Das Lachen: Le rire. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen 9783787321438, 3787321438

»Was ist das Wesen des Lachens? Was steckt hinter dem Lächerlichen? Was haben die Grimasse eines Clowns, ein Wortspiel,

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Das Lachen: Le rire. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen
 9783787321438, 3787321438

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HENRI BERGSON

Das Lachen Ein Essay über die Bedeutung des Komischen

Übersetzt von Roswitha Plancherel-Walter

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 622

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über . ISBN-978-3-7873-2143-8

© Felix Meiner Verlag 2011. Alle Rechte vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: Type & Buch Kusel, Hamburg. Druck und Bindung: Hubert & Co. Göttingen. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

INHALT

Vorwort zur dreiundzwanzigsten Auf lage .........................

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Literaturverzeichnis ............................................................

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Erstes Kapitel ......................................................................

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Von der Komik im allgemeinen Die Komik der Formen und die Komik der Bewegungen Die Ausdehnungskraft der Komik Zweites Kapitel ...................................................................

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Die Situationskomik und die Wortkomik Drittes Kapitel ....................................................................

95

Die Charakterkomik Nachwort ............................................................................... 137

Zu dieser Ausgabe .................................................................... 141

VORWORT zur dreiundzwanzigsten Auflage

Dieser Band enthält drei Aufsätze über das Lachen (oder vielmehr über das durch die Komik erzeugte Lachen), die wir im Februar und März 1899 in der Revue de Paris veröffentlicht haben. In diesen Aufsätzen sollten die wichtigsten Kategorien der Komik bestimmt und ihre Gesetze durch eine Gruppierung möglichst vieler Tatsachen nachgezeichnet werden. Schon allein ihre Form verbot eine kritische Auseinandersetzung mit den vorhandenen Theorien. Hätten wir das Versäumte in diesem Buch nachholen sollen? Kann sein, daß unsere Folgerungen durch Vergleiche mit den Lehrsätzen unserer Vorgänger untermauert worden wären, dann aber wäre unsere Abhandlung sehr viel komplizierter und umfangreicher geworden, als es der Bedeutung des Themas entspricht. Die wichtigsten Definitionen der Komik hatten wir ohnehin, wenn auch nur kurz, an diesem oder jenem Beispiel dargelegt. Wir beschränkten uns deshalb darauf, unsere Artikel in ihrer ursprünglichen Fassung wiederzugeben, und fügten ihnen lediglich eine Liste der bedeutendsten Arbeiten an, die im Lauf der vorausgegangenen dreißig Jahre über das Thema Komik veröffentlicht wurden. Weitere Arbeiten sind seither erschienen, und die Liste wurde entsprechend verlängert. An unserem Buch selbst haben wir, von vereinzelten formalen Retuschen abgesehen, nichts geändert. Das soll nicht heißen, daß wir den Nutzen dieser neuen Studien bestreiten; sie haben das Phänomen des Lachens zweifellos in mehr als einem Punkt geklärt. Aber unsere Methode, mit der wir dem Herstellungsverfahren Komik auf die Spur zu kommen trachteten, weicht ab von jener anderen, allgemein angewendeten, welche die komischen Effekte in einer sehr weit gespannten und sehr einfachen Formel zusammenfassen will. Die beiden Methoden schließen sich gegenseitig nicht aus; doch

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Henri Bergson · Das Lachen

was immer aus der zweiten resultieren mag, es wird die Ergebnisse der ersten unverändert lassen, und diese erste ist nach unserer Meinung die einzige, die wissenschaftliche Genauigkeit und Folgerichtigkeit verbürgt. Das ist übrigens der Punkt, auf den wir die Aufmerksamkeit des Lesers in unserem Nachwort zu der vorliegenden Buchausgabe lenken möchten. Paris, Januar 1924

H. B.

Literaturverzeichnis Hecker, Physiologie und Psychologie des Lachens und des Komischen, 1873. Dumont, Théorie scientifique de la sensibilité, 1875, S. 202 ff. Vergl. vom selben Autor: Les causes du rire, 1862. Courdaveaux, Études sur le comique, 1875. Philbert, Le rire, 1883. Kraepelin, Zur Psychologie des Komischen (Philosophische Studien, Bd. 2, 1885). Penjon, Le rire et la liberté (Revue philosophique, 1893). Mélinand, Pourquoi rit-on? (Revue des Deux-Mondes, Februar 1895). Ribot, La psychologie des sentiments, 1896, S. 342 ff. Lacombe, Du comique et du spirituel (Revue de métaphysique et de morale, 1897). Stanley Hall and A. Allin, The psychology of laughing, tickling and the comic (American Journal of Psychology, Bd. 9, 1897). Meredith, An Essay on Comedy, 1897. Lipps, Komik und Humor, 1898. Vergl. vom selben Autor: Psychologie der Komik (Philosophische Monatshefte, Bd. 24, 25). Heymans, Zur Psychologie der Komik (Zeitschr. f. Psych. u. Phys. der Sinnesorgane, Bd. 20, 1899). Ueberhorst, Das Komische, 1899. Dugas, Psychologie du rire, 1902. Sully ( James), An Essay on Laughter, 1902. Martin (L. J.), Psychology of Aesthetics: The comic (American Journal of Psychology, 1905, Bd. 16, S. 35 ff ). Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten, 1905, 2. Auflage, 1912.

Literaturverzeichnis

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Cazamian, Pourquoi nous ne pouvons définir l’humeur (Revue germanique, 1906, S. 601 ff.). Gaultier, Le rire et la caricature, 1906. Kline, The psychology of humor (American Journal of Psychology, Bd. 18, 1907, S. 421 ff.). Baldensperger, Les définitions de l’humeur (Etudes d’histoire littéraire, 1907, Bd. 1). Bawden, The Comic as illustrating the summation-irradiation theory of pleasurepain (Psychological Review, 1910, Bd. 17, S. 336 ff.). Schauer, Über das Wesen der Komik (Archiv für die gesamte Psychologie, Bd. 18, 1910, S. 411 ff.). Kallen, The aestitic principle in comedy (American Journal of Psychology, Bd. 22, 1911, S. 137 ff.). Hollingworth, Judgements of the Comic (Psychological Review, Bd. 18, 1911, S. 132 ff.). Delage, Sur la nature du comique (Revue du mois, 1919, Bd. 20, S. 337 ff.). Bergson, Apropos de »la nature comique«. Antwort auf den vorhergehenden Artikel (Revue du mois, 1919, Bd. 20, S. 514 ff.). Zum Teil im Anhang dieser Ausgabe. Eastman, The sense of humor, 1921.

ERSTES KAPITEL Von der Komik im allgemeinen Die Komik der Formen und die Komik der Bewegungen Die Ausdehnungskraft der Komik

Was bedeutet das Lachen? Was steckt hinter dem Lächerlichen? Was haben die Grimasse eines Clowns, ein Wortspiel, eine Verwechslung in einem Schwank, eine geistvolle Lustspielszene miteinander gemein? Wie destillieren wir die immer gleichbleibende Substanz heraus, die so vielen verschiedenartigen Dingen entweder einen aufdringlichen Geruch oder aber ein zartes Aroma verleiht? Seit Aristoteles haben sich die größten Denker in dieses kleine Problem vertieft, und doch entzieht es sich jedem, der es fassen will, es gleitet davon, verschwindet, taucht wieder auf: eine einzige spitzbübische Herausforderung an die philosophische Spekulation. Daß nun auch wir dem Problem zu Leibe rücken, können wir einzig mit der Absicht rechtfertigen, die komische Phantasie auf keinen Fall in eine Definition zu zwängen. Wir sehen in ihr vor allem etwas Lebendiges. Wir werden sie, so leichtgeschürzt sie auch sein mag, mit dem Respekt behandeln, der dem Leben gebührt. Wir werden nichts anderes tun als zusehen, wie sie wächst und sich entfaltet. Und sie wird, unmerklich von einer Form in die andere übergehend, vor unseren Augen die seltsamsten Metamorphosen durchleben. Für uns wird keines von den Dingen, die wir sehen, nebensächlich sein. Wer weiß, vielleicht vermittelt uns dieser fortwährende Kontakt etwas Geschmeidigeres als eine theoretische Definition – eine praktische und intime Kenntnis, wie sie sich aus langjähriger Kameradschaft ergibt. Vielleicht auch entdecken wir zum Schluß, daß wir unversehens eine nützliche Erfahrung gemacht haben. Denn wie können wir die komische Phantasie erfassen – vernünftig noch in ihren größten Sprüngen, methodisch bei allem Unsinn, traumähnlich vielleicht, doch im Traum Bilder heraufbeschwörend, die von einer ganzen Gesellschaft sogleich akzeptiert und verstanden werden –, ohne gleichzeitig mehr zu erfahren über die menschli-

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che Phantasie überhaupt und insbesondere über die Art, wie die soziale, kollektive, volkstümliche Phantasie arbeitet? Wie sollte sie, da sie ja aus dem wirklichen Leben hervorgegangen und mit der Kunst verwandt ist, in Sachen Kunst und Leben nicht auch ein Wörtchen mitzureden haben? Wir werden zunächst drei Betrachtungen anstellen, die wir für grundlegend halten. Sie beziehen sich weniger auf das Komische selbst als auf den Ort, wo wir es suchen müssen.

I. Erstens: Es gibt keine Komik außerhalb dessen, was wahrhaft menschlich ist. Eine Landschaft mag schön, lieblich, großartig, langweilig oder häßlich sein, komisch ist sie nie. Man lacht über ein Tier, aber nur weil man einen menschlichen Zug oder einen menschlichen Ausdruck an ihm entdeckt hat. Man lacht über einen Hut, doch das, worüber man spottet, ist nicht das Stück Filz oder Stroh, es ist vielmehr die Form, die ihm die Menschen gegeben haben, es ist der menschliche Einfall, dem der Hut seine Form verdankt. Weshalb hat eine bei all ihrer Schlichtheit so wichtige Tatsache die Philosophen nicht stärker beschäftigt? Mehrere haben im Menschen ein »Tier, das lachen kann« gesehen. Sie hätten ihn auch ein »Tier, das lachen macht«, nennen können, denn wenn irgendein Tier oder irgendein seelenloser Gegenstand zum Lachen reizt, dann geschieht dies einer gewissen Ähnlichkeit mit dem Menschen wegen, weil der Mensch ihm seinen Stempel aufdrückt oder so oder so von ihm Gebrauch macht. Zweitens: Das Lachen ist meist mit einer gewissen Empfindungslosigkeit verbunden. Wahrhaft erschüttern kann die Komik offenbar nur unter der Bedingung, daß sie auf einen möglichst unbe-

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wegten, glatten seelischen Boden fällt. Gleichgültigkeit ist ihr natürliches Element. Das Lachen hat keinen größeren Feind als die Emotion. Ich will nicht behaupten, daß wir über einen Menschen, für den wir Mitleid oder Zärtlichkeit empfinden, nicht lachen könnten – dann aber müßten wir diese Zärtlichkeit, dieses Mitleid für eine kurze Weile unterdrücken. In Gesellschaft reiner Verstandesmenschen würden wir wahrscheinlich nicht mehr weinen, aber vielleicht würden wir immer noch lachen. Ausgesprochen gefühlvolle Seelen dagegen, in denen jedes Erlebnis seinen sentimentalen Nachhall findet, werden das Lachen weder kennen noch begreifen. Versuchen Sie nur einmal, an allem, was gesagt und getan wird, Anteil zu nehmen; handeln Sie im Geist mit den Handelnden, empfinden Sie mit den Empfindenden, lassen Sie Ihre Sympathie sich voll entfalten – und Sie werden sehen, wie die gewichtslosesten Dinge wie unter der Berührung eines Zauberstabs gewichtig werden, wie alles sich düster färbt. Stellen Sie sich nun abseits, betrachten Sie das Leben als unbeteiligter Zuschauer – und manches Drama verwandelt sich in eine Komödie. In einem Salon, wo getanzt wird, brauchen wir uns nur die Ohren zuzuhalten, damit uns die Tänzer lächerlich vorkommen. Wie viele menschliche Handlungen hielten einer solchen Prüfung stand? Würden nicht viele plötzlich vom Tragischen ins Komische umschlagen, lösten wir sie von der Gefühlsmusik, die sie begleitet? Die Komik bedarf also einer vorübergehenden Anästhesie des Herzens, um sich voll entfalten zu können. Sie wendet sich an den reinen Intellekt. Dieser Intellekt muß nun aber mit anderen Intellekten in Verbindung bleiben. Das ist das Dritte, was wir zu bedenken geben wollten. Wir würden die Komik nicht genießen, wenn wir uns allein fühlten. Offenbar braucht das Lachen ein Echo. Hören Sie genau hin: Es ist kein artikulierter, scharfer, abgegrenzter Ton; es ist vielmehr etwas, das immer weiter um sich greift, etwas, das mit einem Ausbruch beginnt und sich rollend fortsetzt wie der

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Donner im Gebirge. Dieser Widerhall braucht aber nicht ins Unendliche zu gehen. So groß sein Umkreis auch sein mag, es wird immer ein geschlossener Kreis sein. Unser Lachen ist immer das Lachen einer Gruppe. Vielleicht haben Sie in einem Bahnabteil oder in einem Speisesaal schon einmal zugehört, wie Mitreisende einander Geschichten erzählten, die sie – aus ihrem herzlichen Gelächter zu schließen – zweifellos komisch fanden. Auch Sie hätten gelacht, hätten Sie zu ihrer Gesellschaft gehört, doch da Sie nicht dazugehörten, verspürten Sie nicht die geringste Lust zu lachen. Ein Mann wurde einmal gefragt, weshalb er beim Anhören einer Predigt, als jedermann Tränen vergoß, nicht auch geweint habe. »Ich gehöre nicht zur Pfarrei«, sagte er. Was dieser Mann vom Weinen hielt, das träfe noch viel mehr auf das Lachen zu. Hinter dem Lachen steckt bei aller scheinbaren Offenheit immer ein heimliches Einverständnis, ich möchte fast sagen eine Verschwörung mit anderen wirklichen oder imaginären Lachern. Wie oft ist nicht schon behauptet worden, das Publikum lache im Theater um so lauter, je voller der Saal sei. Wie oft aber heißt es auch, viele komische Effekte ließen sich nicht von einer Sprache in eine andere übersetzen, weil sie sich auf die Sitten und Ideen einer ganz bestimmten Gesellschaft bezögen. Und weil man die Bedeutung dieser beiden Tatsachen nicht erfaßt hat, sieht man im Komischen nur eine Kuriosität, an der sich der Verstand ergötzt, im Lachen wiederum nichts als ein seltsames Phänomen ohne Zusammenhang mit den übrigen menschlichen Lebensäußerungen. Daher die Definitionen, die das Komische als geistig wahrgenommene abstrakte Relation zwischen Ideen hinstellen wollen: »Intellektueller Kontrast«, »spürbare Absurdität« und wie die Begriffe alle heißen. Selbst wenn man annimmt, sie paßten auf sämtliche Arten der Komik, sie würden dennoch niemals erklären, weshalb uns das Komische zum Lachen bringt. In der Tat, warum kann uns diese besondere abstrakte Relation, sobald wir sie wahrnehmen, innerlich zusammenziehen, ausdehnen, schüt-

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teln, während alle anderen uns kalt lassen? Von daher werden wir das Problem also nicht anpacken. Um das Lachen zu verstehen, müssen wir es wieder in sein angestammtes Element versetzen, und das ist die Gesellschaft; wir müssen seine nützliche Funktion bestimmen, und das ist eine soziale Funktion. Dies wird der Leitgedanke bei unseren Untersuchungen sein. Das Lachen muß gewissen Anforderungen des Gesellschaftslebens genügen. Das Lachen muß eine soziale Bedeutung haben. Bestimmen wir ein für allemal den Punkt, wo unsere drei vorläufigen Betrachtungen zusammenlaufen. Komik entsteht innerhalb einer Gruppe von Menschen, die einem einzelnen unter ihnen ihre volle Aufmerksamkeit zuwenden, indem sie alle persönlichen Gefühle ausschalten und nur ihren Verstand arbeiten lassen. Worauf wird sich ihre Aufmerksamkeit richten müssen? Womit wird sich ihr Verstand beschäftigen? Mit der Antwort auf diese Fragen kämen wir dem Problem schon näher. Zuvor aber werden wir ein paar Beispiele anführen müssen.

II. Ein Mann läuft auf der Straße, stolpert und fällt. Die Passanten lachen. Ich glaube, man würde nicht lachen, wenn man annehmen könnte, er habe sich plötzlich entschlossen, sich hinzusetzen. Man lacht, weil er sich unfreiwillig hingesetzt hat. Das Lachen wird also nicht durch den unvermuteten Wechsel seiner Stellung erzeugt; es ist das Unfreiwillige an diesem Wechsel, es ist die Ungeschicklichkeit, die uns lachen macht. Vielleicht lag ein Stein auf der Straße. Er hätte langsamer laufen oder das Hindernis umgehen sollen. Aber weil er ungelenk oder zerstreut war oder weil ihm sein Körper infolge irgendeiner Versteifung oder wegen des schon erreichten Tempos nicht gehorchte, bewegten sich seine Mus-

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keln im gleichen Rhythmus weiter, auch als die Umstände schon längst etwas anderes von ihnen verlangten. Deshalb ist der Mann gestürzt, und darüber lachen die Passanten. Ein anderer geht mit mathematischer Regelmäßigkeit seinen kleinen Geschäften nach. Nun hat aber ein Spaßvogel hinter seinem Rücken mit allem, was ihn umgibt, Unfug getrieben. Der Gefoppte taucht seine Feder ins Tintenfaß und zieht Schlamm heraus; er glaubt, er setze sich auf einen soliden Stuhl, und plumpst zu Boden; kurz, was immer er tut, ist verkehrt oder ein Leerlauf nach dem ewig geltenden Gesetz der Trägheit. Die Gewohnheit hatte seine Bewegungen diktiert. Er hätte diese unterbrechen oder ändern sollen. Doch er tat nichts dergleichen. Er bewegte sich mechanisch weiter. Das Opfer des dummen Scherzes befindet sich also in der gleichen Lage wie der gestürzte Läufer. Er ist aus demselben Grund komisch. Lächerlich ist in diesem wie in jenem Fall eine gewisse mechanisch wirkende Steifheit in einem Augenblick, da man von einem Menschen wache Beweglichkeit und lebendige Anpassungsfähigkeit erwartet. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Fällen besteht darin, daß der erste sich von selbst ereignet hat, während der zweite künstlich herbeigeführt worden ist. Der Passant hat nur zugeschaut; der Spaßvogel hat experimentiert. In beiden Fällen aber ist es ein äußerer Umstand, der den komischen Effekt bewirkt hat. Das Komische ist also zufällig. Es bleibt gewissermaßen an der Oberfläche der Person haften. Wie wird es ins Innere gelangen? Nur wenn die mechanische Steifheit, um sich zu offenbaren, keines Hindernisses mehr bedarf, das ihr der Zufall oder menschliche Tücke in den Weg gelegt haben. Sie muß aus sich selbst auf natürliche Weise immer neue Gelegenheiten schaffen, um in Erscheinung zu treten. Stellen wir uns jetzt einen Menschen vor, der immer an das denkt, was er gerade getan hat, und nie an das, was er tut – wie eine Melodie, die ständig hinter

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ihrer Begleitung herhinken würde. Denken wir uns eine gewisse angeborene Unbeweglichkeit der Sinne und des Geistes, die bewirkt, daß ein Mensch sieht, was nicht mehr ist, hört, was nicht mehr tönt, sagt, was nicht mehr paßt, kurz, daß er sich in einer vergangenen und unwirklich gewordenen Situation häuslich einrichtet, während er sich doch der augenblicklichen Wirklichkeit anpassen sollte. Hier verlagert sich das Komische in die Person selbst: Die Person steuert alles Notwendige dazu bei, Stoff und Form, Ursache und Gelegenheit. Nicht umsonst pflegt der Zerstreute (denn von einem solchen ist die Rede) die Spottlust der Komödiendichter zu reizen. Als La Bruyère auf diesen Charatertyp stieß und sich näher mit ihm zu befassen begann, wurde ihm klar, daß er ein Rezept zur Massenfabrikation komischer Effekte gefunden hatte. Er mißbrauchte das Rezept. Er ließ sich lang und breit über seinen Ménalque aus, kam wieder und wieder auf seine Beschreibung zurück. Das Thema war so dankbar, daß er kaum mehr davon loskam. Nun, vielleicht befindet man sich mit der Zerstreutheit nicht an der Quelle der Komik selbst, sicher aber in einem Fluß von Ereignissen und Einfällen, der unmittelbar aus dieser Quelle stammt. Man befindet sich auf einem der großen natürlichen Gefälle des Lachens. Aber auch die Wirkung der Zerstreutheit kann sich verstärken. Wir haben soeben die erste Anwendung eines allgemeingültigen Gesetzes beschrieben. Das Gesetz lautet: Wenn eine bestimmte komische Wirkung eine bestimmte Ursache hat, so kommt uns die Wirkung um so komischer vor, je natürlicher wir ihre Ursache finden. Wir lachen schon über die Zerstreutheit, wenn man sie uns als schlichte Tatsache vorsetzt. Noch komischer wirkt sie auf uns, wenn sie vor unseren Augen entstanden und gewachsen ist, wenn wir ihren Ursprung kennen und ihre Geschichte rekonstruieren können. Nehmen wir als konkretes Beispiel den Fall eines Menschen an, der immer nur Liebes- und Ritterromane liest.

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Angezogen und fasziniert von seinen Helden, wendet er ihnen allmählich sein Denken und Wollen zu. Er bewegt sich wie ein Nachtwandler unter uns. Seine Handlungen sind Fehlleistungen. Sie lassen sich jedoch durchwegs auf eine uns bekannte und positive Ursache zurückführen. Es sind nicht mehr nur Absenzen; sie ergeben sich aus der Präsenz der Person in einer ganz bestimmten, wiewohl imaginären Umwelt. Gewiß, ein Sturz ist und bleibt ein Sturz; es fragt sich nur, ob einer in ein Wasserloch plumpst, weil er ins Blaue gestarrt hat oder weil er nach einem Stern ausschaute. Don Quijote hat einen Stern betrachtet. Welche Tiefen erreicht die Komik in einem schwärmerischen und weltfremden Gemüt! Und doch, wenn wir auf die Vorstellung von der Zerstreutheit als Bindeglied zurückgreifen, so sehen wir, wie diese abgrundtiefe Komik sich ohne weiteres mit der oberflächlichsten Komik verbündet. Ja, jene verträumten Gesellen, jene Überspannten, jene so seltsam vernünftigen Narren machen uns lachen, weil sie in uns an die gleichen Saiten rühren, den gleichen inneren Mechanismus in Gang setzen wie das Opfer eines Schabernacks oder der Mann, der auf der Straße ausrutscht. Sie alle sind Läufer, die hinfallen, und Naive, die man hinters Licht führt, Sterngucker, die über Realitäten stolpern, arglose Träumer, denen das Leben boshaft mitspielt. Vor allen Dingen aber sind sie große Zerstreute, den anderen insofern überlegen, als ihre Zerstreutheit Methode hat und auf eine zentrale Idee ausgerichtet ist, überlegen auch deshalb, weil ihre Mißgeschicke eng miteinander zusammenhängen, dank der unerbittlichen Logik, mit welcher die Wirklichkeit dem Traum zu Leibe rückt, überlegen schließlich, weil sie auf diese Weise durch Effekte, die sich jederzeit steigern können, ein nicht enden wollendes Gelächter um sich verbreiten. Unsere nächste Frage lautet: Wäre es nicht denkbar, daß gewisse Laster den Charakter auf die gleiche Weise beeinflussen wie die Starrheit einer fixen Idee den Geist? Ob angeborener Charak-

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terfehler oder Willensschwäche, das Laster gleicht oft einer Verkrümmung der Seele. Fraglos gibt es Laster, in denen sich die Seele mit allem, was sie an befruchtender Kraft in sich trägt, ansiedelt, Laster, welche die Seele beleben und schließlich in einen Wirbel von Verwandlungen mitreißen. Das sind die tragischen Laster. Das Laster aber, das uns zur komischen Figur stempelt, wird uns im Gegenteil von außen her zugetragen wie ein fertiger Rahmen, in den wir uns einfügen. Es zwingt uns seine Steifheit auf, anstatt sich unsere Gelenkigkeit anzueignen. Wir machen es nicht komplizierter, sondern umgekehrt: das Laster macht uns einfacher. Darin scheint der Unterschied zwischen der Komödie und der Tragödie zu liegen. Selbst dort, wo eine Tragödie bestimmte Leidenschaften oder Laster mit Namen versieht, verschmilzt sie diese so sehr mit dem Darsteller, daß ihre Namen in Vergessenheit geraten, ihre Kennzeichen verblassen und daß wir überhaupt nicht mehr an sie, sondern nur noch an die Person denken, die sie verkörpert. Darum kann der Titel eines Trauerspiels in der Regel nur ein Eigenname sein. Viele Lustspiele dagegen sind mit der Bezeichnung einer Gattung überschrieben: Der Geizige, Der Spieler usw. Forderte ich Sie auf, sich ein Stück vorzustellen, das Der Eifersüchtige hieße, Sie würden sofort an Sganarelle denken oder an Georges Dandin, nicht aber an Othello. Der Eifersüchtige kann nur der Titel einer Komödie sein. Denn das komische Laster kann sich noch so intim mit einer Person vereinigen, es bewahrt immer seine unabhängige und einfache Existenz; es bleibt, unsichtbar und gegenwärtig, die Hauptfigur, welcher die Menschen aus Fleisch und Blut auf der Bühne lediglich angehängt werden. Manchmal leistet es sich den Spaß, sie alle mit seinem Gewicht fortzureißen und einen Abhang hinunterzukollern. Häufiger jedoch spielt es auf ihnen wie auf einem Instrument, oder es läßt sie zappeln wie Hampelmänner. Wenn Sie genau hinsehen, werden Sie erkennen, daß die Kunst des Komödiendichters darin besteht, uns, die Zuschauer, mit dem Laster so sehr vertraut zu machen, uns so tief in

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dessen innerstes Wesen eindringen zu lassen, daß es uns zuletzt sogar einige der Schnüre, an denen es seine Marionetten tanzen läßt, zum Spielen überläßt. Dann dürfen wir selber spielen. Und das ist ein Teil unseres Theatervergnügens. Was uns erheitert, ist also wieder ein Automatismus. Und auch dieser Automatismus steht der einfachen Zerstreutheit sehr nahe. Meist wirkt ja eine komische Gestalt genau so lange komisch, wie sie sich selbst vergißt. Das Komische ist unbewußt. Als ob es den Gyges-Ring im umgekehrten Sinn verwenden würde, macht es sich für sich selbst unsichtbar, indem es für jedermann sichtbar wird. Der Held einer Tragödie verhält sich nicht anders, nur weil er weiß, wie wir sein Verhalten beurteilen; er darf so bleiben, wie er ist, auch wenn er genau weiß, was er ist, auch wenn er den Abscheu, den er uns einflößt, sehr deutlich empfindet. Das Lächerliche dagegen sucht, sobald es sich als lächerlich empfindet, zumindest äußerlich eine andere Ausdrucksform. Könnte Harpagon uns über seinen Geiz lachen hören, er würde sich zwar kaum bekehren, aber er würde uns seinen Fehler weniger offen oder auf andere Art zeigen. In diesem Sinne vor allem »geißelt das Lachen die Sitten«. Es bewirkt, daß wir sofort zu scheinen versuchen, was wir sein sollten und was wir eines Tages zweifellos auch sein werden. Lassen wir es vorläufig dabei bewenden. Wir haben die Entwicklung der Komik verfolgt vom stolpernden Läufer zum gefoppten Pedanten, von der betrogenen Naivität zur Zerstreutheit, von der Zerstreutheit zur Überspanntheit, von der Überspanntheit zu den verschiedenen Deformationen des Willens und des Charakters. Wir haben gesehen, wie die Komik im Menschen immer tiefere Schichten durchdringt, ohne uns indessen noch in seinen subtilsten Ausdrucksformen vergessen zu lassen, was wir schon in seinen gröberen Formen beobachtet hatten: den Effekt des Automatischen und Starren. Jetzt werden wir uns von der lächerlichen Seite der menschlichen Natur und von der Funktion des Lachens

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ein erstes, wenn auch noch unbestimmtes Bild machen können. Was das Leben und die Gesellschaft von jedem von uns fordern, das ist eine stets wache Aufmerksamkeit, dank welcher wir die jeweilige Situation erkennen; es ist auch eine gewisse Elastizität des Körpers und des Geistes, dank welcher wir uns dieser Situation anzupassen vermögen. Gespanntheit und Elastizität sind zwei sich ergänzende Kräfte. Das Leben bedient sich ihrer. Fehlen sie dem Körper in hohem Maß, so entstehen Unglücksfälle jeder Art, Gebrechen, Krankheiten. Fehlen sie dem Geist, dann haben wir es mit jedem Grad von seelischer Armut, mit allen Arten von Verrücktheit zu tun. Und fehlen sie dem Charakter, dann ergeben sich die schweren Fälle von mangelnder Anpassung an das soziale Leben, Quellen manchen Elends, bisweilen Ursachen des Verbrechens. Erst wenn diese an den Kern des Daseins rührenden Mängel behoben sind (und meist verschwinden sie im sogenannten Lebenskampf von selbst), kann der Mensch leben, und zwar leben in der Gemeinschaft mit anderen Menschen. Doch die Gesellschaft fordert noch mehr. Sie will nicht nur leben, sie will gut leben. Was sie nun befürchten muß, ist, daß jeder von uns sich damit begnügt, auf das Wesentliche im Leben zu achten, und sich im übrigen ganz dem mühelosen Automatismus erworbener Gewohnheiten überläßt. Sie muß auch befürchten, daß ihre Glieder keineswegs ein immer subtileres Gleichgewicht der verschiedenen Willensformen anstreben, so daß diese immer exakter ineinandergreifen – daß sie sich vielmehr darauf beschränken, die grundlegenden Bedingungen dieses Gleichgewichts zu achten. Ein etabliertes Einverständnis unter den Individuen ist der Gesellschaft nicht genug; sie verlangt ein fortwährendes Bemühen um gegenseitige Anpassung. Jede Versteifung des Charakters, des Geistes und sogar des Körpers wird der Gesellschaft daher verdächtig sein, weil sie auf eine erlahmende Tatkraft schließen läßt, auf ein Handeln auch, das abseits des gemeinsamen Mittelpunktes erfolgt, sich außerhalb des von der Gesellschaft gebildeten Kreises

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bewegt. Dennoch kann die Gesellschaft gegen dieses Aus-derReihe-Tanzen nicht mit dem Mittel der materiellen Repression einschreiten, da sie ja nicht materiell betroffen ist. Sie steht vor einer Erscheinung, die sie beunruhigt, wenn auch nur als Symptom – kaum als eine Bedrohung, schlimmstenfalls als eine Geste. Also wird sie nur mit einer Geste darauf antworten können. So gesehen, wäre das Lachen eine soziale Geste. Durch die Furcht, die es einflößt, korrigiert es das Ausgefallene; es sorgt dafür, daß gewisse Handlungsweisen, die sich zu isolieren und einzuschläfern drohen, stets bewußt und aufeinander abgestimmt bleiben, kurz, es lockert jede mechanische Steifheit, die an der Oberfläche des sozialen Körpers übriggeblieben sein könnte. Das Lachen hat daher mit reiner Ästhetik nichts zu tun, da es ja (unbewußt und in Einzelfällen sogar auf unmoralische Weise) den nützlichen Zweck einer allgemeinen Vervollkommnung verfolgt. Und doch hat es insofern etwas Ästhetisches an sich, als das Komische genau in dem Augenblick beginnt, da die Gesellschaft und der Einzelne, von der Sorge um ihre Erhaltung befreit, sich selber als Kunstwerke zu behandeln beginnen. Mit anderen Worten: Zieht man einen Kreis um die Handlungen und Verhaltensweisen, die das individuelle oder soziale Leben bedrohen und sich durch ihre natürlichen Folgen selbst bestrafen, so verbleibt außerhalb dieses Gebietes der Leidenschaften und des Kampfs, in einer neutralen Zone, wo der Mensch dem Menschen nur noch als Schauspiel dient, eine gewisse Steifheit des Körpers, des Charakters und des Geistes; und auch diese noch möchte die Gesellschaft ausmerzen, damit ihre Glieder möglichst beweglich und umgänglich seien. Diese Steifheit ist das Komische, und das Lachen ist ihre Strafe. Die Formel ist zu einfach, als daß sie uns die Erklärung für sämtliche komischen Effekte liefern könnte. Sie paßt zweifellos auf elementare, theoretische, ideale Fälle, wo die Komik rein und unvermischt auftritt. Wir werden sie vor allem als Leitmotiv unse-

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rer weiteren Ausführungen benützen. Man wird sich ihrer stets erinnern müssen, ohne ihr allzuviel Gewicht beizumessen – etwa so, wie der gute Fechter an die einzelnen gelernten Bewegungen denkt, während sein Körper sich dem Ablauf des Fechtganges überläßt. Den pausenlosen Ablauf der komischen Erscheinungen werden wir jetzt zu rekonstruieren versuchen, indem wir von neuem den Faden aufnehmen, der von den Grimassen des Clowns bis zu den raffiniertesten Spielen der Komödie führt. Folgen wir diesem Faden auf oft unvorhergesehenen Umwegen, machen wir dann und wann halt, schauen wir uns um und dringen wir schließlich, sofern dies möglich ist, bis zu dem Punkt vor, wo der Faden beginnt und wo uns vielleicht – da ja die Komik irgendwo zwischen Leben und Kunst schwankt – die Beziehung der Kunst zum Leben klar wird.

III. Das Einfachste zuerst. Was ist eine komische Physiognomie? Woher stammt ein lächerlicher Gesichtsausdruck? Und wo ist hier der Unterschied zwischen dem Komischen und dem Häßlichen? Die Frage ist in dieser Form bisher immer nur willkürlich beantwortet worden. So einfach sie klingen mag, sie ist schon zu subtil, als daß man sie frontal in Angriff nehmen könnte. Zuerst müßte man die Häßlichkeit definieren und danach herausfinden, was die Komik dazu beisteuert. Häßlichkeit läßt sich aber nicht viel leichter analysieren als Schönheit. Wir wollen es trotzdem versuchen, und zwar mit einem Kniff, der uns noch oft weiterhelfen wird. Wir werden das Problem gewissermaßen ausweiten, indem wir die Wirkung so stark vergrößern, daß die Ursache sichtbar wird. Betonen wir also die Häßlichkeit, übertreiben wir sie bis zur Mißbildung, und dann wollen wir sehen, wie wir von der Mißbildung zur Lächerlichkeit kommen.

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Unbestreitbar haben gewisse Verunstaltungen vor anderen den traurigen Vorzug, daß sie zum Lachen reizen. Auf Einzelheiten brauchen wir hier nicht einzugehen. Stellen wir uns ganz einfach verschiedene Mißbildungen vor, und teilen wir diese in zwei Gruppen ein: hier jene, welche die Natur in den Bereich des Lächerlichen gerückt hat, dort die anderen, die jeglicher Komik entbehren. Daraus können wir wohl die folgende Regel ableiten: Komisch kann jede Verunstaltung werden, die ein wohlgestalteter Mensch nachzuahmen vermöchte. Demnach würde der Bucklige wie ein Mensch wirken, der sich krumm hält. Sein Rücken hätte eine schlechte Gewohnheit angenommen. Aus Eigensinn, aus Steifheit würde er in dieser Gewohnheit verharren. Betrachten Sie den Fall nur mit den Augen. Denken Sie nicht darüber nach, und ziehen Sie keine Schlüsse! Vergessen Sie, was Sie wissen, und versuchen Sie einen neuen, naiven, unmittelbaren Eindruck zu gewinnen! Sie werden einen Menschen sehen, der sich absichtlich in einer Haltung versteift und seinen Körper gewissermaßen zum Grimassenschneiden zwingt. Zurück zum Punkt, den wir klarstellen wollten. Indem wir die lächerlich anmutende Mißbildung in Gedanken abschwächen, müssen wir zwangsläufig auf die komische Häßlichkeit stoßen. Lächerlich wird also ein Gesichtsausdruck sein, wenn er uns an etwas Verkrampftes erinnert, an etwas im gewöhnlich bewegten Mienenspiel Erstarrtes. Ein chronischer Tick, eine fixierte Grimasse – das ist es, was wir darin sehen werden. Man wird einwenden, das treffe auf jeden typischen Gesichtsausdruck zu, weil er – sei er noch so anmutig oder schön – als feste Angewohnheit wirke. Hier müssen wir aber eine wichtige Unterscheidung machen. Wenn wir von der Schönheit oder sogar von der Häßlichkeit des Ausdrucks sprechen, wenn wir sagen, ein Gesicht sei ausdrucksvoll, dann meinen wir einen Ausdruck, der dauerhaft

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sein kann und dennoch Beweglichkeit vermuten läßt. Es haftet ihm bei aller Beständigkeit eine Unbestimmtheit an, die alle möglichen Nuancen eines Seelenzustandes verschwommen widerspiegelt – so wie sich die warmen Verheißungen des Tages im Duft eines Frühlingsmorgens vorausatmen lassen. Komisch dagegen ist ein Gesichtsausdruck, der nicht mehr verspricht, als was er hält, die einmalige und endgültige Grimasse. So endgültig, als sei das ganze Seelenleben eines Menschen darin zu Stein erstarrt. Komisch ist deshalb ein Gesicht in dem Maß, als es uns an eine einfache, mechanische Handlung erinnert, in die eine Person für immer vertieft wäre. Es gibt Gesichter, die scheinen unaufhörlich mit Weinen beschäftigt zu sein, andere mit Lachen oder mit Pfeifen; wieder andere sehen aus, als bliesen sie ewig in eine Trompete. Das sind die komischsten. Auch hier bestätigt sich die Regel, wonach die Wirkung um so komischer ist, je natürlicher wir ihre Ursache finden. Automatismus, Steifheit, erworbene und beibehaltene Gewohnheit, das sind die Dinge, die uns an einer Physiognomie zum Lachen reizen. Die Wirkung wird aber noch stärker, wenn wir diese Merkmale auf eine tiefere Ursache, eine gewisse fundamentale Zerstreutheit der Person zurückführen können. Wir haben dann das Gefühl, die Seele habe sich von der Stofflichkeit einer simplen Handlung faszinieren und hypnotisieren lassen. Jetzt verstehen wir auch die Komik der Karikatur. Ein Gesicht kann noch so regelmäßig sein, seine Züge mögen noch so harmonisch, seine Bewegungen noch so anmutig wirken, das Gleichgewicht ist nie vollkommen. Immer wieder entdeckt man darin die Spur eines sich ankündigenden Ticks, den Schatten einer möglichen Grimasse, irgendeine besondere Deformation, die das Naturgegebene verzerren wird. Die Kunst der Karikaturisten besteht darin, daß er diese oft kaum wahrnehmbare Bewegung erfaßt und sie allen Augen sichtbar macht, indem er sie überbetont. Er läßt die Personen, die er zeichnet, die Grimassen schneiden,

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die sie schneiden würden, wenn sie ihre schon vorhandene Grimasse jemals zu Ende schnitten. Er spürt unter den oberflächlichen Harmonien der Form den hartnäckigen Widerstand der Materie. Er erblickt Mißverhältnisse und Verzerrungen, die in der Natur schon passiv dagewesen sein müssen, die sich aber nicht weiterentwickeln konnten, weil eine bessere Kraft sie unterdrückte. Seiner Kunst haftet etwas Diabolisches an: Sie läßt den Dämon, den der Engel zerschmettert hatte, wieder auferstehen. Diese Kunst übertreibt, gewiß, und doch wird man ihr nicht gerecht, wenn man ihr die Übertreibung als Zweck unterstellt. Denn es gibt Karikaturen, die dem Modell ähnlicher sind als Porträts, Karikaturen, denen man die Übertreibung kaum ansieht; andere können maßlos übertreiben, ohne eine wirklich karikaturhafte Wirkung zu erzielen. Soll die Übertreibung komisch sein, so darf sie nicht als Zweck erscheinen. Wir dürfen in ihr nur ein Mittel sehen, uns Verzerrungen vor Augen zu führen, die der Künstler in der Natur sich abzeichnen sieht. Auf die Verzerrung kommt es an, sie ist das, was uns interessiert. Deshalb werden wir sie sogar in Gesichtsteilen suchen, die keiner Bewegung fähig sind, im Bogen einer Nase, ja selbst in der Form eines Ohrs. Denn Form ist für uns die Linie einer Bewegung. Wenn der Karikaturist die Größe einer Nase verändert, aber ihren »Grundriß« unangetastet läßt, wenn er sie zum Beispiel in dem Sinn verlängert, wie schon die Natur sie verlängert hat, dann schneidet diese Nase tatsächlich Grimassen: dann haben wir das Gefühl, auch das Original habe sich verlängern und Grimassen schneiden wollen. Das meinen wir, wenn wir sagen, die Natur sei oft selbst und mit Erfolg ein Karikaturist. Durch die Bewegung, mit welcher sie einen Mund gespalten, ein Kinn zurückversetzt, eine Wange aufgebläht hat, scheint es ihr geglückt zu sein, die mildernde Kontrolle einer vernünftigeren Kraft zu umgehen und ihre Grimasse zu Ende zu führen. In diesem Fall lachen wir über ein Gesicht, das im Grunde seine eigene Karikatur ist.

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Am Ende hat unsere Phantasie, auf welche Doktrin unser Verstand auch immer schwören mag, ihre ganz bestimmte Philosophie. Sie sieht in jeder menschlichen Form das Werk einer die Materie formenden Seele, einer unendlich beweglichen, ewig regen Seele, die der Schwerkraft entronnen ist, weil die Erde sie nicht anzieht. Etwas von dieser beschwingten Schwerelosigkeit vermittelt sie dem Körper, den sie belebt. Das Unstoffliche, das auf diese Weise in Stoff übergeht, nennen wir Anmut. Aber der Stoff widersteht und beharrt. Er möchte das immer wache Wirken dieses höheren Prinzips an sich ziehen, zur eigenen Trägheit bekehren und zum Automatismus verkümmern lassen. Er möchte die sinnvoll abgestuften Bewegungen des Körpers zu sinnlos erworbenen mechanischen Gesten versteinern, das bewegliche Mienenspiel zur dauerhaften Grimasse erstarren lassen, ja der ganzen Person die Haltung eines Menschen aufzwingen, der in der Stofflichkeit mechanischen Tuns völlig aufgegangen zu sein scheint, anstatt daß er sich unter dem Einfluß eines lebendigen Ideals fortwährend erneuert. Wo es dem Stoff gelingt, das Leben der Seele nach außen zu verdicken, seinen Rhythmus zu lähmen, gewinnt er dem Körper eine komische Wirkung ab. Wollten wir also das Komische im Vergleich mit seinem Gegenteil definieren, so müßten wir es nicht der Schönheit, wohl aber der Anmut gegenüberstellen. Das Komische ist eher steif als häßlich.

IV. Gehen wir jetzt von der Komik der Formen zur Komik der Gebärden und Bewegungen über. Als erstes zitieren wir das Gesetz, das nach unserer Ansicht die entsprechenden Fälle beherrscht. Es läßt sich mühelos aus den bisherigen Überlegungen ableiten. Komisch sind die Haltungen, Gebärden und Bewegungen des mensch-

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lichen Körpers genau in dem Maß, wie uns dieser Körper an einen gewöhnlichen Mechanismus erinnert. Wir möchten diese Regel nicht bis in ihre einzelnen unmittelbaren Anwendungen verfolgen. Ihre Zahl ist endlos. Um uns die Gültigkeit des Gesetzes direkt bestätigen zu lassen, brauchen wir uns nur in das Werk der humoristischen Zeichner zu vertiefen. Dabei können wir die Karikatur beiseitelassen; wir haben sie ja schon untersucht. Wir werden auch jede Komik, die keinen integrierenden Bestandteil der Zeichnung bildet, als nebensächlich betrachten. Denn täuschen wir uns nicht: Die Komik einer Zeichnung wird zur Hauptsache von der Literatur bestritten, und der Zeichner borgt sie sich nur aus. Zwar kann der Zeichner auch als satirischer Autor oder als Schwankdichter auftreten, dann aber lachen wir viel weniger über die Zeichnungen selbst als über die dargestellte Satire oder Lustspielszene. Konzentrieren wir uns dagegen auf die Zeichnung mit dem festen Vorsatz, nur an die Zeichnung zu denken, so werden wir wahrscheinlich feststellen, daß die Komik einer Zeichnung meist im Verhältnis zur Deutlichkeit und auch zur Diskretion steht, mit welcher uns ein Mensch als Hampelmann vorgestellt wird. Die Suggestion muß deutlich sein; wir müssen im Innern dieses Menschen so klar wie durch Glas einen zerlegbaren Mechanismus erkennen. Die Suggestion muß aber auch diskret sein, und die Person, deren Glieder zu ebenso vielen mechanischen Bestandteilen versteift wurden, muß uns als Ganzes weiterhin den Eindruck eines lebenden Wesens vermitteln. Je exakter beide Vorstellungen – Mensch und Mechanismus – ineinander greifen, um so erschütternder ist die komische Wirkung, um so vollendeter die Kunst des Zeichners. Und an der besonderen Art von Leben, die der Zeichner einem Hampelmann verleiht, läßt sich seine Originalität messen.

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So viel über die unmittelbaren Anwendungen unseres Prinzips. Befassen wir uns nun mit seinen ferneren Auswirkungen. Das Bild von einer im Innern des Menschen funktionierenden Mechanik steckt hinter einer Unmenge von amüsanten Effekten; aber meist ist es eine ungreifbare Vision und verflüchtigt sich im Lachen, das es auslöst. Nur wenn wir es gründlich analysieren, läßt es sich festhalten. Betrachten wir zum Beispiel die Gebärden eines Redners. Sie wetteifern mit seinen Worten. Die Gebärde ist eifersüchtig auf das Wort, deshalb läuft sie hinter dem Gedanken her. Auch sie will den Gedanken übersetzen dürfen. Soll sie, dann aber muß sie sich die Mühe nehmen, dem Gedanken auf allen seinen Wegen zu folgen. Ein Gedanke ist etwas, das im Lauf einer Rede wächst, das Knospen treibt, blüht und reift. Nie bricht er ab, nie wiederholt er sich. Jeden Augenblick muß er sich ändern, denn sich nicht mehr ändern heißt nicht mehr leben. Ebenso lebendig sei daher die Gebärde! Sie gehorche der Grundregel des Lebens und wiederhole sich nie! Doch was geschieht stattdessen? Jene Bewegung des Arms oder des Kopfes, immer dieselbe, kehrt sie nicht regelmäßig wieder? Falls ich dies als Zuhörer bemerke, falls es genügt, um mich abzulenken, falls ich unwillkürlich auf die Bewegung warte, und sie kommt, wenn ich sie erwarte – dann muß ich wider Willen lachen. Weshalb? Weil ich jetzt einen Mechanismus vor mir sehe, der automatisch arbeitet. Das ist nicht mehr Leben, das ist ein ins Leben eingebauter und das Leben imitierender Automatismus. Es ist Komik. Deshalb werden Gebärden, über die zu lachen uns nicht eingefallen wäre, lächerlich, sobald eine andere Person sie nachahmt. Man hat für dieses sehr einfache Phänomen sehr komplizierte Erklärungen gesucht. Aber denken wir auch nur ein wenig darüber nach, so wird uns klar, daß unsere seelischen Zustände von einem Augenblick zum anderen wechseln und daß unsere Gesten,

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folgten sie getreulich unseren inneren Regungen, lebten sie so, wie wir leben, sich nie wiederholen würden: sie ließen keinerlei Nachahmung zu. Eine Imitation unserer Gebärden kann also erst dort beginnen, wo wir aufhören, wir selber zu sein. Ich meine damit, daß man nur das nachahmen kann, was an unserer Gestik monoton, mechanisch und folglich unserer lebendigen Persönlichkeit fremd ist. Jemand nachahmen heißt den Teil Automatismus, der sich in ihm festgesetzt hat, von seiner Person abtrennen. Und das heißt nichts anderes, als daß man ihn lächerlich macht. Es ist das, was uns an der Imitation belustigt. Wenn nun aber die Nachahmung von Gebärden an sich komisch ist, wie viel komischer wird sie erst, wenn sie sich darauf verlegt, die Gebärden, ohne sie zu verzerren, irgendeiner Handlung anzupassen, die so mechanisch ist wie Holzsägen, auf einen Amboß schlagen oder unermüdlich an einem nicht vorhandenen Glokkenstrang ziehen. Eine solche Imitation ist komisch, nicht etwa weil Vulgarität das Wesen der Komik ausmachte (wiewohl sie zweifellos eine Rolle spielt), vielmehr weil die imitierte Gebärde noch viel mechanischer wirkt, wenn man sie mit einer einfachen Handlung in Zusammenhang bringen kann. Das Mechanische erscheint uns dann wie vorbestimmt. Diesen Eindruck zu vermitteln muß einer der beliebtesten Tricks der Parodie sein. Wir sind a priori darauf gestoßen. Die Clowns haben es vermutlich schon längst gespürt. So läßt sich auch das kleine Rätsel lösen, das uns Pascal in seinen Pensées aufgibt: »Zwei gleiche Gesichter, von denen jedes allein keinerlei Gelächter erregt, reizen, nebeneinander gesehen, wegen ihrer Ähnlichkeit zum Lachen.« Man könnte auch sagen: »Die Gebärden eines Redners, die einzeln keineswegs lächerlich sind, wirken lächerlich durch ihre Wiederholung.« Das wahrhaft lebendige Leben darf sich nie wiederholen. Wo eine Wiederholung

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stattfindet, wo es eine vollständige Gleichheit gibt, da vermuten wir immer einen hinter dem Lebendigen tätigen Mechanismus. Analysieren Sie Ihre Empfindung vor zwei ganz ähnlichen Gesichtern: Sie werden an zwei Abgüsse der gleichen Form denken oder an zwei Abdrücke des gleichen Siegels oder an zwei Abzüge des gleichen Klischees, kurz, an ein industrielles Herstellungsverfahren. Hier ist Leben in die Richtung des Mechanischen umgebogen worden, und das ist der wahre Grund Ihres Gelächters. Noch stärker wird unser Gelächter, wenn uns auf der Bühne nicht nur zwei Personen gezeigt werden, sondern mehrere, ja möglichst viele, und alle sehen einander ähnlich, sie kommen, gehen, tanzen, bewegen sich miteinander, sie nehmen gleichzeitig die gleiche Haltung ein, gestikulieren auf die gleiche Weise. Wir denken sogleich an Marionetten. Unsichtbare Fäden scheinen die Arme mit den Armen, die Beine mit den Beinen, jeden Muskel in einem Gesicht mit dem entsprechenden Muskel im anderen zu verbinden, und diese Fäden sind so straff gespannt, daß die weichen Formen vor unseren Augen erstarren und alles sich zum Mechanismus verhärtet. Darin besteht der Trick dieser etwas plumpen Belustigung. Vielleicht haben die, die ihn anwenden, Pascal nie gelesen; sicher aber führen sie eine Idee zu Ende, die Pascal zu Papier gebracht hat. Und wenn es stimmt, daß die Ursache des Lachens im zweiten Fall eine Vorstellung von einem mechanischen Vorgang ist, so mußte sie es, wenn auch weniger handgreiflich, schon im ersten Fall sein. Sie sehen, es zeichnen sich, wenn auch zunächst undeutlich, immer weitgreifendere, immer bedeutsamere Auswirkungen unserer Regel ab. Wir ahnen noch flüchtigere Eindrücke von mechanischen Effekten, Eindrücke, die uns die verschiedenartigen Handlungen des Menschen und nicht mehr nur seine Gebärden vermitteln. Wir spüren, daß die üblichen Kniffe eines Lustspiels,

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die regelmäßige Wiederholung eines Wortes oder einer Szene, das symmetrische Vertauschen der Rollen, die geometrische Entwicklung des Quiproquo und noch manche andere Spielerei ihre komische Wirkung aus der gleichen Quelle beziehen. Denn die ganze Kunst des Lustspieldichters ist vielleicht nur darauf angelegt, uns ein ausgesprochen mechanisches Gefüge menschlicher Handlungen vor Augen zu führen, die nach außen ihren wirklichkeitsnahen Charakter, das heißt die offenkundige Beweglichkeit des Lebens beibehalten haben. Doch greifen wir nicht vor.

V. Bevor wir weitergehen, wollen wir uns einen Moment ausruhen und uns umschauen. Wir haben von Anfang an durchblicken lassen, daß es ein eitles Unterfangen wäre, alle komischen Wirkungen auf eine einzige simple Formel bringen zu wollen. Freilich gibt es diese Formel; sie läßt sich aber nicht einfach abspulen. Anders gesagt, die Deduktion muß da und dort vor besonders starken Effekten haltmachen, weil jeder einzelne ein Modell darstellt, um das sich neue, ähnliche Effekte gruppieren. Diese Effekte können nicht von der Formel abgeleitet werden, sie sind nur komisch wegen ihrer Verwandtschaft mit denen, die sich ableiten lassen. Damit kommen wir zum Rollwagen, wie der Geometer Pascal die gebogene Linie genannt hat, auf der sich der Geist bewegt. Der Bogen wird von einem Punkt innerhalb der Kreislinie eines Rades beschrieben, wenn der Wagen geradeaus fährt. Der Punkt dreht sich wie das Rad und bewegt sich zugleich vorwärts wie der Wagen. Wir können uns auch einen breiten Waldweg vorstellen, der dann und wann von Kreuzungen und sternförmig angelegten Seitenstraßen unterbrochen wird. Man macht an jedem Kreuzgang halt, schleicht rund um den Platz, folgt ein Stück weit den Seitenstraßen, kehrt dann wieder um und geht in der ursprünglichen

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Richtung weiter. Bei einer dieser Kreuzungen sind wir jetzt angelangt. Wir stehen an dem Punkt, wo etwas Lebendiges von etwas Mechanischem überdeckt wird. Von diesem zentralen Bild schweift unsere Phantasie in verschiedene Richtungen ab. Wohin? Wir sehen drei Hauptwege und werden jedem einzelnen ein Stück weit folgen, ehe wir auf unserer breiten Avenue weiterwandern. 1. – Wir sehen also, wie das Mechanische und das Lebendige ineinandergreifen. Von diesem deutlichen Eindruck schweifen wir ab zu dem noch verschwommenen Bild von irgendeiner Steifheit, die den Rhythmus des Lebens überlagert. Wir sehen zu, wie sie dessen geschmeidige Bewegungen und Linien hölzern nachzuahmen versucht. Und wir verstehen mit einemmal, weshalb ein Kleidungsstück so leicht lächerlich wirken kann. Ja, man könnte fast sagen, jede Mode habe irgendwo etwas Lächerliches an sich. Das gilt auch für die jeweils herrschende Mode, nur haben wir uns so sehr an sie gewöhnt, daß wir ein Kleidungsstück und seinen Träger als eins empfinden. Unsere Phantasie kann das eine nicht vom anderen trennen. Wir denken gar nicht mehr daran, die leblose Steifheit der Hülle der lebendigen Beweglichkeit des verhüllten Objekts gegenüberzustellen. Das Komische bleibt hier latent. Es bricht erst dort durch, wo die natürliche Unvereinbarkeit zwischen dem Umhüllenden und dem Umhüllten so groß ist, daß selbst ein hundertjähriges Beisammensein ihre Ehe nicht festigen könnte. Stellen Sie sich dagegen ein Original vor, das sich heute nach der Mode von gestern kleidet. Unsere Aufmerksamkeit wird sogleich auf das Kostüm gelenkt; wir sehen es vollständig losgelöst von der Person; wir sagen, die Person verkleide sich (als ob nicht jede Kleidung auch Verkleidung wäre), und das Lächerliche an der Mode wird sogleich offenkundig. Jetzt beginnen wir zu begreifen, wie schwierig es ist, das Problem der Komik in allen seinen Einzelheiten zu erfassen. Manche irr-

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tümliche oder unzulängliche Theorie des Lachens fußt vermutlich auf der Tatsache, daß viele Dinge de jure komisch sind, ohne de facto komisch zu sein, weil ihre Komik durch die Macht der Gewohnheit abgestumpft worden ist. Die Macht der Gewohnheit oder der Mode muß gebrochen werden, damit die Komik sich neu entfalten kann. Daraus folgern nun die einen, daß es dieser Bruch ist, der die Komik erzeugt; dabei läßt er sie nur sichtbar werden. Andere sagen, das Lachen sei eine Folge der Überraschung, eine Reaktion auf den Kontrast usw.; dabei ließen sich diese Definitionen auf ungezählte andere Fälle anwenden, in denen wir nicht die geringste Lust zu lachen verspüren. So einfach ist die Wahrheit nicht. Wir sind also bei der Idee der Verkleidung angekommen. Sie besitzt die angestammte Fähigkeit, Gelächter zu erregen. Es dürfte nicht unnütz sein, zu untersuchen, auf welche Weise sie davon Gebrauch macht. Weshalb lachen wir über einen Haarschopf, der von Braun zu Blond gewechselt hat? Was ist an einer roten Nase komisch? Warum lacht man über einen Neger? Das scheinen knifflige Fragen zu sein, da sogar Psychologen wie Hecker, Kraepelin, Lipps sie nacheinander aufgeworfen und unterschiedlich beantwortet haben. Und doch bin ich nicht sicher, ob ich nicht eines Tages auf der Straße die richtige Antwort zu hören bekam, als ein Kutscher seinen schwarzhäutigen Kunden »ungewaschen« nannte. Ungewaschen! Ein schwarzes Gesicht wäre also für unsere Phantasie ein mit Tinte oder Ruß beschmiertes Gesicht. Und folglich kann auch eine rote Nase nur eine Nase sein, die man mit Zinnoberfarbe bemalt hat. Die Komik der Verkleidung greift demnach auf Fälle über, wo jemand nicht mehr verkleidet ist, aber verkleidet sein könnte. Vom gewohnten Kleidungsstück sagten wir, es könne sich noch so sehr von der Person unterscheiden, in unseren Augen scheine es dennoch mit der Person verwachsen zu sein, weil wir

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uns an seinen Anblick gewöhnt haben. Eine schwarze oder rote Farbe dagegen kann noch so sehr zur Hautbeschaffenheit gehören, wir halten sie dennoch für künstlich, weil sie uns überrascht. An diesem Punkt tauchen für die Theorie der Komik neue Schwierigkeiten auf. Der Satz: »Mein Alltagskleid ist ein Bestandteil meines Körpers« klingt für die Vernunft absurd. Die Phantasie hält ihn trotzdem für wahr. »Eine rote Nase ist eine bemalte Nase«, »Ein Neger ist ein verkleideter Weißer« – ebenfalls lauter Absurditäten für den logisch arbeitenden Verstand und felsenfeste Wahrheiten für die reine Phantasie. Es gibt demnach eine Logik der Phantasie, die mit der Logik des Verstandes nichts gemein hat, ja die bisweilen deren Gegenteil bedeutet. Dennoch muß die Philosophie mit ihr rechnen, und zwar nicht nur bei der Erforschung des Komischen, sondern bei anderen gleichartigen Untersuchungen. Sie hat etwas von der Logik des Traums – eines Traums allerdings, der nicht der Laune der individuellen Phantasie überlassen bleibt, da er ein von der gesamten Gesellschaft geträumter Traum ist. Um diese Logik zu erfassen, bedarf es einer besonderen Anstrengung. Man muß die äußere Kruste, die dichten Schichten von Vorurteilen und festen Vorstellungen abkratzen, um auf dem Grund des Ich gleich einem unterirdischen See eine fließende Folge von ineinandergreifenden Bildern zu erkennen. Dieses Ineinandergreifen geschieht nicht zufällig. Es gehorcht Gesetzen oder vielmehr Gewohnheiten, die für die Phantasie das bedeuten, was die Logik für den Verstand. Folgen wir der Logik der Phantasie in dem Fall, der uns beschäftigt. Ein Mensch, der sich verkleidet, ist komisch. Ein Mensch, den man für verkleidet halten könnte, ist auch komisch. Wenn wir den Begriff weiter fassen, so wird jede Verkleidung komisch, ob wir sie am Menschen, in der Gesellschaft oder sogar in der Natur bemerken.

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Beginnen wir mit der Natur. Wir lachen über einen halbgeschorenen Hund, über ein Beet voll künstlich gefärbter Blumen, über einen Wald, wo die Bäume mit Wahlplakaten tapeziert sind. Warum? Weil wir an eine Maskerade denken. Aber die Komik ist hier schon sehr gedämpft. Sie ist zu weit von ihrer Quelle entfernt. Soll sie stärker wirken, so müssen wir sie bis zur Quelle zurückverfolgen, das abgeleitete Bild, die Maskerade, zum ursprünglichen Bild zurückführen, das bekanntlich durch ein mechanisches Vortäuschen von echtem Leben erzeugt wurde. Die Natur als Opfer eines mechanischen Schwindels – das ergibt dann ein wirklich komisches Motiv. Die Phantasie wird es nach Belieben abwandeln und jedesmal mit einem sicheren Lacherfolg rechnen können. Ein Beispiel finden wir in Tartarin sur les Alpes: Bompard suggeriert Tartarin (ein wenig auch dem Leser) das Bild einer Schweiz, die wie eine Theatermaschinerie funktioniert und deren Wasserfälle, Gletscher und falsche Gletscherspalten von einer Aktiengesellschaft betrieben werden. Das gleiche Motiv, wenn auch in anderer Tonart, taucht in den Novel Notes des Humoristen Jerome K. Jerome auf: Eine alte Schloßherrin will sich ihre guten Werke möglichst leicht machen; sie läßt daher brave Leute, die man eigens für sie als Atheisten und Trunkenbolde präpariert hat, in ihrer nächsten Nähe unterbringen, damit sie sie bequem bekehren und von ihrem Laster heilen kann. Es gibt auch Anekdoten, wo dieses Motiv als ferne Resonanz, begleitet von echter oder gespielter Naivität, mitschwingt. Der Astronom Cassini hat eine Dame eingeladen, eine Mondfinsternis zu beobachten. Die Dame kommt zu spät. »Herr von Cassini wird mir zuliebe sicher noch einmal anfangen«, meint sie unschuldsvoll. Ein anderes Beispiel finden wir bei Gondinet: Ein Mann kommt in eine Stadt, erfährt, daß es in der Nähe einen erloschenen Vulkan gibt und ruft: »Sie hatten hier einen Vulkan und haben ihn ausgehen lassen!«

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Und nun zur Gesellschaft. Da wir in ihr und durch sie leben, können wir sie nicht anders denn als lebendes Wesen behandeln. Komisch ist folglich ein Bild, wenn es uns an eine verkleidete Gesellschaft, eine soziale Maskerade denken läßt. Ein solches Bild entsteht, sobald wir an der bewegten Oberfläche der Gesellschaft etwas Lebloses, Fixfertiges, Fabriziertes bemerken. Wieder diese Steifheit, die so gar nicht zu der dem Leben innewohnenden geschmeidigen Grazie paßt. Im formellen Teil des Gesellschaftslebens muß demnach eine latente Komik stecken, die nur auf eine Gelegenheit zum Ausbruch wartet. Man kann sagen, das Zeremoniell sei für das soziale Gefüge, was das Kleid für den individuellen Körper: Es wirkt feierlich, solange es sich mit dem ernsthaften Zweck, dem es nach überliefertem Brauch zu dienen hat, zu identifizieren scheint; es verliert seine Feierlichkeit in dem Augenblick, da unsere Phantasie es von diesem Zweck trennt. Damit eine Zeremonie komisch werde, muß sich also unsere Aufmerksamkeit nur auf das richten, was zeremoniös an ihr ist. Wir sollen nicht an ihre Materie, wie die Philosophen sagen, sondern nur an ihre Form denken. Doch wozu noch lange Worte? Jedermann weiß, wie schnell eine öffentliche Handlung – von der bescheidenen Preisverteilung bis zur Gerichtssitzung – innerhalb ihrer festgelegten Formen komisch werden kann. Alle diese Formen und Formeln sind ebenso viele fertige Rahmen für die Komik. Auch hier steigert sich die Komik, je mehr sie sich ihrer Quelle nähert. Wir müssen von der abgeleiteten zur ursprünglichen Vorstellung, von der Maskerade zum Mechanismus zurückkehren. Ein solches Bild vermittelt uns schon allein die abgezirkelte Form jedes Zeremoniells. Vom Augenblick an, da wir den ernsten Sinn einer Feierlichkeit oder Zeremonie vergessen, haben wir den Eindruck, die Teilnehmer bewegen sich wie Marionetten. Ihre Beweglichkeit ist auf die Unbeweglichkeit einer Formel abgestimmt. Es

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ist Automatismus. Vollkommen aber ist der Automatismus eines Beamten, der wie eine Maschine funktioniert, oder die Seelenlosigkeit eines Verwaltungsreglements, das mit unerbittlichem Zwang angewendet wird und das sich für ein Naturgesetz hält. Vor einigen Jahren ging ein großer Postdampfer bei Dieppe unter. Einige Passagiere retteten sich mit letzter Not in ein Boot. Die Zollbeamten, die ihnen mutig zu Hilfe geeilt waren, fragten sie als erstes, ob sie nichts zu verzollen hätten … Ähnlich, wenn auch subtiler, wirkt auf mich der Satz eines Abgeordneten, der nach einem in der Eisenbahn begangenen Verbrechen beim Minister interpellierte: »Nachdem der Mörder sein Opfer umgebracht hatte, muß er entgegen den geltenden Vorschriften rückwärts vom Zug abgesprungen sein.« Ein in die Natur eingelassener Mechanismus, eine automatische Regulierung der Gesellschaft, das sind im Grunde die beiden Arten von belustigenden Wirkungen, die uns verbleiben. Wir brauchen sie nur noch miteinander zu verbinden und zu sehen, was daraus entsteht. Was daraus entsteht, ist natürlich das schon bekannte Bild: Ein Reglement tritt an die Stelle der Naturgesetze. Was sagt Sganarelle, nachdem Géronte ihm erklärt hat, das Herz befinde sich links und die Leber rechts? »Ja, das war früher so, aber wir haben alles geändert und üben jetzt die Medizin nach einer ganz neuen Methode aus.« Man denke auch an das Gespräch der beiden Ärzte über Monsieur de Pourceaugnac: »Der Schluß, den Sie aus diesem Fall gezogen haben, ist so gelehrt und so schön, daß der Kranke unmöglich kein hypochondrischer Melancholiker sein kann; und wäre er es nicht, er müßte es werden um der schönen Dinge willen, die Sie gesagt, und um der Richtigkeit des Schlusses willen, den Sie gezogen haben.« Die Beispiele ließen sich vermehren. Wir brauchten nur sämtliche Ärzte bei Molière Revue

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passieren zu lassen. So weit hier übrigens die komische Phantasie zu gehen scheint, die Wirklichkeit bringt es bisweilen fertig, sie zu übertreffen. Einem zeitgenössischen, äußerst streitbaren Philosophen wurde vorgehalten, seine makellos gezogenen Schlüsse hätten die Erfahrung gegen sich, worauf er die Diskussion kurzerhand mit dem Satz beendete: »Die Erfahrung hat unrecht.« Die Idee, daß man das Leben durch Vorschriften regeln könne, ist weiter verbreitet, als man denkt. Sie ist in ihrer Art natürlich, wiewohl wir sie zuvor künstlich zerlegt und wieder zusammengesetzt haben. Sie liefert uns gewissermaßen die Quintessenz der Pedanterie, und diese ist im Grunde nichts anderes als Kunst, die klüger sein will als die Natur. So verfeinert sich der gleiche Effekt immer mehr – vom Eindruck einer künstlichen Mechanisierung des menschlichen Körpers bis zur Vorstellung von einer Verdrängung des Natürlichen durch das Künstliche. Eine immer weniger eng gefaßte Logik, die immer mehr der Logik der Träume gleicht, legt dieselbe Beziehung in immer höhere Sphären, zwischen immer geistigere Begriffe, so daß eine amtliche Vorschrift zu einem Natur- oder Moralgesetz in derselben Relation steht wie der Konfektionsanzug zum lebenden Körper. Von den drei Richtungen, die wir einschlagen sollten, haben wir nun die erste bis ans Ende verfolgt. Nehmen wir uns die zweite vor und warten wir ab, wohin sie uns führen wird. 2. – Etwas Mechanisches überdeckt etwas Lebendiges: das ist wieder unser Ausgangspunkt. Was war doch gleich so komisch daran? Daß der lebende Körper zur Maschine erstarrte. Für uns mußte der lebende Körper also die vollendete Beweglichkeit sein, das immer wache Wirken eines unermüdlich arbeitenden Prinzips. Dieses Wirken gehörte jedoch eher in den seelischen als in den körperlichen Bereich. Es wäre die eigentliche Flamme des Lebens, die ein höheres Prinzip in uns entzündet und mittels

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eines transparenten Effekts sichtbar gemacht hätte. Wir sehen im lebenden Körper nur Anmut und Beweglichkeit, solange wir das übersehen, was an ihm schwerfällig, widerspenstig, stofflich ist; wir vergessen seine Stofflichkeit und denken nur an seine Lebendigkeit, und diese Lebendigkeit schreibt unsere Phantasie dem eigentlichen Prinzip des intellektuellen und seelischen Lebens zu. Aber angenommen, man lenke unsere Aufmerksamkeit auf die Stofflichkeit des Körpers. Angenommen, der Körper sei – im Gegensatz zu dem Prinzip, das ihn belebt – nur noch eine schwere, unhandliche Hülle, lästiger Ballast, der eine ungeduldig nach oben drängende Seele am Erdboden festhält. Dann wird der Körper für die Seele das, was das Kleid für den Körper war: unbeweglicher Stoff, den man einer lebendigen Kraft aufgepfropft hat. Und der Eindruck des Komischen wird sich einstellen, sobald wir dieses Aufgepfropftsein deutlich als solches empfinden. Wir werden es vor allem dann empfinden, wenn man uns eine von körperlichen Bedürfnissen geplagte Seele zeigt – hier die geistige Persönlichkeit mit ihrer klug variierten Kraft, dort der dämlichmonotone Körper, der mit maschinenhafter Beharrlichkeit dazwischenfunkt und unterbricht. Je kleinlicher diese Forderungen des Körpers sind und je eintöniger sie sich wiederholen, um so komischer wird die Wirkung sein. Da kommt es nur auf den Grad an. Das allgemein gültige Gesetz dieser Erscheinungen läßt sich wie folgt formulieren: Komisch ist jedes Geschehnis, das unsere Aufmerksamkeit auf das Äußere einer Person lenkt, während es sich um ihr Inneres handelt. Weshalb lachen wir über einen Redner, wenn er im pathetischsten Moment niest? Was finden wir komisch an dem von einem deutschen Philosophen zitierten Satz aus einer Leichenpredigt: »Er war tugendhaft und ganz rund«? In beiden Fällen wird unsere Aufmerksamkeit plötzlich vom Seelischen abgelenkt und auf das Körperliche verwiesen. Der Alltag liefert uns unzählige andere

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Beispiele, doch wer die Mühe scheut, nach ihnen zu suchen, der schlage nur aufs Geratewohl einen Band Labiche auf; er wird immer wieder auf Effekte dieser Art stoßen. Einmal ist es ein Redner, der mitten im schönsten Satz jäh abbricht, weil er Zahnschmerzen hat. Ein andermal ist es jemand, der nie das Wort ergreifen kann, ohne sogleich zu jammern, seine Schuhe drückten ihn oder der Gürtel sei ihm zu eng. In allen diesen Beispielen wird uns das Bild einer Person suggeriert, die von ihrem Körper geplagt wird. Ein auffallend dicker Bauch reizt wohl deshalb zum Lachen, weil er genau als das erscheint, was er ist. Daran liegt es auch, daß die Schüchternheit bisweilen lächerlich wirkt. Der Schüchterne kann den Eindruck eines Menschen erwecken, dem der Körper lästig ist und der sich nach einem Ort umsieht, wo er ihn deponieren könnte. Aus diesem Grund bemüht sich der Tragödiendichter, alles zu vermeiden, was unsere Aufmerksamkeit auf die Stofflichkeit seiner Helden lenken könnte. Sobald man sich mit dem Körper beschäftigt, ist eine Infiltration der Komik zu befürchten. Deshalb sollen die Helden einer Tragödie weder trinken noch essen noch sich wärmen, ja sich womöglich nicht einmal setzen. Sich mitten in einer Tirade hinsetzen hieße sich erinnern, daß man einen Körper hat. Napoleon, der sich manchmal als ein guter Psychologe entpuppte, wußte genau, daß das Sichhinsetzen eine Tragödie in eine Komödie verwandeln kann. Im Journal inédit des Barons Gourgaud berichtet er von einem Gespräch, das er nach der Schlacht von Jena mit der Königin von Preußen führte: »Sie empfing mich in tragischem Ton wie Chimène: Sire, Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! Magdeburg! In diesem Ton, der mir sehr peinlich war, ging es weiter. Um sie abzulenken, bat ich sie, sich zu setzen. Denn nichts beendet eine tragische Szene schneller. Wenn man sitzt, wird daraus eine Komödie.«

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Wir sehen also einen Körper, der sich auf Kosten der Seele breitmacht. Spannen wir den Rahmen dieses Bildes weiter, so wird die Vorstellung allgemeiner: Die Form will über den Inhalt triumphieren, der Buchstabe wetteifert mit dem Geist. Ist es nicht das, was uns die Komödie zu suggerieren versucht, wenn sie einen bestimmten Beruf verspottet? Sie läßt den Anwalt, den Richter, den Arzt sprechen, als seien Gesundheit und Gerechtigkeit eine Bagatelle, als käme es nur darauf an, daß es überhaupt Ärzte, Anwälte, Richter gibt und daß die äußeren Formen des Berufs bis ins kleinste gewahrt bleiben. So ersetzt das Mittel den Zweck, die Form den Gehalt. Der Beruf ist nicht länger für das Publikum da, das Publikum ist vielmehr für den Beruf gemacht. Die ständige Beschäftigung mit der Form, die mechanische Anwendung der Regeln erzeugen hier eine Art von beruflichem Automatismus, ähnlich dem, den die Gewohnheiten des Körpers der Seele aufzwingen, und ebenso lächerlich. Im Theater wimmelt es von solchen Beispielen. Ohne auf die einzelnen Variationen über dieses Thema einzugehen, möchten wir ein paar Texte zitieren, in denen das Thema selbst schlicht und treffend definiert wird: »Behandeln soll man die Leute nur den Formen gemäß«, sagt Diafoirus in Malade imaginaire. Und Bahis in Amour médecin: »Lieber nach den Regeln sterben als regelwidrig mit dem Leben davonkommen.« »Man soll stets die Form wahren, was immer auch geschehen mag«, sagt Desfonandrès in derselben Komödie. Sein Kollege Tomès begründet das mit den Worten: »Ein toter Mann ist nur ein toter Mann, aber eine vernachlässigte Formalität fügt der ganzen Ärzteschaft gewichtigen Schaden zu.« Nicht minder bedeutsam ist der Ausspruch von Brid’oison, wenngleich er einem anderen Gedankengang entspringt: »Di-ie Form, sehen Sie, di-ie Form. Der gleiche Mann, der über einen Richter im Straßenanzug lacht, zittert schon beim Anblick eines Staatsanwalts im Talar. Di-ie Form, di-ie Form.«

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Hier zeigt sich die erste Anwendung eines Gesetzes, das immer deutlicher zutage tritt, je weiter wir in unserer Arbeit fortschreiten. Wenn der Musiker auf einem Instrument eine Note anschlägt, dann ertönen von selbst andere Noten, weniger klangvoll als die erste, jedoch mittels bestimmter Beziehungen mit dieser verbunden und ihr ihren Ton aufzwingend, indem sie sich ihr überordnen. Es sind, wie man in der Physik sagt, die Obertöne des Grundtons. Wäre es nicht denkbar, daß die komische Phantasie noch bis in ihre ausgelassensten Erfindungen einem ähnlichen Gesetz gehorcht? Form, die über den Inhalt triumphieren will: die (komische) Grundnote. Wenn unsere Untersuchungen stimmen, so muß sie folgenden Oberton haben: ein Körper, der den Geist plagt, ein Körper, der sich auf Kosten des Geistes breitmacht. Sobald der Lustspieldichter die erste Note anschlägt, setzt er ihr instinktiv und unbewußt die zweite auf. Anders gesagt, er macht mit Hilfe einer physischen Lächerlichkeit die berufliche Lächerlichkeit doppelt lächerlich. Bereitet uns der Richter Brid’oison, wenn er stotternd die Bühne betritt, nicht mit eben diesem Stottern darauf vor, daß wir das später dargestellte Phänomen der intellektuellen »Versteinerung« als solches erfassen können? Welch heimliche Verwandtschaft mag zwischen dem körperlichen Defekt und der seelischen Schrumpfung bestehen? Vielleicht ist es notwendig, daß wir diese »Richtmaschine« gleichzeitig als »Sprechmaschine« empfinden? Jedenfalls könnte kein anderer Oberton den Grundton besser ergänzen. Wenn Molière die beiden lächerlichen Ärzte aus Amour médecin, Bahis und Macroton, auf die Bühne stellt, so läßt er den einen sehr langsam sprechen und Silbe um Silbe betonen, während der andere stammelt. Derselbe Kontrast zwischen den beiden Advokaten des Monsieur de Pourceaugnac. Die körperliche Eigenheit, welche die berufliche Lächerlichkeit ergänzen soll, findet sich

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meist im Rhythmus des Sprechens. Und es geschieht selten, daß ein Schauspieler dort, wo der Dichter keinen solchen Fehler angibt, nicht selbst instinktiv einen erfindet. Es besteht also eine selbstverständliche und selbstverständlich akzeptierte Verwandtschaft zwischen den beiden Bildern: dem in bestimmten Formen erstarrenden Geist und dem Körper, der sich gewissen Mängeln entsprechend versteift. Ob unsere Aufmerksamkeit vom Inhalt zur Form oder von der Seele zum Leib wandert, in beiden Fällen wird unserer Phantasie der gleiche Eindruck vermittelt. In beiden Fällen haben wir es mit der gleichen Art von Komik zu tun. Wir sind nun wiederum getreulich dem natürlichen Lauf der Phantasie gefolgt. Die Richtung, in der sie sich bewegte, war, wie erinnerlich, die zweite, die von unserem zentralen Bild ausging. Ein dritter und letzter Weg bleibt uns noch abzuschreiten. 3. – Kehren wir ein letztes Mal zu unserem zentralen Bild zurück: Etwas Mechanisches überdeckt etwas Lebendiges. Bei diesem lebendigen Etwas ging es um einen Menschen, eine Person. Das Mechanische dagegen ist ein Ding. Das, was unser Gelächter erregte, war die vorübergehende Verwandlung einer Person in ein Ding, sofern wir unser Bild von dieser Seite her betrachten wollen. Gehen wir nun von der präzisen Vorstellung von einer Mechanik zur verschwommeneren Vorstellung vom Ding im allgemeinen über, so ersteht vor uns eine neue Reihe von komischen Bildern. Diese lassen die Umrisse der früheren Bilder verschwinden und führen uns zu folgender neuen Regel: Wir lachen immer dann, wenn eine Person uns an ein Ding erinnert. Wir lachen über Sancho Pansa, wenn er auf eine Decke plumpst und wieder in die Luft schnellt wie ein Ballon. Wir lachen über

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den Baron von Münchhausen, wenn er als Kanonenkugel durch den Äther schwirrt. Aber vielleicht können gewisse Kapriolen der Zirkusclowns unser neues Gesetz noch besser bestätigen, vorausgesetzt, wir sehen von den Späßen ab, mit denen der Clown sein Hauptthema garniert, und fassen nur das Thema selbst ins Auge – die Haltungen, Sprünge, Bewegungen, kurz, das eigentlich »Clownhafte« an der Kunst des Clowns. Dieser Art von Komik bin ich nur zweimal in ihrem Reinzustand begegnet, und beide Male war mein Eindruck derselbe. Der erste Fall: Die Clowns kamen, gingen, prallten aufeinander, stürzten zu Boden, sprangen wieder hoch in einem gleichmäßig beschleunigten Rhythmus und in der offenkundigen Absicht, ein Crescendo darzustellen. Tatsächlich begann das Publikum immer mehr auf das Wiederhochspringen zu achten. Allmählich vergaß man, daß man Menschen aus Fleisch und Blut vor sich hatte. Man dachte an irgendwelche Pakete, die sich fallenließen und aneinanderstießen. Dann wurde das Bild bestimmter. Die Formen schienen runder zu werden, die Körper schienen zu rollen und sich zu Kugeln zu ballen. Zum Schluß entstand der Eindruck, auf den hin die ganze Szene mehr oder weniger unbewußt angelegt war: Man sah nur noch Gummibälle. Gummibälle, die von allen Seiten gegeneinander geschleudert wurden. – Nicht weniger aufschlußreich, wenn auch derber, war die zweite Szene. Zwei Männer traten auf mit riesigen Köpfen und ganz kahlen Schädeln. Sie waren mit schweren Stökken bewaffnet. Und abwechselnd ließ jeder seinen Stock auf den Kopf des andern niedersausen. Auch diese beiden hatten es auf eine Steigerung abgesehen. Nach jedem Hieb schienen die Körper schwerer, unbeweglicher, starrer zu werden. Der Gegenschlag erfolgte immer zögernder und gleichzeitig immer härter und lauter. Die Schläge widerhallten fürchterlich im totenstillen Saal. Schließlich neigten sich beide Körper steif, langsam und kerzengerade gegeneinander, die Stöcke schlugen ein letztes Mal auf den Köpfen auf, es klang, als prasselte eine ganze Ladung Holz auf

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massive Eichenbalken, und alles stürzte zu Boden. In diesem Augenblick trat das Bild, das die beiden Artisten unserer Phantasie stufenweise einsuggeriert hatten, in aller Schärfe zutage: »Wir sind Holzpuppen geworden«. Auch der Ungebildete wird hier instinktiv einige der subtilsten Ergebnisse der psychologischen Wissenschaft erfassen. Jedermann weiß, daß man in einem Hypnotisierten durch einfache Suggestion allerlei Halluzinationen erzeugen kann. Sagt man ihm, ein Vogel sitze auf seiner Hand, so wird er den Vogel bemerken und ihn davonfliegen sehen. Dies setzt allerdings eine ständige Bereitschaft voraus, sich der Suggestion willig zu öffnen. Oft kann der Hypnotiseur sie nur stufenweise einwirken lassen. Er wird in diesem Fall von Gegenständen ausgehen, die der Partner wirklich wahrnimmt, und dann versuchen, diese Wahrnehmung mehr und mehr zu verwirren. Aus der Verwirrung läßt er schließlich den Gegenstand erstehen, den der andere sich einbilden soll. Viele Menschen erleben etwas Ähnliches beim Einschlafen: Die farbigen, fließenden, formlosen Massen, die ihr Gesichtsfeld beherrschen, verdichten sich unmerklich zu ganz bestimmten Gegenständen. Der allmähliche Übergang vom Verschwommenen zum Bestimmten ist also die Suggestionsmethode par excellence. Vermutlich findet er in mancher komischen Suggestion statt, vor allem in der derben Komik, dort, wo sich eine Person vor unseren Augen in ein Ding zu verwandeln scheint. Es gibt aber auch diskretere Verfahren. Sie werden, wenn auch vielleicht unbewußt, in der gleichen Absicht angewendet, zum Beispiel von den Dichtern. Durch eine bestimmte Anordnung von Rhythmen, Reimen und Assonanzen kann man die menschliche Phantasie in den Schlaf wiegen und durch gleichmäßiges Schaukeln auf eine willige Aufnahme des suggerierten Bildes vorbereiten. Hören Sie die folgenden Verse von Regnard und achten Sie darauf, ob vor Ihrem inneren Auge nicht das flüchtige Bild einer Puppe ersteht:

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»So schuldet er gar manchem reichen Mann Zehntausend und ein Pfund und einen Heller Weil er ein Jahr lang ohne Unterlaß ihn auf Parole Beschuht, behandschuht und gewärmt, gefahren, Genährt, rasiert, getränkt, getragen hat …« Findet sich nicht etwas Ähnliches in der Strophe des Figaro (wiewohl sie vielleicht eher das Bild eines Tieres als dasjenige eines Dinges heraufbeschwören soll): »Was für ein Mann ist das? – Es ist ein schöner, dicker, kleiner, junger Greis, grau, schlau, rasiert, blasiert, der späht und spioniert und schimpft und stöhnt zur gleichen Zeit.« Zwischen jenen handfesten Zirkusszenen und diesen sehr subtilen Suggestionen bleibt Platz für ungezählte komische Effekte – darunter alle, die man erzielt, wenn man von Menschen wie von Dingen spricht. Bei Labiche finden wir passende Beispiele in Massen. Herr Perrichon zählt vor der Abfahrt sicherheitshalber sein Gepäck: »Vier, fünf, sechs, meine Frau sieben, meine Tochter acht und ich neun.« In einem anderen Stück rühmt ein Vater das Wissen seiner Tochter mit den Worten: »Sie sagt Ihnen ohne weiteres sämtliche Könige von Frankreich auf, die jemals stattgefunden haben.« Dieses Stattgefunden-Haben verwandelt die Könige zwar nicht gerade in Dinge, aber es setzt sie unpersönlichen Ereignissen gleich. Was beweist, daß man die Identifikation einer Person mit einem Ding nicht unbedingt bis ins Letzte treiben muß, um eine komische Wirkung zu erzielen. Es genügt, wenn man sich in dieser Richtung bewegt, indem man zum Beispiel so tut, als verwechsle man die Person mit dem Amt, das sie ausübt. Ich zitiere hier nur den Satz eines Dorfbürgermeisters in einem Roman von About: »Der Herr Präfekt, der uns immer das gleiche Wohlwollen bezeugt, obwohl man ihn seit 1847 mehrmals gewechselt hat …«

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Alle diese Aussprüche folgen dem gleichen Muster. Nun, da wir die Formel kennen, könnten wir endlos neue erfinden. Aber die Kunst des Erzählers und des Possendichters besteht nicht einfach im Erfinden eines Ausspruchs. Die Schwierigkeit liegt darin, einem Wort die Kraft der Suggestion zu verleihen, damit es beim Publikum ankommt. Und es kommt nur dort an, wo man das Gefühl hat, es entspringe einem bestimmten Seelenzustand oder es bette sich in bestimmte Umstände ein. Wir wissen, daß Herr Perrichon sehr aufgeregt ist im Moment, da er seine erste Reise antritt. Und der Ausdruck »stattgefunden haben« gehört zweifellos mit vielen anderen zu den Lektionen, welche die Tochter ihrem Vater aufzusagen pflegte; jedenfalls läßt er uns sofort an ein Aufsagen denken. Die Bewunderung des Bürgermeisters für den Verwaltungsapparat könnte uns sogar glauben machen, nichts andere sich am Präfekten, wenn er den Namen ändert, und das Amt funktioniere unabhängig vom Beamten. Damit haben wir uns sehr weit von der ursprünglichen Ursache des Lachens entfernt. Manche an sich unerklärliche komische Form läßt sich in der Tat nur dank ihrer Ähnlichkeit mit einer anderen verstehen, die uns nur wegen ihrer Verwandtschaft mit einer dritten lachen macht, und so geht es unendlich lange weiter. Die psychologische Analyse, so aufgeschlossen und tiefschürfend sie sein mag, muß sich daher notgedrungen verirren, sofern sie nicht dem Faden folgt, an dem der komische Eindruck von einem Ende der Reihe zum anderen entlanggewandert ist. Was bewirkt dieses kontinuierliche Fortschreiten? Welcher Druck, welch merkwürdiger Drang läßt das Komische von Bild zu Bild gleiten, immer weiter weg von seinem Ursprung, bis es sich teilt und sich in unendlich fernen Analogien verliert? Aber wir fragen ja auch: Welche Kraft teilt und unterteilt die Äste des Baums in Zweige, die Wurzel in Würzelchen? Ein unentrinnbares Gesetz zwingt jede lebendige Energie, in der kurzen Zeit, die ihr geschenkt ist,

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so viel Raum wie möglich auszufüllen. Eine solche Kraft ist die komische Phantasie. Sie ist eine merkwürdig lebendige Pflanze, die auf den steinigen Feldern des gesellschaftlichen Bodens kräftig gediehen ist, ehe die Kultur ihr erlaubt hat, mit den raffiniertesten Erzeugnissen der Kunst zu wetteifern. Mit unseren letzten Beispielen sind wir von der großen Kunst noch weit entfernt, gewiß. Aber wir werden ihr im folgenden Kapitel schon ein bißchen näherkommen, auch wenn wir sie noch nicht endgültig erreichen. Unterhalb der Kunst gibt es das Künstliche. In diese Zone des Künstlichen, die sich zwischen Natur und Kunst befindet, werden wir jetzt eindringen. Wir begegnen dort dem Schwankdichter und dem Mann von Geist.

ZWEITES KAPITEL Die Situationskomik und die Wortkomik

I. Wir haben das Komische in den Formen, den Haltungen, den Bewegungen im allgemeinen untersucht. Jetzt müssen wir es in den Handlungen und Situationen zu finden trachten. Gewiß, dieser Art von Komik begegnen wir im Alltag ziemlich häufig. Vielleicht aber läßt sie sich anderswo besser analysieren. Wenn es zutrifft, daß das Theater eine vergröberte und zugleich vereinfachte Reflektion des Lebens ist, dann kann uns die Komödie über diesen besonderen Aspekt unseres Themas leichter Aufschluß geben als das wirkliche Leben. Vielleicht müssen wir die Vereinfachung sogar noch weiter treiben, auf unsere frühesten Erinnerungen zurückgreifen und in den Spielen, die uns als Kind belustigten, die ersten Umrisse der Kombinationen suchen, die der Mensch komisch findet. Allzu oft sprechen wir von unserer Freude und unserem Kummer, als wären diese Gefühle schon alt gewesen, als wir sie empfanden, und als ob nicht jedes von ihnen seine Geschichte hätte. Vor allem verkennen wir allzu oft das Kindliche in vielen unserer heiteren Empfindungen. Wie viele gegenwärtige Vergnügen würden sich, prüften wir sie genauer, schlicht und einfach als Erinnerung an vergangene fröhliche Erlebnisse entpuppen! Was bliebe von vielen Erinnerungen übrig, würden wir sie auf das wahrhaft Empfundene zurückführen und alles weglassen, was nur Erinnerung ist! Ja, wer weiß, ob wir von einem gewissen Alter an für die frische und neue Freude nicht unzugänglich werden und ob die heiteren Empfindungen des erwachsenen Menschen etwas anderes sein können als wiederbelebte Kindheitserinnerungen, etwas anderes als ein Dufthauch, den uns eine immer fernere Vergangenheit in immer seltener werdenden Abständen zuweht? Wie immer man diese sehr allgemeine Frage beantworten mag, ein Punkt bleibt unbestritten: Zwischen der Freude des Kindes und der Freude des Mannes am Spiel kann es keine Zäsur geben. Die Komödie ist in der Tat ein Spiel, ist spielerisch nachgeahm-

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tes Leben. Und so wie sich im kindlichen Spiel mit Puppen und Hampelmännern alles an Fäden bewegt, so sind auch die Situationen in einem Lustspiel untereinander mit Fäden verknüpft. Es sind die gleichen Fäden wie im Kinderspiel, nur dünner geworden vom häufigen Gebrauch. Gehen wir also von den Spielen des Kindes aus. Verfolgen wir die unmerkliche Entwicklung seiner Hampelmänner, die größer werden, die Leben bekommen und schließlich jenen unbestimmten Zustand erreichen, wo sie Menschen geworden sind, ohne aufgehört zu haben, Hampelmänner zu sein. Was wir dann vor uns haben, das sind Lustspielfiguren. Und wir werden an ihnen die Regel bestätigt finden, die sich schon bei unseren früheren Analysen abzeichnete – eine Regel, mit der wir die komischen Situationen auf der Bühne allgemein definieren können. Sie lautet: Komisch ist jede Anordnung von ineinandergreifenden Handlungen und Geschehnissen, die uns die Illusion von wirklichem Leben und zugleich den deutlichen Eindruck von mechanischer Einwirkung vermittelt. 1. Der Springteufel. – Wir alle haben einst mit dem Teufel gespielt, der aus seinem Kasten springt. Drückt man ihn hinein, so schnellt er wieder heraus. Drückt man ihn noch tiefer hinein, so springt er noch höher. Erdrückt man ihn unter seinem Deckel, so sprengt er oft das Ganze in die Luft. Ich weiß nicht, ob es sich um ein sehr altes Spielzeug handelt; sicher aber ist der Spaß, den es bereitet, zeitlos. Es ist der Konflikt zwischen zwei Widersachern, von denen der eine, rein mechanische, dem andern meist unterliegt. Und der andere findet das lustig. Den gleichen Spaß leistet sich die Katze, wenn sie die Maus wie eine Sprungfeder fortschnellen läßt und dann mit einem Schlag ihrer Pfote wieder festnagelt. Wenden wir uns jetzt dem Theater zu. Beginnen wir beim Kasperletheater. So wie sich der Gendarm auf die Bühne wagt, kriegt er wie zufällig einen Schlag mit dem Knüppel, der ihn zu Bo-

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den streckt. Er rappelt sich hoch, ein zweiter Schlag fällt ihn von neuem. Zweiter Anlauf, neuer Schlag. Im gleichförmigen Rhythmus der sich spannenden und wieder entspannenden Sprungfeder fällt und steht der Gendarm, und das Publikum brüllt vor Lachen. Stellen wir uns jetzt eine geistige Feder vor, eine Idee, die ausgedrückt, dann unterdrückt, dann wieder ausgedrückt wird, ein Wortschwall, der sich ergießt, zum Stillstand gebracht wird und von neuem anhebt. Auch hier ist eine Kraft am Werk, die beharrlich ein Ziel verfolgt, während sie von einer anderen Kraft ebenso beharrlich bekämpft wird. Doch jetzt hat das Bild schon einiges von seiner Stofflichkeit verloren. Wir sind nicht mehr im Kasperletheater; wir sehen einer wirklichen Komödie zu. Viele komische Szenen lassen sich auf diese einfache Formel zurückführen. Etwa wenn Sganarelle in Mariage forcé den Philosophen Pancrace zwingen will, ihm zuzuhören, während dieser ununterbrochen redet. Die ganze Komik dieser Szene beruht auf dem Konflikt zwischen der Absicht des einen und dem hartnäckigen Widerstand des anderen. Das Bild vom Springteufel zeichnet sich immer deutlicher ab: Sganarelle drängt Pancrace immer wieder in die Kulisse, und jedesmal kommt Pancrace redend wieder zum Vorschein, eine wahre, automatisch funktionierende Sprechmaschine. Und als es Sganarelle endlich gelingt, seinen Widersacher im Haus (fast hätte ich »Kasten« gesagt) einzusperren, schnellt dessen Kopf plötzlich aus dem aufklappenden Fenster, als ob er einen Kastendeckel sprenge. Das gleiche Spiel findet im Malade imaginaire statt. Die beleidigte Heilkunst droht Argan durch den Mund des Doktors Purgon sämtliche Krankheiten an. Und so oft sich Argan aus seinem Sessel erhebt, um Purgon den Mund zu schließen, sehen wir diesen – als habe man ihn in die Kulisse geschoben – für einen Augenblick

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verschwinden und dann wie von einer Feder geschnellt mit einer neuen Verwünschung auf der Bühne erscheinen. Der gleiche, ständig wiederholte Ausruf: »Monsieur Purgon!« markiert den Rhythmus der komischen Szene. Fassen wir das Bild der Feder, die sich spannt, entspannt und wieder spannt, noch näher ins Auge. Entnehmen wir ihm das Wesentliche: die Wiederholung. Sie ist eine der gebräuchlichsten Verfahrensweisen der klassischen Komödie. Warum lachen wir, wenn auf der Bühne ein Wort ständig wiederholt wird? Man wird umsonst eine Theorie des Komischen suchen, die auf diese einfache Frage eine befriedigende Antwort zu geben vermöchte. Die Frage bleibt tatsächlich offen, solange man die Erklärung eines amüsanten Motivs im Motiv selbst, also unabhängig von dem Bild, das es uns vermittelt, sucht. Nirgends offenbart sich die Unzulänglichkeit der üblichen Untersuchungsmethoden besser als in diesem Zusammenhang. In Wirklichkeit ist die Wiederholung eines Wortes an sich überhaupt nicht lustig, abgesehen von ein paar Sonderfällen, auf die wir später zu sprechen kommen. Die Wiederholung wirkt nur komisch, weil sie ein bestimmtes Spiel zwischen geistigen Elementen versinnbildlicht, wobei dieses Spiel selbst ein durchaus materielles Spiel widerspiegelt. Es ist das Spiel der Katze mit der Maus, das Spiel des Kindes mit seinem Springteufel – aber verfeinert, vergeistigt, übertragen auf die Ebene der Gefühle und Gedanken. Das Gesetz, das uns den komischen Effekt der Wiederholung am treffendsten zu erklären scheint, müßte heißen: Die Komik der Wiederholung von Wörtern beruht im allgemeinen auf zwei Faktoren: Ein zurückgedrängtes Gefühl schnellt wie eine Feder vor, und ein Gedanke macht sich einen Spaß daraus, das Gefühl wieder zurückzudrängen.

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Ein Beispiel: Dorine erzählt Orgon von der Krankheit seiner Frau. Orgon unterbricht sie fortwährend, um sich nach Tartuffes Gesundheit zu erkundigen. Seine immer wiederkehrende Frage: »Und Tartuffe?« erinnert ganz deutlich an eine Sprungfeder. Dorine wiederum leistet sich den Spaß, diese Feder jeweils von neuem zurückzupressen, indem sie jedesmal wieder mit der Krankheitsgeschichte der Madame Elmire anfängt. Oder: Wenn Scapin dem alten Géronte die Nachricht überbringt, sein Sohn sei als Gefangener auf die berühmte Galeere gebracht worden und müsse schleunigst losgekauft werden, dann spielt er mit Gérontes Geiz wie Dorine mit Orgons Verblendung. Kaum unterdrückt, kommt der Geiz automatisch wieder zum Vorschein – und um eben diesen Automatismus zu unterstreichen, läßt Molière seinen Helden mechanisch eine Phrase wiederholen, in welcher er seinem Ärger über die Geldforderung Luft macht: »Was zum Teufel hatte er auf dieser Galeere zu suchen?« Ähnlich verhält es sich mit der Szene, wo Valère dem geizigen Harpagon vorhält, wie unrecht es sei, seine Tochter mit einem ungeliebten Mann zu verheiraten. »Keine Mitgift!« fährt Harpagon jedesmal dazwischen. Und hinter diesen automatisch wiederkehrenden Worten erkennen wir einen ganzen, von einer fixen Idee ausgelösten Wiederholungsmechanismus. Dieser Mechanismus ist allerdings nicht überall so leicht erkennbar, und wir berühren hier eine neue Schwierigkeit der Theorie des Komischen. In gewissen Fällen kann die ganze Spannung einer Szene von einer einzigen Person ausgehen. Die Person kann sich gewissermaßen verdoppeln, dieweil ihr Partner lediglich die Funktion eines Prismas ausübt, durch das sich die Verdoppelung vollzieht. Hier dürfen wir das Geheimnis des komischen Effekts nicht in den Dingen suchen, die wir sehen und hören; es liegt ja nicht in dem, was sich äußerlich zwischen den Personen abspielt, sondern in dem von der Szene nur angedeuteten innerlichen

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Katz-und-Maus-Spiel. Ein Beispiel: Oronte fragt Alceste, ob er seine Verse schlecht finde. »Das habe ich nicht gesagt«, antwortet Alceste beharrlich. Die Wiederholung dieses Satzes ist komisch, wiewohl Oronte hier offensichtlich nicht das Spiel spielt, von dem wir eben sprachen. Nun muß man aber wissen, daß in Alceste zwei Menschen leben: der Menschenfeind und der Edelmann. Der eine ist entschlossen, den Leuten endlich die Wahrheit zu sagen; der andere bringt es nicht über sich, seine guten Manieren plötzlich zu vergessen, oder vielleicht schreckt er auch einfach vor dem entscheidenden Moment zurück, da er vom Wort zur Tat schreiten und einen anderen verletzen sollte. Die wirkliche Szene spielt sich also nicht zwischen Alceste und Oronte, sondern zwischen Alceste und Alceste ab. Der eine möchte ausbrechen, der andere verschließt ihm den Mund im Augenblick, da er alles sagen will. Mit jedem »Das habe ich nicht gesagt!« läßt er die Anstrengung, die ihn dieser innere Kampf kostet, deutlicher spüren. Mit jeder Wiederholung wird er wütender – nicht, wie er glaubt, auf Oronte, vielmehr auf sich selbst. Und so spannt sich die Feder immer neu, immer stärker, bis sie endgültig zerspringt. Der Wiederholungsmechanismus ist also immer noch derselbe. Wenn ein Mensch beschließt, in Zukunft nur das zu sagen, was er denkt, und müßte er auch »die ganze Menschheit ins Gesicht schlagen«, so ist das noch nicht unbedingt komisch; es ist Leben, und zwar von der besten Art. Wenn ein anderer aus angeborener Sanftmut oder aus Egoismus oder aus Verachtung den Leuten lieber nur schmeichelhafte Dinge sagt, so ist auch das nur Leben, und wir finden nichts Komisches daran. Ja, machten wir selbst aus diesen zwei Menschen einen einzigen, ließen wir ihn schwanken zwischen verletzender Offenheit und verlogener Höflichkeit, wir müßten erkennen, daß uns auch dieser Konflikt nicht erheitern würde; wir würden ihn sogar als ernst betrachten, sofern die beiden entgegengesetzten Gefühle – gerade ihrer Gegensätzlichkeit

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wegen – sich zusammenfänden, sich gemeinsam entwickelten, gemeinsam einen komplexen Seelenzustand herbeiführten und schließlich zu einem Modus vivendi gelängen, der uns nichts anderes als ein echtes Stück Leben bewußt machen würde. Denken wir uns dagegen diese beiden Gefühle starr und stur. Lassen wir den Menschen, der von ihnen beherrscht wird, zwischen ihnen schwanken. Sorgen wir vor allem dafür, daß dieses Schwanken ganz offenkundig mechanisch wirkt, weil es einem bekannten kindlichen Muster folgt: Dann bekommen wir das Bild, das wir bisher nur in lächerlichen Gegenständen gesehen haben. Wir sehen etwas Mechanisches in etwas Lebendigem. Wir haben die Komik. Das Bild vom Springteufel hat uns nun lange genug beschäftigt, um uns klarzumachen, wie die komische Phantasie einen stofflichen Mechanismus nach und nach in einen geistigen Mechanismus verwandelt. Wir wollen uns jetzt mit zwei anderen Spielen befassen, wobei wir uns auf allgemeine Hinweise beschränken werden. 2. Der Hampelmann. – Es gibt unzählige Lustspielszenen, wo eine Person selbständig zu sprechen und zu handeln glaubt und folglich wesentliche Lebensäußerungen beibehält, während sie auf ihre Umgebung lediglich als Spielzeug wirkt, mit dem sich ein anderer belustigt. Vom Hampelmann, den das Kind an einem Faden zappeln läßt, bis zu Géronte und Argante, die von Scapin manipuliert werden, ist es ein kleiner Schritt. Hören wir Scapin selbst: »Die Maschine ist ja vorhanden« oder: »Der Himmel schickt sie mir ins Netz« usw. Als Zuschauer ergreift man für die Schelme Partei, teils aus einem natürlichen Instinkt, teils weil man zumindest in der Phantasie lieber der Betrüger als der Betrogene ist. Man verbündet sich mit den Schurken, man ergreift gewissermaßen die Fäden und läßt die Marionette selbst über die Bühne tanzen – wie das Kind, das einem Kameraden eine Puppe abgebettelt hat, um mit ihr zu spielen. Allerdings brauchen wir

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nicht so weit zu gehen. Wir können ruhig auch außerhalb des Geschehens bleiben, vorausgesetzt, wir empfinden dieses Geschehen deutlich als eine mechanisch gesteuerte Handlung. Das ist immer dort der Fall, wo eine Figur zwischen zwei entgegengesetzten Standpunkten schwankt und abwechselnd den einen oder den anderen vertreten will. Erinnern wir uns, wie Panurge alle fragt, ob er heiraten solle, und wie der Lustspieldichter die beiden Standpunkte in zwei entgegengesetzten Gestalten auftreten läßt. Wenn nicht der Zuschauer die Fäden bewegt, dann müssen es eben die Schauspieler tun. Das Leben verdankt all seinen Ernst unserer Freiheit. Unsere Gefühle, unsere Leidenschaften, die Taten, die wir bedacht, beschlossen, ausgeführt haben, kurz, was immer aus uns stammt und uns zutiefst eigen ist, das ist es, was den manchmal dramatischen und jedenfalls meist ernsten Lauf unseres Lebens bestimmt. Wie ließe sich das alles in eine Komödie verwandeln? Man müßte sich ganz einfach vorstellen, daß die scheinbare Freiheit ein Spiel von Fäden verdeckt und daß wir Menschen im Grunde nichts anderes sind als »armselige Marionetten am Faden, den die Notwendigkeit in Händen hält.« Es gibt daher keine echte, ernste, ja dramatische Szene, welche die Phantasie nicht ins Komische übersetzen könnte, nur indem sie dieses einfache Bild heraufbeschwört. Es gibt kein Spiel, dem ein größeres Feld offenstände. 3. Der Schneeball. – Je weiter wir uns ins Studium der Lustspieltechnik vertiefen, um so besser können wir die Rolle ermessen, welche die Kindheitserinnerungen darin spielen. Diese Erinnerung bezieht sich vielleicht weniger auf ein ganz bestimmtes Spiel als auf den mechanischen Apparat, den das Spiel in Bewegung setzt. Der gleiche Apparat, die gleiche mechanische Vorrichtung

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findet sich unter Umständen in sehr verschiedenartigen Spielen, so wie die gleiche Opernarie vielen musikalischen Phantasien zugrunde liegen kann. Worauf es hier ankommt, woran man sich erinnert, was vom Kinderspiel unmerklich ins Erwachsenenspiel übergeht, das ist das Schema der Kombination, oder nennen wir es die abstrakte Formel, die in diesen Spielen ihre besondere Anwendung findet. Denken Sie an einen Schneeball: Er rollt, und im Rollen wird er größer. Denken Sie auch an Bleisoldaten, die man in Einerkolonne aufgestellt hat: Stößt man den ersten um, so fällt er auf den zweiten, der den dritten zu Fall bringt, und so wird es immer schlimmer, bis alle auf dem Boden liegen. Wir können uns auch ein kunstvoll aufgebautes Kartenhaus vorstellen: Man berührt die erste Karte, sie läßt sich Zeit; ihre schwankende Nachbarin entschließt sich schon schneller, und die immer rascher um sich greifende Zerstörung eilt schließlich in schwindelerregendem Tempo der endgültigen Katastrophe entgegen. Das alles sind völlig verschiedenartige Gegenstände, doch alle suggerieren uns das gleiche abstrakte Bild: Eine Wirkung greift um sich, indem sie sich selbständig fortsetzt, so daß die ursprünglich bedeutungslose Ursache zwangsläufig zu einem ebenso bedeutsamen wie unerwarteten Ergebnis führt. Öffnen wir jetzt ein Kinderbilderbuch und sehen wir, wie sich darin eine komische Szene nach dem beschriebenen Muster entwickelt. Da stürzt zum Beispiel ein Gast in einen Salon; er stößt mit einer Dame zusammen, deren Teetasse sich über einen alten Herrn ergießt, der gegen eine Fensterscheibe prallt, deren Scherben dem Schutzmann vor dem Haus auf den Kopf fallen, worauf dieser die ganze Polizei alarmiert usw. Viele Bildergeschichten für Erwachsene sind auf die gleiche Weise angelegt. In den Witzzeichnungen »ohne Worte« geht es oft um einen ständig wandernden Gegenstand und um Personen, die ihm nachlaufen. Der Standortwechsel des Gegenstands hat automatisch zur Folge, daß sich die Situation der Personen von Szene zu Szene in immer bedenklicherem Ausmaß

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verändert. Damit sind wir wieder bei der Komödie angelangt. Wie viele handfeste Szenen beruhen auf dieser einfachen Formel. Man lese den Bericht von Chicaneau in Plaideurs nach: Da greift ein Prozeß in den andern, und der Mechanismus arbeitet immer schneller (Racine vermittelt uns diesen Eindruck von wachsender Beschleunigung, indem er die juristischen Ausdrücke immer dichter aneinanderreiht) – bis schließlich das wegen eines simplen Heubündels angestrengte Verfahren den Kläger um den größten Teil seines Vermögens bringt. Den gleichen Ablauf finden wir bei Don Quijote, etwa in der Wirtshausszene, wo eine seltsame Verkettung von Umständen den Maultiertreiber dazu bringt, daß er Sancho verprügelt, der auf die Dirne losschlägt, die vom Wirt überfallen wird usw. Und so befinden wir uns mitten im Schwank. Wir brauchen wohl kaum an alle Formen zu erinnern, in denen diese Kombination auftritt. Ein einziges Beispiel mag genügen: Irgendein Gegenstand (vielleicht ein Brief ) ist für gewisse Personen von höchster Wichtigkeit und muß daher um jeden Preis wiedergefunden werden. Der Gegenstand entschlüpft einem immer dann, wenn man ihn zu fassen glaubt; er rollt durch das ganze Stück, indem er unterwegs immer schlimmere, immer überraschendere Zwischenfälle auslöst. Das Ganze erinnert, wenn man es richtig bedenkt, an ein Kinderspiel. Es ist wieder der Schneeballeffekt. Eine mechanische Kombination erkennt man daran, daß sie meist auch im umgekehrten Sinn funktioniert. Das Kind lacht, wenn es sieht, wie eine Kugel auf der Kegelbahn alles umwirft und immer größeren Schaden anrichtet; es lacht noch mehr, wenn die Kugel nach mancherlei Irrungen, Wirrungen und Pausen wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt. Anders gesagt, der Mechanismus, den wir eben beschrieben haben, ist schon komisch genug, wenn er sich geradeaus bewegt; noch komischer aber wird

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er, wenn er sich im Kreis bewegt und wenn alle menschlichen Anstrengungen infolge einer verhängnisvollen Verkettung von Ursachen und Wirkungen darauf hinauslaufen, daß am Ende alles wieder an seinem gewohnten Platz steht. Um diese Idee kreisen zahlreiche Komödien. Ein Pferd hat einen Florentinerhut gefressen. In ganz Paris gibt es einen einzigen ähnlichen Hut, und er muß unbedingt gefunden werden. Der Hut entwischt, sooft man ihn zu fassen glaubt; er bringt die Hauptperson in Trab, die alle mit ihr verbundenen Personen ebenfalls in Bewegung versetzt, als wäre er ein Magnet, der dank einer immer weiter um sich greifenden Kraft die aneinanderhängenden Eisenteilchen hinter sich herzieht. Und wähnt man sich nach ungezählten Zwischenfällen am Ziel, so stellt sich heraus, dass der so stürmisch gesuchte Hut genau der ist, den das Pferd gefressen hat. Eine solche Odyssee erleben wir auch in einer anderen berühmten Komödie von Labiche. Zuerst sehen wir einen betagten Junggesellen und eine alte Jungfer bei ihrer täglichen Kartenpartie. Sie sind gute alte Bekannte. Beide haben sich unabhängig voneinander an das gleiche Ehevermittlungsbüro gewendet. In der Folge durchlaufen sie Seite an Seite tausend Schwierigkeiten und Mißgeschicke, bis sich am Schluß des Stücks jeder zum vereinbarten Stelldichein einfindet, nur um festzustellen, daß er dem andern wieder gegenübersitzt. Dieser Kreiseffekt, diese Rückkehr zum Ausgangspunkt finden wir auch in einem neueren Stück. Ein bedrängter Gatte läßt sich scheiden in der Hoffnung, seine Frau und seine Schwiegermutter loszuwerden. Er heiratet wieder und entdeckt, daß ihm das Wechselspiel von Scheidung und neuer Heirat seine erste Frau wiederbeschert hat, und zwar als neue Schwiegermutter. Bedenkt man die starke Wirkung und die Beliebtheit dieser Art von Komik, so begreift man, weshalb sie die Phantasie der Philosophen immer wieder beschäftigt hat. Einen langen Weg gehen, nur um unwissentlich zum Ausgangspunkt zurückzukehren, heißt

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durch eine große Anstrengung nichts erreichen. Die Versuchung, das Komische so zu definieren, mußte groß sein. Tatsächlich definiert Herbert Spencer das Gelächter als Ergebnis einer Anstrengung, die unversehens im Leeren verläuft. Und Kant sagte: »Das Lachen entspringt einer Erwartung, die sich plötzlich im Nichts auflöst.« Beide Definitionen ließen sich auf unsere letzten Beispiele anwenden, aber dann müßte man die Formel etwas einschränken, denn es gibt eine ganze Anzahl unnützer Anstrengungen, die durchaus nicht komisch sind. Unsere Beispiele haben gezeigt, wie aus einer großen Ursache eine kleine Wirkung entstehen kann. Wir haben aber unmittelbar vorher auch den umgekehrten Fall geschildert, wo sich aus einer geringfügigen Ursache eine große Wirkung ergibt. In Wirklichkeit taugt die zweite Definition so viel oder so wenig wie die erste. Das Mißverhältnis zwischen Ursache und Wirkung – mag es sich so oder anders offenbaren – ist nicht der unmittelbare Anlaß zum Gelächter. Wir lachen über etwas, das durch dieses Mißverhältnis zum Vorschein kommt, über das besondere mechanische »Arrangement«, das wir hinter der Verkettung von Wirkungen und Ursachen wittern. Wenn Sie von diesem Arrangement absehen, dann verlieren Sie den einzigen roten Faden, der Sie durch das Labyrinth der Komik führen kann. Die Regel wiederum, der Sie gefolgt sind, läßt sich vielleicht auf ein paar passende Fälle anwenden; im großen ganzen aber müssen Sie damit rechnen, daß sie vom ersten besten Beispiel widerlegt wird. Aber warum lachen wir eigentlich über die mechanische Anordnung, von der wir soeben gesprochen haben? Daß uns die Geschichte eines Individuums oder einer Gruppe von einem bestimmten Zeitpunkt an wie ein Spiel von ineinandergreifenden Rädern, Sprungfedern und Schnüren anmutet, ist eigentümlich, gewiß – doch worin besteht der spezifische Charakter dieses eigentümlichen Phänomens? Weshalb ist es komisch? Wir haben uns diese Frage schon mehrmals und in verschiedenen Formen

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gestellt. Und unsere Antwort lautet immer gleich. Der starre Mechanismus, den wir dann und wann wie einen Fremdkörper im lebendigen Zusammenspiel der menschlichen Dinge entdecken, erregt unser besonderes Interesse, weil er so etwas wie eine Abirrung vom Leben darstellt. Nähmen die Ereignisse stets ihren folgerichtigen Lauf, so gäbe es keine Zufälle, keinen Zusammenprall, keinen Kreislauf; sie würden sich ausschließlich auf einer geraden Linie abspielen und weiterentwickeln. Und lebten wir Menschen immer bewußt, nähmen wir den Kontakt mit anderen und auch mit uns selbst jeden Tag von neuem auf, so würde nie der Eindruck entstehen, daß sich etwas in uns mittels Sprungfedern oder Fäden bewegt. Das Komische an einem Menschen ist das, was an ein Ding erinnert. Es ist das, was an einen starren Mechanismus oder Automatismus, einen seelenlosen Rhythmus denken läßt. Die menschliche Komik verkörpert also eine individuelle oder kollektive Unvollkommenheit, die nach einer unmittelbaren Korrektur verlangt. Und diese Korrektur wird durch das Lachen besorgt. Das Lachen ist eine bestimmte soziale Geste, die eine bestimmte Art des Abweichens vom Lauf des Lebens und der Ereignisse sichtbar macht und gleichzeitig verurteilt. Diese Erkenntnis fordert uns aber geradezu heraus, weitere und höhere Regionen zu erforschen. Bis hierher haben wir uns damit begnügt, in den Spielen der Erwachsenen gewisse mechanische Kombinationen wiederzuentdecken, die uns schon als Kind belustigten. Es war ein empirisches Verfahren. Jetzt müssen wir es mit einer methodischen und vollständigen Deduktion versuchen. Wir müssen die vielfältigen und veränderlichen Spielarten der Komödie an ihrer Quelle, das heißt in ihrem einfachen Grundprinzip erfassen. Wir sagten, der Ablauf der Ereignisse in einer Komödie werde durch einen Mechanismus in den äußeren Lebensformen geregelt. Wodurch unterscheidet sich nun das Leben, von außen gesehen, von einem einfachen Mechanismus? Wenn wir diese

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Frage beantwortet haben, wenn wir die Merkmale bestimmt haben, die diesen Unterschied kennzeichnen, dann brauchen wir nur zu den entgegengesetzten Merkmalen überzugehen, um die abstrakte und diesmal allgemeine, vollständige Formel aller tatsächlichen und möglichen Spielarten der Komödie zu finden. Wir sehen das Leben als einen bestimmten Ablauf in der Zeit und zugleich als eine bestimmte Komplikation im Raum. Von der Zeit her betrachtet, ist Leben das stetige Fortschreiten eines unaufhaltsam alternden Menschen: Dieses Leben kehrt nie um und wiederholt sich nie. Im Raum gesehen, breitet das Leben ein Nebeneinander von Ereignissen vor uns aus, die so eng miteinander zusammenhängen, so ausschließlich füreinander stattfinden, daß keines von ihnen gleichzeitig zu zwei verschiedenen Organismen gehören könnte: Jedes Lebewesen ist ein geschlossenes System von Phänomen und außerstande, sich mit anderen Systemen zu vermischen. Fortwährende Veränderung des Gesichtspunkts, Einmaligkeit der Phänomene, vollkommene Eigenständigkeit einer in sich geschlossenen Serie – das sind die äußeren (wirklichen oder scheinbaren) Merkmale, durch die sich das Lebendige vom Mechanischen unterscheidet. Und nun das Gegenteil: Nehmen wir drei Prozesse, die wir Repetition, Inversion und Interferenz der Serien oder Reihenfolgen nennen wollen. Auf den ersten Blick erkennen wir, daß es sich hier um die Methoden des Schwanks handelt und daß es keine anderen geben kann. Wir fänden sie, verschieden dosiert, ohne weiteres in den schon geschilderten Szenen, vor allem aber in den Kinderspielen, deren Mechanismus diese Szenen widerspiegeln. Doch halten wir uns nicht mit ihrer Analyse auf. An neuen Beispielen lassen sich die drei Methoden besser untersuchen. Und nirgends finden sie sich leichter als in der klassischen Komödie wie auch im zeitgenössischen Theater, wo wir ihnen meist im Reinzustand begegnen.

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1. Die Repetition. – Wir sprechen jetzt nicht mehr von einem Wort oder einer Redensart, die ein Schauspieler wiederholt. Es geht hier vielmehr um eine Situation, das heißt um eine Verkettung von Umständen, die mehrmals wiederkehrt und sich dadurch vom unaufhaltsamen Lauf des Lebens unterscheidet. Schon im Alltag erleben wir diese Art von Komik, allerdings nur in rudimentärem Zustand. Ich begegne zum Beispiel auf der Straße einem Freund, den ich lange nicht gesehen habe. Die Situation ist nicht komisch. Begegne ich ihm jedoch am gleichen Tag ein zweites Mal und noch ein drittes und ein viertes Mal, so lachen wir am Ende beide über das »Zusammentreffen«. Stellen Sie sich nun eine Serie von imaginären Ereignissen vor, die einigermaßen lebensecht wirkt, und denken Sie sich mitten in deren Ablauf eine immer gleiche, immer sich wiederholende Szene zwischen den gleichen oder zwischen verschiedenen Personen: Auch das wird dann ein »Zusammentreffen« sein, aber ein viel ungewöhnlicheres. So verhält es sich mit den Wiederholungen auf der Bühne. Sie wirken um so komischer, je komplexer die Szene ist und auch je natürlicher sie herbeigeführt wird. Diese zwei Voraussetzungen schließen sich nur scheinbar aus; ein geschickter Dramatiker kann und muß sie miteinander in Einklang bringen. Im zeitgenössischen Lustspiel wird die Repetition in allen ihren Formen angewendet. Eine der bekanntesten Spielarten besteht darin, daß eine bestimmte Personengruppe von Akt zu Akt durch die verschiedensten Mileus geführt wird, wobei unter immer neuen Umständen eine immer gleiche Serie von symmetrisch sich entsprechenden Ereignissen oder Mißgeschicken ausgelöst wird. In etlichen Stücken Molières finden wir diese Anordnung von Ereignissen, die sich von Anfang bis Ende der Komödie wiederholen. So besteht in Ecole des Femmes die ganze Handlung darin, daß der gleiche Drei-Takt-Effekt wieder und wieder herbeigeführt

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und durchgeübt wird. Erster Takt: Horace erzählt Arnolphe, was er ausgeheckt hat, um den Vormund der jungen Agnès zu hintergehen, und dieser Vormund ist zufällig Arnolphe selber. Zweiter Takt: Arnolphe bildet sich ein, er habe den Streich pariert. Dritter Takt: Agnès sorgt dafür, daß Arnolphes Gegenzug sich zu Gunsten von Horace auswirkt. Dasselbe periodische Motiv finden wir in anderen Molière-Stücken, in Ecole des Maris, in Etourdi und insbesondere in Georges Dandin, wo der Drei-Takt-Effekt wie folgt abläuft: 1. Dandin merkt, daß seine Frau ihn betrügt. 2. Er sucht Hilfe bei seinen Schwiegereltern. 3. Er ist es, der sich entschuldigt. Bisweilen spielt sich die gleiche Szene zwischen verschiedenen Personengruppen ab. Oft wird die erste Gruppe von den Herren, die zweite von den Dienern gebildet. Die Diener wiederholen in einem anderen Ton und in einem weniger edlen Stil eine Szene, die zuvor von den Herren gespielt worden ist. Nach diesem Schema ist Amphitryon angelegt. In Der Eigensinn, einem reizenden kleinen Lustspiel von Benedix, findet der umgekehrte Vorgang statt: Die Herren wiederholen nach dem Beispiel ihrer Diener eine Szene, die sich um trotzige Auflehnung dreht. Doch welches auch immer die zwischen den eingeschalteten symmetrischen Situationen handelnden Personen sein mögen, die Repetition äußert sich in der klassischen Komödie ganz anders als im zeitgenössischen Theater. Zwar wird auch heute versucht, eine gewisse mathematische Ordnung in das Geschehen zu bringen und ihm gleichzeitig den Anschein von Wirklichkeit, das heißt von Lebensnähe zu geben; doch man arbeitet mit anderen Mitteln. Die meisten modernen Komödien appellieren direkt an den Verstand des Zuschauers. Das Zusammentreffen, der Zufall mag noch so ungewöhnlich sein, er wird glaubhaft allein durch die Tatsache, daß an ihn geglaubt wird, und wir glauben an ihn,

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sofern man uns nach und nach dazu gebracht hat, ihn zu akzeptieren. Die meisten zeitgenössischen Bühnenautoren gehen nach dieser Methode vor. Bei Molière ist es umgekehrt. Es liegt an der Stimmung der dargestellten Personen und nicht an der des Publikums, wenn die Wiederholung natürlich wirkt. Jede dieser Personen stellt eine bestimmte Kraft dar, die sich in einer bestimmten Richtung bewegt, und da diese konstant ausgerichteten Kräfte notgedrungen immer wieder aufeinandertreffen, entsteht auch immer die gleiche Situation. Die so verstandene Situationskomödie grenzt demnach an die Charakterkomödie. Sie verdient klassisch genannt zu werden, insofern als klassische Kunst die Kunst ist, die aus der Wirkung nicht mehr hervorholen will, als sie in die Ursache investiert hat. 2. Die Inversion. – Dieser zweite Prozeß hat mit dem ersten so viel Ähnlichkeit, daß wir es bei seiner Definition bewenden lassen wollen. Stellen Sie sich bestimmte Personen in einer bestimmten Situation vor; dann kehren Sie diese Situation um und vertauschen Sie die Rollen: das Ergebnis ist eine komische Szene. Von einer Komik dieser Art lebt die doppelte Rettungsszene in Le Voyage de Monsieur Perrichon. Dabei müssen sich die beiden symmetrischen Szenen nicht einmal unbedingt vor unseren Augen abspielen. Es genügt, wenn wir an die eine denken, während wir der anderen zusehen. Wir lachen über den Angeklagten, der seinem Richter eine Moralpredigt hält. Wir lachen über das Kind, das seine Eltern belehren will. Wir lachen eigentlich über alles, was in die Rubrik »verkehrte Welt« gehört. Oft wird uns auf der Bühne gezeigt, wie eine Person eine Falle stellt, in die sie später selber gerät. Die Geschichte vom verfolgten Verfolger oder vom betrogenen Betrüger ist ein ergiebiges Lustspielthema. Wir finden sie schon im uralten Schwank. Der Advokat Pathelin bringt seinem Kunden einen Trick bei, mit

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dessen Hilfe ein Angeklagter seinen Richter hinters Licht führen kann; der Kunde wird diesen Trick benützen, um den Advokaten nicht bezahlen zu müssen. Eine zänkische Frau verlangt von ihrem Gatten, daß er den Haushalt besorge, und notiert alle seine Pflichten fein säuberlich auf einem Zettel. Danach fällt sie in einen Bottich. Ihr Gatte weigert sich, sie herauszuziehen. Begründung: »Das steht nicht auf meinem Zettel.« Auch in der modernen Literatur kommt das Thema vom »bestohlenen Dieb« in zahlreichen Varianten vor. Dabei geht es im Grunde immer nur um eine Vertauschung der Rollen und um eine Situation, die sich gegen den richtet, der sie herbeigeführt hat. Hier bewahrheitet sich ein Gesetz, dessen Anwendung wir in dieser Arbeit schon mehrfach geschildert haben. Hat sich eine komische Szene oft genug wiederholt, so bildet sie eine »Kategorie«, ein Modell. Sie wirkt an sich lustig, ganz unabhängig von den Ursachen, die bewirkt haben, daß wir sie lustig fanden. In der Folge werden wir auch neue Szenen wenn nicht de iure, so doch de facto lustig finden, sofern sie der Modellszene auch nur entfernt ähnlich sind. Sie vermitteln uns mehr oder weniger deutlich ein Bild, von dem wir wissen, daß es komisch ist. Und dadurch reihen sie sich in eine Gattung ein, deren Komik offiziell anerkannt ist. Zu dieser Gattung gehört die Situation des »bestohlenen Diebs«. Sie strahlt ihre Komik auf eine Menge anderer Szenen aus. Sie läßt am Ende jedes selbstverschuldete Mißgeschick komisch erscheinen, wie immer die Schuld, wie immer das Mißgeschick beschaffen sein mögen – was sage ich, komisch wirkt nur schon eine Anspielung auf dieses Mißgeschick, ein einziger Satz, der sich darauf bezieht, wirkt komisch. »Du hast’s gewollt, Georges Dandin« – der Ausspruch entbehrte jeglicher Komik ohne die komischen Resonanzen, die seine Wirkung verlängern.

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3. – Genug von Repetitionen und Inversionen. Wenden wir uns der Interferenz der Serien zu. Ihr komischer Effekt läßt sich nur schwer auf eine Formel bringen, weil er auf der Bühne so viele verschiedene Formen annimmt. Versuchsweise wollen wir ihn wie folgt definieren: Komisch ist eine Situation immer dann, wenn sie gleichzeitig zwei völlig unabhängige Ereignisreihen hervorbringt und gleichzeitig auf zwei ganz verschiedene Arten gedeutet werden kann. Man wird jetzt sogleich an das Quiproquo denken. Die Verwechslung ist ja wahrhaftig eine Situation, die gleichzeitig zwei Sinndeutungen zuläßt. Die Schauspieler geben ihr einen möglichen Sinn, die Zuschauer einen wirklichen. Den wahren Sinn der Situation erkennen die Zuschauer, weil man ihnen alle Aspekte gezeigt hat. Die dargestellten Personen dagegen kennen jeweils nur einen; daher die Irrtümer, daher ihre falschen Bewertungen dessen, was um sie herum geschieht und was sie selbst tun. Wir aber kommen vom falschen Urteil zum richtigen; wir pendeln zwischen dem möglichen und dem wirklichen Sinn, und mit diesem Schwanken zwischen zwei entgegengesetzten Deutungen beginnt unser Spaß an der Verwechslung. Nicht von ungefähr haben sich die Philosophen mit diesem Moment der Unschlüssigkeit besonders eingehend befaßt. Einige wollten sogar das Wesen der Komik überhaupt nur im Widerstreit oder in einer Überschneidung zweier Deutungen sehen, die sich nicht miteinander vertragen. Diese Definition paßt natürlich bei weitem nicht auf alle Fälle, und selbst dort, wo sie paßt, erklärt sie nicht das Prinzip der Komik, sondern nur eine seiner mehr oder weniger fernen Auswirkungen. Tatsächlich ist das Quiproquo im Theater nur ein besonderer Teil eines viel allgemeineren Phänomens, nämlich der Interferenz selbständiger Serien, und außerdem ist es nicht komisch an sich, sondern lediglich als Zeichen einer solchen Interferenz. Bei einer Verwechslung fügt sich jede handelnde Person in eine Kette von Ereignissen ein, die sie persönlich betreffen, die sie sich

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genau vorstellen kann und nach denen sie ihre Reden und Handlungen richtet. Jede einzelne Ereignisreihe entwickelt sich, jede einzelne Person betreffend, unabhängig von den anderen, aber zu einem bestimmten Zeitpunkt sind sie einander unter Umständen begegnet, die bewirken, daß die zu einer von ihnen passenden Handlungen und Worte auch zu einer anderen passen könnten. Daher der Irrtum der handelnden Personen, daher die Zweideutigkeit. Diese Zweideutigkeit allein ist aber nicht komisch; sie ist es nur, weil sie das Zusammentreffen der beiden unabhängigen Reihen nach außen bekundet. Deshalb bemüht sich ja der Autor, unsere Aufmerksamkeit fortwährend auf die beiden Tatsachen der Unabhängigkeit und des Zusammentreffens zu lenken. Meist gelingt ihm das dadurch, daß er die scheinbare Gefahr einer Spaltung zwischen zwei zusammentreffenden Serien stets aufs neue heraufbeschwört. Jeden Augenblick droht alles aufzufliegen, und jedesmal wird alles wieder geflickt. Das ist das Spiel, das uns zum Lachen bringt – weit mehr als unser geistiges Schwanken zwischen zwei kontradiktorischen Behauptungen. Es macht uns lachen, weil es uns die Interferenz zweier unabhängiger Ereignisfolgen vor Augen führt. Sie ist der wahre Ursprung der komischen Wirkung. Das Quiproquo kann daher nur ein Sonderfall sein. Es ist eines der Mittel (vielleicht das künstlichste), die Interferenz der Serien sichtbar zu machen. Es gibt noch viele andere. An die Stelle von zwei Ereignisfolgen aus dem gleichen Zeitabschnitt kann man auch eine erste Reihe von vergangenen Ereignissen und eine zweite von aktuellen Begebenheiten setzen. Treffen die beiden Reihen in unserer Phantasie aufeinander, so ergibt sich eine komische Wirkung, wiewohl es nicht mehr um eine Verwechslung geht. Denken Sie an Bonivards Gefangenschaft im Schloß Chillon: eine erste Reihe von Tatsachen. Stellen Sie sich alsdann vor, wie Tartarin auf seiner Schweizer Reise ebenfalls verhaftet und eingekerkert wird: zweite Reihe, ganz unabhängig von der ersten. Sehen Sie jetzt zu, wie Tartarin an Bonivards Kette gefesselt

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wird und wie die beiden Begebenheiten vorübergehend zusammentreffen, und Sie wohnen einer überaus komischen Szene bei, einer der amüsantesten, die Daudets Phantasie jemals entsprungen sind. Viele heroisch-komische Geschehnisse ließen sich auf diese Art zerlegen. Die meist komische Transposition vom Alten ins Neue lebt ja von der gleichen Idee. Labiche hat die Methode in allen ihren Formen angewendet. Manchmal baut er zuerst die unabhängigen Serien auf, und dann läßt er sie durcheinander geraten. Er nimmt eine geschlossene Gruppe, zum Beispiel eine Hochzeitsgesellschaft, und versetzt sie in eine ganz fremde Umgebung, wo sie sich dank gewisser Zufälle vorübergehend niederlassen wird. Bisweilen auch behält er während des ganzen Stückes den gleichen Personenkreis bei, sorgt aber dafür, daß einige dieser Personen etwas zu verheimlichen haben, daß sie gezwungen sind, sich miteinander zu vertragen, kurz, daß sie eine Komödie innerhalb der Komödie aufführen. Jeden Augenblick droht eine Komödie die andere zu stören, doch schließlich löst sich alles in Minne auf, und der Kontakt zwischen den zwei Folgen ist wiederhergestellt. Und manchmal schaltet Labiche in den wirklichen Gang der Ereignisse eine rein ideelle Serie ein, zum Beispiel eine Vergangenheit, die jemand verheimlichen möchte und die doch ständig in die Gegenwart einbricht; sie läßt sich aber immer wieder mit der gegebenen Situation in Einklang bringen, auch wenn es jedesmal so aussah, als würde sie alles auf den Kopf stellen. Überall finden wir die beiden unabhängigen Serien wieder, überall auch das vorübergehende Zusammentreffen. Aber ob Interferenz, Inversion oder Repetition – der Zweck bleibt der gleiche. Beabsichtigt ist immer das, was wir eine Mechanisierung des Lebens genannt haben. Man nimmt ein System von Handlungen und Beziehungen, wiederholt es tel quel oder

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stellt es auf den Kopf oder versetzt es als Ganzes in ein anderes System, mit dem es sich teilweise überschneidet. Bei allen diesen Operationen wird das Leben als Repetiermechanismus behandelt, mit Rückläufen und auswechselbaren Bestandteilen. Das wirkliche Leben entspricht einem Lustspiel in dem Maß, als es auf natürlichem Weg gleichgeartete Effekte erzielt, das heißt genau so lange, wie es sich selbst vergißt; denn behielte es sich ständig im Auge, so wäre es eine ungleichförmige Kontinuität, ein unverrückbarer Fortschritt, eine ungeteilte Einheit. Deshalb können wir die Komik der Ereignisse als eine Zerstreutheit der Dinge bezeichnen, so wie die Komik eines einzelnen Charakters immer mit einer gewissen fundamentalen Zerstreutheit der Person zusammenhängt. Die Zerstreutheit der Ereignisse ist aber ungewöhnlich. Ihre Auswirkungen fallen kaum ins Gewicht. Vor allem aber ist sie unkorrigierbar, so daß es sinnlos wäre, über sie zu lachen. Deshalb käme niemand auf den Gedanken, sie zu übertreiben, zu einem System zu verdichten, zu einer Kunst zu erheben, wäre nicht das Lachen überhaupt ein Vergnügen und benützten die Menschen nicht jede Gelegenheit, dieses Vergnügen auszukosten. So erklärt sich der Schwank. Er verhält sich zum wirklichen Leben wie der Hampelmann zum beweglichen Menschen; er ist die sehr künstliche Übertreibung einer gewissen natürlichen Steifheit der Dinge. Der Faden, der ihn mit dem echten Leben verbindet, ist eher dünn. Es ist nichts als ein Spiel und gehorcht, wie alle Spiele, einer zuvor vereinbarten Regel. Die Charakterkomödie dagegen wurzelt viel tiefer in der lebendigen Gegenwart. Im letzten Teil unserer Studie werden wir uns näher mit ihr beschäftigen. Zuerst aber müssen wir eine Art von Komik analysieren, die jener des Schwanks in mancher Hinsicht ähnlich ist: die Wortkomik.

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II. Es wirkt vielleicht gekünstelt, wenn wir für die Wortkomik eine eigene Kategorie schaffen. Die meisten der bisher untersuchten Effekte wurden ja ohnehin schon durch die Sprache ausgelöst. Es ist aber nicht dasselbe, ob die Sprache Komik ausdrückt oder Komik erzeugt. Im ersten Fall läßt sich die Komik zur Not in eine andere Sprache übersetzen, auch auf die Gefahr hin, daß sie in einer neuen Gesellschaft, die andere Sitten, eine andere Literatur und vor allem andere Gedankenassoziationen hat, den größten Teil ihrer Substanz einbüßen wird. Im zweiten Fall ist die Komik meist unübersetzbar. Sie steht und fällt mit dem Satzbau oder der Wortwahl. Sie konstatiert nicht einfach mit Hilfe der Sprache irgendwelche besonderen Zerstreutheiten der Menschen oder der Ereignisse. Sie unterstreicht die Zerstreutheiten der Sprache selbst. Die Sprache selber wird komisch. Die Sätze entstehen freilich nicht von selbst, und wenn wir über sie lachen, so können wir im gleichen Atemzug auch über ihre Urheber lachen. Wir können, wir müssen aber nicht. Die Komik eines Satzes, eines Wortes kann durchaus selbständig sein. Sehr oft vermöchten wir nicht zu sagen, worüber wir eigentlich lachen, wiewohl wir undeutlich spüren, daß da irgendwo ein Mensch mit im Spiel ist. Dieser Mensch muß auch nicht immer der sein, der spricht. In diesem Zusammenhang muß man eine wichtige Unterscheidung zwischen geistreich und komisch machen. Ein Wort kann komisch sein, wenn wir über die Person, die es ausspricht, lachen müssen, und es ist geistreich, wenn es uns über einen Dritten oder auch über uns selbst lachen macht. Häufig aber sind wir nicht sicher, ob das Wort komisch oder geistreich ist. Wir empfinden es ganz einfach als lustig.

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Ein geistreicher Ausspruch entlockt uns zumindest ein Lächeln. Deshalb wäre eine Studie über das Lachen nicht vollständig, wenn man es unterließe, die Natur dessen, was man Geist nennt, zu ergründen. Ich fürchte nur, das Thema ist so überaus empfindlich, daß es bei Licht zergeht. Das Wort »geistvoll« kann zwei Bedeutungen haben, eine weitere und eine engere. Im weitesten Sinn des Wortes kann man darunter eine gewisse dramatische Denkweise verstehen. Der geistvolle Mensch geht mit seinen Ideen nicht wie mit irgendwelchen Symbolen um; er sieht, er hört sie, vor allem aber läßt er sie miteinander reden, als wären sie Personen. Er führt mit ihnen Regie. Ein wenig führt er auch mit sich selbst Regie. Ein geistvolles Volk ist zugleich ein theaterbesessenes Volk. Im geistvollen Menschen steckt etwas von einem Dichter, so wie im guten Leser das Zeug zum Schauspieler steckt. Ich führe den Vergleich absichtlich an, weil man zwischen diesen vier Begriffen mühelos eine Beziehung herstellen kann. Um gut zu lesen, muß man nur den intellektuellen Teil der dramatischen Kunst beherrschen; um jedoch gut zu spielen, muß man mit Leib und Seele Schauspieler sein. Dichterische Schöpfung erfordert also eine gewisse Distanz von der eigenen Person, und das ist nicht unbedingt die Stärke des geistvollen Menschen. Dieser bringt mit allem, was er sagt und tut, sich selbst mehr oder weniger stark zur Geltung. Er verliert sich nicht darin, weil er nur seine Intelligenz einsetzt. Jeder Dichter kann sich daher, wann immer es ihm beliebt, als ein Mann von Geist entpuppen. Zu diesem Zweck braucht er nichts Neues dazuzulernen, im Gegenteil, er muß eher etwas vergessen. Es genügt, wenn er seine Ideen »einfach so zum Spaß« sich miteinander unterhalten läßt. Er muß nur das zweifache Band lockern, das seine Gedanken mit seinen Gefühlen und seine Seele mit dem Leben verbindet. Er wäre nur noch ein geistvoller Mensch, wenn

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er mit der Intelligenz allein und nicht auch mit dem Herzen ein Dichter sein wollte. Wenn aber Geist im Sinn von Witz ganz allgemein die Fähigkeit ist, die Dinge sub specie theatri zu sehen, so kann man daraus folgern, daß er sich in jener Gattung der dramatischen Kunst, die man Komödie nennt, am ehesten zu Hause fühlt. Dort bekommt das Wort Geist eine engere Bedeutung, und zwar die einzige, die uns im Zusammenhang mit unserer Theorie des Lachens interessiert. Dann versteht man unter Geist eine bestimmte Begabung, komische Szenen zu entwerfen, und zwar so diskret, so leicht, so flink, daß alles schon vorbei ist, wenn wir es erst zu bemerken beginnen. Wer sind die Spieler in diesen Szenen? Mit wem hat der geistreiche Mann zu rechnen? Zunächst mit seinen unmittelbaren Gesprächspartnern, wenn er einem von ihnen direkt mit einem Bonmot antwortet. Häufig auch mit einer abwesenden Person, von der er annimmt, sie habe etwas gesagt, das eine Antwort verlangt. Noch häufiger aber mit aller Welt in dem Sinne, daß er einen der ganzen Welt geläufigen Gedanken in sein Gegenteil verkehrt, eine übliche Redensart auf unübliche Weise verwendet oder ein Zitat, ein Sprichwort parodiert und so zum Widerspruch herausfordert. Wie Sie sehen, bewegen wir uns wieder auf vertrautem Gebiet: Wir fühlen uns an das Lustspielmotiv des »bestohlenen Diebes« erinnert. Jemand wendet eine Metapher, eine Phrase, eine Überlegung gegen die Person, die sie äußert oder äußern könnte, so daß diese schließlich gesagt hat, was sie nicht sagen wollte, daß sie sich also gewissermaßen selbst in der Schlinge der Sprache verfängt. Der »bestohlene Dieb« ist jedoch nicht das einzige mögliche Thema. Wir haben uns mit mancherlei Arten der Komik befaßt, und es gibt keine einzige, die sich nicht zu einer Waffe des Geistes schmieden ließe.

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Die Wortkomik ist also wohl eine Analyse wert. Müßten wir ein pharmazeutisches Rezept erstellen, es würde folgendermaßen lauten: Man nehme das Wort, weite es zur gespielten Szene aus und suche dann die komische Kategorie, der diese Szene entsprechen würde. Man zerlegt also ein Bonmot in seine einfachsten Elemente, und die Erklärung ist vollständig. Wenden wir diese Methode auf ein klassisches Beispiel an. »Deine Brust schmerzt mich«, schrieb Madame de Sévigné ihrer kranken Tochter. Das ist ein geistvoller Ausspruch. Wenn unsere Theorie stimmt, dann läßt er sich zur komischen Szene ausweiten, sobald wir ihn aus dem Zusammenhang herausschälen, verdichten, unterstreichen. Eine solche Szene findet sich fertig präpariert in Molières Amour médecin: Der falsche Arzt Clitandre soll Sganarelles Tochter untersuchen; statt dessen fühlt er Sganarelle den Puls und erklärt dann – weil er die Zuneigung zwischen Vater und Tochter spürt – unverfroren: »Ihre Tochter ist sehr krank!« Damit hat sich der Übergang vom Geistreichen zum Komischen vollzogen. Um unsere Analyse zu Ende zu führen, müssen wir nur noch herausfinden, weshalb die Idee, die Krankheit eines Kindes nach der Untersuchung des Vaters oder der Mutter zu diagnostizieren, komisch ist. Wie wir nun aber wissen, besteht eine der hauptsächlichsten komischen Erfindungen darin, einen lebenden Menschen als Gliederpuppe auftreten zu lassen, wobei man, um dieses Bild glaubhaft zu machen, oft zwei oder mehrere Personen sprechen und handeln läßt, als wären sie durch unsichtbare Fäden miteinander verbunden. Vermittelt uns nicht auch Molière diesen Eindruck, indem er dafür sorgt, daß wir die auch von uns vermutete Sympathie zwischen Tochter und Vater gewissermaßen materialisieren? Man begreift, weshalb sich gewisse Autoren in ihren Abhandlungen über den Geist damit begnügen mußten, die mit diesem

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Begriff bezeichnete außerordentliche Komplexität der Dinge festzustellen, ohne den Begriff als solchen zu definieren. Es gibt vielerlei Arten, geistreich zu sein, fast so viele, wie es nicht zu sein. Wie können wir erkennen, was sie miteinander gemein haben, wenn wir nicht zuerst die allgemeine Beziehung zwischen Geist und Komik bestimmen? Ist diese Beziehung aber einmal klargestellt, dann wird uns auch das Übrige klar. Zwischen der Komik und dem Geist erkennen wir dann das gleiche Verhältnis wie zwischen einer abgeschlossenen und einer nur angedeuteten, einer möglichen Szene. Der Vielfalt der Komik entspricht die Vielfalt des Geistes. Zuerst also müssen wir die Komik in ihren verschiedenen Ausdrucksformen erfassen, indem wir – und das ist schon schwierig genug – den Faden wiederfinden, der von einer Form zur anderen führt. Damit aber haben wir auch schon den Geist analysiert: Er ist in diesem Fall nichts anderes als eine Komik, die sich verflüchtigt hat. Den umgekehrten Weg beschreiten, die Formel des Geistvollen direkt suchen wollen, hieße einem sicheren Mißerfolg entgegengehen. Was würde man von einem Chemiker sagen, der in seinem Laboratorium über eine unbeschränkte Menge von Stoffen verfügte und sie dann lediglich als Spuren in der Atmosphäre untersuchen wollte? Der Vergleich zwischen Geist und Komik zeigt uns, wie wir beim Studium der Wortkomik vorzugehen haben. Wir sehen, daß zwischen einem komischen und einem geistreichen Ausspruch tatsächlich kein wesentlicher Unterschied besteht; wir sehen aber auch, wie der geistreiche Ausspruch, wenngleich an eine sprachliche Wendung gebunden, den mehr oder weniger deutlichen Eindruck von einer komischen Szene erweckt. Anders gesagt, die Komik der Sprache muß Punkt für Punkt der Komik der Handlungen und Situationen entsprechen und ist, wenn man so sagen will, nur deren Projektion auf den Bereich des Wortes. Kehren wir daher zur Komik der Handlungen und Situationen zurück.

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Betrachten wir die gebräuchlichsten Methoden, mit denen man sie erzielt. Wenden wir danach die gleichen Methoden auf die Wortwahl und den Satzbau an. Auf diese Weise entdecken wir die verschiedensten Formen der Wortkomik wie auch die möglichen Spielarten des Geistes. 1. Sich gehen lassen aus Steifheit oder gemäß dem Gesetz der Trägheit; sagen, was man nicht sagen wollte; tun, was man nicht tun wollte; das alles ist, wie wir jetzt wissen, eine der großen Quellen der Komik. Deshalb ist Zerstreutheit an sich lächerlich. Deshalb auch lacht man über alles Steife, Fertige, Mechanische in den Gebärden, Haltungen und sogar in den Gesichtszügen. Gibt es dieses Steife auch in der Sprache? Gewiß. Sie hat ihre fixfertigen Formeln, ihre stereotypen Sätze. Eine Person, die sich nur in diesem Stil ausdrücken würde, wäre unweigerlich komisch. Soll aber ein Satz selbst komisch sein, unabhängig von der Person, die ihn ausspricht, so genügt es nicht, daß es ein fixfertiger Satz ist, er muß darüber hinaus ein Merkmal aufweisen, an welchem wir ohne weiteres erkennen können, daß er automatisch dahergesagt wurde. Er muß eine offensichtliche Absurdität enthalten, einen groben Irrtum etwa oder noch besser einen in den Worten liegenden Widerspruch. Daher die allgemeine Regel: Man tut einen komischen Ausspruch, indem man eine absurde Idee in eine stehende Redensart kleidet. »Dieser Säbel ist der schönste Tag meines Lebens«, sagt Monsieur Prudhomme. In einer anderen Sprache klingt dieser Satz ganz einfach absurd. Auf französisch ist er komisch, weil sich der Franzose daran gewöhnt hat, daß jedermann bei jeder Gelegenheit vom »schönsten Tag seines Lebens« spricht. Es ist eine dieser stehenden Redensarten, die in einem Satz komisch wirken, weil darin ein Automatismus zum Ausdruck kommt. Der komische Effekt wird dadurch erreicht, daß man die Redensart mit etwas

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Absurdem verflicht. Das Absurde ist hier nicht die Ursache des Komischen. Es ist nur ein einfaches und sehr wirkungsvolles Mittel, die Komik eines Satzes herauszustreichen. Wir haben nur einen Ausspruch von Monsieur Prudhomme zitiert. Aber die meisten komischen Äußerungen, die man ihm zuschreibt, gehorchen dem gleichen Schema. Monsieur Prudhomme ist der Mann der abgedroschenen Redensarten. Und da es in allen Sprachen abgedroschene Redensarten gibt, kann man Monsieur Prudhommes Phrasen ohne weiteres übertragen, wenn auch selten übersetzen. Das Entdecken der banalen Redensart, unter der sich etwas Absurdes verbirgt, wird uns nicht immer so leicht gemacht. »Ich arbeite nicht gern zwischen den Mahlzeiten«, hat einmal ein Faulpelz gesagt. Der Satz ist nur deshalb lustig, weil es im Französischen die wichtige Gesundheitsregel gibt: »Man esse nicht zwischen den Mahlzeiten.« Bisweilen auch wird der Effekt komplizierter. Statt einer einzigen abgedroschenen Redensart haben wir es mit mehreren ineinander verschachtelten Phrasen zu tun. Labiche läßt zum Beispiel eine seiner Figuren sagen: »Gott allein hat das Recht, seinen Nächsten zu töten.« Dieser Spruch lebt offensichtlich von zwei uns sehr vertrauten Lehrsätzen: »Gott allein lenkt das Schicksal der Menschen« und »Du sollst deinen Nächsten nicht töten«. Beide Sätze sind nun so kombiniert worden, daß sie unser Ohr täuschen und wie irgendeine Phrase wirken, die man mechanisch wiederholt und übernimmt. Unsere Aufmerksamkeit wird eingeschläfert, bis die Absurdität sie plötzlich weckt. Diese Beispiele werden genügen, um verständlich zu machen, wie sich eine der wichtigsten Formen der Komik auf das Gebiet der

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Sprache projizieren und vereinfachen läßt. Gehen wir zu einer weniger allgemeinen Form über. 2. – »Wir lachen immer dann, wenn unsere Aufmerksamkeit auf das Äußere einer Person gelenkt wird, während es sich um ihr Inneres handelt«: Dieses Gesetz haben wir im ersten Teil unserer Abhandlung aufgestellt. Wenden wir es jetzt auf die Sprache an. Die meisten Worte haben einen äußeren und einen inneren Sinn, je nachdem, ob man sie im eigentlichen oder im übertragenen Sinn versteht. Jedes Wort bezeichnet zunächst einen konkreten Gegenstand oder eine materielle Handlung; mit der Zeit aber kann sich sein Sinn vergeistigen, er kann sich zu einer abstrakten Beziehung oder zu einer reinen Idee wandeln. Soll unser Gesetz Gültigkeit haben, so muß es folgendermaßen lauten: Man erzielt einen komischen Effekt, wenn man vorgibt, einen Ausdruck im eigentlichen Sinn zu hören, während er im übertragenen Sinn getan wurde. Oder: Sobald sich unsere Aufmerksamkeit auf die materielle Seite einer Metapher konzentriert, wird die ausgedrückte Idee komisch. »Alle Künste sind Schwestern«, sagen die Franzosen. In dieser Redensart wird das Wort »Schwester« als Metapher verwendet, um eine mehr oder weniger große Ähnlichkeit zu bezeichnen. Und es wird so oft auf diese Weise gebraucht, daß wir dabei nicht mehr an die konkrete und materielle Beziehung denken, die eine Verwandtschaft darstellt. Wir würden schon eher daran denken, wenn man sagte: »Alle Künste sind Kusinen«, weil das Wort »Kusine« kaum jemals im übertragenen Sinn verwendet wird; es hätte folglich bereits einen komischen Beiklang. Spinnen wir den Gedanken weiter und nehmen wir an, man lenke unsere Aufmerksamkeit gewaltsam auf den materiellen Aspekt der Phrase, indem man einen Verwandtschaftsbegriff wählte, der sich aus grammatischen Gründen nicht zum Vergleich eignen würde: »Alle Künste sind Brüder!« Der Effekt wäre komisch.

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»Er läuft dem Geist nach«, sagte jemand zu Boufflers, als von einem eingebildeten Menschen die Rede war. Hätte Boufflers geantwortet: »Er wird ihn nicht erwischen«, so wäre dies der Beginn eines Bonmots gewesen; aber es wäre nur ein Beginn gewesen, weil die Wörter »erwischen« und »laufen« häufig im übertragenen Sinn verwendet werden und uns deshalb nicht sofort und ruckartig an das konkrete Bild von zwei Läufern erinnern. Witzig mußte also eine Replik sein, die dem Sportjargon einen so handfesten, so lebendigen Ausdruck entlehnte, daß der Zuhörer sich geradezu mitlaufen sieht. Das erreicht Boufflers, wenn er sagt: »Ich setze auf den Geist.« Geist, sagten wir, bestehe oft auch darin, den Gedanken eines Gesprächspartners weiterzuspinnen bis zu dem Punkt, wo dieser das Gegenteil seines Gedankens ausdrücken und sich in der eigenen sprachlichen Schlinge verfangen könnte. Solche Schlingen sind nun häufig ebenfalls Metaphern oder Gleichnisse, die sich gegen ihre Urheber richten lassen. Man denke an den Dialog zwischen Mutter und Sohn in Faux Bonhommes: »Mein Lieber, die Börse ist ein gefährliches Spiel. Man gewinnt heute und verliert morgen. – Nun, dann spiele ich eben nur jeden zweiten Tag.« Im gleichen Stück findet zwischen zwei Finanzmännern folgende erbauliche Unterhaltung statt: »Ist es auch anständig, was wir da tun? Schließlich ziehen wir den armen Aktionären das Geld aus der Tasche … – Na und? Wo sollten wir’s denn sonst herausziehen?« Man erzielt daher eine amüsante Wirkung, wenn man ein Symbol oder ein Emblem im materiellen Sinn entwickelt und dieser Entwicklung den gleichen Symbolwert zuschreibt wie dem Symbol selbst. In einem heiteren Schwank tritt ein Beamter aus Monaco auf, die Uniform über und über mit Orden bedeckt, wiewohl ihm nur ein einziger verliehen worden ist. Seine Erklärung: »Ich habe meine Medaille auf eine Zahl im Roulette gesetzt, und da sie ge-

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wonnen hat, steht mir das Recht auf das Sechsunddreißigfache meines Einsatzes zu.« Die gleiche Überlegung stellt Giboyer in Effrontés an. Das Gespräch dreht sich um eine vierzigjährige Braut, die ihr Hochzeitskleid mit Orangenblüten geschmückt hat: »Eigentlich hätte sie ein Recht auf Orangen«, sagt Giboyer. Wir kämen an kein Ende, wollten wir sämtliche Gesetze, die wir bisher verkündet haben, der Reihe nach auf ihre Anwendbarkeit im sprachlichen Bereich prüfen. Besser, wir halten uns an die drei Leitsätze aus dem vorangegangenen Kapitel. Dort haben wir gezeigt, wie Ereignisreihen infolge der Repetition, Inversion oder Interferenz komisch werden können. Das trifft auch auf die Wortreihen zu. Eine Serie von Ereignissen in einem anderen Ton oder einem anderen Milieu wiederholen oder sie umkehren, so daß sie noch einen Sinn haben, oder sie mit einer oder mehreren anderen Serien vermengen, so daß ihre entsprechenden Bedeutungen sich überschneiden – das ist komisch, sagten wir, weil man damit erreicht, daß das Leben sich mechanisch behandeln läßt. Aber auch der Gedanke ist etwas, das lebt. Und die Sprache, die ihn überträgt, sollte ebenso lebendig sein wie er. Also wird ein Satz komisch, wenn er auch umgekehrt noch einen Sinn ergibt. Oder wenn er zwei völlig unabhängige Gedankensysteme ausdrückt, ohne zwischen den beiden zu unterscheiden. Oder wenn er aus der Umsetzung einer Idee in eine ihr fremde Tonart entstanden ist. Das sind die drei Grundgesetze der sogenannten komischen Verwandlung gesprochener Sätze, wie die folgenden Beispiele zeigen. Zunächst sei festgestellt, daß die drei Gesetze in bezug auf die Theorie der Komik bei weitem nicht die gleiche Bedeutung haben. Das unwichtigste Verfahren ist die Inversion. Es scheint aber auch das leichteste zu sein; jedenfalls kann man feststellen, daß die

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professionellen Wortkomiker, kaum haben sie eine Phrase aufgeschnappt, nach Mitteln und Wegen suchen, um diese Phrase so umzukehren, daß sie noch einen Sinn ergibt, indem sie zum Beispiel das Subjekt an die Stelle des Objekts setzen und das Objekt an die Stelle des Subjekts. Nicht selten wird auf diese Weise eine Idee in mehr oder weniger witzigen Worten widerlegt. In einer Komödie von Labiche streiten sich zwei übereinander wohnende Mieter, weil der eine den Balkon des anderen beschmutzt. »Warum werfen Sie Ihre Pfeifen auf meine Terrasse?« ruft der eine, worauf der andere erwidert: »Warum stellen Sie Ihre Terrasse unter meine Pfeifen?« Die Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Die Interferenz zweier Gedankensysteme im gleichen Satz ist eine unversiegliche Quelle witziger Effekte. Und es gibt zahlreiche Mittel, einem einzigen Satz zwei unabhängige Bedeutungen zu geben, die sich überschneiden. Das unrühmlichste ist der Kalauer. Beim Kalauer scheint der gleiche Satz auf den ersten Blick tatsächlich zwei verschiedene Bedeutungen zu haben; doch der Schein trügt. In Wirklichkeit sind es zwei verschiedene Sätze, die aus verschiedenen Wörtern bestehen und die man künstlich vermischt, wobei man sich die Tatsache zunutze macht, daß beide Sätze für das Ohr gleich tönen. Im übrigen gelangt man vom Kalauer auf unmerklichen Zwischenstufen zum echten Wortspiel. Hier überschneiden sich zwei Ideensysteme wirklich in ein und demselben Satz, und auch die Worte sind dieselben. Der Erfinder des Wortspiels bedient sich ganz einfach der verschiedenen Bedeutungen, die ein Wort haben kann, vor allem beim Wechsel vom eigentlichen zum übertragenen Sinn. Winzig ist oft auch der Unterschied zwischen dem Wortspiel und der poetischen Metapher oder dem belehrenden Gleichnis. Im Bild und im Gleichnis scheint sich die Übereinstimmung zwischen Sprache und Natur, hier als zwei Parallelerscheinungen des Lebens betrachtet, widerzuspiegeln, während wir beim Wortspiel eher den Eindruck

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gewinnen, die Sprache lasse sich gehen, sie habe vorübergehend ihre wahre Bestimmung vergessen und wolle die Dinge nach ihr – anstatt sich nach den Dingen – richten. Das Wortspiel verrät also eine vorübergehende Zerstreutheit der Sprache, und deshalb ist es komisch. Inversion und Interferenz sind aber im Grunde nur Spielereien des Geistes, die in Wortspiele münden. Tiefer geht die Komik der Transposition. Die Transposition in der Umgangssprache entspricht der Repetition in der Komödie. Wir haben die Repetition das beliebteste Verfahren der klassischen Komödie genannt. Die Repetition stellt sich ein, wenn die Handlung so angelegt ist, daß immer wieder die gleiche Szene entsteht, sei es zwischen den gleichen Personen unter neuen Umständen, sei es zwischen neuen Personen unter den gleichen Umständen. Beispiel: Diener spielen in einer derberen Sprache eine Szene, die vor ihnen schon die Herren gespielt haben. Gehen wir jetzt von Ideen aus, die in einem zu ihnen passenden Stil und folglich in ihrem natürlichen Milieu ausgedrückt werden. Denken wir uns eine Vorrichtung hinzu, die diesen Ideen gestattet, sich in eine neue Umgebung zu versetzen, ohne daß sich ihre Beziehungen zueinander ändern, oder, deutlicher gesagt, bringen Sie sie dazu, daß sie sich in einem ganz anderen Stil ausdrücken und in eine ganz andere Tonart umsetzen: Diesmal ist es die Sprache, die Ihnen Komödie vermittelt, es ist die Sprache, die komisch wird. Dies setzt aber keineswegs voraus, daß man uns sowohl die übertragene wie die natürliche Ausdrucksform einer Idee präsentiert. Die natürliche, ursprüngliche kennen wir ja schon, weil wir sie instinktiv wahrgenommen haben. Der komische Einfall muß und kann daher nur aus der anderen stammen. Wenn wir die zweite kennen, denken wir uns sogleich die erste dazu. Daraus ergibt sich folgende allgemeine Regel: Man erzielt eine komische

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Wirkung, wenn man den natürlichen Ausdruck einer Idee in eine andere Tonart überträgt. Die Mittel der Transposition oder Umsetzung sind so zahlreich und vielfältig, die Sprache weist eine so reiche Folge von Tonarten auf, die Komik kann hier vom seichtesten Spaß bis zu den höchsten Formen des Humors und der Ironie so viele Stufen durchlaufen, daß wir auf eine Aufzählung verzichten müssen. Es wird genügen, wenn wir die wichtigsten Anwendungen unserer Regel fortlaufend überprüfen. Als erstes könnte man zwei extreme Tonarten unterscheiden, die feierliche und die familiäre. Die größten Wirkungen erzielt man ganz einfach dadurch, daß man die eine in die andere umsetzt. Hier kann die komische Phantasie zwei entgegengesetzte Richtungen einschlagen. Setzt man das Feierliche ins Familiäre um, so hat man die Parodie. Und die Wirkung dieser Parodie erstreckt sich bis auf Fälle, wo der in vertrauten Worten geäußerte Gedanke schon allein der Gewohnheit wegen in einem anderen Ton geäußert werden sollte. Jean-Paul Richter liefert uns ein treffendes Beispiel mit dem Satz: »Der Himmel begann sich zu röten wie ein Hummer im Siedewasser.« Den gleichen Effekt kann man erzielen, wenn man Antikes in Ausdrücken des modernen Lebens schildert; das liegt natürlich am poetischen Glorienschein, der das klassische Altertum umgibt. Es muß die Komik der Parodie gewesen sein, die einige Philosophen auf die Idee brachte, die Komik im allgemeinen mit dem Begriff Degradierung zu definieren. Nach Alexander Bain wird unsere Heiterkeit dadurch erregt, »daß man uns etwas, das wir stets in Ehren gehalten haben, als mittelmäßig und billig vorführt«. Wenn aber unsere Analyse stimmt, dann ist die Degradierung

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nur eine der Formen von Transposition, und die Transposition selbst ist nur eines von vielen Mitteln, Gelächter zu erregen. Es gibt noch andere, und der Ursprung des Lachens muß auf einer höheren Ebene gesucht werden. Wir brauchen aber nicht so weit zu gehen, um zu erkennen, daß nicht nur die Transposition vom Feierlichen ins Alltägliche, vom Besseren ins Schlechtere komisch ist: Der umgekehrte Vorgang ist es auch, und zwar noch mehr. Man findet die umgekehrte Transposition ebenso häufig wie die andere. Und ich glaube, man kann zwei hauptsächliche Formen unterscheiden, je nachdem, ob sie sich auf die Größe oder auf den Wert des Objekts bezieht. Von kleinen Dingen sprechen, als wären es große, heißt übertreiben. Die Übertreibung ist komisch, wenn sie fortgesetzt wird und vor allem wenn sie systematisch ist, denn dann stellt sie ein echtes Transpositionsverfahren dar. Sie erregt so viel Heiterkeit, daß mehrere Autoren die Komik als Übertreibung bezeichneten, so wie andere sie als Degradierung sahen. In Wirklichkeit ist auch die Übertreibung nur eine bestimmte Form einer bestimmten Art von Komik. Aber es ist eine sehr eindrucksvolle Form. Sie hat unter anderem das heroisch-komische Gedicht hervorgebracht – eine etwas abgenutzte Gattung, gewiß, doch Überreste davon finden wir immer noch bei Leuten, die zum methodischen Übertreiben neigen. Man kann auch von der Prahlerei sagen, sie bringe uns wegen ihres Hanges zum Heroisch-Komischen zum Lachen. Künstlicher, aber auch raffinierter ist die Transposition von unten nach oben, wenn sie den Wert und nicht mehr die Größe der Dinge verschiebt. Einen unredlichen Gedanken redlich ausdrücken, eine zweideutige Situation, ein niederes Gewerbe, einen schlechten Lebenswandel in Ausdrücken der strengen respectability schildern, ist fast immer komisch. Wir haben soeben ein englisches

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Wort gebraucht: Das Verfahren ist in der Tat sehr englisch. Man fände ungezählte Beispiele bei Dickens, Thackeray, ja überhaupt in der englischen Literatur. Die Stärke der Wirkung hängt hier übrigens nicht von ihrer Dauer ab. Bisweilen genügt ein einziges Wort, vorausgesetzt, es läßt ein in einem bestimmten Milieu gebräuchliches Transpositions-System durchscheinen und enthüllt uns gewissermaßen eine moralische Organisation der Unmoral. In einem Stück von Gogol weist ein höherer Beamter seinen Untergebenen mit den Worten zurecht: »Du stiehlst zu viel für einen Beamten deiner Klasse.« Wir fassen zusammen: Es gibt zunächst zwei extreme Vergleichswörter, das sehr Große und das sehr Kleine, das Bessere und das Schlechtere. Zwischen diesen kann die Transposition in diesem oder jenem Sinn stattfinden. Indem wir den Abstand verringern, stoßen wir auf neue, weniger brutal entgegengesetzte Wörter und auf subtilere Effekte der komischen Umsetzung. Die wohl häufigste Gegenüberstellung dieser Art erfolgt zwischen Wirklichkeit und Ideal, also zwischen dem, was ist, und dem, was sein sollte. Auch in diesem Fall kann die Transposition in beiden Richtungen stattfinden. Man kann sagen, was sein sollte, als glaube man, es sei genau das, was es ist. Das ist Ironie. Oder man kann im Gegenteil das, was ist, so ausführlich und haargenau beschreiben, als sei man überzeugt, daß es genau so sein sollte. So verfährt häufig der Humor. Der so definierte Humor ist das Gegenteil von Ironie. Beide sind Formen der Satire, aber die Ironie ist oratorischer Natur, während dem Humor eher etwas Wissenschaftliches anhaftet. Man betont die Ironie, indem man sich von der Idee des Guten, das sein sollte, immer höher tragen läßt; dies erklärt, weshalb sich die Ironie ereifern kann, bis sie sich zu einer unter Druck gesetzten Beredsamkeit gesteigert hat. Umgekehrt betont man den Humor, indem man immer tiefer in das Böse,

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das ist, hinuntersteigt und seine Besonderheiten mit kühler Gelassenheit zur Kenntnis nimmt. Mehrere Schriftsteller, darunter Jean Paul, haben festgestellt, daß der Humor eine Vorliebe für konkrete Ausdrücke, technische Details, genaue Tatsachen hat. Wenn unsere Analyse stimmt, dann ist dies kein zufälliger Charakterzug des Humors, es ist vielmehr sein wahres Wesen. Der Humorist ist in diesem Fall ein als Gelehrter getarnter Moralist, eine Art Anatom, der nur seziert, um uns abzuschrecken; und Humor in diesem beschränkten Sinn ist nichts anderes als eine Umsetzung des Moralischen ins Wissenschaftliche. Wenn wir den Abstand zwischen den Wörtern, die sich gegenseitig umsetzen lassen, noch mehr verringern, so erhalten wir immer speziellere Systeme der komischen Transposition. Viele Berufe haben bekanntlich ihr eigenes technisches Vokabular. Wie viele komische Effekte ergeben sich aus der Umsetzung alltäglicher Ideen in diese Berufssprache! Ebenso komisch wirken Ausdrücke aus der Geschäftssprache, wenn man sie im gesellschaftlichen Leben anwendet. Eine Figur von Labiche antwortet zum Beispiel auf eine Einladung: »Ihr Liebenswürdiges vom dritten vorigen Monats«, eine Umsetzung der geschäftlichen Floskel: »Ihr Wertes vom dritten dieses Monats«. Eine solche Komik kann übrigens noch tiefgründiger werden, wenn sie nicht mehr nur eine berufliche Gewohnheit, sondern einen Charakterfehler enthüllt. Man denke an die Szenen in Faux Bonhommes und in Famille Benoiton, wo die Heirat als Geschäft und wo Fragen des Herzens in rein kommerziellem Stil behandelt werden. Hier jedoch rühren wir an den Punkt, wo sprachliche Eigenheiten charakterliche Eigenheiten widerspiegeln, und auf diesen Punkt möchten wir erst im folgenden Kapitel zu sprechen kommen. Wie zu erwarten war und wie wir aus dem schon Gesagten ersehen konnten, folgt die Wortkomik der Situationskomik auf dem

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Fuß und mündet wie diese in die Charakterkomik. Die Sprache führt nur deshalb zu komischen Effekten, weil sie menschlich und deshalb den Formen des menschlichen Geistes möglichst genau nachgebildet ist. Wir spüren in ihr etwas, das von unserem Leben lebt. Wäre dieses Leben der Sprache vollständig und vollkommen, gäbe es darin nichts Erstarrtes, kurz, wäre die Sprache ein einheitlicher Organismus, unfähig, sich in unabhängige Organismen aufzuspalten, sie würde jeglicher Komik entbehren. Schließlich ist ja auch an einer Seele nichts Komisches, deren Leben harmonisch und spiegelglatt verläuft. Es gibt jedoch keinen stillen Weiher, an dessen Oberfläche nicht tote Blätter treiben, keine menschliche Seele, in welcher sich nicht Gewohnheiten bilden würden. Und diese Gewohnheiten verhärten den Menschen gegen sich selbst, indem sie ihn gegen die anderen verhärten. So gibt es auch keine Sprache, die beweglich, lebendig genug und in jedem ihrer Bestandteile so ganz präsent wäre, daß sie das Fixfertige ausmerzen und auch den mechanischen Eingriffen der Inversion, der Transposition widerstehen könnte. Was das Lachen hervorheben und korrigieren möchte, das ist dieses Starre, Fixfertige, Mechanische im Gegensatz zum Beweglichen, immerfort Wechselnden und Lebendigen, es ist Zerstreutheit im Gegensatz zur Aufmerksamkeit, Automatismus im Gegensatz zu freiem Handeln. Vom Beginn unserer Analyse des Komischen an war dieser Gedanke unser Leitstern. Wir haben ihn an allen entscheidenden Wendepunkten unseres Weges aufleuchten sehen. Jetzt wollen wir mit seiner Hilfe eine wichtigere und, wie wir hoffen, noch aufschlußreichere Untersuchung in Angriff nehmen: das Studium des komischen Charakters oder vielmehr der wesentlichen Voraussetzungen einer Charakterkomödie. Es soll uns helfen, das wahre Wesen der Kunst wie auch die allgemeine Beziehung der Kunst zum Leben besser zu verstehen.

DRITTES KAPITEL Die Charakterkomik

I. Wir sind der Komik auf vielen Wegen und Umwegen gefolgt und haben gesehen, wie sie allmählich eine Form, eine Haltung, eine Gebärde, eine Situation, eine Handlung, ein Wort durchdringen kann. Mit der Analyse des komischen Charakters kommen wir zum wichtigsten Teil unserer Aufgabe. Es wäre auch der schwierigste, hätten wir der Versuchung stattgegeben, das Lächerliche nur an ein paar prägnanten und deshalb undifferenzierten Beispielen zu definieren. Wir hätten erleben müssen, wie die Tatsachen in dem Maß, als wir uns auf die höchsten Äußerungen der Komik zubewegten, durch die allzu weiten Maschen unserer Definition geschlüpft wären. Wir haben jedoch die umgekehrte Methode befolgt und das Licht von oben nach unten gelenkt. Überzeugt, daß das Lachen eine soziale Bedeutung und Tragweite hat, daß die Komik vor allem eine besondere Unfähigkeit des Menschen, sich der Gesellschaft anzupassen, widerspiegelt, ja daß es Komik überhaupt nur im Menschlichen gibt, haben wir von Anfang an den Menschen, den Charakter anvisiert. Unsere einzige Schwierigkeit bestand darin, zu erklären, weshalb wir auch andere Dinge als einen Charakter komisch finden und auf welche subtilen Arten der Durchdringung, Verbindung oder Vermischung das Komische eine simple Bewegung, eine unpersönliche Situation, eine selbständige Phrase durchsetzen kann. Wir nahmen das Reinmetall als gegeben an und richteten alle unsere Anstrengungen nur auf die Wiedergewinnung des Rohmaterials. Doch jetzt werden wir uns mit dem Reinmetall selbst befassen. Es wird uns nicht schwerfallen. Denn diesmal haben wir es mit einem einfachen Element zu tun. Nehmen wir es also unter die Lupe. Es gibt, sagten wir, seelische Zustände, die uns bewegen, sobald wir ihrer gewahr werden: Freuden und Schmerzen, an denen wir teilhaben, Leidenschaften und Laster, die im Zuschauer schmerz-

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liches Erstaunen oder Schreck oder Mitleid hervorrufen, kurz, Gefühle, die sich von Seele zu Seele übertragen. All dies gehört zum Wesen des Lebens. Alles ist ernst, bisweilen sogar tragisch. Erst wenn ein anderer Mensch uns nicht mehr beschäftigt, kann die Komödie beginnen. Und sie beginnt an dem Punkt, wo sich der Einzelne gegen das Leben in der Gemeinschaft sträubt – mit anderen Worten: bei der Versteifung. Komisch ist eine Person, die automatisch ihren Weg geht, ohne sich um den Kontakt mit anderen zu bemühen. Das Lachen ist dazu da, den Einzelgänger zurückzuholen und aus seiner Zerstreutheit zu wecken. Um nur ein Beispiel, und zwar ein bescheidenes, zu nennen: Ein Junge tritt in eine neue Schule über. Nachdem er die gefürchteten Aufnahmeexamen bestanden hat, sieht er sich vor neue Prüfungen gestellt, Bewährungsproben, von seinen Kameraden erdacht, um ihn nach dem Muster der neuen Gemeinschaft umzumodeln und zu »lokkern«. Jede kleine Gemeinschaft, die sich im Schoß der großen bildet, entwickelt so eine Methode, das starre Schema der von außen mitgebrachten Gewohnheiten zu lockern, zu durchbrechen, umzuformen. Nicht anders verfährt die eigentliche, die große Gesellschaft. Sie zwingt jedes ihrer Glieder, auf seine Umgebung zu achten, sich ihr anzupassen und zu vermeiden, daß es sich in seinen Charakter zurückzieht wie in ein Schneckenhaus. Sie sorgt dafür, daß über jedem wenn nicht gerade die Drohung einer Strafe, so doch die Furcht vor einer Demütigung schwebt; und mag die Demütigung auch leicht sein, sie ist dennoch gefürchtet. Da nun das Lachen für den, dem es gilt, immer ein wenig demütigend ist, kann man es als eine wahre soziale Züchtigung betrachten. Dies erklärt die zweifache Natur der Komik. Sie gehört weder ganz zur Kunst noch ganz zum Leben. Einerseits würden wir niemals über Personen im wirklichen Leben lachen, wären wir nicht imstande, ihnen wie von einer Theaterloge aus zuzusehen; sie sind in unseren Augen nur insofern komisch, als sie uns ein

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Schauspiel bieten. Andererseits aber ist unsere Freude am Lachen sogar im Theater kein reiner Spaß, kein ausschließlich ästhetisches, völlig desinteressiertes Vergnügen. Immer ist ein Hintergedanke dabei, und wenn nicht wir ihn haben, so hat ihn statt unser die Gesellschaft. Dazu kommt die uneingestandene Absicht zu demütigen und dadurch – zumindest äußerlich – zu korrigieren. Deshalb steht die Komödie dem wirklichen Leben sehr viel näher als das Drama. Je mehr Größe ein Drama hat, desto tiefer mußte der Dichter die Wirklichkeit bearbeiten, um ihr eine möglichst reine Form von Tragik abzugewinnen. Die Komödie dagegen unterscheidet sich nur in ihren niederen Formen, in Schwank und Posse, von der Wirklichkeit: Je höher ihr Niveau, um so größer ihre Lebensechtheit. Umgekehrt gibt es im wirklichen Leben Szenen, die sich so nahe am gehobenen Lustspiel bewegen, daß die Bühne sie übernehmen könnte, ohne auch nur ein Wort daran zu ändern. Daraus folgt, daß die Elemente des komischen Charakters im Theater und im Leben dieselben sind. Welches sind diese Elemente? Sie lassen sich mühelos bestimmen. Man hat oft behauptet, es seien die kleinen Fehler unserer Nächsten, die uns erheitern. Ich gebe zu, daß in dieser Behauptung viel Wahres steckt; gleichwohl kann ich sie nicht für absolut richtig halten. Erstens ist es schwierig, zwischen klein und groß, zwischen leicht und schwer die Grenze zu ziehen. Vielleicht lachen wir nicht, weil ein Fehler leicht ist; vielleicht finden wir ihn leicht, weil er uns lachen macht. Es gibt bekanntlich nichts Entwaffnenderes als das Lachen. Wir können aber noch weitergehen und sagen, es gebe Fehler, über die wir lachen, wiewohl wir sie als schwerwiegend empfinden: zum Beispiel Harpagons Geiz. Und schließlich müssen wir doch – wenn auch widerwillig – zugeben, daß wir bisweilen nicht nur über die Fehler unserer Nächsten, sondern auch

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über ihre Vorzüge lachen. Wir lachen über Alceste. Man wird mir nun sagen, das Komische an ihm sei doch aber nicht seine Rechtschaffenheit, es sei vielmehr die besondere Form, welche die Rechtschaffenheit bei ihm angenommen hat, es sei das Verschrobene daran, das uns den Geschmack an ihr verdirbt. Einverstanden, aber wahr bleibt trotzdem, daß Alcestes Verschrobenheit, über die wir lachen, seine Rechtschaffenheit lächerlich macht, und das ist der springende Punkt. Die Komik ist also nicht immer das Kennzeichen eines Fehlers im moralischen Sinn, und wer durchaus von einem Fehler, und zwar von einem leichten Fehler sprechen will, der wird auch erklären müssen, wo sich hier das Leichte deutlich vom Schweren unterscheidet. In Tat und Wahrheit kann eine komische Person ohne weiteres im Einklang mit der strengen Moral handeln. Sie müßte sich nur noch mit der Gesellschaft in Einklang bringen. Alceste hat den Charakter eines vollkommen rechtschaffenen Mannes. Aber er ist ungesellig, und deshalb ist er komisch. Über ein bewegliches Laster lacht man nicht so schnell wie über eine unbeugsame Tugend. Alles Steife ist der Gesellschaft verdächtig. Wir lachen also über Alcestes Steifheit, auch wenn sie in seinem Fall Rechtschaffenheit bedeutet. Wer sich absondert, der gibt sich der Lächerlichkeit preis, weil die Komik zum großen Teil von dieser Isolierung lebt. Dies erklärt, weshalb die Komik so oft auf die Sitten, die Ideen, die Vorurteile einer Gesellschaft bezogen ist. Zur Ehre der Menschheit sei immerhin gesagt, daß sie zwischen dem sozialen und dem sittlichen Ideal keinen großen Unterschied macht. Wir dürfen daher ehrlich zugeben, daß das, was uns belustigt, in der Regel wohl die Fehler der anderen sind, sofern wir wahrheitsgemäß hinzufügen, daß wir diese Fehler eher wegen ihres ungeselligen als wegen ihres unmoralischen Charakters lustig finden. Die Frage ist nur, welche Fehler komisch werden können

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und welche wir als zu schwerwiegend empfinden, um darüber zu lachen. Diese Frage haben wir jedoch bereits implizit beantwortet. Die Komik, sagten wir, wendet sich an den reinen Intellekt; das Lachen verträgt sich nicht mit dem Gemüt. Ein Fehler kann noch so leicht sein, wenn man ihn mir so darstellt, daß er meine Sympathie oder meine Furcht oder mein Mitleid erregt, dann vergeht mir das Lachen. Man zeige mir umgekehrt ein ausgesprochenes und abstoßendes Laster, und ich werde es als komisch empfinden, sofern man dafür gesorgt hat, daß es mich ungerührt läßt. Ich sage nicht, dann werde das Laster komisch; ich sage, dann könne es komisch werden. Es darf mich nicht bewegen, das ist die einzige wirklich notwendige Bedingung, auch wenn sie bei weitem nicht genügt. Wie aber kann der komische Dichter vermeiden, daß er mein Gemüt bewegt? Eine heikle Frage. Um sie klarzustellen, müßte man sich in ganz neue Untersuchungen vertiefen, die künstliche Sympathie, die wir ins Theater mitbringen, analysieren und bestimmen, in welchen Fällen wir an den imaginären Freuden und Leiden teilnehmen oder nicht teilnehmen wollen. Es gibt eine Kunst, die unsere Empfindsamkeit betäubt und ihr Träume suggeriert. Es gibt auch eine Kunst, die unsere Sympathie just in dem Augenblick, da sie erwachen könnte, tötet, so daß wir sogar eine ernste Situation nicht mehr ernstnehmen. Diese zweite Kunst wird der komische Dichter mehr oder weniger bewußt anwenden. Dabei stehen ihm zwei Wege offen. Das erste Verfahren besteht darin, in der Seele der dargestellten Person eine bestimmte Empfindung zu isolieren und dieser Empfindung eine sozusagen parasitäre, selbständige Existenz zu verleihen. Ein starkes Gefühl greift meist auf alle anderen seelischen Zustände über und färbt auf sie ab. Läßt man uns dieses allmähliche Durchdringen mit-

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erleben, so werden wir schließlich selbst von der entsprechenden Gefühlsregung durchtränkt. Man kann auch sagen, eine Emotion sei dramatisch und ansteckend, wenn mit dem Grundton zugleich alle Obertöne angeschlagen werden. Weil der Schauspieler voll und ganz vibriert, kann auch das Publikum vibrieren. Damit uns eine Emotion kühl lasse und infolgedessen komisch wirke, muß etwas Steifes in ihr stecken, das verhindert, daß sie sich mit dem übrigen Teil der Seele verbindet. Das Steife kann sich in einem gewissen Moment durch hölzerne Bewegungen äußern und dadurch Gelächter erregen, aber unsere Sympathie hat es sich schon vorher verscherzt. Denn wie können wir uns mit einer Seele in Einklang bringen, die mit sich selbst nicht im Einklang ist? Es gibt eine Szene in L’Avare, die hart am Drama vorbeigeht. Ein Schuldner und ein Wucherer, die sich nie gesehen haben, treffen sich und entdecken, daß sie Sohn und Vater sind. Daraus könnte ein Drama entstehen, wenn das Zusammentreffen von Geiz und väterlicher Zuneigung in Harpagons Herzen zu einer mehr oder weniger originellen Verbindung führte. Doch nein, bei der nächsten Begegnung mit seinem Sohn streift Harpagon die entscheidende Szene lediglich mit den Worten: »Und du, mein Sohn, dem ich jene Geschichte gütigst verzeihe usw.« Der Geiz ist an allen seinen anderen Gefühlen vorbeigegangen, ohne an sie zu rühren, ohne sich von ihnen rühren zu lassen, kurz: zerstreut. Er kann sich noch so tief in die Seele einnisten, sich dort noch so sehr als Herr des Hauses gebärden, er wird trotzdem ein Fremdling bleiben. Ganz anders verhielte es sich mit einem Geiz tragischer Natur. Man würde zusehen, wie er die mannigfachen seelischen Kräfte an sich zieht, aufzehrt, assimiliert, indem er sie verwandelt. Gefühle und Affekte, Wünsche und Abneigungen, Laster und Tugenden – aus alledem würde ein Stoff, dem der Geiz eine neue Art von Leben einhauchen würde. Das scheint mir der erste wesentliche Unterschied zwischen dem gehobenen Lustspiel und dem Drama zu sein.

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Es gibt einen zweiten, offenkundigeren, der sich übrigens aus dem ersten entwickelt. Wenn uns ein seelischer Zustand mit seiner Dramatik beeindrucken soll, wenn man will, daß wir ihn ernst nehmen, dann muß man ihn in Handlungen münden lassen, die ihn deutlich widerspiegeln. Dann muß der Geizige alles um des Gewinnes willen tun, und der Heuchler muß, dieweil er zum Himmel blickt, auf Erden die schlausten Manöver in Gang setzen. Die Komödie schließt nun solche Kombinationen natürlich nicht aus. Das beweist Tartuffe mit seinen Machenschaften. Doch eben damit nähert sie sich dem Drama. Um sich davon zu unterscheiden, um zu vermeiden, daß wir eine ernste Handlung ernst nehmen, um also unsere Heiterkeit zu erregen, muß sie zu einem Mittel greifen, das in folgender Regel enthalten ist: Die Komödie lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Gesten anstatt auf die Taten. Unter Gesten seien hier Haltungen, Bewegungen, sogar Reden verstanden, durch die ein Seelenzustand sich ohne Absicht, ohne Nutzen, einzig getrieben von irgendeinem inneren Anreiz, offenbart. So gesehen, unterscheidet sich die Geste deutlich von der Handlung. Die Handlung ist gewollt, auf jeden Fall bewußt; die Geste entzieht sich dem Bewußtsein, sie ist automatisch. In der Handlung gibt sich der Mensch ganz; in der Geste drückt sich ein isolierter Teil der Person aus, und zwar ohne deren Wissen oder doch zumindest außerhalb ihrer Totalität. Und schließlich steht die Handlung in einem exakten Verhältnis zu dem Gefühl, das sie ausgelöst hat; zwischen beiden findet ein gradueller Übergang statt, so daß unsere Sympathie oder Abneigung an dem Faden zwischen Gefühl und Handlung entlanggleiten und sich mehr und mehr erwärmen kann. Die Geste dagegen hat etwas Explosives, das unsere schon fast eingeschlafene Empfindsamkeit weckt; wir besinnen uns wieder auf uns selbst, und das übrige verliert seine Wichtigkeit. Wird also unsere Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Tat, sondern auf die Geste gelenkt, so sind wir in der Komödie. Seinen Taten entsprechend gehörte Tartuffe eigentlich ins

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Drama; wir finden ihn erst komisch, wenn wir uns auf seine Gesten konzentrieren. Man denke an seinen ersten Auftritt: »Laurent, verwahr’ mein Bußgewand mit meiner Geißel!« Er weiß, daß Dorine ihn hört, aber er würde garantiert genauso sprechen, wenn sie nicht da wäre. Er hat sich so gründlich in seine Heuchlerrolle eingelebt, daß er sie geradezu aufrichtig spielt. Aus diesem und nur aus diesem Grund wirkt er komisch. Spielte er die Rolle nicht so spürbar ehrlich, hätten sich seine Haltungen, seine Sprache im Verlauf seines Heuchlerdaseins nicht in natürliche Gesten verwandelt, so wäre er ganz einfach widerlich, weil wir nur noch an das Gewollte in seinem Verhalten denken würden. Jetzt verstehen wir, weshalb die Handlung im Drama wesentlich, in der Komödie dagegen nebensächlich ist. In der Komödie spüren wir, daß man uns den Helden in jeder beliebigen Situation vorführen könnte, er wäre auch in einer anderen Lage immer derselbe Mensch. Dieses Gefühl haben wir im Drama nicht. Hier sind die Personen und Situationen miteinander verkettet, oder besser, die Ereignisse bilden einen Bestandteil der Personen. Würde uns also das Drama eine andere Geschichte erzählen, so hätten wir ganz andere Personen vor uns, auch wenn sie nach wie vor die gleichen Namen trügen. Wir haben nun gesehen, daß es in der Komik nicht darauf ankommt, ob ein Charakter gut oder schlecht ist – komisch wird er, wenn er ungesellig ist. Es spielt auch keine Rolle, ob ein Fall leicht oder schwer wiegt – er kann uns so oder so erheitern, vorausgesetzt, man sorgt dafür, daß er uns nicht ans Herz greift. Ungeselligkeit der dargestellten Person, Empfindungslosigkeit des Zuschauers sind im Grunde die wesentlichen Bedingungen. Es gibt noch eine dritte. Sie ist in den beiden anderen enthalten, und sie herauszuarbeiten war der Zweck all unserer bisherigen Analysen.

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Es ist der Automatismus. Wir haben von Anfang an auf ihn verwiesen. Wirklich komisch ist nur, was automatisch vollbracht wird. Komisch an einer schlechten und sogar an einer guten Eigenschaft ist das, wodurch ein Mensch sich unbewußt preisgibt, es ist die unwillkürliche Gebärde, das unbedachte Wort. Komisch ist jede Zerstreutheit. Und je tiefer die Zerstreutheit, um so anspruchsvoller die Komödie. Eine systematische Zerstreutheit wie etwa bei Don Quijote ist das Komischste, was man sich vorstellen kann: Sie ist Urkomik, an ihrer Quelle geschöpft. Oder nehmen Sie eine andere komische Gestalt. So bewußt sie in allem, was sie sagt und tut, auch sein mag, komisch wirkt sie dadurch, daß sie eine bestimmte Eigenschaft in sich selbst nicht kennt, daß ihr etwas an ihr entgeht. Nur deshalb erregt sie Gelächter. Die komischsten Worte sind naive Worte, die eine Untugend bloßstellen. Wie könnte sich aber eine Untugend entblößen, wenn sie imstande wäre, sich selbst zu sehen und zu beurteilen? Eine komische Person kann zum Beispiel ein bestimmtes Verhalten in allgemeinen Ausdrücken tadeln und gleich darauf selber ein Beispiel dafür geben: Der Lehrer, der Monsieur Jourdain in Philosophie unterrichtet, gerät, nachdem er gegen den Jähzorn gewettert hat, selbst in Zorn; Vadius zieht Verse aus seiner Tasche, nachdem er eben noch über Leute gespottet hat, die Verse vorlesen. Was sollen diese Widersprüche anderes als uns den Mangel an Bewußtsein bei den dargestellten Personen greifbar vorführen? Immer wieder stoßen wir auf diese Unaufmerksamkeit sich selbst wie auch anderen gegenüber. Und wenn wir genauer hinsehen, so erkennen wir, daß Unaufmerksamkeit immer auch Ungeselligkeit bedeutet. Am meisten versteift sich der Mensch, wenn er es unterläßt, rund um sich und vor allem in sich selbst zu blicken. Wie kann einer sich den anderen anpassen, wenn er nicht zuerst die anderen und sich selbst kennenlernt? Steifheit, Automatismus, Zerstreutheit, Ungeselligkeit greifen hier ineinander über, und aus dem Gemisch setzt sich die Charakterkomik zusammen.

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Wenn wir an der menschlichen Person alles beiseitelassen, was in uns Empfindungen weckt, dann kann der Rest komisch werden. Der Grad der Komik wird dann genau dem Maß von Steifheit, das sich in diesem Rest äußert, entsprechen. Diesen Gedanken haben wir schon zu Beginn unserer Arbeit dargelegt. Wir haben seine hauptsächlichsten Anwendungen überprüft. Wir haben ihn auch auf die Definition der Komödie angewendet. Jetzt müssen wir ihn enger fassen und zeigen, wie wir mit seiner Hilfe den genauen Standort der Komödie inmitten der anderen Kunstformen bestimmen können. In gewissem Sinn kann man jeden Charakter komisch nennen, vorausgesetzt, man versteht unter Charakter das, was in einem Menschen an einen eingebauten, automatisch funktionierenden Mechanismus erinnert, etwas, das bewirkt, daß wir uns selbst wiederholen, und das folglich dazu führt, daß andere uns nachahmen können. Die komische Gestalt ist ein Typ. Umgekehrt hat jede Ähnlichkeit mit einem Typ etwas Komisches. Wir können lange Zeit mit einem Menschen verkehren, ohne etwas Lächerliches an ihm zu entdecken. An dem Tag, da er uns an irgendeinen bekannten Bühnen- oder Romanhelden erinnert, wird er uns, wenn auch nur für einen Augenblick, lächerlich vorkommen. Dabei muß jene Romangestalt durchaus nicht komisch sein. Aber unser Bekannter ist komisch, weil er sich von sich selbst ablenken läßt. Er ist komisch, weil er sich sozusagen in einen vorbereiteten Rahmen fügt. Und das Allerkomischste an ihm ist, daß er selbst ein Rahmen wird, in den andere sich mühelos einfügen können – daß er zum Charakter erstarrt. Charaktere, das heißt allgemeine Typen zu schildern ist also der Zweck des gehobenen Lustspiels. Wir glauben, daß sich die Komödie mit dieser Formel klar genug definieren läßt. Nicht nur führt uns die Komödie allgemeine Typen vor Augen, sie ist wohl auch

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von allen Künsten die einzige, die überhaupt auf das Allgemeine hinzielt. Hat man ihr dieses Ziel erst einmal zuerkannt, so hat man auch gesagt, was sie ist und was andere nicht sein können. Um nun zu beweisen, daß dies wirklich das Wesen der Komödie ist und daß sie sich dadurch von der Tragödie, dem Drama, den anderen Kunstgattungen unterscheidet, müßte man sie zuerst in ihren höchsten Formen definieren. Indem man dann nach und nach zur komischen Dichtkunst hinunterstiege, würde man sehen, daß sie an den Grenzen der Kunst und des Lebens angesiedelt ist. Wir würden auch erkennen, daß sie sich wegen ihrer Ausrichtung auf das Allgemeine von den übrigen Künsten abhebt. Auf eine so ausgedehnte Studie können wir hier jedoch nicht eingehen. Andererseits kommen wir nicht darum herum, sie wenigstens in ihren Umrissen zu skizzieren, wollen wir nicht Gefahr laufen, am Wesen des Lustspieltheaters überhaupt vorbeizugehen. Was ist der Zweck der Kunst? Würde die Wirklichkeit unmittelbar an unsere Sinne und unser Bewußtsein rühren, könnten wir mit den Dingen und mit uns selbst in direkte Beziehung treten, so wäre die Kunst wohl reichlich überflüssig. Oder aber wir wären alle Künstler, dann würde unsere Seele fortwährend mit der Natur vibrieren. Von unserem Gedächtnis unterstützt, würden unsere Augen unvergleichliche Bilder aus dem Raum schneiden und in der Zeit fixieren. Unser Blick entdeckte Bruchstücke von Skulpturen im lebendigen Marmor des menschlichen Körpers, Fragmente, die so schön wären wie die Werke antiker Bildhauer. Wir hörten in der Tiefe unserer Seele, gleich einer manchmal heiteren, manchmal klagenden, immer aber ursprünglichen Musik die ununterbrochene Melodie unseres inneren Lebens. All das ist um uns und in uns, und doch nehmen wir nichts davon deutlich wahr. Zwischen die Natur und uns, was sage ich, zwischen uns und unser eigenes Bewußtsein hat sich ein Schleier gelegt, dicht für den gewöhnlichen Sterblichen, leicht, fast durchsichtig für

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den Künstler und Dichter. Welche Fee hat diesen Schleier gewoben? Tat sie es aus Bosheit oder aus Freundlichkeit? Der Mensch muß leben. Und das Leben verlangt, daß wir die Dinge in ihrem Bezug auf unsere Bedürfnisse erkennen. Leben heißt handeln. Leben heißt, nur das annehmen, was uns an den Dingen als nützlich erscheint. Alle anderen Eindrücke müssen verblassen oder dürfen uns nur nebenbei beschäftigen. Ich schaue und glaube zu sehen, ich höre zu und glaube zu hören, ich studiere mich und glaube, in meinem Herzen zu lesen. Doch das, was ich von der Außenwelt sehe und höre, ist nur das, was meine Sinne ihr entnehmen, um mein Verhalten zu deuten; was ich von mir selbst weiß, ist das, was an die Oberfläche dringt und an meinem Handeln teilhat. Sinne und Bewußtsein vermitteln mir demnach nur eine nützliche Simplifikation der Wirklichkeit. Sie beschwören von mir und von den Dingen ein Bild herauf, in welchem die (für den Menschen) unnützen Gegensätze ausgelöscht, die nützlichen Ähnlichkeiten hervorgehoben und die Bahnen, nach denen ich handeln werde, vorgezeichnet sind. In diesen Bahnen hat sich vor mir schon die ganze Menschheit bewegt. Die Dinge sind im Hinblick auf den Nutzen, den ich aus ihnen ziehen kann, klassifiziert worden. Und diese Klassifikation nehme ich wahr, weit mehr als die Farbe oder die Form der Dinge. In diesem Punkt ist der Mensch dem Tier zweifellos weit überlegen. Es ist kaum anzunehmen, daß das Auge des Wolfes ein Zicklein von einem Lamm unterscheidet; für den Wolf sind beide gleichwertige Beutestücke, beide lassen sich leicht packen, beide sind zum Fressen da. Wir dagegen machen einen Unterschied zwischen Ziege und Schaf. Aber unterscheiden wir eine Ziege von einer Ziege und ein Schaf von einem Schaf? Die Individualität der Dinge und der Geschöpfe entzieht sich unserem Blick immer dann, wenn wir keinen materiellen Nutzen davon haben, daß wir sie bemerken. Und selbst wenn wir sie bemerken (zum Beispiel wenn wir einen Menschen von einem anderen Menschen unterscheiden), dann sticht uns nicht die Individuali-

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tät, die bestimmte, völlig ursprüngliche Harmonie von Formen und Farben ins Auge, sondern nur dieser oder jener Zug, der uns das Wiedererkennen erleichtert. Alles in allem sehen wir also nicht die Dinge selbst, wir lesen meist nur das Etikett, das ihnen aufgeklebt ist. Diese aus einem Bedürfnis geborene Tendenz hat sich unter dem Einfluß der Sprache noch verstärkt. Denn Wörter (ausgenommen Eigennamen) bezeichnen Arten. Das Wort, das mir die gewöhnlichste Funktion und die banale Seite eines Objektes festhält, schiebt sich zwischen das Objekt und uns und würde seine Form vor uns verdecken, hätte sich die Form selbst nicht schon hinter den Bedürfnissen verborgen, die das Wort gezeugt haben. Doch nicht nur äußere Dinge, auch unsere eigenen seelischen Zustände verheimlichen uns das, was an ihnen intim, persönlich, ursprünglich erlebt ist. Wir empfinden Liebe oder Haß, wir fühlen uns heiter oder bekümmert – doch ist es wirklich unser Gefühl, was da in unser Bewußtsein dringt mit den tausend flüchtigen Schattierungen, den tausend tiefen Resonanzen, die es zu etwas Ureigenem machen? Dann wären wir ja alle Schriftsteller, Dichter, Musiker. In Wirklichkeit nehmen wir meist nur die äußere Manifestation unseres Seelenzustandes wahr. Wir erfassen nur das Unpersönliche unserer Gefühle, das, was die Sprache ein für allemal festhalten konnte, weil es unter den gleichen Umständen bei allen Menschen ungefähr das gleiche ist. Die Individualität bleibt uns also noch in unserem eigenen Ich verborgen. Wir bewegen uns unter Allgemeinheiten und Symbolen wie auf einem eingezäunten Feld, wo unsere Kraft sich auf nützliche Weise mit anderen Kräften mißt. Und von diesem Wettkampf fasziniert, zu unserem eigenen Besten von ihm angezogen auf das Gebiet, das er sich erwählt hat, leben wir in einer Mittelzone zwischen uns und den Dingen, außerhalb der Dinge, außerhalb auch unserer eigenen Person. Nun bringt aber die Natur dann und wann Seelen hervor, die sich vom

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Leben absondern. Ich spreche nicht von der freiwilligen, wohlüberlegten, systematischen Absonderung, die ein Werk der Reflexion oder der Philosophie ist. Ich spreche von einer natürlichen, der Struktur der Sinne oder des Bewußtseins innewohnenden Distanzierung, die sich unmittelbar in einer irgendwie jungfräulichen Art zu sehen, zu hören oder zu denken äußert. Wäre diese Loslösung vollständig, hinge die Seele dieses Menschen durch keine ihrer Wahrnehmungen mehr mit seinem Tun zusammen, so wäre es die Seele eines Künstlers, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat. Sie würde sich in allen Künsten zugleich auszeichnen oder vielmehr alle Künste zu einer einzigen verschmelzen. Sie nähme alle Dinge in ihrer ursprünglichen Reinheit wahr, sowohl die Formen, Farben und Klänge der materiellen Welt als auch die subtileren Regungen des inneren Lebens. Aber das wäre von der Natur zu viel verlangt. Sogar für diejenigen unter uns, die sie als Künstler geschaffen hat, hebt sie den Schleier nur zufällig und nur an einem Zipfel. Eine Richtung aber gibt es, in der sie die Wahrnehmung an das Bedürfnis zu knüpfen vergessen hat. Und da eine Richtung immer auch einem Sinn entspricht, so geschieht es dank einem seiner Sinne und nur dank diesem einen, daß der Künstler sich der Kunst verschreibt. Daher die Vielfalt der Künste. Daher auch die besonderen Begabungen. Der eine verlegt sich auf die Farben und Formen, und da er die Farbe um der Farbe, die Form um der Form willen liebt, da er sie um ihrer selbst willen sieht und nicht um seinetwillen, nimmt er durch die Farben und Formen der Dinge auch deren inneres Leben wahr. Nach und nach bringt er dann dieses innere Leben auch unserem zunächst noch verwirrten Bewußtsein nahe. Zumindest für einen Augenblick löst er uns von unseren übernommenen Farb- und Formbegriffen, die sich zwischen unser Auge und die Wirklichkeit geschoben haben. Auf diese Weise verwirklicht er das höchste Streben in der Kunst: Er offenbart uns die Natur. – Andere Künstler wenden sich nach innen. In den tausend Ansätzen zu Handlungen, die ein Gefühl

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illustrieren, hinter dem alltäglichen und allgemeingültigen Wort, das einen individuellen Seelenzustand bezeichnet und ausdrückt, suchen sie das reine Gefühl, den reinen Zustand. Und damit wir dasselbe in uns zu tun versuchen, bemühen sie sich, uns an ihrer Vision teilhaben zu lassen. Durch rhythmische Anordnungen von Worten, die sich ineinanderfügen und dadurch ein neues Leben erlangen, sagen oder vielmehr suggerieren sie uns Dinge, die zu bezeichnen die Alltagssprache nicht geschaffen ist. – Andere graben noch tiefer. Unterhalb der Freuden und Leiden, die sich zur Not in Worte übertragen lassen, erfassen sie etwas, das sich der Sprache entzieht: Rhythmen des Lebens und Atmens, tiefer im Menschen beheimatet als seine tiefsten Gefühle, die lebendige, in jedem Menschen verschiedene Gesetzmäßigkeit seiner Niedergeschlagenheit und seiner Hochstimmung, seiner Enttäuschungen und seiner Hoffnungen. Diese Musik legen sie frei und betonen sie, damit auch wir sie hören. Und wir tauchen unwillkürlich in sie ein, so wie man zufällig in einen Reigentanz gerät. Dann kommt auch tief in uns etwas zum Schwingen, das schon lange schwingen wollte. So hat die Kunst, ob Malerei, Bildhauerei, Dichtung oder Musik, im Grunde keinen anderen Zweck, als die praktisch-nützlichen Symbole, die konventionellen Verallgemeinerungen, kurz, alles, was die Wirklichkeit verschleiert, aus dem Weg zu räumen und uns mit der nackten Wirklichkeit zu konfrontieren. An diesem Punkt ist das Mißverständnis entstanden, das den Streit zwischen Realismus und Idealismus in der Kunst ausgelöst hat. Die Kunst ist nur eine direktere Erkenntnis der Wirklichkeit, gewiß. Doch die Reinheit der Erkenntnis bedingt in diesem Fall den Bruch mit der nützlichen Konvention, eine angeborene, feststellbare Unbeteiligtheit der Sinne oder des Bewußtseins, also eigentlich eine gewisse Immaterialität des Lebens, die man seit jeher Idealismus genannt hat. Ohne mit Worten zu spielen, könnte man daher

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behaupten, der Realismus lebe im Werk, der Idealismus in der Seele, und der Mensch könne nur dank der Idealität zur Realität zurückfinden. Die dramatische Kunst bildet keine Ausnahme. Was das Drama sucht und ans Licht holt, das ist eine tiefgründige Wirklichkeit, verschleiert – oft in unserem eigenen Interesse – durch die Notwendigkeiten des Lebens. Was ist das für eine Wirklichkeit? Was sind das für Notwendigkeiten? Jede Dichtung drückt einen seelischen Zustand aus. Aber einige dieser Zustände entstehen vor allem aus dem Kontakt des Menschen mit seinen Mitmenschen. Es sind die stärksten und auch die heftigsten Gefühle. So wie sich die Elektrizität zwischen den zwei Polen eines Kondensators ballt, bis der Funke überspringt, so entstehen einzig aus dem Zusammensein von Menschen tiefe Zuneigungen und Abneigungen, vollständige Störungen des Gleichgewichts, mit einem Wort eine Elektrisierung der Seele, die Leidenschaft heißt. Lieferte der Mensch sich seinen Gefühlsregungen aus, gäbe es weder soziale noch moralische Gesetze, so wären Gefühlsausbrüche etwas Alltägliches. Es ist aber nützlich, solche Ausbrüche zu verhindern. Es ist notwendig, daß der Mensch in der Gesellschaft lebt und sich folglich einer Regel fügt. Und was das Interesse rät, das befiehlt die Vernunft: Es gibt eine Pflicht, und es ist unsere Bestimmung, ihr zu gehorchen. Unter diesem doppelten Einfluß mußte sich an der Oberfläche des menschlichen Geschlechts eine Schicht von Gefühlen und Gedanken bilden, denen etwas Unveränderliches anhaftet oder die zumindest allen Menschen gemeinsam sein möchten; sie können das innere Feuer individueller Leidenschaften zwar nicht ersticken, aber überdecken. Die langsame Entwicklung der Menschheit auf ein immer friedlicheres Gemeinschaftsleben hin hat ein allmähliches Festerwerden dieser Schicht bewirkt, so wie das Leben unseres Planeten ein einziges langdauerndes Bemühen war, die feurige Masse kochender Metalle

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mit einem festen, kalten Film zu überziehen. Aber es gibt vulkanische Ausbrüche. Und wäre die Erde ein lebendes Wesen, wie die Mythologie sie sieht, dann träumte sie vielleicht, noch während sie sich ausruht, gern von jenen Explosionen, die ihr plötzlich ihre eigenen tiefsten Gründe offenbarten. Ein solches Vergnügen verschafft uns das Drama. Hinter dem gemächlichen, bürgerlichen Leben, das Gesellschaft und Vernunft für uns gezimmert haben, wühlt es etwas in uns auf, das zwar glücklicherweise nicht ausbricht, das sich jedoch in einer inneren Spannung kundtut. Das Drama gibt der Natur eine Chance, sich an der Gesellschaft zu rächen. Bisweilen steuert es direkt auf sein Ziel los und reißt Leidenschaften aus der Tiefe, die alles zersprengen. In anderen Fällen, insbesondere in modernen Dramen, wählt der Autor einen Umweg. Mit einer fast sophistischen Geschicklichkeit enthüllt er uns die Widersprüche innerhalb der Gesellschaft; er übertreibt das allfällige Gekünstelte an den gesellschaftlichen Regeln. Und hat er auf diese mittelbare Weise die Hülle zersetzt, so läßt er uns auf den Grund der Dinge sehen. Doch hier wie dort verfolgt das Drama – ob es die Gesellschaft unterwühlt oder die Natur unterstützt – den gleichen Zweck: Es will uns einen verborgenen Teil unserer Persönlichkeit zum Bewußtsein bringen, etwas, das man das tragische Element im Menschen nennen könnte. Das spüren wir, wenn wir ein gutes Drama gesehen haben. Was man uns über andere erzählt hat, interessiert uns weniger als das, was wir in diesem Drama über uns selbst erfahren haben – eine einzige wirre Welt von undeutlich wahrgenommenen Dingen, so wie sie hätten sein wollen und, zum Glück für uns, nicht gewesen sind. Auch haben wir ein Gefühl, als wären uralte, atavistische Erinnerungen in uns geweckt worden, so tiefgründige, unserem heutigen Leben so fremde Empfindungen, daß uns dieses Leben einen Augenblick lang als etwas Irreales oder Anerzogenes vorkommt, das es neu zu erlernen gilt. Hinter nützlicheren Erkenntnissen hat somit das Drama eine tiefere Wirklichkeit zu ergründen versucht.

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Es verfolgt also den gleichen Zweck wie die anderen Kunstarten. Aus alledem wird klar, daß die Kunst immer auf das Individuelle abzielt. Der Maler hält auf der Leinwand fest, was er an einem bestimmten Ort, an einem bestimmten Tag, zu einer bestimmten Stunde gesehen hat, mit Farben, die man nie mehr sehen wird. Der Dichter besingt eine seelische Verfassung, die ihm – und nur ihm – eigen ist und die sich nie mehr wiederholen wird. Der Dramatiker führt uns ein Stück seelischen Lebens vor, ein lebendiges Gewebe aus Gefühlen und Geschehnissen, also etwas Einmaliges, Unwiderruf liches. Auch wenn wir diese Gefühle mit allgemein bekannten Namen bezeichnen, werden sie in einer anderen Seele nicht mehr dieselben sein. Sie sind individualisiert worden. Deshalb vor allem gehören sie zur Kunst, denn allgemeine Begriffe, Symbole, ja sogar Typen sind die gangbare Münze unserer täglichen Wahrnehmungen. Woher kommt also das Mißverständnis? Es kommt daher, daß man zwei ganz verschiedene Dinge miteinander verwechselt hat: die Allgemeinheit der Objekte und die Allgemeinheit unserer Bewertungen. Daraus, daß ein Gefühl allgemein als wahr erkannt wird, folgert nicht unbedingt, daß es ein allgemeines Gefühl ist. Es gibt nichts Einmaligeres als die Gestalt Hamlets. Hamlet mag in gewissen Zügen anderen Menschen ähneln, doch das ist es nicht, was uns an ihm am meisten interessiert. Er wird von jedermann erfaßt, von jedermann als lebendig empfunden. Nur deshalb ist er universell gültig und wahr. Dasselbe gilt für andere Schöpfungen der Kunst. Jede ist einmalig, doch wenn sie den Stempel des Genies trägt, wird sie von jedermann akzeptiert. Warum? Und woran erkennen wir, daß sie wahr ist, wenn sie doch einmalig ist? Ich glaube, wir erkennen dies an unserem eigenen, durch sie ausgelösten Bestreben, selber ehrlich zu sehen. Ehrlichkeit steckt an. Das, was der Künstler gesehen hat,

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können wir natürlich nicht auch sehen, zumindest nicht so wie er; aber wenn er etwas wirklich gesehen hat, so regt uns sein Bemühen, den Schleier wegzuziehen, zur Nachahmung an. Sein Werk dient uns als Vorbild. Und an der Wirkungskraft dieses Vorbildes kann man den Wahrheitsgehalt des Werkes messen. Das Zeichen, woran wir die Wahrheit erkennen, ist also die ihr innewohnende Kraft der Überzeugung, ja der Bekehrung. Je größer das Werk, je tiefer die erahnte Wahrheit, um so länger kann die Wirkung auf sich warten lassen, um so universeller kann sie aber auch werden. Die Universalität oder Allgemeingültigkeit beruht hier einzig auf der erzeugten Wirkung und nicht auf der Ursache. Anders die Komödie. Hier beruht das Allgemeine auf dem Werk. Das Lustspiel schildert Charaktere, denen wir schon begegnet sind und noch begegnen werden. Es registriert Ähnlichkeiten. Es will uns Typen vor Augen führen. Es wird im Bedarfsfall sogar neue Typen schaffen. Das unterscheidet es von den anderen Kunstgattungen. Schon die Titel der großen Komödien sind bezeichnend: Der Menschenfeind, der Geizige, der Spieler, der Zerstreute usw. Sie alle weisen auf eine Gattung hin. Und selbst dort, wo die Charakterkomödie mit einem Eigennamen betitelt ist, wird dieser Name durch das Gewicht seines Inhalts sehr bald in den Strudel der allgemeinen Bezeichnungen mitgerissen. Wir sagen »ein Tartuffe«, aber nie »eine Phädra« oder »ein Polyeucte«. Vor allem aber würde es keinem Tragödiendichter einfallen, seinen Haupthelden mit Nebenfiguren zu umgeben, die nur dessen vereinfachte Kopien wären. Der tragische Held ist eine einmalige Gestalt. Man kann ihn nachahmen, aber dann gerät man bewußt oder unbewußt vom Tragischen ins Komische. Niemand ist ihm ähnlich, weil er keinem anderen ähnlich ist. Den Lustspieldichter

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dagegen treibt ein merkwürdiger Instinkt dazu, um seine Hauptfigur eine Anzahl Nebenfiguren kreisen zu lassen, die alle die gleichen allgemeinen Züge aufweisen. Viele Komödien haben einen Plural oder ein Kollektiv im Titel: »Les Femmes savantes«, »Les Précieuses ridicules«, »Die Welt, in der man sich langweilt« usw. Alle diese Titel nehmen Begegnungen verschiedener, jedoch den gleichen Grundtyp darstellender Personen vorweg. Es wäre interessant, diese Tendenz der Komödie eingehender zu untersuchen. Vielleicht entdeckte man darin die Vorahnung einer medizinisch bereits erwiesenen Tatsache: daß gleichgeartete Geistesgestörte sich gegenseitig angezogen fühlen. Wiewohl nicht unmittelbar in den medizinischen Bereich gehörend, ist die komische Gestalt doch meist eine zerstreute Person, und der Übergang von der Zerstreutheit zur geistigen Gestörtheit könnte sich kaum merklich vollziehen. Es gibt aber noch einen anderen Grund. Wenn der Komödiendichter die Absicht verfolgt, uns Charaktere vorzuführen, die wiederholt vorkommen können, so gibt es für ihn wohl nichts Einfacheres, als mehrere verschiedene Exemplare des gleichen Typs auf die Bühne zu stellen. Nicht anders geht der Naturforscher vor, wenn er sich mit einer bestimmten Gattung befaßt: Er zählt ihre wichtigsten Züge auf und beschreibt sie. Der wesentliche Unterschied zwischen Tragödie und Komödie besteht demnach darin, daß die eine sich mit Individuen, die andere mit Gattungen befaßt. Er äußert sich aber noch in anderer Weise. Er tritt schon in der ersten Entstehungsphase des Werks zutage und offenbart sich von Anfang an durch zwei verschiedene Betrachtungsweisen. So paradox die Behauptung klingen mag, wir glauben nicht, daß der Tragödiendichter es nötig hat, andere Menschen zu beobachten. Mancher große Dichter hat ein sehr zurückgezogenes, sehr bürgerliches Leben geführt, ohne daß sich ihm eine Gelegenheit

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geboten hätte, die Leidenschaften, die er so ausführlich schildert, in seiner Umgebung aufflammen zu sehen. Und selbst angenommen, er hätte ein solches Schauspiel miterlebt: Wäre es ihm von Nutzen gewesen? Was uns an seinem Werk interessiert, das ist sein Einblick in tiefgründige Seelenzustände oder in innerste Konflikte. Nun kann aber eine solche Vision nicht von außen her entstehen. Die Seelen bleiben sich gegenseitig undurchdringlich. Äußerlich nehmen wir nur gewisse Anzeichen einer Leidenschaft wahr. Wir deuten sie nur im Vergleich mit unseren eigenen Empfindungen und auch das nur mangelhaft. Wesentlich ist also das, was wir selbst empfinden; und wahrhaft gründlich kennen wir nur unser eigenes Herz (sofern wir es überhaupt kennen). Heißt dies, daß der Dichter alles, was er beschreibt, selbst empfunden, daß er die seelischen Erlebnisse seiner Helden miterlebt hat? Die Dichterbiographien verneinen diese Frage. Wie könnte ein und derselbe Mensch jemals Macbeth, Othello, Hamlet, König Lear und noch viele andere gewesen sein! Vielleicht müßte man hier unterscheiden zwischen der Persönlichkeit, die man ist, und den Persönlichkeiten, die man hätte sein können. Unser Charakter ist das Ergebnis einer ständig neu zu treffenden Wahl. Auf unserem Lebensweg gibt es immer wieder Abzweigungen (zumindest scheinbare), und wir sehen eine Menge möglicher Richtungen, auch wenn wir nur einer einzigen folgen können. Die dichterische Phantasie scheint nun gerade darin zu bestehen, daß sie abzweigt, die möglichen Wege bis ans Ende abschreitet. Gewiß war Shakespeare weder Macbeth noch Hamlet noch Othello; aber er wäre alle diese verschiedenen Gestalten gewesen, hätten einerseits die Umstände, andererseits sein Wille etwas zum Ausbruch kommen lassen, das nicht mehr als ein seelischer Drang in ihm war. Man würde die Rolle der dichterischen Phantasie gründlich mißverstehen, wenn man glaubte, sie erschaffe ihre Helden gleich einem Narrenkleid aus da und dort aufgelesenen Fetzen. Daraus könnte nichts Lebendiges entstehen. Das Leben läßt sich nicht

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zusammensetzen. Es läßt sich nur betrachten. Die dichterische Phantasie kann nichts anderes als eine umfassendere Betrachtung der Wirklichkeit sein. Wenn uns die vom Dichter geschaffenen Gestalten lebendig anmuten, so liegt das daran, daß sie selbst der Dichter sind, der vervielfältigte Dichter, der Dichter, der sich so tief in die innere Betrachtung zu versenken vermag, daß er das im Wirklichen Schlummernde erfaßt und aus dem, was die Natur in ihm nur als Skizze oder als Plan anlegte, ein vollendetes Werk schafft. Die Komödie entspricht einer ganz anderen Betrachtungsweise. Es ist eine äußerliche Betrachtung. So neugierig der Komödiendichter auf die lächerlichen Seiten der menschlichen Natur auch sein mag, er wird wohl nie so weit gehen, daß er auch den eigenen nachspürt. Er fände auch gar keine, denn lächerlich ist an uns nur das, was sich unserem Bewußtsein entzieht. Deshalb muß er andere Menschen beobachten. Dann aber wird seine Beobachtung allgemein, und das würde sie nicht, wenn sie sich auf ihn selbst beschränkte. Denn da sie sich auf die Oberfläche richtet, erfaßt sie nur die Hülle der Personen, den Punkt, wo mehrere Menschen sich berühren und einander ähnlich werden können. Tiefer geht sie nicht. Selbst wenn sie es könnte, sie würde es nicht wollen, weil sie nichts zu gewinnen hätte. Allzu tief in die Persönlichkeit eindringen, die äußere Wirkung auf allzu intime Ursachen zurückführen, hieße die Komik einer Wirkung aufs Spiel setzen und letzten Endes preisgeben. Wenn die Wirkung unsere Lachlust erregen soll, dann müssen wir ihre Ursache in einer mittleren Region der Seele finden. Folglich darf uns die Wirkung im besten Fall als mittelmäßig, als Ausdruck eines Menschendurchschnitts erscheinen. Und diesen Durchschnitt ermittelt man wie alle Durchschnitte durch das Einsammeln zerstreuter Gegebenheiten, das Vergleichen analoger Fälle, das Beschreiben ihrer Quintessenz, kurz, durch die gleiche Methode der Abstraktion und der Verallgemeinerung, die

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der Physiker anwendet, um aus Fakten Gesetze abzuleiten. Methode und Gegenstand sind hier also dieselben wie in den induktiven Wissenschaften, insofern als die Beobachtung äußerlich ist und das Ergebnis verallgemeinert werden kann. So kehren wir auf langen Umwegen wieder zu der doppelten Schlußfolgerung zurück, die sich aus unserer Studie ergeben hat: Einerseits ist eine Person nur lächerlich wegen einer bestimmten Verfassung, die der Zerstreutheit gleicht, durch etwas, das an ihr lebt wie eine Schmarotzerpflanze, ohne mit ihr zu verwachsen: Diese Verfassung läßt sich daher von außen beobachten und auch korrigieren. Da aber andererseits das Lachen gerade eine solche Korrektur bezweckt, kann es nur nützlich sein, wenn von der Korrektur eine möglichst große Anzahl Leute auf einmal betroffen wird. Aus diesem Grund bewegt sich die komische Betrachtungsweise instinktiv auf das Allgemeine hin. Sie sucht sich unter den Eigentümlichkeiten diejenigen aus, die sich am ehesten wiederholen und folglich nicht unlösbar mit der Individualität einer Person verbunden sind; man könnte sie die gemeinsamen Eigenheiten nennen. Werden sie vom beobachtenden Dichter auf die Bühne übertragen, so entstehen daraus Werke, die zweifellos Kunst sind in dem Sinne, daß sie bewußt nur gefallen wollen, während sie sich gleichzeitig von anderen Kunstwerken unterscheiden wegen ihres verallgemeinernden Charakters wie auch wegen der unbewußten Absicht zu korrigieren und zu belehren. Wir durften also wohl behaupten, die Komödie sei ein Mittelding zwischen Kunst und Leben. Sie ist nicht so selbstgenügsam wie die reine Kunst. Dadurch, daß sie Heiterkeit erzeugt, akzeptiert sie das gesellschaftliche Leben als natürliches Milieu; ja sie gehorcht sogar einem Impuls des gesellschaftlichen Lebens. Und da kehrt sie der Kunst, die ja einen Bruch mit der Gesellschaft und eine Rückkehr zur einfachen Natur bedeutet, den Rücken.

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II. Wie soll man es anstellen, wenn man eine Charakteranlage von idealer Komik schaffen will – komisch an sich, komisch in ihren Ursprüngen, komisch in allen ihren Äußerungen? Sie muß tief genug reichen, um der Komödie ständig Stoff zu liefern, und dennoch oberflächlich sein, damit sie den Ton der Komödie trifft; sie muß unsichtbar sein für den, dem sie eigen ist, aber sichtbar für die ganze übrige Welt, damit sie alle Welt lachen macht; sie muß nachsichtig gegenüber sich selbst sein, damit sie sich ohne Hemmungen entfalten kann, und peinlich für die anderen, damit sie sie erbarmungslos zurechtweisen; sie muß sich sogleich korrigieren lassen, damit das Lachen über sie nicht nutzlos verpufft, und mit Sicherheit immer wieder unter neuen Aspekten auftauchen, damit das Lachen sich fortwährend betätigen kann; sie muß von der Gesellschaft unzertrennlich und zugleich der Gesellschaft unerträglich sein … kurz, sie muß, um in allen nur denkbaren Formen auftreten zu können, mit allen Lastern und sogar mit ein paar Tugenden gesegnet sein. Diese Elemente gilt es miteinander zu verschmelzen. Der Seelenchemiker, den man mit der Herstellung einer solchen Mischung betrauen würde, wäre allerdings enttäuscht, wenn er endlich seine Retorte leerte. Er müßte feststellen, daß er sehr viel Mühe aufgewendet hat, um künstlich ein Gemisch zusammenzubrauen, das man sich fertig präpariert und kostenlos verschaffen kann, weil es in der Menschheit ebenso verbreitet ist wie die Luft in der Natur. Dieses Gemisch ist die Eitelkeit. Ich glaube nicht, daß es einen oberflächlicheren und zugleich tiefgründigeren Charakterfehler gibt. Die ihr zugefügten Wunden sind nie schlimm, und doch wollen sie nicht heilen. Die ihr erwiesenen Dienste könnten nicht fiktiver sein, und doch hinterlassen sie eine dauerhafte Dankbarkeit. Sie ist selbst kaum ein Laster zu nennen, dennoch kreisen alle Laster um sie und sind, indem sie sich verfeinern, schließlich nur

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noch dazu da, die Eitelkeit zu befriedigen. Sie ist ein Produkt des gesellschaftlichen Lebens, denn als Selbstbewunderung stützt sie sich auf die Bewunderung, die man anderen einzuflößen glaubt, und sie ist zugleich noch natürlicher, noch allgemein menschlicher als der Egoismus. Über den Egoismus siegt ja oft die Natur, während wir der Eitelkeit nur durch Reflexion beikommen. Ich glaube nicht, daß wir als bescheidene Menschen geboren werden, es sei denn, man verstehe unter Bescheidenheit eine gewisse, durchaus physische Schüchternheit, die dem Stolz übrigens näher verwandt ist, als man glaubt. Wahre Bescheidenheit kann nur das Ergebnis einer Meditation über die Eitelkeit sein. Ein Mensch wird bescheiden, wenn er sieht, wie andere ihren Selbsttäuschungen erliegen, und wenn er fürchtet, selbst in diesen Fehler zu verfallen. Sie ist eine fast wissenschaftlich gefärbte Vorsicht vor allem, was man von sich sagt und denkt. Sie besteht aus Korrekturen und Retuschen. Sie ist eine erworbene Tugend. Es ist schwierig, den Punkt zu bestimmen, wo sich das Bestreben, bescheiden zu sein, von der Angst, lächerlich zu werden, trennt. Sicher aber sind diese Angst und dieses Bestreben ursprünglich nahe beisammen gewesen. Eine eingehende Untersuchung der eitlen Illusionen und der Lächerlichkeit, die ihnen anhaftet, würde die Theorie des Lachens wohl um vieles verständlicher machen. Man würde sehen, wie das Lachen regelmäßig eine seiner wichtigsten Funktionen erfüllt, indem es die »zerstreute« Eigenliebe zum vollen Bewußtsein ihrer selbst führt und auf diese Weise eine größtmögliche Geselligkeit des Charakters bewirkt. Man würde sehen, wie die Eitelkeit, wenngleich ein natürliches Produkt des Gesellschaftslebens, von der Gesellschaft als störend empfunden wird – so wie gewisse, von unserem Organismus abgesonderte schwache Gifte uns auf die Dauer unterhöhlen, wenn nicht andere Sekrete sie neutralisieren. Das Lachen vollbringt fortwährend eine Leistung dieser Art. Man könnte also sagen,

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das spezifische Heilmittel gegen Eitelkeit sei das Lachen, und der spezifisch lächerliche Charakterfehler sei die Eitelkeit. Als wir vom Komischen in den Formen und Bewegungen sprachen, legten wir dar, wie dieses oder jenes einfache, an sich lächerliche Bild in andere, kompliziertere Bilder eingehen und ihnen etwas von seiner Komik einflößen kann. Deshalb lassen sich die höchsten Erscheinungsformen der Komik bisweilen durch die niedrigsten erklären. Aber vielleicht noch häufiger findet der umgekehrte Vorgang statt, und mancher grobe komische Effekt läßt sich auf die Vereinfachung einer ursprünglich sehr subtilen Komik zurückführen. Auch die Eitelkeit, diese höhere Form der Komik, ist ein Element, das wir in allen Äußerungen des Menschen sorgfältig, wenn auch unbewußt aufzuspüren trachten, und wäre es nur, um darüber zu lachen. Unsere Phantasie sieht sie oft auch dort, wo sie nichts zu suchen hat. Auf diesen Ursprung muß vielleicht die handfeste Komik gewisser Effekte zurückgeführt werden, welche die Psychologen mit dem unzulänglichen Begriff »Kontrastwirkungen« definieren. Beispiele: Ein kleiner Mann bückt sich, wenn er durch eine hohe Türe schreitet. Oder: Zwei Menschen, der eine riesengroß, der andere winzigklein, schreiten Arm in Arm würdevoll daher. Wenn Sie dieses zweite Bild aus der Nähe betrachten, so gewinnen Sie sehr wahrscheinlich den Eindruck, der kleinere von beiden strenge sich mächtig an, um größer zu erscheinen – ähnlich dem Frosch, der sich zum Ochsen aufblähen will.

III. Es kann hier nicht die Rede davon sein, alle charakterlichen Eigenheiten aufzuzählen, die sich mit der Eitelkeit verbünden oder die mit ihr wetteifern, um vom Lustspieldichter beachtet zu werden. Wir haben bewiesen, daß alle Charaktermängel und auch

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sogar gewisse Vorzüge lächerlich werden können. Die Liste der bekannten lächerlichen Eigenschaften kann von der Komödie beliebig verlängert werden. Natürlich bringt sie nicht einfach frei erfundene Lächerlichkeiten auf die Bühne; sie deckt vielmehr bisher übersehene komische Richtungen auf, ähnlich wie die Phantasie in der komplizierten Zeichnung eines Teppichs immer neue Figuren entziffert. Wichtig ist, wie wir jetzt wissen, daß die beobachtete Eigenheit für uns sogleich zu einem Rahmen wird, in den sich viele Personen einfügen lassen. Es gibt aber fertige Rahmen, hergestellt von der Gesellschaft selbst, notwendig für die Gesellschaft, weil diese auf der Arbeitsteilung beruht. Ich spreche von den Ämtern und Berufen. Jeder Spezialberuf erzeugt in den Menschen, die in ihm aufgehen, gewisse Denkweisen und gewisse charakterliche Besonderheiten, durch die sie einander ähnlich werden und sich zugleich von den anderen unterscheiden. So bilden sich kleine Gesellschaften im Schoß der großen. Sie sind aus der Organisation der allgemeinen Gesellschaft hervorgegangen. Gleichzeitig aber können sie, sofern sie sich allzu sehr absondern, die Geselligkeit beeinträchtigen. Das Lachen soll solche separatistischen Tendenzen unterdrücken. Seine Aufgabe ist es, das Starre beweglich zu machen, den Einzelnen allen anderen wieder anzupassen, die Ecken abzuschleifen. Wir haben es also mit einer Komik zu tun, deren Spielarten wir im voraus bestimmen können. Nennen wir sie Berufskomik. Wir möchten diese Spielarten nicht gesondert untersuchen. Lieber sprechen wir von dem, was ihnen gemeinsam ist. An erster Stelle steht der Berufsdünkel. Jeder von Monsieur Jourdains Lehrern stellt seine Kunst hoch über alle anderen. Und bei Labiche gibt es eine Figur, die nicht begreift, wie man etwas anderes als ein Holzhändler sein kann (das ist natürlich ein Holzhändler). Die Eitelkeit neigt übrigens immer dazu, in Feierlichkeit überzugehen,

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jedenfalls in Berufen, in denen eine gewisse Dosis Scharlatanerie steckt. Je fragwürdiger eine Kunst – und das ist eine merkwürdige Tatsache –, um so eher halten sich ihre Jünger für Priester und um so eifriger fordern sie von den anderen, daß sie sich vor ihrem Wissen verneigen. Nützliche Berufe dienen offenkundig der Allgemeinheit. Berufe von zweifelhaftem Nutzen dagegen können ihre Existenz nur durch die Annahme rechtfertigen, die Allgemeinheit sei für sie da, und auf dieser Täuschung gründet die Feierlichkeit. Das macht einen großen Teil der Komik bei Molières Ärzten aus. Sie behandeln den Kranken, als sei er für den Arzt erschaffen worden, und die Natur, als sei sie eine »Dependance« der Heilkunst. Eine andere Form von komischer Steifheit ist die sogenannte berufliche Verhärtung. Die komische Gestalt ist so eng in den starren Rahmen ihrer Tätigkeit gezwängt, daß sie sich darin nicht mehr bewegen und vor allem nicht mehr erschüttern lassen kann wie andere Menschen. Denken wir an die Antwort des Richters Perrin Dandin, den Isabelle gefragt hat, wie ein Mensch denn zusehen könne, wenn arme Unglückliche gefoltert würden: »Ach was, so geht doch wenigstens die Zeit vorbei«. Äußert sich nicht auch – wiewohl durch Orgons Mund – eine berufliche Verhärtung bei Tartuffe in den Zeilen: »Und säh ich Bruder, Kinder, Mutter, Gattin sterben, Was soll’s, nicht so viel ginge es mich an!« Aber das gebräuchlichste Mittel, einen Beruf ins Lächerliche zu ziehen, besteht darin, daß man ihn innerhalb der ihm eigenen Sprache gewissermaßen abkapselt. Man sorgt dafür, daß der Richter, der Arzt, der Soldat von alltäglichen Dingen im Rechts-, Medizin- oder Militärjargon reden, als wären sie unfähig, »wie normale Leute« zu sprechen. Komik dieser Art ist meist eher gewalttätig. Feiner wird sie, wie wir bemerkt haben, wenn sie mit der beruflichen Gewohnheit zugleich einen bestimmten Charak-

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terzug aufs Korn nimmt. Erinnern wir uns, wie der Spieler bei Regnard lauter Spielausdrücke verwendet und sogar seine Braut in »Pallas, wie die Pikdame bekanntlich heißt«, umtauft. Denken wir auch an die Femmes savantes, die ihre größten Lacherfolge dem Umstand verdanken, daß sie wissenschaftliche Begriffe in eine weiblich-empfindsame Sprache kleiden: »Epikur gefällt mir so …«, »Ich liebe Wirbelstürme …« usw. Wenn wir diese Richtung weiterverfolgen, so entdecken wir, daß es auch eine Berufslogik gibt. Darunter sind Denkweisen zu verstehen, die man sich in einem bestimmten Milieu aneignet und die für das Milieu richtig, für die übrige Welt aber falsch sind. Der Gegensatz zwischen der besonderen und der allgemeinen Logik bringt ganz spezielle komische Effekte hervor, und es dürfte von Nutzen sein, etwas länger dabei zu verweilen. Wir rühren hier überhaupt an einen wichtigen Punkt in der Theorie des Lachens. Um ihn zu erläutern, wollen wir ihn in einem größeren Zusammenhang betrachten.

IV. Die Suche nach der tiefen Ursache der Komik hat uns in der Tat so sehr beschäftigt, daß wir noch gar nicht dazu gekommen sind, eine ihrer bemerkenswertesten Ausdrucksformen zu studieren. Wir sprechen von der jeder komischen Gestalt oder komischen Gruppe eigentümlichen Logik, einer sonderbaren Logik, die unter Umständen bis zur Absurdität gehen kann. Théophile Gautier hat von der extravaganten Komik gesagt, sie sei die Logik des Absurden. Mehrere Theorien des Lachens kreisen um den gleichen Gedanken. Danach liegt in jedem komischen Effekt ein Widerspruch. Wir lachen, heißt es, über das konkret

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verwirklichte Absurde, über eine »sichtbare Absurdität« – oder auch über einen Anschein von Absurdität, der uns zuerst trügt, bevor wir ihn als solchen erkennen – oder noch besser über etwas, das einerseits absurd, andererseits erklärlich ist. In allen diesen Theorien steckt zweifellos ein Körnchen Wahrheit. Aber erstens lassen sie sich nur auf reichlich derbe komische Effekte anwenden, und zweitens vernachlässigen sie anscheinend selbst in Fällen, wo sie sich anwenden lassen, das Charakteristische an der Lächerlichkeit, das heißt die ganz besondere Art von Absurdität, die in der Komik enthalten sein kann, wenn diese Komik überhaupt etwas Absurdes enthält. Will man sich davon überzeugen, so nehme man eine dieser Definitionen und wende sie ihrer eigenen Formel gemäß an: Der Effekt wird in den seltensten Fällen komisch sein. Das Absurde in der Komik ist also nicht einfach im herkömmlichen Sinn absurd. Es ist eine ganz bestimmte Absurdität. Sie erzeugt keine Komik, sie geht vielmehr aus der Komik hervor. Sie ist nicht Ursache, sondern Wirkung – eine ganz spezielle Wirkung, in der sich die besondere Natur der sie erzeugenden Ursache widerspiegelt. Wir kennen die Ursache. Es fällt uns daher nicht schwer, jetzt auch die Wirkung zu erfassen. Angenommen, Sie gehen eines Tages spazieren und erblicken auf einem Hügel etwas, das aussieht wie ein großer, unbeweglicher Körper mit rotierenden Armen. Sie wissen noch nicht, was es ist, aber Sie suchen in Ihren Vorstellungen, das heißt in den Erinnerungen, über die Ihr Gedächtnis verfügt, nach dem Bild, das am besten in den Rahmen des Gesehenen paßt. Fast sogleich fällt Ihnen die Windmühle ein. Sie haben eine Windmühle vor sich. Daß Sie eben noch Märchen von Riesen mit ungeheuren Armen gelesen haben, ändert nichts daran. Gesunden Menschenverstand besitzen heißt sich erinnern können – es heißt aber auch und vor allem vergessen können. Der gesunde Menschenverstand ist die Fähigkeit, sich ständig anzupassen und die eigenen Vorstellungen

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von einem Gegenstand zu ändern, sobald der Gegenstand sich ändert. Es ist eine Beweglichkeit der Intelligenz, die sich genau nach der Beweglichkeit der Dinge richtet. Es ist die ständig im Fluß befindliche Kontinuität unserer Anteilnahme am Leben. Don Quijote zieht in den Krieg. In seinen Romanen hat er gelesen, daß der Ritter unterwegs feindlichen Riesen begegnet. Also braucht er einen Riesen. Die Vorstellung von einem Riesen hat sich als deutliche Erinnerung in seinem Gehirn eingenistet. Dort liegt sie auf der Lauer, sie wartet reglos auf eine Gelegenheit, hinauszustürzen und sich in einem Gegenstand zu verkörpern. Sie will sich materialisieren, und deshalb verleiht sie dem ersten besten Gegenstand – erinnere er auch nur entfernt an einen Riesen – die Gestalt eines Riesen. Don Quijote sieht also Riesen dort, wo wir Windmühlen sehen. Das ist komisch und das ist absurd. Aber ist es nur irgendwie absurd? Nein, es ist eine ganz besondere Umkehrung des gesunden Menschenverstandes: Man paßt die Dinge einer schon vorhandenen Vorstellung an anstatt umgekehrt; man sieht das vor sich, woran man denkt, anstatt an das zu denken, was man sieht. Der gesunde Menschenverstand verlangt, daß man alle Erinnerungen in Reih und Glied aufstelle; die passende Erinnerung wird dann jeweils auf den Appell der gerade bestehenden Situation antworten und nur dazu dienen, sie zu deuten. Bei Don Quijote verhält es sich umgekehrt. Eine Gruppe von Erinnerungen kommandiert die anderen herum und beherrscht den ganzen Menschen. Die Wirklichkeit muß sich also der Phantasie unterordnen; sie ist nur noch dazu da, der Phantasie Gestalt zu verleihen. Hat die Illusion Gestalt angenommen, so wird sie von Don Quijote durchaus vernünftig und konsequent weiterentwickelt. Er bewegt sich darin mit der Sicherheit und Präzision eines Nachtwandlers, der seinen Traum spielt. So entsteht der Irrtum, und so äußert sich die be-

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sondere Logik, die hier die Absurdität beherrscht. Doch finden wir diese Logik nur bei Don Quijote? Wir haben erklärt, daß die komische Gestalt aus geistigem oder charakterlichem Trotz, aus Zerstreutheit, aus Automatismus sündigt. Der Komik liegt eine Versteifung zugrunde, die bewirkt, daß jemand stur seinen Weg verfolgt, auf niemanden hört und nichts hören will. Wie viele komische Szenen bei Molière lassen sich auf diese einfache Formel bringen: Eine Person verfolgt eine Idee und kommt immer wieder darauf zurück, auch wenn sie ständig unterbrochen wird. Der Übergang von einem, der nichts hören will, zu einem, der nichts sehen will, ja, der schließlich nur noch das sieht, was er sehen will, könnte übrigens fast unmerklich erfolgen. Der Eigensinnige bringt es fertig, die Dinge seiner Vorstellung unterzuordnen, statt daß er seine Vorstellung nach den Dingen richtet. Jede komische Gestalt bewegt sich also auf dem schon beschriebenen Weg der Täuschung, und Don Quijote ist der Prototyp der komischen Absurdität. Hat diese Umkehrung des gesunden Menschenverstandes einen Namen? Man begegnet ihr natürlich in gewissen akuten oder chronischen Formen des Wahnsinns. Sie hat mit der fixen Idee vieles gemein. Aber weder der Wahnsinn im allgemeinen noch die fixe Idee im besonderen erregen unsere Heiterkeit; sie sind Krankheiten. Sie erregen unser Mitleid. Das Lachen aber verträgt sich bekanntlich nicht mit Gefühlsregungen. Verrücktheit reizt nur dann zum Lachen, wenn sie mit geistiger Gesundheit einhergeht. Wir könnten es eine normale Verrücktheit nennen. Es gibt aber einen Normalzustand des Geistes, der in allen Punkten dem Wahnsinn gleicht und in welchem man denselben Gedankenassoziationen begegnet wie in der Geistesgestörtheit, der gleichen eigenartigen Logik wie in der fixen Idee. Das ist der Traumzustand. Wenn also unsere Analyse stimmen soll, dann muß sie

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sich in folgenden Lehrsatz zusammenfassen lassen: Die komische Absurdität hat die gleiche Beschaffenheit wie der Traum. Im Traum geht der Geist genau den Weg, den wir eben noch beschrieben haben. Der in sich selbst versunkene Geist sucht in der Außenwelt nur noch einen Vorwand, um seine Phantasien zu materialisieren. Töne dringen zwar noch verworren ans Ohr, Farben kreisen noch im Gesichtsfeld, die Sinne sind noch nicht vollständig betäubt. Doch anstatt alle seine Erinnerungen wachzurufen, damit sie ihm deuten, was seine Sinne wahrnehmen, bedient sich der Träumer seiner Wahrnehmungen, um einer einzigen Lieblingserinnerung Gestalt zu geben. Je nach dem Seelenzustand des Träumers und der Vorstellung, die seine Phantasie beschäftigt, wird dann das Jaulen des Windes im Kamin ein Heulen wilder Tiere oder ein melodischer Gesang. Das ist die Art, wie der Mechanismus des Traums arbeitet. Wenn aber die komische Illusion eine Traumillusion, die Logik der Komik eine Traumlogik ist, dann darf man darauf gefaßt sein, daß man in der Logik des Lächerlichen allen Besonderheiten der Traumlogik wiederbegegnen wird. Wieder bestätigt sich die bekannte Regel: Ist eine Form des Lächerlichen gegeben, so werden auch andere Formen lächerlich, sofern sie der ersten äußerlich ähnlich sind. Sie werden lächerlich, auch wenn sie einen anderen komischen Hintergrund haben. Tatsächlich kann uns jedes Spiel der Vorstellungen belustigen, wenn es uns auch nur entfernt an die Spiele der Träume erinnert. Zuerst stellen wir eine gewisse allgemeine Lockerung der Regeln, die unser Denken beherrschen, fest. Wir lachen über Gedankengänge, von denen wir wissen, daß sie falsch sind, die wir aber im Traum für richtig halten könnten. Sie klingen eben noch überzeugend genug, um den eingeschläferten Geist zu täuschen. Es ist

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vielleicht noch Logik, aber eine Logik, die der Kraft entbehrt und uns deshalb Erholung von der geistigen Anstrengung verschafft. Mancher »geistreiche Einfall« ist ein solcher Gedankengang, ein abgekürzter Gedankengang, von dem uns nur der Ausgangspunkt und die Schlußfolgerung mitgeteilt wird. Solche geistreichen Spiele entwickeln sich übrigens zu Wortspielen in dem Maß, wie die zwischen den Ideen hergestellten Beziehungen oberflächlicher werden. Nach und nach erreichen wir den Punkt, wo wir den Sinn der Worte nicht mehr erfassen; wir hören nur noch ihren Klang. Lassen sich nicht auch gewisse komische Szenen, wo eine Person systematisch falsch wiederholt, was jemand ihr ins Ohr flüstert, mit dem Traum vergleichen? Wenn Sie inmitten von schwatzenden Leuten einschlafen, dann spüren Sie bisweilen, wie ihre Worte nach und nach ihren Sinn verlieren, wie die Töne verschwimmen und irgendwie miteinander verschmelzen, so daß sie in Ihrem Geist die seltsamsten Bedeutungen erlangen. Es gibt ferner komische Zwangsvorstellungen. Sie kommen dem Phänomen des immer wiederkehrenden Traummotivs scheinbar sehr nahe. Wer hätte nicht schon erlebt, wie das gleiche Bild in mehreren aufeinanderfolgenden Träumen auftauchte und jedesmal einen durchaus einleuchtenden Sinn hatte, auch wenn die Träume im übrigen völlig zusammenhanglos waren? Auch im Theater und im Roman nehmen die Wiederholungseffekte bisweilen diese Form an; sie sind dann wie ein Widerhall eines Traumes. Ebenso im Chanson: Unverändert und beharrlich kehrt der Refrain am Schluß jeder Strophe wieder, und jedesmal hat er einen anderen Sinn. Nicht selten kann man im Traum ein eigentümliches Crescendo erleben, etwas Seltsames, das sich immer mehr verstärkt. Ein erstes, der Vernunft abgetrotztes Zugeständnis zieht ein zweites nach sich, dieses ein drittes, folgenschwereres, und so weiter bis zur endgültigen Absurdität. Aber die Entwicklung auf das Ab-

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surde hin vermittelt dem Träumenden eine merkwürdige Empfindung. So muß der Trinker empfinden, wenn er in jenen angenehmen Zustand gleitet, wo für ihn nichts mehr zählt, weder Logik noch Anstandsregeln. Ob nicht gewisse Komödien von Molière eine solche Empfindung wachrufen? Nehmen wir Monsieur de Pourceaugnac: Das Stück beginnt einigermaßen vernünftig, artet aber mit der Zeit immer mehr in Widersinn aus. Oder Bourgeois gentilhomme, wo die Personen nach und nach in einen Wirbel der Tollheit zu geraten scheinen. »Ich will nach Rom gehen, wenn sich ein noch größerer Narr findet« : Dieses Schlußwort weckt uns aus dem immer verrückter gewordenen Traum, in den wir mit Monsieur Jourdain gesunken waren. Einen Wahn aber gibt es, der nur im Traum vorkommt. Gewisse Widersprüche können in der Phantasie des Träumenden so natürlich erscheinen und gleichzeitig der Vernunft des wachen Menschen so sehr zuwiderlaufen, daß man sie jemandem, der so etwas nie erlebt hat, unmöglich genau und vollständig beschreiben könnte. Wir meinen Träume, in denen zwei Personen auf seltsame Weise miteinander verschmelzen, bis sie nur noch eine und gleichzeitig zwei ganz verschiedene Personen sind. Eine von ihnen ist der Schläfer selbst. Er spürt, daß er nicht aufgehört hat zu sein, was er ist; nichtsdestoweniger ist er ein anderer geworden. Er ist es und er ist es nicht. Er hört sich sprechen, er sieht sich handeln, aber er spürt, daß ein anderer seinen Körper, seine Stimme benützt. Oder er weiß, daß er normal spricht und handelt, nur spricht er von sich selbst wie von einem Fremden, der ihn nichts angeht. Er hat sich losgelöst von sich selbst. Diese seltsame Verwirrung finden wir in gewissen komischen Szenen wieder. Ich denke jetzt nicht an Amphitryon, wo dem Zuschauer wohl der Eindruck von Verwirrung vermittelt wird, der komische Effekt jedoch zur Hauptsache durch die früher erwähnte Interferenz zweier Serien herbeigeführt wird. Nein, ich spreche von

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ausgefallenen und komischen Gedankengängen, in denen sich die Verwirrung in Reinkultur findet, wobei es einer geistigen Anstrengung bedarf, um sie als solche zu erkennen. Hören wir, wie Mark Twain sich von einem Reporter interviewen läßt: »Haben Sie einen Bruder? – Ja; wir nannten ihn BM. Der arme Bill! – Ist er denn gestorben? – Das eben haben wir nie genau gewußt. Ein großes Geheimnis umgibt diese Affäre. Wir waren Zwillinge, der Verstorbene und ich, und als wir zwei Wochen alt waren, wurden wir zusammen in der Wanne gebadet. Einer von uns ertrank, aber man hat nie erfahren, welcher. Die einen glauben, es sei Bill gewesen, die anderen sagen, ich sei’s gewesen. – Merkwürdig! Und was glauben denn Sie? – Passen Sie auf, ich will Ihnen etwas verraten, das ich noch keiner Menschenseele anvertraut habe. Einer von uns beiden hatte ein besonderes Kennzeichen auf dem linken Handrücken, ein riesiges Muttermal; das war ich. Dieses Kind ist nun aber ertrunken… usw.« Man wird zugeben müssen, daß die Absurdität dieses Dialogs nicht einfach irgendeine Absurdität ist. Sie wäre gar nicht vorhanden, wäre der Sprechende nicht ausgerechnet einer der Zwillinge, von denen er spricht. Sie rührt daher, daß Mark Twain einer dieser Zwillinge zu sein behauptet in einem Ton, als erzähle er ihre Geschichte als Außenstehender. Nichts anderes erleben wir in manchen unserer Träume.

V. Von diesem letzten Gesichtspunkt aus betrachtet, tritt uns die Komik in einer etwas anderen Gestalt entgegen, als wir sie bisher beschrieben haben. Wir haben das Lachen vor allem als ein Korrektiv behandelt. Nehmen wir nun eine Folge von komischen Effekten, isolieren wir die beherrschenden Faktoren, und wir werden sehen, daß die Effekte ihren komischen Charakter der Ähnlichkeit mit diesen Faktoren verdanken und daß es sich bei den

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Faktoren selbst um lauter Frechheiten gegenüber der Gesellschaft handelt. Auf diese Frechheiten antwortet die Gesellschaft mit Gelächter, das heißt mit einer noch größeren Frechheit. An einem solchen Lachen wäre demnach nichts Wohlwollendes. Es würde vielmehr Böses mit Bösem vergelten. Dennoch ist es nicht das, was uns am Phänomen des Lächerlichen als erstes auffällt. Oft hegen wir für eine komische Gestalt zunächst viel Sympathie. Jedenfalls versetzen wir uns vorübergehend an ihre Stelle, wir nehmen ihre Gebärden, ihre Redensarten, ihre Handlungsweisen an, und wenn uns das Lächerliche an ihr belustigt, so fordern wir sie im Geist auf, mit uns darüber zu lachen. Wir behandeln sie als Kameraden. Dem Lachen ist also zumindest ein Anschein von Wohlwollen, von liebenswürdiger Leutseligkeit eigen, und es wäre falsch, dieser Tatsache nicht Rechnung zu tragen. Vor allem aber enthält das Lachen ein Element der Entspannung. Das hat sich nirgends deutlicher gezeigt als in unseren letzten Beispielen. Dort finden wir übrigens auch die Erklärung dafür. Wenn die komische Gestalt ihre Idee automatisch weiterverfolgt, so denkt, spricht, handelt sie am Schluß, als ob sie träumte. Der Traum aber ist eine Entspannung. Mit den Dingen und den Menschen in Kontakt bleiben, nur das sehen, was ist, nur das denken, was Hand und Fuß hat, erfordert eine ununterbrochene geistige Anstrengung und Gespanntheit. Aus dieser Anstrengung besteht der gesunde Menschenverstand. Er ist Arbeit. Aber sich von den Dingen lösen und dennoch weiterhin Bilder sehen, mit der Logik brechen und dennoch weiterhin Gedanken sammeln, das ist nur noch Spielerei. Man kann es auch Trägheit nennen. Die komische Absurdität läßt uns also zuerst an ein Spiel mit Gedanken denken. Unsere erste Regung heißt uns, an diesem Spiel teilzunehmen. Wir erholen uns dabei von der Mühe des Denkens.

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Dasselbe läßt sich aber auch von anderen Formen des Lächerlichen sagen. In der Komik besteht immer die Tendenz, sich einen bequemen Hang hinunterschlittern zu lassen, und das ist meist der Hang der Gewohnheiten. Man will sich nicht länger auf Schritt und Tritt der Gesellschaft anpassen. Man entzieht sich der Pflicht, bewußt zu leben. Man gleicht mehr oder weniger einem Zerstreuten. Es ist, zugegeben, mindestens ebensosehr eine Zerstreutheit des Willens als eine Zerstreutheit des Verstandes, aber auf alle Fälle ist es Zerstreutheit und folglich Trägheit. Man bricht mit den Konventionen wie eben noch mit der Logik. Kurz, man benimmt sich wie einer, der spielt. Und wieder ist unsere erste Regung der Wunsch, der Einladung zur Trägheit zu folgen. Zumindest einen Augenblick lang spielen wir mit, um uns von der Mühe des Lebens zu erholen. Doch es ist ein kurze Ruhepause. Denn flüchtig ist die Sympathie, die mit dem Erlebnis der Komik einhergehen kann.Auch sie stammt ja aus der Zerstreutheit. Es ist, wie wenn ein strenger Vater sich bisweilen vergißt und an einem Streich seines Sohnes Spaß empfindet, bis er sich wieder auf sich selbst besinnt und den Jungen bestraft. Das Lachen ist, ich wiederhole es, ein Korrektiv und dazu da, jemanden zu demütigen. Infolgedessen muß es in der Person, der es gilt, eine peinliche Empfindung hervorrufen. Durch ihr Gelächter rächt sich die Gesellschaft für die Freiheiten, die man sich ihr gegenüber herausgenommen hat. Das Lachen würde seinen Zweck verfehlen, wenn es von Sympathie und Güte gekennzeichnet wäre. Man wird nun behaupten, zumindest die Absicht könne gut sein, oft züchtige man, weil man liebe, und indem das Lachen die äußeren Anzeichen gewisser Charaktermängel aufdecke, verhelfe es uns zu unserem eigenen Besten dazu, diese Fehler abzulegen und bessere Menschen zu werden.

Dazu ließe sich vieles sagen. Im großen ganzen übt das Lachen fraglos eine nützliche Funktion aus. Alle unsere Untersuchungen waren übrigens darauf angelegt, dies zu beweisen. Das will aber nicht heißen, daß das Lachen immer richtig trifft oder daß es ein Zeichen von Wohlwollen oder gar Gerechtigkeit ist. Um immer richtig zu treffen, müßte es einem Akt der Reflexion entspringen. Nun ist aber das Lachen ganz einfach die Auswirkung eines Mechanismus, den die Natur oder, was etwa auf dasselbe herauskommt, eine jahrelange Gewohnheit im Umgang mit der Gesellschaft in uns eingebaut haben. Es bricht ganz von allein und schlagartig los. Es hat keine Zeit für lange Zielübungen. Das Lachen straft gewisse Fehler etwa so, wie eine Krankheit gewisse Exzesse straft; es trifft Unschuldige, verschont Schuldige, zielt nur auf ein Gesamtergebnis ab und ist außerstande, jedem einzelnen Fall die Ehre einer Sonderbehandlung angedeihen zu lassen. Ebenso verhält es sich mit allem, was mit natürlichen Mitteln anstatt durch bewußte Überlegung vollbracht wird. Ein durchschnittliches Maß von Gerechtigkeit mag zwar im Gesamtergebnis zutage treten, nicht aber im Einzelfall. Das Lachen kann also nicht immer restlos gerecht sein. Es soll auch nicht gütig sein. Es soll einschüchtern, indem es demütigt. Diese Funktion könnte es nicht erfüllen, hätte nicht die Natur zu diesem Zweck noch im besten Menschen eine kleine Spur Bosheit oder zumindest Schalkhaftigkeit hinterlassen. Vielleicht verweilen wir besser nicht länger bei diesem Punkt. Wir fänden für uns nicht viel Schmeichelhaftes. Wir müßten erkennen, daß die Regung, die Entspannung oder Befreiung bedeutet, nur ein Vorspiel des Lachens ist, daß der Lachende sich sofort auf sich zurückbesinnt, sich selbst mehr oder weniger anmaßend zur Geltung bringt und den anderen unter Umständen nur als eine Marionette betrachtet, die er nach Belieben tanzen lassen kann.

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In dieser Anmaßung würden wir übrigens sehr schnell eine Spur Egoismus entdecken und hinter dem Egoismus etwas noch weniger Offenes, noch Bittereres, eine Art von aufkeimendem Pessimismus, der sich um so stärker äußert, je bewußter der Lachende sein Gelächter begründet. Hier wie überall hat die Natur dafür gesorgt, daß das Böse dem Guten dient. Und es war in erster Linie das Gute, das uns in dieser Studie beschäftigt hat. Uns schien, die Gesellschaft erziele eine immer größere Anpassungsfähigkeit ihrer Glieder, je mehr sie sich selbst vervollkommne; sie finde ein immer besseres Gleichgewicht; sie dränge die in einer so großen Masse unvermeidlichen Störungen immer stärker an ihre Oberfläche, und das Lachen erfülle dabei eine nützliche Funktion, weil es uns die Umrisse dieser unruhigen Bewegungen erkennen lasse. So kämpfen auch die vom Wind gepeitschten Wasser ohne Unterlaß an der Oberfläche des Meeres, während in den unteren Schichten tiefer Friede herrscht. Die Wellen prallen aufeinander, behindern sich gegenseitig, suchen ihr Gleichgewicht. Leichte, weiße, lustige Schaumkronen begleiten ihren Tanz. Einige bleiben am Strand liegen, wenn die Flut zurückweicht. Das Kind, das in der Nähe spielt, kommt und schöpft sie mit der Hand und wundert sich, daß gleich darauf nur noch ein paar Wassertropfen durch seine Finger rinnen, viel salziger, viel bitterer als das Wasser der Welle, die den Schaum an den Strand trug. Das Lachen ist wie dieser Schaum. Es zeigt den Aufruhr an der Oberfläche des sozialen Lebens an. Es zeichnet die beweglichen Umrisse dieser Erschütterungen augenblicklich nach. Es ist auch salzhaltig. Und es prickelt wie Schaum. Es ist etwas Leichtes, Fröhliches. Der Philosoph, der es einfängt, um davon zu kosten, wird im übrigen noch in der geringsten Menge bisweilen eine Dosis Bitterkeit entdecken.

NACHWORT zur dreiundzwanzigsten Auf lage

In einem interessanten Artikel, erschienen in der Revue du Mois am 10. August 1919, stellte Yves Delage unserer Auffassung von Komik seine eigene Definition gegenüber. Er schrieb: »Damit etwas komisch sei, muß zwischen Wirkung und Ursache eine Disharmonie bestehen.« Die meisten Theoretiker der Komik befolgen die Methode, die Monsieur Delage zu dieser Definition geführt hat; es dürfte daher nicht uninteressant sein zu zeigen, wodurch sich unsere Methode von jener unterscheidet. Zu diesem Zweck wollen wir die wesentlichen Punkte unserer Antwort, die am 10. November 1919 in der gleichen Revue veröffentlicht wurde, noch einmal zusammenfassen: »Definieren kann man die Komik aufgrund eines oder mehrerer allgemeiner und äußerlich sichtbarer Wesenszüge, die man an diesem und jenem komischen Effekt festgestellt hat. Solche Definitionen sind schon seit Aristoteles in Umlauf; die Ihre, scheint mir, wurde auf folgendem Weg erreicht: Sie zeichnen einen Kreis und weisen darauf hin, daß auf gut Glück gewählte komische Effekte darin enthalten sind. Sicher gehören die erwähnten Merkmale, soweit sie von einem scharfsinnigen Beobachter registriert worden sind, zur Komik. Ich glaube aber, man trifft sie oft auch dort an, wo es keine Komik gibt. Die Definition wird also meist zu weit gefaßt sein. Ich gebe zu, daß sie immerhin eine Forderung der Logik auf dem Gebiet der Definitionen erfüllt: Sie verweist auf eine notwendige Bedingung. Was ich in Anbetracht der gewählten Methode bezweifle, ist, daß sie die zulängliche Bedingung bestimmen kann. Ich glaube nicht daran, weil es mehrere Definitionen dieser Art gibt, die alle gleich annehmbar sind, wiewohl sie nicht das gleiche aussagen. Vor allem aber glaube ich nicht daran,

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weil meines Wissens keine von ihnen das Rezept zur Erzeugung der Komik liefert.1 Ich habe einen ganz anderen Weg verfolgt. Ich suchte im Lustspiel, im Schwank, in der Kunst des Clowns die Herstellungsverfahren der Komik. Ich glaubte zu erkennen, daß es sich um lauter Variationen über ein allgemeineres Thema handelte. Um die Dinge zu vereinfachen, habe ich das Thema festgehalten, doch das, was zählt, sind die Variationen. Wie dem auch sei, das Thema ergibt eine allgemeine Definition, die hier einer Konstruktionsregel gleichkommt. Im übrigen gebe ich zu, daß eine auf diesem Weg erreichte Definition auf den ersten Blick ebenso enggefaßt wirkt, wie andere als zu weitmaschig erscheinen. Sie wirkt einengend, weil es neben dem, was seinem Wesen nach und aus sich selbst, was seiner inneren Struktur wegen lächerlich ist, noch eine Menge Dinge gibt, die zum Lachen reizen wegen einer oberflächlichen Ähnlichkeit mit jenem ersten, an sich lächerlichen Ding oder wegen irgendeiner zufälligen Beziehung zu einem anderen Ding, das an jenes erste erinnert, und sofort: Die Komik nimmt kein Ende. Denn wir lachen gern, und jeder Vorwand ist uns recht. Der Mechanismus der Gedankenassoziationen ist in diesem Fall ungeheuer kompliziert. Und der Psychologe, der das Komische auf diese Weise untersucht, anstatt es kurzerhand in eine Formel zu pressen, um das Thema ein für allemal zu erledigen, muß sich hinterher vielleicht sagen lassen, er habe nicht alle Tatsachen berücksichtigt. Er kann seine Theorie noch so sehr auf die Gegenbeispiele anwenden und beweisen, daß sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem an sich Komischen komisch sind – man wird ihn noch und noch mit Beispielen konfrontieren können. Er wird immer beschäftigt bleiben. Aber: Er hat die Komik gewisserma1

Auf die Unzulänglichkeit dieser oder jener Theorie haben wir übrigens in zahlreichen Abschnitten unseres Buches hingewiesen.

Nachwort zur dreiundzwanzigsten Auf lage

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ßen in der Hand, während andere sie in einen mehr oder weniger großen Kreis sperren. Und hat er sie erst einmal in den Griff bekommen, so kann er auch das Rezept zu ihrer Herstellung liefern. Er ist mit der Schärfe und Präzision des Gelehrten vorgegangen, der sich nicht einbildet, ein Ding besser zu erkennen, nachdem er ihm diese oder jene Eigenschaft zugesprochen hat – so passend diese auch sein mag (man findet immer welche, die passen). Erforderlich ist eine Analyse, und nur derjenige, der etwas wieder zusammensetzen kann, darf sicher sein, daß er etwas vollständig analysiert hat. Das war der Zweck meiner Übung. Ein letzter Punkt bleibt zu erwähnen: Während ich die Entstehungsarten des Lächerlichen zu bestimmen versuchte, wollte ich gleichzeitig herausfinden, welche Absicht die Gesellschaft verfolgt, wenn sie lacht. Eigentlich ist es sehr seltsam, daß gelacht wird, und auch die Methode der Erklärung, von der ich eben gesprochen habe, kann dieses kleine Geheimnis nicht aufdecken. Ich sehe zum Beispiel nicht ein, weshalb die »Disharmonie« als solche eine spezifische Äußerung wie das Gelächter bewirken sollte, während so viele andere Eigenschaften, Vorzüge oder Fehler die Gesichtsmuskeln des Zuschauers unbewegt lassen. Man muß also in Erfahrung bringen, welche besondere Ursache der Disharmonie die komische Wirkung erzeugt, und wirklich gefunden hat man diese erst dann, wenn man erklären kann, weshalb die Gesellschaft in einem solchen Fall das Bedürfnis hat, sich zu äußern. Irgend etwas Angriffiges (und zwar spezifisch Angriffiges) muß in der Ursache der Komik stecken, gewissermaßen der Ansatz zu einem Attentat auf das soziale Leben, wie anders ließe sich erklären, daß die Gesellschaft mit einer Geste antwortet, die mir ganz nach einer Abwehrreaktion aussieht – einer Geste, die ein wenig beängstigt? Ich habe mich bemüht, auch auf diese Frage eine Antwort zu finden.«

ZU DIESER AUSGABE Im Jahr 1900 veröffentlichte Henri Bergson den Essay Le rire zunächst in mehreren Folgen in der Revue de Paris,1 bevor der Text im gleichen Jahr im Verlag Félix Alcan auch als Buch erschien2 und rasch zu einem Erfolg wurde. Mit der 23. Auflage 1924 ersetzte Bergson die Vorbemerkung der ersten Auflagen durch ein neues Vorwort, ergänzte die Literaturangaben und fügte ein Nachwort hinzu, in dem er seine Methode zu präzisieren versucht. 3 Der Verlag Diederichs brachte Le rire 1914 unter dem Titel Das Lachen in der Übersetzung von Julius Frankenberger und Walter Fraenkel heraus.4 Diese Ausgabe wurde mehrfach nachgedruckt.5 1972 veröffentlichte der Arche Verlag, beruhend auf der 23. Auflage, eine neue Übersetzung von Roswitha Plancherel-Walter, die die Schwächen der ersten deutschen Übersetzung an vielen Stellen behebt und stilistisch zeitgemäßer wirkt.6 Auch diese Ausgabe erfuhr mehrere Nachauflagen,7 ist jedoch seit einigen Jahren vergriffen. Wir danken dem Arche Verlag für die Möglichkeit, Bergsons berühmten Essay in der Philosophischen Bibliothek neu zugänglich machen zu können. Der Verlag

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Revue de Paris 7 (1900), janvier-février 1900, 512–544 et 759–799; marsavril 1900, 146–179. 2 Le rire. Essai sur la signification du comique, Paris: Félix Alcan 1900. 3 Das Nachwort zitiert Teile eines Beitrags für die Revue du mois: A propos de ›la nature du comique‹, in: Revue du mois, 10 novembre 1919, t. XX, 514–517; s. oben, S. 137 ff.. 4 Das Lachen, Jena: Eugen Diederichs 1914. 5 Zuletzt: Meisenheim am Glan: Anton Hain 1948. 6 Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen, Zürich: Verlag die Arche 1972. 7 Beispielsweise in einer Lizenzausgabe im Luchterhand Verlag 1988.