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German Pages 323 [325] Year 2020
ÆTERNA Altertumswissenschaften
RO M A
Franz Steiner Verlag
Patrick brimioulle
Das Konzil von Konstantinopel 536
M AA ÆT EÆ R N AT E R N A ROR OM Beiträge zu Spätantike und Frühmittelalter
Herausgegeben von Volker Henning Drecoll, Irmgard Männlein-Robert, Mischa Meier und Steffen Patzold Band 8
Das Konzil von Konstantinopel 536 Patrick Brimioulle
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Graduiertenkollegs „Theologie als Wissenschaft“ aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Umschlagabbildung: Bronzestatue der Kapitolinischen Wölfin, Kapitolinische Museen, Rom © akg/De Agostini Picture Library Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020 Umschlaggestaltung: r2 Röger & Röttenbacher, Leonberg Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12666-3 (Print) ISBN 978-3-515-12667-0 (E-Book)
DANKSAGUNG Ohne die Unterstützung zahlreicher Menschen, hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können. Deshalb möchte ich den wichtigsten unter ihnen hier meinen Dank aussprechen. Es ist immer schwer seinen Dank angemessen in Worte zu fassen, ohne dass es ins Kitschige abgleitet und deshalb möchte ich mich hier kurz fassen. Dies soll jedoch nicht meine Wertschätzung schmälern. Ich möchte mich bei Professor Hartmut Leppin bedanken, dass er mich überhaupt als Doktorand angenommen und meine Arbeit immer sehr interessiert begleitet hat. Die vielen klugen Hinweise und Anmerkungen waren von unschätzbaren Wert. Einen Professor, der für inhaltliche Fragen aber auch Fragen ganz praktischer Natur immer zur Verfügung steht, kann man sich als Doktorand nur wünschen. Ferner möchte ich an dieser Stelle auch Professor Wolfram Brandes danken für die anregenden Gespräche und die vielen Verweise auf die einschlägige aber auch unbekanntere Literatur, durch die meine Arbeit sehr gewonnen hat. Und auch Professor Roland Kany bin ich zu besonderem Dank verpflichtet, weil er mich zur Promotion ermutigt und unterstützt hat. Ohne ihn wäre diese Arbeit wohl gar nicht erst begonnen worden. Ferner gilt mein Dank auch Timo Christian, der meine Übersetzungen gesichtet und Korrektur gelesen hat. Auch will ich meine Freunde Christoph und Peter sowie meinen Bruder Richard nicht unerwähnt lassen, die sich bereit erklärt haben, meine Arbeit Korrektur zu lesen, und mir stilistische Ratschläge gegeben haben. Korrekturen sind immer eine müßige Angelegenheit, deshalb weiß ich ihren Aufwand sehr zu schätzen. Schließlich will ich auch dem Graduiertenkolleg „Theologie als Wissenschaft“ danken, dessen Stipendium mir meine Promotion ermöglicht hat und das durch Gewährung eines Druckkostenzuschusses auch die Veröffentlichung dieses Buches finanziell unterstützt hat. Widmen möchte ich dieses Buch meinem Vater.
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS DANKSAGUNG......................................................................................................5 INHALTSVERZEICHNIS.......................................................................................7 1. EINLEITUNG....................................................................................................11 1.1 1.2
Fragestellung und Aufbau der Arbeit.....................................................11 Die Quellenlage.....................................................................................16
2. DIE KIRCHENPOLITIK DES ANASTASIOS (491–518)...............................20 2.1 2.1.1 2. 1. 2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.3
Die Situation in der Hauptstadt.............................................................22 Das Verhältnis des Anastasios zu Euphemios.......................................22 Die Positionierung des Makedonios gegenüber Chalkedon..................28 Die Offensive des Philoxenos von Mabbug und des Severos und der Sturz Flavians..................................................................................30 Der Sturz des Makedonios.....................................................................36 Der Staurotheis-Aufstand und die Bedeutung des StaurotheisZusatzes.................................................................................................40 Der Aufstand Vitalians..........................................................................44 Zwischenfazit – Die Polarisierung des chalkedonischen Lagers in Konstantinopel infolge der kaiserlichen Politik....................................49 Die Situation in Syrien 512–518...........................................................51 Die Wahl des Severos und ihre Kanonizität..........................................51 Die Rolle der Diptychen........................................................................53 Die Diptychen im Patriarchat von Antiocheia – Die Grenzen der Veränderung der Namenslisten..............................................................57 Der chalkedonische Widerstand in Phönizien.......................................60 Der chalkedonische Widerstand in der Syria II.....................................62 Eskalationen der Gewalt in der Syria II................................................65 Fazit – Die Grenzen kaiserlicher Macht – Radikalisierungen und Ausdifferenzierungen im chalkedonischen und miaphysitischen Lager......................................................................................................70
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3. DIE KIRCHENPOLITISCHEN ENTWICKLUNGEN UNTER JUSTIN I. (518–527)..........................................................................................................74 3.1
Die Synoden von 518 und die Verurteilung des Severos von Antiocheia..............................................................................................74 3.2 Das Bekenntnis Justins I. und seine Rolle bei der chalkedonischen Wende....................................................................................................82 3.3 Ein chalkedonischer Gottesdienst für Konstantinopel..........................84 3.3 Das Ende des Akakianischen Schismas und die Einheit mit Rom........86 3.4 Die skythischen Mönche und die theopaschitische Formel..................89 3.5 Die Lage in Syrien.................................................................................97 3.5.1 Die Durchsetzung der formula Hormisdae im Osten............................97 3.5.2 Die Etablierung einer unabhängigen miaphysitischen Hierarchie nach 518...............................................................................................101 3.6 Zusammenfassung – Zur Situation des chalkedonischen Lagers in Konstantinopel und Syrien während der Regierungszeit Justins....104 4. DIE KIRCHENPOLITIK JUSTINIANS BIS ZUM KONZIL VON 536........107 4.1 4.2 4.3 4.4
Der Beginn der Herrschaft Justinians und das Glaubensedikt von 527................................................................................................107 Das Religionsgespräch 532.................................................................109 Das Edikt von 533 und die Anerkennung der theopaschitischen Formel durch Rom 534........................................................................115 Exkurs I – Die (weltliche) politische Lage in den 530ern – Erschütterung im Inneren und Erfolge in der Außenpolitik................121
5. DAS KONZIL VON KONSTANTINOPEL 536.............................................126 5.1 Der Ereignisablauf...............................................................................127 5.1.1 Der Auslöser des Konzils - Die Aktivitäten der Miaphysiten in der Hauptstadt und die Ankunft des Severos......................................127 5.1.2 Die Sitzung I des Konzils – Die Themensetzung................................132 5.1.2.1 Der Brief der Mönche Konstantinopels, der Syria II und Palästinas an Justinian..........................................................................................133 5.1.2.2 Das Didaskalikon der Mönche an die synodos endemousa.................135 5.1.2.3 Die Bittschrift der Mönche Konstantinopels, Anatoliens und Palästinas an Agapet............................................................................137 5.1.2.4 Der Brief der orientalischen und palästinischen Bischöfe an Agapet.................................................................................................143 5.1.2.5 Der Brief Agapets an Petros von Jerusalem........................................147 5.1.2.6 Zusammenfassung – Organisation des Konzils und Zielsetzung der Akteure..........................................................................................150 5.1.3 Die Sitzungen II–IV des Konzils – Der Fall Anthimos.......................153
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5.1.3.1 Die Suche nach Anthimos und seine Verurteilung..............................153 5.1.3.2 Zur Person und theologischen Ausrichtung des Anthimos..................155 5.1.3.3 Zur kirchenrechtlichen Lage zu Bistumswechseln..............................166 5.1.4 Die Sitzung V – Die Fälle Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und Zooras............................................................................170 5.1.4.1 Die Briefe der Mönche und Bischöfe an Justinian und Menas...........171 5.1.4.2 Die beiden Briefe des Hormisdas........................................................175 5.1.4.3 Die Dokumente im Zusammenhang mit der synodos endemousa 518....................................................................................178 5.1.4.4 Zooras und die Nebentaufen und Nebengottesdienste in der Hauptstadt...........................................................................................181 5.1.4.5 Das abschließende Urteil der Synode und die Diataxis Kaiser Justinians.............................................................................................186 5.1.5 Exkurs II – Die Rolle Theodoras in der Kirchenpolitik......................189 5.1.6 Die Rezeption der Synode – Die Bestätigung durch Jerusalem und das Nachwirken als ökumenisches Konzil...................................192 5.2 Die Bedeutung der synodos endemousa im Jahr 536 und ihre Rolle für die Regierung der Kirche.....................................................194 5.2.1 Die Rolle der synodos endemousa für den Kaiser und den Bischof von Konstantinopel................................................................194 5.2.2 Die synodos endemousa 518 als Vorbild für 536 – Unterschiede und Gemeinsamkeiten ihrer Organisation und ihres Ablaufs........... 197 5.2.3 Das Verhältnis des Konzils von 536 zu Justinian................................202 5.2.3.1 Die Unzufriedenheit der chalkedonischen Kleriker mit dem bisherigen Kurs Justinians...................................................................202 5.2.3.2 Wer ist der legitime Träger von Theologie? – Das Verhältnis zwischen Kaiser und Kirche................................................................207 5.3 Die weiteren Akteure beim Sturz des Anthimos 536 und ihr Einfluss in der Hauptstadt....................................................................211 5.3.1 Das Dalmatios-Kloster und die Rolle der hauptstädtischen Klöster.................................................................................................212 5.3.2 Die Rolle Roms...................................................................................217 5.3.3 Zusammenfassung – Das strukturelle Umfeld der Bischöfe von Konstantinopel.....................................................................................224 6. ZUR HERAUSBILDUNG KIRCHENPOLITISCHER IDENTITÄTEN.......229 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.2.1
Schaffung und Versorgung eigener Anhängerschaften – die Rolle von (materiellen) Ressourcen..............................................230 Petros von Apameia und das Kirchenvermögen von Apameia...........231 Vitalian und sein Heer.........................................................................235 Severos von Antiocheia – Spirituelle Autorität...................................238 Die Einübung der eigenen Rechtgläubigkeit im Gottesdienst.............244 Die Diptychen als Spiegelbild religiöser Identität...............................246
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6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.4
Hymnen als potenzielle Träger christologischer Positionen – Das Trishagion und der Hymnus Ὁ Μονογενής..................................251 Die Gleichsetzung von Glauben und Glaubensvollzug. Die Spannungen durch die Vielfalt christlicher Liturgien unter demselben Bekenntnis.........................................................................256 Prägung von Feindbildern – ‚Häretiker-Stammbäume’ als ‚Negativ-Diptychen’.............................................................................262 Eindeutigkeit und Uneindeutigkeit des rechten Glaubens – Was zählt eigentlich als chalkedonisch?..............................................268 Chalkedonier oder Miaphysit? – Die Fälle Flavian von Antiocheia und Anthimos von Trapezunt............................................270 Das Problem des chalkedonischen Selbstverständnisses – Zwischen reiner Bestätigung Nikaias und theologischer Weiterentwicklung................................................................................274 Der fehlende eindeutige Bezugsrahmen chalkedonischer Theologie – Das schwierige Erbe der antiochenischen und alexandrinischen Schule.......................................................................279 Chalkedonier oder Miaphysit oder einfach nur Christ? – Das Fehlen eines Kirchenpolitischen Profils und die Problematik der Quellen...........................................................................................290 Zusammenfassung – Die Vielgestaltigkeit religiöser Identitäten.........294 Fazit: Das Konzil von Konstantinopel 536 als Resultat eines Vertrauensverlusts in Justinian in Teilen des chalkedonischen Lagers...................................................................................................296
7. AUSBLICK – DIE REAKTION JUSTINIANS AUF DAS KONZIL 536......304 8. QUELLEN.......................................................................................................310 9. LITERATUR....................................................................................................314
1. Einleitung
1. EINLEITUNG 1.1 FRAGESTELLUNG UND AUFBAU DER ARBEIT Wir nehmen die Dinge wahr, die die heiligen Kirchen Gottes gefangen halten, und die Feinde Gottes, die sich täglich wider sie brüsten, und wir sehen die Wehklage des göttlichen Gregor über derartige Dinge und beginnen unsere Rede passend, indem wir vor Eurer Seligkeit sagen: „Es scheint, dass die Fürsorge Gottes, die in den Zeiten vor uns die Kirchen beschützte, das gegenwärtige Leben vollkommen verlassen hat und die Seele jedes Einzelnen ist tatsächlich so sehr überflutet worden durch Unheil, dass gleichsam der eigene Schmerz unseres Lebens nicht in Übeln aufzurechnen ist, obgleich sie derartig zahlreich und so be schaffen sind, vielmehr blicken wir allein auf das allgemeine Leid der Kirchen. Wenn es im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht eilends zu einer Wiederherstellung für sie kommen sollte, wird sie allmählich zur vollkommenen Hoffnungslosigkeit fortschreiten.“ 1
Mit diesen Worten beschreiben im Jahr 536 die in der Hauptstadt befindlichen Mönche in ihrem Brief an Papst Agapet die Situation in Konstantinopel. Noch im selben Jahr kam es dann in der Hauptstadt zur Einberufung eines Konzils, auf dem Anthimos, der Bischof von Konstantinopel, nach nur einem Jahr Amtszeit abgesetzt und verurteilt wurde. Im Zuge dessen wurden ebenso Severos von Antiocheia, die große Führungsgestalt der Miaphysiten sowie Petros von Apameia und der Mönch Zooras vom Konzil verdammt und aus der Hauptstadt vertrieben. Was war geschehen? Was veranlasste die Mönche zu ihrer dramatischen Schilderung der Lage und wie und zu welchem Zweck wurde 536 ein Konzil einberufen? Das Konzil von Konstantinopel im Jahre 536 gehört in den Gesamtzusammenhang der christologischen Streitigkeiten, die besonders nach dem Konzil von Chalkedon 451 zu großen Unruhen innerhalb der Kirche geführt hatten. Das Konzil von Chalkedon, das Nestorios und Eutyches verurteilt hatte und das Christus als „in zwei Naturen“ geeint beschrieb, stieß vor allem in Ägypten und im syrisch-mesopotamischen Raum auf erbitterten Widerstand. Die Gegner des Konzils warfen den Konzilsvätern vor, mit ihrer „in zwei Naturen“-Formel Christus in zwei zu spalten und damit ihrer Auffassung nach die Lehre des Nestorios wieder in die Kirche einzuführen. In der nachfolgenden Zeit war es das vorrangige Ziel der Kaiser, die Kircheneinheit wiederherzustellen. Zum einen sollte dadurch die Lage im Reich wieder beruhigt werden, nachdem es durch die kirchlichen Auseinandersetzungen zu erheblichen Verwerfungen gekommen war, zum anderen, sahen es die christlichen Kaiser als ihre Aufgabe an, den christlichen Glauben zu beschützen und Spaltungen in der Kirche zu bereinigen, um das Wohlgefallen Gottes 1
Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 136, Z. 33 – S. 137, Z. 6. Das Zitat der Mönche stammt von Gregor von Nazianz’ Brief an Nektarios, GREG. NAZ., Ep. 202, ad Nectarium, PG 37, S. 329 (CPG 3032).
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1. Einleitung
zu erhalten. Die nach Chalkedon herrschenden Kaiser versuchten mit unterschiedlichen Mitteln die kirchliche Einheit wiederherzustellen. Jedoch scheiterten sie mit ihren Versuchen und mussten sogar mitansehen, wie es zu immer weiteren Zersplitterungen infolge des Kirchenkampfes kam. Auch Kaiser Justinian, in dessen lange Herrschaftszeit von 527 bis 565 das Konzil von 536 fällt, stellte mit seinen Bestrebungen, die Spaltungen in der Kirche zu beenden, keine Ausnahme dar. Zwar weckte Justinian nicht zuletzt in den letzten Jahren das vermehrte Interesse vieler Forscher2 und auch die Kirchengeschichte dieser Zeit beziehungsweise die Kirchenpolitik Justinians erfuhren dabei einige Aufmerksamkeit,3 doch blieben bisher einige nicht unbedeutende Forschungslücken bestehen. Eine dieser Lücken betrifft das Konzil von Konstantinopel 536, das für einige Jahre sogar als ökumenisches Konzil galt. Dass dieses bisher in der Forschung nur wenig Beachtung fand, verwundert besonders angesichts der guten Quellenlage. So sind die Akten des Konzils vollständig überliefert und sind von Eduard Schwartz kritisch ediert worden, der sie so der Forschung erschloss. Doch bereits Leppin hat angemerkt, dass die Konzilsakten der justinianischen Zeit noch einer eingehenden Untersuchung harren, die bisher von einigen Ausnahmen abgesehen bisher leider ausgeblieben ist.4 Ein solches Ausbleiben ist wohl nicht zuletzt auch dem Fehlen moderner Übersetzungen geschuldet, wenn auch jüngste Aktivitäten in der englischsprachigen Forschung hier Abhilfe versprechen.5 Aufgrund der bisherigen, mangelnden Aufmerksamkeit für Konzilsakten ist auch das Konzil von Konstantinopel des Jahres 536 kaum in den Fokus der Forschung gerückt und wurde meist nur äußerst knapp im Zusammenhang der Kirchenpolitik Justinians abgehandelt. Dies führte jedoch oftmals zu verzerrten Darstellungen und Fehldeutungen des Ereignisses. Dies betrifft sowohl die Charakterisierung der Kirchenpolitik Justinians als auch die Beurteilung des Bischofs Anthimos und die Frage, wem er seine Erhebung zum Bischof von Konstantinopel 2
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So erschienen in den letzten 20 Jahren eine Vielzahl von Biographien von Justinian, vgl. EVANS, Age; vgl. MARAVAL, l’empereur; vgl. CAPIZZI, Giustiniano I; vgl. MAZAL, Justinian I.; vgl. LEPPIN, Justinian, um nur einige zu nennen. Für eine kurze Besprechung zur Forschung und Quellenlage zu Justinian vgl. LEPPIN, Zeitalter. Vgl. UTHEMANN, Kaiser; für die Entstehung der miaphysitischen Kirche vgl. M ENZE, Justinian, aus patristischer Perspektive das mehrbändige Standardwerk G RILLMEIER/HAINTHALER, Jesus; sowie für Einzeluntersuchungen SPEIGL, Synode 536; SPEIGL, Synoden, SPEIGL, Formula. Einen kurzen Überblick über die christologischen Auseinandersetzungen nach dem Konzil von Ephesos und die Bedeutung des Streits um Chalkedon zur Herrschaftszeit Justinians vgl. GRAY, Legacy. Vgl. LEPPIN, Zeitalter, S. 19. Zu den Ausnahmen auf diesem Gebiet gehören vor allem die Arbeiten Speigls, der sich in Aufsätzen den Synoden des Jahres 518 und dem Konzil von Konstantinopel 536 gewidmet hat, vgl. S PEIGL, Synoden, und SPEIGL, Synode 536, sowie MILLAR, Synods. Für eine Überblicksdarstellung in Bezug auf Konziliengeschichte im Allgemeinen und die Konzilien der Jahre 518 und 536 im Besonderen sei außerdem noch auf H EFELE/LECLERCQ, Histoire, verwiesen. So wurden in jüngster Zeit die Akten des Konzils von Chalkedon und Konstantinopel 553 von Richard Price ins Englische übersetzt, vgl. PRICE, Chalcedon, und PRICE, Constantinople 553. Auch für das Konzil von Konstantinopel 536 ist eine englischsprachige Übersetzung in Arbeit, konnte jedoch noch nicht für diese Arbeit herangezogen werden.
1. Einleitung
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zu verdanken hatte.6 Auch blieben die genauen Hintergründe des Ablaufs des Konzils unterbelichtet, sowie die Frage, wie es zu seiner Einberufung kam. Zudem ist bisher auch eine eingehende Untersuchung der Funktionsweise bestimmter Institutionen innerhalb der Kirche sowie ihrer Rolle in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen weitestgehend ausgeblieben. Dies betrifft unter anderem die Rolle synodos endemousa im Speziellen – dabei handelte es sich beim Konzil von Konstantinopel 536 – als auch der Rolle von Synoden in der Kirchenpolitik allgemein. Aber auch die Rolle des Papsttums, sowie die Rolle des Mönchtums – besonders des Mönchtums der Kaiserstadt – müssen in diesem Zusammenhang untersucht werden. Nur auf diese Weise können die strukturellen Rahmenbedingungen verstanden werden, in denen sich die kaiserliche Kirchenpolitik vollzog. Eine weitere Lücke in Bezug auf das Konzil 536, die Kirchenpolitik Justinians sowie die christologischen Streitigkeiten allgemein besteht in der bisher mangelnden Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten im Zusammenhang der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen um das Konzil von Chalkedon. Die verschiedenen gesellschaftlichen Faktoren und Mechanismen, die das Denken und Handeln des Volkes und anderer relevanter Akteure in der Kirchenpolitik bestimmte, sind bisher nicht eingehend untersucht worden. Der traditionelle Blick der Forschung weilte vor allem auf der Politik der jeweiligen Kaiser, ihren einzelnen Maßnahmen und Strategien, sowie der Politik der Päpste. Dabei krankten einige Darstellungen in der Vergangenheit oft daran, im Charakter der jeweiligen Kaiser und Päpste allein die Gründe für bestimmte politische Vorgehensweisen zu suchen und andere Faktoren zu vernachlässigen. Dazu kamen Einzeluntersuchungen zur Rolle der Mönche7 und einzelner Akteure, sowie eine ausgiebige Untersuchung der theologischen beziehungsweise patristischen Literatur der Zeit.8 Ein Schwerpunkt der Untersuchung soll nun auf dem gesellschaftlichen Kontext der christologischen Streitigkeiten liegen. Das betrifft einen großen Fragenkomplex bezüglich der Herausbildung religiöser Identitäten: Wie bildeten sich bestimmte kirchenpolitische Identitäten aus? Das heißt, wie kam es zu leidenschaftlichen Parteinahmen von gemeinen Gläubigen zu theologischen Streitfragen, die ihren Horizont überstiegen haben dürften? Und wie stand dies im Zusammenhang mit ihrer Identität als rechtgläubiger Christ? Es lässt sich feststellen, dass Menschen ihre eigene religiöse Identität zunehmend über ihre Anhängerschaft oder Gegnerschaft zum Konzil von Chalkedon definierten. Dabei war die Frage, die auf Chalkedon thematisiert wurde, wie nämlich die Gottheit 6
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Zu verzerrten Darstellungen der Kirchenpolitik Justinians wäre vor allem der von Eduard Schwartz in diesem Zusammenhang geprägte Begriff des „Zick-Zack-Kurses“ zu nennen, vgl. SCHWARTZ, Kirchenpolitik, S. 71. In der Frage, wer Anthimos zum Bischof Konstantinopels machte, folgte die Forschung meist den lateinischen Quellen, die Theodora für dessen Wahl verantwortlich machten. Zu nennen sind hier vor allem die Arbeit von Bacht zum orientalischen Mönchtum, vgl. BACHT, Rolle; und das jüngst erschienene Werk von Hasse-Ungeheuer, vgl. H ASSE-UNGEHEUER, Mönchtum. Vgl. das mehrbändige von Grillmeier und Hainthaler auf dem Weg gebrachte Standardwerk zu diesem Thema GRILLMEIER/HAINTHALER, Jesus, Band I–II, 4.
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1. Einleitung
und Menschheit in Christus eins wurde, keineswegs trivial. Diese theologisch-kirchenpolitisch aufgeladene religiöse Identität bezeichne ich als „kirchenpolitische Identität“. Durch diese Bildung unterschiedlicher kirchenpolitischer Identitäten kam es vermehrt zu Abgrenzungsbestrebungen innerhalb christlicher Gemeinden, deren Bruchlinien unter anderem entlang theologischer Streitpunkte verliefen. Das heißt, dass sich die christliche Identität nicht mehr nur über die Abgrenzung zu Juden und Heiden verstand, sondern die Abgrenzung von anderen Christen eine immer wichtigere Rolle spielte. Dieses verstärkte Gruppendenken, das sich an der Positionierung zu Chalkedon orientierte, führte zu einer Fragmentierung des Christentums. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass die religiöse Identität jedes Christen kirchenpolitisch aufgeladen war. Es lassen sich auch Christen nachweisen, die dem Streit um Chalkedon und den damit verbundenen Fragen relativ gleichgültig gegenüber standen. Auch gab es Unterschiede zwischen der Identität christlicher Gemeinden, die lokal bestimmt waren, wenn einige Gemeinden zum Beispiel besonders den Kult bestimmter lokaler Heiliger oder lokal spezifische Liturgien pflegten. Doch bewirkte vor allem die Herausbildung kirchenpolitischer Identitäten den verstärkten Wunsch nach Abgrenzung zu anderen Christen, die man als Häretiker ansah, und führte deshalb zu erheblichen Spannungen innerhalb der Christenheit. Deshalb soll untersucht werden, wie es dazu kam, dass solche Fragen über den kleinen Kreis gebildeter Theologen hinaus auch im Mönchtum und der gewöhnlichen Bevölkerung eine solche Brisanz entwickeln konnten. Oder anders formuliert: wie entstanden kirchenpolitische Identitäten? Dazu gehört auch die Frage, wie das religiöse Denken der Menschen allgemein beschaffen war. Woran orientierte sich ein gläubiger Mensch in seinem Glauben und wie verortete er sich innerhalb einer Gemeinde? Was bedeutete es zu einer bestimmten theologisch-kirchenpolitischen Partei zu gehören? Wie vermittelten Theologen und Kleriker ihren Gläubigen ihre theologischen Positionen und wie wiederum kommunizierten die Gläubigen untereinander ihre Position? Diese Fragen sind nicht nur aus sozialgeschichtlicher und religionswissenschaftlicher Perspektive von Interesse, sondern sind auch für das Verständnis der politischen Prozesse von Belang. Denn nur wenn man das Denken der einzelnen Akteure versteht – und das betrifft nicht nur Kaiser, Bischöfe, und Mönche, sondern auch gerade breitere Bevölkerungsschichten und ganze Gemeinwesen – kann man die Handlungsweisen verschiedener Akteure verstehen. Es ergeben sich also drei inhaltliche Schwerpunkte der Arbeit: 1) die Untersuchung des genauen Ablaufs des Konzils, seiner Organisation sowie dem Grund seiner Einberufung und nicht zuletzt sein Verhältnis zum Kaiser, 2) die Untersuchung der institutionellen Rahmenbedingung in der Kirchenpolitik, also die Frage nach der Rolle der synodos endemousa und weiterer Akteure für die Regierung der Kirche und 3) die Untersuchung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, also die Frage nach der Etablierung bestimmter theologisch-kirchenpolitischer Identitäten und die Vermittlung theologischer Positionen. Vor allem was die Untersuchung des Konzils von Konstantinopel 536 selbst betrifft, stellen die Akten des Konzils die Hauptgrundlage der Untersuchung dar.
1. Einleitung
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Mit ihrer Hilfe und unter Zuhilfenahme anderer Quellen, 9 soll so rekonstruiert werden, wie genau und wieso es zu seiner Einberufung kam, welche Akteure hier mit welchen Absichten wirkten, wie die einzelnen Personen vernetzt waren und im welchen Verhältnis das Konzil zum Kaiser stand. Die Akten der fünften und letzten Sitzung des Konzils von Konstantinopel 536 enthalten dabei die Akten mehrerer lokaler Synoden, die im Jahr 518 abgehalten wurden und sich unter anderem mit der Absetzung des Severos von Antiocheia beschäftigten, der 536 erneut verurteilt werden sollte. Die Synoden des Jahres 518 wiederum beziehen sich auf Ereignisse, die bis in die Anfangszeit der Regierung des Anastasios (491–518) zurückreichen. Um das Konzil von Konstantinopel 536 mit all den darin behandelten Dokumenten verstehen zu können, ist es deshalb notwendig, den Untersuchungszeitraum beim Herrschaftsantritt des Anastasios 491 beginnen zu lassen, damit die kirchenpolitischen Entwicklungen Anfang des sechsten Jahrhunderts und der Kontext des Konzils 536 nachvollziehbar werden. Diese Ausweitung des Untersuchungszeitraums ist auch aufgrund der oben geschilderten Absicht notwendig, das Konzil auch im Kontext der gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen zu untersuchen und zu verorten. Durch die Vergrößerung des zu behandelnden Zeitraums werden weiträumigere Analysen bezüglich kirchenpolitischer Dynamiken und gesellschaftlicher Faktoren ermöglicht. Aus dem Aufbau der Konzilsakten und den Fragestellungen dieser Arbeit ergibt sich deshalb folgender Aufbau der Untersuchung: Die Arbeit ist zweigeteilt in einen eher chronologisch darstellenden Teil und einen strukturanalytischen Teil. Der darstellende Teil untergliedert sich wiederum in der in mehreren Kapiteln geschilderten Vorgeschichte des Konzils vom Jahr 491 bis zu seiner Einberufung im Jahr 536 und der ausführlichen Darstellung des genauen Hergangs des Konzils mit den darauf vorgebrachten Dokumenten. Dann folgt der strukturanalytische Teil der Arbeit, der sich mit der synodos endemousa als Institution, der verschiedenen kirchenpolitischen Akteure des Jahres 536 und der Untersuchung der gesellschaftlich-religiösen Rahmenbedingungen beschäftigt. Das Konzil 536 steht dabei im Zentrum der Arbeit, weshalb sowohl die historisch darstellenden Kapitel, als auch die analytisch-gesellschaftlichen Kapitel auf das Konzil 536 hin ausgerichtet sind. Die Ergebnisse der strukturanalytischen Untersuchungen werden in einem eigenen kurzen Kapitel zusammengefasst und im Folgenden auf das Konzil 536 bezogen. Auf diese Weise wird das Konzil in den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang eingebettet. Zum Schluss folgt als Abrundung ein kurzer Ausblick, welche Folgen das Konzil 536 für die nachfolgende kaiserliche Politik hatte, das heißt, welche Schlüsse Justinian aus dem Konzil für seine Kirchenpolitik zog und wie er seine Strategie in diesem Bereich änderte.
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Zur Quellenlage siehe den nächsten Punkt 1. 2 Die Quellenlage.
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1. Einleitung
1.2 DIE QUELLENLAGE Doch vor Beginn des darstellenden Teils der Arbeit ist es noch nötig, kurz auf die Quellenlage einzugehen. Wegen der Fülle der zur Verfügung stehenden Quellen werden nur die wichtigsten mit ihrem jeweiligen Quellenwert und der mit einigen von ihnen verbundenen Problematik kurz vorgestellt. Einige Detailfragen beziehungsweise Probleme, die etwa durch unterschiedliche Aussagen und verschiedene Tendenzen in den Quellen aufgeworfen werden, und wie mit ihnen umzugehen ist, werden in den entsprechenden Anmerkungen behandelt werden. Die Hauptquelle für das Konzil stellen die von Eduard Schwartz kritisch edierten Akten des Konzils dar. Sie sind Teil einer Sammlung, die im Sabas-Kloster zusammengestellt wurde. Die deshalb von Eduard Schwartz Collectio Sabbaitica genannte Sammlung enthält die von den Akoimeten fingierte Korrespondenz des Papstes Felix mit Petros, dem Walker, sowie die Akten des Konzils von Konstantinopel 536 und das 542 erlassene Edikt gegen Origenes. Die Akten des Konzils 536 sind dabei in zwei Blöcken überliefert. Der erste Block enthält die Akten der Sitzungen I–IV, der zweite enthält die Akten der Sitzung V mit der Bestätigung der Synodalbeschlüsse durch die Diataxis Justinians (=Novelle 42). Der Block mit den Akten der Sitzung V ist jedoch dem mit den Akten der ersten vier Sitzungen vorangestellt. Der Grund für diesen Aufbau beziehungsweise diese Aufteilung der Akten wurde von Schwartz folgendermaßen rekonstruiert: Nachdem nach der vierten Sitzung Anthimos von dem Konzil in Konstantinopel 536 verurteilt worden war, wurden die Apokrisiare aus Jerusalem zusammen mit den Akten der Sitzungen I–IV, der Diataxis Justinians und einem Brief von Menas von Konstantinopel an Paul von Jerusalem gesandt, wo sie dann in einer zum 19. September 536 einberufenen Synode verlesen und von den tagenden Bischöfen bestätigt wurde. Nachdem am 4. Juni auf der fünften Sitzung das Urteil gegen Severos, Petros von Apameia und den Mönch Zooras gesprochen und es am 6. August durch die Diataxis Justinians bestätigt wurde, wurde der zweite Aktenblock nach Jerusalem geschickt,10 wo die beiden Blöcke dann zusammengefügt wurden. In der Collectio Sabbaitica wurden sie als Akten des fünften Konzils in Konstantinopel überschrieben, was darauf hindeutet, dass das Konzil als ökumenisch betrachtet wurde und dass die Sammlung vor dem Jahr 553 entstanden sein muss, als in Konstantinopel das Konzil tagte, das letztlich als fünftes ökumenisches in die Geschichte einging. Da die Sammlung zudem das Edikt gegen Origenes aus dem Jahr 542 enthält, ergibt sich der Zeitraum 542–553, in dem die Texte zusammengestellt worden sind.11 Die Akten der Sitzung V des Konzils enthalten wie bereits erwähnt die Akten weiterer Synoden des Jahres 518. Das sind die der synodos endemousa in Konstantinopel, die unter anderem Severos von Antiocheia verurteilte sowie die Bestätigung des hauptstädtischen Urteils durch Synoden in Phönizien und Syrien.
10 Vgl. ACO III, S. IX f. 11 Vgl. ACO III, S. X.
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Ferner wurden auf der fünften Sitzung 536 auch zwei Briefe des Papstes Hormisdas zitiert.12 Insgesamt geben die Akten einen unschätzbar wichtigen Einblick in den Ablauf und die Organisation der synodos endemousa in Konstantinopel 518, sowie in die Entwicklungen und nirgends sonst berichteten Ereignisse im Patriarchat von Antiocheia, während Severos den Bischofsstuhl innehatte. Doch muss dabei auch angemerkt werden, dass die verschiedenen Texte in Milieus entstanden sind, die nicht nur chalkedonisch geprägt sind, sondern auch eine ausgesprochen konfrontativ ausgerichtete Haltung gegenüber den Miaphysiten, namentlich Severos von Antiocheia und Petros von Apameia, sowie gegenüber dem Kaiser Anastasios und seiner Kirchenpolitik einnahmen. Die meisten Texte sind zudem mit einer ganz bestimmten politischen Zielrichtung geschrieben und 536 zusammengestellt worden. Die Funktion der einzelnen Texte wird dabei in der Behandlung des Ablaufs des Konzil 536 besprochen werden. Neben den bereits erwähnten überlieferten Konzilsakten behandeln mehrere Geschichtswerke die hier untersuchte Zeit. Aus chalkedonischer Sicht liegt die fragmentarisch erhaltene Epitome der Kirchengeschichte Theodors Anagnostes,13 der die Regierungszeit des Anastasios behandelt, vor. Hinzu kommt die Chronik des Theophanes Homologetes, die im neunten Jahrhundert entstand und an vielen Stellen das Werk Theodors Anagnostes rezipiert, das diesem noch vollständig vorlag. Besonders für die Regierungszeit des Anastasios liefert Theodor, der sich wohl bis zur Absetzung und Verbannung des Makedonios 511 selbst in Konstantinopel befand,14 wichtige Details, auch wenn sein Werk nur fragmentarisch erhalten ist. Zu den damit verbunden Schwierigkeiten gehört seine gegenüber Kaiser Anastasios äußerst feindselige Einstellung, die einen Beitrag zum negativen Anastasios-Bild geleistet hat. Diese Tendenz rührt wahrscheinlich daher, dass Theodor Anagnostes zu den chalkedonischen Klerikern gehörte, die in Opposition zu Anastasios’ Kirchenpolitik standen und Makedonios nach seiner Absetzung in die Verbannung folgten.15 Diese Ausrichtung gilt es bei der Benutzung seines Werkes zu beachten. Was bezüglich der Tendenz Theodors gesagt wurde, gilt entsprechend auch für die Chronik des Theophanes, der, wie bereits erwähnt, auf Theodor aufbaut und der darüber hinaus in Bezug auf seine Zeitangaben äußerst unzuverlässig ist. Deshalb ist es immer erforderlich, weitere Quellenangaben heranzuziehen. Noch problematischer ist jedoch der Umstand, dass Theodors eigentliche Kirchengeschichte nicht überliefert ist, sondern nur eine Epitome, die zu Beginn des 7. Jahrhunderts verfasst wurde und diese wiederum auch nur in Fragmenten erhalten ist.16 Als weiteres, relevantes Geschichtswerk aus chalkedonischer Perspektive 12 Eine hilfreiche tabellarische Darstellung des Aufbaus der Akten findet sich bei Fergus Millar, vgl. MILLAR, Synods, S. 72–74. 13 Zum Inhalt, der Ausrichtung des Geschichtswerks Theodors und seinem Kompilator siehe den Aufsatz von Greatrex, GREATREX,Théodore. 14 Vgl. HANSEN, Kirchengeschichte, S. X. 15 Zur feindseligen Einstellung gegenüber Anastasios und dem Umstand, dass Theodor Anhänger des Makedonios war und ihm in die Verbannung folgte, vgl. KOSIŃSKI, Euphemius, S. 58. 16 Zum Enstehungszeitpunkt der Epitome vgl. HANSEN, Kirchengeschichte, S. XVI.
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wäre die Kirchengeschichte von Evagrios Scholastikos zu nennen. Er benutzt verschiedene ältere Geschichtswerke und Dokumente, die er zum Teil direkt zitiert und die nirgendwo anders überliefert sind,17 und nimmt gerade bezüglich Anastasios eine deutlich weniger voreingenommene Haltung ein,18 schreibt aber aus einem größeren zeitlichen Abstand. Die Verfassung seiner Kirchengeschichte liegt am Ende des sechsten Jahrhunderts. Eine miaphysitische Sicht der Zeit präsentiert Pseudo-Zacharias Rhetor in seiner syrischen Bearbeitung der Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor. Wie Evagrios bietet er sonst nicht erhaltene wichtige Dokumente wie die Synodalbriefe des Anthimos von Trapezunt an Severos von Antiocheia und Theodosios von Alexandreia mit ihren Antworten, neigt aber auch zu glättenden Tendenzen, um miaphysitische Akteure in einem besseren Licht darzustellen.19 Auch hier steht man vor dem Problem, dass die eigentliche, auf griechisch verfasste Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor nicht erhalten ist. Neben den Kirchengeschichten, sind auch mehrere Chroniken wie die des Marcellus Marcelinus, Victor von Tunnunna oder das Werk des Liberatus von Belang.20 Diese auf Latein verfassten Werke liefern nochmal eine weitere zum Teil äußere Perspektive21 auf das Geschehen in Konstantinopel und bieten dadurch eine wichtige Ergänzung zu kirchenpolitischen Einschätzungen im chalkedonischen Milieu. Dabei hat die Fokussierung der älteren Forschung auf die lateinischen Quellen und besonders auf die Darstellung der päpstlichen Sichtweise auf die Entwicklungen in Konstantinopel auch zu Verzerrungen geführt.22 Die miaphysitische beziehungsweise syrische Perspektive wird durch die Heiligenviten des Johannes von Ephesos erweitert sowie durch die Sammlungen von Briefen und Predigten des Severos von Antiocheia, die ins Syrische übersetzt wurden.23 Die Predigten liefern einen Einblick in die Vermittlung theologischer Inhal17 Zu nennen wären zum Beispiel das sonst nicht erhaltene Enkyklikon und Antenkykiklon des Basiliskos. 18 Kosiński führt die wohlwollendere Haltung des Evagrios gegenüber Anastasios und seine kritischere Sicht auf den Patriarchen Euphemios, den chalkedonischen Gegenspieler des Kaisers, auf dessen syrische Herkunft und neuchalkedonische theologische Ausrichtung zurück, vgl. KOSIŃSKI, Euphemius, S. 59 f. 19 Dies charakterisiert nicht nur seine Kirchengeschichte, sondern auch seine Vita des Severos. Konkrete Fälle betreffen Anthimos von Trapezunt und Severos von Antiocheia. Problematische Stellen werden weiter unten in der Arbeit diskutiert. 20 VICT. TUNN. (MOMMSEN) (CPL 2260), MARC. COM. (CROKE) (CPL 2270), LIBERAT., Brev. (SCHWARTZ) (CPL 865). 21 Eine äußere Perspektive liefert vor allem der Liber Pontificalis, der eine päpstliche Sicht bietet, vgl. LIB. PONT. (DUCHESNE) (CPL1568). 22 Diese Verzerrungen äußern sich zum einen in der Überbetonung der Rolle Agapets für das Konzil von Konstantinopel, der praktisch allein für die Absetzung des Anthimos und die Einberufung des Konzils verantwortlich gemacht wird, zum anderen in der Einschätzung, dass Theodora für die Erhebung des Anthimos zum Bischof von Konstantinopel verantwortlich gewesen sei. Beide Punkte werden in der Arbeit ausführlicher besprochen werden. 23 Ediert und von Ernest Brooks aus dem Syrischen ins Englische übersetzt wurden die Briefe des Severos zum einen im Rahmen der Patrologia Orientalis in den Bänden 58 und 67 (= PO 58 und PO 67) und in den beiden Bänden des sechsten Buches der von Athanasios von Nisi-
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te an die Gläubigen, enthalten aber auch Hinweise auf aktuelle Ereignisse. Einen besonderen Quellenwert besitzen aber vor allem die Briefe des Severos, die wichtige Informationen zur zeitgenössischen Kirchengeschichte liefern und darüber hinaus einen Einblick in die Verwaltung des Patriarchats von Antiocheia zur Amtszeit des Severos gewähren. Dies betrifft auch seine organisatorischen Handlungen nach seiner Vertreibung, die zum Entstehen einer miaphysitischen Parallelhierarchie beitrug. Doch bei diesen Briefen muss bedacht werden, dass sie in doppelter Weise tendenziös sind. Zum einen ist Severos den Chalkedoniern gegenüber äußerst feindselig eingestellt, sodass die Informationen, die er liefert, bei all ihrem Wert nicht frei von Verzerrungen und Polemik sind. Zum anderen wiederum hatte Johannes Beth-Aphthonia, der die Briefe des Severos sammelte und ins Syrische übersetzte, diese seinen eigenen Interessen entsprechend zusammengestellt. Das mindert insgesamt aber nicht ihren großen Quellenwert. Überhaupt gilt es, die große Bedeutung der um diese Zeit entstandenen Briefe für den heutigen Historiker herauszustellen. Das betrifft nicht nur die Briefsammlungen des Severos von Antiocheia, sondern auch die Sammlung von Briefen, die von Päpsten und Kaisern verfasst beziehungsweise an diese gerichtet wurden. Zu nennen wäre die Collectio Avellana genannte Sammlung päpstlicher und kaiserlicher Briefe, sowie die von Thiel edierten päpstlichen Briefe. Als letzte wichtige Quellengattung wären Gesetzestexte zu nennen. Durch sie lässt sich nachverfolgen, wie Justinian versuchte, die verschiedenen Bereiche der Kirche zu regeln. Das betrifft sowohl verfahrenstechnische Dinge, wie die Wahlen von Bischöfen, Verfügungen, unter welchen Umständen Bischöfe nach Konstantinopel kommen konnten oder verschiedene Regelungen zu Mönchen, 24 als auch theologisch-ideologische Dinge.25 Denn zum einen legte Justinian in den Proömien seiner Gesetze die Absicht und den Anspruch seiner Gesetze dar, zum anderen formulierte er verschiedene als Gesetz erlassene Glaubensbekenntnisse, wodurch sich sein theologischer Kurs nachverfolgen lässt.
bis zusammengestellten und ins Syrische übersetzten Briefe des Severos. Die Zusammenstellung des Athanasios ist dabei in elf thematisch geordnete Kapitel eingeteilt. Die Briefsammlung wird folgend mit Selected Letter wiedergegeben. Der jeweilige zitierte Brief wird unter unter Angabe des Kapitels, der Nummer des Briefes und der Seitenangabe in der englischen Übersetzung angegeben. Die Predigten des Severos und die von Johannes von Ephesos verfassten Heiligenviten wurden in den verschiedenen Bänden der Patrologia Orientalis ediert und übersetzt. Die jeweiligen Briefe, Predigten und Hymnen von Severos von Antiocheia werden unter Angabe der Nummer und des Bandes in Patrologie Orientalis angegeben. Eben so wird mit den Heiligenviten des Johannes von Ephesos verfahren. 24 Zur Mönchspolitik Justinians vgl. HASSE-UNGEHEUER, Mönchtum. 25 Zur Gesetzgebung Justinians und seiner ideologischen Einbettung vgl. PAZDERNIK, Ideology.
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2. DIE KIRCHENPOLITIK DES ANASTASIOS (491–518) Zum Herrschaftsantritt des Anastasios war die kirchenpolitische Situation ziemlich verfahren. Der Streit um Chalkedon hielt bereits 40 Jahre lang an und brachte darüber hinaus immer mehr Spaltungen auch innerhalb des chalkedonischen und miaphysitischen Lagers hervor. Evagrios Scholastikos beschreibt die Situation mit folgenden Worten:1 So kam es, dass alle Kirchen in eigene Parteien zerfallen waren und die Bischöfe keine Gemeinschaft miteinander unterhielten. Daher gab es viele Spaltungen im Osten, im Westen und in Libyen, da die östlichen Bischöfe weder mit den westlichen noch mit den libyschen Bischöfen übereinkamen und diese nicht mit den östlichen. Es kam zu noch größerer Absurdität. Denn die vorsitzenden Bischöfe des Ostens hatten nicht einmal untereinander Gemeinschaft und auch nicht die, die in Europa und Libyen auf dem Bischofsthron saßen, geschweige denn mit denen, die jenseits ihrer Grenzen wohnten.
Rom hatte die Gemeinschaft mit dem konstantinopolitanischen Patriarchen Akakios wegen dessen Gemeinschaft mit dem miaphysitischen Bischof Petros Mongos von Alexandreia aufgekündigt und damit das sogenannte Akakianische Schisma ausgelöst, wodurch Rom vom gesamten Osten getrennt wurde. 2 Im Osten wiederum war die fragile Einheit zwischen Konstantinopel und Alexandreia, die durch Akakios und Petros hergestellt worden war, wieder zerbrochen, weil der seit 490 in Konstantinopel amtierende Bischof Euphemios dem Bischof Petros Mongos die Gemeinschaft versagte. Denn dieser hatte das Henotikon, das zuvor als Grundlage der Gemeinschaft der beiden Bischofsstühle gebildet hatte, als Verurteilung Chalkedons interpretiert.3 Antiocheia wiederum war zwischen den Chalkedoniern und Miaphysiten heftig umkämpft und besaß deshalb wechselhafte Beziehungen mit Konstantinopel und Alexandreia. Wie sollte der Kaiser, der seit je her damit beauftragt war, den Frieden und die Einheit der Kirchen herzustellen, nun handeln?4 Und was erwartete man ferner von ihm? Als nach dem Tod Zenos die Dynastie nun an der Kaiserwitwe Ariadne hing und sie zur Kaisermacherin wurde, rief ihr das Volk Konstantinopels entge1 2 3 4
EVAGR, HE, III, 30, S. 126 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Übersetzung nach HÜBNER, Evagrius, III, S. 395. Aus der Fülle der Forschungsliteratur zum Akakianischen Schisma sei an dieser Stelle nur auf FREND, Attitudes und als aktuellste Arbeit zu diesem Thema auf KÖTTER, Kaisern verwiesen. Vgl. EVAGR, HE, III, 23, S. 121 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500) und PS-ZACH, HE, VI, 4 S. 8 (BROOKS) (CPG 6995). Den Wortlaut des Briefes des Petros gibt P S-ZACH, HE, VI, 6, S. 13 f.(BROOKS) (CPG 6995) wieder. Zur Verantwortung des Kaisers für die Kirchen beziehungsweise zum Verhältnis von Imperium und Sacerdotium in der Spätantike vgl. BRINGMANN, Imperium.
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gen: „Gib uns einen rechtgläubigen Kaiser“5, was in der Hauptstadt bedeutete: einen chalkedonischen Kaiser. Das Bekenntnis zu Chalkedon war zu einem wichtigen Kriterium bei der Kaiserwahl geworden, was die Situation des Monarchen nicht vereinfachte. Während der Herrschaft des Anastasios sollte sich zeigen, wie einengend diese Forderung des Volkes sein konnte, da sie eine Politik, die auf Kompromisse mit den Miaphysiten aufbaute, bedeutend erschwerte. Die vorherigen Kaiser waren damit gescheitert, Chalkedon mit Gewalt durchzusetzen, indem sie jeden widerspenstigen Bischof absetzten. Deshalb versuchte Anastasios im Gegensatz dazu, den theologisch-kirchenpolitischen Gegensatz zwischen Anhängern und Gegnern Chalkedons zu überbrücken. Evagrios schildert die Grundlage für die Strategie des Anastasios und hebt dabei dessen Friedfertigkeit als Motivation hervor:6 Dieser Anastasius, der ein friedfertiger Mensch war, wollte überhaupt keine Neuerungen, vor allem nicht in der Verfassung der Kirche. Er bemühte sich auf alle Art und Weise darum, daß die heiligsten Kirchen ungestört bleiben und alle Untertanen tiefen Frieden genießen konnten, während aller Streit und alle Zwietracht aus den kirchlichen und staatlichen Angelegenheiten ausgeschlossen waren. Die Synode von Chalcedon wurde in diesen Zeiten weder in den heiligsten Kirchen öffentlich verkündet, noch wurde sie allgemein abgelehnt.
Ein Schwerpunkt der Darstellung der Kirchenpolitik des Anastasios soll auf die Situation in Konstantinopel gelegt werden, da die Verhältnisse in der Hauptstadt den Kaiser direkt berührten und deshalb einen besonders starken Einfluss auf die kaiserliche Politik ausübten. Dabei soll zum einen das Verhältnis zwischen Kaiser und Patriarch einer genauen Betrachtung unterzogen werden, da die Beziehung zum Patriarchen für die Kirchenpolitik des Kaiser von besonderer Bedeutung war. Der Patriarch konnte wegen seines Einflusses in der Hauptstadt und weit darüber hinaus als wichtiger Kooperationspartner dienen, oder aber als energischer Gegner auftreten, der den kirchenpolitischen Handlungsspielraum des Kaisers einschränkte. Zum anderen sollen auch Ereignisse berücksichtigt werden, die die (kirchen)politische Situation in Konstantinopel besonders erschütterten und Anastasios in Zugzwang versetzten oder zu Rücknahmen bisheriger Maßnahmen führten. 5
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KONSTANTIN PORPHYROGENETOS, De caerim. 1, 92 S. 418, 20–419, 7 (REISKE). Ein solcher Zuruf des Volkes bei der Kaiserkrönung ist nur bei Anastasios überliefert. Vgl. T REITINGER, Kaiser, S. 30; 47 f. Zur Krönung des Anastasios allgemein vgl. LILIE, Krönung. Ferner zur Rolle des Patriarchen von Konstantinopel bei der Kaiserkrönung vgl. WINKELMANN, Rolle. EVAGR., HE III, 30, S. 125 f. (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Übersetzung nach HÜBNER, Evagrius, III, S. 394 f. Die wohlwollende Bewertung des Anastasios durch Evagrios sticht aus der ansonsten äußerst feindseligen chalkedonischen Darstellung dieses Kaisers heraus. Interessant ist, dass die Politik des Anastasios durch dessen Friedfertigkeit charakterisiert wird. Möglicherweise greift Evagrios hier auf Elemente von Anastasios Selbstdarstellung zurück, die heute kaum noch fassbar ist und in der Überlieferung durch die Darstellung konfrontativer ausgerichteter Chalkedonier verdrängt worden ist. Denn in einem Umfeld, das den tatkräftigen Einsatz des Kaisers zugunsten des rechten Glaubens forderte, musste der Kaiser seine mangelnde Parteinahme begründen. Möglicherweise stellte er seine Friedensliebe heraus, um so den Forderungen zur Durchsetzung des Chalcedonense auszuweichen.
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Herausgestellt werden hier der große Staurotheis-Aufstand des Jahres 512 sowie der Aufstand Vitalians 515. Ein zweiter Schwerpunkt soll auf die kirchenpolitische Entwicklung im Patriarchat von Antiocheia gelegt werden, da es wegen des hohen Anteils sowohl von Chalkedoniern als auch von Miaphysiten zu besonderen Verwerfungen kam, weshalb diesem Raum ebenfalls ein besonderes Augenmerk des Kaisers galt. Er musste darauf bedacht sein, gerade in dieser strategisch wichtigen und von den Persern bedrohten Region für Ruhe zu sorgen. Zudem lassen sich im Zusammenhang mit dem Sturz Flavians und der nachfolgenden Amtsausübung des Severos von Antiocheia Ausdifferenzierungs- und Radikalisierungsprozesse innerhalb des chalkedonischen und miaphysitischen Lagers beobachten, die auch mit den Synoden des Jahres 518 und dem Konzil von Konstantinopel 536 in engem Zusammenhang stehen.
2.1 DIE SITUATION IN DER HAUPTSTADT 2.1.1 Das Verhältnis des Anastasios zu Euphemios Mit Euphemios war Anastasios zu Beginn seiner Herrschaft an einen recht widerspenstigen Bischof geraten, der nur wenig Verständnis für die Strategie aufzubringen vermochte, mit der der Kaiser eine Annäherung der einzelnen Patriarchen herbeizuführen gedachte. Schon von Anfang an gestaltete sich das Verhältnis zwischen Kaiser und Bischof als schwierig. Denn Euphemios, der selbst ein scharfes chalkedonisches Profil pflegte, misstraute dem neuen Kaiser so sehr, dass er sich erst dazu bereit erklärte, Anastasios zu krönen, nachdem dieser ihm ein schriftliches Bekenntnis übergeben hatte, in dem er sich zum Konzil von Chalkedon bekannte und gelobte, den Glauben zu bewahren und keine Neuerungen in die Kirche einzuführen.7 Damit war dem Kaiser von Beginn an angezeigt, welch großes Hindernis Euphemios für die von ihm intendierte Kirchenpolitik darstellen würde.8 Denn Petros Mongos gegenüber verhielt sich Euphemios nicht weniger undiplomatisch. Als er nämlich dessen Synodalbrief empfing, weigerte er sich nicht nur, mit ihm die Gemeinschaft aufzunehmen, sondern drohte sogar, Petros auf einer eigens zu diesem Zweck einzuberufenden Synode abzusetzen. Erst Archelaos
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Vgl. EVAGR., HE III, 32, S. 130 (B IDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500) und GRUMEL, Regestes, S. 134, Nr. 176 a, LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 82, Nr. 174. Das Dokument übergab Euphemios dann Makedonios, der zu diesem Zeitpunkt das Amt des Skeuophylax innehatte, vgl. HÜBNER, Evagrius, S. 403, Anmerkung 422. Laut einem Bericht bei Theophanes, waren Euphemios und Anastasios bereits einmal aneinander geraten, als letzterer noch Silentiarios war. Euphemios habe Anastasios aus der Kirche geworfen, weil dieser miaphysitische Predigten gehalten haben soll, vgl. T HEOPH, S. 134 (DE BOOR), sowie GRUMEL, Regestes, S. 133, *Nr. 176.
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von Kaisereia hielt ihn mit der Ermahnung davon ab, dass der Bischof von Alexandreia nur von einer allgemeinen Synode verurteilt werden könne. Es ist nicht ganz klar, ob es sich bei der von Euphemios ins Spiel gebrachten Synode um eine synodos endemousa handelt. Blaudeau vermutet mit Verweis auf Hajjar, dass sich Euphemios auf die Kanones 9 und 17 von Chalkedon berief, die den Sitz von Konstantinopel zur kirchlichen Appellationsinstanz des Reiches machten. Dabei wäre jedoch eine formale Anklage von Nöten gewesen, da die Kanones den Bischof von Konstantinopel nicht zum eigenmächtigen Handeln gegen andere Bischöfe ermächtigt hätten. Deshalb sei der Einwand des Archelaos berechtigt gewesen.9 Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass sich Euphemios nicht der Grenzen dieser Kanones bewusst war und sich auf eine wackelige kanonische Grundlage stützen wollte. Wahrscheinlich wollte er eine synodos endemousa einberufen, der zwar die kanonische Grundlage gefehlt hätte, Petros Mongos zu verurteilen, dafür jedoch dazu geeignet gewesen wäre, Druck auf den Kaiser auszuüben, um ihn so zu einer Absetzung des alexandrinischen Bischofs zu bewegen.10 Der Einwand des Archelaos hätte in diesem Falle Euphemios den mangelnden Rückhalt signalisiert, mit dem er bei einem solchen Vorgehen bei den anderen Bischöfen rechnen musste, weshalb dann Euphemios davon Abstand nahm. Dies wäre dann auch als Hinweis darauf zu deuten, dass nicht jeder der in Konstantinopel anwesenden Bischöfe den harten Kurs des Euphemios gut hieß.11 Mit seinem klaren Bekenntnis zu Chalkedon und seinem kompromisslosen Konfrontationskurs gegen das miaphysitische Alexandreia machte Euphemios aber von vornherein jeden Versuch des Kaisers, sich den Miaphysiten anzunähern, unmöglich. Denn das Scheitern des bisherigen prochalkedonischen Kurses seiner Vorgänger veranlasste Anastasios dazu, einen ausgleichenden Kurs in der Kirchenpolitik zu verfolgen, um die Spaltungen zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten zu überbrücken. Die Frage, die sich hierbei stellte, war, auf welcher Grundlage die miaphysitisch geprägten und wirtschaftlich und militärisch wichtigen Provinzen Syrien und Ägypten wieder stärker an Konstantinopel gebunden werden konnten. Um die Miaphysiten nicht zu verlieren und um die Chalkedonier aber ebenfalls nicht zu verprellen, verlegte sich Anastasios deshalb darauf, das Konzil von Chalkedon weder offiziell zu bekennen, noch es öffentlich zu verurteilen.12 Euphemios wiederum versperrte sich jedoch dieser Politik, die Chalkedon in 9
Zur Berufung auf die Kanones 9 und 17, vgl. BLAUDEAU, Alexandrie, S. 410–416 und HASynode, S. 44–51. Zur Berechtigung des Einwands von Archelaos vgl. B LAUDEAU, Alexandrie, S 236, Anm. 797. 10 So hat Euphemios etwa auch 492 eine synodos endemousa einberufen, um Chalkedon zu bestätigen, vgl. GRUMEL, Regestes, S. 134, Nr. 177. Der juristische Wert dieser Synode war ebenfalls gering, da sich dadurch an der ohnehin schon chalkedonischen Position des Patriarchats nichts änderte und die Synode keine Handhabe hatte, ihr Urteil im ganzen Reich durchzusetzen. Doch konnte der Bischof so ein öffentliches Signal an die Adresse des Kaisers senden. 11 Dass nicht jeder Bischof im Einzugsbereich Konstantinopels die konfrontative Ausrichtung des Euphemios teilte, kann auch daran gesehen werden, dass er schießlich später selbst von einer synodos endmousa abgesetzt wurde. 12 Eine ähnliche Politik verfolgte Anastasios auch gegenüber den Zirkusparteien. So entschloss JJAR,
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Schweigen hüllte und berief 492 eine synodos endemousa ein, auf der er das Konzil von Chalkedon bestätigte und den als miaphysitisch angesehenen StaurotheisZusatz zum Trishagion gegen den Willen des Kaisers unterdrückte. 13 Mit dieser klaren Ausrichtung nach Chalkedon suchte Euphemios dann nach Unterstützung in Rom. Papst Felix versagt ihm diese jedoch, weil Euphemios sich weigerte, seine Vorgänger Akakios und Fravitta aus den Diptychen zu streichen.14 In dieser angespannten Lage kam es zu zwei Attentatsversuchen auf Euphemios, die er jedoch beide überlebte. Wer genau hinter den Mordversuchen stand, lässt sich leider nicht ergründen.15 Anastasios, der immer unzufriedener mit dem Widerstand seines Bischofs gegen die kaiserliche Kirchenpolitik war, drängte nun verstärkt danach, das Glaubensbekenntnis wieder zu erlangen, das er Euphemios einst übergeben hatte. Auf diese Weise wollte er wieder seinen Handlungsspielraum ausweiten.16 Dies gelang dem Kaiser schließlich, nachdem er Euphemios erfolgreich absetzen ließ. Er verleitete den Bischof zu einer Indiskretion in Bezug auf die Isaurier, mit denen Anastasios sich gerade im Bürgerkrieg befand. Auf die-
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er sich dazu, weder die Grünen noch die Blauen zu unterstützen, sondern verlegte sich auf die Unterstützung der unbedeutenden Roten, vgl. J OH. MALAL., Chronicon, S. 320 (THURN) (CPG 7511). Zum Zweck der Synode siehe Anmerkung 35. Zum Kurs des Anastasios vgl. EVAGR., HE III, 30, S. 125–127 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Zur synodos endemousa vgl. THEOD. ANAGN., S. 127 (HANSEN) (CPG 7503), THEOPH., S. 137 (DE BOOR), VICT.TUNN., S. 192 (MOMMSEN) (CPL 2260); KYRILL. SKYTH., Vita Sabae, S. 140, 13–15 (SCHWARTZ) (CPG 7536); GRUMEL, Regestes S. 134, Nr. 177. Zur Unterdrückung des Staurotheis-Zusatzes vgl. JOH. NIK., Chron., S. 126 (CHARLES) (CPG 7967); GRUMEL, Regestes, S. 136 Nr. 180a. Vgl. PS-ZACH., HE, VII, 1, S.19 (BROOKS) (CPG 6995) und THEOD. ANAGN., S.123 (HANSEN) (CPG 7503), LIBERAT., Brev., 18, 127 (SCHWARTZ) (CPL 865); G RUMEL, Regestes, S. 132, Nr. 174–175. Euphemios weigerte sich der Forderung nachzukommen und begründete dies später gegenüber Gelasius damit, dass er in diesem Falle Aufstände in der Hauptstadt befürchtete, vgl. THEOD. ANAGN., S. 123 (HANSEN) (CPG 7503), THEOPH, S. 135, (DE BOOR), JK 620 Gelas. Epist. 3, S. 320; S CHWARTZ, Sammlungen, S. 55, 2–4; GRUMEL, Regestes, S. 134 ff. Nr. 178–179. Zur Kontaktaufnahme mit Rom sandte Euphemios eine Delegation von Mönchen, vgl. FELIC, ep. 16 (THIEL). Die Mönche sollten dabei Rom der Chalkedontreue des Euphemios versichern, vgl. BACHT, Rolle, S. 275. Kötter hält es auch für möglich, dass die Mönche der Hauptstadt bereits Fravitta zu einer Verständigung mit Rom drängen wollten, vgl. KÖTTER, Kaisern, S. 175, zumindest überreichten sie ihm ein Synodicon, vgl. F ELIC, ep. 14 (THIEL). Zu den Einzelheiten des Briefwechsels zwischen Gelasius und Euphemios, vgl. K OSIŃSKI, Euphemius, S. 71–72 und MEIER, Anastasios, S. 106–110. Zu den Attentatsversuchen vgl. T HEOD. ANAGN., S. 127 f. (HANSEN) (CPG 7503), THEOPH., S. 139 (DE BOOR). Dijkstra und Greatrex halten es für möglich, dass der Kaiser hinter den Attentaten steckte und verweisen darauf, dass dieses Mittel nicht unüblich war und auch bei der Eliminierung des Illos benutzt wurde, vgl. DIJKSTRA/GREATREX, Patriarchs, S. 228. Eine offene Konfrontation mit dem Bischof im Bereich der Kirchenpolitik zu Gunsten eines miaphysitenfreundlicheren Kurses hätte Anastasios jedenfalls zu diesem Zeitpunkt vermeiden müssen, da Euphemios noch in Besitz des Glaubensbekenntnisses war, das der Kaiser zu seinem Herrschaftsantritt unterschrieb. Hingegen meint Ernst Stein wohlwollender: „Il est permis de croire qu’Anastase n’a pas trampé dans deux tentatives d’assassinat dirigées contre Euphème.“ STEIN, Histoire, II, S. 166. Vgl. THEOD. ANAGN., S.126 (HANSEN) (CPG 7503), VICT. TUNN., S. 192 (MOMMSEN) (CPL 2260); THEOPH, S. 139 (DE BOOR).
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se Weise konnte der Kaiser die Loyalität des Euphemios in Frage stellen. 17 Mit Hilfe dieser Intrige wurde dann Euphemios 496 auf einer Synode der in Konstantinopel anwesenden Bischöfe18 verurteilt und nach Euchaita verbannt.19 Indem Anastasios politische anstatt theologischer Gründe anführte, um Euphemios zu verurteilen, konnte er auf diese Weise vermeiden, als Häretiker zu erscheinen. 20 Probleme bereitet indes an dieser Stelle die genaue Begründung, mit der Euphemios auf der Synode verurteilt wurde. Malalas schreibt, dass Euphemios als Nestorianer verurteilt wurde, was auch einige moderne Forscher übernommen haben.21 Pseudo-Zacharias Rhetor wiederum erwähnt nur die Absetzung, ohne die Begründung der Synode anzugeben, und die Epitome der Kirchengeschichte des Theodor Anagnostes berichtet, dass die Bischöfe auf der Synode Anastasios folgten, Euphemios absetzten und das Henotikon Zenos annahmen. 22 Es scheint unplausibel, dass Anastasios erst eine politische Begründung gegen Euphemios – nämlich seine Illoyalität im Zusammenhang mit den Isauriern – vorbrachte, womit er dem Vorwurf einer miaphysitisch motivierten Anklage gegen den Bischof entgehen konnte, nur um Euphemios dann doch als Nestorianer zu verurteilen. Einen als chalkedonisch profilierten Bischof ausgerechnet wegen Nestorianismus’ zu verurteilen, war das Letzte, was sich Anastasios, der ohnehin schon der Sympathie 17 Die genaue Beschreibung des Ablaufs der kaiserlichen Intrige gegen Euphemios bei DIJKSTRA/GREATREX, Patriarchs, S. 229. und ferner MEIER, Anastasios, S. 89. Offenbar wurde Euphemios von seinen Feinden vorgeworfen, die Isaurier zu unterstützen, vgl. T HEOD. ANAGN., S.127 (HANSEN) (CPG 7503), THEOPH., S. 140 (DE BOOR). Zur Kontaktaufnahme des Euphemios mit den Isauriern, die schließlich gegen Euphemios ausgelegt wurde, vgl. GRUMEL, Regestes, S. 136, Nr. 180. 18 THEOD. ANAGN., S.128 (HANSEN) (CPG 7503): „ἐνδημοῦντας ἐπισκόπους“. Greatrex vermutet hier eine synodos endemousa, vgl. GREATREX, Chronicle, S. 230. Anmerkung 17. Blaudeau dagegen meint aber, dass es sich nicht notwendigerweise um eine synodos endemousa handeln müsse, vgl. BLAUDEAU, Alexandrie, S. 554. Ps-Zacharias erwähnt auch die Beteiligung gläubiger d.h. miaphysitischer Mönche aus Alexandreia und dem Osten, vgl. P S-ZACH, HE VII, 1, S. 20 (BROOKS) (CPG 6995). Auch ein Teil der Bischöfe könnte aus Ägypten oder dem Osten gekommen sein. Eine solche über die Grenzen des Patriarchats hinausgehende Zusammensetzung spricht eher für eine ihrem Wesen nach nicht räumlich eingeschränkte synodos endemousa als für eine gewöhnliche Provinzial- oder Patriarchatssynode. 19 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 1162, Nr. 333; vgl. T HEOD. ANAGN., S.128 (HANSEN) (CPG 7503), MARC. COM, S. 31 (CROKE) (CPL 2270), JOH. MALAL., Chronicon, S. 327 (THURN) (CPG 7511); PS-ZACH, HE, VII, 1, S. 20 (BROOKS) (CPG 6995); VICT.TUNN., S. 192 (MOMMSEN) (CPL 2260), JOH. NIK., Chron., S. 126 (CHARLES) (CPG 7967), Chronik von Zuqnin S. 3 (WITAKOWSKI); THEOPH., S. 140 (DE BOOR). Bei der Datierung folge ich Dijkstra und Greatrex, die sich auf Mango und Scott berufen, vgl. MANGO/SCOTT, Theophanes, S. 215, Anmerkung 5. Entgegengesetzt dazu vgl. CHARANIS, Church, S. 56 und vgl. GRAY, Defense, S. 35. 20 Vgl. MEIER, Anastasios, S. 89. Dazu, dass Anastasios theologisch-kirchenpolitische Motive für die Absetzung des Euphemios hatte und der politische Vorwurf der Illoyalität nur ein Vorwand war vgl. FREND, Fall, S. 184 f.. 21 Vgl. CHARANIS, Church, S. 56; HAARER, Anastasios, S. 137; DIJKSTA/GREATREX, Patriarchs, S. 230. 22 Vgl. PS-ZACH, HE, VII, 1, S. 20 (B ROOKS) (CPG 6995). Zur Aufnahme des Henotikon durch die Absetzungssynode vgl. THEOD. ANAGN, S. 128 (HANSEN) (CPG 7503).
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gegenüber dem Miaphysitismus verdächtigt wurde, in der chalkedonisch geprägten Hauptstadt hätte leisten können. Dementsprechend ist es beachtenswert, dass die Anklage des Nestorianismus gegen Euphemios ausgerechnet bei Theodoros Anagnostes fehlt. Er, der gegenüber Anastasios äußerst feindselig eingestellt war und ihn in seiner Kirchengeschichte als Miaphysiten darstellt, hätte keinen Grund gehabt, dem vom Kaiser und der synodos endemousa erhobenen Nestorianismusvorwurf gegen den von Theodor Anagnostes als rechtgläubig angesehenen Euphemios zu verschweigen, hätte dieser Anklagepunkt doch als Beleg gedient, den Miaphysitismus des Kaisers zu beweisen.23 Die Angabe bei Malalas, dass Euphemios mit dem Vorwurf des Nestorianismus verurteilt wurde, ist wohl darauf zurückzuführen, dass Malalas möglicherweise die Annahme des Henotikons durch die Synode mit der Absetzung des Euphemios in Zusammenhang brachte. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch die Auffassung, dass das Henotikon mit den Beschlüssen von Chalkedon im Einklang stand, sodass jemand, der sich dem Henotikon verweigerte, von einigen Chalkedoniern als Nestorianer betrachtet werden konnte.24 Das heißt, Malalas hätte in der Ablehnung des Henotikons durch Euphemios den Grund für dessen Absetzung gesehen und diese Begründung als Verurteilung wegen Nestorianismus gedeutet, ohne dass dieser Vorwurf explizit auf der Synode geäußert worden wäre.25 Dadurch gelang es letztendlich Anastasios seinen ungeliebten Patriarchen trotz seiner Beliebtheit beim Volk26 abzusetzen. Dabei wird ihm hilfreich gewesen sein, dass der Kurs des Euphemios wohl auch unter den Chalkedoniern nicht unumstritten war. Wie bereits angesprochen, brachte der Bischof Archelaos von Kaisereia Euphemios davon ab, Petros Mongos abzusetzen, und repräsentierte mit seiner Meinung womöglich einen Teil des chalkedonischen Klerus, dem der Kurs des Euphemios zu weit ging. Auch scheint das Henotikon bei einigen Bischöfen Anklang gefunden zu haben, wie dessen Aufnahme bei der Absetzungssynode des Euphemios zeigt. Mit dieser Haltung konnten sich die Bischöfe ja auch auf den 23 Darauf weist insbesondere Kosiński hin, vgl. K OSIŃSKI, Euphemius, S. 73–77, der aus diesem Umstand ableitet, das tatsächlich politische Gründe für die Absetzung des Euphemios für Anastasios im Vordergrund standen. Er ordnet dabei Euphemios der isaurischen Partei zu, wodurch sich dieser den Hass des Kaisers zuzog, wobei aber erst die Schwächung der Isaurier durch den günstigen Kriegsverlauf gegen sie es dem Kaiser erlaubte, endlich gegen den Patriarchen vorzugehen. 24 Vgl. Brennecke, der zeigt, dass die Kritik am Henotikon anfangs vor allem aus dem Lager der Miaphysiten kam und die Chalkedonier weniger das Henotikon selbst als vielmehr eine miaphysitische Interpretation des Henotikon angriffen vgl. BRENNECKE, Chalcedonense, S. 47. 25 Ebenso könnten es chalkedonische Anhänger des Henotikon aufgefasst haben. Hinzu kommt, dass der Vorwurf des Nestorianismus gegen Euphemios nicht neu war, vgl. P S-ZACH, HE, VII, 1, S. 19 (B ROOKS) (CPG 6995). Die Bischöfe Athanasios von Alexandreia und Sallust von Jerusalem hatten bereits Euphemios bei Anastasios als Häretiker, d. h. Nestorianer, angezeigt. 26 Die Epitome der Kirchengeschichte des Theodor Anagnostes berichtet von Aufständen des Volkes von Konstantinopel und einer Prozession im Hippodrom, die aber beim Kaiser nichts erreichen konnte, vgl. THEOD. ANAGN., S. 128 (HANSEN) (CPG 7503), THEOPH., S. 148 (DE BOOR).
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verstorbenen Patriarchen Akakios berufen. Mit Hilfe dieser Fraktion konnte dann Anastasios auf der synodos endemousa eine Mehrheit gegen Euphemios organisieren. In den Augen des Volkes und des Teils des chalkedonischen Klerus, der dem kompromisslosen Kurs des Euphemios folgte, blieb Euphemios hingegen ein unschuldiger und rechtgläubiger Bischof, der das Opfer eines häretischen Kaisers geworden war.27 Deutlich wird dies an den Schmähungen gegen Anastasios zu Beginn der Herrschaft Justins I. im Jahre 518, die nach dem Tod des Anastasios und dem Herrschaftsantritt des neuen Kaisers laut wurden. Darin forderte das Volk in der Hagia Sophia die Rückführung des Euphemios und setzte dem verstorbenen Anastasios den rechtgläubigen Kaiser Justin I. entgegen.28 Doch dazu später. Nachdem nun der Kaiser Euphemios aus dem Weg geräumt hatte und sich bei dieser Gelegenheit auch das Glaubensbekenntnis, das er zu Beginn seiner Herrschaft jenem übergeben hatte, mit Gewalt zurückholen konnte, 29 hatte er jetzt die Möglichkeit, das Henotikon offiziell zur Grundlage seiner Politik zu machen. Den Grundstein dafür legte die Synode, die Euphemios absetzte, indem sie gleichzeitig das Henotikon annahm.30 Dem glücklosen Euphemios folgte Makedonios auf den Bischofsstuhl. 31 Er war der Neffe des Patriarchen Gennadios und zuvor Skeuophylax der Hagia Sophia gewesen und ließ Euphemios nach seiner Absetzung finanzielle Unterstützung zukommen.32 Laut Theophanes überredete Anastasios, der sich auf die Beschlüsse der Synode von 496 stützen konnte, Makedonios dazu, das Henotikon ebenfalls zu unterschreiben.33 Dadurch hatte der Kaiser endlich einen Patriarchen in der Hauptstadt gewonnen, der bereit war, die kaiserliche Politik mitzutragen. Die Zusammenarbeit zwischen Anastasios und Makedonios sollte sich jedoch als kurzes Zwischenspiel entpuppen, nachdem die weiteren Schritte, die Anastasios 27 Zu bedenken ist, dass das Henotikon in zunehmendem Maße von den Miaphysiten vereinnahmt und als Verurteilung Chalkedons interpretiert wurde. Deshalb musste das Henotikon für die Anhänger des Euphemios zu diesem Zeitpunkt in einem anderem Licht erschienen haben als in den Anfängen der Religionspolitik des Anastasios beziehungsweise zur Amtszeit des Akakios, sodass für sie die Henotikon-Politik miaphysitischer erschien, als für diejenigen Chalkedonier, die sich auf derselben Linie wie Akakios wähnten. 28 Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (=ACO III, S. 60–77) (CPG 9202; 9329 (6)) bzw. ACO III, S. 74 und 76 für die Akklamationen des Volkes. Für die Forderungen der Mönche, die die Forderungen des Volkes aufnahmen vgl. ACO III, S. 67 und für die Beschlüsse der synodos endemousa, die sich die Forderungen zu eigen machte vgl. ACO III, S. 63. 29 Vgl. THEOPH., S. 139 (DE BOOR). Evagrios wiederum verlegt den Streit um das Glaubensbekenntnis auf die Zeit des Makedonios, vgl. EVAGR., HE, III, 32, S. 130 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). 30 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 128 (HANSEN) (CPG 7503). 31 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 97, Nr. 239. 32 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 129 (HANSEN) (CPG 7503), THEOPH., S. 140 (DE BOOR); GRUMEL, Regestes, S. 138, Nr. 182. Der Skeuophylax war für die Verwahrung der heiligen Gefäße zuständig. Als solcher spielte er eine wichtige Rolle im liturgischen Zeremonial und nahm durch seine Rolle als Verwalter des heiligen Geräts eine ähnliche Stellung wie der Ökonom ein. Der Skeuophylax der großen Kirche von Konstantinopel wurde vom Kaiser eingesetzt, vgl. ODB, III, Skeuophylax, S. 1909–1910. 33 Vgl. GRUMEL, Regestes, S. 138, Nr. 181.
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auf die Miaphysiten zu machte, zu erneuten Spannungen zwischen dem Kaiser und seinem neuen Patriarchen führen sollten. 2.1.2 Die Positionierung des Makedonios gegenüber Chalkedon Die Beziehung zwischen Anastasios und Makedonios war nämlich nach anfänglichem Einvernehmen schnell ebenfalls von Spannungen geprägt, die sich dann zuletzt erneut zu einem offenen Gegensatz zwischen Kaiser und Hauptstadtbischof entwickelten. Das Profil des Makedonios ist aber auf den ersten Blick nicht einfach zu erfassen, denn die Quellen zeichnen ein recht widersprüchliches Bild von ihm. Laut Victor von Tunnunna habe Makedonios 497, also zu Beginn seiner Amtszeit, eine Synode einberufen, auf der er Nestorios, Eutyches und die Anhänger Chalkedons verurteilte.34 499 habe dann der Kaiser zusammen mit Flavian von Antiocheia und Philoxenos von Mabbug in der Hauptstadt wieder eine Synode einberufen, wo dann erneut die Anhänger Chalkedons zusammen mit mehreren Theologen der antiochenischen Schule verurteilt wurden.35 Theophanes wiederum weiß nichts von einer Verurteilung Chalkedons, sondern schreibt, dass Makedonios das Henotikon unterzeichnet habe, nachdem er von Anastasios dazu überredet worden war. Und gemäß dem Synodicon Vetus habe Makedonios Chalkedon explizit aufgenommen, wobei es dafür aber kein genaues Datum nennt. 36 Wie passen diese Nachrichten nun alle zusammen? Dass Makedonios Chalkedon direkt verurteilt hätte, wie Victor von Tunnuna meint, scheint unwahrscheinlich. Eine Verurteilung Chalkedons hätte sich nicht in die Politik des Anastasios gefügt, die es ja gerade vermied, Chalkedon überhaupt zu erwähnen.37 Außerdem wäre eine solche Aktion nicht ohne Reaktion im Volk von Konstantinopel und bei den Mönchen geblieben. Von Unruhen im Zusammenhang mit Makedonios wird aber nicht berichtet. Ein Bericht, der bei Theophanes erhalten ist, könnte die auf den ersten Blick verwunderliche Angabe bei Victor aufklären. Laut ihm verweigerten einige Mönche der Hauptstadt die Gemeinschaft mit Makedonios, nachdem dieser das Henotikon aufgenommen hatte, weshalb der Kaiser den Bischof anwies, etwas zu unternehmen, damit die Mönche wieder in Gemeinschaft mit dem Bischof treten. Zu diesem Zweck habe Makedonios dann im Jahr 498 oder 499 eine Versammlung der in der Stadt befindlichen Bischöfe einberufen, die die Lehren bestätigen sollte, die gut in Chalkedon formuliert worden waren.38 34 35 36 37
Vgl. VICT. TUNN., S. 193 (MOMMSEN) (CPL 2260)., GRUMEL, Regestes, S. 139, *Nr. 185. Vgl. GRUMEL, Regestes, S. 139, Nr. 186. Vgl. SYNODICON, 110, S. 94–95 (DUFFY). So hat Anastasios, selbst als er Severos mit der Abfassung des Typus’ beauftragte, darauf geachtet, dass es keine Verurteilung Chalkedons enthält bzw. sollte das Konzil sogar angenommen werden, insoweit es Eutyches und Nestorios verurteilte, vgl. Selected Letters, I, S I, S. 3–11. 38 Der genaue Wortlaut bei THEOPH., S. 141 (DE BOOR): „Τούτωι τῶι ἔτει Μακεδόνιος γνώμηι
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Die Mönche scheinen also die Aufnahme des Henotikon durch Makedonios als Absage an Chalkedon aufgefasst zu haben, sodass dieser Chalkedon eigens explizit auf einer Synode aufnehmen musste. Möglicherweise hat Victor Makedonios’ Aufnahme des Henotikon wie jene Mönche gedeutet, weshalb er in seinem Bericht Makedonios eine Verurteilung des Konzils nachsagt.39 Bleibt nur noch der Bericht des Victor über die Synode von 499, die durch Flavian und Philoxenos abgehalten worden sein soll. Dass gerade Flavian und Philoxenos zusammen in Konstantinopel eine Synode einberufen haben und zudem noch ohne den Bischof der Stadt, scheint so fragwürdig, dass ihre Existenz zuweilen nicht ganz zu Unrecht bestritten wurde. Andere Quellen legen den Schluss nahe, dass es sich bei der Angabe des Victor um eine Verwechslung handelt und dieser auf die Reise des Philoxenos von Mabbug in die Hauptstadt im Jahr 507 anspielt, wo er einige Vertreter der antiochenischen Schule und Chalkedon verurteilt hatte.40 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es sich bei Makedonios um einen Chalkedonier handelte, der jedoch zunächst ein unscharfes Profil besaß, weil er zu Beginn seiner Amtszeit der Henotikon-Politik des Kaisers folgte. Wegen dieser Unschärfe ist dann sein Glaube von profilierteren Zeitgenossen im chalkedonischen Lager in Frage gestellt worden.41 Deshalb ergab sich in den Quellen ein wiτοῦ βασιλέως ἑνῶσαι μοναστήρια τῆς βασιλίδος ἔσπευδεν ἀποσχίζοντα διὰ τὸ ἑνωτικὸν Ζήνωνος. ἀδυνατῶν δὲ τοῦτο ποιῆσαι, συνεβούλευσε τῶι βασιλεῖ τοὺς ἐνδημοῦντας ἐπισκόπους καὶ τὰ ἐν Χαλκεδόνι καλῶς δογματισθέντα ἐγγράφως βεβαιῶσαι“. 39 Zur Interpretation des Henotikon als Verurteilung Chalkedons vgl. G RILLMEIER, Jesus, II, S. 303. Dijkstra und Greatrex verweisen ebenfalls auf Grillmeier und eine mögliche Interpretation des Henotikon, halten aber bei der Verurteilung Chalkedons auch einen Täuschungsversuch des Makedonios für möglich, vgl. DIJKSTRA/GREATREX, Patriarchs, S. 231. 40 Vgl. HAARER, Anastasios, S. 140. Nicht nur erscheint ein Zusammengehen von Philoxenos und Flavian unwahrscheinlich, Haarer verweist ferner darauf, dass zu diesem Zeitpunkt Philoxenos sich mit der Verurteilung des Nestorios begnügt hat, wie er in einem Brief an Maron von Anaxarbos schreibt. Die Verurteilung der Chalkedonier und Theologen der antiochenischen Tradition hätte Philoxenos erst in den Jahren 509–511 gefordert, als er vermehrt Druck gegen Flavian ausübte, vgl. ABRAMOWSKI, Prétendu, S. 65. Haarer argumentiert, dass es sich bei der von Victor beschriebenen Synode von 499 in Wirklichkeit um die Synode von 507 handelt, die Victor dann mit der Synode von 499 verwechselt hätte. Michael der Syrer beschreibt für das Jahr 507, dass Philoxenos sich auf den Weg in die Hauptstadt gemacht habe, um an einer Synode teilzunehmen, auf der Chalkedon und der Tomus Leonis verurteilt wurde, vgl. MICH. SYR., Chron., IX, 8, S. 259 (CHABOT) (frz. Übers., Bd. 2 S. 160). Passend dazu berichtet Theophanes von der Einladung des Philoxenos in die Hauptstadt durch Anastasios und seinem Versuch, Makedonios von der Zwei-Naturen-Lehre abzubringen vgl. THEOPH., S. 140 (DE BOOR). Ferner vgl. PS-ZACH., HE, VII, 8, S. 47 (BROOKS) (CPG 6995) und Zacharias in seiner Vita des Severos, „the Christ-Loving emperor wanted to get rid of these innovations of the offspring of Nestorios who were plotting against the Henotikon of Zeno, of pious memory. Makedonios too had also made a beginning on a similar attempt” P S-ZACH, Vita, S. 157 (KUGENER) (CPPG 6999). Die Verurteilung der Theologen der antiochenischen Schule und strengen Chalkedonier, die Victor auf das Jahr 499 ansetzt, passt besser in die von Theophanes, Michael und Zacharias beschriebenen Ereignisse des Jahres 507. 41 Die Klöster, die sich von Makedonios wegen des Henotikon trennten, waren das Kloster des Dios, des Bassianos, der Akoimeten und das Kloster der Matrona, vgl. THEOPH., S. 141 (DE
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dersprüchliches Bild. Dieser Umstand verweist bereits auf das Thema, das später ausführlicher behandelt werden wird: der Uneindeutigkeit eines kirchenpolitischen Profils, das je nach Ausrichtung der Quelle zu unterschiedlichen Bewertungen führen kann. 2.1.3 Die Offensive des Philoxenos von Mabbug und des Severos und der Sturz Flavians 42 Anastasios setzte seine Henotikon-Politik fort, indem er in Syrien, das anders als Ägypten oder Konstantinopel konfessionell gespalten war, mit Flavian 498 einen gemäßigten Anhänger Chalkedons einsetzte. Bei ihm handelte es sich um einen Mönchen des Tilmognon-Klosters, der vor seiner Bischofsweihe die Position des Apokrisiars der Kirche von Antiocheia in Konstantinopel inne hatte. 43 Er bekannte sich zum Henotikon44 und hielt Gemeinschaft mit dem alexandrinischen Patriarchen Johannes I (496-505). Auf diese Weise sollte die Lage im angespannten Syrien beruhigt und die Miaphysiten wieder integriert werden. Jedoch wurde die Henotikon-Politik des Kaisers diesmal von der miaphysitischen Seite aus von Philoxenos von Mabbug und Severos, dem späteren Patriarchen von Antiocheia, 45 torpediert. Diese nämlich lehnten jeglichen Kompromiss mit den Chalkedoniern ab und schickten sich an, ganz Syrien unter miaphysitische Kontrolle zu bringen. Angestoßen wurde ihre Handeln gegen Flavian wohl dadurch, dass der Bischof im Jahre 505 dem neuen Bischof von Alexandreia, Johannes II. Nikiotes (505-516), die Gemeinschaft aufkündigte, weil dieser Chalkedon verurteilt hatte. 46 Im Jahr 507 reiste Philoxenos nach einer Einladung des Kaisers nach Konstantinopel, wobei die genauen Gründe für die Einladung jedoch nicht klar sind. Einige Forscher sehen bei Philoxenos selbst die Initiative, andere vermuten, dass der Perserkrieg und der hohe Anteil der Miaphysiten in den strategisch wichtigen Grenzprovinzen Anastasios zu seiner Einladung veranlasst haben.47 Wenn die Einladung auch ei-
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BOOR). Der Vereinigungsversuch scheiterte jedoch. Möglicherweise störten sich die Mönche an der Formulierung „τὰ ἐν Χαλκεδόνι καλῶς δογματισθέντα ἐγγράφως βεβαιῶσαι“. Dies könnte man entweder so auslegen, dass man die Lehren in Chalkedon, die alle gut formuliert wurden, bestätigt, oder dass man (nur) diejenigen Lehren, die in Chalkedon gut formuliert wurden, bestätigt. Letztere Deutung ließe den Schluss zu, dass es auch schlecht formulierte Lehren in Chalkedon gegeben hätte, vgl. hierzu auch G RILLMEIER, Jesus, II, 1, S. 304 und CHARANIS, Church, S. 59. Ob diese Interpretation der Grund für das Scheitern des Einheitsversuchs war, muss aber schlussendlich im Dunkeln bleiben, weil eine Begründung der Mönche für ihren Entschluss nicht erhalten ist. Einen sehr kurzen Überblick über die christologischen Auseinandersetzungen in Syrien zur Zeit Flavians bis weit ins sechste Jahrhundert hinein liefert Gelzer, vgl. G ELZER, Josua. Vgl. TODT/WEST, Tabula, I, S. 312. Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S: 99, Nr. 247. Zu Severos vgl. TORRANCE, Severos und ALLEN, Severos. Vgl. TODT/WEST, Tabula, I, S. 312 f.. Der Bruch zwischen Flavian und Johannes II. löste zu dem einen Aufstand unter den Mönchen aus, vgl. DE HALLEUX, Nouveaux, S. 31–62. Haarer gibt zwei mögliche Gründe für Philoxenos’ Reise an vgl. HAARER, Anastasios, S. 142 f. Im Jahr 505 verurteilte Johannes III. von Alexandreia in seinem Synodalbrief Chalke-
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nem konkreten Anlass geschuldet war, fügte sie sich doch in Anastasios’ grundsätzliche Kirchenpolitik ein. Denn, nachdem das Henotikon von den Chalkedoniern im Reich akzeptiert worden war, sollten jetzt die Miaphysiten darauf festgelegt werden. In diesem Falle hätte dann der Kaiser versucht, das Problem an sich zu ziehen, das Flavian von Antiocheia nicht zu lösen vermochte, indem Anastasios Philoxenos, der mit seiner offenen Ablehnung Chalkedons Unruhe im Patriarchat von Antiocheia stiftete, in die Hauptstadt einbestellte. In Konstantinopel angekommen, verweigerte ihm Makedonios jedoch die Gemeinschaft und Philoxenos war wenig später dazu gezwungen, die Stadt wegen seiner Unbeliebtheit bei Volk, Klerus und Mönchtum wieder zu verlassen.48 Immerhin konnte Philoxenos aber zuvor die Verurteilung namhafter Vertreter der antiochenischen Schule erwirken.49 Neben seiner Agitation in Konstantinopel verstärkte Philoxenos dann in Antiocheia den Druck auf Flavian.50 Nachdem dieser Nestorios verurteilt hatte, versuchte Philoxenos ihn auf einer Synode in Antiocheia 509 weiter in die Enge zu treiben. Über sein Vorgehen legen der Brief des Philoxenos an die palästinischen Mönche und der Brief der palästinischen Mönche an Alkison von Nikopolis Zeugnis ab.51 Um dem Verdacht des Nestorianismus zu entgehen, sollte Flavian neben Nestorios nun auch Diodor von Tarsos, Theodor von Mopsuestia und andere Ver-
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don und den Tomus Leonis, was Flavian dazu veranlasste ihm, die Gemeinschaft aufzukündigen, weshalb dann Philoxenos nach Konstantinopel reiste, um gegen Flavian Beschwerde einzulegen. Der andere mögliche Grund sei gewesen, dass Philoxenos dem Kaiser seine und die Loyalität der anderen Miaphysiten des Orients versichern wollte. Anscheinend gab es, wie Marcellinus Comes berichtet, einen Fall von Verrat durch die miaphysitischen Mönche von Amida, die dem Perserkönig bei der Eroberung der Stadt halfen, vgl. MARC. COM, S. 33 (CROKE) (CPL 2270), wobei Croke den Verrat der Mönche für eine spätere Erfindung des Marcellinus hält, ebd. S. 111. Wegen der Ereignisse in Mesopotamien sei Philoxenos darum bemüht gewesen, jeden Verdacht auf Illoyalität der Miaphysiten aus der Welt zu schaffen. Einige Forscher sehen auch im Krieg mit den Persern 502–506 den Grund für die stärkere Hinwendung des Kaisers zu den Miaphysiten. Mit einer solchen Annäherung habe Anastasios versucht, die Miaphysiten in der Grenzregion stärker an sich zu binden und sich ihrer Unterstützung zu versichern, vgl. GRAY, Defense, S. 37; WIRTH, Anastasios S. 137–39; MARAVAL, Réception, S. 126. Zudem gehen MEIER, Staurotheis, S. 218; CHARANIS, Church, S. 59; FREND, Rise. S. 201; GRAY, Defense, S. 37 davon aus, dass die Miaphysiten in Syrien durch den Zustrom miaphysitischer Flüchtlinge aus Persien Verstärkung erhielten. Dijkstra und Greatrex treten dem entgegen und verweisen darauf, dass es keine Hinweise für eine Miaphy-sitenverfolgung und eine große Zahl miaphysitischer Flüchtlinge ins Römische Reich gibt, vgl. DIJKSTRA/GREATREX, Patriarchs, S. 234. Zur Weigerung des Makedonios mit Philoxenos zu sprechen und zum Verlassen der Stadt des Philoxenos wegen seiner Unbeliebtheit vgl. THEOD. ANAGN., S. 134 (HANSEN) (CPG 7503) und THEOPH. S. 150 (DE BOOR). Vgl. PS-ZACH, HE, VII, 8, S. 47 (B ROOKS) (CPG 6995). Zacharias schreibt ferner, dass Makedonios die Verurteilungen jener Personen unterschrieben habe, dann aber heimlich im Kloster des Dalmatos ihrer gedacht habe. Zu den Angriffen auf Flavian und dessen Sturz vgl. STEIN, Histoire, II, S. 171–173. Das Datum der Synode bei THEOPH. S. 151 (DE BOOR). Der Brief des Philoxenos mit französischer Übersetzung bei HALLEUX, Nouveaux, S. 31–62. Der Brief der palästinischen Mönche ist bei EVAGR., HE III, 31, S. 127–130 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500) erhalten.
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treter der antiochenischen Schule verurteilen, da diese alle Nestorianer seien.52 Flavian gab schließlich nach und verurteilte die genannten Personen.53 Andererseits nahm er neben den ersten drei Synoden auch Chalkedon auf, tat dies jedoch nur in Bezug auf seine Verurteilung des Nestorios und Eutyches, nicht jedoch in Bezug auf seine christologische Formel. Dies ging jedoch Makedonios, der nach den jüngsten Entwicklungen vom Kurs des Anastasios abgekehrt war, zu weit und er exkommunizierte Flavian und vertrieb seine Vertreter aus Konstantinopel.54 Im Jahr 508 war nämlich Severos nach Konstantinopel gereist, um Beschwerde gegen die Vertreibung seiner Mönche in Gaza einzulegen. Im Anschluss blieb er dann bis 511 in der Hauptstadt.55 Dort angekommen, scheint er einen großen Eindruck auf den Kaiser gemacht zu haben. Dies zeigte sich unter anderem daran, dass Anastasios ihn nun damit beauftragte, ein Dokument zu verfassen, auf dessen Grundlage die Einheit zwischen den Chalkedoniern und Miaphysiten erreicht werden sollte. Dies stellte einen Affront gegenüber Makedonios dar, da der Kaiser bei der Beauftragung eines so wichtigen Dokuments seinen eigenen Patriarchen übergangen hatte und sich stattdessen an eine der Führungsgestalten der Miaphysiten wandte. Zwar erwies sich der Typus des Severos nicht als tragfähiges Dokument, da er darin Chalkedon explizit verurteilte, doch zeigte schon allein die Beauftragung des Severos den Zeitgenossen, welche Richtung der Kaiser in der Kirchenpolitik einzuschlagen gedachte.56 Als dann der Kaiser von Makedonios verlangte, 52 Die Bischöfe Eleusinios aus Kappadokien, Nikias von Laodikeia und andere schlossen sich der Forderung des Philoxenos an, vgl. EVAGR., HE III, 31, S. 128 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). 53 Die Personen Diodor und Theodor, die zum Zeitpunkt des Konzils von Chalkedon bereits verstorben waren, wurden in Chalkedon nicht thematisiert oder gar verurteilt. Theodoret als einer der Hauptvertreter der antiochenischen Schule, der wegen seiner Gegnerschaft zu Kyrill und Freundschaft mit Nestorios seit je her von den Anhängern Kyrills als Nestorianer gesehen wurde, wurde in Chalkedon sogar offiziell wieder in die Kirche aufgenommen. Diese Tatsache stellte für die Miaphysiten den Beweis dafür dar, dass das Konzil von Chalkedon dem Nestorianismus verfallen war. Auch bei den kyrillisch geprägten Anhängern Chalkedons blieben die Vertreter der antiochenischen Schule umstritten, sodass deren Verurteilung – in diesem Falle durch Flavian – nicht unbedingt als Verrat an Chalkedon betrachtet werden musste. 54 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 136 (HANSEN) (CPG 7503) und THEOPH. S. 153 (DE BOOR), GRUMEL, Regestes, S. 140, Nr. 188. 55 Anastasios lud zuvor Severos in einem Brief ein, nach Konstantinopel zu kommen, vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 113, Nr. 319. In einem weiteren Brief mahnte Anastasios die Mönche, dafür zu sorgen, dass die Reise des Severos ohne Hindernisse verlaufe, vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 113, Nr. 318. Eine Aufforderung nach Konstantinopel zu kommen, ging auch an Philoxenos von Mabbug, vgl. L OUNGHIS/BLYSIDU/ LAMPAKES, Regesten, S. 113, Nr. 230. 56 Bereits vor seiner Ankunft in der Hauptstadt schrieb Severos seine antichalkedonischen Werke Philalethes (CPG 7023) und die Widerlegung der sieben Fragen der Dyophysiten, vgl. P SZACH, HE, VII, 10, S. 51 (BROOKS) (CPG 6995). Beim Philalethes handelte es sich um eine Widerlegung eines Florilegiums, das Ausschnitte aus den Werken Kyrills von Alexandreia zusammenstellte, um zu beweisen, dass Chalkedon mit Kyrill in Einklang stand, vgl. A LLEN, Severos, S. 40. Das heißt, Severos versuchte den Kirchenvater, der von Chalkedoniern und Miaphysiten gleichermaßen als christologische Autorität angesehen wurde, ganz für den Miaphysitismus zu vereinnahmen. Bei Severos handelte es sich also offenkundig nicht um einen
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sich von Chalkedon zu distanzieren, weigerte sich dieser und verlangte im Gegenzug die Einberufung eines ökumenischen Konzils unter Vorsitz des Papstes. Diese Forderung war unerfüllbar und die Einbeziehung Roms hätte auch jede miaphysitenfreundliche Politik unmöglich gemacht. Dies war wohl auch der Grund, weshalb Makedonios überhaupt ins Spiel gebracht, hatte, obwohl dieser nicht einmal mit Konstantinopel in Gemeinschaft stand.57 In dieser Situation blieb Makedonios nichts anderes übrig, als sich nun vom Kaiser zu distanzieren, wollte dieser nicht wie er mit Severos assoziiert werden und allen Rückhalt in der chalkedonischen Hauptstadt verlieren. Dies führte dann dazu, dass er nun verstärkt um die Schärfung seines chalkedonischen Profils bemüht war, weshalb er den eigentlich chalkedonischen Flavian verurteilte, als dieser nach Ansicht des Makedonios Chalkedon in Frage zu stellen begann. Letztlich war aber Flavian doch nicht bereit, Chalkedon als Ganzes aufzugeben und verweigerte – ebenso wie Elias von Jerusalem – die Unterschrift unter dem Typus des Severos, der die ersten drei Konzilien und das Henotikon aufnahm und Chalkedon und den Tomus Leonis verurteilte.58 Philoxenos und seine Anhänger verstärkten nun den Druck auf Flavian und forderten von ihm 511 oder 512 59 auf einer in Sidon einberufenen Synode erneut die Verurteilung Chalkedons. Sie stellten 77 Punkte gegen Chalkedon zusammen und legten das Dokument Flavian zur Unterschrift vor. Dieser überging es jedoch und bekräftigte seine Verurteilung des Nestorios, der Schule des Diodor und derjenigen Personen, die Kyrills zwölf Anathematismen angreifen.60 Ferner hielt Flavian den Miaphysiten Briefe der
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außerordentlich kompromissbereiten Theologen, weshalb Anastasios diesen auch nicht ganz frei walten lassen wollte. Der Kaiser schickte ihn zum Haus des magister militum Patrikios (PLRE, II, 14, S. 840–842), damit er dort mit Johannes von Klaudiopolis zusammentreffe. Johannes versuchte dann dort auch Severos davon zu überzeugen im Typus Chalkedon insoweit aufzunehmen, als dass es Nestorios und Eutyches verurteilt habe. Severos weigerte sich jedoch und bezeichnete diesen Wunsch als „offspring of a drunken mind“. Severos berichtet hiervon in einem Brief an den Bischof Konstantin, vgl. Selected Letters, I, 1, S. 3–11, die zitierte Stelle auf S. 5. Vermutlich wählte Anastasios sich Severos als theologischen Berater und Autor für den Typus, weil ein profilierter Miaphysit eher als der Chalkedonier Makedonios in der Lage gewesen war, ein Glaubensbekenntnis zu formulieren, dass im miaphysitischen Lager mit Zuspruch rechnen konnte. Um zu gewährleisten, dass das Dokument ausbalanciert und auch für Chalkedonier annehmbar war, stellte Anastasios Severos Johannes von Klaudiopolis zur Seite. Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 114, Nr. 323; ferner vgl. M EIER, Anastasios, S. 261. Der deutsche Text des Typus mit Hintergrund bei G RILLMEIER, Jesus, II, 1, S. 311–313. Zur Verweigerung des Flavian und Elias zu unterschreiben vgl. EVAGR., HE III, 31, S. 129 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Marcellinus Comes gibt 512 Theophanes 6003 (=510–511) an, vgl. MARC. COM, S. 36 f. (CROKE) (CPL 2270); Ps-Zach, HE VII, 10, S. 50 (B ROOKS) (CPG 6995); THEOPH., S. 153 (DE BOOR) und MICH. SYR., Chron., IX, 8, S. 259 (CHABOT) (frz. Übers., Bd. 2, S. 160) führen die Initiative der Synode auf Anastasios zurück, der Chalkedon verurteilen lassen wollte. Die Vita Severi des Zacharias und Philoxenos in seinem Brief an Symeon von Teleda führen die Synode auf Flavian zurück, der das Henotikon wiederbeleben wollte. Der Brief des Philoxenos in lateinischer Übersetzung bei LEBON, Texte, S. 183–193. Vgl. PS-ZACH, HE, VII, 10, S. 50 (BROOKS) (CPG 6995).
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alexandrinischen Patriarchen Petros Mongos, Athanasiοs II. und Johannes II. vor, in denen sie sich zum Henotikon bekannten. 61 Die Miaphysiten, die in der Unterzahl waren, konnten letztlich die Verurteilung Chalkedons auf der Synode nicht erreichen. Flavian sandte ein Schreiben an Anastasios, in dem er die ersten drei Konzilien zusammen mit dem Henotikon aufnahm, und bekräftigte damit, dass er dem Kurs des Kaisers folgte. Jedoch scheint es, dass sich Flavian letztlich durch die weiterhin von den Miaphysiten vorgebrachten Anschuldigungen, dass er ein Nestorianer sei, doch dazu gezwungen sah, Chalkedon selbst zu verurteilen. Die Miaphysiten wiederum schenkten ihm keinen Glauben und machten sich daran, bei Anastasios seine Absetzung durchzusetzen.62 Dies erreichten sie, indem sie in Laodikeia unter der Leitung des Philoxenos eine Synode einberiefen, die Flavian absetzte. Als dann im Anschluss darauf miaphysitische Mönche aus der Kynegia auf Betreiben des Philoxenos nach Antiocheia zogen, kam es zu Zusammenstößen mit der Bevölkerung Antiocheias, die für Flavian Partei ergriff. 63 Es kam zu vielen Toten und die Stadt wurde bald darauf von neuen Tumulten erschüttert, als diesmal chalkedonische Mönche aus der Syria II zur Unterstützung Flavians herbeieilten. Infolge der Unruhen wurde Flavian, der aus Sicht des Kaisers nicht mehr in der Lage war, die Ruhe in der Stadt zu garantieren, abgesetzt und nach Petra verbannt.64 Letztlich beugte sich Flavian soweit dem Druck der Miaphysiten, dass er nicht nur die christologische Formel Chalkedons preisgab, sondern schließlich sogar das gesamte Konzil, und erntete dafür zuletzt sogar den Bann des Makedonios. Es bleibt aber festzuhalten, dass er bis zum Schluss die Unterstützung des Volkes von Antiocheia behielt, das ihn gegen die miaphysitischen Mönche verteidigte, was freilich dann als Unfähigkeit, die öffentliche Ordnung zu wahren, gewertet und gegen ihn verwendet wurde. Flavians späterem Ruhm in Syrien kam es schließlich zu Gute, dass er auf das Betreiben der Miaphysiten Philoxenos von Mabbug und Severos gestürzt wurde, sodass er fortan den Chalkedoniern seines Patriarchats als Märtyrer für Chalkedon in Erinnerung blieb. In den Augen der chalkedonischen Kleriker und Mönche Antiocheias verlor Flavian sein Amt durch die Verleumdungen des Severos, der den Bischofsstuhl auf diese Weise unrechtmäßig an sich gebracht hatte.65 Ähnlich äußerte sich Johannes von Jerusalem in seinem Brief an Johannes II. von Konstanti61 Vgl. Selected Letters, IV, 4, S. 255. HAARER, Anastasios, S. 153 f. verweist zusätzlich auf einen Text eines Apollonorakels, der eine chalkedonische Glaubensformel und einen Aufruf, zu den Vätern zurückzukehren, enthält. Text und Übersetzung bei DALEY, Apollo, S. 31–49. 62 Vgl. THEOPH., S. 155 (DE BOOR). 63 Zur Mobilisierung der Mönche vgl. SUERMANN, Politique, S. 262 f. 64 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 119, Nr. 345, vgl. PS-ZACH., HE, VII, 10 S. 51 (BROOKS) (CPG 6995); EVAGR., HE, III, 23, S. 130 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500), THEOPH., S. 155 (DE BOOR), THEOD. ANAGN., S. 142 (HANSEN) (CPG 7503); zur Synode vgl. SYNODICON, 113, S. 94 (DUFFY). Bei Petra handelte es sich zudem um den ersten Verbannungsort des Nestorios. 65 Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 60, Z. 16–18.
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nopel.66 Dies machte schließlich Flavians ambivalente Haltung zum Chalcedonense wett, sodass später nach der Absetzung des Severos 518 durch die Anhänger Chalkedons Aufrufe laut wurden, Flavian in die Diptychen der Kirche einzufügen und seine Überreste in die Kirche zurückzuführen.67 Die Treue der antiochenischen chalkedonischen Bevölkerung zu Flavian trotz seines Wankens zeigt, dass die kirchenpolitische Ausrichtung einer Gemeinde stark mit der Person des Bischofs verbunden war und dass das Treueverhältnis zum Bischof durchaus gegenüber dem rein theologischen Moment der christologischen Streitigkeiten überwiegen konnte. Flavian fiel letztlich zwei Umständen zum Opfer. Zum einen ließ er mit seinem anfänglichen Nachgeben zu, dass Philoxenos eine theologische Dynamik gegen ihn in Gang setzen konnte, und zum anderen mangelte es ihm am Vertrauen des Kaisers. Was er davon noch besaß, schwand mit der Erodierung seiner theologischen Position und seiner mangelnden Fähigkeit, die Konflikte in seinem Patriarchat einzudämmen. Philoxenos grenzte sich nämlich streng von der antiochenischen Tradition und dem Konzil von Chalkedon ab, das er als Ausfluss der antiochenischen – in seinen Augen nestorianischen – Theologie ansah, und stellte über diese Haltung seine eigene Rechtgläubigkeit heraus. Deshalb konnte Flavian Philoxenos’ Forderung mit der Verurteilung des Diodor von Tarsos und Theodor von Mopsuestia auch nicht saturieren oder gar eine Teilanerkennung Chalkedons erwirken. Denn die Verurteilung der Vertreter der antiochenischen Schule und Chalkedons gehörten für Philoxenos zusammen. Denn wenn die Antiochener Nestorianer gewesen waren, erwies das dann nicht automatisch auch das Konzil von Chalkedon als nestorianisch, wo es doch Theodoret von Kyrrhos aufgenommen hatte? Flavian stärkte also mit seinem Nachgeben die Position des Philoxenos theologisch und argumentativ, weil er eine Traditionslinie Chalkedons – nämlich die der antiochenischen Schule samt ihrer für Chalkedon wichtigen Terminologie – verurteilte. Dieselbe Wirkung hatte die Tatsache, dass Flavian Chalkedon nur in Bezug auf seiner Verurteilung des Nestorios und Eutyches annahm, aber unter Ausschluss seiner christologischen Formel. Denn welche Autorität hatten denn diese Verurteilungen auf dem Konzil von Chalkedon, wenn sie auf Basis einer theologischen Formel getätigt wurden, die selbst als häretisch anzusehen sei? Mit seinem Handeln bestätigte und stärkte Flavian also unbeabsichtigt die Position des Philoxenos, was dazu führte, dass dieser seine theologischen Angriffe verstärken konnte. Gleichzeitig untergrub Flavian seine eigene Autorität im chalkedonischen Lager, was zu seiner Verurteilung durch Makedonios führte, der dem Erstarken der Miaphysiten mit der Schärfung seines chalkedonischen Profils begegnete. Flavian hatte den antiochenischen Stuhl als moderater Kandidat erlangt, der durch seine offene theologische Haltung ein Miteinander der Chalkedonier und Miaphysiten im Patriarchat von Antiocheia ermöglichen sollte. Aber anstatt die 66 Vgl. Epistula synodi Hierosolymitanae a. 518 (CPG 9301; 9329 (7)) (=ACO III, S. 77–80) hier S. 77, Z. 38 – S. 78, Z. 1. 67 ACO III S. 86, Z. 26: „Den Patriarchen Flavian in die Diptychen!“ und ebd. Z. 30–31: „Die Überreste des Flavian sende und bringe her!“
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Gegner Chalkedons einzubinden, stärkte er durch sein nachgiebiges Verhalten unbeabsichtigt die aggressiveren Strömungen bei den Miaphysiten und entfremdete sich von Teilen des chalkedonischen Lagers. Das Scheitern seiner Politik war mit seiner Verurteilung sowohl durch Makedonios als auch die Miaphysiten und letztlich durch die gewalttätigen Ausschreitungen in Antiocheia offenbar geworden. Der moderate Bischof fand sich zwischen allen Stühlen wieder und wurde zu einer Belastung für die kaiserliche Politik. Deshalb ließ Anastasios schließlich die Absetzung eines Bischofs zu, obwohl dieser der kaiserlichen Linie gefolgt war, und setzte stattdessen seine Hoffnungen nun auf den profilierten Miaphysiten Severos.68 2.1.4 Der Sturz des Makedonios Kurz bevor der Kaiser Severos zum Nachfolger Flavians machte, kam es zum offenen Gegensatz zwischen Anastasios und Makedonios, der die kaiserliche Politik nicht mehr mittragen wollte. Dies führte dazu, dass Anastasios sich anschickte, sich ein zweites Mal seines Hauptstadtbischofs zu entledigen. Der Anlass des Konflikts war ein Zwischenfall, der sich in der Hagia Sophia ereignete. Im Jahre 511 sangen einige miaphysitische Mönche in Konstantinopel in der Kirche des Erzengels das Trishagion mit dem Zusatz σταυρωθεὶς δι’ ἡμᾶς. Dieser Zusatz war das erste Mal von Petros dem Walker eingefügt worden und galt in der Hauptstadt als miaphysitische Formel. Als die Mönche dann versuchten, ihre Aktion in der Hagia Sophia zu wiederholen, kam es zu Ausschreitungen zwischen ihnen und den Chalkedoniern.69 Die chalkedonische Stadtbevölkerung mit Bischof Makedonios an ihrer Spitze ergriff in dieser Affäre Partei gegen die miaphysitischen Mönche und nutzten die Gelegenheit, ihrer Unzufriedenheit mit der Politik des Anastasios Luft zu machen. Diesem wurden durch das Volk Beleidigungen entgegengerufen, was ihn dazu veranlasste, Makedonios zu sich einzubestellen, um ihm zu versichern, dass er mit ihm einer Meinung sei. Der Bischof folgte dem Ruf des Kaisers und machte sich mit der Unterstützung des Volkes und Heeres auf den Weg zum Palast.70 Aufgrund des Zuspruchs für den Patriarchen hatte Anastasios zu diesem Zeitpunkt keine andere Wahl, als sich nach außen hin mit ihm zu versöhnen. Gleichzeitig musste jedoch auch Makedonios daran gelegen sein, den Konflikt mit Anastasios schnell zu lösen und wieder ein entspannteres Verhältnis zu ihm aufzubauen. Auch bei aller Unterstützung beim Volk konnte es sich ein Bischof in der Hauptstadt nicht leisten, dauerhaft mit dem Kaiser in einem offenen 68 Für die Weihe des Severos vgl. TODT/WEST, Tabula, I, S. 314. 69 Eine chalkedonische Sicht der Ereignisse bei THEOD. ANAGN., S. 137 (HANSEN) (CPG 7503). Die miaphysitische Sicht beim ersten Brief des Severos an Soterichos (CPG 7043 (13)), der auf koptisch erhalten ist. Eine englische Übersetzung liegt bei D IJKSTRA/GREATREX, Patriarchs, S. 240–243 vor. Im Brief des Severos gibt dieser Makedonios die Schuld für die Gewalt und beschuldigt ihn, Sklaven und andere bezahlt zu haben, damit diese gegen die Miaphysiten vorgehen. 70 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 138 (HANSEN) (CPG 7503).
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Konflikt zu stehen. Denn zum einen überwogen die Machtmittel des Kaisers bei weitem die des Bischofs, zum anderen gab sich ein Bischof bei einer allzu konfrontativen Haltung gegenüber dem Kaiser die Blöße, der Illoyalität oder gar der Anstachlung von Aufständen bezichtigt werden zu können.71 Im Sommer 511 unterzeichnete Makedonios ein Dokument, in dem er die Konzilien von Nikaia und Konstantinopel und das Henotikon aufnahm, Ephesos und Chalkedon aber nicht erwähnte. Pseudo-Zacharias berichtet sogar von einer Verurteilung Chalkedons, Evagrios wiederum von einer Verurteilung der ZweiPersonen-Lehre, was für einen Chalkedonier ja einen großen Unterschied bedeutete. Zwar folgte das Verschweigen Chalkedons ganz der Linie des Kaisers, doch war die Nichterwähnung des Konzils von Ephesos ein Novum und lässt sich schwer erklären. Vielleicht betrachtete Makedonios an dieser Stelle die Erwähnung von Ephesos für unnötig, weil die Rolle dieses Konzils in der Verurteilung des Nestorios bestand, ein Urteil, das Makedonios ja mit der Aufnahme des Henotikons aufnahm. Die Epitome der Kirchengeschichte des Theodor Anagnostes macht den magister militum Keler72 für die Unterschrift des Makedonios unter dem Dokument verantwortlich. Dieser soll den Bischof dazu überredet und ihm auf diese Weise eine Falle gestellt haben.73 Denn als Folge von Makedonios’ Handeln lösten einige Klöster der Hauptstadt, die jetzt seine Rechtgläubigkeit in Zweifel zogen, die Gemeinschaft mit ihm. Deshalb musste er ins Kloster des Dalmatios eilen, um die Mönche wieder von seiner Rechtgläubigkeit zu überzeugen. Indessen nutzte Anastasios das Dokument aus, um sich wieder von Makedonios zu distanzieren, indem er und seine Frau Ariadne sich weigerten vom Bischof die Eucharistie zu empfangen. Die Klöster kehrten nach Makedonios’ Versicherung seiner Rechtgläubigkeit wieder in die Gemeinschaft mit ihm zurück, doch blieb seine Position geschwächt und verleitete nun einige Mönche dazu, Anschuldigungen gegen Makedonios zu erheben. Ihm wurde vorgeworfen, sich an Kindern vergangen, im Geheimen des Nestorios gedacht und die Klöster angewiesen zu haben, dies ebenfalls zu tun. Zwar konnte der Vorwurf des Kindesmissbrauchs widerlegt werden, als bekannt wurde, dass Makedonios keine Geschlechtsteile mehr 71 Vgl. DIJKSTRA/GREATREX, Patriarchs, S. 236. Sie sprechen Makedonios für diesen Moment die Oberhand zu mit der Einschränkung, dass er sich aber einen dauerhaften Gegensatz zum Kaiser nicht leisten konnte. Pfeilschifter hingegen sieht in dieser Abhängigkeit vom Kaiser eine Grundschwäche des Bischofs von Konstantinopel und damit des Makedonios, den er auch in dieser Situation als schwachen Patriarchen beschreibt. Denn er hatte hier seine scheinbar starke Position nur durch die Unterstützung des Volkes und Heeres, die er jedoch nicht jederzeit mobilisieren konnte, weswegen er letztlich auch hier dem Kaiser ganz ausgeliefert gewesen sei und seinen Sieg nicht zu einem dauerhaften chalkedonischen Sieg ausbauen konnte, vgl. PFEILSCHIFTER, Kaiser, S. 411. 72 Vgl. PLRE, II, Celer 2, S. 275–277. 73 Vgl. PS-ZACH, HE, VII, 8, S. 41 f. (BROOKS) (CPG 6995); EVAGR., HE, III, 31, S. 129 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500); THEOD. ANAGN., S. 138 (HANSEN) (CPG 7503). Laut Theodor Anagnostes soll der Kaiser sich selbst in einem Dokument zu Nikaia und Konstantinopel bekannt haben, ohne Ephesos und Chalkedon zu erwähnen, und Makedonios das Dokument dann zur Unterschrift vorgelegt haben, vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 116, Nr. 331.
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besaß, doch nutzte Anastasios den aufgebauten Druck, um Makedonios endlich abzusetzen.74 Anastasios versicherte sich der Unterstützung des Hofes und des Heeres, indem er Donative ausgab, ließ Unterstützer des Makedonios verhaften und wies die Soldaten an, die Stadttore und Häfen zu bewachen, wahrscheinlich um die chalkedonischen Mönche davon abzuhalten, gegen die Absetzung des Makedonios einzuschreiten. Der Kaiser rief das consistorium zusammen und erklärte die Absetzung des Makedonios, der dann am 7. August 511 von Keler aus der Stadt in die Verbannung nach Euchaita geführt wurde. 75 Zum Nachfolger des Makedonios wurde Timotheos.76 Anastasios gelang es letztlich ein zweites Mal, einen Bischof, der sich seiner Politik widersetzte, abzusetzen. Jedoch zeigt der Verlauf der Dinge, dass dies erst nach einem Bröckeln der chalkedonischen Front in der Hauptstadt und mit diversen Sicherheitsvorkehrungen möglich war. Durch die Unterschrift des Makedonios unter dem Dokument, das Ephesos und Chalkedon verschwieg, wurde zumindest für kurze Zeit ein Keil zwischen Makedonios und einige seiner Unterstützer getrieben. Dass Makedonios’ Position trotz der Wiederaufnahme der Kirchenein74 Zur Andacht des Nestorios vgl. P S-ZACH, HE, VII, 8, S. 42 (B ROOKS) (CPG 6995) und zum Vorwurf des Kindesmissbrauchs und seiner Widerlegung vgl. EVAGR., HE III, 32, S. 130 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Zum Urteil der Absetzungssynode von Makedonios, das an Elias von Jerusalem geschickt wurde, vgl. GRUMEL, Regestes, S. 144, Nr. 195. Zum Absetzungsurteil des Makedonios, das an die Städte versandt wurde vgl. G RUMEL, Regestes, S. 145, Nr. 199. Zudem sandten Anastasios und Timotheos an alle Bischöfe Briefe, in denen sie sie dazu aufforderten, das Absetzungsurteil gegen Makedonios sowie das Synodalschreiben des Timotheos zu unterschreiben, vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 121, Nr. 359. 75 Pseudo-Zacharias berichtet, dass Anastasios im Consistorium Makedonios vorwarf, dass der Bischof zwar das verfluchte Konzil verurteilt habe und deshalb vom Kaiser aufgenommen worden sei, dann aber im Kloster des Dalmatios seine Position revidiert und damit den Kaiser und die Anwesenden betreff seines Glaubens angelogen habe, vgl. P S-ZACH, HE, VII, 8, S. 42 (BROOKS) (CPG 6995). Auch die Epitome der Kirchengeschichte des Theodor Anagnostes schreibt, dass Anastasios Makedonios absetzte, weil dieser Chalkedon nicht verurteilen wollte, vgl. THEOD. ANAGN., S. 139 f. (HANSEN) (CPG 7503). Diese Begründung scheint mir unwahrscheinlich zu sein. Eine offene Verurteilung Chalkedons wäre der um Ausgleich bemühten Politik des Anastasios entgegengelaufen. Und auch Timotheos, der Makedonios auf den Stuhl Konstantinopels folgte, verurteilte Chalkedon nicht. Dies führte aber nicht zu Spannungen mit dem Kaiser. Zur fehlenden Verurteilung Chalkedons durch Timotheos vgl. Selected Letters, VI, 1, S. 361und vgl. GRUMEL, Regestes S. 150, Nr. 207. Im Brief beklagt Severos, dass Johannes II. von Konstantinopel ebenso wie sein Vorgänger Timotheos Chalkedon nicht verurteilte und einen trügerischen Mittelkurs verfolgte. Nachdem die synodos endemousa Makedonios abgesetzt hatte, rief der Kaiser auch Elias von Jerusalem und Flavian von Antiocheia dazu auf, die Absetzung des Makedonios anzuerkennen, vgl. L OUNGHIS/BLYSIDU/ LAMPAKES, Regesten, S. 117, Nr. 335. 76 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 117, Nr. 334. Dieser sandte sodann Synodalbriefe an Elias von Jerusalem, vgl. GRUMEL, Regestes, S. 144, Nr. 194, an Flavian von Antiocheia, vgl. GRUMEL, Regestes, S. 144, Nr. 196 und Johannes von Alexandreia GRUMEL, Regestes, S. 144, Nr. 193. Letzterer nahm den Brief des Timotheos jedoch nicht an. Severos zeigte sich ebenfalls Timotheos gegenüber skeptisch, auch wenn er sich auch auf die Gemeinschaft mit ihm einließ, vgl. Selected Letters, VI, 1, S. 359 – S. 363.
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heit der Klöster geschwächt blieb, zeigte sich daran, dass einige der Mönche sich mit verleumderischen Anschuldigungen gegen Makedonios wandten. Wieso die Mönche die Anschuldigungen gegen Makedonios erhoben, ist unklar. Die Epitome der Kirchengeschichte des Theodor erhebt den Vorwurf, dass Anastasios die Mönche bestochen hat. Dies lässt sich jedoch nicht anhand anderer Quellen überprüfen. Wegen der allgemeinen Feindseligkeit der Epitome gegen Anastasios sollte man an dieser Stelle Vorsicht walten lassen. Möglicherweise befanden sich in der Reihe der Mönche einige, die den konfrontativen Kurs des Makedonios beziehungsweise einiger Klöster nicht teilten und die Denunzierung des Makedonios nutzten, um den kaiserlichen Kurs zu unterstützen. Anastasios jedenfalls konnte diese Anschuldigungen für sich nutzen, um den Ruf des Bischofs zu beschädigen und sein eigenes Vorgehen gegen ihn zu legitimieren. Dabei blieb aber die Unterstützung des Makedonios im Volk77 und bei den Klöstern noch so groß, dass Anastasios sich genötigt sah, sich der Treue des Heeres mit Geld zu versichern. Ferner musste er Soldaten einsetzen, um zu verhindern, dass die chalkedontreuen Klöster vor der Stadt gegen die Absetzung des Makedonios einschreiten konnten. Auch wenn Anastasios letztlich die Absetzung seines ungeliebten Bischofs gelang, konnte er diese nur mit Mühen erreichen. Der Einfluss der chalkedonischen Klöster in der Stadt blieb ungebrochen und stellte weiterhin ein Hindernis für eine den Miaphysiten entgegenkommende Politik dar. Denn bei der Aussperrung der Mönche aus der Stadt handelte es sich nur um eine einmalige Maßnahme, die keinen Dauerzustand darstellen und das Wirken der Chalkedonier auf lange Sicht nicht einschränken konnte. Ihren Einfluss machten sie nicht zuletzt nach dem Tod des Anastasios 518 geltend, als sie in Konstantinopel eine synodos endemousa einberiefen, die den Kurs des Anastasios revidieren und die Kirchenpolitik des neuen Kaisers frühzeitig auf einen chalkedonischen Kurs festlegen sollte. Anastasios gewann deshalb nach der Absetzung des Makedonios nicht nur nicht mehr Spielraum in seiner Kirchenpolitik, sondern erhöhte sogar mit seinem Vorgehen die Spannungen in der Hauptstadt, die sich dann bereits ein Jahr später 512 im großen Staurotheis-Aufstand entladen sollten. Auch dem Verhältnis zu Rom war das Handeln des Anastasios nicht förderlich. Papst Symmachus verstieg sich angesichts des Sturzes des Makedonios und der immer miaphysitenfreundlicheren Politik des 77 Pfeilschifter hingegen meint mit Verweis auf das weitgehend passive Verhalten des Volkes, dass das Volk die Absetzung des Makedonios nicht unbedingt als Beschneidung ihres eigenen Glaubens gesehen hat und deshalb nicht eingriff. Er geht sogar noch weiter und äußert die Vermutung, dass sich die Menge des Volkes nicht für Makedonios interessierte. Vgl. P FEILSCHIFTER, Kaiser, S. 413. Die gereizte Stimmung des Volkes, die sich schließlich ein Jahr später doch in einem Aufstand entlud, sollte jedoch als Hinweis darauf gedeutet werden, dass es mit der Absetzung und Verbannung des Makedonios sehr wohl nicht einverstanden war. In Bezug auf Pfeilschifters Hinweis auf das passive Verhalten des Volkes sollte berücksichtigt werden, dass es nach dem ersten, kleinen Staurotheis-Aufstand zu Verhaftungen und Hinrichtungen von Chalkedoniern gekommen war. Diese hatten womöglich eine abschreckende Wirkung, sodass sich das Volk nicht recht traute einzuschreiten. Zudem fühlten sich jene Unterstützer nach dem Tod des Anastasios wieder so stark, dass sie auch die Rehabilitierung des Makedonios und seine Einfügung in die Diptychen forderten. Siehe dazu weiter unten Punkt 3. 1 Die Synoden von 518 und die Verurteilung des Severos.
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Anastasios zu der Aussage, dass fast alle Häresien die Freiheit des öffentlichen Bekenntnisses hätten, während der rechte Glaube unterdrückt werde.78 Zu Makedonios bleibt zu sagen, dass er zu Beginn ein moderates chalkedonisches Profil pflegte, das von strengen Chalkedoniern auch als miaphysitisch oder zumindest miaphysitenfreundlich betrachtet werden konnte. Im Laufe seiner Amtszeit bewirkte der Kurs des Kaisers, der sich nun sichtbar auf die Miaphysiten zubewegte, dass Makedonios nun stärker an Chalkedon festhielt, um der kaiserlichen Politik die Stirn zu bieten und letztlich sogar den Chalkedonier Flavian verurteilte. Denn dieser war in den Augen des Makedonios den Miaphysiten zu weit entgegen gekommen und hatte Chalkedon preisgegeben. Gerade diese stärkere Festlegung auf das Konzil gegen Ende seiner Amtszeit und die unrühmliche Art seiner Absetzung durch Anastasios sorgte dafür, dass Makedonios dem Volk und den Mönchen von Konstantinopel als Streiter für Chalkedon in Erinnerung blieb. Dies führte dazu, dass das Volk und die Mönche 518 seine vollständige Rehabilitierung, die Bestrafung all seiner Verleumder und die Einfügung seines Namens in die Diptychen forderten. Gerade der letzte Punkt sollte die chalkedonische Ausrichtung der konstantinopolitanischen Gemeinde unterstreichen, indem des chalkedonischen Martyriums des Makedonios zu jedem Gottesdienst gedacht werden sollte. Die verstärkte Hinwendung des Anastasios zu den Miaphysiten – wobei er auch bis zuletzt von einer Verurteilung Chalkedons absah – fiel zeitlich mit der Ankunft des Severos in der Hauptstadt zusammen. Dem Kaiser war wahrscheinlich daran gelegen, sich des Severos zu bedienen, um seine eigene Politik durchzusetzen und die Miaphysiten wieder zu reintegrieren. Den Chalkedoniern schien es wohl aber vielmehr so, dass die miaphysitische Führungsfigur einen solch unheimlichen Einfluss auf den Kaiser entwickeln konnte, dass Severos den Kaiser zu einer Änderung seiner Politik bewog. Diese Einschätzung gilt es im Gedächtnis zu behalten, wenn der Blick auf die Situation in Konstantinopel in den Jahren 535 und 536 fällt, als Severos sich erneut in der Hauptstadt befinden sollte und dieser Umstand den Chalkedoniern eingedenk ihrer Erfahrungen mit Anastasios als große Bedrohung erschien. Sie mussten sich in ihrer Furcht vor dem verderblichen Einfluss des Miaphysiten bestätigt sehen, als der frisch geweihte Bischof Anthimos mit Severos die Gemeinschaft aufnahm. Doch dazu später. 2.1.5 Der Staurotheis-Aufstand und die Bedeutung des Staurotheis-Zusatzes Nachdem Makedonios nun abgesetzt war, verkündeten Marinos der Syrer79 und der Stadtpräfekt Platon80 im Auftrag des Anastasios in der Hagia Sophia, das 78 Vgl. JK 761 c. 12. Caspar bezeichnet diese Aussage des Papstes als ungeheuerliche Übertreibung, die er auf das vergiftete Klima zwischen Rom und Konstantinopel und die miaphysitische Offensive des Anastasios zurückführt, vgl. CASPAR, Geschichte, II, S. 120. 79 Vgl. PLRE, Marinus 7, S. 726–728. 80 Vgl. PLRE, Plato 3, S. 891 f.
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Trishagion mit dem Zusatz „ὁ σταυρωθεὶς δι’ ἡμᾶς“ zu singen.81 Die anwesenden Chalkedonier weigerten sich jedoch und sangen das Trishagion in seiner alten Form. Daraufhin kam es zu Prügeleien mit mehreren Todesopfern und Verhaftungen.82 Am nächsten Tag folgte ein Blutbad an den Konzilsanhängern in der Kirche des heiligen Theodor, weshalb sich am Tag darauf aufgebrachte Chalkedonier am Konstantinsforum versammelten und einige von ihnen in der Stadt miaphysitische Mönche umbrachten. Als Anastasios dann im Rahmen einer Gedenkprozession, bei der eines Ascheregens über Europa gedacht wurde, am Forum ankam, forderte die Menge dort die Erhebung des Areobindos83 zum Kaiser. Damit waren die kleineren gewalttätigen Eskalationen in der Stadt zu einem großen Aufstand zusammengewachsen, der die Herrschaft des Kaisers unmittelbar herausforderte.84 Der erste Beschwichtigungsversuch des Anastasios scheiterte und die Häuser des Marinos und des Pompeios,85 des Neffen des Anastasios, gingen in Flammen auf. Neben Areobindos wurde nun auch Vitalian86 zum Kaiser ausgerufen.87 Das Volk strömte ins Hippodrom und jetzt endlich schaffte es der Kaiser mit einer Demutsgeste die aufgebrachte Menge zu beschwichtigen. Er erschien vor dem Volk ohne Diadem und stellte damit sein Amt zu Disposition. Nachdem sich die wütende Menge beruhigt hatte, wandte sich Anastasios den Verantwortlichen des Aufstandes zu und stellte nach einer Verhaftungs- und Hinrichtungswelle die Ordnung wieder her.88 Wie beim ersten kleineren Staurotheis-Aufstand schoben sich die Chalkedonier und Miaphysiten gegenseitig die Verantwortung für die Eskalation der Gewalt zu. Johannes von Nikiu gibt Makedonios die Schuld für die Tumulte. Dieser sei es gewesen, der Anastasios zur Erweiterung des Trishagions verleitet habe, um einen Aufruhr der Chalkedonier zu bewirken, weshalb Makedonios nach dem Aufstand abgesetzt worden sei.89 Auch Evagrios sieht in dem Staurotheis-Aufstand den Grund für die Absetzung des Makedonios und verweist auf seine Beschuldigung für den Aufstand durch Severos in seinem Brief an Soterichos.90 Zu diesem Zeit81 Vgl. GRUMEL, Regestes, S. 145 f. , Nr. 200, LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 119, Nr. 345. 82 Vgl. MARC. COM., S. 36 (CROKE) (CPL 2270). 83 Vgl. PLRE II, Fl. Areobindus Dagalaiphus, S. 143–144. 84 Für eine ausführliche Darstellung des Staurotheis-Aufstandes siehe Meier, Staurotheis. Er weist auch darauf hin, dass es sich um keinen rein kirchenpolitischen Aufstand handelte, vgl. zu diesem Punkt ebenfalls MEIER, Anastasios, S. 283. 85 Vgl. PLRE II, Pompeius 2, S. 898–899. 86 Vgl. PLRE, II, Fl. Vitalianus 2, S. 1171–1176. 87 Zur Glaubwürdigkeit dieser Angabe bei Georgios Monachos und Malalas vgl. M EIER, Anastasios, S. 275. 88 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 119, Nr. 347, vgl. JOH. MALAL., Chronicon, S. 334 (THURN) (CPG 7511); JOH. NIK., Chron., S. 129 (CHARLES) (CPG 7967). 89 Vgl. JOH. NIK., Chron., S. 128 (CHARLES) (CPG 7967). 90 Vgl. EVAGR., HE, III, 44, S. 146 (B IDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Wobei der Brief sich in Wirklichkeit auf den ersten kleineren Staurotheis-Aufstand bezieht. Womöglich sind die kurz aufeinanderfolgenden Staurotheis-Aufstände in der Rezeption zusammengefallen, oder es kam zu einer Verwechslung, oder aber Severos gab Makedonios auch die Schuld für den zweiten Staurotheis-Aufstand.
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punkt befand sich Makedonios aber bereits im Exil. Außerdem scheint es, vor allem nachdem Makedonios inzwischen ein klares chalkedonisches Profil pflegte, recht zweifelhaft, dass er den Kaiser dazu ermunterte, eine aus konstantinopolitanischer Sicht miaphysitische Formel in den Kirchen singen zu lassen.91 Wahrscheinlich verwechseln Johannes von Nikiu und Evagrios den großen StaurotheisAufstand mit dem kleineren Aufstand des Vorjahres, in dessen Folge Makedonios abgesetzt wurde. Die chalkedonischen Überlieferung wiederum gibt Timotheos, dem Nachfolger des Makedonios, ein Teil der Verantwortung für die Eskalation der Lage. Denn dieser habe trotz der Unruhen beim Singen des Trishagions mit dem StaurotheisZusatz in der Kirche des Heiligen Theodor befohlen, das Trishagion in allen anderen Kirchen der Stadt in dieser Form zu singen. Nachdem die Mönche sich weigerten und dafür vom Volk als rechtgläubig gefeiert wurden, kam es dann zu weiteren Aufständen.92 Sowohl die chalkedonische als auch die miaphysitische Sichtweise versuchen der jeweiligen Gegenseite die vollständige Schuld für die Gewaltausbrüche zu geben. Denn wie könnte auch die eigene, rechtgläubige Partei ein Teil der Verantwortung für so ein Übel tragen? Man schob sich also die Schuld gegenseitig zu. Auf dieses Verhalten trifft man nicht nur bei später schreibenden Geschichtsschreibern wie Johannes Nikiu, sondern auch bei Zeitgenossen. Severos etwa hatte in seinem Brief an Soterichos für den ersten Staurotheis-Aufstand allein Makedonios die Schuld gegeben. Die Einseitigkeit der Berichte konnte den Effekt haben, dass durch sie die Reihen der christologischen Parteien geschlossen wurden. Man begriff sich verstärkt als eine zusammengehörende Gruppe, die durch die Feindseligkeit und die Bedrückung der konkurrierenden Gruppe zusammengeschweißt wurde. An dieser Stelle ist es auch angebracht zu fragen, wieso eigentlich Anastasios das Singen des Trishagions mit dem Staurotheis-Zusatz befohlen hatte. War es ihm einfach um eine miaphysitische Parteinahme gegangen? Der Blick auf seine bisherige Politik zeigt, dass er die Strategie verfolgte, die Kluft zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten durch Kompromisse zu überbrücken. Ein solcher Über-
91 Meier und Whitby verweisen darauf, dass Makedonios trotzdem über gute Kontakte in die Hauptstadt verfügte – gedacht sei etwa an die Akoimeten – weshalb er durchaus das Potential besessen habe, Eskalationen herbeizuführen, und es möglich sei, dass er die Aggressionen gegen Anastasios geschürt habe, vgl. MEIER, Staurotheis, S. 174, WHITBY, History, S. 195. Anm. 175. Zur Verbindung des Makedonios mit den Akoimeten vgl. P S-ZACH., HE, VII, 7, S. 39 f. (BROOKS) (CPG 6995). Wie weit der Einfluss des Makedonios aber nach seinem Exil reichte, kann nicht ermittelt werden. Nach Ausbruch des Aufstandes dürfte ihn schon seine Entfernung von der Hauptstadt an einer direkten Einflussnahme gehindert haben, soweit er nicht sowieso erst nach dem Aufstand von diesem erfahren hat. Für eine weitere Erhitzung der Atmosphäre nach seiner Absetzung muss nicht von einer Einflussnahme von Seiten des Makedonios ausgegangen werden. Die Beliebtheit des Bischofs, die Treue der chalkedonischen Mönche und die Art seines Sturzes allein wären schon ausreichend gewesen, das öffentliche Klima aufzuheizen. 92 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 144 f. (HANSEN) (CPG 7503); THEOPH., S. 159 (DE BOOR).
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brückungsversuch stellte wahrscheinlich auch der Staurotheis-Zusatz dar. Dazu seien drei Dinge angemerkt: Erstens wurde die Formel zwar zum ersten Mal vom miaphysitischen Bischof Petros dem Walker eingeführt, doch war die Formel selbst älter. Sie ist dem zwölften Anathematismus des Kyrill entnommen und konnte sich somit auf die größte christologische Autorität im Osten sowohl bei Miaphysiten als auch den meisten Chalkedoniern berufen. Das konnte sie deshalb für Chalkedonier annehmbar machen. Zweitens, wenn man bedenkt, dass der Zusatz dem zwölften Anathematismus Kyrills entnommen war, kann man die Einführung des Zusatzes als Überführung des Henotikons, das ja die zwölf Anathematismen enthielt, in den Gottesdienst ansehen. Die Änderung in der Liturgie konnte also dazu benutzt werden, dem Volk die Politik des Kaisers zu kommunizieren. Der dritte Punkt ist, dass der Staurotheis-Zusatz, wenn er nur von Miaphysiten im Gottesdienst benutzt wurde, die Spaltung der beiden christologischen Parteien verstärken musste. Denn wenn sich Formeln etablierten, die nur von einer Partei akzeptiert werden konnten, musste dies zu einer Entwicklung zweier verschiedener christologisch abgegrenzter Gottesdienste führen. Dasselbe Problem wurde bereits durch die unterschiedlichen Diptychen in den verschiedenen Gemeinden aufgeworfen. Das Problem war dort aber weniger akut, weil die Diptychen sich ohnehin lokal auch innerhalb der beiden Lager unterschieden, weil sich in erster Linie lokale Kleriker in den Namenslisten befanden. Zudem waren sie flexibler zu handhaben, weil die einzelnen Gemeinden im Zweifelsfall ihren (verstorbenen) Bischöfen die Treue hielten, selbst wenn er eigentlich zur christologischen Gegenseite gehörte, oder ein unscharfes Profil hatte.93 Der Staurotheis-Zusatz hingegen war mit seiner Griffigkeit und seiner Einsetzbarkeit an jedem Ort dazu geeignet, von den Miaphysiten dazu benutzt zu werden, um ihr christologisches Profil zu schärfen und sich von den Chalkedoniern abzugrenzen. Durch die Einbringung dieses Zusatzes in den Gottesdienst, der noch dazu die Gemeinde miteinbezog, indem er nicht nur vom Priester benutzt wurde, sondern auch vom mitsingendem Volk, konnten die Miaphysiten ihre Theologie auch einfachen Laien vermitteln. Dieses scharfe Profil, das der Zusatz produzierte, stand aber der bisherigen Politik des Anastasios entgegen. Seine Politik drehte sich ja darum, alle exklusiven Formeln zu verbannen. Dies lässt sich schon am Gebrauch des Henotikon als Mittel der Politik erkennen. Das Konzil von Chalkedon, der Tomus Leonis und die „in zwei Naturen“-Formel wurden schlicht nicht erwähnt. Sie wurden weder bestätigt noch verurteilt. Der Staurotheis-Zusatz, der wieder eine Art ‚konfessionelle’ Eindeutigkeit schuf, stellte deshalb einen Störfaktor in der kaiserlichen Politik dar. Das Auseinanderentwickeln der Gottesdienste durch den Zusatz musste verhindert werden. Es gab zwei Möglichkeiten, dies zu erreichen: Entweder musste die Formel vollständig unterdrückt 93
Zur Rolle der Diptychen im Allgemeinen siehe Punkt 2. 2. 2 Die Rolle der Diptychen und zu ihrer Rolle in den christologischen Streitigkeiten siehe 6. 2. 1 Die Diptychen als Spiegelbild religiöser Identität.
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werden, was kaum durchsetzbar schien, nachdem sie bereits seit den 480er Jahren zumindest in Antiocheia in Gebrauch war. Oder man musste die Formel auch in chalkedonischen Kirchen singen lassen, damit sie ihren miaphysitischen – und damit spalterischen – Charakter verlor. Der Kaiser entschied sich für letzteres. Dieser Versuch scheiterte jedoch daran, dass eine theologische Grundlegung fehlte, die den Zusatz mit Chalkedon in Einklang brachte. Damit einer solchen Formel ihr streng miaphysitisches Profil genommen werden konnte, musste eine theologische Begründung gefunden werden, wieso sie auch mit einem Bekenntnis zu Chalkedon kompatibel war. Eine solche sollte erst mit dem Auftreten der skythischen Mönche geschaffen werden und bedurfte auch danach einiger Jahre, bis sie von allen oder zumindest den einflussreichsten Chalkedoniern akzeptiert wurde. Bezeichnenderweise handelte es sich bei der theopaschitischen Formel, die von den skythischen Mönchen in die theologische Diskussion eingebracht wurde, aber um keine liturgische Formel, weshalb sich auf den theoretischen theologischen Diskurs beschränkt blieb. Mit dem Staurotheis-Aufstand erwies sich die Politik des Anastasios aber als gescheitert. Zwar war er seinen missliebigen Patriarchen losgeworden und hatte auch den großen Aufstand in der Hauptstadt überstanden, doch zeigte gerade der Aufstand ihm die Grenzen und das Scheitern seiner bisherigen Politik auf. Die Lage blieb gespannt und chalkedonischer Zorn konnte weiterhin die Macht des Kaisers bedrohen. Die Revolte des Feldherrn Vitalian sollte dies dem Kaiser deutlich vor Augen führen. 2.1.6 Der Aufstand Vitalians94 Vitalian war ein Truppenführer mit großer Gefolgschaft, der auf dem Balkan stationiert war. Folgt man den Angaben von Malalas und Georgios Monachos, dass Vitalian beim Staurotheis-Aufstand zum Kaiser ausgerufen wurde, muss er schon vor seinem Aufstand ein hohes Ansehen mit entsprechendem politischen Einfluss gehabt haben. Der aus Thrakien stammende Gote kam aus einem chalkedonischen Milieu und war über Verwandtschaft mit Mönchen verbunden, die sich klar zum Chalcedonense bekannten und ihren Chalkedonismus mit einem klaren Bekenntnis zum Erbe Kyrills verbanden.95 Außerdem war Flavian, der abgesetzte
94 Für eine detaillierte Darstellung des Aufstandes Vitalians vgl. M EIER, Anastasios, S. 295–311; RUSCU, Revolt; STEIN, Histoire, II, S. 177–185 und SCHWARCZ, Erhebung. 95 Betreffs des Chalkedonismus Thrakiens sei auf den Hilferuf des Klerus des Balkans verwiesen, der sich 512 an Papst Symmachus wandte, vgl. SYMMACHUS, Ep. 12, S. 709–717 (THIEL). Außerdem herrschte Streit zwischen Rom und Konstantinopel über die kirchenrechtliche Zugehörigkeit der Region, sodass der Klerus sich dort eines gewissen römischen Rück halts sicher sein konnte, den man gegen Konstantinopel ausspielen konnte. Zur verwandtschaftlichen Verbindung Vitalians mit den skythischen Mönchen siehe Coll. Avell. 216. Der Diakon Dioskoros schreibt an Hormisdas, dass die Mönche „de domo magistri militum Uitaliani sunt“
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Bischof Antiocheias, sein Taufpate.96 Als nun auf Befehl des Anastasios die annona abgeschafft wurden, regte sich heftiger Unmut im Heer ob des Wegfalls ihrer Versorgungsquelle.97 Hinzu kam, dass nun die Versorgung des Heeres durch Zwangskäufe gewährleistet werden musste, was die Bauern der ohnehin schon durch die Bulgareneinfälle belasteten Region bedrückte, sodass sie sich in ihrer Unzufriedenheit um Vitalian sammelten.98 Der zunehmend miaphysitische Kurs des Anastasios dürfte sein Übriges dazu beigetragen haben, das Verhältnis zwischen dem chalkedonischen Balkanraum und Konstantinopel zu trüben. Vitalian revoltierte nun, verlangte eine angemessene Versorgung seiner Truppen und, was seinem Aufstand eine besondere Note gab, die Bereinigung der kirchenpolitischen Verhältnisse zu Gunsten Chalkedons.99 Dadurch erhielt der Aufstand Vitalians auch eine kirchenpolitische Relevanz, die bis in die Regierungszeit Justins I. spürbar bleiben sollte. Bereits zu Beginn seines Aufstandes erhielt Vitalian Verstärkung durch Überläufer aus dem Heer des Hypatios,100 des magister militum per Thracias. Die Unterfeldherrn des Hypatios Konstantin Lydos und Kelearinos wurden getötet, der dux Moesiae Maxentios wurde bestochen und Karinos, der Vertraute des Hypatios geriet in Gefangenschaft und musste den Aufständischen die Hafenstadt Odessos überlassen.101 Innerhalb kürzester Zeit brachte Vitalian so Thrakien, Skythien und Moesien unter seine Kontrolle und machte sich daran, gegen Konstantinopel zu marschieren. Anastasios befahl daraufhin, Bronzekreuze an den Stadttoren anzubringen und stellte in der Hagia Sophia den Befehl für einen Steuererlass für Bithynien und Asien aus.102 Damit sollte die Moral in der Hauptstadt gestärkt und dem religiösen Moment begegnet werden, das dem Aufstand Vitalians anhaftete.103 Währenddessen brachen Unruhen in der Hauptstadt auf, bei denen der praefectus vigilum zu Tode kam, als Anastasios bestimmte Festivitäten verbot. 104 Vitalian schlug sein Lager am Hebdomon auf und der Kaiser sandte Patrikios 105 zu 96 Vgl. PS-ZACH., HE, VIII, 2, S. 63 (BROOKS) (CPG 6995). 97 LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 120, Nr. 351. 98 Vgl. JOH. ANT., Fr. 311, Z. 16–18 (UMBERTO), wo Bauern erwähnt werden, bzw. M EIER, Anastasios, S. 296. 99 Hinzuweisen ist auf die besonderen kirchenpolitischen Verhältnisse in Illyrien, über das das Papsttum die Oberhoheit beanspruchte, vgl. C ASPAR, Geschichte, II, S. 130. Diese römischchalkedonische Ausrichtung der Provinz wird auch auf das benachbarte Skythien ausgestrahlt haben, wo man sich – zumindest, was Glaubensdinge betraf – nach der immer miaphysitenfreundlicheren Politik des Anastasios sicher Rom näher fühlte als Konstantinopel. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Vitalian zu diesem Zeitpunkt bereits in Kontakt mit Rom stand, vgl. Coll. Avell. 116. Stein vermutet sogar, dass die Revolte Vitalians von langer Hand geplant wurde, vgl. STEIN, Histoire, II, S. 179. 100 Vgl. PLRE II, Hypatius 6, S. 577–581. 101 Zu den genannten Männern vgl. PLRE, II, Constantinus 16, S. 315; PLRE, II, Celerarinus, S. 275; PLRE, II, Carinus 3; PLRE, LL, Maxentius, S. 738. 102 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 120, Nr. 353, vgl. JOH. ANT., Fr 311, Z. 16–27 (UMBERTO). 103 Vgl. MEIER, Anastasios, S. 298. 104 Vgl. JOH. ANT., Fr. 311, Z. 85–88 (UMBERTO). 105 Vgl. PLRE, II, Patricius II, S. 840–842).
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ihm, der ihm eine Wiedergutmachung der Taten des Hypatios und eine Klärung der kirchenpolitischen Fragen versprach. Zeitgleich versammelte Anastasios im Palast die einflussreichsten Männer der Hauptstadt und versicherte sich ihrer Loyalität, indem er auch ihnen Gespräche mit Rom zusicherte. 106 Ferner gelang es ihm, Vitalian mit weiteren Versprechungen zum Abzug von der Hauptstadt zu bewegen.107 Bei den Versprechungen handelte es sich jedoch nur um eine Täuschung, die Anastasios die nötige Luft verschaffen sollte, um Kräfte gegen den Aufrührer sammeln zu können. Der Kaiser schickte Vitalian Kyrill, 108 den Nachfolger des Hypatios im Amt des magister militum per Thraciam, hinterher, um den Aufstand zu unterdrücken. Dies scheiterte jedoch, weil Kyrill nach seinem Einzug in Odessos verraten und ermordet wurde.109 Hypatios und der ihm unterstellte neue magister militum per Thraciam Alathar110 sollten nun Vitalian stellen, doch schlug auch dies fehl und auch sie gerieten in seine Gefangenschaft. Vitalian zog ein weiteres Mal nach Konstantinopel und riegelte die Landverbindungen zur Hauptstadt ab und ließ seine in Odessos erbeutete Flotte vor Konstantinopel Stellung beziehen. An dieser Stelle leitete Anastasios wieder Verhandlungen ein. Er kaufte Hypatios frei und zahlte darüber hinaus 5000 Goldpfund an Vitalian, der zudem zum neuen magister militum per Thraciam berufen wurde, und auch im kirchenpolitischen Bereich wurden nun konkrete Zusagen gemacht. Vitalian hatte zuletzt seine vorher vagen Forderungen konkretisiert und die Rückführung des Makedonios und Flavian gefordert, sowie die Einberufung eines Konzils in Herakleia unter Teilnahme des Papstes, um die Kircheneinheit mit Rom wiederherzustellen.111 Nachdem all seine Forderungen durchgesetzt waren, zog Vitalian ab. In Konstantinopel machte man sich nun an die Planung des Konzils 112 und sandte zwei Briefe – einen direkt, den anderen über Vitalian – an Papst Hormisdas, der Symmachus ins Amt nachgefolgt war.113 Von Rom wurde eine Gesandtschaft unter Führung des Ennodius nach Konstantinopel geschickt, die die Haltung Roms darlegen sollte.114 Die Gesandtschaft reiste ferner mit einem Brief an Vitalian, der nicht erhalten ist und einem Verhaltenskatalog, der der Gesandtschaft Anweisungen gab, wie sie in den verschiedenen möglichen Situationen zu handeln und zu 106 Vgl. JOH. ANT., Fr. 311, Z. 31–42 (UMBERTO). 107 Vgl. MARC. COM, S. 38 (CROKE) (CPL 2270). 108 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 121, Nr. 354. Zu Kyrill vgl. PLRE, II, Cyrillus 3, S. 335. 109 Marcellinus lässt Kyrill durch die Hand des Vitalian, Johannes von Antiocheia wiederum durch den Hunnen Tarrach sterben, vgl. MARC. COM, S. 37 f. (CROKE) (CPL 2270) und JOH. ANT., Fr. 311, Z. 124–5 (UMBERTO). 110 Vgl. PLRE, II, Alathar, S. 49 f. 111 Vgl. JOH. ANT., Fr. 311, Z. 89–102 (UMBERTO); MARC. COM, S. 99 (MOMMSEN) (CPL 2270); VICT. TUNN., S. 195 (MOMMSEN) (CPL 2260); THEOD. ANAGN., S. 145 (HANSEN) (CPG 7503); THEOPH., S. 160 (DE BOOR), JOH. NIK., Chron., S. 130. (CHARLES) (CPG 7967). 112 Für eine ausführliche Darstellung des nicht stattgefundenen Konzils von Herakleia siehe SPEIGL, Heraklea. Zu den Verhandlungen des Anastasios mit Hormisdas vgl. C APIZZI, Fallimento, S. 36–51. 113 LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 122, Nr. 364. 114 Vgl. Coll. Avell. 110, S. 502.
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antworten haben.115 Ferner sandte der Papst mit der Delegation einen Brief an die Bischöfe, den sie unterschreiben sollten, wenn sie die Einheit mit Rom vollziehen wollten. Die im Brief genannten Forderungen waren die Verurteilung des Nestorios und Eutyches und die Streichung des Dioskoros, Timotheos Ailuros, Petros Mongos, Akakios und Petros von Antiocheia aus den Diptychen. Es stellt sich die Frage, zu welchem Zweck der Papst im Vorfeld an die Bischöfe diese Forderungen sandte, deren Erfüllung die Synode schon vor Eröffnung überflüssig gemacht hätte. Der Grund liegt wohl darin, dass Rom gar nicht an einer Synode interessiert war.116 Dies lag an der Natur des Streites. Bei einer Synode wäre für Rom nichts zu gewinnen gewesen. Denn die römischen Positionen waren schlichtweg nicht verhandelbar. Theologisch betrachtete man Chalkedon und den Tomus Leonis als Maßstab für die Rechtgläubigkeit.117 Jeder Kompromiss oder jede Weiterentwicklung musste deshalb als Infragestellung des Konzils betrachtet werden. Und auch in der Akakios-Frage war keine Flexibilität gegeben. Nach römischer Sicht nahm jeder, der einen Häretiker aufnahm, auch dessen Häresie auf.118 Akakios handelte sich deshalb das päpstliche Anathem ein und folgerichtig traf dieses auch seine Nachfolger, die mit er Aufnahme des Akakios aus römischer Sicht ebenfalls die eutychianische Häresie aufgenommen hatten. Da half es ihnen auch nicht, wenn sie Petros Mongos verurteilten, solange sie Akakios aus ihrer Verurteilung aussparten. Wenn Hormisdas nun die Nachfolger des Akakios ohne weiteres aufgenommen hätte, wäre dadurch aus römischer Sicht die Lehre des Eutyches aufgenommen worden. Ferner hätte eine Anerkennung der Bischöfe von Konstantinopel eine Verurteilung der römischen Bischöfe bedeutet, die jenen die Gemeinschaft ja verweigert hatten. Eine Synode, die etwas anderes als die vollkommene Erfüllung der römischen Bedingungen beschlossen hätte, wäre deshalb für Rom eine unzumutbare Niederlage gewesen. In dieser Frage konnte es keinen Kompromiss geben. Die Aufnahme der konstantinopolitanischen Bischöfe hätte automatisch eine Verurteilung der römischen bedeutet und umgekehrt. Hinzu kam, dass jeder Bischof seine Autorität nicht allein aus seiner eigenen Rechtgläubigkeit, sondern auch aus seiner Nachfolgeschaft aus einer langen Reihe rechtgläubiger Bischöfe 115 Vgl. Coll. Avell. 116. Die Existenz des Briefes an Vitalian geht aus demselben Brief, S. Z. 7– 9 hervor. 116 Kötter spricht sogar von einer Weigerung Roms, an der Synode teilzunehmen, vgl. K ÖTTER, Kaiser, S. 166. Für eine ausführliche Darstellung der päpstlichen Position und des Handelns des Hormisdas vgl. CASPAR, Geschichte, II, S. 130–148. 117 Zur Christologie Leos vgl. GRILLMEIER, Jesus, I, S. 739–751, zu seiner Ausdrucksweise vgl. ARENS, Sprache. 118 Vgl. Brief des Felix an Rufin, Hilarios und Thalassios, in: S CHWARTZ, Sammlungen, S. 78– 79; und der Brief des Felix an Bischof Vetranion, in: S CHWARTZ, Sammlungen, S. 79–81. Dieselbe Position vertritt Gelasius in seinem Brief an Flavita, in: S CHWARTZ, Sammlungen, S. 111–113 vor allem S. 112, 7–21. Es half Akakios nicht, dass er die Gemeinschaft mit Petros auf Basis des Henotikon aufnahm, das von einer Verurteilung aber auch Erwähnung Chalkedons absah. Mit ähnlichen Akzeptanzproblemen hatte auch Petros Mongos in Ägypten zu kämpfen, wo einige miaphysitische Mönche mit ihm brachen, vgl. P S-ZACH., HE, VI, 2 , S. 5 f. (BROOKS) (CPG 6995).
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bezog. Dies galt besonders für die Stühle, die ihre Gründung auf einen Apostel zurückführten. Wer also seine Vorgänger in Frage stellte, beschädigte damit seine eigene Autorität. Diese Umstände erklären auch, wieso das Akakianische Schisma überhaupt so lange anhielt und den Tod mehrerer Bischöfe in Rom und Konstantinopel überdauerte. Rom musste also auf die uneingeschränkte Erfüllung seiner Bedingungen pochen und diese ließ sich besser über einen Brief erreichen, da so die Bischöfe nur die Wahl zwischen der Aufnahme oder der Ablehnung der römischen Forderungen hatten, und eine Diskussion, die die römische Position schwächen konnte, gar nicht erst aufkam. Stattdessen nahm man in Rom die Ereignisse zum Anlass, sich 517 mit mehreren Briefen an die Bischöfe des Ostens zu wenden, um sie zur Rückkehr zu Rom zu bewegen.119 Es versammelten sich nun zwischenzeitlich um die 200 Bischöfe in Herakleia und Konstantinopel, trennten sich jedoch wieder, ohne dass die Synode eröffnet worden wäre. Die Epitome der Kirchengeschichte des Theodor Anagnostes und des Theophanes, der auf jenen aufbaut, geben die Schuld dafür Anastasios und dem Patriarchen Timotheos.120 Daraufhin sagten sich 40 Bischöfe aus dem Balkan von Dorotheos von Thessalonike los und unterstellten sich Rom.121 Dies verkomplizierte die Lage für den Kaiser noch weiter. Schon länger stritten Rom und Konstantinopel um die Oberhoheit über das Ostillyricum. Kirchenrechtlich unterstand es Rom, politisch hingegen gehörte es zum Osten, was dazu führte dass Konstantinopel versuchte seine Autorität nach Westen auf das Ostillyricum auszuweiten. Im 5. Jahrhundert kam es zur Errichtung des Vikariats von Thessalonike,122 indem Rom Thessalonike seine Vertretung übertrug, um die Region vor Übergriffen von Seiten Konstantinopels zu schützen.123 Im Zuge des Akakianischen Schismas erhitzte sich der Streit um das strittige Gebiet weiter, da nun kirchenrechtliche Streitigkeiten mit theologischen vermengt wurden. Seit Gelasius versuchte man in Rom die Region verstärkt für sich zu vereinnahmen und kombinierte die eigenen kirchenrechtlichen Ansprüche mit einer Kritik an der kaiserlichen Henotikon-Politik. Die Bischöfe sollten sich nicht nur kirchenrechtlich zu Rom bekennen, sondern auch kirchenpolitisch. Dorotheos von Thessalonike jedoch unterstützte die kaiserliche Politik. Dies schadete den Besitzansprüchen Roms, nützte denen Konstantinopels und stabilisierte die kaiserliche Position. In Reaktion darauf suspendierte Rom das Privileg von Thessalonike und entband die Bischöfe des Balkans von ihrer Loyalitäts-
119 Einzelheiten dazu bei CASPAR, Geschichte, II, S. 144 f. 120 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 146 (HANSEN) (CPG 7503); THEOPH., S. 161 (DE BOOR). 121 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 150 (HANSEN) (CPG 7503); THEOPH. S. 162 (DE BOOR), HORMISDA, Epist. 9, S. 758–761 (THIEL). 122 Vgl. KÖTTER, Aposteln, S. 73; die Texte im Zusammenhang mit dem Vikariat sind in der collectio Thessalonicensis gesammelt. Bezüglich ihrer Echtheit vgl. C HRYSOS, Echtheit; HONIG, Beiträge, S. 30–45 und STREICHHAN, Anfänge. Zur collectio Thessalonicensis als Forschungsdisederat vgl. BRANDES/LEPPIN, Collectio. 123 Vgl. KÖTTER, Autonomie; vgl. FRAZEE, Popes, S. 45; vgl. FUHRMANN, Widerstände, S. 717ff; vgl. GREENSLADE, Churches, S. 25–29; vgl. MACDONALD, Vicariate, S. 478.
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pflicht von Dorotheos.124 Als dann die illyrischen Bischöfe von Dorotheos abfielen untergruben sie damit die Position Konstantinopels und schwächten den Kaiser. Dies stellte gerade angesichts der Gefahr durch Vitalian für Anastasios eine äußerst beunruhigende Entwicklung dar. Er handelte indes und bestellte einige illyrische Bischöfe ein, um sie auf seine Linie zu bringen. Unter ihnen war auch Alkison von Nikopolis, der Bischof, dem die Mönche Palästinas wegen der Absetzungen von Makedonios und Flavian geschrieben hatten.125 Die Ennodius-Delegation kehrte währenddessen wieder nach Rom zurück und überbrachte dort Hormisdas einen Brief des Anastasios mit einem Glaubensbekenntnis. Der Kaiser betonte, dass Chalkedon von seinen Vorgängern bestätigt und von ihm nie angegriffen worden sei und dass er die von Hormisdas genannten Bischöfe verurteilt hätte, wenn sich die anderen Kirchen dem nicht verweigert hätten.126 Nachdem nun die Vorbereitungen für die Synode im Sande verlaufen waren, zog Vitalian ein drittes Mal nach Konstantinopel, wo es auch erneut zu Unruhen kam.127 Anastasios hatte sich auf die Ankunft Vitalians vorbereitet und sandte nun Marinos von Apameia gegen den Aufrührer aus.128 In einer Seeschlacht konnte Vitalian letztendlich geschlagen werden. Jedoch kam dieser mit dem Leben davon und setzte sich mit einem Teil seines Heeres nach Thrakien ab, von wo aus er auch den Kontakt mit Hormisdas aufrecht erhielt. 129 Seine Anhänger, die in der Schlacht gefasst wurden, wurden hingerichtet.130 Damit hatte Anastasios die Gefahr vorläufig gebannt, wenn auch nicht endgültig aus der Welt geschafft. 2.1.7 Zwischenfazit – Die Polarisierung des chalkedonischen Lagers in Konstantinopel infolge der kaiserlichen Politik Im Zuge der Kirchenpolitik ist es zu einer zunehmenden Polarisierung innerhalb des chalkedonischen Lagers gekommen. Nachdem es bereits zu einer Spaltung zwischen Rom und dem östlichen Episkopat gekommen war, nachdem Akakios mit Petros Mongos die Gemeinschaft aufgenommen hatte, bildeten sich nun auch in Konstantinopel unterschiedliche chalkedonische Lager aus. Auf der einen Seite gab es die konfrontativ ausgerichteten Chalkedonier, die auf Abgrenzung von den Miaphysiten bedacht waren und die offene Propagierung Chalkedons forderten. Diese Gruppe wird durch Euphemios und Teile der Klöster der Hauptstadt unter 124 Vgl. Coll. Avell. 135; ferner vgl. KÖTTER, Aposteln, S. 136. 125 Vgl. MARC. COM, S. 38 (CROKE) (CPL 2270). 126 Vgl. Coll. Avell. 125, 7–13. Über die Nähe des Glaubensbekenntnisses zum Chalcedonense vgl. GRILLMEIER, Jesus, S. 355 f. CASPAR, Geschichte, II, S. 138 f. sieht in dem Brief einen Rückbezug auf das Henotikon. 127 Vgl. JOH. ANT., Fr. 311, Z. 107–108 (UMBERTO). 128 LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 123, Nr. 369. 129 EVAGR., HE, III, 43 S. 145 (B IDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Zum Kontakt mit Hormisdas vgl. ENSSLIN, Vitalianus, S 376 f. mit Verweis auf Coll. Avell. App. IIII, S. 801, 27–29. 130 JOH. MALAL., Chronicon, S. 332 (THURN) (CPG 7511); JOH. NIK., Chron., S. 131 (CHARLES) (CPG 7967).
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Führung des Dalmatios-Klosters sowie der streitbaren Akoimeten repräsentiert. Sie standen Rom sowohl in ihrem theologischen Konservativismus als auch kirchenpolitisch nahe, verblieben aber wegen ihrer Treue zu Akakios im Schisma mit dem Westen. Zu dieser Gruppe gesellten sich dann Makedonios dazu, nachdem er sich zunehmend vom kaiserlichen Kurs abgrenzte, sowie Teile des illyrischen Episkopats,131 die sich sogar Rom unterordneten. Auf der anderen Seite standen die Patriarchen Timotheos und Johannes II. die der Politik des Anastasios folgten, sowie einige Mönche, die gegen Makedonios aussagten. Zu einer immer stärkeren Erregung des konfrontativen Lagers gegenüber Anastasios kam es besonders durch die Absetzung und Verbannung des Euphemios und des Makedonios, die aus Sicht des konfrontativen Lagers wegen ihrer Chalkedontreue verbannt wurden. Die Protegierung des Severos durch den Kaiser, die Beauftragung des Severos zur Abfassung des Typus und schließlich seine Erhebung zum Bischof von Antiocheia tat ihr Übriges dazu das Verhältnis zwischen Anastasios und das konfrontativ-chalkedonische Lager zu zerrütten. Die Frage, wie konkret mit den Miaphysiten umgegangen werden sollte, war zwar bereits vorher virulent, doch verhärteten sich im Laufe der Jahre die Fronten, nachdem Anastasios in zunehmendem Maße die konfrontativen Chalkedonier verprellt hatte. Dies schuf das Eskalationspotenzial, das 512 zum großen Staurotheis-Aufstand führte. Zu nennen, ist zudem die Rolle des hauptstädtischen Mönchtums als kirchenpolitischer Machtfaktor. Bereits im Zusammenhang des Gegensatzes zwischen Anastasios und Euphemios sowie zwischen Anastasios und Makedonios treten die Mönche als Unterstützer der Bischöfe auf beziehungsweise zu Gunsten einer Position, die eine verstärkte Abgrenzung zu den Miaphysiten wünschte. Und auch bei den beiden Staurotheis-Aufständen sind Mönche involviert. Der Blick auf die kirchenpolitischen Entwicklungen unter Anastasios legt das strukturelle Umfeld in Konstantinopel offen, dass sich auch über dessen Regierungszeit hinaus festigte. Dazu gehören die zunehmende Polarisierung innerhalb des chalkedonischen Lagers sowie die prominente Rolle der hauptstädtischen Klöster zu Gunsten einer konfrontativen Politik gegenüber den Miaphysiten. Damit sind bereits wichtige Faktoren benannt, die 536 zur Einberufung des Konzils führten. Es bildete sich eine Konstellation in der Hauptstadt heraus, die besonders dann zu Spannungen führte, wenn der Kaiser einen Kurs verfolgte, der den Miaphysiten gegenüber (zu) integrativ ausgerichtet war. Das Konzil 536 lässt sich als Eskalation dieser Spannungen beschreiben, wobei noch weitere Faktoren in den 530er Jahren und insbesondere im Jahr 536 mit dem Aufenthalt Agapets in Konstantinopel hinzugekommen waren. Doch bevor die Umstände des Konzils näher untersucht werden, müssen die weiteren kirchenpolitischen Entwicklungen im Reich, vor allem in Konstantinopel und Syrien behandelt werden.
131 Wobei bei dieser Gruppe schwer auszumachen ist, wie weit kirchenpolitische oder kirchenrechtliche Motive eine Rolle spielte. Vermutlich war beides von Belang.
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2.2 DIE SITUATION IN SYRIEN 512–518132 2.2.1 Die Wahl des Severos und ihre Kanonizität Wie hatte sich in der Zwischenzeit die Situation in Syrien entwickelt? Auf Flavian war Severos in Antiocheia als Bischof gefolgt. Doch trotz der relativen Stärke der Miaphysiten im syrischen Raum verlief seine Amtszeit nicht ohne Spannungen und Gewaltausbrüche. Schon vor dem Sturz des Flavian war es zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen, die schließlich den Anlass für dessen Absetzung boten. Die Treue der Bevölkerung Antiocheias zu Flavian führte gleich zu Beginn zu einem Aufruhr gegen Severos. Als dieser nämlich seine Antrittspredigt hielt, kam es zu Tumulten, derentwegen der frischgebackene Bischof seine Predigt eine Woche später in Daphne für jene wiederholen musste, die ihr infolge der Unruhen beim ersten Mal nicht folgen konnten.133 Die Umstände seiner Einsetzung als Bischof Antiocheias sollten sich als eine schwere Hypothek für Severos erweisen. Denn der Vorwurf, dass er seinen Bischofsstuhl auf unkanonische Weise erhalten, ja sogar „geraubt“ habe, zieht sich durch alle chalkedonischen Briefe und sonstigen Texte, die seine Vergehen aufzählen.134 Deshalb soll an dieser Stelle auf die Frage nach der Kanonizität der Wahl des Severos eingegangen werden. Handelte es sich bei der Klage über die Unrechtmäßigkeit seiner Wahl nur um chalkedonische Polemik, oder hatte die Kritik einen wahren Kern? Was waren die genauen kirchenrechtlichen Voraussetzungen einer legitimen Bischofswahl? Im Vorfeld der Wahl musste eine Liste beziehungsweise ein Psephisma mit den Namen dreier Kandidaten erstellt werden, aus denen dann der zu wählende Bischof ausgewählt wurde.135 Die angeheizte Stimmung in der Stadt und das zielgerichtete politische Agieren der Miaphysiten lassen ein solch geregeltes Verfahren unwahrscheinlich erscheinen. Möglicherweise hatte die kleine Gruppe um Philoxenos, die sich bereits zuvor in Sidon und Laodikeia versammelt hatte und maßgeblich für den Sturz Flavians verantwortlich gewesen war, diese Prozedur unterlassen und Severos direkt als einzigen Kandidaten präsentiert und durchgesetzt.136 Wenn es auf diese Weise zur Wahl des Severos kam, hätten die Vorwürfe der Chalkedonier eine Grundlage jenseits der Polemik gehabt. Gemäß Kanon 4 von Nikaia wiederum genügte es, wenn der Bischof von seinen Ko132 Für eine ausführliche Darstellung des Wirkens des Severos während seiner Amtszeit 512–518 sei auf das Werk Frédéric Alpis verwiesen, A LPI, Route. Ferner als kurzer Überblick F REND, Severos. 133 Vgl. SEVEROS, Homelies, 35, 80, 99 (BRIEÈRE/GRAFFIN). 134 Vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329 (3)) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 39, Z. 26; ferner Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 60, Z. 18; S. 64, Z. 10; Epistula synodi Hierosolymitanae a. 518 (CPG 9301; 9329 (7)) (=ACO III, S. 77–80) hier S. 78, Z, 1; Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85) hier S. 81, Z. 18; Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 132, Z. 1. 135 Diese Praxis wird durch mehrere Briefe des Severos belegt, vgl. Selected Letters, I, 30; 31; 39 und wurde später durch mehrere Novellen Justinians bestätigt, vgl. Nov. 9; 19; 20; 22; 49; 55. 136 Diese Vermutung bei ALPI, Route, S. 65.
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suffraganen gewählt und von dreien geweiht wurde.137 Der Kanon 19 von Antiocheia hingegen legte höhere Ansprüche an und schrieb vor, dass ein Bischof der Mehrheit der Stimmen oder der schriftlichen Zustimmung der Mehrheit der Bischöfe der Provinz bedurfte.138 Dies war zum Zeitpunkt der Weihe des Severos nicht gegeben. Bei seiner Weihe waren zwölf Bischöfe aus vier von zwölf Provinzen des Patriarchats von Antiocheia anwesend, davon waren zwei Metropoliten. 139 Den Miaphysiten musste also daran gelegen sein, möglichst schnell die Zustimmung der anderen Bischöfe des Patriarchats zu erreichen, um die Wahl des Severos im Nachhinein zu legalisieren.140 Severos legte zu seinem Amtsantritt ein Glaubensbekenntnis vor, in dem er die ersten drei ökumenischen Konzilien und das Henotikon aufnahm. Angefügt an dieses Bekenntnis waren mehrere Anathemata und 13 Bischöfe unterzeichneten dieses Dokument. Dies konnte jedoch nur der Anfang sein, wenn Severos im ganzen Patriarchat anerkannt werden wollte. Als ersten Schritt festigte er seine Position, indem er mit Konstantinopel und Alexandreia die Gemeinschaft aufnahm und dadurch begann, die Risse innerhalb des miaphysitischen Lagers, die durch Petros Mongos und das Henotikon aufgetreten waren, zu schließen. Denn als dieser das Henotikon aufgenommen und auf dessen Grundlage die Gemeinschaft mit Akakios geschlossen hatte, führte dies in Ägypten zur Abspaltung einer Gruppe von Miaphysiten. Sie wollten einen Patriarchen, der mit einem Chalkedonier in Gemeinschaft stand, nicht akzeptieren. Dadurch fehlte diesen Miaphysiten ein Haupt, weshalb diese als Akephaloi bezeichnet wurden. Severos, der selbst dieser Gruppe angehörte, setzte sich daran, diese Miaphysiten wieder mit den Anhängern des Petros Mongos zusammenzuführen und die miaphysitischen Reihen zu schließen. Dies bewerkstelligte er, indem er als einstiger Gegner des Henotikon nun auf klar miaphysitische Art und Weise interpretierte und Petros Mongos in die Diptychen Antiocheias einfügte. 141 Auf diese Weise machte Severos die Henotikon-Politik des Anastasios auch für die Gruppe 137 138 139 140
Vgl. Kanon 4 (Nikaia 325), JOANNOU, I, S. 26. Vgl. Kanon 19 (Antiocheia 341) JOANNOU, II, S. 119. Vgl. Chronographia, Elias von Nisibis, A 846; vgl. HONIGMANN, Evêques, S 15. Auf die Notwendigkeit, die Mehrzahl der Bischöfe von einer Zustimmung zu Severos zu überzeugen weist Philoxenos von Mabbug in seinem Brief an Symeon von Teleda hin, vgl. PHILOXENOS, Epistula ad Symeon, S. 191–192. 141 Dies geht aus seinem Brief an Ammonios hervor, vgl. Selected Letters, IV, 2, S. 253–257. Er macht dabei aber auch klar, dass er Petros nicht aus vollem Herzen aufnimmt und wirft diesem vor, dass er mit Chalkedoniern die Gemeinschaft aufnahm. Jedoch stelle die Einfügung fragwürdiger Namen in die Diptychen keine Bedrohung für die Gläubigen dar, wenn diese durch die Rechtgläubigkeit der Kirche geschützt würden. Ähnlich argumentiert er im Falle chalkedonischer Namen in den Diptychen, die nicht notwendigerweise immer herausgestrichen werden müssen, wenn dies zu Unruhe führen könnte, vgl. hierzu u. a. S EV., Ep. 40 an die Gemeinde von Bischof Bassos S. 305 (PO 58) und S EV., Ep. 44 an den Grammatiker Urban S. 310–312 (PO 58). Zur Rolle der Diptychen siehe die folgenden Punkte 2. 2. 2 Die Rolle der Diptychen und 2. 2. 3 Die Diptychen im Patriarchat von Antiocheia – Die Grenzen der Veränderung der Namenslisten. Zur Rolle des Henotikon beziehungsweise. dass es nicht prinzipiell abzulehnen ist, sondern lediglich der zusätzlichen Verurteilung Chalkedons bedürfe vgl. SEV., Ep. 39 an einen Presbyter in Alexandreia, S. 295–305 (PO 58).
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der Akephaloi akzeptabel und schaffte es, die beiden miaphysitischen Sitze Alexandreia und Antiocheia zu vereinen und mit der hinzukommenden Gemeinschaft mit Konstantinopel die Einheit der Kirchen des Reiches fast zu vervollständigen. Nur Jerusalem unter Bischof Elias verweigerte Severos die Gemeinschaft.142 2.2.2 Die Rolle der Diptychen Die Art und Weise, wie Severos die Akephalen mit den Anhängern des Petros Mongos wieder zusammenführte, verdient besonderes Augenmerk: Er fügte Petros Mongos in die Diptychen ein und nahm auf diese Weise mit dem verstorbenen Bischof die Kirchengemeinschaft auf.143 Die Diptychen hatten sich zu einem zentralen Mittel entwickelt, wie die eigene kirchenpolitische Zugehörigkeit der Gemeinde vermittelt und auch den anderen großen Bischöfen signalisiert werden konnte. Deshalb hat sich Severos auch an anderer Stelle Gedanken über die Handhabung der Diptychen gemacht, wenn es etwa darum ging, wie mit den Namen chalkedonischer Bischöfe zu verfahren sei. Deshalb ist es an dieser Stelle angebracht, in einem kleinen Exkurs auf die Frage einzugehen, was genau die Diptychen eigentlich sind und welche Rolle sie im Leben der Kirchen und in der Kirchenpolitik spielten. Bei den Diptychen handelt es sich um die Liste der Namen der Personen, derer im Gottesdienst gedacht wird. Zu diesem Zweck werden ihre Namen vor der Eucharistie laut vorgelesen144 und in die Erinnerung der Gläubigen gebracht. Anfangs gedachte man so der lokalen, lebenden Hierarchie, wobei es sich dabei eher
142 Vgl. EVAGR., HE, III, 33, S.133 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Wegen seiner Weigerung mit Severos die Gemeinschaft aufzunehmen wurde er schließlich vom Kaiser abgesetzt, vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 125, Nr. 379. Sein Nachfolger wurde Johannes III., LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 126, Nr. 381. Da sich dieser aber ebenfalls weigerte, mit Severos die Gemeinschaft aufzunehmen, sandte Anastasios einen dux aus, um Johannes zur Einheit mit Severos zu zwingen, vgl. L OUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 126, Nr. 382. 143 Dass Severos Petros nur aufnimmt, um mit seinen Anhängern in Kommunion zu treten und nicht aus der Überzeugung heraus, dass Petros die Ehre verdient hätte, in die Diptychen auf genommen zu werden, schreibt er in seinem Brief an den alexandrinischen Presbyter Ammonios, vgl. Selected Letters, IV, 2, S. 253–257, vor allem S. 254. 144 Vgl. TAFT, Diptychs, S. 102 f.. Er wendet sich gegen die These, dass die Namen zwar aufgeschrieben aber nicht vorgelesen wurden und verweist darauf, dass die Akoimeten sich bei Papst Felix darüber beschwerten, dass der Name von Petros Mongos zuerst heimlich, dann öffentlich verlesen wurde, vgl. EVAGR., HE, III, 20, S. 118 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Ebenfalls merkt Taft an, dass die Diptychen jeglichen Sinn für die Gemeinde entbehrten, wenn sie vom Bischof nur stumm gelesen worden wären, weil dann jeder in den Diptychen hätte stehen können, ohne dass es einer in der Gemeinde bemerkt hätte, sodass den Gläubigen ein Orientierungspunkt gefehlt hätte, an dem sie sich ihrer Rechtgläubigkeit und Tradition hätten versichern können. Ferner vgl. WINKLER, Interzession, S. 363–377. Die Diptychen sind in dieser Form seit dem frühen 5. Jahrhundert überliefert. Berichte über solche Namens listen finden sich aber schon in früheren Quellen, LECLERCQ, Diptyques, S. 1049–1051.
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um einen Akt der Ehrerbietung handelte.145 Hinzu kam auch eine Liste verstorbener Kleriker. Im Laufe der Zeit wurden die Diptychen jedoch theologisch-kirchenpolitisch aufgeladen. So wurde etwa auf Befehl Kaiser Leos die Ekphonesis der Gottesgebärerin Maria in die Liturgie der Kirche Konstantinopels eingefügt und der Verlesung der Diptychen direkt vorangestellt.146 Der Grund für ihre Einfügung lag wohl darin, die Rechtgläubigkeit Konstantinopels zu unterstreichen und den Vorwurf des Nestorianismus abzuwehren, der von Seiten der Miaphysiten gegen die Anhänger Chalkedons erhoben wurde.147 Eine weitere Verstärkung des konfessionellen Moments erfuhren die Diptychen schließlich mit der Nennung der vier ökumenischen Konzilien. In Konstantinopel wurde 518 auf der synodos endemousa der Beschluss dazu gefällt. Aber auch bei den miaphysitischen Diptychen kam es zur Einfügung der Konzilien. Dort dann natürlich unter Ausschluss Chalkedons.148 Hinzu kam, dass in den Kirchen der Patriarchen nicht mehr nur der eigenen lebenden und verstorbenen Kleriker gedacht wurde, sondern auch der anderen Patriarchen. Auf diese Weise wurde nach außen hin angezeigt, dass man mit ihnen in Gemeinschaft stand. Mit der Aufnahme anderer Bischöfe war für die Zeitgenossen aber auch die Anerkennung ihrer Lehren verbunden. Explizit formulierte dies Papst Felix betreffs der Verlesung des Namens des Petros Mongos in Konstantinopel unter Bischof Akakios. Er kritisierte, dass mit der Aufnahme des Petros Mongos auch seine Häresie anerkannt würde und dieser zuerst Chalkedon aufnehmen müsse, bevor ein rechtgläubiger Bischof ihn aufnehmen dürfe.149 Mit der Streichung oder Einfügung von Namen in den Diptychen war also immer ein
145 Vgl. TAFT, Diptychs, S. 52 146 Vgl. PS-ZACH, HE, IV, 11, S. 185. Laut PS-Zacharias war der Anlass dafür, dass Martyrios von Antiocheia Maria den Theotokos-Titel abgesprochen hatte. Blaudeau bezweifelt dies, vgl. BLAUDEAU, Alexandrie, S. 170, Anm. 375. Greatrex schließt sich seiner Skepsis an und verweist darauf, dass Evagrios, der über die Situation in Antiocheia besser Bescheid weiß, nichts hiervon erwähnt, vgl. GREATREX, Chronicle, S. 153, Anm. 117. 147 Der christologische Streit zwischen Nestorios und Kyrill hatte sich seinerzeit an der Frage entzündet, ob Maria Gottesgebärerin zu nennen sei. Nestorios hatte dabei den Begriff Christusgebärerin bevorzugt und Vorbehalte gegen den Begriff Gottesgebärerin geäußert, weil er die Gefahr sah, dass der Begriff so verstanden werden könnte, als ob die Gottheit aus einer Frau ihren Anfang genommen hätte, was im Widerspruch zur anfangslosen Natur Gottes stehe. Ein Bekenntnis zu Maria als Gottesgebärerin wäre also zugleich ein Bekenntnis gegen Nestorios. 148 Zur Einfügung der Konzilien 518 vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, S. 60–77) ACO III, S. 63, Z. 32–36. Zu der Einfügung der ersten drei ökumenischen Konzilien bei den Miaphysiten im Buch des Lebens vgl. F IEY, Diptyques, S. 383. Ferner fügten auch die Nestorianer die ersten beiden Konzilien in die Diptychen ein, vgl. ebd. Auf den konfessionellen Aspekt, den die Diptychen dadurch gewinnen, weist auch Fiey hin, vgl. ebd., S. 384. Aber bereits vor den christologischen Streitigkeiten kam es zum Streit darüber, ob jemand in den Diptychen enthalten sein darf bzw. ob die betreffende Person rechtgläubig ist. So wurde bereits über die Einfügung von Johannes Chrysostomos in die Diptychen gestritten, vgl. LECLERCQ, Diptyques, S. 1057. 149 Siehe Anmerkung 74.
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kirchenpolitisches Signal verbunden.150 So signalisierte etwa Johannes II. die Bereitschaft Konstantinopels, das Schisma mit Rom aufzuheben, indem er Hormisdas in seinem Brief davon in Kenntnis setzte, dass der verstorbene Papst Leo nun in die Diptychen der Kirche Konstantinopels aufgenommen worden sei. 151 Der Unterschied zum Fall des Petros Mongos war hier, dass der nun Eingefügte bereits verstorben war, was die Wirkung dieses Vorgangs aber keineswegs schmälerte. Die Diptychen gaben und geben der Gemeinde die Möglichkeit ihre religiöse Identität auszudrücken und rituell zu festigen, indem sie dem personellem und historischen Charakter christlicher Frömmigkeit Rechnung tragen. Durch die Einführung einer Ahnenreihe in den Gottesdienst konnte sich die Gemeinde ihrer ununterbrochenen Rechtgläubigkeit versichern.152 Denn bei aller Beschäftigung mit christologischer Theologie und Kirchenpolitik darf nicht vergessen werden, dass theologische Traktate von den meisten Gläubigen nicht rezipiert wurden, da sie zumeist ja nicht einmal lesen geschweige denn die theologischen Argumente nachvollziehen konnten. Der einfache Gläubige nahm am christlichen Leben durch den Gottesdienst und durch seinen persönlichen Kontakt mit Bischöfen und sonstigen Klerikern teil. Es ist davon auszugehen, dass sich ein Gläubiger nicht abstrakt mit Theologie oder seiner eigenen Identität auseinandersetzte, sondern personenbezogen dachte wie es seiner Alltagserfahrung entsprach. Man bedenke, dass die Gläubigen vielfach seelsorgerisch oder auch materiell etwa durch Armen- oder Witwenversorgung mit ihrem Bischof verbunden waren, weshalb sich hier ein Treueverhältnis entwickeln konnte, dass stärker an die Person des Bischofs als an sein Bekenntnis gebunden war.153 Das heißt, dass der theologisch Aspekt gänzlich vom personalen dominiert werden konnte. Man betrachte den Fall Flavians, dem seine Gemeinde treu blieb, obwohl er Chalkedon zuletzt verurteilt hatte und zuvor sogar von Makedonios wegen seiner den Miaphysiten zu weit entgegenkommenden Haltung exkommuniziert worden war. Dies hinderte den Klerus und die chalkedonische Gemeinde von Tyros später jedoch nicht daran, ihn weiterhin als Chalkedonier anzuerkennen. Denn sie verband und kommunizierte ihr Bekenntnis zu Chalkedon mit der Treue zum von den Miaphysiten gestürzten Flavian. Deshalb forderten sie 518 zusammen mit der Verurteilung des Severos auch die Einfügung Flavians in die Dipty150 151 152 153
Vgl. STEGMÜLLER, Diptychon, S. 1146. Vgl. Coll. Avell. 146. Vgl. STEGMÜLLER, Diptychon, S. 1146. Auf diese Weise konnten sich Bischöfe in den Diptychen halten, die aufgrund der lokalen Tradition einer Gemeinde mit der Stadt verbunden waren, selbst wenn der gegenwärtige Bischof eine gänzlich andere christologische Position vertrat. Dieser Umstand musste anschei nend auch nicht zu Spannungen führen. So unterschrieb etwa Dionysios von Tarsos das Glaubensbekenntnis, das Severos von Antiocheia bei seiner Weihe ablegte, während gleichzeitig in seiner Stadt Nestorios in den Diptychen enthalten war. Zur Unterschrift unter dem Glaubensbekenntnis des Severos vgl. Selected Letters, IV, 4, S. 260–261. Aus diesem Brief geht auch hervor, dass zum Ärger des Severos Dionysios auch chalkedonische Kleriker dienten. Zum Namen des Nestorios in den Diptychen von Tarsos, vgl. Selected Letters, I, 24, S. 83–85, hier S. 84.
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chen.154 Durch die Person wurde das Bekenntnis vermittelt und ausgelebt. Das Treueverhältnis zum Bischof endete dabei nicht mit dem Tod, sondern konnte durch die Einfügung des verstorbenen Geistlichen in die Diptychen weiter rituell zum Ausdruck gebracht werden. Taft weist darauf hin, dass religiöse Gemeinschaften ihre Weltanschauung nicht nur rituell auszudrücken pflegen, sondern dass gerade das Christentum zudem auf den Bezug zu historischen Ereignissen aufbaut. 155 Das Christentum bezieht sich beim Bericht über das Leben und den Tod Christi nicht auf eine mythische Erzählung, sondern ein Ereignis innerhalb der Geschichte. Historische Zeugnisse gehen ins kollektive Gedächtnis ein und konstituieren dadurch die Gemeinde. Sie bekennt sich zu bestimmten Personen, die in der Vergangenheit wirkten, etabliert auf diese Weise eine Gemeinschaft mit dieser Person und grenzt sich so auch von anderen ab, die dieses Verhältnis nicht teilen. Zu diesen Personen gehörten Märtyrer und Asketen, die aufgrund ihres Lebenswandels der Gemeinschaft als verehrungswürdige Heilige erschienen. Im Zuge des Auseinanderdriftens der theologischen Positionen und besonders durch den Kampf einiger Bischöfe um den rechten Glauben und die rechte Christologie traten nun auch Theologen in die Reihe dieser Heiligen ein, durch die sich eine Gemeinde ihres Glaubens versicherte. Während bei den früheren Heiligen ihr Lebenswandel ihre Heiligkeit auszeichnete, kam nun das rechte Bekenntnis als Kriterium hinzu. Dabei wurden auch Bischöfe in den Kreis der Verehrten aufgenommen, die nicht in der eigenen Gemeinde wirkten oder eine sonstige Verbindung zu ihr hatten. Augenfällig wird dies an den Beispielen Kyrills von Alexandreia und Leos von Rom, die unter den Anhängern Chalkedons zu Maßstäben der Orthodoxie wurden und auch in Konstantinopel in die Diptychen eingefügt wurden.156 Durch die symbolische Bedeutung, die diese beiden verstorbenen Bischöfe in der Geschichte und im Kampf um den rechten Glauben einnahmen, gingen sie ins kollektive Gedächtnis auch räumlich entfernter Gemeinden ein. Und durch ihre Kommemoration im Gottesdienst schufen sie für Gläubige die Möglichkeit, auch zu ihnen, obwohl sie bereits lange verstorben waren, eine Art persönliche Beziehung und ein Treueverhältnis aufzubauen. Die Liste der Diptychen konnte dabei mit der Zeit sehr lang werden. In einigen heutigen byzantinischen Kirchen etwa kann ihre Verlesung während des großen Einzugs mehrere Minuten dauern und nimmt einen wichtigen Platz in der Volksfrömmigkeit ein.157 Die Treue zu den entsprechenden Verehrten weist die eigene Rechtgläubigkeit aus, ohne dass man selbst den Streit um das rechte Bekenntnis auf der theologischen Ebene nachverfolgen kann. Dadurch können theologische und kirchenpolitische Positionen vermittelt und eingenommen werden, 154 Vgl. Epistulae synodi Tyri a. 518 (CPG 9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85) hier S. 84, Z. 18–32. 155 Vgl. TAFT, Diptychs, S. 191. 156 Die Einfügung Leos in die Diptychen wurde 518 von einer Volksmenge in der Hagia Sophia gefordert und kurz darauf von der synodos endemousa beschlossen. Zu den Ausrufen der Volksmenge vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60– 77) hier S. 75, Z. 3–4; zu dem Beschluss der Synode S. 64, Z. 1–7. 157 Vgl. TAFT, Diptychs, S. 165 f.
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ohne dass der Gläubige theologische Argumentationen verstehen können muss. Auf diese Weise band man Laien in die Streitigkeiten mit ein, die mit Traktaten und anderen Schriften ansonsten auf einer Ebene geführt wurden, auf der einfache Gläubige in der Regel nicht folgen konnten. 2.2.3 Die Diptychen im Patriarchat von Antiocheia – Die Grenzen der Veränderung der Namenslisten Die Beantwortung der Frage, wer nun in die Diptychen eingefügt oder herausgestrichen werden solle, erwies sich deshalb als eine delikate Angelegenheit. Denn ein unüberlegtes Vorgehen in dieser Sache konnte zu Unruhen im Volk führen. Dies war auch Severos von Antiocheia bewusst, weshalb er sich in Briefen mehrmals dazu äußerte und Handlungsanweisungen gab, wie an verschiedenen Orten vorzugehen sei. Prinzipiell war er dagegen, Chalkedonier in den Diptychen zu belassen, und beauftragte die Bischöfe Epiphanios und Symbatios, Chalkedonier aus den Diptychen zu entfernen.158 Ebenso berichtet Severos in seinem Brief an Solon von Seleukeia in Isaurien, dass die Bischöfe, die von ihm geweiht worden waren, in Isaurien alle Bischöfe aus den Diptychen strichen, die unter dem Verdacht standen, Anhänger Chalkedons zu sein.159 An anderer Stelle gibt Severos jedoch an, dass es schwer umzusetzen sei, die Diptychen aller Kirchen von chalkedonischen Bischöfen zu befreien, und mahnt, dass nichts gegen den Frieden der Kirchen unternommen werden solle. 160 Er ruft dazu auf, nicht unnötigerweise über Namen zu streiten und auf diese Weise Spaltungen innerhalb der Kirche hervorzurufen. Diesen pragmatischen Kurs versuchte er mit biblischen Zeugnissen und Beispielen aus der Vergangenheit zu rechtfertigen. So wurden aus diesem Grunde auch die Bischöfe, die an der Synode von Ariminum teilnahmen und dort ein Glaubensbekenntnis verabschiedeten, das mit dem Glauben der 318 Väter von Nikaia im Gegensatz stand, in den Diptychen belassen, nachdem der rechte Glaube gesiegt hatte. Auch Kyrill und Timotheos hätten Häretiker in den Diptychen toleriert. So ließ Kyrill in seinem Brief an Proklos von seiner Forderung ab, Theodor von Mopsuestia aus den Diptychen zu streichen, um nicht den Frieden in den Kirchen zu gefährden. Ferner wurde die Rechtgläubigkeit der Gläubigen von Ephesos nicht in Zweifel gezogen, obwohl bis zur Ankunft Kyrills, der Arianer Eusebios Pamphilios dort in den Diptychen enthalten war, bevor Kyrill seinen Namen herausstreichen ließ. Severos erklärt, dass man zur Not den Namen eines Häretikers in den Diptychen tolerieren kann, solange die Gläubigen der Gemeinde und Provinz rechten Glaubens sind. Denn ihr Glaube zusammen mit der Fülle der Namen der Rechtgläubigen in den Diptychen wirke sich reinigend aus und neutralisiere die schädliche Wirkung einzelner häretischer Namen. 158 Vgl. Selected Letters, I, 19, S. 67–70, hier S. 68. 159 Vgl. Selected Letters, I, 3, S. 16–23, hier S. 20. 160 Vgl. SEV., Ep. 40, S. 305 (PO 58).
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Er beruft sich auf das biblische Wort Lev 11, 24–26, wonach Schmutz, der in ein kleines Wassergefäß tritt, das Wasser verschmutzt, jedoch Schmutz, der in eine Quelle oder Zisterne gelangt, diese nicht verschmutzt, weil sie von den Strömen des Wassers gereinigt werden.161 Severos erhält mit dieser Rechtfertigung die Möglichkeit, bei den Diptychen kleinerer und einfacher zu kontrollierender Gemeinden alle Chalkedonier heraus zu tilgen, während er den Konflikt mit größeren Gemeinden, die ihren chalkedonischen Bischöfen die Treue hielten, vermeiden konnte. Menze weist darauf hin, dass Severos sich während der Abschrift dieser Briefe am Höhepunkt seines Einflusses befand und vermeiden wollte, dass der langsame Erfolg der Miaphysiten bei der Durchdringung des Patriarchats durch Bischöfe bedroht würde, die mit ihrem Übereifer in der Frage der Diptychen Unruhe in einigen Städten provozieren konnten.162 In seiner eigenen Stadt ließ es sich Severos freilich nicht nehmen, seinen Vorgänger Flavian auch trotz dessen Beliebtheit herauszustreichen.163 Philoxenos von Mabbug, die andere Führungsfigur der Miaphysiten, berief sich in der Frage der Diptychen wie Severos auf Kyrill von Alexandreia. Dies hinderte ihn andererseits nicht daran, Johannes von Antiocheia oder Kyrrhos, Diodor von Tarsos, Theodor von Mopsuestia, Theodoret von Kyrrhos, Andreas von Samosata, Ibas von Edessa und Alexander von Mabbug aus den Diptychen in Mabbug zu streichen. 164 Im chalkedonisch gesinnten Apameia, wo Severos den Miaphysiten Petros als Bischof einsetzte, wurden nicht nur chalkedonische Bischöfe herausgestrichen, 161 Zum Verweis auf Lev. 11, 24–26 vgl. SEV., Ep. 44 an den Grammatiker Urban, S. 310–312 (PO 58) und SEV., Ep. 45 an Soterichos von Kaisereia in Kappadokien, S. 313–315 (PO 58). Im Brief an Soterichos ist auch der Verweis auf Kyrills Duldung des Theodor von Mopsuestia in den Diptychen enthalten. Dazu siehe ebenfalls den Brief an Hippokrates Scholastikos, vgl. SEV., Ep. 46, S. 316–321 (PO 58). Im Brief an Urban ist der Verweis auf die 318 Väter und die reinigende Kraft der rechtgläubigen Gemeinde enthalten. Zu den Bischöfen, die an den ökumenischen Synoden teilnehmen konnten, obwohl sie zuvor an anderen verurteilten Synoden teilgenommen hatten, vgl. S EV., Ep. 41 an Musonios von Meloe in Isaurien, S. 306–307 (PO 58). 162 Vgl. MENZE, Justinian, S. 80. 163 Nach der Absetzung des Severos 518 fordert deshalb Epiphanios von Tyros in seinem Brief an Johannes von Konstantinopel und die synodos endemousa, Flavian wieder in die Diptychen Antiocheias einzufügen, vgl. Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85) hier S. 84, Z. 22–24. 164 Vgl. den Brief des Philoxenos an die rechtgläubigen Mönche S. 217 (L EBON) zum Verweis auf Kyrill und S. 218 für die Streichung der erwähnten Bischöfe aus den Diptychen. Menze weist an dieser Stelle darauf hin, dass bis zu diesem Zeitpunkt anscheinend unter den Vorgängern des Philoxenos in Mabbug niemand an diesen Namen Anstoß genommen hatte, obwohl sich unter ihnen sogar mit Alexander ein offener Anhänger des Nestorios in den Diptychen befand, der für seine Weigerung, Nestorios zu verurteilen, abgesetzt worden war. Stephanos von Mabbug, der an der Synode von Chalkedon teilnahm, wurde jedoch von Philoxenos in den Diptychen belassen. Menze vermutet, dass Philoxenos womöglich den Zorn seiner eigenen Gemeinde gefürchtet habe, wenn er einen ihrer verstorbenen Bischöfe aus der Namensliste streichen würde, vgl. MENZE, Justinian, S. 81. Zu Alexander vgl. HONIGMANN, Évêques, S. 66 f. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass Philoxenos Alexander von Mabbug aus den Diptychen strich, die Streichung eines heimischen Bischofs also nicht per se unmöglich war.
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sondern die alexandrinischen Bischöfe Dioskoros und Timotheos in die Diptychen eingefügt, was bei den dortigen Klerikern großen Anstoß erregte. Dies war eines der vielen Vergehen des Petros, die später zu seiner Absetzung gegen ihn ins Feld geführt werden sollten. Nach seinem Sturz wurde deshalb gefordert, die Diptychen in ihrem ursprünglichen Zustand, als Isaak Bischof Apameias war, wiederherzustellen.165 Durch das Herausstreichen der Chalkedonier aus den Diptychen sollten diese aus dem kollektiven Gedächtnis der Gemeinden gelöscht werden. Der Kampf um den wahren Glauben wurde dadurch auch zum Kampf über die Vergangenheit und deren rechter Deutung. Da sich das Selbstverständnis der Gemeinde durch die Reihe der Bischöfe konstituiert, derer sie gedenkt, kann, wer die Kontrolle über die Diptychen ausübt, auch die Identität und Ausrichtung der Gemeinde prägen. Diesem Einflussvermögen sind jedoch auch Grenzen gesetzt. Ein Identitätswechsel einer profilierten Gemeinde konnte sich nur langsam vollziehen und nicht mit Gewalt erzwungen werden. Eine zu radikale Veränderung der Diptychen musste entsprechend zu Widerstand führen, wie im Fall der Stadt Apameia. Auch mussten Veränderungen im Gottesdienst zumindest ein gewisses Maß an Akzeptanz im Klerus und der Gemeinde besitzen, damit nicht die Änderungen, die ein Bischof vornahm, nach seiner Absetzung oder seinem Ableben wieder rückgängig gemacht wurden. Ein Beispiel dafür wäre die Wiedereinführung Theodorets in die Diptychen in Kyrrhos 518, dem zu Ehren die Stadt sogar eine Prozession veranstaltete. Ein weiterer Fall eines chalkedonischen „Rollback“ trat auch in Konstantinopel ein, wo das Volk und die Mönche Konstantinopels und die Bischöfe des Patriarchats erwirkten, dass Euphemios und Makedonios in die Diptychen eingefügt wurden. Diese Forderung speiste sich aus dem chalkedonischen Bewusstsein der Hauptstadt und hängt mit den Bildern der beiden verbannten Bischöfe zusammen, die als Verteidiger Chalkedons ins kollektive Gedächtnis der Stadt eingegangen waren. Gleichzeitig sollten ihre Fälle zeigen, dass eine Gemeinde sehr wohl zu einem gewissen Grad bereit war, geliebte Bischöfe in den Diptychen aufzugeben, solange dadurch nicht ihr chalkedonisches Selbstverständnis angetastet war. 165 Zum Herausstreichen von Chalkedoniern durch Petros vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier, S. 94, Z. 10–12. Er verurteilte die chalkedonischen Bischöfe Apameias und ließ ihre Namen aus den Diptychen entfernen. Zudem wurde ihm vorgeworfen, an Stelle der chalkedonischen Väter der Gemeinde die Namen des Dioskoros und Timotheos in die Diptychen eingefügt zu haben, was das Andenken des Kirchenvolks erschwert hatte, vgl. ebd. S. 94, Z. 19–21. Meiner Meinung nach spricht aus dieser Stelle der Ärger, den die Tat des Petros bei den Chal kedoniern auslöste. Gerade das Einschreiben des Miaphysiten Timotheos Ailuros, der nicht einmal eine Verbindung mit Apameia hatte, ist sehr auffällig und wird der Gemeinde sehr aufgestoßen sein. Menze hingegen deutet dies anders und meint, hierin einen Beleg zu sehen, dass die Kommemorierung großer Miaphysiten für Chalkedonier kein unüberschreitbares Hindernis darstellte, vgl. MENZE, Justinian, S. 83. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass von der Einfügung des Dioskoros und Timotheos in die Diptychen im Rahmen eines Katalogs aller Vergehen und Skandale des Petros von Apameia berichtet wird. Die Tat des Petros wurde also eben nicht geduldet, sondern als Vergehen an der Kirche betrachtet. Zur Wiederherstellung der Diptychen im vorherigen Zustand, ebd., vgl. S. 104, Z. 15–19.
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So wurden etwa Euphemios und Makedonios nach kurzer Zeit wieder aus den Diptychen entfernt, um die Gemeinschaft mit Rom wiederherzustellen. Dies war deshalb möglich – wenn auch nicht ohne Vorbehalt 166 –, weil die chalkedonische Identität Konstantinopels dadurch nicht in Frage gestellt wurde. Denn die Gemeinschaft mit Rom übernahm nun diese Funktion und versicherte der Kaiserstadt auf diese Weise ihrer Rechtgläubigkeit beziehungsweise Chalkedontreue. 2.2.4 Der chalkedonische Widerstand in Phönizien Am 3. April 513 hielt Severos seine erste Katechese, die sich als gemäßigt miaphysitisch erwies und allzu deutliche Formulierungen aussparte. Möglicherweise war dies beabsichtigt, da der Staurotheis-Aufstand in Konstantinopel nicht lange zurücklag und er zu diesem Zeitpunkt wohl nicht unnötig provozieren wollte. 167 Im Frühling 513 versammelte Severos die Bischöfe des Patriarchats auf einer Synode in Antiocheia, um nun endlich die offene Anerkennung seiner Bischöfe zu erhalten. Die Mehrheit unterschrieb sein Glaubensbekenntnis und sein Anathema gegen Chalkedon und gegen den Tomus Leonis.168 Jedoch gelang es Severos nicht, alle Bischöfe seines Patriarchats auf seine Seite zu ziehen. So verweigerten sich ihm Epiphanios von Tyros, der Bruder Flavians von Antiocheia, Julian von Bostra, Petros von Damaskus und weitere Bischöfe.169 Severos reagierte darauf, indem er Epiphanios verbot, Weihen durchzuführen und ihn nach Antiocheia einbestellte. Nachdem aber Epiphanios der Forderung des Severos nicht nachkam, wurde er von ihm exkommuniziert. Hiervon setzte Severos die Bischöfe in Phönizien mit einem Brief in Kenntnis und verlangte, dass sie ihm ein Psephisma mit drei Namen schicken sollten, aus dem dann ein neuer Bischof für Tyros ausgewählt werden sollte. Ferner dürfe Epiphanios nicht mehr bei der Erstellung von Psephismata für die Weihe anderer Bischöfe miteinbezogen werden. Der Brief wurde von den Diakonen Thomas und Basileios überbracht, die gleichsam überwachen sollten, dass die Kleriker sich an die Forderungen des Severos hielten. Für den Fall ihres Ungehorsams drohte Severos den phönizischen Bischöfen mit der 166 Die Spannungen in dieser Frage dürfen nicht unterschätzt werden. Bereits Euphemios wies darauf hin, dass die römische Forderung nach Streichung des Akakios und seiner Nachfolger aus den Diptychen zu Unruhen führen könne, vgl. GELASIUS, Epistula ad Euphemium, in: SCHWARTZ, Sammlungen, S. 49–55. Die Befürchtung des Euphemios geht aus dem Brief des Gelasius an Euphemios hervor: „quae etiam uos rationabiliter intuentes creditis opponendum populum Constantinopolitanum non permittere submoueri nomina perfidorum.“ Ebd., S. 55, Z. 2–4. 167 Zum möglichen Zusammenhang mit dem Staurotheis-Ausfstand vgl. A LPI, Route, S. 219. Zur Charakterisierung der Katechese als mögliche „politique de la patte de velours“ siehe G RIBOMONT, Catéchèse, S. 130. 168 Timotheos von Konstantinopel erkannte die Verurteilung Chalkedons nicht an, vgl. G RUMEL, Regestes, S. 146, Nr. 201. 169 Vgl. Den Brief an Alkison bei EVAGR., HE, III, 33, S.132–133 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Zur Opposition des Epiphanios und Julian vgl. ebenfalls. P S-ZACH, Vita,158, S. 114 (KUGENER).
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Exkommunikation.170 Zu seinem Ärger hielten die meisten Bischöfe der Provinz jedoch zu Epiphanios und Severos konnte lediglich im Norden Phöniziens Fuß fassen, als er Stephanos von Orthosias auf seine Seite zog. Mit dessen Hilfe versuchte er seine Position auszubauen, indem er durch jenen in Phönizien eigene Bischöfe weihte. Dies geht aus dem Brief des Epiphanios von Tyros an Johannes II. von Konstantinopel hervor. Anscheinend ließ er durch Stephanos von Orthosia für die Stadt Antarados einen neuen Bischof weihen, obwohl der dortige Bischof Theodosios noch am Leben war und den Bischofsstuhl inne hatte.171 In denselben Zusammenhang gehören wohl auch die Vorwürfe der chalkedonischen Bischöfe Phöniziens, denen zufolge Severos in unkanonischer Weise Chorbischöfe und Vorsteher einsetzte.172 Ferner hielt Marinos von Berytos zu Severos und war unter denen, die sein Glaubensbekenntnis unterschrieben. Auch Elias von Botrys und Stephanos von Tripolis gehörten zur Partei des Severos.173 Damit wurde der ganze Norden der Phoenicia Maritima mit Ausnahme von Antarados durch Miaphysiten geleitet. 174 Einige Kleriker der Stadt Tyros bekannten sich ebenfalls zu Severos und wurden daraufhin von Epiphanios exkommuniziert.175 Trotz seines Widerstands gegen Severos konnte Epiphanios jedoch anscheinend bis zum Jahr 515 in seiner Stadt verbleiben, wozu möglicherweise der 170 Vgl. Selected Letters, I, 31, S. 96–98. 171 Vgl. Epistula synodi Hierosolymitanae a. 518 (CPG 9301; 9329 (7)) (=ACO III, S. 77–80), hier S. 82, Z. 2–5. 172 Vgl. Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85) hier S. 81, Z. 36 – S. 82, Z. 1. 173 Entsprechend feindselig äußerte sich das Volk in Tyros über ihn: „Elias von Botrys, den Brotbäcker stürze jetzt! Sende einen Bischof an seine Stelle dort hin; wirf häretische Bischöfe hinaus!“ ACO III, S. 86, Z. 17–19: „stürze den Botryer wie einen Manichäer! Die Stadt will keine ägyptischen Holzhändler!“ Ebd., S. 86, Z. 25; und schließlich nochmal „stürze Elias von Botrys!“ Ebd., S. 89, Z. 3. Was der Beiname Brotbäcker bedeutet, ist unklar. Möglicherweise schaffte er das Brot herbei, dass in den miaphysitischen Nebengottesdiensten des Vorstehers Johannes in Tyros verwendet wurde. Elias wird einzig in den Akten der Synoden 518 erwähnt, vgl. DEVREESSE, Patriarcat, S. 198. Zu den Nebengottesdiensten siehe Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85) hier S. 83, Z. 2–3: „Dabei wagte er auch Nebengottesdienste und Nebentaufen zu veranstalten“ Die Bezeichnung des ägyptischen Holzhändlers ist unklar. Zu Stephanos von Tripolis vgl. Selected Letters, I, 9, S. 44–46. Stephanos wandte sich an Severos und fragte, ob ein gewisser Presbyter Stephanos ein Empfehlungsschreiben bräuchte, um von ihm aufgenommen zu werden. Betreffs des Marinos von Berytos vermutet Alpi, dass die traditionelle Konkurrenz zwischen Berytos und Tyros eine Rolle für die Haltung des Marinos gespielt haben könnte, vgl. ALPI, Route, S. 236 f. 174 Doch während der Bischof Theodor von Antarados gegen Severos war, weshalb Severos begann für das dortige Gebiet eigene Männer zu weihen, schien Severos zumindest mit Johannes, dem Comes von Antarados ein gutes Verhältnis gehabt und in brieflichem Kontakt mit ihm gestanden zu haben, vgl. Selected Letters, IV, 6, S. 263–266. 175 Vgl. Selected Letters, IV, 2, S. 363–364. Severos erklärt diese Exkommunikation für nichtig. Von einer miaphysitischen Präsenz in Tyros zeugen ebenfalls die Briefe, in denen Severos seinen tyrischen Glaubensgenossen erklärte, wieso Dioskoros Eutyches annahm, vgl. SEV., Ep. 32, S. 266–267 (PO 58) und S EVEROS, Lettre aux frères orthodoxes qui se trouvent dans la ville de Tyr, S. 525–528 (LEBON).
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Aufstand Vitalians beitrug. Anastasios, der mit Vitalian verhandelte, hatte kein Interesse daran, diesen zu brüskieren, indem er den Chalkedonier und noch dazu Bruder des Taufpaten Vitalians absetzte.176 Nachdem die nördlichen Suffragane des Epiphanios von ihm abgefallen waren und sich Spannungen mit den Miaphysiten in der eigenen Stadt verstärkten, griff er offen Severos an und bezeichnete diesen als Eutychianisten.177 Womöglich auf Druck Vitalians forderte nun Anastasios dann Severos dazu auf, sich wieder mit Epiphanios zu versöhnen, was Severos vehement ablehnte. In einem Brief an den Kämmerer Amantios begründete er seine Weigerung, wieder die Gemeinschaft mit Epiphanios aufzunehmen Er schloss dies selbst für den Fall aus, dass Epiphanios sich zu Severos bekehren sollte.178 Die Stimmung war zu vergiftet. Nach der Niederlage Vitalians gegen Musonios von Apameia wurde Epiphanios schließlich auf einer Synode desselben Jahres von Severos abgesetzt. Der chalkedonische Widerstand im Patriarchat von Antiocheia bliebe aber nicht auf Phönizien beschränkt. 2.2.5 Der chalkedonische Widerstand in der Syria II Während Severos in Phoenicia Maritima zumindest im Norden Fuß fassen konnte, stand ihm jedoch in der Syria II eine geschlossene chalkedonische Front gegenüber. Sowohl die Bischöfe als auch die Mönche der Provinz hielten zu Chalkedon und waren im Fall der Mönche selbst aktiv in die Streitigkeiten involviert. Erinnert sei an dieser Stelle an die Mönche, die nach Antiocheia zogen, um Flavian gegen die Miaphysiten um Philoxenos und Severos zu verteidigen. Unter den Mönchen in der Syria II gab es nur vereinzelt Miaphysiten und ihre Klöster standen unter dem Druck der Chalkedonier.179 Als 513 der Metropolit Isaak von Apameia starb, folgte ihm Stephanos. Dieser war vermutlich fortgeschrittenen Alters und starb nicht lange nach seiner Weihe ebenfalls.180 Er wurde dann vom Presby176 Vgl. ALPI, Route, S. 234. 177 Vgl. den Brief des Severos an den Grammatiker Sergios: S EVEROS, Epistula ad Sergium, S. 261 (182) (CHABOT). Zum Zusammenhang zwischen der Äußerung des Epiphanios und den Spannungen in Tyros und Nordphönizien vgl. ALPI, Route, S. 235. 178 Vgl. Brief des Severos an den Kämmerer Amantios, SEV., Ep. 51, S. 325–326 (PO 58). 179 So schloss Flavian das miaphysitische Kloster des Torgas in der Nähe Apameias und das Kloster Kefra de Bitra wurde Opfer der Maßnahmen Pauls des Juden. Zum Torga-Kloster vgl. den Brief des Jakob von Sarug an die Mönche des Klosters des Mar Bassus, in: M ARTIN, Letters, S. 152. Zu den Opfern Pauls des Juden vgl. M ICH. SYR., Chron., IX, 14, S. 266 (CHABOT) (frz. Übers., Bd. 2, S. 171). Zur Haltung der Bischöfe der Syria II zu Severos vgl. den Brief an Alkison (CPG 9176) bei EVAGR., HE, III, 33 S. 132–133 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Zwar unterschrieben die Suffragane Apameias das Bekenntnis des Severos, taten dies jedoch nur unter Druck und wandten sich danach wieder von ihm ab. Zur Unterschrift der Bischöfe unter das Glaubensbekenntnis vgl. ferner den Brief des Philoxenos von Mabbug an alle rechtgläubigen Mönche des Ostens, P HILOX, Lettre aux moines orthodox d’Orient, S. 8. (DE HALLEUX). 180 Alpi vermutet, dass der Prätorianerpräfekt Musonios von Apameia eine Rolle bei dessen Wahl gespielt haben könnte, vgl. ALPI, Route, S. 229.
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ter Kosmas beerbt. Diesem stand Severos jedoch ablehnend gegenüber, setzte ihn aber ein, nachdem sich andere für ihn eingesetzt hatten. Bei Kosmas handelte es sich um einen Chalkedonier, dem Severos entsprechend Gotteslästerungen vorwarf.181 Deshalb setzte er noch zu dessen Lebzeiten seiner statt Petros als Bischof von Apameia ein. Der Umstand seiner Weihe sollte sich jedoch für Petros als Hypothek erweisen, da die chalkedonischen Bischöfe und Kleriker der Syria II ihn nun nicht nur seines miaphysitischen Bekenntnisses wegen ablehnten, sondern auch seine Weihe als unkanonisch betrachteten.182 Auch das rasche Ableben des Kosmas nach seiner Absetzung durch Severos und der Weihe des Petros konnte die Position des Petros nicht verbessern. Dieser nahm als einziger Bischof der Syria II an der Synode in Antiocheia 515 teil und berichtete dort, dass sich seine Suffragane weigerten die Gemeinschaft mit ihm aufzunehmen. Er ersuchte deshalb Severos um Erlaubnis, Disziplinarmaßnahmen gegen diese einleiten zu dürfen. Daraufhin schrieb Severos an die Bischöfe der Syria II, um ihnen eine Chance zur Umkehr zu geben.183 In einem Brief an den magister officiorum beklagte Severos, wie die Bischöfe von Epiphaneia, Arethusa und Rephania sich weigerten, seine Einladung zur Synode anzunehmen, die er in der Hoffnung an sie schickte, dass sie dann dort – getrennt von den Archimandriten ihrer Provinz – nun ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren und wenn möglich auch die anderen Bischöfe der Provinz zur Aufgabe ihres Widerstands gegen ihn überreden würden. Hierin wird deutlich, dass Severos anscheinend vor allem in den Klöstern das Herz des chalkedonischen Widerstandes erblickte. Die Bischöfe fassten jedoch als Reaktion auf die Einladung des Severos ein Dokument ab, in dem sie ihn und die Synode angriffen und den dort Versammelten absprachen, Bischöfe zu sein. Severos beantwortete die Aktion der Bischöfe nun seinerseits mit deren Absetzung und bat in dieser Sache auch den magister officiorum um Hilfe.184 Derweil ver-
181 182
183 184
Musonios zeigte sich interessiert an den kirchlichen Angelegenheiten in Apameia und bat etwa auch darum, einen bestimmten Mann als Diakon in Apameia anzunehmen, vgl. Selected Letters, VI, 6, S. 380–382. Vgl. SL, I, 11, S. 47–52. Dies geht aus einem Brief des Severos an den Archimandriten Bassos hervor. Eine Anerkennung des Kosmas als rechtmäßigen Bischof Apameias lehnte Severos ab und verwies dazu auf seinen Tod, der anscheinend bald nach seiner Absetzung erfolgte, vgl. Selected Letters, I, 11, S. 48–54. Dazu, dass die Wahl des Petros nicht anerkannt wurde, siehe den Brief der Bischöfe der Syria II an die Synode in Konstantinopel 518. Dort bezeichnen sie Petros als „Gottlosen, der den Vorsitz der Stadt der Apameer wider das Kirchenrecht geraubt hat“ Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 91, Z. 16–17. Ferner vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriaee (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90– 110) hier S. 95, Z. 17–18. Vgl. Selected Letters, I 20, S. 70–73. Vgl. Selected Letters, I, 21, S. 73–75. Beim abgefassten Dokument handelt es sich wahrscheinlich um das Absetzungsschreiben, das nach Evagrios Scholastikos von Kosmas von Epiphania und Severianos von Arethusa an Severos geschickt und vom Diakon Aurelian von Epiphaneia überbracht wurde, der sich dazu als Frau verkleidete, um unerkannt die Stadt verlassen zu können. Anastasios schickte auf Betreiben des Severos daraufhin den dux Asiatikos (PLRE II, Asiaticus, S. 164) los, um die Bischöfe Kosmas und Severianos abzusetzen, vgl.
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sammelten sich in Konstantinopel wohl im Zusammenhang mit der geplanten Synode in Herakleia mehrere Bischöfe und sollten nach Willen des Kaisers Chalkedon insoweit aufnehmen, als dass es Nestorios und Eutyches verurteilt habe, womit Anastasios womöglich Vitalian und Rom entgegenkommen wollte. Ferner schrieb der Kaiser an Severos, damit dieser die Absetzung der Bischöfe der Syria II zurücknehme, woraufhin dieser ihm jedoch erklärte, dass zuerst die Bischöfe die Gemeinschaft mit ihm wieder aufnehmen müssten, bevor sie dann von einer Synode wieder eingesetzt werden könnten.185 Anastasios versuchte wohl Severos zu beschwichtigen, weil ihm daran gelegen war einen größeren Aufruhr in Syrien zu vermeiden, der wohl ohne Zweifel ausgebrochen wäre, wenn er versucht hätte, die syrischen Bischöfe mit Gewalt aus ihren Städten zu vertreiben. Ferner widersprach eine solch harte Maßnahme dem Kurs des Kaisers, der, wie seine Forderung an die Bischöfe Konstantinopels zeigte, immer noch die Wiederherstellung der Kircheneinheit zwischen Miaphysiten und Chalkedoniern als Ziel hatte und nicht die Verdrängung der Chalkedonier. Der Druck, den Vitalian erzeugte, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht besiegt war, wird sein Übriges dazu beigetragen haben, dass Anastasios nichts unternahm, was die Chalkedonier unnötig provoziert hätte. Ferner stand auch die weltliche Gewalt in Syria II auf der Seite der Chalkedonier. So nahm der Statthalter Apameias Eutychianos an einem Fest zu Ehren eines Märtyrers teil, das vom abgesetzten Bischof Kosmas von Apameia gefeiert wurde.186 Die Situation war also ziemlich vertrackt und der Kaiser war wohl weder Willens noch ohne weiteres fähig, die Situation im Sinne des Severos zu lösen. Zur deutlichen Frontstellung der syrischen Bischöfe und Kleriker gegen Petros trugen anscheinend auch dessen konfrontatives Verhalten und sonstige fragwürdige Aktionen bei. So strich er zum Ärger der Chalkedonier chalkedonische Namen aus den Diptychen heraus – darunter wahrscheinlich auch den Namen des LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 120, Nr. 348. Als dieser dort deren Rückhalt in ihren Städten sah, teilte er dem Kaiser mit, dass sich die Bischöfe nicht ohne Blutvergießen absetzen ließen, weshalb Anastasios seinen Befehl zurücknahm, vgl. L OUNGHIS/BLYSIDU/ LAMPAKES, Regesten, S. 120, Nr. 349 und Severos zu einer Rücknahme seiner Exkommunikation bewegen wollte. EVAGR., HE III, 34, S. 133–134 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Die Bischöfe versammelten sich in Konstantinopel wohl anlässlich der Synode von Herakleia, die jedoch nie stattfand. Auch Philoxenos berichtet in seinem Brief an die rechtgläubigen Mönche, dass die Bischöfe der Syria II Severos die Gefolgschaft verweigerten, vgl. P HILOX, Lettres au moines orthodoxes d’Orient, S. 8 f. (DE HALLEUX). 185 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 123, Nr. 367; ferner vgl. Selected Letters, I, 24, S. 83–85. Der Boykott der Bischöfe der Syria II stellte Severos vor große Probleme, weil die Patriarchatssynoden essenziell für die Regierung des Patriarchats waren, vgl. A LPI, Correspondances, S. 342. Und je weniger Bischöfe Severos unterstützten, desto geringer war seine Legitimität. Dasselbe Problem trat schon bei seiner Weihe auf und konnte erst mit der Einberufung einer Synode behoben werden. 186 Vgl. Selected Letters, I, 44, S. 123–125. Severos spricht nur von „one of those who have been deprived and stripped from the high-priestly office” Es muss sich dabei, um Kosmas handeln, der bis zu seinem Tod von den Chalkedoniern als rechtmäßiger Bischof Apameias angesehen wurde.
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Kosmas – und trug stattdessen Dioskoros und Timotheos von Alexandreia ein. 187 Während die Eintragung anderer Patriarchen in den Diptychen bei Patriarchenstühlen üblich war, war ein solcher Akt bei einem einfachen Metropolitansitz eher ungewöhnlich und zeugt von einem besonderen Eifer bei Petros. Vielleicht war dies auch eine Reaktion auf den Widerstand, auf den er in der eigenen Stadt stieß. Gemäß einem Bericht, den die chalkedonischen Kleriker anlässlich der Absetzung des Petros anfertigten, wurde er gegenüber dem Oikonomos Eustathios und einigen seiner Kleriker ausfällig.188 Ferner soll sich Petros lasterhaften Verhaltens gegenüber Frauen schuldig gemacht haben. So brachte er eine Schauspielerin namens Stephani mit Beinamen Petrobolos in sein Kloster und verbrachte angeblich den größten Teil jeden Tages damit, ihr nachzustellen. Selbst Severos soll Verdacht geschöpft haben und geplant haben, sich nach Apameia zu begeben, um der Sache auf den Grund zu gehen.189 Petros soll ferner unedle Frauen (zumindest aus Sicht des chalkedonischen Klerus), die der Taufe unwürdig waren, getauft haben. Unter ihnen befand sich eine weitere Schauspielerin namens Maria aus Emesa.190 Und auch der Frau eines Soldaten soll Petros nachgestellt haben.191 2.2.6 Eskalationen der Gewalt in der Syria II Neben den Spannungen in Apameia kam es aber auch zu blutigen Zusammenstößen zwischen den chalkedonischen Mönchen und ihren vermutlich ebenso mönchischen miaphysitischen Gegnern. Eine große Gruppe chalkedonischer Mönche der Syria II pilgerte zum Heiligtum des heiligen Symeon, das sich in der Syria I befand. Auf dem Weg dorthin wurden sie überfallen, wobei 350 Mönche den Tod fanden und unbestattet an der Landstraße entlang verteilt wurden. Die ausführlichste Version dieses Berichts befindet sich im Brief der Mönche an den Patriar187 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 94, Z. 10–20. 188 Zum Verwalter Eustathios soll Petros geschrien haben: „Möge Gott alle Kirchen und Altäre niederbrennen und einen einzigen Steinhaufen machen“ Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 95, Z. 2 f. Mit einigen Lektoren kam es zu Streitigkeiten, weil Petros einige dieser gegen ihren Willen zu Subdiakonen weihen wollte, vgl. ebd., S. 99, Z. 3–6. 189 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 95, Z. 9–11. 190 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 98, Z. 21–22. Es ist jedoch schwierig, zu erfassen, wie belastbar die Angaben sind, die die chalkedonischen Kleriker hier machen oder wie weit die Darstellung der Kleriker schlicht polemischen Topoi folgt. 191 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 96, Z. 24–29. Dies sind die einzigen namentlich erwähnten Frauen, doch führte Petros allgemein nach den Berichten der Chalkedonier ein anstößiges Leben: „Er hielt mit Dirnen Festgelage ab, die zu ihm in der Art passten, wie er mit ihnen ein ausschweifendes Leben führte. Denn sie waren Huren und ganz und gar nicht edel.“ Ebd. S. 107, Z. 16–17.
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chen Menas, wo die Tat zum heidnischen Menschenopfer des Severos stilisiert wird:192 Sie riefen nämlich eine Menge der frevlerischen, räuberischen Juden zusammen und setzten sie auf jene ehrwürdigen Männer an, sie wurden dazu [dorthin] gesandt und deren unmensch liche Helfer lauerten den genannten frommen Männern auf dem Weg auf und bei deren Ankunft richteten sie sich von ihrem Hinterhalt auf und kamen plötzlich herbei und verschonten nicht einmal die Greise. Eine Tat des Dolches taten sie ihnen – es waren ungefähr 350 an der Zahl – und zerstreuten ihre Glieder entlang der Landstraße. Weder haben sie den ehrwürdigen Überresten jener eine Bestattung gegeben, noch haben sie ihre mönchischen Lager verschont. Zur Verachtung des gläubigen Volkes veranlassten diese damals dieses ruchlose Werk der Juden. Und nicht erstaunlich ist es, wenn sie derartige Menschenopfer denen von ihnen darbieten, die den Dämonen dienen und am meisten [von ihnen] Severos, der auch heute noch nicht dem heidnischen Aberglauben entkommen ist.
Ein Bericht von diesem Anschlag ist ferner im Brief der syrischen Archimandriten und Mönche an Papst Hormisdas enthalten. Darin beklagen sie sich zudem darüber, dass sie beim Patriarchen Timotheos betreffs dieser Sache auf taube Ohren gestoßen seien. Als Reaktion darauf nahmen sie nun mit Rom die Gemeinschaft auf, die seit dem Ausbruch des Akakianischen Schismas aufgehoben war. Sie erkannten den Papst als „das Haupt aller“ an und verurteilten nun neben den Miaphysiten ebenfalls Akakios und all seine Anhänger.193 Nachdem, wie aus dem Brief an Hormisdas hervorgeht, eine mönchische Delegation eigens wegen dieser Sache nach Konstantinopel reiste, ist davon auszugehen, dass neben dem dortigen Patriarchen der Bericht über das Massaker auch andere Kleriker in der Stadt erreichte. Das Verhalten des Timotheos wird entsprechend dazu beigetragen haben, dass Rom verstärkt als Anlaufstelle für Anhänger Chalkedons gesehen wurde, weil man sich, wie es schien, im Zweifelsfall von Konstantinopel keine Hilfe versprechen konnte. Und so nimmt es nicht Wunder, dass sich 518 nach dem Herrschaftsantritt Justins die Bischöfe des Patriarchats von Konstantinopel unabhängig von ihrem Patriarchen organisierten, um einen chalkedonischen Kurswechsel und die Kircheneinheit mit Rom zu erwirken. In seinem Antwortbrief an die Mönche geht Hormisdas ebenfalls auf die Geschehnisse ein und lobt die Standhaftigkeit der Mönche.194 Der Brief der Kleriker 192 Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 40, Z. 2–11. Wer genau die Angreifer waren, wird nicht näher erläutert. Die anderen Berichte des Angriffs sprechen ebenfalls von Juden, womit wahrscheinlich Miaphysiten gemeint sind. Einzig der Brief der Mönche an die Kleriker Apameias spricht an, dass unter den Angreifern Mönche waren. Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 106, Z. 32–34. Zum Heidentum des Severos vor seiner Konversion vgl. A LLEN, Severos, S. 6. Severos selbst sprach 513 in einer in der Leontios-Kirche gehaltenen Predigt seine heidnische Vergangenheit an, vgl. SEV., Hom 27 (PO 36 (4)), S. 563 (CPG 7035). 193 Vgl. Coll. Avell. 139 S. 170, 5–6. Caspar bezeichnet den Brief als „flehendlichste[n] Hilferuf und die volltönendste Huldigung, die jemals aus dem Orient an das römische Papsttum ergangen war.“ CASPAR, Geschichte, II, S. 121. 194 Vgl. Coll. Avell. 140 beziehungsweise Epistulae Hormisdae papae ad Epiphaniam Cpolita-
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und Mönche Antiocheias an die synodos endemousa in Konstantinopel 518 und der Brief der Mönche an die Absetzungssynode von Petros in Apameia erwähnen den Anschlag auf die Mönche ebenfalls.195 Die genauen Hintergründe des Überfalls sind kaum zu erfassen. Alpi vermutet, dass die Miaphysiten beabsichtigten den Einfluss der Chalkedonier zu begrenzen und Petros zu diesem Zwecke die Mönche anstachelte. 196 Der dux Asiatikos zog sich wieder nach Emesa zurück, nachdem Anastasios seinen Befehl, die Bischöfe der Syria II zu vertreiben, zurückgenommen hatte. Deshalb konnte Petros von Apameia nicht mit dessen Hilfe rechnen, weshalb er sich womöglich an die miaphysitischen Mönche in Syrien wandte. Diese seien daraufhin aktiv geworden und hätten das Heiligtum in Telanissos eingenommen, das in der Nachbarschaft zum Symeon-Heiligtum lag. Die chalkedonischen Mönche holten zur Gegenoffensive aus und machten sich dann „von göttlichem Eifer bewegt auf den Weg zur Viehhürde des heiligen Symeon“197, wo es dann zum Zusammenstoß kam. Petros von Apameia, der ohne Rückhalt in der eigenen Stadt und Provinz war, habe sich also der miaphysitischen Mönche bedient, um gegen die widerspenstigen Chalkedonier in seinem eigenen Umfeld vorzugehen. Zwar ist die Rekonstruktion Alpis plausibel, doch muss die These mangels eines Quellenzeugnisses, das die Verbindung zwischen den miaphysitischen Angreifern und Petros glaubwürdig belegt, Spekulation bleiben. Zwar sehen alle Berichte der Chalkedonier die Verantwortung für den Angriff bei Severos und Petros, jedoch sind deren Anschuldigung wegen ihrer Feindseligkeit gegenüber den beiden mit Vorsicht zu genießen. Der Anschlag auf die Mönche auf dem Weg zum Symeon-Heiligtum war aber nicht der einzige blutige Zwischenfall. Es kam zu einem Angriff auf ein Kloster in Nikertai, von dem in der Synode 518 in Apameia berichtet wurde. Dieses wurde anscheinend zum wiederholtem Male angegriffen. Ein Teil der Mauer wurde untergraben, sodass die Angreifer so dort eindringen konnten. Einige Mönche sollen getötet, andere niedergeschlagen worden sein. Auch der Besitz des Klosters wurde num (CPG 9301; 9329 (5)) (ACO III, S. 52–56). Die Echtheit des Briefes an Hormisdas und seines Antwortbriefes verteidigt ALPI, Sévère, S. 138 gegen MOOSA, Maronites, S. 39–80. 195 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 60, Z. 27–31: „Und wie große Blutbäder der heiligen Mönche er verursachte, indem er diese Mordtat jüdischen Händen übergab, ist weder Euch, oh Frömmster, noch einem der Anderen verborgen geblieben. Die daliegenden Männer waren ein schrecklicher Anblick, die sich in asketischen Übungen bis zum Greisenalter bemüht hatten; nackt und unbestattet sind sie hingeworfen worden, über 300 waren es. Aus der Provinz Syria II waren sie aufgebrochen, die zerfetzten Leichname waren den Hunden und Raubvögeln ausgesetzt.“ Im Brief der Mönche an die Synode in Apameia ist auch von Verletzten und anderen Überlebenden die Rede: „Die einen aber töteten sie, die anderen schleppten sie als Gefangene weg, andere stellten sie splitternackt auf, andere, deren Gewand sie zerrissen hatten, führten sie, um ihr – wie sie jedenfalls meinten – lasterhaftes Leben anzuprangern, in einer Parade vor.“ Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 106, Z. 36 – S. 107, Z. 2. 196 Vgl. ALPI, Sévère, S. 143. 197 Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 39, Z. 39 – S. 40, Z. 1.
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nach Aussage der Mönche geraubt. Für all dies wurde wie gewohnt Severos verantwortlich gemacht.198 Ferner ging Petros von Apameia gegen das Kloster des Dorotheos vor und sperrte Mönche ins Gefängnis.199 Auch wurde das Kloster der Matrona von Isauriern angegriffen. Ebenso überfallen wurde ein Kloster in Oraga, 200 weil die dortigen Mönche Miaphysiten geworden waren, dann aber wieder zum Chalcedonense wechselten. Und auch in Larissa kam es zu Überfällen.201 Das Mönchtum zeigte sich in Syrien besonders fanatisiert und gewaltbereit. Bereits beim Sturz Flavians kam es zu Zusammenstößen. Die wenig kompromissbereiten Persönlichkeiten Severos und Petros waren nicht geneigt, die Situation zu entspannen. Im Gegenteil verurteilte Severos gleich zu Beginn seines Episkopats Chalkedon und exkommunizierte alle Bischöfe, die ihm nicht folgten, und versuchte ihre Absetzung mit weltlicher Gewalt durchzusetzen. Selbst als dies scheiterte, wich er nicht von seiner harten Haltung ab. Ohne die direkte Verurteilung Chalkedons war keine Gemeinschaft mit ihm zu erreichen. Selbst das Henotikon wurde als unzureichend angesehen und als Grundlage eines Glaubensbekenntnisses abgelehnt, wenn ein solches Bekenntnis nicht zugleich eine Verurteilung Chalkedons und des Tomus Leonis enthielte.202 Hinzu kam noch, dass die 198 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–10) hier S. 107, Z. 4–10. 199 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 107, Z. 14–19. 200 Zum Überfall der Isaurier: „Denn auch jetzt stecken noch die Pfeile der Isaurier, die ihm folgen und anhängen, drin und künden vom Übermaß der geschehenen Taten. Die Zerstörung der Türen jenes Klosters erlaubt denen, die es sehen, noch nicht, ohne Tränen vorbeizugehen.“ Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 107, Z. 20–23. Zu Oraga vgl. ebd., S. 107, Z. 26–31. Menze geht davon aus, dass es sich beim Wort Isaurier um eine Umschreibung für Söldner gehandelt habe, die eingesetzt worden waren, um von Mönchen verursachte Unruhen zu unterdrücken, vgl. MENZE, Justinian, S. 46. Es könnte sich aber auch um miaphysitische Mönche gehandelt haben, die aus Isaurien stammten und ausgezogen waren, um sich für ihren Glauben einszusetzen. Evagrios berichtet davon, wie die isaurischen Bischöfe mit trügerischen Argumenten von Severos und Philoxenos auf deren Seite gezogen wurden, vgl. EVAGR., HE, III, 31, S. 128 f. (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Auch standen isaurische Mönche den Chalkedoniern dermaßen ablehnend gegenüber, dass sie es anscheinend sogar für nötig hielten, dass Chalkedonier, die zum Miaphysitismus konvertierten, erneut getauft oder geweiht werden müssten, da es sich ja bei ihnen um Nestorianer und damit gemäß des Konzils von Ephesos um Anhänger Pauls von Samosata handelte, bei denen ja eine Neutaufe vonnöten sei. Sie baten deshalb in einem Brief an Severos um Klärung in dieser Frage. Der Patriarch widersprach den Mönchen jedoch und hielt Neutaufen oder auch Neuweihen für ehemalige Chalkedonier für unnötig. Er hielt die Frage für so wichtig – oder war die Frage schon öfters aufgekommen? –, dass er mehrere Kopien seines Antwortbriefes anfertigen ließ, um diese zirkulieren zu lassen, vgl. Selected Letters, V, 3, S. 283–286; ferner WOOD, King, S. 165. Zur Notwendigkeit von Neutaufen für Anhänger Pauls von Samosata siehe Kanon 19 (Nikaia 325), JOANNOU, I, 1, S. 40. 201 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 107, Z. 31–34. 202 Vgl. den Brief an einen Presbyter in Alexandreia.Vgl. SEV., Ep. 39, S. 295–305 (PO 58).
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miaphysitischen Mönche durch die Regeln des Philoxenos von Mabbug zum Kampf gegen Chalkedon mobilisiert und angestachelt wurden. Als Beispiele sollen hier die Kanones 1 und 8 genügen. Kanon 1: „A monk, who indeed, because of the present relaxes from zeal, is a partaker of Judas the treater.” Und Kanon 8: „A monk who at a time when war is necessary, on the pretext of the peace of the ministry remains silent, is a servant of Satan”203 Bei der Nennung des Judas handelt es sich um eine Anspielung auf Nestorius. Dieser wurde bei seinem Absetzungsurteil als neuer Judas adressiert.204 Das heißt, die Mönche, die sich nicht für den wahren Glauben einsetzten – das heißt seiner miaphysitischen Variante –, versäumten es, den Nestorianismus zu bekämpfen, und galten fortan für Philoxenos selbst als Nestorianer. Die chalkedonischen Mönche wiederum zeigten bei ihrem Aufmarsch zur Unterstützung Flavians 512, dass sie den Miaphysiten an Eifer in nichts nachstanden. Auch bei der Pilgerreise der Mönche zum Symeon-Heiligtum scheint nicht nur einfache Frömmigkeit eine Rolle gespielt zu haben.205 Die kirchenpolitischen Spannungen wurden aber auch durch die prekäre finanzielle Lage angeheizt. Diese rührte wohl von der allgemein schlechten wirtschaftlichen Situation der Provinz. Die Auswirkungen des Perserkrieges 502-505 waren wohl noch zu spüren206 und im Jahr 512 gab es eine schwere Dürre in Antiocheia.207 Entsprechend beklagte sich Severos über die finanziellen Lasten der Kirche.208 Severos beschreibt, wie er die Kirche bereits verschuldet von Flavian übernahm, den er dafür verantwortlich machte und dem er ferner an mehreren Stellen auch vorwarf, Ämter verkauft zu haben.209 Wegen der schlechten finanziel203 VÖÖBUS, Synodicon, S. 172. 204 Siehe das Urteil gegen Nestorios (CPG 8676) ACO I, 1, 2, § 63, S. 64: „Die heilige Synode, die durch die Gnade Gottes gemäß unserer gottesfürchtigsten und christusliebenden Kaiser in Ephesos zusammengekommen ist an Nestorios, den neuen Judas.” 205 Alpi geht davon aus, dass die Miaphysiten versuchten, das Symeon-Heiligtum ganz für sich zu vereinnahmen und den Chalkedoniern den Zugang zu ihm abzuschneiden. Bei der darauf folgenden Pilgerschaft der chalkedonischen Mönche, von denen dann schließlich 350 ums Leben kamen, handelte es sich wahrscheinlich um eine Gegenoffensive der Chalkedonier, vgl. ALPI, Sévère, S. 140–141. 206 Vgl. ALLEN, Severos, S. 14. Allen vermutet überdies, dass die Unruhen im Kampf der Chalkedonier und Miaphysiten ebenfalls die Kirche finanziell belastet haben könnten. Ebenso R OUX, Exegese, S. 139, Anmerkung 19. 207 Vgl. SEV., Hom 19 (PO 171) (CPG 7035). 208 Vgl. SEV., Hom 37 (PO 169) (CPG 7035) und ferner sein Brief an den Cubicularius Misael vgl. Selected Letters, I, 17 S. 63–66. 209 Zum Vorwurf des Ämterverkaufs vgl. Selected Letters, I, 35, S. 102–103; Selected Letters, I, 48, S. 131. Auch Musonios von Meloe berichtet, dass Flavian dem Bischof von Germanikopolis Roben und weitere Schätze schenkte und so auch die Kleriker im Umland zum Chalcedonense zog. Dies wurde von Severos als Simonie betrachtet. Vgl. zu den Schulden der Kirche Selected Letters, I, 8, S. 41–44 und Selected Letters, I, 35, S. 102–103; Selected Letters, I, 17, S. 63–66. Beim hier geschilderten Verhalten Flavians handelt es sich wohl um die Praxis der synetheia. Der neugeweihte Bischof zahlte seinen Klerikern einen Geldbetrag, der im Verhältnis zum eigenen Einkommen stand. Die Unterscheidung zwischen der synetheia und einfachem Ämterkauf war dabei nicht einfach zu treffen und hing wohl in nicht geringem Maße
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len Lage musste Severos sogar eigens einen Kredit aufnehmen, um einen Brunnen bauen zu können.210 Die Chalkedonier wiederum klagten Severos an, sich bereichert und der Kirche Antiocheias Schulden aufgeladen zu haben.211 Und ferner: „Nicht aber verschonte er wenigstens ihre heiligen Altäre oder die heiligen Geräte. Die einen verunstaltete er, als wären sie verflucht, die anderen schmolz er ein und verteilte sie an Gleichgesinnte.“212 Darüber hinaus scheint die Lage auch Ämterkäufe im Patriarchat von Antiocheia begünstigt zu haben. 213 Und es tritt sowohl in den Briefen des Severos als auch den Akten der Synode von Apameia 518 zu Tage, dass der Kampf gegen die andere kirchenpolitische Partei nicht zuletzt auch mit Geld geführt wurde.214 2.3 FAZIT – DIE GRENZEN KAISERLICHER MACHT – RADIKALISIERUNGEN UND AUSDIFFERENZIERUNGEN IM CHALKEDONISCHEN UND MIAPHYSITISCHEN LAGER Welche Schlüsse sind nun aus diesen Ereignissen zu ziehen? Evagrios hatte die Friedfertigkeit des Anastasios betont und den Frieden für alle Untertanen und einen Ausschluss der Zwietracht in kirchlichen und staatlichen Angelegenheiten als Ziel des Kaisers ausgegeben.215 Daran gemessen muss man die Kirchenpolitik des Anastasios als gescheitert ansehen. In der Hauptstadt erhob sich im StaurotheisAufstand das Volk gegen den Kaiser, in Thrakien marschierte Vitalian gegen ihn und in Syrien kam es zu Gewaltexzessen. Doch stellt sich auch die Frage, wie weit der Einfluss der Kaisers gerade in Syrien überhaupt reichte. Blickt man auf die Handlungsoptionen des Kaisers, scheint er fast nur die Wahl zwischen Absetzung und Einsetzung von Bischöfen gehabt zu haben. Flavian verfolgte mit seinem Kurs die Linie des Kaisers. Doch konnte der Bischof in seiner Stadt nicht für Ruhe und Stabilität sorgen. Ebenso konnten auch die weltlichen Autoritäten anscheinend nicht den Aufmarsch verschiedener mönchischer Gruppen im Zusammenhang mit dem Sturz Flavians verhindern. Anastasios setzte also auf die Einsetzung des Severos, um so die Miaphysiten einzubinden, wobei aber seine Einflussmöglichkeiten auf den neuen Patriarchen begrenzt blieben. Das zeigt sich daran, dass er Severos nicht dazu bewegen konnte, die Absetzung und das Anathem gegen Epiphanios von Tyros zurückzu-
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davon ab, wie man zum betreffenden Bischof stand, vgl. R APP, Bishops, S. 21 f. , ferner vgl. KOLIAS, Ämterkauf, S. 39 f. und S. 65–75. In einer kirchenpolitisch ohnehin schon aufgeheizten Lage lag es nahe, das Verhalten des gegnerischen Bischof in möglichst schlech tem Licht zu sehen. Vgl. Selected Letters, I, 42, S. 120. Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 61, Z. 3–5. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 60, Z. 36–37. Vgl. den Fall von Musonios von Meloe in Isaurien, vgl. ALPI, Route, S. 222–228. Dazu mehr bei Punkt 6. 1. 1 Petros von Apameia und das Kirchenvermögen von Apameia. Vgl. EVAGR., HE III, 30, S. 125 f. (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500).
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nehmen.216 Die Bischöfe der Syria II, die Severos und Petros von Apameia die Loyalität verweigerten, blieben ebenfalls entgegen den Wünschen des Kaisers im Bann.217 Auch erschien Severos nicht in Herakleia, wohin er zur Teilnahme an der geplanten Synode eingeladen wurde.218 Doch was konnte der Kaiser tun, wenn seine Forderungen ins Leere liefen? Einen Bischof in Syrien abzusetzen war mit dem Risiko verbunden, einen Aufmarsch von Mönchen zu provozieren, die dem entsprechenden Bischof loyal ergeben waren. Zudem stellte sich auch die Frage nach einem geeigneten Ersatzkandidaten. Die spätere mehrmonatige Vakanz des antiochenischen Bischofsstuhls nach der Absetzung des Severos gibt einen Eindruck über die Schwierigkeit, die sich bei einem Bischofswechsel ergaben. Ein den Miaphysiten gegenüber konfrontativ ausgerichteter Chalkedonier, war wenig geeignet, für Ruhe zwischen den beiden Lagern zu sorgen.219 Der integrativ ausgerichtete Chalkedonier Flavian wiederum war am Widerstand der Miaphysiten um Philoxenos von Mabbug und Severos gescheitert. Und auf miaphysitischer Seite schien ebenfalls kein geeigneter Kandidat vorhanden gewesen zu sein, der den Chalkedoniern aufgeschlossener gegenüber gewesen wäre. Andererseits hätte man selbst in diesem Fall mit einer Spaltung des miaphysitischen Lagers rechnen müssen, wie der Fall des Petros Mongos zeigte, von dem sich zahlreiche Kleriker und Mönche lossagten, nachdem er mit dem Chalkedonier Akakios die Kirchengemeinschaft aufgenommen hatte. Severos gelang es hingegen immerhin, die Spaltung zwischen der Gruppe der sogenannten Akephalen und den Anhängern des Petros zu überbrücken und er erreichte auch die (oberflächliche?) Unterstützung der meisten Bischöfe seines Patriarchats. Lediglich in Teilen Phöniziens und der Syria II hielt sich hartnäckiger Widerstand. Anastasios fand sich also damit ab, dass Severos seine eigene Politik betrieb und den kaiserlichen Vorgaben nur bedingt folgte. Aber gleichzeitig stellt sich auch die Frage nach den Einflussmöglichkeiten des Bischofs von Antiocheia und den übrigen Bischöfen des Patriarchats. Denn die Eskalationen der Gewalt waren auch nicht im Interesse des Severos, der durchaus zu Kompromissen bereit war, um nicht unnötig Unruhe in den Kirchen aufkommen zu lassen. Man denke an die Beibehaltung chalkedonischer Namen in den Diptychen syrischer Kirchen, die Severos in einigen Fällen tolerierte, eben um den Frieden der Kirchen nicht zu gefährden.220 Dies lässt es auch als wenig wahrscheinlich erscheinen, dass er hinter den Angriffen auf chalkedonische Klös-
216 Vgl. Brief des Severos an den Kämmerer Amantios, SEV., Ep. 51, S. 325–326 (PO 58). 217 Vgl. Selected Letters, I, 24, S. 83–85. 218 Vgl. Selected Letters, I 21 S73–75. Hier erwähnt er die Einladung gegenüber dem magister officiorum. 219 Dies zeigte später die kurze Amtszeit Pauls des Juden, vgl. Punkt 3. 5. 1 Die Durchsetzung der formula Hormisdae im Osten. 220 Vgl. SEV., Ep. 40, S. 305 (PO 58), sowie SEV., Ep. 44, S. 310–312 (PO 58), SEV., Ep. 45 S. 313–315 (PO 58), SEV., Ep. 46, S. 316–321 (PO 58). und SEV., Ep. 41 an Musonios von Meloe in Isaurien, S. 306–307 (PO 58). In den Briefen legt er auch seine theologische Begründung für das erlaubte Beibehalten chalkedonischer Namen in den Diptychen dar.
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ter in der Syria II stand, wie seine chalkedonischen Gegner unterstellen. 221 Auch konnte er die Syria II nicht durch die Einsetzung des Petros von Apameia gewinnen. Im Gegenteil scheint Petros die widerständige Haltung der Chalkedonier noch verstärkt zu haben. Und selbst der Handlungsspielraum lokaler Bischöfe scheint durch mönchische Aktivitäten eingeschränkt gewesen zu sein. Zumindest scheint Severos diesen Eindruck gehabt zu haben. Dies geht aus einem Brief des Severos an den magister officiorum hervor, in dem er davon berichtete, dass er die Bischöfe von Epiphania, Arethusa und Rephania nach Antiocheia zu einer Synode einbestellte, damit sie dort fernab von den heimischen Mönchen die Gemeinschaft mit ihm aufnehmen mögen.222 Es gilt also, auch die Grenzen der Einflussmöglichkeit des Kaisers und der Patriarchen von Antiocheia bei der Bewertung der kaiserlichen Politik im Blick zu behalten. Zudem zeigen die Entwicklungen während der Amtszeit Flavians und des Severos, dass es auch im Patriarchat von Antiocheia zu einem Ausdifferenzierungsund Radikalisierungsprozess kam. Flavian kann als integrativ ausgerichteter Vertreter der Chalkedonier angesehen werden. Doch scheint sich ein Teil des chalkedonischen Lagers im Zuge der miaphysitischen Vorstöße gegen ihn radikalisiert zu haben. So marschierten nun Mönche der Syria II zur Unterstützung Flavians auf. Auf miaphysitischer Seite scheint vor allem Philoxenos eine Radikalisierung des miaphysitischen Mönchtums forciert zu haben. In den von ihm für Mönche festgelegten Kanones stachelt er gezielt die Mönche gegen die Chalkedonier auf und warf Mönche mit mangelndem Eifer für den Kirchenkampf vor, Nestorianer und Diener Satans zu sein.223 Wie der Aufmarsch miaphysitischer Mönche gegen Flavian zeigt, scheint Philoxenos damit Erfolg gehabt zu haben. Im Zuge dieser Radikalisierung heizte sich dann die Stimmung weiter auf, sodass es zu regelrechten Schlachten und Belagerungen zwischen aufgebrachten miaphysitischen und chalkedonischen Mönchen kam, wie die chalkedonischen Mönche dokumentieren. Durch diese Radikalisierungen einiger chalkedonischer und miaphysitischer Mönche fragmentierten sich auch beide Lager, sodass sich ihr Zusammenhalt aufweichte. So ist zu vermuten, dass Severos, der trotz seiner deutlichen Verurteilung Chalkedons wohl zu den gemäßigteren Miaphysiten zu rechnen ist, nur eine beschränkte Kontrolle über die gewaltbereiten miaphysitischen Mönche besaß, welche wohl einigermaßen unabhängig agierten. Zudem bewirkte zumindest im chalkedonischen Lager diese Fragmentierung, dass einzelne Akteure begannen, verstärkt Verbindungen mit Gesinnungsgenossen auch weiter entfernter Gemeinden zu knüpfen. Dies sieht man an der Kontaktaufnahme der chalkedonischen Archimandriten mit Papst Hormisdas. Und auch nach Konstantinopel wurde eine Delegation gesandt, die jedoch am kaisertreuen Bischof Timotheos scheiterte. Dies wiederum dokumentiert die Schwächung des chalkedonischen Zusammenhalts. Jedoch besteht die Möglichkeit, dass die syrischen Archimandriten bei ihrem Auf221 Vgl. Punkt 2. 2 .6 Eskalationen der Gewalt in der Syria II. 222 Vgl. Selected Letters, I, 21, S. 73–75. 223 Vgl. VÖÖBUS, Synodicon, S. 172.
2. Die Kirchenpolitik des Anastasios (491–518)
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enthalt in Konstantinopel mit den chalkedonischen Klöstern in Kontakt traten, die ihre konfrontative Haltung gegenüber Severos und Anastasios teilten. Durch die Politik des Anastasios und Severos ergab sich also eine verstärkte Ausdifferenzierung des chalkedonischen und miaphysitischen Lagers, wobei die konfrontativer ausgerichteten chalkedonischen Fraktionen, die vor allem von Mönchen getragen wurden, Kontakte miteinander knüpften und auch verstärkt die Verbindung mit Rom suchten. Durch diese Verbindungen lässt sich auch erklären, wie es nach dem Tod des Anastasios so schnell zu einer kompletten Umwälzung der Kirchenpolitik kommen konnte und die 518 auf der synodos endemousa in Konstantinopel gefällten Beschlüsse so schnell in Syrien umgesetzt und in der Syria II Petros von Apameia, der Mann des Severos, vertrieben werden konnte. Durch diese Entwicklung wurden die Weichen für eine konzentrierte Aktion gegen die Kirchenpolitik des Anastasios gelegt, zu der es dann nach seinem Tod 518 kam. Dieses Zusammenwirken chalkedonischer Kräfte, die sich für eine aggressive antimiaphysitische Politik stark machten, blieb kein Einzelfall, sondern sollte sich 536 noch einmal wiederholen. Deshalb gilt es nun, einen genaueren Blick auf die synodos endemousa und ihre Nachfolgesynoden im Jahr 518 zu werfen, um ihren Ablauf und ihre Organisation nachzuvollziehen. Dies soll auch das Fundament dafür legen, zu zeigen, in wie weit die synodos enemousa 518 eine Vorbildfunktion für das Konzil 536 hatte.224
224 Eine ausführliche Diskussion dieser Frage erfolgt dann im Punkt 5. 2 Die Bedeutung der synodos endemousa im Jahr 536 und ihre Rolle für die Regierung der Kirche.
3. Die kirchenpolitischen Entwicklungen unter Justin I. (518–527)
3. DIE KIRCHENPOLITISCHEN ENTWICKLUNGEN UNTER JUSTIN I.1 (518–527) 3.1 DIE SYNODEN VON 518 UND DIE VERURTEILUNG DES SEVEROS VON ANTIOCHEIA2 Am 9. Juli 518 starb schließlich Kaiser Anastasios nach 27-jähriger Herrschaft. 3 Es dauerte nicht lange, bis die chalkedonischen Kräfte in der Hauptstadt seinen Tod ausnutzten, um eine Kurskorrektur in der Kirchenpolitik zu veranlassen. 4 Bereits einige Monate vor dem Tod des Anastasios, als Johannes II. zum Bischof Konstantinopels geweiht wurde,5 wurden Forderungen laut, Severos zu verurteilen. Jedoch verhallten sie damals ungehört. Nachdem inzwischen Anastasios verstorben war, versuchte man es nun erneut. Am 15. Juli kam in der Hagia Sophia eine Volksmenge zusammen, unter der sich auch Bischöfe und Mönche befanden,6 und forderte unter anderem die Kircheneinheit mit Rom, die Rehabilitierung des Euphemios und Makedonios, die Verurteilung derer, die Makedonios verleumdet hatten, die offene Verkündigung 1 2
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Zu Justin siehe VASILIEV, Justin, und ROSEN, Iustinus. Für eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den Synoden vgl. S PEIGL, Synoden; ANASTOS, Emperor, S. 129–134; sowie HEFELE/LECLERCQ, Histoire, S. 1046–1051. Für für eine Darstellung der Akklamationen in der Hagia Sophia mit teilweiser Übersetzung des entsprechenden Protokolls VASIELIEV, Justin I., S. 137–144. Vgl. PS-ZACH., HE, VI, 14, S. 59 (BROOKS) (CPG 6995); über die verschiedenen Erzählungen über Anastasios’ Tod vgl. MEIER, Anastasios, S. 321 f. Uthemann sieht die chalkedonische Wende und die Ereignisse 518 als „von jenen Leuten gesteuert, die auf ein Ende der Ära des Anastasios hinarbeiteten.“ UTHEMANN, Kaiser, S. 103. Laut Victor von Tunnunna verurteilte Johannes vor seiner Weihe zum Bischof von Konstantinopel auf Geheiß des Kaisers Anastasios Chalkedon, vgl. VICT. TUNN. S. 196 (MOMMSEN) (CPL 2260); vgl. GRUMEL, Regestes, S. 150, Nr. 206; vgl. L OUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 128, Nr. 392. Angesichts des bisherigen Kurses des Anastasios erscheint es unwahrscheinlich, dass er die explizite Verurteilung Chalkedons befahl. Auch wäre eine solche Verurteilung sicher nicht ohne Reaktion im Volk geblieben, dass bereits im Staurotheis-Aufstand gezeigt hatte, dass es keine als offen miaphysitisch angesehene Politik duldete. Eine klare Verurteilung Chalkedons durch Johannes II. blieb bezeichnenderweise auch in seinem Synodalschreiben an Severos aus, vgl. Selected Letters, VI, 1, S. 361; GRUMEL, Regestes S. 150, Nr. 207. Möglicherweise hat Victor von Tunnunna die Anerkennung des Henotikon, das immer mehr als miaphysitisch angesehen wurde, als Verurteilung Chalkedons gedeutet. Für die Namen der anwesenden Bischöfe vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 74, Z. 3–12. Die Anwesenheit der Mönche geht aus der Anaphora der Synode 518 hervor, ebd., S. 63, Z. 3–8:„Als Erstes enthalten die Briefe die Forderung gleichsam die im heiligen Andenken [verweilenden] Euphemios und Makedonios [...] gerecht und kanonisch zurückzurufen und dem Verzeichnis der Erzbischöfe zurückzugeben [...] wie das ganze Volk und die mönchische Legion beharrlich und vielfach ausriefen.“
3. Die kirchenpolitischen Entwicklungen unter Justin I. (518–527)
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Chalkedons und die Verurteilung des Severos.7 Die Menge wandte sich auch gegen Amantios, den Cubicularius des Anastasios, den sie als neuen Tzoumas beziehungsweise Chrysaphios und Manichäer bezeichneten.8 Amantios besaß unter Anastasios großen Einfluss und versuchte nach dessen Tod Theokrit9 als neuen Kaiser durchzusetzen. Dazu versorgte er Justin I. mit großen Mengen Geld, womit dieser die entsprechenden Leute bestechen sollte, um die Einsetzung Theokrits zu sichern. Justin I. setzte das Geld schließlich zu Gunsten seiner eigenen Erhebung ein.10 Kirchenpolitisch war Amantios, der auch mit Severos von Antiocheia in Kontakt stand, miaphysitisch orientiert und stellte sich gegen die neue chalkedonische Politik Justins I.. Als der Kaiser befahl, Chalkedon zu verkünden, entgegnete Amantios ihm, dass die Unterschriften der drei Patriarchen und anderer wichtiger Bischöfe, die das Konzil von Chalkedon verurteilt hat-
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Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 71–76. Die Forderungen betreffs Euphemios, Makedonios, Chalkedon und Severos ziehen sich durch den gesamten Text. Zur Forderung die Verleumder des Makedonios zu verurteilen siehe S. 75, Z. 2: „Die Verleumder des Makedonios wirf hinaus.“ Uthemann bezeichnet die Aktion des Volkes, der Bischöfe und Mönche als von „jene[n] Leute[n] gesteuert [.], die seit langem auf ein Ende der Ära des Anastasios gearbeitet hatten.“ U THEMANN, Kaiser, S. 103. Vgl. ferner CASPAR, Geschichte, II, S. 149, der von „einer längst spürbaren Gärung in den kirchlichen Kreisen und den breiten Schichten des Volkes“ spricht. 8 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 74, Z. 33–34: „Den neuen Tzoumas wirf hinaus! Der neue Tzoumas ist Amantios. Wirf den Nichtsnutz aus dem Palast!“ und ebd., S. 75, Z. 33–34: „Von nun an ist Amantios der Manichäer nicht [mehr] zu fürchten. Justin herrscht, was ist Amantios [noch] zu fürchten?“ Auch Johannes Malalas berichtet von Unruhen und den Namen Amantios, der in diesem Zusammenhang auftaucht. JOH. MALAL., Chron, 410, frg. 43 (CPG 7511): „Zur [Zeit] des Kaisers Justins kam es zu einer Unruhe in der heiligsten Kirche und sie schrien gegen den Präfekten Amantios und Marinos.“ Amantios wurde später hingerichtet, was in Tyros positiv aufgenomen wurde. ACO III, S. 88, Z. 35: „Amantios, der Feind der Dreifaltigkeit ist verstorben.“ Zu Amantios vgl. ferner PLRE II, Amantius 4, S. 67–69. Zu Chrysaphios vgl. PLRE II, Chrysaphius qui et Ztummas, S. 295–297. Er war Cubicularios Theodosios’ II. und das Patenkind des Eutyches und galt als dessen Unterstützer. Auch die Einberufung des zweiten Konzils von Ephesos wurde auf seinen Einfluss zurückgeführt. Seine tatsächliche Rolle auf Ephesos II und später dann auf Chalkedon ist in der Forschung umstritten. Bevan und Gray plädieren für die Neutralität des Chrysaphios gegenüber Eutyches und verweisen darauf, dass erst zeitlich spätere Autoren, die ihm feindlich gesonnen waren, eine Verbindung zwischen Chrysaphios und Eutyches herstellten, Vgl. BREVAN/GRAY, Trial, S. 623. Pfeilschifter hingegen meint, dass angesichts der Fülle des dokumentarischen Materials die Berichte jüngerer Geschichtsschreiber aus dem 6. Jahrhundert nicht einfach als Vermutungen und feindselige Erfindungen abgetan werden sollten, nur weil keine zeitgenössischen Geschichtswerke davon berichten, was auch auf den Verlust solcher Werke zurückgeführt werden kann. Er stimmt ihnen aber darin zu, dass die Verantwortung für das Konzil stärker bei Theodosios selbst gesucht werden soll als bei seinen Beratern und Einflüsterern, vgl. PFEILSCHIFTER, Kaiser, S. 403, Anm. 97. 9 Vgl. PLRE II, Theocritus, S. 1065. 10 Vgl. EVAGR., HE, III, S. 153 f. (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500).
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ten, noch nicht einmal trocken wären.11 Schließlich wurde Amantios unter dem Vorwurf der Verschwörung gegen Justin I. hingerichtet.12 Mit der Forderung, die Verleumder des Makedonios hinauszuwerfen, spielte die Menge wohl auf jene Mönche an, die 511 Makedonios des Missbrauchs an Kindern und des Gedenken an Nestorios beschuldigt hatten. 13 Die Aktion diente wohl nicht allein einer chalkedonischen Kurskorrektur der kaiserlichen Kirchenpolitik, sondern auch der Säuberung des chalkedonischen Lagers von den Unterstützern des Anastasios. Das Volk flankierte seine Forderungen mit dem Verweis auf die Rechtgläubigkeit des neuen Kaisers, aufgrund derer niemand (mehr) zu fürchten sei. Begleitet wurden die Rufe zudem mit der Drohung, dass der Hauptstadtbischof Johannes aus der Kirche geschleift würde, wenn er den Forderungen nicht folge. Sodann bekannte sich Johannes zu allen vier ökumenischen Konzilien und verurteilte Severos. Das Volk, das jedoch an dieser Stelle noch nicht befriedigt war, verschloss daraufhin die Türen und forderte nun vom Bischof, dass er am nächsten Tag einen Gottesdienst (Σύναξις) zu Ehren Chalkedons feiern sollte. Als dann das Fest für Chalkedon gefeiert wurde, erweiterten die Anwesenden den Forderungskatalog. Nun sollten auch die Gebeine des Euphemios und Makedonios, die im Exil verstorben waren, in die Kirche überführt und ihre Namen in die Diptychen eingetragen werden. Ferner sollte auch Papst Leo ihnen in die Diptychen folgen, was der liturgischen Umsetzung der kirchenpolitischen Forderungen entsprach. Erst nachdem die Forderungen erfüllt worden waren, konnte Johannes den Gottesdienst feiern. Damit aber alles seine kanonische Ordnung habe, erklärte Johannes, dass eine Synode einberufen werden müsse, um die gefassten Beschlüsse zu bestätigen. Auch müsse der Kaiser in Kenntnis gesetzt werden.14 Speigl sieht in den Mönchen, die im eigentlichen Bericht über die Akklamationen nicht erwähnt werden, die treibende Kraft hinter den Forderungen. Zudem zieht er die Anwesenheit der Bischöfe in der Volksmenge in Zweifel und 11
Vgl. PS-ZACH., HE, VIII, 1, S. 61 f. (BROOKS) (CPG 6995). Prokop wiederum berichtet, dass Amantios hingerichtet worden sei, weil er Johannes von Konstantinopel beleidigt habe, vgl. PROK., Anekdota, VI, 26. Greatrex vermutet einen Zusammenhang zwischen dem bei PseudoZacharias überlieferten Ausspruch und der bei Prokop berichteten Beleidigung, vgl. G REATREX, Chronice, S. 281, Anm. 10. Zum brieflichen Kontakt zwischen Amantios und Severos, vgl. SEV., Ep. 51, S. 325–326 (PO 58). Darin weigert sich Severos mit Epiphanios von Tyros die Gemeinschaft aufzunehmen. 12 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 129, Nr. 395. Für detailliertere Ausführungen zur Verschwörung des Amantios und der Quellenlage vgl. GREATREX, Years, S. 99–105. Im selben Zusammenhang wurde der ebenfalls miaphysitische und mit Severos in Briefkontakt stehende Cubicularius Misael verbannt. Zum Briefkontakt Misaels mit Severos vgl. Selected Letters, I, 17, S. 63–66; darin beschwerte sich Severos über seine Geldprobleme in Antiocheia. 13 Zur Andacht des Nestorios vgl. P S-ZACH, HE, VII, 8, S. 42 (B ROOKS) (CPG 6995) und zum Vorwurf des Kindesmissbrauchs und seiner Widerlegung vgl. EVAGR., HE, III, 32, S. 130 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). 14 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 75, Z. 38 – S. 76, Z. 2.
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meint, dass diese in den Bericht eingefügt wurden, um dem gesamten Vorgang Legitimität zu verleihen.15 Es gibt jedoch keinen Grund von ihrer Abwesenheit auszugehen. Die Bischöfe, die ja ohnehin in der Stadt waren, arbeiteten wahrscheinlich mit den Mönchen zusammen. Schließlich waren ja beide Gruppen an einer chalkedonischen Politik interessiert. Auch ist die chalkedonische Ausrichtung der Stadtbevölkerung zu berücksichtigen. Diese ersparte es den Bischöfen und Mönchen, eine größere Gruppe von Chalkedoniern selbst mobilisieren zu müssen, um eine kritische Masse von Chalkedon-Anhängern in der Hagia Sophia zu erzeugen. Am 20. Juli wurde dann die synodos endemousa einberufen, welche die dem Patriarchen aufgezwungenen Beschlüsse ratifizieren sollte. Was an dieser Synode gleich zu Beginn auffällt, ist, dass Johannes, der Bischof der Stadt, selbst nicht anwesend war, obwohl er selbst die Einberufung der Synode für notwendig erklärt hatte. Stattdessen führte Theophilos von Herakleia den Vorsitz, der bereits bei den Akklamationen in der Hagia Sophia anwesend gewesen war. 16 Zwar stand Herakleia zu Konstantinopel in einem besonderem Verhältnis, da es, bevor Konstantinopel zum Patriarchatssitz erhoben wurde, diesem als Metropolitansitz übergeordnet war, doch ist es trotzdem auffällig, dass der Vorsitz der immerhin in der Hauptstadt stattfindenden Synode von Theophilos übernommen wurde und nicht vom Hautstadtbischof selbst. Dieser blieb der Synode sogar unentschuldigt fern und war lediglich in Form eines Boten vertreten, der die Synode mit der Untersuchung der Beschlüsse beauftragte.17 Dieses Verhalten des Johannes wirkt auf den ersten Blick wie ein Affront gegenüber den Bischöfen, sorgte aber, zumindest soweit der Anaphora der Synode zu entnehmen ist, in den Reihen der Synodenteilnehmer nicht für Kritik. Dies hat seinen Grund wahrscheinlich darin, dass es zwar formal Johannes war, der die Synode ankündigte, die Initiative dazu aber in Wirklichkeit von den bei den Akklamationen anwesenden Bischöfen ausging, die nun den Druck verstärkten und ihre Forderungen durch die Beschlüsse einer Synode untermauern wollten. In diesem Falle hätten sich die in Konstantinopel anwesenden Bischöfe unabhängig vom Stadtbischof organisiert, um ihn zu einer ihren Interessen entsprechenden Politik zu zwingen. Der Fall der Mönche der Syria II, die sich erfolglos in der Sache der 350 getöteten Mönche an Timotheos gewandt hatten, hatte ja gezeigt, wie wenig Eifer und Eigeninitiative für Chalkedon von einem von Anastasios eingesetzten Patriarchen zu erwarten war. Zu den auf der Synode versammelten Bischöfen gesellten sich dann die Mönche der Hauptstadt in Form von Briefen dazu, die die Forderungen der Volksmenge wiederholten und sich zudem für die Rückkehr aller vertriebenen Chalkedonier in die Hauptstadt einsetzten. Einer der Briefe, mit denen sich die Mönche der Stadt an die Synode wandten, entstand, wie seinem Inhalt zu entnehmen ist, während der Synode. Denn er lobt zum einen die Rehabilitierung des Euphemios und Makedonios, die anscheinend schon von der Synode beschlossen worden war, und fordert nun zusätzlich 15 Vgl. SPEIGL, Synoden, S. 5. 16 Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. S. 74, Z. 4. 17 Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 62, Z. 29–30.
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die Einfügung Chalkedons in die Diptychen sowie die Verurteilung des Severos und die Erlaubnis, dass die Archimandriten und Kleriker, die von Anastasios verbannt worden waren, wieder zurückkehren dürfen.18 Während die Forderungen bezüglich Chalkedon und Severos bereits während der Aktion in der Hagia Sophia gestellt wurden, war die Forderung betreffs der Archimandriten und Kleriker neu. Damit waren wohl all jene Chalkedonier gemeint, die im Zuge der StaurotheisAufstände aus der Hauptstadt vertrieben worden waren, als Anastasios gegen die Unterstützer des Makedonios und die Aufständischen vorging.19 Man blieb also, was die Rehabilitierung des Euphemios und Makedonios anbelangte, nicht auf der symbolischen Ebene, sondern wollte die alten Kräfteverhältnisse in der Hauptstadt zu Gunsten der Chalkedonier, die eine konfrontativere Haltung gegenüber den Miaphysiten einnahmen, wiederherstellen. Dazu passt auch die Forderung, all jene Mönche, die Anklage gegen Makedonios erhoben hatten, aus der Stadt zu vertreiben.20 Auf der Synode wurden alle Beschlüsse, die Johannes zuvor in der Hagia Sophia gefällt hatte, bestätigt und Severos feierlich verurteilt.21 Die Synode beschloss die Rehabilitierung des Euphemios und Makedonios und deren Einfügung in die Diptychen und zog bei deren Rehabilitierung eine Parallele zu Johannes Chrysostomos und Flavian, die ebenfalls einst verurteilt und dann wieder rehabilitiert worden waren. Ferner wurden die vier ökumenischen Konzilien in die Diptychen eingefügt sowie Papst Leo. Dabei argumentierte die Synode, dass Kyrill sich bereits in den Diptychen befinde, und deshalb Leo, der gleichermaßen in Chalkedon bestätigt worden war, auch in die Diptychen aufgenommen werden müsse. 22 Schließlich folgte das Verdammungsurteil gegen Severos von Antiocheia, wegen seiner Gegnerschaft zu Chalkedon. Die Anaphora der synodos endemousa wurde zusammen mit den Briefen der Mönche und einem Protokoll der Akklamationen des vergangenen Sonntags in der Hagia Sophia an Johannes übergeben. Er sollte daraufhin die Beschlüsse der Synode bestätigen und die Dokumente an den Kaiser weiterleiten. Justin I. erkannte die Beschlüsse an und ließ alle von Anastasios verbannten Bischöfe zurückkehren.23 Allein, dass bei den Akklamationen Protokollanten anwesend waren, um die Geschehnisse genau festzuhalten (oder um einen solchen Bericht nachträglich anzufertigen),24 weist auf eine geplante Aktion hin. Um sicher zu gehen, dass Johannes sich von seinen Beschlüssen nicht wieder distanzieren konnte, wurde also 18 Zur Rückkehr der verbannten Mönche vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77), hier S. 67, Z. 33–37. 19 Siehe dazu Punkt 2. 1. 4 Der Sturz des Makedonios. 20 Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) für den Brief der Mönche S. 67–71. 21 Vgl. den Gesamttext der Anaphora bei ACO III, S. 62–66. Es unterschrieben 42 Bischöfe. 22 Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 64, Z. 1–7. 23 LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 129, Nr. 394. 24 Aber auch für den Fall, dass das Textdokument nicht unmittelbar während der Akklamationen des Volkes, sondern womöglich zeitnah danach angefertigt worden ist, versucht es zumindest den Eindruck eines gleichzeitig verfassten Protokolls zu erwecken.
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zeitnah ein schriftliches Dokument abgefasst, das den Patriarchen festnagelte. Die von Johannes in der Kirche ins Spiel gebrachte Synode, die einzuberufen sei, spielte dabei den Bischöfen in die Hände und gab ihren Forderungen ein noch größeres Gewicht. Speigl weist zudem darauf hin, dass Johannes, als er die Notwendigkeit einer Synode ansprach, wahrscheinlich daran gelegen war, sich auf diese Weise abzusichern, indem er die Verantwortung für die ihm abgerungenen Beschlüsse auf die Schultern aller Bischöfe in der Stadt verteilte.25 Im Folgenden schickte Johannes auch nach Jerusalem und Tyros Berichte über die Ereignisse in Konstantinopel, die er als vom Himmel erwirkt darstellte. 26 Und auch in Syrien scheint sich die Kunde schnell verbreitet zu haben. Jedenfalls begrüßten die Bischöfe der Provinz in einem Brief die Geschehnisse in der Hauptstadt. In Jerusalem und Tyros wurden nach Ankunft der Briefe des Johannes eigene Synoden abgehalten und die Beschlüsse von Konstantinopel bestätigt. In Tyros kam es, als Euphemios die Berichte aus Konstantinopel in der Kirche verlas, ähnlich wie in Konstantinopel zu Ausrufen des Volkes. Es forderte die Verurteilung des Severos, sowie die Verurteilung und Vertreibung miaphysitischer Kleriker und Mönche, die sich noch in der Stadt aufhielten. Einige von ihnen waren anscheinend bereits geflohen, als sich die Kunde der chalkedonischen Wende verbreitete. Namentlich erwähnt werden bei den Ausrufen ein Mönch namens Johannes, ein gewisser Romaikos und der Bischof Elias von Botrys, der mit Severos in Gemeinschaft stand. Ferner wurde parallel zur Einschreibung des Euphemios und Makedonios in die Diptychen nun auch die Rehabilitierung und die Einfügung Flavians von Antiocheia in die Diptychen der Stadt gefordert. 27 Epiphanios von Tyros berief daraufhin eine Synode ein, wo er die Forderungen des Volkes und die Beschlüsse der synodos endemousa in Konstantinopel aufnahm. Die Beschlüsse der Synode sandte er zusammen mit einem Bericht über die Ausrufe in der Kirche in Tyros nach Konstantinopel. Auch Johannes von Jerusalem erkannte die synodos endemousa an. In Apameia ergriffen die Kleriker der Stadt die Initiative und schrieben einen Brief über die Vergehen des Petros von Apameia an die Bischöfe der Provinz, welche den Brief an den Provinzstatthalter weitergaben, der daraufhin eine Untersuchung über die Taten des Petros einleitete und die Kleriker der Stadt vernahm. 25 Vgl. SPEIGL, Synoden, S. 5. 26 Zum Brief nach Tyros vgl. GRUMEL, Regestes S. 150, Nr. 207a; zum Brief an Johannes von Jerusalem bei ACO III, S. 76–77 (CPG 9202; 9329 (6)); GRUMEL, Regestes S. 151, Nr. 208; der Antwortbrief des Johannes von Jerusalem Epistula synodi Hierosolymitanae a. 518 (CPG 9301; 9329 (7)) (=ACO III, S. 77–80); der Brief des Johannes an Epiphanios von Tyros vgl. ACO III, S. 77 (CPG 9202; 9329 (6)); G RUMEL, Regestes S. 151, Nr. 209; der Brief der syrischen Bischöfe an Johannes und die Synode in Konstantinopel vgl. ACO III, S. 60–62. Zu den Ereignissen in Konstantinopel als vom Himmel bewirkt siehe Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) hier S. 76, Z. 31–33: „Da es nun durch himmlische Einwirkung zu einem göttlichen Aufstand des christusliebenden Volks dieser kaiserlichen Stadt kam“ und ebd., S. 77, Z. 5–6: „Denn sieh, es ergab sich ein himmlischer Aufstand gegen die Abtrünnigen der Kirche durch den Geist Gottes.“ Speigl vermutet, dass Johannes die Briefe auf Veranlassung des Kaiser nach Jerusalem schickte, vgl. SPEIGL, Synoden, S. 9. 27 Vgl. Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85) hier S. 84, Z. 18–24.
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Petros wurden zahlreiche gotteslästerliche Aussprüche, Zweckentfremdung des Kirchenvermögens und unsittliches Verhalten gegenüber zahlreichen Frauen vorgeworfen.28 Schließlich wurde neben Severos von Antiocheia auch Petros von Apameia verurteilt und abgesetzt.29 Wie ist nun die synodos endemousa als Institution einzuordnen? Sie lässt sich schwer ins Schema der sonstigen Synoden einfügen. Die regulären Synodalformen umfassten Provinzsynoden, Patriarchatssynoden und ökumenische Synoden. Die synodos endemousa entspricht von ihrer Zusammensetzung her am ehesten der Patriarchatssynode, weil die meisten der Bischöfe etwa bei der synodos endemousa 518 aus dem Patriarchat von Konstantinopel stammten. Für diese war es wegen der örtlichen Nähe auch am einfachsten in der Hauptstadt Präsenz zu zeigen, ohne ihre Heimatbistümer dadurch allzu sehr zu vernachlässigen. Doch konnten anders als bei Patriarchatssynoden bei der synodos endemousa ohne weiteres auch Bischöfe von außerhalb teilnehmen. So war etwa bei der synodos endemousa 518 auch Johannes von Klaudiopolis in Isaurien anwesend, der formal Severos von Antiocheia unterstellt war.30 Ferner konnte die synodos endemousa wesentlich schneller einberufen werden. Johannes von Konstantinopel sprach am 16. Juli die Notwendigkeit einer Synode an und bereits am 20. Juli konnte sie tagen. Das konnte sie zu einem nützlichen Instrument der Kirchenpolitik machen. Bereits Euphemios brachte eine Synode ins Spiel, auf der er Petros Mongos verurteilen lassen wollte. Zwar war ihre kanonische Reichweite beschränkt, gerade was die Verurteilung anderer Patriarchen anbelangte, doch war sie allemal dazu geeignet, ein Signal an den Kaiser zu senden und ihn damit unter Druck zu setzen. 31 Auch konnte der Patriarch versuchen durch eine synodos endemousa für Geschlossenheit bei den Klerikern und Mönchen in der Stadt zu sorgen und damit seine Position zu stabilisieren. Entsprechende Motive wird Makedonios gehabt haben, als er auf einer Synode der einwohnenden Bischöfe die Beschlüsse bestätigen ließ, die gut in Chalkedon formuliert worden waren.32 Auch ließ sich die synodos endemousa gegen den Patriarchen verwenden. So setzte Anastasios Euphemios ab und konnte sein Vorgehen durch die in der Hauptstadt anwesenden Bischöfe schnell kanonisch absegnen lassen.33 28 Vgl. dazu oben den Pubkt 2. 2. 5 Der chalkedonische Widerstand in der Syria II. 29 Für die Detaills vgl. SPEIGL, Synoden, S. 14–19. 30 Johannes von Klaudiopolis findet sich in der Unterschriftenliste der Anaphora der synodos endemousa. Siehe Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 63, Z. 18, Nr. 9. Johannes war es auch, der Severos von Antiocheia, als er zur Abfassung des Typos beauftragt wurde, davon überzeugen sollte, über die Verurteilung Chalkedons abzusehen und es insoweit aufzunehmen, als dass es Nestorios und Eutyches verurteilt hat, vgl. Selected Letters, I, 1. 31 Dass die Synode schließlich doch nicht einberufen wurde, hat vermutlich die mangelnde Geschlossenheit der chalkedonischen Bischöfe in Konstantinopel als Grund. 32 Vgl. THEOPH., S. 141 (DE BOOR). 33 THEOD. ANAGN., S. 128 (HANSEN) (CPG 7503): „Ἀναστάσιος ὁ βασιλεύς [...] συνήγαγεν τοὺς ἐνδημούντας ἐπισκόπους. οἳτινες βασιλεῖ χαριζόμενοι ἀκοινωνησίαι καὶ καθαιρέσει τὸν ἂνδρα ἡμείψαντο“.
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Die Daueranwesenheit einer unbestimmten Zahl von Bischöfen in der Hauptstadt konnte die Umsetzung kirchenpolitischer Beschlüsse beschleunigen und so den Entscheidungen des Patriarchen von Konstantinopel oder des Kaisers ein größeres Gewicht verleihen. Dies galt vor allem für den Kaiser. Zwar hatte er eine besondere Rolle innerhalb der Kirche inne und besaß als Spitze der weltlichen Gewalt darüber hinaus enorme Machtmittel, war aber trotzdem, was kirchliche Dinge betraf, auf die Kooperation des Klerus angewiesen und konnte auch nicht grob gegen Kirchenrecht verstoßen.34 Die synodos endemousa 518 in Konstantinopel zeigt aber, dass nicht nur der Kaiser oder der Patriarch die Synode für sich nutzbar machen konnten. 518 ging die Initiative zur Synode von den Bischöfen und Mönchen aus, welche in der Stadt waren. Zwar wurde die Einberufung einer Synode vom Patriarchen Johannes ins Spiel gebracht, doch kontrollierten andere die Tagesordnung. Auf der Synode wurden die Beschlüsse behandelt und bestätigt, die ein Teil der tagenden Bischöfe zuvor Johannes in der Hagia Sophia aufgezwungen hatten.35 Johannes hatte durch den Druck und die Drohungen der Volksmenge beziehungsweise der dort ebenfalls anwesenden Mönche keine andere Wahl, als sich ihren Forderungen zu beugen. Die von Johannes eingebrachte Synode gab den chalkedonischen Bischöfen einen institutionellen Rückhalt und konnte so letztlich die Verurteilung des Severos bewirken, der seit seinem Aufenthalt in der Hauptstadt 508-511 einen aus chalkedonischer Sicht unheimlichen Einfluss auf die Kirchenpolitik des Reiches nehmen konnte. Möglicherweise wäre es auch ohne bischöfliches Zutun zur Verurteilung und Absetzung des Severos durch den chalkedonischen Kaiser gekommen. Jedoch wollten die Bischöfe keine Risiken eingehen und nahmen das Heft selbst in die Hand, sodass sich in der Folgezeit die Bischöfe der synodos endemousa den Hauptanteil der Verantwortung für die Verurteilung des Severos zugesprochen haben dürften. Durch die Bestätigung der Synodalbeschlüsse durch die chalkedonischen Bischöfe in Palästina, Phönizien und Syrien, konnte die Synode in Konstantinopel eine breite chalkedonische Front aufbauen, die die kirchenpolitischen Erfolge der Miaphysiten während der Herrschaft des Anastasios zumindest auf institutioneller Ebene rückgängig machen konnte. Die Existenz beziehungsweise die Einberufung einer synodos endemousa in Konstantinopel wurde von vorherigen Konzilien nicht vorgeschrieben und besaß dementsprechend keine genau abgesteckte Jurisdiktionsgewalt. Es war nicht festgelegt, was die Synode beschließen durfte und was nicht. Entsprechend wurde sie anfangs deshalb nur als Bestätigungsinstanz genutzt, um die Lehre des Patriarchen oder die Beschlüsse und Absetzungen des Kaisers zu bekräftigen. Im Jahr 518 34 Andererseits tat Kaiser Justinian genau das, als er 535 Anthimos auf den Bischofsstuhl von Konstantinopel setzte, obwohl die Kanones den Wechsel eines Bischofs in eine andere Stadt verbaten. Die Reaktion des chalkedonischen Klerus, der Anthimos ablehnte, folgte prompt und Anthimos musste wieder vom Bischofsstuhl weichen. 35 Alle namentlich bei den Akklamationen erwähnten Bischöfe nahmen später auch auf der synodos endemousa teil, vgl. die Aufzählung der Bischöfe bei den Akklamationen Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 74, Z. 3–12 und die Unterschriftenliste unter der Anaphora der synodos endemousa, ebd. S. 65–66.
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wurde sie erstmals als Instrument genutzt, um über die Hauptstadt hinaus Einfluss auf die Kirchenpolitik im ganzen Reich zu nehmen. Während Euphemios sich noch scheute, einen miaphysitischen Patriarchen von einer Synode absetzen zu lassen und es dabei beließ, selbst mit Petros Mongos keine Gemeinschaft aufzunehmen, nahmen es sich die Bischöfe 518 heraus, Severos von Antiocheia zu verurteilen. Durch die besonderen Bedingungen, die in der Hauptstadt herrschten – ein neuer chalkedonischer Kaiser hatte den Thron erlangt – und durch den Rückhalt der chalkedonischen Bischöfe auf der synodos endemousa auch außerhalb des Patriarchats in Syrien, Phönizien und Palästina, konnte die synodos endemousa eine beachtliche Macht entfalten und den Kurs in der Kirchenpolitik – sogar unabhängig vom Bischof von Konstantinopel – bestimmen. Dieser Erfolg blieb dem chalkedonischen Klerus sicher lange im Bewusstsein. Durch das organisierte Zusammenwirken des chalkedonischen Klerus in der Hauptstadt, das zur synodos endemousa führte, zusammen mit Nachfolgesynoden unter anderem in Jerusalem, war es gelungen, Severos von Antiocheia zu vertreiben. Dies mag auch den Bischöfen 536 als Vorbild gedient haben, als sie ansetzten, Severos von Antiocheia erneut zu verurteilen, als er wieder in der Hauptstadt seinen Einfluss auf den Kaiser geltend zu machen drohte. Dass die Akteure 536 über die Ereignisse 518 gut informiert waren, kann vorausgesetzt werden. Immerhin wurden die Akten der Synoden von 518 in der fünften Sitzung des Konzils 536 ausführlich zitiert. Darin waren alle Anschuldigungen gesammelt, die als Grundlage für die erneute Verurteilung des Severos dienen sollten. Und die Bischöfe wussten, dass sie auch ohne den Bischof von Konstantinopel, welcher der Herr der meisten anwesenden Bischöfe war, handeln konnten, wenn sie Unterstützung von außerhalb des Patriarchats von Konstantinopel bekamen. 3.2 DAS BEKENNTNIS JUSTINS I. UND SEINE ROLLE BEI DER CHALKEDONISCHEN WENDE Neben der funktionierenden Zusammenarbeit zwischen den in der Stadt weilenden Bischöfen und Mönchen gilt es auf eine weitere Voraussetzung für den Erfolg der Synode und der mit ihr verbundenen chalkedonischen Wende zu werfen: das Bekenntnis des neuen Kaisers. Wie bereits erwähnt, hatte mit Justin I. ein Kaiser den Thron bestiegen, der sich klar als Chalkedonier positionierte. Er stammte aus Illyrien, einer Region, die kirchenrechtlich Rom unterstand und kulturell und sprachlich eher dem lateinischen Westen zuzurechnen ist als dem griechischsprachigen Osten. Im kirchlichen Bereich ging damit eine klar chalkedonische Einstellung einher. Aus theologischer Sicht wurden die Beschlüsse Chalkedons nie in Zweifel gezogen.36 Auch war man im Westen weniger dazu geneigt, eine gemeinsame Gesprächsgrundlage mit den Miaphysiten zu schaffen und Bestandteile des 36 Wobei der Kanon 28 von Chalkedon, der die Ranggleichheit Konstantinopels und Roms festschrieb in Rom auf Widerstand stieß und die positive Rezeption Chalkedons Anfangs erschwerte.
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chalkedonischen Glaubens zu verschweigen, um eine Reintegration der Miaphysiten in die Kirche zu erleichtern. Namentlich trifft dies vor allem auf den Tomus Leonis zu. Während Chalkedonier im Osten sich teilweise nur auf die christologische Formel oder gar nur auf die Verurteilung des Eutyches beriefen, nahm der Tomus traditionellerweise eine prominente Stelle in der lateinischen Theologie ein. Dies rührte schon vom Selbstverständnis der Päpste her, die in zunehmender Weise eine Lehrautorität über alle Bischöfe beanspruchten. Deshalb lag es in ihrem Interesse, die wichtige Stellung Leos auf dem Konzil von Chalkedon zu betonen. Damit ist der Hintergrund Justins I. angesprochen. Jüngst hat Menze jedoch in Zweifel gezogen, dass Justin I. bereits vor seiner Thronbesteigung ein klar chalkedonisches Profil pflegte, und als Grund dafür angeführt, dass zum einen sich kaum Aussagen darüber treffen lassen, welcher theologischen Ausrichtung er angehörte, und zum anderen auch mehrere Generäle ihre Ansichten in den christologischen Fragen änderten.37 Auch hält Menze es für unwahrscheinlich, dass ein Anhänger Chalkedons unter Anastasios in so hohe Ränge aufsteigen konnte und sogar vom miaphysitisch gesinnten Cubicularius Amantios damit anvertraut sein könnte, Gelder für den von ihm präferierten Kandidaten Theokritos zu verteilen. 38 Was der Hinweis auf Anastasios betrifft, erscheint Menzes Argument wenig stichhaltig. Anastasios betrieb keine antichalkedonische Politik. Auch wenn Anastasios gegen Ende seiner Herrschaft immer miaphysitenfreundlicher agierte, war das Herzstück seiner Politik, sich nicht auf eine der beiden Seiten in den christologischen Seiten festzulegen, sondern aus einer neutralen Position heraus eine Annäherung beider Parteien zu bewirken. Das schloss nicht aus, Chalkedonier auf hohe Positionen zu berufen. Ganz im Gegenteil passt eine Berufung sowohl chalkedonischer als auch miaphysitischer Figuren in die Politik des Anastasios. Zudem sollte auch die Frage beachtet werden, inwiefern Anastasios angesichts der starken Position der Chalkedonier in der Hauptstadt und der besonderen Bedeutung des chalkedonisch geprägten Illyrien für das Heer überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, nur Miaphysiten zu protegieren. Gewichtiger erscheint mir der Einwand Menzes hingegen in Bezug auf Amantios. Ist es wahrscheinlich, dass der miaphysitische Cubicularius einen bekennenden Chalkedonier mit einer so delikaten Aufgabe betraute, wie Gelder für einen möglichen Thronanwärter zu verteilen? Auch für einen Miaphysiten muss ein bekennender Chalkedonier nicht sofort vertrauensunwürdig gewesen sein. Nicht jeder zeigte in kirchlichen Dingen den Eifer einiger profilierter Mönche oder Bischöfe. Man sollte die Einstellung prominenter Gestalten wie Severos, Philoxenos oder der Akoimeten nicht auf den gesamten Hof oder gar die gesamte Gesellschaft übertragen. Amantios hatte Justin I. wohl gar nicht erst als potentiellen Konkurrenten um die Macht angesehen, ansonsten hätte er ihn wohl kaum das Geld ausgehändigt, selbst wenn Justin I. ein Miaphysit gewesen wäre. Meiner Meinung nach spricht nichts dagegen, Justin I. auch vor seiner Thronbesteigung als Chalkedonier anzusehen, wofür seine illyrische Herkunft spricht. 37 Vgl. MENZE, Justinian, S. 20 f.. 38 Vgl. MENZE, Justinian, S. 24 f..
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Was für eine Rolle spielte sein Bekenntnis also für die chalkedonische Wende? Menze geht recht in der Annahme, wenn er auf die politischen Gründe hinweist, die für einen chalkedonischen Kurswechsel in der Kirchenpolitik sprachen. Sein Verhalten brachte ihn in Opposition zu Amantios und wohl auch den miaphysitischen Kreisen am Hof. Sich auf die chalkedonischen Kräfte in der Hauptstadt zu stützen, deren Stärke während der Herrschaft des Anastasios deutlich spürbar waren, versprach eine Stabilisierung seiner Position. Aber auch sein chalkedonisches Bekenntnis sollte als möglicher weiterer Grund für eine chalkedonische Kirchenpolitik angesehen werden. Die Haltung des neuen Kaisers und die Ausrichtung der Mönche und Bischöfe, die sich in der Hagia Sophia und später in der Synode versammelt hatten, ging dabei Hand in Hand. Das Bekenntnis Justins I. signalisierte den Bischöfen, dass sich nun erneut die Möglichkeit bot, Severos zu verurteilen und eine chalkedonische Politik durchzusetzen. Gleichzeitig konnten die Bischöfe Druck auf den neuen Kaiser ausüben. Zum einen versuchten sie bereits bei der Erhebung des Johannes zum Bischof von Konstantinopel im selben Jahr, diesem die Verurteilung des verhassten Severos abzuringen.39 Damit zeigten sie allen anderen wichtigen Akteuren in der Hauptstadt, dass mit ihnen zu rechnen war. Zum anderen konnten die Bischöfe der synodos endemousa den Kaiser vorführen, welcher Art der neue chalkedonische Kurs sein sollte: nach den Zeiten des integrativ ausgerichteten Anastasios standen die Zeichen nun auf Konfrontation. Stärkung des chalkedonischen Profils und Vertreibung der wichtigsten miaphysitischen Bischöfe von ihren Stühlen sollte das Ziel sein. Verstärkt wurde diese Tendenz später durch das Pochen Roms auf die Durchsetzung der formula Hormisdae und die Einsetzung Pauls des Juden in Antiocheia. 3.3 EIN CHALKEDONISCHER GOTTESDIENST FÜR KONSTANTINOPEL Die synodos endemousa 518 hatte dabei nicht nur direkte Auswirkungen auf die Kirchenpolitik, sondern wirkte sich auch auf die Gestaltung der Gottesdienste in der Stadt aus. Da dieser Aspekt nicht unerheblich für das chalkedonische Bewusstsein der Hauptstadt war und damit auch die Politik des Kaiser beeinflusste, soll an dieser Stelle auf die Neuerungen im Gottesdienst eingegangen werden. Die den Gottesdienst direkt betreffenden Beschlüsse der Synode und Akklamationen waren: die Rehabilitierung des Euphemios und Makedonios und damit verbunden die Rückführung ihrer Gebeine in die Kirche, ferner die Einfügung ihrer Namen in die Diptychen sowie die Einfügung aller vier ökumenischen Konzilien zusammen mit dem Tomus Leonis in die Diptychen und schließlich die Feier eines Gottesdienstes zu Ehren Chalkedons. Durch die Einsetzung der vier ökumenischen Konzilien in die Diptychen wurden die Gottesdienste exklusiv. Während für die Miaphysiten – zumindest, was die gemäßigteren Teil anbelangte – die Verlesung chalkedonischer Bischöfe noch 39 Vgl. THEOPH., S. 164 (DE BOOR).
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erträglich schien, wenn nur genügend rechtgläubige Bischöfe mit vorgelesen wurden, war eine Andacht für das vierte ökumenische Konzil nicht tragbar. Die Zelebrierung einer aus miaphysitischer Sicht rechtgläubigen Identität war nicht mehr möglich, wenn des Konzils gedacht wurde, über dessen Ablehnung man sich definierte. Deshalb war es ihnen nur möglich, ihre Messen in Nebengottesdiensten zu feiern. Diese wiederum erschienen in der Gemeinde von Konstantinopel als Fremdkörper und wurden zum Stein des Anstoßes.40 Einen noch stärkeren Effekt auf die Atmosphäre und das Profil der Stadt wird das Fest für Chalkedon gehabt haben, das fortan am 16. Juli gefeiert wurde. 41 Damit wurde jedem potentiellen Eingriff eines Kaisers Vorschub geleistet, der versucht hätte, den klar chalkedonischen Charakter der Stadt und des Gottesdienstes in Frage zu stellen. Eine solche Profilierung mag den Bischöfen auch besonders wichtig gewesen sein, nachdem Kaiser Anastasios versucht hatte mit der Staurotheis-Formel ein aus chalkedonisch-konstantinopolitanischer Sicht miaphysitisches Element in den Gottesdienst einzuführen. Einen weiteren Akt der Profilierung stellte schließlich die Einfügung des Euphemios und des Makedonios in die Diptychen zusammen mit der Überführung ihrer Überreste als Reliquien in die Kirche dar. Damit wurde endgültig die Politik des Anastasios in der Hauptstadt rückgängig gemacht. Bei der Rehabilitierung der beiden Bischöfe spielten zwei Dinge eine Rolle: ihre Beliebtheit im Volk Konstantinopels und deren Namen als Symbol für das Festhalten an Chalkedon. Der letztere Aspekt wiederum erlaubte es, beide Bischöfe auch wieder fallen zu lassen, wenn dadurch das Bekenntnis zu Chalkedon nicht angetastet blieb. So kam es schließlich dazu, dass nur ein Jahr, nachdem die beiden feierlich in die Diptychen eingefügt worden waren, sie der Forderung des Papstes Hormisdas zum Opfer fielen und wieder herausgestrichen wurden. Das Volk nahm dies hin und es wird in den Quellen von keinen Unruhen oder Ähnlichem berichtet. Die Rolle, die Euphemios und Makedonios für die chalkedonische Bevölkerung der Hauptstadt spielten, sollte dann von Hormisdas übernommen werden, der an ihrer statt in die Diptychen eingeschrieben wurde. Dies war deshalb möglich, weil das chalkedonische Profil der Stadt intakt blieb und weiterhin seinen Ausdruck im Gottesdienst fand. Schließlich sollte auf die politische Relevanz der chalkedonischen Profilierung der hauptstädtischen Gottesdienste hingewiesen werden. Sympathisanten des Miaphysitismus wurden aus der kirchlichen Öffentlichkeit gedrängt. Dies erschwerte etwa für miaphysitische Aristokraten den Zugang zum Kaiser, der natürlich regelmäßig am Gottesdienst teilnahm. Die kirchliche Öffentlichkeit sowohl in Form regulärer Gottesdienste als auch in Form außerordentlicher Feste wie dem Chalkedonfest war immer auch politische Öffentlichkeit. Bei diesen Gelegenheiten bestand die Möglichkeit, auf den Kaiser zuzugehen oder wie bei allen gesellschaftlich relevanten Anlässen Kontakte zu Gesinnungsgenossen oder potentiellen 40 Man bedenke die Klage über Nebengottesdienste in den 530er Jahren in der Hauptstadt, auf die später noch eingegangen werden wird. 41 Für weitere Informationen über das Chalkedonfest vgl. SALAVILLE, Fète, S. 677–695.
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politischen Verbündeten zu knüpfen. Wer ein miaphysitisches Bekenntnis pflegte und dieses konsequent auslebte, war nun von solchen kirchlichen Anlässen abgeschnitten. Ihre Rolle konnten nur parallel abgehaltene miaphysitische Nebengottesdienste übernehmen, wo sich Miaphysiten treffen und vernetzen konnten. Diese wurden jedoch von den Chalkedoniern der Stadt argwöhnisch betrachtet und als gefährlicher Fremdkörper gesehen. Außerdem konnte man nicht mit der Anwesenheit des Kaisers bei diesen Gottesdienstes rechnen, weshalb sie den politischen Nutzen der regelmäßigen Teilnahme am chalkedonischen Gottesdienst nicht vollständig ausgleichen konnten. 3.3 DAS ENDE DES AKAKIANISCHEN SCHISMAS UND DIE EINHEIT MIT ROM Nachdem in den Kirchen Konstantinopels Euphemios und Makedonios rehabilitiert worden waren und offen das Bekenntnis zu Chalkedon gefeiert wurde, wie von der synodos endemousa beschlossen, war es nun an dem Kaiser und dem Patriarchen die letzte Forderung der Bischöfe zu erfüllen: die Kircheneinheit mit Rom. Bereits drei Wochen nach der synodos endemousa brach Justin I. das Schweigen zwischen Rom und Konstantinopel und zeigte dem Papst seine Erhebung zum Kaiser an.42 In den nächsten Wochen folgten weitere Briefe des Kaisers, des Patriarchen Johannes und Justinians. Darin bekannten sie sich zu Chalkedon und signalisierten ihren Willen zur Einheit.43 Ferner informierte Johannes Hormisdas darüber, dass dieser zusammen mit Papst Leo in die Diptychen der Kirchen Konstantinopels eingetragen worden war. Von Justinian wurde der Papst darum gebeten, selbst nach Konstantinopel zu kommen, um sich der Besiegelung der Einheit anzunehmen.44 Außerdem sprach Justinian den Fall des Akakios an und themati42 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 128, Nr. 393; ferner Coll. Avell. 141. 43 Zum Brief Justins siehe Coll. Avell. 143 bz. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 130, Nr. 400; zu Johannes Coll. Avell. 146, GRUMEL, Regestes S. 152, Nr. 210; zu Justinian Coll. Avell. 147 bzw. AMELOTTI/ZINGALE, Scritti, S. 6. Zum Briefwechsel zwischen Rom und Konstantinopel vgl. UTHEMANN, Kaiser, S. 103–105. 44 Zu Justinians Anteil an der Beendigung des Akakianischen Schismas vgl. E NSSLIN, Justinian I., S. 113 f. , der hinter der chalkedonischen Politik den Einfluss Justinians ausmacht. Diesel be Meinung vertreten ALLEN, Definition, S. 821; CAPIZZI, Potere, S. 6; MEIER, Zeitalter, S. 124; PODSKALSKY, Justinian, S. 273, SCHWARTZ, Sammlungen, S. 259, VASILIEV, Justin. Gegen eine Überbetonung des Einflusses Justinians auf Justin hat sich jedoch in jüngster Zeit CROKE, Justinian, S. 13–16 gewandt. KÖTTER, Kaisern, S. 138, Anm. 427, ist der Ansicht, dass wenn man von einer äußeren Beeinflussung Justins ausgehe, die ihn zur chalkedonischen Wende und zur Beendigung des Akakianischen Schismas gebracht hätte, dass man dann eher GRAY, Defense, S. 76 und HAACKE, Politik, S. 141 folgen müsse, die in Vitalian und nicht in Justinian den Grund für Justins Politik sehen. Letztlich sieht Kötter neben dem Druck Vita lians mit Hinweis auf MEIER, Staurotheis, S. 229, auch das „gestörte Verhältnis zwischen Kaiser und hauptstädtischer Bevölkerung“ als maßgeblichen Grund für Justins Politik. Mit dem Hinweis auf die hauptstädtischen Befindlichkeiten wird zwar in die richtige Richtung gewiesen. Doch ist neben der Stimmung der Bevölkerung vor allem auch auf die Bischöfe und
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sierte damit den eigentlichen Streitpunkt zwischen Rom und Konstantinopel, der zuvor eine Beendigung des Schismas zwischen Rom und den chalkedonischen Bischöfen Konstantinopels verhindert hatte. Im darauffolgenden Jahr erreichte eine römische Gesandtschaft die Hauptstadt und war dabei von Hormisdas mit genauen Instruktionen ausgestattet worden, wie sie auf mögliche Forderungen seitens Konstantinopels reagieren sollten und welche Zugeständnisse sie machen durften. 45 Hormisdas drang weiterhin auf die Verurteilung des Akakios und seiner Nachfolger, erlaubte aber seinen Gesandten, wenn es nicht anders möglich wäre, die Namen der Nachfolger des Akakios stillschweigend aus den Diptychen herauszustreichen, ohne diese öffentlich zu verdammen. Angesichts der erst kürzlich vollzogenen feierlichen Rehabilitierung des Euphemios und Makedonios durch die synodos endemousa wäre eine öffentliche Verurteilung in Konstantinopel schwer möglich gewesen. Die Einheit zwischen beiden Patriarchen wurde schließlich durch die Unterschrift des Johannes unter dem libellus Hormisdae besiegelt, in dem die päpstlichen Bedingungen – nämlich die Streichung des Akakios und seiner Nachfolger – niedergelegt waren.46 Am 28. März unterzeichnete Johannes den libellus im Palast in Anwesenheit des Kaisers, des Klerus und des Senats, sodass am darauffolgenden Sonntag, dem 31. März, beide Kirchen in Einheit Ostern feiern konnten. Interessanterweise zeigten aber gerade die Archimandriten der Hauptstadt Zurückhaltung, als auch ihnen der libellus Hormisdae zur Unterschrift vorgelegt wurde.47 Sie entgegneten, ob denn nicht bereits die Unterschrift des Johannes II. reichen würde.48 Diese Haltung ergab sich wohl daraus, dass man zum einen die Einheit mit Rom bereits als vollzogen ansah, da jetzt das Schisma zwischen Rom und Konstantinopel aufgehoben war. Und auch Johannes unterzeichnete nicht einfach nur den libellus Hormisdae, sondern stellte ihm auch ein Vorwort voran. 49 Darin beziehungsweise in seinem gesamten Antwortbrief an Hormisdas betont er die Einheit des alten und neuen Rom und lässt beide Kirchen als eine einzige erscheinen, die ihre Rechtgläubigkeit auf das Bekenntnis zu den vier ökumenischen Konzilien gründe. Rom nahm den Brief des Johannes an und akzeptierte damit impliziert auch die Rangansprüche Konstantinopels.50 Dadurch konnte Johannes
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Mönche zu verweisen, die sich 518 auf der synodos endemousa versammelten und dort unter anderen die Gemeinschaft mit Rom forderten. Dieser Punkt ist bisher in der Forschung fast völlig ignoriert worden. Zwar geht Vasiliev auf die Ereignisse des Jahres 518 ein, doch sieht auch er Justinian hinter der chalkedonischen Wende Justins. Zur Politik Justins und Justinians allgemein siehe ALLEN, Justin. Vgl. Coll. Avell. 158. Zu den Verhandlungen zur Beendigung des Akakianischen Schismas und den Instruktionen, die Papst Hormisdas seinen Legaten mitgab, vgl. C ASPAR, Geschichte, II, S. 150–157. Die Bedingungen Roms, die sogenannte formula Hormisdae, ist erhalten im Brief des Johannes an Hormisdas, vgl. Coll. Avell. 159, GRUMEL, Regestes S. 152 f., Nr. 212. Darauf weist Pereira hin, vgl. PEREIRA, Reception, S. 195. Vgl. Coll. Avell. 167, S. 620. Das Vorwort findet sich bei Coll. Avell. 159, 1. Zu dieser Einschätzung vgl. KÖTTER, Kaisern, S. 144. Auch im Westen wurde die Ansicht zur Gleichrangigkeit geteilt. So sprach etwa Avitus von Vienne in seinem Glückwunschschreiben
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trotz der Verurteilung seiner Vorgänger die Stellung Konstantinopels konsolidieren und sein Gesicht wahren. Denn durch das Ende des Schismas und die Anerkennung Konstantinopels durch Rom konnte Johannes der Aushöhlung seines Anspruchs auf den Vorrang gegenüber den östlichen Patriarchen entgegenwirken. Mit dem Ende des Akakianischen Schismas wurde auch die Trennung der Bischöfe des Balkans und der Kleriker der Syria II von Konstantinopel gegen Ende der Herrschaft des Anastasios aufgehoben. Ferner war nun auch allen chalkedonischen Klerikern die Grundlage dafür entzogen, sich bei Unzufriedenheit mit dem Bischof von Konstantinopel an Rom zu wenden, um ihre Forderungen durchzusetzen, da zwischen den beiden Rom nun nicht nur keine dogmatischen Unterschiede mehr vorlagen, sondern Konstantinopel in seiner Vorrangstellung im Osten durch Rom bestätigt worden war. Eine solche Bestätigung zeigte sich auch daran, dass Hormisdas in der Folgezeit die Aufgabe an Konstantinopel delegierte, alle Unterschriften der östlichen Bischöfe unter dem libellus Hormisdae einzutreiben.51 Was die Frage der Hierarchie und Autorität des konstantinopolitanischen Stuhls betraf, hatte nun ironischerweise Johannes mit der Streichung einiger seiner Vorgänger aus den Diptychen eine Verbesserung und Stabilisierung der Stellung seines Bischofsstuhls erreicht. Festzuhalten ist an dieser Stelle also, dass mit dem Ende des Akakianischen Schismas auch die Autorität des Stuhls von Konstantinopel gestärkt wurde und seine Rechtgläubigkeit aus Sicht der Chalkedonier in Ost und West wieder unumstritten war. Dieser Autoritätsgewinn ergab sich aber aus der Einheit mit Rom, sodass im Falle eines erneuten römisch-konstantinopolitanischen Gegensatzes in der Zukunft, unzufriedene chalkedonische Kleriker und Mönche erneut die Möglichkeit bekommen konnten, die römische Autorität gegen den Bischof der Kaiserstadt auszuspielen. Dieser Umstand sollte 536 eintreffen, als Anthimos wegen seiner Positionierung gegenüber Severos die Gunst Roms verlor und mit Hilfe Papst Agapets auf Betreiben chalkedonischer Bischöfe und Mönche aus den Patriarchaten Konstantinopel und Antiocheia abgesetzt wurde. In Rom wiederum wird sich Hormisdas bewusst gewesen sein, dass mit der Anerkennung der Stellung Konstantinopels das Papsttum seine direkte Oberhoheit über die östlichen Kleriker, die sich ihm zuvor unterstellt hatten, verlor. Jedoch hätte ein Weiterbestehen des Akakianischen Schismas aufgrund einer unnötig unnachgiebigen Haltung Roms das päpstliche Ansehen beschädigt. Ferner waren die direkten Eingriffsmöglichkeiten Roms in den östlichen Bistümern gering geblieben, sodass die Rückausrichtung der syrischen Bischöfe auf Konstantinopel und Antiocheia für Rom verschmerzbar blieb. Das Ende des Akakianischen Schismas stellte damit für Rom einen ideellen Sieg und eine Bekräftigung seiner dogmatischen Autorität und für Konstantinopel eine hierarchisch-kirchenpolitische Konsolidierung gegenüber den östlichen Bischöfen dar. an Hormisdas von der „Eintracht gleichsam der beiden Apostelfürsten“, von dem „Zwillingsgestirn am Himmel”, siehe A VITUS, Epistula 8, 1, c, S. 42. Ferner vgl. CASPAR, Geschichte, II, 159 f. 51 Vgl. Coll. Avell. 236 und 237. Ferner vgl. CASPAR, Geschichte, II, S. 179 f.
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3.4 DIE SKYTHISCHEN MÖNCHE UND DIE THEOPASCHITISCHE FORMEL Zwar war das Akakianische Schisma zwischen Konstantinopel und Rom endlich bereinigt, doch musste die chalkedonische Wende in der Kirchenpolitik auch im Osten des Reiches durchgesetzt werden. Das heißt, es galt, die Unterschriften der östlichen Bischöfe unter die formula Hormisdae einzutreiben und die Nachfolge des Severos von Antiocheia zu regeln. Dabei handelte es sich um eine heikle Angelegenheit.52 Denn die Aufgabe des neuen Bischofs sollte sein, den Frieden der zerrissenen Kirche in seinem Patriarchat wiederherzustellen – was allein schon schwierig genug gewesen wäre – und zudem die formula Hormisdae, die auch unter den chalkedonischen Bischöfen nicht unumstritten war, im Osten durchzusetzen. Sowohl die päpstlichen Legaten als auch eine Gruppe antiochenischer Kleriker, die sich für einen moderaten Umgang mit ehemaligen Anhängern des Severos aussprachen, versuchten Einfluss auf die Bischofswahl zu nehmen, als in der Hauptstadt ein neuer Unruheherd entstand. Eine Gruppe skythischer Mönche53 tauchte in Konstantinopel auf und vertrat die Ansicht, dass man über den göttlichen Logos bekennen müsse, dass er als einer aus der Dreifaltigkeit gekreuzigt wurde (unus de trinitate crucifixus est). Diese Formel wird ihres Inhalts wegen in der Forschung als theopaschitisch bezeichnet. Über die Mönche, die diese Formel prägten, ist wenig bekannt. Sie kamen aus Thrakien und stammten aus dem Hause Vitalians, der in der Zwischenzeit von Justin I. zum magister militum praesentalis befördert worden war54 und der den Mönchen wahrscheinlich den Zugang zum Hof ermöglichte. 55 In Konstantinopel gerieten sie mit dem Diakon Victor aneinander und zweifelten dessen Rechtgläubigkeit an.56 Dieser wiederum lehnte die Formel der Mönche mit dem Verweis ab, dass sie nirgendwo in den Akten der Konzilien und den Texten der Väter enthalten war, und vertrat die Position, dass die Beschlüsse von Chalkedon und der Tomus Leonis ausreichend seien und damit alles über den rechten Glauben gesagt sei. Die päpstlichen Legaten berichteten Hormisdas in einem Brief über den Verlauf der Ereignisse und gaben auch Aufschluss darüber, wieso die skythischen Mönche für die theopaschitische Formel stritten. Die Mönche lehrten, dass das Bekenntnis 52 Der Streit um die antiochenische Nachfolge zog sich fast drei Monate hin, vgl. Coll. Avell. 217, 4, S. 677, Z. 22. 53 Zu den skythischen Mönchen vgl. RUSCU, Mönche, der bereits die kirchenpolitischen Forderungen Vitalians auf ihr Wirken zurückführt und Vitalian als bewaffneten Arm dieser monastischen Partei bezeichnet, vgl. ebd., S. 187. Zu den Mönchen und ihrer Formel vgl. ferner GRILLMEIER/HAINTHALER, Jesus, II, 2, S. 333–360; UTHEMANN, Kaiser, S. 111–115. Zu den von ihnen verfassten Texten und Florilegien, vgl. A LTANER, Schrifttum. Zudem sei auf die 2015 erschienene Doktorarbeit von Matthew Pereira verwiesen, die sich ausführlich mit dem Werk des Johannes Maxentius und seiner Rezeption der Kirchenväter beziehungsweise der Rezeption von Augustinus und Kyrill von Alexandreia widmet, vgl. PEREIRA, Reception. 54 LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 129, Nr. 397. 55 Vgl. Coll. Avell. 216, 5, S. 675: qui de domo magistri militum Uitaliani sunt. Zum Zugang zum Hof vgl. PEREIRA, Reception, S. 196. 56 Vgl. Coll. Avell. 189, 3, S.647.
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von Chalkedon allein nicht ausreiche und man zugleich bekennen müsse, dass unus de trinitate crucifixus est, um zu verhindern, dass Chalkedon auf eine nestorianische Art und Weise interpretiert würde.57 Der römische Legat Dioscorus versammelte in Reaktion darauf die römischen Legaten um sich, um die Position Roms zu formulieren. Diese verwahrte sich gegen Neuerungen mit dem Hinweis, dass das von Chalkedon ausreichend sei.58 Diese Position bekräftigten sie auch, als sie vom Kaiser eingeladen wurden, um bei der Weihe des konstantinopolitanischen Presbyters Paul zum neuen Bischof von Antiocheia zugegen zu sein. Damit war jedoch die Angelegenheit noch nicht endgültig entschieden. Nachdem die skythischen Mönche in der Hauptstadt nichts erreichen konnten, machten sie sich auf den Weg nach Rom, um dort bei Hormisdas persönlich für ihre Sache einzutreten. Im Zusammenhang mit der Wahl des neuen Bischofs von Antiocheia stellt Viezure die These auf, dass die Wahl Pauls mit der Kontroverse mit den skythischen Mönchen zusammenhing. Die Verhandlungen darüber, wer zum neuen Bischof von Antiocheia bestimmt werden sollte, zogen sich hin und eine antiochenische Partei setzte sich für Kleriker ein, die zuvor in einem nahen Verhältnis zu Severos standen und deshalb bei den Legaten auf große Skepsis stießen. Die skythischen Mönche, die wahrscheinlich dieser antiochenischen Partei theologisch nahe standen, hatten zunächst auch bei den Verhandlungen teilgenommen, reisten dann aber noch während der Verhandlungen um den antiochenischen Stuhl plötzlich nach Rom ab, wodurch sie sich den Unmut des Hofes zuzogen. Die Legaten zeigten sich irritiert und beunruhigt über den offenen Umgang des Hofes mit den skeptisch beäugten skythischen Mönchen und der antiochenischen Delegation. Diese Beunruhigung wurde sicher noch durch einen Bericht verstärkt, wonach es in Antiocheia zu verbalen Angriffen auf den römischen Bischof gekommen war. Dort erschallte der Ruf: „Alle, die mit dem apostolischen Stuhl in Gemeinschaft stehen, sind Nestorianer.“59 Wegen der Bedenken der römischen Legaten und des Verhaltens der skythischen Mönche, das dem Hof übel aufgestoßen war, habe man sich am Hof dazu entschieden, mit Paul einen den Miaphysiten gegenüber konfrontativ ausgerichteten Chalkedonier für Antiocheia zu wählen, um eine Entfremdung mit Rom zu vermeiden60 In Bezug auf die Formel der Mönche hatte das chalkedonische Lager sowie der Hof von Konstantinopel in dieser Frage noch zu keiner eindeutigen Haltung gefunden. Vitalian unterstützte die skythischen Mönche. Justinian hingegen, der Neffe des Kaisers und zweite magister militum praesentalis61 neben Vitalian, 57 Vgl. Coll. Avell. 224, 2–8, S. 685–686. Zum Briefwechsel der römischen Legaten mit Hormisdas und der römischen Position vgl. CASPAR, Geschichte, II, S. 161–164. 58 Die genauen Worte waren: „Es genügt das heilige Konzil von Chalkedon, in dem auch die anderen Synoden enthalten sind; es genügen die Briefe des Papstes Leo, welche die Synode bestätigte; eine Neuerung in die Kirche einführen, wollen wir nicht, noch dürfen wir es.“ Siehe Coll. Avell. 216, 8, S. 676. 59 Vgl. Coll. Avell. 217, 3, S. 677. 60 Vgl. VIEZURE, Election, S. 568–573. 61 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 134, Nr. 420.
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warnte Hormisdas zunächst vor den Mönchen, namentlich Achilles, Johannes, Leontius und Mauritius, die laut Justinian „mehr Uneinigkeit“ 62 in der Hauptstadt verursachten. Nachdem jedoch auch Vitalian in derselben Sache einen Brief an Hormisdas sandte, sich aber für die skythischen Mönche einsetzte, scheint auch Justinian seine Meinung geändert zu haben. Ohne die Antwort des Papstes auf seinen ersten Brief abzuwarten, schickte er ihm einen zweiten Brief hinterher, in dem er ihn bat, schnell eine Antwort zur theopaschitischen Frage zu geben und die Mönche Leontius und Johannes nach Konstantinopel zurückzuschicken. Was Justinian zu einem Sinneswandel führte, ist nicht klar. Womöglich sah er die Formel nun, da Vitalian, der Verteidiger Chalkedons, sich für sie einsetzte, in einem anderen Licht. Vielleicht wollte er nicht hinter Vitalian zurückstehen und vermeiden, dass dieser sich profilierte,63 oder er zeigte sich von den skythischen Mönchen, die zuvor nur als Unruhestifter erschienen waren, beeindruckt und änderte seine Meinung deshalb. Hormisdas teilte jedoch letztlich die Position seiner Legaten und lehnte die Formel ab. Die Mönche wurden aus Rom ausgewiesen und Hormisdas machte in einem Schreiben seinem Ärger über die seiner Meinung nach hochmütigen Mönche Luft.64 Die skythischen Mönche verschwinden nach dieser Episode wieder aus der Überlieferung und ihr Unterstützer Vitalian wurde 520 ermordet. 65 Aber nicht zuletzt wegen der Parteinahme Justinians für die theopaschitische Formel auch über das Jahr 519 hinaus, blieb das Thema relevant. Die Diskussion um sie hielt weiter an und wurde erst 534 mit der Annahme der Formel durch Papst Johannes II. zum Ende geführt. Aus diesem Grund ist es angebracht, die theologische Argumentation der römischen Legaten und der skythischen Mönche genauer zu untersuchen, um die Bedeutung der Formel für das Lager der Chalkedonier und für das Verhältnis zu den Miaphysiten zu verstehen.
62 magis discordia, siehe Coll. Avell. 187, S. 644 bzw. AMELOTTI/ZINGALE, Scritti, S. 8. 63 Vgl. Coll. Avell. 191; AMELOTTI/ZINGALE, Scritti, S. 9. Uthemann bringt den Sinneswandel Justinians mit dem Brief des Vitalian in Zusammenhang. Laut ihm handeln beide „hier als Konkurrenten im Kampf um die Macht“, siehe UTHEMANN, Kaiser, S. 112. 64 Vgl. JK 850. Ferner über das Wirken der skythischen Mönche in Rom vgl. CASPAR, Geschichte, II, S. 177–179. 65 Bei Victor von Tunnuna und insbesondere Prokop erscheint Justinian als der Verantwortliche hinter dem Mord an Vitalian, vgl. VICT. TUNN. S. 197 (MOMMSEN) (CPL 2260); PROKOP, Anek., VI, 28, S. 43 (H AUDY-WIRTH); Jordanes, Johannes Malalas und Johannes von Nikiu bringen die Ermordung mit einem Umsturzversuch Vitalians in Verbindung und Marcellinus Comes schweigt zu den möglichen Hintergründen und Hintermännern der Tat, vgl. J ORDANES, Romana, S. 47, (MOMMSEN); vgl. MARC. COM, S. 41 (CROKE) (CPL 2270), vgl. JOH. MALAL., Chronicon, S. 339 (THURN) (CPG 7511), JOH. NIK. Chron., S. 134 (CHARLES) (CPG 7967). Die Forschung ist im Allgemeinen der Darstellung Prokops gefolgt und sieht Justinian hinter dem Attentat, vgl. GREATREX, Years, S. 105, während Croke Justin für die wahrscheinliche Figur hinter der Ermordung hält, und auf einen möglichen Umsturzversuch Vitalians hinweist, vgl. CROKE, Justinian, S. 34 f. Zum Todesdatum und der damnatio memoriae, der Vitalian anheim fiel, vgl. CAMERON, Death.
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Die Position der römischen Legaten zeichnete sich, wie schon die Haltung Roms im Akakianischen Schisma, durch theologischen Konservativismus aus. 66 Man zog sich auf das Konzil von Chalkedon zurück, das jede weitere Diskussion und damit auch die theopaschitische Formel für überflüssig erklärte. Für die ablehnende Haltung Roms kam ein weiterer Punkt hinzu. Den römischen Legaten war die Ähnlichkeit der Formel unus de ex trinitate crucifixus est mit dem miaphysitisch erweiterten Trishagion „ἅγιος ὁ θεός, ἅγιος ἰσχυρός, ἅγιος ἀθάνατος, ὁ σταυρωθεὶς δὶ’ ἡμᾶς ἐλέησον ἡμᾶς“ nicht verborgen geblieben. In beiden Formeln wurde Christus als eine Person der Dreifaltigkeit angerufen und seine Kreuzigung verkündet.67 Die Legaten wiesen deshalb bei ihrer Ablehnung auf die vergangenen Versuche des Anastasios hin, in die theologischen Auseinandersetzungen einzugreifen. Ferner wollten, laut Aussage der Legaten, auch die Jünger des Eutyches auf dem Konzil von Chalkedon die Redeweise einführen, das Wort Gottes sei von gleicher Substanz (consubstantialem patri) und wesensgleich (homoousion patri) mit dem Vater. Dieser Versuch sei dann abgewehrt worden, damit kein Zweifel über den katholischen Glauben aufkommen möge.68 Während die Redeweise von der Konsubstantialität beziehungsweise der Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater im Bereich der Trinitätstheologie gebräuchlich war, erschien sie den Legaten im christologischen Zusammenhang verdächtig. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass der Begriff von der Wesenseinheit in der Trinitätstheologie eingeführt wurde, um das genaue Verhältnis der beiden göttlichen Personen beziehungsweise Hypostasen Gott-Vater und Gott-Sohn (in Abgrenzung zu Areios) genau zu bestimmen. In der Christologie ging es aber um die Verhältnisbestimmung der Menschheit und Gottheit innerhalb Christi. Die Legaten fürchteten wohl, dass wenn man in diesem Zusammenhang vor allem auf die Wesensgleichheit der Person Christus mit dem Vater fokussiere, die menschliche Natur nicht ausreichend berücksichtigt würde und eine Lehre, die einzig auf die Wesensgleichheit Christi mit Gott-Vater fußte, darauf hinauslaufen könnte, die menschliche Natur in Christus zu negieren. Genau diese Lehre der vollkommenen Auflösung der menschlichen Natur in der Gottheit wurde mit Eutyches verbunden, sodass letztlich die in der Trinitätstheologie gebräuchliche Redeweise im Bereich der Christologie als häretisch angesehen wurde. Mit diesem Hintergrund erklärt sich, wieso die Legaten die für sich genommen unverdächtigen Ausdrücke consubstantialem patri und homoousion patri im christologischen Zusammenhang sofort in den Kontext der vorherigen Versuche der Anhänger des Eutyches (Eutychetis discipuli) einordneten, eine häretische Lehre in die Kirche einzuführen. Der letzte Versuch dazu stellte ihrer Meinung nach die Einfügung des Staurotheis-Zusatzes zum Trishagion dar. Der Staurotheis-Zusatz zum Trishagion stieß auch deshalb seitens der Chalkedonier auf Widerstand, weil sie das Trishagion auf die gesamte Dreifaltigkeit be66 Zur römischen Haltung während des Akakianischen Schismas, vgl. K ÖTTER, Kaisern, S. 166 f. 67 Dazu, dass die Miaphysiten das Trishagion allein auf Christus bezogen, vgl. S EV., Ep. 22 Ad Ioannem et Iohannem, S. 214–216 (PO 58). Darin kritisiert Severos, dass die Römer das Trishagion auf die gesamte Dreifaltigkeit beziehen. 68 Vgl. Coll. Avell. 216, 7, S. 676.
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zogen und nicht nur auf Christus. Wenn man deshalb beim Trishagion „der um unseretwillen gekreuzigt wurde“ (ὁ σταυρωθεὶς δι’ ἡμᾶς) hinzufügte, setzte man aus chalkedonischer Sicht den Vater, der in Konstantinopel im Trishagion mitangerufen wurde, in unangebrachter Weise mit dem Sohn gleich. Die Verbindung, die die Legaten zwischen dem Staurotheis-Zusatz und der theopaschitischen Formel knüpften, stellte letztlich die größte Hürde für die Anerkennung der Formel dar. Die skythischen Mönche, die sich klar zu Chalkedon bekannten, verbanden die Formel hingegen mit den Lehren Kyrills von Alexandreia, aus dessen zwölften Anathematismus sie entnommen war.69 Sie sahen sie deshalb als rechtgläubig und als ideales Werkzeug an, Chalkedon vor nestorianischen Interpretationen zu bewahren. Da die Formel zum rechten Verständnis des Konzils dienen sollte, waren die Mönche bemüht, zu beweisen, dass sie natürlich mit den Lehren des Konzils und dem Tomus Leonis in Einklang stand. Die Mönche waren dabei weniger darum bemüht, eine Brücke zu den Miaphysiten zu schlagen, in deren Nähe sie von den päpstlichen Legaten gerückt wurden, als Kyrill vor einer Vereinnahmung durch die Miaphysiten zu schützen.70 Dabei handelte es sich bei den Mönchen aber nicht um reine Kyrillianer, sondern um lateinische Theologen, 71 die stark von Augustinus beeinflusst wurden72 und seine Theologie mit der von Kyrill verbanden. Ihre Argumente bezüglich ihrer Formel legten sie in ihrem libellus fidei73 dar. Sie führten aus, dass sie mit dem ‚Einen aus der Trinität’ Christus meinen, der eine der drei göttlichen Hypostasen sei. Dieser sei ein einziges Handlungssubjekt, sowohl die göttliche Hypostase, als auch die Person Christus. Das Wort 'Person' dürfe nicht so verstanden werden, als ob es nur dem Menschen Christus zukomme, während die Hypostase allein auf den göttlichen Logos bezogen würde. Eine solche Argumentation führe zu einer Trennung in zwei Hypostasen und zwei Personen, wobei die Hypostasen der Person lediglich einwohnten und nicht eins würden. Bei einer solchen Lehre, in der von zwei Hypostasen ausgegangen werde, spräche man diesen eine gewisse Eigenständigkeit zu, was zu einer Zwei-Personen-Lehre führe.74 Eine solche Lehre sei deshalb abzulehnen. Neben diesen Aus69 Kyrills zwölfter Anathematismus: „Wenn jemand nicht bekennt, dass der Logos Gottes im Fleisch gelitten hat, im Fleisch gekreuzigt worden ist, im Fleisch den Tod gekostet hat und „der Erstgeborene unter den Toten“ geworden ist, insofern er Leben ist und Leben spendet wie Gott, so gelte das Anathem.“ („Εἴ τις οὐχ ὁμολογεῖ τὸν τοῦ θεοῦ λόγον παθόντα σαρκὶ καὶ ἐσταυρωμένον σαρκὶ καὶ θανάτου γευσάμενον σαρκὶ, γεγονότα τε πρωτότοκον ἐκ τῶν νεκρῶν, καθὸ ζωή τέ ἐστι καὶ ζωοποιὸς ὡς θεός, ἀνάθεμα ἔστω“). KYRILL, Ep. 3 Ad Nestorium (WOHLMUTH, Konzilien, S. 50–61, hier S. 61) (CPG 5304). Die zwölf Anathematismen sollten bereits beim Henotikon, in dem sie enthalten waren, die Grundlage für eine Verständigung zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten legen. 70 Vgl. MENZE, Justinian, S. 39; sowie PEREIRA, Reception, S. 201. 71 Auch die Werke Kyrills rezipierten sie in lateinischer Übersetzung, vgl. P EREIRA, Reception, S. 223, der auch darauf hinweist, dass die Mönche nicht fließend griechisch lesen konnten. 72 Vgl. ALTANER, Leontius, S. 387, sowie PEREIRA, Reception, S. 214. 73 IOH. MAX., Libellus fidei, S. 5–25 (GLORIE) (CPL 656). 74 „Wir aber, die wir ein und dieselbe Hypostase erkennen, die auch die Person ist, sagen nicht, dass die Dreifaltigkeit in Christus einwohnt – wie die Anhänger des Theodor von Mopsuestia
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führungen versuchten sie ihre Formel mit der lateinischen Theologie in Gestalt des Tomus Leonis und Augustinus zu verbinden.75“ Bemerkenswert sind bei dieser Argumentation drei Dinge: Die Ausführungen, dass es nicht zwei Hypostasen geben könne, erinnert an die miaphysitische Position, die die Rede von zwei Naturen nach der Einheit ablehnte, weil so eine Eigenständigkeit der Naturen und damit eine Trennung in zwei Personen gelehrt würde. Der zweite Punkt ist, dass die Mönche sich eindeutig von Theodor von Mopsuestia abgrenzten, indem sie betonten, dass die Hypostasen der Person nicht ‚einwohnen’. Bei dem Ausdruck ‚einwohnen’ handelte es sich um einen zentralen Begriff aus der Christologie Theodors. Dieser beschrieb in seinem Werk de incarnatione die Einigung der Gottheit mit der Menschheit als Einwohnung Gottes, durch welche sich die Einheit vollziehe.76 An dieser Stelle nannten die skythischen Mönche Theodor auch in einem Atemzug mit Nestorios, indem sie all diejenigen, die einer solchen Lehre der schlichten Einwohnung Gottes folgten, als Anhänger des Theodor und Nestorios bezeichneten. Während also noch Flavian von Antiocheia Theodor erst auf Druck von Philoxenos von Mabbug verurteilt hatte, taten die Mönche diesen Schritt aus eigener Motivation heraus.77 Zudem begründeten sie ihre Verurteilung auch theologisch. Dadurch verließ der Streit um die Vertreter der antiochenischen Tradition die rein personelle Ebene und wurde nun auf einer theologisch-argumentativen Ebene geführt. Dadurch wurde der Grundstein für eine theologische Annäherung mit den Miaphysiten gelegt, die auch weniger komund Nestorios, als sei Christus außerhalb der Dreifaltigkeit – sondern wir glauben an einen Gott Wort, den eingeborenen Sohn des Vaters, unseren Herrn Jesus Christus, der eine von drei Hypostasen der einen Gottheit ist.“ Siehe I OH. MAX., Libellus fidei, S. 5–25 (GLORIE) (CPL 656) hier S. 14 § 9, Z. 182–188. Hervorhebung von mir. 75 Sie zitieren unter anderem den Satz aus dem Tomus „Der leidensunfähige Gott hat nicht verschmäht, leidensfähiger Mensch zu werden und (selbst) unsterblich sich den Gesetzen des Todes zu unterwerfen.“ Vgl. IOH. MAX., Libellus fidei, S. 5–25 (GLORIE) (CPL 656) hier S. 21, § 13, 26; zudem rezipierten sie Stellen aus Werken des Augustinus, die das gemeinsame Handeln der drei göttlichen Personen betonten, vgl. Vgl. PEREIRA, Reception, S. 283. 76 Vgl. THEOD., MOPS., De incarnatione (CPG 3856), S. 239, Frg. 6 (JANSEN). Ferner führt Theodor die Art der Einwohnung weiter aus und betont, dass die Gottheit der Menschheit nicht gemäß ihres Wesens einwohnt, ebd., S. 237, Frg. 6: „Οὐσίᾳ μὲν οὖν λέγειν ἐνοικεῖν τὸν θεὸν τῶν ἀπρεπεστάτων“. Auch Severos von Antiocheia wandte sich gegen die Vorstellung der Einheit der beiden Naturen als Einwohnung und verbindet diese Redeweise mit den Anhängern des Nestorios, siehe SEV., Hom. 64, S. 319 (PO 37) (CPG 7035): „Il m’était agréable de poser cette question à ceux qu’enivrent les idées de Nestorius: Si le Christ possédait le Verbe de Dieu qui habitait en lui, selon leur expression, comment avait-il besoin du secours d’un ange? A ce moment-là, était-il privé de l’habitation? [...] Réveillez-vous donc, ò vous, et sachez désormais que vous-mêmes vous tombez sur vous-mêmes, que vous déraisonnez sur un point capital et certain en disaint que celui qui été cricifié pour nous est un homme pur et simple, et que vous blasphémez et parlez comme les Juifs.“ 77 Wobei angemerkt sei, dass die Person des Theodor von Mopsuestia bereits vor Chalkedon umstritten war. Vgl. ABRAMOWSKI, Streit, S. 252–287. Kyrill von Alexandreia verwarf seine Lehre, sah aber von einer posthumen Verurteilung ab, vgl. hierzu seinen Brief an Proklos von Konstantinopel und Johannes von Antiocheia ACO IV, 1, S. 110. Zum ersten Streit um die Person Theodors von Mopsuestia vgl. JANSEN, Theodor, S. 19–32.
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promissbereiten Chalkedoniern vermittelbar war, weil der Umgang mit den Vertretern der antiochenischen Schule nicht mehr (nur) als personalpolitisches Geschacher wahrgenommen werden musste.78 Stattdessen konnte deren Verurteilung nun auch als ernsthaft theologisch und chalkedonisch79 motiviert erscheinen, besonders – und dies ist der dritte Punkt – weil die Mönche versuchten, ihre Lehre nicht nur mit Kyrill abzusichern, sondern auch mit Augustinus und dem Tomus Leonis. Die Verurteilungen der antiochenischen Tradition durch Chalkedonier erfolgten bisher vor allem als Rückzugsgefecht mit den Miaphysiten. Deshalb betrachtete man auf Seiten der Chalkedonier die Aufgabe der antiochenischen Schule als Aushöhlung und Preisgabe Chalkedons. Indem die skythischen Mönche die Antiochener nun mit Hilfe einer Theologie verurteilten, die für sich beanspruchte, unter anderem in der lateinischen Tradition zu stehen, die nicht dem Verdacht unterlag, miaphysitisch zu sein, schufen sie die Möglichkeit, die Vertreter der antiochenischen Tradition preiszugeben, ohne dass dies notwendigerweise als Aushöhlung Chalkedons und Angebot an die Miaphysiten erscheinen musste. Dies konnte jedoch nur gelingen, wenn man die Argumentation der Mönche akzeptierte und darüber hinwegsah, dass sie sich bei ihrer Rezeption des Tomus Leonis im Prinzip auf die einzige Zeile stützten, die die Einheit der Naturen betonte, während sie über alle Stellen des Tomus hinweggingen, die die Zweiheit und den Weiterbestand der Naturen hervorhoben. Im Jahr 519 war Rom jedenfalls noch nicht dazu bereit, den Skythen zu folgen. Die Mönche schufen mit ihren Ausführungen eine neue theologische Position und sorgten dadurch für eine weitere theologische Ausdifferenzierung. Dadurch wurden aber auch wieder die Grenzen zwischen den einzelnen theologischen Strö78 Die Betonung liegt hier auf „nicht als Geschacher wahrgenommen werden musste.“ Das heißt, dass der Streit um die Antiochener auch weiterhin von einigen Anhängern Chalkedons als solches aufgefasst wurde. Der Eindruck, dass die Antiochener für eine Verständigung mit den Miaphysiten geopfert werden sollten, sorgte deshalb später im Dreikapitelstreit in den 540er und 550er Jahren für großen Widerstand im Westen, als Theodor von Mopsuestia, die kyrillfeindlichen Schriften Theodorets von Kyrrhos und der Brief des Ibas von Edessa, also die sogenannten drei Kapitel, verurteilt wurden. Dass Justinian vorgeworfen wurde, dass es sich bei der Verurteilung der drei Kapitel um einen Annäherungsversuch an die Miaphysiten handelte, geht aus seinem Schreiben über die drei Kapitel hervor. Er schrieb, mit der Verurteilung der drei Kapitel hege er nicht „den Willen zur Eingliederung derer, die sich von der katholischen Kirche trennten“ („τὸ θέλμα πληρωθῆι τῶν ἀπὸ τῆς καθολικῆς ἐκκλησίας ἐαυτοὺς χωρισάντων“). IUSTINIANUS, epistula contra tria capitula, S. 47, Z. 29 (S CHWARTZ) (CPG 6882). 79 Wegen ihrer starken Kyrillrezeption werden die skythischen Mönche einer theologischen Strömung zugeordnet, die in der Forschung als neuchalkedonisch bezeichnet wird. Der Begriff ist meiner Meinung nach jedoch problematisch, da bereits auf dem Konzil von Chalkedon selbst viele Kleriker vertreten waren, die sich in erster Linie in der Traditionslinie Kyrills sahen und auch der antiochenischen Schule skeptisch bis feindselig gegenüberstanden. Der Neuchalkedonismus stellt also in dieser Hinsicht nicht wirklich etwas Neues dar. Zum Problem des Begriffs Neuchalkedonismus siehe Punkt 6. 3. 3 Der fehlende eindeutige Bezugsrahmen chalkedonischer Theologie – Das schwierige Erbe der antiochenischen und alexandrinischen Schule.
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mungen und zwischen den Chalkedoniern und Miaphysiten verwischt, sodass die einzelnen Akteure nicht mehr eindeutig einer Seite zugeschrieben werden konnten. Der Diakon Victor sah sich als Chalkedonier und wurde auch von den römischen Legaten als solcher betrachtet. Gleichzeitig wurde er von den skythischen Mönchen dem Vorwurf des Nestorianismus ausgesetzt, von dem die römischen Legaten (wegen ihrer Verbindung mit dem Papst?) verschont geblieben zu sein scheinen. Die skythischen Mönche wiederum erschienen den römischen Legaten in eutychianischem Licht, was ihr Verweis auf die Versuche des Anastasios und der Anhänger des Eutyches zeigt. Gleichzeitig jedoch wurden sie von Justinian und Vitalian, der als Vorkämpfer Chalkedons galt, als chalkedonisch angesehen und unterstützt. Und ihre theologische Position war an die der Miaphysiten anschlussfähig und deshalb dazu geeignet, einer Auseinanderentwicklung beider Seiten und ihrer liturgischen Traditionen entgegenzuwirken. Dieser Zustand der Uneindeutigkeit musste jedoch Spannungen erzeugen.80 Denn fehlende Klarheit weckt verstärkt das Bedürfnis, sich abzugrenzen, um sich selbst und andere seiner Rechtgläubigkeit zu vergewissern. Wer zuvor noch ohne jeden Zweifel als Chalkedonier betrachtet wurde, musste nun in der Frage der theopaschitischen Formel Stellung beziehen, um sein chalkedonisches Profil zu schärfen. Rom setzte auf Konservativismus, womit es die Abgrenzung zum Miaphysitismus am besten gewährleistet sah, während die skythischen Mönche auf eine verstärkte Kyrillrezeption setzten. Sie benutzten hierzu Augustins Ausführungen zum gemeinsamen Handeln der göttlichen Personen in seinen trinitarischen Werken, um ihr chalkedonisches Profil gegenüber dem Nestorianismus zu schärfen. Direkt nach dem Ende des Akakianischen Schismas war dadurch erneut eine Front innerhalb des chalkedonischen Lagers entstanden, wenn auch die Ausmaße diesmal kleiner waren als beim Schisma. Für den Kaiser, der in der Frage der Kirchenpolitik mit seinem klaren Bekenntnis zu Chalkedon für Eindeutigkeit gesorgt hatte, drohte diese Entwicklung, das Erreichte wieder in Frage zu stellen. Sein Dilemma bestand zudem darin, dass, egal welcher Gruppierung er sich anschlösse, er sich die andere unweigerlich zum Gegner machte. Damit wäre eine ähnliche Situation entstanden wie während des Akakianischen Schismas, als sich Anastasios mit seiner Henotikon-Politik die konfrontativer ausgerichteten Verfechter Chalkedons, namentlich Euphemios und später Makedonios, zu Gegnern machte. Der 80 Zu Unmut wegen dieser Verwischung des Unterschieds zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten kam es dabei nicht nur innerhalb des chalkedonischen Lagers. Auch der Miaphysit Philoxenos von Mabbug betrachtete den Streit um die theopaschitische Formel mit Sorge, weil er in der Formel die Gefahr sah, dass Gläubige, wenn sich die theopaschitische Formel im chalkedonischen Lager durchsetzen sollte, getäuscht zu werden drohten und fälschlicherweise die Chalkedonier, die die Formel benutzten, als rechtgläubig ansehen konnten. Rom wurde hingegen von Philoxenos als wenigstens offen nestorianisch und damit weniger gefährlich für einfache Gläubige angesehen, vgl. M ENZE, Justinian, S. 172 f., sowie vgl. PHILOX, Lettre aux moines de Senoun, S. 62. Eine ähnliche Gefahr ging dabei für Philoxenos von den Chalkedoniern in Palästina aus, die den Staurotheis-Zusatz akzeptierten und auf diese Weise vortäuschten, dass sie glauben, dass Gott gekreuzigt wird. Und auch Pseudo-Zacharias betrachtete die theopaschitische Formel aus demselben Grund wie Philoxenos als Gefahr, vgl. PS-ZACH, Vita, S. 114 f. (KUGENER).
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Streit um die theopaschitische Formel schwelte 519 noch auf niedriger Flamme und beide Seiten verzichteten immerhin auf direkte gegenseitige Verurteilungen, sodass Justin I. zu diesem Zeitpunkt auf eine Parteinahme verzichten konnte. Durch Justinians öffentlichen Zuspruch für die Formel und ihrer Durchsetzung in den Jahren 533 und 534 durch ein von ihm veröffentlichten Edikt und dessen Anerkennung durch Papst Johannes II. erregte der Kaiser jedoch die Skepsis des konfrontativ ausgerichteten Teils des chalkedonischen Lagers. Dieser betrachtete den kaiserlichen Kurs argwöhnisch und brachte schließlich 536 in Gemeinschaft mit Papst Agapet die bisherige kaiserliche Politik und den von Justinian eingesetzten Bischof von Konstantinopel Anthimos zu Fall. Doch dazu später. 3.5 DIE LAGE IN SYRIEN 3.5.1 Die Durchsetzung der formula Hormisdae im Osten Zwar gewann die theopaschitische Formel nicht die Gunst des Kaisers, doch musste ihre Unterstützung am Hof durch Vitalian und Justinian die päpstlichen Legaten sehr irritiert haben. Wahrscheinlich fiel deshalb im Tauziehen um den antiochenischen Bischofsstuhl, um die päpstlichen Legaten nicht noch weiter zu entfremden, die Wahl auf den von Rom präferierten Kandidaten Paul. Dieser war zuvor Verwalter des Hospizes des Eubulos in Konstantinopel gewesen und brachte damit Erfahrung in finanziellen und verwaltungstechnischen Fragen mit, die für die Regierung der von wirtschaftlichen Problemen geplagten antiochenischen Kirche von Nöten war. Außerdem hielt er sich zuvor für zwei Jahre in Antiocheia auf, wo er Severos Widerstand leistete.81 Entsprechend trat er für eine harte Linie gegenüber den Anhängern des Severos ein, weshalb er auch eigentlich weniger dazu geeignet war, Ruhe ins zerstrittene Patriarchat zu bringen.82
81 Vgl. Coll. Avell. 217, 4, S. 677, Z. 20–30. 82 Vgl. VIEZURE, Election, S. 563–574, die versucht, die genauen Umstände der Wahl Pauls zu rekonstruieren. Zur Einschätzung, dass Pauls Erfahrung in finanziellen und verwaltungstechnischen Dingen ebenfalls bei seiner Wahl eine Rolle spielte und sein Widerstand gegen Severos ihn zu einen schlechten Kandidaten in Hinblick auf die Versöhnung der streitenden Parteien machte vgl. MENZE, Justinian, S. 48. Einen Eindruck über die Kräfteverhältnisse im Patriarchat gibt ein Blick auf die miaphysitischen Bischöfe, die nach der chalkedonischen Wende vertrieben wurden: Petros von Apameia, Antonios von Beroia, Isidoros von Chalkis, Thomas von Germanikeia, Philoxenos von Mabbug, Sergios von Kyrrhos, Konstantinos von Laodikeia, Eusthatios von Perre, Nonnos von Seleukeia Pieras und Marion von Sura. Also sechs Bischöfe aus der Syria Euphratensis, 4 aus der Syria I und einer aus Syria II. Damit war die Syria II fest in chalkedonischer Hand, der miaphysitische Einfluss in der Euphratensis am größten und die Syria I mit dem Patriarchatssitz am umstrittensten, vgl. T ODT/WEST, Tabula, I, S. 316.
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Paul, der später den Beinamen „der Jude“ erhielt, 83 wurde nach seiner Weihe in Konstantinopel mit 1000 Pfund Gold als Hilfe für die Armen ausgestattet und nach Antiocheia gesandt.84 Das Geld sollte möglicherweise auch dazu genutzt werden, die Gläubigen und Kleriker auf Pauls Seite zu ziehen. Musonios von Meloe schlug seiner Zeit bereits Severos vor, Geschenke an Bischöfe zu senden, sodass diese und auch andere benachbarte Bischöfe dazu geneigt würden, den rechten Glauben anzunehmen. Solche Geschenke habe bereits Flavian seinen Bischöfen gemacht.85 Eine solche Politik war also nicht ungewöhnlich. 86 So wurden während der Amtszeit Pauls für die Seleukier und Isaurier auch Hippodrome gebaut.87 Möglicherweise sollten diese die Beliebtheit des Patriarchen im Volk erhöhen.88 Man bedenke, dass es gerade in Isaurien sehr radikale Gegner Chalkedons gab.89 Paul sollte sich nun daran machen, Chalkedon beziehungsweise den libellus Hormisdae durchzusetzen. Auf den libellus spielt der Bericht des Malalas an, der schreibt, dass Paul in allen Städten die Diptychen änderte.90 Paul begann nun, von den Bischöfen seines Patriarchats die Unterschrift unter den libellus einzufordern. Dabei stellte er sich jedoch wenig diplomatisch an und es kam vereinzelt zu Gewaltausbrüchen. So weigerte sich etwa Paul von Edessa, den libellus zu unterzeichnen.91 Daraufhin entsandte Paul von Antiocheia den magister militum utri83 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 130, Nr. 408. Laut Philoxenos trug sich Paul den Beinamen vom Volk Antiocheias ein, vgl. P HILOX., Lettre aux moines de Senoun, S. 61 (DE HALLEUX). 84 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 130, Nr. 407, vgl. THEOPH., S. 165 (DE BOOR). 85 Vgl. Selected Letters, I, 4, S. 23–34, hier S. 26. 86 Auch Bell zählt Geld zu den Ressourcen, mit denen Bischöfe Netzwerke kultivieren oder Personen beeinflussen beziehungsweise bestechen konnten, vgl. BELL, Conflict, S. 186. 87 Vgl. JOH. MALAL., Chronicon, S. 338 (THURN) (CPG 7511). Ferner vgl. MENZE, Justinian, S. 49, Anm. 158. Menze legt nahe, dass Paul das Hippodrom mit dem aus der Hauptstadt mitgebrachten Geld bezahlt und damit für weltliche Zwecke eingesetzt hat. Jedoch ist es nicht sinnvoll, wenn die Gelder für das Hippdrom tatsächlich aus den 1000 Pfund Gold des Kaisers stammten, ihren Einsatz schlicht als weltlich zu bezeichnen, da bei einem Bischof weltliches und kirchenpolitisches Handeln nicht strikt getrennt werden können. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass der Bau des Hippodroms durch Paul ohne Zweifel zur Steigerung seiner Beliebtheit gedacht war und die Popularität eines Bischofs im Volk durchaus eine wichtige Grö ße in der Kirchenpolitik spielte. Ein starker Rückhalt im Volk (und Mönchtum) konnte den Bischof im Kräftemessen mit seinen christologischen Gegnern – gedacht sei vor allem an Mönche – stärken. Verwiesen sei auf die weiter oben erwähnte Unterstützung, die Flavian vom Volk Antiocheias erhielt, als miaphysitische Mönche in Antiocheia gegen ihn vorgehen wollten. Mit solch weltlicher Politik wie dem Bau eines Hippodroms betrieb ein Bischof auch kirchenpolitisch relevante Hausmachtpolitik. 88 Vgl. MENZE, Justinian, S. 49. 89 Siehe dazu die Angabe des Evagrios, dass Philoxenos von Mabbug und Severos von Antiocheia die Isaurier verführt hätten, vgl. EVAGR., HE, III, 31 S. 129 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Man beachte ferner die Beteiligung von Isauriern an den Überfällen auf chalkedonische Klöster, vgl. Punkt 2. 2. 6 Eskalation der Gewalt in der Syria II. 90 Vgl. JOH. MALAL., Chronicon, S. 338 (THURN) (CPG 7511). 91 Zur Situation in der Osrhoene und Paul von Edessa vgl. MENZE, Jacob.
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usque militiae praesentalis Patrikios nach Edessa, wo dieser den Bischof der Stadt gewaltsam aus dem Baptisterium schleifen ließ, in das dieser zuvor geflohen war. Die Bürger der Stadt und die Mönche der umliegenden Klöster eilten ihrem Bischof zu Hilfe und im darauf folgenden Aufstand kam es zu mehreren Toten. 92 Der Kaiser musste intervenieren und Paul von Edessa durfte in seine Stadt zurückkehren, wo er bis zu seiner erneuten Vertreibung durch Euphrasios, dem Nachfolger Pauls des Juden, blieb. Die Durchsetzung des libellus im Westen des Patriarchats dauerte mehrere Jahre und war vermutlich erst um das Jahr 522 abgeschlossen. Inwiefern sie im Osten des Patriarchats an der persisch-römischen Grenze überhaupt erfolgreich war, bleibt fraglich.93 Das gewaltsame Vorgehen Pauls trug zu seiner Unbeliebtheit nicht nur auf miaphysitischer, sondern wohl auch auf chalkedonischer Seite bei. Auch seine theologische Ausrichtung unterminierte wohl seine Position bei den Chalkedoniern. Denn, als in Kyrrhos der Miaphysit Sergios abgesetzt und durch einen gleichnamigen Chalkedonier ersetzt wurde, wurde dieser von Soldaten angeklagt, das Andenken Theodorets von Kyrrhos, Diodors von Tarsos, Theodors von Mopsuestia und sogar des Nestorios gefeiert zu haben. 520 wurde deshalb der magister militum per Orientem Hypatios damit beauftragt, die Sache zu untersuchen.94 Auch sollte festgestellt werden, ob Sergios darüber informiert war, dass vor seiner Ankunft zwei seiner Kleriker ein Bild Theodorets in einem Streitwagen aufgestellt und eine Prozession zu seinem Andenken durchgeführt hatten. Da Sergios sich zu dieser Zeit in Antiocheia aufhielt, muss auch Paul davon unterrichtet gewesen sein. In den Augen besonders kyrillisch geprägter Chalkedonier handelte es sich bei Theodoret um einen Nestorianer und es wäre damit die Aufgabe Pauls und die des Sergios gewesen, eine solche Prozession zu verhindern. An dieser Stelle zeigt sich auch, dass Chalkedonier nicht gleich Chalkedonier war. Trotz des Bekenntnisses zu Chalkedon war die Frage der Rechtgläubigkeit nicht eindeutig. Chalkedonier, die stärker der antiochenischen Tradition anhingen wie die Römer oder Akoimeten nahmen an Theodoret keinen Anstoß, ebenso wenig das Volk von Kyrrhos, für das Theodoret einen lokalen Heiligen darstellte. Das lokale Moment von Volksfrömmigkeit und persönlicher Loyalität konnte die dogmatische Ausrichtung eines Bischofs im Gedächtnis der Gläubigen deutlich in den Hintergrund drängen.95 Für stark an Kyrill orientierte Chalkedonier stellte eine Prozession für Theodoret hingegen einen Skandal dar. Diese Heterogenität des chalkedonischen Lagers führte hier deshalb zu erheblichen Spannungen.
92 Vgl. CHRON. EDESS., S. 216 f. (HALLIER) sowie CHABOT, S. 24 f. Philoxenos erwähnt ebenfalls einen blutigen Zwischenfall in Edessa in seinem Brief an die Mönche von Senoun. Vgl. PHILOX., Lettre aux moines de Senoun, S. 67 (DE HALLEUX). 93 Zu den Einzelheiten vgl. MENZE, Justinian, S. 49–53. 94 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 135, Nr. 425; vgl. ACO IV, 1, S. 199 f. Eine englische Übersetzung bei C OLEMAN-NORTON, Roman, III, S. 981 f., ferner vgl. Selected Letters, V, 12, S. 337–342. 95 Die antiochenische Tradition war etwa in Tarsos so stark verwurzelt, dass sogar der Name des Nestorios sich in den Diptychen der Kirche fand, vgl. Selected Letters, I, 24, S. 83–85.
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Der libellus Hormisdae, der Eindeutigkeit bringen sollte, konnte hier keine Abhilfe schaffen. Im Gegenteil, dadurch, dass er die Streichung aller Bischöfe aus den Diptychen forderte, die mit Akakios in Gemeinschaft gestanden waren, griff er in die lokalen Erinnerungskulturen ein und erzeugte neue Spannungen.96 Diese blieben auch nicht dem Kaiser verborgen, weshalb er in mehreren Briefen versuchte, auf Hormisdas einzuwirken, damit dieser einlenken und sich für eine weniger strenge Handhabe in der Diptychenfrage öffnen möge.97 Menze weist darauf hin, dass es nach 521 keine weiteren Briefe seitens des Kaisers zu dieser Frage mehr gibt und dass auch in anderen Quellen die Berichte chalkedonischen Widerstands gegen den libellus versiegen. Dies lege den Schluss nahe, dass Rom und Konstantinopel 521 zu einer Übereinkunft kamen, die für alle Chalkedonier tragbar war.98 521 sandte Hormisdas an den Kaiser und an den Patriarchen Epiphanios Briefe, in denen er es Epiphanios überließ, an seiner statt die libelli der östlichen Bischöfe einzusammeln und nach Rom zu schicken.99 Damit gab Hormisdas auch den Anspruch auf die direkte Jurisdiktion über die östlichen Bischöfe auf, den Rom seit Gelasius erhob,100 und delegierte sie an Konstantinopel. Epiphanios konnte nun nach eigenem Ermessen handeln und griff womöglich auch in den Text des libellus ein, um ihn für die Chalkedonier des Ostens ansprechender zu machen. Zu einem textlichen Eingriff war es bereits durch Johannes II. von Konstantinopel gekommen, der in seinem Antwortbrief an Hormisdas bezüglich der Verurteilung des Akakios die Formulierung „der vom apostolischen Stuhl verurteilt wurde“ weggelassen hatte.101 In diesen Wandel der Politik ist wohl auch das Abdanken Pauls des Juden einzuordnen. Konstantinopel orientierte sich um und verfolgte nun eine pragmatischere Linie in der Frage des libellus Hormisdae. Die Politik Pauls des Juden war in der Vergangenheit von wenig Fingerspitzengefühl bei der Durchsetzung der formula Hormisdae geprägt war und führte Verwerfungen in seinem Patriarchat. Wohl deshalb wurde er nun nicht mehr als geeigneter Bischof für Antiocheia angesehen. Bei allem Glaubenseifer blieben doch Ruhe und Frieden in den Gemeinden oberstes Leitungsprinzip der kaiserlichen Politik. Bereits zwei Jahre nach seinem Amtsantritt trat Paul zurück und wurde durch Euphrasios ersetzt.102 96 Zur Rolle der Diptychen siehe die Punkte 2.2.2. Die Rolle der Diptychen und 2.2.3 Die Diptychen im Patriarchat von Antiocheia – Die Grenzen der Veränderung der Namenslisten. Ferner vgl. MENZE, Justinian, S. 76–86. 97 Vgl. Coll. Avell. 192; 196; 200; 232 und 235. 98 Vgl. MENZE, Justinian, S. 87 f. 99 Vgl. Coll. Avell. 236 und 237. Ferner vgl. CASPAR, Papstum, II, S. 179 f. 100 Vgl. DVORNIK, Idea, S. 116–118. 101 Die Formulierung iudicio sedis apostolicae im Brief des Homisdas an Justin fehlt im Brief des Johannes an Homisdas. Der Brief des Hormisdas vgl. Coll. Avell. 149, S. 597. Der Brief des Johannes Coll. Avell. 159. 102 Epiphanios berichtet Hormisdas von der Unruhe in Antiocheia seit der Wahl Pauls und schließlich von dessen Rücktrittsgesuch, das dieser an den Kaiser sandte, vgl. Coll. Avell. 242; GRUMEL, Regestes S. 159, Nr. 219. Zur Absetzung ferner, vgl. L OUNGHIS/BLYSIDU/ LAMPAKES, Regesten, S. 137, Nr. 435. Zur Erhebung des Euphrasios vgl. LOUNGHIS/ BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 137, Nr. 437.
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3.5.2 Die Etablierung einer unabhängigen miaphysitischen Hierarchie nach 518 Nach dem Rücktritt Pauls scheint unter den Chalkedoniern im Osten vorerst Ruhe eingekehrt zu sein. Die Miaphysiten hingegen spürten in den 520er Jahren verstärkt den Druck der kaiserlichen Politik. Sowohl Bischöfe als auch zahlreiche Mönche wurden vertrieben und mussten in Ägypten Zuflucht suchen, oder ruhelos im mesopotamischen Raum ihr Dasein fristen.103 Anstatt jedoch den Miaphysitismus nachhaltig zu schwächen, lösten die Vertreibungen eine unvorhergesehene neue Entwicklung aus, die den kaiserlichen Versuch, das Reich unter einem Bekenntnis zu einen,104 konterkarierte und die harte Linie des Kaisers zum Scheitern brachte. Denn die Miaphysiten beantworteten den Verlust ihrer Bischofssitze damit, an der nun etablierten chalkedonischen Hierarchie vorbei zahlreiche miaphysitische Priester zu weihen und so eine parallele Kirchenstruktur aufzubauen. Doch handelten die Miaphysiten nicht aus reinem kirchenpolitischen Kalkül heraus, sondern aus ihrem Selbstverständnis als Kirche und aus dem Bewusstsein ihrer Verantwortung für die Gläubigen. Denn was konstituiert eigentlich die Kirche und wozu gibt es Priester? Volker Menze untersuchte das Entstehen einer eigenständigen miaphysitischen Kirche und stellt dem Kapitel über den Aufbau einer unabhängigen Hierarchie unter anderem ein Zitat des Kardinals Henri de Lubac voran: „the Eucharist, in its turn, makes the Church.“ 105 Es war Aufgabe der Priester, den Gläubigen die Sakramente zu spenden. Doch war es notwendig, dass der entsprechende Priester rechtgläubig war. Nun allerdings führten die Chalkedonier mit dem Bekenntnis zu Chalkedon und der Streichung miaphysitischer Bischöfe aus den Diptychen in den einst miaphysitisch besetzten Bischofsstädten chalkedonische Gottesdienste ein. Dadurch war die Spende der Eucharistie durch aus miaphysitischer Sicht rechtgläubige Priester nicht mehr gegeben. Von den Gottesdiensten chalkedonischer Priester und Bischöfe befahlen miaphysitische Größen, Abstand zu nehmen. In theologischen Schriften, Ermahnungen und Heiligenviten gibt es zahlreiche Warnungen, dass die chalkedonische Eucharistie unwirksam oder gar schädlich sei, weshalb nicht an chalkedonischen Gottesdiensten teilgenommen werden sollte.106 Um solche Verbote auszusprechen, bedurfte es 103 Zu den Vertreibungen miaphysitischer Mönche im Patriarchat von Antiocheia siehe die Ausführliche Darstellung bei Menze, vgl. MENZE, Justinian, S. 106–145. 104 Der Anspruch, Chalkedon im ganzen Reich durchzusetzen, blieb jedoch auch unter Justin mehr Anspruch als Wirklichkeit. Die miaphysitenfeindliche Politik konzentrierte sich im Wesentlichen auf das Patriarchat von Antiocheia. Dass vollständig miaphysitische Ägypten blieb von dieser Politik weitgehend unbehelligt, um nicht unnötig Unruhe zu erzeugen. 105 Vgl. MENZE, Justinian, S. 145. Für das Zitat von de Lubac siehe de L UBAC, Splendour, S. 106. Für eine eingehendere Diskussion der Bedeutung der Eucharistie und des Gottesdienstes sei auf Punkt 5. 1. 4. 4 Zooras und die Nebentaufen und Nebengottesdienste in der Hauptstadt verwiesen. 106 Severos mahnt die Patrizierin Caesaria, dass sie nicht an chalkedonischen Gottesdiensten teilnehmen solle, selbst wenn sie nicht die Eucharistie empfinge, vgl. Selected Letters, IV, 10, S. 272–275. Bereits bei Johannes Rufus findet sich ein Verbot, die chalkedonische Eucharistie zu empfangen, vgl. JOH. RUF., Plerophoriae, 80.
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aber auch rechtgläubiger Personen, die in der Lage waren, die Gläubigen mit Sakramenten zu versorgen. Womöglich stellten einige Klöster solche Anlaufstellen dar,107 konnten jedoch kein dauerhafter Ersatz für eine fehlende miaphysitische Priesterschaft sein. Die Miaphysiten gingen deshalb dazu über, Priester und Bischöfe auch für jene Städte zu weihen, die bereits chalkedonische Bischöfe besaßen.108 Dass dieses Verhalten nicht den kirchlichen Kanones entsprach, war den Miaphysiten bewusst, jedoch legte Severos bereits vor seinem Episkopat eine mit historischen Beispielen versehene Rechtfertigung für eigentlich unkanonische Weihen vor. Er führte aus, dass Bischöfe befugt seien, auch außerhalb ihres eigentlichen Jurisdiktionsgebietes Kleriker zu weihen, wenn diese von Gläubigen dazu aufgerufen würden und kein rechtgläubiger Bischof an dem Ort präsent sei, wo neue Kleriker gebraucht würden.109 Folgerichtig rief Severos auch miaphysitische Klöster dazu auf, geeignete Priesterkandidaten nach Ägypten zu schicken, damit diese dort die Weihe empfingen.110 Die Grundlagen, die die zahlreichen Weihen ermöglichten, waren einerseits ein Netzwerk kooperierender miaphysitischer Bischöfe, das sich bereits vor der Verfolgungszeit etabliert hatte,111 und andererseits die Tatsache, dass Ägypten von der Vertreibungspolitik verschont wurde und deshalb als sicherer Hafen für vertriebene Bischöfe dienen konnte.112 Die Miaphysiten versuchten dabei ein geordnetes Verfahren einzuhalten, damit die Weihen nicht ganz chaotisch vonstattengingen und nicht eine unübersichtliche Lage geschaffen würde, die auch der miaphysitischen Sache schaden konnte. Denn bereits im Jahr 519 scheinen einige Männer die Situation nach dem kirchenpolitischen Umschwung ausgenutzt zu haben, um finanziellen Profit aus der teilweise unübersichtlichen Lage zu erzielen. So berichtet Severos von zwei umherwandernden Männern, die sich als vertriebene Bischöfe ausgaben und gegen Geld 107 Vgl. MENZE, Justinian, S. 146. 108 Auch Susan Ashbrook Harvey verweist darauf, dass die Priesterweihen durch die Miaphysiten der Notwendigkeit entsprangen, die rechtgläubige Spende der Eucharistie zu gewährleisten, vgl. HARVEY, Saint, S. 38. 109 Vgl. Selected Letters, I, 1, S. 3–11; ferner Selected Letters, I, 2, S. 12–16. 110 Vgl. Selected Letters, I, 55. S. 164–167. 111 Vgl. MENZE, Justinian, S. 150, der darauf hinweist, dass sich die Netzwerke bereits vor 518 gebildet hatten und S. 156 f. für das Funktionieren aber auch die Schwächen dieser Netzwerke in der Verfolgungszeit. Zur brieflichen Aktivität des Severos nach seiner Vertreibung vgl. ALLEN, Crisis, S. 66–69. 112 Das heißt jedoch nicht, dass es in Ägypten nicht auch innerhalb des miaphysitischen Lagers zu Spannungen gekommen wäre. Severos spricht solche Spannungen zwischen einigen vertriebenen Miaphysiten mit ägyptischen Glaubensgenossen an, vgl. Selected Letters, V, 11, S. 327. Auch kam es unter den Miaphysiten zu theologischen Gegensätzen und Parteibildungen. Verwiesen sei hierbei auf den Kampf des julianistischen Bischofs Gaianas mit dem severianischen Kandidaten Theodosios. Auch auf theologischer Ebene wurde der innermiaphysitische Streit geführt und Severos widmete mehrere seiner Schriften dem Kampf gegen Julian von Halikarnassos. Auch warnte er explizit die miaphysitischen Bischöfe vor Julian, vgl. Selected Letters, V, 14, S. 345–350. und Selected Letters, V, 15, S. 150–159.
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Priester weihten. Und bereits vor 518 gab es den Missstand falscher Priester, die nicht angeben konnten, welcher Bischof sie geweiht hatte.113 Doch nicht nur wurden Klöster von Severos selbst gebeten, einzelne Männer nach Ägypten zu senden. Die Miaphysiten gingen im Patriarchat von Antiocheia auch aktiv auf die Suche nach geeigneten Kandidaten. Die treibende Gestalt war hierbei Johannes von Tella. Er erhielt von Severos und anderen miaphysitischen Bischöfen die Erlaubnis, Priester zu weihen. 114 Er sandte hierzu Männer in die Provinzen, die geeignete Männer ausfindig machen sollten. Diese Gesandten erhielten von Johannes ein Siegel mit seinem Namen und Monogramm. Die ausgesuchten Kandidaten sollten dann mit einen offiziellen Brief, der mit seinem Monogramm zertifiziert war, bei Johannes vorstellig werden, um zu beweisen, dass sie von seinen Gesandten approbiert worden waren. Johannes weihte nur die Bewerber, die einen solchen Brief vorweisen konnten, und führte Buch über die geweihten Priester.115 Mit dieser Praxis sollte den Missständen vorgebeugt werden, die mit den oben genannten Scheinbischöfen und falschen Priestern aufgetreten waren. Nur diejenigen wurden als richtige Priester anerkannt, deren Weihe auf Johannes von Tella zurückgeführt werden konnte. Dieses geordnete Verfahren konnte sich aber auch als Schwäche erweisen, wenn die Aufzeichnungen des Johannes in chalkedonische Hände gerieten. Deshalb versuchten auch die Chalkedonier nach Gefangennahme des Johannes, die entsprechenden Dokumente ausfindig zu machen.116 Diese miaphysitischen Priester stellten ein großes Problem für die Chalkedonier dar. Als Priester konnten sie sich freier bewegen als Bischöfe und waren ob ihrer schieren Zahl nicht zu kontrollieren. Die Möglichkeiten der chalkedonischen Bischöfe, gegen diese Priester vorzugehen und die Etablierung einer miaphysitischen Parallelkirche zu verhindern, waren äußerst begrenzt. Die Situation wurde umso bedrohlicher, als sich sogar einige chalkedonische Kleriker dem Miaphysitismus zuwandten. Davon legen die Anweisungen des Severos nach seinem Exil 518 Zeugnis ab, wie mit chalkedonischen Konvertiten umzugehen sei.117 Doch versuchten Severos und die Bischöfe um ihn herum, nicht nur so gut wie möglich zu kontrollieren, wer Weihen erhielt, sondern auch das Leben in den miaphysitischen Gemeinden und Klöstern im Patriarchat von Antiocheia aus der Ferne zu regeln. Severos, der von miaphysitischen Gläubigen als rechtmäßiger Patriarch Antiocheias angesehen wurde, erhielt zahlreiche Briefe, in denen ihm Fra113 Severos berichtet in einem ausführlichen Brief von einem gewissen Gregor aus Pontos und Isaja aus Armenien. Der eine gab an, seines rechten Glaubens wegen aus seiner Stadt vertrie ben worden zu sein, der andere wollte seine Weihe von einem nicht genannten Bischof in dessen letzten Atemzügen erhalten haben, vgl. Selected Letters, II, 3, S. 207–229. Von falschen Priestern schreiben ferner syrische Kanones, vgl. VÖÖBUS, Synodicon, S. 161. Zum Ablauf der miaphysitischen Weihen und den Problemen, mit denen die Miaphysiten konfrontiert waren, vgl. MENZE, Justinian, S. 175–186. 114 Vgl. ELIAS, Life, S. 59. 115 Vgl. JOH. EPH., Lives, 24, S. 519 (PO 89). 116 Vgl. JOH. EPH., Lives, 24, S. 522 (PO 89) . 117 Vgl. Selected Letters, I, 60, S. 179–191.
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gen zur Eucharistie, der Aufnahme ehemals chalkedonischer Kleriker und anderen Dingen gestellt wurden. Das verhältnismäßig große Briefkorpus, das überliefert worden ist, legt Zeugnis für die rege Regierungstätigkeit des vertriebenen Patriarchen ab.118 Sein bleibender Einfluss wird auch den Chalkedoniern nicht verborgen geblieben sein, für die Severos auch nach seiner Absetzung der gefährlichste Gegner im Feindlager blieb. Seine Autorität gegenüber den anderen miaphysitischen Bischöfen drückte sich auch darin aus, dass diese während des Glaubensgesprächs in Konstantinopel 532 angaben, ohne Rücksprache mit Severos keine Bedingungen stellen zu können, unter denen eine Kircheneinheit möglich wäre. 119 Dieser Bedeutung des Severos trug Justinian auch Rechnung, als er diesen Anfang der 530er Jahren wiederholt in die Hauptstadt einlud. Nach Konstantinopel eintreffen, sollte Severos jedoch erst 535, womit er aber Teile des chalkedonischen Lagers auf den Plan rief, die den Miaphysiten gegenüber auf Konfrontation setzten. 3.6 ZUSAMMENFASSUNG – ZUR SITUATION DES CHALKEDONISCHEN LAGERS IN KONSTANTINOPEL UND SYRIEN WÄHREND DER REGIERUNGSZEIT JUSTINS Abschließend müssen zur Ära Justins I. folgende Dinge festgehalten werden: 1) Die miaphysitenfreundliche Politik des Kaisers Anastasios hatte zu einer stärkeren Ausdifferenzierung und Aufspaltung des chalkedonischen Lagers geführt und diese Spaltung blieb auch nach seinem Tod bestehen. 2) Die Stärke der jeweiligen Fraktion in Konstantinopel hing von ihren Unterstützern und den kirchenpolitischen Entwicklungen ab und war nicht konstant. Und 3) kam es sowohl zu Kontaktaufnahmen innerhalb des konfrontativ orientierten Teils des chalkedonischen Lagers als auch innerhalb integrativer ausgerichteten Chalkedonier, auch wenn sich solche Kontakte nicht immer direkt belegen lassen. Zum ersten Punkt ist zu sagen, dass sich zwar die Bischöfe und Mönche auf der synodos endemousa 518 darum bemühten, ihre eigene Stellung auszubauen, indem sie die von Anastasios verbannten Mönche zurückrufen ließen und im Gegenzug die Verurteilung ihrer chalkedonischen Gegner forderten. 120 Jedoch blieb weiterhin eine chalkedonische Strömung in der Hauptstadt und ihrem Umfeld präsent, die theologisch den Miaphysiten nahestand. Diese Gruppe wird durch die skythischen Mönche repräsentiert, die sich zwar selbst nur kurz in Konstantinopel aufhielten, jedoch von Vitalian und in der Folgezeit auch von Justinian unterstützt 118 Zur Menge der erhaltenen Briefe und der ursprünglichen Zahl der geschriebenen Briefe vgl. ALLEN, Church. Zu Severos als Seelsorger vgl. ALLEN, Carer. 119 Vgl. BROCK, Conversation, S. 110. Wobei natürlich auch die Möglichkeit besteht, dass die miaphysitischen Bischöfe diesen Grund nur vorschoben, um den Frage des Kaisers auszuweichen. 120 Interessanterweise werden die Mönche, die einst gegen Makedonios aussagte und deren Verurteilung 518 gefordert wurde, zwar als Verleumder bezeichnet, nicht jedoch als Anhänger des Eutyches. Wahrscheinlich hat es sich also um Chalkedonier gehandelt, die den kirchenpolitischen Kurs des Anastasios unterstützten und deshalb gegen Makedonios vorgingen.
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wurden. Das heißt es blieb ein innerchalkedonisches Spannungspotenzial in der Hauptstadt bestehen, auch wenn diese Spannungen sich nicht zu einem offenen Schisma auswuchsen wie einst zwischen Rom und den Anhängern des Akakios. Einen solchen innerchalkedonischen Gegensatz gab es auch im Patriarchat von Antiocheia. Der Sturz des Severos folgte zwar prompt auf den Tod des Anastasios und die Akten der Synoden in Phönizien und der Syria II vor allem auf die Chalkedonier verweisen, die Severos bitter bekämpft hatten. Jedoch lassen sich auch syrische Chalkedonier nachweisen, die nicht an eine totale Umkehrung der Verhältnisse in Syrien interessiert waren, sondern sich auch gegenüber den ehemaligen Unterstützern des Severos offen zeigten. Diese Fraktion wird durch die syrische Delegation fassbar, die nach Konstantinopel reiste, um Einfluss auf die Wahl des neuen antiochenischen Patriarchen zu nehmen. Ein weiterer Hinweis auf die innerchalkedonischen Konflikte geben die Unruhen, die das harte Durchgreifen Pauls des Juden verursachte, sowie der Skandal, der durch einige Chalkedonier entstanden war, die einige Vertreter der antiochenischen Tradition wie Theodoret von Kyrrhos die Treue hielten. Zu Punkt 2: Die Stärke der jeweiligen chalkedonischen Fraktion wurde durch ihre Unterstützer und die kirchenpolitischen Entwicklungen beeinflusst. Die gescheiterte Politik des Anastasios gab den konfrontativ ausgerichteten Chalkedonier Auftrieb. Der Staurotheis-Aufstand und die Gewaltausbrüche in Syrien hatten die chalkedonischen Anhänger des Anastasios diskreditiert und ebneten schließlich den Weg zur chalkedonischen Wende 518, die mit der Kircheneinheit zwischen Konstantinopel und Rom ihren Abschluss fand. Die konfrontativen Chalkedonier konnten während der Regierungszeit Justins auf die Unterstützung des Kaisers und die Roms bauen. Die integrativeren chalkedonischen Kräfte wiederum hatten zumindest in Gestalt der skythischen Mönche die Unterstützung Vitalians und später Justinians. Auch kam es in Syrien, nach der kurzen Dominanz der konfrontativen Chalkedonier wieder zu einer Schwerpunktverlagerung. Denn die Unruhe, die Paul der Jude erzeugte und die zeitgleichen Erfolge der Miaphysiten beim Aufbau einer Parallelhierarchie unterminierten den harten Kurs, den Justin I. verfolgte, sodass Paul nach wenigen Jahren zurücktrat und die Verfolgung der Miaphysiten gegen Ende der Regierung Justins wieder abnahm. Die miaphysitischen Aktivitäten in Syrien wirkten mit einiger Verzögerung auch auf Konstantinopel zurück, wo Justinian nach dem Tod Justins eine Neujustierung der Kirchenpolitik vornehmen sollte. Dabei verfolgte er einem stärker an Ausgleich orientierten Kurs, der sich auf jene chalkedonische Gruppen stützte, die sich theologisch stärker an der Christologie Kyrills orientierten, und damit anschlussfähiger an die Miaphysiten waren. Diese waren auch anders als die konfrontative Fraktion auch zu direkten Gesprächen mit den Miaphysiten bereit. Doch dazu im folgenden Kapitel mehr. Zu Punkt 3: Womöglich kam es zu Kontakten zwischen der syrischen Delegation in Konstantinopel, die sich für eine offenherzigere Politik gegenüber den einstigen Unterstützern des Severos einsetzte, mit den skythischen Mönchen, die sich zeitgleich in der Hauptstadt aufhielten. Sehr wahrscheinlich aber dürften die Syrer, die sich an den Hof wandten, mit Justinian in Berührung gekommen sein be-
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ziehungsweise unterhielt der Hof Verbindungen zu verschiedenen lokalen chalkedonischen Gruppen als auch zu unterschiedlich kirchenpolitisch orientierten Chalkedoniern. Unter den konfrontativen Chalkedoniern herrschten spätestens seit den Synoden des Jahres 518 Verbindungen. Hinzu kamen einige syrische Archimandriten, die bereits 517 mit Rom die Gemeinschaft aufnahmen und Hormisdas von den Ereignissen in der Syria II. unterrichteten Der Kontakt zwischen Syrien und Rom dürfte auch nach 518 nicht abgerissen sein, verlief aber möglicherweise nun verstärkt über Paul den Juden, der als Patriarch von Antiocheia wohl den ersten Ansprechpartner für Rom darstellte. Wenn man die Verbindungen bedenkt, die in diesen Jahren geknüpft wurden, lässt sich auch besser nachvollziehen, wie 536 zahlreiche Bischöfe und Mönche Syriens und Konstantinopels so schnell auf die Weihe des Anthimos zum Bischof von Konstantinopel reagieren und die synodos endemousa gegen ihn organisieren konnten. Im folgenden soll die Kirchenpolitik Justinians dargestellt und nachgezeichnet werden, wie diese innerhalb des chalkedonischen Lagers die Spannungen erzeugte, die dann im Konzil von Konstantinopel 536 kulminierten.
4. Die Kirchenpolitik Justinians bis zumKonzil von 536
4. DIE KIRCHENPOLITIK JUSTINIANS BIS ZUM KONZIL VON 5361 4.1 DER BEGINN DER HERRSCHAFT JUSTINIANS UND DAS GLAUBENSEDIKT VON 527 Im Jahr 527 erließ Justinian ein Gesetz, in dem er seinen Glauben darlegte, 2 was als Präzedenzfall für Justinians weitere Politik gelten kann. Seine Kirchenpolitik war in der Folgezeit durch direkte Eingriffe in die theologische Diskussion durch kaiserliche Gesetze ohne konziliare Einbeziehung der Bischöfe geprägt. 3 Sein erstes Bekenntnis aus dem Jahr 527 blieb jedoch recht vage. Nicht nur legte er keine Bischöfe fest, die maßgebend für alle Gläubigen sein sollten, er erwähnte nicht einmal die ökumenischen Konzilien. Dies ergab sich wahrscheinlich daraus, dass er Chalkedon nicht ausdrücklich nennen konnte, ohne dadurch die Miaphysiten zu vergraulen. Da aber Chalkedon ungenannt bleiben musste, musste er auch über die übrigen Konzilien schweigen. Denn hätte er die ökumenischen Konzilien aufgezählt, ohne Chalkedon zu erwähnen, hätte er den Eindruck erweckt, die Rechtgläubigkeit Chalkedons in Zweifel zu ziehen. Man bedenke, wie das Verschweigen Chalkedons Kaiser Anastasios bei vielen Chalkedoniern in Verruf gebracht hatte. Diese Strategie, die Chalkedon ungenannt zu lassen, hatte sich ja beim Henotikon letztlich als nicht tragfähig erwiesen. Zum vorsichtigen Formulieren des Kaisers gehörte auch, dass er es ebenfalls vermied, von den Naturen beziehungsweise von der Einheit „in zwei Naturen“ zu sprechen. Stattdessen sprach das Gesetz von der Fleischwerdung aus dem heiligen Geist und der Gottesgebärerin Maria und der Annahme der menschlichen Natur. Und auch die Formulierung, die er verwendet, um Eutyches zu verurteilen, ist so gestaltet, dass sie bei den Miaphysiten keinen Anstoß erregte:4 Wir verurteilen auch den wahnsinnigen Eutyches, der ein Trugbild errichtet und die wahre Fleischwerdung unseres Herrn und Retters Jesus Christus aus Maria, der Jungfrau und Gottesgebärerin, leugnet und damit unsere Erlösung, und der nicht bekennt, dass er wesensgleich mit dem Vater ist gemäß seiner Gottheit, und wesensgleich mit uns gemäß seiner Menschheit. 5 1 2
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Für die Kirchenpolitik Justinians bis 536 siehe C RONT, Répression, LEPPIN, Anfänge, sowie UTHEMANN, Kaiser. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 152, Nr. 501. LEPPIN, Anfänge, S. 80, weist darauf hin, dass Justinian mit einem solchen Bekenntnis gleich zu Beginn seiner Herrschaft an Kaiser Theodosios erinnerte, der ebenfalls seine Regentschaft mir einem Bekenntnis eröffnete, wobei Justinian jedoch keine Bischöfe als Richtmaß festlegte. Vgl. HAACKE, Politik, S. 154. Auch Speigl vermutet, dass das Bekenntnis absichtlich vage gehalten wurde, um auch die Miaphysiten zu erreichen, vgl. SPEIGL, Formula, S. 113. COD. IUS. I, 1, 5: καὶ Εύτυχέα τὸν φρενοβλαβῆ, τὸν φαντασίαν εἰσάγοντα ἀρνουμένον τε τὴν
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Weitere Namen, die mit den Lehren des Eutyches in Verbindung gebracht wurden, fehlen. Weder Dioskoros noch ein zeitgenössischer Gegner Chalkedons wird genannt. Dafür scheint der Kaiser einen Schritt auf die Miaphysiten zugehen zu wollen, indem er im Glaubensbekenntnis die theopaschitische Formel anklingen lässt, die von den skythischen Mönchen auf chalkedonischer Seite in die theologische Diskussion eingebracht worden war: „Denn die Dreifaltigkeit blieb Dreifaltigkeit, auch nachdem das Wort Gottes als einer der Dreifaltigkeit fleischgeworden war.“6 Ferner wurde im selben Jahr noch in der gemeinsamen Regierungszeit Justins mit Justinian ein Gesetz gegen Häretiker erlassen.7 Jedoch fällt auch hier auf, dass in dem langen Katalog, in dem die Häretiker aufgezählt werden, die vom Gesetz betroffen sind, die Miaphysiten fehlen. Wenn auch nicht explizit, so scheint damit doch die vorherige Verfolgungspolitik Justins faktisch aufgehoben.8 Haacke hingegen ist der Meinung, dass das Antihäretikergesetz sich gegen alle richtet, die nicht mit der katholischen Kirche in Gemeinschaft stehen und damit auch besonders die Miaphysiten gemeint seien. Er weist dabei darauf hin, dass Justinian in seiner Novelle 109 aus dem Jahr 541, die sich explizit gegen die Miaphysiten wandte, auf das Gesetz von Cod. Ius. I, 5, 12 aus dem Jahr 527 Bezug nimmt. 9 Jedoch bedeutet eine solche Bezugnahme nicht, dass das Gesetz von 527 bereits so miaphysitenfeindlich gedacht und umgesetzt worden war, wie die Novelle aus dem Jahr 541 es nahelegen will. Diese spätere Deutung des Gesetzes ist vielmehr der veränderten Lage im Jahr 541 geschuldet. Auf dem Konzil von Konstantinopel 536 griffen die in der Hauptstadt versammelten Chalkedonier indirekt die Annäherungspolitik des Kaisers an die Miaphysiten an.10 Justinian war also daran interessiert, dieser Kritik zu begegnen, indem er eine Kontinuität seiner nach 536 einsetzenden antimiaphysitischen Gesetzgebung mit der Kirchenpolitik seiner ersten Herrscherjahre zu konstruieren. Dadurch konnte er den Eindruck zu erwecken, immer ein pflichtbewusster Kämpfer gegen den Miaphysitismus gewesen zu sein. Es ist also angebracht, das Gesetz von 527 ohne Berücksichtigung des Gesetzes aus dem Jahr 541 zu betrachten und es als nicht miaphysitenfeindlich einzustufen. Das heißt, die Verfolgungspolitik Justins hatte 527 vorerst ihr Ende gefunden. Interessanterweise wird die Verfolgung der Miaphysiten, die ab 536 dann doch wieder einsetzte, in den miaphysitischen Quellen auch nicht auf den Kaiser ἐκ τῆς ἁγίας παρθένου καὶ θεοτόκου Μαρίας ἀληθινὴν σάρκωσιν τοῦ κυρίου καὶ σωτῆρος Ἲησοῦ Χριστοῦ, τουτέστι τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν, καὶ μὴ ὁμολογοῦντα αὐτὸν ὁμοούσιον τῶι πατρὶ κατὰ τὴν θεότητα καὶ ὁμοούσιον ἡμῖν τὸν αὐτὸν κατὰ τὴν ἀνθρωπότητα. 6 “ἔμεινε γὰρ τριὰς ἡ τριὰς καὶ σαρκωθέντος τοῦ ἑνὸς τῆς τριάδος θεοῦ λόγου.” Diese Formulierung, dass Christus als einer aus der Dreifaltigkeit Fleisch geworden ist, findet sich ganz ähnlich auch in dem Schreiben der Kleriker Jerusalems, Antiocheias und der Syria II an Justin. Coll. Avell. 232a: dominus noster Iesus Christus unus est ex sancta et unius essentiae tri nitate [...] deus uerbum incarnatus est et homo factus est unus ex sancta et unius essentiae trinitate secundum filiationis proprietam. 7 COD. IUS. I, 5, 12; vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 146 f., Nr. 480. 8 Vgl. LEPPIN, Anfänge, S. 80. 9 Vgl. HAACKE, Politik, S. 149. 10 Siehe Punkt 5. 2. 3. 1 Die Unzufriedenheit der chalkedonischen Kleriker mit dem bisherigen Kurs Justinians.
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zurückgeführt, sondern auf das Wirken von Klerikern darunter vor allem auf Ephraim, der 526 zum Bischof Antiocheias geweiht worden war.11 Der Kaiser hingegen ließ in der Folgezeit vertriebene Bischöfe und Mönche wieder zurückkehren.12 Die bisherige Verfolgungspolitik hatte sich nicht als effektives Mittel in den christologischen Auseinandersetzungen erwiesen, sondern im Gegenteil mit dem Auslösen massenhafter Weihen und dem Aufbau einer miaphysitischen Gegenhierarchie das Problem weiter verschärft. Justinian schlug deshalb einen Kurs ein, der weniger auf Konfrontation, sondern wieder auf Annäherung und Entgegenkommen setzte, und lud dazu mehrere miaphysitische Bischöfe in die Hauptstadt ein, um auf direktem Verhandlungsweg eine Lösung zu finden.13 4.2 DAS RELIGIONSGESPRÄCH 53214 Mit den Weihen der syrischen Miaphysiten hatten die Desintegrationserscheinungen in der Kirche eine neue Qualität erreicht. Damit rückte nicht nur eine mögliche Einigung mit den Miaphysiten in noch weitere Ferne, sondern der Kaiser war durch eine eigenständige miaphysitische Hierarchie auch in seiner Möglichkeit getroffen, Einfluss auf kirchliche Belange zu nehmen. Denn was nützte es, Bischöfe einzusetzen, die der kaiserlichen Linie folgten, wenn sich ein Klerus etablierte, der unabhängig von den kaiserlichen Bischöfen agieren konnte und den vertriebenen Bischöfen folgte, die in Alexandreia versammelt waren? Die Vertreibungspolitik unter Justin I. und Justinian hatten sich als erfolglos erwiesen und auch die ohnehin nicht vollständige Durchsetzung der formula Hormisdae15 hat der chalkedonischen Seite nur einen Pyrrhussieg gebracht, der den Aufbau einer miaphysitischen Parallelhierarchie zur Folge hatte. 11
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Vgl. JOH. MALAL., Chronicon, S. (THURN) (CPG 7511) 18, 64. Bei Johannes von Ephesos erscheint Ephraim von Antiocheia als die Person, die hinter den Verfolgungen steht. Entsprechend erntet er die Beinamen „Ephraim the persecutor“, vgl. J OH. EPH., Lives, 35, S. 620 f. (PO 89), oder „the executioner (κυαιστιωνάριος) of the believers” vgl. JOH. EPH., Lives, 24, S. 522, (PO 89). Zu Ephraim als Hauptprotagonist der Verfolger ferner J OH. EPH., Lives, 21, S. 293 f. (PO 82). JOH. EPH., Lives, 58, S. 224 (PO 92). Dass es Johannes von Ephesos darum ging, Justinian aus Kaisertreue heraus von Kritik auszunehmen, schließt Leppin aus, und verweist darauf, dass Johannes in seiner Vita von Zooras von solcher Rücksichtnahme nichts zeigt, vgl. LEPPIN, Anfänge, S. 96, Anm. 27, vgl. JOH. EPH., Lives, 2, S. 18–36 (PO 82). Vgl. SCHWARTZ, Kyrillos, S. 389; ferner PS-ZACH, HE, VIII, 4–5, S. 174–183 und IX, 15, S. 115 (BROOKS) (CPG 6995) und JOH. EPH., Lives, 35, S. 619 f. (PO 89). Schwartz wiederum datiert das Abebben der Verfolgungen erst in die Zeit um 532 und führt diese nicht auf den Misserfolg der bisherigen Politik zurück, sondern auf das Einwirken Theodoras, vgl. SCHWARTZ, Reichskonzilien, S. 150 und SCHWARTZ, Kirchenpolitik, S. 284, wobei er zugleich anmerkt, dass sich dies „quellenmäßig“ nicht beweisen lässt. Für eine ausführliche Auseinandersetzung dazu siehe SPEIGL, Religionsgespräch. Gerade für die Städte an der persischen Grenze ist eine Durchsetzung der formula fraglich, vgl. MENZE, Justinian, S. 49–53. Ferner wurde kein Versuch unternommen, die formula auch im Patriarchat von Alexandreia durchzusetzen, vgl. PS-ZACH, HE, VIII, 5, S. 78 (BROOKS) (CPG 6995). Deshalb konnte mit ihr ohnehin keine vollständige Einheit aller Kirchen erreicht werden.
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Diese besorgniserregenden Entwicklungen sorgten dafür, dass der Kaiser das direkte Gespräch mit den Miaphysiten suchte, um auf diesem Wege eine Verbesserung der Lage herbeizuführen. Im Jahre 532 lud Justinian mehrere miaphysitische Bischöfe nach Konstantinopel ein, damit sie dort mit chalkedonischen Vertretern Gespräche zu führen und auszuhandeln, unter welchen Bedingungen eine Einheit der Kirche verwirklicht werden könne.16 Auch Severos wurde eingeladen, er schlug die Einladung jedoch aus. Über den genauen Verlauf dieser Gespräche und ihrem Inhalt sind wir außergewöhnlich gut unterrichtet. Sowohl von chalkedonischer als auch von miaphysitischer Seite sind Berichte erhalten. Die chalkedonische Sicht der Dinge liefert Innozenz von Maroneia in seinem Brief an den Presbyter Thomas, der die Ereignisse wie in einem Protokoll festhält.17 Die miaphysitische Sicht bietet zwei Texte: ein Text S, der die Begegnungen der miaphysitischen Bischöfe mit dem Kaiser zum Inhalt hat und das Gespräch mit den chalkedonischen Bischöfen nur am Rande erwähnt, und ein weiterer, erst später entdeckter Text H, der eine Inhaltsangabe des Gespräches mit den Bischöfen liefert.18 Auf chalkedonischer Seite waren anwesend: Hypatios von Ephesos,19 der die Führung der chalkedonischen Seite übernahm, sowie Johannes von Bizye, Innozenz von Maroneia, Demetrios von Philippi, Anthimos von Trapezunt und Stephanos von Seleukeia in Isaurien.20 Die letzten drei Genannten befanden sich bereits vor dem Gespräch in der Hauptstadt. Die anderen drei wurden schriftlich vom Kaiser und vom Patriarchen in die Stadt bestellt. Auf miaphysitischer Seite anwesend waren: Sergios von Kyrrhos, Thomas von Germanikeia, Philoxenos von Doliche, Petros von Theodosiopolis (Resch’aina), Johannes von Constantina (Tella) und Nonnos von Circessium.21 Vor dem Gespräch mit den Chalkedoniern fanden sich die Miaphysiten zu einer Audienz beim Kaiser ein, dem sie auch ein Glaubensbekenntnis übergaben, das er in Anwesenheit der Staatsbeamten verlesen sollte. Justinian gab jedoch an, 16 GRUMEL, Regestes, S. 160, Nr. 222a. 17 Nach Schwartz wurde der Brief (CP 6846) schon auf diese Funktion hin geschrieben, vgl. ACO IV, 2, S. XVI und XXV. Der Text des Briefes in ACO IV, S. 169–184. 18 Beide miaphysitischen Textfassungen wurden von Brock ediert und ins Englische übersetzt. BROCK, Conversation, S. 92–113. Eine französische Übersetzung des Textes S durch Nau liegt bei PO 13, S. 192–196 vor. 19 Er gehörte auch zur Gruppe von Klerikern, die unter Führung des Patriarchen Epiphanios im April 531 dem Abt Sabbas entgegenreisten, um ihn die Kaiserstadt zu geleiten, vgl. KYR. SCYTH, Vita, Nr. 71, S. 173, 12–19 (S CHWARTZ) (CPG 7536). Nach dem Gespräch mit den Miaphysiten wurde er zusammen mit dem anderen Gesprächsteilnehmer Demetrios von Philippi nach Rom gesandt, um sich bei Papst Johannes II. für die theopaschitische Formel einzusetzen, vgl. IUSTINIANUS, Epistula ad Ioannem II papam (CPG 6874). 20 Stephanos war einst Miaphysit, wandte sich jedoch nach dem Herrschaftsantritt Justins und dessen Wende in der Religionspolitik Chalkedon zu, vgl. HONIGMANN, Évêques, S. 87. 21 Die folgende Liste mit der Angabe, welche Bischöfe sich bereits in der Stadt befanden und welche hinzugerufen wurden, findet sich bei I NN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 169, Z. 7–14. Zu abweichenden Angaben bei den miaphysitischen Versionen vgl. SPEIGL, Religionsgespräch, S. 271 f.
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das Dokument später zu lesen, wenn er Zeit habe. 22 Durch diese Weigerung, das Textstück sofort zu lesen, vermied der Kaiser dem Bekenntnis irgendeine Art von Anerkennung zuzugestehen. Ferner kam er auch darum herum, an dieser Stelle bereits Stellung zum Bekenntnis nehmen zu müssen, was den Verhandlungen der chalkedonischen mit den miaphysitischen Bischöfen bereits zu Anfang eine möglicherweise unerwünschte Richtung hätte geben können. Der Kaiser gab das Dokument jedoch an Epiphanios und die chalkedonischen Bischöfe weiter, auf dass sie dieses aufmerksam läsen. Sie sollten sich mit den Miaphysiten über alle umstrittenen Dinge vergleichen. Dann zog sich der Kaiser zusammen mit Epiphanios zurück und überließ dem Patrikios Sergios den Vorsitz über das Gespräch der Bischöfe. Neben Sergios und den Bischöfen waren auch die Synkelloi des Epiphanios, Heraklianos und Laurentios, und der Apokrisiar Leontios anwesend,23 die es Epiphanios erlaubten, das Gespräch durch eigene Gewährsmänner zu verfolgen, ohne selbst involviert zu werden. Auch die Patriarchen von Antiocheia und Jerusalem waren durch Gesandte vertreten.24 Im Gespräch sollten die Miaphysiten ihre Beschwerden vorbringen, während es die Aufgabe der Chalkedonier war, diese aus dem Weg zu räumen. Die Miaphysiten begannen das Gespräch mit dem Verweis auf ihr Glaubensbekenntnis, das jedoch von Hypatios übergangen wurde, der das Gespräch sofort auf die Personen Eutyches und Dioskoros lenkte. Die Miaphysiten reagierten darauf, indem sie Eutyches augenblicklich verurteilten. Die Chalkedonier führten jedoch nun laut dem Bericht des Innozenz aus, dass, wenn es gerecht sei, Eutyches zu verurteilen, seine Aufnahme durch Dioskoros ungerechterweise geschehen sei. Als die Miaphysiten dann darauf verwiesen, dass zum Zeitpunkt des zweiten Konzils von Ephesos ein Zweifel daran verblieben war, dass die Aufnahme des Eutyches ungerecht war, führten die Chalkedonier ihre Argumentation weiter, dass es schließlich jedoch durch die Aufnahme des Eutyches nötig geworden war, das allgemeine Konzil, das durch Dioskoros versammelt worden war, zu korrigieren, weshalb das Konzil von Chalkedon gerechterweise einberufen wurde. Die Miaphysiten gaben dies zu.25 Was hier auffällt ist – abgesehen von dem Umstand, dass das zweite Konzil von Ephesos von den Chalkedoniern hier als allgemeines Konzil bezeichnet wird26 – dass die Chalkedonier den Miaphysiten nicht widersprachen, als diese ent22 Vgl. BROCK, Conversation, S. 92. 23 Vgl. BROCK, Conversation, S. 92. Die namentliche Nennung der Synkelloi bei I NN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 170, Z. 3 f. 24 Innozenz erwähnt die Presbyter, Ökonomen und die Apokrisiare Hermisigenes, Magnos und Aquillinos sowie Leontios, den Apokrisiar der Väter in Jerusalem, vgl. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 170, Z. 4–6. 25 Vgl. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 171, Z. 16–27 26 INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 171, Z. 19–20: illud universale concilium quod cum Dioscoro congregatum est.
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gegneten, dass in Ephesos Zweifel über die Unrechtmäßigkeit der Aufnahme des Eutyches bestanden hatte. Was genau die Miaphysiten damit meinten, geht aus dem miaphysitischen Bericht des Religionsgesprächs hervor. Dort verwiesen sie nämlich darauf, dass Dioskoros Eutyches aufgenommen hatte, nachdem dieser jenem ein rechtgläubiges Glaubensbekenntnis übergeben hatte.27 Die Chalkedonier warfen Dioskoros deshalb Nachlässigkeit im Umgang mit Eutyches vor, entgegneten jedoch auf Nachfrage der Miaphysiten, dass sie Dioskoros nicht als Häretiker ansähen.28 Dieses explizite Zugeständnis fehlt im chalkedonischen Bericht ebenso wie das Zugeständnis, dass Chalkedon zurecht einberufen wurde in der miaphysitischen Version. Jedoch kann der Verzicht, der miaphysitischen Verteidigung hier zu widersprechen, als implizite Zustimmung zur miaphysitischen Position gewertet werden, nämlich dass Dioskoros Eutyches nicht aufnahm, weil er seine Lehren teilte, sondern weil er nachlässig war und sich von ihm täuschen ließ. Die Bezeichnung des zweiten Konzils von Ephesos als allgemeines Konzil im chalkedonischen Bericht weist in diese Richtung. Vielleicht unterschlug Innozenz das explizite Zugeständnis gegenüber den Miaphysiten, um die chalkedonische Seite möglichst souverän erscheinen zu lassen, oder die chalkedonische Seite schwieg über diesen Punkt und verzichtete auf eine Entgegnung, was dann von den Miaphysiten als Eingeständnis gewertet und so protokolliert wurde. Jedenfalls scheinen die Chalkedonier nicht darauf beharrt zu haben, Dioskoros als häretisch zu bezeichnen. Dies ist äußerst bemerkenswert, da Dioskoros bisher von den Chalkedoniern mit Eutyches auf eine Stufe gestellt worden war. Dass nun einige Chalkedonier bereit waren, den Häresie-Vorwurf gegen Dioskoros aufzugeben, wird sicher auch Anthimos von Trapezunt aufgefallen sein. Dieser nahm ebenfalls am Gespräch teil und sollte später als Bischof von Konstantinopel die Gemeinschaft mit Severos von Antiocheia aufnehmen, der ebenfalls, wie bei den Miaphysiten üblich Eutyches verurteilte, Dioskoros jedoch in Ehren hielt. Dass diese Dioskoros-freundliche Haltung durchaus nicht bei allen Chalkedoniern verbreitet war, zeigt sich jedoch in den Briefen der chalkedonischen Bischöfe und Mönche, die Anthimos 536 vom Patriarchenstuhl der Hauptstadt stürzten. In ihren Briefen nannten sie den Bischof Dioskoros weiterhin mit Eutyches in einem Atemzug29 und zeigten wenig 27 Auf dieselbe Weise verteidigt auch Severos von Antiocheia Dioskoros in seinen Briefen an den Arzt und Sophisten Sergios vgl. SEV., Ep. 31, S. 264–266 (PO 58), an die Brüder in Tyros, vgl. SEV., Ep. 32, S. 266 f. (PO 58) und Neon, den Archimandriten des Klosters Tagai, vgl. SEV., Ep. 33, S. 267–269 (PO 58). 28 Vgl. BROCK, Conversation, S. 94–96. 29 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 39, Z. 7 f. Die Mönche bezeichnen die Miaphysiten als diejenigen, „die genauso denken wie die von Eutyches und Dioskoros herabgezogenen häretischen Akephalen.“ Weiter im selben Brief werden Nestorios, Eutyches und Dioskoros zusammen genannt, vgl. S. 43, Z. 1–4. Im Brief der Mönche an Justinian: „Wir erklären also Severos und Petros, die Gottlosen und die, die ebenso wie diese denken und von Eutyches und Dioskoros herabgezogen werden, zu kopflosen Häretikern.“ Libellus episcoporum secundae Syriae ad imperatorum (CPG 9329 (1)) (ACO III, S. 30–32) hier S. 32, Z. 32–34. Ferner die Mönche an Agapet siehe Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 8–9: „Die
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von dem Zugeständnis, das die chalkedonischen Bischöfe im Religionsgespräch den Miaphysiten machten. Am zweiten Tag des Zusammentreffens diskutierten die Bischöfe über den Gebrauch der „in zwei Naturen“-Formel und außerdem über die Bischöfe Ibas und Theodoret, die in Chalkedon aufgenommen worden waren.30 Beide Seiten argumentierten mit Väterzitaten für ihre Sache, wobei der zweite Tag von den Ausführungen der Miaphysiten dominiert war. Die Chalkedonier wollten am dritten Tag ihrerseits erweisen, dass sie in Einklang mit den Vätern standen. Doch kam es nicht dazu, weil der Kaiser beide Parteien zu sich bestellte, nachdem sich abzeichnete, dass auf der Ebene der Diskussion keine Einigkeit zu erzielen war.31 Bei der Abschlussaudienz gestand der Kaiser den Miaphysiten zu, dass er sie nicht als häretisch ansehe, doch warf er ihnen vor, dass sie sich aufgrund ihrer Spitzfindigkeit und ihrem Festhalten an Namen, die aus den Diptychen gestrichen worden seien,32 von der Kirche getrennt hatten. Justinian wies die miaphysitischen Bischöfe an, in Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem den Glauben der Patriarchen zu erforschen. Als diese ablehnten, fragte der Kaiser, unter welchen Bedingungen sie bereit wären, wieder mit den anderen Bischöfen die Gemeinschaft aufzunehmen. Die miaphysitischen Bischöfe vermieden es, sich vom Kaiser festnageln zu lassen, und schwärzten stattdessen die chalkedonischen Bischöfe an, indem sie ihnen vorwarfen, dass sie nicht anerkannten, dass ein und derselben Person, die eine aus der Dreifaltigkeit ist, sowohl die Leiden als auch die Wunder zukommen.33 Um diesen Vorwurf aus dem Weg zu räumen, suchten die chalkedo-
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vom Wahnsinn des Dioskoros und Eutyches herabgezogenen Aposchisten und Akephalen.“ Siehe ebenso die syrischen und palästinischen Bischöfe an Agapet, wo die Bischöfe fordern, dass die Schriften „des wahnsinnigen Eutyches und Dioskoros, dessen Schildträger und Vater“ dem Feuer übergeben werden sollen und deren Besitzer enteignet werden sollen. Als Vorbild für ihre Forderung dient den Bischöfen das entsprechende Gesetz zur Enteignung derjenigen, die im Besitz nestorianischer oder manichäischer Schriften sind, vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 149, Z. 28–32. Zur Enteignung von Manichäern siehe COD. IUS. I, 5, 4; deren Vertreibung aus römischen Städten COD. IUS. I, 5, 5. Zur Verbrennung der Schriften des Nestorios siehe COD. IUS. I, 5, 6. Die Diskussion wird im Bericht des Innozenz als Hauptthema der Diskussion herausgestellt, während beim miaphysitischen Bericht die Diskussion über die Personen im Vordergrund steht, vgl. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 172–180; der Streit um Ibas und Theodoret bei S. 180–182. Zum miaphysitischen Bericht über Ibas und Theodoret, vgl. BROCK, Conversation, S. 98–104, über die Zweinaturenlehre, vgl. ebd., S. 104–106. Nach Speigl war Justinian an keiner Verschärfung der Diskussion interessiert, weil er selbst für einen sprachlichen Pluralismus eintrat und der Meinung war, dass beiderlei Sprachgebrauch geduldet werden sollte. Vgl. SPEIGL, Religionsgespräch, S. 278. Damit sind wohl all jene Bischöfe gemeint, die sich weigerten, den libellus Hormisdae zu unterschreiben. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 182, Z, sie Chalkedonier verteidigen sich mit folgenden Worten. 6–9: Et postquam in nomine domini conlocuti sumus inuicem, accusare nos temptantes contradicentes ad piissimum imperatorem, secrete suggesserunt ei
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nischen Bischöfe später den Kaiser auf. Eine Erläuterung ihres Glaubens ist dem Bericht des Innozenz beigefügt.34 Das Religionsgespräch selbst fand kein Ergebnis. Bevor aber Justinian die miaphysitischen Bischöfe endgültig aus der Stadt ziehen ließ, setzte er sie weiter unter Druck und rang ihnen bei einer Audienz eine Liste von Bedingungen ab, bei deren Erfüllung sie sich bereit erklärten, die Gemeinschaft mit den anderen Bischöfen wieder aufzunehmen. Sie forderten: Die Verurteilung aller, die zwei Naturen nach der Einheit lehren, die Verurteilung des Tomus Leonis und all dessen, was in Chalkedon gegen den rechten Glauben geschah, und die Unterdrückung der libelli der Römer.35 Der Kaiser machte ihnen daraufhin einen Gegenvorschlag und bot an, Diodor von Tarsos zu verurteilen, sowie Theodor von Mopsuestia, Ibas und Theodoret von Kyrrhos. Außerdem sollten die zwölf Anathematismen Kyrills aufgenommen werden. Zudem sollte den Miaphysiten zugestanden werden, die Formel der einen Natur des fleischgewordenen Logos zu verwenden, wenn diese im Gegenzug darauf verzichteten, die „in zwei Naturen“-Formel zu verurteilen und sich bereit erklärten, Chalkedon insoweit aufzunehmen, als dass es Eutyches und Nestorios verurteilt hatte. Ferner verlangte der Kaiser ein Ende der miaphysitischen Weihen. Mit seinem Entgegenkommen, das sich darin äußerte, dass Justinian die umstrittenen Vertreter der antiochenischen Schule den Miaphysiten opferte und auch Chalkedon nur in Bezug auf seine Verurteilungen aufnahm, betrat er denselben Weg wie einst Flavian von Antiocheia, der versuchte Philoxenos und seine Anhänger auf diese Weise zu beschwichtigen. Dieses Handeln führte jedoch damals dazu, dass sich Philoxenos in seiner Haltung bestätigt fühlte und den Druck erhöhte, während der Chalkedonier Makedonios Flavian diesen Schritt mit dem Anathem vergalt. Zwar musste Justinian in seiner ungleich machtvolleren Position nicht dasselbe Schicksal befürchten wie der glücklose antiochenische Patriarch, doch musste Justinian mit seinem Angebot der antiochenischen Tradition nahestehende und den Miaphysiten gegenüber konfrontativ ausgerichtete Anhänger Chalkedons provozieren, wenn sie davon erfuhren. Ob dieses Angebot, das der Kaiser den Miaphysiten in seiner Audienz machte, nach außen drang, ist jedoch nicht klar. Es sind letztlich drei Besonderheiten des Religionsgesprächs festzuhalten, die einen Einblick in die Ausrichtung des Kaisers und der Bischöfe, die seiner Linie folgten, geben. Bei den chalkedonischen Bischöfen, die am Religionsgespräch teilnahmen, sei an dieser Stelle besonders an Anthimos gedacht, den der sich formierende Widerstand unzufriedener Chalkedonier später direkt treffen sollte. Erstens sprachen die chalkedonischen Bischöfe Dioskoros vom Vorwurf der Häresie frei, oder beharrten wenigstens nicht mehr darauf. Dabei handelte es sich per quendam, tamquam non confitentibus nobis deum passum carne uel unum eum esse de sancta trinitate nec eiusdem esse personae tam miracula quam passiones. 34 Vgl. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 183, Z. 14–33. 35 Vgl. BROCK, Conversation, S. 116 f. und PO 13, S. 195.
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um einen Schritt, den weder die Mönche der Hauptstadt, derer Syriens und Palästinas, noch die Bischöfe Syriens und Palästinas mitmachen wollten. Zweitens erkannte Justinian an, dass es sich bei den Miaphysiten nicht um Häretiker handelte. Eine Aussage, die wohl die wenigsten profilierten Chalkedonier geteilt hätten, sodass sie der Ausspruch des Kaisers verunsichern und Schlimmes für die Zukunft befürchten lassen musste, andererseits aber Anthimos 536 darin bestärkt haben muss, mit Severos die Gemeinschaft aufzunehmen. Und als dritter Punkt sei die Preisgabe der theologischen Formel Chalkedons und der Vertreter der antiochenischen Schule genannt. Dies musste alle in Sorge versetzen, die in Erinnerung hatten, dass Flavian sich kurze Zeit nach seiner Reduzierung Chalkedons auf seine Verurteilungen gegen Nestorios und Eutyches dazu treiben ließ, das Konzil als Ganzes zu verurteilen. Im Religionsgespräch und den Audienzen der miaphysitischen Bischöfe beim Kaiser wird die Richtung deutlich, die der Kaiser und die Bischöfe, die seiner Linie folgten, gegenüber den Miaphysiten einschlugen. Jedoch sollten die Chalkedonier, die nicht bereit waren, dem kaiserlichen Kurs zu folgen, der Politik Justinians mit Hilfe aus Rom vorerst einen Strich durch die Rechnung machen. Doch bis dahin sollte der miaphysitische Einfluss in der Hauptstadt noch zunehmen. 4.3 DAS EDIKT VON 533 UND DIE ANERKENNUNG DER THEOPASCHITISCHEN FORMEL DURCH ROM 534 Ein Jahr nach dem Religionsgespräch erließ Justinian ein Edikt, 36 um darin erneut allen den rechten Glauben darzulegen. Gleich zu Beginn des Edikts machte der Kaiser klar, dass er sich mit seinem Bekenntnis vor allem gegen jene Anhänger des Eutyches und Nestorios wandte, die sich weiterhin nicht zum rechten Glauben bekehren lassen wollten und ihre Irrlehren verbreiteten. Es entsteht der Eindruck, dass er hier ganz bestimmte Leute im Blick hatte. Er nennt jedoch keine weiteren Namen. Umso interessanter ist es deshalb, einen Blick darauf zu werfen, wie er sich vom Nestorianismus und Miaphysitismus abgrenzte. Er beruft sich auf den Glauben der heiligen katholischen und apostolischen Kirche, spricht aber wie im Bekenntnis von 527 nicht die ökumenischen Konzilien an. Die Passage, die Eutyches betrifft ist sogar fast deckungsgleich mit dem betreffenden Absatz im Bekenntnis von 527. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass neben Eutyches nun auch ausdrücklich seine Anhänger verurteilt werden, wobei wieder keine Namen zeitgenössischer Miaphysiten fallen. Das heißt sie, die Eutyches ja ebenfalls verurteilten, mussten sich nicht notwendigerweise angesprochen fühlen, während die Chalkedonier sie im Bekenntnis zufriedenstellend verurteilt sehen konnten. Die Passage lautet: Wir verurteilen 36 LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 248, Nr. 990; COD. IUS. I, 1, 6. Eine Kopie des Bekenntnisses sandte Justinian auch nach Antiocheia, vgl. T ODT/WEST, Tabula, I, S. 317 ; HONIGMANN, Évêques, S. 151.
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4. Die Kirchenpolitik Justinians bis zum Konzil von 536 auch den wahnsinnigen Eutyches und die, die dasselbe wie er dachten und denken, die ein Trugbild errichten und die wahre Fleischwerdung unseres Herrn und Retters Jesus Christus aus Maria, der Jungfrau und Gottesgebärerin, leugnen und damit unsere Erlösung, und die nicht bekennen, dass er wesensgleich mit dem Vater ist gemäß seiner Gottheit, und wesensgleich mit uns gemäß seiner Menschheit.37
Wie erwähnt, fehlen Namen vermeintlicher Anhänger des Eutyches. Auch Dioskoros, der von Chalkedoniern in solchen Bekenntnissen gerne als Glaubensbruder des Eutyches, der diesen aufnahm, erwähnt und verurteilt wurde, wird nicht genannt. Justinian folgt hier der Linie, die bereits beim Glaubensgespräch im Jahr zuvor vorgezeichnet worden war. Bemerkenswert ist aber auch der Passus bezüglich Nestorios. Auch diese Passage ist fast wörtlich dem Bekenntnis von 527 entnommen, wobei auch hier neben Nestorios nun explizit „diejenigen, die dasselbe wie jener denken und dachten“, aufgenommen sind. Der zweite Unterschied ist, dass die theopaschitische Formel, die beim vorherigen Bekenntnis lediglich anklang, expliziter eingearbeitet wurde. Und nicht nur das, jetzt wurden all jene, die die theopaschitische Formel nicht ebenfalls bekannten, vom Kaiser als Anhänger des Nestorios bezeichnet: Wir verurteilen jede Häresie, besonders Nestorios, den Menschenanbeter, und diejenigen, die dasselbe wie jener dachten und denken, die unseren Herrn Jesus Christus, Gottes Sohn und unser Gott, aufteilen und nicht rechtmäßig und wahrheitsgemäß bekennen, dass die heilige und herrliche Maria Gottesgebärerin ist [...] und leugnen und nicht bekennen, dass unser Herr Jesus Christus, Gottes Sohn und unser Gott, der fleischgeworden ist und die menschliche Natur angenommen hat und gekreuzigt worden ist, einer der heiligen und wesensgleichen Dreifaltigkeit ist.38
Obwohl immer noch die offizielle Anerkennung der theopaschitischen Formel durch Rom ausgeblieben war, verurteilte Justinian jetzt all jene, die sich offen der Formel verweigerten, als Anhänger des Nestorios. Bei den Gegnern dieser Formel in der Hauptstadt, die vom Kaiser als Nestorianer angesehen wurden, handelte es sich um die Akoimeten. Dies geht aus dem Antwortbrief des Papstes Johannes II. an Justinian vom Jahre 534 hervor.39 Bezüglich der Gegner der theopaschitischen Formel schrieb der Kaiser auch an den Patriarchen Epiphanios von Konstantinopel, demgegenüber er seinen Glauben ebenfalls darlegte und auch hier jene als 37 COD. IUS. I, 1, 6: „καὶ Εύτυχέα τὸν φρενοβλαβῆ καὶ τοὺς τὰ αὐτοῦ φρονήσαντας ἢ φρονοῦντας, τοὺς φαντασίαν εἰσάγοντας ἀρνουμένους τε τὴν ἐκ τῆς ἁγίας παρθένου καὶ θεοτόκου Μαρίας ἀληθινὴν σάρκωσιν τοῦ κυρίου καὶ σωτῆρος Ἲησοῦ Χριστοῦ, τουτέστι τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν, καὶ μὴ ὁμολογοῦντας αὐτὸν ὁμοούσιον τῶι πατρὶ κατὰ τὴν θεότητα καὶ ὁμοούσιον ἡμῖν κατὰ τὴν ἀνθρωπότητα.“ Die Stelle, die vom Bekenntnis von 527 abweicht ist hier kursiv gehalten. 38 COD. IUS. I, 1, 6: „ἀναθεματίζομεν πᾶσαν αἵρεσιν, ἐξαιρέτως δὲ Νεστόριον τὸν ἁνθρωπολάτρην, καὶ τοὺς τὰ αὐτοῦ φρονήσαντας ἢ φρονοῦντας, τοὺς διαιροῦντας τὸν ἕνα κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν υἱὸν τοῦ θεοῦ καὶ θεὸν ἡμῶν, καὶ μὴ ὁμολογοῦντας κυρίως καὶ κατὰ ἀλήθειαν τὴν ἁγίαν ἒνδοξον ἀειπάρθενον Μαρίαν θεοτόκον [...] καὶ ἀρνουμέμους καὶ μὴ ὁμολογοῦντας τὸν δεσπότην ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν υἱὸν τοῦ θεοῦ καὶ θεὸν ἡμὼν, τὸν σαρκωθέντα καὶ ἐνανθρωπήσαντα καὶ σταυρωθέντα ἕνα εἶναι τὴς ἁγίας καὶ ὁμοουσίου τριάδος.” 39 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 249, Nr. 995; vgl. COD. IUS. I, 1, 8.
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Nestorianer bezeichnete, die Jesus nicht als einen der Dreifaltigkeit bekannten. Im Unterschied zum Edikt desselben Jahres, bekannte sich Justinian hier jedoch offen zu den vier ökumenischen Konzilien.40 Um sich aber in dieser Sache endgültig durchzusetzen und die missliebigen Vertreter des Chalcedonense auf Linie zu bringen, musste Justinian sich um die Zustimmung Roms bemühen, dessen Autorität gerne gegen unerwünschte Vorgaben aus Konstantinopel ausgespielt wurde.41 Er schrieb also an Johannes II.,42 der seit 533 den römischen Stuhl inne hatte, einen Brief und konnte 534 einen Erfolg verbuchen, als sein Bekenntnis von Johannes II. als rechtgläubig anerkannt und die Akoimeten explizit wegen ihrer Haltung als nestorianisch verurteilt wurden. 43 Dass nun die Akoimeten, die seit jeher als Vorkämpfer für die chalkedonische Sache galten, als Nestorianer bezeichnet wurden, muss für jene Chalkedonier, die den kaiserlichen Kurs mit Argwohn verfolgten, ein alarmierendes Zeichen gewesen sein, besonders wenn man bedenkt, dass Rom bisher der traditionelle Verbündete der Akoimeten in den christologischen Auseinandersetzungen gewesen war. Aber mit ihrer Verurteilung waren die Akoimeten noch nicht aus der Welt. Sie blieben in der Hauptstadt aktiv und sollten bereits auf dem Konzil in Konstantinopel 536 – trotz ihrer Verurteilung – als Beteiligte wieder auftauchen. Ferner lohnt es sich, einen genaueren Blick auf das Glaubensbekenntnis zu werfen, das Justinian an Papst Johannes II. sandte. Denn es ist nicht nur von Bedeutung, dass das Bekenntnis die theopaschitische Formel enthielt, sondern es ist auch darauf hinzuweisen, dass etwas darin fehlte. Wie in seinen vorherigen Bekenntnissen mied Justinian die Formel der „Einheit in zwei Naturen“, sondern begnügte sich lediglich damit, von der Einheit gemäß der Hypostase zu sprechen. Zwar bekannte er auch die Vollkommenheit der Menschheit und Gottheit in Christus, doch verzichtete er auf die prägnante Formel, die in Chalkedon geprägt worden war:44 Nicht aber erkennen wir Gott das Wort als einen und Christus als einen Anderen, sondern ein und denselben eines Wesens mit dem Vater gemäß der Gottheit und eines Wesens mit uns gemäß der Menschheit, derselbe leidensfähig im Fleisch, derselbe nicht leidensfähig in der Gottheit. Wie er vollkommen der Gottheit nach ist, ist er vollkommen auch der Menschheit nach: wir bekennen und bekräftigen die Einheit in einer Hypostase, wie die Griechen sagen, wir bekennen die Einheit gemäß der Hypostase. 40 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 249, Nr. 992; vgl. COD. IUS. I, 1, 7. 41 Verwiesen sei hier auf die weiter oben genannten Bischöfe auf dem Balkan und die Archimandriten der Syria II, die sich während der Herrschaft des Anastasios Rom unterstellt hatten. 42 GRUMEL, Regestes, S. 161, Nr. 224; AMELOTTI/ZINGALE, Scritti, S. 16–21. 43 Vgl. CASPAR, Geschichte, II, S. 219 f. und U THEMANN, Kaiser, S. 127–130. Johannes II bestätigte damit die vorhergegangene Exkommunikation der Akoimeten durch Epiphanios, vgl. GRUMEL, Regestes, S. 162, Nr. 224a. 44 COD. IUS. I, 1, 8: Nec enim alium deum verbum et alium Christum cognoscimus, sed unum atque eundem ipsum consubstantialem patri secundum deitatem et ipsum consubstantialem nobis eundem ipsum secundum humanitatem, passibilem carne, eundem ipsum impassibilem deitate. Ut enim est in divinitate perfectus, ita idem ipse et in humanitate perfectus est: in una enim subsistentia unitatem suscipimus et confitemur, quod dicunt Graeci τὴν καθ’ ὑπόστασιν ἕνωσιν ὁμολογοῦμεν.
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Nachdem Johannes II. keinen Anstoß am Fehlen der „in zwei Naturen“-Formel genommen hatte, ging Justinian möglicherweise davon aus, auch in der Zukunft auf diese verzichten zu können.45 Diesen Umgang mit der Formel gilt es auch, im Hinterkopf zu behalten, wenn es darum gehen wird, die theologische Positionierung des Anthimos anhand seines Synodalschreibens an Severos zu analysieren. Die Anerkennung von Justinians Glaubensbekenntnis bedeutete für den Kaiser aber nicht nur einen kirchenpolitischen Erfolg, sondern brachte auch Klarheit über die (unausgesprochene) Frage, wie mit den Schriften Kyrills – v. a. seinen zwölf Anathematismen – umzugehen sei, die nicht in Chalkedon als kanonisch aufgenommen worden waren. Mit der Anerkennung der theopaschitischen Formel, die vom zwölften Anathematismus abgeleitet wurde, konnte der Kaiser jetzt davon ausgehen, dass Rom die zwölf Anathematismen als autoritativen Text anerkannte.46 Neben der theologisch-kirchenpolitischen Bedeutung des Glaubensbekenntnisses Justinians ist es an dieser Stelle aber auch nötig, darauf einzugehen, was die Voraussetzung für die Durchsetzung der theopaschitischen Formel war und wieso die Dinge hier anders verliefen als beim gescheiterten Staurotheis-Zusatz, der trotz seiner theologischen und sprachlichen Nähe zur theopaschitischen Formel mit dieser nicht gleichgesetzt werden sollte. Der Erfolg der theopaschitischen Formel lag nicht an veränderten Bedingungen des theologischen Klimas in Folge einer Weiterentwicklung der christologischen Diskussion seit dem Staurotheis-Aufstand. Denn während Justinian die theopaschitische Formel aufnahm, machte er keine Anstalten, den Staurotheis-Zusatz dem Trishagion anzufügen. Die Voraussetzung für ein solches Unterfangen, nämlich das Trishagion auf Christus allein zu beziehen, lehnte er ab.47 Stattdessen wählte er einen anderen Weg, um sein Glaubensbekenntnis mit der theopaschitischen Formel in die Liturgie zu überführen. Nach Theophanes ordnete Justinian 535/536 an, den Hymnus Ὁ Μονογενὴς in den Kirchen zu singen.48 Es ist jedoch nicht ganz klar, wer den Hymnus verfasst hat. Zwar hat laut Theophanes Justinian den Hymnus angeordnet, jedoch wird er in der miaphysitischen Überlieferung Severos von Antiocheia zugeschrieben. Ferner hat der Hymnus sowohl in der byzantinischen, als auch der syrisch-miaphysitischen Liturgie Eingang gefunden.49 Wie kam es dazu? Zunächst bietet sich an, einen Blick auf 45 Vgl. LANGE, Energeia, S. 325. 46 Vgl. LANGE, Energeia, S. 325. Zu den Spannungen, die aus der ungeklärten Stellung von Kyrills nicht kanonisierten Schriften resultierten, siehe Punkt 6. 3. 3 Der fehlende eindeutige Bezugsrahmen für Theologie – Die Spannung zwischen der Autorität von auf Konzilien kanonisierten und nicht kanonisierten Schriften. 47 Er äußerte sich dazu in seinem Brief an die ägyptischen Mönche, vgl. ep. Iustiniani ad monachos Aegyptos, S. 41, l. 7–12 (SCHWARTZ) (CPG 6878); zudem vgl. MENZE, Justinian. 48 Vgl. THEOPH, S. 216 (DE BOOR). 49 Vgl. UTHEMANN, Kaiser, S. 131; PUYADE, Tropaire, S. 253; GRUMEL, L’auteur, S. 398, MENZE, Justinian, S: 174. Simeon von Thessalonike, der im 15. Jahrhundert wirkte, gibt sogar Kyrill von Alexandreia als Autor des Hymnus an, vgl. SIM. THESS., De sacra precatione, 348, PG 155, S. 633; ferner vgl. JANERAS, Tropaire, S. 215.
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den Text des Hymnus zu werfen, um seine theologischen Aussagen zu überprüfen:50 Ὁ Μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ
Eingeborener Sohn und Logos Gottes
ἀθάνατος ὑπάχρων, καταδεξάμενος
Obwohl du unsterblich bist, nahmst Du es auf Dich,
διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν σαρκωθῆναι ἐκ τῆς θεοτόκου καῖ ἀειπαρθένου Μαρίας, ἀτρέπτως ἐνανθρωπήσας σταυρωθείς τε, Χριστὲ ὁ Θεός, θανάτωι θάνατον πατήσας, εἷς ὢν τῆς ἁγίας τριάδος, συνδοξάμενος τῶι πατρὶ καὶ τῶι ἁγίωι πνεύματι σῶσον ἡμας.
um unseres Heils willen Fleisch zu werden aus der Gottesgebärerin und immerjungfräulichen Maria, du bist unverändert Mensch geworden und gekreuzigt worden, oh Christus, Gott, hast im Tod den Tod zertreten, bist einer der heiligen Dreiheit, wirst mitverherrlicht mit dem Vater und dem Heiligen Geist, rette uns!
Ein Blick auf die Formulierungen zeigt, dass der Hymnus sowohl mit der Theologie des Severos von Antiocheia kompatibel ist, als auch mit dem Bekenntnis Justinians.51 Der Hymnus weist keine miaphysitische Terminologie wie den Ausdruck der einen Natur (nach der Einheit) oder eine Verurteilung Chalkedons oder Leos auf, wodurch er nicht für Chalkedonier unannehmbar wird. Stattdessen wird mit dem Hymnus eine Theologie formuliert, die den Schwerpunkt auf das Leiden Gottes – oder genauer: das Leiden des Wortes Gottes – legt.52 Es stellt sich aber trotzdem die Frage, wieso es in den Quellenzeugnissen zu diesen gegensätzlichen Angaben über die Urheberschaft des Hymnus kommt. Oder sind sie gar nicht gegensätzlich und Severos hat tatsächlich den Hymnus komponiert und Justinian hat ihn dann für die Kirchen angeordnet? 53 Dies wäre zweifellos für die Chalkedonier in Konstantinopel ein Skandal gewesen, selbst 50 Der griechische Text in UTHEMANN, Kaiser, S. 132. Die deutsche Übersetzung stammt von mir. Der Hymnus liegt in griechischer und lateinischer Fassung bei Amelotti und Zingale vor, AMELOTTI/ZINGALE, Scritti, S. 44; eine syrische Fassung bei PUYADE, Tropaire, S. 253. 51 Vgl. UTHEMANN, Kaiser, S. 132, der auch darauf hinweist, dass der Hymnus alle strittigen Begriffe wie Hypostase oder Natur meidet. Zum Hymnus als Ausdruck miaphysitischer Christologie vgl. PUYADE, Tropaire, S. 255–257; zur Kompatibilität des Hymnus auch mit der Theologie Justinians vgl. GRUMEL, L’auteur, S. 401–410. 52 Janeras bezeichnet die Theologie des Hymnus als neuchalkedonisch, vgl. J ANERAS, Tropaire, S. 220. 53 Auch Janeras hält es für möglich, dass Justinian Severos mit der Erarbeitung des Hynmus beauftragt haben könnte beziehungsweise Justinian und Severos zusammengearbeitet haben könnten, oder dass Justinian den Hymnus unter Einfluss des Severos verfasste, vgl. J ANERAS, Tropaire, S. 220.
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wenn der Text mit chalkedonischen Positionen kompatibel ist. Justinian lud Severos in die Hauptstadt ein und empfing ihn auch im Palast, nachdem dieser 535 schließlich der wiederholten Einladung des Kaisers gefolgt war. Bis zum nächsten Jahr blieb Severos in der Hauptstadt und bis zum Konzil 536 machte Justinian auch keine Anstalten, ihn der Stadt zu verweisen. Wie verliefen die Gespräche zwischen beiden? Zumindest nicht so schlecht, dass Justinian den Umgang des 535 von ihm eingesetzten Bischofs Anthimos mit Severos unterbunden hätte. Ist es vielleicht möglich, dass Justinian Severos damit beauftragte, einen Hymnus mit einer theopaschitischen Aussage zu verfassen, um sein Glaubensbekenntnis dem Volk und den Klerikern zu kommunizieren? Das Trishagion mit Staurotheis-Zusatz hatte sich, wie das Beispiel des Anastasios zeigte, ja als unbrauchbar erwiesen. Auch machte Justinian keine Versuche, für eine christologische Deutung des Trishagions einzutreten, um es mit dem Zusatz kompatibel zu machen. Ähnlich wie einst Anastasios den Severos mit der Verfassung eines Typus beauftragt hatte, könnte Justinian Severos – quasi als Zeichen seines guten Willens ihm gegenüber – mit dem Verfassen einer Hymne beauftragt haben.54 Gleichzeitig bot sich so die Möglichkeit, neben der theologischen auch eine liturgische Annäherung zu erreichen und so auch die liturgische Spaltung durch das Trishagion mit dem Staurotheis-Zusatz etwas aufzuweichen. Anders als bei einem offiziellen oder zumindest quasi-offiziellen Glaubensdokument wie dem Typus, musste Justinian bei einem Hymnus nicht damit rechnen, dass Severos eine direkte Verurteilung Chalkedons hineinschrieb. Leider bieten die Quellen nicht die Möglichkeit, die Frage nach der Urheberschaft des Hymnus endgültig zu klären. Jedoch könnte dieser Ansatz zumindest erklären, wie es kommt, dass sich ein und derselbe christologische Hymnus sowohl im chalkedonischen als auch im syrisch-miaphysitischen Gottesdienst befindet und die Miaphysiten in Severos den Autor sehen, während Theophanes Justinian sein Singen im Gottesdienst anordnen lässt.
54 Grazianskij geht sogar davon aus, dass die Zusammenarbeit zwischen Justinian und Severos so weit ging, dass er letzterem ein Mitspracherecht bei der Besetzung des Bischofsstuhls von Konstantinopel 535 einräumt, vgl. G RAZIANSKIJ, Politik, S. 81. Wobei diese Spekulation meiner Meinung nach zu weit geht und die Ausführungen der hauptstädtischen Mönche und Bischöfe, die die Erhebung des Anthimos zum Bischof von Konstantinopel nicht stichhaltig genug ist. Zu den Vorwürfen der Mönche: Anthimos konnte „durch jene [der Häretiker] Unterstützung entgegen aller kirchlichen Gesetze und Kanones heimlich den Bischofsstuhl der Stadt erlangen.“ Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131– 134) hier S. 132, Z. 1.
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4.4 EXKURS I – DIE (WELTLICHE) POLITISCHE LAGE IN DEN 530ERN – ERSCHÜTTERUNG IM INNEREN UND ERFOLGE IN DER AUSSENPOLITIK Bevor auf das Konzil 536 und dessen Auslöser eingegangen wird, ist es nötig, einen Blick auf die allgemeine politische Situation in den 530er Jahren zu werfen. Die Kirchenpolitik war für den Kaiser schließlich nur ein Feld unter vielen und bereits der Staurotheis-Aufstand und der Aufstand Vitalians haben gezeigt, wie weltliche und kirchenpolitische Belange untrennbar miteinander verquickt sein konnten. Deshalb müssen zum besseren Verständnis kirchenpolitischer Entwicklungen und kaiserlichen Handelns immer auch politische Entwicklung außerhalb des kirchlichen Bereichs mitberücksichtigt werden. Auch wenn die frühen Jahre der Herrschaft Justinians in der Regel als die Zeit seiner Erfolge angesehen werden, während die zweite Hälfte seiner Regierungszeit von der Pest und den kräftezehrenden Kriegen gegen die Perser und Goten überschattet werden, waren auch Justinians Anfangsjahre nicht spannungsfrei. Da Justinian bereits von seinem Onkel zum Mitkaiser ernannt wurde, verlief der Übergang zur Alleinherrschaft nach dem Tod Justins I. ohne Komplikationen. Jedoch behielt Justinian trotz der Bildung, die sein Onkel ihm zuteil werden ließ, den Makel der niederen Herkunft.55 Auch der Umstand, dass Justinian viele Posten mit Leuten besetzte, die ebenfalls nicht senatorischer Herkunft waren, wird in senatorischen Kreisen zu Unmut geführt haben. Dies allein stellte jedoch keine Gefahr für den Kaiser dar. Aber im Jahr 532, in dem auch das Religionsgespräch zwischen miaphysitischen und chalkedonischen Bischöfen abgehalten wurde, kam es dann zum großen Aufstand in der Hauptstadt, der Justinian in große Bedrängnis brachte und dessen Niederschlagung tausende Opfer im Volk und auch in aristokratischen Kreisen forderte.56 Was genau war geschehen? Als es im Vorfeld zu den angesetzten Zirkusspielen zu Unruhen bei den Zirkusparteien gekommen war, schlug der Stadtpräfekt Eudaimon57 den Aufstand nieder und verurteilte sieben der Rädelsführer zum Tode. Als es jedoch zur Hinrichtung am Galgen kam, brach die Galgenstange zweimal und bewahrte die beiden vorgeführten Verurteilten – ein Vertreter der
55 MEIER, Zeitalter, S. 125. 56 Für eine ausführliche Darstellung des Nika-Aufstands mit einer Einordnung in die häufigen Unruhen in Zusammenhang mit Zirkusspielen vgl. G REATREX, Nika Riot. Für eine jüngere Deutung des Aufstands, die ihn als Inszenierung Justinians sieht, um damit seine Gegner aus der Reserve zu locken, vgl. M EIER, Inszenierung. Flankiert werden Meiers Ausführungen durch die Hinweise von Brandes, der auf finanzpolitische Eigentümlichkeiten im Rahmen von Justinians Bauprogramm aufmerksam macht, die ebenfalls nahe legen, dass der Kaiser den Aufstand nicht nur nutzte, um seine Gegner innerhalb der Senatsaristokratie auszuschalten, sondern deren Ausschaltung von vornherein geplant war, vgl. BRANDES, Nika-Aufstand. 57 Vgl. PLRE III/A, Eudaemon I, S. 455.
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Grünen und einer der Blauen – vor dem Tode und die beistehende Volksmenge verlangte die Begnadigung der Männer. Herbeigeeilte Mönche nahmen sich der Verurteilten an und brachten sie in ein nahegelegenes Kloster. Drei Tage später, als Spiele im Hippodrom stattfanden, forderten die vereinigten Zirkusparteien die Begnadigung der Männer. Justinian hingegen schwieg und ließ die Spiele unbeirrt fortfahren. Nach dem 22. Rennen zogen Blaue und Grüne gemeinsam zum Stadtpräfekten und verlangten dort Auskunft, die ihnen jedoch verweigert wurde. Daraufhin kehrte die Menge wieder zum Hippodrom zurück und forderte nun den Sturz des Stadtpräfekten und auch die Absetzung von Johannes dem Kappadoker und Tribonian.58 Die letzteren beiden hatten nichts mit den vorherigen Unruhen und der Verurteilung der beiden Rädelsführer zu tun, standen aber in Verbindung mit Justinians vorherigen Reformmaßnahmen, die anscheinend auf den Unmut einiger Leute gestoßen waren.59 Der Kaiser gab den Forderungen nach und entließ die drei Männer. Neuer Stadtpräfekt wurde der Silentiarios Phokas, Johannes der Kappadoker und Tribonian wurden durch Tryphon, der wie Phokas Teil der Senatsaristokratie war, und Basilides, der Mitglied der ersten Kommission zur Erarbeitung des Codex Iustinianus war, ersetzt.60 Auffällig ist, dass die Posten nun ausschließlich an Leute aus der Senatsaristokratie gingen. Der Aufstand hielt aber trotz der Zugeständnisse an, weshalb nun Justinian Belisar61 damit beauftragte, den Aufstand niederzuschlagen. Teile der Stadt gingen beim Aufstand in Flammen auf. In dieser Situation kehrten die Neffen des Kaisers Anastasios, Hypatios und Pompeios, im Palast ein, um den Kaiser ihrer Treue zu versichern. Dieser entließ sie jedoch wieder, um ihnen nach seinem Bekunden die Gelegenheit zu geben, ihre Häuser zu schützen. Währenddessen eskalierte die Situation weiter. Justinian begab sich zum Hippodrom, bat um Vergebung für seine Fehler und garantierte den Unruhestiftern Amnestie. Die Menge ließ sich jedoch nicht beruhigen und rief stattdessen Hypatios zum Gegenkaiser aus. Auch ein Teil der kaiserlichen Leibwachen fiel ab und als Gerüchte laut wurden, dass Justinian geflohen sei, schien Hypatios sich mit seiner neuen Rolle als Kaiser einzufinden. Der primicerius sacri cubiculi Narses62 begab sich nun ins Hippodrom und stellte jenen, die bereit waren, vom Aufstand abzulassen, Geldzahlungen in Aussicht und spaltete dadurch die Aufständischen. Belisar und Mundus63, die mit der Niederschlagung des Aufstandes beauftragt wurden, drangen jetzt ins Hippodrom ein und richteten dort ein Blutbad an, dem 30000 bis 35000 Menschen zum Opfer fielen. Hypatios und Pompeios wurden am Folgetag hingerichtet und weitere Senatoren wurden verbannt und verloren ihren Besitz.64 58 Vgl. PLRE III/A, Ioannes 11, S. 627–635; PLRE III/B, Tribonianus I, S. 1335–1339. 59 Vgl. LEPPIN, Justinian, S. 145. 60 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 242, Nr. 957. Zu Phokas vgl. PLRE II, Phocas 5, S. 881 f.; zu Basilides vgl. PLRE III/A, S. 172 f. und zu Tryphon vgl. PLRE III/B, Tryphon I, S. 1343. 61 Vgl. PLRE III/A, Belisarius I, S. 181–224. 62 Vgl. PLRE III/B, Narses I, S. 913–928. 63 Vgl. PLRE III/B, Mundus, S. 903–905. 64 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 242, Nr. 958.
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Die Deutung des Aufstandes ist äußerst schwierig. Die ältere Forschung geht davon aus, dass Justinian das Heft aus der Hand geglitten ist, 65 wobei aber eine befriedigende Erklärung für das scheinbar äußerst ungeschickte Verhalten Justinians, das die Eskalation der Lage bewirkte, ausbleibt.66 Mischa Meier hingegen hält die Eskalationen für geplant, um auf diese Weise seine Feinde in der Senatsaristokratie ausfindig zu machen. Brandes flankiert die These Meiers mit Hinweisen zu außerordentlichen Veränderungen in der Finanzverwaltung im Vorfeld des Aufstandes, die ebenfalls auf seine Geplantheit hinweisen. 67 Letztendlich wird sich die Frage nicht klären lassen, inwieweit Absicht oder Ungeschicklichkeit Grundlage des Aufstandes waren. Für das Ergebnis des Aufstandes ist dies jedoch zweitrangig.68 Justinian hatte sich in dieser Krise durchgesetzt. Seine Feinde in der Senatsaristokratie,69 wurden durch den Aufstand aus der Reserve gelockt, wodurch diese für den Kaiser identifizierbar und angreifbar gemacht wurden.70 Auch die Verwandten des Anastasios, die am ehesten als Rivalen zu fürchten waren, wurden ausgeschaltet. Justinian ging aus dem Aufstand innenpolitisch gestärkt hervor und bezeichnete die Niederschlagung entsprechend als Sieg gegenüber den Tyrannen.71 Die Atmosphäre in Konstantinopel dürfte sich jedoch verdüstert haben, wodurch sich ein zwiespältiges Resultat ergibt: Festigung der kaiserlichen Position durch Ausschalten eines Teils der Opposition auf der einen Seite und wohl ein gewisser Ansehensverlust des Kaisers, dem man nun mit einer gewissen Portion Misstrauen und Furcht gegenübertrat72 Eine dauerhaft harte Haltung Justinians konnte zwar Entschlossenheit signalisieren, aber auch als Hartherzigkeit interpretiert werden und der Kaiser inszenierte als Reaktion darauf seine Mildtätigkeit, als er den enteigneten Senatoren kurze Zeit später ihr Land zurückgab.73 65 Vgl. MEIER, Inszenierung, S. 273. 66 Vgl. MEIER, Inszenierung, S. 291. 67 Vgl. BRANDES, Nika-Aufstand, S. 264. Pfeilschifter hingegen bezweifelt in seiner Analyse des Aufstandes jedoch die bewusste Eskalation Justinians. Stattdessen verweist er auf den mangelnden Kommunikationswillen Justinians gegenüber dem Volk, der in seinem Selbsverständnis begründet war. Die führte zu einer durchgehend harten Linie Seitens des Kaisers, die ihm andere Handlungsoptionen verbaute und letztlich zu einer Eskalation der Lage führte, vgl. PFEILSCHIFTER, Kaiser, S. 193–208. 68 Die Interpretation des Aufstandes beeinflusst jedoch natürlich die Charakterisierung Justinians. War er hier einfach ungeschickt gewesen? Das erscheint Angesichts seiner Erfahrung unwahrscheinlich. Oder handelt es sich bei ihm um einen geschickten Taktierer, der geplant Risiken einging, um seine Ziele zu erreichen? Bedenkt man die Behutsamkeit seines kirchenpolitischen Handelns, liegt letztere Deutung näher. 69 Zur Feindschaft von Teilen der Aristokratie vgl. KALDELLIS, Procopios, S. 118–164. 70 Durch die folgenden Strafmaßnahmen, durch Enteignung von Land und Besitz, sowie die Rückgabe des Landes, als die entsprechende Steuer fällig wurde, ruinierte weite senatorische Kreise vollkommen und eliminierte sie als politische Gegner, vgl. B RANDES, Nika-Aufstand, S. 264. 71 Vgl. JOH. MAL., 18, 71, S. 400 (THUN), vgl. CHRON. PASCH., S. 628 (DINDORFER). 72 Leppin spricht davon, dass nun Misstrauen das Verhältnis zwischen Kaiser und Volk und Kaiser und Senatsaristokratie geprägt habe, vgl. LEPPIN, Justinian, S. 147. 73 Dass die Senatoren durch die nun fällige Steuer weiter in den Ruin getrieben wurde, zeigt,
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Weniger düster und zwiegespalten waren jedoch Justinians Erfolge in der Außenpolitik. Im Jahr 532 wurde mit Persien der ewige Frieden geschlossen und im Westen kam es unverhofft zur Eroberung des Vandalenreiches. Im Vandalenreich wurde unter römischen Protest der König Hilderich 74 gestürzt, woraufhin Gelimer75 die Herrschaft antritt. Justinian setzte daraufhin erfolgreich den Ostgotenkönig Athalarich76 unter Druck, die Gesandten der Vandalen nicht mehr zu empfangen und unterstützte zudem die Aufständischen Godas auf Sardinien und Pudentius in Tripolitanien.77 Nachdem der Friedensschluss im Osten nun dem Kaiser die Möglichkeit bot, selbst gegen die Vandalen tätig zu werden, beorderte er 500 Schiffe mit 15000 bis 16000 Mann unter der Führung Belisars im Juni 533 nach Afrika. Die Vandalen, die mit der Niederschlagung des Aufstandes in Sardinien beschäftigt waren, traf die römische Streitmacht mit Überraschung. Zum Einlenken in der Causa Hilderich führte dies jedoch nicht. Der gestürzte König wurde samt seiner Verwandtschaft hingerichtet. 78 Im September kam es zum Sieg der Römer in einer Feldschlacht nahe Karthagos gegen die Vandalen und zur Einnahme der Stadt. In nachfolgenden Schlachten, bei denen die Vandalen mit Hilfe der von Sardinien siegreich heimkehrenden Soldaten ihre Kräfte gegen die Römer bündeln konnten, kam es dann zum endgültigen Sieg der Römer unter Belisar. Im Frühjahr 534 ergab sich dann Gelimer, der sich zuvor auf dem Berg Pappua verschanzt hatte. Währenddessen nahmen die Römer das von den Vandalen beherrschte Gebiet in Besitz und ordneten die Verhältnisse neu. 79 Der überwältigende Sieg der Römer kam unerwartet. In der Forschung ist umstritten, ob die Eroberung des Vandalenreiches von vornherein geplant war, oder ob der Kaiser nur eine Strafexpedition und die Reinstallierung Hilderichs plante.80 Justinian bezeichnete die schnelle Eroberung Africas als göttliches Geschenk81 und man mag sich fragen, inwieweit er möglicherweise selbst daran glaubte. Dies ließ nun auch eine Rückeroberung Italiens in den Blick rücken. Genährt wurden solche Pläne durch die Informationen über die gespannte Lage unter den Ostgoten. Der große Theoderich war bereits 526 verstorben. Auf den Thron kam sein minderjähriger Enkel Athalarich, dessen Mutter Amalasuntha 82 die Regentschaft für ihn übernahm. Die Regentin bemühte sich um gute Beziehungen zu Konstantinopel, brach später in den 530er Jahren mit den Vandalen und signalisierte Justinian gegenüber ihre Loyalität. Dies machte sie jedoch unter den Goten
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dass es sich bei dieser Aktion Justinians jedoch nicht wirklich um einen echten Akt der Milde handelte. Vgl. PLRE II, Hildericus, S. 564–565. Vgl. PLRE III/A, Gelimer, S. 506–508. Vgl. PLRE II, Athalaricus, S. 175–176. Vgl. PROK., BV I, 9, 10–I, 11,1; Zu Godas und Pudentius vgl. PLRE III/A, Godas, S. 539; PLRE III/B, Pudentius, S. 1070–1071. Vgl. PROK, BV, I, 17, 11 f. Zur Neuordnung Africas vgl. KAISER, Authentizität, S. 78–85. Vgl. BÖRM, Perserkönig, S. 300; vgl. MEIER, Zeitalter, S. 165–180; vgl. VÖSSING, Africa, S. 197; vgl. LEPPIN, Justinian, S. 157. Vgl. COD. IUS. I, 27, 1. Vgl. PLRE II, Amalasuintha, S. 65.
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umstritten und schwächte ihre Position. Die Lage in Italien eskalierte dann, als Athalarich 534 verstarb und Amalasuntha ihren Cousin Theodahad83 zum Mitherrscher ausrief. Sie selbst fand kurz darauf den Tod. Theodahad, den man dafür verantwortlich machte, sah sich nun der Abneigung der Goten und der romanischen Bevölkerung ausgesetzt und bemühte sich um gute Beziehungen zu Konstantinopel. Dort schien die Situation jedoch reif für eine Intervention. War die Lage nicht günstig und lud der Erfolg gegen die Vandalen nicht zur Nachahmung ein? Jedenfalls weckt das Verhalten des Kaisers nicht den Eindruck, dass er ernsthaft an einem Frieden mit Theodahad interessiert war.84 Der ostgotische König sandte indessen den neugeweihten Papst Agapet Ende 535 nach Konstantinopel, damit dieser im Sinne des Goten auf den Kaiser einwirke. Dies war die politische Situation im Vorfeld des Konzils 536. Im Inneren hatte Justinian seine Position unter einem hohen Blutzoll gefestigt und unter Furcht des Volkes seine Stellung auf Kosten oppositioneller Kreise in der Senatsaristokratie stabilisiert. Aufgrund der schlechten Stimmung musste er jedoch daran interessiert sein, sein Bild im Volk wieder aufzubessern und keine weitere Trübung der Atmosphäre zuzulassen. Die Erfolge im Äußeren gegen die Vandalen waren dazu geeignet, sein Ansehen zu verbessern und ließen nun Aspirationen auf Italien wach werden. Doch musste das Vorgehen klug geplant werden und darauf geachtet werden, die Unterstützung jener Akteure zu erhalten, auf dessen Unterstützung Justinian bei seiner Italienpolitik angewiesen war. Dies betraf nicht zuletzt Papst Agapet, der sich nun in der Hauptstadt befand und den es nicht zu verprellen galt. Dessen nun strategische Bedeutung für den Kaiser konnten sich jetzt auch andere Akteure zu Nutze machen, um eine eigene Politik zu verfolgen.
83 Vgl. PLRE II, Theodahadus, S. 1067–1068. 84 Vgl. LEPPIN, Justinian, S. 163.
5. Das Konzil von Konstantinopel 536
5. DAS KONZIL VON KONSTANTINOPEL 536 In den vorangegangenen Jahren war es Justinian gelungen, der von ihm präferierten theopaschitischen Formel zum Erfolg zu verhelfen und damit eine stärker von Kyrill geprägte theologische Strömung1 zu fördern. Er versprach sich damit eine Annäherung zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten zu erreichen und damit seine bisherigen innen- und außenpolitischen Erfolge durch einen Erfolg in der Kirchenpolitik zu krönen. Jedoch regte sich in einem Teil des chalkedonischen Lagers Widerstand gegen die bisherige kaiserliche Politik. Denn eine Gruppe von Chalkedoniern, die auf Abgrenzung gegenüber den Miaphysiten setzte und direkte Gespräche oder eine sonstige indirekte Anerkennung ablehnte, machte sich daran, den kaiserlichen Kurs zu torpedieren, um ihre eigene konfrontative Linie durchzusetzen. Die Gelegenheit dazu erhielten sie in den Jahren 535 als der Kaiser mit Anthimos von Trapezunt einen Bischof auf unkanonische Weise auf den Bischofsstuhl von Konstantinopel setzte. Seine Wahl wider das Kirchenrecht, aber auch sein entgegenkommendes Verhalten gegenüber den Miaphysiten boten für diese Gruppe konfrontativer Chalkedonier den Anlass, 5362 ein Konzil einzuberufen, um Anthimos abzusetzen und mit ihm auch die Führungsfiguren des Miaphysitismus zu verurteilen und aus der Hauptstadt zu vertreiben. Um die genauen Hintergründe und den Ablauf des Konzils zu beleuchten, soll im Folgenden in zwei Schritten vorgegangen werden. Zuerst folgt eine deskriptiv gehaltene chronologische Darstellung der Ereignisse von den kirchenpolitischen Entwicklungen in den 530er Jahren bis zur letzten Sitzung des Konzils 536. In diesem Zusammenhang werden auch die einzelnen Dokumente präsentiert, ihr Inhalt, ihre Argumentation und ihre Bestimmung auf dem Konzil analysiert, um zum einen die Person des Anthimos innerhalb der justinianischen Kirchenpolitik einzuordnen und um zum anderen die Absicht der Konzilsteilnehmer herauszuarbeiten. Dann folgt im zweiten Schritt ein stärker analytisch gehaltener Teil, in dem die Grundhaltung der Organisatoren des Konzils im Zusammenhang der christologischen Streitigkeiten allgemein und ihre Haltung gegenüber der Kirchenpolitik Justinians im Speziellen untersucht werden soll. Dabei soll auf die verschiedenen Ak1
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In der Forschung bezeichnete man diese im sechsten Jahrhundert aufgekommene und vom Kaiser mitgetragene Strömung als Neuchalkedonismus und bezog sich dabei auf eine stärkere Kyrillrezeption der Neuchalkedonier im Vergleich zu den Konzilsvätern von Chalkedon. Darauf, dass diese Bezeichnung nicht unproblematisch ist und die kirchenpolitischen Verhältnisse meines Erachtens nicht treffend beschreibt, soll in Punkt 6. 3. 3 Der fehlende eindeutige Bezugsrahmen chalkedonischer Theologie – Das schwierige Erbe der antiochenischen und alexandrinischen Schule eingegangen werden. Für einen Überblick über das Konzil von Konstantinopel 536 und die nachfolgende Synode in Jerusalem vgl. SPEIGL, Konstantinopel 536; MILLAR, Synods; und HEFELE/LECLERCQ, Histoire, S. 1142–1155.
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teure der Jahre 535/536 und die Rolle der synodos endemousa als kirchenpolitische Institution eingegangen werden. In diesem Zusammenhang soll gezeigt werden, dass Anthimos weder ein Miaphysit war, noch dass er im Laufe seiner kurzen Amtszeit als Bischof von Konstantinopel zum Miaphysitismus wechselte. Vielmehr handelte es sich bei ihm um einen Vertreter der von Justinian verfolgten integrativ ausgerichteten Kirchenpolitik, die durch direkte Gespräche und eine wohlwollende Grundhaltung versuchte, eine Annäherung zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten zu erreichen. Jedoch bewirkte diese Politik eine Gegenreaktion in Teilen des chalkedonischen Lagers, die diese Linie nicht teilten. Beim Konzil von Konstantinopel 536 handelte es sich deshalb nicht allein um einen Konflikt zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten, sondern vielmehr um eine Auseinandersetzung innerhalb des chalkedonischen Lagers, bei dem konfrontativ ausgerichtete Chalkedonier integrativ ausgerichteten Chalkedoniern vorwarfen, dem Miaphysitismus verfallen zu sein. Als letzter Punkt soll, um das Verständnis der Ereignisse 536 zu vertiefen, das Konzil in den größeren Zusammenhang der christologischen Streitigkeiten eingebettet werden. Dabei soll der Augenmerk der Untersuchung auf die Frage gelegt werden, wie bestimmte christologische Identitäten überhaupt entstanden, wie kirchenpolitische Positionen vermittelt wurden und wie die verschiedenen hier einwirkenden Faktoren zu Spannungen innerhalb der verschiedenen Lager führten. 5.1 DER EREIGNISABLAUF 5.1.1 Der Auslöser des Konzils - Die Aktivitäten der Miaphysiten in der Hauptstadt und die Ankunft des Severos Justinian hatte mit der Durchsetzung der theopaschitischen Formel einen wichtigen kirchenpolitischen Etappensieg errungen, doch wurden die kaiserlichen Initiativen nicht überall mit Wohlwollen aufgenommen. Verstärkt wurde dieses Unbehagen zudem durch weitere Entwicklungen in den 530er Jahren, die einige Chalkedonier beunruhigen mussten. Bereits in den 520er Jahren hatte sich die Zahl der Miaphysiten in der Hauptstadt deutlich erhöht. Im Zuge der Vertreibungen miaphysitischer Kleriker und Mönche in den östlichen Provinzen flohen viele von ihnen in die Hauptstadt, wo sie in großer Zahl von der Kaiserin Theodora aufgenommen wurden, die ihnen Obhut im Hormisdas-Palast gewährte. 3 Die Miaphysiten erhielten dadurch einen mehr oder weniger direkten Zugang zum Kaiser, sodass sie sich der chalkedonischen Dominanz in Konstantinopel zum Trotz Gehör verschaffen konnten. Aber auch etwas außerhalb der Stadt in Sykae, dem heutigen Galata, auf der anderen Seite des goldenen Horns wurden miaphysitische Mönche
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Vgl. MICH. SYR., Chron., IX, 21, S. 278 (CHABOT) (frz. Übers. Bd. 2, S. 192). Michael schreibt, dass Theodora über 500 Mönche im Palast aufgenommen haben soll. Zu Theodora vgl. PLRE III/B, Theodora I, S. 1240–1241.
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angesiedelt. Unter ihnen war der Mönch Zooras, der sich den besonderen Zorn der Chalkedonier zuzog und 536 zusammen mit Severos von Antiocheia und Petros von Apameia angeklagt und verurteilt wurde. Dieser kam zusammen mit zehn Schülern in die Hauptstadt, nachdem er von Chalkedoniern von seiner Säule herunter geholt wurde, weil er sich weigerte, mit ihnen die Gemeinschaft aufzunehmen.4 Dort erhielt er von Kaiserin Theodora eine Villa in Sykae, die er als Kloster nutzte. Ebenso gründete der miaphysitische Asket Mare ein Kloster in der Hauptstadt und unterstützte die Armen.5 So kam es, dass die dort gegründeten miaphysitischen Klöster in direkte Konkurrenz zu ihren chalkedonischen Gegenstücken traten.6 Ferner verbanden die Miaphysiten mit ihrer asketischen Tradition stärker als die Chalkedonier auch einen Einsatz für die Armen,7 und übernahmen damit eine Rolle, die zuvor vor allem im Bereich der Bischöfe lag.8 Auf Seiten der Chalkedonier musste die Armenfürsorge deshalb für Unmut sorgen, umso mehr, als dadurch ebenfalls die Gefahr bestand, dass die Miaphysiten so Teile der Bevölkerung der Hauptstadt auf ihre Seite ziehen konnten. Dies dürfte auch der Grund für die Angriffe sein, die auf chalkedonischer Seite gegen die Armenspeisungen des Zooras erfolgten.9 Neben dem Dienst an den Armen feierte Zooras ferner zahlreiche Nebengottesdienste und Nebentaufen,10 wobei sich unter 4 5 6
Vgl. JOH. EPH., Lives, S. 21 (PO 82). Vgl. JOH. EPH., Lives, S. 639 f. (PO 89). Es handelt sich um die Klöster des Dolmetios, der Enkratadon, des Zenobios, des Kanonos und das Kloster des Samuel. Bis auf das Kanonos-Kloster sind alle Klöster auch bei der Synode von 536 verzeichnet. Zu Dolmetios und Enkratadon siehe Konzilsakten (CPG 9325– 9329) hier ACO III, S. 34, 46, 129, 144, 157 (Enkratadon S. 158 und 164), 173. Zenobios ebd., S. 35, 46, zu Kanonos ebd., S. 35, 46, 129, 143, 157, 164, 172. Zu den Lokalisationen der Klöster siehe JANIN, Géographie. Zum Dolmetios-Kloster ebd., S. 99 f. zum EnkratadonKloster siehe ebd., S. 117, zum Zenobios-Kloster ebd., S.134. Zum Kanonos-Kloster ebd., S. 283 f. zum Samuel-Kloster ebd., S. 450. Hatlie vermutet, dass das kaiserliche Paar womöglich ein neues Gleichgewicht zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten schaffen wollte, vgl. HATLIE, Monks, S. 145. Die vergangenen Erfahrungen zeigten jedoch, dass sich die Konflikte zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten besonders in denen Gebieten entluden, in denen beide Gruppen in großer Zahl zusammenlebten. Es erscheint unwahrscheinlich, dass das Kaiserpaar bewusst so ein Konfliktpotential in der Hauptstadt aufbauen wollte. Wahrscheinlicher ist eher, dass es sich bei der Ansiedlung der Mönche um einen Akt christlicher Frömmigkeit handelte, bei dem die christologische Position der Mönche eine untergeordnete Rolle spielte. Man bedenke, dass Justinian trotz seines eigenen Bekenntnisses zu Chalkedon später nichts daran fand, mit Johannes von Ephesos einen Miaphysiten für die Heidenmission einzusetzen, vgl. WHITBY, John. 7 Johannes von Ephesos erzählt in den Leben der östlichen Heiligen ausgiebig vom Dienst der Heiligen an den Armen. Sei es, dass sie den Armen Obhut gewähren wie zum Beispiel Ste phanos, vgl. JOH. EPH., Lives, S. 212, (PO 89), oder sie speisten wie Zooras vgl. J OH. EPH., Lives, 2, S. 34 (PO 82). 8 Vgl. HATLIE, Monk, S. 149 und BROWN, Poverty, S. 45. 9 Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 148, Z. 35 f. 10 Johannes von Ephesos berichtet im Leben des Zooras, wie Zooras offen Nebengottesdienste feiert. Diese waren laut Johannes zuvor per Gesetz verboten, wurden Zooras aber gewährt, vgl. JOH. EPH., Lives, 2, S. 26 (PO 82). Johannes stellt der Erlaubnis eine Szene voran, bei der
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den Getauften zudem Kinder von Palastbeamten befanden. Direkt vor den Augen der chalkedonischen Mönche bauten damit die Miaphysiten in der Hauptstadt eine gottesdienstliche und sakramentale Parallelstruktur auf, deren Einfluss bis in den kaiserlichen Palast hineinreichte. Der wachsende Einfluss der Miaphysiten in Konstantinopel trat dann 533 offen zu Tage, als die Kaiserstadt von einem Erdbeben heimgesucht wurde und daraufhin eine Volksmenge zum Kaiser rief: „Nimm, verbrenne das Dekret, das von den Bischöfen der Synode von Chalkedon verfasst worden ist“11 Die Ankunft des Severos, nachdem dieser vom Kaiser persönlich nach Konstantinopel eingeladen worden war, stellte dann aus Sicht bestimmter chalkedonischer Kreise den Schlusspunkt einer gefährlichen Entwicklung dar. Insbesondere, nachdem Anthimos, der eigentlich Bischof von Trapezunt war, 535 als neuer Bischof von Konstantinopel eingesetzt wurde,12 und er begann, offen mit den Miaphysiten in der Hauptstadt Umgang zu pflegen.13 Die Situation musste an das Jahr 511 erinnern, als Severos sich schon einmal in der Hauptstadt befunden hatte und dort nach Meinung zahlreicher Zeitgenossen für den miaphysitenfreundlichen Justinian Zooras mit dem Tode droht, weil dieser sich nicht zu Chalkedon bekennen will. Zooras gibt sich unbeeindruckt und als Justinian ein Zeichen verlangt, wird sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit mit Schwellungen übersät, die erst durch das Gebet des Zooras verschwinden. Daraufhin erhält er dann die Erlaubnis Gottesdienste zu feiern. Zur ganzen Szene vgl. JOH. EPH., Lives, 2, S. 24–26 (PO 82). Zwar ist die Szene zweifellos stilisiert, um die Standhaftigkeit des Zooras gegenüber der Drohung des Kaisers zu unterstreichen, möglicherweise kam es jedoch wirklich zu einem Treffen, bei dem Zooras die Zulassung von Gottesdiensten forderte. Die Szene wird auch von L EPPIN, Anfänge, S. 78–79 aufgegriffen, wobei er ferner in den Anmerkungen 7 und 8 auf die Zugänglichkeit vieler Asketen zu Justinian hinweist. Zum in der Regel besonders respektvollen Verhalten Justinians gegenüber Asketen vgl. LEPPIN, Power, S. 163. Von zahlreichen Nebengottesdiensten und den Nebentaufen berichten außerdem die Briefe der konstantinopolitanischen, syrischen und orientalischen Mönche an Agapet, Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 11, und an Justinian, vgl. Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 132, Z. 32 und S. 33, Z, sowie an Menas vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 43, Z. 10 und 15 und der Brief der orientalischen und palästinischen Bischöfe an Agapet, vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 148, Z. 35. Der Brief der Mönche an Agapet erwähnt ebenfalls das von Johannes von Ephesos angesprochene (und dann aufgehobene?) Verbot dieser Gottesdienste. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier vgl. S. 138, Z. 39 – S. 139, Z. 3. Zooras habe dem kaiserlichen Befehl zum Trotz am Tag des Pascha zahlreiche Nebengottesdienste und Nebentaufen gefeiert. Zusätzlich erwähnen die Mönche, dass unter den Getauften Kinder von Palastangehörigen waren. Diese Gottesdienste und Taufen stellen dann auch den Hauptanklagepunkt gegen Zooras dar. Näheres hierzu im Punkt 5. 1. 4. 4 Zooras und die Nebentaufen und Nebengottesdienste in der Hauptstadt. 11 Vgl. CHRON. PASCH., S. 629 (DINDORFER): „ἇρον, καῦσον τὸν τόμον τὸν ἐκτεθέντα ἀπὸ τῶν ἐπισκόπων τῆς συνόδου Χαλκηδόνος.“ 12 Zur Frage, wie sich Anthimos in die Politik Justinians einfügte beziehungsweise wem er seine Erhebung zum Hauptstadtbischof verdankte, siehe Punkt 5. 1. 3. 2 Zur Person und zum Glauben des Anthimos. 13 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 140, Z. 1–3.
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Kurs des Kaisers Anastasios verantwortlich gewesen war. Das nach außen sichtbare Zusammengehen des Anthimos mit den Miaphysiten und die immer einladendere Politik Justinians ihnen gegenüber ließ eine Wiederholung der Politik nach 511 befürchten. Besonders nachdem in genau dieser aufgeheizten Situation die Akoimeten als Nestorianer verurteilt worden waren, weil sie die theopaschitische Formel nicht anerkennen wollten. Sie, die sich zuvor als Vorkämpfer für die chalkedonische Sache ausgezeichnet hatten, teilten damit dasselbe Schicksal wie zuvor Makedonios, der wegen seiner chalkedontreuen Haltung von Anastasios abgesetzt worden war.14 Blickt man zudem auf die Zunahme der Aktivitäten miaphysitischer Mönche, bei gleichzeitiger Schwächung eines der profiliertesten chalkedonischen Klöster der Hauptstadt, stellt es auch keine Überraschung dar, dass gerade die chalkedonischen Klöster Konstantinopels dann eine tragende Rolle bei der Formierung des antimiaphysitischen Widerstandes spielen sollten. Zahlreiche Mönche Konstantinopels, Syriens und Palästinas schrieben in Rücksprache mit den Bischöfen der Patriarchate von Antiocheia und Palästina beziehungsweise deren Apokrisiaren an Papst Agapet.15 Darin wandten sie sich gegen die Miaphysiten Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und den Mönch Zooras, und griffen ebenfalls Anthimos an, der wahrscheinlich als Exponent der justinianischen Kirchenpolitik galt und wegen seiner unkanonischen Wahl eine ideale Angriffsfläche bot. 16 Im Anschluss geschah dann etwas, womit die Mönche und Bischöfe in der Hauptstadt wohl selbst nicht gerechnet haben dürften: Papst Agapet kam plötzlich persönlich nach Konstantinopel und setzte Anthimos ab.17 Die Reise Agapets war dabei weniger den Briefen aus der Hauptstadt geschuldet, sondern vielmehr den jüngsten außenpolitischen Entwicklungen. Nach dem erfolgreichen Krieg gegen die Vandalen, begann der Kaiser seinen Blick auf Italien zu richten. Nachdem die Römer begannen ihre Truppen auf Sizilien zu massieren, um den Angriff auf das Reich der Ostgoten vorzubereiten, sandte der Gotenkönig Theodahat Papst Agapet gegen dessen Willen auf diplomatische Mission nach Konstantinopel. Er sollte den Kaiser dazu zu bewegen, die Truppen aus Sizilien abzuziehen.18 14 Zum Sturz des Makedonios und seiner Rezeption durch die Bevölkerung Konstantinopels vgl. die Punkte 2. 1. 4 Der Sturz des Makedonios und 3. 1 Die Synoden von 518 und die Verurteilung des Severos. Zu den theologisch-kirchenpolitischen Aktivitäten der Mönche vgl. G RILLMEIER/HAINTHALER, Jesus II, 2, S. 265–277. 15 Auf die Rücksprache der Mönche mit den Bischöfen Syriens und Palästinas weisen die Ähnlichkeit ihrer Briefe in Inhalt und Aufbau hin. Näheres hierzu im folgenden Kapitel. Es ist ferner interessant, dass sich kein Bischof des Patriarchats von Konstantinopel brieflich an Agapet wandte. Möglicherweise waren die Bischöfe des Patriarchats von Konstantinopel zur Zeit der Abfassung der Briefe noch nicht in der Stadt, sodass die Kommunikationswege länger waren als bei den bereits in der Stadt befindlichen Bischöfen und Apokrisiaren. 16 Zu Anthimos siehe Punkt 5. 1. 3. 2 Zur Person und zum Glauben des Anthimos. Zur Beurteilung der justinianischen Politik durch die synodos endemousa siehe Punkt 5. 2. 3. 1 Die Unzufriedenheit der chalkedonischen Kleriker mit dem bisherigen Kurs Justinians. 17 Zum Wirken Agapets und der Synode 536 vgl. CASPAR, Geschichte, II, S. 221–228. 18 Zu Agapets und dessen Wirken in Konstantinopel vgl. CASPAR, Geschichte, II, S. 221f.
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Nachdem der Papst in der Hauptstadt angekommen war, weigerte er sich, mit Anthimos die Gemeinschaft aufzunehmen, und setzte ihn wegen seiner unkanonischen Wahl ab. Als dessen Nachfolger wurde am 13. März 536 von Agapet der Presbyter Menas zum Bischof von Konstantinopel geweiht.19 Von Anthimos, der seines hauptstädtischen Stuhls verlustig ging, verlangte Agapet die Unterschrift unter bestimmte Briefe, damit jener dadurch seine Rechtgläubigkeit unter Beweis stelle. Unter diesen Umständen hätte er auch seinen eigentlichen Posten als Bischof von Trapezunt wieder aufnehmen dürfen. Mit dem Kaiser wiederum führte Agapet eine Unterredung, die wahrscheinlich die Causa Anthimos und womöglich auch den kaiserlichen Kurs insgesamt behandelte.20 Die Anthimos vom Papst vorgelegten Briefe blieben unterdessen unbeantwortet. In dieser für den Kaiser unglücklichen Situation – immerhin war gerade der von ihm eingesetzte Bischof von Konstantinopel vom Papst abgesetzt worden – bat Justinian Agapet, zu seinem Glaubensbekenntnis Stellung zu nehmen, das vom Papst Johannes II. akzeptiert worden war.21 Nachdem sein Hauptstadtbischof eben zu Fall gebracht worden war, war dem Kaiser wohl daran gelegen, das, was bisher auf theologischer Ebene erreicht worden war, zu sichern und zu verhindern, dass es auch hier zu einer Gegenreaktion chalkedonischer Kreise kommt. Agapet akzeptierte Justinians Bekenntnis mit Verweis auf die Entscheidung seines Vorgängers und wies an dieser Stelle auch den Kaiser darauf hin, dass dieser ein Laie sei und ihm als ein solcher keine Lehrautorität zustehe.22 Menas bekannte sich unterdessen in einem Brief an Agapet zu den vier ökumenischen Konzilien und der Zwei-Naturen-Lehre, während Justinian ebenfalls brieflich erklärte, von den Bischöfen des Reiches ebensolche Bekenntnisse einzufordern.23 Doch am 22. April 536 verstarb Agapet unerwartet. Vom Tod des Papstes, der von den Miaphysiten als Gottesurteil gesehen wurde,24 ließen sich jedoch die Chalkedonier, die mit ihren Briefen die ganze Aktion 19 Vgl. SCHWARTZ, Kyrillos, S. 357 un vgl. HEFELE/LECLERCQ, Histoire, S. 1145. Dass Menas zuvor Presbyter und Xenodochus war, geht aus seinem Brief an Agapet hervor, vgl. Coll. Avell. 90 (CPG 6923), GRUMEL, Regestes, S. 170, Nr. 232a. 20 Laut dem Liber Pontificalis nannte Agapet Justinian wegen seines duldsamen Verhaltens gegenüber den Miaphysiten einen neuen Diokletian, vgl. LIB. PONT. I, 59, S. 287 (DUCHESNE) (CPL 1568). Die Darstellung dürfte wohl übertrieben sein und diente wahrscheinlich dazu, die Freimütigkeit des Papstes gegenüber dem Kaiser zu unterstreichen, vgl. dazu auch M ENZE, Justinian, S. 200. 21 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 276, Nr. 1104. 22 Vgl. Coll. Avell. 91, S. 343 (CPG 9323; CPL 1611), A MELOTTI/ZINGALE, Scritti, S. 23. Dieser erwähnt auch den vorherigen Brief Justinians (CPG 6875; 9320). 23 Die Erklärungen des Menas und Justinian erfolgten schriftlich. Für den Brief Justinians siehe Coll. Avell. 89 (CPG 6876; 9321); A MELOTTI/ZINGALE, Scritti, S. 27–28, und für den des Menas siehe Coll. Avell. 90 (CPG 6923), G RUMEL, Regestes, S. 170, Nr. 232a. Ferner vgl. SPEIGL, Synode 536, S. 111, und STEIN, Histoire, S. 383. Zur Erklärung Justinians siehe ferner die Aussage des Hypatios von Ephesos in der 4. Sitzung der synodos endemousa, vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 179, Z. 8–14. 24 Johannes von Ephesos erzählt in seinem Bericht über das Leben des Zooras, dass Agapet Zooras bedrohte und Gott lästerte, woraufhin seine Zunge anschwoll und er erstickte, vgl. JOH. EPH., Lives, 2, S. 30 f. (PO 82).
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gegen Anthimos erst ins Laufen gebracht hatten, nicht beirren. Stattdessen machten sie sich daran, ein Konzil zu organisieren, um das päpstliche Absetzungsurteil über Anthimos zu bestätigen und sich bei dieser Gelegenheit auch der Miaphysiten in der Hauptstadt zu entledigen.25 Darüber, wie genau sich der chalkedonische Widerstand 536 organisierte und wie das Konzil ablief, geben die Dokumente Aufschluss, die während der synodos endemousa verlesen wurden. Sie enthalten auch einige der Briefe, die die Mönche und Bischöfe in Konstantinopel an Agapet und den Kaiser26 geschrieben hatten. Deshalb sollen nun die Akten der Synode einer genauen Untersuchung unterzogen werden. Den Anfangspunkt bilden die Briefe an Agapet und Justinian, die in der ersten Sitzung der Synode zitiert wurden und wohl auch als Rechtfertigung für die Einberufung der Synode dienen sollten. 5.1.2 Die Sitzung I des Konzils – Die Themensetzung Am 2. Mai 536, nur zehn Tage nach dem Tod Agapets kam die synodos endemousa zu ihrer ersten Sitzung unter dem Vorsitz des neuen Patriarchen Menas 27 zusammen und tagte in der Theotokos-Kirche nahe der Hagia Sophia, die sich gerade im Bau befand. Zu Beginn der Sitzung ergriff der Diakon und Primikerios der Notare Euphemios das Wort und verfügte mit Berufung auf die italischen Bischöfe und die Archidiakone, Notare und Richter des römischen Stuhls und die weiteren anwesenden Bischöfe, dass der Brief verlesen werden solle, den Marianos, der Vorsteher des Klosters des Dalmatios und Exarch der Klöster Konstantinopels, zusammen mit Mönchen der Hauptstadt, Antiocheias und Jerusalems an den Kaiser geschrieben hatten. Zudem sollten auch ein weiterer Brief der Mönche an Papst Agapet sowie ein Brief der orientalischen und palästinischen Bischöfe an Agapet und Agapets Brief an Johannes von Jerusalem verlesen werden. Nachdem nun die Tagesordnung für die Sitzung durch die Bischöfe festgelegt worden war, ließ der Patriarch Menas den Tribun Notar und Referendar des Kaisers, Theodor, 28 sowie den Exarchen Marianos zusammen mit den in der Stadt weilenden Archimandriten eintreten und an der Synode teilnehmen.29 Der einge25 Speigl meint sogar, dass der Tod Agapets die Synode erst ermöglichte, vgl. S PEIGL, Synode 536, S. 119. 26 Auch Michael der Syrer erwähnt die Briefe der versammelten Mönche und Bischöfe (spricht aber nur von Bischöfen) an Justinian, bezeichnet deren Inhalt jedoch als Lügen: „Tandis que les évêques synodites écrivaient des mensonges (à Justinien) et l’excitaient“ M ICH. SYR., Chron., IX, 21, S. 278 (CHABOT) (frz. Übers., Bd. 2, S. 193). 27 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 278, Nr. 1113. Chrysos weist darauf hin, dass Justinian weder auf dem Konzil 536 noch auf dem des Jahres 553 die Anwesenheit kaiserlicher Kommissare verlangte und das Konzil als höchste kirchliche Instanz achtete, auf der die bischöflichen Vorsitzer über die volle Autorität des Vorsitzes verfügten, vgl. C HRYSOS, Konzilspräsident, S. 14. 28 Vgl. PLRE III/B, Theodorus 10, S. 1248. 29 Das Konzil scheint nur formal vom Kaiser einberufen worden zu sein, während in Wirklich-
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tretene Referendar Theodor erklärte, dass der Kaiser das Konzil auf Bitten der Mönche hin einberief, und bestätigte die Erklärung der Bischöfe, mit dem Petitionsbrief der Mönche an den Kaiser zu beginnen, worauf der Brief vom Diakon und Notar Akakios vorgelesen wurde. Der Inhalt war folgender: 5.1.2.1 Der Brief der Mönche Konstantinopels, der Syria II und Palästinas an Justinian30 Die Mönche beginnen ihren Brief mit dem Ausspruch, dass alle Könige durch Gott ihre Herrschaft besitzen, und loben den Kaiser dafür, dass dieser stets darum bemüht war, gemäß dem rechten Glauben zu handeln und die Sünden von den Menschen zu entfernen. Diese guten Werke des Kaisers seien aber nun durch das Wirken des Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und den Mönch Zooras gefährdet, die sowohl an öffentlichen Orten sowie in Privathäusern ihr Unwesen treiben. Am schlimmsten dabei sei, dass dies unter den Augen des Anthimos, des einstigen Bischofs von Trapezunt, geschehen sei, der mit Hilfe der Häretiker den Bischofsstuhl der Hauptstadt erlangen konnte. Zum Glück jedoch setzte Papst Agapet Anthimos ab und weihte Menas zu seinem Nachfolger, nachdem der Papst von den Mönchen über die Umtriebe der Miaphysiten und des Anthimos informiert worden war. Nachdem sich nun daraufhin die in der Stadt anwesenden Bischöfe dem Urteil Agapets angeschlossen hatten, sei es nun Aufgabe des Kaisers, das Urteil des Papstes zu verkünden und umzusetzen.31 Einen Hinweis darauf, wie sich die Mönche diese Umsetzung vorstellten, geben sie mit einem Hinweis auf Papst Coelestin. Sie zogen eine Parallele zwischen der Verurteilung des Nestorios durch Papst Coelestin und der Verurteilung des Anthimos durch Papst Agapet, womit sie auf die Einberufung eines ökumenischen Konzils anspielten. Zudem sollten alle Häretiker, die sich wieder dem rechten Glauben anschlossen, wieder in die Kirche integriert werden, all jene, die in ihrer Irrlehre verharrten, verurteilt und vertrieben werden, sowie ihren Nebengottesdiensten und Nebentaufen ein Ende gemacht werden.32 Agapet kam damals sogar der Bitte der Mönche zuvor, als er Anthimos und alle Häretiker, die dieser bei sich versteckt hielt, verurteilte und absetzte, bis sie keit vor allem die Mönche und einige der Bischöfe hinter dem Konzil steckten. Für den Ort und Zeitpunkt der ersten Sitzung vgl. Actio I (CPG 9325) (=ACO III, S. 126–154) hier S. 126, für die Liste der teilnehmenden Bischöfe, ebd., S. 126–127; die Liste der Archimandriten und Mönche, ebd., S. 128–130. 30 Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134). 31 Zur Informierung des Agapet durch die Mönche siehe Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) vgl. S. 132, Z. 14–15. Zur Forderung, dass der Kaiser das Urteil verkünden solle, vgl. ebd., S. 132, Z. 4–10. Die Mönche verweisen dabai auf das Bibelwort „Frage Deinen Vater und er wird Dir bezeugen, frage Deine Alten“ (Deut 32, 7) und dem Apostelwort „Gehorcht Euren Lehrern und folgt ihnen, denn sie wachen über Eure Seelen und müssen Rechenschaft darüber ablegen.“ (Hebr 13, 17) 32 Vgl. Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 132, Z. 28–36. Zum Verhältnis zwischen Papst Coelestin und Nestorios siehe V OGT, Papst.
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sich zum rechten Glauben bekehren mögen. Damit Justinian die Urteile des Agapet umsetze, sandte der Papst dem Kaiser auch die Briefe, die die Mönche an Agapet geschrieben hatten. Der Kaiser solle nun den Willen Agapets umsetzen und auf diese Weise auch das Andenken des Papstes ehren. Die Mönche schließen ihren Brief mit der ausführlichen Warnung, dass das Reich zugrunde gehe, wenn die Häretiker weiter ihr Unwesen treiben könnten. Sie verweisen auf das Beispiel des Volkes Israel. Dieses wäre weil es Achar und Jonathan unter sich hatte, die im Wissen und Unwissen dem Verderben unterworfen waren (Jos 7, 1 f.; 1. Sam 14, 24–30) fast mit ihrem Heer vernichtet worden, obwohl es nicht wusste, welches Verderben es bei sich hatte. Deshalb dürfe auch der Kaiser nicht über ein solchen Unheil hinwegsehen, sondern müsse als weiser König die Gottlosen aussondern (Spr 20, 26).33 Was ist dem Brief der Mönche zu entnehmen? Offensichtlich war die Causa Anthimos trotz seiner Absetzung durch Agapet nicht erledigt. Dass der Kaiser das Urteil Agapets übergehen könnte, war wohl nicht die Befürchtung der Mönche. Denn auch das Urteil eines toten Papstes hatte Gewicht und konnte nicht so einfach ignoriert werden. Zudem hatte Agapet mit der Weihe des Menas bereits für Ersatz gesorgt, sodass Anthimos nicht mit einer Rückkehr auf den Patriarchenstuhl rechnen konnte. Das Handeln der Mönche scheint von vornherein auch auf Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und den Mönch Zooras gezielt zu haben. Anthimos konnte ja gemäß den Mönchen „durch jene Unterstützung entgegen aller kirchlichen Gesetze und Kanones heimlich den Bischofsstuhl der Stadt erlangen.“34 Zwar wird die Schuld für die Wahl des Anthimos zum Bischof Konstantinopels also namentlich nur auf die Miaphysiten abgewälzt. Doch sei an dieser Stelle gefragt, ob nicht auch ein Teil der Schuld indirekt auch dem Kaiser zugewiesen wurde. Denn wurde Anthimos nicht unter seiner Ägide eingesetzt? Und wie konnten es denn die Miaphysiten bewerkstelligen, einen eigenen Mann – aus Sicht der Mönche wohlgemerkt – als Bischof der Kaiserstadt einzusetzen? Letztlich doch nur durch Einflussnahme auf den Kaiser, der bei der Wahl des Bischofs 33 Vgl. Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 133, Z. 18–25. Hasse-Ungeheuer sieht hier auch eine Parallelisierung Justinians mit König David, an dem sich der Kaiser orientieren solle. David wurde durch seine Begierde nach Betseba dazu verleitet, zu sündigen, indem er ihren Mann in der vordersten Schlachtreihe aufstellen ließ, damit er in der Schlacht fällt. Deshalb wurde er von Gott bestraft, indem sein erstgeborenes Kind mit Betseba starb. Erst nachdem er für seine Tat büßte, wurde David verziehen und sein zweites Kind mit Betseba überlebte. Ähnlich soll nun Justinian Buße tun, in dem er die Miaphysiten verurteilt und so die Strafe Gottes abwehrt. Hasse-Ungeheuer hält es für möglich, dass mit diesem Bild in versteckter Weise auch Theodora kritisiert werden soll. Wie Betseba indirekt für die Sünde Davids verantwortlich ist, sei Theodora verantwortlich für das miaphysitenfreundliche Verhalten Justinians, vgl. HASSE-UNGEHEUER, Mönchtum, S. 206. Diese Deutung ist aber nur schlüssig, wenn die Zeitgenossen der Kaiserin einen miaphysitenfreundlichen Einfluss auf die Kirchenpolitik ihres Mannes unterstellt hätten. Zur Rolle der Theodora in der Kirchenpolitik Justinians siehe Punkt 5. 1. 5 Exkurs II – Die Rolle Theodoras in der Kirchenpolitik. 34 Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 131, Z. 39, S. 132, Z. 2.
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der Hauptstadt das letzte Wort hatte. Sie rahmen entsprechend ihren Brief mit dem warnenden Hinweis ein, dass die Herrschaft des Kaisers und das Wohl des Reiches durch Gott allein garantiert werden und dass alle Frömmigkeit des Kaisers nichts nutzt, wenn gleichzeitig Häretiker sich im Reich frei bewegen könnten. Es geht also darum, von jetzt an jede Duldung von Miaphysiten zu unterbinden und sie ein für allemal aus der Stadt zu vertreiben, um so auch ihren vermeintlichen Einfluss auf die kaiserliche Politik zu brechen. Ferner zeigen die Mönche dem Kaiser zudem an, dass sie auch die treibende Kraft hinter dem Handeln Agapets waren, indem sie diesen mit Informationen aus der Hauptstadt versorgten und sein Eingreifen erbaten. Somit ist für den Kaiser auch klargestellt, dass auch nach dem Tod des Papstes die Kräfte, die für die Verurteilung des Severos, Petros und Zooras kämpfen, immer noch präsent sind, und dass ihr Wille zu handeln ungebrochen ist. In dieselbe Richtung geht auch der Hinweis, dass auch die in der Stadt befindlichen Bischöfe und Apokrisiare dem Urteil Agapets folgen. Wie nun dieses Handeln aussehen soll beziehungsweise wie der Kaiser nun das Urteil Agapets umsetzen soll, zeigen sie ihm mit ihrem Hinweis auf Coelestin. Denn mit ihm spielten die Mönche auf die Verurteilung des Nestorios auf dem Konzil von Ephesos 431 an. Kyrill von Alexandreia, der die eigentlich bestimmende Gestalt auf dem Konzil war, besaß in der Causa Nestorios die Rückendeckung Roms und sprach auch für Coelestin, als er Nestorios verurteilte. Es scheint, dass die Mönche nun ein erneutes ökumenisches Konzil vor Augen hatten, auf dem nun die Miaphysiten endgültig verurteilt werden sollten, auf dass ihr Einfluss im Reich wie der Einfluss der Anhänger des Nestorios zum Verschwinden gebracht würde.35 5.1.2.2 Das Didaskalikon der Mönche an die synodos endemousa36 Im Anschluss der Verlesung des Briefes der Mönche an den Kaiser übergaben die Mönche des Marianos ein Didaskalikon, das sogleich verlesen wurde. Die Mönche werfen darin Anthimos vor, dass ihm die ihm angestammte Kirche von Trapezunt nicht ausgereicht und er aufgrund seiner Machtgier den Bischofsstuhl der Kaiserstadt geraubt habe. Sein asketisches Leben habe er in Wirklichkeit nur zu diesem Zweck vorgetäuscht. Nachdem jedoch seine Enthaltsamkeit als Betrug aufgedeckt worden sei, habe er mit den Häretikern, die sich bei ihm versteckten, zusammengelebt und sich so an ihrem Wahnsinn angesteckt. Daraufhin haben die Mönche von ihm mehrmals gefordert, sich zu Chalkedon zu bekennen und benutzten dabei explizit die chalkedonischen Formulierung, dass „Christus unvermischt, ungetrennt, unveränderlich und untrennbar in zwei Naturen ist“ 37 35 Die Anspielung auf Coelestin findet sich bereits im Brief der Mönche an Agapet, sodass ausgeschlossen ist, dass die Mönche erst nach dessen Tod auf die Idee eines ökumenischen Konzils kamen. Speigl hingegen meint, dass zu Agapets Lebzeiten noch nicht an ein Konzil gedacht wurde, vgl. SPEIGL, Synode 536, S. 118. 36 Relatio monachorum (CPG 9325 (2)) (=ACO III, S. 134–136). 37 Relatio monachorum (CPG 9325 (2)) (=ACO III, S. 134–136) hier S. 134, Z. 34–35.
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Mit diesem Bekenntnis verknüpften sie die Verurteilung des Nestorios, Eutyches und Dioskoros, der „Unterstützer und Verteidiger des gottlosen Eutyches und der Grund aller Übel“ 38 war. Anthimos jedoch wich den Fragen und Forderungen der Mönche aus beziehungsweise machte ihnen etwas vor.39 Durch das Wirken Gottes und die zahlreichen Briefe der Mönche kam deshalb Agapet herbei und setzte kraft der Autorität des rechten Glaubens und der Kanones Anthimos mit der Unterstützung des Kaisers ab. Daraufhin sandte Agapet dem Anthimos einen Brief, in dem er ihn dazu aufforderte, den rechten Glauben zu bekennen, um wieder in die Kirche aufgenommen zu werden. Auf diese Weise beschützte Agapet die Kirche vor den Häretikern. Aus dem Brief geht hervor, dass die Mönche sich zuerst direkt an Anthimos wandten und erst, nachdem Anthimos nicht, wie erwünscht, auf ihre Forderungen einging, an Papst Agapet schrieben. Interessant ist, wie die Mönche ihr offensives Verhalten gegenüber Anthimos rechtfertigten. Denn kirchenrechtlich hatten sie ja keine Handhabe gegenüber einem Bischof. Sie schreiben, dass es zwar allein den Bischöfen zukomme, kirchenrechtliche Verstöße zu ahnden, wenn es aber um den Schutz des rechten Glaubens ginge, waren alle rechtgläubigen Christen zum Handeln berechtigt.40 Das heißt, die Mönche sahen sich wahrscheinlich gegenüber der Synode unter Rechtfertigungsdruck. Und in der Tat ergab sich eine gewisse Spannung. Einerseits wurde Anthimos ein Verstoß gegen das Kirchenrecht vorgeworfen und die Synode stellte den kirchenrechtlich angemessenen Rahmen, den Fall zu verhandeln. Andererseits spielten die Mönche eine tragende Rolle beim Sturz des Anthimos und der Organisation der Synode. Eine Rolle, die ihnen, die in der Mehrheit Laien waren, kirchenrechtlich nicht zukam. Sie legitimierten ihren Einsatz deshalb, indem sie neben der kirchenrechtlichen Relevanz die Frage des rechten Glaubens in den Vordergrund stellten, dessen Verteidigung „jedem rechtgläubigen Christen“ zukomme. Auf diese Weise konnten sie auch ihre Autorität als Asketen ausspielen, deren fromme Lebensweise ihre Rechtgläubigkeit und besondere Nähe zu Gott verbürgte. So ließ sich die Zusammenarbeit von Bischöfen und Mönchen gerade auf Synoden rechtfertigen, ohne Spannungen zwischen Mönchen und Bischöfen oder kirchenrechtliche Vorbehalte zu erzeugen.41 Darüber hinaus konnten die Mönche im konkreten Fall des Anthimos darauf verweisen, dass sie in ihrer Skepsis gegenüber Anthimos letztlich durch niemand anderen als den Kaiser und den Papst bestätigt worden waren beziehungsweise verlief seine Absetzung gemäß dem Willen Gottes.42 Die synodos endemousa beschloss daraufhin, dass nachdem die Briefe verlesen wurden, diese zusammen mit den weiteren Briefen, die betreffs dieser Sache 38 Relatio monachorum (CPG 9325 (2)) (=ACO III, S. 134–136) hier S. 134, Z. 36–37. 39 Die Mönche benutzen hier das Wort „παρακρούομαι” ACO III, S. 135, Z. 3–4: „παρεκρούσατο τὰς ἡμετέρας ἐπερωτήσεις καὶ παρακλὴσεις“. 40 Vgl. Relatio monachorum (CPG 9325 (2)) (=ACO III, S. 134–136) hier S. 134, Z. 27–30. 41 Was nicht heißt, dass Bischöfe immer erfreut über mönchische Einflussnahmen waren. 42 Vgl. Relatio monachorum (CPG 9325 (2)) (=ACO III, S. 134–136) hier S. 135, Z. 6–15.
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an Agapet gesandt wurden, in die Akten der Synode aufzunehmen. Die Vertreter Roms traten sodann vor und übergaben die weiteren zu verlesenden Briefe. 5.1.2.3 Die Bittschrift der Mönche Konstantinopels, Anatoliens und Palästinas an Agapet 43 Die Bittschrift beginnt mit einem Zitat Gregors von Nazianz aus seinem Brief gegen die Apollinaristen, der die schreckliche Lage der Kirche beklagt und vor ihrer völligen Zerstörung warnt, weil an allen Orten die Häretiker Überhand nehmen. Damit ist der Ton gesetzt, dem der gesamte Brief folgt. 44 Zum Schrecken der Mönche versammeln sich die Miaphysiten an allen Orten, um Gottesdienste zu feiern, und führen ferner Nebentaufen (παραβαπτίσματα) ein. Sie errichten Altäre und Baptisterien an öffentlichen Orten und in Privathäusern, und darunter sogar in Privathäusern, die Leuten aus dem Palast gehören.45 Dies sind aber nicht ihre einzigen Vergehen. Ein gewisser Perser namens Isaakios, der sich einen kleinen Anhang geschaffen hatte, zerstörte ein Bildnis des Kaisers, indem er es erst mit dem Stock schlug, dann zerriss und letztlich ins Feuer warf.46 Flehentlich rufen die Mönche an dieser Stelle um Hilfe, betonen, dass sie mit den Häretikern nichts gemein haben, und mahnen, dass das Treiben jener nicht weiter geduldet werden darf. Wenn den Miaphysiten erlaubt werde, ihre Gottesdienste zu feiern und frei ihre Predigten zu halten, bedeutete dies, dass ihre Lehre als Wahrheit anerkannt werde. Dies hieße dann aber auch, dass damit das Wort der (chalkedonischen) Kirche verurteilt sei. Denn, so schließen die Mönche
43 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147). 44 Vgl., GREG. NAZ., Ep. 202, ad Nectarium, PG 37. S. 329 (CPG 3032). In der ganzen Bittschrift der Mönche finden sich Zitate aus diesem Brief verstreut. Fast der halbe Brief ist eingearbeitet, wobei die Stellen, bei denen die Apollinaristen explizit genannt werden, weggelassen werden, sodass sich die Aussagen Gregors auf die Miaphysiten übertragen lassen. 45 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 138, Z. 4–5. Ebd., S. 138, Z. 7–11: „Aber auch in den privaten Häusern, auch in den Vorstädten gelegenen, erbauten sie Altäre und Baptisterien und verachteten zugleich den wahrhaften Altar und das heilige Taufbecken aller, auf Grundlage der ihnen von Leuten im Kaiserpalast und von Leuten, die anderenorts Macht haben, übertragenden Leitung.“ Besonders der Mönch Zooras tat sich hierbei hervor, ebd., S. 138, Z. 39 – S. 139, Z. 5: „Denn wie es Deiner Seligkeit nicht verborgen blieb, obgleich unser frömmster Kaiser befahl, weder Nebengottesdienste abzuhalten noch Nebentaufen, hielt Zooras gleichsam diesen Befehl verachtend nicht wenige Nebentaufen am Tag des Pascha ab. Unter diesen [Täuflingen] waren auch Kinder derer, die im kaiserlichen Palast leben. [...] Und in anderen Orten und Häusern derer, die sich in ho hen Positionen befinden, wurde dies von ihnen getan.“ 46 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 20–30. Die Gefährlichkeit des Persers für den Kaiser wird dabei besonders unterstrichen, denn wenn er schon das Leientuch mit dem Bild des Kaisers nicht verschonte, was würde er dann mit dem Kaiser selbst anstellen, wenn er ihn in seine Hände bekäme? Vgl. ebd., S. 137, Z. 28–31.
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mit einem Hinweis auf Gregor von Nazianz, „es könne nicht sein, dass zwei gegensätzliche Lehren bezüglich derselben Sache wahr sind.“47 Es folgt die Bitte an Agapet, dass er dem Kaiser klar mache, dass all sein Eifer für den rechten Glauben keinen Nutzen bringen wird, wenn zugleich die Häretiker mit freier Rede den gesunden Glauben zerstören können und ihnen erlaubt wird, sich in kaiserlichen und privaten Häusern zu verstecken.48 Diese „Feinde und Zerstörer nicht allein der heiligsten Kirchen, sondern auch des Staates selbst“49 müssen unbedingt vertrieben werden, denn – dies machen die Mönche klar – wenn die Gottlosigkeit sich in der Mitte des Staates befindet, sei es absichtlich, sei es unbemerkt, führe dies zu seinem Untergang. Sie verweisen auf das Beispiel von Achar und Jonathan, die im Wissen und Unwissen der Verdammung anheimfielen. Zudem lehre die heilige Schrift, dass auch jene in Gefahr geraten, vernichtet zu werden, die gar nicht wissen, dass sie die Verdammung in ihrer Mitte haben.50 Für besonderen Schmerz bei den Mönchen sorgt aber eine Gruppe von Chalkedoniern, die mit den Miaphysiten Umgang pflegt. Durch diese werde die Kirche ganz besonders gefährdet. Ihnen wird deshalb der rechte Glaube abgestritten. Ihnen wird vorgeworfen, den rechten Glauben nur vorgetäuscht zu haben. Der prominenteste Vertreter dieser Gruppe sei Anthimos: „Sie tragen zwar den Namen der Hirten, [sind] aber ganz und gar räuberische Wölfe. Deren wichtigster Anführer ist Anthimos von Trapezunt und andere aus anderen Städten.“ 51 Er täuschte sein enthaltsames Leben nur vor, um den Bischofsstuhl Konstantinopels zu rauben, den er mit Hilfe der Miaphysiten erlangte. Zum Glück wurde Anthimos durch Agapet und den Kaiser, der den Papst unterstützte, abgesetzt. An dieser Stelle gehen die Mönche auch auf die Möglichkeit zur Umkehr ein, die Agapet Anthimos nach seiner Absetzung bot: 52 Weil dieser also gerecht von Euch bestraft wurde und des Throns dieser kaiserlichen Stadt unseres Kaisers verwiesen worden ist, unterstützte der Kaiser auch die Eure rechtmäßige Empörung über diesen und übernahm die göttlichen Kanones und den katholischen Glauben. Nicht aber wollt Ihr dessen [Anthimos’] ewige Zerstörung, weil Ihr seine Umkehr begehrt.
Wenn nun aber Anthimos nicht umkehre, solle er endgültig verurteilt werden. Zudem sollen mit ihm Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und der Mönch Zooras, die sich von allen Miaphysiten besonders durch ihre Taten hervorgetan 47 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) S. 137, Z. 32 – S. 138, Z. 4. 48 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) S. 138, Z. 17–21. 49 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) S. 138, Z. 29– 30. 50 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) S. 138, Z. 32–37. 51 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, Z. 13–15. 52 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 140, Z. 13–17.
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hatten, vertrieben werden. Agapet solle gegenüber Anthimos und den anderen handeln wie Coelestin gegen Nestorios. Die Mönche schließen ihre Bittschrift mit der Erklärung, dass die Anhänger des Nestorios und die des Eutyches sich nämlich auf einer Stufe befänden.53 Das Grundmotiv, das sich durch den gesamten Brief zieht, ist das Unheil, das den Staat treffen wird, wenn weiter Häretiker in der Hauptstadt beziehungsweise im Reich geduldet würden. Kunstvoll arbeiten die Mönche die Zitate aus Gregors Rede gegen die Apollinaristen in den Brief ein und übertragen die damalige Situation, die Gregor mit düsteren Worten beschrieb, auf die jetzige Lage. Dass die Mönche gerade aus einem Werk gegen Apollinarios zitieren, dürfte kein Zufall sein und dient nicht nur als Schmuck. Apollinarios zeichnete sich dadurch aus, dass er die vollständige Menschheit Christi leugnete. Christus habe Apollinarios zufolge keine menschliche, vernunftbegabte Seele gehabt. Stattdessen habe der göttliche Logos diese Funktion ausgefüllt und auf diese Weise die Einheit der beiden Naturen vollzogen. Die Anhänger Gregors, die die Vollständigkeit der menschlichen Natur verteidigten, sind dagegen von den Anhängern des Apollinarios als Menschenanbeter bezeichnet worden. Wegen seiner Lehre, die die Rolle des göttlichen Logos betont und die menschliche Natur nur in geminderter Weise anerkennt, ist Apollinarios von vielen Chalkedoniern als Vorläufer des Eutyches betrachtet worden. Bereits Kaiser Markian bezeichnete in einem von ihm erlassenen Gesetz Eutyches und seine Anhänger – Dioskoros wird explizit genannt – als apollinaristische Häretiker.54 Die Mönche stellen den Miaphysitismus also als Neuauflage des bereits überwundenen Apollinarismus dar, der auf dem ökumenischen Konzil von Konstantinopel 381 verurteilt worden war. Die Parallele wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass auch die Miaphysiten ihre chalkedonischen Gegner als Menschenanbeter bezeichneten. Ist man sich der Tatsache bewusst, dass Apollinarios schließlich auf einem ökumenischen Konzil verurteilt worden war, kann die Gleichsetzung der Miaphysiten mit den Apollinaristen als subtile Forderung darauf gedeutet werden, dass nun auch die Miaphysiten als Wiedergänger des Apollinarios auf einem ökumenischen Konzil verurteilt werden sollen. Oder anders betrachtet wird der Eindruck erweckt, dass die Lehre der Miaphysiten ihrem Geiste nach bereits auf dem Konzil von Konstantinopel 381 verurteilt worden ist. Deutlicher werden die Mönche dann mit ihrem zweiten Verweis auf ein ökumenisches Konzil. Wie beim Brief an Justinian wird auch hier eine Parallele zwischen Agapet und Coelestin gezogen. Wie einst Coelestin Nestorios verurteilte, verurteilte auch Agapet Anthimos. Das zeigt, dass sich die Mönche anscheinend
53 Siehe Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 141, Z. 36–37: „Wir stellen diejenigen, die das des Nestorios, und die aber, die das des Eutyches denken, auf eine Stufe. Beide versuchen die Kirche zu zerreißen.“ 54 Vgl. COD. IUS. I, 5, 8: eutychetis dogmata funesta condemnans: sciant se esse haereticos apollinaristas: apollinaris enim facinorosissimam sectam eutyches et dioscorus mente sacrilega sunt secuti.
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die Umsetzung der Verurteilung durch die Einberufung eines ökumenischen Konzils wünschten.55 Erfolge hingegen keine Umsetzung der Urteile Agapets, sei der Staat höchst gefährdet und zwar in doppelter Hinsicht. Die Mönche geben sich zum einen Mühe, die Miaphysiten wegen ihres aufrührerischen Verhaltens als Gefährder der Ordnung darzustellen. Dies sieht man an der Erzählung des Persers Isaakios, der das Bildnis des Kaisers zerstörte.56 Doch nicht nur durch ihre Taten, sondern durch die schiere Anwesenheit der Häretiker wird Unheil heraufbeschworen. Hierzu wird auf die Geschichte Achars und Jonathans verwiesen, um zu zeigen, dass dem Staat die Vernichtung drohe wie einst dem Heer des Volkes Israel. Denn wenn die Verdammung sich „im Wissen und im Unwissen“57 in der Mitte des Staates befinde, treffe ihn die Vernichtung. Mit den Worten „im Wissen und Unwissen“ zeigen die Mönche wiederum an, dass es zwei Gefahrenherde gibt. Auf der einen Seite stehen die Häretiker, die allen deutlich als Häretiker erkenntlich sind, und auf der anderen Seite die Häretiker, die den Menschen verborgen sind. Und egal, welche Gruppe in der Hauptstadt ihr Unwesen treibt, das Ergebnis bleibt das gleiche. Mit den offen sichtbaren Häretikern sind Severos, Petros und Zooras gemeint, sowie der Perser Isaakios. Sie stiften durch ihre Nebengottesdienste und Nebentaufen Unruhe und verderben die Gläubigen. Die noch größere Gefahr gehe jedoch von den heimlichen Häretikern aus, die sich „im Unwissen“ in der Mitte des Staates befinden, da sie drohen,
55 Die Idee eines ökumenischen Konzils als höchste Autorität der Kirche, durch die sie von Häresien beschützt und alle Gläubigen durch sie vereint werden, blieb auch nach Chalkedon wach. Dies zeigen die Beispiele Euphemios und Vitalian. Euphemios versuchte sich seiner Zeit der Forderungen des Anastasios zu erwehren, indem er ein allgemeines Konzil unter Vorsitz des Papstes verlangte. Ebenso forderte Vitalian ein Konzil mit Einbeziehung des Papstes, um den Streit in der Kirche zu beenden. Zwar dürfte es sich vor allem bei der Forderung des Euphemios lediglich um ein Manöver gehandelt haben, da zu diesem Zeitpunkt ein allgemeines Konzil völlig illusorisch war, doch zeigt seine Forderung trotzdem, dass zumindest die Idee eines Konzils als Mittel zur Friedensstiftung innerhalb der Kirche präsent blieb (auch wenn man mit Friedensstiftung nicht die Überbrückung von Differenzen, sondern die Reinhaltung des Glaubens durch die Verurteilung von Häretikern verstand – ein Grund warum Konzilien als Mittel der Konfliktbereinigung höchst dysfunktional waren.). Zur Forderung des Euphemios, vgl. MEIER, Anastasios, S. 261 mit entsprechenden Quellenangaben; zur Forderung Vitalians vgl. MEIER, Anastasios, S. 297–303 und SPEIGL, Heraklea. Speigl wiederum scheint diese Parallele, die die Mönche zwischen Coelestin-Nestorios und Agapet-Anthimos ziehen, entgangen zu sein, oder er bemaß ihr keinen großen Wert zu, denn er vertritt die Auf fassung, dass die Bischöfe und Mönche zum Zeitpunkt der Abfassung der Briefe nicht an die Einberufung einer Synode dachten, vgl. SPEIGL, Synode 536, S. 118. 56 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 28–31. 57 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 138, Z. 35.
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die Kirche von innen heraus zu zerstören.58 Es handle sich dabei um eine Gruppe von Klerikern mit Anthimos als Führer.59 Es scheint also Chalkedonier geben zu haben, die mit den Miaphysiten Umgang hatten und nicht die strengen Ansichten der Mönche vertraten, die eigens betonen, nichts mit den anderen zu tun zu haben. Zwar weisen die Mönche auf mehrere solche Personen hin, namentlich erwähnen sie aber nur Anthimos. Diesem sprechen sie infolgedessen den rechten Glauben ab. Er sei in Wirklichkeit ein Wolf im Schafspelz und habe seinen rechten Glauben und seine enthaltsame Lebensweise nur vorgetäuscht.60 Die Mönche beschreiben ein strenges Ideal, wie ein Chalkedonier sich zu verhalten hat. Jeder, der diesem Ideal nicht entspricht, wird automatisch zu einem Betrüger erklärt, der den rechten Glauben nie wirklich im Sinn hatte. Da dem Staat aber der Untergang drohe, wenn er in seiner Mitte die Verdammung hat, muss unter allen Umständen jeder, der nicht nach dem chalkedonischen Bekenntnis lebt, wie es die Mönche für richtig halten, verurteilt und vertrieben werden, wenn er sich nicht zuvor wirklich bekehrt. Es geht den Mönchen also nicht nur darum, einfach die Miaphysiten wie Severos zu bekämpfen, sondern auch um die Deutungshoheit über das Chalcedonense zu erhalten. Sie versuchen eine konfrontative Ausrichtung gegenüber den Miaphysiten zum Kern dessen zu machen, was es heißt, ein Chalkedonier zu sein. Die Existenz eines integrativ ausgerichteten Chalkedoniers, als eines Bischofs, der sich zu Chalkedon bekennt, aber auch weiterhin mit Miaphysiten Umgang pflegt, ist nicht vorgesehen. Eine solche Haltung ist nach Sicht der Mönche in sich widersprüchlich, weil ein gemeinsamer Umgang und ein gewisses Entgegenkommen gegenüber Häretikern einer Zustimmung zu ihrer Häresie gleichkäme. Deshalb sei jeder Chalkedonier, der ein solches Verhalten an den Tag lege, in Wirklichkeit ein verdeckter Miaphysit, der sein Bekenntnis zu Chalkedon nur zum Schein ablegt, um wie Anthimos prestigeträchtige und machtvollere Ämter zu erlangen. Dass der strenge Maßstab für Chalkedonier auch für den Kaiser gilt, zeigen die Mönche mit ihren Worten über den Kaiser, der nach dem Einschreiten Agapets gegen Anthimos die Kanones und den rechten Glauben unterstützte. 61 Dies ist eine äußerst bemerkenswerte Formulierung, denn wenn der Kaiser durch das Eingreifen des Papstes den katholischen Glauben unterstützte sowie die göttlichen Kanones, was tat er dann zuvor? Man kann hier durchaus eine versteckte Kritik an Justinian herauslesen. Zwar wurde er nicht offen angegriffen, auch wurde nicht gesagt, dass er dem rechten Glauben nicht folgte, doch konnte man ihm zumindest 58 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, Z. 5–12. 59 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, Z. 13–15: „Sie tragen zwar den Namen von Hirten, sind aber ganz und gar räuberische Wölfe. Deren wichtigster Anführer ist Anthimos von Trapezunt und andere aus anderen Städten.”. 60 Siehe Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, Z. 20–21: „Denn der besagte Anthimos praktizierte nicht das den Evangelien gemäße, sondern das verstellte Leben.“ 61 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 140, Z. 13–16.
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eine Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht bei der Erhebung des Anthimos zum Bischof von Konstantinopel unterstellen, indem man betonte, dass er erst nach dem Einschreiten Agapets, die Kanones unterstützte. Überhaupt stand ja unausgesprochen die Frage im Raum, wie denn Anthimos den Bischofsstuhl von Konstantinopel überhaupt erlangen konnte. In ihrem zuvor verlesenen Brief an den Kaiser führten die Mönche die Erhebung des Anthimos auf das Wirken der Miaphysiten zurück. Mit ihrer Formulierung warfen sie jedoch Fragen auf, weil die Miaphysiten ja alleine – also ohne Unterstützung des Hofes – nicht dazu in der Lage gewesen wären, den Bischofsstuhl von Konstantinopel zu besetzen. 62 Beim Lob auf den Kaiser, weil er nun die Kanones und den katholischen Glauben unterstützte, und dem Satz, dass Anthimos seinen Stuhl durch die Hilfe der Miaphysiten rauben konnte, scheint es sich um einen Fingerzeig beziehungsweise eine Kritik am unkanonischen Verhalten Justinians bei der Ernennung des Anthimos zum Hauptstadtbischof zu handeln. Der Brief gibt einen wichtigen Einblick in das Denken einer Gruppe von Chalkedoniern, die den Miaphysiten gegenüber äußerst konfrontativ eingestellt waren. Dabei muss beachtet werden, dass diese Gruppe nicht repräsentativ für alle Anhänger Chalkedons war. Es gab auch andere Chalkedonier, die hier von den Mönchen als Wölfe im Schafspelz bezeichnet werden, die kein Problem damit hatten, Kontakte zu Miaphysiten zu pflegen, ohne dies gleich als Verrat an ihrem chalkedonischen Glauben zu empfinden. Der Brief dokumentiert damit die Fragmentierung des chalkedonischen Lagers, die bereits während der Regierung des Anastasios deutlich zutage trat. Der scharfe Tonfall lässt dabei eine verstärkte Radikalisierung von einigen Chalkedoniern erkennen. Während der Regierungszeit des Anastasios und zu Beginn der Herrschaft Justins wurden noch vor allem die Miaphysiten beziehungsweise die Anhänger des Severos von Antiocheia angriffen sowie der Kaiser Anastasios, der als deren Erfüllungsgehilfe galt. Nun wandten sich die konfrontativen Chalkedonier verstärkt gegen andere Chalkedonier, die eine integrativere und wohlwollendere Politik gegenüber den Miaphysiten verfolgten als die Verfasser dieses Briefes. In der Synode von Konstantinopel 518 setzte man zwar auch an, die Stadt von den Unterstützern des Anastasios zu säubern, indem man die (wahrscheinlich chalkedonischen) „Verleumder“ des Makedonios aus der Stadt treiben wollte. Und in der Volksmenge rief man – sofern das Protokoll der Ausrufungen der Volksmenge in der Hagia Sophia, das man der Anaphora der synodos endemousa 518 beigab, hier verlässlich ist – dass jeder, der Severos nicht verurteile und Chalkedon bekenne, ein Manichäer sei. Doch bleiben diese Ausrufe einer Dichotomie von Chalkedoniern und Miaphysiten beziehungsweise Rechtgläubigen und Manichäern verhaftet. Nun gerät eine Gruppe von Chalkedoniern in den Blick konfrontativ ausgerichteter Mönche. Es gibt nicht länger nur noch Miaphysiten, sondern auch eine Gruppe sozusagen geheimer Miaphysiten, die sich als Chalkedonier tarnen, sodass der Kaiser und das Gemeinwe-
62 Vgl. Punkt 5. 1. 2. 1 Der Brief der Mönche Konstantinopels, der Syria II und Palästinas an Justinian.
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sen drohen, „im Unwissen der Verdammung“ 63 anheimzufallen, wie sie mit dem alttestamentlichen Verweis auf Jonathan und Achar implizieren. Die Mönche wollten mit der Vertreibung der hier als Wölfe im Schafspelz titulierten Chalkedonier wohl eine Art Säuberungsprozess in Gang setzen, an dessen Ende schließlich nur noch solche Chalkedonier übrigbleiben sollten, die auf Abgrenzung gegenüber den Miaphysiten setzten. Die Fronten zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten sollten wieder klar hergestellt werden, nachdem sie anscheinend nach dem Geschmack der Mönche so sehr verwischt worden waren, dass sich Häretiker in die Reihen der Rechtgläubigen einschleichen konnten. Diese besondere Ausrichtung der Mönche gilt es dabei im Hinterkopf zu behalten, wenn man sich mit ihren Aussagen bezüglich Anthimos beschäftigt, der hier eben als Wolf im Schafspelz beziehungsweise Verdeckter Anhänger des Eutyches dargestellt wird.64 5.1.2.4 Der Brief der orientalischen und palästinischen Bischöfe an Agapet65 Die Bischöfe beginnen ihren Brief mit einem voll tönenden Erweis der Ehrerbietung, in dem sie Agapet als das Haupt, dem der Thron des wichtigsten der Apostel anvertraut wurde, bezeichnen, der den Gläubigen die Augen geöffnet habe.66 Nachdem Agapet nun Anthimos abgesetzt hatte, „der sich mit dem Schein der Frömmigkeit kleidete“67, und der Kaiser dieses Urteil bestätigt hatte, solle nun die Aufmerksamkeit auf die anderen Häretiker gelenkt werden. Severos, der von den Bischöfen hier sowohl als Anhänger der Dämonen, des Eutyches und des Nestorios bezeichnet wird, habe in der Vergangenheit das Blut unzähliger Heiliger vergossen.68 Nun sei er in die kaiserlichen Höfe entkommen und müsste deshalb von 63 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) S. 138, Z. 35. 64 Zur kirchenpolitischen Ausrichtung des Anthimos siehe Punkt 5. 1. 3. 2 Zur Person und theologischen Ausrichtung des Anthimos. 65 Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152). 66 Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 147, Z. 8–17. 67 Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 147, Z. 20. 68 Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 148, Z. 9–12: Da Severos sowohl den Lehren der Heiden, des Eutyches und des Nestorios zustimmen soll, geben sich die Bischöfe unschlüssig darüber, wie sie Severos nun bezeichnen sollen. Sie nennen ihn deshalb Werkzeug des Teufels. Mit dem Vorwurf des Heidentums spielen die Bischöfe auf die heidnische Vergangenheit des Severos an, vgl. ALLEN, Severos, S. 6. Der auf den ersten Blick verwunderliche Vorwurf des Nestorianismus ist vielleicht eine polemische Anspielung darauf, dass Severos das Trishagion auf Christus bezog anstatt auf die ganze Dreifaltigkeit. Den Anhängern des Staurotheis-Zusatzes zum Trishagion, die ja ihre Position einer christologischen Deutung des Trishagions zu Grunde legten, wurde vorgeworfen, dass sie die drei Heilig-Aussprüche auf den göttlichen Logos in Christus bezogen, den Staurotheis-Zusatz aber notwendigerweise auf die menschliche Na-
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Agapet von dort vertrieben werden. Ebenso sollen auch Petros von Apameia und der Mönch Zooras vertrieben werden. Letzterer veranstalte Gottesdienste und Nebentaufen und speiste die Menschen, wobei seine Speisungen von den Bischöfen zu Gelagen stilisiert werden. Die Zusammenkünfte seien voll von betrunkenen Weibsbildern, die sich enthemmt ihrer Wollust ergeben.69 Ferner berichten auch die Bischöfe von einem Perser namens Isaakios, der den Kaiser einen Häretiker nannte und daraufhin sein Bildnis zerstörte. Auch werden im Brief einige erwähnt, die ihre Rechtgläubigkeit nur vortäuschen und nur dem Namen nach rechtgläubig sind.70 Wegen der Umtriebe der Miaphysiten müssen diese vertrieben und darüber hinaus auch all ihre Schriften verbrannt werden, wie einst die des Nestorios. Denn zwar sei es löblich, dass der Kaiser darum bemüht ist, die Häretiker zur Umkehr zu bewegen,71 doch dürfe ihr Übel nicht toleriert werden. Deshalb solle Agapet den Kaiser daran erinnern, dass „Gott alles Verabscheuungswürdige hasst (Sir 15, 13)“72 und „dass gleichsam keine ‚Gerechtigkeit mit der Ungerechtigkeit Gemeinschaft hat oder das Licht Gemeinschaft mit der Finsternis’ (2 Kor 6, 14) oder der Glaube Anteil mit dem Unglauben.“73 Man dürfe die Miaphysiten nicht in der Hauptstadt dulden, müsse ihnen entgegentreten und dürfe ihnen keinen Zugang zum Kaiser erlauben. Dass die Miaphysiten einen solchen Zugang hatten, geht aus dem Brief der Bischöfe hervor, in dem sie davon berichten, dass die Miaphysiten sich mit den Worten rechtfertigten, dass in den kaiserlichen Kammern die freie Rede wohne.74 Auch die von Johannes von Ephesos verfasste Vita des Zooras bestätigt, dass dieser zum Kaiser vorgelassen wurde.75
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tur. Durch die getrennte Ansprache des göttlichen Logos und der menschlichen Natur Christi, werde dieser jedoch in zwei Personen gespalten, was der Lehre des Nestorios entspreche. Justinian argumentierte später in seinem Brief an die Mönche Ägyptens entsprechend, vgl. ep. Iustiniani ad monachos Aegyptos, S. 41, l. 7–12 (SCHWARTZ) (CPG 6878). Mit dem vergossenen Blut der Heiligen ist auf das Massaker an den 350 Mönchen angespielt, dass sich während der Amtszeit des Severos in Syrien ereignete, vgl. Kapitel 2. 2. 6 Eskalationen der Gewalt in der Syria II. Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 148, Z. 35–36. Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 149, Z. 20–22. Siehe Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 147, Z. 29–32: „Er hofft aber aus der ihm natürlich zukommenden Menschenliebe heraus und ist darauf bedacht, wie es nur billig ist, die aus Einfalt zum Irrtum Fehlgeleiteten mit der Zeit zur Umkehr zu bewegen“. Deshalb beabsichtigt der Kaiser „die Entdecker dieses Irrtums, die man jedoch eher als Jünger des Teufels bezeichnen sollte, die auch nie die Wahrheit erfasst haben“ nicht sofort zu vertreiben. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 147, Z. 33 f. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 149, Z. 2–3. Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 149, Z. 20. Vgl. JOH. EPH., Lives, 2, S. 23–25 (PO 82). Bei Johannes von Ephesos entwickelt sich ein
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Diese Stelle könnte einen Hinweis darauf geben, wie der Kaiser seine Politik – das heißt seinen Kontakt mit Miaphysiten – nach außen hin rechtfertigte. Wahrscheinlich hat Justinian zum einen seine Menschenliebe hervorgehoben. Ihretwegen sei er besonders darum bemüht die Häretiker zur Umkehr zu bewegen, weshalb er sie zu direkten Gesprächen einlud. Wie sonst sollte er sie erreichen? Zum anderen betonte er die Bedeutung der freien Rede. Bereits Leppin hat auf die herausgestellte Demut Justinians im Umgang mit Asketen hingewiesen.76 Das freie Rederecht, dass Justinian auch miaphysitischen Asketen gewährte, war ein Zeichen seiner Frömmigkeit und seiner gerechten Herrschaft. Denn wie musste ein Kaiser erscheinen, der selbst Männern deren besondere Beziehung zu Gott durch ihre asketische Lebensweise verbürgt und allgemein bekannt war, keinen Zugang zu sich gewährte, da er ihr Urteil fürchtete? Auf einen anderen Aspekt der freien Rede weist Johannes von Ephesos hin. In seinem Bericht über das Zusammentreffen von Zooras und Justinian schreibt er: When the king by reason of the fear of him feared to lay a hand on the blessed man on account of the divine frankness (παῤῥησία) which he possessed, he was excited by his rage, and clenched his fist (?) as tightly as he could in violent rage, and struck himself upon the breast“.77
Die freie Rede erscheint hier zumindest in Bezug auf heilige Männer als etwas, was von Gott gegeben, und nicht als etwas, was vom Kaiser eingeräumt wird. Wenn diese Sichtweise verbreitet war, konnte Justinian sich auf die Position zurückziehen, dass er Asketen zu sich vorlassen müsse, da diese von Gott ihre freie Rede erhalten hatten. Zwar konnte man aus chalkedonischer Sicht versuchen, die Heiligkeit des Zooras in Frage zu stellen, da dieser ein Häretiker sei, weshalb er das Recht zur freien Rede eben nicht besäße, doch hatte sich in der Hauptstadt um Zooras anscheinend einen gewisser Anhang gebildet, der auch Palastbeamte mit einschloss. Deshalb hatten die konfrontativ ausgerichteten Chalkedonier anfangs wohl Schwierigkeiten ihre Kritik zu äußern. Wenn man die Themenpunkte betrachtet, die angesprochen werden, sowie den Tonfall und die grundsätzliche Denkweise, fällt sofort die Ähnlichkeit zum Brief der orientalischen und palästinischen Mönche an Agapet auf. Beide Briefe sprechen den Fall Anthimos an, ebenso Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und die Nebentaufen des Zooras. Und auch die Anekdote über den Perser Isaakios wird in beiden Briefen (und nur hier) erzählt. Und auch hier wird mit der Isaakios-Geschichte wohl darauf abgezielt, die prinzipielle Staatsfeindlichkeit der Miaphysiten zu erweisen. Immerhin nannte Isaakios laut diesem Brief den Kaiser einen Häretiker. Und bei allem Lob für den Kaiser findet sich auch hier eine leise Kritik an ihm. Der Kaiser bemühe sich, alle aus dem Irrtum wieder zurück in die Kirche zu führen, selbst „die Jünger des Teufels“. Zwar Streitgespräch zwischen Justinian, der Zooras zwingen will, sich zu Chalkedon zu bekennen, sich aber reumütig geben muss, nachdem sein Gesicht als Strafe Gottes anschwillt und erst durch das Wirken des Zooras abschwillt. 76 Vgl. LEPPIN, Power, S. 163. 77 JOH. EPH., Lives, 2, S. 23 f. (PO 82).
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wird ihm bescheinigt, dies aus Menschenliebe zu tun, doch sehen die Bischöfe die Notwendigkeit, dass Agapet ihn zu einer Verhaltensänderung bewegt, sodass Justinian die Miaphysiten vertreiben möge, denn Gott hasse ja alles Verabscheuungswürdige. Auch hier zeigt sich ein kompromissloses Denken, dass jeden Umgang und jedes Gespräch mit den Miaphysiten ablehnt. In beiden Briefen wird die Meinung vertreten, dass es absolut notwendig ist, die Miaphysiten aus der Mitte des Staates zu vertreiben. Die Mönche sprechen dabei von der „Verdammung“ (ἀνάθεμα) , die sich in der Mitte des Staates befinde, die Bischöfe etwas abgeschwächt vom „Anstoß“ (σκάνδαλον), der aus der Mitte genommen werden soll.78 Die Gefahr sehen beide Briefe dabei nicht nur bei den ‚sichtbaren’ Miaphysiten, sondern auch bei einigen, die sich als rechtgläubig ausgeben. Die Mönche sprechen von den Wölfen im Schafspelz, oder von Anthimos, der sein enthaltsames Leben nur vortäuschte, die Bischöfe wiederum von einigen, die nur dem Namen nach rechtgläubig sind, ihre Rechtgläubigkeit aber nur vortäuschen.79 Beide Briefe beschreiben drei Gefahren für die Kirche, die Gläubigen und den Staat: 1) Severos von Antiocheia und seine Anhänger, die in der Hauptstadt immer zahlreicher werden und deren Einfluss zu wachsen scheint, 2) eine Gruppe von Chalkedoniern, die mit den Anhängern des Severos verkehrt und denen deshalb von den Mönchen und Bischöfen der rechte Glaube abgesprochen wird. Ihnen wir sogar vorgeworfen, dass sie ihre Rechtgläubigkeit – das heißt ihr Bekenntnis zu Chalkedon – nur vortäuschten. Protagonist dieser Gruppe ist Anthimos. Und 3) wird das Verhalten des Kaisers als Gefahr gesehen, weil dieser, um die Miaphysiten wieder zurück in die Kirche zu holen, diese gewähren lässt, obwohl es seine Aufgabe wäre, diese zu vertreiben. Die Mönche implizieren, dass es erst des Einschreitens des Agapet bedurft habe, bis der Kaiser die göttlichen Kanones und den katholischen Glauben unterstützte. Die Ähnlichkeit der Briefe legt nahe, dass sie in Absprache beider Absender miteinander entstanden sind. Der Federführer, zumindest der Erste in der Unterschriftenliste des Briefes der Mönche ist Marianos, der Archimandrit des Dalmatios-Klosters und Exarch der Klöster der Hauptstadt. Er war nicht nur als Exarch der einflussreichste Archimandrit in Konstantinopel, das Kloster hatte sich auch zuvor schon durch seine besonders ablehnende Haltung gegenüber jeder Politik ausgezeichnet, die den Miaphysiten entgegenkam. 80 Der Exarch scheint auch 78 Zum Anstoß, der aus der Mitte genommen werden soll, vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 149, Z. 35. 79 Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 149, Z. 20–22. 80 So war es etwa unter den Klöstern, die Makedonios die Gemeinschaft aufkündigten, nachdem er das Dokument unterschrieben hatte, das das Konzil von Nikaia und das von Konstantinopel und das Henotikon aufnahm, Chalkedon aber verschwieg (das Konzil von Ephesos wurde ebenfalls nicht explizit genannt, war aber indirekt über das Henotikon miteingeschlossen). Makedonios musste daraufhin zum Dalmatios-Kloster eilen, um die Gemeinschaft mit den Mönchen wiederaufzunehmen, vgl. THEOD. ANAGN., S. 139 (HANSEN) (CPG7503). Zur Rolle des Dalmatios-Klosters und der anderen Klöster in der Hauptstadt siehe Punkt 5. 3. 1 Das Dalmatios-Kloster und die Rolle der hauptstädtischen Klöster.
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536 seinen Einfluss geltend gemacht zu haben, indem er die Mönche der Hauptstadt mobilisierte. Aber hinzu kamen diesmal auch, wie man dem Brief der Mönche und der Unterschriftenliste entnehmen kann, syrische und palästinische Mönche, die sich in der Hauptstadt befanden. Möglicherweise sorgten diese auch für eine Absprache mit den syrischen und palästinischen Bischöfen, die sich ebenfalls in Konstantinopel befanden. Vielleicht waren einige der Mönche bereits vor ihrem Aufenthalt mit den entsprechenden Bischöfen bekannt und könnten die Kontaktaufnahme mit den Bischöfen zumindest erleichtert haben. Denn es fällt auf, dass auf dem Konzil 536 zahlreiche Bischöfe des Patriarchats von Konstantinopel anwesend waren, wie der Teilnehmerliste der ersten Sitzung zu entnehmen ist, 81 diese den Brief jedoch nicht unterschrieben hatten. Entweder waren diese zur Zeit der Abschrift des Briefes noch nicht in der Stadt, oder es fehlte vielleicht an Mittelsmännern, die die Kontaktaufnahme zwischen Mönchen und Bischöfen herstellen konnten. Jedenfalls scheint es, dass das Dalmatios-Kloster die Mönche der Hauptstadt mobilisierte und sie sich zusammen mit den sich in der Stadt aufhaltenden Mönchen aus Syrien und Palästina und über diese mit den syrischen und palästinischen Bischöfen und deren Apokrisiaren organisieren konnten. Auf diese Weise konnten die Mönche mit ihren Anliegen an den Papst herantreten und zeigen, dass hinter ihrer Sache nicht nur eine kleine Gruppe hauptstädtischer Mönche stand, sondern auch ein bedeutender Teil des syrischen und palästinischen Mönchtums und Episkopats. 5.1.2.5 Der Brief Agapets an Petros von Jerusalem82 Das letzte Dokument, das in der ersten Sitzung verlesen wurde, war der Brief Agapets an Petros von Jerusalem. Zu Beginn mahnt Agapet, dass die Kanones eingehalten werden müssen. Er berichtet, wie er nach Konstantinopel kam und Anthimos entgegen der Kanones als Bischof der Stadt vorfand. Und nicht nur habe sich Anthimos durch seine Übertretung gegen die Kanones schuldig gemacht, sondern er sei auch zum Anhänger des Eutyches geworden und deshalb von Agapet dazu aufgefordert worden, zum rechten Glauben zurückzukehren. Neben der Verurteilung des Anthimos wegen seiner Häresie bekräftigt Agapet ebenfalls die Verurteilung aller anderen Anhänger des Eutyches und ruft auch Petros dazu auf, es ihm gleich zu tun und die Häretiker zu vertreiben.83 Nach dem Bericht Agapets, dass er mit Hilfe der Kaiser84 die Hybris des Stuhls von Konstantinopel korrigieren konnte, tadelt er zugleich an dieser Stelle Petros dafür, ihm nicht nur nicht die un81 Vgl. Actio I (CPG 9325) (=ACO III, S. 126–154) hier S. 126–127. 82 Epistula Agapeti ad Petrum Hierosolymitanum (CPG 9325 (5)) (=ACO III, S. 152–153). 83 Vgl. Epistula Agapeti ad Petrum Hierosolymitanum (CPG 9325 (5)) (=ACO III, S. 152–153) hier S. 152, Z. 32–34. 84 Epistula Agapeti ad Petrum Hierosolymitanum (CPG 9325 (5)) (=ACO III, S. 152–153) hier S. 153, Z. 1–2: „τῶν πιστοτάτων βασιλέων τῆι βοηθείαι“. Interessant ist, dass hier Kaiser im Plural steht. Offensichtlich hat auch Theodora das Urteil des Papstes nicht in Frage gestellt, oder auf andere Weise den Eindruck vermittelt eine Parteigängerin der Miaphysiten zu sein.
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kanonische Wahl des Anthimos angezeigt, sondern diesen sogar als rechtmäßigen Bischof anerkannt zu haben. Als Nachfolger für Anthimos habe Agapet dann Menas unter Zustimmung des Klerus und Volkes zum neuen Bischof der Kaiserstadt geweiht und dabei nicht zuletzt der Kaiserstadt die Ehre erwiesen zum ersten Mal einen Bischof aus der Hand des apostolischen Stuhls empfangen zu haben. 85 Petros solle nun das Urteil des Agapet aufnehmen und einen Antwortbrief schicken und in Zukunft darauf achten, dass sich ein Fall wie der des Anthimos nicht wiederhole. Nicht dürfe toleriert werden, dass gegen die kirchlichen Kanones verstoßen wird. Und auch wenn ein einmaliger Irrtum verziehen werde, so mahnt der Papst, folge bei mehrmaliger Übertretung eine harte Strafe.86 Der Brief Agapets ist recht kurz und setzt lediglich den Bischof von Jerusalem über die Handlungen Agapets in Kenntnis und fordert ihn auf, ihm zu folgen. Auf das Wirken der Miaphysiten in der Hauptstadt geht er nicht ein. Was den Fall Anthimos betrifft, ist der Umstand interessant, dass er ihm zwar vorwirft, der Häresie des Eutyches verfallen zu sein, doch erwähnen weder er noch die in der Hauptstadt versammelten Mönche und Bischöfe irgendwelche konkreten Aussagen des Anthimos, die seine eutychianische Gesinnung beweisen sollen. Allein aus dem Umgang mit Miaphysiten wird bereits auf ein miaphysitisches Bekenntnis geschlossen. Ähnlich verhielt es sich im Fall des Akakios, wo nicht das Henotikon zum Stein des Anstoßes wurde, sondern die Gemeinschaft mit Petros Mongos den Akakios in den Augen der Päpste als Miaphysiten überführte. Allein der Umgang und die Gespräche von Chalkedoniern mit Miaphysiten setzte Erstere dem Verdacht aus, es mit dem rechten Glauben nicht allzu ernst zu nehmen. Deshalb sahen sich auch die Mönche, die Agapet schrieben, genötigt, zu bekräftigen, dass wenn sie auch mit jenen Miaphysiten in der Hauptstadt zusammenlebten, was sich nicht vermeiden ließ, besonders nachdem diese in dem 530er Jahren in Konstantinopel an Zahl zugenommen hatten, sie aber nicht mit jenen die Gemeinschaft aufnahmen.87 Eine solche Haltung machte natürlich jedwede Verhandlung zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten unmöglich. Der Hinweis darauf, dass Anthimos schändlicherweise von Petros von Jerusalem anerkannt wurde, fügt dem Ganzen ein weiteren Aspekt zu und wirft einige Fragen auf. Es ist davon auszugehen, dass Anthimos ihm genau wie Ephraim von Antiocheia einen Synodalbrief sandte,88 in dem er seine Wahl anzeigte und seinen Glauben darlegte. Zwar ist dieser nicht erhalten, doch kann der erhaltene Synodalbrief an Severos eine ungefähre Vorstellung davon geben, wie das Bekenntnis des Anthimos ausgesehen haben könnte. Dieses Bekenntnis scheint nicht den Ver85 Siehe Epistula Agapeti ad Petrum Hierosolymitanum (CPG 9325 (5)) (=ACO III, S. 152–153) hier S. 153, Z. 16–18: „Und dies aber glauben wir seiner Ehre hinzuzufügen, dass seit den Zeiten des Apostels Petrus keine östliche Kirche einen Bischof erhielt, der mit den Händen unseres Stuhls geweiht wurde“. 86 Vgl. Epistula Agapeti ad Petrum Hierosolymitanum (CPG 9325 (5)) (=ACO III, S. 152–153) hier S. 153, Z. 25–28. 87 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 33–35. 88 Zum Synodalbrief des Anthimos an Ephraim, vgl. GRUMEL, Regestes, S. 166, Nr. 229.
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dacht des Bischofs von Jerusalem geweckt zu haben, womit sich ein Unterschied zu Ephraim ergibt, der Anthimos’ Wahl zwar anerkannte aber trotzdem eine weitere Klarstellung vor allem in Bezug auf Eutyches forderte.89 Stand Petros der Position des Anthimos näher und legte auch weniger Wert auf eine Abgrenzung zu den Miaphysiten und Eutyches, solange das Glaubensbekenntnis an sich rechtgläubig war? Und was wusste er über das Verhältnis zwischen Anthimos und den Miaphysiten in der Stadt? War er nicht darüber informiert oder nahm er keinen Anstoß daran? Sein Apokrisiar befand sich in der Hauptstadt. Zumindest ist er beim Religionsgespräch 532 belegt,90 sodass Petros darüber informiert gewesen sein muss, dass sich Anthimos unter den chalkedonischen Bischöfen befand, die sich mit den miaphysitischen Bischöfen trafen. Es ist davon auszugehen, dass sie den Bischof von Jerusalem auch weiterhin über die Verhältnisse in Konstantinopel auf dem Laufenden hielten. Wusste Petros also vom Umgang des Anthimos mit den Miaphysiten und hielt dies vielleicht für eine Art Fortsetzung des Religionsgesprächs, das seine Zustimmung fand? Schließlich scheint der Kaiser zumindest zeitweise ein Ende der Weihen miaphysitischer Priester bewirkt zu haben, was in Jerusalem spürbarer gewesen sein dürfte als in der Hauptstadt. Teilte er also den Kurs des Anthimos und Justinians, was die theologische Ausrichtung betraf, 91 die auf exklusiv chalkedonische Formeln verzichten konnte, solange das Konzil selbst verkündet wurde? Und folgte er der Strategie des Kaisers, eine Entspannung der Lage durch direkte Kontakte und Verhandlungen mit den Miaphysiten herbeizuführen, weil diese sich doch in Bezug auf die miaphysitischen Weihen im Osten bewährt zu haben scheint? Zumindest lässt die in Palästina dominante theologische Strömung und die mangelnde Skepsis des Petros gegenüber Anthimos den Schluss zu, dass er sich in gewisser geistiger Nähe zu ihm befand; in so großer Nähe, dass er den Verdacht oder zumindest Unmut der konfrontativen chalkedonischen Partei in Konstantinopel erregte, weshalb er von Agapet eine Rüge erhielt. Der Brief Agapets sollte wohl dazu dienen, Petros nicht einfach nur über die Ereignisse in der Hauptstadt zu informieren, sondern auch den Bischof von Jerusalem auf die Linie Roms und der Mönche von Konstantinopel zu bringen. Immerhin hatte man die Rüge des Papstes an Petros von Jerusalem öffentlich verlesen, sodass dieser stärker unter Druck gesetzt wurde, als wenn es beim Brief Agapets allein verblieben wäre. Trifft diese Lesart zu, dann wäre Petros ebenfalls ein Parteigänger der integrativ ausgerichteten Politik Justinians gewesen, trat aber nicht allzu prominent auf – jedenfalls scheint er nicht persönlich in der Hauptstadt aktiv gewesen zu sein – sodass er sich glaubhaft von Anthimos distanzieren konnte, nachdem dieser abge89 Vgl. PHOT., Bib., 247 a, S. 119–120 (HENRY). 90 Vgl. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 170, Z. 4–6. 91 Es scheint in Palästina die theologische Strömung dominiert zu haben, die in der patristischen Forschung als neuchalkedonisch bezeichnet wird. Zur theologischen Entwicklung in Palästina siehe GRILLMEIER/HAINTHALER, Jesus, II, 3. Und auch Philoxenos von Mabbug bestätigt die theologische Nähe der palästinischen Chalkedonier, die er als Gefahr für die Gläubigen ansah, vgl. MENZE, Justinian, S. 173.
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setzt worden war. Die konfrontativ ausgerichteten Chalkedonier verfolgten also eine Strategie, bei der sie versuchten eine gemeinsame Front gegen die Miaphysiten zu bilden, wozu sie diejenigen Chalkedonier gehörig unter Druck setzten, die einen integrativeren Kurs verfolgten, und ihnen letztlich nur die Wahl ließen, ihre integrative Haltung aufzugeben wie Petros von Jerusalem oder unter dem Vorwurf des Miaphysitismus abgesetzt zu werden wie Anthimos. 5.1.2.6 Zusammenfassung – Organisation des Konzils und Zielsetzung der Akteure Die in der ersten Sitzung zitierten Briefe erlauben die Rekonstruktion einer genauen Chronologie der Ereignisse in den Jahren 535 und 536. Anthimos bekannte sich öffentlich zum Konzil von Chalkedon und fügte es zusammen mit dem Namen des Papstes Leo auch in die Diptychen ein, 92 schien aber auch gleich zu Beginn seiner Amtszeit Kontakt mit dem Miaphysiten in der Stadt aufgenommen zu haben. Die Mönche der Stadt unter Führung des Dalmatios-Klosters, die bereits durch die Entwicklungen der letzten Jahre beunruhigt gewesen sein müssen – erinnert sei an die wachsende Präsenz miaphysitischer Mönche und Kleriker in der Hauptstadt, sowie die Verurteilung der Akoimeten – scheinen daraufhin das Treiben des Anthimos mit großer Sorge beobachtet zu haben. Um eine weitere Stärkung der miaphysitischen Position zu verhindern und um ein für allemal die Gefahr einer miaphysitischen Einflussnahme auf die Kirchenpolitik zu bannen, entschlossen sich die Mönche zu handeln und richteten ihr Augenmerk auf Anthimos. Zum einen, weil er aus Sicht der Mönche die größte Gefahr für Chalkedon darstellte. Denn er war für sie nur ein Schein-Chalkedonier, mit dessen Hilfe die Miaphysiten das Bekenntnis zu Chalkedon zu untergraben und letztlich aufzulösen drohten. Zum anderen bot Anthimos wegen seiner unkanonischen Wahl, die zuvor jedoch weder den Kaiser noch die chalkedonischen Bischöfe von Antiocheia und Jerusalem gestört hatte, eine ideale Angriffsfläche. Nun versorgten die Mönche über Briefe Papst Agapet mit Informationen über die Entwicklungen in Konstantinopel aus ihrer Sicht und forderten ihn zum Handeln auf. Einige dieser ersten Briefe werden im Brief der Mönche an Justinian erwähnt.93 Vermutlich waren zu diesem Zeitpunkt bereits die in der Stadt befindlichen syrischen und palästinischen Mönche einbezogen. Überraschenderweise kam dann Agapet tatsächlich aus Rom angereist, wenn auch nur auf Druck des ostgotischen Königs Theodahad, der Agapet in einer gänzlich anderen Mission nach Konstantinopel sandte. In der Hauptstadt angekommen verweigerte er Anthimos die Gemeinschaft und setzte diesen kurzer Hand ab. Ferner scheint er an dieser Stelle auch die Miaphysiten eigens verurteilt zu haben und die in der Stadt befindlichen Bischöfe akzeptierten sein Urteil. Menas wurde dar92 Vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 178, Z. 31–32; Z. 35 – S. 179, Z. 1. 93 Vgl. Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 132, Z. 14 f..
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aufhin als Nachfolger für Anthimos geweiht, dem aber die Möglichkeit gegeben wurde, zu seinem ursprünglichen Bischofsstuhl in Trapezunt zurückzukehren, wenn er zum rechten Glauben umkehre. Dazu sollte er Agapet ein schriftliches Bekenntnis übergeben. Die Mönche wollten daraufhin ihren Erfolg weiter ausbauen und nun auch die Miaphysiten aus der Stadt vertreiben. Zu diesem Zweck schlossen sie sich mit den syrischen und palästinischen Bischöfen in der Stadt zusammen und schrieben in Absprache mit ihnen erneut an Agapet, damit sein Urteil umgesetzt werde. Den Kontakt zwischen den syrischen und palästinischen Bischöfen und den konstantinopolitanischen Mönchen stellten möglicherweise die ebenfalls in der Stadt befindlichen syrischen und palästinischen Mönche her. In ihren Briefen brachten die Mönche indirekt ein ökumenisches Konzil ins Spiel, mit dem ihre Forderungen durchgesetzt werden sollten, woraufhin Agapet an Justinian schrieb und dabei jene Briefe anfügte, die ihm in der Causa Anthimos geschrieben worden waren. Kurz darauf starb Agapet, wobei die Mönche und Bischöfe, um jetzt nicht an Fahrt zu verlieren, weiter an der Einberufung einer (ökumenischen) Synode zur Verurteilung des Anthimos und der Miaphysiten arbeiteten. Flankiert wurden die Bemühungen der in der Hauptstadt weilenden Mönche und Bischöfe durch ein Schreiben von sieben Bischöfen der Syria II unter der Führung ihres Metropoliten Paulos von Apameia an Justinian, in dem sie ihren Glauben darlegten und das Urteil Agapets aufnahmen. Im Zeitraum zwischen der Absetzung des Anthimos durch Agapet und dem Tod des Letzteren schrieb der Papst ebenfalls an Petros von Jerusalem und brachte ihn auf den neuesten Stand der Entwicklungen und tadelte ihn dabei, weil dieser Agapet die unkanonischen Entwicklungen nicht angezeigt und Anthimos sogar akzeptiert hatte. Am 2. Mai war es dann soweit und die Bischöfe und Mönche in der Stadt versammelten sich unter dem Vorsitz des Menas zu einer synodos endemousa, die den Fall Anthimos und das Miaphysiten-Problem letztgültig verhandeln und das Urteil des Agapet umsetzen sollte. Die erste Sitzung bestand dann hauptsächlich in der Zitierung verschiedener Briefe und Erklärungen der anwesenden Mönche und Bischöfe sowie eines Briefes Agapets. Durch die Texte wurden Thema, Ziel und Anspruch der einberufenen Synode ausgewiesen: Durch die meisten Texte zieht sich das Motiv, dass Häretiker prinzipiell nicht geduldet werden dürfen, da dem Reich sonst, wenn man sie gewähren ließe, die Strafe Gottes drohe. Und Gott ist es schließlich, durch den der Kaiser seine Herrschaft erhält, weshalb er natürlich besonders gefordert ist, die Häretiker aus seinem Staat zu vertreiben. Zwar werden auch die Bemühungen des Kaisers gewürdigt, die Miaphysiten wieder in die Kirche zurückzuführen, doch gehen die Konzilsteilnehmer eindeutig auf Konfrontationskurs und lehnen sogar jegliche Gespräche und sonstigen Umgang mit den Miaphysiten ab. Diese Forderung nach Abgrenzung geht sogar so weit, dass die Mönche, nachdem sie gezwungenermaßen in derselben Stadt leben wie die Miaphysiten, sich genötigt sehen, eigens zu betonen, dass sie trotz ihrer räumlichen Nähe zu den Miaphysiten nicht mit ihren Ansichten zusammengehen. Aus dieser kompromisslosen Haltung heraus stehen jene, die mit Miaphysiten Gespräche führen oder gar zusammenleben, automa-
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tisch unter dem Verdacht, selbst miaphysitisch zu sein und jedes Bekenntnis zu Chalkedon nur vorzutäuschen. Diese Kleriker, die von den Konzilsteilnehmern als „Schein-Chalkedonier“ angesehen wurden, müssen ebenfalls bekämpft werden, da die Verdammung das Reich auch dann träfe, wenn es sich der Häresie in seiner Mitte gar nicht bewusst ist und glaubt, die Häretiker zu bekämpfen. Diese Chalkedonier, deren Rechtgläubigkeit von den Teilnehmern der Synode nicht anerkannt wird und die als Wölfe im Schafspelz tituliert werden, stellen deshalb eine nicht minder große Gefahr für das Reich dar. Ziel der Anwesenden ist die endgültige Verurteilung und Vertreibung aller offen sichtbaren Miaphysiten und aller Chalkedonier – aber als Miaphysiten angesehenen –, die mit den Miaphysiten zusammengehen. Geschehe dies nicht, sei jedes Bemühen des Kaisers für den rechten Glauben sinnlos. Man hat es bei den Teilnehmern dieser Synode also mit einer Gruppe innerhalb der Chalkedonier zu tun, die in besonderem Maße auf Abgrenzung gegen die Miaphysiten bedacht war, jegliche Verhandlungen ablehnte und eine klare Verurteilung als einzige rechtmäßige Handlungsoption ansah. Jedem Chalkedonier, der diese Position nicht teilte, wurde die Rechtgläubigkeit abgesprochen. Bei der Synode handelte es sich also letztlich nicht nur um eine Auseinandersetzung zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten, sondern auch um die Austragung eines innerchalkedonischen Gegensatzes. Um ihre eigene Position zu stärken, suchten jene Chalkedonier die Unterstützung Roms und organisierten unabhängig vom Kaiser und dem Bischof der Stadt eine Synode,94 bei der von vornherein ein ökumenischer Anspruch mitschwang, wie die Parallele zeigt, die die Bischöfe und Mönche zwischen der Verurteilung des Nestorios durch Coelestin und der Verurteilung des Anthimos durch Agapet ziehen.95 Eine zweite Parallele wurde mit dem Rückgriff auf Gregor von Nazianz gezogen, dessen Darstellung der desolaten Lage der Kirche wegen der Apollinaristen für die Beschreibung der derzeitigen Situation der Kirche durch die Miaphysiten verwendet wurde.96 Und da die Häresie des Apollinarios als Vorläufer des Miaphysitismus angesehen wurde und Apollinarios wie Nestorios auf einem ökumenischen Konzil verurteilt worden war, konnte sich die nun einberufene Synode in die direkte Tradition der ökumenischen Konzilien stellen. Neben den öku-
94 Auch Potter weist darauf hin, dass das bereits vorher Konzil geplant war und nicht erst nach Agapets Tod initiiert wurde, vgl. Potter, Theodora, S. 175. 95 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 140, Z. 23–7. 96 Siehe Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 136, Z. 33 – S. 137, Z. 6: Die Mönche eröffnen den Brief mit der Beschreibung der Situation in Konstantinopel, indem sie den Brief Gregors von Nazianz an Kektarios zitieren, der die Umtriebe der Apollinaristen zu seiner Zeit beschreibt. Zitate aus dem Brief ziehen sich infolge durch den gesamten Brief der Mönche. Zum Brief von Gregor von Nazianz’ siehe G REG. NAZ., Ep. 202, ad Nectarium, PG 37. S. 329 (CPG 3032).
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menischen Anspielungen wird ebenfalls die Autorität Roms97 beziehungsweise Papst Agapets betont, dessen Urteilsspruch das Konzil umsetzen solle. 5.1.3 Die Sitzungen II–IV des Konzils – Der Fall Anthimos 5.1.3.1 Die Suche nach Anthimos und seine Verurteilung Am 6. Mai folgte die zweite Sitzung der Synode, die sich mit dem Fall Anthimos beschäftigen sollte. Ihm sollte Gelegenheit gegeben werden, Stellung zu nehmen und zum Chalcedonense zurückzukehren. Zu diesem Zweck waren der Bischof Bosporios von Neokaisareia, Akakios von Pissinuntos, die Presbyter und Defensoren Johannes und Theoktistos und die Diakone und Notare Akakios und Christodoros ausgesandt worden, um Anthimos zu suchen und zur Synode vorzuladen.98 Ihre Suche schilderten sie in der zweiten Sitzung der Synode: Als Erstes suchten sie ihn im Kloster des Erzengels Michael, das sich im Palast befand, und im Apostoleion im Hormisdaspalast. Dort versammelten sie den Klerus und fragten sie nach dem Aufenthaltsort des Anthimos. Nachdem ihnen die Kleriker jedoch keine Antwort geben konnten, übergab der Suchtrupp ihnen den Vorladungsbescheid, für den Fall, dass sie auf Anthimos treffen sollten, und zog ab. Nachdem die Teilnehmer des Suchtrupps ihren Bericht vor der Synode beendet hatten, kamen die versammelten Bischöfe zu dem Schluss, das Anthimos sich nicht finden lassen wollte, beschlossen aber, ihm eine Frist von drei Tagen zu geben, in der er Zeit haben sollte, seinen Entschluss zu überdenken. Aus diesem Grund wurde ein neuer Suchtrupp zusammengestellt, bestehend aus den Bischöfen Petros von Justinianopel, Thalassios von Berytos und Domnos von Maximianopel und den Presbytern und Defensoren der Hagia Sophia Rhomanos und Johannes sowie den Diakonen und Notaren Andreas und Kalomynos, der sich erneut auf die Suche nach Anthimos machen sollte. 99 Von ihrer Suche berichteten sie in der dritten Sitzung am 10. Mai.
97 Die Betonung der besonderen Position Roms in der Kirche noch dazu in Bezug auf die ökumenischen Konzilien wirft natürlich des Fall des Kanons 28 von Chalkedon auf. Im Kanon war die Ranggleichheit Konstantinopels mit Rom beschlossen worden, was von Rom nie anerkannt wurde. Jetzt beriefen sich die Teilnehmer der Synode 536 auf die Autorität Roms zur Verteidigung Chalkedons, was zu einer gewissen Spannung in der Argumentation führen musste. Der Spannung wurde auf dem Konzil ausgewichen, indem die Frage nach der Gültigkeit des Kanons 28 ausgeklammert und die Streitfrage nicht erwähnt wurde. Ausführlicher dazu siehe unten Punkt 5. 3. 2 Die Rolle Roms. 98 Vgl. Actio II (CPG 9326) (=ACO III, S. 154–161) hier S. 160 f.; vgl. GRUMEL, Regestes I, S. 171., Nr. 234. Warum gerade diese Kleriker ausgewählt wurden, um Anthimos vorzuladen, geht aus den Akten nicht hervor und bleibt im Dunkeln. Dasselbe gilt für die Zusammensetzung des zweiten und dritten Suchtrupps. 99 Vgl. Actio III (CPG 9327) (=ACO III, S. 161–168) hier S. 168 f.; vgl. GRUMEL, Regestes I, S. 171, Nr. 235.
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Der zweite Trupp war im siebten Haus des Märtyrers Laurentios und fragte dort die Kleriker nach dem Aufenthaltsort des Anthimos. Diese erklärten unter Eid, nicht zu wissen, wo er sei. Jedoch wiesen sie die Suchenden darauf hin, dass er ein Haus in der Vorstadt in der Nähe des Propheteion des heiligen Jesaia besaß und auch den Presbyter und Vorsteher Theodor regelmäßig besuchte, bevor er Bischof von Konstantinopel wurde. Daraufhin begab sich der Trupp zu den genannten Orten, wurde aber nicht fündig. Im Landhaus waren lediglich Longinos und Stephanos und diese konnten den Suchenden nicht weiterhelfen. Im Kloster unter der Leitung des Theodor berichtete der Protodiakon Prokopios, dass Anthimos viele Male dort war und mit ihnen in Gemeinschaft stand, seit seiner Bischofserhebung aber nicht mehr ins Kloster gekommen sei. Der letzte aufgesuchte Ort, an dem der Suchtrupp hoffte, Anthimos zu finden, war das Haus, in dem Petros von Apameia lebte, das sich in der Nähe des Hauses des Märtyrers Thrysos befand. Doch dort fanden sie lediglich die Mönche Thalelaios und Sisinnios, die angaben nicht zu wissen, wo Anthimos sei, noch ob er vor oder nach seiner Bischofserhebung je in diesem Haus gewesen sei. Nachdem der zweite Suchtrupp der Synode Bericht erstattet hatte, beschloss man schließlich einen dritten und letzten Suchtrupp zusammenzustellen, um Anthimos eine letzte Möglichkeit zu geben, vor der Synode zu erscheinen. Der Trupp bestand aus den Bischöfen Theagenes von Synadeos, Bakchos von Antiocheia in Pisidien und Christodoros von Porphyreon in Phoenicia Maritima, sowie den Presbytern und Defensoren Julian und Ammonios, sowie den Diakonen und Notaren Paulos und Makarios. Diese erhielten nun zehn Tage Zeit, Anthimos zu finden.100 Am 21. Mai kam die Synode zur vierten Sitzung zusammen, in der der dritte Suchtrupp von seiner ebenfalls erfolglosen Suche berichtete und die Synode daraufhin Anthimos schließlich verurteilte. Die zur Suche Beauftragten sahen zuerst in den Häusern des heiligen Märtyrers Sergios und den Häusern des Hormisdas nach, wo er bis zu seiner Bischofserhebung gelebt hatte. Die Kleriker in den Häusern des Hormisdas erklärten jedoch, dass sie Anthimos seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatten. Auch im Kloster des Erzengels Michael machten sie erneut Station, blieben aber so erfolglos wie der erste Suchtrupp. Schließlich traten sie nach Ablauf der Frist wieder vor die Synode, wo die Anwesenden bestätigten, die Berichte vernommen zu haben. Daraufhin rekapitulierte der Bischof Hypatios von Ephesos die Vorwürfe gegen Anthimos:101 Anthimos habe die ganze Verfassung der Kirche in Unordnung gebracht, indem er gewaltsam auf unkanonische Weise den Patriarchenstuhl der Hauptstadt an sich gerissen habe. Obendrein habe er die Lehre des Eutyches aufgenommen und auf die Verwirrung des Klerus und des Volkes hingearbeitet. Dadurch habe er die Kirche, für dessen Einheit sich der christusliebende Kaiser eingesetzt hatte, wieder an den Rand der Spaltung gebracht. Zwar habe Anthimos die 100 Vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 176 f.; vgl. GRUMEL, Regestes I, S. 172, Nr. 236. 101 Vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 178, Z. 18 – S. 179, Z. 31.
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vier ökumenischen Konzilien sowie Papst Leo in den Diptychen aufgenommen, dies jedoch nur zum Schein. Er habe nicht das Wort Gottes in der großen Kirche gepredigt, habe sich vom gläubigen Klerus und den Vorstehern der Klöster abgewandt und stattdessen die Gegner Chalkedons bei sich gehabt und geduldet, wodurch er für einen Skandal gesorgt habe. Die Häretiker haben den rechten Glauben verhöhnt, die Rechtgläubigen haben geklagt und diejenigen, deren Glauben schwach ausgeprägt war, seien durch Anthimos in Verwirrung gestürzt worden. Doch durch das Eingreifen Gottes habe Papst Agapet die göttlichen Kanones durchgesetzt und Anthimos von dem ihm nicht zukommenden Stuhl der Kaiserstadt vertrieben. Denen die zuvor mit Anthimos Gemeinschaft gehabt hatten, habe Agapet die Möglichkeit zur Umkehr gegeben, wenn sie mit ihm die Gemeinschaft aufnähmen. Daraufhin seien zahlreiche Anschuldigungen gegen Anthimos erhoben und Bittgesuche an Agapet und Justinian übergeben worden. Der Papst sei darum bemüht gewesen, Anthimos wieder zum rechten Glauben zurückzuführen, habe jedoch feststellen müssen, dass dieser sich in einem unheilbaren Zustand befand, die Formel der zwei Naturen ablehnte und ferner sich weigerte, sich von jenen abzuwenden, die von Chalkedon verurteilt worden waren. Stattdessen bemühte er sich sogar Eutyches und Dioskoros zu verteidigen und wurde dabei in seiner häretischen Gesinnung überführt.102 Daraufhin erklärte Menas von Konstantinopel mit Berufung auf die Urteile Agapets, dass Anthimos seiner Bischofswürde (auch bezüglich Trapezunts) verlustig gehe und er von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen ausgestoßen werde. Auf die Verurteilung folgten Ausrufe seitens der Mönche und Bischöfe, die nun die Verurteilung des Severos von Antiocheia, des Petros vom Apameia und des Mönches Zooras forderten. Flankiert wurden diese Forderungen mit dem Hinweis auf die Rechtgläubigkeit des Kaisers.103 Daraufhin ermahnte Menas die Menge zur Ruhe, erklärte, dass er dem apostolischen Stuhl folge und nun den Kaiser über das Geschehene informieren müsse. Damit war die vierte Sitzung der Synode beendet. 5.1.3.2 Zur Person und theologischen Ausrichtung des Anthimos In der vierten Sitzung wurde Anthimos schließlich als Häretiker verurteilt. Doch was für eine Theologie vertrat er nun genau? War er Miaphysit, und wenn ja ab wann? Zumindest beim Religionsgespräch 532 war er noch Teil der chalkedonischen Delegation. Und was macht jemanden überhaupt zu einem Miaphysiten? So einfach, wie man meinen könnte, lassen sich diese Fragen nicht beantworten. Ferner schließt sich die Frage an, wem er überhaupt seine Erhebung zum Bischof von Konstantinopel zu verdanken hatte. Den Miaphysiten, wie die Ankläger des Anthimos behaupten, Theodora, wie Victor von Tunnuna schreibt, dem ein großer Teil 102 Vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 179, Z. 25 – Z. 31. 103 Vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 181, Z. 15–30; vgl. GRUMEL, Regestes I, S. 172 f., Nr. 237.
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der Forschung gefolgt ist, oder doch Justinian, in dessen bisherige Kirchenpolitik sich Anthimos durchaus gut hinein fügt? Um diese Fragen zu beantworten, gilt es, sich genauer mit seinem Werdegang vor seiner Weihe zum Bischof der Hauptstadt, mit seinem Schrifttum, soweit es erhalten ist, und den sonstigen Quellen über sein Wirken – dabei sei nicht zuletzt an die Akten des Konzils von 536 gedacht – zu beschäftigen. Anthimos wurde zwischen 518 und 532 zum Bischof von Trapezunt gewählt, kam spätestens im Jahr 532 nach Konstantinopel und nahm dort am Religionsgespräch mit den Miaphysiten teil, war aber bereits vor dem Religionsgespräch seit einer unbestimmten Zeit in der Hauptstadt.104 Möglicherweise besaß Anthimos bereits damals gute Kontakte zum Hof beziehungsweise musste er dort zumindest genügend Vertrauen genossen haben, um für die Teilnahme am Religionsgespräch bestimmt zu werden. Welche Positionen vertraten Anthimos und die anderen chalkedonischen Bischöfe im Religionsgespräch? Neben dem obligatorischen Bekenntnis zu Chalkedon und der Verurteilung des Eutyches hatten die chalkedonischen Bischöfe, wie weiter oben bereits angemerkt, nach dem Bericht der miaphysitischen Seite Dioskoros als rechtgläubig angesehen. Oder wenn man sich auf das Schweigen des chalkedonischen Berichtes in dieser Sache beruft, zumindest nicht auf seine Falschgläubigkeit beharrt. Dioskoros sei nicht wegen seines Glaubens zu verurteilen, sondern wegen seiner Nachlässigkeit gegenüber Eutyches, als er ihn 449 in Ephesos aufnahm. Zudem wird bemerkenswerterweise im chalkedonischen Bericht des Religionsgesprächs das Konzil von Ephesos, das vor allem in der römischen – aber auch weiten Teilen der chalkedonischen Tradition – als Räubersynode in die Geschichte einging, als universale concilium bezeichnet.105 Es zeichnete sich also innerhalb des chalkedonischen Lagers eine weitere weniger konfrontative Position gegenüber Dioskoros und Ephesos II ab. Möglicherweise als Reaktion darauf sandte Ephraim von Antiocheia einen Brief an Anthimos (und vielleicht auch an die anderen Teilnehmer des Gesprächs?). Nachdem Ephraim höchstwahrscheinlich von seinen Apokrisiaren, den Presbytern und Ökonomen 104 Vgl. HONIGMANN, Anthimus, S. 185. Das Jahr 518 als frühestes mögliches Jahr der Weihe des Anthimos ist jedoch unsicher. Honigmann setzt dieses Jahr an, weil Antipatros als Bischof von Trapezunt zu den Unterzeichnern der Anaphora der synodos endemousa 518 an Johannes II. gehörte und Anthimos deshalb nach diesem Datum zum Bischof geweiht worden sein muss. Zur Unterschrift, vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 66, Z. 26, Nr. 38. Jedoch fehlt in der Edition der Akten durch Schwartz die Angabe der Stadt Trapezunt, sowohl im Text als auch im kritischen Apparat. In Mansis lateinischer Version findet sich jedoch die Angabe „Trapezuntinus“, vgl. M ANSI VIII, coll. 1050 c. Für die Anwesenheit des Anthimos in Konstantinopel, vgl. I NN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 16–184) hier, S. 169, Z. 7–14. Laut dem Bericht des Innozenz von Maroneia war Anthimos unter den Bischöfen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Konstantinopel befanden und anders als Hypatios von Ephesos, Johannes von Bizye und Innozenz von Maroneia, nicht eigens für das Gespräch herbeigerufen werden mussten. 105 Zur genauen Formulierung siehe INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 171, Z. 19–20: „illud universale concilium quod cum Dioscoro congregatum est”.
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Hermisigenes, Magnos und Aquillinos, die ebenfalls beim Gespräch anwesend waren, über den Inhalt des Gesprächs in Kenntnis gesetzt worden war, betonte Ephraim in seinem Brief die Wichtigkeit Chalkedons und wandte sich explizit gegen das zweite Konzil von Ephesos 449, da es Eutyches aufnahm. 106 Eine Antwort des Anthimos ist nicht überliefert. Neben seinem Engagement in der Kirchenpolitik durch seine Teilnahme am Religionsgespräch wird außerdem in den Quellen Anthimos’ asketische Lebensweise erwähnt. Laut Pseudo-Zacharias zeichnete sich Anthimos durch sein asketisches Leben und seine Liebe zu den Armen aus.107 Und auch chalkedonische Quellen bezeugen die Enthaltsamkeit des Anthimos, wenn dort auch sein Verhalten als Täuschungsmanöver angesehen wird.108 Auch pflegte Anthimos vor seiner Weihe zum Bischof von Konstantinopel regelmäßig Umgang mit einigen Mönchen der Hauptstadt.109 Schließlich wurde er 535 nach dem Tod des Epiphanios zum neuen Bischof Konstantinopels geweiht, wobei die unkanonische Wahl weder in Antiocheia noch in Jerusalem Anstoß erregte.110 Ephraim von Antiocheia forderte Anthimos lediglich in seinem Antwortbrief auf Anthimos’ Synodalbrief dazu auf, seinen Glauben und seine Verurteilung der Lehren des Eutyches zu präzisieren, nahm aber davon abgesehen die Gemeinschaft mit ihm auf.111 Auch scheint sich Anthimos zu seinem Antritt als Bischof der Hauptstadt offen zu Chalkedon bekannt zu haben. Dies geht jedenfalls aus den Akten der Synode von 536 hervor, auch wenn ihm dort wie im Fall seines asketischen Lebens Täuschung und Heuchelei unterstellt wird. Die Bischöfe der Syria II und Palästinas schreiben in ihrem Brief an Justinian, dass Anthimos sich zum rechten Glauben bekehren solle. Er nehme nämlich die rechte Lehre, die von den heiligen Vätern überliefert wird, die vier heiligen Synoden sowie den Tomus Leonis nur zum Schein an. In Wirklichkeit lehne er aber den rechten Glauben und die Formeln um derentwillen Eutyches aus der Kir-
106 Zur Anwesenheit der Apokrisiare Ephraims vgl. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 170, Z. 4–6. Der Inhalt des Briefes Ephraims an Anthimos (CPG 6908) ist bei Photios erhalten, vgl. PHOT., Bib., 247 b – 248 a, S. 121–122 (HENRY). 107 Vgl. PS-ZACH, HE, IX, 19, S. 135 (BROOKS) (CPG 6995). 108 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, Z. 20–24. Auch die syrischen und palästinischen Bischöfe, die an Agapet schreiben, bezeichnen Anthimos als jemanden „der sich mit dem Schein der Frömmigkeit kleidete“ Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 147, Z. 20. 109 Vgl. die Berichte der von der synodos endemousa entsandten Suchtrupps. 110 Anthimos war bereits der Bischof von Trapezunt gewesen und wechselte nun nach Konstantinopel. Ein solcher Wechsel des Bischofssitzes war jedoch kirchenrechtlich verboten, vgl. Kanon 15 (Nikaia 325), JOANNOU, I, 1, S. 36 f. Agapet tadelte später Petros von Jerusalem dafür, dass er ihm die unkanonische Wahl des Anthimos nicht angezeigt und diesen sogar anerkannt hatte. Siehe Epistula Agapeti ad Petrum Hierosolymitanum (CPG 9325 (5)) (=ACO III, S. 152–153) hier S. 153, Z. 2–5. 111 Vgl. PHOT., Bib., 247 a, S. 119–120 (HENRY).
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che ausgeschlossen worden ist, ab. Deshalb solle er vom Kaiser aus der Hauptstadt vertrieben werden.112 Justinian wiederum schreibt in seinem als Novelle 42 eingegangenen und ebenfalls in den Konzilsakten von 536 überlieferten Absetzungsurteil über Anthimos, dass es es zwar den Anschein hatte, dass Anthimos den vier Konzilien folgte, dies von ihm jedoch nur vorgetäuscht war.113 Und auch Hypatios von Ephesos erklärte in der vierten Sitzung der Synode, das Anthimos vorgab die vier ökumenischen Konzilien aufzunehmen und unter ihm waren sie auch zusammen mit Papst Leo in den Diptychen eingetragen.114 Das heißt, Anthimos galt zumindest noch kurz nach seiner Weihe als Anhänger Chalkedons. Bei der Aussage des PseudoZacharias wiederum, dass Anthimos Chalkedon nicht aufgenommen hätte,115 handelt es sich wahrscheinlich um eine glättende Beschreibung der Verhältnisse aus der Rückschau. Jedenfalls begann Anthimos, trotz seines Bekenntnisses zu Chalkedon mit den ebenfalls in der Hauptstadt befindlichen Miaphysiten Severos von Antiocheia, Theodosios von Alexandreia und Petros von Apameia Umgang zu pflegen, was aus dem Brief der hauptstädtischen, syrischen und palästinischen Mönche an Agapet und dem Bericht des zweiten Suchtrupps in der dritten Sitzung des Konzils hervorgeht.116 Zudem sandte Anthimos an Severos und Theodosios im Geheimen Synodalbriefe, in denen er ein Glaubensbekenntnis vorlegte, auf dessen Grundlage er die Gemeinschaft mit ihnen aufnehmen wollte. Der christologisch relevante Teil dieses Bekenntnisses soll nun analysiert werden, um festzustellen, ob sich darin 112 Vgl. Libellus episcoporum secundae Syriae ad imperatorum (CPG 9329 (1)) (ACO III, S. 30–32) hier S. 31, Z. 19–25. 113 Vgl. Nov. 42 (CPG 6877) beziehungsweise Constitutio Iustiniani imp. Contra Anthimum, Seuerum, Petrum et Zoaram (d. 6 m. Aug. a. 536) (CPG 9330) (=ACO III, S. 119–123) hier S. 120, Z. 12–17. 114 Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 178, Z. 31–32; S. 178, Z. 35 – S. 179, Z. 1. 115 Vgl. PS-ZACH, HE, IX, 19, S. 135 (B ROOKS) (CPG 6995). Ps-Zacharias scheint allgemein bei der Schilderung seiner miaphysitischen Helden darum bemüht gewesen zu sein, sie in makellosem Licht erstrahlen zu lassen und sie als von Beginn an Rechtgläubige darzustellen. So leugnete er auch in seiner Severos-Vita, dass dieser ein Heide gewesen war, der erst später zum Christentum konvertierte; eine Behauptung, die durch Severos selbst in einer Homilie widerlegt wird. Zur Verteidigung des Severos durch Pseudo-Zacharias, vgl. P S-ZACH, Vita, S. 8 ff. (KUGENER) (CPG 6999). Zur heidnischen Vergangenheit des Severos vgl. S EV. Hom. 27, S. 563 (PO 36 (4)) (CPG 7035). Die Meinung, dass es sich bei der Aussage des Pseudo-Zacharias über Anthimos um eine Interpolation aus der Rückschau handle, teilt auch Richard Price, vgl. PRICE, Acts of Constantinople, S. 13. 116 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 140, Z. 1–3. Der zweite Suchtrupp vermutete zumindest, Anthimos im Haus des Petros von Apameia zu finden, dessen Haus in der Nähe des Landgutes des Anthimos lag, ohne jedoch von den dortigen Männern eine Bestätigung dafür erhalten zu haben, dass er jemals dort gewesen war. Als der Trupp nämlich die Mönche Thalelaios und Sisinnios befragte, antworteten diese: „wir wissen weder, ob er bevor er Bischof war, noch nachdem er es geworden war, dort hineinging, noch, wo er sich befindet.“ Actio III (CPG 9327 (ACO III, S. 161–168) hier S. 168, Z. 19–20.
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Anthimos eindeutig gegenüber Chalkedon positioniert beziehungsweise ob das Glaubensbekenntnis als miaphysitisch anzusehen ist:117 Ich bekenne, dass der Gott-Logos, der vor allen Zeiten geboren ist aus Gott, dem Vater, welcher der „einziggeborene“ Sohn ist, welcher „aus einem Wesen“ mit dem Vater ist [...] am Ende der Tage Fleisch und vollständig Mensch geworden ist aus dem Heiligen Geist, und aus der heiligen Gottesmutter (θεοτόκος) und allzeit jungfräulichen Maria, und der mit sich „hypostatisch“ geeint hat das Fleisch, [welches] eines Wesens mit uns [Menschen] ist und eine rede- und vernunftbegabte Seele besitzt, der ohne Veränderung, ohne Vermischung und Sünde unsere Erscheinungsform angenommen hat. Denn er ist unverändert geblieben als Gott, und auch wenn er unsere [Eigenheiten] annahm, hat der die „Eigentümlichkeit“ seiner göttlichen [Natur] nicht gemindert; das, was von uns war, machte er nach dem göttlichen Heilsplan zu dem Seinen durch die Verbindung, welche eine „Einigung auf der Ebene der Natur“ (ἕνωσις φυσική) war. [Wir bekennen dass er] vollständig Gott ist und vollständig Mensch ist, dass er „ein und derselbe“ ist, der aus zwei Naturen (ἐκ δύο φύσεων) [geworden ist], wobei unvermischt geblieben ist eine jede der beiden „Naturen“ [...] Daher ist er auch in Wahr heit einer aus der heiligen und „wesensgleichen“ Dreiheit [sowohl] vor seiner Fleischwerdung [als auch] nach seiner Fleischwerdung [...] Er ist nicht leidensfähig insofern, als er „eines Wesens“ mit [Gott], dem Vater ist; im Fleisch ist er hingegen leidensfähig, weil er „das Wesen unserer Natur teilt“. Denn nicht in seiner „Natur“ hat der Gott-Logos gelitten, sondern in dem Fleisch, das „eines Wesens“ mit uns Menschen war, hat er in unserer Wesensform gelitten. Er, der dieses mit sich selbst in einer „hypostatischen Einigung“ (ἕνωσις καθ’ ὑπόστασιν) geeint hat. Indem wir also bekennen den Unterschied [der beiden], die gekommen sind zu einer „natürlichen Einheit“ (ἕνωσις φυσική) – das heißt der göttlichen und der menschlichen [sc. „Natur“] – trennen wir diese nicht voneinander und spalten [weder] in „zwei“ [noch] „in zwei Naturen“ den unbegreiflichen Einen, wie wir auch nicht vermischen, indem wir leugnen die Verschiedenheit von Gottheit und Menschheit, sondern wir bekennen den Emmanuel als den einen „aus den zweien“ (ἐκ δύο φύσεων) [...].
Nach dem eigentlichen Bekenntnis folgt eine förmliche Aufnahme der ersten drei ökumenischen Konzilien, der zwölf Anathematismen Kyrills, sowie des Henotikons, „welches ist der letzte Ausfluss der Gottesfurcht und darauf abzielt, die Synode von Chalcedon und den Tomus des gottlosen Leo außer Kraft zu setzen.“118 Bevor aber das Bekenntnis selbst in den Fokus gerückt werden soll, stellt sich die Frage nach dem Passus über die Aufnahme der Konzilien beziehungsweise der Verurteilung Chalkedons durch Anthimos, von der Pseudo-Zacharias berichtet. Denn während bisweilen in der Forschung das Glaubensbekenntnis und die Verurteilung Chalkedons als Einheit gesehen wurden,119 zweifelt hingegen Christian Lange aus gutem Grund an, dass es sich bei der Verurteilung Chalkedons um einen authentischen Teil des Briefes des Anthimos handelt. Stattdessen vermutet er 117 Das Bekenntnis findet sich im Brief des Anthimos an Severos (CPG 7087), vgl. G RUMEL, Regestes I, S. 166 f., Nr. 230, der bei Pseudo-Zacharias erhalten ist, vgl. P S-ZACH, HE, IX, 21, S. 141–147 (BROOKS) (CPG 6995). Das Bekenntnis findet sich ferner auf syrisch und in deutscher Übersetzung bei LANGE, Energeia, S. 330–332, dessen deutsche Übersetzung hier verwendet wird. 118 PS-ZACH, HE, IX, 21, S. 143 (BROOKS) (CPG 6995), deutsche Übersetzung bei LANGE, Energeia, S. 333, Anm. 1559. 119 Vgl. GRILLMEIER/HAINTHALER, Jesus, II/2, S. 364–365, sowie WINKLER, Kirche, S. 152, und MARAVAL, Religionspolitik, S. 438–439.
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eine „literarische Komposition aus der Rückschau.“120 Und in der Tat zeigen die weiter oben zitierten Texte aus den Akten der Synode 536, dass Anthimos Chalkedon ja offen aufnahm und er das Konzil in die Diptychen einschrieb, wodurch auch der Bericht des deutlich später schreibenden Pseudo-Zacharias, dass Anthimos Chalkedon nicht aufgenommen habe, sich als falsch erweist. Oder sollte Anthimos Chalkedon wirklich nur zum Schein aufgenommen haben, wie es ihm von den Mönchen in der Hauptstadt vorgeworfen wurde, während er Chalkedon gegenüber Severos verdammte? Eine gleichzeitige Verdammung Chalkedons gegenüber Severos und ein öffentliches Bekenntnis zum Konzil hätte Severos jedoch sicher auch trotz seines Wissens um die Zwänge der Hauptstadt121 etwas fragwürdig vorkommen müssen. Es scheint wahrscheinlicher, dass Anthimos ähnlich wie Akakios Chalkedon anerkannte und mit Hilfe eines Glaubensbekenntnisses, das von Chalkedon schwieg, die Gemeinschaft mit dem Miaphysiten aufnehmen wollte. Dies führt zum zweiten Schwachpunkt der Darstellung des Pseudo-Zacharias. Er beschreibt, dass Anthimos mit Severos die Gemeinschaft auf Grundlage des Henotikons aufnahm, das Chalkedon verurteilte. Bei aller Anerkennung des Henotikon als rechtgläubiges Dokument durch Severos122 und all seinen Versuchen, es als Absage an Chalkedon zu interpretieren, verurteilte das Henotikon Chalkedon aber gerade nicht. Die offene Auslegbarkeit des Henotikon, seine Interpretierbarkeit als antinestorianisch aber chalkedonisch, oder doch als miaphysitisch, hat dazu geführt, dass Personen, die das Henotikon nicht aufnahmen, je nach Perspektive als chalkedonisch oder nestorianisch angesehen wurden, und wer das Henotikon aufnahm, als chalkedonisch oder aber doch miaphysitisch. Vermutlich handelt es sich bei Pseudo-Zacharias um den Fall, dass ein Miaphysit, der selbst das Henotikon als Verurteilung Chalkedons deutete, Anthimos wegen seiner Annahme des Henotikons eine ebensolche Verurteilung unterstellte. Möglicherweise beabsichtigte Pseudo-Zacharias aber auch, ein aus miaphysitischer Sicht ideales Bild von Anthimos zu zeichnen und unterstellte ihm deshalb wohlwollend eine offene 120 LANGE, Energeia, S. 336, vgl. ebenso PRICE, Acts of Constantinople, S. 13. 121 So erlaubte Severos etwa der Patrizierin Caesaria an chalkedonischen Gottesdiensten teilzunehmen trotz der Regeln, die eine Teilnahme an häretischen Gottesdiensten verboten, solange sie nicht die chalkedonische Eucharistie empfinge und ihren Glauben rein hielte, da eine Teilnahme am Gottesdienst mit dem Kaiser von Mitgliedern höherer Ränge erwartet wurde und die Verlesung der heiligen Schrift diesen auch nicht schaden würde, vgl. Selected Letters, IV, 10, S. 272–275, hier S. 273 (B ROOKS): „I find that men who hold ministerial posts or high offices, and are obliged to accompany and attend upon rulers, receive an indulgence, if, when they go in with them and hear a lesson and prayers, they keep themselves perfect“. 122 Vgl. den Brief des Severos an einen Presbyter in Alexandreia, S EV., Ep. 39, S. 295–305 (PO 58), in dem er das Henotikon als rechtgläubig ansieht, jedoch mahnt, wegen der Uneindeutigkeit des Dokuments auch explizit die eine Natur Christi zu bekennen. Vgl. ferner seinen Brief an den Scholastikos Hippokrates mit derselben Aussage, S EV., Ep. 46, S. 316–321 (PO 58). Ferner sein Brief an Dioskoros von Alexandreia, SEV., Ep. 49, S. 323–324 (PO 58). Hier bemängelt Severos, dass das Henotikon allein nicht ausreiche, weil es Chalkedon nicht explizit verurteile. Die drei Briefe wurden während seiner Amtszeit als Patriarch von Antiocheia geschrieben beziehungsweise zwischen den Jahren 516 und 518. Und auch vor seiner Zeit als Bischof bemängelte Severos, dass das Henotikon alle strittigen Fragen auslasse, vgl. sein Brief an Bischof Solon von Seleukeia in Isaurien Selected Letters, I, Ep. 2, S. 12–16.
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Verurteilung Chalkedons.123 Denn das Glaubensbekenntnis selbst bringt keinen Beweis für eine explizit chalkedonfeindliche Haltung des Anthimos. Nun zum Glaubensbekenntnis. Anthimos beschreibt hier die Einigung der Naturen und betont, dass weder die Menschheit, noch die Gottheit dadurch gemindert wird und ihre Eigenheiten erhalten bleiben. Er spricht von der „‚hypostatischen Einigung’ (ἕνωσις καθ’ ὑπόστασιν)“, von der „Einigung auf der Ebene der Natur“ (ἕνωσις φυσική) beziehungsweise der „natürlichen Einheit“ (ἕνωσις φυσική) und der Einigung „‚aus zwei Naturen’ (ἐκ δύο φύσεων)“ lehnt aber eine Spaltung in ‚zwei’ [oder] ‚in zwei Naturen’“ ab. Bei dem Ausdruck hypostatische Einigung handelt es sich um einen in der christologischen Formel von Chalkedon enthaltenen Ausdruck. Der Ausdruck „aus zwei Naturen“ wiederum kann als vorchalkedonisch angesehen werden und widerspricht nicht automatisch dem chalkedonischen Bekenntnis. Er täte dies nur, wenn man ihn explizit der Formel „in zwei Naturen“ notwendig entgegenstellt. Etwas komplizierter sieht es mit dem Ausdruck der „natürlichen Einheit“ aus. Zwar handelt es sich um einen zentralen Ausdruck der miaphysitischen Theologie. Aber dieser Ausdruck kann auch auf die Schriften Kyrills zurückgeführt werden,124 und auch Justinian ließ in der Audienz mit den miaphysitischen Bischöfen 532 diese Redeweise zu und akzeptierte den Ausdruck der einen Natur des fleischgewordenen Logos.125 Schwieriger wird es mit der Absage der „in zwei Naturen“-Formel. Wobei die genaue Formulierung lautet: wir „spalten [weder] in ‚zwei’ [noch] ‚in zwei Naturen’ den unbegreiflichen Einen.“ Die Ablehnung einer Spaltung der zwei Naturen ist auch durch Chalkedon gedeckt, wobei sich jedoch eine gewisse Spannung zu Chalkedon dadurch ergibt, dass Anthimos hier die Spaltung mit dem chalkedonischen Ausdruck „in zwei Naturen“ verknüpft. Mit etwas gutem Willen kann das Bekenntnis jedoch als mit Chalkedon kompatibel angesehen werden,126 weil Anthimos eine Aufspaltung der Naturen verneint, nicht aber eine Einheit „in zwei Naturen“, womit er letztendlich 123 Allgemein scheint Pseudo-Zacharias die Angewohnheit gehabt zu haben, in seiner Darstellung Glättung zu betreiben, um ein ideales Bild seiner miaphysitischen Protagonisten zu zeichnen. So leugnete er auch, dass Severos jemals ein Heide gewesen sei, obwohl die heidnische Vergangenheit durch Severos selbst gesichert ist. Pseudo-Zacharias’ Darstellung sollte deshalb mit Vorsicht genossen werden, wenn er schreibt, dass Anthimos Chalkedon explizit verurteilt habe, und dieser Information sollte nicht zu viel Vertrauen geschenkt werden. Vor allem wenn man die Ungereimtheit bedenkt, die sich daraus ergibt, dass Pseudo-Zacharias die Verurteilung Chalkedons mit der Annahme des Henotikon verknüpft. 124 In der Literatur wurde die Mia-Physis-Formel zuweilen als Kyrills Lieblingsformel betrachtet, vgl. LOOFS, Leontius, S. 42; vgl. MOELLER, Représentant, S. 75, der schreibt: „Cyrille parle sans cesse de ‚l’unique nature incarnée de Dieu le Verbe’“; Kelly bezeichnet die Formel als Kyrills „favourite expression“, vgl. K ELLY, Doctrine, S. 329; und auch für Gray handelt es sich um eine typisch kyrillische Formel, vgl. G RAY, Defense, S. 14 f. ; ferner WEINANDY, Cyril, S. 32 und 40. JOUSSARD, Intuition, S. 184, wiederum relativiert die Bedeutung der Formel bei Kyrill und verweist darauf, dass Kyrill die Formel erst relativ spät im nestorianischen Streit aufgegriffen hat und sie besonders schätzte, weil er sie Athanasios zuschrieb. 125 Vgl. BROCK, Conversation. S. 116 f. 126 Ebenso sieht Winkler Anthimos’ Glaubensbekenntnis als orthodox, wenn auch als vorchalkedonisch an, vgl.. WINKLER, Religionspolitik, S. 152. Zur Interpretation des Glaubensbekenntnisses mit demselben Schluss, vgl. ferner LANGE, Energeia, S. 336–338.
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den justinianischen Kurs nicht verlässt. Ein weiterer Fingerzeig dafür, dass er sich auf der Linie des Kaisers bewegte, ist die ebenfalls in seinem Bekenntnis enthaltene Formulierung, dass Christus „einer aus der heiligen und ‚wesensgleichen’ Dreiheit“ ist, womit der Bischof die von Justinian durchgesetzte theopaschitische Formel aufgreift. Als abschließendes Quellenerzeugnis bleibt das Fragment einer an Justinian gerichteten Predigt, das im dritten Konzil von Konstantinopel im Rahmen des Monotheletismus-Streites zitiert wurde.127 Auch hier spricht Anthimos von der einen fleischgewordenen Natur des Wortes Gottes. Weder solle seine Gottheit geleugnet werden, noch seine vernunftbegabte Seele. Das Wort Gottes besitzt einen leidensfähigen Körper und ist mit den Menschen wesenseins. Ferner besitzt er einen Willen und eine Wirktätigkeit (ἐνέργεια/operatio), eine Weißheit und eine Erkenntnis. Anthimos verwendet hier ebenfalls den Ausdruck einer fleischgewordenen Natur und bezieht sich dabei auf kyrillische Terminologie. Dieser Hinweis auf die vernunftbegabte Seele stellt eine Absage an den Apollinarismus dar und mit seiner Betonung der Wesenseinheit Christi mit den Menschen und dem Verweis auf seinen leidensfähigen Körper grenzt er sich mit der den Miaphysiten unterstellten Lehre der Auflösung der menschlichen Natur in Gott ab. Die Rede von dem einen Willen, einer Wirktätigkeit, einer Weisheit und einer Erkenntnis betont er wiederum nochmal die Einheit der Naturen, wobei die Frage nach dem Willen und der Wirktätigkeit Gottes erst im Verlauf der späteren theologischen Diskussion relevant werden sollte. Das Fragment weicht theologisch nicht von seinem Glaubensbekenntnis ab. Anthimos vertrat eine auf Kyrill aufbauende Theologie, die die Terminologie Chalkedons zwar mied, aber nicht mit dem Konzil im Gegensatz stand. Er verließ also nicht den vom Kaiser vorgezeichneten Weg, sondern versuchte, wahrscheinlich in Absprache mit Justinian mit seinem Glaubensbekenntnis, das der theologischen Linie der Edikte von 533 und 535 und der kaiserlichen Position von 532 folgte, die Grundlage einer Einigung mit Severos herzustellen, der ja vom Kaiser selbst in die Hauptstadt eingeladen worden war.128 Es ist also nicht nötig – wie häufig getan – Anthimos zum Kandidaten der Theodora zu machen. Nach dieser Lesart sei Anthimos bei seiner Wahl zum Bischof der Hauptstadt bereits ein Miaphysit gewesen,129 der ohne Wissen des Kaisers agierte.130 Auch ist zu bezweifeln, dass Anthimos als ein Miaphysit von Justinian (und nicht von Theodora) zum Bischof der Hauptstadt gemacht worden wäre,
127 Vgl. MANSI XI, 440 E – 441 A; 441C; GRUMEL, Regestes, S. 166, Nr. 228 (CPG 7086). 128 Diese Sicht teilen auch Menze, Price und Hasse-Ungheuer, vgl. M ENZE, Justinian, S. 200 f.; vgl. PRICE, Acts of Constantinople, S. 13 und vgl. HASSE-UNGEHEUER, Mönchtum, S. 34 und 45 f. 129 Davon etwa geht Greatrex aus, vgl. GREATREX, Chronicle, S. 367, Anm. 291. 130 Von der Heimlichkeit des Verhaltens des Anthimos, das heißt der Unwissenheit Justinians, gehen Sherwood und Murphy aus, vgl. MURPHY/SHERWOOD, Konstantinopel, S. 83; ferner bezeichnet Anastasiou ihn als „secret monophysite“ ANASTASIOU, Relations, S. 63.
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weil der Kaiser dem Einfluss des Severos erlegen sein soll, wie etwa Grillmeier annimmt.131 Zusammenfassend kann also angenommen werden, dass Anthimos als Chalkedonier den Bischofsstuhl der Hauptstadt erhielt und dem kaiserlichen Kurs folgte. Kam es dann aber nach einer gewissen Zeit doch zu einer Bekehrung zum Miaphysitismus? Denn immerhin wurde er 536 schließlich von der synodos endemousa als Miaphysit verurteilt und ging als solcher sowohl in die Geschichtsschreibung der Chalkedonier als auch der Miaphysiten ein. Wechselte Anthimos also den Glauben und wurde gar von Severos persönlich bekehrt, wie Johannes von Ephesos schreibt,132 oder wurde er vielmehr von den chalkedonischen Mönchen und Bischöfen in der Hauptstadt, die eine härtere Linie als Anthimos und Justinian verfolgten, zum Miaphysiten abgestempelt? Wenn man die Quellenzeugnisse betrachtet, scheint es so, dass Letzteres zutrifft. Denn bereits als er den Bischofsstuhl der Hauptstadt erlangt hatte, formulierte er seinen Glauben nach Geschmack einiger Chalkedonier zu ambivalent, sodass er trotz seines offenen Bekenntnisses Fragen bei einigen Chalkedoniern aufwarf. Gedacht sei etwa an die Forderung des Ephraim von Antiocheia, Anthimos möge seine Verurteilung der Lehren des Eutyches präzisieren. 133 Auch gehörte er zu den Bischöfen, die 532 im Religionsgespräch Dioskoros nicht als Häretiker verurteilten, und vertrat möglicherweise diese Position auch nach dem Gespräch öffentlich, was ihm den Ärger der Mönche einbrachte, die Dioskoros mit Eutyches auf eine Stufe stellten.134 Möglicherweise könnte ihm die Tatsache, dass er von außerhalb kam und nicht dem konstantinopolitanischen Klerus entstammte, ebenfalls zum Nachteil gereicht haben.135 Das Fass zum Überlaufen brachte dann aber, dass er begann, die Miaphysiten und allen voran Severos in der Stadt zu dulden und sogar mit ihnen Umgang zu haben. Zudem soll er sie (oder vielleicht eher sein eigenes Verhalten) verteidigt haben.136 Die hauptstädtischen, syrischen und 131 Vgl. GRILLMEIER/HAINTHALER, Jesus, II/2, S. 365. 132 Eine solche Darstellung gibt Johannes von Beth Aphtonia in seiner Biographie von Severos von Antiocheia, vgl. JOH., Life, S. 253–356 (BROCK). 133 Vgl. PHOT., Bib., 247 a, S. 119–120 (HENRY). 134 Vgl. zur Position der Mönche und zahlreicher Kleriker in der Hauptstadt die entsprechende Anmerkung bei Punkt 4. 2 Das Religiongespräch 532. Dazu, dass Anthimos Dioskoros nicht verurteilte, siehe die Aussage des Hypatios von Ephesos Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 179, Z. 29–31, wo er ihm vorwarf Dioskoros und sogar Eutyches verteidigt zu haben. Dass Anthimos nicht nur Dioskoros sondern auch Eutyches vor chalkedonischen Angriffen verteidigte, ist äußerst unwahrscheinlich. Aber möglicherweise bezieht sich diese Aussage auf das von den Miaphysiten und vielleicht auch von Anthimos vorgebrachte Argument, dass Eutyches Dioskoros ein rechtgläubiges Glaubensbekenntnis übergeben hatte. In den Augen einiger Chalkedonier hätte dann Anthimos mit der Vorbringung dieses Einwands Eutyches für rechtgläubig erklärt. 135 Darauf, dass Anthimos ein Außenseiter war, weist Menze, vgl. M ENZE, Justinian, S. 200; mit Verweis auf SCHWARTZ, Kirchenpolitik, S. 40 f.; hin. 136 Vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 179, Z. 4–6. Und auch die auf der ersten Sitzung zitierten Texte beschreiben ein Zusammengehen von Anthimos und den Miaphysiten. Auch wurde vermutet, dass Anthimos regelmäßig Petros von Apameia aufsuchte, dessen Haus sich in der Nähe des Landgutes des Anthimos befand, vgl. Actio III (CPG 9327
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palästinischen Mönche und Bischöfe führten in ihren Briefen an Agapet nur zu deutlich aus, dass ein Rechtgläubiger nicht mit einem Häretiker Umgang pflegen oder gar mit ihm zusammenleben dürfe, geschweige einen Häretiker regelmäßig aufsuchen dürfe. Die Mönche sahen sich selbst sogar aus dieser Haltung heraus, weil sie in derselben Stadt lebten wie jene Miaphysiten, genötigt, eigens zu betonen, dass sie nicht mit der Meinung der Häretiker zusammengingen. Anthimos hatte sich also in den Augen der Mönche und Kleriker der Hauptstadt durch sein Verhalten als ein Anhänger des Eutyches entlarvt. Sein Verhalten (und seine spätere Abwesenheit auf der Synode) reichte seinen Anklägern als Beweis für seine miaphysitische Gesinnung. Es fällt zusätzlich auf, dass keine einzige konkrete Aussage oder Schrift des Anthimos als Beweis für eine miaphysitische Gesinnung angeführt werden konnte. Die einzige konkrete Aussage, die vorgebracht wird, ist, dass Anthimos die Formel der „in zwei Naturen“ verleumdete.137 Und in der Tat hatte Anthimos wohl ein spannungsvolles Verhältnis zu diesem Ausdruck, wie zumindest seinem Glaubensbekenntnis zu entnehmen ist, das er an Severos sandte. Es ist dabei aber nicht ausgemacht, dass sich Anthimos möglicherweise ihm gegenüber bewusst theologisch entgegenkommend ausdrückte, um die Einheit zwischen beiden herbeizuführen. Der Vorwurf, dass Anthimos die „in zwei Naturen“-Formel verleumdet hätte, stammt wiederum von Hypatios von Ephesos, der in der vierten Sitzung des Konzils die Anschuldigungen gegen Anthimos zusammenfasste und das Urteil gegen ihn verkündete. Für diesen Vorwurf wird aber keine Schrift des Anthimos als Beweis herangezogen. Das heißt, der Vorwurf rührt wohl von der Ansicht des Konzils her, dass Anthimos ein Anhänger des Eutyches sei, und kann nicht als Beweis dafür dienen, dass er die Formel tatsächlich grundsätzlich abgelehnt hat. Auf die Tatsache, dass keine Schrift des Anthimos als Beweis gegen ihn herangezogen wurde, macht auch ein wohl später entstandener Kommentar aufmerksam, der sich im kritischen Apparat in der Edition der Akten der Synode von 536 durch Eduard Schwartz beim Brief der Mönche an Agapet findet. Der Text, der jedoch nur in einer Pariser Handschrift festgehalten ist, schildert die Ereignisse um Anthimos. Dieser habe bis zuletzt gedacht, dass nicht herausgefunden wird, dass es sich bei ihm um einen Häretiker handelt. Einen Beweis dafür habe man nämlich nicht gefunden, sondern einzig wegen dessen unkanonischnen Bischofswechsels habe man ihn verurteilt und nicht, weil er der Häresie überführt worden wäre. Denn wenn er wegen seines häretischen Bekenntnisses aus Konstantinopel vertrieben worden wäre, hätte man ihn auch aus Trapezunt vertreiben müssen. Und wenn er den Sitz Konstantinopels auf kanonische Weise erhalten hätte, hätte er lediglich die entsprechenden Briefe senden müssen, die von ihm gefordert wurden.138 Bei den erwähnten Briefen handelte es sich um die Briefe, die Agapet von
(ACO III, S. 161–168) hier S. 168. 137 Vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 179, Z. 26 f. 138 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, die betreffende Stelle befindet sich im kritischen Apparat, Z. 7–14.
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Anthimos verlangte, der darin den rechten Glauben bekennen und den Miaphysitismus verurteilen sollte. Es scheint also, dass Anthimos ein Chalkedonier war, der Justinians Politik exekutierte, die das Ziel hatte, durch theologische Annäherungen und direkte Verhandlungen die Miaphysiten wieder in die Kirche einzubinden und eine Organisation einer unabhängigen miaphysitischen Kirche zu verhindern. Anthimos eignete sich als Kandidat zur Ausführung einer solchen Politik, weil er, wie das Religionsgespräch zeigte, theologisch und kirchenpolitisch kompromissbereit war und keinen Konfrontationskurs gegen die Miaphysiten verfolgte. Hinzu kam, dass er sich durch seine asketische Lebensweise einen guten Ruf erworben hatte, den er nicht nur bei den Miaphysiten, sondern auch bei den Chalkedoniern genoss, bis diese sich gegen ihn wandten und seine Lebensweise als vorgetäuscht diffamierten. Durch eine fromme Lebensweise konnte man sich eine Autorität erwerben, die von einem spezifischen Glaubensbekenntnis unabhängig war. Die eigene Heiligkeit wurde dann durch die allen zur Schau gestellte Frömmigkeit verbürgt. Anthimos wurde deshalb wahrscheinlich vom Kaiser als idealer Vollstrecker einer vermittelnden Politik angesehen. Letztendlich erlag Anthimos jedoch dem Eifer jener Chalkedonier, die eine solche Politik nicht mittragen wollten und seine Wahl dazu nutzten, ihn und die mit ihm verbundene Politik des Kaisers niederzuwerfen. Dazu griffen sie Anthimos’ unkanonische Wahl an und verbanden sie mit seinem Kontakt zu den Miaphysiten. Durch ihre Hilfe nämlich soll Anthimos den Bischofsstuhl der Hauptstadt erst erlangt haben, schreiben die in der Hauptstadt anwesenden Mönche an Agapet.139 Darüber wie genau dies vonstatten gegangen sein soll, schweigen sie. Letztendlich ging es aber darum, über diese Argumentationsfigur und die sonstigen Ausführungen, wonach einem Staatswesen, in dem Häretiker geduldet werden, die Verdammung droht, Severos und die anderen Miaphysiten zu vertreiben und für die Zukunft einen erneuten Versuch zu unterbinden, direkte Verhandlungen mit Miaphysiten aufzunehmen. Dadurch dass die Mönche das rechte Bekenntnis zur Grundlage aller Frömmigkeit machten, konnten sie auch den asketischen Ruf des Anthimos, der durch sein enthaltsames Leben bezeugt war, untergraben, indem sie angesichts seines ‚falschen Bekenntnisses’ jede Askese und Enthaltsamkeit als vorgetäuscht hinstellten. Für diese konfrontative Strömung innerhalb des Lagers der Chalkedonier, die insbesondere durch die Mönche der Hauptstadt, aber auch durch die zahlreichen in Konstantinopel befindlichen Bischöfe repräsentiert wurde, wurde der unglückselige Anthimos schließlich zum Angelpunkt, die kaiserliche Politik auszuhebeln. Eine besondere Rolle für den Erfolg des Vorgehens dieser Chalkedonier kam hierbei dem Umstand zu, dass es ihnen nicht nur gelang, Papst Agapet für sich einzunehmen, sondern dass dieser sogar selbst in die Hauptstadt kam. Er war zwar letztlich nicht durch sie, sondern vom ostgotischen König dazu bewogen worden, nach Konstantinopel aufzubrechen, doch konnten sie seine
139 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 140, Z. 7–10.
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Autorität für sich nutzen.140 Durch seine Anwesenheit konnten sie eine besondere Kraft entfalten, sodass der Kaiser keine andere Möglichkeit hatte, als dem Urteil des Papstes zu folgen.141 Agapet setzte Anthimos kurzer Hand ab, ersetzte ihn durch Menas und verlangte von Anthimos, seinen Glauben schriftlich darzulegen und die Miaphysiten zu verurteilen, wenn er denn wenigstens nach Trapezunt zurückkehren wolle. Anthimos zog es aber vor, der Forderung des Papstes nicht zu folgen und sich auch der synodos endemousa zu entziehen. Bis zum Tod Theodoras verbrachte er sein Leben nach seiner Verurteilung im Hormisdaspalast, wo die Kaiserin zahlreiche Miaphysiten beherbergte.142 5.1.3.3 Zur kirchenrechtlichen Lage zu Bistumswechseln Wohl in der kirchenpolitischen und theologischen Ausrichtung des Anthimos lag der Grund für seine Absetzung. Wie aber bereits angemerkt wurde, lag der Schwerpunkt der Argumentation gegen ihn auf der kirchenrechtlichen Ebene. Papst Agapet, die Mönche und die in der Hauptstadt weilenden Bischöfe bezichtigten Anthimos des Ehebruchs, weil dieser das ihm anvertraute Bistum in Trapezunt verlassen hatte, um sich auf unkanonische Wiese des Stuhls von Konstantinopel zu bemächtigen. Wie sah die kirchenrechtliche Situation in Bezug auf Bistumswechsel konkret aus?143 Sprachen die Kanones so eindeutig gegen Anthimos wie auf der Synode 140 Menze macht vor allem Agapet für die Verurteilung des Anthimos verantwortlich, vgl. M ENZE, Justinian, S. 197. Er vernachlässigt dabei aber die Rolle des östlichen Klerus und Mönchtums, das sich gegen Anthimos organisiert und Agapet überhaupt erst mit Informationen versorgt hatte. Schließlich sind diese als treibende Kraft hinter dem Sturz des Anthimos anzusehen, wenn auch Agapet eine wichtige (und notwendige?) Rolle dabei spielte. Ob ihnen der Sturz auch ohne die Ankunft Agapets gelungen wäre, ist nicht sicher, sollte aber auch nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Darauf, dass die Rolle des Mönchtums hier berücksichtigt werden muss, weist auch Hasse-Ungeheuer hin, vgl. H ASSE-UNGEHEUER, Mönchtum, S. 34 und 45 f. 141 Caspar geht also fehl in der Annahme, dass es sich bei Anthimos um einen Bischof von Theodoras Gnaden gehandelt habe und Justinian die Ankunft Agapets dazu genutzt habe, seiner Frau bei der ihm peinlichen Erhebung des Anthimos Paroli zu bieten, vgl. C ASPAR, Geschichte, II, S. 222. Vielmehr wurde Anthimos vom Kaiser eingesetzt und dieser musste nun mitansehen, wie sein Bischof vor seinen Augen demontiert wurde. 142 Dies geht aus der Schilderung des Johannes von Ephesos hervor, der berichtet, dass Anthimos nach dem Tod der Theodora im Palast aufgefunden worden sei, vgl. JOH. EPH, Lives. 48, S. 485 (687) (PO 18). Dieser beschreibt ferner, dass Anthimos zurückgetreten sei, vgl. ebd., S. 686. Menze folgt dieser Darstellung. Bei der Beschreibung des Johannes handelt es sich aber wahrscheinlich um eine beschönigende Darstellung. Er verklärt den Verlust des Bischofsstuhls zu einer Befreiung für Anthimos. Der Jahrzehnte später schreibende Evagrios wiederum schildert, dass Severos Anthimos zu seinem Rücktritt bewogen habe, vgl. E VAGR., HE, IV, 11, S. 161 (BIDEZ-PARMENTIER). Die Akten der Synode von 536, die sich direkt mit dem Fall Anthimos befassen, erwähnen keinen Rücktritt. Stattdessen wird nur von seiner Verurteilung und Absetzung durch Agapet gesprochen. 143 Eine kurze Übersicht mit der kirchenrechtlichen Entwicklung bis in die spätbyzantinische Zeit bietet Beck, Literatur, S. 72–74.
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dargestellt und wurden die kirchlichen Regelungen auch immer streng eingehalten? Und wenn ja, wieso setzte Justinian dann für Konstantinopel Anthimos als Bischof ein? Mit einer solchen Blöße gefährdete er doch seinen kirchenpolitischen Kurs und sein eigenes Ansehen. Denn als Kaiser, der seinen Einsatz für die Kirche betonte und von der Symphonia zwischen Staat und Kirche sprach, konnte er doch nicht so einfach das Kirchenrecht brechen. Der Kanon 15 des Konzils von Nikaia verbot erstmals die Transmigration von Klerikern von einer Diozöse zu einer anderen und verfügte, Kleriker die gegen dieses Gebot verstießen, wieder in die Diozöse zurückzuschicken, wo diese geweiht wurden.144 In Antiocheia wurden diese Bestimmung dahingehend erweitert, dass verboten wurde, dass ein Bischof dazu gezwungen wird, sein Bistum zu wechseln.145 Scholz wertet dies als Indiz dafür, dass es also prinzipiell möglich gewesen sein muss, das Bistum straflos zu wechseln, wenn solche Spezifikationen wie in Antiocheia verfügt werden mussten. 146 Er unterscheidet entsprechend zwischen unrechtmäßigen Bistumswechseln (Transmigration) und rechtmäßigen Wechseln (Translation). Und in der Tat sind mehrere Bistumswechsel überliefert, die akzeptiert wurden. Im den trinitarischen Streitigkeiten transferierten sowohl Nizäner als auch Homöer Bischöfe, um den Einfluss ihrer Partei zu sichern und die gegnerische Gruppe zu schwächen. So transferierte Athanasios von Alexandreia im Kampf gegen die Anhänger des Areios den Bischof Syderios von Palebiska und Hydrax nach Ptolomais.147 Euphrenios von Kolonia wiederum wurde von einer Synode nach Nikopolis transferiert, nachdem der dortige Bischof Theodotos verstorben war. Basileios von Kaisereia begründet das Verhalten der Synode mit den Erfordernissen der Zeit und dem Nutzen für den rechten Glauben, um die Kirche von Nikopolis von den Bedrängungen der Arianer zu beschützen. 148 Das heißt, innerhalb von theologisch-kirchenpolitischen Auseinandersetzungen konnten Translationen toleriert werden, wenn dies aus taktischen Gründen für nötig befunden wurde, um den rechten Glauben zu schützen.149 In den Apostelkanones, die in den 380er Jahren verfasst wurden, erging dementsprechend die Bestimmung, dass Bistumswechsel verboten seien, außer wenn der Wechsel des Bischofs seiner neuen Gemeinde mehr Nutzen für den Glauben bringt. Der entsprechende Bischof solle seinen Wechsel aber nicht selbst anstreben, sondern dies nur auf heftige Ermahnung vieler Bischöfe hin tun.150 Ein Wechsel auf Wunsch der Gemeinde blieb aber verboten.151 Wenn Bischöfe nun gegen einen bestimmten Bistumswechsel 144 145 146 147 148
Vgl. Kanon 15 (Nikaia 325), JOANNOU, I, S. 36. Vgl. Kanon 21 (Antiocheia 341), JOANNOU, II, S. 121. Vgl, SCHOLZ, Transmigration, S. 46. Vgl. SYN., ep 67. In BASIL., ep. 228 und 229,1 beschreibt er den Nutzen für den Glauben und in B ASIL., ep., 228 die Gefahr durch die Arianer. Der Begriff „Arianer“ entspricht hierbei der Darstellung des Basileios, auch wenn der Ausdruck Homöer theologisch treffender wäre. 149 Vgl. SCHOLZ, Transmigration, S. 48–52 mit weiteren Beispielen, die Translationen von Homöern betreffen. 150 Vgl. Kanon 14 (Apost.) JOANNOU, II, S. 14, als Vorlage diente wohl Kanon 21 (Antiocheia 341) JOANNOU, II, S. 120 f. 151 Vgl. Kanon 2 (Sardica 343) JOANNOU, II, S. 161 f.
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vorgehen wollten, argumentierten sie nicht allein auf Grundlage des Translationsverbots, sondern griffen die Eignung des transferierten Bischofs an. So kritisierte Athanasios von Alexandreia des Wechseln Eusebs von Nikomedien nach Konstantinopel mit dessen unwürdigem Lebenswandel.152 Auch der Kanon 5 von Chalkedon, der Bistumswechsel behandelte, brachte keine Veränderung der kirchenrechtlichen Lage, sondern verwies lediglich auf ältere Bestimmungen.153 Was bedeutet dies nun für den Fall des Anthimos? Die Fälle, bei denen Translationen in der Vergangenheit toleriert wurden, lassen sich nicht auf den Wechsel des Anthimos von Trapezunt nach Konstantinopel übertragen. Weder wurde Anthimos von vielen Bischöfen dazu angehalten, nach Konstantinopel zu wechseln, noch ließ sich argumentieren, dass der Glaube der Gemeinde von Konstantinopel gefährdet war und einen solchen Wechsel notwendig gemacht hatte. Auch sind keine Rechtfertigungen von Anthimos für seinen Bistumswechsel überliefert. Zumindest erwähnen die Konzilsteilnehmer 536 keine solchen Zeugnisse und werfen Anthimos vor, aus Machtgier einen höheren Thron angestrebt zu haben. 154 Die kirchenrechtliche Lage war also eindeutig. Wurde diese aber in der Praxis immer eins zu eins umgesetzt? Wie bereits erwähnt, ist durch einen bei Photios überlieferten Brief Ephraims von Antiocheia bezeugt, dass dieser mit Anthimos die Gemeinschaft aufgenommen und diesen als Bischof von Konstantinopel anerkannt hatte. Er bemängelte lediglich dessen Glaubensbekenntnis und erbat eine Klarstellung bezüglich der Verurteilung des Eutyches, sprach aber keine kanonischen Unregelmäßigkeiten an.155 Es kann dabei davon ausgegangen werden, dass Ephraim über die Vergangenheit des Anthimos als Bischof von Trapezunt im Bilde war, da beim Religionsgespräch 532, an dem Anthimos als Bischof von Trapezunt teilnahm, der Apokrisiar des antiochenischen Stuhls zugegen war und Ephraim mit Sicherheit über den genauen Ablauf und die Teilnehmer informiert hat.156 152 Scholz führt zudem einen Bericht von Sokrates an, der berichtet, wie die Synode, die den Bischof Eudoxios nach Konstantinopel transferierte, gleichzeitig aber den Bischof Drakontios absetzte, weil er unkanonischerweise von Galatia nach Pergamum wechselte. Es habe deshalb wohl eine Vorstellung von rechtmäßigen und unrechtmäßigen Bistumswechseln gegeben, ohne dass es feste Kriterien für die Rechtmäßigkeit eines Bistumswechsels gegeben habe, vgl. SCHOLZ, Transmigration, S. 53. Andererseits betrifft das von Scholz gewählte Beispiel die Homöer, weshalb fraglich ist, inwieweit es sich auf die Ansichten der Nizäner übertragen lässt. Die Gegner des Nizänums mussten sich ja nicht durch den Kanon 15 von Nikaia gebunden fühlen. 153 Vgl. Kanon 5 (Chalkedon 451) JOANNOU, I, S. 74. 154 Wenn man sich die Zielsetzung und den Ausgang des Konzils vor Augen führt, ist es aber nicht verwunderlich, dass sich niemand gefunden hat, der bereit gewesen wäre, Anthimos zu verteidigen. Und wenn sich doch jemand dazu entschlossen hätte, stellt sich die Frage, ob sein Redebeitrag in die Akten des Konzils aufgenommen worden wäre, wo dies doch die Einigkeit der Konzilsteilnehmer getrübt hätte. Zum Vorwurf, dass Anthimos aus Machtgier nach dem Thron von Konstantinopel gegriffen hat vgl. Relatio monachorum (CPG 9325 (2)) (=ACO III, S. 134–136) hier S. 134, Z. 21. 155 Vgl. PHOT., Bib., 247 a, S. 119–120 (HENRY). 156 Vgl. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 170, Z. 4–6.
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Dasselbe trifft auch auf Petros von Jerusalem zu. Er war ebenfalls über seinen Apokrisiar beim Religionsgespräch157 vertreten und nahm trotz seiner Kenntnis von der Vergangenheit des Anthimos als Bischof von Trapezunt dessen Weihe zum Bischof der Hauptstadt an. Dies geht aus dem Brief Agapets an Petros hervor, in dem der Papst den Jerusalemer Bischof dafür rügte und für den Fall drohte, falls sowas noch einmal geschehen sollte.158 Das Verhalten der beiden Bischöfe lässt darauf schließen, dass es eine gewisse Flexibilität bei Bischöfen gegeben hat, was den Umgang mit dem Verbot von Bistumswechseln angeht. Dies betrifft dabei nicht nur chalkedonische Bischöfe sondern auch miaphysitische. Schließlich nahmen Severos von Antiocheia und Theodosios von Alexandreia ebenfalls die Gemeinschaft mit Anthimos auf und Anthimos ist auch in der miaphysitischen Überlieferung als (rechtgläubiger) Patriarch eingegangen und nicht als einfacher Bischof von Trapezunt.159 Severos genoss eine rechtliche Ausbildung in Berytos und legte später als Bischof großen Wert auf die rechte Einhaltung der Kanones. Dass er nicht wusste, dass Anthimos zuvor Bischof von Trapezunt gewesen war, ist unwahrscheinlich. Obwohl die Wahl des Anthimos zum Bischof von Konstantinopel unkanonisch war, gelang es ihm, anscheinend ohne größeren Probleme von den großen Bischofsstühlen des Ostens, namentlich von Antiocheia (sowohl von chalkedonischer als auch miaphysitischer Seite), Jerusalem und Alexandreia als rechtmäßiger und rechtgläubiger Bischof für die Hauptstadt anerkannt worden zu sein. In Bezug auf die zuvor gestellte Frage, wieso sich Justinian die Blöße gab, den Stuhl von Konstantinopel unter Verstoß der Kanones zu besetzen, heißt dies, dass der Kaiser wohl um die Flexibilität des Episkopats in dieser Frage wusste und es für ein kalkulierbares Risiko hielt, sich über die Kanones hinwegzusetzen. Und wie das Verhalten der großen östlichen Bischöfe zeigt, schien diese Kalkulation auch zuerst aufgegangen zu sein. Ohne Richter gab es kein Urteil. Die Situation änderte sich erst als die hauptstädtischen Mönche die unkanonische Wahl des Anthimos dem Papst anzeigten und dieser auf die Einhaltung der Kanones pochte.
157 Vgl. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 170, Z. 46. 158 Vgl. Epistula Agapeti ad Petrum Hierosolymitanum (CPG 9325 (5)) (=ACO III, S. 152–153). Hier S. 153, Z. 3–5 und 25–28. 159 Die Synodalbriefe der beiden sind durch Pseudo-Zacharias überliefert. Zum Brief an Severos (CPG 7087) vgl. PS-ZACH, HE, IX, 21, S. 141–147 (BROOKS) (CPG 6995), ferner. vgl. G RUMEL, Regestes I, S. 166 f., Nr. 230. Der Brief an Theodosios (CPG 7087) bei P S-ZACH, HE, IX, 21, S. 163–168 (BROOKS) (CPG 6995), ferner vgl. GRUMEL, Regestes I, S. 167 f., Nr. 231. Johannes von Ephesos berichtet über das Schicksal des Anthimos in seiner Geschichte über das leben von fünf rechtgläubigen Patriarchen, vgl. JOH. EPH, Lives. 48 (PO 18).
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5.1.4 Die Sitzung V – Die Fälle Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und Zooras Nachdem der Fall Anthimos nun abgeschlossen war, machten sich die Teilnehmer der Synode daran, ihre Angriffe auf Severos und seine Mitstreiter zu richten. Bereits am Ende der vierten Sitzung erhoben die Bischöfe und Mönche ihre Stimmen, womöglich um sicherzustellen, dass die Synode nicht bei der Verurteilung des Anthimos Halt machte. Der Bischof Menas ermahnte aber die anderen Bischöfe und Mönche, dass erst der Kaiser über die Ergebnisse der Synode informiert werden müsse, weshalb die Fälle des Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und des Mönches Zooras auf einer eigens dazu angesetzten Sitzung behandelt werden müssen. Die Verhandlung gegen die angeklagten Miaphysiten fand am 4. Juni in der dafür anberaumten fünften und letzten Sitzung der synodos endemousa statt, was den Teilnehmern der Synode zwei Wochen Zeit gab, die Verhandlung vorzubereiten. Die fünfte Sitzung war folgendermaßen strukturiert:160 Zuerst wurden drei Briefe verlesen, einen, den die Bischöfe der Syria II, die sich nicht in der Hauptstadt befanden, an den Kaiser geschrieben hatten, sowie jeweils ein Brief der in der Hauptstadt befindlichen Mönche an Justinian und an Menas. Im Brief der Bischöfe war eine Bestätigung des Urteils gegen Anthimos enthalten sowie ein Glaubensbekenntnis. Die Briefe der Mönche wiederum bekräftigten neben dem Urteil gegen Anthimos ihre Forderung nach Verurteilung und Vertreibung der ohnehin schon verurteilten Miaphysiten und fassten noch einmal in ihrem Brief an Menas alle Vergehen auf, derer sich die Miaphysiten seit der Erhebung des Severos zum Bischof von Antiocheia schuldig gemacht haben sollen. Der Brief an Menas liest sich deshalb wie eine Anklageschrift mit entsprechender Urteilsforderung. Als zweiter Schritt folgte im Rahmen der Beweisaufnahme die Verlesung zahlreicher Dokumente, die um das Jahr 518 entstanden waren. Darunter zwei Briefe des Papstes Hormisdas an die Archimandriten der Syria II, die vor Beendigung des Akakianischen Schismas die Gemeinschaft mit Rom aufgenommen hatten, und an Epiphanios von Konstantinopel sowie mehrere Dokumente, die im Zusammenhang mit der synodos endemousa von 518 und ihren Bestätigungssynoden angefertigt worden waren, als Severos von Antiocheia und Petros von Apameia bereits ein erstes Mal verurteilt wurden. Darin waren alle Vergehen aufgezählt und verbürgt, derer Severos und Petros sich schuldig gemacht haben sollen. Ferner hatte gerade die Verlesung der Briefe des Hormisdas wohl auch einen programmatischen Zweck und liefert daher Einsichten über das Selbstverständnis der Akteure auf der Synode. Als dritter und letzter Schritt folgten dann die Urteilsverkündung durch den Patriarchen Menas und die Unterschriftenliste der Teilnehmer der Synode unter dem Urteil. Zudem wurde die als Novelle 42 in den Codex Iustinianus eingegan-
160 Zu den verschiedenen Dokumenten, die in der fünften Sitzung zitiert wurden mit kurzer Inhaltsangabe vgl. HEFELE/LECLERCQ, Histoire, S. 1150 f.
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gen und zwei Monate später von Justinian als Edikt erlassene Bestätigung des Urteils der Synode den Konzilsakten beigefügt. 5.1.4.1 Die Briefe der Mönche und Bischöfe an Justinian und Menas Als Erstes erfolgte in der fünften Sitzung die Verlesung des Briefes der Bischöfe der Syria II an Justinian.161 Darin legten die Bischöfe ihren Glauben wie folgt dar: Sie bekennen sich zur wesensgleichen Dreifaltigkeit sowie dazu, dass Christus in zwei Naturen erkannt wird, und „in einer Person und in einer Hypostase unvermischt, unverändert, unteilbar [ist]“.162 Sie verurteilen explizit Nestorios und Eutyches und lehren eine einzige Person und Hypostase und lehnen die Lehre der Anhänger des Eutyches ab, dass Christus zwei Naturen vor, aber nur eine Natur nach der Einheit besessen hätte. Sie bekennen sich zu den vier ökumenischen Konzilien und greifen jenen an, der diese nur zum Schein annimmt, aber in Wirklichkeit verurteilt. Jener solle vom Kaiser aus seinem Staat entfernt werden. Gemeint ist Anthimos.163 Ebenso verurteilen sie Severos und Petros, die bereits 518 verurteilt worden waren, und sie bekräftigen ihre Abscheu für Eutyches und Dioskoros. Sie bestätigen das Urteil des Agapet gegen Anthimos und schließen ihren Brief mit dem Wunsch, dass der Herr den Kaiser behüten möge. Was auffällt, wenn man die Unterschriftenliste des Briefes mit der Teilnehmerliste der Synode vergleicht, ist, dass die hier schreibenden Bischöfe nicht an der Synode teilnahmen. Es scheint, dass diese in der Zwischenzeit von den Teilnehmern der synodos endemousa über den Ablauf der Ereignisse informiert worden waren, sodass diese noch vor Einberufung der fünften Sitzung darauf mit einem Bestätigungsschreiben reagieren konnten. Das Glaubensbekenntnis gibt die christologische Formel Chalkedons wieder und auch die Verurteilung des Nestorios und Eutyches erfolgt in den gewöhnlichen chalkedonischen Bahnen. Die Bischöfe teilen wie die Teilnehmer der Synode die negative Sicht auf Dioskoros, der mit Eutyches auf eine Stufe gestellt wird, und ebenso die Sicht auf Anthimos, der als jemand beschrieben wird, der das Bekenntnis zu Chalkedon nur vortäuschte, weshalb er nun zurecht verurteilt wurde und vom Kaiser vertrieben werden soll. Zweifellos diente die Zitierung des Briefes dazu, die Autorität der Beschlüsse der Synode zu bekräftigen. Zudem fällt auf, dass zwischen der vierten Sitzung der synodos endemousa, deren Beschlüsse von den Bischöfen der Syria II in ihrem Brief rezipiert werden, und der fünften Sitzung des Konzils nur zwei Wochen liegen. Das heißt, innerhalb dieser kurzen Zeit gelangten die Beschlüsse der Synode zu den Bischöfen der Syria II, der Metropolit Paul von Apameia versammelte seine Suffragane, setzte den 161 Libellus episcoporum secundae Syriae ad imperatorum (CPG 9329 (1)) (ACO III, S. 30–32). 162 Libellus episcoporum secundae Syriae ad imperatorum (CPG 9329 (1)) (ACO III, S. 30–32) hier S. 30, Z. 39 – S. 31, Z. 1. 163 Vgl. Libellus episcoporum secundae Syriae ad imperatorum (CPG 9329 (1)) (ACO III, S. 30–32) hier S. 31, Z. 19–25.
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Brief auf, ließ die Bischöfe unterschreiben und sandte den Brief an die Teilnehmer der Synode in Konstantinopel, die der Brief pünktlich zur fünften Sitzung erreichte. Es erscheint sehr zweifelhaft, dass die Bischöfe der Syria II unvorbereitet gewesen sind. Zwar ist das im Brief dargelegte Glaubensbekenntnis sehr formelhaft und nicht innovativ, sodass sichtlich wenig Arbeit und Diskussion darin investiert wurde, doch muss Paul von Apameia trotzdem einige Zeit benötigt haben, die Bischöfe zu versammeln, um sie von der Synode in Konstantinopel zu unterrichten und ihre Unterschriften einzusammeln. Es scheint also, dass die Bischöfe der Syria II in die Planungen der Mönche und Bischöfe in Konstantinopel eingeweiht waren, sodass sie schnell reagieren konnten. Bereits im Zusammenhang der ähnlich aufgebauten Briefe der syrischen Mönche und Bischöfe an Agapet wurde die Möglichkeit diskutiert, dass die syrischen Mönche in Konstantinopel mit den ebenfalls in der Hauptstadt befindlichen Bischöfen kooperierten. 164 Wenn man die kurze Reaktionszeit der Bischöfe der Syria II bedenkt, wurden sie wahrscheinlich ebenfalls vor der Einberufung der Synode in die Planungen für den Sturz des Anthimos und die Verurteilung des Severos miteinbezogen. Es ist aber nicht ersichtlich, wer hier die Initiative ergriff. Denkbar ist, dass sich die syrischen Bischöfe durch die miaphysitischen Aktivitäten im Patriarchat von Antiocheia bedroht fühlten und deshalb den Kaiser zu einem Vorgehen gegen Severos von Antiocheia und die anderen Miaphysiten bewegen wollten. Der Aufbau einer miaphysitischen Parallelhierarchie hatte Justinian wahrscheinlich zu dem Schluss bewogen, dass die Verfolgungspolitik Justins gescheitert war, weshalb er auf Verhandlungen mit den Miaphysiten setzte. Die Bischöfe der Syria II setzten jetzt hingegen wohl erst recht auf ein verstärktes Vorgehen gegen Severos und seine Anhänger. Von seinen Aktivitäten waren sie in Syrien und Mesopotamien ja besonders betroffen. Möglicherweise erhofften sie sich, dass, wenn Severos erneut verurteilt würde, er diesmal festgesetzt und in die Verbannung geschickt werden könnte, wodurch sein Einfluss unschädlich gemacht würde. In dieselbe Richtung weisen auch die Forderungen auf der Synode 536, die Schriften des Severos zu verbrennen. Diese Maßnahme, die über die seine erste Verurteilung 518 hinausging, war wohl eine Reaktion auf den anhaltenden Einfluss des Severos im Patriarchat von Antiocheia. Einige der syrischen Bischöfe sind deshalb wohl in die Hauptstadt gereist, um sich für ein erneutes Vorgehen gegen ihn und seine Anhänger einzusetzen. Möglicherweise wurden diese von Mönchen begleitet, die auch den Kontakt mit den hauptstädtischen Mönchen herstellen sollten, um sich deren Unterstützung zu verschaffen. Oder die syrischen Mönche und Bischöfe befanden sich bereits in der Hauptstadt, als dann die hauptstädtischen Mönche sich an die Planungen einer Synode machten, und wurden dann von den hauptstädtischen Mönchen kontaktiert. Oder die Syrer, seien es die Mönche oder die Bischöfe, und die konstantinopolitanischen Mönche wurden unabhängig von einander aktiv und es kam dann in der Hauptstadt zur Bündelung der Kräfte, als die verschiedenen Gruppen der Pläne der anderen und der gemeinsamen Ziele gewahr wurden. Von wem beziehungsweise von wie vielen die Initiative ausging, ist letzt164 Vgl. Punkt 5. 1. 2. 4 Der Brief der orientalischen und palästinischen Bischöfe an Agapet.
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lich nicht mehr auszumachen, doch legen die Ähnlichkeit des Briefes der syrischen und hauptstädtischen Mönche mit dem der syrischen Bischöfe und die kurze Reaktionszeit der nicht in der Hauptstadt befindlichen Bischöfe der Syria II nahe, dass es bereits im Vorfeld der Synode 536 zur Kooperation der verschiedenen Gruppen gekommen sein muss. Nach dem Brief der Bischöfe der Syria II erfolgte dann nahtlos die Verlesung des Briefes der in der Hauptstadt weilenden Mönche an Justinian. 165 Darin bekräftigen sie ihre Verurteilung des Severos und Petros sowie des Eutyches und Dioskoros und aller, die den Lehren jener folgen. Einer von ihnen ist der syrische Mönch Zooras, der Chalkedon verurteilt, Nebengottesdienste in der Stadt feiert und Nebentaufen abhält. Die Mönche bitten den Kaiser, den Brief, den sie dem Bischof Menas übergaben, als kanonisch aufzunehmen und, was darin ausgeführt ist, umzusetzen. Der Schreiber dieses Briefes war Marianos, der Archimandrit des Dalmatios-Klosters. Mit ihm unterschrieben 97 Mönche und Archimandriten aus der Hauptstadt, der Syria II und Palästina III den Brief. Im Anschluss folgte die Verlesung des Briefes der Mönche an Menas.166 Der Brief greift zu Beginn die Erfüllung des Urteils gegen Anthimos auf, das heißt seine Verurteilung auf der Synode, die rechtmäßig erfolgte, nachdem Anthimos gegen die Kanones verstoßen hatte und sich weigerte, den katholischen Glauben zu bekennen. Gott wird gedankt, der durch den Kaiser die Einheit der Kirche wiederherstellte. Doch der Teufel handle weiter durch seine Werkzeuge Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und all ihre Anhänger. Es folgt eine Aufzählung aller Verbrechen der Miaphysiten, beginnend mit den Untaten des Severos während seiner Amtszeit als Bischof von Antiocheia. Severos verurteilte unzählige Male Chalkedon und den Tomus Leonis und brachte die Bischöfe seines Patriarchats mit „Gewalt und Zwang und ganzer Hinterlist“ 167 dazu, es ihm gleichzutun. Jedoch habe es Severos nicht geschafft, die Anerkennung aller Klöster zu erlangen, womit die Schreiber des Briefes die große Rolle des mönchischen Widerstandes gegen Severos betonen. Ferner sei Severos für zahlreiche Anschläge gegen chalkedonische Klöster und Mönche verantwortlich. Der große Skandal um die Tötung von 350 Mönchen wird eigens erwähnt und als Menschenopfer des zum Heiden stilisierten Severos dargestellt.168 Ferner nahm Severos das Henotikon nicht auf und stiftete seine Anhänger dazu an, dies ebenfalls nicht zu tun. Er fügte Petros den Iberer und Petros Mongos in die Diptychen ein und sei verantwortlich für die zahlreichen Unruhen in Alexandreia. All diese Verbrechen der Miaphysiten seien überall bekannt, weshalb sie seinerzeit auch von Papst Hormisdas und den anderen rechtgläubigen Patriarchen verurteilt wurden.169 Doch nachdem die Mia165 Libellus monachorum ad imperatorem (CPG 9329 (2)) (=ACO III, S. 32–38). 166 Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52). 167 Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 39, Z. 24. 168 Vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 40, Z. 9–11. 169 Vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 41, Z. 35 – S. 42, Z. 2.
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physiten in Syrien und Ägypten gewütet hatten, zogen sie in die Hauptstadt, um auch diese in Verwirrung zu stürzen. Dort hielten sie an öffentlichen und privaten Orten Nebengottesdienste und Taufen ab, verurteilten unzählige Male Chalkedon und den Tomus Leonis, verführten die Gläubigen und verschafften sich von diesen Geld.170 Doch die Mönche, die dies berichten, schöpfen Hoffnung, weil nun ein rechtgläubiger Kaiser herrscht und die Mönche um das Urteil gegen diejenigen wissen, die die Gläubigen vom rechten Weg wegführen wollen.171 Der Kurs des Kaisers, der nun die Miaphysiten vertreiben will, wird gelobt, nicht aber ohne seinen vorherigen langmütigen Kurs ihnen gegenüber indirekt zu kritisieren. Sie schreiben, dass der Kaiser diejenigen Miaphysiten die sich in der Kaiserstadt und ihren Vororten versteckt halten, den Prozess machen soll, weil diese sich weigern, vernunftgemäß und ruhig in der Stadt zu leben, trotz des unbeschreiblichen und langen Entgegenkommens des Kaisers, der die Rettung der Häretiker anstrebte. Stattdessen verachteten sie seine überbordende Menschenfreundlichkeit in anmaßender Arroganz, wodurch sie diese verwirkten.172 Die Mönche fordern deshalb, dass nun alle Miaphysiten – genannt wird an dieser Stelle auch explizit der Mönch Zooras – aus der Stadt vertrieben und all ihre Schriften verbrannt werden sollen. Aus der Angabe, dass das Urteil gegen Anthimos erfüllt worden ist, geht hervor, dass der Brief nach der vierten Sitzung der Synode geschrieben worden ist. Es scheint, dass der Verfasser dieses Briefes173 Marianos, der Archimandrit des Dalmatios-Klosters und Exarch der hauptstädtischen Klöster, nun erneut die in der Hauptstadt befindlichen Mönche mobilisierte, um eine Art Anklageschrift anzufertigen. Denn der Brief enthält zusammengefasst alle Verbrechen, derer Severos, Petros und Zooras beschuldigt werden. Dies betrifft sowohl die Verurteilung Chalkedons oder des Henotikons, die gewalttätigen Übergriffe auf die Mönche und Klöster während der Amtszeit des Severos, als auch die Vorwürfe gegen die nun in der Hauptstadt tätigen Miaphysiten. Auch fehlt nicht der Hinweis darauf, dass sie bereits von dem römischen, dem antiochenischen, dem Jerusalemer und dem hauptstädtischen Bischofsstuhl verurteilt worden sind. Der Brief stellt also nochmals knapp die Vorwürfe gegen Severos und seine Anhänger zusammen und leitet damit die Beweisaufnahme gegen sie ein, die aus der Anführung zahlreicher Dokumente aus dem Jahr 518 besteht, als Severos das erste Mal verurteilt und vertrieben wurde. 170 Vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 41, Z. 26–35. 171 Vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 42, Z. 14–17 und Z. 24-26. Die Mönche verweisen an dieser Stelle auf (Mt 18, 6). 172 Vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 43, Z. 16–24. 173 Zumindest liegt seine Unterschrift an erster Stelle der Unterschriftenliste nahe, dass er die federführende Person hinter dem Brief ist. Für seine Unterschrift siehe Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329 (3)) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 44, Z. 17–18, N. 1. Marianos mobilisierte 139 Archimandriten und Mönche, die den Brief unterschreiben.
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Zudem findet sich wieder eine kleine Spitze gegen den Kaiser, den man zwar für seine Nächstenliebe und seinen Willen, die Häretiker zur Umkehr zu bewegen, lobt, jedoch dieses Lob dadurch konterkariert, dass man darauf hinweist, dass dieses Bemühen sinnlos ist und man den Häretikern ungerechterweise erlaubt, ihre Verurteilungen gegen den rechten Glauben auszustoßen. Dadurch gerieten die Gläubigen in Gefahr, vom rechten Weg abzukommen. Nach der Verlesung des Briefes an Menas beschließt die Synode, den Brief 174 des Hormisdas an die Presbyter und Archimandriten der Syria II vorzulesen, mit dem Hormisdas den syrischen Archimandriten antwortete, nachdem diese sich ihm 517 unterstellt hatten.175 5.1.4.2 Die beiden Briefe des Hormisdas In dem eben genannten Brief lobt Hormisdas die Standhaftigkeit der Archimandriten angesichts der miaphysitischen Bedrückung unter Severos und Petros und tröstet sie mit der Verheißung auf das ewige Leben, das die Rechtgläubigen sich durch ihre Treue verdienen. Deshalb sollen diese weiterhin standhaft bleiben und sich den Häretikern widersetzen, indem sie an den vier ökumenischen Konzilien und den Tomus Leonis festhalten. Jedoch enthält sich Hormisdas auch nicht eines Tadels dafür, dass die Archimandriten zuvor nicht mit Rom in Gemeinschaft gestanden hatten, weil diese Akakios anerkannten. Auch sollen die Archimandriten sich nicht durch Laien belehren lassen, weil diesen keine Belehrung zustehe. Dabei verweist er auf Usija, der sich als König ungeziemenderweise des Priesteramtes bemächtigt hatte, weshalb er schließlich die Königswürde verlor. Ansonsten scheint der Brief keine relevanten Informationen betreffs der Fälle Severos und Petros zu enthalten, weshalb sich die Frage stellt, wozu er in der fünften Sitzung, noch dazu zu Beginn der Beweisaufnahme zitiert wird. Denn der Brief geht nur in unkonkreten Worten auf die Vergehen der Miaphysiten ein, die in den weiteren präsentierten Dokumenten ausführlich beschrieben werden, sodass der Brief in dieser Hinsicht keinen Mehrwert bietet. Der Grund für die Anführung dieses Briefes dürfte wohl die Kritik sein, die Hormisdas an herrschende Laien äußert. Dieser Ausspruch des Hormisdas, der Laien, auch wenn sie Könige seien, abspricht, sich in kirchliche Belange einzumischen, wandte sich seinerzeit an Anastasios. Er war aber so allgemein formuliert, sodass diese autoritative Aussage des Papstes potenziell gegen jeden Kaiser ins Feld geführt werden konnte. Dass 174 Der Brief wurde in griechischer Übersetzung auf dem Konzil zitiert, siehe Epistula Hormisdae papae ad clerum et archimandritas secundae Syriae (CPG 9201; 9329 (4)) (=ACO III, S. 52–56). Ferner ist er in lateinischer (und griechischer) Fassung in der Collectio Avellana erhalten, siehe Coll. Avell. 140, S. 572–585. Eine deutsche Übersetzung auf Grundlage des lateinischen Textes liegt bei SUERMANN, Gründungsgeschichte, S. 76–78 vor. 175 Der Brief der Archimandriten, in dem sie Akakios und seine Nachfolger verurteilten und die Gemeinschaft mit Rom eingingen ist in der Collectio Avellana erhalten, siehe Coll. Avell. 139 (CPL 1684), S. 565–571. Eine deutsche Übersetzung liegt bei S UERMANN, Gründungsgeschichte, S. 76–78 vor.
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die Beweisaufnahme mit einem solchen Text beginnt, hatte wohl programmatische Gründe. Die synodos endemousa stärkte mit solchen Ausführungen ihre eigene Autorität gegenüber dem Kaiser und konnte ihn gleichzeitig ermahnen und tadeln, ohne ihn explizit zu nennen. Es lohnt sich deshalb, einen genaueren Blick auf die entsprechende Passage des Hormisdas-Briefes zu werfen: Niemand solle die Mönche durch unangemessene Vorschriften und neue Unterweisungen176 erschüttern. Denn, wenn es sich um Laien handelt, besitzen diese innerhalb der Kirche keine Autorität, denn Laien haben keine Lehrbefugnis, vielmehr sei es an ihnen, selbst zu lernen. Denn Gott teilte das Amt zwischen den Leviten und dem Volk. Das eine sei das der Dienst des Priestertums und das andere das an den Menschen. Weil aber einst Usija sich das Priestertum angemaßt hatte, obwohl es ihm nicht zukam, verlor er sein königliches Amt. Gott toleriere nämlich nicht, wenn jemand versucht aus eigener Autorität heraus das Priesteramt zu rauben.177 Mit diesen Zeilen scheint sich Hormisdas jedes theologische Eingreifen in die Kirche durch den Kaiser verbitten zu wollen. Der Brief entstand gegen Ende der Herrschaft des Anastasios, als dieser immer mehr die Sache der Miaphysiten zu verteidigen schien. Der Kaiser, dessen Autorität zuvor nicht in Frage gestellt worden war, wurde nun, wo er nicht der Sache des rechten Glaubens diente, als Störenfried in der Kirche wahrgenommen. Dies warf dann auf römischer Seite die Frage auf, inwieweit es für einen Kaiser überhaupt angemessen sei, sich in kirchliche Belange einzumischen. Dieses gelasianische Denken, das dem Kaiser in kirchlichen Belangen Konkurrenz machen wollte, gelangte durch den Brief des Hormisdas nach Syrien, wo es über die syrischen Archimandriten nach Konstantinopel kam. Dabei ist jedoch nicht klar, ob er bereits um 518 in die Hauptstadt gebracht wurde, um die dortigen Chalkedonier gegen die Miaphysiten anzustacheln und zum Einsatz für den rechten Glauben zu ermahnen, oder ob er erst in den 530er Jahren von syrischen Archimandriten mitgebracht wurde, um ihn gegen den justinianischen Kurs einzusetzen. Auch wenn diese Frage wohl nicht beantwortet werden kann, bleibt festzuhalten, dass der Brief durch seine allgemeine Formulierung gegen jeden Kaiser eingesetzt werden konnte. Und auch wenn die Kaiser im Osten immer einen maßgeblichen Einfluss in der Kirche behielten und dies vom östlichen Klerus nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurde, versuchten die Bischöfe und Mönche auf der synodos endemousa 536, dieses gelasianische Konzept, das im Brief des Hormisdas niedergelegt war, für sich nutzbar zu machen. Indem sie das kaiserliche Vorgehen indirekt kritisierten, indem sie einen päpstlichen Brief zitierten, vermieden sie es gleichzeitig, sich die Blöße zu geben, Justinian mit Namen zu nennen.
176 Im lateinischen Text „nouis institutis“, siehe Coll. Avell. 140, S. 582, 8 f. Ιm griechischen Text ebd., „νεωτέροις ὁρίσμασι“ S. 583, Z. 9 beziehungsweise ACO III, S. 55, Z. 27. 177 Vgl. Epistula Hormisdae papae ad clerum et archimandritas secundae Syriae (CPG 9201; 9329 (4)); Coll. Avell. 140, S. 583, Z. 8 – S. 585, Z. 5 beziehungsweise ACO III, S. 55, Z. 26 – S. 56, Z. 5.
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Auf die Verlesung des Briefes des Hormisdas an die Archimandriten der Syria II folgt nahtlos der Brief an Epiphanios von Konstantinopel. 178 Hormisdas drückt darin seine große Freude darüber aus, dass die Einheit zwischen Rom und Konstantinopel wiederhergestellt worden ist und sowohl die Bischöfe des Ostens als auch der Kaiser vom rechten Glauben beseelt sind. Er führt die Notwendigkeit an, dass sich der Kaiser und der Klerus – jeder auf seine Weise – für den rechten Glauben einsetzen muss. Die Kaiser müssen ihre Regierung mit dem rechten Glauben verbinden und die Bischöfe ihrerseits dem Kaiser im Rahmen ihrer bischöflichen Aufgaben dienen. Auf diese Weise können Kaiser und Bischöfe die Uneinigkeit überwinden und den Frieden in der Kirche wiederherstellen.179 Weiter unterstreicht Hormisdas, dass Rom anders als die verschiedenen Kirchen des Ostens nie der Häresie verfiel und betont die Wichtigkeit der Eintracht innerhalb der Gemeinschaft der Rechtgläubigen sowie die Wichtigkeit der Einhaltung der Kanones.180 Ferner sollen alle aus der Kirche ausgeschlossen werden, die sich weigern den rechten Glauben zu bekennen, beziehungsweise die in der Häresie verbleiben sowie alle, die den rechten Glauben nur zum Schein bekennen.181 Drei Punkte des Briefes sind also relevant: 1) Der Kaiser und der Klerus müssen zur Verteidigung des rechten Glaubens zusammenarbeiten und jeder sich auf seine Weise für die Kirche einsetzen, 2) die Gemeinschaft mit Rom ist zentral für die Verteidigung des rechten Glaubens und der Kanones und 3) nicht nur alle offenen Häretiker, sondern auch alle, die sich den Schein der Rechtgläubigkeit geben, müssen aus der Kirche ausgeschlossen werden. Beim dritten Punkt dürfte es sich – im Rahmen der Verlesung – um eine weitere Spitze gegen Anthimos handeln, aber eben auch gegen alle anderen Bischöfe, die zwar Chalkedon bekennen, aber trotzdem mit den Miaphysiten Umgang hatten. Dass Anthimos nur einer – wenn auch der Schlimmste – von vielen sei, schrieben die Mönche an Agapet.182 Der zweite Punkt macht die Autorität des römischen Stuhls stark, was auch im Sinne der synodos endemousa von 536 war, weil diese sich auf das Urteil Agapets stützte. Auch werden hier die Kanones angesprochen, die ja 535 mit der Einsetzung des Anthimos verletzt worden waren 178 Der lateinische Text mit griechischer Übersetzung findet sich in der Collectio Avellana, Coll. Avell. 237, S. 722–733. Der griechische Text wurde auf der synodos endemousa zitiert. Epistulae Hormisdae papae ad Epiphaniam Cpolitanum (CPG 9301; 9329 (5)) (ACO III, S. 56– 59). 179 Vgl. Epistulae Hormisdae papae ad Epiphaniam Cpolitanum (CPG 9301; 9329 (5)); Coll. Avell. 237, lateinisch S. 724, Z. 3–9, griechisch S. 725, Z. 4–9 beziehungsweise ACO III, S. 56, Z. 27–30. 180 Vgl. Epistulae Hormisdae papae ad Epiphaniam Cpolitanum (CPG 9301; 9329 (5)); Coll. Avell. 237, lateinisch, S. 726, Z. 11–14, griechisch S. 727, Z. 12–15 beziehungsweise ACO III, S. 57, Z. 20–25. 181 Vgl. Epistulae Hormisdae papae ad Epiphaniam Cpolitanum (CPG 9301; 9329 (5)); Coll. Avell. 237, lateinisch, S. 728, Z. 7–12, griechisch S. 729, Z. 8 –13 beziehungsweise ACO III, S. 57, Z. 38 – S. 58, Z. 4. 182 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, Z. 5–15.
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und die durch die Hilfe Roms wiederhergestellt worden sind. Vielleicht erhofften sich die Bischöfe und Mönche, dass der Kaiser in Zukunft nicht mehr einen auswärtigen Bischof zum Bischof der Hauptstadt machen würde, sondern einen Kandidaten aus dem heimischen Konstantinopel wählen werde. Dies würde dann auch eine chalkedonische Einstellung garantieren. Der erste Punkt im Brief wiederum ruft den Kaiser zur Mitarbeit für den Schutz der Kirche auf. Zwar kritisierte Hormisdas zuvor, dass ein Kaiser nicht eigene Lehren in die Kirche einbringen solle, doch hieß das nicht, dass die staatliche und kirchliche Sphäre getrennt werden sollten. Vielmehr sollen die Kaiser Grundlagen des Glaubens mit der Ordnung des Staates verbinden.183 Das heißt, er soll die kirchlichen Verfügungen mit Hilfe der weltlichen Gewalt durchsetzen und letztlich die Häretiker aus der Hauptstadt und überhaupt aus dem Staat vertreiben. 5.1.4.3 Die Dokumente im Zusammenhang mit der synodos endemousa 518 Nach der Verlesung der Hormisdas-Briefe wies Menas von Konstantinopel die Notare an, die weiteren Dokumente zu verlesen, die direkt die Fälle Severos und Petros behandelten. Dabei handelte es sich um Texte, die im Zusammenhang mit der synodos endemousa in Konstantinopel im Jahr 518 entstanden waren. Dies waren in der Reihenfolge der Verlesung: die Bitte der Kleriker und Mönche von Antiocheia an den Patriarchen Johannes von Konstantinopel und die synodos endemousa 518, die Anaphora der synodos endemousa an Johannes von Konstantinopel, der Brief der in der Hauptstadt anwesenden Mönche an die synodos endemousa, die Akklamationen des Volkes im Jahr 518 wenige Tage vor Einberufung der Synode, der Brief des Johannes von Konstantinopel an Johannes von Jerusalem, der Brief des Johannes von Konstantinopel an Epiphanios von Tyros, der Antwortbrief des Johannes von Jerusalem, der Brief des Epiphanios an die synodos endemousa, der Bericht über die Akklamationen des Volkes in Tyros, der Brief der Bischöfe der Syria II an die synodos endemousa und die beigefügten Akten über die Gerichtsverhandlung gegen Petros von Apameia.184 Schon der Umfang dieses Beweismaterials gegen Severos und Petros fällt ins Auge. Die angeführten Dokumente machen etwa ein Drittel des gesamten Textcorpus der Konzilsakten von 536 aus. Nimmt man die weiteren Texte der fünften Sitzung hinzu steigt der Anteil der gegen Severos und Petros angeführten Dokumente noch. Dies lässt wenig Zweifel aufkommen, gegen wen die Synode 536 gerichtet war. 183 Vgl. Epistulae Hormisdae papae ad Epiphaniam Cpolitanum (CPG 9301; 9329 (5)) (ACO III, S. 56-59) hier S. 56, Z. 27 f. 184 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77); Epistula synodi Hierosolymitanae a. 518 (CPG 9301; 9329 (7)) (=ACO III, S. 77–80); Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85); Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110).
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Die Dokumente behandeln die Vergehen des Severos während seiner Amtszeit in Antiocheia, die Verbrechen des Petros von Apameia, sowie deren Verurteilung durch die Synoden in Konstantinopel, Tyros, Jerusalem und Apameia im Jahr 518. Da die Geschehnisse 512-518 bereits weiter oben behandelt wurden, soll an dieser Stelle nur kurz auf den Inhalt der betreffenden Akten eingegangen werden, während hauptsächlich die Rolle der Akten für die Synode von 536 im Fokus stehen soll.185 Das Beweismaterial lässt sich grob in zwei Gruppen unterteilen. Einerseits die Texte, die in Konstantinopel von den Mönchen und Bischöfen im Zusammenhang mit der synodos endemousa angefertigt wurden und andererseits die Bestätigungsschreiben der Bischöfe und Mönche aus Phönizien, Syrien und Jerusalem, die die Beschlüsse der synodos endemousa bestätigten. Zur ersten Gruppe gehören die Anaphora der Synode, die die Beschlüsse der Bischöfe an Johannes von Konstantinopel weiterleitete, und, daran angefügt, der Brief der hauptstädtischen Mönche an die Synode, sowie das Protokoll über die Akklamationen des Volkes einige Tage vor Einberufung der Synode.186 518 wurde von den Bischöfen und Mönchen in der Stadt die Verurteilung des Severos gefordert sowie die Rehabilitierung des Euphemios und Makedonios, die von Kaiser Anastasios abgesetzt und verbannt worden waren. Ferner sollte das Konzil von Chalkedon nun öffentlich vom Bischof von Konstantinopel aufgenommen und zu Ehren des Konzils ein Gottesdienst gefeiert werden. Verknüpft wurden diese Forderungen mit dem Verweis auf die Rechtgläubigkeit des damaligen Kaisers Justin, der Anastasios auf den Thron gefolgt war. Diese Forderungen, die vom Volk, zahlreichen Mönchen und Bischöfen gestellt und in einem Protokoll festgehalten wurden, wurden von der eigens zu diesem Zwecke einberufenen synodos endemousa 518 umgesetzt. Die Mönche der Stadt wandten sich zusätzlich in einem Brief an die noch tagende Synode,187 bestätigten ihre Beschlüsse und forderten nun auch die Rückführung der Überreste des Euphemios und Makedonios nach Konstantinopel. Ferner bekräftigten sie ihre Forderung nach der Verurteilung des Severos. Der Brief der Mönche wurde zusammen mit dem Protokoll sowie der Forderungen des Volkes, der Mönche und Bischöfe der Anaphora der synodos endemousa angefügt, die Johannes von Konstantinopel übergeben wurde, damit dieser die Beschlüsse der Synode bestätige und an den Kaiser weiterleite.
185 Für die Ereignisse in den Jahren 512–518 siehe die Punke 2. 2 Die Situation in Syrien 512– 518 und 3. 1 Die Synoden von 518 und die Verurteilung des Severos. 186 Für die Anaphora der synodos endemousa an Johannes von Konstantinopel siehe ACO III, S. 62–66, für den Brief der Mönche an die Synode ACO III, S. 67–71, die Akklamationen des Volkes ACO III, S. 71–76, den Brief des Johannes von Konstantinopel an Epiphanios von Tyros ACO III, S. 76–77 und den Brief des Johannes von Konstantinopel an Johannes von Jerusalem ACO III, S. 77. 187 Dass die Synode zu diesem Zeitpunkt noch tagte beziehungsweise noch nicht abgeschlossen war, geht daraus hervor, dass die Mönche in ihrem Brief einige der Beschlüsse, die die Synode offensichtlich schon gefällt hatte, bestätigten und weitere Forderungen erhoben, die sich später in der Anaphora wiederfanden, die alle Beschlüsse der Synode festhielt.
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Die synodos endemousa des Jahres 518 spielt für die Synode 536 in dreierlei Hinsicht eine große Rolle. Denn die Synode von 518 stellte 1) insofern eine Besonderheit und ein Vorbild für die Akteure von 536 dar, als dass sich hier zum ersten Mal unabhängig vom Kaiser und vom Bischof der Hauptstadt eine Synode organisiert hatte. 2) Beanspruchte sie für sich, einen Patriarchen absetzen zu können. Zwar wurde bereits Euphemios von einer synodos endemousa abgesetzt, doch ging dem ein Absetzungsurteil des Kaisers voraus und die Bischöfe hielten über einen Patriarchen des eigenen Patriarchats Gericht und nicht über einen Patriarchen außerhalb des Jurisdiktionsgebiets von Konstantinopel. Bei der synodos endemousa 518 wurden also nicht einfach nur innere Angelegenheiten des hauptstädtischen Patriarchats abgehandelt. Und 3) konnte die Synode von 536 geltend machen, dass sie mit ihrer Forderung, Severos zu verurteilen, lediglich die ohnehin anerkannten Beschlüsse von 518 bestätige und durchsetzte. Sie setzte also kein neues Recht, sondern verteidigte nur bestehendes. Dadurch wurde gleichzeitig auch indirekt der Kurs Justinians, der sich auf die Miaphysiten zubewegen wollte, delegitimiert, da seine Politik von der des Justin I. abwich, der in den Dokumenten von 518 viele Male als rechtgläubig ausgerufen wurde. Die Delegitimierung jedes gegenüber Severos freundlichen Verhaltens wurde um so größer, insoweit die Ergebnisse der synodos endemousa 518 durch die synodalen Beschlüsse in Syrien, Phönizien und Palästina bestätigt wurden und Johannes II. von Konstantinopel 518 die Ereignisse in Konstantinopel als von Gott herbeigeführt darstellte.188 Die Rolle der Akten der synodos endemousa 518 bestand also vor allem darin, die Autorität der Bischöfe und Mönche des Jahres 536 zu stärken. Auch die zweite Gruppe an Texten189 diente der Legitimation der Akteure von 536, wenn auch mit anderem Schwerpunkt. Hier waren alle Belege für die Vergehen des Severos von Antiocheia und des Petros von Apameia zusammengestellt. Die aufgeführten Vergehen waren folgende: Die Verurteilung Chalkedons durch Severos und Petros, die Einfügung von Miaphysiten in die Diptychen, das Vollziehen unkanonischer Weihen durch Severos und der Überfall auf eine Gruppe von Mönchen, die zum Symeon-Heiligtum pilgerte, wobei 350 Mönche zu Tode ka188 In seinem Brief an Johannes von Jerusalem schrieb er: „Nachdem nun vom Himmel her irgendeine göttliche Einwirkung des christusliebenden Volkes dieser kaiserlichen Stadt geschah“. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 76, Z. 31–33; in seinem Brief an Epiphanios von Tyros S. ebd., S. 77, Z. 5–6: „Denn sieh, es ergab sich ein himmlischer Aufstand gegen die Abtrünnigen der Kirche durch den Geist Gottes.“ 189 Zum Brief der Kleriker und Mönche von Antiocheia an Johannes von Konstantinopel und die synodos endemousa siehe Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60-77), hier S. 60–62, den Antwortbrief des Johannes von Jerusalem an Johannes von Konstantinopel Epistula synodi Hierosolymitanae a. Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80-85), den dem Brief des Epiphanios angefügten Bericht über die Akklamationen des Volkes von Tyros ACO III, S. 85–90, den Brief der Kleriker der Syria II Epistulae synodi episcoporum secundae Syria (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90-110), hier S. 90–92, und schließlich die Akten der Verhandlung des Falles Petros von Apameia Epistulae synodi episcoporum secundae Syria (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90-110), hier S. 92–110.
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men. Dieser große Skandal wurde auch im Brief der Mönche an Menas erwähnt, der zu Beginn der fünften Sitzung verlesen wurde. Die Mönche, die an Menas schrieben, waren also gut vorbereitet und hatten die verschiedenen Dokumente des Jahres 518 bereits gesichtet, als sie ihren Brief an Menas abfassten. Ferner werden in den Dokumenten einige Vergehen aufgelistet, derer sich Petros von Apameia im Besonderen schuldig gemacht haben soll. Er wird für zahlreiche Angriffe auf chalkedonische Klöster in der Syria II verantwortlich gemacht, darunter auf die Klöster in Nikerta, Oraga und Larissa, sowie für die Verhaftung einiger chalkedonischer Mönche. Er soll sich außerdem am Vermögen der Kirche von Apameia vergriffen haben, um mit den Geldern eine Schar unedler Frauen zu versorgen. Zudem wurde er auch unzüchtigen Verhaltens gegenüber einiger dieser Frauen, unter denen auch Schauspielerinnen waren, für schuldig befunden. Und ferner soll er in Gegenwart apameiischer Kleriker Gott gelästert haben.190 Das Motiv der unzüchtigen Speisungen von Frauen findet sich bezeichnenderweise auch bei den Anschuldigungen gegen Zooras.191 Diese zweite Gruppe von Texten diente also als Beweismittel, um das vorgefasste Urteil der Synode 536, die über die Miaphysiten zu Gericht saß, zu begründen und zu rechtfertigen. Nach Ende der Beweisaufnahme folgte sodann die Urteilsverkündung. 5.1.4.4 Zooras und die Nebentaufen und Nebengottesdienste in der Hauptstadt Vor der Behandlung des abschließenden Urteils der Synode soll noch ein weiterer Punkt der Synode in den Blick genommen werden: der Mönch Zooras. Neben Severos und Petros, ist Zooras der einzige unter den Miaphysiten, der von der Synode mit Namen genannt wird und vertrieben werden soll. Es stellt sich deshalb die Frage, was diesen einfachen Mönch in den Augen der Chalkedonier so besonders beziehungsweise so gefährlich machte, dass sie sich mit ihm beschäftigten. In gewisser Weise stellten sie ihn dadurch auf eine Stufe mit Severos, der immerhin einer der großen Führungsgestalten der Miaphysiten war, sowie mit Petros von Apameia, der sich in seiner kurzen Amtszeit viele Feinde in Syrien gemacht hatte.192 In den Blick fallen im Zusammenhang mit Zooras die Nebentaufen und Nebengottesdienste, die er gemäß den Berichten der Mönche und Bischöfe in der Hauptstadt gefeiert hatte. Auch Johannes von Ephesos erwähnt diese Gottesdiens190 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110. Siehe ferner die Punkte 2. 2. 5 Der chalkedonnische Widerstand in der Syria II und 2. 2. 6 Eskalationen der Gewalt in der Syria II. 191 Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 148, Z. 35–36. 192 Doch auch an der miaphysitischen Tradition ist Zooras nicht spurlos vorübergegangen. Er findet sich unter den östlichen Heiligen, deren Lebensbeschreibungen Johannes von Ephesos schrieb. JOH. EPH., Lives, 2, S. 18–36 (PO 82). Zur Geschichte des Zooras bei Johannes mit einer Analyse ihres Quellenwerts vgl. HASSE-UNGEHEUER, Mönchtum, S. 261–272.
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te in der Lebensbeschreibung des Zooras. Dieser sei, nachdem er in die Stadt gekommen war, vor den Kaiser getreten und habe von ihm die Erlaubnis erhalten, Versammlungen abzuhalten. Diese Information ist auch deshalb interessant, weil sich die Mönche, die sich bei Papst Agapet über die Aktivitäten des Zooras beschweren, wiederum auf ein kaiserliches Verbot, Nebengottesdienste zu feiern, berufen, dessen Übertretung sie Zooras für schuldig erklären.193 Aber hier stellt sich die Frage, was genau diese „Nebengottesdienste“ eigentlich sind. Der Brief der Mönche an Menas spricht von „παρασυνάξεις“194, ebenso der Brief der Mönche an Agapet und der Brief der syrischen und palästinischen Bischöfe an Agapet. Handelt es sich um ‚Gottesdienste der Anderen’, oder um Gottesdienste, die ‚an sich anders’ sind? Der Ausdruck taucht schon im Brief des Epiphanios von Tyros an die synodos endemousa 518 auf. Dort schreibt er von einem gewissen Johannes, einem miaphysitischen Klostervorsteher, der den Miaphysiten in Tyros das Kloster der heiligen Gottesgebärerin als Kirche zur Verfügung stellte. Dieser habe bei seiner Rückkehr nach Tyros den Miaphysiten das Gebetshaus der Gottesgebärerin übergeben, das den Stadtbewohnern als Kirche diente, und feierte darin Nebengottesdienste (παρασυνάξεις) und hielt Nebentaufen (παραφωτίσματα) ab, was zur großen Verwirrung im Volk gesorgt hätte.195 Die Frage nach der Bedeutung des „Neben-“ beziehungsweise „Para-“ stellt sich auch bei dem Ausdruck ‚Nebentaufen’ (παραβαπτίσματα)196, der in Kombination mit den Nebengottesdiensten genannt wird. Vermutlich wurden mit diesen Ausdrücken vor allem die Gottesdienste und Taufen der Anderen bezeichnet, wobei wohl auch eine Rolle gespielt haben wird, dass sich diese Gottesdienste der Miaphysiten in einigen Dingen von den chalkedonischen unterschieden. Das heißt, mit dem Ausdruck ‚Nebengottesdienste’ wurden sowohl 193 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 138, Z. 39 – S. 139, Z. 2. Zur Erlaubnis Justinians, dass die Miaphysiten wieder offen in der Hauptstadt und im übrigen Reich Gottesdienste feiern durften vgl. J OH. EPH., Lives, 2, S. 25 f. (PO 82). Ferner erwähnt Johannes auch, dass die Chalkedonier vor Ankunft des Zooras in der Hauptstadt Briefe geschrieben hatten, in denen sie vor ihm warnten. Möglicherweise sind damit die Briefe der Mönche und Bischöfe in der Hauptstadt an Agapet gemeint. In diesem Fal le hätte Johannes die Abfassung der Briefe etwas vorverlegt, möglicherweise um seinem Heiligen einen ihn vorauseilenden Ruf zu verleihen. 194 Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329 (3)) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 41, Z. 27 f., S. 43, Z. 10, 15, und 26. Zum Brief der Mönche an Agapet siehe Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, Z. 1, hier als Verb „παρασυνάξαι“; im Brief der Bischöfe an Agapet Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 148, Z. 34 f. 195 Vgl. Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85) hier S. 82. Z. 38 – S. 83, Z. 4. 196 Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329 (3)) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 41, Z. 28; S. 43, Z. 10, 15; Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, Z. 1 parallel zu „παρασυνάξαι“ ebenfalls als Verb „παραβαπτίσαι“ und Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 148, Z. 35. Epiphanios benutzt in seinem Brief für Nebentaufe den Begriff „παραφωτίσματα“ Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85) hier S. 83, Z. 3.
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‚Gottesdienste der Anderen’ als auch ‚an sich andere Gottesdienste’ beschrieben. Einige Dinge, bei denen sich chalkedonische und miaphysitische Gottesdienste unterscheiden konnten, wurden bereits angesprochen. Diese Unterschiede betrafen zum Beispiel die Diptychen. Zwar unterschieden diese sich ohnehin lokal auch innerhalb der chalkedonischen und miaphysitischen Lager, doch begannen einzelne Gemeinden Namen ohne lokale Tradition einzutragen, die mit dem Bekenntnis der jeweils anderen christologischen Partei nicht vereinbar waren. Das betrifft sowohl die Einfügung der profilierten Miaphysiten Dioskoros von Alexandreia und Timotheos Ailuros in die Diptychen von Apameia als auch die Eintragung Papst Leos und des Konzils von Chalkedon in die Diptychen Konstantinopels.197 Auch begann man in Konstantinopel seit dem Jahr 518, jährlich einen Gottesdienst zu Ehren der vier ökumenischen Konzilien am 16. Juli zu feiern, sodass das chalkedonische Bewusstsein der Stadt liturgisch untermauert wurde. Das eigene christologische Bekenntnis wurde zunehmend mit der Art und Weise verbunden, wie man seinen Gottesdienst feierte. Änderungen hinsichtlich des gewohnten Ablaufs, wie bei der Streichung oder Eintragung bestimmter Personen in die Diptychen konnten deshalb schnell zum Stein des Anstoßes in der Gemeinde und innerhalb des Mönchtums werden. Ein weiteres Beispiel hierfür wären die gewalttätigen Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem Staurotheis-Zusatz zum Trishagion. In Konstantinopel wurde dieser als genuin miaphysitisch angesehen. Wenn also möglicherweise in den Gottesdiensten des Zooras das Trishagion mit dem Zusatz gesungen wurde, waren diese Gottesdienste für Konstantinopolitaner auch unabhängig von der Person des Zelebranten Zooras als miaphysitisch ausgewiesen.198 Auch ein dritter Aspekt soll angesprochen werden, bei dem zwischen einem chalkedonischen und einem miaphysitischen Gottesdienst unterschieden wurde: die Eucharistie. Sie war das Herzstück, um das herum der Gottesdienst aufgebaut war – so ging zum Beispiel auch die Verlesung der Diptychen der Eucharistie voraus. Ferner wurde man durch ihren Empfang Teil der Gemeinde und zeigte, indem man die Eucharistie des einen Priesters (oder Bischofs) empfing und die des anderen Priesters ablehnte, mit wem man in Gemeinschaft stand. Dies galt zumindest im idealtypischen Fall. So diente die Eucharistie auch als abgrenzendes Mittel zwischen den christologischen Parteien.199 Entsprechend heiß wurde die Frage dis197 Für Apameia vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 94, Z. 16–21. Zur Einfügung Leos in die Diptychen Konstantinopels durch die synodos endemousa 518 vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 74, Z. 1–7. Zur Einfügung Chalkedons zusammen mit den anderen drei ökumenischen Konzilien vgl. die Anaphora der synodos endemousa ebd., S. 63, Z. 25 –S. 64, Z. 1. 198 Ein expliziter Hinweis darauf, dass in diesen ‚Nebengottesdiensten’ des Zooras das Trishagion mit dem Staurotheis-Zusatz gesungen wurde, findet sich jedoch nicht in den Konzilsakten. Aber nachdem Zooras ein Miaphysit war, der zudem aus Syrien stammte, wo der Zusatz auch unter Chalkedoniern in Gebrauch war, ist es zumindest wahrscheinlich, dass Zooras den liturgischen Gepflogenheiten seiner Herkunftsregion und seiner christologischen Partei folgte. 199 Man denke zum Beispiel daran, wie Kaiser Anastasios sich weigerte, vom Bischof Euphemi-
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kutiert, wie man mit der Eucharistie allgemein beziehungsweise der Eucharistie eines Priesters der anderen Seite umgehen solle. Severos von Antiocheia verbot den Empfang der Eucharistie von chalkedonischen Klerikern, gewährte aber wiederum Personen aus der konstantinopolitanischen Oberschicht Nachsicht, wenn diese ohne Empfang der Eucharistie an einem von einem chalkedonischen Kleriker gefeierten Gottesdienst teilnahmen.200 Ferner war Severos der Meinung, dass es besser wäre, die miaphysitische Eucharistie nur einmal im Jahr als die chalkedonische Eucharistie regelmäßig zu empfangen.201 Philoxenos von Mabbug fragte sich in seinem Brief an die Mönche von Senoun, wie die Chalkedonier überhaupt eine Eucharistie feiern könnten, wo doch bei diesen (aus seiner Sicht) Nestorianern, Gott nicht gekreuzigt worden war,202 weshalb auch die Eucharistie bei diesen nichts Göttliches in sich haben könne. Johannes von Tella wiederum sah die Eucharistie nicht als wirkungslos, sondern als gefährlich an, weshalb man ihr entfliehen müsse wie einem todbringenden Gift.203 Menze vergleicht diese Haltung mit der Weigerung von Christen, Brot mit einem heidnischen Brotstempel zu essen. 204 Aus dieser Haltung heraus erklärt sich auch, weshalb es für die Miaphysiten nach der Vertreibung ihrer Bischöfe nach der chalkedonischen Wende von 518 so wichtig geworden war, eine eigene Hierarchie mit miaphysitischen Priestern aufzubauen. Die Haltung der chalkedonischen Mönche in der Hauptstadt, die jeglichen Umgang mit den Miaphysiten verweigerten und verurteilten, werden in ihrer Haltung gegenüber der miaphysitischen Eucharistie wohl nicht kompromissbereiter gewesen sein. Dabei wird ein Umstand sowohl die Kompromisslosen unter den chalkedonischen Klerikern und Mönchen, als auch unter den Miaphysiten besonders gestört haben: die Laien nahmen es mit dem christologischen Bekenntnis ihrer Kirche nicht immer so genau. Johannes von Ephesos berichtet von einer Szene, in der chalkedonische und miaphysitische Gläubige nebeneinander im selben Gottesdienst zusammensaßen.205 Wobei man an dieser Stelle dann fragen sollte, inwieweit die Kategorien chalkedonisch und miaphysitisch überhaupt noch sinn-
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os die Eucharistie zu empfangen. Für die konfrontativ ausgerichteten Chalkedonier der Hauptstadt, die Euphemios unterstützten, hatte sich Anastasios als Miaphysit zu erkennen gegeben. Entsprechend ging Anastasios in der lateinisch-päpstlichen Überlieferung sowie Teilen der griechischen Überlieferung – man denke etwa an Theodoros Anagnostes – als Miaphysit in die Geschichte ein. Vgl. Selected Letters, IV, 10, S. 272–275, hier 273: „I find that men who hold ministerial posts or high offices, and are obliged to accompany and attend upon rulers, receive an indulgence, if, when they go in with them and hear a lesson and prayers, they keep themselves perfect“. Vgl. JOH. RUPH., Plerophoriae 38, S. 89 (PO 38). Vgl. ferner MENZE, Stimme, S. 228. Vgl. PHILOXENOS, Senoun, S. 30 f. (DE HALLEUX) (CSCO 231/2). Vgl. JOH. TELLA, Questions, 44 (VÖÖBUS), S. 220 (syr.) beziehungsweise S. 204 (engl.). Vgl. MENZE, Justinian, S. 161, sowie MENZE, Regula, S. 73. Hiervon berichtet Johannes von Ephesos in seinem Werk zu den Leben der Heiligen, vgl. J OH. EPH., Lives 5, S. 101–103 (PO 82). Auch stellten die Gläubigen den Nutzen der Eucharistie manchmal generell in Frage, vgl. JOH. EPH., Lives 16, S. 233 (PO 82), oder fanden nichts dabei, sie nie zu empfangen. Allgemein zu der auch mal von weniger Eifer beseelten Haltung der Gläubigen gegenüber der Eucharistie, vgl. MENZE, Priest.
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voll zu gebrauchen sind. Die von Johannes beschriebene Gruppe, sollte man als Christen beschreiben, die im Konflikt um Chalkedon kein Profil ausgebildet hatte.206 Was ist nun ein „Nebengottesdienst“? Bei dieser Frage ergibt sich folgendes Problem: die Ausdrücke „Gottesdienst“ und „Nebengottesdienst“ beziehungsweise chalkedonischer und miaphysitischer Gottesdienst sind nur Fremdzuschreibungen und man konnte einen Gottesdienst nicht unbedingt einer christologischen Partei eindeutig zuordnen. Ein Gottesdienst, der von den chalkedonischen Mönchen und Klerikern, die im Vorfeld der Synode von 536 aktiv waren, als „Nebengottesdienst“ angesehen wurde, musste nicht von jedem anderen Chalkedonier ebenso betrachtet werden. Dies trifft umso mehr auf solche Gläubige zu, die sich gar nicht erst um die christologische Ausrichtung ihrer Kirche kümmerten. Um zu verstehen, welche Gefahr die Situation in Konstantinopel in den 530er Jahren jedoch für die Akteure der Synode 536 darstellte, soll deshalb im Folgenden darauf eingegangen werden, was diese „Nebengottesdienste“ – um bei der Wortwahl der Synode von 536 zu bleiben – für jene Chalkedonier bedeutete, die Zooras und die anderen Miaphysiten aus der Stadt vertreiben wollten. Aus ihrer Sicht drohte ein (vormals chalkedonischer) Gläubiger, der aber an einem miaphysitischen Gottesdienst teilnahm, der Gemeinde der Rechtgläubigen verloren zu gehen. Ferner stellten für sie Gläubige, die an den Gottesdiensten des Zooras teilnahmen, einen bedrohlichen Einflusszuwachs für die Miaphysiten dar. Dies betraf vor allem diejenigen Gottesdienstteilnehmer, die zur Oberschicht oder gar zu den Angehörigen des Palastes gehörten. Diese werden deshalb im Brief der Mönche an Agapet eigens erwähnt. Sie schreiben, wie die Miaphysiten in der Hauptstadt und in den Vorstädten in gehobene Häuser eindrangen, dort gewisse Frauen verführten und dort Altäre und Baptisterien bauten. 207 Trotz des kaiserlichen Verbots von Nebentaufen und Nebengottesdiensten taufte Zooras zahlreiche Kinder, unter denen auch Kinder von Palastangehörigen waren.208 Diese Entwicklung wurde für die Chalkedonier aus doppelter Hinsicht zur Bedrohung. Zum einen mussten sie fürchten, dass Mitglieder der konstantinopolitanischen Oberschicht sich zum Miaphysitismus bekehrten und diesen politisch unterstützten. Dies konnte auch eine miaphysitenfreundliche Politik des Kaisers nach sich ziehen, oder zog eine solche aus Sicht der Konzilsteilnehmer von 536 vielleicht schon nach sich.209 Zum anderen erhielten die Miaphysiten durch ihre Verbindungen zur Oberschicht auch materielle Unterstützung. Die 206 Der Umgang der Zeitgenossen und zeitgenössischen Quellen mit Christen ohne kirchenpolitisches Profil wird in Punkt 6. 3. 4 Chalkedonier oder Miaphysit oder einfach nur Christ? – Das Fehlen eines Kirchenpolitischen Profils und die Problematik der Quellen genauer behandelt werden. 207 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 138, Z. 4–11. 208 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 138, Z. 39 – S.139, Z. 3 209 Dazu mehr im Punkt 5. 2. 3. 1 Die Unzufriedenheit der chalkedonischen Kleriker mit dem bisherigen Kurs Justinians
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Mönche berichten hierzu in ihrem Brief an Menas, dass sich die Miaphysiten durch ihre Aktionen in zahlreichen Häusern auch Reichtümer verschafften, die ihnen nicht zustanden.210 Mit diesen Geldern finanzierte Zooras wahrscheinlich auch seine Speisungen. Diese Gottesdienste also, die aus Sicht der hauptstädtischen chalkedonischen Mönche das Potenzial hatten, Teile der Oberschicht zu bekehren, oder vielleicht sogar schon bekehrt hatten, stellten eine große Bedrohung für sie dar. Deshalb schickten sie sich an, zusammen mit Severos und Petros auch den Mönch Zooras aus der Stadt zu vertreiben, der das chalkedonische Bekenntnis der hauptstädtischen Bevölkerung und insbesondere das der Oberschicht ins Wanken zu bringen drohte. Auch wird eine Rolle gespielt haben, dass Zooras als Mönch mit seinen Aktivitäten in direkte Konkurrenz zu den chalkedonischen Mönchen der Hauptstadt trat. 5.1.4.5 Das abschließende Urteil der Synode und die Diataxis Kaiser Justinians Am Ende der fünften und letzten Sitzung folgte direkt nach der Verlesung der Dokumente, die gegen Severos, Petros und Zooras ins Feld geführt wurden, das Urteil der Synode. Wenig überraschend beschloss sie deren Verurteilung. Severos und Petros werden als Abtrünnige der katholischen Kirche und des rechten Glaubens betrachtet, Verführer der Seelen der einfachen Leute und Komplizen der gottlosen Häretiker. Ebenso verurteilt wir Zooras, weil er den rechtmäßigen Altären und Taufbecken seine eigenen häretischen Nebengottesdienste und Nebentaufen entgegengesetzt hat. Schließlich werden auch die Schriften des Severos verurteilt.211 Nachdem die Repräsentanten Roms und Italiens, das Urteil gegen Severos und Petros mit dem Verweis auf Papst Hormisdas bestätigt hatten, der diese bereits verurteilt hatte, fügte der Patriarch Menas dem eine eigene Erklärung hinzu. Sie fällt etwas länger aus als die Erklärung der Synode und gibt der Urteilsbegründung beziehungsweise den Anweisungen, wie mit Häretikern umzugehen sei, mehr Raum. So sieht er den Staatsapparat in der Verantwortung, sich um die Umkehr der Häretiker zu bemühen, womit Menas dem Kaiser dessen Motivation für seine Kirchenpolitik lobend in Rechnung stellt, doch sei der Staat auch verpflichtet, die Häretiker zu verurteilen, wenn diese sich dazu entschlössen, in der Häresie zu verbleiben. Im Falle des Severos und seiner Parteigänger sei deshalb ihre Verurteilung erforderlich, da diese nach ihrer ersten Verurteilung
210 Vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329 (3)) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 41, Z. 29–30. 211 Vgl. Sententiae synodi (CPG 9323 (9)) (=ACO III, S. 110–119) hier S. 111, Z. 1–4 und 23–29; Das gesamte Urteil auf griechisch und latein bei A MELOTTI/ZINGALE, Scritti, S. 47–55. Vgl. ferner GRUMEL, Regestes, S. 173, Nr. 238.
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keine Reue gezeigt haben, wie es dich gehört, sondern stattdessen in ihrer falschen Lehre verblieben sind und sich damit gegen Gott selbst erhoben haben.212 Ferner steckt Menas mit Berufung auf die Kanones ab, unter welchen Umständen es überhaupt erlaubt sei, mit Klerikern, die verurteilt worden sind, wieder Umgang zu haben beziehungsweise diesen zu erlauben, wieder priesterlich tätig zu werden: Die Kanones erklären, so führt Menas aus, dass diejenigen, die von einer Synode verurteilt worden sind, auf keine Weise mehr das Priesteramt übernehmen dürfen, bis eine weitere Untersuchung von einer anderen Synode den Verurteilten als unschuldig erweist. Wenn jemand es aber wagt, vor seiner Rehabilitierung wieder sein Priesteramt auszuführen, soll ihm die Chance auf Rehabilitierung durch eine andere Synode zu einem späteren Zeitpunkt verwehrt bleiben. Severos und seine Anhänger sind jedoch über diese Bestimmungen hinweggegangen.213 Zu diesen priesterlichen Aktivitäten zählt Menas vor allem die Abhaltung von Gottesdiensten und Taufen. Dementsprechend verstößt es gegen die Kanones, wenn erlaubt oder zugelassen wird, dass die Miaphysiten Gottesdienste und Taufen in der Hauptstadt abhalten.214 Weil also Severos, Petros und Zooras aber gegen den Kanon verstoßen haben, verlieren sie ihre Möglichkeit auf Rehabilitierung. 215 Damit erklärt es Menas – sicher im Einverständnis mit den anderen Konzilsteilnehmern – für ausgeschlossen, dass die Anhänger des Severos wieder in die Kirche aufgenommen werden können. Dadurch wird auch allen direkten Verhandlungen mit ihnen zur Erlangung der Kircheneinheit der Boden entzogen. Im Anschluss ans Konzil setzte Menas Petros von Jerusalem von den Beschlüssen in Kenntnis und forderte ihn auf, sie zu bestätigen.216 In seiner Novelle 42, die Justinian zwei Monate später verabschiedete, bestätigte er das Urteil der Synode.217 Der Text des Edikts wurde später in die Akten des Konzils aufgenommen beziehungsweise folgt er in der Collectio Sabbaitica der Urteilsverkündung des Menas.218 Darin bestätigt der Kaiser die Verurteilung 212 Vgl. Sententiae synodi (CPG 9323 (9)) (=ACO III, S. 110–119) hier S. 111, Z. 35–S. 112, Z. 5. Vgl. ferner GRUMEL, Regestes, S. 173, Nr. 238. 213 Vgl. Sententiae synodi (CPG 9323 (9)) (=ACO III, S. 110–119) hier S. 112, Z. 15–21. Vgl. ferner GRUMEL, Regestes, S. 173, Nr. 238. Menas bezieht sich hier auf den Kanon 4 (Antiocheia 341), JOANNOU I, 2, S. 107 f. 214 Wobei schwer auszumachen ist, ob Justinian die Miaphysiten nur gewähren ließ, oder ihnen explizit die Erlaubnis zu ihren Aktivitäten gab. Laut der Vita des Zooras, die Johannes von Ephesos verfasste, erlaubte Justinian dem Mönch Gottesdienste in der Stadt zu feiern, vgl. JOH. EPH., Lives, 2, S. 25 f. (PO 82). Die Konzilsteilnehmer wiederum erwähnen nichts davon, sondern werfen den Miaphysiten im Gegenteil vor, gegen das kaiserliche Verbot verstoßen zu haben, Nebengottesdienste und Nebentaufen abzuhalten, vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 138, Z. 39 – S. 139, Z. 2. 215 Vgl. Sententiae synodi (CPG 9323 (9)) (=ACO III, S. 110–119) hier S. 113, Z. 3–4. Vgl. ferner GRUMEL, Regestes, S. 173, Nr. 238. 216 Vgl. GRUMEL, Regestes I, S. 173 f., Nr. 239. 217 Vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 279, Nr. 1117. 218 Constitutio contra Anthimum, Seuerum, Petrum, Zooram ad Menam episc. Cpolis directa (CPG 6877; 9330) (=ACO III, S. 119–123).
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des Anthimos durch Agapet und die synodos endemousa. Der Grund für dessen Verurteilung liege in seiner unkanonischen Erlangung des Bischofsstuhls von Konstantinopel und seinem Abfall vom rechten Glauben. Es schien zwar aus vielerlei Gründen so, als ob Anthimos den rechten Glauben aufgenommen hatte, doch täuschte er dies nur vor.219 Auch weigerte er sich, nachdem der Kaiser sich in seiner Milde um seine Umkehr bemüht hatte, den rechten Glauben wieder anzunehmen, weshalb er ebenso wie die Gegner Chalkedons verurteilt werden müsse. Ferner sei Anthimos aus der Hauptstadt verbannt. Ebenso bestätigt Justinian die Verurteilung des Severos, der in seinen Lehren, die Lehren des Nestorios und Eutyches in sich vereine. 220 Die Verurteilung treffe Severos ferner, weil er seiner Zeit den Bischofsstuhl Antiocheias auf unkanonische Weise erlangt habe, indem er den rechtgläubigen Flavian vertrieb. Zudem solle er aus der Hauptstadt vertrieben, sowie all seine Schriften verbrannt werden und die Schreibhand all jener solle amputiert werden, die die Schriften des Severos kopierten. Ebenso bestätigt Justinian das Urteil gegen Petros, der fortan ebenfalls die Hauptstadt nicht mehr betreten darf. Dasselbe Schicksal trifft auch den Mönch Zooras. Die Lehren des Eutyches und des Severos gelten fortan als verboten und Severos und seinen Anhängern wird untersagt, in der Hauptstadt oder anderen Städten Aufruhr zu verursachen, sich zu versammeln, oder Nebentaufen durchzuführen (παραβαπτίζειν). Auch dürfe niemand ihnen Unterschlupf gewähren. Damit hatte Justinian alle Beschlüsse der Synode uneingeschränkt anerkannt, den von ihm eingesetzten Anthimos abgesetzt und verbannt und Severos und seine Anhänger verurteilt. So waren nun all seine vorherigen Annäherungsversuche an die Miaphysiten durch die chalkedonische Opposition, die sich in der Hauptstadt organisiert hatte, zu Fall gebracht worden. Eine Politik, die auf die Wiedererrichtung der Kircheneinheit abzielte, gestaltete sich damit ungleich schwieriger als zuvor. Die Beschlüsse des Konzils 536 leiteten eine Welle der Verfolgung gegen die Miaphysiten ein, was jede zukünftigen Kontaktaufnahmen und Annäherungen zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten erschwerte. Der Kaiser wollte jedoch trotz der nun einsetzenden Verfolgung der Miaphysiten die Verbindung zu ihnen 219 Vgl. Constitutio contra Anthimum, Seuerum, Petrum, Zooram ad Menam episc. Cpolis directa (CPG 6877; 9330) (=ACO III, S. 119–123) hier S. 120, Z. 11–14. 220 Mit dem Vorwurf, dass Severos gleichzeitig ein Anhänger des Eutyches und Nestorios war, folgte Justinian der Aussage der orientalischen Bischöfe in ihrem Brief an Agapet. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147– 152) hier S. 148, Z. 9–10. „Wir sind unschlüssig, wie genau wir ihn nennen sollen, der dasselbe wie die Heiden denkt, Eutyches zustimmt, auf gleiche Weise Nestorios.“ Auch wird Severos bei den Akklamationen des Volkes in Konstantinopel 518 als neuer Judas bezeichnet, ein Beiname, der sonst für Nestorios bestimmt war, Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 72, Z. 18–19: „Den Severos wirf hinaus, den neu en Judas“. Zu Nestorios als neuen Judas vgl. ACO I, 1, 2, S. 64. Der Vorwurf des Eutychianismus ergab sich aus Severos’ Ablehnung Chalkedons, der des Nestorianismus wahrscheinlich aus seiner Deutung des Trishagions, das er auf Christus allein bezog. Diesen Gedankengang führt Justinian in seinem Brief an die ägyptischen Mönche detallierter aus, vgl. IUSTINIANUS, Epistula contra Monophysitas, S. 41, Z. 7–12 (SCHWARTZ) (CPG 6878).
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auch nach 536 nicht abreißen lassen und seine Novelle nicht konsequent durchsetzen. Dies lässt sich daran erkennen, dass er es zuließ, dass Anthimos zusammen mit zahlreichen miaphysitischen Größen trotz seiner Verbannung im Hormisdaspalast unter dem Schutz Theodoras Unterschlupf fand.221 5.1.5 Exkurs II – Die Rolle Theodoras in der Kirchenpolitik Da in der Forschung vielfach die Deutung vorgetragen wurde, dass der Einflussgewinn der Miaphysiten in der Hauptstadt und die Erhebung des Anthimos zum Bischof von Konstantinopel auf Theodora zurückging,222 soll an dieser Stelle auf die Rolle der Kaiserin in der Kirchenpolitik Justinians und ihrer vorgeblichen Einflussnahme auf die Wahl des Anthimos eingegangen werden. Zweifellos ist Theodora als große Unterstützerin der Miaphysiten in die Geschichte eingegangen und die reichhaltige syrisch-miaphysitische Hagiographie weist auf ihre Fürsprache und Frömmigkeit hin. Doch merkte jüngst Menze an, dass erst für die Zeit nach dem Konzil 536 kirchenpolitische Initiativen der Kaiserin zu Gunsten der Miaphysiten belegt sind.223 Zwar berichtet Johannes von Ephesos in der Vita des Mara davon, dass sich Theodora in den frühen 520er Jahren noch vor ihrer Heirat mit Justinian für den Heiligen eingesetzt hatte, doch ist darin nicht belegt, dass sie zu dieser Zeit bereits eine Unterstützerin der miaphysitischen Sache war. Zudem liefert Johannes von Ephesos in seiner Kirchengeschichte auch eine Variante zu dieser Erzählung bei der Theodora bereits Kaiserin ist.224 Es gibt auch keine Belege dafür, dass Theodora bei der Einladung des Severos oder der anderen miaphysitischen Bischöfe zum Religionsgespräch 532 beteiligt gewesen wäre. Dies ist auffällig, wenn man davon ausgeht, dass Theodora von Anbeginn der Herrschaft Justinians einen starken Einfluss auf die Kirchenpolitik ihres Mannes zu Gunsten der Miaphysiten ausgeübt haben soll. Erst für das Jahr 535 gibt es einen Beleg für das kirchenpolitische Engagement Theodoras, als sie laut Evagrios Scholastikos Justinian darum gebeten habe, Severos freundlich zu empfangen.225 Laut der Vita des Severos von Johannes Beth Aphtonia soll sie sogar Anthimos und Severos einander vorgestellt haben.226 Als es dann 536 zur Verurteilung des Anthimos und Severos kam, half Theodora letzterem, aus der Stadt zu fliehen, während sie Anthimos im Hormisdaspalast Zuflucht gewährte. 227 221 Vgl. JOH. EPH., Lives, 48, S. 485 (PO 92). 222 Vgl. FREND, Rise, S. 270f; sowie SCHWARTZ, Kirchenpolitik, S. 40–45, ähnlich FOSS, Empress, S. 145 ebenso Potter, Theodora, S. 173. Potter bezeichnet Anthimos als Kandidaten der Theodora, weist aber zusätzlich daraufhin, dass es letztlich Justinian war, der die Entscheidung zur Besetzung des konstantinopolitanischen Bischofsstuhl traf. 223 Vgl. MENZE, Justinian, S. 211. 224 Vgl. JOH. EPH., Lives 13 (PO17), S. 189; zudem vgl. MENZE, Justinian, S. 213. 225 Vgl. EVAGR., HE, IV, S. 11 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). 226 Vgl. JOH. BET, APH., Life, S. (BROOKS); Menze geht davon aus, dass Theodora um diese Zeit begann, den Hormisdaspalast für die in die Hauptstadt gekommenen Miaphysiten einzurichten, vgl. MENZE, Justinian, S. 217. 227 Vgl. PS-ZACH, HE, IX, 19, S. 135 (B ROOKS) (CPG 6995).; EVAGR., HE, IV, S. 160 (BIDEZ-
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Auch in der chalkedonischen Geschichtsschreibung scheint sie erst Mitte der 530er Jahre ein miaphysitisches Profil gewonnen zu haben. Kyrill von Skythopolis berichtet in seiner Vita zu Sabas, dass der Archimandrit sich wegen ihres häretischen Bekenntnisses weigerte, dafür zu beten, dass die Kaiserin einen Sohn empfange.228 Und laut Viktor von Tunnunna wollte Papst Agapet, als er in Konstantinopel weilte, Theodora nicht die Eucharistie spenden.229 Als es nach dem Konzil 536 dann zur Ausweisung der Miaphysiten aus der Hauptstadt und der Vertreibung miaphysitischer Bischöfe – darunter Theodosios von Alexandreia – und Archimandriten in Ägypten und den Provinzen des Ostens kam, beherbergte Theodora zudem nach der Darstellung des Johannes von Ephesos 500 Mönche und Archimandriten im Hormisdaspalast und stellte diesen die Kirche der Heiligen Sergios und Bakchos zur Verfügung. 230 Dauerhafte direkte Kontakte zu miaphysitischen Führungsfiguren außerhalb der Hauptstadt blieben aber nach ihrer Hilfeleistung 536 begrenzt. Severos etwa erwähnt die Kaiserin in den von ihm überlieferten Briefen lediglich zweimal. In der ersten Erwähnung lobt er den Schutz, den sie den Miaphysiten in der Hauptstadt gewährte, 231 in einem anderen Brief, äußerte er sich hingegen abschätzig zu ihren theologischen Kenntnissen. Zwar sei sie von rechter Gesinnung, doch habe sie offensichtlich seine theologischen Ausführungen gegen den Grammatiker, die er ihr gesandt hatte, nicht verstanden und sich aus Unkenntnis heraus zu blasphemischen Äußerungen verleiten lassen.232 Das heißt, wohl in den Jahren zwischen 532 und 535 muss Theodora als Patronin der Miaphysiten vorgestellt worden sein und begann ab 535 und nach dem Konzil 536 die Miaphysiten offen zu unterstützen. Also solche agierte sie als Mediatorin und Verbindung der Miaphysiten zum Hof, da die Miaphysiten nach den Beschlüssen des Konzils 536 nicht mehr direkt mit Justinian Kontakt aufnehmen konnten. Dass es sich bei dieser Strategie um eine gezielte Arbeitsteilung zwischen Kaiser und Kaiserin handelte, um die Mia-
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PARMENTIER) (CPG 7500); JOH. BET. APH., Vie, S. 253–357 (PO 2); JOH. EPH., Lives 48 (PO 19), S. 686 (BROOKS). Vgl. KYRILL, Vita, S. 173 (SCHWARTZ), S. 183 (PRICE). (CPG 7536). Vgl. VICT. TUNN., S. 42 f. (MOMMSEN) (CPL 2260); ENSSLIN, Papst., S. 462 wiederum zweifelt an dieser Darstellung. Vgl. JOH. EPH., Lives, 47, S. 680 (PO 19); Zur Kirche des Heiligen Sergios und Bakchos vgl. BARDILL, Church, S.10, der sich mit der Forschungsliteratur zur Kirche auseinandersetzt und annimmt, dass die Kirche in den 530er Jahren extra für die Nutzung durch die Miaphysiten erbaut wurde. Croke hingegen setzt die 520er Jahre für den Bau der Kirche an und stellt sie in den Zusammenhang mit der aristokratischen Konkurrenz zwischen Justinian und Anicia Juliana, die im selben Zeitraum die Polyeuktoskirche errichten ließ. Und da die Masse der miaphysitischen Mönche erst nach 536 in die Hauptstadt kam, nachdem die Verfolgung der Miaphysiten 536 wieder einsetzte, und die Zahl der Miaphysiten 531–536 in der Hauptstadt wohl eher gering war, schließt er aus, dass die Kirche des Heiligen Sergios und Bakchos in Hinblick auf die Miaphysiten gebaut wurde, vgl. CROKE, Church, S. 54 f. und 60. Vgl. PS.-ZACH., HE, IX, 20, S. 139 (BROOKS) (CPG 6995). Vgl. Selected Letters, I, 63, S. 195–199. Auch andere miaphysitische Theologen wie Theodosios und Konstantin von Laodikeia sandten Theodora ihre Schriften, vgl. A LLEN/ROEY, S. 16– 56 und 66–71.
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physiten an den Hof zu binden, wurde bereits von antiken Zeitgenossen vermutet.233 Wohl weil Theodora in den Quellen und in der Forschung 234 als große Förderin der Miaphysiten gilt und Anthimos nach dem Konzil sowohl in der chalkedonischen als auch miaphysitischen Geschichtsschreibung als Miaphysit angesehen wurde, ist seine Erhebung zum Bischof von Konstantinopel auf Theodora zurückgeführt worden. Ihre späteren miaphysitenfreundlichen Initiativen wurden dabei von Forschung in die frühen 530er Jahre zurück projiziert 235 und auf diese Weise die Verbindung zwischen Anthimos und Theodora gezogen. Die Darstellung des Johannes Beth Aphtonia, dass die Kaiserin es war, die Severos und Anthimos einander vorstellte, mag diese Einschätzung verstärkt haben. Es gilt aber zweierlei Dinge zu beachten: 1) Es sollte kein Gegensatz zwischen Theodora und Justinian konstruiert werden. Eine geschickte Arbeitsteilung zwischen beiden, wie sie schon in der Antike vermutet wurde, erscheint plausibler. Für Kaiserfrauen war es ohnehin nicht unüblich und durchaus mit ihrer Rolle am Hof vereinbar, sich für heterodoxe Gruppen einzusetzen, ohne dass dies für die Zeitgenossen als Affront gegen die Kaiser angesehen wurde. 236 Auch stand Theodora nicht im offenen Gegensatz zur Politik Justinians, sondern teilte seine Position etwa in Bezug auf das Verbot an miaphysitische Bischöfe, Geistliche zu weihen. Als etwa der Miaphysit Johannes von Hephaistu begann, heimlich in der Hauptstadt miaphysitische Kleriker zu weihen, wurde ihm dies sowohl von Justinian als auch Theodora verboten, als diese davon erfuhren. 237 2) Anthimos sollte nicht vorbehaltlos als Miaphysit angesehen werden, da sich die von ihm erhaltenen Ausführungen durchaus auch als chalkedonisch ansehen lassen und er sich gut in die Kirchenpolitik Justinians in den 530er Jahren einfügt. Das heißt, bei Anthimos handelte es sich um einen Kandidaten Justinians, der die integrativ ausgerichtete Politik des Kaisers exekutieren und eine Annäherung mit den Miaphysiten erwirken sollte. Seine Rolle wurde dann unter veränderten Bedingungen von Theodora übernommen, die den Schaden, der durch die konfrontativ ausgerichteten Chalkedonier auf dem Konzil 536 angerichtet worden war, begrenzen sollte, indem sie durch ihre Aktivitäten die Miaphysiten zumindest an den Hof band.
233 Sowohl Prokop als auch Evagrios Scholastikos stellen solche Überlegungen an, vgl. P ROK., Anekdota, X, 15, S. (HAUDY-WIRTH); EVAGR., HE, IV, 10, S. 160 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Diese Sicht teilen unter anderem auch EVANS, Empress, S. 24, FOSS, Theodora, S. 40–45 und MENZE, Justinian, S. 219. 234 Verwiesen sei hier, um nur einen zu nennen, auf die Darstellung von Potter, vgl. Potter, Theo dora, S. 169-177, der Theodoras Engagement weniger in politischem Kalkül als vielmehr als Produkt ihr ehrlichen Hinwendung und Freundschaft zu Severos und Zooras ansieht. 235 Vgl. WOOD, King, S. 168. 236 Zur eigenständigen Rolle am Hof, die Kaiserfrauen in religiösen aber auch nichtreligiösen Dingen zugebilligt wurden vgl. LEPPIN, Theodora, S. 82–85. 237 Vgl. JOH. EPH, Lives 25, S. 526–540 (PO 18), ferner vgl. MENZE, Justinian, S. 223–226.
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5.1.6 Die Rezeption der Synode – Die Bestätigung durch Jerusalem und das Nachwirken als ökumenisches Konzil Nach der Beendigung des Konzils und der Verabschiedung der Diataxis Justinians informierte Menas Petros von Jerusalem über die Ergebnisse des Konzils 238 und sandte ihm die Akten, woraufhin dieser eine Synode einberief, an der 47 Bischöfe teilnahmen,239 um die Beschlüsse des Konzils von Konstantinopel zu bestätigen. In der Synode in Jerusalem wurden zuerst die Akten der fünften Sitzung des Konzils in Konstantinopel, die sich mit Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und dem Mönch Zooras befassten, zusammen mit der Diataxis Justinians verlesen, woraufhin die Jerusalemer die Beschlüsse bestätigten und sich in einem zweiten Schritt mit dem Fall Anthimos befassten. Hierzu verlas man die Akten der ersten vier Sitzungen in Konstantinopel, woraufhin die Jerusalemer Synodalen auch das Urteil über Anthimos bekräftigten. Es ist davon auszugehen, dass auch Ephraim von Antiocheia über die Beschlüsse in Kenntnis gesetzt wurde. Wahrscheinlich wurden ihm die Entscheidungen der Synode über seine Apokrisiaren Magnos und Herakleios vermittelt, die an der Synode teilnahmen. 240 Ferner erhob die Synode einen ökumenischen Anspruch, was die Benachrichtigung der anderen Patriarchen und die Einholung ihrer Bestätigungsschreiben notwendig machte. Außerdem war auch die Verbrennung aller Schriften des Severos verfügt worden, was natürlich die Gebiete am stärksten betraf, wo der Rückhalt der Miaphysiten besonders stark war, weshalb Ephraim in besonderer Weise gefordert war. Der ökumenische Anspruch des Konzils241 wurde dadurch untermauert beziehungsweise liturgisch bestätigt, dass für das Konzil von 536 wie für die ersten vier Konzilien ein eigener Gottesdienst zum Gedenken an das Konzil eingeführt wurde, der am 23. Juli gefeiert wurde.242 Letztlich wurde das Konzil von 536 in seiner Wertung als ökumenisches Konzil vom Konzil von Konstantinopel des Jahres 553 verdrängt, doch kam es, womöglich durch die liturgische Einbettung des Konzils von 536, zu einer Verwechslung beziehungsweise Vermischung der Konzilien von 536 und 553 in der Erinnerung der Gläubigen. 243 Das Typikon der großen Kirche Konstantinopels, das aus dem 9./10. Jahrhundert stammt, weist zum Beispiel das fünfte ökumenische Konzil als jenes aus, auf dem Severos von Antiocheia verur238 Vgl. Epistulae Menae Cpolitani ad Petrum Hierosolymitanum (CPG 6930; CPG 9331 (1)) (=ACO III, S. 124–125). Vgl. ferner HEFELE/LECLERCQ, Histoire, S. 1154. 239 Zur Unterschriftenliste der Synode siehe Conclusio cum supscriptionibus (CPG 9331 (3)) (=ACO III, S. 186–189), hier: S. 188–189. 240 Für ihre Unterschriften in den Teilnahmelisten siehe Actio I (CPG 9325) (=ACO III, S. 126– 154) hier S. 127, Z. 31 f.; Nr. 58 und 59; Actio II (CPG 9326) (=ACO III, S. 154–161) hier S. 156, Z. 7 f., Nr. 58 und 59; Actio III (CPG 9327 (ACO III, S. 161–168) hier S. 163, Z. 5 f., Nr. 71 und 72; Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 171, Z. 22 f., Nr. 70 und 71; Actio V (CPG 9329) (=ACO III, S. 27–119) hier S. 29, Z. 8 f., Nr. 56 und 57. 241 Vgl. hierzu die Kapitel 5. 1. 2. 3 Die Bittschrift der Mönche Konstantinopels, Anatoliens und Palästinas an Agapet und 5. 1. 2. 4 Der Brief der orientalischen und palästinischen Bischöfe an Agapet. 242 Vgl. DIMITRIEVSKY, Opisanie, S. 89, 91, 92. 243 Für Näheres zu den möglichen Gründen vgl. SALAVILLE, Fête, S. 688.
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teilt wurde. Das Menologion des Basileios aus dem 11. Jahrhundert scheint das Konzil von 536 ebenfalls für das fünfte ökumenische Konzil zu halten, wenn es vom Konzil der 65 Väter spricht, was der Anzahl der Bischöfe im Jahr 536 entspricht.244 Der älteste Beleg für die Verwechslung stellt eine Konziliensynopse aus dem 9. Jahrhundert dar.245 Dort wird die Geschichte von der Verurteilung des Severos und des Anthimos gleich doppelt erzählt. Zuerst im Zusammenhang einer Synode unter dem Patriarchen Menas, die tagte, nachdem Papst Agapet von den Verbrechen des Severos erfahren hatte, und ein zweites Mal im Zusammenhang des Konzils im Jahre 553.246 Der Verfasser der Synopse kennt also beide Konzilien 536 und 553, verlegt aber den Inhalt des Konzils von 536 ebenfalls zusätzlich ins Jahr 553. Die Verurteilung des Severos als Beschluss eines ökumenischen Konzils muss anscheinend derartig ins Gedächtnis der Gläubigen beziehungsweise des Verfassers der Synopse eingegangen sein, dass er seine Verurteilung ins Jahr 553 verlegt, als das letztendlich als fünftes ökumenisches Konzil in die Geschichte eingegangene Konzil tagte. Die merkwürdige Doppelung der Verurteilung des Severos und des Anthimos 536 und 553 scheint den Verfasser dabei nicht weiter aus dem Konzept gebracht zu haben. Wann genau es in der Überlieferungsgeschichte der Konzilien zu dieser Verwechslung beziehungsweise Verschmelzung gekommen ist, ist nicht auszumachen. Die Fragmente einer syrischsprachigen Chronik, die wahrscheinlich aus dem palästinischen Raum im 7. Jahrhundert stammt, erkennt noch beide Konzilien als verschieden an und weist auch ihre Beschlüsse korrekt zu (datiert die Konzilien aber falsch).247 Allerdings ist fraglich, ob dieser aus Palästina stammende Text repräsentativ für das Bewusstsein in Konstantinopel ist, und ob es dort zu diesem Zeitpunkt nicht bereits zu einer Verwechslung der Konzilien gekommen sein könnte. Zumindest lässt sich sagen, dass es den Vätern von 536 gelungen ist, auch wenn letztlich das Konzil 553 als ökumenisches in die Geschichte eingegangen ist, der Verurteilung des Severos und des Anthimos in der Kirche zu ökumenischer Geltung zu verhelfen.
244 Vgl. SALAVILLE, Fête, S. 678–680. 245 Die Synopse entstand im Zeitraum von 843–865, vgl. HOFFMANN/BRANDES, Konzilssynopse, S. 25–28. 246 Vgl. HOFFMANN/BRANDES, Konzilssynopse, S. 152–155 für die Erzählung der Verurteilung des Severos und des Anthimos 536 und ebd., S. 160–161 für den Bericht ihrer Verurteilung auf dem Konzil 553. 247 Für den syrischen Text mit französischer Übersetzung siehe H ALLEUX, Synodes, S. 296–297; zu den falschen Jahresangaben im Fragment vgl. ebd., S. 299, und zur Datierungsfrage des Textes und dem Entstehungsort vgl. ebd., S. 306–307.
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5.2 DIE BEDEUTUNG DER SYNODOS ENDEMOUSA IM JAHR 536 UND IHRE ROLLE FÜR DIE REGIERUNG DER KIRCHE Nachdem der Verlauf des Konzils und seine lange Vorgeschichte abgehandelt wurden, soll nun der Blick auf die strukturellen Gegebenheiten des Konzils gerichtet werden. Angefangen werden soll hierbei mit der Frage, um was für eine Art von Konzil es sich im Jahr 536 überhaupt handelte und wie es organisiert wurde. Formal wurde 536 eine synodos endemousa einberufen, das heißt eine Synode aller Bischöfe, die sich gerade in der Hauptstadt aufhielten. Da es sich dabei um eine relativ neue Art von Synode handelte, die sich von Provinzial-, Patriarchatsoder ökumenischen Konzilien unterschied, soll erst die Funktion und Wirkungsweise der synodos endemousa innerhalb der Kirche erörtert werden. Dann in einem zweiten Schritt soll auf die Synoden von 518 und 536 eingegangen werden. Bei ihnen handelt es sich im Rahmen der endemischen Synoden insofern um Sonderfälle, als dass sie anders als sonst üblich weder vom Kaiser noch vom Patriarchen einberufen wurden. Stattdessen wurden sie von den Bischöfen und Mönchen in der Hauptstadt unabhängig vom Hof und dem Patriarchen organisiert. Dabei soll auch gezeigt werden, dass die Synode von 518, die einen solchen Fall zum ersten Mal hervorgebracht hat, der Synode von 536 als Vorbild diente. 5.2.1 Die Rolle der synodos endemousa für den Kaiser und den Bischof von Konstantinopel Bei der synodos endemousa handelte es sich um keine Institution, die auf einem (ökumenischen) Konzil errichtet oder bestätigt worden wäre, und die dementsprechend kein genau abgestecktes Aufgabengebiet besaß, das sie von Provinzialoder Patriarchatssynoden klar abgegrenzt hätte. Weder war festgelegt, wie weit ihre Zuständigkeit reichte, noch gab es – anders als für Provinzialsynoden – eine Regelung, die festgelegt hätte, dass sie regelmäßig einzuberufen sei.248 Da es sich sich bei ihr um eine Synode derjenigen Bischöfe handelte, die sich zufällig in der Hauptstadt befanden, anstatt von Bischöfen, die extra dafür herbeigerufen wurden, war ihre Zusammensetzung stärker vom Zufall geprägt als bei Provinzial- oder Patriarchatssynoden. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Bischöfe des Patriarchats von Konstantinopel wegen ihrer räumlichen Nähe weit überrepräsentiert waren und damit ihre Zusammensetzung nicht völlig unberechenbar war. Der Grund, wie es zu ihrer Entstehung kam beziehungsweise wieso überhaupt so viele Bischöfe sich ständig in Konstantinopel befanden, hängt zum einen mit der Aufwertung Konstantinopels zum Patriarchatssitz zusammen, zum anderen
248 So war etwa festgelegt, dass zweimal im Jahr vom Metropoliten eine Provinzialsynode einzuberufen sei, vgl. Kanon 20 (Antiocheia 341), JOANNOU I, 2, S. 120 f.
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wohl in noch stärkerem Maße mit der Bedeutung der Stadt als Hauptstadt des Reiches und Sitz des Kaisers. Wer sich Zugang zum Kaiser verschaffen konnte, konnte damit an allen Institutionen vorbei Einfluss auf die Kirchenpolitik nehmen (oder es zumindest versuchen). Konstantinopel entwickelte sich deshalb zum Anziehungspunkt für zahlreiche Bischöfe, wodurch sich für den Patriarchen und den Kaiser die Möglichkeit ergab, kurzfristig Synoden einberufen zu können, um die eigene Politik von einer Synode ratifizieren zu lassen. Dabei hatte die Einberufung der synodos endemousa den Vorteil, dass sie relativ wenig Aufwand kostete, weil die Bischöfe ja schon vor Ort waren, und sie auch über das Patriarchat von Konstantinopel hinaus ihren Einfluss geltend machen konnte, wenn auch Bischöfe von außerhalb des Patriarchats auf der Synode zugegen waren. Im Prinzip hatte die Synode zwei Aufgaben, die hier von Belang sind: einerseits die Klärung theologischer Fragen und andererseits Disziplinarmaßnahmen, also die Absetzung von Bischöfen. Die Behandlung beider Dinge konnte natürlich auch Hand in Hand gehen. Mal scheint der Bischof von Konstantinopel die bestimmende Gestalt gewesen zu sein, die die Synode einberief, mal der Kaiser. Dabei stellte die synodos endemousa für den Kaiser mehr ein Exekutivorgan und Mittel zur Legitimierung seiner Kirchenpolitik dar, während die Synode für den Bischof als Mittel dazu diente, sein Verhältnis zum Klerus zu klären und seine Position zu stärken. Dies soll kurz mit einen Blick auf die Synoden unter Euphemios und Makedonios und auf die synodos endemousa des Jahres 533 illustriert werden.249 Zu Beginn der Amtszeit des Euphemios erhielt er den Synodalbrief des Petros Mongos, den dieser noch an Euphemios’ Vorgänger Fravitta geschrieben hatte. Darin nahm Petros die Gemeinschaft mit Fravitta auf Grundlage des Henotikon auf, wobei er es als Absage an Chalkedon interpretierte. Dies nahm Euphemios zum Anlass, ihm die Gemeinschaft aufzukündigen. Er soll sogar geplant haben, eine Synode – wahrscheinlich eine synodos endemousa – einzuberufen, um Petros abzusetzen. Erst der Bischof Archelaos von Kaisareia brachte ihn von diesem Ansinnen mit der Begründung ab, dass nur ein ökumenisches Konzil Petros absetzen könne.250 Dieser Umstand wird Euphemios sicher auch nicht unbekannt gewesen sein, weshalb zu fragen ist, was genau er damit bezweckte, eine Synode ins Spiel zu bringen. Möglicherweise sollte eine Synode Euphemios dazu dienen, seine eigene Linie im Episkopat durchzusetzen und gleichzeitig Druck auf den neuen Kaiser auszuüben, damit dieser dann Petros absetze. Wahrscheinlich hatte Archelaos dann Euphemios angezeigt, dass eine solch konfrontative Politik unter den Bischöfen nicht mehrheitsfähig war. Doch im Jahr darauf, 492, kam es dann schließlich doch zu einer Einberufung einer synodos endemousa. Anders als noch im Vorjahr angedacht, kam es aber 249 Die Synoden der Jahre 518 und 536 werden als Sonderfälle im nächsten Kapitel abgehandelt. Das Kapitel beschränkt sich auf den Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit (491– 536) und lässt die Genese der synodos endemousa und ihre weitere Entwicklung außen vor, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Deshalb sei an dieser Stelle für eine umfas sendere Darstellung auf HAJJAR, Synode, verwiesen. 250 Vgl. PS-ZACH., HE, VI, 4, S. 8 f (BROOKS) (CPG 6995).
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nicht zur Verurteilung des Petros. Stattdessen ließ Euphemios das Bekenntnis Chalkedons verkünden251 und grenzte sich damit klar von Akakios und Fravitta ab. Diese nahmen noch das Henotikon, das über Chalkedon schwieg, als Grundlage ihres Glaubens, um die Einheit mit Petros Mongos aufzunehmen. Damit stellte sich Euphemios ferner auch gegen Anastasios, der eben das Henotikon zur Basis seiner Kirchenpolitik machen wollte. Ziel dieser Synode war es wohl, nach der Schlappe des Vorjahres die Reihe der Bischöfe zu Gunsten Chalkedons zu schließen, um auf diese Weise den Kaiser unter Druck zu setzen. Wenige Jahre später, 496, wurde wieder eine synodos endemousa einberufen, hinter der aber diesmal der Kaiser als bestimmende Gestalt stand. Anastasios hatte kurz zuvor Euphemios auf Grundlage politischer Gründe abgesetzt und ließ jetzt eine synodos endemousa einberufen, um seine Aktion kanonisch abzusichern. Ferner nahmen die versammelten Bischöfe das Henotikon auf.252 In kurzem Abstand darauf berief 497 Makedonios erneut eine Synode ein, die laut Victor von Tunnuna Chalkedon verurteilt haben soll, wobei er sich wahrscheinlich auf die Aufnahme des Henotikon durch Makedonios bezieht. 253 Damit bestätigte Makedonios die Beschlüsse des Vorjahres – oder bezieht sich Victors Angabe vielleicht auf die Absetzungssynode des Euphemios, auf der das Henotikon aufgenommen wurde? Als infolgedessen jedoch einige Mönche Makedonios die Gemeinschaft aufkündigten und der Kaiser den Bischof dazu aufforderte, die Mönche wieder zur Aufnahme der Gemeinschaft zu bewegen, berief Makedonios 498/499 ein weiteres Mal eine synodos endemousa ein, wo er die Beschlüsse aufnehmen ließ, die gut in Chalkedon formuliert worden waren.254 Im Jahr 533 wiederum ließ Justinian eine synodos endemousa einberufen, damit die anwesenden Bischöfe sein Glaubensbekenntnis, das die theopaschitische Formel enthielt, unterschreiben, bevor er es als Edikt erließ.255 Man sieht, dass die Synoden für Euphemios und Makedonios dazu dienten, deren Verhältnis zu den Klerikern und Mönchen der Stadt zu klären. Euphemios’ fehlgeschlagener Versuch 491 zeigte ihm die Stimmung der anderen Bischöfe an und veranlasste ihn dazu, seinen chalkedonischen Kurs im Folgenden etwas feiner zu justieren, indem er vom direkten Konfrontationskurs gegen Petros Mongos abließ und sich auf das Bekenntnis zu Chalkedon beschränkte. Auf diese Weise konnte er die Bischöfe hinter sich versammeln, was seine Position gegenüber dem Kaiser stärkte. Und auch Makedonios nutzte die Synode 498/499, um die abgefallenen Mönche in der Stadt von der Gemeinschaft mit ihm zu überzeugen und auf diese Weise die Reihen wieder zu schließen. 251 Vgl. GRUMEL, Regestes, S. 134, Nr. 177. 252 THEOD. ANAGN., S. 128 (HANSEN) (CPG 7503). 253 Zu Victors fragwürdiger Angabe siehe die Ausführungen weiter oben im Punkt 2. 1. 2 Die Positionierung des Makedonios gegenüber Chalkedon. 254 Der genaue Wortlaut bei THEOPH., S. 140 (DE BOOR): „Τούτωι τῶι ἔτει Μακεδόνιος γνώμηι τοῦ βασιλέως ἑνῶσαι μοναστέρια τῆς βασιλίδος ἔσπευδεν ἀποσχίζοντα διὰ τὸ ἑνωτικὸν Ζήνωνος. ἀδυνατῶν δὲ τοῦτο ποιῆσαι, συνεβούλευσε τῶι βασιλεῖ τοὺς ἐνδημοῦντας ἐπισκόπους καὶ τὰ ἐν Χαλκεδόνι καλῶς δογματισθέντα έγγράφως βεβαιῶσαι“. 255 Vgl. GRUMEL, Regestes, S. 161, Nr. 223, und HAJJAR, Synode, S. 87 f.
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Diese Mobilisierbarkeit der Bischöfe und Mönche durch die synodos endemousa entwickelte sich dabei zum zweischneidigen Schwert für den Bischof. Denn einerseits konnte er mit der Synode seine Autorität stärken und seinen Einfluss sogar bis über die Grenzen seines Patriarchats hinaus geltend machen, sofern sich auch Bischöfe von außerhalb seines direkten Jurisdiktionsgebiets auf der Synode befanden, und auch eine selbstbewusstere Position gegenüber den Kaiser einnehmen. Doch erwuchs ihm mit der Vielzahl an Bischöfen in der Stadt, die sich schnell in einer Synode versammeln konnten, auch eine Konkurrenzinstitution, die schwer zu kontrollieren war. Denn was machte der Bischof, wenn im Episkopat Uneinigkeit herrschte oder er gar eine Mehrzahl gegen sich hatte? Dann konnte eine solche Opposition schnell gegen ihn ausgespielt werden, wie die Absetzungssynode des Euphemios zeigt. Gerade die Möglichkeit, die synodos endemousa als Absetzungssynode zu nutzen, machte sie für den Kaiser zu einem praktischen Mittel zur Regierung der Kirche. Denn so konnte er sich eines als störend empfundenen Bischofs entledigen, ohne die Regeln der Kirche zu verletzen. Denn da solche Bischofsabsetzungen durch Bischöfe ausgeführt wurden, wurden sie nicht als ein Eingreifen von außen wahrgenommen (was nicht heißt, dass sich ein Kaiser nicht trotzdem mit der Absetzung eines beliebten Bischofs im Volk unbeliebt machen konnte). Diese Rechtfertigung beziehungsweise Legitimierung der eigenen Politik, die die synodos endemousa dem Kaiser ermöglichte, beschränkte sich dabei nicht nur auf den Fall von Bischofsabsetzungen. Anastasios nutzte die synodos endemousa ferner dazu, um das Henotikon zur verbindlichen Grundlage des Glaubens des Reiches zu machen. Und Justinian ließ sich im Vorfeld von der synodos endemousa sein Glaubensbekenntnis bestätigen, was einen ersten Schritt dahin bedeutete, das Bekenntnis im Klerus durchzusetzen, was auch seine Position gegenüber Rom festigte.256 Die synodos endemousa konnte dadurch vom Kaiser als Exekutivorgan für die eigene Kirchenpolitik genutzt werden. 5.2.2 Die synodos endemousa 518 als Vorbild für 536 – Unterschiede und Gemeinsamkeiten ihrer Organisation und ihres Ablaufs Während nun in der Regel die Initiative zur Einberufung einer synodos endemousa vom Bischof der Hauptstadt ausging oder aber vom Kaiser, stechen die Synoden 518 und 536 heraus, da sich hier die Bischöfe und Mönche Konstantinopels unabhängig von diesen Größen organisiert zu haben scheinen. Im Folgenden werden die Umstände und Abläufe beider Synoden dargestellt und ins Verhältnis zueinander gesetzt, um zu zeigen, dass es sich bei der Synode von 518 um einen aus 256 Am Anfang, als Justinian begann, Sympathien für die theopaschitische Formel zu entwickeln, konnte er sich nur auf die verdächtigen skythischen Mönche stützen und auf Vitalian verweisen, der aber zum einen trotz seiner Beliebtheit beim Volk Konstantinopels und den Chalkedoniern im Reich allgemein nur ein Laie war, und zum anderen 520 ohnehin ermordet wurde. Mit einer Gruppe mehrerer Bischöfe hinter sich hatte der Kaiser nun bessere Chancen, in Rom Zustimmung zu finden.
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der Situation geborenen Sonderfall handelte, der den Akteuren des Jahres 536 dann als Vorbild für ihre Synode diente. Im Jahre 518 kam es bereits kurz nach dem Tod des Anastasios zu Unruhen im Volk, Klerus und Mönchtum der Stadt. Die Mönche, Kleriker und das Volk (ὁ λαός) rangen dem damaligen Bischof Konstantinopels, Johannes II. ab, mit der miaphysitenfreundlichen Politik des Anastasios zu brechen. Er sollte Severos von Antiocheia verurteilen, Chalkedon offen verkünden und die als chalkedonische Märtyrer in die Erinnerung der Stadt eingegangenen Bischöfe Euphemios und Makedonios rehabilitieren. Den Anfang dieser Aktion bildeten Ausrufe des Volkes in der Hagia Sophia, die mitprotokolliert wurden und entsprechende Forderungen an den Patriarchen stellten. Anwesend waren dabei sowohl Mönche als auch zahlreiche Bischöfe. Man drohte Johannes II. sogar damit, ihn aus der Kirche zu schleifen, sollte er sich nicht beugen. Und man versperrte auch die Türen der Kirche, damit sich der Patriarch nicht den Forderungen der Anwesenden entziehen konnte.257 Johannes II., der keine andere Wahl hatte, als den Forderungen der Menge nachzugeben, brachte dann eine Synode ins Spiel, die die Umsetzung der Forderungen bestätigen müsse, und auch der Kaiser müsse laut dem Patriarchen informiert werden. Er sprach deshalb zur Menge in der Kirche: „Nachdem es aber nötig ist, dass alles kanonisch und gemäß der rechten Ordnung geschieht, gestattet uns, die gottesfürchtigsten Bischöfe zu versammeln, sodass alles gemäß der göttlichen Kanones und mit Beschluss und Befehl unseres frömmsten Kaisers fortschreitet.“258 Es wurde sodann eine synodos endemousa einberufen, die bereits zwei Tage später unter dem Vorsitz des Theophilos von Herakleia zusammenkam. An dieser Synode beteiligten sich auch zahlreiche Mönche der Hauptstadt, die sich in mehreren Briefen an die Synode wandten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Es lässt sich hierbei und daran, dass bei den Unruhen in der Hagia Sophia ebenfalls sowohl Bischöfe als auch Mönche beteiligt waren, erkennen, dass die Bischöfe mit den Mönchen zusammenarbeiteten. Die Tatsache, dass die Forderungen in der Hagia Sophia mitprotokolliert wurden, um dadurch ein Dokument zu erhalten, das die Zugeständnisse des Johannes II. verbürgte, lässt auf ein geplantes Vorgehen schließen, wofür der Tod des Anastasios den Anlass bot. Wie weit diese Planungen zurückreichten, ist nicht eindeutig zu klären, aber bereits kurz nach der Weihe des Johannes II. einige Monate zuvor kam es zu Forderungen, Severos von Antiocheia zu verurteilen. Infolgedessen kam sogar in Syrien das Gerücht auf, dass Johannes II. dies getan hätte, sodass sich Severos genötigt sah, dem in einem Brief an dem Bischof Eleusinios zu widersprechen. Darin berichtet Severos ferner, dass einige der Leute, die für das Gerücht verantwortlich waren, verhaftet wurden.259 Es scheint, dass Anastasios seine schützende Hand 257 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 72, Z. 20: „Oh ich lege Zeugnis ab. Entweder Du verkündest [sie] oder du gehst hinaus!“ und ebd., Z. 22: „Oh, ich lege Zeugnis ab, oh, ich schleife Dich hinaus, oh, ich schließe die Türen!“ 258 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 75, Z. 39 – S. 76, Z. 2. 259 Selected Letters, VI, 1, S. 362: „But know this too: that the anathema which has been reported
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über Severos hielt und gegen diejenigen Chalkedonier einschritt, die versuchten, die Weihe des neuen Patriarchen in Konstantinopel zu nutzen, um Severos zu verurteilen und damit auch die Kirchenpolitik des Kaisers zu torpedieren. Für diejenigen Chalkedonier, die in Gegnerschaft zur Politik des Anastasios standen, bot es sich also an, es nach seinem Tod erneut zu versuchen. Womöglich kam es bereits 515 im Vorfeld der Synode von Herakleia, die letztlich doch nicht stattfand, zu ersten Konspirationen in diese Richtung. Der Bischof von Herakleia könnte dabei als theologischer Berater Vitalians fungiert haben260 und nutzte dessen Aufstand, um die chalkedonische Position im Reich zu stärken. Zwar ließ Anastasios die Planungen für die Synode im Sande verlaufen, nachdem Vitalian besiegt worden war, doch dürften die Chalkedonier nach diesem Rückschlag weiter an einer chalkedonischen Kurskorrektur in der Kirchenpolitik gearbeitet haben. Ein Indiz, das auf die Verbindung der Synode von 518 mit der nicht eröffneten Synode von Herakleia 515 hinweist, ist, dass es ausgerechnet der Bischof von Herakleia war, der 518 den Vorsitz der synodos endemousa innehatte. Jedenfalls war es 518 dann aber Johannes II. der die Einberufung der Synode ins Spiel brachte, wenn er auch nicht selbst dort erscheinen wollte. Die Aktion des chalkedonischen Volkes, Klerus und Mönchtums wurde also in kanonische Bahnen gelenkt, wodurch die Chalkedonier ihre Forderungen ratifizieren konnten und lernten, dass sie eine synodos endemousa auch ohne direkte Beteiligung des Patriarchen und des Kaisers, der ja auch nicht durch einen Beamten auf der Synode vertreten war,261 organisieren konnten. Gestärkt wurde ihre Position ferner dadurch, dass zahlreiche Nachfolgesynoden in Syrien, Phönizien und Jerusalem die synodos endemousa in Konstantinopel anerkannten, sodass auf diese Weise die eigentlich lokale Synode in Konstantinopel in weite Teile des Reiches ausstrahlen konnte. Ermöglicht wurde all dies freilich erst durch einen Kaiser, der sich zum einen klar zu Chalkedon bekannte. Zum anderen war Justin I. auch daran gelegen, dass sein Bekenntnis nicht vom Klerus in Frage gestellt und er in die Nähe des ungeliebten Anastasios gerückt
to have been pronounced against us by him who has now been instituted is quite untrue. Certain men, in number very few, tried to make use of such rumors, and they were exposed and it became known by whom they were employed to do this: and the bishop who has now been instituted never consented to turn his attention to the rumors put about by those men: but on the next day we hear that some of them were actually arrested.“ 260 Ruscu geht davon aus, dass Vitalian bei seinem Aufstand wenige Jahre zuvor einen theologischen Berater gehabt haben muss, vgl. RUSCU, Revolt, S. 777. Möglicherweise handelte es sich bei diesem Berater um Teophilos von Herakleia. Ein Indiz dafür wäre, dass ausgerechnet Herakleia von Vitalian als Tagungsort für die 515 einzuberufende Synode ausgewählt wurde, was auch eine symbolische Bedeutung hatte, da Herakleia einst der Metropolitansitz war, dem Konstantinopel unterstellt war. 261 Es wird jedenfalls kein kaiserlicher Beamter in den Dokumenten der Synode erwähnt. Auch lässt die Tatsache, dass die Synode Johannes II. damit beauftragte, dem Kaiser die Anaphora der Synode zu übergeben, darauf schließen, dass er dort keinen eigenen Vertreter hatte. Zur Forderung der Synode an Johannes II. vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 64, Z. 34–39.
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wurde, sodass ihm auch nicht viel anderes übrig blieb, als die Synode zu bestätigen. Im Jahr 518 war es also dem Klerus und den Mönchen gelungen, sich unabhängig vom Kaiser und von Patriarchen zu organisieren, sodass es nach ihren Anfangserfolgen in der Hagia Sophia (unverhofft?)262 zu einer synodos endemousa kam. Diese konnte dann dem Patriarchen und Kaiser Vorgaben dafür machen, welcher Weg in der Kirchenpolitik eingeschlagen werden sollte. Gerade dieser Punkt ist von Bedeutung, wenn man nun den Blick auf die Synode 536 richtet. Auch dort gelang es den chalkedonischen Kräften, sich unabhängig vom Kaiser und Patriarchen – ja sogar gegen den Patriarchen – zu organisieren und eine Synode abzuhalten, die dem Kaiser und dem neuen Bischof Konstantinopels den kirchenpolitischen Kurs vorgeben sollte. Zweifelsohne waren die Akteure des Konzils mit den Geschehnissen von 518 vertraut, denn die Akten der Synode von Konstantinopel 518 und die Bestätigungssynoden im Orient stellten die größte Gruppe an Texten, die 536 zur Verurteilung des Severos von Antiocheia und des Petros von Apameia angeführt wurden. Man hatte also eine Art Blaupause für das eigene Vorgehen. Das heißt, den Bischöfen und Mönchen war bewusst, dass man in enger Zusammenarbeit auch ohne Kaiser und Patriarchen die Einberufung einer synodos endemousa erwirken konnte, um so die Kirchenpolitik des Kaisers nachhaltig zu bestimmen. Und wenn der Kurs dem chalkedonischen Kaiser erst einmal vorgegeben war, konnte er diesen nicht mehr so einfach wieder verlassen. Von Bedeutung an dieser Stelle ist deshalb auch der zweite Punkt, der den Synoden von 518 und 536 gemeinsam ist: in beiden Fällen herrschte ein Kaiser mit klarem chalkedonischen Selbstverständnis. Dies war die zwingende Voraussetzung für den Erfolg einer chalkedonischen Offensive. Nur wenn der Kaiser sich klar zu Chalkedon bekannte, konnte man ihm, indem man ihm vorführte, welche Politik als einzige als chalkedonisch zu betrachten sei, den eigenen kirchenpolitischen Kurs aufzwingen. Die Bischöfe und Mönche hatten 536 aus den Synoden 518 gelernt und die eigenen Planungen deshalb – anders als es im Jahr 518 ersichtlich ist – von vornherein auf die Einberufung einer Synode ausgerichtet.263 Auch hatte die Erfahrung ge262 Die Synode wurde erst durch Johannes II. ins Spiel gebracht und nicht durch die Menge in der Hagia Sophia gefordert. Diese begnügte sich mit einer Verurteilung des Severos und einer Änderung des Kurses des Patriarchen zu Gunsten Chalkedons, wofür eine Synode nicht notwendig war. 263 Denn, dass sie es bei der Absetzung des Anthimos durch Agapet allein nicht bewenden lassen wollten, machten sie in ihren Forderungen deutlich, dass das Urteil jetzt ausgeführt werden sollte beziehungsweise dass Agapet bei Anthimos wie zuvor Coelestin bei Nestorios handeln sollte. Das heißt, es wurde auf eine Synode – ja sogar mit ökumenischem Anspruch – hingearbeitet. Zu den Bezügen zu Coelestin vgl. Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 132, Z. 27–31; vgl. ferner Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 140, Z. 22–27. Auch zu beachten ist die Parallele, die die Mönche in ihrem Brief zwischen der jetzigen Lage in der Hauptstadt und der Lage zur Zeit des Wirkens der Apollinaristen in der Hauptstadt herstellten. Auch Apollinarios wurde auf einem ökumenischen Konzil verurteilt. Der indirekte Vergleich der Miaphy-
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lehrt, dass die Mönche und Bischöfe der Syria II und auch Jerusalems, den eigenen chalkedonischen Kurs teilten – vor allem was die Feindschaft zu Severos von Antiocheia anging. Man traf hier also auf natürliche Verbündete, die man diesmal in die eigenen Planungen miteinbezog. Dass dies der Fall war, sieht man zum einen am Brief der syrischen Bischöfe an Justinian, den sie zwischen der vierten und fünften Sitzung der Synode schrieben, in dem sie die bisherigen Beschlüsse der Synode bestätigten, noch bevor die Synode endgültig abgeschlossen war. Die Ereignisse dürften sie nicht ganz überrascht getroffen haben, wenn man bedenkt, dass sie in der kurzen Zeit zwischen der vierten und fünften Sitzung des Konzils in der Lage waren, sich zu versammeln und einen gemeinsamen Brief zu Gunsten der tagenden Synode an den Kaiser zu richten. Zum anderen sticht die Ähnlichkeit der Briefe, die die hauptstädtischen Mönche und die orientalischen und palästinischen Bischöfe an Papst Agapet schrieben, ins Auge. 264 Die in der Stadt anwesenden Bischöfe und Mönche arbeiteten also eng zusammen, wobei möglicherweise die syrischen und palästinischen Mönche als Verbindungsmänner zwischen hauptstädtischen Mönchen und den syrischen und palästinischen Bischöfen sowohl in der Hauptstadt als auch in der Syria II fungierten. Der zweite Unterschied zwischen der Organisation der Synode 536 mit der Synode beziehungsweise den Synoden 518 ist, dass diesmal Rom miteinbezogen wurde. Diese Möglichkeit ergab sich aus dem Ende des Akakianischen Schismas, wobei noch die aus chalkedonischer Sicht glückliche Fügung hinzukam, dass der Papst persönlich nach Konstantinopel kam. Seit jeher konnte man in den Streitigkeiten auf die deutliche chalkedonische und auch konfrontative Position Roms bauen. Zu den im Vergleich zu 518 weiterführenden Planungen kam also noch Glück hinzu. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass den Bischöfen und Mönchen 536 die Synode 518 als Vorbild diente, sie aber dieses Mal ihr Vorgehen genauer planten beziehungsweise die Planungen, die es wohl auch im Vorfeld der Synode 518 bei den Bischöfen und Mönchen gegeben hatte, gemäß dieser Erfahrungen weiterentwickelten. Wenn es also 518 gelang, ohne kaiserliches Zutun und aktiven Einsatz des Patriarchen Severos zu vertreiben und den kirchenpolitischen Kurs des Kaisers festzulegen, wieso sollte ein solches Unterfangen nicht auch ein zweites Mal funktionieren, wenn man es nur klug genug anstellte und diesmal sogar Rom mit an Bord holen konnte? Man entschloss sich deshalb dazu, das Problem des Severos von Antiocheia und seines unheimlichen Einflusses in der Hauptstadt auf dieselbe Art zu lösen, die schon beim ersten Mal zum Erfolg geführt hatte. Gerade die Beispiele von 518 und 536 zeigen, welche Macht eine synodos endemousa auch unabhängig vom Kaiser und vom Patriarchen entfalten konnte. Deshalb sollte ihr Einfluss 536 beziehungsweise jener der Akteure, die auf die Synode hinsiten mit den Apollinaristen zieht sich durch den gesamten Brief der Mönche an Agapet, vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147). Für die ökumenischen Aspirationen der Akteure 536 siehe die Diskussion der Bittschrift der Mönche Konstantinopels, Anatoliens und Palästinas an Agapet in Punkt 5. 1. 2. 3. 264 Zur Ähnlichkeit der beiden Briefe siehe Punkt 5. 1. 2. 4 Der Brief der orientalischen und palästinischen Bischöfe an Agapet.
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arbeiteten, nicht zu gering eingeschätzt werden, wie es bislang in der Forschung üblich ist,265 wo meist nur auf die große Bedeutung Agapets hingewiesen wird. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass dieser überhaupt erst durch die Mönche und Bischöfe in Konstantinopel auf die Verhältnisse in der Hauptstadt aufmerksam gemacht worden ist. Ferner war Agapet kurz nach der Absetzung des Anthimos gestorben. Wenn Justinian vor allem in Agapet die bestimmende Kraft hinter der Absetzung des Anthimos und der Verurteilung der Miaphysiten gesehen hätte, hätte er die sich in Planung befindliche Synode abblasen oder zumindest verschieben können, bis in Rom ein neuer und vielleicht dem justinianischen Kurs wohlgesonnenerer Papst gewählt worden wäre. Ein solcher hätte sich vielleicht mit der Absetzung des Anthimos begnügt und die Einberufung einer Synode für unnötig gehalten. 5.2.3 Das Verhältnis des Konzils von 536 zu Justinian 5.2.3.1 Die Unzufriedenheit der chalkedonischen Kleriker mit dem bisherigen Kurs Justinians Wie bereits weiter oben angedeutet wurde, zielte das Vorgehen der Konzilsteilnehmer 536 nicht allein auf Anthimos oder die Miaphysiten, sondern war auch gegen die bisherige Kirchenpolitik Justinians gerichtet, die in der Einsetzung des Anthimos kulminierte. Dass die Bischöfe und Mönche der Stadt sich gegen die bisherige kaiserliche Politik wandten, soll an folgenden Punkten aufgezeigt werden: 1) Die Einbeziehung der Akoimeten im Brief der Mönche an Menas, der als Anklageschrift diente, 2) die Haltung der Bischöfe und Mönche gegenüber Dioskoros, 3) die Haltung der Bischöfe und Mönche zum Umgang mit Miaphysiten, 4) die (scheinbare) Parallele zwischen Severos’ Wirken in der Hauptstadt 508511 und 535 und der Zweifel, inwieweit der Kaiser noch den rechten Glauben unterstützte. Zu Punkt 1), den Akoimeten: Im Jahr 534 gelang es Justinian von Papst Johannes II. die Annahme seines Glaubensbekenntnisses mit der theopaschitischen Formel und die Verurteilung der Akoimeten als Nestorianer zu 265 So sieht etwa Pfeilschifter die Absetzung beziehungsweise das Fallenlassen des Anthimos durch Justinian als Kalkül des Kaisers, um sich das päpstliche Wohlwollen zu sichern. Ferner sei Justinian der Meinung gewesen, seinen Bischof ohne nennenswerte Akzeptanzverluste fallen lassen zu können, vgl. PFEILSCHIFTER, Kaiser, S. 413–415. Diese Darstellung versäumt es, die Aktivitäten der Bischöfe und Mönche in Rechnung zu stellen, die die Causa Anthimos überhaupt erst aufgeworfen hatten. Bei Pfeilschifter reagieren die chalkedonischen Bischöfe lediglich auf die Tat Agapets, anstatt als eigenständige Akteure aufzutreten, die noch vor der Absetzung des Anthimos auf seinen Sturz hinarbeiteten. Zudem musste Justinian nicht allein deswegen keinen Akzeptanzverlust durch das Fallenlassen des Hauptstadtbischofs fürchten, weil der Bischof von so geringer Relevanz war, sondern weil der Bischof in weiten Teilen des Klerus und Mönchtum unbeliebt war. Das heißt, Justinian hätte sogar eher bei der Unterstützung des Anthimos eine Akzeptanzminderung zu befürchten gehabt.
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erwirken. Gerade letzteres muss viele Chalkedonier in der Hauptstadt beunruhigt haben. Eines der Klöster, das bisher als eines der Vorkämpfer des Chalcedonense galt, wurde nun verurteilt, und noch dazu unter dem Vorwurf des Nestorianismus’, also gerade unter dem Vorwurf, den die Miaphysiten gegen Chalkedonier zu erheben pflegten. Dass dies nicht jedem in der Hauptstadt gefiel, erkennt man daran, dass die Akoimeten von den Organisatoren des Konzils miteingebunden wurden. So findet sich Johannes, der Presbyter und Archimandrit des Klosters der Akoimeten in der Unterschriftenliste des Briefes der hauptstädtischen Mönche an Menas, der dem Konzil als Anklageschrift gegen Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und Zooras diente.266 Das heißt, trotz des römischen Urteils hielten gerade die Chalkedonier, die am stärksten auf Abgrenzung gegenüber den Miaphysiten setzten, immer noch an der Gemeinschaft mit den Akoimeten fest. Auch Justinian schätzte die Situation so ein, dass die Bischöfe und Mönche in der Hauptstadt sich mit päpstlicher Unterstützung gegen seine bisherige Politik wandten, die mit der theopaschitischen Formel und der Verurteilung der Akoimeten verbunden war. Er hielt es nämlich für nötig, das, was er bisher auf dem theologischen Feld in der theopaschitischen Frage erreicht hatte, abzusichern. Dies tat er, indem er, nachdem Agapet Anthimos abgesetzt hatte, diesen am 14. März in einem Brief darum bat, den Urteilsspruch seines Vorgängers, Johannes II., bezüglich des kaiserlichen Glaubensbekenntnisses zu bestätigen.267 Zu Punkt 2), Dioskoros: 532 hatten im Religionsgespräch in der Hauptstadt zwischen den chalkedonischen Bischöfen und den Bischöfen aus dem Lager des Severos von Antiocheia Justinian und die dort anwesenden chalkedonischen Bischöfe (unter ihnen Anthimos von Trapezunt) die zuvor im chalkedonischen Lager vertretene Ansicht aufgegeben, dass Dioskoros, der Eutyches angenommen hatte, ein Häretiker sei. Sie warfen ihm lediglich Nachlässigkeit im Umgang mit Eutyches vor, als die Miaphysiten darauf hinwiesen, dass Dioskoros Eutyches erst angenommen hatte, nachdem dieser jenem ein rechtgläubiges Glaubensbekenntnis übergeben hatte. Zumindest der severianische Bericht schreibt den Chalkedoniern explizit dieses Zugeständnis zu. Die chalkedonischen Bischöfen sagen dort: „We do not hold him to be a heretic, for his opinions were orthodox, but he was neglectful in matters of urgent importance.“268 Und auch Justinian stört sich nicht an 266 Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329 (3)) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 47, Z. 39–41, Nr. 70. Auch GRAY, Defense, S. 60, weist auf diesen bemerkenswerten Umstand hin. Andererseits finden sie sich nicht auf den Teilnehmerlisten des Konzils. Möglicherweise wollte man die Autorität des Konzils nicht gefährden, indem man Mönche teilnehmen ließ, die offiziell von Rom verurteilt worden waren, beziehungsweise hätte die Teilnahme der Akoimeten möglicherweise zu Spannungen mit den Repräsentanten Roms geführt. 267 Vgl. Coll. Avell. 91 (CPG 6875; 9320); AMELOTTI/ZINGALE, Scritti, S. 22–26. 268 BROCK, Conversations, S. 96. Zum Religionsgespräch siehe Punkt 4. 2 Das Religionsgespräch 532 beziehungsweise SPEIGL, Religionsgespräch. Ein Restzweifel, ob es sich tatsächlich so zugetragen hat, bleibt, da eine entsprechende Aussage in dem chalkedonischen Bericht über das Gespräch fehlt. Allerdings findet sich im chalkedonischen Bericht zumindest ein Indiz, das den miaphysitischen Bericht in dieser Frage stützen könnte. Die chalkedonischen Bischöfe bezeichneten dort das zweite Konzil von Ephesos als ökumenisch, womit sie sich von der Bezeichnung des Konzils als Räubersynode distanzierten und den miaphysitischen Bi-
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der Haltung der miaphysitischen Bischöfe gegenüber Dioskoros beziehungsweise betrachtet er selbst die miaphysitischen Bischöfe nicht als Häretiker: „I am not of the opinion, either, that you do not think in an orthodox fashion“, sagte Justinian der Delegation der miaphysitischen Bischöfe.269 Diese konziliante Haltung gegenüber Dioskoros steht dabei im klaren Gegensatz zu der Haltung der Bischöfe und Mönche, die in ihren Briefen im Vorfeld des Konzils von 536 Dioskoros mit Eutyches auf eine Stufe stellen und keinen Unterschied in den Lehren beider Männer machen. So bezeichnen die Mönche in ihrem Brief an Justinian Severos und die anderen Miaphysiten als jene, die „von Eutyches und Dioskoros herabgezogen werden“.270 Im Schreiben der Mönche an Agapet bezeichnen sie die Parteigänger des Severos als „die vom Wahnsinn des Dioskoros und Eutyches herabgezogenen Aposchisten und Akephalen“271. Und die Bischöfe bezeichnen in ihrem Brief an Agapet Dioskoros als den „Schildträger und Vater“ des Eutyches.272 Zu Punkt 3), die Haltung der Bischöfe zum Umgang mit den Miaphysiten. Justinian versuchte eine Annäherung zwischen Miaphysiten und Chalkedoniern auf dem Verhandlungsweg zu erreichen. So lud er 532 miaphysitische Bischöfe zum Gespräch mit chalkedonischen Bischöfen ein und gewährte ihnen zudem eine Audienz im Palast (ohne Anwesenheit der chalkedonischen Bischöfe), wo er selbst mit ihnen Verhandlungen führte, um ein Ende der Weihen miaphysitischer Priester und Bischöfe sowie eine Teilanerkennung Chalkedons in Bezug auf seine Verurteilung des Nestorios und Eutyches zu erwirken. Sogar Severos von Antiocheia, eine der Führungsfiguren der Miaphysiten und Erzfeind vieler Chalkedonier, wurde mit einer persönlichen Einladung des Kaisers bedacht. Und auf den ersten Blick scheinen die in der Hauptstadt weilenden Bischöfe, die an Agapet schreiben, zumindest die Absicht des Kaisers bei diesem Vorgehen zu honorieren, wenn sie schrieben, dass der Kaiser aufgrund der ihm natürlich zukommenden Menschenliebe heraus, darum bemüht ist, die Fehlgeleiteten zur Umkehr zu bewegen. Deshalb vertrieb der Kaiser auch nicht gleich jene Häretiker, die nie die Wahrheit erfasst haben und die man besser als „Jünger des Teufels“ (τοῦ διαβόλου μαθητὰς) bezeichnen sollte.273 Jedoch tadeln sie indirekt die Absicht des Kaisers, wenn sie im scheinbaren Lob auf die kaiserliche Gesinnung sogleich schreiben, dass die Führungsfiguren der Miaphysiten, die sie hier „Jünger des Teufels“ nennen, nie die Wahrheit erfasst haben, sodass also das Zugehen des Kaisers auf jene als von vornherein zum Scheitern verurteilt dargestellt wird.
269 270 271 272 273
schöfen einen großen Schritt entgegenkamen. Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier S. 171, Z. 19–20: illud universale concilium quod cum Dioscoro congregatum est. BROCK, Conversations, S. 108. Libellus monachorum ad imperatorem (CPG 9329 (2)) (=ACO III, S. 32–38) hier S. 32, Z. 33–34. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 8–9. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 149, Z. 32. Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 147, Z. 29–32, zum Ausdruck „Jünger des Teufels“ Z. 31.
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Darüber hinaus lehnen die Mönchen nicht nur jede Kontaktaufnahme mit den Miaphysiten ab, womit sie sich gegen den bisherigen kaiserlichen Kurs wenden, sie weigern sich sogar, die Präsenz der Miaphysiten in der Hauptstadt beziehungsweise sogar im Reich zu dulden. Und so fügen die Bischöfe ihrem oben genannten Lob des Kaisers, den sie „Jünger Christi“ nennen, der bestrebt sei das Wohlbefinden der ganzen Körpers der Kirche zu schützen,274 die Bitte an Agapet hinzu, dass er den Kaiser an die Worte erinnere „alles Verabscheuungswürdige hasst der Herr. (Sir 15, 13)“ und, dass nicht die „Gerechtigkeit mit der Ungerechtigkeit Gemeinschaft hat oder das Licht Gemeinschaft mit der Finsternis“ (2 Kor 6, 14) oder der Glaube Anteil an dem Unglauben.“275 Deutlicher werden die Mönche in ihrem Brief an Agapet. Sie mahnen, dass wenn den Häretikern gestattet wird, offen ihre Lehren zu verkünden, dass dies der Verurteilung der kirchlichen Lehre gleichkomme und der Anerkennung der Lehre der Miaphysiten.276 Ferner soll Agapet den Kaiser darauf hinweisen, dass sein Bemühen um die Kirche keinen Nutzen bringen wird, wenn gleichzeitig die Häretiker mit ihren Predigten den rechten Glauben zerstören und zu diesem Zweck Eingang in private und kaiserliche Häuser finden dürfen. 277 Ebenso soll Agapet Justinian und die Bischöfe des Ostens lehren, wie alle die Verdammung teilen, die die Verdammung (Anathema) in der Mitte haben, wie die heilige Schrift am Beispiel Achars und Jonathans zeigte, als all jene in Gefahr gerieten vernichtet zu werden, weil sie die Verdammung in der Mitte hatten.278 Die Mönche greifen auch in ihrem Brief an Justinian das Bild von Achar und Jonathan auf und fordern deshalb von ihm die Vertreibung der Miaphysiten. Denn dürfe den Mönchen wegen der zu großen Nachsicht gegenüber den Häretikern dasselbe Schicksal widerfahren wie einst das Volk Israel, weil sie in ihrer Mitte diejenigen dulden müssen, die von der ganzen Amtsgewalt des Papstes verurteilt worden sind. Damals ist das ganze Heer Israels vernichtet worden. Deshalb müsse der Kaiser jetzt handeln und die Gottlosen aussondern (Spr 20, 26).279 Die Forderung der Mönche und Bischöfe, die Miaphysiten zu vertreiben, stellt eine Abkehr von Justinians bisheriger Politik dar, die von den Konzilsteilnehmern damit eine deutliche Ablehnung erfährt. Zwar honorieren sie die Motivation des Kaisers, erklären aber sein Handeln zur Gefahr für das Reich, da die Duldung der Miaphysiten zum Untergang führe und zwar unabhängig davon, ob der Kaiser sich dessen bewusst sei, dass er mit den Miaphysiten das Verderben in seiner Mit274 Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 147, Z. 23–25. 275 Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 147, Z. 33–34 und S. 149, Z. 1–3. 276 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 38, S. 138, Z. 4. 277 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 138, Z. 16–21. 278 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 138, Z. 33–37, das Wort Verdammung Z. 34. 279 Vgl. Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 133, Z. 18–25.
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te habe. Oder auch unabhängig davon, ob der Kaiser aus rechtgläubiger und menschenfreundlicher Gesinnung heraus handle oder tatsächlich aus häretischer Gesinnung heraus. Was zu Punkt 4 führt, dem Zweifel am ausreichenden Eifer des Kaisers für den rechten Glauben. Im Brief der Mönche an Agapet findet sich die bemerkenswerte Aussage, dass weil Anthimos gerechterweise von Agapet bestraft wurde und seinen Sitz verlor, der Kaiser die rechtmäßige Empörung des Papstes über Anthimos unterstützte und die göttlichen Kanones und den katholischen Glauben übernahm.280 Wenn nun Justinian (erst?) durch das Eingreifen des Papstes den katholischen Glauben unterstützte sowie die göttlichen Kanones, was tat er dann zuvor? Dieser Ausspruch kann durchaus als versteckte Kritik gelesen werden. Zwar enthielt man sich eines explizit ausgesprochenen Tadels, doch stand mit diesem Satz der Vorwurf im Raum, dass der Kaiser mit der Erhebung des Anthimos zum Bischof Konstantinopels seine Sorgfaltspflicht vernachlässigt habe, indem man betonte, dass er erst nach dem Einschreiten Agapets, die Kanones unterstützte. Auch wurde das Verhältnis des Kaisers zum rechten Glauben in ein ungünstiges Licht gerückt, wenn man schrieb, dass er erst durch Agapet den katholischen Glauben unterstützt habe. Das heißt, der zuvor vom Kaiser gezeigte Glaubenseifer wurde nicht uneingeschränkt als rechtgläubig eingestuft. Zumindest mangelte es ihm an Abgrenzung zu den Miaphysiten. Dass der Kaiser gar dem Severos von Antiocheia, der 535 in die Hauptstadt gekommen war, und seinen Anhängern erlegen sein könnte, wird im Zusammenhang mit der Erhebung des Anthimos impliziert. Denn auf die Miaphysiten wurde seine Ernennung zum Bischof von Konstantinopel zurückgeführt. Die Mönche führen in ihrem Brief an Justinian aus, dass Anthimos „durch jene [der Häretiker] Unterstützung entgegen aller kirchlichen Gesetze und Kanones heimlich den Bischofsstuhl der Stadt erlangen“ konnte.281 Doch wie sollten die Miaphysiten Anthimos zum Thron der Hauptstadt verholfen haben, wenn der Kaiser in dieser Frage doch das letzte Wort hatte? Dies wäre doch nur dann möglich, wenn er sich von ihren Einflüsterungen habe beeinflussen lassen. Die Mönche unterlassen es zwar, diese Vermutung gegenüber Justinian explizit zu äußern, doch konnten sie darauf bauen, dass der Kaiser ihren Vorwurf verstand. Denn ihm wird bewusst gewesen sein, dass auch die Mönche wussten, dass die Miaphysiten den Bischofsstuhl Konstantinopels nicht ohne den Kaiser besetzen konnten. Als Severos 535 in die Hauptstadt kam, schien sich aus Sicht der Mönche die Situation der Jahre 508-511 in Konstantinopel zu wiederholen, als Severos sich das erste Mal in der Kaiserstadt befand. Dort wurde er damals sogleich von Anastasios mit der Anfertigung eines Glaubensdokuments betraut, dass als Grundlage für das Bekenntnis des Reiches dienen sollte. Und wenig später ordnete dann der Kaiser an, mit dem Staurotheis-Zusatz eine aus Sicht des chalkedonischen 280 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 140, Z. 13–16. 281 Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 131, Z. 38 – S. 132, Z. 2.
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Klerus von Konstantinopel miaphysitische Formel in den Gottesdienst einzuführen. Der Einfluss des Severos auf den Kaiser schien für die Zeitgenossen wohl unübersehbar, auch wenn es sich wohl eher so verhielt, dass Anastasios einen eigenständigen Kurs in der Kirchenpolitik verfolgte, für den er Severos lediglich einzuspannen gedachte, anstatt dass er sich selbst zum Werkzeug des Severos gemacht hätte. Nun kam Severos 535 ein zweites Mal in die Hauptstadt auf Einladung eines Kaisers, der gerade die Verurteilung der chalkedontreuen Akoimeten sowie die Durchsetzung einer aus Sicht eines Teils des chalkedonischen Lagers suspekten theologischen Formel erwirkt hatte. Zur selben Zeit mehrten sich die Aktivitäten der Miaphysiten in der Hauptstadt und der Kaiser setzte einen Bischof für die Stadt ein, der für die Chalkedonier sichtbar Umgang mit den berüchtigten Führungsfiguren der Miaphysiten hatte. Damit drohte aus der Sicht derjenigen, die auf den Sturz des Anthimos und die Einberufung des Konzils 536 hinarbeiteten, Justinian den Pfad des rechten Glaubens zu verlassen und stattdessen denselben Weg wie einst Anastasios einzuschlagen. In diese Richtung weist auch die Verlesung eines eigentlich auf Anastasios anspielenden Briefes282 in der fünften Sitzung des Konzils, mit dem die Konzilsteilnehmer nun die päpstliche Autorität gegen die Justinians auszuspielen gedachten. In diesem Brief versuchte Hormisdas eine allgemeingültige Anweisung zu geben, wie mit einem prinzipiellen Problem umzugehen sei, mit dem der Klerus und das Mönchtum immer dann konfrontiert waren, wenn der Kaiser eine Kirchenpolitik verfolgte und eine Theologie förderte, mit der sie nicht einverstanden waren: 5.2.3.2 Wer ist der legitime Träger von Theologie?– Das Verhältnis zwischen Kaiser und Kirche Zwar hatte der Kaiser die unbestrittene Aufgabe, die Kirche zu schützen und sich für den rechten Glauben einzusetzen, doch war nicht genau geklärt, wie weit die Zuständigkeiten des Kaisers gingen. Einerseits musste der Kaiser bei allen wichtigen Entscheidungen in der Kirche miteinbezogen werden. Andererseits blieb er doch nur Laie, sodass seine Autorität im theologischen Bereich beschränkt blieb. Die Kaiser waren es, die die ökumenischen Konzilien einberiefen und auch teilweise leiteten. Und auch bei Entscheidungen geringeren Ausmaßes, die für die Kirche relevant waren, war die Zustimmung des Kaisers einzuholen. So erklärte zum Beispiel Johannes II. von Konstantinopel 518, nachdem er auf Druck der in der Hagia Sophia Versammelten Severos von Antiocheia verurteilt und sich offen zu Chalkedon bekannt hatte, dass eine Synode einberufen und die Zustimmung des Kaisers eingeholt werden müsse. 283
282 Epistula Hormisdae papae ad clerum et archimandritas secundae Syriae (CPG 9201; 9329 (4)) (=ACO III, S. 52–56). 283 Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 75, Z. 39 – S. 76, Z. 2.
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Und dem folgend übergaben die Bischöfe, die sich in den folgenden Tagen auf der synodos endemousa versammelt hatten, dem Patriarchen eine Anaphora, in der alle Beschlüsse der Synode festgehalten waren, damit dieser sie dem Kaiser übergebe.284 Die starke Stellung des Kaisers wurde dabei von den Bischöfen nicht in Frage gestellt. Auch beim Konzil 536 wurde die kaiserliche Autorität auch in kirchlichen Dingen bestätigt. So führte Menas aus, als nach Verlesung des Urteils über Anthimos die Anwesenden nun die Verurteilung des Severos, des Petros und des Zooras forderten, dass es sich nicht gehöre, dass das, was in der Kirche geschieht, an der Kenntnis des Kaiser vorübergehe.285 Aber während man die Hilfe des Kaisers erbat, um Häresien zu bekämpfen und dazu auch Konzilien einzuberufen, oder Gesetze zu erlassen, beanspruchten die Bischöfe – vor allem die römischen Bischöfe – aber gleichzeitig, dass die Lehrautorität nur bei ihnen und nicht beim Kaiser lag. Auch wenn die Realität vom vierten bis zum sechsten Jahrhundert oft anders aussah, bemühte sich vor allem Rom gegen Ende des fünften Jahrhunderts unter Papst Gelasius, die Einflussnahmen des Kaisers Anastasios abzuwehren und die eigene Autorität in geistlichen Belangen gegen ihn ins Feld zu führen. Und diese Haltung beziehungsweise die römische Autorität bemühten sich auch die Teilnehmer des Konzils 536 für sich auszunutzen und gegen den Kaiser auszuspielen. In den verschiedenen auf der Synode verlesenen Briefen lassen sich zwei Typen von Aussagen ausmachen, die die kaiserliche Position innerhalb der Kirche beschreiben: 1) Allgemein habe der Kaiser nur zu lernen und nicht zu lehren und 2) konkret im Jahr 536 solle der Kaiser dem Willen Agapets Folge leisten, womit die Bischöfe implizit den Kaiser zumindest in kirchlichen Dingen der Befehlsgewalt des Papstes beziehungsweise des Klerus unterwarfen. Interessant ist aber vor allem der erster Aspekt, weil er sich als versteckte Kritik gegen Justinians bisherige Politik deuten lässt. Nachdem auf der fünften Sitzung des Konzils der Brief der Mönche an Menas verlesen wurde, der als Anklageschrift gegen Severos und seine Anhänger diente, wurde die Beweisaufnahme mit dem Brief des Hormisdas an die Archimandriten der Syria II eröffnet. Und diesem Brief kam programmatische Bedeutung zu. Er lieferte nur wenig in Bezug auf die Vergehen, die Severos angelastet wurden, führte dafür aber aus, wie das Verhältnis zwischen Klerus und Kaiser zu bestimmen sei. Hormisdas schrieb dort an die Archimandriten der Syria II, die zuvor die Gemeinschaft mit Rom aufgenommen hatten, dass niemand sie mit unangemessenen Vorschriften und neuen Unterweisungen erschüttern solle. Wenn es sich etwa um einen Laien handle, könnte er in der Kirche nicht das Sagen haben, weil es den Laien gebührt zu lernen und nicht zu lehren. Gott habe das Amt zwischen den Leviten und dem Volk geteilt. Das eine sei die Macht über die Menschen, das andere der Dienst der Priesterschaft. Hormisdas verweist auf das Schicksal Usijas, der 284 Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 64, Z. 34–39. 285 Vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 181, Z. 35–36. Dazu, dass das Betreiben einer aktiven Kirchenpolitik durch den Kaiser auch von den konfrontativen Chalkedoniern auf dem Konzil nicht prinzipiell in Frage gestellt wurde, vgl. H ASSE-UNGEHEUER, Mönchtum, S. 47.
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sich das Priesteramt angemaßt hatte und daraufhin nicht nur das Priesteramt nicht erlangte, sondern dazu sein Königsamt verlor.286 Diese Mahnung richtete sich klar gegen die miaphysitischen (beziehungsweise von vielen Chalkedoniern als miaphysitisch betrachteten) Einflussnahmen des Kaisers Anastasios in der Kirchenpolitik. Gedacht sei an das Henotikon, das der Kaiser zur Grundlage des reichsweiten Glaubens machen wollte, sowie an den Staurotheis-Zusatz, den Anastasios in den Kirchen Konstantinopels durchsetzen wollte. Doch war die Formulierung des Briefes so allgemein gehalten, dass die Position des Papstes theoretisch gegen jeden Kaiser ins Feld geführt werden konnte.287 Nicht solle es sich ein Kaiser anmaßen, zu lehren. Was musste das aber für die kaiserlichen Glaubensbekenntnisse von 527 oder von 533, die die theopaschitische Formel enthielten, bedeuten? Hatte dort Justinian nicht de facto der Kirche ein Glaubensbekenntnis vorgeschrieben und sich damit Lehrautorität in theologischen Belangen angemaßt? Zumindest gelang es ihm, sein Bekenntnis von 533 auf der synodos endemousa und kurz darauf von Papst Johannes II. im Nachhinein approbieren und 536 ein weiteres Mal von Rom – in diesem Fall durch Agapet – bestätigen zu lassen. Doch mahnte auch Agapet in seinem Brief, in dem er das Glaubensbekenntnis Justinians akzeptierte, dass er damit nur den Glaubenseifer des Kaisers, sowie den Urteilsspruch seines Vorgängers Johannes II. bestätigen wolle, dass er damit jedoch nicht Laien zubillige, predigen zu dürfen.288 Es sollte also nicht der Eindruck erweckt werden, dass der Kaiser aus eigener Autorität heraus Glaubensbekenntnisse durchsetzen und den Bischöfen und dem Papst vorgeben dürfe. Offensichtlich versuchten die Bischöfe 536, sich diese Position zu eigen zu machen, indem sie den Brief des Hormisdas auf dem Konzil verlesen ließen. Dabei nutzten sie die päpstliche Autorität, um die bisherige Vorgehensweise Justinians, auf dem theologischen Feld derartig die Initiative zu ergreifen, indirekt zu kritisieren. Andererseits muss einschränkend erwähnt werden, dass diese Position nicht die Haltung des gesamten östlichen Episkopats repräsentierte. So hören wir abgesehen von den Akoimeten, die bezeichnenderweise über den Brief der Mönche an Menas auf dem Konzil 536 ebenfalls präsent waren, von keiner anderen Gruppe oder anderen Individuen, die sich an Justinians Vorgehen störten, oder gegen die Durchsetzung der theopaschitischen Formel Widerstand leisteten. Sowohl der damalige Patriarch Epiphanios als auch die durch ihn geleitete synodos endemousa im Jahr 533 akzeptierten das kurz zuvor erlassene kaiserliche Edikt.289 286 Vgl. Epistula Hormisdae papae ad clerum et archimandritas secundae Syriae (CPG 9201; 9329 (4)) (=ACO III, S. 52–56) hier ACO III, S. 55, Z. 26 – S. 56, Z. 5 beziehungsweise Coll. Avell. 140, S. 583, Z. 8 – S. 585, Z. 5. 287 Schon im Falle des Anastasios war der Verweis auf den Opfer darbringenden Usija nicht neu. Bereits Bischof Ossius von Corduba brachte die Geschichte gegenüber Kaiser Konstantin an, vgl. CASPAR, Geschichte, I, S. 180. 288 Coll. Avell. 91, S. 343 ff. Ferner vgl. dazu ENSSLIN, Papst Agapet I., S. 463. 289 Vgl. GRUMEL, Regestes, S. 161, Nr. 223. Die Bestätigungserklärung des Epiphanios und der anderen anwesenden Bischöfe ist nicht erhalten, doch wird sie im Brief Justinians an Epipha-
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Es wird also an dieser Stelle einmal mehr deutlich, dass es sich beim Konzil 536 auch um eine innerchalkedonische Auseinandersetzung handelte. Dabei ließ sich die Strömung von Chalkedoniern, die um stärkere Abgrenzung von den Miaphysiten bemüht war, auch stärker vom römischen Denken beeinflussen, was das Verhältnis zwischen Kaiser und Kirche anbetraf, oder versuchte zumindest, römisches Denken für die eigene Politik nutzbar zu machen. Überhaupt stützte sich das ganze Konzil auf die Autorität des Papstes. Man beanspruchte ja (lediglich) das Urteil gegen Anthimos, das Agapet bereits gefällt hatte, umzusetzen. Und auch Severos galt als bereits vom römischen Stuhl verurteilt.290 Deshalb bemühte man sich auch, die päpstliche Autorität so weit es ging zu stärken, sodass man Agapet sogar die Oberhoheit über die Kirche zusprach. Entsprechend sollte sich auch Justinian am päpstlichen Urteil orientieren. So kritisieren die Mönche in ihrem Brief an den Kaiser das zögerliche Verhalten des Kaisers: Ihr „wollt nicht dem Wort gehorchen (Deut 32, 7) ‚Frage deinen Vater und er wird dir bezeugen, frage deine Alten’ und dem Apostelwort (Hebr 13, 17) ‚Gehorcht euren Lehrern und folgt ihnen, denn sie wachen über eure Seelen und müssen Rechenschaft darüber ablegen.’“291 Der Kaiser solle das Urteil Agapets erfüllen, um dessen Seele zu ehren.292 Dem folgend hob dann Justinian in Vorwort zu seiner Novelle 42, in der er die Beschlüsse des Konzils 536 bestätigte, die Einigkeit zwischen dem Kaiser und den Bischöfen hervor und bezeichnete diese Einheit als „συμφωνία“.293 Zwar arbeiteten die Bischöfe und Mönche auf dem Konzil kein eigentliches Programm aus, sondern stellten nur eigene und päpstliche Dokumente zusammen, um ihre kirchenpolitischen Ziele in einem konkreten Fall zu erreichen. Doch lässt sich trotzdem erkennen, dass sie kaiserliches Handeln im theologischen beziehungsweise kirchenpolitischen Bereich nur dann akzeptierten, wenn der Kaiser gemeinschaftlich mit der Kirche handelte, wobei dem Papst als Oberhirten der Kirche die Lehrautorität zugeschrieben wurde, während es die Rolle des Kaisers sein sollte, ihm zu folgen und seine Urteile mit Hilfe kaiserlicher Gesetze umzusetzen.294 Theologische Eigeninitiative von Seiten des Kaisers war nicht genios (COD. IUS. I, 1, 7) erwähnt. 290 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 141, Z. 15–19. 291 Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 132, Z. 7–9. 292 Vgl. Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 133, Z. 11–13. 293 Constitutio contra Anthimum, Seuerum, Petrum, Zooram ad Menam episc. Cpolis directa (CPG 6877) (=ACO III, S. 119–123) (=Nov. 42), hier S. 120, Z. 5. 294 Dass der Kaiser gemeinschaftlich mit der Kirche handeln solle und dadurch der rechte Glaube am besten geschützt und durchgesetzt werde, wurde von den Bischöfen der Syria II in ihrem Brief an Johannes II. von Konstantinopel explizit formuliert, vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 91, Z. 5–10. Die Bischöfe bezogen sich mit diesem Ausspruch auf die Beschlüsse der synodos endemousa 518. Der Brief gehört zu den Dokumenten, die 536 in der fünften Sitzung des Konzils zitiert wurden. Man siehe ferner auch die Worte des Hormisdas
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wünscht. Mit der Stärkung gerade der päpstlichen Autorität auch gegenüber dem Patriarchen von Konstantinopel – denn dieser wurde ja klar auf die zweite Position hinter Rom verwiesen, wenn es der römische Stuhl war, dem die ganze Kirche gehorchte – verband sich für die Konzilsteilnehmer auch die Möglichkeit, dass Bekenntnis Chalkedons bestmöglich zu schützen. Denn während alle Patriarchen des Ostens Chalkedon in seiner Gänze immer wieder in Frage stellten (oder ganz verwarfen), trat Rom immer deutlich für Chalkedon ein und das auch hinsichtlich seiner christologischen Formel und natürlich des Tomus Leonis. 5.3 DIE WEITEREN AKTEURE BEIM STURZ DES ANTHIMOS 536 UND IHR EINFLUSS IN DER HAUPTSTADT Nachdem nun die Rolle der synodos endemousa als Institution und ihre Rolle 536 beleuchtet worden ist, gilt es nun, einen Blick auf die übrigen Akteure zu werfen, die 536 am Konzil beteiligt waren. Folgende drei Akteursgruppen sollen dabei betrachtet werden: 1) das Mönchtum der Hauptstadt: Einige Klöster in der Hauptstadt – allen voran das Dalmatios-Kloster – begannen besonders seit der Herrschaft des Anastasios und auch 536 eine bemerkenswerte Aktivität zur Verteidigung des Chalcedonense an den Tag zu legen. 2) Der Bischof von Rom: Auch wenn er sich außerhalb des direkten Herrschaftsbereich des Kaisers befand, blieb er immer ein wichtiger Faktor in der Kirchenpolitik, war aber zugleich als ‚äußeres Element’ für den Kaiser nicht zu kontrollieren. Und schließlich 3) der Bischof von Konstantinopel. Zwar erschien Anthimos, der Bischof von Konstantinopel 536 weniger als eigenständiger Akteur als viel mehr als Figur, die zwischen den verschiedenen Parteien aufgerieben wurde, doch ist die Untersuchung seiner Position innerhalb des schwer durchschaubaren Herrschaftsgeflechts in der Hauptstadt zentral für das Verständnis des Konzils 536. Deshalb soll in einer kurzen Zusammenfassung auch die Position des konstantinopolitanischen Bischofs analysiert werden. Wie in der Aufzählung bereits angeklungen ist, soll in allen drei Fällen nicht nur auf deren Bedeutung 536 eingegangen werden, sondern auch auf ihr Wirken und ihren Einfluss in den Jahrzehnten zuvor, um einen Einblick in die strukturellen Bedingungen zu erhalten, die in der Hauptstadt vorherrschten. Damit soll aufgezeigt werden, welche Faktoren dauerhaft – von unabhängigen oder unvorhersehbaren Sonderereignissen wie dem Besuch des Papstes in Konstantinopel abgesehen – eine Rolle in der Hauptstadt spielten. Der Untersuchungszeitraum beschränkt sich dabei auf die Zeit vom Herrschaftsantritt des Anastasios 491 bis zum Konzil 536. Der Zeitrahmen ergibt sich aus folgenden Gründen: 1) Die Akten des Konzils betreffen diesen umrissenen Zeitraum, weshalb dieser von besonderer Bean Epiphanios, in dem er das gemeinsame Handeln der Kaiser und Bischöfe ansprach, vgl. Epistulae Hormisdae papae ad Epiphaniam Cpolitanum (CPG 9301; 9329 (5)) (ACO III, S. 56–59) hier: ACO III, S. 56, Z. 26–30 beziehungsweise Coll. Avell. 237, lateinisch S. 724, Z. 3–9, griechisch S. 725, Z. 4–9.
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deutung für das Verständnis des Konzils ist. 2) Die Verhältnisse unter Anastasios erzeugten eine besondere Situation, die zuvor nicht gegeben war. So erlangte Rom im Kontext der christologischen Streitigkeiten in Teilen des chalkedonischen Lagers im Osten eine Autorität, die ihm zuvor nicht in derselben Weise zugestanden wurde. Und schließlich 3) scheint das Mönchtum der Hauptstadt, nachdem es sich besonders von der miaphysitenfreundlichen Politik des Anastasios herausgefordert fühlte, sich in dieser Zeit stärker in der Kirchenpolitik engagiert zu haben. 5.3.1 Das Dalmatios-Kloster und die Rolle der hauptstädtischen Klöster Die Untersuchung der Beteiligung des Dalmatios-Klosters und der anderen hauptstädtischen Klöster an den christologischen Auseinandersetzungen in Konstantinopel konzentriert sich auf drei Ereigniskomplexe, die nun in gebotener Länge dargestellt werden sollen, um so ihre Bedeutung auf diesem Feld aufzuzeigen. 1) Die Abfallsbewegungen und die Unterstützung von Makedonios durch die Mönche in seiner Auseinandersetzung mit Anastasios, 2) die Beteiligung der Klöster bei der chalkedonischen Restauration durch die Synode 518, und schließlich 3) die Rolle der Klöster auf dem Konzil 536. Der Archimandrit des Dalmatios-Klosters hielt bereits seit Jahrzehnten den Titel des Exarchen aller hauptstädtischen Klöster, was ihm einen gewissen Einfluss auf die Klöster der Stadt verschaffte. Zu Beginn des fünften Jahrhunderts scheint es sich lediglich um einen Ehrentitel gehandelt zu haben, dessen weitere Funktionen nicht klar erfassbar sind.295 Jedoch sind im Laufe der Zeit mit diesem Titel wahrscheinlich auch Aufsichtsfunktionen über die anderen Klöster der Hauptstadt einhergegangen, sodass Justinian ihm schließlich diese Aufgabe gesetzlich bestätigte beziehungsweise zuwies.296 Trotz dieser prominenten Position unter den Klöstern hat das Dalmatios-Kloster – anders als das Kloster der Akoimeten – jedoch bisher in der Forschung wenig Beachtung gefunden. Das mag vor allem damit zusammenhängen, dass es auch in den Quellen wenig Spuren hinterlassen hat. Doch lässt sich zeigen, wenn man die wenigen Zeugnisse zusammenträgt, die sich für das Kloster finden lassen, dass die Rolle, die das Dalmatios-Klosters in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen am Ende des fünften und dem Beginn des sechsten Jahrhunderts spielte, durchaus nicht unbedeutend war. Dabei handelte das Dalmatios-Kloster aber nicht allein, sondern agierte zumeist in Verbund mit einigen geistesverwandten Klöstern in der Hauptstadt. Unter diesen Klöstern befanden sich unter anderem das Kloster des Dios, das der Akoimeten, das des Bassianos und das der Matrona.297 295 Hatlie bezeichnet das Dalmatios-Kloster sogar als „flagship“ der Klöster Konstantinopels, HATLIE, Monks, S. 153. 296 Vgl. Nov. 133, vom 16. März 539. 297 Bereits Hatlie verwies darauf, dass einige Klöster der Hauptstadt begannen Verbindungen miteinander zu knüpfen. Diese Tendenz wurde wohl durch die christologischen Streitigkeiten verstärkt, wo solche Verbindungen einen besonderen politisch-strategischen Nutzen haben konnten, vgl. HATLIE, Monks, S. 110. Zur Haltung der Klöster des Dios, Bassianos, Matrona
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Diese pflegten ein unmissverständlich chalkedonisches Profil und lehnten das Henotikon ab. Dies führte sogar dazu, dass das Dios-Kloster, das Bassianos-Kloster, das Matrona-Kloster und die Akoimeten dem Bischof Makedonios die Gemeinschaft aufkündigten, nachdem dieser das Henotikon akzeptiert hatte.298 Als Anastasios ihn daraufhin damit beauftragte, die Gemeinschaft mit den Klöstern wiederherzustellen, wandte sich Makedonios an die Mönche, konnte aber erst wieder eine Wiedervereinigung erreichen, nachdem er auf einer eigens dazu versammelten Synode die Beschlüsse des Konzils von Chalkedon annahm, die dort gut formuliert worden waren.299Zu solchen Abfallerscheinungen kam es dann erneut 511. Nachdem zwischen Makedonios und dem Kaiser im Verlauf des ersten, kleineren Staurotheis-Aufstandes 511 Spannungen aufgetreten waren, unterschrieb der Bischof ein Dokument, das ihm von Keler überreicht worden war. Darin akzeptierte Makedonios die Konzilien von Nikaia und Konstantinopel sowie das Henotikon, während er über Ephesos und Chalkedon schwieg. Auf diese Weise wollte er wieder ein Vertrauensverhältnis oder wenigstens ein Arbeitsverhältnis zu Anastasios aufbauen. Nun musste er aber feststellen, dass dieser Schritt sein Verhältnis zu den hauptstädtischen Mönchen beschädigt hatte. Denn wieder fielen einige Klöster von ihm ab, sodass er ins Dalmatios-Kloster eilen musste, das sich anscheinend diesmal unter den abgefallenen Klöstern befand, um dieses von seiner Rechtgläubigkeit zu überzeugen. Dort verfasste er ein entsprechendes Dokument.300 Anastasios, der Makedonios’ erneutes klar chalkedonisches Bekenntnis missbilligte, da er einen weniger auf das Konzil setzenden Kurs verfolgte, weigerte sich daraufhin am 22. Juli 511 die Eucharistie von Makedonios zu empfangen. Zwei Tage später am 24. Juli traten als Reaktion auf die Haltung des Kaisers Mönche – wahrscheinlich diejenigen Mönche des Dalmatios-Klosters, denen Makedonios zuvor seine Chalkedontreue versichert hatte – in die Kirche ein, um vor aller Augen die Eucharistie von Makedonios zu empfangen und so ihre Unterstützung anzuzeigen. Dies führte dann zur Verärgerung des Anastasios. Am nächsten Tag kam es aber wiederum zum Abfall einiger Mönche vom Bischof, die ihn nun des Nestorianismus bezichtigten. Die Epitome der Kirchengeschichte des Theodor Anagnostes bezichtigt dabei Anastasios, durch Bestechung diesen Abfall bewirkt zu haben.301 Der Kaiser schnitt daraufhin die Klöster, die Makedonios unterstützten, von der Wasserversorgung ab, ließ die Stadttore von Soldaten bewachen, wohl um eine Intervention seitens der Mönche zu verhindern. Schließlich ließ er nun Makedonios absetzen. Zuvor machte er ihm vor dem Consistorium den und der Akiometen vgl. S. 117. 298 Vgl. HATLIE, Monks, S. 126. 299 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 129 (HANSEN) (CPG 7503) beziehungsweise von diesem abhängig THEOPH., S. 141 (DE BOOR). 300 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 139 (HANSEN) (CPG 7503), PS-ZACH, HE, VII, 8, S. 41 (B ROCK). Für eine ausführliche Darstellung des Sturzes des Makedonios siehe oben Punkt 2. 1. 4 Der Sturz des Makedonios. 301 Für die Weigerung des Kaisers, die Eucharistie zu empfangen und den Auftritt der Mönche vgl. PS-ZACH, HE, VII, 8, S. 41–42 (BROCK); zur Bestechung vgl. THEOD. ANAGN., S. 139 (HANSEN) (CPG 7503).
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Vorwurf, dass er wieder zum Dalmatios-Kloster gegangen war, um dort seine Position zu widerrufen, nachdem er noch vor dem Kaiser den rechten Glauben bekannt hatte.302 Die Aktionen des Anastasios und Makedonios, die die Klöster nach ihren Abfallbewegungen wieder auf die eigene Seite ziehen sollten, oder die Vorsichtsmaßnahmen des Anastasios, die die Mönche daran hindern sollten, in die Hauptstadt zu kommen, um gegen die Absetzung des Makedonios einzuschreiten, zeigen, dass sich beide der Bedeutung der hauptstädtischen Klöster bewusst waren. Eine dauerhafte Politik gegen sie war nicht möglich oder barg zumindest das Potenzial, größere Verwerfungen zu erzeugen (wie sie dann 512 im Staurotheis-Aufstand auftraten). Und so überrascht es nicht, dass 518, nach dem Tode des Anastasios, sich auch die hauptstädtischen Klöster unter Führung des Dalmatios-Klosters unter denen befanden, die die Ordnung des Anastasios umwarfen, um eine chalkedonische Restauration herbeizuführen. Die verschiedenen Dokumente im Zusammenhang mit den Synoden des Jahres 518 wurden auf dem Konzil 536 zitiert und bieten uns eine gute Quelle, die Beteiligung der Klöster an der Synode 518 zu untersuchen. Der Umsturz des bisherigen Kurses des Anastasios begann damit, dass eine Volksmenge den damaligen Bischof von Konstantinopel, Johannes II., dazu aufforderte, das Konzil von Chalkedon zu bekennen und gleichzeitig Severos von Antiocheia zu verurteilen.303 Aus der Anaphora der synodos endemousa geht hervor, dass sich in der Volksmenge auch Mönche befanden, denn zu den verschiedenen Forderungen der Menge schreibt sie, dass sie „das ganze Volk und die mönchische Legion beharrlich und vielfach ausriefen.“304 Aus welchen Klöstern diese Mönche wohl konkret stammten, lässt sich einem der erhaltenen Briefe entnehmen, den die Klöster wahrscheinlich unter der Federführung des Dalmatios-Klosters an die tagende Synode schrieben. Der Brief enthält die Unterschriften von 54 Archimandriten, darunter auch die Archimandriten des Dalmatios-Klosters (Nr. 1) und des Dios-Klosers (Nr. 2), die sich bereits während der Amtszeit des Makedonios gegen die Henotikon-Politik des Anastasios gewandt hatten. 305 Und ein weiterer Umstand fällt auf, wenn man die Unterschriftenliste mit den Unterschriftenlisten jener Briefe vergleicht, die 536 von den hauptstädtischen Mönchen an Agapet, Justinian und Menas versandt wurden: Zehn der 518 an der synodos endemousa 302 Vgl. PS-ZACH, HE, VII, 8, S. 42–43 (BROCK). Pseudo-Zacharias spricht davon, dass Anastasios ihm vorgeworfen hätte, vom rechten Glauben abgefallen zu sein und sich im DalmatiosKloster dem Nestorianismus hingegeben zu haben. Dabei handelt es sich aber um eine verzerrende Darstellung aus miaphysitischer Sicht. Wahrscheinlich war Anastasios erzürnt darüber, dass Makedonios nicht seinem ambivalenten Henotikon-Kurs folgen wollte, sondern stattdessen immer wieder dazu überging Chalkedon explizit zu bekennen, was der kaiserlichen Linie widersprach. 303 Zu den Ereignissen siehe oben Punkt 3.1 Die Synoden von 518 und die Verurteilung des Severos. 304 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 63, Z. 8. 305 Vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 68, Z. 4–10.
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beteiligten Klöster waren auch 536 an der Organisation des chalkedonischen Widerstandes beteiligt. Neben dem schon genannten Dalmatios- und dem Dios-Kloster sind das: das Kloster des Thalassios (Nr. 3), des Habramios (Nr. 6), des Kyriakos (Nr. 7), des Iob (Nr. 8), des Tryphon (Nr. 10), des Konstas (Nr. 11), des Asterios (Nr. 14) und des Phokas (Nr. 17). 306 Mit Ausnahme des Phokas-Klosters finden sich diese Klöster auch in den Teilnehmerlisten der ersten vier Sitzungen des Konzils 536. Bei der zum Teil leicht variierenden Reihenfolge der Unterschriften in den mönchischen Briefen fällt auf, dass die einzelnen Unterschriften zumeist auch nah beieinander liegen. Womöglich herrschte reger Austausch unter diesen Klöstern und sie sprachen sich in kirchenpolitischen Dingen miteinander ab. Die bestimmende Position unter den Klöstern scheint dabei das den anderen übergeordnete Kloster des Dalmatios innegehabt zu haben. Auf allen Unterschriftenlisten der verschiedenen Briefe erscheint es an erster Stelle. Auch war es der Archimandrit des Dalmatios-Klosters Marianos, der auf dem Konzil von 536 erbat, dass den weiteren Archimandriten Einlass zum Konzil gewährt werde, damit diese teilnehmen können. Was 536 wiederum noch dazukommt, ist, dass neben den hauptstädtischen Mönchen auch Paulos, der Vorsteher des Maron-Klosters und Exarch der Mönche der Syria II307 sowie Mönche aus Palästina dazukamen, die offensichtlich mit ihren hauptstädtischen Brüdern zusammenarbeiteten. Schließlich finden sie sich ebenfalls in den Unterschriftenlisten der Briefe, die unter Federführung des Dalmatios-Klosters 536 verfasst wurden. Paulos diente wohl als Helfer dabei, die Vergehen, derer Severos und Petros beschuldigt wurden, zusammenzutragen. Immerhin war es auch das Maron-Kloster, das seinerzeit den Brief an Papst Hormisdas verfasste, in dem die Verbrechen des Severos erstmals erwähnt wurden. Zudem könnte er als Brücke zwischen den hauptstädtischen Mönchen und den syrischen Bischöfen fungiert haben, die sich nach der Absetzung des Anthimos und noch während des Konzils brieflich an die Hauptstadt wandten, um die dortigen Beschlüsse zu bestätigen.308 Damit nahm das Maron-Kloster den syrischen Brückenkopf eines seit der Spätzeit des Anastasios entstandenen antimiaphysitischen Netzwerkes ein und übernahm damit für Syrien eine ähnliche Funktion wie das Dalmatios-Kloster die die hauptstädtische Region. Wie die Untersuchung am Fall des klösterlichen Drucks auf Makedonios, der synodos endemousa 518 und dem Konzil 536 zeigt, lassen sich die hauptstädti-
306 Bei den angegebenen Nummern handelt es sich um die Platzierung auf der Unterschriftenliste des Briefes der Mönche an die synodos endemousa des Jahres 518. Für die gesamte Unterschriftenliste siehe Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 68–71. 307 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 146, Nr. 85; vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329 (3)) (=ACO III, S. 38– 52) hier S 52, Nr. 139; vgl. Libellus monachorum ad imperatorem (CPG 9329 (2)) (=ACO III, S. 32–38) hier S. 38, Nr. 97. 308 Zum Brief der syrischen Bischöfe siehe Libellus episcoporum secundae Syriae ad imperatorum (CPG 9329 (1)) (ACO III, S. 30–32).
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schen Klöster unter Führung des Dalmatios-Klosters 309 als bedeutender kirchenpolitischer Machtfaktor in der Hauptstadt nachweisen, der klar für Chalkedon eintrat. Pfeilschifter hingegen macht seit Beginn des sechsten Jahrhunderts eine Passivität des hauptstädtischen Mönchtums aus beziehungsweise geht von einer geringeren Beteiligung an den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen der Zeit aus.310 Er verweist dabei darauf, dass die Mönche den Sturz des Makedonios nicht verhindern konnten. Doch ist dies allein nicht Grund genug, eine mangelnde politische Aktivität oder einen Einflussverlust der Klöster zu diagnostizieren. Treibende Kraft hinter der Einberufung der Synoden der Jahre 518 und 536 waren Mönche. Das weist auf eine weiterbestehende politische Aktivität des Mönchtums in Konstantinopel hin. Die Aktionen der Mönche beschränkten sich eben nicht nur auf das impulsive Aufmarschieren in großen Mengen. Sie waren auch zu Planungen und zur Durchführung kirchenpolitischer Aktionen fähig, die einen größeren organisatorischen Aufwand beanspruchten, was jedoch viel geräuschloser ablief als ein offener Mönchsaufstand in der Stadt und deshalb in den Quellen weniger Widerhall findet. Ein organisiertes Vorgehen der Klöster und eine stärkere Absprache auch mit anderen kirchlichen Akteuren sollten aber nicht zwingend als Kompensation für den eigenen Bedeutungsverlust gedeutet werden.311 Denn die Handlungsmöglichkeiten der hauptstädtischen Mönche, der eigenen kirchenpolitischen Linie gerade auch langfristig zum Erfolg zu verhelfen, war vielfältig. Sie beschränkten sich nicht darauf, sich in großen Gruppen zu versammeln, um durch physische Präsenz oder den Einsatz von Gewalt kirchenpolitische Ziele durchzusetzen. Überhaupt bot sich dieses Mittel nur in wenigen Situationen als Mittel der Wahl an. Nicht zu unterschätzen ist vor allem die Rolle der Mönche als Informanten. Die Mönche der Hauptstadt versorgten Papst Agapet mit Informationen beziehungsweise mit ihrer Sicht der gegenwärtigen Situation in Konstantinopel.312 Eine solche informationspolitische Funktion füllten die Mönche der Hauptstadt bereits zuvor aus. So wandte sich Kyrill, der Archimandrit des Akoimeten-Klosters, seiner Zeit an Papst Felix, damit dieser gegen Akakios einschreite. 313 Und es waren auch Mönche, die Rom über den Abfall der römischen Legaten, Misenus, Vitalis
309 Wie locker oder fest diese Führungsposition war, lässt sich jedoch nicht ermitteln. 310 Vgl. PFEILSCHIFTER, Kaiser, S. 430–431. Er konstatiert sogar, dass „[d]as Mönchtum insgesamt [.] seit dem Beginn des sechsten Jahrhunderts keinen eigenständigen Akzeptanzfaktor mehr dar[stellte].“ Ebd., S. 433. Dem widerspricht zurecht Hasse-Ungeheuer im Hinblick auf die mönchischen Aktivitäten und ihr Einfluss im Jahr 536, vgl. H ASSE-UNGEHEUER, Mönchtum, S. 210. 311 Bacht betont gerade die Organisiertheit der Klöster (in der Hauptstadt aber auch in Syrien, Palästina und Ägypten), die ihre kirchenpolitische Wirksamkeit überhaupt erst ermöglichte, vgl. BACHT, Rolle, S. 296–299. 312 Siehe Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 132, Z. 14–15: „Dieser ehrwürdige Mann erfuhr das, was gesetzlos gegen die Kirche gewagt wurde, durch viele Briefe von uns“. Zur Rolle der Mönche als Informanten, vgl. ferner H ASSE-UNGEHEUER, Mönchtum, S. 46. 313 Vgl. EVAGR., HE III, 19 S. 117 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500).
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und Tutus informierten.314 Die Zusammenarbeit zwischen Rom und den hauptstädtischen Mönchen ging dabei von beiden Seiten aus. Rom setzte bewusst auf die hauptstädtischen Mönche als Informanten für die östlichen Angelegenheiten.315 Das heißt also, dass das Mönchtum der Hauptstadt auch zu Beginn der sechsten Jahrhunderts kirchenpolitisch aktiv war und den Miaphysiten gegenüber eine konfrontative Haltung einnahm und alle Annäherungsversuche an diese, sei es zu Zeiten des Anastasios durch das Henotikon, sei es wie bei Justinian durch direkte Gespräche, ablehnte. So kam es, dass 536 dem integrativ ausgerichteten kirchenpolitischen Kurs Justinians und mit ihm Anthimos mit den Klöstern ein bedeutender kirchenpolitischer Gegner erwuchs. Ihren ohnehin nicht unbeträchtlichen Einfluss konnten die Klöster der Hauptstadt dann durch die Hilfe ebenfalls in Konstantinopel befindlicher syrischer und palästinischer Mönche weiter ausweiten. Sie konnten so zugleich Syrien und Palästina monastisch und klerikal über die Verbindung mit den syrischen Bischöfen und Mönchen einbinden und auf diese Weise ihrem Anliegen einen ökumenischen Anspruch verleihen, da sie nun nicht nur für das Mönchtum oder das Volk der Hauptstadt allein sprachen. Ihren Einsatz in den christologischen Streitigkeiten rechtfertigten sie dabei damit, dass es jedem Gläubigen zukomme beziehungsweise jeder Gläubige dazu aufgerufen sei, sich einzumischen, um den rechten Glauben zu verteidigen. Explizit formulieren die Mönche diesen Gedanken in ihrem Brief an die synodos endemousa des Jahres 518 und schreiben, dass sie neben den Bischöfen „auch ein Teil derer sein müssen, die zur Herrlichkeit Gottes beitragen“316. 5.3.2 Die Rolle Roms Neben den Klöstern war auch Agapet einer der maßgeblichen Akteure des Sturzes des Anthimos 536 gewesen. Doch auch wenn es sich bei der Reise des Papstes nach Konstantinopel um ein außerordentliches Ereignis gehandelt hatte, konnte es nur eine solche Durchschlagskraft entwickeln, weil der römische Bischof unter den Bischöfen eine besondere Autorität besaß. Dies galt besonders für die Anhänger Chalkedons, welche eine härtere Gangart gegenüber den Miaphysiten favorisierten. Gerade Letzteres war eine Entwicklung, die mit dem Henotikon und dem Akakianischen Schisma eingesetzt hatte und durch die Politik des Anastasios noch verstärkt wurde. Solche Tendenzen verstärkten natürlich die Vorrangstellung Roms, die zumindest gemäß der Ehre auch im Osten geteilt wurde. Hinzu kam noch die besondere geographische Lage Roms: es befand sich außerhalb des di314 Bezüglich Misenus und Vitalis und ihrer anschließenden Verurteilung durch Rom, vgl. EVAGR., HE III, 21, S. 118 f. (B IDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Zu Tutus, vgl. FELIC, ep. 12 (THIEL). 315 Vgl. BLAUDEAU, Remarques, S. 1094–1100. Allgemein über die Rolle der hauptstädtischen Klöster als Partner Roms, um dort Druck auf den Kaiser und Patriarchen auszuüben vgl. BACHT, Rolle, S. 310. 316 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 67, Z. 12–13.
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rekten Herrschaftsbereichs des Kaisers. Dies weitete seine eigene Handlungsfreiheit aus, tat aber seinem Einfluss im Reich keinen Abbruch. Auf diese Punkte soll im Folgenden kurz eingegangen werden, um darzulegen unter welchen Voraussetzungen Papst Agapet agierte und wieso er für die Organisatoren des Konzils 536 so zentral war. In diesem Zusammenhang soll auch auf die Argumentation der Bischöfe und Mönche auf dem Konzil eingegangen werden beziehungsweise untersucht werden, inwieweit sie versuchten, die päpstliche Autorität und die in den Jahren zuvor in Rom entwickelte Argumentation betreffs kirchlicher Dinge für sich nutzbar zu machen. Auch soll auf ein Paradoxon betreffs des Kanons 28 von Chalkedon aufmerksam gemacht werden. Denn zwar erschien Rom als oberster und bester Verteidiger Chalkedons, erkannte aber einen seiner Kanones nicht an. Mit der Exkommunikation des Akakios durch Papst Felix war es zum ersten Mal zu einem offenen Bruch innerhalb des chalkedonischen Lagers gekommen. Der Grund hierfür war, dass Akakios zuvor die Kirchengemeinschaft mit dem Miaphysiten Petros Mongos aufgenommen hatte. Die Gemeinschaft mit einem Häretiker hatte Rom mit dem eigenen Abfall in die Häresie gleichgesetzt, weshalb Akakios nun als Miaphysit gesehen wurde. Dies wurde zwar nicht dessen wirklicher theologischer Position gerecht, erlaubt aber einen Einblick in die Denkweise der Akteure in den christologischen Streitigkeiten. Personen wurden nicht nur anhand ihrer Aussagen oder Unterschriften unter bestimmten Glaubensbekenntnissen beurteilt, sondern vor allem auch durch den Umgang, den sie pflegten. Dementsprechend ist es nicht sinnvoll, wie oft in der Forschung geschehen, im Akakianischen Schisma zwischen einem persönlichen Moment und einem theologischen zu unterscheiden, und zu unterstellen, dass es sich im Akakianischen Schisma in erster Linie um einen Streit um Personen oder ekklesiologische Positionen handelte, während christologische Fragen und das Henotikon von geringerer Bedeutung waren.317 Eine solche Position ist insofern problematisch, insoweit sie übersieht, dass vor allem auch über Personenverhältnisse Rückschlüsse auf theologische Positionen gezogen wurden. Das heißt, es ging im Akakianischen Schisma nicht allein um ekklesiologische oder hierarchische Streitigkeiten zwischen Rom und Konstantinopel, wenn diese Aspekte auch eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben. Der Streit um Akakios war auch ein genuin theologisch-christologischer Streit. Und auch das Henotikon, wenn es von römischer Seite auch nicht explizit genannt wurde, spielte eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zum einen, weil es im Osten spätestens seit Anastasios zum Politikum im östlichen Episkopat wurde und weil das Henotikon für einige Chalkedonier zur Scheide zwischen Chalcedonense und Miaphysitismus wurde, zum anderen musste auch für Rom das Henotikon, weil es die Grundlage für die Gemeinschaft mit einem miaphysitischen Bischof legte, mindestens theologisch suspekt, wenn nicht sogar als häretisch erscheinen. Dass die kirchenpolitisch-theologische Bewertung anderer Personen auch über die Bewertung ihres Umgangs ablief sollte auch in Bezug des Sturzes des Anthimos bedacht werden. 317 Eine solche Position vertreten unter anderem A NASTASIOU, Relation, S. 57, BLAUDEAU, Motifs, S. 70 f., KÖTTER, Kaisern, S. 98, Anm. 285.
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Die Umstände des Schismas beförderten die weitere Ausarbeitung eines römischen Primatsgedankens.318 Denn einerseits galt es, die römische Autorität und Legitimität gegenüber einem kirchenpolitischen Kurs zu stärken, der als häretisch wahrgenommen wurde, andererseits sah man im Osten Akakios weiterhin als treuen Chalkedonier an. Deshalb musste Rom gleichzeitig darum bemüht sein, auch unabhängig von christologisch-theologischen Positionen seine hierarchische Überlegenheit gegenüber Konstantinopel zu verteidigen, wenn es sich im Akakianischen Schisma durchsetzen wollte. Damit hatten sich theologisch-kirchenpolitische Auseinandersetzungen mit Rangstreitigkeiten zwischen Rom und Konstantinopel vermischt.319 Dadurch konnte Rom zu einem Bezugspunkt innerhalb des chalkedonischen Lagers werden, sodass die theologische Position Konstantinopels angegriffen werden konnte, indem man die Autorität Roms gegen Konstantinopel ausspielte.320 Neben seiner hierarchischen Überlegenheit versuchte Rom aber auch seine Position gegenüber dem Kaiser zu stärken. Im Zentrum der päpstlichen Argumentation in dieser Frage steht der Brief des Gelasius an Anastasios, in dem er seine als Zweigewaltenlehre in die Geschichte eingegangene Ansicht darlegte, dass es zwei Leitungsgewalten, die regalis potestas und die sacrata auctoritas, gebe, die je ihre eigenen Aufgaben hätten.321 Die Macht des Kaiser erreiche ihre Grenzen dann, wenn Dinge des Glaubens betroffen seien.322 Diese Sichtweise behielten auch die nachfolgenden Päpste bei. So führte Hormisdas in seinem Antwortbrief an die Archimandriten der Syria II 517 an, dass sie sich nicht durch Belehrungen durch Laien in die Irre führen lassen dürften, da diesen keine Lehrbefugnis in geistlichen Dingen zukomme, selbst wenn sie das höchste weltliche Amt bekleideten. Hormisdas führt dabei das Beispiel Usijas an, der sich das priesterliche Amt anmaßte und daraufhin mit Aussatz geschlagen wurde und sein Königtum verlor. Einzig Priester besitzen Lehrautorität in göttlichen Dingen.323 Damit hatte Rom einen Gedanken ausformuliert, der von nun an von Klerikern gegen den Kaiser angeführt werden konnte, wenn man mit seinem kirchen318 Vgl. KÖTTER, Kaisern, S. 73. 319 Vgl. KÖTTER, Kaisern, S. 148. 320 Auch Pfeilschifter bemerkt, wie durch das Akakianischen Schisma und die theologischen Streitigkeiten im Osten des Reiches die Stellung des Bischofs von Konstantinopel geschwächt wurde, wobei er bereits vor den christologischen Auseinandersetzungen die Stellung des Hauptstadtbischofs als schwach einschätzt, vgl. P FEILSCHIFTER, Kaiser, S. 416–417. 321 Der Brief bei SCHWARTZ, Sammlungen, S.18–24. In der Forschung dominiert derzeit die Vorstellung, dass es Gelasius dabei nicht darum ging, einen Gegensatz der beiden Gewalten zu formulieren, sondern um die Erstellung eines Konzepts der Arbeitsteilung zwischen Priestertum und Kaisertum, vgl. COTTRELL, Auctoritas; KÖTTING/SCHINDLER, Reichskirche, S. 119 f.; MEIER, Anastasios, S. 109–114; ULLMANN, Grundsatz; ULLMANN, Gelasius, S. 198– 211. 322 Kötter weist an dieser Stelle darauf hin, dass der Gedanke einer Kompetenztrennung nicht neu war, aber durch den aktuellen Anlass an Brisanz gewann, vgl. KÖTTER, Kaisern, S. 108. 323 Vgl. Coll. Avell. 140, S. 583, Z. 8 – S. 585, Z. 5 beziehungsweise Epistula Hormisdae papae ad clerum et archimandritas secundae Syriae (CPG 9201; 9329 (4)) (=ACO III, S. 52–56) hier S. 55, Z. 26 – S. 56, Z. 5.
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politischen Kurs nicht einverstanden war. Darin lag wohl auch der Grund dafür, dass auf dem Konzil 536 just dieser Brief des Hormisdas verlesen wurde, der diese Stelle enthielt. Und auch an anderer Stelle griffen die Teilnehmer des Konzils römische Gedanken auf, etwa als die orientalischen Bischöfe in ihrem Brief an Agapet auf die Rolle der bischöflichen beziehungsweise päpstlichen Fürsprache im Endgericht hinwiesen.324 Und in ihrem Brief an Justinian, weisen sie ihn darauf hin, dass die Kleriker im letzten Gericht für die Laien beziehungsweise für ihn Rechenschaft ablegen müssen: Ihr „wollt nicht dem Wort gehorchen ‚Frage deinen Vater und er wird dir bezeugen, frage deine Alten’ (Deut 32, 7) und dem Apostelwort (Hebr 13, 17) ‚Gehorcht euren Lehrern und folgt ihnen, denn sie wachen über eure Seelen und müssen Rechenschaft darüber ablegen.’“325 Aber neben diesen römischen Argumentationsfiguren, die während des Akakianischen Schismas ausgebildet wurden, kam es durch das anhaltende Schisma und die freundliche Politik des Anastasios gegenüber den Miaphysiten zu einer weiteren Entwicklung, die bis in die 530er Jahre nachwirkte: Rom entwickelte sich zur maßgeblichen Autorität all jener Chalkedonier, die die Henotikon-Politik des Kaisers missbilligten und ihren chalkedonischen Glauben besser durch eine verstärkte Abgrenzung von den Miaphysiten gewahrt sahen. Bereits Euphemios hatte sich an Rom gewandt, um das Schisma zu beseitigen, aber sicher auch, um mit einem Schulterschluss mit Rom die Position Chalkedons in der Gesamtkirche zu stärken.326 Nachdem aber Anastasios seinen Henotikonkurs forcierte und in Konstantinopel nach dem Sturz des Makedonios 511 mit Timotheos einen Bischof einsetzte, der den kaiserlichen Kurs ohne Widerstand umsetzte, wurde der Ruf nach einer Wiederherstellung der Kircheneinheit mit Rom immer lauter, sodass dies für den chalkedontreuen Vitalian sogar zum Anlass wurde, gegen Konstantinopel aufzumarschieren.327 Zwar konnte Anastasios die Angriffe Vitalians letztendlich abwehren, doch scheint es, dass er und sein Bischof Timotheos nicht alle Teile des chalkedonischen Lagers an sich binden konnten, weshalb es zu Desinte324 Vgl. Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 149, Z. 23–25. Zu diesem Gedanken bei Leo vgl. ANTON, Selbstverständnis, S. 77–82. Und auch Gelasius brachte diesen Gedanken in seinem Brief an Anastasios auf, vgl. KÖTTER, Kaisern, S. 108. Kötter geht dabei auch auf die verschiedenen Deutungen dieser Stelle bei Gelasius ein, ebd., S. 108, Anm. 323. Bezüglich der Argumentation der Bischöfe sei auf die Ausführungen Leppins verwiesen, der beschreibt wie Kleriker auf der Ebene der Seelsorge das konkrete Verhalten eines Kaisers kritisieren konnten. Durch die pastorale Interpretation politischer Verhältnisse entwickelte sich eine Eigendynamik, die eine neue Form politischen Denkens hervorbrachte, vgl. LEPPIN, Pastoral, S. 329; dazu verweist er ebenfalls auf das Beispiel des Gelasius, vgl. ebd., S. 334. Zum Verhältnis zwischen Gelasius und Anastasios vgl. DVORNIK, Pope. 325 Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 132, Z. 7–9. 326 Dazu sandte Euphemios eine Mönchs-Delegation nach Rom, vgl. F ELIC, ep. 16 (THIEL). Zum gescheiterten Annäherungsversuch an Rom, vgl. CASPAR, Papsttum, II, S. 44 f. 327 Zum Aufstand Vitalians und der Rolle seines chalkedonischen Bekenntnisses siehe weiter oben Punkt 2. 1. 6 Der Aufstand Vitalians.
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grationserscheinungen auf dem Balkan kam. So fielen 40 Bischöfe des Balkans von Konstantinopel ab und unterstellten sich stattdessen Rom. 328 Bereits Gelasius hatte zuvor die illyrischen Bischöfe zu einem solchen Schritt ermuntert.329 Diese Ereignisse fanden ihre Fortsetzung im Abfall zahlreicher Archimandriten der Syria II, die in einem Brief an Papst Hormisdas Akakios und seine Nachfolger verurteilten und die Kirchengemeinschaft mit Rom aufnahmen und die Gemeinschaft mit Konstantinopel aufkündigten.330 Der Anlass dafür war, dass die Archimandriten sich zuvor an Timotheos von Konstantinopel gewandt hatten, um gegen einen Anschlag auf chalkedonische Mönche zu protestieren, bei dem 350 Mönche den Tod fanden. Dieser wies die mönchische Delegation jedoch ab, ohne dass sie ihre Beschwerde anführen konnten. Das führte schließlich zur Ernüchterung der Archimandriten, die nun sahen, dass sie seitens Konstantinopels mit keinerlei Unterstützung rechnen konnten.331 Durch die Henotikon-Politik des Anastasios und des konstantinopolitanischen Bischofs und das Verhalten des Timotheos gegenüber den syrischen Archimandriten wurde nicht nur das Ansehen des Timotheos, sondern auch des Sitzes von Konstantinopel allgemein beschädigt. Rom hingegen entwickelte sich in dieser Situation wegen seiner beständig gleichbleibenden Haltung zur maßgeblichen theologischen Instanz. Dies hielt auch nach dem Tod des Timotheos und des Anastasios an. Als nämlich die Volksmenge in der Hagia Sophia 518 von Johannes II., dem Nachfolger des Timotheos, verlangte, Chalkedon zu bekennen und Severos von Antiocheia zu verurteilen, bezeichneten sie Johannes II. als rechtgläubig, stellten ihre Aussage aber indirekt unter den Vorbehalt, dass dieser die Gemeinschaft mit Rom aufnehmen müsse: 332 Viele Jahre dem Patriarchen! Weshalb halten wir nicht Gemeinschaft? Aus Deinen Händen wollen wir die Gemeinschaft erhalten. Oh steig auf die Kanzel, gewinne Dein Volk. Seit vielen Jahren wollen wir Gemeinschaft aufnehmen. Du bist rechtgläubig, wen gibt es zu fürchten?
Die Gemeinschaft mit Rom entwickelte sich auf diese Weise zum Richtmaß für die Rechtgläubigkeit beziehungsweise Chalkedontreue. Aus diesem Grund gelang
328 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 150 (HANSEN) (CPG 7503); THEOPH. S. 162 (DE BOOR), HORMISDA, Epist. 9, S. 758–761. (THIEL). Auch nach Beendigung des Akakianischen Schismas blieb die Oberhoheit über die Bischöfe des Balkanraums zwischen Rom und Konstantinopel umstritten, vgl dazu BLAUDEAU, Siège, S. 269–282, sowie HOFMANN, Papst, S. 115–120. 329 Vgl. den Brief des Gelasius an die dardanischen Bischöfe Coll. Avell. 95 und an die illyrischen Bischöfe Coll. Avell. 79, 9. Vgl. außerdem zum Verhältnis der dardanischen Bischöfe zu Gelasius DESTEPHEN, Province. ULLMANN, Gelasius, S. 180–188, sieht diesem Brief den Höhepunkt des gelasianischen Konfrontationskurses an. Zur Rolle der illyrischen Kirchen als „Zwischenkirchen“ vgl. KÖTTER, Kaisern, S. 103 f. 330 Vgl. Coll. Avell. 139. 331 Vgl. Coll. Avell. 139, 6. 332 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 71, Z. 37–S. 72, Z. 3.
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es Rom auch, die Unterschrift unter dem libellus Hormisdae zum Kriterium dafür zu machen, was als chalkedonisch anzusehen sei.333 Das heißt nicht, dass die Position Roms die chalkedonischen Kirchen im Osten dominierte. Gerade Justinian schlug ja einen Kurs ein, der in der theopaschitischen Frage mit Rom zu Spannungen führte, während man im Osten viel offener mit dieser Frage umging. Jedoch behielt Rom bei einer auf Abgrenzung zu den Miaphysiten bedachten chalkedonischen Fraktion seine prominente Stellung, sodass es sich für diese Gruppe anbot, Rom gegen Konstantinopel auszuspielen, wenn in Konstantinopel eine in ihren Augen zu miaphysitenfreundliche Position vertreten wurde. Diese Rolle konnte Rom auch zuletzt deshalb behaupten, weil es sich außerhalb des kaiserlichen Herrschaftsgebiets befand. Solange dieser Zustand anhielt, konnte kein Kaiser den römischen Bischof so einfach absetzen, wie es Anastasios mit den hauptstädtischen Bischöfen Euphemios und Makedonios getan hatte. Diese strategisch günstige Stellung Roms wurde in den 530er Jahren zudem dadurch weiter gestärkt, dass der Kaiser sich nach den Erfolgen in Nordafrika dazu anschickte, Italien zurückzuerobern. Der Papst, dessen Rolle in Italien über den rein kirchlichen Bereich hinausging, gewann nun für Justinian ein noch stärkeres Gewicht, da eine gute Beziehung zu Rom in einem Krieg um Italien von besonderer Bedeutung war.334 Die prominente Stellung Roms erreichte durch diese Gegebenheiten einen Höhepunkt, was sich dann jene chalkedonischen Kreise zu Nutze machen konnten, um die Kirchenpolitik des Kaisers in ihrem Sinne zu beeinflussen und den ungeliebten Anthimos zu stürzen. Die besondere Autorität, die Rom in diesen Jahren als Verteidiger Chalkedons zukam, erzeugte aber zugleich eine paradoxe Situation. In den Jahren, die dem Konzil von Chalkedon folgten, tat sich gerade Rom schwer, das Konzil vorbehaltlos anzuerkennen. Theologisch vertrat man zwar die Linie Chalkedons und der Tomus Leonis besaß eine prominente Stellung auf dem Konzil, jedoch störte man sich an dem Kanon 28, der in Chalkedon beschlossen wurde. Die darin bestimmte Ranggleichstellung zwischen Rom und Konstantinopel wurde von Rom nicht akzeptiert. Deshalb begann man in Rom erst, nachdem die Anhänger des Eutyches – aus römischer Sicht wohlgemerkt – Überhand zu nehmen schienen, auf die Rechtmäßigkeit des Konzils mit Betonung des Tomus Leonis zu pochen, behielt aber gleichzeitig seinen Widerstand gegen Kanon 28 bei. Dass Rom als Akteur als sicherster Verteidiger Chalkedons wahrgenommen wurde, obwohl es einen dort beschlossenen Kanon nicht anerkannte, ist durchaus kurios, besonders wenn man bedenkt, dass im Osten beziehungsweise in Konstantinopel später der Kanon 28 durchaus nicht fallen gelassen wurde. Die gegenüber den Miaphysiten konfrontativ ausgerichteten Chalkedonier – sowohl die Archimandriten, die 517 mit Kon333 Wobei an dieser Stelle angemerkt sei, dass der libellus Hormisdae im Osten auch unter Chalkedoniern nicht unumstritten war und seine Durchsetzung im Osten zu erheblichen Spannungen führte. 334 Schwartz weist ebenfalls auf die besondere Bedeutung des römischen Stuhls hin, die ihm durch den anstehenden Gotenkrieg zukam, vgl. SCHWARTZ, Reichskonzilien, S. 152. Vgl. ferner ANASTASIOU, Relations, S. 63.
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stantinopel brachen und sich Rom unterstellten sowie die mönchischen und bischöflichen Akteure des Jahres 536 – betonten zwar die römische Autorität, verwarfen dabei aber nicht explizit den Kanon 28. Überhaupt würde das Pochen auf die vollumfängliche Akzeptanz Chalkedons bei gleichzeitiger Kritik an einem seiner Kanones argumentative Schwierigkeiten erzeugen. Eine gewisse Spannung in der Beschwörung der römischen Autorität 536 und im Vorgehen gegen Anthimos ergab sich zudem daraus, dass kirchenrechtlich gegen Anthimos argumentiert wurde. Neben dem Vorwurf, in Wirklichkeit ein Miaphysit zu sein, wurde gegen ihn vorgebracht, bei seiner Weihe zum Bischof von Konstantinopel, das Kirchenrecht gebrochen zu haben, da dies den Wechsel von einem Bischofsstuhl zu einem anderen verbot. Rom führte also gegen Anthimos Kanones an, während es selbst einen wichtigen Kanon Chalkedons nicht anerkannte. Die Mönche und Bischöfe auf der Synode 536 wiederum ließen sich von dieser Spannung nicht irritieren und versuchten auch nicht diese argumentativ aufzulösen. Vielmehr schwieg man darüber. Die Frage um die Anerkennung des Kanons 28 von Chalkedon fehlt auf dem Konzil 536 völlig und scheint damit in gewisser Weise suspendiert gewesen zu sein. Dies zeigt, wie sehr die Wirkmächtigkeit von Kanones von der Akzeptanz bestimmter Akteure, von situationsbedingten Verhältnissen und Opportunität abhängig war. Ein Streit brach erst aus, wenn es den verschiedenen entgegengesetzten Akteuren opportun erschien, die Streitfrage zu einer bestimmten Zeit unter bestimmten Umständen zur Sprache zu bringen. Taten sie dies nicht, existierten praktisch gegensätzliche kirchenrechtliche Positionen nebeneinander. Unter Ausklammerung der entsprechenden Streitfrage konnten die verschiedenen Parteien sogar zusammenarbeiten. Als weiteres Beispiel für dieses Verhalten kann auf den Fall Anthimos verwiesen werden, der 536 verhandelt wurde. Er wurde unter Übertretung des Kirchenrechts zum Bischof der Hauptstadt, jedoch fand er von den anderen Patriarchatssitzen des Ostens Anerkennung. Erst als mit den konfrontativ ausgerichteten Mönchen und Bischöfen Akteure auftraten, die sich die Verletzung der Kanones zu Nutze machen wollten, wurden die entsprechenden Kanones wirkmächtig. Solches Verhalten, das politischen Opportunitäten folgte, führte dann zu einer Ausklammerung der Frage um Kanon 28 auf dem Konzil 536. Dabei hätte die besondere Betonung der römischen Autorität bei gleichzeitiger Zielrichtung, durch das Konzil 536 Chalkedon zu beschützen, die Frage eigentlich ins Zentrum stellen müssen. Dies zeigt nochmal, wie die Autorität von verschiedenen Akteuren – hier die Autorität Roms – von verschiedenen Faktoren abhängig war: durch die besonderen außenpolitischen Verhältnisse in Bezug auf Italien und sich anbahnenden Gotenkrieg und die kirchenpolitischen Entwicklungen in Konstantinopel sowie der Ausrichtungen verschiedener chalkedonischer Kreise in der Hauptstadt gewann Rom 536 eine besondere Autorität, die der Kaiser nicht ignorieren konnte.
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5.3.3 Zusammenfassung – Das strukturelle Umfeld der Bischöfe von Konstantinopel Die Handlungsmöglichkeiten des Bischofs von Konstantinopel waren schließlich von mehreren Faktoren abhängig, die er nur begrenzt gegeneinander ausspielen konnte. Die wichtigsten Akteure in der Hauptstadt waren zweifellos 1) der Kaiser und 2) die verschiedenen Klöster der Hauptstadt. Hinzu kamen 3) die Bischöfe, die sich gerade in der Stadt befanden und sich zu einer synodos endemousa versammeln konnten. 4) Die Bevölkerung der Stadt, die einen Bischof unterstützen konnte, letztlich aber, weil das Volk sich nicht einfach mobilisieren ließ, die Absetzung eines Bischofs kaum verhindern konnte. 5) Rom, das in Lehrfragen die höchste Lehrbefugnis für sich beanspruchte und auf dem Balkan als direkter Konkurrent Konstantinopels in der Frage der Jurisdiktion der thessalischen Bischöfe auftrat.335 Und eine weitere Gruppe, die ebenfalls eine Rolle gespielt haben dürfte, aber nur schwer zu fassen ist: 6) die (heterogene) Gruppe der verschiedenen Aristokraten und Hofbeamten. Diese konnten einen Bischof unterstützen, oder auch gegen ihn arbeiten, und von ihren Spenden wiederum waren auch viele Klöster der Hauptstadt abhängig. In diesem komplizierten und oft undurchsichtigen Geflecht konnte der Bischof Konstantinopels schnell in Schwierigkeiten geraten, wenn die verschiedenen Akteursgruppen eine unterschiedliche Politik betrieben. Dies kann man deutlich an den Beispielen des Makedonios und des Anthimos sehen. Beide standen vor dem Problem, dass der Kaiser und die konfrontativ-chalkedonisch ausgerichteten Mönche der Hauptstadt gegensätzliche Positionen vertraten. Anastasios verfolgte eine miaphysitenfreundliche Politik, als deren Basis das Henotikon dienen sollte. Die Klöster der Hauptstadt wiederum setzten auf eine klare Abgrenzung zu den Miaphysiten und lehnten das Henotikon ab. Die Tatsache, dass die Mönche der Hauptstadt nicht dem Bischof von Konstantinopel unterstanden, sondern dem Titularbischof von Chalkedon, was ihnen ein gewisses Maß an Unabhängigkeit brachte, machte das kirchenpolitische Manövrieren für den Hauptstadtbischof auch nicht leichter.336 Als Makedonios nun zu Beginn dem Kaiser folgte, verlor er die Gefolgschaft der Klöster. Als er dann die Mönche 497 – zu diesem Zeitpunkt noch in Absprache mit Anastasios – wieder auf seine Seite zog, wurde er dadurch aber auch in seiner Unterstützung des kaiserlichen Kurses eingeschränkt, weil er nun Chalkedon offen verkünden musste, während Anastasios eine Politik des Schweigens verfolgte. Nachdem die Spannungen in der Hauptstadt anwuchsen, war Makedonios nun vor die Wahl gestellt, entweder Anastasios vorbehaltlos zu unterstützen und damit jeden Rückhalt im Mönchtum der Stadt (und wohl sicher
335 Zu dem gerade in den 530er Jahren noch einmal aufflammenden Streit vgl. H OFMANN, Papst, S. 115–20, sowie CASPAR, Papsttum, II, S. 206–209. 336 Schwartz weist auf diesen Umstand im Zusammenhang mit dem Akakianischen Schisma hin, vgl. SCHWARTZ, Sammlungen, S. 205 f.
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auch in Teilen des Klerus) zu verlieren,337 oder sich klar auf die Seite der Mönche und damit offen gegen den Kaiser zu stellen. Makedonios wählte schließlich die Mönche und wurde daraufhin vom Kaiser abgesetzt und von einen willfährigeren Kandidaten ersetzt. Und auch Anthimos fand sich vor einem ähnlichen Dilemma wieder. Justinian verfolgte einen integrativen Kurs gegenüber den Miaphysiten, der ihnen zwar nicht so weit entgegenkam, wie einst die Politik des Anastasios, der nichtsdestotrotz aber auf den Widerstand der Mönche traf. Anthimos, der wohl als Mann des Kaisers anzusehen ist und bereits im Glaubensgespräch in der Hauptstadt 532 die kaiserliche Linie vertreten hatte, zog sich nun die Feindschaft der Mönche zu, sodass diese an seinem Sturz arbeiteten. Hinzu kamen dann 536 auch die verschiedenen Bischöfe, die sich in der Hauptstadt befanden. Wegen ihrer laufend wechselnden Zusammensetzung waren sie der größte Unsicherheitsfaktor für den Patriarchen und den Kaiser, weshalb Letzterer wohl auch versuchte, gesetzlich zu kontrollieren, unter welchen Umständen Bischöfe nach Konstantinopel reisen konnten.338 Je nach Zusammensetzung konnten die Bischöfe dem Kaiser als Instrument dienen, seine Kirchenpolitik auch gegen den Patriarchen durchzusetzen, wie zum Beispiel bei der synodos endemousa 496 geschehen, als die Synode auf Geheiß des Anastasios den ihm missliebigen Euphemios absetzte und das Henotikon aufnahm.339 Andererseits konnte auch der Patriarch versuchen, seine Stellung gegen den Kaiser mit Hilfe der Synode zu behaupten, wie es Euphemios tat, als er 492 durch die synodos endemousa Chalkedon offen bekennen ließ und den Staurotheis-Zusatz zum Trishagion unterdrückte,340 womit er sich gegen die Politik des Anastasios wandte. Doch zeigen die Beispiele von 518 und besonders 536, dass die Bischöfe in der Hauptstadt, auch in dem Fall, dass keine Spannungen zwischen Kaiser und Patriarchen 337 Als Timotheos als Nachfolger des Makedonios zum Bischof von Konstantinopel gemacht wurde, begegneten ihm die Mönche der Hauptstadt mit äußerster Skepsis. Als er ins StudiosKloster kam, um dort den neuen Vorsteher für das Kloster zu bestimmen, weigerte sich der ausgewählte Kandidat, die Eulogien aus der Hand des Timotheos zu empfangen, bis Timotheos schließlich alle Gegner Chalkedons verurteilte. Gegenüber dem Kaiser leugnete Timotheos jedoch seine Verurteilungen, vgl. THEOD. ANAGN., S. 144 (HANSEN) (CPG 7503). 338 COD. IUS. I, 3, 42. In dem 528 erlassenen Gesetz verbot Justinian, jedem Bischof auf Eigeninitiative seinen Bischofssitz zu verlassen und in die Hauptstadt zu kommen. Nur auf kaiserliche Einladung hin, dürfe ein Bischof nach Konstantinopel reisen. Wenn ein Bischof eine Sache vor dem Kaiser vorzubringen hat, solle er dafür einen Priester schicken. Wenn die Sache verlangt, dass der Bischof selbst zugegen ist, werde der Kaiser nach dem Bischof rufen lassen. Die Strafe bei Nichtachtung des Gesetzes ist die Absetzung vom Bischofsamt. Bei einem einfachen Bischof durchgeführt durch seinen Metropoliten, bei einem Metropoliten durchgeführt durch den Patriarchen von Konstantinopel. 339 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 128 (HANSEN) (CPG 7503). 340 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 127 (HANSEN) (CPG 7503), THEOPH., S. 137 (DE BOOR), VICT. TUNN., S. 192 (MOMMSEN) (CPL 2260), KYRILL. SKYTH., Vita Sabae, S. 140, 13–15 (SCHWARTZ) (CPG 7536); GRUMEL, Regestes S. 134, Nr. 177. Zur Unterdrückung des Steurotheis-Zusatzes siehe JOH. NIK., Chron., S. 126 (CHARLES) (CPG 7967); GRUMEL, Regestes, S. 136, Nr. 180a.
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herrschten, den Handlungsspielraum des Patriarchen empfindlich einschränken oder sich dem Hauptstadtbischof direkt entgegen stellen konnten. Der Einfluss Roms auf die Kirchenpolitik und den Handlungsspielraum des Bischofs von Konstantinopel hing wiederum vom Kaiser ab sowie von der Loyalität der Bischöfe des Balkanraums. Wenn es sich der Kaiser leisten konnte, die Zustimmung Roms für vernachlässigbar zu halten wie im Fall Anastasios,341 konnte eine kirchenpolitische Opposition die römische Autorität schwer gegen den Bischof Konstantinopels ausspielen. Wenn das Wort des Papstes aber beim Kaiser besonderes Gewicht hatte, weil der Kaiser ein gutes Verhältnis mit Rom dazu nutzen konnte beziehungsweise wollte, dem Volk seine eigene Chalkedontreue vor Augen zu führen, oder wenn besondere außenpolitische Konstellationen, wie am Vorabend des Gotenkrieges, eine wohlwollende Haltung des Papstes gegenüber dem Kaiser notwendig machten, war der Bischof von Konstantinopel in seiner Autorität empfindlich getroffen. Dies fiel nur dann nicht auf, wenn er dieselbe Meinung wie der Papst vertrat, konnte aber schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen, wenn sie gegensätzliche Positionen verfochten (auch wenn der Bischof von Konstantinopel der kaiserlichen Linie folgte). In den Jahren 535/536 hatte sich nun eine Konstellation ergeben, bei der Anthimos grundsätzlich den Rückhalt des Kaisers besaß, doch arbeiteten die Mönche gegen ihn, konnten zudem die in der Hauptstadt befindlichen Bischöfe (und sogar einige weitere Bischöfe in Syrien) mobilisieren und letztlich sogar Agapet direkt einspannen, der durch die besonderen Verhältnisse 536 eine nochmals gesteigerte Autorität besaß. Denn er war, was für die Päpste äußerst unüblich war, in Konstantinopel anwesend und gleichzeitig war Justinian wegen des bevorstehenden Gotenkrieges in besonderem Maße auf sein Wohlwollen angewiesen. Gewichtige kirchenpolitische Machtfaktoren standen also 536 gegen Anthimos, sodass ihn selbst der Kaiser nicht mehr stützen konnte, ohne seinen eigenen Ruf als rechtgläubiger Kaiser zu beschädigen oder seine Position in Italien zu gefährden. Über Anthimos’ Ansehen im Volk lässt sich aufgrund der Quellenlage wenig sagen, doch scheinen fehlende negative Gegenreaktionen im Volk nach seiner Absetzung darauf hinzudeuten, dass sein Rückhalt dort nicht allzu groß ausgefallen sein dürfte. Wie es um Anthimos’ Stellung bei den verschiedenen Vertretern der Oberschicht bestellt war, ist indes noch schwerer zu fassen. Einige Anhänger wird er dort wohl gehabt haben, zumindest in den Häusern, in denen der Mönch Zooras verkehrte und Nebentaufen veranstaltete. Namentlich sind aber kaum Aristokraten mit miaphysitischer Ausrichtung zu fassen. Eine Ausnahme bildet die Patrizierin Caesaria, die mit Severos von Antiocheia in brieflichem Kontakt stand, von dem 19 Antwortbriefe an sie überliefert sind. 342 Und auch die 341 Das heißt nicht, dass sich Anastasios nicht um die Zustimmung Roms zu seiner Politik und der Beendigung des Akakianischen Schismas bemüht hätte, doch nahm er schließlich einen Abbruch der Kontakte in Kauf, nachdem sich Rom nicht dazu bewegen ließ, dem Kaiser bei seinem Henotikon-Kurs zu folgen. 342 SEV., Ep. 53–56, S. 329–338 (PO 58); SEV., Ep. 63, S. 4 (PO 67); SEV., Ep. 97–106, S. 194– 259 (PO 67); SEV., Ep. 117, S. 284–289 (PO 67); Selected Letters, III, 4, S. 244–249; Selec-
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Unterstützung der Kaiserin Theodora, die ihm und zahlreichen Miaphysiten nach 536 Obdach gewährte,343 genoss er. Doch lassen sich darüber hinaus keine eindeutigen Aussagen treffen. Letztlich handelte es sich bei Anthimos um einen Patriarchen, der zwar die kaiserliche Unterstützung besaß, sich darüber hinaus aber keine ausreichende Machtbasis schaffen konnte. Kaiserlicher Rückhalt allein konnte jedoch die Stellung des konstantinopolitanischen Bischofs nicht garantieren. Zudem verfolgte die chalkedonische Oppositionsbewegung die kluge Strategie, dem Kaiser einen Gesichtsverlust zu ersparen. Dazu musste er nur seinen kirchenpolitischen Kurs im Sinne dieser Oppositionsbewegung verändern, alle „Fehlentwicklungen“ auf den Bischof der Hauptstadt abwälzen, um ihn sodann fallen zu lassen. So konnte auch Justinian das zuvorkommende Verhalten des Anthimos gegenüber den Miaphysiten und sein Zusammengehen mit Severos von Antiocheia als große Täuschung des Anthimos darstellen, der seinen Thron nur erhalten hatte, weil er an Chalkedon festzuhalten schien, in Wirklichkeit aber alle (den Kaiser mit eingeschlossen) betrogen hatte. Justinian stellt dies zumindest in seiner Diataxis, in der er die Absetzung des Anthimos bestätigte, so dar.344 Letztlich konnte der Bischof Konstantinopels seine Stellung nur dann langfristig behaupten, wenn er die Unterstützung des Kaisers besaß, sowie die der Mehrheit der Klöster der Hauptstadt und die der Mehrheit der Bischöfe, die sich gerade in der Stadt befanden (damit diese nicht wie 496 und 536 geschehen, den Bischof absetzen konnten). Bei gegensätzlichen Positionen der verschiedenen Akteursgruppen in der Hauptstadt wurde die Position des Bischofs jedoch entschieden destabilisiert, was ihm im Fall des Anthimos schließlich den Bischofsstuhl kostete. Es handelte sich beim Bischof von Konstantinopel also um einen kirchenpolitischen Akteur, der auf die Unterstützung von einer größeren Zahl anderer Akteure angewiesen war als jeder andere Bischof, der sich in der Regel nur um seinen Rückhalt in der Bevölkerung und dem umliegenden Mönchtum sorgen musste. Gleichzeitig waren die Mittel des Hauptstadtbischofs, sich die Anhängerschaft seiner Akzeptanzgruppen zu sichern beschränkter und seine Konkurrenz größer. Ein Provinzbischof musste das Volk und die Mönche bedienen und konnte sich, wenn sein Umfeld ihm gegenüber loyal war, selbst gegen den Kaiser behaupten, wenn dieser weit genug weg war.345 Der Hauptstadtbischof hingegen musste sich zusätzlich die Unterstützung anderer Bischöfe verschaffen und hatte gleichzeitig mit dem Kaiser einen ungleich ressourcenreicheren Konkurrenten in dieser Hinsicht. Zudem konnte der Kaiser durch seine unmittelbare Nähe einfacher gegen den Bischof von Konstantinopel vorgehen. Auch war damit zu rechnen, ted Letters, IV, 10, S. 272–275; Selected Letters, XI, 7, S. 448–455. 343 Vgl. JOH. EPH, Lives. 48, S. 485 (687) (PO 18). 344 Vgl. Constitutio contra Anthimum, Seuerum, Petrum, Zooram ad Menam episc. Cpolis directa (CPG 6877; 9330) (=ACO III, S. 119–123) hier S. 120, Z. 11–14. 345 Gedacht sei etwa an den Fall als Anastasios davon ablassen musste, die Bischöfe abzusetzen, die Severos die Gemeinschaft verweigerten oder an die Fälle als Bischöfe sich im Amt halten konnten, obwohl sie die Unterschrift unter dem libellus Hormisdae verweigerten.
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dass ein Kaiser in der Hauptstadt viel hartnäckiger seine Politik verfolgen würde als in der weit entfernten Provinz. Denn gerade in Konstantinopel konnte es sich ein Kaiser nicht leisten, seine Autorität durch einen ungehorsamen Bischof untergraben zu lassen.
6. Zur Herausbildung kirchenpolitischer Identitäten
6. ZUR HERAUSBILDUNG KIRCHENPOLITISCHER IDENTITÄTEN Die vorhergehenden Kapitel haben gezeigt, welche Akteursgruppen am Konzil von Konstantinopel 536 beteiligt waren, welche verschiedenen Standpunkte sie vertraten und wieso es deshalb zum Sturz des Anthimos durch die Mönche und die in der Hauptstadt weilenden Bischöfe kam. Um den Verlauf der Ereignisse zu verstehen, reicht es jedoch nicht aus, lediglich die Motivation der verschiedenen Akteure und ihre Organisation zu betrachten. Vielmehr ist es notwendig, die Ereignisse des Jahres 536 in den weiteren Kontext der christologischen Streitigkeiten des fünften und sechsten Jahrhunderts einzubetten. Dabei darf man sich nicht nur auf die Kirchenpolitik der jeweiligen Kaiser beschränken, sowie auf die verschiedenen Reaktionen des Klerus auf deren verschiedene politische Ansätze. Es ist ferner nötig, zu untersuchen, wie es überhaupt zu Parteibildungen zwischen den Lagern der Chalkedonier und Miaphysiten beziehungsweise innerhalb der jeweiligen Lager kam. Es stellen sich also folgende Fragen: wie wurden bestimmte theologische und kirchenpolitische Positionen an die Gläubigen – dies betrifft sowohl Klerus, Mönchtum und sonstige Laien – vermittelt? Wie entwickelten sich die religiösen Identitäten der verschiedenen Gruppen von Gläubigen im Zusammenhang der christologischen Streitigkeiten? Und wie versicherten sich die einzelnen Akteure einander ihrer eigenen Rechtgläubigkeit? Dies ging nicht allein durch die Rezitierung bestimmter Dogmen vonstatten. Das zeigt das Beispiel der Ehefrau eines gewissen Patriziers namens Calliopios. Sie fragte Severos von Antiocheia in einer dogmatischen Angelegenheit Christus betreffend um Rat, wobei aus der Antwort des Severos hervorgeht, dass die von ihr dargelegten Ansichten von ihm als völlig falsch angesehen wurden. Trotzdem sah er sie aber noch als rechtgläubig an, weshalb er auch davon ausging, dass sie seine Korrektur und Ermahnung mit Freuden aufnehmen würde. 1 Auch waren fehlende theologische Kenntnisse, die dann zu irrtümlichen Glaubensaussagen führten für Severos kein zwingender Grund, eine häretische Gesinnung zu diagnostizieren.2 Falsche dogmatische Ausführungen, reichten also interessanterweise nicht aus, um jemanden deshalb sofort als Häretiker abzuqualifizieren. Das Aufsagen richtiger Dogmen wiederum wohl auch nicht, um als rechtgläubig angesehen zu werden. Stattdessen wurden die eigenen Positionen auf vielfältige Weise einander kommuniziert. Dies erklärt auch, wie ein Streit in einer solch abstrakten Sphäre wie der Christologie auch über die Kreise einiger Theologen hinaus eine 1 2
Vgl. Selected Letters, VII, 7, S. 382–384, besonders S. 383. Dieses Urteil fällt Severos in seinem Brief an den Diakon Misael über die Kaiserin Theodora, vgl. Selected Letters, I, 63, S. 195–199.
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solche Brisanz entwickeln konnte. Es setzten sich ja auch große Gruppen von Mönchen, aber auch Teile der normalen Bevölkerung für oder gegen bestimmte Bischöfe und kirchenpolitische Ausrichtungen ein. Diese Fragen nach der Vermittlung von Theologie und der Bildung bestimmter religiöser Identitäten im Rahmen der christologischen Streitigkeiten ist bisher jedoch in der Forschung überraschend unbeleuchtet geblieben, obwohl die Behandlung dieser Punkte für ein tieferes Verständnis der christologischen Streitigkeiten unabdingbar ist. Deshalb soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, diese Forschungslücke zu schließen. Die Schwerpunkte der folgenden Kapitel soll auf der Untersuchung liegen, 1) wie sich bestimmte Akteure bestimmte Anhängerschaften schufen, 2) wie eine bestimmte theologische Ausrichtung im Gottesdienst vermittelt und eingeübt wurde, 3) welche Rolle liturgische und theologische Traditionen spielten, 4) wie bestimmte Freund- und Feindbilder erzeugt wurden, um dann 5) darauf einzugehen, dass die verschiedenen Identitäten der Gläubigen sich durchaus nicht immer eindeutig dem Chalcedonense oder dem Miaphysitismus zuordnen lassen und es auch innerhalb eines Lagers umstritten war, wie mit bestimmten Personen, Praktiken und Formeln umzugehen sei. Die Verhältnisse gestalteten sich meist komplizierter und lassen sich nicht in ein einfaches Chalcedonense-Miaphysitismus-Schema einpressen. Durch die Überwindung dieses Schemas verlieren die christologischen Streitigkeiten im fünften und sechsten Jahrhundert zwar an Übersichtlichkeit, jedoch wird das Handeln vieler Akteure durch einen solchen Zugriff nachvollziehbarer. Dadurch kann man auf Erklärungsversuche verzichten, die einzelne Akteure einfach zu Opportunisten, Opfern von Einflüsterungen oder zu irrationalen Fanatikern degradieren. Nach Behandlung dieser Punkte sollen die verschiedenen Ergebnisse zusammengeführt und auf das Konzil 536 bezogen werden. 6.1 SCHAFFUNG UND VERSORGUNG EIGENER ANHÄNGERSCHAFTEN – DIE ROLLE VON (MATERIELLEN) RESSOURCEN Die Konzentration auf die theologische Ebene der christologischen Streitigkeiten3 oder Aktionen einzelner Kaiser und Päpste hat bisher zu einer verengten Behandlung dieses Themas in der historischen Forschung geführt. 4 Das Bild in der 3 4
Verwiesen sei hier auf das durch Alois Grillmeier und Theresia Hainthaler auf den Weg gebrachte mehrbändige Standardwerk zu diesem Thema G RILLMEIER/HAINTHALER, Jesus, I–II, 4. Kirchenhistoriker, die sich vor allem für die Argumentationen der einzelnen Theologen interessierten, tendierten dazu, die sozialgeschichtlichen Komponenten des Streits zu vernachlässigen. Einige ‚Profanhistoriker’ wiederum mieden oft das Feld der Theologie ganz und versäumten aus diesem Grunde, zu untersuchen, wie zum Teil komplizierte und abstrakte theologische Positionen dem Volk vermittelt wurden. Überhaupt würde man sich wünschen, dass sich Althistoriker, die zu kirchenhistorischen Themen forschen, auch mit den relevanten theologischen Hintergründen auseinandersetzten, anstatt aus Scheu vor theologischer Literatur al-
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Forschung ist von einer schablonenhaften Sicht auf die Verhältnisse geprägt, dass alle Akteure klar in eines der beiden christologischen Lager einteilt. Die Verhältnisse werden dadurch aber auf geradezu verfälschende Weise vereinfacht, weil eine solche Sicht der Dinge ignoriert, dass die Identität beziehungsweise das Bewusstsein der verschiedenen Gruppen (Volk, Mönche, Klerus) sich weniger an abstrakten Dogmen, sondern vielmehr an der Verbindung zu bestimmten Personen und auch zu (lokalen) Traditionen orientierte. Deshalb soll an dieser Stelle untersucht werden, mit welchen Ressourcen es einzelnen Personen gelang, sich Gruppen von Anhängern zu schaffen. Diese Ressourcen konnten dabei ganz unterschiedlicher Natur sein. Sie reichen von Ressourcen materieller Natur (Geld und Speisungen) über spirituelle Ressourcen (Charisma und Seelsorge) bis hin zu politischen Ressourcen (militärische Macht oder politische Unterstützung und Unterbringung). 6.1.1 Petros von Apameia und das Kirchenvermögen von Apameia An erster Stelle soll am Beispiel des Bischofs Petros von Apameia untersucht werden, wie man mit Hilfe finanzieller Ressourcen seinen eigenen Stand stärken und sich eine gewisse Machtbasis schaffen konnte. Auch wenn es Petros schließlich nicht gelang, sich dauerhaft in Apameia zu halten, soll dies nicht über gewisse Erfolge hinwegtäuschen, die Petros durchaus in der Stadt erzielen konnte, weshalb seine Aktivitäten im chalkedonischen Klerus der Syria II als echte Bedrohung wahrgenommen wurden. Der Miaphysit Petros wurde 517 von Severos von Antiocheia zum Bischof Apameias geweiht. Vermutlich wollte Severos auf diese Weise die Kontrolle über die widerständige chalkedonische Provinz Syria II gewinnen. 5 Recht schnell scheint sich Petros daran gemacht zu haben, die Kontrolle über das Kirchenvermögen Apameias zu erlangen. Nachdem nämlich (der Chalkedonier) Rufin, der vorherige Ökonom der Kirche Apameias, gestorben war, setzte Petros mit Julian einen eigenen Mann an dessen Stelle. Julian war wahrscheinlich bereits vor dem Tod Rufins ein Vertrauter des Petros und bereits als solcher dazu auserkoren worden, dessen Nachfolge zu übernehmen. Auf diese Weise versuchte Petros nun seinen widerspenstigen Klerus, der dem Petros wegen seines miaphysitischen Bekenntnisses feindselig gegenüberstand, unter Kontrolle zu bringen und einige Kleriker auf seine Seite zu ziehen. Jedenfalls deuteten seine chalkedonischen Ankläger auf der Synode beziehungsweise der Gerichtsverhandlung gegen Petros im Jahre 519 seine Aktion auf diese Weise.6 Auch verbot er den anderen Klerikern, sich am Kirchenvermögen zu bedienen und es ohne seine Kenntnis auszugeben. In einem solchen Falle solle denjenigen, 5 6
len Akteuren einfach grundsätzlich rein machtpolitische Motivationen zu unterstellen. Für Näheres zu den Verhältnissen in der Syria II siehe die Punke 2. 2. 5 Der chalkedonnische Widerstand in der Syria II und 2. 2. 6 Eskalationen der Gewalt in der Syria II. Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 94, Z. 29–34.
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die sich eines solchen Vergehens schuldig gemacht haben, eine Buße von 300 Numismata auferlegt werden.7 Die auf diese Weise erlangten Gelder nutzte Petros, um damit Klöster und Arbeitshäuser zu versorgen, die ihm die Treue hielten. Der chalkedonische Klerus berichtete über ein von Nonnen betriebenes Arbeitshaus, das Petros unterstand und von ihm finanziell mit Hilfe der Gelder der Kirche von Apameia unterstützte.8 Auch das Geld, das für die Armenversorgung vorgesehen war, soll nicht von Petros verschont geblieben sein. Er ließ es angeblich dem Rhomanos-Kloster, einem der wenigen ihm treuen Klöster, aus dem er auch seine Kleriker rekrutierte, Geld zukommen. Die Mönche des Rhomanos-Klosters wurden von den chalkedonischen Klerikern dabei als Geldmacher (χρηματισταὶ) bezeichnet, die nichts weiter taten als Psalme der Verdammung gegen die Kirchenväter zu singen. Presbyter, Paramonarie und Xenodochen rekrutierte Petros aus diesem Kloster und diese Kleriker stahlen angeblich heimlich überall die Nahrung der Armen.9 Petros scheint es gelungen zu sein, einige Leute auf seine Seite zu ziehen. 10 Der Wechsel zum miaphysitischen Lager wurde dadurch erleichtert, dass die Miaphysiten keine Neuweihe ehemals chalkedonischer Kleriker verlangten.11
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Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 99, Z. 10–19. 8 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 95, Z. 38 – S. 96, Z. 2. An anderer Stelle berichtet der Presbyter Stephanos, dass Petros die chalkedonischen Kleriker aus dem Baptisterium warf, als diese gerade die Neugetauften die Katechesen unterwiesen, Sodann trat er selbst mit geweihten Jungfrauen ein und verbrachte dort viele Stunden mit ihnen allein, vgl. ebd., S. 99, Z. 30–33. Laut dem Presbyter Antonios waren diese Frauen jedoch nicht nur der heiligen Mysterien teilhaftig geworden, sondern auch noch nicht gefirmt, vgl. ebd., S. 99, Z. 27. Möglicherweise handelte es sich bei diesen von Stephanos beschriebenen Jungfrauen um die Jungfrauen des Arbeitshauses beziehungsweise erteilte er diesen Jungfrauen möglicherweise Katechetenunterricht, insbesondere nachdem ihm wohl sein eigener hauptsächlich chalkedonischer Klerus wenig vertrauenswürdig für diese Aufgabe erschien. 9 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 97, Z. 6–11. Dass Gelder für die Armenfürsorge vielseitig einsetzbar waren, war dabei keine miaphysitische Erkenntnis. Später sollte Justin Petros, den Juden, mit 1000 Goldpfund ausstatten, was Petros wahrscheinlich auch für Ausgaben anderer Art nutzte, um sich im Patriarchat von Antiocheia beliebt zu machen. Siehe zur Erörterung der Verwendung der 1000 Goldpfund durch Petros den Punkt 3. 5. 1 Die Durchsetzung der formula Hormisdae im Osten. 10 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 96, Z. 5–7. 11 Vgl. WOOD, King, S 165. Severos argumentiert in mehreren Briefen, die er auch zirkulieren ließ, gegen die erneute Weihe ehemals chalkedonischer Kleriker, vgl. sein Brief an das Kloster Tagais, wo einige eine erneute Weihe für nötig hielten SL, V, 3, S. 283–286. Severos verfügte, dass dieser Brief vervielfältigt und verteilt werden soll, vgl. ferner den Brief des Severos an die Presbyter und Archimandriten der Klöster in Caria, Photios und Andreas, vgl. Selected Letters, 60 179–191, sowie seinen Brief gegen all jene, die Neuweihen ehemals chalkedonischer Kleriker forderten, vgl. Selected Letters, V, 6, S. 294–317; vgl. ferner den Brief an Sergios und Marion, die Bischöfe von Khyrros und Sura, Selected Letters, V, 15, S. 350–359.
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Jedoch sei aber an dieser Stelle auch angemerkt, dass es schwer ist, auszumachen, ob diese Personen überhaupt vorher chalkedonisch eingestellt waren und dann zum Miaphysitismus wechselten, oder ob sie in christologischen Fragen kein Profil besaßen und dann von Petros für den Miaphysitismus begeistert wurden. Auch ist es möglich, dass sie, auch nachdem sie begannen Petros von Apameia zu folgen, weiterhin kein ausgeprägtes christologisches beziehungsweise miaphysitisches Profil besaßen, sondern, dass sich ihre Gefolgschaft ganz auf die Person des Petros konzentrierte. Aus Sicht der chalkedonischen Kleriker, die klar zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten unterschieden, war die christologische Ausrichtung der Anhänger des Petros jedoch bereits durch deren Haltung ihm gegenüber erwiesen. Man sollte jedoch Vorsicht walten lassen, und nicht vorschnell die Kategorien der chalkedonischen Kleriker übernehmen und den Anhängern des Petros – insbesondere den einfachen Gläubigen – eine klare christologische Identität unterstellen, die möglicherweise nur die profilierten chalkedonischen Kleriker und Mönche dort erblickten. Unter diesen Anhängern des Petros befanden sich jedenfalls auch viele Frauen, was den Gegnern des Petros den Anlass dazu bot, diesem ein ausschweifendes Leben mit jenen Frauen zu unterstellen. Diese Anklagen sind wegen der allgemein äußerst feindseligen Einstellung gegenüber Petros jedoch mit großer Vorsicht zu genießen. Zwei Frauen wurden dabei von den chalkedonischen Klerikern namentlich genannt. Petros habe eine gewisse Schauspielerin in einem Kloster untergebracht, deren Versorgung womöglich durch das Kirchenvermögen Apameias besorgt wurde. Dabei handelte es sich um eine Frau namens Stephanie, mit dem Beinamen (Petrobolos), mit der Petros nach Angabe seines Klerus viel Zeit allein verbrachte. Selbst Severos von Antiocheia soll daraufhin dafür gesorgt haben, dass sie in die Nähe Antiocheias verbracht wurde.12 Eine weitere Schauspielerin, eine Frau aus Emesa namens Maria, wurde von Petros getauft, was im chalkedonischen Klerus ebenfalls auf Missfallen stieß.13 Ferner speiste Petros eine Schar von Frauen, wobei dies von den chalkedonischen Klerikern als Festgelage ehrloser Menschen dargestellt wurde. Die Frauen wurden von chalkedonischen Klerikern als Huren bezeichnet, die mit Petros ein ausschweifendes Leben führten.14 Die Treue dieser Frauen zeigte sich dann auch in ihrer Niedergeschlagenheit, als Petros Apameia verlassen musste. Wie über einen verstorbenen Bräutigam sollen die Frauen geweint haben, weil Petros aus der Stadt vertrieben wurde und sie seine Speisungen vermissten. Auch kamen sie 12 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 95, Z. 7–11. Zwar wird dies nicht explizit ausgeführt, doch ist es unwahrscheinlich, dass diese Schauspielerin, die ins Kloster eintrat, eine allzu große Summe mit der ihre Versorgung bezahlt werden sollte, ins Kloster einbringen konnte. Auch für die Versorgung der weiteren Frauen scheint es am pausibelsten zu sein, davon auszugehen, dass deren Speisung durch die Kirche Apameias übernommen wurde. 13 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 98, Z. 21–24. 14 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 107, Z. 16–17.
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nicht mehr in der Kirche zusammen und blieben zu Hause. Nach Ansicht des chalkedonischen Klerus von Apameia befleckten sie sich mit ihrem Verhalten noch weiter und zeigten die Schändlichkeit des Wirkens des Petros an.15 Anscheinend hatte es Petros also geschafft, bereits kurz nach seiner Weihe die Finanzverwaltung seiner Kirche mit einem eigenen Mann zu besetzen und das Kirchenvermögen dazu einzusetzen, um sich zum einen eine eigene Machtbasis zu schaffen. Dies tat er, indem er sich einen loyalen Klerus heranzog, der sich von dem ihm folgenden Kloster des Rhomanos rekrutierte und aus Teilen des chalkedonischen Klerus ‚abgeworben’ wurde. Zum anderen baute er sich eine eigene Anhängerschaft in der Bevölkerung auf, indem er mit den Mitteln der Kirche – laut dem chalkedonischen Klerus aus Mitteln für die Armenversorgung entnommen – zahlreiche Gläubige mit Speisungen versorgte. Auf diese Weise konnte er seine eigene Position stärken und die der oppositionellen Kleriker schwächen (wobei es Petros trotzdem nicht gelang, sich gegen die Chalkedonier in Apameia und erst recht nicht gegen die Bischöfe in der Syria II durchzusetzen). Möglicherweise sind die äußerst negativen Darstellungen der Frauen, die Petros folgten, und deren Speisungen aber als Hinweis darauf zu deuten, für wie bedrohlich man Petros’ Erfolge auf diesem Gebiet hielt. Womöglich deshalb sahen sich die chalkedonischen Kleriker genötigt, jegliche Handlungen des Petros, die offensichtlich wenigstens in einem Teil der Bevölkerung auf Zuspruch stießen, ins Negative zu verkehren. Ein ähnliches Verhalten lässt sich auch im Zusammenhang mit den Speisungen von Frauen in Konstantinopel durch den Mönch Zooras beobachten. So schreiben die anatolischen und palästinischen Bischöfe an Papst Agapet über Zooras: „Seine Zusammenkunft ist voll von Weibsbildern, die Festumzügen und Trunkenheit, jeder Wollust und Enthemmung ergeben sind.“16 Anscheinend war es das Mittel der Wahl, die Speisungen der Miaphysiten zu Gelagen zu steigern.17 Um noch ein letztes Mal auf den weiblichen Anhang des Petros von Apameia zurückzukommen, sei hier zudem anzumerken, dass die chalkedonischen Kleriker sich interessanterweise nicht über deren (miaphysitischen) Glauben ausließen, was ja nahegelegen hätte, sondern sich in ihrer Darstellung ganz auf deren Verhältnis zu Petros und ihren „ausschweifenden“ Lebenswandel konzentrierten. Diese Frauen scheinen sich wohl nicht sehr für den Miaphysitismus als solchen eingesetzt oder Chalkedon direkt verurteilt zu haben. Dies wäre wohl von den chalkedonischen Klerikern nicht unerwähnt geblieben, wo sie doch die Verdammungen gegen Chalkedon im Rhomanos-Kloster erwähnten und die einzelnen Gotteslästerungen des Petros so minutiös auflisteten. Die kirchenpolitische Orientierung dieser Frauen, sofern man von einer solchen sprechen kann, scheint sich letztlich 15 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 96, Z. 7–13. 16 Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 148, Z. 35–36. 17 Dazu, dass es schon von frühester Zeit unter Christen nicht unüblich war, Versammlungen von als häretisch angesehenen Christen als ausladende Ausschweifungen darzustellen, vgl. HARLAND, Dynamics, S. 178 f.
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ganz auf die Anhängerschaft zu Petros von Apameia konzentriert zu haben, während dogmatische Überlegungen seitens der Frauen in den Quellen nicht fassbar sind. 6.1.2 Vitalian und sein Heer Eine weitere materielle Ressource, die in den christologischen Streitigkeiten ebenfalls eine Rolle spielte, wenn dies auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich anmuten mag, ist militärische Macht. Dies kann am Fall Vitalians beobachtet werden. Als der Feldherr Vitalian sich gegen Anastasios erhob, war die schlechte Versorgungslage seines Heeres einer der Auslöser für seinen Aufstand.18 Jedoch spielten von vornherein religiöse Faktoren ebenfalls eine Rolle. Denn neben weiteren Mitteln, um sein Heer zu bezahlen, verlangte der Feldherr zudem, dass der Kaiser eine Bereinigung der religiösen Streitpunkte im chalkedonischen Sinne beziehungsweise eine Aussöhnung mit Rom, das durch das Akakianische Schisma von den Kirchen des Ostens getrennt war, in Angriff nehmen sollte. Dies gipfelte schließlich in der Forderung, in Herakleia eine Synode zu diesem Zwecke einzuberufen. Nun stellen sich an dieser Stelle drei Fragen: 1) Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Forderung Vitalians? 2) Welche Konsequenzen hatte sein Handeln auf das Verhältnis zwischen ihm und den Anhängern des Chalcedonense? Und 3) was für Erkenntnisse lassen sich für die Untersuchung struktureller Rahmenbedingungen diesbezüglich auf dem Feld der Kirchenpolitik gewinnen? Zum ersten Punkt lässt sich sagen, dass Vitalian durch die religiöse Aufladung seines Aufstandes seine potentielle Unterstützungsbasis vergrößern und damit seine strategische Position verbessern konnte. Der Klerus auf dem Balkan war mit der Kirchenpolitik des Anastasios unzufrieden und auch in der Hauptstadt gab es eine chalkedonische Opposition zum Kaiser, die sich in mehreren Unruhen entlud. Auch während der Belagerungen Konstantinopels durch Vitalian kam es zu Unruhen. Ob diese chalkedonisch motiviert waren und auf einen Sturz des Anastasios durch Vitalian hofften, ist zwar fraglich, 19 doch bestand für den Kaiser trotzdem die Gefahr, dass sich die durch Zirkusparteien ausgelösten Unruhen, die in spätantiken Großstädten nicht selten waren, mit der kirchenpolitischen Unzufriedenheit des Volkes mit dem Kaiser vermengen konnten, sodass eine explosive Mischung entstand. 18 Für die Darstellung des Aufstandes Vitalians siehe die Ausführungen und Literaturhinweise bei Punkt 2. 1. 6 Der Aufstand Vitalians. 19 Vgl. HAARER, Anastasios, S. 171 f. Haarer steht den Thesen in der Forschung skeptisch gegenüber, die die Unruhen in der Hauptstadt mit dem Vorgehen Vitalians in Verbindung bringen, oder gar von einem Agieren der Hauptstadtbevölkerung zu Gunsten Vitalians ausgehen, und verweist darauf, dass die Bevölkerung in den drei Belagerungen der Stadt genügend Möglichkeiten gehabt hätte, ihm die Tore zu öffnen, es sich jedoch keine Anhaltspunkte in den Quellen finden lassen, dass so etwas versucht worden wäre. Zur Aufzählung anderslautender Forschungspositionen siehe Haarers Anm. 235 auf Seite 171.
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In der Forschung war deshalb bislang umstritten, ob es sich bei Vitalians Chalkedonismus um einen reinen Vorwand handelte, oder ob Vitalian durchaus ein ernstes religiöses Anliegen hatte, oder er gar vor allem aus religiösen Motiven heraus handelte.20 Meier betont, dass Vitalian nach seinen Schlachterfolgen vor Konstantinopel und seiner zweiten Belagerung mit Ausnahme der Synode von Herakleia alle seine Ziele erreicht hatte. Er erhielt Gold vom Kaiser, mit dem er seine Truppen zufrieden stellen konnte, und dazu einen höheren Posten, als er ihn zuvor bekleidet hatte. Dass er trotzdem ein drittes Mal aufmarschierte, deutet also auf ein ehrliches Interesse an einem chalkedonischen Kurswechsel in der Kirchenpolitik hin. Andererseits scheint es überhaupt fraglich, ob es sinnvoll ist, streng zwischen religiösen und weltlichen Motiven zu unterscheiden. Vitalian hatte ein Interesse daran, sein unruhiges Heer zufrieden zu stellen, er hatte wahrscheinlich eigene machtpolitische Interessen und war an einer chalkedonischen Religionspolitik und einer Einheit mit Rom interessiert. Verschiedene Interessenlagen hatten sich in einer Person vereinigt, wodurch sie ein stärkeres machtpolitisches Gewicht erhielten, was den zweiten Punkt, die Frage für die Konsequenzen des Handelns Vitalians, betrifft. Durch seinen Chalkedonismus identifizierten sich nun Gruppen mit ihm, denen die Bedürfnisse seines Heeres egal sein konnten, für die aber Vitalian mit seinem Heer aufgrund des Drucks, den er auf den Kaiser ausüben konnte, zu einem Hoffnungsträger wurde, mit dessen Hilfe der Kaiser auf einen chalkedonischen Kurs gebracht werden sollte. Aus diesem Grunde ging der chalkedonische Unterstützerkreis Vitalians auch weit über den Balkan hinaus.21 Zeugnis darüber legen die Ausrufe ab, zu denen es in Phönizien und Syrien kam, nachdem 518 Anastasios gestorben und von Justin I. beerbt worden war. In der Kirche in Tyros rief das Volk 518: „Dem Patrikios Vitalian viele Jahre; dem rechtgläubigen Vitalian viele Jahre!“22 In Apameia, dem chalkedonischen Metropolitansitz der Syria II, rief man: „Vitalian ist des Kaisers würdig!“23 Diese Ehre wurde mit Sicherheit nur wenigen gescheiterten Usurpatoren zuteil. Mit der Hilfe der militärisch-machtpolitischen Ressource „Heer“ konnte Vitalian seine Anhängerschaft ausweiten und dem Kaiser damit auch außerhalb des militärischen Bereichs Konkurrenz machen. Anastasios versuchte deshalb beim Aufstand Vitalians, der religiösen Komponente 20 Unter anderem sehen CHARANIS, Church, S.81; VASILIEV, Justin, S. 109; HAARER, Anastasios, S. 165, 168, 179 und GRILLMEIER, Jesus, II, 1, S. 352, zumindest tendenziell im Chalkedonismus lediglich einen Vorwand. M EIER, Anastasios, S. 309, gesteht Vitalian ein ehrliches religiöses Interesse zu. SPEIGL, Heraklea, S. 49, ist unentschlossen und findet die Motivlage Vitalians schwer zu beurteilen. STEIN, Histoire, II, S. 178 und M ADGEARU, Armata, S. 37–41 zitiert nach RUSCU, Revolt, S. 773, sehen im religiösen Bereich durchaus die Hauptmotivation für Vitalian. Für weitere Forschermeinungen vgl. MEIER, Anastasios, S. 309, Anm. 136. 21 Dies galt aber auch ebenso für den Kreis seiner Gegner. Severos von Antiocheia widmete Vitalians Niederlage eine ganze Predigt. Dort schreibt er über ihn: „il a été pris dans le filet juif et dans le piège des deux natures et dans la division impie de ce Christ unique“, S EV. HOM. 34, S. 435 (PO 169) (CPG 7035). 22 ACO III, S. 85, Z. 26 f. und S. 86, Z. 21 f. 23 Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 103, Z. 16.
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der Auseinandersetzung zu begegnen, indem er Bronzekreuze an die Stadtmauern Konstantinopels anbringen ließ.24 Auf diese Weise wollte er seinen Kontrahenten, der gegen die Stadt marschierte, als einen Feind des Christentums hinstellen und das religiöse Moment von Vitalians Heereszug neutralisieren.25 Der Aufstand Vitalians zeigt – und dies betrifft Punkt drei – wie sich theologisch-kirchenpolitische Forderungen mit gänzlich anders gelagerten Fragen verbinden konnten. Durch die Verknüpfung der chalkedonischen Frage mit der nach der Versorgung des Heeres durch Vitalian enthob er den Streit um die rechte Kirchenpolitik der rein theologisch-argumentativen Ebene und überführte sie ins Feld der militärisch ausgetragenen Machtpolitik, wodurch sie enorm an politischer Schlagkraft gewann. Von dieser Interessensverquickung profitierten aber auch Gruppen, die zuvor nicht von Fragen der Kirchenpolitik berührt waren. Denn auch dem heterogenen Heer Vitalians, das mehrheitlich womöglich nicht einmal christlich war,26 gereichte es zum Vorteil, dass Vitalian, der für seine Versorgung eintrat, durch die religiöse Aufladung des Konflikts ein größeres politisches Gewicht erhielt. Denn dies erhöhte auch die Chancen, dass Vitalian eine bessere Besoldung des Heeres durchsetzen konnte. Durch die Vermengung von kirchenpolitischen mit sonstigen politischen Forderungskatalogen konnten die verschiedenen Forderungen ihr Gewicht wechselseitig verstärken, weil das eine Moment das andere legitimieren konnte. Den Chalkedoniern, die Vitalian unterstützten, verlieh er durch sein Heer ein größeres politisches Gewicht und zudem gab er einzelnen Akteuren aus dem kirchlichen Milieu so die Möglichkeit, über ihn größeren Einfluss auf die Kirchenpolitik zu nehmen.27 Das zeigt, dass es sich um einen wechselseitigen Prozess handelte. Das Heer wiederum zog Nutzen aus der wachsenden Anhängerschaft Vitalians. Die Vermischung verschiedener Interessenlagen, wie sie im Fall Vitalians vorliegt, macht die Untersuchung kirchenpolitischer Entwicklungen deutlich komplizierter, weil es auch eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen gilt, die auf den ersten Blick nichts mit Theologie oder der Kirche zu tun haben. Doch bietet gerade die Berücksichtigung solcher Faktoren die Möglichkeit, diese Entwicklungen besser zu verstehen. Wichtig dafür ist, dass bei der Betrachtung der christologi24 Vgl. JOH. ANT., Fr 311, Z. 16–27 (UMBERTO), vgl. LOUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 120, Nr. 353. 25 Vgl. MEIER, Anastasios, S. 298. 26 Vgl. RUSCU, Revolt, S. 775. 27 So wahrscheinlich Theophilos von Herakleia. Ruscu etwa vermutet, dass Vitalian zwar ein chalkedonisches Bekenntnis, aber keine eingehende Kenntnis der kirchenpolitischen Situation besaß und im Hintergrund einen theologischen Berater gehabt haben muss, vgl. RUSCU, Revolt, S. 777. Möglicherweise handelte es sich bei diesem Berater um Theophilos von Herakleia. Ein Indiz, das in diese Richtung weist, wäre, dass Herakleia von Vitalian als Tagungsort für die 515 einzuberufende Synode ausgewählt wurde. Ferner zeigen die Ereignisse um die synodos endemousa 518, deren Vorsitz Theophilos innehatte, dass er zu denen gehörte, die aktiv auf einen Schwenk in der Kirchenpolitik zu Gunsten Chalkedons hinarbeiteten. Ferner hätte die räumliche Nähe Herakleias zu Konstantinopel, das dreimal von Vitalian belagert wurde, eine Begegnung zwischen Theophilos und Vitalian ohne weiteres möglich gemacht.
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schen Streitigkeiten, die religiöse nicht zu sehr von der weltlich-politischen Sphäre getrennt wird. Weder handelte Vitalian ganz kalt kalkulierend ohne religiöses Interesse, noch verleitete ihn seine chalkedonische Ausrichtung allein zum Losschlagen. Vielmehr verbanden sich beide Momente in der Person Vitalians, wodurch die Interessen der verschiedenen Akteure von Vitalian koordiniert und auf diese Weise in geordnete Bahnen gelenkt werden konnten. Wurden die verschiedenen Interessen nicht koordiniert und aufeinander abgestimmt, konnten sie sich auch gegenseitig blockieren und ihre politische Durchschlagskraft mindern. Als Beispiel hierfür wäre der Staurotheis-Aufstand anzusehen. Hier vermischte sich die religiös motivierte Unzufriedenheit mit Anastasios mit anders motivierter Unzufriedenheit. Es fehlte aber an einer Figur, die die Stimmung im Volk kanalisieren und die einzelnen Gruppen hinter sich versammeln konnte. Deshalb kam es auch zu chaotischen Zuständen in der Hauptstadt, als sich der Aufstand zunächst an der miaphysitenfreundlichen Politik des Anastasios entzündete, die aufgebrachte Volksmenge aber im Laufe der Unruhen nicht davon abhielt, das Haus des Pompeios niederzubrennen,28 der ja eigentlich ein Chalkedonier war. 6.1.3 Severos von Antiocheia – Spirituelle Autorität Neben der Bildung von Anhängerschaften durch materielle Ressourcen stehen einzelnen Akteuren jedoch auch ‚immaterielle’ Ressourcen zur Verfügung, um eine treue Gruppe von Gläubigen um sich zu scharen, was sich entsprechend auf den kirchenpolitischen Einfluss dieses Akteurs auswirkte. Als eine solche immaterielle Ressource wäre unter anderem die (theologische oder spirituelle) Autorität zu benennen, die sich eine Person durch theologische Versiertheit oder auch seelsorgerische Leistung erwirbt.29 In beiden Fällen können Predigten oder Briefe als Medium dienen, um eine größere Gruppe von Gläubigen zu erreichen. Deshalb sollen im folgenden Kapitel vor allem diese Textgattungen in den Blick genommen und am Beispiel des Severos von Antiocheia analysiert werden. Die Wahl des Severos als Anschauungsobjekt ergibt sich dabei zum einen, weil es sich bei ihm um einen der Hauptakteure in den christologischen Streitigkeiten in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts und um einen der Hauptangeklagten des Konzils 536 handelt, und zum anderen daraus, dass in seinem Fall mit den zahlreich über28 Vgl. MARC. COM., S. 36 (CROKE) (CPL 2270). 29 Es ist davon auszugehen, dass ein Bischof auch bereits durch sein Bischofsamt für den Gläubigen eine gewisse Autorität in theologischen und anderen Dingen besaß. Auch eine als vorbildlich angesehene, unter Umständen asketische Lebensweise konnte dazu beitragen, die Autorität der entsprechenden Person zu erhöhen oder überhaupt erst zu begründen. Diese beiden Beispiele des Autoritätsgewinns sollen jedoch im folgenden Kapitel ausgespart werden, da der Autoritätsgewinn durch die Vermittlung theologischer Positionen im Vordergrund stehen soll. Denn die Kommunikation theologischer Positionen trägt dazu bei, eine religiös-christologische Identität aufzubauen und zu fördern, die über die Anhängerschaft zu einer bestimmen Person (hier am Beispiel des Severos) hinausgeht.
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lieferten Briefen, den dogmatischen Werken (die aber wegen ihrer kleineren Breitenwirkung hier unberücksichtigt bleiben) und Homilien besonders reichhaltiges Quellenmaterial vorliegt. Die erhaltenen Texte geben einen wertvollen Einblick in die Kommunikation des Severos mit seinen Anhängern, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass vor allem die auf uns gekommenen Briefe nur bedingt als repräsentativ gelten können, da sie nur einen Teil des uns leider nicht vollständig erhaltenen Briefcorpus des Severos ausmachen und ihre Auswahl den Interessen ihres Kompilators unterliegen.30 Trotz dieser Einschränkung stellen seine Briefe jedoch eine wichtige Quelle nicht nur für die Administration der syrischen Kirche während seiner Amtszeit dar, sondern geben auch einen wichtigen Einblick in die Fragen, Bedürfnisse und Haltungen von mit ihm im Briefkontakt stehenden Gläubigen, für die die Briefe unsere einzige Quelle sind. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie Severos 1) seine theologischen Positionen an einen breiteren Kreis von Laien (und anderen Klerikern) vermittelte und so seine (spirituelle) Autorität steigerte, und 2) welche (auch von Severos selbst nicht intendierten) Konsequenzen sich aus der großen Autorität ergaben, die er bei vielen Gläubigen genoss. Das Hauptmedium theologischer Verkündigung war für Severos, wie bei einem Bischof nicht anders zu erwarten, – neben theologischen Traktaten – die Predigt.31 Severos predigte dabei nicht nur in Antiocheia selbst, sondern auch an zahlreichen anderen Orten in Syrien.32 Bei mehreren Gelegenheiten hielt er dort Predigten und feierte zugleich die Feste lokaler Heiliger und Märtyrer und spendete auch die Eucharistie. Im liturgischen Zyklus, der sich im sechsten Jahrhundert zu etablieren begann, hatte Severos dabei die Gelegenheit, alte und neue Feste nebeneinander zu feiern.33 Er stimmte seine Predigten auf das jeweilige Heiligenfest ab und damit auch mit den lokalen Traditionen der jeweiligen Orte und konnte so durch die Anpassung an die lokale liturgisch-rituelle Infrastruktur den Gläubigen das, was er den Gemeinden vermitteln wollte, besser zugänglich machen. Dabei schreckte er aber nicht davor zurück, sich gegen die etablierte Erinnerungskultur einer Stadt zu wenden, wenn er eine in dieser Stadt verehrte Person für einen Häretiker hielt. So hielt Severos in Kyrrhos eine Predigt gegen Theodoret, einen der profiliertesten Theologen der antiochenischen Schule und theologischen Gegner Kyrills von Alexandreia,34 und nutzte seine Predigten nicht nur für 30 Vgl. GEORGE, Severos, S. 134. 31 Trotz der relativ reichhaltigen Überlieferung, sind seine Predigten ebenso wie seine Briefe bisher jedoch kaum in den Blick der Forschung geraten, vgl. A LLEN, Carer, S. 354. Zu Predigten als Medium zur Vermittlung theologischer Inhalte und zur Mobilisierung von Massen vgl. BELL, Conflict, S. 187. Ein weiteres mögliches Medium waren Hymnen, vgl. A LLEN/ HAYWARD, Severos, S. 54 f. Als Beispiel für eine gegen Chalkedon ausgerichtete Hymne wäre Hymne 253. 32 So die Homilie 27 in Daphne, Homilie 28 in Seleukeia, Homilie 56 und 57 in Chalkis, Homilie 58, 59, 60 in Kyrrhos und Homilie 110 und 111 in Aigiai. 33 Vgl. ALLEN, Carer, S. 355. Das Feiern der liturgischen Feste und der Eucharistie wird von Allen als „ritualised care“ bezeichnet. Zum sich etablierenden liturgischen Zyklus vgl. A LLEN, Identity, S. 248–249. 34 Vgl. SEV., Hom. 59, S. 230–244 (PO 37) (CPG 7035). Auf Wunsch der Gläubigen wiederhol-
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die Auslegung der Heiligen Schrift, sondern auch zur Darlegung seiner Christologie.35 In der Homilie 59 etwa predigte Severos gegen den manichäischen und gottlosen Wahn des Eutyches und gegen Nestorios, der die Zweiheit der Naturen in Christus auch nach der Einheit lehre. Stattdessen sei Christus in nur einer Person, einer Hypostase und einer Natur zu bekennen. Die Gottheit und Menschheit in ihm bleiben dabei unvermischt und ungetrennt.36 Er wendet sich auch explizit gegen Theodoret, dem er vorwirft, nicht das Prinzip der Fleischwerdung Gottes verstanden zu haben und deshalb Christus in zwei zu spalten.37 Auch über andere ähnlich abstrakt-theologische Themen, wie etwa die Trinität, spricht Severos in seinen Predigten, wobei er auch nicht technische Terminologie ausspart und entsprechende Predigten auch eine beträchtliche Länge erreichen konnten.38 Neben dieser öffentlichen Vermittlung theologischer Positionen, pflegte Severos auch Kontakt mit einzelnen Gläubigen, die er belehrte und denen er Ratschläge erteilte. Fassbar wird dies in seinen Briefwechseln. Hier legte er oft auf Anfrage einiger Gläubigen bestimmte Bibelstellen aus,39 gab aber auch, wenn er darum gefragt wurde, Ratschläge, die persönliche Dinge betrafen,40 oder beantwortete Fragen zur Glaubenspraxis und zur Eucharistie. Unter den Adressaten von Severos’ Briefen waren andere Kleriker, Mönche und andere Laien. Unter diesen befanden sich auch Angehörige der Oberschicht, hohe Beamte 41 und zumindest te Severos die Predigt, die er in Kyrrhos hielt, vgl. SEV., Hom. 64 (PO 37) (CPG 7035). 35 Siehe hierzu den Aufsatz von Gribomont, der die katechetisch-christologischen Predigten des Severos untersucht, GRIBOMONT, Catéchèse. 36 SEV., Hom. 59, S. 231 (PO 37) (CPG 7035): Christus „n’est ni ébranlé par l’imagination manichéenne et athée d’Eutychès, ni sapé par le manque impure d’intelligence d’Apollinaire, ni brisé en deux tronçons isolés par la folie juive de Nestorius de la dualité des natures après l’union, mais que (le Christ), formé de deux, à savois de la divinité et de l’humanité qui sont entières selon leur notion propre, sans confusion et sans division, est confessé un seul Fils (et) un seul Seigneur d’apres la seule personne (πρόσωπον), la seule hypostase et la seule nature incarnée du Verbe“. 37 Vgl. SEV., Hom 59, S. 242 f. (PO 37) (CPG 7035). 38 Vgl. SEV., Hom 109 (PO 124) (CPG 7035), hier referiert Severos ausführlich über die Dreifaltigkeit. Der Text der Predigt umfasst dabei in der französischen Übersetzung eine Länge von 48 Seiten. ALLEN, Spirituality, S. 176 und OLIVAR, Sévère, S. 405 gehen dabei davon aus, dass auch diese Predigten bei den Gläubigen auf Zuspruch stießen. 39 So unter anderem in Brief an die Patrizierin Caesaria, vgl. S EV., Ep. 56, S. 334–338 (PO 58), oder SEV., Ep. 68, S. 71–75 (PO 58) an die Cubicularii Eupraxios und Phokas, oder SEV., Ep. 73, S. 188–119 (PO 67) an den Comes Dorotheos, oder S EV., Ep. 85, S. 140–146 (PO 67) und SEV., Ep. 86, S. 147–148 (PO 67), SEV., an den Comes Sergios, oder S EV., Ep. 89, S. 154– 156 (PO 67) an den Scholastikos Ammonios, ferner S EV., Ep. 95, S. 179–180 (PO 67) an den Comes Isidor. 40 So wird Severos zum Beispiel vom Silentiarios Conon gefragt, mit welchem Bewerber er seine Tochter verheiraten soll, vgl. SL, X, 4, S. 439–442. 41 So belehrte Severos etwa mit Verweisen auf Kyrill von Alexandreia und Gregor von Nazianz den Comes Oikomenios in seinen Briefen über die Hypostasen und die Natur Gottes, vgl. SEV., Ep. 1, S. 177–186 (PO 58), Ep. 2, S. 186–194 (PO 58); SEV., Ep. 3, S. 194 (PO 58), ferner wies Severos Oikomenios dazu an, seine Briefe an interessierte Gläubige weiterzuleiten, vgl. SEV., Ep. 64, S. 5–6 (PO 67). Der Comes Isidor erhielt Belehrungen über die Hypostasen
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vor und während seiner Amtszeit als Bischof von Antiocheia auch Angehörige des Hofes.42 Eine besonders ausführliche Korrespondenz scheint Severos nach seiner Absetzung 518 mit der Patrizierin Caesaria unterhalten zu haben. Allein 19 Briefe von Severos an Caesaria sind erhalten,43 wobei nicht auszuschließen ist, dass es dem Zufall der Überlieferung geschuldet ist, dass gerade so viele Briefe erhalten sind, die sich an diese Frau richten. Neben Bibelauslegungen finden sich in den Briefen auch Verhaltensanweisungen, wie mit Andersgläubigen, seien es Heiden oder seien es Chalkedonier, umzugehen sei. Mit Heiden und jenen, die anderen Meinungen anhängen, dürfe man täglichen Umgang pflegen, weil man, wenn man jeglichen Kontakt zu ihnen abbräche, sich gänzlich von der Welt zurückziehen müsste. Falls es sich jedoch um Menschen handle, die einst dem rechten Glauben anhingen, und dann zum Heidentum oder einem entsprechenden anderen Übel abfielen, solle man nicht einmal mit ihnen essen (1 Kor, 10-12). 44 Mit denen, die anderen Ansichten anhängen, sind wohl Chalkedonier gemeint. Auch wenn Severos im täglichen Leben zu einem pragmatischen Umgang mit Chalkedoniern rät, weist er doch auf die verderbliche Wirkung Chalkedons hin. So führt er Caesaria gegenüber mit einem Hinweis auf einen gewissen Mönch Nisthora an, dass, solange Chalkedon in Kraft ist, keinem Kaiser ein Sohn geboren werde, und sollte er doch einen bekommen, dieser nicht die Herrschaft erben würde.45 Durch Predigten und Briefe gelang es Severos also, einen Personenkreis zu erreichen, der über schriftkundige Theologen hinausging, und seine christologischen Positionen zu vermitteln. Neue Anhänger wird er dabei wohl vor allem durch seine Predigten angeworben haben, während er in direktem brieflichen
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und die Usia Gottes, vgl. S EV., Ep. 19, S. 213 (PO 58); SEV., Ep. 20, S. 213 (PO 58); SEV., Ep. 21, S. 214 (PO 58); SEV., Ep. 60, S. 3 (PO 67) oder Severos legte ihm Bibelstellen aus, vgl. SEV., Ep. 95, S. 179–180 (PO 67); auch für den Comes Dorotheos legte Severos Bibelstellen aus, vgl. SEV., Ep. 73, S. 118–19 (PO 67), ebenso für den Comes Sergios, vgl. S EV., Ep. 85, S. 140–146 (PO 67) und SEV., Ep. 86, S. 147–148 (PO 67) und auch mit dem Comes Johannes von Antarados stand Severos in Kontakt, vgl. Selected Letters, IV, 6, S. 263–266. Zudem scheint er auch mit Theodora zumindest über den Diakon Misael in Kontakt gestanden zu haben, der ihr in Auszügen Werke des Severos übermittelte, vgl. Selected Letters, I, 63, S. 197–199. So stand Severos mit dem Cubicularius Amantios in Kontakt, vgl. S EV., Ep. 51, S. 325–326 (PO 58); mit dem Cubicularius Eupraxios, vgl. S EV., Ep. 65, S. 6–68 (PO 67); SEV., Ep. 66, S. 68–69 (PO 67); SEV., Ep. 67, S. 71 (PO 67); SEV., Ep. 68, S. 71–75 (PO 67); oder den Cubicularios Misael, vgl. Selected Letters, I, 17, S. 63–66 und Selected Letters, XI, 1, S. 459– 463. SEV. Ep. 53–56, S. 329–338 (PO 58); SEV., Ep. 63, S. 4 (PO 67); S EV., Ep. 97–106, S. 194– 259 (PO 67); SEV., Ep. 117, S. 284–289 (PO 67); Selected Letters, III, 4, S. 244–249; Selected Letters, IV, 10, S. 272–275; Selected Letters, XI, 7, S. 448–455. Vgl. SEV., Ep. 102, S. 252 (PO 67). In Konstantinopel wäre es für die miaphysitische Caesaria wohl unmöglich gewesen, noch am öffentlichen Leben teilzunehmen, wenn sie jeden Kontakt zu Chalkedoniern vermieden hätte, weshalb ihr Severos Umgang mit ihnen erlaubt. Die ser pragmatische Umgang schließt, wie aus einem weiteren Brief des Severos an Caesaria hervorgeht, auch die Teilnahme an einem chalkedonischen Gottesdienst mit ein, solange sie nicht die chalkedonische Eucharistie empfängt, vgl. Selected Letters, IV, 10, S. 272–275. SEV., Ep. 55, S. 333–334 (PO 58).
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Kontakt nur mit denjenigen Gläubigen stand beziehungsweise vor allem Gläubige Severos schrieben, die seine Autorität bereits anerkannten. Dabei war ein regelmäßiger Briefaustausch durchaus dazu geeignet, die Verbindung zwischen Severos und dem entsprechenden Gläubigen zu vertiefen. Andererseits erreichten Severos’ Briefe durch Vervielfältigung auch jene, die Severos gegenüber reserviert oder unentschlossen eingestellt waren, sodass diejenigen Gläubigen, seien es Kleriker, Mönche oder sonstige Laien, durch Verbreitung der Briefe des Severos seinen Ruf steigern konnten. Dieses besondere Verhältnis, das Severos zu einigen Gläubigen aufbaute, beziehungsweise die Autorität, die Severos im miaphysitischen Volk genoss, hatte jedoch einen Nebeneffekt, der von Severos selbst nicht nur nicht beabsichtigt, sondern der ihm sogar unerwünscht war: Einige Gläubige strebten nun danach, die Eucharistie nur von Severos selbst zu empfangen. Dies geht aus mehreren Briefen des Severos hervor. Die bereits erwähnte Caesaria erbat anscheinend, dass Severos ihr die Eucharistie senden sollte. Severos sandte ihr diese zwar, tadelte sie aber für diese Bitte und mahnte, dass dies das letzte Mal sein werde, dass er einer solchen Bitte folgen werde. Anstatt darauf zu beharren, die Eucharistie von Severos zu empfangen, solle sie einen (anderen) rechtgläubigen Priester aufsuchen. Denn, so führt er weiter aus, die Eucharistie jedes rechtgläubigen Priesters ist gleichwertig. Es sei egal, wer genau die Eucharistie spende, solange diese Person rechtgläubig sei.46 Er verweist auf die Briefe, die er bereits zwei Jahre zuvor an Ammian und den Diakon Misael gesandt hatte. Ammian, der Severos finanziell unterstützte, hatte einen Sohn bekommen und bat nun Severos, dem Kind einen Namen zu geben und ihm ferner die Eucharistie zu schicken. Severos, der den Namen Johannes (nach dem Täufer) vorschlug, belehrte daraufhin Ammian, dass dieser nur dann bereit sei, einem Gläubigen die Eucharistie zu senden, wenn dieser räumlich von allen Rechtgläubigen abgeschnitten sei. Wenn aber ein rechtgläubiger Priester in Reichweite sei, solle dieser aufgesucht werden, denn die Eucharistie aller rechtgläubigen Priester sei gleichwertig. Deshalb solle Ammian sich an Zooras wenden, von dem sein Sohn auch die Taufe empfangen solle.47 Wie im Falle von Caesaria wollte ein Gläubiger die Eucharistie explizit von Severos empfangen. Zooras war ein in Syrien bekannter Säulensteher, der sich aber nach seiner Ankunft in Konstantinopel auch dort schnell einen Ruf machte. 48 Es erscheint also unwahrscheinlich, dass Zooras dem Ammian unbekannt war. Die Bitte, dass Severos ihm 46 Vgl. Selected Letters, III, S. 244–249. 47 Vgl. Selected Letters, III, 2, S. 233–236. 48 Zooras zog sich auf eine Säule zurück, woraufhin viele Gläubige zu ihm pilgerten. Schließlich wurde er jedoch von den chalkedonischen, staatlichen Autoritäten von dort vertrieben und machte sich deshalb zur Hauptstadt auf, um Beschwerde einzulegen. Sein Ruf eilte ihm dort voraus, weshalb Justinian Bischöfe zusammenrufen ließ, damit diese Zooras im Streitgespräch begegnen. Durch sein Wirken gelangte die Kunde seiner Person bis nach Rom, vgl. JOH. EPH., 2, S. 20–26 (PO 82), unter anderem durch die Briefe der in der Hauptstadt befindlichen Bischöfe und Mönche, siehe Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) und Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152).
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die Eucharistie senden sollte, ist deshalb wahrscheinlich nicht der Tatsache geschuldet, dass Ammian von Chalkedoniern umgeben und kein miaphysitischer Kleriker in Reichweite war, sondern seine Bitte rührte wohl eher von seiner persönlichen Verbindung zu Severos her – immerhin sollte dieser auch den Namen für Ammians Sohn aussuchen. Und auch weitere Gläubige strebten anscheinend danach, von Severos persönlich die Eucharistie zu empfangen, wie der Diakon Misael dem Severos berichtete.49 Die Briefe an Ammian, Caesaria und Misael stammen alle aus der Zeit des Exils des Severos, doch besteht die Möglichkeit, dass es bereits zu seiner Amtszeit zu solchen Forderungen seitens von Gläubigen gekommen ist. Denn bereits in einem Brief an den Comes Anastasios, dem Sohn eines gewissen Sergios, der während seiner Amtszeit verfasst wurde, griff Severos die Thematik der Gleichwertigkeit der Eucharistie aller rechtgläubigen Priester auf.50 Die Autorität des Severos scheint also ein Ausmaß angenommen zu haben, das für ihn selbst unerwünschte Effekte zu Tage führte. Der Wunsch dieser Gläubigen, die nur von Severos selbst die Eucharistie empfangen wollten, illustriert, wie stark der religiöse Glaube und die eigene Glaubenspraxis an Personen orientiert war und weniger an Dogmen. Denn obwohl Severos nichts anderes lehrte als andere miaphysitische Priester (Julianisten, Agnoeten und andere Miaphysiten, die mit Severos nicht in Gemeinschaft standen, seien an dieser Stelle ausgenommen), hielten sie die Eucharistie des Severos wegen seiner herausragenden Autorität anscheinend für effektvoller als die gewöhnlicher Priester oder sie präferierten Severos wegen ihrer persönlichen Beziehung zu ihm.51 Dass der Glaube der Gläubigen stärker an Personen als an Dogmen haftete, macht die ganze religiöse Landschaft bedeutend komplizierter und zeigt wie wenig sinnvoll es ist, bei der Beschäftigung mit den christologischen Streitigkeiten nur die beiden Lager der Chalkedonier und Miaphysiten im Blick zu haben. Denn, da eine solch starre Einteilung nicht dem Empfinden der Zeitgenossen entsprach, bleiben beim Festhalten an einem einfachen chalkedonisch-miaphysitischen Schema die Handlungen von Gläubigen unverständlich. Deshalb bleibt festzuhalten, dass die religiöse Identität eines Gläubigen von mehr Komponenten als nur der der Dogmen bestimmt wurde (und wird). Ferner zeigt das Beispiel des Severos noch ein weiteres Detail: anders als materielle Ressourcen wie Geld oder ein Heer, die bewusst zur Verfolgung der eigene 49 Vgl. Selected Letters, III, 3, S. 236–244. Leider ist nicht klar, ob sich der Diakon Misael beziehungsweise die Gläubigen, von denen er berichtet, an einem chalkedonisch oder miaphysitisch dominierten Ort befanden. Da Severos aber auch hier auf die Gleichwertigkeit der Eucharistie aller Rechtgläubigen pocht, ist davon auszugehen, dass diesen Gläubigen auch miaphysitische Priester zur Verfügung gestanden haben, sie es jedoch vorzogen, die Eucharistie von Severos zu empfangen. 50 Vgl. Selected Letters, III, 1, S. 231–232. 51 Angesichts des großen Ansehens, das Severos genoss, ist es auch nicht verwunderlich, dass nach seinem Ableben in der miaphysitischen syrischen Kirchen ein Fest zu Ehren des Severos gewidmet wurde, vgl. BAUMSTARK, Festbrevier, S. 198; zu handschriftlichen Neufunden bezüglich des Severos-Fests vgl. VÖÖBUS, Entdeckung.
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Ziele eingesetzt wurden‚ konnten sich ‚immaterielle’ Ressourcen wie Autorität auch der bewussten Kontrolle des Inhabers dieser Ressource entziehen. Denn bei der Spende der Eucharistie bei den Gläubigen den Vorrang zu erhalten, war ja nichts, was Severos angestrebt hatte. Im Gegenteil lief dies seinen eigenen Vorstellungen zuwider, weshalb er sich in mehreren Briefen genötigt sah, die Haltung seiner treuen Anhänger zu tadeln und zu korrigieren. Zu Severos’ Autorität mögen mehrere Faktoren beigetragen haben. Als Bischof besaß er schon von Amtswegen eine besondere spirituelle Autorität. 52 Hinzu kam seine asketische Lebensweise. Er lebte zuvor als Mönch und behielt seine Lebensweise auch als Bischof bei. Auch im Exil dürfte er nicht luxuriöser gelebt haben. Nun dienten Asketen und Heiligen wegen ihrer Lebensweise nicht nur als Vorbilder, die das Leben Christi nachahmten, weshalb man sie auch Christusträger nannte, sondern man schrieb ihren Gebeten auch wegen ihrer Rechtschaffenheit eine gesteigerte Wirksamkeit zu.53 Auch seine theologische Bildung dürfte ihr Übriges zur Autorität des Severos beigetragen haben und das Nahverhältnis zu einigen Gläubigen erzeugte ein besonderes Band, was dann Severos wider Willen nicht nur zum ersten Ansprechpartner für Ratschläge sondern auch zur ersten Anlaufstelle für die Eucharistie machte. 6.2 DIE EINÜBUNG DER EIGENEN RECHTGLÄUBIGKEIT IM GOTTESDIENST Der stark an Personen orientierte Charakter christlicher Denkausrichtung und Glaubenspraxis stellt jedoch nur einen (wenn auch sehr wichtigen) Faktor christologischer Identitätsbildung dar. Wie das Beispiel des Severos zeigt, versuchten die Priester und Bischöfe den Gläubigen auch theologische beziehungsweise christologische Inhalte zu vermitteln.54 Zum einen lief dies über theologische oder exegetische Ausführen in der Predigt ab, zum anderen versuchte man bestimmte theologische Positionen in die Glaubenspraxis der Gläubigen zu überführen. Es konnte sich aber auch ohne bewusstes Zutun eines Bischofs mit der Zeit eine bestimmte Tradition in der Frömmigkeitspraxis oder Liturgie etablieren, die dann im Nachhinein christologisch aufgeladen wurde. Damit ist auch der Ort genannt, an dem vornehmlich die einfachen Gläubigen ihre religiöse Identität auslebten und nach außen kommunizierten: die Kirche, oder noch genauer: der Gottesdienst. Liturgien stellen in erster Linie Kommunikationsgeschehen dar. Dies betrifft nicht einmal nur kirchliche Liturgien, sondern 52 Zur besonderen spirituellen Autorität der Bischöfe vgl. RAPP, Bishops, S. 56. 53 Ausführlicher zu diesem Thema vgl. RAPP, Bishops, S. 60 und 66–73. 54 Bereits Eduard Schwartz wies darauf hin, dass in den Kämpfen der kirchlichen Parteien die Liturgie eine beliebte Waffe war. Doch vollzogen sich in der Folgezeit die Forschungen auf diesem Feld allenfalls in Form von Einzelstudien, ohne die Liturgie jedoch stärker in die christologischen Streitigkeiten einzubetten und eingehend auf ihre Rolle in den kirchlichen Auseinandersetzungen einzugehen. Zur Aussage Schwartz’ vgl. S CHWARTZ, Sammlungen, S. 241.
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auch Amtsliturgien wie Magistratsaufzüge, oder Kaiserliturgien wie beim genau festgelegten Ablauf des Adventus.55 In der Regel wurden die Teilnehmer der jeweiligen Liturgie zum Beispiel über klar festgelegte Antwortrufe oder Antwortgesänge ins liturgische Geschehen eingebunden. Man referiert auf bestimmte Ereignisse der Vergangenheit oder spezielle Botschaften und weist so den Teilnehmern einen Platz in einem bestimmten Ordnungsrahmen zu. Ein solch ritualisiertes Kommunikationsgeschehen, gerade wenn es regelmäßig wiederholt wird, ist deshalb dazu geeignet, bestimmte Positionen nicht nur zu vermitteln, sondern auch zu festigen, weil die Teilnehmer der Liturgie aktiv am Geschehen beteiligt sind und diese vermittelten Positionen quasi selbst einüben. Deshalb verwundert es nicht, dass während der Zeit der christologischen Streitigkeiten Kleriker auch versuchten, sich aktiv der Liturgie zu bedienen, um nicht nur einfach christliches Gedankengut zu transportieren und eine christliche Identität zu stiften, sondern auch um in Abgrenzung zu anderen Gemeinden ganz bestimmte christologische Positionen zu vermitteln. Mit der Zeit wurde die Liturgie um mehrere Hinzufügungen angereichert, die auch dazu geeignet seien konnten, bestimmte christologische Aussagen zu treffen. Zum Beispiel konnten etwa den Einsetzungsworten des Priesters vor der Spende der Eucharistie christologische Passagen eingefügt werden.56 Aber auch dem personalen Charakter des Denksystems der Gläubigen wurde die Liturgie gerecht, wenn über die Diptychen ein personaler Bezugsrahmen für die Gemeinde geschaffen wurde. Andere liturgische Komponenten wie das gemeinsame Singen von Hymnen wiederum band die Gemeinde mit ein. Deshalb waren besonders die Diptychen und Hymnen dazu geeignet, eine bestimmte christologisch-kirchenpolitische Identität zu stiften und zu stärken, weshalb diese in den folgenden Kapiteln untersucht werden sollen. Im ersten Schritt folgt eine Analyse der Diptychen als Träger christologischer Positionen und ihre Rolle zur Konstituierung einer christologischen Identität, dann die Untersuchung der Rolle von Hymnen als Träger christologischer Positionen am Beispiel des Trishagions und des Hymnus Ὁ Μονογενής. Dabei soll auch berücksichtigt werden, inwieweit den 55 Vgl. WARLAND, Liturgien, S. 153 f. 56 Vgl. VIEZURE, Philoxenus, S. 140–142. So brach etwa ein Streit um die Einsetzungsworte bei der Eucharistie aus. Miaphysiten weigerten sich, vom „Leib Christi“ zu sprechen, sondern präferierten die Rede vom „Leib Gottes“ oder vom „Leib Christi, dem Wort Gottes und unserem Retter“. Dies taten sie um der in ihren Augen nestorianischen Ausdrucksweise vom „Leib des Gerechten“ zu trotzen, vgl. J OH. RUF., Plérophories, 89, S. 147 (N AU). Ein anderes Beispiel wäre der Begriff Theotokos für Maria. Laut Pseudo-Zacharias habe Martyrios von Antiocheia Maria den Theotokos-Titel abgesprochen. Als Reaktion darauf habe Kaiser Leo dann die Theotokos Maria in die Diptychen einfügen lassen, um seinen antinestorianischen Standpunkt deutlich zu machen,vgl. PS-ZACH., HE, IV, 11, S. 185 (BROOK). Blaudeau bezweifelt den Wahrheitsgehalt dieser Anekdote bei Pseudo-Zacharias jedoch, vgl. BLAUDEAU, Alexandrie, S. 170, Anm. 375. Greatrex schließt sich Blaudeau an und weist darauf hin, dass Evagrios, der über die Lage in Antiocheia genauer im Bilde ist, nichts hiervon erwähnt, vgl. G REATREX, Chronicle, S. 153, Anmerkung 117. Doch auch wenn die Anekdote nicht den Tatsachen entspricht, zeigt die Erzählung des Pseudo-Zacharias, dass für christologisch profilierte Gläubige die Liturgie zur Kampfzone der christologischen Auseinandersetzungen gehörte.
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einzelnen Klerikern die Bedeutung dieser liturgischen Komponenten bewusst waren und wie sie versuchten, diese gezielt im eigenen Sinne zu beeinflussen und zu manipulieren. Drittes werden dann die eigenen Gesetzmäßigkeiten untersucht, denen die Diptychen und Hymnen unterworfen waren, um die Grenzen ihrer Manipulierbarkeit aufzuzeigen. Als letzter Punkt, soll hervorgehoben werden, welche wichtige Rolle der Aufbau von Feindbildern für die Festigung der eigenen Identität spielte beziehungsweise wie diese Feindbilder geschaffen wurden. 6.2.1 Die Diptychen als Spiegelbild religiöser Identität Die verschiedenen Komponenten der Liturgie konnten drei Elemente transportieren, die für die Identitätsbildung der Gemeinde relevant waren: ein historisches Element,57 ein personales Element und ein theologisches Element, wobei die verschiedenen Elemente meist miteinander verbunden waren. Das heißt, mit dem Bezug zu bestimmten Personen war auch ein bestimmtes Bild von der Geschichte der Gemeinde verknüpft, das durch die Verbindung zu eben dieser Person konstruiert und konstituiert wurde. Bereits in der Zeit der Märtyrer versammelten sich die Gläubigen an deren Gräbern, sodass diese Menschen und ihr Schicksal zum Ausgangspunkt für die Glaubenspraxis der Gemeinde wurden. Der christliche Glaube wurde mit dem Schicksal der Märtyrer verbunden, sodass die Gläubigen durch die Verehrung der Märtyrer zugleich ihren eigenen christlichen Glauben bekannten. Zu den Märtyrern gesellten sich dann später die Asketen, die durch ihre fromme Lebensweise den Gläubigen als Vorbild dienten, sowie verstorbene Kleriker, die den Gläubigen durch ihren Dienst an der Gemeinde, in einigen Fällen auch durch ihr Martyrium oder durch ihr theologisches Wirken im Gedächtnis blieben. Die Erinnerung an diese verehrten Männer wurde dabei zu bestimmten, dem jeweiligen Heiligen gewidmeten Festen begangen, aber auch in die Liturgie überführt. Diese liturgische Überführung in den Gottesdienst lief über die laute Verlesung 58 der Namen aller Geehrten vor der Spende der Eucharistie ab und bildete das Rückgrat der lokalen Erinnerungskultur. Die Liste der Namen bildete dabei eine Art Heiligenstammbaum, mit dessen Hilfe sich die Gemeinde auf ihre Anfänge zurückbesann und sich später auch ihrer andauernden Rechtgläubigkeit vergewisserte, sodass sich ihre Verlesung zu einem wichtigen Bestandteil der Volksfrömmigkeit entwickelte.59
57 Taft betont, dass gerade das Christentum als Religion besonders auf einem Bezug auf historische Ereignisse aufbaute. So waren etwa Leben, Tod und Auferstehung Christi für die Gläubigen kein Teil einer mythischen Erzählung, sondern historisches Faktum,vgl. T AFT, Diptychs, S. 191. 58 Vgl. TAFT, Diptychs, S. 102 f.; vgl. W INKLER, Interzession, S. 363–377; vgl. LECLERCQ, Diptyques, S. 1049–1051. 59 Die Namenslisten konnten im Laufe der Zeit auch sehr lang werden, sodass ihre Verlesung in einigen heutigen byzantinischen Liturgien mitunter mehrere Minuten in Anspruch nehmen, vgl. TAFT, Diptychs, S. 165 f.
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Da die Diptychen eine solch wichtige Rolle für die Identität der Gemeinden spielten, verwundert es auch nicht, dass sie auch von den christologischen Streitigkeiten nicht unberührt blieben. Deshalb soll an dieser Stelle die Rolle der Diptychen als Teil der christlichen Erinnerungskultur und ihre Bedeutung für die Ausformung einer eigenen religiösen Identität analysiert und dabei in den größeren Kontext der christologischen Streitigkeiten eingebettet werden. Dabei werden auch die Zwischenergebnisse der Untersuchung zur Diptychenfrage in Syrien während der Amtszeit des Severos60 mitberücksichtigt. Im Laufe der christologischen Streitigkeiten entwickelte sich bald zum Streitpunkt, wer in den Diptychen enthalten sein sollte und wer nicht. 61 Die Diptychen füllten ihre identitätsbildende Funktion dabei auf zweierlei Weise aus: Zum einen konstruierten sie wie angesprochen das Geschichtsbild, in dem sich die Gemeinde verortete, zum anderen wurde es Brauch, nicht nur die eigenen Verstorbenen in die Diptychen einzufügen, sondern man fügte zumindest in den Patriarchatssitzen auch die Namen der anderen Patriarchen ein. So zeigte man, dass man mit ihnen in Gemeinschaft stand. Wer über die Kontrolle über die Diptychen verfügte, konnte also zum einen die eigene kirchenpolitische Ausrichtung kommunizieren, zum andern versuchen, Änderungen im Erinnerungskult der Gemeinde vorzunehmen, um die religiöse Identität der Gläubigen im eigenen Sinne zu beeinflussen. Kirchenpolitik war in diesem Fall gleichbedeutend mit Erinnerungspolitik.62 Dabei konnte man versuchen, die bestehende Identität einer Gemeinde zu schärfen beziehungsweise das christologisch-kirchenpolitische Moment gegenüber dem lokalhistorischen Moment zu stärken. Oder man versuchte die Identität der Gemeinde zu verändern, indem man Bischöfe der einen Ausrichtung aus den Diptychen strich und sie durch Bischöfe der anderen Ausrichtung ersetzte.63
60 Vgl. Punkt 2. 2. 2 Die Rolle der Diptychen und 2. 2. 3 Die Diptychen im Patriarchat von Antiocheia – Die Grenzen der Veränderung der Namenslisten. 61 Bereits Wood betonte, dass der Streit um Chalkedon sich innerhalb eines christologischen Spektrums vollzog, in dem kirchenpolitische Positionen oft auf Streitigkeiten um die Diptychen heruntergebrochen wurden, vgl. WOOD, King, S. 164. 62 Die Erinnerungspolitik verschiedener Akteure in den christologischen Streitigkeiten beschränkte sich dabei nicht nur auf den Umgang mit den Diptychen, sondern betraf auch die rechte Interpretation verstorbener theologischer Autoritäten. Siehe dazu den unteren Punkt 5. 4. 3. 3 Der fehlende eindeutige Bezugsrahmen chalkedonischer Theologie – Das schwierige Erbe der antiochenischen und alexandrinischen Schule. 63 Eine weitere Möglichkeit, liturgisch das christologische Profil zu festigen, war die Etablierung von liturgischen Festen. So wurde seit dem Jahr 518 jährlich ein Gottesdienst zu Ehren des Konzils von Chalkedon gefeiert, nachdem die Volksmenge in der großen Kirche der Stadt dies gefordert hatte. Zur Forderung eines Gottesdienstes zu Ehren Chalkedons. Siehe Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 73, Z. 19– 22: „Die Feier des Konzils von Chalkedon verkünde jetzt! Ich gehe nicht fort, wenn Du [sie] nicht verkündest! Wir sind bis zum Abend hier. Verkünde den Gottesdienst für morgen. Verkünde morgen das Andenken der Väter! Verkünde für morgen den Gottesdienst der Väter von Chalkedon! Wenn Du [es] heute verkündest, wird [es] morgen verwirklicht. Ich gehe nicht fort, wenn Du [es] nicht verkündest. Verkünde auf dem morgigen [Gottesdienst], die, die Nestorios und Eutyches verurteilten.“ Zum Chalkedonfest vgl. ferner S ALAVILLE, Fête. Während
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Ein Beispiel für die Schärfung eines bereits bestehenden Profils stellt die Einfügung des Papstes Leo in die Diptychen Konstantinopels im Jahre 518 dar. Interessant ist die Begründung, die die synodos endemousa 518 vorbrachte, um diesen Beschluss zu erklären. Sie argumentierte, dass sich Kyrill von Alexandreia bereits in den Diptychen der Stadt befinde, weshalb auch Leo eingefügt werden solle, da er zusammen mit Kyrill in Chalkedon angenommen worden war.64 Dies bot der chalkedonischen Gemeinde zudem eine Möglichkeit, sich stärker von den Miaphysiten abzugrenzen. Da Kyrill von diesen ebenfalls als Autorität gesehen wurde, konnte er diese Funktion für die Chalkedonier nicht erfüllen, Leo jedoch schon.65 Beide Bischöfe wirkten zwar nicht in der Hauptstadt, standen aber für eine christologische Ausrichtung, die der Konstantinopels entsprach, sodass sich beide in die lokale Glaubenspraxis integrieren ließen. Ein weiteres Beispiel wäre die Einfügung der vier ökumenischen Konzilien in die Diptychen im selben Jahr. 66 Zur Schärfung des eigenen chalkedonischen Profils konnten auch Bischöfe aus den Diptychen entfernt werden, wie dies der libellus Hormisdae vorsah, der verlangte, alle Bischöfe – auch jene, die sich zu Chalkedon bekannt hatten – aus den Diptychen zu streichen, die mit Akakios und seinen Nachfolgern in Gemeinschaft standen. Die prominentesten Opfer dieser Maßnahme waren Euphemios und Makedonios, die 518 gerade erst wieder rehabilitiert worden waren.67 Ein Beispiel für den Versuch, die christologisch-kirchenpolitische Ausrichtung einer Gemeinde durch die Änderung der Diptychen zu bewirken, stellt das Vorgehen von Severos von Antiocheia, Petros von Apameia und Philoxenos von Mabbug im Patriarchat von Antiocheia dar. Severos ließ Chalkedonier aus den Diptychen seines Patriarchats streichen,68 Philoxenos wiederum ließ Johannes von Antiocheia oder Kyrrhos, Diodor von Tarsos, Theodor von Mopsuestia, Theodoret
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ein Fest zu Ehren eines Konzils aber eher die Ausnahme darstellte, insofern ein solches nur für Konstantinopel belegt ist und nicht flächendeckend im Reich begangen wurde, wurden die Diptychen aber bei jedem Gottesdienst in den verschiedenen Kirchen vorgelesen, weshalb ihr identitätsstiftender Charakter stärker gewesen sein dürfte. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 64, Z. 1–7. Zur Theologie und Terminologie Leos, die bei den Miaphysiten Ablehnung erfuhr, vgl. GRILLMEIER, Jesus, I, S. 739–751, zu seiner Ausdrucksweise vgl. ARENS, Sprache. Vgl. die Anaphora der synodos endemousa an Johannes von Konstantinopel, Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 62–64. Dies geschah durch die Unterschrift des Patriarchen Johannes II. unter den libellus Hormisdae. Die Bedingungen Roms, die sogenannte formula Hormisdae ist erhalten im Brief des Johannes an Hormisdas, vgl. Coll. Avell. 159. Aus Rücksicht vor den konstantinopolitanischen Befindlichkeiten, erlaubte Hormisdas seinen Legaten, das Herausstreichen der Nachfolger des Akakios auch stillschweigend vorzunehmen, vgl. Coll. Avell. 158. Zu den Verhandlungen zur Beendigung des Akakianischen Schismas und den Instruktionen, die Papst Hormisdas seinen Legaten mitgab, vgl. CASPAR, Geschichte, II, S. 150–157. Zum geforderten Herausstreichen des Akakios aus den Diptychen vgl. zudem LECLERCQ, Diptyques, S. 1058. So beauftragte er die Bischöfe Epiphanios und Symbatios, Chalkedonier aus den Diptychen zu entfernen, vgl. Selected Letters, I, 19, S. 67–70, hier S. 68, und auch in Isaurien sollten keine Chalkedonier in den Diptychen belassen werden, vgl. Selected Letters, I, 3, S. 16–23, hier S. 20.
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von Kyrrhos, Andreas von Samosata, Ibas von Edessa, und Alexander von Mabbug aus den Diptychen von Mabbug entfernen.69 Und Petros von Apameia strich seine chalkedonischen Vorgänger aus den Diptychen und ersetzte diese sogar durch die miaphysitischen, alexandrinischen Bischöfe Dioskoros und Timotheos Ailuros. 70 Der Eingriff in die Diptychen hatte jedoch seine Grenzen. Wenn er der christologischen Ausrichtung der Gemeinde zu deutlich entgegenstand, oder das lokalpatriotische Moment gegenüber dem christologischen dominierte, konnte es zu erheblichen Spannungen kommen. Dies konnte dann dazu führen, dass der Bischof vom jeweiligen Änderungsversuch Abstand nahm, oder dass die Änderung nach seinem Tod oder seiner Absetzung wieder rückgängig gemacht wurde. So sind im Zusammenhang mit der Durchsetzung des libellus Hormisdae durch Paul den Juden71 Berichte über blutige Zusammenstöße erhalten. Als etwa Paulos von Edessa sich weigerte, den libellus zu unterschreiben, ließ Paul der Jude ihn von Soldaten aus dem Baptisterium schleifen, in das er zuvor geflohen war. Als die Mönche der in der Nähe gelegenen Klöster und die Bürger Edessas ihrem Bischof zur Hilfe eilten, kam es zu einem Aufstand mit mehreren Toten. 72 Severos berichtet ebenfalls davon, dass der Frieden der Kirche gefährdet sei, 73 wenn alle Diptychen von Chalkedoniern gereinigt würden. Und in Apameia wiederum wurden zwar die Diptychen von Petros verändert, die Änderungen jedoch nach seiner Absetzung sofort wieder rückgängig gemacht.74 69 Vgl. PHILOX., Lettre à tous les moines orthodoxes d’Orient, S. 218 (LEBON). Menze weist an dieser Stelle darauf hin, dass bis zu diesem Zeitpunkt anscheinend unter den Vorgängern des Philoxenos in Mabbug niemand an diesen Namen Anstoß genommen hatte, obwohl sich unter ihnen sogar mit Alexander ein offener Anhänger des Nestorios in den Diptychen befand, der für seine Weigerung, Nestorios zu verurteilen, abgesetzt worden war. Interessanterweise wurde Stephanos von Mabbug, der an der Synode von Chalkedon teilnahm, jedoch von Philoxenos in den Diptychen belassen. Womöglich hat er den Zorn seiner eigenen Gemeinde gefürchtet, wenn er einen ihrer verstorbenen Bischöfe aus der Namensliste streicht, vgl. M ENZE, Justinian, S. 81. Zu Alexander vgl. HONIGMANN, Évêques, S. 66 f. Bezüglich des Namens von Theodor von Mopsuestia, kam es später im Zuge des Konzils von Konstantinopel 553 zur Untersuchung, ob sich sein Name in den Diptychen befand. Die Frage war deshalb aufgekom men, weil durch Kritiker der Verurteilung des Theodor das Argument aufgeworfen wurde, dass Leute, die im Frieden mit der Kirche verstorben sind, nicht posthum verurteilt werden dürften. Die Untersuchung der Diptychen sollte deshalb die Frage klären, ob Theodor bereits zu Lebzeiten von den Diptychen gestrichen und damit verurteilt wurde. Zur Politisierung der Diptychen in Bezug auf Theodor von Mopsuestia und auch Kyrill von Alexandreia vgl. L ECLERCQ, Diptyques, S. 1057. 70 Zum Herausstreichen der chalkedonischen Bischöfe Apameias durch Petros siehe vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier, S. 94, Z. 10–12; zu den Einfügungen des Dioskoros und Timotheos siehe vgl. ebd., S. 94, Z. 19–20. 71 Vgl. Vgl. JOH. MALAL., Chronicon, S. 338 (THURN) (CPG 7511). 72 Vgl. CHRON. EDESS., S. 126 f. (HALLIER). Philoxenos erwähnt ebenfalls einen blutigen Zwischenfall in Edessa in seinem Brief an die Mönche von Senoun, vgl. P HILOX., Lettre aux moines de Senoun, S. 67 (DE HALLEUX). 73 Vgl. SEV., Ep. 40, S. 305 (PO 58). 74 Vgl. Epistulae synodi episcoporum secundae Syriae (a. 519) cum uariis documentis (CPG
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Als Reaktion auf die Probleme, die sich hieraus ergaben, entwickelte Severos zum Teil theologische Begründungen, wieso man in einigen Fällen ausnahmsweise auch Chalkedonier in den Diptychen belassen konnte.75 Und nach den gewaltsamen Ausbrüchen bei der Durchsetzung des libellus Hormisdae versuchte Kaiser Justin, Hormisdas von einer pragmatischeren Handhabe in Bezug auf seinen Brief zu bewegen.76 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das personale Element christlicher Identität über die Diptychen Eingang in die Liturgie gefunden hat, sodass die eigene nicht einfach nur religiöse, sondern auch lokale Identität mit dieser Glaubenspraxis regelrecht eingeübt wurde. Dadurch ergab sich für die Bischöfe die Möglichkeit, über einen Eingriff in die Glaubenspraxis die Identität der Gläubigen zu beeinflussen. Sie konnten dabei aber nur in den Fällen auf Erfolg hoffen, wo ihre Maßnahmen der christologischen Identität der Gemeinde nicht direkt entgegenstanden, wie die Fälle des Euphemios und des Makedonios zeigen. Hier drohte die konstantinopolitanische Gemeinde durch die Verurteilung dieser beiden chalkedonischen Bischöfe ihren chalkedonischen Charakter nicht zu verlieren, weil diese durch die Gemeinschaft mit Rom und die Einfügung der vier ökumenischen Konzilien in die Diptychen gewahrt blieb. Auch waren Eingriffe dort möglich, wo das christologisch-theologische Moment der Diptychen gegenüber dem lokalpatriotischen überwog. Waren die bischöflichen Eingriffe jedoch der theologischen Ausrichtung der Gemeinde entgegen gerichtet, wie im Fall der Diptychen von Apameia, oder war das lokalpatriotische Element stärker ausgeprägt, 77 wie im 9206; 9329 (9)) (=ACO III, S. 90–110) hier S. 104, Z. 15–19. 75 Er führte im Wesentlichen drei Argumente an: 1) Es solle nicht unnötig der Frieden der Kir chen durch den Streit um Namen gefährdet werden, vgl. S EV., Ep. 40, S. 305 (PO 58); 2) Es gab bereits zuvor Fälle, wo die Namen von Häretikern oder solchen Bischöfen, die an häretischen Synoden teilgenommen hatten in den Diptychen belassen wurden, vgl. S EV., Ep 41 an Musonios von Meloe in Isaurien, S. 306–307 (PO 58), beziehungsweise zur Duldung des Theodor von Mopsuestia in den Diptychen durch Kyrill, vgl. S EV., Ep. 45 an Soterichos von Kaisereia in Kappadokien, S. 313–315 (PO 58); ferner S EV., Ep. 46 an Hippokrates Scholastikos, S. 316–321 (PO 58). Und 3) beschreibt Severos mit dem Verweis auf Lev 11, 24–26, dass durch die reinigende Kraft der vielen heiligen Namen, die beschmutzende Wirkung der wenigen häretischen Namen in den Diptychen aufgehoben wird, vgl. S EV., Ep. 44 an den Grammatiker Urban, S. 310–312 (PO 58); und ebenfalls S EV., Ep. 45 an Soterichos von Kaisereia in Kappadokien, S. 313–315 (PO 58). 76 Vgl. Coll. Avell. 192; 196; 200; 232 und 235. Möglicherweise kam es dann 521 tatsächlich zu einem Einvernehmen des Kaisers mit Hormisdas, vgl. M ENZE, Justinian, S. 87 f. Jedenfalls delegierte Hormisdas die Aufgabe, den libellus Hormisdae bei allen östlichen Bischöfen einzutreiben an Epiphanios von Konstantinopel, der womöglich nun nach eigenem Ermessen handeln konnte, vgl. Coll. Avell. 236 und 237, ferner vgl. CASPAR, Papstum, II, S. 179 f. 77 Das lokalpatriotische Element konnte sogar so dominant sein, dass sich in den Diptychen Namen hielten, die einander oder der kirchenpolitischen Ausrichtung des amtierenden Bischofs entgegengesetzt waren, wie der Fall der Stadt Tarsos zeigt. Hier nahm der Bischof Dionysios die Gemeinschaft mit Severos von Antiocheia auf, vgl. Selected Letters, IV, 4, S. 260–261, während sich gleichzeitig Nestorios in den Diptychen seiner Kirche befand, vgl. Selected Letters, I, 24, S. 83–85, hier S. 84. Zum Anstoß wurde dies erst dem Archiatros Theoteknos, der diesen Umstand aufgebracht Severos berichtete.
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Fall der Diptychen von Edessa, ließen sich Änderungen in den Diptychen nicht (dauerhaft) durchsetzen. Die Diptychen besaßen also einen personalen und einen theologischen Charakter, wobei beide Aspekte zusammenwirken oder aber der personale Aspekt den theologischen auch völlig dominieren konnte. Die Analyse der Diptychen zeigt, dass sich die religiöse Identität und die Glaubenspraxis der Gläubigen aus mehreren Komponenten zusammensetzte, weshalb eine eindeutige Zuordnung in eines der beiden christologischen Lager nicht immer möglich ist. Denn welche Ausrichtung hatte beispielsweise die Gemeinde von Tarsos, die mit Severos von Antiocheia in Gemeinschaft stand, aber auch des Nestorios in den Diptychen gedachte? Und was ist mit den Bewohnern Edessas, waren sie Miaphysiten, weil sie nicht die Gemeinschaft mit Rom auf der Basis des libellus Hormisdae aufnehmen wollten? Letztlich stellt die christologische Uneindeutigkeit der Diptychen das liturgische Spiegelbild für die sich aus mehreren Elementen zusammengesetzten religiösen Identitäten der Gläubigen dar, die sich ebenso schwer auf das Schema chalkedonisch-miaphysitisch festnageln lassen. 6.2.2 Hymnen als potenzielle Träger christologischer Positionen – Das Trishagion und der Hymnus Ὁ Μονογενής Bei Hymnen wiederum hat man es mit einem anderen liturgischen Medium zu tun, das anderen Gesetzen folgt. Einerseits gab es die Möglichkeit (neue) Hymnen zu komponieren, sodass man die Liturgie diesbezüglich einfacher erweitern konnte als die Namensliste der Diptychen, wo die Einfügung neuer Namen – sofern es sich nicht um ehemalige Bischöfe der Gemeinde handelte – Fragen aufwarf oder Ärger provozierte. Andererseits wiesen Hymnen eine größere Nähe zu theologischen Ausführungen auf, weil sie theologische Formeln oder christologische Aussagen enthalten konnten, was ihren kirchenpolitischen Wert für Kleriker, die ihre eigene christologische Position kommunizieren wollten, erhöhte. Dadurch aber waren Hymnen auch stärker an theologische Traditionen beziehungsweise bestimmte Terminologien gebunden, die sich in einer bestimmten Tradition etabliert hatten. Zudem kam noch hinzu, dass sich lokal eigene liturgische Traditionen oder liturgische Deutungen ausbildeten, denen bei der Einführung oder Veränderung von Hymnen ebenfalls Rechnung getragen werden musste. Inwiefern sich die Akteure dieser verschiedenen Traditionen bewusst waren und versuchten, sich bestimmte Hymnen oder Änderungen nutzbar zu machen, soll an den Beispielen des Trishagions (mit und ohne Staurotheis-Zusatz) und des Hymnus Ὁ Μονογενής untersucht werden. Ihre historische Genese und ihre christologischen Aussagegehalte sollen dabei im Vordergrund stehen. Beim Trishagion handelte es sich um den recht kurzen Hymnus: „ἅγιος ὁ θεός, ἅγιος ἰσχυρός, ἅγιος ἀθάνατος ἐλέησον ἡμᾶς“. Wenn man sich den akklamatorischen Charakter dieser Formel ansieht, verwundert es auch nicht, dass sich der erste Beleg des Trishagions nicht in der Liturgie, sondern eben im Rahmen einer Akklamation findet. Erstmals erwähnt ist es nämlich in den Akten des Konzils
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von Chalkedon 451: „Die orientalischen Metropoliten und die drei frömmsten Bischöfe, die bei ihnen waren, sagten: ‚Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, erbarme Dich unser. Viele Jahre dem Kaiser! [...] Der Christus hat Dioskoros abgesetzt! [...] Dies hier ist die wahre Synode!’“ 78 Der Ursprung dieser Formel liegt wohl bei Jes 6, 3: „Heilig, heilig, heilig ist der H ERR Zebaoth“.79 Wann der Hymnus Eingang in die Liturgie fand, ist nicht gesichert. Nach Grillmeier weisen die ersten Berichte, die dessen Einführung in die Liturgie auf Proklos von Konstantinopel zurückführen, einen legendenhaften Charakter auf und sind deshalb mit Vorsicht zu genießen.80 Jedenfalls wurde der Hymnus früh theologisch aufgeladen und erweitert, 81 um eine bestimmte christologische Position an die Gemeinde zu kommunizieren. In Antiocheia kam es das erste Mal zu Spannungen in Zusammenhang mit dem Trishagion, als Petros der Walker das Trishagion mit dem Zusatz „σταυρωθεὶς δι’ ἡμᾶς“ erweiterte, sodass es nun lautete „ἅγιος ὁ θεός, ἅγιος ἰσχυρός, ἅγιος ἀθάνατος, σταυρωθεὶς δι’ ἡμᾶς ἐλέησον ἡμᾶς“.82 Das Trishagion wurde in Antiocheia auf Christus bezogen und Petros wollte die Erweiterung des Hymnus dazu nutzen, um seine ‚theopaschitische’ Theologie dem Volk zu vermitteln. Die Erweiterung spielte dabei auf den zwölften Anathematismus Kyrills an, der lautete:83 „Wenn jemand nicht bekennt, dass das Wort Gottes im Fleische gelitten hat, im Fleisch gekreuzigt worden ist, dass das Wort Gottes den Tod geschmeckt hat und ‚Erstgeborener unter den Toten geworden ist, insofern er Leben ist und Leben spendet wie Gott, so gelte das Anathem.“
Durch die Betonung des Todes und des Leidens Gottes sollte jeder nestorianischen Aufspaltung der Naturen Christi ein Riegel vorgeschoben werden. Wobei diese 78 ACTIO I, (d. 8 m. Oct. A. 451) (de Dioscoro) (=ACO II, 1, 1, S. 55–196), hier S. 195 (CPG 9000). 79 Näheres zum Ursprung des Trishagions vgl. JANERAS, Byzantines, S. 470 f. 80 GRILLMEIER/HAINTHALER, Jesus, II, 2, S. 269. Zu den entsprechenden Dokumenten vgl. SCHWARTZ, Sammlungen, S. 242; 133, 10 ff.; 138, 19 ff.; 142, 4 ff.; 147, 3 und T HEOPH., S. 93 (DE BOOR). Nach Grillmeier sollte durch diesen Hinweis Konstantinopel als Ursprungsort des Trishagions verteidigt werden. Gemäß dem Liber Heraclides wiederum wurde das Trishagion infolge eines Erdbebens in der Hauptstadt gesungen, vgl. L IBER HERACL. S. 317–323 (NAU). Zum Erdbeben vgl. ferner CROKE, Earthquakes. In Libyen und Ägypten wiederum war der Trishagion-Hymnus weder mit, noch ohne Zusatz im Gebrauch, vgl. S EV. Hom. 125, S. 249 (PO 138) (CPG 7035). 81 Die Bedeutung des Trishagions für die Christologie wird an Isaak von Edessa ersichtlich, der auf Grundlage des Trishagions in einer Memra ein theologisches Programm ausarbeitet. Als Aufhänger dient ihm die Geschichte eines Papageis, dessen Besitzer ihm beigebracht hatte, das Trishagion mit dem Staurotheis-Zusatz zu singen. Zur Memra vgl. E SBROECK, Memra, S. 469–476. Darüber hinaus weist Baldovin auch darauf hin, dass das Trishagion neben seiner Relevanz für die Christologie in Konstantinopel seine große Bedeutung auch aus einer Verbindung mit der Prozessionsliturgie der Hauptstadt bezog, vgl. BALDOVIN, Character, S. 219. 82 Zu den Umständen der Erweiterung vgl. ESBROECK, Memra, S. 467–469. 83 „Εἴ τις οὐχ ὁμολογεῖ τὸν τοῦ θεοῦ λόγον παθόντα σαρκὶ καὶ ἐσταυρωμένον σαρκὶ καὶ θανάτου γευσάμενον σαρκὶ, γεγονότα τε πρωτότοκον ἐκ τῶν νεκρῶν, καθὸ ζωή τέ ἐστι καὶ ζωοποιὸς ὡς θεός, ἀνάθεμα ἔστω“. Ep. 3 Cyrilli ad Nestorium (W OHLMUTH, Konzilien, S. 50–61, hier S. 61) (CPG 5304).
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Ausdrucksweise gerade mit Vertretern der antiochenischen Schule zu Spannungen führte. Als Petros das erste Mal aus Antiocheia vertrieben wurde, führte sein chalkedonischer Nachfolger Kalandion einen weiteren Zusatz ein. Vor der StaurotheisPassage fügte er „Χριστὲ βασιλεὺ“ hinzu.84 Anscheinend wollte er so sicher gehen, dass das Trishagion nur auf Christus bezogen und damit die Kreuzigung nur über ihn ausgesagt wird. Dies wiederum führte zum Streit mit den Miaphysiten, an vorderster Front mit Philoxenos von Mabbug und Petros dem Walker. Nachdem dieser den Bischofsthron Antiocheias wieder besteigen konnte, entfernte er den Zusatz Kalandions wieder.85 Der Grund hierfür war, dass die Anrede „Christ König“ von den Miaphysiten als Abtrennung von den drei „Heilig“-Anrufungen verstanden wurde, so als ob Christus nicht das zuvor angerufene Wort Gottes wäre, sodass sich für sie automatisch eine nestorianische Umdeutung des Trishagions ergab.86 Infolgedessen scheint es zumindest in Antiocheia, um das Trishagion still geworden zu sein. Es behielt den Staurotheis-Zusatz des Petros, der auch von den dortigen Chalkedoniern nicht weiter beanstandet wurde.87 Ein drittes Mal kam es dann aber in den Jahren 511 und 512 zum Streit beziehungsweise sogar zum Aufstand, als miaphysitische Mönche in Konstantinopel das Trishagion 511 mit dem Staurotheis-Zusatz sangen und Anastasios, trotz der Gewaltausbrüche, die dieser Vorfall auslöste, im nachfolgenden Jahr das Singen des Trishagions mit dem Zusatz anordnete. Anders als in Antiocheia wurde das Trishagion in Konstantinopel jedoch auf die gesamte Dreifaltigkeit bezogen, wodurch der Zusatz eine ganz andere Note gewann. Infolge des zweiten Staurotheis-Aufstandes blieb das Trishagion in der Hauptstadt bei seiner alten Form ohne Zusatz.
84 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 118 (HANSEN) (CPG 7503). 85 Theophanes behauptet fälschlicherweise, dass Petros den Staurotheis-Zusatz zusammen mit dem Christ-König-Zusatz hinzugefügt hatte und den Christ-König-Zusatz später wieder entfernte, vgl. THEOPH, S. 206 (DE BOOR). Die miaphysitischen Quellen wiederum sind nicht weniger manipulativ. So behauptet Pseudo-Zacharias in diesem Zusammenhang, dass Kalandion in Antiocheia gänzlich ohne Anhängerschaft gewesen sei, während alle die Gemeinschaft mit Petros beibehielten, vgl. P S-ZACH, HE, V, 9, S. 231 f. (BROOK). Zur Beteiligung des Philoxenos am Konflikt mit Kalandion vgl. den Aufsatz V IEZURE, Philoxenus, und MICHELSON, Appeals, S. 450–455. Michelson geht dabei vor allem auf die Verbindung vom rechten Glauben mit der rechten Verehrung in den polemischen Schriften des Philoxenos ein. Eine dyophysitische Christologie mit ihrem Schwerpunkt auf die Unterscheidung der Naturen stehe im Gegensatz zur Liturgie, wo der eine Christus im Vordergrund stehe und die Zweiheit der Naturen gar nicht abgebildet wird beziehungsweise gar nicht sinnvoll abgebildet werden könne, S. 452. 86 Vgl. VIEZURE, Philoxenus, S. 137. 87 So lässt etwa Ephraim von Antiocheia, der bei den Miaphysiten als großer Verfolger in die Geschichte eingegangen ist, den Staurotheis-Zusatz am Trishagion in Antiocheia explizit zu, da sich das Trishagion dort auf Christus beziehe und der Zusatz deshalb rechtgläubig sei, während er zugleich gleichermaßen anerkennt, dass in Konstantinopel das Trishagion auf die gesamte Dreifaltigkeit und nicht nur auf den Sohn bezogen wird, vgl. PHOT., Bib., 245 a, S. 115.
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Eine weniger turbulente Hintergrundgeschichte besitzt der Hymnus Ὁ Μονογενής, der 535 oder 53688 in Konstantinopel eingeführt wurde und sich auch in der syrisch-miaphysitischen Liturgie findet. Weniger Klarheit herrscht über den Autor dieses Hymnus. Theophanes schreibt hierzu lediglich: „Justinian ordnete an, in den Kirchen das ‚Eingeborener Sohn und Wort Gottes’ zu singen.“ 89 Bei den Miaphysiten gilt Severos als der Autor.90 Während der Hymnus in der byzantinischen Liturgie im Anschluss an den zweiten Psalm der Typika folgt, dient er in der syrischen Liturgie als Antwort der Gemeinde vor dem kleinen Einzug. 91 Durch das Singen des Hymnus gleich zu Beginn des Gottesdienstes füllt dieser im syrischen Gottesdienst vielleicht eine programmatischere Funktion aus als im byzantinischen Ritus, beziehungsweise spielt die Betonung der Fleischwerdung Gottes und seiner Kreuzigung eine größere Rolle für das Selbstverständnis syrischer Miaphysiten. Der Inhalt jedoch ist derselbe. Was für einer Christologie lässt sich der Hymnus nun zuordnen? Es lohnt ein Blick auf Gesamttext:92 Ὁ Μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ
Eingeborener Sohn und Logos Gottes
ἀθάνατος ὑπάρων, καταδεξάμενος
Obwohl du unsterblich bist, nahmst Du es auf Dich,
διά τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν
um unseres Heils willen
σαρκωθῆναι ἐκ τῆς θεοτόκου
Fleisch zu werden aus der Gottesgebärerin
καῖ ἀειπαρθένου Μαρίας,
und immerjungfräulichen Maria,
ἀτρέπτως ἐνανθρωπήσας
und bist unverändert Mensch geworden
σταυρωθείς τε, Χριστὲ ὁ Θεός,
und gekreuzigt worden, oh Christus, Gott,
θανάτωι θάνατον πατήσας,
im Tod den Tod zertreten habend,
εἷς ὢν τῆς ἁγίας τριάδος,
bist Du einer der heiligen Dreiheit,
συνδοξάμενος τῶι πατρὶ
wirst mitverherrlicht mit dem Vater
88 Zur Datierung der Einführung des Hymnus vgl. G RUMEL, L’auteur, S. 417 f. Er hält es für wahrscheinlich, dass Justinian den Hymnus erst nach 534, nach der Anerkennung seines Glaubensbekenntnisses durch Papst Johannes II. beziehungsweise nach der Weihe des Anthimos in den Kirchen singen ließ. Dazu passt dann die Angabe bei Theophanes, die 535/536 als Zeitpunkt für die Anordnung des Hymnus durch Justinian angibt, vgl. T HEOPH., S. 216 (DE BOOR). 89 THEOPH., S. 216 (DE BOOR): „παρέκδωκεν Ἰουστινιανὸς τοῦ ψάλλεσθαι ἐν ταῖς ἐκκλησίαις τὸ Ὁ Μονογενὴς Υἱος καὶ Λόγος Θεοῦ“. 90 Vgl. GRUMEL, L’auteur, S. 400, dort wird die Hymne sogar explizit als „Hymne des Severos bezeichnet“. Ferner vgl. PUYADE, Tropaire, S. 254. Zur Diskussion der Autorschaft siehe ferner Punkt 4. 3 Das Edikt von 533 und die Anerkennung der theopaschitischen Formel durch Rom 534. 91 Vgl. PUYADE, Tropaire, S. 253. Dazu, dass sich der Hymnus in beiden Liturgien befindet, vgl. ebenfalls UTHEMANN, Kaiser, S. 131. 92 Der Text befindet sich in syrischer und griechischer Fassung bei P UYADE, Tropaire, S. 253, in griechischer Fassung mit deutscher Übersetzung bei UTHEMANN, Kaiser, S. 132. Die hier gelieferte deutsche Übersetzung ist meine eigene.
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καὶ τῶι ἁγίωι πνεύματι
und dem Heiligen Geist,
σῶσον ἡμας.
rette uns!
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Puyade weist in seiner Untersuchung des Hymnus darauf hin, dass er der miaphysitischen Theologie und Terminologie entspricht, weshalb anzunehmen sei, dass Severos sein Autor ist, während er Justinians Autorschaft skeptisch gegenübersteht.93 Unlängst hat aber auch Grumel in seiner Untersuchung des Hymnus darauf hingewiesen, dass zum einen Theophanes Justinian lediglich zuschreibt, den Hymnus angeordnet zu haben, ohne damit seine Autorschaft zu explizieren, und andererseits, dass der Hymnus durchaus auch mit der Theologie Justinians kompatibel ist.94 Und in der Tat ist eine Ähnlichkeit zu Justinians Ausführungen in seinem Glaubensbekenntnis und auch zu der theopaschitischen Formel der skythischen Mönche nicht zu verkennen. Im Zentrum des Hymnus steht das Wort Gottes, dessen Tod und Kreuzigung verkündet wird. Auch die Nähe zum StaurotheisZusatz fällt auf. Der Unterschied hierbei ist, dass mit dem Hymnus – anders als beim Trishagion – eindeutig Christus angerufen wird. Dies wird auch der Grund gewesen sein, wieso der Hymnus in Konstantinopel keine Unruhen ausgelöst hat. Letztendlich ist es Justinian mit diesem Hymnus gelungen, die theopaschitische Formel in die Liturgie zu überführen und damit den Gläubigen eine Christologie zu vermitteln, die ihren Schwerpunkt auf das Bekenntnis des Leidens Gottes legt. Dieser Punkt verdient hervorgehoben zu werden. Denn wenn man die kirchliche Liturgie als Kommunikationsgeschehen begreift, macht das die Kirche selbst zum Kommunikationsraum. Dank diesem Kommunikationsraum besaß der Priester oder Bischof durch seine Predigtgewalt faktisch die wesentliche Kontrolle über die Kommunikationsprozesse.95 Da die Inhalte dieser Kommunikationsprozesse aber für die christologischen Streitigkeiten relevant sein konnten, hatten auch die Kaiser ein Interesse daran, die Kontrolle, oder zumindest einen gewissen Einfluss auf diese zu erhalten. Die Möglichkeiten der Kaiser waren aber sehr beschränkt. Zum einen konnten sie auf die Besetzung von Bischofsstühlen Einfluss nehmen, was sich dann auch auf die Ausrichtung der Predigten und anderer liturgischer Komponenten auswirkte. Ein anderes Mittel war, bestimmte Hymnen anzuordnen. Durch sie konnte der Kaiser eine bestimmte theologische Position den Gläubigen kommunizieren und auch die Dominanz der Bischöfe und Priester in der Kirche zumindest ein wenig beschneiden. Die Versuche des Anastasios und Justinians, entsprechende Eingriffe in Hymnen vorzunehmen beziehungsweise Neuerungen einzuführen, sollten deshalb als Versuche begriffen 93 Vgl. PUYADE, Tropaire, für die Skepsis gegenüber Justinian S. 253, für die theologische Untersuchung S. 255–257. 94 Vgl. GRUMEL, L’auteur, S. 401–410. Dabei will Grumel aber nicht auch eine mögliche Autorschaft des Severos abstreiten, sondern stimmt Puyades Ausführungen zur Kompatibilität des Hymnus mit der miaphysitischen Theologie zu und spricht sich lediglich für eine theologische Offenheit des Hymnus aus, die die chalkedonische Theologie, wie Justinian sie vertrat, und die miaphysitische Theologie mit einschließt. 95 Wobei die stürmischen Ausrufe 518 in Konstantinopel zeigen, dass die anwesende Gemeinde auch ihren Willen artikulieren und den Bischof dabei an die Wand drängen konnte.
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werden, die eigene theologische Position in die Liturgie zu überführen und den kaiserlichen Einfluss auf die Kirchenpolitik zu stärken. Das Trishagion mit dem Staurotheis-Zusatz ist dabei als Übertragung des Henotikon in die Liturgie anzusehen. Immerhin leitete sich der Zusatz aus einem von Kyrills zwölf Anathematismen ab, die explizit in das Henotikon aufgenommen wurden. Beim Hymnus Ὁ Μονογενής handelt es sich um die Übertragung der theopaschitischen Formel beziehungsweise des Glaubensbekenntnisses Justinians in die Liturgie. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wieso Anastasios bei seinem Eingriffsversuch dermaßen scheiterte, während Justinian die Durchsetzung seines Hymnus so spannungsfrei gelang. Zumindest gibt es bei Justinians Vorgehen in den Quellen keine Hinweise auf Spannungen. 6.2.3 Die Gleichsetzung von Glauben und Glaubensvollzug. Die Spannungen durch die Vielfalt christlicher Liturgien unter demselben Bekenntnis Nachdem die Rolle der Diptychen und Hymnen kurz dargestellt wurde, soll es im Folgenden darum gehen, inwieweit sie von den verschiedenen Akteuren verändert und den eigenen Zwecken angepasst werden konnten. Welche Möglichkeiten gab es und welche Grenzen waren ihnen dabei gesetzt? Zwei Punkte sollen hierbei herausgestellt werden: 1) Im Laufe der Zeit ist es bei den Gläubigen der verschiedenen Gemeinden zu einer Gleichsetzung des eigenen Glaubens mit der jeweiligen Glaubenspraxis gekommen, ohne dass dies theologisch begründet gewesen wäre.96 Und 2) folgten liturgische Komponenten wie Diptychen und Hymnen eigenen (lokalen) Gesetzmäßigkeiten, waren also nicht nur in theologische, sondern auch in liturgische Gepflogenheiten eingebettet, was die Möglichkeiten einschränkte, Einfluss auf die Liturgie zu nehmen. Als Beispiel dafür, wie eine bestimmte Glaubenspraxis mit dem eigenen Glauben beziehungsweise der eigenen Rechtgläubigkeit gleichgesetzt wurde, soll das Trishagion dienen.97 Wie bereits weiter oben beschrieben, findet sich seine 96 Explizit postuliert Philoxenos von Mabbug die Einheit von rechtem Glauben und der rechten Verehrung, vgl. VIEZURE, Philoxenus, S. 452, beziehungsweise sind viele seiner polemischen Werke durch die von ihm gesehenen Implikationen der „Zwei-Naturen-Lehre“ für die Liturgie motiviert, ebd., S. 441. 97 An dieser Stelle sollen nur Glaubenspraxen oder Motive in den Blick genommen werden, die von christologischer Bedeutung waren. Es gab aber auch andere liturgische Komponenten oder Gegenstände, die für die Gemeinde Bedeutung erlangten, ohne dass ihre Verwendung theologisch notwendig war. Griff man hier ein, konnte schnell die Gemeinde verärgert werden. Als Beispiel sei hier der Skandal betreffs der goldenen und silbernen Tauben genannt, die Severos in der Kirche Antiocheias entfernen ließ. Die dortigen Kleriker berichteten der synodos endemousa, dass Severos die aufgehängten Tauben in Gestalt des Heiligen Geistes über den Taufbecken und Altären mit dem Argument entfernen ließ, dass es nicht nötig sei, den Heiligen Geist in Gestalt von Tauben anzurufen, vgl. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 60, Z. 38 – S. 61, Z. 3. Für die Kleriker symbolisierten die Tauben den Heiligen Geist und stellten einen selbstverständlichen Teil des Inventars dar. Jedoch galt in Syrien die Taube auch als heiliges Tier der Göttin Astarte-Der-
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erste Erwähnung auf dem Konzil von Chalkedon und wurde er vermutlich von Jes 6, 3 hergeleitet. Dabei wurde das Trishagion in Antiocheia auf Christus und in Konstantinopel und in Rom auf die Dreifaltigkeit bezogen. Was auffällt ist, dass theologische Begründungen für die jeweiligen Ansichten erst recht spät geliefert wurden. Im Zuge der Staurotheis-Aufstände 511 und 512 stritten die Akoimeten mit Hilfe ihrer fiktiven Korrespondenz Petros des Walkers98 für die Notwendigkeit einer trinitarischen Interpretation, ebenso Justinian 538 in seinem Brief an die alexandrinischen Mönche,99 während erst Severos die christologische Interpretation erläuterte.100 Die Akoimeten argumentierten, dass man, wenn man das Trishagion nur auf Christus bezöge, der Vater und der Heilige Geist ohne Lobpreis blieben.101 Deshalb sei es notwendig, dass das Trishagion wie in Konstantinopel auf die Dreifaltigkeit bezogen werde.102 Dann müsse das Trishagion natürlich auch ohne den von den Konstantinopolitanern abgelehnten Staurotheis-Zusatz bleiben. Aber selbst wenn man das Trishagion auf Christus, also auf die zweite Hypostase Gottes, beziehen wollte, drücke man mit dem Staurotheis-Zusatz den Tod des göttlichen Logos aus.103 Ferner geht aus der Homilie 125 des Severos hervor, dass der antiochenischen Deutung des Trishagions eine nestorianische Theologie unterstellt wurde. Der Vorwurf scheint gelautet zu haben, dass ein jedes „heilig“ einer göttlichen Hypostase beziehungsweise Person zukomme, während man den Staurotheis-Zusatz auf eine vierte Person beziehungsweise einen zweiten Christus beziehe, wodurch eine nestorianische Zwei-Personen-Lehre vermittelt werde.104 Später äußert Justinian diesen Vorwurf ebenfalls explizit. 105 In dieser Argumentation liegt wahrscheinlich auch der Ursprung für den eigentlich seltsam anmutenden Vorwurf des Nestorianismus, der gegenüber Severos von den orientalischen und palästinischen Bischöfen neben dem Vorwurf des Eutychianismus erhoben wurde.106
98 99 100 101 102 103 104 105 106
ceto-Aphrodite. Dem Severos, der als Heide aufgewachsen war, war dies wohl stärker bewusst als der christlichen Gemeinde beziehungsweise war er aufgrund seines heidnischen Hintergrundes möglicherweise empfindlicher gegenüber solchen Darstellungen, weshalb er die Tauben ihrer vermeintlichen Nähe zum heidnischen Kult wegen entfernte. Für die Gemeinde, die mit den Tauben nichts anderes verband als den Heiligen Geist, stellte dieser Akt einen Skandal dar, der ihnen die Gottlosigkeit des Severos vor Augen führte. Zur Bedeutung der Taube in Syrien vgl. ALLEN, Severos, S. 25, und HONIGMANN, Eveques, S. 23, Anm. 4. Vgl. GRILLMEIER/HAINTHALER, Jesus, II, 2, S. 270–277. Vgl. IUSTINIANUS, Contra Monophysitas, S. 41–42 (SCHWARTZ) (CPG 6878). Severos widmete dem Thema eine ganze Predigt, vgl. SEV., Hom. 125 (PO 138) (CPG 7035). Vgl. ACO III, S. 231; Coll. Avell. 71, S. 166. Vgl. ANTEON., ep. ad Petr. Full., ACO III, S. 217; Coll. Avell. 74, S. 188. Vgl. PS-FELIX, ep. 2 ad Petr. Full., ACO III, S. 23. Vgl. SEV., Hom. 125, S. 247 (PO 138) (CPG 7035). Vgl. IUSTINIANUS, Contra Monophysitas, S. 41, Z. 7–12 (SCHWARTZ) (CPG 6878). „Wir sind unschlüssig, wie genau wir ihn nennen sollen, der dasselbe wie die Heiden denkt, Eutyches zustimmt, auf gleiche Weise Nestorios.“ Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 148, Z. 9–10. In eine ähnliche Richtung weisen die Zurufe in Konstantinopel 518, wo Severos als neuer Judas bezeichnet wird, was eigentlich der typische Beiname des Nestorios war: „Den Severos wirf hinaus, den neuen Judas“. Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6))
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Severos wiederum verteidigte die christologische Deutung damit, dass durch das Lob Christi automatisch der Vater und der Heilige Geist mitgelobt würden, da sie wesensgeich sind, weshalb mit der Anrufung Christi dieser nicht von den anderen beiden Hypostasen abgetrennt werde.107 Auch schien Severos eine trinitarische Deutung des Trishagions abzulehnen, wenn er die Streichung des Staurotheis-Zusatzes in Palästina, der nur die trinitarische Deutung des Trishagions zu Grunde liegen kann, als „gottlos“ bezeichnet.108 Auch in einem Brief an zwei Männer mit Namen Johannes kritisiert Severos die trinitarische Deutung des Trishagions und die damit einhergehende Streichung des Staurotheis-Zusatzes – in diesem Fall durch die Römer.109 Die Argumentationen beider Seiten für die Notwendigkeit der eigenen Trishagion-Deutung unter Ausschluss der jeweils anderen Position sind: 1) mit starker zeitlicher Verzögerung entstanden (Zwischen dem Zeitpunkt der ersten belegten Verwendung des Trishagions auf dem Konzil von Chalkedon 451 und der ersten Argumentation für eine trinitarische Deutung der Akoimeten 511/512 liegen 60 Jahre!), 2) wenig überzeugend, insofern sie – wie in theologischen Traktaten nicht unüblich – vor allem daraus bestehen, der gegnerischen Seite theologische Positionen zu unterstellen, die diese nie bezogen haben und 3) wurden sie auch nicht von allen Glaubensbrüdern geteilt. So akzeptierte der chalkedonische Bischof Ephraim von Antiocheia ausdrücklich beide Deutungen, und sah in den unterschiedlichen Deutungen keinen Ausdruck unterschiedlicher christologischer Positionen.110 Die unterschiedlichen Deutungen des Trishagion sind historisch gewachsen, folgten dabei aber nicht einem theologischen Programm. Überhaupt gibt der kurze Text des Trishagions nichts her, um seine Deutung eindeutig zu bestimmen. Es ist aber dazu gekommen, dass die einzelnen Kleriker und Mönche und die sonstigen Gläubigen ihre Glaubenspraxis – in diesem Fall die lokal-spezifische Deutung des Trishagions – mit ihrem Glauben und ihrer Vorstellung von der eigenen Rechtgläubigkeit verknüpften. Nicht nur das eigene Bekenntnis musste dadurch verteidigt werden, sondern auch die Art und Weise, wie der eigene Glaube ausgelebt wurde. Im Gegenzug wurde jede andere Glaubenspraxis, selbst wenn ihr eigentlich keine andere Christologie zu Grunde lag, sofort als häretisch angesehen. Dadurch erschienen den konstantinopolitanischen Chalkedoniern all jene als häretisch beziehungsweise miaphysitisch, die das Trishagion christologisch deuteten,
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(=ACO III, 60–77) hier S. 72, Z. 18–19. Wenn der Nestorianismus-Vorwurf der orientalischen und palästinischen Bischöfe sich aber tatsächlich aus seiner christologischen Deutung des Trishagions speist, wäre dies als Hinweis zu deuten, dass auch im antiochenischen und palästinischen Bereich Chalkedonier das Trishagion auf die Dreifaltigkeit bezogen. Für den palästinischen Klerus zumindest ist belegt, dass er den Staurotheis-Zusatz ablehnte, vgl. S EV., Hom. 125, S. 235, (PO 138) (CPG 7035): „en Palestine ont voulu d’une manière impie retrancher à la doxologie du Trishagion l’(addition): ‚Tu as été crucifié pour nous’“. Vgl. SEV., Hom. 125, S. 245 (PO 138) (CPG 7035). SEV., Hom. 125, S. 235, (PO 138) (CPG 7035): „en Palestine ont voulu d’une manière impie retrancher à la doxologie du Trishagion l’(addition): ‚Tu as été crucifié pour nous’“. Vgl. SEV., Ep. 22, S. 214–216 (PO 58). Vgl. PHOT., Bib., 245 a, S. 115.
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obwohl die Chalkedonier Antiocheias das Trishagion ebenfalls christologisch interpretierten und darin auch keinen Widerspruch zum Bekenntnis zu Chalkedon sahen. Die Lage wurde aber noch weiter verkompliziert. Denn Akteure beider christologischer Seiten versuchten ihre liturgische Praxis theologisch festzulegen. Das heißt, nicht nur die konstantinopolitanischen Chalkedonier versuchten die trinitarische Deutung des Trishagions als einzig akzeptable Interpretation des Hymnus durchzusetzen, während die christologische Deutung als miaphysitisch angesehen wurde. Auch einige Miaphysiten sahen die christologische Deutung des Trishagions als miaphysitisch an und griffen Chalkedonier an, die ebenfalls eine christologische Deutung des Hymnus vertraten, weil sie in ihnen eine Gefährdung für die einfachen Gläubigen sahen. Denn wenn man an der Glaubenspraxis ablesen konnte, welches Bekenntnis ein Gläubiger hatte, stellte für profilierte Theologen eine Angleichung der Glaubenspraktiken eine große Gefahr dar. Denn die Grenze zwischen beiden christologischen Parteien wurde auf diese Weise verwischt und ein aus miaphysitischer Sicht rechtgläubiger Mensch konnte sich plötzlich unter Chalkedoniern wiederfinden und Teil ihrer Gemeinde werden, weil er den Unterschied nicht bemerkte. Philoxenos zeigte sich deshalb tief besorgt über die christologische Deutung des Trishagions durch Chalkedonier und ihrer Akzeptanz des Staurotheis-Zusatzes und hielt ihre Akzeptanz des Staurotheis-Zusatzes für heuchlerisch und heimtückisch.111 Das heißt syrische Chalkedonier, die das Trishagion christologisch deuteten, sahen sich gleichzeitig der Angriffe ihrer chalkedonischen Glaubensbrüder aus Konstantinopel und ihrer miaphysitischen Gegner in Syrien ausgesetzt.112 Ein zweiter Punkt verdient unterstrichen zu werden: Die Folge dieser Gleichsetzung des eigenen (rechten) Glaubens mit der eigenen Glaubenspraxis schränkte den Spielraum ein, in dem Änderungen in der Liturgie vorgenommen werden 111 Vgl. PHILOX, Lettre aux moines de Senoun, S. 60–64 (DE HALLEUX). Dabei schildert er die Verhältnisse unter den Chalkedoniern in Syrien und Palästina. Interessant ist dabei, dass er den palästinischen Chalkedoniern vorwirft, dass sei die gläubigen täuschten, indem sie vorgaben, zu glauben, dass Gott gekreuzigt worden ist, was darauf hindeutet, dass die palästinischen Chalkedonier des Staurotheis-Zusatz akzeptierten, während Severos angibt, dass sie ihn vom Trishagion strichen. War die Lage unter Chalkedoniern in Plästina also nicht eindeutig und weder die christologische, noch die trinitarische Deutung des Trishagions hatte sich vollständig durchgesetzt und es herrschte ein zeitweiliges Nebeneinander? Auch Kalandion sah sich genötigt, in Antiocheia dem Staurotheis-Zusatz die Anrufung Christ-König voranzustellen, um den rechten Bezug des Staurotheis-Zusatzes zu garantieren, während sich spätere Chalkedonier nicht am Staurotheis-Zusatz störten, auch nachdem Petros der Walker die Christus-König-Anrufung wieder entfernte. Ephraim von Antiocheia etwa verteidigte eine christologische Deutung des Trishagions (auch mit Staurotheis-Zusatz), akzeptierte prinzipiell aber auch eine trinitarische Deutung, vgl. PHOT., Bib., 245 a, S. 115 (CPG 6908). Herrschten also in Syrien und Palästina beide Deutungen des Trishagions vor, wobei sich die christologische Deutung erst allmählich gegenüber der trinitarischen durchsetzte? 112 Wobei es die Chalkedonier den Miaphysiten nicht recht machen konnten. Deuteten sie das Trishagion trinitarisch, waren sie Häretiker. Deuteten sie es christologisch, waren sie natürlich immer noch Häretiker, weil sie ja Chalkedonier waren, und wurden obendrein als besondere Gefährder der Gläubigen angesehen.
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konnten. Denn wer solche Änderungen vornehmen wollte, musste sowohl (lokale) liturgische Traditionen sowie theologische Traditionen berücksichtigen. Wenn dies nicht geschah, stieß der Änderungsversuch auf Widerstand. Dazu kam es 511 und 512 bei den Staurotheis-Aufständen, als Kaiser Anastasios versuchte, die Erweiterung des Trishagions mit dem Staurotheis-Zusatz anzuordnen. Eine Theologie, die die Leiden und die Kreuzigung Gottes hervorhob, war grundsätzlich mit der chalkedonischen Lehre vereinbar, jedoch berücksichtigte Anastasios nicht die liturgischen Gepflogenheiten der Hauptstadt. Die Tradition der Konstantinopolitaner, das Trishagion auf die gesamte Dreifaltigkeit zu beziehen, machte es von vornherein unmöglich, eine Erweiterung des Trishagions durch den Staurotheis-Zusatz vorzunehmen. Die theologische Tradition der Staurotheis-Formel, die auf Kyrill von Alexandreia zurückging, der ja sowohl von Chalkedoniern als auch von Miaphysiten in Ehren gehalten wurde, war schlicht nicht mit der liturgischen Tradition Konstantinopels, das Trishagion trinitarisch zu deuten, vereinbar. Um seine eigene theologische Formel durchsetzen zu können, musste man solchen liturgischen Hemmnissen ausweichen. Dies war möglich, indem man entweder beim Genre theologisch-argumentativer Texte oder Glaubensbekenntnisse verblieb, wo man nur theologische Traditionen berücksichtigen musste, was die Sache schon schwierig genug machte. Oder man führte neue liturgische Kommunikationsmittel wie Hymnen ein, die in keiner althergebrachten liturgischen Tradition standen, weshalb man hier auch einen größeren Gestaltungsspielraum besaß. Justinian nutzte beide Möglichkeiten, indem er zuerst 533/534 die theopaschitische Formel in einem Glaubensbekenntnis formulierte, das er als Edikt erließ und auch von Papst Johannes II. approbieren ließ, und kurz darauf 535/536 das Singen des Hymnus Ὁ Μονογενής anordnen ließ. Bei ihm handelte es sich um eine neue Hymne, weshalb man – anders als beim Trishagion – nicht auf eine etwaige historisch gewachsene liturgische Deutungstradition des Hymnus achten musste. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sich auch unabhängig von theologischen Überlegungen verschiedene Formen, seinen eigenen Glauben auszuleben, ausbildeten und diese unterschiedlichen Glaubenspraxen ohne größere Spannungen nebeneinander existieren konnten. Durch die Gleichsetzung des eigenen Glaubens mit einer spezifischen Glaubenspraxis musste es aber immer dann zu Spannungen kommen, wenn der Versuch unternommen wurde, die verschiedenen Glaubenspraxen zu vereinheitlichen. Dies geschah, als Anastasios versuchte, eine liturgische Angleichung Konstantinopels an Antiocheia durch die Erweiterung des Trishagion mit dem Staurotheis-Zusatz durchzusetzen. Das heißt, während in dieser Maßnahme womöglich der Versuch des Anastasios gesehen werden kann, durch eine liturgische Annäherung auch eine theologisch-kirchenpolitische Annäherung zu bewirken – oder zumindest einer weiteren Auseinanderentwicklung entgegenzuwirken – zeigt das Beispiel der Staurotheis-Aufstände, dass liturgische Eingriffe nur bedingt eine solche Funktion ausfüllen konnten. Als ein weiteres Beispiel dafür, wie Vereinheitlichungsbestrebungen auf dem Feld der Liturgie zu Spannungen führen konnten, wäre der libellus Hormisdae zu nennen. Die Diptychen, die ja einer lokalen Tradition folgten, sollten durch den libellus Hormisdae dahingehend vereinheitlicht werden, dass nun überall die An-
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hänger des Akakios und seiner Nachfolger herausgestrichen werden sollten. Doch auch im Bereich der Diptychen hatten sich lokale Traditionen etabliert, die zum Teil von theologischen Traditionen losgelöst waren. Für die Gläubigen einer Gemeinde hatte der verstorbene Bischof der jeweiligen Gemeinde durch seinen Dienst an den Gläubigen quasi das Recht, in die Diptychen eingeschrieben zu werden – vorausgesetzt natürlich, dass dieser Bischof auch zu seiner Zeit den Rückhalt seiner Gemeinde genossen hatte und deshalb in vorteilhafter Erinnerung verblieben war. Dadurch konnte sich ein Bischof selbst dann in der Liste der Diptychen halten, wenn er in theologischem Gegensatz zum gegenwärtigen Bischof stand. An dieser Stelle sei nochmals an den Fall des Dionysios von Tarsos erinnert, der mit Severos von Antiocheia die Gemeinschaft aufnahm, aber gleichzeitig Nestorios in den Diptychen stehen hatte.113 Das persönliche Verhältnis der Gemeinde zum verstorbenen Bischof überwog in diesem Fall christologische Erwägungen. Als nun Petros der Jude versuchte eine Art negative Vereinheitlichung der Diptychen auf Basis des libellus Hormisdae durchzusetzen, stieß dies auf den Widerstand des Ortsbischofs und der Gläubigen und es kam sogar zu Ausschreitungen, als Petros diesem Widerstand zum Trotz versuchte, die Unterschrift unter den libellus zu erzwingen. An dieser Stelle soll das bereits weiter oben genannte Beispiel von Paul von Edessa genügen, der mit Waffengewalt zur Unterschrift unter den libellus gezwungen werden sollte, was einen Aufstand in der Stadt auslöste.114 Wer also versuchte, ins konkrete Glaubensleben der Gläubigen im Reich einzugreifen, musste sich der verschiedenen Faktoren bewusst sein, die es zu berücksichtigen galt. Anastasios versäumte dies bei seiner Anordnung des StaurotheisZusatzes, Petros der Jude wiederum bei seinem kompromisslosen Vorgehen bei der Durchsetzung des libellus Hormisdae. Ein größeres Gespür für die Empfindlichkeiten der Gläubigen besaß Justinian bei seinem Vorgehen bei der Durchsetzung der theopaschitischen Formel 533/534 und ihrer Überführung in die Liturgie 535/536. Und auch beim Umgang mit Akakios und seinen Nachfolgern war man sich der Probleme bewusst, die deren Herausstreichen aus den Diptychen auslösen konnte. So fürchtete etwa Euphemios in diesem Fall gegenüber Gelasius einen Aufstand in der Hauptstadt.115 Sich der Empfindlichkeiten in Konstantinopel bewusst, erlaubte es Hormisdas deshalb auch schließlich, die Nachfolger des Akaios nur stillschweigend entfernen zu lassen.116 113 Zur Unterschrift unter dem Glaubensbekenntnis des Severos, vgl. Selected Letters, IV, 4, S. 260–261. Aus diesem Brief geht auch hervor, dass zum Ärger des Severos dem Dionysios auch chalkedonische Kleriker dienten. Zum Namen des Nestorios in den Diptychen von Tarsos, vgl. Selected Letters, I, 24, S. 83–85, hier S. 84. 114 Vgl. HALLIER, Untersuchungen, S. 126 f. Sowie CHABOT, S. 24 f. Für weitere Beispiele im Zusammenhang mit dem libellus Hormisdae die dies ausführlich behandeln, vgl. die Ausführungen von MENZE, Justinian, S. 58–106. 115 Vgl. THEOD. ANAGN., S.123 (HANSEN) (CPG 7503), THEOPH., S. 135, (DE BOOR), JK 620 Gelas. Epist. 3, S. 320; S CHWARTZ, Sammlungen, S. 55, 2–4; GRUMEL, Regestes, S. 134 ff., Nr. 178–179. 116 Vgl. Coll. Avell. 158.
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Schlussendlich zeigt die Untersuchung über die Gleichsetzung des Glaubens mit der Glaubenspraxis, dass die Rolle der Orthopraxie im Christentum nicht zu unterschätzen ist. In der Forschung ist zuweilen der größte Unterschied zwischen Heidentum und Christentum darin gesehen worden, dass in den heidnischen Kulten die Orthopraxie im Vordergrund stand, während das Christentum eine Religion sei, in der sich alles um die Orthodoxie drehte. Doch zeigt ein genaueres Hinsehen, dass im Christentum für einige Zeitgenossen Orthodoxie und Orthopraxie ganz wesentlich Hand in Hand gingen. Denn über die Glaubenspraxis wurde die eigene Rechtgläubigkeit kommuniziert. Das heißt, von einem ‚falsch ausgeführten Kult‘ schloss man dann auf die mangelnde Orthodoxie. 6.2.4 Prägung von Feindbildern – ‚Häretiker-Stammbäume‘ als ‚Negativ-Diptychen‘ Neben dem positiven Bekenntnis zu bestimmten Personen oder bestimmten Glaubenspraxen darf aber nicht außer Acht gelassen werden, welche identitätsstiftende Wirkung auch ein Bekenntnis gegen bestimmte Personen haben konnte. In den theologischen Auseinandersetzungen117 etablierten sich ‚Häretiker-Stammbäume‘, welche dann als eine Art Negativ-Diptychen fungierten. Versicherte man sich bei der Verlesung der Namen verstorbener, heiliger Männer der Gemeinde seiner Rechtgläubigkeit, erfüllte die offene Ablehnung von Häretikern denselben Zweck. Ähnlich wie bei den Heiligen, dachte man sich den einzelnen Häretiker als in einer langen Reihe von Vorgängern stehend, wobei die Lehre eines Häretikers als direkte Folge einer älteren, schon bekannten Häresie gesehen wurde. Wie diese Häretiker-Stammbäume aussahen, wurde den Gläubigen in Predigten und hagiographischen Werken vermittelt.118 Ob eine tatsächliche gedankliche Verbindung zwischen zwei Lehren oder gar ein Schüler-Lehrer-Verhältnis bestand, war dabei nebensächlich. Die Bildung dieser ‚Häretiker-Stammbäume‘ beziehungsweise ‚Negativ-Diptychen‘ erfüllte zwei Funktionen: Erstens diente die Abgrenzung von einer Häresie-Tradition den Gläubigen als Möglichkeit, ihre religiöse Identität durch diesen Akt zu festigen, ähnlich wie sie es bei ihrem Bekenntnis zu den Namen in den Diptychen taten. Zweitens bot die Etablierung dieser Häresie-Tradition die Möglichkeit, die Positionen des kirchenpolitischen Gegners gegenüber der eigenen Gemeinde zu diskreditieren, indem man eine gedankliche Verbindung zwischen den gegnerischen Akteuren und den von der Gemeinde als eindeutige Häretiker bekannten Männern zog, ohne Argumente gegen ihre Werke liefern zu müssen. Die augenfälligsten Beispiele hierfür sind, dass Miaphysiten die Anhän117 Dies betraf nicht nur die christologischen Auseinandersetzungen, sondern dieses Phänomen lässt sich auch schon bei den trinitarischen Streitigkeiten finden. So wurden etwa auch Sabel lios, Paul von Samosata, Markellos und Photeinos miteinander in Verbindung gebracht. Die Tendenz, sie in einer Gruppe zu fassen scheint sich mit der Zeit sogar verstärkt zu haben, vgl. DE HALLEUX, Genealogie, S. 6. 118 Zu entsprechenden hagiographischen Werken vgl. WITAKOWSKI, Propaganda, S. 59–66; zu entsprechenden Predigten siehe die folgenden Beispiele im Text.
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ger Chalkedons durchweg als Nestorianer bezeichneten und die Chalkedonier wiederum die Miaphysiten als Eutychianisten. Es spielte dabei anscheinend keine Rolle, dass Nestorios auf Chalkedon verurteilt worden war, ebenso wie Chalkedonier sich nicht dadurch beirren ließen, dass die Miaphysiten regelmäßig Eutyches verurteilten. Dass dieses Prinzip so gut funktionieren konnte, hängt womöglich damit zusammen, dass sowohl Nestorios als auch Eutyches in einer Reihe mit Personen gesehen wurden, von denen die jeweilige Gegenseite einige in Ehren hielt. So wurden etwa Eutyches und Dioskoros von den Chalkedoniern in eine Reihe gesetzt. Wenn nun die Miaphysiten Dioskoros als rechtgläubig ansahen, wie konnte dann ihre Verurteilung des Eutyches glaubwürdig sein? Dasselbe Phänomen findet sich auch umgekehrt. Nestorios wurde von den Miaphysiten (und einigen Chalkedoniern) mit Theodoret von Kyrrhos oder Theodor von Mopsuestia in eine Reihe gestellt. Wie also konnten die Chalkedonier von sich behaupten, dass sie keine Nestorianer seien, wenn sie Theodoret oder Theodor die Treue hielten? Beim Religionsgespräch 532 wurden beide Umstände, die fehlende Verurteilung des Dioskoros und die fehlende Verurteilung des Theodoret angesprochen. Die Taktik aber, dem Gegner auf diese Weise eine häretische Position zu unterstellen, wurde von den anwesenden Bischöfen durchaus erkannt und explizit benannt. Im miaphysitischen Bericht des Religionsgesprächs heißt es dazu:119 When they had assembled and sat down facing each other, Hypatios began churning over his usual old inanities, blaming the blessed Dioscorus for accepting the wicked Eutyches at the second synod of Ephesus. It is the custom of the upholders of the heresy of Nestorius to col lect together empty complaints against the orthodox fathers. [...] The orthodox bishops, however, were well aware of their opponents’ cunning, how, by inviting them to make a defence for the blessed Dioscorus they would go on accuse them of the heresy of Eutyches. Accord ingly, the orthodox bishops began by anathemizing Eutyches, and having thus thrown off from themselves any suspicion of the heresy of Eutyches.
Dies hinderte die miaphysitischen Bischöfe jedoch nicht daran, selbst diese Technik anzuwenden, und zu versuchen, die Chalkedonier als Nestorianer zu erweisen, indem sie eine Verbindung von Nestorios zu Theodoret zogen, der auf Chalkedon angenommen worden war:120 Then after a certain time, the synod of Chalcedon took place, and when the orthodox faith had been established through the grace of God, and while all peoples everywhere were rejecting the wicked heresy of Nestorius with the result that Theodoret, too, of evil name, was ejected from the priesthood because of his failure to repent of his wickedness, (it was at that point that) the synod at Chalcedon received him without trial, (thus) putting itself under the just condemnation. How are those who received him not guilty of his wickedness, since, when he had anathemized Nestorius alone, they did not (go on) to require him anathemize his wicked writings which he wrote against the holy Cyrill and against the true faith?
Theodoret und Dioskoros erfüllten auf diese Weise eine Art Brückenfunktion, mit deren Hilfe man der anderen Seite Unglaubwürdigkeit in Bezug auf die Verurteilung des Nestorios beziehungsweise des Eutyches vorwerfen konnte. Doch blieb 119 BROCK, Conversation, S. 94. 120 BROCK, Conversation, S. 100.
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es nicht bei einer Verbindung mit Nestorios und Eutyches, da diese ihrerseits in eine häretische Tradition gesetzt wurden. Mehrere Vertreter der antiochenischen Tradition standen bei den Miaphysiten im Verruf. Als eigentlicher Vater des Nestorianismus und direkter Vorgänger des Nestorios wurde Theodor von Mopsuestia gesehen, der wiederum Schüler des Diodor von Tarsos war. Dass Theodor Positionen des Diosor kritisiert hatte, spielte offenbar keine Rolle.121 Als weiteres Glied dieser Kette stand Paul von Samosata, der – wie es auch Nestorios vorgeworfen wurde – gelehrt haben soll, dass Jesus nur ein einfacher Mensch war. 122 Als ein Chalkedonier, dem von den Miaphysiten Nestorianismus vorgeworfen wurde, ist noch Papst Leo zu nennen, der durch seinen Tomus in Chalkedon präsent war. Es ergab sich also die Kette: Anhänger Chalkedons-Leo-TheodoretNestorios-Theodor-Diodor-Paul.123 Letztlich verbanden die Miaphysiten mit ihnen die Lehre von zwei Personen oder Söhnen, oder unterstellten den Vertretern dieses Häretiker-Stammbaums, die Lehre von Christus als einfachem Menschen zu vertreten, der lediglich durch Gott erhöht und adoptiert wurde. Die Linie Dioskoros-Eutyches wiederum wurde um Apollinarios verlängert, sodass sich folgende Linie ergab: Miaphysiten beziehungsweise Ephesos II-Anhänger-Dioskoros-Eutyches-Apollinarios. Mit dieser Reihe wurde die Lehre der Vermischung der beiden Naturen Christi verbunden beziehungsweise eine Leugnung oder Minderung der vollständigen Menschheit Christi.124 121 Wobei der Umstand, dass einige Schriften Diodors unter dem Namen Theodors liefen, dazu beigetragen haben könnte, die Unterschiede in ihren Lehren zu verwischen und Theodor als unkritischen Schüler des Diodor zu sehen. 122 Die Verbindung zwischen Nestorios und Paulos von Samosata wurde bereits vor Chalkedon gezogen. Eusebios von Dorylaeum schlug bereits 428 seine Thesen gegen Paul von Samosata und Nestorios an den Kirchen Konstantinopels an, vgl. Contestatio (=ACO I, 1, 1, S. 101– 102) (CPG 5940). Justinian greift in seinem Brief an die alexandrinischen Mönche ebenfalls diese Verbindung auf, vgl. IUSTINIANUS, Contra Monophysitas, S. 16–18 (SCHWARTZ) (CPG 6878). Philoxenos geht in seinem Brief an die Mönche des Klosters von Beit Gaugal sogar noch einen Schritt weiter in die Vergangenheit und führt die Juden als Anfangspunkt für die Häresie des Nestorios an, weil auch sie die Gottheit Jesu geleugnet hatten, vgl. P HILOX., La deuxième Lettre à monastères du Beith-Gaugal, S. 38–39. Die Mönche des Klosters Tagais zogen ebenfalls die Verbindung zwischen Paul von Samosata und Nestorios beziehungsweise den Chalkedoniern. Dies ging sogar so weit, dass sie an Severos von Antiocheia die Frage richteten, ob Chalkedonier, die zum Miaphysitismus konvertierten, sich erneut taufen lassen müssten wie seinerzeit die Anhänger Pauls von Samosata. Severos verneinte dies jedoch und erklärte, dass vom Konvertiten lediglich ein schriftliches Glaubensbekenntnis zu übergeben sei, vgl. Selected Letters, V, 3, S. 283–286. Zur Notwendigkeit einer Neutaufe für die Anhänger Pauls von Samosata siehe Kanon 19 (Nikaia 325), JOANNOU, I, 1, S. 40. 123 Diese Abstammungslinie findet sich in unterschiedlichen Varianten bei Philoxenos von Mabbug, Severos von Antiocheia und Simeon von Bet-Asram, wobei Philoxenos den Anfangspunkt der Linie bei den Juden setzt, während Severos und Simeon Simon den Magier als Anfangspunkt wählen, vgl. DE HALLEUX, Genealogie, S. 5–9. In verkürzter Form fand sich dieselbe antinestorianische Kette auch bei den Chalkedoniern, wobei die Anhänger Chalkedons dann natürlich ausgenommen waren. Je nachdem, wie der entsprechende Chalkedonier zur antiochenischen Schule stand, konnten Theodoret und Theodor ebenfalls aus dieser Reihe herausgenommen sein. 124 Die Verbindung zwischen Eutyches und Dioskoros mit Apollinaios wurde bereits bei der ge-
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Diese Häretikerlinien konnten immer wieder in theologischen Schriften oder Gesprächen, oder auch im Gottesdienst bemüht werden, um die andere Seite zu diskreditieren. Im Gottesdienst, wo dies öfters wiederholt und quasi ritualisiert eingesetzt wurde, verhielten sich die so gebildeten Häretiker-Stammbäume wie eine Art Negativ-Diptychen, wodurch der Gemeinde regelmäßig eingeschärft wurde, wen es zu verurteilen galt, wenn man rechtgläubig war. So nannte Severos Theodoret im Zusammenhang mit Nestorios in seiner Homilie 51,125 wandte sich in mehreren weiteren Predigten gegen ihn und seine Theologie126 und hielt den Chalkedoniern vor, Theodoret auf Chalkedon angenommen zu haben.127 Und auch die Miaphysiten im Religionsgespräch 532 werfen den Chalkedoniern vor, auf Chalkedon Theodoret und ferner Ibas von Edessa aufgenommen zu haben.128 Philoxenos von Mabbug führt in seinem Brief an die Mönche von Senoun aus, dass die Schriften des Nestorios die Werke Diodors von Tarsos und Theodors von Mopsuestia enthalten, und Theodoret wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, die erwähnten Autoren ebenfalls verteidigt zu haben:129 Certaines de ces oeuvres sont antérieures à Nestorius, qui les admit et les continua: ce sont les écrits et les commentaires transmis par Diodore et par Théodore. Puis d’autres furent écrits de son temps par ceux qui partegeaient sont sentiments, dépendant avec lui, eux aussi, des susdits pères de cette hérésie Diodore et Théodore: ce sont Théodoret, André, Euthérius et tous ceux qui se raillièrent à Nestorius à Ephèse.
Und auch die Väter Chalkedons teilen laut Philoxenos die Lehren Diodors, Theodors und Theodorets.130 Philoxenos selbst ließ Diodor von Tarsos und Theodor von Mopsuestia aus den Diptychen Edessas zusammen mit Andreas von Samosata streichen.131 Die Mönche und Bischöfe in Konstantinopel wiederum nennen in ihren Briefen im Vorfeld des Konzils 536 Dioskoros immer zusammen mit Eutyches. In ihrem Brief an Justinian bezeichnen die Mönche Severos und die anderen Mia-
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setzlichen Bestätigung Chalkedons gezogen. Markian bezeichnet in diesem Gesetz Eutyches und Dioskoros als apollinaristische Häretiker, vgl. COD. IUS. I, 5, 8. SEV. Hom. 51 (PO 165) (CPG 7035): „l’impie Théodoret, [...] qui a été malade de la même sottise que Nestorius, qui a enseigné que cet unique Christ était deux natures après l’union“. vgl. SEV., Hom. 22, S. 99 (PO 171) (CPG 7035), und in Kyrrhos widmet er sogar eine ganze Predigt seiner Widerlegung, vgl. S EV., Hom. 59, S. 230–244 (PO 37) (CPG 7035). Auf Aufforderung der Gläubigen wiederholte Severos die Predigt, die er in Kyrrhos hielt, vgl. Hom 64 (PO 37) (CPG 7035). Vgl. SEV., Ep. 31, S. 264–266 (PO 58). Auch die Aufnahme von Ibas von Edessa auf Chalkedon wird hier von Severos angegriffen. Ferner verteidigt er hier auch Dioskoros und betont, dass Eutyches auf kanonische Weise von ihm aufgenommen wurde. Vgl. BROCK, Conversation, S. 100–104. Zur Biographie und Theologie des Ibas von Edessa vgl. RAMMELT, Ibas. PHILOX, Lettre au Moines de Senoun, S. 13; auch bezeichnet Philoxenos Diodor und Theodor als die Lehrer des Nestorios und Theodoret als dessen Mitschüler, ebd., S. 79. „Ses maîtres Diodore et Théodore et de son condisciple Théodoret“, P HILOX, Lettre au Moines de Senoun, S. 17. Vgl. PHILOX, Lettre à tous les moines orthodox d’Orient, S. 218.
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physiten als jene, die „von Eutyches und Dioskoros herabgezogen werden“.132 Im Schreiben der Mönche an Agapet nennen sie die Anhänger des Severos „die vom Wahnsinn des Dioskoros und Eutyches herabgezogenen Aposchisten und Akephalen“133. Und die in der Hauptstadt befindlichen Bischöfe bezeichnen in ihrem Brief an Agapet den Dioskoros als den „Schildträger und Vater“ des Eutyches. 134 Ferner bemühen sich die Mönche auch Apollinarios in dieselbe Reihe mit Eutyches zu bringen, indem sie die Situation in Konstantinopel, wo 536 die Miaphysiten ihrer Ansicht nach die Hauptstadt bedrohten, mit der Situation in der Hauptstadt zur Zeit Gregors von Nazianz vergleichen, als er sich der Apollinaristen zu erwehren hatte.135 Expliziter wird später Justinian in seinem Brief, den er 538 an die alexandrinischen Mönche richtet. Dort klagt er die Miaphysiten an, sich direkt auf Apollinarios zu berufen, dabei jedoch seine Werke unter dem Namen von Papst Julius oder Athanasios laufen zu lassen, weil ein offenes Bekenntnis zu Apollinarios ihre Gottlosigkeit sofort offenlegen würde.136 Diese Negativ-Diptychen nahmen praktisch die Rolle kirchenpolitischer Parolen an und sind in ihrer Funktionsweise mit theologischen Formeln wie der ‚inzwei-Naturen’-Formel verwandt. Wer eine andere theologische Formel bevorzugte, die weniger exklusiv war, setzte sich schnell dem Verdacht aus, ein Miaphysit zu sein. Die parallele Funktionsweise der Negativ-Diptychen mit bestimmten theologischen Formeln ist bisher übersehen worden, muss aber berücksichtigt werden, um zu verstehen, wann und wieso ein Bischof als Chalkedonier angesehen wurde und wann nicht. Denn auch wenn sich ein Bischof offen zu Chalkedon bekannte, aber nicht die Negativ-Diptychen berücksichtigte, also eine Person aus dieser Häretikerliste nicht als häretisch ansah, konnte er schnell von anderen Chalkedoniern als miaphysitisch betrachtet werden. Dies wird an zwei Beispielen deutlich: Als der sich zu Chalkedon bekennende Bischof Akakios von Konstantinopel mit dem Miaphysiten Petros Mongos die Gemeinschaft aufnahm, 132 Libellus monachorum ad imperatorem (CPG 9329 (2)) (=ACO III, S. 32–38) hier S. 32, Z. 33–34. 133 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 8–9. 134 Epistula episcoporum Orientalium et Palaestinorum ad Agapetum (CPG 9325 (4)) (=ACO III, S. 147–152) hier S. 149, Z. 32. 135 Die Anspielungen treten gehäuft am Anfang des Briefes auf, ziehen sich aber durch den gesamten Text, vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136– 147). 136 Vgl. IUSTINIANUS, Contra Monophysitas, S. 28, Z. 13–18 (SCHWARTZ) (CPG 6878). Der Vorwurf, dass die Miaphysiten die Werke des Apollinarios unter dem Namen des Athanasios, des Julius oder Gregors des Wundertäters verbreiteten, wurde bereits von den palästinischen Mönchen in ihrem Brief an Bischof Alkison vorgebracht, vgl. E VAGR., HE, III, 31 S. 129 (B IDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500). Bereits Johannes von Skythopolis hatte aufgedeckt, dass einige Werke des Apollinarios fälschlicherweise Athanasios zugeschrieben wurden. Hypatios von Ephesos wies auf dem Religionsgespräch ebenfalls auf diesen Umstand hin. Zu Hypatios vgl. INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 172 f.. Zum Thema Fälschungen theologischer Texte und zu ihrer Bedeutung siehe G RAY, Forgery. Zur Aufdeckung der apollinaristischen Fälschungen durch Johannes von Skythopolis vgl. GRAY, Forgery, S. 284.
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wurde er von Papst Felix als Miaphysit angesehen und verurteilt. Umgekehrt wurde Petros Mongos wegen seiner Verbindung zu Akakios von einigen Mönchen in Ägypten beziehungsweise den deshalb als akephal Bezeichneten nicht mehr als rechtgläubig angesehen. Ein weiteres Beispiel, das auch direkt das Konzil von Konstantinopel 536 betrifft, ist Anthimos. Er gehörte zu den Bischöfen, die beim Religionsgespräch 532 Dioskoros für rechtgläubig erklärten beziehungsweise nicht darauf beharrten, ihn als Häretiker zu bezeichnen. Dadurch aber, weil er nicht das Bekenntnis zu den unter Chalkedoniern üblichen ‚Negativ-Diptychen’ teilte, machte er sich verdächtig. Die Anklage, die die Miaphysiten traf, traf nun auch ihn: Wie konnte er glaubwürdig Eutyches verurteilen, wenn er gleichzeitig Dioskoros aufnahm, der jenen aufgenommen hatte? Das Denken der Gläubigen, unabhängig davon, ob es sich um Laien oder Kleriker handelte, war personal ausgerichtet und assoziativ. Man dachte in Personenverhältnissen und wer sich nicht klar positionierte, galt als unsicherer Kantonist, oder gar als Häretiker. Die Negativ-Diptychen halfen dabei den Gläubigen, andere Personen schnell verorten zu können, ohne sich mit ihren Positionen genauer auseinandersetzen zu müssen. Dies war den meisten Gläubigen ohnehin nicht möglich. Die meisten Leute konnten zum einen nicht lesen und besaßen zum anderen gar nicht die theologische Bildung, um den theologischen Ausführungen der Anhänger der Gegenpartei folgen zu können. Der Priester oder Bischof einer Gemeinde erfüllte dabei die Funktion, die theologisch-kirchenpolitische Einteilung für die Gemeinde zu übernehmen. Zupass kam ihm dabei das bereits weiter oben angesprochene QuasiKommunikationsmonopol, das er im Gottesdienst besaß. Wenn es sich um eine christologisch homogene Gemeinde handelte, in deren Nähe sich keine Vertreter der anderen Kirchenpartei befanden, wurde das Bild der Gemeinde allein durch den Priester oder Bischof geprägt. In Anbetracht der feindseligen liturgischen Einbettung durch die Negativ-Diptychen kam ein chalkedonischer Gläubiger gar nicht umhin, in jedem Gegner Chalkedons einen Anhänger des Eutyches zu sehen, genauso wie für jeden Miaphysiten die Anhänger Chalkedons Nestorianer waren.137 Andererseits konnte das Bild, das ein Prediger prägte, in Frage gestellt werden, sollten sich Vertreter der Gegenseite in der Stadt befinden. Zum einen war durch den Kontakt zu ihnen das Kommunikationsmonopol des Predigers aufgebrochen, weil die Gläubigen Zugang zu anderen Sichtweisen erhalten konnten, zum anderen machte dies auch einen möglichen Übertritt zur anderen christologischen Partei generell wahrscheinlicher. Dabei musste dieser Übertritt nicht notwendigerweise christologisch-theologisch motiviert sein, sondern konnte der besseren materiellen Versorgung durch die Gegenseite geschuldet sein. Wahrscheinlich wurde der Umgang eines Gläubigen einer chalkedonisch ausgerichteten Gemeinde mit Miaphysiten von diesem nicht einmal als Übertritt zu einer anderen Gruppe wahrgenommen Denn theologische Überlegungen könnten für einen solchen Gläubigen möglicherweise nur eine geringe Rolle gespielt haben und er in137 Ausgenommen sind jene Gläubige, für die die christologischen Auseinandersetzungen keine Rolle spielten.
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terpretierte zum Beispiel schlicht die asketische Lebensweise eines miaphysitischen Mönchs als Erweis seiner Tugend und Nähe zu Gott. Dies war wohl auch der Grund, wieso die Aktivitäten des Mönchs Zooras unter den Chalkedoniern in Konstantinopel so viel Unmut erregten, sodass sie dafür eintraten, allgemein alle Miaphysiten aus der Stadt zu vertreiben und für den Fall, dass dies nicht umgesetzt würde, die Verdammung des gesamten Staatswesens heraufbeschworen.138 Dabei wurde Zooras sogar ständig mit Severos von Antiocheia, einem der großen Führungsfiguren der Miaphysiten, in einem Atemzug genannt. Das heißt, es gilt, an dieser Stelle zu betonen, dass es sich bei den Zuweisungen chalkedonisch-miaphysitisch oder miaphysitisch-nestorianisch beziehungsweise – um in der Terminologie der Zeitgenossen zu bleiben – rechtgläubig-häretisch, oft um Fremdzuschreibungen von außen und nicht immer um Selbstbezeichnungen handelte. Außenstehende Akteure, besonders wenn sie großen Wert auf Abgrenzung zu einer anderen theologisch-kirchenpolitischen Partei legten, bewerteten andere Gläubige anhand theologischer Kategorien, um sie kirchenpolitisch einzuordnen. Eine solche Deutungsweise konnte dem Gläubigen jedoch fremd sein und er definierte sich stärker über sein Verhalten und seine Kontakte zu wegen ihres Verhaltens als besonders fromm oder heilig angesehenen Personen (wenn eine Selbstdefinition überhaupt explizit stattfand). Auf diese Weise konnten Gläubige, die in den 530er Jahren an den Nebengottesdiensten des Zooras teilnahmen, für konfrontativ ausgerichtete Chalkedonier als Konvertiten erscheinen, die vom Chalcedonense zum Miaphysitismus überwechselten, während die Gläubigen innerlich keinen Glaubenswechsel vollzogen. 6.3 EINDEUTIGKEIT UND UNEINDEUTIGKEIT DES RECHTEN GLAUBENS – WAS ZÄHLT EIGENTLICH ALS CHALKEDONISCH? Dass sich die religiöse Identität von Gläubigen nicht immer eindeutig bestimmen und dem chalkedonischen oder miaphysitischen Lager zuordnen lässt, ist bei der Untersuchung der Einübung der eigenen religiösen Identität im Gottesdienst kurz angesprochen worden, verdient aber eine genauere Untersuchung. Denn es handelt sich hierbei um einen Faktor, der die Dynamiken der christologischen Auseinandersetzungen maßgeblich mitbestimmte. Im Folgenden soll deshalb analysiert werden, worin die Gründe lagen, wieso gerade die chalkedonische Identität nicht klar definiert werden konnte. Nachdem bereits die personale Denkweise der Gläubigen angesprochen wurde, die ihre religiöse Identität mitprägte, soll nun der Fokus auf das chalkedonische Selbstverständnis gelegt werden, um zu zeigen, dass im Bekenntnis zu Chalkedon selbst schon eine strukturelle Uneindeutigkeit angelegt war. Zwei Aspekte sollen dabei herausgearbeitet werden. Erstens folgte Chalkedon nicht allein einer einzigen theologischen Tradition, sondern versuchte sowohl die 138 Zur Vertreibung der Miaphysiten wandten sie sich brieflich direkt an Justinian, vgl. Libellus monachorum ad Iustinianum (CPG 9325 (1)) (=ACO III, S. 131–134) hier S. 133, Z. 18–25.
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antiochenische als auch die alexandrinische Theologie und Terminologie zu berücksichtigen. Daraus ergab sich die Möglichkeit, den Schwerpunkt chalkedonischer Theologie wechseln zu können, sodass es auch innerhalb des chalkedonischen Lagers nicht spannungsfrei blieb. Verstärkt wurde dieses Spannungspotential dadurch, dass ungeklärt blieb, wie mit theologischen Schriften umzugehen war, die zwar einer der auf Chalkedon vertretenen theologischen Traditionen zuzuordnen, aber auf dem Konzil nicht kanonisiert worden waren. Im Fokus sollen dabei exemplarisch Kyrills zwölf Anathematismen stehen.139 Zweitens war das Selbstverständnis Chalkedons als Konzil ungeklärt. War es die Aufgabe von Konzilien, lediglich das Erbe Nikaias zu wahren und zu diesem Zweck Häretiker zu verurteilen? Oder sollte hierzu auch die Theologie und Terminologie weiterentwickelt werden, um so eine Verunreinigung der Lehre zu verhindern und den heiligen Vätern auf diese Weise gerecht zu werden? Die Antwort darauf war für die Frage relevant, wie mit der christologischen Formel Chalkedons umzugehen sei. Sollte diese offen bekannt werden, um den rechten Glauben zu schützen, oder genügte die Verurteilung des Eutyches und Nestorios allein, weil darin allein die Aufgabe des Konzils bestanden hatte? Oder wurde die Verurteilung des Nestorios und der Eutyches ohne gleichzeitige Aufnahme der christologischen Formel überhaupt für glaubwürdig gehalten? Diese beiden Aspekte sollen unter anderem auch anhand der Untersuchung der Politik Flavians von Antiocheia, die zu seiner Verurteilung durch Makedonios führte, und des Anthimos von Trapezunt, der auf dem Konzil 536 verurteilt wurde, analysiert werden. Es folgt deshalb zuerst eine kurze deskriptive Darstellung des Sturzes beider Bischöfe. Auf der Grundlage dieser Darstellung soll dann in einem zweiten Schritt die Frage nach dem theologischen Selbstverständnis Chalkedons und dem theologischen Erbe Kyrills von Alexandreia untersucht werden, um damit schließlich die Hintergründe für Verurteilungen gegen Flavian und Anthimos zu erhellen. Auf diese Weise soll gezeigt werden, wie die Offenheit des chalkedonischen Bekenntnisses den Handlungsspielraum verschiedener Bischöfe ausweiten konnte, aber auch für eine strukturelle Unsicherheit sorgte, weshalb das chalkedonische Bekenntnis einiger Bischöfe auch immer wieder in Frage gestellt werden konnte. Deshalb konnte es auch zur Verurteilung durch einen anderen chalkedonischen Bischof kommen.
139 Ein anderes Beispiel wären die Schriften Theodorets und Theodors von Mopsuestia, die unter den Anhängern Chalkedons auch keinen eindeutigen Status hatten. Als Justinian später versuchte, die Positionierung der Chalkedonier zu vereinheitlichen, als er die beiden genannten Theologen zusammen mit dem Brief des Ibas von Edessa verurteilen ließ, löste er damit den Dreikapitelstreit aus. Der Streit befindet sich jedoch schon außerhalb des Untersuchungszeitraums, weshalb nicht näher auf ihn eingegangen wird.
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6.3.1 Chalkedonier oder Miaphysit? – Die Fälle Flavian von Antiocheia und Anthimos von Trapezunt Im Jahr 498 wurde Flavian zum Bischof Antiocheias geweiht. Er war ein Kandidat des Anastasios, diesem wohl bereits durch seine Position als ständiger Vertreter des antiochenischen Stuhls in Konstantinopel bekannt, und ein Chalkedonier, der dem Henotikon-Kurs des Kaisers folgte.140 In der Literatur wird er deshalb häufig als „gemäßigter Chalkedonier“ bezeichnet – ein Begriff auf dessen Problematik noch eingegangen werden soll. Anastasios beabsichtigte wohl, mit einem solchen Kandidaten die Fronten im zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten umkämpften Patriarchat von Antiocheia aufzuweichen und die Miaphysiten wieder stärker in die Kirche integrieren zu können. Die Miaphysiten der Provinz, allen voran Philoxenos von Mabbug und Severos, der spätere Bischof von Antiocheia, begannen jedoch, gegen Flavian zu arbeiten, um ihre eigene theologische Position durchzusetzen. Die von ihnen durchgeführten Aktionen führten letztlich indirekt dazu, dass Flavian durch Makedonios von Konstantinopel verurteilt wurde, bevor er letztlich durch Philoxenos und Severos seinen Bischofsstuhl verlor. Die kurze Beschreibung des Sturzes Flavians und der damit verbundenen Geschehnisse soll helfen, den theologisch-kirchenpolitischen Spielraum chalkedonischer Bischöfe zu untersuchen beziehungsweise zu verstehen, welche Faktoren ihre Spielräume erweiterten, aber auch ihre Stellung gefährden konnten. Wie bereits angesprochen erkannte Flavian das Henotikon an, was wahrscheinlich auch ein Kriterium dafür war, den Bischofsstuhl von Antiocheia besteigen zu können. Auch befand er sich in Gemeinschaft mit Makedonios von Konstantinopel und Elias von Jerusalem141 und ferner wurde in den Kirchen Antiocheias das Trishagion mit dem Staurotheis-Zusatz gesungen, ohne dass Flavian eingeschritten wäre. Zumindest gibt es kein Bericht darüber, dass er sich an dem Staurotheis-Zusatz gestört hätte, der noch für die Amtszeit Ephraims von Antiocheia (527-545) belegt ist. Mit dieser Position befand sich Flavian bereits in größerer theologischer Nähe zu den Miaphysiten als sein Bruder Epiphanios von Tyros, der den Staurotheis-Zusatz wahrscheinlich ablehnte.142 Nachdem jedoch Flavian dem miaphysitischen Bischof Alexandreias, Johannes III. von Nikiu, die Gemeinschaft verweigerte, weil dieser 505 in seinem Syn140 Zu Flavians Position als Apokrisiar, vgl. THEOD. ANAGN., S. 131 (HANSEN) (CPG 7503); THEOPH., S. 142 (DE BOOR); dazu, dass er ein Mann des Anastasios war, vgl. DE HALLEUX, Philoxène, S. 49 ff., und F REND, Rise, S. 192. Gemäß Johannes von Nikiu akzeptierte Flavian Chalkedon und den Tomus Leonis, vgl. JOH. NIK., Chron., S. 497 (CHARLES) (CPG 7967). 141 Vgl. KYRILL. SKYTH., Vita Sabae, S. 140 (SCHWARTZ) (CPG 7536). 142 Laut Alpi radikalisierte Epiphanios von Tyros im Jahr 515 seine Polemiken gegen Severos, indem er ihn als einen Eutychianer bezeichnete und seine theopaschitische Theologie ablehnte – gemeint ist wohl der Staurotheis-Zusatz. vgl. ALPI, Route, S. 235. Alpi verweist in diesem Zusammenhang auf einen Brief des Severos an den Bischof Marinos von Berytos, in dem er ihm von den Aussagen des Epiphanios berichtet. Dich enthält dieser nur einen Beleg für den Eutychianismus-Vorwurf des Epiphanios gegen Severos. Eine konkrete Aussage bezüglich Severos’ theopaschitischer Theologie fehlt aber. Für der Brief des Severos an Marinos von Berytos (CPG 7071 (71)), vgl. CHABOT, Documenta, S. 183.
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odalbrief Chalkedon und den Tomus Leonis verurteilte, gingen die Miaphysiten nun in die Offensive gegen Flavian.143 Philoxenos machte sich 507 auf den Weg in die Hauptstadt, um dort gegen Flavian zu protestieren, 144 konnte dort aber vorerst nichts gegen ihn erreichen. Der einzige, dafür aber nicht unbedeutende Triumph, den Philoxenos in der Hauptstadt davontragen konnte, war die Verurteilung des Diodor von Tarsos, Theodor von Mopsuestia, Theodorets von Kyrrhos und anderer Vertreter der antiochenischen Schule, die er dem Bischof Makedonios abringen konnte.145 Nach seiner Rückkehr nach Syrien setzte er Flavian weiter unter Druck, sodass Flavian, um dem Vorwurf des Nestorianismus gegen sich zu entgehen, 509 auf einer Synode Diodor, Theodor, Theodoret und den Ibas von Edessa verurteilte und Chalkedon nur in Bezug auf seine Verurteilung des Nestorios und Eutyches anerkannte, aber nicht in Bezug auf seine christologische Formel.146 Dieser Schritt wiederum, Chalkedon nur zum Teil aufzunehmen, ging jedoch Makedonios von Konstantinopel schon zu weit, da er infolge der Politik des Anastasios nun auf eine verstärkte Abgrenzung gegenüber den Miaphysiten setzte. Er kündigte deshalb Flavian die Gemeinschaft auf und ließ seine Vertreter aus der Hauptstadt ausweisen,147 obwohl er selbst anfänglich eine ähnliche Linie verfolgt hatte, bei der er Chalkedon verschwiegen und sich nicht offen zum Konzil bekannt hatte. Die Lage in Syrien spitzte sich währenddessen weiter zu, als Philoxenos und Severos als Führer der miaphysitischen Partei versuchten, 511 auf der Synode von Sidon 148 den Druck auf Flavian weiter zu erhöhen. Dort stellten sie 77 Punkte gegen Chalkedon zusammen und forderten von den Anwesenden die Unterschrift unter dem Dokument, die Flavian und Elias jedoch verweigerten. Ferner bekräftigte Flavian seine Verurteilung des Nestorios, der Schule des Diodor und derjenigen Personen, die Kyrills zwölf Anathematismen angreifen.149 Auf der Synode konnte sich Flavian letztlich durchsetzen und die Mehrheit der 80 anwesenden Bischöfe hinter sich versammeln, indem er jedem die Gemeinschaft anbot, solange er nicht Chalkedon 143 Zur miaphysitischen Offensive gegen Flavian, die schließlich zu seinem Sturz führte, vgl. D UCHESNE, Église au VI siècle, S. 26–30; STEIN, Histoire, S. 171–173; CHARANIS, Church, S. 63–66; HAARER, Anastasius, S. 145–155; MEIER, Anastasios, S. 255–259. 144 In den Quellen finden sich zwei Zeitangaben für die Konstantinopelreise des Philoxenos. Lebon gibt 499 an und meint, dass Philoxenos gegen die Erhebung Flavians protestieren wollte. Haarer hingegen präferiert 507 als Datum für den Hauptstadtaufenthalt des Philoxenos. Er verweist auf die Verwechslung zweier Synoden in Konstantinopel 499 und 507 in den Quellen, die beide mit Philoxenos verbunden werden. Jedoch sei 507 das wahrscheinlichere Datum. Zur Datierung auf das Jahr 499 vgl. LEBON, Monophysisme, S. 41; zum Jahr 507 vgl. HAARER, Anastasius, S. 141 f.. 145 Vgl. PS-ZACH, HE, VII, 8, S. 47 (BROOKS) (CPG 6995). Makedonios ging dieser Forderung jedoch nur widerwillig nach und gedachte ihrer später heimlich im Dalmatios-Kloster. 146 Über die Synode berichtet ein bei Evagrios überlieferter Brief palästinischer Mönche an den Bischof Alkison, vgl. EVAGR., HE, III, 31 S. 127–130 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500), und ein Brief des Philoxenos an palästinische Mönche, vgl. D E HALLEUX, Nouveaux texte inédites. 147 Vgl. THEOD. ANAGN., S. 136 f. (HANSEN) (CPG 7503). 148 Deren Einberufung ging auf den Kaiser zurück, vgl. L OUNGHIS/BLYSIDU/LAMPAKES, Regesten, S. 117, Nr. 337. 149 Vgl. PS-ZACH., HE, VII, 10, S. 50 (BROOKS) (CPG 6995).
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explizit verurteilte. Er sandte ein Schreiben an Anastasios, in dem er die ersten drei Konzilien zusammen mit dem Henotikon aufnahm und bekräftigte damit, dass er dem Kurs des Kaisers folgte. Auch in Bezug auf Chalkedon blieb er bei seiner Linie und akzeptierte es nur in Bezug auf seine Verurteilungen. Doch Flavian nützte sein theologisch-kirchenpolitisches Zugeständnis und sein Erfolg in Sidon wenig. Die Miaphysiten erhielten den Druck auf ihn aufrecht, sodass dieser sich laut Theophanes sogar dazu verleiten ließ, Chalkedon zu verurteilen, 150 was die Miaphysiten diesem jedoch nicht glaubten und letztlich seine Absetzung bewirkten. Letztendlich blieb Flavian der Gemeinde seines Patriarchats als Chalkedonier (beziehungsweise bei den Miaphysiten als Nestorianer) in Erinnerung,151 während der Chalkedonier Makedonios ihn verurteilte. Der Fall Anthimos gestaltete sich etwas anders. Anders als Flavian scheint Anthimos nicht von Seiten der Miaphysiten unter Druck gesetzt worden zu sein. Bis auf seinen Synodalbrief an Severos sind praktisch keine theologischen Eigenerzeugnisse von ihm überliefert. Seine theologisch-kirchenpolitischen Positionen lassen sich deshalb nur anhand seines Glaubensbekenntnisses in seinem Brief an Severos und aufgrund der Positionen der chalkedonischen Delegation des Glaubensgesprächs 532, an dem Anthimos teilnahm, erschließen. Beim Religionsgespräch kam es zu wenig theologischen Diskussionen beziehungsweise drehten sich die Gespräche stärker um den Streit um bestimmte Personen, die auf Ephesos II rehabilitiert und auf Chalkedon nicht verurteilt worden waren. Die chalkedonische Delegation scheint dabei laut dem miaphysitischen Bericht die Meinung vertreten zu haben, dass Dioskoros zu verurteilen sei, weil er Eutyches aufnahm, da er bei der Überprüfung seines Glaubens nachlässig war. Jedoch sei Dioskoros selbst kein Häretiker gewesen.152 Dieses Zugeständnis der Chalkedonier ist ziemlich überraschend, wird jedoch durch den chalkedonischen Bericht gestützt, in dem die Chalkedonier das zweite Konzil von Ephesos, auf dem immerhin Eutyches von Dioskoros rehabilitiert worden war, als allgemeines Konzil bezeichnen.153 Nachdem nun Anthimos 535 zum Bischof von Konstantinopel erhoben wurde, bekannte er sich zu den vier ökumenischen Konzilien, nahm jedoch gleichzeitig Kontakt zu den Miaphysiten Severos von Antiocheia, der von den Miaphysiten als eigentlicher Patriarch Antiocheias angesehen wurde, und Theodo150 Vgl. THEOPH., S. 156 (DE BOOR). Wenn man die Reaktion des Makedonios auf das Handeln Flavians berücksichtigt, kommt die Frage auf, ob Flavian Chalkedon tatsächlich verurteilt hat, wie Theophanes behauptet, oder ob sich Theophanes schlicht die Sichtweise des Makedonios zu eigen machte und die nur teilweise Anerkennung Chalkedons durch Flavian als Verurteilung deutete. 151 Deshalb wurde nach der ersten Verurteilung des Severos 518 in Tyros auch die Rehabilitierung Flavians gefordert. Epiphanios von Tyros erkannte die Einfügung des Euphemios und des Makedonios in die Diptychen Konstantinopels und die Rückführung ihrer Überreste an und forderte dies auch für Flavian in Bezug auch Antiocheia, vgl. Epistula synodi Tyri a. 518 (9205; 9329 (8)) (ACO III, S. 80–85) hier S. 84, Z. 18–24. 152 Vgl. BROCK, Conversation, S. 94–96. 153 INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 171, Z. 19–20: illud universale concilium quod cum Dioscoro congregatum est.
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sios auf, der 535 zum Bischof Alexandreias geweiht worden war. In seinem Synodalschreiben an die beiden legte Anthimos seinen Glauben in einem Bekenntnis dar.154 Er folgt dabei der Terminologie Kyrills und beschreibt die Einheit der Gottheit und Menschheit in Christus als hypostatische oder auch natürliche Einheit und wendet sich gegen eine Aufspaltung der Naturen. Ferner bekennt er, dass Christus „einer aus der heiligen und ‚wesensgleichen’ Dreiheit“ sei, womit er die theopaschitische Formel aufgreift, die sich auch im Edikt Justinians des Jahres 533 fand beziehungsweise auch durch Papst Johannes II. bestätigt wurde. Anthimos bezieht sich klar auf die Theologie Kyrills, die auch auf dem Konzil von Chalkedon Eingang fand, meidet aber das Konzil im Positiven wie im Negativen selbst zu erwähnen, oder sich seiner Terminologie beziehungsweise der „in zwei Naturen“-Formel zu bedienen. Die in der Hauptstadt anwesenden Mönche und Bischöfe verdächtigten dann 536 Anthimos aufgrund seines freundlichen Umgangs mit dem in Konstantinopel eingetroffenen Severos und den anderen Miaphysiten der Häresie und warfen ihm zudem vor, dass sein Bekenntnis zu Chalkedon nur vorgetäuscht war.155 Im daraufhin anberaumten Konzil wurde Anthimos schließlich wegen seines unkanonischen Wechsels auf den Stuhl Konstantinopels und wegen seines Miaphysitismus verurteilt, wobei bezeichnenderweise auf dem Konzil keine Schrifterzeugnisse des Anthimos aufgeboten wurden, die seine Häresie bewiesen hätten.156 Schließlich galt er noch 532 als Chalkedonier, während er 536, ohne dass sich erkennbar seine theologische Position verändert hätte, als Miaphysit verurteilt wurde. Es stellt sich deshalb die Frage, wieso Flavian und Anthimos, obwohl sie anfänglich als Chalkedonier angesehen wurden, plötzlich als Miaphysiten verurteilt wurden. Sie unterschieden sich in ihren theologischen Haltungen wenig von ihren chalkedonischen Kollegen. Flavian vertrat die Henotikon-Politik des Kaisers, wie sie auch Makedonios eine Zeit lang mitgetragen hatte, und Anthimos vertrat die Position der chalkedonischen Delegation beim Religionsgespräch, das von Justinian anberaumt worden war. Was jedoch bisher nicht beachtet worden ist, ist, dass sich zum einen in den Fällen Flavian und Anthimos weniger ihre Position verändert hatte, sondern sich vielmehr das Umfeld um sie herum zu ihrem Nachteil entwickelte. Zum anderen wohnte schon dem Konzil von Chalkedon selbst eine ge154 Für eine detailliertere Analyse vgl. Punkt 5. 1. 3. 2 Zur Person und zum Glauben des Anthimos. 155 Vgl. Libellus episcoporum secundae Syriae ad imperatorum (CPG 9329 (1)) (ACO III, S. 30– 32) hier S. 31, Z. 19–25. Justinian folgte diesem Vorwurf in seiner Diataxis, die die Verurteilung des Anthimos durch das Konzil bestätigte. Vgl. Nov. 42 (CPG 6877) beziehungsweise Constitutio Iustiniani imp. Contra Anthimum, Seuerum, Petrum et Zoaram (d. 6 m. Aug. a. 536) (CPG 9330) (=ACO III, S. 119–123) hier S. 120, Z. 13–17. Auch Hypatios von Ephesos äußerte sich in der vierten Sitzung der Synode entsprechend, vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 178, Z. 31–32; S. 178, Z. 35 – S. 179, Z. 1. 156 Darauf weist sogar eigens ein Kommentar hin, der in einer Handschrift der Konzilsakten von 536 erhalten ist. Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136– 147) hier S. 139, die betreffende Stelle befindet sich im kritischen Apparat. Siehe dazu auch Punkt 5. 1. 3. 2 Zur Person und theologischen Ausrichtung des Anthimos.
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wisse Ambiguität inne, die die Position eines chalkedonischen Klerikers bedrohen konnte. Worin diese Ambiguität bestand, soll nun untersucht werden. 6.3.2 Das Problem des chalkedonischen Selbstverständnisses – Zwischen reiner Bestätigung Nikaias und theologischer Weiterentwicklung Als Flavian Chalkedon nur in Bezug auf seine Verurteilung des Nestorios und des Eutyches aufnahm, war dies der Anlass für Makedonios, die Gemeinschaft mit ihm aufzukündigen. Wofür stand also Chalkedon für Makedonios, wenn die Anerkennung der Urteile des Konzils nicht weit genug ging? Und worin bestand die Rolle des Konzils für Flavian, wenn dieser, wenn auch mit Druck seitens der Miaphysiten, das Ignorieren der christologischen Formel Chalkedons mit seinem chalkedonischen Bekenntnis in Einklang bringen konnte? Die Rolle der Konzilien oder auch von Glaubensbekenntnissen war vor allem eine negative. Ihre Aufgabe sollte es weniger sein, positiv den eigenen Glauben zu formulieren. Stattdessen waren sie vielmehr darauf ausgelegt, den eigenen Glauben vor Häresien zu schützen. Glaubensbekenntnisse hatten in der Alten Kirche die Funktion, sich von anderen Ansichten abzugrenzen. Den eigenen Glauben formulierte man anfangs eher unscharf mit Bezügen auf den biblischen Text. Nach der Durchsetzung Nikaias erfüllte dann das nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis die Funktion den christlichen Glauben letztgültig zu definieren. Diese Ansichten bestärkten nicht zuletzt die Väter des Konzils von Ephesos, als sie verboten je ein neues Glaubensbekenntnis zu formulieren.157 Die Aufgabe nachfolgender Konzilien – eben auch Chalkedons – wurde lediglich in der Bewahrung und Bestätigung des Glaubens von Nikaia gesehen. Dies illustriert etwa die Anaphora der synodos endemousa 518, die auch auf dem Konzil 536 verlesen wurde:158 Weil er [Severos von Antiocheia] gegen sie ist, unternimmt er es auch persönlich, gegen die heilige Synode in Chalkedon zu lästern und sie zu verleumden, die das Symbol der 318 in Nikaia zusammengekommenen heiligen Väter besiegelte (ἐπισφραγίσασαν) und verkündete (κηρύξασαν), dass dies unerschütterlich und unverletzlich besteht. Ebenso bekräftigte (ἐβεβαίωσαν) sie [die Synode von Chalkedon] auch die in Konstantinopel und Ephesos zusammengekommenen heiligen Väter. Mit diesen zusammen lässt die heilige Synode in Chalkedon dasselbe [Symbol] erstrahlen und verkündet dies überall.
Chalkedon „besiegelte“ also nur Nikaia und „bestätigte“ die Konzilien von Konstantinopel und Ephesos. Der Glaube aller vier Konzilien ist identisch und sie verkünden dasselbe Symbol. Die Mönche, die sich 518 an die synodos endemousa wandten, um die Einfügung der vier ökumenischen Konzilien in die Diptychen zu erbitten, argumentierten ebenso:159 157 Vgl. Kanon 7 (Ephesos 431), JOANNOU, I, 1, S. 61–63. 158 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 63, Z. 26–31. 159 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 67, Z. 26–31.
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Wir bitten Euch, Heiligster, auch zum rechten Zeitpunkt ferner, die frommen versammelten Synoden in diese Tafeln einzufügen, das bedeutet das in Nikaia verkündete (ἐκφωνήσασαν) heilige Symbol, in dem wir getauft wurden und taufen, und das in der [Synode] in Konstantinopel bestätigt (κύρωσασαν) und in Ephesos bekräftigt (βεβαιώσασαν) und ebenso in Chalkedon besiegelt (ἐπισφραγίσασαν) wurde.
Ebenso äußerte sich Johannes II. von Konstantinopel gegenüber der Volksmenge in der großen Kirche der Hauptstadt, als er der rufenden Menge sagte:160 Denn nicht ist es gestattet, dass die Gläubigen etwas entfernen und sich mit leerem Geschwätz und Spitzfindigkeiten beschäftigen, sondern sich nach dem heiligen Symbol richten, in dem wir alle getauft worden sind, welches die Synode in Nikaia in dem Heiligen Geist verkündete (ἐξεφώνησεν) und die Versammlung der heiligen Väter in Konstantinopel bestätigte (ἐκύρωσεν) und die heilige Synode in Ephesos bekräftigte (ἐβεβαίωσεν) und die heilige große Synode in Chalkedon auf gleiche Weise besiegelte (ἐπεσφράγισεν). Von diesem [Symbol] wird sich durch keine Rede oder auf sonstige Weise den Übellehrern irgendein aufgeworfener Vorwand ergeben, etwas entfernen zu können. Bewahrt diesen Glauben unerschüttert vor Veränderungen und zweifelt nicht, sondern lasst uns jedes leere Geschwätz und jede Neuerung und jede Spitzfindigkeit zurückstoßen.
Als Johannes von Jerusalem von Johannes II. von Konstantinopel über die Ereignisse 518 unterrichtet wurde, bestätigte er die Beschlüsse der dortigen Synode und schrieb:161 Wir [nehmen auf] die vier heiligen Synoden, die 318 in Nikaia zusammengekommenen Väter, die gegen den unseligen Areios das heilige Symbol erklärten, in dem wir getauft wurden und taufen, und die Synode der 150 Väter in Konstantinopel, die gegen Makedonios, den Geistbekämpfer das besagte heilige Symbol bekräftigten (βεβαιωσάντων), und die Synode der 200 gegen Nestorios, den Menschenanbeter, Zusammengekommenen, die das heilige Symbol selbst von der Spreu reinigten, und die große und ökumenische Synode der 630, wir sagen der Väter, die in Chalkedon zusammenkamen und das heilige Symbol bekräftigten (βεβαιωσάντων) und bestätigten (κρατυνάντων), das sie gegen Nestorios, den Menschenanbeter, besiegelten (ἐπισφραγισάντων) und die das frevlerische Denken des Eutyches verwarfen.
Wie in den angeführten Beispielen klar wird, war die Aufgabe der auf Nikaia nachfolgenden ökumenischen Konzilien, das dort formulierte Bekenntnis zu bestätigen, zu bekräftigen und zu besiegeln. Es fällt auf, wie immer dieselben Wörter dazu benutzt werden. Immerzu besiegelt (ἐπισφραγίζομαι) Chalkedon den Glauben der 318 Väter. Die Verwendung der immer selben Wörter legt nahe, dass es sich um eine feststehende Formel handelte, die sich in der Zeit nach Chalkedon eingebürgert hatte. Der defensive und bewahrende Charakter, der von den Konzilien beansprucht wird, wird in den Worten Johannes’ II. an die Volksmenge und Johannes’ von Jerusalem an die synodos endemousa deutlich. Der Glaube soll von „Veränderungen“ und „Neuerungen“ geschützt werden. Überhaupt machte man jeder Häresie den Vorwurf, eine Neuerung in die Kirche hineingebracht zu haben beziehungsweise hineinbringen zu wollen. Johannes von Jerusalem betont den de160 Documenta synodi Cpolitanae a. 518 (CPG 9202; 9329 (6)) (=ACO III, 60–77) hier S. 75, Z. 19–26. 161 Epistula synodi Hierosolymitanae a. 518 (CPG 9301; 9329 (7)) (=ACO III, S. 77–80) hier S. 78, Z. 19–28.
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fensiven Charakter der Konzilien noch deutlicher, wenn er die Rolle der vier Konzilien letztendlich in der Verurteilung des Areios, des Makedonios, des Pneumatomachen, des Nestorios und des Eutyches sieht. Auch sollte beachtet werden, in welchem Zusammenhang diese Aussagen getätigt wurden. Sie stammen aus dem Umfeld der Synoden im Jahre 518, die die miaphysitenfreundliche Politik des Anastasios umstürzen wollten. Die Akteure – vor allem die Bischöfe und Mönche in Konstantinopel – waren ausgesprochen feindselig und konfrontativ gegenüber den Miaphysiten und einem miaphysitenfreundlichen, integrativen Kurs. Das heißt, dass ihr Vorgehen, Chalkedon und die übrigen Konzilien vor allem in Hinblick auf ihre Verurteilungen hin zu rezipieren und weniger auf ihren positiven theologischen Inhalt, nicht als Versuch gedeutet werden kann, den Miaphysiten durch Auslassung theologischer Inhalte eine Brücke zu bauen. Vielmehr handelt es sich bei dieser Rezeptionsweise um ein allgemeines Prinzip, das das gesamte chalkedonische (und nicht nur das kompromissbereite) und auch das miaphysitische Lager betraf. Denn die Miaphysiten wiederum argumentierten gegen Chalkedon ebenfalls mit dem Vorwurf, dass dadurch eine Neuerung in die Kirche eingeführt wurde und verwiesen dabei insbesondere auf die christologische Formel, die in Chalkedon verfasst wurde.162 Diese wurde von den Miaphysiten als ein neues Glaubensbekenntnis betrachtet, wodurch die Väter Chalkedons gegen den entsprechenden Kanon von Ephesos verstießen, der eben dies verboten hatte. Zudem habe das Konzil von Chalkedon mit der Formulierung eines neuen Glaubensbekenntnisses gleichzeitig auch seine Kompetenzen überschritten. Denn Aufgabe der Konzilien war es ja nach allgemeiner Ansicht, den hergebrachten Glauben zu bewahren und nicht ihn zu erweitern. Doch durch diese Sichtweise, dass die Aufgabe der Konzilien lediglich in der Abwehr von Häresien durch die Verurteilung von Häretikern und deren Schriften 162 Explizit äußerte Severos von Antiocheia den Vorwurf der Neuerung und die Kritik an der Erstellung eines neuen Glaubensbekenntnisses in Chalkedon in seinem Brief an Isaak Scholastikos, vgl. SEV., Ep. 36, S. 291–292 (PO 58). Zu den Vorwürfen der Konzilsgegner gegen die christologische Formel und den Tomus Leonis in der Zeit nach Chalkedon vgl. S IEBEN, Konzilsidee, S. 250–261. Die Anhänger Chalkedons verteidigten sich, indem sie den Tomus Leonis in die lange Reihe von Widerlegungen von Häresien einbetteten und die christologische Formel wiederum nicht als neues Glaubensbekenntnis, sondern als Interpretation des nizänokonstantinopolitanischen Bekenntnisses verstanden wissen wollten, um einer häretischen Umdeutung des Glaubensbekenntnisses einen Riegel vorzuschieben. Entsprechend wurde die christologische Formel Chalkedons von den Chalkedoniern auch nicht auf diesselbe Stufe wie das Bekenntnis Nikaias gestellt. Sieben führt dazu aus, dass sich auf Grundlage dieser Argumentation eine neue Konzilsidee entwickelte, mit der grundsätzlich Neues definiert werden konnte, während das Alte weiterhin gültig blieb, vgl. S IEBEN, Konzilsidee, S. 264 f. Zwar weisen die von ihm angeführten Beispiele von besonders in den 450er und 460er Jahren von Verteidigern Chalkedons getätigten Aussagen in diese Richtung, doch war man in den Konzilien des sechsten Jahrhunderts trotzdem darum bemüht, jeden Eindruck von Neuheit zu vermeiden. Anstatt mit einem Konzept von neuer Interpretation des alten Glaubensgutes zu argumentieren, verlegte man sich gerade im Zuge des Konzils von Konstantinopel 553 stattdessen auf die Neuschreibung der Geschichte, als man versuchte dort zu erweisen, dass die drei Kapitel bereits zuvor verurteilt worden waren, weshalb man mit ihrer erneuten Verurteilung keine Neuheit in die Kirche einführe.
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bestand und alle Neuerungen automatisch häretisch seien, befanden sich die Bischöfe und Mönche jeder Couleur auch in einem dauernden Zustand der Selbstverleugnung. Denn die Theologie entwickelte sich in beiden Lagern eben doch weiter. Ein Ausdruck dieser Weiterentwicklung war nicht nur die stärkere begriffliche Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung infolge der Auseinandersetzungen zwischen Nestorios und Kyrill, sondern eben auch die christologische Formel, die in Chalkedon verfasst worden war. Zum einen setzte Kaiser Markian die Teilnehmer am Konzil von Chalkedon unter Druck, ein Bekenntnis beziehungsweise ein Dokument zu formulieren, das als Grundlage für den rechten Glauben dienen konnte und sollte, zum anderen hatte die Erfahrung mit Eutyches gezeigt, dass die Verurteilung von Häretikern allein nicht ausreichte, um das Entstehen neuer Häresien zu verhindern. Denn im Fall von Eutyches hatte sich dieser ja nicht auf einen bereits verurteilten Theologen berufen, sondern stand in der Tradition der Theologie Kyrills. Das heißt, die Bischöfe sahen sich in Chalkedon genötigt, ihre Entscheidungen zu begründen und ihren Glauben auch positiv theologisch zu formulieren. Das Ergebnis war die christologische Formel von Chalkedon, die versuchte, die Theologie der alexandrinischen Schule163 mit einigen Aspekten beziehungsweise vor allem der Terminologie der antiochenischen Schule zu verbinden. So sollte verhindert werden, dass das christologische Pendel erneut in eines der beiden Extreme zwischen Aufspaltung und Vermischung der Naturen Christi ausschlägt.164 Doch wie war nun mit den positiven christologischen Aussagen Chalkedons umzugehen, wenn diese eigentlich nichts Neues darstellen durften und die Rolle Chalkedons lediglich in der Verurteilung des Nestorios und des Eutyches bestand? In Rom entwickelte sich recht bald die Position, dass Chalkedon vollumfänglich und ohne Abstriche aufzunehmen sei. Dies schloss vor allem auch den Tomus Leonis mit ein, auf dessen Autorität Rom pochte. Ein Fallenlassen des Tomus hätte für Rom auch einen großen Gesichtsverlust bedeutet. Im Osten des Reiches gestaltete sich die Handhabe des Tomus und der christologischen Formel unübersichtlicher. Zahlreiche Chalkedonier fügten sich der Henotikon-Politik des Anastasios und beließen es bei der Verurteilung des Nestorios und des Eutyches. Auch Makedonios hatte zumindest zu Beginn zu dieser Gruppe gehört. Schließlich akzeptierte er kurz nach seiner Weihe auch das Henotikon.165 Doch gerieten Makedonios und Flavian immer weiter unter Druck. Makedonios durch den Kaiser, der einen immer miaphysitenfreundlicheren Kurs steuerte, und durch die Mönche der Hauptstadt, die ausgesprochen konfrontativ den Miaphysiten gegenüber ausgerichtet waren. Flavian wiederum geriet unter den Beschuss des Philoxenos und des Severos. Die Tatsache, dass der Interpretationsspielraum des Bekenntnisses zu 163 Für den Nachweis, dass die christologische Formel Chalkedons vor allem auf christologischen Positionen Kyrills aufbaut, sei auf den Aufsatz von de Halleux verwiesen, vgl. DE HALLEUX, Definition. 164 Dazu, dass die Chalkedonier die christologische Formel als notwendig für die rechte Interpretation des Glaubens von Nikaia verteidigten vgl. SIEBEN, Konzilsidee, vgl. S. 250–260. 165 Vgl. THEOPH., S. 140 (DE BOOR). Infolgedessen musste Makedonios zu den Klöstern eilen, die ihm die Gemeinschaft aufgekündigt hatten.
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Chalkedon relativ weit gefasst war, versuchte Flavian dahingehend zu nutzen, dass er möglichst die positiven theologischen Aussagen Chalkedons vermied und sich lediglich auf die Verurteilung des Nestorios und Eutyches verlegte. Da die Aufgabe von Konzilien im Prinzip sowieso lediglich in der Verurteilung von Häretikern bestand, verließ Flavian durch seine Verurteilung des Nestorios und des Eutyches auch nicht notwendigerweise chalkedonischen Boden. Makedonios wiederum orientierte sich an den chalkedonischen Mönchen der Hauptstadt, nachdem Anastasios Makedonios durch seinen miaphysitenfreundlichen Kurs und nicht zuletzt durch die Beauftragung des Severos mit der Abfassung des Typos desavouiert hatte. Er bewegte sich deshalb auf der anderen Seite des chalkedonischen Spektrums und pochte deshalb – gerade auch um den hauptstädtischen Mönchen gegenüber seine Chalkedontreue unter Beweis zu stellen – auf die vollumfängliche Aufnahme Chalkedons, das heißt einschließlich der christologischen Formel und des Tomus Leonis. Der Abstand zwischen Flavian und Makedonios war dadurch so groß geworden, dass Makedonios Flavian nicht mehr als aufrichtigen Chalkedonier ansehen konnte. Und wie hätte er ein kulantes Verhalten gegenüber Flavian auch gegenüber den konfrontativ ausgerichteten chalkedonischen Kreisen in Konstantinopel rechtfertigen können, wenn er gleichzeitig die Politik des Anastasios angriff, die ja im Prinzip derselben theologischen Linie folgte wie Flavian? Die weite Interpretierbarkeit Chalkedons beziehungsweise die allgemeine Ansicht über das Wesen und die Rolle ökumenischer Konzilien gab denjenigen, die sich zum Konzil von Chalkedon bekannten, einen gewissen Spielraum. Doch konnte es dazu kommen, dass zwei Personen sich selbst zwar mit Recht als chalkedonisch ansehen konnten, sich aber infolge kirchenpolitischer Entwicklungen so weit voneinander entfernten, dass einer von beiden oder aber beide den jeweils anderen nicht mehr als demselben Lager zugehörig empfanden. Dies geschah, als Makedonios dem Flavian die Gemeinschaft aufkündigte, nachdem dieser Chalkedon nur noch reduziert in Bezug auf seine Verurteilung des Nestorios und des Eutyches aufgenommen hatte. 6.3.3 Der fehlende eindeutige Bezugsrahmen chalkedonischer Theologie – Das schwierige Erbe der antiochenischen und alexandrinischen Schule Aber nicht nur die unterschiedliche Haltung zur Rolle von Konzilien allgemein beziehungsweise von Chalkedon im Speziellen bot den verschiedenen Akteuren einen gewissen Handlungsspielraum, der auch zur kirchenpolitischen Entfremdung führen konnte. Auch die verschiedenen theologischen Traditionen, die auf Chalkedon vertreten waren, gaben den Bischöfen und Mönchen die Möglichkeit, verschiedene theologische Schwerpunkte zu setzen, was dieselben Konsequenzen haben konnte, wie bei dem Fall des Makedonios und des Flavian. Es soll deshalb im Folgenden untersucht werden, wie die unterschiedliche Schwerpunktsetzung in Bezug auf die antiochenische und alexandrinische Theologietradition zu Spannungen und Verurteilungen innerhalb des chalkedonischen
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Lagers führte. Die Untersuchung betrachtet dabei die unterschiedliche Rezeption und Bewertung der kyrillischen Christologie in Form der zwölf Anathematismen und der theopaschitischen Formel anhand der unterschiedlichen Positionierung des Makedonios und der hauptstädtischen Klöster in Bezug auf das Henotikon, und anhand der unterschiedlichen Bewertung der theopaschitischen Formel durch die Legaten Roms, die Akoimeten, die skythischen Mönche und Justinian. Dabei soll unter anderem im Fokus stehen, wie es überhaupt zu diesen unterschiedlichen Sichtweisen innerhalb des chalkedonischen Lagers kommen konnte. Daran angeschlossen soll die Frage erörtert werden, inwieweit sich die begriffliche Unterscheidung zwischen Neuchalkedonismus und ‚strengem Chalkedonismus’, der sich in der Dogmengeschichtsschreibung für die Unterscheidung der stärker an Kyrill orientierten und der stärker antiochenisch-römisch ausgerichteten Akteure etabliert hat, für die Analyse der kirchenpolitischen Situation eignet. Als letzter Punkt soll die unterschiedliche Handhabe des antiochenischen Erbes im chalkedonischen Lager anhand der Positionierung der verschiedenen Theologen gegenüber Diodor von Tarsos, Theodor von Mopsuestia, Theodoret von Kyrrhos und dem Brief des Ibas von Edessa untersucht werden, um zu zeigen, dass auch die Frage nach dem Umgang mit dem antiochenischen Erbe im chalkedonischen Lager ungeklärt war. Das schuf letztlich ebenfalls die Möglichkeit theologischer Entfremdung unter dem Banner Chalkedons. Das erste Beispiel betrifft Makedonios von Konstantinopel. Während er es im Fall Flavians war, der ihm die Rechtgläubigkeit und damit die Zugehörigkeit zum chalkedonischen Lager absprach, hatte er sich einige Jahre zuvor ähnlicher Vorwürfe zu erwehren. Als er nämlich nach seiner Wahl das Henotikon aufnahm, fielen einige Klöster der Hauptstadt von ihm ab. Makedonios musste eigens zu den Klöstern eilen und Chalkedon explizit bekennen, um sie von seiner Rechtgläubigkeit zu überzeugen. Das Henotikon bekannte sich zu den ersten drei ökumenischen Konzilien, verurteilte Nestorios und Eutyches und nahm die zwölf Anathematismen Kyrills in seinem dritten Brief an Nestorios auf. Es war von Anastasios zur Grundlage seiner Kirchenpolitik erhoben worden, barg jedoch aus zwei Gründen die Gefahr, Spannungen innerhalb des chalkedonischen Lagers zu erzeugen. Erstens verschwieg es Chalkedon und beschränkte sich auf die Verurteilung des Nestorios und des Eutyches, ohne das vierte Konzil zu nennen. Damit bediente es sich der unklaren Rolle, die Chalkedon als ökumenisches Konzil zugewiesen wurde. Zweitens nahm das Henotikon die zwölf Anathematismen Kyrills auf, die trotz der großen Autorität, die Kyrill genoss, nicht unumstritten waren. Von den Anhängern der alexandrinischen Schule unter den Chalkedoniern und den Miaphysiten galten sie als kondensierte Form der kyrillischen Christologie. Die Vertreter der antiochenischen Schule betrachteten sie jedoch als häretische Zuspitzung der kyrillischen Christologie, die sie zwar – wenn auch nicht ohne Kritik – akzeptierten, aber in Form der Anathematismen ablehnten. Als prominentester Vertreter dieser Ansicht dürfte Theodoret von Kyrrhos gelten, der der Widerlegung der zwölf Anathematismen eigens ein Werk gewidmet hatte. 166 Darin wandte er sich gegen die 166 Siehe THEOD. KYR., Impugnatio xii anathematismorum Cyrilli (CPG 6214).
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von Kyrill formulierten Positionen, was ihm die Feindschaft der Anhänger Kyrills eintrug und 449 zu seiner Verurteilung auf dem zweiten Konzil von Ephesos führte. Auf Chalkedon wurde er aber, nachdem er sich dem Konzil beugte und Nestorios verurteilte, wieder rehabilitiert. Eine Distanzierung von seinen kyrillfeindlichen Werken wurde nicht eigens verlangt,167 womit das Konzil im Prinzip den antiochenischen Positionen ebenfalls Raum gab und sich nicht allein auf die alexandrinische Theologie stützte. Die Erfahrungen mit Eutyches gaben den Zeitgenossen das Gefühl, dass der Orthodoxie auch von alexandrinischer Seite Gefahr drohte, weil man die kyrillischen Positionen mit ihrer Betonung der Einheit der Naturen zu einer Lehre der Vermischung der Naturen steigern konnte. Die starke Betonung der Einheit der Naturen erregte deshalb unter Vertretern der antiochenischen Schule beziehungsweise unter Chalkedoniern Verdacht, die im besonderen Maße um Abgrenzung gegenüber den Miaphysiten bemüht waren. Dies lässt sich besonders gut an der Gegnerschaft der päpstlichen Legaten und der Akoimeten gegenüber der theopaschitischen Formel beobachten, was hier als zweites Beispiel für die theologischen Spannungen innerhalb des chalkedonischen Lagers dienen soll. Zu den Anhängern der Formel wiederum gehörten unter anderem die skythischen Mönche, die 519 plötzlich in Konstantinopel auftauchten und sich für die Formel einsetzten, und Justinian, der nach kurzer Zeit ebenfalls offen für die Formel Partei ergriff. Die päpstlichen Legaten betrachteten die Formel nicht als einen rechtgläubigen Ausfluss kyrillischer Theologie, sondern reihten die Formel in die Reihe der Versuche der Anhänger des Eutyches ein, die eigene häretische Meinung in die Kirche einzuführen. Sie verwiesen zum einen auf Kaiser Anastasios, der den aus dem zwölften Anathematismus gewonnenen StaurotheisZusatz häretischerweise in die Liturgie einführen wollte. Dabei ziehen sie eine Parallele von Anastasios zu den Schülern des Eutyches auf dem Konzil von Chalkedon. Diese hätten davon gesprochen, dass der Sohn von der gleichen Substanz und wesenseins mit dem Vater sei. Jedoch sei eine solche Ausdrucksweise (in der Christologie) nie von den Vätern benutzt worden und stünde nicht mit dem katholischen Glauben überein.168 Ähnlich, wie die antiochenische Theologie von den Miaphysiten als nestorianisch betrachtet wurde, sahen einige Chalkedonier zumindest Teile der alexandrinischen Theologietradition als miaphysitisch an. Die Frage bezüglich der alexandrinischen beziehungsweise kyrillischen Tradition war, welche Schriften als rechtgläubig angesehen werden konnten und welche nicht. Die Legaten geben einen 167 Dies machten unter anderem die miaphysitischen Bischöfe im Religionsgespräch 532 den Chalkedoniern zum Vorwurf, vgl. BROCK, Conversation, S. 98–100. Ihrer Ansicht nach bewiesen die Werke Theodorets, dass es sich bei ihm um einen Nestorianer handelte, und seine Rehabilitierung auf Chalkedon wiederum, dass das Konzil von Chalkedon eine Neuauflage des Nestorianismus darstellte. 168 Vgl. Coll. Avell. 216, S. 676: istud Anastasius imperator magnopere catholicis imponere festinauit, istud et Eutychetis discipuli in synodo Chalcedonensi proposuerunt, quia quotienscumque patres de dei filio domino nostro Iesu Christo disputauerunt, filium dei uerbum consubstantialem patri, homoousion patri dixerunt. Iste autem sermo ideo numquam est in synodis a patribus introductus, quia procul dubio catholicae fidei minime poterat conuenire.
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Hinweis darauf, was als Gradmesser zu gelten habe. Sie betonen, dass die Väter Chalkedons die Redeweise der theopaschitischen Formel bewusst nicht einführten. Einige Zeilen zuvor schreiben sie expliziter: „Dies ist weder in der heiligen Synode gesagt worden, noch in den Briefen des heiligen Papstes Leo, noch im kirchlichen Gebrauch.“169 Es sollten also nur die Formeln als rechtgläubig angesehen werden, die explizit auf Chalkedon aufgenommen worden waren beziehungsweise in den Schriften enthalten waren, die auf Chalkedon angenommen worden sind. Oder zumindest sollten sie sich im kirchlichen Gebrauch etabliert haben. Das Kriterium, dass vor allem die auf Chalkedon aufgenommenen Schriften als maßgeblich zu zählen seien, war zwar eine eindeutige Richtschnur, doch ging sie an der kirchlichen und kirchenpolitischen Wirklichkeit vorbei. Zahlreiche Theologen wurden als rechtgläubig und sogar maßgeblich angesehen, ohne dass sie explizit auf Konzilien kanonisiert worden wären. In der Regel beschäftigten sich Konzilien ja auch nur mit strittigen Fällen beziehungsweise explizierten sie, wer nicht als rechtgläubig – und zwar auf Grundlage und aus der Perspektive der zeitgenössischen Theologen – anzusehen sei. Diese Theologen wurden wiederum mit dem Verweis auf den allgemeinen kirchlichen Gebrauch indirekt kanonisiert. Jedoch barg dies das Problem in sich, dass nicht in allen Kirchen des Reiches dieselben Schriften im Gebrauch waren. So benutzte man im Osten und in Ägypten alle Werke Kyrills, während man im Westen und in Teilen der konstantinopolitanischen Kreise von einigen seiner Schriften, wie den zwölf Anathematismen, Abstand nahm. Der Streit um die zwölf Anathematismen begann dabei nicht erst nach Chalkedon, sondern bereits nach dem Konzil von Ephesos 431. Die antiochenische Partei, die von den Anhängern Kyrills verurteilt worden war und ihrerseits die Anhänger Kyrills verurteilt hatte, wandte sich gegen die Zuspitzungen von Kyrills Theologie. Als sich Kyrill dann 433 in seinem Brief mit Johannes von Antiocheia versöhnte und seine Theologie den Antiochenern in weiteren Briefen darlegte, betrachteten einige von ihnen – darunter Theodoret von Kyrrhos – dies als Revision der von Kyrill zuvor geäußerten radikaler formulierten Positionen. Die Anhänger Kyrills verstanden dies wiederum nur als Erklärung der Positionen Kyrills, ohne dass diesen etwas von ihrem Gehalt genommen worden wäre.170 Doch das Problem, wie Kyrill nun zu verstehen sei, lebte bis ins sechste Jahrhundert fort. Und zwar deshalb, weil man sich die Lehre der Kirchenväter als monolithisch vorstellte und die Vorstellung, dass ein Kirchenvater im Laufe seines Lebens seine Lehre verändert beziehungsweise modifiziert hätte, abgelehnt wurde. Treffend kommt dies in den Worten des Leontios von Jerusalem zum Ausdruck, der erklärte, dass sich keiner der ausgesuchten Väter bezüglich des Glaubens zu sich selbst oder seinen Brüdern im Widerspruch befände.171 Dies heizte 169 Coll. Avell. 216, S. 676: quod est nec in sanctis synodis dictum nec in epistolis sancti papae Leonis nec in consuetudine ecclesiastica. 170 Zum Streit und zur Versöhnung zwischen Kyrill und der antiochenischen Partei nach dem Konzil von Ephesos 431, vgl. MCGUCKIN, St. Cyril, S. 107–125; Zu Theodoret, der Kyrills Darlegung als eine Rücknahme der 12 Anathematismen verstand vgl. ebd. S. 115. 171 Vgl. LEONT. HIER., Contra Monophysitas, 1849 D, PG 86, 2 (CPG 6917). Zur monolithischen
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entsprechend den Streit um die rechte Interpretation des Werkes Kyrills an und führte zu Glättungsbestrebungen, die die scheinbaren Widersprüche in Kyrills Werk und besonders seine uneinheitliche Terminologie zu Gunsten der eigenen christologischen Position erklären wollten.172 Letztlich blieb durch die unterschiedliche Interpretation der Unionsformel von 433 deshalb die Frage von Kyrills zwölf Anathematismen und seiner Terminologie allgemein bis und auch nach Chalkedon offen.173 Die stärker antiochenisch oder auch römisch geprägten Theologen, die sich auch stärker von den Miaphysiten abzugrenzen wünschten, betrachteten deshalb die Anhänger der theopaschitischen Formel als Miaphysiten beziehungsweise Anhänger des Eutyches. Die römischen Legaten bezeichneten diese in ihrem Brief an Papst Hormisdas explizit als Eutychetis discipuli.174 Die Anhänger Chalkedons aber, die vor allem die Theologie Kyrills und der alexandrinischen Schule rezipierten, betrachteten jene, die die Schriften Kyrills einschließlich der zwölf Anathematismen nicht akzeptierten, als nestorianisch oder zumindest als des Nestorianismus verdächtig. Dieses Urteil traf letztlich die Akoimeten, die sich trotz des Urteils Justinians der theopaschitischen Formel verweigerten. Die genaue Argumentation der Mönche ist nicht erhalten. Wahrscheinlich weigerten sie sich von einem aus der Dreifaltigkeit, der gekreuzigt worden ist, zu sprechen, da sie in dieser Formulierung die Leidensunfähigkeit Gottes in Frage gestellt sahen. Oder sie sahen in dieser Formel wahrscheinlich die Unterscheidung der menschlichen von der göttlichen Natur nicht gewahrt, sodass sie aus ihrer Perspektive mit dieser Formel die Vermischung der Naturen und damit schließlich die Lehre des Eutyches ausgedrückt sahen. Justinian wiederum, der für die theopaschitische Formel Partei ergriff, sah in der Weigerung der Akoimeten eine nestorianische Einstellung der Mönche. Denn wie konnte man nicht der Theologie Kyrills folgen, aus der die theopaschitische Formel abgeleitet war, außer wenn man ein Nestorianer war? Die Theologie Kyrills legte ja großen Wert darauf, die Einheit des Handlungssubjekts Christus zu betonen, auch wenn das Leiden Christi natürlich nur der Menschheit Christi zukomme, da die Gottheit an sich ja leidensunfähig ist. Trotzdem dürfe man aber nicht das Leiden exklusiv auf die Menschheit Christi beziehen, während man die Wunder Christi einseitig auf die Gottheit bezog, weil durch derartige Zuordnungen der Taten Christi auf zwei Naturen diese wie zwei unabhängige Handlungssubjekte behandelt worden wären. Daraus hätte sich die Lehre zweier Personen ergeben, die man letztlich Nestorios zuschrieb. Deshalb musste immer von Christus als ein und demselben gesprochen werden, sodass sich, wenn man sich auf die Leiden Christi bezog, der sowohl als vollstänund geradezu ahistorischen Vorstellung der Kirchenväter bei Severos vgl. M OSS, Severos, S. 228 f., und GRAY, Fathers, S. 26 f. 172 Vgl. GRAY, Forgeries, S. 288; MOSS, Severos, S. 232; GRILLMEIER, Jesus, II, 2, S. 22 f. und S. 38–46; FREND, Rise, S. 124; WESSEL, Cyril, S. 5, und S. 296–302; MENZE, Justinian, S. 64–66. 173 Zu den Unterschieden in Kyrills Terminologie vor und nach der Unionsformel 433 vgl. M OSS, Severos, S. 233. 174 Vgl. Coll. Avell. 216, 7, S. 676.
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dig menschlich als auch als vollständig göttlich angesehen wurde, eine theopaschitische Ausdrucksweise ergab. Das heißt, man sprach dann von einem (und demselben) aus der Dreifaltigkeit, der am Kreuz gelitten hat, auch wenn das Leiden Christi nur ‚im Fleische’ stattfand und streng genommen nur auf die menschliche Natur bezogen werden konnte.175 Wenn man nun aber der antiochenischen Tradition folgte, die größeren Wert auf die Unterscheidung der Naturen legte, um zu verhindern, dass man sich die Einheit der Naturen als Vermischung vorstellte oder die Menschheit Christi reduziert würde, betrachtete man eine solche theopaschitische Ausdrucksweise mit großer Skepsis. Die Verfechter der alexandrinisch-kyrillischen Tradition wiederum sahen in der Weigerung der Vertreter der antiochenischen Tradition – in den 530er Jahren waren dies vor allem die Akoimeten – einen verkappten Nestorianismus. Nachdem Justinian 533 ein Glaubensbekenntnis formuliert hatte, das er als Edikt erließ und das die theopaschitische Formel enthielt, und es ihm gelungen war, dieses 534 von Papst Johannes II. anerkennen zu lassen, erhielten die Theologen, die stärker auf die kyrillische Tradition setzten, Auftrieb. Zu ihnen gehörte auch Anthimos von Trapezunt. Sein Glaubensbekenntnis, das er in seinem Brief an Severos von Antiocheia formulierte und das bei Pseudo-Zacharias überliefert ist, enthielt ebenfalls die theopaschitische Formel. In seinem Brief betont Anthimos, dass Christus „auch in Wahrheit einer aus der heiligen und ‚wesensgleichen’ Dreiheit [sowohl] vor seiner Fleischwerdung [als auch] nach seiner Fleischwerdung“176 ist. Er benutzt sogar den kyrillischen Ausdruck einer „Einigung auf der Ebene der Natur (ἕνωσις φυσική)“, obwohl der Ausdruck einer natürlichen Einheit bei den Chalkedoniern eigentlich unüblich war und vor allem zum Sprachgebrauch der Miaphysiten gehörte. Damit näherte er sich theologisch den Miaphysiten so weit an, dass Chalkedonier wie die Akoimeten wiederum, die von zwei Naturen sprachen und größeren Wert auf die Unterscheidung der Naturen legten, diesen als miaphysitisch betrachten mussten. Zusammenfassend ist zu diesem Punkt zu sagen, dass durch die unterschiedliche Gewichtung der alexandrinischen und der antiochenischen Tradition sich Theologen, die sich selbst als chalkedonisch ansahen, theologisch so weit voneinander entfernen konnten, dass sie Vertreter des anderen theologischen Pols nicht mehr als rechtgläubig ansahen. Je nach Perspektive wurden dann aus den stärker antiochenisch geprägten Theologen Nestorianer und aus den stärker alexandrinisch geprägten Eutychianer. Wie im vorher besprochenen Punkt in Bezug auf die Rolle von Konzilien ergab sich hier also ein so weiter Handlungsspielraum für die Akteure, dass sich Chalkedonier so weit von einander entfernen konnten, dass sie 175 Aus der Fülle der Literatur zur Christologie und Terminologie Kyrills von Alexandreia seien an dieser Stelle nur einige Werke erwähnt, vgl. unter anderem M CGUCKIN, St. Cyril; LOON, Christology; NORRIS, Models; JUGIE, Terminologie; WEINANDY, Cyril; JOUSSARD, Intuition. 176 Der Brief des Anthimos (CPG 7087), vgl. G RUMEL, Regestes I, S. 166 f., Nr. 230, findet sich bei PS-ZACH, HE, IX, 21, S. 141–147 (BROOKS) (CPG 6995). Das Bekenntnis findet sich ferner auf syrisch und in deutscher Übersetzung bei L ANGE, Energeia, S. 330–332. Die zitierte Passage PS-ZACH, HE, IX, 21, S. 144 (BROOKS) (CPG 6995), auf deutsch bei LANGE, Energeia, S. 331.
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sich gegenseitig nicht mehr als rechtgläubig ansahen, obwohl sie ein chalkedonisches Bekenntnis hatten. An dieser Stelle sei noch ein weiterer Punkt aufgegriffen, der mit der unterschiedlichen Rezeption der alexandrinischen Schule verknüpft ist. Die unterschiedlichen Positionen innerhalb des chalkedonischen Lagers sind bereits in der patristischen Forschung erkannt worden, wo man die stärker Kyrill rezipierende Strömung, die schließlich im sechsten Jahrhundert durch Justinian gefördert und vertreten wurde, mit dem Namen ‚Neuchalkedonismus’ und die stärker antiochenische Ausrichtung mit ihrer Betonung der Zweiheit der Naturen als ‚strengen Chalkedonismus’ bezeichnete. Diese Unterteilung hat nicht zu Unrecht Kritik erfahren.177 Als problematisch erweisen sich die Begrifflichkeiten sowohl in Hinblick darauf, wie sie die einzelnen Strömungen charakterisieren, das heißt, wie versucht wird, die sogenannte neuchalkedonische Theologie von der Theologie Chalkedons abzuheben, als auch in Hinblick darauf wie die beiden Begriffe die beiden theologischen Strömungen bezeichnen. Man hat gemeinhin versucht, die Neuchalkedonier dahingehend zu fassen, dass sie in verstärktem Maße Kyrill von Alexandreia rezipierten, dessen Theologie und Terminologie übernahmen und versuchten, diese mit der Terminologie Chalkedons zu versöhnen. Nicht unbeachtet bleiben, darf hierbei auch die feindselige Haltung gegenüber der antiochenische Schule. Zwar waren die sogenannten Neuchalkedonier darum bemüht, sowohl die chalkedonische als auch die kyrillische Terminologie als gleichrangig zu betrachten und beide Ausdrucksweisen zu verwenden,178 doch war mit einer verstärkten Ausrichtung auf Kyrill auch eine kritisch bis feindselige Haltung zur antiochenischen Tradition verbunden, auch wenn sich Chalkedon ebenso der antiochenischen Terminologie bediente, um seine Theologie von der mit Eutyches verbundenen Lehre der Vermischung der Naturen abzugrenzen. Doch wenn man den Neuchalkedonismus lediglich als eine Theologie ansehen will, die mit der Theologie Chalkedons kompatibel ist, aber die Terminologie Kyrills verwendet, inwiefern unterscheiden sich die Neuchalkedonier dann von Kyrill von Alexandreia? Wäre dann der Ausdruck vorchalkedonisch oder schlicht kyrillisch nicht passender? Denn wenn man davon ausgeht, dass Chalkedon die Theologie Kyrills vertrat und sich zur Abgrenzung von Eutyches vor allem terminologisch mit Mitteln der antiochenischen Tradition von Kyrill abhob, dann gäbe es eigentlich auch keinen Unterschied zwischen den Neuchalkedoniern und denjenigen Anhängern Kyrills, die auf dem Konzil von Chalkedon vertreten waren. Denn, auch wenn sie bei der Erarbeitung der christologischen Formel Anleihen aus der antiochenischen Terminologie nahmen, um ihren Glauben von dem des Eutyches abzugrenzen, war damit nicht automatisch eine vollständige Ablehnung der Terminologie Kyrills verbunden. Deshalb unterschieden sich die Kyrillianer auf Chalkedon nicht wirklich von den Neuchalkedoniern, womit an den Neuchalkedoniern nichts Neues wäre. 177 Zur Kritik am Ausdruck ‚strenger Chalkedonismus’ vgl. U THEMANN, Rezeption; beziehungsweise auch zu den Vorbehalten gegenüber dem Begriff vom Neuchalkedonismus, vgl. U THEMANN, Neuchalkedonismus, S. 207–221. Zur Forschungsdiskussion um den Begriff ‚Neuchalkedonismus’ vgl. GRILLMEIER, Neu-Chalkedonismus. 178 GRILLMEIER, Neu-Chalkedonismus, S. 160–162.
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Zwar gab es auch Bestrebungen, die Gruppe der Neuchalkedonier durch die von ihnen vollzogene terminologische Weiterentwicklung durch die Einführung des Enhypostasie-Begriffs zu bestimmen, doch erweist sich auch diese Definition zumindest aus kirchenpolitischer Perspektive nicht als brauchbar. Denn dieser Begriff stellte zwar tatsächlich eine terminologische Weiterentwicklung gegenüber Chalkedon dar, spielte aber in der Kirchenpolitik keine Rolle. Weder im Henotikon noch in den Bekenntnissen Justinians taucht der Begriff auf. Auf dem Feld der Kirchenpolitik traten die chalkedonischen Kyrillianer vor allem durch die theopaschitische Formel und ihr verwandter Ausdrücke auf. Diese wiederum gehörten zum Repertoire Kyrills und waren nicht neu. Und auch der Ausdruck ‚strenger Chalkedonismus’ für die Gruppe derjenigen Theologen, die sich einer Reduzierung der chalkedonischen Theologie und Terminologie auf Kosten der antiochenischen Tradition und der Betonung der zwei Naturen verweigerten, ist wenig weiterführend. Denn weder in ihrem Bekenntnis zu Chalkedon noch in ihrer konfrontativen Haltung gegenüber Andersdenkenden waren sie strenger als die Neuchalkedonier. Als chalkedontreu betrachteten sich beide Strömungen gleichermaßen. Und die sogenannten Neuchalkedonier waren auch nicht zimperlicher im Umgang mit denjenigen Chalkedoniern, die sich der verstärkten Betonung der Einheit der Naturen durch das Bekenntnis zum leidenden Gott verweigerten. So wurden die Akoimeten auf Betreiben Justinians als Nestorianer verurteilt, so wurde Euphemios von Anastasios abgesetzt, nachdem er die Henotikon-Politik des Kaisers nicht mehr mittrug, und so wurden schließlich auch später, nach dem Konzil 553 die Anhänger der drei Kapitel bekämpft. Aus rein dogmengeschichtlicher Sicht sei dem Begriff Neuchalkedonismus wegen der terminologischen Weiterentwicklung ihrer Vertreter durch die Einführung des Enhypostasie-Begriffs die Berechtigung zugesprochen.179Zur Beschreibung der kirchenpolitischen Lager eignet er sich jedoch aus den ausgeführten Gründen nicht. Auch wenn es Verbindungen zwischen bestimmten theologischen Strömungen und kirchenpolitischen Ausrichtungen gab kann man diese nicht gleichsetzen. Zur angemessenen Beschreibung der kirchenpolitisch agierenden Akteure erscheint es mir hingegen sinnvoller, die verschiedenen Strömungen im chalkedonischen Lager über ihre Haltung zu den Miaphysiten zu beschreiben. Das heißt, die Chalkedonier lassen sich in konfrontativ ausgerichtete und auf Abgrenzung setzende Chalkedonier auf der einen Seite und in integrativ ausgerichtete Chalkedonier auf der anderen Seite einteilen. Es gab, wie gesagt, Verbindungen zwischen theologischer und kirchenpolitischer Ausrichtung. Konkret neigten integrativ ausgerichtete Chalkedonier eher der neuchalkedonischen Theologie zu und rezipierten verstärkt Kyrill, während konfrontativ ausgerichtete Chalkedonier die antiochenische und römische Tradition stärker berücksichtigten. Doch mussten nicht alle Vertreter neuchalkeodnischer Theologie deshalb automatisch integrativ ausgerichtet sein. Auch trotz neuchalkedonischer Ausrichtung konnte man auf Abgrenzung gegenüber den Miaphysiten setzen, wodurch man Teil der konfrontativ 179 Für die Berechtigung des Begriffs Neuchalkedonismus tritt auch Grillmeier ein, vgl. G RILLMEIER, Neu-Chalkedonismus, S. 159–166.
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ausgerichteten Fraktion innerhalb des chalkedonischen Lagers war. Hierbei gibt es folgendes zu bedenken: Die Nähe zwischen zwei theologischen Positionen wie der des Neuchalkedonismus und des Miaphysitismus war nicht nur eine gute Ausgangslage für Verhandlungen, sondern konnte im Gegenteil auch zu einem verstärkten Bedürfnis nach Abgrenzung führen.180 Diese Abgrenzung konnte dann anstatt auf der theologischen Ebene auf der Ebene der Liturgie oder über unterschiedliche Haltung zu bestimmten umstrittenen Personen oder den Miaphysiten allgemein erfolgen. Papst Agapet akzeptierte zum Beispiel die theopaschitische Formel und rezipierte damit eine kyrillische Ausdrucksweise, die bei den Neuchalkdeoniern verbreitet war,181 während stärker antiochenisch ausgerichtete Chalkedonier wie die Akoimeten diese ablehnten. Das hinderte den Papst aber nicht an einem harten Kurs gegen Anthimos und die Miaphysiten in der Hauptstadt. Ein weiterer Punkt, der die Heterogenität innerhalb des chalkedonischen Lagers zeigt, ist, dass sich Chalkedonier unterschiedlich zu den prominenten Theologen der antiochenischen Schule – zu nennen wären vor allem Theodor von Mopsuestia und Theodoret von Kyrrhos, aber auch Ibas von Edessa – positionieren konnten. Die Haltung zu diesen Personen war ebenso wenig klar wie die Haltung gegenüber den zwölf Anathematismen. Während Theodor bei den Miaphysiten als Vater des Nestorianismus galt und während Theodoret vor allem wegen seiner kyrillfeindlichen Schriften verurteilt wurde, war die Sache bei den Chalkedoniern uneindeutiger gelagert. Als Beispiel für Chalkedonier, die sich explizit zu Theodoret bekannten, sei auf einen Skandal in Syrien verwiesen, als Paul der Jude Patriarch von Antiocheia war. Nicht zufällig in Kyrrhos, der ehemaligen Bischofsstadt Theodorets, stellten ein Presbyter namens Andronikos und ein Diakon namens Georgios ein Bild Theodorets in einem Streitwagen auf und führten in seinem Andenken eine Prozession durch. Berichtet wird hiervon im Untersuchungsbericht des magister militum per Orientem Hypatios, der durch die Akten des Konzils von Konstantinopel 553 überliefert wurde.182 Hypatios wurde damit beauftragt, der Anklage nachzugehen, die gegen den Bischof Sergios von Kyrrhos erhoben worden war. Diesem wurde, nachdem er seinen gleichnamigen miaphysitischen Vorgänger abgelöst hatte,183 von einigen Soldaten zur Last gelegt, das Andenken Diodors von Tarsos, 180 Bereits Philoxenos von Mabbug sah in der Akzeptanz der theopaschitischen Formel durch einige Chalkedonier weniger die Basis für Verhandlungen zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten, als vielmehr eine große Gefahr für die Gläubigen, die auf diese Weise von den Chalkdeoniern getäuscht werden konnten, vgl. PHILOX, Lettre aux moines de Senoun, S. 60– 64 (DE HALLEUX). 181 Damit will ich aber nicht sagen, dass Agapet Neuchalkedonier war. Mir geht es hier um die Kompabilität zwischen der Akzeptanz kyrillischer Ausdrucksweise auf der theologischen Ebene und konfrontativer Ausrichtung gegenüber den Miaphysiten. 182 Vgl. ACO IV, 1, S. 199 f. Eine englische Übersetzung bei C OLEMAN-NORTON, Roman, III, S. 981 f., und PRICE, Acts of Constantinople, II, S. 97 f., ferner vgl. Selected Letters, V, 12, S. 337–342. 183 Der miaphysitische Bischof Sergios von Kyrrhos blieb anscheinend nach seiner Absetzung in Syrien. Dort wurde er von Severos von Antiocheia damit beauftragt, die Aufsicht über das
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Theodors von Mopsuestia und sogar des Nestorios gefeiert zu haben. Das Fest scheint tatsächlich stattgefunden zu haben,184 wobei dem magister militum Hypatios Dokumente vorgebracht wurden, die abstritten, dass das Fest im Namen des Nestorios begangen worden war. Beim Vorwurf, des Nestorios gedacht zu haben, könnte es sich um einen Versuch gehandelt haben, Sergios zu diskreditieren. Dieser Vorwurf war sowohl bei Miaphysiten beliebt als auch auch bei Chalkedoniern, die mit dem konfrontativen Kurs, den ein chalkedonischer Kleriker gegenüber Miaphysiten einschlug, unzufrieden waren. Zu denken sei hier an den Vorwurf einiger Mönche des Dalmatios-Klosters, die Makedonios ebenfalls beschuldigt hatten, des Nestorios gedacht zu haben, nachdem dieser sich gegen den Kurs des Anastasios gestellt hatte und sich im Dalmatios-Kloster offen zu Chalkedon bekannt hatte.185 Andererseits könnte der Vorwurf gegen Sergios auch erhoben worden sein, weil die Ankläger Diodor und Theodor derartig mit Nestorios verbanden, dass sich in der Nacherzählung der Ereignisse Nestorios ganz natürlich zu den beiden dazugesellte. Der magister militum Hypatios sollte letztlich aufklären, ob Sergios nun das Fest für Diodor, Theodor und Nestorios gefeiert hatte, und wenn ja, dann ob er es tatsächlich für alle drei Bischöfe oder nur für die ersteren beiden begangen hatte. Ferner sollte überprüft werden, ob die Anschuldigungen gegen Andronikos und Georgios der Wahrheit entsprachen, und wenn ja, ob Sergios danach die Gemeinschaft mit ihnen aufnahm. Pikant wurde der Vorfall auch dadurch, dass sich Sergios zum Zeitpunkt der Prozession in Antiocheia befand, sodass man davon ausging, dass auch Paul der Jude zumindest von dem anstehenden Fest unterrichtet war. Deshalb hätte sein mangelndes Einschreiten als Billigung angesehen werden können, was einen Beitrag zur Schwächung seiner Position leistete. Paul verdankte schließlich seine Erhebung der chalkedonischen Wende und sollte den libellus Hormisdae durchsetzen und auch Sergios wurde auf Kosten eines miaphysitischen Vorgängers erhoben. Beide Bischöfe sind deshalb als Chalkedonier anzusehen, die anscheinend keinen Gegensatz zwischen ihrem chalkedonischen Bekenntnis und der Wertschätzung Theodors und Diodors und womöglich auch Theodorets sahen. Und auch im Westen beziehungsweise in Italien und Nordafrika betrachtete man Theodor, Theodoret und den Brief des Ibas von Edessa als rechtgläubig, was sich an dem Widerstand ablesen lässt, den die Verurteilung dieser sogenannten drei Kapitel durch Justinian und dem Konzil von Konstantinopel 553 dort auslöste.186 Bassos-Kloster zu übernehmen, vgl. Selected Letters, I, 59, S. 178–179. 184 Severos scheint auf dieses Vorkommnis in seinem Brief an zwei Männer mit dem Namen Johannes anzuspielen beziehungsweise berichtet er dort, dass Sergios von Kyrrhos „in a Jewish Spirit“ erklärt habe, dass Diodor von Tarsos und Theodor von Mopsuestia denselben Glauben wie Chalkedon gelehrt hätten. Aus dem Zusatz „in a Jewish Spirit“ geht hervor, dass Severos hier vom Chalkedonier Sergios von Kyrrhos spricht. Selected Letters, V, 12, S. 341–342, das Zitat auf S. 341. 185 Vgl. PS-ZACH., HE, VII, 8, S. 42 (BROOKS) (CPG 6995). 186 Als Einführung zum Dreikapitelstreit dient die Zusammenfassung C ONSTANTEOS, Justinian. Besonders in neuerer Zeit hat der Dreikapitelstreit wieder das Interesse der Forschung ge-
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Flavian von Antiocheia wiederum war bereit, Diodor, Theodor und Theodoret auf der Synode von Sidon im Jahre 509 zu verurteilen, und konnte dies ebenfalls mit seinem Bekenntnis zu Chalkedon in Einklang bringen, wenn er auch zu diesem Zeitpunkt Chalkedon nur noch in Bezug auf seine Verurteilung des Nestorios und des Eutyches anerkannte.187 Und selbst Makedonios, der ein ausgeprägteres chalkedonisches Profil besaß, konnte ein solches Urteil auf Betreiben des Philoxenos von Mabbug abgerungen werden.188 Letzteres ist vor allem deshalb von Interesse, weil Makedonios zu diesem Zeitpunkt bereits einen gegen Kaiser Anastasios gerichteten Kurs verfolgte und sich offen zu Chalkedon bekannte und eine konfrontative Position gegenüber den Miaphysiten einnahm. Aus diesem Grund kündigte er wenig später dann Flavian von Antiocheia die Gemeinschaft auf. Also auch mit einem stärker ausgeprägten chalkedonischen Profil ließ sich die Verurteilung dieser Vertreter der antiochenischen Schule mittragen, auch wenn ihre Verurteilung durch Makedonios nur widerwillig geschah. Und auch bis kurz vor dem Konzil 536 blieben die Vertreter der antiochenischen Schule ein Zankapfel zwischen den Chalkedoniern und den Miaphysiten, die Theodor, Theodoret und den Brief des Ibas beim Religionsgespräch 532 zum Thema machten.189 Die Chalkedonier verteidigten dort noch Theodoret und weigerten sich auch, Ibas von Edessa zu verurteilen. Bei den chalkedonischen Bischöfen des Religionsgesprächs wiederum handelte es sich aber um Chalkedonier, die den Miaphysiten eine gewisse Kompromissbereitschaft entgegenbrachten. Dies lässt sich daran ablesen, dass diese sich überhaupt dazu bereit erklärten, mit den Miaphysiten zusammenzukommen. Dies kann auch angesichts der Vorladung Justinians zu diesem Gespräch nicht als Selbstverständlichkeit betrachtet werden. Auch wird der Kaiser bewusst Bischöfe eingeladen haben, von denen er annahm, dass sie gesprächsbereit waren und eine nicht zu stark ausgeprägte Feindschaft gegenüber den Miaphysiten pflegten, um das Gespräch nicht gleich von vornherein zum Scheitern zu verurteilen. Und zum anderen lässt sich die Bereitschaft der chalkedonischen Gesprächsteilnehmer, den Miaphysiten entgegenzukommen, auch daraus ableiten, dass die Chalkedonier verzichteten Dioskoros der Häresie zu beschuldigen und das zweite Konzil von Ephesos sogar als ökumenisches Konzil bezeichneten.190 Und trotzdem verteidigten eben diese Chalkedonier die Theolo-
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weckt. Siehe dazu den Sammelband von C. Chalzelle, vgl. C HAZELLE, Crisis; hervorzuheben sind ist der Aufsatz in eben jenem Sammelband von Richard Price, vgl. P RICE, Chapters; zu den Auswirkungen Italien siehe SOTINEL, Chapters, und zu Afrika MODÉRAN, Afrique. Zum Konzil von Konstantinopel 553 siehe die kommentierte Übersetzung von Richard Price, PRICE, Council 553. Über die Synode berichtet ein bei Evagrios überlieferter Brief palästinischer Mönche an den Bischof Alkison, vgl. EVAGR., HE III, 31, S. 127–130 (BIDEZ-PARMENTIER) (CPG 7500) und ein Brief des Philoxenos an palästinische Mönche, vgl. D E HALLEUX, Nouveaux texte inédites. Vgl. PS-ZACH, HE, VII, 8, S. 47 (BROOKS) (CPG 6995). Makedonios ging dieser Forderung jedoch nur widerwillig nach und gedachte ihrer später heimlich im Dalmatios-Kloster. Vgl. BROCK, Conversations, S. 98–104. Zum Zugeständnis der Chalkedonier, dass Dioskoros kein Häretiker gewesen sei, vgl. B ROCK,
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gen der antiochenischen Schule. In den 540er Jahren wiederum verurteilte Justinian Theodor, Theodoret und den Brief des Ibas und ließ sein Urteil durch das Konzil von Konstantinopel 553 bestätigen. Das heißt, dass die Haltung zu Theodor, Theodoret oder Ibas im chalkedonischen Lager im sechsten Jahrhundert noch völlig ungeklärt war. Auch herrschte diesbezüglich weder innerhalb der konfrontativ ausgerichteten Strömung der Chalkedonier noch in der kompromissbereiten Strömung der Chalkedonier eine einhellige Meinung, wie die aufgeführten Beispiele gezeigt haben. Man kann aber vielleicht von gewissen Tendenzen ausgehen, wenn man bedenkt, dass der konfrontativ ausgerichtete Makedonios die Theologen nur auf Druck verurteilte und diese Verurteilung danach im Dalmatios-Kloster zurücknahm. Da sich aber die Miaphysiten eindeutig positionierten und die Antiochener verurteilten, mussten die entsprechenden Theologen dieser Schule früher oder später auch bei den Chalkedoniern zum Politikum werden und zu erheblichen Spannungen innerhalb des chalkedonischen Lagers führen, wenn versucht wurde, auch dort Klarheit zu schaffen. Ein offenes Bekenntnis zu den umstrittenen Theologen konnte zu Verwerfungen mit den stark an Kyrill ausgerichteten Theologen führen. Die Verurteilung Theodors, Theodorets und des Briefes des Ibas von Edessa durch Justinian und das Konzil 553 wiederum führte schließlich zum Schisma mit Bischöfen in Italien und Nordafrika. Die unklare Haltung innerhalb des chalkedonischen Lagers erwies sich als schwere Hypothek für die Bemühungen der verschiedenen Kaiser, die Chalkedonier und Miaphysiten einander anzunähern. Wie sollten die Chalkedonier an die Miaphysiten herangeführt werden, wenn sie sich nicht einmal untereinander einig waren? Die gleichzeitige Zersplitterung des miaphysitischen Lagers verkomplizierte die Lage noch weiter.191
Conversation, S. 94–96; zur Bezeichnung des zweiten Konzils von Ephesos als allgemeines Konzil siehe INN. MAR., Epistula ad Thomam presbyterum Thessalonicensem de collatione cum Seuerianis habita (CPG 6846) (ACO IV, 2, S. 169–184) hier, S. 171, Z. 19–20: illud universale concilium quod cum Dioscoro congregatum est. 191 Wood betont die Zersplitterung innerhalb des miaphysitischen Lagers und führt diese auch den mangelnden Rückhalt miaphysitischer Bischöfe bei staatlichen Autoritäten zurück. Deshalb seien die einzelnen Bischöfe stärker auf die Pflege ihres individuellen Charismas angewiesen gewesen. Diese Betonung des Charismas im Gegensatz zur Unterstützung bischöflicher Autorität durch staatliche Strukturen habe den Miaphysitismus empfänglich für Spaltungen gemacht, vgl. WOOD, King, S. 167. Die angeführten Beispiele für die Zersplitterungen und Polarisierungen des chalkedonischen Lagers, das seit der Herrschaft Justins I. Den staatlichen Rückhalt genoss, zeigt, dass diese These zu kurz greift. Vielmehr wurden Spaltungen in beiden Lagern durch die bereits bestehende Vielfalt, theologischer, liturgischer, lokaler Traditionen innerhalb beider Lager sowie die Bedeutung personaler Verbindungen (ganz unabhängig vom staatlichen Rückhalt der Person) begünstigt, vgl. Ferner das folgende Kapitel.
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6.3.4 Chalkedonier oder Miaphysit oder einfach nur Christ? – Das Fehlen eines Kirchenpolitischen Profils und die Problematik der Quellen Nachdem wir die Uneindeutigkeit und Bandbreite des chalkedonischen Profils untersucht haben, soll schließlich der Blick auf eine Problematik geworfen werden, die bisher nur angeklungen ist. Die verschiedenen Formen, die ein chalkedonisches Bewusstsein annehmen konnte, konnte dazu führen, dass ein Chalkedonier einen anderen Christen als Häretiker ansehen konnte, obwohl dieser ebenfalls das Bekenntnis zu Chalkedon teilte. Doch gab es zwei weitere Gruppen, auf die nun die Aufmerksamkeit gelenkt werden soll: Zum einen gab es Christen, die überhaupt kein christologisches Profil besaßen, sich also weder positiv noch negativ zum Konzil von Chalkedon positionierten. Und zum anderen gab es Christen, die zwar durchaus ein christologisches Profil besaßen, das aber nur in bestimmten Kontexten zum Tragen kam, während es in anderen Zusammenhängen keine Rolle spielte. Die überlieferten Quellen entstammen in der Regel der Feder von profilierten Zeitgenossen, seien es profilierte Chalkedonier in ihren unterschiedlichen Ausprägungen oder Miaphysiten (ebenfalls in all ihren unterschiedlichen Schattierungen). Diese neigten dazu, ihr eigenes Denken, das von einem Gegensatz zwischen Chalkedonense und Miaphysitismus geprägt war, auf andere Personen zu übertragen und diese unabhängig vom Kontext zu bewerten. Dies konnte dazu führen, dass Christen, die aus diesem Schema herausfielen, weil sie (je nach Kontext) keinerlei kirchenpolitische Identität besaßen, entweder in den Schriften solcher profilierten Autoren nicht auftauchten und ihre Existenz schlicht ignoriert wurde, oder sie einfach trotzdem in das Schema einsortiert wurden, auch wenn dies aus Sicht der so kategorisierten Christen keinen Sinn ergab. Da Christen, die sich nicht für die christologischen Streitigkeiten interessierten, naturgemäß keine Schriften verfassten, um ihr Desinteresse kundzutun, kann man sie nur indirekt über die Schriften profilierter Autoren fassen. Für die Gruppe der kirchenpolitisch profillosen Christen gibt es mehrere Hinweise. Johannes von Ephesus beschreibt in der Vita des heiligen Simeon und heiligen Sergios, wie Sergios während eines Gottesdienstes in eine Kirche eintritt, in der Chalkedonier und Miaphysiten nebeneinandersitzen und gemeinsam der Predigt des miaphysitischen Bischofs zuhören. Dies bringt den Heiligen in Rage und er verflucht das Konzil von Chalkedon, all seine Anhänger und all jene Chalkedonier, die die Eucharistie vom Bischof, der wohl ein Miaphysit ist, empfangen wollen. Dem Bischof wiederum wirft er vor, das Heilige den Hunden und die Perlen den Säuen vorzusetzen. Bei den anwesenden Klerikern und dem Volk löste dies Verwirrung aus und es folgten sowohl Kritik als auch Lob für den Heiligen. 192 Wie konnten klare Gegner und Anhänger des Konzils beisammen sitzen und vom selben Bischof die Eucharistie empfangen? Oder ist es womöglich überhaupt nicht sinnvoll von Anhängern und Gegnern von Chalkedon zu sprechen, wenn das Verhältnis zum Konzil im Alltag und sogar im Gottesdienst keinen Unterschied 192 Vgl. JOH. EPH., Lives 5, S. 101–103 (PO 82).
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machte? Hatte man es nicht vielmehr mit Christen zu tun, die schlicht keine kirchenpolitische Identität in diesem Sinne ausgeprägt hatten? Die Tatsache, dass von keinen Spannungen in der Gemeinde berichtet wird und auch die anwesenden Kleriker sich nicht an der Zusammensetzung der Gottesdienstteilnehmer störten, weist in diese Richtung.193 Es scheint vielmehr Sergios zu sein, der diese Unterscheidung in die Gemeinde hineinträgt und damit für große Unruhe sorgt. In anderen Beispielen werden Christen, die von miaphysitischen Klerikern und Mönchen Speisungen erhalten, als Anhänger der Miaphysiten beschrieben, ohne dass es einen Hinweis darauf gibt, dass diese sich kirchenpolitisch positioniert hätten. Dem Petros von Apameia hing zum Ärger des Klerus und Mönchtums der Syria II eine Gruppe von Frauen an. Diese werden zwar als seine (natürlich lasterhaften) Anhängerinnen beschrieben, aber weder hört man etwas davon, dass sie Chalkedon verurteilt hätten, noch dass sie irgendwelche Parolen oder Formeln benutzt hätten, die sie als miaphysitisch ausgezeichnet haben. 194 Kann man diese Frauen dann als Miaphysitinnen bezeichnen? Dieselbe Frage stellt sich zu einer Gruppe von Gläubigen, die sich in Konstantinopel um den Mönch Zooras scharte und von diesem Speisungen erhielt. Auch hier fehlt ein Hinweis auf ein miaphysitisches Bekenntnis.195 Eine noch interessantere Szene wird im Zusammenhang mit dem StaurotheisAufstand geschildert. Der Aufstand entzündete sich an den Befehl des Kaisers Anastasios, das Trishagion mit dem Staurotheis-Zusatz zu singen. Dies wurde von aufgebrachten Chalkedoniern als miaphysitischer Eingriff gewertet. Der Aufstand eskalierte daraufhin schnell und die Menge zog wütend durch die Stadt. Dabei ging auch das Haus des Pompeios, des Neffen des Anastasios in Flammen auf. Bei Pompeios handelte es sich jedoch um einen profilierten Chalkedonier.196 Zwar war es das chalkedonische Bewusstsein der Menge im Gottesdienst, das den Aufstand auslöste, doch hinderte es die Menge nicht daran, in Folge das Haus eines profilierten Chalkedoniers anzuzünden. Wie lässt sich dieses auf den ersten Blick widersprüchliche Verhalten der Menge erklären? Spielte das chalkedonische Bekenntnis im Aufstand keine Rolle oder spielte es vielleicht nicht durchgängig eine Rolle beziehungsweise kamen weitere Faktoren hinzu? Das religiöse Bewusstsein der Menge muss als kontextgebunden betrachtet werden, das heißt es konnte je nach Kontext aktiviert werden oder im Hintergrund bleiben. Ein profilierter Chalkedonier musste sich von einem aus seiner Sicht miaphysitischen Eingriff in den Gottesdienst provoziert fühlen. Als der Aufstand weiter eskalierte und weitere 193 Es stellt sich an dieser Stelle auch die Frage, woher Sergios in dieser Szene überhaupt wusste, dass es sich bei den Anwesenden sowohl um Chalkedonier und Miaphysiten handelte beziehungsweise wie er sie unterscheiden konnte. Die Darstellung des Johannes von Ephesos lie fert keinen Hinweis hierzu. 194 Vgl. hierzu Punkt 6. 1. 1 Petros von Apamea und das Kirchenvermögen von Apamea. 195 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Punkt 5. 1. 4. 4 Zooras und die Nebengottesdienste und Nebentaufen in der Hauptstadt. 196 Vgl. Charanis, Church, S.39, vgl. Greatrex, Flavius, S. 129 und vgl. Meier, Anastasios, S. 282, der zudem darauf hinweist, dass sich Pompeios unter Justin I. bei den Verhandlungen zur Beendigung des Akakianischen Schismas einschaltete.
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Punkte hinzukamen spielte das chalkedonische Profil der Menge nur noch eine untergeordnete Rolle. In der Situation. Als das Haus des Pompeios angezündet wurde, wurde in der Menge kein chalkedonisches Bewusstsein abgerufen, das ihr Verhalten beeinflusst hätte. Stattdessen kam ihre allgemeine Unzufriedenheit mit dem Kaiser, die viele Wurzeln hatte,197 zum Tragen, sodass sich der Zorn der Menge auf alle Leute aus dem Umfeld des Anastasios lenkte, ob Miaphysit oder Chalkedonier. Das heißt auch wenn der Aufstand selbst einen kirchenpolitischen Auslöser hatte, war die konkrete Situation, in der das Haus des Kaiserneffen in Brand gesteckt wurde, nicht in einem kirchenpolitischen Kontext eingebunden, weshalb die chalkedonische Ausrichtung des Aufstandes in diesem Moment keine Rolle spielte. Rebillard hat dieses Konzept in seiner Untersuchung zum frühen Christentum in Nordafrika ausführlich thematisiert. Er weist daraufhin, dass soziale Gruppen nicht homogen sind und alle Individuen darin nicht gleich handeln. Stattdessen solle man die „groupness“ von Individuen in den Blick nehmen.198 Mit der groupness ist eine bestimmte Gruppenidentität gemeint, ein Gruppenbewusstsein, das jedoch im normalen Alltag nur eine geringe Rolle spielt, jedoch in bestimmten Kontexten abgerufen werden kann und dann (erst) handlungsleitend wird. Dieses Gruppenbewusstsein bestimmt, wie Individuen ihre soziale Welt ordnen und nach welchen Kategorien sie andere Individuen und Situationen klassifizieren. Wenn man das Verhalten von Menschen nachvollziehen will, müsse man sich in seiner Analyse darauf konzentrieren wie und in welchen Kontexten dieses Gruppenbewusstsein aktiviert wird. In Zusammenhang mit dem Gruppenbewusstsein unterscheidet Rebillard zwischen einem hierarchischem Arrangement und einem lateralen Arrangement. Das hierarchische Arrangement beschreibt hierbei, dass eine Gruppenidentität immer absolut bestimmend für das Handeln und Denken eines Individuums ist und jede Situation nur aus Perspektive dieser Identität gesehen wird. Demgegenüber beschreibt das laterale Arrangement eine Identität, die nicht immer im Vordergrund steht, sondern nur situativ zum Tragen kommt.199
197 Vgl. Meier, Anastasios, S. 283 f. Und Meier, Staurotheis, S. 160. 198 Vgl. Rebillard, Christians, S. 2. 199 Vgl. Rebillard, Christians, S. 78 f. Rebillard bezieht dieses Konzept auf die Christen Nordafrikas. Die Position des Bischofs Augustinus, den Rebillard unter anderen als Beispiel anführt, habe für ein hierarchisches Arrangement gestanden. Er vertrat den Standpunkt, dass für die Gläubigen immer ihre christliche Identität bestimmend sein sollte. Nicht sollten sie sich von anderen Konzepten leiten lassen und sich Handlungen hingeben, die von Augustinus als heidnisch angesehen wurden. Die Christen seiner Gemeinde hätten jedoch ein laterales Arrangement bevorzugt und unter gegebenen Umständen auch eine zivile oder sonstige Identität gehabt. Das hieß konkret, dass sie der Einladung zum Bankett ihres heidnischen Patrons folgten, da dies sich aus ziviler Perspektive so gehörte, und ihre christliche Identität, die einer solchen Sache entgegengestanden hätte, zum Ärger Augustins in diesem Zusammenhang schlicht nicht abgerufen wurde. Vgl. hierzu ferner Rebillard, limits, S. 314. Mit seiner Unterscheidung zwischen dem hierarchischen und lateralen Arrangement bezieht sich Rebillard auf das Konzept, das Handelman beschrieben hat, vgl. Handelman, Organization, S. 192 f.
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Profilierte Zeitgenossen hätten dabei ein hierarchisches Arrangement gepflegt und propagiert und entsprechend sind ihre Schriften von dieser Perspektive geprägt. Bezogen auf die christologischen Streitigkeiten heißt das, dass profilierte Chalkedonier oder Miaphysiten Gläubige ohne ein (stark ausgeprägtes) Profil entsprechend als häretisch eingestuft haben, weil diese sich nicht so verhalten haben, wie ein profilierter Zeitgenosse es gefordert hätte. Jedoch darf man nicht einfach der Lesart dieser Quellenzeugnisse folgen. Denn auf diese Weise würden etwa Gläubige zum Beispiel fälschlicherweise als Miaphysiten gesehen werden, weil dies der Darstellung der chalkedonischen Quelle entspricht, oder eben als Chalkedonier gemäß einer miaphysitischen Quelle, während der entsprechend beschriebene Gläubige möglicherweise gar kein christologisches Profil besaß oder dies eben in einer bestimmten Situation nicht abrief. Die Anhänger des Petros von Apameia oder des Mönches Zooras erschienen so fälschlicherweise als Miaphysiten, obwohl sie möglicherweise zu Chalkedon keine Meinung hatten. Umgekehrt könnte man auch einem Gläubigen sein kirchenpolitisches Profil fälschlicherweise absprechen, weil der entsprechende Gläubige sich in einer bestimmten Situation nicht so verhalten hat, wie man es von einem Zeitgenossen mit klaren kirchenpolitischem Profil erwartet hätte. Menze etwa stellt Justins I. Chalkedonisches Profil in Frage, weil dieser, so Menze, mit einem chalkedonischen Profil unter einem miaphysitenfreundlichen Anastasios nicht so weit hätte aufsteigen können. 200 Dabei wäre Justins Dienst auch damit zu erklären, dass Justins chalkedonisches Bekenntnis im Kontext seiner Aufgaben im Dienste des Kaisers schlicht keine Rolle gespielt hat. Das heißt, weder der miaphysitenfreundliche Anastasios störte sich am chalkedontreuen Justin, noch weigerte sich der chalkedonische Justin für einen als Miaphysiten angesehenen Kaiser in den Dienst zu treten, weil das religiöse Bekenntnis einfach keine Kategorie war, die in diesem Zusammenhang abgerufen wurde. Es ist deshalb wichtig, sich der internen Pluralität des Individuums bewusst zu sein. Das Handeln einer Person in einem bestimmten sozialen Kontext erscheint auf den ersten Blick nicht kohärent, jedoch ist die scheinbare Inkohärenz ihres Verhaltens dem Umstand geschuldet, dass ihr Verhalten auf mehrere handlungsleitende Prinzipen zurückzuführen ist und sich nicht auf ein Prinzip beschränkt. Konkret heißt das, ein Chalkedonier kann sich in einem kirchenpolitischen Kontext auf chalkedonische Art und Weise verhalten und einen Aufstand anzetteln, in einem politischen Kontext aber auf eine Art handeln, die mit einem chalkedonischen Bewusstsein eigentlich nicht vereinbar ist und zum Beispiel das Haus eines profilierten Chalkedoniers anzünden. Das heißt, man darf in Bezug auf die Quellen nicht einfach die Perspektive profilierter Zeitgenossen übernehmen, die ihren Urteilen ein hierarchisches Arrangement zugrunde legen und Christen dementsprechend in zwei grobschlächtige Kategorien einteilen, die diesen nicht gerecht werden. Wer dies tut, reduziert ein Individuum auf seine vermeintliche Gruppenidentität, anstatt sich der inneren 200 Vgl. Menze, Justinian, S. 24 f. Ferner Punkt 3.2 Das Bekenntnis Justins I. und seine Rolle bei der chalkedonischen Wende.
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Pluralität des Individuums bewusst zu sein.201 Wer unkritisch die Aussagen und Wertungen der Autoren der Quellen übernimmt, läuft Gefahr den sozialen Diskurs mit der sozialen Wirklichkeit gleichzusetzen.202 6.3.5 Zusammenfassung – Die Vielgestaltigkeit religiöser Identitäten Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die religiöse Identität der Gläubigen nicht allein aus dem Bekenntnis zu Chalkedon oder der Gegnerschaft dazu konstituierte und der Theologie, die dort formuliert wurde. Stattdessen war ihr Denken stark an Personen und bestimmten, oft lokal ausgebildeten theologischen und liturgischen Traditionen orientiert. Die Autorität von bestimmten Personen und in der eigenen Gemeinde etablierten theologischen Formeln vermittelten den Gläubigen, was als rechtgläubig galt. Dogmatisch-theoretische Erwägungen hatten für sie eine geringe Bedeutung, da sie den abstrakten Argumentionen kaum folgen und meistens nicht einmal die relevanten Texte lesen konnten. Der Denkhorizont der Menschen wurde letztlich in zweifacher Weise durch ihre allgemeine Alltagserfahrung bestimmt, und zwar insofern, dass das Denken der Leute zum einen im Allgemeinen durch personale Kategorien beziehungsweise vom Denken in Personenverhältnissen bestimmt war, und zum anderen dadurch, dass ihr religiöses Denken durch das bestimmt war, was sie im Alltag erlebten. Theologische Texte gehörten nicht dazu. Das personenzentrierte Denken der Gläubigen bedeutete, dass sie sich ihrer Rechtgläubigkeit versicherten, indem sie sich selbst als Teil einer Gemeinschaft rechtgläubiger Personen einordneten. Bei diesen rechtgläubigen Mitgliedern der Gemeinde handelte es sich sowohl um jene, die gegenwärtig Teile der Gemeinschaft waren, als auch um diejenigen, die der Gemeinde einst angehörten und inzwischen verstorben waren. Die Verbindung mit den toten Rechtgläubigen wurde durch deren Gedenken im Gottesdienst in Form einer Verlesung ihrer Namen hergestellt. Die Verbindung mit lebendigen Rechtgläubigen wiederum – von kirchenpolitischer Relevanz sind hier Bischöfe und Mönche – wurde durch täglichen Kontakt miteinander und durch Parteinahmen in kirchenpolitischen Auseinandersetzungen gezogen. Die Gefolgschaft einer Gruppe von Gläubigen ließ sich aber auf vielfältige Weise generieren. Dazu gehörte der Einsatz materieller Ressourcen, die mit theologischen Konzepten nur bedingt zu tun hatten. So verschafften sich Petros von Apameia und der Mönch Zooras eine Anhängerschaft mittels der Speisung von Gläubigen; Vitalian wiederum konnte sein Heer in die Waagschale werfen, sodass er in den Jahren seines Aufstands zu einer der Führungsgestalten der Chalkedonier werden konnte. Dadurch aber, dass nicht zuletzt auch materielle oder auch seelsorgerliche Zuwendungen bestimmten, um wen sich eine Gruppe von Anhängern scharte, konnten mit der Zeit Personen verschiedenen theologi201 Rebillard spricht von der „internal plurality of the individual“, siehe Rebillard, Christians, S. 3. 202 Vgl. Reebillard, Christians, S. 2.
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schen Profils in die Gruppe derer integriert werden, durch deren Gemeinschaft man sich seiner eigenen Rechtgläubigkeit versicherte. Auf diese Weise wurde das eigene religiöse Profil, wenn man es allein an theologisch-dogmatischen Kategorien maß, unscharf. Im religiösen Denken, das sich im Denken in Beziehungsgeflechten vollzog, spielte aber nicht nur eine Rolle, welche Person man als der eigenen Gruppe zugehörig ansah, sondern auch von welchen Personen man sich abgrenzte. So entstanden mit der Zeit auch eine Art Negativ-Diptychen, mithin also eine Gruppe von Häretikern, die man sich in direkter geistiger Nachfolge und Verwandtschaft dachte. Die Bestätigung der eigenen Rechtgläubigkeit vollzog sich dann in der lautstarken Distanzierung von dieser Gruppe. Dieses assoziative Denken erlaubte es auch einem Gläubigen, schnell eine fremde Person theologisch einzuordnen und sich ihr gegenüber zu positionieren, wenn man wusste, mit wem wiederum diese Person Umgang hatte. Als Chalkedonier ‚wusste’ man also nicht nur, dass Severos von Antiocheia ein Eutychianer war, sondern auch, dass jeder, der mit ihm Gemeinschaft hielt, oder in regelmäßigem Kontakt mit ihm stand, als eutychianistisch zu betrachten sei. Eine Ausnahme bilden, konnten natürlich diejenigen, die zwar mit den Miaphysiten Gespräche führten, dies aber aus politischen Gründen taten beziehungsweise sich in einer antagonistischen Gesprächssituation befanden, wie etwa die chalkedonischen Bischöfe im Religionsgespräch 532. Wenn der gemeinsame Umgang aber nicht in einer besonderen Situation stattfand, sondern im Alltag, empfanden es einige profilierte Chalkedonier als notwendig, eigens zu betonen, dass dieser Umgang nicht freiwillig stattfand und man mit den Miaphysiten nichts zu tun haben wollte, auch wenn man den Umgang mit ihnen aus praktischen Gründen nicht vermeiden konnte. Deshalb fühlten sich auch die Mönche verpflichtet, die 536 an Agapet schrieben, zu unterstreichen, dass sie nichts mit den Miaphysiten zu tun hatten, auch wenn sie sich in Konstantinopel an denselben Orten aufhielten.203 Das ritualbehaftete Denken der Gläubigen wiederum, das sich am Singen bestimmter Hymnen im Gottesdienst orientierte, bedeutete zweierlei: Erstens avancierte die Kirche als Ort des Gottesdienstes zum Hauptkommunikationsraum kirchenpolitischer Belange (und soweit das allgemeine Weltgeschehen mit religiösen Kategorien gedeutet wurde, auch weltlicher Belange). Deshalb versuchten einige Kaiser wie Anastasios und Justinian auch durch die Einführung neuer Hymnen und Erweiterungen von bereits etablierten Hymnen Einfluss auf die Liturgie zu nehmen. Auf diese Weise wollten sie ihre theologisch-kirchenpolitische Ausrichtung dem Volk vermitteln. Anastasios versuchte gewissermaßen, seine HenotikonPolitik mit Hilfe des Staurotheis-Zusatzes in den Gottesdienst zu überführen, während Justinian mit dem Hymnus Ὁ Μονογενής die von ihm favorisierte theopaschitische Formel in den Gottesdienst einbrachte. Die zweite Folge davon, dass sich Gläubige an Ritualen und Hymnen orientierten, um sich ihrer Rechtgläubigkeit zu versichern, führte dazu, dass der eigene 203 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 33–35.
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Glaube mit der eigenen Glaubenspraxis gleichgesetzt wurde. Es bildeten sich aber an verschiedenen Orten unterschiedliche liturgische Gebräuche und Hymnen aus, sodass, wenn man eine einzige lokale Tradition als Maßstab für die Rechtgläubigkeit nahm, das religiöse Profil anderer Gemeinden als unscharf oder sogar als häretisch angesehen werden konnte. Das hatte zur Folge, dass, wenn man versuchte, die Glaubenspraxen der verschiedenen Gemeinden zu vereinheitlichen, dies schnell zu großen Verwerfungen führen konnte. Am deutlichsten kann man dies bei den Ausschreitungen sehen, zu denen es kam, als Anastasios versuchte, den Trishagion-Hymnus mit dem Staurotheis-Zusatz singen zu lassen. Aber auch die Ausschreitungen in Edessa, als Paul der Jude versuchte, die formula Hormisdae durchzusetzen, um dadurch eine Art von Vereinheitlichung der Diptychen zu erwirken, bezeugen den disruptiven Effekt von Vereinheitlichungsbestrebungen in der Liturgie. Was erschwerend hinzukam, war, dass auch ein Bekenntnis zu Chalkedon keine eindeutige Einordnung bestimmter Kleriker und Gemeinden bot, weil nicht geklärt war, welche Rolle das Konzil im Glauben der Kirche genau spielen sollte. Die Haltung gegenüber dem Konzil schwankte auf chalkedonischer Seite zwischen dessen Verschweigen, seiner vollen Akzeptanz, also mit expliziter Annahme der christologischen Formel und des Tomus Leonis, und der Handhabe, das Konzil lediglich in Bezug auf seine Verurteilung des Eutyches und des Nestorios aufzunehmen. Denn gemäß dieser Position bestand die Aufgabe des Konzil lediglich darin, den Glauben Nikaias zu bestätigen und zu beschützen, indem es Häretiker verurteilte, die Neuerungen in die Kirche einzuführen drohten. Die Art und Weise, wie sich religiöses Denken anhand personaler Kategorien vollzog, die unterschiedliche Ausprägung bestimmter Glaubenspraxen an verschiedenen Orten und das unklare Verhältnis der Chalkedonier zur Rolle des Konzils machte es für die Kaiser, die stets das ganze Reich im Blick haben mussten und damit beauftragt waren, überall im Reich den rechten Glauben durchzusetzen, wiederum äußerst schwierig, kirchenpolitische Maßnahmen zu ergreifen, ohne dadurch neue Spannungen zu erzeugen. Was dies konkret bedeutete, soll nun am Beispiel des Konzils von Konstantinopel 536 gezeigt werden, indem die Ergebnisse der Untersuchung zur Herausbildung religiöser Identitäten auf das Konzil bezogen und die Ereignisse des Jahres 536 in ihr gesellschaftliches Umfeld eingebettet werden sollen. 6.4 FAZIT: DAS KONZIL VON KONSTANTINOPEL 536 ALS RESULTAT EINES VERTRAUENSVERLUSTS IN JUSTINIAN IN TEILEN DES CHALKEDONISCHEN LAGERS Zwar ist bereits darauf eingegangen worden, dass das Konzil von Konstantinopel 536 von Gruppen organisiert wurde, die zum bisherigen kirchenpolitischen Kurs in Opposition standen, und es sich beim Konzil auch um ein Austragen eines innerchalkedonischen Konflikts handelte, doch soll nun unter Berücksichtigung der
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Untersuchungsergebnisse zur Herausbildung religiöser Identitäten dargelegt werden, wieso sich eine Opposition gegen die Kirchenpolitik Justinians formierte. Dabei soll kurz darauf eingegangen werden, wie Justinian sich seit 518 als Chalkedonier positionierte beziehungsweise wie er den chalkedonischen Akteuren seine Rechtgläubigkeit vermittelte, um dann zu erklären, wie er in Teilen des chalkedonischen Lagers das Vertrauen in seine Rechtgläubigkeit verlor. Dabei wird auch berücksichtigt werden, wieso Anthimos demselben Vertrauensverlust zum Opfer gefallen ist und wieso sich der Streit innerhalb des chalkedonischen Lagers gerade an seiner Bischofserhebung entzündet hat. Zum Abschluss soll kurz untersucht werden, wie die Uneindeutigkeit des Glaubens eines Akteurs und besonders des Kaisers zu verstärkten Abgrenzungsbestrebungen führte, sodass sich in der Folge bei jeder theologischen beziehungsweise kirchenpolitischen Annäherung zwischen Chalkedoniern und Miaphysiten in beiden Lagern Widerstände bildeten. Als Justinian 518 erstmals die politische Bühne betrat, profilierte er sich wie sein kaiserlicher Onkel Justin I. als Chalkedonier. Infolge der chalkedonischen Wende nach dem Tod des Anastasios 518 schickte sich der Hof an, die Kirchenpolitik des Anastasios rückgängig zu machen, indem man nun anstatt des umstrittenen Henotikons wieder das Konzil von Chalkedon zur offiziellen Grundlage der Kirchenpolitik machte. Zudem sollte auch die Kircheneinheit mit Rom wiederhergestellt werden. Rom war dem Bekenntnis zu Chalkedon immer treu geblieben und war besonders in den Teilen des chalkedonischen Lagers, die den kirchenpolitischen Kurs des Anastasios nicht mittragen wollten, zur kirchenpolitischen Autorität schlechthin geworden.204 Justin I. und Justinian, der bei den Verhandlungen mit Rom 518/519 direkt beteiligt war, konnten so die prominente Stellung Roms dazu nutzen, um über die Verbindung mit Papst Hormisdas den Chalkedoniern ihre eigene Rechtgläubigkeit unter Beweis zu stellen. Man bedenke an dieser Stelle, dass neben der Formulierung eigener Glaubensbekenntnisse gerade durch die Gemeinschaft mit bestimmten Personen die eigene kirchenpolitische Ausrichtung vermittelt wurde. Durch die Verbindung mit Rom stand sowohl für Kleriker als auch Laien der Glaube Justinians fest. Dies erlaubte ihm auch nach anfänglich skeptischer Haltung gegenüber der theopaschitischen Formel der skythischen Mönche, sich für die im chalkedonischen Lager umstrittene Formel einzusetzen, nachdem sich Vitalian für die Mönche stark gemacht hatte. Die Tatsache, dass Justinian mit Hormisdas in Verbindung stand und dass Vitalian, der sich seit seinem Aufstand zu einer Autorität im chalkedonischen Lager entwickelt hatte, ebenfalls die skythischen Mönche unterstützte, erlaubte es Justinian, für die umstrittene theologische Formel Partei zu ergreifen, ohne gleich selbst in den Verdacht der Häresie zu geraten. Sein Bekenntnis zu Chalkedon wurde aus Sicht mancher Akteure jedoch immer zweifelhafter, nachdem Justinian sich, als er 527 die alleinige Herrschaft angetreten hatte, aktiver in der Kirchenpolitik engagierte. Er machte sich die unklare Stellung Chalkedons zunutze, indem er zwar dem Bischof Epiphanios gegenüber Chalkedon aufnahm, aber in seinen Bekenntnissen der Jahre 527 und 533 das 204 Vgl. hierzu Punkt 5. 3. 2 Die Rolle Roms.
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Konzil nicht explizit erwähnte. Auch mied er darin die direkte Verurteilung der Miaphysiten. Zwar verurteilte er Eutyches und seine Anhänger, doch benannte er keinen der aktiven miaphysitischen Zeitgenossen. Ob dies gegen den Kaiser ausgelegt werden konnte, blieb dem Wohlwollen der verschiedenen chalkedonischen Akteure überlassen. Hinzu kam aber, dass sich Justinian nun die theopaschitische Formel zu eigen machte, die sich zwar ohne Probleme mit der Theologie Kyrills von Alexandreia vereinbaren ließ, die aber bei Anhängern der antiochenischen und der römischen Tradition, die auf der Grundlage des Tomus Leonis den Schwerpunkt auf die Zweiheit der Naturen legte, 205 höchst umstritten war. Während Justinian sich damit prinzipiell noch auf den Boden Chalkedons befand, musste bei einigen Chalkedoniern der Umstand, dass er die Verurteilung der Akoimeten betrieb, erste Zweifel an seiner Rechtgläubigkeit aufwerfen. Die Akoimeten hatten sich in den Jahrzehnten zuvor durch ihren großen Eifer für die chalkedonische Sache ausgezeichnet. Wer mit den Akoimeten zusammenging, zeigte also jedermann, dass er Chalkedonier war. Was war nun von einem Kaiser zu halten, der diese als Nestorianer verurteilte? Dass es Justinian gelang, die Anerkennung seines Glaubensbekenntnisses von 533 und die Verurteilung der Akoimeten durch Rom zu erwirken, konnte ihn davor schützen, dass die von ihm formulierte Theologie direkt von Chalkedoniern angegriffen werden konnte (mit Ausnahme eben der Akoimeten, die sich ihm entgegengestellt hatten). Doch hatte seine Glaubwürdigkeit als Chalkedonier Schaden genommen. Zwar konnte er sich auf Rom als Autorität des Chalcedonense berufen, doch brach er gleichzeitig mit den Akoimeten, die ebenfalls gemeinhin für ihre Chalkedontreue bekannt waren. Zwar konnten diese keine direkte apostolische Sukzession für sich in Anspruch nehmen, doch erlangten sie neben ihrem chalkedonischen Engagement auch durch ihre asketische Lebensweise Autorität. Zudem waren sie in Konstantinopel präsent, wodurch ihr Wirken mehr Einfluss in der Hauptstadt entfalten konnte als die Stellungnahmen Roms. Zwar war der römische Stuhl über einen Apokrisiar in Konstantinopel vertreten, doch dürfte der hohe Vernetzungs- und Organisationsgrad der Akoimeten mit den anderen Klöstern und Klerikern der Stadt diesen einen gewissen Heimvorteil verschafft haben. Das heißt, dass Justinians chalkedonische Ausrichtung nicht mehr durch seine Verbindung mit chalkedonischen Autoritäten gewährleistet werden konnte. Besonders aus Sicht der Anhänger der Akoimeten wird dies der Fall gewesen sein. Hinzu kam, dass Justinian begann nun auch Kontakt mit den Miaphysiten aufzunehmen. Zum einen gewährte er einzelnen miaphysitischen Asketen wie dem Mönch Zooras206 Zugang zum Palast, zum anderen lud er miaphysitische Bischöfe zu direkten Gesprächen ein. Diese Bischöfe sollten sowohl mit chalkedonischen Bischöfen debattieren, als auch die Möglichkeit einer persönlichen Audienz beim Kaiser erhalten.207 Bei der Audienz der Bischöfe beim Kaiser, machte dieser jenen das Angebot, die Kircheneinheit auf der Grundlage der Verurteilung des Diodor 205 Zur Theologie und Ausdrucksweise Leos vgl. ARENS, Sprache. 206 JOH. EPH., Lives, 2, S. 23 (PO 82). 207 Vgl. Punkt 4. 2 Das Religionsgespräch 532.
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von Tarsos, Theodor von Mopsuestia, Theodoret von Kyrrhos und des Briefes des Ibas von Edessa, sowie der Verurteilung des Eutyches und des Nestorios und der Annahme der zwölf Anathematismen Kyrills aufzunehmen.208 Dass es sich bei Theodor, Theodoret und Ibas um Häretiker gehandelt habe, war unter den Chalkedoniern durchaus umstritten. Einige Chalkedonier werden bei diesem Angebot nichts Negatives gefunden haben, während andere darin eine Preisgabe des rechten Glaubens gesehen haben müssen, wenn der Kaiser dazu bereit war, rechtgläubige Theologen einer Gemeinschaft mit den Miaphysiten zu opfern. Das Angebot war also nicht prinzipiell mit dem Bekenntnis zu Chalkedon unvereinbar, es konnte jedoch trotzdem Spannungen erzeugen. Einschränkend muss jedoch an dieser Stelle gesagt werden, dass nicht klar ist, ob die Chalkedonier in der Hauptstadt von diesem Angebot Justinians wussten. Schließlich lud Justinian sogar Severos von Antiocheia, eine der miaphysitischen Führungsgestalten, in die Hauptstadt ein. Wenn man den Glauben einer Person daran bemaß, mit wem sie Umgang pflegte und wen sie verurteilte, dann mussten die Personen, mit denen sich Justinian in den 530er Jahren umgab, den Kaiser aus Sicht einiger Chalkedonier nun mindestens suspekt erscheinen lassen, wenn nicht gar bereits als häretisch. Verstärkt wurde die Unsicherheit seines chalkedonischen Bekenntnisses dadurch, dass auch seine theologischen Ausführungen in seinen Bekenntnissen nicht mehr Eindeutigkeit lieferten. Zwar konnte die theopaschitische Formel als chalkedonisch angesehen werden, wenn auch nicht jeder Chalkedonier dieser Meinung war, doch bot sie keine Möglichkeit der Abgrenzung von den Miaphysiten. Wie bei seiner Haltung bei Theodor, Theodoret und Ibas vertrat Justinian hier eine Position, die dem Bekenntnis zu Chalkedon nicht offen widersprach, aber bei Teilen des chalkedonischen Lagers große Kritik hervorrief. Das heißt, Justinian hatte in den 530er Jahren sein klar chalkedonisches Profil verloren und wurde nur noch in Teilen des chalkedonischen Lagers als rechtgläubig anerkannt. Die Zweifelhaftigkeit eines aufrechten Bekenntnisses zu Chalkedon betraf dabei nicht nur Justinian allein, sondern auch eine Gruppe von chalkedonischen Klerikern, die vor allem die Theologie Kyrills rezipierten und ebenfalls Kontakt mit den Miaphysiten aufnahmen. Zu ihr gehörten unter anderem die chalkedonischen Bischöfe, die 532 am Religionsgespräch teilnahmen. Diese zeigten sich bereit, mit Miaphysiten zu diskutieren und machten ihnen sogar das Zugeständnis, dass es sich bei Dioskoros nicht um einen Häretiker gehandelt habe. Dies konnte zwar einen Beitrag dazu leisten, eine Gesprächsgrundlage mit den Miaphysiten aufzubauen, indem man einem der Bischöfe, den die Miaphysiten in Ehren hielten, den rechten Glauben zugestand. Doch schwächte dies gleichzeitig deren Position im chalkedonischen Lager. Zur Erinnerung, die Selbstvergewisserung, rechtgläubig zu sein, lief nicht nur über die Personen, mit denen man sich in Gemeinschaft befand, sondern auch über die Gruppe von Personen, von denen man sich abgrenzte. Zu dieser Gruppe gehörte in großen Teilen des chalkedonischen Lagers zweifellos Dioskoros. Er war das zentrale Zwischenglied, das die Miaphysiten mit Eutyches verband. Zwar verurteilten die Miaphysiten wie die Chalkedonier Eutyches, doch 208 Vgl. BROCK, Conversations, S. 116.
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hielten die Miaphysiten Dioskoros die Treue, der Eutyches aufgenommen hatte. Es gehörte zum Selbstverständnis der meisten Chalkedonier, Dioskoros als Häretiker zu verurteilen, weil dieser in geistiger Verwandtschaft mit Eutyches gesehen wurde. Außerdem diente die Verurteilung des Dioskoros als Mittel zur klaren Abgrenzung von den Miaphysiten, denen man die Verurteilung des Eutyches nicht abnahm. Wenn nun ein Chalkedonier Dioskoros plötzlich nicht mehr als Häretiker ansah, verlor er ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von den Miaphysiten und weckte nun auch selbst den Verdacht, in geistiger Verwandtschaft zu Eutyches zu stehen. Dieser Gruppe von Chalkedoniern wurde daraufhin von anderen Chalkedoniern, die an der Verurteilung von Dioskoros festhielten, abgesprochen, rechtgläubig zu sein. Stattdessen wurde jenen Chalkedoniern, die Dioskoros nicht als Häretiker ansahen und sogar Umgang mit den Miaphysiten pflegten, vorgeworfen, sich nur zum Schein zu Chalkedon zu bekennen. Das augenfälligste Beispiel hierfür liefern die in der Hauptstadt befindlichen Mönche, die 536 an Papst Agapet schrieben und in ihrem Brief Kleriker erwähnten, die lediglich ihren rechten Glauben vortäuschten, in Wirklichkeit aber Häretiker seien. Als Anführer dieser als besonders bedrohlich empfundenen Gruppe wurde Anthimos ausgemacht. 209 Es ist vielsagend, dass die Mönche im selben Brief die Miaphysiten als „[d]ie vom Wahnsinn des Dioskoros und Eutyches herabgezogenen Aposchisten und Akephalen“210 bezeichnen. Derselbe Ausdruck für die Miaphysiten findet sich im Brief derselben Mönche an den Bischof Menas.211 In der Mitte dieser Gruppe befand sich Anthimos, der 535 zum Bischof von Konstantinopel geweiht wurde. Wenn man seine theologischen Zeugnisse, soweit sie erhalten sind, untersucht, zeigt sich seine theologische und terminologische Nähe zu Kyrill, während er Ausdrücke meidet, die eindeutig mit dem Konzil von Chalkedon in Zusammenhang stehen.212 Gleichzeitig gehörte er zur Gruppe der chalkedonischen Bischöfe beim Glaubensgespräch 532, die Dioskoros zwar verurteilte, weil er Eutyches aufnahm, jenen aber nicht als häretisch ansah. Auch scheint Anthimos mit Severos und den anderen Miaphysiten in der Hauptstadt Umgang gepflegt zu haben. Zwar bekannte sich Anthimos nach seiner Weihe zu Chalkedon, doch mangelte es ihm an Referenzen, die seine Chalkedontreue unter Beweis stellten. Zudem fehlte ihm mit der Anerkennung des Dioskoros als rechtgläubiger Person ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu den Miaphysiten. Dass er mit diesen Umgang hatte, erzeugte bei vielen Chalkedoniern endgültig das Bild, dass er sich nur zum Schein zu Chalkedon bekannte, während sein Umgang mit den Miaphysiten und seine Haltung zu Dioskoros ‚bewies‘, dass es sich bei ihm in Wirklichkeit doch um einen Miaphysiten handelte. Hypatios unterstellte 209 Vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 139, Z. 5–15. 210 Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 137, Z. 9. 211 Vgl. Libellus monachorum ad Menam patriarcham (CPG 9329 (3)) (=ACO III, S. 38–52) hier S. 39, Z. 8–9. 212 Zur theologischen Positionierung vgl. Punkt 5. 1. 3. 2 Zur Person und zum Glauben des Anthimos.
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dem entsprechend dem Anthimos in der vierten Sitzung des Konzils, dass er sein Bekenntnis zu Chalkedon lediglich vorgetäuscht hätte.213 Justinian wiederum folgte dieser Sichtweise in seiner Diataxis, mit der er das Absetzungsurteil gegen Anthimos bestätigte.214 Die syrischen Bischöfe, die das Urteil der Synode bestätigten und an Justinian schrieben, übernehmen ebenfalls diese Ansicht.215 Aus diesen Gründen also, wegen der zunehmenden Ambiguität des Kaisers und einiger chalkedonischer Kleriker formierte sich der Widerstand einer Gruppe von Chalkedoniern, die der Politik Justinians kritisch gegenüberstanden und seinen Mangel an Eifer für den rechten Glauben bemängelten. Zumindest implizieren sie, dass es erst des Einschreitens Agapets bedurft hatte, damit der Kaiser sich endlich dem Schutz des rechten Glaubens und der Kanones widmet und ihre Verletzung ahndet.216 Anstatt aber den Kaiser direkt anzugreifen, konzentrierten sich die chalkedonischen Gegner der justinianischen Kirchenpolitik mit ihren direkten Angriffen auf Anthimos, der wegen seiner unkanonischen Wahl eine ideale Angriffsfläche bot. Dem Kaiser gaben sie wiederum gleichzeitig die Möglichkeit, seine Politik zu korrigieren und sich relativ einfach aus der Affäre zu ziehen. Dazu musste er sich nur von Anthimos trennen. Dies gab dem Kaiser gleichzeitig die Möglichkeit, die Situation so darzustellen, als sei er lediglich der Täuschung des Anthimos erlegen, ohne dass er selbst das Chalcedonense verlassen hätte. Ferner konnte er den Organisatoren des Konzils sein klares Bekenntnis zu Chalkedon unter Beweis stellen, indem er sichtbar und deutlich die Verbindung zu Papst Agapet suchte, der wiederum eine klare Position zu Chalkedon bezog und dadurch einer weiteren Aushöhlung des Chalcedonense Einhalt zu gebieten versprach. Das Bekenntnis zu Chalkedon konnte sich auf vielerlei Weise nach außen kommunizieren lassen, ohne das Konzil oder die auf ihm geprägten Formeln explizit zu nennen. Justinian machte sich dies zunutze, um auf dem Boden des Chalcedonense eine Annäherung zu den Miaphysiten herbeizuführen. Er hatte aber die chalkedonische Interpretierbarkeit seiner Politik dahingehend ausgereizt, dass es ihm nicht mehr gelang, alle Chalkedonier von seiner Rechtgläubigkeit zu überzeugen. Der Grund hierfür wird vor allem darin gelegen haben, dass Justinian sich nicht ausreichend von den Miaphysiten abgrenzte. Denn nicht zuletzt die Feindschaft zu den Miaphysiten, die als Anhänger des Eutyches gesehen wurden, spielte eine entscheidende Rolle für die Konstituierung der eigenen chalkedonischen Identität. Denn wie konnte man Chalkedonier sein, wenn man diejenigen nicht als Häretiker ansah, die Chalkedon verurteilten, oder gar Dioskoros als 213 Vgl. Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169–186) hier S. 178, Z. 31–32; S. 178, Z. 35 – S. 179, Z. 1. 214 Vgl. Nov. 42 (CPG 6877) beziehungsweise Constitutio Iustiniani imp. Contra Anthimum, Seuerum, Petrum et Zoaram (d. 6 m. Aug. a. 536) (CPG 9330) (=ACO III, S. 119–123) hier S. 120, Z. 13–17. 215 Vgl. Libellus episcoporum secundae Syriae ad imperatorum (CPG 9329 (1)) (ACO III, S. 30– 32) hier S. 31, Z. 19–25. 216 Für diese Implikation vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147) hier S. 140, Z. 13–17.
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rechtgläubig betrachteten, wo dieser doch Eutyches angenommen hatte? Die Untersuchung dieser Mechanismen zeigt auch, dass die verschiedenen Akteure des Jahres 536 nicht einfach nur Macht- beziehungsweise Kirchenpolitik betrieben, sondern dass es ihnen tatsächlich um die Wahrung ihres Glaubens ging. Ein weiterer Punkt verdient Beachtung: Die religiöse Uneindeutigkeit, die es in Teilen des chalkedonischen Lagers gab und die dazu führte, dass man mit einem Miaphysiten verwechselt werden konnte, erzeugte bei verschiedenen Chalkedoniern auch ein verstärktes Bedürfnis nach Abgrenzung.217 Denn Chalkedonier zu sein, bedeutete im Umkehrschluss auch kein Miaphysit zu sein. Wenn aber die Verwendung bestimmter theologischer Formeln und die Haltung zu bestimmten Personen nicht ausreichte, einen selbst als chalkedonisch auszuweisen, weckte dies das Bedürfnis, sich an Kriterien zu orientieren, die einen chalkedonischen Gläubigen klar vom Miaphysitismus abgrenzten. Das heißt, die Verurteilung des Nestorios und des Eutyches auf Chalkedon zu akzeptieren, reichte nicht mehr aus. Stattdessen war es nötig, sich auch zur christologischen Formel und dem Tomus Leonis zu bekennen. Auch war es nicht mehr ausreichend, allgemein die Anhänger des Eutyches zu verurteilen, weil die Miaphysiten ebenfalls für sich in Anspruch nahmen, Eutyches zu verurteilen. Stattdessen mussten nun die miaphysitischen Führungsfiguren wie Severos von Antiocheia mit Namen genannt und verurteilt werden. Durch seine Politik in den 530er Jahren hatte Justinian jedenfalls seine Position im chalkedonischen Lager geschwächt. Das Konzil verurteilte 536 mit Anthimos den Mann, der stellvertretend für die Politik Justinians stand und der Kaiser bestätigte in seiner Diataxis dann das Urteil bestätigen und opferte Anthimos, um seine Position im chalkedonischen Lager wieder zu konsolidieren. Durch die volle Anerkennung des Konzils stellte er wieder seine Treue zu Chalkedon unter Beweis und hatte nun die Möglichkeit, seine Kirchenpolitik zu modifizieren, nachdem die Ereignisse von 536 ihm aufgezeigt hatten, dass er seinen Kurs nicht in gleicher Weise fortsetzen konnte. Welche Konsequenzen Justinian aus dem
217 Zu einer ähnlichen Verunsicherung durch die Uneindeutigkeit, die die chalkedonische Theologie in sich bergen konnte, kam es nicht nur im Lager der Chalkedonier. Dass es im Bereich der Chalkedonier verschiedene Strömungen gab, fiel auch den Miaphysiten auf. So unterschied Philoxenos in seinem Kommentar zum Prolog des Johannesevangeliums zwischen Nestorianern und Semi-Nestorianern. Mit der Bezeichnung Semi-Nestorianer spielt er wahrscheinlich auf jene Chalkedonier an, die besonders die Theologie Kyrills von Alexandreia rezipierten und damit den rechten Glauben, wie Philoxenos ihn verstand, näher standen als die anderen von ihm als Nestorianer bezeichneten Chalkedonier. Jedoch sind diese SemiNestorianer laut ihm ebenfalls als Häretiker zu betrachten, weil sie Christus nur im übertragenen Sinne als innerhalb der Dreifaltigkeit stehend betrachten, während sie jedoch von ihm sagen, dass er zwei Naturen hat, vgl. P HILOX., Com. Prol., S. 19 (DE HALLEUX). An anderer Stelle äußerte sich Philoxenos im Zusammenhang mit der theopaschitischen Formel ähnlich und sah in ihren chalkedonischen Anhängern sogar eine besondere Gefahr für die Gläubigen, weil er befürchtete, dass diese Chalkedonier von von einfältigen Gläubigen für Rechtgläubiger (also aus seiner Sicht Miaphysiten) gehalten werden könnten, vgl. P HILOX, Lettre aux moines de Senoun, S. 60–64 (DE HALLEUX).
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Konzil zog und was das für seine nachfolgende Kirchenpolitik bedeutete, soll im Folgenden in einem kurzen Ausblick angerissen werden.
7. Ausblick – Die Reaktion Justinians auf das Konzil 536
7. AUSBLICK – DIE REAKTION JUSTINIANS AUF DAS KONZIL 536 Das Konzil 536 hatte Justinian aufgezeigt, dass eine Annäherung an die Miaphysiten nicht über direkte Verhandlungen zu erreichen war, weder durch direkte Gespräche zwischen dem Kaiser und miaphysitischen Führungsfiguren, noch über anberaumte Gespräche zwischen chalkedonischen und miaphysitischen Bischöfen. Die Konzilsväter von 536 hatten nur zu deutlich gemacht, dass bereits die Anwesenheit beziehungsweise die Duldung der Miaphysiten in der Hauptstadt als Gefährdung des Reiches angesehen wurde.1 Ferner hatte das Beispiel des Anthimos gezeigt, dass jemand, der sich mit Miaphysiten zu persönlichen Gesprächen traf, sofort in ihre Nähe gerückt und verurteilt werden konnte, auch wenn er sich offiziell zu Chalkedon bekannte. Ähnliche Erfahrungen machte bereits Akakios, als er von Rom trotz seines chalkedonischen Bekenntnisses als häretisch angesehen wurde, nachdem er mit Petros Mongos die Gemeinschaft aufgenommen hatte. Und in der Tat kam es nach 536 auch zu keinen direkten Verhandlungen mehr zwischen den Miaphysiten und dem Kaiser. Aus den Ereignissen 536 zog Justinian wohl zwei Lehren: Zum einen musste es ihm erst gelingen einen Konsens innerhalb des chalkedonischen Lagers zu erreichen, bevor ein direktes Zugehen auf die Miaphysiten möglich war. Zum anderen musste der Kaiser neue Wege finden, um mit den Konflikt zwischen Miaphysiten und Chalkedoniern umzugehen und dabei eine Strategie entwickeln, um sich vor Kritik seitens von Bischöfen zu schützen.2 Im Folgenden soll kurz gezeigt werden, wie die Kirchenpolitik Justinians nach 536 zum Teil als Ergebnis von Lehren gesehen werden kann, die er aus dem Konzil 536 gezogen hat. Das betrifft vor allem die kaiserliche Politik in Bezug auf die drei Kapitel und die Einberufung des Konzils von Konstantinopel 553. Wie bereits erwähnt war die Herstellung eines chalkedonischen Konsens’ die Voraussetzung für einen erneuten Annäherungsversuch an die Miaphysiten. Denn solange das chalkedonische Lager in sich gespalten war, bestand die Gefahr, dass eine Fraktion innerhalb des Chalcedonense versuchen konnte, die kirchenpolitischen Aktivitäten einer anderen vom Kaiser begünstigten Fraktion zu sabotieren, so wie es 536 geschah. Vielleicht sah sich Justinian deshalb dazu veranlasst, sich verstärkt um die Einheit innerhalb des chalkedonischen Lagers zu bemühen, indem er sich Dingen widmete, die im chalkedonischen Lager umstritten waren. Dies betraf zum einen die zwölf Anathematismen Kyrills, die wenn sie auch im 1 2
Siehe die angeführten Stellen bei Punkt 5. 2. 3. 1 Die Unzufriedenheit der chalkedonischen Kleriker mit dem bisherigen Kurs Justinians. Auch Hasse-Ungeheuer spricht von einer Modifikation aber Beibehaltung seines Annäherungskurses an die Miaphysiten nach 536, vgl. HASSE-UNGEHEUER, Mönchtum, S. 210.
7. Ausblick – Die Reaktion Justinians auf das Konzil 536
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größten Teil des chalkedonischen Lagers anerkannt wurden, bei einigen eher antiochenisch ausgerichteten Chalkedoniern auf Skepsis stießen. Die zwölf Anathematismen als Grundlage einer theologischen Annäherung an die Miaphysiten zu gebrauchen, war keine neue Idee. Bereits das Henotikon nahm sie auf und auch Justinian behielt diese Strategie bei, indem er 532 gegenüber den miaphysitischen Bischöfen eine Einigung unter anderem auf Grundlage der Anathematismen vorschlug. Nun war es aber angezeigt, bevor erneut ein solcher Versuch unternommen werden sollte, zuerst die Anathematismen bei allen Chalkedoniern als verbindlich durchzusetzen, um eine theologische Annäherung an die Miaphysiten zu erreichen. Dabei war es deshalb wichtig einen Konsens unter den Chalkedoniern in dieser Frage durchzusetzen, um zu verhindern, dass eine Gruppe von Chalkedoniern einen theologischen Vorstoß des Kaisers zu Gunsten der Anathematismen als Annäherungsstrategie an die Miaphysiten darstellt. Wohl aus diesem Grund ließ Justinian die Anathematismen, nachdem sie bereits des Öfteren Teil kaiserlichen Kirchenpolitik wurden schließlich von Konzil von Konstantinopel 553 kanonisieren, wodurch allen Chalkedoniern der Boden für eine Kritik an die Anathematismen entzogen wurde. Eine weitere innerhalb des chalkedonischen Lagers umstrittene Frage war der Umgang mit mehreren Theologen der antiochenischen Schule: Diodor von Tarsos, Theodor von Mopsuestia, Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa. Gerade die letzteren beiden wurden immer wieder zum Angriffspunkt miaphysitischer Kritik gegen Chalkedon. Zuletzt im Religionsgespräch 532 hatten die miaphysitischen Bischöfe die Rechtgläubigkeit der Konzilsväter von Chalkedon mit dem Argument angegriffen, dass auf Chalkedon Theodoret rehabilitiert und der Brief des Ibas als rechtgläubig angesehen worden war.3 Und auch im chalkedonischen Lager war Theodoret umstritten. Dies zeigte sich unter anderem an dem Skandal, der ausgelöst wurde, als während der Amtszeit Pauls des Juden eine Prozession zu Ehren Theodorets stattfand.4 Einige Chalkedonier zeigten sich darüber empört. Die Veranstalter der Prozession hingegen, die ebenfalls Chalkedonier waren, sahen Theodoret als rechtgläubig an. Das Festhalten an Theodoret, oder auch Theodor erwies sich als Hindernis bei allen kirchenpolitischen aber auch theologischen Annäherungsversuchen mit den Miaphysiten.5 Gab man sie den Miaphysiten aber ohne vorherige Klärung innerhalb des chalkedonischen Lagers preis, setzte man sich der Gefahr aus, von Teilen des chalkedonischen Lagers als Miaphysit angesehen zu werden. Es mussten also auch hier Maßnahmen ergriffen werden, um das chalkedonische Lager hinter einer gemeinsamen Position zu versammeln, 3 4 5
Vgl. BROCK, Conversation, S.98–104. Für eine detailliertere Auseinandersetzung siehe Punkt 3. 5. 1 Die Durchsetzung der formula Hormisdae im Osten. Dies soll jedoch nicht heißen, dass die Frage um den rechten Umgang mit Theodoret oder Theodor, (nur) unter strategisch-kirchenpolitischen Erwägungen gestellt wurde. Vielmehr muss man den Chalkedoniern, die stärker Kyrill von Alexandreia rezipierten, zu Gute halten, dass sie Theodoret und Theodor tatsächlich aus echten theologischen Erwägungen beziehungsweise Argumenten heraus als häretisch ansahen und es ihnen nicht lediglich darum ging, eine Grundlage für eine Annäherung an die Miaphysiten zu schaffen.
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7. Ausblick – Die Reaktion Justinians auf das Konzil 536
bevor man sich an erneute Wiedereingliederungsversuche der Miaphysiten heranwagen konnte. Erste Wegbereitungen konnten durch Gesetze geschaffen werden, wie das Gesetz gegen die drei Kapitel 544/45 zeigt. 6 Doch hatten sowohl die Ereignisse 536 als auch der Widerstand innerhalb des chalkedonischen Lagers bezüglich der drei Kapitel gezeigt, dass Justinian umstrittene theologische Positionen nicht mit als Gesetze erlassenen Glaubensbekenntnissen allein durchsetzen konnte. Das heißt, er musste sich um einen Konsens unter den Anhängern Chalkedons bemühen und diesen institutionell absichern, sodass dieser nicht wieder aufgebrochen werden konnte. Dies führt zur zweiten Lehre Justinians aus dem Konzil 536: es war nötig, die eigenen kirchenpolitischen Positionen vor Angriffen seitens von Klerikern zu schützen. Durch die Einberufung eines Konzils 536 und die dortige Evozierung eines ökumenischen Anspruchs mag dem Kaiser die Einberufung eines ökumenischen Konzils als mögliche Handlungsoption erscheinen sein. Traditionell pochten gerade die konservativsten Chalkedonier, die das größte Hindernis einer theologischen Annäherung an die Miaphysiten darstellten, darauf, dass allein die ökumenischen Konzilien maßgeblich seien.7 Und es waren auch diese theologisch konservativen und kirchenpolitisch konfrontativen Kreise, die hinter dem Konzil 536 standen und ihm einen ökumenischen Anstrich geben wollten, um ihre Position zu stärken. Ein ökumenisches Konzil war institutionell nicht anzugreifen. Vielleicht hat das dazu geführt, dass Justinian sich entschied, seine Politik bezüglich der drei Kapitel und der zwölf Anathematismen über ein ökumenisches Konzil abzusichern und so vor innerchalkedonischen Angriffen zu schützen. Einmal einberufen und anerkannt versprach ein Konzil auch eine größere theologische Beständigkeit. Die theologische und kirchenpolitische Positionen des Patriarchen von Konstantinopel etwa konnten sich mit einem Bischofswechsel oder während der Amtszeit des Patriarchen ändern, wie die Vergangenheit gezeigt hatte. Ähnlich verhielt es sich mit Rom. 8 Und selbst auf die Wahl des Patriarchen Einfluss zu nehmen, konnte dabei eine Zustimmung zum kaiserlichen Kurs nicht garantieren, da der Bischof der Hauptstadt auch dem Druck anderer vom Kaiser deutlich schwerer zu kontrollierender Kräfte ausgesetzt war. Schon Anastasios hatte den Fehler begangen, sich einseitig auf den Bischof von Konstantinopel zu stützen, der jedoch nicht aus eigener Machtvollkommenheit heraus handeln konnte und auf sein Umfeld Rücksicht nehmen musste. Das Austauschen unliebsamer Bischöfe brachte deshalb Anastasios nicht viel weiter. 6
7 8
Vgl. In damnationem trium capitulorum (CPG 6881). Das Gesetz ist jedoch nur fragmentarisch erhalten. Vgl. S CHWARTZ, Sammlungen, S. 73–81. Ferner verfasste Justinian einen Brief in dieser Frage, vgl. I USTINIAN, Epistula contra tria capitula (CPG 6882), in: S CHWARTZ, Dogmatische Schriften, S. 47–69. Ähnlich hatten auch die Legaten Roms bei ihrer Gegnerschaft zur theopaschitischen Formel argumentiert. Nicht ohne Grund ersuchte Justinian von Papst Agapet eine erneute Bestätigung der theopaschitischen Formel, nachdem Papst Johannes II. ihr bereits zugestimmt hatte. Anscheinend schien es Justinian nicht ausgemacht, dass das römische Urteil zur Frage der theopaschiti schen Forme endgültig war.
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Auch brach die kirchenpolitische Ordnung des Kaisers nach seinem Tod sofort zusammen, weil die von ihm eingesetzten Bischöfe Timotheos und Johannes II. allein nicht die Autorität besaßen, die Position des Anastasios durchzusetzen. Einen ähnlichen Fehler beging dann Justinian mit Anthimos, der die justinianische Kirchenpolitik durchsetzen sollte, jedoch nicht den nötigen Rückhalt im Klerus und Mönchtum Konstantinopels besaß, was schließlich zu seinem Sturz führte. Allerdings hatte sich Justinian aber nicht allein auf den Bischof der Kaiserstadt gestützt, sondern sich etwa in der theopaschitischen Frage auch um die Unterstützung Roms bemüht. Wenn es dem Kaiser also gelänge, seine kirchenpolitische Linie auf einem Konzil für verbindlich zu erklären, galten die entsprechenden theologischen Positionen auch nach Bischofswechseln in Rom oder Konstantinopel. Zudem war einer klerikalen Opposition die Grundlage entzogen, kaiserliche Gesetze in Zusammenhang mit theologischen Fragen Mittels der eigenen geistlichen Autorität oder durch Berufung auf kirchliche Institutionen und Kanones anzugreifen. Bezüglich dieser Gefahr sei an die auf dem Konzil 536 zitierten Briefe des Papstes Hormisdas erinnert, die für die Position stritten, dass es nur den Klerikern gebühre zu lehren, während Laien nur lernen sollten. Die Bischöfe und Mönche, die hinter dem Konzil 536 standen, machten sich diese Autorität des Konzils zu Nutze, um die Kirchenpolitik des Kaisers zu kritisieren. Und kein Bischof hätte sich über das Konzil erheben können, ohne dadurch als Miaphysit gebrandmarkt zu werden. Es wurde von Rom, Konstantinopel, Antiocheia und Jerusalem anerkannt und auch vom neu eingesetzten chalkedonischen Patriarchen von Alexandreia. Vielleicht hatte sich Justinian deshalb dazu entschieden, den Dreikapitelstreit durch ein ökumenisches Konzil beizulegen, obwohl sich ökumenische Konzilien in der Vergangenheit eigentlich nicht dadurch ausgezeichnet hatten, Streitigkeiten in der Kirche endgültig zu beenden. Doch zeigte das Konzil 536, dass wenn der Kaiser kein Konzil einberief, zum Beispiel weil er dies nicht für zielführend erachtete, sich trotzdem eines auf Initiative der Bischöfe formieren konnte und dies nur schwierig durch den Kaiser zu unterbinden war. Deshalb musste Justinian nach den Erfahrungen von 536 die Einberufung eines Konzils immer als mögliches Instrument im Hinterkopf behalten, das auch gegen ihn eingesetzt werden konnte. Möglicherweise schickte er sich 553 deshalb an, selbst ein solches Konzil einzuberufen, wobei er diesmal den genauen Ablaufplan bereits vorher festlegte, damit das Konzil möglichst widerstandslos in der Dreikapitelfrage die kaiserliche Position bestätigte. Durch die Einberufung eines Konzils 553 konnte der Kaiser so auch der Kritik entgehen, die 536 gegen Laien und damit auch indirekt gegen ihn geäußert wurde. Dies soll nicht heißen, dass Justinian direkt nach dem Jahr 536 plante, seine Kirchenpolitik mit Hilfe von Konzilien durchzusetzen und sich früh an die Planung eines ökumenischen Konzils machte. Schließlich vergingen zwischen dem Konzil 536 und dem Konzil des Jahres 553, das letztendlich als fünftes ökumenisches in die Geschichte einging, 17 Jahre. Sondern die Erfahrungen des Jahres 536 machte die Einberufung eines ökumenischen Konzils zur Klärung des Drei-
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kapitelstreits zu einer Handlungsoption, die der Kaiser womöglich sonst nicht in Betracht gezogen hätte, ihm aber eingedenk seiner Rückschläge in der Kirchenpolitik als notwendig erschien. Aber nicht nur die Einberufung eines ökumenischen Konzils kann als Reaktion auf die Erfahrungen des Konzils 536 gewertet werden, sondern auch die ab den 540ern einsetzende stärkere Beschäftigung des Kaisers mit theologischen Fragen, die sich durch das Abfassen eigener theologischer Schriften auszeichnete. Auf dem Konzil 536 wurde über die Zitierung der Briefe des Hormisdas die Einmischung von Laien in Dingen der Lehre kritisiert. Die selbstständige Beschäftigung Justinians mit theologischen Dingen, lieferte ihm zwei Vorteile: Zum einen konnte er, wenn er als theologischer Fachmann agierte, vielen Bischöfen auf Augenhöhe begegnen und erschien nicht mehr als einfacher Laie (wobei der Kaiser ohnehin immer eine herausgehobene Stellung besaß). Eine ähnliche Strategie verfolgte Justinian bereits im Zusammenhang mit Asketen, die ihm offen widersprachen. Diesen begegnete er mit herausgestellter Frömmigkeit und Demut, anstatt gegen sie vorzugehen. Durch diese allen sichtbare Demut konnte er das „Frömmigkeitsgefälle“ zwischen sich und dem Asketen verringern.9 Eine ähnliche Funktion könnte sein eigenständiges Verfassen theologischer Texte erfüllt haben. Zwar blieb Justinian Laie, doch konnte er durch seine theologische Sachkenntnis mit Bischöfen mithalten und ihnen so einfacher widersprechen und Gegenargumente anführen. Ferner wurde er unabhängiger von theologischen Beratern. Und dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen erlaubten ihm seine eigenen theologischen Kenntnisse die Schriften anderer Theologen zu verstehen und zu bewerten. Zum anderen konnten seine theologischen Schriften10 schwieriger angegriffen werden als die eines Theologen, der vom Kaiser unterstützt wurde. Dies heißt jedoch nicht, dass Kritik vollständig ausblieb, wie die Kontroverse um die drei Kapitel zeigte. Es machte sie jedoch unwahrscheinlicher. Der Fall Anthimos hatte ja gezeigt, dass ein Bischof, selbst wenn er vom Kaiser eingesetzt wurde und er die kaiserliche Linie vertrat, trotzdem noch der Häresie bezichtigt werden konnte. Die kaiserliche Unterstützung konnte man argumentativ dadurch unterlaufen, indem man dem Beschuldigten vorwarf, den Kaiser getäuscht zu haben. Auf diese Weise konnte man 9 Vgl. LEPPIN, Power, S. 163. 10 Im Dreikapitelstreit betraf dies Justinians Brief gegen die drei Kapitel, vgl I USTINIANUS, Epistola contra tria capitula (CPG 6882). In Bezug auf die Miaphysiten blieb Justinian auf der Linie des Konzils 536. Er gab seine im Religionsgespräch vertretene Position auf, dass Dioskoros kein Häretiker war, und warf ihm in seinem Werk gegen die Miaphysiten vor, Anhänger des Apollinarios zu sein. Damit bezog er sich einerseits auf die Verurteilung des Eutyches und Dioskoros durch Kaiser Markian als apollinaristische Häretiker und andererseits griff er die Anspielungen der auf dem Konzil 536 anwesenden Mönche auf, die eine Parallele zwischen den Aktivitäten der Miaphysiten in den 530ern und denen der Apollinaristen zur Zeit Gregors von Nazianz herstellten. Zur Verurteilung durch Markian vgl. C OD. IUS. I, 5, 8; zur Haltung Justinians im Religionsgespräch vgl. B ROCK, Conversations, S. 108; Zur geänderten Meinung zu Dioskoros vgl. IUSTINIANUS, Contra Monophysitas, S. 28, Z. 13–18 (SCHWARTZ) (CPG 6878); zu den Anspielungen der Mönche auf die Apollinaristen vgl. Libellus monachorum ad Agapetum (CPG 9325 (3)) (=ACO III, S. 136–147).
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einen Protegé des Kaisers angreifen, ohne sich als Gegner des Kaisers zu exponieren. So waren auch die Konzilsteilnehmer 536 vorgegangen.11 Wenn nun jedoch der Kaiser selbst theologische Texte verfasste, ergab sich für mögliche oppositionelle Kleriker diese Angriffsmöglichkeit nicht mehr. Wer jetzt die entsprechenden Ausführungen kritisierte, kritisierte automatisch auch den Kaiser, was eine gewisse Hürde für Kritik schuf. Dies heißt nicht, dass Justinian seine Frömmigkeit und ein tatsächliches theologische Interesse automatisch abzusprechen wären, doch wäre die Tatsache, dass Justinian erst nach 536 verstärkt auf diesem Gebiet tätig wurde, zumindest als Indiz zu werten, dass das Abfassen eigener theologischer Schriften auch durch das Konzil 536 und die darauf geäußerte Kritik gegen Laien angestoßen worden ist.12
11
Sie bezichtigten Anthimos, Chalkedon nur zum Schein aufgenommen und damit alle getäuscht zu haben, vgl. Libellus episcoporum secundae Syriae ad imperatorum (CPG 9329 (1)) (ACO III, S. 30–32) hier S. 31, Z. 19–25; sowie Actio IV (CPG 9328) (=ACO III, S. 169– 186) hier S. 178, Z. 31–32; Z. 35 – S. 179, Z. 1. Diese Lesart übernahm auch Justinian, vgl. Nov. 42 (CPG 6877) beziehungsweise Constitutio Iustiniani imp. Contra Anthimum, Seuerum, Petrum et Zoaram (d. 6 m. Aug. a. 536) (CPG 9330) (=ACO III, S. 119–123) hier S. 120, Z. 12–17. 12 Man könnte zuletzt noch auf die Verstärkte Sakralisierung Justinians hinweisen, die dazu dienen sollte, ihn vor Kritik zu schützen und ihm half die offene Flanke zu verteidigen, die ihm das Konzil 536 gezeigt hatte. Doch liegt der Grund für die verstärkte Betonung seiner Sakralität meiner Meinung nach weniger bei dem Konzil – weshalb dieser Punkt hier ausgespart bleibt – als vielmehr den negativen Ereignissen, den Naturkatastrophen, der Pest und den au ßenpolitischen Misserfolgen ab den 540er Jahren. Ausführlich hat sich Mischa Meier damit auseinandergesetzt, vgl. MEIER, Zeitalter.
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Im Jahr 536 wurde in Konstantinopel ein Konzil einberufen, auf dem Anthimos, der Bischof der Hauptstadt, nach nur einem Jahr Amtszeit abgesetzt und zahlreiche Bischöfe mit ihm als Häretiker verurteilt und aus der Stadt verbannt wurden. Bei diesem Ereignis handelte es sich um die jüngste Eskalation in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen, die nach dem Konzil von Chalkedon 451 die Kirche erschütterten – es sollte sich als Wendepunkt in der Kirchenpolitik Justinians (527–565) erweisen. Patrick Brimioulle rekonstruiert den genauen Ablauf des Konzils, seine Organisation und sein Verhältnis zur bisherigen kaiserlichen Kirchenpolitik sowie seine Einbettung in die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen seiner Zeit. Brimioulle untersucht die gesellschaftlichen Dynamiken bei religiösen Streitigkeiten und beleuchtet damit erstmals die kirchenpolitischen Verwicklungen auch aus sozialgeschichtlicher Perspektive. Im Zentrum steht dabei, wie es zur Ausformung einer spezifischen eigenen Identität und zur Bildung unterschiedlicher Parteien unter Bischöfen, Mönchen und gewöhnlichen Gemeindemitgliedern kam.
ISBN 978-3-515-12666-3
9
7835 1 5 1 26663
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