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Volksgesundheit und im überproportional hohen Ressourcenaufwand, den die aktuelle Gesetzeslage verursacht. bb) Gesetzliche Reformen im globalen Kontext Weltweit sind innerhalb des Themenfeldes gewisse Liberalisierungstendenzen feststellbar. Bereits seit dem Jahr 2001 betreibt etwa Portugal eine sehr erfolgreiche Entkriminalisierungspolitik bezüglich sämtlicher Drogen, deren Gebrauch zuvor als Straftat galt.405 Bis zu einer bestimmten Obergrenze wird der Umgang mit diesen Substanzen nur noch als schlichte Ordnungswidrigkeit geahndet. Für eine ähnliche Regelung hat sich das norwegische Parlament im Dezember 2017 entschieden.406 Seit Juli 2017 ist es in Uruguay für registrierte Bürger auf Grundlage des Ley No. 19172 nunmehr möglich, staatlich produziertes und geprüftes Cannabis in Kleinmengen von bis zu 40 g monatlich bei lizenzierten Apotheken zu erwerben und eine entsprechende jährliche Menge (480 g) selbst zu kultivieren.407 Auch wenn es für eine seriöse Beurteilung gegenwärtig noch zu früh sei, hätten erste Erfahrungen gezeigt, dass sich dort die Qualität im Vergleich zu den zuvor auf der Straße er-

402 Vgl. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes (CannKG), Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/819. 403 Vgl. hierzu den Antrag der Fraktion der FDP vom 24. 01. 2018, Cannabis-Modellprojekte ermöglichen, Drucksache 19/515 sowie den Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 21. 02. 2018, Gesundheitsschutz statt Strafverfolgung – Für einen progressiven Umgang mit Cannabiskonsum, Drucksache 19/832. 404 Vgl. Keilani, Berliner Kripo-Beamte fordern Cannabis-Legalisierung, Der Tagesspiegel vom 06. 02. 2018. 405 Vgl. Streck, 15 Jahre entkriminalisierte Drogenpolitik in Portugal, Telepolis (heise online) vom 01. 06. 2016. 406 Vgl. Kurier, Norwegen entkriminalisiert Gebrauch von Drogen, Artikel vom 17. 12. 2017. 407 Gesetzestext des Ley No. 19172 (in spanischer Sprache) abrufbar unter: https://medios. presidencia.gub.uy/jm_portal/2014/noticias/NO_M871/reglamentacion-ley19172.pdf. (letzter Zugriff am 15. 07. 2019)

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worbenen Substanzen bereits nach wenigen Monaten erheblich verbessert habe.408 Der von vielen Kritikern zuvor prophezeite „große Knall“ sei ausgeblieben.409 Begleitet von einer intensiven Aufklärungskampagne hat kürzlich auch Kanada im Wege der Bill C-45 (Cannabis Act) vom 17. 10. 2018 eine entsprechende Legalisierung vollzogen.410 Seitdem können volljährige Kanadier zum Freizeitgebrauch bei staatlichen Abgabestellen (cannabis stores) bis zu 30 g Cannabis aus öffentlich kontrolliertem Anbau erhalten. Selbst in den drogenpolitisch traditionell eher konservativ geprägten Vereinigten Staaten hat es zuletzt Bürgerentscheide gegeben, die eine Legalisierung von Cannabis in einzelnen Bundesstaaten herbeigeführt haben. Besonderes Aufsehen erregte dabei die Volksinitiative in Colorado, als deren Konsequenz im November 2012 das Colorado Amendment 64 erlassen wurde.411 Auf der Grundlage dieses Gesetzes wurde Cannabis rechtlich dem Alkohol gleichgestellt, sodass es nunmehr von erwachsenen Bürgern (Vollendung des 21. Lebensjahres) erworben werden kann. Auch hier sind die Erfahrungswerte seit dem offiziellen Beginn der Legalisierung zum Jahr 2014 überwiegend positiv. So zeigten sich im Vergleich zur Zeit vor der Gesetzesänderung keine nennenswerten Abweichungen im Konsumverhalten der einheimischen Bevölkerung.412 Wenngleich Colorado nach wie vor die landesweite Statistik zum Cannabiskonsum anführe, habe sich nach erfolgter Legalisierung weder unter Erwachsenen noch unter den Jugendlichen die Zahl der Konsumenten bzw. deren Konsumintensität wesentlich verändert.413 Auch stünde die Popularität der Substanz bei 6 % regelmäßiger Nutzer nach wie vor deutlich hinter der von Alkohol (22 %) oder Tabak (16 %) zurück.414 Als Resultat des staatlichen Verkaufsmonopols konnte der Bundesstaat Colorado bei steigender Tendenz zuletzt (Jahr 2017) überdies jährliche Steuereinnahmen in Höhe von über 247 Millionen US-Dollar verbuchen.415

408 Vgl. Goñi, La legalización de la marihuana en Uruguay ha resultado ser todo un éxito („Die Cannabis-Legalisierung in Uruguay ist ein Erfolg auf ganzer Linie“), El Diario vom 25. 12. 2017. 409 Vgl. Visram, Uruguay, el primer país en legalizar la marihuana, está tomándose las cosas con calma („Als erstes Land einer Marihuana-Legalisierung geht Uruguay gelassen vor“), CNN vom 17. 09. 2018. 410 Gesetzestext abrufbar unter https://laws-lois.justice.gc.ca/PDF/C-24.5.pdf. (letzter Zugriff am 15. 07. 2019). 411 Gesetzestext abrufbar unter https://www.fcgov.com/mmj/pdf/amendment64.pdf. (letzter Zugriff am 15. 07. 2019). 412 Vgl. Colorado Department of Public Health & Environment, Beobachtung der gesundheitlichen Auswirkungen von Marihuana in Colorado, S. 4 ff. 413 Vgl. Colorado Department of Public Health & Environment, Beobachtung der gesundheitlichen Auswirkungen von Marihuana in Colorado, S. 4 f. 414 Vgl. Colorado Department of Public Health & Environment, Beobachtung der gesundheitlichen Auswirkungen von Marihuana in Colorado, S. 4. 415 Vgl. Colorado Department of Revenue, Steuerdaten bezüglich Marihuana, Statistik von November 2018.

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e) Zur bundesweiten Therapiesituation Laut der letztmaligen Deutschen Suchthilfestatistik führten die an der Erhebung teilnehmenden 863 ambulanten und 211 stationären Einrichtungen 342.009 ambulante Betreuungen und 47.776 stationäre Behandlungen durch.416 Der überwiegende Teil der teilnehmenden Einrichtungen befindet sich in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege oder anderer gemeinnütziger Träger (89 % ambulant bzw. 56 % stationär). Unter den stationären Heilanstalten spielen auch privatwirtschaftliche Träger eine bedeutende Rolle (29 %). Nach Auffassung der DBDD verfügen die Bundesländer zur Abdeckung dieses Therapiebedarfs über ein gut ausgebautes Netz.417 Das Angebot sei flächendeckend und beinhalte Präventionsarbeit, ambulante Suchtberatung, qualifizierte Entgiftungseinrichtungen, Entwöhnungsbehandlungen und Adaptionseinrichtungen, komplementäre Angebote (niedrigschwellige Einrichtungen, Tagesstätten, Arbeitsund Beschäftigungsprojekte, ambulant betreutes Wohnen, Jugendwohnheime, sozialtherapeutische Übergangswohnheime, Heime für Wohnungslose), andere spezifische Angebote (Pflegeheime und Maßregelvollzug) und die Suchtselbsthilfe. Die überwiegende Mehrheit der Versorgungseinrichtungen arbeite im Sinne eines integrativen Ansatzes, der ggf. um spezifische Ansätze für bestimmte Zielgruppen ergänzt werde. Die Bandbreite reiche damit von Beratungsangeboten bis hin zu intensiven stationären Therapieformen.418 Als langfristige Behandlungsalternativen gebe es die Substitutionstherapie für Opiatabhängige (opioid substitution therapy)419, Rehabilitationsbehandlung und Optionen zur sozialen Reintegration. Aufgrund der Zuständigkeit der Länder und Kommunen für die Finanzierung des Therapieangebots könne die jeweilige Verfügbarkeit deutschlandweit allerdings stark variieren. An der Durchführung der Behandlung sind in Deutschland als erster Ansprechpartner zunächst die jeweiligen Hausärzte der Patienten beteiligt.420 Zusätzlich nehmen neben den bereits genannten (gemeinnützigen) Beratungszentren auch psychiatrische Kliniken eine wichtige Rolle im Behandlungssystem ein.421 Fast die Hälfte der späteren Klienten wende sich allerdings selbst an eine ambulante Ein416 Vgl. Thaller, Rebecca/Specht, Sara/Künzel, Jutta/Braun, Barbara, Suchthilfe in Deutschland 2016, Jahresbericht der Deutschen Suchthilfestatistik, München 2017, S. 3, 7. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 417 Vgl. Bartsch/Friedrich/Schneider, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EBDD (Datenjahr 2017/2018) – Behandlung, S. 7. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 418 Vgl. EMCDDA, Germany Drug Report 2018, S. 16 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 419 Im Jahr 2016 erhielten über 75 % der Patienten eine solche Behandlung mit dem Arzneimittel Methadon, 23 % entfielen auf Buprenorphin. 420 Vgl. EMCDDA, Germany Drug Report 2018, S. 16. 421 Vgl. EMCDDA, Germany Drug Report 2018, S. 16.

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richtung der deutschen Suchthilfe und wird nicht etwa durch Dritte oder andere Institutionen vermittelt.422 Demgegenüber betrage der Anteil von ärztlichen/psychotherapeutischen Praxen und Krankenhausabteilungen an der Vermittlung nur zwischen 7 und 8 %, was demjenigen von Familien (8 %) und Justizbehörden (7 %) entspricht.423 Sämtliche Therapiedienstleistungen dürften nur von adäquat geschultem Personal mit erforderlichen Spezialkenntnissen im jeweiligen Sachgebiet durchgeführt werden.424 Für die Kontrolle dieser Qualitätsstandards sind die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und die Ärztekammern zuständig, soweit es sich um Therapien außerhalb des Gefängnisses handelt.425 Die Bewertung der Gesundheitsfürsorge in Haft und die Sicherstellung der Qualität von drogenbezogenen Angeboten untersteht demgegenüber den Justizministerien der Länder. Für Gefängnisinsassen unterhalte das deutsche Justizvollzugssystem ein eigenes gesundheitliches Versorgungssystem. 2. Strafprozessuale Vorbetrachtungen Vor einer Analyse von Alternativen zur Behandlung drogenabhängiger Straftäter in Deutschland sollen zunächst, vergleichbar zu den rechtlichen Herausforderungen des Programms in den USA426, Ausführungen zur grundsätzlichen Vereinbarkeit des „Drug Court“-Modells mit der Rechtsordnung Deutschlands erfolgen. Besonderer Bezug soll dabei auf einige in diesem Kontext relevante Justizgrundrechte, die Verständigung im Strafverfahren sowie die Durchführung einer interinstitutionellen, kooperativen Zusammenarbeit genommen werden. Eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit bestimmter Elemente zur Durchführung von „Drug Courts“ (Informationsweitergabe, mögliche „Drug Court“-Sanktionen etc.) ist dagegen im Abschnitt 3., c) dieses Kapitels vorgesehen. a) Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG schreibt vor, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Hierdurch wollte man ausschließen, dass durch eine Steuerung der Richterauswahl „sachwidrig“ Einfluss auf richterliche Entscheidungsprozesse genommen werden kann.427 Im Kern beinhaltet dieses Justizgrundrecht daher 422

Vgl. Thaller/Specht/Künzel/Braun, Suchthilfe in Deutschland 2016, S. 25. Vgl. Thaller/Specht/Künzel/Braun, Suchthilfe in Deutschland 2016, S. 25. 424 Vgl. EMCDDA, Germany Drug Report 2018, S. 16. 425 Vgl. Schneider/Pfeiffer-Gerschel/Dammer/Bartsch/Friedrich, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EBDD (Datenjahr 2017/2018) – Gefängnis, S. 18 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 426 Siehe hierzu B., II., 2., e). 427 Vgl. Claasen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 101 Fn. 6. 423

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einen „gleichheitsrechtlichen Charakter“, der jeden anhängig werdenden Streitgegenstand seinem insoweit zuständigen Richter zuweist.428 Konkretisiert wird diese Garantie durch Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG, der Ausnahmegerichte für unzulässig erklärt.429 Das BVerfG definiert Ausnahmegerichte dabei als in Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeit besonders gebildete und (nur) zur Entscheidung „einzelner konkreter oder individuell bestimmter Fälle“ berufene Gerichte.430 Der Gesetzesvorbehalt aus Art. 101 Abs. 2 GG stellt demgegenüber klar, dass Gerichte für besondere Sachgebiete nur durch Gesetz errichtet werden können. Ein solches Gericht charakterisiert sich durch seine Zuständigkeit für sämtliche Fälle eines nach „abstrakt-generellen Kriterien definierten Sachgebiets“.431 Die bezüglich drogenbezogener Kriminalität existierenden Aufnahmekriterien von „Drug Courts“ würden die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 2 GG wohl erfüllen können. Eine genaue Auseinandersetzung mit dieser Frage kann allerdings insoweit dahinstehen, als das Programm gerade nicht die Einrichtung eines neuen, selbstständigen Gerichts erfordert. In der Praxis funktioniert das Modell im Rahmen der Spezialzuständigkeit einer oder mehrerer Kammern innerhalb eines bereits bestehenden Strafgerichts. Die Schaffung solcher „Spezialspruchkörper“ darf jedoch als unselbständiger Teil eines Gerichts durch gesetzliche Geschäftsverteilung vorgenommen werden.432 Diese Gerichtspraxis trage dem Bedürfnis Rechnung, dass „für die eine besondere Sachkenntnis und Erfahrung erforderliche Beurteilung ein Spruchkörper zuständig sein soll, der infolge Häufung dieser Sachen bei ihm die notwendige Kenntnis und Erfahrung bietet“.433 Dies treffe an Strafgerichten insbesondere auf die Beurteilung von Betäubungsmittelkriminalität, unerlaubtem Glücksspiel und Verkehrsstraftaten zu.434 Ein „Drug Court“-Programm würde damit bei Überführung seiner Teilnehmer in die Zuständigkeit einer solchen Spezialabteilung, der Vorschrift über die Garantie des gesetzlichen Richters gerecht werden.

428

Vgl. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 101 Fn. 22. Vgl. Claasen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 101 Fn. 8. 430 Vgl. BVerfGE 3, 213 (223); 8, 174 (182); 10 200 (212). 431 Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 101 Fn. 96. 432 Vgl. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 101 Fn. 98 mit Verweis auf BVerfGE 26, 186 (192 f.), BayVerfGH NJW 1984, Merkmale eines Ausnahmegerichts, 2813 (2814); Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, S. 145. 433 Vgl. BayVerfGH NJW 1984, 2813 (2814); BayVerfGHE 20, 78 (83 f.). 434 Vgl. Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, S. 145 f. (Fn 69). 429

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b) Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) Das Justizgrundrecht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG beinhaltet im Wesentlichen drei Elemente.435 Zunächst hat das Gericht den Berechtigten bis zu einem gewissen Grad über die Sach- und Rechtslage zu informieren. Sodann ist ihm ausreichend Gelegenheit zur Äußerung einzuräumen. Diese Stellungnahme muss das Gericht im Rahmen seiner Urteilsfindung schließlich angemessen berücksichtigen. Problematisch im Hinblick auf das „Drug Court“-Verfahren erscheinen in diesem Zusammenhang sämtliche Dimensionen des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Begründet liegt dies in der internen Team-Vorbesprechung, die viele Programme (u. a. in den USA und Chile) vorsehen. In deren Zuge kann es passieren, dass in Abwesenheit des Berechtigten wesentliche zukünftige Verfahrensschritte bereits „vorentschieden“ werden. Die Möglichkeit zur Verhandlung in Abwesenheit eines Angeklagten besteht in Deutschland in Ausnahme zur allgemeinen Anwesenheitspflicht des Angeklagten (§ 231 StPO) jedoch lediglich gemäß den engen Voraussetzungen der §§ 231 a (Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit), 231 b (Nach Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer), 231 c (Beurlaubung einzelner Angeklagter) und 232 StPO (Ausbleiben des Angeklagten in Verfahren bezüglich Geldstrafe, Fahrverbot).436 Diese Ausnahmevorschriften wären in Verfahren drogenbezogener Kriminalität allenfalls in Einzelfällen erfüllt. Zudem darf eine gerichtliche Entscheidung nach dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs nur auf der Grundlage solcher Tatsachen und Beweisergebnisse getroffen werden, zu denen der Berechtigte (infolge Bekanntwerdens) tatsächlich Stellung nehmen konnte.437 Auch muss in der konkreten Verfahrenssituation eine Beeinflussung der Entscheidung überhaupt noch möglich sein.438 Das zuständige Gericht muss daher die innerliche Bereitschaft zur ernsthaften Rezeption des Vorbringens des Beteiligten aufweisen.439 Vor dem Hintergrund der Vorwegnahme ggf. strittiger Verfahrensaspekte durch die Vorbesprechung des „Drug Court“-Teams dürften insoweit mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG sowohl die hinreichende Möglichkeit zur Abgabe einer informierten Stellungnahme im Rahmen der unmittelbar anschließenden Hauptverhandlung als auch deren nachfolgende, sachgerechte Berücksichtigung zumindest nicht mehr zweifelsfrei gewährleistet sein. 435 Vgl. Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 103 Fn. 28; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 I Fn. 20. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 436 Vgl. Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 103 Fn. 35, mit Verweis auf BVerfGE 41, 246 (249). 437 Vgl. Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 103 Fn. 31. 438 Vgl. Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Fn. 73, u. a. mit Verweis auf BVerfGE 109, 13 (37 f.). 439 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 I Fn. 62.

III. Therapierung drogenabhängiger Straftäter in Deutschland

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Als problematisch im Hinblick auf die Abhaltung einer Teamsitzung wirkt sich zudem aus, dass die Mitwirkung eines Verteidigers in Deutschland aufgrund von § 140 Abs. 1 StPO nur in ausgewählten Fällen vorgeschrieben ist. Ein „Drug Court“Teilnehmer, dessen Tatvorwurf die Kriterien dieser Vorschrift nicht erfüllt und der darüber hinaus auch keinen Strafverteidiger engagiert, hätte somit innerhalb des internen Vorgesprächs streng genommen niemanden, der seine Interessen vertritt. c) Legalitäts- und Opportunitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) Nach dem Legalitätsprinzip aus § 152 Abs. 2 StPO ist die Staatsanwaltschaft grundsätzlich verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern dafür zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Die negative Seite dieses Grundsatzes stellt das sog. Opportunitätsprinzip dar, das die Nichtverfolgung von konkreten Wertungs- und Beurteilungskriterien abhängig macht.440 Im Rahmen eines „Drug Court“ besteht dieses Kriterium in der Zurückstellung eines bereits begonnenen strafrechtlichen Verfahrens gegen Erfüllung eines gerichtlich (nach erfolgter Teamabsprache) festgelegten Therapieplans. Ein ähnliches Vorgehen beschreibt in der hiesigen Rechtsordnung der § 37 Abs. 1 BtMG, der der Staatsanwaltschaft bei Straftaten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit und mit einer Straferwartung von bis zu zwei Jahren eine Option zum vorläufigen Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage gibt, sofern der Beschuldigte nachweist, sich in therapeutischer Behandlung zu befinden.441 Auch hierbei ist die Möglichkeit einer Fortsetzung (Wiederaufnahme) des Verfahrens, u. a. für ein Scheitern der Behandlung, vorgesehen. d) Verständigung im Strafverfahren (§ 257 c StPO) Im Rahmen der von § 257 c StPO geregelten Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten können diese sich über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens abstimmen. Der Gesetzgeber hat durch Schaffung dieser Alternative die Reglementierung einer contra legem entstandenen Praxis und eine allgemeine Reduzierung des Verfahrensaufwands angestrebt.442 Er stellt damit auch klar, dass außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Ablaufs getroffene, heimliche Absprachen (sog. deals) damit schlechthin unzulässig sind.443 Bei vorheriger Abgabe eines Geständnisses können Gegenstand einer solchen Verständigung gemäß § 257 c Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO die Rechtsfolgen, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Pro440 441 442 443

Vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 152 Fn. 7. Bezüglich näherer Erläuterungen zu § 37 BtMG siehe unten B., III., 3., b). Vgl. Velten, in: Wolter, SK-StPO, § 257 c Fn. 1, 9. Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 257 c Fn. 4a.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

zessverhalten der Verfahrensbeteiligten sein. Zulässig sind demnach nunmehr auch Vereinbarungen über eine Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56 ff. StGB) samt eventuell anzuordnender Auflagen und Weisungen.444 Ausdrücklich ausgeschlossen bleiben dagegen der Schuldspruch selbst sowie (aufgrund der potenziellen Gefährlichkeit dieser Tätergruppe) Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 257 c Abs. 2 Satz 3 StPO). Hier darf das Gericht lediglich eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verständigung kommt nach § 257 Abs. 3 Satz 4 StPO zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichts zustimmen. Im Kern handelt es sich beim „Drug Court“-Verfahren ebenfalls um eine, allerdings weitaus universeller getroffene Vereinbarung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten. Konkrete Rechtsfolgen für einzelne Teilnehmer werden dabei grundsätzlich nicht vorbestimmt. Der unmittelbare Vorteil für die Nutzer liegt allgemein darin, dass sie zunächst von einer Inhaftierung verschont bleiben und Zugang zu professioneller therapeutischer Behandlung erhalten. Allen Beteiligten ist zwar bewusst, dass sich eine erfolgreiche Programmteilnahme am Ende strafmildernd auswirken wird. Ein genauer Strafrahmen wird hierbei jedoch nicht weitergehend eingegrenzt. Für ein „Drug Court“-Verfahren in Deutschland würden die vorstehenden Ausführungen indes bedeuten, dass § 257 c StPO in seiner bestehenden Form über den Weg einer Therapieaufnahme im Rahmen einer Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56, 56 c StGB445) Absprachen hinsichtlich der Aufnahme eines Angeklagten in das Programm ermöglichen könnte. Zur angemessenen Einschätzung seiner Interessenlage wäre es gemäß herrschender Meinung in jedem Fall erforderlich, dass der Kandidat vor Abschluss einer solchen Verständigung einen rechtlichen Vertreter gewählt bzw. beigeordnet bekommen hat.446 e) Interinstitutionelle Zusammenarbeit Innerhalb der deutschen Rechtslandschaft finden sich bereits heute einige Vorschriften, die im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens bzw. den hieran anschließenden Strafvollzug eine kooperative Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Institutionen voraussetzen. aa) Gerichtliches Verfahren nach JGG Gemäß § 2 JGG ist es das Ziel des Jugendstrafrechts, erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken, weshalb Rechtsfolgen und Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten sind. 444

Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 257 c Fn. 12. Bezüglich näherer Erläuterungen zu den §§ 56 ff. StGB siehe unten B., III., 3., c). 446 Vgl. Velten, in: Wolter, SK-StPO, § 257 c Fn. 9, u. a. mit Verweis auf OLG Bamberg, Beschluss vom 03. 12. 2014 – 1 Ws 622/14. 445

III. Therapierung drogenabhängiger Straftäter in Deutschland

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§ 38 Abs. 2 JGG sieht bei Einschaltung von Jugendgerichten zudem die Involvierung der Jugendgerichtshilfe vor. Diese soll: – die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte zur Geltung bringen, – die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten unterstützen und sich zu den Maßnahmen äußern, die jeweils zu ergreifen sind, – einen Vertreter in die Hauptverhandlung entsenden, der die Nachforschungen angestellt hat, – darüber wachen, dass der Jugendliche Weisungen und Auflagen nachkommt (soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist) und dem Richter erhebliche Zuwiderhandlungen mitteilen, – während der Bewährungszeit eng mit dem Bewährungshelfer zusammenarbeiten, – während des Vollzugs mit dem Jugendlichen in Verbindung bleiben und sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft annehmen. Vor der Erteilung von Weisungen gegen den Jugendlichen sind die Vertreter der Jugendgerichtshilfe nach § 38 Abs. 3 Satz 3 JGG stets zu hören und können damit unmittelbar Einfluss auf den Verfahrensfortgang nehmen. bb) Kooperation zur Durchführung der Führungsaufsicht Auch die Regelungen zur Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) enthalten Aspekte einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit zwischen beteiligten Trägern. So legt § 68 a Abs. 3 StGB fest, dass die Aufsichtsstelle im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisungen überwacht. Zudem bestehen gemäß § 68 a Abs. 8 StGB unter den Verfahrensbeteiligten Offenbarungspflichten hinsichtlich bestimmter vertraulicher Informationen. Bezüglich vertiefender Ausführungen zur Führungsaufsicht sei an dieser Stelle auf den Abschnitt 3., d), bb) des vorliegenden Kapitels verwiesen. cc) Reintegration nach Haftentlassung Eine ähnliche Herangehensweise lässt sich anhand der Vorschriften zur Reintegration nach Haftentlassung nachvollziehen. § 74 StVollzG regelt dort i.V.m. § 2 StVollzG, dass Inhaftierten mit dem Ziel einer zukünftigen gesellschaftlichen Integration Hilfen zur Entlassung zu gewähren sind. Ihm muss dabei geholfen werden, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu ordnen und damit eine Arbeit, Unterkunft und persönlichen Beistand zu finden.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

§ 154 Abs. 1 StVollzG sieht hierzu ausdrücklich die Zusammenarbeit der am Vollzug beteiligten Träger zur Erfüllung dieser Aufgabe vor. Konkret haben die Vollzugsbehörden eng mit den Stellen der Entlassenenfürsorge, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, den Agenturen für Arbeit, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege zu kooperieren (§ 154 Abs. 2 StVollzG). f) Zwischenergebnis Vorstehend hat sich gezeigt, dass die Einrichtung von „Drug Courts“ prinzipiell mit der deutschen Rechtsordnung vereinbar wäre. Wesentliche Elemente wie eine Zurückstellung der weiteren Durchführung des Strafverfahrens bei Therapieaufnahme sowie Verfahrensabsprachen und interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen Beteiligten sind auch hierzulande bereits Teil rechtlicher Bestimmungen. Ebenso verhält es sich mit der Spezialisierung einzelner Richter/gerichtlicher Abteilungen auf Taten im Zusammenhang mit Betäubungsmittelkriminalität. Hierdurch würde ein Angeklagter im Rahmen des Programms nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Bei einer Übernahme des Verfahrensablaufs, der in den USA und Chile üblich ist, stünde insbesondere die Abhaltung einer internen Teambesprechung aber wohl in ernsthaftem Konflikt mit dem Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör. Daher sollte insoweit dem belgischen Ansatz gefolgt werden, der auf eine solche Vorberatung verzichtet und durch ein Beiwohnen der Teilnehmer bei jedem Verfahrensschritt neben ihrer umfassenden Information und Möglichkeit zur Stellungnahme auch insgesamt ein höheres Maß an Transparenz gewährleistet. 3. Rechtliche Grundlagen zum Umgang mit Drogenstraftätern Das deutsche Strafrecht hält im Umgang mit drogenabhängigen Straftätern vielfältige Wege bereit, diese zu bestrafen und/oder ihnen je nach Schuld und Suchtstadium die Teilnahme an einer Therapie zu ermöglichen.447 Leitprinzip bei der Verurteilung straffälliger Suchtkranker ist der Grundsatz „Therapie statt Strafe“, gemäß dem von der Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe abzusehen ist, wenn sich der betäubungsmittelabhängige Täter im Gegenzug zur Aufnahme einer Therapie bereit erklärt.448 Möglichkeiten zur Therapierung bestehen insbesondere im Rahmen der nachfolgenden Rechtsinstitute: 447

Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 7. Vgl. Sipp/Dammer/Pfeiffer-Gerschel/Schneider/Bartsch/Friedrich, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EBDD (Datenjahr 2017/2018) – Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 9. 448

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– Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 37 BtMG), – Strafaussetzung zur Bewährung unter (Therapie-)Weisung (§§ 56, 56 c StGB), – Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), – Führungsaufsicht mit (Therapie-)Weisung (§§ 68 ff. StGB), – Zurückstellung der Strafvollstreckung (§§ 35, 36 BtMG). Da bezüglich des Anwendungsbereichs und der Zielrichtung dieser Normen gewisse Überschneidungen existierten, sei es für die beteiligten Staatsanwälte und Gerichte oftmals mit Verunsicherung verbunden, sich im konkreten Fall für eine der Varianten zu entscheiden.449 In der Folge sollen die vorstehend erwähnten Instrumente daher voneinander abgegrenzt und im Hinblick auf ihre praktische Relevanz untersucht werden. a) Absehen von Strafe bei geringer Menge (§§ 29 Abs. 5, 31 a Abs. 1 BtMG) Noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens gibt es bei Verstößen gegen das BtMG Alternativen, um (ohne weitergehende Therapieverpflichtung) von einer Bestrafung des Täters abzusehen. Dabei findet, zumindest dem Gesetzeswortlaut nach, keine Unterscheidung zwischen Drogenarten oder Tathandlungen statt.450 Gemäß § 29 Abs. 5 BtMG kann vom Gericht im gewissermaßen leichtesten aller Fälle von einer Strafe abgesehen werden, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. Nach § 31 a Abs. 1 BtMG existiert diese Möglichkeit auch bezüglich eines Absehens von der Tatverfolgung durch die Staatsanwaltschaft, sofern die Schuld des Täters hierbei als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung besteht und es sich um ein Eigenkonsumdelikt handelt. Im Unterschied zu § 29 Abs. 5 BtMG ist es ihr dabei erlaubt, bereits im Ermittlungsverfahren mittels einer vereinfachten Vorgehensweise, d. h. ohne strenge Beweisregeln oder eine Zustimmung des Gerichts, zu entscheiden.451 Obwohl die Norm damit eine Konzentration der Behördenarbeit auf die Verfolgung von Schwerkriminalität fördert, wird gelegentlich kritisiert, dass ein solches Absehen nicht von der Teilnahme an Maßnahmen der Suchthilfe abhängig gemacht werden kann.452

449 450 451 452

Vgl. Kühne, in: Kreuzer, Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts, § 22 Fn. 4. Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 29, Teil 29, Fn. 3. Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, § 31 a Fn. 10. Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, § 31 a Fn. 12.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Die Anwendung dieser Regelungen ist in der Praxis populär453, wird regional allerdings noch recht unterschiedlich gehandhabt.454 Hinsichtlich der Verfolgung von Konsumdelikten im Zusammenhang mit Cannabis zeichnet sich in letzter Zeit eine zunehmende Vereinheitlichung bei der Definition von Grenzwerten zur Bestimmung der „geringen Menge“ durch die Bundesländer gemäß den Vorgaben des BVerfG ab.455 Bezüglich anderer (härterer) Betäubungsmittel wie Kokain oder Heroin haben dagegen bislang nur einige wenige Bundesländer, insbesondere im norddeutschen Raum, Möglichkeiten für das Absehen von der Strafverfolgung ausdrücklich geregelt.456 Ähnliche Abweichungen sind bezüglich der Behandlung von Wiederholungstätern festzustellen.457 Hervorzuheben ist, dass sich aus entsprechenden Richtlinien (soweit sie vorhanden sind) aufgrund des in Deutschland geltenden Legalitätsprinzips nicht automatisch ein Absehen von Strafverfolgung ergibt.458 Die Polizei hat damit sämtliche Verdachtsfälle an die zuständige Staatsanwaltschaft zu melden. Zudem sehen die §§ 153, 153 a StPO Möglichkeiten zur Einstellung des Verfahrens ohne bzw. mit Auflagen oder Weisungen vor, sofern die Schuld des Täters gering ist und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht vorliegt bzw. beseitigt werden kann. Die genannten Normen gelangen – nachrangig zur Spezialregelung des § 31 a Abs. 1 BtMG – etwa dann zur Anwendung, wenn der Grenzwert der geringen Menge unerheblich überschritten ist oder eine Einstellung an die Verhängung einer Geldstrafe geknüpft werden soll.459

453 Allein im Jahr 2017 endeten mehr als 73.000 Verfahren auf diese Art und Weise, vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.6, Rechtspflege – Staatsanwaltschaften, Tabelle 2.2.1.1. 454 Vgl. Schäfer/Paoli, Die Anwendung des § 31 a BtMG und anderer Opportunitätsvorschriften auf Drogenkonsumentendelikte, S. 22. 455 Vgl. Sipp/Dammer/Pfeiffer-Gerschel/Schneider/Bartsch/Friedrich, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EBDD (Datenjahr 2017/2018) – Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 12.; BVerfG, Beschluss vom 09. 03. 1994 – 2 BvL 43/92. Das BVerfG hatte bereits im Jahr 1994 per Beschluss u. a. darauf hingewiesen, dass eine einheitliche Anwendung des § 31 a BtMG bei Cannabisdelikten angezeigt sei. 456 Vgl. Noltensmeier, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 5 Fn. 594, mit Verweis auf die Bundesländer Berlin und Bremen. 457 Vgl. Noltensmeier, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 5 Fn. 594, mit Verweis auf die Bundesländer Berlin und Bremen. 458 Vgl. Sipp/Dammer/Pfeiffer-Gerschel/Schneider/Bartsch/Friedrich, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EBDD (Datenjahr 2017/2018) – Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 14. 459 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 31 a Fn. 14.

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b) Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 37 BtMG) aa) Regelungsinhalt Für Straftaten, die aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden, kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 37 Abs. 1 BtMG bei hinreichendem Tatverdacht zugunsten einer bereits angetretenen Therapie von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen, soweit keine höhere Strafe als eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zu erwarten ist. Sollte die Klage bereits erhoben worden sein, kann das Gericht das Verfahren bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 Satz 1 BtMG460 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft vorläufig einstellen (§ 37 Abs. 2 BtMG). Die Norm ermöglicht damit eine Verfahrenseinstellung auch bezüglich solcher Taten, die nicht von § 29 Abs. 5 BtMG bzw. § 31 a Abs. 1 BtMG erfasst sind.461 § 37 BtMG möchte drogenabhängigen Straftätern einen Anreiz bieten, frühzeitig eine Therapie anzutreten und diese durchzustehen.462 Auch soll dadurch vermieden werden, dass Abhängige durch das Strafverfahren oder eine Verurteilung aus einer begonnenen Behandlung gerissen werden.463 Nicht eröffnet ist sein Anwendungsbereich für Gelegenheitskonsumenten.464 Soweit ein ausreichender Abhängigkeitsgrad festgestellt worden sein sollte, kommt das Erfordernis einer positiven Resozialisierungsprognose hinzu, die eine realistische Chance zur Überwindung der Sucht und zur gesellschaftlichen Wiedereingliederung voraussetzt.465 Für den Fall einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens ist das Justizorgan für die Überwachung der Therapie zuständig, von dem ein Vorgehen nach § 37 BtMG angeregt worden ist. Der Beschuldigte hat sodann regelmäßig, für gewöhnlich quartalsweise, Bescheinigungen vorzulegen, die eine Fortführung seiner Behandlung bestätigen. Sofern er seiner Nachweispflicht nicht nachkommen sollte, ist die Staatsanwaltschaft/das Gericht zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigt, § 37 Abs. 1 Satz 3 BtMG. Zur gleichen Konsequenz führen der vorzeitige Abbruch der Behandlung, die Begehung einer neuen Straftat sowie das Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel, die eine Straferwartung von über zwei Jahren rechtfertigen. Durch den Verzicht auf eine rechtskräftige Verurteilung vor Behandlungsbeginn gewährt die Norm neben § 153 a StPO die einzige echte Möglichkeit zur Aufnahme einer Therapie anstelle einer Strafe. Umstritten ist indes das Verhältnis der beiden Regelungen zueinander. Im Gegensatz zu § 153 a StPO stellt § 37 BtMG nicht vorrangig auf die geringe Schuld oder ein fehlendes öffentliches Interesse an der 460 461 462 463 464 465

Vgl. Weber, BtMG, § 37 Fn. 69. Vgl. Noltensmeier, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 5 Fn. 678. Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 37 BtMG, Fn. 1. Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 37 BtMG, Fn. 1. Vgl. Volkmer, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 37 Fn. 7. Vgl. Volkmer, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 37 Fn. 15.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Strafverfolgung ab, sondern rückt das Bedürfnis einer therapeutischen Behandlug des Täters in den Vordergrund.466 Ausschließlich ist § 37 BtMG jedenfalls dann anwendbar, wenn die vorgesehenen Einstellungsmöglichkeiten weitergehen als bei § 153 a StPO, da erstere Regelung keine Beschränkung auf Vergehen vorsieht.467 Im Überschneidungsbereich der beiden Normen soll nach einer Auffassung § 37 BtMG, ähnlich § 31 a BtMG, dem § 153 a StPO als Sonderrecht für betäubungsmittelabhängige Straftäter vorgehen.468 Nach vorzugswürdiger Ansicht kann ein solches Vorrangverhältnis jedoch aufgrund des wesentlich umständlicheren Verfahrens des § 37 BtMG (nachgewiesener Therapiebeginn) und der mit der Zurückstellung verbundenen Belastung für den Verurteilten nicht geteilt werden.469 Selbst der Leitgedanke „Therapie statt Strafe“ gebiete es nicht, Bagatellverstöße von einer Behandlung nach §§ 153, 153 a StPO auszunehmen und auf einer Durchführung des § 37-Verfahrens zu bestehen.470 Vielmehr sei im Sinne einer Wahlmöglichkeit zu prüfen, welche der Normen dem Einzelfall gerecht werde: den besseren Überwachungsmöglichkeiten des § 37 BtMG stünde dabei die freiere Gestaltung der Auflagen und Weisungen im Rahmen des § 153 a StPO gegenüber.471 bb) Erfahrungen aus der Praxis Die Bedeutung der Norm ist in der Rechtspraxis bislang überschaubar geblieben.472 So wurde von einer Einstellung gemäß § 37 BtMG durch die Staatsanwaltschaften im Jahr 2017 lediglich in 17 Verfahren Gebrauch gemacht473, während die (Amts-)Gerichte sie in 76 Verfahren anwandten.474 Der Hauptgrund für die nur sehr geringe Akzeptanz wird insbesondere in der Gefahr des Verlustes oder der Schwächung von Beweismitteln gesehen. Daneben ist diese Variante aufgrund der langen Überwachungsdauer insbesondere für die beteiligten Gerichte vergleichsweise aufwendig und entsprechend unattraktiv. Auch kann, wie bereits dargelegt, in einem großen Teil der Fälle eine Einstellung bereits mittels des § 153 a StPO herbeigeführt werden, der überdies eine ggf. später erforderliche Kombination mit weiteren Auflagen oder Weisungen ermöglicht. 466

Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 37 BtMG Fn. 2. Vgl. Weßlau/Deiters, in: Wolter, SK-StPO, § 153 a Fn. 21. 468 Vgl. Franke/Wienroeder, BtMG, § 37 Fn. 1; Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Kap. 5 Fn. 137. 469 Vgl. Volkmer, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 37 Fn. 2; Weber, BtMG, § 37 Fn. 4; Kornprobst, in: Joecks/Miewald, StGB, Nebenstrafrecht I, § 37 BtMG Fn. 3. 470 Vgl. Volkmer, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 37 Fn. 2. 471 Vgl. Weßlau/Deiters, in: Wolter, SK-StPO, § 153 a Fn. 21. 472 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miewald, StGB, Nebenstrafrecht I, § 37 BtMG Fn. 2, 4. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 473 Statistisches Bundesamt, Staatsanwaltschaften 2017, Tabelle 2.2.1.1. 474 Statistisches Bundesamt, Strafgerichte 2017, Tabelle 2.3. 467

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Auch aus dem weiter unten noch zu erläuternden Praxisbericht475 wird ersichtlich, dass in diesem Kontext eine Weisung zur Therapie durch die Staatsanwaltschaften jedoch auch über § 153 a StPO so gut wie nie erfolgt.476 Denn für den Fall einer Fortsetzung des Verfahrens droht dort ebenso infolge einer potenziell geschwächten Beweislage der völlige Verzicht auf eine Verurteilung und Eintragung im Bundeszentralregister.477 Bevorzugt werde deshalb generell der Weg über eine Zurückstellung gemäß den §§ 35, 36 BtMG, die eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzen und hierdurch gewissermaßen alle „Trümpfe“ in den Händen des Gerichts bzw. der Staatsanwaltschaft beließen.478 c) Strafaussetzung zur Bewährung unter Weisung (§§ 56, 56 c StGB) Durch die Vielzahl möglicher Auflagen und Weisungen sind die Regelungen der Strafaussetzung zur Bewährung sowohl als Referenznorm innerhalb der deutschen Strafrechtspflege als auch für den angestrebten Rechtsvergleich zum „Drug Court“Modell von hoher Relevanz. Deshalb werden diese nachfolgend etwas ausführlicher dargestellt. Insbesondere soll diese Analyse dazu beitragen, beurteilen zu können, inwieweit die Übernahme geläufiger „Drug Court“-Praktiken479 mit den Grundrechten vereinbar wäre. aa) Sachliche Voraussetzungen der Strafaussetzung Von § 56 Abs. 1 StGB wird zunächst die verbindliche Verhängung einer Strafe vorausgesetzt, die für den Fall einer günstigen Kriminalprognose und einer grundsätzlich ein Jahr nicht übersteigenden Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Die Prognose anhand der in § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Faktoren (Persönlichkeit des Verurteilten, Vorleben, Umstände der Tat, Verhalten nach der Tat, Lebensverhältnisse) hat sich dabei allein auf die Erwartung zu beziehen, inwieweit der Verurteilte künftig keine Straftaten mehr begehen wird.480 Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob seine Lebensführung im Übrigen dem moralischen und allgemeinen gesellschaftlichen Konsens entspricht.481 Genügend ist, dass nach den festgestellten Tatsachen die Wahrscheinlichkeit eines künftig straffreien Lebens höher einzuschätzen ist als die neuer Straftaten.482 Sofern das 475

Siehe B., III., 4. Vgl. Schäfer/Paoli, Praxis der Strafzumessung, S. 330 ff. 477 Vgl. Winkler, in: Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht, § 37 Fn. 2.1. 478 Vgl. Winkler, in: Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht, § 37 Fn. 2.1. 479 Siehe hierzu B., II., 5. 480 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 Fn. 16. 481 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 Fn. 16. 482 Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 56 Fn. 8. 476

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Gericht im Hinblick auf die der Prognose zugrunde liegenden Tatsachen letzte Zweifel nicht überwinden kann, gilt gemäß dem Grundsatz in dubio pro reo, dass eine den Verurteilten begünstigende Beurteilung zu erfolgen hat.483 Sollte die Dauer des angedrohten Freiheitsentzugs zwischen einem und maximal zwei Jahren liegen, müssen zur Aussetzung einer solchen Strafe zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 2 StGB besondere Umstände hinzutreten. Diese können sich ebenfalls aus der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten ergeben. Allerdings müssen diese Qualitäten im Unterschied zur Prüfung im Rahmen des Abs. 1 besonders bemerkenswert sein und damit insgesamt aus dem Durchschnitt herausragen.484 bb) Therapieweisung nach § 56 c Abs. 3 StGB Nach § 56 c StGB kann die Aussetzung zur Bewährung zum Zwecke der Vorbeugung weiterer Straftaten an Weisungen geknüpft werden. Der fundamentale Unterschied zu den von § 56 b StGB umfassten Auflagen besteht dabei in ihrem Zweck: Weisungen dienen nicht der Genugtuung für das begangene Unrecht, sondern sollen für den Verurteilten eine notwendige Hilfe darstellen, um zukünftig ein straffreies Leben führen zu können.485 Sie sind daher rein spezialpräventive Instrumente ohne Bezug zur strafrechtlichen Schuld des Verurteilten.486 Die Gerichte können aufgrund des nichtabschließenden Charakters des Maßnahmenkatalogs aus § 56 c StGB daneben jedwede andere, ihnen zweckmäßig erscheinende Weisung treffen (sog. „freie“ Weisung).487 In § 56 c Abs. 3 Nr. 1 StGB findet sich explizit die Möglichkeit einer Heilbehandlung oder (ambulanten) Entziehungskur aufgelistet. Diese Weisung kommt in Betracht, wenn der Verurteilte unter einer Krankheit oder einer Sucht leidet, von der eine kriminelle Gefährdung ausgehen kann.488 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass zur Anordnung einer Heilbehandlung nur dann die Einwilligung des Betroffenen einzuholen ist, sofern sie körperliche Eingriffe enthält. Dieses eingeschränkte Einwilligungserfordernis soll verhindern, dass sich der Verurteilte ohne Weiteres einer als für ihn sinnvoll erachteten Therapie entziehen kann.489 Ein körperlicher Eingriff ist im Sinne einer weiten Auslegung des Begriffs (und damit

483

Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 56 Fn. 8. Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 Fn. 45. 485 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92. 486 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92. 487 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 c Fn. 34. 488 Vgl. Groß, in: Joecks/Miewald, StGB, § 56 c Fn. 30. 489 Vgl. Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 c Fn. 23, mit Verweis auf Wasserburg, Klaus, Rechtsprechungsübersicht zum Arztstrafrecht – Juli 2006 bis Juli 2012 – (Teil 1), NStZ 2013, 147 (150). 484

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eines erweiterten Einwilligungsvorbehaltes) dabei nicht erst dann anzunehmen, wenn der Bagatellbereich des § 223 StGB überschritten ist.490 Demgegenüber hängt die Erteilung der Weisung, in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen (§ 56 c Abs. 3 Nr. 2 StGB), stets vom Einverständnis des Verurteilten ab. Die Vorschrift ermöglicht im Unterschied zur Heilbehandlung bzw. Entziehungskur gemäß § 56 c Abs. 3 Nr. 1 StGB die Teilnahme an einer stationären Behandlung innerhalb einer Entziehungsanstalt. Die Einwilligung des Verurteilten muss sich daher sowohl auf die Behandlung an sich als auch auf deren Ortsgebundenheit beziehen.491 Im Übrigen dürfe die Bedeutung dieser Einwilligung im Gesamtkontext des § 56 c Abs. 3 StGB nicht überschätzt werden, da dem Verurteilten bei ihrer Verweigerung unmittelbar ein Freiheitsentzug drohe.492 Auch bei erfolgter Einwilligung habe das Gericht deshalb genau zu überprüfen, inwieweit die Aufnahme einer Therapie, gleich in welcher Form, überhaupt erfolgversprechend im Sinne einer Minderung der Kriminalitätsanfälligkeit des Verurteilten ist.493 Soweit dies bejaht werden könne, habe sich das Gericht um einen Therapieplatz und eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse zu bemühen.494 cc) Grenzen der Weisungserteilung Die Gerichte haben bei der Erteilung von Weisungen einige Mindestkriterien zu beachten. Zunächst muss eine Weisung derart klar und bestimmt formuliert sein, dass der Verurteilte eindeutig weiß, was von ihm verlangt wird.495 Diese Voraussetzung ermöglicht es dem Gericht im Übrigen, eine ggf. zu einem späteren Zeitpunkt erforderliche Widerrufsentscheidung nach § 56 f StGB anhand eines transparenten und rechtssicheren Maßstabs zu treffen.496 Gemäß diesem Bestimmtheitsgebot darf sich daher eine Weisung zur Anordnung einer stationären Behandlung nicht auf Art und Beginn einer Therapie beschränken, sondern muss, ggf. zu einem späteren Zeitpunkt, auch Therapieort sowie Art und

490

Vgl. Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 c Fn. 23, mit Verweis auf Wasserburg, Rechtsprechungsübersicht zum Arztstrafrecht, S. 150. 491 Vgl. Groß, in: Joecks/Miewald, StGB, § 56 c Fn. 32. 492 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 c Fn. 22. 493 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 c Fn. 12. 494 Vgl. Groß, in: Joecks/Miewald, StGB, § 56 Fn. 30, mit Verweis auf BGH, Entscheidung vom 18. 06. 1991 – 5 StR 217/91, OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 19. 11. 1992 – 2 Ss 372/ 92 – 132/92 II. 495 Vgl. Groß, in: Joecks/Miewald, StGB, § 56 c Fn. 13, u. a. mit Verweis auf BVerfG vom 02. 09. 2015 – 2 BvR 2343/15. 496 Vgl. Groß, in: Joecks/Miewald, StGB, § 56 c Fn. 42, u. a. mit Verweis auf BVerfG vom 02. 09. 2015 – 2 BvR 2343/15.

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Häufigkeit der Termine benennen.497 Gleichwohl ist es die Sache des Therapeuten, ein auf die Bedürfnisse des Verurteilten zugeschnittenes Behandlungskonzept zu entwerfen.498 Unzureichend wäre es hingegen, einen Bewährungshelfer ohne die Vorgabe eines festen zeitlichen Rahmens mit der Kontrolle des Therapiefortschritts des Verurteilten zu betrauen.499 Als Ausdruck der Wirkung der Grundrechte muss dem Verurteilten die Befolgung einer Weisung auch zugemutet werden können (§ 56 c Abs. 1 Satz 2 StGB). Diese Prüfung ist selbst dann durchzuführen, wenn zu einer beabsichtigten Maßnahme eine Einwilligung des Betroffenen erteilt worden sein sollte.500 Trotz seines Einverständnisses kann es etwa unzulässig sein, den Verurteilten zu verpflichten, sich einer besonders gefährlichen ärztlichen Behandlung oder Kur zu unterziehen, wenn die dabei verabreichten Medikamente gefährliche Nebenwirkungen hervorrufen können.501 Die Vereinbarkeit einer Weisung mit den Grundrechten des Verurteilten, insbesondere mit dessen Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), ist stets genau zu überprüfen.502 Sobald Weisungen ein unter Gesetzesvorbehalt stehendes Grundrecht betreffen, ist zu ihrer Zulässigkeit die ausdrückliche Erwähnung im Katalog der Abs. 2 bzw. 3 des § 56 c StGB erforderlich.503 Im Folgenden sollen vor diesem Hintergrund einzelne („freie“) Weisungsarten diskutiert werden, die als Begleitmaßnahmen zu einer Drogentherapie regelmäßig in einem Spannungsfeld mit den Grundrechten des Bewährungsteilnehmers stehen. (1) Weisungen bezüglich Aufenthalt und Arbeit Nach § 56 c Abs. 2 Nr. 1 StGB kann das Gericht dem Verurteilten die Erfüllung von Weisungen auftragen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen. Bezüglich einer Beschränkung des Aufenthalts hat das BVerfG die Weisung für mit der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar erklärt, sich nicht an Orten aufzuhalten, an denen Betäubungsmittel konsumiert werden.504 Eine solche Maßnahme nehme direkten positiven Einfluss auf die Lebensführung des Verurteilten, indem sie ein Verhalten unterbinde, das für gewöhnlich im Vorfeld einer Begehung erneuter 497

Vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 7. 5. 2003 – 3 Ws 528/03. Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18. 01. 2000 – 2 Ws 12/00; OLG Schleswig, Beschluss vom 25. 06. 2007 – 2 Ws 244/07. 499 Vgl. Groß, in: Joecks/Miewald, StGB, § 56 c Fn. 42, mit Verweis auf Stree, JR 1990, (121). 500 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 c Fn. 7. 501 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 c Fn. 7. 502 Vgl. Fischer, StGB, § 56 c Fn. 2a. 503 Vgl. Fischer, StGB, § 56 c Fn. 2a. 504 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 c Fn. 7, mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92. 498

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Straftaten liege.505 Ebenfalls nicht zu beanstanden sei etwa die Weisung, sich während der Bewährungszeit um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu bemühen.506 Dagegen widerspreche es Art. 12 Abs. 2 GG, jemanden zur Aufnahme einer bestimmten Arbeit zu zwingen. (2) Abstinenzweisung Durch eine Weisung zum Verzicht auf jeglichen Alkohol- und/oder Betäubungsmittelkonsum könnte sich ein Verurteilter in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt sehen. Nach ständiger Rechtsprechung sind derartige „Abstinenzweisungen“ im Allgemeinen jedoch mit dem Grundgesetz vereinbar, sofern die hiervon betroffene Person bislang ausschließlich unter Drogeneinwirkung strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.507 Der direkte Bezug zwischen Drogenkonsum und Delikt ist dabei von besonderer Relevanz für die Frage der Rechtmäßigkeit einer solchen Weisung. Wie vorstehend bereits erwähnt, müssen Weisungen im Unterschied zu Auflagen nach § 56 b StGB, die primär der Genugtuung für begangenes Unrecht dienen, einen spezialpräventiven Zweck aufweisen und zumindest auch das Ziel verfolgen, dem Verurteilten bei der Vermeidung von Straftaten in seiner künftigen Lebensführung zu helfen.508 Weisungen, die allein auf die Sicherung und Überwachung von Geboten abstellen, widersprechen diesem Grundsatz.509 Das absolute Verbot, illegale Substanzen einzunehmen, verletzt eine Person auch nicht in seiner Würde, da sie durch eine solche Weisung erkennbar nicht zum bloßen Objekt des Staates herabgestuft oder in sonstiger Weise erniedrigt wird.510 Nach dem Menschenbild des Grundgesetzes ist jedes Individuum auch gemeinschaftsbezogen und gemeinschaftsgebunden. Indem eine Abstinenzweisung darauf abziele, die erneute Straffälligkeit eines bereits Verurteilten zu verhindern, diene sie gerade auch dem Schutz der Gemeinschaft als solcher. Denn diese habe ein unmittelbar eigenes Interesse daran, den Täter zu resozialisieren und weiteres gemeinschaftsschädliches Verhalten zu verhindern. Das Interesse der Allgemeinheit an der Resozialisierung von Straftätern rechtfertige es daher als überragendes Gemeinschaftsgut, Einschränkungen von Grundrechten wie des vorliegend betroffenen Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit vorzunehmen. 505 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 c Fn. 7, mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92. 506 Vgl. Fischer, StGB, § 56 c Fn. 6, 6b. 507 Bezüglich eines Betäubungsmittelverzichts vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92; bezüglich einer Alkoholabstinenz vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. 2. 2008 – 3 Ws 52/08, OLG Celle, Beschluss vom 16. 10. 2009 – 2 Ws 228/09. 508 Siehe B., III., 3., c), bb). 509 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 c Fn. 6. 510 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Bei sehr stark alkohol- bzw. drogenabhängigen Personen ist allerdings darauf zu achten, dass diese vor einer Weisung zum absoluten Verzicht bereits eine entsprechende Therapierung erfolgreich abgeschlossen haben müssen.511 Eine ohne diese Voraussetzung erteilte Abstinenzweisung würde gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.512 (3) Weisung zum Drogenscreening Oftmals wird eine Anordnung zur Abstinenz mit einer Weisung zur Teilnahme am Drogenscreening verbunden, um die Einhaltung der Abstinenz effektiv überwachen zu können. (a) Abgabe von Urinproben Grundrechtskonform ist es, die Überwachung einer Abstinenzweisung mittels der Abgabe von Urinproben in zuvor bestimmten Zeitabständen durchzuführen. Das BVerfG hat eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde eines Bewährungsteilnehmers mit dem Hinweis auf eine fehlende Verletzung seiner Grundrechte abgelehnt.513 Nach Ansicht des Gerichts ist die Menschenwürde eines Verurteilten durch eine solche Kontrollmaßnahme nicht verletzt, da der Betroffene durch die eingeforderte Abgabe des Urins nicht zu einem bloßen „Schauobjekt“ erniedrigt werde.514 Dabei sei ein Mindestmaß an ärztlicher Aufsicht beim Abgabevorgang unerlässlich, um Manipulationen auszuschließen. Trotz der damit verbundenen Unannehmlichkeiten (Wartezeiten im Krankenhaus, Probleme bei der Abgabe) und eine eventuelle Berührung von Schamgefühlen würde dies den Betroffenen nicht in seinem eigenen Wert in Frage stellen. Außerdem sehe das Gesetz im Wege des § 81 a StPO unter bestimmten Voraussetzungen sogar die wesentlich eingriffsintensivere Maßnahme der zwangsweisen Entnahme von Urin vor. Ebenso wenig werde die allgemeine Handlungsfreiheit des Verurteilten aus Art. 2 Abs. 1 GG hierdurch auf ungerechtfertigte Weise beschränkt. Das i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG herleitbare Verbot des Selbstbezichtigungszwangs sei daneben nicht betroffen, da in der Abgabe der Urinprobe kein neuer selbstständiger Akt einer Selbstbelastung liegen könne. Der Verurteilte sei schließlich seines früheren strafbaren Tuns bereits rechtskräftig überführt worden.

511 Vgl. Fischer, StGB, § 56 c Fn. 3a, mit Verweis auf OLG Dresden, Beschluss vom 13. 7. 2009 – 2 Ws 291/09. 512 Vgl. Fischer, StGB, § 56 c Fn. 3a, mit Verweis auf OLG Dresden, Beschluss vom 13. 7. 2009 – 2 Ws 291/09. 513 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92. 514 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92, 3., a), b). (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Im Übrigen werde ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG durch die gesetzliche Grundlage des § 56 c Abs. 1 StGB gerechtfertigt.515 Dessen Normzweck (Verbesserung der Lebensführung) sei vorliegend dadurch erfüllt, dass das Drogenscreening aufgrund seines Kontrollcharakters direkten Einfluss auf das Bewährungsverhalten des Verurteilten nehme. Im Bewusstsein einer potenziellen Aufdeckung von Bewährungsbrüchen werde er bestrebt sein, einen positiven Drogenbefund zu vermeiden. Dieser Anreiz könne wiederum mittelbar dazu führen, dass sich seine Lebensverhältnisse stabilisieren und er sein Leben straffrei gestalte. Vor diesem Hintergrund sind allerdings Weisungen unzulässig, die einem Bewährungsteilnehmer die Kosten solcher Urinproben aufbürden.516 Eine derartige Weisung würde in erster Linie fiskalischen Interessen dienen und allenfalls einen sehr geringen Einfluss auf sein zukünftiges Verhalten haben.517 Eine Kostenübernahme aufgrund von § 465 Abs. 1 StPO (Kostentragungspflicht des Verurteilten) scheide aus, da Weisungen nach § 56 c StGB nicht vollstreckt werden können und die Ausgaben für das Drogenscreening damit keine „Vollstreckungskosten“ im Sinne dieser Norm darstellen.518 Daneben sei die mit einer solchen Weisung verbundene Kostenlast in vielen Fällen für den Verurteilten ohnehin unzumutbar i. S. d. § 56 c Abs. 1 Satz 2 StGB, sodass oftmals allein eine Finanzierung aus dem Etat der Bewährungshilfe bleibe.519 Alternativ bestehe die Möglichkeit, über die Kostentragung im Rahmen einer Annexentscheidung zur Weisungsanordnung zu befinden, die insbesondere die finanziellen Verhältnisse des Verurteilten ausreichend berücksichtigt.520 Neben der Gewährleistung einer lückenlosen Beaufsichtigung der Abgabe ist hinsichtlich der Durchführung der Urinprobe zu beachten, dass diese auf keinen Fall unter Zeitdruck erfolgen darf.521 Gleich einer Dopingprobe aufgrund sportrechtlicher Richtlinien müsse auf die Abgabe des Urins gewartet werden, sofern sich der Proband nicht durch Worte oder Gesten weigert, den Anordnungen zu folgen. Soweit der Urinfluss lediglich aufgrund von Harnverhaltung oder ähnlichen Gründen ausbleibe, dürfe eine Probe nicht abgebrochen und auch nicht als verweigert gewertet werden. Daraus lässt sich umgekehrt folgern, dass eine Weigerung (und damit ein Positivtest) vorliegt, sofern die Anordnung vorsätzlich nicht befolgt wurde. 515

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92, 3. c). (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 516 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 c Fn. 6, u. a. mit Verweis auf LG BadenBaden, Beschluss vom 27. 07. 2000 – 1 Qs 87/00. 517 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 c Fn. 6, u. a. mit Verweis auf LG BadenBaden, Beschluss vom 27. 07. 2000 – 1 Qs 87/00. 518 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 c Fn. 16. 519 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 c Fn. 16. 520 Vgl. OLG München, Beschluss vom 19. 07. 2012 – 1 Ws 509 und 511/12. 521 Vgl. KG Berlin, Beschluss vom 01. 09. 2011 – 2 Ws 383/11 Vollz. BVerfG, Beschluss vom 21. 04. 1993 – 2 BvR 930/92. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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(b) Kontrolle mittels Haarproben Alternativ kann eine Abstinenzweisung mittels der Abgabe von Haarproben kontrolliert werden. Trotz der Grundrechtskonformität einer solchen Maßnahme ist es in diesem Zusammenhang nicht unumstritten, inwieweit im Fall der Verweigerung eine Haarprobe vom Justizpersonal selbst entnommen werden darf. Die Zulässigkeit hängt davon ab, ob ein derartiges Vorgehen bereits als körperlicher Eingriff zu bewerten ist und damit die Einwilligung der verurteilten Person voraussetzt. Gestützt auf eine restriktive Eingriffsinterpretation in § 81 a StPO und § 223 StGB hatte der 2. Strafsenat des OLG München hierzu entgegen dem Gesetzeswortlaut argumentiert, dass ein körperlicher Eingriff ein Mindestmaß an Erheblichkeit voraussetze, dieses Mindestmaß jedoch durch das bloße Abschneiden einiger weniger Haare nicht erreicht werde.522 Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung bejaht demgegenüber zutreffend das Vorliegen eines körperlichen Eingriffs (und des Einwilligungsvorbehaltes).523 Da die menschlichen Haare zur Körpersubstanz gehören, stelle eine Haarprobe, also das Abschneiden von Haaren, einen – wenn auch nur geringfügigen – körperlichen Eingriff dar.524 Die ausdrückliche gesetzliche Regelung des § 68 b Abs. 2 Satz 4 StGB, die auf § 56 c Abs. 3 StGB verweist, differenziere nicht nach graduell unterschiedlichen körperlichen Eingriffen.525 Daher seien alle Kontrollmaßnahmen, die mit körperlichen Eingriffen auch nur geringfügiger Art verbunden sind und zu einer nicht lediglich unerheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität führen, nur mit Einwilligung des Verurteilten möglich.526 Erwägungen, die bei § 81 a StPO und bei § 223 StGB eine Rolle spielen und zu einer engen Auslegung des Begriffs des „körperlichen Eingriffs“ führen, seien im Rahmen der Bewährungsund Führungsaufsicht nicht maßgeblich, da die erteilten Weisungen spezialpräventiven Zwecken dienen und stets am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen seien.527 Einigkeit besteht demgegenüber darin, dass eine Kontrollweisung dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitsgebot nur genügt, wenn sie Art und Umstände der geplanten Suchtmittelkontrollen festlegt.528 Die zuvor festgelegte Anzahl der Kontrollen darf einerseits nur bei konkretem Anlass ausge-

522

Vgl. OLG München (2. Strafsenat), Beschluss vom 09. 07. 2010 – 2 Ws 571/10. Vgl. u. a. OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. 12. 2011 – 1 Ws 551 – 552/11; OLG München (3. Strafsenat), Beschluss vom 09. 06. 2010 – 3 Ws 457/10. 524 Vgl. OLG München, Beschluss vom 09. 06. 2010 – 3 Ws 457/10. 525 Vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. 12. 2011 – 1 Ws 551 – 552/11. 526 Vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. 12. 2011 – 1 Ws 551 – 552/11. 527 Vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. 12. 2011 – 1 Ws 551 – 552/11. 528 Vgl. OLG München, Beschluss vom 09. 06. 2010 – 3 Ws 457/10; OLG München, Beschluss vom 09. 07. 2010 – 2 Ws 571/10. 523

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schöpft werden, sollte aber andererseits für den Bewährungsteilnehmer auch keine vorhersehbar kontrollfreien Zeiträume belassen.529 (c) Transdermale Überwachung Nicht mit den Grundrechten vereinbar ist demgegenüber in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage die Kontrolle der Abstinenz mittels eines am Körper mit Hautkontakt zu tragenden, transdermalen Überwachungsgeräts (etwa in Form eines Armbandes), wie sie bereits an einigen US-„Drug Courts“ praktiziert wird.530 (4) Entbindung des behandelnden Arztes/Therapeuten von der Schweigepflicht Eine weitere „freie“ Weisung, die die Grundrechte des Verurteilten tangieren kann, ist die Verpflichtung, den jeweils behandelnden Arzt bzw. Therapeuten von seiner Schweigepflicht über den Fortgang der Behandlung zu entbinden. Hierbei können das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten betroffen sein. Nach der heute in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Ansicht ist die Erteilung einer solchen Weisung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.531 Diese Auffassung basiert im Wesentlichen auf einem Beschluss des BVerfG aus dem Jahr 2006.532 Aufgrund der gesteigerten Bedeutung des institutionsübergreifenden Austauschs von Informationen innerhalb eines jeden „Drug Courts“ sollen die Grundzüge dieser Entscheidung im Folgenden wiedergegeben werden. (a) Beschluss des BVerfG vom 06. 06. 2006 Das BVerfG hatte im Jahr 2006 einen Fall zu entscheiden, der die Zulässigkeit einer „Offenbarungsweisung“ im Zusammenhang mit einer gesetzlich eingetretenen Führungsaufsicht gemäß § 67 d Abs. 6 Satz 2 StGB betraf.533 Der Beschwerdeführer war zuvor neben der Erteilung der Weisung, sich unverzüglich in die ambulante ärztliche Behandlung eines Neurologen und Psychiaters zu begeben, angewiesen worden, den jeweils behandelnden Arzt von der Schweigepflicht gegenüber dem Bewährungshelfer, der zuständigen Staatsanwaltschaft und der Führungsaufsichtsstelle schriftlich und unwiderruflich zu entbinden. 529

Vgl. OLG München, Beschluss vom 09. 06. 2010 – 3 Ws 457/10; OLG München, Beschluss vom 09. 07. 2010 – 2 Ws 571/10. 530 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 f Fn. 34, mit Verweis auf Beck, Blutalkohol 50 (2013), 153; siehe auch die Ausführungen zur Überwachung per SCRAM in den USA, B., II., 2., c), ii). 531 Vgl. u. a. Lackner/Kühl, StGB, § 56 c Fn. 4; Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 c Fn. 4; Fischer, StGB § 56 c Fn. 3a; von Heintschel-Heinegg, StGB, § 56 c Fn. 3. 532 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. 06. 2006 – 2 BvR 1349/05. 533 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. 06. 2006 – 2 BvR 1349/05. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Gegenvorstellung mit dem Antrag, die auf die Schweigepflichtentbindung gerichtete Weisung aufzuheben, da diese von keiner gesetzlichen Grundlage gedeckt sei und unzulässig in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife.534 Alternativ bot er an, auf Aufforderung der Aufsichtsstelle eine ärztliche Bescheinigung über die Aufnahme und das Fortbestehen der ärztlichen Behandlung vorzulegen. Der Beschwerdeführer vertrat die Ansicht, dass durch die Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber den Behörden das für den Behandlungserfolg notwendige Vertrauen zwischen Arzt und Patient nachhaltig gestört werde und er sich seinem Therapeuten gegenüber nicht mehr vorbehaltlos und vertrauensvoll äußern könne. Demgegenüber argumentierte der Beschwerdegegner (der Freistaat Bayern), dass die Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht im Hinblick auf eine etwaige mangelnde Mitarbeit an der Therapie oder im Falle des Abbruchs der Therapie ihre gesetzliche Grundlage in § 68 b Abs. 2 StGB und § 68 c Abs. 2 Satz 1 StGB fände.535 Dort wo das Gesetz an die etwaige Nichteinhaltung einer Weisung Rechtsfolgen knüpfe, müsse für das aufsichtsführende Gericht denknotwendig die Befugnis bestehen, die Einhaltung einer erteilten Weisung auch kontrollieren zu können. Ansonsten würde die Therapieweisung gänzlich ins Leere laufen. Deshalb könne gemäß § 68 c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB eine unbefristete Führungsaufsicht angeordnet werden, wenn ein Proband der Therapieweisung nicht nachkomme und eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher Straftaten zu befürchten sei. Das BVerfG gab den Ländern zunächst gemäß § 94 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung, inwieweit Erkenntnisse in der Praxis zu Erforderlichkeit, Häufigkeit und Ausgestaltung von Weisungen betreffend die Entbindung von der Schweigepflicht vorliegen.536 Anhand der Befragung wurde ersichtlich, dass entsprechende Weisungen die absolute Ausnahme darstellten. Zumeist beschränkten sie sich zudem auf Angaben zur Wahrnehmung von Behandlungsterminen und zum Abbruch der Therapie. In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Hamburg wurde in Fällen, in denen der Verurteilte seine Einwilligung zu einer Behandlung gemäß § 56 c Abs. 3 StGB erteilte, gleichzeitig auch eine Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht abgegeben, so dass schon kein Bedarf für eine entsprechende Weisung bestand. In seinem Beschluss folgte das BVerfG der Auffassung des Beschwerdeführers, wonach die angeordnete Entbindung seines Arztes von dessen Schweigepflicht

534 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. 06. 2006 – 2 BvR 1349/05, Rz 12. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 535 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. 06. 2006 – 2 BvR 1349/05, Rz 17. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 536 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. 06. 2006 – 2 BvR 1349/05, Rz 18 – 25. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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gegenüber staatlichen Stellen rechtswidrig sei.537 Eine Pflicht zur umfassenden Auskunft über Beginn, Fortdauer, Mitarbeit, Erfolg und Abbruch der Therapie verletze diesen in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) und seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Grundgesetz gewähre dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen sei. Angaben eines Arztes über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen beträfen zwar nicht die unantastbare Intimsphäre, wohl aber den privaten Bereich des Patienten und seien damit Teil des Schutzbereichs von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Zur Schaffung einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Patient und Arzt müsse und dürfe, wer sich in ärztliche Behandlung begibt, erwarten, dass alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt. Dabei komme es nicht darauf an, ob derartige Feststellungen Krankheiten, Leiden oder Beschwerden beinhalten, deren Offenbarung den Betroffenen mit dem Verdacht einer Straftat belaste, ihm in anderer Hinsicht peinlich oder seiner sozialen Geltung abträglich sei. § 68 b Abs. 2 StGB biete insoweit keine ausreichende gesetzliche Grundlage, um einen derartigen, tiefgreifenden Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.538 Erforderlich sei vielmehr die Schaffung einer Norm, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen für den Bürger klar erkennbar ergeben. Diese könnten vorliegend auch nicht im Wege der Wortlautauslegung ermittelt werden. Weder § 68 b Abs. 2 noch § 56 c Abs. 3 StGB sehen eine Möglichkeit zur Entbindung von der Schweigepflicht vor, obwohl eine Regelung an diesen Stellen nahegelegen hätte. (b) Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 02. 11. 2006 „Bedenken“ hinsichtlich der vorstehend dargelegten Rechtsauffassung äußerte das Kammergericht Berlin (KG) in einem Beschluss, der unmittelbar im Nachgang zur Entscheidung des BVerfG erging und die gleiche Weisungsart zum Gegenstand hatte.539 Obwohl das Gericht darin eine Weisung zur Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht gleich dem zuvor erläuterten, höchstgerichtlichen Beschluss als rechtswidrig ansieht, kritisierte es die Entscheidung des BVerfG offen.540 Nach Meinung des KG habe die Unwirksamkeit solcher Entbindungsweisungen im Ergebnis eine Verschlechterung der Lage der Verurteilten zur Folge, da Gerichte 537 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. 06. 2006 – 2 BvR 1349/05, Rz 28, 32. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 538 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. 06. 2006 – 2 BvR 1349/05, Rz 38 ff. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 539 Vgl. KG Berlin, Beschluss vom 02. 11. 2006 – 5 Ws 557/06. 540 Vgl. KG Berlin, Beschluss vom 02. 11. 2006 – 5 Ws 557/06. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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aufgrund fehlender Kontrollmöglichkeiten zu einer Versagung der Strafaussetzung übergehen könnten. Eine enge richterliche Überwachung des Bewährungsverlaufes sei ohne die uneingeschränkte Fähigkeit des Gerichts, über den Antritt und den Stand der Therapie jederzeit unterrichtet zu sein, nicht mehr gewährleistet und der Aussetzung einer Strafe zur Bewährung in Ermangelung einer günstigen Prognose dann in der Regel unvertretbar. Auch die Arbeit der Bewährungshilfe bzw. der Führungsaufsichtsstelle zur Überwachung der Einhaltung von Weisungen sei dann hinfällig. Streng genommen könne ein Widerruf der Aussetzung dann sogar nur noch erfolgen, wenn der Therapieteilnehmer etwaige Verstöße aus freien Stücken einräume. Das KG plädierte daher dafür, dem Gericht zwar nicht die Möglichkeit zur Anweisung genereller Offenlegung sämtlicher Therapievorgänge, jedoch zumindest die Auferlegung einer Mitteilungspflicht hinsichtlich aller Umstände zuzugestehen, die zur Bewertung eines groben und beharrlichen Weisungsverstoßes erforderlich sind.541 Ein solcher Verstoß sei indes nicht nur im Fall des Nichtantritts oder Abbruchs der Behandlung gegeben. Denn selbst bei Teilnahme an der Therapie könnten schwere Verfehlungen, wie beispielsweise teilweise oder gänzliche Verweigerung der Mitarbeit und Störung von Sitzungen, einer Nichtabsolvierung der Heilbehandlung gleichkommen. Aus diesem Grund sei allein die Vorlage von Nachweisen über den Beginn und die Fortdauer der Behandlung für eine Beurteilung des Therapieverlaufs ungenügend. (c) Aktuelle Rechtslage Der Gesetzgeber ist mit Blick auf die dargelegte Entscheidung des BVerfG bereits im Jahr 2007 tätig geworden und hat im Wege des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung § 68 a Abs. 8 neu in das StGB eingefügt, um eine gesetzliche Eingriffsgrundlage für die Entbindung der behandelnden Berufsträger von ihrer Schweigepflicht zu schaffen.542 Allerdings sind die dortigen Offenbarungspflichten bewusst nur für den Bereich der Führungsaufsicht normiert, um dem regelmäßig höheren Gefährdungspotential der involvierten Tätergruppe gerecht zu werden.543 Auf die Vorschriften zur Bewährung kann diese Norm daher nicht übertragen werden. Es bleibt damit diesbezüglich bei den (begrenzten) Überwachungsbefugnissen zur Auflagen- und Weisungserfüllung, die der Bewährungshilfe nach § 56 d Abs. 3 StGB im Hinblick auf gröbliche und beharrliche Weisungsverstöße zugestanden sind.544

541 Vgl. KG Berlin, Beschluss vom 02. 11. 2006 – 5 Ws 557/06. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 542 Vgl. BGBl. Jahrgang 2007 Teil I Nr. 13, ausgegeben zu Bonn am 17. 04. 2007, S. 513 ff. 543 Vgl. BT-Drs. 16/4740, S. 25. 544 Siehe unten B., III., 3., ee), (1).

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Eine Entscheidung über den Streit, ob es im Rahmen des § 56 c StGB für einen angemessenen Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verurteilten und dem Sicherheitsinteresse der Öffentlichkeit notwendig ist, eine eingeschränkte Entbindung des behandelnden Arztes von seiner Schweigepflicht (nur) für grobe und beharrliche Weisungsverstöße anzuordnen, kann in der Praxis allerdings für gewöhnlich dahinstehen. Da die Aufnahme einer Heilbehandlung gemäß § 56 c Abs. 3 StGB ohnehin die Einwilligung der verurteilten Person voraussetzt, wird nicht selten gleichzeitig auch eine Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht abgegeben.545 Sollte eine solche Entbindung durch den Verurteilten unterbleiben, muss er unter Umständen damit rechnen, dass das zuständige Gericht die für die Weisungskontrolle zur Verfügung stehenden Mechanismen als unzureichend bewertet und im Ergebnis ggf. gänzlich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung verzichtet. (5) Elektronische Aufenthaltsüberwachung Unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob hierfür ein Annex zu § 56 c Abs. 2 Nr. 1 StGB oder aber die Form der „freien“ Weisung als Rechtsgrundlage dienen können546, ist es grundsätzlich zulässig, die Einhaltung einer aufenthaltsbeschränkenden Weisung mittels eines am Körper des Verurteilten angebrachten Funkgeräts zu kontrollieren.547 Im Rahmen einer Erteilung dieser, auch als „elektronischen Fußfessel“ bekannten Weisungsform, sind jedoch einige Voraussetzungen zu berücksichtigen. So ist strikt darauf zu achten, dass die Weisung nicht zum Zweck einer Bestrafung verhängt wird.548 Ihre eindeutige Zielrichtung muss es sein, dem Probanden „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu geben und zu einem zukünftig straffreien Leben beizutragen.549 Auch wenn einige Stimmen in der Literatur die Eignung einer solchen Weisung hierfür generell in Frage stellen550, sollte man anerkennen, dass die elektronische Überwachung in der Praxis, z. B. durch die Festlegung gewisser Anwesenheitszeiten in der Wohnung, zu einer besseren Strukturierung und Stabilisierung des Verhaltens des hiervon Betroffenen und damit auch zu einer Reduzierung seines Rückfallrisikos im Allgemeinen führt.551 Sie ist daher nicht allein auf Sicherung und Kontrolle, sondern gerade auch auf eine Regulierung der Lebensführung ausgerichtet. 545 Vgl. Auskunft des Justizministeriums Nordrhein-Westfalens gem. § 94 BVerfGG, BVerfG, Beschluss vom 06. 06. 2006 – 2 BvR 1349/05, Rz 21. 546 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 c Fn. 1. 547 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 c Fn. 36, mit Verweis auf LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 06. 12. 2000 – 5/27 Qs 64/00. 548 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Fn. 200. 549 Vgl. Kunze, Die elektronische Fussfessel in Hessen: eine positive Betrachtung über Haftvermeidung mit Hilfe zur Selbsthilfe, S. 33. 550 Vgl. u. a. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 c Fn. 1. 551 Vgl. Albrecht/Arnold/Schädler, Der hessische Modellversuch zur Anwendung der „elektronischen Fußfessel“ – Darstellung und Evaluation eines Experiments, S. 468.

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Der Grundsatz der spezialpräventiven Zielrichtung muss im Zusammenhang mit der Erteilung einer solchen Bewährungsweisung umso mehr gelten, als im Unterschied zur Führungsaufsicht (dort § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB) eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der elektronischen Überwachung für die Bewährung bislang unterblieben ist. Vor diesem Hintergrund sei generell eine restriktive, verfassungsgemäße Handhabung dieser Überwachungsweisung angezeigt.552 Außerdem müssten die Geräte im Hinblick auf die Wahrung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG so beschaffen sein, dass Betroffene in der Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres als „Fußfessel“-Träger erkannt werden können.553 dd) Zur Arbeit der Bewährungshilfe Dem Grundsatz des § 56 d Abs. 3 StGB nach erfüllt die Bewährungshilfe eine Doppelfunktion.554 Einerseits hat der Bewährungshelfer dem Verurteilten als Vertrauensperson helfend und betreuend zur Seite zu stehen. Daneben überwacht er im Einvernehmen mit dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen und berichtet diesem regelmäßig über die Lebensführung der verurteilten Person. Sollte es zu gröblichen oder beharrlichen Verstößen gegen Auflagen, Weisungen oder Zusagen kommen, so hat er dem Gericht unverzüglich Mitteilung zu machen. Sein gesetzlicher Auftrag umfasst als Vertrauensperson des Verurteilten zunächst dessen fürsorgerische Betreuung, Lebenshilfe und Resozialisierung.555 Bei der Bestellung des Bewährungshelfers hat das Gericht daher darauf zu achten, dass die Auswahl den Bedürfnissen des Verurteilten gerecht wird und insbesondere Faktoren wie Erfahrungen mit kulturellen und sozialen Randgruppen sowie Fachkenntnisse für besondere Problemlagen berücksichtigt.556 Dies erschöpft sich nicht in bloßen Ratschlägen: soweit es die Resozialisierung des Verurteilten erfordert, ist aktive Hilfe zu leisten, etwa als Mitwirkung bei der Arbeits- oder Wohnungssuche, bei Anträgen gegenüber Behörden oder bei Absprachen über eine Schuldenregulierung.557 Auch ist er zu einer zweckmäßigen Freizeitgestaltung anzuregen, weshalb Kontakte zu Sport- und Freizeitverbänden hergestellt werden sollten.558 Allerdings besteht für einen Bewährungshelfer nicht die Pflicht, jegliche Schwierigkeiten seiner Klienten aus dem Weg zu räumen.559

552 553 554 555 556 557 558 559

Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 c Fn. 37. Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 68 b Fn. 24. Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 d Fn. 6 f. Vgl. Fischer, StGB, § 56 d Fn. 4. Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 d Fn. 4. Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 d, Fn. 3. Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 d Fn. 11. Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 d, Fn. 3.

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Vielmehr sollen diese lernen, ihr Leben selbstständig und ohne die Begehung von Straftaten zu meistern.560 Obwohl bei der Arbeit der Bewährungshilfe damit die Unterstützung des Verurteilten im Vordergrund steht, stellt sie doch auch eine Repressionsmaßnahme dar, die ihn von einem Rückfall in die Kriminalität abhalten soll.561 Die Bewährungshilfe ist nicht konzipiert als bloße „Wohltat“ des Staates für den beistandsbedürftigen Straftäter, sondern aus dem Interesse der Allgemeinheit heraus, diesen zurück auf den rechten Weg zu bringen.562 Um eventuelle Missverständnisse im Zuge dieser „Doppelrolle“ zu vermeiden, sollte der Bewährungshelfer daher seine Berichts- und Meldepflichten sofort nach seiner Bestellung offen ansprechen und den Probanden auch auf ein bestehendes Schweigerecht gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163 a Abs. 3, 4 StPO hinweisen.563 Eine Berichtspflicht besteht für den Bewährungshelfer gemäß § 56 d Abs. 3 Satz 2 StGB über die „Lebensführung“ der verurteilten Person in Zeitabständen, die das Gericht bestimmt. In erster Linie bezieht sich dies zwar auf die Einhaltung von Auflagen und Weisungen, allerdings sollten im Rahmen der Berichte auch die generelle Kooperation mit dem Bewährungshelfer sowie Schilderungen über die private und berufliche Situation Erwähnung finden.564 In der Praxis scheint dies indes immer besser zu funktionieren: die Erfolgsquote der Bewährungshilfe (Zahl der erfolgreich abgeschlossenen Bewährungen) ist von 45 % im Jahr 1970 trotz der deutlichen Zunahme von „Problemprobanden“ mit Sozialisationsdefiziten und Notlagen wie Schuldenlast, Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit auf über 70 % im Jahr 2006 angestiegen.565 Im Zuge der letztmaligen Erhebung zu diesem Thema wurde festgestellt, dass sich im Jahr 2011 32.156 von insgesamt 45.227 Personen (71 %) bewährt hatten, wobei notwendige Widerrufe in der Praxis zu etwa drei Vierteln aufgrund erneuter Straffälligkeit erfolgten.566 Ein Bewährungshelfer ist im Schnitt für die Betreuung von etwa 60 bis 70 Verurteilten verantwortlich.567

560

Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 d, Fn. 3. Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 d Fn. 9. 562 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 d Fn. 5. 563 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 56 d Fn. 9. 564 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 d Fn. 21. 565 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, Vor § 56 Fn. 6. 566 Vgl. Statistisches Bundesamt, Bewährungshilfe 2011, Tabelle 3.2. 567 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen: die Strafzumessung und ihre Grundlage, Fn. 212. 561

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ee) Widerruf der Strafaussetzung Für den Fall eines Verstoßes gegen erteilte Auflagen oder Weisungen ist dem Gericht unter den Voraussetzungen des § 56 f Abs. 1 StGB die Möglichkeit eingeräumt, die Strafaussetzung zu widerrufen. Im Zusammenspiel dieser Norm mit § 56 e StGB sowie § 56 a Abs. 2 Satz 2 StGB zeigt sich, unter Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, eine „Skala der Reaktionsmöglichkeiten“ auf ein fehlerhaftes Verhalten des Probanden in der Bewährungszeit.568 Soweit einer der in § 56 f Abs. 1 StGB genannten Gründe vorliegt, ist vor einem entsprechenden Widerruf zunächst zu überprüfen, inwieweit es zur Wiederherstellung einer positiven Aussetzungsprognose bereits genügt, ergänzende Auflagen oder Weisungen bzw. eine Verlängerung der Bewährungszeit zu veranlassen (sog. „zwingende Substitution“, § 56 f Abs. 2 StGB). Mittels dieser Abstufung kann dem rechtspolitischen Ziel des heutigen Strafgesetzbuchs, kurze Freiheitsstrafen oder wenigstens ihre Vollstreckung zu vermeiden, entsprochen werden. (1) Substitution nach § 56 f Abs. 2 StGB Bei gröblichen oder beharrlichen Weisungsverstößen (§ 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) wird es in der Regel ausreichen, die bisher erteilten Weisungen gemäß § 56 f Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB zu ergänzen oder zu modifizieren und damit die präventiven Instrumente gegen weitere Straftaten des Probanden zu intensivieren.569 Gröbliche Bewährungsverfehlungen sind objektiv erhebliche und schuldhafte Zuwiderhandlungen, wobei hierfür als subjektive Voraussetzung bewusst fahrlässiges Handeln oder Unterlassen genügt.570 So kommt ein gröblicher Weisungsverstoß etwa bei einer Therapiebeendigung aus disziplinarischen Gründen oder aufgrund lediglich vorgespiegelter Therapiebereitschaft in Betracht.571 Dagegen kann davon grundsätzlich noch nicht ausgegangen werden, wenn der Betroffene einen Termin für die Abgabe einer Urinprobe versäumt.572 In Bezug auf die eingangs bereits erläuterten Weisungsmöglichkeiten zur (freiwilligen) Aufnahme einer ambulanten oder stationären Heilbehandlung nach § 56 c Abs. 3 StGB ergibt sich außerdem die Konsequenz, dass zur Erteilung neuer Weisungen (und damit zum einstweiligen Absehen von einem Widerruf) bei laufender Drogentherapie die begründete Aussicht

568 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 f Fn. 2. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 569 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 f Fn. 28. 570 Vgl. Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 f Fn. 13. 571 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 f Fn. 27, u. a. mit Verweis auf BGHSt 36, 97, OLG Düsseldorf NStZ 2002, (53). 572 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 f Fn. 14, mit Verweis auf OLG Koblenz, Beschluss vom 29. 01. 2007 – 1 Ws 49/07.

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auf deren erfolgreichen Abschluss bestehen muss.573 Als günstig wird bei Therapieverstößen zu bewerten sein, wenn eine Drogenabhängigkeit noch nicht lange besteht und stationäre Langzeitmaßnahmen bislang nicht ergriffen wurden.574 Beharrlich ist demgegenüber ein Bewährungsverstoß, wenn der Verurteilte durch wiederholte Zuwiderhandlung, durch andauerndes Fehlverhalten (z. B. Flucht oder Verbergen) oder durch Missachtung einer Mahnung575 seitens des Gerichts oder des Bewährungshelfers seine ablehnende Haltung gegenüber dem mit der Weisung verfolgten Zweck zum Ausdruck bringt.576 Beharrlichkeit erfordert eine häufige, auf längere Dauer angelegte Wiederholung und nicht lediglich ein punktuelles SichWidersetzen.577 Insbesondere betrifft dies Fälle, in denen sich der Verurteilte wiederholt der Aufsicht und Leitung seines Bewährungshelfers entzogen hat.578 Da beide Handlungsweisen Vorsatz oder zumindest bewusste Fahrlässigkeit voraussetzen, fallen hierunter nicht Verfehlungen, die durch eine Suchterkrankung bedingt sind. Denn dann ist ein Verstoß für den Verurteilten generell nicht vermeidbar gewesen ist.579 Hinzukommen muss, dass der Bewährungsteilnehmer durch sein Verhalten Anlass zur Besorgnis der Begehung erneuter Straftaten gegeben hat. Die hierbei verlangte Prognose entspricht in ihren Anforderungen denen zur Gewährung der Strafaussetzung.580 Selbst wenn das Gericht ein beachtliches Fehlverhalten festgestellt hat, ist vorrangig zu einem Widerruf eine Verlängerung der Bewährungszeit nach § 56 f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB, ggf. geknüpft an modifizierte Weisungen, zu prüfen.581 (2) Aussetzungswiderruf nach § 56 f Abs. 1 StGB Das Instrument des Aussetzungswiderrufs kommt hingegen (erst) dann zur Anwendung, wenn das Gericht trotz Berücksichtigung potentieller Ersatzmaßnahmen zu einer neuen, negativen Legalprognose gelangt.582 Ein Widerruf wird damit jedenfalls als wahrscheinlichste Reaktionsmöglichkeit auf die Begehung einer neuen Straftat des Bewährungsteilnehmers in Betracht kommen, § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB. 573

Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 f Fn. 13. Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 f Fn. 17, mit Verweis auf KG Berlin, BewH 2001, 439. 575 Eine solche wird nicht zwingend vorausgesetzt, wird jedoch den Nachweis der Beharrlichkeit erleichtern. Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 f Fn. 15. 576 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 f Fn. 28. 577 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 f Fn. 28. 578 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 f Fn. 28. 579 Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. 02. 2008 – 3 Ws 52/08. 580 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56 f Fn. 15, siehe hierzu B., III., 3., c), aa) (S. 173 f.). 581 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, StGB, § 56 f Fn. 13 f. 582 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 f Fn. 31. 574

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Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Begehung eines neuerlichen Delikts – entgegen einiger Beispiele aus der Rechtspraxis583 – gemäß dem Gesetzeswortlaut und -zwecks nicht automatisch zum Widerruf der Strafaussetzung führt.584 Schließlich seien Umständen denkbar, unter denen eine Legalprognose zugunsten des Verurteilten aufrechterhalten werden könne.585 Eine eingehende Prüfung sei daher insbesondere bei Fahrlässigkeitstaten, Bagatelltaten, einmaligen Konfliktsituationen oder von der ursprünglichen Tat abweichenden, bloßen Gelegenheitstaten vorzunehmen.586 Selbst wenn Art und Schwere der festgestellten Bewährungsverfehlung einen Widerruf rechtfertigen würden, sollte hiervon nur behutsam Gebrauch gemacht werden, um eine durch die Inhaftierung regelmäßig hervorgerufene Desozialisierung des Verurteilten zu vermeiden.587 In diesem Zusammenhang wird auch von einem „ultima-ratio-Charakter“ des Widerrufs gesprochen.588 ff) Strafaussetzung zur Bewährung in der Praxis Zurzeit werden in der Strafpraxis ca. 77 % aller aussetzungsfähigen Verurteilungen zur Bewährung ausgesetzt.589 Da die Anzahl der Urteile über die vergangenen Jahrzehnte hinweg kontinuierlich zugenommen hat, ist auch die Gesamtzahl der Aussetzungen zur Bewährung stark angestiegen. Diese Entwicklung hat wiederum automatisch dazu geführt, dass stetig mehr Weisungen und Bewährungsunterstellungen ausgesprochen wurden. Aufgrund fehlenden statistischen Materials bezüglich der Erteilung von Bewährungsauflagen bzw. -weisungen war es jedoch nicht möglich festzustellen, wie oft Gerichte gegenüber drogenabhängigen Verurteilten mit Therapiebedarf von der Anordnung einer Therapieweisung gemäß § 56 c Abs. 3 StGB bzw. von einer Unterstellung unter einen Bewährungshelfer Gebrauch machten. Im Fall eines Wiederholungstäters wird dies eher seltener der Fall sein, da es dem Gericht insoweit schwerfallen dürfte, dem Probanden eine positive Kriminalprognose auszustellen.

583

Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 04. 12. 2008 – 3 Ws 484/08, KG Berlin BewH 01, 329. Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 f Fn. 20, u. a. mit Verweis auf EGMR, Urteil vom 3. 10. 2002 – 37 568/97 (Böhmer/Deutschland). 585 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 f Fn. 21, u. a. mit Verweis auf OLG Stuttgart, Beschluss vom 08. 11. 2001 – 2 Ws 222/01. 586 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 f Fn. 21, u. a. mit Verweis auf OLG Stuttgart, Beschluss vom 08. 11. 2001 – 2 Ws 222/01. 587 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 56 f Fn. 32. 588 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Fn. 219. 589 Vgl. Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, Vor §§ 56 ff Fn. 5, mit Verweis auf Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 3, Tabelle 3.1 (2017). 584

III. Therapierung drogenabhängiger Straftäter in Deutschland

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gg) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich bezüglich §§ 56, 56 c StGB festhalten, dass diese Vorschriften dem Gericht im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung einen sehr breiten Maßnahmenkatalog im Umgang mit dem Verurteilten und der Bekämpfung seiner Sucht bieten. Eine Begrenzung findet dieser allein in der Bestimmtheit, Zweckmäßigkeit sowie Grundrechtskonformität der jeweiligen Weisung. Typische („freie“) Weisungen, die fast immer auch Teil der vorab untersuchten „Drug Court“-Programme darstellen, sind Anordnungen zur Drogenabstinenz, die Teilnahme am Drogenscreening mittels Urinabgabe, die elektronische Aufenthaltsüberwachung und die Unterstellung des Probanden unter die Aufsicht eines Bewährungshelfers. Darüber hinaus darf das Gericht Weisungen zu Aufenthalt, Arbeit, Freizeit oder zur Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bewährungsteilnehmers erteilen. Nicht ohne Weiteres zulässig ist hingegen die Anordnung zur Entbindung des behandelnden Therapeuten/Arztes von seiner Schweigepflicht gegenüber der Justiz. In der Praxis versucht man daher, diesen Konflikt durch eine Unterzeichnung entsprechender Entbindungserklärungen vor Antritt der Therapie zu entschärfen. Diese dürfen sich jedoch nicht auf jedes Behandlungsdetail beziehen. Zur Überwachung des Fortgangs der Behandlung sowie zur Leistung von „Hilfe zur Selbsthilfe“ in anderen problematischen Lebensbereichen leisten die Bewährungshelfer wertvolle Dienste sowohl für das Gericht als auch für den Verurteilten selbst. Die Vollstreckung eines Urteils und die daraus folgende Inhaftierung sollten, außer im Falle einer erneuten, schweren Straftat, unbedingt vermieden werden. Vor einem endgültigen Widerruf der Strafaussetzung sind im Sinne einer therapiefreundlichen Vorgehensweise zunächst sämtliche Alternativen auszuschöpfen, die eine Fortsetzung der Bewährung unter ggf. geänderten Rahmenbedingungen zulassen. Leider ist über die Gesamtrelevanz der Bewährungsvorschriften hinaus der tatsächliche praktische Anwendungsbereich der §§ 56, 56 c StGB für den Therapiezugang drogenabhängiger Straftäter aktuell nicht belegbar. Problematisch dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass es sich bei dieser Personengruppe oftmals um Wiederholungstäter mit schwierigem sozialem Umfeld handelt. Daher kann nur vermutet werden, dass die Grundvoraussetzung einer Strafaussetzung zur Bewährung, die positive Kriminalprognose, von diesen Verurteilten häufig kaum zu erfüllen sein wird. d) Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) Die §§ 61 ff. StGB sind Ausdruck des dualistischen Reaktionssystems aus Strafe und Maßregel, das dem deutschen Strafrecht zu Grunde liegt.590 Während die Strafe durch das Schuldprinzip begrenzt wird und die Verfolgung präventiver Zwecke nur in 590

Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 61 Fn. 2.

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bestimmtem Umfang zulässt, dienen Maßregeln dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Tätern.591 Die Trennlinien zwischen Strafe und Maßregel verlaufen dabei zunehmend fließend. So sei es in Folge der Hinwendung zu einem an der kriminalpolitisch sachgerechten Einwirkung orientierten Sanktionensystem zu einer Vermischung der beiden Sanktionsformen gekommen.592 Immer mehr Strafen trügen inzwischen maßregelähnliche Züge, sodass etwa die Strafaussetzung zur Bewährung kaum mehr als Schuldstrafe traditionellen Stils gelten könne und oft die Funktion gleich einer Maßregel der Führungsaufsicht übernehme. Bezogen auf die Therapierung drogen- bzw. alkoholabhängiger Straftäter sind für die vorliegende Abhandlung insbesondere die Maßregeln der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) sowie der Führungsaufsicht (§ 68 StGB) von Relevanz. aa) Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) § 64 StGB eröffnet dem Gericht für den Fall des Vorliegens einer negativen Kriminalprognose und damit einhergehenden Verweigerung einer Strafaussetzung zur Bewährung die Möglichkeit, Täter mit Hang zu übermäßigem Alkohol- oder Drogenkonsum in einer Entziehungsanstalt unterzubringen, sofern die Gefahr weiterer, erheblicher rechtswidriger Taten des Verurteilten besteht. Die erforderliche Gefahrprognose beruht im Wesentlichen auf denselben Gesichtspunkten wie die Legalprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB.593 Die Prognosebasis sollte ein Sachverständigengutachten zur Art und zum Stadium der Sucht des Täters bilden.594 Eine Gefahr weiterer Taten besteht, wenn die begründete Wahrscheinlichkeit erneuter Delinquenz gegeben ist, d. h. negative Faktoren die positiven Aspekte überwiegen.595 Trotz dieser grundsätzlichen Zielrichtung i. S. d. Schutzes der Allgemeinheit soll der eigentliche Schwerpunkt des § 64 StGB auf der Heilung des Betreffenden liegen.596 Der Begriff „Heilung“ sei dabei im weiteren Sinne zu verstehen, sodass auch eine Einübung in Abstinenz oder die für eine gewisse Zeitspanne andauernde Bewahrung vor einem Rückfall in akute Sucht bereits als Behandlungserfolg bewertet werden sollte.597 § 64 StGB geht folglich über ein bloßes Einsperren des Täters hinaus.598 591

Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 61 Fn. 2. Vgl. Schöch, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann, LK-StGB, Vor § 61 Fn. 23. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 593 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 64 Fn. 12. 594 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 64 Fn. 12. 595 Vgl. van Gemmeren, in: Joecks/Miebach, StGB, § 64 Fn. 55. 596 Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 64 Fn. 1, mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 16. 03. 1994 – 2 BvL 3/90. 597 Vgl. Fischer, StGB, § 64 Fn. 2. 592

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Die Anordnung einer Therapie im Maßregelvollzug darf zudem nach dem Grundsatz des § 62 StGB nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr stehen. Im Unterschied zu § 56 c Abs. 3 StGB ist die Unterbringung aufgrund der Gefährlichkeit des Täters daher nicht an dessen Einverständnis geknüpft. Auch gibt die Bestimmung keinen maximalen Strafrahmen vor, der eine Unterbringung begrenzen könnte. (1) Hang zum übermäßigen Konsum Anwendbar ist § 64 StGB überhaupt nur auf Personen, die einen Hang zur übermäßigen Einnahme alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel aufweisen. Ein Hang ist bei einer eingewurzelten, aufgrund psychischer Disposition bestehenden oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung zum regelmäßigen Konsum von Suchtmitteln gegeben.599 Nach ganz herrschender Meinung muss damit der sichere Grad psychischer Alkohol- oder Rauschmittelabhängigkeit erreicht sein.600 Eine physische Abhängigkeit ist dagegen ebenso wenig wie eine Persönlichkeitsdepravation des Betroffenen erforderlich.601 Das Fehlen äußerlich sichtbarer Entzugserscheinungen und gewisse Abstinenzintervalle stehen der Bejahung eines Hangs damit nicht von vornherein entgegen.602 Gleiches gilt für die Durchführung einer Substitutionstherapie, etwa mit Methadon.603 Indizien für das Vorliegen eines Hanges im Sinne einer, wenigstens psychischen (seelischen) Abhängigkeit sind z. B. Vorratshaltung von Suchtstoffen bzw. eintretende Unruhe bei zur Neige gehender Reserve, Unfähigkeit des Konsumaufschubs, Verheimlichen oder Verharmlosen des eigenen Konsums sowie Beeinträchtigung der Gesundheit bzw. der Arbeits- und Leistungskraft.604 Soweit ein ausreichend hoher Grad der Abhängigkeit mit anderen psychischen Defekten zusammentrifft, können Abgrenzungsprobleme zu § 63 StGB auftreten. Allerdings sei eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann angezeigt, wenn die Abhängigkeit ihrerseits auf einer geistigen oder seelischen 598

Vgl. Schalast, Die gesetzliche Neuregelung der Unterbringung gemäß § 64 StGB und die Kapazitätsprobleme der Entziehungsanstalten, S. 89. 599 Vgl. Rössner/Best, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 64 Fn. 4, mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 1. 9. 2009 – 1 StR 441/09. 600 Vgl. BGH, Beschluss vom 30. 03. 2010 – 3 StR 88/10, Beschluss vom 27. 03. 2008 – 3 StR 38/08. 601 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 64 Fn. 3. 602 Vgl. Rössner/Best, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 64 Fn. 4. 603 Vgl. Fischer, StGB § 64 Fn. 6, mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 18. 06. 2002 – 4 StR 207/02. 604 Vgl. Sinn, in: Wolter, SK-StGB, § 64 Fn. 5, u. a. mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 01. 04. 2008 – 4 StR 56/08.

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Erkrankung oder Persönlichkeitsstörung beruht oder diese ursächlich für den Fortbestand der Sucht ist.605 (2) Hang- oder rauschbedingte Anlasstat Notwendig ist des Weiteren eine zumindest rechtswidrige Tat, die der Täter entweder im Rausch begangen hat oder die auf seinen Hang zum übermäßigen Konsum zurückzuführen ist. Das delinquente Verhalten muss damit seine Wurzel gerade in der Alkohol- oder Rauschmittelsucht haben und Ausdruck der hangbedingten Gefährlichkeit des Täters sein (sog. „symptomatischer Zusammenhang“).606 Ein ausreichender Bezug sei daher bereits gegeben, wenn die Sucht den sozialen Verfall des Täters verursacht, der ihn auf kriminelle Wege führt.607 Als typische Delikte kommen insoweit Taten in Betracht, die er begeht, um in den Besitz von Rauschmitteln oder des zu ihrer Beschaffung notwendigen Geldes zu gelangen (z. B. Rezeptfälschungen, Apotheken- und Wohnungseinbrüche, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz).608 (3) Erfolgsaussicht Nach § 64 Satz 2609 StGB wird schließlich eine hinreichend konkrete Aussicht für den Erfolg der Behandlung verlangt. Hintergrund dieser Voraussetzung ist, dass die Unterbringung als Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ausschließlich der Verwahrung dienen darf.610 Für die Prognose zur Erfolgsaussicht ist im Einklang mit § 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB generell auf eine Unterbringungsdauer von zwei Jahren abzustellen, wobei sich dieser Zeitraum je nach Begleitstrafe (fiktiv) auf bis zu zwölf Jahre erhöhen kann (§§ 67 d Abs. 1 Satz 3, 67 Abs. 4 StGB).611 Wie bereits einführend zu § 64 StGB erläutert, stellt es bereits einen ausreichenden Erfolg im Sinne dieser Vorschrift dar, wenn es gelingen kann, den Betroffenen zumindest über eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall zu bewahren („Heilungschance“612). Von einer Therapie sollte nicht erwartet werden, Abhängige 605

Vgl. Fischer, StGB, § 64 Fn. 12, § 63 Fn. 9, u. a. mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 17. 04. 2014 – 3 StR 355/13. 606 Vgl. Schöch, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann, LK-StGB, § 64 Fn. 40, u. a. mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 09. 03. 2006 – 4 StR 472/05. 607 Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 64 Fn. 8, u. a. mit Verweis auf BGH, Urteil vom 15. 11. 2007 – 4 StR 453/07. 608 Vgl. Schöch, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann, LK-StGB, § 64 Fn. 40 f. 609 Neu eingeführt zur Umsetzung des Beschlusses des BVerfG vom 16. 03. 1994 (BVerfGE 91, 1) durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. 07. 2007, BGBl. I S. 1327. 610 Vgl. van Gemmeren in: Joecks/Miebach, StGB, § 64 Fn. 61. 611 Vgl. van Gemmeren in: Joecks/Miebach, StGB, § 64 Fn. 9. 612 Vgl. Sinn, in: Wolter, SK-StGB, § 64 Fn. 16.

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gänzlich und für ihr Leben lang zu heilen.613 Erfolgreich therapierte Süchtige akzeptierten vielmehr, dass ihre Gefährdung auch nach einem Ende der Behandlung fortbestehe und dass sie selbst durch eine erfolgreiche Therapie generell nicht die Fähigkeit erlangten, legale Suchtmittel als Genussstoffe zu konsumieren wie ein Nichtsüchtiger. Das Behandlungsziel sollte es sein, die Persönlichkeit des Betroffenen und seine Umweltbedingungen zumindest so weit zu stabilisieren und zu beeinflussen, dass er im Stadium der Entwöhnung verharrt.614 Positiv wirke es sich auf die Prognose zur Erfolgsaussicht aus, wenn der Täter seine Abhängigkeit selbstkritisch als schwere Störung erkenne, sie jedoch nicht als schicksalhaft ansehe, sondern vielmehr bereits konkrete und realistische Vorstellungen zu seiner Zukunft (bezogen auf Therapie und spätere berufliche Tätigkeit) entwickelt habe.615 Eine aussichtsreiche Behandlung setzt zusätzlich zumindest minimale Fähigkeiten zur Introspektion und zur Empathie sowie zumindest geringe Frustrationstoleranz und Ansprechbarkeit voraus.616 Im Unterschied zur Therapieweisung nach § 56 c Abs. 3 StGB steht es dem Gericht hierbei im Übrigen offen, eine Behandlung auch gegen den Willen des Verurteilten anzuordnen. In diesem Fall hat es zur Feststellung einer Erfolgsaussicht jedoch zu prüfen, inwieweit eine Therapiebereitschaft ggf. zu einem späteren Zeitpunkt (während des Vollzugs der Weisung) geweckt werden kann.617 Auch dass ein Verurteilter bereits erfolglose Therapieversuche unternommen hat, schließt die Annahme einer Erfolgsaussicht nicht zwingend aus.618 Gegen den voraussichtlichen Erfolg einer Therapie spricht es aber, wenn die Beeinträchtigungen des Verurteilten als so schwerwiegend einzustufen sind, dass erneute Straftaten, wenn überhaupt nur durch den langfristigen, kostenintensiven Einsatz mehrerer, ihn exklusiv betreuender Psychologen zu verhindern wären.619 Ähnlich gelagert sind nach zutreffender Ansicht Konstellationen, in denen der

613

Vgl. van Gemmeren in: Joecks/Miebach, StGB, § 64 Fn. Fn. 62, mit Verweis auf Schalast/Dessecker/von der Haar, Unterbringung in der Entziehungsanstalt: Entwicklungstendenzen und gesetzlicher Regelungsbedarf, 3. 614 Vgl. Schöch, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann, LK-StGB, § 64 Fn. 124. 615 Vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Fn. 460 f. 616 Vgl. Fischer, StGB, § 64 Fn. 20, mit Verweis auf Dannhorn, Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), NStZ 2012, 414 (417). 617 Vgl. Rössner/Best, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 64 Fn. 10. 618 Vgl. Sinn, in: Wolter, SK-StGB, § 64 Fn. 17, u. a. mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 26. 11. 1996 – 4 StR 538/96. 619 Vgl. van Gemmeren, in: Joecks/Miebach, StGB, § 64 Fn. 70 f., mit Verweis auf BGH, Urteil vom 15. 03. 2001 – 5 StR 591/00; Korn, Sprachkenntnisse und Unterbringung gemäß § 64 StGB – Abhängigkeit des Tatrichters von der Organisation des Maßregelvollzugs, JR 2015, 411 ff. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Verurteilte eine seltene Fremdsprache620 spricht und die Aneignung ausreichender Deutschkenntnisse von ihm alsbald nicht erwartet werden kann. Es sei offensichtlich, dass das Therapiepersonal nicht sämtliche Fremdsprachen abdecken bzw. ein Teilnehmer insbesondere während der praktisch relevantesten Therapieform der Gruppenbehandlung nicht ständig durch einen Dolmetscher begleitet werden könne. Eine Therapie sei idealerweise in der Muttersprache durchzuführen, um Wahrnehmungen und Gedanken möglichst treffend zu benennen. (4) Vollstreckung der Maßregel Nach § 67 Abs. 1, 2 Satz 2 StGB hat der Vollzug der Maßregel gemäß § 64 StGB im Grundsatz vor der Strafe zu erfolgen, soweit die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer Freiheitsstrafe von unter drei Jahren angeordnet wurde. Nach ständiger Rechtsprechung verspricht ein möglichst umgehender Beginn der Behandlung am ehesten einen dauerhaften Erfolg.621 Dem Täter wird sodann im Fall des Vorabvollzuges der Maßregel diese Zeit bis zu einem Anteil von maximal zwei Dritteln auf die Strafe angerechnet, § 67 Abs. 4 StGB.622 Alternativ eröffnet § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB die Möglichkeit, einen Teil der Strafe vorweg zu ziehen, soweit dies zur Erleichterung der Zweckerreichung (bessernde Einwirkung auf den Täter) erforderlich ist. Von einem solchen Vorgehen wird allerdings zunehmend abgeraten, sofern dadurch tätereigene Motivation mittels Schaffung eines psychischen „Leidensdrucks“ erzeugt werden soll.623 Allenfalls ein mäßig bemessener Freiheitsentzug habe sich in Einzelfällen als brauchbar erwiesen, um Alkohol- und Drogenabhängige überhaupt erst zur Mitarbeit an den therapeutischen Bemühungen zu motivieren.624 (5) Bedeutung in der Praxis Im alltäglichen Gerichtsbetrieb ist der Ausspruch der Weisung zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt durchaus gebräuchlich, wenngleich sich die tatsächliche Zahl in Grenzen hält. So wurde § 64 StGB in Deutschland im Jahr 2017 bei 716.044 Verurteilungen in 2.829 Fällen angewandt.625 Die Gesamtzahl der Unterbringungen sei insoweit als vergleichsweise niedrig zu beurteilen, als die Norm nach ihrer weiten Fassung große Teile der Betäubungs620 Etwa Mandingo, Kurdisch oder Urdu, vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 56. 621 Vgl. BGH NStZ-RR 2001, 26. 622 Sog. „Organisationshaft“ (Inhaftierung bis zur Verfügbarkeit eines Therapieplatzes) wird dabei auf das letzte Drittel der noch offenen Freiheitsstrafe angerechnet. 623 Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 67 Fn. 5, u. a. mit Verweis auf BT-Drs. 10/4391, S. 18. 624 Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 67 Fn. 5, u. a. mit Verweis auf BT-Drs. 10/4391, S. 18. 625 Vgl. Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2017, Tabelle 5.5.

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mitteldelikte sowie darüber hinaus auch alkoholbedingte Straftaten im Rahmen „häuslicher Gewalt“ oder im Straßenverkehr einbeziehe.626 Daher wird angenommen, dass ein Großteil der sich im Strafvollzug befindenden, drogenabhängigen Täter an sich die Anordnungsvoraussetzungen des § 64 StGB erfüllt.627 Bezüglich der Delikte, die der Anordnung der Maßregel zu Grunde liegen, existiert ein breites Spektrum von Trunkenheitsfahrten bis hin zu Tötungsdelikten.628 Die Unterbringung rauschgiftabhängiger Personen könne dabei eher auf die Begehung von Eigentums- und Betäubungsmittelstraftaten zurückgeführt werden, während dies bei den Alkoholabhängigen vor allem für Körperverletzungs- sowie nachrangig Brandstiftungs- und Sexualdelikte zutreffe.629 Im Durchschnitt seien bei den Betäubungsmittelabhängigen, weit überwiegend langjährig Heroinsüchtigen, vor einer Unterbringung sieben Vorstrafen und Haftzeiten von durchschnittlich vier Jahren aktenkundig.630 Die Zuständigkeit für das Verfahren und die Verhängung der Maßregel liegt daher aufgrund des hohen Strafrahmens der angeklagten Taten meist bei den Kammern der Landgerichte. Tatsächlich hatte zuletzt mehr als die Hälfte der Patienten im Maßregelvollzug neben der Unterbringung eine parallele Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren erhalten.631 Entgegen der Absicht des Gesetzgebers, der den Anwendungsbereich der Norm im Wege der Neueinführung des § 64 Satz 2 StGB (Kriterium der Erfolgsaussicht) einschränken wollte, sind die Anordnungszahlen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.632 Bereits bis ins Jahr 2010 war trotz der Verschärfung der Tatbestandsvoraussetzungen drei Jahre zuvor eine weitere Zunahme von § 64-Einweisungen zu verzeichnen (von 1.628 auf 2.323), was zu erheblichen Kapazitätsproblemen im Vollzug der Maßregel führte.633 Schon 2006 hatten erhebliche Schwierigkeiten bestanden, nach Anordnung der Unterbringung geeignete Anstaltsplätze zu finden, weshalb Betroffene oft monatelang im Strafvollzug verbleiben mussten („Organisationshaft“).634 Die Revision des Rechts der Unterbringung sollte gerade dazu beitragen, die vorhandenen Kapazitäten des Maßregelvollzugs „besser und zielgerichteter“ zu nutzen.635 Trotz der an sich strengeren Prüfungsvoraussetzungen werden nach § 64 StGB eingeleitete Therapien in weit über der Hälfte der Fälle mangels fortbestehender 626

Vgl. van Gemmeren, in: Joecks/Miebach, StGB, § 64 Fn. 2. Vgl. Wittmann, Voraussetzungen und Grenzen einer erfolgreichen Behandlung aus medizinischer Sicht, S. 8. 628 Vgl. van Gemmeren, in: Joecks/Miebach, StGB, § 64 Fn. 5. 629 Vgl. Wittmann, Möglichkeiten und Grenzen in der Behandlung nach § 64 StGB, S. 6. 630 Vgl. Wittmann, Möglichkeiten und Grenzen in der Behandlung nach § 64 StGB, S. 6. 631 Vgl. von der Haar, Stichtagserhebungen im Maßregelvollzug nach § 64 StGB, S. 13. 632 Vgl. Sinn, in: Wolter, SK-StGB, § 64 Fn. 1, 15. 633 Vgl. Fischer, StGB, § 64 Fn. 2, mit Verweis auf Schalast, 2012, S. 87. 634 Vgl. BT-Drs. 16/1110 vom 31. 03. 2006, S. 9. 635 Vgl. BT-Drs. 16/1110 vom 31. 03. 2006, S. 9. 627

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Erfolgsaussicht abgebrochen.636 Im Zuge einer Erhebung aus Nordrhein-Westfalen (NRW), die sich über einen Zehnjahreszeitraum (2000 – 2010) erstreckte und mehr als 1.000 Untergebrachte umfasste, betrug dieser Anteil gar 75 %.637 Selbst unter denjenigen 25 %, die die Behandlung erfolgreich absolviert hatten und zur Bewährung in Freiheit entlassen wurden, erlitt etwa die Hälfte binnen drei Jahren einen Suchtmittelrückfall, während ein Viertel binnen der ersten 12 Monate des Bewährungszeitraums (auch) eine erneute Straftat beging.638 Zu einer ähnlichen Abbruchquote (67 %) gelangte eine Studie, die den gesamten Entlassungsjahrgang 2005 in NRW überprüfte.639 Von immerhin etwa 50 % erfolgreichen Behandlungen berichtet eine Untersuchung in Hessen und Baden-Württemberg, wobei allerdings fast die Hälfte der dortigen Absolventen alsbald erneut straffällig wurde.640 Dies mag daran liegen, dass viele der Patienten im Maßregelvollzug trotz ihres noch relativ jungen Alters von ca. 30 Jahren über eine jahrelange Vorgeschichte im Bereich der Abhängigkeit und Delinquenz verfügen.641 Erschwerend hinzu kommt, dass beinahe jeder Zweite von ihnen unter Schulden, einer fehlenden abgeschlossenen Schulbildung und/oder dissozialen Persönlichkeitsstörung leidet.642 Als Hauptgründe für die Erledigung einer Therapie nach § 64 StGB (und Überführung in eine JVA) wurden in einer unter 35 Therapeuten in Entziehungsanstalten in Baden-Württemberg durchgeführten Umfrage zahlenmäßig am häufigsten (wiederholte) Suchtmittelrückfälle, Flucht oder Entweichen aus der Anstalt, die fehlende Entwickelbarkeit von Motivation sowie gewalttätiges Verhalten genannt.643 Wenngleich dies in der Praxis eher selten geschah, fiel aus Sicht der Therapeuten das Einbringen von Suchtmitteln auf die Station hierbei besonders schwer ins Gewicht.644 Hinsichtlich der durchschnittlichen Dauer einer Unterbringung im Rahmen des § 64 StGB existieren stark unterschiedliche Zahlen. Im Jahr 2010 hatte diese im

636

Vgl. van Gemmeren, in: Joecks/Miebach, StGB, § 64 Fn. 7, mit Verweis auf Nedopil, Maßregelrecht – Behandlung psychisch Kranker erschwert, Ärzteblatt 2006, 103 (38), A2438 – 2441 (2440), Schalast, 2012, S. 87. 637 Vgl. Trenckmann, Zur Verweildauer im Maßregelvollzug einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB, S. 330. 638 Vgl. Trenckmann, Zur Verweildauer im Maßregelvollzug einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB, S. 330. 639 Vgl. Kemper, Fehleinweisungen in die Entziehungsanstalt – Ergebnisse eines Forschungsprojekts zum Maßregelvollzug gem. § 64 StGB in NRW, S. 15. 640 Vgl. Seifert, in: Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, S. 389. 641 Vgl. Wittmann, Tagungsdokumentation Maßregelvollzugstag NRW 2012, S. 6 f. 642 Vgl. Wittmann, Tagungsdokumentation Maßregelvollzugstag NRW 2012, S. 6 f. 643 Vgl. Querengässer/Hoffmann/Ross, Erledigungen von Unterbringungen nach § 64 StGB wegen Aussichtslosigkeit aus Therapeutensicht, S. 26. 644 Vgl. Querengässer/Hoffmann/Ross, Erledigungen von Unterbringungen nach § 64 StGB wegen Aussichtslosigkeit aus Therapeutensicht, S. 26.

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Schnitt 680 Tage, also knapp zwei Jahre betragen.645 Allerdings bestanden hierbei aufgrund institutioneller, organisatorischer und rechtlicher Besonderheiten immense Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. So verließen Patienten die jeweilige Entziehungsanstalt in Berlin bereits nach 483 Tagen, während es in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 933 Tage dauern konnte. Realitätsfern erscheint aufgrund dieser Faktenlage die Ansicht des BGH646, wonach Behandlungsdauern von über einem Jahr äußerst selten und solche von über 2 Jahren nicht erforderlich, sondern vielmehr schädlich seien. bb) Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) (1) Allgemeine Voraussetzungen Die Maßregel der Führungsaufsicht nach §§ 68 ff. StGB kann unmittelbar im Anschluss an die Haftentlassung eines Straftäters als intensivere Kontrollmöglichkeit gegenüber einer Aussetzung zur Bewährung unter Auflagen gemäß §§ 56, 56 c StGB angeordnet werden, soweit das zugrundeliegende Delikt dies vorsieht. Sie ist insbesondere für Täter gedacht, die bereits eine Freiheitsstrafe verbüßt haben und eine negative Kriminalprognose aufweisen. Daher soll die Führungsaufsicht den Übergang kriminell besonders Gefährdeter aus dem Vollzug in die Freiheit nicht nur im Interesse der Verurteilten durch soziale Hilfe erleichtern, sondern diesen im Sinne einer Doppelfunktion insbesondere auch zum Schutz der Allgemeinheit kontrollieren.647 Ein wesentlicher Unterschied zu den §§ 56 ff. StGB ist es daher, dass das Gericht die Anordnung von Weisungen auch allein zur Überwachung des Verurteilten vornehmen kann.648 In diesem Zusammenhang wird aufgrund der strengen Überwachungsmöglichkeiten auch von einer „ambulanten Verwahrung“ gesprochen.649 Nach § 68 c Abs. 1 StGB beträgt die Dauer dieser Maßregel grundsätzlich zwischen zwei und fünf Jahren, wobei eine unbefristete Verlängerung im Fall einer fortbestehenden Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten angeordnet werden kann. Insbesondere aus einem Grund lohnt sich jedoch ein genauerer Blick in die Vorschriften zur Durchführung der Führungsaufsicht: ähnlich dem „Drug Court“Programm soll dieses Institut einen angemessenen Ausgleich zwischen der Resozialisierung von Straftätern und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit schaffen. Die Vorschriften zur Führungsaufsicht bilden damit einen geeigneten Anknüpfungspunkt für einen Vergleich zur Koordination der Aufgaben von Justiz und Therapie. 645 Vgl. Wittmann, Tagungsdokumentation Maßregelvollzugstag NRW 2012, S. 7 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 646 Vgl. BGH, Urteil vom 11. 03. 2010 – 3 StR 538/09. 647 Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, Vor § 68 Fn. 1. 648 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 68 b Fn. 2. 649 Vgl. Schneider, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann, LK-StGB, Vor § 68 Fn. 3.

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(2) Zusammenarbeit der beteiligten Behörden Wie aus § 68 a StGB ersichtlich wird, ist an der Umsetzung der Maßregel eine Vielzahl von Behörden beteiligt. Neben dem Gericht trifft diese Verantwortung die Aufsichtsstelle, den gerichtlich bestellten Bewährungshelfer sowie die forensische Ambulanz. Letztgenannte soll für Personen gedacht sein, die einer psychiatrischen oder einer psycho- oder sozialtherapeutischen Behandlung bedürfen.650 Nicht gänzlich bestätigt ist jedoch, inwieweit die bis zu einem gewissen Grade antagonistischen Aufgaben der Resozialisierung des Täters und der Sicherung der Gesellschaft durch das Zusammenspiel zwischen Gericht, Aufsichtsstelle und Bewährungshelfer überhaupt erfolgreich wahrgenommen werden können.651 Jedenfalls sei ein funktionierendes Zusammenwirken zwischen den Behörden fundamental wichtig, da der Erfolg der Maßregel im Wesentlichen von der Ausgestaltung der jeweiligen Aufsichtsstelle, dem Engagement der Mitarbeiter und deren möglichst reibungsloser Kooperation mit den genannten Stellen abhänge.652 Die Organe der Führungsaufsicht sollten daher über den schriftlichen Kontakt hinaus auch den persönlichen Kontakt pflegen.653 Soweit kein Einvernehmen erzielt werden sollte, steht das Letztentscheidungsrecht dem Gericht zu (§ 68 a Abs. 4 StGB). Es kann den dort genannten Institutionen nach Abs. 5 daneben Anweisungen zur Durchführung ihrer Tätigkeit erteilen. (3) Offenbarungspflichten nach § 68 a Abs. 8 StGB Im Unterschied zur Bewährung nach §§ 56 ff. StGB bestehen im Rahmen der Führungsaufsicht für die an der Therapie beteiligten Personen gegenüber dem Gericht gemäß des 2007 eingeführten § 68 a Abs. 8 StGB umfangreiche Offenbarungspflichten. Ziel der Gesetzesänderung war es, die rechtlichen Regelungen der Führungsaufsicht zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, den strafrechtlichen Rahmen zu verbessern und ein Kriseninterventionsinstrumentarium zu schaffen, mit dessen Hilfe kritische Entwicklungen von Probanden besser als bisher frühzeitig erkannt werden können und diesen rechtzeitig begegnet werden kann.654 Es bestehe ein Bedürfnis für den Austausch von Informationen zwischen der forensischen Ambulanz oder externen Therapeuten und den übrigen an der Führungsaufsicht beteiligten Stellen, auch im Wege von Helferkonferenzen, damit eine effektive, rückfallvorbeugende Betreuung der verurteilten Person sichergestellt werden könne.655 650 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, § 68 a Fn. 8. Eine forensische Ambulanz existiert jedoch (noch) nicht in allen Bundesländern, da keine gesetzliche Verpflichtung zu ihrer Einrichtung besteht. 651 Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, Vor § 68 Fn. 1. 652 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, Vor § 68 Fn. 5, 6. 653 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, Vor § 68 Fn. 5, 6. 654 Vgl. BT-Drs. 16/4740 vom 20. 03. 2007, S. 1. 655 Vgl. BT-Drs. 16/4740 vom 20. 03. 2007, S. 24.

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Wie in den Ausführungen zu § 56 c StGB bereits dargelegt656, war eine gesetzliche Grundlage im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung bzw. Führungsaufsicht nach vorheriger Rechtslage nicht gegeben, sodass eine unfreiwillige Offenlegung von Geheimnissen stets das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Probanden aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzte. Seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung haben die in § 68 a Abs. 1 StGB Genannten (Aufsichtsstelle, Bewährungshelfer) und die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz (Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter) nunmehr fremde Geheimnisse, die ihnen im Rahmen des durch § 203 StGB geschützten Verhältnisses anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, einander zu offenbaren, soweit dies notwendig ist, um der verurteilten Person zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden. Darüber hinaus haben die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz gegenüber der Aufsichtsstelle und dem Gericht weitere Geheimnisoffenbarungspflichten. Diese sind in § 68 a Abs. 8 Satz 2 StGB abschließend genannt und bestehen, soweit aus ihrer Sicht 1. dies notwendig ist, um zu überwachen, ob die verurteilte Person einer Vorstellungsweisung nach § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 nachkommt oder im Rahmen einer Weisung nach § 68 b Abs. 2 Satz 2 und 3 an einer Behandlung teilnimmt, 2. das Verhalten oder der Zustand der verurteilten Person Maßnahmen nach § 67 g, § 67 h StGB oder § 68 c Abs. 2 oder Abs. 3 StGB erforderlich erscheinen lässt oder 3. dies zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter erforderlich ist. In den Fällen der Sätze 1 und 2 Nr. 2 und 3 dürfen Tatsachen im Sinne von § 203 Abs. 1 StGB, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der forensischen Ambulanz offenbart wurden, nur zu den dort genannten Zwecken verwendet werden. Dies soll aus grundrechtlicher Sicht sicherstellen, dass diese Tatsachen unmittelbar nur zum Zweck der Hilfe für die verurteilte Person oder von Gefahrenabwehrmaßnahmen und nicht etwa zu Beweiszwecken im Rahmen der Strafverfolgung genutzt werden.657 Diese Regelungen zur Entbindung von der Verschwiegenheit gelten gemäß dem ebenfalls im Zuge der Reform der Führungsaufsicht eingefügten § 68 b Abs. 5 StGB entsprechend, soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des § 68 b Abs. 1 Nr. 11 StGB oder ihre Behandlung in den Fällen des § 68 b Abs. 2 StGB nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt. Von dieser Regelung umfasst sind demnach auch Ärzte und Therapeuten, die die verurteilte Person im Rahmen von Füh-

656 657

Siehe oben B., III., 3., c), cc), (4), (c). Vgl. BT-Drs. 16/4740 vom 20. 03. 2007, S. 25.

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rungsaufsichtsanweisungen sehen oder betreuen und nicht in einer forensischen Ambulanz arbeiten. (4) Weisungskatalog Zur Erfüllung ihrer bereits erwähnten Doppelfunktion stehen im Rahmen der Führungsaufsicht Weisungen nach § 68 b StGB zur Verfügung. Im Vergleich zu § 56 c StGB gibt dieser Weisungskatalog dem zuständigen Gericht, neben den genannten Offenbarungspflichten, explizite und zum Teil umfangreichere Befugnisse: – Therapieaufnahme658 (§ 68 b Abs. 2 Satz 2 StGB), – Abstinenz und Teilnahme an entsprechenden Alkohol- und Suchtmittelkontrollen659 (§ 68 b Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 StGB), – elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes660 § 68 b Abs. 1 Nr. 12 StGB, – Ausbildung, Arbeit, Freizeit und Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse661 (§ 68 b Abs. 2 Satz 1 StGB). Zu beachten ist, dass Verstöße gegen die in § 68 b Abs. 1 StGB abschließend genannten Weisungen nach § 145 a StGB strafbewehrt sind. § 68 a Abs. 2 StGB erwähnt ausdrücklich, dass die Organe der Führungsaufsicht dem Verurteilten bei der Durchführung der Maßregel helfend und betreuend zur Seite stehen sollen. Insoweit sei auf die Ausführungen zur Arbeit der Bewährungshilfe (§ 56 d StGB) verwiesen.662 (5) Führungsaufsicht in der Praxis Für die hiesige Untersuchung ist insbesondere der praktische Bezug der Maßregel zur alkohol- und rauschmittelabhängigkeitsbedingten Delinquenz relevant. Eine Anordnung kann hierbei gem. § 34 BtMG erfolgen. Außerdem ist sie bei typischen Beschaffungsdelikten, wie z. B. Diebstahl und Betrug, ausdrücklich im Gesetz vorgesehen (§ 245 bzw. § 263 Abs. 6 StGB). Laut der letzten Erhebung des Bundesamtes für Justiz aus dem Jahr 2017 wurden Führungsaufsichten bei insgesamt 27.564 Anordnungen in 3.438 Fällen mit einer Weisung zur Alkohol- bzw. Drogenabstinenz verbunden, die in 1.276 Fällen an entsprechende Kontrollen (mit körperlichen Eingriffen) geknüpft war.663 540 Mal wurde die Teilnahme an einer Suchttherapie angeordnet. Häufig waren auch Wei658

Siehe B., III., 3., c), bb). Vgl. hierzu B., III., 3., c), cc), (2). 660 Vgl. hierzu B., III., 3., c), cc), (5). 661 Vgl. hierzu B., III., 3., c), cc) (1). 662 Vgl. hierzu B., III., 3., c), dd). 663 Vgl. Götting, Statistik der Führungsaufsicht 2015, S. 7, 9. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 659

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sungen zur Arbeitsaufnahme (837) sowie bezüglich eines Aufenthaltsverbotes (455). Eine elektronische Aufenthaltsüberwachung fand demgegenüber nur selten statt (36). Die Zahl der kraft Gesetzes eingetretenen Führungsaufsichten habe bei steigender Tendenz zuletzt bereits im fünfstelligen Bereich gelegen, weshalb die Führungsaufsicht statistisch an Bedeutung gewann.664 Häufigkeit und Schärfe der Durchführung variieren dabei zwischen den Bundesländern beträchtlich.665 Uneinigkeit besteht in der Praxis allerdings darüber, inwieweit das Institut der Führungsaufsicht generell als effektiv angesehen werden kann.666 Geklagt wird insbesondere über eine zu bürokratische Handhabung, über Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Aufsichtsstellen, Bewährungshelfern und Gerichten, über den Mangel an Fachkräften und ihre zu hohe Belastung sowie den allzu heterogenen Probandenkreis.667 cc) Zwischenergebnis Die vorstehend beschriebenen Maßregeln der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie der Führungsaufsicht unterscheiden sich von den eingangs erläuterten Instituten des Absehens von der Erhebung der öffentlichen Anklage gem. § 37 BtMG und der Strafaussetzung zur Bewährung nach §§ 56 ff. StGB dadurch, dass sie den Sicherheitsaspekt bei der Behandlung von Drogenstraftätern deutlich in den Vordergrund rücken. Durch sie kann auch gefährlicheren Straftätern mit einer negativen Legalprognose im Vor- oder Nachgang zur Vollstreckung eines Teils der Freiheitsstrafe ein Zugang zu Therapiemaßnahmen ermöglicht werden. Die Höhe der verhängten oder bereits verbüßten Strafe ist dabei grundsätzlich irrelevant für die Frage, ob eine Behandlungsmöglichkeit gewährt wird. Trotz der Bestrebungen des Gesetzgebers, die Nutzung der kostenintensiven Maßnahme einer Unterbringung im Maßregelvollzug einzudämmen, haben sich deren Anordnungszahlen in der jüngeren Vergangenheit weiter erhöht. Diese Zunahme hat zuletzt mancherorts zu Kapazitätsproblemen bei der Vollstreckung der Maßregel geführt. Es kam vermehrt vor, dass Verurteilte zunächst für einen gewissen Zeitraum in Haft verbleiben mussten, bevor eine Unterbringung samt Behandlungsbeginn erfolgen konnte. Diese organisatorischen Schwierigkeiten sind si664

Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, Vor § 68 Fn. 6. Beispielsweise ist die Fallzahl pro Einwohner in Berlin mehr als dreimal so hoch wie in Baden-Württemberg, vgl. hierzu Sinn, in: Wolter, SK-StGB, § 68 Fn. 1, mit Verweis auf Forum Strafvollzug 3/2013, S. 137. 666 Vgl. Groß, in: Joecks/Miebach, StGB, Vor § 68 Fn. 6, u. a. mit Verweis auf die positive Bilanz bei Schöch, Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. 01. 1998, NJW 1998, 1257 (1260), skeptisch dagegen Peglau, Das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung, NJW 2007, 1558. 667 Vgl. Schneider, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann, LK-StGB, Vor § 68 Fn. 27. 665

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cherlich eine der Ursachen für das schwache Abschneiden der Teilnehmer von § 64Unterbringungen. Eine lange Wartezeit kann sich negativ auf die Motivation der hiervon Betroffenen auswirken. Überdies legt eine komplette Auslastung bzw. gar Überlastung der Einrichtungen nahe, dass Qualität bzw. Intensität der dort angebotenen Therapien unter Umständen nicht den höchsten Ansprüchen genügen wird. Dass die Erfolgsquote von Unterbringungen in Entziehungsanstalten, zumindest auf den ersten Blick, erschreckend niedrig erscheint, wird jedoch maßgeblich auch auf die Charakteristika der in ihnen betreuten Personengruppen zurückzuführen sein. Vor dem Hintergrund ihrer kriminellen Vorbelastung und hohen Abhängigkeitsgrade relativieren sich diese schwachen Ergebnisse jedoch. Leider existieren daneben keine Statistiken zur Abschlussrate bei Therapieweisungen im Rahmen der Führungsaufsicht. Aus der Analyse der §§ 68 ff. StGB ließen sich dennoch einige Erkenntnisse für den anvisierten Rechtsvergleich gewinnen. Zum einen ist in § 68 a Abs. 8 StGB seit kurzem die Pflicht zur Offenlegung von Therapiegeheimnissen durch die behandelnden Ärzte bzw. Therapeuten vorgesehen, soweit dies zur Verhinderung weiterer Straftaten beitragen kann. Zum anderen trifft § 68 a StGB Regelungen zur Zusammenarbeit zwischen den am Verfahren beteiligten Akteuren der Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe und forensischer Ambulanz. Überschneidungen mit weiteren „Drug Court“-Elementen sind dagegen selten. Dies liegt darin begründet, dass ein Großteil des Personenkreises, der für die Durchführung der genannten Maßregeln in Betracht kommt, bereits nicht die hohen Aufnahmeanforderungen eines „Drug Courts“ (gewaltlose Tat, keine Vorbestrafung, gewisses Höchstmaß etc.) erfüllen würde. Die §§ 61 ff. StGB verleihen der Justiz im Übrigen zur Sicherung gefährlicher Täter erhebliche Eingriffsbefugnisse und sind dementsprechend eher „therapieunfreundlich“ ausgestaltet. e) Zurückstellung der Strafvollstreckung (§§ 35, 36 BtMG) aa) Zielrichtung und Abgrenzung Gemäß § 35 Abs. 1 BtMG besteht die Möglichkeit, die Vollstreckung einer Strafe für längstens zwei Jahre zurückzustellen, sofern der Täter rechtskräftig zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und sich aus den Urteilsgründen ergibt oder sonst feststeht, dass er die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat. Das Rechtsinstitut der Zurückstellung wurde geschaffen, um drogenabhängigen Verurteilten zugunsten einer therapeutischen Behandlung sowohl den Aufschub einer noch ausstehenden als auch die Unterbrechung einer bereits begonnenen Strafvollstreckung zu ermöglichen („Therapie statt Strafvollzug“668).669 Der Verur668 669

Vgl. Baumgart, Illegale Droge, Strafjustiz, Therapie, S. 113. Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 16.

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teilte kann somit den günstigsten Zeitpunkt für den Beginn der Therapie selbst wählen.670 Keine Anwendung findet § 35 BtMG hingegen auf alkoholabhängige Straftäter. Eine analoge Anwendung auf andere Abhängigkeitsformen kommt aufgrund des gegensätzlichen Willens des Gesetzgebers (Wortlaut) und wegen des Ausnahmecharakters der Norm nicht in Betracht.671 § 35 BtMG ergänzt die Rechtsinstitute der Strafaussetzung zur Bewährung sowie der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.672 Zeitlich, rechtlich und praktisch nachgeordnet ist die Bestimmung gegenüber einer Therapieaufnahme im Wege der §§ 56, 56 c Abs. 3 StGB.673 Dies liegt darin begründet, dass eine Zurückstellung nicht bereits durch den erkennenden Richter, sondern erst nach Rechtskraft des Urteils durch die Vollstreckungsbehörde (die Staatsanwaltschaft, § 451 Abs. 1 StPO) erfolgen kann.674 Bei der Entscheidung über eine Strafaussetzung darf § 35 BtMG damit als Regelung der Strafvollstreckung (zumindest theoretisch) noch keine Rolle spielen.675 Ein entsprechender Antrag durch den Täter kann erstmöglich nach Urteilsverkündung und allseitig erklärtem Rechtsmittelverzicht gestellt werden.676 Zur Aussetzung der Strafe auf Bewährung wird es aufgrund der kriminellen Vorgeschichte vieler drogenabhängiger Täter häufig an der hierfür notwendigen, günstigen Kriminalprognose fehlen.677 § 35 BtMG soll es daher insbesondere in Fällen einer Versagung der Strafaussetzung ermöglichen, die Vollstreckung der (verbleibenden) Strafe bei Aufnahme einer Therapie dennoch sofort oder im Anschluss an die Verbüßung eines Teil des Freiheitsentzuges zurückstellen zu können.678 Ein bedeutendes Anwendungsfeld finde § 35 BtMG dort, wo ein noch zu vollstreckender Strafrest den Zeitraum von zwei Jahren zwar nicht übersteigt (§ 35 Abs. 3 Nr. 2 BtMG), aber weder eine der Mindestzeiten des § 57 StGB noch dessen übrige Voraussetzungen (positive Kriminalprognose) erfülle.679 Während eine Aussetzung nach § 57 StGB die Verbüßung von zwei Dritteln bzw. der Hälfte der verhängten Strafe voraussetzt, kann dies bei § 35 BtMG unter der zuvor genannten

670

Vgl. Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Kap. 5 Fn. 5. Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 4. 672 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 18. 673 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 Fn. 52, u. a. mit Verweis auf Eberth/Müller/ Schütrumpf, Verteidigung in Betäubungsmittelsachen, Fn. 310. 674 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 Fn. 52, u. a. mit Verweis auf Eberth/Müller/ Schütrumpf, Verteidigung in Betäubungsmittelsachen, Fn. 310. 675 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 8, mit Verweis auf OLG Oldenburg, Entscheidung vom 23. 11. 1990 – Ss 483/90. 676 Vgl. Krumdiek, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 11 Fn. 8. 677 Vgl. Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Kap. 5 Fn. 2. 678 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 18. 679 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 Fn. 53. 671

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Voraussetzung unabhängig von der ursprünglich ausgeurteilten Gesamtdauer erfolgen. Bei Vorliegen einer negativen Sozialprognose ist allerdings zu beachten, dass § 35 BtMG nach herrschender Meinung aufgrund seiner Anwendbarkeit erst im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nachrangig zur Maßregelanordnung nach § 64 und bzw. deren Aussetzung nach § 67 b StGB ist.680 In Anbetracht der Überbelastung des Maßregelvollzugs und der daraus resultierenden, qualitativen Probleme bei der Therapie abhängiger Straftäter, werden Praktikabilität und Nutzen dieser Rangordnung jedoch zunehmend in Zweifel gezogen.681 Genereller Zweck des § 35 BtMG ist es, „Risikopatienten“ aus dem Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität zu einer notwendigen therapeutischen Behandlung zu bewegen und ihnen so eine Therapiechance zu eröffnen.682 Darüber hinaus sollen die Zurückstellungsvorschriften dazu beitragen, die Haltequote und die Therapieerfolge auszudehnen, die Therapieergebnisse durch Nachsorgemaßnahmen und Therapieanrechnung abzusichern und eine dauerhafte soziale und berufliche Wiedereingliederung zu erreichen.683 bb) Voraussetzungen des § 35 BtMG im Einzelnen (1) Zusammenhang zwischen Tat und (Betäubungsmittel-)Abhängigkeit Die Abhängigkeit muss sowohl zur Zeit der Tat als auch zu den Zeitpunkten der Verurteilung und Entscheidung über die Zurückstellung bestanden und gerade ihren Ausdruck in der Straftat gefunden haben (Mitursächlichkeit genügt).684 Nicht erforderlich ist, dass ein unmittelbarer Verstoß gegen das BtMG vorliegt, sodass insbesondere auch Taten der direkten und indirekten Beschaffungskriminalität den Anwendungsbereich des § 35 BtMG eröffnen.685 Dieser dem Verurteilten obliegende Nachweis kann insbesondere mittels Bezug auf gerichtliche Feststellungen geführt werden. Nach ständiger Rechtsprechung entfaltet insoweit bereits die Aufnahme des § 17 Abs. 2 BZRG in den Urteilstext eine grundsätzliche Bindungswirkung für die Vollstreckungsbehörden.686 Daneben ist der Verurteilte im Rahmen des Zurückstellungsantrags verpflichtet, seine Drogenabhängigkeit nachzuweisen. Sofern das Gericht dies nicht bereits in 680

Vgl. BGH, Beschluss vom 27. 03. 2008 – 3 StR 38/08; Fischer, StGB, § 64 Fn. 26; Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 10. 681 Siehe B., III., 3., d), aa), (5). 682 Vgl. Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 Fn. 53, u. a. mit Verweis auf OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07. 11. 2007 – 2 VAs 37/07. 683 Vgl. Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 30. 684 Vgl. Weber, BtMG, § 35 Fn. 34. 685 Vgl. Weber, BtMG, § 35 Fn. 22. 686 Vgl. OLG München, Urteil vom 30. 05. 2008 – 4 VAs 14/08, Fn. 14; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. 09. 2009 – 2 VAs 2/09, Fn. 7.

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seinen Urteilsgründen verbindlich festgestellt haben sollte, kommen hierfür im Nachgang zur Verhandlung in erster Linie ärztliche Atteste und Stellungnahmen von Drogenberatungsstellen in Frage.687 Auch der Strafregisterauszug, frühere Ermittlungsverfahren, Ermittlungsvermerke der festnehmenden Beamten über sichergestellte Injektionsutensilien sowie Ausweise von Therapieeinrichtungen können eine Betäubungsmittelabhängigkeit indizieren.688 Ein Missbrauch der Norm zur Haftvermeidung soll durch vergleichsweise hohe Anforderungen an den Nachweis einer Drogenabhängigkeit verhindert werden.689 Daher ist ein einmaliger Drogenkonsum bzw. ein kurzfristiger Substanzmissbrauch nicht als ausreichend für einen Antrag nach § 35 BtMG zu erachten.690 (2) Behandlungszusage Darüber hinaus muss sich der Verurteilte in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befinden oder zusagen, sich in eine solche zu begeben. Eine Behandlung dient der Rehabilitation, wenn sie den Verurteilten befähigt, ein drogenfreies Leben zu führen und ihn wieder dauerhaft in die Gesellschaft und das Berufs- und Arbeitsleben einzugliedern.691 Der Beginn einer hierauf gerichteten Therapie muss gewährleistet sein. Diesbezüglich genügt nicht die generelle Zusage des Verurteilten, sich irgendeiner Therapie zu unterziehen.692 Erfordert wird vielmehr eine Erklärung, die ein konkretes Behandlungskonzept bei einer bestimmten Einzelperson oder Einrichtung mit dem Ziel der Erlangung der Drogenfreiheit umfasst.693 Dem Verurteilten muss zudem die feste Zusage eines Therapieplatzes samt Aufnahmetermin vorliegen.694 Da hierbei Wartezeiten an der Tagesordnung seien, sollen Bemühungen zur Organisation eines solchen Platzes so früh wie möglich aufgenommen werden.695 Im Übrigen sollten die Anforderungen an die Therapiefähigkeit und -willigkeit des Betroffenen nicht überspannt werden.696 Das Fehlen einer Therapieeinsicht sei gerade für Drogenstraftäter charakteristisch. Für die Frage der Zurückstellung könne es daher nicht entscheidungserheblich sein, aus welchen Gründen der Verurteilte seine Motivation zur Therapie schöpfe. Auch wäre eine solche Prüfung systemwidrig, da sie eine bei § 35 BtMG nicht notwendige Sozialprognose einführen würde.

687

Vgl. Krumdiek, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 11 Fn. 30. Vgl. Weber, BtMG, § 35 Fn. 48. 689 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 90. 690 Vgl. Krumdiek, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 11 Fn. 18. 691 Vgl. Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Kap. 5 Fn. 31. 692 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 93. 693 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 93. 694 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 239. 695 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 239. 696 Vgl. Franke/Wienroeder, BtMG, § 35 Fn. 15. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 688

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(3) Grundsätzliche Anforderungen an die Therapie In Anbetracht des fehlenden wissenschaftlichen Konsenses über Standards zur Behandlung Drogenabhängiger und der daraus resultierenden Vielzahl von Konzepten und Methoden enthält § 35 BtMG keine näheren Bestimmungen zu Art und Umfang der Therapie.697 In Betracht kommen daher neben der in der Praxis dominierenden stationären Therapieform auch ambulante und teilstationäre Modelle, z. B. Tageskliniken.698 Trotz dieser grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit haben die beteiligten Therapieeinrichtungen gewisse Mindestanforderungen zu erfüllen. So muss die ausgewählte Einrichtung neben einem konkreten Therapiekonzept über qualifiziertes Fachpersonal und ausreichende räumliche Voraussetzungen verfügen, die einen Behandlungserfolg erwarten lassen.699 Neben ärztlichem Personal können je nach Ausrichtung der Therapie gleichermaßen auch Psychologen, Pädagogen oder Sozialarbeiter mit der Behandlungsleitung betraut sein.700 Der jeweilige Behandlungsplan muss überdies an fachwissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet sein, die Art, Umfang und Dauer der Behandlung sowie Maßnahmen zur Kontrolle des Patienten bestimmen.701 Im Allgemeinen unterteilt sich eine Drogentherapie in drei Phasen: Entzug (Entgiftung) zur Beseitigung physischer Abhängigkeit, Entwöhnung zur Überwindung psychischer Abhängigkeit einschließlich Behandlung eventuell auftretender Störungen sowie Nachsorge zur Vermeidung eines Rückfalls. Zusätzlich sollte der Therapieplan die Möglichkeit der Durchführung einer Entwöhnungsbehandlung in einer Übergangseinrichtung vorsehen, um im Einzelfall psychische Verhaltensmuster des Abhängigen intensiviert behandeln zu können. Nichtstationäre Therapieaufnahmen können eine Zurückstellung nur begründen, sofern der Proband über ein noch intaktes soziales Umfeld (feste Arbeitsstelle, familiäre Bindungen) verfügt und die individuellen Therapiebedingungen darüber hinaus eine hinreichende Kontrolle und Betreuung des Abhängigen gewährleisten.702 Schließlich bieten ambulante Behandlungen dem Patienten deutlich mehr Gelegenheit zu einem Missbrauch und zu einem Ausweichverhalten als stationäre Therapien.703

697

Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 62. Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 71. 699 Vgl. Joachimski/Haumer, BtMG, § 35 Fn. 23. 700 Vgl. Weber, BtMG, § 35 Fn. 58. 701 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 65, mit Verweis auf Bühringer, in: Kreuzer, Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts, § 5 Fn. 17. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 702 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 74 f., mit Verweis auf OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 21. 02. 1983 – VAs 1/83. 703 Vgl. Winkler, in: Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht – Kommentar, Fn. 5.3.2. 698

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Deshalb müssen die dort an den Verurteilten gestellten Anforderungen mit einer stationären Therapie vergleichbar sein bzw. zumindest nicht deutlich darunter liegen.704 Die ausgewählte Behandlung habe sicherzustellen, dass sich der Proband ernsthaft und intensiv mit seiner Drogensucht auseinandersetzt.705 Dies bedeute neben seiner selbstständigen Mitarbeit an der Rehabilitation auch die Begleitung der Therapie durch psychosoziale Betreuung sowie regelmäßige, vorher nicht angemeldete Urinkontrollen.706 Weitere Schlüsselkriterien für die Aufnahme einer ambulanten Therapie im Rahmen des § 35 BtMG seien u. a. der möglichst tägliche Kontakt zwischen Verurteiltem und Therapieeinrichtung, eine Tagesstrukturierung durch ein ganztägiges Beschäftigungs-, Ausbildungs- oder Umschulungsverhältnis, die Gewährleistung stabiler Wohnverhältnisse in einer drogenfreien Umgebung sowie die Entbindung der Therapieeinrichtung von der Schweigepflicht gegenüber der Justiz.707 cc) Zurückstellungsverfahren und -bescheid Die Entscheidung über die Zurückstellung trifft auf Antrag des Verurteilten nach eigenem Ermessen die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszugs. Zuständig sind hierfür gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 RPflG die Rechtspfleger708 bei der Staatsanwaltschaft, die ihrerseits als Vollstreckungsbehörde fungiert. An dieser Stelle sind insbesondere die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit mit dem Resozialisierungsinteresse des Verurteilten abzuwägen.709 Es besteht folglich kein Anspruch auf Gewährung einer Zurückstellung. Der behördliche Ermessensspielraum soll in diesem Zusammenhang dazu dienen, den günstigsten Zeitpunkt für eine Überführung in die Therapie nutzen und einen Missbrauch des Zurückstellungsverfahrens zu vermeiden.710 Die Vollstreckungsbehörde hat bei positiver Entscheidung sicherzustellen, dass die Zurückstellung samt Behandlungsaufnahme schnell und unbürokratisch vorgenommen wird, damit die, oftmals mühsam gewonnene, Therapiemotivation nicht bis

704 Vgl. Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 151, mit Verweis auf OLG Jena, Beschluss vom 25. 01. 2007 – 1 VAS 3/06. 705 Vgl. Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 151, mit Verweis auf OLG Jena, Beschluss vom 25. 01. 2007 – 1 VAS 3/06. 706 Vgl. Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 151, mit Verweis auf OLG Jena, Beschluss vom 25. 01. 2007 – 1 VAS 3/06. 707 Vgl. Weber, BtMG, § 35 Fn. 86, mit Verweis auf einen bayerischen Kriterienkatalog vom 14. 12. 2001. 708 Die Übertragung der Entscheidungskompetenz auf die Rechtspfleger erfolgte im Zuge des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom 24. 08. 2004 (BGBl. 2004 I, S. 2198, (2206). 709 Vgl. Weber, BtMG, § 35 Fn. 154. 710 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 136.

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zum Therapieantritt abhandenkommt.711 Zu diesem Zweck sollte das Gericht bei allgemeinem Rechtsmittelverzicht bereits in der Hauptverhandlung seine Zustimmung zur Zurückstellung abgeben bzw. hierzu aufgefordert werden. Bei einer nachträglichen Antragstellung sollte sich die Staatsanwaltschaft umgehend einen Überblick über abgeschlossene und ggf. parallellaufende Verfahren des Verurteilten verschaffen, um die richterliche Zustimmungserklärung einholen zu können. Einer Zurückstellung stehen aufgrund von § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG weitere zu vollstreckende, nicht zurückstellungsfähige Strafen entgegen, bezüglich derer ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.712 Ein solches Zurückstellungshindernis galt lange Zeit auch dann, wenn die Vollstreckung einer solchen Strafe gem. § 454 b Abs. 2 StPO lediglich unterbrochen worden war.713 Um dadurch auftretenden Problemen in der Rechtspraxis entgegen zu wirken, hat der Gesetzgeber im Zuge des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. 08. 2017 einen neuen § 454 b Abs. 3 StPO eingeführt.714 Im Sinne eines „Vorwegvollzugs“ ermöglicht es diese Norm der Vollstreckungsbehörde nunmehr, auf Antrag des Verurteilten von der Unterbrechung der Vollstreckung nicht zurückstellungsfähiger Freiheitsstrafen abzusehen, wenn zu erwarten ist, dass nach deren vollständiger Verbüßung die Voraussetzungen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG für eine weitere zu vollstreckende Freiheitsstrafe erfüllt sein werden. In den Zurückstellungsbescheid können als Nebenbestimmungen zusätzliche Weisungen und Auflagen zur Therapiedurchführung und -überwachung aufgenommen werden, die zu deren Förderung geboten erscheinen.715 Der Verurteilte ist zur Mitwirkung am Verfahren verpflichtet, indem er gemäß § 35 Abs. 4 StGB zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, Nachweise über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen hat. Zwar kann eine solche Meldung auch durch die Therapieeinrichtung (im Namen des Probanden) vorgenommen werden.716 Jedoch sollte er diese Mitteilung möglichst eigenhändig vornehmen, um die bestehende Überwachung durch die Justiz und die Konsequenzen eines Therapieabbruchs bei ihm präsent zu halten.717

711 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 303 f, 307. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 712 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 283. 713 Vgl. BGH, Beschluss vom 04. 08. 2010 – 5 AR (VS) 22/10. 714 Siehe BGBl. Jahrgang 2017 Teil I Nr. 58, ausgegeben am 23. 08. 2017, Seite 3202. 715 Vgl. Weber, BtMG, § 35 Fn. 168; zu bestehenden verfassungsrechtlichen Konflikten siehe B., III., 3., c), cc). 716 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 414. 717 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 414.

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dd) Voraussetzungen eines Widerrufs der Zurückstellung Soweit der Verurteilte seiner Mitwirkungspflicht im Rahmen des Verfahrens nicht (mehr) nachkommt, muss die Vollstreckungsbehörde davon ausgehen, dass er die zugesagte Therapie nicht begonnen bzw. fortgeführt hat und die Zurückstellung der Vollstreckung zu widerrufen ist (§ 35 Abs. 5 BtMG). Gleiches gilt nach § 35 Abs. 4, 2. Hs. BtMG für den Fall, dass der zuständige Therapeut den Therapieabbruch mitteilt. Die Kommunikation mit der Therapieeinrichtung erfolgt dabei durch den zuständigen Rechtspfleger. Gegen diesen Informationsaustausch wird von einzelnen Sozialarbeitern und Verbänden angeführt, dass er das therapeutische Vertrauensverhältnis störe und den freien Zu- und Abgang zur Therapie behindere.718 Richtigerweise muss dem aber entgegengehalten werden, dass der Proband mittels eines Behandlungsabbruchs das nur durch das Entgegenkommen der Justiz geschaffene Vertrauensverhältnis von sich aus beendet und in der Folge einer erhöhten Rückfallund Suizidgefahr ausgesetzt ist.719 Neben dem Fall des Vorliegens eines Therapieabbruchs wird die Zurückstellung der Vollstreckung auch dann widerrufen, wenn nach § 35 Abs. 6 BtMG bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung zurückgestellt wird oder eine weitere gegen den Verurteilten verhängte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist. Dem Verurteilten steht es frei, den Widerruf durch Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs überprüfen zu lassen. Zu beachten ist, dass ein rechtskräftiger Widerruf einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegensteht (§ 35 Abs. 7 Satz 2 BtMG). Hierdurch werde anerkannt, dass der Weg zur Überwindung der Abhängigkeit mit Rückschlägen verbunden sei und sich ein dauerhafter Erfolg meist erst nach mehreren Therapieversuchen einstelle.720 ee) Anrechnung der Therapiezeit und Aussetzung des Strafrests gemäß § 36 BtMG Zur Erhöhung der Therapiebereitschaft des Verurteilten kann die Therapiezeit auf die verhängte Strafe angerechnet werden.721 Durch eine solche Anrechnung und die damit verbundene Möglichkeit der Aussetzung eines Strafrests zur Bewährung soll er zum Antritt und Durchhalten der Behandlung motiviert werden.

718 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 421, u. a. mit Verweis auf Winkler: in Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht – Kommentar, Fn. 8.2. 719 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 421, u. a. mit Verweis auf Winkler: in Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht – Kommentar, Fn. 8.2. 720 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 222. 721 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 36 BtMG Fn. 1.

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Das Gericht entscheidet nach § 36 Abs. 1 Satz 2 BtMG über eine Anrechnungsfähigkeit der Therapiezeiten für gewöhnlich zugleich mit der generellen Zustimmung zur Zurückstellung. Hierfür ist der Nachweis einer Behandlung in einer staatlich anerkannten Therapieeinrichtung erforderlich. Nach Therapieende können sodann bis zu zwei Drittel der Strafe als verbüßt gelten. Unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit kann darüber hinaus ggf. eine Aussetzung des verbleibenden Strafrests zur Bewährung erfolgen. Soweit die Betreuung durch eine staatlich nicht anerkannte Heilanstalt übernommen worden ist, besteht für das Gericht die Option fakultativ, d. h. mittels Beurteilung der tatsächlich vorgefundenen Therapiebedingungen, eine entsprechende Anrechnung vorzunehmen (§ 36 Abs. 3 BtMG). ff) Zurückstellungspraxis (1) Aktuelle Zahlen zur Anwendung von § 35 BtMG Gegenwärtig sei der Trend zu beobachten, dass die Gerichte eine Zurückstellung nach § 35 BtMG als die „bessere Alternative“ zu einer Unterbringung im Maßregelvollzug ansehen, soweit die Motivation des Angeklagten eine erfolgreiche Rehabilitation erwarten lasse und auch die jeweilige Anstalt bessere Heilungsaussichten verspreche.722 Der Anwendungsbereich der Bestimmung werde insoweit eher ausgedehnt als eingeschränkt, sodass sich § 35 BtMG mittlerweile zum „dominierenden Instrument“ der justiziellen Einleitung von Therapien für drogenabhängige Straftäter entwickeln konnte.723 In der Literatur vertritt man daher überwiegend die Auffassung, dass sich die Therapievorschriften des BtMG in den vergangenen Jahrzehnten bewährt haben.724 Die Gesamtzahl der Zurückstellungen ist im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte in der Tat kontinuierlich angestiegen. Parallel hierzu war ein drastischer Rückgang der Strafaussetzungsquote von 47 % auf 19,3 % zu beobachten, was darauf hindeutet, dass § 35 BtMG zunehmend der Vorzug gegenüber einer „Bewährungslösung“ gegeben wurde.725 Neben der erhöhten Akzeptanz der Regelung in der Rechtspraxis sei dieser Anstieg allerdings auch auf die Zunahme von Verurteilungen aufgrund von BtMG-Delikten zurückzuführen.726

722 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 526, 545, u. a. mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 22. 02. 2011 – 4 StR 5/11. 723 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 12. 724 Vgl. Weber, BtMG, Vor §§ 35 ff. Fn. 16, mit Verweis auf Bühringer, in: Kreuzer, Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts, § 5 Fn. 411 f; Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 48; Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 12. 725 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 13 f. 726 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 13 f.

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In Ermangelung aktueller statistischer Erhebungen für Gesamtdeutschland ist vor dem Hintergrund gestiegener Deliktszahlen von einer Fortsetzung dieses Trends auszugehen. Allein im Jahr 2015 belief sich die Zahl solcher Verurteilungen auf 60.130 Fälle727, was einem historischen Höchststand entspricht.728 Dies ist auch einer der maßgeblichen Gründe dafür, dass trotz der soeben beschriebenen Entwicklung die Maßregel der Unterbringung (§ 64 StGB) ebenfalls mit ansteigender Tendenz verhängt wurde.729 (2) Studie der Universität Hamburg Eine im Jahr 2013 veröffentlichte Studie des Zentrums für interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg730 hatte es im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit zum Ziel, Trends der justiziellen Inanspruchnahme des § 35 BtMG, das jeweilige Profil der Verurteilten sowie die Wirksamkeit einer auf der Zurückstellung beruhenden, stationären Rehabilitation zu untersuchen. Neben der Auswertung bereits vorhandener Daten aus bundesweiten Erhebungen wurden in den Bundesländern NRW, Schleswig-Holstein und Hamburg auch persönliche, leitfadengestützte Interviews mit Rechtspflegern der Staatsanwaltschaften Köln, Lübeck und Hamburg sowie Mitarbeitern aus insgesamt zehn stationären Rehabilitationseinrichtungen für Drogenabhängige durchgeführt. (a) Ergebnisse Die Untersuchung gelangte zu dem Ergebnis, dass sich mit Blick auf den gewählten Beobachtungszeitraum (2001 – 2011) hinsichtlich der Zurückstellung des Strafvollzugs kein eindeutiger Trend hinsichtlich eines vermuteten Rückgangs in der Anwendung des § 35 BtMG ausmachen ließ, die Zahl der Unterbringungen nach § 64 StGB demgegenüber aber enorm angestiegen war.731 Eine weitere Erkenntnis bestand darin, dass Drogenabhängige nach Beendigung einer Rehabilitationsmaßnahme zunehmend einer Bewährungshilfe gemäß §§ 35, 36 BtMG unterstellt wurden. Nach Auskunft der im Rahmen der Studie befragten Rechtspfleger war dies durch die inzwischen deutlich verringerte Dauer der stationären Drogentherapie begründet. Der Anteil an Bewährungsunterstellungen im Anschluss an die Rehabilitation habe sich auf diese Weise zwischen 2001 und 2010 mehr als verfünffacht (auf 11.041). 727

Vgl. Statistisches Bundeamt, Rechtspflege – Strafverfolgung 2017, Tabelle 2.1. Vgl. Statistisches Bundesamt, Verurteilte wegen Rauschgiftkriminalität nach Altersgruppen und Geschlecht seit 2007, Wiesbaden 2016, S. 7. 729 siehe bereits B., III., 3., d), aa), (5). 730 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends. 731 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 133. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 728

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Bezüglich des Anteils der stationären Therapieantritte, die auf der Grundlage von § 35 BtMG erfolgten, habe es unter den ausgewählten Einrichtungen erhebliche Unterschiede gegeben (zwischen 20 % und 40 %).732 Zugleich sank allerdings der Anteil an Patienten, die sich ohne justiziellen Bezug in stationärer Drogenbehandlung befanden, kontinuierlich von etwa 36 % auf 12 %. In der Anwendungspraxis überwogen stationäre Langzeittherapien die ambulanten Behandlungen.733 Obwohl den beteiligten Rechtspflegern bekannt war, dass im Rahmen des § 35 BtMG auch (ausschließlich) ambulante Maßnahmen angeordnet werden können, geschah dies nur, soweit ein entsprechendes ärztliches Gutachten vorhanden war.734 Beinahe alle Drogenabhängigen mit justiziellen Auflagen (§ 35 BtMG, § 64 StGB, § 56 StGB) waren bereits zuvor gerichtlich verurteilt und zumeist auch inhaftiert worden.735 Die höchste Haftbelastung wiesen dabei jene der § 35 BtMGGruppe auf. Der Wert lag bezogen auf die Untersuchten in ambulanter Behandlung bei 48,4 Monaten und stieg unter denen in stationärer Drogenhilfe auf sogar 55,7 Monate. Von den Teilnehmern ambulanter Maßnahmen hatte ein beträchtlicher Teil zuvor bereits eine Substitutionsbehandlung (49 %) oder klinische Therapie (27 %) durchgeführt. Im stationären Bereich traf dies auf 69 % der Personen zu, wobei 66 % von ihnen schon mindestens einmal eine solche Behandlung (erfolglos) begonnen hatten. Nach Auswertung der Daten, die die Therapieeinrichtungen zu insgesamt 1.231 Personen bereitgestellt hatten, ergab sich, dass Probanden aus der § 35 BtMGGruppe ihre Therapien leicht häufiger regulär beendeten (50 % gegenüber 43 %) als diejenigen ohne direkten justiziellen Druck.736 Negativ wirkte sich in beiden 732

Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 64, 66. 733 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 113. 734 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 114. 735 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 134 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) Eine Studie aus dem Jahr 1996 (vgl. Kurze, Empirische Daten zur Zurückstellungspraxis gem. § 35 BtMG, NStZ 1996, 178 ff.) hatte unter den Verurteilten eine vergleichbare Vorbelastung festgestellt. In jener Untersuchung wiesen die Probanden einen Anteil von 50 % mit vorheriger Verurteilung und Haft und 40 % mit einer Bewährungsstrafe aus. Darüber hinaus hatten 33 % von ihnen bereits gescheiterte Therapieversuche hinter sich. 736 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 135 f. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) Ähnliche Zahlen hatte bereits ein zwischen 1987 und 1994 bundesweit angelegtes Forschungsprojekt der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden ermittelt. Danach schlossen 43 % der Teilnehmer ihre Therapie erfolgreich ab. Die Rückkehrquote in den Strafvollzug unter diesen Verurteilten lag laut der Wiesbadener Untersuchung im Anschluss „lediglich“ bei 38,8 % gegenüber 59,4 % unter den Therapieabbrechern.

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Gruppen eine hohe Haftbelastung auf den Therapieverlauf aus. Ein Abbruch resultierte zumeist auf eigenen Wunsch hin. Häufiger kam dies indes bei Behandlungsteilnehmern ohne justiziellen Druck vor (40 – 43 % im Vergleich zu 16 – 33 %). Die Mehrheit (60 %) der Therapieabschließenden hatte in den Hamburger Einrichtungen an einer Kurzzeitbehandlung von bis zu sechs Monaten teilgenommen.737 Nur etwa ein Fünftel der Patienten befand sich in einer längeren Entwöhnungsbehandlung von bis zu zehn Monaten. Soweit ein Rückfall vorkam, geschah dies meist nur einmal (einmalige Abstinenzverletzung bei 31,5 % der Absolventen). (b) Hauptursachen Dafür, dass die Inanspruchnahme des § 35 BtMG dennoch insgesamt vergleichsweise zurückhaltend ausfiel, sahen die Verfasser gleich mehrere Ursachen: Negativ auf die Zurückstellungszahlen habe sich zum einen die Rechtsprechung des BGH zur Vollstreckungsreihenfolge hinsichtlich der Unterbrechung nicht zurückstellungsfähiger Strafen ausgewirkt.738 Zudem würden aufgrund der noch vorhandenen Unerfahrenheit vieler Rechtspfleger manche Zurückstellungsgesuche infolge einer zu engen Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen Abhängigkeit und Tat negativ beschieden.739 Inhaftierte stellten generell seltener einen Antrag nach § 35 BtMG.740 Wahrscheinlich liege dies daran, dass ein Drittel derjenigen Personen, die durch eine externe Sucht- und Drogenberatungsstelle unterstützt wurden, über sechs Monate auf diese Leistung warten mussten. Zudem vergingen bei mehr als der Hälfte der Therapiewilligen weitere sechs Monate, bis sie die Behandlung überhaupt antreten könnten, was sich negativ auf ihre Motivationslage auswirke. Auch sei die Finanzierungsbereitschaft von stationären Rehabilitationsmaßnahmen durch die Deutsche Rentenversicherung, gerade im Fall einer wiederholten

737 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 101, 104. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 738 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 9. Bezüglich dieser Problematik hat der Gesetzgeber nunmehr seit Kurzem Abhilfe geschaffen, siehe B., III., 3., e), cc). 739 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 9. 740 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 10, mit Verweis auf Arbeitsgemeinschaft Drogenarbeit und Drogenpolitik in NRW e.V., Befragung von Patienten/ innen in stationärer medizinischer Rehabilitation bei Drogenabhängigkeit, die aus dem Justizvollzug in die stationäre Therapie gewechselt sind, Köln, Juli 2011. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Therapieaufnahme, generell gesunken.741 Es würden stattdessen vermehrt Mittel für kostengünstigere, ambulante oder kombinierte (ambulant-stationäre) Maßnahmen bereitgestellt. Die Leistungen der DRV orientierten sich damit nicht länger an den Therapiekonzepten, sondern müssten allen voran den personellen und administrativen Aufwand in Grenzen halten. Diese ökonomischen Erwägungen ließen sich daran nachvollziehen, dass die Dauer der medizinischen Rehabilitation im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte kontinuierlich auf nunmehr maximal 26 Wochen für eine „Langzeittherapie“ verkürzt worden sei. Überdies stellte der fehlende Krankenversicherungsschutz der Mehrzahl der Inhaftierten (77 %) ein Hindernis bei der Umsetzung von § 35 BtMG dar.742 Ohne diesen sei eine Haftentlassung aber nicht möglich, sodass sich gelegentlich die Verweildauer in der Justizvollzugsanstalt verlängern und folglich der Beginn der Rehabilitation verzögern könne. Kritische Erwähnung fand zudem die praktische Kooperation zwischen Strafvollstreckungsbehörden und Rehabilitationseinrichtungen.743 Großes Konfliktpotenzial barg hier die seitens der Therapiezentren bestehende Berichtspflicht. Während die Strafvollstreckungsbehörden hierbei möglichst umfassende Informationen hinsichtlich des Behandlungsverlaufs erhalten möchten, seien die Rehabilitationseinrichtungen bestrebt, vertrauliche Daten zurück zu halten. Des Weiteren fühlten sich viele Therapeuten damit überfordert, eine regelmäßig von den Rechtspflegern am Therapieende verlangte Prognose zur zukünftigen Straffreiheit oder Abstinenz eines Patienten abzugeben. Es bestünden auf beiden Seiten Vorbehalte, die im Wesentlichen auf einer Unkenntnis der Arbeitsweise des jeweils anderen beruhten. (c) Kosten-Nutzen-Analyse Zur Beurteilung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Zurückstellungen gemäß § 35 BtMG verweist die Studie auf die Bundesländer Bayern744 und Baden-Würt741 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 8, 115, 127. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 742 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 9, mit Verweis auf Problemanzeige der Sucht-Fachverbände Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V., Fachverband Sucht e.V., Caritas Suchthilfe e.V., Fachverband Drogen und Rauschmittel e.V., Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V., Frühzeitige Herstellung des Krankenversicherungsschutzes bereits während der Haft für die Zeit nach der Entlassung, 30. 09. 2010. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 743 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 138, 140. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 744 Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern, Einspareffekte für die bayerische Staatsregierung durch die Vermittlung von inhaftierten Suchtmittelabhängigen in Medizinische Rehabilitation.

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temberg745, wo in den Jahren 2004 bzw. 2005 entsprechende Analysen vorgenommen wurden. Darin wurde dem Verfahren ein durchweg positives Zeugnis ausgestellt. Während letztere Studie der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen anstelle des Strafvollzuges ein Einsparpotenzial i. H. v. rund 13 Millionen Euro bescheinigte, ergaben sich im Freistaat gar Kostenersparnisse von jährlich 15 bis 17 Millionen Euro.746 Die Analyse bestätigte damit die Vermutung, dass die Vermittlung von drogenabhängigen Inhaftierten aus der Strafhaft in die medizinische Rehabilitation über § 35 BtMG Haftaufenthalte vermeidet und dadurch zu Einsparungen für den Justizvollzug führt. Insbesondere aufgrund der hohen Tageshaftkosten von etwa 60 bis 75 Euro, die auf diesem Wege vermieden werden konnten, erwiesen sich alternative Rehabilitationsmaßnahmen als kostenschonend. gg) Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen legen nahe, dass die Alternative der Zurückstellung einer Strafvollstreckung in der deutschen Strafgerichtsbarkeit durchaus eine wichtige Rolle spielt und generell akzeptiert ist. So hat sie im Verlauf der vergangenen Jahre Therapieaufnahmen im Wege der Strafaussetzung zur Bewährung weitestgehend verdrängt. Allerdings kann aktuell nicht abschließend geklärt werden, in welche Richtung im Sinne einer Ab- oder Zunahme sich die Anwendungsrate der Zurückstellungsalternative bewegt. In der Praxis wird der Norm wegen ihrer Flexibilität eine positive Aufnahme und Wirkung bescheinigt.747 Die Straftäter können auf eigenen Antrag im Zuge des § 35 BtMG grundsätzlich unabhängig von ihrer persönlichen Vorgeschichte die Möglichkeit zur Teilnahme an ambulanten oder stationären Therapiemaßnahmen erhalten. Grundvoraussetzung einer positiven Bescheidung durch den Rechtspfleger ist jedoch, dass der vorgeschlagene Behandlungsplan den Bedürfnissen des Probanden entspricht und die Therapieeinrichtung über die notwendigen personellen und räumlichen Mittel verfügt. Bei negativem Verlauf der Therapie kann diese im Wege eines Widerrufs der Zurückstellung unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt nach einem erneuten Antrag gemäß § 35 BtMG ggf. wiederaufgenommen werden. Nicht zu verkennen ist zudem, dass § 35 BtMG die kostengünstigere Alternative gegenüber einer traditionellen Unterbringung in einer JVA bzw. in einer Entzie745

Landesstelle für Suchtfragen in Baden-Württemberg der Liga der freien Wohlfahrtspflege e.V., Einspareffekte in Justizvollzugsanstalten durch Vermittlung von inhaftierten Drogenabhängigen in Medizinische Rehabilitation. Eine Kosten-Nutzen-Analyse für das Jahr 2004. 746 Vgl. Zurhold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 11 f., mit Verweis auf die vorstehenden Kostenstudien. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 747 So auch Schall, in: Wolter, SK-StGB, § 56 Fn. 53, u. a. mit Verweis auf Weber, BtMG, Vor §§ 35 Fn. 16 ff.

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hungsanstalt darstellt. Aufgrund der Unterbringungsengpässe im Maßregelvollzug kann auf diesem Wege im Vergleich eine individuellere und qualitativ wohl bessere Betreuung erzielt werden. Auch kann Probanden die in der Einrichtung verbrachte Zeit nach Entlassung aus der Therapie angerechnet werden, sodass ein ggf. verbleibender Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Ein wesentliches Hindernis für einen weiteren Ausbau der Therapieaufnahmen nach § 35 BtMG besteht allerdings darin, dass die Rentenversicherungen (insbesondere im Fall wiederholter Therapieversuche) immer häufiger ein Veto gegen die Kostenübernahme einlegen bzw. Maßnahmen nur noch über einen verkürzten Zeitraum finanzieren möchten. Der Effektivitätsrate des § 35 BtMG abträglich ist zudem, dass viele der Behandlungsteilnehmer lange Abhängigkeitsgeschichten mit mehrfachen Therapieversuchen hinter sich haben und überdies zumeist Wiederholungstäter mit verbüßten Freiheitsstrafen sind. Auch wenn die Erfolgsquote im Sinne einer dauerhaften Reintegration dieser Menschen daher überschaubar ist, ist man sich in der Fachliteratur einig, dass es sich lohnt, Drogenabhängigen mit gescheiterten Therapieanstrengungen über den Weg der Zurückstellung nochmals Therapiechancen zu eröffnen.748 f) Therapie im Strafvollzug Soweit einem drogenabhängigen Straftäter keine der vorstehend erläuterten Zugangsmöglichkeiten zur Therapie offensteht, bleibt nach einer Verurteilung als ultima ratio nur die Alternative einer Therapie innerhalb des Strafvollzugs. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR, der einen sog. „kalten Entzug“ wiederholt als unmenschliche Behandlung angesehen hat749, ist zunächst zur Milderung körperlicher und psychischer Entzugserscheinungen eine ggf. außerhalb der Haft bereits begonnene Substitutionsbehandlung des Verurteilten fortzusetzen bzw. die Notwendigkeit einer solchen bei Antritt des Strafvollzugs überprüfen zu lassen.750 Für den Fall der Unvermeidbarkeit einer Haft sollte es dann das primäre Ziel sein, durch Drogenhilfe und Drogenberatung sowie schrittweise Lockerung des Vollzugs Therapiebereitschaft beim Inhaftierten zu wecken und auf diesem Weg eine baldige extramurale, ambulante oder stationäre Behandlung vorzubereiten.751 Soweit in der jeweiligen Vollzugsanstalt ein ausreichendes und passendes Angebot vorhanden ist, sollte dem Inhaftierten daher die Möglichkeit einer vollzugsinternen Therapie er-

748

Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 43, 48. Vgl. EGMR, Urteil vom 29. 04. 2003 – 50390/99 (McGlinchey v. United Kingdom), Urteil vom 01. 09. 2016 – 62303/13 (Wenner v. Germany). 750 Vgl. Graebsch, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 11 Fn. 403. 751 Vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, § 35 Fn. 3. 749

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öffnet werden.752 Alternativ können vom medizinischen Dienst der Anstalt entweder externe Therapeuten hinzugezogen werden oder die individuellen Besuchsregeln des Vollzugsteilnehmers zu diesem Zweck gelockert werden.753 Der Anstaltsarzt hat darüber hinaus bei der Vorbereitung eines Antrags auf Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG mitzuwirken, indem er für die Abgabe der zur Kostenübernahme erforderlichen Stellungnahme über die Notwendigkeit einer Therapie verantwortlich ist.754 g) Zwischenergebnis Im Zuge der Analyse der Alternativen, die drogenabhängigen Straftätern in Deutschland die Teilnahme an einer Behandlung ihrer Sucht eröffnen, hat sich gezeigt, dass der Gesetzgeber hierzu vielfältige Möglichkeiten in verschiedensten Verfahrensstadien bereithält, diese aktuell jedoch in sehr unterschiedlicher Intensität genutzt werden. So ist in der Rechtspraxis ein Absehen von der Erhebung der öffentlichen Anklage (§ 37 BtMG) bislang kaum verbreitet, obwohl gerade dies dem ursprünglich propagierten Prinzip „Therapie statt Strafe“ entsprechen würde. Zu schwer wiegt unter den Justizorganen scheinbar die Angst vor einem Scheitern der Therapie und einem möglichen Beweismittelverlust bei späterer Fortsetzung des Verfahrens. Ebenso kompliziert gestaltet sich in der Praxis der Einstieg in eine Therapie als Folge einer Strafaussetzung zur Bewährung nach §§ 56, 56 c StGB. In Anbetracht der oft vorhandenen kriminellen Vorgeschichte und schwierigen sozialen Verhältnisse vieler drogenabhängiger Straftäter wird sich eine positive Kriminalprognose, die für eine solche Aussetzung zwingend erforderlich ist, nur in wenigen Fällen treffen lassen. Diese Aussetzungsquote ist insoweit in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Dennoch bildet der Weisungskatalog des § 56 c StGB einen wichtigen Anhaltspunkt dafür, welche konkreten Maßnahmen zur Therapierung des Betroffenen im Einklang mit den Grundrechten stehen und welche diese verletzten (würden). Zudem verdeutlichen die Regelungen zur Arbeit der Bewährungshilfe (sowie zur Aufsichtsstelle nach § 68 a StGB), wie ein zuverlässiger Informationsfluss zwischen Gericht und Therapieeinrichtung geschaffen werden könnte. Von hervorgehobener praktischer Relevanz zur Therapierung drogenabhängiger Straftäter sind hierzulande die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) sowie die Zurückstellung der Strafvollstreckung (§ 35 BtMG). Gerade die Unterbringungszahlen im Maßregelvollzug haben sich über die vergangenen Jahre hinweg immer weiter gesteigert, sodass dort zuletzt zunehmend Kapazitätsengpässe aufgetreten sind. Demgegenüber wird für eine Erhöhung von 752 753 754

Vgl. Graebsch, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 11 Fn. 412. Vgl. Graebsch, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 11 Fn. 412. Vgl. Graebsch, in: Kotz/Rahlf, Praxis des Betäubungsmittelrechts, Kap. 11 Fn. 414.

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Therapieaufnahmen im Wege einer Vollstreckungszurückstellung durchaus noch „Luft nach oben“ gesehen. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen zu den rechtlichen Möglichkeiten in Deutschland lässt sich überdies erkennen, dass von allen Alternativen die Strafaussetzung zur Bewährung unter Therapieweisung und die Zurückstellung der Verfahrensweise eines „Drug Courts“ am nächsten kommen. So wird für beide Varianten zunächst grundsätzlich ein rechtskräftiges Urteil vorausgesetzt, das nicht über eine Höchstfreiheitsstrafe (hier von zwei Jahren) hinausgehen darf. Zur Therapieaufnahme hat der Verurteilte sodann ein überzeugendes Therapiekonzept darzulegen. Die Therapie kann sodann mit weiteren Weisungen, etwa zur Abstinenzkontrolle, verbunden werden. Die Überwachung der Therapie erfolgt im weiteren Verlauf durch einen Bewährungshelfer bzw. bei der Zurückstellung durch einen der zahlreichen Rechtspfleger, die in den Vollstreckungsabteilungen der Staatsanwaltschaft beschäftigt sind. Diese übernehmen gewissermaßen die Koordinationsaufgaben zwischen Justiz und Therapie, die im „Drug Court“ dem Case Manager (USA), der dupla psicosocial (Chile) bzw. der liaison (Belgien) zufallen würden. Zudem enthalten diese Rechtsinstitute therapiefreundliche Ansätze. Ob ein Verstoß gegen auferlegte Weisungen zum Widerruf der Bewährung bzw. der Zurückstellung führt, richtet sich auch hier nach den Umständen des Einzelfalls und wird damit eher qualitativ denn quantitativ bemessen. Vorrang hat zunächst die Ausschöpfung anderer Therapiemodelle oder -anstalten im Wege einer Weisungsänderung. Diese „Skala der Reaktionsmöglichkeiten“ entspricht dem abgestuften Sanktionskatalog vieler „Drug Courts“. Im Unterschied zum Ablauf in den untersuchten „Drug Court“-Programmen ist das Gericht in Deutschland jedoch selbst kaum am eigentlichen Therapieprozess beteiligt. Der zuständige Richter sieht den Verurteilten streng genommen persönlich nur in der Hauptverhandlung. Eine weitere Involvierung ist vom Gesetzgeber erst vorgesehen, falls schwere Komplikationen bei der Durchführung der Therapie auftreten sollten und ein Widerruf der Strafaussetzung im Raum steht – mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“. Im Rahmen des § 35 BtMG unterfällt es sogar der Kompetenz des verantwortlichen Rechtspflegers, die ggf. erforderliche Widerrufsentscheidung zu treffen. Generell ist festzuhalten, dass das vergleichsweise hohe Maß persönlichen Grundrechtsschutzes und die engen prozessrechtlichen Vorschriften die Umsetzung gewisser Kernelemente eines typischen „Drug Court“-Verfahrens in Deutschland erschweren bzw. unmöglich machen würden. So lassen sich prozessvorbereitende Beratungen zwischen den an der Therapie beteiligten Justizorganen („Voraudienzen“), die als fester Bestandteil von „Drug Courts“ für gewöhnlich vor Anhörung unter Ausschluss des Verurteilten durchgeführt werden, nicht mit dem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbaren.

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Zwar ist es grundsätzlich erlaubt, eine Abstinenzkontrolle mittels Urinproben anzuordnen. Nur eingeschränkt existiert daneben aber die Möglichkeit zum Informationsaustausch zwischen Justiz und Therapie, soweit er konkrete Behandlungsinhalte und Verhaltensweisen des Probanden betrifft. Insoweit wird dessen allgemeinem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und der Schaffung einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Patient und Arzt der Vorrang gewährt. Eine Ausnahme hiervon wurde kürzlich für die Therapierung im Wege der Führungsaufsicht geschaffen. Für weniger gefährliche Täter (auf Bewährung) verbleibt in der Praxis nur die Möglichkeit, von ihnen eine freiwillige Entbindungsverpflichtung im Vorlauf zur Therapieaufnahme einzufordern und auf die Kooperationsbereitschaft der behandelnden Einrichtung zu vertrauen. 4. Praxisbericht Berlin – Brandenburg Im Zeitraum von August 2017 bis Juli 2018 wurden vom Verfasser in Berlin und Brandenburg zur Überprüfung der vorstehenden, überwiegend theoretischen Erkenntnisse leitfadengestützte Gespräche mit Mitarbeitern aus Justiz und Therapie geführt.755 Die Fragenbögen wurden dabei auf den jeweiligen Tätigkeitsbereich der Befragten zugeschnitten.756 a) Berlin Aus den Reihen der Berliner Justiz standen ein Oberstaatsanwalt aus einer der beiden Spezialermittlungsabteilungen „Allgemeine Betäubungsmittelkriminalität“, zwei Oberstaatsanwälte der Hauptabteilung Vollstreckung einschließlich zweier Rechtspfleger, zwei Richter des Amtsgerichts Tiergarten (Abteilung „Rauschgiftsachen“), zwei Strafverteidiger mit Tätigkeitsschwerpunkt im Betäubungsmittelstrafrecht sowie zwei Vertreter der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung für ein Interview zur Verfügung. Als Gesprächspartner aus dem Bereich der Therapie konnten Mitarbeiter aus drei Drogenberatungsstellen sowie zwei Therapieeinrichtungen gewonnen werden. aa) Spezialermittlungsabteilung „Allgemeine Betäubungsmittelkriminalität“ Das Gespräch in der Abteilung umfasste die Hauptschwerpunkte Behördenstruktur, Zuständigkeit, allgemeines Täterprofil, Wege in die Therapie und mögliche Verbesserungspotenziale.

755 756

Die entsprechenden Nachweise liegen zur Einsicht beim Verfasser bereit. Siehe Anhang „Interviewleitfäden“.

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(1) Behördenstruktur und Zuständigkeit Bei der Staatsanwaltschaft Berlin gibt es insgesamt drei Abteilungen, die für Betäubungsmittelkriminalität zuständig sind, wobei eine Abteilung ausschließlich bei Delikten mit Bezug zur organisierten Kriminalität ermittelt. Die Zuständigkeit der verbleibenden beiden, allgemeinen Abteilungen richtet sich nach dem jeweiligen Anfangsbuchstaben des Familiennamens des Beschuldigten. Voraussetzung hierfür ist, dass sich aus dem polizeilichen Ermittlungsverfahren, d. h. aus den Tatumständen oder als Ergebnis einer Blutprobe, ein Betäubungsmittelbezug feststellen lässt. Neben dem Deliktskatalog der §§ 29 ff. BtMG umfasst die Zuständigkeit der Abteilungen damit grundsätzlich auch die Beschaffungskriminalität. Diese manifestiere sich in der Praxis jedoch zumeist in Form von Ladendiebstählen (Kaffee, Parfüm, Anzüge, Spirituosen), Taschendiebstählen (Handys) und Erschleichen von Leistungen (BVG), sodass aufgrund der zu beachtenden Wertgrenze von 2.000 EUR im Ergebnis oftmals die Amtsanwaltschaft zuständig sei. Innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Abteilungen seien der Eigenanbau großer Mengen von Rauschmitteln, Wohnungseinbrüche sowie räuberischer Diebstahl (meist innerhalb des Drogenmilieus) die häufigsten Taten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. Beim Fahren ohne Fahrerlaubnis sei ein solcher Bezug nicht immer zweifelsfrei feststellbar. (2) Allgemeines Täterprofil Zum Profil der Täter von Betäubungsmittelkriminalität in Berlin gab der befragte Oberstaatsanwalt an, dass diese weit überwiegend männlich und zwischen 20 bis 40 Jahren alt seien. Viele von ihnen (ca. 70 %) hätten einen Migrationshintergrund, wobei dieser Anteil im Bereich des Rauschgifthandels sogar fast 100 % betrage. Von den Dealern, die meist in unmittelbarer Nähe des öffentlichen Personennahverkehrs agierten, stamme die Mehrzahl aus dem arabischen oder afrikanischen Raum. Nicht selten trete dabei das Problem fehlender Papiere sowie unterschiedlicher Namensschreibweisen auf. Bei den Substanzen sei Cannabis757 als „Einstiegsdroge“ weit führend, gefolgt von Amphetamin, Heroin und neuerdings auch Crystal Meth. (3) Wege in die Therapie Eine vorläufige Einstellung und Therapieaufnahme auf Grundlage des § 37 BtMG wird von der Berliner Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben „so gut wie nie“ 757

Die Bestimmung der „geringen Menge“ im Sinne des § 31 a BtMG richtet sich in Berlin nach der „Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung zur Umsetzung des § 31 a BtMG der Senatsverwaltung für Justiz, für Inneres sowie für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz“ vom 26. 03. 2015. Danach ist bei fehlendem öffentlichen Interesse von der Strafverfolgung abzusehen, soweit die zum Eigenverbrauch dienende Bruttomenge Cannabis 15 g nicht überschreitet. Eine zuvor bestehende Ausnahme, die den Umgang mit Cannabis vor/in Schulen (oder vergleichbaren Einrichtungen) bzw. innerhalb durch Drogenhandel besonders belasteter Grünanlagen betraf (sog. „Lex Görli“), ist seit November 2017 aufgehoben.

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angewandt. Die Gefahr eines Beweismittelverlustes sei hierbei im Fall eines Scheiterns der Therapie und nachträglicher Wiederaufnahme des Verfahrens zu groß. Bei den von den Strafverteidigern gewählten Verteidigungslinien ließe sich im Wesentlichen zwischen einem Bestreiten der Tat (verbunden mit der Hoffnung auf Beweisschwierigkeiten auf Seiten der Staatsanwaltschaft) und einem vollumfänglichen Geständnis einschließlich ausführlicher Darlegungen zum inzwischen erfolgten Lebenswandel des Mandanten unterscheiden. Letzteres vermeide Probleme aufgrund der oftmals tatsächlich vagen Beweislage und werde daher strafmildernd honoriert. Nichtsdestotrotz sei es im Allgemeinen schwierig, eine positive Kriminalprognose zugunsten dieser Angeklagten zu treffen und eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß den §§ 56, 56c StGB zu befürworten. Ihre Drogenkarrieren seien dafür meist zu lang und vorangegangene Therapien vorzeitig abgebrochen worden. Deshalb müssten schon sehr gewichtige Gründe vorgetragen werden, um einen nachdrücklichen Lebenswandel glaubhaft erscheinen zu lassen. Die Bewährungsüberwachung mittels Teilnahmebescheinigungen erfolge sodann für gewöhnlich direkt durch das Gericht (ohne Bewährungshelfer). Ein Drogenscreening werde aus Kostengründen dagegen nur sehr selten angeordnet. Bewährungswiderrufe würden ohnehin zumeist auf neuerlichen Straftaten beruhen. Im (Regel-)Fall einer negativen Kriminalprognose wirkten die Strafverteidiger indes „reflexartig“ darauf hin, § 17 Abs. 2 BZRG (Tatbegehung aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit) in den Urteilstext aufnehmen zu lassen, um ggf. zu einem späteren Zeitpunkt einen Antrag nach § 35 BtMG stellen zu können. Allerdings würde § 35 BtMG in der Regel ohnehin aus dem Vollzug heraus bezüglich einer Reststrafe beantragt. Die meisten Betroffenen erlangten erst nach einer gewissen Zeit in Haft die notwendige Einsichtsfähigkeit zur Veränderung und seien darüber hinaus durch den geregelten Tagesablauf in der JVA besser auf zukünftige Therapiemaßnahmen vorbereitet. Verfahren nach § 64 StGB seien demgegenüber rar und wenn überhaupt vor einer Kammer des Landgerichts anhängig. Kritisch wurde an dieser Stelle angemerkt, dass diese Norm ab und an missbräuchlich zur Verteidigung von Großhändlern verwendet werde, die an sich keinerlei Abhängigkeit aufwiesen und bei positiver/unklarer Gutachtenlage (in dubio pro reo) sodann die wenigen vorhandenen Therapieplätze im Maßregelvollzug belegen würden. (4) Verbesserungspotenziale Als Verbesserungsmöglichkeiten wurde die Erweiterung polizeilicher Befugnisse und bestehenden Strafmöglichkeiten ins Spiel gebracht. Denkbar sei etwa die Durchführung eines „Zwischengewahrsams“ samt „kalten Entzugs“ in der Woche unmittelbar nach erfolgter Festnahme (vgl. § 126 a StPO).758 Die Verhängung von 758 Nach § 126 a StPO kann das Gericht, soweit dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder ver-

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Geldstrafen würde in der Praxis in Anbetracht der kritischen finanziellen Situation vieler Verurteilter lediglich Ersatzfreiheitsstrafen oder die Zahlung verschwindend geringer Raten (i. H. v. fünf Euro monatlich) nach sich ziehen. Vor dem Hintergrund steigender Verfahrenszahlen auf inzwischen über 7.500 im Jahr 2017 sollte die Personalsituation dringend verbessert werden. Zudem müsse man darüber nachdenken, die in vielen Fällen zu knapp bemessenen Vorgaben im Personalbedarfsberechnungssystem „PEBB§Y“ anzupassen und ggf. um andere Bemessungsfaktoren, wie etwa die jeweilige Berufserfahrung des Bearbeiters, zu ergänzen. bb) Hauptabteilung Vollstreckung Themenschwerpunkt des Gruppengesprächs waren hier die interne Struktur der Hauptabteilung, die Behandlung von Anträgen nach § 35 BtMG, die Therapieüberwachung einschließlich Widerrufskriterien und Verbesserungsmöglichkeiten. (1) Abteilungsstruktur Die Arbeit der Hauptabteilung der Vollstreckung als Vollstreckungsbehörde i. S. d. § 35 BtMG schließt unmittelbar an den Abschluss des gerichtlichen Verfahrens an. In der Abteilung waren zur Zeit des Gesprächs zehn Staatsanwälte beschäftigt (zwei davon in einer eigens eingerichteten § 35 BtMG-Abteilung). Unterstützt werden sie von ca. 70 Rechtspflegern, von denen ca. 25 über besondere Erfahrung in Betäubungsmittelverfahren verfügten. Fortbildungsveranstaltungen fänden in-house einmal jährlich statt. (2) Behandlung von Anträgen nach § 35 BtMG Der genaue Ablauf des Antragsverfahrens unterscheide sich danach, ob sich der Verurteilte bereits in Haft oder noch auf „freiem Fuß“ befinde. In Freiheit bedürfe es für einen erfolgreichen Antrag einer Therapieplatzbestätigung samt Kostenübernahme, während bei vorhergehender Inhaftierung zusätzlich eine Stellungnahme der JVA erforderlich sei. Die Haftanstalt übernehme bei Bedarf zudem die Vermittlung an einen Drogenberater. Das für die Behandlung gewählte Therapiezentrum sollte staatlich anerkannt sein, um im späteren Verlauf eine Anrechnung der Zeit des Aufenthaltes nach § 36 BtMG zu ermöglichen. Für die Auswahl ist der Antragsteller selbst, ggf. unter Mithilfe minderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und dass seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert. Die Voraussetzungen einer solchen Unterbringung müssten nach Ansicht des Gesprächspartners abgeschwächt werden, um auch Personen, die keine direkte Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darstellen, für einige Tage in staatlicher Obhut behalten zu können.

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seines Verteidigers bzw. seiner Drogenberatungsstelle verantwortlich. Eine Übernahme der Therapiekosten erfolge grundsätzlich für eine Behandlungsdauer von sechs Monaten und anschließender Nachsorgemaßnahmen. Besonders die Rentenversicherungen legten dabei vermehrt Wert auf Maßnahmen, die der Reintegration in den Arbeitsmarkt dienlich seien. Kapazitätsprobleme bestünden ab und an hinsichtlich ambulanter Behandlungen, die aber ohnehin weit hinter die stationäre Nachfrage zurückfielen. Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen werde ein Antrag für gewöhnlich genehmigt. Dies gelte sogar dann, wenn erst die Behandlung selbst zur Gewinnung der Therapiebereitschaft diene. Streng genommen würde es sich in vielen Fällen aber eher um eine Art „Verhinderungsvollzug“ handeln. In Anbetracht der Masse der Verfahren sei es den Rechtspflegern nicht immer möglich, eine detaillierte Antragsprüfung vorzunehmen. Erfahrene Strafverteidiger könnten so die Zustimmung zu einem Antrag durch immer neue Eingaben schlichtweg „erzwingen“. Die Rechtspfleger seien überdies keine „Motivationsdetektive“ und auf das Feedback der jeweiligen JVA angewiesen. Zwar müsse das Gericht seine Zustimmung zum Antrag erteilen. Es würde jedoch in Anbetracht seiner Distanz zum eigentlichen Antragsverfahren nur schwerlich eine von den Rechtspflegern abweichende Einschätzung treffen können. Die Verurteilten müssten schließlich eine Entbindung der Therapieeinrichtung von ihrer Schweigepflicht gegenüber der Vollstreckungsbehörde unterzeichnen. Als effizient habe es sich auch erwiesen, die Betroffenen persönlich von der JVA zur Therapieaufnahme zu begleiten, da sonst schätzungsweise „jeder Zweite“ nicht dort ankomme oder sofort wieder zur Droge greife. (3) Therapieüberwachung und Widerrufskriterien Der Therapiefortschritt der Teilnehmer werde anhand der quartalsweisen Einreichung von Teilnahmebescheinigungen bei der Vollstreckungsbehörde überwacht. Allerdings könne es in der Praxis notwendig sein, diesbezüglich beim Therapiezentrum nachzufragen und bei weiteren Verzögerungen eine zweiwöchige „Karenzzeit“ einzuräumen. Auch die Übersendung eines Haftbefehls, wie von § 35 Abs. 7 BtMG vorgesehen, bewirke manchmal „Wunder“. Für die Durchführung des Drogenscreenings seien die Therapiezentren selbst zuständig. Der Widerruf einer Zurückstellung stelle indes leider den Regelfall dar. Nur schätzungsweise 20 bis 25 % der Therapieteilnehmer würden es überhaupt bis in das Stadium einer Anrechnungsmöglichkeit nach § 36 BtMG schaffen. Ein weiterer Teil dieser Personen werde während der anschließenden Bewährungsphase rückfällig. Da das Gesetz eine erneute Aufnahme des Verfahrens nach § 35 BtMG nicht beschränke, hätten auch Therapieabbrecher solange realistische Chancen auf eine wiederholte Zurückstellung, wie eine Kostenübernahme seitens der Rentenversicherungsträger erteilt werde. In der Praxis sei es daher vorgekommen, dass sich bestimmte Teilnehmer bereits in ihrer achten (!) § 35 BtMG-Therapie befanden. Wichtigster Er-

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folgsfaktor zur Durchbrechung dieser „Endlosschleife“ sei das Eingehen einer festen Partnerschaft. Bestätigen ließen sich die erwähnten Abschlusszahlen allerdings nicht. Trotz der elektronischen Speicherung von § 35 BtMG-Daten seit dem Jahr 2012 seien intern bislang keinerlei statistische Erhebungen durchgeführt worden. (4) Verbesserungspotenziale Auch in der Hauptabteilung Vollstreckung sah man Raum für Verbesserungen. Kritische Erwähnung fand die über Jahre reduzierte Personaldecke innerhalb der Berliner Justiz und die damit verbundene gegenwärtige Überlastung der Rechtspfleger und Staatsanwälte. So sei beispielsweise die Zahl der Rechtspfleger trotz steigender Verfahrenszahlen von 90 auf nunmehr nur noch 70 Angestellte abgebaut worden. Erhöhte finanzielle Mittel sollten zudem für stationäre Therapiemaßnahmen in Krankenhäusern des Justizvollzugs bereitgestellt werden, da das (stationäre) Behandlungsprogramm in Therapiezentren oft nicht auf Straftäter zugeschnitten sei. Nach Auffassung der Befragten sei eine Zurückstellung nach § 35 BtMG trotz dessen Stellung als Ausnahmevorschrift insgesamt zu einfach zu bekommen und aufrecht zu erhalten. Zu selten erhielten die Rechtspfleger ein ehrliches Feedback seitens der Therapiezentren, das unter Umständen weitere, unnötige Behandlungskosten vermeiden könnte. Im Allgemeinen sollte auf dieser Ebene ein regelmäßigerer Austausch über die jeweiligen Probleme und Bedürfnisse erfolgen. Schließlich sei es wünschenswert, die Anzahl der Therapieversuche durch verbindliche Vorgaben seitens des Kammergerichts zu begrenzen. Denkbar sei es beispielsweise, ab dem dritten Zurückstellungsantrag eine Art „Beweislastumkehr“ einzuführen, die dem Antragsteller die Pflicht zum Nachweis der Erfolgschancen seiner Therapie auferlegen und den Rechtspflegern ggf. weitere „Arbeit für den Papierkorb“ ersparen würde. Von den Betroffenen sollte man dies in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich insbesondere gegenüber alkoholsüchtigen Straftätern in einer privilegierten Stellung befänden, auch einfordern dürfen. cc) Amtsgericht Tiergarten Die Gespräche am Amtsgericht Tiergarten behandelten vor allem die Themen interne Struktur, Ablauf des Hauptverfahrens, Therapieaufnahme und -überwachung sowie Verbesserungspotenziale. (1) Interne Struktur Am Amtsgericht Tiergarten arbeiten fünf Richter, deren jeweilige Abteilungen auf „Rauschgiftsachen“ spezialisiert sind. Ihre Zuständigkeit richtet sich konkret danach, inwieweit innerhalb der Anklageschrift (ob zu Recht oder zu Unrecht) Paragrafen aus dem BtMG zitiert werden. Alkoholbedingte Straftaten oder solche

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aus dem Bereich der Beschaffungskriminalität können demgegenüber grundsätzlich nur bei allgemeinen Abteilungen anhängig sein. Ausnahmen hiervon bestehen, soweit durch einen Tatvorwurf sog. „Altverfahren“ eines bereits zuvor Verurteilten betroffen sind. (2) Ablauf des Hauptverfahrens Inwieweit ein Angeklagter unter einer Drogensucht leidet, wird im Zuge der Hauptverhandlung durch das Gericht geprüft. Um Anhaltspunkte hierfür zu finden, verschaffen sich die Richter zunächst einen optischen Eindruck vom Angeklagten, analysieren ggf. vorhandene Vorstrafen sowie seine aktuelle wirtschaftliche Situation, befragen ihn persönlich bezüglich eines eventuell vorhandenen Drogenproblems und beachten ergänzend auch das Zeugnis der Polizeibeamten. Die Möglichkeit zur Beauftragung eines Sachverständigen bestehe demgegenüber aufgrund der schieren Masse der anfallenden Verfahren häufig nicht. Die unter den Strafverteidigern populärste Verteidigungsstrategie sei es, sich zunächst auf eine verminderte Schuldfähigkeit des Mandanten nach § 21 StGB zu berufen. Soweit keine klaren Indizien entgegenstünden, folge das Gericht einem solchen Vorbingen häufig auch. Anträge gemäß den §§ 35 ff. BtMG würden meist nachrangig und deutlich seltener gestellt. Inwieweit im konkreten Fall § 37 BtMG oder § 35 BtMG zur Anwendung käme, hänge von den persönlichen Vorlieben des jeweils zuständigen Richters ab. Für § 37 BtMG spreche, dass er in vielen Verfahrensstadien genutzt werden könne. Solch einer vorläufigen Einstellung sei es in jedem Fall zuträglich, wenn der Angeklagte zusammen mit seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung erscheine und Nachweise für eine bereits begonnene Therapieaufnahme beibringen könne. Falls dies noch nicht geschehen sein sollte, gebe es die Möglichkeit einer Verhandlungsunterbrechung für ca. drei Wochen. Beweisschwierigkeiten würden in diesem Zusammenhang eher selten auftreten, da die Betroffenen meist tatsächlich abhängig und überdies geständig seien. Eine echte Verteidigung finde meist nur beim Tatvorwurf Drogenhandel statt. Im Übrigen werde die gerichtliche (und staatsanwaltliche) Zustimmung zu einem Antrag nach § 37 BtMG beinahe immer erteilt. § 35 BtMG käme insbesondere zum Tragen, wenn eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr realistisch erscheint. Die Strafverteidiger würden dann unter Inaussichtstellen eines Geständnisses hinsichtlich der 2-Jahres-Grenze „vorfühlen“, wobei die Feststellung der Abhängigkeit des Angeklagten selbstverständlich nicht verhandelbar sei. Seitens der Verteidiger werde großer Wert hinsichtlich einer Aufnahme des § 17 Abs. 2 BZRG in den finalen Urteilstext gelegt, um sich die Möglichkeit eines späteren Zurückstellungsantrags offen zu halten. Eine Therapieweisung gemäß den §§ 56, 56 c StGB könne aufgrund der unsicheren Prognosegrundlage hinsichtlich vieler Angeklagter, wenn überhaupt nur bei einsichtigen Ersttätern erteilt werden. Unklarheiten bestünden daneben bezüglich

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der Übernahme der Kosten von Urinproben, die für eine effektive Überwachung der Therapie unerlässlich seien. Auch § 64 StGB sei am Amtsgericht insgesamt wenig gebräuchlich. Sehr oft scheitere ein Antrag hierbei an der fehlenden Erfolgsaussicht der Behandlung im Maßregelvollzug. Im Wege des § 35 BtMG ließen sich im Einzelfall (gerade bei fehlenden Deutschkenntnissen) passendere Therapieanbieter finden. (3) Therapieaufnahme und -überwachung Ein rascher Zugang zu Therapiemaßnahmen sei in Berlin grundsätzlich gewährleistet, sofern sich die Betroffenen nicht nur auf ihre persönliche Wunscheinrichtung festlegten. Wer unbedingt wolle, der finde auch etwas. Verzögerungen träten gelegentlich durch noch fehlende Zusagen zur Kostenübernahme auf. Für die Überwachung des Therapiefortschritts ist je nach gewähltem Verfahren das Gericht selbst (§ 37 Abs. 2 BtMG, §§ 56, 56 c StGB) bzw. die Hauptabteilung Vollstreckung verantwortlich (§ 35 BtMG). Bei ersteren Normen seien dem Gericht bzw. dem Bewährungshelfer, ohne die Notwendigkeit einer vorherigen Entbindung von der Schweigepflicht, quartalsweise Therapiebescheinigungen/-berichte zu übersenden. In der Praxis funktioniere dies im Allgemeinen zufriedenstellend. Verzögerungen von bis zu drei Wochen würden dabei toleriert. Das durch die Therapieanstalten gegebene Feedback sei weit überwiegend wahrheitsgemäß. Konflikte und damit verbundene Mehrarbeit für den Richter entstünden gelegentlich dann, wenn ein Therapiezentrum einen seiner Klienten durch die Vorenthaltung von Informationen über einen Rückfall vor dem Zugriff der Justiz „schützen“ wolle. Im Extremfall könne dies zum Erlass eines Haftbefehls führen. Inwieweit bei Vorliegen eines Drogenrückfalls die Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung erfolge, ließe sich nicht generell bestimmen und sei stark einzelfallabhängig. Grundsätzlich dürften Therapieteilnehmer aber mit einer geduldigen Vorgehensweise seitens des Gerichts rechnen. Die befragten Richter bewerteten ihre Beteiligung an der Überwachung des Therapieprozesses trotz manch „lästiger“ Nachfrage insgesamt als positiv. Auch wenn bei Leibe nicht alle Betroffenen die Behandlungen und das Verfahren erfolgreich abschlössen, könne man auf diesem Wege dennoch zumindest einigen Menschen lohnenswerte Perspektiven für ihren zukünftigen Lebensweg aufzeigen. Die „Vorauswahl“, die seitens der Rechtspfleger im Zusammenhang mit Anträgen nach § 35 BtMG getroffen werde, sei überdies zuverlässig. (4) Verbesserungspotenziale Als ausbaufähig wurde insbesondere die personelle Situation am Amtsgericht erachtet. Das aktuell vorgegebene Arbeitspensum sei für Richter mit einer gewissen Routine zwar noch zu bewältigen. Allerdings fange es „langsam an zu knirschen“. Immerhin habe man zuletzt infolge der steigenden Eingangszahlen eine zusätzliche

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Verwaltungsabteilung erhalten. Eine Aufstockung des Personals sollte zudem in den Justizvollzugs- und Therapieanstalten vorgenommen werden. Auch die Einstellung neuer Mitarbeiter zur Betreuung von der deutschen Sprache nicht mächtigen Probanden sei genauso wie der Ausbau von Nachsorgemaßnahmen für erfolgreich therapierte Straftäter wünschenswert. Generell müsse mehr Wert auf eine Optimierung der gerichtsinternen Zuteilung der Verfahren gelegt werden. Taten, die maßgeblich auf einer Drogensucht gründeten, sollten auch vor den hierauf spezialisierten Richtern verhandelt werden. Verbesserungswürdig sei daneben die interne Abstimmung der Rauschgift-Abteilungen bei Gericht. dd) Strafverteidiger Gespräche zum justiziellen Umgang mit drogenabhängigen Straftätern, zum Therapieprozess und Verbesserungsmöglichkeiten wurden ebenfalls mit zwei Berliner Strafverteidigern geführt. (1) Verfahren in der Praxis In der Praxis entscheide besonders bei stark abhängigen Angeklagten häufig bereits die Beiordnung des Strafverteidigers über ihr zukünftiges persönliches Schicksal. Da es keine Fachanwälte für Betäubungsmittelverfahren gebe, könne es geschehen, dass dem Angeklagten ein hierin unerfahrener Pflichtverteidiger zugeteilt werde. Dieser würden dann anstelle einer Strafzurückstellung gemäß § 17 Abs. 2 BZRG, §§ 35 ff. BtMG tendenziell eher eine Strafaussetzung zur Bewährung nach den §§ 56, 56 c StGB anstreben. Allerdings sei ein Bruch der Bewährungsweisungen bei Drogenabhängigen relativ wahrscheinlich und würde in der Konsequenz zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe führen. Ein weiter gehender Zugang zu Drogen könne in den Justizvollzugsanstalten jedoch keinesfalls zuverlässig ausgeschlossen werden. Verschärft werde diese Situation dadurch, dass die Richter der Rauschgift-Abteilungen die Hilfsbedürftigkeit der drogensüchtigen Angeklagten bei ihrer Entscheidungsfindung zwar durchweg berücksichtigten, ihre Kollegen in den allgemeinen Abteilungen (Beschaffungskriminalität) ein solches, sozialkompetentes Bewusstsein jedoch nicht immer entwickelten. Es sei auch vorgekommen, dass man einigen dieser Richter die vorhandenen Alternativen der §§ 35 ff. BtMG näher habe erläutern müssen. „Therapiefreundlichere“ Einzelrichter müssten ihr Vorgehen überdies gegenüber den Vorsitzenden Richtern (zum Teil ehemalige Zivilrichter) rechtfertigen. Unter diesen Rahmenbedingungen sei der persönliche Einsatz des jeweils beigeordneten Strafverteidigers zur Vermeidung einer Haft unabdingbar. Seitens der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts gingen diesbezüglich nur selten Initiativen aus. Die §§ 35 ff. BtMG würden noch immer als „Strafvermeidung“ betrachtet und

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Strafverteidiger insoweit als „Gegner“ wahrgenommen. Immer schwieriger sei es auch geworden, die Gesamtsituation eines Angeklagten bereits vor Abhaltung der Hauptverhandlung zu erörtern. Richter hätten zunehmend Angst, sich dem Vorwurf einer Strafvereitelung im Amt auszusetzen. Nur wenn unter den Verfahrensbeteiligten im jeweiligen Fall die „richtigen“, d. h. „therapiefreundlichen“ Akteure zusammenkämen, könne eine Drogensucht effektiv angegangen werden. Wenig überraschend sei es, dass § 37 BtMG vor diesem Hintergrund nur äußerst selten angewandt werde. In einigen allgemeinen Abteilungen sei diese Norm zum Teil gänzlich unbekannt. Sie würde zudem seitens der Staatsanwaltschaft abgelehnt, da sie der Erfüllung bestimmter interner Vorgaben entgegenstehe. Bezüglich Anträgen nach § 35 BtMG gebe es wiederum das Problem, dass einige der zuständigen Rechtspfleger die Prüfung sehr genau nach Wortlaut vornehmen und ggf. einen Bezug zwischen Tat und Abhängigkeit in Frage stellten. Auch die bürokratischen Hürden bei der Kostenübernahme durch die Krankenkasse bzw. Rentenversicherung erschwerten den Antragsprozess. Übereinstimmend wurden von beiden Interviewpartnern die aktuellen Zustände im Berliner Maßregelvollzug angeprangert. Die Betreuung dort käme einer „Verwahrung“ gleich und erfolgreich abgeschlossene Behandlungen seien die absolute Ausnahme. Es stünde deutlich zu wenig Personal zur seriösen Therapierung dieser Straftäter zur Verfügung. Drogen seien innerhalb der Einrichtung beinahe frei verfügbar. (2) Therapieprozess An der Durchführung der Therapie selbst sind die Strafverteidiger so gut wie gar nicht beteiligt. Ihr Beitrag ende für gewöhnlich mit der Verweisung des jeweiligen Mandanten an eine ihnen bekannte Drogenberatungsstelle. Die Überleitung von Straftätern aus der Justiz in die Therapie funktioniere dank der Arbeit dieser Träger indes überwiegend gut. Auch die Betreuung durch die JVA sei im Fall der Vorbereitung eines Antrags nach §§ 35, 36 BtMG ansprechend. Eine Finanzierung der Therapie werde trotz der vielen formalen Voraussetzungen im Ergebnis meist übernommen. Gemäß den Erfahrungen der Befragten sind die Behandlungen nur selten bereits beim ersten Mal erfolgreich. Trotz der deshalb erforderlichen Gewährung mehrerer Therapieversuche müsse man sich aber damit abfinden, nicht alle Drogenabhängigen „retten“ zu können. (3) Verbesserungspotenziale Insgesamt wurde ein Konzept zur Systematisierung des Verfahrens bezüglich drogenabhängiger Straftäter befürwortet. Um den Betroffenen Chancen für ihren weiteren Lebensweg zu eröffnen, gehörten Fälle mit Drogenbezug in die Hände hierfür ausgebildeter Juristen. In Anbetracht immer neuer Gesetze und Rechtspre-

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chung sollte auch über die Einführung eines Fachanwalts für Betäubungsmittelrecht nachgedacht werden. Ein solcher Lehrgang könne Felder wie etwa die Koordination mit Drogenhilfeeinrichtungen und Therapiezentren abdecken, die nicht unbedingt zum alltäglichen Arbeitsbereich eines Strafverteidigers zählten. Innerhalb der Justiz müssten zu diesem Zweck jedoch zusätzliche Ressourcen geschaffen oder freigemacht werden. Dies wäre vergleichsweise zügig mittels moderater Neueinstellungen sowie einer Herabstufung bestimmter Delikte (allen voran „Schwarzfahren“) zur Ordnungswidrigkeit realisierbar. Generell müsse im Verhältnis der Verfahrensbeteiligten untereinander aber ein Sinneswandel einsetzen. Die Resozialisierung drogenabhängiger Straftäter müsse wieder als oberstes Gebot verstanden und nicht bekämpft werden. Hierzu sollte seitens der Justiz eine verstärkte Vernetzung mit dem Therapiebetrieb sichergestellt werden, um die Aufnahme einer Behandlung ohne erhöhten persönlichen Arbeitseinsatz der Beteiligten zu ermöglichen. ee) Drogenberatungsstellen Mit insgesamt drei Berliner Drogenberatungsstellen wurden die Themenbereiche Funktion und lokale Organisation der Drogenberatung, Antragsstellung nach § 35 BtMG, Zusammenarbeit mit der Justiz und Verbesserungspotenziale erörtert. (1) Funktion und lokale Organisation der Drogenberatung Die Drogenberatungsstellen sind gewissermaßen als „Vorstufe“ zu den Therapiezentren mit der Frage befasst, welche Art der Behandlung für den jeweiligen Abhängigen überhaupt sinnvoll erscheint. Die Zuständigkeit eines Trägers richtet sich dabei nach dem Wohnort des Klienten (letzte Meldeadresse). In diesem Zusammenhang haben sich nach Auffassung der Befragten bedingt durch Entwicklungen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zuletzt gewisse Verdrängungstendenzen bemerkbar gemacht, die zu einem reduzierten bzw. erhöhten Bedarfsaufkommen in bestimmten Bezirken geführt hätten. Einige speziellere Beratungsleistungen würden daher inzwischen auch überbezirklich erbracht. Für die Drogenberatungsstellen besteht eine „Versorgungsverpflichtung“, sodass kein Interessent abgewiesen werden darf. Die Finanzierung erfolgt dabei über den Berliner Senat nach Maßgabe der Anzahl der durchgeführten Beratungen. Als Teil ihrer Arbeit in der Beratungsstelle führen die Mitarbeiter regelmäßige Erstsprechstunden in den Berliner Justizvollzugsanstalten durch, die entweder zu festen Termine stattfinden (z. B. JVA Moabit) oder sich nach dem konkreten Bedarf richten (z. B. JVA Heidering). Ziel dieses Angebots sei es, in Zusammenarbeit mit den Gruppenleitern der Justizvollzugsanstalten mögliche Kandidaten für eine Therapieaufnahme schon vor einer Entlassung aus der Haft auszuwählen. Problematisch sei in diesem Rahmen, dass nicht wenige der Inhaftierten kein Deutsch sprechen und bei den Herkunftsländer Afghanistan, Syrien, Irak, Marokko oftmals

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ein paralleles Asylverfahren laufe. In den Justizvollzugsanstalten könne aufgrund der knappen Verfügbarkeit von Dolmetschern eine angemessene Kommunikation mit diesen Personen grundsätzlich nicht stattfinden. Überdies gebe es in ganz Berlin nur eine Einrichtung (ADV-Nokta), die diese Zielgruppe therapieren könne. Nicht inhaftierte Drogenabhängige fänden den Weg in Beratungsangebote zumeist über mit den Trägern vernetzte Strafverteidiger, Bekannte oder auf Eigeninitiative. Bei letzterer Gruppe bestehe das Problem, dass sich diese Personen häufig erst wenige Tage vor dem Ladungstermin zum Haftantritt an die Beratungsstellen wenden und ein Zurückstellungsantrag unter Umständen nicht mehr rechtzeitig gestellt werden könne. Die Mehrzahl der Interessenten suche den Kontakt zur Drogenberatung aus fremdbestimmten Motiven. Ein entsprechender Handlungsdruck werde je nach Einzelfall überwiegend durch Familie, Sozialamt oder Gericht ausgeübt. (2) Antragstellung nach § 35 BtMG und Zusammenarbeit mit der Justiz Nachdem sich der Drogenberater von der Therapiebedürftigkeit des Klienten überzeugt hat, stellt die Beantragung der Kostenübernahme den ersten Schritt eines jeden Antrags nach § 35 BtMG dar. Hierzu erteilt der Abhängige dem Drogenberater eine Schweigepflichtentbindung gegenüber dem jeweils zuständigen Kostenträger (Rentenversicherung, Krankenkasse oder Bezirksamt).759 Auf Grundlage der zuvor stattgefundenen Gespräche verfasst die Drogenberatungsstelle einen Sozialbericht an diese Stelle. Hinzu kommt die „Bescheinigung der Justizvollzugsanstalt beziehungsweise Jugendstrafanstalt zur Vorlage beim Rentenversicherungsträger bei Anträgen auf Entwöhnungsbehandlungen“ (G 0435), die vom Haftsozialarbeiter anhand des rechtskräftigen Urteils unter Beachtung von § 17 Abs. 2 BZRG (Zusammenhang von Abhängigkeit und Tat) auszufüllen ist. Die Finanzierung obliegt der Rentenversicherung, sofern der Betroffene in den vorhergehenden zwei Jahren zumindest für sechs Kalendermonate erwerbstätig war und entsprechende Beiträge in die Rentenkasse entrichtet hat. Im gegenteiligen Fall ergibt sich eine Zuständigkeit für die Krankenversicherung bzw. bei Flüchtlingen über das Sozialamt (Bezirksamt). Der Drogenberater bemüht sich zudem um die Reservierung eines voraussichtlichen Aufnahmetermins bei einer geeigneten Therapieeinrichtung. Sobald Kostenübernahme und Therapieplatzzusage erteilt sind, kann der Zurückstellungsantrag gestellt werden. Im Rahmen von Anfragen an Therapiezentren zeigt sich nach Erfahrung der Drogenberater jedoch mehr und mehr, dass diese grundsätzlich nicht mehr so offen für die Aufnahme sog. „35er“ seien. Der Umgang mit ihnen gelte als schwierig, da sie meist aus fremdbestimmten Motiven die Behandlung aufnehmen und sich in den Therapiegruppen kaum öffneten. Nicht immer könne aufgrund der engen Vorgaben 759 Des Weiteren kann diese Erklärung eine Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber Therapieeinrichtung, Staatsanwaltschaft, Rechtsanwalt, JVA und einzelnen Familienangehörigen umfassen.

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der Kostenträger in den Therapiezentren jedoch auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht genommen werden. Als weiteres Argument spreche gegen eine Aufnahme dieser Personen, dass der Therapiebeginn vom Verlauf des Antragsverfahrens bei der Justiz abhänge und bei dortigem Zeitverzug organisatorische Engpässe entstehen können. In der Praxis habe sich die Bearbeitungszeit für Anträge nach § 35 BtMG zuletzt „dramatisch“ auf durchschnittlich drei bis vier Monate verlängert. In Extremfällen sei es sogar vorgekommen, dass nach Antragstellung mehr als sechs Monate vergingen und die Neubeantragung einer zuvor bereits erteilten Kostenübernahme notwendig wurde. Eine der Hauptursachen hierfür bestehe – neben der Überlastung der Rechtspfleger – in der zum Teil fehlerhaften Zuarbeit der Sozialarbeiter in den Haftanstalten. Deren Stellungnahme bilde häufig die Entscheidungsgrundlage der Vollstreckungsbehörde und müsse den Rechtspflegern daher vor einer abschließenden Bescheidung vollständig vorliegen. Auf der anderen Seite könne es in der Praxis geschehen, dass die Haftsozialarbeiter ihre Zuständigkeiten „überdehnen“ und in ihrer Stellungnahme auch eine medizinische Begutachtung der Suchtsituation des Antragstellers einbeziehen. Obwohl sie für derartige Einschätzungen nicht geschult seien, würden sie damit de facto die Zurückstellungsentscheidung der Rechtspfleger vorwegnehmen. Demgegenüber würden die Drogenberatungsstellen trotz ihrer Sachkenntnis von den Rechtspflegern meist erst dann kontaktiert, wenn eine Therapie gescheitert sei. In Teilen der Justiz sei noch immer die Wahrnehmung der Drogenberatung als Gehilfe zur „Haftvermeidung“ statt einer neutralen, gleichberechtigten Institution verbreitet. Es gebe keine gemeinsame Herangehensweise zur Resozialisierung dieser Straftäter, auch weil sich die Vollstreckungsbehörde als hierarchisch übergeordnet zur Drogenhilfe sehe. Jeder arbeite nur in seinem „Segment“. Ein Austausch werde in der Praxis zudem durch die stark eingeschränkte telefonische Erreichbarkeit der Rechtspfleger erschwert. So müsse sämtlicher noch so kleine Kommunikationsfall schriftlich abgewickelt werden. Um Beweisprobleme beim Zugang von Schreiben zu vermeiden, bevorzugen die Drogenberater inzwischen die Versendung per Fax. Anstelle einer Bündelung der vorhandenen Kräfte würden durch dieses Verfahren in großem Maß und auf „absurde“ Weise „Ressourcen verschwendet“. Als Nebeneffekt verursache die lange Bescheidungsphase einen Motivationsverlust bei den Antragsstellern. Diese wähnten sich dadurch auf dem „Abstellgleis“. Im Anschluss an ein erfolgreiches Ausscheiden aus der Therapie gestalte sich die Überweisung in Nachsorgemaßnahmen kompliziert. Durch die brisante Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt sei eine Vermittlung in eigene Wohnungen praktisch ausgeschlossen. Kostenübernahmen für betreutes Wohnen würden zwar generell bewilligt. Allerdings könne auch dies einige Zeit in Anspruch nehmen, sodass manche Betroffene auf einen Zwischenaufenthalt in prekären, nicht „cleanen“ Übergangswohnheimen angewiesen seien.

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(3) Verbesserungspotenziale Von den Befragten wurden zahlreiche Anregungen für eine Verbesserung der aktuellen Situation gegeben. Grundsätzlich sollte § 35 BtMG vor dem Hintergrund der „katastrophalen“ Umsetzung des Maßregelvollzugs in Berlin der Vorzug gegenüber § 64 StGB eingeräumt werden. Die Durchführung einer angemessenen Suchttherapie sei gegenwärtig nur auf diese Weise sicherzustellen. Auch sollte ggf. über die Einrichtung von Therapiezentren nachgedacht werden, die bereit seien, vermehrt drogenabhängige Straftäter mit Vollstreckungszurückstellung aufzunehmen. In den Haftanstalten könnte die Beschäftigung zusätzlicher Sozialarbeiter dazu beitragen, eine Therapiemotivation bei noch mehr drogenabhängigen Inhaftierten zu wecken bzw. aufrecht zu erhalten. Die Stellungnahme der Haftsozialarbeiter sollte standardisiert werden und grundsätzlich nicht mehr im Freitext verfasst werden können. Innerhalb der Vollstreckungsbehörde sollte eine Spezialisierung einiger Rechtspfleger auf § 35 BtMG-Verfahren vorgenommen und eine telefonische Erreichbarkeit sichergestellt werden. Im Rahmen der Entscheidung über die Zurückstellung sollten die Rechtspfleger und Sozialarbeiter zudem einen genaueren Kriterienkatalog von der Staatsanwaltschaft erhalten, um das Verfahren für die Betroffenen generell transparenter zu gestalten. Die Begrenzung der Anzahl der Therapieversuche sei dabei kein probates Mittel, da die Inhaftierung keine wirksamere oder kostengünstigere Alternative darstelle und ein Teilnehmer bei jeder Therapie unabhängig von deren Ausgang „etwas mitnehme“. Begleitend sollte das Suchtverständnis unter diesen Berufsgruppen geschult werden. Diesem Ansatz und nicht zuletzt auch dem Wohl der Abhängigen sei es dienlich, die vorhandenen Kenntnisse zu bündeln und alle Verfahrensbeteiligten in ein „Boot“ zu holen. Eine Neuausrichtung des Case Managements könnte überdies dazu dienen, die Fallbearbeitung effizienter und klientenfreundlicher zu gestalten. Zudem müsse von den Kostenträgern eine längere Behandlungszeit bewilligt werden. Es sei kaum möglich, innerhalb weniger Monate Vertrauen zu den behandelnden Therapeuten und zu den Mitbewohnern zu schöpfen. Die Finanzierungsfähigkeit könnte man beispielsweise durch eine Absenkung der Einrichtungsstandards in den Therapiezentren sichern. Diese seien zu nah an den Maßstäben einer psychiatrischen Fachklinik orientiert und würden die Höhe der jeweiligen Tagessätze stark nach oben treiben. Alle Befragten sprachen zudem das Problem des aufkommenden Personalmangels in den Drogenberatungsstellen an. Zwar sei die Lage aktuell noch unter Kontrolle, allerdings würden vielerorts (leitende) Angestellte in absehbarer Zeit in Rente gehen. Das relativ niedrige Gehaltsniveau und die gestiegenen Lebenshaltungskosten in Berlin hätten dazu geführt, dass sich kaum mehr qualifizierte Bewerber für ausgeschriebene Stellen finden ließen.

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ff) Therapiezentren Inhalt der Gespräche mit den beiden Berliner Therapiezentren waren die Therapieaufnahme nach § 35 BtMG, die Zusammenarbeit mit der Justiz, der generelle Therapieablauf, Erfahrungswerte bezüglich der Erfolgsquoten und Verbesserungspotenziale. (1) Therapieaufnahme nach § 35 BtMG und Therapieablauf In der Praxis komme der weit überwiegende Teil der in Berlin therapierten „35er“ direkt aus der Haft, sodass sich der dort zuständige Drogenberater um die Beantragung der Kostenübernahme bemühe. Auch viele Interessenten, die zuvor nicht inhaftiert waren, seien bereits mit diesem Netzwerk vertraut und einer Drogenberatungsstelle „zugeordnet“. Eine Antragsstellung ohne die Hinzuziehung eines Drogenberaters sei für die Betroffenen in Anbetracht des immensen bürokratischen Aufwands nur in den seltensten Fällen zu empfehlen. Die Therapiezentren prüften vor Aufnahme einer Behandlung im Rahmen von § 35 BtMG, inwieweit der Betroffene die internen Kriterien der Einrichtung erfüllt. Eine erneute Aufnahme sei beispielsweise für Bewerber ausgeschlossen, die das Therapiezentrum in der Vergangenheit aus disziplinarischen Gründen (Gewalt oder Drogenhandel im Haus) verlassen mussten. Außerdem werde überprüft, ob der Kandidat über die notwendige Therapiebereitschaft verfügt bzw. diese im Laufe der Behandlung hergestellt werden kann. Der genaue Aufnahmetermin richte sich danach, wann Staatsanwaltschaft und Gericht ihre Zustimmung zur Zurückstellung der Strafe/des Strafrests erteilten. Dies könne in Berlin bis zu sechs Monate dauern und gelegentlich zu einer kurzzeitigen Überbelegung der Einrichtung führen. Der Ablauf der Behandlung sei zu großen Teilen bereits durch die engen zeitlichen Voraussetzungen in der Kostenübernahme (maximal sechs Monate) vorgegeben. Schon vier Wochen nach Therapiebeginn seien mit den Probanden Neigungstests durchzuführen, die in ein bald darauffolgendes Berufscoaching münden sollen. Therapeutische Maßnahmen fänden im Übrigen mehrheitlich im Gruppenformat statt. Gelebt werde in kleineren oder größeren Wohngemeinschaften zumeist mit Mehrbettzimmern. Die Therapieteilnehmer hätten grundsätzlich das Recht (und auch die Pflicht) selbstständig einkaufen zu gehen und sich zu versorgen. Urinkontrollen würden von den Therapiezentren zufällig und in wöchentlichen Abständen durchgeführt. Mittels dieser Schnelltests erfolge eine Überprüfung hinsichtlich der „geläufigsten“ Substanzen (Cannabis, Heroin, Kokain, Amphetamine). Steht der Konsum ungewöhnlicherer Substanzen wie etwa NPS im Raum, würden die Proben zur laboratorischen Prüfung versandt. Daneben besäßen die Mitarbeiter durch ihren täglichen Kontakt mit den Probanden die Möglichkeit, Verhaltensänderungen festzustellen und ggf. außerplanmäßige Tests anzuordnen. Sollte ein Therapieteilnehmer eine positive Urinprobe aufweisen, muss er automatisch ein ca.

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zweiwöchiges „Rückfallprogramm“ durchlaufen. Dieses sehe im Allgemeinen eine mehrtägige Entgiftung sowie die Führung sog. „Rückfallprotokolle“ samt einer Reflexion der Ereignisse in der Gruppe vor. Hinsichtlich der Erfolgsquote der Behandlungen wurde von den befragten Therapeuten indes angegeben, dass nur etwa ein Drittel der Therapieteilnehmer langfristig ohne Drogen leben könnten. Ein weiteres Drittel von ihnen erleide alsbald nach Therapieende Rückfälle, während alle übrigen die Therapie an sich schon nicht durchstünden. (2) Zusammenarbeit mit der Justiz Im Rahmen des § 35 BtMG sind die Meldedaten durch den zuständigen Rechtspfleger bereits vor Aufnahme der Therapie festgelegt. Diese können im Einzelfall zwischen monatlichen bis hin zu quartalsweisen Abständen variieren. Hierzu habe der Verurteilte vor Behandlungsbeginn die Therapieeinrichtung von ihrer Schweigepflicht gegenüber der Vollstreckungsbehörde zu entbinden. Das Therapiezentrum hat in jedem Fall eine Aufnahme- sowie eine Entlassungsmitteilung abzugeben. Letztere soll dabei auch Angaben zum Ausgang der Therapie samt Legal- und Abstinenzprognose enthalten. Die Zusammenarbeit mit der Justiz wurde in diesem Zusammenhang generell als „schwierig“ beschrieben. Einer der Hauptgründe hierfür sei zum einen, dass die Rechtspfleger zu hohe Anforderungen an die zu verfassenden Berichte stellten. Manche Auskünfte, wie etwa zur Legalprognose, könnten durch die Therapeuten jedoch nicht zuverlässig abgegeben werden. Auch stünde in den Therapiezentren kein ausreichendes Personal zur Verfügung, um den geforderten Dokumentationspflichten in detaillierter Art und Weise nachzukommen. Des Weiteren monierten die Therapeuten den gelegentlich „herablassenden“ und „befehlenden“ Umgangston einiger Rechtspfleger ihnen gegenüber. Dieser sei wahrscheinlich auf die hohe Rückfallquote unter den Antragstellern und enttäuschte Erwartungen aus der Vergangenheit zurückzuführen. Überdies sei es extrem kompliziert, mit den Rechtspflegern bei aufkommenden Fragen direkt zu kommunizieren. Durch die Masse an Verfahren habe die Arbeitsbelastung der Rechtspfleger so sehr zugenommen, dass telefonische Rückfragen praktisch nicht mehr möglich seien. Die Kommunikation fände inzwischen hauptsächlich über das zentrale Faxgerät der Poststelle im Kriminalgericht Moabit statt, was immer wieder zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen führe. Negativ wirke es sich auch aus, dass die große Mehrzahl der § 35-Akten aus Platzgründen im Archiv der Staatsanwaltschaft hinterlegt seien und für die Rechtspfleger damit nicht mehr direkt griffbereit zur Verfügung stünden. Vor diesem Hintergrund hätten in den vergangenen Jahren – organisiert vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband – regelmäßige Treffen zwischen der Staatsanwaltschaft, den Rechtspflegern, Drogenberatungsstellen und Therapiezen-

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tren stattgefunden. Dieser Austausch sollte nach Ansicht der Therapeuten fortgesetzt bzw. intensiviert werden. (3) Verbesserungspotenziale Vordringlichster Wunsch unter den Therapeuten war es, die Koordination mit der Justiz zu verbessern. Angeregt wurde neben Neueinstellungen bei der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang auch eine Spezialisierung einer bestimmten Anzahl von Rechtspflegern ausschließlich für Betäubungsmittelsachen. Dies könnte in einer schnelleren Bearbeitung der Verfahren sowie einer Erhöhung der Entscheidungstransparenz resultieren. Insgesamt müsse die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Therapie weniger abhängig vom Vorhandensein „persönlicher Beziehungen“ zum jeweiligen Gegenüber werden, ohne die aktuell in Berlin so gut wie überhaupt nichts funktioniere. Bezogen auf die Ausstattungen der Einrichtungen selbst wünschten sich die Befragten eine Erhöhung der je Klient zur Verfügung stehenden Tagessätze. Unter den aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen sei es beinahe unmöglich, qualifiziertes Personal für eine Tätigkeit in den Therapiezentren zu gewinnen. Man steuere in dieser Form aufgrund der Überalterung der aktuellen Mitarbeiterschaft „unweigerlich“ auf eine personelle Krise zu. Schon heute seien die Einrichtungen bemüht, Personalmängel in der Belegschaft durch die Integration ehemaliger, inzwischen abstinenter Therapieteilnehmer auszugleichen. gg) Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung gaben jeweils ein Mitarbeiter der Sozialen Dienste sowie der Abteilung Justizvollzug Auskunft zur Thematik. (1) Soziale Dienste der Justiz Die Sozialen Dienste arbeiten in Berlin als eigenständige Behörde mit insgesamt 119 Mitarbeitern in 12 Dienstgruppen (eine je Bezirk). Der Hauptteil der Mitarbeiterschaft ist dabei in der Bewährungshilfe tätig, während nur ca. 25 Personen mit Aufgaben der Gerichtshilfe760 befasst sind. 760

Die Zuständigkeit der Berliner Gerichtshilfe ergibt sich aus § 160 Abs. 3 Satz 2 StPO i.V.m. der Allgemeinen Verfügung über die Zusammenarbeit der Gerichtshilfe mit Gerichten und Staatsanwaltschaften vom 16. 11. 2016 (AV Gerichtshilfe). Gemäß dieser AV hat sie die Entwicklung, Persönlichkeit, das soziale Umfeld, die Ursachen und Beweggründe der Tat sowie Aussichten und Ansatzpunkte für eine künftige straffreie Lebensführung der Betroffenen zu erforschen. Im Ermittlungs- und Hauptverfahren obliegt es ihr, gemäß § 160 StPO die Umstände zu ermitteln, die für die Strafzumessung, die Strafaussetzung zur Bewährung, die Anordnung oder Änderung von Auflagen und Weisungen nach §§ 56 b und 56 c StGB, die Verwarnung mit Strafvorbehalt, die Anordnung, die Aussetzung und den Aufschub von Maßregeln zur Besserung und Sicherung, die Einstellung des Verfahrens nach den §§ 153 und 153 a StPO

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Der an sich breite Aufgabenbereich der Gerichtshilfe habe sich zuletzt jedoch mehr und mehr auf die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB (zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen) reduziert, sodass inzwischen nur noch etwa fünf Angestellte für die Bearbeitung anderer Sachverhalte zur Verfügung stünden. Dementsprechend wenig Kapazitäten verblieben, um Ermittlungen bezüglich der Lebensumstände von Drogenstraftätern vorzunehmen. Eine Beteiligung der Bewährungshilfe im Rahmen von Strafaussetzungen zur Bewährung gegen Therapieweisung sei zudem selten, da das Verfahren für die Gerichte aufwändig und mit der Überwachung von Berichtspflichten bzw. ggf. der Notwendigkeit der Anpassung bereits verhängter Weisungen verbunden sei. Auch bestünden bereits bei der Detektion von Abhängigkeit Schwierigkeiten. Momentan würden viele Verfahren mittels Strafbefehl ohne persönliches Erscheinen des Angeklagten vor Gericht abgewickelt. Um Hinweise auf eine bestehende Drogenproblematik frühzeitig im Verfahren zu erhalten, sei es denkbar, eine entsprechende Frage standardisiert in das polizeiliche Ermittlungsprotokoll aufzunehmen (wie aktuell bereits für Delikte häuslicher Gewalt vorgesehen) bzw. alternativ einen Drogenschnelltest auf die geläufigsten illegalen Substanzen durchzuführen. Während des Verfahrens könnten dann ggf. grundsätzlich „Bewährungshelfer“ als Teil einer „Beratungslösung“ für die Durchführung einer Spezialbetreuung eingesetzt werden. Ratsam sei es in diesem Zusammenhang auch, eine Spezialisierung ausgewählter Rechtspfleger für Anträge nach § 35 BtMG vorzunehmen. Dies sollte mit einer Verbesserung der Erreichbarkeit via Email und Telefon einhergehen. Für bereits entlassene Drogenstraftäter sollte man darüber nachdenken, ihnen unter bestimmten Umständen (vergleichbar zu Sexual- und Gewaltstraftätern) Zugang zu Vorsorgemaßnahmen der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz der Charité Berlin zu gewähren. Dieses Kooperationsprojekt zwischen der Charité – Universitätsmedizin Berlin und den Berliner Senatsverwaltungen für Justiz bzw. Gesundheit zielt darauf ab, rückfallgefährdete Gewalt- und Sexualstraftäter nachhaltig zu betreuen und so die Allgemeinheit vor neuen Straftaten zu schützen.761 (2) Abteilung Justizvollzug Da § 35 BtMG zumeist aus der Haft beantragt werde, sei man in der Abteilung Justizvollzug häufig mit entsprechenden praktischen Fragestellungen befasst. Hierzu fänden zur Koordination des Umgangs mit Drogenstraftätern in der Senatsverwaltung halbjährliche Treffen mit Drogenberatungsstellen und Rechtspflegern statt, die

einschließlich der Anordnung von Auflagen und Weisungen, die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB oder die Vorbereitung von Entscheidungen über die Anordnung, Aufrechterhaltung und Außervollzugsetzung von Untersuchungshaft von Bedeutung sein können, und hierüber zu berichten. 761 Vgl. Charité Berlin, Die Forensisch-Therapeutische Ambulanz der Charité Berlin.

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die Klärung aktueller Probleme und eine Beschleunigung des Verfahrens zum Ziel hätten. Eine große Herausforderung stelle es gegenwärtig dar, dass etwa 30 % aller Häftlinge in Berlin ein ernsthaftes Drogenproblem haben. Antragsteller nach § 35 BtMG seien bei Therapieeinrichtungen überdies generell eher „unbeliebt“, da sie eine Art „Gefängnismentalität“ mitbrächten und zumeist lediglich aus fremdbestimmten Motiven (vorzeitige Haftentlassung) zur Therapieaufnahme motiviert seien. Die Betreuung in der Haft müsse daher noch mehr darauf abzielen, geeignete Therapiekandidaten zu selektieren. Positive Auswirkungen könne hierbei der Ausbau von Therapievorbereitungsgruppen haben, der allerdings mit einer Verbesserung der Personalsituation in den Justizvollzugsanstalten einhergehen müsse. Ohne eine Möglichkeit der Verbeamtung sei es aktuell sehr kompliziert, kompetentes Fachpersonal zu finden. In Anbetracht des hohen Krankenstandes unter den Beschäftigten könne es schon heute schnell vorkommen, dass ein Angestellter statt der vorgesehenen 35 de facto für 70 Probanden zuständig sei. Weiteres Verbesserungspotenzial wurde bei der Bearbeitung der Zurückstellungsanträge nach § 35 BtMG gesehen. Die entscheidenden Rechtspfleger müssten eine entsprechende Spezialisierung erhalten. Zum anderen sollte ihr Bescheid maßgeblich auf dem Befundbericht des zuständigen Anstaltsarztes sowie ergänzend auf einer standardisierten Stellungnahme durch den Haftsozialarbeiter beruhen. In diesem Zusammenhang sollte noch genauer geprüft werden, ob es in Einzelfällen für den Inhaftierten nicht ratsamer ist, anstelle eines übereiligen, höchstwahrscheinlich erfolglosen Therapieversuchs die komplette (Rest-)Strafe in Haft abzusitzen. Nicht zuletzt müssten sich im Hinblick auf das sich wandelnde Klientenprofil auch Drogenberatungsstellen und Therapiezentren neu aufstellen, um dem geänderten (sprachlichen) Bedarf gerecht zu werden. hh) Zwischenergebnis (1) Aktueller Praxisstand Aufgrund der Vielzahl praktischer Anwendungsfälle lassen sich aus den in Berlin durchgeführten Gesprächen einige wichtige Erkenntnisse zum Umgang mit drogenabhängigen Straftätern gewinnen. Bislang existiert innerhalb der Berliner Justiz kein Mechanismus, der zuverlässig gewährleistet, dass Tatverdächtige mit einem potenziellen Drogenproblem diesbezüglich befragt werden und ihre Akte innerhalb des Justizapparates ausschließlich von hierauf spezialisierten Richtern, Staatsanwälten und Strafverteidigern behandelt wird. Die Ursachen dieses Defizits sind vielschichtig. Bereits im Zuge der polizeilichen Erstaufnahme sind für gewöhnlich keine näheren Nachfragen zu einer möglichen Rauschgiftabhängigkeit vorgesehen. Bei den auf Suchtmittel speziali-

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sierten Abteilungen des Amtsgerichts gehen allerdings nur solche Verfahren ein, die explizit Bezug auf Normen des BtMG nehmen. Sämtliche Beschaffungsdelikte landen demgegenüber in der Regel in einer der allgemeinen Abteilungen, die oft nicht über die notwendigen Kenntnisse bezüglich Suchterkrankungen und der gesetzlich vorhandenen Optionen zur Aufnahme einer Therapie verfügen (können). Selbst bei den Betäubungsmitteldelikten kann es unter Umständen in Anbetracht der schieren Masse der Verfahren vorkommen, dass diese Alternativen nicht angemessen ausgeschöpft werden. Erschwerend kommt in Berlin neben der chronischen Unterbesetzung von Gerichten und Staatsanwaltschaften der signifikant hohe Anteil ausländischer Drogenstraftäter ohne Kenntnisse der deutschen Sprache hinzu. Auch gibt es Strafverteidiger, die nicht immer das langfristige Wohl ihrer Mandanten im Blick haben und anstelle einer an sich notwendigen Therapie allein auf Strafreduzierungen im Wege der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB abzielen. Vor diesem Hintergrund hängt es aktuell von diversen Zufällen ab, in welche Richtung sich diese Strafverfahren entwickeln. In den für Rauschgiftsachen zuständigen Abteilungen des AG Tiergarten wird trotz der damit für das Gericht verbundenen Überwachungspflichten bei nachgewiesener Aufnahme einer Drogentherapie nicht selten der Weg eines Absehens von der Erhebung der öffentlichen Anklage nach § 37 Abs. 2 BtMG gewählt. Im Allgemeinen bevorzugen Staatsanwaltschaft und Gericht aber ein rechtskräftiges Urteil, dessen Vollstreckung im Wege des § 35 BtMG zurückgestellt werden kann und auf diese Weise vielfältige Therapiealternativen eröffnet. Auf Betreiben der Strafverteidiger wird dabei § 17 Abs. 2 BZRG beinahe immer in den Urteilstext aufgenommen. Weitaus weniger populär ist die Durchführung der Drogenbehandlung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung. Diese scheitert zumeist bereits am Fehlen einer positiven Legalprognose. Zudem birgt sie die Gefahr eines Widerrufs (und daran anschließender Inhaftierung des Betroffenen) für den nicht unwahrscheinlichen Fall eines Therapieabbruchs. Ebenso selten wird eine Behandlung im Rahmen des Maßregelvollzugs angeordnet. Übereinstimmend wurden die gegenwärtigen Zustände innerhalb des Berliner Maßregelvollzugs als für Suchtkranke ungeeignet und kontraproduktiv beschrieben. Der praktische häufigste Fall einer Therapieaufnahme besteht im Wege des § 35 BtMG im Anschluss an die erfolgte Teilverbüßung einer Freiheitsstrafe. Eine zentrale Stellung nehmen dabei die bezirklich organisierten Drogenberatungsstellen ein, die regelmäßige Erstsprechstunden direkt in den Justizvollzugsanstalten anbieten. Sie unterstützen interessierte Häftlinge beim gesamten Antragsverfahren, das eine Drogenbehandlung im Rahmen des § 35 BtMG voraussetzt. Angefangen bei der Kostenübernahme koordinieren sie die Suche nach einem passenden Therapieplatz und stehen in permanentem Kontakt mit den Mitarbeitern bei der Justiz. Innerhalb dieses Prozesses gibt es jedoch eine Reihe von Faktoren, die sich negativ auf den Verlauf eines Antragsverfahrens auswirken können. Bereits in den

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Justizvollzugsanstalten können gegenwärtig für die vielen nicht deutschsprachigen Interessenten zu wenige Dolmetscher bereitgestellt werden. Zudem sind die allermeisten Therapiezentren aktuell personell (noch) nicht adäquat auf die Betreuung dieser Personengruppe vorbereitet. Bezüglich Antragstellern nach § 35 BtMG bestehen ohnehin seitens der Therapieeinrichtungen Vorbehalte. So wird es möglichst vermieden, diese aufzunehmen, da sie eine gewisse „Gefängnismentalität“ und Gewaltbereitschaft in die (Gruppen-)Therapie einbringen und überdies oft nur unter großen Anstrengungen zu motivieren sind. Sollte dennoch ein Therapieplatz gefunden worden sein, verzögert sich die Aufnahme der Behandlung nicht selten aufgrund der langen Dauer, die die Bescheidung des Zurückstellungsersuchens bei der Vollstreckungsbehörde in Anspruch nehmen kann (bis zu sechs Monate). Nicht ungewöhnlich ist es, dass die Antragsteller in der Zwischenzeit ihre ohnehin begrenzte Therapiemotivation verlieren und schließlich ein „Absitzen“ des Strafrests ohne Therapieaufnahme bevorzugen. Dass sich eine Entscheidung nach § 35 BtMG derart lange hinziehen kann, liegt (vergleichbar zum Verfahren bei Gericht) an der Masse der vorhandenen Anträge. Die Rechtspfleger haben aufgrund dessen kaum Zeit, Nachfragen zu den vorgelegten Dokumenten zu stellen, Gegenpositionen tiefergehend zu erörtern oder Nachforschungen zu unternehmen. Insofern bleibt ihnen praktisch oft gar keine andere Möglichkeit, als sich auf die Stellungnahme der Haftsozialarbeiter zu verlassen. Andererseits werden vor Erlass des Bescheids die jeweiligen Drogenberater grundsätzlich nicht konsultiert, obwohl sie durch ihren engen Kontakt mit dem Abhängigen wichtige Entscheidungshilfen sein könnten. Noch immer überwiegt im Verhältnis zwischen Therapie und Justiz das gegenseitige Misstrauen: während Therapiezentren und Drogenberatungsstellen in den Augen der Justiz als Gehilfen zur „Haftvermeidung“ wahrgenommen werden, stört man sich umgekehrt daran, seitens der Justiz „befehlsartige“ Anweisungen zu erhalten. In der Konsequenz können diese Vorbehalte zu erheblichen Nachteilen für den Antragsteller und schlimmstenfalls zur Verweigerung der Therapie führen. Bezüglich der Behandlung selbst hat es durch die Kostenträger in den vergangenen Jahren eine Entwicklung hin zu einer immer weitergehenden Verkürzung der Therapiedauer gegeben. Von den beteiligten Therapeuten wird allerdings bezweifelt, ob (Schwer-)Abhängige in der Lage sind, innerhalb der prinzipiell gewährten sechs Monate Vertrauen zu Betreuern und anderen Insassen zu fassen. Nach Schätzung der Therapieeinrichtungen schafft es auf diese Weise aktuell nur etwa ein Drittel der Behandlungsteilnehmer langfristig „clean“ zu bleiben. Diese Bewertung fällt dabei etwas optimistischer aus als die Einschätzung der Rechtspfleger, die von einer Widerrufsquote von 75 – 80 % aller Zurückstellungsverfahren nach § 35 BtMG ausgehen.

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(2) Ansatzpunkte für Verbesserungen Bereitschaft und Offenheit zur Effektivierung des gegenwärtigen Verfahrensablaufs bestanden bei allen Gesprächspartnern. Dabei wurden im Wesentlichen die nachfolgenden Ansatzpunkte genannt: – Verbesserung der personellen Ausstattung der Justiz (Entlastung der Richter und Staatsanwälte, Einstellung weiterer Haftsozialarbeiter), – Erhöhung der Attraktivität einer beruflichen Tätigkeit in der Therapie/bei Drogenberatungsstellen für junges Fachpersonal (Entlohnung und Planbarkeit), – Herabstufung bestimmter Straftaten (insbesondere von § 265 a StGB) zur Ordnungswidrigkeit, – Erfassung von Abhängigkeit schon als Teil des polizeilichen Ermittlungsprotokolls, bei festgestelltem erheblichem Drogenproblem Verweisung an spezialisierte Abteilungen bei Staatsanwaltschaft und Gericht, – Spezialisierung ausgewählter Rechtspfleger für die ausschließliche Bearbeitung von Anträgen nach § 35 BtMG und Sicherstellung einer angemessenen telefonischen/postalischen Erreichbarkeit, – Standardisierung der Berichte der Haftsozialarbeiter und verstärkte Einbeziehung der Anstaltsärzte bei der Beurteilung der medizinischen Situation der Inhaftierten, – Schaffung eines neuen Case Managements ggf. unter Einbeziehung der Sozialen Dienste der Justiz (Bewährungs- bzw. Gerichtshilfe), – Verlängerung der im Zuge der Kostenübernahme grundsätzlich gewährten Therapiedauer von sechs auf mindestens neun Monate, – optimierte Überleitung in Nachsorgemaßnahmen zur Therapie, insbesondere Erweiterung des Angebots im Bereich des betreuten Wohnens, – Bündelung aller vorhandenen Ressourcen unter Gewährleistung eines ehrlichen, gleichberechtigten und direkten Austauschs bei Weiterführung der halbjährlichen Koordinationstreffen zwischen Justiz und Therapie. b) Land Brandenburg Die Begutachtung der Behandlung drogenabhängiger Straftäter im Land Brandenburg erfolgte im ersten Halbjahr 2018 auf der Grundlage eines Antrags beim dortigen Kriminologischen Dienst. Trotz Vermittlung des OLG Brandenburg gelang es jedoch leider nur, jeweils einen Richter sowie einen Mitarbeiter der Sozialen Dienste der Justiz für ein entsprechendes Gespräch zu gewinnen, sodass die daraus erhaltenen Angaben zurückhaltend zu bewerten sind. Demgegenüber erklärten sich auf Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft mit Ausnahme der Strafverfolgungsbehörde in Neuruppin sämtliche Staatsanwalt-

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schaften der übrigen Landgerichtsbezirke Cottbus, Potsdam und Frankfurt (Oder) dazu bereit, an einem Interview mitzuwirken. Die Befragung bei den genannten Staatsanwaltschaften erfolgte jeweils gruppenweise, d. h. unter gleichzeitiger Beteiligung mehrerer Staatsanwälte bzw. Rechtspfleger. aa) Staatsanwaltschaften (1) Behördenstruktur Die Mehrzahl der bei den Staatsanwaltschaften anfallenden Ermittlungsverfahren wird nach geographischen Gesichtspunkten (AG-Bezirk) und Eingangsbuchstabe in einer der allgemeinen Abteilungen bearbeitet. Zum Aufgabenbereich zählen damit auch Beschaffungsdelikte. Diese Taten verbleiben selbst dann in den allgemeinen Abteilungen, wenn sich im Laufe des Verfahrens nachträglich ein Drogenbezug herausstellen sollte. Spezielle Abteilungen gibt es dagegen nur bezüglich organisierter und/oder schwerer Betäubungsmittelkriminalität, insbesondere soweit sie den Handel mit unerlaubten Substanzen betrifft. Zwischen 10 und 15 Rechtspfleger unterstützen die Staatsanwälte bei ihrer Arbeit. (2) Allgemeines Täterprofil Zwischen den einzelnen Strafverfolgungsbehörden gab es sehr starke Unterschiede, was die vorherrschenden Rauschgift-Substanzen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich betraf. Im Landgerichtsbezirk Cottbus habe man seit einigen Jahren vermehrt mit dem Transit von Crystal Meth zu kämpfen, der ausgehend von Tschechien über das südliche Brandenburg mit dem Ziel Berlin abgewickelt werde. Die Zahl der Betäubungsmitteldelikte sei dort seit 2010 (878) entgegen der allgemeinen Kriminalitätsrate stetig gestiegen (auf über 2.000 im Jahr 2017). Neben der Grenznähe liege dies auch in einer 2013 erfolgten Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs auf den Flughafen Schönefeld begründet. Ebenso habe die Erhöhung der Polizeikräfte und Angestellten beim Zoll dazu beigetragen, dass mehr Fälle als zuvor entdeckt wurden. Dominierend seien die Substanzen Cannabis762 (ca. 50 % aller Fälle) und Crystal Meth (ca. 30 %). Insbesondere bezüglich letzterer bestehe eine verbreitete Beschaffungskriminalität zur Finanzierung des kostenintensiven Konsums mittels Laden- und Fahrraddiebstählen sowie Einbrüchen in Gartenlauben. In Potsdam klagt man derweil über vergleichsweise viele Delikte im Zusammenhang mit Amphetamin aus dem Berliner Stadtgebiet. Zudem würden von Zeit zu 762

Im Land Brandenburg ist nach der „Richtlinie zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit dem Eigenverbrauch von Cannabisprodukten vom 15. August 2006“ eine „geringe“ Menge im Sinne des § 31 a BtMG bei Cannabisprodukten bis zu einer Obergrenze von 6 g (Bruttogewichtsmenge) anzunehmen.

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Zeit Cannabis-Plantagen entdeckt, die sich als Alternative zur komplizierter gewordenen Einfuhr aus den Niederlanden entwickelt hätten. Demgegenüber seien die im Landgerichtsbezirk Frankfurt (Oder) auftretenden Substanzen „bunt gemischt“. Es gebe keine Auffälligkeiten hinsichtlich einzelner Drogen. Die Deliktszahlen seien mit ca. 2.200 Verfahren jährlich zuletzt konstant geblieben, was vor dem Hintergrund des Personalabbaus bei der Polizei allerdings „in einem anderen Licht“ betrachtet werden müsse. Die Tätergruppe besteht in Brandenburg weit überwiegend aus deutschen Staatsangehörigen, insbesondere aus der sog. „Rockerszene“. Im Zuständigkeitsbereich der Potsdamer Staatsanwaltschaft gab es zudem einen bedeutenden Anteil von Osteuropäern (zumeist mit Deutschkenntnissen), während die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) auf einige Täter libanesischer Herkunft im Berliner Randgebiet hinwies. (3) Wege in die Therapie und Erfahrungen mit Rückfällen Die Cottbuser Staatsanwaltschaft stellte bereits im Vorlauf zum Gespräch klar, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich Zurückstellungen im Wege des § 35 BtMG mit ca. zwei jährlichen Verfahren die absolute Ausnahme darstellten. Dies liege zum einen darin begründet, dass die praktischen Hürden eines solchen Antrags generell sehr hoch seien. Nur soweit ein Angeklagter explizit nach Unterstützung frage, werde diese etwa durch Vermittlung einer Beratung beim Therapiedienstleister Tannenhof gewährleistet. Allerdings sei zu beachten, dass der infrage kommende, sich zwischen einer Verfahrenseinstellung und einer Verurteilung ohne Bewährung bewegende Täterkreis kaum existiere. Gleichfalls selten kämen die §§ 56, 56 c StGB in Betracht, da die hierzu gerichtlich verhängten Weisungen gelegentlich Mängel (Unbestimmtheit) aufwiesen und keine Klarheit bezüglich der effektiven Kontrolle solcher Therapien bestünde. Insbesondere sei die Kostenfrage im Hinblick auf ScreeningMaßnahmen nach wie vor unbeantwortet. Außerdem verfügten nur die wenigstens der Angeklagten über eine ausreichende Bereitschaft zur Aufnahme entsprechender Behandlungen, sodass zunächst justizieller Druck von Nöten sei. Auch seitens der Strafverteidiger werde dabei kaum Motivationsarbeit geleistet. Im Zweifel entscheide man sich innerhalb der Behörde folglich eher dafür, bei vorbestraften „Dauertätern“ statt der Einleitung einer Therapie weitere Delikte zu „sammeln“, um am Ende eine der Strafaussetzung zur Bewährung nicht zugängliche Strafe beantragen zu können. Bei den zugrundeliegenden Delikten handele es sich um ein „Massengeschäft“, sodass Effektivität vor individueller Betreuung stehe. In der Praxis weitaus relevanter sei eine Drogenabhängigkeit der Täter im Rahmen des § 64 StGB. Diese Norm werde seitens der Strafverteidiger häufig ins Spiel gebracht, um eine Entlassung zum Halbstrafezeitpunkt zu erreichen. Eine „Abhängigkeit“ der Mandanten fände meist erstmals in der Hauptverhandlung (und nicht bereits im Ermittlungsverfahren) Erwähnung. Eine ernsthafte Prüfung dieser (Schutz-)Behauptungen durch die zuständigen Gutachter erfolge jedoch nicht immer. Überdies

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werde diesen Personen aufgrund der Zentralisierung des Maßregelvollzugs in Eberswalde die Möglichkeit gegeben, ihr kriminelles Netzwerk zu pflegen und ggf. sogar weiter auszubauen. In Potsdam werde eine eventuelle Drogenabhängigkeit bereits im Rahmen der polizeilichen Vernehmung erfragt. Die Staatsanwälte sind dazu angehalten, diese Angaben zu berücksichtigen. § 37 BtMG finde in diesem Zusammenhang allerdings (noch) keine Anwendung, obgleich die Befragten die Norm durchaus für sinnvoll erachteten. In der Praxis relevant sei seit einigen Jahren zunehmend § 35 BtMG. Die Initiative gehe dabei meist sogar von den Betroffenen selbst oder in Kooperation mit ambulanten Diensten bzw. bei Haft mit den Sozialarbeitern der JVA aus. Eher selten seien Strafverteidiger an einem solchen Antrag federführend beteiligt. Gefördert werde diese Tendenz durch eine relativ tolerante Finanzierungspolitik der Rentenversicherungen. Es bestehe keine Höchstzahl an Therapieversuchen, sodass diese Versicherungen generell auch noch die Kosten eines dritten oder vierten Behandlungsversuchs übernähmen. Allerdings dürften Therapien nur an staatlich anerkannten Einrichtungen durchgeführt werden. Hierzu liegt der Staatsanwaltschaft eine ständig aktualisierte Liste zertifizierter Therapiezentren vor, die vier stationäre und etwa zehn ambulante Stellen umfasse. Vor Aufnahme einer stationären Behandlung seien Wartezeiten von vier bis sechs Wochen allerdings keine Seltenheit. Urinkontrollen würden aus Kostengründen nicht gerichtlich auferlegt. Nach Abschluss der Therapie können die Teilnehmer bei Bedarf in betreutes Wohnen überführt werden. Im Idealfall haben sie im Vorfeld hierzu auch eine Schuldnerberatung erhalten und Termine beim Jobcenter wahrgenommen. Die Beobachtungen bezüglich § 64 StGB deckten sich im Übrigen mit denen aus Cottbus. Bei schwereren Delikten werde in der Regel diese Norm angewandt. Ein besonderes Problem stellten dabei Gefälligkeitsgutachten dar, die durch von Strafverteidigern beauftragte Gutachter abgegeben würden. Bei einem solchen Verdacht müsse die Staatsanwaltschaft zunächst Widersprüche im Gutachten aufdecken, um die Bestellung eines Zweitgutachters zu erreichen. Die Situation im Maßregelvollzug sei dagegen ausgesprochen gut. Man habe nie irgendetwas Negatives gehört. Es stünden ausreichend Plätze zur Verfügung, die Qualität der Betreuung sei hoch und eine halbjährliche Stellungnahme erreiche die Rechtspfleger in zuverlässiger Weise. Aufgrund von Personalmangel sei es der Polizei in Frankfurt (Oder) nicht möglich, detaillierte Vernehmungen mit den Beschuldigten vorzunehmen. Oftmals würden Anhörungsbögen lediglich auf postalischem Wege versandt. § 37 BtMG wird ähnlich wie in Cottbus und Potsdam zwar für zweckgemäß befunden, jedoch im Ergebnis nie angewandt. Fälle des § 35 BtMG seien in Frankfurt (Oder) sehr selten (nur etwa sechs Mal jährlich). Ein Grund hierfür könnte sein, dass entsprechende Anträge oft infolge Nichtaufnahme von § 17 Abs. 2 BZRG in das Urteil wegen fehlenden Kausalzusammenhangs verneint würden. Auch die Strafverteidiger verfolgten nicht oft die Strategie des § 35 BtMG, sondern seien eher darauf bedacht, ihren Mandanten als „clean“ darzustellen und ihnen direkt eine Strafmilderung zu verschaffen. Gelegentlich engagiere sich die Gerichtshilfe bei der Unterstützung von

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an Therapiemaßnahmen interessierten Tätern. Eine Art „Hilfsbewusstsein“ sei jedoch weder bei Staatsanwaltschaft und Rechtspflegern noch bei den Einzelrichtern vorhanden. Zudem bestünde kein (informelles) Hilfsnetzwerk sozialer Träger, auf das sich unmittelbar zugreifen ließe. In den wenigen Fällen einer Zurückstellung werde die Kostenzusage zur Therapie aber stets erteilt. Die Teilnehmer stünden diese Behandlungen fast immer durch, scheiterten dann jedoch regelmäßig an den Defiziten des Übergangsmanagements. § 64 StGB komme häufiger in Verbindung mit alkoholbedingten Straftaten als mit Betäubungsmittelbezug vor. Die Bedingungen im Maßregelvollzug wurden als „ordentlich“ beschrieben. (4) Verbesserungspotenziale Vergleichbar zu den Gesprächen in Berlin bezogen sich die von den Beteiligten geäußerten Verbesserungsschläge im Wesentlichen auf personelle Aspekte, wenngleich die Forderungen dabei deutlich moderater ausfielen. Befragte aus allen Staatsanwaltschaften sahen Engpässe im Personal daher eher weniger innerhalb der eigenen Behörde als vielmehr bei der Polizei und den Gerichten. In Potsdam hätte man zur Verfahrensbeschleunigung so am liebsten zwei zusätzliche große Strafkammern oder gar eine separate Kammer für Rauschgiftsachen. In Frankfurt (Oder) verwies man darauf, dass der gerichtliche Arbeitsstau aktuell ca. 1,5 Jahre betrage. Man müsse sich daher überlegen, ob es nicht vielleicht sinnvoll sei, die StPO zu vereinfachen und den Instanzenzug für bestimmte Verfahren abzukürzen. Kritik wurde in diesem Zusammenhang auch an den engen zeitlichen Vorgaben nach „PEBB§Y“ geäußert, die zumindest nicht weiter verschärft werden sollten. Lange Wartezeiten auf verfahrensrelevante Sachverständigengutachten, beispielsweise hinsichtlich der Feststellung von NPS, stellten in Cottbus ein praktisches Problem dar. Das bei der Polizei aktuell (noch) vorhandene Personal sei einerseits überlastet, andererseits aber auch nicht immer ausreichend für die zugewiesenen Aufgaben ausgebildet. Als Konsequenz daraus resultierten neben einer hohen Ziffer nicht aufgedeckter Delikte auch zahlreiche staatsanwaltschaftliche Einstellungen infolge mangelhafter polizeilicher Zuarbeit. In Cottbus wünschte man sich bezüglich Crystal Meth zudem eine intensivere Aufklärungsarbeit der Polizei an Schulen und berufsbildenden Einrichtungen. bb) Strafgerichte Am AG Cottbus arbeiteten zur Zeit der Befragung fünf Strafrichter mit jeweils gemischter Zuständigkeit. Die Zuteilung der Verfahren erfolgte dabei alphabetisch. Der befragte Einzelrichter gab an, dass es sich bei den am AG verhandelten Taten mit Drogenbezug fast ausschließlich um deutsche Staatsangehörige handele. Häufig und über alle Bevölkerungsschichten hinweg kämen insbesondere Besitz- und Be-

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schaffungsdelikte im Zusammenhang mit Crystal Meth vor. Dies deckt sich mit den vorstehenden Erfahrungen der dortigen Staatsanwaltschaft. Die Überprüfung einer eventuellen Drogenabhängigkeit erfolge durch das Gericht immer dann, wenn bestehende Vorstrafen dies nahelegten. Einen entsprechenden, vorherigen Aktenvermerk durch Polizei oder Staatsanwaltschaft gebe es nicht. Inwieweit ein Angeklagter tatsächlich drogensüchtig sei, ließe sich überdies in Anbetracht des Sachverständigenmangels nur schwer feststellen, sodass es für gewöhnlich bei einer Prüfung seiner Angaben auf Schlüssigkeit hin bliebe. Die Strafverteidiger setzten sich, wohl aufgrund einer Abwägung zwischen Aufwand und Verdienst, im Übrigen eher selten für eine Therapie ein und wollten allenfalls eine Einstellung des Verfahrens oder die verminderte Schuldfähigkeit ihres Mandanten herbeiführen. Anträge nach § 35 BtMG würden am AG Cottbus überaus selten gestellt (nur ungefähr zweimal jährlich). Dies liege wahrscheinlich darin begründet, dass die Antragstellung relativ komplex und die Suche nach einem passenden Therapieplatz sowie der Erhalt einer Kostenzusage ohne Mitwirkung eines kompetenten Dritten für die Verurteilten kaum zu bewerkstelligen sei. An sich wäre an dieser Stelle die Einschaltung einer Art „Betreuer“ notwendig. Allerdings gebe es für Erwachsene leider keine Institution, die Aufgaben vergleichbar der Jugendgerichtshilfe wahrnehme. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung als Jugendrichter lobte der Interviewpartner deren Arbeit ausdrücklich: 90 bis 95 % der Angeklagten nähmen diese tatsächlich auch in Anspruch und viele erfüllten die dortigen Auflagen. § 37 Abs. 2 BtMG war dem befragten Richter in der Praxis überhaupt noch nicht untergekommen und aus diesem Grund auch nicht geläufig. Die Erteilung von Therapieweisungen im Rahmen einer Bewährungsstrafe (§§ 56, 56 c StGB) scheitere meist an der fehlenden Freiwilligkeit des Angeklagten. Zudem berge dieser Weg das Risiko der unmittelbaren Inhaftierung des Täters für den (nicht unwahrscheinlichen) Fall eines Therapieabbruchs. Hinsichtlich einer Kontrolle solcher Auflagen mittels Drogenscreening bestünde außerdem keine Klarheit über die Kostentragung. Das Gericht sei aktuell daher grundsätzlich nicht weiter an Therapiemaßnahmen beteiligt und werde auch nicht über deren Ausgang unterrichtet. Zur Verbesserung der Situation empfahl der Interviewte die Bereitstellung größerer Ressourcen für das Übergangsmanagement und eine Dezentralisierung der Maßnahmen zur Verkürzung der Wege für alle Beteiligten. Zudem regte er die Einstellung mehrerer neuer Sachverständiger an. Man solle auch darüber nachdenken, die Bewährungshilfe vermehrt als Gerichtshilfe einzusetzen und dort etwa die Stelle eines „Betreuungshelfers“ schaffen, der Hilfe in besonderen Lebenslagen wie der Drogenabhängigkeit leisten könne.

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cc) Soziale Dienste der Justiz Die Sozialen Dienste der Justiz sind im Land Brandenburg innerhalb der vier Landgerichtsbezirke auf insgesamt 20, weitestgehend unabhängig arbeitende Dienststellen verteilt.763 Das OLG Brandenburg fungiert dabei als unmittelbare Dienst- und Fachaufsichtsbehörde, die bei ggf. auftretenden, strukturellen Problemlagen eingreifen kann. Größere Dienstsitze bestimmen unter ihren Mitarbeitern einen ehrenamtlichen Sprecher, der insbesondere als direkter Ansprechpartner des OLG dient. Die Sozialarbeiter und -pädagogen der Sozialen Dienste sind in Brandenburg nicht auf einzelne Fachbereiche spezialisiert, sodass grundsätzlich jeder von ihnen sowohl Aufgaben der Bewährungshilfe als auch der Gerichtshilfe und des Täter-Opfer-Ausgleichs übernimmt. Im Rahmen der Erfüllung dieser Aufgaben unterstehen sie der fachlichen Weisungsbefugnis durch Gericht und Staatsanwaltschaft. In der Praxis sind die Sozialen Dienste in ihrer Funktion als Bewährungshilfe mit der Umsetzung gerichtlicher Therapieweisungen nach §§ 56, 56 c StGB befasst. Eine Einbindung in Antrag und Verfahren der Strafzurückstellung nach § 35 BtMG findet dagegen äußerst selten statt, meist erst bezüglich eines Strafrestes. Die Zusammenarbeit mit den Therapiezentren und Drogenberatungsstellen wird dabei als sehr positiv beschrieben. Viele Mitarbeiter in diesem Bereich würden sich schon seit vielen Jahren kennen, sodass Angelegenheiten mitunter auf dem „kurzen Dienstweg“ erledigt werden könnten. Die Kooperation mit den justiziellen Organen gestalte sich dagegen „schwergängiger“. Bei der Vorgehensweise bezüglich drogenabhängiger Straftäter gebe es noch immer keinen „eingespielten Algorithmus“. So sei oft nicht klar, wer genau was, wann und wo beantragen müsse. Die Überlastungssituation bei Gericht führe zudem dazu, dass die zuständigen Richter oft keine zeitlichen Ressourcen für ggf. notwendige Anpassungen von Therapieweisungen hätten und die Bewährung ohne jedweden vorherigen Austausch mit den Sozialen Diensten widerriefen. Die zuvor verhängten Weisungen (insbesondere bezüglich des Drogenscreenings) seien überdies gelegentlich zu unkonkret und in der Praxis organisatorisch kaum umsetzbar. Auch in der Zusammenarbeit mit den Rechtspflegern würde ein gelegentlich bezüglich der jeweils eigenen Zuständigkeitssphäre vorgetragenes „Geltungsbedürfnis“ einer Beschleunigung mancher Verfahren im Wege stehen. Nicht zu übersehen sei, dass viele Mitarbeiter der Sozialen Dienste inzwischen den überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit mit administrativen Aufgaben anstatt des persönlichen Kontakts zu den Klienten verbrächten. Zu diesen Tätigkeiten gehöre die Qualitätssicherung, statistische Erfassungen, Aktenpflege und risikoorientierte Bedarfsermittlung. 763 Vgl. Ausführungsverordnung zu Aufgaben und Organisation der Sozialen Dienste der Justiz im Land Brandenburg vom 30. 07. 2007. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.)

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Verbesserungspotenziale wurden daher zunächst bezüglich der personellen Ausstattung der Dienststellen gesehen. Zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Justiz und Therapie sollte man zudem überlegen, Helferkonferenzen vergleichbar zum Jugendstrafverfahren einzuführen. Trotz der an sich guten Therapiesituation sei es gelegentlich kompliziert, eine schnelle Krisenintervention (z. B. Entgiftung) durchzuführen. Bedenklich sei daneben auch die bedrohlich ausgedünnte Bewerberlage in vielen Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg. Im Bereich des Übergangsmanagements behindere dagegen an Dienstsitzen im Großraum Berlin insbesondere die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt eine Vermittlung der Klienten in angemessene Wohnverhältnisse. Hierfür sollten breitere Kontingente geschaffen werden. dd) Zwischenergebnis (1) Aktueller Praxisstand Wenngleich der Erkenntnisgewinn im Vergleich zu den in Berlin geführten Gesprächen geringer ausfiel, ergaben sich aus den Brandenburger Befragungen dennoch einige wichtige zusätzliche Gesichtspunkte. Zunächst gibt es gegenwärtig zwischen den einzelnen Strafverfolgungsbehörden starke Unterschiede, was die vorherrschenden Rauschgiftsubstanzen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich betrifft. Während im Cottbuser Raum aufgrund der Nähe zu den tschechischen Laboren Crystal Meth überproportional häufig vertreten ist, trifft dies im Potsdamer Gebiet auf Amphetamine aus Berlin zu. Innerhalb der Staatsanwaltschaften gibt es indes spezielle Abteilungen, wenn überhaupt, nur bezüglich organisierter und/oder schwerer Betäubungsmittelkriminalität. Bei diesen Verfahren kann die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angezeigt sein, soweit eine ernsthafte Drogenabhängigkeit glaubhaft gemacht bzw. gutachterlich dargelegt werden kann. Leichtere Delikte werden demgegenüber auch bei Drogenbezug in allgemeinen Abteilungen behandelt. Zwischen den einzelnen Staatsanwaltschaften bestehen zum Teil erhebliche Abweichungen in der Anwendungspraxis bezüglich § 35 BtMG. Gebräuchlich ist eine solche Zurückstellung im Prinzip nur in Potsdam. Dort werden Tatverdächtige bereits bei der polizeilichen Vernehmung nach einer eventuell vorliegenden Drogenabhängigkeit befragt, sodass dies im weiteren Verlauf des Verfahrens berücksichtigt werden kann. Die Antragstellung gemäß § 35 BtMG wird sodann durch lokale Drogenberatungsstellen sowie die beteiligten Haftanstalten begleitet. Eine Kostenübernahme für die Therapie in einer der staatlich zertifizierten Einrichtungen ist in der Regel unproblematisch zu erhalten. Kurze Wartezeiten können bezüglich der Aufnahme einer stationären Behandlung auftreten. Eine Überführung in umfassende Nachsorgemaßnahmen ist ebenfalls vorgesehen. Davon abweichend findet § 35 BtMG in den Landgerichtsbezirken Cottbus und Frankfurt (Oder) nur äußerst selten Anwendung. Die Ursachen hierfür sind viel-

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schichtig. Zunächst erfolgt im Gegensatz zur Praxis in Potsdam keine frühzeitige Registrierung einer ggf. bestehenden Abhängigkeit mittels Aktenvermerk. In Anbetracht der knappen personellen Ressourcen und der Vielzahl von Fällen wird seitens der Staatsanwaltschaften der zumindest kurzfristig effektiver und unbürokratischer erscheinende Weg einer Verurteilung samt Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bevorzugt. Alternativ hierzu werden bei sog. „Dauertätern“ anstelle einer Therapie weitere Straftaten zur abschließenden Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zusammengefasst. Die Strafverteidiger sind statt eines Zurückstellungsantrags vordergründig darauf bedacht, eine Verfahrenseinstellung zugunsten ihrer Mandanten zu erhalten. Zudem sind die (informellen) sozialen Hilfsnetzwerke aufgrund der zwischen den Beteiligten bestehenden, räumlichen Distanzen eher schwach ausgeprägt. Sowohl die motivationale Arbeit als auch die Hilfestellung beim Antragsverfahren werden dadurch erschwert. Auch bei den Gerichten kann vor dem Hintergrund der Vielzahl der Verfahrenseingänge keine umfassende Einzelfallprüfung vorgenommen werden. Erschwerend kommt der Mangel an Sachverständigen und die Tatsache hinzu, dass die beteiligten Richter sich mit Verfahren aus allen Teilen des Strafrechts konfrontiert sehen. Fälle einer Therapieaufnahme im Rahmen einer Bewährung (§§ 56, 56 c StGB) sind ebenso selten wie unter vorläufiger Einstellung des Verfahrens nach § 37 Abs. 2 BtMG. Eine weitere Beteiligung der Gerichte an der Überwachung des Therapieprozesses ist damit grundsätzlich ausgeschlossen. Die Situation im Maßregelvollzug stellt sich indes positiv dar. Mittels der aktuell zur Verfügung stehenden Plätze kann die vorhandene „Nachfrage“ abgedeckt und eine professionelle Betreuung der Insassen sichergestellt werden. Probleme wurden allerdings in der Zentralisierung des Maßregelvollzugs und der vergleichsweise „geringen“ Abbruchquote gesehen, die auf eine zu tolerante Gewährung des § 64 StGB hinweisen können. Die Sozialen Dienste der Justiz spielen aktuell hauptsächlich im Bereich der Bewährungshilfe eine Rolle, soweit es um die Durchsetzung von Therapieweisungen nach §§ 56, 56 c StGB geht. Hier besteht das Problem, dass die Gerichte, wenn sie auf diese Rechtsgrundlage zurückgreifen, oft keine ausreichenden zeitlichen Ressourcen zur angemessenen Steuerung dieser Fälle besitzen und die eigentlichen Potenziale der Bewährungshelfer kaum nutzen (können). (2) Ansatzpunkte für Verbesserungen Fortschritte bezüglich der aktuellen Verfahrensweise verspricht man sich in Brandenburg insbesondere durch: – Verbesserung der personellen Ausstattung und Ausbildung der Polizei, – Intensivierung der Aufklärungsarbeit an Schulen, – Reduzierung der gerichtlichen Bearbeitungszeiten durch Schaffung zusätzlicher Strafkammern bzw. Verkürzung des Instanzenzuges,

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– schnellere Erhältlichkeit von Sachverständigengutachten, – Einbeziehung der Gerichtshilfe zur Unterstützung drogenabhängiger Angeklagter, – klarere Kompetenzverteilung zwischen den beteiligten Akteuren und vertiefte Kooperation, – Dezentralisierung von Maßnahmen des Übergangsmanagements und kürzere Wege zwischen den Verfahrensbeteiligten.

c) Zusammenfassung Die Ergebnisse der „Hamburger Studie“764 wurden im Zuge der praktischen Untersuchungen in beiden Bundesländern im Wesentlichen bestätigt. Auch in Berlin und Brandenburg gehört die vorläufige Einstellung eines Verfahren gegen Aufnahme einer Drogentherapie (§ 37 BtMG) grundsätzlich nicht zum alltäglichen gerichtlichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Repertoire. Das größte Hindernis besteht dabei allerdings wohl darin, dass die Norm den meisten der beteiligten Juristen in ihrer praktischen Reichweite noch unbekannt ist. Eine Therapieaufnahme im Rahmen der §§ 56, 56 c StGB scheitert demgegenüber für gewöhnlich am Fehlen einer positiven Kriminalprognose. Ebenso trifft es zu, dass § 64 StGB und mit Abstrichen § 35 BtMG die in der Praxis relevantesten Rechtsgrundlagen für die Therapierung drogenabhängiger Straftäter darstellen, wenngleich eine statistische Auswertung entsprechender Daten in Berlin und Brandenburg bislang nicht erfolgt. Auch in den beiden begutachteten Bundesländern hat sich die Verkürzung der Dauer stationärer Therapien generell negativ auf das Ergebnis der Drogenbehandlungen ausgewirkt. Andererseits ist die Finanzierungsbereitschaft der Kostenträger für wiederholte Therapieaufnahmen grundsätzlich ebenfalls gegeben. Das Problem von Wartezeiten stellt sich in Brandenburg infolge ausreichend vorhandener stationärer Therapieplätze überdies bislang kaum. In Berlin liegen derartige Verzögerungen bei der Therapieaufnahme nach § 35 BtMG meistens darin begründet, dass zwischen Antragstellung und entsprechender Bescheidung infolge der Überlastung der Rechtspfleger leicht mehrere Monate vergehen können. Wie aus den vorstehenden Ausführungen ersichtlich wird, bestehen mit Blick auf den Weg drogenabhängiger Straftäter in Therapiemaßnahmen allerdings sowohl zwischen den beiden Bundesländern als auch innerhalb des Landes Brandenburg selbst erhebliche Unterschiede. Der Hauptgrund für die vorhandenen Diskrepanzen liegt zunächst in der Anzahl der anfallenden Verfahren sowie dem dazugehörigen Täterprofil. Während in Brandenburg drogenbezogene Delikte in einem überschaubaren Maß vorkommen 764

Siehe III., 3., e), ff), (2), (a).

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und wenn, dann von deutschen Staatsangehörigen verübt werden, treten derartige Delikte in Berlin massenhaft auf und werden zumeist durch nichtdeutsche Straftäter begangen. Die bestehenden sprachlichen Barrieren führen, u. a. durch die Notwendigkeit der Bereitstellung von Dolmetschern, zu arbeitsaufwändigeren Verfahren und damit letztlich zu einer Verknappung der justiziellen Ressourcen. Die personelle Ausstattung der Brandenburger Justiz kann generell als dem Fallaufkommen angemessener beschrieben werden. Eine bewusste Selektion der Verfahren im Sinne der Berücksichtigung eines Drogenbezugs findet aktuell nur in Potsdam statt. Dort ist die Frage nach einer der Tat eventuell zugrundeliegenden Abhängigkeit bereits Teil des polizeilichen Ermittlungsprotokolls und kann somit im weiteren Verlauf beachtet werden. Die Abwicklung der Verfahren erfolgt in Brandenburg indes mittels allgemeiner Abteilungen. Die Berliner Justiz verfügt dagegen für Fälle der Betäubungsmittelkriminalität über Spezialabteilungen bei Staatsanwaltschaft und Gericht, die sich allerdings nicht für Verfahren der Beschaffungskriminalität zuständig zeichnen. Zudem findet dort innerhalb der Staatsanwaltschaft eine Trennung zwischen der Fallermittlung und Anklage sowie Strafvollzug (samt Strafzurückstellung nach § 35 BtMG) statt. § 35 BtMG gehört in Berlin zum „täglichen Geschäft“ der Strafjustiz, während Zurückstellungen nach § 35 BtMG in Brandenburg (mit Ausnahme Potsdams) aus verschiedensten Gründen so gut wie überhaupt nicht praktiziert werden. Im Land Brandenburg existiert grundsätzlich kein Verfahrensmechanismus, der § 35 BtMG als den Standardweg für drogenabhängige Straftäter in Therapiemaßnahmen vorzeichnet. Auffällig war zudem, dass sich die Qualität der Betreuung, die im Rahmen des jeweiligen Maßregelvollzugs angeboten werden kann, zwischen Berlin und Brandenburg signifikant unterscheidet. So lässt es die personelle Ausstattung der Berliner Einrichtungen gegenwärtig nicht zu, dort nachhaltige Therapiemaßnahmen durchzuführen. Als Konsequenz der intensiveren praktischen Relevanz drogenbezogener Kriminalität innerhalb der Strafjustiz, fiel die Liste möglicher Verbesserungspotenziale in Berlin vergleichsweise lang aus. Vordringlichster Wunsch war es, zusätzliches Personal zu erhalten, die Zuständigkeitsbereiche effektiver zu strukturieren und eine bessere Vernetzung zwischen Therapie und Justiz sicherzustellen. In Brandenburg spielten personelle Aspekte hauptsächlich mit Bezug auf die Ausstattung der Polizei und die Konsultierung von Sachverständigen eine Rolle. In beiden Bundesländern sah man es als nützlich an, eine beim Täter ggf. vorhandene Drogenabhängigkeit möglichst frühzeitig im Verfahren festzustellen. Raum für Verbesserungen wurden länderübergreifend auch in der Ausgestaltung des Case Managements und der Nachbetreuung erfolgreich therapierter Straftäter gesehen.

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5. Bewertung der Situation drogenabhängiger Straftäter in Deutschland An die Beurteilung der „Drug Courts“ in den Ländern USA, Chile und Belgien anknüpfend soll zum Abschluss des Kapitels III auch die aktuelle Situation drogenabhängiger Straftäter in Deutschland anhand der eingangs vorgestellten zwölf UNODC-Erfolgsfaktoren für gerichtlich geleitete Therapien bewertet werden. Obwohl in der hiesigen Rechtspraxis noch kein solches Modell existiert, bietet es sich an, die gegenwärtigen Zustände ebenfalls nach Maßgabe dieser Kriterien zu beurteilen. Zum einen kann auf diese Weise ein einheitlicher Vergleichsmaßstab innerhalb der vorliegenden Abhandlung gewährleistet werden. Andererseits lassen sich so deutlicher die vorhandenen Reserven im Hinblick auf eine „therapiefreundlichere“ Verfahrensausgestaltung herausarbeiten. a) Wirkungsvolle richterliche Führung Der richterliche Einfluss auf Verfahren mit Bezug zu einer Drogenabhängigkeit ist in der deutschen Rechtspraxis aus verschiedensten Gründen begrenzt. Zunächst findet durch die Ermittlungsbehörden grundsätzlich keine bewusste Auswahl dieser Fälle statt. Daher kann selbst dann, wenn ein Gericht über Spezialabteilungen für Drogenabhängige verfügt, nicht gewährleistet werden, dass alle Angeklagten einem in Suchterkrankungen geschulten Richter zugeordnet werden. Gerade bei Verfahren, die Beschaffungskriminalität zum Gegenstand haben, kann dies weitreichende Folgen nach sich ziehen. Den hierbei zuständigen Richtern aus den allgemeinen Abteilungen mangelt es dabei nicht an der notwendigen Empathie bezüglich der Situation der Angeklagten, die vor ihnen erscheinen. Jedoch wird ein Richter, der weder über die Gesamtheit der gesetzlich bestehenden Therapiealternativen im Bilde ist, noch Übung in deren Anwendung hat, Schwierigkeiten haben, im Einzelfall die dem Wohle der Person dienlichste Entscheidung zu treffen. Das kann dazu führen, dass ein drogenabhängiger Straftäter nicht die an sich erforderlichen therapeutischen Maßnahmen erhält oder voreilig (aufgrund eines einmaligen Rückfalls) von Therapiemaßnahmen ausgeschlossen wird. Umgekehrt besteht durch eventuelle Unsicherheiten bei Gericht die Gefahr, dass sich Angeklagte durch geschickte rechtliche Vertretung eine mildere Bestrafung samt Therapie „erschleichen“ können, ohne einer Behandlung tatsächlich zu bedürfen. In der Praxis kann es infolge der Arbeitsüberlastung einiger Gerichte und des Mangels an Sachverständigen vorkommen, dass allein die Angaben des Verurteilten oder bloße Gefälligkeitsatteste genügen, um eine (angebliche) Drogenabhängigkeit nachzuweisen. Generell fällt die gerichtliche Beteiligung am Therapieprozess in Deutschland sehr überschaubar aus. § 56 f Abs. 2 StGB verleiht dem Gericht durch die Kompetenz zur Erteilung weiterer Weisungen bzw. zur Verlängerung der Bewährungszeit zwar eine Gestaltungsmöglichkeit bezüglich des jeweiligen Therapieverlaufs. Jedoch kann eine Therapieweisung nach §§ 56, 56 c StGB in Ermangelung einer positiven Kriminalprognose praktisch überhaupt nur in seltenen Fällen ausgesprochen werden.

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Die übrigen Normen mit Therapiebezug (insbesondere § 35 BtMG) sehen dagegen allenfalls die formale Bestätigung staatsanwaltlicher Anträge durch das Gericht vor und belassen die Überwachung des Therapiefortschritts bei der Vollstreckungsbehörde. Lediglich im Rahmen des § 37 Abs. 2 BtMG sind die Richter persönlich dazu aufgerufen, vom Angeklagten quartalsweise Nachweise für die Fortführung seiner Behandlung einzufordern. Angesichts der Überlastung vieler Gerichte überrascht es allerdings nicht, dass sich nur wenige Richter eine solche zusätzliche Arbeitsbelastung aufbürden möchten oder überhaupt können. Dieser Umstand resultiert in weiterer Konsequenz darin, dass sich bei Gericht kaum grundlegende Kenntnisse über die täglich in den Therapiezentren stattfindende Arbeit aufbauen und überdies keine weitergehende Vernetzung zwischen den beiden Arbeitswelten stattfindet. Dies ist umso bedauerlicher, als es gerade die richterliche Unabhängigkeit erlauben würde, die unter den Parteien vorhandenen Partikularinteressen unvoreingenommen zu bewerten und als „Motor des Verfahrens“ zusammen zu führen. b) Starke interdisziplinäre Zusammenarbeit Innerhalb der deutschen Justiz ist es gegenwärtig nicht gebräuchlich, die Resozialisierung drogenabhängiger Straftäter als gemeinsame, bereits mit der polizeilichen Erstbefragung eines Tatverdächtigen beginnende Aufgabe zu verstehen. Es wird bislang ein eher konservativer Ansatz verfolgt, der auf einem traditionellen beruflichen Rollenverständnis beruht. Jeder Verfahrensbeteiligte identifiziert sich demgemäß sehr stark mit der eigenen Behörde oder Vereinigung. Es dominiert eine gewisse Skepsis gegenüber der Arbeitsweise und den (mutmaßlichen) Interessen des jeweils anderen, sodass eine fortlaufende, zweckdienliche Kommunikation nur rudimentär stattfindet. Dabei wird regelmäßig verkannt, dass die Bereitschaft zur Zusammenarbeit untereinander nicht mit der Aufgabe der jeweils zugewiesenen Verfahrensrolle einhergehen muss. Im Rahmen eines zuverlässigen und professionellen Austauschs ist es keinesfalls untersagt, unterschiedliche Positionen zu vertreten und diese ggf. auch aufrecht zu erhalten. Weitaus problematischer ist es hingegen, wenn wenig bis gar keine Kommunikation stattfindet und gegenseitiges Misstrauen das Verfahren selbst in an sich unproblematischen Fällen lähmt. Entscheidend ist es daher, eine solche Kooperationsbereitschaft unter den Beteiligten zu wecken und im weiteren Verlauf stetig zu verfestigen. Ein solcher Austausch sollte auf gleichberechtigter Ebene geführt werden und selbstverständlich Vorteile für alle involvierten Parteien mit sich bringen. Diese können von der Schaffung eines positiveren Arbeitsklimas bis hin zu einer schnelleren Abwicklung der Verfahren reichen. Zudem bietet es sich an, vergleichbar zu den Erfahrungen der „Drug Courts“ in den begutachteten ausländischen Rechtssystemen, eine zusätzliche Verbindungsstelle zwischen Justiz und Therapie zu schaffen. Die dort beschäftigten Case Ma-

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nager könnten die Verfahrensbeteiligten (insbesondere die Rechtspfleger, Sozialen Dienste der Justiz) entlasten, indem sie ihnen lästige administrative Kleinarbeit abnehmen und zudem als Ansprechpartner für die Therapieteilnehmer bereitstehen. Des Weiteren könnte die Schaffung einer solchen unabhängigen Stelle dazu beitragen, Vorbehalte und Spannungen zwischen den Parteien des Verfahrens zu verringern. Eine Drogentherapie, ganz gleich auf welcher Rechtsgrundlage sie fußt, sollte von einem regelmäßigen Austausch der beteiligten Akteure begleitet werden. Mit Blick auf die aktuell in der praktischen Umsetzung von § 35 BtMG bestehenden Hindernisse und das insbesondere zwischen den Strafvollstreckungsbehörden und Rehabilitationseinrichtungen vorhandene Konfliktpotenzial bietet es sich an, die jeweiligen Aufgabenbereiche und Befugnisse vor Beginn einer solchen Zusammenarbeit verbindlich festzulegen. Ein Arbeitskreis, gebildet aus Vertretern der lokalen Justiz und Therapie, könnte diese Funktion übernehmen.765 Bezüglich der umstrittenen Berichtspflicht im Rahmen des § 35 BtMG sollte dabei ein „Mittelweg“ angestrebt werden, der den Strafvollstreckungsbehörden eine angemessene Überwachung der Therapie erlaubt, ohne das Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Klient über Gebühr zu belasten. Wichtig ist es auch, die notwendige Dokumentation auf das hierfür erforderliche Mindestmaß zu beschränken, um beiderseits Arbeitsressourcen zu schonen. c) Guter Wissensstand über Abhängigkeit, Therapie und Heilung Der vorstehend beschriebene Umstand, dass die Arbeitsbereiche Therapie und Justiz gegenwärtig nur zu einem Mindestmaß miteinander kooperieren, führt indirekt auch dazu, dass Kenntnisse über den Arbeitsalltag des jeweils anderen kaum vorhanden sind. Die Teilnahme an Schulungen, die ein solches Wissensdefizit ausgleichen könnten, ist derzeit nicht verpflichtend vorgeschrieben. Zudem ist die Mehrzahl der involvierten Juristen nicht exklusiv mit Verfahren gegen Drogenstraftäter befasst, sodass hierfür zunächst eine inhaltbezogene Neustrukturierung erfolgen müsste. Bestehende Unkenntnis in der Justiz kann, wie bereits erläutert, darin münden, dass die Hilfsangebote unter Umständen dem „falschen“ Personenkreis zugeteilt werden. Von erheblichem Vorteil wäre es daher, wenn die beteiligten justiziellen Akteure über vertiefte Kenntnisse in der Suchtthematik verfügten und diese insbesondere im Rahmen der gerichtlichen Anhörung des Angeklagten anwenden könnten. Umgekehrt sollten die Mitarbeiter aus Therapie und Drogenberatung ein besseres Verständnis für die Arbeitsabläufe innerhalb der Justiz entwickeln. Hierbei sollte allerdings beachtet werden, dass die Betreuung drogenabhängiger Straftäter nach § 35 BtMG vielerorts nicht den Hauptteil der therapeutischen Arbeit ausmacht. 765 Ein solcher Arbeitskreis existiert in Berlin bereits unter Leitung der Senatsverwaltung für Justiz.

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d) Verfahrenshandbuch für Beständigkeit und Effizienz Die für den Umgang mit drogenabhängigen Straftätern in Deutschland bestehenden gesetzlichen Regelungen (§§ 56, 56 c StGB, § 64 StGB, § 35 BtMG, § 37 BtMG) sind bereits vergleichsweise detailliert gefasst und überdies ausreichend mit Kommentarliteratur unterlegt. Anbieten würde es sich dennoch, diese Normen auf lokaler Ebene mittels eines institutionenübergreifend abgestimmten Verfahrenshandbuchs weiter zu konkretisieren. Ähnlich zum Problem der Bestimmung einer „geringen Menge“ im Sinne des § 31 a BtMG könnte auf diese Weise unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten verbindlich festgelegt werden, wem Therapiemaßnahmen am ehesten zukommen sollten, welche grundlegenden Verfahrensschritte bzw. -alternativen existieren und wer dabei welche Aufgaben übernimmt. Eine solche Vereinbarung könnte zudem helfen, den Kooperationswillen der beteiligten Akteure nachdrücklich zu manifestieren. Daneben würde es auch den Verurteilten selbst helfen, die Anforderungen des Verfahrens nachzuvollziehen und die Konsequenzen ihres eigenen Handelns vorherzusehen. e) Klare Auswahlkriterien Die Festlegung des passenden Teilnehmerkreises stellt einen entscheidenden Faktor für die Effizienz des Vorgehens gegenüber drogenabhängigen Straftätern dar. Die Herausforderung dabei ist es, auf der einen Seite net-widening-Effekte und damit Überbetreuung bezüglich Tätern „kleinerer“ Delikte zu vermeiden, andererseits Schwerkriminellen nicht grundsätzlich den Zugang zu Hilfsangeboten zu verwehren. Die Frage, welche Straftäter in Deutschland eine Drogentherapie bekommen dürfen, hat der Gesetzgeber grundsätzlich im Wege der Zwei-Jahres-Grenze beantwortet. Der Zugang zu einer Behandlung ist im Fall einer Verurteilung von über zwei Jahren Freiheitsstrafe zunächst nur im Rahmen des § 64 StGB eröffnet. Unter den gemäß §§ 35, 36 BtMG gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen766 bietet es sich für die Betroffenen alternativ lediglich an, zuerst einen Teil der Freiheitsstrafe tatsächlich zu verbüßen, um dann bezüglich der verbleibenden Reststrafe eine Zurückstellung unter Therapieaufnahme zu beantragen. Für alkoholabhängige Täter bietet sich die letztgenannte Möglichkeit im Übrigen nicht. Positiv zu erwähnen ist hingegen, dass hierzulande ein Antrag nach § 35 BtMG samt Therapie mehrfach gestellt und genehmigt werden kann. Wenngleich aufgrund der Zwei-Jahres-Grenze bestimmte Deliktsgruppen für die Zurückstellung praktisch selten in Frage kommen, gibt es zumindest keinen generellen Therapieausschluss für Gewalttäter, wie er an vielen US-amerikanischen „Drug Courts“ besteht.

766

Zur grundsätzlichen Nachrangigkeit des § 35 BtMG vgl. B., III., 3., e), aa).

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Eine objektive Überprüfung dieser gesetzlichen Alternativen findet gegenwärtig allerdings nicht automatisch von Amts wegen statt, sondern fast ausschließlich auf Wunsch des Angeklagten bzw. von dessen Verteidiger im Rahmen der gerichtlichen Hauptverhandlung. f) Detaillierte Bedarfsanalyse Die Analyse des jeweils vorhandenen Therapiebedarfs unterfällt momentan der Zuständigkeit der Drogenberatungsstellen. Problematisch ist dies in vielerlei Hinsicht. Zunächst melden sich nicht alle Drogenabhängigen, gegen die wegen einer Tat ermittelt bzw. bereits geurteilt wurde, tatsächlich bei diesen Anlaufpunkten. Zudem suchen sie meist erst Hilfe auf, wenn ein Haftantritt kurz bevorsteht und die wesentlichen Weichenstellungen im Verfahren bereits unumkehrbar getroffen wurden. Auch werden die Drogenberatungsstellen von Teilen der Justiz nicht als ausreichend glaubwürdig zur verlässlichen Diagnostizierung entscheidungsrelevanter Suchterkrankungen erachtet. Das Ziel im Bereich der Bedarfsanalyse müsste es sein, eine möglichst frühzeitige Identifizierung von Drogenabhängigkeit zu gewährleisten. Deshalb sollten grundlegende Angaben zu einer eventuell vorhandenen Suchtproblematik zum Standard eines jeden polizeilichen Ermittlungsprotokolls gehören. Dort, wo sich der Verdacht einer Abhängigkeit erhärtet, könnte man (nach einer Schnellprüfung bestehender Vorstrafen durch die Staatsanwaltschaft) die laufenden Ermittlungen mittels Fachexperten staatlich anerkannter Therapiezentren vertiefen und einen Bedarf abschließend verifizieren. Für eine möglichst sinnvolle Nutzung der Therapieressourcen sollten dabei Faktoren wie Vorstrafen, Abhängigkeits- und Therapiegeschichte, soziales und familiäres Umfeld sowie die berufliche Situation des Betroffenen eine wichtige Rolle bei der Anordnung von Therapiemaßnahmen spielen. Auf diesem Ergebnis aufbauend ließe sich in der Folge die Zuständigkeit der Spezialabteilungen bei Staatsanwaltschaft und Gericht begründen. Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat es etwa bei Inhaftierten mit Interesse an der Zurückstellung einer Reststrafe eingeführt, zunächst in Abstimmung mit der jeweiligen Drogenberatungsstelle im Schnellverfahren zu prüfen, ob und wann ein Zurückstellungsantrag überhaupt Aussicht auf Erfolg haben kann.767 g) Vollumfänglich dokumentiertes Einverständnis In der deutschen Rechtspraxis ist es vor dem Hintergrund bestehender grundrechtlicher Konflikte768 nicht unüblich, dass ein Therapieteilnehmer seine zukünftige Behandlungseinrichtung schriftlich von ihrer Schweigepflicht gegenüber der Voll767 Vgl. Zurold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 119. 768 Siehe B., III., 3., c), cc), (4), (c).

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streckungsbehörde entbindet. Diese Erklärung bezieht sich auf die zur Nachvollziehung des wesentlichen Therapiefortschritts notwendigen Informationen und ist somit nicht auf eine Überprüfung im Detail gerichtet. Eine vertiefte Berichtspflicht würde das Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Proband wohl nachhaltig belasten. Vor Beginn der Therapie sollten dem Teilnehmer daher zweifelsfrei die wesentlichen Aspekte des Informationsflusses zwischen seiner Behandlungseinrichtung und den übrigen beteiligten Behörden erläutert und sein schriftliches Einverständnis eingeholt werden. h) Zügige Überweisung in Therapie und Rehabilitation Trotz des überwiegend ausreichenden Therapieangebots stellt die verspätete Überweisung von Drogenstraftätern in Therapiemaßnahmen hierzulande eines der Hauptprobleme dar. Ursächlich für die zum Teil immensen Verzögerungen bezüglich der Behandlungsaufnahme ist allen Problemen voran die Dauer des Verfahrens bei der Justiz. In Berlin resultiert die Überlastung bei Gerichten und Staatsanwaltschaften inzwischen in einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von mindestens drei Monaten bei Anträgen auf Strafzurückstellung. Im Vergleich dazu werden bei den Staatsanwaltschaften Köln und Lübeck alle Verfahren nach § 35 BtMG im Eilverfahren innerhalb von maximal zehn Tagen bearbeitet.769 In diesem Zusammenhang sollten die zuständigen Rechtspfleger eine ambulante Rehabilitation nicht mehr nur als Ausnahme, sondern als eine gleichwertige weitere Behandlungsalternative zur stationären Unterbringung betrachten.770 Alternativ bietet es sich zur Verfahrensbeschleunigung an, dass Staatsanwaltschaft und Gericht in geeigneten (unstrittigen) Fällen vermehrt von § 37 BtMG Gebrauch machen. i) Unmittelbare, bestimmte und widerspruchsfreie Sanktionierung Die Anordnung einer Auflage zur Abgabe regelmäßiger Drogentest gilt unter den Gerichten als unpopulär, da mit ihr ein erhöhter Arbeitsaufwand sowie Unklarheiten bei der Kostenübernahme verbunden sind. Gegenwärtig wird die Überprüfung der Abstinenz deshalb nahezu ausschließlich durch die Therapiezentren durchgeführt. Am geläufigsten sind dabei Urinproben, die im Beisein eines Mitarbeiters abgegeben werden müssen und sodann mittels Schnelltest auf die gebräuchlichsten Rauschgifte hin untersucht werden. Soweit der Verdacht der Einnahme darüber hinaus gehender verbotener Stoffe naheliegt, besteht die Möglichkeit, die Probe in einem Labor untersuchen zu lassen. 769

Vgl. Zurold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 112. 770 Vgl. Zurold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 139.

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Bei positivem Testergebnis verfügen viele Therapiezentren über eine interne Rückfallstrategie. Diese zielt im Wesentlichen auf eine selbstständige Reflexion möglicher Ursachen des Rückfalls ab und versucht, den Teilnehmer zu einer Fortsetzung der Behandlung zu motivieren. Auch kann dieser Plan in bestimmten Fällen eine neuerliche Entgiftung vorschreiben. Generell gilt, dass Rückfälle als gewöhnlicher Bestandteil einer jeden Drogentherapie angesehen werden. Eine weniger wichtigere Rolle scheinen indes Belohnungsmechanismen771 im Therapiealltag zu spielen. Zur Motivationsstärkung der Probanden sollten diese jedoch ebenfalls als weitere Option ins Behandlungsprogramm aufgenommen werden. j) Fortlaufende Evaluation Nicht zuletzt aufgrund der seit 2006 bestehenden Zuständigkeit der Länder in Angelegenheiten des Justizvollzugs gibt es in Deutschland kein nationales System einer diesbezüglichen Datenerhebung. Es bleibt seitdem den Ländern überlassen, mit welcher Ernsthaftigkeit sie diese Aufgabe verfolgen und darüber hinaus Informationen untereinander austauschen. In Berlin und Brandenburg findet etwa eine Erhebung von Daten zu § 35 BtMG durch die Staatsanwaltschaften statt. Allerdings erfolgt dabei weder eine Auswertung der Zahlen, des Antragsverfahrens selbst noch eine Nachverfolgung der Rückfallquote erfolgreich ausgeschiedener Therapieteilnehmer. Auch die Therapiezentren führen grundsätzlich nicht Buch über die Erfolgsrate der von ihnen durchgeführten Behandlung oder die Ursachen, die Abbrüchen zu Grunde liegen. Mittels einer verbesserten Evaluation der angeordneten Therapiemaßnahmen ließen sich jedoch wichtige Rückschlüsse bezüglich einer eventuell erforderlichen Anpassung des Verfahrens ziehen. Hierzu müsste zunächst zwischen den Verfahrensbeteiligten festgelegt werden, welche Daten überhaupt und zu welchem Ziel erhoben/ausgewertet werden sollten. Im Anschluss müsste eine Abrufbarkeit dieser Informationen für die involvierten Akteure sichergestellt und die Einspeisung neuer Daten ermöglicht werden. k) Ausreichende, fortwährende und zweckbestimmte Finanzierung Viele der bereits angesprochenen Verbesserungspotenziale in der Relation zwischen Justiz und Therapie hängen eng mit der finanziellen Ausstattung der beiden Sektoren zusammen. So dürfte etwa in Berlin eine spezialisierte Betreuung samt schnellerer Abwicklung der Verfahren drogenabhängiger Straftäter allein mittels einer weitergehenden Schulung des vorhandenen Justizpersonals kaum zu bewerkstelligen sein. Eine Verbesserung des Status quo würde vielmehr (massive) Neu771 Anreize könnten diesbezüglich materiell (z. B. durch Vergabe von Gutscheinen für Kulturveranstaltungen) oder auf ideeller Ebene (z. B. durch Belobigung im Rahmen von Gruppensitzungen) gegeben werden.

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einstellungen voraussetzen. Durch die damit potenziell einhergehende Entlastung könnten die Arbeitsbedingungen vieler Beschäftigter attraktiver gestaltet werden. Neues Personal verspricht überdies „frischen Wind“ im Arbeitsumfeld und eine unvoreingenommenere Herangehensweise. Auch sollte darüber nachgedacht werden, das Case Management für diese Verfahren zu reorganisieren und ggf. einer neu zu schaffenden neutralen (und ausreichend finanzierten) Stelle zu übertragen. Auf Therapieebene existieren bedingt durch die föderale Struktur Deutschlands aktuell Unterschiede in den Leitlinien und Richtlinien zur Qualitätssicherung sowie in den Drogen- und Suchtprogrammen der 16 Bundesländer, die gepaart mit örtlich voneinander abweichenden Problemstellungen zu Besonderheiten in der Art und Verfügbarkeit von Therapieangeboten für rauschgiftabhängige Personen geführt haben.772 Eine Angleichung dieses Angebots und seiner Standards sollte insbesondere dort erfolgen, wo eine ausreichend große Zielgruppe unter den Suchtkranken existiert. Eine Ausweitung der Therapiemöglichkeiten für nichtdeutschsprachige Interessenten müsste hingegen vor allem in Ballungszentren angestrebt werden. Daneben gilt es, die Finanzierung der externen Sucht- und Drogenberatung generell zu stärken. Die Drogenberatungsstellen nehmen eine bedeutende Rolle in der Vernetzung von Drogenabhängigen mit Therapiezentren und Behörden ein. Für die dortigen Mitarbeiter wäre es daher wünschenswert, dass diese eine gewisse berufliche Planungssicherheit erhielten und so langfristige, stabile Netzwerke entwickeln können. Bezüglich § 64 StGB bestehen allerdings (zumindest in Berlin) erhebliche Probleme bei der Gewährleistung einer angemessenen Betreuung der Insassen von Entziehungsanstalten. Von einer professionellen therapeutischen Begleitung, wie sie Teilnehmer von Therapien gemäß § 35 BtMG regelmäßig erhalten, kann dort keine Rede mehr sein. l) Änderungen der zugrundeliegenden Bestimmungen Wie als Ergebnis der Abschnitte 2 und 3 dieses Kapitels festgestellt, wäre die Einrichtung von „Drug Courts“ im Wesentlichen mit der heutigen deutschen Rechtsordnung vereinbar. Bezüglich der im Rahmen des Aspekts „Auswahlkriterien“ erwähnten Rechtsgrundlagen werden gegenwärtig in Praxis und Literatur einige Änderungsvorschläge diskutiert, die drogenabhängigen Straftätern entgegenkommen könnten. So wird angeraten, eine Änderung der starren Zwei-Jahres-Grenze von § 35 BtMG sowie den §§ 56 ff. StGB vorzunehmen und den Rahmen der zurückstel-

772 Vgl. Pfeiffer-Gerschel/Dammer/Schneider/Bartsch/Friedrich, Bericht 2018 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EBDD (Datenjahr 2017/2018) – Drogenpolitik, S. 5 f.

III. Therapierung drogenabhängiger Straftäter in Deutschland

247

lungsfähigen Freiheitsstrafen und Strafreste auf drei Jahre zu erhöhen.773 Davon verspricht man sich, eine größere Zahl stark substanzabhängiger Delinquenten in therapeutische Behandlung zu bringen, ohne dass diese in direkten Kontakt mit dem Strafvollzug geraten. Einmal in Haft befindlich, würden diese nicht selten von der Aufnahme einer Therapie absehen, da der 2/3-Zeitpunkt zur vorzeitigen Haftentlassung meist näherliege als das Enddatum einer ggf. begonnenen Behandlung. Mittels einer solchen Normänderung könnte man auch die Anzahl der Insassen von Entziehungsanstalten reduzieren. Mit Blick auf die ernüchternden Entwicklungen im Bereich des Vollzugs der Maßregel des § 64 StGB774 und die durchschnittlichen Kosten einer derartigen Unterbringung775 könnte dies zusätzliche Ressourcen an anderer Stelle, beispielsweise im Therapieangebot nach § 35 BtMG, freimachen. Wie bereits erläutert, handelt es sich bei § 35 BtMG um eine Sondernorm, sodass ihr Anwendungsbereich an sich aufgrund ihrer Nachrangigkeit gegenüber anderen therapiefördernden Regelungen begrenzt ist. Der dabei bestehende Vorrang des § 64 StGB sollte vor dem Hintergrund seiner „nicht unerheblichen Versagensquote“ gegenüber der Perspektive einer Strafzurückstellung gemäß § 35 BtMG „relativiert“ werden.776 Die Zurückstellung müsste dort, wo ihre Voraussetzungen erfüllt sind oder in absehbarer Zeit sein werden, Anerkennung als „bessere Alternative“ gegenüber der Maßregel nach § 64 StGB finden.777 Um trotz des beschriebenen Vorrangverhältnisses im Ergebnis eine häufigere Anwendung des § 35 BtMG zu erreichen, könnte man die Vollstreckung der Maßregel jedoch unter den Voraussetzungen des § 35 BtMG und bei gleichzeitiger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zurückstellen.778 Da unter den vielerorts nicht idealen Zuständen im Maßregelvollzug auch alkoholabhängige Straftäter leiden müssen, erscheint es überlegenswert, inwieweit für diese Tätergruppe neben der Möglichkeit der Überbringung in einer Entziehungsanstalt eine vergleichbare Regelung zur Strafzurückstellung gemäß § 35 BtMG geschaffen werden sollte.779 773 Vgl. Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Kap. 5 Fn. 6. (Dieser Literaturnachweis bezieht sich auch auf die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes.) 774 Wittmann spricht in diesem Zusammenhang gar von „Ghettoisierung“ (Tagungsdokumentation Maßregelvollzugstag NRW 2012, S. 10). 775 Diese betragen in einer Entziehungsanstalt 280 EUR/Tag gegenüber ca. 110 EUR/Tag in einer JVA, vgl. van Gemmeren, in: Joecks/Miebach, StGB, § 64 Fn. 5, mit Verweis BT-Drs. 18/ 7244 vom 13. 01. 2016, S. 15. 776 Vgl. Schalast, Die gesetzliche Neuregelung der Unterbringung gemäß § 64 StGB und die Kapazitätsprobleme der Entziehungsanstalten, S. 90. 777 Vgl. Basdorf/Schneider/König, in: Fischer/Bernsmann, Festschrift für Ruth Rissing-van Saan, S. 63. 778 Vgl. Zurold/Verthein/Reimer/Savinsky, Medizinische Rehabilitation Drogenkranker gemäß § 35 („Therapie statt Strafe“): Wirksamkeit und Trends, S. 43 mit Verweis auf BTDrucksache 8/4283, S. 8. 779 Vgl. Kornprobst, in: Joecks/Miebach, StGB, Nebenstrafrecht I, § 35 BtMG Fn. 4, u. a. mit Verweis auf Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, Kap. 5 Fn. 4.

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B. Das panamerikanische „Drug Court“-System

Impulse für eine „therapiefreundlichere“ Verfahrensweise mit drogenabhängigen Straftätern lassen sich zudem bereits jetzt anhand des Umgangs mit einer anderen gesetzlich „privilegierten“ Tätergruppe gewinnen – den jugendlichen bzw. heranwachsenden Straftätern.780 Für den Umgang mit betäubungsmittelabhängigen Straftätern würde dies bedeuten, dass man ihre Tätergruppe einem besonderen, getrennten Verfahren mit dem übergeordneten Ziel ihrer Heilung und der gesellschaftlichen Reintegration unterordnen müsste. Im Rahmen dessen könnte sodann vergleichbar zu den genannten Kompetenzen der Jugendgerichtshilfe eine neu zu schaffende, unabhängige Stelle diese Aufgaben übernehmen und auf diesem Wege sowohl vorhandenes Fachwissen als auch individuell erlangtes Fallwissen in die Entscheidungsfindung des Gerichts einfließen lassen.

780

Siehe B., III., 2, e), aa).

C. Schlussbetrachtung I. „Drug Courts“ weltweit Zusammenfassend lässt sich zur Entwicklung der „Drug Courts“ zunächst festhalten, dass sich das Programm im Verlauf der vergangenen beiden Jahrzehnte über sein ursprüngliches Anwendungsgebiet im anglo-amerikanischen Rechtskreis hinaus auch in Teilen Lateinamerikas etabliert hat und sich in einigen Ländern Europas zumindest in Erprobung befindet. „Drug Courts“ stellen eine innovative und koordinierte Alternative zum traditionellen gerichtlichen Verfahren dar, indem sie die Kompetenzen des zur Verfügung stehenden juristischen und therapeutischen Fachpersonals bündeln. Diese kooperieren anhand eines zuvor abgestimmten Leitfadens zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels – der Therapierung des Straftäters samt nachhaltiger Vermeidung von Rückfällen in kriminelle Verhaltensmuster. Auf diesem Wege bleibt vielen Teilnehmern zudem der Kontakt mit einem Strafvollzug im engeren Sinne und all seinen negativen Begleiterscheinungen erspart. Wenngleich die Einführung des Modells zunächst mit einigen Investitionen in Justiz- und Therapieressourcen verbunden ist, scheint es daher zumindest langfristig bedeutende Einsparpotenziale mit sich zu bringen. Nicht zu vernachlässigen ist zudem der positive Effekt, den die Mitarbeit in einem „Drug Court“-Team auf die Zufriedenheit der Beteiligten haben kann (judicial satisfaction). Das Programm kann durch seinen kooperativen, ressortübergreifenden Ansatz neue Impulse geben und mittels des Abbaus ggf. zuvor untereinander bestehender Vorbehalte zur allgemeinen Verbesserung des Arbeitsklimas beitragen. Aus diesen Gründen hatte sich bereits Ende der 1990er Jahre eine Expertenkommission des UNODC mit dem Programm befasst und Leitlinien für die gerichtliche Praxis veröffentlicht. Wie im Rahmen der vorstehenden Begutachtung des Programms in den Ländern USA, Chile und Belgien festgestellt werden konnte, hatte die überwiegende Mehrzahl der Gerichte diese zwölf UNODC-Erfolgsfaktoren bereits umgesetzt. Besonders in den USA, wo „Drug Courts“ inzwischen zu einem festen Bestandteil der Rechtslandschaft avanciert sind, fiel auf, dass die am Programm beteiligten Juristen und Therapeuten sehr selbstsicher und organisiert agierten und Hand in Hand zusammenarbeiten. Außerdem hatte man dort neben der so erlangten Teamstabilität infolge langjähriger praktischer Erfahrungen sehr detaillierte Regelungen zur Sanktionierung bzw. Belohnung von Teilnehmerverhalten sowie zu dessen lückenloser Kontrolle entworfen. Im Unterschied hierzu ließ sich in den „neueren“ „Drug Court“-Staaten Chile und Belgien feststellen, dass die Betei-

250

C. Schlussbetrachtung

ligten zwar ebenso routiniert mit den Teilnehmern umgingen, die Programme im Allgemeinen jedoch nicht über die gleiche Regelungstiefe verfügten. Im Fall Belgiens war dies im Hinblick auf die Aussparung einer teaminternen Vorberatung bewusst geschehen, um die Verfahrensrechte des Teilnehmers und eine allseits transparente Vorgehensweise zu wahren. Nennenswerte Verbesserungspotenziale bestanden länderübergreifend allen voran bezüglich einer effektiven Selektion passender Programmnutzer. Dieses Defizit zeigte sich sowohl hinsichtlich der generellen (justizinternen) Identifikation von Kandidaten als auch im Rahmen der Festlegung angemessener Teilnahmekriterien. Grundsätzlich nahmen noch zu viele low risk offenders aus dem Deliktsbereich leichterer bis mittlerer Drogenkriminalität am Verfahren teil. Zudem gab es Engpässe im Hinblick auf eine zügige Überweisung von Nutzern in stationäre Therapiemaßnahmen und die Nachbetreuung von „Drug Court“-Absolventen im Rahmen von Wohn- und Arbeitsangeboten. Auch die Durchführung einer repräsentativen Programmevaluation war nicht durchweg gegeben. Bei der praktischen Begutachtung des Programms hat sich überdies gezeigt, dass „Drug Courts“ in ihrer konkreten Ausgestaltung stark voneinander differieren können und grundsätzlich (mit Ausnahme des chilenischen Programms) kein Gericht einem anderen gleicht. Nichtsdestotrotz konnten einige Elemente festgestellt werden, die allgemein im Rahmen eines „Drug Courts“ anzutreffen sind. So erfolgt die Aufnahme möglicher Kandidaten zum „Drug Court“ in der Regel auf Antrag der örtlichen Strafverfolgungsbehörden bzw. des Strafverteidigers unter Beachtung bestimmter interner Ausschlusskriterien (Strafmaß, Art der Tatausübung). Eine Vielzahl von Personen aus der Rechtspflege und therapeutischer Medizin ist an der praktischen Umsetzung des Programms beteiligt. Aus dem Bereich der Therapie betrifft dies einen oder mehrere Mitarbeiter örtlicher Behandlungseinrichtungen, während auf Seiten der Justiz ausschließlich in Suchtfragen geschulte Strafrichter, Staatsanwälte und Strafverteidiger am Verfahren mitwirken sollten. Verbunden und komplettiert wird dieses „Drug Court“-Team durch unabhängige Case Manager, die für die informationelle Verwaltung der Fälle zuständig sind und den Teilnehmern als Ansprechpartner und Vertrauenspersonen zur Verfügung stehen. Das „Drug Court“-Verfahren basiert dabei im Wesentlichen auf vier Schlüsselelementen. Der Angeklagte hat sich zunächst zum Tatvorwurf und zu seiner Drogenabhängigkeit zu bekennen. Aufgabe des „Drug Court“-Teams ist es sodann, vor einer endgültigen Aufnahme eines Kandidaten zum Programm, eine Verifizierung dieser (behaupteten) Umstände vorzunehmen. Nach erfolgter Einwilligung müssen einem „Drug Court“-Teilnehmer passende therapeutische Behandlung sowie ggf. weitere soziale Hilfsangebote zur Verfügung gestellt werden. Die Therapie beruht dabei in erster Linie auf intensiver zwischenmenschlicher Zusammenarbeit auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens und mit dem Ziel einer Wahrnehmung der Vorteile eines drogenfreien Lebens.

II. Situation drogenabhängiger Straftäter in Deutschland

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In der Folge überwacht das zuständige Gericht den Fortgang der Therapie, nicht zuletzt durch regelmäßige Drogentests und die Sicherstellung eines milieufernen sozialen Umgangs. In diesem Zusammenhang ist für den „Drug Court“ die permanente Interaktion zwischen Richter und Programmteilnehmer charakteristisch. Diese erlaubt es, die richterliche Autorität über den gesamten Zeitraum der Behandlung gewinnbringend nutzbar zu machen. Bestandteil des Verfahrens ist daher auch das regelmäßige Erscheinen des Programmnutzers vor Gericht. Diese Kontrollsitzungen sind von herausragender Bedeutung für das Verfahren, indem auf diesem Wege mittels rechtlich-verbindlicher Maßnahmen Einfluss auf die therapeutische Entwicklung des Kandidaten genommen werden kann. Im Unterschied zum gewöhnlichen strafprozessualen Verfahren agiert der Richter nicht allein als unabhängiger Dritter, sondern übernimmt vielmehr die Rolle des Vorsitzenden im „Drug Court“-Team. Das Verfahren endet mit dem Ausschluss eines Nutzers durch das Gericht, sobald es dem „Drug Court“-Team nicht gelingt, diesen mittels der zur Verfügung stehenden Therapieressourcen sowie Belohnungs-/Sanktionierungsmöglichkeiten zu einer realistischen, auf Dauer angelegten Drogenabstinenz zu führen. Die erfolgreiche Absolvierung des Programms zieht für gewöhnlich eine Einstellung des anhängigen Strafverfahrens bzw. eine erhebliche Strafmilderung nach sich, soweit zuvor bereits ein Urteil ausgesprochen worden sein sollte.

II. Situation drogenabhängiger Straftäter in Deutschland Bereits heute finden sich innerhalb der deutschen Rechtsordnung „therapiefreundliche“ Normen, die Möglichkeiten zu einer Therapierung drogenabhängiger Straftäter eröffnen. Mit Ausnahme von § 37 BtMG sind diese an das Vorliegen eines Urteils gebunden. In der Praxis greifen Gerichte und Staatsanwaltschaften bevorzugt auf Regelungen zurück, mittels derer sich Beweisschwierigkeiten für den weiteren Verfahrensverlauf vermeiden lassen. Auch deshalb gelangt die von § 37 BtMG umfasste Therapie anstelle einer Strafe nur selten zur Anwendung. Weitaus populärer ist dagegen die Eröffnung einer Behandlungsaufnahme im Wege der Maßregel des § 64 StGB sowie der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach §§ 35, 36 BtMG. Letztere hat im Verlauf der vergangenen Jahre aufgrund ihrer Flexibilität zunehmend die Alternative der Therapieweisung nach §§ 56, 56 c Abs. 3 StGB verdrängt. Die zur Strafaussetzung zur Bewährung notwendige positive Kriminalprognose des Gerichts kann in Anbetracht der langen Abhängigkeits- und Deliktsgeschichte vieler Verurteilter oftmals nicht getroffen werden. § 64 StGB hält demgegenüber einen sehr breiten Anwendungsbereich bereit. Sie ermöglicht als einzige der zur Therapierung ermächtigenden Normen eine Behandlung auch für (rechtswidrige) Taten mit einer Strafandrohung von über zwei Jahren Freiheitsentzug.

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C. Schlussbetrachtung

Mit Bezug auf die der Begutachtung zu Grunde liegenden UNODC-Erfolgsfaktoren ließen sich im Hinblick auf die aktuelle deutsche Rechtspraxis ebenfalls einige interessante Aspekte feststellen. Gegenwärtig ist es hierzulande (noch) nicht üblich, dass Verfahren von drogenabhängigen Straftätern bewusst selektiert und von eigens spezialisierten Abteilungen bei Gericht bearbeitet werden. Aus diesem Grund können zum einen therapiebedürftige Personen „durch das Netz fallen“ und sich unter Umständen ohne genauere Prüfung im Freiheitsentzug wiederfinden. Zum anderen ist es selbst für diejenigen Straftäter, deren Betäubungsmittelabhängigkeit erkannt wird, nicht gewährleistet, dass sie während ihres Strafprozesses auf in Suchtangelegenheiten geschulte Juristen treffen. Die Folge hiervon können verfehlte Weichenstellungen im Hinblick auf die therapeutisch notwendige Betreuung dieser Verurteilten und die juristische Einbettung dieser Maßnahme sein. Im Allgemeinen nehmen die Richter in Deutschland eine eher untergeordnete Rolle ein, wenn es um die Nachverfolgung und Überwachung von Therapiemaßnahmen geht. Dabei würde es ihre grundsätzlich gut ausgeprägte Fähigkeit zur Kommunikation mit schwierigen Täterpersönlichkeiten gepaart mit ihrer richterlichen Autorität und Unabhängigkeit an sich erlauben, hierbei eine führende Rolle einzunehmen. In Suchtfragen kundige Richter würden es daher ohne Weiteres vermögen, die diversen Interessen der beteiligten Parteien in Einklang zu bringen. Aufgrund ihrer bereits vorhandenen, hohen Arbeitsauslastung kann ihnen unter den heutigen Bedingungen eine solch proaktive Mitwirkung am Therapieverfahren allerdings kaum zugemutet werden. Sehr große Potenziale bestehen überdies hinsichtlich der Zusammenarbeit der involvierten Behörden und Institutionen. Hierbei wird aktuell ein konservativer Ansatz verfolgt, der die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche streng voneinander trennt und darüber hinaus die Suchtproblematik der Betroffenen nicht als gemeinsam zu bewältigende Aufgabe versteht. Zwischen den Beteiligten herrscht vielmehr ein gewisses Maß an Misstrauen, das eine Kooperation zum Wohle der Therapiebedürftigen hemmt. Dabei sollte der Behandlungsprozess nicht allein Angelegenheit der Therapiezentren und Drogenberatungsstellen sein. Auch viele juristische Akteure könnten durch ein Einbringen ihrer Erfahrungswerte im Umgang mit dieser Tätergruppe deutlich mehr als bislang zu einem Therapieerfolg beitragen. Grundvoraussetzung für eine Kollaboration innerhalb eines „multiprofessionellen Teams“ ist jedoch, dass alle Mitglieder ausreichende Kenntnisse über die dem Verfahren zugrundeliegende Sachmaterie besitzen. Im Moment arbeitet die Mehrzahl der Juristen noch im Rahmen einer gemischten Zuständigkeit, die eine eingehende Befassung bzw. weitergehende Fortbildung in einem sehr speziellen (Rechts-)Gebiet wie der Drogenkriminalität nur bedingt erlaubt. Als Folge des bereits erwähnten allgemeinen Fehlens einer Vernetzung zwischen den Arbeitsbereichen, ist daneben oft nur rudimentäres Wissen über den Tätigkeitsbereich und eventuelle Engpässe des jeweiligen Gegenübers vorhanden. Dies könnte jedoch alternativ zur bloßen Anwendung der bestehenden gesetzlichen Regelungen dazu

II. Situation drogenabhängiger Straftäter in Deutschland

253

beitragen, die anhängigen Verfahren zielführender zu bearbeiten und darüber hinaus transparenter zu gestalten. Vor diesem Hintergrund sollte auf lokaler Ebene die Bildung regelmäßig zusammentreffender Arbeitskreise aus Vertretern der beteiligten Institutionen angestrebt werden. Die Aufnahme einer Drogentherapie ist in Deutschland zwar mehrfach, jedoch grundsätzlich nur bis zu einer Höchststrafe von zwei Jahren Freiheitsentzug möglich. Eine systematische Überprüfung des potenziellen Kandidatenkreises findet dabei gegenwärtig weder aus rechtlicher noch aus therapeutischer Sicht statt. Hinsichtlich der dennoch, meist durch engagierte Strafverteidiger und Drogenberatungsstellen identifizierten Kandidaten besteht wiederum die Gefahr, dass die vorhandenen Therapieressourcen aufgrund der Zwei-Jahres-Grenze tendenziell eher „ungefährlicheren“ Straftätern zu Gute kommen. Ob die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt als gleichwertige Alternative für drogenabhängige Straftäter oberhalb dieser Grenze angesehen werden kann, muss aufgrund ihrer Umsetzungsdefizite in der Praxis bezweifelt werden. Verlässliche Daten hierzu sowie zur rechtlichen Behandlung betäubungsmittelabhängiger Straftäter im Allgemeinen existieren aber allenfalls auf Länderebene. Praktische Probleme gibt es indes auch im Hinblick auf eine zügige Aufnahme notwendiger Behandlungsmaßnahmen. Soweit therapiebezogenen Verfahren justizintern kein Vorrang eingeräumt ist, kann sich nach erfolgter Antragstellung der Erhalt einer Bewilligung über Monate hinziehen. Diese Zeitspanne sollte unbedingt verkürzt werden. Nach Aufnahme liegt die Überwachung des Therapieprozesses beinahe vollständig in den Händen der Behandlungseinrichtungen. Diese sanktionieren im Wege hauseigener Rückfallstrategien (ohne Rücksprache mit der Justiz) eventuelle Fehlvergehen der Teilnehmer. Belohnungen für vorbildliches Verhalten werden demgegenüber noch zurückhaltend ausgesprochen. Darüber hinaus ist die Dauer der durch Rentenversicherung bzw. Krankenkasse übernommenen (stationären) Therapiemaßnahmen allgemein zu kurz. Höhere finanzielle Mittel sollten daneben zur Bereitstellung von Therapieplätzen für Interessenten ohne Deutschkenntnisse sowie zur personellen Ausstattung einiger Gerichte, Staatsanwaltschaften und Drogenberatungsstellen aufgewendet werden. „Therapiefreundlichere“ gesetzliche Rahmenbedingungen ließen sich überdies durch eine Anhebung der Strafobergrenze des § 35 BtMG auf drei Jahre schaffen. Im Ergebnis könnte dies mehr betäubungsmittelabhängigen Tätern einen schnellen Therapiezugang eröffnen und parallel den Maßregelvollzug entlasten. Hinsichtlich einer verbesserten Organisation der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Organen aus Justiz und Therapie existieren (wenngleich für die Zeit nach Haftentlassung) bereits § 68 a StGB und § 154 StVollzG als nutzenswerte Vorlagen. Auf politischer Ebene sollten gesteigerte Anstrengungen bezüglich einer Entkriminalisierung bestimmter Delikte (u. a. Schwarzfahren, Konsum von Cannabis) unternommen werden, um dadurch zusätzliche Kapazitäten bei der Justiz frei zu machen.

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C. Schlussbetrachtung

Zudem sollte man erwägen, angelehnt an die Strategien für „Juvenile Drug Courts“ in den USA, auch bei Verfahren gegen Erwachsene eine stärkere Einbeziehung der Familien anzustreben, sofern entsprechende Bindungen noch existent oder wiederherstellbar sind. Da es sich bei drogenabhängigen Straftätern trotz ihrer Volljährigkeit in der Regel um relativ instabile, zum Teil unselbstständige Persönlichkeiten handelt, ist es von essenzieller Bedeutung, dass ihr soziales Umfeld ihnen unterstützend zur Seite steht und gerichtlich ausgesprochene Maßnahmen mitträgt. In diesem Zusammenhang kann es zielführend sein, enge Familienangehörige und Freunde direkt zu den gerichtlichen Sitzungen einzuladen, um ihr Bewusstsein für ihre eigene Rolle innerhalb des Genesungsprozesses zu schärfen.

III. Eckpunkte eines deutschen „Drug Court“-Pilotprojekts Begleitend zu einer effektiveren Nutzung der Strafzurückstellung nach §§ 35, 36 BtMG und des Konzepts der Therapie anstelle einer Strafe aus 37 BtMG erscheint es lohnend, die Durchführung eines zeitlich und lokal begrenzten Pilotprojekts eines deutschen „Drug Court“ in Erwägung zu ziehen. Unabhängig von einer genauen Bezeichnung läge dessen vorrangige Zielstellung darin, Haftzeiten drogenabhängiger Straftäter zu reduzieren bzw. gänzlich zu vermeiden und ihnen darüber hinaus eine angemessene therapeutische Betreuung im Rahmen eines möglichst therapiefreundlichen Verfahrens zu gewährleisten. Die Verfahrensrechte der Teilnehmer sind dabei zwingend zu wahren. Insbesondere grundlegenden Erörterungen zwischen den Verfahrensparteien, die ihre Person zum Gegenstand haben, müssen sie daher beiwohnen können. Ein transparentes, gemeinsames Vorgehen sollte ohnehin im Interesse aller Beteiligten liegen, da dies Glaubwürdigkeit und Prozessverständnis bei den Teilnehmern stärken kann. Nachfolgend finden sich einige Schlüsselkriterien aufgeführt, die vor Aufnahme eines solchen Pilotprojekts allerdings erfüllt sein sollten: – Durchführung auf Grundlage bereits bestehender Rechtsnormen, – Zielgruppe: erwachsene781, betäubungsmittel- und alkoholabhängige Straftäter mittlerer Kriminalität mit vorhandenen Vorstrafen und Therapieversuchen; dabei grundsätzlicher Ausschluss von Straftaten, die den Konsum und Handel mit Cannabis zum Gegenstand haben, – angemessene finanzielle Ausstattung des Projektzeitraums, – in Suchtfragen spezialisiertes, freiwillig im Projekt arbeitendes Personal (ggf. Neueinstellungen notwendig), 781 Diesen gebührt insoweit gegenüber jugendlichen Straftäter der Vorzug, als die vorhandenen Regelungen des JGG einige „Drug Court“-Elemente bereits angemessen berücksichtigen. Zudem gibt es als Folge der Drogenabhängigkeit eines Jugendlichen für gewöhnlich weniger indirekt hiervon Betroffene als dies bei erwachsenen Familienmitgliedern der Fall ist.

III. Eckpunkte eines deutschen „Drug Court“-Pilotprojekts

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– abschließende, einstimmige Festlegung der Aufnahmekriterien im Rahmen eines gemeinsamen Arbeitskreises, – Schaffung einer unabhängigen Verbindungsstelle zwischen Justiz und Therapie (vergleichbar zur Arbeit der Bewährungshilfe bzw. Jugendgerichtshilfe), – Auswahl geeigneter Kandidaten anhand justiziellen Screenings und therapeutischer Bedarfsprüfung, – feste Kooperationen mit staatlich zertifizierten Therapiezentren; vor Therapiebeginn durch die Teilnehmer Entbindung der behandelnden Therapeuten von ihrer Schweigepflicht gegenüber dem Gericht, – regelmäßige, maximal einjährige Überwachung des Therapiefortschritts der Teilnehmer mittels wöchentlicher Urintests sowie im Rahmen zumindest monatlicher Sitzungen bei Gericht, hierzu ggf. Ladung von Angehörigen, – Bereitstellung von Arbeits- und Fortbildungsmöglichkeiten für Programmteilnehmer, – professionelle Programmevaluation zur Überprüfung seiner Effektivität (Erstellung repräsentativer Rückfallstudien); gemeinsame Datenplattform für beteiligte Mitarbeiter, – Nachsorgemaßnahmen zur Folgebetreuung von Programmabsolventen und Weiterverfolgung ihrer Lebenswege. Einem in dieser Form konstituierten und schließlich eingespielten Team aus Fachleuten darf zugetraut werden, kompetente Entscheidungen über die Aufnahme und das Verweilen von ausgewählten Straftätern im Programm zu treffen. Vor dem Hintergrund der begrenzten Therapiemöglichkeiten in der Haft kann es sich auch bei wiederholtem Fehlverhalten eines Teilnehmers auszahlen, ihm gegenüber überproportional viel Geduld aufzubringen und ihm somit eine (letzte) Chance zur Vermeidung eines Haftantritts zuzugestehen.

Gesetzestexte zum „Drug Court“-Verfahren I. USA Sec. 216.00 New York Criminal Procedure Law (Auszug) The following definitions are applicable to this article: 1. „Eligible defendant“ means any person who stands charged in an indictment or a superior court information with a class B, C, D or E felony offense defined in article one hundred seventy-nine, two hundred twenty or two hundred twenty-one of the penal law or any other specified offense as defined in subdivision four of section 410.91 of this chapter, provided, however, a defendant is not an ,eligible defendant‘ if he or she: (a) within the preceding ten years, excluding any time during which the offender was incarcerated for any reason between the time of commission of the previous felony and the time of commission of the present felony, has previously been convicted of: (i) a violent felony offense as defined in section 70.02 of the penal law or (ii) any other offense for which a merit time allowance is not available pursuant to subparagraph (ii) of paragraph (d) of subdivision one of section eight hundred three of the correction law, or (iii) a class A felony offense defined in article two hundred twenty of the penal law; or (b) has previously been adjudicated a second violent felony offender pursuant to section 70.04 of the penal law or a persistent violent felony offender pursuant to section 70.08 of the penal law. […] Sec. 216.05 New York Criminal Procedure Law (Auszug) 1. At any time after the arraignment of an eligible defendant, but prior to the entry of a plea of guilty or the commencement of trial, the court at the request of the eligible defendant, may order an alcohol and substance abuse evaluation. An eligible defendant may decline to participate in such an evaluation at any time. The defendant shall provide a written authorization, in compliance with the requirements of any applicable state or federal laws, rules or regulations authorizing disclosure of the results of the assessment to the defendant’s attorney, the prosecutor, the local probation department, the court, authorized court personnel and other individuals specified in such authorization for the sole purpose of determining whether the defendant should be offered judicial diversion for treatment for substance abuse or dependence, alcohol abuse or dependence and any co-occurring mental disorder or mental illness. […] 4. When an authorized court determines, pursuant to paragraph (b) of subdivision three of this section, that an eligible defendant should be offered alcohol or substance abuse treatment, or when the parties and the court agree to an eligible defendant’s participation in alcohol or substance abuse treatment, an eligible defendant may be allowed to participate in the judicial diversion program offered by this article. Prior to the court’s issuing an order granting judicial diversion, the eligible defendant shall be required to enter a plea of guilty to the charge or charges; provided, however, that no such guilty plea shall be required when:

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(a) the people and the court consent to the entry of such an order without a plea of guilty; or (b) based on a finding of exceptional circumstances, the court determines that a plea of guilty shall not be required. For purposes of this subdivision, exceptional circumstances exist when, regardless of the ultimate disposition of the case, the entry of a plea of guilty is likely to result in severe collateral consequences. […] The 2018 Florida Statutes, 397.334 Treatment-based drug court programs (Auszug) (1) Each county may fund a treatment-based drug court program under which persons in the justice system assessed with a substance abuse problem will be processed in such a manner as to appropriately address the severity of the identified substance abuse problem through treatment services tailored to the individual needs of the participant. […] (4) The treatment-based drug court programs shall include therapeutic jurisprudence principles and adhere to the following 10 key components, recognized by the Drug Courts Program Office of the Office of Justice Programs of the United States Department of Justice and adopted by the Florida Supreme Court Treatment-Based Drug Court Steering Committee: (a) Drug court programs integrate alcohol and other drug treatment services with justice system case processing. (b) Using a nonadversarial approach, prosecution and defense counsel promote public safety while protecting participants’ due process rights. (c) Eligible participants are identified early and promptly placed in the drug court program. (d) Drug court programs provide access to a continuum of alcohol, drug, and other related treatment and rehabilitation services. (e) Abstinence is monitored by frequent testing for alcohol and other drugs. (f) A coordinated strategy governs drug court program responses to participants’ compliance. (g) Ongoing judicial interaction with each drug court program participant is essential. (h) Monitoring and evaluation measure the achievement of program goals and gauge program effectiveness. (i) Continuing interdisciplinary education promotes effective drug court program planning, implementation, and operations. (j) Forging partnerships among drug court programs, public agencies, and community-based organizations generates local support and enhances drug court program effectiveness. […] II. Chile (nichtamtliche Übersetzungen1) Art. 237 Código Procesal Penal (Auszug) Der Staatsanwalt darf vor dem Strafrichter mit Zustimmung des Angeschuldigten die Aussetzung des Verfahrens beantragen, […] sofern a) das mögliche Strafmaß für den Fall einer Verurteilung drei Jahre Freiheitsstrafe nicht übersteigt, b) der Angeschuldigte keine Vorstrafen aufweist und

1

Die Übersetzung erfolgte durch den Autor persönlich.

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c) im Moment der Antragstellung bezüglich des Angeschuldigten kein weiteres Verfahren ausgesetzt worden ist. Zur Wirksamkeit einer Aussetzung ist die Anwesenheit des Verteidigers in der gerichtlichen Anhörung erforderlich, in der der entsprechende Antrag gestellt wird. Das Opfer soll bezüglich einer Aussetzung angehört werden, sofern es ebenfalls an der Sitzung teilnimmt. Soweit es sich bei den vorgeworfenen Taten um die Delikte Totschlag, Entführung, schwerer Raub, Entziehung Minderjähriger, […] Delikte anderer Gesetze, die die Verwendung einer Waffe voraussetzen […] Fahren unter Alkoholeinfluss mit Todesfolge oder schwere Körperverletzung handelt, soll der Staatsanwalt die Entscheidung über einen Antrag dem zuständigen Oberstaatsanwalt überlassen. Soweit das Gericht dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stattgibt, hat es zugleich Auflagen zu erteilen, derer sich der Angeschuldigte zu unterwerfen hat, die weder die Dauer von einem Jahr unterschreiten noch länger als drei Jahre gelten dürfen. […] Art. 238 Código Procesal Penal (Auszug) Der zuständige Richter kann dem Angeschuldigten während der Zeit seiner Verfahrensaussetzung die Erfüllung einer oder mehrerer der nachfolgenden Auflagen erteilen: a) an einem bestimmten Ort Wohnsitz beziehen oder nicht beziehen, b) sich von bestimmten Orten oder Personen fernhalten, c) sich einer medizinischen, psychologischen oder sonstigen Behandlung unterziehen, d) eine bestimmte Arbeit ausüben oder an einem Weiterbildungsprogramm teilnehmen, e) eine bestimmte Geldsumme als Entschädigungsleistung an das Opfer zahlen oder eine solche Zahlung garantieren, […] f) regelmäßig vor der Staatsanwaltschaft erscheinen und den Nachweis der Erfüllung der zuvor erteilten Auflagen erbringen, g) sich einen Wohnsitz suchen und die Staatsanwaltschaft über jedwede diesbezügliche Änderung informieren, h) jede weitere Auflage zu erteilen, die in Anbetracht der Tatumstände als angemessen erscheint, und sei es auf Anregung der Staatsanwaltschaft. Das Gericht ist während des gesamten Zeitraums der Aussetzung mittels Abhaltung einer Sitzung bei Anwesenheit aller Beteiligter befugt, eine oder mehrere zuvor erteilte Auflagen zu modifizieren. Art. 239 Código Procesal Penal Soweit der Angeschuldigte die ihm erteilten Auflagen ohne Rechtfertigung, schwerwiegend oder wiederholt verletzt oder gegen ihn ein neues Ermittlungsverfahren in anderer Sache eingeleitet werden sollte, kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Opfers die Aussetzung des Verfahrens widerrufen und gemäß dem gewöhnlichen Prozessablauf fortfahren. Ein hierauf gerichteter Beschluss kann vom Betroffenen angefochten werden.

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Art. 50 Ley de Drogas (Auszug) Wer Drogen oder andere in Art. 1 dieses Gesetzes aufgeführte berauschende Stoffe in der Öffentlichkeit, insbesondere Straßen, Wegen, Plätzen, Theatern, Kinos, Hotels, Cafés, Restaurants, Bars, Stadien, Tanz- oder Musiklokalen oder in schulischen oder berufsbildenden Einrichtungen konsumiert, wird mit einer der nachfolgenden Strafen belegt: […] b) Verpflichtende Teilnahme an Programmen zur Prävention über die Dauer von bis zu 60 Tagen oder in qualifizierten Behandlungs- oder Rehabilitationszentren über einen Zeitraum von bis zu 180 Tagen. […] Art. 54 Ley de Drogas (Auszug) […] Das Gericht berücksichtigt bei der Urteilsfindung die persönlichen Umstände des Täters und seine bestmögliche Rehabilitation. Zur Bestimmung der Schwere und des Behandlungsbedarfs einer beim Täter eventuell vorhandenen Drogenabhängigkeit kann der Richter festlegen, dass dieser sich einer Begutachtung durch einen fachlich qualifizierten Arzt unterzieht. […] Der Staatsanwalt darf mit Einverständnis des Täters bei Gericht die Aussetzung des Verfahrens gemäß der §§ 237 ff. CPP beantragen. In diesem Fall darf eine Aussetzung an die Bedingung der verpflichtenden Teilnahme an Programmen zur Prävention, Behandlung oder Rehabilitation […] geknüpft werden. […] III. Belgien (amtliche Übersetzungen) Art. 9 des Gesetzes vom 24. 02. 1921 über den Handel mit Betäubungsmitteln Personen, die in Artikel 2 § 1 erwähnte Stoffe für den Eigengebrauch illegal hergestellt, erworben oder besessen haben, können unbeschadet der in Artikel 65 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorgesehenen Bestimmungen in den Genuss der Bestimmungen des Gesetzes vom 29. Juni 1964 über die Aussetzung, den Aufschub und die Bewährung kommen, auch wenn sie die in den Artikeln 3 und 8 des vorerwähnten Gesetzes vorgesehenen Bedingungen mit Bezug auf eventuelle, früher gegen sie ausgesprochene Verurteilungen nicht erfüllen. Die Bestimmungen von Absatz 1 sind ebenfalls anwendbar auf Personen, die im Hinblick auf den Eigengebrauch einer anderen Person unentgeltlich oder entgeltlich den Gebrauch der vorerwähnten Stoffe erleichtert haben, diese Stoffe verkauft oder zum Kauf angeboten haben, es sei denn, diese Straftaten gehen mit den in Artikel 2bis § 2 Buchstabe b) §§ 3 und 4 erwähnten erschwerenden Umständen einher. Die Bestimmungen von Absatz 1 sind auch anwendbar auf die in Artikel 2bis § 6 erwähnten vorbereitenden Handlungen. Art. 65 Abs. 1 Strafgesetzbuch Wenn eine selbe Tat mehrere Straftaten darstellt oder wenn unterschiedliche Straftaten, die gleichzeitig demselben Tatsachengericht vorgelegt werden, die aufeinanderfolgend durchgeführte und fortgesetzte Verwirklichung desselben Straftatsvorsatzes darstellen, wird alleine die schwerste Strafe ausgesprochen. Art. 3 Gesetz vom 29. 06. 1964 über die Aussetzung, den Aufschub und die Bewährung (Auszug) Die Aussetzung kann, mit Zustimmung des Beschuldigten, von den erkennenden Gerichten mit Ausnahme der Assisenhöfe zugunsten des Angeklagten angeordnet werden, der früher

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nicht zu einer Kriminalstrafe oder einer Hauptgefängnisstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist, wenn die Tat nicht der Art zu sein scheint, dass sie als Hauptstrafe eine Korrektionalgefängnisstrafe von mehr als fünf Jahren oder eine schwerere Strafe zur Folge hat, und wenn der Straftatsvorwurf als erwiesen erachtet ist. […] Art. 8 des Gesetzes vom 29. 06. 1964 über die Aussetzung, den Aufschub und die Bewährung (Auszug) § 1 – Ist der Verurteilte früher nicht zu einer Kriminalstrafe oder einer Hauptgefängnisstrafe von mehr als zwölf Monaten verurteilt worden, können die erkennenden Gerichte, indem sie zu einer Arbeitsstrafe oder zu einer oder mehreren Strafen, die fünf Jahre nicht übersteigen, verurteilen, durch eine mit Gründen versehene Entscheidung anordnen, dass die Vollstreckung entweder des Urteils beziehungsweise des Entscheids oder der Gesamtheit beziehungsweise eines Teils der Hauptstrafen oder Ersatzstrafen aufgeschoben werden. […] § 2 – Dieselben Gerichte […] können unter den in § 1 des vorliegenden Artikels vorgesehenen Bedingungen den Aufschub mit Bewährungsauflagen anordnen, vorausgesetzt, dass der Verurteilte sich verpflichtet, die vom Gericht festgelegten Bewährungsauflagen einzuhalten. Art. 216ter Strafprozessgesetzbuch (Auszug) § 1 – Der Prokurator des Königs kann, unbeschadet der ihm durch Artikel 216bis erteilten Befugnisse, den Urheber einer Straftat vorladen und, sofern die Tat nicht derartig zu sein scheint, dass sie mit einer Hauptkorrektionalgefängnisstrafe von mehr als zwei Jahren oder mit einer schwereren Strafe geahndet werden muss, ihn dazu auffordern, den durch die Straftat entstandenen Schaden zu entschädigen oder zu ersetzen und ihm den Beweis dafür zu liefern. Gegebenenfalls lädt der Prokurator des Königs auch das Opfer vor und organisiert eine Vermittlung über die Entschädigung und deren Regelung. Wenn der Urheber der Straftat eine Krankheit oder eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit als Grund für die Straftat geltend macht, kann der Prokurator des Königs ihn dazu auffordern, sich einer medizinischen Behandlung oder irgendeiner anderen angemessenen Therapie zu unterziehen und ihm während eines Zeitraums, der sechs Monate nicht überschreiten darf, regelmäßig den Beweis dafür zu liefern. […] § 4 – Die Strafverfolgung erlischt, wenn der Urheber der Straftat alle von ihm angenommenen Bedingungen erfüllt hat. […] § 5 – Das dem Prokurator des Königs in § 1 zuerkannte Recht darf nicht ausgeübt werden, wenn die Sache bereits beim Gericht anhängig gemacht worden ist oder wenn der Untersuchungsrichter aufgefordert wurde, eine Untersuchung einzuleiten. […]

Interviewleitfäden (Themenschwerpunkte) Staatsanwaltschaften (einschließlich Rechtspflegern) – Behördenstruktur und Zuständigkeit – aktuelle Entwicklungen im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität – allgemeines Täterprofil (Geschlecht, Alter, Delikt, Droge) – Kriterien eines Absehens von der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 37 BtMG) – Kriterien und Antragsverfahren einer Zurückstellung der Strafvollstreckung (§ 35 BtMG) – Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung unter Therapieaufnahme (§§ 56, 56 c StGB) – Beantragung von Therapiemaßnahmen als Maßregel (§ 64 StGB) – ggf. weitere Beteiligung der Staatsanwaltschaft an der Organisation, Durchführung und Überwachung der Therapie – Widerrufskriterien (§ 35 BtMG) – generelle Erfahrungswerte bezüglich Rückfällen in der Zielgruppe – eigene Arbeitsauslastung, ggf. „Rückstau“ in der Bearbeitung – Fortbildungen im Bereich der Betäubungsmitteldependenz – Verbesserungspotenziale Strafgerichte (1. Instanz) – Behördenstruktur und Zuständigkeit – Ablauf des Hauptverfahrens (insbesondere Feststellung einer Abhängigkeit, Verteidigungsstrategien der Strafverteidiger) – Kriterien eines Absehens von der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 37 BtMG) – Kriterien einer Zurückstellung der Strafvollstreckung (§ 35 BtMG), Auswahl hierfür potenziell geeigneter Kandidaten – Handhabung einer Verständigung zwischen Verfahrensbeteiligten (§ 257 c StPO) – Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung unter Therapieaufnahme (§§ 56, 56 c StGB) – Beantragung von Therapiemaßnahmen als Maßregel (§ 64 StGB) – weitere Beteiligung des Gerichts an der Organisation, Durchführung und Überwachung der Therapie – Widerrufskriterien (§§ 56, 56 c StGB, § 37 BtMG)

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Interviewleitfäden (Themenschwerpunkte)

– generelle Erfahrungswerte bezüglich Rückfällen in der Zielgruppe – eigene Arbeitsauslastung, ggf. „Rückstau“ in der Bearbeitung – Fortbildungen im Bereich der Betäubungsmitteldependenz – Verbesserungspotenziale Strafverteidiger-innen (Berlin) – Ablauf des Hauptverfahrens (insbesondere Beiordnung, Verteidigungsstrategien) – praktische Relevanz der §§ 35 ff. BtMG und Hindernisse bei der Umsetzung – Handhabung einer Verständigung zwischen Verfahrensbeteiligten (§ 257 c StPO) – Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung unter Therapieaufnahme (§§ 56, 56 c StGB) – Maßregelvollzug nach § 64 StGB – weitere Beteiligung der Strafverteidiger am Therapieprozess – Widerrufskriterien (§§ 56, 56 c StGB, § 37 BtMG) – generelle Erfahrungswerte bezüglich Rückfällen in der Zielgruppe – Fortbildungen im Bereich der Betäubungsmitteldependenz – Verbesserungspotenziale Drogenberatungsstellen (Berlin) – Funktion und lokale Organisation der Drogenberatung (Einbindung in den Therapieprozess) – persönlicher Hintergrund der Klienten – Beteiligung bei der Antragsstellung nach § 35 BtMG – Zusammenarbeit mit der Justiz – Verfügbarkeit von Therapieplätzen – weitere Beteiligung am Therapieprozess – Übergangsmanagement, Nachverfolgung/-betreuung ehemaliger Probanden – Verbesserungspotenziale Therapieeinrichtungen (Berlin) – aktuell verfügbare Therapieangebote (stationär/ambulant) – Therapieaufnahme nach § 35 BtMG – genereller Therapieablauf, Drogenscreening – Vorgehensweise bei Drogenrückfällen bzw. ungenügender Mitarbeit/Motivation des Probanden – Erfahrungswerte bezüglich der Erfolgsquoten solcher Therapien

Interviewleitfäden (Themenschwerpunkte)

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– Zusammenarbeit mit der Justiz (Informationsfluss zwischen Therapeutin und Bewährungshilfe/Gericht, ggf. der Schweigepflicht unterliegende Informationen) – Verbesserungspotenziale Soziale Dienste – interne Struktur – festgelegter Aufgabenbereich von Gerichts- und Bewährungshilfe – Koordination und Kommunikation zwischen Bewährungshilfe und den übrigen Verfahrensbeteiligten (insbesondere dem Gericht und den Therapieeinrichtungen) – Therapieüberwachung/Drogenscreening – Übergangsmanagement, vorbereitende Maßnahmen im Hinblick auf ein bevorstehendes (erfolgreiches) Ausscheiden aus der Therapie (Bildungsangebote, Wohnungssuche etc.) – Nachverfolgung und Nachbetreuung der Probanden – Personalsituation – Verbesserungspotenziale Justizvollzug (Berlin) – Antragstellung nach § 35 BtMG und Zusammenarbeit mit Therapiezentren – Personalsituation in den Justizvollzugsanstalten – Verbesserungspotenziale

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Stichwortverzeichnis Absehen von Strafverfolgung 143, 151, 155 ff., 205 Abstinenzweisung 163 ff. Abwesenheit des Angeklagten 150 Addiction-Severity-Index (ASI) 127 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 167 ff., 187, 207 Ambulante Behandlung 98 f., 123, 147 f., 194, 200, 202 Ambulante Verwahrung 185, 216 Anrechnung der Therapiezeit 197 f., 210 Aufenthaltsbeschränkung 162 f., 171 f. Auflagen (im Drug Court) 46, 88 ff., 99 f., 120 Aufnahme in den Drug Court 50 f., 93 f., 133 f., 250 Ausnahmegerichte 149 Ausschluss vom Drug Court 53, 65, 72 f., 101, 132, 251 Aussetzung des Strafverfahrens 49, 85 ff., 151 Aussetzungswiderruf 175 f. Belohnungen 39, 52, 62 ff., 76, 111 f., 135 Berichtspflicht 173, 202, 241, 244 Beschaffungskriminalität 24, 26, 109, 192, 208, 215, 229 Bestimmtheitsgebot 161, 166 Best practice standards 27, 44 ff. Betäubungsmittelkriminalität 18, 199, 229, 235, 238 Betreutes Wohnen 136, 147, 219, 231 Bewährungsauflagen 48, 176 Bewährungshilfe 154, 170, 172 ff., 190 Beweismittelverlust 81, 205, 209 Bureau of Justice Assistance (BJA) 29, 44 Cannabiskontrollgesetz 145 Case Management 24, 35, 45, 47, 55 f., 81, 206, 220, 246 Compromiso biopsicosocial (Chile) 96, 98

Court directed treatment 19, 37, 51 f., 63, 76, 97 ff., 128, 157, 236, 255 Droge-Delikt-Beziehung 24, 26 Drogenberatungsstellen 193, 217 ff., 226 f., 243, 252 f. Drogenersatzstoffe (MAT) 53, 61 Drogenhandel 26, 74, 213 Drogentest 47, 52, 67, 70 f., 99, 135, 251 Due process Garantie 69 f. Dupla psicosocial (Chile) 89 ff., 104 f., 110, 115 f., 206 Einstellung des Verfahrens 81, 124, 156, 157 f., 213, 237, 251 Einstiegsdroge 143, 208 Einwilligungsvorbehalt 161, 166 Entkriminalisierungspolitik 145 Erfolgsfaktoren von Drug Courts 37 ff., 54. ff., 103 ff., 131 ff., 239 ff. Erlass eines Haftbefehls 211, 214 Ermessen 88, 114, 195 Ersatzfreiheitsstrafe 210, 224 Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) 25 Europäische Drogenstrategie 18, 140 Evaluation 39, 65 f., 112, 135 f., 245 Evidence based funding 28 Forensische Ambulanz 22, 186 f. Freie Weisung 160, 162 ff., 177 Fremde Geheimnisse 187 Führungsaufsicht 22, 153 f., 167, 170, 185 ff., 207 Geldstrafe 109, 150, 156, 210 Gerichtliche Anhörung 46, 55, 72, 100, 132, 206 Gerichtshilfe 223 f., 231, 233, 234 Geringe Menge (BtM) 155 f., 208, 229, 242 Gesamtstrafe 197

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Stichwortverzeichnis

Gesetzlicher Richter 148 ff., 154 Gleichbehandlungsgrundsatz 68 f. Goldstein-Theorie 24 ff. Haarprobe 70, 166 f. Heilbehandlung 160 f., 170, 174 Helferkonferenz 186, 235 High risk offenders 67, 78, 82, 136 Hybrid model 49, 81 Informationelle Selbstbestimmung 167 f. Institutionenübergreifende Vereinbarung 84, 86, 122 f., 137 Interdisziplinäre Zusammenarbeit 37, 55 ff., 104 ff., 133, 240 f. Jugendgerichtshilfe 22, 153, 248 Jugendstrafrecht 21, 152 f. Justizgrundrechte 21, 148 ff. Juvenile Drug Courts 74 ff., 116 f., 254 Kausalzusammenhang 20, 201, 231 Key Components 23, 28, 44, 66, 75 f. Kooperativer Ansatz 23 f., 70, 152 f., 249 Körperlicher Eingriff 160 f., 166 Kosteneffizienz 32 ff., 82 Kostenübernahme 142, 165, 204 f., 216, 218, 221, 228, 244 Kriminalprognose 159 f., 176, 178, 191, 205, 209, 251 Kurzzeitinhaftierung 32 Legalisierung von Cannabis 42, 143 ff., 254 Legalitätsprinzip 151, 156 Liaison 38, 125 f., 139 Low risk offenders 58, 73, 82, 116, 136, 250 Maßregeln der Besserung und Sicherung 177 ff., 189 f. Maßregelvollzug 183 f., 204 f., 216, 231 f., 247 Mediation 124 Menschenwürdegarantie 162, 164 Mentale Zweiterkrankung 59, 96 Meta-Analyse 34 Methadon 53, 61, 147, 179 Minderheitenschutz 69 Mitarbeiterzufriedenheit 66, 92, 129, 249

Mitwirkungspflicht 197 Model Penal Code 41 Multidisziplinäres Team 19, 22, 45 ff., 80, 99, 123, 127, 252 Nachsorgemaßnahmen 131, 192, 211, 228, 255 National Association of Drug Court Professionals (NADCP) 23, 28 f., 44 Net widening 33, 38, 134, 242 Offenbarungspflicht 153, 170, 186 ff. Opportunitätsprinzip 88, 151 Ordnungswidrigkeit 88, 145, 217, 228 Organisationshaft 182 f. Organisierte Kriminalität 26, 208, 229, 235 Participant contract 59 Personalbedarfsberechnungssystem 210 Pilotprojekt 21, 32, 83, 128, 254 f. Plea agreement 46, 49 Post plea model 49 f., 81 Problem solving courts 80 ff. Proefzorg-Verfahren (Belgien) 120, 124 f., 128, 134 Programmfinanzierung 39 f., 66, 112 ff., 136 Psychopharmakologischer Effekt 25 Rauschgiftsachen (Amtsgericht) 212 f., 226 Rechtliches Gehör 150 f., 154 Rechtsmittelverzicht 191, 196 Rechtspfleger 199, 201, 203, 206, 210 ff., 219, 222, 227 f., 244 Rechtsschutzgarantie 68 Reform der Führungsaufsicht 170, 187 f. Reform des Betäubungsmittelstrafrechts 144 ff. Reintegration 97, 113, 124, 153 Rentenversicherung 20, 201, 211, 216, 253 Resozialisierung 20, 163, 217, 240 Risk assessment tool 51, 59, 78, 82 RNR-Modell 98, 111 Rückfallrate 31 f., 35, 102, 137 Sanktionierung 32, 39, 52, 62 ff., 72, 76, 111 f., 135, 244 f. Schildower Kreis 144 f.

Stichwortverzeichnis Schuldeingeständnis 43, 49 f. Schweigepflichtentbindung 51, 60, 81, 167 ff., 211, 222, 243, 255 Screening 38, 58, 95, 110 f., 230 Secure Continuous Remote Alcohol (SCRAM) 63, 167 Soziale Dienste 123, 223 f., 234 f. Spezialabteilung für BtM-Kriminalität 149, 207 ff., 238, 243 Standardisierung 28 f., 44 f., 93 Stationäre Behandlung 20, 60 f., 98 f., 126 f., 132, 147, 161, 199 ff., 212, 250 Strafmilderung 53, 81, 231, 251 Strafrest 191 f., 197 f., 204, 227 Symptomatischer Zusammenhang 180 Teilnahmebescheinigung (Therapie) 209, 211 Teilnehmerhandbuch 58 Teilnehmerzahl 31, 55, 109, 118 f., 138 Therapeutic Community 126 f. Therapeutic Jurisprudence 19 f., 80 Therapie statt Strafe 20, 154 f., 158, 205 Therapiefinanzierung 147, 218, 245 f. Therapiefreundlicher Ansatz 22, 177, 239 ff., 251, 254 Transdermale Überwachung 70, 167 Übergangsmanagement 232 f., 237 Unidad Coordinadora (Chile) 85, 92, 112 Unidad de Seguimiento (Chile) 85, 93, 112

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United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) 19, 23 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt 155, 178 ff., 199, 205, 235, 253 Urinprobe 38, 62 f., 81, 111, 126, 164 ff., 174, 221, 244, 255 US-Rechnungshof 35 ff. Verfahrensbeschleunigung 232, 244 Verfahrenshandbuch 38, 58, 101, 108, 122, 133, 242 Verschwiegenheitspflicht 51, 71, 130, 133 Verständigung im Strafverfahren 148, 151 f., 261 f. Veterans Treatment Courts 79 f. Vollstreckungsbehörde 191, 195 f., 210 f., 219, 240 Vollstreckungsreihenfolge 201 Vorbesprechung 52, 99 f., 103 ff., 133, 150, 250 War on drugs 27 Weisungen 153, 159 ff., 206 Weisungsverstoß 170, 174 f. Zurückstellung der Vollstreckung 159, 190 ff., 205 f., 211, 220 Zurückstellungshindernis 196 Zurückstellungswiderruf 197, 211 f. Zwei-Jahres-Grenze 242, 246, 253