Das Odeon in München und die Frühzeit des öffentlichen Konzertsaalbaus [Reprint 2018 ed.] 9783111531830, 9783111163802


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German Pages 196 [224] Year 1967

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Table of contents :
VORWORT
INHALTSVERZEICHNIS
ERSTER TEIL: DAS ODEON IN MÜNCHEN
I. Kapitel: GESCHICHTE
2. Kapitel: BESCHREIBUNG (Rekonstruktion)
3. Kapitel: ANALYSE
ZWEITER TEIL: ENTSTEHUNG UND FRUHZEIT DES ÖFFENTLICHEN KONZERTSAALBAUS
I. Historische Voraussetzungen
II. Entstehung und Formen des Konzeitsaales
III. Frühe öffentliche Konzertsäle (etwa bis Mitte des 19. Jahrhunderts,- Beispiele in den einzelnen Ländern Europas)
ANHANG
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Das Odeon in München und die Frühzeit des öffentlichen Konzertsaalbaus [Reprint 2018 ed.]
 9783111531830, 9783111163802

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DAS O D E O N I N M Ü N C H E N

N E U E M Ü N C H N E R BEITRÄGE ZUR KUNSTGESCHICHTE H E R A U S G E G E B E N VOM KUNSTHISTORISCHEN

SEMINAR

DER U N I V E R S I T Ä T M Ü N C H E N

Unter der Leitung von

HANS SEDLMAYR

Band 8

1967

WALTER

D E G R U Y T E R 61 CO. / B E R L I N

VORMALS G . J . G O S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G - J . G U T T E N T A G , VERLAGSB U C H H A N D L U N G - G E O R G R E I M E R - KARL J . T R Ü B N E R - V E I T & C O M P .

DAS O D E O N IN M Ü N C H E N U N D DIE F R Ü H Z E I T DES ÖFFENTLICHEN KONZERTS AALBAUS

von H E I N R I C H HABEL

Mit 16 Tafeln

1967

WALTER

DE

GRUYTER

61 CO. /

BERLIN

VORMALS G . J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G - J . G U T T E N T A G , VERLAGSB U C H H A N D L U N G - G E O R G R E I M E R - KARL J . T R Ü B N E R - V E I T & C O M P .

Zehn Exemplare dieser Schrift liegen als Mündiener Dissertation vor. Ardliv-Nr. 3519 671

© 1967 by Walter de Gruyter & Co., vormaU G. J. Göschen'sehe Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung

a

Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13 (Printed in Germany)

Alle Rechte, insbesondere das der Obersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch, oder Teile daraus, auf photoine chanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Otto von Holten, Berlin 30

VORWORT Die vorliegende Monographie, 1964 als Dissertation an der Universität München entstanden, beschäftigt sich mit einem der bedeutendsten und interessantesten Werke Klenzes, dem Odeon in München. Diesen wegen seiner edlen Formen und seiner hervorragenden Akustik einst vielgerühmten Konzertsaal, der im 1. Weltkrieg untergegangen ist, vor der Vergessenheit zu bewahren und wenigstens geistig wiederherzustellen, soweit und solange die (z. T. schon verlorenen) Quellen dies noch gestatten, ist die Aufgabe dieser Arbeit, die somit ein Beitrag zur Rekonstruktion Münchens sein will, das so viele kostbare Raumschöpfungen verloren — und so manche wiedergewonnen hat. Der seit einigen Jahren immer wieder erwogene Plan, das Odeon als Konzerthaus in der ursprünglichen Form wiederaufzubauen, gab den Anlaß, das Gebäude möglichst bis zum letzten Profil zu rekonstruieren und diese Beschreibung des alten Baubestandes, die möglicherweise praktische Bedeutung gewinnen kann, völlig von jeder Analyse, Deutung und Wertung zu trennen, denen naturgemäß ein geringeres Maß an Objektivität eigen ist. Bei aller erstrebten Akribie in der Rekonstruktion ging das Bemühen doch auch dahin, außer der alten Form möglichst viel von Leben, Atmosphäre und Geist der damaligen Zeit wiederzuerwecken. Neben der Erschließung der Bauakten tragen dazu besonders der Briefwechsel des königlichen Bauherrn und seines Architekten, zeitgenössische Pressestimmen und nicht zuletzt auch alte Inventare bei, die uns ein fast vollständiges Bild auch der Möblierung eines derartigen Gebäudes bis in den letzten Nebenraum hinein vermitteln. Die Frage nach den geistigen Grundlagen eines solchen Gebäudes und nach der ursprünglichen Funktionsart, die auch seine Gestaltung beeinflußte, veranlaßte von Anfang an eine Ausweitung des Themas, da die Ursprünge des öffentlichen Konzertsaalbaus bisher von der Architekturgeschichte noch nicht behandelt worden sind — abgesehen von einigen Bemerkungen in Paul Klopfers »Von Palladio bis Schinkel« (1911), in Handbüchern der Architektur und der Akustik und in Chambers's Encyclopaedia. So bildet der zweite Teil der Arbeit gleichsam den weiteren, notwendigen Rahmen, in den das Odeon hineingestellt wird und ohne den es nicht verstanden werden kann. Bei der Darstellung der Frühzeit des Konzertsaalbaus kann es sich im Rahmen dieser Arbeit freilich nur um eine allererste Andeutung der historischen Vorgänge und geistigen Probleme handeln, und bei der Beschreibung einzelner Beispiele natürlich um keine vollständige Erfassung dieser architektonischen Gattung. Die historischen Kon-

zertsäle sind noch kaum erforscht; bisher fanden sie nur von seiten lokaler Musik-, Konzert- und Theatergeschichten eine — kunsthistorisch meist unbefriedigende — Berücksichtigung, nur einzelne Bauten, die von berühmten Architekten stammten, wie Schinkel oder Nash, sind in der kunsthistorischen Literatur behandelt worden. Zu einer eingehenderen Behandlung dieses wenig erschlossenen Gebietes wären spezielle Studien jeweils an Ort und Stelle unumgänglich. So soll im folgenden das Odeon — ein besonders hervorragendes Werk unter den Konzertsälen — stellvertretend für die ganze Gattung ausführlich dargestellt werden. Mein besonderer Dank gilt allen Archiven, Sammlungen und Bibliotheken, die mir bei meiner Arbeit behilflich waren, vor allem aber meinen verehrten Lehrern, Prof. Dr. Hans Sedlmayr und Prof. Dr. Oswald Hederer, die meinen Bemühungen viel Verständnis, Interesse und Anregung entgegenbrachten. München, im November 1966 HEINRICH HABEL

INHALTSVERZEICHNIS VORWORT

V ERSTER TEIL: DAS ODEON IN MÜNCHEN

i.Kapitel: GESCHICHTE Vorgeschichte: Plan zu einem Pendant des Leuchtenbergpalais,- Pläne zu einem Konzertsaal für München; dieser wird in das Pendant verlegt — Amtliche Schritte zur Vorbereitung des Baues — Grundsteinlegung — Fortgang der Bauarbeiten — Einrichtung — Ubergabe an die Hoftheater-Intendanz — Eröffnung — Inventare — Aufnahme durch die Öffentlichkeit — Ablehnung im Landtag — Sitz der Musikakademie — Zerstörung — Ruine — Wiederaufbau als Innenministerium — Pläne einer Rekonstruktion

i

2. Kapitel: BESCHREIBUNG (Rekonstruktion) A. DAS ÄUSSERE Gestalt im allgemeinen — Material — Farbe — Aufriß des Fassadensystems — Portale — Fenster — Dach — Renovierungen B. DAS INNERE i. Abschnitt: DER GROSSE SAAL I. Allgemeine Übersicht (Grundform — Maße) 33 II. Beschreibung im einzelnen 35 1. Der Boden 35 2. Die Säulenstellungen 35 3. Die Wände (einschließlich der Exedra mit den Büsten) 40 4. Die Decke 46 5. Die Fresken 49 a) Kaulbachs »Parnaß« 52 b) Eberles »Apoll unter den Hirten« 53 c) Anschütz' »Urteil des Midas« 56 III. Die Einrichtung 57 r. Ursprüngliche Einrichtung 57 2. Veränderungen (neue Bestuhlungen — Königsloge — Orgeln) 59 IV. Beleuchtung, Heizung, Ventilation 62 V. Renovationen 67 VI. Die Akustik 68

2. Abschnitt: DIE N E B E N R Ä U M E

69

I. Erdgeschoß und Treppen (Allgemeines — Rekonstruktion von 14 Räumen mit ihrer Einrichtung) II. Erster Stock (Allgemeines — 9 Räume) III. Zweiter Stock (Allgemeines — 9 Räume)

69

80 89

3. Kapitel: A N A L Y S E

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I. Name und Bestimmung

96

II. Das Äußere 1. Charakter 2. Städtebauliche Einordnung 3. Genese 4. Stil (Zum Problem der »Neurenaissance««)

100 100 102 104 109

III. Das Innere (Der Saal) 1. Charakter 2. Genese und Stil

116 116 120

ZWEITER TEIL: E N T S T E H U N G U N D F R U H Z E I T DES ÖFFENTLICHEN K O N Z E R T S A A L B A U S I. Historische Voraussetzungen Emanzipation des Bürgertums — neue Bauaufgaben — kommerzielles Konzertleben — neue Stellung der Musiker — neuartiger Charakter der Musik — sie vermittelt Erlebnis, Ethos und Religion — Problematik eines kongenialen architektonischen Rahmens II. Entstehung und Formen des Konzertsaales 1. Vorläufer: Nichtöffentliche Musikräume Höfischer Bereich — bürgerlicher Bereich — Das Projekt von Thomas

139 139 Mace

2. öffentliche Konzertsäle — Entstehung und Abgrenzung der Gattung 3. Formen des öffentlichen Konzertsaales

142 145

III. Frühe öffentliche Konzertsäle (etwa bis 1850; Beispiele) . 1. Britische Inseln 2. Niederlande und Belgien 3. Frankreich 4. Iberische Halbinsel 5. Italien 6. Rußland 7. Deutschland und Österreich ANHANG:

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131

147 147 153 154 r6o 161 164 166

Verzeichnis der benützten Abkürzungen

183

Katalog alter Pläne und Ansichten des Odeons

183

Personenregister

188

Ortsregister Tafeln 1 - 1 6 Abbildungsnachweis

192

ERSTER TEIL DAS ODEON IN

MÜNCHEN

ERSTES KAPITFL GESCHICHTE Die V o r g e s c h i c h t e der Errichtung des Odeons verläuft in zwei getrennten Phasen, die beide mit dem Jahre 1818 beginnen und sich erst sieben Jahre später vereinigen. Die eine bestand in dem Plan, am (nachmaligen) Odeonsplatz als symmetrische Wiederholung des Leuchtenberg-Palais ein Gebäude zu erstellen, dessen Bestimmung zunächst noch nicht festgelegt war,- die andere ergab sich aus der Notwendigkeit, in München für Konzerte, Feste und Bälle eine neue Heimstätte zu schaffen, nachdem die bisherige, der Redoutensaal in der Prannerstraße, der auf Grund der bayerischen Verfassung von 1818 gegründeten Ständeversammlung eingeräumt worden w a r 1 . Im Jahre 1825 wurde entschieden, daß der geplante Palast am Odeonsplatz den neuen Konzertsaal aufnehmen solle. Die Geschichte des Odeons zumindest in seiner äußeren Gestalt ist also mit der Entstehung der großzügig angelegten ludovizianischen Neustadt nördlich vom ehemaligen Schwabinger Tor aufs engste verbunden; sie setzt zu der Zeit ein, da der damals vierunddreißigj ährige Leo von Klenze seinem Auftraggeber, dem Kronprinzen Ludwig, seine Ideen zur Gestaltung des Odeonsplatzes vorlegt. In dessen Mitte sollte der (nachmals auf dem Karolinenplatz errichtete) große Obelisk aufgestellt werden; am 7. August 1818 schreibt Klenze an den Kronprinzen: »Der Entwurf zu dem ArmeeMonumente ist vollendet, bis auf eine ebenfalls sehr vorgerückte perspektivische Zeichnung des ganzen Platzes worauf es steht« 2 . A m 20. desselben Monats folgt ein weiterer Brief, in dem der Architekt eindrucksvoll den schöpferischen Vorgang schildert, der zu der städtebaulichen Vision der Platzanlage führte (Tafel 3, Abb. 3): »Meiner schlechten Gewohnheit zufolge habe ich das Ganze in ein würkliches perspektivisches Bild gebracht welches möglichst wahr in Verhältniß Gestalt Farbe und Würkung gehalten. So wie Ew.königliche Hoheit die Sache jetzt vor sich sehen, trage ich sie schon lange in der Seele, nur hinderte mich die Wahl des Stoffes zur Ausführung bis jetzt das Ganze

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Verzeichnis der in den Anmerkungen benützten Abkürzungen siehe S. 183. 2 Siehe den Abschnitt »München« am Ende des zweiten Teils. GH I/A 36. I

zu beendigen, bis mich der Gedanke eines glücklichen Augenblicks aus aller Verlegenheit zog. Die architektonische Poesie des Entwurfs liegt im Kontraste der einfachen riesenhaften Obeliskenform, welche rein und kräftig wie ein Kristall (der Natur Säule) dem Boden entsproßt, und namentlich auf dem gewählten Standpunkte (doch auch auf den anderen 3 Seiten) gleichsam einen focus von Architektur zum Hintergrunde hat, wo sich Palläste Säulen Tempel und Kuppel zusammendrängen. Rechts und links das Hotel Leuchtenberg und sein Pendant im Grunde — die Bestimmimg weiß ich nodi nicht aber diese Art von Composition wünschte ich sehr«3. Bei der erwähnten perspektivischen Ansicht handelt es sich um eines der schönsten Blätter von der Hand Klenzes, ein Aquarell4 mit dem Obelisken im Vordergrund; rechts und links dahinter erstrecken sich die Blöcke des Leuchtenbergpalastes und seines Pendants, des späteren Odeons; den gassenartigen Zwischenraum schließt ein kuppelgekrönter Tempel mit Portikus ab >— eine geplante Kriegergedächtnisstätte, an deren Stelle jedoch Klenze 1822 das Alfonspalais errichtete, in dem er selbst fünfundzwanzig Jahre lang wohnte. Das Palais, das sich Eugène Beauharnais, der ehemalige Vizekönig von Italien und nunmehrige Herzog von Leuchtenberg, 1816—18 durch Klenze errichten ließ, war das erste Gebäude der neuen städtebaulichen Anlage nördlich des Schwabinger Tores; der Plan, ihm ein gleichartiges Pendant zur Seite zu stellen, wurde durch alle folgenden Jahre festgehalten. Zunächst hoffte man noch, einen privaten Bauherren für das Projekt gewinnen zu können, doch gab es offenbar unter der Münchener Aristokratie niemand mehr, der sich mit dem Herzog von Leuchtenberg, dessen Hofhaltung an mondänem Glanz sogar die des Königs überstrahlte6, vergleichen konnte und wollte6. So schrieb Kronprinz Ludwig am 7. April 1823 aus Würzburg an Klenze: »Wenn Sie nicht sicher sind daß die Wiederholung des Leuchtenbergischen Baues demselben gegenüber von einem Privaten aufgeführt werde, so, wenn Sie meynen daß es einen guten Erfolg haben könnte, reden Sie mit dem Armee-Minister daß es für sein Departement geschehe, in welchem Fall Sie ihm, solches zu befördern mittheilen können, aber unterm Siegel der Verschwiegenheit gegen Jedermann selbst gegen Wrede, so viel ich auf ihn halte, daß einst der in die Verlängerung der Ludwigstraße fallende Theil des dermahl. (?) Armee MonturMagazin wird abgebrochen werden«7. Doch der Neubau des Kriegsministeriums entstand seit 1827 durch Klenze an anderer Stelle,- der Bauplatz gegenüber dem Leuchtenberg-Palais aber, ein eingeebnetes Stück der ehemaligen Wall- und Graben-Befestigung8, blieb noch jahrelang frei9,- so erscheint er auf einer Federzeichnung von Gustav Kraus, die den Zustand der Ludwigstraße im Jahre 1822 zeigt 10 . 3 4 5 8

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2

G H VA 36 fol. 36 (Brief Klenzes aus Ellingen, wo er den Entwurf Wrede vorgelegt hatte). Staad. Graphische Sammlung München Nr. 27 166. Adalbert Prinz v. Bayern, Eugen Beauharnais, München 1950 2 , S. $ 1 1 . Der einzige vergleichbare Bauherr Münchens, Herzog Max in Bayern, ließ sich 1827 durch Klenze einen großen Palast weiter nördlich an der Ludwigstraße erbauen. Brief des Kronprinzen Ludwig an Klenze aus Würzburg vom 7. 4. 1823, SB Klenzeana XIV/i (Nr. 175).

Unterdessen führten verschiedene Bestrebungen, der Stadt endlich zu dem notwendigen Konzertsaal zu verhelfen, zu keinem Ergebnis. Karl v. Fischers Pläne zum Nationaltheater hatten als dessen rechten Flügel einen Redoutensaal vorgesehen 11 , doch unterblieb dieser Anbau aus Geldmangel und [nach dem Theaterbrand von 1823) aus Sicherheitsgründen. So schien schließlich das ersehnte Gebäude durch Privatinitiative entstehen zu sollen. Hinweise über diese Bemühungen finden sich mehrfach in der Münchner kulturellen Zeitschrift »Flora«. Sie berichtet am 24. 9.1824 von einem Projekt zu einem privaten Konzerthaus am Maximiliansplatz/Ecke Pfandhausstraße (heute Pacellistr.), gegenüber der Herzog-Max-Burg: hier sollte »ein Harmonie- oder Conzertgebäude angelegt werden, wofür sich bekanntlich schon ein Unternehmer gefunden hat« — höchstwahrscheinlich Johann Ulrich Himbsel; » . . . mit dem oben erwähnten, im Entwürfe stehenden Conzert- und Tanzsaale soll ein dergleichen Kaufhaus verbunden werden« 12 . Der gleiche Plan wird am 13. Februar 1825 abermals in einem Artikel »Carneval« erwähnt 13 , welcher beklagt, »daß es der Hauptstadt an einigen großen anständigen Sälen für öffentliche Vergnügungen, als Bälle und Conzerte, fehlt. Nachdem der Plan aufgegeben ist, neben dem neuen Theater dergleichen aufzuführen, wie es im Entwurf seines Erbauers lag, konnte man hoffen, daß irgendein Bau-Unternehmer . . . die größere Conception ausführen würde, ein Gebäude herzustellen . . . Man hat deshalb von vielen Seiten her der Ausführung des Planes, an der Stelle des alten unscheinbaren und baufälligen Ballhauses in der Nähe des Max-Pallastes, ein großes Hotel für Conzerte und Bälle aufzuführen, um so mehr Beifall geschenkt, da mit demselben der Entwurf verbunden war, dessen untern Raum zu Kaufmanns-Magazinen und Boutiken zu benützen, die durch Gaslicht beleuchtet« werden sollten. »Es ist so allgemein anerkannt, daß einige große Säle für Feste, Conzerte und Bälle ein öffentliches Bedürfniß sind«, daß die »Flora« den Baubeginn noch für das gleiche Frühjahr empfiehlt, damit das Gebäude zum nächsten Karneval fertig sei. Doch schon am 10. März 1825 muß die Zeitschrift feststellen: »Mit dem Münchner Bazar, der zugleich einen Tanz- und Conzertsaal enthalten soll, geht es etwas langsamer her«14. Und am 17. April 1825 schließlich berichtet sie 16 , der Plan des Conzerthauses gegenüber der Maxburg an der Stelle des Ballhauses sei vereitelt worden, stattdessen entstehe dort ein Mietshaus16. Die »Flora« fährt fort 1 7 : »Der Urheber der ersten Idee, denselben 8

Dieses Stüde des Stadtgrabens war zuvor z.T. ein Garten des Staatssekretärs Ludwig v. Kobell gewesen. • Joseph Wiedenhofer, Die bauliche Entwicklung Münchens vom Mittelalter bis in die neueste Zeit im Lichte der Wandlungen des Baupolizeirechtes, München 1916, S. 77. 10 SM Zettleisammlung (abgebildet bei O. Hederer, Die Ludwigstraße in München, München 1942, S. 21). 11 vgl. Anm. 1. 12 Flora Nr. 154/24. 9. r824, S. 620 f. 13 Flora Nr. 25/13.2.1825, S. roi f. 14 Flora Nr. 39/10. 3.1825, S. 158. 15 Flora Nr. 61/17. 4. 1825, S. 246. 16 Laut »Häuserbuth der Stadt München« (Bd. II, München i960, S. 174) erwarb der Baurat 3

(den Platz) zu einem Kaufhause und Concertsaale zu verwenden, kann übrigens mit R u h e es geschehen lassen, seinen Entwurf nicht ausgeführt zu sehen; er hat durch zwei Theater, die vorzüglich durch seinen Eifer und auf seinen Betrieb entstanden, sich ein wesentliches Verdienst u m die Hauptstadt erworben und seinem N a m e n ein D e n k m a l gesetzt. M ö g e Er in der Errichtung eines Concertsaales und Kaufhauses einen Nachahmer finden, der, gleich Ihm, gemeinnützig zu wirken bemüht sey.« König M a x I. Joseph scheint also selbst das Projekt angeregt zu haben. D i e Idee ging jedoch nicht unter, sondern wurde n u n v o m Kronprinzen und seinem Architekten in den neuen Stadtteil hinübergenommen. Hier entstand an der Ostseite des neuen Odeonsplatzes 1824—25 der Bazar, ein zahlreiche Läden enthaltendes modernes Kaufhaus, dessen Errichtung der Bauunternehmer Himbsel angeregt h a t t e 1 8 . Gegenüber v o m Bazar aber wurde der projektierte Konzertsaal verwirklicht, den m a n in das längst vorgesehene Pendant des Leuchtenberg-Palais verlegte. D i e Pläne zu diesem, n u n »Odeon« genannten Gebäude muß Klenze also i m Laufe des Jahres 1825 geschaffen haben, und zwar i m Sommerhalbjahr, nachdem das Projekt bei der M a x b u r g i m Frühjahr gescheitert war, und noch vor dem Tode König M a x Josephs am 1 3 . Oktober, da nach einem Bericht des preußischen Gesandten v. Küster v o m 1 . 3 . 1826 der Bau »schon v o n der vorigen Regierung geplant worden w a r « 1 9 . U n d in der Landtagsdebatte über die Baukosten des Odeons (1831) führte der Finanzminister Graf v . Armansperg aus, daß nach dem 1823—25 durchgeführten Wiederaufbau des abgebrannten Nationaltheaters die Staatsregierung keine Mittel besaß, letzterem noch den vorgesehenen Saalflügel anzufügen; m a n »beschloß demnach, so wie es einst die Mittel erlauben sollten, einen solchen Bau getrennt und selbständig auszuführen, nicht mehr in Verbindung mit dem Theater, damit dieses vollendet dastehe, der Platz nicht verengt, die Feuergefahr nicht vermehrt werde . . . So w a r der Standpunkt bey dem Antritte der dermaligen Regierung« 2 0 . Gewiß darf m a n den Kronprinzen Ludwig als die treibende Kraft bei der Odeonsplanung ansehen, hatte i h m doch sein Vater schon z u Lebzeiten die Leitung des Bauwesens überlassen. Möglich wäre auch eine Anregung Himbsels, dem ja dann auch die A u s f ü h r u n g der Klenzeschen Entwürfe übertragen wurde. D i e Korrespondenz zwischen dem Kronprinzen und seinem Architekten w i r f t nur ein ungenügendes Licht auf die Planungsgeschichte des Odeons. In einem Schreiben aus Bad Brückenau v o m 9. September 1825 erkundigt sich Ludwig: »Wie steht's mit

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Joh. Ulrich Himbsel das Grundstück Pacellistr. 3/Ecke Maxplatz im Jahre 1826 u. errichtete darauf ein Wohnhaus. Flora Nr. 61/17. 4.1825, S. 244 ff. Oswald Hederer, Die Ludwigstraße in München, München 1942, S. 34 und S. 1 1 7 (Anm. 63). Anton Chroust, Gesandtsdiaftsberidite aus München 1814—48, Abt. 3 Bd. 2, S. 23. Verhandlungen der 2. Kammer der Ständeversammlung des Königreiches Bayern r83r, Band 8, Protokoll der XLII. Sitzung vom 13. 6., S. 3r f., vgl. auch die Rede Armanspergs in der 52. Sitzung vom 27. 6. 1 8 3 ^ ebenda S. 183: der Bau des Odeons konnte wegen des Theaterbrands und des bedeutenden Ausfalls in den Finanzen erst später als r 823/25 ausgeführt werden.

dem vorgeschlagenen Reduten-Saal? Des Preißes Hälfte für einen Gallerieplatz, dürfte diese entweder zu theuer, oder jene im Saale unten zu wohlfeil machen, in jedem Fall den Zweck verfehlen. Was nun immer die Antwort sey, wünsche ich angelegenst daß die Unterhandlung weder abgebrochen noch daß (?) abgeschlossen, sondern meine Ansicht darüber erst vernommen werde« 21 . Klenze antwortet am 15. September 1825: »Wegen des Redoutensaales werden Ew. Königlichen Hoheit Befehle befolgt werden, es eilt damit nicht, und der Abschluß der Verhandlungen wird ein Geschäft für nächsten Winter sein« 22 . Aus Objektivität den verschiedenen rivalisierenden Kunstrichtungen gegenüber, und um durch deren gegenseitiges Ausspielen die Qualität zu steigern, pflegte in diesen Jahren Ludwig I. alle zur Ausführung bestimmten Bauentwürfe der Kunstakademie zur Begutachtung vorzulegen, deren Direktor Klenzes Antipode Cornelius war 2 3 . Die Odeonspläne lagen der Akademie am 24. November 1825 vor; gerügt wurde der Mangel direkter Beleuchtung und Belüftung im Konzertsaal, worauf Klenze das Projekt nochmals umarbeiten mußte 24 . Das Odeon gehört zu der Reihe großer architektonischer Projekte, die unmittelbar nach der Thronbesteigung Ludwigs I. begonnen wurden und die den preußischen Gesandten v. Küster veranlaßten, seinem Monarchen Friedrich Wilhelm III. in dem schon erwähnten Schreiben zu berichten: »Der König läßt zur Verschönerung Münchens große Gebäude durch Klenze aufführen, von denen 3 zu Beginn der besseren Jahreszeit in Angriff genommen werden sollen, und zwar das Odeon, das schon von der vorigen Regierung geplant worden war und das 3000 (!) Personen fassen soll, einen FlügelAnbau an die Residenz..., und die Pinakothek« 28 . Die entscheidenden formalen Schritte zur Verwirklichung des Projektes erfolgten um die Jahreswende 1825/26 rasch nacheinander. Am 20. Dezember 1825 wurde »mit allerhöchst unmittelbarer Genehmigung Sr. K. Majestät« der Kontrakt »zwischen dem k. geh. Oberbraurathe Klenze als Architekten, und dem Baurathe Himbsel als Bauunternehmer« abgeschlossen26. Am 22. Dezember r825 erging an die Hofbau-Intendanz das entscheidende Allerhöchste Kabinettsreskript, in dem der König die Ausführung des Baues befahl und die näheren Umstände (vor allem finanzieller Art) festlegte. Darin wurde der genannten Behörde, deren Leitung Klenze innehatte, aufgetragen, »ein Ge31 22 23

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28

SB Klenzeana XlV/r. GHI/A36. Winfried v. Pölnitz, Ludwig I. v.Bayem und Joh. Martin v.Wagner, München r929, S. 141. — Eugen v. Stieler, Die k. Akademie der bildenden Künste zu München, München 1909, S. 79. (So wurden z. B. auch Klenzes Pläne zur Glyptothek, zur Alten Pinakothek von der Akademie scharf kritisiert.) O. Hederer, Die Ludwigstraße in München S. 117 Anm 61. Vgl. Anm. 19. — Auch der österreichische Botschafter Graf Trautmannsdorff berichtet Metternich am 4. 3. 1826 über die Verschönerung der Stadt: »Tatsächlich ist der Grund zum >Odeon< bereits gelegt« (Chroust a. a. O. Abt. 3 Bd 2 S. 23). Im gleichen Jahr 1826 wurde auch die Allerheiligenhofkirche begonnen. So erwähnt im Ubergabe-Protokoll vom 4.1. 1828 (HSA Mf 56056). 5

bäude zu einem Concertsaal — Odeon genannt — aufzuführen, dessen Benützung und Verwaltung aber der kgl. Hoftheater-Intendanz zu teil ist«27. (Leider ist diese bedeutsame Urkunde, wie auch die übrigen Odeons-Akten der Hofbauintendanz, nicht mehr vorhanden28.) Die nächsten Schritte erfolgten am 5. Januar 1826. An diesem Tag richtete Ludwig I. ein Reskript an die Hoftheater-Intendanz29, dessen einleitende Worte den Text des Reskriptes vom 22. Dezember sinngemäß wiederholen: »Wir haben, um einem bisher gefühlten Bedürfniße abzuhelfen, Uns entschloßen, nach einem von Unserer Hofbau Intendanz Uns vorgelegten Plane ein Gebäude zu einem Conzertsaale Odeon genannt aufführen zu laßen, deßen Benützung und Verwaltung Wir Unserer Hoftheater Intendanz zuzutheilen beabsichtigen.« Hierauf werden die Maßnahmen zur Finanzierung des Projektes dargelegt: »Zur Deckung der hiefür berechneten Kosten hat sich Unser Hofbanquier v. Hirsch zu einem Kapital Vorschuß von 250,000 fl. in 24 G. F. a 5 % in der Art erbothen, daß nach dem Bedürfniß der Aufführung des Gebäudes in monatlichen Raten 140.000 fl. im Jahr 1826; 80.000 fl. im Jahr 1827, und 30.000 fl. in den drey ersten Monaten des Jahres 1828 an Unsere Hof Theater Intendanz entrichtet werden sollen. Die Zahlung der Zinsen dieses Kapitals, so wie die Kapitalsrückzahlung soll geschehen i° vom 1. Oktober 1826 an mit jenen jährlichen 14.000 fl., welche die Staatskassa bisher für die italienische Oper jährlich zu bezahlen hatte; 20 mit dem Ertrage des Gebäudes selbst von dem Zeitpunkt an, wo selbes seiner Bestimmung gewidmet werden kann, und welcher Ertrag sich auf 6000 fl. jährlich anschlagen läßt. Unsere Hof Theater Intendanz empfängt also hiemit den Befehl a., mit Unserem Hofbanquier v. Hirsch auf vorbezeichneten Grundlagen das Anlehensgeschäft in gehöriger Form abzuschließen, und zwar unter Unserer Gewährleistung worüber Wir gedachtem Hofbanquier eine eigene Urkunde ausstellen laßen werden. b., die Gelder in den bestimmten Fristen zur Theater Kaßa in Empfang zu nehmen diese zu ihrem eigenen Zwek durchaus abgesondert zu halten, und nach den Anweisungen Unserer Hofbau Intendanz auf den Bau gedachten Conzertsaales gehörig zu verrechnen.« Noch am gleichen 5. Januar erging von der Hoftheater-Intendanz eine entsprechende Ordonnanz an die Hoftheater-Kasse30; an demselben Tag wurde auch noch der Anlehensvertrag zwischen der Hoftheater-Intendanz und dem Hofbanquier Jacob v. Hirsch auf Gereuth abgeschlossen31, und ebenfalls vom 5. 1. 1826 datiert ist die Urkunde über die Gewährleistung, welche der König persönlich übernahm32. 27 28

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Zit. n. Heinr. Bihrle, Die musikalische Akademie München 1811—1911, Mü. 1 9 1 1 , S. 2 1 . Nach Hans Kiener, Leo v. Klenze, Diss. München 1920, befanden sidi die Akten der Hofbauintendanz, darunter auch das Odeon betreffende, im Geheimen Hausardiiv; daselbst sind sie, laut frdl. Auskunft, gegenwärtig nidit mehr vorhanden. 30 Abschrift vom 26. 7.1826 im HSA Mf 56056. HSA Staatstheater 1 3 3 1 7 . Das eine der beiden Originale im HSA Staatstheater 1 3 3 1 7 (eine Abschrift HSA M F 56056), 32 das andere erhielt v. Hirsch. Abschrift vom 26. 7.1826 im HSA MF 56056.

Die Baukosten samt der Zinsentschädigung sollten »auf Veranlassung eines . . . an den damaligen Staatsminister der Finanzen Grafen v. Armansperg gerichteten allerhöchsten Handbillets . . . auf die Staatskasse übergehen, und wurde auch durch Verfügung des k. Staatsministeriums der Finanzen vom 30. 10. 1826 zur Verzinsimg und Tilgung obigen Darlehens ein Jahresbeitrag von 14000 fl — jedoch statt aus dem ursprünglich allerhöchsten Ortes in Absicht gehaltenen Reichsreservefond — aus dem Landbauetat v. J. 1826/27 anfangend angewiesen, welche Zahlung pro 1826/27 und 1827/28 wirklich geleistet worden ist. Auf ein weiteres allerhöchstes Signat vom 6. 7. 1828 — an das k. Staatsministerium des Innern ergangen wurde es jedoch angemessen empfunden, in Abänderung der mit Hofbanquier v. Hirsch vereinbarten Rückzahlungsart das Darlehen von 250 000 f in 4°/oigen (damals nicht unter pari stehenden) Staatsobligationen demselben sofort heimzuzahlen, und statt des bedungenen 5. Prozents eine bare Entschädigung von 20 943 fl verabfolgen zu lassen. Die zur Erwerbung obiger Staatsobligationen verwendeten 250000 fl, dann die hieraus berechneten Ratenzinse mit 5833 fl 20 kr, und nachträglich noch weiter hinzugekommene Baukosten per 4253 fl 27, in Summa 260 086 fl 47 kr, wurden pro 1828/29 auf den Landneubauetat verausgabt, und finden sich in dieser Größe nebst den pro 1826/27—1827/28 geleisteten jährlichen Zahlungen von je 14 000 fl unter den an den Landtag vom J. 1831 gebrachten Nachweisungen« (s. u.) 33 . Noch kurz vor dem Baubeginn, am 4. Januar r826, richtete Klenze einen Brief an Friedrich Schinkel, den Leiter des preußischen Bauwesens, und ersuchte ihn um verschiedene Angaben vor allem materialtechnischer und akustischer Art über den Konzertsaal im Berliner Schauspielhaus,- Schinkel antwortete umgehend am 13. Januar (s. u. das Kapitel »Akustik«)34. Die G r u n d s t e i n l e g u n g zum Odeon fand am 7. Februar 1826 in relativ bescheidener Form, in Abwesenheit des Königs, statt — vielleicht ein Zeichen, daß dem neuen öffentlichen Gebäude, nur einem von vielen, die im klassizistischen München entstanden, nicht unbedingt eine überragende Bedeutung beigemessen wurde. Die Zeitschrift »Eos« berichtet über das Ereignis: »Dienstig den 7. d., als den letzten Fastnachtstag, fand die feyerliche Grundsteinlegung des neuzuerbauenden kön. Redouten-Gebäudes statt. Der kön. Kämmerer, Hofmusik- u. Hoftheater-Intendant, Freyherr von Poißl erschien dabey als abgeordneter königl. Kommissär und legte den ersten Stein, auch der königl. Kämmerer und Regierungs-Direktor Graf von Seinsheim wohnte dem feyerlichen Akte bey. Der königl. Hofbau-Intendant Oberbaurath von Klenze hielt eine kurze angemessene Rede«38.

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»Darstellung der Verhältnisse des Odeons auf Anweisung des Ministerialrats v. Morgenrotli, 18. 5. 1862 (Erbauung, Verrechnung des hierfür und die Einriditung erforderten Aufwandes)«, HSA MF 56056. Schinkels Brief in SB Klenzeana XV. Eos Nr. 2378. 2. r826, S. 85. - Ähnlich der Bericht in der »Flora« Nr. 23/9. 2. 1826, S. 96. 7

Die Arbeiten am Odeon schritten, entsprechend den Wünschen Ludwigs I., »der die bestimmtesten Befehle zur Beschleunigung des Baues gab« 3 6 , unter der Leitung Himbsels mit Joseph Ertl als Palier 3 7 äußerst rasch voran, wie Klenze dem König am 20. M a i 1826 schrieb 38 . Noch im gleichen Jahr dürfte der Rohbau vollendet gewesen sein; schon am 16. August 1826 konnte Klenze dem König berichten: »Auf dem einen Flügel des Odeons wird das Dachwerk aufgeschlagen« 39 . Im Jahre 1827 erfolgte, außer den Fassadenarbeiten, die innere Ausgestaltung, um deren Durchführung der Conducteur der Hofbauintendanz, Anton Lang, besonders bemüht war 4 0 . Noch während des Baues wurde deutlich, daß die in Klenzes Plänen vorgesehenen Portale dem Besucherverkehr nicht genügen konnten, daß insbesondere ein eigener Ausgang für die Fußgänger neben der Durchfahrt fehlte. A m 2. August 1826 schrieb der Architekt an den König: »Außerordentlich angenehm ist es mir wenn Ew Majestät gestatten daß im Odeon ein eigener Ausgang für Fußgeher angebracht wird, es ist Alles darauf berechnet und angeordnet, aber da es natürlich eine bedeutende Veränderung am Äußeren der Façade herbeiführt, gegen welche Ew Majestät sich immer so lebhaft aussprachen, so wagte ich den Vorschlag nicht zu machen, besonders da die Akademie nichts von diesem Bedürfniße bemerkte. Es ist mir aber sehr angenehm dasselbe jetzt befriedigen zu dürfen, da einem, wenn auch übertriebenen, Geschrey des sogenannten Publikums dadurch begegnet wird. Die nöthige Abänderung ist übrigens in einem Tage gemacht« 4 1 . In seiner Antwort aus Aschaffenburg vom 8. August 1826 forderte Ludwig I. Klenze auf, ihm die Pläne des Zustandes vor und nach den erwogenen Änderungen zu schicken und meinte, eigentlich müßte es genügen, »nur das scheinbare T h o r 4 2 zu einem wirklichen (zu) machen und so könnten auf eine ganz andere Seite die Fußgänger hinaus« 4 3 . Daraufhin schrieb Klenze in dem bereits zitierten Brief vom 16. August 1826 an den König: »Da es mit der Anlage der Eingänge für die Fußgeher im Odeon ja gar keine Eile hat, so bitte ich Ew Majestät um die Gnade die Entscheidung über ihre äußere Gestaltung bis zur persönlichen Anwesenheit zu verschieben, wo sich Ew Majestät durch den Anblick an Ort und Stelle weit beßer von den Umständen überzeugen können. Wie gesagt alles ist im Plane dazu vorbereitet daß sie zweckmäßig angelegt werden können, und die Sache selbst ist in der kürzesten Zeit auszuführen« 4 4 . A m 24. 8 . 1 8 2 6 entschied 39

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Flora Nr. 6/8. 1. 1826, S. 27: . . . »der die bestimmtesten Befehle zur Besdileunigung des Baues gab . . . » Ertl genannt im Verzeichnis zu bezahlender Arbeiten (HSA MF 56056) vom 2. 6.1828. GH II A 31 (»Der Bau des Kaufhauses, Odeons, der Pinakothek pp schreiten rasch voran...«) Klenze an Ludwig I. am 16. 8.1826 (GH II A 31). Flora Nr. 6/8. 1. 1828: »Hr. Lang hat mit größter Anstrengung seine Bemühungen der innern Vollendung des Baues gewidmet«. GH II A 31. Das vermauerte Nordportal unter dem Säulenbalkon. Ludwig I. an Klenze am 8. 8.1826, SB Klenzeana XIV/i. Klenze an Ludwig I. am 16. 8.1826, GH II A 31, Nr. 242 auf 245.

dann der König, »daß bis zu meiner Zuriickkunft was eigenen Fußgeher Eingang ins Odeon betrifft verschoben bleibe«46. Dieser notwendige zusätzliche Eingang wurde schließlich durdi Verlängerung eines Fensters der Westfassade nach unten gewonnen (s. u.); in der »Flora« vom 27. 9.1827 ist diese Arbeit schon als durchgeführt erwähnt. In einem Schreiben vom n . November 1826 verlangte der König vom Architekten die Anfertigung eines Modells »zeitig genug bevor die Zeit zur Ausführung, auf Pappendeckel, alle Wände des großen Odeonsaales darstellend, gemalt wie Sie wünschen daß er verziert werde, damit die Stücke Pappendeckel zusammengesetzt den Saal bilden«48. Dieses Modell dürfte die unmittelbare Vorbereitung zum Ausbau des Saales gewesen sein. Über den Stand der Bauarbeiten im Sommer 1827 unterrichtet der Briefwechsel Ludwigs I. mit Cornelius und Klenze. Am 6. Junirichteteder König an den Akademiedirektor, dessen Schüler im Odeonsaale malten, ein Schreiben, in dem er die Besorgnis äußerte, die Fresken könnten nicht bis zum Winter fertig werden. Cornelius antwortet am 16. Juni, die jungen Künstler würden nach menschlicher Voraussicht noch im Laufe des Sommers ihr Werk vollenden; für den Fall unvermuteter Hindernisse wie Krankheit u. dgl. schlägt er vor, über den Winter die Kartons, mit vergoldeten Leisten umgeben, vor die Deckenfresken zu spannen. Ludwig I. setzt unter diesen Brief am 30. 6. den strikten Befehl: »Vollendet müßen die Fresken heuer werden (wenn ein Künstler verhindert so male sie ein anderer . . .)«4T. Am 3. Juli 1827 richtet der König an Klenze die Frage: »Welche Künstler malen gegenwärtig im Odeon?«48 Klenze berichtet ihm am 17. Juli 1827: »An den Freskogemälden im Odeon mahlen — Eberle Anschütz und Kaulbach — ihnen helfen hauptsächlich Hermann — Rockel, Stilke, pp. Trotz dem geht die Arbeit langsam, obwohl ich sowohl bey Cornelius, als bei den jungen Leuten selbst, alles mögliche anwand, um sie zu fördern. Alle übrigen Arbeiten in diesem Baue schreiten nun rasch voran, so daß an der Beendigung bis zum Fasching nach Ew. Majestät Willen, kein Zweifel ist. Aber ich kann Ew. Majestät nicht verhehlen daß das Gebäude unmöglich so trocken sein kann wie es sollte, um jede Unannehmlichkeit des zu frühen Gebrauchs zu vermeiden. Diese werden seyn — etwas feuchte Luft und Kälte in den Sälen; starkes Schwitzen der Wände und Fenster,- etwas zu starker Wiederhall der Musick bei Concerten; und Unvollkommenheit der Malereien an den Wänden (die Plaffonds aber werden in vollkommenem Zustande sein). Alles dieses würde bei so kurzer Bauzeit sogar bei einem Wohnhause der Fall sein, um wieviel mehr dann bei einem Gebäude was seiner Natur nach nur langsam trocknen kann. Erst jetzt erfuhr ich zufällig daß das für diesen Bau gemachte Anlehen nur 250 000 fl beträgt und glaube deßhalb bemerken zu müßen daß ich an dem Uberschlage von 261 842 f r2x allerdings 45 44 47

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Ludwig I. an Klenze aus Aschaffenburg am 24. 8. 1826, SB Klenzeana XIV/i, Nr. 24s. SB Klenzeana XlV/r. GH 89/2/16; der Brief Ludwigs I. vom 6. 6. aus der Antwort Cornelius' vom 16. 6. zu erschließen. Brief des Königs aus Bad Brückenau 3.7.1827, SB Klenzeana XIV/i. 9

wohl etwas zu ersparen denke, jedoch nie soviel werde erreichen können als diese Differenz beträgt« 49. In einem weiteren Schreiben vom 27. Juli 1827 zerstreut Klenze die Befürchtungen des Königs wegen der Feuchtigkeit im neuen Gebäude und schlägt vor, »um die schlimmsten Folgen der noch frischen Mauern zu vermeiden,... die inneren Wandflächen des großen Saales hinter den Säulen, statt dieselben gleich mit Stuckmarmor zu bekleiden, für diesen Winter mit Leinwand, Papier und dem gehörigen Anstrich zu versehen, und dieses ein oder nach Befinden zwey Winter zu laßen, bis die Mauern trocken genung geworden sind. Dieses wird für den Augenblick den Überschlag von 261 842 f 12 nicht erhöhen, im Gegentheil werden die Ausgaben dadurch bedeutend vermindert, und in keinem Falle ist eine Vermehrung der Anfangs gleich in Ubersdilag gebrachten Summe von 261 842 fl i2 x zu besorgen, wenn auch der stucco lustro später nachgemacht werden muß, denn was jetzt die provisorische Bespannung mit Leinwand kostet, werde ich in jedem Falle an jener Uberschlags-Summe ersparen; dieses kann etwa 1800 fl betragen. Übrigens rücken die Arbeiten jetzt rasch voran, und selbst die Freskomaler werden wahrscheinlich der Vollendung des Baues im Monath Januar kein Hinderniß in den Weg legen«80. Schon im Herbst 1827 war das Odeon rein baulich gesehen im wesentlichen fertiggestellt; am 27. September berichtet die »Flora«, es nähere sich seiner Vollendung, und bringt auch schon eine Schilderung der von den erwähnten Corneliusschülern gemalten Fresken an der Saaldecke51. In den wenigen bis zur Einweihung verbleibenden Wochen mußte unter äußerstem Zeitdruck die Ausstattung des Hauses mit den entsprechenden Möbeln erfolgen. Den Anstoß zur E i n r i c h t u n g gab ein königliches Reskript an die HoftheaterIntendanz vom 7. April 1827 des Inhalts, es sei wegen des fortgeschrittenen Bauzustandes »an der Zeit, wegen der nöthigen Mobiliarschaft die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Wir beauftragen daher zu dem Ende Unsere Hoftheater-Intendanz im Benehmen mit dem Architecten dieses Baues die Entwürfe und Kostenanschläge für das Ameublement des Odeons herzustellen, und Uns baldigst zur Vorlage zu bringen, und bemerken dabey in's Besondere, daß bey diesen Entwürfen neben den Forderungen des Anstandes vorzüglich auf Einfachheit und Dauerhaftigkeit Rücksicht genommen werden soll«62. — Der Voranschlag wurde Anfang Mai 1827 angefertigt, aber erst im Oktober sanktioniert und in der Folge erheblich überschritten53. Ein Antrag der Hoftheater-Intendanz vom 20. August 1827 ersuchte um die Genehmigung des Voranschlages in Höhe von 25 245 fl. 28 kr. 54 ; der König ordnete hierauf 40 80 81

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Klenze an Ludwig I., München 17. 7 . 1 8 1 7 , G H II/A 31, fol. 249. Klenze an Ludwig I., München 27. 7. 1827, G H II/A 31, Nr. 252. Flora Nr. 193/27. 9. 1827; nach Flora Nr. 6/8. 1. 1828 war das Odeon »im Herbste des nun verflossenen Jahres in der Hauptsache vollendet«. HSA Staatstheater 1 3 3 1 7 ; daraufhin forderte der Hoftheater-Intendant Poißl Klenze zu einer Zusammenkunft auf (Brief vom 1 8 . 4 . 1 8 2 7 , ebenda). Eingabe Galleris an die Hoftheater-Intendanz vom 1. 3 . 1 8 2 8 (HSA Staatstheater 13317).

am 4. September an, die Einrichtungskosten aus den Mitteln der aufgelösten italienischen Oper zu decken56, doch teilte ihm der Finanzminister am 17. Oktober mit, dies sei nicht möglich, da die Abfindungen bei der Aufhebung dieses Instituts allein über 2,0 000 fl. ausgemacht hätten; stattdessen empfahl er, die Hoftheater-Intendanz solle selber die Einrichtungskosten bestreiten und zu diesem Zweck, da ihr die Mittel gegenwärtig fehlten, sich die Summe von den bei der Zentralstaatskasse liegenden »französischen Defensionsgeldern« (Reparationen, die zum Festungsbau in der Pfalz verwendet werden sollten) vorschießen lassen5® und die Vorschüsse aus den Erträgnissen des Odeons refundieren67. Auf Ludwigs genehmigendes Signat vom 18. Oktober 1827®® folgte die entsprechende Ministerialverfügung an die Staatskasse am 26. November 1828; ihr zufolge hatten sich die Einrichtungskosten inzwischen auf 38 478 fl. 81/* kr. erhöht59. Die Anschaffungen konnten erst beginnen, nachdem ihre Finanzierung gesichert war — nämlich im November 1827 60 ; die überstürzte Eile bei der Einrichtung und die Gründe für die zusätzlich entstandenen Kosten schildert anschaulich der mit der Besorgung dieser Geschäfte betraute Hoftheater-Oeconomie-Offiziant P. J. Galleri: »Die Vorarbeiten mußten auf die kurzen theueren Wintertage verschoben bleiben. Erst anfangs November konnten die Anschaffungen gegeben werden. Die ganze schöne — und für Holz und Lakier Arbeiten vortheilhafte Sommerzeit gieng unbenützt vorüber, und in einem Zeiträume von kaum 9 Wochen mußte eine so bedeutende Quantität von Meubeln und Beleuchtungsrequisiten verfertigt werden. Um dem allerhöchsten Befehle nachzukommen, mußte der Gehorsamst-Unterzeichnete die Lieferanten Tag und Nacht zur Arbeit anhalten, diese aber waren gezwungen, die Zahl der Gesellen, und selbst mit diesen die Zeit der Arbeit durch die Nacht zu verdoppeln, folglich auch doppelte Löhnungen zu geben. Ewig merkwürdig werden für den gehorsamst Unterzeichneten die letzten 14 Tage bleiben, indem nach gänzlicher Beendigung des Baues und architecktonischen Arbeiten erst unzählbare Gegenstände herbeiströmten, an die vorher gar nicht gedacht wurde,besonders in den letzten 8 Tagen glich das Odeon einem Babilon, es war vom frühesten Morgen an bis in die späteste Nacht ein Treiben — ein Rennen — ein Laufen — ein Gewühl — von Professionisten und Handwerksleuten aller Art, was nicht zu beschreiben ist. Hier fehlte noch dieß — dort jenes — Es war da keine Rede mehr von Uberschlägen, von Berathung, die Stunde der Eröffnung war beschloßen, die Befehle für das noch Fehlende waren gegeben, und der unaufhörliche Gedanke war nur der — fertig — fertig werden. 54

HSA MF 56056; der detaillierte Kostenüberschlag befindet sich ebenda im Akt Staatstheater

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56 Signat Brückenau, 4. 9.1827, HSA MF 56056. HSA MF 56056. Letzteres in Ministerialan trag vom 24. n . 1827 beantragt und vom König genehmigt. Auf dem in Anm. 56 erwähnten Blatte (»Es brennt auf dem Nagel...«). HSA MF 56056. HSA MF 56056 (Schreiben des Hofth. -Int. Poißl an das Fin.-Min. 24« 3.1828).

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Hiezu vereinte sich noch die bekannt schlechte Witterung, der kurze Tag, lange Lichtarbeit, und Beheitzung mehrerer Lokalitaeten für die Lakierarbeiten p. p. durch welche Umstände natürlich Steigerung der Preiße herbeigeführt werden mußte«61. Ein nicht minder lebendiges Bild ist in einer Eingabe der an der Einrichtung beteiligten Handwerker an den König wegen sofortiger Bezahlung gezeichnet; es heißt darin, daß »erst am 6. November 1827 mit den Anschaffungen für das Odeon der Anfang gemacht, und daß bis zum 6. Januar alles zur wirklichen Eröffnung desOdeons in Bereitschaft seyn mußte . . ., eine ungeheuer und auf unerhörte Weise beschleunigte Einrichtung eines herrlichen, für öffentliche Zwecke bestimmten Gebäudes... Schon der erste Anfang, ja eigentlich schon der bloße Versuch, der mit der OdeonEinrichtung gemacht wurde, trug den Character der unerhörtesten Eile an sich, denn schon am 8. n . 27 war der zur Probe auf besonderen Befehl verfertigte Lüster vollendet und aufgehängt. Die eigentümlichen Arbeiten mit Verfertigung der Lustres begannen am 16. 11. und bis Ende Dezember also in 6 Wochen waren 25 Lustres mit 540 Lampen vollendet. Wegen der Eile mußten die Spengler manche Materialien mit Postwagen aus Paris kommen lassen. 4 Lakierer arbeiteten 6 Wochen lang Tag und Nacht in einem Zimmer des kleinen Hoftheaters und zur Lakirung und Vergoldung der übrigen Gegenstände mußte d e r . . . Spängier Obermair in seiner eigenen Wohnung die Zimmer räumen. Die arbeitenden Individuen richteten durch die ununterbrochene Anstrengung, durch das immerwährende Sitzen in sehr warmen Zimmern (denn diese mußten wegen Trocknung der Lakir-Arbeiten unaufhörlich stark geheitzt werden), durch Entbehrung der freyen Luft, der Ruhe und des Schlafes ihre Gesundheit mehr oder weniger zu Grunde, und daß wir ihnen mit dem, nicht doppelten sondern dreyfachen Lohne, den sie deßwegen forderten, mit der verbeßerten Nahrung, die wir ihnen reichen, und mit allen sonstigen Opfern, durch die wir sie zu einer so wahrhaft grausamen Anstrengung bewegen mußten, ihre zerstörte Gesundheit nicht bezahlen konnten, wird Niemand mißkennen, dem ein nur einigermaßen fühlendes Herz im Busen schlägt! 2 Gesellen des Spengjers Obermair erkrankten und starben in Folge dieser übermäßigen Anstrengung. Ähnliche Anstrengungen und Opfer erforderten die Kistlerarbeiten. Die ungeheure Menge von Sesseln, Tabourets, Tischen etc. waren in 7 Wochen fertig, und dies im Winter.« Ähnlich sei es auch bei den Glaswaren gewesen. Das Dokument ist unterzeichnet von dem Tapezierer Cajetan Oberstetter, den Spenglern Joh. Bapt. Obermayr und Anton Hergl, dem Kistler Anton Grammer, dem Kaufmann Donatus Daflmayer und dem Hof-Glaser und Spiegel-Verleger Carl Kircher62. Außer diesen Handwerkern sind noch mit Namen überliefert der Uhrmacher Joseph Minutti, der Gold- und Silberarbeiter Georg Wollenweber und der Kistler Staudacher63. 81 62 68

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Galleri an die Hoftheater-Intendanz am 1.3.1828 (HSA Staatsth. 13317). Gesuch der Handwerker vom 27. 6.1828 (HSA MF 56056). HSA MF 56056 (Verzeichnis noch zu bezahlender Arbeiten vom 2. 6.1828).

Bei der Beschaffung der Möbel schaltete sich Klenze ein und veranlaßte vermehrte Ausgaben,- der Hoftheater-Intendant Poißl begründete letztere dem König gegenüber, es »blieb die Besorgung fraglichen Geschäftes der dießseitigen Disposition nicht ausschließlich überlassen, sondern Letztere mußte mit dem Architekten getheilt werden, welchem daran gelegen war, bey der Wahl des ameublements die Anforderungen der architektonischen Verhältnisse und Ornamente in Bezug auf Harmonie befriedigt zu sehen, woraus die Notwendigkeit sich ergab, noch viele Gegenstände und zwar kostbarer als außerdem geschehen wäre, anzuschaffen, und die Zahl der bereits Vorhandenen zu vermehren« 64 . Nicht nur Einfachheit, Dauerhaftigkeit und Billigkeit waren also die Grundsätze, nach denen die Einrichtung vorgenommen wurde, sondern Klenze achtete darauf, daß die Möbelstücke sich der jeweiligen Raumgestaltung harmonisch einfügten. So konnte denn Poißl dem König gegenüber hinweisen auf »die Anerkennung, welche der Einrichtung des Odeons in Bezug auf Zweckmäßigkeit, und die der allerhöchsten Intention entsprechende Eleganz von E. Kgl. Majestät sowohl, als von sämtlichen Fremden und Einheimischen zu Theil geworden» 66 . Wieweit Klenze selbst für die Gestaltung der Möbel maßgebend war, ist kaum mehr festzustellen; vermutlich lieferte er (anders als etwa im Königsbau der Residenz) keine eigenen Entwürfe, sondern begnügte sich mit allgemeinen Direktiven hinsichtlich ihrer Anfertigung oder auch nur der Auswahl der Angebote. Am Tage der Eröffnung brachte die »Flora« einen Bericht über die letzten Arbeiten, der auch zahlreiche Angaben zur Einrichtungsgeschichte enthält: »Die auf heute (MontagjAbend bestimmte Eröffnung des Odeon hat schon seit einigen Tagen das Publikum dieser Hauptstadt beschäftigt, und der Einzug der Mobilien, der zahllosen Stühle, gepolsterten Bänke, Lustres, Wandleuchter, Tische aller Art, so wie des Wirthes mit seinen Geschirren, der Weinbouteillen, Capaunen, Schinken, Fasanen, des Conditors mit seinen Confituren und Süssigkeiten aller Art, hat schon seit mehrern Tagen eine Menge Neugieriger angezogen, um den neuen Tempel des Vergnügens, wo möglich, in seinem Innern zu schauen, dessen die Hauptstadt... so bedürftig war . . . Diesen neuen Versammlungsort des gebildeten und eleganten Pubükums dankt es den wohlwollenden Gesinnungen des Königs, Der die bestimmtesten Befehle zur Beschleunigung des Baues gab, welcher auch im Herbste des nun verflossenen Jahres in der Hauptsache vollendet war. Indessen erforderte die innere Verzierung und Einrichtung noch große Anstrengungen, um die Eröffnung mit dem Anfange des Carnevals statt finden lassen zu können . . . Erst nach der ersten Woche des Novembers konnten die nöthigen Lampen, Lustres, Stühle, Tische, Bänke u. dgl. bei den verschiedenen Handwerksleuten bestellt 84

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Antrag der Hoftheater-Intendanz an den König vom 28. 4. 182,8 (HSA Staatstheater 13317)Ähnlich der Bericht Poißls an das Finanzministerium vom 24. 3. 1828 (ebenda): Klenze fand es »in seinen Interessen, darüber zu wachen, daß bei der Wahl der Ameublements — dasselbe habe (nicht) blos Bequemlichkeit, oder Verschönerung des Lokals zum Zwecke auf Harmonie mit den architektonischen Verhältnissen, und Ornamenten gesehen werde Poißl an das Fin.-Min. am 24. 3.1828 (HSA MF 56056).

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werden, und am 5. Januar waren 9 große Lustres, jeder mit 36 Lampen, in eleganter Form und 60 schön vergoldeten Lyra's als Wandlustres aufgehängt; in den Nebenzimmern befinden sich 20 schön lakirte und vergoldete Lustres, zu 12—18 Lampen, sämmtlich von den hiesigen Spenglermeistern Hrn. Obermair und Hergel verfertigt. In den Zimmern im iten und aten Stocke sind 1000 Stück Stühle, 200 Tabourets und 82 Spieltische nebst 69 langen Speisetischen, und für die sämmtlichen Zimmer wurden die Vorhänge und Draperieen besorgt. Die Zimmer für JJ. KK. MM. (Königszimmer) wurden mit besonderer Sorgfalt meublirt und dekorirt. Die gesammte innere Einrichtung ist ebenso einfach, als geschmackvoll, und durch ihre schnelle Herstellung hat sich der damit beauftragte Hr. Galleri ein wirkliches Verdienst erworben«66. Der »hiesig bürgerliche Weingastgeber« Joh. Bapt. Findel, dessen Einzug die »Flora« so anschaulich schilderte, übernahm die Traiteurie im Odeon laut dem noch erhaltenen Kontrakt67 — einer wichtigen Quelle zur Rekonstruktion der inneren Disposition des Gebäudes — ab 1. Januar 1828 auf sechs Jahre um eine Pacht von jährlich 1000 fl. Er hatte dabei zur Bedingung gemacht, daß die ihm zugewiesenen Räume — ein großer Teil des Erdgeschosses und der 2. Stock — entgegen dem ursprünglichen Voranschlag nicht von ihm selbst, sondern »auf Rechnung des Aerars« einzurichten waren, was ebenfalls die Kosten vermehrte68. Die U b e r g a b e des Odeons an die Hoftheater-Intendanz erfolgte am 4. Januar 1828 »in Gegenwart des kgl. geh. Oberbaurathes und Hofbau-Intendanten Ritter v. Klenze, als Ubergabs-Commissaire, dann des kgl. Kämmerers, Hofmusik- und Hoftheater-Intendanten usw. Frh. v. Poißl«; das erhaltene Ubergabe-Protokoll69, in dem sämtliche Räumlichkeiten aufgezählt werden, ist gleichfalls eine Hauptquelle für die Rekonstruktion. Am 6. Januar 1828 schreibt Klenze voller Befriedigung an den König: »Ew. Majestät halte ich es für meine Pflicht anzuzeigen daß ich das Odeon als völlig vollendet schon vor mehreren Tagen dem Herrn Baron v Poißl resp. der Hoftheater Intendanz übergeben und extradiert habe. Auch die Rechnung über diesen Bau habe ich gestern gesciiloßen, und das durch den Cassirer schon revidirte Resultat ist folgendes. Der Betrag des von Ew. Majestät Allergnädigst bewilligten Überschlages ist — 261 842 fl. 12 x Alle bis zur Vollendung im jetzigen Zustande gemadite Ausgaben betragen — 256 644 fl. 58.3 Uberschuß 5 197 fl. 23.r Von dieser Ersparung ist in der Folge allerdings noch ein Theil zur Anfertigung des 66

Flora Nr. 6/8. r. 1828 (Bericht vom 7. r.).

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HSA MF 56056 (Abschrift, von der Hoftheater-Int. dem Finanzmin. gesandt am 24. 5. 1830). — Findel mußte während der Pachtzeit seinen Wirtschaftsbetrieb im Bazar gegenüber ruhen lassen. Antrag des Hoftheater-Intendanten an den König vom 28. 4. 1828 (HSA MF 56056). Abschrift vom 30. 3. r869 in HSA.MF 56056; Protokollführer war der k. Hoftheater-Intendanz-Actuar Schießer.

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Stucco lustro im großen Saale nöthig. Indeß wird auch hiedurch, und obwohl mehrere Tausend Gulden jetzt für den provisorischen Zustand haben verwendet werden müßen, und obwohl mehrere im Uberschlage nicht begriffene Vertheurungen z. B. der von Ew. Majestät später angeordneten Thüren von Naturholz, der Parquetboden von verschiedenen Farben im großen Saale usw. eintraten der Überschlag nicht völlig erschöpft werden. Der große Bau ist also in 22 Monathen vollendet worden, Ew. Majestät Befehle dabey in allem befolgt, und der Bauanschlag nicht erschöpft, und ich darf nicht unterlaßen dem Entrepreneur Baurath Himbsel, und dem von mir zur speziellen Aufsicht verwendeten Hofbauconducteur Lang das Zeugniß zu geben, daß sie durch Uneigennützigkeit Thätigkeit und Eifer ihren vollen Theil zur Errichtung solcher Resultate beitrugen«70. Die E r ö f f n u n g des Odeons erfolgte am Montag, dem 7. Januar 182,8, mit einem Festball zum Karnevalsbeginn. Vorgeschrieben war, »daß die Herren in Uniform erscheinen, und wenn sie nicht dazu berechtigt sind, in anständiger Civil-Kleidung mit seidenen Strümpfen und Schuhen; auch wird zu den seidenen Strümpfen das Tragen von Pantalons gestattet«71. Die »Flora« berichtet über das festliche Ereignis: »Die auf den verflossenen Montag angesetzte Eröffnung des Odeons hat an jenem Abend bestimmtermassen durch einen bal paré statt gehabt. Eine sehr zahlreiche Versammlung von Personen aus allen Ständen war versammelt, als JJ. KK. Majestäten erschienen, welche von den Anwesenden ehrfurchtsvoll empfangen wurden. Kurze Zeit darauf eröffnete Se. M. der König den Ball mit einer Polonaise, wobei Sie die Frau Herzogin von Dalberg führten. Der Hr. Fürst von Oettingen-Spielberg hatte die Ehre, Ihre M. die Königin bei der Polonaise zu führen. Ihnen folgten die übrigen höchsten Personen, denen sich viele der übrigen Anwesenden anschloßen. Die Beleuchtung des Saales stellte dessen Deckengemälde und Verzierungen in all ihrem Glänze dar . . . Nachdem Ihre Majestäten Sich mit vielen Anwesenden sehr gütig unterhalten hatten, verließen Sie das Haus nach 10 Uhr,- der Tanz aber wurde bis 2 Uhr fortgesetzt72.« Die erwähnte Polonaise zog vom großen Saal aus durch die ihn umgebenden Räume, über die Hauptstiege in den 2. Stock und durch dessen Zimmer, von wo sie über die kleinere Stiege in den Saal zurückkehrte73. Während des Karnevals fanden im Odeon nur (maskierte und unmaskierte) Bälle sowie maskierte Akademien (mit pantomimischen Ballettaufführungen auf einer Bühne im großen Saal) statt •— die erste derartige Akademie am 10. Januar in Anwesenheit Ihrer Königlichen Majestäten und mehrerer Glieder des Königshauses74, der erste Maskenball am 14. Januar 76 . Die heitere Muse nutzte die Konjunktur und brachte 70 71 72 78 74 75

Klenze an Ludwig I. am 6. 1. 1828, GH II A 31. Flora Nr. 476- 1.1828, S. 19. Flora Nr. 7/10.1.1828, S. 31 f. Flora Nr. 6/8. r. r828, S. 28. Bericht in der Flora Nr. 9/13. 1. 1828, S. 39. Flora Nr. 12/17. r. 1828, S. 51. IS

eine Reihe von Kompositionen für das Pianoforte auf den Musikalienmarkt — so von Streck einen »Favorit-Odeon Walzer über ein Thema aus dem Oberon«, »6 Odeon Ländler mit einer Introduction (Lützow wilde Jagd)« von Toesca di Castellamonte, einen »Abschiedswalzer an den Odeon nach der Melodie des Liedes >Bertrands Abschied~ frühere Redoutenhaus sei das neue Theater Ersatz genug. Der Abgeordnete Mätzler 1 0 0 nannte das Odeon ein »Lusthaus, dessen Notwendigkeit w o h l niemand behaupten kann«. Der Abgeordnete R a b e l 1 0 1 rief, unter Anspielung auf den N a m e n des verhaßten Architekten, aus: »Glanz im Odeon, Glanz in der Pinakothek, überall Glanz und nichts als Glanz; — diese Glänze, meine Herren! erdrücken das Volk.« Der Ausschuß stellte fest, dem Bau liege kein Staatszweck zugrunde, sondern er diene nur »zur Unterhaltung und zum Glanz der Residenzstadt« 1 0 2 . Wie so oft wandte sich provinzielles Ressentiment gegen den kulturellen A u f w a n d der Hauptstadt, und audi andere Aufgaben, wie der Bau von Provinzschulen, Irrenanstalten, Gerichtsregistraturen und Gefängnissen, wurden als vordringlich angeführt. Vergeblich bemühte sich der Finanzminister, Graf v. Armansperg, die Ausgaben zu rechtfertigen, indem er das Odeon als »Surrogat eines ehemaligen Hofetablissements«, des Redoutenhauses, hinstellte, und seine Errichtung die Erfüllung einer offenbaren Verbindlichkeit gegen den Hof durch die Staatskasse nannte 1 0 3 . Die nächste Landtagsversammlung von 1834 allerdings beschloß am 14. M a i d. J. mit 74 gegen 33 Stimmen, »die in den Jahren 1826—29 vorgekommenen Ausgaben f ü r die Pinakothek, das Kabinettssekretariat und das Odeon beruhen für immer auf sich« 1 0 4 . Ausdrücklich wurden die Ausgaben nicht anerkannt, sondern nur ruhen gelassen, d. h. auf ihren Rückersatz zur Staatskasse wurde verzichtet 105 . M i t der Widerlegung der i m Landtag, besonders durch den Abgeordneten v. Closen erhobenen Vorwürfe, die sich auf die Streitschrift Wiebekings stützten, befaßt sich ein Manuskript Klenzes »Nachträgliche Bemerkungen über den Odeon Bau«, w o h l das Konzept zu einer Verteidigungsschrift oder -rede 108 . Hatte sich das Problem der Baukosten des Odeons auf die erwähnte Art erledigt, so blieb noch lange der Rückersatz der Vorschüsse für die Inneneinrichtung zu leisten 1 0 7 . Er sollte zwar aus den Erträgnissen des Odeons erfolgen, die eine jährliche Rückzahlung von 5—6000 fl. ermöglichen sollten. Doch blieben diese Einnahmen weit hinter den Erwartungen zurück, und es wurden nur geringe Rückzahlungen geleistet: 1845/46 betrug der Rückstand f ü r die Einrichtung noch 34 929 fl. nöVakr., dazu für die Hirsch'sche Zinsentschädigung 20 943 fl. (zusammen 55 872 fl. 26V2 kr.). D i e Bereinigung dieser (und zweier andere Bauten betreffender) Vorschußbeträge erfolgte a m 23. Juni 1848 dadurch, daß Ludwig I. das aus eigenen Mitteln erbaute Kunstausstellungsgebäude am 99 100 101 102 103 104 105 101

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ebenda Bd. 8, Prot, der 43. Sitzg. v. 14. 6.1831, S. 97 ff. ebenda Bd. 8, Prot, der 44. Sitzg. v. 15. 6. 1831, S. 63. ebenda Bd. 9, Prot, der 56. Sitzg. v. 18. 6. 1831, S. 123. ebenda Bd. 8, Prot, der 42. Sitzg. v. 13. 6., zitiert in der Rede Armanspergs S. 30. ebenda Bd. 8, Prot, der 42. Sitzg. v. 13. 6., S. 30 S. Verhandlungen der 2. K a m m e r . . . im J. 1834, 6. Protokoll-Band, 24. Sitzung, S. 31. 108 ebenda S. 22. SB Klenzeana Kasten III/8. Zum folgenden vgl. die in Anm. 33 erwähnte »Darstellung...«

Königsplatz dem Staatsärar überließ. Der ursprünglich für diesen Bau vorgesehene Kaufschilling wurde nach Verfügung des Finanzministeriums vom 28.10. 1831 zur Aufräumung dieser Vorschüsse aus den Defensionsgeldern bestimmt. Das Odeon erhielt neben seiner Funktion als Konzert- und Gesellschaftshaus einen neuen Inhalt, als es Sitz der Münchener Musiklehranstalt wurde. Ein Signat Ludwigs I. vom 22. Februar 1846 wies dem neugegründeten »Kgl. K o n s e r v a t o r i u m f ü r M u s i k « die Räume im 2. Stock unentgeltlich zur Benützung zu 108 ; das Institut, das bis 1865 bestand, nahm im Laufe der Zeit entsprechend der Ausweitung der Unterrichtstätigkeit auch die Nebenräume der beiden unteren Geschosse in Anspruch und verdrängte allmählich das gesellschaftliche Leben aus ihnen. Die von Richard Wagner und Bülow am r. Oktober 1867 gegründete »Kgl. Musikschule« hatte ihren Sitz ebenfalls im Odeon; 1878 übernahm sie das Gebäude von der Hoftheater-Intendanz in die eigene Verwaltung109; seit 1874 eine kgl. Staatsanstalt, führte sie seit 1892 den Titel »Kgl. Akademie der Tonkunst« 110 . Die Musikhochschule blieb trotz räumlicher Unzulänglichkeiten in dem ja nicht für ihre Zwecke errichteten Gebäude bis zu dessen Z e r s t ö r u n g im 2. Weltkrieg 111 . Bis dahin war das Odeon in seinen wesentlichen Teilen unverändert erhalten geblieben (auf Renovationen und Veränderungen wird noch eingegangen). Das Unheil kündigte sich schon mit ersten leichten Schäden bei dem Bombenangriff in der Nacht vom 6. zum 7. September 1943 an — sie betrafen die Fensterscheiben und zum Teil auch die -rahmen, verschiedene Saal- und Zimmertüren; in fünf Räumen fielen die Weißputzdecken herab 112 . Der Angriff vom 2. zum 3. Oktober 1943, dem u. a. das Nationaltheater zum Opfer fiel, verursachte weitere Schäden an Fenstern, Toren und Türen. Zwar befahl der damalige Gauleiter die sofortige Wiederherstellung, doch scheiterte diese in der Praxis an Material- und Arbeitskräftemangel113. Die endgültige Katastrophe brach über das Odeon mit dem britischen Großangriff in der Nacht zum 25. April r944 herein, der — neben vielen anderen Kulturbauten — auch das zweite, jüngere Konzerthaus Münchens, die Tonhalle, vernichtete114. Die traurige R u i n e (Tafel 8, Abb. 18) war am 16. 2. 1945 der Gegenstand einer 108 109 110

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112 113 114

HSA Staatstheater 13320. HSA Staatstheater 13323 (1878 Extradition des Odeons). Zur Geschichte der Musikhochschule vgl. die »Festschrift zum jojähr. Bestehen der Akademie der Tonkunst in München« (1924), sowie H. Bihrle, Die Musikalische Akademie (München 1911), S. 21. Skizzen zu einem Umbau des Odeons (völlige Neueinteilung der Nebenräume) von Max L i t t m a n n um 1900 im LBA, Plansammlung. Ebenda befinden sich nicht ausgeführte Pläne zu einem großzügigen Neubau der Musikakademie an der Prinzregentenstraße gegenüber dem Nationalmuseum (um ^ 2 4 ) ; sie sahen u. a. auch einen eigenen Konzertsaal vor, der in seiner Grundform eine vergrößerte Wiederholung des Odeonssaales war. LBA Fasz. 15. LBA Fasz. 15. Münchner Neueste Nachrichten Jahrg. 97/Nr. r i s , 26. 4. 1944, S. r, und Oscar v. Pander, Tönende Räume: Odeon und Tonhalle, in: Mü. Neueste Nachr. Nr. n6/27. 4. 1944, S. 3.

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gemeinsamen Ortsbesichtigung durch das Landesamt für Denkmalpflege und das Landbauamt 115 . Dabei wurde festgestellt, daß von den Umfassungsmauern nur die nördliche Schmalfront in ihrem mittleren und oberen Teil in ihrem Bestand unmittelbar gefährdet sei und deswegen ihr teilweises Abreißen aus Sicherheitsgründen erwogen werden müsse. Von den dekorativen Details, soweit sie aus eingesetzten Terracottaplatten bestehen, sollten vorher möglichst viele geborgen, gemauerte und verputzte Details abgegossen oder gezeichnet werden. Anschließend wurden der ehemalige Konzertsaal und das Treppenhaus besichtigt; »dabei mußte leider festgestellt werden, daß der Brand sich in diesen Räumen so verheerend ausgewirkt hat, daß an eine spätere Wiederherstellung im Sinne der Denkmalpflege kaum mehr zu denken ist.« Von der Nordfassade wurden die Reste der beiden Obergeschosse abgerissen; eine weitere teilweise Sprengung erfolgte am 18. Mai 1951 kurz nach 18 Uhr 116 . Sie diente bereits der Vorbereitung zum W i e d e r a u f b a u des Gebäudes, der vom 1. Juli 1951 bis zum 31. Mai 1952, nach Plänen von Prof. Josef Wiedemann durchgeführt wurde 117 . Schon im Januar hatte das Kultusministerium das Odeon dem Finanzministerium überantwortet, das den Verkauf an eine Immobilienfirma erwog 118 . Schließlich führte die Firma Fries u. Co. den Bau auf Grund eines Erbpachtvertrages auf, und das I n n e n m i n i s t e r i u m mietete die Räume 119 . Die Klenzeschen Fassaden wurden in der alten Form wiederhergestellt, sodaß das städtebauliche Bild des Odeons- wie des Wittelsbacherplatzes gewahrt blieb; der Innenausbau erfolgte in völlig neuer Raumeinteilung und in modern-sachlicher Form für die Zwecke des Ministeriums. An der Stelle des früheren Konzertsaales entstand unter Benützung seiner Reste ein reizvoller Innenhof. Er ist gegenüber dem alten Saal an der Nordseite um zwei Achsen verkürzt, sein Niveau um ein Geschoß tiefer gelegt; nunmehr erheben sich über den glatten Erdgeschoßmauern unmittelbar vor der Wand des 1. Stockwerks die — an den Längsseiten im Kern meist noch alten — Säulen des ehemaligen Saal-Untergeschosses; die früheren Umgänge dahinter sind geschlossen und in Korridore verwandelt, die obere Säulenordnung fehlt vollständig. An der Südseite ist noch die halbrunde, mauerhaft massive Exedra mit ihren lorbeerumkränzten Kreisnischen, die ehemals Tondichterbüsten enthielten, und dem — nun als Fenster hochgelegenen — Mittelportal erhalten. Der mit Mosaiksteinen ausgelegte Boden des Hofes ist in der Exedra podiumartig erhöht; seine Mitte nimmt ein Zierbrunnen von Emil Krieger ein. Die neuen Haupträume wurden in den Nordflügel gelegt: das große Treppenhaus mit Vestibülen in jedem Geschoß und der sich mit fünf hohen Rundbogenfenstern nach dem Hof öffnende Sitzungssaal im 1. Stock mit Fresken von Blasius Spreng. 115 116 117 118 119

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Schreiben des Bayer. Landesamtes f. Denkmalpflege an das LBA vom 20. 2.1945 (München, Bayer. Landesamt f. Denkmalpflege, Akt Odeon). Münchner Merkur vom 19. 5. i95r. »Das neue Heim des bayer. Innenministeriums«, in: Süddeutsche Zeitung Nr. itfhH,.—29. 6. 1952, S. r3. Münchner Merkur r2. r. r95i (»Kostbare Ruinen am Odeonsplatz«), Süddeutsche Zeitung vom 9. n . r9Ji (»Frau Musica weicht dem Herrn Minister«),

Ein neues Kapitel in der Geschichte des Odeons scheint sich möglicherweise anzubahnen, seitdem (ab 1959) die R e k o n s t r u k t i o n des alten Konzertsaales erwogen wird — eine Diskussion, die in der Presse regen Widerhall fand. Der zeitweilige Plan einer Einfügung dieses Saales in das dem alten Odeon spiegelbildlich entsprechende Leuchtenberg-Palais wurde gegenstandslos durch den Wiederaufbau dieses Gebäudes für die Zwecke des Finanzministeriums (1963—65); doch würde der Umzug des räumlich beengten Innenministeriums in einen vorgesehenen Neubau die Wiedergeburt des Odeons an seinem ursprünglichen Platze möglich machen.

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ZWEITES KAPITEL

BESCHREIBUNG (Rekonstruktion) A. DAS ÄUSSERE Das Odeon ist nach, seiner städtebaulichen Lage und in der Gestalt seiner Fassaden das genaue Spiegelbild des benachbarten Leuchtenberg-Palais — abgesehen von der bei einem Konzerthaus nötigen vermehrten Zahl der Eingänge. Der Bau hat die G e s t a l t eines quaderförmigen Blockes von 46,7 m Länge, 39,5 m Breite und 17,8 m Traufhöhe; er steht an drei Seiten frei — die längeren Fassaden im Osten bzw. Westen grenzen an den Odeons- bzw. Wittelsbacher Platz, die etwas schmälere Nordfront an die einem kurzen Straßenstück ähnliche Verbindung zwischen beiden Plätzen. Im Süden stößt das Odeon an andere bebaute Grundstücke bzw. deren Höfe an, so daß es hier zu keiner Fassadenausbildung kam 1 . Das Gebäude ist dreigeschossig mit je 13 Fensterachsen an den Längsseiten und 1 1 Achsen an der Nordfront. Keinerlei Risalite gliedern die Masse, einziger Vorsprung ist der applizierte Säulenbalkon vor dem Nordportal — eine Entsprechung desjenigen am LeuchtenbergPalais, dessen Anfügung Kronprinz Ludwig seinerzeit in Abänderung von Klenzes ursprünglichem Entwurf gewünscht hatte2. Dem M a t e r i a l nach ist das Odeon, gemäß der vorherrschenden Münchner Tradition, ein verputzter Ziegelbau; auch die Gliederungsteile sind im Kern gemauert, die Profile aus Stuck geformt; die plastischen Details, wie Kapitelle, Konsolen, Anthemienfriese, Eierstäbe und andere Ornamente, sind (soweit nicht erneuert) angesetzte Formsteine bzw. Friesplatten aus gebranntem Ton und sämtlich vom farbigen Anstrich 1

2

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Die angrenzenden Häuser waren das Palais des Grafen Mejan, Briennerstr. 48/Ecke Wittelsbacherplatz, und das Klenze gehörende Haus Briennerstr. 49 (nach damaliger Numerierung), in dem er aber selbst nicht wohnte. Wegen der Fenster des Odeons, die nach den Höfen dieser beiden Häuser gingen, erhoben die beiden Anlieger 1826 Einspruch und erreichten, daß diese bescheidenen Öffnungen nur auf Widerruf und vergittert angebracht werden durften (Akten im HSA Staatstheater 13317). 1862 wurde das Lichtrecht für die Treppenfenster vom damaligen Besitzer des Hauses Briennerstr. 48 erworben (HSA MF 56056). Oswald Hederer, Die Ludwigstr. in München, Mü. 1942, S. 32. — Eigenartigerweise ist auf Klenzes Grundriß des Odeon-Erdgeschosses kein derartiger Vorbau eingezeichnet; erst nachträglich mit Bleistift sind 4 Säulen, aber nahe vor der Wand, markiert.

überzogen. In blankem Naturstein gebildet sind lediglich der Gebäudesockel aus Kelheimer Kalk und der Säulenbalkon im Norden, ebenfalls aus Kelheimer, die Säulen aus Eichstätter Kalkstein 3 . Die ursprüngliche F a r b e der verputzten Teile könnte vielleicht durch eine Untersuchung an den originalen Mauern (im Osten und Westen) noch festgestellt werden. Nach dem übereinstimmenden Zeugnis der zeitgenössischen Ansichten (von 1829 an) müssen Leuchtenberg-Palais und Odeon gelb gestrichen gewesen sein, doch ist die spezielle Tönung dieses Gelb bei der naturgemäß nur allgemeinen, außerdem von subjektiven und malerischen Darstellungsmomenten bestimmten Farbgebung dieser Ansichten kaum genau feststellbar; auf jeden Fall war sie heller als der bisherige intensiv leuchtende, dunkle Ockeranstrich am Odeon. Gelb erscheint der Bau auf zwei kolorierten Lithographien Heinrich Adams von 1829, also kurz nach Vollendung des Odeons4; licht ockergelb ist das Leuchtenberg-Palais auf Gustav Wilhelm Kraus' kolorierter Lithographie der Fronleichnamsprozession in der Ludwigstraße 1839 5 . Besonders zuverlässige Quellen, die das Odeon und sein Pendant gelb darstellen, sind zwei kleine Gemälde von Heinrich Adam (Odeonsplatz, Wittelsbacherplatz) um 1840 (licht ockergelb)6 sowie ein sorgfältig ausgeführtes Aquarell der Westseite des Odeonsplatzes von Joh. Bapt. Kuhn r840 (etwa neapelgelb)7. In einem Ton etwa licht graugelb bis ocker erscheint das Odeon auf dem (farblich summarisch vereinfachenden) Aquarell einer Parade am Odeonsplatz von Bernhardt 1840 8 und auf einer Lithographie von Rohde (Odeonsplatz 1 8 6 5 ) g e l b ist es auch auf zwei kolorierten Lithographien des Verlages Alfred Meysel, Dresden, nach 1862 1 0 . Unzuverlässig wie viele Werke dieser Art ist eine aquarellierte Federzeichnung (Vorzeichnung für einen Stich) von Heinrich Adam 1 1 , auf der Odeon und Leuchtenberg-Palais blaßgrün wiedergegeben sind (um 1830/40); desselben Adam angeführte Ölgemälde sind demgegenüber eindeutige Quellen. Nicht mit der späteren Ausführung übereinstimmen kann die Farbgebung auf Klenzes schönem Aquarell des Odeonsplatzes mit dem Obelisken von 1 8 1 8 1 2 ; hier erschei3 4 5

8 7 8 9 10 11 12

Otto M. Reis, Die Gesteine der Münchner Bauten und Denkmäler, München 1935, S. 76 u. 79. — Der Vorbau aus »Jurakalkstein« gemäß LBA Fasz. r (1852). SM MS II/159, Nr. 5 u. 6; hier Odeon u. Leuchtenbg.-Pal. gelb mit roten Dächern, Mejanpal. gelb, Alfonspal. u. Odeonspl. 2 rosa. GS 2007/42; Dach rot, die beiden den Platz säumenden Eckhäuser (Kobell-Haus und Pendant) in blassem Ton zwischen grünlich und zitronengelb. Vgl. das Exemplar SM Z r7i3 K13. SM 28/561 und 28/562 (siehe Anhang, Katalog Nr. 56/57). SM Z 413 (A2); Sockel und Balkon richtig lichtgraubraun, Dächer rot, Alfonspalais blassestrosa. SM MS II/382 K. 3t; Dächer rot, Bazar und andere Häuser am Odeonsplatz summarisch grauweiß wiedergegeben, Theatinerkirche noch weiß. SM Z 4r6 (A 2); Dächer rot, Odeonspl. 2 grünlich, Kobellhaus ocker, Moypalais ocker, Bazar grau, Theatinerkirche graugelb. SM II a 70/4 u. 70/5 (Odeonsplatz Westseite u. Wittelsbacherplatz Ostseite). SM Z 1076 (A 7); Dächer rot, Alfonspalais rosa. GS 27166. 2.5

nen die beiden Paläste (auch ihr in Wirklichkeit steinerner Sockel) in lichtem Graubraun, das leicht rötlich durchsetzt ist; die vom Sonnenlicht angestrahlte Nordseite (!) des (nachmaligen) Odeons zeigt ein bräunliches Rosa ; die Fensterumrahmungen heben sich um eine Spur heller aus der umgebenden Wandfläche heraus (was vielleicht nur die plastische Wirkung der Gliederungen im Bild erhöhen soll); die Dächer sind hell schiefergrau. Zu diesem rötlichbraunen Grundton ließ sich Klenze vielleicht von der Patina römischer Paläste, etwa dem Palazzo Farnese, inspirieren. Höchstwahrscheinlich ist ein beabsichtigter Unterschied in der Tönung auf dem Klenze-Stich des Odeonsplatzes (Durchblick zum Bazar) angedeutet (Tafel 2, Abb. 2) — allerdings nur auf den Schattenseiten der beiden Paläste 13 : hier heben sich von der dunkleren Grundfläche die Gliederungsteile hell ab (Sockel, Fensterumrahmungen bzw. Ädikulen mit Ausnahme der Giebel- und Sockelfelder, Zierfriese, Gurtgesimse und Abschlußgebälk, die Quaderketten an den Ecken). Eine dezente Zweifarbigkeit kann als original angenommen werden. In diesem Sinn erfolgte 1965 die — zuvor in der Öffentlichkeit heftig umstrittene — farbige Neufassung des wiederhergestellten LeuchtenbergPalais (Grundton lichter Ocker, Gliederungen fast weiß), in der der Bau nun in seiner ganzen Erscheinungsform und in der Art, wie sich die Gliederungen von der Fläche abheben, der Darstellung auf dem (schwarz/weißen) Stich Klenzes überraschend ähnlich sieht. Im Sommer 1966 folgte in der gleichen Weise der Neuanstrich des Odeons. Ein Vergleich der verschiedenen Ansichten des Viertels um den Odeonsplatz, die in dem Maß, wie sie einzelne Bauten in übereinstimmendem Farbton wiedergeben, ihre Zuverlässigkeit bezeugen, läßt erkennen, daß Odeon und Leuchtenberg-Palais sich durch die größere Höhe insgesamt, durch größere Stockwerkshöhe, durch die feinere und reichere Gestaltung ihrer Gliederungsdetails und entsprechend auch durch eine intensivere, gelb leuchtende Farbgebung aus den ihrer Bestimmung nach weniger bedeutsamen Häusern der Nachbarschaft heraushoben, die zartere, blassere Töne aufwiesen. Herr Landeskonservator Walther Bertram, dem der Verfasser für seine Mitteilungen danken möchte, stellte an der Ruine des Leuchtenberg-Palais bei einer Untersuchung der Farbschichten als unterste einen hell graugrünlichen Ton (grüne Erde) fest, der einheitlich Fläche und Gliederungen überzog; die zweite Schicht scheint zweifarbig gewesen zu sein — die Fläche hell graugelb, die Gliederungen hellgrau bis weiß; darüber lagen mehrere hell ockerfarbene Schichten. In Hinblick auf das Odeon ist zu berücksichtigen, daß das Leuchtenberg-Palais schon rund ein Jahrzehnt früher vollendet dastand und in dieser Zeit durchaus einen oder mehrere Anstriche gehabt haben kann; nach der Verwirklichung der gesamten städtebaulichen Konzeption mit den beiden spiegelbildlichen Palästen ist jedoch für diese eine einheitliche Farbe anzunehmen, wenn auch in der Praxis in Folge von nicht gleichzeitigen Renovierungen der Ton nicht immer ganz gleich gewesen ist. Mit dem Gelb des Putzes kontrastierte der Anstrich der hölzernen Fensterstöcke und 13

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In Klenzes »Sammlung architektonischer Entwürfe«.

Torflügel. Auf den beiden erwähnten Gemälden von Heinrich Adam im Stadtmuseum sind sie in einem hellen graugrün wiedergegeben; später scheint man zu einem dunkleren Ton übergegangen zu sein, denn 1883 wird »schwarzgrün« (wie es noch heute besteht) als Farbe der Fensterstöcke angegeben 1 4 ; die (jetzt braunen) Türen werden 1881 als mit bronzegrüner Ölfarbe angestrichen erwähnt 1 5 . Fenstersohlbänke, Verdachungen und Gurtgesimse wurden mit Kupferblech abgedeckt. Der A u f r i ß (Tafel x und 2) gliedert sich, von unten nach oben, wie folgt, wobei zunächst von den Ecken und Portalen abgesehen wird: Grundlage ist ein vier Schichten hoher, hellgrauer K a l k s t e i n s o c k e l ; die unterste Schicht bildet ein leicht vorspringendes, durchlaufendes Band mit abgefaster Oberkante; die oberen Lagen sind flach rustiziert, wobei die oberste über den querrechteckigen Kellerfenstern keilsteinartig angeordnet ist. Die Kanten der einzelnen Quader sind abgeschrägt, die breiten trennenden Fugen bilden eine kontinuierliche Grundebene. Den Abschluß des Sockels bildet ein verputztes, aus kleinem Karnies, vorspringender Leiste, großem Karnies mit Deckleiste und Blechbelag bestehendes Gesims, auf dem die Konsolen unter den E r d g e s c h o ß f e n s t e r n aufruhen. Diese steigenden Volutenkonsolen mit doppelt gekehltem Rücken, dessen Oberteil ein Akanthusblatt bedeckt, und mit seitlichen Zwickelpalmetten, überschneiden unten ein flaches Band von der Länge jeweils einer Fensterbreite" und werden an den Außenseiten (den Fensterintervallen zu) begleitet von auf diesem Band stehenden kurzen Pilastern mit dem oberen Abschluß schmaler Rundstab, steigend konvexer Wulst und schmale Deckleiste. Auf diese Weise entsteht eine sockelartige, ein breites Rechteckfeld rahmende Figur, über welcher die Fenstersohlbank verläuft. Diese, bestehend aus breitem Gesimsbalken, steilem Karnies und blechgedeckter Leiste, setzt sich zwischen den Fenstern, jeweils leicht zurückverkröpft, als Gesims fort — nicht aber nach den Fassadenecken h i n 1 7 . Die hohen, schlanken Rechteckfenster werden doppelt umrahmt: innen, über den Konsolen ansetzend, von einer Folge von zwei Faszien, dünnem Rundstab, Karnies und Leiste, und außen nochmals durch seitliche schmale, gekehlte Lisenen, aus denen oben, neben den Fensterecken, über je einem hängenden Blatt schmale Volutenkonsolen aufsteigen, welche eine reich profilierte, waagrechte Verdachung tragen; zwischen letzterer und dem eigentlichen Fenstersturz bleibt jeweils ein schmaler Wandstreifen frei. Die Fensterverdachung, an der Unterseite von einem schmalen Karnies begleitet, besteht aus einem unteren Teil (Platte und Karnies) sowie einem weit vorspringenden oberen aus Platte, einer Folge dreier dünner Profile, Sima und blechbeschlagener Deckleiste. Den oberen Abschluß des Erdgeschosses bildet, zugleich auch als Unterstreichung der Sockelzone der Hauptgeschoßfenster wirkend, über einem schmalen Gesims (Karnies 14 15

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LBA Fasz. 6, anläßlich der Erneuerung des Anstrichs von 5 Fenstern 1883. LBA Fasz. 5 (i88x); vgl. den harmonischen Zusammenklang der Patina-Bedachungen in ihrem lichten Blaugrün mit den gelben Putzflächen an der Theatinerkirche. Auf dem Klenzestich ist das Band verkröpft auch zwischen den Fenstern durchgezogen; nicht so am ausgeführten Bau und auf Klenzes Fassadenriß des Leuchtenbergpalais. Wie fälschlich auf den Rissen von 1861 angegeben. 2

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und dünne Platte) ein R e l i e f b a n d mit kelchartig angeordneten Akanthusblättern über kleinen Spiralranken, und darüber ein breites, weit ausladendes G u r t g e s i m s , bestehend aus dünnem Rundstab, Karnies, vorspringender Stufe mit dünner Deckplatte, Karnies, vorspringendem Geison mit Tropfleiste an der Unterkante, schmalem Karnies mit dünner Deckplatte, Sima und blechbeschlagener Deckplatte. Das e r s t e S t o c k w e r k ist durch die Umrahmung seiner Fenster, die an sich etwas niedriger sind als die im Parterre, mit repräsentativen Ädikulen als piano nobile besonders hervorgehoben. Die Grundlage bildet eine breite, horizontale Sockelzone von brüstungsartiger Form, die dadurch entsteht, daß eine bandartige Basisstufe und die Fenstersohlbank um die hochrechteckigen Postamente unter den Ädikula-Pilastem verkröpft sind; in das verbleibende Feld unter jedem Fenster ist ein schmaler querrechteckiger Spiegel eingetieft. Die Sohlbank besteht aus dünnem Rundstab, Karnies, Balken mit Tropfstab unter der Kante, kleinem Karnies und blechbeschlagener Abdeckung. Die Fensteröffnungen ( 2 , 5 5 x 1 , 3 5 m) werden zunächst von einer Faszienrahmung gleich jenen im Erdgeschoß umschlossen; ringsum jedoch ist jeweils eine Ä d i k u 1 a (Tafel 12, Abb. 26) aus korinthischen Pilastern mit Gebälk und Dreiecksgiebel angeordnet. Die Pilaster, flach, glatt und nicht verjüngt, haben vereinfachte attische Basen: über einer Fußplatte (Plinthe) Plättchen, fallende Kehle, dünner und dicker Wulst, Plättchen. Die Form der Kapitelle (Tafel 12, Abb. 27), die über Plättchen und Wulst aufsitzen, ist eine elegante Abwandlung des korinthischen Typus, relativ flach und ohne innere plastische Energie: die Elemente der Dekoration sind reliefartig der Fortsetzung des Pilasterschaftes aufgelegt. U m die Ecken geklappt sind hohe Akanthusblätter, dazwischen stehen frontal zwei etwa halb so hohe; aus ihrem mittleren Zwickel wächst ein sich den Blatträndern entlang keilförmig teilender, knorriger Ast; auf diesem sitzt frontal ein den Oberteil des Kapitells bildender Adler mit weit ausgebreiteten Schwingen, deren leicht nach vorn gedrehte, nach oben hin eingerollte Enden, zusammen mit den überhängenden Spitzen der Eckblätter unter ihnen, die ausladende Uberleitung zu der leicht konkaven, an den Ecken abgeschrägten Deckplatte herstellen; letztere, in der Mitte von dem nach rechts blickenden Adlerkopf überschnitten, besteht aus Plättchen, steigender Kehle, Plättchen und Wulst. Die Schmalseiten der Kapitelle zeigen neben dem Eckblatt noch ein halbes niedriges Blatt und in dem verbleibenden Raum unter der Deckplatte eine Blüte mit Stengel. (Uber Herkunft und ikonologische Bedeutung dieses vom Leuchtenberg-Palais übernommenen Kapitelltypus s. unten.) Das Gebälk der Ädikula besteht aus einem Architrav von drei Faszien (die unterste wird an den Ecken von den Kapitell-Deckplatten überschnitten), den oben ein steigender Karnies zwischen dünnem Rundstab und Deckleiste abschließt; es folgt ein breiter, glatter Fries, sodann das abschließende Gesims, bestehend aus dünner Leiste, Karnies, ausladendem Geison, Rundstab, abermals Karnies und Geison, schmaler Sima mit Deckleiste und schräger Abdachung. Die schrägen Schenkel des flachen Giebeldreiecks haben den gleichen Querschnitt wie das Gesims des Gebälkes. Die Fenster des zweiten, o b e r s t e n S t o c k w e r k s , abermals etwas niedriger als die im Geschoß darunter, weisen seitlich und oben die gleiche Umrahmung und 28

Verdachung auf wie die Parterrefenster (nur die Konsolen hier oben mit Blatt belegt), doch sitzen sie mit ihrer Unterseite lediglich auf der zu einem durchlaufenden Gurtgesims verlängerten Sohlbank mit dem Querschnitt Wulst, dünne Leiste, Karnies, vorspringender Balken (Geison) mit Tropfleiste unter der Kante, kleiner Karnies (Sima) mit blechbeschlagener Deckleiste. Den prächtigen o b e r e n A b s c h l u ß des Gebäudes bildet ein Zierfries und darüber ein vielfach abgestuftes, reich dekoriertes, weit vorspringendes Kranzgesims (Tafel 12, Abb. 28). Ersterer, ein breites Reliefband, setzt sich von der glatten Wandfläche darunter durch dünne Leiste und Wulst ab; seine Ornamentik besteht in der wiederholten Aneinanderreihung eines Akanthusmotivs — ein Blattkelch, ähnlich dem des Frieses über dem Erdgeschoß, aber über größeren, aufwärts gerollten Spiralranken. Darüber vermitteln ein Rundstab und Karnies zu dem weit vorspringenden Gesimsbalken (unteres Geison), über dem eine dünne Deckleiste, ein Wulst und ein mit plastischem jonischem Kymation (Eierstab) besetzter Karnies zu dem eigentlichen, konsolengetragenen Kranzgesims überleiten. Die am Rücken doppelt kanalisierten, volutenförmigen Konsolen kragen von einem glatten Wandstreifen waagrecht nach vorne; seitlich sind ihre Voluten mit Rosetten ausgefüllt, und aus den Zwickeln sprießen Palmetten. Aufgelegt sind den Konsolen flache Deckplatten mit steigend schrägem Rand, von deren schmaler Vorderseite Blattspitzen über die Kanäle der kleineren Voluten niederhingen (diese Blätter bei der Erneuerung 1952 weggelassen); in den Intervallen entspricht diesen Deckplatten an der Rücklage ein schmaler Karnies. Das auf den Konsolen ruhende, weit ausladende Kranzgesims setzt sich zusammen aus dem (an der Unterseite zwischen den Konsolen flach kassettierten) Geison, schmaler Leiste, Sima (Rinnleiste in steigender Karniesform) und Deckleiste. Die E c k e n des Gebäudes sind durch in Zahnschnittform angeordnete Quaderketten — in verputztem Mauerwerk ausgeführte, sehr flache Rustika-Imitation — betont und verstärkt; die einzelnen Quader haben glatten Spiegel und abgeschrägte Kanten; zwischen jeweils zwei dieser Ketten bleibt die eigentliche Gebäudekante frei. Unterbrochen werden diese Ortsteinfassungen nur von den durchlaufenden Horizontalgliedern (Sockel, Gurtgesimse, Reliefbänder, Kranzgesims). Der Aufriß des Erdgeschosses wird an allen drei Fronten unterbrochen durch die Einfügung der P o r t a l e . Das Eingangsproblem, von Klenze ungenügend gelöst, führte des öfteren zu verändernden, ästhetisch nachteiligen Eingriffen in die Bausubstanz. Am aufwendigsten gestaltet, den gegenüberliegenden Eingang des LeuchtenbergPalais widerspiegelnd, ist das Portal in der Mitte der Nordseite, das wegen seiner Rahmung mit dem säulengetragenen Balkon als Haupttor erscheint; in Wirklichkeit wurde es groteskerweise bald nach der Fertigstellung des Baues von innen her zugemauert; später wieder geöffnet, erhielt es doch erst 1897 seine natürliche Funktion für den Fußgängerverkehr, als der dahinterliegende, bis dahin zu verschiedenen Zwecken vermietete Saal als Garderobe eingerichtet wurde 18 . Die Portalanlage umfaßt drei Achsen,- die mitt18

S. u. Erdgeschoß Saal Nr. 8 (dort auch Quellen angegeben). 29

lere ist von dem großen Rundbogentor durchbrochen, die äußeren enthalten je ein Rechteckfenster vom normalen Erdgeschoßformat. Dem Aufriß des übrigen Erdgeschosses entsprechen ferner der (hier allerdings weit vorspringende und nicht von Kellerfenstern durchbrochene) rustizierte Sockel sowie die auf Konsolen ruhende Umrahmung der Fenster mit Faszien — die seitlichen Lisenen mitsamt der Verdachung sind fortgelassen, stattdessen wurde die verbleibende Wandfläche in Putz rustiziert, wobei die Fugen über Tor und Fenstern sich keilsteinförmig anordnen. Als Schlußstein ist über dem Torbogen, dessen Laibung an der Vorderkante karniesförmig abgeschrägt ist, eine auf waagrecht vorkragendem Akanthusblatt stehende Trophäe in Form einer römischen Rüstung eingefügt — wenig sinnvoll für ein »Odeon«, aber durch das (in diesem Fall allzu genau kopierte) Gegenüber bedingt. Der Balkon ruht auf vier Säulen in rhythmischer Stellung — das Mittelintervall ist breiter; ihre Sockel, von der Höhe des Gebäudesockels, sind von der Rückwand her mit ihrer Schmalseite nach vorn gezogene Prismen mit durchgehendem Steinband als Basis und eingetieften Redlteckfeldern an den Vorder- und Seitenflächen. Die toskanischen Säulen bestehen aus Plinthe, attischer Basis, glattem, leicht verjüngtem Schaft, die Kapitelle aus Plättchen, Wulst, glattem Säulenhals in Fortsetzung des Schaftes, drei jeweils vorkragenden Plättchen, steigend konvexem Echinus sowie Deckplatte mit Karnies und Plättchen. An der Rücklage entsprechen den Säulen vier grau gestrichene Pflaster gleicher Ordnung. Das den Boden des Balkons bildende Gebälk besteht aus einem zweistufigen Architrav mit profiliertem oberem Gesims, einem glatten Fries in Höhe des Reliefbandes am Gebäude, sowie einem Gesims in Fortsetzung dessen am übrigen Bau. Darüber erhebt sich, als Fortsetzung der Fenstersockelzone des ersten Stocks, die Balkonbrüstung, bestehend aus dem verkröpften Basisband, Postamenten gleich jenen unter den Ädikula-Pilastern — je eines über jeder Säule bzw. in rudimentärer Form am Ansatz der Brüstung an der Rückwand—; dazwischen eingespannt ist die aus basislosen, glatten, stark verjüngten dorisierenden Säulchen gebildete Balustrade (die Kapitelle bestehen aus dickem Wulst, schmaler, steigender Kehle, breitem, vorspringendem Karnies, und Abakus); die obere Abdeckung bildet ein verkröpftes Gesims in Fortsetzung der Fenstersohlbank, bestehend aus breitem Balken, Karnies und Platte. Als Zugang zum Balkon sind drei Fenster des Roten Saales im i. Stock nach unten verlängert — entsprechend auch die sie rahmenden Pflaster mittels eines unter der normalen Basis eingeschobenen hohen Sockels mit Fußplatte. Der Balkonvorbau, schon 1852 durch Nässe und Frost beschädigt 19 , konnte 1951/52 als einziger Teil der Nordfassade in den Wiederaufbau einbezogen werden. An den beiden Längsfassaden im Osten und Westen sah Klenze lediglich je ein mittleres Rundbogentor als Ein- bzw. Ausfahrt vor, mit gerader Laibung und Umrahmung durch in Mauerwerk und Putz ausgeführte glatte Rustikaquader in ZahnschnittAnordnung; den Schlußstein bildet eine große Volute mit hängendem Akanthusblatt über dem doppelt gekehlten Rücken, seitlichen Zwickelpalmetten und kleiner Deck10

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LBA Fasz. 1.

platte. Für die Fußgänger mußte jedoch noch während des Baues ein eigener Zugang geschaffen werden — am Wittelsbacher-Platz wurden einfach die beiden Fenster rechts und links vom Portal zu Türen, zu denen einige Stufen hinanfülirten, verlängert, wovon die eine (die linke) noch dazu blind und nur der Symmetrie halber vorgetäuscht war 2 0 . Das sehr schmale Format dieser Türen, die noch dazu den Gebäudesockel gewaltsam durchschnitten, störte den harmonischen Gesamteindruck der Fassade empfindlich. Im Jahre 1840 wurde das Blindtor ausgebrochen und in einen echten Eingang verwandelt 2 1 ; r847 wurden an der Front zum Odeonsplatz zwei ebensolche Türen durdi Verlängerung der Fenster beiderseits vom Portal geschaffen 22 , denen 1882 noch zwei weitere in den angrenzenden Achsen folgten — davon die rechte wiederum blind 2 3 . Diese vier schmalen Türen mit jeweils vier vorgelegten Stufen verunstalteten die Ostfassade bis zur Zerstörung; an der Westseite hingegen hatte man 1881 eine glücklichere — bis heute bestehende — Lösung gefunden: die beiden Fenstertüren wurden wieder in Fenster zurückverwandelt, dafür in der jeweils folgenden Achse ein Rundbogentor von der Form des mittleren eingefügt 24 . Der Wiederaufbau von 1952 stellte zum Odeonsplatz hin den ursprünglichen Zustand — mit nur einem Mittelportal — wieder hei 86 . (Abb. 21) Die Rundbogenportale werden von je zwei»- heute braun gestrichenen — geschnitzten T ü r f l ü g e l n aus Eichenholz geschlossen; diese sind in je vier Felder übereinander eingeteilt, die querrechteckiges (fast quadratisches) Format haben bzw. (im oberen Halbkreisschluß) abgerundet sind; den Raum innerhalb der Felderrahmung aus fünf parallelen Leisten füllt Reliefdekoration (von unten nach oben in den einzelnen Feldern: zwischen zwei Balustern hängende Girlande, von Bandwerk umspielt — Lyra zwischen spiraligen Akanthusranken — abermals Baluster mit Girlande — Rankenwerk); die Mittelfuge zwischen den Flügeln überdeckt ein halbsäulenartig ausgebildeter Wulst mit kleinem korinthisierendem Kapitell. — Beim Wiederaufbau 1952 wurden nach dem Muster der zwei erhalten gebliebenen Portalflügel die übrigen neu angefertigt 28 . Früher dürften die Türflügel mit »bronzegrüner« Ölfarbe gestrichen gewesen sein (wie die Fensterstöcke) — jedenfalls erhielten i88r die beiden neuen Rundbogentüren der Westfassade diesen Ton, doch wohl im Anschluß an die übrigen, älteren Eingänge 27 . Diese neuen Tore wurden mit je zwei knickbaren, schlicht gefelderten Türflügeln versehen, der Halbkreis durch ein verglastes Oberlicht mit bronziertem, schmiedeeisernem Gitter (radiale Stäbe mit Palmetten und Spiralen) ausgefüllt. Diese Oberlichtgitter sind noch vorhanden, die heutigen schlichten Türflügel neu. Die jeweils zwei Türflügel der 20

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Brief Fr. Gärtners an Martin Wagner vom 13. 1. 1828 (Würzburg, ]. M. v. Wagnerstiftung der Univ. Fasz. IV, fol. 163—166). — Flora Nr. 193/27. 9. 1827. LBA Fasz. 1. LBA Fasz. 2. LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 5 (mit Plan). Ein gleichartiges Mittelportal erhielt beim Wiederaufbau 1963/64 das Leuchtenberg-Palais an seiner zuvor torlosen Ostfassade. Süddeutsche Zeitung Nr. 146/ 28—29. 6. 1952, S. 13. LBA Fasz. 5.

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früheren schmalen, aus Fenstern gewonnenen Eingänge waren schlicht gefeldert und hatten Oberlichter. Die Durchfahrtsportale wurden am Boden von Prellsteinen flankiert, welche die Wagen am seitlichen Anstoßen hinderten. Ferner war jedes der drei Hauptportale von an Wandarmen aufgehängten, großen Glasglocken flankiert, welche Argandsche Öllampen samt Schirmen enthielten 28 ; erst 1881 wurden diese »Hänglaternen für Oelconsum« an der Ein- und Ausfahrt durch Gaslaternen ersetzt 29 . Die zweiflügeligen F e n s t e r waren in Form eines lateinischen Kreuzes gegliedert, wobei die hohen unteren Flächen durch dünnere Sprossen weiter unterteilt wurden, und zwar im Erd- und Obergeschoß in drei, im Hauptgeschoß in zwei kleinere Scheiben 3 0 . Das D a c h des Odeons setzte sich aus zwei Partien zusammen: den unteren Teil bildeten nach den drei Fronten hin abfallende, ziemlich flache, ziegelgedeckte Pultdächer, die denen am Leuchtenberg-Palais glichen,- an der Stelle des Hofes bei letzterem jedoch erhob sich über dem Odeonssaal eine zweite, gleichfalls dreiseitig abgewalmte Dachpartie, mit Kupfer gedeckt und von flacherer Neigung als die unteren Pulte, mit denen zusammen sie ein mansardenartiges, gebrochenes Walmdach bildete; nach der nicht freistehenden Südseite hin brach es mit einem glatten Giebel ab. Uber der Knickstelle erhoben sich die einzelnen Kamine; der ziegelgedeckte Teil hatte (ähnlich dem heutigen Zustand) einige winzige halbrunde Dachgaupen; 1873 wurde er mit Schieferbelag versehen 3 1 . Den kupfergedeckten Oberteil überragten die sechs Oberlichter des Saales, wozu später noch die acht türmchenartigen Mündungen der Ventilationsschächte kamen. Abgesehen von den erwähnten Veränderungen der Ausgänge fanden R e n o v i e r u n g e n der Odeonsfassaden in den folgenden Jahren statt: 1832 (Ostseite, Balkon) 3 2 , 1 8 7 3 3 3 , 1 8 8 8 3 4 , i p ^ u n d 1936 3 6 . Die Zerstörung im 2. Weltkrieg ließ die Fassaden großenteils stehen; sie betraf vor allem den Nordteil des Gebäudes. Der Wiederaufbau von 1951/52 konnte fast die ge28

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Inventar der Beleuchtungsapparate (vgl. Kapitel 1 Anm. 80). — Siehe die unter Anm. 6 erwähnte Ansicht sowie die im SM 35/565 von 1865. LBA Fasz. 5 (vgl. die älteren photograph. Aufnahmen des Gebäudes). Siehe das Aquarell v. Kuhn (Anm. 6). — Nach der Mitte des 19. Jh. wurden die Erdgeschoßfenster in viele kleine Scheiben gegliedert (siehe die Aufrisse Wintergersts von r86i im LBA und die Lithogr. des Wittelsbacherpl. v. 1865 SM 35/565). — Ende 19. Jh. wieder urspr. Zustand. LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 1. LBA Fasz. 5,- damals auch das Ziegeldach durch Schieferdach ersetzt. LBA Fasz. 6, eine 1883 geplante Renovierung auch des Äußeren (zugleich mit der damals durchgeführten des Inneren) wurde abgelehnt (LBA Fasz. 6). LBA Fasz. 8; damals auch das Kupferdach erneuert. LBA Fasz. 13 u. 14. — Kleinere Ausbesserungen: 1868 Kupferdach z.T. renoviert (LBA Fasz. 4); 1909 Schäden am Gesimsstuck ausgebessert (LBA F. 8).

samte Ost- und Westfront mit Ausnahme von deren fehlenden Nordecken verwenden, während von der Nordfassade nach den notwendigen Abbrüchen nur noch der Säulenbalkon übrigblieb. Die fehlenden Fassadenpartien wurden, ebenso wie das gesamte reiche Kranzgesims des Gebäudes, sorgfältig rekonstruiert.

B. D A S

INNERE

ERSTER ABSCHNITT DER GROSSE

SAAL

1. Allgemeine Übersicht Hauptbestandteil des Odeons war, der Bedeutung, dem Umfang wie dem künstlerischen Aufwand nach, der Große Saal — das »Odeon« im engeren und eigentlichen Sinn. Der Konzertsaal (Tafel i , Tafel 4, Abb. 5) nahm die Mitte des äußerlich palastartigen Gebäudes ein, in das er gleichsam an Stelle eines Hofes dergestalt eingefügt war, daß ihn an den drei Seiten gegen die Außenfronten hin die Nebenräume umgaben; im Süden, wo das Gebäude nicht frei stand, war er bis an den Rand herangeschoben. Das Grundniveau hatte der Saal mit dem 1. Stock der Anräume gemeinsam — es befand sich in etwa 7 m Höhe über dem Erdboden,- doch durchdrang das System seiner doppelt konzentrischen Grundmauern das Erdgeschoß bis hinab zu den Fundamenten, die im Boden steckten. Nach oben hin reichte der Saal weit über das 2. Stockwerk hinaus ins Dach hinein, dessen Erhöhung durch einen 2. Walm er erzwang und das er mit seinen Oberlichtschächten durchstieß. Die äußeren Begrenzungen des Saales bildeten einen Quader von 36 m Länge, 22 m Breite und 15 m Höhe. In diesen Kasten war, in etwa 1V2 m Abstand parallel zu der kräftigen Außenwand, eine zweite, innere Raumschale hineingestellt, die an drei Seiten aus einer doppelgeschossigen Kolonnade bestand; im Süden beschrieben beide Mauerringe einen Halbkreis, dessen Scheitel die Rechteckumgrenzung tangierte; in die verbleibenden Zwickel wurden die halbrunden Galerietreppen eingefügt. Die innere Schale der halbrunden Exedra war im Untergeschoß als geschlossene Wand ausgebildet, die einen Umgang völlig vom Saal abtrennte; darüber jedoch führte die obere Säulenordnung des Saales kontinuierlich auch um das Halbrund hemm. Die doppelte Säulenstellung — unten toskanisch, darüber ionisch — sonderte vom Hauptraum eine schmale Schicht von Umgängen ab, deren unterer um zwei Stufen erhöht war, indes der obere, in Höhe des breiten, reichen Zwischengebälks, als »Galerie« diente. Die farbige Gestaltung des Saales hatte den Charakter leuchtender, heiterer Helligkeit; die Architektur war keineswegs in einem »klassizistischen« reinen Weiß gehalten, 33

sondern in einer reichen, fein abgestuften Polychromie behandelt, wobei lichthaltige Töne (steingrau, weiß, gelb) bei den größeren Flächen vorherrschten, während die kleinteilige, auf bestimmte kleinere Glieder und Flächen beschränkte Ornamentik sich in Goldglanz von weißem oder aber intensiv farbigem Untergrund abhob. Diese Vergoldungen sowie der glatte Schliff von Säulen und Wänden tauchten den Raum bei der überall verteilten, warmen künstlichen Beleuchtung in eine Atmosphäre schimmernden Glanzes, zu der auch der reich eingelegte, gewachste Parkettboden >— an sich noch der dunkelste Teil des Saales — das Seine beitrug. Die meiste Buntheit versammelte sich jedoch an der flachen Decke, deren reich ornamentierte, vielfarbige Kassetten durch das weiße Rasternetz der Balken klar und streng geteilt wurden; in den drei von Cornelius-Schülern gemalten Deckenfresken, für welche große Felder ausgespart waren, erreichte die Buntheit zugleich ihre stärkste Verdichtung und weiteste Ausdehnung. Bei der folgenden detaillierten Rekonstruktion muß leider gerade bei der Angabe von Farben manche kleinere Einzelheit ungeklärt oder unsicher bleiben, weil von den kolorierten Entwürfen Klenzes, die sich im Landbauamt befanden, nur noch der für die Decke vorliegt. Somit ist eine Rekonstruktion der Polychromie auf Ersatzquellen angewiesen, die jedoch nicht restlos Aufschluß zu geben vermögen. Zu diesen Quellen gehören vor allem Kostenvoranschläge anläßlich verschiedener Restaurierungen 37 , in welchen so ziemlich jedes Detail unter der entsprechenden technischen Gattung (etwa Stuckarbeiten, Malerarbeiten, Vergoldung, Stuccolustro u. dgl.) angeführt ist; ferner ein farbig angelegter Querschnitt des Saales von 1866 38 , der freilich zu klein und nicht unter dem Gesichtspunkt archäologischer Treue angefertigt ist, und schließlich ein Ölgemälde mit der Darstellung eines Konzertes 39 , auf dem ein Teil der Exedra wiedergegeben ist. M a ß e : Da die Angaben in der Literatur, aber auch in den Bauakten und Plänen vielfach voneinander abweichen, seien hier nur ungefähre Werte angeführt. Gesamtlänge (mit dem Umgang der Exedra) 36 m, ohne letzteren 33,5 m ; Gesamtbreite 22 m, Breite ohne Umgänge, von Säule zu Säule 16,5 m, Länge zwischen der nördlichen Säulenreihe und dem Scheitel der Exedra (Tür) 30,5 m, Tiefe der Exedra gegen 9 m ; Höhe des Saales 15,3 m, mitKassetten 15,45 m - Höhe der Erdgeschoß-Säulen 6,5 m, der oberen Säulen 5 m ; Niveau der Galerie 8 m über dem Saalfußboden; Abstand der unteren Säulen voneinander (über den Basen) etwa 1,8 m, von der Wand desgleichen. Flächenraum des Saales 672 qm, Rauminhalt rund 10 300 m 3 .

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LBA Fasz. 1 (um 1840), Fasz. 6 (1887 u. 1888); auch Fasz. 8 (1905, Renovierg. der Exedra). Auf die Erhaltung der ursprüngl. Farbigkeit wurde bei den Restaurierungen jeweils ausdrücklich Wert gelegt, so daß die hier gewonnenen Angaben durchaus zuverlässig sind. Entwurf für die Königsloge Ludwigs II., LBA. »Festkonzert unter Hermann Levi in Anwesenheit des Prinzregenten« (um r89o), ö l auf Pappe, von René Reinicke, S M 38/1499.

II. Beschreibung im einzelnen i. D e r B o d e n Der Fußboden, auf den beiden Klenzesdien Saalansichten schematisch mit diagonalem Rautenmuster wiedergegeben, scheint sein ursprüngliches kunstvoll eingelegtes Tafelparkett bis zuletzt beibehalten zu haben, wenn auch sicher in stark abgenutztem und ausgebessertem Zustand 40 . Grundlage der Musterung war ein weitmaschiges Diagonalnetz aus je zwei nebeneinander verlegten dünnen Stäben. Diesem System scheinbar untergelegt war ein zweites, engmaschigeres Netz parallel zu den Saalwänden verlaufender Stäbe, dessen kleinere Quadrate die Seiten der großen diagonalen jeweils in der Mitte tangierten, wo auf diese Weise sechsstrahlige Sterne entstanden. Diesen kleineren Quadraten waren abermals aus Stäben gebildete Diagonalquadrate einbeschrieben, deren Seitenmitten wiederum von den Seiten eines noch kleineren einbeschriebenen Quadrates tangiert wurden; letzteres bestand aus vier rahmenden Stäben, die die kleine quadratische Mitteltafel einschlössen. Eine Aufnahme des Fußbodenmusters von 1 937 4 1 verzeichnet die verwendeten Holzarten: demnach war das Diagonalnetz aus dem graubraunen Nußbaum, das Orthogonalnetz aus dem rötlichen Birnbaum, die hellen Dreiecktafeln aus dem gelblichen Ahorn und die kleinen Mittelquadrate aus lichtbrauner Eiche. (Vgl. Abb. 17) Der Boden der Umgänge war gegenüber dem des eigentlichen Saales um zwei Stufen erhöht, und zwar so, daß die Säulen auf der unteren standen; doch war diese Erhöhung in den Achsen der sieben Eingangstüren unterbrochen. (Auf Klenzes erster Saalansicht stehen die Säulen auf z w e i Stufen; die 2. Ansicht — Tafel 4, Abb. 6 — fügt die Einschnitte vor den Türen hinzu.) Welches Muster der Boden im Umgang zeigte, ist eindeutig nicht mehr festzustellen 42 ; eine Ansicht von 1940 zeigt Parketten im üblichen Fischgrätenmuster (schräg verlegte Kurzstäbe).

2. D i e

Säulenstellungen

Von den beiden übereinandergestelltenKolonnaden (Tafel 5, Abb. 8; Tafel 6, Abb. 9) umringte die untere den Saal auf dessen drei geraden Seiten; an der nördlichen Schmalseite, der Rückseite des Raumes, war eine Reihe von sechs Säulen zwischen quadratische 40

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Nach Mitteilung früherer Odeonsbesucher war der Boden überaus abgetreten, z. T. ausgeflickt, nachgedunkelt und knarrte störend. Bleistiftzeichnung im LBA. Allerdings ist nicht festzustellen, ob es sich tatsächlich um eine Aufnahme des bestehenden Zustandes handelt (wie wahrscheinlich), oder vielleicht um einen Entwurf für eine Erneuerung des Fußbodens. Der Neuhaussaal in Regensburg von 1804 hat heute noch im Umgang ein diagonal gemustertes Tafelparkett, ähnlich, doch nach einem etwas einfachereren System angeordnet als der Odeonsboden. So ungefähr könnten vielleicht audi die Umgänge im Odeon parkettiert gewesen sein. 35

Eckpfeiler eingespannt; letztere bildeten zugleich auch das eine Ende der acht Säulen umfassenden Längskolonnaden, die am anderen Ende jeweils von der pfeilerartig ausgebildeten Stirn der Exedramauer abgeschlossen wurden. Die Längsseiten umfaßten also neun, die Breitseite sieben Interkolumnien,- die Umgänge hatten die Breite eines Intervalls. Im Obergeschoß umringte die ionische Kolonnade den g a n z e n Raum; entgegen den ursprünglichen Plänen Klenzes, die auch hier Eckpfeiler vorsahen, wurden bei der Ausführung nur Säulen verwendet 43 . Zu den 2,6 Säulen, die denen (bzw. den Pfeilern) im Untergeschoß entsprachen, kamen noch zehn weitere über dem geschlossenen Halbrund der Exedra. Die u n t e r e n S ä u l e n (bzw. Pfeiler) waren aus kleinformatigen Ziegeln gemauert — wie auf den Ruinenansichten nach 1944 gut zu erkennen ist — und mit Stuccolustro überzogen 44 ; der Farbton sollte lichtgrauen, ein wenig gelblichen, (zumindest im letzten Zustand) horizontal geäderten Marmor imitieren 45 . Die Säulen, von toskanisierender (sogenannter »römisch-dorischer«) Ordnung, erhoben sich über quadratischen Plinthen (Fußplatten) und hatten attische Basen, bestehend aus einer fallenden Hohlkehle (Trochilus) zwischen Wülsten (Toroi), zu denen auffallend hohe, fast stufenartige Plättchen vermittelten,- ein solches leitete auch zum Schaft über. Im Farbton waren die Basen etwas dunkler als die Schäfte, in der Art kleinteilig gefleckten, wohl grauen Marmors. Die Schäfte, glatt und poliert, strebten in leichter Verjüngung empor; das Verhältnis von unterer Schaftbreite zur Länge betrug 1:7,5. Das Kapitell setzte sich vom Schaft mittels eines weißen Plättchens mit goldenem Wulst darüber ab, es folgte in Fortsetzung des Schaftes ein schmaler Säulenhals mit einem umlaufenden vergoldeten Reliefband auf wohl weißem Grunde, stuckiert wie sämtliche plastische Ornamente im Saal: Akanthus-Spiralranken, deren Zwickel die den Stengel umhüllenden Blätter (unten) bzw. Blütenknospen (oben) füllten. Eine vorspringende weiße Kehle mit Plättchen vermittelte zu dem ausladenden Teil des Kapitells, einem konvex schwellenden, ansteigenden Echinus mit vergoldetem ionischem Kyma (»Eierstab«, eiförmige, von erhabenem Rand eingefaßte Blätter mit Zwischenspitzen). Den oberen Abschluß bildete eine weiße quadratische Deckplatte (Abakus), deren oberen Rand ein schmaler Karnies mit vergoldetem lesbischem Kyma (herzförmige Blätter mit Zwischenspitzen) und weißem, dünnem Plättdien. Die Gestaltung der Pfeiler entsprach ganz der der Säulen, deren Formen hier dem quadratischen Querschnitt angepaßt waren,- so unterblieb die Verjüngung der Schäfte; bei den Kapitellen konnte das Spiralmotiv nicht umlaufen, statt dessen waren auf jeder 13

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Eckpfeiler zeigen die beiden Saalansichten Klenzes; sein kolorierter Aufriß der Längswand schließt die obere Kolonnade sogar am anderen Ende (am Ansatz der Exedra) mit einem Pfeiler. Franz Reber, Bautechnischer Führer durch München, Mü. 1876, S. 158. — In LBA Fasz. 1 die unteren Säulen unter den Stuccolustro-Flächen aufgezählt. Bei der Renov. 1888 wurden die Oberflächen abgewaschen, mit Marmorstaub eingelassen u. gewichst (LBA Fasz. 6). — Auf Klenzes 1. Saalansicht sind die Säulen schräg geädert und von lebhafter Fleckigkeit.

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der geraden Seiten jeweils zwei von der Mitte ausgehend gegenläufige Reihen von drei Spiralen angeordnet; über die Ecken des Echinus mit dem Eierstab legten sich Blattpalmetten. Gleichartig war auch die Ausbildung der die Türen rahmenden Pilaster (s. unten unter »Wände«), doch waren deren Schäfte, ebenso wie die der Exedra-Stimpfeiler, schräg marmoriert. Zwischen den beiden Säulenstellungen, etwa in halber Höhe des Raumes, umgürtete ein breites, reich profiliertes G e b ä l k (Tafel 7, Abb. 13) ohne jede Unterbrechung oder Verkröpfung den ganzen Saal in strenger Straffheit. Im großen gesehen gliederte es sich in die drei üblichen Hauptteile — Architrav, Fries und Gesims, doch kam als Bereicherung noch eine Reihe feiner Profile und vergoldeter Ornamente hinzu. Der den Deckplatten der unteren Säulen aufliegende weiße Architrav bestand aus zwei Faszien, deren obere, etwas breitere, wie üblich um ein geringes vorkragte,- den oberen Abschluß bildete eine Leiste mit vergoldetem Astragal, in dem jeweils eine lange Perle und zwei schmale Scheibchen alternierten, darüber ein vergoldeter Karnies und eine ebenfalls vergoldete Deckleiste. Es folgte, wieder zurückspringend in die Ebene der untersten Faszie, der breite, leere Fries, der, »in dunklem Marmortone« gestrichen46, durch angedeutete senkrechte Fugen und jeweils in der Richtung wechselnde Äderung Marmorquadern imitierte; der Farbton dürfte steingrau gewesen sein, doch dunkler als bei den unteren Säulen und im Gegensatz zu diesen auch ohne den Glanz der Oberfläche47. Den Fries schloß oben ein schmales, vorspringendes Gesims von weißer Farbe ab, das aus einer steigenden Kehle und einer dünnen Leiste bestand. Es folgte, als oberes Drittel des Gebälkes, das Kranzgesims. Es begann mit einem steigenden Karnies, der in der Ebene des Frieses ansetzte, mit einem lesbischen Kyma geziert und völlig vergoldet war48. Hierauf folgte ein weißes, vorspringendes Geison, das von einer schmalen, steigenden Kehle (oder Karnies?) mit dünner Leiste bedeckt wurde; den oberen Abschluß des ganzen Gebälkes bildete dann eine vorspringende, ausladende Sima mit vergoldetem Akanthus-Reliefband, bei dem über einer Kette liegender, s-förmiger Ranken Palmetten (mit kleinen Blüten in den Zwickeln darunter) und Knospen mit seitlich herabhängenden Spiralranken alternierten. Der Sima aufgelegt war noch eine weiße, schmale Deckleiste. Uber dem Gebälk erhob sich die o b e r e , i o n i s c h e K o l o n n a d e (Tafel 9, Abb. 19), deren Sockelzone sich mit der horizontalen Balustrade der Galerie überschnitt — die im Querschnitt quadratischen hohen Sockel, auf denen die Säulen standen, bildeten zugleich die geschlossenen Postamente, welche die Balustrade unterbrachen und gliederten. Letztere war gegenüber der Vorderebene der Postamente etwas zurückversetzt, so daß sich für den Anblick vom Saal aus eine fortlaufende leichte Verkröpfung ergab. (Der erste Entwurf Klenzes hatte eine geschlossene, gefelderte Brüstung vorgesehen.) 46 47 48

LBA Fasz. 6 (Kostenvoransdilag für 1888). Steingrau auf dem färb. Schnitt von r866 (LBA). LBA Fasz. 6 (1888) erwähnt »Herzblatt mit Untergrund vergoldet«. Siehe Abb. der Eckkassette. 37

Nahezu sämtliche architektonische Glieder des Obergeschosses waren weiß gefaßt — die Ausnahmen werden vermerkt —, so daß sich für die Raumwirkung eine Aufhellung nach oben hin ergab, konform mit einer größeren Leichtigkeit, Schlankheit und Feinheit der Formen. Auch das verwendete Material war leichter: die Balusterbrüstung wohl aus Holz,- die Säulen bestanden »aus Gipsstücken, in deren Hohlraum als tragender Teil ein Holzpfosten« sich befand 49 . Balustrade und Postamente erhoben sich über einem gemeinsamen, etwas vorspringenden, schlichten Sockel; zwischen die glatten Kuben, welche den Hauptteil der Postamente bildeten, waren die fortlaufenden Reihen der kleinen Docken (je zehn pro Intervall) mit ihren quadratischen Fuß- und Deckplatten eingespannt; dem Abschluß der Postamente, bestehend aus schmaler, steigender, weit ausladender Kehle, vorspringender Platte und vergoldetem, schmalem Karnies mit Abdeckung, entsprach bei der Balustrade ein breiter Balken mit gleichartigem Karnies samt Deckleiste. Die horizontale Oberfläche der Balustrade war mit rotem Wollenzeug bespannt 60 ; darauf befand sich ein (bei der Renovierung von 1888 erwähntes, also ungewiß ob ursprüngliches) bronziertes Opernglasgitter 61 . Die ionischen Säulen hatten hohe, schlicht zylindrische Basen, von denen eine Hohlkehle mit abschließendem Plättchen zum schmaleren Schaft überleitete. Die Schäfte, von 71/2facher Höhe des unteren Durchmessers, waren leicht verjüngt und hatten die üblichen 24 durch dünne Stege getrennten Kanneluren, die oben und unten halbkreisförmig endeten; sie waren mit matter Ölfarbe weiß gestrichen62. Uber dem abschließenden Plättchen folgte das Kapitell (Tafel r3, Abb. 30) mit reicher Vergoldung auf weißem Grund. Uber einem kräftigen goldenen Rundstab umschloß den Säulenhals ein breites Reliefband mit vergoldetem Ornament: über einer durchlaufenden Kette blattumschlossener Ranken erhoben sich alternierend Lotoskelche und von Spiralranken flankierte Akanthusblüten. Es folgte ein vergoldeter Astragal mit Wechsel von kugeligen Perlen und je zwei Scheibchen, dann der gewölbt ausladende Echinus mit ionischem Kymation, bei dem die erhabenen Ränder der eiförmigen Blätter und wohl auch die Zwischenspitzen vergoldet waren; das über den Echinus gestülpte Polster mit den seitlich herabhängenden Voluten war an der Frontseite leicht konkav kanalisiert und hatte erhabene, vergoldete Randstege; die Augen im Mittelpunkt der Voluten waren mit einem kleinen, goldenen Kugelsegment gefüllt; aus den Zwickeln der Einrollung wuchsen wie üblich schräge Palmettenfächer heraus, die sich quastenartig über den Eierstab legten und wohl teilweise vergoldet waren. Die trommelartigen Schmalseiten der Volutenpolster waren von den Enden her konkav zur Mitte hin eingezogen, wo sie von zwei parallelen ver49 60 51 52

Franz Reber, Bautechn. Führer durch München, Mü. 1876, S. 158. Ubergabe-Protokoll; wohl derselbe karminrote Stoff, mit dem die Bänke überzogen waren (s.u.). LBA Fasz. 6. LBA Fasz. 6 (1887). Bei allen übrigen angestrichenen Teilen (Kapitellen, Gebälken usw.) wurden Leimfarben verwendet, desgl. an der Vorderseite der Balustrade (die Rückseite aber in matter Ölfarbe).

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goldeten Bändern gleichsam umschnürt wurden. Den oberen Abschluß des Kapitells bildete eine aus steigendem Karnies und dünnem Plättchen bestehende weiße Plinthe. Ein besonderes Problem ergab sich für Klenze, als er an Stelle der ursprünglich geplanten Eckpfeiler Säulen einsetzte, aus der Bildung der Kapitelle in den Ecken. Die einseitige Frontalität des ionischen Kapitelltyps hatte hier auch in der Antike nie zu einer befriedigenden Lösung geführt; für gewöhnlich bog man an den Tempelecken die zusammenstoßenden Voluten diagonal heraus, während die unschöne Verschneidung der beiden Seitenpolster wenigstens, da nach innen gerichtet, nicht besonders auffiel. Klenze löste das Problem archäologisch korrekt — doch kehrten auf diese Weise, da es sich im Saalinneren um einspringende Ecken handelte, die Säulen an dieser Stelle gerade die aneinanderstoßenden Nebenseiten der Kapitelle mit halbierten, einen rechten Winkel einschließenden Voluten der Saalmitte zu ; die Folge war, daß diese Kapitelle zwar an sich in tektonischer Konsequenz die Längs- wie die Querkolonnade abschlössen, optisch jedoch, da in jeder der beiden Richtungen die Voluten-Vorderfront entfiel, gleichsam knollenhaft verkrüppelt erschienen, was an einer so entscheidenden Stelle wenig günstig wirkte® 3 . (Kapitelle der Pilaster s. unter »Wände«.) Das o b e r e G e b ä l k , obwohl das eigentliche »Hauptgesims« des Saales, war nicht so hoch wie das untere Zwischengebälk und bildete in seinem stark vorspringenden oberen Teil einen gleichsam fließenden Ubergang zur Kassettendecke, so daß eine eindeutige Grenze zwischen dieser und der vertikalen Architektur optisch kaum feststellbar war, zumal die horizontale Schichtung des Schlußgebälkes stark als begleitende Unterstreichung des Deckenrandes wirkte. Den zweistufigen Architrav, mit breiterer oberer Faszie, schloß — über einer dünnen Leiste? 54 — ein ausladender Karnies mit vergoldetem lesbischem Kyma und wohl ebenfalls vergoldeter Deckleiste. Es folgte, zurückspringend, der leere Fries — nicht so breit wie der im Zwischengebälk —, der »im Marmorton« gestrichen war 8 5 , doch ohne eine Äderung zu imitieren, wohl in einem Steingrau ähnlich dem unteren Fries 66 . Den Fries 53

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Ohne Zweifel hat Klenze das Problem durchdacht, glaubte aber die beste Lösung gefunden zu haben. — Eine Drehung des Kapitells um 180° würde zwar optisch die Längs- wie die Querreihe der frontalen Kapitelle fortsetzen, aber durch die notwendige Herausdrehung der Eckvoluten diesen Eindruck vielleicht wieder etwas stören, außerdem wäre eine solche Lösung unakademisch. — Vielleicht wäre die Wahl eines korinthischen Kapitells, dessen vier Seiten ja gleichwertig sind, eine Möglichkeit gewesen; die Antike verwendete gerade in ion. Bauten mitunter an besonders ausgezeichneten Stellen korinth. Säulen, z. B. in der Cella von Bassai oder in Didyma. Letztlich ist ein ion. Kapitell mit vier Ansichtsseiten u. folglich vier Ecken mit herausgebogenen Voluten (wie in der Cella von Bassai) als eine Vorform des korinth. Kapitells zu betrachten,- diese in neuerer Zeit verbreitete Form (z. B. in Gabriels Opera in Versailles, Halbsäulen in den Foyers von Fischers Münchner Nationaltheater) dürfte aber Klenze »unklassisch« erschienen sein. Die Leiste auf dem Foto mit dem ion. Kapitell nicht erkennbar, aber auf Klenzes Riß angegeben (SM Slg Lang III Nr. 56 u. 59). LBA Fasz. 6 (1888). Auf Klenzes kolor. Aufriß der Längswand allerdings erscheint er weit heller als der untere 39

schloß oben ein vergoldeter Astragal mit Wechsel von je einer langen Perle und zwei Scheibchen ab, dem noch ein dünnes Profil aufgelegt war. Der nun folgende Oberteil des Gebälkes 6 7 leitete bereits zur Decke hinüber ; er ist deshalb, von dem erwähnten Astragal ab, auf Klenzes farbigem Deckenriß auch schon mit angegeben (Tafel 5, Abb. 7). Eine mit dem unteren Ansatz leicht vorkragende Kehle leitete über zu dem sehr weit ausladenden Geison, dessen Kante an der Unterseite möglicherweise von einer Tropfleiste begleitet wurde 6 8 ; es folgte nach oben hin eine schmale, steigende Kehle, ein zarter vergoldeter Perlstab aus winzigen Kugeln, und endlich die karniesförmige Sima, die mit einem vergoldeten Anthemion (Palmetten-Lotos-Band über Rankenkette) geziert war und mit einer schmalen Leiste schloß, auf der die Decke aufruhte. Die den Umgängen zugewendete R ü c k s e i t e der Kolonnadenarchitektur zeigte die gleiche Gliederung wie die Saalfront, nur bildete der in der Höhe des oberen Drittels des Zwischengebälks eingezogene Galerieboden, zugleich Decke des unteren Umgangs, eine Unterbrechung. In beiden Geschossen des Umgangs entsprach das Gebälk bis einschließlich dem Fries dem der Vorderseite, doch wurde die Kontinuität des Frieses unterbrochen durch die mit ihm gleich hohen, weißen Querbalken, die sich von jeder Säule zur Außenwand hin spannten und die beiderseits auf dem Karnies mit dem lesbischen Kyma über dem Architrav ruhten. Uber den auf diese Weise entstehenden quadratischen (im Exedra-Obergeschoß trapezoiden) Schächten lagen die einzelnen Kassetten der Umgangsdecken. 3. D i e

Wände

Die den Saal umfassenden Wände, von welchen sich die Säulen in plastischer Rundung abhoben, waren — im großen gesehen — glatt und ungegliedert sowie mit einem glänzenden Stuccolustro-Uberzug versehen. (Dieser wurde erst nach der Einweihung ausgeführt, nachdem die Wände ausgetrocknet waren; bis dahin wurden sie provisorisch mit Leinwand bespannt 59 .) Die Grundfarbe des größten Teils der Wandflächen war ein lichter, leicht zum Bräunlichen neigender Ocker 60 in marmorartig gefleckter Struktur; anders getönt waren nur die wenigen Gliederungen. Im Erdgeschoß-Umgang hatte die Wand einen mit Ölfarbe marmorierten hohen Sockel, bestehend aus einem dunkelvioletten Fußgesims von der Höhe der Säulenbasen und einem etwa i ^ m a l so breiten Streifen in hellerem Violett 6 1 ; den oberen Abschluß

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Fries, hingegen auf allen Fotos gleidi dunkel; unzutreffend wohl die Marmorierung auf dem Königslogen-Schnitt von 1866, wo er im übrigen steingrau gefärbt ist. Nur schwer zu rekonstruieren,- die hier angebene Zahl an Profilen stimmt mit dem sicher zuverlässigen Riß SM Slg. Lang III Nr. 56 u. 59 überein. Vgl. die Schnitte LBA Odeon Nr. 26 (Königsloge), den Plan mit den Erdgeschoßlogen ebenda sowie den Querschnitt bei Reber, Bautechn. Führer durch München. Schlußbemerkung zum Ubergabeprotokoll vom 4 . 1 . 1828. So auf dem kolorierten Schnitt mit der Königsloge im LBA. Die beiden Violett auf dem Plan mit der Königsloge (LBA Odeon 26) angegeben; nach

bildete ein vergoldetes Gesims, das sich zusammensetzte aus Plättchen, Kamies, breiterem glattem Band, Karnies und Deckleiste 62 . Oben wurde die Parterre-Wand begrenzt von einem doppelten Profil in Fortsetzung desjenigen unter den Pilasterkapitellen (weiße Leiste und goldener Wulst); darüber verlief ein der Kapitellhöhe entsprechendes vergoldetes Reliefband auf intensiv farbigem, wohl rotem 63 Grunde: eine Art Mäander, ausgesetzt mit Blattkelchen und hängenden glockenförmigen Blüten. Darüber folgten Architrav und Fries wie am Mittelgebälk der Kolonnaden, bis zur Deckenkassette. Die Rückwand der Galerie hatte keinerlei Sockel; den oberen Abschluß bildete hier ein — gleichfalls in Kapitellhöhe verlaufendes — vergoldetes Reliefband über goldenem Rundstab: auf intensiv farbigem, höchstwahrscheinlich rotem Grunde alternierten über einer Rankenkette Palmetten und sich zu Herzformen aufrichtende Spiralranken. Uber diesem Zierband folgte der Architrav, und dann die »Schächte« unterhalb der Kassetten 6 4 . Während also die Decken der Umgänge beider Geschosse durch die Querbalken eine Unterteilung nach Jochen gemäß der Anordnung der Säulen erfuhren, fehlte eine entsprechende Gliederung an den Wänden—was durchaus klassizistischen Gepflogenheiten entsprach65 — bzw. sie blieb wenigen ausgezeichneten Stellen vorbehalten. Im unteren Umgang flankierten den Säulen entsprechende und ihnen gleichartig ausgebildete Pilaster die sieben Türen; letztere befanden sich jeweils hinter dem äußersten und dem mittleren Interkolumnium der Längsseiten sowie hinter dem mittleren der nördlichen Schmalseite. An letztgenannter Wand war ferner je ein Pilaster in der Achse der Eckpfeiler angebracht, so daß, zusammen mit jeweils einem Pilaster neben den rückwärtigen Türen der Längsseiten, die quadratischen Eckkompartimente der Umgänge sich gesondert heraushoben; in die Ecke selbst war ein schmales Pilaster-Rudiment eingesetzt. Ähnliche Kompartimente ergaben sich hinter dem ersten Interkolumnium neben der Exedra;hier kam jeweils der südlichePilaster neben der Tür nicht zur vollen Entfaltung, sondern konnte nur als vorspringende Ecke rudimentär angedeutet werden, denn zwischen ihm und dem Stirnpfeiler der Exedramauer war eine geschlossene Wand eingezogen, in der sich — in der Flucht des Säulenumgangs — eine Tür zu dem Halbkreisgang hinter der Exedra öffnete. Im oberen Umgang gab es Wandpilaster nur hinter den Säulen rechts bzw. links am Beginn des Exedra-Halbkreises sowie in den rückwärtigen Ecken in Verlängerung der Längs- bzw. Querkolonnaden, so daß hier gleichartige quadratische Kompartimente

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Aussage von Herrn Josef Hader, Hausverwalter des Odeons, war der Sockel braun. — Vgl. den violetten Sockel im Ballsaal des Festsaalbaues der Münchner Residenz. Wahrscheinlichste Rekonstruktion, auf allen Abbildungen ist nichts Genaues zu erkennen. Auf dem farbigen Klenzeschen Riß der Längswand ist dieses untere Reliefband allerdings heller als das obere angelegt, viell. violett? — Nach Angabe von Herrn Hader war das Band rot, wie audi das obere. Auf der jüngeren Saalansicht Klenzes liegen die Querbalken über den oberen Umgängen schon in Architravhöhe; die Fotos zeigen Form wie im Erdg. Vgl. Neuhaussaal Regensburg u. Festsaal des Schlosses Weimar. 4i

entstanden wie im Untergeschoß; auch die Pfeiler-Andeutungen in den Ecken waren hier vorhanden. Die Pilaster der Galeriewände hatten völlig schlichte, quaderförmige Sockel von der Höhe der Säulenpostamente, Basen gleich denen der ionischen Säulen, die Schäfte glatt, schräg marmoriert und steingrau wie die im Untergeschoß, jedoch schmäler (den ionischen Säulen entsprechend), in Stuccolustro. Die Kapitelle hatten keine Volutenpolster, sondern über Plättchen, Rundstab und Reliefband wie bei den Säulen folgten vorspringende, steigende Kehle mit Deckleiste, vorspringender Karnies mit zum Teil vergoldetem lesbischem Kyma, goldener Astragal (eine Kugel — zwei Scheibchen), Abakus, schmälerer Astragal gleicher Art, teilvergoldeter Eierstab und Deckleiste. Türen hatte die Galerie ursprünglich nur zwei, und zwar an den Ausmündungen der beiden halbrunden Treppen in den Zwickeln hinter der Exedra — d. h., vom Scheitel-Interkolumnium aus gezählt, in der jeweils übernächsten Achse; eine weitere, doch nicht für das Publikum bestimmte Tür verband die Nordwestecke der Galerie mit der kleinen Treppe von der Küche her (s. Erdgeschoß Raum 10). Eine auf der ersten Saalansicht Klenzes in der Mitte der Nordwand zwischen Pilastern eingezeichnete Tür wurde nicht ausgeführt; wegen der abweichenden Geschoßhöhe der umliegenden Räume hätte zu ihr in dem Saal Nr. 6 im 2. Stock eine Treppe eingebaut werden müssen 66 . Die sieben etwa 3,5 m hohen Türen im Parterre-Umgang fügten sich mit ihren Umrahmungen gerade in die Breite eines Interkolumniums. Es waren zweiflügelige Doppeltüren aus hell poliertem Nußbaumholz mit Kehlstoßfüllungen; sie hatten feuervergoldete Messingbeschläge, und zwar Oliven und mit Rosetten und Ranken verzierte Stoßschilder 67 . Die von Karniesen gerahmten, eingetieften Füllungen bildeten eine rhythmische Folge von sechs verschieden großen Vierecken: je Flügel folgten von unten nach oben aufeinander ein schmaler Sockel (schon ursprünglich mit Schutzblech?), ein fast quadratisches Längsrechteck, ein schmales Querrechteck, ein sehr hohes Rechteck, abermals ein schmales Feld, ein Beinahe-Quadrat wie unten und ein Querrechteck von etwas höherem Format als die beiden anderen. All diese Felder hoben sich durch ihre auffallende Maserung von der umgebenden Türfläche ab; auf den Ansichten erscheinen sie dunkler getönt (ebenso auf Klenzes farbigem Aufriß); vermutlich waren sie aus einem anderen Holz gefertigt. (In Analogie zu den Türen der Nebenräume — vgl. Kap. 2/ Anm. 250 — kann angenommen werden, daß auch bei den Saaltüren die Friese aus Kirschbaumholz, die Karniese aus Ahorn und die Füllungen aus Nußbaumholz bestanden.) Der erwähnte Dresdner Kritiker lobte »die glänzenden Türen von verschiedenem Holze kunstreich ausgelegt« e8 . Die rahmenden Türverkleidungen aus Eichenholz waren mit weißer Ölfarbe matt gestrichen und teilweise vergoldet 69 ; sie bestanden aus einer Faszie, vergoldetem Karnies und einer Randleiste. — Gleichartig gestaltet waren die beiden kleineren, etwa 2 m hohen Türen zwischen Abseiten und Exedra-Umgang, doch 06 67 68 69

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Vgl. 2. Stock Raum Nr. 6 (Anm. 321). LBA Fasz. 5 (1882). Kritik aus Dresden in der Eos Nr. 36/3. 3. 28. LBA Fasz. 6 (1888).

hatten ihre Flügel nur jeweils drei Felder (ein Quadrat zwischen zwei Hochrechtecken). Die gegen 3 m hohen Türen der Galerie entsprachen in ihrer Form denen im Untergeschoß, doch waren ihre Flügel nur in fünf Felder geteilt (von oben: Quadrat, kleines Querrechteck, Hochrechteck, kleines Querrechteck, Quadrat). Das geschlossene Untergeschoß der E x e d r a (Tafel 8, Abb. 17; Tafel 13, Abb. 32) war seinem Aufriß nach nichts anderes als die zur inneren, sonst aus Säulen gebildeten Schale des Raumes vorgezogene Außenwand, wie sie sich in den Umgängen darbot. Wie dort folgten auf den violetten Sockel eine große, gelbe Stuccolustrofläche und als oberer Abschluß das Mäander-Reliefband, welches sich hier mit dem Gebälk darüber zusammenschloß und dessen an sich schon starke Horizontalwirkung noch besonders unterstrich. Gehalten wurde die Exedrawand an beiden Enden von den (schon erwähnten) dreiseitig ausgebildeten Stirnpfeilern, deren den Abseiten zugewendete Front allerdings wegen der anstoßenden Tür zum Exedra-Umgang nur rudimentär entwickelt war. Die besondere Gliederung des den Saal optisch abschließenden Halbrunds bildete in halber Höhe eine feierlich wirkende Reihe von zehn kreisrunden Nischen mit Büsten berühmter Tonsetzer, im Scheitelpunkt unterbrochen durch ein prächtiges P o r t a l (Tafel 7, Abb. 14 u. 15). Dieses Mittelportal repräsentierte mit seiner von Konsolen getragenen Verdachung einen Typus, der letztlich auf das Nordtor am Erechtheion zurückgeht und auch in Didyma vorkommt; dadurch, daß es mit seiner reichen Gliederung und Dekoration der Rundung der Exedra folgte, erhielt es einen — für klassizistische Verhältnisse seltenen — Reiz feiner Lebendigkeit und verhaltener Bewegtheit und bildete so im Gefüge des Saales an ausgezeichneter Stelle ein besonders kostbares Stück Kleinarchitektur. Die Türflügel an sich entsprachen in Format, Material und Felderung genau denen in den Umgängen, doch der sie rahmende weiße Türstock war breiter und entsprechend reicher profiliert: auf eine innere Faszie folgten, durch eine ganz schmale, wohl vergoldete Kehle vermittelt, zwei äußere, hierauf ein dünner Rundstab, ein vergoldeter Karnies und eine Randleiste 70 . An diese eigentliche Rahmung schloß sich — ähnlich wie bei den Erdgeschoßfenstern der Fassade — seitlich unmittelbar noch eine zweite, begleitende an, bestehend in je einer schmalen, zwischen Randstegen gekehlten Lisene; hieraus erwuchsen am oberen Ende, über je einer hängenden Palmette, neben den oberen Ecken des Türstockes ansetzend, die steigenden Volutenkonsolen, welche die waagrechte Verdachung trugen. Die schmalen Rücken dieser Voluten waren vertikal strukturiert: zwischen Randstegen zwei Kehlen, die einen mittleren vergoldeten Rundstab einschlössen; die s-förmigen Nebenseiten hatten erhabene Randstege und hängende Zwickelpalmetten. Uber den Konsolen vermittelten vorspringende Gesimsstücke, bestehend aus weißem Karnies und goldenem Deckplättchen, zur Verdachung; zwischen dieser und dem Türsturz darunter blieb ein, seitlich von den Konsolen begrenzter, Wandstreifen frei, der in Imitation grauen, gefleckten Marmors gestrichen war und oben von einem kleinen Gesims in Fortsetzung dessen über den Konsolen abgeschlossen wurde (Rund70

Auf den Fotos zu erkennen; auf dem Aufriß SM Slg. Lang III/56 fehlt die innere Faszie. 43

stab, Karnies und vergoldete Leiste). Die breite, leicht konkave Verdachung bestand aus weißem Geison, schmaler goldener Leiste und weißer, weit vorschwingender Sima mit Deckleiste. Der Verdachung in ganzer Breite aufgesetzt war eine in Stuck geformte, prächtige Bekrönung, gewissermaßen eine Erweiterung des Akroterienmotivs, wie es etwa an antiken Grabdenkmälern vorkam (vgl. das von Klenze entworfene Leuchtenberg-Grabmal in der Münchener Michaelskirche). Die sich über der Vorderkante der Sima erhebende, flachgiebelartige Scheibe war an ihrer Vorderseite mit einem reichen Relief von sich einrollenden Akanthuszweigen bedeckt, die an den Enden über dem Haupthaar diagonal gestellter griechischer Masken ausliefen; die mittlere Spitze des Giebels bildete eine in Vogelköpfen endende Lyra. Die Farbe dieses ganzen Aufsatzes war zuletzt rein weiß, doch heißt es anläßlich der Exedra-Renovation von 1905, daß er zum Teil »mit Gold und Bronze verziert« gewesen sei 7 1 . Etwa in Höhe der Portalverdachung war in die Exedrawand eine Reihe kugelsegmentförmiger Nischen, jeweils fünf rechts und links von der Tür, eingetieft, in denen vor pompejanischrotem Grund die weißen K o l o s s a l b ü s t e n b e r ü h m t e r K o m p o n i s t e n standen. Die auf hängenden Akanthusblatt-Konsolen ruhenden Sockel dieser Büsten 72 unterbrachen die kreisrunden, die Nischen säumenden Ruhmeskränze aus reich mit Eicheln durchsetztem Eichenlaub, dem germanischen Gegenstück zum hellenischen Lorbeer. Diese stuckierten Kränze waren zuletzt rein weiß, früher jedoch teilweise vergoldet (vor allem die Eicheln, die Blume im oberen Scheitelpunkt, und die Namen auf den Sockeln in lateinischen Kapitallettern) 73 . Die zehn Büsten aus Gips 74 schuf der aus Memmingen stammende Bildhauer J o h a n n L e e b (1790 bis 1863), der unter Klenze auch in der Glyptothek arbeitete,- von einem langjährigen Stipendienaufenthalt (seit 1817) in Italien nach München zurückgekehrt, wandte er sich am 1. September 1826 brieflich an den König mit der Bitte um Beschäftigung 75 . Die dargestellten Komponisten waren ursprünglich (von links nach rechts): Cimarosa, Haydn, Weber, Mehul, Mozart — Händel, Vogler, Winter, Gluck und Rossini 76 . Diese etwas eigenartige, bunt zusammengewürfelte Auswahl stieß natürlich sofort auf 71 72

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LBA Fasz. 7. Der Sockel zerfiel in zwei Teile: der untere, den Kranz durchschneidende bestand aus Fußplatte, Wulst übergehend in fallenden Karnies, Plättchen, dem eigentlichen Block mit der Inschrift, dessen oberen Abschluß ein steigender Karnies mit Deckplatte bildete; darauf stand nun, innerhalb der Nische, die Büste auf einem eigenen Sockel: viereckiger Fußplatte, darüber kreisrunden Gliedern (Wulst, Plättchen, kurzer Schaft, Plättchen, Wulst). LBA Fasz. 6 (x888), und das Foto des Staatsorchesters im Odeonssaal (um 1922; Abb. 17). Laut Ubergabeprotokoll vom 4. r. 1828 waren die Büsten aus »Gyps«; später wird mitunter irrtümlich weißer Marmor angegeben (so Leo Bock, München, Leipzig 1860, S. r3o). GH 89/2/I. — Vgl. den Artikel »Leeb« in Thieme-Beckers Künstlerlexikon Bd. 22, u. Alexander Heilmeyer, Die Plastik des r9. Jahrhunderts in München, München 1931, S. 56 f. — Leeb als Schöpfer der Büsten erwähnt in der »Flora« Nr. 71/8. 4. 1828, S. 286, und in der Folge häufig in der auf das Odeon bezüglichen Literatur. Vgl. auch Anm. 72. Flora Nr. 71/8. 4. 1828, S. 286; auch AMZ Jahrg. 32/Nr. 2r (26. 5. 1830), Sp. 348. - Uber die Mozartbüste schreibt Klenze am 3. 10. 1837 an Ludwig I. (GH II A 32, fol. 343): »Zu dem Brustbilde Mozarts welches Leeb in den großen Saal des Odeons gemacht hat, nahm der-

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Widerspruch. Daß mit dem erst kürzlich (1825) verstorbenen Hofkapellmeister Peter Winter die lokale Tradition betont wurde, war durchaus zu vertreten — der Schöpfer des »Unterbrochenen Opferfestes« stand seinerzeit in hohem Ansehen; gegen die Aufstellung des — gleichfalls mit München eng verbundenen — Abbé Vogler jedoch »hatten sich Stimmen erhoben, aber König Ludwig, der den Mann besonders ehrte, entschied durch Befehl« 77 . Gerade Voglers Büste muß psychologisch ausdrucksvoll gewesen sein: ein zeitgenössischer Bericht stellt fest, sie lasse »den Physiognomiker nicht im Zweifel über die Art, wie sich die Produkte seines Geistes bildeten. Der tiefe Denker ist unverkennbar, der Sonderling nicht minder«78. Besonderen Anstoß aber erregte die Auswahl des damals allein noch lebenden — Rossini, der, gemäß einer Kritik von 1828 79 , »doch auf Klassicität gewiß nicht Anspruch zu machen hat! Und wo ist denn unser herrlicher Beethoven geblieben . . . der Stolz und die Zierde des deutschen Vaterlandes? Verdient sein genialer Kopf vielleicht weniger die Ehre, in einem Tempel der Kunst neben Mozart, Gluck und Händel zu stehen, als der des süßen transalpinischen Sängers von Pesaro, der nur zu oft, bei seinem großen Talente, durch Sinnenkitzel Natur und Wahrheit unverzeihlich mit Füßen getreten hat? . . . Wir denken uns den finstern, genialen Beethoven in die erste Nische rechts.« Das Fehlen des — interessanterweise schon kurz nach seinem Tode (1827) derartig charakterisierten — Beethoven findet auch die damals in Deutschland führende Leipziger »Allgemeine musikalische Zeitung« befremdlich, welche überhaupt die Zusammenstellung »viel und minder geehrter Componisten« bemängelt 80 . In der Tat mußte nach einiger Zeit die Büste Rossinis der von Peter Winter weichen, an dessen bisherigen Platz nun Beethovens Büste, vermutlich auch von Leeb modelliert, aufgenommen wurde 8 1 . Beschreibungen der Folgezeit nach zu schließen, scheinen die Büsten ihre Plätze vertauscht zu haben; seit der Jahrhundertmitte wird übereinstimmend als Reihenfolge angegeben: Beethoven, Mozart, Gluck, Händel, Haydn, Vogler, Méhul, Weber, Cimarosa und Winter 82 . Seit r867 wurden jedoch die beiden mittleren Büsten durch die Orgel verdeckt (s. u.) ; bei deren Wiederentfernung rços wurden »die zehn Büsten ergänzt und gestrichen«83; von damals dürfte die neue

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selbe einen Kupferstich zum Vorbild welchen ihm der Graf v. Schönborn lieferte, deßen Autor er sich aber nicht mehr entsinnt.« Wilh. Freystätter, König Ludwig I., ein Freund der Tonkunst, in: Festschr. zur Centenarfeier Ludwigs I., München 1888, S. 25. Flora Nr. 72/ro. 4.1828, S. 290. Flora Nr. 7r/8. 4. r828, S. 286. AMZ Jahrg. 31/Nr. 48 (2. 2r. 1829), Sp. 796. Vgl. die Eintragung der Namen auf dem Grundriß SM MS II/67 Nr. 2. — Beethoven erstmals erwähnt bei Söltl, Die bildende Kunst in München, Mü. 1842, S. 59 (Leeb als Schöpfer a l l e r Büsten bezeichnet). So in Rud. u. Herrn. Marggraff, München mit seinen Kunstschätzen u. Merkwürdigkeiten, Mü. 1846, S. 542; in »Neuester Führer durch die kgl. bayer. Haupt- u. Res.stadt München«, Augsburg r852, S. 126; Th. Trautwein, Neuester Wegweiser durch München u. seine Umgebungen, Mü. r87r (8. Aufl.), S. rr4 ; H. Reidelbach, König Ludwig I. v. Bayern u. seine Kunstschöpfungen, Mü. r888, S. 253. LBA Fasz. 7. 45

Auswahl und Anordnung, nun eine ebenbürtige Versammlung der größten deutschen Meister bis zur Romantik, stammen, wie sie bis zur Zerstörung bestand: (von links) Bach, Gluck, Mozart, Weber, Wagner, Liszt, Schubert, Beethoven, Haydn, Händel 84 . — Die großen gelben Stuccolustro-Flächen der Wände zeigten wahrscheinlich weder im Unter- noch im Obergeschoß irgendeine Gliederung durch Felder, Rahmen oder dgl. 85 . Ursprünglich hatte Klenze zumindest für die Parterrewand eine Gliederung vorgesehen: der Längs- und Querschnitt von seiner Hand sowie die ältere seiner beiden Saalansichten zeigen hier eine alternierende Folge von hohen, schmalen, gerahmten Feldern und etwas breiteren, die in der Mitte von einem Kreismedaillon unterbrochen werden. In diese Kreise (Nischen?) sind (auf dem Längsschnitt) an den Seitenwänden Büsten (wohl von Komponisten), in der Exedra Musikinstrumente eingesetzt. Von all dem blieben bei der Ausführung nur die Büsten in der Exedra. Klenzes farbiger Aufriß der Längswand, ebenso die Risse im Stadtmuseum (Slg. Lang III, Bl. 56 u. 59) und seine zweite, jüngere Saalansicht sehen nur noch eine schlichte Teilung der Erdgeschoßwände durch große, hochrechteckige Felder vor (den Säulenintervallen entsprechend); auch diese unterblieb bei der Ausführung. Die Wand im Obergeschoß erscheint auf allen Klenze-Entwürfen ungegliedert; doch wies gerade sie vor 1944 eine — auf allen Fotos sichtbare — Teilung durch hellere schmale Rahmen in eine hohe untere und eine niedrigere obere Reihe von dunkleren Feldern auf (je ein Paar übereinander pro Achse,- es handelte sich wohl um zwei verschiedene Ockertöne); diese Gliederung dürfte aber neueren Ursprungs sein, vielleicht von der Renovierung von 1888 86 .

4. D i e

Decke

Die Decke des Saales (ohne Galerie) hatte die beachtliche Spannweite von 16 m bei 30 m Länge und war in dem hölzernen Trapezhängewerk-Dachstuhl 87 aufgehängt. Sie war in zahlreiche Kassetten sehr verschiedener Größe und Form aufgeteilt (Tafel 5, Abb. 7; Tafel 6, Abb. 12); das die Felder trennende orthogonale (über der Exedra radiale bzw. konzentrische88) System von breiten Stegen, die im Inneren jeweils zwei Holzbalken von quadratischem Querschnitt enthielten, bildete eine völlig glatte, weiße, kontinuierliche Grundebene, aus welcher die nur wenig eingetieften, aber mit reicher, kraft84 85 88

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Heinrich Bihrle, Die Musikal. Akademie, München 1911, S. 21. So erscheinen sie auf dem farbigen Querschnitt LBA Odeon 26 (1866). LBA Fasz. 6 (1887) stellt fest, die Wände der Galerie seien »im Lauf der Jahre mit einem braunroten Anstrich versehen (worden), unter welchem sich eine leuchtende Stuccolustrobekleidung befindet, die wiederhergestellt werden soll.« Dieser Anstrich mit Leimfarbe wurde r888 abgewaschen, der Stuccolustro-Uberzug freigelegt u. z. T. hergestellt. Klenzes Gebäudeschnitte sahen einen Dachstuhl aus Bogenbindern vor; der Bauunternehmer aber mußte, wie es scheint, bei der Ausführung auf die traditionelle Baukunst der lokalen Zimmerleute Rücksicht nehmen. — Vor 1944 hing die Decke im Nordteil des Saales schon leicht konvex durch. Die Radialen verjüngten sich gegen die Mitte.

voll farbiger Bemalung dekorierten Kassetten gleichsam ausgeschnitten erschienen. So wirkte die Decke insgesamt in keiner Weise plastisch und schwer, sondern flächig, leicht und dünn, ganz auf den Eindruck dekorativer Farbigkeit abgestimmt. Die Anordnung der Felder richtete sich nach den drei großen Flächen in der Mitte, die für die Fresken ausgespart wurden — zwei Quadrate über dem »Langhaus«, ein Halbkreis über der Exedra. Den äußersten Ring entlang dem Rande bildeten schmale Kassetten von rhythmisch wechselnder, sehr verschiedener Länge, es folgte nach innen konzentrisch ein zweiter (wegen Unterbrechung an der Nordseite U-förmiger) Kranz von quadratischen (in der Exedra trapezoiden) Feldern, der die großen Freskenflächen der Mitte seitlich begrenzte bzw. (den Halbkreis) umgürtete; auf die noch verbleibenden beiden Querstreifen zwischen den drei Fresken entfielen je drei quadratische Kassetten. — Glücklicherweise ist Klenzes kolorierter Originalriß der Decke noch vorhanden 89 , so daß die ganze reiche Farbigkeit der Ornamentik bis ins letzte Detail feststeht; nur die Wiedergabe von Gold durch Gelb läßt nicht immer klar zwischen beiden Tönen unterscheiden. Gerahmt wurde jede Kassette von einem mittels eines schrägen Profils nur wenig aus der umliegenden Grundebene einspringenden, gleich dieser weißen Streifen, der auf dem Klenze-Riß noch nicht vorgesehen war. Nach diesem breit und flächig wirkenden Rahmen folgte erst der eigentliche profilierte Rand der Kassette, bestehend aus einer etwas einspringenden, dünnen weißen Leiste, vergoldetem Karnies und dünner weißer Deckleiste, über der der Kassettenboden aufruhte. Die dem Deckenrand entlang verlaufende, äußerste Kassettenreihe setzte sich aus Feldern von dreierlei Format und Bemalung zusammen; motivisch stand ihre Dekoration der Groteske nahe. Von sehr blassem, blaugrauem Grund hob sich die zumeist aus reich verschlungenem Rankenwerk bestehende, mit vereinzelten Blättern und — in den großen Feldern — auch mit Figürlichem vermischte Ornamentik in kleinteiligem Wechsel von Blau, Rot, Gelb und Grün ab — der Farbton änderte sich bei jedem kleinen Abschnitt des in verschieden großen Schwingungen und Spiralen verlaufenden, von Blättern, Blatthüllen und hauchzarten, züngelnden Nebenranken reich umspielten Pflanzengeschlinges. Die kleinen quadratischen Kassetten in den beiden nördlichen Ecken waren mit einem sternartigen Motiv gefüllt 90 : von einer einem Kreis eingefügten mittleren Vierblattrosette strahlten acht von dünnen Ranken umzüngelte Spitzen aus. Ansonsten alternierten in der äußersten Reihe kürzere und sehr langgestreckte Rechteckfelder. In den ersteren ordnete sich das Blatt- und Rankenwerk zur Grundform etwa eines W mit gerundeten Ecken und ausgebaucht schwingenden Seiten. In den langen Feldern alternierten über einer Rankenkette sich aufrichtende Gruppierungen von Ranken- und Blattwerk mit knienden Paaren geflügelter männlicher Genien, die große, goldene, von Sternen bekrönte Lyren zwischen sich emporhielten. Uber den Köpfen dieser kleinen 89 90

LBA Plansammlung. Vgl. ein ähnliches antikes Motiv bei Klenze, Die schönsten Überbleibsel griechischer Ornamente der Glyptik, Plastik u. Malerei, München (1823), Tafel XII Fig. 5. u. 6. 47

nackten Figuren schwebten goldene Sterne; die gefalteten, aufgerichtet einwärtsschwingenden Flügelpaare irisierten zwischen Grün, Blau und Rot. In seiner edlen Anmut und herben Frische gehörte der Entwurf für diese langen Kassetten wohl zu Klenzes besten ornamentalen Erfindungen; bei der Ausführung wurden leider, soweit die Abbildungen erkennen lassen, die männlichen Genien in weicher konturierte weibliche verwandelt, wie überhaupt die Qualität gegenüber dem Klenze-Riß durch kleine, aber schwerwiegende Verschiebungen in den Proportionen der Rankenschwünge herabgemindert erschien — der ganze Charakter der Ausführung war trockener, glatter, gefälliger, spannungsloser (wozu vielleicht auch die Restaurierungen das ihre beigetragen hatten). Bei den quadratischen (bzw. trapezoiden) Kassetten der übrigen Decke alternierten zwei nur wenig verschiedene Rosettenmotive. Allen Feldern gemeinsam war ein schmaler weißer Saum mit einem goldenen Astragal an der Innenseite; innerhalb dieses Rahmens war die Grundfläche rosa mit aufgelegtem, rosettenartig angeordnetem Rankenwerk in blauen, roten und gelbgrünen Tönen; die Mitte der Kassette umrundete ein weißer Lorbeerkranz mit grauen Schatten, innerhalb dessen auf goldenem Grunde 9 1 eine weiße Blüte das Zentrum bildete, von dem aus vier (bei den Exedrakassetten fehlende) rote, blattumschlossene Stengel rechtwinklig oder diagonal ausstrahlten und sich, außerhalb des Kranzes, in Ranken verzweigten. In zwei schmalen Trapezfeldern über der Exedra formierten sich Stengel und Ranken zu einem kandelaberartigen Gebilde. Die beiden quadratischen Fresken umzog, innerhalb des profilierten Randes gleich dem der Kassetten, ein breiter Rahmen von lichtem Graublau mit aufgemaltem goldenem, gegenständigem Doppelmäander und goldenen Blattrosetten in den Ecken; an der Innenseite folgten, als eigentliche Begrenzung des Bildes, zwei parallele goldene (plastische) Profile mit ebenfalls vergoldetem Zwischenraum. Bei dem halbrunden Exedrafresko fehlte (aus Gründen des Formats) die Mäanderzone, es wurde im Anschluß an den vergoldeten Karnies (wie bei den Kassetten) gerahmt von goldener Leiste und dünnem goldenem Rundstab. Entgegen Klenzes ursprünglichen Plänen mußten bei der Ausführung sechs Kassetten durch O b e r l i c h t e r ersetzt werden, wodurch die optische Einheit der Decke bei Tag durch scharfen Lichteinfall, bei Nacht durch dunkle Löcher ungünstig unterbrochen wurde 92 . Beseitigt wurden auf diese Weise jeweils die mittleren der drei die einzelnen Seiten der quadratischen Fresken säumenden Kassetten 93 . Acht weitere Kassetten mußten 1886 dem Einbau neuer Sonnenbrenner weichen (s. u.) ; an deren Stelle traten schon 1888 bei Einführung des elektrischen Lichtes Ventilationsrosetten aus 91 92

93

48

Gelb auf dem Klenzeriß; doch in LBA Fasz. 6 (1888) erwähnt »Kassetten: vergoldeter Hintergrund an Füllungen«. Diese Oberlichter sind schon auf dem Vorherrschen Plan von 1828 eingezeichnet; jedoch auf keinem der Klenzesdien Pläne u. Ansichten. — 1862 wurden die Oberlichter repariert (LBA Fasz. 4). Siehe den Grundriß bei Reber, Bautechn. Führer durch München.

bronziertem Eisenguß von der Maschinenfabrik L. A. Riedinger (Augsburg), die sich mit ihren radial angeordneten Palmetten dem Stil des Saales geschickt anpaßten94. Die Restaurierung von 1940 beseitigte die Oberlichter und ersetzte sie durch Kassetten gemäß den ursprünglichen Intentionen Klenzes. Die K a s s e t t e n d e r U m g ä n g e (oben wie unten) waren etwas tiefer als die der Hauptdecke; ihr Rand setzte sich zusammen aus einem schrägen goldenen Profil mit plattem Außenrand, breitem weißem Karnies und goldenem Astragal (so auf Klenzes Riß, Tafel 5, Abb. 7 — nach Foto jedoch war das Schrägprofil samt Randleiste weiß, und den Astragal ersetzte ein vergoldeter Rundstab). Die gemalte Dekoration der Kassettenfläche war einfach: auf rosa Grand saß in der Mitte eine kleine Rosette, die sich aus einer weißen Mittelblüte, vier diagonal-radialen vergoldeten Blättern und einem äußeren Kranz weißer Spiralranken mit einwärtsgerichteten goldenen Blättchen zusammensetzte (so bei Klenze; nach Foto war die Mittelblüte golden, die vier Blätter weiß).

5. D i e

Fresken

Inmitten der Decke hatte Klenze drei für Fresken bestimmte Felder freigelassen — zwei Quadrate von je etwa 5,3 m Seitenlänge und, über der Exedra, einen Halbkreis mit einem Radius von 3,5 m. Den Auftrag für die Gemälde erhielt, wie zu erwarten, P e t e r C o r n e l i u s , der 1825 vom König als Akademiedirektor nach München berufen worden war und dem eine Reihe von Schülern hierher nachfolgte. Diesen mußte er, gemäß der von ihm vertretenen monumentalen Historienmalerei, Möglichkeiten verschaffen, in der Freskotechnik praktische Erfahrungen zu sammeln und ihr Talent selbständig zu entfalten95; Gelegenheit dazu bot sich ihm damals im Odeon und in den Hofgarten-Arkaden. Die drei Odeonsgemälde, deren Programm schon in dem Bericht über die Grundsteinlegung in »Schorns Kunstblatt« vom 4. Mai 1826 erwähnt wird, übertrug Cornelius seinen Schülern Wilhelm K a u l b a c h , Adam E b e r l e und Hermann A n s c h ü t z ; die beiden ersten waren damals (1826) erst 21, Anschütz 24 Jahre alt. Dem zitierten Brief Klenzes an den König vom 17. Juni 1827 ist zu entnehmen, daß den drei jungen Künstlern bei der Ausführung noch weitere Corneliusschüler halfen, wie Wilhelm Rockel, Hermann Stilke und Carl Hermann, und daß die Arbeit trotzdem nur langsam voranging96. Der Aufgabe als solcher scheint man keine besondere Bedeutung zugemessen zu haben, da man sie Schülerhänden überließ; 94 95

96

LBA Fasz. 6. Alfred Kuhn, Peter Cornelius u. die geistigen Strömungen seiner Zeit, Berlin r92r, S. 160. — Rudolf Oldenbourg, Die Münchner Malerei im 19. Jh., München (1922), S. 168. — E. Förster, Geschichte der deutschen Kunst, Bd. 5, Leipzig 1860, S. 64. — Eugen v. Stieler, Die kgl. Akademie der bildenden Künste zu München, Mü. 1909, S. 78. GH II A 31 fol. 249. — Uber die genannten Mitarbeiter vgl. die entspr. Artikel in ThiemeBecker Künstlerlex. Bd. 28, 32, u. 16. 49

dazu mag freilich die große Höhe beigetragen haben, in der die Gemälde im Detail schwer zu würdigen waren 97 ; andererseits mochte man ein gewisses Vertrauen in die künstlerische Aufsicht des Cornelius setzen. Ein Bericht von 1827, die Fresken seien »mit Fleiß und Kunst nach den Angaben des Hrn. Dir. Cornelius verfertigt«98, könnte eine recht weitgehende Einflußnahme andeuten, doch ist damit freilich nichts Näheres darüber gesagt, welcher Art diese Angaben waren — ob mehr allgemein auf das ikonographische Programm bezüglich, oder ob konkret gestalterisch. Nach Joh. Nep. Sepp »gab Cornelius den Gedanken an, im Odeon die W i r k u n g d e r T o n k u n s t darzustellen«99. Wie dieser »leitende Gedanke« im einzelnen anschaulich gemacht werden sollte, geht am besten aus Ernst Försters Darstellung der Gemäldethemen hervor 100 : demnach malte Kaulbach »Apollo unter den Musen, oder die Kunst in den höchsten Sphären der Bildung«, Eberle »Apollo unter den Hirten, oder die Kunst als Bildungsmittel unverdorbener Naturen«, und Anschütz »Apollo und Midas, oder die Kunst gegenüber der Afterkunst und der einsichtslosen Kritik«. Die Anordnung der Fresken über dem Saal war dabei hierarchisch abgestuft — vom Parnaß oberhalb des Orchesters über die bukolisch-irdische Sphäre in der Mitte bis zur Anspielung auf verständnisloses Banausentum und unberufene Kritik im rückwärtigen Raumteil. Insgesamt aber bedeutete dieses Programm, das dem des alten Leipziger Gewandhauses in vielem gleicht, die Unterstellung des Odeons unter die Herrschaft Apolls, die Weihe des Saales zu einem Heiligtum der (in der Gestalt des Gottes symbolisierten) Kunst (s. unten). Als Anfängerarbeiten waren die Odeonsfresken ihrer Qualität nach alles andere als Meisterwerke; die meisten zeitgenössischen Beurteiler fanden jedoch, daß sie an ihrem Ort den gewünschten (d. h. dekorativen und ikonographischen) Zweck durchaus erfüllten 101 . Strengere, nämlich künstlerische Maßstäbe legte Friedrich Gärtner an, der in einem (bereits zitierten) Brief an Joh. Martin Wagner 102 zugibt, daß der Saal »sehr viel Schönes hat — außer den Plafond Gemälden von Cornelius' Schülern, die so viel Gespenster als Figuren sind«. Hiermit ist völlig zutreffend auf die Gefahr der Leblosigkeit, Starre und Blässe bei der Menschendarstellung hingewiesen, welche die Folge des auf zeichnerische Abstraktion und Idealisierung des Gegenstandes angelegten Stils 103 bildete, zu dem Cornelius seine Schüler erziehen wollte. Hand in Hand damit ging der 97

Eos 12. Jahrg. Nr. 36/3. 3. 1828 (Brief aus Dresden); Fritz v. Ostini, Wilhelm v. Kaulbach, Leipzig 1906, S. 36. 98 Flora Nr. 195/27. 9. 1827. 99 Joh. Nep. Sepp, Ludwig Augustus, König v. Bayern, u. das Zeitalter der Wiedergeburt der Künste, Regensburg r903 (2. Aufl.), S. 207. — Das Programm der Fresken schon im Bericht über die Grundsteinlegung in Schorns »Kunstblatt« Bd. 7/Nr. 36 (4. 5. 1 8 2 6 ) erwähnt. 100 g Förster, Geschichte der deutschen Kunst, Bd. 5 (Leipzig 1860), S. 64 f. 101 Der Dresdner Kritiker (Eos 3. 3. X828) spricht sogar von »drei vortrefflichen Gemälden«; vgl. Flora 8. x. 1828/S. 27; Adolph v. Schaden, Neueste Beschreibung der Haupt- u. Res.stadt München, Mü. 1837 3 , S. 170, nennt die Fresken »gelungen«. 102 Wagnerstiftung der Universität Würzburg, Fasz. IV, fol. 163—166 (Brief vom 13. 1. 1828). 103 R. Oldenbourg, Die Münchner Malerei im 19. Jahrhundert, Mü. (192a), S. 168. SO

Mangel an Sinn für das Koloristische, der bei den Odeonsbildern mehrfach hervorgehoben wurde 104 . Leider gestattet das völlige Fehlen farbiger Reproduktionen in dieser Hinsicht keine nähere Analyse, doch lassen auch die Schwarz-Weiß-Aufnahmen erkennen, daß die Fresken mit ihrem Primat der linearen Komposition und ihren hart und klar voneinander abgesetzten, großen und leuchtenden Farbflächen, die zueinander in keiner Beziehung standen und letztlich keinen einheitlichen koloristischen Zusammenhang des Bildganzen ergaben, sich den anderen Werken der Cornelius-Schule anschlössen (vgl. die noch erhaltenen Fresken in den Hofgarten-Arkaden und in der Ludwigskirche). Gerade in solchen Werkstattarbeiten pflegen ja die problematischen Seiten der Kunst eines Meisters besonders kraß hervorzutreten, während seine (in der Persönlichkeit begründeten) Vorzüge, die den eigenhändigen Werken ihre Qualität verleihen, unnachahmlich bleiben. Von den drei im Odeon tätigen jungen Künstlern zeigte lediglich Eberle gewisse positive (und bemerkenswerte) Ansätze eines persönlich geprägten Ausdrucks,- sein Gemälde soll daher den Schwerpunkt der folgenden Würdigung bilden. Den klassizistischen Prinzipien gemäß verzichteten die Deckenbilder auf jede Verkürzung aus der Untersicht und somit auf eine illusionistische Verbindung mit dem Raumganzen; sie waren gleichsam in die Horizontale geklappte, klar und streng begrenzte, isoliert zu betrachtende Gemälde, welche die unplastische Flächenhaftigkeit der Decke nicht durch Aufreißen einer Tiefendimension unterbrachen. — Das obere Ende der Fresken lag jeweils in Richtung zur Exedra hin; ihr mußte also der Betrachter seinen Rücken zuwenden. Kaulbachs »Parnaß« wurde 1886 »in barbarischer Weise beschädigt« 106 : anläßlich des Aufschlagens einer Bühne im Saal wurden acht große Löcher in das Bild gebohrt, Köpfe und Hände der Figuren durchbohrt und Mörtel in ziemlich großen Stücken herabgestoßen; die Schäden wurden alsbald behoben. Bei der Saalrenovierung von 1888 wurden die Fresken mit Brot geputzt und an einigen Stellen ausgebessert108. Die letzte Wiederherstellung erfolgte 1940: »Durch Prof. Richard Throll erhielten die drei Fresken . . . ihre frühere künstlerische Wirkung zurück. Sie wurden durch Abreiben gereinigt und dort, wo die Farben gelitten hatten, vorsichtig ergänzt. Unkünstlerische spätere Ubermalungen wurden wieder beseitigt und fehlende, störende Stellen mit taktvoller Zurückhaltung farbig eingestimmt 107 .« 104

105 108 107

So von Friedrich Pedit, Geschichte der Münchener Kunst im 19. Jh., Mü. 1888, S. 96 (Kaulbach); Friedr. Pedit, Artikel »Eberle« in Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 5 (Leipzig 1877), S. 573, u. Artikel »Kaulbach« Bd. rs (1882), S. 480; F. v. Ostini, Wilh. v. Kaulbach (1906), S. 36 (»Die Farbe verdirbt wenigstens nichts«). LBA Fasz. 6. LAB Fasz. 6. Münchner Neueste Nachrichten Jahrg. 93/Nr. 3rr/6. ri. 1940, S. 9. — Nach LBA Fasz. 15 war künstlerischer Mitarbeiter Herr Strauß; nach frdl. Mitteilung von Frl. Throll war ihr Vater, Dekorationsmaler Karl Throll, wesentlich auch an der Renovierung der Fresken beteiligt.

51

a) Das Deckenbild » A p o l l o u n t e r d e n M u s e n « (Tafel, io, Abb. 22) war in erster Linie als Wilhelm K a u l b a c h s erstes Fresko bemerkenswert 108 ; Cornelius, der die Begabung seines Schülers erkannt hatte, ließ ihn im Frühjahr 1826 nach München kommen und erwirkte ihm diesen Auftrag 1 0 9 . Von den drei im Odeon malenden jungen Künstlern schloß sich Kaulbach am stärksten dem idealisierend überhöhten Stil seines Lehrers an, wozu freilich auch das erhabene, für die Vorstellungskraft der damaligen (wie der heutigen) Zeit nicht mehr recht realisierbare Thema Anlaß gab; die Ausführung fiel denn auch blaß und unlebendig genug aus. Mit allen Anzeichen akademischen Bemühens war die Neunzahl der Musen, in zwei Gruppen rechts und links um Apollo geschart, in das Halbkreisformat hineinkomponiert, wobei die Anordnung der Figuren, in der Fläche gesehen, zu dem in der Mittelachse an höchster Stelle stehenden Gott hinanführte, und zugleich, in der Darstellung räumlicher Tiefe, nach Art eines Spaliers keilförmig einen freien Mittelraum einschloß, an dessen Ende der Musaget, frontal hoch aufgerichtet, den linken Fuß auf eine Erhöhung stützte, den Blick nachdenklich ernst in die Ferne schweifen ließ und auf seiner in die Hüfte gestemmten Lyra spielte. Auf der Wolkenbank, die den Untergrund bildete, standen oder saßen die Figuren in feierlicher, erstarrter Pose,- ihre Gesichter waren durch lange, schmale Nasen, kleine volle Lippen und düsteren Blick als »klassisch« gekennzeichnet; die weiten Gewänder, Hauptträger der Farbigkeit, waren in langen Faltenbahnen um die Körper drapiert; die Arme erschienen, wo sie entblößt waren, mager und in unbeholfener Haltung. Die Musen, nur zum Teil durch Attribute gekennzeichnet, lassen sich nicht eindeutig mit Namen identifizieren; am ehesten wäre als Reihenfolge (von links) anzunehmen: Thalia (?, Komödie), Klio (?, Geschichte), Terpsichore (Tanz), Urania (Astronomie), Kalliope (Heldengedicht), Melpomene (Tragödie), Polyhymnia (Beredsamkeit), Euterpe (Musik) und Erato (Gesang). Der Maler selbst scheint sich der mäßigen künstlerischen Qualität seines Frühwerkes mit einem gewissen Humor bewußt gewesen zu sein, denn er schrieb als Signatur auf die auseinandergezogene Schriftrolle auf dem Schoß der zweiten Muse von links: »Ein Schelm der mehr thut als er kann — Kaulbach«. Hierin deutet sich auch schon jener satirisch-ironische Zug an, der später ein wesentliches Element seiner Kunst werden sollte 1 1 0 . 108

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J. M. Soeltl, München mit seinen Umgebungen, Mü. 1837, S. 210. — Athanasius Graf Raczynski, Geschichte der neueren deutschen Kunst II, Berlin 1840, S. 264. — W. v. Kaulbach wurde 1805 in Arolsen geboren u. starb 1874 in München. Rud. Oldenbourg, Die Münchner Malerei im 19. Jh., Mü. 1922, S. 202; J. M. Soeltl, Die bildende Kunst in München, Mü. 1842, S. 175; Adolph v. Schaden, Artistisches München im Jahre 1835, S. 48; C. A. Regnet, Münchener Künstlerbilder, Leipzig i87r, S. 215. Uber die Qualität des Bildes urteilt Friedr. Pecht, Geschichte der Münchener Kunst im r9. Jh., Mü. 1888, S. 96: »Ohne andere Kenntnis der klassischen Kunst als durch Kupferstiche ausgeführt in des Meisters einmal feststehender Schablone, ohne die Grundlage irgend genügender koloristischer oder Naturstudien, ist das Bild mager genug ausgefallen, u. bildet einen traurigen Kontrast zu der Mengs'schen meisterhaften Behandlung desselben Gegenstandes in der Villa Albani.« —

b) Das Fresko » A p o l l u n t e r d e n H i r t e n « (Tafel 10, Abb. 23; Tafel 12, Abb. 29) teilte zwar viele Schwächen mit den beiden anderen Bildern, unterschied sich aber von ihnen durch Züge einer lebendigen Beseelung und verinnerlichten Stimmung, die der ergreifende Ausdruck einer nach hohen Idealen strebenden, begabten und früh zugrundegegangenen Künstlerpersönlichkeit waren. Auskunft über das kurze Leben des vergessenen Malers gibt sein Nekrolog in »Schorns Kunstblatt« 1 1 1 : Adam E b e r 1 e wurde am 26. März r8os in Aachen geboren, kam 1825 mit Cornelius nach München, wo er sich zuerst in der Technik der Freskomalerei übte und dann sogleich an die Aufgabe im Odeon heranging. Seit Herbst 1829 lebte er in Rom ; über dem Ungenügen an seinen Leistungen wurde er schwermütig und starb »an den Folgen eines gastrischen Fiebers« am 18. April 1832 in der Ewigen Stadt, erst 27 Jahre alt. Nach Friedrich Pecht 1 1 2 arbeitete Eberle in München unter Cornelius an den Fresken in der Glyptothek m i t 1 1 3 und endete in geisteskrankem Zustand. Verschiedentlich wird eine Beteiligung von Hermann Anschütz, dem Maler des dritten Bildes, auch an Eberles Fresko behauptet 114 , doch kann es sich nur um eine untergeordnete Mitarbeit gehandelt haben, da die individuellen Züge des Werkes unverkennbar sind. Das Thema scheint wegen des Zurücktretens des mythologischen und erzählenden Elements dem Temperament des Malers, vielleicht auch den in der Zeit liegenden künstlerischen Möglichkeiten entgegengekommen zu sein. Bezeichnenderweise geriet gerade die zentrale Figur Apolls besonders konventionell, leblos und nichtssagend; die rings um ihn verteilten Gruppen von Landleuten jedoch, unbelastet von mythologischem Anspruch auf Überhöhung und von der Handlung einer Historie, boten ein Bild einfachen Menschseins, ruhigen Glücks und heiterer Gelassenheit, ein Bild rein zuständlichen Daseins in südlicher Landschaft. Es war dies der sehnsuchtsvolle Traum der deutschen Romantiker vom Goldenen Zeitalter, dessen letzte Spuren sie in der unkomplizierten, naturverbundenen, naiv-sinnenhaften Lebensart der Menschen unter dem mediterranen Himmel suchten und zu verspüren meinten •— ein Traum, der seine künstlerische Erfüllung in dem Neapolitaner Freskenzyklus des Hans von Marées gefunden hat.

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Allg. Deutsche Biographie Bd. 1$ (1882), S. 480 (Art. Kaulbach) urteilt, daß sich »bei aller leichten Erfindung doch in der auffallenden Magerkeit der Gestalten der große Unterschied zwischen dem an den vortrefflichen klassischen Werken in Rom gebildeten Formensinn des Cornelius und seinem sehr modernen, vor allem nach Eleganz hinstrebenden Schüler sehr deutlich zeigt.« Schorns Kunstblatt 13. JahrgVat). 5. r832, S. 170,- vgl. auch Allg. Deutsche Biographie Bd. 5 (Leipzig 1877), S. J73 f. (Artikel Eberle von Fr. Pecht). Fr. Pecht, Geschichte der Münchener Kunst im ri). Jh., Mü. r884, S. 84. Vgl. d. Art. Eberle in Allg. Deutsche Biogr. s/S. 573; R. Oldenbourg, Die Müncher Malerei im 19. Jh., Mü. 1922, S. r68; u. d. Art. Eberle in Thieme-Beckers Künstlerlexikon. Friedrich v. Boetticher, Malerwerke des r9. Jahrhunderts (Leipzig r94r, Neudruck der Ausgabe v. r89i ff.), Bd. I, S. 247. Hier auch die Mitteilung, daß sich der E n t w u r f zu dem Fresko, Bleiz. qu. fol., deren rechte Hälfte in Deckfarben ausgeführt war, auf Börner's Leipziger Kunst Auction am ri. Nov. r872 befand. — Artikel Eberle in Thieme-Becker, 53

Der qualitative Vorzug von Eberles Fresko beruhte in der — kaum erlernbaren — Fälligkeit des jungen Künstlers, gewisse Schwächen und Unvollkommenheiten seines Darstellungsvermögens doch noch in einen — sich auf den Beschauer übertragenden — Ausdruck eines bestimmten Daseinsgefühls umzusetzen. Es ist eigenartig, wie die ungelenke Steifheit der mageren Figuren, oder die merkwürdige, übertrieben eckige Ausformung ihrer Kinnpartien nicht so sehr als bloße Unbeholfenheit wirken, sondern in ihrer — ein wenig an gewisse, vor allem oberitalienische Werke des Quattrocento gerade minderen Ranges gemahnenden — Herbheit als persönlicher »Stil« des Künstlers, als besonderer Charakter des Bildes empfunden und hingenommen werden. Am stärksten jedoch spricht aus dem Bilde der Gefühlston der Schwermut, verbunden mit einer — letztlich unstillbaren — Sehnsucht nach Liebe. Schwermut verschiedener Intensität spricht aus den Augen der meisten Gestalten — am stärksten vielleicht bei der stehenden Frau rechts im Vordergrund >— und scheint sogar deren Haltung zu regieren, indem es ihre Aktivität lähmt: die unbeholfene Steifheit der Figuren fällt hier mit seelischer Motivierung glücklich zusammen. Allenthalben ist das Bild durchsetzt mit Gebärden eines nicht leidenschaftlichen, sondern schmerzlich-innigen SichAneinanderschließens. Grundlage der Komposition sind zwei sich kreuzende Diagonalen, die zugleich die Fläche gliedern wie auch die Raumtiefe erschließen; ihre oberen Enden fallen mit dem Horizont des gebirgigen Landes zusammen,- über ihrem Schnittpunkt, gleichsam in einer Talsenke, thront Apoll, seine Leier zur Seite, mit der Hand emporweisend, frontal vor der Kulisse eines Lorbeerstrauches, der ihn wie eine riesige Gloriole umgibt. Die Figuren der Landleute verteilen sich gruppenweise in dem nach vorne in sanften Stufen absinkenden Gelände; ihre Anordnung — je eine Gruppe rechts und links unten im Vordergrund, je eine seitlich oben im Hintergrund — ergibt das räumlich wirkende Diagonalkreuz. Rechts oben, unter einem Spalier lebendig gemalter Reben, auf dessen Querbalken zwei Tauben miteinander schnäbeln, sitzt liebend aneinandergelehnt ein junges Paar, die Köpfe einander zugeneigt und sich die Hände haltend; der Hirte, mit flachem, efeubekränztem Hut und langem Krummstab, hat seine Beine gekreuzt; unter dem langen Jünglingshaar blickt sein Auge verträumt ins Leere; die Hirtin hat ihren Ellenbogen auf seine Schulter gelegt und die Lider gesenkt. Die ganze Gruppe in ihrem stillen Versunkensein ist ein typisches Beispiel für jene Sehnsucht der Romantik nach Verbundenheit in Sympathie und nach warmer menschlicher Nähe, wie sie etwa Runges Gemälde »Wir Drei« beseelt. Die figurenreiche Gruppe rechts im Vordergrund, offensichtlich eine Familie darstellend, hat als Mittelpunkt die überschlanke, hohe Gestalt der erwähnten Frau mit dem schwermütigen Blick; ihre linke Hand hat sie wie schützend vor die Brust gelegt, ihre Rechte ruht auf der Schulter ihrer Tochter; das Mädchen lehnt sein trauriges Antlitz an die Hüfte der Mutter und läßt seine eine Hand in der der Mutter ruhen, deren Gelenk sie zugleich mit ihrer Rechten umfaßt hält. Hinter der Frau etwas erhöht steht ihr Mann, das bärtige, üppig gelockte Haupt auf den rechten Arm gestützt, der auf dem 54

über eine Bodenstufe angehobenen Knie ruht; seine Linke, die diagonal den Hirtenstab hält, liegt, in der Beuge flach abgewinkelt, auf der Schulter seiner Frau. Rechts hinter deren Rücken kauert, in dunkle Gewänder gehüllt, ein altes Weib mit Spinnrocken; vor der Großmutter liegt ein nacktes Kind am Boden und versucht, sich emporrichtend, mit einem Grasbüschel einen Widder zum Fressen zu bewegen. Links hinter dem bärtigen Hirten ruht halbaufgerichtet ein nackter, blonder Knabe am Boden neben einem Nest mit Eiern und betrachtet einen Raubvogel, der friedlich auf seiner ausgestreckten Linken sitzt. Hauptfigur der Gruppe links im Vordergrund ist ein patriarchalisch am Boden thronender, etwas michelangelesker Greis mit langem, weißem Bart, ausdrucksvoller Hakennase, aus der Tiefe glühendem Blick, hoher, gefurchter Stirn, gebleichtem, im Nacken lockigem Haarkranz und knorpeligem, langem Ohr; in der Rechten hält er ein Messer; an seinem Knie zieht sich ein kleiner nackter Knabe vom Boden empor. Rechts hinter dem Greise sitzt, die Beine lang ausgestreckt, eine junge Mutter, die ihrem Kinde die Brust reicht; über die Schulter, auf die er seine Hand gelegt hat, sieht ihr dabei ihr Gatte zu, ein bärtiger Hirte mit gelocktem Haar. Den linken Hintergrund nehmen zwei Paare jeweils gleichen Geschlechtes ein. Der Mitte zu, etwas tiefer stehend, schreitet eine Wasserträgerin, das Gefäß auf dem Kopf, aufrecht einher, an die sich ihre Gefährtin, sie freundschaftlich um den Leib fassend, mit gesenktem Haupte anlehnt. Höher links am Rande stehen zwei junge Männer, der eine, schräg vom Rücken her gesehen, durch einen Bogen, auf den er sich stützt, durch umgehängtes Fell und Köcher als Jäger, der andere durch das Netz am Rücken und die beiden Fische, die an seiner Linken hängen, als Fischer gekennzeichnet. Beide Gestalten blicken verwegen und feurig, der Jäger unter seinem spitz nach vorn gezogenen, eichenlaubbekränzten Hut, der Fischer unter dem dunklen, wirren Haar, auf dem eine bunte Mütze sitzt, hervor. In dieser Gruppe, um die ein Hauch von der Gefahr, dem Mut und der Freiheit des Lebens in steter Auseinandersetzung mit der wilden Natur, etwas vom Geiste männlicher Kameradschaft weht, kommt eine andere Seite des Wesens und der Sehnsucht des Künstlers zum Klingen, die sich zu dem sonst in dem Bilde vorwaltenden Ton von Schwermut und Liebe kontrapostisch verhält; in ihrer Aktivität bildet sie den stärksten Gegensatz zu der völlig verinnerlichten Versunkenheit des Liebespaares unter dem Rebstock gegenüber. Eberles Fresko, eine Darstellung der Lebensalter voll der mit dem Bewußtsein um die Vergänglichkeit verbundenen Schwermut, zugleich aber eine Vergegenwärtigung des stets sich erneuernden Kreislaufs des in die Natur eingebundenen Lebens, war trotz aller Schwächen ein echtes Kunstwerk — das Hauptwerk eines an seiner Veranlagung wie an der Problematik des Zeitgeistes zerbrochenen jungen Malers, der hier, laut seinem Nekrolog, »seltene Kräfte künstlerischer Darstellung« entfaltete 115 . 115

Schorns Kunstblatt 13. Jahrg729. 5. 1832, S. 170. Friedr. Pecht urteilt über das Bild (Allg. Deutsche Biogr. s/S. 573): daß es »als Composition manche Schönheiten hat, die aber ob der bunten u. haltungslosen Malerei nicht zur GelSS

c) Das » U r t e i l d e s M i d a s « (Tafel n , Abb. 24 u. 2.5) malte Hennann A n s c h ü t z , der, 1802 in Koblenz geboren, mit Cornelius nach München kam, wo er 1880 starb, ohne höhere Bedeutung erlangt zu haben 1 1 6 . Thema des Bildes, eine Allusion auf unberufene Kritik und mangelnden Kunstverstand, war der Mythos vom musikalischen Wettstreit des kitharaspielenden Apoll und des flötenspielenden Pan, bei dem der Phrygerkönig Midas als Schiedsrichter fungierte; als Barbar ohne echtes Verständnis für die griechische Kultur, sprach er den Preis dem Pan zu, worauf ihm Apoll als Strafe für seine Torheit Eselsohren wachsen ließ 1 1 7 . Unter- und Hintergrund des Gemäldes bildete eine sich nach vorn senkende, üppig mit Gras und Kräutern bewachsene Landschaft, die an den Seiten durch Bäume abgeschlossen wurde. Die Figuren ordneten sich in einem — zugleich in die räumliche Tiefe und auf die Höhe der Fläche wie des Geländes führenden — Kreis um die zentrale Figur des kauernden, bocksfüßigen Pan, der gerade seine (hier zehnrohrige) Syrinx blies. Links unterhalb von ihm, den Schwerpunkt des Bildes hierhin verlagernd, thronte, im Halbprofil breit entfaltet, Apoll in statuarischer Ruhe und Erhabenheit, das Saitenspiel auf sein Knie gestützt. Ihm gegenüber, rechts oben an den breiten Stamm einer Eiche gelehnt, saß König Midas und wies mit dem rechten Arm auf Pan, indes er in die Linke sein weißbärtiges Haupt stützte; unter der mit einer Zackenkrone umgebenen phrygischen Mütze wuchsen ihm schon die langen, spitzen Eselsohren. Und schon begann die links daneben auf einer Felsplatte vor einem Schilfdickicht versammelte Gruppe faunischer Begleiter des Pan ihn zu verspotten. Aufmerksam wurde auch schon die links im Hintergrund unter Orangen- und Pinienbäumen dicht zusammengedrängte Gruppe von sechs Musen im Gefolge Apolls; eine weitere Muse saß links hinter dem Rücken des Gottes, die Kithara auf ihr Knie gestützt, und faßte sich, wie über das Urteil entsetzt, mit der Linken an die Wange. (Gemeint war mit dieser Gestalt wohl Euterpe, die Muse der Musik.) Rechts unten im Vordergrund, in anatomisch nicht recht geglückter Haltung, lagerte ein weibisch aussehender, in ein Fell gekleideter junger Faun mit rebenbekränztem Haar und spitzen Ohren, der mit beiden Händen die Schalmei vor sich hinhielt, als hätte er soeben zu blasen aufgehört, um dem Spiele Pans zu lauschen.

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tung kommen. Auch seine >Belehnung Maximilians mit der Kur< (Hofgartenarkaden) zeigt dieselbe vollkommene Unkenntniß der Gesetze des Colorits, wie jene auffallende Unfähigkeit realistisdier Darstellung überhaupt, an der so viele Talente der Schule elend zu Grunde gingen«. — Derselbe bezeichnet das Bild immerhin (Geschichte der Münchener Kunst im 19. Jh., Mü. 1888, S. 84) als »wohl die beste aller dortigen Kompositionen« (im Saal). Artikel Anschütz in Thieme-Becker, Künstlerlexikon. — Adolph v. Schaden, Artistisches München im J. 183s, S. ro f. — J. M. Söltl, Die bildende Kunst in München, Mü. r842, S. 153. - Kunstchronik XVI/r88r, S. 8. (Nekrolog). - Nach Friedrich Boetticher (s. Anm. 114), Bd. r, malte Anschütz das Fresko gemeinsam mit Eberle. Vgl. Art. »Midas« in Pauly-Wissowa, Real-Enzyklopädie des klass. Altertums Bd. 15; antike Quellen sind Fulgentius III/9 und Ovids Metamorphosen XI/146 ff. ; bei letzterem ist der Gebirgsgott Tmolus der Schiedsrichter, dessen Entscheidung für Apollon der zufällig hinzukommende Midas, ohne gefragt zu sein, widerspricht.

Hinter ihm, halb verdeckt, lag ein anderer Faun, der in vollen Zügen aus einem Weinkrug trank. Insgesamt war Anschütz' Komposition etwas klarer und ruhiger in der Wirkung als die Eberles; die Figuren schienen lebendiger als die Kaulbachs, gerundeter und weniger herb als die Eberles, allerdings auch ohne deren tiefere Beseelung. Das landschaftliche, pflanzliche Element brachte in das Bild eine Aura feuchter Wärme, die wesentlich zu dem Gesamtcharakter des Freundlich-Idyllischen beitrug. Gerade in diesem stärkeren Hervortreten des landschaftlichen und idyllischen Elements zeigt sich die Eigenart von Anschütz im Unterschied zu dem rein auf dramatisch-heroische Figuralkomposition ausgerichteten Stil seines Lehrers Cornelius.

III. Die Einrichtung i. U r s p r ü n g l i c h e E i n r i c h t u n g Ein durchaus wesentlicher Bestandteil einer Raumgestaltung ist die Einrichtung mit Möbelstücken; die Art, wie diese erfolgt, ist gleichsam eine Interpretation des Raumes durch seine Erbauer in Hinsicht auf seine Benützung und Auffassung. Die ursprüngliche Einrichtung des Odeonsaales unterschied sich von der aus späterer Zeit bekannten grundlegend; die Verstellung des Saales durch ein unverrückbares, massives Theatergestühl moderner Art bedeutete geradezu eine Verfälschung des originalen Raumcharakters. Bezeichnenderweise ist auf den beiden (in Werkstattpausen erhalten gebliebenen) Saalansichten Klenzes keinerlei Einrichtung angegeben (was freilich in erster Linie vordergründigere Ursachen hat) — der Raum erscheint als rein tektonisches Gebilde; der unbedeckte, eingelegte Parkettfußboden kommt frei zur Geltung, die Erhöhung des Bodens in den Umgängen wird faßbar, die Säulenbasen sind sichtbar — die Säulen scheinen optisch nicht verschwommen und ohne unteren Halt aus den Stuhlreihen aufzutauchen. Eine feste Bestuhlung verbot sich sdion aus praktischen Gründen — wegen der Benützung des Raumes auch als Ballsaal, wobei die Mittelfläche innerhalb des Peristyls völlig oder weithin frei blieb. Doch auch bei Konzerten scheint die Verteilung der Sitze noch keineswegs die strenge Ordnung und Ausrichtung späterer Zeiten gehabt zu haben; dem Element der Konversation war in den damaligen Konzertprogrammen ein größerer Spielraum eingeräumt, in den vielen und teils langen Pausen zwischen den Musiknummern liebte man es, im Saal selbst frei umhergehen zu können, was genügend Zwischenraum erforderte,- sogar eine Anordnung der Sitze in der Längsrichtung mit breiter Mittelgasse, wobei sich das Publikum gegenseitig gut sehen konnte, liegt im Bereich der Möglichkeit *— so war die Sitzordnung im alten Leipziger Gewandhaus, und so forderte sie C. L. Stieglitz 1797 in seiner »Encyklopädie der bürgerlichen Baukunst« für Konzertsäle, »damit die Zuhörer, wenn sie nach geendigtem Concerte aufstehn, hinlänglichen Platz haben, zu einander zu gehn . . .« 11S . Auch in der »Flora« wird anläßlich der Erörterungen über den für München notwendigen Saalbau die Möglichkeit des freien 57

Umhergehens als besonderes Charakteristikum eines Konzerthauses gegenüber dem Logentheater hervorgehoben 119 . Bei der fallweisen Bestuhlung könnte man sich auch je nach dem zu erwartenden Andrang gerichtet haben, ferner nach dem Charakter der Veranstaltung, der Zusammensetzung der Gesellschaft u. dgl. Eine gewisse Vorstellung von der ursprünglichen Ausstattung vermitteln uns die Angaben des »Inventarium ueber die innere Einrichtung und Meublirung des königlichen Odeons« vom 23. 4. 1828, das, wie erwähnt, der kgl. Hoftheater-OeconomieOffiziant Galleri aufgestellt hat 1 2 0 . Demnach beschränkte sich die ständige Ausstattung mit Sitzen vor allem auf die Umgänge. Zwischen den einzelnen Säulen des Untergeschosses standen jeweils Bänke (insgesamt 18) »von Buchenholz, auf Mahagoniart lakirt mit Roßhaaren gepolstert und mit Carmoisin Moorens überzogen«. Hinter ihnen, auf Antritten (niedrigen Podien) in den Umgängen erhöht, stand eine zweite Reihe von ebenfalls 18 gleichartigen Bänken. Das intensive Rot der Bespannung brachte einen lebhaften Ton in die farbige Stimmung des Raumes. Die aufgeführten »130 Hockerin von Buchenholz mit Meubleszeug a la Walter Scott überzogen« (Schottenmuster?) dürften Sich — nach Bedarf oder Belieben verstellbar — im Mittelteil des Saales befunden haben, vielleicht entlang den Kolonnaden. Unter den »Reserve-Meübles«, die normalerweise wohl im Magazin im Erdgeschoß des Hauses aufbewahrt wurden, sind 420 Sessel aufgezählt (aus Buchenholz, mahagoniartig lackiert, roßhaargepolstert und a la Walter Scott überzogen), die »bey maskirten Academien und Concerten gebraucht«, also von Fall zu Fall in den Saal gebracht wurden. Zur Reserve gehörten auch 62 zusammenlegbare Spieltische aus gleichem Holz und mit grünem Tuch überzogen, die bei maskierten Akademien im Saal aufgestellt wurden; auf diese Tische kamen in diesem Fall noch 50 große, silberplattierte Leuchter, ferner 25 Lichtscheren samt lackierten Blechuntersätzen, 50 geschliffene gläserne Lichtschüsselchen sowie 36 Kästchen mit Spielmarken. Ferner wurde bei diesen Akademien »ein großer Verschlag mit Läden sammt Schlößer für den Glückshafen« in den Saal gebracht, vor allem aber in der Exedra ein Theater für die Pantomime (Ballett) errichtet — eine kleine Bühne, deren Proszenium drei Draperieflügel und einen Portalvorhang besaß, der »auf dunkelrothem Grunde eine goldene Maske, das Symbol des Faschings«, trug 1 2 1 . Für dieses Pantomimentheater wurde Ende 1827 bis Januar 1828 in großer Eile von den Hoftheatermalern Simon Quaglio, Georg Fries, Joseph Klotz und Michael Schnitzler ein Fundus von 16 Bühnendekorationen geschaffen, dessen genaues, theaterhistorisch interessantes Inventar noch erhalten ist 1 2 2 . 118 118 120

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C. L. Stieglitz, Encyclopädie der bürgerlichen Baukunst, Leipzig 1797, Bd. 4, S. 276 f. Flora Nr. 61/17. 4-1825, S. 244. HSA MF 36056 (Duplikat in HSA Staatstheater 13317). In der Folge lediglich als »Inventar« zitiert. Flora Nr. 9/13. 1. 1828, S. 39 (Bericht über die erste mask. Akademie am 10. 1. 1828); das kleine Theater wird als »sehr zierlich u. geschmackvoll« bezeichnet. — Vgl. auch Friedr. Mayer, Neue Beschreibung v. München, Pforzheim 1840, S. 209 f. »Decorations-Inventarium für das Odeon Theater« (HSA MF 56056); ein weiteres Verzeichnis bei dem Bericht der Theatermaler an die Hoftheater-Intendanz vom 31. 8. 1828 (HSA Staatstheater 13317). -

Bei Konzerten wurde in der Exedra ein silberfarben gestrichenes Orchesterpodium aufgeschlagen, welches freilich den Wandsockel und den unteren Teil des Scheitelportals verdeckte — vermutlich waren schon damals, wie später, rückwärts einige Stufen ins Podium eingeschnitten, um diese Tür benützbar zu erhalten. Für das Podium gab es laut Inventar 48 Musikpulte, die vielfach zwei Musikern dienten — in einer Aufzählung der Orchesterbesetzung anläßlich der ersten Konzerte wird eine Gesamtzahl von 80 Musikern angegeben 1 2 3 . Für die Exedra existierte auch ein — im Magazin aufbewahrter — das Halbrund begleitender, braungestrichener Antritt (auf den wohl Sitze gestellt wurden, etwa bei Bällen). »Erst auf allerhöchsten Befehl angeschafft« wurde »eine große Pendul- resp. Schwing Uhr, welche 8 Tage geht, mit einem runden Kasten von Metall, mit Stahl und Bronze decorirt«; ihr Platz ist nicht mehr festzustellen, jedenfalls im Untergeschoß gewesen (vermutlich an einer Wand im Umgang); gefertigt war sie von dem Münchner Uhrmacher Joseph Minutti, der sie im Winter 1836/37 auch reparierte 1 2 4 . Auf der Galerie standen ringsum zwischen den Säulensockeln 35 »lange Bänke von Buchenholz auf Mahagoniart lakirt, mit blau und weiß gewürfeltem Brokat überzogen und mit Roßhaaren gepolstert« (an anderer Stelle im Inventar heißt es: mit grün u. weißem Brokatüberzug); ihnen entsprachen »35 hintere lange Bänke mit 4 Antritte, von Buchenholz auf Mahagoniart lakirt« (und also anscheinend nicht gepolstert). Bei Bällen brachte man aus dem Magazin ein Podium für die Tanzmusiker sowie 36 Musikpulte auf die Galerie (wohl über der Exedra?). Durch »zwei Gitter beim Orchester rechts und links (im Magazin)« wurde der Platz für die Tanzkapelle abgegrenzt. Auf der Galerie gab es ferner noch einen »Verschlag mit Stellagen, Thür und Schloß für den Requisiteur zum Aufbewahren der Requisiten bey Pantomimen«.

2. V e r ä n d e r u n g e n

der

Einrichtung

Naturgemäß war die Möblierung durch rasche Abnutzung und wegen sich wandelnder Vorstellungen von ihrer Verteilung im Raum immer wieder Erneuerungen und Veränderungen unterworfen. Schon 1834 waren die Bänke im Saal abgewetzt 1 2 8 ; 1836/37

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Mitunter wurden auf der Odeonsbühne audi richtige Theateraufführungen veranstaltet; so diente das Odeon vom 6. ri.—rr. 12. 1853 während der Renovierung des Nationaltheaters als Interimsbühne; für die allerhöchsten Herrschaften wurden »passende Seitenlogen in Stand gesetzt« (je 3 zwischen den vorderen Säulen des Untergeschosses, HS A Staatstheater 13326/Akt Hoflogen). Die geplanten Aufführungen »kleiner Stücke« im Sommer 1854 während der großen deutschen Industrieausstellung fielen wegen der Choleraepidemie aus, dafür wurden im Karneval 1855 heitere Stücke gegeben (oder nur geplant? HSA Staatstheater 13341, Akt Odeonstheater, daselbst auch der Spielplan der Interimsbühne). Flora Nr. 71/8. 4. 1828, S. 286. - Ob vielleicht ein Teil der oben erwähnten 130 Hocker für die Musiker bestimmt war? Erwähnt in HSA MF 56056 (Verzeichnis der noch zu bezahlenden Handwerker vom 2. 6.1828), und in HSA Staatstheater 13317 (Odeonsetat 1836/37). 59

wurden sie mit Wollenzeug repariert 1 2 6 ; 1841 waren Bänke und Sessel in sehr herabgekommenem Zustand 1 2 7 und wurden 1844/45, zusammen mit den Spieltischen, ausgebessert 128 . Eine völlige Erneuerung der Sitze erfolgte sukzessive von r864—68: die 500 vorhandenen Stühle und die Bankette wurden umgearbeitet und mit schwarzem Ledertuch überzogen 1 2 9 . Gleichzeitig (1864/65) wurde das Orchesterpodium renoviert 1 3 0 und auf ihm — das sich wohl schon seit einiger Zeit ständig im Saale befand im Scheitel der Exedra eine O r g e l aufgestellt, die in ungünstiger Weise das Mittelportal und die zwei angrenzenden Tondichterbüsten verdeckte und zudem mit ihrer Kastenform die Kontinuität des Raumes unterbrach. Ihre Erbauung wurde bei Gelegenheit eines Gesprächs zwischen dem König und dem Hoftheater-Intendanten v. Perfall im Oktober 1864 erwogen und durch ein Signat Ludwigs II. vom r6. Juni 1865 genehmigt. Den Auftrag erhielt der Münchner Orgelbauer Joseph Frosch senior, der das Werk bis r. Oktober 1865 vollenden sollte; es umfaßte 18 klingende Register nebst drei Nebenzügen, zwei Manualen und 1126 Pfeifen. Den Entwurf fertigte der kgl. Baubeamte Beyschlag; das trocken-spätklassizistische Holzgehäuse, in weißer Ölfarbe gefaßt mit goldenen Profilen, bestand aus einem hohen, gefelderten Sockel und einem triptychonartig geteilten und gerahmten Pfeifenprospekt, dessen risalitartigen, überhöhten und breiteren Mittelabschnitt ein flacher Giebel krönte 1 3 1 . Ein Jahr später wurde gegenüber der Orgel in das mittlere Interkolumnium der Untergeschoß-Nordseite auf Anordnung Ludwigs II. eine K ö n i g s l o g e mit Baldachin eingefügt (befohlen durch Signat vom 25. Oktober r866, vollendet am 22. März 1867); sie war aus Holz, »weiß lakiert mit reichen vergoldeten Ornamenten« und hatte einen roten »Vorhang von Sammt mit seidenem Futter«; zu ihr führte von rechts aus dem Umgang eine eichene Treppe mit Eisengeländer empor 1 3 2 . Schon r874 wurde die — zu Klenzes Raumkonzeption im Widerspruch stehende — Loge wieder entfernt 1 3 3 , wohl weil sie der auf seinen Schlössern zurückgezogen lebende Monarch nicht mehr benötigte. Ein n e u e s P o d i u m für das Orchester, 17 m breit und u m tief, wurde 1879 eingebaut 1 3 4 ; schon das bisherige mußte »von Zeit zu Z e i t . . . u m einige Bretterlagen verbreitert werden, u m größere Chormassen aufnehmen zu können«; so ließ man nun 125 124 127 128 1S9 130 131

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1SS 184

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HSA Staatstheater 13317. ebenda. ebenda. ebenda. HSA Staatstheater 13333. ebenda. LBA Fasz. 4; HSA Staatstheater ^574. Am r. 6. 1866 kaufte die Hoftheaterintendanz die Orgel von der Musikalischen Akademie. HSA Staatstheater 13327 (Akt Königsloge); LBA Fasz. 4; HSA MF 56056. - Entwurf mit zwei Alternativen im LBA — der erste Plan mußte geändert werden, denn »bei den Einleitungen der Arbeiten hat sich gezeigt, daß die zwischen dem großen u. kleinen Saale gelegene Mauer auf einem Tragbogen von 34' Spannweite ruht« (LBA Fasz. 4). LBA Fasz. 5 ; HSA Staatstheater 13327, letztes Blatt. LBA Fasz. 5, daselbst auch Plan; HSA MF 56056.

das neue Podium, um Raum zu gewinnen, segmentbogig konvex in den Saal hinein vorschwingen — ein Motiv, das in einem wirksamen, spannungsvollen Kontrapost zu der konkaven Exedrarundung stand; den vorderen Abschluß bildete, über einem gefelderten Sockel, eine Balustrade, die in glücklicher Weise mit derjenigen der Galerie korrespondierte und zugleich den an sich schon feierlich-sakralen Orchesterraum vollends nach Art eines Altarraumes vom Publikum abgrenzte (es wurde »die geschmacklose Brüstung durch eine dem Charakter des Saalbaues entsprechendere ersetzt«]. Nach rückwärts stieg das Podium in Stufen an, wodurch freilich die Exedrawand niedriger proportioniert erschien,- zu der Mitteltür führte eine kleine, ausgesparte Treppe hinab. Die B e s t u h l u n g , wie sie Ende des 19. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand und auf den ältesten Photographien zu sehen ist, war in ihrer Anordnung zwar systematisiert, aber die einzelnen Stühle waren beweglich138. Ein Längs- und ein Quergang teilten die 552. Parkettsitze kreuzförmig in vier große Blöcke; dazu kam vom an jeder Seite noch ein längsgerichteter Block von je 36 »reservierten Sitzen«; in dem frei bleibenden Raum zwischen ihnen, unmittelbar vor dem Podium, wurden je nach Bedarf Fauteuils für die Allerhöchsten Herrschaften und sehr hohe Gäste sowie Stühle für Prinzen und Personen ähnlichen Rangs aufgestellt138. — Stühle standen natürlich auch zwischen den Säulen, in den Umgängen dahinter und auf der Galerie 137 . Diese dürftige Art der Einrichtung entsprach weder der Würde des Raumes noch den Anforderungen eines modernen Konzertsaals. So kam es endlich 1906 zum Einbau eines neuen, f e s t s t e h e n d e n Gestühls, das zwar solider, bequemer und ansehnlicher war als das bisherige mobile, doch im Verhältnis zum Raumcharakter etwas zu schwer wirkte. Es handelte sich um massive Klappstühle aus matt poliertem Kirschbaumholz, deren Sitze und Lehnen mit grünem Manchester bezogen waren 138 . Die Einteilung in Blöcke erfolgte ähnlich wie zuvor durch mittleren Längs- und Quergang; die vier vordersten der insgesamt 27 Reihen dienten als reservierte Sitze und waren in der Mitte wegen der konvexen Ausbuchtung des Podiums, der sie auswichen, unterbrochen. Seitlich zwischen den Säulen gab es je drei Sitze (»Logenplätze«), die Umgänge dahinter dienten als Stehplätze. So umfaßte das Parkett 700 Sitz- und 300 Stehplätze, die Galerie 93 Vorder- und 5 a Rückplätze — für letztere wurde auf der Nordseite ein neues Podium errichtet —, dazu 300 Stehplätze; die höchstzulässige Besucherzahl betrug 1445 Personen (845 Sitz- und 600 Stehplätze). Um die gleiche Zeit (Herbst 1905) wurde die alte, störende Orgel aus dem Saal ent135 134

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Wie auch heute noch in vielen Sälen (z. B. Neuhaussaal Regensburg). Hier war seit jeher der Platz des Königs; so berichtet Baron Thiébault (Vingt Semaines de séjour a Munich, hiver de 185s a 1856, Paris 1861, S. 265) über ein Konzert vom 13. 2. 1856: »En avant des trois premiers rangs de banquettes occupées par les dames de la société, un fauteuil avait été placé pour le roi Louis. Sur des chaises de chaque côté prirent place le prince Adalbert, la princesse Alexandra et la princesse Hélène . . . « r899 gab es 96 reserv. Sitze, 552 Stühle in 23 Reihen, 54 Sitze zwischen den Säulen, also 702 Sitzplätze im Parkett, dazu 160 weitere auf der Galerie (insgesamt 862). LBA Fasz. 7. LBA Fasz. 8. — Nach Auskunft von Herrn Hader waren die Lehnen mit grünem Stoff bespannt, die Sitze selbst ungepolstert. 61

fernt und die Exedra renoviert138; die große n e u e O r g e l (Tafel4, Abb. 5) ordnete sich, mit ihrem Prospekt zurückhaltend und harmonisch in die fünf mittleren Interkolumnien des Exedra-Obergeschosses ein, wo sie optisch einen feierlichen, den Blick anziehenden und sammelnden Akzent bildete — eine an sich glücklidie Lösung, die allerdings auch den gleichmäßig umlaufenden Zug der oberen Kolonnade, wie er in Klenzes Raumkonzeption vorgesehen war, unterbrach, indem sie den Hohlraum dahinter verstellte und die Mitte der Exedra stark betonte. Das am 14. 4. 1905 bestellte, im Herbst 1905 gelieferte und in dem Konzert am 26. November 1906 eingeweihte Instrument war ein Werk der Firma Walcker in Ludwigsburg (Opus 1233); es hatte, bei elektrischem Antrieb, 64 Register nebst 27 Nebenzügen, 3786 Pfeifen, drei Manuale und Pedal140. Ende 1940 wurde der Orgelprospekt seitlich (nach der Galerie hin) um je ein Feld durch Attrappen erweitert, und nach oben hin bis zum Gesims durch Einfügung eines Ziergitters abgeschlossen141. Der gleichzeitig geplante Einbau einer transportablen O p e r n b ü h n e für die Akademie scheiterte zunächst an der kriegsbedingten Unmöglichkeit, die notwendigen Stoffe zu beschaffen, und gelangte erst 1942 in vereinfachter Form zur Ausführung, als ehemalige Wandbespannungen aus der Alten Pinakothek zur Verfügung standen142.

IV. Beleuchtung, Heizung, Ventilation

»Bey feyerlichen Gelegenheiten auf italienische Weise beleuchtet, nimmt dieses Gebäude sich herrlich aus« — so heißt es in einer kurzen Beschreibung des Odeons von 1829 143 . Leider sind von den Beleuchtungskörpern, die Klenze selbst für das Odeon entwarf und die von den Spenglern Joh. Bapt. Obermayr und Anton Hergl angefertigt wurden, keine Abbildungen überliefert; Klenzes beide Saalansichten zeigen, wie keinerlei Möblierung, so auch keine Lüster und Lampen144. Immerhin gibt das Inventar eine ziemlich eingehende Schilderung der Beleuchtungskörper im Großen Saal: hier befanden sich »9 große L ü s t e r jeder mit 36 Lampen, die Gestelle dieser Lüster von starken Stangen Eisen, Schraufen von Eisen und alles gut vergoldet, die Schienen hinter den Lampen von französischen Blech, weis lakirt, und mit Decorirung von gut gold, so auch die Lampen weis lakirt und mit gut goldDecoriert. Die 9 großen Lüster sind gegen den Voranschlag ganz nach der späteren Angabe des Architekten abgewichen, und muß139 140

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LBA Fasz. 8. H. Bihrle, Die Musikalische Akademie, München 1911, S. 151. — Genaue Disposition im Opusbuch der Firma Walcker, Ludwigsburg. LBA Fasz. 15. ebenda,- Pläne im LBA (Plansammlung). Erläuterungen zu Stadtansiditen von 1829 (»München — Odeonsplatz, Maximiliansplatz, Glyptothek«, Stadtbibl. München, Monacensia-Abt. Mon 4442). Die Namen Obermayr u. Hergl erwähnt in Flora Nr. 6/8. r. 1828, S. 27, und im Gesuch der Handwerker vom 27. 6. r828 (HSA MF 56056).

ten nach dessen Zeichnung angefertigt werden, ursprünglich keine Schirme bestimmt, welche gemäß der übrigen Decorierung des Saales im Gegenhalte sehr kostspielig wurden.« Bei letzteren handelte es sich um »9 große Schirme von Battist überzogen, jeder Schirm mit 24 eisernen Stangen, welche gut vergoldet sind, die äußeren runden Schirme inwendig weis und außen hellbraun lakirt.« Eine Beilage zum Protokoll145 erwähnt zusätzlich »9 Schirme von Blech, weiß lakiert, und mit gut Gold dekoriert, unter die Schirme der großen Lüster im Saal.« Zur Aufhängung dienten »9 Lüster Sailer von Messing gedreht und mit gelber Wolle übersponnen nebst 9 großen wollenen Quasten. Ursprünglich Seile von rother Wolle vorgesehen, wegen der Schwere der Lüster mußten die Seile von Messingdraht gemacht und mit Wolle übersponnen werden.« Die Lüster konnten mittels Flaschenzügen herabgelassen und angehoben werden; ihre Seile liefen durch Röhren in der Saaldecke (wohl in den weißen Balken)und über Rollen auf dem Dachboden146. Neben die neun großen Lichtquellen traten zahlreiche kleine in Gestalt lyraförmiger Wandarme (Appliquen) an den Wänden. Das Inventar erwähnt für das Untergeschoß »26 Lyrae jede mit 2 Lampen von weißen französischen Blech mit gut gold schwer vergoldet. Im Voranschlag waren nur 20 Wandlüster vorgesehen, die minder kostspielig behandelt waren; es wurden aber gemäß eigener Zeichnung des Architekten 26 Stück angefertigt, welche mit Ubereinstimmung der Decorirung des Saales schwer vergoldet werden mußten.« Auf der Galerie befanden sich 36 derartige Lyrae, gegenüber nur 24 im Voranschlag. Von den insgesamt 62 Wandarmen entfiel auf der Galerie je einer auf jedes einem Interkolumnium entsprechende Wandfeld; im unteren Geschoß gab es je einen in den nicht von Türen durchbrochenen Achsen, also je sechs in den drei Seiten des Umgangs,- die acht übrigen waren in der Exedra angebracht, wie die »Allgemeine musikalische Zeitung« bezeugt: »Den Zwischenraum jeder Büste nimmt eine Lyra ein, in der eine (!) Lampe« 147 . — Für die Musiker existierten zusätzlich »50 Orchester Lampen sammt Schirme grün lakirt« (Pultöllampen). Eine befriedigende Beleuchtungsart für Theater und öffentliche Säle zu finden, war ein Problem, welches das ganze 19. Jahrhundert beschäftigte. Klenze begnügte sich im Odeon nicht mit dem traditionellen Kerzenlicht, wie er es z. B. selbst in den größten 145 14a

147

Beilage zum Protokoll der Hoftheater-Intendanz v. 27. 5. 1828 (Kapitel 1 Anm. 80/81). Gasbeleuchtung mit Lüftung und Heizung im Saale des kgl. Odeons in München (Separatabdruck aus »Schillings Journal für Gasbeleuchtung u. Wasserversorgung« 1887), S. 2 (hier nur 7 Lüster mit je 20 Öllampen erwähnt); die Flaschenzüge (aber auch nur 7!) auch im Inventar unter den Beleuchtungsapparaten aufgezählt; im Protokoll jedoch unter »Speicher« »Vorrichtung zum Auf- u. Ablassen der 9 Lüstres« erwähnt; ebenfalls 9 erwähnt in einem Antrag der Hoftheaterintendanz von 1840 auf Erneuerung (HSA Staatstheater 13317). — Ähnliche Vorrichtungen zum Aufziehen verwendete Klenze z.B. im Thronsaal des Festsaalbaus der Münchner Residenz. A M Z Jg. 32/Nr 21 (26. 5. 1830), Sp. 348. — Den Angaben des Inventars über die Beleuchtung entspricht auch der Bericht der Flora Nr. 6/8. 1. r828, S. 27: » . . . am 5. Januar waren 9 große Lüstres, jeder mit 36 Lampen, in eleganter Form und 60 (!) schön vergoldeten Lyra's als Wandlustres aufgehängt...«

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Sälen der Residenz und im Nationaltheater noch beibehielt, sondern versuchte es mit Argandschen Lampen148. Die 1784 von Aimé Argand in Paris erfundene und nach ihm benannte Öllampe mit doppelt umlaufender Luft und einem Zugglas über dem Docht149 verdrängte in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wegen ihrer größeren Wirtschaftlichkeit und Helligkeit die Kerzenbeleuchtung immer mehr160. »Kronleuchter mit Argandschen Lampen wurden hauptsächlich in Ball- und Theatersälen verwendet, weil sie sparsam und lange brannten und zudem ein helles Licht gaben« 1B1 . Derartige Lüster bestanden aus einem hochliegenden Ölbehälter und einem Kranz von Lampen, bei denen die (wegen des doppelten Luftzugs jeweils zwei konzentrisch angeordneten) Glaszylinder der Brenner durch runde Löcher im Schirm geführt waren 152 . Der Eindruck der von Klenze eingeführten neuen Beleuchtungsart auf die Besucher muß groß gewesen sein,- die »Flora« berichtet vom Eröffnungsball: »Die Beleuchtung des Saales stellte dessen Deckengemälde und Verzierungen in all ihrem Glänze dar, die sich besonders gut ausnahmen, und den Wunsch erregen, daß deren schwer wiederherzustellende Schönheit, wenn sie einmal verdunkelt ist, durch die größte Sorgfalt auf die Beleuchtung länger erhalten werde. In dieser Hinsicht würde die Beleuchtung mit Wachskerzen vorteilhafter seyn, wenn sie gleich ein weniger helles Licht gibt, als diese strahlenden Lampen1®3.« Inwiefern die auf der Darstellung eines Künstlermaskenfestes im Odeon am 19. 2. r846 abgebildeten Lüster zuverlässige oder vereinfachte Wiedergaben der Klenzeschen Beleuchtungskörper sind, ob es sich dabei überhaupt um die ursprünglichen Lüster handelt und ob sie mit der Beschreibung im Inventar in Einklang zu bringen sind, kann ich leider nicht feststellen. (Von neuen Lüstern ist bis dahin in den Akten des Landbauamtes keine Rede; doch vgl. Anm. 157.) Die dargestellten Lüster bestehen aus einer von kronenartigen Lappen (Blättern?) gekrönten, hängenden Kalotte, die wohl den Ölbehälter verbirgt, von dem aus je eine kleine Röhre zu den einzelnen Lampen führt. Von diesen Öllampen, deren Schirme und Zylinder zu erkennen sind, gibt es jeweils zwei Kränze — einen größeren oberen und einen unteren kleineren Umfangs. Zwischen beiden verhängen, wie es scheint, Kristallketten in dichter Folge das innere Gestänge, und unter dem unteren Reifen bildet ein herabhängender Korb aus solchen Ketten, mit einem großen Prisma oder Quaste an der Spitze, den Abschluß. (Im Inventar allerdings ist nichts von Kristallen erwähnt; sollte es sich um ein Gewebe handeln? Auch die Zahl 148

Ilse Wankmüller, Das Münchner Nationaltheater, Diss. München 1958, S. s 7 führt zwei Zeugnisse von i8r9 und 182,3 an, nadi denen das Nationaltheater damals (schon vor dem Brand) Argandsdie Lampen hatte. 148 Sigrid Wedissler-Kümmel, Schöne Lampen, Leuchter und Laternen, Heidelberg (1962), S. 412. 150 ebenda S. 119. 151 ebenda S. r30. 152 ebenda S. 130 u. 127; vgl. auch Gabriel Henriot, Encyclopédie du Luminaire, Paris 1933/34, 2e Vol — Tome VI, PI. 219/Nr. 3 (Lustre à quinquets). 1BS Flora Nr. 7/10. r. 1828, S. 31 f. 64

der Lampen stimmt nicht mit dem Inventar überein.) Auf der gleichen Darstellung sind auf der Galerie schlichte Wandarme mit je zwei kerzenartigen (!) Lichtern zu erkennen, eine wohl unzutreffende, vereinfachende Wiedergabe, denn schon 1830 waren die zweiarmigen Wandleuchten durch neue, wohl von Klenze entworfene ersetzt worden: »Es bestanden seither 56 Lyrae mit 2 Lichter, die neuen Lüster aber haben 4 Lichter, wodurch . . . der Oehlbedarf . . . gesteigert wird 1 6 4 .« Bei der ölbeleuchtung blieb es 25 Jahre lang; 1841 wurden lediglich die schadhaften Messingdrähte, an denen die neun großen Lüster hingen, durch neue ersetzt und die »fehlerhafte Konstruktion« der Aufzugsmaschinerie abgeändert 1 5 5 . Anläßlich der während der Industrieausstellung von 1854 im Odeon geplanten Theateraufführungen wurde — zunächst noch provisorisch — im Saale die G a s b e l e u c h t u n g eingeführt 166 ,- erwähnt werden sieben Lüster, davon (oder dazu?) zwei über der Bühne. Endgültig erhielt der Saal 1856 Gaslicht; »an Stelle der Oellüster kamen 7 Gaslüster mit je 40 Flammen, zusammen 2,80 Flammen. Diese Gaslüster waren sehr einfach construiert, sie bestanden aus einfachen schmiedeeisernen Rohrringen von ca. 2V2 m Durchmesser, an denen je 40 kleine gebogene Brennerarme nach außen eingeschraubt waren. Das Lüstergerippe wurde mit weißem Mullstoff so verkleidet, daß die Lüster die Form der alten Venetianer Glaslüster bekamen 1 5 7 . . . 1876 wurden die alten vielfach defect gewordenen Lüster entfernt und durch 7 neue schwere künstlerisch ausgestattete Zinkgußlüster mit je 52 Flammen und 2 Candelaber mit je 30 Flammen auf dem Musikpodium, zusammen 424 Flammen ersetzt« 158 . M i t der Einführung des Gaslichts stieg zwar die Helligkeit im Saal, zugleich aber die Wärmeentwicklung und Luftverderbnis a n 1 5 9 . Insbesondere auf der Galerie waren die Temperaturen unangenehm 1 6 0 , zudem wurden hier die Besucher vom Licht geblendet. Deshalb wurden 1886 die Lüster beseitigt und statt dessen an der Decke in acht Kassetten S o n n e n b r e n n e r mit Abzugsschloten eingebaut, von denen jeder 1 1 5 kleine Gasflammen trug; letztere standen »in einer Ebene 1,5 m unter der Decke, gleichmäßig in einem Kreis von 60 cm Durchmesser 164

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Schreiben Galleris an die Hoftheater-Intendanz wegen der erhöhten Beleuchtungskosten vom 29.10.1830, HSA Staatstheater 13317. HSA Staatstheater 1 3 3 ^ (Antrag der Hoftheater-Int., mit Signât Ludwigs I. vom 30. ir. r84o: »Seile aus gutem Messing-Drahte (fil d'Archal) sollen genommen werden«. HSA Staatstheater 13341 (Akt Odeonstheater), u. LBA Fasz. 1. — König Max II. genehmigte am 2. 6. 1854 die provisorische Einführung der Gasbeleuchtung u. die Errichtung des Theaters im Saal. Sind damit etwa die Lüster im Odeon gemeint, oder eine allgemeine Lampenform? »Gasbeleuchtung . . .« (Anm. 146), S. r. — Die Gaslüster waren an den Deckenbalken befestigt (LBA Fasz. 5, 1881). Max v. Pettenkofer, Ventilation des großen Saales im kgl. Odeon zu München, in: 3. u. 4. Jahresbericht der Untersuchungs-Station des Hygien. Institutes der Univ. München 1882 u. r883 (München 1885), S. 73. Baron Thiébault, Vingt Semaines de Séjour a Munich, Paris 1861, S. 265: » . . . la galerie d'où l'on voit beaucoup mieux, mais où il fait très-chaud«. 65

vertheilt« 161 . Bereits 1888 jedoch erfolgte die Einführung des e l e k t r i s c h e n L i c h t e s , die schon 1882 beantragt, aber abgelehnt worden war 162 ; der Saal erhielt sieben an den Deckenbalken aufgehängte radförmige Lüster aus Messing (Tafel 4, Abb. 5), die von der Riedingerschen Maschinenfabrik in Augsburg hergestellt worden waren 163 . Bei der Renovierung von 1940 wurden sie, da sie das Raumbild störten und die Besucher der Galerie blendeten, abgenommen und der »Metallspende des Deutschen Volkes« überwiesen; als neue, nur provisorisch gedachte Beleuchtungskörper kamen acht Kugeltrauben in den Saal, die von den Ventilationsrosetten herabhingen, dazu noch 14 Pendel auf der Galerie 164 . Ein Problem, an dessen Lösung gleichfalls lange experimentiert wurde, war die befriedigende L ü f t u n g des Saales. Pettenkofer, der Anfang Dezember 1882 den Raum in dieser Hinsicht untersuchte166, stellte fest, »daß man zur Zeit der Erbauung . . . noch keine genügenden Vorstellungen über Ventilation, ja von der Menge Luft, welche man zu einer wirksamen Ventilation bedarf, noch gar keine Ahnung hatte«166. Ursprünglich dienten der Lüftung sieben quadratische Öffnungen von 1,1 m Seitenlänge an den Rückwänden der Galerie — je drei an den Längs-, eine an der Nordseite; durch diese Schächte strömte, sobald sie geöffnet wurden, oben die warme Luft hinaus unter das Pultdach und unten die kalte Luft von dort in den Saal, was die Galeriebesucher unangenehm empfanden. Deshalb wurden — seit wann, ist nicht festzustellen — diese Öffnungen geschlossen gelassen, und statt dessen eine Ventilation durch die sechs Oberlichter versucht, an denen man seitliche Klappen anbrachte, die in den Hochspeicher mündeten; dieser aber hatte nur an der Südseite ein einziges, 1 qm großes Fenster. Diese Lüftungsanlage, die nur wenig Verbesserung brachte und jeweils etwa V2 Stunde nach Konzertbeginn in Gang gesetzt wurde, blieb lange Zeit im Gebrauch, bis im Oktober 1886 die neue Beleuchtungs-, Heizungs- und Ventilationsanlage in Betrieb genommen wurde. Damals wurde auch die Niederdruckdampfheizung eingeführt; ursprünglich erfolgte die H e i z u n g durch Caloriferen im Souterrain, von denen aus die Warmluft durch Kanäle in den Wänden in den Saal geleitet wurde,- bei durchschnittlicher Wintertemperatur mußte diese Anlage schon 17 bis 18 Stunden vor der Saal161 162 183 164 165 166

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Nähere Beschreibung siehe in »Gasbeleuchtung usw.« (Anm. 146), S. 6 f. LBA Fasz. 6, HSA MF 56056. Münchner Neueste Nadirichten Nr. 504/2. 11. 1888. Die Lüster waren zugleich auch für Gasbeleuchtung eingerichtet. Ihr Gewicht betrug insgesamt 43 Zentner. LBA Fasz. r5; Münchner Neueste Nachrichten 93. JahrgTNr. 31/6. ir. 1940, S. 9. LBA Fasz. 5. Max v. Pettenkofer a. a. O. (Anm. 159), S. 75. — Genaue Informationen über Ventilation u. Heizung geben außer Pettenkofer: Lothar Diehl, Die neue Ventilations-, Beleuchtungs- u. Beheizungsanlage im kgl. Odeon in München, in: Bayer. Industrie- u. Gewerbeblatt 1887, Nr. 1, S. 103 ff. ; derselbe, Gasbeleuchtung mit Lüftung u. Heizung im Saale des kgl. Odeons in München (Separatabdruck aus Schillings Journal für Gasbeleuchtung u. Wasserversorgung 1887); Rudolf Emmrich, Untersuchungen über die Ventilations-Verhältnisse des großen Saales im kgl. Odeon, im Anschluß an Pettenkofers Bericht (s. o.) S. 82 ff.

benützung in Betrieb gesetzt werden. — "Weitere Veränderungen der Ventilation und der Heizung erfolgten 1888 — damals wurden die schon erwähnten Lüftungsrosetten an der Decke angebracht167.

V. Renovationen Abschließend eine Ubersicht über die wichtigeren Renovationen, soweit sie die architektonische und dekorative Substanz des Saales betrafen — auf Veränderungen in der Einrichtung wurde schon hingewiesen. Bei allen Wiederherstellungen wurde auf möglichste Erhaltung des ursprünglichen Bildes und Bestandes geachtet — aus ästhetischen wie akustischen Gründen. Die einzigen baulichen Eingriffe waren die Ausbrechungen neuer Türen, bedingt durch die mangelhaften Verkehrsverhältnisse im Odeon und die neuen baupolizeilichen Vorschriften. So sollte die schlecht zugängliche Galerie 1847 eine zusätzliche Tür erhalten168, doch ist nicht festzustellen, wo und ob sie überhaupt ausgeführt wurde. Der Saal als Ganzes wurde im Sommer 1853 mit einem Aufwand von mehr als 1200 fl. vollständig restauriert169; doch schon im Sommer 1858 waren (durch Festdekorationen entstandene) Schäden an Säulen, Kapitellen und Gesimsen auszubessern170. Die Anlage der neuen Aufgangstreppe zur Galerie im Westflügel 1877 führte zum Ausbrechen einer Tür in der Galerie-Westwand (hinter der 4. Säule von Norden), dazu kam noch eine weitere an der Ostwand hinter der 3. Säule von Norden, während die Tür zu der damals beseitigten kleinen Treppe in der Nordwestecke zugemauert wurde 171 . Zwei neue Türen — den alten gleichartig gestaltet — wurden 1882 in der Erdgeschoß-Nordwand zu beiden Seiten der Mitteltür (jeweils in der übernächsten Achse) angelegt 172 ; sie führten in den Kleinen Saal. Die 1883 geplante gründliche Saalrenovation wurde abgelehnt 173 ; 1887 abermals erwogen, kam sie im folgenden Jahr zur Durchführung (am 27. Oktober 1888 abgeschlossen)174. Die Exedra allein wurde, wie erwähnt, 1905 ausgebessert175. Die letzte große Renovierung des inzwischen sehr »verwohnten« Saales erfolgte erst ein halbes Jahrhundert später (1940), kurz vor der Vernichtung, nachdem am 21. April d. J. während eines Konzerts des Schwarzmeer-Kosaken-Chores ein Stück des 187 188 168 170 171 172 17S 174

175

LBA Fasz. 6, HSA MF 56056. LBA Fasz. 2. LBA Fasz. 1. LBA Fasz. 4. LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 6. LBA Fasz. 6 (»alte Farbtöne möglichst genau einzuhalten«); Münchner Neueste Nachrichten Nr. 504/2. 1 1 . 1888. LBA Fasz. 8. 67

Deckenverputzes einer Besucherin in den Nacken gefallen war 176 . Die StuccolustroArbeiten führte Karl Rappa aus, die Stukkaturarbeiten die Firma Josef Späth u. Söhne, die Malerarbeiten die Firma Karl Throll (über die Fresken s. oben); die Gesamtleitung hatte das Landbauamt München (Regierungsbaurat Karl Hocheder und Oberbauinspektor Alin) unter Mithilfe des Landesamtes für Denkmalpflege.

Vi. Die Akustik Die vielgerühmten akustischen Verhältnisse im Odeon können hier nicht wissenschaftlich analysiert werden,- nur einige auf sie bezügliche Stimmen seien zum Abschluß zitiert. Kurz vor der Grundsteinlegung, am 4. 1. 182,6, erkundigte sich Klenze in dem erwähnten Brief an Schinkel nach dessen Erfahrungen in dieser Hinsicht beim Bau des Konzertsaals im Berliner Schauspielhaus. In seinem Antwortschreiben vom 13. 1. beurteilt Schinkel die Odeonsplanung zuversichtlich: »Da Sie übrigens Ihre Wände ringsum mit Säulenhallen bestellen so haben Sie auch bei der großen Ausdehnung Ihres Conzertsaals nichts von Echo oder von Dröhnung zu fürchten in dem der Ton überall hinreichend gebrochen wird, und in Beziehung des Materials selbst, wird es von wenigem Einfluß seyn ob Gypsmarmor oder Stuccolustro angewendet wird, weil die Härte beider Materialien fast gleich ist, sobald sie fest auf ihrer Unterlage liegen«177. Die frühesten Urteile über die Akustik im vollendeten Odeon finden sich naturgemäß in den Berichten über das erste Konzert am 10. 3. 1828. Die »Allgemeine musikalische Zeitung« äußert sich in dieser Hinsicht durchaus positiv 178 : »Keine Stimme der Unzufriedenheit ließ sich bisher hören,- die Aufführung war von großer Wirkung; gerundet und voll, deutlich in allen ihren Nuancen berührten die Harmonien das Ohr des Zuhörers, und noch günstiger als in den Instrumenten, lautete der Gesang in der folgenden Arie, so daß, wenn auch der Architekt in Anordnung seines Baues dem Restaurator und Tänzer manches zu wünschen übrig läßt, er doch der Tonkunst selbst den vorteilhaftesten Raum herstellte.« Die »Flora« fand, »daß die Musik sich sehr gut ausnimmt, und keinen falschen Widerhall macht, was bei neuen Gebäuden dieser Art immer ein Glücksfall ist« 179 . In einem anderen Bericht der »Flora« wird die Akustik ebenfalls gelobt mit der Einschränkung, daß »einzelne feine Nuancen der Saiteninstrumente in tieferer Lage sich hin und wieder verlieren« 18 °. Gelobt wird die Akustik 179

177 178 179 180

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LBA Fasz. r5; Münchner Neueste Nachrichten Jahrg. 93, Nr. 311/6. 1 1 . 1940, S. 9 (»OdeonsKonzertsaal im neuen Glanz«), SB Klenzeana XV. AMZ 30. Jahrg./i828, Nr. 22, S. 358 f. Flora Nr. 52/^. 3. 1828, S. 211. Flora Nr. 71/8. 4. 1828, S. 286. — In einer Konzertrezension der »Münchner allg. MusikZeitung« 2. Jahrg./i828/29, Nr. ro, 6. r2. r828, Sp. 149 wird »der für das Pianoforte allzu vaste Saal« kritisiert.

auch von Adolph v. Schaden in seinem »Artistischen München im Jahre 1835« m . Franz Reber stellt 1876 fest 1 8 2 : »Der Saal ist vorzüglich akustisch, wozu jedenfalls die ziemlich eng gestellten, den Schall zerstreuenden Säulen wesentlich beitragen.« Als man sich 1906 von Bad Nauheim aus, wo ein Konzertsaal geplant wurde, um Rat an das Münchner Landbauamt wandte, stellte dieses in seiner Antwort fest, »daß die Akustik im k. Odeon nach Ansicht aller Sachverständigen eine geradezu hervorragend gute und kaum irgendwo anders wieder erreichte ist. Wissenschaftliche Gründe für diese Thatsache kann ich Ihnen leider nicht g e b e n . . .« 183 . Nur auf zwei Umstände sei hingewiesen: auf die Abschirmung des Saales durch die umliegenden Räume und darauf, daß der Fußboden auf Holzbalken ruhte, zwischen denen sich Hohlräume ergaben, so daß er einem Resonanzboden glidh.

ZWEITER ABSCHNITT DIE N E B E N R Ä U M E

1. Erdgeschoß und Treppen Die Disposition der Räume im Erdgeschoß (Grundriß Tafel 1) hatte zwei Voraussetzungen zu berücksichtigen, die eine ähnliche Klarheit der Anordnung wie in den beiden Obergeschossen erschwerten. Erstens waren die in knappem Abstand parallel verlaufenden, starken Mauern vorgegeben, auf denen die Umfassung des Großen Saales sowie dessen Peristyl ruhten, und sodann durchquerte die nach damaligen Begriffen notwendige Durchfahrt das ganze Gebäude vom Odeons- zum Wittelsbacherplatz; diejenigen Stellen, an denen sie die doppelten Grundmauern des Saales kreuzte, mußten, ebenso wie die Durchbrechung der letzteren durch den Erdgeschoßsaal (Raum Nr. 8), durch kräftige Bogen überbrückt werden. Ansonsten reihten sich die Räume ähnlich wie in den Obergeschossen entlang den Außenfassaden um den Gebäudekern herum. Ursprünglich dienten sämtliche Räume nördlich von der Durchfahrt (Nr. 5—n) den Zwecken der Gastwirtschaft, während sich südlich der Durchfahrt an der Seite des Odeonsplatzes die Hausmeisterwohnung (Nr. 1 u. 2), an der Seite zum Wittelsbacherplatz das Haupttreppenhaus mit der Kasse, in der Mitte unter dem Konzertsaal ein Magazin (Nr. 14) befand. 181 182 183

S. 55 (Artikel Klenze). Franz Reber, Bautechnischer Führer durch München, Mü. r876, S. 157. Schreiben des LBA an den Großherzogl. Bauinspektor W. Jost in Bad Nauheim vom 30. 6.1906 (LBA Fasz. 8).

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Nr. i K ü c h e d e s H a u s m e i s t e r s An einer Schmalseite ein Fenster, gegenüber der Herd. 1836 Wasserleitung eingeführt 184 . Nr. 2 W o h n z i m m e r d e s

Hausmeisters

Großer Raum (ca. 8,5 x 6,5 m) mit drei Fenstern. Als ursprüngliche Einrichtung verzeichnet das Inventar: Vorhänge von weißem Percal, eine lange Tafel von Buchenholz, auf Mahagoniart lackiert und mit grünem Wachstuch überzogen, 6 Sessel von der Art wie im 1. und 2. Stock (»a la Walter Scott überzogen«, mit Roßhaar gepolstert), einen »Schreibtisch mit Schubläden und Thüren mit Schlösser und grünem Wachstuch überzogen, r Antritt nach der ganzen Länge des Zimmers von Fichtenholz mit Gitter und einer kleinen Stiege, 1 Kasten von Fichtenholz, zum Aufbewahren der Requisiten, kirschbaumartig gestrichen«. Femer war ein »Oekonomie-Ofen« vorhanden186. Der Mangel an Nebenräumen im Odeon brachte es mit sich, daß der private Charakter der Wohnung oft gestört wurde; so heißt es in einem Akt von r843 186 , daß das Zimmer »während der Carnevals- und anderer im Winter . . . stattfindenden Unterhaltungen, nicht nur von Fremden und einheimischen Gästen zur Ablage von Bekleidungen und Effekten aller Art benützt wird, sondern solches auch den in den Pantomimen der maskirten Akademien beschäftigten Ballett-Tänzern zum Ankleiden, und sowohl dem dazu berufenen Theater-Garderobe- als dem Orchester-Personale zum Aufenthalt dienen muß. Bei letztgedachten Anläßen ist nun aber gewöhnlich das Wohnzimmer der Hausmeisterin so von Menschen überfüllt, daß sie kaum für sich und die ihrigen Raum findet.« Nr. 3

Königstreppe

So benannt, weil sie den Zugang zu den Königszimmern im 1. Stock bildete. Die hölzerne Stiege, laut Protokoll mit Eisengeländer, war an der Westseite, dem Fenster gegenüber, halbkreisförmig gewunden. Im Winter 1880/81 wurde sie, da baufällig, wiederhergestellt187; r882 erweiterte man das Fenster zu einer Tür 188 , und r886 erhielt die Stiege an ihrem Fuß einen Glasabschluß188. Nr. 4 D u r c h f a h r t (Tafel 9, Abb. 20) Sie durchquerte das ganze Gebäude zwischen den zwei großen Rundbogenportalen und hatte den Zweck, die im Wagen anfahrenden Odeonsbesucher vor jeder Witterung 184 185 188 187 188 189

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LBA Fasz. r. Ubergabeprotokoll. LBA Fasz. 1. LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 6; gemeint ist wohl ein Verschlag oder Windfang in der Vorhalle (Raum 4a). — Schon im Inventar von 1828 wird »ein großes Vorhaus . . . bey der Königsstiege« erwähnt, das von gleicher Art gewesen sei wie das an der Haupttreppe.

geschützt am Fuß der Haupttreppe (oder in der Vorhalle vor der Königsstiege bzw. der Restauration) aussteigen zu lassen. Die Uberschneidung mit den doppelten Grundmauern des Großen Saales teilte die Durchfahrt in drei Abschnitte, die bei jeweils verschiedener Gestaltung durch ein in gleicher Höhe durchgeführtes, gemeinsames Kämpfergesims zusammengehalten wurden. Der leicht gewölbte Boden war ursprünglich mit Holz gepflastert 190 . 1891 wurde die Durchfahrt im Steinton getüncht 191 , vielleicht in Erneuerung des alten Farbtons. a) An der Seite gegen den Odeonsplatz war die Durchfahrt zu einer breiten, dreiteiligen V o r h a l l e erweitert; der mittlere Teil, die eigentliche Durchfahrt, war mit einem in die Länge gezogenen Kreuzgratgewölbe überdeckt, das seitlich auf je einem breiten Rundbogen ruhte, während sich in der Längsachse je eine schmale, tiefe Kappe über dem Portal bzw. dem Gurtbogen gegenüber ergab. Die schmalen Abseiten waren um zwei Stufen über den Boden der eigentlichen Durchfahrt erhöht und mit Quertonnen (mit kleinen Stichkappen in der Längsachse) gewölbt; an den Schmalseiten hatten sie je ein Fenster (1847 zu Türen verwandelt) bzw. gegenüber eine Tür, an den Breitseiten je zwei Rechtecktüren, von denen die weiter einwärts gelegenen blind und nur der Symmetrie halber angedeutet waren. 1882 wurde die blinde Tür der Südseite durchbrochen und so ein zweiter Zugang zur Königstreppe (und zwar unter ihr mündend) gewonnen 192 . Damals waren die Abseiten längst durch hölzerne Verschläge mit Türen von der eigentlichen Durchfahrt abgetrennt 193 . Schon im Juni 182,8 war die »Absonderung des vorderen Vorplatzes von der Einfahrt durch eine Glaswand« vorgenommen worden, wodurch ein abgeschlossener Zugang zur Restauration entstand 194 . b) Der m i t t l e r e T e i l , der quer unter dem Großen Saal hindurchlief, war von einer Folge von drei Kreuzgratgewölben überfangen, die durch breite Gurtbogen über Wandvorlagen getrennt wurden 1 9 8 ; an den beiden Enden entsprachen den doppelten Grundmauern des Saales je zwei Paare stark vorspringender Pfeiler mit Gurtbogen, die einen schmalen Streifen Wandrücklage mit Tonne einschlössen. Von jedem der drei Joche führte ein großes Rundbogentor in den großen Magazinraum, während gegenüber 100 191 m 193

194

195

Übergabeprotokoll. LBA Fasz. 7. LBA Fasz. 6. Der nördliche Verschlag, als Zugang zu den neuen Verwaltungsräumen, auf einem Grundriß derselben von 1878 (LBA Fasz. 5) eingezeichnet; i88r daselbst erwähnt »hölzerne Verschläge in der Durchfahrt, weiß Ölfarbe gestrichen«. Mit dem 1886 erwähnten Glasabschluß am Fuß der Königstreppe (s. o.) ist wohl die Erneuerung des Verschlags an der Südseite gemeint. Signat vom 6. 6. 1828 (HSA Staatstheater 13334 fol. 1); HSA MF 56056 (Bericht der Kammer der Finanzen der Kreisregierung vom 26. 3.1834). In mancher Hinsicht ähnlich ist die noch erhaltene Durchfahrt in dem von Klenze erbauten Haus Ludwigstr. 19/Ecke Theresienstraße. 7i

nur eine kleine scheitrechte Mitteltür mit vorgelegten Stufen die Verbindung zum Parterresaal (Nr. 8) herstellte, ansonsten aber Blendarkaden den Toren gegenüber entsprachen. Diese Arkaden zum Magazin wurden später mit großen hölzernen Gittertoren verschlossen (»von Gatterholz«). c) Die A u s f a h r t zum Wittelsbacherplatz hatte die Form eines tonnengewölbten Ganges, an dessen südlicher Langseite sich das Rundbogentor zum Treppenhaus öffnete, während gegenüber ein entsprechender Blendbogen nur von einer kleinen Tür durchbrochen war,- beiden Eingängen waren Stufen vorgelegt, und von den Arkaden griffen Stichkappen quer in die Tonne ein (nach dem Vorherrschen Plane sich im Scheitel zu einem Gratkreuz vereinigend) 196 . Nr. 5 E i n g a n g s z i m m e r

der

Gastwirtschaft

Zweifenstriger Raum (ca. 6,5 x 7,5 m), im Übergabe-Protokoll als »Beleuchtungszimmer mit irdenem Ofen« bezeichnet und wohl ursprünglich als solches vorgesehen, während der Vertrag mit dem Traiteur nur von dem »Zimmer gleich beym Eingange« spricht und den Beleuchtungsdienst in Nr. 1 1 verlegt. (Vgl. Nr. 7.) Nr. 6

Durchgangszimmer

Schmaler Raum mit einem Fenster, diesem gegenüber Toilette (1841 erneuert 197 ) (Vgl. Nr. 7.) Nr. 7

Eckzimmer

Nebenzimmer (Kleiner Speisesaal) der Gastwirtschaft, ca. xo x 7 m groß, mit zwei Fenstern zum Bazar, drei zum Leuchtenberg-Palais hin. Inventar: fünf Vorhänge von weißem Mull mit carmoisinroter Merino-Draperie, zwei Spiegel, 6 lange Tafeln, ein kleiner Tisch und 24 Kleiderhaken — alle Möbel von gleicher Art wie im Saal Nr. 8. Nach Auflösung des Restaurationsbetriebes waren die Räume Nr. 5, 6 und 7 seit 1838 jahrzehntelang an den » L i t e r a r i s c h e n V e r e i n « (kurz auch »Leseverein« genannt) vermietet 198 , »dessen Lesezimmer von Journalisten und Zeitungsliebhabern stark besucht« wurde 198 . Nr. 5 war Vorzimmer, Nr. 7 das eigentliche Lesezimmer oder »Salon«. 1866 wurden die drei Räume renoviert: sie erhielten Tapeten an Stelle der zuvor nur getünchten Wände, und der Fichtenbretterbelag der Böden wurde erneuert 200 . Nach zeitweiliger Benützung dieser Räume als Kunstausstellung (vgl. Nr. 9) erfolgte 1878 ihre »Adaptur . . . für Bürolocalitäten (Vorzimmer und Vorstandszimmer)« der 196

19T 198 199 200

72

Am 8. 7. 1923 wurde in der Vorhalle (»im Eingang«) des Odeons eine Gedenktafel für die gefallenen Studierenden der Akademie enthüllt (LBA Fasz. X4; Münchner Neueste Nachrichten Nr. i8r/7. 7.1923, S. 3). LBA Fasz. 1. HSA Staatstheater X33n. Leo Bock, München, Leipzig 1860, S. 130. LBA Fasz. 4; HSA MF 56056. Der beantragte Parkettboden wurde nicht bewilligt.

Akademie an Stelle der bisherigen Verwaltungszimmer im 2. Stock201: Nr. 5 wurde durch Einziehen von Zwischenwänden geteilt in das Geschäftszimmer des Direktors, einen Zugang (Westseite) und ein Vorzimmer (Nordseite); Nr. 7 wurde Sekretariat (mit Kasse), von dem beim Eingang ein Teil durch eine Barriere abgesondert wurde, und 1889 durch Einziehen einer Zwischendecke geteilt: im neuen Zwischengeschoß wurde die Bibliothek untergebracht, zu der eine eiserne Wendeltreppe emporführte202. Nr. 8

Parterre-Saal

Der »große gewölbte Speisesaal«, wie ihn der Pachtvertrag mit dem Gastwirt nennt 203 , war nach dem Konzertsaal der architektonisch am aufwendigsten gestaltete Raum im Odeon — eine monumentale Halle, die durch die schwere Massigkeit ihrer Wandpfeiler, Bogen und Gewölbe in entschiedenem Gegensatz zu der leichten Kolonnadenarchitektur des Konzertsaales stand. Vielleicht war ein bewußtes Nebeneinander eines Raumes von »römischem« und eines von »griechischem« Charakter beabsichtigt, wie es öfter vorkam204. Freilich waren in erster Linie statische Gründe maßgebend für die kräftige Ausbildung der Bauglieder, denn der Parterre-Saal lag mit seiner südlichen Hälfte unter dem Nordteil des Konzertsaales, dessen doppelte Umfassungsmauern er unterbrach. Letztere waren zu kräftigen Pfeilermassiven verstärkt, welche die Mitte der Längsseiten des Raumes bildeten und durch einen sehr breiten, kassettierten Gurtbogen verbunden wurden. Dieser mußte wegen der relativ geringen Höhe des Saales (gegen 6 m bei einer Fläche von 19 x 10 m ohne die Anräume) von sehr gedrücktem Querschnitt sein, so wie auch die sich beiderseits an ihn anschließenden glatten Flachtonnen, in welche tiefe Stichkappen über den seitlichen Pfeilerarkaden einschnitten. Diese Rundbogenarkaden öffneten sich zu mit halbkreisförmigen Quertonnen gewölbten, kapellenartigen Anräumen — je vier auf jeder Seite, und zwar jeweils zwei beiderseits des mittleren Pfeilermassivs, die durch Zungenmauern mit pfeilerartig verstärkten Enden getrennt wurden. Die »Kapellen« der nördlichen Saalhälfte waren ziemlich flach, die unter dem Konzertsaal etwas tiefer. Einheitlich um alle Teile des Raumes herumgeführt waren ein schlichter, bandartiger Sockel und ein (nur vom Nordportal unterbrochenes) Kämpfergesims, bestehend aus zwei Faszien (die untere breiter), schmalem Karnies, vorspringender Leiste und dünnem Abdeckprofil. Die natürliche Beleuchtung war schwach: Fenster gab es nur an der nördlichen Schmalseite, und zwar je zwei beiderseits vom großen Rundbogenportal mit dem Balkonvorbau außen; davon öffneten sich die äußersten in die »Kapellen«, in deren Gewölbe deshalb über den Fenstern kleine Stichkappen einschnitten. Aus eben diesem ersten Kapellenpaar führten Türen in die angrenzenden Räume (den kleinen Speisesaal bzw. die Küche), eine weitere Rechtecktür in der Mitte der Südwand verband den Saal mit der Durchfahrt. In die Stirnseiten der 201 202 203 204

LBA Fasz. 5 (mit Grundriß). LBA Fasz. 6. Pachtvertrag mit Findel (HSA MF 56056). Vgl. unten Kap. 3/2 (Kedleston Hall u. Pavlovsk). 73

mittleren Pfeilermassive waren unterhalb des Kämpiergesimses halbkreisförmige Rundbogennischen eingetieft, vor denen die beiden irdenen Öfen standen® 05 . Trotz der durch die Lage teils außer-, teils unterhalb vom Konzertsaal bedingten Schwierigkeiten war es Klenze gelungen, eine in sich geschlossene Raumform zu schaffen. Die Komposition des Parterre-Saales als Folge von (hier zwei) stark in sich verselbständigten Kompartimenten, die durch Wandpfeilermassive getrennt sind, hat ihre Entsprechung auch bei anderen Innenräumen Klenzes, etwa dem Römersaal der Glyptothek oder später in der Walhalla 2 0 6 ; auch die Allerheiligen-Hofkirche ist in etwa vergleichbar. Trotz der Proteste des Wirtes wurde Anfang Juni 1828 das große Portal zur Straße hin von innen her zugemauert 2 0 7 und erst nach dem Aufhören des Restaurationsbetriebes wieder geöffnet (der genaue Zeitpunkt ist nicht festzustellen). Das Inventar verzeichnet »im großen Saal des Traiteurs« 5 Vorhänge aus weißem Mull mit orangefarbenen Merino-Draperien (ein Vorhang scheint demnach das — bald darauf vermauerte — Haupttor verdeckt zu haben), ferner 3 große Spiegel, 12 lange Tafeln und 100 Sessel — all diese Möbel von der gleichen Art wie die in den Obergeschossen (s. dort), sodann noch einen Schreibkasten mit Schublade, 3 rote »LüsterSeiler«, 99 Kleiderhaken sowie einen »Kreuzstock in der Mitte des Saals mit Spiegelglas ausgefüllt«. Auf dem Vorherrschen Grundriß von 1828 ist der Saal als »Billard« eingetragen,wegen seiner schwerfällig gedrückten Formen wurde er »scherzweise die Bockhalle« genannt 2 0 8 , und der Gastwirt klagte, daß der »große, dunkle Saal« 2 0 8 »seiner kellerartigen Konstruktion wegen nicht sehr einladend« sei 2 1 0 . Nach Auflösung der Restauration diente der Raum verschiedenen Zwecken. Zunächst mietete ihn (seit dem 1. 10. 1834) der Anfang der dreißiger Jahre vom Kammersänger F. X. Löhle gegründete, bald wieder eingegangene »Sing-Verein im Odeon« (auch »Liederkranz« genannt) als Lokal für seine Proben (die Konzerte fanden im Großen Saal statt) 2 1 1 . 1838 heißt es, es werde »mehr und mehr gebräuchlich, Concerte und 305

206 207

208 209 210 211

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Im Protokoll erwähnt; vgl. den Längsschnitt bei Vorherr. Schon im März 1828 war einer der — an sich schon »unbrauchbaren« — Öfen »halb eingefallen« u. Findel beantragte die Aufstellung eiserner Öfen (Schreiben an die Hoftheater-Int. vom 7. 3. 1828, HSA Staatstheater I33r7, und Schreiben der Hoftheater-Int. an die Hofbauintendanz vom 10. 9. 1828, ebenda). Vgl. Durand, Précis des leçons I (r802), Tafel 14, und das Innere der Madeleine in Paris. So auf Vorherrs Grundriß u. Längsschnitt zu erkennen. — Signât vom 6. 6. r828 (HSA Staatstheater 13334 fol. 1); Eingabe Findels an das Finanzministerium vom 10. 3. 1834, und Bericht der Kammer der Finanzen der Kreisregierung an das Fin.-Min. vom 26. 3. 1834, beide HSA MF 56056. Vgl. die Rede v. Closen's vor dem Landtag (1. Kap. Anm. 99). Friedr. Mayer, Neue Beschreibung v. München, Pforzheim 1840, S. 209. Eingabe Findels an die Hoftheater-Intendanz vom 7. 3, r828 (HSA Staatstheater 13317). Eingabe Findels an das Fin.-Min. (s. Anm. 207). Der Oratorien-Verein in München in den ersten 25 Jahren seines Bestehens (1854—1879), S. 1. — HSA Staatstheater r33io (Liederkranz).

andere dergleichen Productionen . . . im so genannten Billardsaale (Singvereins-Local) zu veranstalten«; durch die billige Vermietung des Raumes entstehe der HoftheaterIntendanz finanzieller Schaden 2 1 2 . Von M a i 1842 bis September 1853 hatte die anglikanische Gemeinde »die untere gewölbte Halle« für ihre Gottesdienste gemietet 2 1 3 , und von März bis Juli 1857 der Kaufmann Breul als Geschäftslokal 2 1 4 ; 1858 erfahren wir, daß im »kleinen Saal zu ebener Erde«, in der »ehemals englischen Kirche« der »Verein für klassische Kammermusik« seine wöchentlichen »Unterhaltungen« veranstalte und die Gasbeleuchtung einrichten wolle 2 1 6 . Vom 1. 10. 1860 bis 30. 4. 1862 fand hier das bekannte, volkstümliche Marionettentheater des Josef Leonhard Schmid (»Papa Schmid«) vorübergehend eine räumlich großzügige Heimstatt, doch wurde er bald wieder von der anglikanischen Gemeinde verdrängt, welche die Hoftheater-Intendanz veranlaßte, ihm zu kündigen; eine Eingabe Sdimids an Maximilian II. vom 26. 6. 1862 ist voll von Ausdrücken bittersten Grimms gegen die Engländer 2 1 ®. Im Mai 1862 wurde der Saal also wieder Englische Kirche 2 1 7 und blieb es auch trotz des Planes von r882, ihn als Vestibül zu benützen 2 1 8 , bis Ende des Jahrhunderts. Endlich 1897 konnte der Raum frei gemacht und somit ein höchst notwendiger, neuer Zugang zum Konzertsaal den Fußgängern eröffnet werden; man entfernte die zwei weißen Kachelöfen, belegte den abgetretenen Tafelfußboden mit Linoleum und richtete den Saal als Garderobe ein 2 1 9 , wobei freilich seine Raumwirkung z. T. verstellt wurde, vor allem durch einen großen Windfang in Schreiner-Renaissance beim Hauptportal. Von der 3. Kapelle rechts wurde eine Tür zum angrenzenden Treppenhaus von 1877 durchgebrochen. Nr. 9

Küche

Eckraum in symmetrischer Entsprechung zu Nr. 7. A n der Südseite der Herd. Das Inventar verzeichnet »ringsum die Küche Anrichttische, mit Schubladen, Türen mit Schlössern, samt Hennensteigen; 1 großer Anrichttisch von Ahornholz, 1 langer Anridittisdi, 2 kleinere Anrichten«. Das Protokoll erwähnt einen Rohrbrunnen, er befand 212 213 214 215

218

2,7

218 219

Antrag der Hoftheater-Int. v. 18. 5. 1838, HSA Staatstheater 13317. HSA Staatstheater 13222 (Engl. Kirche); LBA Fasz. 1 fol. 22. HSA Staatstheater 13343. LBA Fasz. 1. — HSA Staatstheater 13332. Es handelte sich um das sog. »Musikalische Kränzchen«, eine aus Mitgliedern der Hofkapelle bestehende Gesellschaft zur Pflege klassischer Kammermusik. HSA Staatstheater 13330 (Marionettentheater). Schmid mußte 1862 in sehr beengte Lokalitäten umziehen, erst in den Gasthof zum Goldenen Stern im Thal, nach wenigen Monaten in ein Privathaus in der Arcisstraße. — Vgl. auch Ludwig Krafft, München u. das Puppenspiel, MU. r96i, S. 48 u. 51, u. Ludwig Kusche/J. D. Waidelich, Musik u. Theater in Bayern, Mü. 1955, S. 129. — E. Vieriinger, München Stadt der Puppenspiele, Mü. 1943, 98 f. HSA Staatstheater 13322 (Engl. Kirche). — Ludwig Hauff, Wegweiser durch die k. bayer. Hpt.- u. Res.stadt München, Mü. 1862, S. 292. LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 7; Pläne LBA. 75

sich wohl in der Wand links neben dem Herd. Der Boden war mit »Kelheimer Platten« belegt 220 . 1878 wurde der kaum noch benützte Raum als Ersatz für die Räume Nr. 5 und 7 zu einem »Kunstausstellungslokal« der »Fleischmannschen Hof-Buch- und Kunsthandlung« umgebaut, welche hier bis Sommer 1889 Gemälde zum Verkauf anbot 221 . Seitdem diente der Raum als Unterrichtssaal der Akademie 222 und wurde 1894 durch eine Zwischendecke in zwei Lehrzimmer geteilt 223 . Nr. 10 V o r p l a t z u n d k l e i n e

Treppe

Verbindung zwischen der Küche und den oberen Stockwerken; in den Zwischengeschossen anschließend Toiletten. Die U-förmig gewundene Stiege aus Eichenholz mit Eisengeländer 224 war schmal und sehr steil; der Wirt klagte, daß »es unmöglich ist, die Speisen warm auf den Tisch zu bringen, wenn sie über eine steile Treppe von 96 Stufen heraufgetragen werden sollen, was außerdem in bezug auf prompte Bedienung äußerst unbequem erscheint«225. Auf dieser Stiege spielten sich die erwähnten skandalösen Szenen bei der Eröffnung ab, von denen Friedrich Gärtner berichtet 226 . Beim Bau des anstoßenden großen Treppenhauses (Nr. 1 1 ) im Jahre 1877 wurde die kleine Stiege als entbehrlich abgebrochen und versteigert, ihr Raum in allen drei Stockwerken in Vorzimmer verwandelt 227 . Nr. 1 1

Beleuchtungszimmer

Der fast 9 x 7 m große Raum hatte drei Fenster, von denen das südlichste, wie erwähnt, zu einer blinden Tür umgestaltet war. Er war laut Protokoll ein »dem Traiteur zur Disposition überlassen es Zimmer«, doch erhielt Findel im Mietvertrag 228 nur »einen Theil des gegen Abend liegenden Zimmers, welches unterschlagen, und dem Traiteur zur beliebigen Benützung überlassen wird, der übrige Theil dieses Lokals hat, — in Ermanglung eines andern geeigneten Platzes, — als Beleuchtungskammer zu dienen« (Raum für das den Beleuchtungsdienst im Hause versehende Personal und die entsprechenden Requisiten). In dem dem Inventar beigefügten Verzeichnis der »Beleuchtungsapparate« sind auch einige Möbelstücke aufgeführt, die vermutlich in diesem Zimmer standen, so »1 Schreibkasten mit Schublade und 2 Türen und Schlößer, 1 Kasten mit Tür und Schloß zum Aufbewahren der Kerzen, Handtücher, Putztücher pp., 1 langer fichtener Tisch, 6 alte Sessel vom k. Hoftheater an der Residenz, 2 alte Bänke, 9 Staffe220 221 222 223 224 225 228 227 228

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LBA Fasz. 5. ebenda. LBA Fasz. 6. LBA Fasz. 7. LBA Fasz. 5. Findel an die Hoftheater-Int. 7. 3.1828 (HSA Staatstheater 133x7). Siehe 1. Kap. Anm. 83. LBA Fasz. 5. HSA MF 56056.

leien, i Spiegel, i schwarz angestrichener hölzerner Aufschreibtisch, (darauf) i gelb blechen lakirtes Dintenzeug, 4 Stellagen worauf die Beleuchtungsapparate stehen.« Schon 1840 mußte der Beleuchtungsdienst das Lokal aufgeben: »S. kgl. Majestät haben zu befehlen geruht, daß in dem Odeongebäude ein eigener Ausgang für die Fußgänger mittelst einer neuen Treppe . . . hergestellt... werden solle« 229 . Dieses neue S t i e g e n h a u s sollte den Großen Saal im 1. Stock direkt mit einer neuen Tür zum Wittelsbacherplatz hin verbinden, die man dadurch gewann, daß man das bisher »gegen innen vermauerte Thor« (das verlängerte Fenster) durchbrach. Den nunmehr vom Platz aus direkt zugänglichen Raum Nr. 1 1 füllte die in seine Südostecke eingefügte Treppe etwa zur Hälfte aus. Sie führte in zweimal zwei Läufen mit insgesamt »40 Stufen von Eichenholz, samt eichenen Palustergeländer« 230 in den Raum Nr. 8 im ersten Stock empor. 1877 wurde die Treppe völlig umgebaut 2 3 1 und bis in den 2. Stock hinauf fortgesetzt, um einen neuen Zugang zur Galerie des Konzertsaals herzustellen. Die neue Treppe, die in der Grundfläche etwas mehr Raum einnahm als die alte, war mit ihren Podesten zwischen die Wände sowie große toskanische (Erdgeschoß) und ionische Säulen (1. Stock) eingespannt, hatte Eisengeländer bzw. als Abgrenzung der umliegenden Räume gegen den Treppenschacht Balustraden; sie erreichte mit zweimal zwei Läufen den 1. Stock, mit zwei steileren den zweiten (Raum Nr. 8), von wo ein weiterer Lauf zu einem von einer toskanischen Säule gestützten, mit Balustrade versehenen balkonartigen Podest vor der Tür zur Galerie führte. 1881 wurde die Tür zum Wittelsbacherplatz wieder in ein Fenster zurückverwandelt, dafür trat an die Stelle des Mittelfensters ein großes Rundbogenportal (s. oben). Nr. 1 2 V e s t i b ü l vor der Haupttreppe Nahezu quadratischer Raum von fast 7 m Seitenlänge, mit der Durchfahrt durch hohe Arkade verbunden, die auf den späteren Gebäude-Querschnitten durch eine reich gefelderte Tür verschlossen erscheint 232 ; von den beiden Fenstern zum Platz hin war das rechte zu einem Fußgängereingang verlängert und wurde 1881 wieder in ein Fenster verwandelt, wofür an die Stelle des anderen ein großes Rundbogenportal trat. In der Mitte der Südwand begann unter einer (scheitrechten?) Türöffnung die (mit einer Stufe mit abgerundeten Ecken etwas in den Raum vortretende) Haupttreppe, der laut Inventar »ein großes Vorhaus . . . mit großen Flügeltüren von grauen Canevas überzogen und gepolstert«, also eine Art Windfang vorgelegt war. An dessen Stelle trat 1870 eine neue dreiflügelige Glastür in weißlackiertem Fichtenholzrahmen mit verschiebbarem Ober229

230

231 232

Schreiben des Innenministeriums an die Regierung v. Oberbayern vom n . %. 1840, HSA Staatstheater 13317. — Schreiben der Hoftheater-Intendanz an die Regierung v. Obb. vom 14.10. 1840, ebenda. — Akten im LBA Fasz. 1. An anderer Stelle, ebenfalls LBA Fasz. i, als Eisengeländer bezeichnet, wie es sämtliche Stiegen im Gebäude hätten. LBA Fasz. S; Pläne LBA. So bei Reber 1876 u. in »München u. seine Bauten« 1911. 77

lichtfenster 233 . 1886 wurde dieser Verschlag entfernt und durch leichte Polstertüren »nach Muster der im Hoftheaterfoyer befindlichen« ersetzt 234 . — Der Boden des Vestibüls war mit Solenhofener Stein gepflastert 235 . Bei der Restauration von 1891 wurden die Wände in Ölfarbe in Imitation von Marmorplatten bemalt (in Erneuerung des vorigen Zustands?) und die Decke geweißt 238 . Beiderseits vom Treppenbeginn befanden sich die Zugänge zu zwei unter den seitlichen Treppenarmen gelegenen Räumen, die 1827 als Kassenzimmer vorgesehen waren und Türen mit einer Vorrichtung zum Eintrittskarten-Verkauf erhalten sollten 237 . Dem Protokoll wie dem Inventar nach scheint aber der linke der Räume als »M i l i t a i r e W a c h t - Z i m m e r « gedient zu haben, das 2 lange Bänke von Fichtenholz, 1 Zapfenbrett, 2 Anhängtische, 1 Gewehrstelle und einen irdenen Ofen enthielt. Im »C a s s a Z i m m e r « gab es 2 Kassatische, 2 mit Roßhaar gepolsterte Lederfauteuils, 3 Fichtenbänke, 1 Zapfenbrett, 4 mahagoniartig lackierte, roßhaargepolsterte Sessel von Buchenholz und einen irdenen Ofen. 1840 wurde das »neue B e l e u c h t u n g s z i m m e r durch Verkleinerung der Cassalocalität und Benützung des dahinter befindlichen Raumes . . . gewonnen« 238 ; 1881 mußte die Kasse »bei Ausbruch der benachbarten Türöffnung« etwas nach rückwärts verlegt werden 239 . Durch die gangartig langgestreckten Räume unter den seitlichen Treppenarmen gelangte man zu einem von drei Kreuzgratgewölben überfangenen Vorplatz unter dem ersten Podest der Haupttreppe,- von hier führte im Gegensinne ein mittlerer Treppenarm hinab in den K e l l e r . Das Odeon war nur zu einem kleinen Teil unterkellert: unter den Erdgeschoßräumen Nr. 1 1 und 12 samt der dazwischenliegenden Durchfahrt gab es drei ihnen entsprechende, mit Flachtonnen gewölbte Keller-Abteilungen, die von 1837 an jahrzehntelang an den Weinhändler Jakob Ignaz Mittnacht (Fürstenstraße 1) zu Lagerzwecken vermietet waren 240 und 1937 als Luftschutzräume ausgebaut wurden 2 4 1 . Außerdem erwähnt das Protokoll noch «4 Heitz-Kammern mit den WärmeSchläuchen«. Nr. 13

Haupttreppe

Das große Treppenhaus in der Südwestecke des Gebäudes, vielfach »Steinerne Treppe« genannt, reichte mit seinem Schacht von 12,5 x 7 m Grundfläche und über 18 m 233 234 235 238 237

238

239 240 241

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LBA Fasz. 4. LBA Fasz. 6. LBA Fasz. 1 (1851 »hergestellt«). LBA Fasz. 7. Schreiben der Hoftheaterkasse an die Hoftheater-Intendanz am 8. 12. 1827, HSA Staatstheater 13317. Schreiben der Hoftheater-Int. an die Regierung v. Obb. 14. 10. 1840, HSA Staatstheater I33I7LBA Fasz. 5. In den Akten erwähnt von 1837 (HSA Staatstheater 13317 fol. 221) bis r88s (LBA Fasz. 6). HSA Staatstheater 13343 (Vermietungen). LBA Fasz. 15.

Höhe ursprünglich durch alle drei Geschosse. Sein Licht erhielt es durch die Fenster der Westseite, die freilich z. T. von den Läufen überschnitten wurden. Die Treppe war dreiläufig: sie führte mit einem mittleren Lauf zu einem Podest und von da im Gegensinn mit zwei seitlichen Läufen zum i. Stock hinauf, von da nochmals dreiläufig auf die Höhe des 2. Stockes; hier mündete sie in eine lichte Halle mit vier Fenstern an der Westseite sowie (gleich den anderen Räumen im Obergeschoß) einer Spiegeldecke mit hoher Voute über reidi profiliertem Gesims. Die Stufen der Treppe bestanden nur bis zum 1. Stock aus geschliffenem Sandstein 242 , die Fortsetzung war hölzern 243 . Als Geländer diente eine Balustrade aus Eichenholz. Im 1. wie im 2. Stock bildete jeweils eine (links von der Mitte befindliche) Rechtecktür den Eingang zur westlichen Zimmerflucht, doch gab es daneben aus Symmetriegründen jeweils noch eine zweite, blinde Tür (die im 1. Stock wurde 1882 ausgebrochen244). Uber die farbige Ausgestaltung des Treppenhauses erfahren wir etwas nur anläßlich späterer Renovierungen: 1883 wurden Wand- und Deckenflächen mit Kalkfarbe gestrichen, die Balustergeländer repariert und in dunkler (wohl grauer) Marmorimitation mit Ölfarbe angestrichen, ferner vier Postamente (die Begrenzungen der Balustraden im Zwischen- und Hauptgeschoß) in Holz repariert und mit Ölfarbe in Verde Antico (grüner Marmorton) angestrichen 245 ; r89i wurde die Decke geweißt, die Wände in Ölfarbe »in Imitation von Marmorplatten«, das hölzerne Brüstungsgeländer im Steinton mit Ölfarbe angestrichen24«. Eine durchgreifende Umgestaltung des Treppenhauses erfolgte 1894 247 : die obere, hölzerne Hälfte der Stiege wurde abgetragen und eine Zwischendecke eingezogen, wodurch man im 2. Stock neue Lehrzimmer für die Akademie gewann. Auch in ihrer verkürzten Form bildete die Treppe, die nun in einer Halle im 1. Stock endete, einen weit und monumental wirkenden Aufgang, der (nach H. Leitenstorfer) »auf die Hoheit des Saales gestimmt ist und in ebenbürtiger Haltung auf ihn vorbereitet« 248 . Gemäß dem Umbauplan im Landbauamt waren die Wände in Höhe der Läufe in der Art von Steinquadern oder -platten in niedrigen Schichten mit jeweils versetzten Fugen wohl bemalt, darüber in der Halle des 1. Stocks in große Redlteckfelder gegliedert. Nr. 14

Magazin

Der etwa 17 x 17 m große, 6 m hohe, von der Durchfahrt her durch drei Rundbogentore zugängliche Raum erstreckte sich unter der Südhälfte des Konzertsaals und hatte 242 243 244 245 246 247

248

Protokoll. LBA Fasz. 6 u. 7 (anläßlich der Renovierungen von 1883 u. 1891 erwähnt). LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 6. LBA Fasz. 7. LBA Fasz 7 (Pläne im LBA). — Ein 1883 geplanter Umbau zu einer zweiläufigen Treppe (LBA Fasz. 6) wurde nidit ausgeführt. Hermann Leitenstorfer, Leo v. Klenze (Festvortrag zum 125jähr. Bestehen der Obersten Baubehörde am ai. 10. 1955), S. ra.

79

dementsprechend nur gegen Norden hin Rechteckform, während er auf der anderen Seite im Halbkreis schloß. Klenzes ursprünglicher Plan sah vor, ausgehend von Pfeilervorlagen zwischen den Toren der Nordwand eine Reihe von fünf durch Arkaden verbundenen Pfeilern in einer zur Außenwand konzentrischen (U-förmigen) Anordnung in den Raum zu stellen und den so entstehenden inneren wie den umgangsartigen äußeren Teil mit Tonnen zu wölben, in welche die Arkaden mit kleinen Stichkappen einschneiden sollten. Ausgeführt wurde jedoch nur eine einzige, sehr kräftige Mittelstütze, im Norden rechteckig, auf der Südseite halbkreisförmig abgerundet, um welche eine Halbkreistonne herumgeführt wurde; es ergaben sich flachbogige Grate zwischen den Ecken des Pfeilers und denen des Raumes, die von anderen Graten kreuzgewölbeartig überschnitten wurden: so gewann man die nötigen Kappen über den äußeren Portalen, wie audi vom Mitteltor eine eigene Stichkappe in die Tonne einschnitt (vgl. den Vorherrschen Grundriß und Längsschnitt). Seinem niederen Zweck entsprechend hatte der fensterlose Raum keinerlei Gesimse, Profile oder Schmuck. Das Inventar verzeichnet »im großen Gewölbe 2 große Verschlage mit Türen und Schlößer zum Aufbewahren der verschiedenen Haus- und Theater-Requisiten und Meubles pp., 2 große Staffeleien zum Zusammenlegen«. Das Protokoll erwähnt »das große Holzlager, in welchem ein Pump-Brunnen zur Zeit angebracht ist«; auf Vorherrs Grundriß heißt der Raum »Holzgewölb« 249 . Die Aufbewahrung des Brennholzes wie die von Möbeln und Requisiten aller Art war also der Zweck der kellerartigen Halle. Später wurde sie im Zuge der Einführung technischer Installationen im Hause verschiedentlich unterteilt und verändert, vor allem gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch den Einbau der Kessel für die Dampfheizung. Vom Magazin führten zwei Türen in einen schmalen U m g a n g , der zwischen den beiden Grundmauern des Konzertsaales U-förmig verlief und die Verbindung zwischen je einer Tür von der Vorhalle am Odeonsplatz bzw. vom Vestibül vor der Haupttreppe und den beiden G a l e r i e t r e p p e n herstellte. Diese etwas mehr als halbkreisförmig gewundenen schmalen Holzstiegen füllten die Zwickel zwischen dem weiten Halbkreisschluß des Konzertsaales und dem umschreibenden Rechteck aus und legten sich um einen Kern, in welchem in jedem Stockwerk Toiletten eingefügt waren. Ursprünglich bildeten diese umständlich zu erreichenden Nebentreppen den einzigen Publikumszugang zur Galerie des Großen Saales.

IL Eistet Stock

Den Konzertsaal umgab auf gleichem Niveau von drei Seiten eine Anzahl von Räumen (Grundriß Tafel 1), die untereinander nach dem Prinzip der Enfilade verbunden waren. Sie standen (ausgenommen die Eckzimmer) auch mit dem Saal in Verbindung und dienten, je nach der Art der Veranstaltung in diesem, als dessen unmittelbare 249

80

1870 noch ist von »Holzgewölben« u. »Holzlege« die Rede (LBA Fasz. 7).

Nebenräume — bei Konzerten als Foyers, bei Bällen als ruhigere, intime Refugien, in die man sich zu Gesprächen, Spielen oder zur Erfrischung zurückziehen konnte. Bei den maskierten Akademien im Karneval wurden »auch die den großen Saal umgebenden Zimmer verwendet«260. Noch ist es um diese Zeit zu keiner Ausbildung einer ausgedehnten, monumentalen Wandelhalle für ein zahlreiches Publikum gekommen (auch der an sich gewaltige Bau des Nationaltheaters besaß keine). Vielleicht war ein derartiges großes Foyer auch noch nicht notwendig, da bei dem anfänglichen Fehlen einer festen Bestuhlung im Saal der Besuch der Veranstaltungen noch nicht den anonymen Massencharakter späterer Zeiten gehabt haben dürfte, sondern bis zu einem gewissen Grade noch eher auf eine bestimmte »Gesellschaft« beschränkt war, die sich kannte und auf intimere Begegnimg, auf private Gespräche Wert legte 251 . Die Möglichkeit zwangloser Begegnung (auch zwischen König und »Volk«), die im Konzertsaal besser stattfinden konnte als im Logentheater, war geradezu ein der Musik ebenbürtiges Element der damaligen Konzerte, deren bunt gemischte Programme und lange, durch viele Pausen aufgelockerte Dauer der Konversation weiten Spielraum gaben. So wurden denn auch die Nebenräume im Hauptgeschoß im Inventar und im Ubergabe-Protokoll als »Conversations-Zimmer« bzw. »-Sääle« aufgeführt, womit ihr Hauptzweck gekennzeichnet ist. Dennoch, trotz dieser biedermeierlichen Vorliebe für die Intimität, scheint manchen Zeitgenossen der Kontrast zwischen der Weite und Monumentalität des Konzertsaals und der Bescheidenheit seiner Nebenräume gar zu groß erschienen zu sein; der erwähnte Dresdner Kritiker fand die »unteren Zimmer... klein, nieder und mit düsteren Farben bemalt«262, womit Entscheidendes über ihren Charakter gesagt sein dürfte. Ungünstigerweise betrug nämlich die Höhe gerade dieser vom Zweck her bevorzugten Räume im Hauptgeschoß nur 5 m ; zwischen ihren reichen Gesimsen und den Flachdecken fehlte die große Voute, die in den weniger wichtigen Zimmern im 2. Stock deren oberem Abschluß jeden Schein von Bedrückung nahm. Eine bis ins letzte genaue Rekonstruktion jedes einzelnen Raumes ist bei dem Mangel an Bildmaterial nicht mehr möglich; deshalb seien hier die allen gemeinsamen Grundelemente der Gestaltung wie auch der Einrichtung zusammengefaßt. Sämtliche Zimmer waren rechteckig, bei wechselndem Format, und hatten die Fenster auf der dem Saal gegenüberliegenden Seite. Sockel, Türumrahmungen und reich profilierte Abschlußgesimse waren die einzigen plastischen Gliederungen; für den Eindruck entscheidend war die intensive und abwechslungsreiche farbige Ausgetaltung. Die Fußböden waren mit Tafelparketten aus Eichenholz ausgelegt und mit Wachs eingelassen253. Ringsum verlief in jedem Raum ein schlichter, niedriger Sockel mit 250

R. Marggraff; Mü. mit s. Kunstschätzen u. Merkwürdigk., Mü. 1846, S. 542. 251 Vergleiche die sehr aufschlußreiche Darstellung der Anforderungen, die gerade in dieser Hinsicht an den zu bauenden Münchner Konzertsaal zu stellen seien, in der Flora Nr. 252 253

6ilvj. 4. r825, S. 244 ff.

Eos Jahrg. 12/Nr. 36, 3. 3. 1828. LBA Fasz. 6 (Ausbesserungen r883, geölt 1885), u. Fasz. 5. 81

kleinem oberem Gesims. Die Wände waren in jedem der Zimmer in einer anderen Grundfarbe gestrichen, die in manchen Fällen schon bald dem Raum ihren Namen gab. Mit diesem Grundton kontrastierte die Farbe der Vorhangdraperien. Die Vorhänge waren laut Inventar von weißem Mull und hatten Draperien von farbiger Merinowolle oder Taft mit zweifarbigen Fransen; die Vorhangstangen waren braun lackiert oder bronziert oder vergoldet sowie mit vergoldeten Rosetten (wohl an den Enden) versehen. Die »weißen architravierten Türstöcke« aus Eichenholz, bestehend aus zwei Faszien, Karnies und Randleiste, waren »in Carraramarmor-Imitation . . . mit Leimfarbe« gestrichen264; die zweiflügeligen Türen selbst waren aus »hell poliertem Nußbaumholz mit Kehlstoßfüllungen« (Felderungen ähnlich den Türen im Saal, je 5 pro Flügel) und hatten feuervergoldete Messingbeschläge (Tafel 7, Fig. 16) — »Riegel... mit in Feuer vergoldeten Messingoliven und Stoßschildern«, die mit Rosetten und Ranken verziert waren 255 . Die Türschwellen bestanden aus Eichenholz. Als Farbe der Fensterstöcke (Innenseite) wird 1882 im Raum Nr. 6 weiß angegeben. Nicht mehr eindeutig für jeden Raum anzugeben ist die Form der in Gipsmörtel gebildeten25® Abschlußgesimse; von den auf dem Blatt der Klenze-Werkstatt mit »Profils der im Odeon sich befindlichen Zimmer Gesimser« (Tafel 13, Fig. 33) abgebildeten Querschnitten kommen Nr. 1 und 2 (vielleicht noch 5) für den 1. Stock in Frage. Klenze selbst gibt auf seinem Grundriß jedem Raum die Nr. 1 oder 1, was sich an Hand von Vergleichen mit seinem Längs- und Querschnitt auf die jeweils beabsichtigte Profilierung beziehen läßt; doch scheint die Ausführung, den späteren, in dieser Hinsicht freilich nicht immer zuverlässigen und sich zum Teil widersprechenden Schnitten durch das Gebäude nach zu schließen, sich nicht streng an die ursprüngliche Planung gehalten zu haben,- möglicherweise erhielten alle Zimmer das Gesims Nr. 1. Die besondere Zierde der Räume war eine reiche, nach Klenzes Entwürfen 257 ausgeführte antikisierende Dekorationsmalerei an Wänden, Gesimsen und Decken,- leider ist gerade über dieses wichtigste Element der Raumgestaltung kaum noch etwas Genaueres festzustellen. Die Wände, an denen die jeweilige Grundfarbe dominierte, scheinen — soweit überhaupt — nur eine einfache Dekoration in Form einer Felderteilung aufgewiesen zu haben, welche in den bevorzugten Räumen, wie im Kleinen Saal (Nr. 6) und im Königssalon (Nr. 2) noch durch Ornamente bereichert wurde

264

255

258 257

82

LBA Fasz. 5 (1881 »wie bestehend« renoviert; 1882 »Ziehen der imitierten Hausteinverkleidungen«). LBA Fasz. 5 (1882 anläßlich der Anfertigung neuer Türen »nach Art der bestandenen«),doch gab es um diese Zeit auch Türen mit weißem Ölfarbenanstrich (LBA Fasz. 5/1881 U. 6/1883 in den Zimmern 6 u. 7). LBA Fasz. 6 erwähnt 1885 »2 Flügeltüren auf beiden Seiten poliert mit ro Cassettierungen, die Friese von Kirschbaumholz, die Füllungen von Nußbaumholz, jede Füllung mit Ahorn und Karniesen-Fassung, Beschläge nach Klenzes Muster und feuervergoldet«. — LBA Fasz. 7 nennt 1891 die Türen »Kirschbaum poliert, Umrahmung marmoriert«, sowie in »Kirsdibaumimitation angestrichen«. LBA Fasz. 5 u. 6. LBA Fasz. 5 (1882): »nach Leo v. Klenze's Zeichnung an Wand- u. Deckenflächen reich bemalt nach antiken Motiven«.

(siehe Nr. 2, 6 und 9)¡ die Gesimse waren vor allem mit verschiedenen Palmetten- oder auch Blattstab-Motiven bemalt 2 5 8 ; am reichsten — vermutlich in jedem Zimmer anders — war die Gestaltung der Decken, die deshalb als der auffälligste Teil der Dekoration mitunter auch nur allein erwähnt werden 2 5 9 . Nur von zwei dieser Decken existieren (freilich unzureichende) Lichtbilder; die eine gehört zum Raum 6, die andere konnte als die des Königssalons (Raum 2) identifiziert werden (s. unten) 260 . Der Einfachheit halber seien die mehreren oder allen Räumen gemeinsamen Elemente der Ausstattung, wie sie das Inventar überliefert, hier zusammengefaßt, wobei von den Königszimmern (Nr. 1 u. 2) abgesehen wird. Die im Klassizismus für Möbel besonders bevorzugte Holzart war >— eine aus England gekommene Mode 2 6 1 — Mahagoni, doch kam diese teuere Material aus Sparsamkeitsgründen für das Odeon nicht in Frage,- also begnügte man sich mit einer Imitation und fertigte die Möbel aus Buchenholz, das nach Mahagoniart lackiert wurde,- nur in einzelnen Fällen (vor allem im Raum Nr. 3) nahm man das edlere, mahagoniähnliche Kirschbaumholz 262 . Das Hauptelement der Ausstattung bildeten zahlreiche Sessel (bis zu 50 in einem Raum), die mit Roßhaar gepolstert und mit »Meubles Zeuch a la Walter Scott« überzogen waren; sie allein nahmen schon einen wesentlichen Teil des Raumes ein und dienten, da leicht zu verschieben, der zwanglosen Konversation in wechselnden Gruppen. In den Räumen 4, 5 und 6 stand außerdem noch eine Reihe von zusammenlegbaren Spieltischen, die mit grünem Tuch überzogen waren. Die kirschholzgerahmten Spiegel — meist zwei je Raum — dürften an den Fensterpfeilern angebracht gewesen sein 2 6 3 . Der Beleuchtung dienten »Lüster weiß lakirt mit gut vergoldten Zieraten mit Glassteinen decorirt und 1 2 (oder 18) gut vergoldten weiß lakirten arcantischen Lampen«. Die Räume 3—6 hatten außerdem noch »Wandlampen mit Brustbildern von Bronze 264 , die Lampenkästen weiß lakirt und mit gut Gold decorirt«. A m Boden standen verschiedentlidi hölzerne Spuckkästchen. Ursprünglich bildeten die Konversationszimmer eine Flucht von sieben Räumen, die von der Haupttreppe her mit dem Vorsaal und einer Garderobe anfing und über das Buffet in den Kleinen Saal und zwei weitere Zimmer führte; die südöstlichen Räume waren dem Königshaus (Nr. 1 und 2) bzw. der Hoftheater-Intendanz (Nr. 3) vorbehalten. Das ganze erste Stockwerk stand »der K. Hoftheater-Intendanz allein zur ausschließlichen Disposition« — d. h. es wurde nicht dem Restaurateur überlassen 2SB . Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Räume mehr und mehr tagsüber als Lehrzimmer 258

Soweit die mir vorliegenden Lichtbilder erkennen lassen. Flora Nr. 193/27.9.1827 erwähnt nur die »schönen u. geschmackvollen Deckenverzierungen«. 260 Nach frdl. Auskunft von Herrn Josef Hader. 281 Max v. Boehn, Das Empire, S. 384. 262 Ebenda S. 411. 263 Im Raum 2 u. 3 im Inventar ausdrücklich als »Trumeaux-Spiegel« bezeichnet. 264 »Bronzeartig« im Raum 3 laut Duplikat des Inventars — also handelte es sich um Imitationen. 265 vertrag mit dem Traiteur Findel, HS A MF 56056. 259

83

der Akademie, abends als Garderobe für bestimmte Platzkategorien benutzt266. Die ganze Flucht wurde häufig renoviert (so 1843, 1868, 1884, 1891), wobei auf die Erhaltung der dekorativen Malereien ausdrücklich Wert gelegt wurde267. Nr. 1 K ö n i g l i c h e s

Kabinett

Der schmale Nebenraum des Königszimmers (ca. 7 X 4,3 m) diente privaten, intimen Zwecken wie Umkleiden, Ausruhen u. dgl. Inventar: »1 großer langer Vorhang von feinsten weißen Mull und Carmoisin taffende (= Taft) Draperie mit gelb und Carmoisin seidenen Festonierarbeiten und solchen Einfassungen, samt gut vergoldeten Stangen und Rosetten«; ferner gab es einen runden Tisch von Nußbaumholz, auf dem eine Girandole mit drei Bronzelichtern stand, sowie 4 Fauteuils von Nußbaumholz, mit Roßhaar gepolstert und mit carmoisinrotem Sammet überzogen, sodann einen großen Ankleidespiegel mit bronzeverziertem Nußbaumrahmen, zu dem zwei bronzene Armleuchter mit je zwei Lichtern gehörten, endlich ein Spuckkästchen aus Nußbaum. Gegenüber dem Fenster war ein Verschlag als Retraite angebracht, der zwei roßhaargepolsterte, mit grünem Saffian überzogene Leibstühle mit Porzellanhäfen enthielt sowie vermutlich auch die im Inventar angeführten beiden Nachttischchen mit Schubladen und Türen von Nußbaumholz samt Nachtgeschirren darin und zwei Bronzeleuchtern. An einzelnen Einrichtungsstücken wurden 1863—65 Reparaturen vorgenommen (s. Nr. 2). Bei der Renovierung der beiden Königszimmer 1908 erhielt das Kabinett den alten blauen Kachelofen und die alten Möbel aus dem Königssalon; die alten eichenen Tafelparketten wurden durch einen Eichenriemenboden ersetzt288. Nr. 1 K ö n i g l i c h e r

Salon

Repräsentativer Aufenthalts- und Empfangsraum der allerhöchsten Herrschaften, ca. 8,5 X 7 m groß, mit drei Fenstern. Die Grundfarbe der Wände war vielleicht schon ursprünglich das königliche Rot; Decke, Gesimse und Wände waren reich bemalt269, der Boden mit Eichenparketten belegt. Von der Decke (Tafel 16, Abb. 40) liegen zwei Lichtbilder mit Ausschnitten vor; sie zeigen eine Kassettendecke, deren wohl weiße, von drei Profilen gerahmte quadratische Felder ein dünnes und zartes, sehr dichtes Rankenwerk füllt, das strahlenförmig um ein mittleres Achteck (mit kürzeren Diagonalseiten) angeordnet ist; die Achtecke enthalten auf farbigem Grund kleine, anmutige Darstellungen, etwa ein Stilleben mit verschiedenen Gefäßen oder einen großen, schwebenden Vogel (nicht näher zu identifizieren); andere Felder, von denen nur der Rand sichtbar ist, enthalten ein mäanderartiges Muster; das Gesims, mit Profil Nr. 1, 266 267

268 269

84

LBA Fasz. 7. — 1898 dienten Nr. 4, 5, 7 u. 9 als Lehrzimmer, 5, 7 u. 9 als Garderobe. Vergl. die entsprechenden Fasz. im LBA. Die beiden ersten Renovierungen führte der Dekorationsmaler Schwarzmann aus. LBA Fasz. 8. LBA Fasz. 5, um r88s als »gut erhalten« bezeichnet.

scheint eine farbig getönte Hohlkehle gehabt zu haben, während die beiden Karniese mit unterschiedlichen Palmettenmotiven schablonenhaft bemalt, die übrigen Profile weiß waren. Inventar: Die Vorhänge von feinstem Mull hatten blaue Taft-Draperien mit blauweißen Festonierungen und Einfassungen sowie Stangen mit »gut vergoldten Lyrae Rosetten und Zierathen«. Blau war auch der Baumwollsamtüberzug des roßhaargepolsterten Canapés von Nußbaumholz, blau auch der ebensolche der 8 gleichartigen Tabourets (Hocker). Dazu kamen 2 Tische von Nußbaum, »eine große Hänguhr mit gut vergoldter Rahme, welche ein gut vergoldete Löwe in einem Ring hält«, sowie ein Spuckkästchen von Nußbaum. An den beiden Pfeilern zwischen den Fenstern hingen große nußbaumgerahmte Spiegel, darunter standen Trumeaux-Tische aus Nußbaum mit je 2 großen Bronze-Girandolen zu 3 Lichtern. Der große Bronzelüster an der Decke hatte 12 Lichter. Der Ofen in der Südwestecke wurde 185 r durch einen neuen ersetzt 270 . Im Odeons-Etat von 1863/64 und 1864/65 271 sind Reparaturen im Königssalon aufgeführt: das Kanapé, die 8 Tabourets und die (im Kabinett befindlichen) 4 Fauteuils wurden umgearbeitet und neu überzogen, 3 Vorhänge mit Lambrequins und ein weiterer weißer (wohl der im Kabinett) erneuert, ein großer runder Tisch (im Kabinett?) poliert und repariert, ferner der Bronzelüster, 5 Girándoles und 2 Wandleuchten renoviert. 1908 erfolgte eine gründliche Renovierung des Salons, bei der die bisherigen Möbel und der blaue Kachelofen in das Kabinett versetzt wurden 272 . Damals erhielten die Wände einen roten Anstrich mit damastartig schabloniertem Muster, die Deckendekoration und die Hohlkehlenbemalung wurden erneuert, die bisherigen eichenen Tafelparketten durch einen Eichenriemenboden ersetzt. Die neue Einrichtung, in vornehmen neuklassizistischen Formen, stammte von der Firma Anton Pössenbacher und war teilweise für die »Ausstellung München 1908« angefertigt worden. Der neue Ofen bekam nach alten Vorbildern Zylinderform und eine Vase als Bekrönung. — Schon damals dienten die Königszimmer auch als Künstlerzimmer für den Aufenthalt der konzertierenden Solisten; Nr. 1 wurde nach r9i8 dem Präsidenten der Akademie zugeteilt. Nr. 3

Intendanz-Zimmer

Der dreifenstrige Raum von gleicher Größe wie der Königssalon diente ursprünglich als Aufenthalts- und Repräsentationsraum der Hoftheater-Intendanz (wohl bis zur Extradition des Hauses 1878). Später wurde er nach der Grundfarbe seiner Wände » G e l b e s Z i m m e r « genannt 273 , dann auch als Wartezimmer bezeichnet; in jüngerer Zeit war er Garderobe für die Musiker und Erfrischungsraum 274 . 270 271 272 273

LBA Fasz. 2. HSA Staatstheater 13323. LBA Fasz. 8 (mit mehreren detaillierten Plänen u. z. T. farbigen Ansichten, auch der Möbelstücke). 274 In den Akten des LBA (Fasz. 6) erstmals 1885. »Wartezimmer« in LBA Fasz. 7 (1894). 85

Dem Zweck entsprechend war die Ausstattung reicher und kostbarer als in den Konversationszimmern, doch scheint man sich während der Bauzeit über die Bestimmung des Raumes noch nicht klar gewesen zu sein, denn der Voranschlag sah, wie das Inventar vermerkt, nur Bänke und Vorhänge vor. Einrichtung: Die Vorhänge waren von feinem Mull und hatten Draperien von grünem Taft mit grün- und gelbseidenen Festonierarbeiten und Einfassungen. Zwischen den Fenstern an den Trumeaux hingen 2 große Spiegel mit Kirschbaumrahmen, darunter standen 2 Tische aus gleichem Holz, aus dem auch die anderen Möbel gefertigt waren: 2 Tischchen, r großer runder vierfüßiger Tisch, 12 roßhaargepolsterte Sessel, die — ebenso wie ein Divan mit Springfedern — wohl grün überzogen waren, und ein Spuckkästchen. Ferner gab es eine große Hänguhr mit vergoldetem Rahmen, von einem Adler in einem Ring getragen, einen Lüster mit 12 Lampen und 6 Wandlampen mit Brustbildern. Nr. 4 G r ü n e s

Zimmer

Im Inventar »Conversationszimmer«; die Benennung nach der Wandfarbe schon früh im Gebrauch275. Der fast quadratische Raum (7,5 X 7 m) besaß zwei Fenster, deren weiße Mullvorhänge gelbe Merino-Draperien mit gelb-weißen Fransen sowie braunlackierte Stangen mit vergoldeten Rosetten hatten. Vermutlich zwischen den Fenstern hing ein großer Spiegel in Kirschrahmen. Zur Ausstattung gehörten 5 (oder nur 3?) Spieltische, 36 Sessel, 4 Spuckkästchen, 1 Lüster mit r2 Lampen sowie 6 Wandlampen — alle Stücke den einleitend angeführten gemeinsamen Merkmalen entsprechend. — Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts diente der Raum auch Unterrichtszwecken. Nördlich schloß sich ein kleiner D u r c h g a n g s r a u m mit Toilette an, entsprechend Erdgeschoß Nr. 6. Nr. 5

Ecksaal

Großes Conversationszimmer ( n X 8 m) mit 3 Fenstern an der Nord- und 2 an der Ostseite. In der Südwand (nach Vorherrs Plan) symmetrisch zur Tür nach dem Durchgangsraum eine zweite blinde (wohl Stelle des Ofens). In der Westwand trat neben die Tür zum Kleinen Saal später noch eine zweite (vgl. Nr. 6). — Inventar: Weiße Vorhänge mit Carmoisin-Draperie (Wände blau?), 2 Spiegel, 6 Spieltische, 50 Sessel, 2 Spuckkästchen, 1 Stockuhr mit schwarzgebeiztem Kasten und vergoldeten Zieraten, 1 Lüster mit 18 Lampen, n Wandlampen. — 1888 wird der Raum als »Großer Vorsaal« bezeichnet276, später diente er als Lehrzimmer und 3. Garderobe277. Nr. 6 K l e i n e r

Saal

Dieser größte unter den Nebenräumen im 1. Stock (Tafel 16, Abb. 41) nahm funktionell eine Schlüsselstellung im Gebäude ein: einerseits war er Mitte und Höhepunkt 475 278 277

86

1843 erwähnt in LBA Fasz. 1. LBA Fasz. 6. LBA Fasz. 7 (1898).

in der Flucht der Conversationszimmer — als eines von ihnen bezeichnet ihn das Inventar —, andererseits war er durch seine Lage in der Hauptachse des Großen Saales diesem besonders eng verbunden und bildete dessen eigentliches Vorzimmer und Foyer; und schließlich konnte er auch selbst den Rahmen für Konzerte und Veranstaltungen intimerer Axt mit kleinerer Besucherzahl bilden 278 . So erwähnt ihn das Protokoll als »Vorsaal, der kleine Conzert-Saal genannt«; die übliche Bezeichnung war »Kleiner Saal«; ein Akt von 1843 spricht vom »kleinen (rothen) Saale« und gibt somit Aufschluß über die Grundfarbe der Wände 279 . Der Saal (15,12 m lang, 8,39 m breit, 5 m hoch) hatte an der nördlichen Längsseite 5 Fenster, von denen die 3 mittleren als Fenstertüren bis zum Boden herabgezogen waren und den Zugang zum Balkon ermöglichten. Gegenüber führte eine hohe Mitteltür in den Konzertsaal, zu welchem 1882 rechts und links von ihr noch je eine weitere Tür durchgebrochen wurde280,- damals plante man auch an den beiden Schmalseiten den Ausbruch je einer zweiten Tür, doch die Ausführung erfolgte erst im Lauf der nächsten Jahre 281 . Die ursprüngliche reiche Dekorationsmalerei wurde im Lauf der Zeit immer wieder erneuert 282 , aber nicht verändert; die (wohl pompejanisch-)roten Wandflächen wiesen eine Felderteilung auf 2 8 3 , die indessen in jüngster Zeit nicht mehr vorhanden war, wie die Aufnahme von 1940 zeigt; doch ist auf letzterer noch die Bemalung des Gesimses und der Decke, wenn auch undeutlich, zu sehen. Am Gesims, vom Profil Nr. 1, waren die große Hohlkehle und im oberen Teil die beiden Karniese bemalt — die Kehle mit einem Fries von Lotoskelchblüten über Spiralranken (bei den Karniesen ist nichts Genaues zu erkennen). Die Deckenbemalung zerfiel in zwei Teile: die Randzone war dicht ausgesetzt mit breit gerahmten, gegenständig angeordneten Dreiecken (bzw. in den Ecken Quadraten), die mit Rankenwerk gefüllt waren; ein Palmettenfries ragte in die große, helle Mittelfläche der Decke, über die sich weitmaschig ein gitterartiges Geflecht aus extrem dünnen, stabartig gelängten, völlig linearen, unplastischen Gliedern legte; diesem System eingefügt waren drei aus dünnen Girlanden geformte kreisrunde Kränze, an deren Berührungsstellen mit dem Rasterschema des Stabwerks Rankengeflecht dicke Verknotungen bildete; die Kreise füllten diagonal gestellte, konkavseitige Viereckflächen von 578

279 280 281 282 283

So berichtet die »Mündhener allg. Musik-Zeitung«, 2. Jahrg. 1828/29, Nr. 16, 17. 1. 1829, Sp. 246, daß am 3. 1. r829 hier ein zwölfjähriger Pianist »eine sogenannte musikalische Abendunterhaltung« veranstaltete, bei der auch ein Cellist auftrat, der zu laut für »die Beschaffenheit des Lokals« gespielt habe; Nr. 19 (7. 2. 1829), Sp. 302 erwähnt ein Klavierkonzert, das am 21. 1. Eduard Wenzel aus Wien im Kleinen Saal gab. — Hier fanden femer vielfach Sitzungen u. Versammlungen verschiedener Vereine und Gesellschaften statt, kleine Ausstellungen u. ä. LBA Fasz. 1. LBA Fasz. 5. — Die Türen zum Saal waren etwas höher als die an den Schmalseiten. Die neue Tür ins Zimmer Nr. 7 Anfang 1885 (LBA Fasz. 6 u. HSA MF 56056). 1843 (LBA Fasz. 1), 1866-68 (geplant 1866, ausgef. 68) LBA Fasz. 4, 1882/84 (LBA Fasz. 5 u . 6).

LBA Fasz. 6 (1884): »Wandflächen nach der früheren Art in Feldertheilung zu bemalen«. 87

heller Farbe, diese wiederum ebensolche kleinere von kräftigerer Tönung, und diese endlich achtzackige Sterne, aus deren Mitte die (insgesamt drei) Lüster herabhingen. — Diese Ornamentik, deren Elemente im einzelnen der antiken, vor allem pompejanischen Wandmalerei entnommen sind, ist in ihrer trockenen, unplastischen Linearität, ihrer additiven Kleinteiligkeit und mit ihrem Gegensatz von äußerst dünnen, dürren, weitmaschigen Stabgeflechten und äußerst dicken, dichtgedrängten, schwerfällig-dumpf wirkenden Formen (Randzone) typisch für einen späten, saft- und kraftlos gewordenen Klassizismus (im Gegensatz zu der anmutigen Frische oder der heroischen Pracht früherer Stufen dieses Stils). Genau die gleiche Stilstufe zeigt z. B. der Plafond des Théâtre de l'Ambigu in Paris von Hittorf 1&29284, die Saaldecke in Schinkels Gesellschaftshaus für Magdeburg T830 und auch noch Bürkleins Erneuerung der Deckenmalerei im Zuschauerraum des Münchner Nationaltheaters (nach 1850). Ursprüngliches Inventar: 5 Mullvorhänge mit grüner Merino-Draperie und grünweißen Fransen sowie bronzierten Stangen, 12 Spieltische, 50 Sessel, 2 große Spiegel, 2 Spuckkästchen, 3 Lüster mit je 12 Lampen, 8 Wandlampen; in den beiden inneren Ecken standen Öfen. Beim Einbau der Königsloge im Großen Saal (1866/67) sollte ursprünglich die Aufgangstreppe in den Kleinen Saal verlegt werden, doch unterblieb das Projekt, wie schon erwähnt, doch wurde bei dieser Gelegenheit die Gasbeleuchtung hier eingeführt 285 . 1880 erfolgte die »Herstellung einer Queue-Barriere in dem als Garderobe benützten nördlichen Vorzimmer zum großen Saale« 286 ; 1891 wurden hier zwei (neue?) Öfen aufgestellt, da der Raum bei vorgesehenen Bällen als Speisesaal dienen sollte 287 . In jüngerer Zeit diente der Vorsaal, fast ohne Mobiliar, als Wandelraum; 1940 wurde er renoviert und erhielt an Stelle der bisherigen Gußeisenlüster zwei prächtige klassizistische Kristallüster aus dem Montgelas-Saal der Staatskanzlei (dem ehemaligen Montgelas-Palais)288. Nr. 7

Konditorzimmer

Der nordwestliche Eckraum, in seiner Gestalt spiegelbildlich Nr. 5 entsprechend, war der Erfrischungsraum der Conversationszimmer (im Inventar »Zimmer für den Conditor«, 1843 »Büffet« genannt 289 und noch 1868 als »Conditorzimmer« erwähnt 390 ). 284 285 286 28T 288 289 290

88

Abb. bei Louis Hautecoeur, L'Architecture classique en France VI/S. 350. LBA Fasz. 4. LBA Fasz. si in Fasz. 6 (1885) als »Großes Garderobezimmer« bezeichnet. LBA Fasz. 7. Münchner Neueste Nachrichten 93. Jahrg./Nr. 311/6. 11. r940, S. 9, und Bericht im LBA Fasz. r5. LBA Fasz. 1. LBA Fasz. 4. - Nach HSA Staatstheater 13319 (Odeons-Büffet-Miete) hatte seit 1. 5. 1834 Joseph Teichlein die Konditorei gepachtet u. das Recht, bei allen Unterhaltungen im 1. Stock, »als Bällen, Konzerten, maskirten Akademien, Soupers u. Diners«, Gebäcke u. Getränke zu reichen. 1855—70 übernahm Georg Hof die Odeonskonditorei, dann Heinrich Radi u. 1875 Conrad Ströhlein.

1881 wurde der Raum renoviert291 und erscheint in der Folge als »Vorzimmer der Garderobe« (= Nr. ö)292, später als Lehrzimmer und 2. Garderobe293. Die ursprüngliche Ausstattung umfaßte Vorhänge, deren gelbe Draperien gelbe und weiße Fransen hatten (Farbe der Wände grün?), 3 große lange Tafeln in MahagoniImitation und mit grünem Wachstuch überzogen, 3 ebensolche kleinere Tische, 41 Sessel, 1 Stockuhr mit braunem Kasten und vergoldeten Bronzezieraten, 2 Spiegel, r Lüster mit 18 Lampen und 1 Spuddcästchen. Der Raum der anschließenden kleinen Treppe mit Vorplatz (Erdgeschoß Nr. 10) bildete nach Beseitigung der Stiege 1877 ein Durchgangskabinett (an der Schmalseite gegenüber dem Fenster halbkreisförmig gerundet mit Tür zur Toilette). Nr. 8

Garderobe

Etwa 7 x 9 m großer Raum mit drei Fenstern, deren Vorhänge Draperien mit weißen Fransen hatten (keine Farbe angegeben, am ehesten grün — und gelbe Wände — anzunehmen, eventuell auch rot). Inventar: Ein Lüster mit 12 Lampen, »37 Stöcke mit Kreuzfüßen und Latten silberfarb angestrichen zum Kleideraufhängen«, 400 eiserne Kleiderhaken, 1 Tisch aus Fichtenholz, 1 großer Tisch mit grünem Wachstuch, 2 große viereckige Spiegel, 6 Sessel und 2 Spuckkästchen. Seit 1840 mündete die neue Fußgängertreppe (s. Erdgeschoß Nr. xi) in den Raum, dessen Grundfläche dadurch verkleinert wurde; der Bau der neuen Säulentreppe von 1877 füllte ihn dann großenteils aus, so daß nur noch ein Vorplatz (Durchgang) an der Fensterseite übrig blieb. Nr. 9 V o r z i m m e r Eingangsraum zu der Reihe der Conversationszimmer von der Steintreppe her, etwa 1 1 x 7 m groß, mit drei Fenstern, deren Vorhänge blaue Draperien hatten (Wände rot?). 1882 wurde eine zweite Tür zur Treppe hin ausgebrochen. Anläßlich der Renovierung von 1884 wird erwähnt, daß die »Wände in einfacher dekorationsloser Feldereintheilung« gehalten waren und daß ein großer weißer Kachelofen im Raum stand284. Später diente er als Lehrzimmer und 1. Garderobe295. Ursprüngliches Inventar: 2 große Spiegel, ein Lüster mit 12 Lampen, 42 Sessel, eine lange Tafel und 2 Spuckkästchen.

III. Zweiter Stock

Die zweite Etage enthielt laut Protokoll »ebensoviele Speisesäle, als in der 1. Etage Conversations-Zimmer sind; über den Apartements der Allerh. Herrschaften 2 Piegen, dem Traiteur zugewiesen« (als Wohnung). Der Pachtvertrag mit dem Gastwirt29® über291 292 293

LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 6 (1888). LBA Fasz. 7 (1898).

294 295 296

LBA Fasz. 6. LBA Fasz. 7 (1898). HSA MF 56056. 89

ließ diesem die Z i m m e r Nr. 3—9, »welche ausschließlich zur Bewirthung der Gäste bestimmt sind«. Das Obergeschoß bildete also eine Fortsetzung des Restaurants i m Parterre, von dem es durch das Hauptgeschoß getrennt war — eine Anordnimg, die Kritik hervorrufen mußte — m a n fand die Lokalitäten zu hoch gelegen, weshalb das Publik u m , zum Schaden des Wirtes, den überdies zu steilen und umständlichen Aufstieg scheute; die Speisen wurden während des Hinauftragens kalt, die Bedienung verzögert 2 9 7 . Der Dresdner Kritiker tadelt »die profane Welt« dieser R ä u m e und bezeichnet sie als »gewöhnliche Gastzimmer, w o Braten und Salat, Flaschen aller Art ungestört hausen können« 2 9 S . Vermutlich waren die R ä u m e i m Erdgeschoß mehr f ü r den öffentlichen, v o n der Straße zugänglichen Betrieb gedacht, die im 2. Stock z u m Speisen während oder nach den Festlichkeiten i m 1. Stock sowie f ü r Diners und Soupers in geschlossenem Kreise, Festmähler zu bestimmten Anlässen u. dgl. 2 8 9 . D e m Grundriß (Tafel 1 3 , Abb. 3 1 ) nach glichen die R ä u m e ganz den daruntergelegenen i m 1. Stock, auch die Anordnung der Türen war dieselbe, doch entfielen die Verbindungen zum großen Saal, dessen Galerieboden etwa in halber Höhe der umliegenden Z i m m e r verlief. D i e Breite des prachtvollen Abschlußgesimses an der Außenfront ermöglichte im Inneren des Obergeschosses eine Steigerung der Raumhöhe (6 m) durch reich ausgebildete Gesimse (Nr. 3 und 4 auf dem Klenzeschen Blatt der Profile, s. Tafel r3, Abb. 33); Klenzes Schnitte durch das Odeon sehen in den R ä u m e n 3 und 6 das Gesims Nr. 3, in R a u m 9 Nr. 4 vor, doch scheint bei der Ausführung nur das Profil Nr. 3 mit seiner mächtigen Hohlkehle angewendet worden zu sein, da es allein auf allen späteren Schnitten erscheint (nur auf dem Vorherrschen Blatt ist ausschließlich Nr. 4 eingezeichnet) 3 0 °. Ansonsten war Gestaltung und Einrichtung der oberen Z i m mer etwas einfacher gehalten als i m Hauptgeschoß; Sockel, Türstöcke und Türflügel waren zwar gleichartig, doch der Boden war statt mit Parketten mit Brettern v o n Fichtenholz belegt 3 0 1 , und v o n einer Dekorationsmalerei an Wänden, Gesimsen und 297

Antrag Findels an d. Hoftheater-Int. v. 7. 3.1828 (HSA Staatstheater 13317), u. Antrag Findels an das Fin.-Min. 10. 3. 1834 (HSA MF 56056).

298

Eos Nr. 36J3. 3. 1828.

289

Schorns Kunstblatt 7 / Nr. 36 / 4. 5.1826, S. 141: »Der zweyte Stock enthält ebenfalls Säle u. Gemächer für die Nebenzwecke der Feste, Soupers usw. bestimmt.« — Vgl. auch G. K. Nagler, Acht Tage in München, Mü. 1845, S. 99. Das wohl erste derartige Festmahl wurde am Sonntag, 13. 1. 1828 von derAkad. d.Wiss.u.d.Univ. zum Jubiläum Lorenz v. Westenrieders veranstaltet (genauer Bericht in Flora Nr. n / 1 5 . 1. 1828, S. 47, doch fand es vielleicht im Großen Saal statt wie das Festmahl zu Ehren Thorwaldsens 1830; letzteres sowie ein großes Mittagsmahl anläßlich der Stiftungsfeier der Univ. 1830 erwähnt bei Max Spindler, Briefwechsel zw. Ludwig I. v. Bayern u. Eduard v. Schenk, Mü. 1930, S. r29 u. r4r.) — Im 1. Stock Speisen u. Getränke zu reichen, war dem Gastwirt verboten (Antrag Findels an Finanzmin. 10. 3.1834, HSA MF 56056).

300

Doch hatten die Räume 5 u. 6 verschiedene Gesimse, das von 6 sprang weiter vor (LBA Fasz. 3, anläßlich der Vereinigung beider zu einem Saal), s. u.

301

6 Doppeltüren 1847 »silberfarb angestrichen« (LBA Fasz. 2), um 1850 Türen im Saal 5/6 weiß (LBA Fasz. 3). — Zum Boden siehe LBA Fasz. 7 (1891).

90

Decken ist nirgends die Rede. Vermutlich waren die Wände jeweils einfarbig gestrichen und die Decken weiß 302 . Die Einrichtung der Speisezimmer war ähnlich der in den Konversationszimmern darunter. Die Vorhänge bestanden hier aber nicht aus feinem Mull, sondern aus weißem Percal (Baumwollstoff) und hatten zwar farbige Draperien, doch ohne Fransen; dazu bronzierte Stangen und vergoldete Rosetten wie im i. Stock. Wichtigstes Element der Ausstattung waren hier natürlich zahlreiche lange Tafeln zum Speisen,- sie waren von Buchenholz, auf Mahagoniart lackiert und mit grünem Wachstuch überzogen. In der gleichen Art gefertigt waren auch die z. T. außerdem noch vorhandenen kleineren Tafeln und sonstigen Tische. Dazu kamen in großer Zahl Sessel gleich denen im i. Stock, einzelne Spiegel mit mahagoniartig lackierten Rahmen sowie Lüster mit 12 oder 18 Lampen wie im 1. Stock. Von allen Teilen des Odeons verlor der 2. Stock am frühesten und gründlichsten seine ursprüngliche Einteilung, Gestaltung und Einrichtung, denn schon seit 1834, nach dem Ende des Wirtschaftsbetriebes, stand er anderweitigen Zwecken zur Verfügung. Zunächst wurden die Räume vermietet und so die Einnahmen der Intendanz vermehrt 303 . Bedeutendster Mieter war die oberbayerische Industrie-Ausstellung, die hier Ende 1834 sowie abermals 1835 veranstaltet wurde und die hier auch (bis 1836) ihr Büro hatte 304 . Anfang der vierziger Jahre wird berichtet, daß »dermalen das ganze obere Stockwerk . . . , 9 Zimmer und Saale umfassend, an Maler vermiethet sind, welche dieselben als Ateliers benützen«, und daß sich fünf gesonderte Partien mit eigenen Eingängen bilden ließen 305 . So hatten hier ihre Werkstatt der Porträtmaler Friedrich Dürck (Nr. 3, 4 u. 5 bis r. 7. 1846) und der Historienmaler Karl Schorn (zuerst wohl Nr. 8 u. 9, dann die zuvor von Dürck benützten Räume bis 15. 3. 1847) 306 . Durch allerhöchste Anordnung vom 22. 2. 1846 auf den Antrag des K. Staatsministeriums des Innern erhielt das K. Musikconservatorium bis auf weiteres den oberen Stock des Odeons zur unentgeltlichen Benützung eingeräumt 307 . Noch im gleichen Jahr wurden in den vier Unterrichtssälen (Nr. 6, 7, 8 u. 9) unterhalb der Gesimse dünne Zwischendecken eingezogen, »welche die Höhe der Zimmer bis auf etwa 16 oder 17 Fuß mindern« sollten; die Räume Nr. 7, 8 und 9 wurden außerdem durch Scheidewände unterteilt, die aus Lattenwerk hergestellt waren, damit sie bei Bedarf später 502

303 304

305 304 307

Die Ausmalung erfolgte erst nach der Eröffnung des Odeons: »DadieZimmer im 2.tenStocke ausgetrocknet sind, so bitte ich, dieselben nunmehr gnädigst ausmahlen zu lassen, indem sie sehr unreinlich aussehen . . .« (Antrag Findels an Hoftheater-Int. 7. 3. 1828, HSA Staatstheater 13317)HSA Staatstheater ^ 3 1 7 fol a n . ebenda, sowie HSA MF 56056 (1837). Vgl. Felix Schiitter, München, dessen Kunstschätze, Umgebungen u. öffentl. Leben. Mü. 1841, S. 168 f., und HSA Staatstheater 13343 (im Juni 1851 fand die Ausstellung im 1. Stock statt). LBA Fasz. 2. LBA Fasz. 2; HSA Staatstheater 13317 (Odeonsrechnung pro 1843/44); HSA Staatstheater 13343-

HSA Staatstheater 13317 fol. 301 u. 329, u. MF 56056. 9i

leicht wieder entfernt werden konnten 308 . Zunächst waren die Unterrichtssäle noch durch die drei von Schorn benützten Räume unterbrochen; im Sommer 1847 waren letztere nochmals vermietet, und zwar an den Inhaber des anatomischen Wachspräparate-Kabinetts Paul Zeiler, dann (ab Oktober) an den Historienmaler Hermann Stilke 309 ; erst am r. 1. r848 erhielt das Konservatorium auch diese Zimmer 3 1 0 ; in Nr. 3 und 4 wurden nun ebenfalls Zwischendecken eingezogen, Nr. 3 wurde außerdem geteilt 3 1 1 . Das Eckzimmer Nr. 5 wurde bald darauf mit Nr. 6 zu einem Konzertsaal vereinigt. Naturgemäß brachte der Unterrichtsbetrieb häufige Umbauten und Zweckveränderungen mit sich, zumal das Gebäude nicht als Musikakademie geplant und für diese Bestimmung letztlich auch zu klein war. 1891 wurden alle Räume renoviert und dabei die fichtenen Bretterböden durch eichene Riemenböden ersetzt 312 ; 1894 gewann man neue Lehrzimmer durch Abtragen des Oberteils der Haupttreppe (s. oben), und im Anschluß an diese wurden 1 9 1 2 einige Unterrichtsräume im 2. Stock des anstoßenden Pössenbacherhauses (ehemals Mejan-Palais) gemietet und eine Verbindung zu ihnen durchgebrochen 3 1 3 . Nr. r und 2 W o h n u n g

des

Traiteurs

»Die gegen den Hofgarten hin befindlichen Zimmer r und 2 sollen dem Traiteur zur Wohnung dienen . . . ; da aber gerade unter jenen Zimmern . . . das Kabinet und der Salon der Allerhöchsten Herrschaften sich befinden, so darf der Traiteur daselbst keine Gäste setzen« 3 1 4 . (Die Einrichtung der Wohnimg war Privatsache des Wirtes.) Nach 1846 dienten die Räume als Geschäftszimmer des Vorstandes und des Sekretärs des Konservatoriums; 1878 zog die Verwaltung ins Erdgeschoß (Nr. 5—7), die Mauer zwischen beiden Räumen wurde beseitigt und so ein 13,4 X 7,3 m großer Saal (mit vier Fenstern) geschaffen, in dem eine 4 m tiefe Ubungsbühne mit Proszeniumsrahmen eingebaut wurde; die Wände dieses »kleinen B ü h n e n s a a l e s « wurden pompejanischrot getüncht, die Decke geweißt 316 . Später hieß der Raum »großer Chorsaal«, auch »großer Lehrsaal«; in ihm wurde 1888 eine Garderobe für die Galeriebesucher eingerichtet und eine Tür zu der halbrunden Galerietreppe durchgebrochen316. Nr. 3

Speisezimmer

Ursprüngliches Inventar: 3 Vorhänge mit gelben Draperien, 4 lange Tafeln, 42 Sessel, 2 große Spiegel, 1 Lüster mit r2 Lampen. Der Vertrag mit dem Gastwirt stellte es diesem frei, »auch das Zimmer No 3 für sich und seine Familie zu verwenden« (vgl. 308 309 310 311 31S 313

92

LBA Fasz. 2. HSA Staatstheater 13343. LBA Fasz. 2. Die Zwischendecken wurden später wieder entfernt; auf jüngeren Schnitten (seit r894) nicht mehr eingetragen. LBA Fasz. 7. LBA Fasz. 10. — Schon 1890 waren im anstoßenden Hause des Grafen Quadt-WickradtIsny (Briennerstr. 56) Dienstbotenkammern eingerichtet worden (LBA Fasz. 7).

Anm. 314), und alsbald hatte Findel »in dieses Zimmer 2 Anverwandte in Logis genommen, weswegen er die ursprünglich vorhandenen Meubles in die anderen Zimmer verteilte, und den beiden Zimmerherren von seinen eignen Meubles hineinstellte« 31T . So fand die Protokollbesichtigung am 27. 5.1828 hier nur vor: 3 Vorhänge, 1 lange Tafel, 2 kleinere Tischchen, 6 Sessel, die beiden Spiegel und den Lüster. 1848 wurde der Raum geteilt und sein südliches Drittel als einfenstriges Kabinett vom Rest abgetrennt; 1882 wurde die Zwischenmauer wieder beseitigt318. In der Folge diente der Raum als »Kontrapunktzimmer«319. Nr. 4 » C o n v e r s a t i o n s z i m m e r

resp.

Speisezimmer«

So im Inventar bezeichnet; es enthielt 2 Vorhänge mit blauer Draperie, 5 lange Tafeln, so Sessel, einen Spiegel und einen Lüster mit 12 Lampen. Später Klavierzimmer (vgl. Anm. 319). — Anschließend im Norden kleiner Durchgangsraum und Toilette wie darunter. Nr. 5

Speisezimmer

Das nordöstliche Eckzimmer enthielt ursprünglich 5 Vorhänge mit carmoisinroten Draperien, 5 lange Tafeln, 1 kleineres Tischchen, 64 Sessel, 2 große Spiegel, einen Lüster mit 18 Lampen und eine Stockuhr. In den vierziger Jahren gehörte es zum Atelier von Friedrich Dürck; von diesem übernahm es 1846 Karl Schorn an Stelle seiner bisherigen Räume, weil er vom König den Auftrag zu einem großen Ölgemälde »Die Sündflut« erhalten hatte; er ließ zur besseren Beleuchtung in der Decke ein Oberlicht anbringen (»die Decke im Dachstuhl ausschneiten und ein vergittertes Fenster mit Eisenrahme auflegen«)320, das nach seinem Weggang bald wieder geschlossen wurde. (Weiteres, u. a. Erwähnung des blauen Anstrichs der Wände, bei Nr. 6.) Nr. 6

Speisezimmer

Dieser größte Raum der Etage 321 hatte Vorhänge mit grünen Draperien (und rote Wände?) und enthielt 9 lange Tafeln, 4 kleinere Tafeln, 67 Sessel, 2 Spiegel und 3 Lü314 315 316

317

318 319 320

321

Vertrag mit Findel HSA MF 56036. LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 6 (Eine Tür, der eine kleine Treppe vorgelegt ist, sdion auf dem Grundriß bei Reber r876 zwischen Raum 1 u. Galerietreppe eingezeichnet.) »Protokoll abgehalten im Odeon am 27. 5. 1828 im Auftrag der Hoftheater-Intendanz« zum Vergleich mit Galleris Inventar (HSA Staatstheater 13317). LBA Fasz. 5. So z. B. 1888 bezeichnet (LBA Fasz. 6). LBA Fasz. 2. Vgl. Thieme-Becker, Künstlerlex., Art. Schorn: hier auch das Gemälde als unvollendet u. im Depot der Neuen Pinakothek München befindlich erwähnt. Auf dem eigenhändigen Klenze-Grundriß ist entlang der Südwand des Raumes eine Treppe eingezeichnet, die zu einer Tür in der Mitte der Nordgalerie des Großen Saales führte; dieses Projekt wurde bald fallen gelassen: schon auf der 2. Saalansicht Klenzes fehlt diese Tür. 93

ster mit je 12, Lampen. Seit 1846 diente er als K o n z e r t s a a l d e s K o n s e r v a t o r i u m s (»Productions- und Prüfungssaal«). Als dieses Institut 1848 auch Nr. 5 als Lehrsaal erhielt, wurden Konzert- und Ecksaal sogleich durch drei Türen verbunden, wobei letzterer bei Konzerten dem Publikum dienen sollte. Doch war diese Lösung unbefriedigend, und 1850 erfolgte die schon lange geplante Verbindung beider Räume zu einem einzigen Saal. Die Zwischenwand wurde ausgebrochen, die Nahtstelle sollte (nach den Plänen und Akten im Landbauamt, die vielleicht nicht ganz ausgeführt wurden 322 ) durch 3 Fuß breite Pilaster aus Holz, die mit Ölfarbe marmorartig gestrichen waren, maskiert werden (Nr. 6 sprang nämlich gegenüber Nr. 5 etwas nach Süden vor; die Gesimse waren ebenfalls verschieden — das in Nr. 6 sprang weiter vor —; deshalb erfolgte 1853 die »Herstellung der Hohlkehle in dem dermalen blau getünchten Theile des Saales, durch Mauerung wie dieselbe in dem andern Theile des Saales bereits besteht« 323 . Spätere Grundrisse und Schnitte zeigen an der Nahtstelle nur schlichte, wenig vorspringende Wandpfeiler, die ein Balken unterhalb der Decke verband. — Schon 1849 war an der Westseite des Saales auf dem Podium eine Orgel aufgestellt worden324,1875 wurde sie »weiter vorgerückt« 325 und 19x2 durch ein neues, größeres Instrument von Steinmeyer (Oettingen) ersetzt 326 . In jüngerer Zeit hieß der Raum »Orgelsaal«, später »Kleiner Saal«. Noch 1940 erhielt der runde Ofen im Winkel des Vorsprungs gegen Süden hin eine neue Umgitterung 327 . Nr. 7

Speisezimmer

Das nordwestliche Eckzimmer hatte 5 Vorhänge mit gelben Draperien und enthielt 5 lange Tafeln, 56 Sessel, 2 Spiegel, 1 Stockuhr und einen Lüster mit x8 Lampen. 1846 wurde es geteilt: der annähernd quadratische, größere Ostteil (mit 2 Fenstern) diente als Orgelzimmer — das Instrument stand an der Ostwand 328 ; im Westen blieb ein schmaler Raum mit einem Nord- und 2 Westfenstern übrig, der später als »Wartezimmer« bezeichnet wurde 329 . — Südlich anschließend Nebentreppe, nach ihrer Abtragung (1877) Vorplatz (Durchgangszimmer). Nr. 8 B ü f f e t »Findels Buvette« im Inventar; enthielt 3 Vorhänge mit blauen Draperien, 2 große Spiegel, einen Tisch und 2 Sessel. 1846 wurde an der Südseite ein schmaler Streifen mit einem Fenster abgetrennt, der Rest bildete ein etwa quadratisches, zweifenstriges Lehrzimmer. 1877 wurde die Zwischenwand wieder beseitigt, weil hier die neue Säulentreppe zur Galerie mündete (s. Erdgeschoß Nr. n ) . 822 323 324 325 326 327 328 329

94

LBA Fasz. 3. ebenda. LBA Fasz. 3. LBA Fasz. 5. LBA Fasz. 10. Pläne im LBA. Vermutlidi die in LBA Fasz. 3 1851 erwähnte neue Orgel im Konservatorium. So in LBA Fasz. 6 (1888).

Nr. 9

Vorzimmer

Auftakt zur Flucht der Speizezimmer von der großen Treppe her; enthielt 3 Vorhänge mit carmoisinroten Draperien, 1 lange Tafel, 1 Tisch, 6 Sessel, 1 großen Spiegel und einen »Verschlag nach der ganzen Länge des Zimmers, worin Rechaudes zum Aufwärmen der Speisen sich befinden •— wurde erst seit einigen Tagen auf die Vorstellung des Traiteurs bey der Hoftheater-Intendanz angefertigt«. (Ursprünglich hatte der Wirt beantragt, »daß in der zweiten Etage zu meinem Gebrauche eine kleine Küche gebaut werde, indem es unmöglich ist, die Speisen warm auf den Tisch zu bringen, wenn sie über eine steile Treppe von 96 Stufen heraufgetragen werden sollen, was außerdem in Bezug auf prompte Bedienung äußerst unbequem erscheint«330.) 1846 wurde das südliche Drittel (mit einem Fenster) abgetrennt; später diente der Raum als Klavierzimmer, 1894 wurde er in drei Zimmer samt einem Gang an der Ostseite, von dem aus sie zugänglich waren, unterteilt 331 .

330 331

Antrag Findels an Hoftheater-Intendanz vom 7. 3. 1828, HSA Staatstheater 13317. Vgl. den Plan des Umbaues der Haupttreppe 1894 (im LBA). 95

DRITTES KAPITEL ANALYSE

1. Name und Bestimmung Der N a m e »O d e i o n« bezeichnete bei den Griechen ein für musikalische und rhetorische Wettkämpfe bestimmtes Gebäude, wie es zuerst Perikles 445 v. Chr. nodi aus Holz neben dem Dionysostheater errichtete1. In römischer Zeit umfaßte der Begriff »Odeum« zwei Typen von Bauten: einmal den des gedeckten, folglich relativ kleinen Theaters, wie er in vielen Städten (oft an der Seite des Großen Theaters gelegen) in Resten erhalten oder nachweisbar ist?, und sodann ein längsrechteckiges Auditorium, dessen parallele Seitenwände eine halbkreisförmig ansteigende Cavea abschnitten3. Der antike architektonische Terminus war den Gebildeten des humanistischen Zeitalters natürlich bekannt, vor allem durch Vitruv4, doch erfuhr er erst im Klassizismus eine gewisse Wiederbelebimg. (Was diese Zeit über die antiken Odeen wußte, ist in dem entsprechenden Artikel von Christian Ludwig Stieglitz' »Encyklopädie der bürgerlichen Baukunst«, Leipzig 1797, Bd. 4, S. 28 ff. zusammengefaßt.) Das Münchner Odeon wurde durchaus nicht nach dem Vorbild des berühmten »Théâtre de l'Odèon« in Paris so genannt, das — 1779/82 als »Théâtre Français« erbaut — erst r 797, da damals für lyrische Aufführungen vorgesehen, seinen antikischen Namen erhielt. Mit diesem Pariser Bau wies das Münchner Konzerthaus weder von der Gestalt noch von der Bestimmung her eine Gemeinsamkeit auf, vielmehr deutet die Beschriftung » QSEÏOV « auf Klenzes Plänen darauf hin, daß man in der Wahl dieses Namens einen bewußten, direkten Rückgriff auf die griechische Antike sehen muß, der ja auch die Bezeichnungen mehrerer anderer Monumentalbauten in dem neuen München Ludwigs I. — einem Brennpunkt des Philhellenismus — entlehnt wurden: Glyptothek, Alte und Neue Pinakothek, Propyläen. Solch feierlich erhabene Namengebungen sind 1

2

s 4

96

Zum Odeon des Perikles vgl. Broneer, California Stud. o£ Class. Ardieol. 1/1953, S. 305 ff., u. J. A. Davison in Journal of hellenic Studies 78/1958, S. 33 ff. — Durand in seinem »Recueil« (Tafel 40) rekonstruierte diesen Bau als Oval (s. u.). Beispiele: Athen, Odeon des Herodes Atticus,- Odeen in Argos, Korinth, Gortyn, Kos, Thasos, Pompeü, Catania, Lyon ; auch in Rom gab es mehrere. Beispiele in Epidauros und Athen (Odeon des Agrippa bei der Agora). Vitruv V/9 ; Pausanias I/20.

ein Ausdruck der dem Geist des deutschen Idealismus verbundenen Bestrebungen des Königs, durch Schaffung eines großartigen architektonisch-städtebaulichen Rahmens, in dem sich das Leben ereignen sollte, und entsprechende Institutionen als Inhalt der neuen Gebäude sein Volk zu b i l d e n im weitesten und höchsten Sinn des Wortes. Derartig hochgezielte Namengebungen liegen deshalb über dem Durchschnittsniveau der antikisierenden Mode des klassizistischen Zeitalters, das zwar in der Antike die vorbildliche Bildungsmacht erblickte, doch auch rein äußerlich bis in alltägliche Bereiche hinein mehr oder minder getreu »altertümelte«. Im Zuge dieser Mode lag ein Wiederaufleben des Wortes »Odeon« gewissermaßen in der Luft, und es tauchte denn auch seit dem späteren 18. Jahrhundert in Frankreich, England und Italien verschiedentlich auf®. In Deutschland erträumte Herder ein neues »Odeon der Künste«, Sammlungen lyrischer Gedichte erhielten diesen Titel; »Odeum« wird der Konzertsaal in Schinkels Berliner Schauspielhaus in der lateinischen Inschrift auf dem Portikus genannt, und der bekannte Wiener Musikverleger Tobias Haslinger brachte unter dem Namen »Odeon« Noteneditionen heraus, die auf der Titelseite die Darstellung eines Heiligtums der Musik, mit dem Altar und Apollons Lyra darauf im Mittelpunkt, zeigten (Tafel 15, Abb. 37). Ein Heiligtum der Musik zu sein war auch die höchste geistige B e s t i m m u n g des Münchner Odeons, wie noch ausgeführt wird; rein sachlich gesehen war die primäre Funktion des Gebäudes die des Konzertsaales, die allein in dem in dieser Hinsicht besonders gewichtigen Reskript Ludwigs I. vom 22. 12. 182s angeführt ist und die auch die Gestalt des Saales, seinen erhabenen Charakter und seine Ikonographie (in den Fresken und Büsten) eindeutig bestimmt hat. In der Praxis freilich diente das Odeon — wie ja bis heute fast alle Bauten dieser Art — auch außermusikalischen Zwecken; Ludwig I. selbst bezeichnete es als »Sing-, Lese- und Tonhalle« 6 , d. h. außer der Instrumental und Chormusik und dem Sologesang sollte hier auch die Dichterlesung gepflegt werden — der König selbst nahm ja engsten Anteil an der zeitgenössischen deutschen Literatur. Neben der ernsten Tonkunst und der (freilich wohl nur sehr selten im Hause weilenden) Poesie fand hier, zumal im Fasching, auch die leichte Muse eine Heimstatt (die strenge Scheidung von anspruchsvoller, erhabener Musik und unterhaltender, zum Tanzen bestimmter begann sich erst allmählich durchzusetzen) — doch wurde die Zahl der hier veranstalteten Bälle, Maskenakademien und Redouten im Laufe des 19. Jahrs

8

Vgl. Walther v. Wartburg, Französ. Etymolog. Wörterbuch, Bd. VII/Basel r953, S. 324 (mit Nachweisen); Carlo Battisti/Giov. Alessio, Dizionario etimologico italiano IV/Firenze 1954, S. 2627; Ottorino Pianigiani, Vocabolario etimologico della lingua italiana, Milano 1937, II/926 f; Hans Schulz / Otto Basler, Deutsches Fremdwörterbuch Bd. 2 (Berlin ^42), S. 232. — Zu den deutschen Beispielen wäre noch zu ergänzen die Berliner Lese- u. Tischgesellschaft »Odeon« (E. Preußner, Das bürgerl. Konzert, S. 35). Im Laufe des 19. Jh. wurde der Name allmählich entwertet und immer häufiger für Vergnügungsstätten aller Art verwendet — bis heute heißen so — außer Theatern — auch Kinos, Music-halls, Vergnügungsetablissements usw. Zitiert nach Ludwig Wismeyer, Das Odeon (Münchner Merkur, Nr. 4 vom 7-/8. 4. 1962, S. 6). 97

hunderts immer geringer 7 . Darüber hinaus diente der Saal als »Festlokale«8 für Veranstaltungen der verschiedensten Art und wurde von der Hoftheater-Intendanz von Fall zu Fall an Interessenten vermietet. Besonders vielseitig war auch die Verwendungsmöglichkeit der zahlreichen Nebenräume; sie dienten nicht nur den schon erwähnten Kammerkonzerten (im Kleinen Saal), dem Restaurationsbetrieb und als Foyers bei Konzerten und Bällen, sondern wurden mietweise den verschiedensten Vereinen, Gesellschaften und Institutionen zur Abhaltung von Sitzungen und Tagungen, Festmählern, Vorträgen, kleineren Ausstellungen u. dgl. überlassen 9 ; im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm allerdings die Musikakademie die Nebenräume mehr und mehr und schließlich völlig für sich in Anspruch. Insgesamt hatte das Odeon im vorigen Jahrhundert — immer unter dem Primat der Musik — im gesellschaftlichen Leben der Stadt eine Funktion, die entwicklungsmäßig zwischen den alten »Redoutenhäusern« und der seit der Gründerzeit aufkommenden Gattung der Stadt- und Kongreßhallen liegt. Erst nach 1900 verdrängte die Musik die andersartigen Veranstaltungen nahezu völlig aus dem Gebäude. Den ursprünglichen Zweck des Gebäudes definiert am treffendsten der Begleittext zu einer 1829 erschienenen Ansicht des Odeonsplatzes 10 ; hier heißt es: »Das Odeon . . . ist zu Feyerlichkeiten, welche für das Innere der königlichen Residenz nicht geeignet sind, zu Bällen und Concerten bestimmt«. In dieser Formulierung spiegelt sich die geistesgeschichtliche Situation wieder, die für das Entstehen des ludovizianischen München grundlegend war — die Loslösung bestimmter Bereiche aus dem Zusammenhang des Fürstenschlosses, die sich als neue, für die Öffentlichkeit bestimmte Bauaufgaben verselbständigen, wie Museum, »National«-Theater, Konzertsaal, Bibliothek, verschiedene Regierungs- und Verwaltungsbauten. München, damals eine der lebendigsten und fortschrittlichsten Hauptstädte, stand in dieser Hinsicht neben Berlin an der Spitze der Entwicklung mindestens im mittleren Europa, und seine Gebäude dieser Art sind besonders aufschlußreiche Dokumente des Ubergangs, indem sie immer noch gewisse höfische Reminiszenzen aufweisen; so enthielt z. B. die Glyptothek auch Festräume für den Kronprinzen, das Nationaltheater war zugleich noch Hoftheater mit Königsloge und Königssalon, und das Odeon, das gleichfalls seine Königszimmer besaß, war insofern ein typisches Monument dieser Ubergangszeit, als es, wie ausdrücklich öfter bemerkt wird 1 1 , als eine Stätte zwangloser Nähe und Begegnungsmöglichkeit zwischen 7

8 9 10 11

98

Bezeichnend dafür, wie sehr sich Ludwig I. selbst bei nebensächlichsten Entscheidungen von einer strengen Einstufung der Dinge in eine Werthierarchie leiten ließ, ist der Umstand, daß er 1843 dem anglikanischen Geistlichen verbot, ein Hinweisschild-Anglican Church« am Nordtor des Odeons anzubringen, — es sei unziemlich, daß an einem Gebäude, in dem getanzt werde, »Kirche« geschrieben stehe! (Signat v. 14. 8. r843, HSA Staatstheater 13343)A. v. Schaden, Artist. München im J. 1835, S. 55. HSA Staatstheater r3343 (Vermietungen). Stadtbibl. München — Monacensia-Abt. Kat.-Nr. Mon 4442 (»München, Odeonsplatz, Maximilianspl., Glyptothek« 1829). Rede Armanspergs vor dem Landtag (1. Kap. Anm. 102).

König und Volk gedacht war — schon ohne eigene Loge für den Herrscher. Vor allem aber war im damaligen München der Bauherr nicht die »Nation« bzw. ihre demokratische Vertretung, sondern der fortschrittlich gesinnte König, der alle diese Bauten dem meist widerstrebenden, verständnislosen Volk als Geschenke geradezu aufdrängen mußte. Wahrhaft königlich sind denn auch die Ausmaße, der Aufwand, vor allem aber die (durch verständnisvolles Mäzenatentum ermöglichte) edle Formensprache dieser Gebäude, zumal im Vergleich mit den bescheidenen Lösungsversuchen derartiger Bauaufgaben in rein bürgerlichen Städten oder mit den protzigen Bauten der konstitutionellbürgerlichen zweiten Jahrhunderthälfte in den meisten übrigen Hauptstädten. Die Ubergangsphase erwies sich als künstlerisch glücklichster Augenblick für die neuen architektonischen Gattungen. Fast könnte man das palastartige Äußere des Odeons als geradezu bezeichnend für diese Stufe der Entwicklung ansehen. Der Vergleich mit den relativ wenigen, oft recht dürftigen anderen Bauten dieser Gattung in deren Frühzeit zeigt, daß die meisten damaligen Konzertsäle in Theater, Gesellschaftshäuser oder schon bestehende ältere Gebäude (Gewandhaus Leipzig) eingefügt waren, ohne von außen besonders kenntlich zu sein. Noch hatte sich kein Typus eines Konzerthauses herausgebildet, dessen Funktion sich schon im Äußeren sichtbar ausprägte. Ein Blick auf die damals in der Kulmination stehende, benachbarte Gattung des Theaters zeigt, daß auch dort gerade erst die Anfänge einer funktionalen Gliederung des Baukörpers bemerkbar werden, z. B. an den dreiflügeligen Bauten von Fischers Nationaltheater in München 1 8 1 1 , von dem nur der Mittelteil ausgeführt wurde, von Schinkels Berliner Schauspielhaus 1819 und von Corazzis Teatr Wielki in Warschau 1825, dann mit neuartiger Intensität — mit konvex hervortretendem Zuschauerraum — bei Mollers Theater in Mainz 1829 und bei Sempers erstem Hoftheater in Dresden 1838 1 2 . Der herkömmliche Typus war der einheitliche, ungegliederte Baukörper, wie ihn z. B. — besonders bezeichnend für die sakrale Auffassung der Gattung durch die Zeit—das als reiner Prostylos gestaltete Aachener Theater von Joh. Peter Cremer (1823—25) repräsentierte. Ein derartiges tempelartiges Äußeres hätte am ehesten der inneren Raumform des Odeons entsprochen. Klenze selbst kann der Zwiespalt von Außengestalt und Innerem beim Odeon nicht eigentlich zum Vorwurf gemacht werden, wie es so oft geschah 13 ; er dürfte ihn ohne Zweifel selber gespürt haben, da ihm die Forderung nach Entsprechung von Fassade und Inhalt eines Gebäudes, wie er selbst betonte, eine Selbstverständlichkeit war 1 4 ; im vorliegenden Fall mußte er, wie die Baugeschichte zeigt, einen Kompromiß schließen, wie er im Alltag der Architektur aller Zeiten nur zu häufig ist. 12

ls

14

Vorläufer dieses Typs in der Theorie gab es schon lange, 2. B. bei Milizia, Durand, Gilly,seine Vollendung ist Sempers Modell zum Wagner-Festspielhaus in München (1865), von dem dann die 2. Dresdner Oper Sempers sowie das Wiener Burgtheater abgeleitet sind. Besonders scharf bei Alfred Woltmann, Die Münchener Architektur dieses Jahrhunderts, München 1863, S. 47 f., und bei Wolfg. Hermann, Deutsche Baukunst des 19. u. 20. Jh., I. Teil, Breslau 1932, S. 55. Er betont es ausdrücklich in seinem Manuskript »Uber Griechisches u. Nichtgriechisches«. 99

IL Das Äußere i. C h a r a k t e r Dem Anblick — am besten schräg von Nordosten, von der Ludwigstraße her — bietet sich das Odeon als ein Bau von vornehmer Zurückhaltung und harmonischer Ausgeglichenheit in jeder Beziehung dar: stattlich, doch nicht von betonter, besonders auffallender oder gar aufdringlicher Größe — ein einheitlicher, prismatisch lagernder Block ohne jeden Risalitvorsprung oder vertikalen Aufsatz, doch keineswegs von kubisch kraftvoller oder gar brutaler Massivität und auch nicht von spröder Monotonie — mit einem festlichen Reichtum an architektonischen Gliedern und dekorativen Details, der jedoch, keineswegs üppig oder gar überladen wirkend, sich gleichmäßig über die Fassaden verteilt, ohne bestimmte Teile durch eine besondere Verdichtung hervorzuheben. Im ganzen dominiert zwar, der prismatisch lagernden Grundform entsprechend, die waagrechte Komponente in dem ununterbrochenen Verlauf von Sockel, Zwischengurten und Abschlußgesims, doch ist die horizontale Grundstruktur von senkrechten Elementen, wie Fensterrahmungen und Eckbossen, unaufdringlich in einer Weise durchwachsen, daß der Eindruck schweren Lagerns gerade aufgehoben erscheint. Wirkt der Bau als Ganzes auch nicht durch plastisches Volumen nach außen, so scheint er doch andererseits nicht nur aus dünner Oberfläche zu bestehen. Ebenso sind die Detailformen und Ornamente keine von der inneren Substanz des Gebäudes herausgetriebenen, von Aktivität erfüllten Gebilde, doch auch keineswegs bloß trockene, schwächliche Appliken. Als ein zartes Relief, nicht saftig schwellend doch auch nicht dünn und linear, treten sie klar und still vor die Grundfläche, jede Einzelform schön und gemessen in sich geschlossen und doch keine isoliert — vielmehr überziehen alle Details wie ein kontinuierliches Netz die gesamte Fassade, wobei glatte Fläche und plastisches Relief sich die Waage halten — weder dominiert für den Eindruck die ungegliederte Grundebene, noch wird sie vom Dekor übersponnen und verdeckt. Doch erscheint dieses Gleichgewicht nicht angespannt errungen oder festgehalten, sondern wie ein mühelos selbstverständlicher Zustand. Gleichartig ist auch das Verhältnis von Fläche zu Öffnung: die Fenster stehen ziemlich nahe beieinander, größer sind die Abstände zwischen den Geschossen — so stehen die an sich stärker vertikalen (hochrechteckigen) Öffnungen untereinander mehr in der Horizontalen als in der Senkrechten in Verbindung, und die sie umgebende Fläche unterstreicht mit ihren langen, ununterbrochenen Streifen über den Fensterreihen ebenfalls stärker die liegende Grundtendenz des Baublocks. Die Fensterscheiben sitzen nicht besonders tief in der Mauerstärke, doch auch nicht unmittelbar an der Oberfläche — auch hier ergibt sich der Eindruck des flachen Reliefs, nicht der einer dicken, massiven Wand oder einer dünnen Außenhaut. Für die Wirkung und Eigenart des Baues von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist der Umstand, daß er nicht aus massivem Stein, sondern aus Ziegelmauerwerk mit Verputz errichtet ist; dadurch allein wird schon von der Substanz her der Eindruck schwerer Massigkeit gemildert, und die dekorativen Details, Profile und Ornamente IOO

erscheinen nicht scharf geschnitten und hart und spröde aus dem Material gehauen (wie bei vielen anderen, zumal französischen Bauten der Zeit), sondern weich geformt, und der farbige Überzug, der das Licht nicht hart und völlig reflektiert, läßt ihre Oberfläche nicht als scharfkantige Begrenzung, sondern als weiche, gleichsam lebendige Haut wirken. Ein weiteres trägt der leuchtende Anstrich — schon ursprünglich gelb — dazu bei, dem Odeon eine warme, helle, intensiv farbige Ausstrahlung zu verleihen. (Auch das ursprüngliche Ziegeldach erschien substantiell weicher und wärmer als das spätere Schieferdach.) Uberhaupt ist der Charakter der Fassaden in der Fläche wie im Relief nicht trocken, leblos und spröde, aber auch nicht von dynamischer Aktivität erfüllt, sondern es wirkt in ihnen eine feine, verhaltene Lebendigkeit — die plastischen Formen scheinen gleichsam aus der Fläche heraus zu blühen, sie in einem fließenden Rhythmus sanft zu überspielen. Insgesamt strahlt der Bau eine Aura kühler Frische, jugendlicher Herbheit und frühlingshafter Helle aus,- er atmet in reiner Anmut, heiterer Ruhe und stiller Gelassenheit. Die Wirkung, die von ihm ausgeht, hat etwas Unwirkliches, gleichsam Schwebendes an sich •— der Palast steht nicht in selbstverständlicher, kraftvoll in sich gegründeter Plastizität da, sondern leuchtet eher verhalten von innen heraus wie eine bildhafte Erscheinung. Er ist kein in sich selbst ruhender, isoliert existierender Körper, sondern auf Ansicht berechnet und bezeichnenderweise Teil einer großen städtebaulichen Komposition. Das gleiche, was über Qualität und Charakter der Fassadengestaltung insgesamt festzustellen ist, gilt entsprechend auch für die Details. Als Beispiel sei besonders auf die kühle Klarheit und den reinen Adel der Ädikulen des Hauptgeschosses (Tafel 1 2 , Abb. 26) und auf die heitere Pracht und lebendige Anmut des den Bau abschließenden Gesimses hingewiesen (Tafel 12, Abb. 28). Gleichen Geist atmen auch die plastischen Ornamente für sich genommen; die Adlerkapitelle der Ädikulapilaster z. B. sind nicht von plastischem Volumen erfüllt, doch auch nicht trocken, dünn und von graphischer Linearität — in ihrer einfachen, harmonischen Komposition und ihrem maßvoll herausgearbeitetem Relief eignet ihnen der Charakter feiner, erlesener Eleganz. In ihrer vollendeten Harmonie und Ausgewogenheit, in ihrem verhaltenen kühlen Leuchten — in ihrem mit einem Wort vielleicht am besten als »apollinisch« zu bezeichnenden Charakter ist die Leuchtenberg- bzw. Odeonsfassade ein künstlerisches Meisterwerk — Ausdruck einer Epoche, deren Ideale die »edle Einfalt und stille Größe« waren — eine würdige bauliche Verkörperung des Geistes edler Humanität, wie er sich etwa in Goethes Iphigenie äußert 1 5 .

15

Eine analyt. Auseinandersetzung mit der äußeren Gestalt des Odeons betrifft zugleich und primär das Leuchtenberg-Palais, von dem das Odeon nur eine jüngere, städtebaulich bedingte Wiederholung ist. — Vgl. die Beschreibung u. Interpretation der Leuchtenbergfassade bei Hans Kiener, Leo v. Klenze, Diss. München 1920, S. 289 ff. (im Exemplar des kunsthistor. Seminars der Univ. Mü.).

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2. S t ä d t e b a u l i c h e

Einordnung

Das Odeon steht nicht als isoliertes Kunstwerk in einer indifferenten Umgebung, sondern ist einem von Klenze entworfenen urbanistischen Ensemble eingeordnet, auf das hier nur kurz hingewiesen werden kann. Innerhalb dieser großzügigen Anlage (Tafel 3, Abb. 4) nimmt es sogar eine Schlüsselstellung ein: jede seiner Längsseiten ist ein konstituierendes Element einer Platzgestaltung, indes die nördliche Schmalseite einem kurzen, platzartig in sich geschlossenen Straßenstück angehört, das die Verbindung zwischen dem Odeons- und dem Wittelsbacherplatz herstellt. Jeder dieser beiden Rechteckplätze wird von einer der beiden monumentalen Prachtstraßen tangiert, die von der Nordwestecke der Residenz im rechten Winkel auseinanderstrahlen und die Hauptachsen der klassizistischen Neustadt bilden. Die verkehrsmäßig weitaus bedeutendere, breitere und großartigere von beiden ist die Ludwigstraße, mit deren Anlage Klenze auf geniale Weise den alten Stadtkörper sprengte 16 und die engen, parallel verlaufenden Arterien der Theatiner- und Residenzstraße sich in ein gewaltiges und weiträumiges, neuartig konzipiertes Raumgebilde ergießen ließ — in eine »Steigerung des florentinischen Saalplatzes zur Straße« 17 . Wie dieser Übergang von der Alt- in die Neustadt nicht abrupt und gewaltsam, sondern gleichsam in lebendigem Fluß erfolgt und von kaum merklichen leichten Verschiebungen der Achsen und Baumassen artikuliert wird, ist eine staunenswerte künstlerische Leistung. Die Westwand der Ludwigstraße verläuft in einer Flucht mit der der Theatinerstraße, so daß der aus der schluchtartigen Enge von letzterer hinaus ins »Freie« Tretende die ganze Länge der Ludwigstraße bis zum abschließenden Siegestor überblickt, wobei das Auge an deren Ostwand von dem zweimaligen leisen Vorsprung des Bazars und des Eckhauses an der Galeriestraße sanft entlanggeleitet wird, bis es an den hochragenden Türmen der Ludwigskirche einen Halt findet. Tritt man jedoch aus der in leichter Schräge einmündenden Residenzstraße heraus, wird der Blick an dem Vorsprung des Bazars an der rechten Seite vorbei in die saalartige Erweiterung hineingeführt, die sich als flaches Rechteck der linken Seite der Ludwigstraße anlegt — der eigentliche Odeonsplatz (im engeren Sinn, obwohl dieser offiziell bis vor die Feldherrnhalle reicht). Für den umgekehrt von Norden her aus der Ludwigstraße (besonders von deren Ostseite) Kommenden legt sich dieser Platz gleich einem Vorhof vor die Breitseite der mit ihrer bizarren Silhouette den ganzen Stadtteil überragenden Theatinerkirche, deren Tiefenerstreckung quer zur Straße auf diese Weise unterstrichen wird; die Straße selbst aber gleitet an der linken vorspringenden Ecke des Platzes vorbei in die Tiefe, vorbei an der vertikal aufsteigenden Zweiturmfront der Kirche bis zu dem abschließenden Querriegel der Feldherrnhalle. 19

17

Die verschiedenen Phasen der Planung, die schließlich zu der einzig überzeugenden und in ihrer Einfachheit konsequenten Lösung führten, sdiildert Oswald Hederer in seinem Buch »Die Ludwigstraße in München«, Mü. 1942. Heinrich Kreisel, München — Die Stadt als Kunstwerk, Mü. r950, S. 37.

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Dem Barockbau der Theatinerkirche hat Klenze die Rolle eines Scharniers zwischen Alt- und Neustadt zugewiesen 18 , ihn auf meisterhafte Weise in die von ihm selbst geplante Anlage einbezogen und diese zugleich in maßvoller Zurückhaltung ihm unteroder besser beigeordnet, wodurch er zugleich die ausstrahlende Wirkung der Kirche im Stadtgefüge ungeheuer verstärkte. Innerhalb dieses ganzen Systems ausgedehnter und sich überlagernder perspektivischer Bezüge bildet der Odeonsplatz überdies, für sich allein gesehen, ein streng symmetrisches,in sich geschlossenes Ganzes. Odeon und Leuchtenberg-Palais, die mit ihren Längsseiten den Platz abschließen, erheben sich mit ihrem prächtigen Kranzgesims über die im rechten Winkel anstoßenden Wohnhäuser, welche die Schmalseiten des Platzes begrenzen. Beide Paläste unterscheiden sich von den Häusern in ihrer Umgebung überdies durch die größere Geschoßhöhe, einen vermehrten Reichtum an Gliederungsformen (Ädikulen!), die zudem feiner profiliert und durchgebildet sind, insgesamt durch eine höhere Qualität, die zugleich — jedoch auf eine äußerst diskrete Weise, ohne den gesamten städtebaulichen Zusammenhang zu stören — den »hierarchisch« höheren Rang der beiden Gebäude als Herzogspalast bzw. Kunsttempel andeutet. Die gegenüberliegende Ostseite des Platzes schließt der niedere, breitgelagerte Bazar ab, an dem die Straße entlangzieht; die Mitte des seit 17. x. 1827 nach dem Odeon benannten Platzes 19 nahmen seit 1849 die Standbilder der in Bayern wirkenden bzw. geborenen Komponisten Orlando di Lasso und Gluck ein 20 , die 1862 der Reiterstatue Ludwigs I. weichen mußten. Das zwischen Odeon und Leuchtenberg-Palais verlaufende kurze Straßenstück bildet seinerseits einen in sich geschlossenen platzartigen Raum, gleichsam eine piazzetta neben der piazza; seinen Abschluß bildet die durch Risalit und Portal als Hauptfront gekennzeichnete Schmalseite des Alfonspalais, während bei einer Kehrtwendung der Mittelrisalit des Bazars das Blickfeld schließt; als weitere zentralisierende Akzente wirken die beiden einander gegenüberliegenden Säulenbaikone von Odeon und Leuchtenberg-Palais. Die an der Eingangsfront des Alfonspalais vorbeiführende, die »piazzetta« im Westen tangierende Fürstenstraße stellt die Verbindung zum Wittelsbacher Platz her 2 1 , einem rechteckigen Saalraum, dessen südliche Schmalseite die Briennerstraße tangiert. Diesen Platz, dessen Mitte Thorwaldsens edles Reiterstandbild des Kurfürsten Maximilian I. einnimmt, konstituiert an der Westseite Klenzes Arco-Palais, im Norden die breite Nebenfront des Alfonspalais (ursprünglich um drei Achsen kürzer und ohne den Mittelbalkon); der Ostfront des Platzes jedoch fehlt eine beherrschende Mitte — sie ist nur begrenzende Wand, zusammengesetzt aus dem Odeon und dem sich anschließen18

19 20

21

Sehr wirksam ist in dieser Beziehung die Wiederholung des südlich an die Kirche anstoßenden Klosters durch das ihm massenmäßig gleichende Moy-Palais nördlich der Kirche. O. Hederer, Die Ludwigstraße, S. ir8 (Anm. 70). Die Denkmäler standen am Schnittpunkt der Flucht der Ludwigstraßen-Westwand mit der der Palast-Schmalseiten; sie wurden auf den Promenadeplatz versetzt. Vgl. Oswald Hederer, Karl v. Fischer, München i960, S. 54.

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den, von J . B. Metivier nach Klenzes Entwurf in ähnlichen Formen errichteten MejanPalais 2 2 . In diesem Zusammenhang wirkt die Odeonsfassade nur als flache Folie, das Gebäude wird nicht als Baukubus faßbar, und mit diesem Schwund an plastischer Gesamtwirkung scheint dem Auge auch das zartgeschichtete Relief der Gliederungen an Substanz zu verlieren. Vom Odeonsplatz hingegen gesehen, an dessen Räumlichkeit das Odeon teilhat und die es zusammen mit dem rechtwinklig anstoßenden Haus begründet, präsentiert sich der Bau — besonders in der Schrägsicht über Eck — in seiner ganzen kubischen Grundform, und das Flachrelief seiner Fassade scheint optisch von dem spürbaren Gesamtvolumen her gespeist zu werden und an Plastizität zu gewinnen. Insofern (und wegen der einladenden Wirkung des vorgelagerten Platzes) kommt für den Gesamteindruck der Längsfassade im Osten ein stärkeres Gewicht zu [sie wird als Hauptfassade empfunden), das schon die der »piazzetta« zugewendete Schmalseite trotz des Balkonvorbaus nicht ganz erreicht, während die Westfront, obwohl an sich durchaus gleichartig und gleichwertig behandelt, eher als Neben- oder Rückseite empfunden wird. Was über den Charakter der Fassadengestaltung des Odeons festgestellt wurde, gilt in ähnlicher Weise für das gesamte städtebauliche Ensemble ringsumher. Weiträumig und festlich, aus gelassen waagrecht lagernden Blöcken zusammengefügt, in einer Atmosphäre kühler Klarheit und heiterer Helle atmend, legt es sich zu Füßen der Theatinerkirche, die es wie eine besondere Steigerung und Verdichtung dekorativer Festlichkeit und saftiger Plastizität überblüht, ohne es sich in beherrschender Gewalt unterzuordnen.

3. G e n e s e Durch die Charakterisierung der Fassade ist zugleich klar geworden, worin sich der Bau des Klassizisten Klenze von den Werken der für ihn vorbildlichen Epochen, der griechischen Antike und der florentinisch-römischen Renaissance, unterscheidet. Das Leuchtenberg-Palais gilt gemeinhin als der »erste Neurenaissancebau« in Mitteleuropa; Klenze greift hier 1 8 1 6 unmittelbar auf die Formen des klassischen florentinisch-römischen Cinquecento zurück. Es wäre hier wenig sinnvoll, sämtliche irgendwie vergleichbaren Bauten und möglichen Vorbilder aufzuzählen 3 3 , zumal Klenze bei seiner Fassadengestaltung weder im M

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Das Mejan-Palais wurde 1823—24 von Jean-Baptiste Metivier mit einer von Klenze entworfenen Fassade erriditet (Hans Rose, J. B. Metivier, in: Zs. d. Dten. Vereins f. Kunstwiss. I/1934, 49 ff., auf S. 67); vgl. Norbert Lieb, München — Lebensbild einer Stadtkultur, Mü. 1952, S. r83. — Das Palais wurde später umgestaltet u. aufgestockt, war nacheinander englische Gesandtschaft, Hotel d'Angleterre, Pössenbacherhausj heute an seiner Stelle ein Neubau nach dem 2. Weltkrieg. — Ein Lageplan in der Münchner Residenzbauleitung der Bayer. Schlösserverwaltung sieht (wohl vor 1820) an der Stelle des späten Wittelsbacherplatzes eine Verlängerung der Füstenstraße nach Süden entlang der Rückfront des (späteren) Odeons vor (»Situation vor dem Schwabinger Tor«, A XVI a II). Siehe die Diss. von Kiener (Anm. 15).

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Ganzen noch im Detail bestimmte Vorlagen getreu kopiert; vielmehr benutzt er gewisse Grundzüge wie einzelne Elemente des Cinquecento, um sie im Sinne seiner Zeit und auch seiner persönlichen Eigenart entsprechend umzubilden und zu etwas durchaus Neuem zu verwenden. Aufschlußreich ist in dieser Beziehung ein Vergleich mit dem römischen P a 1 a z z o F a r n e s e 24 , dem eigentlichen Urbild des Leuchtenberg-Palastes — eine Verbindung, die den Zeitgenossen bewußt und geläufig war 25 . In der Tat sind die gemeinsamen Elemente — rein äußerlich — überaus zahlreich: die prismatisch lagernde Gesamtform, die Dreizehnzahl der Achsen an der Längsfront, die Dreigeschossigkeit, die Betonung der Ecken durch Rustika, die enge Reihung der Fenster; an dem römischen Bau finden sich die waagerechten, konsolengetragenen Verdachungen der Erdgeschoßfenster wie die durch ein Gesims verbundenen Konsolen unter ihnen; übernommen sind die Ädikulen im i. Stock sowie das breite, durch deren Sockel verkröpfte Gurtgesims darunter, wie auch der unterhalb davon verlaufende ornamentale Relieffries,- vorbildlich war auch der obere Abschluß durch ein Ornamentband und ein prächtiges, weit ausladendes Kranzgesims. Ursprünglich sah Klenze auch für das rundbogige Hauptportal eine Umrahmung mit einer rechteckigen Rustikaplatte vor und noch keinen Säulenbalkon. Unterschiedlich ist bei dem Münchner Palast vor allem die Aufhebung des Charakters plastischer Wucht und massiv lagernder Schwere. Es liegt in dieser Hinsicht bei Klenze keineswegs ein »Unvermögen« vor, vielmehr handelt es sich um eine, im einzelnen äußerst fein überlegte, Uminterpretation des Vorbildes im Sinn des Zeitgeschmackes. Sämtliche von Klenze angewandten Änderungen sind Mittel, die dem Eindruck des rigoros lastenden Horizontalismus entgegenarbeiten, der den Beschauer des Palazzo Farnese überwältigt. Klenze stellt seinen Bau auf einen Sockel und hebt ihn so schon vom Boden ab; durch die größere Höhe und schlankere Proportion der Erdgeschoßfenster setzt er einen vertikal aufsteigenden Akzent; er reduziert das Ausmaß der glatten Wandflächen über den Fenstern aller drei Geschosse und erreicht so eine stärkere optische Verbindung der übereinanderstehenden Fenster — ein weiterer vertikaler Akzent. Dem Eindruck des Aufsteigens dient indirekt auch die Erleichterung des 2. Stockes durch den Verzicht auf Ädikulen und deren breite, von Konsolen durchsetzte Sockelzone (doch gibt es Beispiele genug für schlichter gestaltete Obergeschosse, etwa am Pal. Sciarra-Colonna). Das Ergebnis all dieser Veränderungen ist die geschilderte dichte Textur eines maßvoll dominierenden Horizontalismus mit vertikalen Elementen; mit ihr verbunden ist eine (gleichfalls dem Eindruck der Schwere entgegenwirkende) geringere Plastizität der Gliederungsteile, die überdies, anders als beim Palazzo Farnese, nicht aus Naturstein gebildet sind. Bezeichnenderweise werden die Ädikulagiebel nicht von Säulen, sondern von Pilastern getragen; doch gibt es auch dafür im Cinquecento Beispiele, etwa im Erdgeschoß des Pal. Pandolfini in Florenz (1517 von 34

Erbaut seit 1517 bzw. (in erweiterter Form) 1534 von Ant. da Sangallo d. J., oberer Abschluß von Michelangelo. 105

Raffael), oder am Rathaus von Monte San Savino 2 6 . A u d i das reiche Abschlußgesims wirkt mehr zierlich und anmutig als kräftig. So tritt neben die Textur in der Fläche die in der Tiefe — ein zart geschichtetes Wandrelief. (Den Wechsel von Segment- und Dreiecksgiebeln übernimmt Klenze nicht zugunsten einer ruhigeren Gleichmäßigkeit, der Segmentbogen an sich dürfte ihm »unklassisch« erschienen sein; das barocke Mittelfenster zieht er natürlich nicht in Betracht.) A u d i ein Vergleich mit römischen Bauwerken von (relativ) geringerer plastischer Potenz als der Palazzo Farnese, etwa mit dem Palazzo Sciarra-Colonna oder dem Lateranspalast 27 , würde den festgestellten Gesamtcharakter von Klenzes Fassadengestaltung bestätigen. Ein weiterer Unterschied zu den Cinquecento-Palästen liegt darin, daß Klenze den italianisierenden Baukörper mit (vor allem der griechischen) Antike entlehnten Detailformen hauptsächlich dekorativer Art durchsetzt. Z w a r knüpften auch die Renaissancekünstler in ihrer Ornamentik an antike, vor allem kaiserzeitlich-römische Vorbilder an, doch geschahen solche Rückgriffe in einer relativ »naiven« Weise, die der schöpferischen Phantasie einen sehr weiten Spielraum ließ; die Klassizisten jedoch waren den alten Vorlagen, entsprechend den wissenschaftlichen Kenntnissen der damals gerade sich entwickelnden modernen Archäologie, weit enger verhaftet — doch waren diese Kenntnisse zunächst immer noch zu verschwommen, als daß sie Anlaß zu einem völlig leblosen, doktrinär-korrekten Kopieren hätten geben können. Gerade Klenzes »griechische« Ornamentik setzte sich vor seiner Griechenlandreise (1834) aus recht heterogenen Elementen zusammen; seine Quellen in dieser Hinsicht waren: die zeitgenössische, oft sehr unzuverlässige archäologische Literatur, Motive der Vasenmalerei, die Kenntnis des damals als schlechthin griechisch geltenden Pompeji sowie Großgriechenlands (Paestum, Agrigent, Selinunt), und endlich der während der Ausbildungszeit in Paris bei Percier und Fontaine erworbene Formenschatz des Empire, der weithin von römisch-kaiserzeitlichen Grundlagen ausging. Gerade diese französische Fassung antiker Motive wurde bestimmend für die Dekoration der Leuchtenberg- und Odeonsfassade (wie auch des Konzertsaals). Das augenfälligste Detail in dieser Richtung sind die Adlerkapitelle der Ädikulapilaster (Tafel 12, Abb. 27), eine Anspielung auf den Bauherrn des Leuchtenberg-Palais als Napoleoniden, die unter den damaligen politischen Umständen einem provozierenden Bekenntnis gleichkam. Der römische Legionsadler •— ursprünglich der heilige Vogel Jupiters — war als Symbol des französischen Kaiserreiches auch zu einem Hauptbestandteil der Dekoration der napoleonischen Ära geworden; Adlerkapitelle, sehr ähnlich den von Klenze entworfenen, befanden sich z. B. an den Pilastern einer Kaminarchitektur von Percier und Fontaine im Grand 25

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27

Vgl. Neuester Führer durch die k. bayer. Haupt- u. Res.stadt München, Augsburg 185a, S. 126. — C. A. Regnet, Münchner Künstlerbilder, Leipzig 1871, S. 300. Pal. Pandolfini 1517 von Raffael, Rathaus in Mte. San Savino um 1514 von Ant. da Sangallo d. Ä. Pal. Sciarra-Colonna erb. M. 16. Jh. v. Flaminio Ponzio, Lateranspalast 15 86 ff. v. Domenico Fontana.

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Cabinet de l'Empereur in den Tuilerien (doch fehlen in München die Donnerkeile, stattdessen ist das ein wenig wie eine Verlegenheitslösung wirkende astartige Gebilde eingefügt); ebenda im Fries findet sich ein Anthemion, wie es Klenze sehr ähnlich in den Reliefbändern der Fassade wie des Saales verwendet 28 . Uber die Dekoration hinaus hat jedoch die französische Grundlage, die sich Klenze während seiner Pariser Lehrjahre (1803—05) erworben hatte, einen maßgeblichen Einfluß auf seine Gestaltung der Fassade (wie des Saales) überhaupt ausgeübt. Kiener 29 nennt das Leuchtenberg-Palais einen »italienischen Bau gesehen mit französisch geschultem Auge« und weist in dieser Beziehung auf den Charakter »eleganter Straffheit« hin, ferner auf die »geringere Plastizität der Modellierung« und die »nordischen« schmalen Fensterintervalle; als besonders nahestehendes Beispiel führt er Pagots Entwurf zu einem Port de Navigation (in den Grands Prix 1803) an 3 0 . In der Tat zeigen die beiden Obergeschosse der das Hafenbecken umgebenden Häuser eine gewisse Ähnlichkeit mit Klenzes Fassaden, doch sind bei der Winzigkeit der Darstellung keine feineren Details angegeben, und die Proportionen der Gliederung sind durchaus nicht dieselben. Gerade aber in dem feinen Auswägen der Verhältnisse und dem dichten Verweben aller Details liegt das Eigene und die besondere Qualität von Klenzes Bau. Entscheidend ist, daß der kosmopolitisch gebildete Architekt es verstanden hat, nach Vorbildern aus verschiedenen Zeiten und Ländern, aus antiken, italienischen und französischen Elementen ein in sich vollendetes Ganzes zu schaffen — eine Palastfront, der sich in dieser Zeit kaum eine zweite gleichwertige zur Seite stellen kann. Mit der heimischen Münchner Tradition verbindet die Paläste am Odeonsplatz die Wahl des Materials — verputzter Backstein, Stuckdekoration —, in dem sämtliche älteren Bauwerke der Stadt aufgeführt sind — so auch die das Platzbild überragende Theatinerkirche. Obwohl Klenze für die Werke einer von ihm abgelehnten Vergangenheit kaum ein freundliches Auge gehabt haben dürfte, teilt seine Palastfassade dennoch gewisse allgemeine Züge mit ihnen, die wesentlich in der Materialgleichheit begründet sind: den weichen und farbigen Charakter der Oberfläche, die Zurücknahme der plastischen Ausladung zugunsten eines mehr dekorativ wirksamen, flachgeschichteten Reliefs (Palais Preysing v. Effner, Palais Holnstein v. Cuvilliés), die Knappheit der Profile (Je28

Percier et Fontaine, Recueil de Décorations intérieures, Paris i8ia, Tafel 66. Weitere Motive, die Klenze im Odeon ähnlich verwendet, auf T. 1/2 (Anthemion unter der Decke), T. 3 u. 4 (Lyra mit Greifenköpfen, von sternartig umstrahlter Apollomaske gekrönt), T. 29 (Lyra mit Greifenköpfen), T. 48 (Anthemion im Thronsaal der Tuilerien), die Kapitelle auf T. 37 u. 62 (mit Schwänen bzw. geflügelten weibl. Genien) haben vom Typus her auch Ähnlichkeit mit Klenzes Adlerkapitellen. — Eine gewisse Ähnlichkeit besteht auch zwischen der Gliederung der (allerdings gewölbten) Decke der Salle à Manger der Tuilerien (T. 43) und der (allerdings eine spätere Stilstufe vertretenden) im Odeon Saal 6/1. Stock. — Kapitelle mit heraldischen Adlern gab es schon früher, z.B. am Schloß Charlottenburg in Berlin und im Großen Saal der Ansbacher Residenz.

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Kiener, Leo v. Klenze S. 301 f. Grands Prix I/r8o3 Tafel ri6.

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suitenkollegium). Auch für den Säulenbalkon, dessen Hinzufügung der Kronprinz befahl, gab es gerade in München zahlreiche Vorbilder — er war hier fast zu einem obligaten Attribut des Adelshauses geworden 31 . So kann man sagen, daß Klenze den spezifisch Münchner repräsentativen Palasttyp des Klassizismus geschaffen hat. So wie es ist, wäre das Leuchtenbergpalais anderswo, etwa in Paris, Rom oder Wien, nicht gut denkbar. Interessant ist ein zeitgenössischer kleiner Holzschnitt32, der die Bauten amOdeonsplatz auf unbeholfene und vergröberte Art in einer wahrhaft römisch-cinquecentesken Wucht und Massigkeit darstellt, die ihnen gerade abgeht. Irgendwie scheint dieses dürftige Bildchen etwas darüber auszusagen, mit welchen Augen man diese Bauten damals ansah. Trotz der festgestellten »bewußten« Abweichungen Klenzes von seinen Vorbildern dürften er selbst, sein königlicher Bauherr und die Zeitgenossen des Glaubens gewesen sein, in Gestalt der Paläste am Odeonsplatz römische Monumentalität und Würde — »unbewußt« mit klassizistischen Augen gesehen nach dem Norden übertragen zu haben — wurde doch das ludovizianische München insgesamt als ein neues Rom, Florenz und Athen betrachtet, das die Kultur dieser Städte Wiederaufleben lasse und fortsetze. Dem Eklektizismus auf dieser frühen Stufe ist noch ein gewisses Maß an Naivität zu eigen, das der künstlerischen Freiheit keine allzu engen Schranken zog. Spätere Beurteiler verstanden die Eigenart von Klenzes Bau nicht mehr recht, obwohl man die Qualität dieser Fassadenschöpfung eigentlich immer spürte. So bedauerte August Thiersch 1884 die Ausführung in »minderem« Material: »Die Fassade mit dem Säulenvorbau ist von einer solchen Feinheit und Noblesse, daß sie es, den häßlichen Anstrich weggedacht und in Stein ausgeführt, mit den besten römischen Prachtfassaden aufnehmen könnte. Das Verhältnis der Fenster zu den Stockwerken und das der Umrahmung zu den Gesimsen ist bei keinem Privatbau der Neuzeit so wohl gelungen«33. Franz Reber kritisierte 1888 vom Standpunkt einer dogmatischen Neurenaissance aus die Beimengung griechischer Elemente (s. u.). Hans Karlinger (1933) betonte das Monumentale von Klenzes Bauten am Odeonsplatz gegenüber dem idyllischen Charakter der Werke Karl v. Fischers34. Ansätze einer zutreffenden Charakterisierung und die erste eingehende Analyse der stilgeschichtlichen Voraussetzungen und der italienischen und französischen Vorbilder finden sich in Hans Kieners Klenze-Dissertation von 192036.

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32 33 34 35

Z. B. zweisäulig am Pal. Preysing-Residenzstr., Pal. Portia, viersäulig an der Grünen Galerie der Residenz und den Palais Fugger, Piosasque de Non, Preysing-Prannerstr. — Vorbilder in Italien u. Frankreich s. bei Kiener a. a. O. S. 293. SM 39/342 (b). A. Thiersch, Die Klenzeausstellung, Zs. f. Baukunde 1884, S. 224. Hans Karlinger, München u. die deutsche Kunst des XIX. Jh., München r933, S. 60 3. Kiener a. a. O. S. 288-308.

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4- S t i l ( Z u m P r o b l e m d e r

»Neurenaissance«)

Die genetische Analyse der Leuchtenberg- bzw. Odeon-Fassade ergibt eine Vielschichtigkeit von Beziehungen, die nur durch die Erkenntnis der in sich vollendeten, geschlossenen Eigenart und künstlerischen Dichte des für sich betrachteten Werkes zusammengehalten werden. Die Frage nach der Stellung, die dieses Werk im Ablauf der historischen Entwicklung einnimmt, kompliziert sich noch auf eine zunächst verwirrende Weise, betrachtet man die stilistische Vielfalt der Vorbilder, an die sich Klenze in seinen übrigen Bauten anlehnt. Immerhin lassen sich — von der byzantinisierenden Hofkirche abgesehen — zwei Hauptgruppen unterscheiden: Werke in Anlehnung an die (vor allem griechische) Antike, und solche in Anlehnung an die italienische Renaissance. Bei der ungeheuren Dehnbarkeit des Begriffes »Renaissance« 36 muß die übliche Feststellung, das Leuchtenberg-Palais sei der erste »Neurenaissancebau« in Deutschland, noch um so verschwommener erscheinen, als Klenze in seinem Schaffen nebeneinander auf zeitlich und formal sehr verschiedene Phasen der italienischen Architektur zurückgreift: auf das florentinische Quattrocento (Königsbau, Kriegsministerium, Hauptpost), auf die Klassik des florentinisch-römischen Cinquecento (Leuchtenberg- und Maxpalais, Pinakothek), auf Palladio (Festsaalbau). Im Falle des Odeons gar verwendet Klenze außen Renaissanceund im Saal antikische Formen. Auf den ersten Blick scheint er somit einem eklektischen Stilpluralismus zu huldigen, der kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen ist. Zwar steckt die Klenze-Forschung noch in ihren Anfängen, doch kamen Analysen des bisher noch relativ am besten bearbeiteten Klenzebaues, der Glyptothek, durch H. Kiener und R. Wierl hinsichtlich des Charakters und der genetischen Vielschichtigkeit ihrer Fassade zu ähnlichen Ergebnissen wie die Untersuchung der Leuchtenbergfront. So verschieden die beiden gleichzeitigen Bauten in ihrer Grundform und ihrem »Stil« auf den ersten Blick auch sein mögen, so gibt es doch zwischen ihnen Gemeinsamkeiten, die in der künstlerischen Eigenart ihres Schöpfers (auf dieser Stufe) begründet sind. Theoretisch hat Klenze immer wieder die griechische Kunst als das allein gültige Vorbild, als letzten Maßstab der Qualität, als das »große unumstößliche Prinzip« 37 hingestellt. R. Wierl wies jedoch bei seiner Analyse der Glyptotheksfassade nach, Klenzes »Überlegungen und Ideen fußen ohne viel Eigenes auf französischem Schulgut, dem er römisch-italienischen Anstrich gibt. Die >Hinwendung zum reinen Griechentum< ist an der Glyptothek nichts anderes, als daß Klenze in Motive seines Schulguts >rein grie-

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37

Zum Renaissancebegriff vgl. Hans Sedlmayr, Zur Revision der Renaissance, (Epochen u. Werke Bd. i, Wien 1959, S. 202 ff.), u. »Die vier Zeitalter der abendländischen Kunst« (ebenda Bd. 2, S. 342 ff.). Schorns Kunstblatt Jg. s/1824, S. 143; vgl. Klenzes diesbezügliche Ausführungen in der Vorrede zur »Sammlung architekton. Entwürfe«, die in der These gipfeln: »Es gab und gibt nur Eine Baukunst, u. wird nur Eine Baukunst geben, nämlich diejenige, welche in der griechischen Geschichte u. Bildungsepoche ihre Vollendung erhielt.« 109

chische< Formen einsetzt« 38 . Wierls Feststellung, daß Klenze hier »in heiter-sorgloser Mischform aus römisch, französisch und griechisch baute« 39 , ist ein Schlüssel für das Verständnis seines Schaffens in dieser Phase überhaupt, ehe die Griechenlandreise von 1834 die Hinwendung zu einem doktrinären Archäologisieren mit sich brachte. (Kiener unterscheidet dementsprechend im Schaffen Klenzes einen »naiven« und einen »reflektierten« Stil.) Noch der spätere Klenze fühlte sich durch die selbstauferlegte Bindung an die relativ begrenzten Möglichkeiten eines bestimmten Stiles — des griechischen — in seiner künstlerischen Freiheit durchaus nicht eingeengt 40 und glaubte in naiver Selbstverständlichkeit, mit den großen alten Baumeistern wetteifern, ihr Werk legitim fortführen zu können 4 1 . In seinen früheren — künstlerisch glücklichsten — Jahren war er der späte Erbe einer langen, reichen und glanzvollen Tradition, die, anhebend mit der griechischen und römischen Antike, auch die gesamte bewußt auf dieser basierende Entwicklung seit dem Quattrocento umfaßte. Als Mensch wie als Künstler stand er ganz auf dem Boden der lateinischen Kultur, die von der graecoromanischen ihre Herkunft ableitete und in ihr ihr eigenes, zeitlos gültiges Urbild erblickte, auf das sie stets erneut zurückgriff. Um die Vielschichtigkeit historischer Bezüge im Werke Klenzes überschauen zu können, ist es daher notwendig, die Gesamtheit der in der bewußten Nachfolge der Antike stehenden, aus der Auseinandersetzung mit dieser lebenden Stile seit dem Quattrocento als Ausdruck einer einheitlichen Kultur zu begreifen 42 . Eine solche Sicht war den Zeitgenossen durchaus geläufig; so werden etwa in Durands »Recueil des édifices anciens et modernes« den Bauten der Antike die der »Moderne« gegenübergestellt (oder besser gesagt, letztere mit jenen in einer großen Einheit zusammengesehen) — wobei die Moderne die Meister seit der Renaissance umfaßt. Eine solche Sicht deckt sich auch noch mit dem ausgedehnten Renaissancebegriff Geymüllers (und auch Jacob Burckhardts) in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts-— der Blütezeit der »Neurenaissance«. Für 88

89 40

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Reinhold Wierl, Untersudlungen zu den Grundlagen von Klenzes Sdiaffen und seiner Entwicklung, ungedr. Manuskr. (München 1951), S. 56 f. — (Exemplar in der Architektursammlung der Tedin. Hochsdiule München.) Ebenda S. 248. So weist Klenze in der Vorrede zu seiner Publikation »Walhalla in artist. u. techn. Beziehung« (München 1842, S. 3) auf den schöpferischen Spielraum hin, der innerhalb des dorischen Tempelsdiemas auch bei den Alten vorhanden war, u. legt dar, wie ihm selbst bei der Aufgabe der Walhalla »hinreichender Stoff« bleibe, »um der ersten Forderung, welche Kunst u. Künstler . . . zu stellen berechtiget sind: Freier Entwicklung eines poetischen Gedankens Genüge leisten zu können . . .« Ahnliche Gedanken finden sich in seiner Sdirift »Architekton. Erwiderungen und Erörterungen über Griechisches und Nichtgriechisdies« (Manuskript SB Klenzeana I/9). Etwa in der Walhalla, wo es ihm »gestattet war, dem Erbauer des Parthenon nachzueifern«. Uber die Einheit der Epoche von rund 1470—1760 vgl. H. Sedlmayr, Die vier Zeitalter der abendländischen Kunst (Epochen u. Werke II/342 ff.), S. 347; die Zeit von etwa 1770 bis 1914 kann man als eine Periode des Uberganges ansehen, in der sich die alten Traditionen mit neuen Strömungen mischen und überlagern.

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die Franzosen ist es bis heute ganz selbstverständlich, die ganze »klassische« Epoche als Einheit zu betrachten; dementsprechend umfaßt z. B. Louis Hautecceurs »Histoire de l'Architecture classique en France« den Zeitraum vom Eindringen italienisch-antikischer Formenelemente bis — über den Klassizismus hinaus — zum Historismus des 19. Jahrhunderts, soweit er im klassischen Rahmen bleibt 43 . Bei einer solchen umfassenden Betrachtungsweise fällt auf den sogenannten Historismus des 19. Jahrhunderts ein neues Licht. Zwar zehrte auch die mittelalterliche Kunst vom Erbe der Antike, doch mit der »Revolution« des Quattrocento erreichte die Hinwendung zu den alten Quellen einen ganz neuartigen, intensiven Grad von Bewußtheit. Seitdem gibt es das Problem des Historismus im weiteren Sinne. Die ganze »klassische Epoche« ist durchsetzt mit stets erneuten »Renaissancen« und »Klassizismen« — Rückgriffen auf eine jeweils, wie man meinte, reiner und wahrer verstandene Antike, die zugleich eine Kritik an dem Mißverständnis, an Unkenntnis oder künstlerischer Willkür der vergangenen Phase einschließen. (So folgt z. B. gleich im Quattrocento auf die Brunelleschi-Phase diejenige Albertis, der bereits von vermehrten archäologischen Kenntnissen ausgeht; oder so verwirft später der Klassizismus den Barock als unklassische Verwilderung.) Der historische Prozeß verläuft zwar äußerst komplex, setzt sich zusammen aus gleichzeitigen Bewegungen und Gegenbewegungen, aus sich überlagernden Richtungen und sich überschneidenden Stilphasen, die noch dazu regional differieren ; trotzdem läßt sich insgesamt für den ganzen Zeitraum eine schrittweise Zunahme an Bewußtheit dem Vorbild gegenüber wie an archäologischen Kenntnissen feststellen. Eine entscheidende Station auf diesem Wege bezeichnet der Name Palladio, in dessen Nachfolge ein für weite Teile Europas bis zum Ende des 18. Jahrhunderts maßgebender »Klassizismus« entstand. Mit der Entdeckung von Pompeji und Herculaneum Mitte des 18. Jahrhunderts, die in ganz neuer Weise Einblick in die Formenwelt, ja den Alltag der Alten gewährte, trat die Auseinandersetzung mit der Antike in ein neues Stadium; die Folge war das Aufkommen des in Deutschland »Klassizismus«, sonst vielleicht treffender »neoklassisch« genannten Stils. Mit der Begründung der Archäologie als Wissenschaft im modernen

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Das Gefühl für die Einheit dieses Zeitalters ist gerade bei den Deutschen wenig lebendig, da sie an der ital. Renaissance der frühen u. klassischen Stufe keinen unmittelbaren Anteil nahmen u. stattdessen nadi der »Deutschen Sondergotik« einem nordischen Manierismus, denn einem extremen »deutschen Sonderbarods« u. einem »Sonderrokoko« huldigten — wogegen dann das Aufkommen des Klassizismus wirklich als revolutionärer Bruch erscheinen mußte. Neben den romanischen Nationen, denen die Einheit der — ihnen genuinen — klassischen Kultur selbstverständlich war (u. ist), ist eine ähnlidie Sicht auch für das protestantische Europa (England, Niederlande, Skandinavien) leichter nachzuvollziehen, weil diese Länder den Barock nicht in seiner extremen Form übernahmen, sondern stattdessen in eklektischer Weise die Vorbilder der lateinischen Kultur rezipierten; ähnliches gilt für Osteuropa (Ungarn u. Polen um 1500, letzteres auch seit Mitte des i8.Jh. ; Rußland seit Peter d. Gr. bezog seine Vorbilder gleichzeitig aus den verschiedenen europäischen Ländern u. von verschiedenen stilistischen Richtungen). in

Sinn wurde zugleich das künstlerische Schaffen enger dem Vorbild verpflichtet und verlor an Naivität. In dieser Phase ist die Idee naheliegend, auch auf frühere, als wahlverwandt empfundene klassische Stufen der antikisierenden Kunst zurückzugreifen, zumal die Antike selber nicht für alle neuzeitlichen Bauaufgaben brauchbare Vorbilder lieferte. Die Entwicklung wird hier äußerst komplex. Der Frühklassizist Erdmannsdorf! z. B. konnte für die Grotesken-Ornamentik Anregung zugleich in Pompeji wie bei Raffael finden. Bei einem Rückgriff auf einen früheren Rückgriff wurde jedoch letzterer zumeist im archäologischen Sinn »korrigiert« — so wie Klenze seine Leuchtenbergfassade mit unmittelbar antikem Formengut durchsetzte. Allerdings muß bemerkt werden, daß die Verbindung mit der Tradition der italienischen Renaissance (Palladio eingeschlossen) in anderen europäischen Ländern nie so abgerissen war wie (besonders im südlichen) Deutschland. Nordeuropa stand weithin im Zeichen des Palladianismus ; Frankreich entfremdete sich der klassischen Tradition nie und gewann zu ihr seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ein neues Verhältnis (z. B. J.-A. Gabriel); in Italien kam es mit dem Erkalten und Erlahmen des Barock im 18. Jahrhundert automatisch zu einer Wiederannäherung an die Renaissance (gerade auch im Palastbau). Die Architektur des Louis X V I trägt stark palladianischen Charakter, der sich mit barocken Restbeständen mischt, und seit dem Ende des r8. Jahrhunderts tritt die Renaissance besonders in Frankreich als wahlverwandte Epoche immer mehr in den Gesichtskreis. 1798 bringen Percier und Fontaine ihr Werk »Palais, maisons, et autres édifices modernes, dessinés a Rome« heraus, i8r5 folgen Grandjean und Famin mit der »Architecture toscane«. Nur angedeutet kann hier werden, daß das (gegenüber früher stark intensivierte) reflektierende Suchen nach gültigen und brauchbaren Vorbildern in der Vergangenheit und der daraus resultierende Stilpluralismus in die Zeit der beginnenden geistigen Umwälzungen fällt, die seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts die Welt völlig veränderten — in eine Zeit des Rationalismus, die neben einer verstärkten, wissenschaftlich fundierten Bezugnahme auf das Historische zugleich »historisch voraussetzungslos« zu experimentieren beginnt (Revolutionsarchitektur!). Doch vollzieht sich diese Umwälzung natürlich allmählich, im wesentlichen etwa zwischen 1770 und dem ersten Weltkrieg — in dem Zeitraum des architektonischen Historismus im engeren Sinne. Paradoxerweise ist sich dieser sogenannte Historismus nicht der historischen Bedingtheit und Einmaligkeit vergangener Stile bewußt, sondern sieht in ihnen zeitlos zur Verfügung stehende Exempla von Bauweisen, die nach Gutdünken verwertbar sind; zugleich glaubt er (in »romantischer« Weise) an die Möglichkeit, mit den vergangenen Formen auch Größe und Fluidum der Vergangenheit beschwören und neu beleben zu können. Hierin liegt noch ein gewisser Rest von Naivität, der allmählich dahinschmolz; der spätere Historismus, seiner eigenen schöpferischen Kräfte nicht mehr so sicher, schloß sich immer enger an das (wissenschaftlich immer besser erforschte) Vorbild an, kopierte immer getreuer; erst das voll und rein ausgebildete moderne Bewußtsein hält das Alte für historisch ganz einmalig und unwiederholbar — und ist, entsprechend der

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zu voller Höhe entwickelten Archäologie und Kunstwissenschaft, perfekt in der (praktischen) Rekonstruktion; doch ist auch diese letzte Möglichkeit, die Vergangenheit als »historisches Dokument« wiederzubeleben, bereits umstritten. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Architektur des Historismus (im engeren Sinn) in Bausch und Bogen abgelehnt und von vornherein abgewertet werden soll, wie es so lange üblich war. Sie ergibt sich folgerichtig aus der geistigen Entwicklung und hat ihren festen historischen Ort (und somit ihre Berechtigung). Daß diese Kunst einer Ubergangszeit sich an der Vergangenheit zu orientieren suchte, darf ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden: neuartige Originalität und künstlerische Qualität sind durchaus verschiedene Kategorien, die sich nicht schlechthin decken. Die geistesgeschichtliche Problematik einer solchen Ubergangsepoche, ihre stilistische Unsicherheit und Ratlosigkeit verhindern durchaus nicht, daß große Begabungen, die es doch im 19. Jahrhundert in großer Zahl gab, auch unter erschwerten Bedingungen in sich vollendete Kunstwerke zuwege bringen. Nicht erst das ludovizianische München trägt das Gepräge des Eklektizismus — es gab ihn vielmehr in Nordeuropa schon im 18. Jahrhundert, etwa im Werke des Schweden Nikodemus Tessin d. J., der holländische, französische und italienische Renaissance- und Barockelemente mischt, oder im friderizianischen Berlin und Potsdam,natürlich auch in der Kolonialstadt St. Petersburg. Doch war der Grund für diesen nördlichen Eklektizismus (mit z. T. starken historistischen Zügen) wohl hauptsächlich das Fehlen einer kontinuierlichen einheimischen Kunstentwicklung. Im Wien Josephs II. baut nach dem Abbrechen der großen barocken Tradition Ferdinand von Hohenberg in mehreren Stilarten gleichzeitig (u. a. gotisierend); sein Palais Pallavicini (1783) »atmet die körperliche Wucht eines italienischen Palazzo der Renaissance«44, doch dürfte es sich hierbei weniger um einen bewußten Rückgriff handeln, sondern eher um einen kalt und spröde gewordenen Barock, dem eine talentierte Künstlerpersönlichkeit eine — von einer merkwürdigen dissonanten Spannung erfüllte >— Größe und Kraft zu verleihen wußte. Erstarrter Barock ist auch der Landschaftliche Neubau in München von Fr. Cuvillies d. J. (1774); andere süddeutsche Bauten, die vor Klenze gewisse Anklänge an die italienische Renaissance zeigen, wie das Rathaus in Lauingen (1783 von Lor. Quaglio) oder der Dalberghof in Aschaffenburg (1805), sind Werke des Louis-XVI-Palladianismus; eben diesem gehören auch gewisse renaissancehafte Züge im Werke Karl v. Fischers an (deutlich am Münchner Prinz-Karl-Palais 1803), und auch etliche seiner Projekte (z. B. für die Residenz), die sich an italienische Vorbilder anlehnen, sind doch ihrem Charakter nach im Sinne der oben erwähnten Tradition stilisiert. Innerhalb des eklektischen Stilpluralismus des 19. Jahrhunderts ist Klenzes Schaffen noch relativ einfach auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen — er griff nur auf die Antike und auf die sich auf diese berufende »Renaissance« zurück — und selbst der byzantinische Stil der Hofkirche mochte ihm als Ableitung von der christlichen Antike

" Justus Schmidt, Wien (Wien 1949'), S. 125. 113

erscheinen46. Gotisierend hat er nie gebaut 46 . Was aber veranlaßte den theoretischen Verfechter des Neuhellenismus, sich in der Praxis an Renaissanceformen anzulehnen, und wie beurteilte er die Renaissance überhaupt? Seiner Meinung nach haben »die durch das wüste Mittelalter vorbereiteten, und zuerst zur glücklichen Reue über dessen artistische Verwilderung erwachten Italiener des isten und löten Jahrhunderts, uns den Weg gezeigt« — aber sie konnten, »aus dem grandiosen Elende des Mittelalters auftauchend, theils nur von Trümmern der spätem schlechten römischen Antike umgeben, theils nur für das mehr Homogene, nämlich das Schlechtere darin empfänglich, die Baukunst nicht sogleich wieder in ihr angeborenes Recht der Vortrefflichkeit einsetzen, so groß auch ihre Verdienste darum sind . . . Jenen Mangel an den Bauwerken des isten Jahrhunderts zu vervollständigen . . ., blieb der Architektur unserer Z e i t . . . noch eine bedeutende Aufgabe zu erfüllen übrig, nachdem uns hiezu das griechische Alterthum literarisch und artistisch aufgeschlossen war« 47 . An anderer Stelle, in seinem späten Manuskript »Uber Griechisches und Nichtgriechisches«48, äußert Klenze in einer Apologie des antikisierenden Stils gegenüber der romantischen Richtung die Ansicht, »daß die Architekten welche der König Ludwig bei seinen Bauten des klassischen Styls verwendete, sich denselben zum höchsten Ruhme rechnen werden. Wenn dieselben aber, gegen des Bauherrn Willen, bei Werken romantischer Baustyle und Formen antike Beimischungen sich erlaubt hätten, so wäre ihnen so wie jedem Anderen welcher eine solche architektonische Olla potrida zu bereiten unternähme, aus dem Antikisiren gewiß ein begründeter Vorwurf zu machen. Allerdings zwar klebt den Bauwerken der früheren Renaissance dieser wesentliche Fehler an. Aber dieses doch nur weil sich die aus dem Gewirre des Gothizismus mit Mühe auftauchenden Architekten von diesem nicht in einem kühnen Sprunge, möchte man sagen, befreien konnten und mithin nicht genung antikisirten. Erst als nach und nach Bramante, San Gallo, Vignola, Sanmichele, Palladio und andere jenen Ubergangsstandpunkt überwunden hatten, bildete sich die wahre Renaissance mehr und mehr aus. Hätten sie aber d a b e i . . . nicht allein die verwilderten römischen, sondern die ursprünglichen griechischen Formen und Denkmale schon gekannt, so würden sie unserer Zeit vielleicht nicht einmal die Möglichkeit und das Verdienst gelassen haben, durch achtes Antikisiren ohne gewaltsame Mittel und Versuche einen so weit dieses möglich, zeitgemäß neuen Baustyl bilden zu können.« Hiermit hat Klenze zugleich seine Auffassimg von seiner eigenen Stellung und Aufgabe in der Zeit umrissen. Ein rascher Blick über seine Werke zeigt, daß er den rein antiken Stil nur bei gewissen Bauaufgaben anwendete, wie Nationaldenkmälern, Tor45

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" 48

Vgl. Klenzes Ausführungen über den byzantin. Stil in seiner »Anweisung zur Architektur des christl. Kultus« (München 1834), S. r3. Eine kleine Ausnahme bilden die Pläne zu einem Umbau des Schlößchens Berg bei Starnberg (GS) — eine Konzession an den Bauherrn. Klenze, Sammlung architectonischer Entwürfe (München r842), Vorwort. (Klenze), Architektonische Erwiederungen und Erörterungen über Griechisches und Nichtgriechisches von einem Architekten, Manuskript SB Klenzeana I/9, S. 69 f.

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bauten, Antikenmuseen, doch bei mehrstöckigen Schloß-, Palast- und Wohnhausfronten sich an Renaissanceformen anlehnte, da das Altertum hierfür keine brauchbaren Vorbilder liefern konnte49. »Die antiken Helden wohnten nicht in mehreren Stockwerken übereinander«, stellte er dem Kronprinzen gegenüber fest 50 . Freilich korrigierte er die Renaissance im Sinn einer »reineren« griechischen Antike. Die erste Periode von Klenzes Wirken in München (1816—34) war seine künstlerisch glücklichste, die eigentliche schöpferische Hoch-Zeit seines Lebens. Mehrere Umstände vereinigten sich zu einer für das Entstehen gelungener Kunstwerke günstigen Konstellation: Klenze selbst war zur vollen Entfaltung seiner Fähigkeiten gelangt, hatte seine kosmopolitische Ausbildung abgeschlossen und verfügte noch unbefangen genug über das weite Erbe der antiken und der auf dieser beruhenden »Renaissance«Kultur; ohne Zweifel wurde er beflügelt von der Großzügigkeit der Aufgaben, die ihm, wie nur selten einem Architekten, von seinem Bauherrn gestellt wurden. Die geistige Atmosphäre, die Ludwig I. schuf, muß als der weitere Rahmen gesehen werden, innerhalb dessen — neben anderen — auch Klenzes Wirken sich, trotz mancherlei internen Spannungen, wohl allein in dieser Weise entfalten konnte. Das ludovizianisdie München — auf das hier nicht näher eingegangen werden kann 61 — bildete einen der glücklichsten Augenblicke des 19. Jahrhunderts und war, da nur durch die geistige Konzeption, die bindende Kraft und die tätige Energie dieses außergewöhnlichen Monarchen bedingt, örtlich und zeitlich fixiert und unwiederholbar. Vielleicht erklärt es sich so auch •— im weiteren Sinn —, daß Klenzes Werke kaum eine größere Nachfolge fanden. An sich zwar war die Leuchtenbergfassade in ihrer eleganten und reichen Feinheit dem hochkultivierten, empfindsamen Zeitalter mehr angemessen, als etwa das zuvor in Mode gewesene, doch etwas gewollt und unglaubhaft wirkende heroische Archaisieren; dennoch war ihr keine weitere Ausstrahlung beschieden62. Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht das Urteil Franz Rebers, der (1888) vom Standpunkt des dogmatischen Neurenaissancisten aus spricht53. Er sieht in den rein hellenischen Bauten Klenzes keinen »Fortschritt«, hingegen in seinen Renaissancepalästen immerhin einen positiven Ansatz »zu einer zeitgemäßen Entwicklung«. Den Grund für ihre mangelnde Zukunftsträchtigkeit sieht er eben in ihrer antikisierenden Stilisierung. »War die Renaissance auch schon von Klenze in mehreren Palastbauten mit Erfolg angewandt worden, so 49

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Doch dürfte — was zu Klenzes Zeit wohl nicht bekannt war — das florentinisdi-römisdie Wohnhaus über seine mittelalterlidien Vorgänger hinaus im römisch-großstädtischen Haustypus der Antike seine Wurzel haben. Zitiert nach O. Hederer, Die Ludwigstraße in Mündien, Mü. 1942, S. 80. Vgl. den Vortrag von Max Spindler, König Ludwig I. als Bauherr (Mündien 1958). Nachfolge fand Klenzes Palasttyp nur im engsten Umkreis (Himbsel, Metivier); allerdings wurde in dieser Zeit außerhalb der Hauptstädte nur wenig gebaut. — Klenzes Maxpalais war Vorbild für das Stuttgarter Kronprinzenpalais. Franz Reber, Die Baukunst des 19. Jahrhunderts in Bayern bis zum Regierungsantritt Ludwigs II., in: Chronik der Deutsch-Nationalen Kunstgewerbe-Ausstellung in Mündien 1888, Doppelheft 2/3, S. 56 ff. " 5

doch nie mit dem Gedanken, in solchen Schöpfungen einen Typus auszuprägen, der Gemeingut seiner Zeit werden soll. Indem er sich von Fall zu Fall bestimmter Vorbilder bediente, verlieh er seinen Werken nur das Gemeinsame, in den Einzelformen so viel als möglich auf das Hellenische zurückzuweisen. Er entwickelte also zurück statt vorwärts und erreichte somit die Assimilierung seines Ausgangspunktes in der Renaissance mit den Anschauungen und Anforderungen der Gegenwart noch weniger, als sie den Romantikern gelungen war, welche wenigstens ernstlich nach einem solchen Ausgleich rangen. Erst als der Classicismus fiel, konnte die Renaissance frei und entwicklungsfähig, den Zeit- und Nationalanschauungen entsprechend, allen Zwecken sich anschmiegend gestalten, und sich so als der Stil der Gegenwart documentiren, wie wir ihn seit den letzten Jahrzehnten kennen und pflegen.« — Nicht Klenzes feiner, antikisch durchsetzter »Neurenaissance« gehörte die Zukunft, sondern der plastisch voluminösen, massiven Bauweise Sempers64.

III. Das Innere i.

Charakter

Ähnlich wie am Äußeren des Odeons alle Gliederungen in einer ruhig harmonischen Einheit gebunden und zu einer einfachen, kubischen Gesamtform zusammengefaßt sind, so war auch die Grundkonzeption des Saales von einer großzügigen, strengen Klarheit, die sich nur weniger tektonischer Strukturelemente bediente und der sich der Reichtum an feinen Profilierungen und die festliche Ornamentik völlig einordneten. Weder war der Raum etwas an sich Aktives, das sich kraftvoll in seine Begrenzung eingedrängt, sie sich zurechtgeknetet hätte, noch war er Hohlform, die von dynamisch wirksamen Mauermassen umschrieben und bedrängt worden wäre, noch auch lebte er von dem spannungsreichen Widerspiel beider Tendenzen — den Ausgangspunkt für die Gestaltung bildete vielmehr ein stereometrisches Raumdenken: in der dreidimensionalen Unendlichkeit war der Saal ein klar begrenzter, geometrisch faßbarer Ausschnitt, daher ein in sich ruhiges Gebilde — auch menschlich faßbar, da in seinen Ausmaßen stattlich, aber nicht von einer beeindrucken wollenden Größe. Zwei Grundelemente konstituierten den Raum: die aus großen, nicht als Masse, sondern als begrenzende Folie empfundenen Flächen zusammengesetzte Kastenform, gebildet aus Boden, Decke und Außenwänden, und das als innere Schale in diesen Kasten hineingestellte doppelgeschossige Peristyl, ein System von plastischen Vertikalgliedern und scharf profilierten horizontalen Gebälken. Beide Grundelemente kombinierte, und zwischen beiden vermittelte die Exedra, die zu der rechtwinklig gefügten M

Aufschlußreich wäre ein eingehender Vergleich zwischen Klenzes Leuditenberg-Palais und Sempers Palais Oppenheim in Dresden, auch mit dem Travellers Club (1830) u. dem Reformklubhaus (Pall Mall, 1837) in London, beide von Charles Barry, dem Initiator der englischen Neurenaissance.

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Kastenform und dem dazu parallelen Peristyl die Halbkreisform hinzufügte und somit dem ansonsten zentralisierten Saal eine Hauptrichtung und zugleich einen optisch sammelnden Abschluß gab. Klenzes Komposition des Saales war ein Arbeiten in Kontrasten: Horizontale stand gegen Vertikale, Rechtwinkligkeit gegen Rundung, plastischer Körper gegen flächige Folie, Körper gegen Hohlräumlichkeit, plastische Glieder gegen Intervalle, Fläche gegen Volumen, Weite und Helligkeit des Mittelraumes gegen Enge und Dämmerung der Umgänge, lichte Farbigkeit bei den großen Flächen gegen kräftige Buntheit bei Ornamenten und Fresken. Doch all diese gegensätzlichen Elemente und Tendenzen rangen nicht miteinander um einen Ausgleich, sie verflochten sich auch nicht in organischem Wachstum zu einem ganzheitlichen Gebilde — sie waren vielmehr in gleichsam additiver tektonischer Fügung zusammengesetzt, kom-poniert, wobei jeder einzelne Teil, ob groß oder klein, klar und ruhig vom anderen abgesetzt und sauber begrenzt war. Der Ausgleich erfolgte, ähnlich wie bei der Fassade, durch feines Abwägen und Differenzieren der Proportionen und der verschiedenen Details, wodurch die Gefahr eines allzu starren stereometrischen Schematismus und der Trockenheit gerade noch vermieden wurde und eine verhaltene, doch nicht zur Aktivität gesteigerte Lebendigkeit aufkeimte, die von dem matten Glanz der meisten Glieder und Flächen noch etwas unterstützt wurde. Wie bei der Fassade war auch im Saal das Verhältnis von vertikalen und horizontalen Elementen sorgfältig ausgewogen, wobei gleichfalls die Waagrechte ein leichtes Ubergewicht erhielt, doch gerade nur soweit, daß sie nicht lastend wirkte. Die horizontale Tendenz war allein schon durch die parallelen Ebenen von Boden und Decke grundlegend wirksam, zwischen welche das peristyle Gliedersystem gitterartig eingespannt erschien, ohne daß seine tragende Funktion besonders betont gewesen wäre. Zwar schlössen sich die beiden jeweils übereinandergestellten Säulen zu stabartig gelängten Gliedern von betontem Vertikalismus zusammen, dodi wurde ihr durchgehender Zug von dem breiten Zwischengebälk völlig unterbrochen und blieb nur über dieses hinweg wirksam; während man aber die Säulen wegen des um sie herumgleitenden Blicks als isolierte Körper empfand, die für sich genommen zwar steile Senkrechten, gemeinsam aber eine horizontale Reihung von Vertikalen darstellten, trat das Gebälk dem Auge als frontaler, kompakter Mauerstreifen von rigorosem Horizontalismus entgegen, der mit seinen zahlreichen parallelen Profilen ungebrochen gleichsam um den Saal herumzulaufen schien, so daß ihm der Blick zwangsläufig folgte. Die Balustrade der Galerie war eine Entsprechung des Peristyls in kleinem Maßstab: auch sie bestand aus vertikalen Stützen, die horizontal gereiht und zwischen zwei Horizontalen eingespannt waren; die Postamente, sowohl der großen als der Miniaturkolonnade angehörend, zugleich dem vertikalen Gerüst wie der Balustrade als vertikal aufgelöster Begleitung des Gebälks zugeordnet, bilden Knotenpunkte in dem verschränkten System der beiden Richtungen. Die Wirkung der Waagrechten wurde, nur unterschwellig fühlbar, verstärkt durch den zwischen den Säulen in die Tiefe gleitenden Blick (der erst sekundär in vertikale Kompartimente zerfiel); zwar brach er sich an den "7

senkrechten Wänden, doch kam sekundär in diese durch ihre Sockel und Reliefbänder, durch die geschoßweise Teilung in breitrechteckige Abschnitte und das Fehlen einer durchgehenden Pilastergliederung auch wieder eine horizontale Komponente hinein. Daß die glänzenden Wandflächen nicht völlig unbestimmt hinter den Säulen verschwammen, sondern dem stereometrischen Gefüge eingebunden und mit dem Peristylsystem verknüpft waren, bewirkte das auf wenige, doch entscheidende Stellen beschränkte Ubergreifen des letzteren auf sie mittels Pilastern. Im gleichen Sinn diente die orthogonale Rasterteilung der Decke als Verbindung zwischen den Gliedern der Kolonnade über den Raum hinweg. Daß der Saal nicht bloß als eine Addition einzelner Glieder wirkte, sondern darüber hinaus als organisch geschlossene Einheit, als echter »Raum«, erreichte Klenze durch drei Mittel: durch die bindende Kraft des Zwischengebälks, durch den sammelnden Sog der Exedrarundung, und durch eine feinfühlige Abstufung der Glieder nach oben hin zum Helleren und Leichteren, wodurch im Betrachter das Gefühl eines verhaltenen Aufsteigens erzeugt wurde. Dieser Wirkung des Aufsteigens diente sdion einmal die Abhebung der unteren Säulen vom Boden durch eine Stufe; sie selbst wuchsen leicht verjüngt empor, doch ohne aktive Schwellung, und wirkten durch ihre glatte, glänzende Oberfläche plastisch kraftvoller und körperlicher als die schlankeren, kannelierten, rein weißen Säulen der Galerie. Die untere Kolonnade war also durchaus spürbar als die tragende gekennzeichnet, doch ohne deshalb irgendwie schwer oder gedrungen zu erscheinen; bemerkenswert war der Umstand, daß jede der Fluchten des Peristyl-Erdgeschosses von Pfeilern abgeschlossen, also an den Enden fest begrenzt und gehalten wurde, während die obere Kolonnade, mit Säulen auch in den Ecken und über der Exedra, als völlig freies, luftiges, »ungehaltenes« Rundumgebilde den ganzen Saal umzog, ja geradezu umkreiste — was dem Obergeschoß größere Leichtigkeit, Lockerheit, etwas wie verhalten lebendige Bewegung verlieh und auf das Gefühl »erhebend« wirkte. Die gleichsam umlaufende Bewegimg der oberen Kolonnade wie die des den Raum kraftvoll umgürtenden Mittelgebälks gewannen gewissermaßen erhöhte Geschwindigkeit in der Rundung der Exedra, mit der Klenze ein wirklich raumhaltiges, raumbildendes Element als sammelnden Abschluß und Höhepunkt dem Saal einfügte. Ihr Untergeschoß hob sich durch seine geschlossene Wandhaftigkeit von den anschließenden Kolonnaden als etwas Besonderes ab, und auch das Gebälk darüber war hier, verbreitert durch das Reliefband entlang dem unteren Rande, von noch stärkerer (wenn auch, da nicht zwischen Kolonnaden eingeschaltet, von mehr flächiger als gliederhaft plastischer) Wirkung. Doch in seinem Streben nach harmonischem Ausgleich vermied Klenze jede allzu einseitige Betonung irgendeines Teiles gegenüber den anderen, und in diesem Sinn scheint schon das Mittelgebälk nicht nur in die Exedra einzumünden, sondern zugleich aus ihr wieder in den Saal zurückzufließen, und bei der darüber kontinuierlich umlaufenden Galeriekolonnade wird die gleiche ambivalente Tendenz in verstärkter Weise fühlbar. Der Blick in die Exedra, zunächst von der Tür unten im Scheitel angezogen, gleitet von diesem tief gelegenen Schwerpunkt zwangsweise auf118

wärts, wird durch das Gebälk an den hinter ihm liegenden Saal gemahnt, von der oberen Säulenstellung emporgeführt, wobei gleichfalls die Kontinuität der Galerie mit dem ganzen Saale fühlbar bleibt; zugleich scheint sich, im Verein mit der »erhebenden« Helligkeit und Leichtigkeit des Obergeschosses, der Raum hier auch noch im Kontrast zur unteren Exedrawand zu weiten, und der Blick, der sich an der reich profilierten Deckenkante fängt, wird von dieser energisch und, sich an der Decke beruhigend, von deren radialer und konzentrischer Balkengliederung der Mitte zu immer sanfter in den Saal zurückgelenkt. Die Gesamtwirkung ist ein Ausstrahlen von dem Scheitelpunkt unmittelbar über und hinter dem Orchester her nach oben, nach den Seiten und in den Saal zurück — ein verhalten lebendiges Fluktuieren des Raumes bei vollkommenem Ausgleich aller Richtungstendenzen, ein harmonisches Ineinandergleiten und Zusammenspiel der verschiedenen Dimensionen. Diese parabolisch ausstrahlende Wirkung, deren Brennpunkt im Orchesterraum lag, vereinigte sich bei Konzerten mit der Ausbreitung des Klangs zu berückender Wirkung, und der an sich schon durch seine klassische Ausgewogenheit, seine lichte Farbigkeit und die schimmernde Oberfläche seiner Materialien wohlklingend heitere Saal schmolz mit der Musik zu einer verklärten Sphäre tönender Helle zusammen. Das Odeon war, nach Norbert Lieb, »schon ein Konzert der Architektur an sich«55, und, mit den Worten von Hermann Leitenstorfer, »ein Raum von einer Größe, Würde, Festlichkeit und musikalischen Weihe ohnegleichen« Sein Charakter — strenge Konzentration und heitere Helle in einem — war, mit einem Worte, apollinisch. Bezeichnungen des Saales wie »Kunsttempel«, »tempelartiger, herrlicher Prachtsaal«, »Tempel des Vergnügens«, »Euterpens glänzender Tempel« 57 , die sich in den Berichten über die Eröffnung häufen, sind durchaus nicht nur als bloße schwärmerische Übertreibungen des empfindsamen Zeitalters abzutun, sondern deuten darauf hin, daß der aus Elementen des antiken Sakralbaus zusammengesetzten Gestalt des Saales und seinem weihevollen Charakter auch ein sakraler Sinn entspricht, dessen Ausdruck die auf Apollon bezogene Ikonographie der Fresken ist — wobei in der Gestalt des Gottes die Heiligkeit der Musik, wie sie die Zeit erlebte und begriff, personifiziert erscheint. »Im Rahmen erhabener Säulenarchitektur stieg hier die beste Kultur dieser Ära fast zur Würde des Kults« (N. Lieb)58. »Das feierlich-ernste, wenn man will auch strenge Gegenüber zwischen Orchester und Publicum« 59 gemahnt auffallend an die Teilung einer Kirche in Altarraum und Laienhaus, und das Podium, den erhöhten Platz des musikalischen Kultes, umgeben die Büsten seiner »Kunstheroen«60 gleich Heiligenfiguren. So wie die Heiligen in der Kirche als von Gott durchdrungene und erwählte Wesen ver55 58 57

58 59 80

N. Lieb, Mündien — Lebensbild einer Stadtkultur, München 1952, S. 211. Hermann Leitenstorfer, Leo v. Klenze (Vortrag Mündien 1955), S. n . Münchener allg. Musik-Zeitung Jg. 1 1 Nr. 29, Sp. 459; A M Z 30. Jg. 1828 / Nr. 22, S. 358; Flora v. 8.1.1828 (S. 27) u. 8. 4.1828 (S. 285). N. Lieb a. a. O. S. 222. H. Bihrle, Die Musikalische Akademie, Mündien 1911, S. 109 (Zitat eines Berichts von 1892). Flora Nr. 71/8. 4. 1828, S. 286. 119

ehrt werden, so hier die vom Genius der Musik beseelten, die genialen Künstler. Schon der Dresdener Kritiker stellte fest, daß hier die »Büsten einiger Tonkünstler gleichsam zur Verehrung aufgestellt« seien61. Die nicht mehr zu steigernde Erhöhung der Gattung des Konzertsaals ins Sakrale durch Klenze ordnete sich in erhabener Objektivität alle anderen möglichen Gesichtspunkte rigoros unter. So blieb in einem solchen Raum auch kein Platz für eine eigene Königsloge •— in der geradezu religiösen Hingabe an den Genius der Musik wurden wirklich alle Menschen Brüder wie in Beethovens Neunter,- der König saß in der ersten Reihe nur als ein primus inter pares, der in großzügiger Munifizenz dieses Gebäude dem Publikum geschenkt hatte — ein echter »Bürgerkönig«, der im Dienst an der Kunst und am Volke seine Aufgaben sah und sich selbst nur noch insofern im Mittelpunkt, als er sich mit diesem Dienst in besonderer Weise beauftragt fühlte. Ein ähnlicher Zug objektiver, monumentaler Größe ist überhaupt charakteristisch für die architektonischen Schöpfungen dieses Monarchen, der nicht mehr zur Verherrlichung des Königtums baute, sondern im Dienste von Ideen und für die Allgemeinheit. Selbst seinen Privaträumen in der Residenz fehlte die wohnliche Intimität — und das im Biedermeier! »Man >wohnt< nicht im Königsbau . . . , der >erste der Bürger< >verweilt< dort. Entspannungen haben innerhalb der >großen Form< nicht Platz«, stellt Karlinger fest und weist auf den einem Museum, aber keinem Heim angemessenen Charakter dieses Residenztraktes hin®2. Hiermit ist zugleich etwas Wesentliches über die Eigenart von Klenzes Innenräumen ausgesagt — der Architekt gelangt hier zu den besten Leistungen bei Aufgaben, die sich zu einem Höchstmaß sakralen, feierlichen Ernstes und erhabener Strenge steigern lassen, etwa im Odeon, in der Hofkirche, im Thronsaal des Festsaalbaues der Residenz, in der Befreiungshalle und im Haupttreppenhaus der Eremitage in Petersburg. 2. G e n e s e u n d S t i l Die Raumform des Odeonsaales ist keine einmalige Invention Klenzes, sondern entspricht einem Typus, der im Klassizismus, in vielerlei Variationen abgewandelt, überaus verbreitet ist und der zugleich in der Elongation uralter Traditionen steht. Das gemeinsame Hauptelement all dieser verschiedenen Abwandlungen ist die vor einzelne oder sämtliche Wände gestellte Kolonnade, weshalb dieser Typus am besten als P e r i s t y l s a a l oder, um auch Räume mit Säulenreihen nur an zwei oder gar einer Seite mit einzubeziehen, als K o l o n n a d e n - oder S ä u l e n s a a l bezeichnet werden kann. Eine Zusammenstellung der verschiedensten Möglichkeiten der Gestaltung solcher Säulensäle findet sich in Durands »Précis des leçons d'architecture«, Band I (1802), Tafel 13. Jean Nicolas Louis D u r a n d (1760—1834), Schüler des »Revolutions61 62

Eos Nr. 36/3. 3. 1828. H. Karlinger, München u. die deutsche Kunst des 19. Jahrunderts, München 1933, S. 64.

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architekten« Boullée, hat nicht durch ausgeführte Bauten, sondern als Theoretiker durch seine Vorlesungen an der Pariser Ecole polytechnique und deren Veröffentlichung (erste Auflage 1802/05) einen maßgebenden Einfluß auf die zeitgenössische Architektur ausgeübt; die von ihm während der Pariser Ausbildungsjahre (1803—5) empfangenen Eindrücke bildeten eine der Grundlagen, auf denen Klenzes Schaffen aufbaute. Auf der erwähnten Tafel (s. Tafel 14, Abb. 35) stellte Durand eine Reihe von schematischen Vorschlägen zur Ausbildung von Säulensälen nebeneinander — kleinformatige Darstellungen, die dem Betrachter nur allgemeine Anregungen vermittelten und ihm die Ausarbeitung feinerer Details überließen, Beispiele von Saalschemen, die durch weitere vermehrt und deren Bestandteile untereinander noch verschiedenartig ausgetauscht und kombiniert werden konnten. Das erste Schema zeigt einen quadratischen tetrastylen Saal, das zweite darunter einen quadratischen flachgedeckten Peristylsaal. Es folgt der Grundriß eines großen rechteckigen Peristylsaals, dazu zwei Querschnitte: der obere zeigt ihn mit monumentaler Kolonnade und Tonnengewölben, der untere flachgedeckt, mit zwei übereinandergestellten Säulenordnungen und Galerie — also im Prinzip der Typus des Odeons. Es folgen Darstellungen von längsrechteckigen Säulensälen, denen an einer Schmalseite eine Exedra angefügt ist: zunächst ein Grundriß mit Kolonnaden nur an den Längsseiten und eingezogener Exedra, dazu ein Querschnitt mit Tonnengewölben, die auf den Säulenstellungen ruhen, und ein zweiter Schnitt, bei dem die Tonne auf den Außenwänden ruht, denen säulengetragene Galerien vorgelegt sind; anschließend der Grundriß eines auf drei Seiten von Kolonnaden umzogenen Saales mit nur wenig eingezogener Apsis — dem Odeon recht ähnlich —, dazu zwei Alternativ-Querschnitte: der eine mit säulengetragenen Tonnen, der andere, ganz dem Odeon entsprechend, flachgedeckt mit zweigeschossiger Kolonnade und Galerie. Dieser Querschnitt angewendet auf den rechts daneben stehenden Grundriß ergibt das Grundschema des Odeonsaales, dessen Grundriß hier sein u n m i t t e l b a r e s V o r b i l d hat: ein längsrechteckiger Raum mit Kolonnaden an drei Seiten und in deren Fortsetzung einer halbkreisförmigen Exedramauer an der vierten, um die der Umgang herumgeführt ist; selbst die halbkreisförmigen Nischen in den Zwickeln sind hier zu finden, in die Klenze die Galerietreppen einfügte, und die Stirnpfeiler der Exedramauer; die Zahl der Interkolumnien erhöhte Klenze in der Länge wie in der Breite um je zwei. Auch das stereometrische Raumdenken, das dem Odeonssaal sein Gepräge gibt, ist in dem von Durand zum Prinzip erhobenen Grundrißzeichnen auf Rasternetz grundgelegt (Klenze hat diese Art des Zeichnens auch vielfach angewendet). Die Vorbilder für derartige Raumformen — denen Durand noch einen tonnengewölbten Saal mit Exedra in ganzer Breite hinzufügt sucht der Klassizismus natürlich in der Antike. Hier boten sich als Beispiele von Raumgestaltungen außer den römischen Massivbauten, von denen sich Durand zu einer zweiten Tafel mit Saalentwürfen (»Galleries«) inspirieren ließ 63 , das (mit einer Decke versehene) hellenische Peristyl 83

Durand, Précis des leçons Tafel 14 (hier das Vorbild für den Römersaal der Glyptothek, vgl. oben Erdg. Raum 8). Auf Tafel rs »Pièces centrales« (Rundsäle). 121

und die r ö m i s c h e B a s i l i k a an. Der häufigste Typus der letzteren — ein griechischer Kolonnadensaal, dem eine römische Exedra angefügt ist — liegt dem Münchner Odeon zugrunde. Die Frage nach den genetischen Wurzeln von Klenzes Saalform und deren konstitutiven Baugliedern führt demnach zurück bis zum Problem der Entstehung geschlossener Räume in der Antike. Der griechischen Architektur, die einzelne plastisch-körperhafte Glieder zu insgesamt ebenfalls plastischen, in sich selbst ruhenden, auf keinen Beschauer berechneten Gebilden zusammenfügt, ist ein auf räumliche Wirkung abzielendes Empfinden wesensfremd. Die düstere, enge T e m p e l c e l l a war nicht Kult- und Versammlungsraum, sondern nur Wohnsitz des Kultbildes, immerhin ein überdachtes Gehäuse und als solches die Keimzelle der einzigen Form von Innenraum, die die Griechen entwickelten. Das Dach der dorischen Tempelcella wurde von zwei zu den Längswänden parallelen doppelgeschossigen Säulenreihen gestützt — hier ist der Ursprung des Motivs der Supraposition zweier Ordnungen64, wie sie den Odeonsaal auf drei Seiten umziehen. Obwohl die Ähnlichkeit zwischen letzterem und einer griechischen Cella in nidits anderem als der Gemeinsamkeit dieses Motivs besteht, dürfte gerade diese Assoziation für Klenze und seine Zeitgenossen entscheidend gewesen sein, beruhte doch auf ihr das Gefühl, in dem »tempelartigen, herrlichen Prachtsaal« von einer sakralen Atmosphäre umgeben zu sein. Für einen Vergleich kommt in erster Linie die Parthenon-Cella in Betracht, bei der erstmals, durch Herumführung der Kolonnaden auf drei Seiten um das Kultbild, so etwas wie ein breiter, in sich geschlossener Raum entsteht, der freilich keine eigene räumliche Potenz besitzt, sondern einem aus plastischen Gliedern gebildeten, zweigeschossigen Peristylhof gleicht, über den sich eine Kassettendecke breitet. Im Grunde genommen ist auch diese am weitesten entwickelte Form des grieischen Innenraumes »Freiluftarchitektur«, und bezeichnenderweise gab es tatsächlich auch hypäthrale Tempelinnenräume (Didyma; vgl. Vitruv Ill/a®6). Schinkel hat ein derartiges offenes Tempelinneres auf einem Bühnenbild zu Glucks Alceste dargestellt (Apollotempel, 1817); diese Theaterdekoration und eine zweite von 1812 mit dem Inneren des Dianatempels von Ephesus geben Aufschluß über Charakter und Atmosphäre einer Tempelcella in der Vorstellung der Klassizisten, die natürlich auch auf die zeitgenössische Architektur einwirkte. Dem Raumtypus des Odeons verwandt ist auch ein Bühnenbild mit einem Tempelinneren, das Alessandro Sanquirico 1821 für die Mailänder Scala zu dem Ballett »La Morte di Ettore« von Francesco Clerici schuf — ein 61

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Supraposition gab es bereits in Knossos. — In den Cellen ist der Grund dafür die unproportionierte Länge, die eine einzige Säule gehabt hätte (außerdem die Notwendigkeit, das Dach zu stützen, für die Einziehung derartiger Kolonnaden in die Cella überhaupt). Audi wo größere Versammlungsräume benötigt wurden, arbeiteten die Griechen mit dem Säulen-Architrav-System und unterteilten den zu überdeckenden Raum durch mehrere Säulenstellungen nebeneinander, z. B. Telesterion Eleusis, Thersileon Megalopolis, Säulensaal im argivischen Heraion, Amtshaus in Sikyon, Säulensaal bei der Athener Agora. — Interessant als Raumform die Lesdie der Knidier in Delphi — ein Rechteckbau mit gedecktem Säulenumgang um einen schmalen hypäthralen Hof, also praktisch ein Peristyl.

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gewaltiger, tonnengewölbter Raum mit zwei Ordnungen dorischer Säulen übereinander, der in einer eingezogenen Apsis endet und von drei Querschifien durciikreuzt wird 66 . Eine gewisse Ambivalenz zwischen Innenraum und hypäthralem Hof blieb charakteristisch für alle mit griechischen Bauelementen arbeitenden Saalformen späterer Zeit, so auch für die r ö m i s c h e B a s i l i k a des üblichen Typs, die ihrem Wesen nach auch nichts anderes ist als ein gedeckter Markt 67 . Der Ursprung dieser Raumform ist in hellenistischen Platzanlagen zu suchen, deren seitliche Begrenzungen zweigeschossige Säulenhallen bildeten: hier erscheint das Motiv der Supraposition in neuartiger Weise als Grundelement einer Fassadengestaltung68. Das älteste Beispiel für diese Gattung ließ König Eumenes II. von Pergamon in der i. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. errichten: die den Bezirk der Athena Polias Nikephoros in Pergamon umschließenden Hallen; sein Nachfolger Attalos II. erbaute die nach ihm benannte Stoa an der Agora in Athen. Bekanntestes Beispiel eines von zweigeschossigen Hallen umschlossenen Platzes ist das Forum in Pompeji, praktisch ein erweitertes Peristyl. Die den römischen Fora anliegenden Basiliken — der Name stammt vermutlich von der Stoa Basileos in Athen — waren nichts anderes als ein derartiges gedecktes und dementsprechend kleineres Forum, das bei jeder Witterung benützt werden konnte. Den Innenraum der meisten dieser Basiliken umzogen doppelgeschossige Kolonnaden mit Umgängen und Emporen darüber; vielfach war an einer der Schmalseiten (mitunter an beiden, oder an der Breitseite) eine halbrunde Tribuna für den Sitz des Richters angefügt. Die Raumform der Basilika wurde auch in den Palastbau einbezogen — erstmals von Domitian auf dem Palatin: in der »Basilica Iovis« der Domus Flavia war die Exedra der Sitz des göttliche Ehren beanspruchenden Kaisers, der hier Recht sprach. Dadurch, daß seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. auch der römischen Tempelcella vielfach eine Exedra als Standort des Kultbildes angefügt wurde, kam es auch bei dieser Gattung, zumal wenn vor den Seitenwänden Kolonnaden standen, zu einer Annäherung an den Typus der Basilika, so im Tempel der Venus und der Roma, bei dem zwei derartige (gewölbte) Cellen mit den Exedren aneinanderstoßen (gerade dieser Bau war den Architekten des antikisierenden Zeitalters wohlbekannt, er ist bei Palladio wie bei Durand abgebildet69. Durand rekonstruiert auch den Tempel des Mars Ultor auf dem Augustusforum als flachgedeckte Basilika mit Exedra70.) 66 67

68 09 70

Abb. in Enciclopedia dello Spettacolo, Bd. 3 (Rom 1956), S. 967. Uber die Basilika unterrichtet zusammenfassend der betreffende Artikel in der Enciclopedia dell'Arte antica, sowie Rudolf Schultze, Basilika (Röm.-German. Forschungen Bd. 2, Berlin 1928). Ein anderer Gebäudetyp, bei dem die Supraposition häufig zur Anwendung kam, ist die Bühnenwand des römischen Theaters (z. B. die dreigeschossige in Sabratha/Libyen). Palladio, Quattro libri VI/10; Durand/Legrand, Recueil et parallèle des édifices de tout genre anciens et modernes, Paris 1799/1800, Tafel 4. Durand a. a. O. T. 13. Ein bemerkenswertes Beispiel basilikaler Gestaltung in neuerer Zeit ist die »hall« des Schlosses Holkham Hall, Norfolk (1734 v. William Kent).

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An derartige Tempel (und nicht an Markthallen) dachte man natürlich bei der Wiederaufnahme der basilikalen Raumform für Sakralbauten der Neuzeit: so bei der Schloßkirche von Versailles, in der mittelalterliche mit antikisierenden Elementen verschmolzen sind, bei der von ihr abgeleiteten Schloßkapelle in Caserta, oder bei der (mit Versailles etwa gleichzeitigen) Schloßkapelle in Lunéville, in der zwei korinthische Kolonnaden übereinander den Raum mitsamt der Apsis umziehen. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitete sich der basilikale Typus der Kirchen im »griechischen Stil« in Frankreich''1 und von da ins Ausland; eingeschossige Beispiele sind St. Philippe du Roule in Paris (1766 entworfen) und St. Symphorien in Versailles (1764—70), ein zweigeschossiges ist Christian Frederik Hansens Frauenkirche in Kopenhagen (1810—29, Mittelschiff mit Pfeilerarkaden und darüber dorisierender Kolonnade, kassettierte Tonne mit Oberlichtern, Apsis mit Thorwaldsens Christusstatue). Eine »Basilika« mit zwei Säulenstellungen übereinander und einer von einem Umgang umzogenen Exedra sollte auch der Mittelsaal des Museo del Prado in Madrid werden, das José de Villanueva seit 1785 als Naturhistorisches Museum errichtete — der (später in zwei Geschosse geteilte) Saal war — nach der Deutung von F. Chueca Goitia — als »Templo a la Ciencia« gedacht: »un solemne salón de actos o ceremonias públicas donde se rindiera culto a la sabiduría«72. Villanuevas »Tempel der Wissenschaft« und Klenzes Musiktempel liegen entwicklungsgeschichtlich auf gleicher Linie. Die Form des griechisch-römischen, von Säulenhallen umgebenen Platzes wie die der römischen Basilika blieb im Bewußtsein der nachantiken Zeit hauptsächlich durch Vitruv (V, 1) lebendig, dessen Ausführungen von P a l l a d i o wiederaufgenommen und im Sinne seiner Zeit interpretiert wurden, wodurch sie zu erneuter weiter Verbreitung und Wirksamkeit gelangten. Im dritten seiner »Quattro libri dell' Architettura« (1570) beschreibt Palladio im 17. Kapitel die »Piazze de i Greci«, im 18. die »Piazze de' Latini«, beide von zweigeschossigen Kolonnaden umgeben, mit anstoßender Basilika in Form eines längsrechteckigen, zweigeschossigen gedeckten Peristyls. Anschließend (Kap. 19) bringt Palladio noch den Grund- und Aufriß einer römischen Basilika mit zweigeschossigem Peristyl auf drei Seiten und Exedra zwischen kleinen Rundtreppen an der vierten. Palladios Darstellung der Fora und der Basilika übernahm auch Durand 73 . Neben der Tempelcella und der Basilika ist noch auf einen anderen Typus hinzuweisen, der genetisch für das Odeon von Bedeutung ist: das P e r i s t y l , der von einer oder zwei übereinandergestellten Säulenordnungen umzogene Hof des griechischen Hauses hellenistischer Zeit, wie er etwa (noch aus Holz, dreiseitig/zweigeschossig) im »Haus des Glücks« in Olynth, später voll ausgeprägt in Delos auftritt und wie er auch in Pompeji üblich ist. (Das römische Atrium gleicht sich diesem Typus an.) Palladio, auch hier im Anschluß an Vitruv, bespricht in seinem 2. Buch antike Häuser 71 72 73

Vgl. Wolfgang Herrmann, Laugier, London 1962, S. 249 ff. Fernando Chueca Goitia, El Museo del Prado, Guiones de Arquitectura, Madrid 1952, S. 18. Durand a. a. O. Tafeln 13 u. 15.

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mit verschiedenen Formen des Atriums: für unseren Zusammenhang bedeutsam sind das »Atrio Toscano« (Kap. 4), ein zweigeschossiger Peristylhof, das tetrastyle »Atrio Corinthio«, dem er gleich einen tetrastylen gedeckten Saal eigener Erfindung anfügt (Kap. 5 u. 6 ; vgl. den gleichen Typus in Durands »Précis« Tafel 13), die Rekonstruktion des griechischen Privathauses mit zwei Peristylen (Kap. 11) sowie die der antiken Villa mit einem Säulenhof (Kap. 16). Von all diesen antiken Typen machte Palladio bei seinen eigenen Palast- und Villenbauten in verschiedener Weise vielfachen Gebrauch — bei Höfen, Sälen oder auch nur in der Anwendung des Motivs der Supraposition bei Fassadenloggien (etwa beim Palazzo Chiericati oder bei der Villa Valmarana in Lisiera). Erneuerungen des antiken Peristyls bzw. Atriums sind die von zweigeschossigen Kolonnaden umgebenen Höfe, wie sie (mit der Wiedereinführung des griechischen Säulen-Architrav-Systems durch Bramante am Tempietto und im Obergeschoß des Hofes von Sta. Maria della Pace als Voraussetzimg) seit dem Cinquecento gelegentlich vorkommen: z. B. der runde Hof vom Palaste Karls V. auf der Alhambra (1546 von Pedro Machuca entworfen), der Hof der Universität in Padua (beg. 1546 von Andrea Moroni), der des Priesterseminars in Mailand (1570 von Giuseppe Meda), die beiden Höfe des Collegio Elvetico in Mailand (1620 von Fabio Mengoni), und der Patio im Collegio de Anaya in Salamanca (1760 von José de Hermosilla). Nicht ausgeführt wurde ein origineller Plan von Philibert de l'Orme für das Frauenkloster Montmartre in Paris (um 1560): die Mitte der Anlage bildete ein kreisrundes, von einer steilen Holzkuppel mit Laterne überdecktes Atrium, vor dessen Wände zwei ionische Kolonnaden übereinandergestellt waren; auf die als Kreuzgang aufgefaßten Umgänge in drei Geschossen öffneten sich die Türen der zahlreichen Zellen 74 . Als gedecktes zweigeschossiges Peristyl von 6 x 9 Säulen rekonstruiert Palladio (IV/12) die Cella eines vermeintlichen Jupitertempels auf dem Quirinal; vier Kapitel weiterbildet er das konstantinische Lateransbaptisterium mit seiner achteckigen doppelgeschossigen Säulenstellung ab. Im Kapitel 10 des 2. Buches beschreibt er, auf Vitruv fußend, den Typus der » S a l e E g i t t i e : le quali erano molto simili alle Basiliche«. Es handelt sich um einen gedeckten Peristysaal von zwei Geschossen: das untere mit Umgang, das obere ohne einen solchen mit Halbsäulen und Fenstern dazwischen. »Dovevano haver queste Sale una grandezza mirabile sì per l'ornamento delle colonne, si ancho per la sua altezza . . ., e dovevano riuscir molto commode quando vi si facevano feste, ò conviti75.« Diese die vergangene Herrlichkeit der Antike sehnsuchtsvoll beschwörenden Worte wurden gewissermaßen zum Ausgangspunkt für den Typus des P e r i s t y l s a a l e s , der sich in der Palladio-Nachfolge über ganz Europa verbreitete. Im Grunde genommen sind auch diejenigen barocken Säle, die eine Wandgliederung durch Pilaster oder Halbsäulen aufweisen, von diesem Typus abgeleitet. In den klassisch gestimmten Ländern, in denen der Palladianismus vorherrschte, spielte die voll ent74 75

Anthony Blunt, Philibert de l'Orme, London 1958, S. 81 ff. Auch Perrault in seiner Vitruvedition bildet den ägyptischen Saal ab. 12s

wickelte Freisäule eine viel größere Rolle als Grundelement der Baukunst — zumal seit im 18. Jahrhundert mit seiner ständig wachsenden klassizistischen Tendenz das Vorbild Palladios erneute Aktualität erlangte. Richard Boyle Earl of Burlington erbaute 1730 den Assembly Room in York als getreue Verwirklichung von Palladios Ägyptischem Saal; diese Halle wurde zum Ausgangspunkt der Gattung des klassizistischen Fest-, Tanz- und Musiksaales. Etwa seit dem 2. Drittel des 18. Jahrhunderts wird der (vielfach runde oder ovale) Säulensaal zum vorherrsdienden Typus des höfischen Festsaales in Schlössern (z. B. Sanssouci, Solitude, der Pfeilersaal im Berliner, der Ballsaal im Warschauer Schloß, der Marmorsaal der Klosterresidenz Klosterneuburg) und Palästen (Niederländisches Palais Berlin, Taurisches Palais Petersburg), später, meist in viereckiger Form, auch in den der Öffentlichkeit bzw. Gesellschaften zur Abhaltung von Festlichkeiten, Bällen und Konzerten bestimmten Gebäuden, wie Redoutenhäusern, Kasinos, Kursälen u. dgl. Mitunter wird derperistylenSala greca eine (vom Pantheon abgeleitete) Sala romana als Kontrast an die Seite gesetzt, vergleichbar der Folge von Atrium und rundem Vestibül in der Hauptsache des Diokletianspalastes in Split; so liegen in der Mitte von Kedleston Hall (Derbyshire, Mitte 18. Jh. von James Paine) die Great Hall und anschließend der kreisrunde Saloon mit Nischen in den Diagonalen und Kuppel. Ein ähnliches Nebeneinander bestimmt das Zentrum des 1782—86 von dem Schotten Charles Cameron erbauten Schlosses Pavlovsk bei Petersburg76: an den »Italienischen Saal«, einen kreisrunden, zweigeschossigen Kuppelraum mit schweren, massiven Wänden, die im Erdgeschoß von Nischen ausgehöhlt werden, stößt der quadratische »Griechische Saal«, der — wie die meisten Räume vom peristylen Typ — als Tanzsaal diente. Bezeichnend für die zunehmende Tendenz zur freistehenden Kolonnade ist der Umstand, daß A. N. Voronichin beim Wiederaufbau nach dem Brand von 1803 die Säulen von der Wand wegrückte, so daß ein Umgang entstand, in dem sich die Zuschauer aufhalten konnten, während die freie Mittelfläche den Tänzern eingeräumt wurde. Außer den Anforderungen von Tanz-, Fest- und Musiksälen kam die peristyle Form auch denen von Bibliotheken entgegen; Beispiele sind der zweigeschossig peristyle Saal der Petersburger Akademie der Wissenschaften (um 1725 von Chiaveri [?]), die Bibliotheken der Abtei Ochsenhausen in Schwaben (178s ff.) und des Schottenklosters in Wien (1826 ff.), sowie der kreisrunde, zweigeschossige Kuppelsaal der Bibliothek des Schlosses Katschina bei Kuttenberg (1802 ff.). Den klassizistischen Peristylsaal gibt es im wesentlichen in vier Varianten: 1. eingeschossig, 2. zweigeschossig, doch nur mit einer kolossalen Säulenordnung, zwischen welche die Empore eingespannt ist, 3. zweigeschossig mit einer auf Säulen ruhenden Galerie, und 4. zweigeschossig mit Supraposition von Kolonnaden. Alle diese Varianten 78

M. W. Alpatov, Chudoiestvennoe znaienie Pavlovska, in Jeiegodnik Instituta Istorii Iskusstv 1954, S. 201 ff. (Griech. Saal S. 218); N. V. Vejs/N. I. Gromova/A. I. Zelenova, Pavlovsk (Pamjatniki russkoj chudoiestvennoj kultury), Moskau 1952, S. 46.

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sind auf beliebiges Format anwendbar es gibt außer rechteckigen und quadratischen Sälen auch den kreisrunden und ovalen, ferner auch einen kombinierten Typus, etwa ein Rechteck mit halbrundem Schluß an jeder Schmalseite oder, wie beim Odeon, an einer Seite. Eine weitere Variationsmöglichkeit besteht darin, einen Raum nur an drei, zwei oder einer Seite mit Kolonnaden auszustatten77, oder eine oder zwei Wände nur mit Pilastern zu besetzen78 usw. Der erwähnte Typus i kam vor allem in Schlössern und Palästen bei Fest- und Ballsälen zur Anwendung. Beispiele: Tanzsaal in Pavlovsk; Zeremoniensaal der Hofburg und Saal im Palais Rasumofsky in Wien, beide um 1804 von Montoyer; der Säulensaal im Taurischen Palais, eine grandiose Ubersteigerung des Typs. Der Typus 2 bedingte eine Steigerung der Säulen ins Kolossale, andererseits wirkt das Motiv der eingespannten Empore leicht unorganisch oder plump; so gibt es für ihn nur wenige Beispiele, als wohl großartigstes den Kolonnij zal des Moskauer Adelsklubs (s.u.). Dem Typus stehen viele (vor allem protestantische) Emporenkirchen nahe, z. B. der basilikale Bau (mit angefügtem Chor) von St. Martin in the Fields, London (von James Gibbs 1721—26), Peter Harrisons King's Chapel in Boston (Mass.), 1749 ff.; Weinbrenners evangel. Stadtkirche in Karlsruhe (r8o7—rr) und d'Ixnards ganz festsaalartig wirkende kathol. Damenstiftskirche in Buchau (1773—76, allerdings mit pilasterbesetzten Pfeilern statt Säulen). Der dritte Typ — weitaus der häufigste — wird besonders von Redouten-, öffentlichen Ball- und Konzertsälen bevorzugt (Beispiele sind die Redouten- und Konzertsäle in den Theatern von Mannheim, Triest und Regensburg, sowie im Münchner Nationaltheater nach Fischers Plan, ferner der Redoutensaal in München), aber auch höfische Fest- und Repräsentationssäle haben vielfach diese Form, so die monumentalen Thronsäle im Münchner Festsaalbau von Klenze und im Petersburger Winterpalais, in letzterem auch der Wappensaal, der intime, schlichte Festsaal des Weimarer Schlosses. Auch Sakralbauten wären hier anzuführen, etwa die Kirche des Juliusspitals in Würzburg (1789), Metiviers Synagoge in München (1825) und verschiedene evangelische Dorfkirchen Georg Mollers79. Der vierte Typ mit Supraposition zweier Ordnungen, dem auch das Münchner Odeon angehört, ist, da die obere Kolonnade vom Zweck her eigentlich überflüssig ist, besonders aufwendig und in weltlichen Gebäuden nicht so häufig wie der dritte,- wohl aber spielt er im Sakralbau eine hervorragende Rolle. Sowie die protestantische Emporenkirche sich klassischer Formensprache bediente, kam es zur Ausbildung einer peristylen Anlage: 1623 entstand der Temple in Charenton, in dem »der reformierte Kultus sich im Anschluß an das Muster der alten vitruvianischen Basilika ein ebenso 77

18 79

Klenzes Ballsaal im Festsaalbau München hatte doppelgesdbiossige Kolonnaden (die obere als Karyatiden) an den beiden Schmalseiten, Dauthes Aula der Univ. Leipzig nur an einer Seite. Saal der Bergakademie in Petersburg. Uber diese siehe Näheres bei Marie Frölich/Hans-Günther Sperlich, Georg Moller, Darmstadt I9S9, S. 254. 127

zeitgemäß geformtes, wie seinen eigenen Bedürfnissen rein entsprechendes Heim geschaffen« hat 8 0 ; das Vorbild dieses ganz von Emporen umzogenen rechteckigen Predigtsaales wurde für den protestantischen Kirdienbau weithin maßgebend; so entstand etwa gleichzeitig mit dem Odeon der Temple in Marseille von Penchaud (Tafel 15, Abb. 38) mit zwei toskanischen Ordnungen übereinander an drei Seiten und eingezogener Apsis an der schmalen Stirnfront 81 . Beispiele in Deutschland: Georg Mollers evangelische Dorfkirche in Birkenau bei Weinheim (1816, Emporen an drei Seiten, an der Ostseite rechteckige Chornische mit Kanzelwand und Orgelempore darüber, davor der Altar) 8 2 ; die Schloßkirche in Stolzenau (Kr. Nienburg), 1828—3083; die Marienkirche in Neuruppin (1806, dreigeschossig); die Dorfkirche in Altenwerder bei Hamburg (um 1830). Ignaz Neumanns Entwurf für die Jesuitenkirche in Würzburg (1765) verbindet das zweigeschossige Kolonnadensystem mit dem süddeutschen barocken Längsbau mit kurzen Querarmen und großer Mittelkuppel. Auch bei den Synagogen war der zweigeschossige Typus verbreitet, z. B. in der Touro Synagogue in Newport (Rhode Island), einem der feinsten Werke des »Kolonialstils« (1762/63 von Peter Harrison) 84 , und in derjenigen in der Rue de Nazareth, Paris (1822 von Thierry) 85 . Klenze kannte zweifellos die Kapelle, die Percier und Fontaine 1803—06 auf Befehl Napoleons in den Tuilerien einbauten 86 . Der Rechteckraum mit unten toskanischer, oben römisch-dorischer Ordnung besaß an der einen Schmalseite eine vorspringende Empore für den Kaiser, an der anderen, hinter dem Altar, eine Nische mit Tribüne für die Musiker; ähnlich wie später im Odeon war die Farbigkeit nach oben hin zum Lichteren fein abgestuft, worauf Hautecceur besonders hinweist: die unteren Säulen bestanden aus »pierre de Liais«; die oberen aus weißem Stuckmarmor hatten Kapitelle, die, ebenso wie die Gesimse und die flache Decke, vergoldet waren. Beispiele für diesen vierten Typus aus dem außerkirchlichen Bereich: Belsay Castle (Northumberland), 1807—17 von Sir Charles Monck erbaut, hat eine zweigeschossige peristyle Halle in edlen neuhellenischen Formen als Mittelpunkt 87 ; für das Schloß der Kaiserin Josephine in Malmaison entwarf Luigi Cagnola ein Projekt, dessen Zentrum 80

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Martin Wackernagel, Baukunst des 17. u. 18. Jh. in den german. Ländern (Hd.budi der Kunstwiss. 15/aJ, S. 88. — Siehe auch Louis Hautecoeur, Histoire de l'Architecture classique en France I/713 f. — Der von Salomon de Brosse r623 erneuerte Tempel hatte eine hohe untere Kolonnade mit eingespannter Empore und über der 2. Galerie eine obere, niedrigere Säulenordnung. Hautecoeur VI, S. 214. Frölidi/Sperlidi a. a. O. (Anm. 78) S. 253. Emst-Wolfg. Mick, Die Weser, München 1962, S. 4.9 u. Tafel rrr. Talbot Hamlin, Forms und Functions of Twentieth-Century Architecture Bd. III (New York 195^), S. 382. Hautecoeur VI, S. 8r f. Hautecoeur V, S. 167. — Marie-Louise Biver, Le Paris de Napoléon, Paris 1963, S. 3r9 f. — Die Kapelle befand sich im Pavillon der ehem. Salle des Machines. Christopher Hussey, Late Georgian (Early Country Houses), London r9s8, 83 ff.

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ein dreiseitig peristyler Saal mit angefügter Exedra bildet88. Ganz der basilikalen Form des Odeons entspricht der Entwurf zum Sitzungssaal eines Gerichtshofes (Cour de Cassation) von Henri Labrouste 182489: den Raum umziehen dorische bzw. ionische Kolonnaden auf drei Seiten, an der vierten schließt sich eine Tribuna mit dem Richterstuhl an wie in altrömisdien Basiliken. In Deutschland wären zu nennen Schinkels Entwurf für ein Gesellschaftshaus in Magdeburg um 1830 (s. u.), eine Reihe nicht ausgeführter Entwürfe Mollers für ein Kurhaus in Bad Homburg um 1830/31 90 , und die großartige, edle Universitätsaula in Göttingen in von Schinkel beeinflußten neuhellenischen Formen (1835—37 von Otto Prael, mit Kolonnaden an drei Seiten, vor der vierten, der Stirnwand, steht der Katheder)91. Klenze hat nach dem Odeon noch zwei weitere doppelgeschossige Peristylsäle entworfen: r839 das Münzkabinett in der Eremitage in Petersburg (mit Hermenkaryatiden als oberer Ordnung), und 1840 den »Prachtsaal« (Fest- und Sitzungssaal) des — nicht ausgeführten — Projektes für das Nationalmuseum in Pest — beides typische Beispiele für Klenzes Spätstil. Hier anzuführen wären auch einige besonders repräsentative Kirchenentwürfe aus Klenzes »Anweisung zur Architectur des christlichen Cultus« (1834): Basiliken mit seitlich zwei korinthischen Kolonnaden übereinander und einer Apsis als Abschluß (Tafeln 14, 17 u. 19); verwandt hiermit ist Klenzes Plan für den Berliner Dom 92 , mit seitlich je zwei Kolonnaden nebeneinander. Kolonnaden an drei Seiten und eingezogene Apsis an der vierten zeigt ein Entwurf Klenzes für eine evangelische Kirche in München83. Als Beispiele für den sehr häufigen Typus des kreisrunden Peristylsaals seien angeführt der grandiose Redoutensaal des Staryj Petrovskij teatr in Moskau (s. u.), der Kruglyj zal im Kreml, das House of Commons in Dublin (1728 ff.), die Rotunden des Alten Museums in Berlin und des Prado in Madrid, der Kuppelsaal des Schlosses Wilhelmshöhe in Kassel. Auch einzelne Kirchenbauten — primär zwar vom Pantheon inspiriert — sind durch Einfügimg eines Säulenringes, der die Kuppel trägt, diesem Saaltypus angenähert, in Deutschland z. B. die Hedwigskirche in Berlin, die Abteikirche St. Blasien von Michel d'Ixnard, die Deutschordenskirche St. Elisabeth in Nürnberg und Mollers Ludwigskirche in Darmstadt (alle katholisch)94. 88 88

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Storia di Milano Bd. r3, S. 518 f. (Die um 1810 entstandenen Pläne heute in der Brera.) Grands Prix III/T. 89 u. 90. Frölich/Sperlich a. a. O. (Anm. 78) S. 307. HansGünther Sperlich, Die Göttinger Universitätsbauten (Kleine Kunstführer für Niedersachsen Heft 3), Göttingen r954, S. 12 ff. (Mit genauerer Beschreibung des Aulagebäudes und dem Hinweis, daß dessen innere Organisation vom Typus des zeitgenössischen Gesellschaftshauses beeinflußt ist). 93 GS 26920. GS 27015 u. 27009. Vgl. auch die Evangel. Kirche in Warschau von Simon Zug r778—8r (zweigeschossig) und die von Langhans d. Ä. in Reichenbach (Schlesien, dreigeschossig). Eine originelle zentralisierte Anlage ist der achteckige Mittelraum des hölzernen Jagdschlosses in Antonin bei Oströw (Polen), r822—24 von Schinkel, den — um einen Kamin als Mittelpfeiler — Säulenstellungen und Galerien in drei Geschossen umgeben. 129

Die Exedra des Odeons kann auch als Hälfte eines derartigen Rundsaales betrachtet werden; rein assoziativ mag in der rigorosen, streng monumentalen Art, wie sie den Raum in seiner ganzen Breite und ohne Absatz in sich aufnimmt, etwas von der großen Halbrundform antiker Theater mitschwingen, an deren Vorbild sich im frühen 19. Jahrhundert einige französische Konzertsaalentwürfe und in ihrem Gefolge auch ein Grundriß Klenzes zu einem »Odeon« orientiert hatten (s. u.). Für den ersten, oberflächlichen Blick mag es aussehen, als hätte Klenze beim Münchner Odeon außen und innen verschiedene Stile angewendet — als sei die Fassade »Neurenaissance«, der Saal neuhellenisch bzw. eine römische Basilika. Es ist nun aber deutlich geworden, daß die Feststellungen, die über Klenzes Stil bei der Fassade gemacht wurden, genauso für den Innenraum gültig sind: auch in der Ausformung des Saales zeigt sich Klenze als Erbe der gesamten antiken und auf der Antike beruhenden Kultur, auch hier mischt er in relativ naiver Weise Elemente verschiedener zeitlicher und regionaler Herkunft — Griechisches und Römisches, Palladianisch-Italienisches und Französisches (Durand; für die Ornamentik Percier und Fontaine). Im Grunde genommen ist auch der Saal »Neurenaissance« im gleichen Sinn wie das Äußere; seine Details sind ganz und gar nicht archäologisch-griechisch, sondern eher palladianisch und mit griechischen Elementen in z. T. französischer Formulierung durchsetzt — es sei nur auf die in diesem Sinne »korrigierten« toskanischen Säulen im Untergeschoß hingewiesen. Doch Klenze verstand es, den Saal zu einem ganzheitlichen Raumkunstwerk auszuformen — trotz dieser Vielfalt heterogener Quellen, aus denen er schöpfte, oder gerade wegen ihr: wie in wenigen seiner Bauten verfügt er gerade hier souverän und unbedenklich über die ganze Fülle des Formenmaterials, das ihm als Erben einer reichen Vergangenheit zu Gebote stand, hierin den »alten Meistern« nicht unähnlich; archäologische Doktrin und theoretische Überlegungen über den anzuwendenden Stil treten noch einmal weit zurück. Unter diesen Umständen konnte eines der glücklichsten Werke Klenzes entstehen.

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ZWEITER TEIL ENTSTEHUNG UND DES Ö F F E N T L I C H E N

FRUHZEIT

KONZERTSAALBAUS

I. Historische Voraussetzungen Die Entstehung des öffentlichen Konzertsaales als einer neuen, selbständigen Bauaufgabe steht in engstem Zusammenhang mit Verschiebungen im gesellschaftlichen Gefüge; es entsprechen ihr gewisse Vorgänge in der gleichzeitigen musikalischen Entwicklung sowie Veränderungen in der sozialen Stellung des schaffenden wie des interpretierenden Musikers. Im weiteren Sinne steht sie mit den neuartigen Strömungen des Geistes, die seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts eine allmähliche Revolution der menschlichen Zivilisation bewirkten, in Zusammenhang und ist in diesem Rahmen zwar nur ein Phänomen unter zahllosen und zum Teil viel umfassenderen und gewichtigeren, doch ein sehr bezeichnendes. Im sozialen Bereich — auf den hier gerade nur hingewiesen werden kann — ist die Voraussetzung die E m a n z i p a t i o n d e s B ü r g e r t u m s , das im politischen und gesellschaftlichen Leben die Gleichberechtigung mit dem privilegierten Adel anstrebt und mehr noch als auf diesen Gebieten im Bereich der Kultur erfolgreich ist, in dem es sich von Haus aus freier entfalten konnte und in dem es durch die Unzahl aus seinen Reihen hervorgegangener, überragender Persönlichkeiten die Führung an sich reißt und durch seine Leistungen auch die alten herrschenden Schichten in seinen Bann zieht. Dabei kommt es in einer Ubergangsphase zwischen hoher bürgerlicher Geisteskultur, die vom Wesen her edel ist, und adeligem, verständnisvollem Mäzenatentum vielfach zu einem besonders glücklichen und fruchtbaren Zusammenwirken, etwa im Weimar Karl Augusts oder im München Ludwigs I.j das Ende dieser Phase zeigt sich exemplarisch ebenfalls in München, wo die Begegnung zwischen Ludwig II. und Wagner (unter Hinzuziehung Sempers) zu Beginn nochmals ein Zusammenspiel der beiden sozialen Schichten zu versprechen scheint, doch später wieder zur Trennung führt — Wagner verwirklicht aus eigener Kraft »Bayreuth«, mit einem Festspielhaus aus dürftigem Fachwerk, bar allen architektonischen »Adels« im doppelten Sinne,- der König geht als tragischer Anachronismus zugrunde, in seinen Schlössern sinnlos gewordenen höfischen Glanz verströmend. Sein Nachfolger, der Prinzregent, nahm von der Kunst nur noch wohlwollend und verständnisvoll Notiz, ohne jedoch auf ihre nun selbstherrliche Entwicklung einwirken zu können.

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Die Emanzipation des »dritten Standes«, der seine Mitwirkung in allen Bereichen schrittweise durchsetzte, führte zur Loslösung bestimmter zuvor im Bereich der Fürstenresidenz eingebundener politischer, verwaltungstechnischer und kultureller Funktionen, die nun — verselbständigt und wegen der Beteiligung breiterer Schichten sowohl als aktiver Träger als auch als »Publikum« — Anlaß zur E n t s t e h u n g n e u a r t i g e r B a u a u f g a b e n 1 werden, denen das Bürgertum seinen Stempel aufdrückt. So entstehen etwa die Gattungen des Parlamentes, des Ministeriums, des Regierungs- und Verwaltungsgebäudes, des Justizpalastes; in aus dem Zusammenhang des Schlosses gelöster, für den öffentlichen Besuch enorm vergrößerter Form entstehen Museum, Bibliothek, Theater, Konzerthaus, Fest- und Gesellschaftshäuser; höfischen Ursprungs ist — zum kleinen Teil — in gewissem Sinn auch die Fabrik, deren Vorläufer die fürstliche »Manufaktur« ist. Andere alte Gattungen, die nicht aus dem höfischen Bereich stammen, erhalten eine völlig neuartig gesteigerte Bedeutung, so das großstädtische Rathaus, das Krankenhaus, Schulen und Hochschulen, Speicher, Hafen- und Verkehrsanlagen; ganz neue, rein bürgerliche Schöpfungen sind das Kaufhaus, das Geschäftsund Bürohaus, die Börse (im modernen Sinn), die Stadt- und Kongreßhalle, das Ausstellungsgebäude, der Bahnhof sowie im wesentlichen die Industriebauten. Eine Stagnation ergibt sich für die alten Typen des Schloß-, Palast-, Kirchen- und Klosterbaues — einen Teil ihrer geistigen Substanz ziehen die dazu geeigneten kulturellen Gebäude (wie Museum, Theater und Konzertsaal) an sich, im weiteren Sinn — insofern sie das vorherrschende, neuartig ausgerichtete Interesse der Gesellschaft widerspiegeln — auch die übrigen neuen Gattungen. Es ist das (meist uneingestandene) Bestreben jeder aufwärtsdrängenden sozialen Schicht, die Lebensform der von ihr bekämpften höheren Klasse nicht zu vernichten, sondern selbst letztere zu ersetzen — eine Problematik, die in bitterer Bezugnahme auf die Art des sozialen Verhaltens den Mitmenschen gegenüber Zola zum Inhalt seines »Germinal« machte, und für die nichts bezeichnender ist als die Entstehung eines neuen Adels im napoleonischen Frankreich, der sich von Mitgliedern des alten, entthronten Adels feine Lebensart lehren ließ. So forderte auch das aufstrebende Bürgertum seinen Anteil an geistigen Gütern und Genüssen, an Vergnügungen und Festen, die zuvor im wesentlichen nur am Hofe und dem zu diesem zugezogenen, bevorzugten Kreise geboten wurden — letzterer war allerdings gerade im 18. Jahrhundert zum Teil recht weit; für die Bedürfnisse des übrigen Volkes in dieser Hinsicht sorgte bis dahin vor allem die Kirche; eine Zwischenstellung nahm die Schicht der Gelehrten und zum Teil der Künstler ein, die ja auch in der Anfangszeit der neuen kulturellen Gebäudegattungen eine bedeutende Rolle spielte — gerade auch für die Entwicklung des Konzertsaalbaus. Die Gelehrten (vor allem Juristen, Theologen und Ärzte) und manche Künstler (freilich nicht die einfachen »Komödianten« und »Musici«) bildeten in rein bürgerlichen Städten nicht nur die geistig maßgebende, sondern auch eine sozial angesehene Schicht, die 1

Vgl. Hans Sedlmayi, Verlust der Mitte (Salzburg 1948), Kapitel 1 (»Neue führende Aufgaben«),

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in Wechselwirkung mit dem (vielfach als patrizisdi zu bezeichnenden) Geld- und Besitzbürgertum Träger einer rein bürgerlichen Kultur war. Eine solche Kultur herrschte im r8. Jahrhundert in dem in der gesellschaftlichen Entwicklung am weitesten fortgeschrittenen Lande, in England, vor, und sie zog auch kontinentale Künstler in ihren Bann (Händel, den späten Haydn). In Deutschland waren bedeutende Zentren einer rein bürgerlichen Kultur die führenden Handelsstädte Hamburg und Leipzig, auch Frankfurt und (besonders schon im 17. Jahrhundert) Breslau. Natürlich hatten auch die Weltstädte Paris und Wien ihre bürgerliche Kultur, doch nahm sich diese neben dem Glanz höfischer und feudaler Prachtentfaltung dürftig aus und trat nicht in den Vordergrund — sie lebte zurückgezogen ihr eigenes, bescheidenes, intimes Dasein (geradezu repräsentativ dafür ist Schubert mit seinem Freundeskreis). Während aber im Wien der klassischen Musik sich der Adel immer noch als ein, der schöpferischen Persönlichkeit etwa eines Beethoven oder des späten Haydn zwar nur noch ebenbürtig entgegentretender, aber doch maßgeblicher Mäzen behauptet und als solcher unentbehrlich ist, trägt die Musikkultur in rein bürgerlichen Städten (und auch in London hat das Bürgertum längst das Ubergewicht) einen entsprechenden, völlig unfeudalen Charakter — auch hinsichtlich der Stätten, an denen Musik gemacht wird. So kommt es, daß die Ursprünge der Gattung des öffentlichen Konzertsaales nicht in den auch musikhistorisch so wichtigen großen Residenzstädten wie Paris, Wien, München oder Dresden zu suchen sind, sondern in England sowie in Hamburg und Leipzig in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Paris folgt unter Napoleon,- München und Berlin errichten großartige Kulturbauten (Theater, Museen, Konzertsäle u. a.) in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Wien, wohl zu sehr von barocken Traditionen beherrscht und zudem im Vormärz zumindest offiziell wenig »fortschrittlich« gesinnt, schließt sich erst in der 2. Jahrhunderthälfte an. Übrigens hatte in Berlin die Loslösung der neuen Gattungen vom Schloß bereits in der — stilistisch so eklektischen — Zeit Friedrichs d. Gr. eingesetzt (Oper, Bibliothek) — bezeichnenderweise unter einem König, der seine bevorzugte Stellung nicht mehr vom Gottesgnadentum ableitete, sondern sich als »ersten Diener des Staates« betrachtete. Die großen Kulturbauten Berlins und Münchens aus klassizistischer Zeit, die den Rahmen für das neue bürgerliche Theater- und Musikleben und für die Volksbildung bildeten, sind aber an architektonischer Würde und Schönheit, in Aufwand und Dimensionen allen entsprechenden Gebäuden rein bürgerlicher Städte mit ungeheurem Abstand überlegen. Es ist diese Überlegenheit eben die mit der Loslösung vom Schloßbereich verbundene Ausstrahlung höfischen Glanzes, an dem diese unter königlichem Mäzenatentum entstandenen Bauten noch Anteil haben — in ihnen wird das Bürgertum (zum Teil bis heute) zum K o n s u m e n t e n h ö f i s c h e n G l a n z e s . Die Erlebnismöglichkeit dieser festlichen Atmosphäre, an der der dritte Stand auch seinen Anteil zu bekommen trachtete, wurde eines der maßgebenden Elemente des modernen Konzert- und Theaterwesens (vor allem der Oper). Diesen beiden Gattungen gab die sich auflösende Monarchie etwas von ihrem Glanz als Erbschaft, und das Element des Festlichen als ihr schönstes und dauerhaftestes Vermächtnis mit auf den Weg, von dem sie heute noch zehren; dadurch erklärt sich auch, daß selbst in

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der Gegenwart noch über den kulturellen Institutionen der ehemaligen großen Residenzstädte ein Zauber liegt, den selbst die wichtigsten rein bürgerlichen Zentren niemals erreichen konnten 2 . — Einen weiteren Teil an »Weihe« und Verklärung bezogen die Kulturbauten, wie angedeutet, aus dem säkularisierten Sakralbereich, dessen Funktionen sie zugleich teilweise übernahmen (s. u.). Das im 18. und 19. Jahrhundert auftretende Bedürfnis größerer Schichten nach »musikalischem Konsum« führte wegen des benötigten Raumes zwangsweise zur Anlage eigener größerer Säle, die diesem Zweck genügen konnten; gleichzeitig war es verbunden mit der Entstehung des k o m m e r z i e l l e n M u s i k l e b e n s 3 , bei dem für eine anonyme Öffentlichkeit nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage gegen Eintrittsgeld Konzerte veranstaltet wurden — im Gegensatz zu dem feudalen System des Hofkonzertes vor geladenen (und natürlich nichtzahlenden) Gästen. Die Entwicklung führte zugleich (im großen gesehen) von der in privater, intimer (bürgerlicher oder adeliger) Sphäre selbst ausgeführten Hausmusik weg zum großen, öffentlichen Konzert, das, auf diese Weise auch dem Alltag enthoben, allmählich das Gepräge eines repräsentativen, feierlichen, erhebenden Ereignisses annahm. (Damit zusammen hängt auch die allmähliche Trennung von Kunst- und Gebrauchsmusik.) Eine Ubergangsstufe bildeten dabei die »L i e b h a b e r k o n z e r t e«, von Amateuren, mitunter unter Heranziehung einzelner Berufsmusiker, veranstaltete Aufführungen entweder in geschlossenem (häuslich-privatem, auch höfischem) Zirkel, oder im Rahmen einer musikalischen Vereinigung (zu der unter Umständen auch von Mitgliedern eingeladene, oder aber zahlende Gäste Zutritt fanden), oder aber überhaupt vor der Öffentlichkeit. In letzterem Fall führten die gesteigerten Ansprüche eines zahlenden Publikums in der Regel sehr bald zum Ubergang zu von professionellen Musikern aufgeführten Konzerten. Verbunden mit dieser Entwicklung zu einem kommerziellen Konzertleben auf breiter Basis ist eine E m a n z i p a t i o n der ausübenden M u s i k e r aus feudaler Abhängigkeit (wobei natürlich die Höfe weiter ihre »Hofkapellen« behalten, aus denen später »Staatsorchester« werden), und zugleich eine allmähliche soziale Aufwertung dieses Standes. Ganz Entsprechendes gilt auch für die schöpferischen Musiker (die zum Teil zugleich Kapellmeister oder Virtuosen sind); für beide Gruppen aber gemeinsam ist auch der neuartig auftretende Zwang, sich auf dem musikalischen »Markte«, in der 2

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Aus diesem Grund kam es nadi dem 2. Weltkrieg gerade in den Residenzstädten zur Rekonstruktion traditionsreicher, glanzvoller Kulturstätten, etwa der Opernhäuser in Berlin (Unter den Linden), Wien und München, und auch diejenigen von Mailand u. Warschau können hier angefügt werden, während man in den »bürgerlichen« Städten wie Köln, Hamburg, Frankfurt neue, vermeintlich »zeitgemäßere« Wege gesucht hat — in Wirklichkeit ist auch der Geist u. die ungeheuer verfeinerte Technik der Rekonstruktion eine nicht minder bezeichnende Leistung unserer Epoche, und der getreue Wiederaufbau zahlloser Einzelbauten, aber auch ganzer größerer Ensembles (wie etwa in Warschau, Danzig oder München) in seiner Art nur heute denkbar. Vgl. Arnold Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München r953, Bd. II, S. 82 ff., sowie das Buch von Eberhard Preußner, Die bürgerliche Musikkultur — Ein Beitrag zur deutschen Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts, Kassel 1950 (2. Aufl.).

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Härte des kommerziellen Musikbetriebes zu behaupten. Adeliges Mäzenatentum wird immer seltener, konnte jedoch zumindest manch mal noch helfend, ja rettend eingreifen (so noch im Falle Wagners). Bis ins 18. Jahrhundert hinein gab es nur Gebrauchsmusik, geschrieben im Auftrag von Fürsten, Kirche oder Magistrat zum Zweck höfischer Unterhaltung, zur Vertiefung der Andacht oder für öffentliche Feiern 4 . Entsprechend gebunden war die Stellung des Musikers. Mit seiner gesellschaftlichen Emanzipation Hand in Hand ging die Lösung der Musik aus ihrer Bindung an die genannten Bereiche, ihre Befreiung von den Fesseln des nur Zweckhaften, was ihr ungeahnte neue Möglichkeiten des Ausdrucks eröffnete und zu einer neuartigen Hochschätzung dieser Kunstgattung führte, deren Entsprechung eben auch die soziale Aufwertung der Musiker war. Die Musiker — ob schöpferisch oder reproduzierend —sahen sich in dieser neuen Situation der Freiheit eingespannt zwischen die Anforderungen, die von zwei Richtungen her an sie gestellt wurden und die sich wechselseitig bedingten und durchdrangen: die eine Anforderung kam von Seiten des Publikumsgeschmacks und des kommerziellen Musikbetriebes, die andere stellte die nun mit geradezu religiösem Ernst als ethische Aufgabe begriffene Musik. Beiden gleichzeitig gerecht zu werden, mußte zumindest den Komponisten schwerfallen—die größten und kompromißlosesten unter ihnen, etwa ein Beethoven, Wagner oder R. Strauß, kamen in einigen Punkten dem Zeitgeschmack oder vielmehr dem Zeitgeist entgegen, erzogen aber im übrigen das Publikum nach und nach in ihrem Sinne—eine jahrzehntelange Sisyphusarbeit, die durchzustehen nur im Glauben an die eigene Berufung möglich war. Dem Verlangen des — im Geheimen nicht zuletzt sensationslüsternen — Publikums entgegen kam von Seiten der Komponisten ein »dramatisch gesteigerter Stil« 5 und eine Häufung der Effekte, wie sie etwa Abbé Vogler in einer Kritik einmal anschaulich beklagt: »Im großen Instrumentalstück donnert, weckt, stürmt und schreckt der Tonsetzer, als wäre das Publikum halb taub 6 .« Verbunden mit der Differenzierung der Partituren und der Bereicherung des Orchesterklangs war eine Vergrößerung der Orchester selbst, die zugleich auf die Wünsche des zahlenden Publikums durch erhöhte Qualität der Wiedergabe Rücksicht nehmen mußten, andererseits sich vor die gleiche Aufgabe von Seiten der neuen ethischen Musikauffassung gestellt sahen und außerdem durch die immer komplizierteren Partituren der Komponisten einfach dazu gezwungen wurden. So stellte der bedeutende Kritiker Rochlitz anläßlich der Leipziger Erstaufführung der Eroica (1807) fest, letztere sei »von allen Sinfonieen die schwerste, wenn man nicht blos die Noten richtig abspielen will« 7 . Nicht nur an die Konzentration des Orchesters, auch an die der Zuhörer stellte die neue Musik wachsende Anforderungen. Die Komponisten konnten diese erhöhte Aufmerksamkeit für ihre Werke nur beanspruchen, weil sie voh der Erhabenheit ihrer Aufgabe im Sinn einer religiösen Berufung durch4 6 8 7

Hauser S. 82. ebenda. Münchener allgemeine Musik-Zeitung, 1. Jahrg. Nr. 46/16. 8.1828, Sp. 725. Zitiert nach A. Dörffel, Geschichte der Gewandhauskonzerte zu Leipzig, Leipzig 1884, S. 32.

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drangen waren. Den ersten Schritt in dieser Richtung stellt die Opernreform Glucks dar, der die Musik aus ihrer Rolle unverbindlicher gesellschaftlicher Unterhaltung und bloßen effekthascherischen Virtuosentums befreit und zu einer als ethische Verpflichtung begriffenen Aufgabe erhöht, die ihre Gesetze nur in sich selbst hat und nicht mehr von außen her bezieht. Hiermit wird er zum Begründer einer von allem Beiwerk gereinigten Tonsprache von neuartigem erhabenem Ernst und feierlicher Würde — der »klassischen« Musik. Parallel zu dieser Steigerung der Musik ins Erhabene machte sie Rousseau, selbst auch schöpferischer Musiker und Musikschriftsteller, zum Ausdruck des Natürlichen, zur Kunst des Gefühls und der Empfindung. (In der Folge wird auch das Volkslied entdeckt, beginnt sein Einfluß auf die Kunstmusik und zugleich die Ausbildung des nationalen Elements in dieser.) Die n e u e M u s i k in ihrer Erhabenheit und Natürlichkeit zugleich, die überdies als Erbschaft aus den alten Bindungen festlichen Glanz und sakrale Würde mitbringt, wird zu einer universalen Tonsprache von einer geradezu grenzenlosen Ausdrucksmöglichkeit, mit welcher sie alle übrigen Künste weit überflügelt — sie wird zur f ü h r e n d e n K u n s t g a t t u n g des individualistischen Zeitalters, die jede subjektive Regung wiedergeben und zugleich jeden Zuhörer zutiefst ergreifen und aufwühlen kann. Sie wird wie nie zuvor zum E r l e b n i s , das den ganzen Menschen in Anspruch nimmt, fähig, seine sinnlichen wie seine geistigen Kräfte anzurühren und sein ganzes Inneres auszufüllen. In der intensiven Vermittlung von feierlichen, mystischen und ekstatischen Gefühlen tritt sie dabei weithin an die Stelle der kirchlich gebundenen Religiosität; in dem Genuß der wechselnden Stimmungen, in Leidenschaft und Wehmut, Traum, Rausch, Ekstase, Jubel usw., findet das Individuum zugleich ein Selbsterlebnis, beglückende Selbstbestätigung und seliges Selbstvergessen in einem. Überdies wird die Musik auch Träger und Vermittler ethischer Impulse, vor allem durch Beethoven (hierin parallel zu Schillers Auffassung von der Schaubühne als moralischer Anstalt), zumal sie das E t h o s nicht nur als objektive Forderung zu verkünden, sondern dem innersten Erleben fühlbar zu machen im Stande ist. Insgesamt aber und vor allem wird sie ein Schlüssel zum geheimnisvollen Wesen der Welt und des Daseins, fähig dessen innersten Kern aufzuschließen und direkt mit dem innersten Kern des Individuums in Verbindung zu setzen — somit i s t sie R e l i g i o n , und der »begnadete« Künstler wird zum Priester, durch den der Weltgeist sich offenbart. »Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie«, kann so Beethoven sagen, und »Alles, was Leben heißt, sei der Erhabenen geopfert und ein Heiligtum der Kunst«. Die Musik wird zur »Wünschelrute« gemäß Eichendorffs Versen, die zwar an sich die Dichtkunst meinen, sich aber bezeichnenderweise musikalischer Ausdrücke bedienen: »Schläft ein Lied in allen Dingen, Die da träumen fort und fort, Und die Welt hebt an zu singen, Triffst du nur das Zauberwort.« 136

Es ist die ganz natürliche Folge, daß sich der musikalische Bereich mit Bildern und Begriffen aus der sakralen Sphäre füllt (Spohrs »Weihe der Töne«, Beethovens »Weihe des Hauses« u. dgl.), und ein Symptom, daß in einer entkirchlichten Zeit Cacilia zu einer Modeheiligen wird (Kleists Legende »Die heilige Cacilia oder die Gewalt der Musik«, Peter Winters »Festfeyer der heiligen Cacilia«, St. Caecilia's Hall in Edinburgh, Schinkels Cäciliengemälde im »Chor« der Singakademie, Cäcilienvereine usw.); die dem christlichen Heiligenkanon entnommene Gestalt Cäciliens ist dabei nur Personifikation des heiligen Charakters der Musik, ähnlich wie die viel häufiger herangezogene Gestalt Apollons, oder auch die der Musen oder des Orpheus aus der antiken Mythologie. Daß eine derartige Sakralisierung des Bereiches der Musik sich natürlich auch im Konzertsaalbau ausprägte, wurde am Falle des Odeons bereits gezeigt; auch auf das Haslingersche Titelblatt einer Notenedition »Odeon« mit der Darstellung eines kleinen Heiligtums der Musik sei nochmals hingewiesen, das mit seinem lichtumstrahlten Altar mit der Lyra darauf als Abbreviatur eines zeitgenössischen Konzertsaals und zugleich als Abbild seines sakralen Sinngehalts angesehen werden kann (Tafel 15, Abb. 3 7 ) . Die »alte« Kunst hatte bis ins 18. Jahrhundert der Darstellung außerkünstlerischer (geistiger, kirchlicher, politischer) Inhalte und Machtverhältnisse gedient, und alle Gattungen, auch die Musik, waren im Rahmen der führenden Kunst, der Architektur, eingebunden gewesen. Nun, nach dem Schwinden der bis dahin gültigen Ordnungen und Inhalte, übernimmt die der neuen grenzenlosen, subjektiven Freiheit am besten gewachsene, ja von ihr unermeßlich geförderte Musik die Führung, durchdringt die geschwächten anderen Kunstgattungen mit musikalischen Elementen und entzieht ihnen andererseits einen Teil ihrer Substanz. In einer Zeit, da der Malerei der Sinn für ein ursprüngliches Farberlebnis verlorengeht, füllt sich die Musik mit malerischen Elementen, die Orchestersprache wird blühender, farbiger, schillernd, sogar fähig, Inhalte und Stimmungen darzustellen, die zuvor der Malerei vorbehalten waren — selbst von dem uns noch relativ verhalten und objektiv erscheinenden Haydn stellte r8or ein Kritiker fest, daß alle seine »Instrumentalkompositionen eine ganz neue, von ihm allein erschaffene Art romantischer Gemähide für das Ohr sind« 8 . In einer Zeit, da in der Malerei das Menschenbild immer blasser, steifer, lebloser wird, brechen in der Musik, besonders in der Oper, die menschlichen Leidenschaften mit unmittelbarer Kraft und Glut hervor. In Wagners Musik schließlich erreicht die szenisch-bildhafte Suggestion eine Gewalt, hinter der jedes reale Bühnenbild hoffnungslos zurückbleiben muß. Aber in der Erschließung räumlich-visionärer Dimensionen übersteigt die neue Musik auch alle Möglichkeiten der realen Architektur — als die großartigste architektonische Schöpfung der Zeit könnte man die Symphonie bezeichnen. Hier liegt auch die künstlerische Grundproblematik des Konzertsaalbaus. »Es kann wohl sein, daß deshalb die Fassung der Musik in eine Baukunst nicht mehr möglich war, weil sie die instrumentale Verfestigung zu geistigen Räumen in sich trug, und die Geborgenheit in 8

Zitiert nach Preußner, S. 83, Anm. 2.

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ihnen der heutigen Menschheit die früheren Künste des Raumes ersetzt« (Richard Benz9). Zugleich jedoch ist der Musik, der immateriellsten und abstraktesten von allen Künsten, eine immer stärker hervortretende Neigung zur Auflösung alles Festen, im gesitigen Sinne Tektonischen eigen, ein Hinabsteigen in die psychischen Abgründigkeiten und ein Sich-Hinauswagen in die amorphen Grenzbezirke des Daseins (Tristan!). Für eine derartige Tonsprache kann es keinen kongruenten realen Raum mehr geben — die architektonische Form des Saales, in dem sie erklingt, wird völlig nebensächlich und versinkt für den sich diesen Klängen Hingebenden. (Am ehesten verwandte Züge weisen noch gewisse moderne asymmetrische, von dem althergebrachten orthogonal-dreidimensionalen Raumempfinden scheinbar in kühner Freiheit abweichende Saallösungen auf, wie die Stuttgarter Liederhalle oder die Berliner Philharmonie.) Der ganzen Gattung des öffentlichen Konzertsaales fehlt also nicht nur die überzeugende, alle anderen Künste sich einverleibende und den Betrachter in ihren Bann ziehende räumliche Kraft der »alten« Architektur — sie kann darüber hinaus sich auch nicht von einer Musik, die jede architektonische Ausdrucksmöglichkeit übersteigt und zum Teil dem Wesen der Tektonik zuwiderläuft, gestalten, durchdringen und emporheben lassen. Die Musik ihrerseits macht auch überhaupt nicht den Versuch, der Baukunst zu Hilfe zu kommen, von der sie gleichsam ihr Gesicht abgewendet hält; eine Stimme aus dem Jahr 1836 bemerkt, daß die »Musik . . . keine andern Tempel und Paläste zu bauen hat, als die, welche sie von Kirchenchören, von Concert- und Operntribünen herab in den Herzen fühlender Menschen aufrichtet«10. Was die Musik der Architektur als formbildende Anregung zu bieten hat, ist rein vordergründiger, zweckhafter Art: erfordert wird lediglich ein genügend Zuhörer fassender, akustisch günstiger Raum mit einem Platz für das Orchester. Das gesellschaftliche Element, das die Gestalt des Theaterbaues weitgehend mitbestimmte, ist für den Konzertsaalbau nicht von gleicher Bedeutung gewesen. Soweit solche Säle also über die völlig anspruchslose Schlichtheit, die in der bürgerlichen Anfangszeit dieser Gattung vorherrschte, in den Bereich künstlerischer Gestaltungsweise emporwachsen wollten, mußten sie Anleihen bei anderen architektonischen Typen machen, von daher ihre Form beeinflussen lassen und ihre Würde und Schönheit beziehen. Die künstlerisch gelungenste derartige Anleihe war die vom sakralen Bereich; sie korrespondierte glücklich mit der Steigerung der zeitgenössischen Musik ins Religiöse und konnte somit für Aufführungen vor allem klassischer Werke, die noch nicht zu sehr in a-tektonische Bereiche schweiften, einen kongenialen, die Wirkung der Tonsprache unterstützenden und steigernden Rahmen abgeben (dies war der Fall vor allem im Münchener Odeon). Ein anderer Bereich, aus dem weithin Anleihen bezogen wurden, war der höfische — Petrovskij teatr, im Teatro La Fenice Venedig, in Gent, in Fischers Plan zum Münchener Nationaltheater). Natürlich gab es auch selbständige R e d o u t e n s ä l e außerhalb von Theatern, die ebenfalls Konzertveranstaltungen aufnahmen (z. B. in München, Stuttgart; derjenige in der Wiener Hofburg ist ein Beispiel des Ubergangs vom höfisch-geschlossenen in den öffentlichen Bereich). Dem Redoutenhaus wie dem Theater benachbart ist die Gattung des G e s e l l s c h a f t s h a u s e s — im engeren Sinn ein einer bestimmten »Gesellschaft« gehörendes Gebäude, das normalerweise außer einem großen Saal für festliche und gesellige Veranstaltungen, für Bälle und Konzerte entsprechende Nebenräume zum Speisen, Spielen, Lesen, für die Konversation und dergleichen aufweist (z. B. »Museum« in Karlsruhe, »Vereinigte Gesellschaft« in Darmstadt, Schinkels Plan für Magdeburg); im weiteren Sinn zählen alle Gebäude mit Räumlichkeiten zu den angeführten Zwecken »geselligen« Lebens hierher, so auch das Münchner Redoutenhaus, die Adelsclubs von Moskau und Petersburg, in deren Sälen auch Konzerte stattfanden, das Casino in Zürich, seit 1806 Zentrum des dortigen Musiklebens, und Schinkels Zivilcasino in Potsdam. Das Münchner Odeon trägt ausgesprochene Züge eines Gesellschaftshauses an sich — doch den Vorrang erhält eindeutig die ernste Musik. Wie die Sphäre des Gesellschaftshauses selbst in das zeitgenössische Schloß eindringt (aus dessen Sphäre sie andererseits auch wieder stammt), zeigt sich in Klenzes Festsaalbau der Münchner

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Residenz (1832—42), wo sich an den Ballsaal zwei »Konversationszimmer« anschlössen, »die bei gesellschaftlichen Veranstaltungen als Spielsäle dienten«21. K u r h ä u s e r sind praktisch als Gesellschaftshäuser in Kurorten zu definieren; der große Saal in ihrem Zentrum diente u. a. ebenfalls zu Konzerten (Weinbrenners Kurhaus in Baden-Baden, Mollers Pläne für Homburg; in Bayern entstanden unter Ludwig I. Gärtners Kurhaus in Bad Kissingen und Gutensohns in Bad Brückenau22). Zwischen allen erwähnten, benachbarten Gattungen, deren Grenzen untereinander verschwimmen, sind die einzelnen Bestandteile austauschbar,- so gibt es auch Beispiele von Gebäuden, die so ziemlich alle diese Elemente in sich v e r e i n i g e n , etwa Roelandts Theater in Gent, oder Corazzis Teatr Wielki in Warschau. Als besonders bezeichnend sei hier etwas näher auf das unter Fürstprimas Dalberg 1803/04 als Gesellschaftsunternehmen errichtete »Neue Haus« in Regensburg (das heutige Stadttheater) eingegangen, das in den Grundzügen noch erhalten ist und sogar noch annähernd im ursprünglichen Sinne »funktioniert«. In der »Uibersicht des gnädigst genehmigten Plans zur Errichtung eines öffentlichen Theater- und Gesellschafts-Hauses« vom 6. 5.1803 2 3 lautet der § 5: »Dem Hause ist die Haltung eines Theaters, sodann die Haltung von Konzerten, Masquen- und anderen Bällen, und die Gerechtigkeit eines Kaffee- und Billiardhauses, und einer Weinschenke und Speise-Wirthschaft... gnädigst verwilliget.« Für den Sinn eines derartigen Unternehmens bezeichnend ist der § 10: »Zweckmäßigkeit, Eintracht, Publizität und möglichste Vervollkommnung sind der Geist des Geschäftes.« Das Gebäude enthält außer einem Theater einen peristylen Saal (mit von ionischen Säulen getragener Galerie auf vier Seiten) für Bälle und Konzerte, daneben eine Gastwirtschaft (Café), Spielräume und dergleichen. Gegenüber all diesen Gattungen sind die Grenzen des Konzertsaales nicht deutlich zu ziehen, vielmehr deckt er sich weithin mit ihnen — um so mehr, als auch die Grenzen des Konzertes gegenüber anderen gesellschaftlichen Vergnügungen auch nicht immer klar gezogen sind: »Manche Musikgesellschaften und Harmonien sind nichts anderes als >eine Art Resource oder Casino, bei denen der Ball und die Conversation mindestens so wichtig sind wie die Musik< « 24 . Uber diese Gattungen, die ihre Wurzel in der höfischen Sphäre haben, bezieht aus dieser auch der Konzertsaal gewisse Charakterzüge (vor allem die festliche Atmosphäre). R e i n e K o n z e r t s ä l e , die klar gegen andere Zwecke abgegrenzt sind, entstanden in erster Linie auf Initiative von musikinteressierten Kreisen oder V e r e i n i g u n g e n , z. B. in Oxford, Leipzig, Berlin (Singakademie), Wien (alter Musikvereinssaal); die »Musikalische Gesellschaft« in Warschau (gegründet 1805) hingegen baute nicht selbst, sondern erwarb das ehemalige Palais Mnischek, dessen Saal ihr Konzert21 22

23 24

Residenz München, Amtl. Führer, bearb. v. Hans Thoma,r937, S. 7s. Genauere Geschichte u. Beschreibung der Kurhäuser in Kissingen u. Brückenau bei Hans Reidelbach, Ludwig I. v. Bayern u. seine Kunstschöpfungen, München r888, S. 259 ff. Ausgestellt im Museum der Stadt Regensburg (Abt. Theater). Preußner S. 45 (hier auch Beispiele für Konzerte, denen sich Bälle anschlössen, u. ä.).

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räum wurde 25 . Hinter dem Saalbau im Berliner Schauspielhaus oder dem Münchner Odeon steht k ö n i g l i c h e I n i t i a t i v e , was sich auch in ihrer künstlerisch anspruchsvollen Form ausspricht (sie werden auch von den Hofbaumeistern errichtet). Konzertsäle entstehen ferner natürlicherweise in M u s i k l e h r a n s t a l t e n (Conservatoire Paris 1811, Liceo Martini Bologna), und schließlich im Rahmen von K l a v i e r f a b r i k e n (Pleyel und Erard in Paris, Streicher in Wien, später Steinway sowie Beckstein in London).

3. F o r m e n d e s ö f f e n t l i c h e n

Konzertsaales

Zur Ausbildung eines einheitlichen Typus des Konzertsaales konnte es, wie gesagt, nicht kommen, weil die geistigen Voraussetzungen dazu fehlten und infolgedessen die Anleihen von verschiedenen anderen Gattungen und die teilweise funktionale Identität mit ihnen zu recht unterschiedlichen Lösungen führten. Viele Säle, vor allem die in rein bürgerlichem Milieu für Konzertgesellschaften errichteten — also im wesentlichen die » r e i n e n « K o n z e r t s ä l e — sind architektonisch mehr oder weniger s c h l i c h t und haben zum Teil nicht einmal eine Empore (Oxford, Leipzig)•, ganz einfache Kastenräume waren die Säle der Klavierfabrikanten Pleyel und Streicher in Paris bzw. Wien. Aufwendiger gestaltet sind diejenigen Säle, die sich in ihrer Struktur anderen Gattungen teilweise oder ganz angleichen, und in dieser Hinsicht lassen sich einige G r u p p e n feststellen: r. Der vom T h e a t e r abgeleitete Typ ist besonders für die romanischen Länder (bis in die Gegenwart) charakteristisch (Conservatoire Paris, Projekt von Dumont, Liceo Bologna) und entspricht der großen Rolle, die das gesellschaftliche Element in deren Konzertleben spielt26. Viele Züge mit dem Theaterbau gemeinsam haben auch die späteren großen Konzerthäuser, vor allem in der Außengestalt, in der Anlage der Nebenräume (Foyers, Garderoben, Treppenhäuser), im Saal mehr der allgemeinen Gesinnung und den stilistischen Formen nach (z. B. neues Gewandhaus Leipzig). 2. Der vom R e d o u t e n - u n d T a n z s a a l abgeleitete, weithin mit diesem identische Typ, der seine Wurzel letztlich im h ö f i s c h e n Fest-, Tanz- und Konzertsaal hat. In der Regel handelt es sich um Peristylsäle verschiedener Art. Hierher gehören auch die Säle in Gesellschaftshäusern, Kasinos, Kurhäusern und dgl. 3. Der vom amphitheatralischen A u d i t o r i u m abgeleitete Typ spielt in der Praxis keine Rolle (s. u. bei Frankreich). 4. Der vom S a k r a l b a u direkt abgeleitete Typ ist selten; indirekt haben die Kon25 26

Preußner S. 39 ff. Preußner S. 28. — Das grandiose Auditorium der American Academy of Music in Philadelphia (1857) ist ein Logentheater ital. Typs. 145

zertsäle Anteil an der Sakralisierung der anderen Gattungen (Theater, Festsaal), bzw. sie selbst zeigen, selbst bei äußerlich noch so geringem Aufwand, ein Streben nach feierlicher Würde,- zusätzlich können einzelne Elemente diesen Charakter unterstützen oder zumindest die sakrale Idee aussprechen, z. B. die Orgel, eine bestimmte sakrale Ikonographie (Fresken, Büsten, die häufige Verwendimg des Lyramotivs in der Dekoration), auch bloße Inschriften. Ähnlich, wie in der zeitgenössischen Musik die Steigerung ins Religiöse natürlich nur für die künstlerisch tiefsten, geistesgeschichtlich bezeichnendsten Schöpfungen gilt, so ist sie auch im Konzertsaalbau nur in den Spitzenwerken voll und ganz ausgeprägt — eigentlich nur in zwei Beispielen, die den Gipfelpunkt der gesamten Gattung überhaupt darstellen: in Schinkels Entwurf zur Singakademie, welche die christlich-romantisch-visionäre Variante eines sakralen Musiksaales verkörpert, und in Klenzes Odeon, der antikisch-klassischen, tempelartigen Variante. Einzig in diesen beiden Raumschöpfungen ist der Konzertsaalbau den gleichzeitigen musikalischen Spitzenwerken »kongenial« und stellt sich auch gleichwertig neben die großen Leistungen anderer architektonischer Gattungen wie Theater oder Museum. (Weitere Beispiele für den sakralen Typ: Laves' kirchenförmige Konzerthalle für Hannover und Schinkels tempelartiger zweiter Entwurf für die Singakademie.)M* In der klassizistischen A r c h i t e k t u r t h e o r i e spielt der Konzertsaal überhaupt keine Rolle, da es ihn als eigenen Typus gar nicht gibt und seine Gestaltung in der Praxis entweder in Anlehnung an andere Gattungen oder als einmalige Invention erfolgte. Francesco M i l i z i a (1785) erwähnt ihn — bezeichnend für die italienische Situation — überhaupt nicht, wohl aber die benachbarte, mit ihm zum Teil identische Gattung des Ballsaals: »La sala di ballo vuole essere delle più spaziose con tribune elevate per le orchestre, e con delle scalinate intorno per maggior capacità degli spettatori. La sua forma più conveniente è la circolare, o l'elittica, o la poligona. Per ragione della sua ampiezza occorrerà talvolta, che la sua altezza corrispondente trapassi il piano superiore, o il tetto, quando manchi il piano superiore. Nel primo caso si posson praticare intorno delle ringhiere, alle quali si passi dal piano di sopra . . .« 27 . Die hier angeführten Gestaltungselemente sind bei vielen Konzertsälen ähnlich wiederzufinden. Christian Ludwig S t i e g l i t z (1797) widmet letzteren einen Abschnitt des Artikels »Saal« im allgemeinen — ein Hinweis darauf, wie wenig sich bis dahin die Gattung Konzertsaal aus der Sphäre anderer (privater wie gesellschaftlicher) Säle verselbständigt hatte: »Oft findet man in wohlhabenden Städten auch öffentliche Ball- und Concertsäle, wo öffentliche Concerte gegeben und unter gewissen geschlossenen Gesellschaften 261

27

In den »Ruhmeshallen« mit Tondichterbüsten, wie sie in Berlin, Wien u. im Münchner Odeon konzipiert wurden, zeigt sich auch eine Affinität der Gattung Konzertsaal zu der des Denkmals. Francesco Milizia, Principj di architettura civile, 3 Bde. Bassano 1785 (Bd. 2, S. 108).

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Bälle gehalten werden. Ein solcher Concertsaal muß wenigstens ein Vorzimmer haben, und ein solcher Ballsaal verlangt ein oder etliche Spielzimmer, und einen Speisesaal. In dem Concertsaale muß ein etwas erhöhtes und bequemes Orchester für die Musici seyn, und rings herum an den Wänden können in vier oder mehr Reihen Stühle für die Zuhörer stehen, in der Mitte aber muß ein freyer Raum gelassen werden, damit die Zuhörer, wenn sie nach geendigtem Concerte aufstehn, hinlänglichen Platz haben, zu einander zu gehn und sich aus dem Saale hinweg zu begeben. Ein solcher Saal muß mehr als einen Eingang haben, damit die Zuhörer bequem hinein und heraus gehen können, auch muß, wo möglich, das Orchester eigene Eingänge haben. In der Höhe des Concertsaales können noch einige Logen für Zuhörer angebracht seyn. Der Ballsaal verlangt ebenfalls verschiedene Zugänge und ein Orchester, das aber nicht so groß zu seyn braucht, als das in dem Concertsaale, und es kann in der Höhe des Saales angebracht seyn, damit es in dem Saale selbst keinen Platz wegnehme; doch muß es nicht zu hoch stehen, weil sonst die Musik nicht deutlich und gut gehört werden kann. Ist dieser Saal sehr groß und zu ganz öffentlichen Vergnügungen, als zu Masqueraden, bestimmt, wobey, außer denen, die Theil an den Vergnügungen nehmen, auch Zuschauer gegenwärtig sind, so müssen rings herum stufenweise Sitze für dieselben angelegt seyn, oder man kann oben herum eine Gallerie laufen lassen, oder auch beydes zusammen anbringen. Es ist gut, den Fußboden des Ballsaales nicht mit gewöhnlichen Dielen, sondern mit Parquets zu belegen, weil die Parquets weniger Staub verursachen . . . Z u einem Concertsaale schickt sich die o v a l e F o r m vorzüglich, weil darin die Musik sich sehr gut ausnehmen wird« 28 . Ovale Konzertsäle — eine Form, die offenbar als akustisch besonders günstig galt — gibt es in der Tat mehrfach (Bordeaux, Amsterdam, Apollosaal Hamburg; kreisrund ist der Entwurf vonDumont, der vonP. J. Krähe, und der Moskauer Redoutensaal, an beiden Enden halbkreisförmig gerundet das alte wie das neue Leipziger Gewandhaus, an einem Ende Holywell Room in Oxford und das Münchener Odeon).

III. Frühe öffentliche Konzertsäle (etwa bis Mitte des 19. Jahrhunderts,- Beispiele in den einzelnen Ländern Europas) 1. B r i t i s c h e

Inseln

Verschiedene Faktoren trugen dazu bei, daß England das für die Entstehung des öffentlichen Konzertsaalbaus maßgebende Land wurde. Der wesentlichste Grund besteht in seiner geistigen und sozialen Fortgeschrittenheit gegenüber dem Kontinent — in einer gewissen, sich frühzeitig durchsetzenden Demokratisierung und Publizität der verschiedenen Lebensbereiche wie im wirtschaftlichen Liberalismus, der eine Kommer28

Christian Ludwig Stieglitz, Encyclopädie der bürgerlichen Baukunst, Leipzig 1792-98, Bd. 4 (1797), S. 275 ff. (Art. »Saal«). S. 280 erwähnt Stieglitz unter den antiken Speisesälen den Ägypt. Saal mit 2 Reihen von Säulen übereinander, gerader Decke u. umlaufender Galerie.

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zialisierung audi anderer Gebiete, so des Musikwesens, zur Folge hatte. Zwar bestand von Seiten des Puritanismus her die Neigung, in der Musik etwas Unseriöses, fast mit der Aura der Unmoral Behaftetes zu sehen, das für den Kontinent typisch war und dessen Ausübung man tatsächlich auch vielfach Festlandeuropäern überließ — doch wurde andererseits gerade der Puritanismus ein Stimulans der Entwicklung, indem er eher als den bildenden und szenischen Künsten noch den abstrakten der Musik und der Literatur Vorschub leistete (wie überhaupt die protestantischen Länder mehr zu Konzert und Dichtung, die katholischen zu Oper und bildender Kunst neigten), und außerdem, indem er sich in der i . Hälfte des 18. Jahrhunderts selbst aktiv des Konzertlebens annahm, um das moralische Niveau des Unterhaltungswesens zu heben; dem entsprechend weisen die englischen Konzertsäle dieser Zeit vielfach Ähnlichkeit mit Bethäusern auf 2 9 , und der religiöse Einschlag des Konzertlebens ist stark, sowohl vom Programm her, in dem Händeis Oratorien die Rolle einer nationalen Musik spielen 30 , als auch vom Veranstaltungsorther: es werden öfters Räume religiöser Vereinigungen von musikalischen Aufführungen in Anspruch genommen. Nirgends auf dem Kontinent ist im 18. Jahrhundert das öffentlich-bürgerliche Konzertleben so lebhaft und vielschichtig wie in England, und entsprechend vielseitig ist die Erscheinungsform des sich verselbständigenden Musiksaales und seine Verflechtung mit anderen Raumtypen des gesellschaftlichen Bereiches, für den England lange vor dem Kontinent und in vielfacher Differenzierung Stätten der öffentlichen Begegnung und Unterhaltung, des Vergnügens und ernster Sammlung hervorbringt: so Assembly Rooms, Tanzlokale, Vergnügungsetablissements, Logenhäuser, Vortragssäle, Hallen der verschiedensten religiösen und weltlichen Vereinigungen, Clubs u. dgl. Gegen alle diese Gattungen, die miteinander in verschiedener Weise kombiniert werden können, hat der Konzertsaal in seiner Frühzeit offene Grenzen. Als Urbild dieser reichverzweigten Gruppe von Gesellschaftshäusern kann der erwähnte Assembly Room in York von 1730 gelten. Eine typisch westeuropäische Einrichtung, die einen fortgeschrittenen Stand der soziologischen Entwicklung voraussetzt, sind die Londoner »pleasure gardens«—kommerzielle Vergnügungsetablissements größten Stils, in denen auch volkstümliche Konzerte stattfanden (Vauxhall, Ranelagh; die Einrichtung greift dann auf Paris über 3 1 ; in gewissem Sinne können damit vielleicht die seit 1782 stattfindenden Augartenkonzerte in Wien verglichen werden). — Übrigens ist der frühe Konzertsaalbau Englands relativ noch weitaus am besten erforscht; hier müssen nur wenige kurze Hinweise auf markante Beispiele genügen. Als der älteste erhaltene unter den öffentlichen, selbständigen Konzertsälen Europas gilt der H o l y w e l l R o o m i n O x f o r d , »which is the prototype of many concert halls in Britain. Here the trend of concert life is clearly indicated in the architecture which in no way resembles that of an inn but is a good exemple of an 18th-century meeting house such as many religious denominations built at that time 32 .« War in der 29 80 31 32

Reginald Nettel, Artikel »Concert« in Chambers's Encyclopaedia III/816. Preußner S. 73 f. L. Hautecoeur, Histoire de 1'Architecture classique en France IV / 45 r ff. Chambers's Encyclopaedia III 1816.

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Universitätsstadt Cambridge schon Mace mit seinem originellen Projekt hervorgetreten, so ergriff nun in der Rivalin Oxford ein Kreis von Musikfreunden die Initiative, um auf Subskriptionsbasis den so ziemlich frühesten größeren und selbständigen Musiksaal zu errichten. 1742 wurde in der Holywell Street zu bauen begonnen, die Eröffnung fand — nachdem die Arbeiten infolge Geldmangels zeitweise gestockt hatten — erst im Juli 1748 vermutlich mit Händeis »Esther« statt33. Der Plan zu dem frei stehenden Steinbau stammte von Rev. Dr. Thomas Camplin. Das Äußere, von der Straße durch einen Vorhof getrennt, ist schlicht; der Saal 34 — ca. 20 x 10 m bei 9 m Höhe — schließt im Norden segmentbogig; in dieser flachen Exedra war der stufenweise ansteigende Platz des Orchesters und, höher, der zum Teil von einer Balustrade begrenzte des Chores; im Scheitel stand eine reich geschmückte Orgel. Die Decke trug elegante Stuckaturen, die sich um die Stellen gruppierten, von denen die zwei Kristallüster herabhingen. Die Sitze der Zuhörer standen ursprünglich auf ebenem Boden,-1754 wurde der Raum neu ausgemalt, die Wände erhielten eine Musterung aus senkrechten Streifen; vor allem wurden die Sitze der Zuhörer auf vier ansteigenden Stufenreihen entlang der rechten Längsseite angeordnet; diese Stufen setzten sich, in den Ecken abgerundet, an der schmalen Südseite fort, doch stiegen hier, durch einen darunterliegenden Gang bedingt, dahinter noch weitere an; an der linken Längsseite wurden wegen des Kamins nur im Sommer drei gleichartige Sitzreihen aufgestellt. — Seit 194s gehört der Saal der Musikfakultät und wurde 1959 im ursprünglichen Sinn wiederhergestellt, wobei die ansteigenden Sitzreihen rekonstruiert wurden 3 ®. Früher als in Oxford gab es (allerdings höchst dürftige) Musikräume schon in L o n d o n , mit dessen frühen Konzertsälen sich Robert Elkin eingehend befaßt hat 3 8 . Einzelne öffentliche Konzerte — sie gelten als die ältesten überhaupt — veranstaltete der Hofmusiker John B a n i s t e r d. Ä. seit 1673 in seinem Haus, der »Musick-school« in Whitefriars; der schlichte Musikraum hatte eine Art Podium, das mit Draperien geschmückt wurde, die Zuhörer saßen bei kleinen Tischen wie in einem Bierhaus 37 . Ähnlich bescheiden waren die Lokale auch anderer Konzertgeber in der folgenden Zeit. Auch der Saal, den um 1738 der T a n z l e h r e r H i c k f o r d an der Rückseite seines neuen Wohnhauses in der Brewer Street anbaute, war noch äußerst schlicht — ein Rechteckraum (ca. 1 5 x 9 m groß, 6V2 m hoch) mit einer Spiegeldecke, einem Podium an der einen Längsseite unterhalb der Rundbogenfenster und einer balkonartigen Galerie gegenüber oberhalb der Tür; die Wände wiesen eine einfache Felderteilung auf. Erst 1934 wurde dieser Raum abgebrochen38. Daneben spielten im 18. Jahrhundert zwei Gasthäuser eine größere Rolle im Londoner Musikleben 39 : die Castle Tavern und der Gasthof »Crown and Anchor« in der Arundel Street, in dem u. a. die berühmten Kon33 34 38 38 37

Dazu u. zum folgenden vgl. die Monographie von John H. Mee, The oldest Music Room in Europe, London / New York 1911, S. 1 ff. Die Beschreibung stützt sich auf eine solche von 1773, die Mee a. a. O. S. 4 ff. veröffentlichte. MGG Art. Oxford. Robert Elkin, The Old Concert Rooms of London, London 1955. 38 39 Elkin S. 18 f. Elkin S. 44. Elkin S. 50 ff. 149

zerte der Academy of Ancient Music stattfanden; letzterer wurde 1790 durci einen Neubau ersetzt, der einen großen Saal und Räume für Dinners, Clubtreffen, politische Versammlungen und dgl. enthielt — also eine Art Gesellschaftshaus. Neben anderen, hier nicht näher interessierenden Räumen war vor allem das 177a eröffnete P a n t h e o n in der Oxford Street eine Zeitlang von Bedeutung40, das allerdings kein Konzertsaal, sondern eine Art Vergnügungsetablissement mit Zügen des Gesellschaftshauses war — gleichsam ein gedeckter, zu jeder Jahreszeit verwendbarer pleasure garden, der außer zu Konzerten auch Bällen, Maskeraden, Kartenspielen und anderen Unterhaltungen, später auch als Theater diente. Der luxuriös ausgestattete, innen mit vielerlei Stuckmarmorarten verkleidete Bau ist für die siebziger Jahre, eine in England besonders reiche, glückliche, liberale Zeit, bezeichnend41 und machte den erst 26jährigen Architekten James Wyatt berühmt. Das Gebäude, das manche Zeitgenossen geradezu als Weltwunder priesen, enthielt außer 14 prächtigen Nebenräumen einen großen Hauptsaal, dessen Gestalt eine Kombination der (vereinfachten) Hagia Sophia mit den Einzelformen des römischen Pantheons darstellte, wobei beide Vorbilder im klassizistischen Sinn stilisiert wurden. Das Zentrum des Saales bildete eine kassettierte, halbkugelige Kuppel mit Opaion, die über Segmentbogen auf vier abgeschrägten Pfeilermassiven ruhte; diese, wohl eine Reminiszenz an die Peterskirche, waren im Untergeschoß durch Öfen enthaltende (!) Rundbogennischen ausgehöhlt, darüber durch ädikulagerahmte Nischen mit Götterfiguren. In der Längsachse war an jeder Seite ein kurzes, tonnengewölbtes Joch mit halbrundem Schluß angefügt — die eine Exedra enthielt das Orchesterpodium, in die andere wurde 1784 eine Empore mit Königsloge eingebaut; damals wurde auch über dem Orchester eine Orgel aufgestellt. Die kurzen Querarme waren durch zwei Kolonnaden übereinander mit Galerie ausgefüllt; die gleiche Gliederung zeigten die Seitenwände der Längsarme. Sämtliche Wände enthielten in zwei Geschossen übereinander hochrechteckige Nischen mit Figuren. — Der Bau ist in doppelter Hinsicht äußerst bezeichnend: einmal für die weltstädtische Großzügigkeit eines kommerziellen Unternehmertums, wie es zu dieser Zeit auf dem Kontinent (Paris allenfalls ausgenommen) noch völlig undenkbar ist, und zweitens für das Ausmaß an Säkularisation ursprünglich sakraler Formen, das hier — der übrigen europäischen Entwicklung vorauseilend — schon erreicht ist. Denn in diesem kommerziellen Vergnügungsetablissement in der Gestalt erhabenster Sakralbauten spiegelt sich weniger eine echte Steigerung eines Bereiches (etwa der Musik) ins Religiöse, sondern es wird eine fast groteske Sinnentleerung alter Werte und Formen offenbar (übrigens kritisierten auch schon Zeitgenossen den »kapellenartigen« Charakter als zu streng für den Zweck der Vergnügens). Zugleich zeigt sich hier eine Neigung zu einer eigenartigen, kalten Megalomanie, die ebenfalls für die Zeit bezeichnend ist (sie ist z. B. auch in der Pariser Kirche Ste. Geneviève spürbar, die auf die Bedürfnisse eines Ordenskonvents keinerlei 40 41

Elkin S. 65 ff.; Antony Dale, James Wyatt, Oxford 1956, S. 6—14; Reginald Tumor, James Wyatt, London 1950, S. 24. — Vgl. Hautecoeur IV/ 453 f., (Pantheon in Paris 1786). Dale a. a. O. S. 10.

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Rücksicht nimmt). Die gleichen Symptome — Sinnentleerung und Megalomanie — wiederholen sich bei Wyatt später nochmals, wenn er einem Herrenhaus (Fonthill Abbey) die Form einer gigantischen Kathedrale gibt, mit einem Turmriesen über der »Vierung«, die die zentrale Halle enthält. Die 1765 eröffneten Assembly Rooms (King Street, St. James's) des Unternehmers William A 1 m a c k 4 2 waren ein Gesellschaftsbaus mit einem 30 m langen Peristylsaal als Mittelpunkt, in dem Bälle, Versammlungen aller Art, Vorträge, Dinners und Konzerte stattfanden (im 19. Jahrhundert war er ein Mittelpunkt der Kammermusik). Die T o t t e n h a m S t r e e t r o o m s 4 3 erbaute 177a der Musiker Francis Pasquali; der Saal erhielt 1785 eine »superb gallery« für die Königsfamilie. Die Hauptstätte des Londoner Konzertlebens während eines ganzen Jahrhunderts waren die 1773—75 von dem Theaterdirektor John Gallini als Unternehmer erbauten H a n o v e r - S q u a r e - R o o m s 4 4 , ein äußerlich unschönes Gebäude; aber auch der Saal im ersten Stock soll einen wenig erfreulichen Anblick geboten haben; er war etwa 27,5 x 9 m groß und faßte 800—900 Personen, trug auf der segmentbogig gewölbten Decke ein Gemälde von Cipriani (Apollo und die Musen); das Podium überragte eine Orgel, gegenüber gab es eine Königsloge. Beim Umbau r8o4 wechselten Podium und Loge die Plätze; eine ästhetisch günstige Umgestaltung erfolgte r 861/6245. — Konzerte fanden auch in der 1776 von Thomas Sandby erbauten F r e e m a s o n s ' H a l l (Great Queen Street) statt46, deren großer Saal zu vielen politischen, religiösen und wohltätigen Veranstaltungen verwendet wurde,- über dem Eingang hatte er eine Galerie mit einer Orgel, gegenüber eine gewölbte, von zwei ionischen Säulen flankierte Apsis, die eine Marmorstatue des Herzogs von Sussex enthielt. — Einen »großen und bequemen« Konzertraum erhielt das 1789—91 nach einem Brand durch Michael Novosielski wiederaufgebaute K i n g ' s T h e a t r e , Haymarket (the »King's Concert Room«) auf Höhe der Hauptlogen; der Saal war etwa 30 x 1 4 m groß und 10,7 m hoch; 1829 wurde er umgebaut und mit Logen ausgestattet, so daß er das Aussehen eines eleganten kleinen Theaters erhielt47. Eine Gesellschaft von Berufsmusikern, die »Royal Harmonie Institution«, ließ 1819 durch John Nash die A r g y l l R o o m s erbauen48; das Eckhaus, mit rundem, kuppelgekröntem Eckpavillon, war ein Bestandteil der großartigen städtebaulichen Anlage der Regent Street; das Erdgeschoß enthielt eine Musikalienhandlung; der 800 Sitzplätze umfassende Saal im ersten Stock war (nach einer Beschreibung von 1820) ein Parallelogramm mit dem Orchester an einem und vier Logenreihen am anderen Ende; die Sei42 43 44 45 46 47 48

Elkin S. 75 f. Elkin S. 82. Elkin S. 92 ff.; Chambers's Encycl. III / 816. Elkin S. 102 f., (dort auch nähere Beschreibung des umgebauten Saales). Elkin S. 109 (mit Abb.). Elkin S. 110 ff. Elkin S. 115 f.; John Summerson, John Nash, London 1949 (2. Aufl.), S. 223,- Terence Davis, The Architecture of John Nash, London i960, S. 102. iSi

teirwände gliederten korinthische Pilaster, den (apsidialen?) Orchesterraum wie die Logengruppe begrenzten korinthische Säulen. Das Gesims zierten Medaillons, das Flachtonnengewölbe achteckige Mosaikfelder (wohl Kassetten) mit großen Blüten (wohl Rosetten). Schon 1830 brannte der Bau ab. Eine bevorzugte Stätte von Oratorienaufführungen war die 1831 eröffnete E x e t e r H a l l (Strand)49, ursprünglich ein nonkonformistisches Gebets- und Versammlungsgebäude. Der große Saal (ca. 4s x 27 m, 14,6 m hoch) faßte 3000 Personen im Parkett und 500 auf dem Podium; 1840 erhielt er eine ständige Orgel, 1850 wurde er im Sinne eines Konzertsaales umgebaut (was er in der Praxis längst war): die flache Decke wurde durch eine gewölbte aus Holz ersetzt, die vier Pfeiler vor der Galerie wurden beseitigt, die zwischen zwei Anräumen an einem mittleren Mauervorsprung stehende Orgel wurde samt diesem zurückversetzt, so daß sie den Chor nicht mehr teilte. — Die 1847—50 von R. Westmacott im Elizabethan Style erbaute St. M a r t i n ' s H a l l (Long Acre/ Ecke Endell Street)50 gehörte einer blühenden Singschule und diente vor allem Chorund Oratorienaufführungen; der sehr langgestreckte, schlichte Saal faßte 3000 Personen und hatte eine dreiteilig gebrochene Sparrendecke und ein sehr steil ansteigendes Podium. — Londons wichtigstes Konzerthaus in der zweiten Jahrhunderthälfte war die St. J a m e s ' s H a l l (Piccadilly), erbaut 1856—58 in gotisierenden Formen; dazu kamen später — neben einer Reihe weniger bedeutender — die Royal Albert Hall (1871), die Queen's Hall (1893) und in jüngster Zeit die großartige Royal Festival Hall (1951). Ein nicht weniger mannigfaltiges, in den Grundzügen gleichartiges Bild bietet der britische Konzertsaalbau außerhalb der Hauptstadt; dodi ist er noch zu wenig erforscht und kann hier nur gestreift werden. — In der irischen Metropole D u b l i n 6 1 , wo im 18. Jahrhundert infolge des kommunalen Selbstbewußtseins das — von der Stadtverwaltung geförderte — Musikleben in höchster Blüte stand, wurde schon 1731 durch die Academy of Music eine Concert Hall in der Crow Street eröffnet, zu der sich 1741 als Konkurrenzunternehmen die New Musick Hall gesellte. — In der schottischen Hauptstadt E d i n b u r g h 5 2 erbaute 1762 die »Musical Society«, der vor allem Adelige und angesehene Bürger (der freien Berufe und Kaufleute) angehörten, die St. Cecilia's Hall, die kaum 500 Personen faßte; seit Ende des Jahrhunderts kamen weitere Konzerträume hinzu, 1843 dann die Music Hall. Früh entwickelte sich auch das Konzertleben in der nordenglischen Textilmetropole M a n c h e s t e r 5 3 . 1770 wurde »The Gentlemen's Concert« gegründet, eine Gesell49 50 61

62

53

Elkin S. rj2 ff. Elkin S. 147 f. MGG Art. Dublin; Artikel Dublin in Grove's Dictonary of Music and Musicians, London 1954 (Band 2). Henry George Farmer, A History of Music in Scotland, London 1947, S. 309 f. (enthält audi Angaben über Säle in Glasgow u. Aberdeen); Art. Edinburgh in MGG (v. H. G. Farmer); nicht zugänglich war mir bisher David Fräser Harris, Saint Cecilia's Hall in the Niddry Wynd, Edinburgh 1898, 1911. Cecil Stewart, The Architecture of Manchester, Manch. 1956, S. 21, 51, 55; MGG Art. Manchester.

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schaft auf Subskriptionsbasis; diese erbaute 1777 den Concert-Room in der Fountain Street, der damals in Nordengland nicht seinesgleichen hatte. Nach einer Beschreibung von 1804 s4 w a r der Saal etwa 28 x 9 m groß und faßte bis zu 1200 Personen; das Orchester umfaßte eine große Anzahl von Musikern — meist Amateuren, assistiert von anderen, welche die fast 500 Subskribenten bezahlten,- den Saal erhellten elegante »glass chandeliers« sowie die schöne Weiblichkeit (die »Hexen von Lancashire«), die von Parterre und Galerie aus dem »concord of sweet sounds« lausciite . . . Ein Neubau der Gentlemen's Concert Hall erfolgte 1831 an der Peter Street. »Die Orchestermusik blieb der oberen Gesellschaftsschicht vorbehalten, da die 12 bis 14 Stunden täglich arbeitenden Spinnerei- und Fabrikarbeiter wenig Zeit und noch weniger Geld hatten, um künstlerischen Neigungen zu frönen« 65 . — Seit 1853 i s t die Free Trade Hall (eine Art Stadthalle, von Edward Walters in Anlehnung an die Gran Guardia in Verona erbaut) das Zentrum des Musiklebens (nach Kriegszerstörung 1943 wiederaufgebaut 1951). — In der benachbarten Rivalin L i v e r p o o l 6 6 wurde 1786 eine Music Hall eröffnet, welcher 1849 die von John Cunningham erbaute, wegen ihrer Schönheit und Akustik vielgerühmte Concert Hall der Philharmonie Society folgte (in Neurenaissanceformen, 1933 abgebrannt, großartiger Neubau 1939). Konzerte fanden auch im großen Saal der 1838—54 von H. Eimes erbauten neoklassischen St. George's Hall (Stadthaus) statt. (Noch zu erforschen bleibt die Entwicklung in Nordamerika, deren Anfänge, wie es scheint, derjenigen Englands verwandt sind. Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts herrscht der Typus des italienischen Theaters vor, jedoch mit kleiner Bühne, die allerdings auch zu Opernaufführungen verwendet wird; erstes Beispiel ist die Academy of Music in Philadelphia von r8s7. In neuester Zeit entstanden in den USA zahlreiche großartige Auditorien, die an Fassungskraft — meist über 3000—4000, ja bis zu 6000 Personen — die vergleichbaren Bauten Europas übertreffen.)

2. N i e d e r l a n d e

und

Belgien

In A m s t e r d a m 5 7 erbaute Jacob Otten Huxley 1789 an der Keizersgracht 324 das Haus der Gesellschaft »Felix Meritis«, die sich — neben der Pflege der Literatur und der Wissenschaften — vor allem der Musik widmete und bis zur Eröffnung des Concertgebouw (1888) das maßgebende Konzertinstitut war. Das Gesellschaftshaus, dessen steile, mit einem Blendportikus versehene Fassade plastische Ornamente von Jan Swart schmücken, enthält im vorderen Trakt im 1. Stock den rechteckigen Hör- und Versamm54 58 56 87

The Manchester Guide. A brief historical description of the towns of Manchester and Salford. Manchester 1804, S. 240 f. MGG Art. Manchester. MGG Art. Liverpool. De Gemeente Amsterdam (Voorloopige Lijst der Nederlandsche Monumenten van Geschiedenis en Kunst, Deel V, II, S. 140), Paul Klopfer, Von Palladio bis Schinkel, Eßlingen 1911, S. 79 f. ; MGG Art. Amsterdam.

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lungssaal mit vier ionischen Säulen an jeder Längsseite, darüber den halbovalen Naturkundesaal mit einer Galerie; das Treppenhaus bildet das verbindende Glied zum breiteren rückwärtigen Trakt, dessen Mitte, ganz von Anräumen umgeben, der längsovale Konzertsaal einnimmt; der akustisch hervorragende, 600 Personen fassende Raum hat mit gekuppelten korinthischen Pilastern gegliederte Wände. Das 1837—40 von dem bedeutenden belgischen Klassizisten Louis Roelandt — einem Schüler von Percier und Fontaine — errichtete Große Theater in G e n t 5 8 setzt sich hinter der ungewöhnlich breiten Hauptfront aus drei nebeneinandergereihten Teilen zusammen: den linken Flügel bildet das eigentliche Theater, mit dem Foyer zur Straße hin, den rechten nimmt der lange, rechteckige Konzert- und Ballsaal (mit eingezogener Orchesterexedra) ein; das verbindende, beiden Teilen gemeinsam zugeordnete Mittelglied bildet ein großer, querovaler Peristylsaal als Wandelhalle, in dessen Umgang das große Treppenhaus mündet und der inmitten der Fassade segmentbogig vortritt.

3.

Frankreich

Den Ubergang von der höfisch gebundenen, im Bereich des Schlosses zusammengefaßten Architektur zu einer öffentlich-bürgerlichen mit differenzierten Aufgaben zeigt im Frankreich des 18. Jahrhunderts die Gattung des R a t h a u s e s besonders deutlich. In dem weiten, zentralistisch regierten Land mit nur einer einzigen Residenz entstanden damals in den Hauptstädten der einzelnen Provinzen vielfach neue, große Stadtpaläste — wie man die Bezeichnung »Hôtel de ville« treffender übersetzen könnte, denn diese Gebäude vertraten gewissermaßen die Rolle des Hofes draußen im Lande; und wie im Schloßbezirk von Versailles die gesamte Verwaltung und verschiedene kulturelle Funktionen zusammengefaßt waren, so spielten diese Stadtpaläste die Rolle eines entsprechend gearteten Ablegers in der Provinz 59 . Ausgesprochen schloßartig war denn auch die Gestalt dieser Stadtpaläste, die meist Teil eines größeren städtebaulichen Ensembles »a la gloire du roi« und also auch ihrem Sinn nach Parallelen zum Residenzbau waren. Das großartigste derartige Ensemble mit dem grandiosesten aller Stadthäuser entstand in Nancy unter der Regierung des polnischen Exkönigs Stanislaus Leszczynski; entwicklungsgeschichtlich in unserem Zusammenhang besonders bemerkenswert ist das Hôtel de Ville in R o u e n 6 0 , zu dem am 8. 7. 1758 der Grundstein gelegt wurde, das aber infolge Geldmangels über die (noch vorhandenen) Grundmauern des Nordflügels nicht hinauskam. Den Plan entwarf der Gabriel-Schüler Antoine Mathieu Le Carpentier aus Rouen (1709—73); das Gebäude sollte die neu anzulegende 88 59 60

Paul Klopfer, Von Palladio bis Schinkel, Eßlingen r9ii, S. 80. Vgl. M. Pierre Patte, Monumens érigés en France a la gloire de Louis XV, Paris 1767. Patte S. 179. - Hautecoeur III / S. 496 ff. (Nidit einsehen konnte idb. Mathieu Le Carpentier, Recueil des plans, coupes & élévations de l'hôtel-de-ville de Rouen, Paris 1758.)

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Place Royale an der Westseite begrenzen und an der Rückseite, zum »Jardin du Hôtel de Ville« hin (auch dies eine Analogie zum Schloß), mit zwei langen Flügeln einen Ehrenhof einschließen. Im Inneren vereinigte der Bau verschiedene Funktionen, die sich später zu eigenen Bauaufgaben differenzierten: zu den Räumen staatlicher und städtischer Repräsentation und Verwaltung gesellten sich solche kultureller Bestimmung: »Indépendemment des pièces nécessaires à un semblable édifice, on y a ménagé des salles pour l'assemblée de l'académie des sciences, belles lettres & arts, ainsi que pour le concert. La maison commune des citoyens (!) devoit recevoir les Muses qui cultivent leurs talens &. contribuent à leurs plaisirs« 61 . Der längsrechteckige Konzertsaal, mit einer geschwungenen Empore vor der Rückwand, sollte die Mitte des Nordflügels einnehmen; vorgelegt waren ihm ein eigenes Vorzimmer, Foyer und kleines Treppenhaus. Der Südflügel enthielt die Säle für die Akademie, der Haupttrakt in der Mitte unter der Kuppel den großen Festsaal, an den sich seitlich ein Speise- und ein Audienzsaal sowie die Räume der »Anciens« und des »Conseil« anschlössen; zwischen dem Haupttreppenhaus und dem Konzertsaal lag im Nordtrakt noch die Kapelle e2 . Insgesamt verkörpert dieses Schloß für den bürgerlichen Gebrauch einen höchst interessanten Augenblick des Uberganges 83 . In etwa vergleichbar wäre der »XIX. Plan de Bâtiment« des Blondelschülers Jean François de N e u f f o r g e , des führenden Theoretikers der Louis XVIArchitektur 84 ; dieser Entwurf (von 1767) zu einem zwar schloßartigen Komplex, der jedoch nicht als solches bezeichnet wird und durchaus auch anderen Funktionen angepaßt werden konnte, enthält in einem der Flügel (links unten) zwischen zwei Vestibülen eine Salle de Concert, symmetrisch zur Kapelle im anderen Flügel; die Mitte der ganzen Anlage bildet ein großer Peristylsaal. — Nicht ausgeführt wurde ein projektiertes städtisches Gebäude in N a n t e s , das der dortige Stadtbaumeister Jean Baptiste Ceineray 1759 entwarf und das im 1. Stock einen Konzertsaal, im Parterre einen Kornspeicher, das Feuerwehrdepot und die Wache aufnehmen sollte 86 . Entwiddungsgeschichtlich höchst bedeutsam sind die Entwürfe des mit Soufflot eng zusammenarbeitenden Pariser Architekturprofessors Gabriel Pierre Martin D u m o n t. 1766 veröffentlichte er ein Stichwerk über Theaterbauten in Italien und Frankreich, dem er einen eigenen Entwurf zu einem Konzertsaal anfügte (Quersdinitt und Grundriß) — wohl das früheste Projekt zu einem völlig selbständigen, mit Aufwand durchgebildeten und mit allen entsprechenden Nebenräumen versehenen Konzerthaus86. Die Gliederung des die Gebäudemitte einnehmenden kreisrunden Konzertsaales steht 61 62 63

64 65 94

Patte S. 179. Alle aufgezählten Räume im Hauptgeschoß, die Kapelle auch schon im Erdg. Monumente des Ubergangs sind auch Bauten anderer Funktion, die sich zu dieser Zeit noch in schloßartiger Form darstellen, z. B. das Krankenhaus Josephinum in Wien, Textilfabriken in Augsburg u. Linz, Tabakfabrik in Sevilla. Neufforge, Recueil élémentaire d'Architecture, 9 Bde. Paris 1758 ff. (Bd. 7, 1767/68, S. 479). Hautecoeur IV, S. r6r u. 453. G. P. M. Dumont, Parallele de Plans des plus Beiles Salles de Spectacles d'Italie et de France Avec des détails de Madlines Théatrales, Paris (1766), Abb. 27 f. — Vgl. Franz Benedikt Biermann, Die Pläne für Reform des Theaterbaues bei Karl Friedrich Schinkel und Gottfried ISS

Victor Louis erbaute Grand-Théâtre 68 , der architektonisch bedeutendste Theaterbau Frankreichs überhaupt und die für ein ganzes Jahrhundert vorbildliche, klassische Ausprägung des französischen Theatertyps, dem auch noch die Pariser Oper Napoleons III. verpflichtet ist. Außer den (für diesen Typus charakteristischen) vielen und großzügigen Nebenräumen, die eine reiche Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens ermöglichten, und dem Zuschauerraum enthielt das Gebäude einen originell konstruierten Konzertsaal, der leider in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durch ein Foyer ersetzt wurde. Dieser über dem Vestibül gelegene Saal hatte die Form eines gestreckten Ovals, vor dessen Außenwänden ein innerer Kranz von zwölf hohen Säulen stand, die durch Rundbogen verbunden waren und eine flachbogig gewölbte, von einer querovalen Öffnung über jeder Arkade durchbrochene Kuppel trugen; deren Mittelfeld füllte ein Gemälde von Franceschini. Die Umgänge waren durch Einziehen von Galerien in drei Logenränge übereinander geteilt (doch waren diese sogenannten Logen nicht durch Trennwände voneinander separiert) : die Brüstung des unteren war zwischen die Sockel der Säulen eingespannt, die des mittleren Rangs in halber Höhe der Schäfte, die oberste bildete gleichsam ein durchgehendes Gebälk in Kämpferhöhe über den Kapitellen. Unterbrochen war zumindest der unterste Rang an der einen Spitze des Ovals durch den Eingang zum Parkett; an der anderen Spitze, die das Orchester einnahm, unterblieben die Logen in drei Achsen, deren mittlere, von den beiden Säulen kulissenartig gerahmt, der an die Rückwand gelehnte Orgelprospekt füllte. Die gesamte, wohl hölzerne Saalarchitektur war einem größeren, rechteckigen Raum einbeschrieben, der die Umgänge der Logen enthielt und zugleich die Abschirmung gegen die Außenwelt bildete; die akustischen Verhältnisse dürften vorzüglich gewesen sein. — Das System des Saales, dem des Zuschauerraumes verwandt, erinnert zugleich an protestantische zentrale Emporenkirchen (etwa die Dresdner Frauenkirche). Im frühen 19. Jahrhundert befanden sich unter den mit dem G r a n d P r i x ausgezeichneten Entwürfen einzelne Konzertsaalprojekte, die sich, dem antikisierenden Zug der Zeit folgend, sämtlich an die Form des römischen Theaters anlehnen. Der im Klassizismus entwickelte Typ des halbkreisförmigen, in Stufen ansteigenden A u d i t o r i u m s (»amphithéâtre«) wurde bei Sitzungs- und Hochschulsälen allgemein üblich, z. B. in Paris in der Chambre des Députés (1795, neu 1828—32) und in der Ecole des Beaux-Arts (»hémicycle« um 1820), in den deutschen Ländern nach dem Erlaß der Verfassungen in den Ständehäusern von Karlsruhe (Weinbrenner) und Stuttgart (Barth), später auch in Hannover (Laves). (Ein Vorläufer dieses Typus ist das »anatomische Theater« vieler Universitäten.) Audi manche Theaterprojekte der Zeit nahmen diese Form an ; in einigen Zügen ihr bereits angenähert ist der von Ledoux in seinen Theaterbauten (Besançon, Marseille) entwickelte Typ. D u r a n d bringt in seinem »Précis« 08

Victor Louis, La Salle de Spectacle de Bordeaux, Paris 1782; Charles Marionneau, Victor Louis, Bordeaux 1881; Charles Kunstler, Louis et le Grand-Théâtre de Bordeaux (Académie des Beaux-Arts 1956/57, S. 85 ff.); Congr. archéol. 1939, S. 17 ff.; Hautecoeur IV.

158

(I/Tafel is) das Schema eines soldien Saales mit ionischer Kolonnade als oberem Abschluß der Sitzreihen, anschließendem Umgang, den nach außen hin Pfeiler begrenzen, Treppenhäusern seitlich der podiumartigen Bühne, an die sich ein großes tetrastyles Foyer anschließt, dem ein Portikus über hoher Freitreppe vorgeschaltet ist. Unter den »Grands Prix« erscheint dieser Typus öfter, u. a. in einem Entwurf für eine Ecole Polytechnique von 181 s 69 , sowie in mehreren Konzertsaalproj ekten. Das älteste, v o n R o b i t 1798 1 0 , ist Teil eines großangelegten pleasure-garden-ähnlichen Vergnügungsetablissementes »Wauxhall«, das unter anderem Pavillons mit einem Festsaal, mit einem Konzertsaal und einem Thater enthält (letztere beide auditoriumartig, doch scheint in der Beschriftung der Konzertsaal — mit Kulissenbühne — mit dem Theater — ohne diese — verwechselt zu sein). Auditoriumstyp hat auch der Entwurf zu einer Salle de Concert von C a r i s t i e i8o8 71 (Tafel 15, Abb. 39). Der große Plan zu einem Musikkonservatorium von G a r n a u d 1817 72 umfaßt u. a. drei amphitheatralische Säle — einen Theatersaal, einen Großen Saal zur Preisverteilung für 1500—1600 Personen, und einen Konzertsaal ähnlich dem von Caristie. Dasselbe Raumprogramm liegt dem gleichzeitigen Konkurrenzentwurf eines Konservatoriums von B 1 o u e t zugrunde™. Ganz dem Geist Durands wie dieser Grand-Prix-Entwürfe entspricht ein »Odeon« beschrifteter Grundriß K l e n z e s ' 4 , wohl eine Studie aus dessen früherer Zeit, die jedenfalls nicht für den Platz neben dem Leuchtenberg-Palais gedacht sein kann. In der Praxis scheint kein Konzertsaal dieses Typs ausgeführt worden zu sein. Der bedeutendste Saal von P a r i s , der 1 8 1 1 von François Jacques Delannoy für das staatliche C o n s e r v a t o i r e 7 5 erbaut wurde, lehnt sich weitgehend an die übliche Form des mehrrangigen Theaters an. (Zwar gab es in der Hauptstadt schon längst ein Konzertleben, doch hatte es zunächst noch zu keinem eigenen Saalbau geführt. Die für die Entwicklung des öffentlichen Konzertwesens so bedeutsamen »Concerts spirituels«, 1725 von Philidor gegründet, fanden in einem Saal der Tuilerien statt.) Der ganz in Holz konstruierte, akustisch hervorragende, noch erhaltene Konservatoriumssaal hat die Form eines von korinthischen Säulen umstellten U, zwischen welche zwei Ränge eingespannt sind; dem unteren vorgelegt ist die in französischen Theatern übliche galerie noble (Balkon); die von Victorien flankierte Mittelloge war für den Kaiser bestimmt, dessen 89 70 71 72 73 74

70

Von Vincent 1815 (Allais, Détoumelle et Vaudoyer, G r a n d s P r i x d'Architecture III, Tafel 40). Grands Prix III / 79. Grands Prix II J 17 u. 18. Grands Prix III / n u. 12. Grands Prix III 129 u. 30. GS München Nr. 27581. — Von einem Konzertsaal, den Klenze für Kassel projektierte (unter König Jerôme), ist in der GS (27046) nur der Aufriß der palastartigen Fassade vorhanden. Marc-Antoine Delannoy, Souvenirs de la vie et des ouvrages de François-Jacques Delannoy, Paris 1839, Tafeln 13 u. 14 (mit Text); Hautecoeur V, S. 232; Grande Encyclopédie Bd. 13, S. 1164 (Art. Delannoy); Thieme-Becker, Künstlerlex. 8/586; Marie-Louise Biver, Le Paris de Napoléon, Paris 1963, S. 133 f. 159

Namenszug über ihr in Lorbeerkränzen prangte; die flachbogige Decke, aus der runde Kappen ausgeschnitten sind, hat Oberlichter. Ganz wie in einem Theater ist der vordere Abschluß: ein Proszenium mit drei Logen übereinander und für das Orchester eine tiefe Bühne mit Kulissengasse (für Theateraufführungen der Anstalt gedacht). Dieser ursprünglich pompejanisch dekorierte Saal — auch eine bedeutsame, meist übersehene Schöpfung der napoleonischen Ära — wurde 1865 von Adolphe Lance neu dekoriert und erhielt im Parterre neue Sperrsitze an Stelle der alten Sitzreihen™. Neben anderen Sälen (etwa der Salle Louvois, Wauxhall, und später der Salle Ste. Cécile) spielte im frühen 19. Jahrhundert der des C o n c e r t d e l a r u e C l é r y eine besondere Rolle in der Pflege sinfonischer Musik, doch scheint er nicht groß und recht einfach gewesen zu sein — das Publikum umgab hier das Orchester77. Einfache Kastenform, mit Flachtonne und flachbogiger Exedra, hatte die 1830 eröffnete S a l l e P 1 e y e 1 des gleichnamigen Komponisten, Klavierfabrikanten und Musikverlegers Ignaz Joseph Pleyel (eines Haydnschülers) bzw. seines ähnlich vielseitigen Sohnes Camille, der damals schon die Fabrik leitete. Dieser Saal wurde durch mehrmaliges Auftreten Chopins ein Treffpunkt der eleganten Gesellschaft und der Musikwelt. (Rue Cadet Nr. 9. — 1839 wurde ein neuer Saal in der Rue Rochechouart Nr. 2,0 erbaut; die heutige Salle Pleyel, das wichtigste Konzerthaus von Paris, stammt von 1927.) Außerhalb von Paris kam es später zu einem nennenswerten Konzertsaalbau nur noch in Lyon (Salle Rameau 1908); doch tritt in der Provinz an die Stelle dieser Gattung zum Teil die der staatlichen oder städtischen »Salles des fêtes«, die es selbst in vielen kleineren Orten gibt. 4. I b e r i s c h e

Halbinsel

In L i s s a b o n 7 8 wurde 1792 auf Initiative einer Gruppe von Kapitalisten nach dem Vorbild der Mailänder Scala das Theatro de Säo Carlos erbaut, noch heute Portugals repräsentatives Opernhaus; die Pläne stammten von José da Costa e Silva. Der Bau enthält einen 1795 fertiggestellten Konzertsaal (»Saläo das Oratórias«) für Aufführungen sakraler Werke. Die Entwicklung eines Konzertlebens mit sinfonischer Musik setzt in Portugal erst spät im 19., in vollem Umfang erst im 20. Jahrhundert ein. Ähnlich verhält es sich in Spanien, wo Barcelona und Madrid (auf die allein das Konzertleben konzentriert ist) erst in jüngerer Zeit ihre »Palacios de la Musica« errichten (der in Barcelona im »neokatalanischen« Jugendstil).

78

AMZ Neue Folge IH / 1865, Nr. 44, Sp. 725. " Preußner, Das bürgerliche Konzert S. 64 u. 73. 78 Grande Enciclopédia Portuguesa e Brasileira XV (194s), S. 226 f. (Spezielle Literatur war mir nicht zugänglich.) 160

5- I t a l i e n Das italienische Musikleben, im 17. Jahrhundert in organisatorischer Hinsicht dem übrigen Europa noch überlegen und auch für die Anfänge der (musikalischen wie gesellschaftlichen) Form des »Concerto« maßgebend, spielte für die weitere Entwicklung zu einem bürgerlich-öffentlichen Konzertwesen keine Rolle mehr; der Grund dafür lag in einer gewissen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stagnation im Gegensatz zu England, Frankreich und Deutschland 79 . Als weitere Gründe wären noch zu nennen die überwältigende Vorherrschaft des gesellschaftlichen Interesses und eine geringe Neigung zu hingebender Versenkung in »abstrakte« sinfonische Formen; damit verbunden ist das Uberwiegen meist aristokratischer Hauskonzerte mit primär gesellschaftlicher Note, die ein bürgerlich-öffentliches Konzertwesen sich nicht entfalten ließen, und die Vorliebe für die Oper, welche den Neigungen zum Gesellschaftlichen wie zum Sinnenfälligen gleichzeitig entgegenkam. Nicht nur das »Concerto«, auch das Oratorium ist aus italienischer Wurzel entstanden und hat in Nordeuropa seine eigentliche Entwicklung erfahren; noch existiert in Rom das 1637 ff. erbaute Oratorio der Philippiner, die heutige Sala Borromini. Das rege italienische Musikleben des 18. Jahrhunderts spielte sich also — immer abgesehen von der Oper — in einem geschlossenen Rahmen ab, der immerhin recht weite (adelige und gebildete bürgerliche) Kreise umspannte. Gleichsam einen Querschnitt durch dieses erhält man, wenn man M o z a r t s R e i s e n nach Italien in den Jahren 1769—73 verfolgt 80 ; er musizierte z. B. in Verona vor der Accademia Filarmonica, einer von Adeligen geleiteten Gesellschaft von Musikfreunden, in deren Saal, dem »ridotto« des Theaters; inMantua ebenfalls vor der gleichnamigen Akademie in deren entzückendem, kleinem Theater, das noch erhalten ist — sie war 1770 durch Zusammenschluß einer adeligen und einer bürgerlichen Akademie entstanden. In Mailand gab er auch (an unbekanntem Ort) ein öffentliches Konzert, spielte aber ansonsten in gesellschaftlich glanzvollen Hauskonzerten vor der Aristokratie, ähnlich in Bologna, Florenz, Rom, Neapel (wo er auch einmal öffentlich im Saal des Conservatorio della Pietà auftrat) und Venedig. »£ noto che a V e n e z i a , come in altre città italiane, i ritrovi di divertimento e i pubblici teatri, erano esclusivamente o quasi proprietà delle nobili famiglie,- i numerosi teatri settecenteschi veneziani appartenevano infatti al grande patriziato . . . Le ampie sale dei loro sontuosi palazzi accoglievano il fiore dell'aristocrazia per udire concerti, commedie e altre manifestazioni della cultura e dell'arte; gli artisti di ogni genere trovavano in quegli ambienti una fonte di prezioso mecenatismo« 8 1 .

79 80 81

Preußner S. 6 ff. Ausführliche Darstellung in Guglielmo Barblan / Andrea Della Corte, Mozart in Italia, Milano 1956. Barblan / Della Corte S. 139. 161

In Venedig, der bis ins 18. Jahrhundert musikalisch aktivsten Stadt Italiens, auf die hier stellvertretend auch für andere und um die Sonderform des italienischen Musiklebens zu kennzeichnen eingegangen sei, existierten vier »berühmte Conservatorien . . ., wo Waisen, oder andere arme Mädchen aufgenommen, und im Gesang und Musik zum Dienste der Kirche unterrichtet werden« 82 . Diese weiblichen Zöglinge, die hervorragende Chöre und Orchester bildeten, konzertierten in Kirchen und Sälen; ein derartiges Festkonzert, das die Republik zu Ehren hoher Gäste aus dem Zarenhaus am 20. 1 . 1 7 8 2 im Saal der Accademia dei Filarmonici 83 veranstaltete, hat Francesco Guardi in einem seiner Hauptwerke voll von einer gleichsam musikalisch flimmernden Atmosphäre dargestellt (München, Alte Pinakothek; das gleiche Ereignis erscheint viel einfacher und glanzloser auf einem Gemälde von Gabriele Bella in der Pinacoteca QueriniStampalia, Venedig 84 ). In dem einfachen Rechtecksaal waren Orchester und Chor in drei Reihen übereinander auf einer hohen Tribüne an der einen Längswand placiert. Die erwähnte Akademie (die bedeutendste und angesehenste unter vielen venezianischen), auch »l'Apollinea« genannt, hatte seit 1786 ihren Sitz in dem deshalb auch »Palazzo degli Orfei« genannten Palazzo Pesaro am Campo S. Benedetto; J. C. Maier schreibt 1789, daß sie »aus einer zahlreichen Gesellschaft von Dilettanten in der Musik, aus dem venetianischen Adel bestehet« 86 . Von 1792 an (bis 1860) hatte sie ihren Sitz in dem Ridotto (Foyer, Ball- und Festsaal) des von Gianantonio Selva neuerbauten T e a t r o L a F e n i c e , des noch heute bestehenden führenden Opernhauses der Stadt, wo sie jeden Monat zwei Konzerte gab 88. Der rechteckige Raum mit Pilastergliederung und umlaufender Galerie auf Konsolen ist, nach dem Brand von 1836 erneuert und später leicht verändert, noch erhalten 87 . Derartige ridotti sind, bei dem Mangel an Nebenräumen, der die italienischen Theater im Gegensatz zum französischen Typus charakterisiert, keineswegs in allen Bauten zu finden; markante Beispiele sind der dreistöckige barocke Ridotto des Teatro Grande in Brescia und der klassizistische Peristylsaal des Teatro Verdi in Triest (1798 von Selva entworfen, i8or vollendet; Rechteckraum mit von ionischen Säulen getragener Galerie auf allen Seiten und Spiegeldecke.) In einem der erwähnten venezianischen Waisenhäuser, dem O s p e d a l e t t o 8 8 , 82

83

84 80 88 87 88

Joh. Christoph Maier, Beschreibung von Venedig, Frankfurt u. Leipzig ^87, Bd. 1, S. 446, Näheres auf S. 66 ff., 84, rr9 ff. u. 2. Bd. S. 405 ff. Pompeo Molmenti, La Storia di Venezia nella Vita privata, Bd. III (Bergamo 1908), S. 238 f. Uber die Lage des Gebäudes vgl. G. A. Simonson, A newly discovered Guardi, Buri. Mag. 19 /1911, S. 99; doch wurde der Pal. Pesaro am Campo S. Benedetto erst r786 Sitz der Società Filarmonica (Giulio Lorenzetti, Venezia e il suo estuario, Ven. 1926, S. 466). Catalogo (Ven. 1925) S. 20 / Nr. 3r. J. C. Maier (Anm. 80) II / 410. Venezia e le sue lagune (Ven. 1847) Bd. II, Teil r, S. 429 f., Bd. II, Teil 2, S. 395 f. u. 397. Abb. bei Elena Bassi, Giannantonio Selva, Padua 1936, Tafel 19 (Text S. 57 ff.). Elena Bassi, Gli architetti dell'Ospedaletto (in Arte Veneta VI /1952, S. 175 ff.); Michael Levey, Painting in XVIII Century Venice (London 1959), S. 49, sr u. 213; Giulio Lorenzetti, Venezia e il suo estuario (Ven. 1926), S. 37t ; Pompeo Molmenti, La Storia di Venezia nella Vita privata Bd. III (Bergamo 1908), S. 236 u. 238.

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kam es im Zuge eines Umbaues des von Longhena errichteten Komplexes durch Matteo Lucchesi 1776 zur Einrichtung einer Sala di Musica, »ove le fanciulle ricoverate tenevano un tempo esecuzioni musicali di grande interesse, a cui assisteva la nobiltà« 89. Es handelt sich hier um die Vorstufe eines öffentlichen Konzertsaales, der — zwar nicht mehr in einem Privatpalais gelegen, sondern in einem klosterähnlichen Konservatorium — nur einer privilegierten Schicht zugänglich ist. Hier fanden gewissermaßen aus dem Palast hinausverlegte Hauskonzerte statt. Der intime, galerieförmige (von beiden Seiten durch große Fenster erhellte) Raum mit abgeschrägten Ecken ist ein Juwel der Musikarchitektur wie des venezianischen Settecento. Die illusionistische Architekturmalerei des Tiepolo-Mitarbeiters Agostino Mengozzi-Colonna verwandelt ihn in ein luftiges Peristyl aus gekuppelten ionischen Säulen, und der begabte Tiepolo-Schüler und -Nachahmer Jacopo Guarana schuf das Fresko an der flachen Decke und als Abschluß an der einen Schmalwand einen nur gemalten Tempietto, zu dem eine von Hunden belebte Treppe emporzuführen scheint und in dessen Innerem Apollo ein Orchester von meist weiblichen Mitgliedern (Musen) dirigiert. — Vorgelegt sind dem Saal zwei kleine, reizvoll stuckierte Vorräume. Der Schritt zum öffentlichen, selbständigen Konzerthaus ist (zumindest auf dem Papier) vollzogen in einer anonymen »Pianta e Taglio di una Sala da Concerto« in der Mailänder Civica Raccolta delle stampeB0; ob der Entwurf für einen zu verwirklichenden Konzertsaalbau — etwa in M a i l a n d — gedacht war, ist unter den italienischen Verhältnissen sehr fraglich; es handelt sich im übrigen nur um eine italienisch beschriftete Kopie des erwähnten Projektes von G. P. M. Dumont für ein Konzerthaus mit kreisrundem Saal. Wegen gewisser gemeinsamer Züge sei an dieser Stelle das große Idealprojekt erwähnt, das der Mannheimer P e t e r J o s e p h K r ä h e (geb. 1758) 1785 in Rom ausarbeitete: »Pianta Generale d'un Magnifico Teatro per un Sovrano Con dui Corpi Attenenti per Musica e Ballo« 91 . Mit dem die Mitte bildenden großen Theater (mit halbrund vortretender Fassade) stehen mittels Peristylhöfen zwei quadratische Pavillonbauten in Verbindung, deren rechter einen von Anräumen umgebenen Ballsaal, und deren linker einen Konzertsaal enthält. Letzterer hat, gleich dem Entwurf von Dumont, reine Kreisform und ragt wie dieser mit seiner Flachkuppel etwas über die Anräume hinaus,- seine innere Gestaltung ist nun wirklich amphi-theatralisch: innerhalb eines Kranzes von sechzehn eine Galerie tragenden Säulen senken sich die Stufenreihen konzentrisch zu der mittleren, kreisrunden Orchestra. Sehr klar angeordnet sind die Nebenräume: an jeder Seite grenzt an den Saal eine von außen durch drei Türen zugängliche Galerie, in die Gebäudeecken sind kleine kreisrunde Räume eingefügt.

89 90 91

Lorenzetti a. a. O. S. 371. Abgebildet bei Roberto Aloi, Architetture per lo spettacolo, Mailand 1958, Fig. 84. Abgebildet bei Herrmann Schmitz, Berliner Baumeister vom Ausgang des 18. Jahrhunderts, Berlin 1914, S. 264. - Vgl. Thieme-Becker, Künstlerlex. XXI / 406 f. 163

Ein Konzertleben im nordeuropäischen Sinn entwickelte sich in Italien erst allmählich seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts; bahnbrechend in der Pflege sinfonischer (und Wagnerscher) Musik war vor allem B o l o g n a , in dessen Liceo Musicale G. B. Martini damals auch ein Konzertsaal entstand — ein Rechteckraum, mit Galerien an drei Seiten, unter denen sich (nur an den Längswänden) erhöhte Logenplätze befinden, und mit einer ganz theaterartigen Bühne mit Proszeniumsrahmen, in deren Hintergrund die Orgel steht. — Die Konzertsäle von Rom (Accademia di Santa Cecilia, Augusteo) und Mailand (Konservatorium) sind neueren Datums. Der häufigste Ort von Konzerten ist in den romanischen Ländern immer noch das Theater (z. B. die Mailänder Scala).

6. R u ß l a n d An das Staryj Petrovskij teatr in M o s k a u , den 1780 von Rosberg erbauten Vorgänger des Boläoj teatr, wurde 1787 seitlich durch den russifizierten englischen »Mechaniker« Michail Maddox ein Redoutensaaltrakt angefügt 92 . Der auch zu Konzerten verwendete, durch zwei Geschosse gehende »maskaradnyj zal« war eine gewaltige Rotunde von 35,6 m Durchmesser und 12,8 m Höhe; innerhalb der in Arkaden gegliederten Umfassungsmauer umzog den Saal eine mächtige Kolonnade von 24 korinthischen Säulen, die über einem Gebälk das reichverzierte Spiegelgewölbe trugen; der um zwei Stufen erhöhte Umgang (»Galerie«) war bei Bällen den Zuschauern eingeräumt. Den Saal, der angeblich 2000—4000 Besucher faßte, erhellten nicht weniger als 42 Kristallüster, deren Licht sich in den Wandspiegeln (in den Umgangsarkaden) brach. Ihm schlössen sich weitere Säle für Tanz und Konzerte sowie Restaurationsräume an. 1805 wurde er durch Brand zerstört. Bezeichnend für die soziale Struktur im alten Rußland ist der Umstand, daß die Zentren des musikalischen Lebens der Hauptstädte Petersburg und Moskau die großen Säle der Adelsklubs waren — keine reinen Konzertsäle, sondern Stätten glanzvollen gesellschaftlichen Lebens schlechthin. Das Gebäude des Moskauer Adelsklubs (Blagorödnoje Sobränie oder Dvorjänskij Klub, heute Dom Sojuzov) 93 ist eine großartige Steigerung des Typus Gesellschaftshaus ins Aristokratische; es entstand 1784 durch Umbau und Erweiterung des Palastes des Fürsten Dolgorukyj nach Plänen des bedeutendsten Moskauer Klassizisten Matvej Fjodorovic Kazakov. Der langgestreckte Komplex enthielt im Erdgeschoß Diener- und Wirtschaftsräume, im 1. Stock eine grandiose Folge von Gesellschaftsräumen: auf den Eingang an der Schmalseite folgten das Vestibül, die große Treppe, der querovale Rundsaal (mit Peristyl), der Große Saal, der Kreuzsaal, ein Prunk-Speisesaal sowie die Bibliothek; parallel zu dieser Flucht verlief 82 93

Jurij Dmitrievii Chripunov, Architektura Bolsogo teatra, Moskau 1955, S. 11 ff., 1, f. — Die Rotunde als Konzertsaal erwähnt bei Preußner a. a. O. S. 55 ff., u. AMZ r8oi / S. 688. A. I. Vlasjuk / A. T. Kaplun/A. A. Kiparisova, Kazakov (Moskau 1957), S. 183 ff.-, M. A. Il'in, Architektura Moskvy v XVIII veke, Moskau 1953, S. 46 f. ; Moskva, Architekturnyj Putevoditel', hg. v. der Akad. f. Bauwesen u. Archit. der UdSSR, Moskau i960, S. 96.

164

entlang der Hauptfront eine zweite von Gastzimmern (Restaurant), die in einer Rotunde endete; 1793 bis 1801 verlängerte Kazakov den Bau noch nach rechts um einen Trakt mit kuppelgekröntem Eckpavillon (innen u. a. eine Erweiterung der Bücherei und ein zweiter großer Speisesaal). Der heute allein von allen Räumen noch erhaltene große »Kolonnyj zal« nimmt die Stelle eines ehemaligen Hofes ein und überragte den übrigen Bau um ein Geschoß. Er ist ein 39,5 m langer, 24,5 m breiter und 14,5 m hoher Peristylsaal mit 6 x 10 kolossalen, unkannelierten korinthischen Säulen, die über einem hohen Gebälk mit Kranzgesims eine Spiegeldecke tragen, in deren Hohlkehle die Stichkappen der kleinen Halbkreisfenster einschneiden. Ursprünglich standen die Säulen auf einem hohen, durchgehenden Sockel, und die um mehrere Stufen erhöhten Umgänge (mit Pilastergliederung an den Wänden) waren gegen den Hauptraum durch Balustraden abgeschlossen; nach dem Brand von 1812 wurden (durch A. N. Bakarev) die Umgänge in allen Interkolumnien durch Stufen mit dem übrigen Saal verbunden und in etwa Zweidrittelhöhe hinter den Säulen eine Galerie mit Balustrade eingezogen; das ursprüngliche Deckenfresko wurde nicht mehr erneuert. — Die Ableitung dieser monumentalen Raumschöpfung von der höfischen Sphäre ist nicht nur augenfällig, sondern in diesem Falle sogar direkt nachgewiesen94: ein Vorprojekt Kazakovs, das in den Ecken vorspringende Säulen vorsah, ist eine Reduktion des (übrigens in genau gleicher Länge geplanten) Projektes zum Hauptsaal des Kremlpalastes von Bazenov — einer phantastisch-gigantischen, einem Säulenwald gleichenden Ubersteigerung des Typus des Peristylsaals. (Der Säulensaal fand überhaupt in Rußland eine besondere Verbreitung und erfuhr hier viele, zum Teil grandiose Abwandlungen, wie z. B. im Taurischen Palais.) Die Adelsversammlung (Dvorjánskoje Sobránie) in P e t e r s b u r g 8 6 , heute Sitz der Staatlichen Philharmonie Leningrad, ist äußerlich Teil eines großen, von Rossi entworfenen städtebaulichen Ensembles rings um das Michaelspalais; erbaut wurde sie 1834—39 von dem Pariser Paul Jacot (Pavel Petrovic Zako), der 1822—40 in Petersburg Hofarchitekt und Akademieprofessor war. Den akustisch hervorragenden Saal (wie der Moskauer ganz in Weiß) begrenzen an den Längsseiten korinthische Stuckmarmorsäulen mit eingespannter Galerie; die durch Doppelpilaster gegliederten Wände der Schmalseiten sind von je drei großen Arkaden durchbrochen, in welche jeweils zwei ionische Säulen mit einem Architrav in Kämpferhöhe als Fortsetzung der Galerie eingestellt sind; vor der Mittelarkade der Stirnwand steht heute die Orgel; in die hohe Voute der Spiegeldecke greifen die Halbkreisfenster mit Stichkappen ein.

M

95

Vlasjuk usw., Kazakov S. 183 ff.; von Bazenovs ungeheurem Projekt des Kremlpalastes existiert noch, das Modell. A. N. Petrov / E. A. Borisova / A. P. Naumenko, Pamjatniki Ardiitektury Leningrads, Leningrad 1958, S. 1 1 4 f.; Thieme-Becker, Künstlerlex. XVIII / 292. 165

7- D e u t s c h l a n d

und

Österreich

Ein öffentliches, bürgerliches Konzertleben entwickelte sich zuerst in den protestantischen Handelsstädten Norddeutschlands, während der katholische Süden zunächst noch manche Anklänge an Italien aufwies. »Man übertreibt nicht, wenn man sagt, daß das Konzert, mögen auch die Anfänge außerhalb Deutschlands gelegen haben, erst in Deutschland seine wahre Form erhalten hat. Gerade in den Jahren 1740 bis 1770 wurde das Konzert zur deutschen Erscheinung. Wenn England die Wirtschaftsform, Frankreich die gesellschaftliche Seite im Konzert vornehmlich prägten, so machte Deutschland aus ihm eine Gemeinschaftsform« 9S . Gemeint ist hiermit das als einigendes Band wirkende hohe Maß an Interesse und Liebe, das die Deutschen dieser Form der Musikausübung entgegegenbrachten und das in der deutschen Neigung zu abstrakter Vergeistigung, zu formaler Spekulation, zu Innerlichkeit und totaler Hingabe begründet war. Diesen Neigungen kam der subjektive Charakter der neuen Musik zutiefst entgegen, und die Folge war, daß die deutschen Komponisten auf dem Gebiet der Sinfonik die absolut dominierende Rolle spielten, erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gefolgt von slawischen Meistern wie Tschaikowsky und Dvorak, während die romanischen Länder abseits blieben. Dieser Entwicklung der absoluten Musik entsprach im 19. Jahrhundert (nun unter stärkster Anteilnahme auch des deutschen Südens) die Entfaltung eines Konzertlebens von besonderer Vielfalt und breitestgestreuter Dezentralisation — der deutschsprachige Raum wurde geradezu das klassische Land des öffentlichen Konzertwesens. Die hohe Wertschätzung der »Bildung« führte zur staatlichen und kommunalen Subvention und somit zu einer ungewöhnlichen Vielzahl kultureller Institutionen (neben den Orchestern vor allem Theater). Übrigens wurde die Musik auch nirgends — und dies von Seiten der Komponisten, der Interpreten wie des Publikums — mit so heiligem Ernst aufgefaßt und gepflegt wie in Deutschland, und so kam es auch hier zu der großartigen Erhebung der Gattung des Konzertsaals in den Bereich echter Sakralität. An der Spitze der Entwicklung zu einem öffentlichen Konzertwesen hin stand H a m b u r g 9T , das durch seine Handelsbeziehungen zu England Einflüssen von dort besonders zugänglich war, aber auch soziologisch eine ähnliche Struktur aufwies. Das rege Konzertleben dieser Stadt, zunächst vor allem in Gasthäusern ansässig, führte 1761 zur Eröffnung des ersten öffentlichen Konzertsaals in Deutschland — des Concertsaales auf dem Kamp (Valentinskamp); leider ist über sein Aussehen nichts überliefert, als daß er akustisch günstig, geräumig, heizbar und auf dem Kamp inmitten der daselbst 1760 erbauten Häuser gelegen war ; der sicher recht einfache Raum, in dem Subskriptionskonzerte veranstaltet wurden, wurde auch sonst zu Musik- und Theateraufführungen vermietet. Um 1789 erbaute die private Konzertvereinigung Harmonie ein eigenes 94 9T

Preußner S. 30. Josef Sittard, Geschichte des Musik- u. Concertwesens in Hamburg vom 14. Jahrhundert bis auf die Gegenwart, Altona / Leipzig 1890. Kurt Stephenson, 100 Jahre Philharmon. Gesellschaft in Hamburg, Hbg. 1928.

166

Gesellschaftshaus. In der Folge spielten eine wichtige Rolle im Hamburger Konzertleben die 1804 eröffnete Börsenhalle mit einem Peristylsaal, dessen Galerie von r8 Säulen getragen wurde, und vor allem der 1804 von Krug erbaute ellipsenförmige Apollosaal im Logenhaus. Im Laufe des 19. Jahrhunderts folgten weitere Säle, so der neue Logensaal 1827, die Tonhalle 1844 (an ihrer Stelle 1904—08 die noch bestehende neubarocke Musikhalle), und um die Jahrhundertmitte der Conventgarten. Die für die Entwicklung des modernen Konzertlebens in Deutschland wichtigste, auch hinsichtlich der Qualität der Aufführungen vorbildliche Stadt war L e i p z i g 9 8 , das auch ein Zentrum des Musikverlagswesens, der Musikkritik und Erscheinungsort der führenden »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« war. Schon das Wirken Bachs hatte es zu einer Musikstätte höchsten Ranges erhoben. Noch zu seinen Lebzeiten, 1743, gründeten 16 Adelige und Bürger das »Große Konzert«, das seine Aufführungen zunächst in einem Raum des Gasthofs »Zu den drei Schwanen« veranstaltete. Reichardt berichtet darüber um 1 7 7 1 , man werde durch eine gemeine Herberge einen Gang hinaufgeführt in »einen hellen Saal voll galanter Gesellschaft. . . , das Concertzimmer genannt, welches die Größe einer mittelmäßigen Wohnstube hat, die auf der einen Seite mit einem hölzernen Gerüste für die Spielenden, auf der andern mit einer hohen hölzernen Galerie für Zuschauer und Zuhörer in Stiefeln und ungepuderten Köpfen verbaut ist« 99 . Das Orchester umfaßte um 1765 33 Musiker. Eines der Mitglieder des Großen Konzertes wollte um 1766 den Bau eines Konzerthauses veranlassen, doch entstand stattdessen das Alte Theater. Schließlich ergriff der rührige Bürgermeister und Musikfreund Carl Wilhelm Müller die Initiative zur Erbauung des berühmten (alten) Gewandhaussaales (1780—81). Der Architekt Johann Carl Friedrich Dauthe baute den Saal in einen unbenutzten Teil »über dem Tuchboden auf dem alten Bibliotheksgebäude«, dem früheren Messehaus der Tuchhändler am Neumarkt (der späteren Universitätsstraße), ein. Die akustischen Vorzüge des Saales beruhten darauf, daß er rings von Nebenräumen umgeben und ganz aus Holz konstruiert war; der Boden ruhte auf hohen Holzpfeilern, desgleichen war die Decke unterhalb des mächtigen Dachstuhls aus Holz. Der an beiden Enden abgerundete Saal war 22,85 x 1 1 , 3 5 m groß und 7,35 m hoch. Leider zeigt ihn keine Ansicht in seinem ursprünglichen Zustand, der nach einer unbeholfenen, nicht immer klar verständlichen Beschreibung von r 7 8 r 1 0 0 nicht in allem eindeutig zu rekonstruieren ist. Wohl von Anfang an waren die Sitze in der Längsrichtung zu beiden Seiten eines breiten Mittelgangs angeordnet. Jede Längswand hatte im Un98

Alfred Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte zu Leipzig 1781—i88r, Leipzig r884; Eberhard Creuzburg, Die Gewandhauskonzerte zu Leipzig 1781—r93i, Leipzig 1931; Arnold Schering, Musikgeschichte Leipzigs Bd. III (i8.Jh.), Leipzig 1941, S. 48r f.; Leipziger Bautradition (Leipziger Stadtgeschichtl. Forschungen Heft 4, L. 1955), S. r7i, 203; Alfons Dürr, Adam Friedrich Oeser, Leipzig r879, S. 171—17$; Leipzig u. seine Bauten, hg. von der Vereingg. Leipziger Architekten u. Ingen., L. 1892, S. r33 f.; Chambers's Encyclopaedia III/816 (Art. Concert Hall); MGG Art. Leipzig.

99

Creuzburg S. rs f.

100

Magazin des Buch- u. Kunsthandels 1781, S. 854 ff. (zitiert nach Dörffel S. 18). 167

tergeschoß zwei Rundbogentüren und dazwischen eine gleichgroße Nische mit einem weißen, mit Medaillons und Vasen verzierten Säulenofen, und in der Höhe eine Reihe kleiner Fenster (um 1840 als »Dachlogen« benutzt). Die gerundete Wand hinter dem Orchesterpodium war in der Mitte in ganzer Höhe durchbrochen,- hier schloß sich ein kleiner rechteckiger Raum an, in dem (bis 1805) die Orgel stand; beiderseits von ihm entsprachen den Mezzaninfenstern breitrechteckige Logen »für Chöre der Pauken und blasenden Instrumente«; an der schmalen Eingangsseite gegenüber gab es eine wohl gleichfalls logenförmige »Tribüne« »für Zuhörer, oder ein zweytes Musikchor«. »Damit nicht die Baukunst durch vorspringende Glieder und ausgehobene Zierden der freyen Wirkung des Schalles nachtheilig werden möchte, so vertritt hier die Malerkunst durch ihre Täuschung die Stelle der erstem.« Den Eindruck des Saales bestimmten in erster Linie die Architekturmalerei von Giesel und die Deckenfresken des Akademiedirektors Adam Friedrich Oeser. Die Wände scheinen eine zweigeschossige Gliederung gehabt zu haben: unten »unverzierte Lesseen (wohl Lisenen), zwischen welchen, da wo keine Nische oder Thüre hintrift, berahmte Füllungen Platz bekommen haben«. Das Obergeschoß zeigte »die an den Schäften zwischen den Mezzaninfenstern hinaufsteigenden jonischen Pilaster mit ihren antiken Kapitalen«; unterhalb der Brüstung der Fenster und Logen gab es einen ringsum »zwischen den kanälirten Pilastern umlaufenden Gurt« — demnach scheinen die Pilaster vielleicht doch bis zum Boden bzw. Sockel hinabgereicht und also ein gemaltes Peristyl gebildet zu haben — doch wo bliebe dann noch Platz für die Lisenen und Felderungen? Die Pilaster »trugen« das »Hauptgesimse . . . mit seinen umherlaufenden Zahnschnitten, darüber alle mit Blätterschmucke in Voluten sich verlierende Ribben am Muldengewölbe (in der Hohlkehle), wo sie, an der Scheidung . . . von der platten Decke, ein höheres Gesimse erreichen und dieses die kleinen umfaßt, welche die drey Deckenöffnungen, deren mittlere die größte ist, mit belaubten Gliedern elliptisch umziehen«. In den Zwickeln zwischen diesen drei ovalen Oeserschen Deckenfresken hingen von durchbrochenen Rosetten für die Luftabzüge die vier kristallenen Kronleuchter herab. Im Fries des Gesimses über dem Orchester las man die Worte: »Res severa est verum gaudium« — den Wahlspruch des Gewandhauses. Hauptschmuck des Saales waren die Deckenbilder Oesers, himmlische Wolkenlandschaften mit wenigen locker verteilten Figuren, letztes, kühl und saftlos gewordenes Rokoko (an einer Stelle überdeckte sogar noch eine Wolke das Gesims). Die allegorischen Darstellungen 101 zeigten vor allem Apollo und die Musen, dazu über dem Orchester Amor mit der Leier auf einem Löwen reitend als Bezähmer der Leidenschaft durch Musik, über dem Ausgang die Mißhandlung des — den musikalischen Unverstand verkörpernden — Marsyas, der Apoll im Wettstreit unterlegen war, durch dessen Gefolge (diese Szene wurde auch als Verjagung der alten und Triumph der neuen Musik gedeutet). — 1833 wurden die Fresken beseitigt und die Wände im »etrurischen Stile« mit rotem Grundton und dünnen Säulen bemalt; 1842 wurden die Mezzanin101

168

Ausführliche — z. T. widersprüchliche u. ungenaue — Beschreibungen u. Deutungen zitiert bei Dörffel S. 19—22, 251 u. Anhang S. 103.

logen in eine durchlaufende Galerie verwandelt; 1872 und 1879 erfolgten letzte behelfsmäßige Umhauten; 1884 wurde das Neue Gewandhaus eröffnet und 1894 das alte abgebrochen. — Den Zugang zum Saal bildeten eine barocke Treppe, die auch zur Stadtbibliothek führte, ein Vorplatz, »allwo die Dienstboten ihre Herrschaften erwarten«, und ein sdiöner Vorsaal mit einigen Kristallüstern, Architekturmalerei an den Wänden, einem Deckenfresko und einem antikisierenden Apollo-Medaillon aus Marmor zwischen den Fenstern. Übrigens enthielt der Gewandhauskomplex auch einen eigenen Ballsaal. — Trotz vieler lobender Stimmen war der alte Gewandhaussaal doch nur ein relativ bescheidenes, echt bürgerliches Werk, dem jeder höfische Glanz fehlte; immerhin soll der ursprüngliche Eindruck dieses »Kunsttempels« ein Beweis gewesen sein, daß man die Musik »mit all der Würde zu behandeln weiß, die ihr als einer auf die menschliche Freude so viel Einfluß habenden Gottheit mit allem Rechte zukommt« 102 . Die Musikliebe Friedrichs d. Gr., die in den Konzertzimmern der verschiedenen Schlösser in B e r l i n und Potsdam ihren architektonischen Ausdruck fand, war auch der Anlaß zum Bau des Opernhauses Unter den Linden (1741—43 von Rnobelsdorff), dessen Inneres sich aus drei höfischen Festsälen zusammensetzte: dem Apollosaal mit einer von Hermen getragenen Galerie, der als Konzert- und Speisesaal diente, dem Zuschauerraum von der Form des italienischen Logentheaters und dem Korinthischen Saal (mit seitlichen Kolonnaden), der als Bühne und — zusammen mit dem Zuschauerhaus — als Ballsaal diente. Als Langhans 1800—1801 einen Neubau für das Nationaltheater auf den Gendarmenmarkt aufführte 103 , erhielt auch dieses einen Konzertsaal, der nun schon stärker aus der höfischen in die öffentliche Sphäre gerückt war 104 . Während das instrumentale Konzertwesen im 18. und frühen 19. Jahrhundert in Berlin in nicht besonderer Blüte stand, erlangte die Pflege des Chorgesanges in der von K. F. Fasch 1790 gegründeten, seit 1800 von Zelter geleiteten S i n g a k a d e m i e 1 0 5 hohe Bedeutung. Dieser Verein, »ein Institut ganz besonderer Art zur Kultur der geistlichen Tonkunst«, hatte zu Mitgliedern »Herren und Damen . . . alle aus der gebildeten Klasse, die sich alle Dienstage, bloß aus Liebe zur Kunst, versammeln, um Messen und Oratorien von älteren und neueren Meistern, ohne alle Instrumentalbegleitung, mit

102 103 104

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Beschreibung von r792, zitiert bei Dörffel S. 251. An der Stelle eines kleineren Theaters von 1775. Walther Th. Hinrichs, Carl Gotthard Langhans, ein schlesischer Baumeister 1733—1808 (Straßburg 1909], S. 77 f. (»Die durch einen besonderen Eingang erreichbare KonzertraumAnlage . . . umfaßte ein Vestibül, von dem eine Doppeltreppe zu einem Vorsaal führte, ferner einen zweiten Vorsaal, dann das Foyer u. endlich die eigentliche Konzerthalle; alle Räume hatten beträchtliche Dimensionen.« — Der Zugang erfolgte durch den sechssäuligen Portikus der östl. Langseite, der Saal befand sich wohl im r. Stock über dem an der Schmalseite gelegenen Vestibül zum Theater. (Grundrisse, Aufrisse u. Schnitte des Theaters, aber ohne den Saal zu betreffen, in H. Schmitz, Berliner Baumeister vom Ausgang des r8. Jh., Berlin ^ 1 4 , S. 172/173.) Paul Ortwin Rave, Friedrich Schinkel / Berlin, Bd. I (Berlin 1941), S. 145 ff. 169

Ausnahme eines Flügels, einzustudieren und aufzuführen« loe . Anfangs fanden die Zusammenkünfte in Privathäusern, seit 1793 i n der Akademie der Künste (Unter den Linden) statt. Doch war diese Unterbringung so elend, daß Goethe »über die Zigeunerwirtschaft eines Institutes, das Paläste, Tempel und Altäre verdiente«, schimpfte 107 . Deshalb plante Schinkel 1812, im Hof der Akademie einen Querflügel für die Singakademie zu errichten,- außer Nebenräumen enthielt das Projekt vor allem einen Saal »von so großen Dimensionen, daß zu jener Zeit auf Beibringung der Mittel zur Ausführung nicht zu hoffen war« 1 0 8 . Der Entwurf zu dieser monumentalen Singhalle (Tafel 14, Abb. 34) ist von bezwingender sakraler Erhabenheit und Größe — ein langgestreckter, von Abseiten begleiteter Raum, dessen rasche, monotone Pfeilerarkadenfolge, zwischen der von den Seiten indirekt das Licht einfällt, und dessen ungeheures, dämmeriges kassettiertes Tonnengewölbe das Auge direkt zu dem von einem gestaffelten Rundbogen proszeniumsartig gerahmten Abschluß führen — einem indirekt beleuchteten Riesenfresko mit der Apotheose der hl. Cäcilia, die lichtumflossen in einem Wolkenkreis über konzertierenden Engeln thront; diese begleiten mit ihren Instrumenten gleichsam den Gesang des feierlich auf erhöhtem Podium über einer Freitreppe um ein altarähnliches Pult gescharten Chores, und die überlebensgroßen Figuren musizierender Engel, die in den Zwickeln der seitlichen Arkaden auf Pfeilervorlagen thronen, erheben den ganzen feierlich-strengen Saal in die Sphäre himmlischer Musik; den Abschluß gegenüber dem Fresko und dessen »irdisches« Pendant bildet ein von Pfeilern gerahmtes »halbrundes Pantheon, worin die Bildsäulen berühmter Tonkünstler aufgestellt werden« 109 . An diesem Ende des Raumes setzt gleichsam die Apothese des Menschlich-Irdischen ein, die am anderen Ende in die Verklärung mündet — hierin offenbart sich die Macht der göttlichen Musik, und mit ihrer Wirkung vereinigt sich kongenial die Architektur dieser vielleicht sakralsten Raumschöpfung des ganzen Jahrhunderts. (Auf einem etwas abweichenden Aufriß der Chorseite stehen die Sänger auf einer riesigen Treppe, die in gemalter Fortsetzung direkt in die Verklärung der hl. Cäcilia zu münden scheint.) Vielleicht war ein Raum von derartig romantisch-visionärem Charakter in der Realität gar nicht ausführbar; 1821 entwarf Schinkel ein neues Projekt 110 für die Singakademie, diesmal als freistehendes Gebäude im Kastanienwäldchen hinter der Neuen Wache und in Formen des antiken Sakralbaues. Das Äußere hat die Gestalt eines — aus finanziellen Gründen — um die Kolonnade reduzierten Tempels — ein langgestreckter Quader mit hohem Rustikasockel, die Stirnseite mit säulenflankiertem monumentalem Portal, Inschrifttafel darüber und flachem, mit Skulpturen gefülltem Dreiecksgiebel. Der flachgedeckte Saal im Innern, mit Rechteckfenstern an beiden Längsseiten, wurde von einer dorischen Kolonnade über einem Sockel von einem Drittel der Raumhöhe umlos 107 108 109 110

W. Mila, Berlin (Berlin 1829), S. 395Zitiert nach Rave S. 148. ebenda S. 145 f. ebenda S. 146. ebenda S. r48 ff. (mit Abb.)

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zogen, dahinter verliefen seitlich schmale Umgänge (»Tribünen«), rückwärts war die Säulenreihe verdoppelt und umschloß »Logen«, hinter denen noch mehrere Stufen (das »Amphitheater«) anstiegen,- vor den Säulen der Stirnwand stieg das Podium in Halbkreisstufen an, und hinter den Säulen schloß sich ein Probesaal nebst kleineren Nebenräumen an. — Weder dieses Projekt noch ein anderes des Schinkelschülers Alexis de Chateauneuf 1 1 1 wurde ausgeführt, sondern (1825—26) dasjenige des jungen Braunschweiger Hofbaumeisters Karl Theodor Ottmer 1 1 2 , eine zum Teil vereinfachte Variante des Schinkelschen Entwurfes. Das Äußere, an sich von der gleichen Grundform wie bei Schinkel, wurde an der Vorderfront durch vier korinthische Pilaster als Tempel gekennzeichnet und erhielt drei Portale; der Saal bekam korinthische Kolonnaden nur an den Schmalseiten, wo sich jeweils Anräume anschlössen (Vorsaal mit Balkon bzw. Probensaal), und Logen nur an der rechten Längsseite. Lange Zeit die Hauptstätte auch des sinfonischen Konzertlebens in Berlin, wurde er später (zuerst 1865) mehrmals umgebaut (heute Maxim-Gorki-Theater). Noch vor der Ausführung der Singakademie war der Konzertsaal in Schinkels S c h a u s p i e l h a u s entstanden 113 , das 1819—21 an der Stelle des abgebrannten Langhans-Baues errichtet wurde. Der linke Flügel des Theaterkomplexes bildete gleichsam ein Konzerthaus für sich, mit eigenem Vestibül, Treppenhaus und Nebenräumen. Der auch zu Bällen und Festlichkeiten verwendete Konzertsaal (33 x 14,r m groß, ca. 14 m hoch), eine der schönsten Raumschöpfungen Schinkels, war seinem Charakter nach eher still und intim als monumental, gleichsam ein höfischer Festsaal mit besonders ausgeprägter musikalischer Note. Den kastenförmigen Raum umzog in halber Höhe eine Galerie, die an den Schmalseiten hinter den ionischen Kolonnaden im Obergeschoß verlief, an den Längsseiten aber balkonartig über weit vorkragenden Volutenkonsolen in den Raum hineinragte. Die von großen Rechtecktüren und Fenstern durchbrochenen Erdgeschoßwände waren ansonsten durch hohe Felderungen gegliedert, in deren Mitte in Kreisnischen 18 Tondichterbüsten von Gottfried Schadow standen; die Längswände über der Galerie wurden durch Pilaster gegliedert, die mit Gipsfiguren (von Tieck) gekrönt waren 1 1 4 ; die Decke war diagonal kassettiert, in die einzelnen Felder kleine runde Gemälde von Dähling und Kolbe eingesetzt; ansonsten war der Saal auf die Farben weiß und gold abgestimmt. Für das Orchester war kein eigener Platz abgegrenzt; an drei Seiten umzog den Tafelparkettboden eine um zwei Stufen erhöhte Estrade; für den König wurde der Mittelteil der einen Seitengalerie als Loge abgegrenzt, an die sich das königliche Teezimmer anschloß. Die verschiedenen Bauaufgaben, die sich soeben erst emanzipiert hatten, faßte Schinkel in seinem späten, jenseits aller Realisierbarkeit stehenden Entwurf zu einer Idealresidenz am Berghang (1835) noch einmal in romantisch-idealistischem Geist zu111 112 113 114

ebenda S. 151 ff. ebenda S. 153 f. ebenda S. 88 ff. Genaue Beschreibung bei Rave S. 118.

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sammen. »Es handelt sich um die Anlage einer Residenz, die mit der bequemen Lage in der Nähe einer großen Stadt alle Annehmlichkeiten und höheren Aufgaben eines hochgebildeten Lebens des Fürsten mit den Anlagen für Volksfeste, Gebäude für Auszeichnung berühmter Personen des Landes in Denkmalen, für Genuß und Bildung aller Wissenschaften und schönen Künste, für Teilnahme des Volkes an diesen Instituten, dann Gebäude zu den in der Zeit gebräuchlichen allgemeinen Festen und für die Anlage der dem Fürsten zunächststehenden Regierungsdikasterien, sowie dessen eigene Wohnung usw. in sich fasse, dabei im Äußeren und Innern die Würde des Zwecks vollständig charakterisiere« 115 . Dieses dem Volk offenstehende »Bildungsschloß« (Beenken) umfaßte in seiner rechten Planhälfte auch ein »Odeon für musikalische Aufführungen«, einen langgestreckten Rechtecksaal mit konvexem Podium und konzentrisch leicht gekrümmten Sitzreihen mit Mittelgang. In W e i m a r 1 1 6 erstellte der Oberbaudirektor Clemens Wenzeslaus Coudray — bekannt als der Erbauer der dortigen Fürstengruft — in Zusammenarbeit mit Goethe, dem er auch menschlich nahestand, Pläne zu einem großzügigen Theaterneubau (nach 1817). Das Projekt, dreiflügelig wie Schinkels Schauspielhaus, mit dem konvex vortretenden Zuschauerraum als Mittelrisalit, enthielt im 1. Stock des linken Traktes einen längsrechteckigen Konzertsaal (ca. 4s x 33 Fuß groß), mit je drei Fenstern an den Längswänden; an der Stirnseite schloß sich hinter vier Säulen eine eingezogene, halbrunde Orchesternische an ; der Raum der halbkuppeligen Wölbung darüber, mit einer über dem Gebälk der Säulenstellung verlaufenden Brüstung, diente der Tanzkapelle. An der rückwärtigen Schmalseite vermittelte eine gleichartige Säulenstellung zu einem Vorsaal, an den sich seitlich das Buffetzimmer anschloß. Das gesamte Projekt, zu aufwendig für die Mittel des kleinen Staates, mußte nach dem Theaterbrand von 1825 reduziert werden, doch wurden auf Grund einer Intrige der großherzoglichen Favoritin Jagemann Goethe und Coudray von dem Neubau ganz ausgeschaltet, der dann auch äußerst dürftig ausfiel. Drei Jahre später jedoch konnte Coudray das schlichte Haus der Gesellschaft »Erholung« errichten, dessen zentraler Saal am 4. 1 1 . 1828 durch ein von Joh. Nep. Hummel geleitetes Konzert eingeweiht wurde. »Die Musik — berichtet Coudray — machte sich in diesem Saale vorzüglich und erklärte Hummel solchen in acustischer Hinsicht für vollkommen gelungen. Diese Wirkung hatte ich zu erreichen gesucht durch große Hohlkehlen an den beiden langen Seiten der Decke und durch einen hohlen Raum von 18 Zoll Höhe unter dem Fußboden.« In den Mitten der Schmalseiten flankierten Säulen den Eingang bzw. eine rechteckige, tetrastyle Orchesternische mit Empore darüber; die linke Längswand durchbrachen sechs Fenster in zwei Geschossen (die oberen rundbogig), gegenüber alternierten die Fenster mit Türen zur Säulenloggia. — 115

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H. v. Wolzogen, Aus Schinkels Nachlaß (Berlin 1862/64), Bd. III, S. 378. - Vgl. Carl v. Lorck, K. F. Schinkel, Berlin 1938, S. 116, und Hennann Beenken, Schöpferische Bauideen der deutschen Romantik, Mainz 1952, S. 67 f. und Tafel 28 / S. 142. Walther Schneemann, C. W. Coudray, Goethes Baumeister, Weimar r943: Theaterprojekt S. 52 ff. (Zeichnungen 16—18), Erholung S. 58 f. und 127 (Zeidin. 20/21), Plan zur 2. Erholung S. 59, Abb. 40/41 und Zeichn. 22.

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Später schuf Coudray noch Pläne zu einem neuen, massiveren Erholungsgebäude; der Saal im Obergeschoß ist eine Reduktion des Konzertsaales aus dem Theaterprojekt. Einen intimen Konzertsaal enthielt auch das 1818—22 von Carlo Ignazio Pozzi erbaute Hoftheater in D e s s a u 1 1 7 ; der nach einem Brand 1855 restaurierte, weiß-goldene Raum hatte flache korinthische Pilaster an den Längsseiten, dazwischen im Westen fünf Fenster bzw. gegenüber Spiegel; an der rückwärtigen Schmalseite war eine Empore auf ionischen Säulen eingezogen; die Spiegeldecke war tun ein Mittelbild herum kassettiert. In H a n n o v e r erbaute 1845—52 der Hofarchitekt Georg Ludwig Friedrich Laves als Dominante des neuen Ernst-August-Stadtteils das neue Hoftheater, eines der großartigsten Werke des späten Klassizismus 1 1 8 . Dem Bau gingen fünf verschiedene Projekte (seit 1843) v o r a n 1 1 9 ; von Anfang an war nach dem Vorbild des Berliner Schauspielhauses auch die Einbeziehung eines Konzertsaales in den umfangreichen Komplex vorgesehen. Noch im dritten Projekt sollte der Saal im 1. Stock hinter der Mitte der Hauptfront liegen — ein Peristylsaal mit Galerie, die an einer Längsseite in der Mitte, vom Foyer aus zugänglich, als Königsloge konvex vortreten sollte. Im ausgeführten Entwurf wurde der Saal als langgestrecktes Rechteck ohne Peristyl (32,7 x 12,3 m) in den linken Flügel verlegt. Die Wände des 750 Zuhörer fassenden Raumes waren durch Pilaster und Nischen gegliedert, die linke Längswand wurde von Rundbogenfenstern durchbrochen; die Kassettendecke enthielt kleine Gemälde von Georg Laves, dem Sohn des Architekten. 1894 wurde der Saal unterteilt und verbaut. U m 1854 plante Laves im Auftrag des Königs eine neue, große Tonhalle 1 2 0 für die Südseite der Friedrichstraße; der höchst bemerkenswerte Entwurf gibt dem Gebäude die Form einer englisch-neugotischen Hallenkirche mit Emporen; hinter dem Parkett auf einer Estrade sollte der Platz des Königs sein, Sänger und Orchester nahmen den erhöhten Platz in und vor dem polygonalen Chor ein, unter dem gleich einer Krypta die Nebenräume vorgesehen waren. M a n n h e i m , die im 18. Jahrhundert großzügig angelegte Residenzstadt der Kurpfalz, war damals eine der modernsten und auch kulturell lebendigsten Städte Europas — das »Paradies der Tonkünstler« nadi F. H. Jacobi, Sitz des hervorragendsten

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Die Kunstdenkmale des Landes Anhalt / Die Stadt Dessau, Burg b. M. 1937, S. 86 f. u. Tafel 59. Eine treffende Deutung dieses echten Musentempels als des geistigen u. baulich dominierenden Zentrums des (kirchenlosen) neuen Stadtteils u. als des für die Zeit typisdien »Großraumes des Erlebens« gibt Rudolf Hillebrecht, Das Opernhaus Hannover, in: 100 Jahre Opernhaus Hannover 1852/1952, S. r9. Im einzelnen geschildert bei Georg Hoeltje, Georg Ludwig Friedridi Laves, Hannover 1964., S. 145 ff. ; ferner in »Die Kunstdenkmäler des Landes Hannover«, Bd. r9 (193a), S. 707 f., und bei Karl Grabenhorst, Der Lavesbau (in: 75 Jahre Opernhaus Hannover, Hann. r927, S. 3 r ff.). Georg Hoeltje, G. L. F. Laves, Hannover 1964, S. 172 und 175. — Vgl. Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 1 2 7 1 3 . 1 . ^63, S. 21.

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Orchesters seiner Zeit. Die berühmte Hofkapelle 1 2 1 spielte bei Opern in dem grandiosen Opernhaus von Galli-Bibiena und im Schwetzinger Theater, bei Hofkonzerten (»Akademien«) im Rittersaal, dem Hauptsaal des Schlosses, sowie im Sommer in den Spiel- und Gesellschaftssälen in Schwetzingen, und endlich bei Oratorien und Messen in der Schloß- und der Jesuitenkirche mit; außerdem stellte sie die Tafel- und Ballmusik. Die soziale Stellung der Mitglieder war noch niedrig, etwa der der Lakaien gleich 1 2 2 . Ehe Kurfürst Karl Theodor mitsamt dem Hofstaat und dem Großteil der Kapelle 1778 nach München übersiedelte, ließ er den Bürgern als eine Art Ersatz für den entschwindenden Glanz das Nationaltheater durch Lorenz Quaglio erbauen. Dessen nördliches Drittel wurde in den 1780er Jahren »als Redoutenhaus für Konzerte, Bälle und andere gesellschaftliche Veranstaltungen eingerichtet« 123 . Der 1785 vollendete Konzertsaal war, nach einem zeitgenössischen Gemälde 1 2 4 , ein frühklassizistischer Peristylsaal mit 24 [6 x 8) kannelierten korinthischen Säulen, die eine Galerie mit Balustrade trugen; die Umgänge hatten einen erhöhten Boden, die Kassetten der Decke umgaben ein großes, rechteckiges Gemälde. Nach Erbauung der neuen Fest- und Konzerthalle Rosengarten (1893) wurde der Saal, dem ein schönes Treppenhaus vorgelegt war, verbaut, 1943 zerstört. Bereits erwähnt wurde der Neuhaussaal in R e g e n s b u r g . — Nur bedingt zur Gattung der Konzertsäle können die Haupträume einiger Gesellschaftshäuser gezählt werden, so das »Museum« in K a r l s r u h e . Für die gleichnamige Gesellschaft, deren bezeichnender Wahlspruch »unio musis amica« lautete und deren Veranstaltungen »Mittelpunkt der Zusammenkünfte neben den am Hof gegebenen Festen« 1 2 5 waren, erbaute Weinbrenner 1813—14 auf spitzwinkeligem Grundstück ein Gebäude mit halbrundem Eckpavillon; die innere Einteilung war der schwierigen Lage geschickt und originell angepaßt 1 2 6 . Das Erdgeschoß enthielt entlang den Straßenfronten Gastwirtschaftsräume mit einem kreisrunden Eckraum als vermittelndem Glied zwischen beiden Fluchten; die Durchfahrt erfolgte in leichtem Bogen durch Portale an den beiden Enden der Fronten und über den rückwärtigen Hof; von diesem aus war die quer in den Winkel zwischen beide Straßentrakte eingefügte Gruppe von Vestibül, mittlerer Küche und zwei seitlichen Treppenhäusern zu erreichen. Der erste Stock enthielt entlang der Winkelhalbierenden den großen Saal, ein kassettengedecktes Rechteck mit anschließender Exedra im Eckpavillon und an den Längsseiten gleichfalls mitExedren, die durch je zwei korinthische Säulen mit eingespannter Empore ausgefüllt wurden; zwei Säulen trenn121

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Friedr. Walter, Geschichte des Theaters u. der Musik am kurpfälzisdien Hofe, Leipzig 1898, S. 103 u. 204. ebenda S. 199 ff. Friedr. Walter, Die Bauwerke der Kurfürstenzeit in Mannheim, Augsburg 1928, S. 65 f. Gemälde von Seb. Stoß um 1785, abgebildet in Ernst Leopold Stahl, Das Mannheimer Nationaltheater, Mannheim ^29. Arthur Valdenaire, Friedrich Weinbrenner, Karlsruhe 1919, S. 159. Grundrisse bei Max Koebel, Friedrich Weinbrenner, Berlin o. J., Abb. 83, der 1. Stock allein audi bei Valdenaire a. a. O. S. 194.

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ten ihn von einem niedrigen Vorsaal (darüber gewölbte Empore] zwischen den Treppenhausvorplätzen; an den Saal schlössen sich Gesellschafts- und Spielzimmer an. Das niedrige Obergeschoß enthielt die Bibliothek, Leseräume und die Wohnimg des Hausmeisters. Sehr große Ähnlichkeit mit dem »Museum« wies Georg Mollers Haus der Vereinigten Gesellschaft (Casino) in D a r m s t a d t auf ( 1 8 1 7 ) 1 2 T , auf rechtwinkligem Grundstück erbaut mit gleichfalls einer Eckrotunde. Der flachgedeckte »Konzertsaal« 1 2 8 im 1. Stock wurde von zwei Pilasterordnungen übereinander gegliedert, die ein ununterbrochen umlaufendes Gebälk trennte; an drei Seiten schlössen sich Exedren an, vor denen die Pilaster durch korinthische Säulen ersetzt waren. Die Gesellschaft »Harmonie« in W ü r z b u r g erwarb 1823 ein barockes Domherrenhaus (Hofstraße 3) und ließ es für ihre Zwecke durch den Kreisbaurat Drischitz umbauen 1 2 9 . Das Gebäude, von dem die »Flora« eine ausführliche Beschreibung brachte, enthielt im Erdgeschoß Wohnung und Wirtschaftsräume des Restaurateurs, zwei geräumige Speisezimmer und Wohnungen für das Dienstpersonal, im 1 . Stock, zu dem eine sehr helle Haupttreppe (von 1790) mit Eisengeländer führte, fünf Zimmer in einer Flucht für Unterhaltung und Spiel, rückwärts den großen Tanz- und Konzertsaal, einen Speisesaal mit anstoßendem geräumigem Zimmer, im 2. Stock fünf Zimmer für Lektüre und Konversation, drei für die Bibliothek sowie die Wohnung des Inspektors. Mittelpunkt dieses »Tempels der Freude« war der fast 4000 Quadratfuß große Saal in Form eines gedrückten Ovals,- an den geraden Längsseiten trugen je 1 2 ionische kannelierte Säulen, weißlich-grau marmoriert mit vergoldeten Kapitellen, Galerien für Zuschauer bzw. Musik bei Bällen. Die kuppelige Decke (wohl Spiegelgewölbe) zeigte goldgelbe Rosetten in grau marmorierten Feldern. »In den zu dem Fries gehörigen beiden großen Frontons über den Fenstern, welche in den zwei sich entgegengesetzten Rundungen des Saales . . . angebracht sind, sehen wir zwei in Gyps ausgeführte Reliefs nach der Erfindung und Zeichnung« von Johann Martin Wagner (Orpheusmythos); »an diese beiden größeren Reliefs reihen sich auf beiden Seiten in dem Friese zwischen den das Gesimse tragenden, mit Laubwerk verzierten und vergoldeten Sparrenköpfen die neun Musen mit ihrer Mutter Mnemosine und einige Gruppen von Genien gleichfalls in Gyps gebildet, an . . .« Die Gesimse seien »eher etwas schwer und zu gewöhnlich, als zierlich und geschmackvoll« gewesen. Die Saalwände waren wie die Säulen weißlichgrau marmoriert, an den Pfeilern zwischen den Fenstern der beiden Exedren hingen acht Spiegel in goldenen Rahmen und Wandleuchter mit zusammen 160 Kerzen, ferner gab es vier große Glaslüstres zu je 24 Kerzen und »gemalte« (?) Vorhänge von karmoisinrotem Samt mit 127 128 129

Marie Frölich / Hans-Günther Sperlidi, Georg Moller, Darmstadt 1959, S. 139 ff. Als »Konzertsaal« bei Frölich/Sperlich bezeichnet. Flora Nr. 17t 124.10.1824 und Nr. 172/26. 10.1824. — Vgl. Carl Heffner, Würzburg und seine Umgebungen, Würzburg r87r, S. 227 f., und Die Kunstdenkmäler von Bayern III / Bd. 12 (Felix Mader, Stadt Würzburg), München r9rs, S. 584 f. — Andreas Gärtner, der Vater des großen Friedrich Gärtner, entwarf ein Concertsalongebäude in Würzburg (Hans Moninger, Friedrich v. Gärtners Original-Pläne und Studien, München 1882, S. 131). 175

roten Fransen. Durch die Kolonnaden stand der Saal in offener Verbindung mit Vestibül und Korridor bzw. Speisesaal. Ob in dem von Schinkel um 1830 geplanten, wegen naher Befestigungswerke nicht verwirklichten Gesellschaftshaus im Friedrich-Wilhelms-Garten bei M a g d e b u r g 1 3 0 auch Konzerte stattfinden sollten, ist fraglich; der sehr intime, reizvoll von einer Parkterrasse in den Wiesenplan vorspringende Bau ist ein Meisterwerk klarer, straffer Gliederung und Einteilung. Das niedrige Sockelgeschoß enthielt Küche, Keller und einige kleine Nebenräume, darüber erhob sich der längsgerichtete zweigeschossige Kubus des Saales, dem seitlich schmale, niedrigere und kürzere Flankentrakte angesetzt waren, die jeweils zwischen großen Eckzimmern die Treppenhäuser enthielten. Der große Saal, mit einem zweigeschossigen ionischen Peristyl von 6 x 10 Säulen bzw. Eckpfeilern, erhielt sein Licht von den Schmalseiten her, die zwischen Pfeilern völlig in Glasflächen aufgelöst waren. Der »Konzert- oder Redoutensaal« in S t u t t g a r t wurde 1813 von Thouret in das ehemalige Futterhaus eingebaut, das seit 1775 als Reithaus der Akademie und 1804—11 als »Kleines Theater« gedient hatte 1 3 1 . Der sehr langgestreckte Peristylsaal hatte pilastergegliederte Seitenwände mit kleinen Fenstern, kassettengedeckte Abseiten und korinthische unkannelierte Kolonnaden, die über Gebälk und Konsolengesims eine sparsam verzierte Flachtonne trugen. 1855—59 entstand an seiner Stelle der mächtige spätklassizistische Königsbau, der im Erdgeschoß Läden und ein Kaffee, im 1. Stock Säle für Gesellschaften, Konzerte und Bälle sowie einen großen Konzert- und Redoutensaal enthielt 132 . Merkwürdigerweise kam es in D r e s d e n 1 3 3 in unserem Zeitraum zu keinem Konzertsaalbau. Der Grund liegt vielleicht in der besonderen Blüte der Oper in der sächsischen Residenzstadt. Zwar gab es hier schon seit 1782 ein öffentliches Konzertwesen, doch gab die berühmte Hofkapelle in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts als »Musikalische Akademie« ihre öffentlichen Konzerte in Gasthofsälen (so im Hotel de Pologne und im Hotel de Saxe), und erst 1870 erhielt die Stadt — zugleich mit der Gründung der Philharmonie — einen eigenen Konzertsaal (den Gewerbehaussaal). Eine geringe Rolle im Konzertsaalbau spielt in der Frühzeit dieser Gattung auch W i e n , »die unbestrittene Hauptstadt der musikalischen Welt«, wie sie Louis Spohr 1812 nannte 134 . Trotz der dem österreichischen Volk eigenen Musikalität und der vielleicht einmaligen Verbreitung der Musikpflege in allen Ständen und Schichten entwickelte sich ein bürgerlich-öffentliches Konzertwesen später als an anderen Orten; Gründe dafür könnte man einmal in der Begeisterung sehen, mit der sich die in der Kaiserstadt besonders zahlreiche Aristokratie der Musik annahm: »Der Hof übt die Musik mit Leidenschaft, der Adel war der allermusikalischeste, den es vielleicht je 130 131 132 133 134

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Fr. Schinkel, Sammlung architektonischer Entwürfe, Tafeln 107/108, dazu kurzer Text. Gustav Wais, Alt-Stuttgarts Bauten im Bild, Stuttgart i9sr, S. 340 (u. Abb. 311). ebenda S. 435. MGG Artikel Dresden. Zitiert nach Karl Kobald, Alt-Wiener Musikstätten, Zürich S. 14.

gegeben«, stellte Reichardt 1783 fest 1 3 5 ; dazu dürfte zweitens die Pflege der Musik im häuslichen Kreis oder in kleineren privaten Zirkeln stärker als anderswo verbreitet und auch länger von Bedeutung gewesen sein. Schließlich gab es Räumlichkeiten genug, in die man Konzertveranstaltungen verlegen konnte. Hier können nur einige allgemeinste Andeutungen gemacht werden — vor allem im Anschluß an das liebenswürdige Buch von Karl Kobald »Alt-Wiener Musikstätten«. Bis etwa um die Jahrhundertwende war die Pflege und Ausübung konzertanter Musik ganz in den Bereich aristokratischen Lebens einbezogen. Konzerte des Hofes fanden in den verschiedenen Schlössern, so im Theater und Park von Schönbrunn, in Laxenburg und im erwähnten Zeremoniensaal der Hofburg statt. Von höherer Bedeutung aber waren die privaten Kapellen des Adels, von denen nur die berühmteste, die des Fürsten Esterházy, erwähnt sei, die im Sommer in Eisenstadt, im Winter aber in der Hauptstadt weilte. Im Rahmen aristokratischer Hauskonzerte kamen z. B. Haydns beide Oratorien (im Schwarzenbergpalais am Neuen Markt 1798 und 1801) und Beethovens Eroica (im Lobkowitzpalais 1804) zur Uraufführung. Zu diesen Konzerten des Adels hatten außer der vornehmen Gesellschaft durchaus auch bürgerliche Musiker, Musikkenner und -liebhaber Zutritt — der gesellschaftliche Rahmen war nicht allzu eng, vielmehr stand das musikalische Interesse im Vordergrund. öffentliche Konzerte gab es im 18. Jahrhundert nur wenige (so ab 1750 im Burgtheater während der Fastenzeit, wenn kein Theater gespielt wurde — unter gleichen Bedingungen waren in Paris die Concerts spirituels entstanden). Seit 1771 veranstaltete die »Wiener Tonkünstlersozietät« jährlich vier Konzerte im Kärntnertortheater, seit 1783 im Burgtheater, wo sie z. B. r799 bzw. i8or die ersten öffentlichen Aufführungen von Haydns Oratorien veranstaltete. Um die Jahrhundertwende gewannen mit dem allmählichen Zurücktreten der Adelsorchester verschiedene Liebhaberkonzerte an Bedeutung; solche fanden z. B. im Saal der Mehlgrube, in der Universitätsaula, im Saal des Liechtensteinschen Sommerpalastes statt; auch die seit 1781 im Saal des mittleren Augartengebäudes veranstalteten Morgenkonzerte wurden von Dilettanten getragen. Beethoven veranstaltete Konzerte mit seinen eigenen Werken vor allem in den beiden Hoftheatem (Burg und Kärntnertor) und im Theater an der Wien. »Wenn dieHaydnsche und Mozartsche Symphonie noch in den Sälen und Kammern der Großen existieren konnte, so wächst die Beethovensche Symphonie nicht nur mit ihrem Umfang, sondern durch ihren Verkündigungswillen an die Menschheit über sie hinaus« 136 . »Seine Sinfonien sprengten den Kammermusikstil der früheren Sinfoniker, sie sind nicht für eine

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Zitiert nach Kobald S. 16. Richard Benz, Die Zeit der deutschen Klassik, Stuttgart r953, S. 593. (Daselbst auch ein bemerkenswerter Hinweis auf Runges Vision einer »neuen Baukunst« — eines mit seinen »Tageszeiten« geschmückten, die Musik einbeziehenden und bewältigenden Raumes als Gesamtkunstwerk: »eine abstrakte malerische phantastisch-musikalische Dichtung mit Chören, eine Komposition für alle drei Künste zusammen, wofür die Baukunst ein ganz neues Gebäude aufführen sollte!«) 177

kleine, bevorrechtete Kaste kunstsinniger Adeliger geschrieben, sie wenden sich an die ganze Nation, an die gesamte Menschheit« 13T . Diesem »Drang nach . . .einem Wirken ins Ganze« 1 3 8 entsprach die Gründung der » G e s e l l s c h a f t d e r M u s i k f r e u n d e « im Jahre 1812, die zu Wiens (noch heute] führendem Konzertinstitut wurde 1 3 9 . Der Musikverein veranstaltete seine Konzerte im Großen Redoutensaal der Hofburg, der zusammen mit dem Kleinen Saal um die Mitte des r8. Jahrhunderts eingebaut worden war und später mehrfach umgestaltet wurde (vor allem i8r6 und 1840) 1 4 0 ; besonders große Aufführungen wurden in die kaiserliche Winterreitschule verlegt, die dafür einen großartigen Rahmen abgegeben haben muß. Doch war das Ziel der Gesellschaft natürlich die Errichtung eines eigenen Gebäudes, doch zerschlugen sich zunächst alle Projekte, so das von etwa 1815, dessen Finanzierung »durch Ausgabe von Aktien und ein Abonnement auf 50 Familienlogen, deren jede mit 4000 Gulden ein- für allemal bezahlt« sein sollte, erfolgen sollte 1 4 1 — offenbar hätte dieser Saal, zu dem Ludwig Pichl, der Erbauer des Wiener Landhauses, Pläne entwarf, die Form eines Logentheaters oder doch eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem erhalten. 1819 plante man, an der Stelle des Passauerhofes ein Gebäude mit einem Konzertsaal von größten Dimensionen zu errichten, das eine Ruhmeshalle mit Statuen der größten Komponisten enthalten sollte 142 — die Idee stammte von Josef Ferd. Sonnleithner, dem Sekretär und geistigen Haupt der Gesellschaft, der auch ihre Gründung betrieben hatte. Der schließlich erst 1829—31 verwirklichte Neubau war dann allerdings bescheiden genug und genügte von Anfang an nicht den Bedürfnissen, so daß die großen Gesellschaftskonzerte — vier in jedem Jahr — weiterhin im Redoutensaal gegeben werden mußten,- daneben gab es jeden Winter sechs Zöglingskonzerte des Konservatoriums des Musikvereins sowie in der Fastenzeit vier Abonnementkonzerte im vereinseigenen Saal, der auch von fremden Künstlern benützt wurde 1 4 3 . Dieses alte Musikvereinsgebäude (Unter den Tuchlauben Nr. 556) errichtete Franz Xaver Lössl, der unter 12 Bewerbern einen Wettbewerb gewonnen hatte. Das über schmalem, ungünstigem Grundriß in einer Häuserzeile errichtete Haus enthielt im Erdgeschoß Läden mit anschließenden Wohnzimmern, im 1. und 2. Stock den rund 700 Personen fassenden Konzertsaal, im 3. Stock Lehrzimmer des Konservatoriums. Leider scheint keine Innenansicht des Saales mehr erhalten zu sein; die Schilderung in Bäuerles Theaterzeitung 13T 138 139

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Kobald a. a. O. S. 67. ebenda. Heinrich Kralik, Das Buch der Musikfreunde, Zürich/Wien 1 9 5 1 ; Rieh. v. Perger/Rob. Hirschfeld, Geschichte der k. k. Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Wien 1912; Eduard Hanslick, Geschichte des Konzertwesens in Wien, 2 Bde., Wien 1869; Führer durch die Ausstellung »Ein Jahrhundert Wiener Musikleben«, Wien 1912. Uber dessen Baugeschichte s. österreichische Kunsttopographie Bd. XIV (Moritz Dreger, Baugeschichte der k. k. Hofburg in Wien, Wien ^ 4 ) , S. 289, 308, 317, 3r8 u. 325. Perger/Hirschfeld S. 24. ebenda. Franz Tsdiischka, Geschichte der Stadt Wien, Stuttgart r8s2, S. 504.

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anläßlich seiner Eröffnung ist zu allgemein gehalten und übertreibt zudem in schwärmerischer Weise 144 ; sie spricht von »einem Raum von unerwartetem Umfang und feenhaftem Eindruck. Die bedeutende Höhe des Saales, die großen Fenster, die einfallenden Oberlichter, die hellen, glänzenden Wände, die schöne Malerei der Decke, die äußerst zarten, geschmackvollen und reichen, aber nicht überladenen Bildhauerarbeiten vermengen sich in ein Ganzes, dessen Eindruck sich erfühlen, aber nicht beschreiben läßt«. Nach Eduard Hanslick 145 hatte der Saal ein gegen 400 Personen fassendes Parterre und eine ringsum laufende Galerie für etwa 200 Personen. Die Decke erhielt 1843 Oberlichter; 1846 wurde der Saal renoviert und mit Gaslicht versehen; 1886 wurde er abgebrochen, nachdem längst (seit 1870) Theophil Hansens neues, großes Musikvereinsgebäude zum Mittelpunkt des Wiener Konzertlebens geworden war. Zuletzt sei, um wieder zu unserem speziellen Thema zurückzukehren, auf die Situation in M ü n c h e n vor der Errichtung des Odeons eingegangen. Die traditionsreiche, einst von Orlando di Lasso geleitete Hofkapelle wurde 1778 mit dem berühmten Mannheimer Orchester vereinigt. Sie veranstaltete ihre Hofkonzerte im (alten) H e r k u l e s s a a l der Residenz, einem etwa 27 x 12 m großen Raum für Feste, Musik und Theater, der unter Kurfürst Maximilian I. Anfang des r7. Jahrhunderts entstanden war und 1803 von Andreas Gärtner klassizistisch (mitPilastergliederung) umgestaltet wurde (nach dem 2. Weltkrieg in etwas verkürzter Form wiederhergestellt). »Den Akademien wohnt gewöhnlich der ganze Hofstaat bei, nebst allen, die zum Hofe Zutritt haben; dabei ist auch ein Platz für die bloßen Zuschauer bestimmt«, wird i8r4 berichtet148; es wurde »auch dem nicht geadelten Kunstfreunde nicht allzuschwer gemacht, Zutritt zu erlangen« — zu den Hofkonzerten waren Adel und Musikkenner geladen 147 . Seit der Ankunft der Mannheimer veranstaltete der Hoftheater-Intendant Graf Seeau mit der Hofkapelle jährlich zwölf öffentliche Konzerte gegen Vorauszahlung im R e d o u t e n s a a l 1 4 8 . Das Redoutenhaus an der Prannerstraße war 1718 durch Umbau eines Wohnhauses im Auftrag zweier kurfürstlicher Beamter als Unternehmer entstanden,- seit 1759 gehörte es (größtenteils) dem Grafen Seeau, von dessen Erben es r8o8 der Staat (und zwar die Hoftheaterintendanz) kaufte 149 . Daraufhin fertigte Andreas Gärtner (vom 22. Mai 1809 datierte) Umbaupläne an 1B0 , doch ist nicht sicher, ob sie völlig ausgeführt wurden. Diese Pläne zeigen, daß es sich um ein Gesellschaftshaus mit Räumen von vielseitiger Funktion handelte: das Erdgeschoß enthielt neben Wirtschafts144 145 144

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Zitiert nach Kralik S. 42. Hanslick Bd. I, S. 289. Joseph Anton Eisenmenger, München u. seine Umgebungen, Mü. i8r4, S. 146. H. Bihrle, Die Musikalische Akademie, München 19 ri, S. 7. Birhle S. 3 f. ; Otto Ursprung, Münchens musikalische Vergangenheit, Mü. r927, S. 192; Willy Krienitz, München als Musikstadt, in: Allg. Musikzeitung, Jahrg. 55/Nr. 171 24.4. r928, S. 492. Ernst v. Destouches, Das Ständehaus, in: Jb. f. Münchener Gesch. 3 / r889, 555 ff. ; Häuserbuch der Stadt München Bd. II (i960), S. 204. SM Slg. Lang Mappe VI, 15—18, sowie Nr. 19 u. (ohne Nr.) Fassadenaufriß.

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räumen und der Küche Restaurationsräume sowie ein Rauch- und ein Billardzimmer, der i. Stock außer dem Großen Saal einen kleineren für kleine Bälle und Konzerte, ferner Speisesaal, Erfrischungssaal und mehrere Gesellschaftszimmer; im 2. Stock lag neben der Galerie des großen Saales ein Erfrischungszimmer, ferner die Bibliothek mit anschließenden, wohl zum Lesen und für die Konversation bestimmten Räumen. Der — wie das ganze Haus — ziemlich einfache Redoutensaal war ein sehr langgestrecktes Rechteck, auf drei Seiten von Galerien auf xo x 4 ionischen Säulen umzogen, mit 6 Fenstern an der rechten Seitenwand über der Galerie (die rückwärts über einem Vorraum verlängert war), mit Spiegeldecke und einer richtigen Theaterbühne mit Proszeniumsrahmen und Kulissen (hier war z. B. 1775 »La finta giardiniera« von Mozart uraufgeführt worden). Nach der Jahrhundertwende gingen —in einer politisch und wirtschaftlich bedingten Krisenzeit des Konzertwesens überhaupt 151 — die öffentlichen Aufführungen ein ; das Interesse war zu gering geworden, zumal die wirklichen Musikfreunde unentgeltlichen Zutritt zu den Hofkonzerten fanden. Unter dem — bis heute fortbestehenden — Namen »Musikalische Akademie« nahm die Hofkapelle r8rr ihre öffentliche Konzerttätigkeit wieder auf; jährlich wurden 10, seit 1815 12 Abonnementskonzerte gegeben, zuerst im Redoutensaal, dann (nachdem dieser 1818 durch Klenze zum Landtagsgebäude umgebaut worden war) bis 182,3 i m Nationaltheater, das gerade r8i8 vollendet worden war, nach dessen Zerstörung durch Brand im Residenztheater, und ab 1825 im wiedererstandenen Nationaltheater, bis endlich 1828 das Odeon eröffnet wurde 1 ® 2 . Neben der Hofkapelle veranstalteten auch einzelne Gesellschaften Konzerte (wohl nur intimer Art), so die Harmonie und vor allem das » M u s e u m « , ein 1802, gegründetes »literarisch-gesellschaftliches Institut«, das 1819 das ehemalige Portia- (seit 1806 gräflich Rechbergische) Palais in der Kardinal-Faulhaber-Str. 12 kaufte und dessen Saal zum Fest-, Ball- und Konzertsaal adaptierte 153 . Da der Redoutensaal für die Aufführung großer Sinfonien und Oratorien zu klein war — nur das halbe Orchester fand Platz 154 — plante Karl von Fischer, seinem N a t i o n a l t h e a t e r einen rechten Flügel mit einem großen Saal für Konzerte, Bälle und Feste anzufügen 1BS . Aus den schon erwähnten Gründen unterblieb die Ausführung dieses Seitentraktes. Der Saal sollte sich über hohen Unterbauten auf dem Niveau des ersten Rangs im Zuschauerraum (Königsloge!) erheben 156 . Soweit die Pläne erkennen 151 152 163 154 155

156

E. Preußner, Das bürgerliche Konzert S. 48 ff. Bihrle S. 15. Alois Huber, München im Jahre X819 I / 319; Vincenz Müller, Universal-Handbuch von München r845, S. 361. Ursprung S. 193. Oswald Hederer, Karl v. Fischer, München X960, S. 84; Herbert Schindler, Carl v. Fischer, Diss. Techn. Hochschule München 1951 (maschinengeschr.) S. sr f. In Wirklichkeit liegt die Königsloge im 2. Rang, da der erste offiziell »Balkon« genannt wird.

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lassen, wäre er einer der eindrucksvollsten Peristylsäle überhaupt geworden: etwa 32 m lang (das entspricht genau der Breite des Portikus), 20 m breit und 16,5 m hoch, auf allen vier Seiten von mächtigen, kannelierten korinthischen Säulen (6 zu 10) umzogen, die in Größe und Gestalt an die von den Zeitgenossen hochgerühmten Säulen am Proszenium des Zuschauerraumes gemahnen; darüber auf reichem Kranzgesims eine Galerie mit Balustrade und ein mächtiges, leicht gedrücktes Tonnengewölbe, das, da sein Ansatz für den Blick von unten aus dem Saal her verdeckt war, letzterem den Anschein einer unbestimmten Höhe und den Kolonnaden den größerer Realität, Kraft und Plastizität verliehen hätte. Die Wände der kassettengedeckten, um eine Stufe erhöhten Umgänge waren durch Pilaster gegliedert, dazwischen wohl nach Art geraffter Draperien bemalt und nach oben hin durch einen Zierfries abgeschlossen; an der Südseite waren sie von fünf großen Fenstern durchbrochen, in der Mitte der Schmalseiten durch breite Öffnungen, in welche zwei Säulen eingestellt waren; hier schlössen sich jeweils stattliche Nebensäle an. Doch nicht der Plan des frühvollendeten Fischer gelangte zur Ausführung; vielmehr hatte Leo von Klenze das Glück, mit seinem »Odeon« die neue Bauaufgabe des bürgerlich-öffentlichen Konzertsaals mit königlichem Aufwand um ihre vielleicht schönste Lösung bereichern zu dürfen.

181

ANHANG

Verzeichnis der benützten Abkürzungen AMZ GH GS HSA LBA LBA Fasz. MGG SB SM

Allgemeine Musikalische Zeitung, Leipzig Geheimes Hausarchiv, München Staatliche Graphische Sammlung, München Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München Landbauamt München Landbauamt München, Archiv, Akten im Fach Nr. 3470 Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Kassel 1949 ff., bisher 9 Bde. Bayerische Staatsbibliothek, München, Handschriftenabteilung Münchner Stadtmuseum

Katalog von Plänen und Ansichten des Odeons (mit Ausnahme von Lichtbildern)

I. D i e e r s t e n s t ä d t e b a u l i c h e n

Entwürfe

1. Leo v. Klenze, Entwurf zum Odeonsplatz mit Obelisk 1818. Aquarellierte Federzeichnung, GS 27166 (Tafel 3, Abb. 3). 2. Leuchtenbergpalais und sein Pendant von Westen mit dem geplanten Obelisken, frühestens 1818. Lithographie nach Zeichnung Klenzes, Techn. Hochschule München, Architektursammlung, und Stadtbibliothek München, Monacensia-Abteilung (im Exemplar von Klenzes Sammlung architekton. Entwürfe). 3. Leuchtenbergpalais, Odeon und Bazar von Westen, gezeichnet von Klenze, gestochen von F. Moisés. Aus Klenzes »Sammlung architektonischer Entwürfe« 1840, jedoch wohl schon bald nach Nr. 2 entstanden (Tafel 2). 3 a. Odeonsplatz. Lithographie von C. A. Lebschée nach der auch Nr. 3 zugrunde liegenden Zeichnung Klenzes.

183

II. K l e n z e s P l ä n e z u m O d e o n v o n

1825

(mit Ausnahme von Nr. 10 nicht mehr auffindbar, nur in Lichtbildern im Stadtarchiv München und im Besitz von Prof. Dr. Oswald Hederer, Techn. Hochschule München, überliefert). 4. 5. 6. 7. 8.

Grundriß des Erdgeschosses (Tusche; Vorlage Prof. Hederer) Grundriß des 1. Stockwerks, mit Eintragungen über die Heizung (desgl.). Grundriß 2. Stock bzw. (rechte Hälfte) »1V2 Stock« (desgl.). Längsschnitt (desgl.). Querschnitt in Höhe der Durchfahrt; Tusche, Mauerteile angelegt. Ehemals LBA, Vorlage Stadtarchiv. 9. Aufriß einer Längswand des Saales, Tuschzeichnung farbig angelegt, 40X60 cm, befand sich zusammen mit den Aufrissen der drei anderen Wände ehemals im LBA, bildete mit Nr. 10 vermutlich das von Ludwig I. am 1 1 . Nov. 1826 verlangte Saalmodell. (Vorlage Stadtarchiv) (Tafel 5, Abb. 8). 10. Riß der Saaldecke (ohne die Fresken), aquarellierte Tuschzeichnung, 40X60 cm, LBA (Tafel 5, Abb. 7).

III. K o p i e n n a c h

Klenze-Plänen

(um 1840 vom Hofbaukondukteur Anton Lang gefertigte Federzeichnungen auf Pauspapier,- sämtliche im Münchner Stadtmuseum). 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.

21. 22. 23.

184

Grundriß Erdgeschoß (SM Sammlung Lang, Mappe III, Nr. 50). Grundriß 1. Stock (ebenda Nr. 51). Grundriß 2. Stock (ebenda Nr. 52) (Tafel 13, Abb. 31). Innenansicht des Saales gegen Norden, ältere Fassung (entspricht zeitlich etwa Nr. 7 u. 8), (ebenda Nr. 55). Innenansicht des Saales gegen Norden, jüngere Fassung (entspricht Nr. 16, 17 u. im allgemeinen Nr. 9), (ebenda Nr. 54) (Tafel 4, Abb. 6). Aufriß der 5 Mittelachsen der Exedra des Saales (ebenda Nr. 56) (Tafel 13, Abb. 32). Aufriß von 5 Achsen einer Saal-Längswand (ebenda Nr. 59). Teil der Saaldecke (Südostteil, mit halber Exedra), (ebenda Nr. 57). Teil der Saaldecke (Nordostteil, wie Nr. 18 mit Nr. 10 übereinstimmend), (ebenda Nr. 58). »Profils der im Odeon sich befindlichen Zimmer Gesimser«, 5 Schnitte mit Numerierungen und Maßen, Federzeichnung rot schraffiert (ebenda Nr. 53) (Tafel 13, Abb. 33). Pilasterkapitell im Untergeschoß des Saales (ebenda Nr. 60). Reliefband ebenda (ebenda Nr. 61). Verschiedene Astragale, ionische und lesbische Kymatien aus dem Saal (ebenda Nr. 62).

24• Ionisches Kapitell im Obergeschoß des Saales (ebenda Nr. 63) (Tafel 13, Abb. 30). 25. Pilasterkapitell im oberen Umgang des Saales (ebenda Nr. 64). 26. Reliefband ebenda (ebenda Nr. 65). 27. 3 Omamentfriese im Saal: a) lesbisches Kyma mit hängenden Kelchen (wo? vielleicht über dem Fries des Zwischengebälks), b) Anthemion von der Sima des oberen Gebälks, c) Palmettenband von der Sima des Zwischengebälks (ebenda Nr. 66). 28. 29. 30. Drei Federzeichnungen auf Pauspapier, schraffiert, Kopien von Friedrich Ziebland nach Klenze: Grundrisse von Erdgeschoß, erstem und zweitem Stock (auf dem Saalgrundriß später die Namen der Tondichterbüsten in der Exedra eingetragen). SM Maillingersammlung 2. Bd. IX/ A 2 67.

IV. B a u a u f n a h m e d e s v o l l e n d e t e n

Odeons

31. »Risse von dem Odeon zu München, aufgenommen und gezeichnet durch Ph. Burg«, Lithographie-Beilage in: Monatsblatt für Verbesserung des Landbauwesens, hrsg. von Dr. Vorherr, München, Jahrg. VIIl/1828, Nr. 8: Aufriß der Nordfassade, Querschnitt, Aufriß mit Schnitt des Kranzgesimses der Fassade, Längsschnitt, Aufriß mit Schnitt der Gurtgesimse über dem Parterre und 1. Stock sowie des Sockelgesimses, Grundriß Erdgeschoß, Aufrisse der Fenster der drei Geschosse, Grundriß Hauptgeschoß. — Zuverlässigste Darstellung des Odeons im ausgeführten Zustand (Tafel 1).

32. Aufriß der Nordfassade, Grundriß 2. Stock u. Ansicht des Daches von oben — mit Einzeichnung des 1846 im Eckzimmer Nr. 5 im 2. Stock angebrachten Oberlichtes (LBA). 33- 34- 35- Drei allein noch vorhandene Pläne einer Serie von Grundrissen, Schnitten u. Aufrissen des Odeons, angefertigt 1 8 6 1 von Wintergerst: Grundriß 1. Stock, Aufriß Ostfassade (die äußeren Türen später mit Bleistift ergänzt), Aufriß Nordfront (LBA). 36. Grundriß des ersten Stocks mit der Königsloge, 1866 (LBA). 37. Querschnitt durch den Saal und die angrenzenden Räume mit Ansicht der geplanten Königsloge in zwei Varianten (mit Deckblatt), 1866 (LBA). 38. Grundriß des Kellergeschosses und der Fundamente, 1878 (LBA). 39. Aufriß des Mittelteils der Westfassade mit den beiden neuen Portalen von 1881 (LBA). 40. Längsschnitt des Saales mit projektierten Logenbrüstungen im Untergeschoß (wohl um 1880/90, LBA). 185

41. Längsschnitt durch das Odeon in Höhe der Mitte der Haupttreppe, mit Projekt zur Abtragung von deren Oberteil zugunsten von vier neuen Zimmern für die Akademie im 2. Stock (rechts die Säulentreppe von 1877), 1894 (LBAJ. 42. Längsschnitt und Querschnitt des Erdgeschoß-Saales Nr. 8 mit Einrichtung als Garderobe (1897, LBA).

VI. A n s i c h t e n d e s S a a l e s 43. Künstlermaskenfest am 19. 2.1846, Holzschnitt von Joh. Rehle, (SM MS II/432 K. 31). 44. Feier zu Schillers 100. Geburtstag im Odeon, 10. n . 1859. Bleistiftzeichnung von Max Adamo, SM 29/876. 45. Festkonzert unter Hermann Levi in Anwesenheit des Prinzregenten, um 1890. Gemälde (öl auf Pappe) von René Reinicke. SM 38/T499. (Auch als Holzstich in einer zeitgenössischen Zeitschrift abgebildet; Exemplare im SM und Stadtarchiv.) 46. Konzertsaal, Radierung von Paul Klee 1911. (Vgl. E. W. Kornfeld, Verzeichnis des graphischen Werkes von Paul Klee, Bern 1963, Abb. 36.) 47. Odeonssaal, in Grau- und Gelbtönen aquarellierte Bleistiftzeichnimg von F. Enzler 1932, SM 32/243. 48. Der große Konzertsaal im Odeon, Federzeichnung von Karl Bauer-Oltsch nach altem Foto, abgebildet im Münchner Stadtanzeiger Nr. 10/12. 3.1965.

VII. A l t e A n s i c h t e n d e s Ä u ß e r e n 49. Odeonsplatz — Westseite, Miniatur-Holzschnitt um 1830 (unbezeichnet), SM 39/342 b. 50. Schlittenfahrt des Kgl. Hofes über den Odeonsplatz um 1830, Federzeichnung (mit Bleistiftvorzeichnung) von Gustav Kraus (?), SM MS IV/774. 51. 52. Odeonsplatz gegen Süden und Wittelsbacher Platz gegen Norden. Kolorierte Lithographien v. Heinrich Adam 1829, SM MS II/159/5 u. 6. 53. »Aufstellung der K. Griechischen Truppen auf dem Wittelsbacher Platze in München . . . am 15. Januar 1833«, Lithographie v. Gustav Kraus, GS 216806. 54. Odeonsplatz Westseite, aquarellierte Federzeichnung von Heinrich Adam, um 1830/40. SM Z 1076 (A 7). 55. Odeonsplatz Westseite, Stich von Hablitschek nach der Zeichnung von H. Adam (Kat.-Nr. 54), SM Z 1075 (A 7). (Abgebildet bei Adalbert Prinz von Bayern, Eugen Beauharnais, München 19502.) 56. 57. Odeonsplatz, Wittelsbacher-Platz. Zwei kleine Ölgemälde von Heinrich Adam, jedes in eine große Tafel mit je 15 Münchner Ansichten ein186

58. 59. 60. 61. 62. 63.

bezogen, um 1840. SM 28/561 und 28/562 (ausgestellt im »Wohnzimmer um 1825«). Odeonsplatz Westseite, Aquarell mit Bleistiftvorzeichnung, signiert »IBK 40« (Johann Baptist Kuhn 1840), SM Z 413 (A 2). Große Militärparade auf dem Odeonsplatz, Aquarell von Bernhardt 1840, SM MS II/382 K. 31. Wittelsbacher-Platz gegen Norden, Kupferstich um 1840 (Original nicht festgestellt, Vorlage Dia im Kunsthistorischen Seminar der Univ. München). Odeonsplatz Westseite mit dem 1849 enthüllten Gluck-Denkmal, Stahlstich von Alexander Marx, Nürnberg. GS 225493 und 227487. Odeonsplatz Westseite mit dem Reiterstandbild Ludwigs I., kolorierte Lithographie des Verlages Alfred Meysel, Dresden, nach 1862. SM II a 70/4. Odeonsplatz gegen Süden, gezeichnet und lithographiert von Rohde, gedruckt von A. Schmidt, Verlag Max Panizza, München 1865. SM Z 416 (A2).

64. Odeonsplatz Westseite, lavierte Bleistiftzeichnung um 1865/70, SM Ilh 707. 65. Wittelsbacher-Platz gegen Nordosten, Aquatinta nach Foto des Herausgebers J. B. Isenring, St. Gallen (vor 1881), SM 35/565.

VIII. I m S c h r i f t t u m p u b l i z i e r t e

Pläne

66. Grundriß des 2. Stocks (fälschlich als Hauptgeschoß bezeichnet), in: Franz Reber, Bautechnischer Führer durch München, München 1876. 67. Querschnitt in Höhe der Durchfahrt (ebenda). 68. Längsschnitt durch den Saal und die Räume darunter mit Eintragung des Systems der Lüftung, Heizung und Beleuchtung, in: Gasbeleuchtung mit Lüftung u. Heizung im Saale des kgl. Odeons in München, Separatabdruck aus »Schilling's Journal für Gasbeleuchtung u. Wasserversorgung« 1887. 69. Querschnitt in Höhe der Durchfahrt, in: München u. seine Bauten, hg. vom Bayer. Architekten- u. Ingenieur-Verein, München 1912. 70. Grundriß des 1. Stocks (ebenda). 71. Längsschnitt (ebenda). 72. Sitzplan mit der Bestuhlung von 1906 (u. a. in den Adreßbüchern bis zur Zerstörung abgedruckt; ein zweifarbiges Exemplar im LBA). (Anm.: Die Klenze-Pläne Kat.-Nr. 1, 4, 6, 9, ro und 15 sind abgebildet in der neuerschienenen Monographie von Oswald Hederer, Leo von Klenze — Persönlidikeit und Werk, München 1964.)

187

PERSONENREGISTER A

Architekt

B

Bildhauer

G

Graphiker

Adalbert, Prinz v. Bayern 61 Adam, Heinrich, M 25, 27, 186 Adamo, Max, G 186 Alberti, Leon Battista, A n i Alexandra, Prinzessin v. Bayern 61 Alin, Oberbauinspektor 68 Almack, William 131 Anschiitz, Hermann, M 9, 49 ff., 53, 56 f. Argand, Aimé 64 Armansperg, Joseph Ludwig Graf v., Minister 4, 7, 20, 98 Attalos II., Kg. v. Pergamon 123 Bach, Joh. Seb., K 46,167 Bäuerle, Adolf 187 f. Bakarev, A. N., A 165 Banister d. Ä., John, Hofmusiker 149 Barry, Charles, A 116 Barth, Gottlob Georg, A 158 Bauer-Oltsch, Karl, G 186 Bazenov, Vassiii, A 165 Beauharnais, Eugène (s. Leuchtenberg) Beethoven, Ludwig van, K 45 f., 120,133, 135, 136,137,177 Bella, Gabriele, M 162 Bentheim, Fürsten v. 140 Bernhardt, M 25, 187 Beyschlag, Baubeamter 60 Blondel, Jacques François, A 155 Blouet, A 159 Borromini, Francesco, A 161 Boullée, Etienne Louis, A 121 Bramante, Donato, A 114, 125 Breul, Kaufmann 75 Brosse, Salomon de, A 128 Brunelleschi, Filippo, A n i Btilow, Hans v., Dirigent 21 Bürklein, Friedrich, A 88 Burckhardt, Jacob 110 Burg, Ph., G 185 Burlington, Richard Boyle Earl of, A 126 Cagnola, Luigi, A 128 f. Cameron, Charles, A 126 188

K

Komponist

M

Maler

Camplin, Dr. Thomas, A 149 Caristie, A 159 Ceineray, Jean B., A 155 Châteauneuf, Alexis de, A 171 Chiaveri, Gaetano, A 126 Chopin, Frédéric, K 160 Cimarosa, Domenico, K 44 f. Cipriani, M 151 Clerici, Francesco, K 122 Closen, von, Abgeordneter 19 f., 74 Corazzi, Antonio, A 99,144 Cornelius, Peter, M 5, 9, 10, 17, 34, 49—57 Costa, José da C. e Silva, A 160 Coudray, Clemens Wenzeslaus, A 172 f. Cremer, Joh. Peter, A 99 Cunningham, John, A 153 Cuvilliés, François d. Ä., A 107 - , François d. J., A 113 Dahling, M 171 Daflmayer, Donatus, Kaufmann 12 Dalberg, Fürstprimas 144 - , Herzogin v. 15 Dauthe, Joh. Carl Friedr., A 127,167 ff. Delannoy, François Jacques, A 159 f. Dolgorukyi, Fürst 164 Domitian, röm. Kaiser 123 Drischitz, A 175 Dubarry, Madame 156 Dürck, Friedrich, M 91, 93 Dumont, Gabriel Pierre Martin, A 145, r47, 155 ff-, 163 Durand, Jean Nicolas Louis, A 74, 96,110, 120 f., 123,124,125,130,158 f., 159 Dvofâk, Antonin, K 166 Eberle, Adam, M 9, 49 ff., 53 ff., 56 Effner, Joseph, A 107 Eichendorff, Joseph v. r36 Eimes, H., A 153 Enzler, F., G 186 Erard, Klavierbauer 145 Erdmannsdorf!, Friedr. Wilh. v., A 112,156 Ernst August, Kg. v. Hannover 173

Ertl, Joseph, Palier 8 Esterhazy, Fürst 177 Eumenes II., Kg. v. Pergamon 123 Fasch, K. F., K 169 Findel, Johann Bapt., Gastwirt 14, 73 f., 76, 83, 89 f., 91, 93, 94, 95 Fischer, Karl v., A 3, 18, 39, 99,108,113,127, 143,180 f. - , Reinh. Ferd. Heinr., A 140 Fleischmann, Buch- u. Kunsthandlung 76 Fontaine, P. F. L., s. Percier Fontana, Domenico, A 106 Franceschini, M 158 Friedrich d. Gr. 1 1 3 , 1 3 3 , 1 6 9 Friedrich Wilhelm III., Kg. v. Preußen 5 Fries, Georg, Theatermaler 58 - u. Co., Baufirma 22 Frosch, Joseph sen., Orgelbauer 60 Fulgentius 56 Gabriel, Jacques, A 3 9 , 1 1 2 , 1 5 4 Gärtner, Andreas, A 175, 179 - , Friedrich, A 17, 31, 50, 76,144,175 Galleri, P. J., Offiziant 10, n , 1 2 , 1 4 , 1 6 , 58, 65,93

Galli-Bibiena, Alessandro, A 174 Gallini, John, Theaterdirektor 151 Garnaud, A 159 Geymüller, Heinrich v. 110 Gibbs, James, A 127 Giesel, M 168 Gluck, Christoph Willibald, K 44 ff., 103,122, 136,187 Görres, Joseph 18 Goethe 1 0 1 , 1 7 2 Grammer, Anton, Kistler 12 Grandjean u. Famin, Architekturschriftsteller 112 Guarana, Jacopo, M 163 Guardi, Francesco, M 162 Guimar, Marie-Madeleine, Tänzerin 156 Gutensohn, Joh. Gottfried, A r44 Hablitschek, G 186 Händel, Georg Friedrich, K 44 ff., 133, 148, 149 Hansen, Christian Frederik, A 124 - , Theophil, A 139, 179 Hanslick, Eduard, Musikkritiker 178,179 Harrison, Peter, A 127,128 Haslinger, Tobias, Musikverleger 97,137 Haydn, Joseph, K 44 ff., 133, 137,160,177 Helene, Prinzessin v. Bayern 61 Herder 97 Herg(e)l, Anton, Spengler 12, 14, 62

Hermann, Carl, M 9, 49 Hermosilla, José de, A 125 Hickford, Tanzlehrer 149 Himbsel, Joh. Ulrich, A 3, 4, 5, 8 , 1 5 , 1 1 5 Hirsch auf Gereuth, Jacob v., Bankier 6 f., 20 Hittorf, Jacob Ignaz, A 88 Hocheder, Karl, A 68 Hof, Georg, Konditor 88 Hohenberg, Ferd. v., A 113 Hummel, Joh. Nep., K 172 Huxley, Jacob Otten, A 153 Isenring, J. B., G 187 Ixnard, Michel d', A 127,129 Jacobi, Friedrich Heinrich 173 Jacot, Paul, A 165 Jagemann, Karoline, Schauspielerin 172 Jérôme, Kg. v. Westfalen 159 Joseph II. 113 Josephine, Kaiserin 128 Jost, W., Bauinspektor 69 Karl V., Kaiser 125 Karl August, Großherzog v. Weimar 131 Karl Theodor, Kurfürst v. Pfalz-Bayern 174 Katharina II. 140 Kaulbach, Wilhelm v., M 9,49 ff., 52 Kazakov, Matvej F., A 164 f. Kent, William, A 123 Kircher, Carl, Glaser 12 Klee, Paul, M 186 Kleist, Heinrich v. 137 Klenze, Leo v., A 1-130,143,146,159,180, 181,183 ff. Klotz, Joseph, Theatermaler 38 Knobeisdorff, Georg Wenzeslaus v., A 169 Kobell, Ludwig v., Staatssekretär 3 Kolbe, M 171 Krähe, Peter Joseph, A 147,163 Kraus, Gustav Wilhelm, G 2, 25,186 Krieger, Emil, B 22 Küster, von, preuß. Gesandter 4, s Kuhn, Joh. Bapt., M 25, 32,187 Labrouste, Henri, A 129 Lance, Adolphe, A 160 Lang, Anton, Bauconducteur 8,15, 184 Langhans, Carl Gotthard, A 129,169,171 Laves, Georg Ludw. Friedr., A 146,158,173 - , Georg, M 173 Lebschée, C. A., G 183 Le Carpentier, Ant. Mathieu, A 154 f. Ledoux, Claude-Nicolas, A 156, 158 Leeb, Johann, B 44 f. Lenz, C., K 16 189

Leuchtenberg, Herzog v. (Eugène Beauharnais) 2, 44, 106 Levi, Hermann, Dirigent 34,186 Liszt, Franz, K 46 Littmann, Max, A 21 Löhle, Franz Xaver, Kammersänger 74 Lössl, Franz Xaver, A 178 Longhena, Baldassare, A 163 Louis, Victor, A 158 Lucchesi, Matteo, A 163 Ludwig I., Kg. v. Bayern 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9,10, 1 1 , 1 3 , 1 5 , 1 6 f., 18,19, 20, ai, 24, 45,49, 61, 65, 96 fi., 1 0 3 , 1 1 4 , 1 1 5 , 1 2 0 , 1 3 1 , 1 4 4 , 1 8 4 Ludwig II., Kg. v. Bayern 34, 60,131 Ludwig XV., Kg. v. Frankreich 154 Luitpold, Prinzregent v. Bayern 34, 1 3 1 , 1 8 6 Mace, Thomas 141 f., 149 Machuca, Pedro, A 125 Maddox, Michail, A 164 Mätzler, Abgeordneter 20 Mannlich, Christian v., A 156 Marées, Hans v., M 53 Mareschal, Philippe, A 157 Marx, Alexander, G 187 Max, Herzog in Bayern 2 Max I. Joseph, Kg. v. Bayern 4 Maximilian II., Kg. v. Bayern 65, 75 Maximilian I., Kurfürst v. Bayern 56,103, 179 Meda, Giuseppe, A 125 Méhul, Etienne, K 44 f. Méjan, Graf 24 Mengoni, Fabio, A 125 Mengozzi-Colonna, Agostino, M 163 Mengs, Anton Raphael, M 52 Métivier, Jean-Baptiste, A 1 0 4 , 1 1 5 , 1 2 7 Metternich 5 Metzger-Vespermannn, Clara, Hofopernsängerin 16 Meysel, Alfred, G 25, 187 Michelangelo, A 105 Milizia, Francesco, Architekturtheoretiker 99,146 Minutti, Joseph, Uhrmacher 12, 59 Mittnacht, Jakob Ignaz, Weinhändler 78 Moises, F., G 183 Moller, Georg, A 99,127,128,129,144,156, 175 Monck, Sir Charles, A 128 Montoyer, Louis de, A 127 Morgenroth, von, Ministerialrat 7 Moroni, Andrea, A 125 Mozart, Wolfgang Amadeus, K 44 ff., 161, 177,180 Müller, Carl Wilhelm, Bürgerm. v. Leipzig 167 190

Napoleon I. 106,128, 1 3 2 , 1 3 3 , 1 5 9 f. Napoleon III. 158 Nash, John, A 151 f. Neufïorge, Jean François de, A 155 Neumann, Franz Iganz Michael, A 128 Novosielski, Michael, A 151 Obermair (-mayr), Joh. Bapt., Spengler 12, 14, 62 Oberstetter, Cajetan, Tapezierer 12 Oeser, Adam Friedrich, M 167,168 Oettingen-Spielberg, Fürst von 15 Orlando di Lasso, K 103, 179 Orme, Philibert de 1', A 125 Ottmer, Karl Theodor, A 171 Ovid 56 Pagot, A 107 Paine, James, A 126 Palladio, Andrea, A m , 1 1 2 , 1 1 4 , 123,124 ff., 156 Pasquali, Francis, Musiker 151 Pausanias 96 Pechmann, Heinrich Frhr. v., Baurat 19 Penchaud, A 128 Percier et Fontaine, Architekten 106,107, 112, 128, 130, 154 Perfall, Karl Frhr. v., Hoftheaterintendant 60 Perikles 96 Perrault, Claude, A 125 Peter d. Gr. i n Pettenkofer, Max v. 6s f. Philidor, Musiker 159 Pichl, Ludwig, A 178 Pietrasanta (Pietro Santi), A 141 Pleyel, Camille 160 - , Ignaz Joseph, K 160 Pössenbacher, Anton, Möbelfirma 85, 92,104 Poißl, Joh. Nep. Frhr. v., K u. Hoftheaterintendant 7,10, 1 1 , 1 3 , 1 4 Ponzio, Flaminio, A 106 Praël, Otto, A 129 Quadt-Wickradt-Isny, Graf 92 Quaglio, Lorenz, A 113, 174 - , Simon, Theatermaler 58 Quarenghi, Giacomo, A 140 Rabel, Abgeordneter 20 Radi, Heinrich, Konditor 88 Raffael, A 106, 1 1 2 Rappa, Karl, Stukkator 68 Rehle, Joh., G 186 Reichardt, Joh. Friedrich, K 167,177 Reinicke, René, M 34, 186 Riedinger, L. A., Maschinenfabrik 49, 66

Robit, A 159 Rochlitz, Friedrich 135 Rockel, Wilhelm, M 9, 49 Roelandt, Louis, A 144,154 Rohde, G 25,187 Rosberg, A 164 Rossi, Carlo, A 165 Rossini, Gioachino, K 44 f. Rousseau, Jean Jacques 136 Runge, Philipp Otto, M 54,177 Sandby, Thomas, A 151 Sangallo d. Ä., Antonio da, A 106 - d. J., Antonio da, A 105 - , Giuliano da, A 114 Sanmicheli, Michele, A 114 Sanquirico, Alessandro, Theatermaler 122 Scamozzi, Domenico, A 140 - , Vincenzo, A 156 Schadow, Gottfried, B 171 Schenk, Eduard v. 16 Schießer, Aktuar 14 Schiller 136,186 Schinkel, Karl Friedrich, A 7, 68, 88, 99,122, 129,137,143,146, 170 ff., 176 Schmid, Joseph Leonhard (Papa S.), Puppenspieler 75 Schnitzler, Michael, Theatermaler 58 Schönborn, Graf v. 45 Schorn, Karl, M 91, 92, 93 Schubert, Franz, K 46,133 Schwarzmann, Dekorationsmaler 84 Scott, Walter 58, 70, 83 Seeau, Graf, Hoftheaterintendant 179 Seinsheim, Graf v., Regierungsdirektor 7 Selva, Gianantonio, A 162 Semper, Gottfried, A 99,116, 131 Serlio, Sebastiano, A 140 Sonnleithner, Joseph Ferd. 178 Soufflot, Jacques Germain, A 1 4 1 , 1 5 5 , 1 5 6 Späth, K 16 - , Josef, Stukkator 68 Spohr, Louis, K 137, 176 Spreng, Blasius, M 22 Stanislaus Leszczynski 154 Staudacher, Kistler 12 Steinmeyer, Orgelbaufirma 94 Stieglitz, Chistian Ludwig, Architekturtheoretiker 57 f., 96, 146 f. Stilke, Hermann, M 9, 49, 92 Stoß, Sebastian, M 174 Strauß, M 51 - , Richard, K 135 Streck, K 16 Streicher, Klavierbauer 145 Ströhlein, Conrad, Konditor 88

Stünz, Hartmann, K 16 Sussex, Herzog v. 151 Swart, Jan, B 153 Teichlein, Joseph, Konditor 88 Tessin d. J., Nikodemus, A 113 Therese, Gemahlin Ludwigs I. 15 Thiébault, Baron 61, 65 Thierry, A 128 Thiersch, August, A 108 Thorwaldsen, Bertel, B 90,103,124 Thouret, Nikolaus Friedr., A 176 Throll, Karl, M 51, 68 - , Richard, M 51 Thürmer, Joseph, A 18 f. Tieck, Friedrich, B 171 Tiepolo, Giov. Batt., M 163 Toesca di Castellamonte, K 16 Trautmannsdorff, Graf, österr. Botschafter 5 Tschaikowsky, Peter, K 166 Vignola, A 114 Villanueva, José de, A 124 Vincent, A 159 Vitruv, A 96,122,124,125 Vogler, Abbé, K 16,44 f., 135 Vorherr, Gustav, A 48, 72, 74, 86,185 Voronidiin, Andrej NikitoroviC, A 126 Wagner, Johann Martin, B 1 6 , 1 7 , 1 9 , 31, 50, 175 - , Richard, K 21, 46, 99, 131, 13s, 137 i-, 164 Walcker, Orgelbaufinna 62 Walters, Edward, A 153 Weber, Carl Maria v., K 44 ff. Weinbrenner, Friedrich, A 127,144,156,158, 174 f. Wenzel, Eduard, Pianist 87 Westenrieder, Lorenz v., Historiker 90 Westmacott, R., A 152 Wiebeking, Carl Friedr. v., A 19, 20 Wiedemann, Josef, A 22 Winter, Peter, K 44 f., 137 Wintergerst, G 32, 185 Wollenweber, Georg, Gold- u. Silberarbeiter 12 Wrede, Fürst 2 Wyatt, James, A 150 f. Zako, Pavel Petrovic, A 165 Zeiler, Paul 92 Zelter, Karl Friedrich, K 169 Ziebland, Friedrich, A 185 Zola, Emile 132 Zug, Simon, A 129 191

ORTSREGISTER Aachen 53 Theater 99 Aberdeen 151 Agrigent 106 Altenwerder b. Hamburg, Dorfkirche 128 Amsterdam, Concertgebouw 139, 153 Felix-Meritis-Haus 147,153 f. Ansbach, Residenz 107, 140 Antonin bei Ostrów, Jagdschloß 129 Argos, Heraion 122 Odeon 96 Arolsen 52 Aschaffenburg 8, 9 Dalberghof 113 Athen 108,157 Agora 96, 122, 123 Dionysostheater 96 Erechtheion 43 Odeon des Agrippa 96 Odeon des Herodes Atticus 96 Odeon des Perikles 96 Parthenon rio, 122 Säulensaal bei der Agora 122 Stoa des Attalos 123 Stoa Basileos 123 Augsburg 49, 66 Textilfabrik 155 Baden-Baden, Kurhaus 144 Bamberg, Theater 143 Barcelona, Palacio de la Musica 160 Bassai, Apollotempel 39 Bayreuth, Festspielhaus 131 Belsay Castle (Northumberland) 128 Berg bei Starnberg, Schlößchen 114 Berlin 97, 98, 1 1 3 , 1 3 3 , 169 ff. Akademie der Künste 170 Altes Museum 129 Bibliothek 133 Charlottenburg, Schloß 107 Dom 129 Hedwigskirche 129 Nationaltheater 169,171 Neue Wache 170 Niederländisches Palais 126 192

Opernhaus 133, 134, 169 Philharmonie (neue) 138 Schauspielhaus 7, 68, 97, 99, 143, 14s, 171, 172, 173 Schloß 126,140 Singakademie 137,144, 146, 169 ff. Bern, Musiksaal 141 Besançon, Theater 156,158 Birkenau bei Weinheim, Dorfkirche 128 Bologna 161 Liceo G. B. Martini 145,164 Bordeaux, Grand Théâtre 143,147,157 f. Boston (Mass.), King's Chapel 127 Braunschweig 171 Bremen, Rathaus 140 Brescia, Teatro Grande 162 Breslau 133 Palais Hatzfeld 140 Brückenau, Bad 4, 9, 11 Kurhaus 144 Brühl bei Bonn, Schloß 139 f. Brüssel, Konservatoriumssaal 139 Buchau, Stiftskirche 127 Budapest, Nationalmuseum 129 Burgsteinfurt, Schloßpark Bagno 140 Cambridge 141,149 Carskoje Selo (jetzt Puskin), Konzertsaal 140 Caserta, Schloßkapelle 124 Catania, Odeon 96 Charenton bei Paris, Temple 127 f. Danzig 134 Uphagenhaus 140 Darmstadt, Ludwigskirche 129 Vereinigte Gesellschaft 143, 175 Delos, Wohnhäuser 124 Delphi, Lesche der Knidier 122 Dessau, Hoftheater 143, 156,173 Schloßtheater 156 Didyma, Apollotempel 39, 43, 122 Dresden 18,19, 25, 42, 50, 81, 90,120,133, 176 Frauenkirche 158 Gewerbehaussaal 176

Hoftheater 99 Palais Oppenheim 116 Dublin. Conceit Hall 152 House of Commons 129 New Music Hall 152 Edinburgh, Music Hall 152 St. Cecilia's Hall 137,152 Eichstätt 25 Eisenstadt 177 Eleusis, Telesterion 122 Ellingen 2 Ephesus, Dianatempel 122 Epidauros, Odeon 96 Florenz 104, 108, 109, 161 Pal. Pandolfini 105 f. Fonthill Abbey, Herrenhaus 151 Frankfurt am Main 133,134 Pal. Thum u. Taxis 140 Gent, Theater 143, 144, 154 Glasgow 152 Göttingen, Aula der Univ. 129 Gortyn, Odeon 96 Granada, Alhambra, Palast Karls V. 125 Hamburg 133,134,143, 166 f. Altenwerder, Kirche 128 Apollosaal 147,167 Börsenhalle 167 Concertsaal auf dem Kamp 166 Conventgarten 167 Drillhaus 140 Harmonie 166 f. Logensaal 167 Musikhalle 139,167 Tonhalle 167 Hannover, Opernhaus 143, 173 Ständehaus 158 Tonhalle (Projekt) 146, 173 Herculaneum i n Hohenheim bei Stuttgart 140 Holkham Hall (Norfolk), Schloß 123 Homburg, Bad, Kurhaus 129,144 Karlsruhe, Evang. Stadtkirche 127 Hoftheater 156 Museum 143,174 f. Ständehaus 158 Kassel, Konzertsaalprojekt 159 Schloß Wilhelmshöhe 129 Katschina bei Kuttenberg, Schloßbibliothek 126 Kedleston Hall, Schloß 73, 126 Kelheim 25, 76

Befreiungshalle 120 Kissingen, Bad, Kurhaus 144 Klosterneuburg, Marmorsaal 126 Koblenz 56 Köln 134 Konstantinopel, Hagia Sophia 150 Kopenhagen, Frauenkirche 124 Korinth, Odeon 96 Kos, Odeon 96 Knossos 122 Landshut, Theater 143 Lauingen, Rathaus 113 Laxenburg bei Wien, Schloß 177 Leipzig 18, 45, S3, 133, 135, 143/ 167 ffAltes Theater 167 Gasthof Drei Schwanen 167 Gewandhaus, Altes 50, 57, 99,144,145, 1 4 7 , 1 6 7 ff.

Gewandhaus, Neues 139,145,147,169 Universitäts-Aula 127 Leningrad 113,126,164 (s. auch Carskoje Selo, Pavlovsk) Adelsklub (Philharmonie) 143, 165 Akademie der Wissenschaften (Bibl.) 126 Bergakademie 127 Eremitage 120,129 Michaelspalais 165 Taurisches Palais 126, 127, 165 Winterpalais 127,140 Linz, Textilfabrik 155 Lisiera, Villa Valmarana 125 Lissabon, Theatro de Sao Carlos 143,160 Liverpool, Concert Hall iS3 Music Hall 153 St. George's Hall 153 London 133, 148, 149 ff. Almack's Rooms 151 Argyll Rooms 153 f. Banister's Music-school 149 Bechstein Hall 145 Castle Tavern 149 Crown and Anchor, Gasthof 149 f. Exeter Hall 152 Freemason's Hall 151 Hanover-Square-rooms 151 Hickford's room 149 King's Theatre 143,151 Pantheon 150! Queen's Hall 139,152 Ranelagh 148 Reformklubhaus 116 Regent Street 151 Royal Albert Hall 139,152 Royal Festival Hall 152 St. James's Hall 152 193

St. Martin in the Fields 127 St. Martin's Hall 152 SteinwayHall 145 Tottenham Street rooms 151 Travellers Club 116 Vauxhall 148 Louveciennes, Schloß 156 Ludwigsburg 62 Lunéville, Schloßkapelle 124 Lyon 141,156 Hotel des Concerts 141 Römisches Odeon 96 Salle Rameau 160 Madrid, Museo del Prado 124,129 Palacio de la Musica 160 Magdeburg, Gesellschaftshaus 88,129, 143, 176 Mailand 141, 161,163 Collegio Elvetico 125 Konservatoriumssaal 139,164 Priesterseminar 125 Teatro alla Scala 122, r6o, 164 Mainz, Schloß, Weißer Saal r40 Theater 99,156 Malmaison bei Paris, Schloß 128,140 Manchester, Free Trade Hall 153 The Gentlemen's Concert Hall 152 f. Mannheim 163,173 f., 179 Jesuitenkirche 174 Nationaltheater r27, r43, 174 Opernhaus 174 Rosengarten (Festhalle) 174 Schloß u. Schloßkirdie 174 Man tua, Teatro dell'Accademia 161 Marseille, Tempie 128 Theater 156,158 Megalopolis, Thersileon 122 Monte San Savino, Rathaus 106 Montpellier, Theater 157 Moskau, Adelsklub, ehem. 127,143,164 f. Bolsoj teatr 164 Kreml, Kruglyj zal 129, Projekt von Bazenov 165 Staryj Petrovskij teatr, Redoutensaal 129, 143, 147, 164 München 1-130, 131, 133, 134, 159, 174, 179 ffAlfonspalais (Ludwig-Ferd.-Pal.) 2, 25,103 Allerheiligenhofkirche 5, 7 4 , 1 0 9 , 1 1 3 , 1 2 0 Arco-Palais 103 Armee-Montur-Magazin 2 Ballhaus 3 Bazar (Kaufhaus) 4, 8,14, 25, 26, 72,102, 103,183 Briennerstraße 102 f. 194

Briennerstr. Nr. 49 24 Briennerstr. Nr. 56 92 Evang. Kirche (Projekt) 129 Feldherrnhalle 102 Fugger-Palais 108 Gluck-Denkmal 103,187 Glyptothek 5, 44, 53, 74, 96, 98,109 f., 1 2 1 Hauptpost 109 Herzog-Max-Burg 3,4 Herzog-Max-Palais 2, 109, 115 Hofgarten-Arkaden 49, 51, 56 Holnstein-Palais 107 Jesuitenkolleg 107 f. Kobell-Haus 25 Konzerthausprojekt 3 Kriegsministerium 2, ro9 Kunstausstellungsgebäude 20 Landschaftlicher Neubau ir3 Leuchtenberg-Palais 1, 2, 4, r9, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 3r, 32, 7 2 , 1 0 1 , 1 0 3 , 1 0 4 ff., 109, 159, 183 f. Ludwig-I.-Reiterstandbild 103,187 Ludwigskirche 51,102 Ludwigstraße 2,102 ff. Ludwigstraße Nr. 19 71 Mejan-Palais 24, 25, 92,104 Michaelskirche (Leuchtenberggrabmal) 44 Montgelas-Palais 88 Moy-Palais 25,103 Museum (Gesellschaftshaus) 18, 180 Nationaltheater 3,4, 21, 39, 59, 64, 8r, 88, 98, 99, 134/ 143, 180 f. Nymphenburg, Schloß, Steinerner Saal 139/140 Obelisk 1 f., 25,183 Odeon 1 - 1 3 0 , 1 3 7 , 1 3 8 , 1 4 0 , r43, r45,146, 147,179, 180 f., 183 ff. Odeonsplatz 1 f., 4, 22,102 ff., 108,183, 186 f. Orlando-di-Lasso-Denkmal 103 Pinakothek, Alte 5, 8, 20, 62, 96,109,162 Pinakothek, Neue 93, 96 Piosasque-de-Non-Palais 108 Portia-Palais 108,180 Preysing-Palais (Prannerstr.) ro8 Preysing-Palais (Residenzstr.) 107,108 Prinz-Karl-Palais 113 Propyläen 96 Redoutenhaus (-saal) x, 1 8 , 1 2 7 , 1 4 3 , 1 7 9 f. Residenz 64,113; Alte Res. 18; Antiquarium X40; Festsaalbau 41, 63, ro9, 120,127, 143 f.; Herkulessaal (alter) 140, 179; Königsbau 5 , 1 3 , 1 0 9 , 1 2 0 Residenztheater 180 Schwabinger Tor, ehem. 1, 2 Siegestor 102

Ständehaus s. Redoutenhaus Synagoge 127 Theatinerkirche 25, 27,102 ff., 107 Tonhalle 2 1 , 1 3 9 Wagner-Festspielhaus (Projekt) 99 Wittelsbacherplatz 22, 102 ff., 186 f. Nancy, Rathaus 154 Nantes, Konzertsaalprojekt 15 s Nauheim, Bad 69 Neapel 53,161 Neuruppin, Marienkirche 128 Newport (Rhode Island), Touro Synagogue 128 Nürnberg, Elisabethkirche 129 Ochsenhausen, Klosterbibliothek 126 Oettingen 94 Olynth, Haus des Glücks 124 Oxford, Holywell Room 144,145,147,148 f. Padua, Casino Corner 140 Universität 125 Paestum 10 6 Paris 12, 106,107,108, 121, 133, 141,148, 150,165,177 Chambre des Députés 158 Concert de la rue Cléry 160 Conservatoire 145,159 f. Ecole des Beaux-Arts 158 Hôtel Dubarry 156 Hôtel Guimar (mit Theater) 156 Madeleine 74 Malmaison, Schloß 128, 140 Montmartre-Kloster 125 Opéra 158 Panthéon (Vergnügungsetabi.) 150 St. Philippe du Roule 124 Ste. Geneviève 150 Salle Erard 145 Salle Louvois 160 Salle Pleyel 14s, 160 Salle Ste. Cécile 160 Synagogue (Rue de Nazareth) 128 Temple in Charenton 128 f. Théâtre de l'Ambigu 88 Théâtre de l'Odéon 96 Tuilerien 106 f., 159, Kapelle 128 Wauxhall 160 Pavlovsk, Schloß 73, 126, 127 Pergamon, Bezirk der Athena Polias 123 Philadelphia, American Academy of Music 145,153 Plön, Prinzenhaus 140 Pompeii 106, n i , 1 1 2 , 1 2 4 Forum 123

Odeon 96 Potsdam 113,169 Sanssouci 126,140 Stadtschloß 140 Zivilcasino 143 Prag, Rudolfinum (Künstlerhaus) 139 Regensburg, Theater (Neuhaussaal) 35, 41, 61,127,144,174 Reichenbach (Schlesien), Evang. Kirche 129 Rom 53, 9 6 , 1 0 4 , 1 0 8 , 1 0 9 , 1 2 3 , 1 6 1 , 1 6 3 Accademia di Santa Cecilia 164 Augusteo, ehem. Konzertsaal 164 Augustusforum 123 Domus Flavia (Basilica Iovis) 123 Lateransbaptisterium 125 Lateranspalast 106 Oratorio (Sala Borromini) 161 Palatin 123 Palazzo Farnese 26, 105 f. Palazzo Sciarra-Colonna 105 f. Pantheon 126, 129,150 Peterskirche 150 Quirinal, sog. Jupitertempel 125 Sta. Maria della Pace, Klosterhof 125 Tempel des Mars Ultor 123 Tempel der Venus und der Roma 123 Tempietto 125 Villa Albani 52 Rouen, Hotel de Ville 154 f. Sabbioneta, Theater 156 Sabratha (Libyen), röm. Theater 123 Salamanca, Collegio de Anaya 125 St. Blasien, Abteikirche 129 Schierensee bei Kiel, Herrenhaus 140 Schwetzingen 174 Selinunt 106 Sevilla, Tabakfabrik 155 Sikyon, Amtshaus 122 Solnhofen 78 Split, Diokletianspalast 126 Stolzenau (Kreis Nienburg), Schloßkirche 128 Stuttgart, Königsbau 176 Kronprinzenpalais 115 Liederhalle 138 Neues Schloß 140 Redoutensaal 143,176 Schloß Hohenheim, Konzertsaal 140 Solitude 126 Ständehaus 158 Thasos, Odeon 96 Triest, Teatro Verdi (Redoutensaal) 127,162 Venedig 161 ff. 195

Accademia dei Filarmonici 162 Ospedaletto 162 f. Palazzo Pesaro 162 Pinacoteca Querini-Stampalia 162 Teatro La Fenice 143,162 Verona, Gran Guardia 153 Theater 161 Versailles 154 Opéra 39 Schloßkirche 124 St. Symphorien 124 Vicenza, Palazzo Chiericati 125 Teatro Olimpico 156 Walhalla bei Regensburg 74,110 Warschau 134 Evang. Kirche 129 Palais Mnisdiek (Musikal. Gesellschaft) 144 f. Philharmonie 139 Schloß 126 Teatr Wielki 99, 144 Weimar 131 Erholung 172 f. Fürstengruft 172 Schloß (Festsaal) 41, 127 Theater 143,172 Wien 97, 1 0 8 , 1 1 3 , 1 3 3 , 1 4 8 , 1 7 6 ff. Augartengebäude r48,177 Burgtheater, altes 177 Burgtheater, neues 99 Hofburg, Redoutensäle 143,178; Winterreitschule 178; Zeremoniensaal 127,177

196

Josephinum 155 Kämtnertortheater 177 Konzerthaus 139 Landhaus 178 Liechtensteinsches Sommerpalais 177 Lobkowitzpalais 177 Mehlgrubensaal 177 Musikvereinsgebäude, altes 144,178 f.; neues 139,179; Projekte 146,178 Pallavicini-Palais xr3 Passauerhof 178 Rasumofsky-Palais 127 Schönbrunn 177 Schottenkloster, Bibliothek 126 Schwarzenbergpalais (Neuer Markt) 177 Staatsoper 134 Streicher-Saal 145 Theater an der Wien 177 Universitätsaula 177 Wörlitz, Schloß 140 Würzburg 2 Concertsalongebäude 175 Harmonie 17s f. Jesuitenkirche 128 Juliusspital-Kirche 127 Residenz 140 York, Assembly Room 126, 148 Zürich, Casino 1 4 1 , 1 4 3 Musiksaal beim Kornhaus 141 Tonhalle 139 Zweibrücken, Hoftheater 156

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Abb. i

Odeon. Tafel aus Dr. Vorherrs Monatsblatt 1828 / Nr. 8 (Kat. Nr. 31)

Abb. 6

K o p i e nach Klenze, Odeonssaal gegen N o r d , 2. E n t w u r f (Kat. N r . 15)

Abb. 8

Klenze, Aufriß einer Saal-Längswand (Kat. Nr. 9)

Abb. i i

Saal, westlicher Ansatz der Exedra

Abb. 1 2

Saal, Nordseite und Teil der Decke

VII

Abb. 13

Gebälk am Beginn der Exedra

Abb. 15

Tür im Scheitel der Exedra

Abb. 14

T ü r im Scheitel der Exedra

Abb. 16

Türschloß

Abb. 17 Saal, Exedra (Die Musikalische Akademie unter Hans Knappertsbusch, um 1922)

Abb. 18

Ruine des Odeons 195x

Abb. 19

Abb. 20

Saal, obere Kolonnade

Odeon, Durchfahrt gegen Westen

Abb. 21

Odeon, Osttor

A b b . 22

Abb. 23

K a u l b a c h , A p o l l unter den M u s e n

Eberle, A p o l l unter den H i r t e n

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Abb. 24

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Anschiitz, Das Urteil des Midas

Abb. 25

Ausschnitt aus Nr. 24

XII

Abb. 28

Ecke mit Kranzgesims (vor 1943)

Abb. 29

Ausschnitt aus Abb. 23

XIII A b b . 30—33

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Ionisches Kapitell (Kat. Nr. 24)

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A u f r i ß der Exedra (Kat. Nr. 16)

G r u n d r i ß 2. Stock (Kat. Nr. 13)

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IX

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A b b . 31

Kopien nach Klenze

Z i m m e r g e s i m s e (Kat. Nr. 20)

XIV

Abb.

Schinkel, Entwurf zur Berliner Singakademie

XV

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Abb. 37

Titelblatt einer Notenedition

von. T. Haslinger, W i e n f ' r r

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