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German Pages [488] Year 1977
HAMPE · DAS HOCHMITTELALTER
Bamberger
Kaiser Otto III. Evangeliar Ottos III. um 1000
KARL H A M P E
DAS HOCHMITTELALTER G E S C H I C H T E DES A B E N D L A N D E S VON 900 BIS 1250
mit einem Nachwort von Gerd Tellenbach
6. Auflage
Φ 1977
BÖHLAU VERLAG
KÖLN
WIEN
QP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Hampe, Karl Das Hochmittelalter: Geschichte d. Abendlandes von 9 0 0 - 1 2 5 0 . - 6. Aufl. - Köln, Wien: Böhlau, 1977. ISBN 3-412-04676-0
Copyright © 1977 by Böhlau-Verlag GmbH, Köln Alle Rechte vorbehalten Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Werk unter Verwendung mechanischer, elektronischer und anderer Systeme in irgendeiner Weise zu verarbeiten und zu verbreiten. Insbesondere vorbehalten sind die Rechte der Vervielfältigung — auch von Teilen des Werkes — auf photomechanischem oder ähnlichem Wege, der tontechnischen Wiedergabe, des Vortrags, der Funk- und Fernsehsendung, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, der Übersetzung und der literarischen oder anderweitigen Bearbeitung Printed in Germany Druck: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Buchbinderische Verarbeitung: Josefs-Druckerei, Bigge-Olsberg ISBN 3 412 04676 0
AUFSTIEG DEUTSCHLANDS ZUR HEGEMONIESTELLUNG
Eine transzendental orientierte Weltanschauung wie die der christlichen Religion, verkörpert in einer kirchlichen Heilsanstalt, die über den Zugang zum höchsten Ziel alles menschlichen Strebens verfügte, mußte mit zwingender Logik zur hierarchischen Oberleitung fähren, sobald jene Weltanschauung wirklich in Fleisch und Blut der Völker eingedrungen war. Eben hiervon aber war das Abendland um das Jaht 900 noch ein gut Teil entfernt. Wohl war der aus dem Orient übernommene Glaube in den maßgebenden Gebieten Europas nicht zum wenigsten durch abergläubische Furcht vor dem Eingreifen übermenschlicher Mächte zur Herrschaft gelangt, jedoch die Anpassung des artfremden Gewächses an den neuen Boden war noch keineswegs vollendet. Antikes Wesen, reichlich eingemauert in den Bau der Kirche, machte sich in den alten Kulturgebieten des Südens und Westens auch daneben widerspruchsvoll genug geltend, konnte bald doch selbst ein Papst beim Würfelspiel die alten Gottheiten Jupiter und Venus anrufen! Im Osten und Norden fügte sich die in Diesseitsfreude und Selbstbehauptungsdrang noch ungebrochene Kraftnatur der Germanen trotz der Verschmelzungsmöglichkeit, wie sie etwa der Heliand zeigte, nur widerstrebend dem weltentsagenden und friedfertigen Jenseitsglauben, wofern sie ihm, wie in den skandinavischen Ländern, nicht überhaupt noch ablehnend gegenüberstand. Christentum, Antike und Germanentum hatten sich noch nicht zu einer neuen abendländischen Kultureinheit durchdrungen. So lange aber konnte die Leitung der Völkergeschicke nicht einer geistlichen Spitze zustehen, sondern nur einer weltlichen Macht. Der vorgreifende, die normale Entwicklung der Stammstaaten überfliegende Versuch Karls des Großen, das Abendland unter seiner theokratisch gefärbten Monarchie, in der die Interessen von Reich und Kirche auf einen Nenner gebracht waren, zu vereinigen, hatte seine geniale Persönlichkeit nicht lange überdauert, wenn er auch von jahrtausendlanger Nachwirkung blieb. Rascher noch war das Streben des Papstes Nikolaus I. und seiner Nachfolger, in der allgemeinen Zersetzung der Gewalten die abendländische Leitung der höchsten geistlichen Autorität zu sichern, an ihrer irdischen Ohnmacht gescheitert. Noch gebührte in diesem eisernen Zeitalter der Vorrang dem Schwerte. Aber auch dieses war stumpf geworden; denn über
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ZERKLÜFTUNG DES REICHES
die dynastischen Teilungen hinaus trieb die innere Struktur des fränkischen Reiches, die Verbindung von aristokratischer Grundherrschaft mit dem die Staatsämter überwuchernden und zur Erblichkeit drängenden Lehnwesen auf wachsende Zerklüftung des Reiches in immer kleinere Kreise hin. Das war es, was eine Kräftezusammenfassung selbst zur Abwehr von an sich viel schwächeren, aber behenderen und rücksichtsloser zugreifenden Feinden immer untunlicher gemacht und allenthalben einen Zustand willenloser Duldung der furchtbarsten Peinigungen hervorgerufen hatte. Solche Drangsale trafen so ziemlich in gleichem Maße alle Hauptteile des Karolingerreiches. Waren die Küsten Italiens und Burgunds den Piratenfahrten der Sarazenen, die bereits Sizilien und Sardinien beherrschten, fast widerstandslos preisgegeben, so hatten die Ströme Westfranziens die nordischen Wikingerscharen nicht nur in die Mündungsgebiete, sondern bis tief ins Land hineingeführt; an der unteren Seine um Rouen setzten sie sich sogar dauernd fest, erlangten unter ihrem zum Christentum übertretenden Herzog Rollo in sehr lockerer Lehnsabhängigkeit 911 die Anerkennung des karolingischen Königs Karls des Einfältigen und dehnten ihr Gebiet, „die Normandie", längs des Meeres westlich bis zur bretonischen Mark aus. Demgegenüber war das ostfränkische Reich trotz der Grenzkämpfe mit Dänen und Slawen zwar während des 9. Jahrhunderts weniger in Mitleidenschaft gezogen worden; nun aber war es den verheerenden Plünderungszügen der aus dem alten Pannonien hervorbrechenden Reitermassen der wilden Ungarn neben der Lombardei am meisten ausgesetzt, wenn sich deren Hüten wiederholt auch noch weiter gegen Westen und Süden ergossen. Unerträgliche Bedrängnisse von außen können bei einem lebensmutigen Volke zu geschlossenem Emporraffen führen; bei weitgehender Erschlaffung jedoch steigern sie nur durch Mißmut und Beschuldigungen, durch Herausbildung lokaler Notwehrorganisationen die innere Zersplitterung. Eben dies schien das Los der Bevölkerungen aller Teile des Karolingerreiches sein zu sollen. Die Reste der alten Dynastie waren allenthalben entartet und von einer bodenhungrigen Aristokratie zwangsläufig ihrer Machtgrundlage beraubt, eben wegen dieser Schwäche dann wohl von emporstrebenden Prätendenten, die sich statt des Erbrechtes auf die Wahl der Großen stützten, bekämpft, ohne daß es zu klaren Entscheidungen gekommen wäre; die Aristokratie in sich gespalten: die geistliche in den wilden Zeitläuften arg verweltlicht, noch immer reich mit Besitz ausgestattet, aber darin ohne königlichen Schutz den Übergriffen des Laienadels ausgesetzt, auch die Klöster nur hier und da mit Mühe als Stätten älterer Kulturüberlieferung behauptet;
WESTEN UND SÜDEN
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die Masse der freien Bauein überwiegend als Hintersassen in wirtschaftliche Abhängigkeit von Grundherren geraten und ohne Einfluß auf die öffentlichen Geschicke; Handel und Verkehr nach dem Aufschwung karolingischer Blütezeiten durch das allgemeine Chaos völlig gelähmt. Von diesem Gesamtbilde wichen die einzelnen Länder nur durch Gradunterschiede ab. In den Gebieten des alten Galliens war der langsam sich vollziehende Prozeß der Rassen- und Kulturmischung für die keltischen, römischen, baskischen, gotischen, burgundischen, fränkischen und nun auch normannischen Elemente noch keineswegs zürn Abschluß gekommen. Auch darin lagen Hemmungen fur die politische Zusammenfassung. Sieht man von den völlig losgetrennten Königreichen Hoch- und Niederburgund ab, so wurde der westfränkische König dem Namen nach zwar noch von der Scheidemündung bis Barcelona als Oberherr anerkannt. Indes der ganze vom Bogen der Loire umspannte Süden ging tatsächlich auf Jahrhunderte seine eigenen Wege. Und selbst im Norden entzogen sich nicht nur die großen, geschlossenen Gebiete der Bretagne und Normandie, des Herzogtums Burgund und der Grafschaft Flandern nahezu gänzlich dem lehnsherrlichen Einfluß, sondern auch in dem engeren Franzien hatten die letzten Karolinger einen harten Stand gegenüber dem Unabhängigkeitsstreben kräftiger Grafen und im Ringen mit Prätendenten um die Krone. Aus solcher Zerklüftung konnte noch auf lange keine führende Macht Europas erwachsen. Viel weiter aber noch gingen Zerklüftung und Zerrüttung auf der Apenninenhalbinsel, wo mit Italikern und Langobarden Provenzalen und Süddeutsche, Griechen und zeitweilig gar Sarazenen um Besitz und Herrschaft rangen. Der Süden wäre für eine Politik größeren Stils nur in Betracht gekommen, wenn die Byzantiner vermocht hätten, der kleinen Territorialgewalten, in die das langobardische Herzogtum Benevent zerfallen war, dauernd Herr zu werden und in die Bahnen Justinians zurückzulenken. In Rom war das Papsttum trotz vorübergehender Erfolge Johanns X. über die Sarazenen (915) aus stolzer Höhe in tiefsten Verfall gesunken, eine Beute des von schamlosen Weibern beherrschten Adels, ein Spielball der mittel italischen Fürsten von Spoleto und Tuszien. Der Kaisertitel, der an sie oder lombardische Parteihäupter fränkischer Abstammung noch immer von Zeit zu Zeit verliehen wurde, bezeugt zwar das. Fortleben der Idee, konnte aber, wie die Dinge lagen, nur als Hohn erscheinen, um das Mißverhältnis zwischen Ansprüchen und Ohnmacht grell zu beleuchten. Das eigentliche Streitobjekt der kleinen Dynasten war die lombardische Ebene; aber wie jene von ihren Adelsgenossen erhoben und eine Weile gegen Hingabe von Besitz und
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OSTFRÄNKISCHES REICH
Rechten gefördert wurden, so sahen sie sich nur zu bald im Stich gelassen und gestürzt, wenn ihre Taschen leer wurden und von einem neuen Prätendenten bessere Beute winkte. So trug dieser ganze Machtkampf, in den auch die Herrscher der benachbarten Landschaften Hoch- und Niederburgund, Schwaben und Baiern hineingezogen wurden, letzten Endes nur dazu bei, die Zersplitterung der Gewalt zu steigern, neben der Förderung des Laienadels aber auch die Herrschaft der Bischöfe über ihre aus Grafschaft und ländlicher Umgebung herausgehobenen Städte, denen die Zukunft gehörte, zu begründen. Wenn es endlich (926) dem provenzalischen Grafen Hugo von Vienne, der mütterlicherseits karolingischer Abstammung war, mit diplomatischem Geschick gelang, sich in der Königswürde über den Umfang des ehemaligen langobardischen Reiches zwei Jahrzehnte zu behaupten, so vermochte er seine Herrschaft doch nicht über Rom oder gar zu einem italischen Einheitsreiche auszudehnen. Und sein auf burgundische Beamten gestütztes Fremdregiment, das mit allen mittelstarken Zwischengewalten aufzuräumen suchte, hatte mit so heftigen inneren Widerständen zu rechnen, daß es jederzeit zusammenbrechen konnte und für umfassendere abendländische Pläne keinen Raum ließ. Das ostfränkische Reich teilte mit den beiden anderen Ungarnnot, innere Zerklüftung und Agonie des karolingischen Hauses, das hier freilich noch in Kaiser Arnulf einen bis zu seiner Erkrankung kräftigen Herrscher von universaler Stellung hervorgebracht hatte. Indessen die nahezu völlige Geschlossenheit des germanischen Volkstums, die in junger Kultur ungebrochene kriegerische Kraft, die namentlich gegen Norden und Osten ein Betätigungsfeld für große christliche Aufgaben vor sich hatte, und der immerhin noch geringere Grad feudaler Zersetzung gaben diesem Teil des früheren Gesamtreiches einen Vorsprung vor den andern. Und hier lief der Zersplitterungsprozeß nicht auf ein mehr oder weniger zufälliges, unorganisches Spiel von Kräften des Laienadels und der kirchlichen Hierarchie hinaus; vielmehr: indem die Reichsteile einen Ersatz für den mangelnden Königsschutz suchten, schlossen sich mit Ausnahme von Friesen und Thüringern die in Recht, Sprache und Heerwesen noch ihre Eigenart bewahrenden Stämme: Franken und Lothringer ( = Rheinfranken), Sachsen, Schwaben und Baiern zusammen und schufen sich in neuen Herzogsgewalten autonome Vertretungen. Militärische Führung und Friedenswahrung, starker Grundbesitz, Einfluß auf Stifter und Klöster und durch Vereinigung mehrerer Grafschaften in eigner Hand ausgedehnte Gerichtsbarkeit waren allenthalben die Hauptquellen ihrer eigenständigen Kraft, die leicht zu dauernder Sprengung des
KONRAD I., HEINRICH I.
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ostfränkischen Reichskörpers fuhren konnte. In der Tat, als hier 911 mit dem Tode Ludwigs des Kindes die karolingische Linie erlosch, schwenkte das aus dem Mittelreiche her angegliederte Lothringen vom Osten ab und erkannte das Erbrecht des westfränkischen Karolingers an. Jedoch die übrigen Stämme, durch generationenlange Abzweigung, Sprache und Art vom Westen geschieden, vor einer Auflösung ihres Sonderverbandes aber durch Feindesnot gewarnt, einigten sich zur Königswahl des Frankenherzogs Konrad. Erst von da ab war die Idee eines Fortbestandes des alten fränkischen Gesamtreiches ausgelöscht. Bezeichnete man auch das neue Gebilde weiterhin als „regnum Francorum" oder nach seinen einzelnen Stämmen, so darf man fortan doch von einer „deutschen" Geschichte sprechen. Allerdings stellt das Königtum Konrads I. (911—918) noch keine Neugründung und Festigung dar, sondern nur eine kurze Übergangsperiode. In dem wilden Ringen zwischen weltlicher und geistlicher Aristokratie, das damals das Reich durchtobte, suchte er mit spätkarolingischen Regierungsmethoden die kirchliche Hierarchie, deren festgefügter Verband allein noch das sichere Rückgrat der Reichseinheit zu bieten schien, zu schützen vor dem Lose, das sie im Westen bereits getroffen hatte: Besitz und Reichsunmittelbarkeit an die Feudalgewalten zu verlieren. Bald mit den Waffen, bald mit geistlicher Autorität (seit der Synode von Hohenaltheim 916 sogar unter päpstlicher Förderung) ging er gegen die angemaßte Autonomie der Herzöge, aus deren Reihe er selbst hervorgegangen war, vor. Aber es war ein Verzweiflungskampf, denn die Machtgrundlage des durch inneren Streit geschwächten Herzogtums Franken war für solche Aufgabe viel zu schmal. Daß er selbst diese Einsicht gewann und daher den Fürsten sterbend nicht etwa seinen Bruder, sondern den stärksten seiner Gegner, den letzthin freilich weniger feindlich zu ihm stehenden Sachsenherzog, der zugleich auch über Thüringen gebot, als Nachfolger empfahl, war die bedeutsamste Tat seines Lebens. Erst mir der Königswahl Heinrichs I. (919—936) begann der langsame, aber stetige Aufstieg deutscher Macht. Die Kraft des geschlossenen, seit Eingliederung und Christianisierung auch kulturell emporstrebenden Sachsenstammes und seine Führung durch einen gereiften, umsichtigen und sicher von Ziel zu Ziel vorschreitenden Herrscher bildete die Voraussetzung der Erfolge. Aber nur nach nüchtern-klugen Zugeständnissen und mühseligen Vorbereitungen konnte es gelingen, aus innerer Zersplitterung und äußerer Bedrängnis wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Wies Heinrich Bevormundungswünsche der hohen Geistlichkeit zurück, und kam er den eben noch von ihm selbst vertretenen Autono-
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SICHERUNGSMASSNAHMEN
mieansprüchen der Herzöge, insonderheit denen des Baiern, der geradezu als Gegenkönig aufgetreten war, so weit entgegen, daß wenigstens da nur noch von einer lockeren Oberherrschaft die Rede sein konnte, namentlich die Kirche dem Herzog preisgegeben wurde, so mutete das mit Recht als ein neues, von dem des Vorgängers scharf abweichendes Regierungssystem an; aber es sollte darin doch schwerlich eine grundsätzliche Entscheidung für die Zukunft liegen. Denn dem schwäbischen Herzogtum hat Heinrich bei erster Gelegenheit durch Einsetzung eines Stammfremden Beamtencharakter aufgeprägt, und der Kirche hat er sich später mit wachsender Wärme zugewandt. Ähnliches gilt von seinem Verhalten gegenüber dem auswärtigen Hauptfeinde. Wenn er eine glückliche Gelegenheit ergriff, um von den Ungarn gegen jährlichen Tribut nur für sein Herzogtum Sachsen einen neunjährigen Waffenstillstand zu erlangen (924), so lag darin weder Erniedrigung noch dauernde Preisgabe des übrigen Reiches beschlossen, sondern es war nur ein Atemschöpfen und Kräftesammeln zum entscheidenden Gegenschlage. Der Bau von befestigten, verproviantierten Zufluchtstätten mit wechselnder Besatzung aus den kriegerischen Dienstmannen und kleinen Vasallen des umgebenden Burgwarddistriktes, Plätzen, an denen sich späterhin vielfach städtisches Leben mit Handel und Gewerbe entwickelt hat, scheint auf angelsächsisches Vorbild hinzuweisen, wie es ja an Beziehungen zwischen den naheverwandten Stämmen nicht fehlte und eben während jenes Stillstands die Vermählung von Heinrichs ältestem Sohne Otto mit Edith, einer Tochter König Edwards des Älteren (899—925), vollzogen wurde. Hätte nicht die insulare Lage den Angelsachsen damals noch einen Außenposten in der abendländischen Entwicklung gegeben, so hätte wohl der glänzende Aufstieg, der schon mit Alfred dem Großen eingesetzt hatte, und der nun seinen Nachfolger Edward und dessen drei Söhne bis 954 von der auf die Lande südlich der Themse beschränkten Herrschaft zum angelsächsischen Einheitskönigtum bis an die schottische Grenze führte, auch eine europäische Machtstellung eingebracht. Denn jene Bewegung zur nationalen Einheit hatte manche Ähnlichkeit mit dem Emporwachsen des sächsischen Herzogtums zur deutschen Gesamtmonarchie, und der dortige Kampf gegen die landgierigen, großenteils noch heidnischen dänischen Normannen im Osten und Norden des Landes glich insofern der deutschen Abwehr gegen die Ungarn, als die Anlage fester und von zugeteilten Hufen zu unterhaltender Ringwälle (boroughs) dort das Hauptmittel zur Sicherung und Behauptung des neugewonnenen Gebietes war. Für die Zukunft war es von hoher Bedeutung, daß Heinrich I. die alte
OST UND NORD, LOTHRINGEN, ITALIEN
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sächsische Grenzpolitik in großem Stile aufnahm, indem er während der Stillstandsjahre sein neugeübtes Reiterheer zunächst gegen die slawischen Nachbarn führte und nicht nur die kleineren Stämme zwischen Elbe—Saale und Oder, sondern auch dis neuchristliche böhmische Reich unter Wenzel I. zur Anerkennung seiner Oberhoheit und zur Tributzahlung zwang, was freilich bald eine heidnische Reaktion heraufführte. Konnte auch von einer Einverleibung oder gar Besiedlung in diesen Slawenlanden noch nirgends die Rede sein, so war doch über das von Karl dem Großen Begonnene hinaus die Ostgrenze, ebenso wie zuletzt (934) auch noch im Kampf gegen einen dänischen Kleinkönig die Nordgrenze durch ein vorgelagertes Glacis gesichert und die westslawische und nordische Welt an den abendländischen Kulturkreis herangeführt. Nach Ablauf des Waffenstillstandes war dann der bei einem Orte Riade (a. Unstrut?) mit den Heereskräften des gesamten Reiches erfochtene Sieg über die neu hereinbrechenden Ungarn (933) eine Tat nationaler Erlösung, die wenigstens fur den Rest der Regierung Nord- und Mitteldeutschland die Ruhe sicherte, dem Sieger aber europäisches Ansehen einbrachte. Auch in Heinrichs Beziehungen zu den benachbarten Kulturländern bemerkt man denselben Anstieg von nüchterner Bescheidung zu höheren Ansprüchen und Erfolgen. Die Anerkennung des westfränkischen Karolingers erlangte er, indem er die Abtrennung Lothringens duldete (921); dann aber gewann er unter geschickter Ausnutzung der Kämpfe um die französische Krone dies wichtige Kernland des Reiches, dessen Besitz erst den Rheinstrom zur Herzader Deutschlands machte, mit Waffengewalt und nun dauernd zurück (925) und konnte schließlich sogar in den Streitigkeiten des Westens als Schiedsrichter auftreten. Eine Verbindung mit König Rudolf II. von Hochburgund führte zwar zur Anerkennung von Erbansprüchen dieses Weifen auf einen alemannischen Landstrich mit Basel, scheint aber auch einen gewissen Einfluß auf dessen Reich im Sinne einer Flankendeckung gegen Süden und durch die heilige Konstantinslanze eine symbolische Überlassung von Ansprüchen auf Italien eingebracht zu haben. Denn bei aller Bedachtsamkeit des sicher berechneten, durch keinen Rückschlag beeinträchtigten Vorwärtsschreitens ist Heinrichs Gesamthaltung keineswegs durch nationale Beschränkung gekennzeichnet und etwa in scharfen Gegensatz zu der seines großen Sohnes zu bringen. Wie er ringsum in die Nachbarländer eingriff, wie er die bisherige herzoglich-schwäbische Außenpolitik selbst in die Hand nahm, so scheint er in seiner letzten Lebenszeit den Plan betrieben zu haben, über den Kopf des Baiernherzogs, der 934
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TOD HEINRICHS I., OTTO I.
seinem Sohne die Lombardenkrone hatte erobern wollen, hinweg in die italienischen Verhältnisse einzugreifen und wohl gar nach der seit 924 brachliegenden Kaiserwürde zu streben; hatte er selbst doch noch als Jüngling erlebt, wie sein dritter Vorgänger im ostfränkischen Königtum Arnulf, von Heinrichs Vater auf dem ersten Romzuge begleitet, diesen Anspruch der älteren karolingischen Linie verwirklicht hatte. Siechtum hat die Ausfuhrung des Planes verhindert. Der vom Schlagfluß betroffene Herrscher hat dann noch seinem Erstgeborenen die Nachfolge zu sichern gewußt, indem sich nun weder das karolingische Erbrecht mit seinen verhängnisvollen Reichsteilungen, noch die ganz freie Königswahl in Deutschland festsetzte, sondern ein altgermanisches Geblütsrecht, das die Wahl der Großen an das bestehende Herrscherhaus band. Heinrichs Tod (936) schloß eine Regierung ab, die noch ohne Glanz, Muße und Kulturpflege alle Kräfte nur auf das militärisch und politisch Notwendigste gesammelt, aber eben dadurch eine haltbare Grundlage geschaffen hatte, auf der sich Macht und Kultur weiter entfalten konnten. Die Tendenz auf weitere Erhebung des zentralen Königtums im karolingischen Sinne entsprach sicherlich dem Zuge der Entwicklung; sie wurde indes mächtig gefördert durch die Persönlichkeit des Nachfolgers, der von der nüchtern-bedächtigen Art Heinrichs I. stark abwich. Kam Otto der Große (936-973) dem Vater als politischer Taktiker in der sicheren Einschätzung des jeweils Erreichbaren nicht gleich, so wuchs er über ihn durch die Weite des Gesichtsfeldes, die Idealität des Wollens, den hinreißenden Schwung der Gesamtpersönlichkeit hinaus zu abendländischer Bedeutung. Und war jener in seiner grundlegenden Arbeit einem Karl Martell vergleichbar, so ähnelte Otto dessen Nachfolgern auch darin, daß mit ihm nun das religiöse Oberziel richtunggebend die Politik zu bestimmen begann. Der Rückschlag in die Welt des Irrationalen, der auf Zeiten furchtbarer Erschütterung durch brutale Vergewaltigungen der Menschheit zu erfolgen pflegt, setzte damals hier und dort im Abendlande ein. Otto hatte da viel von dem Wesen seiner Mutter Mathilde ererbt, bei der sich erhabenes Majestätsgefühl mit tiefer Frömmigkeit verband. Es galt den Geist des Christentums nach langer Verwilderung neu zu erwecken, und weil, wie das Schicksal des Papsttums zeigte, der Geist ohne Macht damals wenig vermochte, die Macht mit dem Geiste zu erfüllen. Im Sinne Karls des Großen, den man überall als Vorbild spürt, mußte der stärkste Herrscher des Abendlandes, und als solchen konnte sich Otto bald mit Recht fühlen, die Aufgabe in die Hand nehmen, die christliche Ordnung im Innern der Staatenwelt zur Durchfüh-
KÖNIGSGBWALT, MACHTSTBIGBRUNG
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rung zu bringen und nach außen das Kreuz gegen die Heidenschaft ringsum vorzutragen. Um so Großes zu vollbringen, mußte zunächst das Königtum über das von Heinrich I. Errungene hinaus wieder in das Zentrum der deutschen Geschichte gerückt werden. Majestätsgefuhl, kirchliche Gesinnung und die Erinnerung an Karl wirkten gleich bei dem feierlichen Akte der Thronbesteigung in Aachen zusammen, bei dem die Heranziehung der Stammesherzöge zu den Ehrenfunktionen der Hofämter ihre Beamteneigenschaft betonte, die kirchliche Weihe aber den priesterlichen Charakter des neuen Königtums, seinen Bund mit der Hierarchie kennzeichnete. Das Vortragen der zentralen Ansprüche gegenüber den Herzögen rief denn auch alsbald eine gefährliche Erhebung gegen die Krone hervor, bei der Baiern, das seine Sonderrechte verlieren sollte, Franken mitsamt dem Mainzer Erzbischof, das sich von seinem alten Vorrang unter den deutschen Stämmen verdrängt fühlte, und Lothringen mit dem Rückhalt am westfränkischen Könige zusammenstanden und die Auflehnung zuerst von Ottos älterem Halbbruder Thankmar, dann nach dessen rascher Beseitigung die weit bedrohlichere Feindschaft seines nach der Krone strebenden jüngeren Bruders Heinrich eine arge Spaltung in das Herrscherhaus brachte. Beharrlichkeit und Glück führten Otto aus schwerer Bedrängnis am Ende zum Siege auf der ganzen Linie (941). Indem die Königsgewalt künftighin durch herzogliche Selbständigkeit nicht mehr beschränkt war, Franken sogar ohne Stammesherzog unmittelbar unter die Krone trat, wurde diese des sächsischen Sondercharakters entkleidet und näherte sich der umfassenden karolingischen Art. Denn auch die übrigen Herzogtümer gerieten in die Hand des Königshauses, da Lothringen an Ottos Schwiegersohn Konrad den Roten, Baiern an seinen versöhnten Bruder Heinrich und Schwaben an seinen Sohn Liudolf gegeben werden konnte, dessen Thronfolge durch Zustimmung der Großen gesichert wurde. Das war eine ungeheure Machtsteigerung, deren Wirkung sich bald genug ringsum auf das Ausland geltend machte. In Frankreich war zwar mit Ludwig IV. (936—954), dem nach England geflüchteten jungen Sohne Karls des Einfältigen, das karolingische Königtum noch einmal wiederhergestellt worden, aber nur weil Herzog Hugo der Große von Franzien und bald auch von Burgund, dessen Vater, Oheim und Schwager bereits als Gegner der Karolinger die Krone getragen hatten, es so wollte. Denn dieser zog die tatsächliche Herrschaft in dem Räume zwischen Normandie, Bretagne, Loire und der lothringischen Grenze, der allein noch für eine Ausübung der monarchischen Gewalt in Bctracht kam, der nominellen
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SCHIEDSRICHTER IM WESTEN, BURGUND
Herrschaft des Königs, den er zu lenken gedachte, vor. Beschränkt fast allein auf das hochgelegene Laon und, ähnlich wie der deutsche Konrad I., zuverlässig unterstützt nur durch das Episkopat jenes Ostens unter Führung des Reimser Erzbischofs, hatte Ludwig 938 die Kämpfe im Deutschen Reiche zu einem vergeblichen Versuche der Wiedergewinnung Lothringens ausgenutzt. In den darüber im Westen neu ausbrechenden inneren Zwist mischte sich nun der Sachse mit derartiger Überlegenheit ein, daß man wohl von einer schiedsrichterlichen Obergewalt sprechen konnte, die indes ganz opportunistisch im deutschen Interesse ausgewertet wurde, um ein einheitliches Erstarken des westlichen Nachbarn durch kluge ßalancierpolitik zu hindern. Solange Ludwig seine Absichten auf Lothringen richtete, spielte Otto gegen ihn den gleichfalls mit ihm verschwägerten Herzog Hugo, der ihm huldigte, aus. Erst als jener endgültig auf solche Pläne verzichtete, stellte er sich dem Karolinger freundlicher gegenüber, und als Ludwig 945 gar in die Gefangenschaft seines Gegners geriet und sich durch Preisgabe seines einzigen festen Platzes Laon freikaufte, trat Otto, der sein völliges Unterliegen nicht wünschen konnte, für ihn mit einem Heereszuge bis Paris und Rouen (946), dann unter Förderung des Papstes Agapet II. und des Episkopates mit geistlichen Waffen ein. Auf deutschem Boden wurde von überwiegend deutschen Bischöfen auf Synoden in Ingelheim und Trier (948) Banndrohung und Fluch über den Herzog ausgesprochen und die monarchische Sache so gestärkt, daß nach weiteren Kämpfen schließlich (950) von Otto der Friede gegen Rückgabe von Laon vermittelt und das Gleichgewicht der Kräfte gegen neue Irrungen behauptet werden konnte. Es wurde auch nicht dauernd gestört, als Ludwig954 durch einen Sturz vom Pferde ums Leben kam und sein vierzehnjähriger Sohn Lothar König von Herzogs Gnade wurde, denn zwei Jahre später hielten der Tod Hugos und die Teilung seiner beiden Herzogtümer unter seine Söhne das Emporsteigen seines Hauses zum Thron noch einmal eine Weile auf. Inzwischen war es Otto gelungen, an die Beziehungen seines Vaters anknüpfend, seinen Einfluß auch im Gebiete von Hochburgund vorzuschieben, indem er bald nach dem Tode König Rudolfs II. (937) den jungen Thronfolger Konrad an seinen Hof zu ziehen wußte. Seitdem übte er über dessen Reich zum mindesten eine tatsächliche Oberhoheit aus und diente ihm als Rückhalt, als es sich in den vierziger Jahren Rhone-abwärts über die Provence zum gesamtburgundischen Königreich ausweitete. Damit erst war hier ein sicherer Keil zwischen das übrige Frankreich und die Apenninenhalbinsel getrieben, was für die künftige italienische Politik Ottos und seiner Nachfolger von hoher Bedeutung werden mußte.
ERSTER SCHRITT NACH ITALIEN
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Für den Protektor des vordringenden Hochburgund ergab sich naturgemäß eine gewisse Spannung zu dem italienischen König Hugo, der von seinem provenzalischen Besitz aus wiederholt Gegenwirkungen versuchte. So begreift es sich, daß dessen Verwandter Markgraf Berengar von Ivrea, als er 941 vor Hugos Nachstellungen nach Schwaben flüchtete, am Hofe Ottos, in dessen Königsschutz er sich als Fremder kommendiert haben dürfte, freundliche Aufnahme fand. Von dort ist er 945, als die Stimmung im Süden zum Umsturz reif war, mit geringer Begleitung, aber schwerlich ohne Wissen Ottos zurückgekehrt und hat den von allgemeinem Abfall bedrohten König Hugo, der dann 948 in der Provence starb, gezwungen, zugunsten seines Sohnes Lothar, der sich mit Adelheid, der Schwester des burgundischen Konrad, vermählte, abzudanken. Als dessen oberster Ratgeber, ähnlich wie damals der Herzog von Franzien, bereits im Besitz der tätsachlichen Macht, hat sich Berengar nach Lothars frühem Tode (950) mitsamt seinem Sohne Adalbert in Pavia zum König krönen lassen. Aber eine usurpierte Herrschaft war im damaligen Italien eben nur mit Gewaltmitteln aufrechtzuerhalten und rief bald genug dieselben rebellischen Großen, die sie hatten begründen helfen, voll Eifersucht gegen sich auf den Plan. Da die junge schöne Witwe Lothars als Prätendentin und durch ihre burgundisch-deutschen Verbindungen gefährlich werden konnte, wurde sie von Berengar in Haft gesetzt, vielleicht auch bedrängt, ihre Hand seinem Sohne zu reichen. Es bedurfte kaum eines Hilferufes von ihrer Seite, um dem deutschen König auch hier im Süden wie im Westen die Einmischung nahezulegen, denn auch andere Momente wirkten in gleicher Richtung. Man kann von einem bedeutsamen Wendepunkt der ottonischen Politik insofern mit Recht sprechen, als der erste Schritt nach Italien hinüber alles weitere nach sich gezogen, die europäischen Geschicke während des ganzen Mittelalters bestimmt und auf die Entwicklung der deutschen Verhältnisse Wirkungen ausgeübt hat, die noch bis in die Gegenwart hinein zu spüren sind. Wer möchte bezweifeln, daß diese Wirkungen nicht auf der geraden Linie einer Entwicklung zum geschlossenen Nationalstaate lagen, die dem politischen Ideal unserer Tage entspricht, daß sie solche Entwicklung für beide Länder viel eher gehemmt und unter Hineinspielen zahlreicher anderer, vielfach ganz unberechenbarer Faktoren letzten Endes geradezu zum Zusammenbruch der deutschen Zentralregierung beigetragen haben? Die Frage, über die sich streiten läßt, ist nur die, ob und wie weit solche Erwägungen unser historisches Urteil zu bestimmen haben, ob wir die Helden einer Epoche nach den Maßstäben einer späteren messen dürfen und nicht viel-
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KAROLINGISCHB TENDENZEN, LOMBARDEI
mehr nach den Idealen und Bedürfnissen ihrer eignen Zeit bewerten müssen. Nationale Gemeinschaften, Ziele und Schranken im modernen Sinne gab es ja nun um die Mitte des 10. Jahrhunderts sicherlich noch nicht. Bewußte Volkseinheit in festen Grenzen kannte man in keinem der Teile des alten Karolingerreiches; die Beziehungen des politisch maßgebenden Hochadels gingen wie die der Hierarchie herüber und hinüber — waren doch beispielsweise fast alle jene scheinbar so verschiedenen Völkern angehörigen Könige und Thronprätendenten des damaligen Italiens salfränkischer Abkunft. Die Feudalisierung der Staatenwelt zwang allenthalben die Herrscher, ihre Truppenführer und Beamten mit Grundbesitz auszustatten; wollten sie darüber nicht in Armut und Schwäche versinken und die militärischen Gegenleistungen der Vasallen ausnutzen, so wurden sie zu kriegerischen Ausdehnungsversuchen über die Grenzen geradezu getrieben, die sich fast zwangsläufig gegen die machtleeren Räume der Nachbarschaft richteten. Auch die merowingische und karolingische Monarchie war nur so lange kraftvoll gewesen, wie sie expansiv war. Für eine Uberwindung solcher feudalistischen Gegebenheiten und eine Ausbildung des modernen Beamtenstaates fehlten damals und zumal im ostfränkischen Reichsteil, wo das Lehensband die auseinanderstrebenden Stämme doch auch verknüpfte, noch alle wirtschaftlichen Voraussetzungen. Die Überlieferung der Vergangenheit hat im frühen Mittelalter, stärker als die Sicht auf die Zukunft, Recht und Politik der jeweiligen Gegenwart bestimmt. Otto bewegte sich, als er 951 in Italien eingriff, völlig in karolingischen Bahnen. Das Vorbild Karls und die auf ihn überkommenen Rechtsansprüche der ostfränkischen Karolinger wirkten als Ansporn. Die Schutzherrschaft über Burgund und die Festsetzung des ottonischen Hauses in den süddeutschen Herzogtümern, die sich über die Alpenkämme hinüberdehnten, hatten bereits an die italische Grenze hinan und in die lombardischen Wirren hineingeführt. Das morsche Gewaltregiment Berengars und die Mißhandlung der burgundischen Königstochter lösten jetzt nur Bestrebungen aus, die ohnehin im Zuge waren. Als Otto nach müheloser Heerfahrt in die Hauptstadt Pavia einrückte, nannte er sich nach Karls Vorbild sofort „König dee Franken und Langobarden"; zu dem von Arnulf her überkommenen Anspruch fügte er, der seit einigen Jahren Witwer war, dann einen weiteren Rechtstitel durch Vermählung mit der Königin Adelheid. Im Hintergrunde der ganzen Unternehmung stand schon damals Ottos Wunsch, die Hegemoniestellung an der Spitze des christlichen Abendlandes, zu der er mehr und mehr emporstieg, durch die Kaiserkrone Karls zu schmücken und mit dem
LETZTE LÄUTBRUNGSPROBB
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Papsttum, mit dem er bereits bei der Ordnung der französischen Wirren und bei seinen kirchlichen Organisationsplänen zusammengearbeitet hatte, in engere Verbindung zu treten. Eine Gesandtschaft nach Rom brachte indes vom Papst Agapet II. einen ablehnenden Bescheid. Der energische Senator Alberich II., der zur Zeit die Kurie beherrschte, wollte sich die Selbständigkeit seines römischen Regiments nicht durch einen fremden Machthaber beeinträchtigen lassen. So verschob Otto die Entscheidung, denn gegen Rom Zwang anzuwenden, ehe Berengar völlig niedergeworfen war, erschien um so gefährlicher, als drohende Anzeichen einer neuen Erhebung in Deutschland des Königs Rückkehr dorthin nötig machten. In der Tat wurde seine ganze Stellung noch einmal von innen heraus erschüttert durch die Empörung seiner nächsten Anverwandten. Der alte bairisch-schwäbische Gegensatz, der auch in einer gesonderten transalpinen Politik hervorgetreten war, hatte sich jüngst in einem Vorspiel zu der lombardischen Heerfahrt aufs neue geltend gemacht und war durch persönlichen Zwist zwischen Ottos Bruder Heinrich und dem Thronfolger Liudolf, um den sich eine Fronde der Unzufriedenen bildete, verschärft. Bald gesellte sich ihnen Konrad von Lothringen bei, als Otto dessen Friedensabmachungen mit Berengar (952) umstieß. Er hatte dem Lombarden die Fortdauer seiner ungeschmälerten Herrschaft, nur in Lehensabhängigkeit vom deutschen König, zugestanden. Jedoch Otto, der eben in Augsburg deutsche und italische Bischöfe zu einer Synode vereinigte, war nicht gewillt, das lombardische Reich, die Brücke nach Rom, so weitgehend und ohne Gewähr wieder aus der Hand zu geben. Indem er die nordöstlichen Marken: Verona, Istrien und Friaul abtrennte und zu Baiern schlug, schob er die deutsche Machtstellung über den Brenner so weit vor, daß an erfolgreichen Widerstand des unzuverlässigen lombardischen Vasallen hinfort nicht zu denken war; doch trieb er durch diese neue Machtsteigerung Heinrichs von Baiern auch seinen lothringischen Schwiegersohn ins Lager der Empörer. Vom Standpunkt der abendländischen Geschichtsbetrachtung aus braucht man die sonstigen Antriebe der Rebellen, die mehr persönlicher als ideeller Art waren, und die Schwankungen des mit starken Leidenschaften geführten Kampfes der Söhne gegen den Vater (953—955) nicht im einzelnen zu schildern. Der tiefere Sinn dieses gewaltigen Ringens ist einzig der, daß es eine letzte Läuterungsprobe für das nach innen und außen eigne hohe Ziele verfolgende Königtum Ottos darstellte, der trotz allen Uberrumpelungen, Mißerfolgen und Bedrängnissen unerschütterlich die Linie seiner großzügigen Politik innehielt. Und eben der Abschluß der
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UNGARNSIEG, ERFOLGB GBGBN SLAWEN
inneren Kämpfe hob ihn in der allgemeinen Weltgeltung noch höher empor. Der ungarische Feind hatte zwar seit der Niederlage von 933 seine Plünderungszüge gegen das Reich nicht ganz eingestellt, war aber durch die besser organisierte Verteidigung meist ohne allzu große Verluste von Sachsen und Baiern abgewehrt worden und hatte sich vornehmlich die Wirren in Italien und Frankreich zunutze gemacht. Sein Wiedererscheinen (954) drohte das zerspaltene Deutschland in das Elend der Zeiten Ludwigs des Kindes zurückzuschleudem, bewirkte aber ebendarum die rasche Unterwerfung der Aufständischen. An der Spitze der Aufgebote aller deutschen Stämme konnte Otto 955 den abermals durch Süddeutschland vordringenden Scharen der Ungarn in der Nähe von Augsburg entgegentreten und den großen Sieg erringen, der den räuberischen Feind dauernd in seine Schranken wies und ihm den Anstoß gab, sich aus unruhigen nomadischen Reitermassen umzuwandeln in ein seßhaftes Agrarvolk, das in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen bald seinen Anschluß an die Welt des Westens vollziehen sollte. Hinfort war Deutschland gegen den Südosten gesichert, und die Bewegung seines Volkstums in die verlorene karolingische Grenzmark Österreich konnte einen erneuten Aufschwung nehmen. Weiter nördlich gegenüber der slawischen Welt konnte Otto bereits auf ältere Erfolge und Sicherungen zurückblicken. In Böhmen hatte zwar noch zur Zeit seines Vaters der Przemyslide Herzog Boleslaw I. als Führer einer slawisch-heidnischen Reaktion seinen Bruder und Vorgänger, den heiligen Wenzel, ermordet (929?) und die deutsche Oberherrschaft abgeschüttelt; aber nach unruhigen Zeitläuften war er 950 durch einen von Otto persönlich geführten Heereszug in die tributäre Abhängigkeit zurückgezwungen, und nun kämpften in der Ungarnschlacht auch Böhmen auf deutscher Seite. Wie hier, so hatte es auch gegenüber den Elbslawen bis dahin im wesentlichen gegolten, die lockeren Angliederungen aus der Zeit Heinrichs I. zu befestigen. Das geschah durch Organisation von Marken, fur deren Leitung Otto in den Markgrafen Gero und Hermann Billung zuverlässige und energische Helfer fand, sowie durch die Anfänge der christlichen Mission, als deren Zentren schon in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre (etwa gleichzeitig mit drei jütischen für die Dänenmission) die Bistümer Havelberg und Brandenburg gegründet waren, während der Plan eines Magdeburger Erzbistums langsam heranreifte. Unmittelbar nach der Ungarnschlacht aber war diese ganze ostelbische Oberherrschaft gegen einen gewaltigen Slawenaufstand neu zu behaupten, und erst Ottos Sieg an der Reckenitz im heutigen Mecklenburg vollendete im gleichen Jahre die Sicherung Deutschlands gegen Osten.
UNIVERSALE AUSWIRKUNGEN
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Auch fur alle andern abendländischen Gebiete, die unter den ungarischen Drangsalierungen geseufzt hatten, war der Augsburger Sieg eine wahre Befreiungstat, die weithin erst wieder die Möglichkeit ungestörter Kulturentfaltung bot. Die Gewohnheit, Otto „den Großen" zu nennen, begann sich nun allmählich einzubürgern. Die Überlegenheit seiner von innen heraus neu gefestigten Hegemoniestellung trat mehr und mehr in das Bewußtsein des Abendlandes. Nicht nur von England, Frankreich und Rom sah man Gesandte an seinem Hofe, sondern auch mit dem Kaiser von Byzanz, mit dem Reiche der russichen Waräger in Kiew, wo sich damals die allerersten Keime des Christentums zeigten, waren Beziehungen angeknüpft, und 953 wurde in Erwiderung einer Gesandtschaft des Kalifen Abderrahman III. der fromme Abt Johann von Gorze gar mit einem Schreiben des Königs nach Cordova geschickt, um womöglich eine Zurückziehung der bis nach St. Gallen hin plündernden Sarazenen von Garde-Frainet in der Provence zu erwirken. So schien das Herrschertum des Sachsen immer mehr in die universalen Bahnen Karls des Großen zu gleiten. Würde seiner tatsächlich schon vorhandenen abendländischen Vormachtstellung auch die symbolische Krönung zuteil werden?
DAS KAISERTUM OTTOS DES GROSSEN ALS MITTELPUNKT VON KIRCHE UND KULTUR
Aus dem Chaos im Anfang des 10. Jahrhunderts waren bis zu seiner Mitte vielerorten Keime religiösen Aufschwungs und neuer kirchlicher Ordnung erwachsen. Von den Machthabern bald gehemmt, bald gefördert, entwickelten sie sich in West und Ost den Zuständen entsprechend zu recht verschiedenartigen Gebilden. In Frankreich hatte sich die feudalistische Auflösung auch auf die Klöster erstreckt. Ihrer Güter durch den Kriegsadel beraubt, von räuberischen Feinden geplündert, von Laienäbten zur Ausstattung ihrer Familie ausgebeutet, hatten sie Bildung, Zucht und religiösen Sinn verloren, waren zu Stätten eines verkommenen Lotterlebens geworden. Eben aus dem Hochadel, der vornehmlich das Elend verschuldet, erstanden aber hier und da tiefere Geister, die in Bangnis um das Heil der Welt und ihrer eignen Seele wenigstens diese Stätten der Entsagung und Fürbitte, die obersten und wichtigsten in der christlichen Sozialordnung, zu erneuern trachteten. Unter diesen Gründungen sollte das von Herzog Wilhelm I. von Aquitanien mit Grundbesitz beschenkte und 910 der Leitung seines ersten Abtes Berno übergebene Kloster Cluny im Gau Micon unweit der Saöne zu ungeheurer Welt Wirkung emporwachsen. Das Neue war hier nicht die innere Ordnung, die nur die unter Ludwig dem Frommen durch Benedikt von Aniane begonnene, aber ins Stocken gekommene Durchführung der verschärfend abgewandelten Regula S. Benedicti wieder aufnahm! Wichtiger, wenn auch ähnlich sonst begegnend, war die von vornherein ausgesprochene Unabhängigkeit von jeder geistlichen oder weltlichen Oberhoheit und die Unterstellung unter den Schutz des römischen Papstes. Ganz neu aber und über die alte Regel hinausführend, auch erst allmählich in Tat umgesetzt war das Recht, dem Abte andere Klöster zum Zwecke der Reform unterzuordnen und sie unter dauernder Überwachung zu halten. Der zweite Abt Odo (etwa 924-942), der 931 dies päpstliche Privileg erwirkte, wurde damit zum Gründer der cluniazensischen Kongregation. Sie erst verbürgte die gleichmäßige Erhaltung des Gewonnenen und gab der Bewegung durch Zusammenfassung unter einheitlichem Willen Macht. Der pyramidenförmige Aufbau des Lehnssystems fand hier sein Gegenbild, jedoch mit schärferer Subordination und stärkerer monarchischer Spitze. Und diese oberste Leitung sicherte sich die Stetigkeit dadurch, daß
KLOSTERREFORMEN
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der Abtswahl die Designation durch den Vorgänger die Richtung wies. Die Langlebigkeit hervorragender Äbte sollte diese Stetigkeit noch weiter steigern. Die Bewegung griff von Cluny aus zunächst auf das nahe Königreich Burgund über und fand dann im Bistum Organs einen wichtigen Ausstrahlungspunkt für das nördliche Frankreich und selbst England durch Reform der alten Abtei Fleury, wo die Gebeine des hl. Benedikt verehrt wurden. Die päpstliche Schutzhoheit ließ noch Odo von Q u n y auch in Rom Fuß fassen, wo das straffe Regiment Alberichs sich mit einer Herstellung der Klöster, die wirtschaftlich nur auf Kosten der unbotmäßigen Adligen erfolgen konnte, ganz wohl vertrug. Denn diese ganze Reformbewegung wollte damals ja nichts weiter, als aus der verkommenen Welt fur eine Anzahl heiligmäßig lebender Männer, die überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, der oberen Gesellschaftsschicht angehörten, würdige Gebetsstätten zur Verehrung Gottes schaffen, nicht aber in das Weltleben von Klerus und Laienschaft selbst schon umgestaltend eingreifen. Ob da die neue Gemeinschaft einmal als Sauerteig würde wirken können, war eine Zukunftsfrage. Einstweilen galt es, sich abzuscheiden von Kultur und Unkultur, und so konnte cluniazensische Klosterreform eine Weile bestehen neben der feudalistischen Verwilderung Frankreichs und dem Lasterpfuhl Roms. Aus denselben Mißständen und ähnlichem Geiste, aber unabhängig von Cluny erwuchs die Reformbewegung in dem von Frankreich her stets beeinflußten Zwischenlande Lothringen. Im Norden war die Abtei Brogne bei Namur, die Stiftung des adligen Grundherrn Gerhard (919), Ausgangspunkt einer nach Flandern hineinreichenden Bewegung. In Oberlothringen wurde das 933 reformierte Kloster Gorze in der Metzer Diözese unter dem zugleich praktischen und weltflüchtigen Abte Johann (f974) ein in allen lothringischen Sprengein nachgeahmtes Vorbild. Schärfere Betonung der Askese, Rekrutierung auch aus niederen Schichten, mangelnder Zusammenschluß und Leitung der Reformen durch den Episkopat waren hier die mit Cluny nicht übereinstimmenden Züge. Das rechtsrheinische Deutschland zeigt uns ein von dem Westen noch stärker abweichendes Bild. Wohl wurde durch bischöfliche Einwirkung die Klosterreform im Sinne einer Durchführung der Benediktinerregel vereinzelt bis nach Schwaben und Baiern getragen, wohl wurde die Bewegung von den Trägern der weltlichen Macht, insonderheit von Otto I. selbst, an dessen Hof Abt Majolus von Cluny (954-994) des öfteren verkehrte, aus wärmstem Anteil heraus begünstigt, aber mit den Voraussetzungen des Westens fehlten die selbsttätigen Antriebe. Es war hier eben nie zu jenem völligen Chaos gekommen wie in Frankreich und Italien. Die Hauptklöster
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DBUTSCHBR KLBRUS
hatten sich eine gewisse Ordnung und Uberlieferung bewahrt, die sie im Sinne Karls des Großen unter mancherlei Kompromissen mit der Ordensregel zu den Hauptträgern der Zeit machten, während man im Westen an die Bestrebungen Ludwigs des Frommen anknüpfte und meinte, nur durch völlige Heraushebung eines asketisch gerichteten Mönchtums aus der Welt Führer des Heils gewinnen zu können. Auch der Säkularklerus war wohl im Anfang des Jahrhunderts in Gefahr gewesen, in Abhängigkeit eines beutegierigen Hochadels zu geraten und sich in dessen Machtkämpfe zu verstricken, hatte dann aber unter dem Schutz der neuerstarkenden Zentralgewalt seine einheitliche Organisation vor Zerreißung und Herabwürdigung bewahren können. Ein Kranz überwiegend tüchtiger, aufbaufreudiger Bischöfe scharte sich um den König, der bei dem Versagen des Papsttums und aller anderen Mächte des europäischen Festlands in der Tat als die einzige Machtquelle erschien, die imstande und willens war, kirchliche Ideale weitgehend zu verwirklichen. So werden die beiden Kreise sichtbar, deren Bewegung und Gegenbewegung, bald konzentrisch, bald sich überschneidend, die Jahrhunderte des Mittelalters erfüllen sollten. Im Westen die logische Folgerung aus der transzendental bestimmten Weltanschauung: Führung durch die nach der christlichen Sozialethik wertvollste Schicht, die sich, bis sie einmal die Zügel der Herrschaft ergreifen kann, einstweilen durch Isolierung aus heilloser Umgebung reinigen und vorbereiten soll. Im Osten schon jetzt die Möglichkeit, unter Leitung des mit Episkopat und Klöstern verbundenen Königtums, wenn auch in mannigfachen Kompromissen wertvolle Gegenwartsaufgaben für Kirche und Kultur zu erfüllen, wie es das stets voranleuchtende Vorbild Karls des Großen nahelegte. Für Otto I. fiel um die Mitte der fünfziger Jahre diese kirchliche Lage zusammen mit der Nötigung, der Verwaltung Deutschlands nach den Erfahrungen des letzten Bürgerkrieges eine neue Wendung zu geben. Auch das nächste Verwandtschaftsband war nicht stark genug gewesen, die Stammesoberhäupter an die Krone zu ketten. Die Neubesetzung der durch Rebellion und Todesfälle erledigten Herzogtümer durch Otto zeigte, zumal da Prinzen seines Hauses nicht mehr zur Verfügung standen, eine Rückkehr zur Verwendung ergebener Stammesangehöriger, zugleich aber auch eine Tendenz der Schwächung: so in Sachsen, wo dem getreuen Hermann Billung eine beschränkte, mehr markartige Herzogsgewalt anvertraut wurde, so in Lothringen, wo des Königs Bruder Brun, der von der Leitung der Reichskanzlei zum Kölner Erzstuhl emporgestiegen war, bis 959 die Verwaltung ganz in seiner Hand hatte, um weiterhin über die zu besserer Friedenssiche-
GEISTUCHES AMT UND WBLTUCHE HERRSCHAFTSBEFUGNISSE
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rung geteilten Herzogtümer Ober- und Niederlothringen bis zu seinem Tode (965) eine maßgebende Aufsicht zu bewahren. Dieser hochbegabte Geistliche, der Bildung und Gelehrsamkeit mit Tatkraft und Geschäftskunde zu verbinden wußte, wurde fur Ottos neues Staatssystem die charakteristische Figur. Wie er Lothringen durch Niederzwingung des unruhigen Adels erst recht fur Deutschland sicherte, wie er von da in die Kämpfe der erlöschenden, damals durch den jungen Lothar vertretenen Karolingerdynastie mit dem langsam die Thronstufen emporschreitenden Herzogshause von Franzien als Mittler, Schiedsrichter, fast Regent, ähnlich wie vordem Otto selbst eingriff, so wußte er andererseits die Pflichten seines geistlichen Amtes so trefflich zu erfüllen, daß sich aus jener Verbindung verschiedenartiger Aufgaben kein Mißklang ergab, während bei andern, wie etwa dem als oberster Ratgeber Ottos genannten Erzbischof Adaldag von Bremen die Entfernung von seiner Diözese bis zu fünf Jahren dauern konnte und einzelne, wie Erzbischof Friedrich von Mainz, an dergleichen Anstoß genommen zu haben scheinen. Die Vereinigung von geistlichem Amt und weltlichen Herrschaftsbefugnissen wurde nun überhaupt mehr und mehr zum Kennzeichen der ottonischen Reichsverwaltung. Uber den auch hier nachwirkenden Staat Karls des Großen, in dem das geistliche Beamtentum doch noch einigermaßen auf seine kirchliche Sphäre beschränkt worden war, führte das bereits merklich hinaus. Die zunehmende Feudalisierung zeigte eben auch im Osten die Tendenz, das weltliche Beamtentum in eine erbliche, grundbesitzende Aristokratie umzuwandeln und damit seinen Wert fur die Krone zu mindern. Dagegen konnte diese bei der Besetzung der Bistümer und Reichsabteien, für die ein Erbgang ja nicht in Frage kam, ihren Willen ungeachtet aller formalen Wahlprivilegien noch immer fast unbeschränkt zur Geltung bringen. Neben Mitgliedern der Hofgeistlichkeit und Kanzlei wurden Verwandte des Königshauses mit Vorliebe zu Prälaten befördert. Deren Ausstattung mit Grundbesitz schwoll wieder an und überschritt bald das karolingische Ausmaß; insonderheit aber die Übertragung von königlichen Hoheitsrechten, wie Zollerhebimg, Münzprägung und Marktrecht, die Karl der Große energisch der Krone vorbehalten hatte, erreichte immer größeren Umfang, bedeutsam vor allem deshalb, weil die Bischöfe dadurch an dem gesteigerten Wirtschaftsleben ihrer städtischen Sitze wesentlichen Anteil gewannen. Die Immunitätsprivilegien wurden derart erweitert, daß die Exemtion von der öffentlichen Gerichtsbarkeit auch auf schwere Kriminalfälle ausgedehnt wurde. Der letzte Schritt in der gleichen Richtung, die Verleihung auch des
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KRONE UND EPISKOPAT
Restes der Grafschaft, zu der die Kirche ursprünglich gehört hatte, an den Bischof und damit die Entwicklung von dessen Territorium zum vollen Fürstentum ist von Otto selbst erst ganz vereinzelt, häufiger erst von seinen Nachfolgern getan, so daß im Laufe eines Jahrhunderts geradezu die Mehrheit der öffentlichen Gerichtsbezirke in die Hände der Prälaten geriet und dadurch der Entfremdung durch Erblichkeit entzogen wurde. So war für das deutsche Königtum eine neue Machtgrundlage geschaffen, auf der sich selbst bei weiterer Auflockerung des weltlichen Beamtenkörpers noch immer im zentralistischen Sinne regieren ließ. Denn jene hingegebenen Rechte und Besitzungen waren für die Krone ja nicht verloren, sondern auch abgesehen von jener Ernennungspraxis, die immer wieder gestattete, ergebene Anhänger an die Spitze dieser kirchlichen Territorien zu setzen, schuldeten diese dem Reiche in bedeutendem Maße militärische und finanzielle Leistungen, welche vielfach die der weltlichen Großen übertrafen. Wohl barg dies Regierungssystem in sich den Keim schwerer Auseinandersetzungen. Die deutsche Reichsverwaltung war damit zum großen Teil auf die Schultern eines Standes gelegt, der letzten Endes eine übernationale Organisation und universale Tendenz hatte und daher irgendwann einmal sich dem Staatsdienste entfremden konnte. Vorderhand jedoch bestand vollkommene Interessengemeinschaft. Die Krone gewann für Staats- und Reichsgutsverwaltung höchstgebildete, zentralistisch gerichtete Helfer, die gerade durch den Ausbau ihrer Territorien stärker im heimischen Boden verwurzelt wurden. Wenn sie ihren Einfluß sicherlich im christlich-universalen Sinne geltend gemacht haben, so kam das nur der gleichen Geistesrichtung Ottos entgegen, wie ja für die Vorstellungswelt der damaligen Menschen die universalen Gesichtspunkte den erst langsam heranreifenden nationalen Empfindungen unbedingt übergeordnet waren. Hatte er schon 951 danach getrachtet, sein in der Tat bereits übernationales Herrschaftssystem durch die Kaiserwürde zu krönen, so war sein europäisches Ansehen seitdem noch gewachsen, und die immer engere Verbindung mit der hohen Geistlichkeit, auch der von Burgund, Italien und Frankreich, mußte ihn in verstärktem Maße darauf hinweisen, daß es wünschenswert sei, auch die oberste Spitze der Kirche, die damals so wenig dem Ideal entsprach, unheilvollen fremden Einflüssen zu entziehen und fester mit seinem Reiche zu verknüpfen. Wie hätte er zögern sollen, als nun von Rom her die Möglichkeit der Erfüllung ihm entgegengetragen wurde? Dort war nach dem Tode Alberichs II. sein Sohn Oktavian nicht nur als Senator gefolgt, sondern mit seinen siebzehn Jahren auch zum Papst Johann XII.
HILFERUF JOHANNS ΧΠ., KAISERKRÖNUNG
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gewählt worden. Glitt damit schon das weltliche Regiment von der höheren Stufe, auf die es die kraftvolle Persönlichkeit Alberichs und antike Erinnerungen trotz aller Gewaltsamkeit erhoben hatten, auf das Maß gewöhnlicher Kleintyrannenherrschaft zurück, so wirkte die Übertragung des Lasterlebens der damaligen adligen Jugend Roms auf die höchste geistliche Würde der Christenheit wie eine üble Groteske. Dabei reizte noch der unerfahrene Jüngling seine Nachbarn durch herausfordernde Feldzüge. Unter ihnen hatte Berengar schon während des deutschen Bürgerkrieges die Lehnsabhängigkeit vom Reiche abgeschüttelt. Erfolge Liudolfs gegen ihn waren durch dessen Tod (957) zunichte gemacht. Jetzt suchte er seine Gewaltherrschaft wie einst die alten Langobardenkönige gegen den Kirchenstaat auszudehnen. Ein Rebell gegen den deutschen Oberherrn drohte das kraftlose Papsttum unter seinen Willen zu beugen. Als sich Johann ΧΠ. gegen den gefährlichen Nachbarn an den mächtigsten Herrscher nördlich der Alpen um Hilfe wandte und die Kaiserkrone als Lohn bot (960), wirkten dies längstersehnte Ziel, die Möglichkeit einer Beeinflussung der römischen Zustände, die Sorge um das durch den Rebellen erschütterte deutsche Ansehen mit persönlichen Antrieben zusammen, um Otto zu erneutem Eingreifen in Italien zu bestimmen (961). Diesmal führte es nach der Einnahme von Pavia sogleich zur Kaiserkrönung in Rom (2. Februar 962). Wenn auch von vornherein voll Mißtrauen gegeneinander, kamen Papst und Kaiser trotzdem in der berühmten, früher wohl für gefälscht gehaltenen Urkunde des sog. „Ottonianum" vom 13. Februar 962 zu einer Feststellung ihrer gegenseitigen Beziehungen. Sie erfüllte zunächst in weitgehendem Maße die territorialen Wünsche der Kurie, indem alte Bestätigungen tatsächlicher Gebietsschenkungen mit den ersten Restitutionsversprechungen Pippins widerspruchsvoll genug, aber nach bereits vorhandenen älteren Pakten, die man auch noch durch Vorweis einer eben angefertigten Prunkabschrift der gefälschten „Konstantinischen Schenkung" zu stützen suchte, vereinigt wurden. Dafür aber wurden im zweiten Teil der Urkunde die Hoheitsrechte des Kaisers dem Papsttum gegenüber auf den Höchststand der Festsetzungen Lothars I. von 824 zurückgeführt, nach denen der Kaiser von dem kanonisch erwählten Papste vor dessen Weihe das Gelöbnis der Innehaltung des Rechtsverhältnisses entgegenzunehmen und über Rom eine gerichtliche Oberaufsicht auszuüben hatte. Wenn Johann solche Zugeständnisse in der Voraussetzung machte, Otto würde sich auch diesmal mit einer lockeren Abhängigkeit Italiens begnügen, so verrechnete er sich allerdings gründlich. Das Vorgehen des Kaisers bei
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POLITISCHE ABHÄNGIGKEIT DBS PAPSTTUMS
der Unterwerfung von Teilen des beanspruchten Kirchenstaates zeigte nur zu bald, daß von einer Selbständigkeit des römischen Doppelregiments fürder nicht die Rede sein könne. Da versuchte der Papst durch Aufhetzung aller Feinde Ottos den lästigen Helfer über die Alpen zurückzutreiben, bewirkte aber durch dies verräterische Ränkespiel nur einen zweiten Zug des Kaisers gegen Rom, wo auf einer großen Synode unter Ottos Vorsitz der flüchtige Papst auf furchtbare Anklagen hin seines Amtes entsetzt und der Protoskriniar Leo VIII. zu seinem Nachfolger geweiht wurde. Die Amtsführung eines derart unwürdigen und unbrauchbaren Kirchenoberhauptes war doch weithin als ein so ungeheuerlicher Mißstand empfunden, daß man an der Verletzung jenes von Karl einst beobachteten und allgemein für echt gehaltenen Kanons von der Unrichtbarkeit eines Papstes zunächst kaum Anstoß genommen hat. Noch in einem anderen wesentlichen Punkte ging Otto jetzt über Karl und seine Nachfolger hinaus. Indem er die Römer einen Eid schwören ließ, niemals einen Papst zu wählen, ohne vorher seine oder seines Sohnes Zustimmung eingeholt zu haben, und sich so schon für die Kandidatenauswahl einen maßgebenden Einfluß sicherte, stellte er den Papst auf gleiche Stufe mit den deutschen Bischöfen. Der Gesamtkirche gegenüber verhielt sich Otto demnach doch anders als Karl der Große. Von einer Leitung rein kirchlicher Angelegenheiten, einer Entscheidung dogmatischer oder liturgischer Fragen war unter ihm nicht mehr die Rede; insofern hatte sich die Kirche inzwischen von der Staatsbevormundung befreit. Dagegen hatte sich ihre politische Unterordnung durch weitergehende Heranziehung zu weltlichen Beamtenfunktionen noch gesteigert, und das übertrug sich nun auch auf das Papsttum. Ein Jahrhundert lang ist es von da, wenn auch mit Schwankungen, in Abhängigkeit von den deutschen Kaisern gewesen, und so schwere Kämpfe später die Losreißung zum Unheil für Deutschland entfesseln sollte, so bedeutenden Gewinn hat diese Unterordnung vorderhand dem Ansehen und der Weltgeltung des erneuerten Imperiums eingebracht, indem es die römischen Bischöfe dem entsittlichenden Einfluß ihres Stadtadels entzog und selbst erst wieder zu universaler Bedeutung emporhob. Auch nachdem Berengar völlig niedergeworfen und die Beziehungen zum Papsttum nach Rückkehr Johanns XII., der bald starb (964), und wiederholter Auflehnung der Römer neu befestigt waren, haben Otto die unfertigen und weiteren Schwankungen unterworfenen Verhältnisse Italiens noch in Atem gehalten. Aber seiner Unermüdlichkeit gelang schließlich die Sicherung auf der ganzen Linie: die Behauptung des vom Kaiser abhängigen, aber in seiner Würde gehobenen Papsttums gegen Umsturzversuche des römischen
EINRICHTUNG ITALIENS
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Adels, die Übertragung der Kaiserkrone auch schon auf seinen noch unmündigen Sohn Otto Π. (967) und die Verständigung mit Byzanz. Dort galt es ähnlich wie nach der Krönung Karls eine starke Verstimmung zu überwinden, die um so begreiflicher war, als die Herstellung der früheren karolingischen Oberherrschaft über die langobardischen Fürstentümer Benevent und Capua den griechischen Süden der Halbinsel ernstlich bedrohte, den Otto friedlich als Mitgift einer kaiserlichen Braut seines Sohnes oder kriegerisch zu gewinnen trachtete. Die Überlieferung einer hochmütigen, verfeinerten Staatskunst und überlegenen, aber erstarrenden Kultur trat da einige Jahre in heftiger Spannung der vielfach noch jugendlich unreifen, aber lebenstrotzenden, aufsteigenden Kraft des neuen germanischen Imperiums gegenüber. Wiederholte Feldzüge Ottos bis tief nach Kalabrien hinein vermochten zwar bei dem Mangel einer Flotte nicht den erhofften Druck auszuüben; jedoch die Ermordung des energischen Kaisers Nikephoros (969) führte bald mit seinem Nachfolger, dem Usurpator Johannes Tzimiskes, zu einem Ausgleich, der auf Grund des beiderseitigen Besitzstandes die Anerkennung des ottonischen Kaisertums in sich Schloß und durch die Vermählung Ottos Π. mit der zwar nicht der alten Dynastie angehörenden, aber mit dem gegenwärtigen Basileus verwandten Prinzessin Theophanu besiegelt wurde (972). Inzwischen hatte der Kaiser in jahrelanger Arbeit die inneren italischen Verhältnisse möglichst nach den zentralistischen Überlieferungen der Karolingerzeit geordnet, indem er sich überwiegend auf die Bischöfe stützte, denen als Stadtherren die nächste Zukunft gehörte, daneben freilich auch einen Teil der weltlichen Großen durch Gunstbezeugungen in das Interesse der Krone zog. Blieb auch die Gesetzgebung ähnlich wie diesseits der Alpen dürftig genug, und brachte die deutsche Verwaltung hinfort immer nur vorübergehend und stoßweise straffere Einheit in die alte Zersplitterung, so war doch im Vergleich mit den vorhergehenden Verhältnissen die Hebung des Friedenszustandes unverkennbar, und es ist zum mindesten sehr zweifelhaft, ob das lombardischmittelitalische Königtum sich aus eigener Kraft zu einer starken, dauernden Ordnungsmacht entwickelt haben würde. Für Deutschland aber läßt sich hier noch einmal die Frage aufwerfen, ob diese Wiederaufnahme der karolingischen Universalpolitik, die insgesamt eine fast zehnjährige Abwesenheit Ottos vom heimatlichen Boden mit sich brachte, den Reichswagen nicht auf ein falsches Geleise geschoben habe, das ihn von dem engeren Kreise der nationalen Interessen ablenkte. Obwohl das Ansehen des Kaisers so gefestigt und seine Helfer so wohlbewährt waren, daß die Dinge dort zunächst ohne ernstliche Störung weiterliefen, kann man
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UNIVERSAL- UND NATIONALPOLITIK
in der Rückschau vom heutigen Standpunkt aus sich wohl einen Gang der deutschen Geschichte ausmalen, der durch eine nüchterne, cisalpine Politik jene ganze Kräftevergeudung, alle die äußeren Verwicklungen und inneren Rückwirkungen der südlichen Machtbehauptung vermieden und zu einer festeren Geschlossenheit der deutschen Volksgemeinschaft unter stärkerer Zentralgewalt geführt haben würde. Eine derartige Ausmalung bleibt bei der Fülle unberechenbarer Entwicklungsfaktoren immerhin ein Wunschbild, das vom nationalstaatlichen Ideal aus am Ende jeglicher Art von Universalpolitik entgegengestellt werden kann. An ihm darfeine Epoche, die ganz unter dem Einfluß übernationaler Ideale: christlicher Gemeinschaftsziele und römisch-karolingischer Überlieferungen stand, nicht gemessen werden. Für Otto lagen Steigerung der Kronrechte, Erhebung über den Sondergeist der Stämme, Ausweitung zur mitteleuropäischen Vormacht und Aufstieg zur christlich-universalen Weltstellung des Kaisertums auf ein und derselben Liiiie. Sein „römisches Kaisertum deutscher Nation", wie es in mißverstandener Anwendung einer erst im 15. Jahrhundert far das deutsche Teilgebiet gebrauchten, aber gleichwohl fur das widerspruchsvolle Ganze nicht übel anwendbaren Formel wohl genannt worden ist, erreichte das karolingische Vorbild weder an äußerem Umfang, noch in der Weite der inneren Befugnisse, die hier wesentlich auf das Gebiet des politisch-militärischen Rechtsstaates beschränkt waren. Aber es hat sich durch ein Jahrhundert hindurch, was doch nichts Geringes ist und nicht von allen Universalreichen gilt, fur die deutschen Bedürfnisse wie für große abendländische Aufgaben als starke Grundlage über einige Schwankungen hinweg gut bewährt, und erst nach einem Vierteljahrtausend sollte es zu einem morschen, langsam vermodernden Stumpfe verkümmern. Eben in jenem Zeitraum aber hat es Leistungen umschlossen, die zu dem bedeutendsten gehören, was das Deutschtum nicht nur an heroischen Machtäußerungen, sondern auch an Kulturwerten überhaupt hervorgebracht hat. Man hat wohl eine Vernachlässigung der östlichen Interessen Deutschlands als eine Folge der Kaiserpolitik betrachtet und bedauert, daß man nicht frühzeitig an Stelle der italienischen Herrschaft eine Germanisierung der ostelbischen Slawenlande ins Werk gesetzt habe. Für eine Siedlungsbewegung im späteren Sinne fehlten indes bei der jungen Kultur der norddeutschen Gebiete in wirtschaftlicher und bevölkerungsmäßiger Hinsicht damals noch alle Voraussetzungen; an Kraft und Weite der politisch-kirchlichen Ausdehnungsbestrebungen aber hat es zum mindesten Otto selbst auch als Kaiser am allerwenigsten fehlen lassen und dafür sogar seine italienischen
GROSSZÜGIGB OSTPOLITIK
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Beziehungen nutzbar gemacht. Unmittelbar nach der Krönung in Rom hat er 962 die päpstliche Zustimmung zur Gründung des geplanten Magdeburger Erzbistums erlangt, das wie Salzburg und Bremen für Südosten und Norden so für die gesamte östliche Slawenwelt der Mittelpunkt einer umfassenden Mission und kirchlichen Organisation werden sollte. Ein kriegerischer Vorstoß des Markgrafen Gero, der über die Lausitz hinaus sogar einen Teil des jungen, durch Herzog Misika I. (normannischer Herkunft?) geschaffenen polnischen Staatsgebildes bis zur Warthe hin tributpflichtig machte, verriet schon im folgenden Jahre, wie weit Otto sich auch hier die Ziele steckte. Auch das bald gegründete Missionsbistum Posen war wohl als Glied der deutschen Kirche gedacht. Freilich hatte der Kaiser erst jahrelangen Widerstand der in Obödienz und Diözesanumfang durch die neue Stiftung beeinträchtigten eigenen Bischöfe zu überwinden, bis die Gründung des Magdeburger Erzbistums an der Spitze von fünf Suffraganbistümern 968 wirklich vollzogen wurde. Und eine Ausdehnung seines Einflusses auch auf Polen scheint Papst Johann XIII. gehindert zu haben, der bei aller Abhängigkeit vom Kaiser darin doch selbständig die Uberlieferung eines Nikolaus I. aufnahm, daß er die neu zu organisierende polnische Kirche lieber direkt unter Rom gestellt wissen wollte. Nach seinem Tode (972) hätte Otto vielleicht freiere Bahn für seine großzügige Ostpolitik gewonnen, und wirklich ist ihm noch für Böhmen unter Ablösung Regensburger Ansprüche die Gründung eines gesonderten Bistums Prag gelungen, durch dessen Unterordnung unter den Mainzer Metropoliten der enge Anschluß des tschechischen Staates an das Reich bis in die Zeit Karls IV. hin so nachhaltig beeinflußt worden ist. Ottos glänzender Hoftag zu Ostern 973 in Quedlinburg, zu dem auf sein Geheiß Herzog Boleslaw II. von Böhmen, ein eifriger Förderer des Christentums, mit reichen Geschenken erschienen war und der Polenherzog seinen Sohn als Unterpfand seiner Treue schickte, zeigte dann Otto noch einmal inmitten dieser weitausgreifenden östlichen Beziehungen, die sich auch zu den Ungarn, Bulgaren und Russen erstreckten, während vom Süden her sich griechische, römische und beneventanische Gesandte, vom Norden solche des für das Christentum gewonnenen Königs Harald von Dänemark eingefunden hatten. Aber kurz darauf hat der Tod allen Unternehmungen des einundsechzigjährigen Herrschers ein Ziel gesetzt. War es allein die Kraft seiner Persönlichkeit und ihre Verfügung über eine geschlossene militärisch-politische Macht, was dem damaligen Deutschland die Führung in Europa verschafft hatte, oder rechtfertigte sich dies Emporsteigen auch durch den Wert kultureller Leistungen? Sicherlich stand das
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DEUTSCHE UND ITALIENISCHE KULTUR
Reich mit Ausnahme seiner rheinischen Gebiete wirtschaftlich und zivilisatorisch hinter den Ländern antiker Kultur zurück. Es war fast ausschließlich agrarisch, überwiegend grundherrschaftlich und naturalwirtschaftlich, wenn auch gerade unter Otto I. der Harzer Silberbergbau eröffnet wurde. Literarische Bildung hatte über den Klerus hinaus weitere Kreise der Laienschaft noch kaum berührt; Otto selbst hatte erst als Dreißiger die Erlernung des Lesens nachgeholt. Von den Hauptkulturelementen der Zeit hatten sich wohl germanisches und christliches Wesen, noch zuletzt bei dem Sachsenstamme, durchdrungen, viel geringer waren jedoch, mindestens auf die Laienschaft, die Einwirkungen der Antike. Hinge die Kulturhöhe nur ab von der Fülle der Überlieferungen, so hätte Italien mit seinen Bauten und Kunstschätzen, seinen Laienschulen und seinem Handschriftenmarkt, seiner höheren Entwicklungsstufe in städtischem Leben, Handel und Geldverkehr damals noch an erster Stelle stehen müssen. Indessen das alles schien in dem allgemeinen Chaos nur noch ein gespenstisches Dasein zu führen. Die noch immer vielfältig vorhandenen Bildungselemente wurden nicht durch hohes Ziel, festen Willen und sittlichen Charakter in gestaltete Form gebracht. Lebensvolle Erzeugung war längst ins Stocken geraten, wie es namentlich auch in den bildenden Künsten zutage trat, wo mit den Aufgaben auch die Kräfte zur Neubildung versagten und man kümmerlich von der alten Überlieferung zehrte. Was Italien dem Norden an wirklichen Werten zu geben hatte, war bereits in der Karolingerzeit dorthin geleitet. Wohl suchte Otto auch hierin seinem großen Vorbilde nachzueifern, wenn er für seinen Magdeburger Dombau antike Marmorsäulen über die Alpen schaffen ließ oder persönlich italienische Gelehrte, wie den Grammatiker Stefan und den reich belesenen, philosophisch gebildeten Diakon Gunzo, beide aus Novara, für Deutschland gewann. Sie besaßen längst nicht mehr die Überlegenheit eines Paulus Diaconus, und wenigstens Gunzo bekam das gesteigerte deutsche Selbstgefühl bitter zu spüren. So war es nur eine bescheidene Nachlese, die hier zu halten war, etwa an Heiligengebeinen, die auch Otto für seine zahlreichen neuen Kirchen eifrig sammelte. Gleichwohl gab es Köpfe, bei denen die freiere antike Schulbildung in der allgemeinen Auflockerung der Bindungen von Recht und Sitte zu einer erstaunlich frühzeitigen, fast humanistisch anmutenden Individualisierung geführt hatte, wie bei dem formgewandten, pikant-witzigen, gelehrt-eitlen, launisch-galligen Bischof Liutprand von Cremona ("(" etwa 971), der aber den Anstoß zu seinen historiographischen Leistungen erst in Deutschland erhielt. Umgekehrt hat der geistvoll-grüblerische Mönch Rather aus Lobbes, der später von Otto das heimische Bistum
„OTTONISCHE RENAISSANCE"
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Lüttich gewann (f 974), seine Anlage zu unharmonischer Subjektivität, aufklärerischer Kritik und peinlicher Seelenzergliederung gewiß als Bischof von Verona in jahrelangen Kämpfen mit der zuchtlosen Geistlichkeit und dem italischen König Hugo erst zu voller Entfaltung gebracht. Ähnliche Naturen gab es auch im Lager der lombardischen, einer deutschen Fremdherrschaft abgeneigten Anhänger Berengars II., wie die tiefsinnigen gedankenreichen Erörterungen über den Staat bezeugen, die der ernstgerichtete Bischof Atto von Vercelli (j· vor 964) in seinem „Polypticum", einer Soziologie der Gewaltherrschaft, einem frühen Vorläufer von Macchiavellis „Principe", in absichtsvoll dunkler Formgebung niedergelegt hat. Zeigen alle diese Literaten noch ein reiches Maß von belesener Gelehrsamkeit, der nur der Mangel an abgeklärter Geschlossenheit oder höherer Zielsetzung wirklich bedeutende Leistungen versagte, so verrät im Süden der Salernitaner Chronist (um 978) bei allem Stoffreichtum seiner Kompilation mehr Anlehnung an die Vulgärsprache des Tages als Schulbildung, und im römischen Gebiet erreicht der deutschfeindliche Mönch Benedikt von S. Andrea in seiner Chronik mit der barbarischen Roheit seines fast unverständlichen lateinischen Gestammels nach unten hin die Grenze des Möglichen. Wesentlich anders als die Kulturbeziehungen Deutschlands zu Italien sind die zu seinem westlichen Nachbarn zu beurteilen. Denn was man wohl irreführend als „ottonische Renaissance" bezeichnet hat, ist ja nicht eine Wiederbelebung der Antike oder auch nur ein selbständiges Zurückgreifen auf das christliche Altertum, sondern lediglich Aufnahme und Weiterführung der karolingischen Kulturbestrebungen. Diese aber hatten ihren Hauptboden links des Rheines in Frankreich und Lothringen gefunden; auch nachdem sie weiter ostwärts vorgedrungen waren, konnten die Ausgangsgebiete nie ganz bedeutungslos werden. Grammatische, rhetorische und dialektische Studien wurden an mancher der alten Schulen noch immer fort betrieben. In Reims, dem Mittelpunkt der spätkarolingischen Politik, brach auch die ruhmvolle Tradition der Geschichtschreibung nicht ab und fand in dem (übrigens von deutscher Seite her angeregten) Archivar Flodoard ("j" 966) einen Vertreter, dem an Emsigkeit und urkundlicher Zuverlässigkeit im damaligen Abendlande keiner gleichkam. Indessen die Heillosigkeit der politischen und sozialen Zustände brachte doch arge Verheerungen mit sich und führte zu einem gewissen Stillstand der Entwicklung nicht nur im wirtschaftlichen Leben, sondern auch auf allen Gebieten der Wissenschaft und Kunst. Und die cluniazensische Reformbewegung, die wenigstens in den Klöstern die Zuchtlosigkeit zu bannen suchte, stellte sich ja mit bewußter
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DER ANTICHRIST
Einseitigkeit auf das asketische Ideal ein und förderte nur, was diesem diente. So hielt man dort wohl das Gedächtnis des von heiligstem Eifer erfüllten Abtes Odo durch die nüchtern-wahrheitsgetreue Lebensbeschreibung seines Schülers Johannes zur Nacheiferung künftiger Geschlechter fest und sorgte natürlich auch für eine würdige Gestaltung der Klosterkirchen und ihres Gottesdienstes — was für die Baugeschichte doch erst seit Errichtung der 981 geweihten zweiten Kirche von Cluny bedeutsamer wurde —, darüber hinaus aber wirkte man einer allgemeineren Kulturbetätigung der Mönche nur entgegen. Gewissermaßen ein Symbol dafür, daß man in diesen Kreisen kaum noch an einen zukunftsvollen Aufbau der irdischen Dinge dachte und sich mehr im Niedergang zum nahen Weltgericht fühlte, ist die Schrift über den Antichrist, die der Mönch und spätere Abt Adso von Montierender (im Sprengel von Chalons-sur-Marne) um die Mitte des Jahrhunderts für die französische Königin Gerberga, eine Schwester Ottos I., auf ihr Geheiß nach alten Vorlagen verfaßte. Wie einst in Byzanz beim Einbruch der Araber und später beim Ansturm der Mongolen gegen das staufische Kaiserreich die gleiche Vorstellung des Antichrist auftauchte, so fühlte man am Hofe der letzten Karolinger nur das Zerbröckeln eines ruhmvollen Imperiums. Nach dem Abfall aller Provinzen würde noch einmal ein großer Friedenskaiser das Reich einen, aber zuletzt Zepter und Krone auf dem Ölberg niederlegen. Dann würde der Antichrist als Vorläufer des Jüngsten Gerichts seine Herrschaft über die Erde breiten. Das war schwerlich die geeignete Stimmung, um mit frischen Kräften an einen neuen Kulturaufbau zu gehen. Ganz anders im deutschen Osten! Dort war frischer Kolonialboden für die christlich-antike Kultur, die nun erst ein bis zwei Jahrhunderte alt war. Eine Unsumme von Arbeit war da zu leisten gewesen und noch immer zu leisten, sowohl im Innern, wie gegen die skandinavische, slawische, madjarische Außenwelt. Eben dies Werden brachte mehr Schwung als das bloße Erhalten. Darum gab es hier keine Routine alter Gewohnheit, alles war ursprünglicher, oft roher, aber lebendiger, entwicklungsfähiger und durch den vernehmlicher durchklingenden germanischen Grundton eigenartiger und bodenständiger. Dazu nun unter dem ottonischen Hause der machtvolle Aufstieg zu Einheit, Frieden und Weltgeltung! Und neben den Anregungen durch den Tatenstoff gingen auch wertvolle Kulturantriebe vom Kaiser und seinem Hof aus, an dem nun nicht allein durch Frömmigkeit ausgezeichnete Matronen, wie seine Mutter, die sächsische Mathilde, sondern auch feingebildete Frauen, wie die burgundische Adelheid und die Griechin Theophanu eine einflußreiche Rolle spielten. Die Verwandten unter den Prälaten, neben
DEUTSCHE BENEDIKTINERKLÖSTER
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Brun von Köln vor allem Ottos natürlicher Sohn Erzbischof Wilhelm von Mainz, trugen die Antriebe auch in die anderen Stammesgebiete. Noch mußte an den Bischofssitzen die Richtung auf das Praktische, die Verwaltung des Sprengeis und in den Kathedralschulen, mit der von Lüttich an der Spitze, die Heranziehung eines geistlichen Nachwuchses überwiegen. Zur literarischen und künstlerischen Produktion fanden sich Muße, Hilfsmittel und teilnehmendes Publikum fast allein in den Klöstern, aristokratischen Andachts- und Arbeitsgemeinschaften, die über Chorgebet und Selbstentäußerung hinaus auch die Hingabe an eine irdische Kulturschöpfung in christlichem Geiste als ein Gott wohlgefälliges Werk betrachteten und den Talenten ihres Kreises das Schaffen gern durch Auflockerung der strengen Benediktinerregel erleichterten. Daraus konnte dann wohl ein freieres, von dem Geiste reiner Menschlichkeit durchhauchtes Zusammenleben nicht ohne diesseitsfreudige Heiterkeit und erquickenden Humor hervorwachsen, wie wir es aus Ekkehards (IV.) späten Schilderungen für St. Gallen schon vom Ausgang der Karolingerzeit ab kennen. Mit manchen Abschattierungen hatte es sich auch in anderen Teilen des Reiches entfaltet und namentlich in den sächsischen Klöstern wie Korvey, Herford und Gandersheim Wurzel gefaßt. Es ist bereits angedeutet, wie diese hinter engen Mauern doch nicht allzu beschränkte Welt sich ihre Kreise durch die andersgerichtete Bewegung von Cluny und Lothringen nicht stören lassen wollte. Einstweilen stießen die Gegensätze auch noch nicht hart aufeinander; nur im romanischen Westen des Reiches brachte ein Mönch von St. Evre in Toul, der seinem Kloster wegen der neuen strengen Reformierung entlaufen, aber in Haft zurückgebracht war, manches von diesen Erlebnissen versteckt in die leicht satirisch gefärbte Fabeldichtung „Ecbasis cuiusdam captivi" (Flucht eines Gefangenen) hinein, die als frühestes Beispiel die Gattung der mittelalterlichen Tierepen eröffnet. Was die Studien der deutschen Klöster von denen in den romanischen Ländern insonderheit auch unterschied, war die völlige Fremdheit der lateinischen Sprache, die um so eifriger gelernt, und wenn auch schulmäßiger, so doch reiner gehandhabt wurde und das Kloster als Stätte der Gelehrsamkeit aus der heimischen Umgebung schärfer heraushob. Daß man darum die heimische Sprache und Dichtung noch nicht geringzuschätzen brauchte, beweist das Waithariuslied des St. Gallener Mönches Ekkehard (I.), der noch als Schüler bald nach dem Ungarnüberfall von 926 eine deutsche Sagendichtung so lebendig in lateinische Verse umgoß, daß man durch die fremden Hexameter noch den germanischen Stabreim durchklingen zu hören ver-
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DICHTUNG UND GESCHICHTSSCHREIBUNG
meint. Und schon wirkte um die Zeit von Ottos des Großen Tod in demselben Kloster Ekkehards Neffe, jener Notker Labeo (952-1022), der bald als einer der erfolgreichsten Lehrer St. Gallens wegen seiner wertvollen Übersetzungen philosophischer, grammatischer und biblischer Schriften in heimische Prosa den Beinamen „der Deutsche" erhielt. Die lateinische Schuldichtung hatte schon im Anfang des Jahrhunderts mit dem älteren Notker Balbulus (dem Stammler, f 912) einen Höhepunkt erreicht und durch die den Koloraturen des Kirchengesanges unterlegten Sequenzen und Tropen unter byzantinischen Einflüssen auch die Musik bedeutsam befruchtet. Auf diesen Bahnen bewegte man sich in den schwäbischen Klöstern noch weiter fort, während die lateinische Literatur des sächsischen Nordens eigenartigere Leistungen zeitigte. Sie stehen allenthalben in enger Beziehung zum ottonischen Hause. Eine aufsteigende Dynastie verlangt nach historiographischer Festhaltung ihrer Taten; dem an seine Klostermauern gebundenen Mönch aber mußte der Stoff durch irgendeinen Kanal vom Zentrum her zugeleitet werden. Erzbischof Wilhelm von Mainz war da vielfältiger Anreger, während sein Oheim Brun von Köln, dem sein Schüler Ruotger bald nach seinem Tode (965) ein menschlich-liebenswürdiges biographisches Denkmal setzte, in seiner Kirchenprovinz mehr die theologisch-philosophischen Studien begünstigte. Am unmittelbarsten unter Einfluß des Hofes schrieb der Mönch Adalbert von St. Maximin bei Trier, noch ehe er 968 zum ersten Erzbischof von Magdeburg emporstieg, mit Sehweite, Objektivität und politischem Urteil im Geiste der karolingischen Reichsannalen jenes Werk, das als Fortsetzung der Chronik Reginos von Prüm bekannt ist. Als die künstlerisch höchststehende Geschichtsleistung der Epoche darf aber trotz aller Enge, Befangenheit und geschraubt sallustischen Ausdrucksweise die einer Tochter des Kaisers gewidmete Sachsengeschichte des Mönches Widukind von Korvey (967/968) gelten, die in ihrer epischen Kraft und urwüchsigen Stammesart den bedeutenden Stoff des ottonischen Emporsteigens mit einseitiger, aber erfrischender Originalität bewältigt. Eine Nichte des Kaisers war es, die als Äbtissin von Gandersheim das bedeutende Formtalent der Nonne Hrotsvith auf eine poetische Bearbeitung der Taten Ottos lenkte, die bei ihr wie alles, was sie schrieb, legendarische Färbung annahm. Unter ihren Heiligenlegenden aber gewannen sechs durch ihre Form besondere Bedeutung, denn die Dichterin hatte sie zu Dramen in rhythmischer Prosa, eine in dieser frühen Zeit einzigartige Erscheinung, gestaltet. Wenn sie in ihnen christliche Gegenstücke zu den weltlichheidnischen Komödien des Terenz schaffen wollte,
BILDENDE KÜNSTE
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so entsprach sie damit nur dem schon die Karolingerzeit beherrschenden Zuge, christlichen Geist mit antiker Form zu versöhnen, wozu dann jeweils eine mehr oder minder starke Beimischimg germanischer Empfindung trat. Auch wenn man zu den genannten Werken noch manche Schriften hagiographischen Charakters hinzunimmt, ist diese unter Otto wieder aufgeblühte Literatur noch keineswegs reich oder absolut bedeutend; aber der Aufstieg dieses halben Jahrhunderts aus tiefer Zerrüttung ist doch ebenso unverkennbar wie die Überlegenheit über die Nachbarländer, die noch weiter im Chaos verharrten. Ganz ähnlich liegen die Dinge endlich auch bei den bildenden Künsten, nur daß hier die Entwicklung dank der mühevolleren Technik der leichteren literarischen Art etwas nachfolgte, Ottos Regierung daher mehr eine Vorbereitung war auf eine unmittelbar darauf einsetzende Blüte. Auch hier führte man allenthalben die Überlieferungen der Karolingerzeit fort. Von einer Renaissance könnte man allenfalls in der Malerei insofern sprechen, als man für Buch- und Wandschmuck gern auf Vorlagen des 5. Jahrhunderts zurückgriff. Immer deutlicher aber begann sich im Widerspruch zu jener noch antiken Überlieferung die grundsätzliche Verschiedenheit der mittelalterlichen Malerei herauszuarbeiten, der es nicht auf naturgetreue oder idealisierte Wiedergabe des Wirklichen ankam, sondern auf den Wert des Linienzuges, den Ausdruck seelischer Beziehungen, den symbolischen Sinn der Illustrationen und ihre harmonische Einfügung in das Ganze des christlichen Weltbildes. Auf diesem Gebiete war es das Kloster Reichenau, das die Führung gewann, und wenn uns auch für Ottos Regierungszeit namhafte Denkmäler noch nicht erhalten sind, so konnten Verbindungsglieder doch nicht fehlen, die von der Pracht spätkarolingischer Buchmalerei zu der neuen Höhe im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts hinüberleiteten; von frühottonischen Wandgemälden, so von der Ungarnschlacht Heinrichs I. in der Merseburger Pfalz, haben wir wenigstens Kunde. Lagen in den darstellenden Künsten, auch der Kleinplastik und dem Kunstgewerbe, die Hauptstätten des Schaffens noch immer in den älteren Kulturlanden des deutschen Südens und Westens, so hatte inzwischen in der Baukunst das sächsische Stammesgebiet die Führung ergriffen, um erst vom Norden her nach Köln, Mainz und anderen Orten Anregungen auszustrahlen. Der dort noch mit dem Schwünge der Jugend tätige christliche Eifer, die umfassende Organisation und reiche Ausstattung der Kirchen und ihr Vordringen gegen Norden und Osten stellten immer neue Aufgaben, an denen die Ansprüche des Kaisers und der geistlichen Bauherren ebenso wie
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„ROMANISCHER" BAUSTIL
das Können der wandernden Architekten und Handwerker emporwuchsen, und zwar von dürftigsten Anfängen her, die uns noch in den ältesten Bauten von Quedlinburg: der winzigen, ehemals herzoglichen Burgkapelle (später Krypta des Wipertiklosters) und der immer noch sehr beschränkten ursprünglichen Grabkirche Heinrichs I. deutlich werden. Indem nun allenthalben der überlieferte Basilikagrundriß weiter ausgestaltet wurde, war vielleicht keines der Bauglieder für sich betrachtet nicht irgendwo schon ähnlich vorgekommen. Indes der Zusammenklang aller Einzel Wandlungen: die reichere Gliederung des Innern auf Grund des quadratischen Schemas, der Stützenwechsel von Pfeilern und Säulen, die Herausbildung der Kreuzform durch Querschiff und verlängerten Chorarm, die übliche Kryptenanlage für Reliquien und Särge, das durch Einbeziehung des Glockenturmes, oft schon mehrere Türme zu Seiten der Westfassade bewegtere und in die Höhe gesteigerte Außenbild — das alles und dazu die kräftig-derbe sächsische Art der gesamten Formgebung machte doch den Eindruck von etwas Neuem, das weniger ein fremdartiges Treibhausgewächs, stärker von germanischem Geist erfüllt war als die Schöpfungen der karolingischen Kunst. Der zu völliger Irreführung nun einmal seit einem Jahrhundert so benannte „romanische Stil" keimte da aus deutschem Boden hervor. Und die Entwicklung dieses halben Jahrhunderts war in der Tat sprunghaft. Von der wie eine bescheidene Stube niedrigen, engen und rohen „Wipertikrypta" bis zu dem nur noch aus den Fundamenten bekannten ersten Magdeburger Dom oder der weiträumigen, hohen und wohlgegliederten Nonnenkirche von Gernrode, einer Stiftung des Markgrafen Gero, ist es der gleiche erstaunliche Aufstieg, wie von dem auf notdürftigste Abwehr von Ungarn, Slawen und Dänen beschränkten sächsischen Herzogtum der Liudolfinger bis zur kaiserlichen Führerstellung an der Spitze des Abendlandes.
ROMKAISERTUM UND WERDENDE NATIONALSTAATEN
Nach dem Tode eines großen Herrschers pflegt unter einem jugendkräftigen Nachfolger die Staatsmaschine, von bewährten Helfern bedient, noch eine Weile in den gewiesenen Bahnen fortzuarbeiten. Aber diese Anwendung eines bestehenden Systems kann entwicklungsgeschichtlich nicht mehr das gleiche Interesse beanspruchen wie seine Begründung. Daß Otto II. (973—983) auch die letzthin wieder stark angeschwollene Herzogsgewalt in Baiern durch Unterwerfung seines widerspenstigen Vetters Heinrich, der erst von humanistischen Historikern „der Zänker" genannt ist, und durch Abtrennung des neuen Herzogtums Kärnten schwächte, entsprach bei aller Abweichung von der Personalpolitik des Vaters doch dessen grundsätzlicher Richtung. Im Norden gegen die Dänen, im Osten gegen Böhmen und Polen, im Westen durch Ausnutzung der innerfranzösischen Spaltungen und einen kriegerischen Demonstrationszug gegen den Karolinger Lothar, der während der baltischen Wirren einen friedbrechenden Vorstoß gegen Aachen unternommen hatte, aber nochmals auf Lothringen verzichten mußte, endlich im Süden durch wiederholtes Eingreifen in die Streitigkeiten zwischen Päpsten und römischem Adel bemühte er sich, Macht und Ehre des Reiches wesentlich im Geiste und mit den Mitteln Ottos des Großen, wenn auch nicht immer mit dessen erfahrener Reife, aufrecht zu halten. Doch begannen sich auch Tendenzen zu regen, die an das von jenem Gewollte zwar anknüpfen konnten, aber darüber hinauszuführen suchten. Am Hofe machte sich nun die feinere literarische Bildung des jungen, beim Tode des Vaters erst achtzehnjährigen Kaisers und seiner aus einem noch immer überlegenen alten Kulturgebiet nach dem Norden verpflanzten griechischen Gemahlin Theophanu geltend. Indem die auf Tatsachen gerichtete Geschichtschreibung im Reiche auf eine Weile ins Stocken geriet, begann die Neigung zum Formalen und zur dialektischen Erörterung zrt überwiegen. Man konnte den Kaiser sehen, wie er zu Ravenna einer auf die Einteilung der Wissenschaften bezüglichen Disputation zwischen dem zum berühmtesten Gelehrten des Abendlandes emporwachsenden Reimser Schulleiter Gerbert und dem namhaften Magdeburger Lehrer Otrich mit tiefem Anteil lauschte. Trat schon in solchen Bildungsbestrebungen ein Zug zu verstärkter Internationalität hervor, so entsprachen dem auch die Beziehungen
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OTTO π.
zu Italien, das aus der Stellung eines von Deutschland her beherrschten Nebenlandes zu einer Art Gleichberechtigung emporrückte und in immer engere Verbindung mit ihm trat. Der Generalnenner, auf den die beiden Reiche gebracht wurden, war das Imperium, dessen römischer, dem byzantinischen wesensgleicher Charakter jetzt in dem offiziellen Titel „Kaiser der Römer", also durch den Zusatz des „Romanorum" zu dem „Imperator Augustus" besonders betont und für die Zukunft festgelegt wurde. Eben die Pflichten des kaiserlichen Amtes waren es, die Otto II. zum Schutze Italiens und damit auch des gesamten christlichen Abendlandes ähnlich wie einst dem Karolinger Ludwig II. eine neue große Aufgabe auferlegten: die Abwehr der Araber. Das gewaltige Abbasidenreich hatte sich längst in eine Anzahl regionaler Herrschaften aufgelöst. Unter ihnen schien seit dem Anfang des 10. Jahrhunderts das Reich der Fatimiden, das sich bald in völliger, auch religiöser Unabhängigkeit von Bagdad über ganz Nordafrika von Marokko bis nach Syrien ausdehnte und vor kurzem (965) dem Reste griechischer Herrschaft auf Sizilien den Garaus gemacht hatte, die alte Expansivkraft des Islam neu zu bewähren. Nachdem eben erst durch den Zusammenschluß lokaler Gewalten das die Westalpen verheerende maurische Raubnest Garde-Freinet in der Provence glücklich ausgehoben war (975), erneuerte sich die Gefahr noch drohender von Süden her, als die Araber, von den Griechen gereizt, 976 die Meerenge von Messina überschritten, um von da ab Jahr für fahr ihre Einfalle in die byzantinischen Themen und langobardischen Fürstentümer Unteritaliens zu erneuern, während gleichzeitig eine Gegenoffensive des neuerstarkten Kalifats von Cordova unter dem siegreichen Führer Almansor gegen die zersplitterten christlichen Reiche Nordspaniens heraufzog und bald gar zur Zerstörung des einst der Frankenherrschaft angeschlossenen Barcelona führte. Bedenkt man, daß das damalige Byzanz nach dem Tode des kriegsberühmten Johannes Tzimiskes (976) durch innere Wirren und die unter dem Zaren Samuel wieder emporsteigende Bulgarenmacht an einer ernstlichen Abwehr in Unteritalien völlig gehindert war, daß durch die schwachen, vom Reiche abhängigen langobardischen Fürstentümer selbst Rom nur ungenügend geschützt wurde, daß eine starke Kriegsmacht außer der deutschen im Abendlande schlechterdings nicht bestand, so begreift man, daß Otto II. sich der Pflicht, den südlichen Grenzgürtel vor heidnischer Störung und Überrumpelung zu sichern und die Sarazenen womöglich aus dieser beherrschenden Stellung im Zentrum des Mittelmeers zu verdrängen, im italienischen und europäisch-christlichen Interesse schwer hätte entziehen können. Freilich,
ARABERABWEHR UND NIEDERLAGB
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als er 981 in Apulien einrückte, konnte und wollte er die zwischen ihm und den Truppen des sizilischen Emirs Abu al Kasim liegenden byzantinischen Besitzungen nicht unbezwungen lassen und gedachte wohl die von seinem Vater wie einst von Karl dem Großen unfertig gelassene Gestaltung Reichsitaliens zu vollenden, mochte er dadurch auch die Griechen, mit denen ohnehin unter der in Byzanz wieder festgesetzten alten Dynastie die Beziehungen gespannter geworden waren, zu passiver Feindseligkeit drängen. Als er aber über Tarent an der kalabresischen Küste entlang marschierte, machte die schwere Niederlage, die er 982 bei Capo delle Colonne südlich von Rossano nach anfänglichem Erfolge durch die arabische Reserve erlitt, solchen Hoffnungen ein jähes Ende und hätte ihm fast das Leben gekostet. Eben diese Gefährdung war es wohl, die ihn auf dem großen Veroneser Reichstage (983), der Maßnahmen zur Wiedergutmachung der Niederlage beschloß, antrieb, sein erst dreijähriges Söhnchen von den Großen zum König wählen zu lassen. Daß dabei auch Italiener gleichberechtigt mitwirkten und später mit dem Mainzer Erzbischof gemeinsam auch der von Ravenna den Knaben in Aachen salbte und krönte, brachte die schon erwähnte Tendenz enger Vereinigung beider Reiche zu deutlichem Ausdruck. Über solche Zugeständnisse an die Italiener hinaus war der Kaiser leidenschaftlich entschlossen, die böse Scharte sofort wieder auszuwetzen. Darin ließ er sich auch nicht durch die schlimmen Nachrichten beirren, die jetzt von der deutschen Ostgrenze eintrafen. Dort waren die über die Elbe vorgeschobenen Marken und kirchlichen Organisationen stets nur durch starken Machtdruck aufrechterhalten. Jetzt erschütterte die seit vielen Jahrzehnten erste Niederlage des Reiches den Glauben an seine Unbesiegbarkeit und führte zusammen mit einer gewissen Schwächung der Grenzverteidigung zu dänischen Unruhen und zu einer allgemeinen slawisch-heidnischen Reaktion der Wendenstämme, insbesondere der Abotriten, Liutizen und Heveller. In wenigen Tagen war hier das Werk Ottos I. zum großen Teil vernichtet, selbst Magdeburg bedroht; von den diesem untergeordneten Missionsbistümern wurden am Ende nur Meißen und Zeitz im Sorbenlande behauptet. Es trat also handgreiflich zutage, wie die allzuweit ausgreifende Italienpolitik, wenn sie auch das Beste des Abendlandes bezweckte, verderbliche Rückwirkungen auf die engere Heimat ausüben konnte. Freilich mußte eine besondere Ungunst des Schicksals hinzukommen, um diesen ostelbischen Verlusten eine jahrhundertlange Dauer zu verschaffen. Der Kaiser hätte sie, wie sein Vater nach dem Ungarnsiege von 955, nach Ordnung der süditalischen Verhältnisse vielleicht doch wieder eingebracht, wäre ihm Zeit dazu gelassen; aber seine Tage waren gezählt.
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TOD OTTOS Π., REGENTSCHAFTSSTREIT
Schon hatte er die griechische Grenze von neuem überschritten, als ihn die Erledigung des päpstlichen Stuhles nach Rom zurückrief. Daß er es wagen konnte, zum erstenmal keinen Römer, sondern seinen italienischen Erzkanzler, den lombardischen Bischof Petrus von Pavia, als Papst einzusetzen, zeigt, daß er das Heft hier noch fest in der Hand hatte. Allem Weiteren jedoch hat der vorzeitige Tod, den der von einer Gesundheitsstörung befallene Kaiser „gierig nach seiner Wiederherstellung" durch zu starke Dosen der Medizin selbst herbeiführte, eine Schranke gesetzt. Dieser jähe Abbruch läßt kein sicheres Urteil über das Maß dessen zu, was er bei reiferem Alter seiner Begabung nach noch hätte leisten können. Daß aber die Krone nun einem dreijährigen Knaben zufiel, war für das Reich ein schweres Verhängnis; ungleich schwerer als für eine neuzeitliche Monarchie, damals im Mittelalter, wo von dem persönlichen Eingreifen des Königs schlechthin alles abhing. Der Rechtsfiktion nach war das gekrönte Kind bereits handelnder Herrscher; die Regentschaft, staatsrechtlich ungeregelt, wurde durch privatrechtliche und persönliche Momente bestimmt. Gerade in diesem Falle lagen die Verhältnisse dadurch besonders schwierig, daß der älteste der Schwertmagen, der die Vormundschaft beanspruchen konnte, eben jener abgesetzte und bis dahin gefangene Heinrich von Baiern war, der sein Recht bald dahin umbog, daß er im Bunde mit den benachbarten Slawenfürsten des Ostens die Krone für sich selbst erstrebte. Der älteste der Kunkelmagen, das heißt der durch weibliche Mittelglieder Verwandten, aber war als Oheim König Lothar von Frankreich, der sich nur einmischte, um Lothringen von Deutschland loszureißen. Schließlich erwiesen sich in diesen Thronwirren doch alle jene Großen, die Ottos II. antibairische Politik unterstützt hatten, unter kluger Führung des Erzbischofs Willigis von Mainz und in enger Verbindung mit Mutter und Gattin des verstorbenen Kaisers als sichere Stütze für das Recht des schon gekrönten jungen Königs. Indem man jenem Heinrich das verkleinerte Baiern, zu dem er freilich bald wieder Kärnten hinzufügen konnte, zugestand und den Karolinger in alter Weise durch Ausspielen seines Gegners, des Herzogs Hugo von Franzien, zur Umkehr zwang, gelang es, diese Irrungen glücklich zu beenden. Die beiden Kaiserinnen standen dem königlichen Kinde nun anfangs gemeinsam zur Seite, dann nach ihrer Entzweiung Theophanu allein, die mit männlichem Geiste, nicht ohne Staatsklugheit diesseits und jenseits der Alpen waltete; nach ihrem Tode 991 mit schwächerer Hand noch auf einige Jahre die Großmutter Adelheid. Ging es auch im Innern Deutschlands während dieser Jahre nicht ab ohne erhebliche Einbußen an königlichen Rechten und Besitzungen,
SLAWISCHE GROSSFÜRSTENTÜMER
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um die nun wieder stärker hervortretenden Feudalgewalten bei guter Laune zu erhalten, so erwiesen sich die von Otto dem Großen gemauerten Fundamente doch im Ganzen als stark genug, um das Reich über alle Erschütterungen hinwegzubringen. Gleichwohl blieb es für eine Macht, die im Abendlande die Hegemoniestellung einnahm, höchst verhängnisvoll, daß unmittelbar nach den schweren Niederlagen und Verlusten der letzten Jahre Ottos II. eine Vormundschaftsregierung einsetzte, deren Ziel ihrem ganzen Wesen nach nur die Erhaltung des Bestehenden für den Thronerben sein konnte, während jene Führerrolle eigentlich eine unablässige Bewährung durch kühnes Voranschreiten in Idee und Tat verlangte. Die Folge war, daß die kräftigen Staatsgebilde, die damals rings um Deutschland emporwuchsen, begannen, sich ihm mehr oder weniger selbständig gegenüberzustellen. Was die kleineren westslawischen Stämme betrifft, denen gegenüber man trotz allen Anstrengungen die Grenze nicht wesentlich über die Elbe vortragen konnte, kam es freilich nur vereinzelt, bei den Abotriten, zu monarchischer Zusammenfassung. Jedoch im ferneren Osten stieg damals allenthalben über den zu staatlicher Einheit zusammengefaßten Stämmen das Großfürstentum zur Alleinherrschaft empor. Wenn Goethe von einem fugenartigen Eintritt der Völker des Altertums in die Geschichte gesprochen hat, so läßt sich das gleiche auch von der nordalpinen Staatenwelt sagen, nur daß die Bewegung da nicht von Ost nach West, sondern umgekehrt verlaufen ist, vom westlichen Frankreich über Deutschland zum Osten und Norden. Uberall ist es ein Großherrschertum, das im Bunde mit der begünstigten christlichen Mission Zivilisation und Ordnung des Westens unter Wahrung nationaler Eigenart und Unabhängigkeit einführt, aber nur in scharfen Kämpfen die Selbständigkeit des heidnischen Adels bricht und dessen kriegerische Kraft durch Expansion vom Innern ablenkt. Im Osten war Böhmen in seinem geschlossenen Bergkessel unter den Przemysliden schon seit zwei Generationen vorangegangen; aber doch erst um die Mitte der neunziger Jahre entledigte sich das Herzogtum unter Boleslaw II. (967—999) seiner letzten stammesfürstlichen Mitbewerber. Indem es seine Herrschaft über Schlesien und das Krakauer Land erstreckte, grenzte es südlich an den unter dem schon genannten Piasten Misika I. (960-992) in den sechziger Jahren aus Stämmen geeinten polnischen Staat, der sich zwischen Oder und Rußland nordwärts bis zum Gebiet der Pommern und Preußen ausdehnte. Nachdem anfangs freundlich-verwandtschaftliche Bindungen zwischen den Herrscherhäusern bestanden hatten, die zu
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POLNISCHES REICH VON OSTSEE BIS DONAU
der überwiegend von Böhmen ausgehenden römisch-katholischen Missionierung Polens und zu der gemeinsamen Unterstützung des deutschen Prätendenten Heinrich von Baiern beitrugen, traten mit wachsender Ausdehnungstendenz Spannungen an die Stelle. In zweiter Ehe mit einer Deutschen vermählt, unterstützte Misika das Imperium in seinen Kämpfen gegen Elbslawen und Böhmen und gewann dabei Teile Schlesiens. Da aber eine zu enge Anlehnung an Deutschland, namentlich in kirchlicher Hinsicht, notwendig über die bestehende Tributpflicht hinaus zu völliger Abhängigkeit und damit zur inneren Gefährdung seines Großherrschertums fuhren mußte, so hat schon Misika sein Land unter Zahlung eines Zinses dem römischen Stuhle durch eine merkwürdige Schenkung untergeordnet (um 990—992) und damit im Unterschied zu Böhmen die selbständige Organisation der polnischen Kirche in völliger Trennung vom deutschen Reiche vorbereitet, die dann unter seinem Nachfolger Boleslaw Chrobry, das ist der „Kühne" (992—1025), zur Ausführung kommen sollte. Dieser polnische „Chlodwig", der mit brutaler Energie durch Beseitigung der neben ihm stehenden Verwandten die volle Alleinherrschaft herstellte, setzte nun, zunächst noch unter Aufrechterhaltung der freundlichen Beziehungen zum deutschen Reiche und von diesem gefördert, die schon unter seinem Vater begonnene Eroberungspolitik in größtem Stile fort. Noch zur Zeit Ottos III. dehnte er durch Unterwerfung der Pommern und Preußen und unter geschickter Ausnützung böhmischer Thronstreitigkeiten (999) durch Angliederung Krakaus, Schlesiens und der transkarpatischen Slowakei das polnische Reich von der Ostsee bis an die Donau aus. Ein derartiger Lehnsmann bedeutete für das deutsche Königtum sicherlich mehr Gefahr als Gewinn. ' Hat Polen durch seinen kirchlichen Anschluß an Rom zugleich die Zukunft der noch im Heidentum verharrenden Westslawen mitbestimmt, so konnte es eine Zeitlang fraglich erscheinen, ob auch Ungarn auf diese Seite treten oder wie die Südslawen und damals eben der russische Großfürst Wladimir der Heilige von Kiew ("j" 1015) Bekenntnis und Kultur von den Griechen empfangen würde. Und als es sich unter dem Arpaden Geisa, dem eigentlichen Staatsgründer und Wegebereiter für das Königtum seines Sohnes Stefan, dem Westen zuneigte, handelte es sich weiter darum, ob es sich wie Böhmen der deutschen Kirche angliedern oder wie Polen unmittelbar unter Rom treten würde. Von deutscher Seite hat es nicht an ernstlichen Missionsbestrebungen gefehlt. Bischof Pilgrim von Passau (972-991), dem eine zweifelhafte Nachricht bei seinen Beziehungen zum ehemaligen Hunnenlande Etzels die Sorge
UNGARN, DANEMARK
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fur die lateinische Aufzeichnung einer mündlich verbreiteten deutschen Nibelungendichtung zugeschrieben hat, trug sich da mit großen, ehrgeizigen Plänen, die sein Bistum unter Beseitigung der älteren Salzburger Ansprüche an die Spitze einer über Ungarn ausgedehnten Kirchenorganisation bringen sollten und die dazu nötigen Rechtstitel durch gefälschte Urkunden auf das alte zu Zeiten des heiligen Severin bestehende Bistum Lorch zurückzuführen suchten. Auch wenn Papst und Kaiser daraufhätten eingehen können, würden solchen Bestrebungen schwerlich dauernde Erfolge beschieden worden sein. Denn wenn auch für das nähere und engere Böhmen die Eingliederung des Prager Bistums, dem jetzt auch ein mährisches zur Seite trat, in die deutsche Kirche möglich gewesen ist, so mußte doch die Tendenz eines ungarischen Großherrschers ähnlich wie in Polen darauf gerichtet sein, durch Christianisierung und Anlehnung an die westliche Kultur nicht auch in politische Abhängigkeit vom deutschen Reiche zu geraten und darum lieber auf eine national geschlossene Kirche hinzuarbeiten. Durch Stefan den Heiligen (997—1038), dem sein Vater Geisa die Vermählung mit einer Tochter Herzog Heinrichs von Baiern vermittelt hatte, sollte dies Ziel nach endgültiger Niederwerfung der Stammesfürsten und innerer Organisation des Einheitsstaates mit Grafschaftseinteilung und königlichem Vasallentum nach fränkischem Muster schon um die Wende des Jahrtausends durchgeführt werden. Auch in der nordischen Welt war die gleiche Zeit entscheidend fur den Durchbruch von Großkönigtum und Christentum, deren Kampf mit den Gegengewalten hier fast noch heftiger auf- und abschwankte. Das mehr verbindende als trennende Meereselement, das kühne normannische Seeleute auf fernen Abenteuerfahrten damals schon bis nach Grönland, ja den Isländer Leif um das Jahr 1000 sogar als frühen Vorläufer des Kolumbus an die Ostküste Nordamerikas führte, konnte da schließlich noch weiter auseinanderliegende Gebiete zu einem Großreich zusammenfügen. Wie im Osten Böhmen, so war hier das nächstgelegene Dänemark unter Harald Blauzahn in staatlicher Einung vorangegangen, indem es sich zugleich der deutschen Christenmission öffnete, seine Herrschaft über das südliche Schweden und Norwegen erstreckte und dänische Vorposten auch an der pommerisch-preußischen Ostseeküste, namentlich in dem handelspolitisch wichtigen Jomsburg in der Odermündung begründete. Aber wie dort gegen den heiligen Wenzel, so hatte sich auch hier gegen den getauften und das Christentum begünstigenden König aus dem Schöße seiner eigenen Familie heraus eine furchtbare heidnische Reaktion erhoben, als Sven Gabelbart
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ANGELSÄCHSISCHER NIEDERGANG
(vor 988) dem Vater die Krone entriß und für die christliche Kirche, die ihre jütischen Bischofssitze einbüßte, schlimme Märtyrerzeiten heraufführte. Schon schien sich, als dänisch-normannische Wikinger in Elb- und Wesermündung hineinfuhren, die unselige Normannenplage erneuern zu wollen. Indes die rasch organisierte Abwehr der Sachsen trug jenen schwere Niederlagen ein. Das sinkende Reich der Angelsachsen bot bequemere Einfallsgelegenheit. Dort hatte König Edgar (957—975) ein segensvolles Friedensregiment mit kirchlichen und sozialen Besserungen geführt. Sowohl von Cluny-Fleury her wie von Lothringen-Flandern aus begannen damals die mönchischen Reformbestrebungen auf die verwilderte angelsächsische Geistlichkeit, und zwar nicht nur auf die Mönche, sondern auch schon den Weltklerus einzuwirken ; der große Erzbischof Dunstan von Canterbury, des jungen Königs rechte Hand, war es vornehmlich, der ihnen unter Erhaltung der Staatshoheit weithin Eingang verschaffte. Jedoch nach Edgars Tode verrieten innere Kämpfe zwischen Königtum, Kirche und Adel die Schwäche des Reiches und luden die norwegisch-dänischen Normannen, die ja von früher her im englischen Osten, an den schottischen und irischen Küsten sowie auf der gesamten Kleininselwelt ausgedehnte Siedlungen behalten hatten, zu erneuten Unternehmungen. So wurde Aethelreds II. Regierung (978—1016) nach Dunstans Tode zu einer Kette von Niederlagen, Tributzahlungen, Verrätereien und Demütigungen, die wohl einmal zu der blutigen und feigen Reaktion des allgemeinen Dänenmords von 1002, nicht aber, wie einst unter Alfred dem Großen, zu mannhaftem Emporraffen den Antrieb gaben und die nationale Dynastie schließlich dem Untergang entgegenführen mußten. Es kommt hier nicht darauf an, diese Züge im einzelnen zu verfolgen. Neben dem norwegischen Prätendenten Olaf Tryggveson, der aber 995 zur Gewinnuhg der Krone in die Heimat zurückkehrte, um mit angelsächsischer Missionshilfe, die auch für Schweden erfolgreich wurde, das Christentum zur allgemeinen Annahme zu bringen, war Sven Gabelbart der gefährlichste Gegner. Durch König Erich von Schweden aus seinem dänischen Reiche vertrieben, hatte er sein Glück in England versucht und behielt dies Ziel auch fest im Auge, als er nach Erichs Tod dessen Witwe heiratete und ihren Sohn Olaf wieder auf Schweden beschränkte. Sobald er 1013 seinen Hauptangriff gegen England richtete, floh Aethelred, von seinen Angelsachsen weitgehend im Stich gelassen, nach der Normandie, und Sven, der inzwischen längst aus einem Verfolger zu einem Anhänger und Förderer der christlichen Kirche geworden war, stand unmittelbar vor
DYNASTIE WECHSEL IN FRANKREICH
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der Krönung zum König von England, als er plötzlich starb (1014). Seinem jüngeren, erst achtzehnjährigen Sohne Knut, der seine Ansprüche aufnahm, kamen nach weiteren Kämpfen die Todesfälle des heimgekehrten Aethelred und seines tapferen Sohnes Edmund, der sich schon die Anerkennung als Herrscher für den Westen erstritten hatte, zustatten, so daß er 1017 von den gesamten Angelsachsen zu ihrem König erkoren wurde, um im folgenden Jahre durch den Tod seines älteren Bruders auch Dänemark mit seinen nordischen Anhängseln dazuzugewinnen. So war auch hier unter einem bedeutenden Herrscher der Grund zu einer starken christlichen Großmacht mit dem Hauptsitz in England gelegt, die bald noch weiter an Nord- und Ostsee ausgebaut werden sollte. Von einer derartigen Zusammenfassung der Kräfte konnte in der feudalistischen Auflösung des französischen Westens, wo das ausgehöhlte Königtum sich erst dem Nullpunkt näherte, noch keine Rede sein. Aber es trat doch auch hier ein Wandel ein, der wenigstens die Voraussetzung für einen künftigen Aufstieg schuf. Lange hatten die Karolinger als Vertreter des zentralen Königtums, dem nur gar keine Machtgrundlage mehr entsprach, gerungen mit den Herzögen von Franzien als Vertretern der emporstrebenden feudalen Aristokratie, die ihre Zeit ebenso klug abwarteten wie einstmals die ersten Karolinger gegenüber den Merowingern. Endlich machte der mit Unglücksfällen verbundene Mangel an robuster Lebenskraft, der bei den Karolingern schon seit mehr als einem Jahrhundert bedenklich zutage getreten war, der alten Dynastie ein Ende, als König Lothar und sein jugendlicher Sohn Ludwig V. rasch hintereinander starben (986—987). Freilich war noch Karl, ein nicht zu dem ohnehin schmalen Erbe herangezogener Bruder Lothars, am Leben, der sich ostwärts gewandt und von Kaiser Otto II. mit dem niederlothringischen Herzogtum belehnt worden war. Gewann er jetzt die Krone, so mochte er in einer für Deutschland gefährlichen Weise an den lothringischen Ansprüchen festhalten; aber die Lehnsabhängigkeit vom Kaiser konnte ihn den französischen Wählern nicht eben empfehlen. So schlug endlich die Stunde der Herzöge von Franzien. Der bedeutende Erzbischof Adalbero von Reims, selbst ein Lothringer ("f" 989), war es, der die Wahl Hugo Kapets betrieb und die Krönung vollzog (987) — für die französische Geschichte ein Ereignis von weittragender Wirkung, denn acht Jahrhunderte lang sollten die Nachkommen in ununterbrochener Folge die Krone tragen und dadurch Frankreich vor allen jenen Erschütterungen bewahren, die der Dynastienwechsel für das Deutsche Reich und andere Länder mit sich gebracht hat. War auch der neue Herrscher, der seinen Sohn Robert II. alsbald zum
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GERBERT ERZBISCHOF VON REIMS
Mitkönig krönen ließ, mit seiner Herzogsgewalt, mit Grafschaften und Eigenbesitzungen an Seine, Loire und Oise, mit Paris und Orleans und dem von den Karolingern übernommenen Gewohnheitsrecht, wenigstens einen Teil der französischen Bistümer (25 von insgesamt 77) zu besetzen, sicherlich etwas besser gestellt als seine Vorgänger, so blieb sein Königtum trotzdem schwach genug. Und wenn der rhetorische Chronist Richer von Reims in seiner ruhmredigen und antik aufgeputzten Art Hugo als König der Gallier, Britannier, Normannen, Aquitanien Goten, Spanier und Waskonen bezeichnet, so zeigt die pomphafte Aufzählung zugleich, wie wenig noch von einem nationalen Einheitsstaat die Rede sein konnte. Auch trug diese Erhebung keineswegs ein deutschfeindliches Gepräge; Hugo, von dem man die karolingischen Ansprüche auf Lothringen nicht zu gewärtigen hatte, war Verbündeter der Reichsregierung. Mußte diese auf den Einfluß, den das Ausspielen der beiden Gegenparteien bislang gewährt hatte, auch für die Zukunft verzichten, so schien sich selbst das noch eine Weile fortsetzen zu wollen; denn mit den Resten der karolingischen Partei entspann sich ein Zwist, der sich weit über das Persönliche und Innerpolitische hinaus zu abendländischer und ideengeschichdicher Bedeutung erheben sollte. Um die Gegner zu spalten, setzte Hugo 989 einen illegitimen Bruder des letzten Königs, Arnulf mit Namen, auf den wichtigsten Posten in der Haupteinflußsphäre der Karolinger als Reimser Erzbischof ein, nachdem er sich ihn zur Treue hinreichend verpflichtet zu haben glaubte. Gleichwohl fiel jener verräterisch zu seinem Oheim Karl ab, und der erneuerte Kampf drohte durch den Rückhalt, den beide an der römischen Kurie gewannen, für Hugo nicht unbedenklich zu werden. Da gelang es, die Gegenpartei durch listige Gefangennahme Karls, der bald darauf (992) starb, und Arnulfs zu lahmen. Dieser ungetreue Erzbischof aber sollte nun beseitigt werden, und als man das von der römischen Kurie nicht zu erreichen vermochte, stellten ihn die beiden Könige vor das Gericht einer großen Provinzialsynode, die sich im Jahre 991 in der Kirche St. Bile bei Reims versammelte. Unter ihrem Drucke verzichtete Arnulf und wurde ersetzt durch den bisherigen Leiter der Reimser Domschule, den Aquitanier Gerbert, Mönch von Aurillac, einem Kloster in den Cevennen, der schon längst hinter den Kulissen gewirkt hatte und die Seele der erregten, geistvollen Synodalverhandlungen war. Man sagt nicht zu viel, wenn man ihn nicht nur als den gelehrtesten, sondern auch als den klügsten Mann seines Zeitalters bezeichnet, der ihm sogar vielfach richtunggebend voraneilte. Seine geistige Bedeutung liegt keineswegs vornehmlich oder gar ausschließlich in den für seine Epoche allerdings höchst
FRÜHER HUMANIST, VORLÄUFER DER FRÜHSCHOLASTIK
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seltenen arithmetischen, geometrischen und astronomischen Kenntnissen und veranschaulichenden Weltbildkonstruktionen, die er aus den Werken der Alten, angeregt auch durch ein frühes Studium in dem der arabischen Kultur so nahen Katalonien, seinen staunenden Zeitgenossen vermittelte, so daß er von der Legende bald in den Ruf eines unheimlichen Magiers gebracht wurde. Sie liegt fast noch mehr in dem philologischen Feingefühl, mit dem er sich in den Geist der Spätantike hineinlebte, um sich aus ihm heraus als ein früher Humanist einen sehr persönlichen Stü zu bilden, wie er namentlich in den über zweihundert von ihm verfaßten, fur diese Zeit ganz einzig dastehenden Briefen hervortritt. Sie liegt vor allem in der über den bisher üblichen Traditionalismus hinausragenden Schärfe seiner durchaus eigenständigen Dialektik, die ihn zu einem wichtigen Vorläufer der Frühscholastik macht und durch den von ihm angeregten Fulbert von Chartres und dessen Schule auch tatsächlich auf deren Entstehung eingewirkt hat. Dieser Mann, damals ein reifer Vierziger, war, wie wir schon wissen, dem ottonischen Hofe kein Unbekannter. Schon Otto der Große hatte ihn zu gewinnen gesucht; damals aber (972) hatte er sich zur Vollendung seiner Studien nach Reims gewandt, wo er bald an die Spitze der berühmten Domschule trat und ihren Glanz erneute. Von Otto II. als Abt mit dem lombardischen Kloster Bobbio beschenkt, fühlte er sich vornehmlich durch die dortigen Besitzentfremdungen abgestoßen und kehrte nach Reims zurück. In seiner Hoffnung auf den Erzstuhl enttäuscht und stets den imperialistischen Ideen zugeneigt, hatte er die der deutschen Reichsregierung nicht eben freundliche Prätendentschaft des Karolingers vielleicht nur ungern unterstützt und Arnulfs Verrat schwerlich gebilligt. Er war es jetzt, der die Synode mit seinem Geist erfüllte, ihren Akten eine wirksam geschärfte Form gab und von den beiden Königen und den Bischöfen zum Nachfolger des abgesetzten Arnulf bestellt wurde. Soweit es sich nur um das Ringen zwischen der kapetingischen und karolingischen Partei handelte, war der Streit damit beendet. Jedoch die Absetzung des Erzbischofs hatte nach den allgemein als echt betrachteten pseudoisidorischen Dekretalen, nach denen Streitigkeiten der Bischöfe vor die Instanz des päpstlichen Gerichtes gehörten, in die Befugnisse der Kurie eingegriffen. Wenn man das gleichwohl mit dem Bewußtsein mindestens des moralischen Rechts gewagt hatte, so war es geschehen, weil das Papsttum, das von den ersten beiden Ottonen in eine höhere Sphäre erhoben war, während der Regentschaft, die sich damit schlecht und recht abgefunden hatte, wieder in die Abhängigkeit vom römischen Adel zurückgesunken war, der damals
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GALLIKANISCHE REGUNGEN
in der Person des Johannes Creszentius Nomentanus mit dem erneuerten Titel eines Patrizius die unmittelbare Herrschaft über Stadt und Kurie an sich gerissen hatte. War auch der gegenwärtige Papst Johann X V . kein Unmensch wie noch kürzlich Bonifaz VII., so war er doch unfrei, und die Erinnerungen des letzten Jahrhunderts wirkten eben höchst ungünstig nach. Der französische Episkopat durfte sich an Bildungshöhe der römischen Geistlichkeit mit Recht weit überlegen fühlen. Bei der Bestechlichkeit des Patrizius erwartete man überdies von der durch ihn beherrschten Kurie keine unparteiische Entscheidung; die internationale Geltung des Papsttums mußte unter solcher Abhängigkeit von einem kleinen lokalen Gewalthaber notwendig leiden. Indem man sich dagegen in einer frühen Aufwallung des Gallikanismus auflehnte, fand man in den alten Akten der Reimser Erzbischöfe Ebo und Hinkmar ein wertvolles Arsenal, das von Gerbert aus seiner umfassenden kirchenrechtlichen und geschichtlichen Kenntnis heraus erweitert werden konnte. Gegen Pseudoisidor spielte man widersprechende Sätze zugunsten des Episkopalsystems aus Kirchenvätern und frühen Synoden aus, gegenüber der Papsthoheit vertrat man die Konzilsidee. Solange man aber die Dekretalen Pseudoisidors nicht schlechthin verwerfen mochte, blieb man doch stets im Nachteil und legte daher den Hauptnachdruck darauf, daß zwar einem hochstehenden, die übrige Geistlichkeit an Vollkommenheit
überragenden
Papsttum derart wichtige Entscheidungen einzuräumen sein möchten, nimmermehr aber einem unwissenden, boshaften und entarteten, wie es unlängst durch Johann XII. oder Bonifaz VII. vertreten gewesen sei. Ein solches Papsttum wagte Bischof Arnulf von Orleans sogar als den leibhaftigen Antichrist zu bezeichnen, der im Tempel Gottes sitze und sich so darstelle, als ob er selbst Gott sei. Auch sonst fielen Worte von erstaunlicher Schärfe, und alles war erfüllt von einem derartigen Geiste des Rationalismus, des Rückgehens auf Bibel und jeweils ältere Quellen, des Appells an das vernünftige Urteil und moralische Gewissen, daß man sich noch heute beim Lesen an die Kampfzeit des Protestantismus gemahnt fühlt. Als ein päpstlicher Legat die Reimser Beschlüsse kassierte, wagte man auf einer weiteren Synode zu Chelles (993) sie ausdrücklich zu bestätigen und alle päpstlichen Entscheidungen, die gegen ältere Dekrete verstießen, für nichtig zu erklären. Alles dies konnte freilich ebensowohl an die Vergangenheit gemahnen als in die Zukunft vorausdeuten. Dagegen machte ein weiterer großer Gegensatz, der in diese Kämpfe hineinragte, die Ereignisse geradezu zu einem frühen Vorspiel des Investiturstreites: Das cluniazensische Mönchtum, das bereits einen ansehnlichen Teil der rund sechshundert klösterlichen Stiftungen
Deutsche 10.114.
Kaiserkrone Jahrhundert
CLUNIAZENSISCHES MÖNCHTUM
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Frankreichs umfaßte, war inzwischen zu einer geschlossenen Macht in der feudalen Zersplitterung dieses Staatswesens herangewachsen. In dem unerbittlichen, opfervollen Emst, mit dem es dem höchsten Ideal der damaligen Frömmigkeit nachstrebte, hatte es alles auf seiner Seite, was von öffentlicher Meinung in breiteren Volksschichten etwa schon vorhanden war. In seiner unmittelbaren Unterordnung unter Rom war es der natürliche Gegner der Diözesangewalt des Episkopats und bekämpfte dessen Verstrickung in die Weltlichkeit, die eben in der Reimser Kirchenprovinz auch durch die Abhängigkeit von der Krone gegeben war. Einer der bedenkenlosesten Haupttäter im Kampf gegen die karolingische Sache, der Bischof Adalbero von Laon war es, der später die giftigste Satire gegen die den aristokratischen Charakter des Episkopats auflockernde Reformpartei der Cluniazenser und ihren mit Rom engverbundenen Abt Odilo schrieb. Es war auch kein Zufall, daß die von der Kurie zur Untersuchung bestellten Legaten Äbte waren, daß dem schärfsten Angreifer der Kurie Bischof Arnulf von Orleans gerade der Abt Abbo von Fleury (f 1004) aus dessen eigener Diözese als programmatischer Vertreter des Mönchtums und Verteidiger der päpstlichen Ansprüche entgegentrat. Wie für die eigene Unabhängigkeit und Organisation, so stritt man hier für die geschlossene Einheit der Gesamtkirche und begann damit auf den Weltklerus hinüberzuwirken. Im Grunde war die über allen Wechsel von Persönlichkeit und Stimmung hinausgehobene Unverrückbarkeit der Ziele in diesem Mönchtum doch ganz anders gewährleistet, als bei der intellektuell überlegenen Gegenpartei, die dadurch auch um den Endsieg gebracht wurde. Auch war Gerbert durch den Zwang der Selbstbehauptung und die Hitze des Kampfes wohl weiter in den Gallikanismus hineingetrieben, als es seinen theoretischen Überzeugungen entsprach, die ihn bald wieder wie früher auf die Seite der imperialistisch-papalen Universalmächte weisen mußten. Schon als er die vom Papst auf deutschem Reichsboden anberaumte Synode von Mouzon (995) als einziger der geladenen, aber durch königliches Verbot zurückgehaltenen französischen Bischöfe besuchte, war das trotz seiner rechtfertigenden Verteidigung vielleicht schon ein erstes Zeichen des Einlenkens, wie er sich auch dem über ihn einstweilen verhängten Verbot des Messelesens fügte. Auf einer neuen Synode führte er bereits eine maßvollere Sprache, wenn er auch die Behinderung des Papsttums durch römische Tyrannei nach wie vor bitter beklagte. Eben hierin aber sollte kurz darauf ein durchgreifender Wandel eintreten, der jener gallikanischen Opposition den moralischen Boden entzog.
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o t t o m.
Otto ΙΠ. hatte inzwischen (995) mit dem Alter der Mündigkeit die Zügel der Regierung selbst ergriffen. Der begabte, fur alles Große überaus empfängliche, phantasievolle Knabe war fein und reich ausgebildet, namentlich von dem für Kunst und Wissenschaft begeisterten Bernward, der dann Bischof von Hildesheim wurde, hatte er starke Eindrücke empfangen; durch die ihm geläufige griechische Sprache seiner Mutter hatte er nahezu vor allen abendländischen Gelehrten jener Zeit etwas voraus. Das frühe scheinbare Hr-deln inmitten des Königshofes, wo man sich vorzeitig um die Gunst des jugendlichen Herrschers bewarb, war dagegen wenig geeignet, um das nötige Augenmaß fur die Wirklichkeit der Dinge, für das Erreichbare, Nützliche und Nötige zu gewinnen. Was als Ideal zur Richtschnur des Handelns erhoben wurde, erschien auch über alle Hemmungen hinweg der Verwirklichung fähig. Begreiflich, daß dieser hochstrebende Jüngling, der von Kaiserinnen in der imperialen Überlieferung seiner Ahnen erzogen war und sich damals gerade um eine ebenbürtige Prinzessin aus dem Byzanz seiner Mutter bewarb, sich möglichst bald mit der Kaiserkrone, die den Italienern erst als eine Legitimierung seiner Herrschaft erschien, zu schmücken trachtete und nicht dulden wollte, daß der, welcher sie zu vergeben hatte, in unwürdiger Abhängigkeit von einer lokalen Mittelgewalt verharrte. Papst Johann XV. selbst, der aus Rom flüchtend an Otto ein Hilfsgesuch richtete, kam diesem Wunsche entgegen. Unter Vorantragung der heiligen Konstantinslanze als des Symbols der Herrschaft über Italien trat er 996 seinen Romzug an. Die Verhältnisse südlich der Alpen waren unter Nachwirkung der von den beiden ersten Ottonen getroffenen Ordnung günstiger, als man hätte erwarten sollen, auch vom Süden her die Angriffskraft der Sarazenen durch innere Streitigkeiten gelähmt. Der Tod des Papstes, mit dem der Creszentier noch rasch eine Versöhnung angebahnt hatte, schuf auch in Rom vollends freie Bahn. Und nun gewann jene auf engere Vereinigung Italiens mit Deutschland gerichtete Tendenz, die schon unter seinem Vater zu bemerken gewesen war, deutlichere Gestalt. Wie Otto bereits seinen deutschen Kaplan Heribert zum Kanzler für Italien ernannt hatte, so setzte er jetzt, als römische Gesandte selbst von ihm, dem Sechzehnjährigen, die Designation des neuen Papstes erbaten, auf den Stuhl Petri sogar ein deutsches Mitglied seines eigenen Hauses, einen Urenkel Ottos I., den erst in der Mitte der zwanziger Jahre stehenden Kaplan Brun, der sich, um seine universellen Ziele gleich programmatisch zum Ausdruck zu bringen, nach dem großen Papst und Kirchenvater Gregor V. (996—999) nannte. Die Idee engsten, ergänzenden Zusammenwirkens der beiden universalen Gewalten in dem augustinischen Gottesreiche
KAISER DER RÖMER
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auf Erden konnte keinen vollkommeneren Ausdruck finden. Vor solchem Bunde wich der Creszentier zurück, dem dann auf Fürsprache des neuen Papstes die Strafe der Verbannung erlassen wurde. Dieser selbst aber hat, ohne daß das alte Paktum Ottos des Großen mit seinen unklar ausgedehnten Besitzbestätigungen, deren rechtlicher Grundlage man deutscherseits mißtraute, erneuert worden wäre, den jugendlichen König nun unter dem vom Vater her übernommenen Titel zum „Kaiser der Römer" gekrönt. War dieser Romzug auch nur von kurzer Dauer, da Otto sogleich über die Alpen zurückkehrte, so wurde er fur die Zielsetzung des jungen Kaisers doch von grundlegender Bedeutung. Von der Erhabenheit und Weltgeltung seines Kaisertums als eines religiösen Amtes war er seitdem auf das tiefste ergriffen. Aber der für alle großen Eindrücke fast überempfindliche Jüngling war in Italien auch von anderen Strömungen berührt worden, die das ewige Heil unmittelbarer fur sich zu erlangen suchten. Noch immer findet man anscheinend unausrottbar die Meinimg vertreten, zur Jahrtausendwende habe man allgemein das Weltende erwartet, und aus der dadurch erregten Spannung leite sich die religiöse Erschütterung der Gemüter her. Diese Meinung, die zwar an der apokalyptischen Prophezeiung vom Tausendjährigen Reich eine Handhabe findet, aber doch allzusehr von der erst in viel späteren Zeiten so verbreiteten Verehrung der runden Zahl und der an sie geknüpften Jubiläen eingegeben sein dürfte, ist in ihrer Allgemeinheit und Zuspitzung gerade auf das Jahr 1000 längst widerlegt. Zweifellos aber war das ausgehende 10. Jahrhundert eine hohe Zeit kirchlicher Erfolge nach außen und leidenschaftlicher, aus tiefer Seelenangst geborener religiöser Gegenwirkungen gegen die Verweltlichung im Innern. Eben von diesen letzteren war Deutschland mit seinem noch jungen Glauben, den geordneteren staatlich-kirchlichen Verhältnissen, den engeren Beziehungen zwischen Geistlichkeit und Laienschaft verhältnismäßig am wenigsten ergriffen. Wohl gab es auch da Klausner und Klausnerinnen, die in einsamer Abkehr von allem Irdischen das Heil der Seele gewaltsam zu erringen suchten, so etwa die fromme Sisu im ostfälischen Drübeck, die vierundsechzig Jahre in ihrer engen Zelle zubrachte und wie einst der Säulenheilige Simeon sorgsam die Würmer hegte, die ihr Fleisch zernagten. Aber die Bischöfe suchten hier solche Überspannungen doch möglichst hintanzuhalten. In Frankreich bewegte sich die mächtige Klosterreform, wie wir sahen, durchaus in geordneten, vor aller Willkür behüteten Bahnen. Anders in Italien, das weit mehr in verstecktem Heidentum und auf das Nützliche gerichtetem Rationalismus verharrte, wo dann aber die Reaktion einzelner sich
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EREMITENTUM IN ITALIEN
um so heftiger gebärdete. Das reguläre Mönchtum, zumal wie sie es meist in Italien vorfanden, genügte solchen plötzlich Erschütterten nicht in ihrem Heilsverlangen; sie suchten noch eine höhere Stufe christlichen Lebens zu erklimmen, die über äußerste Askese und schrankenlose Hingabe an Gott, wenn seine Gnade es wollte, gar zum Gipfel des Märtyrertodes und der Heiligkeit emporführte. Im Süden der Halbinsel wirkten die aus dem Orient übernommenen Vorstellungen des griechischen Mönchtums ein und fanden in dem heiligen Nilus von Rossano, einem christlichen Diogenes, ihren Hauptvertreter. In Mittelitalien war es der heilige Romuald, ein Sohn des Herzogs Sergius in Ravenna, der nach sittenloser Jugend unter cluniazensischen Einflüssen den Weg über das Kloster zum Eremitentum fand, auch seinem Vater, als er sich in das Weltleben zurücksehnte, solchen Drang durch furchtbare Geißelung des Gefesselten austrieb, das Einsiedlerleben aber nun doch durch eine feste Organisation vor der Gefahr der Einzelverwilderung schützte. Denn um sich ganz einer planmäßig bis zur Abtötung und Ekstase gesteigerten Askese und Kontemplation hingeben zu können, sollten die Einsiedler, zu der Gruppe einer Eremitage wie ζ. B. in Camaldoli vereinigt und von Laienbrüdern mit dem Nötigsten versehen, unter Aufsicht eines Priors stehen und meist mit einem als Vorbereitungsstätte dienenden Kloster verbunden bleiben. Was der heilige Benedikt einst als höchste Stufe für ganz wenige Auserwählte zugelassen hatte, sollte hier der gesamten Gruppe zuteil werden. In solche Strömungen hochgesteigerten religiösen Gefühlslebens, die mehr auf Heiligung des inneren Menschen ausgingen als auf Besserung der Zustände, war um das Jahr 890 ein vornehmer Böhme getreten. Woytech, jüngerer Sohn aus der Familie Slavnik von fürstlichem Adel, war in Magdeburg zum Geistlichen gebildet und hatte dort bei der Firmung von dem ersten Erzbischof den Namen Adalbert erhalten. In Prag stieg er dann zur Würde eines Bischofs empor. Jedoch der Widerspruch, der zwischen seinen überstrengen Forderungen und den Unvollkommenheiten des tschechischen Christentums klaffte, dazu namentlich auch Gegenwirkungen des Herzogshofes, der seine Familie als letzte Mitbewerberin um die Herrschaft befehdete und von ihr eine Stärkung des deutschen Einflusses befürchtete, trieben den für den Kampf mit der Welt allzu weichen jungen Mann aus Böhmen weg nach Rom, wo er als Schüler des heiligen Nilus in dem Kloster der heiligen Bonifatius und Alexius auf dem Aventin sich harten asketischen Übungen hingab, vorübergehend wohl in seinen bischöflichen Pflichtenkreis heimgewiesen wurde, aber bald zurückkehrte und nun von dem jungen Kaiser, auf
ADALBERT VON PRAG
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den er tiefen Eindruck machte, zu schwärmerischer Freundschaft herangezogen wurde. Als ihm auf Antrieb seines Mainzer Metropolitans eine römische Synode noch einmal unter Banndrohung einen Rückkehrversuch nach Prag auferlegte, begleitete er Otto III. über die Alpen nach Mainz, teilte im Winter 996/7 mit ihm Tisch und Bett, religiöse Übungen und Betrachtungen. Aber die geforderte Rückkehr nach Prag erwies sich als untunlicher denn je, nachdem unlängst die Feinde seines Hauses mit stillschweigender Zustimmung des Herzogs seine vier Brüder mitsamt ihren Familien unter dem Vorwand verräterischer Zettelungen mit Polen niedergemetzelt hatten. Diese tiefe Erschütterung, die Adalbert in seiner Weltflucht noch bestärken mußte, trieb ihn nun an, in der Heidenmission den Märtyrertod zu suchen. Der befreundete Polenherzog, der ihm die Wiederaufnahme in Böhmen nicht erwirken konnte und seine Begeisterung zur Christianisierung der eben unterworfenen Preußen verwenden wollte, gab ihm dazu die Gelegenheit, und da hat er denn bald genug unter den Lanzen der Heiden das ersehnte Ende gefunden (997). Otto III. hat das Andenken des so hochbegnadeten Freundes alsbald durch Errichtung von Kirchen in Rom, Aachen und vielen anderen Orten geehrt. Er unterlag auch fernerhin wechselnden Stimmungen, in denen ihm vielleicht schon damals das Weltregiment als unzureichend zur Heilsgewinnung erscheinen mochte. Indessen ein Herrscher vermag sich den Pflichten der Stellung, in die er hineingeboren ist, kaum ganz zu entziehen, und es gab noch stärkere persönliche Einwirkungen, die ihn nach der Seite des Lebens trieben. Schon in Italien war es zu einer eindrucksvollen Begegnung mit Gerbert von Reims gekommen, der gehofft haben mochte, durch Wiederanknüpfung seiner ottonischen Beziehungen einen für seine Sache günstigen Einfluß auf die Kurie zu gewinnen. Freilich vergeblich, denn der langhingezogene Reimser Streit neigte jetzt endgültig einem für ihn verhängnisvollen Ausgang zu. Durch den Tod König Hugos verlor Gerbert 996 seinen Hauptrückhalt. Der schon gekrönte Nachfolger Robert II. (996-1031) war zwar Gerberts Schüler, aber, wie schon sein Beiname „der Fromme" verrät, von kirchlichen, literarischen, gar nicht kämpferischen Neigungen erfüllt, hielt es daher mit Abbo von Fleury und der Mönchspartei und suchte durch sie unter Preisgabe Gerberts — allerdings auch vergeblich — einen päpstlichen Dispens für die eben vollzogene unkanonische Eheschließung mit seiner Base Berta zu erwirken. Andererseits war durch die Befreiung der Kurie von der römischen Tyrannei und durch Einsetzung eines hochstehenden, universalgerichteten deutschen Papstes den gallikanischen Anklagen der Boden entzogen. Und Gregor V. ging 997 auf einem großen Konzil in Pavia mit dem scharfen Mittel
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RUF OTTOS m . AN GERBERT
der Suspension gegen die nicht erschienenen Teilnehmer der Synode von St. Bäle vor und gebot dem König Robert unter Androhung des Kirchenbannes, für seine unerlaubte Ehe Buße zu tun. Gerbert sah sein Schiff sinken; da eben erreichte ihn ein ehrenvolles Schreiben Ottos DL, der ihn an seinen Hof lud, damit er ihn in der Philosophie und den Wissenschaften unterweise, sowie auch in den Staatsgeschäften berate. „Mit dieser Bitte", so heißt es da, „verbinden wir den Wunsch, daß Ihr gegen die Rauheit unserer sächsischen Natur schonungslos vorgehet, dagegen belebet und entwickelt, was uns etwa von griechischer Feinheit innewohnt." Da gab Gerbert, bei dem das persönliche Interesse stets doch stark in die ideellen Beweggründe hineinspielte, den aussichtslosen Kampf um sein Erzbistum auf und folgte dem lockenden Rufe. Vom Sommer 997 ab sind seine Einwirkungen auf Otto auch politisch zu spüren. Sie ließen ihm die Welt der Spätantike in deutlicheren Umrissen erstehen und verstärkten seinen Drang, das Kaisertum im Sinne des einheitlichen römischen Imperiums auszubauen. Als dessen Inhaber hätte er dann dem byzantinischen Basileus nicht nur in vollstem Maße gleichberechtigt, sondern wohl gar überlegen als wahrer Nachfolger der Caesaren auftreten können. Und schon führte ihn der Zwang der Ereignisse nach Rom zurück. Denn dort hatte der Creszentier die Abwesenheit Gregors in der Lombardei" ausgenützt, um die Herrschaft wieder an sich zu reißen und sogar mit geheimer byzantinischer Förderung einen Gegenpapst aufzustellen, nämlich den kalabresischen Griechen Johannes Philagathos, der, durch die Gunst der Kaiserin Theophanu emporgekommen und zum Erzbischof von Piacenza erhoben, soeben als Brautwerber Ottos aus Byzanz zurückkehrte. Wollte dieser die Errungenschaft der ersten Italienfahrt nicht gänzlich einbüßen, so mußte er hier durchgreifen. Jedoch erst nachdem er in zwei Slawenfeldzügen wenigstens die dauernd beunruhigte Elbgrenze durch Friedensschluß einstweilen gesichert hatte, bekam er die Hände frei. An der Spitze eines starken Heeres und durch Spaltung der Römer gefördert, hatte er nun leichtes Spiel und vollen Erfolg (Frühjahr 998). Und diesmal gab es keine unzeitige Schonung mehr. Der Creszentier wurde auf der erstürmten Engelsburg enthauptet, der Gegenpapst aber von kaiserlichen Soldaten gefangen und — sicher ohne Ottos Wissen — grausam verstümmelt, um dann trotz der Fürbitte des heiligen Nilus von einer Synode unter den üblichen herabwürdigenden Zeremonien seines angemaßten Amtes entkleidet zu werden. Jetzt suchte auch der Kaiser, von Bewunderung für die noch immer in riesenhaften Denk-
GBRBERT PAPST
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malen sichtbare Größe Roms erfüllt und darauf bedacht, fernere Erhebungen zu verhüten, vorübergehend, wie es scheint, auch durch zartere Bande (die Liebe zu einer Römerin, aber nicht der von späterer Legende genannten Witwe des Creszentius) gefesselt, durch längeres, nur infolge klimatischer Rücksichten unterbrochenes Verweilen in der Stadt festeren Boden zu gewinnen, indem er seine Residenz in einem von kirchlichen Stiftungen umgebenen Palaste des Aventin nahm. Durch Verleihung von Privilegien und aus altrömischer Zeit wieder aufgefrischten, auch wohl neugeformten Titeln dachte er sich einen Anhang unter dem Adel zu sichern, während andere Amtsbezeichnungen denen des byzantinischen Hofes angeglichen wurden, da man hinter diesem nicht zurückstehen wollte. Auch der vorzeitige Tod des verwandten Papstes Gregor (999) vermochte nicht die nahen Beziehungen von Kaisertum und Kurie zu lockern, gestaltete sie vielmehr womöglich noch inniger. Denn nun hat Otto seinen verehrten Lehrer Gerbert, den er inzwischen schon zu der Würde eines Erzbischofs von Ravenna erhoben und mit Grafschaften des noch im Ottonianum bestätigten Kirchenstaates sowie der Abtei Nonantola reich ausgestattet hatte, auf den Stuhl Petri gesetzt. Seltsame Laufbahn voll äußerer Widersprüche, wie im ausgehenden Mittelalter die des Enea Silvio! Denn Gerbert selbst war es nun vorbehalten, den Schlußstein auf seine Reimser Niederlage zu setzen, indem er seinen einstigen Gegner Arnulf feierlich wieder als Erzbischof anerkannte. Immerhin tat er es in geschickter Form; denn Arnulfs verräterische Schuld wurde festgestellt, aber in Gnade vergeben. Und schließlich — wie hätte Gerbert noch ferner von einer entarteten und darum unzuständigen Kurie reden können, nachdem ein Silvester Π. (999—1003) den Sitz des heiligen Petrus eingenommen hatte? Denn so hat er selbst sich als Papst genannt, und diese Namenswahl besagte, daß er mit dem jungen Kaiser als einem anderen Konstantin zusammenzuwirken gedachte zur Wiederaufrichtung des römischen Reiches. Diese Erneuerung, die „Renovatio imperii Romanorum", wie sie nun als Umschrift auf Ottos Siegelbulle angekündigt wurde, sollte über das Vorbild Karls des Großen, das dem ersten Otto vorgeschwebt hatte und das auch jetzt noch verehrungsvoll gehegt wurde, hinausführen zur christlichen Antike, und zwar in doppelter Hinsicht. Einmal sollte das Reich zu einer zentralistisch regierten Einheit mit Rom als Mittelpunkt umgestaltet werden, was eine Verschiebung des Schwergewichts nach Süden zu ungunsten der deutschen Vorherrschaft zur Folge hatte. Das konnte schon an frühere Tendenzen anknüpfen und trat in manchen Einzelzügen nun deutlicher her-
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RENOVATIO IMPERII ROMANORUM
vor: so in der Zusammenfugung der bisher getrennten beiden Kanzleien, die nur noch das Ehrenamt des Erzkanzlers fur Italien und Deutschland gesondert behielten, so in der zunehmenden Verwendung von Italienern als Hofbeamten, unter denen der in der Antike bewanderte, rechtskundige und formgewandte Bischof Leo von Vercelli geradezu als Hauptförderer dieser Erneuerungspläne wirkte, während die älteren deutschen Ratgeber aus der Schule Ottos des Großen in den Hintergrund traten. Sodann sollten im römischen Zentrum dieses Gottesreiches die weltliche und geistliche Macht, Kaisertum und Papsttum noch viel inniger, wie man sich das für die Zeiten Konstantins vorstellte, miteinander verbunden sein, einander wechselseitig in die Hände arbeiten und die erneuerte, freie, aber durch das kaiserliche Schwert geschützte christliche Kirche auf der ganzen Erde ausbreiten, — ein Plan, der ganz und gar den höchsten Idealen der damaligen Zeit entsprach. Es ist für diese Jahre kaum angängig, die Anteile Ottos III. und Silvesters II. an dem gemeinsamen Regiment reinlich voneinander zu scheiden. Im ganzen dürfte trotz allem äußeren Hervortreten des Kaisers die Wirksamkeit des klugen, vielerfahrenen Franzosen im stillen doch die stärkere und erfolgreichere gewesen sein. Kirchliche und staatliche Interessen kamen in gleicher Weise auf ihre Rechnung bei dem noch unter Gregor V., aber schon unter Einfluß Gerberts und Leos von Vercelli erlassenen kaiserlichen Edikt von Pavia (998), nach dem alle Vergebungen von Kirchengut nur für die Lebenszeit der geistlichen Verleiher Geltung haben sollten, danach einer Erneuerung bedürften. Der mit dem Aufkommen des Lehnswesens so vielfach verschleuderte Besitz von Kirchengut sollte dadurch wieder eingebracht und zusammengehalten, aber auch seine Leistungsfähigkeit für den Staat gestärkt werden. Der Märtyrertod Adalberts und die an dem Gegenpapst verübte, von dem heiligen Nilus hart getadelte Grausamkeit hatten das Gemüt Ottos in heftige religiöse Erregung versetzt, die in einer Pilgerwanderung zum Monte Gargano, nach Montecassino und zu dem heiligen Nilus selbst nach Gaeta, darauf in Bußübungen zu Rom bei San demente und zu Subiaco an der Stätte des heiligen Benedikt, endlich in einer raschen Wallfahrt zum Grabe Adalberts nach Gnesen als „Diener Jesu Christi", wie er sich nach dem Vorbilde der Apostel nannte, ihren Ausdruck fand. Waren schon die Reisen im Süden schwerlich ganz frei von politischen Nebenabsichten, so reichte die Fahrt nach dem fernen Nordosten an Bedeutung weit hinaus über den Akt frommer Pietät; sie brachte einen sorgsam vorbereiteten Plan zum Abschluß. Es galt das weitausgedehnte polnische Staatsgebiet, das schon Misika, der
ERZBISTUM GNESEN
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Vater des regierenden Herzogs, der römischen Kurie dargebracht hatte, nun durch eine feste Organisation fur das Christentum wirklich zu sichern. Wenn man die ungeheuren heidnisch-nationalen Widerstände erwägt, mit denen Boleslaw Chrobry zu rechnen hatte, die ja tatsächlich auch nach seinem Tode noch einmal zu einem völligen Umsturz des Geschaffenen fuhren sollten, so wird man es begreifen, daß dieser gewaltige Erfolg für die Ausbreitung des christlichen Glaubens nur errungen werden konnte, wenn eine allein Rom untergeordnete, nicht von Deutschland abhängige Kirche geschaffen wurde. So wurde unter Adalberts Bruder Gaudentius jetzt Gnesen, die Residenz des Herzogs und Grabstätte des neuen Nationalheiligen, zum Erzbistum bestimmt, dem im eigentlichen Polen bald das ältere Bistum Posen, in den neuerworbenen Gebieten Pommern, Chrobatien und Schlesien die Bistümer Kolberg, Krakau und Breslau untergeordnet wurden. Der Herzog selbst, der damals mit Recht in engem Anschluß an die imperialistische Politik Ottos seinen Vorteil sah, ihn ja auch gegen die Wenden wertvoll unterstützt hatte, wurde vom Kaiser mit Auszeichnungen, anscheinend auch durch Ablösung des Tributs, vielleicht sogar durch Versprechen der Königskrone geehrt, also nach gelockertem Abhängigkeitsverhältnis von Deutschland mehr unmittelbar dem neuen Reichszentrum unterstellt. Man weiß jetzt, daß durch dies ganze Vorgehen in Magdeburg zwar eigne Missionshoffhungen enttäuscht werden mochten, daß aber die rechtlichen Unterlagen fur derartige Ansprüche erst etwas später durch Fälschung geschaffen worden sind. Vom nationalen Standpunkt gesehen, der aber für jene Zeit immer einen argen Anachronismus bedeutet, hatte das deutsche Reich hier Aussichten eingebüßt, die freilich kaum je zu verwirklichen gewesen wären. Für den Betrachter im römischen Zentrum des erneuerten Reiches kamen indes derlei Bedenken nicht in Frage. Otto hat diesen Erfolg der römischen Kirche, zu dem er wenigstens durch die letzte feierliche Inszenierung selbst mitwirken durfte, sicher nicht als Verlust für das Reich gewertet, da er ja bei der römischen Doppelherrschaft, in der er selbst sich hinfort als „Diener der Apostel" titulierte, päpstlichen Gewinn auch ils kaiserlichen ansehen konnte. Diese Dinge dürfen also doch nicht aus jener nationalen Entrüstung heraus beurteilt werden, mit der man sie in Deutschland bisher meist angesehen hat; sie beruhen auch nicht auf spontaner Eingebung Ottos, sondern auf einem lange vorbereiteten Plane der Kirche. Nicht anders hat Otto wohl auch, wennschon sein persönlicher Anteil daran weniger augenfällig war, die Vorgänge in Ungarn betrachtet, wo kurz darauf in gleicher Hingabe an Rom eine ähnliche kirchliche Organisation
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DIE KONSTANTINISCHE SCHENlCUNGSAKTE
unter dem nationalen Erzbistum Gran beschlossen und Stefan, der Vollender des neugeschaffenen Staatswesens, mit der von Papst Silvester übersandten Krone zum König gekrönt wurde. Auch hier wurde deutschen Missionsansprüchen, denen von Salzburg sowohl wie denen von Passau oder Regensburg, ein Riegel vorgeschoben. Aber der Glanz der römischen Kirche, die auch sonst ihre internationale Geltung, ζ. B. durch wachsenden Einiluß in dem Silvester ja von seiner Jugend her vertrauten Spanien zu befestigen wußte, die in dem eben von den Venezianern eroberten Dalmatien Fuß zu fassen suchte und mit den Russen in Verhandlungen stand, wurde durch die Ausdehnung über die weiten ungarischen Ebenen gleichwohl leuchtend erhöht. Nur zu flüchtiger Neuregelung der Regierungsvertretung und zu einem Besuche in Aachen, bei dem er andachtsvoll, aber zu unwilligem Staunen mancher Zeitgenossen den Sarg des großen Karl öffnen ließ und ihm Halskreuz und Gewandstücke als teure Amulette entnahm, hatte Otto auf der Rückkehr von Gnesen den deutschen Boden betreten. Bald sah man ihn wieder in Rom. In den kaiserlich-päpstlichen Beziehungen gab es einen Punkt, in dem der Gedanke der Reichserneuerung zu den bisherigen kurialen Ansprüchen in Gegensatz treten mußte und über sie auch einen ideellen Sieg davontrug. Wenn Rom von alters her der rechtmäßige Sitz des römischen Kaisertums war, wenn man sich Byzanz gegenüber gerade darauf versteifte, wegen dieses Besitzes wohl gar ein noch höheres Recht und ehrwürdigeres Ansehen zu haben als der Basileus von Neu-Rom, wie konnte dann Konstantin auf dies Reichszentrum zugleich mit dem ganzen Westen zugunsten des Papsttums verzichtet haben, was doch die bekannte konstantinische Schenkungsurkunde besagte ? Wie konnten der Papstkirche auch nur die ausgedehnten Gebiete und Hoheitsrechte eingeräumt sein, die in den karolingischen Schenkungsurkunden aufgezählt waren? Das vertrug sich nicht mit einem kaiserlichen Zentralregiment in Rom! Überdies hatte man kaiserlicherseits Wind davon bekommen, daß das im Besitz der Kurie befindliche Dokument des „Constitutum Constantini" nur eine unlängst angefertigte Prunkabschrift des im Original offenbar nicht vorhandenen Textes sei. So erklärt es sich, daß Otto III. diese ganzen Schenkungsakte in einer sehr merkwürdigen von Leo von Vercelli verfaßten Urkunde für den Papst kühn und durchgreifend als lügenhafte kuriale Fälschungen erklärte, damit zugleich stillschweigend auch das Paktum Ottos des Großen, das darauf beruhte, als illegitim beiseite schob. Und ebenso bemerkenswert ist, daß Silvester Π. das ruhig hinnahm. Ebendies erklärt sich freilich daraus, daß es nur ein pergamen-
VERLUST VON ROM
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tener, theoretischer Sieg des Kaisers war, wahrend der Papst die acht fur den Kirchenstaat beanspruchten Grafschaften des früheren Exarchates: die Pentapolis, über die mit Gregor V. keine Einigung hatte erzielt werden können, tatsächlich nun von Otto ΠΙ. durch freien Gnadenakt überwiesen erhielt. Vielleicht hegte Silvester selbst jenen alten Dokumenten gegenüber gelehrte Zweifel und zog ihnen die unanfechtbare Rechtskraft der Neuschenkung vor, wie ja auch seine eigene Stellung durchaus nur auf der kaiserlichen Einsetzung beruhte. Und eben dieses Einsetzungsrecht war in der Urkunde Ottos ΠΙ. ausdrücklich betont, in der auch der Kaiser selbst an jenen geschenkten Grafschaften keineswegs seine oberherrlichen Rechte aufgab und Rom nach byzantinischem Muster als seine „urbs regia", seine kaiserliche Stadt, bezeichnete. Wurden hier zwangsläufige Gegensätze durch persönliche Beziehungen noch verdeckt, so trat andernorts der Zwiespalt zwischen Wunschbild und Wirklichkeit, der nur allzubald die junge Kaiserherrlichkeit zu zersetzen drohte, schon offen zutage. Im Süden versuchten die langobardischen Fürsten die Oberherrschaft des Reiches abzuschütteln. Die Römer selbst, die das kaiserliche Regiment trotz der Anlehnung an die Antike als Fremddruck und Beeinträchtigung der Grundherrschaft des Adels empfanden, nahmen eine allzu milde Bestrafung des Abfalls der verhaßten Tivolesen zum Anlaß, sich gegen den Kaiser zu erheben. Aus dem Aventinpalast hinübergerettet nach der Engelsburg, aber dort nun eingeschlossen, beklagte sich dieser in einer von da gehaltenen Ansprache zwar bitter über die Undankbarkeit „seiner Römer", erzielte aber damit nur einen Augenblickserfolg und gewann mit Mühe die Freiheit zum Abzug nach Ravenna. Auch im übrigen Italien hatten die Bestrebungen zur Wiedereinbringung des Kirchengutes vielfach den Laienadel zu Ubergriffen und Auflehnung getrieben, so in Piemont den aufstrebenden Markgrafen Arduin von Ivrea, der dafür geächtet wurde. Zur Behauptung Italiens bedurfte es erneuter Kriegshilfe aus Deutschland. Aber auch dort griffen Unzufriedenheit und Widersetzlichkeit um sich. Man spürte die Gefahr, zum Nebenland herabzusinken, sah im Osten die deutschen Missionsinteressen zurückgesetzt hinter den universalen Gesichtspunkten und nahm dem Kaiser, der beispielsweise bei feierlichen Gelegenheiten nach römisch-byzantinischer Art an erhöhter, halbkreisförmiger Tafel gesondert speiste, solches Abweichen von dem heimischen Herkommen übel. Wir hören von einer Verschwörung weltlicher Großer, vornehmlich in Sachsen, die den Baiernherzog Heinrich, den Sohn des „Zänkers", vergeblich zu gewinnen suchten. Und auch Bischöfe standen diesem Treiben nicht fern. Von den ver-
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RÜCKSCHLÄGE, GELÜBDE OTTOS ΙΠ.
nachlässigten alten Ratgebern der Krone fühlten Sich einzelne in besonderen Streitfällen unfreundlich und ungerecht behandelt. So Erzbischof Willigis von Mainz in seinem Zwist um die Zugehörigkeit des Klosters Gandersheim mit dem bevorzugten Vertrauten Ottos Bernward von Hildesheim; so Giselher von Magdeburg, weil er gezwungen werden sollte, das zum Andenken an Heinrichs I. Ungarnsieg gestiftete Bistum Merseburg, das er bei seinem Aufrücken zum Erzbischof mit der Magdeburger Diözese vereinigt hatte, wiederherzustellen und als Bischof dorthin zurückzukehren. Beide sahen sich in ihrem Widerstande gegen römische Entscheidungen mit Suspension bestraft und mitsamt dem deutschen Episkopate zu einer Synode nach Italien geladen. So versuchte das vom Kaiser geförderte Papsttum in seinem raschen Anlauf zur Herstellung seiner internationalen Geltung nun selbst schon die hochstehende deutsche Bischofskirche, die dies universale Streben stets begünstigt hatte, unter sein Gebot herabzudrücken. Anscheinend doch noch ohne durchgreifenden Erfolg, denn schließlich erschienen auf jener Synode, die in Todi unter Papst und Kaiser Ende 1001 abgehalten wurde, so wenige der geladenen deutschen Bischöfe, daß die geplanten Beschlüsse vertagt werden mußten. Alle diese Rückschläge hatten inzwischen dazu beigetragen, Ottos Gemüt zu verdüstern; sie ließen ihn vorübergehend wohl an der betretenen Bahn und der dazu nötigen eignen Kraft zweifeln und in jähem Stimmungswechsel das Ziel der Heilserringung wiederum von den Eremiten erhoffen. Von Ravenna, von wo aus der Kaiser eben einen die Unabhängigkeit der Stadt schonenden heimlichen Besuch bei dem Dogen von Venedig gemacht hatte, unternahm er zwar einen raschen Strafzug nach Süden gegen das abgefallene Benevent, aber die ungenügende Truppenmacht zwang ihn, ohne durchgreifenden Erfolg und ohne sich gegen Rom wenden zu können, nach Ravenna zur Erwartung der deutschen Heeresnachschübe zurückzukehren. Dort mischte er sich wieder unter den Kreis der Asketen, die sich um den heiligen Romuald scharten, teilte auf der Sumpfinsel Pereum ihre Fasten und Bußübungen und hat sogar das Gelübde abgelegt, nach drei Jahren, während deren er die Irrtümer seines Regiments verbessern wolle, einem Höherwertigen die Herrschaft zu überlassen, um sich mit ungeteilter Seele als Mönch zu Jerusalem der armen Nachfolge Christi zu widmen. Das war ein Ausdruck der Verzweiflung an dem bisherigen Heilswege der Erneuerung. Einer Ausführung des Gelübdes hätten sich vermutlich innere und äußere Hemmnisse entgegengestellt; hatte doch auch die wiederaufgenommene Brautwerbung in Byzanz diesmal Erfolg gehabt, so daß der Gesandte mitsamt
TOD OTTOS ΠΙ., BEURTEILUNG
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der zur Kaiserin erkorenen Prinzessin sich eben auf der Heimreise befand. Allein Otto III. trug bereits, vielleicht von den Stechmücken der ravennatischen Sümpfe her, den Todeskeim in der Brust. Ehe noch die deutschen Heerhaufen vollzählig eingetroffen waren, die ihm zur Wiedereinnahme Roms verhelfen sollten, ist er nördlich der Stadt unweit des Monte Soratte, bei dem nach der Legende Konstantin von Silvester I. die Taufe empfangen hatte, Anfang 1002 im zweiundzwanzigsten Lebensjahre der rasch seine Kräfte verzehrenden Krankheit erlegen. Nur unter Kämpfen führten in den sofort ausbrechenden Unruhen die deutschen Truppen seine Leiche über die Alpen zurück, um sie im Aachener Münster an der Seite Karls des Großen beizusetzen. Ottos Tod hat dann auch das Schicksal Silvesters II. besiegelt. Er konnte zwar noch im Frieden nach Rom zurückkehren; aber ohne den kaiserlichen Rückhalt hätte er die begonnene Universalpolitik schwerlich fortführen können, auch wenn er nicht schon binnen Jahresfrist dem Kaiser im Tode gefolgt wäre. Ottos Gesamtverhalten darf weder vom Standpunkt moderner Realpolitik beurteilt, noch mit nationalem Maßstabe gemessen werden. Dann allerdings müßte das Ergebnis dieser kurzen Regierung, zum mindesten für Deutschland, als völlig negativ bezeichnet werden. Vielmehr darf man ihn nur auf Grund der universal und überweltlich gerichteten Anschauungen seiner Zeit bewerten. Da ist denn seine „römische Erneuerungspolitik" erst vor kurzem mit gerechterem Verständnis gewürdigt worden als wichtige Phase der durch den Romgedanken bestimmten ideengeschichtlichen Entwicklung. Indessen selbst so betrachtet, krankte sie immer noch an einem Kardinalfehler. Sie beachtete zu wenig, daß die letzte Folgerung aus der transzendentalen Weltanschauung doch eben die Leitung der irdischen Dinge durch die oberste Vertretung der kirchlichen Heilsanstalt war, und daß dem Kaisertum neben ihr nur deshalb eine Führerrolle zukam, weil die Unvollkommenheit der Welt, ihre noch mangelhafte Durchdringung mit dem wahren Christengeiste den starken Arm eines Schützers für die Kirche nötig machte. Wenn man es versäumte, die dazu erforderliche Machtgrundlage, die für das Kaisertum nun einmal auf der überlegenen Kraft Deutschlands fußte, durch geeignete Mittel ständig neu auszubauen und zusammenzuhalten — und solcher Versäumnis hat sich Otto III. bei aller Würdigung der Tragik seines gerade nach Mißerfolgen eintretenden, vorzeitigen Sterbens denn doch in bestem Glauben schuldig gemacht — wenn man ferner übersah, daß dem Westreiche für eine Zentralregierung von Rom aus der straffe Beamtenapparat des byzantinischen Ostreiches gänzlich abging und nicht in Eile zu schaffen war, so mußte
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LINIE DER OTTONBN ERLISCHT
jenes Machtprinzip, auf dem die Kaiserwürde letzthin beruhte, unterhöhlt werden. Und wenn man dann gar das kaiserliche Walten immer ausschließlicher auf das Gebiet religiöser Wirksamkeit hinüberspielte, so arbeitete man über die so oft betonte dualistische Gewaltenteilung hinaus unter Zurückdrängung der dem Kaiser doch vornehmlich zustehenden weltlichen Aufgaben des Schutzes und der Friedenswahrung wesentlich fur die Papstkirche, ohne daß selbst diese die gesteigerte Geltung zu behaupten vermochte, sobald der Machtrückhalt zusammenbrach. Es kam nun, nach dem Erlöschen der direkten Linie der Ottonen, alles darauf an, diese unentbehrliche, aber stark gefährdete Machtgrundlage unter einem realer denkenden Herrscher neu wieder aufzubauen.
DIE NEUBEFESTIGUNG DES KAISERREICHES UNTER HEINRICH II.
Die empfängliche Seele Ottos ΙΠ. hatte in den letzten Jahren die religiöskirchlichen Strömungen, die das damalige Abendland auf das tiefste bewegten, wie Strahlen in einem Spiegel aufgefangen, ohne sie doch, wie er wohl gewünscht hätte, in einem einzigen Brennpunkt sammeln zu können. Vielmehr waren die Umrisse der stark gegensätzlichen Bewegungen traumbildartig unscharf geworden. Erst nach seinem Tode traten sie wieder klar auseinander; die vom deutschen Herrscher geleitete Episkopalkirche des Reiches, die unaufhaltsam vordringende Klosterreformströmung des Westens, das von beiden beeinflußte, wenn auch noch nicht eigentlich innerlich ergriffene Kirchenwesen Italiens mit dem von seiner kurzen geistigen Führerrolle rasch wieder herabsinkenden Papsttum. Die Bewegungen und Gegenbewegungen dieser drei Zentren haben das folgende halbe Jahrhundert, bis sie zum umstürzenden Zusammenstoß führten, den wesentlichsten Inhalt der abendländischen Geschichte gebildet. Einen Augenblick schien es, als wollte sich das deutsche Reich in seine Bestandteile auflösen und zu vorottonischen Zuständen zurückkehren. Mit dem Erlöschen der Hauptlinie der Dynastie trat neben unsicheren Erbansprüchen das Wahlrecht wieder mehr in den Vordergrund, das dem Wettkampf der Stämme wie dem Ehrgeiz einzelner die Bahn öffnete. Nur mühsam konnte sich Heinrich von Baiern, der als Urenkel Heinrichs I. der nächste Verwandte des ottonischen Hauses war, durchsetzen, und seine Anfänge gemahnten in der Tat an die jenes Ahnherrn. Wie damals der Übergang der Krone nach dem sächsischen Norden mannigfache Zugeständnisse namentlich an Baiern nach sich gezogen hatte, so mußte jetzt die Anerkennung des Baiernherzogs, der trotz seines sächsischen Ursprungs zum Süddeutschen geworden war, mit Einräumungen an die andern Stämme, insonderheit an die Sachsen, denen die Bewahrung ihrer Rechte ausdrücklich verbürgt wurde, erkauft werden. Und die Gefahr einer Absonderung des Nordens blieb künftighin, wenn die Herrscher dauernd dem Süden entstammen würden, ungleich größer, als sie umgekehrt je hätte werden können, da allein schon die Beziehungen zu Italien einen sächsischen Kaiser immer wieder durch Süddeutschland hindurchführten. Je stärkere Fortschritte der Prozeß der Feudalisierung des höheren weit-
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HEINRICH Π.
lichen Beamtentums in den letzten Jahrzehnten durch vordringende Erblichkeit und Zugeständnisse der Regentschaft gemacht hatte, um so wichtiger war für die Krone das nur zu allerletzt etwas erschütterte Fundament der deutschen Bischofskirche geworden. Ihr Eintreten für Heinrich II. hat jetzt seine Anerkennung gesichert. Außer seiner nahen Verwandtschaft mit dem sächsischen Herrscherhause empfahl ihn diesem Kreise gerade auch die Abweichung seiner persönlichen Art von der des letzten Kaisers. Der gereifte Dreißiger, der fest im deutschen Boden wurzelte und, wie sich bald zeigte, trotz anfälliger Gesundheit von rastloser Unternehmungslust und Zähigkeit war, stand dem bischöflichen Kreise durch seine geistliche Erziehung, durch nüchterne, aller Schwärmerei abholde Frömmigkeit, durch jenen Wirklichkeitsblick und Verwaltungssinn, jene diplomatische Gewandtheit und kluge Menschenbehandlung, wie man sie damals vornehmlich bei der hohen Geistlichkeit fand, innerlich sehr nahe. Daß er von den umgestaltenden Romplänen seines idealistischen Vorgängers, die bei der Mehrheit des Episkopats Mißvergnügen erzeugt hatten, abrücken, vielmehr das alte Herrschaftssystem neu befestigen wollte, verriet bald genug die nüchterne Inschrift: „Wiederherstellung des Reiches der Franken" auf seinem Siegel. Wer solches Ziel verfolgte, mußte sein Hauptaugenmerk wieder dem deutschen Machtkern des Imperiums zuwenden. Heinrichs konservative Politik bewegte sich hier ganz auf den Bahnen Ottos des Großen. Den Episkopat nahm er noch straffer in seine Hand, beförderte zwar durch reichste Ausstattung mit Besitz und Rechten seine Entwicklung zum Territorialfürstentum, aber forderte auch um so höhere Leistungen und prägte ihm den Beamtencharakter noch unverkennbarer auf, indem er über die Besetzung der Bischofsstühle, der die kanonische Wahl nur als bloße Form folgte, womöglich noch unbeirrter als seine Vorgänger verfügte und die Kandidaten ganz überwiegend seiner Hofkapelle entnahm, wo sie in die Gedankengänge seiner Reichspolitik hinlänglich eingeweiht waren. Er konnte so, übrigens in Ubereinstimmung mit allen kräftigeren Herrschern des damaligen Abendlandes, noch unbeanstandet verfahren, weil er selber im Sinne Karls des Großen sein Amt als ein priesterliches auffaßte, an den zu neuem Leben erweckten Synoden mit tiefem Verständnis leitenden Anteil nahm und in der Tat nur geeignete Persönlichkeiten von guter Bildung oder doch wirtschaftlichsozialer Verwaltungsbegabung, darunter zwei eigene Brüder, beförderte. Auch hat er nicht nur das aufgehobene Bistum Merseburg hergestellt, sondern zur Mission unter den großenteils noch heidnischen Sorben in den oberen Mainlanden zusammen mit seiner
Gerokreuz Kölner Dom, um 970
KIRCHENPOLITIK HEINRICHS Π.
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frommen Gemahlin Kunigunde, die ihm keine Nachkommen gebar, das neue Bistum Bamberg nach Überwindung mancher Hemmnisse gegründet. Der Mainzer Metropolitangewalt unterstellt, war es tatsächlich von ihr nahezu unabhängig und stand in enger Beziehung zur römischen Kurie, so daß es künftig unter den deutschen Bistümern den ersten Rang einnahm, dessen es als wichtige Pflanzstätte der Bildung stets würdig gewesen ist. In Bamberg geschah es denn auch, daß man später, im 12. Jahrhundert, die Heiligsprechung des Stifterpaares betrieb und erreichte. Eben diese Kanonisation und die freundlichen persönlichen Beziehungen zu den Führern der mönchischen Reformbewegung des Westens dürfen freilich nicht darüber täuschen, daß die auf Hebung und Reinigung der Kirche gerichteten Bestrebungen des deutschen Herrschers zwar eine Strecke weit mit den von Cluny ausgehenden parallel laufen konnten, aber letzten Endes nichts mit ihnen zu tun hatten, ja ihnen entgegengesetzt waren. Das zeigt besonders greifbar seine Art, über die Reichsabteien zu verfügen. Ähnliche religiöse Antriebe waren bei Heinrich gewiß mit im Spiel, wenn er gegen den durch private Schenkungen der Gebetsbedürftigen immer mehr anschwellenden, den Sinn des mönchischen Lebens gefährdenden Reichtum dieser Klöster einschritt, indem er sparsame Reformäbte einsetzte, die den Aufwand beschränkten und die Mönche zwangen, sich gesammelter ihren religiösen Aufgaben zu widmen. Indessen die so erzielten Überschüsse nahm er durch Steigerung der Servitien für das Reich in Anspruch, scheute sich auch nicht, im öffentlichen Interesse rücksichtslose Eingriffe in den Besitzstand der Klöster zu tun, die einer Säkularisation nahe kamen, und hat in einer Urkunde für Fulda einmal ganz unverblümt ausgesprochen: „Es ist nötig, daß die Kirchen viele Güter besitzen, denn wem viel gegeben ist, dem kann auch viel genommen werden." Solch straffe Unterordnung und Ausbeutung für die Bedürfnisse des Reichsregiments stand nun doch in scharfem Widerspruch zu jener völligen Unabhängigkeit von weltlichen Zwecken und Herrschaftsansprüchen, wie sie Voraussetzung für jedes Glied der cluniazensischen Kongregation war. Noch stießen jedoch, zum mindesten im rechtsrheinischen Deutschland, diese widerspruchsvollen Forderungen in der Welt der Tatsachen nirgends aufeinander. Die unter dem Königtum geeinte deutsche Kirche empfand die Ziele des neuen Herrschers ganz als die ihrigen, als er daran ging, Frieden und Ansehen nach innen und außen zu wahren. Das war freilich bei der politischen Erbschaft, die er hatte übernehmen müssen, ein mühseliges, nicht überall erfolgreiches Ringen. Heinrich war weder ein Kriegsheld, noch sonst vom
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ANWARTSCHAFT AUF BURGUND
Glücke begünstigt. Was er erreichte, war das Ergebnis, unermüdlicher Arbeit. Im Innern zwangen ihn die unaufhörlich aufflackernden Fehden, die er nach südfranzösischem Vorbild in Sachsen und Schwaben durch Friedensschwüre des Adels fur längere Zeit zu bannen suchte, oftmals zu energischem Eingreifen. Die feudalistische Zersetzung war im Nordwesten des Reiches am weitesten vorgeschritten. Schon nicht mehr das hier zerspaltene Stammesherzogtum, sondern aufstrebende mittlere Territorialherren, die sich über die Bedeutung gewöhnlicher Grafschaften durch ausgedehnteren Besitz, Reichslehen und abhängige geistliche Stifter emporhoben, unter ihnen am gefährlichsten in seiner vorteilhaften Zwischenstellung zwischen Deutschland und Frankreich Graf Balduin von Flandern, aber auch die unbequemen luxemburgischen Verwandten der Königin, wagten hier wiederholt dem Reiche zu widerstehen. Bedeuteten diese inneren Kämpfe fur das Königtum auch gegenwärtig nicht gerade mehr als empfindliche Störungen und Hemmungen der großen Politik, so bereitete sich für die Zukunft doch eine langsame Entfremdimg der Grenzbezirke vor. Um so wichtiger war es, daß im Südwesten über die Reichsgrenze hinaus Ansprüche erworben und zäh festgehalten wurden, die in Fortfuhrung der von Otto I. eingeleiteten Protektoratspolitik die künftige Angliederung des burgundischen Reiches vorbereiteten. Hier waren es die noch viel weitergehenden Zersetzungserscheinungen anarchischer Adelsautonomie, die den schwachen, erbenlosen König Rudolf III. antrieben, bei Heinrich II. als dem Sohne seiner Schwester und nächstem Verwandten Rückhalt zu suchen und nicht nur dessen Nachfolgerschaft, sondern geradezu eine Art Mitkönigtum vertragsmäßig anzuerkennen. Da die burgundischen Großen sich dem auf das heftigste widersetzten und den wie ein Rohr hin und her schwankenden Herrscher erneut unter ihren Einfluß zu bringen wußten, so trug Heinrich, der zweimal zu kurzen Verwüstungsfeldzügen das Schwert zog, als realen Gewinn zwar zunächst nur das rückerstattete Basel davon. Doch hat er für den Zeitpunkt von Rudolfs Tod durch geschickte Erwerbung und zähe Behauptung des rechtsgültigen Anspruchs seinem Nachfolger entscheidend vorgearbeitet. Das war nun auch sonst die wenig glanzvolle, wenig dankbare, aber grundlegende Rolle, die Heinrich zufiel, daß er Erfolge mehr vorbereitete, als selbst erntete. Von einer so schlechthin beherrschenden Hegemoniestellung, wie sie Otto der Große in Europa eingenommen hatte, konnte ohnehin inmitten der jüngst emporgestiegenen Staatenwelt im Osten und Norden nicht mehr die Rede sein. Mit Stefan dem Heiligen, der Heinrichs Schwester
KNUT DER GROSSE, BOIJBSLAW CHROBRY
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zur Frau hatte, ergaben sich freilich nur freundliche Beziehungen, die der Auswirkung deutscher Kultur zugute kamen. Daß sich im Norden, wie wir schon sahen, der englisch-skandinavische Großmachtkoloß dem Reiche vorlegte, bedeutete sicherlich eine starke Zurückdrängung von dessen Einflußsphäre, und was in Jütland während des letzten Menschenalters verloren war, konnte nicht wieder eingebracht werden. Denn wenn auch der „Imperator" Knut der Große (1017—1035) neben der zuverlässigen Garde seiner „Hauskerle" sich ganz ebenso wie alle bedeutenden Herrscher jener Zeit auf die reich bedachte, von ihm abhängige Kirche stützte und schließlich auch die Metropolitanansprüche Bremens, die er anfangs wohl zugunsten von Canterbury hatte einschränken wollen, anerkannte, so ging der Strom christlicher Kulturwirkungen in seinem weitgedehnten Reiche nun doch vom angelsächsischen Westen nach dem skandinavischen Osten. Immerhin war den auch die deutsche Küste beunruhigenden Wikingerfahrten damit fur immer ein Ende bereitet, und die dänische Ausdehnung an der pommerischpreußischen Ostseeküste konnte sogar für Deutschland als eine Flankendekkung erscheinen in den Kämpfen gegen gemeinsame Feinde: die vom Reiche abgefallenen Abotriten und in gewissem Sinne wohl auch trotz Knuts polnischer Mutter gegen den gefährlichsten aller auswärtigen Gegner: Boleslaw Chrobry. Auch dieser Großherrscher ist wegen seiner von Otto III. begünstigten Organisation der polnischen Kirche wohl als „heilig" bezeichnet worden. In seiner mächtigen Ausdehnungspolitik aber trat die Tendenz, möglichst alle Westslawen in einem Gesamtstaate unter sich zu einen, immer deutlicher hervor. Hatte sie sich eine Weile mit den deutschen Interessen in der Rückenbedrohung der feindseligen ostelbischen Stämme vertragen, so mußte sie bei weiterem Vordringen mit den Hoheitsansprüchen des Reiches empfindlich zusammenstoßen. Das geschah, als während der deutschen Thronwirren Boleslaw die Ermordung des ihm verwandten, tatkräftigen Markgrafen Eckard von Meißen, der im Kronstreit als Prätendent aufgetreten war, benutzte, um dessen wendische Markgebiete: die Oberlausitz und Meißen bis über die Elbe hinaus zu besetzen. Als Heinrich II. die dafür nachgesuchte Belehnung, die leicht zur Entfremdung führen konnte, nicht erteilte, entstanden Irrungen, die langjährige, auch nach kurzen Friedenspausen immer wieder aufflammende Kriege im Gefolge hatten. Heinrich hätte dem um so weniger ausweichen können, als der Pole bald auch das nun von drei Seiten eingekreiste Böhmen unter Vertreibung des Herzogs in seinen Besitz brachte, ohne es als deutsches Lehen anzuerkennen,
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DIE POLNISCHE GEFAHR
und damit ein geschlossenes Westslawenreich von ungeheurer Ausdehnung und Gefährlichkeit unter sich vereinigte, von dem aus manche Fäden auch in das Reich hineinführten. Wenigstens dies böhmische Gebiet konnte ihm schon 1004 wieder entrissen werden. In den weiteren erbitterten Kämpfen um die Lausitz aber war Heinrich trotz aller Zähigkeit nicht glücklich; der Strategie Boleslaws, seinem offene Schlachten vermeidenden Verteidigungssystem, den Schwierigkeiten des Waldsumpfgeländes war er nicht gewachsen. Es kennzeichnet die nüchtern berechnende Art dieses „Heiligen", daß er sich in solcher Notlage nicht scheute, mit den bisher bekämpften Liutizen ein Bündnis zu schließen und sie unter Zugeständnis ihres heidnischen Götterdienstes in das deutsche Heer aufzunehmen, so daß nun etwa die Zertrümmerung eines Götzenbildes im kaiserlichen Gericht mit einer Strafsumme gebüßt wurde und ein christliches Kloster auf Reichsboden von den Liutizen zerstört werden konnte. Auch diese vielfach anstößige Bundesgenossenschaft, die wenigstens die Elblande vor Einfallen sicherte und den Bischöfen von Havelberg und Brandenburg die Rückkehr ermöglichte, vermochte die Überlegenheit der deutschen Waffen nicht herzustellen. Erst Heinrichs rückwärtige Verbindungen mit Rußland und Ungarn machten Boleslaw dem Frieden geneigter, der endgültig erst 1018 zu Bautzen geschlossen wurde, aber bei der Kriegsmüdigkeit der sächsischen Großen die Lausitz samt Bautzen in der Hand des Polenfürsten beließ. So war von diesem bedeutenden Herrscher, der, wenn er auch das eroberte Kiew wieder hatte räumen müssen, seine Macht doch über die angrenzenden Gebiete Rußlands und bis 1021 auch über Mähren ausdehnte, die tatsächliche Selbständigkeit seines Großreiches errungen, und das fand schließlich offenen Ausdruck in der Königskrone, mit der er sich noch kurz vor seinem Tode (1025) schmücken ließ. Daß in diesem noch stark in der Barbarei steckenden Reiche freilich eine so hervorragende Herrscherpersönlichkeit schlechthin alles bedeutete und ihr Ausscheiden den Zerfall der Großmacht einleitete, sollte sich bald genug zeigen. Aber auch hier kam diese Erleichterung nicht mehr demjenigen deutschen Kaiser zustatten, der mit unermüdeter Tatkraft über anderthalb Jahrzehnte in der Reichsbresche gestanden hatte. Die polnische Gefahr war es vornehmlich, die Heinrich lange abgehalten hat, in Italien so nachdrücklich einzugreifen, wie es die nach Ottos III. Tod eingetretenen Rückschläge wohl erfordert hätten. Das Erlöschen der auf Adelheid zurückgehenden ottonischen Linie hatte dem geächteten Markgrafen Arduin von Ivrea einen scheinbaren Rechtsgrund gegeben, die Ansprüche seines Großvaters Berengar II. aufzunehmen und als letzter in der
EINGREIFEN IN ITALIEN, PAPST BENEDIKT VIII.
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Reihe jener mehr oder weniger nationalen Machthaber sich in Pavia die italische Königskrone aufs Haupt zu setzen. Die Unsicherheit der deutschen Thronfolge, der Anhang unter den durch Rückforderung von Kirchengut bedrohten kleineren Vasallen, der Mißerfolg einer deutschen Heerschar gaben ihm im westlichen Oberitalien Ansehen. Auch Heinrichs erstes persönliches Eingreifen, das ihm Wahl und Krönung in Pavia verschaffte (1004), aber durch einen Aufruhr in der Stadt noch selbigen Tages die Unsicherheit der Zustände verriet, drängte Arduin nur vorübergehend zurück. Erst die Tatkraft seines persönlichsten Gegners Leo von Vercelli, der für die Güter seiner Kirche kämpfte, bannte ihn seit 1007 in die engsten Schranken. Als er acht Jahre später zermürbt im selbstgestifteten Reformkloster Fruttuaria unfern Turin endete, war sein Königtum doch nur eine Episode geblieben, die mehr an die Vergangenheit anknüpfte als in die Zukunft wies. Immerhin hob sich Heinrichs II. italienisches Regiment scharf von dem seines Vorgängers ab. Zwar schlug er in der Verwaltung keineswegs neue Bahnen ein, die etwa dahin gezielt hätten, die emporstrebenden Kräfte der kleineren Vasallen und Valvassoren für die deutsche Herrschaft zu gewinnen. Ob das auf die Dauer möglich gewesen wäre, mag bezweifelt werden. Jedenfalls sah Heinrich, auch hier konservativ, nach ottonischer Überlieferung das Heil nur in der Stärkung des Episkopates, dessen Besitz und Rechte oft unter Verletzung der Interessen weltlicher Großen gemehrt wurden. Aber wie er die Bischofssitze nun ganz überwiegend mit Deutschen besetzte, so sank Italien überhaupt wieder zum Nebenland herab, für das die Urkundenausfertigung in der deutschen Kanzlei erfolgte, die Reichsgerichtsbarkeit in alter Weise durch Königsboten wahrgenommen, einmal sogar ein italienischer Reichstag auf deutschem Boden abgehalten wurde. Das brachte freilich ein viel weiteres Gehenlassen der Dinge mit sich, als es in den Absichten der Ottonen gelegen hatte, und fährte in Rom ähnliche Zustände wie unter der Regentschaft der Theophanu herbei. Denn das Adelsgeschlecht der Creszentier hatte sich dort wieder mit dem jüngeren Patrizius Johannes, dem Sohne des hingerichteten „Nomentanus", in den Sattel gesetzt und beherrschte die nicht mehr vom deutschen Hofe eingesetzten Päpste. Gegen sie aber erhoben sich nach dem Tode jenes Johannes (1012) ihre Gegner, die von dem großen Senator Alberich abstammenden Grafen von Tuskulum, und machten einen Laien aus ihrer Mitte zum Papst, der sich Benedikt VIII. nannte, den Gegenpapst der Creszentier vertrieb und gegen diesen die Anerkennung Heinrichs II. erlangte. Der Lohn dafür war die Kaiserkrönung in Rom vom Jahre 1014, die indes den
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SARAZENEN, BYZANTINER, NORMANNEN
deutschen Herrscher wieder nur zu kurzem Verweilen nach Italien führte. Der Papst sah sich daher trotz diesem Anschluß und freundlichen Beziehungen doch ganz auf die eigne Kraft zu seiner Behauptung angewiesen. Insofern war es für ihn ein Glück, daß er von dem geistigen Universalismus Silvesters Π. so gut wie nichts besaß, vielmehr eine harte, stark weltlich gerichtete Natur von staatsmännischer Energie und selbst kriegerischen Fähigkeiten war, die in mancher Hinsicht an den Renaissancepapst Julius II. erinnert. Nach dem Sinne der kirchlichen Reformer war ein solcher Papst, der über den Verdacht der Simonie und Bestechlichkeit keineswegs erhaben war, natürlich nicht, und so sehr man seine ordnenden Verdienste anerkannte, glaubte man, daß er nach seinem Hinscheiden doch erst durch die Fürbitte Odilos und seiner Mönche aus dem höllischen Feuer erlöst werden könne. Nachdem er erfolgreich gegen die Creszentier vorgegangen war, ohne ihre Partei dauernd am Wiederaufkommen zu hindern, wurde ihm eine größere Aufgabe gestellt. Was nach dem Tode Ottos II. durch innere Wirren im Islam aufgehalten war, trat jetzt ein. Die Sarazenen waren im erneuten Vordringen gegen Mittelitalien, hatten die Küstenstädte Tusziens, namentlich das aufstrebende Pisa, wiederholt gebrandschatzt und setzten sich von den Balearen her 1015 drohend auf Sardinien fest. Da gelang es dem Papste, die italischen Abwehrkräfte zu organisieren und, indem er sich selbst an ihre Spitze stellte, durch entscheidenden Sieg den Feind zu vertreiben (1016). Es war die Geburtsstunde der Seegeltung Pisas und Genuas. Viel verwickelter waren die Verhältnisse in dem gleichfalls bedrohten Süditalien. Eine Sammlung italischer Kräfte war dort durch die überalterte Griechenherrschaft erschwert die, vom byzantinischen Zentrum infolge der Bulgarenkämpfe im Stich gelassen, durch schwächliche Abwehr die Apulier schließlich (1009) zum Aufstande reizte, während die Sarazenen in Kalabrien vordrangen. Das aber trieb die Griechen zu erfolgreichem Aufraffen, und sobald der große Kaiser Basileios II., der „Bulgarentöter" (f 1025), seine Feinde in Makedonien endgültig niedergerungen hatte, wandte sich vollends das Blatt; denn nun griff er auch in Unteritalien noch einmal auf die alte Restaurationspolitik Justinians zurück. Das Völkerringen ist in diesem Wetterwinkel des alten Europas stets bunt und bedeutsam gewesen; vielleicht am seltsamsten doch, daß auf dem berühmten Schlachtfelde von Cannae, wo der byzantinische Statthalter 1018 die Aufständischen besiegte, Normannen und Normannen sich gegenüberstanden; die einen Waräger im griechischen Sold, die anderen aber Ritter aus der Normandie, die auf der Rückkehr von einer
BAMBERG, HILFEZUG NACH ITALIEN
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Pilgerfahrt ins heilige Land dem Fürsten Waimar von Salerno ihre Dienste gegen die Sarazenen erfolgreich gewidmet und dann in der Heimat zu einem verstärkten Abenteuerzuge im Geiste der alten Wikinger angeregt hatten. Dessen Führer, fünf Brüder, die sich wegen Lösung von einer Blutschuld an den Papst gewandt hatten, waren von diesem in ihrer Absicht, die apulischen Aufständischen, die er längst gefördert hatte, zu unterstützen, bestärkt worden. Es war der Keim einer weltgeschichtlich bedeutsamen Entwicklung. Jetzt schritt freilich trotz der normannischen Hilfe die neugefestigte Macht der Byzantiner über die Rebellen hinweg, schob die Grenzburgen nach Nordwesten vor, brachte auch die kleinen langobardischen Fürstentümer mit Ausnahme nur von Benevent, sowie die Abtei von Montecassino zur Anerkennung ihrer Oberhoheit und stand damit in bedrohlicher Nähe des Kirchenstaates. Da hat Benedikt VIII. gemeinsam mit den Führern der Aufständischen und Normannen persönlich die Hilfe Heinrichs Π. angerufen, der nach Beendigung der inneren Wirren und der Polenkriege freiere Hand gewonnen hatte. In Bamberg, wo der neue Dom geweiht wurde, sind damals (1020) die Beziehungen zwischen Kaiser und Papst enger geknüpft worden. Das fand seinen Ausdruck in einer Bestätigung jener Schenkungsurkunde Ottos des Großen, die von Otto III. beiseitegeschoben war. Realen Wert hatte wohl auch jetzt nur eine hinzugefugte Erweiterung des römischen Patrimoniums und die immittelbare Unterstellung des Klosters Fulda unter den heiligen Stuhl. Vor allem aber wurde der erbetene Hilfezug nach Italien auf Drängen der Reichsförsten beschlossen und im folgenden Jahre wirklich ausgeführt. In drei starken Heeressäulen marschierten die deutsch-italienischen Truppen in Süditalien ein. Wenn es auch nicht gelang, den Kern des griechischen Machtgebietes ernstlich anzutasten, und wenn eine ausbrechende Seuche zu vorzeitiger Umkehr zwang, so gelang doch das Nötigste: die Beseitigung der byzantinischen Hoheit über die langobardischen Fürstentümer und die Neubefestigung dieses fur die Sicherheit des Reiches unentbehrlichen Grenzgürtels. Daß aber selbst ein so nüchterner und den besonderen deutschen Interessen zugewandter Herrscher wie Heinrich II. Ablenkung und Opfer eines solchen Heereszuges nicht hatte vermeiden können, zeigt die in den Dingen, wie sie nun einmal sich gestaltet hatten, beruhende Notwendigkeit. Heinrichs diesmal (1022) doch wenigstens dreiviertel jähriger Aufenthalt in Italien hatte das Ansehen Papst Benedikts gestärkt, die beiderseitigen Beziehungen inniger gestaltet. Neben der weltlichen Politik vereinigten sie Gedanken der Kirchenreform, bei denen der Kaiser anspornend voranging.
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ODILO VON CLUNY
Und nicht nur er liebte und verehrte den Abt Odilo von Cluny und folgte in kirchlichen Dingen gern dessen Rate, sondern auch Benedikt war zu jenem in ein vertraulicheres Verhältnis getreten. Kann man in diesen letzten Jahren der beiden also von einer cluniazensischen Kirchenpolitik sprechen? Jene Konzentration der Kräfte zum Großstaat, die fur Deutschland in dem Kaisertum bestand, die sich im ganzen Osten und Norden Europas jüngst vollzogen hatte, gab es in der alten Kulturwelt des Westens, wo sich staatliche Tendenzen nur in engeren Kreisen regten, noch nicht. Insonderheit das Königtum der Kapetinger machte über den engen Kreis seines Herzogtums Franzien hinaus vorderhand noch wenig Fortschritte. Diese Verkümmerung der Staatlichkeit war die Voraussetzung für den erstaunlichen Einfluß, den ein schlichter Abt wie Odilo von Cluny (994—1048), in manchem ein Vorläufer Bernhards von Clairvaux, auf diese Welt ausüben konnte. Aus auvergnatischem Adel gebürtig, hatte er als schon gereifter Dreißiger die Leitung der Abtei übernommen, und er betrieb noch vierundfünfzig Jahre lang zielbewußt und klug, in unablässiger Bewegung und in engen Beziehungen zu Päpsten, Kaisern und Fürsten den Ausbau seiner Kongregation, die er auf den Höhepunkt ihrer Geltung führte. Von energischerer Aktionskraft als sein Vorgänger Majolus, hat er zugleich durch den Hang zu mystischer Schwärmerei und Gefuhlsinnigkeit, die sich vornehmlich der Gottesmutter zuwandte, die religiöse Anziehungskraft des Ordens gesteigert, ohne darüber die Ausdehnung und Sicherung der zu immer gewaltigerem Ausmaß anschwellenden Besitzgrundlage aus dem Auge zu verlieren. Innerhalb der Kongregation wurden nunmehr die Bande zwischen der Leitung des Mutterklosters und den überwiegend nur noch von abhängigen Prioren verwalteten Tochterklöstern straffer angezogen. Und schon begann man, die Reformgedanken über das Mönchtum hinaus auch in die Kreise des Weltklerus zu tragen. Trotz der natürlichen Gegnerschaft der meisten Bischöfe, die solche Eingriffe in ihre Diözesangewalt bekämpften, waren sie auch da in ihrer Sorge für Zucht und Ehelosigkeit der Priester, für Reinhaltung der Kirchen von simonistischen Einflüssen und ihre Bewahrung vor Besitzverschleuderung im Vordringen. Bei den Massen fand wohl am meisten Anklang, daß hier der Wille vorhanden war, sich der wichtigsten, aber vom hilflosen Staate unerfüllten Lebensnotwendigkeiten anzunehmen. Damals wurden durch Synoden im südlichen Frankreich die ersten Versuche von Friedensorganisationen unter kirchlichen Bürgschaften und Straffestsetzungen gemacht, Keime einer bedeutsamen Entwicklung. Wer so wie der heilige Odilo, der durch Einführung des Allerseelentages
REFORMEN IN WESTEUROPA
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in den kirchlichen Kult offenkundig machte, wie ihm das Heil jeglicher Seele am Herzen lag, die höchste Idee der Zeit in Forderung und Leben vertrat und endlosen sozialen Leiden der Schwachen im Volke Abhilfe zu schaffen suchte, der konnte wohl als „Bannerträger des gesamten Ordenswesens", als „Erzengel der Mönche" und darüber hinaus als ungekrönter „König" im Westen des Abendlandes gelten. Wie die Reformbewegung, von mehreren Zentren ausstrahlend, sich allmählich, wenn auch gegen landeskirchliche und bischöfliche Ansprüche noch nicht allenthalben siegreich, über alle Teile Westeuropas ausbreitete, kann hier nicht im einzelnen dargelegt werden. Mehrere Herrscher begünstigten sie: der mönchsfreundliche König Robert II., der mit Ketzerverbrennung begann, in Franzien; der fromme, tatkräftige Herzog Wilhelm V. der Große (990—1029) in Aquitanien, ohne freilich das Gefuge seiner bischöflichen Landeskirche erschüttern zu lassen; jenseits der Pyrenäen Sancho der Alte von Navarra (970—1035), der sein kleines Erbreich durch Verbindung mit Aragonien (1000) und Kastilien (1028) zu einem ansehnlichen Herrschaftsgebiet erweiterte, das nun in engere Beziehung zu dem abendländischen Interessenkreise trat. Was hier die duniazensische Reformhilfe für das kirchliche Leben bedeutete, beweist allein schon die Tatsache, daß bei der Wiederaufnahme der Kämpfe gegen die seit dem Tode des Wesirs Almansor im Rückgang befindlichen Mauren Beute an Gold und Silber einem Gelübde gemäß nicht etwa nach Rom, sondern nach Quny gesandt wurde. Im Osten Frankreichs wirkten in ähnlicher Reformrichtung zwei Männer, die zwar nicht abhängig, aber angeregt waren von Cluny. Der Piemontese Wilhelm von Volpiano (j" 1031), als Gast in Cluny geschult, rauher, strenger, unbeliebter als Odilo, fand seine Hauptwirkungsstätte in St. B£nigne zu Dijon. Vom französischen Herzogtum Burgund her griff seine Reformtätigkeit in den Diözesen von Metz und Toul auf Reichsgebiet über und fand über Franzien hin vor allem Eingang in der Normandie, wo unter seinem Gönner, dem kirchenliebenden Herzoge Richard II., das Kloster F£camp seit 1001 der wichtigste Ausstrahlungspunkt wurde. Heimatliche Beziehungen und Verwandtschaft mit Arduin von Ivrea ließen Wilhelm von Dijon, der öfter in politische Verwicklungen verstrickt wurde und zu Leo von Vercelli, dem „grausamen, ganz von Gott verlassenen Menschen" in scharfe Gegnerschaft geriet, auch in Oberitalien die ersten Erfolge erringen. Er war es vornehmlich, der, von dorther angeregt, die Reformforderungen auf den Weltklerus ausdehnte. In Lothringen, wo die frühere asketische Bewegung stark abgeebbt war, trat ihm selbständig zur Seite der mildere, friedewirkende Franke
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MÖNCHISCHE REFORMPARTEI
Richard von St. Vannes in Verdun (f 1046), dessen an Cluny angelehnte Reformen nach Flandern hinübergriffen. Mit diesen Führern des romanischen Mönchtums also stand Heinrich II. in freundlichen Beziehungen und kam ihren Wünschen mehrfach und in steigendem Maße entgegen. Als ihm Benedikt VIII. 1014 noch vor der Kaiserkrönung einen vom Kreuz überhöhten Reichsapfel darreichte, hat Heinrich allen Folgerungen, die aus dieser symbolischen Handlung gezogen werden konnten, die Spitze abgebrochen, indem er das Kleinod dem Kloster Cluny als der Pflegestätte der höchsten christlichen Ideale verehrte. Einem Schüler Richards von St. Vannes, Poppo, hat er in Lothringen den Boden zu reformerischer Wirksamkeit geebnet und ihn zum Abt von Stablo berufen. Die Mönchspartei andrerseits wußte die Gunst des frommen Kaisers zu schätzen und konnte seine Macht schon im Hinblick auf die Friedenswahrung und die Stützung des päpstlichen Universalismus nicht entbehren. Auch den kirchenpolitischen Beschlüssen, zu denen sich Kaiser und Papst seit dem letzten Romzuge vereinigten, stand die mönchische Reformpartei wohlwollend gegenüber. An ihre eigenen Ideale rührten sie freilich kaum, waren vielmehr von dem alten praktischen Streben nach Sicherung des vornehmlich bischöflichen Kirchengutes eingegeben, hinter dem noch immer Leo von Vercelli als treibende Kraft stand. Auf der unter dem Vorsitz von Papst und Kaiser abgehaltenen Synode von Pavia (1022) erneuerten sie die kanonische Zölibatsforderung für die höhere Geistlichkeit bis hinab zum Subdiakon und setzten nach dem Vorgang einer Goslarer Synode (1019) fest, daß Kinder aus der Verbindung unfreier Priester mit freien Frauen dem Stande des Vaters folgen sollten, damit sie der Kirche nicht als Eigenleute verlorengingen und nicht durch Erbansprüche dem Kirchengut gefährlich werden könnten. Heinrich ließ diese Beschlüsse auch als Reichsgesetz verkünden und verabredete bei einer Zusammenkunft mit König Robert von Frankreich an der Maasgrenze, ihnen auf einem großen gemeinsamen Konzil noch allgemeinere Geltung zu verschaffen und weitere Satzungen zur Friedenssicherung hinzuzufügen. Bei dem allen war von einer Anpassung an die cluniazensischen Grundforderungen keine Rede. Diese blieben, solange die finanzielle und militärische Kraft des Reiches auf den kirchlichen Leistungen beruhte, mit dem deutschen Regierungssystem schlechthin unvereinbar; eine auf ihre Beherrschung und Ausnutzung gerichtete Politik lief ja, wie wir schon sahen, dem cluniazensischen Ideal schnurstracks entgegen. Daß im deutschen Episkopat damals noch Kräfte vorhanden waren, die
ARIBO VON MAINZ
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sich einer auch nur geringen Umwandlung des bestehenden Kirchenrechtes zugunsten der von Cluny her gestärkten Zentralgewalt der Kurie entgegensetzten, zeigten Vorgänge aus Heinrichs letztem Lebensjahr. Erzbischof Aribo von Mainz, eine unbeugsame Herrennatur, hatte im Kampf gegen unkanonische Ehen die schon von seinem Vorgänger ausgesprochene Scheidung der Verwandtschaftsehe des Grafen von Hammerstein unerbittlich durchzuführen gesucht, aber die Gräfin hatte an das päpstliche Gericht appelliert. Darin sah eine 1023 unter Aribos Leitung tagende Provinzialsynode zu Seligenstadt am Main, an der unter anderen der gelehrte, konservativ gerichtete Kanonist Bischof Burkhard von Worms teilnahm, einen Verstoß gegen den kirchenrechtlich festgelegten Instanzengang in Disziplinarsachen. Sie sprach aus, daß erst nach geleisteter Buße Appell an die Kurie eingelegt werden dürfe, auch dann nur mit bischöflicher Erlaubnis und Berichterstattung an den Papst. Es war eine Abwehr zu befürchtender kurialer Eingriffe in die bestehende Ordnung, wie sie bei der Bestechlichkeit des römischen Adelspapsttums besonders empfindlich sein mußten, und wie man sie auch in Frankreich gelegentlich zurückgewiesen hatte. Es war nicht mehr; denn die Annahme, Aribo habe auf die Loslösung einer deutschen Nationalkirche von Rom hingearbeitet, hat sich als völlig unmögliche Aufbauschung des Vorganges erwiesen. Jedoch es war auch nicht weniger; denn ein Widerstand der deutschen Bischofskirche gegen zentralistische Tendenzen Roms lag doch darin und schien sich noch weiter zu verhärten, als Benedikt VIII. die Appellation der Gräfin tatsächlich annahm und den Mainzer Erzbischof mit Palliumsentziehung bestrafte. Denn Aribo blieb gleichwohl steifnackig und gedachte sich auf einer neuberufenen Synode unter Zuziehung der Erzbischöfe von Köln und Trier sein Recht bestätigen zu lassen. Eine noch ernstere Zuspitzung des Konfliktes ist nur durch die rasch aufeinanderfolgenden Todesfälle von Papst und Kaiser (1024) verhindert worden. Die dadurch eintretenden Umwälzungen lenkten die Aufmerksamkeit von dem aus minderbedeutendem Anlaß entstandenen Streitfall ab. Aber die kirchlichen Bestrebungen und Gegensätze dieser letzten Jahre sollten die Welt weiterhin in Atem halten.
MACHTHÖHE DES DEUTSCHEN REICHES UNTER DEN ERSTEN SALIERN
Die Festigung des Reiches unter Heinrich II. bewährte sich beim Erlöschen der sächsichen Dynastie. Das nun in voller Kraft geübte Wahlrecht der Stammesvertreter richtete sich ernstlich nur auf die beiden fränkischen Konrade, die als Urenkel Konrads des Roten von Lothringen und einer Tochter Ottos des Großen Anverwandte des letzten Herrscherhauses waren. Die Rechtsrheiner entschieden für den älteren, einen Fürsten ohne erheblichen Familienbesitz im oberrheinischen Franken, der dann die lothringische Minderheit ohne größere Schwierigkeit gewann. Die Salier, wie man sie später nannte, heben sich von den sächsischen Herrschern deutlich ab als hochgewachsene, kraftvolle Tatmenschen von rücksichtslos durchgreifender Schärfe, mehr auf Machtpolitik als auf Kulturpflege bedacht. In dieser Einseitigkeit eröffnet Konrad II. ihre Reihe glänzend. Von der Welt der Ideen wenig berührt, ohne literarische Bildung, als vollsaftiger Laie mit schwertkundiger Faust, nüchternem Hellsinn und gesundem Kraftgefühl in engen Verhältnissen aufgewachsen, die ihm das Verständnis für die Lage der niedriger Gestellten schärften, stets mit beiden Füßen in der Wirklichkeit der Gegenwart, wußte er inmitten der vorhandenen Kräfte, die er sicher abzuschätzen, zusammenzuraffen und gegeneinander auszuspielen verstand, sein Königtum auf der vom Vorgänger überkommenen Basis zu bedeutender Machthöhe emporzuführen, vielleicht die geschlossenste und willenskräftigste Herrschergestalt des gesamten deutschen Mittelalters. Kühnes Zugreifen, kluges Entgegenkommen und Glück vereinigten sich, um das deutsche Kaiserreich wieder wie zur Zeit Ottos des Großen zur wettbewerbslos ausschlaggebenden Macht des Abendlandes zu machen. Glück war es, daß mit dem Tode Boleslaw Chrobrys der polnische Großstaat samt der Königskrone unter seinen schwächeren, zwiespältigen Söhnen zusammenbrach. Auf die ausgreifende Eroberung folgte der Gegenschlag aller geschädigten Mächte. Wie Ungarn die slowakischen, Rußland die ostgalizischen Gebiete zurückgewann, so Konrad II. die von seinem Vorgänger verlorene Lausitz (1031). Herrscherwechsel und national-heidnische Reaktion stürzten Polen vollends ins Chaos. Etwas länger hielt die nordische Großmacht Knuts zusammen. Ebendeshalb und weil man im polnischen Kriege der Flankendeckung bedurfte, er-
KONRAD
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kaufte Konrad die dänisch-englische Freundschaft durch Beschränkung der deutschen Gebietsansprüche auf die Eidergrenze, was nach Lage der Dinge mehr ein ideeller Verzicht als eine Besitzaufgabe war. Und da die nach ottonischem Muster für den bereits 1028 zum Thronfolger gewählten und gekrönten Sohn Heinrich versuchte Werbung um eine byzantinische Prinzessin nicht zum Ziel geführt hatte, so wurde das nordische Bündnis besiegelt durch Heinrichs Verbindung mit einer Tochter Knuts. Freilich war auch hier, ähnlich wie in Polen, der Zusammenhalt der durch das Meer getrennten Reiche, denen 1028 nach dem Sturz Olafs des Heiligen auch Norwegen angegliedert war, an die Person des großen Herrschers, der sie zusammengebracht, gebunden. Als er 1035 noch nicht vierzigjährig starb, zersplitterte auch hier die Großmacht, indem Norwegen sich wieder einen nationalen König setzte, England aber und Dänemark sich unter Knuts Söhnen auseinanderspalteten, um nur noch einmal unter Hardaknuts tyrannischem Regiment (1040—1042) kurz vereinigt zu werden. Sein Tod brachte denn auch für England unter Edward dem Bekenner, dem Sohne Aethelreds II., die Rückkehr zu der alten angelsächsischen Dynastie. Vielleicht hätte sich Konrad II. hier spröder gezeigt, wenn er diesen raschen Verfall, der die einzige abendländische Großmacht neben seinem Imperium beseitigte, hätte voraussehen können; indes für das erneute Vordringen deutschen Einflusses in Mission und Handelsverkehr sollten die friedlichen Beziehungen zu dem Norden von folgenreicher Bedeutung werden. Auch dem Gründer des ungarischen Reiches hat Konrad durch Abtretung eines Grenzstriches Entgegenkommen bewiesen, als er mit ihm über unerfüllbare Erbansprüche auf das Herzogtum Baiern in Zwist geriet und im Felde unglücklich war (1031). Aber auch Stefan der Heilige starb noch vor dem deutschen Kaiser (1038), und unter seinem Nachfolger Peter bereiteten sich gegen die Begünstigung von Christentum und westlicher Kultur heidnisch-nationale Gegenwirkungen der Adelskreise vor. Die weitaus wichtigste Wandlung des Reiches nach außen hin war die Angliederung Burgunds. Auch hier war es Glück, daß endlich eintrat, worauf Heinrich II. sich längst vorbereitet hatte: der Tod des kinderlosen Königs Rudolf III. (1032). Aber ob Heinrichs Erbanspruch auch für seinen staatsrechtlichen Nachfolger als gültig angesehen, ob es gelingen würde, ihn gegen privatrechtlich besser beglaubigte Bewerber und den Widerstand der auf ihr Wahlrecht pochenden burgundischen Großen durchzusetzen, das hing doch von Konrads Energie und Staatskunst ab. Er hatte sich schon vorher nicht durch Ansprüche und wiederholte Auflehnung seines trotzigen, übelbera-
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ANGLIEDERUNG BURGUNDS
tenen Stiefsohnes Ernst von Schwaben beirren lassen und für den erbenlosen, durch Anhänglichkeit an die geächteten Freunde heraufbeschworenen Untergang des noch kaum zum Jüngling erwachsenen Knaben (1030) nur das bittere Wort gefunden: „Bissige Hunde haben selten Junge." Den ungleich gefährlicheren Prätendenten Grafen Odo II. von Champagne, der als Neffe des verstorbenen Königs im romanischen Burgund Anhang fand, hielt er in Aufnahme der alten Teilungspolitik durch Bündnis mit dem französischen König Heinrich I. vom Rücken her in Schach, setzte ihm durch Wiedervereinigung des gespaltenen lothringischen Herzogtums im Reiche eine kräftige Abwehrmacht entgegen und erstickte den letzten Widerstand in Burgund durch Einmarsch eines deutschen und italienischen Heeres (1034). Was bedeutete diese Angliederung eines dritten Reiches für das Imperium? Eine wirkliche Herrschaftserweiterung nur in den wenigstens teilweise germanischen Gebieten der heutigen welschen Schweiz, in denen das schwache Königtum Rudolfs allein noch Geltung gehabt hatte. Politisch aber war auch die Oberhoheit über die sonstigen halbselbständigen Lande bis zur Rhönemündung im Westen und Nizza im Osten, so wenig sie in nationaler Hinsicht zu Deutschland paßten, wertvoll genug. Denn sie brachte eine dauernde Eindämmung französischer Ausdehnungsbestrebungen nach dem Süden und also eine Befestigung der italienischen Reichsherrsschaft, für die auch die Gewinnung der Westalpenpässe wichtig war. Die mitteleuropäische Verbindung dreier großer Reiche in einer Hand bildete fortan die erweiterte Grundlage der Führerstellung des Kaisertums im Abendlande. Daß in der Tat mit französischen Eroberungsgelüsten nach Italien hin stets zu rechnen war, wenn sie nicht durch Übermacht im Zaum gehalten wurden, hatten gleich die Anfänge Konrads erwiesen. Denn lombardische Große, die den Regierungswechsel zur Losreißung von Deutschland benützen wollten, aber den einheimischen Kräften mißtrauten, hatten sich an König Robert von Frankreich, an Odo von Champagne, an Wilhelm V. von Aquitanien gewandt und von diesem wirklich die Entsendung seines Sohnes als Thronkandidaten nach Italien erlangt. Einen Augenblick vereinigten sich noch 1026 alle jene französischen Machthaber, um Italien, Burgund und Lothringen der deutschen Herrschaft zu entwinden. Jedoch es gelang, diese Koalition zu zersprengen. In Oberitalien war es nochmals die alte Bischofspartei mit dem getreuen Leo von Vercelli an der Spitze, die die aquitanische Kandidatur zum Scheitern brachte; sie vornehmlich trug auch das erste ringsum friedenstiftende Romfahrtunternehmen Konrads II. (1026—1027). Das Papsttum der Tuskulaner war nach dem Tode des energischen Bene-
KAISERKRÖNUNG
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dikt VIE. in Nichtigkeit und Verworfenheit zurückgesunken. Johann XIX. (1024—1033), der sich als weltlicher Gebieter „Konsul, Herzog und Senator aller Römer" genannt hatte, erwarb als Laie die Tiara mit allen Weihen für Geld und war bald in Verhandlungen mit Byzanz sogar bereit, das so zäh behauptete päpstliche Primatrecht auf den Titel „allgemeiner Bischof" an den griechischen Patriarchen zu verschachern. Nur der Entrüstungssturm der Reformer hielt ihn zurück. „Wenn der Bach an der Quelle lau ist", schrieb damals Wilhelm von Dijon, „so stinkt er weithin in die Ferne." Wie gering damals das päpstliche Ansehen auch in Deutschland geachtet wurde, zeigt hinlänglich der eine Vorgang, daß Bischof Warmann von Konstanz es ungestraft wagen konnte, eine Bulle Johanns XIX., die dem Abt Berno von Reichenau den Gebrauch der bischöflichen Abzeichen bei der Messe zuerkannte, in öffentlicher Synode kurzweg zu verbrennen. Dieser Papst war es, der, ohne daß von einer Erneuerung des alten Paktums etwas verlautete, Konrad II. die Kaiserkrone aufs Haupt setzte (1027), um hinfort neben diesem Herrscher, der selbst die wichtigsten kirchlichen Entscheidungen des Papstes mit vollendeter Rücksichtslosigkeit umstieß, eine Rolle kläglichster Ohnmacht zu spielen. Als nach seinem Tode sein Bruder Alberich ΙΠ. als „Konsul und Herzog der Römer" den eigenen noch jugendlichen, weltlich-leichtfertigen Sohn als Benedikt IX. (1032—1046) auf den Stuhl Petri setzte, schienen die Zeiten Johanns XII. zurückgekehrt. Und Konrad II., der in die Rechtsverhältnisse der Stadt Rom selbstherrlich eingriff, duldete das, weil diese nichtigen Päpste kirchlich wenig bedeuteten und sich in politischen Machtfragen seinem Gebote gehorsam fügten. Trat schon darin eine Abwandlung der ottonischen Auffassung zutage, so zeigte sich auf der beibehaltenen Grundlage eine noch merklichere Verschiebung der Gewichte in der inneren Reichsverwaltung. Wohl setzte Konrad in der staatlichen Beherrschung und Ausnützung der Kirche die Linie seines Vorgängers fort. Allein seine laienhafte Erziehung und realistische, jeder religiösen Inbrunst fremde Sinnesart, die ihm auf seiten der Reformer den Vorwurf mangelnder Festigkeit im Glauben eintrug, machten ihn da kühler und verständnisloser, so daß der Nimbus des Priesterkönigtums schwand. Die Bischofsernennungen entsprachen mehr politischen Rücksichten als kirchlichen Bedürfnissen, die Bildungshöhe sank. Hatte Heinrich II. vor den zur Frankfurter Synode versammelten Bischöfen selbst den Fußfall nicht gescheut, um sie zur Nachgiebigkeit zu bewegen, so kam es jetzt zu harten Maßregelungen unfügsamer Prälaten. Der Strom der Reichsgutverleihungen an Kirchen begann zu stocken; nur das salische Hausinteresse
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KLOSTERPOLITIK
regte noch zu zwei bedeutenden Stiftungen an, dem Familienkloster Limburg a. d. Hardt und dem allein reichdotierten Speirer Dom als der Grabeskirche des Geschlechts. Eigenmächtige Eingriffe in das Kirchengut zur Lehensausstattung weltlicher Großen erfolgten zahlreicher als bisher, selbst wichtige kirchliche Maßnahmen wurden durch einfache Willenserklärung des Herrschers entschieden. In der Klosterpolitik schien Konrad anfangs den Wünschen der Reformer entgegenzukommen. Denn der Abt Poppo von Stablo und Malmedy konnte als sein besonderer Vertrauensmann die Reform nicht nur in zwölf lothringischen Klöstern durchführen, sondern damit erstmalig auch in vier königlichen Abteien des sonstigen Reichsgebietes, sogar in dem rechtsrheinischen Hersfeld, Fuß fassen. Damals geschah es, daß in dem nach einförmiger Cluniazenserart reformierten St. Gallen der dadurch verstimmte Mönch Ekkehard (IV.) die Fortsetzung der alten Klosterchronik begann, in der er ein so reizvolles Idealbild des alten vielgestaltigen Benediktinerlebens entwarf. Die Romanisierung der deutschen Kirche nahm, wenn auch unter heftigem und oftmals erfolgreichem Widerstreben der Mönche ihren Anfang. Indessen für den prinzipienlosen Kaiser, der die lothringischen Reformer für seine westlichen Schachzüge bis zur Sicherung Burgunds brauchte, war jene Begünstigung mehr Belohnung politischer Dienste als Ausfluß innerer Überzeugung. Sobald sich im burgundischen Gebiet die beiden Kreise der Reichskirche und Clunys zum erstenmal überschnitten und die grundsätzliche Unvereinbarkeit von Kirchenbeherrschung und klösterlicher Unabhängigkeit handgreiflich wurde, trat merkliche Spannung an Stelle der freundlichen Beziehungen. Konrads jähe Eingriffe, die unter Umständen auch ein Kloster der begonnenen Reform wieder entzogen, seine simonistische Ausbeutung, seine scharfen Maßregelungen hoher Geistlicher mußten bei den Cluniazensern wachsenden Anstoß erregen. Der Unentrinnbarkeit künftiger Konflikte zwischen diesem hochgespannten kirchlichen Ideal und den auf alter Gewohnheit beruhenden Bedürfnissen der Staatsgewalt ist sich Konrad II. schwerlich schon klar bewußt gewesen, aber mit sicherem Instinkt hielt er es doch für notwendig, neben den kirchlichen die weltlichen Stützen des Königtums wieder zu stärken. Er gewann sich die Sympathien der gesamten Laienschaft als unbeugsamer Wahrer des Rechts, aber mit der gleichen Wucht, mit der er es anderen schützte, nahm er es auch für sich und sein Königtum in Anspruch. So achtete er die Rechte der Herzöge im Erbgange, konnte aber schließlich die durch Aussterben der direkten Linie erledigten Herzogtümer Baiern und Schwaben
GRAFEN UND HERREN ALS STÜTZEN DES KÖNIGTUMS
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an seinen Sohn übertragen und dadurch nahezu ganz Süddeutschland unter die unmittelbare Hoheit des Königshauses bringen. Seiner eignen beschränkten Vergangenheit nach aber fühlte er sich am meisten hingezogen zu den Grafen und Herren, deren kriegerische Kraft er zu würdigen wußte. Und indem er nun auch für solche Vasallen den hier noch keineswegs anerkannten Grundsatz der Lehenserblichkeit im Mannesstamme aussprach, gewann er an diesem Stande wenigstens für eine Weile eine überaus wertvolle Stütze des Königtums. Gleich bei der Empörung Emsts von Schwaben waren es solche Elemente, die dem Herzog die Heeresfolge gegen den Kaiser als den höchsten Schützer ihres Rechts weigerten. Weiter noch in die Zukunft schien es vorauszudeuten, daß Konrads Fürsorge sich auch sozial tieferstehenden Schichten zuwandte, wie den Kaufleuten der emporstrebenden Städte, so namentlich den abhängigen, aber an Bedeutung wachsenden Dienstmannen, deren Verwaltungstätigkeit man für das nicht mehr an die Kirche verschwendete, sondern allenthalben sorgsam gemehrte Reichsgut dringend brauchte. Die Anwendung derselben rechtlichen und sozialen Grundsätze wie in Deutschland sollte den Kaiser in Italien zu einer noch viel offenkundigeren Abkehr von der Politik seines Vorgängers führen. Dort war die städtische Entwicklung der deutschen weit vorausgeeilt; das Wachstum von Wirtschaftskraft und Wohlstand hatte die Bedeutung der mit der Regalienübung, Baupolizei und Verkehrsregelung betrauten, meist auch mit den Grafenrechten ausgestatteten bischöflichen Stadtherren noch gesteigert, wenn auch gelegentlich bereits autonomistische Erhebungen der mit ihrer Leitung unzufriedenen Bürgerschaften vorkamen. Konrad II. hat in noch stärkerem Maße als schon seine Vorgänger die Einsetzung deutscher Bischöfe als die Hauptklammer zwischen den beiden Reichen betrachtet. Ihr aber wirkte der ehrgeizige und herrische Erzbischof Aribert von Mailand entgegen, der seine Kirchenprovinz am liebsten zu einem geschlossenen, ganz von ihm abhängigen Kirchenstaat ausgebaut hätte. So suchte Konrad auch hier an Laiengewalten weitere Stützen, bemühte sich namentlich, die großen markgräflichen Geschlechter mit seiner Herrschaft zu versöhnen und an ihr durch Eheverbindungen mit deutschen Familien zu interessieren. Es waren Machthaber rings um das Mailänder Gebiet: die Markgrafen von Turin, jetzt eng mit dem salischen Hause verknüpft, von Canossa-Tuszien, nun in schicksalvoller Verbindung mit der lothringischen Herzogsfamilie, die Otbertiner von Este, die in Mailand selbst neben dem Erzbischof das Grafenamt behaupteten und durch zukunftreiche Verwandtschaft Erben und Fortsetzer der süddeutschen Weifendynastie werden sollten.
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ARIBERT VON MAILAND
Neben diesen fürstlichen Laienadel aber traten nun in der Lombardei wie in Deutschland als Helfer des Kaisers die Scharen der ritterlichen Lehnsmannen zweiten Grades, der „Valvassoren", wie sie hier im Unterschied zu den mit Grafschaften und Grafenrechten belehnten Fürsten und den Lehnsträgern ersten Grades, den „Kapitanen", bezeichnet wurden. Denn mit ihnen geriet Aribert, der ihre noch nicht grundsätzlich als erblich anerkannten Lehen zur Erhaltung und Mehrung des Kirchengutes willkürlich einzog, in schärfsten Konflikt (1035), der bald die gesamte Lombardei in zwei feindliche Lager spaltete: die durch Gleichheit ihrer Standesinteressen zusammengeschlossenen, im Felde überlegenen Valvassoren auf der einen Seite, Aribert mit seinen Bischöfen und einem Teil des höheren Laienadels auf der andern. Dieser erste große Ständekampf der mittleren Geschichte trieb den Kaiser, an den beide Parteien appellierten, zu einer zweiten Romfahrt (1036-38). Seine schon in Deutschland betätigten Grundsätze entschieden auch in der Lombardei zugunsten der Valvassoren. Er forderte Abstellung ihrer Bedrückungen und lud den Erzbischof vor seinen Richterstuhl nach Pavia (1037). Als jener dort trotzig ablehnte, von den Besitzungen seiner Kirche das geringste herauszugeben, und das Gericht diesen Ungehorsam als Hochverrat erklärte, nahm ihn der Kaiser in Haft. Doch Aribert konnte in Mönchstracht nach Mailand entwischen und fand, als Konrad zur Belagerung schritt, die volle Unterstützung der kaufmännischen Bürgerschaft, die hier mit dem Erzbischof gegen Grafen- und Reichsgewalt zusammenging. Da hat der Kaiser, ehe er in Rücksicht auf die Sommerhitze die Einschließung der Stadt vorderhand aufhob, sein berühmtes Lehnsgesetz erlassen, das die Erblichkeit auch der Valvassorenlehen im Mannesstamme festlegte und die Vasallen durch Entscheidung im Genossenschaftsgericht gegen willkürliche Lehensentziehung schützte — ein Schritt, der den Bruch mit der von den Vorgängern befolgten Politik bedeutete, aber die begeisterte Anhängerschaft der Valvassoren sicherte. Im Bewußtsein seiner Machtüberlegenheit ging Konrad noch weiter. Es war ein schlechthin unerhörter Vorgang, der allen kirchlichen Rechtsvorstellungen der Zeit ins Gesicht schlug, daß er den widerspenstigen Erzbischof einfach von sich aus ohne Mitwirkung von Papst und Synode für abgesetzt erklärte und ihm einen Nachfolger ernannte. Daß sich nun eine Gruppe der über Lehnsgesetz und Gewaltakt mißvergnügten Bischöfe unter Ariberts Führung in eine Verschwörung einließ, die auf den Sturz der deutschen Herrschaft zielte und sich mit Konrads französischem Gegner Odo von Champagne als Prätendenten in Verbindung setzte, machte den radikalen Um-
TOD KONRADS Π.
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schwung der Dinge gegenüber den Anfängen Konrads offenkundig, wo der Laienadel seine italische Herrschaft in ähnlicher Weise bedroht, der Episkopat sie gerettet hatte. Der Kaiser griff mit furchtbarer Strenge durch, schickte drei im Fürstengericht verurteilte Bischöfe über die Alpen in die Verbannung und ließ über Aribert durch den willfährigen Papst die Exkommunikation verkünden, nachdem ein Einfall Odos in Lothringen durch die dort aufgestellte Macht des einheitlichen Herzogtums abgeschlagen war und mit Odos Tode geendet hatte. Ein weiteres Vorgehen gegen Mailand, dessen Mauern allein noch den Erzbischof schützten, wurde aufgeschoben, da die Verhältnisse Süditaliens ein Eingreifen wünschenswert machten. Aus den Maßnahmen, die der Kaiser dort zur Sicherung des Grenzgürtels langobardischer Fürstentümer gegen Griechen und Araber und zur Beseitigung ihrer Reibungen traf, hebt sich nur eine scheinbar unbedeutende als Keim weltgeschichtlicher Zukunftsentwicklung heraus. Wie in Lothringen zog Konrad hier eine einheitliche Grenzmacht von zuverlässiger Ergebenheit der Zersplitterung sich befehdender Fürstentümer vor und begünstigte Waimar von Salerno als den stärksten der dortigen Kleinherrscher, der auch mit Capua belehnt wurde und Amalfi, Sorrent. und Gaeta hinzueroberte. Als ein Lehen dieses Fürsten bestätigte Konrad 1038 dem Normannenführer Rainulf, der mit einer Schar abenteuernder Ritter die kleinstaatlichen Rivalitätskämpfe zur Begründung eines eigenen Zwergterritoriums ausgenutzt hatte, die Grafschaft Aversa und legte damit unbewußt den Grundstein zu dem in den nächsten Jahrzehnten emporwachsenden starken Normannenstaate des Südens. Eine verlustreiche Seuche im Heere, der auch die dänische Gattin des Thronfolgers erlag, zwang den Kaiser im Sommer 1038 zu eiligem Rückmarsch über die Alpen, indem die weitere Achtvollstreckung an dem Mailänder Erzbischof den befreundeten italienischen Laienfürsten übertragen wurde. Als Konrad dann selbst 1039 noch nicht fünfzigjährig durch einen vorzeitigen Tod abgerufen wurde, hinterließ er dem Sohne eine Machtfülle, wie man sie seit den Tagen Ottos des Großen nicht mehr in einer Hand gesehen hatte, in der Mailänder Streitsache jedoch ein Problem, das durch einen Gewalthieb wohl für den Augenblick zu bezwingen, aber nicht für die Dauer zu lösen war. Gewiß war Aribert kein Mann nach dem Herzen der Reformpartei, jedoch die unbeschränkte Rücksichtslosigkeit, mit der sich Konrad über Kirchenrecht, Papstansehen und religiöse Gefühle hinwegsetzte, zeigte den ohnehin verstimmten Reformern, daß diese Art von kaiserlicher Kirchenbeherrschung mit ihren Unabhängigkeitsidealen unvereinbar war,
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HEINRICH ΠΙ.
und ließ die in den Verhältnissen selbst beruhende Spannung nach außen hin grell hervortreten. War demnach Konrads Verständnislosigkeit für das innerkirchliche Leben mit seinen idealen Forderungen, sowie die kühle, grundsatzlose Art, mit der er diese Dinge behandelte, sicherlich die wundeste Stelle seiner Gesamtpolitik, so ist andererseits zu betonen, daß jenes Problem, sofern man an der Erhaltung einer starken Kaisermacht festhalten wollte, tatsächlich unlösbar war. Konrads Taktik mochte Bedenken erregen, weil sie sich mit den höchsten Zeitidealen in Widerstreit setzte, sie würde auch bei folgerichtiger Weiterführung schwere Konflikte nicht durch die bloße Machtfülle erstickt haben. Daß aber der andere beschreitbare Weg, ein priesterliches Kaisertum in Weiterbildung der Ansätze Heinrichs II. an die Spitze maßvoller Reformen zu stellen, auch nicht zu einer reinlichen und auf die Dauer befriedigenden Lösung führen konnte, sollte sich unter dem anders gerichteten Nachfolger alsbald herausstellen. Seit den Tagen Ottos II. hatte kein deutscher König von seinem Vorgänger eine nach innen und außen so gefestigte Herrschaft so glatt übernommen wie Heinrich III. (1039—1056); ja, der Machtkreis hatte sich gegen damals erheblich ausgedehnt und schien noch weiter zu wachsen. Im Osten versuchte zwar der Böhmenherzog Bretislaw (1034-1055), das polnische Chaos für eine westslawische Großmachtstellung auszunützen und, indem er aus dem eroberten Gnesen die Gebeine des heiligen Adalbert nach Prag überführte, eine nur von Rom abhängige böhmische Nationalkirche zu begründen. Indessen gelang es Heinrich, der auf einem zweiten Feldzuge bis Prag vorstieß, den Herzog in engere Schranken zu weisen und ihn in demütiger Unterwerfung mit Buße und Geiselstellung erneut und dauernd in tributäre Lehnsabhängigkeit zu zwingen (1041). Als dann der wegen seines deutschfreundlichen Regiments verjagte Herzog Kasimir I. von Polen (1034—1058), ein Urenkel Kaiser Ottos II., seine Herrschaft wiederherstellen und befestigen konnte, wußte Heinrich III. den fortdauernden Zwiespalt zwischen den westslawischen Reichen überlegen auszunützen und konnte zwischen den vor ihm 1046 in Meißen erschienenen Herzögen von Polen, Böhmen und Pommern einen Frieden aufrichten, durch den Schlesien vorab wieder an Polen kam. Gegenüber der heidnisch-nationalen Reaktion in Ungarn aber brachte Heinrich nicht nur den jüngsten Gebietsverlust reichlich wieder ein, indem er die Grenze bis zu March und Leitha vorschob, sondern er konnte nach neuem Siege den unzuverlässigen König Aba durch Peter, den rechtmäßigen Nachfolger Stefans, ersetzen, der nun tributzahlender Vasall des deutschen
ADALBERT VON BREMEN
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Kaisers wurde. So erstreckte sich die Oberhoheit des Reiches für eine Weile selbst über die weiten Ebenen Ungarns. Und diese militärisch-politischen Erfolge kamen der bairisch-fränkischen Kolonisationsbewegung in der österreichischen Mark, in Steier und Kärnten zugute, die gerade von Heinrich III. durch zahlreiche Besitzverleihungen aus Königsgut gefördert wurde, so daß ein Keil deutscher Bevölkerung, der in den Madjaren seine Fortsetzung fand, Westslawen und Südslawen dauernd voneinander trennte. Zu den Erfolgen im Osten kamen großartige Aussichten für den deutschen Einfluß in Nordeuropa. Haben sie sich auch zu Heinrichs III. Lebzeiten erst teilweise verwirklicht, so dürfen sie hier doch zusammenfassend angedeutet werden, weil von der Einsetzung des genialen thüringischen Grafensohnes Adalbert in das Erzbistum Hamburg-Bremen (1043) schlechthin alles abhing. Dieser kühne, hochfliegende Geist erkannte in der Zerspaltung von Knuts englisch-dänischem Großreich die Möglichkeit, im Norden wieder statt der angelsächsischen die deutschen Missionsbestrebungen zugleich mit den Hoheitsansprüchen der bremischen Kirche in großzügiger Weise zur Geltung zu bringen. Ein erster naher Erfolg wurde errungen in dem an der Ostseeküste bis zur Peenemündung sich erstreckenden Wendenstaate des Abotritenfürsten Gottschalk, der sich zum Christentum bekehrte und bald die neugegründeten Bistümer Mecklenburg und Ratzeburg (1060) Adalberts Metropolitangewalt unterstellte. Als der Dänenkönig Sven Estridsen, Knuts Neffe, gegen norwegische Angriffe Anlehnung an Deutschland suchte, konnte auch hier die bremische Kirche ihren Einfluß wieder vorschieben und gemeinsam mit dem Könige Dänemark eine Organisation von neun Bistümern geben. Später faßte sie auch in Schweden und Norwegen durch Mission und Bischofsweihen erneut Fuß. Der natürliche Drang dieser erstarkenden Staatenbildungen ging freilich wie im Osten auf die Ausgestaltung von Nationalkirchen unter eigenen Erzbischöfen. Aus dem Wunsche, dieses Streben mit der kirchlichen Oberhoheit Bremens zu vereinen, erwuchs in Adalbert der selbst mit Fälschungen betriebene Plan, ein nordisches Patriarchat zu begründen, das auch Erzbischöfen noch zu gebieten vermöchte. Bei der Abneigung der Kurie gegen die Schaffung neuer Mittelsgewalten hat er dies Ziel nicht zu erreichen vermocht und sich mit dem persönlichen Titel eines päpstlichen Vikars begnügen müssen. Aber tatsächlich nahm er wahrhaft die Stellung eines weitgebietenden Patriarchen ein, der, vom Papste bevollmächtigt und von der Macht des Kaisers gedeckt, seine kirchliche Hoheit über die skandinavischen Reiche hinaus bis nach Finnland, Island, Grönland und den Orkney-Inseln erstreckte,
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LOTHRINGISCHE WIRREN
allenthalben die Keime des Christentums in den Boden senkte und die ersten Bistumsorganisationen schuf. Dünkte ihn selbst doch auch seine nordische Aufgabe so erhaben, daß er 1046 die ihm von Heinrich III. angebotene päpstliche Tiara abgelehnt hat! Dem Ansehen und Handelsverkehr des deutschen Reiches mußten so ausgedehnte Beziehungen zustatten kommen, wenn auch die Seeherrschaft damals noch in den Händen der Skandinavier lag und eine dänische Flotte zusammen mit englischen Schiffen den Kaiser einmal (1049) geradezu in seinen Unternehmungen gegen den widerspenstigen Grafen von Flandern unterstützt hat. Das stand in Zusammenhang mit den lothringischen Händeln, die sich fast durch die ganze Regierung Heinrichs III. hindurchziehen sollten. Der Kaiser hatte sie dadurch hervorgerufen, daß er das von seinem Vater wieder vereinigte Herzogtum nach dem Tode Gozelos I. unter dessen Söhne teilte (1044) und auch nach dem baldigen Hinscheiden des jüngeren Niederlothringen dem älteren Gottfried dem Bärtigen von Oberlothringen vorenthielt, der nun einen zähen Kampf für seinen Erbanspruch begann. Mochte die Sorge um die Entfremdung eines allzu ausgedehnten Grenzherzogtums unter einem rücksichtslosen Fürsten nicht unberechtigt sein, so hat der hin und her schwankende Kampf, in dem Auflehnung, Verurteilung zum Verlust aller Amter und Lehen, Niederwerfung und Gefangennahme mit scheinbarer Aussöhnung wechselten, und auch der französische König Heinrich I. (1031—1060) im trüben zu fischen suchte, den Kaiser für den Rest seines Lebens in Atem gehalten. Daß er freilich der unbedingt Überlegene war, stand außer Zweifel. Auch der französische Herrscher, der in beständigen Fehden mit seinen großen Vasallen die Königsmacht noch immer, nicht nennenswert über ihren Tiefpunkt hinausgehoben hatte, hat es schließlich doch nicht gewagt, mit seinen auf Lothringen gerichteten Plänen Ernst zu machen, und ist auch zuletzt noch (1056) persönlich einer Zweikampfforderung des Kaisers ausgewichen. Dieser hatte überdies im Rücken des Gegners wertvolle Beziehungen gewonnen durch seine zweite Ehe mit Agnes von Poitou, der Tochter des frommen Herzogs Wilhelm V. von Aquitanien, die ihre fugend letzthin am Hofe ihres Stiefvaters, des mit dem König verfeindeten Grafen Gottfried von Anjou, verbracht hatte. Nimmt man die ebenfalls gegnerische Normandie hinzu, so war nahezu ein Kreis um Franzien geschlossen, der den ohnehin schwachen und unbedeutenden Heinrich I. in jeder kräftigeren Aktion lahmen mußte. Überdies stand er, abweichend von seinem Vater Robert, der kirchlichen Reformbewegung, die hier schon weitgehend die öffentliche Meinung beherrschte, ablehnend gegenüber, so daß er von deren
GOTTESFRIEDE
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Anhängern wohl als simonistischer „Tyrann" und „Antichrist" bekämpft wurde, während Heinrichs III. Reformeifer, durch jene Ehe noch gesteigert, ihm im Westen allenthalben den Beifall der cluniazensischen Kreise eintrug. Denn bei aller äußeren Ähnlichkeit mit Konrad II. wich er in seiner Wesensrichtung von dessen gesund-kräftiger, lebensprühender Laiennatur auf das bestimmteste ab. Von geistlichen Erziehern fein und reich gebildet, war er von früh auf ganz in den Bannkreis der kirchlichen Reformbestrebungen getreten. Seine öfter dürch Krankheit verdüsterte, ernste, schwerflüssige, pflichterfüllte Natur sah es als die höchste Aufgabe seines priesterlichen Königtums an, jene Ideale in die Wirklichkeit herabzuzwingen. Indem er an sich selbst den höchsten Maßstab legte, hoffte er die anderen durch sein Vorbild mit sich fortzureißen. Es kennzeichnete ihn, wie er die von Westen herandringende Friedensbewegung ganz persönlich ergriff. In Frankreich, wo keine oberste Herrschermacht die nicht endenden Fehden der Großen, die tagtäglich Leben und Wohlstand der wehrlosen Stände zerstörten, in Schranken hielt, war von der Geistlichkeit der Versuch gemacht, die Laienwelt unter die Zucht der Kirche zu beugen. Die auf südfranzösischen Synoden seit 1016 beschworenen Friedensbündnisse hatten allmählich weitere Kreise gezogen. Sicherheitswehren unter geistlicher Führung wurden organisiert. Zu der Bannung des Friedbrechers trat das Interdikt über sein Lehnsgebiet, für die damaligen Vorstellungen folgenschwerer als heute ein Arztestreik, aber gleichwohl im Interessenkampf der Feudalen unzureichend zur Sicherung des „Gottesfriedens". Es galt die Ritterschaft, ohne ihre Fehden ganz zu unterdrücken, wenigstens für deren Einschränkung innerlich zu gewinnen. Seit 1027 tauchte darum der Gedanke einer „Treuga Dei", eines „Waffenstillstandes Gottes" auf. Von den cluniazensischen und lothringischen Reformen eifrig gefördert, dehnte sich diese geheiligte Waffenruhe, deren Verletzung mit Pilgerfahrten nach Palästina gebüßt wurde, von den Sonntagen auf die Passionstage jeder Woche (von Mittwoch abend bis Montag früh) sowie auf alle hohen Festzeiten einschließlich der Advents- und Fastenwochen aus und verbreitete sich nach der westlichen Lombardei und dem nördlichen Frankreich — ein Mittel, das die furchtbaren Schäden zwar nicht beseitigte, aber linderte und der gequälten Bevölkerung wenigstens Atempausen verschaffte. In Deutschland, wo die friedewahrenden Behörden mit dem König an der Spitze noch nicht derart versagt hatten wie im Westen, brach sich die Bewegung. Aber Heinrich III. wurde von ihr persönlich doch aufs tiefste erschüttert. Während der Konstanzer Synode von 1043 richtete er selbst von der
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DIE SÜDDEUTSCHEN HERZOGTÜMER
Kanzel aus ergreifende Friedensmahnungen an die Menge, und nach dem Ungarnsiege von 1044 warf er sich bei einer großen Dank- und Vergebungsfeier als erster barfuß und im härenen Büßeikleide vor dem mitgeführten Splitter des heiligen Kreuzes nieder. So suchte er sein Handeln auch sonst, gelegentlich selbst über das Maß des politisch Klugen hinaus, mit den Folgerungen seiner christlichen Weltanschauung in Einklang zu bringen, eine großzügige Natur, die aufs Ganze ging, in manchem Otto dem Großen ähnlich, aber ohne dessen Schwungkraft, Aufgeschlossenheit und Lebensfülle, daher auch mehr geachtet als geliebt. Diese Geistesrichtung mußte sich früher oder später in der Reichspolitik ausprägen. Zu den beiden süddeutschen Herzogtümern, über die Heinrich bereits verfügte, wurde gleich nach des Vaters Tode auch Kärnten frei. Wenn er sie alle im Lauf der vierziger Jahre aus der Hand gab, so ist gewiß begreiflich, daß dieser engere Pflichtenkreis von dem Beherrscher des Gesamtreiches einfach nicht zu bewältigen war, wie ja auch in Betracht zu ziehen ist, daß der Kaiser damals noch keinen Sohn besaß, dem er sie hätte übertragen können. Als das in den fünfziger Jahren anders wurde, hat er über Baiern ähnlich wie sein Vater verfügt. Gleichwohl bleibt fraglich, ob dieser sich ebenso der herzoglichen Machtquellen entäußert haben würde, und mit der Einsetzung landfremder Herzöge, die den Stammesadel im Zaum halten sollten, bewies Heinrich nicht eben eine glückliche Hand. Folgte er dem Vater in der Begünstigung der Ministerialen, so blieb, wie unter den beiden Vorgängern, das Hauptbollwerk gegen den antidynastischen Widerstand der Laienfürsten natürlich die Reichskirche, die Heinrich, wie er sie üppiger mit Schenkungen bedachte, womöglich noch straffer als Konrad in der Hand hielt. Aber eben in der Auffassung und Behandlung der kirchlichen Probleme ging er andere Wege. Jenes Mißverhältnis zwischen den kanonischen Forderungen und der Wirklichkeit, das Konrad geduldet, ja ausgebeutet hatte, war Heinrichs kirchlicher Gesinnung und Gewissenhaftigkeit unerträglich. Auch hier ging er persönlich voran. Mit dem ernstlichen Verzicht auf die Simonie gab er ansehnliche Reichseinnahmen preis. Er erkannte den unkanonisch abgesetzten Aribert von Mailand wieder als Erzbischof an. Die Reform der Kirche nahm er in enger Fühlung mit den burgundischen und lothringischen Führern der Bewegung energisch selbst in die Hand, bestimmte die Beschlüsse der Synoden und suchte bei der Auswahl der Bischöfe und Reichsäbte, denen er erstmals neben dem Hirtenstabe auch den Ring als Symbol der Vermählung mit ihrer Kirche überreichte, zur politischen Brauchbarkeit auch die Reform-
KÖNIG UND KIRCHENREFORM
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gesinnung zu gesellen. Denn je priesterlicher er selbst seines Königsamtes waltete, desto sicherer glaubte er, an den gewohnheitsmäßig überlieferten Rechten eines Oberherrn über die Kirche festhalten zu müssen, die ihm allein die stetige Durchführung der Reform gegenüber den in der Reichskirche selbst vorhandenen Widerständen zu verbürgen schienen. Wohl war das mit den cluniazensischen Vorstellungen von Kirchenfreiheit letzten Endes unvereinbar, und je mehr sich die westlichen Reformkreise mit denen der Reichskirche zu schneiden begannen, desto deutlicher mußte dieser Widerspruch zutage treten. Schon ließen sich auch in den vierziger Jahren vereinzelte Stimmen radikaler Reformer vernehmen, die strenge Einhaltung der kanonischen Forderungen auch für das Verhältnis von Kirche und Staat verlangten, den bischöflichen Treueid für den König als unvereinbar mit ihrem Mönchsgelübde erklärten, auf eine reinliche Trennung von Geistlichem und Weltlichem zielten und die Überlegenheit der priesterlichen Weihe über die königliche verkündeten. Indessen Heinrichs tiefinnerlicher Eifer weckte bei den Reformern ein so erleichtertes Aufatmen und so große Zukunftshoffnungen, daß zunächst niemand daran dachte, seine oberherrlichen Rechte ernstlich in Frage zu stellen. So konnte er denn von dieser Seite unbehindert die große Aktion durchführen, die der Reform auch in Rom endgültig Eingang verschaffte und den Bau seiner Machtstellung durch erneute Eingliederung des Papsttums im Sinne Ottos des Großen vollendete. Die dortigen Zustände mit ihrer zwischen Kaisertum und Kurie eingeschobenen Adelsherrschaft und der daraus entspringenden Verweltlichung und Herabwürdigung des Papsttums hatten seit 1044 eine Wendung genommen, die für religiöse Gemüter schwer erträglich schien. Der junge, sittenlose Tuskulanerpapst Benedikt IX. war von der Gegenpartei der Creszentier verjagt; aber rückkehrend behauptete er sich gegen den aufgestellten Gegenpapst Silvester III., der sich unter stillschweigendem Verzicht in sein Bistum Sabina zurückzog. Die Vorgänge verdarben Benedikt trotzdem die Lust an dem gefährdeten Amte; gegen eine Geldentschädigung trat er zugunsten des Erzpriesters Johann Gratianus zurück (1045), der sich nun Gregor VI. nannte. Dieser Mann, übrigens Sohn eines getauften Juden, hatte die heimliche Simonie nicht gescheut, um die Reformpartei, die ihn unterstützte, erst einmal ans Ruder zu bringen. Er hätte wohl allgemeine Anerkennung gefunden und sich behauptet, wenn der deutsche König sich dauernd hinter ihn gestellt hätte. Aber Heinrich III., der zur Abstellung dieser Zustände 1046 seinen ersten Romzug antrat und in Pavia sogleich eine Reformsynode abhielt, konnte die
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HEINRICH ΙΠ. KAISER
Säuberung der Kirche nur mit einem völlig einwandfreien, von ihm abhängigen Papste durchführen. Sobald sich daher die simonistische Schuld Gregors, der von ihm anfangs in Piacenza noch ehrenvoll empfangen war, herausstellte, war er entschlossen, ihn fallen zu lassen. Auf der berühmten Synode von Sutri wurden 1046 Gregor und Silvester, der noch nicht ausdrücklich verzichtet hatte, für abgesetzt erklärt, was in Lothringen alsbald einen literarischen Protest hervorrief. Gregor wanderte nach Köln in die Verbannung. Drei Tage später wurde dann auf einer römischen Synode auch Benedikt, der durch den unzulässigen Verkauf allein noch nicht seines Amtes hatte verlustig gehen können, abgesetzt und durch Heinrich, der über die Episode der zwar nachgiebigen, aber allzu weltlichen Tuskulanerpäpste hinweg auf das System Ottos III. zurückgriff, der deutsche Bischof Suidger von Bamberg, das er nicht aufgab, als Klemens II. auf den Stuhl Petri gehoben. Dieser vollzog am folgenden Weihnachtstage an dem deutschen Königspaare die Kaiserkrönung. Die Vorgänge konnten an die Erhebung Karls des Großen erinnern, und den Patriziustitel, den jener schon geführt, übertrugen die Römer nun auch auf Heinrich. Inzwischen aber hatte dieser Titel stadtrömische, papstbeherrschende Bedeutung und durch die Creszentier, die ihn wieder aufgebracht hatten, einen kaiserfeindlichen Klang gewonnen. Die tuskulanischen Stadtherrscher hatten ihn daher bei ihren freundlicheren Beziehungen zur Reichsgewalt vermieden, obwohl sie sachlich ähnliche Befugnisse übten. Wurde er jetzt wieder hervorgeholt und auf den neuen Kaiser selbst übertragen, so lag darin die ausdrückliche Anerkennung seiner ersten und entscheidenden Stimme bei der Papstwahl, sofern da von einer „Wahl" überhaupt noch die Rede sein konnte. Als eine volle Wiederherstellung der einst von Otto dem Großen errungenen Rechte unter Ausschaltung der stadtrömischen Mittelsgewalt faßte in der Tat Heinrich selbst seine durch den Patriziustitel nur noch verstärkte kaiserliche Befugnis auf. Indem er darüber hinaus nach dem Vorgang Ottos III. einen zuverlässigen Deutschen zum Papst erhob, wollte er zugleich Abhängigkeit und Reformeifer sicherstellen. In der Tat trat deutscher Einfluß alsbald an der Kurie insonderheit in der Verbesserung der Kanzleiverhältnisse und Urkundengestaltung hervor. Und daß der heilige Stuhl von Heinrich grundsätzlich den Deutschen vorbehalten werden sollte, zeigte sich, als nach dem baldigen Tode des Papstes (1047) und einem Rückkehrversuch Benedikts Bischof Poppo von Brixen als Damasus II. folgte, und nachdem auch dieser im Sommer 1048, wie es scheint, ein Opfer der damals heftig wütenden römischen Malaria geworden war, in dem Elsässer Grafen-
HÖCHSTE AUSDEHNUNG DES REICHES
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söhne Bischof Bruno von Toul sogar ein Verwandter des Kaisers — die Väter waren Vettern — als Leo IX. (wieder unter anfänglicher Beibehaltung seines Bistums) auf den Stuhl Petri gesetzt wurde. Damit schien das Papsttum fester denn je in die von Heinrich geleitete Reichskirche eingegliedert zu sein. Unter den Fittichen des Kaisertums sollte es sich nun nach den Wünschen des Saliers vollends zur sittlichen Höhe und universalen Bedeutung emporheben, was zugleich auch Ansehen und Wirkungskraft des ihm übergeordneten Imperiums für das gesamte Abendland hätte steigern müssen. Der Romzug Heinrichs hatte zu guterletzt auch im Süden noch die Grenzen der kaiserlichen Oberherrschaft vorgeschoben. In Apulien war der zu Heinrichs II. Zeiten niedergeschlagene Aufruhr gegen die morsche Griechenherrschaft im Jahre 1040 neu aufgelodert und hatte die um Aversa angesiedelten normannischen Ritter als Helfer herbeigezogen, die nun durch ihre ungestüme Tapferkeit in einer Reihe von Siegen sich jenem Ziele Schritt für Schritt näherten, das von den Sachsenkaisern wiederholt vergeblich erstrebt war. Um 1042 konnte dort bereits unter dem zum Grafen von Apulien erkorenen Wilhelm Eisenarm, dem sein Bruder Drogo folgte, ein normannischer Lehnsstaat unter der Suveränität des damals in Unteritalien allein mächtigen Fürsten Waimar von Salerno, Capua und Amalfi errichtet werden, indem das nördliche Apulien unter die normannischen Großen aufgeteilt wurde und die Ausdehnungsbewegung weiter südwärts vorschritt. In diese Verhältnisse griff nun Heinrich III. 1047 ein. Ähnlich wie in Lothringen scheint er auch hier eine zu starke einheitliche Grenzmacht, die freilich noch am ersten die wilden Normannen hätte im Zaum halten können, für bedenklich gehalten und die Teilung vorgezogen zu haben. Daher zweigte er Capua von der Herrschaft Waimars als besonderes Fürstentum wieder ab und bestätigte den Normannen durch kaiserliche Investitur ihren Lehnsbesitz in Aversa und Apulien, gab ihnen auch das widerspenstige Benevent, mit dessen Belagerung er sich nicht aufhalten mochte, samt seinem Gebiete preis. So erstreckte sich die Oberhoheit des Kaisers zum erstenmal tief hinein in die bislang byzantinischen Lande Süditaliens, was früher nur Wunsch, Anspruch oder vorübergehende Besetzung gewesen war. Und überschaute man nun den gesamten Machtkreis des Reiches von Pommern, Polen, Böhmen und Ungarn bis Gent, Cambrai, Verdun, Besangon, Lyon, Vienne und Arles, von der dänischen Grenze und der kirchlichen Einflußsphäre im Norden bis zur Herrschaft über Rom und das Papsttum, dazu die südlichen Lehnsgebiete bis tief in Apulien hinein, so schien eine Höhe erreicht, die sich nur an den glänzendsten Zeiten der Vergangenheit messen konnte, jene wohl
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INNERE STRUKTUR
gar noch übertraf. Das im wesentlichen noch immer unverändert, ja in einer Steigerung gehandhabte Regierungssystem Ottos des Großen hatte nun über alle Schwankungen hinweg nahezu ein volles Jahrhundert lang seine Kraft bewährt. Das war nur möglich, weil sich wenigstens im deutschen Kernlande grundlegende Verschiebungen der sozialen Struktur, die auch eine Umwandlung der Regierungsorgane hätten zur Folge haben müssen, noch nicht vollzogen hatten. Nicht als ob von einem Stillstand der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung hätte gesprochen werden können. Die Bewegung bis hin zu der Mitte des 11. Jahrhunderts vollzog sich jedoch unauffällig, ohne die bestehenden Formen zu zerbrechen und in neueren, mehr oder minder revolutionären Erscheinungen zutage zu treten. Der treibende Faktor dieser Entwicklung war längst nicht mehr, wie auf der Höhe der Karolingerzeit, die zentrale Reichsleitung; Kern des wirtschaftlichen Lebens war vielmehr die große, freilich nicht einheitlich zusammengefaßte, sondern in zerstreute Betriebe aufgelöste Grundherrschaft, mochte sie dem König, der kirchlichen oder der weltlichen Aristokratie zustehen. Sie umfaßte in mannigfachen Abstufungen der Freiheit und wirtschaftlichen Abhängigkeit die Gesamtheit des Volkes, das viel ausschließlicher als in den Ländern der alten Kultur noch ein Bauernvolk in überwiegend naturalwirtschaftlichen Verhältnissen und einfacher Lebenshaltung geblieben war. Der seit etwa 970 erschlossene Goslarer Silbersegen und die Beziehungen zu dem weiterentwickelten Westen und Süden bahnten darin doch erst allmählich einen Umschwung an. Wohl stand eine feudale Herrenschicht geistlichen oder weltlich-kriegerischen Charakters über den bäuerlichen Massen, aber weder hatten sich diese Herren schon völlig des landwirtschaftlichen Eigenbetriebes entwöhnt, noch die Bauern gänzlich des Waffendienstes, wenn auch die Entwicklungstendenz sichtlich auf solche Scheidung zielte. Wohl regte sich in den alten Römerstädten an Rhein und Donau und in anderen Marktplätzen, die sich schon auf einige Hundert belaufen mochten, neues kaufmännisches und gewerbliches Leben. Bei der abendländischen Hegemoniestellung des Imperiums, die ringsum den Spielraum der Betätigung ausweitete, konnte es nicht ausbleiben, daß das so lange Zeit isolierte deutsche Land mehr und mehr von dem Zuge des Welthandels erfaßt wurde und Kaufleute unter königlichem Schutze von Köln über den Kanal nach London, von Regensburg donauabwärts nach Ungarn hinein, von Bremen zur See nach den Halbinseln und Inseln des Nordens bereits den deutschen Aktivhandel trugen. Indessen noch gliederten sich diese die Landwirtschaft ergänzenden Städte und Märkte
WIRTSCHAFTLICHER UND SOZIALER AUFSTIEG
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unter der Hoheit meist bischöflicher Stadtherren dem grundherrschaftlichen Gesamtgefüge ein, ohne als neue Rechtskörper mit der alten Ordnung in umwälzende Konflikte zu geraten. Eben die Gleichmäßigkeit dieser wirtschaftlichen Struktur, die den Charakter der Staatsverfassung weitgehend bestimmte, erklärt das von außen betrachtet konservative Gepräge des Reichs, in dem es trotzdem nicht an allmählichem Fortschritt fehlte und die Einzelwirkungen sich um so stetiger summierten, je weniger sie sich in heftigen Reibungen aufhoben. Während die romanischen Völker schon in neuen zukunftsvollen, aber einstweilen die Kräfte vielfach aufzehrenden Wandlungen begriffen waren, war Deutschland noch wesentlich damit beschäftigt, den bis dahin vorhandenen Vorsprung der älteren Kulturländer einzuholen. D a wurden denn erhebliche Fortschritte erzielt in landwirtschaftlicher Technik, Intensität der Bebauung und Ausdehnung des Kulturlandes, die im Südosten zu kolonisatorischen Erfolgen unter Vorantragung des Deutschtums führten. Ein starkes Anwachsen der Bevölkerung unter dem kaiserlichen Regiment, das nach außen die Feinde abwehrte und im Innern wenigstens einigermaßen den Frieden verbürgte, war bei dem allen zugleich Antrieb und Folge. Und eben dies Wachstum als Haupthebel des Fortschrittes steigerte durch vermehrten Bedarf den Wert der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, förderte die sorgfältiger arbeitende Kleinwirtschaft in freieren Pachtverhältnissen und ließ die unfreien Schichten an Lebenshaltung und sozialer Geltung langsam emporsteigen, was von den Kaisern, namentlich von Konrad II., auch wohl durch Einzelmaßnahmen unterstützt wurde. Die Herauslösung ihrer hochwertigsten Elemente, der Ministerialen, als eines besonderen Geburtsstandes mit eignen, bald auch aufgezeichneten Dienstrechten war um die Mitte des 11. Jahrhunderts im wesentlichen vollzogen. Dem ruhigen, aber stetigen Aufstieg der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse entsprachen die wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen jener Zeit. Die innerliche Erschütterung der Episode Ottos III. zitterte noch in Leben und Schrift des sächsischen Edelings Brun von Querfurt nach, der die von Johannes Canaparius in Rom verfaßte Lebensbeschreibung Adalberts von Prag mit ganz persönlicher Färbung überarbeitete, um bald genug dem glühend verehrten Heiligen als Missionserzbischof der osteuropäischen Heidenvölker im Märtyrertode bei den Preußen nachzufolgen (1009). Vom Regierungsantritt Heinrichs II. über die Mitte des Jahrhunderts hin bis zum Ausbruch des Investiturstreites zeigen die deutschen Kulturleistungen den einheitlichen Charakter eines bei aller konservativ-aristokratischen Gesamt-
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LATEINISCHE DICHTUNG
haltung doch wertsteigernden Fortschrittes zu einer gewissen Blüte, an der freilich im wesentlichen nur die geistliche Oberschicht Anteil hatte. Absolut betrachtet, bleibt daher auch Umfang und Mannigfaltigkeit der Leistungen noch immer eng begrenzt. Gegenüber der Zeit Ottos des Großen haben sie sich jedoch mit dem ganzen Ausbau der Kirche immerhin vervielfältigt, so daß hier nur noch das besonders Kennzeichnende berührt werden kann. Die alte lebensvolle Kultur der Benediktinerklöster, unter denen nun die Reichenau durch die Mannigfaltigkeit der historiographischen, mathematisch-astronomischen, literarischen, musikalischen und künstlerischen Betätigungen an der Spitze stand, setzte sich noch ungebrochen fort. Aber die schon erwähnte Idealschilderung Ekkehards (IV.) von St. Gallen ist doch bereits ein Schwanengesang aus dem Gefühl des drohenden Untergangs heraus, den die von Westen her vordringenden Reformen mit sich brachten. Auch hatten die Domschulen der Bischofsstädte den Klöstern, mit denen sie auf dem gleichen Gebiete wetteiferten, als freiere Studienstätten damals mehr oder weniger bereits den Rang abgelaufen. Wie die Schreibtätigkeit, der sich auch literarisch fruchtbare Männer wie der Mönch Otloh von St. Emmeram in Regensburg mit unermüdlichem Eifer hingaben, nicht nur an Umfang zunahm, sondern auch die Züge zu jenen klaren und eleganten Formen ausgestaltete, auf die später die Humanisten als bestes Vorbild zurückgreifen konnten, so bildete sich auch, während die Nationalsprachen auf dem europäischen Festlande ja zumeist noch ein mündliches Dasein führten, ein gewandterer lateinischer Prosastil heraus. Bei aller Schulung an den antiken Mustern gewann er in Satzbau und Tonfall eine größere Freiheit und Selbständigkeit und entfernte sich damals auch durch die modische Vorliebe für Reimverbindung gewisser Satzteile bewußt von dem klassischen Latein. Ailch die allenthalben mit Eifer gepflegte Dichtung nahm an diesem Aufschwung teil. Da kommt in Betracht: die Lyrik der in der Cambridger Sammlung vereinigten Lieder, die großenteils aus den Rheinlanden stammen; das Epos „Ruodlieb", um 1050 anscheinend in Tegernsee, wo ein halbes Jahrhundert vorher auch der Briefsammler Froumund Verse geschmiedet hatte, entstanden, der früheste, von einer frisch zugreifenden Erzählerfreude eingegebene Ritterroman des Abendlandes; sodann die unter dem Decknamen „Amarcius" gehenden Satiren eines vermutlich rheinischen Klerikers, der, formal durch Horaz angeregt, die Habgier der Geistlichkeit und andre Zeitschäden geißelte, endlich die didaktischen Spruchsammlungen Egberts von Lüttich und Wipos. Das und manche anderen Leistungen der lateinischen Dichtung, an die allein in Frankreich
MUSIKPFLEGE, GESCHICHTSCHREIBUNG
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Ähnliches heranreicht, zeigten die deutsche Kirche auf der vollen Höhe der Zeit. Dazu trat noch die geistliche Dichtung zu kultischen Zwecken, und diese wiederum stand mit der Musikpflege, die fast ausschließlich Gesangskunst war, in enger Verbindung. Hier hatte die durch den Übergang zur Mehrstimmigkeit hervorgerufene Umwandlung des gregorianischen Gesanges das Bedürfnis nach einer neuen, Tonhöhe und Zeitdauer kennzeichnenden Notation, wie sie die bisherigen Neumen nicht zu geben vermochten, und nach Verbesserungen der Gesangsmethode hervorgerufen. Grundlegende Neuerungen durch Liniatur der Noten und Anwendung der Solmisationssilben für die Gesangstechnik knüpften sich da an den Namen des italienischen Mönches Guido von Arezzo, der im oberitalischen Kloster Pomposa lebte. Aber auch seine deutschen Zeitgenossen auf der Reichenau: Abt Bern (j" 1048) und Herrmann der Lahme (1013—1054), der trotz behindernden Leidens und frühen Sterbens als einer der bedeutendsten Gelehrten des früheren Mittelalters eine erstaunlich vielseitige und fruchtbare Tätigkeit entfalten konnte, haben an der praktischen Ausgestaltung und theoretischen Begründung des Mensuralnotensystems durch Lehre und Schrift hervorragenden Anteil genommen. Hermann hat sich, wie andere Gelehrten jener Tage, ein Adalbold von Utrecht oder Franco von Lüttich, an Boethius geschult und durch praktische Bedürfnisse getrieben, auch durch mathematische, astronomische und komputistische Studien und Lehrbücher verdient gemacht. Das Interesse an einer gesicherten Chronologie hat ihn wohl auch vornehmlich zur Überarbeitung und Fortsetzung einer leider verlorenen Reichenauer Weltchronik geführt, die immerhin die seit Widukinds Tagen eingetretene räumliche und zeitliche Ausweitung des Horizonts verrät. Man fühlte nach langer Pause wieder das Bedürfnis, den Zusammenhängen der Menschheitsgeschichte seit Christi Geburt nachzugehen, und sollte darin von Stufe zu Stufe reifere Nachfolge finden. Auch sonst hatte die Geschichtschreibung von der nüchternen Wendung zu den tatsächlichen Vorgängen des Diesseits, die mit Heinrich II. eingetreten war, Vorteil gezogen. Blieb Deutschland hinter dem Westen in jenen Ansätzen spekulativen Denkens, die dort bereits auf die kommende Scholastik vorausdeuteten, offenkundig zurück, so kam die Hingabe der hohen Geistlichkeit an Wirtschaftspflege, Verwaltung und Politik der Entwicklung des historischen Sinnes auch in ihrer Umgebung zugute. Und wie hätte nicht in den nächsten Jahrzehnten der Ordnung und Frieden sichernde Emporstieg der deutschen Kaisermacht zur Aufzeichnung der denkwürdigen Ereignisse
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BILDENDE KUNST
für die Nachwelt reizen sollen? Bei aller Zufälligkeit von Talenterscheinung und Quellenerhaltung glaubt man doch von Anfang des Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Investiturstreites in Auffassung und Darstellungskunst ein Reiferwerden zu spüren. Uber der für Heinrichs II. Zeit gewiß schätzenswerten Quedlinburger Annalistik (— 1025) stehen am Schluß der Epoche die ungleich reicheren und verständnisvolleren Annalen aus dem bairischen Kloster Niederaltaich. Die Chronik des biederen Bischofs Thietmar von Merseburg mit seinem handfesten Glauben und Aberglauben, seinem trotz ausgedehnter Beziehungen immerhin engen Sehfelde hat uns in ihrer wahllos getreuen Aufzeichnung alles Merkwürdigen ein memoirenhaft buntes und lebendiges Zeitbild geschenkt, das in ostsächsischer Beschränkung wohl der bedeutenderen Frankengeschichte Gregors von Tours vergleichbar ist, das aber in das eigentliche Verständnis der Dinge nicht eben tiefer hineinführt. Mindestens in der künstlerischen Formung höher steht schon die trotz aller Rhetorik lebendige und warme Würdigung, die dem Leben Kaiser Konrads II. sein burgundischer Hofkaplan Wipo gewidmet hat. Richtet man aber dann über manche Bistumsgeschichten und Biographien vornehmlich Sachsens und Lothringens hinweg den Blick auf die 1075/76 vollendete „Hamburgische Kirchengeschichte" Adams von Bremen, der aus seiner oberfränkischen Heimat 1066 oder 1067 zum Leiter der bremischen Domschule berufen war und das leuchtende Gestirn Erzbischof Adalberts wenigstens in seinem Niedergange noch mit eigenen Augen verfolgen konnte, so findet man in der eindringlichen Länder- und Völkerbeschreibung der damals noch so unerforschten nordischen Welt eine Weite des Horizonts und Frische der Aufnahmefähigkeit, zugleich aber in der Erfassung und Nachzeichnung einer großen historischen Figur eine so gereifte Kunst, daß die ehrende Bezeichnung Meister Adams als eines ,,Tacitus des germanischen Nordens" nicht unberechtigt erscheint. Ein ähnlicher Aufstieg läßt sich auch in der bildenden Kunst dieses Zeitraums wahrnehmen. Seit dem Tode Ottos des Großen hatte sich die Buchmalerei der Reichenauer, Trierer und Regensburger Schule in den Anfängen des 11. Jahrhunderts zur vollen Höhe der bildlichen und ornamentalen Ausgestaltung entfaltet. Erst nach Ausschöpfung ihrer spätantiken und byzantinischen Vorlagen und mit dem beginnenden Rückgang der benediktinischen Klosterkultur kam die Aufwärtsentwicklung zum Stillstand, während die Wandmalerei an den Flächen der neuen Architektur zur Bewältigung umfassender Aufgaben, darunter den ersten selbständigen Darstellungen des Jüngsten Gerichts, auch weiterhin anspornende Aufgaben fand.
ARCHITEKTUR, SPEIRER DOM
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In der Plastik war man zu Leistungen monumentaler Art, namentlich in Stein, damals noch nicht befähigt. Auch wo man sich, wie unter römischen Anregungen in dem Hildesheim des kunstverständigen Bischofs Bernward an größere Aufgaben des Bronzegusses fur die jetzige Domtür und die Bernwardssäule heranwagte, war die Ausführung ohne Monumentalität, wenn auch im einzelnen von lebendigster, volkstümlicher Ausdruckskraft. Die feinsten Wirkungen wurden doch in der liebevollen Kleinarbeit des Kunstgewerbes in Bronze und Edelmetall erzielt, wo sich verschiedene Zweige vereinigen konnten und — wie ζ. B. am Leuchter von Bernwards Grabe — antike Formenanmut sich mit germanischer Phantasiefreude vermählte. Auch das prächtige Goldschmiedewerk der jetzt in Wien aufbewahrten deutschen Kaiserkrone Konrads II. ist damals geschaffen. Ihren vollendeten Ausdruck aber fand die großartige Führerstellung des Kaisertums an der Spitze der noch gefesteten deutschen Bischofskirche allein in den Denkmälern der Architektur. Schon die zahlreichen, meist nur noch aus den Fundamenten zu erschließenden Kirchenneubauten der spätottonischen Zeit, von dennen heute St. Michael in Hildesheim, Bernwards erst 1033 vollendete Stiftung, den ursprünglichen Eindruck noch am besten wiedergibt, hatten in ihren Größenverhältnissen die Werke des zehnten Jahrhunderts beträchtlich übertroffen. Geradezu unerhörte Maße, die über die praktischen Bedürfnisse weit hinausgingen, legten dann die ersten Salier jenen Schöpfungen zugrunde, die zugleich der Ehre Gottes und dem Ruhm ihres Geschlechtes dienen sollten. Schon das von Konrad II. gestiftete Familienkloster Limburg a. d. Hardt übertrumpfte in seiner großzügigen Anlage alles bisher in Deutschland Geschaffene; doch es war nur die Vorstufe zu der ungleich gewaltigeren Schöpfung des Speirer Domes, der die Grabeskirche der Salier und ihrer Nachfolger werden sollte. Um 1030 unter Konrad II. mit Krypta, Chor und Osttürmen in wuchtigen, schmucklosen Formen begonnen, ist er von dessen Sohne mit Planänderung für das Langhaus fortgeführt worden. Traten da in der Einwölbung der Seitenschiffe und den durch vorgelegte Halbsäulen gegliederten Pfeilern zukunftsvolle Neuerungen hervor, so machte das Ganze doch den strengen Eindruck der alten, einzig auf den Chor hin gerichteten, jetzt nur gigantischer gestalteten Basilika, wie das ja auch der religiösen Gesamthaltung des reformfreundlichen Heinrich III. entsprach. Es war unstreitig das bedeutendste kirchliche Bauwerk, das Europa ungeachtet des Aachener Münsters seit den Tagen der ausgehenden Antike hervorgebracht hatte. S. Marco in Venedig und der Pisaner Dom sind beide etwas jünger und wohl prächtiger ausgestattet, aber baugeschichtlich minder wertvoll.
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PFALZ ZU GOSLAR
Und neben diesen grandiosen Kirchenbau trat auf weltlichem Gebiete die für damalige Begriffe ungewöhnlich weiträumige, selbst spätere Schlösser an Umfang übertreffende Pfalz zu Goslar, wo Heinrich die von seinem Vater mit der doppelgeschossigen Liebfrauenkirche und dem Wohnpalast begonnenen Werke um den mächtigen Saalbau des „Kaiserhauses" erweiterte. Hier im eigentlichen Zentrum Deutschlands schien damit der Hauptsitz des kaiserlichen Mitteleuropa begründet zu sein, in dem Heinrich nicht nur die deutschen Fürsten, die Herzöge von Böhmen und Polen, den ungarischen König um sich versammelte, sondern sogar den Papst zur Weihe seiner Lieblingsschöpfung, des Stiftes der Heiligen Simon und Juda empfing. Der norditalische Rhetoriker Anselm von Besäte, der zur kaiserlichen Kapelle gehörte, erwartete damals, daß Heinrich noch eine Wiederherstellung des römischen Reiches in seinem vollen Umfang gelingen werde. Indessen Gipfelhöhe und Verfallsbeginn liegen bei den großen Reichen der Weltgeschichte nur zu oft dicht beieinander. Noch zu Heinrichs Lebzeiten konnten scharfe Augen die ersten Spuren des Niedergangs gewahren.
AUFSTIEG DES PAPSTTUMS UND DER ROMANISCHEN WELT
Mit der Einsetzung seines Verwandten Leo I X . (1048—1054) mochte Heinrich III. glauben, das System des vom Kaisertum gelenkten, in die Reichskirche eingegliederten deutschen Papsttums, ähnlich wie einst Otto III., sogar noch dynastisch verfestigt zu haben. Daß Leo freilich die Annahme des Amtes wenigstens formal an eine nachträgliche kanonische Wahl in Rom knüpfte, hätte Zweifel an der Dauer der Unterordnung wecken können. In der T a t gehörte der neue Papst der strengsten Reformrichtung Dijoner Färbung an. Die cluniazensische Idee: geistliche Reinheit nur in Unabhängigkeit von weltlicher Macht wurde durch ihn nach Rom übertragen, um dort nun tief Wurzel zu fassen. Aus diesem von universalen Herrschaftsgedanken durchtränkten Boden sog sie Kraft und wandelte die Unabhängigkeitsforderung im Laufe der nächsten Jahrzehnte mehr und mehr in die der Oberhoheit über alle weltlichen Reiche, auch über das Kaisertum. Noch wurde unter Leo I X . an einen Gegensatz zu Heinrich III. nicht gedacht, war doch seine Hilfe der stärkste Hebel zur Durchführung der Reform. Indem aber von nun an trotz Kämpfen und Rückschlägen die päpstliche Weltmachtstendenz in stetigem Aufstieg verharrte und der tiefbegründete Dualismus der mittelalterlichen Geschichte jetzt erst in das volle Licht trat, bedeutet bereits der Pontifikatsbeginn Leo I X . für die abendländische Gesamtentwicklung den tiefen Einschnitt, den man für die deutsche Geschichte erst zum Tode Heinrichs III. zu setzen pflegt. Ein äußeres Zeichen dafür war, daß die seit Karl dem Großen für Papsturkunden übliche Datierung nach Kaiserjahren nunmehr in Wegfall kam. Leo IX., selbst eine glänzende Erscheinung von hinreißendem Schwung, packender Redegabe und unermüdlicher Spannkraft, schuf sich über dem stadtrömischen Klerus, der sich leicht wieder einem Papsttum tuskulanischer Färbung hingeben konnte, durch Heranziehung hervorragender reformfreudiger Ausländer vornehmlich aus Lothringen und Burgund ein geistig überlegenes, international eingestelltes Kardinalskollegium. Da begegnen uns als Ratgeber des Papstes zuerst die großen Gestalten, die in den nachfolgenden Kämpfen eine so bedeutende Rolle gespielt haben: Friedrich, der Bruder Herzog Gottfrieds von Oberlothringen, und der unruhig-ehrgeizige Hugo der Weiße (Candidus), der Südtoskaner Hildebrand, der die Verbannung
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KIRCHENPOLITIK LEOS IX.
des ihm verwandten Papstes Gregor VI. am Rhein geteilt hatte, darauf — anscheinend in Cluny — Mönch geworden war und nun zunächst als Subdiakon, später als Archidiakon und Kardinal immer gewichtigeren Anteil an der Ordnung des päpstlichen Finanzwesens nahm. Auch das asketische Eremitentum Italiens gewann in der Person des Priors der Eremitage Fonte Avellana (bei Faenza) Petrus Damiani zunächst literarischen Einfluß auf das Reformpapsttum. Alle überragte damals der zum Kardinalbischof von Silva Candida erhobene Mönch Humbert aus dem lothringischen Moyenmoutier, Leos Hauptstütze, ausgreifend und schroff in seinen mit unerbittlicher Schärfe entwickelten Forderungen, eindrucksvoller Stilist und Verfasser der wichtigsten päpstlichen Briefe und Denkschriften. Mit solchen Hilfskräften begann nun eine eifrige Reformtätigkeit, die, an die letzten Zeiten Heinrichs II. anknüpfend, die volle Durchführung der Beschlüsse gegen Simonie und Priesterehe sowie eine allgemeine Säuberung der Geistlichkeit zum Ziel hatte. Den universalen Tendenzen entsprechend beschränkte man sich nicht auf Italien; in ständiger Bewegung versammelte Leo hier und dort den Klerus, gelegentlich unter tätlichem Widerstand der Reformgegner, zu Synoden, zog die Abhängigkeitsverhältnisse der Metropoliten straff an und griff allenthalben nach den Normen des durch Pseudoisidor umgebildeten Kirchenrechts, zu dessen systematischer Sammlung er den ersten Anstoß gab, in die kirchlichen Verhältnisse ein, vom Episkopat nicht ohne Mißtrauen aufgenommen, von Mönchtum und Volksmassen umjubelt. Wo, wie im nördlichen Frankreich, die weltliche Macht zersplittert war, stieß man mit den Reformforderungen am weitesten vor. Über den Widerstand des als Tyrann und Antichrist gekennzeichneten Königs Heinrich I., der seine Bischöfe, um sie fernzuhalten, zur Niederwerfung von Rebellen aufbot, schritt der Papst 1049 auf dem Konzil von Reims hinweg, bannte Ausgebliebene, setzte überführte Simonisten ab und tat hier zuerst durch Einschärfung des Grundsatzes, daß Bistümer und Abteien allein durch kanonische Wahl von Klerus und Volk zu besetzen seien — was freilich noch kein Verbot der Laieninvestitur war —, einen tiefen Eingriff in die gewohnheitsrechtlich bestehende Kirchenverfassung. So weit konnte und wollte man im deutschen Reiche noch nicht gehen, hatte man doch auf dem großen Mainzer Reformkonzil den Kaiser als mächtigen Helfer zur Erreichung der nächsten Ziele nötig. Daher fehlt auch dem Vorgehen Leos IX. gegenüber den Klöstern, von denen ihm die lothringischen und süddeutschen durch seine heimatlichen Beziehungen und verwandt-
EIGENE HERRSCHAFT DES PAPSTTUMS
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schaftlichen Verbindungen mit den Familien ihrer Eigenkirchenherren besonders nahestanden, noch jede auf Beseitigung des kaiserlichen Einflusses gerichtete Tendenz. Doch war schon an der stark wachsenden Zahl der Klosterprivilegien der von Rom ausgehende kräftigere Antrieb zu spüren. Und indem die Obergewalt der Diözesanbischöfe vielfach zurückgeschoben, die Vogteirechte der Eigenkirchenherren bestimmt begrenzt, die Einbeziehung in den Schutz der römischen Kirche mit päpstlicher Abtsweihe, Appellationsrecht und Jahreszins häufiger als früher ausgesprochen wurde, sorgte Leo zugleich fur Freiheit und Rechtssicherung jener Klöster im cluniazensischen Sinne und für die Ausdehnung der päpstlichen Einflußsphäre, was in Zukunft doch zu einer Gefahr für die Geschlossenheit der deutschen Reichskirche werden konnte. Religiöser Reformeifer und vorschauende Kirchenpolitik gingen da auf das engste Hand in Hand. Die universale Ausweitung der Reformbestrebungen war doch nur das eine, was die Verschiebung des Zentrums nach Rom mit sich brachte; das andere war der erneute Versuch, die Unabhängigkeit der Papstkirche durch Ausbau eigner Herrschaft zu sichern. Wie hätte da nicht die Erinnerung an die angebliche Schenkung Kaiser Konstantins und die darauf fußenden Privilegien der Karolinger und ihrer Nachfolger auftauchen sollen? Im eigentlichen Reichsgebiet konnte der Papst, der allerdings durch Aufgabe seines Bistums Toul größere Bewegungsfreiheit gewann und das straffe Gefüge der Reichskirche durch unfreundliche Akte gegenüber Aquileia und Ravenna aufzulockern suchte, gegen den starken Willen Heinrichs III. vorderhand an den Zuständen nicht viel ändern. Ganz andere Aussichten bot das Geschiebe der süditalischen Herrschaftsbezirke, die durch das ungestüme Vordrängen der Normannen ins Rutschen gekommen waren. Indem die byzantinischen Besitzungen zusammenschrumpften, konnte das einst im Bilderstreit dem Papsttum Entrissene wieder eingebracht, die römische Obödienz über den ganzen Süden neu erstreckt werden, auch über das noch arabische Sizilien, für das Humbert, ein Kenner des Griechischen, zum Erzbischof bestellt wurde. Selbst die Trümmer der alten afrikanischen Kirche suchte man unter dem Primate Petri zusammenzuraffen. Freilich bedeutete die wildbarbarische Ungebärdigkeit der Normannen nicht allein für den griechischen Basileus, sondern auch für den Lehnsherrn Heinrich III. und schließlich auch für die Kurie selbst zunächst die größte Gefahr. Von beiden Kaisern suchte daher Leo IX., dessen eigne Truppen 1052 vor dem Kampfe auseinanderliefen, Hilfe zu erlangen, um mit diesen „seinen beiden Armen", wie er sie einmal nannte, gegen die Normannen vorzugehen und vor ihnen insbesondere
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BRUCH MIT ΒΥΖΛΝΖ
Benevent zu schützen, dessen Bewohner ihm 1051 nach Vertreibung ihres Fürstenhauses ungeachtet der kaiserlichen Oberhoheitsansprüche gehuldigt hatten. Trotz dieses offenkundigen Eingriffs in seine Rechte gelangte Heinrich mit dem Papste, der sich persönlich zu ihm nach Deutschland begeben hatte, zu einem Ubereinkommen, das uns zeigt, welchen Wert er auf die Geschlossenheit der deutschen Reichskirche legte. Denn gegen Zugeständnisse auf diesem Gebiete, die vornehmlich den Verzicht der Kurie auf die unmittelbare Unterordnung von Bamberg und Fulda enthielten, übertrug Heinrich Benevent mit anderen dortigen Gütern dem Papste als Reichsvikar und rüstete zu seiner Unterstützung ein Reichsheer. Erst die Opposition der von Gebhard von Eichstätt geführten Bischöfe, die, an sich schon mißtrauisch gegen Leos hierarchisches Walten, einer Verwendung deutscher Kräfte für so abwegige Zwecke widerstrebten, erwirkte die Zurückberufung des größten Teils der Truppen. Nachdem die Griechen im Felde zurückgeschlagen waren, holte sich Leo, der mit eignen Mannschaften denA ngriff wagte, bei Civitate 1053 eine böse Niederlage, die ihn selbst in normannische Gefangenschaft brachte. Auch erlebte er noch das Scheitern der auf Byzanz gesetzten Hoffnungen, die sich über das militärische Zusammenwirken hinaus auf die Vereinigung der Kirchen unter dem päpstlichen Primat garichtet hatten. Denn dort kreuzten sich verschiedene Strebungen: die des Kaisers Konstantin IX., der in dem süditalienischen Zusammenbruch Anlehnung an Rom und den Westen suchte, und die des ehrgeizigen Patriarchen Michael Kerullarios, der für sich selbst ähnliche Ziele verfolgte wie Leo IX. und die römischen Primatansprüche im Osten ebenso wie eine Erneuerung der kirchlichen Ausrufimg des Papstes, über die man verhandelte, als eigne Herabsetzung bekämpfte. Dieser Streit zwischen Staatsgewalt und Priestertum hat schließlich in Byzanz, anders als im Abendlande, mit dem Siege des Kaisertums geendet. Was Rom betrifft, so war es freilich weniger der Starrsinn des Patriarchen, der auf kaiserlichen Druck sogar einen Friedens- und Freundschaftsbrief dorthin richtete, als das maßlos schroffe Auftreten der von Humberts Geist erfüllten römischen Gesandtschaft, das statt der Aussöhnung den Bruch herbeiführte (1054). Ist dadurch auch das kirchliche Schisma zwischen West und Ost nicht erst entstanden und künftigen Ausgleichsversuchen noch nicht endgültig ein Riegel vorgeschoben, so war doch aus dem erhofften Zusammenschluß eine Erweiterung der Kluft geworden. Bei aller Großartigkeit und Kühnheit der programmatischen Verkündigung Humberts war die auf Ausdehnung des weltlichen Herrschaftsbereiches gerichtete Papstpolitik zusammengebrochen, als Leo, von den Normannen schwerkrank in Freiheit gesetzt, kurz darauf in
OPPOSITION IM REICHE
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Rom starb. Richtunggebend blieb der Versuch, für die Kurie im Süden einen Machtrückhalt zu gewinnen, gleichwohl. Das vom Papste jetzt noch abgelehnte Anerbieten der Normannen, die eroberten Besitzungen von ihm gegen Tribut zu Lehen zu nehmen, wies den Weg für die Zukunft. Noch ließ sich in selbständiger Ablösung von der Macht des Kaisers keine Politik machen. Freilich zeigte der Bau dieser Macht in den letzten Jahren doch bereits Risse, die das Ganze zwar noch nicht ernstlich in Frage stellten, aber doch zur Verklammerung unablässiges Eingreifen des Kaisers erforderten. Nach außen hin waren die in Ungarn über die gesicherten Reichsgrenzen hinaus errungenen Erfolge nur zu bald durch eine nationalheidnische Reaktionswelle, die den von Heinrich eingesetzten Vasallenkönig vertrieb, hinweggespült worden (seit 1046). Im Innern scheint die starke Begünstigung der Kirche, der Verzicht auf ergiebige simonistische Reichseinnahmen, die durch Erhöhung weltlicher Lehnsabgaben ersetzt wurden, die Steigerung dynastischer Bestrebungen Unzufriedenheit in den Kreisen der Laienfürsten erregt zu haben. Die Förderung Adalberts von Bremen, der sich für seine weitausgreifende Kirchenpolitik eine starke Machtgrundlage in Niedersachsen schuf, trieb das billungische Herzoghaus samt dem sächsischen Adel in Opposition. Bedrohlich vor allem war die 1054 vollzogene Vermählung des lothringischen Gegners Gottfried mit der Witwe des Markgrafen Bonifaz von Tuszien, die durch die weitverbreiteten Eigengüter und Lehen ihres Hauses Canossa und das auf sie übergegangene tuszische Reichsamt ihres ersten Gemahls eine bedeutende Machtstellung in Nord- und Mittelitalien einnahm. Zur Sprengung dieser feindlichen Verbindung, die durch Zusammenschluß mit der erbitterten süddeutschen Opposition der Herzöge von Baiern und Kärnten 1055 zu einer für Thron und Leben Heinrichs gefährlichen, auch das ungarische Ausländ hineinziehenden Staatskrise führte, entfaltete der Kaiser in Italien und Deutschland noch einmal seine ganze Energie. Die rasche Einkreisung des zu Canossa gehörigen Machtgebietes, dessen Städte erstmalig durch freiheitliche Privilegien gewonnen wurden, die Gefangennahme der Markgräfin Beatrix und ihrer Tochter Mathilde, der plötzliche Tod der beiden süddeutschen Herzöge, schließlich die Unterwerfung des Lothringers — das alles brachte die Krise noch einmal zu einem glücklichen Ende. Ob dann der Kaiser selbst noch — etwa angesichts seines nahenden Todes - die Begnadigung Gottfrieds, die Freilassung der tuszischen Damen und wenigstens hinsichtlich der lothringischen Eigengüter die Duldung der Verbindung mit der mittelitalischen Machtstellung zugestanden hat, ist aus unsern Quellen nicht klar ersichtlich.
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PAPST VIKTOR II., TOD HEINRICHS ΠΙ.
Auch dem Papsttum gegenüber gewann er das Heft noch einmal fest in die Hand und kam nach Leos IX. Tode den Wünschen der deutschen Bischofsopposition entgegen, als er deren Haupt Gebhard von Eichstätt, wiederum einen Verwandten seines Hauses, als Viktor II. (1055-1057) auf den Stuhl Petri setzte und mit ihm die Kirchenreform in den durch das Staatsinteresse gewiesenen Grenzen fortführte. Kein Zweifel, daß Gebhard in seiner neuen Stellung in weit höherem Maße als sein Vorgänger der treuergebene Reichsbischof verblieb. Wenn auch er auf anderem Wege in die Bahnen der päpstlichen Territorialpolitik einlenkte und eine umfassende Herstellung entfremdeter Besitzungen des heiligen Petrus, insonderheit in den einst zum Exarchat gehörigen Gebieten, zur Bedingung der Übernahme des Papsttums machte, so tat er das doch unter Abwendung von Süditalien im Rahmen des Reichsrechtes und als Vertrauensmann des Kaisers, der ihm die Ämter eines Herzogs von Spoleto und Markgrafen von Fermo mit missatischer Gewalt übertrug und mit solcher Statthalterschaft offenbar ein Gegengewicht gegen die lothringisch-tuszischen Einflüsse schaffen wollte. Niemand kann sagen, wie sich Viktor II. bei längerer Amtsdauer unter dem Einfluß neuer Ratgeber entwickelt haben würde. Als er 1056 nach Deutschland zurückkehrte, kam er noch eben recht, um dem todkranken Kaiser durch Sicherung der Nachfolge seines schon früher gewählten sechsjährigen Söhnchens und Übernahme der Regentschaft einen letzten großen Dienst zu leisten. Damit aber war auch seine welthistorische Rolle erschöpft, denn er sollte Heinrich, der am 5. Oktober 1056 in seiner Pfalz Bodfeld im Harz unverhofft starb, noch binnen Jahresfrist im Tode folgen. Das vorzeitige Hinscheiden des erst neununddreißigjährigen Kaisers mitten in den bedeutsamsten politischen Wandlungen, bei einer Fülle von Unfrieden und Mißstimmung im Reich und unter den ungünstigsten Nachfolgeverhältnissen stellte für Deutschland eine der schwersten Katastrophen seiner mittelalterlichen Geschichte dar. Gewiß hätte auch ein längeres Leben dieses Herrschers, der aller berechtigten Kritik gegenüber immer eine sehr bedeutende, von den höchsten Idealen getragene Figur bleibt, die Zuspitzung der großen Gegensätze von kirchlichem und staatlichem Recht, die sich unter ihm anbahnte, auf die Dauer nicht hintanhalten können. Aber gerade in den Kreisen der Reformer hatte sich dieser neue „Daniel", der die Kirche dem Schlunde des unersättlichen Drachen entrissen, der über die Simonie wie Konstantin über den Arianismus gesiegt hatte, eine solche Summe höchster Achtung erworben, daß unter ihm, der noch über die ungebrochene Macht der alten Staatsverfassung verfügte, der Austrag jener Gegensätze für das
PETRUS DAMUNI, ARCHIDIAKON HILDEBRAND
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Reich unter unendlich viel günstigeren Bedingungen hätte erfolgen müssen. In den beiden Jahrzehnten nach seinem Tode konnte sich, während die deutsche Königsmacht zu einem Trümmerhaufen zusammensank, das Reformpapsttum an der Spitze der emporsteigenden romanischen Welt nahezu ungestört zu voller Kraft entfalten. Zunächst galt es die Unabhängigkeit des Papsttums von weltlicher Gewalt zu erringen und sicherzustellen. Bei der ohne Rücksicht auf die Reichsregierung vollzogenen Wahl des reformeifrigen Kardinals Friedrich zum Papst Stefan IX. (1057—1058) rechnete man auf den Schutz seines Bruders Gottfried des Bärtigen, der zu seiner ihm wieder eingeräumten tuszischlothringischen Machtstellung nun auch die Viktor II. übertragenen Befugnisse hinzugewann und damit die Geschicke Mittelitaliens in seiner Hand hatte. Diesem Pontifikat kam bei seiner kurzen Dauer nur programmatische Bedeutung zu.Einer erneuten Usurpation des päpstlichen Stuhles durch den römischen Adel konnten sich diese Reformer dann freilich wieder nur durch Anlehnung an die Regierung der Kaiserin Agnes erwehren. Gleichwohl aber sind die dritthalb Pontifikatsjahre des aus Savoyen gebürtigen Florentiner Bischofs Nikolaus II. (1059—1061) durch Zielsetzung, Festigung und Rüstung als ein mächtiger Auftakt für die Befreiung des Papsttums von größter Bedeutung geworden. Deutlich begannen sich nun die beiden Reformrichtungen an der Kurie zu scheiden. Petrus Damiani, der 1057 nur durch Banndrohung Stefans IX. dazu hatte bewogen werden können, seine Eremitage, in die er zuletzt auch wieder zurückkehrte, mit dem Kardinalbistum Ostia zu vertauschen, ein asketischer Bußapostel und eindrucksvoller theologischer Schriftsteller voll Derbheit und Weichheit, in manchem Vorläufer der heiligen Bernhard und Franz, von cluniazensischem Geiste nur wenig berührt, erstrebte die religiössittliche Erneuerung mit kirchlichen Mitteln, ohne jähe Umwälzung, unter Anerkennung der von Simonisten ohne Entgelt erteilten Weihen und versöhnlichem Zusammenwirken mit allen wohlgesinnten Herrschern von der Art Heinrichs III. An Wucht und Geisteskraft waren ihm jedoch überlegen die Führer jener Kardinalsgruppe, die aus den kanonischen Forderungen ohne Rücksicht auf Streit und Ärgernis die Folgerung zog, auch Gewaltmittel nicht scheute und das kirchenpolitische Ziel der päpstlichen Unabhängigkeit, ja Oberherrschaft als Grundbedingung für die Reformsicherung betrachtete. Solch ungestüme Vermengung von Geistlichem und Weltlichem machte einem Damiani den Archidiakon Hildebrand, der als diplomatischer Vertreter wachsenden Einfluß auf die kuriale Politik gewann, bei aller Bewunderung
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UNABHÄNGIGKEIT DES PAPSTTUMS
unheimlich und ließ ihn wohl als „heiligen Satan" erscheinen. Vor allen anderen aber wies der zum Bibliothekar und Kanzler erhobene Kardinal Humbert der Reformbewegung die radikale Richtung in seiner um diese Zeit entstandenen bedeutsamen Schrift „Gegen die Simonisten". Da wurde mit oft hastiger Verallgemeinerung und Umdeutung der Quellen die Simonie nicht nur als Ketzerei, jede Weihenspende durch Simonisten als ungültig erklärt und zur Durchführung der Reform bereits die Revolutionierung der Volksmassen ins Auge gefaßt, sondern auch der Begriff der Simonie ausgedehnt auf die Erteilung kirchlicher Ämter durch Laien. Damit sollte das gesamte Kirchengut aus der Verfügungsgewalt weltlicher Grundherren herausgehoben werden — eine völlige Abkehr von dem bestehenden gewohnheitsrechtlichen Zustande, die neben allen abendländischen Staaten vornehmlich die deutsche Reichsgewalt treffen mußte. Bei der Besetzung der Bistümer wurde statt der eingebürgerten Investitur mit den kirchlichen Symbolen Ring und Stab dem Königtum lediglich ein Konsensrecht zugestanden. Nicht mehr die Reform, sondern die Befreiung der Kirche wurde zur Hauptlosung, und die Befreiung führte bei dem untrennbaren Ineinandergreifen beider Kreise zum Anspruch auf Überordnung der päpstlichen Spitze über alle weltlichen Gewalten. Gleich die Beschlüsse der Lateransynode von 1059 zeigten in dem an die Pfarrgeistlichkeit gerichteten Verbot, eine Kirche aus Laienhand zu nehmen, und in der Aufforderung zum Widerstand gegen ungehorsame Priester die Anerkennung von Humberts Hauptgedanken, während man in der Beurteilung der von Simonisten erteilten Weihen sich im folgenden Jahre der milderen Auffassung Damianis anschloß. Zugleich suchte man der Unabhängigkeit des Papsttums eine feste Grundlage zu schaffen durch die an Nikolaus' II. Namen geknüpfte Neuordnung der Papstwahl. Indem der Kandidatenvorschlag künftig den Kardinalbischöfen, Annahme oder Verwerfung dem gesamten Kardinalskolleg zustehen sollte, während dem übrigen Klerus und Volk von Rom nur ein formales Zustimmungsrecht blieb, sollte ein Eingreifen des römischen Adels in die Wahlhandlung ausgeschlossen werden. Aber auch das Recht, das Heinrich III. kraft seines Kaisertums und Patriziates durch Einsetzung von vier Päpsten so energisch geübt hatte, war nur unbestimmt als vorbehalten erwähnt und offenbar als eine Konsenseinholung gedacht, die dem Sohne Heinrichs rein persönlich zugestanden sei und nur für diejenigen seiner Nachfolger gültig sein sollte, die das vom apostolischen Stuhl erlangen würden. Noch wollte man nicht den sofortigen Bruch mit der Reichsregierung, aber die Nichterwähnung selbst
ROBERT GUISCARD
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dieser unbestimmten Klausel in der Mitteilung der Konzilsbeschlüsse an die Christenheit zeigt, wohin die Zukunftswünsche gingen. Die doppelreifige Tiara, die unter Nikolaus II. zuerst nachweisbar ist, drückte symbolisch bereits den Anspruch auf Überordnung über König und Kaiser aus. Und für den bei solchen Forderungen unvermeidlichen Kampf hat die Kurie sich alsbald gerüstet, indem sie sich nach Bundesgenossenschaft umsah. Sowohl gegen die Reichsregierung wie gegen die unberechenbare Haltung Herzog Gottfrieds mußte Süditalien als das gegebene Rückhaltsgebiet erscheinen, nun aber nicht mehr in aussichtslosem Kampf gegen die Normannen, sondern in enger Verbindung mit ihnen. Es war eine entscheidende Schwenkung der päpstlichen Politik, die Nikolaus II., beraten von Humbert und Hildebrand, gefördert von dem großen Abt und Kardinal Desiderius, der sein Kloster Montecassino damals auf die volle Höhe seiner geistigen und künstlerischen Bedeutung hob, persönlich auf der Synode von Melfi (1059) vollzog. Die beiden maßgebenden Normannenführer nahmen unter Anerkennung des päpstlichen Benevent ihre stark erweiterten Besitzungen gegen Zinszahlung und Waffenhilfe vom Papste zu Lehen. Nördlich als Nachbar des Kirchenstaates war es Richard von Aversa, seit 1058 Fürst von Capua. Nach Süden dehnte sich immer weiter das Machtgebiet des erst vor kurzem vom kalabresischen Banditenhäuptling und Wegelagerer zur normannischen Führerstellung emporgestiegenen Robert Guiscard über die Reste der byzantinischen Herrschaft. Indem er sich nun in seinem Lehnseide nennen durfte ,,νοη Gottes und Sankt Peters Gnaden Herzog von Apulien und Kalabrien und mit ihrer Hilfe später auch von Sizilien", gewann dieser Hüne, der mit germanischem Berserkertum romanische Berechnung und List, wie schon sein Beiname „Schlaukopf" besagte, verband und zum weitausgreifenden Staatsmann emporwuchs, eine anerkannte Stellung in der feudalen Hierarchie und gesicherten Vorrang vor normannischen Rivalen. In wechselndem Zusammenwirken mit seinem Bruder Graf Roger hat er im nächsten Jahrzehnt die Unterwerfung des griechischen Festlandes bis zur Einnahme von Bari (1071) vollendet und unter Ausnützung der arabischen Zersplitterung die Gewinnung Siziliens durch Eroberung Palermos (1072) entschieden. Der Vorgang von Melfi war, wenn auch letzten Endes wieder auf der konstantinischen Schenkung fußend, ein schlechthin feindseliger Akt der Kurie gegen das deutsche Reich, dessen legitime Lehnshoheit über die Normannen einfach beiseite geschoben wurde. Kam es darüber zum Bruch, so wurde die Haltung der sonstigen Kräfte Italiens wichtig. Im Bunde mit Gottfried dem Bärtigen wäre man Mittelitaliens Herr gewesen; jedoch wie
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PISA, GENUA, VENEDIG
weit man auf ihn, zudem nach dem Anschluß an die ihm feindlichen Normannen, noch rechnen durfte, war unsicher. Die geistliche und weltliche Aristokratie hielt sonst fast allenthalben zum Reiche. Dagegen waren schon seit Jahrzehnten die frischen Kräfte der italienischen Städte in lebhafter Aufwärtsbewegung. Das Zeitalter der italienischen Kommune dämmerte herauf. Noch trug sie nirgends den Charakter einer autonomen Körperschaft, noch verharrte sie unter der obersten Leitung eines feudalen, meist bischöflichen Stadtherrn, noch blieben die bürgerlichen Schichten den zu einer Einheit zusammenschmelzenden Adelsklassen sozial untergeordnet. Aber in den durch das Kaisertum gesicherteren Verhältnissen des letzten Jahrhunderts war die Bevölkerung gewachsen, der Wohlstand gestiegen, und in den Notabeinversammlungen der,,boni homines", deren Zustimmung bei wichtigeren Akten eingeholt wurde, gab es vielfach schon zukunftsvolle Ansätze einer Selbstverwaltung. Im langobardischen und griechischen Süditalien waren diese zwar früh entwickelt, wurden dann aber durch die straffe Normannenherrschaft niedergehalten. Auch Amalfis Handelsblüte begann bereits zu welken. Dafür waren seine Rivalen im westlichen Mittelmeer Pisa und Genua in raschem Aufstieg und nahmen an dem Vortragen des christlichen Romanentums gegen den Islam auf Sardinien und Korsika ruhmvollen Anteil. Namentlich Pisa, noch im Beginn des Jahrhunderts wiederholt eine Beute der Sarazenen, war nunmehr selbst zum Angriff geschritten, hatte auf Sardinien die Herrschaft des Emirs der Balearen bis 1052 endgültig gebrochen und die Raubzüge sogar bis zur Küste Nordafrikas ausgedehnt. Als man 1063 durch die gesprengte Kette in den Hafen von Palermo eingedrungen war, spendete man den Erlös eines der dort erbeuteten sechs Sarazenenschiffe für den Bau des Pisaner Doms. Und dies war nun nach langer Erstarrung das erste Monument, das, wenn es auch an Höhe, Ausdehnung und festlichem Marmorschmuck noch nicht seine endgültige heutige Gestalt erreichte und durch Festhalten am Schema der alten Säulenbasilika hinter der fortschrittlicheren nordalpinen Baugesinnung zurückstand, doch ein verheißungsvolles Zeichen des Emporblühens der Kunst darstellte, die nun in den Mauern der italienischen Städte erwachsen sollte. Gleichzeitig begann man in dem halb monarchischen, halb republikanischen Venedig, das in Dalmatien und in Kämpfen um Bari an der Ausweitung und Sicherung der romanischen Welt mitgeholfen und sich zur Königin der Adria emporgeschwungen hatte, den zentralen Neubau von San Marco in jenen nach byzantinischem Vorbild gestalteten Formen, die ihm im Einklaug mit dem Charakter des venezianischen Staatswesens einen gesonderten Platz in der italienischen Baugeschich-
MAILAND
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te anwiesen — wie übrigens Busketus, der Meister des Pisaner Doms, auch von Abkunft ein Grieche war. Den Seestädten stand als einziger großer binnenländischer Handelsplatz in der Mitte der volkreichen Lombardei Mailand gegenüber, bereits vor der Eröffnung des Gotthardpasses durch das Konvergieren der anderen Alpenstraßen und vor dem Ausbau seines Kanalsystems schon durch den Landverkehr von der Adria die Poebene aufwärts zum Zentrum von Handel und Gewerbe bestimmt. Seit den Tagen des Erzbischofs Aribert, der noch den hohen Adel und die Bürgerschaft im Kampf gegen die Valvassoren und Konrad II. hinter sich gehabt hatte, war eine Umschichtung der sozialen Parteien insofern eingetreten, als die Volksmassen gegen die für ihre Interessen verständnislose Leitung und mancherlei Ubergriffe des um den schwachen Erzbischof Wido (seit 1045) zusammengeschlossenen Gesamtadels aufbegehrten. Mit dieser demokratischen Bewegung verbanden sich im Todesjahr Heinrichs III. kirchliche Reformbestrebungen, die, von leidenschaftlichen Agitatoren aus dem niederen Adel, wie Ariald und den Brüdern Landulf und Erlembald, geleitet, sich nach Humberts Forderung in offenem Aufruhr gegen die Mißstände der verweltlichten, darum freilich noch nicht bildungslosen lombardischen Kirche und ihre simonistischen und beweibten Priester wandten. Für die Zukunft war es da von ungeheurer Bedeutung, daß sich die um Entscheidung angegangene Kurie 1059 auf die Seite dieser nach dem Mailänder Trödelmarkt .Pataria' benannten revolutionären Bewegung schlug und durch starken Druck den von der kaiserlichen Regierung eingesetzten und darum als Simonist betrachteten Erzbischof zwang, auf sein Amt zu verzichten und es unter Ableistung eines Gehorsamseides aus den Händen des Papstes durch das Symbol des Ringes gültig zurückzuempfangen. So war an diesem wichtigsten Verbindungspunkte zwischen Italien und Deutschland zum erstenmal Bresche gelegt in das System der von der königlichen Regierung abhängigen Reichskirche. Erwägt man dies alles: die Kampfansage von Humberts radikaler Schrift, die neue Wahlordnung der Kurie, den Eingriff in das süditalische Lehnsrecht des Reiches und die Umkehr der Mailänder Ordnung, so wird man es verstehen, daß selbst eine schwächliche Reichsregierung wie die der frommen Kaiserin Agnes kaum anders konnte als den hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen. In der Tat kam es alsbald zu einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, ja einer Verdammung des Papstes und Nichtigkeitserklärung seiner Neuerungen unter Zustimmung einiger Bischöfe durch die Reichsregierung. Der Tod Nikolaus' II. (1061) führte dann zum offenen Schisma.
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HEINRICH IV.
Die rücksichtslosen Vorstöße der päpstlichen Henschaftspolitik riefen die Gegenkräfte auf den Plan. Der zurückgedrängte römische Adel und die durch den Bund von Kurie und Pataria bedrohten lombardischen Bischöfe wandten sich an den Sohn Heinrichs III., auf daß er kraft Patriziat und Kaiserrecht den neuen Papst bestelle. Aber Hildebrand, nach Humberts Hinscheiden unbestrittener Leiter der kurialen Politik, schuf rasch eine vollendete Tatsache, indem er zum erstenmal wieder einen Italiener, den Bischof Anselm von Lucca, den seine Beziehungen zur Pataria und Herzog Gottfried empfahlen, in Rom mit normannischer Waffenhilfe unter Nichtachtung des selbst im neuen Wahldekret noch vorbehaltenen Kaiserrechtes als Alexander II. (1061—1073) Zum Papst wählen und inthronisieren ließ. Damit stellte er die Reichsregierung vor eine höchst bedenkliche Alternative. Den Reformpapst einfach nachträglich anerkennen hieß die Leitung der Gesamtkirche, das Erbteil Heinrichs III., schwächlich preisgeben. Aber war es im Sinne dieses Kaisers, gerade mit den römischen und lombardischen Feinden der Kirchenreform in Bund zu treten, und durfte mein, nachdem dies große und von den Besten der Zeit verlangte Werk einmal so weit gefördert war, noch in die Bahnen Konrads II. zurücklenken? Der dritte Weg — kaiserlicher Papst und doch Reform — war gänzlich grundlos geworden. Die Räte Heinrichs IV. glaubten in seinem Interesse zu handeln, wenn sie in Basel das von Römern und Lombarden anerkannte Kaiserrecht ausübten und Cadalus, den Bischof von Parma, als Honorius II. zum Gegenpapst bestimmten. Aber es war von vornherein eine hoffnungslos verfahrene Sache. Denn wenn auch Cadalus seinen Gegner mit lombardischen Truppen in Rom selbst zu bedrohen wußte und das Kriegsglück dort auf und ab schwankte, so fehlte es deutscherseits an jeglicher Energie, weil sich die Kräfte der zerspaltenen und seit dem Tode des Kaisers bereits demoralisierten Regentschaft gegenseitig aufhoben. Die Kaiserin Agnes, voll Widerwillen gegen die Zwangslage, in die sie geraten, suchte sich, indem sie den Schleier nahm, möglichst aus der Politik zurückzuziehen. Episkopat und Fürstentum scheinen die Basler Absage an die Reform als verhängnisvollen Fehler betrachtet zu haben. Neben allen persönlichen Motiven der Unzufriedenheit und des Ehrgeizes dürfte das doch das Hauptmoment gewesen sein, das die Verschworenen zum Staatsstreich von Kaiserswerth (1062) führte: den Erzbischof Anno von Köln, den Lothringer Gottfried, der weder ein lombardisches noch ein normannenfreundliches Papsttum wünschte, den kürzlich zum Herzog von Baiern ernannten Sachsen Otto von Nordheim und andere Große; in ihre Hände glitt dadurch mit der Person des zwölfjährigen Königs die Summe der
REGENTSCHAFT
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Gewalt, und eine Schwenkung in der Kirchenpolitik trat bald genug zutage. Das Ziel war, den auf ein falsches Geleise geratenen Reichswagen zurückzuschieben und unter notdürftiger Wahrung der Autorität, wenn auch nicht des vollen Rechtes von Kaisertum und Reichskirche, sowie unter Preisgabe des von den nunmehrigen Regierungsvertretern ja nicht aufgestellten Gegenpapstes eine Verständigung mit dem schwer zu beseitigenden Alexander II. zu erreichen. In der Tat haben sich beide Päpste dem Machtspruch Herzog Gottfrieds, der ihnen gebot, bis zur Entscheidung des Königs in ihre Diözesen Lucca und Parma zurückzukehren, gefügt. Die Augsburger Synode von 1062 brachte eine Vorentscheidung im Sinne Annos und des deutschen Episkopates. Anstatt die Rechtmäßigkeit der ohne kaiserliche Mitwirkung vollzogenen Erhebung Alexanders zu untersuchen, machte man seine Anerkennung vornehmlich von einer Prüfung des gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Simonie anhängig, der sich bald als gegenstandslos erwies. So war es nur ein formales Scheinwerk, wenn auf der abschließenden Synode von Mantua (1064) Alexander, dem bereits der Vorsitz zuerkannt wurde, sich vor Anno und den übrigen Vertretern des Königs durch Eidschwur von dem Verdacht der Simonie reinigte und die Rechtmäßigkeit seiner Wahl beteuerte, während er einer Auskunft über das Normannenbündnis geschickt auswich und erklärte, Heinrich würde auf einem künftigen Romzuge sich wohl selbst ein Urteil darüber bilden können. Zu dieser Italienfahrt, die dem mündig gewordenen Herrscher wohl die Kaiserkrone eingetragen hätte, hat es damals Adalbert von Bremen, der eben starken Einfluß auf den jungen Herrscher gewonnen hatte, in seiner Rivalität gegen Anno, den Erzkanzler für Italien, nicht kommen lassen. So wirkte auch dieser großzügige Mann, dem Heinrich durch einen glücklichen Feldzug (1063) eine vorübergehende Herstellung des deutschen Ansehens in Ungarn verdankte, in seinem persönlichen und erzbischöflichen Ehrgeiz keineswegs günstig auf die Reichsregierung. Seine hochfahrende Art, die ausgreifende bremische Territorialpolitik und die Verschleuderung wichtiger Reichsabteien, wie er sie plante, gab seinen fürstlichen Gegnern die Handhabe zu seinem Sturz (1066), und der dadurch hervorgerufene Rückschlag gegen seine Machtbestrebungen schädigte auch sein großes, wertvolles Lebenswerk außerhalb der Landesgrenzen, wo die Herrschaft des christlichen Abotritenfürsten Gottschalk in einer allgemeinen heidnischen Reaktion zusammenbrach. Dem Reichsregiment brachte Adalberts Ausscheiden keinen Gewinn; eine neue Gelegenheit zur Romfahrt, die von der Kurie gegen die Unbotmäßig-
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SINKEN DER KÖNIGSMACHT
keit der in den Kirchenstaat vordringenden Normannen zeitweilig selbst gewünscht wurde, ging durch Eingreifen Herzog Gottfrieds, dem 1065 das freigewordene Niederlothringen (— 1069) übertragen worden war, ungenützt vorüber. Diese Jahre der Kindheit Heinrichs IV., bis er selbst in die Politik hineinwuchs, gehören durch Unsicherheit, Zwiespalt und Eigensucht der am Hofe maßgebenden Fürsten und Räte zu den schmählichsten der deutschen Geschichte und haben die Königsmacht tief gesenkt. Es bleibt daher immerhin fraglich, ob bei so verfahrenen Verhältnissen Rom gegenüber wirklich mehr hätte erreicht werden können als eine formale Anerkennung der obersten Reichsentscheidung über das Schisma, das nach dem Spruche von Mantua natürlich erledigt war, wenn auch Cadalus in seinem Bistum Parma noch eine Weile päpstliche Bullen ausstellte. Man hat neuerdings sogar Alexanders II. Haltung als ein schwächliches Zurückweichen gegenüber dem hochgemuten Vormarsch der Kurie unter Nikolaus II., als eine Verleugnung von dessen Wahldekret hingestellt. Schon der Name des politischen Leiters Hildebrand sollte vor solcher Auffassung warnen. Sie trägt der durch das Schisma auch für die Kurie überaus schwierig gestalteten Lage nicht genügend Rechnung. Vielleicht, daß ein Humbert in seinem schroffen Doktrinarismus anders gehandelt hätte; jedoch eine Überspannung der Ansprüche in diesem Augenblick konnte alle bisherigen Errungenschaften über den Haufen werfen. Alexanders Verhalten bis zur Mantuaner Entscheidung war mehr klug als heroisch, aber es verbürgte den Erfolg. Über die Bestimmungen des Wahldekrets hinaus, das ja doch noch, wenn auch unklar, eine Mitwirkung Heinrichs IV. vorsah, hatte sich nunmehr ein Papst sogar gegen den ausgesprochenen Willen der Reichsregierung, zwar in formalem Entgegenkommen, aber, soviel wir wissen, ohne die geringsten tatsächlichen Zugeständnisse durchzusetzen vermocht. Und daß Alexander durch die Art, wie er sich aus dem Schisma herausarbeitete, dem Primate Petri wirklich nichts vergeben hatte, sollten die letzten Jahre seines Pontifikats zur Genüge erweisen. Die kirchliche Zentralisationstendenz war selbst Deutschland gegenüber im Wachsen. Alle wichtigeren Streitsachen wurden ohne weiteres vor das römische Forum gezogen; selbst die rheinischen Erzbischöfe, auch der stolze Anno von Köln, der sich eben noch in der Rolle eines Richters über das Papsttum gefallen hatte, wurden wie Schuljungen zurechtgewiesen und mußten sich persönlich in Rom verantworten. Gestärkt durch Übersendung eines päpstlichen Banners, entfachten die Führer der Pataria in Mailand neue Kämpfe, in denen die Macht des Reiches und des Erzbischofs vollends zu Boden glitt. Nach Widos Abdankung
Abteikirche Maria 1093—1220
Laach
FRANKREICH, ABENDMAHLSTREIT
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und Tod (1071) erkannte der König den von ihm selbst investierten Nachfolger als Erzbischof an, während die Kurie den unter dem Druck der Pataria gewählten Gegner bestätigte. Noch zu Lebzeiten Alexanders spitzte sich dieser Streit mit der Krone um das Investiturrecht bereits so weit zu, daß der Papst mehrere Räte des Königs als die eigentlich Schuldigen exkommunizierte. In Mittelitalien erleichterte der Tod Herzog Gottfrieds (1069) die Lage, während sich im Süden nach heftigen Spannungen die freundlicheren Beziehungen zu den Normannen wieder herstellten. Die Ausweitung der hinter dem Reformpapsttum stehenden romanischen Welt betraf indessen nicht nur Italien; auch von Frankreich aus richteten sich ähnliche Bestrebungen nach Süden und Norden. Dort hatte sich nach dem Tode Heinrichs I. während der Minderjährigkeit Philipps I. (1060-1108) die Lage für die Reform gebessert. Jedoch nicht an dem Königtum, das bei seiner Dürftigkeit auf Besetzung und simonistische Nutzung der von ihm abhängigen Kirchen nicht verzichten mochte, sollte sie hier ihre Hauptstütze finden. Für die Kultur war sie ohnedies zur bestimmenden Macht geworden. Die Einheit ihrer Idee beherrschte immer mehr Unterricht, Literatur und Kunst. Kathedral- und Klosterschulen gewannen bereits abendländische Bedeutung und zogen aus Deutschland und Italien Lehrer und Schüler an sich. Der wissenschaftliche Sinn war hier weniger auf den Tatsachenstoff der Geschichte gerichtet als auf theologische und dialektische Fragen. Nach dem Worte Damianis, die Philosophie sei die Magd der Herrin Theologie, suchte man die Übereinstimmung der Vernunft mit der göttlichen Offenbarung zu ergründen. Das alles freilich noch kaum mit originaler Denkkraft, vielmehr im Anschluß an die Tradition. Wo aber widersprechende Überlieferungsreihen vorlagen, da konnte gerade aus solchem Anschluß ein Kampf der Schulen erwachsen, der zur Aufrüttelung der Geister nicht wenig beitrug. So geschah es um jene Zeit in dem über die Gegenwart Christi im Abendmahl geführten Gelehrtenstreit. Es war im Grunde nur der Gegensatz der spirituellen Deutung Augustins, wie sie noch im 9. Jahrhundert der Mönch Ratram von Corbie vertreten hatte, und der vulgärkirchlichen Auffassung, die in der substantiellen Umwandlung der Hostie eine noch vollkommenere Gegenwart Christi in seiner Kirche verwirklicht sehen wollte. Ein Schüler Fulberts von Chartres, der glänzende Lehrer Berengar von Tours, der mit kritischer Schärfe die erste Deutung vorgetragen hatte, fand einen gefährlichen Gegner als Vertreter der vorherrschenden kirchlichen Meinung in
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KIRCHENKULTUR UND LAIBNTUM
dem Lombarden Lanfrank. Als Rechtsgelehrter und Anwalt in seiner Vaterstadt Pavia emporgestiegen, aber, wie es scheint, aus ihr verbannt, hatte sich dieser als Lehrer in der Normandie niedergelassen, um seit 1042 als Mönch und bald Prior im dortigen Kloster Bec zu unterrichten. Erst sein durch zwei Jahrzehnte (seit 1050) durchgefochtener Streit gegen Berengar, dessen wechselnde Phasen auf vielen Synoden hier nicht verfolgt werden können, machte ihn zur europäischen Berühmtheit, zum weither aufgesuchten Lehrer der Theologie und des kanonischen Rechts. Berengar, der seinerseits nur fur die Reinheit der kirchlichen Lehre einzutreten meinte und zeitweilig sogar von Alexander II. und Hildebrand mit wohlwollender Milde behandelt wurde, ist am Ende (1079) durch Gregor VII. doch zum Widerruf und Schweigen gezwungen worden, so daß mit Hilfe der Kurie der Traditionalismus über die freiere Auffassung siegte und die Lehrmeinung von der Wandlung der Substanz später sogar dogmatische Geltung gewinnen konnte. Zeugten der Streit und der Anteil, den er weithin weckte, von der in der westlichen Kirche erwachenden geistigen Regsamkeit, so mochte auch in der Kunst das damalige Frankreich an Beweglichkeit hinter den gleichzeitigen deutschen Leistungen nicht zurückstehen. Allerdings ist dort von den zahlreichen Architekturwerken der frühromanischen Epoche noch weniger erhalten, und der bedeutendste Bau, die Ruine der Abteikirche von Jumi£ges in der Normandie, wo nun eine zukunftsvolle Weiterentwicklung einsetzte, läßt sich wohl etwa mit den Klosterruinen von Limburg a.H. oder Hersfeld, nicht aber mit der Monumentalität des Speirer Domes vergleichen. Diese ganze mächtig emporblühende Kirchenkultur konnte sich trotz so mancher Fehden jetzt doch friedvoller als früher entfalten, weil sie zwar auf den Schutz des schwachen Königtums nicht wesentlich rechnen durfte, dafür aber es verstanden hatte, den hohen und niederen Adel des Landes, der durch den im Heerwesen allein noch gültigen, aber technische Übung und Wohlstand erfordernden Reiterdienst sozial zum Ritterstand zusammengeschlossen war, in ihren Bann zu ziehen. Und zwar weit über die praktisch keineswegs immer wirksamen Gebote des Gottesfriedens und Gottes-Waffenstillstandes hinaus durch Übertragung kirchlicher Ideen und christlicher Ethik auf diese Laienkreise, die auf dem alten Kulturboden der höheren Bildung nicht mehr so teilnahmslos gegenüberstanden wie im Osten. Indem die Aufnahme in den Ritterstand durch die Schwertleite mit religiöser Weihe umgeben und die sittlichen Pflichten der Selbstaufopferung für höchste Güter, des Schutzes aller Wehrlosen und Schwachen, der freigebigen Großmut und unbeirrten Wahrhaftigkeit in den ritterlichen Ehrenkodex Auf-
ROLANDSLIED, NORDSPANIEN
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nähme fanden, ergab sich jene reizvolle Mischung von germanischer Reckenhaftigkeit, oft noch wildbarbarischer Kampfeslust und hochgemutem, ja übersteigertem Stolz mit Glaubenseifer, idealer Hingabe für das „süße Frankreich", Mannentreue und Gemütsweichheit, wie sie nirgends schöneren Ausdruck gefunden hat als in dem ein halbes Jahrhundert später in der Normandie (von Turolt?) zu der heute erhaltenen Form gestalteten Rolandsliede, dessen Vorbereitung in Sage und volkstümlicher Spielmannsdichtung sich schon damals im Austausch Frankreichs mit dem christlichen Spanien vollzog. Und eben in diese Richtung, vorbei an Roncesvalles über die Pyrenäen hinüber, wies auch die Kirche Alexanders II. der Abenteuerlust des französischen Rittertums, die sich auch in häufigeren Pilgerfahrten nach dem heiligen Lande Luft machte, das Ziel des Glaubenskampfes an der Seite der spanischen Christen gegen die Mauren. War die Kirchenreform in Nordspanien bisher wesentlich von Cluny aus betrieben, so nahm die Kurie auch diese Aufgabe jetzt selbst in die Hand, indem sie Kardinal Hugo den Weißen als Legaten dorthin sandte. Es galt in den seit Sanchos des Aken Tode (1035) unter seinen Söhnen wieder getrennten Königreichen die Abweichungen des aus westgotischer Zeit stammenden „moz-arabischen" Ritus zu beseitigen und eine engere Verknüpfung mit Rom anzubahnen. Konnten in Navarra, Kastilien und Leon die späteren Erfolge erst vorbereitet werden, so wurde noch unter Alexander II. in Aragonien nicht nur jene Einheit des Kultus hergestellt, sondern König Sancho Ramirez, dem in seinem Ringen mit den Mauren die Anlehnung erwünscht war, wurde zu einem höchst folgenreichen Akt kirchlicher Devotion bewogen. Indem er sich 1068 persönlich nach Rom begab, hat er sich dem heiligen Petrus kommendiert; die drei großen Klöster Aragoniens wurden bald darauf der römischen Kirche mit Zinszahlung zueigen gegeben. Gelang es so, die romanische Einflußsphäre des Papsttums von Frankreich aus nach Süden zu erweitern, so haben sich im Norden noch unter dem Pontifikat Alexanders II. Ereignisse von ähnlicher Wirkung, aber von viel umfassenderer, ja weltumgestaltender Tragweite vollzogen. Die Entwicklung des Lehnswesens hatte gegen die Mitte des 11. Jahrhunderts auch in Frankreich zu manchen Rechtskämpfen zwischen Herren und Vasallen geführt, aus denen die letzteren überwiegend als Sieger hervorgingen. Ihr genossenschaftlicher Zusammenschluß im Lehnsgericht, die errungene Fähigkeit, Lehen von mehreren Herren zu nehmen, wohl gar schon zu veräußern, die erworbene Erblichkeit, die Beschränkung der Heer- und Hofpflichten sowie die Bindung des Herrn, sein gesamtes Lehnsgut dadurch vor
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FRANZÖSISCHE LEHNSENTWICKLUNG
Minderung zu bewahren, daß er heimgefallene Lehen wieder auszuleihen hatte — das alles mußte das System für die Staatsgewalt, zu deren Festigung es ursprünglich hatte dienen sollen, entwerten. Wurde aber dadurch das Königtum, dessen weitreichende Oberhoheit ein persönliches Eingreifen, abgesehen von seinen Domänen, ausschloß, noch auf lange hin zu einer ohnmächtigen Ehrenstellung verurteilt, so traf das nicht auch für die Territorialherrschaft der großen Lehensträger zu, die in ihrem engeren Gebiete ganz andre Möglichkeiten hatten, sich nach unten hin wirklich zur Geltung zu bringen. Das galt für das wirtschaftlich so überaus günstig gelegene Flandern mit seiner unmittelbaren gräflichen Domänenverwaltung, es galt auch für die starke Grafschaft Anjou, vor allem aber galt es für die Normandie. Denn die Bedingungen der ersten Festsetzung dieses organisatorisch hochbegabten und willenskräftigen, in straffer militärischer Zucht gehaltenen Wikingerstammes, der sich inzwischen völlig romanisiert und christianisiert hatte, wirkten hier noch in der starken Machtstellung des auch durch die Persönlichkeiten bedeutenden Herzogshauses. Unter ihm gab es keine selbständigen Grafen in trotzenden Burgen. Das durch die glückliche Küstenlage geförderte Herauswachsen des Landes aus der Naturalwirtschaft gestattete dem Herzog, der auch das Münzmonopol übte, die Lokalregierung durch wirklich beamtete Vizegrafen wahrnehmen zu lassen. Trotz allem kirchlichen Reformeifer wurde die Selbständigkeit einer geistlichen Hierarchie nicht geduldet; die Bischöfe und meisten Äbte verdankten ihre Einsetzung dem Herzog, der seine Landeskirche streng überwachte. Indem er seine hohe Gerichtsbarkeit für das ganze Gebiet geltend machte, wußte er durch Einschränkung der Privatfehden den Frieden zu sichern. In dem allen lagen die Keime der modernen Staatsordnung, für welche die normannische Monarchie tatsächlich in ganz Westeuropa vorbildlich und antreibend geworden ist. Da aber die überschüssigen Kriegskräfte dieses vor allen anderen kampfeslustigen Stammes sich solcher Friedensordnung doch nur widerwillig fügten, war da zugleich ein starker Zug zu gewaltsamer Ausdehnung verknüpft. Es fügte sich, daß mit Wilhelm dem Eroberer, dem natürlichen Sohne jenes Herzogs Robert I., dem man wohl fälschlich den Beinamen „der Teufel" gibt, eine Figur von wahrhaft großer staatsmännischer Begabung aus der anfänglichen Minderjährigkeit in die Nachfolge hineinwuchs (1035—1087). Von gewaltiger Körperkraft und harter Energie, in Krieg und Jagd ganz ein normannischer Ritter, erhob er sich darüber hinaus durch politischen Weitblick, diplomatische Kunst, Organisationsgabe und rechnerische Wirtschaft-
WILHELM DER EROBERER
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lichkeit. In solcher Vereinigung stellte er als erster einen neuen Herrschertyp dar, dem die Zukunft gehörte. Als Jüngling siegreich über seine rebellischen Vasallen, dann durch seine Ehe angelehnt an Flandern, aber in wiederholten Kämpfen mit seinen südlichen und westlichen Nachbarn, dem französischen König und dem Grafen von Anjou, hat er sein Augenmerk früh auf Gewinnung der englischen Herrschaft gerichtet. Auch vordem hatten ja die Normannen wechselweise Insel und Festland heimgesucht. Dänische Ansiedler saßen massenhaft im Osten und Norden Englands; zu ihnen gehörte der größte Herrscher, den das Land in letzter Zeit gehabt hatte. Mit Edward dem Bekenner (1042—1066) war man dann freilich zur alten angelsächsischen Linie zurückgekehrt, aber durch seine Mutter und seine Erziehung als Verbannter diesseits des Kanals war dieser französisch sprechende Herrscher ein halber Normanne, zog auch Fremde aus dem nördlichen Frankreich zahlreich an seinen Hof. Unter seiner ruhigen Regierung, deren äußerer Friede nur durch eine kurze Heerfahrt gegen den schottischen Thronräuber und Königsmörder Macbeth (1054) unterbrochen wurde, war England, zerspalten in Nord und Süd, geschwächt durch Selbständigkeit und Unbotmäßigkeit der adligen Earls, trotz dem späteren Bekennernimbus des Königs und dem fast schon in den heutigen Maßen errichteten Bau der Westminsterabtei auch kirchlich und kulturell seit Dunstans Reformbestrebungen wieder arg zurückgegangen, ein Bild der Schwäche, das zur Einmischung einlud. Herzog Wilhelm rechnete als Vetter des kinderlosen Königs bestimmt auf die Nachfolge. Als der Todesfall Anfang 1066 eintrat, wußte gleichwohl Edwards Schwager Harold, der Sohn des einst mächtigen Grafen Godwin von Kent, selbst ein halber Däne, die Krone zu gewinnen, trotz Lehnseid und Hilfsversprechen, die er einmal, als er an die normannische Küste verschlagen war, dem dortigen Herzog hatte leisten müssen. Wilhelm betrachtete ihn als Usurpator und rüstete zum Kriegszuge, der unserem Auge durch die späteren Darstellungen des berühmten Teppichs von Bayeux lebhaft vergegenwärtigt ist. Der Seetransport des für moderne Begriffe freilich nur kleinen Ritterheeres von vielleicht nicht mehr als fünftausend Mann samt ihren Pferden in offenen Booten war für die damalige Technik keine geringe Organisationsleistung. Wichtig war, daß durch Vermittlung Lanfranks, den der Herzog längst in seinen Rat aufgenommen hatte, die Kurie Alexanders II. an dem Unternehmen auf das lebhafteste interessiert wurde. Auch hier galt es jetzt, das romanische Wesen vorzutragen und die angelsächsische Kirche, die den päpstlichen Primat letzthin kaum mehr als formal anerkannt hatte, aus
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OAS NORMANNISCHE ENGLAND
Sonderart und Vereinzelung heraus eng an Rom zu knüpfen. Mit einem vom Papste geweihten Banner und unter den Klängen eines von dem ritterlichen Sänger Taillefer angestimmten Liedes von Kaiser Karl und Roland zog man in die Entscheidungsschlacht von Hastings (1066), die durch die überlegene Strategie und Kavallerie der Normannen dem König Harold Thron und Leben raubte. Schwieriger noch als der militärische Teil des Unternehmens war die Umformung des Landes zu dauernder Gewinnung. So weitgehend, wie er anfangs gedacht, konnte der Eroberer die Erhaltung der angelsächischen Rechte und Gewohnheiten doch nicht durchführen; die noch fünf Jahre währenden Aufstände hinderten ihn daran und trieben ihn zu durchgreifender Härte, wie bei der Wüstlegung des widerspenstigen Yorkshire. Gleichwohl blieb das Organisationswerk eine geradezu geniale Mischung von Fremdem und Einheimischem, Neuem und Altem. Die Eroberung machte den König, der freilich auch da an angelsächsische Ansätze anknüpfen konnte, wenigstens der Fiktion nach zum obersten Eigner von allem Grund und Boden, und umfassende Konfiskationen setzten ihn in der Tat in den Stand, weitgehend damit nach seinem Gutdünken zu schalten. Jetzt erst wurde das Feudalsystem vom Festland nach der Insel übertragen. Indem die größeren Lehen, über das ganze Land verteilt und durch Burgenbau gesichert, in die Hände der normannischen Mitkämpfer kamen, wurden die höheren Gesellschaftsschichten wie der Hof romanisiert; französische Sitte, Sprache, Recht, Dichtung und Kunst fanden hier allenthalben Eingang. Auch von den Lords abwärts wurde das Abhängigkeitssystem folgerichtig selbst auf Kosten der alten freien Landeigner durchgeführt, so daß es hier keine Scheidung zwischen Land- und Lehenrecht gab. Jedoch es war das Lehnssystem nicht Frankreichs, sondern eben der Normandie, das hier nun im großen Anwendung fand: mit der starken monarchischen Spitze, der 1086 sogar die Aftervasallen aller Herren unmittelbar durch Treueid zur Hilfeleistung gegen jedermann verpflichtet wurden, mit weitgehend vorbehaltenen Rechten des Königs, so auf Heimfall der Lehen bei erbenlosem Tode des Inhabers, und mit straffer Bindung seiner Mannen an festumschriebene Pflichten. Zugleich blieben als Gegengewicht gegen feudale Auflockerung die überlieferten Gerichts-, Polizei- und Rentverwaltungen der angelsächsischen Grafschaften, aber jetzt unter Sheriffs als königlichen Vizegrafen wesentlich bestehen, dii Friedenssicherungen der Normandie fanden auch hier Eingang, und durch eine dem König direkt geschuldete Militärpflicht der von den ritterlichen Herren abhängigen Pächter gewann der Herrscher sogar die Möglichkeit,
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der feudalen Reiterei ein gesondertes Fußvolk an die Seite zu stellen. Dieser monarchischen Ordnung hatte sich auch die Kirche einzufügen. Hier wie auch sonst diente dem König als kluger Haupthelfer, ja in seiner Abwesenheit sogar als Reichsverweser jener Lombarde Lanfrank, der nun zum Erzbischof von Canterbury (1070-1089) erhoben wurde. In enger Fühlung mit Rom hat er die Reformierung der englischen Kirche durchgeführt, indem das synodale Leben neu erweckt, nach festländischem Muster geistliche Gerichtshöfe für kirchliche Vergehen geschaffen, cluniazensische Klöster gegründet, reicher Landbesitz ihnen und den anderen Kirchen überwiesen, Zucht und Bildung gefördert wurden. Lanfrank selbst, der seinen Primat durch gefälschte Papstbriefe und Kanones durchsetzte und von Alexander II. zum päpstlichen Vikar ernannt wurde, wußte seinen Einfluß auch über Wales und Irland, vorübergehend sogar auch über Schottland, wo dann die Kirche nach englischem Muster organisiert wurde, auszudehnen, so daß er, ein Seitenstück zu Adalbert von Bremen, wohl als Patriarch von ganz Britannien gepriesen wurde. Und weil dieser durch die Person Lanfranks gewährleistete Anschluß Englands der Kurie doch höchst bedeutenden Gewinn brachte, hat sie sich, wenn es auch nicht ohne scharfe Spannungen abging, ähnlich wie in Süditalien mit der starken landeskirchlichen Herrschaft des Königs einstweilen abgefunden. Diese allerdings ging erstaunlich weit; sie umschloß das Besetzungsrecht der Krone für alle Bistümer und Abteien, machte die Abhaltung von Synoden, die Veröffentlichung päpstlicher Briefe, die Exkommunikation der Beamten und Barone, den Verkehr der Prälaten mit Rom von königlicher Genehmigung abhängig und duldete vorderhand auch die bestehenden Ehen der Pfarrer. Als absoluter Monarch, wenig bekümmert um den Rat der zur „Curia regis" um ihn versammelten Barone, hat der Eroberer England zum erstenmal zu einer geschlossenen Einheit zusammengeschweißt. Das erstaunlichste Denkmal seiner staatswirtschaftlichen Umsicht aber erstand noch ein Jahr vor seinem Tode in der großen Enquete, die im sogenannten Domesdaybook (1086) ihre Aufzeichnung gefunden hat. Da waren alle Landgüter des gesamten Reiches aufgezählt mit den Namen der früheren und jetzigen Besitzer, der Anzahl zugehöriger Bauern und des Pflugviehs, dem jährlichen Einkommen vor und nach der Eroberung. Wie man daraus ersieht, war der unmittelbare Kronbesitz so ausgedehnt, daß er ein volles Viertel der gesamten agrarischen Einkünfte aufbrachte. Welche Regierung des damaligen Europa hätte einen derart unschätzbaren Überblick über die landwirtschaftlichen Kräfte ihres gesamten Reiches besessen?
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EINHEIT VON WEST- UND SÜDEUROPA
Wilhelm hat seine letzte Lebenszeit überwiegend wieder der Normandie gewidmet und dort in erneuten Kämpfen in der Unbotmäßigkeit seines ältesten Sohnes Robert das tragische Los so mancher kräftigen Monarchen noch erfahren müssen. An den Folgen eines Sturzes vom Pferde ist der Sechzigjährige 1087 gestorben. Das große Ergebnis seines Lebenswerkes war die enge Verbindung, in die das in den maßgebenden Schichten romanisierte England nun erst zu dem abendländischen Festland und seiner Kultur geriet. So hatte sich für die römische Kurie die Einflußsphäre in Italien, Spanien und England bedeutsam ausgedehnt, und diese romanisch-germanische Welt des Westens und Südens begann sich mehr und mehr zu einer kirchlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Einheit zusammenzuschließen. Damit war die Basis geschaffen, von der aus das erstarkte Reformpapsttum die Hand an die Wurzel der ihm jetzt spröde gegenüberstehenden deutschen Reichsgewalt zu legen wagte.
GREGOR VII.
Einen Tag nach dem Tode Alexanders II. (1073) wurde Hildebrand, der seit mehr als einem Jahrzehnt bereits der eigentliche Leiter der römischen Kirchenpolitik war, unter dem Druck des Volkes in ungesetzlich-tumultuarischem Verfahren, das aber die nachträgliche Zustimmung der Kardinäle fand, auf den Stuhl Petri gehoben. Er nannte sich nach dem großen Mönchspapste und Kirchenvater, aus dessen Werken er seine Zitate mit Vorliebe wählte, aber auch im Anschluß an seinen 1046 abgesetzten Verwandten: Gregor VII. Damals hatte er das fünfzigste Lebensjahr bereits überschritten, äußerlich klein, unansehnlich, häßlich, aber eine Feuerseele, ganz erfüllt von dem Ideal eines unter päpstlicher Leitung stehenden Gottesreiches auf Erden, getrieben von dämonisch-stürmischem Temperament und unbeugsam-stahlhartem Willen. Hatte sein Reformeifer bisher noch unter manchen Hemmungen die Papstkirche schrittweis emporführen helfen — jetzt fühlte er zutiefst die ungeheure Verantwortung, die sich auf seine Schultern senkte, und über das Persönliche hinaus glaubte er mystische Kräfte in sich zu spüren, um über alle Widerstände hinweg siegreich zur Verwirklichung des Ideals vorzuschreiten. Eben die felsenfeste Überzeugung von der göttlichen Gerechtigkeit seiner Sache gab ihm die nie schwankende Sicherheit und ungebrochene Kraft. Und dieser niedriggeborene Mönch, der in seiner rauhen Art, seiner ursprünglich-wurzelhaften, aber ungepflegten Schriftsprache, seinem verhältnismäßig engen, soweit freilich ganz in sein Wesen aufgenommenen Bildungskreise den Emporkömmling nicht verleugnete, schien in der Tat berufen, die von Cluny ersehnte freie Kirche des reinen Geistes rücksichtslos aus allen Fesseln monarchisch-feudaler Umklammerung zu lösen und dafür auch den Acheron der rings in Europa emporstrebenden unteren Schichten in Bewegung zu setzen. Es sollte endlich voller Ernst gemacht werden mit der Ausrottung von Priesterehe und Simonie, die Widerstände in den Feudalkirchen mußten gebrochen, die selbständige Bedeutung von Provinzialsynoden, Primatansprüchen und Metropolitanrechten beseitigt, die Bischöfe zu ergebenen Werkzeugen der Kurie herabgedrückt werden. Der einheitliche Wille des absoluten Papsttums hatte von oben her das ganze Gefüge der Kirche zu durchdringen, nicht nur als höchste religiöse Autorität, auch als oberstes Gericht, als eine Macht, die durch unmittelbare Weisungen oder Anordnungen ihrer Legaten schier in alles eingriff.
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FREIHEIT GLEICH HERRSCHAFT
Wie aber konnte solche Stellung errungen und behauptet werden, solange die weltlichen Herrschaften die Besetzung der Prälaturen in der Hand hatten und dadurch nicht allein zu stets erneuter Simonie Anlaß gaben, sondern auch den päpstlichen Reformwillen immer wieder durch ungeeignete Elemente zu durchkreuzen versuchten? Das Verbot der Investitur von Geistlichen durch Laien war bislang mehr als Programmpunkt ins Auge gefaßt als öffentlich verkündet oder gar durchgeführt. Der ganze Gegensatz zweier Rechtswelten mußte dann zutage treten und schwerste Zusammenstöße hervorrufen. Denn noch verstand man nicht zu scheiden zwischen dem geistlichen Amt und den ihm von den weltlichen Mächten zugewiesenen Gütern und Rechten. Beides begriff man, wie es sich den Augen darbot, als eine Einheit, und die Verfügung darüber konnte nach dem germanischen Eigenkirchenrecht der Herr des hingegebenen Bodens in Anspruch nehmen, während nach kanonischer Auffassung das Ganze durch die Widmung an den Heiligen aus der Weltlichkeit herausgehoben war. Jahrhundertelang festgewurzeltes Gewohnheitsrecht, unentbehrlich für die Machtausübung auf der einen Seite; göttliches Recht, an dem nicht zu deuten war, auf der anderen. Wer solche Forderung erhob, der führte revolutionäre Kämpfe herauf; er mußte sich einrichten, sie auch mit den Waffen des Krieges durchzufechten. Gregor hat das in heiligem Eifer nicht gescheut. „Verflucht, wer das Schwert aufhält, daß es nicht Blut vergieße", dies Bibelwort hat er wiederholt verwendet. Zur Niederwerfung der widerstrebenden Mächte bedurfte die Papstkirche selbst der Macht, zur Garantie der Freiheit in der Welt der Herrschaft über die Welt. Dadurch wurde sie über den Kreis der duniazensischen Forderungen hinausgeführt auf gefährlichen Boden. Gewiß konnte eine Erhöhung des Papsttums über alle irdischen Gewalten zur Verwirklichung des Gottesreiches hienieden als letzte Forderung aus der transzendental bestimmten Weltanschauung des Mittelalters erscheinen; aber wurde die Kirche dadurch nicht in jene weltlichen Händel, aus denen sie sich doch gerade zu reinerer Geistigkeit lösen wollte, noch mehr hineingezogen? Freilich, Gregor setzte hier nur in stürmischerem Zeitmaß fort, was unter seiner Mithilfe bereits unter den letzten Päpsten angebahnt war, den Versuch, den feudalen Mächten ein eigenes Lehnssystem der Kirche entgegenzustellen. Die Erfahrungen, die man mit den normannischen Vasallen im Süden machte, hätten eher abschrecken können. Ihr ungestümer Ausdehnungstrieb machte auch an den Grenzen des Kirchenstaates nicht halt und zwang Gregor schon 1074, über Robert Guiscard den Bann zu verhängen.
ORIENTPLAN
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Sein kriegerisch-imperatorischer Geist bewegte sich damals in gewaltigen Mittelmeerplänen. Verderbendrohend rollte eben (seit 1071) die Flutwelle der türkischen Seldsehukenhorde über Kleinasien gegen das als Militärmacht in argem Verfall bergriffene griechische Kaisertum in Konstantinopel heran und hatte von ihm schon Armenien und Kappadokien losgerissen. Gregor gedachte an der Spitze eines gewaltigen Heeres, das er durch Aufrufe an die Christenheit vornehmlich aus der südfranzösischen und mittelitalischen Ritterschaft zusammenbringen wollte und bereits in Höhe von über fünfzigtausend Streitern an der Hand zu haben glaubte, übers Meer dem Kaiser Michael VII. zu Hilfe zu ziehen, um zum Dank für die Rettung die östlichen Kirchen unter römischer Obödienz zu einen. Mehr beiläufig war auch der Befreiung des heiligen Grabes gedacht. Zugleich konnten mit solcher Macht die aufsässigen Normannen in die Schranken gewiesen werden. Eben die Anknüpfung Michaels mit Robert Guiscard, die zur Verlobung von dessen Tochter mit dem griechischen Kaisersohn führte, und eine Verständigung mit den Seldschuken haben dies Unternehmen, ganz abgesehen von dessen inneren Schwierigkeiten und dem Ausbruch des kirchenpolitischen Kampfes im Abendlande, nicht zur Ausführung kommen lassen. War hier auch noch nicht Jerusalem als Hauptziel ins Auge gefaßt, so war dieser Plan, die unter päpstlicher Leitung geeinten Ritterschaften des romanischen Abendlandes zum Angriff gegen den heidnischen Orient zu führen, gleichwohl ein bedeutsamer, wegweisender Vorläufer der späteren Kreuzzugsbewegung. Auch im Westen des Mittelmeeres suchte Gregor das Vordringen des Christentums zu fördern, indem er in Anknüpfung an eine Abmachung aus der letzten Zeit Alexanders II. Glaubenseifer und Abenteuerlust französischer Barone zu einer Heerfahrt gegen die spanischen Mauren aufrief. Dabei hat er, anscheinend auf Grund der vermeintlichen Schenkung Konstantins, die auch fur Sardinien und Korsika herhalten mußte, Spanien als altes Eigentum •des heiligen Petrus in Anspruch genommen, Neueroberungen als von ihm abhängig erklärt und später auch eine allgemeine Zinsforderung erhoben. Im übrigen galt es hier nur auf dem schon unter Alexander II. eingeschlagenen Wege fortzuschreiten. Der römische Ritus wurde nun auch in Navarra und Kastilien-Leon durchgeführt (1076), und die Ausdehnung der Gebiete gegen das zurückweichende Arabertum — es begann damals die Heldenzeit des in Liedern verherrlichten Cid Campeador — erforderte allenthalben ordnendes Eingreifen der Kurie und verstärkte ihren Einfluß. Frankreich gegenüber hat Gregor eine ähnliche Zinspflicht in Form einer allgemeinen Haussteuer aus einer falschen Urkunde Karls des Großen ge-
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RITTER DES HL. PETRUS
folgert, die in Wirklichkeit etwas ganz anderes: die Stiftung für eine fränkische Pilgerherberge in Rom enthielt. An die Durchführung einer so schlecht begründeten Forderung war natürlich nicht zu denken. Die Zahl südfranzösischer Barone, die sich der Papst als „Ritter des heiligen Petrus" zu verbinden wußte, hat sich gegenüber dem Pontifikat Alexanders II. noch etwas erhöht. König Philipp I., der die Simonie nicht abstellte, gehörte nicht zu den Freunden der Kurie. Gregors Amtszeit setzte gleich mit schärfster Spannung diesem „Tyrannen" gegenüber ein, dem aus geringfügigem Anlaß mit Entziehung des Reiches gedroht wurde. Dagegen hat es der Verbindung Wilhelms des Eroberers mit der Kurie, die ihn brauchte und in seiner Kirchenbeherrschung duldete, keinen entscheidenden Abbruch getan, daß er Gregors Ansinnen, er solle sich zum Vasallen des heiligen Petrus bekennen, glatt ablehnte (1080). Sah es so in der romanischen Welt aus, so hat der Papst auch die der abendländischen Kultur nur erst angelehnten Herrscher des Ostens und Nordens fester oder loser an Rom zu ketten gesucht: durch ein Lehnsband von staatsrechtlicher Geltung wohl nur König Ladislaus den Heiligen von Ungarn als Träger der einst von Silvester II. übersandten Stefanskrone und den König Zvonimir-Demetrius von Kroatien und Dalmatien, über dessen Land Gregor zuvor, wie es scheint, zugunsten eines dänischen Prinzen hatte verfügen wollen. Auch dem Sohne des vertriebenen Russenherrschers Isjaslaw-Demetrius hat er das Königreich Kiew von Seiten des heiligen Petrus übertragen, ohne ihm dadurch zum Besitz verhelfen zu können. Zu den Dänenkönigen, dem Böhmenherzoge, dem er den schon unter Alexander II. verliehenen Gebrauch der Mitra bestätigte, und dem Herzog von Polen bestanden losere Beziehungen, wie denn die Doppeldeutigkeit des lateinischen Wortes „fidelitas" als „Glaubenseifer" und „Lehenstreue" eine gewisse Dehnbarkeit der Auslegung begünstigte. Vielfach schien nur das System der exemten Klöster, die unter dem Schutz des heiligen Petrus standen und nach Rom Zins zahlten, auf die Staaten weit übertragen, wobei die finanzielle Beihilfe für Gregor, der sich auf diesem Gebiete auf das gründlichste auskannte, die Patrimonieneinkünfte durch Verpachtung steigerte und auch die Geldgeschäfte mit römisch-jüdischen Bankiers in seiner Hand hatte, eine wesentliche Rolle spielte. So hat Gregor die Papstkirche an die Spitze weltlicher Mächte gestellt und ihr dadurch selbst ein geistlich-weltliches Doppelgesicht gegeben. Aus. der Übertragung einer „Königsgewalt Christi" auf den Apostel Petrus und seine Nachfolger und aus der Überlegenheit jedes Geistlichen (selbst des
DICTATUS PAPAE
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geringsten Exorzisten) über alles Weltliche ergab sich die unbedingte Überordnung des Papsttums über die Staaten. Aus dem augustinischen Gedanken, alle Herrschaft sei aus dem Hochmut entstanden und erhalte ihre Rechtfertigung nur durch Unterstellung unter das christliche Sittengesetz, wurde im Sinne der cluniazensischen Subordination die äußerste Folgerung einer unbegrenzten Gehorsamspflicht gegenüber dem Papste gezogen, der auch zu bestimmen hatte, wann etwa die Untertanen von ihrem einer ungerechten Obrigkeit geleisteten Eide zu entbinden seien. Das alles wurde nun mit dem Eifer eines Elias in der schroffsten Formulierung, oft in ungeduldigen und gereizten Worten, den Fürsten vorgetragen; denn es war Gregor nicht um Teilerfolge, sondern um das Ganze der Gerechtsame des heiligen Petrus zu tun. Insofern wollte er kein Realpolitiker sein, sondern ein Umgestalter und Erneuerer der Welt, der schließlich auch bereit war, unter den stürzenden Trümmern den Tod zu finden. Aber wenn er, den Blick allein auf das höchste Ziel gerichtet, durch mangelnde Einschätzung des Erreichbaren, durch Übereilung und Überspannung, durch Verkennung von Freund und Feind schwere Fehler begangen hat, so waren ihm bei aller Leidenschaft des Vorwärtsstürmens die Methoden des politischen Kampfes: kluge Berechnung der eigenen Schritte, Ausnutzung gegnerischer Spaltungen und Schwächen, wahllose Anwendung auch bedenklicher Mittel, wenn sie nur vorwärtshalfen, keineswegs fremd. Die Reinheit eines weltabgeschiedenen Mönchtums war unter dem Zwange des Handelns im irdischen Streit nicht aufrecht zu halten. In seiner Gier nach Rechtstiteln für die Herrschaftsansprüche der Kirche sind ihm in der Auslegung seiner Quellen so ungeheuerliche Vergewaltigungen der Wahrheit untergelaufen, daß ihn nur völlige Voreingenommenheit und blinde Hast vor dem Vorwurf bewußter Unehrlichkeit schützen. Die kanonistischen Sammlungen, zu denen er den Kardinal Deusdedit und andere anregte, sind erst nach seinem Tode abgeschlossen worden. Aber aus vorläufigen Auszügen, unter denen die Verwertung der ihm in Lothringen bekannt gewordenen Riesenfälschung Pseudoisidors die Hauptrolle spielt, hat er sich zu Beginn seines Lebenskampfes im Frühjahr 1075 eine Reihe von knappen, frei und willkürlich formulierten Leitsätzen zusammengestellt und unter der Überschrift „Dictatus papae" in sein Register eintragen lassen, nicht für die Öffentlichkeit, sondern als eigene Richtschnur. Ein Teil dieser Sätze läuft hinaus auf die Gleichsetzung der Gesamtkirche mit dem „heiligen" Papst, der Bischöfe ein- und absetzen, allein neue Gesetze erlassen kann, unbeschränkt über die Christenheit gebietet. Der andere Teil begründet seine
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HEINRICH IV. GROSSJÄHRIG
Herrschaft über die Welt: ihm haben alle Fürsten die Füße zu küssen, er darf kaiserliche Abzeichen tragen, die Kaiser absetzen, die Untertanen vom Treueid entbinden. Solche Ansprüche mußten früher oder später die erbittertsten Kämpfe entfesseln, und es konnte nicht zweifelhaft sein, mit welcher Macht der Hauptzusammenstoß drohte. Blieb es dem französischen König gegenüber beim Investiturstreit, so mußte sich der Kampf mit dem deutschen Herrscher auswachsen zu einem gewaltigen Ringen um die Führung der abendländischen Welt. Die Unterwerfung des salischen Kaisertums hätte das System der päpstlichen Theokratie mit einem Schlage vollendet, während sein Widerstand es dauernd in Frage stellte. Aber war es denn überhaupt noch vorhanden? Trat nicht das imperiale Papsttum einfach in eine Lücke? So hatte es während Heinrichs IV. Minderjährigkeit fast scheinen können. Und auch der selbständig gewordene Herrscher sah sich nach der schamlosen Ausplünderung des Königtums zunächst auf einem Trümmerfelde, auf dem es ganz neu aufzubauen galt. Nachdem Adalbert von Bremen, der ihm noch einmal beratend zur Seite trat, 1072 gestorben war und Anno von Köln sich verstimmt zurückgezogen hatte, waren es neben einigen begabten Geistlichen der Kanzlei vornehmlich kleinere Herren und Ministerialen, die sein Ohr hatten, in deren Mitte sich nun aber die Persönlichkeit des jungen Herrschers bestimmender geltend machte. Neben der wuchtigen, scharf umrissenen Bronzefigur Gregors VII. ist freilich die höchst verwickelte und problematische Natur Heinrichs IV., die überdies im wilden Parteikampf noch stärker verunglimpft wurde, anfangs auch wohl durch sittliche Ungebundenheit Anlaß zum Tadel gab, ungleich schwerer zu fassen. An Begabung und Bildung fehlte es dem frühreifen Jüngling nicht. Die Schmach seiner Kindheit hatte seinen Herrscherstolz, seinen Sinn für Würde und Recht des Reiches geschärft, aber auch List und Verstellung, Rachbefriedigung und Unbedenklichkeit in den Mitteln gelehrt, Eigenschaften, die Heinrich zwar zum vielgewandten Diplomaten machten, jedoch das VeKrauen zu seiner Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit erschütterten. Wie sehr sich mit dem Tode des Vaters die Machtverhältnisse verschoben hatten, sollte er erst nach schweren Verkennungen und Niederlagen begreifen. Am schlimmsten war für ihn und das Reich, daß er, der Laiennatur Konrads II. viel näher verwandt als der priesterlichen Art Heinrichs III., der großen Reformbewegung, drfr die Zukunft gehörte, offenbar kein tieferes Verständnis entgegenbrachte und ohne den Versuch eines ernstlichen Ausgleichs, der freilich einem Gregor gegenüber schwerlich
SACHSENAUFSTAND
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zum Ziel gefühlt, aber vielleicht doch die Wucht des kirchlichen Angriffes geschwächt hätte, Behauptung der gewohnheitsrechtlichen Überlieferungen auf der ganzen Linie versuchte, dadurch aber in den von vornherein wenig aussichtsvollen Riesenkampf seines Lebens geriet. Den aber hat er nun trotz entsetzlicher Schicksalsschläge mit so zäher Unermüdlichkeit, mit solchem Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit für die Gerechtsame des Reiches durchgekämpft, daß sich der Kritik seines Verhaltens doch auch teilnehmende Bewunderung beimischt und die Widersprüche dieser zerrissenen Natur sich unwillkürlich auf die Beurteilung übertragen. Nach den schweren Verlusten während Heinrichs Minderjährigkeit galt es zunächst, dem Königtum eine neue sichere Machtgrundlage zu schaffen. Man suchte sie durch Wiederherstellung und Ausbau der zusammengeschmolzenen Krondomänen in Ostfalen und Thüringen um die feste Bastion des Harzes in wichtiger Keilstellung zwischen Sachsen und Baiern zu gewinnen, ein an sich guter Plan, der nur zu stürmisch und rücksichtslos, unter Verletzung von Rechten, Gewohnheiten und Freiheiten des Sachsenstammes durchgeführt wurde. Alle, die aus der Schwächung des Königtums Vorteil gezogen, alle bedrohten Angrenzer machte man sich dadurch zu erbitterten Gegnern, so das Herzoghaus der Billunger, so den staatsmännisch und strategisch höchst begabten Sachsen Otto von Nordheim, den man auf eine zweifelhafte Hochverratsanklage hin seines Herzogtums Baiern zu berauben wußte. Eben dieser wurde dann die Seele des allgemeinen Sachsenaufstandes von 1073, dessen Zwange sich Heinrich nur durch nächtliche Flucht aus der Harzburg entzog. Bei dem Mißtrauen der süddeutschen Fürsten und der Unzuverlässigkeit der meisten Bischöfe wurde seine Lage höchst bedenklich, als sich nun auch die Kurie einmischte, einige seiner Ratgeber wegen simonistischer Erteilung geistlicher Würden bannte, in Mailand beim Wechsel des Erzbistums bereits offen das königliche Einsetzungsrecht bestritt und Miene machte, sich mit der deutschen Fürstenopposition in Verbindung zu setzen. Zum erstenmal hat Heinrich da seine Gegner klug zu spalten verstanden, indem er durch ein Schreiben von schrankenloser Unterwürfigkeit dem Papste Gregor die Hoffnung auf ein friedliches Nachgeben des Saliers erweckte und ihn dadurch einstweilen von weiteren Zwangsmaßnahmen zurückhielt. In Deutschland aber gab ihm die siegreiche Erhebung der Wormser gegen ihren königsfeindlichen Bischof als ein erstes Sturmzeichen des künftigen Befreiungskampfes der jungen Bürgerschaft von den bischöflichen Stadtherren ein willkommenes Druckmittel gegen den dadurch von unten her bedrohten Episkopat in die Hand. Und bald ging seine Kurve aufwärts.
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BEGINN DES INVESTITURSTREITES
Die Zugeständnisse des Gerstunger Kompromißfriedens mit den Sachsen (1074) brauchte er nicht lange zu halten, denn die Kirchen- und Grabschändung, deren sich sächsische Bauern bei der Niederlegung der Harzburg schuldig machten, erschien als Bruch jenes Friedens und führte zum Stimmungswandel auch der süddeutschen Herzöge. Mit ihrer Kriegshilfe schlug Heinrich die sächsischen Rebellen bei Homburg a. d. Unstrut entscheidend aufs Haupt (1075) und erzwang dann im Herbst aus eigener Kraft ihre Unterwerfung auf Gnade und Ungnade. Eben dieser Sieg, der die aufständischen Großen in seine Haft gab, den Nordheimer gar ins königliche Lager hinüberführte und die erstrebte wirtschaftliche Grundlage für das Königtum zu sichern schien, sollte ihn aber zu verhängnisvoller Uberschätzung seiner Kraft verleiten, als nun die Beziehungen zum Papsttum eine drohende Wendung nahmen. Gregor hatte inzwischen mit der Durchführung der Kirchenreform auch im Reiche Ernst zu machen begonnen. Als die Forderung des Priesterzölibats und des Simonieverbotes in Deutschland auf leidenschaftliche Abwehr der beweibten Geistlichen und passiven Widerstand des Episkopats stieß, ging der Papst mit scharfen Maßregelungen gegen die Bischöfe vor, die dadurch in heftiger Erbitterung an die Seite des Königs getrieben wurden. Da so die geordneten Gewalten bei der Durchführung der Reformen versagten, griff Gregor auf der römischen Fastensynode von 1075 zur Revolutionierung der Laienmassen gegen simonistische oder verheiratete Priester, indem er den kirchlichen Streik gegen sie allen Gläubigen zur Pflicht machte. Noch gewichtigere Folgen mußte es haben, daß der Papst, falls er damals ein verschärftes, auch auf die höheren Kirchen allgemein bezügliches Verbot der Laieninvestitur noch nicht, wie man bisher angenommen hat, erlassen haben sollte, so doch dem König Heinrich jeden Anteil an der Einsetzung der Prälaten untersagte, was ein Verbot der Investitur zum mindesten vor der Weihe in sich Schloß. Gerade für das Reich mußte ein derartiger Schritt, der letzthin einen Generalangriff auf das bestehende Kirchenrecht nahezu des gesamten Abendlandes darstellte, die einschneidendsten Wirkungen zeitigen, da hier die Ausstattung der Bistümer und Reichsabteien mit Besitz und Rechten die aller anderen Länder übertraf. Die Einsetzung der wichtigsten Reichsbeamten, die Erfüllung ihrer militärischen Lehnspflichten, die Unterhaltsmittel der Zentralgewalt wurden dem deutschen Herrscher durch solches Verbot in Frage gestellt. Selbst gewisse Milderungen des Übergangs, die Gregor einzuräumen bereit schien, würden an der Sache kaum etwas geändert haben. So blieb nichts übrig als der Bruch.
Rainald von Dassel Kölner Dom, um 1200
HOHLE MACHTSTELLUNG HEINRICHS IV.
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Als Heinrich fortfuhr, mit seinen gebannten Räten zu verkehren, und nach wie vor in italienische Bistumsbesetzungen, namentlich die vielumstrittene von Mailand, eingriff, versuchte der Papst, der endlich Klarheit haben wollte, den König durch scharfe Zurechtweisung unter Drohung mit Bann und Absetzung einzuschüchtern. Da nahm dieser den Handschuh auf. Im Januar 1076 versammelte er die Bischöfe seines Reiches in stattlicher Zahl zum Nationalkonzil in Worms. Leidenschaftliche Erregung, verleumderische Anklagen des abtrünnigen Kardinals Hugo Candidus, Verkennung der ideellen Kraft des Papsttums und Überschätzung der eigenen Macht führten hier zu der radikalen Widersage gegen Gregor, der wegen der unregelmäßigen Wahl trotz der drei Jahre hindurch unangefochtenen Amtswaltung nur noch als der „falsche Mönch Hildebrand" erachtet und aufgefordert wurde, von dem angemaßten apostolischen Sitz herabzusteigen. So machte man in den Augen der Welt aus dem päpstlichen Angreifer einen unschuldig Überfallenen, der nun auf der römischen Fastensynode von 1076 den Schlag von Worms mit dem stärksten Gegenschlag beantwortete. Denn er verkündete über Heinrich den Bann, widersagte ihm die Leitung des Reiches und entband seine Untertanen vom Eid der Treue: ein unerhörter, weltbewegender Akt, der das frühere Verhältnis von Kaisertum und Papsttum völlig auf den Kopf zu stellen schien. Die Rivalität zwischen den beiden Universalmächten, die sich seit 1048 angebahnt hatte, mußte jetzt zum Austrag führen. Nur zu bald trat die Hohlheit von Heinrichs Machtstellung zutage. Mochte er auch als Sieger an der Spitze des unterworfenen Deutschlands stehen, mochten die Bischöfe, denen sich die lombardischen in-einer besonderen Synode angeschlossen hatten, zumeist noch eine Weile mit ihm zusammengehen, mochte die internationale Lage auch in Frankreich, England, Süditalien und selbst Rom für den Papst keineswegs günstig scheinen, die inneren Verhältnisse, die auch durch Ermordung des zum Führer eines Heerzuges nach Italien ausersehenen Herzogs Gottfried des Buckligen von Niederlothringen empfindlich berührt wurden, waren doch so ungefestigt, der Kirchenbann, der das nach germanischen Vorstellungen gegen tyrannische Willkür erlaubte Widerstandsrecht neu entfachen mußte, wirkte auf die Dauer so lähmend, daß Heinrichs Sache nach dem Wormser Tage keinen rechten Fortgang nahm. Die Geschlossenheit der deutschen Bischöfe wurde von Gregor bald durch ein geschickt abgestuftes System von Disziplinarmaßnahmen aufgelockert. Um die Mitte des Jahres begann im Norden und Süden des Reiches der offene Abfall. Die Sachsen, nun wieder geführt von Otto von Nordheim, gewannen Fühlung mit den süddeutschen Herzögen; im Oktober
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CANOSSA
sollte auf einem Tage in Trebur eine gemeinsame Entscheidimg über die Sache des Reiches getroffen werden. Noch immer in der Hoffnung, den Salier dort durch starken Druck zur Unterwerfung unter die kirchlichen Reformgebote zwingen zu können, entsandte der Papst dazu seine Legaten. Heinrich, der mit Truppenmacht am linken Rheinufer bei Oppenheim lagerte, sah den Ring seiner Gegner sich von Tag zu Tag fester schließen. Durch ein unterwürfiges Abkommen mit den Legaten, das außer Preisgabe der gebannten Räte und der getreuen Wormser Bürger das Eingeständnis seiner Verfehlungen, vorläufige Enthaltung von Regierungsgeschäften, Versprechen von Genugtuung und Gehorsam und Bitte um Absolution umfaßte, versuchte er zwar jenen Ring zu sprengen, vermochte indes den Papst nicht umzustimmen. Denn die gleichzeitige Einladung der deutschen Fürsten, Gregor möge auf einem großen Reichstage in Augsburg persönlich erscheinen, um in ihrer Streitsache mit dem König das Urteil zu sprechen, eröffnete ihm die lockende Aussicht, durch gegenseitiges Ausspielen der deutschen Parteien alle seine Forderungen am sichersten durchzusetzen. Angesichts dieser Gefahr, von den Fürsten überdies mit Absetzung bedroht, falls er über Jahr und Tag im Banne verharre, in Speier, wohin er sich zurückgezogen, bereits jetzt in jeder freien Willensäußerung gelähmt, faßte Heinrich den überraschenden Entschluß, dem Papste, der sich eben zu seiner Reise anschickte, entgegenzueilen, um von ihm durch Kirchenbuße die Absolution zu ertrotzen. Das ist ihm in der denkwürdigen Szene von Canossa, einer Apenninenburg der Großgräfin Mathilde von Tuszien, wohin sich Gregor zurückgezogen hatte, am 28. Januar 1077 in der Tat gelungen. Freilich erst, nachdem er sich an drei Tagen, die er betend und fastend verbrachte, in der kirchlichen Büßertracht mit nackten Füßen und härenem Gewände vor dem Burgtor Einlaß heischend gezeigt und sich durch den Eid der anwesenden Reichsfürsten verpflichtet hatte, die Vermittlung oder den Schiedsspruch des Papstes in seinem Streit mit den deutschen Gegnern anzuerkennen und dessen Reise nach Deutschland nicht zu gefährden. Irgendwelches Entgegenkommen in der Hauptfrage der Investitur muß Heinrich, wenn auch mit geheimen Vorbehalten, wohl bei einer weiteren Zusammenkunft in Bianello zugesichert haben. Endgültige Abmachungen darüber aber wird Gregor selbst sich lieber für das Schiedsgericht vorbehalten haben, in dem er die Parteien gegeneinander ausspielen konnte. Als er auf Zureden auch des Abtes Hugo von Cluny (1049—1109) den bußfertigen Salier wieder in den Schoß der Kirche aufnahm, hatte er damit
GEGEN KÖNIG RUDOLF
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noch keineswegs dessen volle Wiedereinsetzung in das Königtum ausgesprochen; das blieb in der Schwebe bis zur päpstlichen Entscheidung in Deutschland, die in der ganzen Folgezeit das erstrebte Hauptziel Gregors war. Zuerst Feindseligkeiten der lombardischen Bischöfe, dann Nachrichten über römische Unruhen haben ihn indes zur Umkehr bewogen. Heinrich hatte sich bereits um Ostern heimwärts gewandt. Die Vereinigung seiner Gegner, die er hatte vermeiden wollen, mußte ja nun doch zustande kommen, wenn Gregor zum Schiedsgericht die Alpen überstieg. Aber noch war es nicht so weit; durch die Bannlösung hatte der König sich die Arme befreit und den Weg zu neuem Aufstieg gebahnt. Nun galt es, die Kurie durch friedliche Vorspiegelungen noch eine Weile abseits zu halten und derweil seine Stellung in Deutschland zu befestigen. Das hat er in den nächsten drei Jahren nun wirklich meisterhaft verstanden. Durch einen Akt unerhörter persönlicher Demütigung hatte er diesen taktischen Vorteil errungen. Gleichwohl bleibt Canossa das Symbol für den seit der Mitte des Jahrhunderts vollzogenen Umschwung der Weltverhältnisse. In einem augenfälligen Vorgang wurde da sichtbar, daß das Kaisertum auf seine Stellung an der Spitze des Abendlandes zugunsten der päpstlichen Vorherrschaft verzichtete, etwa so wie nach dem Ablauf einer weiteren Epoche Anagni das Symbol für die Abdankung der Universalmacht des Papsttums zugunsten der Nationen geworden ist. Freilich, die Zeit der verzweifelten Gegenwehr des Kaisertums, des hin- und herschwankenden Riesenkampfes hob nun erst recht an, und oftmals konnte das Ergebnis noch wieder ernstlich in Frage gestellt erscheinen; aber ein Fanal für den Endsieg der Zukunft blieb Canossa trotzdem. Gregors selbständiges Vorgehen hatte bei der deutschen Opposition lebhafte Verstimmung erweckt. Zur Umkehr war es für sie zu spät; so erhob man noch im März 1077 in dem fränkischen Forchheim den ehrgeizigen Schwabenherzog Rudolf von Rheinfelden, Heinrichs Schwager, zum Gegenkönig. Es war ein erster Sieg des freien Wahlrechts, und der ausdrückliche Verzicht auf jede Erblichkeit der Krone war der den Fürsten gezahlte Preis. Durch das Zugeständnis der freien Bischofswahl mit der königlichen Investitur erst nach der Ordination und durch eine allgemeine Gehorsamserklärung suchte Rudolf die Unterstützung der Kurie zu erkaufen. Gegen ein so herabgemindertes Königtum eröffnete der rückkehrende Salier, der sogleich die Amtsentsetzung der drei süddeutschen Herzöge verkündete, den Kampf. Es gilt hier nicht allen Schwankungen des nun ausbrechenden Bürgerkrieges zu folgen. Der Hauptherd des Widerstandes blieb Sachsen, wohin der
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HIRSAUER REFORMKLÖSTER
Gegenkönig sich wandte. Hart umstritten war das andere Oppositionszentrum in Schwaben, denn dort stellte Heinrich seinen rheinfeldischen, weifischen und zähringischen Feinden den Grafen Friedrich von Staufen, dem er sein Töchterchen Agnes verlobte, als Herzog entgegen. Er selbst hatte seinen sichersten Rückhalt im Rheinland und im deutschen Südosten, und wenn er auch an Feldherrngabe einem Otto von Nordheim nicht ebenbürtig war und im Kampfe mit meist zahlenmäßig überlegenen Feindesheeren manche Schlappe erlitt, so hat er doch die Trennung seiner Gegner erfolgreich aufrechterhalten und sein Königtum behauptet. Erleichtert wurde ihm das durch die während dreier Jahre geübte persönliche Zurückhaltung Gregors VII. Er verdankte sie zum Teil gewiß seiner mit allen Mitteln der Hinhaltung, Verstellung und Bestechung arbeitenden diplomatischen Kunst, die dem Papste immer wieder das Trugbild einer friedlichen Unterwerfung unter seine Entscheidung vorzuspiegeln wußte; aber er hätte das nicht erreicht, wenn Gregors eigene Politik ihm nicht die Handhabe dazu geboten hätte. Denn dieser fürchtete offenbar, das erstrebte Schiedsgericht, das dem Papsttum ja in der Tat den höchsten Triumph eingebracht haben würde, zu gefährden, wenn er sich persönlich zu früh festlegte. Die Organe der Kirche sollten derweil freilich nicht untätig sein, sondern durch politische Schwächung des Saliers und den Beginn einer kirchlichen Umgestaltung Deutschlands im cluniazensischen Sinne den Boden für die letzte Entscheidung vorbereiten. Unmittelbar nach dem Tage von Canossa hatte Gregor den Reformabt Bernhard von St. Viktor in Marseille und einen gleichnamigen Kardinal als seine Legaten nach Deutschland entsendet. Trotz seiner Neutralität, aber schwerlich gegen seinen Willen hatten sie durch ihre Anwesenheit in Forchheim zur Erhebung Rudolfs beigetragen. Eine Unterordnung des Königtums nach spanischem Muster schwebte dabei als Ideal vor. Nach dem gleichen Vorbild wurde aber auch eine Umwandlung des deutschen Klosterwesens in Angriff genommen. Hier galt es, auf dem von Leo IX. noch ohne reichskirchenfeindliche Tendenz vorbereiteten Boden nun erst recht eigentlich Formen und Geist des cluniazensischen Mönchtums auf deutschen Boden zu übertragen und ein Zentrum zu schaffen, von dem weitere Wirkungen ausstrahlen könnten. Das fand sich in Schwaben. Neben S. Blasien, das von dem italienischen Fruttuaria aus reformiert worden war, hat vornehmlich das kleine Kloster Hirsau unter dem Abte Wilhelm eine derartige Bedeutung erlangt. Fast ein Jahr lang weilte dort jener Reformabt Bernhard von St. Viktor als päpstlicher Legat. Seine Einwirkung begegnete
INVESTITURSTREIT IN FRANKREICH
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sich mit den Wünschen des Abtes Wilhelm, so daß 1079 die cluniazensische Ordnung eingeführt wurde und Hirsau von da ab zum Haupte einer ganzen Gruppe von neugegründeten oder umgestalteten Klöstern gleichen Geistes emporwuchs. Durch Angliederung von Laienbrüdern, die für die Wanderpredigt freier beweglich waren, wurde hier eine ganz andere Agitationsmöglichkeit gewonnen als früher in den abgeschlossenen Benediktinerklöstern. Die Erörterung über die höchsten Fragen der Kirchenpolitik und Reichsverfassung wurde nun wirklich bis in die Arbeitsstätten der Handwerker und die Spinnstuben der Frauen hineingetragen, für das Papsttum aber hier im Südwesten Deutschlands eine zuverlässige Hochburg des geistigen Kampfes geschaffen. Gleichzeitig war Gregor an die Aufgabe herangetreten, die Kirche auch in den Teilen Frankreichs umzugestalten, die noch nicht von der Reform erfaßt waren, vor allem in den fünf Kirchenprovinzen, deren Bistümer großenteils durch den König besetzt wurden. Denn auch hier gab es ja einen Investiturstreit, dessen Verlauf freilich von dem des deutschen bemerkenswerte Abweichungen zeigte. Auch hier hielt sich zwar Gregor selbst einstweilen ganz im Hintergrunde und ließ den Bischof Hugo von Die, einen scharfen Draufgänger, als seinen ständigen Legaten sehr eigenwillig vorgehen. Aber der Hauptangegriffene war hier trotz seiner simonistischen Verschuldung wenigstens zunächst nicht der König Philipp I., sondern das waren unter Führung des Primas und königlichen Kanzlers Manasse von Reims die zur Rechenschaft gezogenen und mit Absetzung bedrohten Erzbischöfe, von denen der von Tours sich gegen jede Maßregelung schützte, indem er kurzerhand seine Diener mit Beilen in das Konzil von Poitiers (1078) eindringen ließ. Eben diese Prälaten, von denen nicht weniger als sechs durch den Legaten suspendiert wurden — und nicht etwa der König —, waren es denn auch, die hier gewissermaßen den Canossagang über die Alpen antraten und eine Milderung des Verfahrens vom Papste erlangten, wobei hier wie dort Abt Hugo von Cluny, der dem Legaten an die Seite gestellt wurde, seinen mäßigenden Einfluß übte. Diese Milderungen waren jedoch zugleich bestimmt, den halsstarrigen Erzbischof Manasse von Reims zu vereinzeln, und gegen ihn ging Gregor dann mit vernichtenden Schlägen vor. Seinem Primat wurden die Kirchenprovinzen Rouen, Tours und Sens (mit Paris und Organs !) entzogen und einem neugeschaffenen Teilprimat der Erzbischofs von Lyon, also eines nichtfranzösischen, politisch zum deutschen Reiche gehörenden Metropoliten, unterstellt (1079). Darauf folgte 1080 die Absetzung Manasses, der sich an den Hof Heinrichs IV. wandte, während Gesandte
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ZWEITE BANNUNG HEINRICHS IV.
König Philipps, der seinen Kanzler fallen ließ, schon zu Pfingsten 1078 — gewiß auf Antrieb der Kurie — mit dem Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden Anknüpfung versucht hatten. Gregors Bestreben ging hier offensichtlich dahin, im Hinblick auf die deutsche Hauptentscheidung den unbedeutenderen französischen König vorderhand zu schonen, um ihn nicht in Heinrichs Lager zu treiben, wie er ja auch die straffe Beherrschung der Landeskirchen des anglonormannischen Herrschers Wilhelm samt der Laieninvestitur duldete, weil er dessen Verbindung mit dem Salier, der ihm ein Bündnis angeboten hatte, um jeden Preis verhindern mußte. So waren die drei Jahre des Zuwartens mit kirchlicher Reformtätigkeit, die dem erstrebten Schiedsgericht den Boden bereiten sollte, genugsam ausgefüllt; aber jenes Schiedsgericht wurde durch die diplomatische Kunst Heinrichs und seiner Helfer wieder und wieder hinausgeschoben, ohne daß man deren Schuld daran festnageln konnte. Was der Papst durch den Vormarsch der Reformgedanken für die Zukunft gewann, schien für die Gegenwart ausgeglichen zu werden durch Verstimmung und Zerwürfnis der deutschen Opposition, Festigung und Wachstum der salischen Sache. Gregor erkannte endlich, daß es höchste Zeit sei, mit der gefährlichen Zauderpolitik zu brechen, und die Kunde von Heinrichs militärischem Mißerfolg bei Harchheim in Thüringen mochte seine Zuversicht auf den Endsieg bestärken. Auf der römischen Fastensynode von 1080 verkündete er zum zweiten Male Bann und Absetzung Heinrichs, der das durch Hochmut, Ungehorsam und Falschheit verdient habe, und erflehte von den Apostelfürsten seine rasche Vernichtung. So tief war er von der Gewißheit ihres unmittelbaren Einschreitens durchdrungen, daß er am Ostermontag von der Kanzel der Peterskirche herab in prophetischem Tone Heinrichs Untergang bis zum ersten August des Jahres voraussagte. Der endgültigen Abkehr von dem Salier entsprach die Anerkennung des Gegenkönigs Rudolf, von dem dafür die Leistung des Lehnseides erwartet wurde. Alles hing davon ab, ob dieser zweite Bannspruch den durchschlagenden Erfolg des ersten haben würde. Ganz abgesehen von der abstumpfenden Wirkung jeder Wiederholung: diesmal mußte der Masse der Papst als Angreifer erscheinen. Und als Störer der bestehenden Ordnung zeigten ihn auch die weiteren radikalen Beschlüsse jener Fastensynode. Die Banndrohung gegen jeden Laien, der einen Geistlichen mit einer höheren oder niederen Kirche investieren würde, mußte alle weltlichen Eigenkirchenherren, die noch nicht zum Verzicht auf ihr Recht bereit waren, schrecken. In der Frage der Bistumsbesetzung aber war ein anderer Beschluß, der unter Beeinträchtigung
AUFSTELLUNG EINES GEGENPAPSTES
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der kanonischen Wahlfreiheit die letzte Entscheidung durch „Devolution" dem Papste zuschob und damit in der Tat die wahren Absichten Gregors enthüllte, ganz dazu angetan, die deutschen und lombardischen Bischöfe vor den Kopf zu stoßen. Vor die Frage gestellt, ob sie Reichsfursten oder Diener des Papstes sein wollten, entschied sich die Mehrheit doch für das erste und scharte sich in dem neu ausbrechenden Kampfe wieder fest um König Heinrich. Auf sie gestützt, tat dieser jetzt den Schritt, zu dem man 1076 nicht mehr gekommen war: nachdem schon zu Pfingsten 1080 ein von neunzehn deutschen Erzbischöfen und Bischöfen besuchtes Konzil zu Mainz die Absetzung Gregors und die Vornahme einer Neuwahl beschlossen hatte, schritt kurz danach die Synode von Brixen unter ebenso zahlreicher Beteiligung norditalischer Bischöfe zur Erhebung eines Gegenpapstes. Stimmung und Einzelvorgänge erinnerten im übrigen an Worms. Auch jener abtrünnige Kardinal Hugo der Weiße peitschte wieder die Leidenschaften durch noch viel abgeschmacktere Verleumdungen auf. Immerhin traf man mit Erzbischof Wibert von Ravenna keine unglückliche Wahl, denn dieser, der als früherer königlicher Kanzler über reiche politische Erfahrung verfügte, ein unbescholtener, würdiger Prälat, hat seine Rolle als Gegenpapst mit Klugheit und Tatkraft, zeitweise auch mit bedeutendem Erfolge durchgeführt. Nun erst ging ein völliger Riß durch die abendländische Welt, und im deutschen Reiche war, wie der Augsburger Annalist unter Anspielung auf eine Terenzstelle schrieb, alles gedoppelt: Päpste, Bischöfe, Könige und Herzöge. Als Heinrich jetzt noch einmal in Thüringen die Waffenentscheidung suchte, erlitt er an der Grüne bei Pegau zwar wiederum eine Niederlage (1080), aber.sie wandelte sich in einen Sieg, als sein Gegner Rudolf, dem im Kampfe gerade die rechte Schwurhand abgehauen war, wenige Tage daiauf seinen Wunden erlag. Damit schien das Gottesgericht ganz anders entschieden zu haben, als Gregor prophezeit hatte. Erst nach langwierigen Bemühungen sollte 1081 in der Person des unbedeutenden Grafen Hermann von Salm die Erhebung eines neuen Gegenkönigs gelingen, den dann auch der Papst sogleich in das kuriale Lehnsverhältnis zu spannen gedachte. Aber nur solange der auch diesmal übergangene Sachsenführer Otto von Nordheim sich hinter ihn stellte, erhob er sich über ein bloßes Schattendasein, in das er nach dessen Tode (1083) versank. Wurde auch eine Verständigung mit der Gegenpartei noch nicht erreicht, so war die salische Herrschaft in Deutschland doch nicht mehr ernstlich gefährdet. Heinrich konnte sich über die Alpen gegen seinen Hauptfeind, den Papst, wenden. Gregors Lage war wenig beneidenswert. Zwar war er gleich nach dem
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ROBERT GUISCARDS OSTPLÄNE
erneuten Bruche mit Heinrich der Gefahr von dessen abermals erstrebter Verbindung mit dem gebannten Robert Guiscard begegnet, indem er unter Aufhebung der Exkommunikation und Anerkennung der unrechtmäßigen normannischen Gebietserweiterungen die frühere Lehensabhängigkeit des Herzogs von Apulien, Kalabrien und Sizilien wiederherstellte. Allein der davon erhoffte Gewinn blieb aus, weil Robert sich bereits zu fest in seine gegen Byzanz gerichtete Politik verbissen hatte und den Vorgängen Reichsitaliens nur noch vorübergehende Beachtung schenkte. Für den Besitzer von Brindisi und Otranto ist die Lockung stets unwiderstehlich gewesen, nach der kaum achtzig Kilometer entfernten albanischen Küste hinüberzugreifen und dadurch das Adriatische Meer zu beherrschen. Der Sturz Kaiser Michaels VII. (1078), infolgedessen auch Roberts Tochter gezwungen war, die Anwartschaft auf den Kaiserthron mit Klosterhaft zu tauschen, hatte die östliche Mittelmeerpolitik grundlegend gewandelt und Anlaß zum normannischen Angriff gegeben. Roberts Erfolge an der albanischen Küste (1081), die leicht zu einem Vorstoß gegen Konstantinopel selbst führen konnten, riefen nun aber von Seiten des Kaisers Alexios Komnenos (1081—1118) klug berechnete Gegenwirkungen hervor. Venedig, das einen normannischen Verschluß der Adria bekämpfen mußte, wurde gegen Abgabenfreiheit im griechischen Reiche mühelos gewonnen. Verhandlungen mit Heinrich IV. führten zu Bündnis und Subsidienzahlung. Die Erregung eines gefährlichen Aufstandes in Süditalien zwang den Herzog schließlich zur Heimkehr (1082), aber doch nur, um nach Niederwerfung der Rebellen das inzwischen von seinem Sohne Bohemund befehligte illyrische Unternehmen so bald wie möglich weiterzuführen. Tatkräftige Hilfe konnte der Papst von ihm also nur im äußersten Notfall erhoffen. Sicherer Verlaß war für Gregor in Reichsitalien allein auf seine allzeit getreue Helferin, die Großgräfin Mathilde von Tuszien. Eben hatte sie ihre Ergebenheit aufs neue bewährt, indem sie außer den lothringischen Besitzungen die gewaltige Masse ihrer über Ober- und Mittelitalien zerstreuten Allodialgüter der römischen Kirche zu Obereigentum vermacht und zu freier Verfügung zurückerhalten hatte. Unermüdlich und opferbereit hat sie auch jetzt den Widerstand gegen Heinrich organisiert. Aber der Reichsacht verfallen, bei einem Vorstoß gegen Ravenna im Mantuanischen zurückgeschlagen, in Tuszien durch die städtefreundliche Politik des Königs eingeengt, sah sie sich in die Verteidigung zurückgeworfen und konnte den deutschen Vormarsch auf Rom nicht hindern. In der Lombardei hatte Heinrichs Sache auf die Erhebung des tatkräftigen
EINNAHME ROMS
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Gegenpapstes hin einen neuen Aufschwung erfahren. Wibert, durch die alte Rivalität Ravennas und dessen territoriale Ziele angetrieben, durch Anhang im langobardischen Adel gefördert und von dem Ravennater Juristen Petrus Crassus, der in Flugschriften und gefälschten Urkunden den päpstlichen Ansprüchen das kaiserliche Gottesgnadentum mit römisch-rechtlicher Begründung entgegenstellte, auch geistig unterstützt, hat nun an der Seite Heinrichs und nicht lediglich als dessen Werkzeug den Kampf um Rom aufgenommen. Wenn der Salier, der in den Jahren 1081—84 viermal die Mauern der Ewigen Stadt berannte, in der heißen Jahreszeit die Belagerung abbrach, so setzte sie der Gegenpapst mit italienischen Truppen beobachtend fort. Nachdem 1083 die Leostadt mit der Peterskirche erstürmt war, wurde mit Gregor, der sich in der Engelsburg behauptete, noch eine letzte Verständigung versucht. Eine aus beiden Lagern zu beschickende römische Synode sollte nach einem Abkommen zwischen Heinrich und dem Stadtadel den Streit entscheiden; aber von vornherein wenig aussichtsvoll, scheiterte das Unternehmen an dem erwachenden Mißtrauen des Königs, der nun selbst die Reise der Prälaten nach Rom verhinderte. Dem Drängen der Römer gegenüber verharrte Gregor unerschütterlich auf seinem Standpunkt: keine Versöhnung und Kaiserkrönung ohne vorherige öffentliche Bußeleistung und Absolution Heinrichs. Dazu verstand sich der in vollem Siege begriffene Herrscher nicht noch einmal. Die Gegensätze waren unüberbrückbar. Nun aber erblickten die Römer in dem hartnäckigen Papste den Störer des ersehnten Friedens, und es war gewiß nicht allein das byzantinische Subsidiengeld, das in der Stadt und an der Kurie bis in die allernächste Umgebung Gregors einen wachsenden Abfall hervorrief. Nicht weniger als dreizehn Kardinäle, darunter der Kanzler mit zahlreichen Notaren und Skriniaren, dazu andere hohe Prälaten und die Bannerträger der Kriegsleute haben sich damals von ihm losgesagt. Die Römer aber riefen Heinrich im Beginn des Jahres 1084 von einem dem griechischen Bündnis entsprechenden Feldzuge gegen Apulien zurück und öffneten ihm die Tore der eigentlichen Stadt am linken Tiberufer. Nun sprach eine Synode in der Peterskirche auf seine Anklage hin das Urteil der Absetzung und Exkommunikation über den Hochverräter und Empörer Gregor und bestätigte durch neue Wahl das Papsttum Wiberts, der mit unverkennbarer Beziehung auf die Synode von Sutri als Klemens III. inthronisiert wurde, um alsdann Heinrich und seiner Gemahlin Berta die Kaiserkrone aufs Haupt zu setzen. Heinrich stand am Ziel seiner Wünsche, und allzu wesentlich änderte sich die Lage auch nicht, als er sich kurz darauf vor dem gewaltigen Heere,
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ENDE GREGORS ΥΠ.
das Robert Guiscard endlich zum Entsatz des noch immer in der Engelsburg ausharrenden Papstes herbeiführte, nach Norden zurückziehen mußte. Denn Plünderung und Brandstiftung der Normannen, die zwei ganze Stadtteile in Schutthaufen verwandelten, entfachten einen derartigen Groll der Bürger auch gegen Gregor, daß sein ferneres Verweilen in Rom ohne den Schutz der normannischen Schwerter zur Unmöglichkeit wurde. Alsbald nach seinem Abzug aber konnte der Gegenpapst, der sich in Tivoli gehalten hatte, seinen Sitz wieder in Rom aufschlagen. Gregor war inzwischen seinem Befreier, der sogleich den epirotischen Feldzug wieder aufnahm, auf dem er, mit Plänen gegen Konstantinopel beschäftigt, 1085 sein Ende finden sollte, nach Salerno gefolgt. Dort ist er, in seiner geistigen Energie ungeschwächt, aber durch die Aufregungen und Entbehrungen der letzten Jahre körperlich gebrochen, im Gefühl des unverdienten persönlichen Unterliegens und des allgemeinen, im Zeichen des nahenden Antichrist hereinbrechenden Niedergangs der Kirche am 25. Mai 1085 gestorben. Noch waren die politischen Kräfte, auf die sich das Papsttum bei der gewaltsamen Umwandlung der Kirche und seiner eigenen Erhebung über die Reiche der Welt stützen konnte, zu schwach und unzuverlässig, um mit ihnen den entfesselten Kampf gegen das Kaisertum und alle Mächte der Gewohnheit zum siegreichen Ende durchführen zu können. Aber für Durchbruchsmenschen von dem Maße Gregors werden Erfolg und Mißlingen nicht endgültig durch die Schicksale ihrer Lebensspanne bestimmt; der gegebene Anstoß wirtzk weit darüber hinaus. Entschiedener als alle seine Vorgänger hat Gregor VII. dem Papsttum die Richtung auf Weltherrschaft aufgeprägt. Er hat die Romanisierung der katholischen Kirche zwar nicht eingeleitet, aber vollendet, d. h. die Lösung von der deutschen Herrschaft und den deutschen Rechtsvorstellungen, die Begründung hauptsächlich auf die romanischen Länder und die Durchführung der reinigenden und vergeistigenden Kirchenreform im cluniazensischen Geiste mit dem romanischen Subordinationssystem, das im päpstlichen Absolutismus gipfelte. Indem er diese leidenschaftlich erfaßten Ideen mit einem Nachdruck vertrat, der ihnen jahrhundertelange Fortwirkung sicherte, hat er die weltgeschichtliche Entwicklung so entscheidend beeinflußt, daß ihm der Anspruch auf historische Größe nicht versagt werden kann.
URBAN II. UND DIE KREUZZUGSBEWEGUNG
Eine kurze Zeitspanne schien der Friede der Welt zu winken, als 1086 der hochverdiente Abt Desiderius von Montecassino, eine versöhnliche Ver.mittlungsnatur und eben deshalb von den radikalen Gregorianern sogleich heftig angegriffen, als Viktor III. zum Papst erhoben wurde. Ein Nachgeben der Kurie hätte damals freilich zur Kirchenspaltung geführt. Der frühe Tod des Papstes (1087) und die Nachfolge des Nordfranzosen Urban II. (10881099) brachten einen erneuten Zusammenschluß der Kampffront unter einem Führer, der aus ungemein schwierigen Anfängen sich emporzuringen und den Sieg ganz anders als Gregor an seine Fahnen zu fesseln verstand. In der Reimser Schule feingebildet und als Weltgeistlicher bis zum Archidiakonat aufsteigend, war er als Mönch und Prior in Cluny von den gleichen kirchlichen Idealen wie Gregor erfüllt und als Kardinalbischof von Ostia von ihm zu wertvoller Hilfe herangezogen worden. An bahnbrechender Ursprünglichkeit und leidenschaftlicher Wucht sicherlich hinter jenem zurückstehend, übertraf er ihn in alledem, was den politischen Erfolg verbürgt. Der schwungvolle, gewandte und bewegliche Aristokrat, der von seinem Kanzler Johann von Gaeta den Stil der Papstbriefe durch eine literarische Renaissance, die Herstellung des eleganten und klangvollen „Cursus" Leos des Großen, eine Art rhythmischer Prosa, verfeinern ließ, hatte nichts von der rauhen Derbheit, zufahrenden Leidenschaft und verletzenden Härte des Bauernsohnes Hildebrand. In der Verfolgung des Hauptzieles unbeirrbar und da in den Mitteln sogar noch weniger wählerisch als sein großer Vorgänger, wußte er im übrigen Rücksichten zu nehmen, sich der jeweiligen Lage geschmeidiger anzupassen und durch Verbindung von Klarheit und Zähigkeit seine Pläne schrittweise durchzusetzen. Das alles würde uns gewiß noch greifbarer und großartiger entgegentreten, hätte sich, wie von Gregor, ein Band seines Registers erhalten. Hauptbollwerk war auch für ihn das Reformmönchtum, dem eine Fülle von Exemtionsprivilegien zufloß. Es war der Höhepunkt der Entwicklung des nun schon über mehr als zweihundert Priorate gebietenden, auch nach Polen und Ungarn ausgreifenden Cluny, als Urban zuerst von allen Päpsten das Kloster 1095 persönlich aufsuchte und dort den Chor des von Abt Hugo errichteten großartigen Neubaues weihte. Eben die selbständige Macht einer
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BEFESTIGUNG DER KIRCHENHERRSCHAFT
derartigen Kongregation hatte freilich in Südfrankreich und Spanien auch Gefahren gezeigt, welche den Papst veranlaßten, anderwärts eine möglichst unmittelbare Unterordnung der Einzelklöster unter Rom anzustreben und ζ. B. für die Hirsauer Gruppe in Schwaben nach dem Tode des Abtes Wilhelm zu verhindern, daß das Mutterkloster in die Rolle eines deutschen Cluny hineinwüchse. Mit besonderem Eifer förderte Urban jene Bewegung, die seit der Mitte des Jahrhunderts die mönchischen Ideale auf die Weltgeistlichkeit zu übertragen suchte und das schon öfter angestrebte Gemeinschaftsleben der Kanoniker verlangte, jetzt meist nach der Augustinerregel, einer Anpassung der von Augustin den Nonnen von Hippo erteilten Vorschriften an die Lebensbedingungen der männlichen Insassen. Wenigstens in Frankreich und Spanien begannen neuerrichtete Augustiner-Chorherrenstifter schon damals eine bedeutende Rolle neben den Cluniazenserklöstem zu spielen. Das feinste diplomatische Geschick entfaltete Urban in der Behandlung des durch Investiturstreit, Schisma und Kloster-exemtionen mannigfach betroffenen Episkopates. Es gelang da allenthalben die Zügel des päpstlichen Zentralregiments straffer anzuziehen, größere Gruppen von Bischöfen unter einem Primas oder ständigen Legaten in Abhängigkeit zu halten, in Italien und Deutschland die Reihen der Wibertisten durch kluges Entgegenkommen mehr und mehr zu lichten und so die Anerkennung des römischen Papstes allmählich im ganzen Abendlande neu zu befestigen. Und eben daß Urban dieses kirchliche Ziel ganz in den Vordergrund rückte und die weltlichen Herrschaftsansprüche Gregors, die so manche Fürsten vor den Kopf gestoßen hatten, vorsichtig zurückstellte, darin lag nicht zum wenigsten das Geheimnis seiner Erfolge. Indem er den Kampf gegen Heinrich IV. mit allen Mitteln fortzusetzen gedachte, suchte er geschickter als Gregor feste Verbindungen mit weltlichen Bundesgenossen und vertraute nicht mit Unrecht darauf, daß bei dem allgemeinen Anschwellen des religiösen Eifers in Klerus und Laienschaft allein schon die unbestrittene kirchliche Autorität genügen würde, um den Papst über alle weltlichen Mächte hinweg an die Spitze Europas zu stellen. Bei alledem muß man sich vergegenwärtigen, aus welch trostloser Lage sich Urban emporzuarbeiten hatte. Die ersten Jahre verbrachte er noch überwiegend bei den Normannen im süditalischen Exil; erst 1093 gelang es, die Stadt Rom mit Ausnahme der Engelsburg endgültig den Anhängern des Gegenpapstes zu entreißen, der vom Sitze Petri aus seine Obödienz nicht nur im kaiserlichen Machtbereich, sondern über weite Teile der Christenheit
HEINRICH IV. AUF DER HÖHE
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hatte ausdehnen können, in Serbien und Ungarn, ja sogar in England Anerkennung gefunden hatte. Auch in Deutschland hatte Heinrich, als er im Schmucke der Kaiserkrone dorthin zurückkehrte, seine Sache erheblich stärken können, so daß er um 1090 den Höhepunkt seiner Erfolge erreichte. Die ruhebedürftigen Massen hatte er 1085 in Mainz durch Verkündigung des Gottesfriedens für das ganze Reich gewonnen, den sächsischen Block seiner Feinde im gleichen fahre durch Anerkennung ihrer Rechte gespalten und nach neuem Aufruhr den Bürgerkrieg hier 1088 dank der allgemeinen Ermüdung im wesentlichen zum Abschluß gebracht. Der schwache Gegenkönig Hermann von Salm mußte sich in seine lothringische Heimat zurückziehen und kam dort bei Erstürmung einer Burg ums Leben, ohne Nachfolge zu finden, während Heinrich durch Krönung seines Sohnes Konrad den Thron seiner Dynastie sichern konnte. Wohl hatte er sich die politische Anerkennung so mancher Gegner, namentlich im Episkopate, nur dadurch erworben, daß er ihnen nicht auch die kirchliche Unterwerfung unter seinen Gegenpapst zumutete, und zeitweilig schien es fast, als ob sich durch Preisgabe Wiberts ein Ausgleich erreichen ließe. Immerhin war das kaiserliche Recht nicht nur diplomatisch und militärisch durchgefochten, sondern auch geistig durch begabte Publizisten, die wenigstens in Deutschland den gregorianischen mindestens ebenbürtig waren, eindrucksvoll begründet. Eben um 1090 Schloß ein Hersfelder Mönch sein „Buch über die Erhaltung der Kircheneinheit" ab, die reifste und überzeugendste Darlegung der Eigenständigkeit des Königtums neben der Papstkirche, der jede irdische Gewalt abgesprochen wird. Immerhin blieb das kirchliche Recht, dessen pseudoisidorische Weiterbildungen man ja nicht in der Falschheit ihres Untergrundes erkannte, schon weil es als göttlich galt und schriftlich festgestellt war, dem königlichen Gewohnheitsrechte in seiner mündlich-unsicheren Überlieferung für die damalige Menschheit letztlich stets überlegen. Konnte daher schon in Deutschland neben vornehmeren Publizisten von dem Range des Bischofs Gebhard von Konstanz ein so fanatischer Gregorianer wie Manegold von Lautenbach, der unter dem Einfluß naturrechtlicher Anschauungen ausführte, einen pflichtvergessenen Herrscher dürfe das Volk wie einen ungetreuen Schweinehirten davonjagen, breite Wirkungen üben, so hatten in Italien die Verfasser kanonistischer Sammlungen des neuen Kirchenrechts: Bischof Anselm II. von Lucca, Kardioal Deusdedit und Bischof Bonizo von Sutri, die auch als Publizisten für die Kirche wirkten, vollends ein begründetes Übergewicht über die Anwälte der kaiserlichen Sache, etwa den lebendig-leidenschaftlichen,
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URBANS ERFOLGE, ABFALL KONRADS
mit Wort und Tat für Heinrich IV. wirkenden Bischof Benzo von Alba. Noch setzten alle diese Publizisten der ersten Generation des Investiturstreites Recht gegen Recht; in leidenschaftlichem Parteikampf waren sie noch nicht fähig, durch Abstraktion und logische Zergliederung der Investiturvorgänge nach einem versöhnenden Auswege zu suchen. Bibelstellen und Bilder dienten zumeist als Beweise. Aber die Notwendigkeit, zwischen widersprechenden Quellenbelegen selbständig Stellung zu nehmen, erschütterte den blinden Autoritätsglauben und schärfte die Urteilskraft. Manche jener Schriften verrieten doch bereits Spuren der befreienden Wirkung, die das gewaltige Ringen wie jeder frische Kampf der Geister ausübte. Wenn Urban in der ersten Hälfte der neunziger Jahre des Kaisers Machtstellung in Deutschland erneut zu bedrohen, sie in Italien gar zu erschüttern vermochte, so verdankte er das freilich nicht allein und nicht zumeist den Waffen dieses offenen Geisterkampfes, sondern den heimlichen Gängen einer ebenso geschickten wie bedenkenlosen Diplomatie, die den zähen Salier an den verwundbarsten Stellen zu treffen wußte. Zunächst war es ihm gelungen, durch die rein politische Eheschließung der damals (1089) bereits dreiundvierzigjährigen Gräfin Mathilde von Tuszien mit dem siebzehnjährigen Sohne des bairischen Herzogs Weif IV. die Beziehungen zwischen den italischen und deutschen Gegnern Heinrichs fester zu knüpfen. Erbschaftshoffnung auf der einen, kirchlicher Opfersinn auf der andern Seite hatten die unnatürliche Verbindung, die nicht von Dauer sein konnte, ermöglicht. Einstweilen aber war sie gefährlich genug, um Heinrich zu erneutem Angriff nach Italien zu treiben. Wenn dort nach glücklichen Anfangserfolgen seit 1092 die kaiserlichen Unternehmungen ins Stocken gerieten, so läßt sich dies plötzliche Versagen Heinrichs nur dadurch erklären, daß man es mit der ersten Kunde von der Gegenmine zusammenbringt, die von seinen Gegnern inzwischen bis in den Schoß seiner Familie hinein gegraben war. Konnte man einen Herrscher, der für das ungeschmälerte Recht seiner Dynastie kämpfte, vernichtender treffen, als dadurch, daß man seinen Sohn und Nachfolger ins Feindeslager hinüberzog? Ebendies war den Einwirkungen der Gräfin Mathilde auf den für kirchliche Antriebe leicht zugänglichen, noch nicht zwanzigjährigen Konrad tatsächlich gelungen. Im Frühjahr 1093 sagte er sich offen von seinem Vater los und ließ sich in Mailand zum König der Lombarden krönen. Unter dem Aushängeschild seines Namens sollte also Norditalien, bisher die sicherste Grundlage von Heinrichs Machtstellung und unentbehrliche Brücke nach dem Süden, vom Reiche losgerissen werden. In der Tat gelang es, einen Teil des kaiserlichen Heeres zu Konrad hinüber-
VERLEUMDUNGEN GBGEN HEINRICH IV.
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zuziehen und der Patariabewegung neuen Aufschwung zu geben. Ein erster feindlicher Lombardenbund schnitt in engster Fühlung mit Weif und Mathilde dem Kaiser die letzten Alpenverbindungen mit Deutschland ab und sperrte ihm jeden Truppennachschub. Später trat Konrad, wenn auch nicht formell als Vasall, so doch in ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis zum Papste, der ihm bei entsprechenden Zugeständnissen in der Investiturfrage Aussicht auf die Kaiserkrone machte und seine Stellung durch Vermählung mit einer Tochter des mächtigen und reichen Normannengrafen Roger I. von Sizilien und Kalabrien zu festigen wußte. Das Ziel, dem Gregor so lange vergeblich nachgestrebt hatte, die Beugung des salischen Herrscherhauses unter die Hoheit des Papstes, schien Urban so durch eine Hintertür mit einem Schlage erreicht zu haben. Auch das eheliche Zerwürfnis des Kaisers mit seiner zweiten Gemahlin Praxedis, einer Tochter des russischen Großfürsten von Kiew, scheute man sich nicht gegen ihn auszubeuten. Wegen Ehebruchs gefangengehalten, entkam Praxedis mit Hilfe der Päpstlichen und stellte sich ihnen mit den widerlichsten Anklagen gegen ihren Gemahl zur Verfügung, zuerst auf einer Konstanzer Synode, dann auf dem unter Urbans Leitung tagenden Konzil von Piacenza (1095), das die Beschuldigungen ohne Untersuchung als gerecht anerkannte. So wälzte sich, von der Kurie gelenkt oder doch genutzt, eine Flut von Verrat, Schmutz und Verleumdungen gegen den Kaiser heran und drohte seinen Namen zu begraben. Man begreift, daß er eine Weile in Ermattung die Waffe sinken ließ, daß er sie in einem Augenblick völliger Verzweiflung sogar gegen sich selbst gerichtet haben soll. Auch wenn diese Erschlaffung nicht von Dauer gewesen ist, so wirkte doch die militärische Absperrung in einem Winkel des östlichen Oberitaliens lähmend auch auf sein politisches Handeln und Schloß ihn auf vier Jahre von jeder ernstlichen Mitwirkung an den großen Weltereignissen aus. Wie aus einem Kerkerfenster heraus mußte er in der Ferne ihren Strom vorbeiziehen sehen, der ihn nicht nur der Herrschaft über Italien beraubte, sondern auch das Kaisertum in einer gewaltigen, das ganze Abendland ergreifenden Bewegung von der Oberleitung der allgemeineuropäischen christlichen Angelegenheiten herabstürzte, die es vordem in seiner halbpriesterlichen Würde ausgeübt oder doch beansprucht hatte. Wie hatten doch für Urban Glück und Verdienst zusammengewirkt, um in wenigen Jahren das Gesicht des Abendlandes zu seinen Gunsten zu wandeln! Hatte der Investiturstreit sich vornehmlich gegen germanische Rechtsauffassungen gewandt, so konnte trotz aller Anerkennung das Re-
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GERMANISCHE UND ROMANISCHE WELT
formpapsttum seinen Hauptstützpunkt natürlich nicht in den germanischen Ländern finden. War doch selbst bei den langjährigen sächsischen Verbündeten des Papsttums von kirchlicher Reform herzlich wenig zu spüren! Ebenso waren die skandinavischen Länder kaum von ihr berührt, wenn auch die zunehmende Ablösung der nordischen Kirche von Hamburg-Bremen, die etwas später in der Gründung des Erzbistums Lund (1104) ihren sichtbaren Ausdruck fand, für die Kurie nicht ohne Zukunftsverheißung war. In dem halbgermanischen England war die Kirche zwar durch die normannische Besitznahme dem festländisch-römischen Organismus eingefügt. Jedoch die schon durch die landesherrlichen Ansprüche Wilhelms des Eroberers hervortretenden Schwierigkeiten wurden unter seinem unkirchlicheren und härter zugreifenden Sohne Wilhelm II. Rufus (1087— 1100), der seinem älteren Bruder Herzog Robert Curthose zwar die Normandie hatte überlassen müssen, aber selbst Nachfolger im englischen Königreich geworden war und dessen Grenzen gegen Schottland und Wales erfolgreich vorschob, noch gesteigert. Namentlich die kraft königlichen Regalienrechtes verfügte Einziehung der kirchlichen Einkünfte während ausgedehnter Vakanzen von Bistümern erregte Anstoß bei den Reformern. Auch das Erzbistum Canterbury war nach Lanfranks Tode (1089) kräftig ausgebeutet und erst 1093 neubesetzt worden, wieder mit einem Lombarden: Anselm von Aosta, der vorher Abt des Klosters Bec in der Normandie gewesen war. Dieser freilich, der die Preisgabe des Gegenpapstes Klemens III. zur Bedingung machte und durch Rückforderung des entfremdeten Kirchengutes mit dem König in erbitterten Streit geriet, wurde 1097 in Rom zum überzeugten Anhänger Urbans und der Reformgebote, die 1095 in Clermont den Geistlichen auch den Lehnseid Laien gegenüber untersagten. Stand er mit solchen Anschauungen auch noch vereinzelt unter den englischen Bischöfen und war er vorderhand zur Verbannung im Ausland gezwungen, so war dieser hochbegabte und charaktervolle Prälat, auf dessen bahnbrechende theologisch-philosophische Leistungen zurückzukommen sein wird, für Papsttum und Gesamtkirche doch von unschätzbarer Zukunftsbedeutung. Als der eigentliche Bereich päpstlicher Geisterbeherrschung aber erwuchs immer mehr die romanische Welt, die sich um das westliche Mittelmeerbecken dehnte. Mit dem französischen König Philipp geriet Urban freilich nach einigen Jahren der Annäherung in verschärften Zwist, als dieser mit Bertrada, der Gattin des Grafen Fulco von Anjou, eine ehebrecherische Verbindung knüpfte, die von einem seiner Bischöfe sanktioniert wurde. Gegenüber solchem Eingriff in sein Privatleben hat Philipp zwölf Jahre hindurch
SPANIEN
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den Bannsprüchen der Kirche getrotzt. Aber der König war im damaligen Frankreich ja nicht die ausschlaggebende Macht. Die großen Ereignisse sollten bald genug zeigen, wie sehr sich Urban auf die Masse seiner Landsleute, seien es Mönche, Weltgeistliche oder Laien, verlassen konnte. In Spanien führte der Papst das von seinen Vorgängern Begonnene mit bedeutenden Erfolgen weiter. Die große Offensive der auf päpstlichen Antrieb von zahlreichen französischen Rittern im Glaubenskampf unterstützten kastilianischen Macht unter Alfons VI. (1073-1109) war noch am Todestage Gregors VII. durch die Einnahme der alten Metropole Toledo gekrönt worden (1085). Darauf erfolgte allerdings schon im nächsten Jahre ein Gegenschlag der mit frischen Berberscharen aus Afrika hinübersetzenden Almoraviden und lange Fortdauer heftig hin und her schwankender Kämpfe. Es war die Zeit des noch nach Jahrhunderten als Cid Campeador in Romanzen gefeierten Ruy Diaz del Vivar ("|" 1099), der freilich auch den Königen gegenüber stolz und eigenwillig seine besonderen Wege ging und dabei eine gelegentliche Verbindung mit den Ungläubigen nicht verschmähte. In weitem Bogen von Lissabon bis Saragossa legte sich die Kampfzone um die vorgeschobene kastilianische Mitte herum. Im Nordosten dauerte es noch lange, bis die Mauren endgültig über den Ebro zurückgetrieben waren. In den für das Christentum zurückgewonnenen Gebieten hat Urban mit Klugheit und Festigkeit die alten bischöflichen Organisationen, allen voran das Erzbistum Toledo, hergestellt, strittige Rechte und Grenzen geordnet, das Klosterwesen gefestigt und ganz von Rom abhängig gemacht. Wie hoch hier das päpstliche Ansehen gestiegen war, wie entscheidend es in allen wichtigeren und nicht allein kirchlichen Dingen in die Waagschale fiel, ergibt sich genugsam aus den beiden Tatsachen, daß König Sancho Ramirez 1089 die schon 1068 vorbereitete Übergabe seines Reiches Aragonien an den Papst als förmliches zinstragendes Lehen vollendete, und im folgenden Jahre auch Graf Raimund Berengar II. von Barcelona sein Erbland mit dem zu erneuernden Erzbischofssitz Tarragona und mit regelmäßiger Zinszahlung dem römischen Stuhl übereignete. Reichsitalien stand mit dem wiedergewonnenen Rom, den mathildischen Besitzungen in Tuszien und der Poebene, dem Lombardenbund König Konrads bis auf geringe Reste unter päpstlichem Einfluß. Die Seeunternehmungen der Pisaner und Genuesen hatten die Inseln Sardinien und Korsika, über die das Papsttum auf Grund der Konstantinischen Schenkung die Hoheit beanspruchte, den Sarazenen entwunden und sich wiederholt schon gegen die Küste Nordafrikas gerichtet. Von der höchsten Wichtigkeit für das Papsttum
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REICHSrTALIEN, SIZILIEN
und das gesamte Abendland waren die Fortschritte der Normannen in Süditalien und Sizilien. In Robert Guiscard hatte die Kurie einen bedeutenden, aber auch unbequemen und unzuverlässigen Lehnsmann verloren. Sein Sohn Roger Borsa konnte die Führerstellung nur formell behaupten; tatsächlich lief ihm sein Oheim Graf Roger I. (f 1101) den Rang ab. Dieser war es, der die Unterwerfung Siziliens in dem auch nach der Einnahme von Palermo meist nur mit wenigen Hunderten normannischer Ritter gegen die Sarazenenreste geführten Kleinkrieg bis 1090 vollendete. Seine Macht wirkte dann über Kalabrien hinaus auf das Festland hinüber, wo neben Neapel auch Amalfi unter seine Herrschaft kam und seine Bedeutung rasch einbüßte. Für die Papstkirche war es von höchstem Wert, daß hier in so geringer Entfernung von Rom ihr Geltungsbereich sich ausdehnte, auf dem Festlande die römische Obödienz an Stelle der griechischen trat, auf der sizilischen Insel die kirchliche Organisation im Zusammenwirken Rogers mit der Kurie neu geschaffen wurde. Urban wußte wohl, daß ein solches Werk nur von einer starken Hand ausgeführt werden konnte, und war daher bereit, dem Normannenfürsten im landeskirchlichen Sinne Zugeständnisse zu machen, die an die Rechte Wilhelms des Eroberers in England und Normandie erinnerten. In dem berühmten Privileg, das er ihm unter dem 5. Juli 1098 verlieh, wurde Roger die Stellung eines ständigen Legaten der Kurie zuerkannt, mit der besonderen Befugnis, daß andere Legaten nur mit seiner Zustimmung sein Gebiet betreten und daß Bischöfe und Äbte Siziliens nicht ohne seine Erlaubnis an römischen Synoden teilnehmen durften. Die Lage Siziliens im Zentrum des Mittelmeers Schloß zugleich dessen westliches Becken ab und öffnete das Tor nach dem Osten. Urban selbst dürfte während seines normannischen Exils über die Verhältnisse des Orients genau unterrichtet worden sein. Wiederholt hatte er dort byzantinische Gesandtschaften empfangen. Wenn nun im westlichen Mittelmeerbecken allenthalben die alte Obödienz des römischen Stuhls hergestellt wurde, warum nicht auch im Osten? Die trotz des Bruches von 1054 immer wieder erstrebte Union mit der griechisch-orientalischen Kirche konnte gegenüber Konstantinopel durch freundliche oder feindliche Beziehungen erreicht werden. Gregor hatte zuerst mit seinem großen Orientplan das eine, darauf durch Unterstützung des Guiscardschen Angriffes das andere versucht. Spielten doch die Normannen für das Abendland gewissermaßen die Rolle der brutalkriegslustigen, aber zugleich mit dem rechtgläubigen Kalifat von Bagdad verbundenen Seldschuken, indem sie Europa von Palermo und Island bis Kiew mit einem neuen Geist unternehmungsfreudiger Offensive erfüllten.
BYZANZ, DAS HEILIGE GRAB
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Als nach Guiscards Tode seine Nachfolger auf dessen Balkanpolitik einstweilen verzichteten, knüpften sich wieder freundlichere Beziehungen zwischen der Kurie und dem Kaiser Alexios I. Urban war es, der, um Wiberts Einfluß in Konstantinopel zu verdrängen, erneute Unionsverhandlungen einleitete, die der Kaiser in Hoffnung auf militärische Unterstützung freundlich autnahm. Alexios gehört zweifellos zu jenen Rettern, die dem überalterten, rings von Gefahren bedrängten byzantinischen Staatswesen von Zeit zu Zeit immer wieder durch seine unstarre, Usurpationen ermöglichende Thronfolge erwachsen sind. Das auf den engen Umkreis bis Adrianopel zusammengeschrumpfte Reichsgebiet hat er mit sehr schwachen Mitteln, die einen vorläufigen Verzichtfrieden mit den Seldschuken Kleinasiens (1081) nötig gemacht hatten, in Thrakien und Makedonien gefestigt, über Bulgarien erhoben, gegen Petschenegen und Kumanen verteidigt. Seit 1092 hatte er endlich die Hände frei zu erneutem Vorstoß gegen Kleinasien. Aber wie das kaiserliche Heer sich schon lange aus fremden Mietvölkern nach spätantiker Föderatenart zusammensetzte, so hatte man nicht nur die venezianische Flottenhilfe durch Gewährung von Handelsvorteilen erkauft, sondern auch abendländische Soldtruppen, beispielsweise aus Flandern, in Dienst gestellt. An Weiteres scheint auch Alexios nicht gedacht zu haben, als er 1095 auf dem Konzil zu Piacenza durch Gesandte die Hilfe des Papstes erbitten ließ. Urbans Zusage wollte gewiß über Derartiges hinausgehen, aber seine Gedanken mochten sich zunächst noch in den Bahnen von Gregors kriegerischem Unionsplan bewegen. Erst als er den Boden Südfrankreichs erreicht hatte und sich dort in Kreisen bewegte, die von kirchlichem Eifer, ungestümem Abenteuerdrang und kriegerischem, bereits in Spanien bewährtem Glaubensmute erfüllt waren, wandte sich sein beweglicher Geist ganz jenem fernen Ziele zu, das für Gregor erst flüchtig aufgetaucht, aber allein imstande war, die Volksmassen in Bewegung zu setzen: der Befreiung des Heiligen Grabes. Mit dem Anschwellen des kirchlichen Eifers waren im Laufe des 11. Jahrhunderts die Pilgerfahrten nach Palästina immer zahlreicher geworden, zumal da jetzt der Landweg durch das christliche Ungarn möglich war. Alle Nationen hatten daran Anteil. Wenn ein solcher Pilgerzug wie der deutsche unter Bischof Günther von Bamberg bereits eine Menge zusammenfaßte, deren Kopfzahl auf mehr als zwölftausend geschätzt wurde, konnte man schon fast von einem friedlichen Kreuzzuge sprechen, und es ging nicht ohne ernste Fährlichkeiten ab, so daß nur etwa ein Drittel der Pilger die Heimat wiedersah.
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GOTT WILL ES
Da der Islam im Gegensatz zum abendländischen Katholizismus den Weg vom fanatischen Glaubenskampf zur milderen Duldung abweichender Kulte durchmessen hatte, so war, von zeitweiligen Störungen abgesehen, die Behandlung der christlichen Pilger an den heiligen Stätten durchaus erträglich gewesen. Erst seit der endgültigen Einnahme Jerusalems durch die rohen Seldschuken (1078) lastete ein harter Druck auf der nichtmuselmännischen Bevölkerung, und die Klagen der Pilger über Ausbeutung und Drangsalierung erregten im Abendlande Entrüstung. Wenn man den allgemein verbreiteten Glaubenseifer jetzt auf die Befreiung Palästinas richtete, so ließen sich jene überquellenden kriegerischen Gelüste der christlichen Ritterschaft, die durch kein Gottesfriedensgebot wirklich zu bändigen waren, auf ein höchstes Ziel ablenken und zugleich im Dienste der Kirche vereinigen. Denn jene Zurückwendung des Ostens zur römischen Obödienz konnte ja auch statt bei Konstantinopel bei den orientalischen Patriarchaten Jerusalem und Antiochia einsetzen. Die schwächenden Spaltungen, die dort die islamische Welt nicht nur durch die Feindschaft der beiden Kalifate von Bagdad und Kairo, sondern seit dem Tode des türkischen Sultans Melikschah (1092) auch durch Auflösung des Seldschukenreiches in eine Reihe von Einzelherrschaften zerklüfteten, ließen einen Angriff der unter Leitung des Papstes geeinten Christenheit aussichtsvoll erscheinen. Und darüber hinaus: das von Gregor erstrebte Ziel des obersten päpstlichen Weltregiments schien so auf anderem Wege mit einem Schlage erreicht zu werden, wenn sich Urban, während die großen Herrscher Europas, der Kaiser und die Könige von Frankreich und England, im Kirchenbanne abseits standen, unmittelbar an die Spitze ihrer kriegstüchtigen Untertanen stellte und damit zum tatsächlichen Oberherrn des Abendlandes machte. Aus solchen Erwägungen heraus richtete der Papst im Anschluß an das Konzil von Clermont-Ferrand am 27. November 1095 auf freiem Platze an eine größere Menge seinen berühmten Aufruf, der helle Begeisterung entzündete. Vielleicht hat er selbst darin das Wort „Gott will es" gesprochen, das von der Masse jubelnd aufgenommen und zur siegverheißenden Losung gemacht wurde. Einer der ersten Kreuznehmer, Adhemar von Monteil, der ehrwürdige Bischof von Puy, wurde von Urban, der persönlich Europa nicht glaubte verlassen zu dürfen, als Legat zum geistlichen Führer der Fahrt bestimmt. Noch in Clermont gewann das Unternehmen auch einen starken weltlichen Rückhalt durch die Teilnahme Raimunds von St. Gilles, des frommen, reichen und mächtigen Grafen von Toulouse und Provence. Die Verkündigung des Gottesfriedens, des bischöflichen Schutzes für die Güter
VIER KREUZFAHRERHEERE
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der Kreuzfahrer, der Sündenvergebung fur die vor dem Feinde Gefallenen förderte die Werbung, die Urban weiterhin schriftlich und mündlich in größtem Stile betrieb, unterstütz von andern Kreuzpredigern, wie dem Eremiten Peter von Amiens, dem eine spätere Legende die Urheberschaft des Kreuzzugsgedankens zugeschrieben hat. Daß freilich die Bewegung so lawinenartig anschwellen, daß sie so tief hinab auch in die unteren Bevölkerungsschichten dringen würde, wie es nunmehr geschah, hat er schwerlich selbst erwartet. Es war die erste und gewaltigste Massenströmung des Mittelalters, trotz mancher mitwirkenden Nebenantriebe, wie Abenteuersinn, Beütegier, Handelsinteressen, soziale Hoffnungen und apokalyptische Phantastik, doch die großartigste Kundgebung der Wucht, mit der die kirchlich-christliche Weltanschauung die Gemüter der Allgemeinheit beherrschte. Bei solcher Ausdehnung konnte an einen einheitlichen Heereszug von einem Punkte West- oder Mitteleuropas aus nicht gedacht werden. In Konstantinopel sollten sich die verschiedenen Züge, die zunächst vornehmlich von Frankreich, Lothringen und Italien, dann auch von andern Ländern Europas ausgingen, sammeln. Gott selbst, so glaubte man, werde diese Kreuzfahrt zu gutem Ende fiühren. Die Anfänge entsprachen solcher Zuversicht keineswegs. Ungeordnete und mangelhaft ausgerüstete Volksmassen von vielen Tausenden wälzten sich unter Führern wie dem Eremiten Peter, dem deutschen Priester Gottschalk und einzelnen französischen und deutschen Rittern durch die Rheinlande und Süddeutschland, teilweise unter entsetzlichen Niedermetzelungen und Ausplünderungen der Juden als der zunächst erreichbaren Feinde Christi. In Ungarn und Bulgarien gerieten sie begreiflicherweise in die größten Ernährungsschwierigkeiten, riefen durch Raub und Gewalttaten die Gegenwehr der Landesbewohner wach und erreichten schließlich nur in geringen Resten Konstantinopel. Von da aus haben sie in Zuchtlosigkeit und Ungehorsam in Kleinasien gegen den ausdrücklichen Befehl Peters, der sich dann von ihnen abwandte, die Seldschuken angegriffen und sind nahezu gänzlich von ihnen vernichtet worden. Ohne irgend zu nützen, haben diese planlosen Unternehmungen der Massenbegeisterung den seit August 1096 nachfolgenden Hauptzügen der organisierten Ritterheere nur Mißtrauen erweckt und Hindernisse bereiter. Diese, besser geführt, geordnet und ausgerüstet, schieden sich nach ihrer Herkunft in vier Hauptgruppen. Gottfried von Bouillon, der als Herzog von Niederlothringen kaiserlicher Lehnsmann war, von seinem Bruder Balduin wohl an Umsicht und Tatkraft übertroffen, aber als hochwertiger
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FÜRSTLICHE ABENTEURER
Charakter, der die Flamme der ersten religiösen Begeisterung stets rein zu erhalten wußte, allgemein geschätzt, führte die lothringisch-flämische Gruppe und nahm den Weg durch Deutschland und Ungarn nach Konstantinopel. Die vornehmsten Persönlichkeiten standen an der Spitze der Nordfranzosen: Hugo von Vermandois, der Bruder des französischen, Stefan von Blois, der Schwager des englischen Königs, Robert von der Normandie, der, um die Mittel zum Zuge flüssig zu machen, sein Herzogtum dem königlichen Bruder in England fur zehntausend Mark Silber verpfändete und dadurch wichtige Wandlungen anbahnen sollte. Indem diese Gruppe den Seeweg von Bari aus wählte, verband sie sich mit der dritten südnormannischen Schar, die an Zahl und Mitteln wohl die schwächste, durch Fähigkeit, Erfahrung und Kühnheit ihrer Führer die einflußreichste war. Nicht die herrschenden Fürsten stellten sich hier wie überall an die Spitze des Unternehmens, sondern der von seinem jüngeren Stiefbruder aus der Nachfolge des Vaters verdrängte Bohemund von Tarent aus einer für nichtig erklärten Ehe Guiscards und mit ihm sein Neffe Tankred. Bohemund, von den griechenfeindlichen Feldzügen Guiscards her voll Erfahrung in den Verhältnissen des Ostens, von überlegener, rücksichtsloser Tatkraft, Zielsicherheit, Diplomatie und Verstellungskunst, aber ohne den Ansporn religiöser Begeisterung, von vornherein nur darauf bedacht, den Herrschaftsbereich, der ihm in Süditalien entgangen war, in einem Fürstentum des Orients zu gewinnen; Tankred so recht der Inbegriff des abenteuernden, über alle Hindernisse meist auf eigenen Sonderwegen hinwegstürmenden, ruhmsüchtigen, zugleich von edlen und habgierigen Antrieben geleiteten, baldzartfühlenden, bald brutalen Ritters, wie er nun bis über die Tage Richards Löwenherz hinaus vorzugsweise auf dem Boden des Orients so oft begegnet. Endlich die vierte Gruppe der Südfranzosen, von denen die Bewegung ihren Ausgang genommen hatte, von dem päpstlichen Legaten Adhemar begleitet, angeführt aber von dem schon bejahrten Grafen von Toulouse Raimund IV. von St. Gilles, der, sicherlich von starken religiösen Antrieben mit mystischem Einschlag erfüllt, so weit die Brücken im Abendlande hinter sich abgebrochen hatte, daß er im Orient auch wie sein Gegner Bohemund an den Erwerb eines eigenen Fürstentums denken mußte — mehr an Macht und Mitteln als durch geistige Bedeutung über die andern Führer emporgehoben. Er nahm mit seinen Provenzalen den Weg durch Slawonien und Dalmatien auf Konstantinopel. Es verlohnt nicht, die mancherlei Hemmnisse zu schildern, die alle diese Gruppen mehr oder weniger schon auf dem Anmarsch zu überwinden hatten;
VERHANDLUNGEN IN BYZANZ
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genug, daß sie im wesentlichen trotzdem unversehrt, aber einzeln nacheinander in der griechischen Hauptstadt eintrafen. Kaiser Alexios sah seine Bitte in einem Umfang erfüllt, an den er nicht im Traume gedacht hatte. Statt einiger tausend Söldner, die unter seinem Befehl das griechische Heer verstärkt hätten, diese unermeßlichen Scharen, die dem feingebildeten Herrscher und seiner klugen, an den Schriften des Piaton und Aristoteles geschulten Tochter Anna Komnena, der bedeutendsten Chronistin seiner Taten, in ihrer fremdartigen, unentwickelten Bildung, ihrem seltsamen religiösen Uberschwang, ihrem zuchtlos-überheblichen Auftreten wie rohe Barbarenhorden vorkamen, unter ihnen offenkundige Reichsfeinde wie Bohemund; kurzum bei der Schwäche der kriegerischen Machtmittel des Kaisers eine ungeheure Gefahr, die sich ein Jahrhundert später im vierten Kreuzzuge ja in der Tat verderbenbringend verwirklicht hat. Es bedurfte hoher diplomatischer Kunst und der altüberlieferten Organisationskraft, um sie abzuwenden und womöglich noch Vorteile für das Reich herauszuschlagen. Das Ziel war, eine übermächtige Vereinigung der Gruppen vor Konstantinopel zu verhindern, sie einzeln an das kleinasiatische Ufer abzuschieben, von den Führern aber, da sie sich anschickten, ehemals byzantinischen Reichsbesitz zu erobern, unter Lehnseid dessen Unterstellung unter die kaiserliche Oberhoheit zu verlangen. Als Gegenleistungen konnte Alexios seinen erfahrenen Rat, militärische Unterstützung und vor allem seine schlechthin unentbehrliche Mithilfe bei der Beschaffung des Unterhalts für solche Massen in Rechnung stellen. Die Verhandlungen sind nicht ohne gegenseitiges tiefes Mißtrauen, Reibereien und feindliche Zusammenstöße verlaufen. Schließlich hat jedoch der Kaiser seinen Willen im wesentlichen durchgesetzt. Unter den großen Führern hat nur Raimund von Toulouse sich von dem Lehnseide freigehalten, während Bohemund, der es zur Erwerbung der erstrebten Eigenherrschaft für klüger hielt, dem Kaiser zunächst eine freundliche Miene zu zeigen, den Eid von vornherein nur in hinterhältiger Absicht geleistet hat. Als das nun vereinigte Kreuzfahrerheer den Vormarsch in Kleinasien antrat und dort in der Tat den Byzantinern ihre Stellung durch Rückgewinnung eines so wichtigen Platzes wie Nicäa und durch Schwächung des Feindes in dem Siege von Doryläum über die türkische Streitmacht des Sultans Kilidsch Arslan von Ikonium (1097) wesentlich verbesserte, konnte Alexios befriedigt auf das Ergebnis seiner Diplomatie zurückblicken. Es hätte sich weiterhin noch zu größeren Erfolgen auswachsen können, wenn er nicht eine nur so kleine griechische Heerschar den Kreuzfahrern zur Begleitung und Besitz-
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ZUG DURCH KLEINASIEN, RINGEN UM ANTIOCHIA
nähme der eroberten Orte mitgegeben oder wenn er selbst später mit starker Macht in Armenien und Syrien eingegriffen hätte. Aber die kriegerische Kraft entsprach nicht dem diplomatischen Vermögen. Für den trotz aller Mühseligkeiten und Beschwerden doch erfolgreichen Weitermarsch der Kreuzfahrer durch die kleinasiatische Hochebene mit östlicher Umgehung des Taurus auf Syrien zu kam fördernd in Betracht, daß die Seldschuken, die einen Hauptschlag nicht mehr wagten, am Ende doch nur eine kriegerische Herrenschicht über einer breiteren christlichen Bevölkerung waren, die sich nach Befreiung sehnte. Von den Armeniern, die sich zum Teil selbständig erhalten hatten, war sogar eine tatkräftige Unterstützung zu erwarten. Dadurch und durch die Hilfe einer ersten Kreuzfahrerflotte aus dem Norden erklären sich die raschen Erfolge Tankreds und des lothringischen Balduin in Kilikien, dadurch Balduins leichte Festsetzung in dem fernen, noch unabhängigen Edessa, wo er die erste lateinische Herrschaft begründete und den weiteren Kreuzfahrereroberungen die östliche Flanke deckte, dadurch endlich der unbehinderte Vormarsch des Hauptheeres bis zu der durch Natur und Kunst gleich sehr geschützten Stadt Antiochia, dem Schlüssel Syriens. Auch däzulande gab es eine unterdrückte, teilweise christliche Bevölkerung, auf die man rechnen konnte. Günstig wirkte ferner die Spaltung des Islams in das fatimidische Kalifat Ägyptens, mit dem die Kreuzfahrer zunächst in freundliche Verhandlungen traten, und das Kalifat von Bagdad, zu dem das innerlich aufgelockerte Seldschukenreich sich bekannte. Gleichwohl bildete das achtmonatige Ringen um Antiochia den Höhepunkt des opferfreudigen Heroismus der Kreuzfahrer, deren Zahl durch Kampf, Seuche, Entbehrung und Desertion zusammenschrumpfte. Unmittelbar ehe das gewaltige Entsatzheer des Fürsten Kerboga von Mossul zur Stelle war, gelang es Bohemund, der den griechischen Truppenführer klug abgeschüttelt und zur Aufrichtung einer eigenen Herrschaft unter Verletzung des geleisteten Lehnseides die Zustimmung der Fürsten schlau erpreßt hatte, die durch Sturm uneinnehmbare Feste durch Verrat zu überrumpeln. Nun erst stieg die Not auf den Gipfel, als die von aller Zufuhr abgeschnittenen Sieger, von Alexios, der nach Einnahme kleinasiatischer Küstenstädte bereits bis Philomelium nachgerückt war, im Stich gelassen, in der verwüsteten Stadt zwischen dem belagernden Heere Kerbogas und der noch türkischen Zitadelle eingeschlossen wurden. In dieser verzweifelten Lage, in der Visionen der religiös Erregten zu grassieren begannen, wurde durch den vom päpstlichen Legaten selbst halb durchschauten frommen
EROBERUNG JERUSALEMS
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Zweckbetrug eines provenzalischen Bauern, der am Ende selbst an das Wunder glaubte und bei der Feuerprobe dafür seinen Tod fand, die heilige Lanze, die die Seite des Gekreuzigten berührt haben sollte, aufgefunden. Dies vornehmlich peitschte Mut und Zuversicht der Kreuzfahrer derart auf, daß sie dem an Zahl weit überlegenen, aber durch die unzufriedenen Emire auseinandergesprengten Heer Kerbogas eine vernichtende Niederlage beibrachten. Dem Weiterzuge nach Jerusalem schien nun kaum noch ein ernstliches Hindernis im Wege zu stehen. Jedoch die in der Not noch mühsam überbrückte Einigkeit der Führer, bei dem Mangel eines anerkannten Oberbefehls an sich schwer genug aufrecht zu erhalten, ging nun völlig in die Brüche. Graf Raimund bekämpfte Bohemunds Festsetzung in Antiochia, suchte aber bald fur sich eine ähnliche Herrschaft in Tripolis zu erlangen. Schon war man daran, die noch verbliebenen Kräfte derart in einer unnötigen Nebenunternehmung und langwierigen Belagerung zu verzetteln, als der unbeirrte Zieldrang der niederen Pilgermasse, die den Führern geradezu mit Unbotmäßigkeit drohte, den Weitermarsch zwischen Libanon und Seeküste auf Jerusalem erzwang. Da die heilige Stadt kürzlich von den ägyptischen Fatimiden den geschwächten Seldschuken abgenommen war, so wäre eine Verständigimg über den ungestörten Besuch der Wallfahrtsstätten leicht zu erreichen gewesen. Aber wie hätte ein derartiges Teilergebnis den glühenden Wünschen der Kreuzfahrer noch genügen können ? Ähnlich wie schon bei Antiochia durch eine genuesische Flottenabteilung von Jaffa aus unterstützt, bereitete man den Sturm vor und machte sich in der Tat am 15. Juli 1099 mit der leidenschaftlichsten Begeisterung und unter entsetzlicher Niedermetzelung der Ungläubigen, die den Tempel Salomons, wie es heißt, bis zur Kniehöhe der Reiter und zum Gebiß der Pferde mit Blut erfüllte, zum Herrn der Stadt. Das Ziel war erreicht. Jetzt galt es, das Gewonnene zu behaupten. Militärisch geschah es noch binnen Monatsfrist durch einen letzten großen Sieg über die Ägypter bei Askalon. Damit Schloß der eigentliche Kreuzzug ab. Das Gesamtheer löste sich auf; der größere Teil davon kehrte nach Erfüllung des Gelübdes heim. Für die in geringer Zahl Zurückbleibenden (im Gebiet von Jerusalem etwa zweihundert Ritter mit etwas zahlreicherem Fußvolk) begann nun erst die schwierige Aufgabe des Ausbaus und der Ordnung; denn zunächst war ja nur der Keim eines Staatswesens vorhanden. Der Kreuzzug war ein vom Papste ins Leben gerufenes göttliches Unternehmen gewesen. So wurde für ihn nicht nur der kirchliche Primat über die
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GEISTLICH-WELTLICHES KOLONIALREICH
für die römische Obödienz zurückgewonnenen Patriarchate von Jerusalem und Antiochia samt ihren vier Metropolen und ihren Suffraganbistümern neu errichtet, sondern auch die politische Oberhoheit über das gewonnene lateinische Kolonialgebiet beansprucht. Die von Byzanz, Damaskus und Kairo her stets gefahrdrohende Lage verlangte freilich auch nach einem weltlichen Führer. Aber Gottfried von Bouillon, der ob der Reinheit seiner Gesinnung dazu erwählt wurde, ließ sich nicht zum König krönen, sondern nannte sich ehrfurchtsvoll nur „Beschützer des heiligen Grabes", erklärte sich sogar zu dessen und des Patriarchen Lehnsträger. Nach seinem frühen Tode (1100), der für seinen Nachruhm nicht eben ungünstig war, ist freilich sein Bruder Balduin I., der mit seinen Rittern aus Edessa die jerusalemitanische Streitmacht verdoppelte, doch als König (1100-1118) zum eigentlichen Gründer der Monarchie geworden, die sich dann in beständigen Reibungen mit dem Patriarchate zu behaupten hatte. Auch sonst hatte sie keinen leichten Stand. Zunächst war überhaupt erst Zusammenhang in die zerstreuten Gebietsteile zu bringen, waren im Innern die Festen, vornehmlich aber an der Seeküste die Hafenplätze zu gewinnen. Ebendies wäre undenkbar gewesen ohne die starken Flotten der Pisaner, Venezianer und Genuesen, später auch der Marseiller und Katalanen, die nun nacheinander eintrafen und der geistlichen Kolonialgründung erst den wirtschaftlichen Rückhalt gaben. Sie haben bis auf das uneinnehmbare Askalon alle wichtigen Küstenstädte (zuletzt 1124 Tyrus) erobern helfen. Auch sie nicht völlig ohne religiöse Antriebe. Haben doch etwa die Genuesen als den ihnen zustehenden dritten Teil der Beute von Caesarea eine Schale aus grünem Glas (man hielt es für Smaragd) genommen, die dem König Salomon die Königin von Saba geschenkt haben sollte! Aber die Anknüpfung von Handelsbeziehungen mit der neuen Kolonie und dem weiteren Orient mußte für die emporstrebenden Seestädte, die sich ihre Hilfe in den Hafenplätzen allenthalben durch Einräumung von Quartieren und Warenhäusern, Markt- und Selbstverwaltungsrechten, Zoll- und Abgabenbefreiungen bezahlen ließen, von so großem Wert sein, daß sich dafür jegliche Anstrengung lohnte. So grundfalsch es ist, daß dies Handelsinteresse den Kern der Kreuzzugsbewegung ausgemacht habe, so zweifellos ist es, daß die lateinischen Erwerbungen nicht ohne die Seestädte zu halten gewesen wären. Sie allein konnten durch regelmäßige Transportfahrten jene aus ganz Europa, selbst aus Norwegen unter dessen König Sigurd (1110) zuströmenden Nachschübe neuer opferbereiter, abenteuerlustiger oder beutegieriger Pilgerscharen verbürgen, die durch ihr eigenwilliges Draufgängertum der könig-
RITTERORDEN
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lichen Diplomatie zwar oftmals höchst unbequem geworden sind, die aber unentbehrlich waren, um die gelichteten Reihen der Lateiner immer wieder aufzufüllen. Denn diese bildeten ja stets nur eine dünne Oberschicht über der werktätigen Masse der zumeist andersgläubigen syrischen und arabischen Bevölkerung, die in eine Art Pachtverhältnis zu .den grundbesitzenden Feudalherren überwiegend französischer Natonalität trat. Bei der „Haute Cour", dem obersten Lehnshofe dieser Seigneurs, lag tatsächlich die Summe der Regierung, denn das Feudalsystem Frankreichs wurde auf das Kolonjalland in fast noch gesteigerter Zuspitzung übertragen. Das Königtum von Jerusalem, das allerdings eine gewisse Bindung des Kronwahlrechtes an das regierende Haus erreichte, war in seiner Machtvollkommenheit äußerst beschränkt. Nur durch ein ganz lockeres Lehnsband waren ihm die drei selbständigen Fürstentümer fast mehr nebengeordnet als unterstellt: Antiochia, das nach Bohemunds Kämpfen mit Griechen und Türken, seiner Gefangenschaft, Befreiung, Heimreise, Wiederaufnahme des Balkankrieges, Niederlage und Tod (1111) schließlich doch seiner Familie verblieb; Tripolis, das nach dem Hinscheiden Raimunds von Toulouse von seinem Sohne Bertrand eingenommen und als selbständiges Fürstentum anerkannt wurde (1109); Edessa, auf das Balduin bei der Ubersiedlung nach Jerusalem hatte verzichten müssen. Auch in dem engeren Königreiche waren die kriegerischen Leistungen der Vasallen zwar ausgedehnter als im Abendlande, aber immerhin auf die Dauer eines Jahres beschränkt und außerhalb der Grenzen, etwa bei dem von Balduin I. noch zuletzt begonnenen Feldzug gegen Ägypten, überhaupt von ihrer Zustimmung abhängig. Eine Ergänzung der Truppenmacht durch Scharen eingeborener Söldner war nötig. In den neuen Ritterorden der Templer und Johanniter, die neben den mönchischen Gelübden der Armut, Demut und Keuschheit den ständigen Kampf gegen die Ungläubigen zur Pflicht erhoben, erwuchsen Organisationen zwar von hoher kriegerischer Leistungsfähigkeit, aber auch von weitgehender Selbständigkeit, die sich allein vom Papste abhängig fühlten und dem König späterhin mit äußerster Unbotmäßigkeit begegneten. In ihrer internationalen Zusammensetzung haben sie auf das Einheitsgefühl der adligen Schichten des damaligen Abendlandes starke Rückwirkung geübt. Ob es in dem mündlich fortgepflanzten Gewohnheitsrecht, wie es uns in den unter dem Sammelnamen „Assises de Jerusalem" zusammengefaßten juristischen Aufzeichnungen des 13. Jahrhunderts erhalten ist, auch einen Einschlag von königlichem Gesetzesrecht gegeben hat, ist nicht deutlich
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ABENDLÄNDISCHER AUSSENPOSTBN
erkennbar. So schwach nach alledem die Stellung des Königs war, so zeigten doch die ersten bedeutenderen Herrschergestalten, wieviel in jener Zeit der noch fortdauernden religiösen Begeisterung kräftige Persönlichkeiten an dieser Stelle vermochten. Angesichts der schon allein durch die mangelhafte geographische Gestaltung bedingten ungeheuren Schwierigkeiten, die nur durch die Zwistigkeiten im Islam gemindert wurden, blieb es immerhin eine ansehnliche Leistung, daß die Behauptung dieses abendländischen Außenpostens so lange Zeit gelungen ist.
FORTGANG UND ENDE DES INVESTITURSTREITS
Urban hat die zwei Wochen vor seinem Tode erfolgte Einnahme von Jerusalem nicht mehr erfahren. Auf einem Laterankonzil hatte er noch zuletzt das Verbot der Laieninvestitur und Mannschaftsleistung (homagium) für Bischöfe und Äbte bekräftigen lassen. Die Gunst der Lage im Reiche hatte sich für die Kurie nicht völlig erhalten. Die in Erbschaftserwartung eingegangene Ehe des jungen Weif mit Mathilde brach, als jene Hoffnung sich nicht erfüllte, auseinander. Heinrich IV. konnte sich mit dem weifischen Hause aussöhnen und nach Deutschland zurückkehren (1097). Italien mußte er freilich einstweilen als verloren betrachten, auch in Deutschland die gewachsene Bedeutung des Fürstentums durch mehrfache Zugeständnisse anerkennen. Indessen die Ruhe konnte doch allenthalben — durch Abfindung des zähringischen Gegenherzogs selbst in Schwaben — gesichert und die Dynastie nach Absetzung des abtrünnigen Konrad (j" 1101) durch Wahl und Krönung des zweiten Sohnes Heinrich, den die moralische Bindung eines Treueides von den Bahnen des älteren fernhalten sollte, neu gefestigt werden (1098/99). Auch der Papstwechsel brachte der Kurie erhebliche Einbuße. Wohl war Paschalis II. (1099—1118) als Cluniazensermönch in seiner ernstlichen Reformgesinnung durchaus unverdächtig; aber es zeigte sich bald, daß er eben nichts weiter als Mönch und in seiner Weltunerfahrenheit, seiner teils starrdoktrinären, teils ängstlich-schwankenden Natur den Aufgaben der hohen Kirchenpolitik nicht gewachsen war; Schwung, Gewandtheit und Folgerichtigkeit Urbans ließ er nur zu sehr vermissen. Jedoch er war eine typische Zeiterscheinung; denn die Epoche der harten gregorianischen Kirchenpolitik neigte sich ihrem Ende zu. Eben der religiöse Gefühlsüberschwang der Kreuzzugsbewegung hatte eine asketisch-pietistische Unterströmung verstärkt, der die zu Macht und Reichtum gelangte Cluniazenserkongregation und die in die staatliche Politik eingreifende Kurie als allzusehr verstrickt in die Weltlichkeit galten und nur eine völlige Loslösung von der Welt als die rechte Erhebung über sie erschien. Ein auf verschärfte Kasteiung, Armut, Weltflucht, Kontemplation und Gefühlsbetonung gerichtetes Mönchtum war der Ausdruck solchen Sehnens. Den Ausgangspunkt bildete vielfach von Italien her das jetzt neu organisierte Eremiten tum von Camaldoli und Vallombrosa. Gründer der Einsiedeleien der Chartreuse bei Grenoble (1084)
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PASCHALIS Π.
war ein Deutscher, der Kölner Kanoniker Bruno. Aber der Boden Frankreichs, auf dem auch dieser sich bewegt hatte, war die eigentliche Pflanzstätte der weiteren Mönchsorganisationen: des von der Auvergne ausgehenden Ordens von Grammont (1073), des in der Grafschaft Anjou von dem zu Armut und Buße mahnenden bretonischen Wanderprediger Robert von Arbrissel begründeten Ordens von Fontevrault (1096) und der an Bedeutung später alle andern übertreffenden Stiftimg des Abtes Robert von Molesme in dem burgundischen Citeaux (1098), an deren ganz Europa umspannendes Wachstum zunächst freilich nicht von ferne zu denken war. Denn es handelte sich hier zur Zeit Paschalis II. überall erst um vereinzelte Ansätze, noch nicht um beherrschende Strömungen. In diese Kreise gehörte im Grunde auch der Papst, dessen enge, auf das eigene Seelenheil bedachte Natur in den durch die Überlieferung festgelegten Gängen der kurialen Politik auf die Dauer versagen mußte. Einstweilen freilich fiel auf sein Pontifikat von den blendenden Erfolgen seines Vorgängers her solcher Glanz, daß die Aufwärtsbewegung des päpstlichen Ansehens noch fortzuschreiten schien und die kirchlichen Forderungen den Staatsgewalten gegenüber starr aufrechterhalten wurden. Dem kam die günstige Fügung zu Hilfe, daß der für die Behauptung Roms noch immer nicht ungefährliche Wibert im Jahre 1100 starb und die weiterhin von seinen Anhängern erhobenen Gegenpäpste nur ein Schattendasein führten. Für den Kaiser war dadurch ein Hindernis des persönlichen Ausgleichs beseitigt; indes der sachliche Gegensatz verhinderte, daß der Papst auf Heinrichs Anerbieten, nach vorheriger Bannlösung die Buße einer Kreuzfahrt auf sich zu nehmen, einging. Diese päpstliche Verwerfung bildete also nach wie vor für Heinrichs ohnehin geschwächte Zentralregierung, gegen die Kirche und Fürstentum ihre Linien vorgeschoben hatten, den wunden Punkt. Durch unbeirrte Rechtswahrung auch gegen eine so hohe Persönlichkeit wie den Erzbischof Ruthard von Mainz, dem er wegen seiner Haltung bei den letzten Judenverfolgungen den Prozeß machte, und durch Verkündigung des auf vier Jahre festgesetzten Mainzer Reichsfriedens (1103), dessen neue Strafrechtsbestimmungen auf Einschränkung der Adelsübergriffe, auf Schutz der friedlichen Erwerbstätigkeit und staatliche Eingliederung auch der untersten Schichten zielten, suchte Heinrich die soziale Basis des Königtums erfolgreich zu erweitern. Trotz der bestandenen Schicksalsstürme war er also noch kein gebrochener Mann und mit seinen Mitteln zur Wahrung der Kronrechte nicht am Ende. Allen gegenteiligen Behauptungen gegenüber ist auch schlechterdings nicht einzusehen, inwiefern sein Königtum
ABFALL VON HEINRICHS IV. ZWBTTBM SOHN
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trotz der überwiegenden kirchlichen Anerkennung des römischen Papstes und der Unzufriedenheit gewisser, in ihren Ubergriffen beschränkter Adelskreise damals vor einer Katastrophe gestanden haben sollte, wenn sich nicht unseligerweise die dynastische Spaltung, die ihn schon einmal an den Rand des Verderbens gebracht hatte, durch den Abfall auch seines zweiten Sohnes Heinrich wiederholt hätte. Dieser scharfblickende und kaltrechnende Jüngling, der, in Verhältnissen moralischer Zerrüttung aufgewachsen, frühzeitig Arglist und Selbstsucht in sich entwickelt hatte, beobachtete die Friedenspolitik seines Vaters, die ihm den kriegerischen Adel entfremdete, ohne die Versöhnung mit dem Papst zu bringen, nicht ohne die Besorgnis, ein neuer Zusammenschluß von Kirche und Fürstentum möchte dem Vater und zugleich auch ihm selbst die Krone kosten. Er machte daher den moralisch vermessenen, aber politisch durchdachten Versuch, als Feind seines Vaters ohne grundsätzliche Zugeständnisse die Sanktion des Papstes zu erlangen und so durch die Verbindung von Legitimität und Kirchlichkeit die Königsmacht für sich neu zu festigen. Wieweit dabei mit eigenen Wünschen Einflüsse päpstlicher Parteigänger oder unzufriedener Adliger zusammengewirkt haben, läßt sich nicht mehr ausmachen. Genug, daß der Sohn Ende 1104 vom Hofe entwich und sich an die Spitze bairischer Aufrührer stellte. Für den Kaiser war die Lage noch entsetzlicher als bei der Empörung Konrads; denn es ging jetzt um das deutsche Kernland, und es war nunmehr der einzige Sohn, dessen Zerschmetterung gleichbedeutend war mit der endgültigen Vernichtung der Dynastie. Indem Heinrich zögerte, die Hand zum Schlage zu erheben, ehe nicht alle Mittel der Umstimmung erschöpft waren, konnte der Sohn, den der Papst von der Sünde des Eidbruchs freisprach und förderte, die Empörung auch in das alte sächsische Aufstandsgebiet tragen und die Unterstützung aller derer gewinnen, die sich aus der für Diesseits und Jenseits unbehaglichen Lage der Unterordnung unter einen gebannten Kaiser zu befreien trachteten. Als endlich am Flüßchen Regen die Waffenentscheidung fallen sollte, hatte Verrat das kaiserliche Ansehen schon so weit unterhöhlt, daß sich das eigene Heer vor dem Kampfe auflöste. Nach dem Rhein zurückeilend, versuchte Heinrich vergeblich, wenigstens das salische Kronland zu sichern. Der Sohn kam ihm zuvor und berief nach Mainz einen Reichstag, der über die Thronfrage entscheiden sollte. Um den Vater, dessen Einfluß man noch immer fürchtete, von da fernzuhalten, wußte ihn der Sohn bei einer persönlichen Zusammenkunft in Koblenz mit beispielloser Überlistung noch einmal durch Aussöhnungshoffnungen zu ködern, seines Geleites zu berauben und endlich
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STURZ UND ENDE HEINRICHS IV.
in der Burg Böckelheim an der Nahe in Haft zu setzen. Dann erpreßte man von ihm unter Androhung ewiger Gefangenschaft die Auslieferung der Reichsinsignien und schließlich in Ingelheim eine scheinbar freiwillige Abdankungserklärung. Der Versuch des hartbedrängten Herrschers, in Wiederaufnahme der Canossataktik durch kirchliche Bußhandlungen von dem anwesenden päpstlichen Legaten die Absolution zu erzwingen, konnte nicht mehr zum Ziel führen. Man hatte auf der Gegenseite längst alles Vertrauen zu der Ehrlichkeit seiner Versprechungen verloren und sich auf die Sache des Sohnes eingestellt, an dem denn auch unter kirchlicher Sanktion sogleich die Krönung vollzogen wurde. Der Sturz des Kaisers, der die Gerechtsame des Reiches sein Leben lang mit solcher Zähigkeit verteidigt hatte und bei aller Bereitschaft zu persönlicher Demütigung an dem Vorbehalt „der Ehre des Königreichs, des Kaisertums und unserer gesamten Würde, wie sie unser Großvater, Vater und unsere andern Vorgänger gehabt haben", bis zuletzt unerschütterlich festhielt, war der Kurie so wichtig, daß sie Heinrich V. anerkannte, ohne von ihm in der Investiturfrage bindende Zusagen in der Tasche zu haben. Noch einmal zeigte dann der Kaiser seine seltene Kunst, eine anscheinend unrettbar verlorene Sache herzustellen, als er aus Ingelheim entkam, gegen den Sohn bei den Königen von Frankreich, England und Dänemark, den deutschen Fürsten und bei seinem Taufpaten, dem Abte Hugo von Cluny, von dessen Vermittlung er unter fortgesetzten Bußhandlungen die Absolution erhoffte, eine eindrucksvolle Agitation entfaltete, gleichzeitig aber in Niederlothringen seine Anhänger zu einer nicht ungefährlichen Truppenmacht zusammenraffte. Nur sein rascher Tod (1106) hat dem Reiche einen neuen Bürgerkrieg erspart und das Königtum des Sohnes, den auch der Vater noch sterbend anerkannte, gesichert. Sein Wunsch, im Speirer Dom, dessen Chor er gegen Unterspülungsgefahr hatte sichern und samt dem Querschiff in reicherem Schmucke hatte neu errichten lassen, beigesetzt zu werden, ist dem gebannten Toten nach unduldsamen Aussperrungen erst zuteil geworden, als auch sein Sohn in neuen, scharfen Kampf mit der Kurie geraten war. Denn mit dem Hinscheiden Heinrichs IV. war der Investiturstreit keineswegs beendet. Mochte Paschalis II. eine Weile hoffen, mit dem jungen Nachfolger in dieser schwebenden Frage leichter zum Ausgleich gelangen zu können, sie wohl gar persönlich in Mainz zur Entscheidung zu bringen oder aber in Rom mit dem Salier zu ordnen, so zeigte sich bald, daß jener mit dei Herrschaft des Vaters auch dessen Widerstand gegen eine Beeinträchtigung
Kaiser Friedrich I. Barbarossa und Bischof Albert Dom zu Freising, um 1200
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HEINRICH V.
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des überkommenen Kronrechtes geerbt hatte, daß er insonderheit an der Einsetzung der Bischöfe und ihrer Investitur mit den Regalien unbedingt festzuhalten gedachte und dabei auch den größten Teil des Episkopates hinter sich hatte. Nach einigen Jahren geflissentlicher Unklarheit oder hinhaltender Duldung traten die prinzipiellen Gegensätze wieder in voller Schärfe zutage: von Seiten des Papstes wiederholte starre Erneuerungen des Investiturverbotes, und zwar in weitester Ausdehnung auf das gesamte Kirchengut, also auch die vom Reiche stammenden Regalien und mit Untersagung der lehnseidlichen Bindung; von Seiten Heinrichs V. rücksichtslose Ausübung des überkommenen Gewohnheitsrechtes. Ohne daß man in fortgesetzten Verhandlungen der Verständigung nähergekommen wäre, brach der König 1110 mit der gesamten Streitmacht des geeinten Deutschlands zu der in Aussicht gestellten Kaiserkrönung nach Italien auf. Da ihm bei seinen noch immer nicht abgebrochenen Beziehungen zur Kurie kein nennenswerter Widerstand entgegentrat, wurde der Verlust des Landes fast mühelos wieder eingebracht. Die furchtbare Zwangslage, in die sich der Papst angesichts der gewaltigen Kriegsmacht versetzt sah, mehr aber noch Geistesrichtung und Charakter Paschalis II. erklären den merkwürdigen, radikalen Lösungsversuch vom Februar 1111. Mehr erfüllt von dem mönchischen Ideal einer Entweltlichung der Kirche als von gregorianischen Herrschaftsgedanken, glaubte der Papst beiden Teilen zu ihrem Heil verhelfen zu können, wenn er die Rückgabe aller Besitzungen und Rechte verfügte, die der Kirche seit den Tagen Karls des Großen von der Reichsgewalt übertragen waren, und ihren Unterhalt künftighin auf den Genuß der Zehnten und Privatschenkungen beschränkte. Dafür sollte der Kaiser die kanonische Wahl völlig freigeben und auf die Investitur verzichten, deren Wert für ihn ja nicht zum wenigsten darin bestand, daß sie sein Obereigentumsrecht an jenen Regalien verbürgte. Wirklich ist eine derartige Abmachung damals auf päpstlichen Vorschlag zwischen Paschalis und Heinrich V. zustande gekommen und in zwei Urkunden niedergelegt worden. Nach Verkündigung dieser Aktenstücke in der Peterskirche sollte die Kaiserkrönung vollzogen werden. Der Vertrag suchte einen Idealzustand in die Wirklichkeit herabzuzwingen und war mehr ein Erzeugnis der Logik als der Politik. Der gutgläubige Papst übersah zwar nicht völlig die Schwierigkeiten der Durchführung, denn er verpflichtete sich, die widerstrebenden Prälaten nötigenfalls durch Bann zum Gehorsam zu zwingen, aber von der elementaren Wucht des Widerstandes der gesamten gregorianischen Partei machte er sich nicht entfernt
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ZUGESTÄNDNISSE DES GEFANGENEN PAPSTES
richtige Vorstellungen. Der nüchterne Realpolitiker Heinrich V. dagegen war schwerlich in solcher Täuschung befangen. Nicht allein von Seiten der kirchlich Extremen, sondern auch von den eigenen Fürsten erwartete er das heftigste Widerstreben: von den geistlichen, denen die Grundlage ihrer reichsfürstlichen Stellung zu schwinden drohte, von den weltlichen, denen die Stärkung der Krone und die Unsicherheit über die Zukunft ihrer eigenen Lehen aus dem Reichskirchengut Besorgnis einflößten. In richtiger Einschätzung dieser Schwierigkeiten machte er daher die Zustimmung auch der Reichsfürsten zur Bedingung des Vertrages und ließ zu Beginn der Krönungsfeier die Erklärung verkünden, er gedenke den Kirchen den einstweiligen Genuß der Regalien nicht zu entziehen, also eine plötzliche Umwälzung der Besitzverhältnisse zu vermeiden. So wurde die Durchführung wenigstens in den Bereich des Möglichen gerückt und die Mißstimmung vom Kaiser abgelenkt. Der Sturm des Unwillens in der Peterskirche richtete sich denn auch ausschließlich gegen das nach Heinrichs Investiturverzicht verlesene Papstprivileg, das die Preisgabe der Regalien aussprach. Gar bald zeigte es sich, wie wenig der schwache Paschalis Herr der Lage war. Als er sich weigerte, dem König das Investiturrecht zurückzugeben und die Kaiserkrönung zu vollziehen, hat ihn dieser, der schon dem Vater gegenüber dereinst bewiesen hatte, daß er für Regungen der Ehrfurcht unzugänglich war, kurzerhand samt den anwesenden Kardinälen in Haft genommen und sie aus dem aufrührerischen Rom heraus in feste Burgen der Umgegend verbracht. Der Druck der Gefangenschaft, die vom Gregorianertum abweichende persönliche Anschauung des Papstes, vielleicht auch die durch gegnerische Falschurkunden Hadrians I. und Leos VIII. verstärkte Überzeugung, daß die Investitur wohl um des Friedens willen ausnahmsweise zugestanden werden könne — alles das mag zusammengewirkt haben, um Paschalis, der nicht die Natur eines Märtyrers besaß, zum Vertrage von Ponte Mammolo zu bestimmen, der alle Forderungen des Königs erfüllte: die unbeschränkte Investitur als kaiserliches Vorrecht, die Kaiserkrönung und die Zusage völliger Amnestie wegen der letzten Vorgänge, insonderheit das eidliche Versprechen, über Heinrich niemals den Bann zu verhängen. Es war vom kaiserlichen Machtstandpunkt aus der größte Erfolg, der über das Reformpapsttum errungen worden ist. Der Vertrag, dem in der Tat der Vollzug der Kaiserkrönung folgte, war auf die ängstlich-gewissenhafte Natur des Paptes so klug berechnet, daß dieser auch nach Wiedererlangung der Freiheit nur schrittweise von ihm abgerückt ist und sich stets
OPPOSITION GEGEN HEINRICH V.
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gescheut hat, durch Bannung Heinrichs seinen Eid zu verletzen. Das Zugeständnis der Investitur hat doch auch trotz der Erpressung und baldigen Zurücknahme die Einheitlichkeit und Festigkeit der Gegenpartei erheblich aufgelockert. Daß sich Heinrichs Verhalten freilich in schroffen Widerspruch zu den die Zeit nun einmal beherrschenden Ideen setzte, bewiesen die folgenden Ereignisse. Weniger zunächst in Deutschland als in Italien und noch mehr in Burgund und Frankreich entlud sich von Seiten der Gregorianer ein Sturm der Entrüstung über dem Haupte des Papstes. Auf den beiden Synoden im Lateran und in Vienne (1112) wurde das päpstliche Privileg als ein „Pravileg", d. h. als ein Schandbrief statt eines Gnadenbriefes für null und nichtig erklärt und gegen den Kaiser, der darauf natürlich nicht verzichten wollte, der Bann geschleudert. Paschalis bestätigte zwar die Akten der Synode von Vienne, schreckte aber vor der eigenen Verkündigung des Bannes zurück und brach die Beziehungen zum Kaiser nicht ab. Die Spannung zwischen ihm und den alten Reformzentren Cluny und Montecassino steigerte sich zeitweilig zu heftigster Erbitterung. Der Papst hätte jedoch Gehorsamsaufkündigung und Absetzung wegen Ketzerei zu gewärtigen gehabt, hätte er den Gegnern nicht unter manchen Halbheiten und Vorbehalten, durch die er sein Gewissen zu beruhigen versuchte, schrittweise am Ende doch bis zu vollem Widerruf des erzwungenen Privilegs (1116) nachgegeben. So mußte der alte Streit noch einmal durchgefochten werden. Der Kaiser aber hatte schon bei seiner Rückkehr aus dem wiedergewonnenen italienischen Reichsgebiet durch die Beisetzung der Gebeine seines Vaters im Speierer Dom aller Welt gezeigt, daß er nunmehr völlig in die Bahnen von dessen Politik eingelenkt war. Das erweckte freilich auch die alten Gegnerschaften, deren Zusammenschluß mit der Kirche sich zu ernster Gefahr auswuchs. Heinrichs Persönlichkeit trug das ihrige dazu bei, Feindschaft zu erregen. Zweifellos besaß er bedeutende Regenteneigenschaften: Machtsinn, Überlegung, Kühnheit und Willenskraft. Indes die rücksichtslose Härte, mit der er die väterliche Territorialpolitik, jetzt mehr am Mittel- und Oberrhein als im Harzgebiet, wieder aufnahm, indem er allenthalben durch Einziehung von Reichslehen ohne Rücksicht auf Seitenverwandte und durch scharfe Maßregelungen seinem Vorteil nachging, seine ganze rechnerische, verschlagene, unzuverlässige, unedle Natur trieb die Fürsten aus West- und Norddeutschland zum Zusammenschluß gegen ihn; hier vornehmlich seinen früheren Kanzler und vertrauten Helfer, den Erzbischof Adalbert von Mainz, dort den Sachsenherzog Lothar von Supplinburg, der nach Aussterben des
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MATHILDISCHES ERBE
billungischen Hauses (1106) auf Grund einer bedeutenden Masse ererbter Besitzungen die zähe Kraft seines Stammes wuchtig zusammenfaßte. Ähnlich wie sein Vater stützte sich Heinrich ihnen gegenüber teils auf das immerhin unsichere Bürgertum der rheinischen Städte, von denen Speier und Worms (1111 und 1114) große, für die Entwicklung der deutschen Stadtfreiheit epochemachende Privilegien erhielten, teils und vornehmlich auf Edle und Ministerialen. Obwohl er bei mangelnder eigener Feldherrngabe letzthin bedenkliche Niederlagen (1114/15) erlitten hatte und unter den kirchlichen Einwirkungen die Mehrheit der Bischöfe sich von ihm abwandte, wagte es der Kaiser 1116, den deutschen Boden zu verlassen, weil ihn eine wichtige Entscheidung nach Italien rief. Nach dem eben erfolgten Tode der Gräfin Mathilde (1115) galt es nicht nur ihre Reichslehen einzuziehen, sondern auch auf ihre in Tuszien und der Poebene weithin ausgedehnten Eigengüter die Hand zu legen. Denn deren 1102 noch einmal wiederholte Schenkung an die römische Kirche zu Obereigentum scheint, wofern sie nicht überhaupt rechtliche Anfechtung erfahren hatte, eine freie Verfügung Mathildens darüber nicht ausgeschlossen zu haben. Auf Grund einer vermutlich im Jahre 1111 getroffenen geheimen Vereinbarung, nach der die Gräfin zur Statthalterin in Oberitalien eingesetzt war, trat Heinrich jetzt als ihr Privaterbe auf. Ohne Heer eilte er 1116 nach Italien, und indem er durch zahlreiche Verleihungen Adlige, Städte und Kirchen ringsum zu Mitgenießern machte, gelang es ihm in der Tat, seine Ansprüche zur Geltung zu bringen und so die Reichsmacht in Ober- und Mittelitalien bedeutend zu verstärken, während das Papsttum in dieser Hoffnung getäuscht wurde. Als er dann weiter auf Rom zu zog, flüchtete Paschalis zu den Normannen. Heinrich aber ließ sich und seine junge Gemahlin Mathilde, die Tochter König Heinrichs I. von England, in der Peterskirche mit dem kaiserlichen Diadem schmücken (1117). Wohl konnte nach seinem Abzüge Paschalis in die Stadt zurückkehren; aber als er dort 1118 starb, hatte er die Kirche durch sein schwächliches Verhalten mehr geschädigt als gefördert und den neu entfachten Streit dem allerseits ersehnten Ende nicht nähergebracht. Ja, unter seinem Nachfolger, dem langjährigen Kanzler Johann von Gaeta, der sich Gelasius II. nannte (1118/1119), verschärften sich trotz dessen friedlich-maßvoller Gesinnung noch die Gegensätze. Der Widerstreit der römischen Adelsparteien begann damals immer stärker die Geschicke des Papsttums zu beeinflussen. Die Frangipani mit ihrem Anhang waren es, die den Kaiser, der sicher keine großen Hoffnungen darauf gesetzt hat, zu einer
HEINRICH I. VON ENGLAND
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Wiederbelebung des erloschenen Gegenpapsttums vermochten. Ein Kandidat fand sich in der Person des in Italien weilenden und durch Verhältnisse seiner portugiesischen Heimat in seiner Stellung bedrohten Erzbischofs Mauritius von Braga, der unter seinem Spottnamen Burdinus ( = spanischer Esel) bekannter blieb als unter seinem Papstnamen Gregor VIII. und keinen beträchtlichen Einfluß gewinnen sollte. Immerhin war damit das verhaßte Schisma wieder eröffnet, und Gelasius, der sich aus den römischen Unruhen nach Südfrankreich in das Hauptlager der Gregorianer gerettet hatte, war durch keinen Eid wie sein Vorgänger behindert, über den Kaiser, der jetzt nach Deutschland zurückkehrte, in aller Form den Bann zu verkünden. Ein Ende des Kampfes war unter solchen Umständen nicht abzusehen. Das mochte um so bedauerlicher erscheinen, als unterdessen in England und Frankreich Formen für einen modus vivendi zwischen Staatsgewalt und Kirche gefunden waren, die auch für das Reich als Vorbild hätten dienen können. Freilich waren dort die Verhältnisse immerhin anders gelagert. Als Wilhelm II. von England, der die Herrschaftsrechte des Vaters der Kirche gegenüber brutaler gehandhabt hatte, kinderlos starb (1100), schienen unter seinem jüngeren Bruder Heinrich I. (1100—1135) ruhigere Zeiten bevorzustehen. England verdankt diesem kühl-geschäftsmäßigen König, der in seiner Freiheitsurkunde (Charter of Liberties) sogleich Abstellung der kirchlichen und weltlichen Beschwerden gegen das Regiment seines Vorgängers zusagte, die Herrschaft des Gesetzes über Despotenlaune, die Ordnung des Finanzwesens durch Einsetzung einer obersten Behörde, die von dem zur Erleichterung des Rechnens schachbrettartig gemusterten Tuch ihres Amtstisches die Bezeichnung Scaccarium (the Exchequer) erhielt, und gerechte Amtswaltung der Gerichte unter Führung des Königshofes (Curia regis). Das starre Bestehen Anselms von Canterbury auf dem vollen Umfang der kirchlichen Reformforderungen, seine Verweigerung der Mannschaftsleistnng für die Temporalien sowie der Weihe nicht freigewählter, vom König investierter Bischöfe führte gleichwohl auch hier zum Kampf. Anselm mußte im Ausland verharren. Der König, vom Papste Paschalis mit dem Bann bedroht, aber von seinen Bischöfen unterstützt, zog derweil die Einkünfte des Erzbistums ein, wie Kaiser Heinrich IV. damals die von Mainz. Trotz der kurzen Dauer des englischen Investiturstreites erhob sich das Für und Wider zu bedeutender geistiger Höhe. Stand doch einem Anselm von Canterbury mit fast noch überlegenem Scharfsinn und Gedankenreichtum als Verfechter der königlichen Ansprüche jener Publizist seines Rivalen, des Erzbischofs Gerhard von York gegenüber, der in einer Reihe anonymer und
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ENGLISCHER INVESTTTURSTREIT
wohl kaum in der Öffentlichkeit verbreiteter Traktate mit tiefer, an Aristoteles geschulter Durchbildung die landesherrliche Obergewalt über die Kirche bis zu vollem Cäsaropapismus steigerte, dem Papsttum das Daseinsrecht überhaupt bestritt und über allgemeines Priestertum, Schriftprinzip und Sakramentssymbolik Gedanken äußerte, die in reformatorische Zukunft deuteten. Gerhard freilich konnte sich an Zähigkeit nicht mit Anselm messen; in der Investiturfrage hat er sich schließlich unterworfen. Ebendiese aber war durch die immer erneute Denkarbeit der Publizisten als ein aus mehreren Akten zusammengesetzter Vorgang weit besser geklärt w;orden als in den Anfängen des deutschen Streites. Man hatte die Übertragung der Kirche als solcher, für die auch die kirchlichen Symbole Ring und Stab vorbehalten bleiben mußten, zu sondern gelernt von der Beleihung mit den weltlichen Gütern, den Temporalien, die, wenn sie mit andern Symbolen erfolgte, der Staatsgewalt nicht wohl verweigert werden konnte. Für diese mochte dann vielleicht auch die Mannschaftsleistung zugestanden werden. Ebenso tauchte die Frage auf, ob dem Herrscher als dem Haupt des Volkes, wenn er nur auf das frühere Einsetzungsrecht verzichtete, seine Teilnahme an der kanonischen Wahl durch Klerus und Volk zu verweigern sei und ob er nicht als Verleiher der Regalien ein Konsensrecht beanspruchen könne. Derjenige Publizist, der durch Schriften und Ratschläge einer praktischen Lösung am meisten vorgearbeitet hat, war ein Schüler Lanfranks, der berühmte Kirchenrechtslehrer Ivo von Chartres, ein Mann von versöhnlicher Gesinnung und Vermittlungsgabe. Auf ihn geht denn auch das englische Kompromiß zurück, das der Kirche die kanonische Wahl und Investitur mit Ring und Stab, dem König die Gegenwart bei der Wahl und die Mannschaftsleistung für die Temporalien zuwies (1107) und zur dauernden Übung wurde. Heinrich I. behielt danach genügenden Einfluß auf die Besetzung und die Innehaltung pflichtschuldiger Leistungen, die mehr und mehr einen lehnsrechtlichen Charakter annahmen. Die Herrschaft, die Wilhelm der Eroberer über die englisch-normannische Kirche geübt hatte, war nicht wesentlich erschüttert, wenn auch Anselms Verhalten Späteren ein Vorbild gegeben hat. Nach außen hin ist Heinrich I., ausgreifend und bedenkenlos wie er war, vorwiegend mit Unternehmungen gegen die Normandie beschäftigt gewesen, die ja schon während des ersten Kreuzzuges in englischen Pfandbesitz geraten war. Das von dem heimgekehrten Herzog Robert, seinem älteren Bruder, geltend gemachte Recht auf den englischen Thron kaufte Heinrich I. ihm ab (1101), mischte sich dann aber in die auch die Interessen der englischen Barone empfindlich berührende normannische Anarchie ein und
NORMANDIE, FRANKREICH, SPANIEN
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nahm den Bruder nach dem Siege bei Tinchebrai (1106) auf immer in Haft, so daß die Normandie nun wieder mit England in Personalunion verbunden war. Das führte dann freilich zu beständigen Konflikten mit dem französischen Könige, der diese unerhörte Machtausdehnung seines normannischen Vasallen bekämpfte und sich hinter die Ansprüche von Roberts Sohn stellte. In Frankreich waren die kirchlichen Verhältnisse von denen Deutschlands sehr verschieden. Der schwache König hatte die Einsetzung der Bischöfe ja stets mit seinen großen Vasallen geteilt, die also darin mit ihm die gleichen Interessen hatten, so daß es zu einem Bunde von Fürsten und Kirche gegen den Herrscher hier nicht kommen konnte. Andererseits war gerade Frankreich von den kirchlichen Reformidealen derart erfüllt, daß man von einem bedeutenderen Investiturkampf kaum sprechen kann. Philipp I. hatte sich in dem Streit über seine zweite Ehe, von der er in Wirklichkeit freilich nicht abließ, formell unterworfen, indem er wie Heinrich IV. in Canossa im Bußgewande mit nackten Füßen die Absolution erlangte (1104). In der Investiturfrage kam er, wie die meisten Großen, den kirchlichen Forderungen weit entgegen, indem er sich zwar einen Einfluß auf die kanonische Wahl wahrte, aber die Temporalien meist nach der Weihe, ohne besonderes Symbol erteilte und sich mit dem Treueide der Bischöfe begnügte, ohne in der Regel die anstößige Mannschaftsleistung, bei der der Prälat seine geweihten Hände in die ungeweihten des Laienfürsten zu legen hatte, zu fordern. In einer persönlichen Zusammenkunft des Papstes mit Philipp in St. Denis (1106) bahnte sich nun jene Verbindung mit dem kapetingischen Königtum an, die der Kurie in ihren weiteren Kämpfen mit dem Kaisertum so oft als Rückhalt gedient hat. Als der letzthin durch übermäßige Körperfülle in seiner Beweglichkeit beeinträchtigte König
1108 starb, sollte unter seinem Sohne
Ludwig VI. (1108-1137), der den bedeutenden Staatsmann Abt Suger von St. Denis zum Leiter seiner Politik erwählte, der langsame Aufstieg der französischen Königsmacht beginnen. Da in Spanien, wo sich die Lehnshoheit des Papsttums 1116 noch durch Unterordnung Kataloniens unter dem Markgrafen Raimund Berengar III. von Barcelona erweiterte, Spannungen wohl innerhalb der Hierarchie wie auch bei der Neuerrichtung der portugiesischen Kirche bestanden, aber kaum zwischen Staat und Kirche, und da sich die Organisation der neuen Kirche Schottlands seit König Malcolm III. im wesentlichen der englisch-normannischen anglich, so war im ganzen Abendlande der kirchliche Friede gesichert, sobald die sehnlichst erwartete Lösung der Streitfragen auch in den Gebieten des Kaisertums gelang.
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PAPST KALIXT II.
Auch dort hatten diesseits und jenseits der Alpen Publizisten wie der unbekannte Verfasser eines Traktats über die Bischofsinvestitur von 1109, wie Placidus von Nonantola und Gregor von Catina (beide 1111) im Sinne Ivos einer friedlichen Lösung durch reinliche Scheidung von Spiritualien und Temporalien, der Befugnisse von Kirche und Staatsgewalt nützlich vorgearbeitet. Indem das gregorianische Streben nach Unterordnung des Kaisertums in den Hintergrund trat, wurde der leidenschaftliche, unüberbrückbare Prestigestreit auf eine Verfassungsfrage zurückgeführt, über die sich verhandeln ließ. Freude an der Fortsetzung des Kampfes hatte schließlich niemand mehr. Trotzdem stand das gegenseitige Mißtrauen noch lange einem Ausgleich im Wege. Und als nun nach dem Tode des Papstes Gelasius in Cluny durch eine unkanonische, aber von den Kardinälen nachträglich bestätigte Wahl der extreme Erzbischof Guido von Vienne, der die Kirche zum Sturm gegen das „Pravileg" Paschalis II. angeführt hatte, als Kallxt II. zum Nachfolger erhoben wurde, schien die Versöhnung wieder in weite Ferne gerückt. In der Tat war er ein Mann von durchgreifender Willenskraft, der einst als Metropolitan unbillige Gebietsansprüche seines Erzbistums gegen Grenoble mit Gewalt und Urkundenfälschung durchzusetzen versucht hatte und auch noch als Papst seinem Erzbistum Primatrechte über sechs französische Erzdiözesen auf Grund falscher Urkunden bestätigte. Indessen bald spürte man, daß seit 1073 zum erstenmal kein Mönch, erst recht kein Vertreter einer heiligen „Einfalt", wie man gerade von Vienne aus Paschalis II. gekennzeichnet hatte, oder ein „Engelspapst" auf dem Stuhle Petri saß, sondern ein Sprößling des hohen burgundischen Adels, der fast mit sämtlichen Herrscherhäusern des Abendlandes, auch mit dem Kaiser, nahe verwandt war, für deren Interessen daher bei allem kirchlichen Hochgefühl feineres Verständnis besaß und nach mehr als dreißigjähriger Amtsführung in Vienne das Wesen der bischöflichen Temporalgewalt auf das gründlichste kannte. Er war gewillt, dem allgemeinen Friedensverlangen tunlichst Rechnung zu tragen. Darum wandte er sich von der großen kirchlichen Heerschau des Reimser Konzils (1119), die das starke Fundament der Papstgewalt in Frankreich offenkundig machte, an die Reichsgrenze nach Mouzon, als sich kaiserlicherseits eine Friedensaussicht zu eröffnen schien. Aber eine persönliche Aussprache mit Heinrich V. wurde noch durch die Erinnerung an die römische Gewalttat von 1111 verhindert, so daß die eilige Rückkehr des Papstes nach Reims der Flucht vor einem Häscher ähnelte. Zu der Duldung einer Zepterbeleihung mit den Temporalien gegen Verzicht auf die kirchliche Investitur waren die Unterhändler der Kurie, die gehofft hatten, Heinrich
WORMSER KONKORDAT
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zu einem allgemein gehaltenen, nachträglich im kurialen Sinne auszulegenden Investiturverzicht bewegen zu können, noch nicht bereit. Als man dann freilich auf dem Reimser Konzil das Verbot der Investitur aller Kirchen und Besitzungen durch Laienhand verkündete, erhob sich selbst dort solches Murren, daß das Verbot auf die Kirchen allein beschränkt werden mußte. Jedoch die Verständigung war so noch einmal gescheitert, und der Bann gegen den Kaiser und seinen Gegenpapst wurde in schärfster Form erneuert. Auch die Friedensvermittlung, die Kalixt auf Klage Ludwigs VI. persönlich bei Heinrich I. von England in der Normandie unternahm, erzielte nur einen Teilerfolg von kurzer Dauer, und eine Einmischung in die englische Kirche wußte sich der König auf Grund der alten Vorrechte fernzuhalten. Indessen im ganzen hatte das kluge und würdige Auftreten des Papstes in Frankreich die Machtstellung der Kurie doch erheblich gefördert, so daß sie die Rückkehr nach Italien wagen konnte. Und dort gelang den päpstlichen Truppen der bedeutsame Erfolg, daß sie den Gegenpapst, der sich von Rom nordwärts nach Sutri zurückgezogen hatte, in ihre Hand bekamen (1121). Burdinus endete sein Leben ruhmlos als Mönch hinter Klostermauern. Dieser rasche Abschluß des Schismas mußte auch in Deutschland die Friedensneigung noch verstärken. Zu einem neuen Waffengange ließen es die Fürsten nicht mehr kommen. Indem eine aus je zwölf Mitgliedern beider Parteien zusammengesetzte Kommission in Würzburg (1121) die Sache des inneren Friedens und des Ausgleichs mit dem Papste in die Hand nahm, wurde der Kurie der Grund des Mißtrauens hinsichtlich der Durchführung etwaiger Vereinbarungen entzogen, zugleich aber auch die Möglichkeit, die deutsche Zwietracht fürderhin für höhere Forderungen auszunutzen. So ging Kalixt auf die Anregung mit ernstlichem Friedenswillen ein. Nach Beseitigung mancher Schwierigkeiten konnte der päpstliche Unterhändler KardinalbischofLambert von Ostia am 23. September 1122 auf freiem Felde vor Worms der jubelnden Menge den Abschluß des Konkordates verkünden und dem Kaiser Friedenskuß und Abendmahl darreichen. Heinrich V. gab die kirchliche Investitur mit Ring und Stab dauernd preis, durfte aber die mit Mannschaft und Treueid verbundene Regalieninvestitur durch das Symbol des Zepters weiter erteilen. In Deutschland sollte diese Investitur der kirchlichen Konsekration voraufgehen und damit einem Konsensrechte gleichkommen, von dem die Weihe abhing. In Italien und Burgund, wo nur noch geringere Hoheitsrechte des Reiches in Betracht kamen, sollte die Regalieninvestitur erst binnen sechs Monaten nach der
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WAFFENSTILLSTAND ODER FRIEDE
Konsekration eingeholt werden, also angesichts der vollendeten Tatsache zur bloßen Form herabsinken. Da nun aber zugleich mit der vollen eigenkirchenrechtlichen Investitur auch die unbeschränkte Einsetzung der Bischöfe und Reichsäbte dem deutschen Herrscher entzogen wurde, so war die Frage von größter Wichtigkeit, ob die kanonische Wahl durch Klerus und Volk seine Teilnahme, wie von Seiten der Reformer angestrebt wurde, ausschloß oder zum mindesten seine Anwesenheit, die natürlich einen starken Einfluß gewährleistete, zuließ. An diesem Gegensatz wäre der Ausgleich fast noch einmal gescheitert. Aber schließlich kamen die Vertreter der Kirche um des Friedens willen auch hier einen Schritt entgegen. Dem Kaiser wurde für Deutschland bei den Wahlen die Gegenwart und im offnen Widerspruch zu den gregorianischen Forderungen von 1080 das Recht eingeräumt, bei Zwiespältigkeit der Wähler nach Rat oder Urteil von Erzbischof und Bischöfen der betreffenden Kirchenprovinz zugunsten der besser befugten Partei zu entscheiden. Das Wormser Konkordat trägt den Charakter des Kompromisses an der Stirn, und man versteht, daß die strengen Gregorianer darüber äußerst verstimmt waren. Das volle Urteil über seine Bedeutung aber hängt wesentlich mit ab von der Frage, ob es entsprechend der Form der nur für Heinrich V. persönlich ausgestellten Papsturkunde lediglich ein vorübergehender Waffenstillstand oder aber ein dauernder Friede sein sollte. Eine Meinungsverschiedenheit darüber hat von Anfang an bis zur Gegenwart bestanden. Die Frage darf nicht einfach nach den Methoden moderner Vertragsauslegung entschieden werden. Nach dem Verzicht Heinrichs auf die kirchliche Investitur mit Ring und Stab zog die Kurie ihren Widerspruch gegen den verbleibenden Rest des Gewohnheitsrechtes zurück und erklärte sich mit der neuen Übung, die sich nun einbürgerte, abfinden zu können, da sie nicht mehr in schroffem Gegensatz gegen das offenbarte göttliche Recht stehe. Auf dem ersten großen, den Endsieg der Reformideen verkündenden Laterankonzil von 1123, mit dem Kalixt sein Frieden und Ordnung schaffendes Wirken für die Kirche krönte, wurde trotz mancher Bedenken diese Duldung von der höchsten Instanz anerkannt. So gewann jene neue Übung bald den Charakter eines abgewandelten Gewohnheitsrechtes mit der jedem Gewohnheitsrechte anhaftenden Dauertendenz, ohne daß man sich im Reiche, wo ja die mündliche Rechtsentwicklung vor der des schriftlichen Gesetzesrechts noch vorherrschend war, den buchstabengetreuen Wortlaut des Konkordates weiterhin ängstlich zur Richtschnur genommen hätte. Und überhaupt haben beide Vertragsgegner an eine ewige Dauer dieses
DIB REICHSKANZLEI
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Kompromisses gewiß noch weniger gedacht als überall bei Staatsverträgen. Die Kurie behielt sich im stillen vor, auf ihre unveräußerlichen Forderungen zur geeigneten Stunde zurückzukommen, und in Rom hörte man schon wenig später die Behauptung, die Zugeständnisse der Kirche hätten nur ganz persönlich dem Kaiser Heinrich V. gegolten. Die Reichsgewalt andererseits empfand bald genug bitter die Schmälerung ihrer früheren Befugnisse und hatte später in der von der Kanzlei amtlich benutzten Bamberger Formelsammlung des Codex Udalrici einen nicht ohne tendenziöse Absicht verstümmelten Text der Konkordatsbestimmungen vor Augen. So konnte von beiden Seiten das Bestreben nicht ausbleiben, den Einfluß über den vereinbarten Rechtsboden hinaus vorzuschieben; der Erfolg dabei hing von den jeweiligen Machtverhältnissen ab. Wer weiß, wie sich die Dinge bei einer längeren Regierung Heinrichs V. und der bald nach dem Tode Kalixt II. (1124) eintretenden Schwächung des Papsttums gestaltet haben würden! Wenn auch die unerfreulichen Charaktereigenschaften des Saliers manche sonst vermeidbaren Widerstände geweckt haben, so wäre er seinen politischen und diplomatischen Fähigkeiten nach wohl der Mann gewesen, die verbliebenen Kräfte des Königtums zusammenzufassen und zu mehren, wie er denn etwa die einzige wichtige Zentralbehörde, die Reichskanzlei, zu einer alle drei Teile des Imperiums umfassenden Einheit gestaltete. Namentlich auch die Beziehungen zu dem Hofe des englisch-normannischen Schwiegervaters hätten für Deutschland noch wertvoll werden können. Die im Bunde mit ihm unternommene Heerfahrt von 1124 gegen König Ludwig VI. mußte freilich angesichts der zum erstenmal hell emporflammenden nationalen Abwehrstimmung der französischen Bevölkerung ergebnislos abgebrochen werden. Aber für die innere Verwaltung ließ sich da genug lernen. Wir hören von dem Plane einer Steuerverfassung nach englischem Muster, und so hätten vielleicht auch die landeskirchlichen Befugnisse, die der dortige Herrscher sich in besonderer Stärke bewahrt hatte, zur Nacheiferung gelockt. Erst das vorzeitige Hinscheiden des vierundvierzigjährigen Kaisers (1125), das bei seiner Kinderlosigkeit zugleich das Ende seiner Dynastie bedeutete, schnitt derartige Möglichkeiten ab, und nun war es die Papstkirche, die ihrerseits die Schwäche des Reiches zum Vorschieben ihrer Ansprüche ausbeutete, bis später mit Friedrich Barbarossa ein erneuter Umschwung eintrat. Immerhin bezeichnete das Wormser Konkordat eine einigermaßen gesicherte Grenzlinie, über die man wohl von hüben und drüben gelegentlich vorstieß, die aber im ganzen doch von den nächsten Generationen als die
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SECHS JAHRZEHNTE
gegebene Richtschnur für die Beziehungen von Papstkirche und Königtum geachtet wurde. Für die Gegenwart von 1122 brachte es den heißersehnten Frieden und damit den Abschluß des langen kirchenpolitischen Kampfes. Eine völlige Niederlage des Reiches hatte der zähe Widerstand der beiden letzten Salier nun doch verhütet. Die weitausgreifenden Wünsche Gregors VII., die sich auf Lehnshoheit über das Kaisertum, gänzliche Abhängigkeit des deutschen Episkopats und freie Verfügung über das gesamte Kirchengut richteten, hatten sich nicht durchsetzen lassen und blieben ein Ziel der Zukunft. Diese Abwendung der auf das Ganze gehenden Vorstöße und der leidliche Endabschluß dürfen freilich nicht über die Schwere der Kronverluste täuschen, die deutlich werden, wenn man den Blick auf den Gesamtverlauf der letzten sechs Jahrzehnte richtet. Das ottonische Regierungssystem war doch in wesentlichen Punkten erschüttert. Mit der Beherrschung des Papsttums war es aus, und die Abhängigkeit des deutschen Episkopats war hinfort nur bei äußerster Kraftanstrengung der Krone und in beständigen Reibungen mit der Kurie aufrechtzuerhalten. Aber auch der andere Teil des ottonischen Systems, die Niederhaltung des Laienfürstentums durch die Bischofskirche, hatte in den langen inneren Kriegen einen schweren Schlag erlitten. Das von beiden Parteien umworbene deutsche Fürstentum war an Besitz und Rechten erstarkt, seine Mitwirkung an der Reichsregierung, die in der Königswahl ihren höchsten Ausdruck fand, war bedeutender geworden, zuletzt hatte es geradezu die Vertretung der Reichsrechte in die Hand genommen. Indem jetzt die straffe Abhängigkeit der geistlichen Fürsten von der Krone sich lockerte und das Verhältnis mehr und mehr lehnsrechtlichen Charakter gewann, schwand der alte Gegensatz zwischen geistlicher und weltlicher Aristokratie dahin, und die Gleichartigkeit der territorialen Interessen mußte beide allmählich zu einem dem König mit ganz anderer Wucht geschlossen gegenüberstehenden Territorialfürstentum verschmelzen. In Reichsitalien andererseits, wo die Loslösung des Episkopats von der Krone die Bischöfe des Hauptrückhalts bei der Verteidigung des Reichskirchenguts beraubte, zogen die Städte den Hauptgewinn aus dem Konkordat, indem sie sich in der Folgezeit fast allenthalben in den Besitz der Regalien zu setzen wußten. Das Ringen Barbarossas mit seinen lombardischen Gegnern war daher in gewissem Sinne eine Wiederaufnahme des alten Investiturstreites, nur daß das Kampfobjekt nicht mehr gegen die Ansprüche der Kirche, sondern gegen die der Städte zu verteidigen war. Nach allem mußte diesseits und jenseits der Alpen künftig mit andern Mitteln als bisher regiert werden.
MACHTENTFALTUNG DER RÖMISCHEN KIRCHE
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Über ganz Europa hin aber war die Machtenfaltung der römischen Kirche, ihre stets wachsende Beherrschung der Geister mit Händen zu greifen. Mit dem Gesamtverlauf der Dinge durfte man in Rom wahrlich zufrieden sein, und Kalixt gab diesem stolzen Gefühl Ausdruck, indem er zur Erinnerung an den erhebenden Friedensschluß, der nicht zum wenigsten das Werk seiner Klugheit, Gewandtheit und Versöhnlichkeit war, im Lateran zu Ehren des heiligen Nikolaus eine Kapelle errichten ließ, an deren Wänden Gemälde die Siege der wahren Nachfolger Petri über die Gegenpäpste von den Tagen Alexanders II. an bis zu seinen eigenen verherrlichten, in deren Mitte aber in monumentalen Zügen der Wortlaut des Wormser Konkordates zu lesen war.
BERNHARD VON CLAIRVAUX UND DIE NEUEN MÄCHTE
Man pflegt nicht von einer salischen Kultur zu sprechen wie von einer ottonischen und staufischen. In den generationenlangen Kämpfen fehlte trotz mancher Ansätze die Möglichkeit stetiger zentraler Kulturpflege. Aber der „Vater aller Dinge" zerstört nicht nur, sondern treibt auch vorwärts. Wirtschaftlich, sozial und geistig hatte das Reich und mit ihm das gesamte Abendland im Jahrhundert der Salier eine zukunftsvolle Entwicklung durchmessen. Unter und neben der sich auflockernden Grundherrschaft hatten sich, von Westen und Süden her vordringend, neue Mächte erhoben. Allenthalben strebten untere Schichten: Lehens- und Dienstmannen, Bauern und Bürger, durch Zusammenschluß gestärkt, nach Minderung der Pflichten, nach vertraglicher Festsetzung der Leistungen, nach freieren Pachtverhältnissen und Selbstverwaltungsrechten. Die durch vermehrte Nachfrage einer wachsenden Bevölkerung, durch intensiveren Anbau und verbesserten Verkehr gesteigerte Grundrente kam bei dem Nachlassen der Eigenwirtschaft ritterlicher Herren weniger diesen als den schaffenden Bauern zustatten, die auch durch Absatz in den Städten und Belebung des Geldwesens gefördert wurden, ihre unfreie Abhängigkeit zumeist mildern konnten und bis ins 13. Jahrhundert hinein trotz aller Störungen eine sichtliche Hebung ihres Wohlstandes erfuhren. Das eigentlich neuartige Element unter den emporstrebenden Schichten, das die bisherige Struktur der feudalen Gesellschaftsordnung durchbrach, waren die Städte, deren Zahl sich seit Beginn des Jahrhunderts durch Neugründungen erheblich mehrte. Die geistlichen oder weltlichen Herren, die sie im eigenen Interesse förderten oder schufen, konnten anfänglich schwer absehen, in welchen Gegensatz zu ihnen und der ganzen grundherrschaftlichen Wirtschaftsorganisation diese Körperschaften notwendig geraten mußten. Die hier nachdrücklich betriebenen Erwerbsformen des Handels und Handwerks, das ihnen entsprechende Sonderrecht und Sondergericht, der Drang nach Lösung persönlicher und bodenständiger Bindungen, der wehrhafte, friedensichernde Mauernkranz, die ganze beweglichere, weitsichtigere Art dieser Städter, die nüchternen Rechensinn mit energischer Tatkraft vereinten, das alles mußte sie früher oder später zum Streben nach Wirtschaft-
STÄDTISCHE AUTONOMIE
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licher, verwaltungsmäßiger und politischer Selbständigkeit führen und Konflikte mit den Stadtherren heraufbeschwören, vornehmlich mit den bischöflichen, die ihren Sitz innerhalb der Mauern hatten. Solche Kämpfe, durch Schwureinungen entfesselt, durch den Streit zwischen Staat und Kirche vielfach gefördert, weckten oft brutale Rückschläge, erzielten für die Bürger aber auch halbe oder ganze Erfolge. Im großen betrachtet, war die städtische Autonomiebewegung allenthalben im Fortschreiten. Wie sehr der Kreuzzugserfolg, der durch die lateinischen Kolonien in Syrien und die regelmäßige Verbindung mit ihnen die Handelsvorherrschaft auch im Ostbecken des Mittelmeers brachte, den italienischen Seestädten zugute kommen mußte, versteht man leicht. Von der Küste griff die Bewegung hinüber auf Lombardei und Toskana. In den Jahrzehnten um 1100 gewannen da die meisten Städte autonome Verfassungen unter gewählten Ratsmannen, die aus der Romagna her die antike Bezeichnung „Konsuln" (zuerst in Lucca 1080) übernahmen und weitertrugen. Hier in Reichsitalien sollte die Entwicklung noch im 12. Jahrhundert vielfach zu annährend voller politischer Selbständigkeit führen. So weit kam es in Frankreich nicht; aber die munizipale Selbstverwaltung wurde mehr oder minder doch auch da erreicht: in Südfrankreich in freier Rechtslage und durch friedliche Interessenvereinigung von Kaufmannschaft und Kleinadel, der dort wie in Italien seinen Wohnsitz in den Städten hatte; in Flandern mit seiner aufstrebenden Tuchindustrie und der Champagne von den Territorialfürsten klug begünstigt; sonst im französischen Nordosten unter greuelvollen revolutionären Erhebungen gegen die Bischöfe, deren politische Bedeutung dadurch stark zurückgeschraubt wurde. Mit Cambrai hatte die Bewegung frühzeitig (seit 1077) auf das Reichsgebiet hinübergegriffen und sich in den Rheinlanden verbreitet, während die unter strafferer monarchischer Leitung stehenden Gebiete der Isle de France, der Normandie und Grafschaft Anjou ebensowenig wie das imStädtewesen noch zurückstehende England von solchen Zuckungen betroffen wurden. Über alle wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fortschritte hinaus war es für die Kulturentwicklung des Abendlandes von einschneidender Bedeutung, daß in diesem aus den gebundenen Abhängigkeiten des flachen Landes sich frei heraushebenden städtischen Boden zugleich die Grundlage für eine neue Geistigkeit erstand, die, wenn sie sich auch noch nicht, wie vielfach schon in Südfrankreich, von den religiösen Uberlieferungen löste, doch eine ausgesprochen laikale war, die sich ihre Geltung nur allzuoft im Kampf mit hierarchischen Gewalten errungen hatte. Als vierte Macht traten so die
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GESCHICHTSSCHREIBUNG IN DEUTSCHLAND
Städte unter vielfachen Erschütterungen der überkommenen Ordnung neben Königtum, Kirche und Feudaladel. Natürlich wurden die Einwirkungen auf die allgemeine Kultur erst ganz allmählich im Verlaufe von Jahrzehnten sichtbar. Noch blieb diese auf lange hinaus im wesentlichen kirchlich bestimmt. Wie da die erwachende Frühscholastik Theologie und Philosophie auf neue Bahn gelenkt hat, ist besser in anderem Zusammenhang anzudeuten. Aber auch dort, wo bereits betretene Wege weiter verfolgt wurden, spürt man trotz allen Beeinträchtigungen durch kirchenpolitische Kämpfe Schritt für Schritt das zunehmende Reifen. Am greifbarsten läßt sich das vielleicht in der Geschichtschreibung verfolgen. Freilich hat die Reformbewegung die Ruhe der alten Klosteraufzeichnungen empfindlich gestört und durch einseitige Parteinahme der Verfasser den objektiven Quellenwert herabgemindert. Die Schriften für und gegen Kaiser Heinrich IV., beispielsweise die von einem getreuen Anhänger aus der hochstehenden Bamberger Schule (Bischof Erlung von Würzburg ?) bald nach seinem Tode verfaßte Bekenntnisschrift seiner Vita und der ihn verunglimpfende „Sachsenkrieg" des Merseburger Klerikers Bruno (1082), bezeugen das deutlich genug. Auch Lamperts Hersfelder Annalen (bis 1077) verraten in ihrer Mischung von versteckter Feindseligkeit und romanhafter Flunkerei ein ungewöhnlich geringes Maß von historischem Wahrheitssinn und moralischer Zuverlässigkeit. Selbst da aber verrät die gewandte Formbegabung, die solche Stoffülle meistert, einen Fortschritt, und der subjektive Wert der immer zahlreicher emporschießenden Geschichtswerke als Zeitbilder mit Einschlag von Selbsterlebtem und Selbstempfundenem ist im Wachsen, während die Aufnahme von Aktenstücken, hinter die sich in gefährlichen Zeitläuften das Urteil gern zurückzieht, doch auch dem Quellenforscher Genüge tut. Endlich haben die ganz Europa umspannenden, oft in die Vergangenheit zurückgreifenden Reformkämpfe und der Aufmarsch des Abendlandes gegen den Orient das Bedürfnis nach universalhistorischer Betrachtung entfacht, und hier sind die Stufen des Aufstiegs offensichtlich: das Zurechtrücken des chronologischen Gerüstes durch den Iren Marianus in Mainz (1082), seine Ausfüllung mit anschwellendem Stoffe, zunächst noch trocken, unkritisch und schlecht eingeteilt bei Sigebert von Gembloux (bis 1111) oder bei Hugo von Flavigny (bis 1102); dann sorgfältiger gesichtet und wohlgeordnet bei Frutolf von Michelsberg (bis 1101) und seinem Fortsetzer Ekkehard von Aura (bis 1125); endlich die Frage nach dem letzten Sinn des ganzen Ablaufs, die Durchdringung des Tatsachenstoffes mit geschichts-
IN ANDBREN LANDERN
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philosophisch-metaphysischen Ideen nach dem Vorbilde des heiligen Augustin und Orosius in der Chronik Ottos von Freising (bis 1146). Wird hier die Kurve der Aufwärtsenwicklung wesentlich von Geistlichen des deutschen Reichsgebietes bestimmt, so fehlt es doch auch in den Ländern ringsum nicht an umfassenderen Höhenleistungen. Den Böhmen gab der Domherr Cosmas von Prag ("j" 1125) die wertvolle, wenn auch fur die älteren Zeiten durchaus sagenhafte Grundlage ihrer Chronistik. Während Italien im allgemeinen noch zurückstand, begann in Westeuropa die Geschichtschreibung üppig zu erblühen. Aus dem damaligen England sind die umfassenden Werke des Mönches Wilhelm von Malmesbury ("f" um 1143) zur Königs- und Kirchengeschichte des Landes wohl an erster Stelle hervorzuheben, während ein anderer englischer Mönch, der einsam in dem südnormannischen Kloster St. Evroul lebte, Ordericus Vitalis (j· nach 1142) Frankreich das historiographische Hauptwerk jener Tage, seine an antiken Mustern geschulte, ungeheuer stoffreiche „Kirchengeschichte" mit geschärftem Wahrheitssinne und weitgespanntem, allnormannischem Gesichtskreis schenkte. Hier in Frankreich, im Sprengel von Laon, schrieb auch Abt Wibert von Nogent ("f" 1124), der Verfasser der unter dem nationalstolzen Titel „Gesta Dei per Francos" berühmten Kreuzzugsgeschichre (bis 1110), seit Augustins zum Muster genommenen „Bekenntnissen" wieder eine erste vollausgeführte Selbstbiographie, die, noch ohne innerlich straffen Ausbau, Persönlichstes in moralisch-überweltlicher Deutung mit der Geschichte seines Klosters und dem Bürgeraufruhr von Laon (1112) verbindet. Durch ihre plastisch-farbige Erzählungsgabe, den memoirenartigen Charakter und die Einblicke, die sie uns erstmals in das Seelenleben eines noch ganz mittelalterlich empfindenden Mönches eröffnet, ist sie höchst bemerkenswert und ein Zeichen geistigen Reifens. Auch in Spanien darf sich die „Geschichte von Compostela" (bis 1139) den bedeutenderen und umfassenderen Historien der Zeit anreihen; denn nur von diesen galt es hier einige wenige hervorzuheben, um den allgemeinen Fortschritt zu kennzeichnen. Die Fülle der sonstigen Geschichtswerke entzieht sich jetzt noch weit mehr als vordem der Aufzählung; aber eben auch die wachsende Menge spricht für die Aufwärtsbewegung. Ähnliches gilt nun auch für die Entwicklung der kirchlichen Baukunst. Von den beiden großen Monumentalschöpfungen aus den feindlichen Heerlagern im Investiturstreit: dem Neubau der Klosterkirche von Cluny (1089 bis 1130) und dem auf Heinrichs IV. Geheiß von Osten her erneuerten und nun auch im Mittelschiff eingewölbten Speierer Dom, ging die weitere Bewegung
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KIRCHLICHE BAUKUNST
aus. Durch desselben Kaisers Fürsorge ergriff sie auch den Dom von Mainz (vollendet 1137). Die Benediktinerkirche von Maria Laach (1130) ist ein weiteres bemerkenswertes Beispiel der neuartigen Wölbungsversuche, die bei den häufigen Bränden der flachen Holzbalkendecken und dem künstlerischen Bedürfnis nach Einheitlichkeit und Verbundenheit des steinernen Materials für den Innenraum so nahe lagen, aber in ihrer Anwendung auf den feststehenden mehrschiffigen Basilikatypus große Schwierigkeiten zu überwinden hatten. Ihre Bewältigung erforderte denn auch so kühne Entschlußkraft, daß weitere Erfolge nach dieser konstruktiven Seite hin in Deutschland, sobald man der kaiserlichen Antriebe entbehrte, vorderhand ins Stocken gerieten, während man hier für die harmonische Raumgestaltung, die Gliederung der Bauflächen, die immer reichere Entfaltung und Emporstreckung der vieltürmigen Silhouette und die Belebung einzelner Teile durch reizvolle Ornamentation in dieser hochromanischen Epoche eine Fülle glücklich-freier Lösungen fand. Eben für solche früher nur farbige, jetzt auch plastische Schmückung von Fenstern und Portalen gewann man damals Anregungen und Mithilfe durch Truppen von Wanderarbeitern aus der Lombardei, wenn auch die Herkunft der bald den ganzen Bau rheinischer Kirchen wie ein Fries umziehenden Zwerggalerie noch umstritten bleibt. Das Erdbeben von 1117 trug nun endlich auch in Oberitalien dazu bei, die verharrende Ruhe der Architektur zu erschüttern. Kraft und Wohlstand der emporstrebenden Städte fanden in den folgenden Jahrzehnten ihren Ausdruck in den allenthalben umgebauten oder neuerrichteten Kirchen mit kreuzgewölbten oder noch flachen Decken, weniger hochstrebend als in der Breite ausladend, mit malerischen Fassaden und prunkvollen Portalen: S. Ambrogio in Mailand (seit etwa 1128), die Dome von Modena (schon seit 1099), von Parma (seit 1130) und viele andere. In Raumgestaltung und Wölbekunst aber waren die Fortschritte der Zukunft doch nicht von dem da immerhin noch eher rückständigen Italien zu erwarten, dessen Mitte und Süden dafür überhaupt noch kaum in Betracht kamen, sondern von Frankreich, an das nunmehr die architektonische Führung des Abendlandes überging. Auch dort eine überreiche Fülle mannigfaltigster Erscheinungsformen, noch mehr als in Deutschland in regionale Schulen geschieden, vom Mönchtum stärker als vom Weltklerus bestimmt; noch ragen neben vielem Zerstörten, wie der vorbildlichen Klosterkirche von Cluny selbst, edelste Bauwerke jener Tage wie Ste. Madeleine zu Vezelay im Burgundischen, St. Sernin zu Toulouse oder St. 6tienne in Caen bis in
PHANTASIEBELEBUNG
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die Gegenwart hinein. Das Wichtigste war doch, daß in Frankreich die Wölbungsprobleme mit noch zäherer Eindringlichkeit als anderswo in immer wechselnden Versuchen dem Gelingen nähergebracht wurden. Zuerst in der eben damals viele neue Kirchen errichtenden Normandie, von der die Wirkungen nach England hin ausstrahlten. In diesem germanisch durchsetzten Gebiete Nordfrankreichs geschah es auch, daß man vermittelst hoch durch die Geschosse hinaufragender Halbsäulen eine Vertikalgliederung der inneren Wandflächen erreichte, die bereits aus dem Geiste des romanischen Stils herauszuwachsen begann. Wenn so die abendländische Kultur, wie sich noch für manche andern Gebiete erweisen ließe, aus sich selbst neue Blüten hervorzutreiben vermochte, so mußte das gesamte Phantasieleben darüber hinaus in Hochspannung geraten durch die unerhörten Erregungen der ersten Kreuzzugsbewegung, die ja vornehmlich Frankreich berührte, sowie durch die wunderbaren Eindrücke, die der Blick in den Orient vermittelte. Da es immerhin einer gewissen Zeit bedurfte, bis das Staunen sich in greifbare Einzelwirkungen umsetzte, so mag es hier zunächst mit diesem Hinweis auf die allgemeine Erschütterung der Geister zu Beginn des 12. Jahrhunderts genug sein. Beide Parteien im kirchenpolitischen Streit hatten diesem Zeitwandel ihren Tribut zu zahlen. Auch die Sieger, die unentwegt das alte Reformprogramm vertraten, waren nicht mehr die früheren Gregorianer. Jeder erbitterte Kampf ruft Gewalten auf, die von dieser Welt sind. Das staatsmännische Papsttum eines Kalixt, die ganze Kurie mit ihrem immer stärker hervortretenden politisch-juristischen Treiben entsprach wenig dem Reformideal tiefer empfindender Geister. Ebensowenig war der Episkopat mit dem gesamten Weltklerus den abstumpfend-entsittlichenden Wirkungen des langen Kampfes entgangen. Auch ohne das verstand es sich wohl von selbst, daß in einer gereinigten, ganz auf das über weltliche Wunschbild eingestellten Kirche dem Mönchtum als der obersten Stufe des religiös fundamentierten Baues die erste Rolle zufiel. Allein selbst in Cluny, von wo der Anstoß des ganzen Ringens ausgegangen war, hatte die Führung des politischen Kampfes ihre Spuren hinterlassen. Der von allen Seiten zuströmende Reichtum hatte Stolz, Festesglanz, Üppigkeit und Lockerung der Zucht hervorgerufen. Eben zur Zeit des Wormser Konkordates mußte der aus der Art schlagende Abt Pontius (1109—1122) auf päpstlichen Zwang hin abdanken, suchte sich aber gegenüber seinem Nachfolger Peter dem Ehrwürdigen (bis 1156), der dann die Zucht herstellte, noch durch drei Jahre hindurch gewaltsam wieder des Amtes zu bemächtigen.
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ZISTERZIENSER
So wax es kein Wunder, daß sich unter den religiösen Gemütern die tieferen und strengeren von Cluny ab und den neuen, mit innigerem Liebesund Friedensgeiste erfüllten Orden zuwandten, zumal ebendamals seit dem Eintritt Bernhards von Clairvaux (1113) der erstaunliche, aller Welt als ein Wunder erscheinende Aufschwung des Zisterzienser-Ordens eingesetzt hatte. Nicht wenig trug dazu bei die neuartige, vom Geiste der Freiheit und Genossenschaft beeinflußte Verfassung, die 1119 von dem englischen Abte Stephan Harding in der „Carta caritatis" dem Orden verliehen wurde. Sie hielt zwischen der nicht gefahrlosen Isolierung der Benediktinerklöster und der alle Eigenart unterdrückenden Monarchie des Abtes von Cluny über die gesamte Kongregation glücklich die Mitte. Die Selbständigkeit jedes Einzelklosters, das durch grundsätzliche Ablehnung aller Vögte, Vasallen und Ministerialen von der Weltlichkeit strenger abgeschlossen war, beschränkte sie nur durch Visitation von Seiten seines Mutterklosters, indem der Orden sich dadurch in Familienstämme teilte. Der Generalabt von Citeaux aber war unter den übrigen Äbten nur ein „Erster unter Gleichen", denn die Souveränität im Orden lag bei dem jährlich in Frankreich zusammentretenden Generalkapitel aller Äbte. Eben diese aristokratisch-konstitutionelle Leitung hat die Ausbreitung in andere Länder, in denen man sich dem Abte von Cluny nicht schlechthin untergeordnet hätte, wesentlich erleichtert, gleichwohl aber den französischen Kultureinfluß infolge der jährlichen Zusammenkünfte durch Hunderte von Kanälen ins Ausland geleitet. Bis zum Tode Bernhards hatte die Zahl der Zisterzienserklöster in fast allen europäischen Ländern bereits das dritte Hundert überschritten. Diese Internationalität unter französischer Führung entsprach ganz dem Geiste der frühen Kreuzzugszeit, den weltflüchtig-asketischen Grundgedanken der ersten Stiftung dagegen die voll hergestellte Strenge der Benediktinerregel in einfacher Nahrung, grauer Gewandung, Abschließung von der Außenwelt. Der Gegensatz gegen die Pracht der Cluniazenserkirchen zeigte sich schon äußerlich in den nach genauen Sparsamkeits- und Zweckmäßigkeitsvorschriften aufgeführten Bethäusern, die statt der Steintürme nur den Dachreiter für die der Gemeinschaft genügenden kleinen Glocken trugen und außer dem Kruzifix der plastischen Bildwerke und jeglichen Sinnenreizes entbehren sollten. In gediegener Ausführung mit Kreuzgewölben und ganz auf Tiefenwirkung berechnet, aber mit zähem Festhalten an der überlieferten burgundischen Formensprache breitete sich ein festumrissener Bautyp durch Laienbrüder als Wanderarbeiter weithin über Europa aus. Solche Laienbrüder dienten ferner dazu, dem benediktinischen Handarbeitsgebot auf landwirtschaftlichem oder auch gewerb-
BERNHARD VON CLAIRVAUX
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lichem Gebiete wieder Geltung zu verschaffen, indem die klösterliche Grundherrschaft, die eben wegen dieses Charakters, nicht allein wegen des Dranges nach Einsamkeit, auch noch nicht wie später die Bettelorden ihren Sitz in den Städten nehmen konnte, sondern abgelegene Waldtäler bevorzugte, ihre Ländereien nicht in Pacht ausgab, sondern in Egenbetrieb nahm. Durch Urbarmachung unwirtlichen Bodens sollten sich die Zisterzienser als Kolonisatoren in Ostelbien und Spanien später namhafte Verdienste erwerben. In vielen dieser Aufgaben und Einrichtungen, aber unter Einschluß von pfarrmäßiger Predigt und Seelsorge wirkten in gleicher Richtimg mit den Zisterziensern und als regulierte Weltgeistliche den Mönchen nacheifernd die Prämonstratenser. Der hochgeborene deutsche Kanoniker Norbert von Xanten (etwa 1080-1134), ein zündender Redner, persönlich nicht ohne schroffe Härten, hatte durch die Wirkung eines nahen Blitzstrahls jäh aus weltlichem Treiben gerissen und umgewandelt, anfangs eine freiere Gemeinschaft armer predigender Wanderapostel erstrebt, dann aber unter kirchlichem Druck auf das unstete Umherziehen verzichtet und 1120 das Kloster Premontre bei Laon gegründet, unter Annahme zwar der Augustinerregel, aber von jenen Chorherren mit starker Anlehnung an die Zisterzienser durch Ausbau einer besonderen halbmönchischen Kongregation geschieden. Auch diese entsprach dem Zeitbedürfnis derart, daß sie im Abendlande rasche und weite Verbreitung fand. Norbert hielt auch nach seiner Berufimg auf den Magdeburger Erzstuhl (1126) seine Hand über dem Orden, dessen Verwaltungszentrum indes in Frankreich verblieb. Wenn die Prämonstratenser gleichwohl an die weltgeschichtliche Bedeutung der Zisterzienser nicht heranreichten, so lag das nicht zum wenigsten daran, daß diesen eine Persönlichkeit von dem Ausmaß und der Wucht des heiligen Bernhard vier Jahrzehnte lang Wesen und Wege bestimmte. Bernhard war 1091 als Sohn eines burgundischen Ritters geboren. Nach seinem Eintritt in den Orden hat er 1114 das Tochterkloster Clairvaux gegründet und ist da sein Leben lang Abt geblieben. Nichts kennzeichnet deutlicher den Geist jener Epoche, als daß seine kahle Zelle dort mit dem harten Strohlager wahrhaft zum Mittelpunkt des Abendlandes werden konnte. Nie ist aus der Höchstschätzung weltflüchtiger Askese im Stufenbau der mittelalterlichen Sozialordnung derart die letzte Folgerung gezogen wie damals, als die siegreiche Papstkirche mit dem gesamten Klerus der Hochspannung religiöser Sehnsüchte nicht mehr Genüge tat. Indes, von dieser allgemeinen Schätzung bis zur europäischen Herrscherstellung eines einfachen Abtes war noch ein weiter Schritt. Ihn konnte nur ein religiöser Genius tun.
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BERNHARDS PERSÖNLICHKEIT
Das Geheimnis seines ungeheuren Einflusses lag in den zwei Seelen, die Bernhard, der sich deshalb selbst die „Chimära des Jahrhunderts" genannt hat, widerspruchsvoll in seiner Brust vereinte. Die eine zog ihn ganz im Einklang mit dem höchsten Ideal der Zeit zu einsamer Betrachtung und Kasteiung, zu mystischer Versenkung in Gott, ohne philosophische Spekulation, nur mit den Kräften des Gemüts zu einer ganz innerlich erfaßten und persönlich gefärbten Nachfolge Christi, in demütiger Erniedrigung, friedvoller Milde und hingebender Nächstenliebe. Die andere sah scharf die kirchlichen Gebrechen jener Tage, die noch immer mangelhafte Durchführung der Reform, die Gefahren für die dem Heil der Christen unentbehrliche Einheit der Kirche, und sie fühlte die Überlegenheit der eigenen Kräfte: einer fast übermenschlichen Willensstärke, einer hinreißenden Beredsamkeit, einer hellsichtigen Menschenbeherrschung. Sollte er sich selbstsüchtig versagen, wenn die Allgemeinheit seine Hilfe forderte? Halb widerstrebend und für das eigene Heil bangend, halb im Gefühl seiner Kraft vorwärtsdrängend, griff er so wieder und wieder von dem kontemplativen in das aktive Leben hinüber und suchte das alte kirchenpolitische Ideal mit dem neuen der inneren Heiligung zu versöhnen. Ebendies gab ihm die beherrschende Stellung. Päpste, Kaiser und Könige folgten seinen Winken und mußten sich, wie einmal Ludwig VII. von Frankreich als neuer „Herodes", oft unsanfte Zurechtweisungen gefallen lassen. Ein über ganz Europa ausgespanntes Netz von Ordensbrüdern als Vertrauensmännern trug ihm die nötigen Berichte zu. Es bedurfte einer förmlichen Kanzlei, um den ausgedehnten Briefwechsel zu bewältigen. Aber alle Schriftstücke zeigten den scharf geschliffenen und antithesenreichen, dabei doch über alle Gemütstöne verfügenden, stets ganz persönlichen Stil dieses großen Künstlers, der, wenn er auch Literatur und Schulbetrieb für seine Ordensklöster ablehnte, in eigenen Briefen und Werken sich doch als feinst gebildeter Schriftsteller zeigte, dem selbst Literateneitelkeit nicht ganz fernlag. So baute er sich über alle christlichen Reiche hin innerhalb des umfassenderen Rahmens der katholischen Kirche seinen unabhängigen Zisterzienserstaat aus, der ihm unter Umständen gar über den Kopf des Papstes hinweg zu handeln gestattete. Märchenhafte Erfolge trugen ihn von Stufe zu Stufe empor, schließlich wohl über sich selbst hinaus zu Prophezeiungen und Wunderwirkungen und umrauschten ihn mit dem tosenden Beifall, der gläubigen Verehrung, ja Vergötterung der Menge. Aber indem ihn die Politik in ihre Fangarme zog, ging es nicht ab ohne Bitternis und Reizbarkeit, ohne unduldsame Eingriffe und selbstbewußte Ubergriffe, die ihm auch heftige Gegnerschaft weckten.
LOTHAR ΠΙ.
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Sein letztes Streben endlich, das Ideal, wie es ihm vorschwebte, auf die Erde herabzuzwingen, ging über die Kraft und führte zum Zusammenbruch. In der Gesamtbeurteilung treten immerhin die Schlacken und schließlichen Mißerfolge zurück hinter der Reinheit des Wollens und dem großartigen Eifer um die Sache, der in immer erneutem Kampfe die Lebenskraft aufzehrte. Denn bei aller im wesentlichen durchaus noch vorhandenen Einheit der Weltanschauung, bei aller Macht des Heiligen über die Gemüter darf man sich die abendländische Menschheit jener Tage doch nicht als völlig gleichmäßig und herdenartig, die Siege nicht als allzu wohlfeil vorstellen. Welche Ähnlichkeit bestünde beispielsweise zwischen Bernhard und dem kühl rechnenden Staatsmanne Roger II. von Sizilien oder dem machtkundig und kirchenabhold, sinnenfroh und liebeshungrig ganz der diesseitgen Welt zugewandten ersten Troubadour Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien? Ringsum waren neue Kräfte im Aufsteigen, die an die Tore der mühsam errungenen geistlichen Vorherrschaft pochten. Noch behauptete sie sich, aber nur in beständigem Ringen, nur geführt von einem Vorkämpfer, wie Bernhard war. Bezeichnet man die Epoche von 1125 bis 1152 mit seinem Namen, so bedeutet das bei allem Voranschreiten der kirchlichen Ansprüche doch keineswegs unbedrohten Besitz, sondern nur eine Gruppierung schwerer Kämpfe um seine alle überragende Persönlichkeit. Das wäre kaum so gewesen, wenn nicht im damaligen Abendlande nach dem langen, erschlaffenden Investiturstreite ein erschreckender Mangel an großen staatsmännischen Führern gewesen wäre, zu denen man doch nur König Roger II. und vielleicht Abt Suger von St. Denis zählen kann. Mit dem Erlöschen des salischen Hauses war die Hegemonie des deutschen Kaisertums dahingeschwunden. Zum erstenmal machte sich eine Art Gleichgewicht der Staaten geltend. Aber diese waren keineswegs in sich gefestigt. Wohin man blickt, allenthalben Zersplitterung, Unruhen, Kämpfe von Thronbewerbern gegeneinander, gefördert von der rings emporkommenden, auf Schwächung des Königtums bedachten Aristokratie und genutzt von der Kirche. Das trat zuerst in Deutschland zutage. Den Erbansprüchen des staufischen Herzogs Friedrich II. von Schwaben als Enkels Heinrichs IV. trat die Mehrheit der Fürsten unter geschickter Leitung des Erzbischofs Adalbert von Mainz, der aus einem Kanzler und Helfer Heinrichs V. dessen erbittertster Feind geworden war, entgegen und erkor in Anwendung des freien Wahlrechts den anderen Hauptgegner des salischen Hauses, Herzog Lothar von Sachsen, zum König (1125-1137). Auch sonst empfahlen den schon Fünfzigjährigen seine Söhnelosigkeit, die auch für künftig das fürstliche Wahlrecht
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DIB STAUFER
gewährleistete, und die streng kirchliche Gesinnung, in der jener, weit entfernt von einer Erneuerung des Investiturstreites, nicht einmal den Einfluß straff auszuüben gewillt war, den das Wormser Konkordat noch dem König bei der Erhebung der Bischöfe durch persönliche Anwesenheit, Entscheidung von Doppelwahlen und Investitur vor der Weihe gelassen hatte, und darüber hinaus den Wünschen der Reformpartei geneigt war, sich sogar dazu verstand, die päpstliche Bestätigung seiner Königswahl einzuholen. In der Wahrnehmung seiner Hausmachtinteressen und in der Führung der sächsischen Herzogspolitik bisher durchaus kräftig und zielbewußt, fand er sich in den Gängen der großen Politik nur schwer zurecht, war da auch mit neuem Kanzleipersonal durch das Abreißen der sicheren Überlieferung gehemmt und sehr bald durch die offene Gegnerschaft der Staufer geschwächt. Denn der Versuch, ihnen das durch die Verbindung eines Jahrhunderts eng mit dem salischen Hausbesitz verwachsene Reichsgut abzunehmen, trieb jene zur bewaffneten Erhebung und zur Aufstellung von Friedrichs jüngerem Bruder Konrad, der dem Sachsen noch nicht gehuldigt hatte, als Gegenkönig (1127). Jahre des Bürgerkrieges folgten, in denen die Staufer, außer von ihrem schwäbisch-fränkischen Machtbezirk auch von Österreich und Niederlothringen her unterstützt, zunächst zähen Widerstand leisteten. Unter Ausnutzung eines Streites der Mailänder Kirche mit Rom konnte der vom Papst gebannte Konrad 1128 auch dort Anerkennung und die italienische Königskrone gewinnen, zugleich auch den Versuch machen, für das reiche mathildische Gut entgegen den Ansprüchen des Papsttums das Erbe Heinrichs V. anzutreten. Das schlug zwar fehl, und diese ganze Abschwenkung nach Italien blieb eine kurze Episode, die mittlerweile in Deutschland die staufische Sache schwächte. Indes, der Zwiespalt im deutschen Königtum war noch keineswegs beseitigt, als nun im Jahre 1130 eine noch viel weiter greifende Spaltung die abendländische Welt in zwei feindliche Lager teilte. Der im Investiturstreit oft und oft erneute Kampf um Rom war auch im Kirchenstaat der Aristokratie zustatten gekommen. Das einst von den Tuskulaner Grafen bekämpfte Reformpapsttum wurde jetzt freilich anerkannt, aber die in Burgen des Stadtinnern angesessenen jüngeren Adelsgeschlechter, wie die Frangipani am Palatin, die Pierleoni im Marcellustheater, suchten eben durch engste Verbindung mit jenem ihre Macht zu steigern, woraus sich Zustände weltlicher Verwilderung ergaben, die an die Vorreformzeit gemahnen konnten. Als der von den Frangipani gestützte Honorius II. (1124—1130) kaum die Augen geschlossen hatte, kam es im Widerstreit
PAPSTSCHISMA, ROGER Π.
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der Fraktionen durch unwürdige Machenschaften zu einer Doppelwahl, bei der der Kandidat der Frangipani Kardinaldiakon Gregor, der sich Innozenz II. nannte, mit listiger Überrumpelung der Mehrheit als der frühere, Kardinalpriester Petrus Pierleoni, der Kandidat dieser Familie, der den Namen Anaklet II. wählte, in rechtmäßigeren Formen, aber später zum Papst erhoben wurde. Da die Mehrheit einer festbegrenzten Stimmenzahl damals noch nicht entschied, galt es zu prüfen, welche der beiden Parteien die gesündere (sanior pars) sei. Dabei aber gaben allenthalben Interessen und Personenbeurteilung in höherem Maße als Rechtsfragen den Ausschlag. Die bedeutendere Erscheinung unter den beiden war unstreitig Anaklet, in Paris feingebildet, weltklug, ehrgeizig, beredt und witzig, trotz seines Cluniazensertums bei dem Reichtum seiner geschäftsgewandten Vorfahren nicht ohne Prunkliebe — im ganzen mehr der Typus des Adelspapstes. Bei seinen ausgedehnten Verbindungen wußte er bald Rom zu beherrschen, selbst die Frangipani zu sich herüberzuziehen, so daß sein Rivale nach Pisa flüchten mußte. Auch in Reichsitalien fand Anaklet Anhang, indem er vor anderen den Mailänder Erzbischof durch Bestätigung aller Ansprüche für sich einnahm. Um die Anerkennung Lothars hatte er sich sofort unter Bannung des Gegenkönigs Konrad bemüht, ihn auch durch ein Schreiben seiner Adelspartei zum Empfang der Kaiserkrone nach Rom einladen lassen. Da beides ohne Erfolg blieb, sicherte er sich eine starke Stütze im Süden. Roger Π. (1101-1154), der Sohn des Grafen Roger von Sizilien, hatte seit seiner Mündigkeit (1112) die Ausdehnungsbestrebungen seines Vaters weiter verfolgt, zuerst noch unglücklich gegen Afrika, dann erfolgreich auf dem süditalischen Festland gegen Norden, wo sich alles, was Robert Guiscard geschaffen hatte, unter seinen schwachen Nachfolgern in schlimmster Auflösung befand. Als mit seinem Enkel Wilhelm die dortige Linie 1127 abbrach, griff Roger als Erbe nach Apulien hinüber, ohne die Zustimmung des päpstlichen Lehnsherrn einzuholen. Die Zusammenballung einer so großen Macht bedeutete für die Kurie mehr Gefahr als Stütze und lief ihrer bisher befolgten Teilungspolitik zuwider. Allein mit ihren Versuchen unmittelbaren kriegerischen Eingreifens im Süden haben die Päpste niemals Glück gehabt. Auch Honorius II. mußte 1128 seinen Feldzug aufgeben und Roger mit dem Herzogtum Apulien belehnen. Seinen Zusagen zuwider und höchst gewalttätig, suchte dieser, ohne Feldherrntalent und ritterliche Neigungen, wie er war, aber voll listenreicher Kombinationsgabe, glücklicher Treffsicherheit, zäher Unermüdlichkeit und diplomatischer Kunst, nun auch mit dem bescheidenen Reste selbständiger Fürstentümer und Stadtherrschaf-
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INNOZENZ Π.
ten im Süden aufzuräumen und strebte offen nach dem Einheitskönigtum. Da eben begegneten sich seine Wünsche mit dem persönlichen Bedürfnis Anaklets nach einem festen Halt. Dieser Papst erkannte das erweiterte Gesamtgebiet Rogers an und gab es ihm, ohne daß von den kaiserlichen Ansprüchen die Rede gewesen wäre, als Königreich mit Zinszahlung zu Lehen (1130) — bei der Nähe der Grenze an Rom gewiß ein gefährlicher Akt, aber auf die Dauer doch vielleicht unvermeidbar. Verpflichtete Anaklet die Bischöfe dieses neuen Reiches dem Könige zur Lehnshuldigung, ohne daß dessen Legationsrechte für Sizilien geändert wurden, so gewann das Papsttum immerhin die Organisation dieser erweiterten Obödienz in einem festen, Rom untergeordneten Metropolitanverbande. Für den Pierleoni war diese Verbindung mit dem normannischen Süden um so unentbehrlicher, als inzwischen der Frangipanipapst nördlich der Alpen eine weit überlegene Stellung gewonnen hatte. Denn Innozenz II., ein Mann von ehrenhafter Mittelmäßigkeit, aber geistlicherem Gepräge, von dem Kanzler Haimerich klug beraten, hatte sich mit feinem Instinkt dem französischen Reformmönchtum in die Arme geworfen, dem er die erprobten Überlieferungen des Papsttums und eine Lenkbarkeit nach eigenen Wünschen weit besser zu gewährleisten schien als der ehrgeizige Geschäftsmann, den man in Anaklet erblickte, der brüllende „Löwe", der den „Unschuldigen" verfolgte. Dies Reformmönchtum aber war damals wichtiger als das politische Frankreich in seiner feudalen Zersplitterung. Auch gelang es Bernhard von Clairvaux leicht, den vom Abte Suger geleiteten König Ludwig VI. zu gewinnen. In Deutschland war Lothar bereits durch Norberts Urteil voreingenommen. Wie günstig wäre die Gelegenheit gewesen, die Papstspaltung zur Wiedererlangung der Bischofseinsetzung, deren Einbuße selbst Lothar bereits bitter empfand, auszunützen! Allein der Sachse war kein Salier; er fühlte sich nicht nur durch das stauiische Gegenkönigtum behindert, sondern auch durch Parteirücksichten und Gefühlswerte gebunden und schob die Verantwortung lieber einer Würzburger Synode zu, die unter Norberts Führung für Innozenz entschied (Okt. 1130). Indem dann durch persönliche Einwirkung Bernhards auf König Heinrich I. England und die Normandie gewonnen und über das noch ablehnende Aquitanien hinweg auch die spanischen Bischöfe zum Anschluß gebracht wurden, war für Innozenz, der sich selbst nach Frankreich begeben hatte, diesseits der Alpen eine völlig überlegene und schwer zu erschütternde Stellung gesichert. Aber wie sollte er den Weg nach Rom zurückfinden? Da erinnerte man sich der Schutzpflicht, die dem künftigen Kaiser als Vogt der
KAISERKRÖNUNG IM LATERAN
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Kirche oblag, und führte eine Zusammenkunft des Papstes mit Lothar in Lüttich herbei (1131). Sie zeigte sogleich des Königs Unerfahrenheit und Traditionslosigkeit im Umgang mit der Kurie. Er trug kein Bedenken, dem Papste den Marschalldienst des Steigbügelhaltens zu erweisen, den Untertanen und Vasallen zu leisten pflegten. Und als er jetzt erst nach vollzogener Anerkennung den Wunsch auf Wiederherstellung des Investiturrechtes aussprach, durfte er sich über die glatte Ablehnung nicht wundern; vor der Wucht von Bernhards Beredsamkeit wich er zurück, ohne die Möglichkeit eines Konfliktes ernstlich in Erwägung zu ziehen. So mußte er es freilich auch ruhig hinnehmen, daß Innozenz über die Rechte, die das Konkordat noch der Krone zugestanden hatte, hinwegschritt und wiederholt die Bischofsweihe ohne Rücksicht auf die königliche Investitur erteilte. Auch für die Rückführung des Papstes nach Rom, die durch Rogers Feindschaft doppelt gefährlich werden konnte, vermochte er, nachdem der rechte Augenblick versäumt war, keine anderen Vorteile als die Zusage der Kaiserkrönung zu erlangen. Diese freilich mußte ihm ja, schon weil sie ihm endgültig das Übergewicht über das staufische Gegenkönigtum sicherte, von hohem Wert sein. Ein Doppelangriff zu Lande und zur See sollte nach den Plänen derer um Innozenz den normannischen Emporkömmling vernichten. Bernhard selbst begleitete seinen Papst nach Italien und half durch seine Überredungskunst die rivalisierenden Seestädte Pisa und Genua, die sich aber beide durch die emporwachsende Macht Rogers bedroht fühlten, zu einer gemeinsamen Flottenunternehmung gegen Sizilien zu vereinigen. Lothars Kräfteeinsatz für den Romzug (1132/33) war freilich in Rücksicht auf die fortbestehende staufische Gegnerschaft äußerst gering. Vorsichtig wand er sich an den feindlichen Städten der Lombardei vorbei. In Rom konnte die Kaiserkrönung nur im Lateran vollzogen werden, da die Peterskirche mit den meisten Stadtburgen von Anaklet behauptet wurde. Mit seiner Rückforderung des alten Investiturrechts hatte Lothar nicht viel mehr Glück als in Lüttich, wenn auch Bischöfe und Reichsäbte angewiesen wurden, die Regalien nicht ohne königliche Verleihung in Besitz zu nehmen und die darauf lastenden Pflichten zu erfüllen. Eher kam der nüchterne Territorialpolitiker auf seine Rechnung, als er sich das reiche mathildische Gut, das ja der Papst selbst vor den staufischen Ansprüchen gar nicht hätte beschützen können, von Innozenz, dessen Obereigentumsrecht er also anerkannte, gegen Zins mit dem kirchlichen Symbol des Ringes übertragen ließ. Materiell ein bedeutender Machtzuwachs! Für die Form der Verleihung jedoch zeigte Lothar auch jetzt
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BERNHARDS DIPLOMATIE
noch dasselbe erfahrungslose Unverständnis wie bisher. Denn war der Vorgang auch gewiß nicht als Begründung eines vollen Mannschafrsverhältnisses aufzufassen — wie das für Lothars Schwiegersohn, Herzog Heinrich den Stolzen von Baiern, der dadurch in dies Erbe hineinwachsen sollte, alsbald in der Tat der Fall war — so konnte er doch allzu leicht als das erscheinen und die von der Kurie ohnehin unverhohlen genug zum Ausdruck gebrachte Vorstellung bestärken, auch das Kaisertum selbst sei lehensabhängig vom Papste. Tatsächlich hat diese schon bald nach Lothars Tode zu Rom ihren Niederschlag in Bildern gefunden, die ihn als Lehnsmann oder Marschall des Papstes darstellten und das auch durch Inschrift erhärteten. So schienen die letzten Wünsche Gregors VII. Gestalt zu gewinnen. Lothars nüchtern den unmittelbaren Vorteil abschätzende Art zeigte sich auch darin, daß er sich durch kein Drängen der Kurie weiter in süditalische Abenteuer hineinziehen ließ, zumal Roger der erneut ausgebrochenen inneren Widerstände eben damals Herr zu werden schien und bei der Natur seines Landes auch mit größerer Truppenmacht keinesfalls völlig niederzuwerfen gewesen wäre. Ohne auf die bedrängte Lage seines Papstes Rücksicht zu nehmen, kehrte er, immerhin mit einem Machtgewinn, der den geringen Kräfteeinsatz übertraf, schleunigst nach Deutschland zurück und zwang dadurch Innozenz, noch im Herbst des Jahres abermals nach Pisa zu flüchten. Wollte man das Schisma beseitigen, so mußte nun fur einen neuen, mit umfassenderen Machtmitteln auszuführenden Romzug politisch der Boden bereitet werden. Dies war das eigenste Werk Bernhards, seine diplomatische Glanzleistung. Er war es, der Lothar von dem innerdeutschen Hemmnis befreite, indem er seine Anerkennung durch die staufischen Brüder, die sich zur Teilnahme an der neuen Italienfahrt verpflichteten, herbeiführte. Den verstockten Herzog Wilhelm X. von Aquitanien trieb er dadurch, daß er ihm geradezu durch Christus selbst in der vorgehaltenen Hostie Gehorsam abforderte, zum Zusammenbruch. Er war die Seele des Pisaner Konzils von 1135, einer Heerschau von Innozenz' Partei. Als er die Mailänder zu seiner Sache hinüberzog, war der persönliche Eindruck, den er auf sie machte, so überwältigend, daß sie ihn zu ihrem Erzbischof haben wollten und er sich nur durch schleunige Abreise dem entziehen konnte. Noch einmal vermittelte er zwischen den hadernden Seestädten und erreichte zur Unterstützung der sizilischen Rebellen eine neue Flottenunternehmung der Pisaner, die dabei ihre alte Rivalin Amalfi gründlich zerstörten. Den Kaiser selbst spornte er an, indem er auf die von dem Normannen verletzten Reichsansprüche hinwies, die freilich von der Kurie ebensowenig beachtet wurden. So bereitete er
NORDOSTPOLITTK
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allenthalben mit Friedensworten den neuen Kriegszug vor. Auch im Ostbecken des Mittelmeers herrschte Mißstimmung gegen den normannischen Emporkömmling, der damals sogar danach strebte, auf Antiochia als Erbe Bohemunds Π. die Hand zu legen. Griechische und venezianische Gesandte fanden sich daher mit päpstlichen Abgeordneten und süditalischen Flüchtlingen auf dem kaiserlichen Hoftage in Merseburg zusammen. In mehrfacher Hinsicht mochte man sich damals an die letzten Glanzzeiten Otto des Großen gemahnt fühlen, dessen Ziele auch im Norden und Osten wieder aufgenommen zu werden schienen. Denn in den Grenzbezirken seines sächsischen Herzogtums kannte sich Lothar offenbar weit besser aus als in der universalen Politik. Das war um so wichtiger, als damals wirtschaftliche Kräfte aus den verhältnismäßig schon übervölkerten niederländischen und rheinischen Gebieten des Reiches ostwärts zu Hüten begannen, um sich zunächst (seit 1105) in den Mooren und Brüchen zwischen Weser und Elbe neues Kulturland zu erarbeiten, dann aber auch unter den Slawen jenseits der Grenze als Kolonisatoren zu wirken. Auch wertvolle Elemente des Hochadels und der Kirche strebten hier nach Betätigung. Während die Könige des durch endlosen Thronstreit in Schwäche versunkenen dänischen Reiches sich durch Unterordnung unter den Kaiser zu stützen suchten, wurden im östlichen Holstein in Wechselwirkung von Schwert, Kreuz und Pflug durch Graf Adolf Π. von Schauenburg, den missionierenden Priester Vizelin und herbeigelockte Bauernscharen die Grundlagen der Germanisation geschaffen und auch die benachbarten Wendenlande in Lehnsabhängigkeit gehalten. Das war wichtiger als die in Rom von Innozenz noch einmal erlangte Bestätigimg der Hoheitsrechte des Bremer Erzbischofs über die nordischen Reiche, deren kirchliche Ablösung auf die Dauer doch nicht aufzuhalten war. Und ähnlich lagen die Dinge im Osten. Die päpstliche Anerkennung der auf Fälschung beruhenden Metropolitanansprüche Magdeburgs über die polnische Kirche blieb ein Fetzen Pergament. Daß aber der bedeutende Polenherzog Boleslaw III. (1102-1138), der in erfolgreichen Feldzügen Pommern westlich bis nach Rügen hin gewonnen hatte, zur Missionierung der heidnischen Bevölkerung dort unter seinen Landsleuten keine geeignete Kraft fand und diese Aufgabe daher dem deutschen Bischof Otto vom Bamberg, der einst an seinem Hofe Kaplan gewesen war, übertrug, ist bei der hohen Achtung, die sich Otto durch sein ebenso kluges wie menschenfreundliches Vorgehen erwarb, für die spätere Germanisation Pommerns von hoher Bedeutung geworden. Auch vermochte Boleslaw, der sich zuletzt in gefährliche ungarische Thronstreitigkeiten verwickelt hatte, seine selb-
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FELDZUG GEGEN ROGBR Π.
ständige Machtstellung nicht voll zu behaupten; er erneuerte die Abhängigkeit vom Reiche, zahlte den rückständigen Tribut und empfing vom Kaiser eben auf jenem Merseburger Tage von 1135 die Belehnung mit Pommern und Rügen. So hatte sich Lothar, der auch die erschütterte Abhängigkeit Böhmens herstellte, der in Brandenburg und Meißen den Geschlechtern der Askanier und Wettiner die großen Zukunftsziele wies, dem man in Deutschland diese kurzen Friedensjahre fast überschwenglich dankte, in seinen näherliegenden Herrscheraufgaben bedeutend betätigt, als seine gesteigerte Macht wiederum von der Kurie zu dem neuen, nun ausgesprochenermaßen gegen Roger gerichteten Romzuge in Anspruch genommen wurde. Diesmal waren nach der sorgfältigen Vorbereitung die Aussichten weit günstiger als früher. Vor der stattlichen Truppenmacht beugte sich Norditalien. Von da rückte man in zwei Heeressäulen südwärts: Lothar die Ostküste entlang, Heinrich der Stolze gemeinsam mit dem Papste durch Tuszien. So drang man von beiden Seiten her in das normannische Reich, vereinigte sich erst in Bari und trug auch noch weiter südlich einige Erfolge davon. Roger, der es klug vermieden hatte, auf diesem von Rebellen durchsetzten Boden dem übermächtigen Gegner entgegenzutreten, sah sich zeitweise in äußerst mißlicher Lage. Zur Preisgabe Anaklets hätte er sich unschwer verstanden, wären ihm nur Königstitel und Gebietsumfang gelassen. Er bot dem Kaiser sogar außer Geldzahlung und Geiselstellung die Abtrennung Apuliens als eines seinem eigenen Sohne zu erteilenden Reichslehens an. Eine unwiederbringliche Gelegenheit für Lothar, den Feldzug, der doch nicht zu Rogers Vernichtung führen konnte, eben noch rechtzeitig mit ansehnlichem äußerem Erfolge zu beenden. Jedoch er ließ sich auch jetzt ins Schlepptau der kurialen Politik nehmen, die auf stärkere Zerspaltung der Normannenmacht hinauswollte, und lehnte ab. Kurz darauf wurde von den deutschen Truppen, die in der apulischen Julihitze heimwärts drängten, der Abbruch der Heerfahrt erzwungen. Wie nun das Errungene sicherstellen? Man versuchte es mit der alten Teilungspolitik und belehnte Rogers Gegner Rainulf von Alife mit dem Herzogtum Apulien, in der Hoffnung, er werde sich gemeinsam mit dem noch selbständigen Capua aus eigener Kraft behaupten können. Dabei drückte man sich um eine Entscheidung über päpstliche oder kaiserliche Lehnshoheit herum, indem Papst und Kaiser die Herzogsfahne an Schaft und Spitze anfaßten und gemeinsam Rainulf überreichten. Erst bei einem weiteren Streit über die Besetzung der Reichsabtei Montecassino wagte es Lothar, gegen Innozenz und Bernhard unter Androhung eines sonst eintretenden Bruches sein Recht zur Geltung zu bringen. Wenn
TOD LOTHARS ΠΙ.
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derart die beiderseitigen Ansprüche selbst unter einem in kirchlichen Dingen so nachgiebigen Herrscher in Spannung gerieten, so mochte da bereits der Einfluß von Lothars schrofferem Schwiegersohn Heinrich dem Stolzen mitwirken, dessen Nachfolgerschaft die Kurie nunmehr zu fürchten begann. Als der Kaiser 1137 über die Alpen heimkehrte und kurz nach dem Betreten des deutschen Bodens unverhofft starb, war trotz alles Aufwandes das Ziel der Romfahrt nichts weniger als erreicht. Denn Roger brach sogleich zum Rachezug gegen Rainulf hervor. Innozenz, der kriegerischen Machtmittel beraubt, versuchte durch Bernhards Überredungskunst den Normannen wenigstens zur Preisgabe Anaklets zu bewegen, stieß aber bei dem klugen Rechner, der es verstand, sich förmlich zum Schiedsrichter über die Parteien erheben zu lassen, auf feste Schranken. Wer weiß, wie die Dinge sich gestaltet hätten, wenn nicht Anaklets Tod (1138) plötzlich die Lösung des Schismas gebracht hätte. Aber nun fand Innozenz, der das zweite Laterankonzil von 1139 zu einer glänzenden Friedensfeier gestaltete, nicht den Weg zu der schwersten Kunst der Mäßigung im Siege. Als durch Rainulfs Tod das künstliche Gerüst der unteritalischen Teilungspolitik zusammenstürzte, zog er selbst gegen Roger zu Felde, hatte aber nicht mehr Glück als einstmals Leo IX. Umzingelt und gefangen, mußte er zu Mignano die Friedensverhandlung in ungünstiger Lage führen. Erzielte er auch noch für seine Teilungspolitik dadurch einen Scheinerfolg, daß Capua und Apulien an je einen Sohn Rogers verliehen wurden, und führte er dessen Königstitel, um nicht diesen Akt Anaklets billigen zu müssen, fälschend bereits aufHonorius II. zurück, während über die kirchlichen Verhältnisse Siziliens anscheinend keine rechte Verständigung erzielt wurde, so war für Roger doch alles erreicht, wonach er jahrzehntelang unter mühevollen Kämpfen mit Energie, List und Grausamkeit gestrebt hatte. Sein Königtum war von der höchsten christlichen Autorität unter stillschweigender Beiseiteschiebung der kaiserlichen Ansprüche als päpstliches Lehen anerkannt, und das Einheitsreich,das trotz jener Scheinbelehnungen der Söhne tatsächlich doch Sizilien und ganz Unteritalien umfaßte, dadurch in die Zahl der europäischen Mächte aufgenommen. Nun galt es, dies Reich auch innerlich fest zusammenzuschmieden. Normannenart, der staatsmännische Sauerteig im feudalen Europa, leistete hier das Erstaunlichste. In der Normandie und in England war es immerhin eine starke Minderheit gewesen, die einer ziemlich einheitlichen und nicht völlig fremdartigen Volksmehrheit den Stempel aufgedrückt hatte. Hier gebot eine ganz dünne Herrenschicht über bunte Gebietsfetzen und wesensfremde
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NORMANNISCH - S1ZILISCHES EINHEITSREICH
Bevölkerungsmassen, die außer Italikern und Langobarden Griechen, Araber und Juden umfaßten. Daß da überhaupt eine Staatseinheit entstehen konnte und zusammenhielt, war nur möglich durch äußerst kluge Mischung von Zentralismus und Dezentralisation, von zäher Artbehauptung und geschmeidiger Anpassungsgabe. Ein kräftiges Königtum, aufgeklärt und fortschrittlich, aber unter römischrechtlichen Majestätsvorstellungen auch umstrahlt von dem absolutistischmystischen Glänze eines Justinian, bildete in seiner festen Residenz Palermo den Kern des neuen Staatswesens. Regierung und Gesamtverwaltung wurden wesentlich durch die mitgebrachten normannisch-französischen Gewohnheiten bestimmt, deren Lücken jedoch in Strafrecht und kirchlichen Beziehungen ergänzt durch Übernahme vornehmlich römischer, aber auch kanonischer und langobardischer Rechtsbestimmungen sowie lokaler Gewohnheiten. Indem Roger, der schon in einem Landfrieden von 1129 Fehden und Selbsthilfe untersagt hatte, solche Ergänzungen in einem besonderen Gesetzbuche, den Assisen von Ariano (1140), zusammenfaßte, schritt er allen abendländischen Herrschern voran. Durch die sichtende, willkürliche Auswahl einheimischer und fremder Satzungen erhielt so sein Staat weit mehr noch als der anglonormannische den Charakter einer bewußten Kunstschöpfung, mit der etwas unerhört Neues in den Kreis der europäischen Reiche trat. Wie sich diese Mischung auf allen anderen Lebensgebieten verriet, kann hier nur flüchtig angedeutet werden. Schwerlich hätte das buntscheckige Staatsgefüge zusammengehalten, wenn nicht neben die normannische Feudalität, die hier zuerst einen rechtlichen Abschluß der Ritterschaft als eines Geburtsstandes erfuhr, die straffe Bürokratie des griechischen und arabischen Beamtentums mit bunter Titelmischung in Verwaltung und Heerwesen getreten wäre. Neben den königlichen Einkünften aus Lehen und Domänen wußte da eine geldwirtschaftlich vorgeschrittene Steuer- und Zoll-, Handels- und Gewerbepolitik, die stark unter arabischen und jüdischen Einflüssen stand, die reichen Schätze des Landes und die unvergleichliche Gunst seiner Lage für die großen Staatsunternehmungen flüssig zu machen. Der Bau starker Grenzfestungen, die Verwendung sarazenischer Soldtruppen neben dem ritterlichen Lehensaufgebot, vor allem die Schöpfung einer mächtigen Flotte, die unter ihrem hervorragenden Admiral Georg von Antiochia, dem „Emir der Emire und Archont der Archonten" späterhin (1148) die ganzen Küstengebiete von Tunis bis Tripolis unterwerfen sollte, gaben dem Reiche Sicherheit und Ausdehnungskraft. Der unermüdlich tätige König, der diesen ganzen Verwaltungsapparat mitsamt der hohen
WISSENSCHAFT UND KUNST IM REICHE ROGERS II.
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Gerichtsbarkeit in seiner Hand hatte, dessen Vorkehrungen treffsicheren Pfeilen, dessen Schlaf noch dem Wachen gewöhnlicher Sterblicher verglichen wurde, der von hoher Warte aus alles mit tunlicher Begünstigung des schriftlichen Verkehrs lenkte, beherrschte auch in seiner Eigenschaft als apostolischer Legat und in strengkatholischer Gesinnung die von seinem Vater und ihm ja großenteils neuorganisierte Landeskirche. Aber neben ihr mußte er wohl oder übel dem griechischen, mohammedanischen und jüdischen Bekenntnis großer Volksteile Raum gewähren, so daß auch da eine dem Abendlande bisher unbekannte, Duldung heischende Mischung entstand, die sich in der gesamten Kultur des Reiches widerspiegelte. Neben dem von statistischen, volkswirtschaftlichen und landeskundlichen Interessen erfüllten Herrscher stand als einer seiner Hauptberater der große mohammedanische Geograph Edrisi, der, weit erhaben über die wirklichkeitsfremden Schulstubenkenntnisse des bisherigen abendländischen Mittelalters, als arabischer Fortbilder der Ptolemäischen Wissenschaft, vom König angeregt und gefördert, auf Grund einer fünfzehnjährigen empirischen Sammel- und Vermessungsarbeit den kühnen Versuch einer allgemeinen Erdbeschreibung machte und wenigstens für die Mittelmeerländer Kartenbilder schuf, die im Umriß bereits den heutigen nahekommen. In Rogers Auftrag schrieb auch der Archimandrit Nilus Doxapatrios ganz im Geiste der griechischen Kirche gegen die Primatansprüche Roms seine gut begründete „Geschichte der fünf Patriarchate", so daß hier wie in den Basilianerklöstem des Festlandes neben der glanzvollen Pflege der lateinischen Kultur in Montecassino auch die griechische Welt zu ihrem Recht kam. Schon begann eine rege Ubersetzungstätigkeit für den Austausch der nationalen Kulturen zu sorgen. Wie in der Literatur, so in der Kunst. Überall wirkte das Normannentum, das ja noch keine eigenen hohen Bildungswerte mit nach dem Süden gebracht hatte, nur als der Kitt, der diese Erzeugnisse sehr verschiedenartiger Kulturwelten auf diesem schicksaldurchfurchten Boden zusammenfügte. Entstand dadurch auch kein einheitlicher neuer Stil, so wirkte die bunte Mischung von römischen Basilikaformen und Säulen, von byzantinischen Kuppeln, Mosaiken und Bronzetüren, von sarazenischen Stalaktitengewölben, Spitzbögen und Arasbesken in ihrer üppigen Pracht doch staunenerregend — nirgends reizvoller als in der reich geschmückten Schloßkapelle Rogers, der berühmten „Cappella palatina" zu Palermo, wo man unmittelbar an die Kraft gemahnt wird, die jene schillernde Pracht zusammengezaubert hat. In der Welt des damaligen Abendlandes mußte dieser plötzlich emportauchende Staat eines Emporkömmlings mit seinen reichen Mitteln und seiner
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KONRAD ΠΙ.
unruhigen Ausdehnungssucht mehr Furcht und Mißtrauen als Bewunderung wecken. Er hat in der Tat hinfort die Politik der Mächte in Abwehr und Bündnis wesentlich neu bestimmt, und er konnte zunächst um so stärkeren Einfluß üben, als den anderen Reichen jener Tage mit wenigen Ausnahmen Bürgerkrieg und Anarchie das Gepräge gaben. Das deutsche Kaisertum hätte die seit dem Erlöschen des salischen Hauses erlittenen Verluste wohl wieder eingebracht, wenn der bedeutende Aufstieg von Lothars Hausmacht sich unter seinem Schwiegersohn Heinrich dem Stolzen als Nachfolger durch Vereinigung mit dem bairischen Herzogtum und dem schwäbischen Weifenbesitz fortgesetzt hätte. Eben dies aber wußte die Kurie, die das fürchtete, zu hintertreiben, indem sie durch den verschlagenen und rücksichtslos durchgreifenden Erzbischof Albero von Trier mit rechtloser Überrumpelung in einer überhasteten Minderheitswahl den Staufer Konrad III., den sie als Gegner Lothars leidenschaftlich bekämpft hatte, nun aber als schwächeren und ungefährlicheren Thronanwärter schätzte, zum König erheben ließ (1138-1152). Jenes deutsche Geschlecht, dessen weltgeschichtliche Aufgabe vornehmlich die Bekämpfung hierarchischer Ansprüche werden sollte, bestieg so unter der Gönnerschaft der Papstkirche den Thron. Ein verhängnisvoller Akt, der Norddeutschland wieder einer von der Krone getrennten Sonderentwicklung überließ und den jahrhundertelangen, zermürbenden Streit der beiden schwäbischen Herrschergeschlechter im Keim in sich barg. Denn Konrad, der sich vornehmlich auf ostfränkischen Besitz stützte, aber nicht einmal über das Herzogtum Schwaben verfügte, konnte sich zwar notdürftig auf dem Throne behaupten, besorgte jedoch nicht mit Unrecht, in der Ausübung der Königsgewalt lahmgelegt zu werden, wenn er dem Weifen die Vereinigung des sächsischen Herzogtums mit dem bairischen gestattete, die ja auch dem eigentlichen Sinne des Herzogsamtes zuwiderlief. Aus seiner Weigerung, Heinrich den Stolzen mit Sachsen zu belehnen, erwuchs der Bürgerkrieg, in dem Konrad vielleicht unterlegen wäre, wenn nicht der vorzeitige Tod Heinrichs (1139) die Gegenpartei ihres willensstarken Führers beraubt hätte. Indes, auch so konnte von einem entscheidenden Übergewicht des Staufers, dem es bei aller Beweglichkeit und Unternehmungslust, bei aller ritterlich vornehmen und aufopfernden Gesinnung doch an der Umsicht, Abschätzungsgabe und zwingenden Kraft des wahrhaften Staatsmannes gebrach, keineswegs die Rede sein. Während Baiern, wo Heinrichs Bruder Weif VI. den Kampf leitete, hart umstritten blieb, gelang es, für den zehnjährigen Sohn Heinrich den Löwen Sachsen gegen die Ansprüche des staufischen Anwärters, Albrechts des
HERRSCHERLOSIGKEIT
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Bären, des Markgrafen der Nordmark, zu behaupten. Auch der Friedensschluß von 1142, der dem Babenberger Heinrich Jasomirgott mit der Hand von Heinrichs des Stolzen Witwe das bairische Herzogtum zuwies, brachte keine dauernde Versöhnung. Die Kämpfe nahmen bald genug ihren Fortgang und lähmten die Königsgewalt. Darob im Innern allenthalben Fehden, Rechtsunsicherheit und Verwirrung; nach außen ein erneutes Sinken des von Lothar zuletzt doch wieder erhöhten Ansehens. Wohl war es Konrad gelungen, in Italien von den Vasallen der mathildischen Güter, die in der unmittelbaren Unterordnung unter den König ihren Vorteil erblickten, die Anerkennung seines Erbrechts zu erlangen, so daß aus der Besitzfolge dreier deutscher Herrscher nun allmählich ein Reichsanspruch auf diese Gebiete erwuchs. Jedoch der Staufer fand keine Möglichkeit, den deutschen Boden zu verlassen, um seine Rechte auch wirklich zur Geltung zu bringen oder wohl gar die Kaiserkrone zu erwerben. So zerfiel das Gut mehr und mehr und diente benachbarten Lokalgewalten zur Bereicherung. Und das nicht allein. Diese herrscherlosen anderthalb Jahrzehnte, gerade in der Zeit des mächtigen Emporblühens der ober- und mittelitalischen Städte, wurden für die dortigen Reichsrechte überhaupt verhängnisvoll. Eins nach dem andern ward angeeignet oder geriet in Vergessenheit. Man entwöhnte sich der Unterordnung und dehnte sich in der Freiheit, der nur die Mitbewerbung der Nachbarn Schranken setzte. Auch die von Lothar neu gefestigte Abhängigkeit der östlichen und nördlichen Nachbarn lockerte sich wieder. Ernstliche Verluste für Deutschland wurden nur durch die Wirren verhütet, die auch dort herrschten. Denn in Polen entfesselte nach dem Tode Boleslaws III. dessen Verfügung, daß das nur von einem bedeutenden Herrscher lenkbare Gesamtreich unter seine Söhne geteilt werden sollte, langdauernde, zerrüttende Kämpfe, die von Adel und Kirche ausgenützt wurden. In Dänemark wollte der Thronstreit nicht enden und griff durch Heiratsverbindungen der Königshäuser auch nach Norwegen und Schweden hinüber, wo der Zwiespalt zwischen Erbteilung und Staatseinheit ähnliche Kämpfe entfacht hatte. Seit dem Tode Heinrichs I. (1135) war auch England mitsamt der Normandie in Wirren gestürzt, die ähnliche Zustände wie in Deutschland hervorriefen. Das Scheitern des Unglücksschiffes „Blanche Nef" im Kanal (1120) hatte den König seiner Söhne beraubt. Seine Tochter Mathilde hatte er nach dem Tode ihres Gemahls, Kaiser Heinrichs V., an seinen Hof zurückgerufen, die englischen Großen auf ihre Nachfolge verpflichtet und die junge Witwe dem gefährlichsten Nachbarn der Normandie, dem Grafen Gottfried Planta-
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ENGLISCHE THRONWIRREN
genet, der mit Anjou und Maine das innerlich geschlossenste unter den großen Lehen Frankreichs besaß, vermählt. Der Widerstand gegen die weibliche Nachfolge führte aber nach Heinrichs Tode zur Erhebung seines Schwestersohnes Stefan von Blois. Ähnlich wie Lothar sicherte sich dieser unter dem Einfluß seines geistig überlegenen Bruders, Bischof Heinrichs von Winchester, die Unterstützung der Kirche und die Anerkennung des Papstes durch Preisgabe jener Kronrechte, die einst noch Heinrich I. gegen Anselm von Canterbury im Konkordat von 1107 behauptet hatte. In ritterlichen Tugenden und staatsmännischer Schwäche war Stefan dem Staufer Konrad vergleichbar; aber ungefesteter und unzuverlässiger als jener, hielt er seine Zusagen nicht und überwarf sich durch Gewaltmaßnahmen mit einem großen Teile der englischen Geistlichkeit. Als dann Mathilde auf der Insel landete und ihr Recht geltend machte, begann 1139 der offene Bürgerkrieg, und auch da vermengten sich mit dem Thronstreit die Vorstöße der geistlichen und weltlichen Aristokratie gegen die Krongewalt. Schon kam es infolge einer Doppelwahl im Erzbistum York zu einem langen Streit zwischen dem König und dem Erzbischof Theobald von Canterbury, einem Vorspiel zu dem späteren Ringen des Thomas Becket, der damals im Dienste Theobalds die Vorgänge mitdurchlebte. Faßt man über alle Schwankungen hinweg das Endergebnis des Thronstreites ins Auge, so war es dies, daß die keineswegs besonders herrschbegabte Mathilde für ihre Person den Kampf aufgab (1148), daß aber ihr Sohn Heinrich, der von seinem Vater Gottfried (f 1151) außer Anjou und Maine auch das seit 1144 eroberte Herzogtum der Normandie überkam, an ihre Stelle trat und schließlich (1153) mit dem durch den Tod seines einzigen Sohnes zum Ausgleich geneigten König Stefan ein Abkommen Schloß, das ihm Einfluß und Nachfolge in England sicherte. Durch diese Versöhnung der Häupter, die etwa gleichzeitig mit der staufisch-welfischen in Deutschland erfolgte, wurde der an der Fortsetzung der Kämpfe interessierte Feudaladel entwaffnet, die Staatseinheit nicht ohne Einfluß der auf Beseitigung der zerrüttenden Anarchie dringenden Landeskirche gerettet, die Möglichkeit der Herstellung einer starken Zentralgewalt gegeben. Aber wie vieles war hier aufzubauen, als nach Stefans baldigem Tode (1154) Heinrich II. die Herrschaft antrat, welcher Widerstand der reformkirchlichen Hierarchie war dabei für die Zukunft zu erwarten I Dem französischen Königtum, auf dem der Druck der überlegenen englisch-normannischen Macht Heinrichs I. schwer gelastet hatte, hatten diese ganzen Wirren ebenso wie die Schwächung des deutschen Kaisertums
LUDWIG ΥΠ. VON FRANKREICH
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wesentliche Erleichterung gebracht. Noch bedeutete es unter Ludwig VI. trotz inneren Erstarkens für sich allein nicht viel mehr als die anderen großen Lehen. Da eröffnete sich durch die Vermählung des Thronfolgers mit Eleonore, der Tochter und Erbin des sterbenden Herzogs Wilhelm X. von Aquitanien, 1137 die Aussicht, vom Norden her in den so ganz anders gearteten Süden, dessen Gesicht dem Mittelmeer, Spanien und dem Orient zugewandt war, hinüberzugreifen, die Herrschermacht über das verdoppelte Gebiet bis zum Fuße der Pyrenäen zu erstrecken und von dieser breiteren Grundlage aus erst wahrhaft zum König von Frankreich emporzusteigen. Bald vereinte der sechzehnjährige König Ludwig VII. (1137—1180) tatsächlich Aquitanien, wenn auch in getrennter Verwaltung, ab Nachfolger seines Vaters mit dem französischen Kronbesitz. Damals noch von unruhigem Ehrgeiz erfüllt, von seiner lebenslustigen Gemahlin, der wahren Enkelin des ersten Troubadours, die er „unmäßig" liebte, zunächst wohl noch stärker beeinflußt als von Suger, dem bedachtsamen Ratgeber seines Vaters, stürzte er sich nicht ohne Waffenerfolge in bedenkliche Unternehmungen, die in der Champagne und im Streit um die Besetzung des Erzbistums Bourges zu grausamen Taten wie der Niederbrennung der menschenerfüllten Kirche von Vitry (1142) zu Konflikten mit Bernhard von Clairvaux und der Papstkirche, schließlich gar zur Verhängung des Interdikts über sein Land führten. Als nicht ohne Bernhards Vermittlung der Friede hergestellt wurde (1144), mußte Ludwig schließlich doch die Champagne räumen und den bekämpften Erzbischof von Bourges anerkennen. Er war um die Erfahrung reicher, daß sich am allerwenigsten im damaligen Frankreich gegen die Kirche regieren ließ. Noch war nicht der König der Hauptvolksvertreter, der die Massen hinter sich hatte, sondern Bernhard von Clairvaux. Ebendamals (1145) stieg mit der Erhebung des Zisterziensermönches Eugen III., seines Schülers, sein Einfluß im ganzen Abendlande zum Zenit. Konnte er doch diesem gegenüber die Unmenge von hohen und niederen Bittstellern, die sich an ihn, den einfachen Abt, herandrängte, mit den Worten begründen: „Sie sagen, nicht Ihr wäret der Papst, sondern ich!" Und wie er im politischen Leben allenthalben in der Front gestanden hatte und immer wieder für Kircheneinheit, Tyrannenbekämpfung im Sinne Augustins und Völkerfrieden in die Bresche gesprungen war, so war er auch seit langem der Hauptstreiter gewesen gegen die Gefahren, die in der neuerlichen Entwicklung des Geisteslebens Einheit und Glauben der Kirche zu bedrohen schienen. Erschreckt durch die Abendmahlslehre Berengars von Tours, hatten noch hervorragende Kirchenmänner der vorigen Generation,
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NOMINALISMUS
wie Petrus Damiani, vor einer Anwendung dialektischer Schlüsse auf die Offenbarungen der christlichen Religion gewarnt. Seitdem war man auch in dieser Hinsicht fortgeschritten. Während die siegende Reformkirche sich gesicherter fühlen konnte, war die philosophische Schulung der höheren Geistlichen allgemeiner geworden. Als daher ein neuer, aufsehenerregender Einbruch in das theologische Gebiet erfolgte, wies man zwar zurück, was nach Ketzerei schmeckte, meinte aber nun die dialektische Methode mit Erfolg zur Erhärtung und Erhöhung des Glaubens verwenden zu können. Den Anlaß gab der erste Zusammenstoß im Universalienstreit. Die Probleme selbst waren da schon vom Altertum her, von Piaton und Aristoteles überkommen und durch die im logischen Unterricht allgemein verwendete Einfuhrung des Porphyrius in die Kategorien des Aristoteles sowie deren lateinische Bearbeitung durch Boethius nahegelegt. In der vereinfachten und vergröberten Auffassung des Mittelalters spitzten sie sich auf die Frage zu, ob die Allgemeinbegriffe: Gattungen, Arten usw., reale Wirklichkeit als Dinge besäßen oder ob ihnen nur die nominale Bedeutung von Worten, Existenz aber nur den Einzeldingen zukomme. Es gab da nicht nur ein Entweder-Oder, sondern mancherlei Zwischenstufen und vermittelnde Auffassungen. Den schroffen Nominalismus hatte der nordfranzösische Geistliche Roscelin vertreten und zur allgemeinen Entrüstung derart auf das Trinitätsdogma angewendet, daß die Dreieinigkeit sich zum bloßen Namen verflüchtigte, und da nur den Einzelsubstanzen Realität zuzuerkennen sei, fur die philosophische Betrachtung sich drei gesonderte Gottheiten, also ein Tritheismus, ergaben. Anselm von Canterbury vornehmlich war es, der Roscelin bekämpfte und das Wesentlichste dazu beitrug, daß dieser 1092 auf einer Synode zu Soissons in Todesfurcht seine Anschauung widerrief. Verzichtete er damit im übrigen nicht auf seinen nominalistischen Standpunkt, so trat dieser nun doch bis hin zum 14. Jahrhundert völlig in den Hintergrund. Indem aber Anselm selbst die Feder zur Widerlegung ergriff, war er weit davon entfernt, die Anwendung der Dialektik auf die Religionslehren überhaupt zu verwerfen. Vielmehr hielt er es geradezu für Pflicht jedes Befähigten, diese auch mit den Schlüssen des Intellekts zu stützen und dadurch auf ein noch gesicherteres Fundament zu stellen, sie zugleich den Juden und Heiden, die an der Offenbarung zweifelten, einleuchtend zu machen. Ein Eigenrecht sollte freilich diesen Beweisen nicht zustehen; deckte sich ihr Ergebnis nicht mit dem Dogma, so waren sie irrig. Der Glaube an die Offenbarung öffnete der Erkenntnis erst die Bahn. Die an Jesaja und den gründlich studierten
SCHOLASTIK
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Augustin angelehnten Worte: „Credo, ut intelligam", „ich glaube, damit ich verstehen möge", wurden geradezu zum Motto fur die nun einsetzende Epoche der Scholastik, als deren Vater Anselm mit Recht bezeichnet zu werden pflegt. Wohl sprach er mit Augustin aus, daß es in der Religionslehre mystische Tiefen gäbe, die noch der Vernunfterkenntnis unzugänglich seien; aber er besaß doch die Kühnheit, die Grenzen der Beweisbarkeit gleich überaus weit zu ziehen und unbedenklich drei der allerwichtigsten Probleme in Angriff zu nehmen. In seiner Schrift gegen Roscelin demonstrierte er dasjenige der Dreieinigkeit im orthodoxen Sinne. In seinem „Proslogion" versuchte er aus dem bloßen Begriff Gottes dessen Dasein zu folgern durch den berühmten „ontologischen Gottesbeweis", dessen logischen Fehlschluß freilich der zeitgenössische Mönch Gaunilo sofort erkannte. In der Schrift „Cur Deus homo?" endlich glaubte er die Menschwerdung Christi aus seiner stark juristisch bestimmten Vorstellungswelt heraus als unbedingte Begriffsnotwendigkeit dartun zu können, um durch des Heilands Sühnetod, der hier wichtiger als sein Leben wird, dem durch den Sündenfall gereizten Zorn Gottes die allein zureichende Genugtuung zu geben und mit eins der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes zu entsprechen. Eben dies war dabei über den Schrifteninhalt selbst hinaus die Kühnheit von Anselms Unternehmen, daß er versuchte, allein mit den Mitteln der dialektischen Methode, wenn auch in gemessenen Schranken, selbständig zu dem Ziel der christlichen Offenbarung zu gelangen. Dadurch und durch die energische Parteinahme für die realistische Auffassung der Universalien hat er eine tiefe und nachhaltige Wirkung auf die weitere Scholastik geübt. Von vornherein eine übernationale Angelegenheit, an der auch Engländer, Deutsche und Italiener beteiligt waren, fand diese ihren Boden zunächst fast ausschließlich in Frankreich. Dort vor allem blühten die Kathedralschulen, an denen nun unter den sieben freien Künsten des Trivium und Quadrivium die Dialektik immer beherrschender wurde. Tätigkeit und Abgang bedeutenderer Lehrkräfte auf diesem Gebiete ließen die Zahl der Schüler an- und abschwellen. Schon begann im Nebeneinander von mehreren Schulen zu Paris ein geistiges Leben zu erwachsen, das der später aus Notre Dame hervorgehenden Gesamtheit von Professoren und Studenten, der „Universität", den Boden bereitete. Indem der früher rein formalen und daher unfruchtbaren Schuldialektik eine Aufgabe von höchster Bedeutung gestellt war, erhob sich allenthalben ein bis dahin unbekannter Forschungseifer, der durch den Wettkampf der Richtungen und ihre Polemik gegeneinander noch gesteigert wurde. Sicherlich konnte diese geistige Belebung der kirchlichen Theologie zugute kommen.
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MYSTISCHE RICHTUNG
Aber würde jenes dialektische Denken unter dem Zwang seiner Eigengesetzlichkeit nicht die von Anselm gesetzten Schranken überschreiten? Wohl war die Gefahr eines auf die Spitze getriebenen Nominalismus fur die Wirklichkeit der Allgemeinbegriffe wie Dreieinigkeit, Erbsünde, Kirche einstweilen beseitigt. Aber auch der damals namentlich durch Wilhelm von Champeaux (f 1121) an Notre Dame in Paris wirksam vertretene Realismus, wennschon er der namentlich seit Augustin mit neuplatonischen Vorstellungen durchsetzten Dogmatik weit näher verwandt war, musste in letzter Folgerung zur Annahme der einen göttlichen Substanz in allen Erscheinungen der Welt und damit zu pantheistischen Anschauungen führen, was in der Schule vonChartres später tatsächlich geschah. Bedrohlich konnte auch das wachsende Selbstgefühl der ihre Syllogismen kommandierenden Gelehrten werden, wie es vielleicht seinen bezeichnendsten Ausdruck gefunden hat in jenen dem Simon von Tournai (in Paris um 1200) zugeschriebenen Schlußworten einer Vorlesung:,,Ο Jesulein, Jesulein! Wie sehr habe ich in dieser Lektion deine Lehre gekräftigt und erhöht! Wahrlich, wenn ich in böser Absicht als dein Feind es wollte, so würdeich es auch verstehen, mit noch stärkeren Gründen und Beweisen sie zu schwächen und zu widerlegen." Was Wunder, wenn ein Verteidiger der Rechtgläubigkeit wie Bernhard von Clairvaux mit seinem feinen Instinkt frühzeitig die Gefahr witterte. Er lehnte zwar die Verbindung von Dialektik und Theologie nicht geradezu ab; doch schien ihm in diesem Wissen um des Wissens willen, in diesen Feinheiten eines überspitzten Scharfsinns das Gemüt nicht auf seine Rechnung zu kommen. Der geradere und gewissere Weg zur religiösen Erkenntnis war für ihn die Versenkung in das eigene Innere, ein intuitives Ergreifen der Wahrheit, die Kontemplation, die zur Gottesschau führte. Auch diese mystische Richtung hatte in Paris eine Lehrstätte gefunden in dem von Wilhelm von Champeaux begründeten Stift regulierter Chorherren von St. Viktor. Es beruht wohl nicht nur auf Zufall, daß, im Unterschied von dem ganz überwiegenden Franzosentum der Dialektiker, unter diesen Mystikern das germanische Element stärker vertreten war. Hugo, das bedeutende Schulhaupt ("j" 1141), stammte aus der Familie der sächsischen Grafen von Blankenburg. Scholastik und Mystik verbanden sich ergänzend und zügelnd in ihm. Die Geheimnisse, die jene nicht erkennen konnte oder sollte, verblieben der allegorischen Auslegung. Seine umfassende Lehre von der Siebenzahl der Sakramente hat der kirchlichen Festlegung vorgearbeitet. Der seit langem zuerst wieder unternommene Versuch einer Enzyklopädie des Wissens war der Keim der späteren „Summen". In seinem Kommentar
ABALARD
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aber zu der „Himmlischen Hierarchie" des Dionysius Areopagita erlebten die neuplatonischen Gedankengänge eine Auferstehung. Durch prüfende Erforschung des Seelenlebens wurde von Hugo wie auch von seinem Nachfolger und Fortbilder, dem systematischeren und rationalistischeren Engländer Richard von St. Viktor, und von anderen Mystikern der Grund zu weiterer psychologischer Erkenntnis gelegt. Vom Rheinland her machten bald die aus den Bildungselementen der Zeit erwachsenen kosmologischen Visionen der Äbtissin Hildegard auf dem Rupertsberge bei Bingen (j" 1179), die von ihr als göttliche Eingebungen nicht ohne gelehrte Beihilfe aufgezeichnet wurden, weithin Aufsehen und wurden auf Anregung Bernhards hin durch Papst Eugen III. in ihrem überirdischen Charakter anerkannt. Weiter im deutschen Südosten war bereits der Prosbt Gerhoh von Reichersberg, dessen Hauptwirksamkeit erst etwas später einsetzt, im bernhardinischen Sinne schriftstellerisch tätig. Dieser ganze Kreis bildete gegen die von der Dialektik drohenden Gefahren eine starke kirchliche Front, an deren Spitze nun der dem praktischen Leben zugewandte, geisterbeherrschende Abt von Clairvaux, der die Mächte der Zeit hinter sich hatte, seine scharfe Klinge mit Gegnern kreuzte, die ihm an Gelehrsamkeit und Schlagfertigkeit weit überlegen waren. Der Bretone Peter Abälard, nach seinem Geburtsort Le Pallet bei Nantes wohl „Palatinus" zubenannt (1079-1142), war der bedeutendste philosophische Kopf und zugleich der fesselndste Lehrer seines Jahrhunderts. Daß er uns noch heute als lebensvolle Persönlichkeit erscheint, liegt nicht zum wenigsten an seiner aus dem Zeitrahmen hervorstechenden, moderner anmutenden Gelehrtenart und an den tragischen Schicksalen, die er selbst in Briefform mit stark subjektiver Färbung als „Geschichte seiner unglücklichen Erlebnisse" erzählt hat. Wissenschaftlich und künstlerisch glänzend begabt, selbstbewußt und ehrgeizig, hat er auf das adlige väterliche Erbe verzichtet, um alle namhaften Lehrer aufzusuchen, alle rasch zu überholen, zu bekämpfen, geringzuschätzen. Bald übertrifft sein Lehrerfolg bei Ste. Geneviive unweit Paris, später bei Notre Dame den aller andern. Der hinreißende Redner, Dichter, Musiker wirkt auch auf das schöne Geschlecht, verstrickt sich in leidenschaftlich-sinnlicher Liebe zu seiner siebzehnjährigen Schülerin Heloise, wird auf Anstiften von deren Oheim in gemeiner Rache überfallen und entmannt, um nun ebenso wie seine Geliebte, mit der er in Briefwechsel bleibt, im Kloster Zuflucht zu suchen. Aber seinen unruhigen Geist, der nichts von mönchischer Demut und Selbstentäußerung weiß, duldet es nicht in beschaulicher Einsamkeit. Das Bewußtsein, daß er der Welt Zukunftvolles zu sagen
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EMANZIPATION DES GEISTES
hat, treibt ihn von Ort zu Ort, zu immer erneuter eindrucksvoller Lehrtätigkeit, stets scharf, eitel und anmaßend in seinem Auftreten, unüberwindlich in der Disputation, gegen Rückstöße angegriffener Widersacher empfindlich, schwankend zwischen Uberhebung und Niedergeschlagenheit, recht schon ein frühes Urbild des wissensstolzen, aber feinnervigen und wenig gefesteten Gelehrtentyps neuerer Zeit. Obwohl er niemals den gläubigen Theologen hat verleugnen wollen, vielmehr die christliche Offenbarung fur vernunfterfiillt und eben deshalb für beweisbar hielt, so begreift man wohl, daß dies unbeirrte Vertrauen auf die Fähigkeit der menschlichen Vernunft als Keim einer Emanzipation des Geistes das Mißtrauen kirchlicher Kreise erregte und zu heftigen Zusammenstößen führte. In der Universalienfrage nahm er zwar mit Ablehnung des extremen Realismus und Nominalismus einen scharfsinnig begründeten mittleren Standpunkt (Konzeptualismus) ein, nach dem die Allgemeinbegriffe das durch Konzeption des Denkens als Wahrnehmungsinhalte aus den Dingen herausgeholte Gleiche oder Ähnliche seien, und bereitete damit der als orthodox anerkannten Auffassung der Folgezeit den Weg. Indessen, die Anwendung dieser Erkenntnis auf die göttlichen Persönlichkeiten der Trinität erregte bei ihm, wie bei Roscelin, Anstoß, so daß er schon 1121 auf einer Provinzialsynode zu Soissons gezwungen wurde, seine „Einführung in die Theologie" eigenhändig den Flammen zu überliefern und sich selbst eine Zeitlang in Klosterhaft zu begeben. Auf die Dauer konnte das der Kühnheit seiner Forschungen keinen Abbruch tun. Ihre Ergebnisse waren neuartig vornehmlich auf dem Gebiete der von Abälard zuerst wieder philosophisch behandelten Ethik, wo auch von dieser Seite her die Psychologie befruchter, Gut und Böse nicht in der Handlung an sich, sondern in der zustimmenden Gesinnung erblickt und als Richter darüber das Gewissen anerkannt wurde, wo in der Ersetzung des gewaltsamen Glaubenszwanges durch vernünftige Belehrung ein Stück Toleranz lag. Am einflußreichsten ist Abälard mit seiner scharfen Logik für die Ausbildung der scholastischen Methode geworden. In seiner „Sic et non" (Ja und nein) betitelten Schrift zeigte er durch Aufstellung von weit über tausend sich widersprechenden Zeugnissen der Glaubensüberlieferung, daß es mit dem Autoritäts- und Traditionsbeweise allein nicht getan sei, daß es in zahllosen Fällen kritischer Prüfung und — über die von Anselm gezogene Grenze hinaus — vernunftmäßiger Entscheidung bedürfe. Die regelmäßige Folge von Zweifel, Untersuchung und Erkenntnis, Einwanderhebung und Lösung, kurz die Form der Disputation wurde unter Mitwirkung kanonistischer Einflüsse von hier aus zur üblichen Lehrmethode der Scholastik.
ANKLAGE AUF KETZERS!
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Ein Schüler Abälards, Petrus Lombardus, der als Bischof von Paris kurz nach 1160 starb, führte in seinen „Vier Büchern Sentenzen" (1150-1152), einem Lehrbuch der Dogmatik, diese Art des Meisters, freilich mit der unverhohlenen Neigung, Widersprüche überall möglichst im Sinne der rechtgläubigen Tradition zu entscheiden, in den regelmäßigen Unterricht ein. Entging nicht einmal sein Werk später der kirchlichen Anfechtung, um wieviel weniger Abälards anstachelnde, mit Apokryphen und Legenden aufräumende, Wißbegier weckende Forschungsweise! Neue Lehrerfolge des aus seiner bretonischen Heimat 1136 nach Paris Zurückgekehrten verschärften Mißtrauen und Spürsinn der Gegner. Abälard, so meinte Bernhard, wollte nichts glauben, als was er zuvor mit dem Verstände zerspalten habe; Gott selbst sei ihm ein verdächtiger Zeuge. Er selbst war es diesmal, der die Anklage auf Ketzerei erhob. Auf dem Konzil von Sens (1140) wich er einem Redekampf mit dem überlegenen Dialektiker aus und ließ, ohne ihn anzuhören oder seine Appellation an den Papst zu beachten, siebzehn Sätze aus seinen Schriften durch die ihm ergebenen Konzilsteilnehmer als ketzerisch verdammen. Innozenz II. schloß sich unter Bernhards Einfluß diesem Urteil an, indem er Verbrennung der Bücher und Einsperrung ihres Verfassers zu ewigem Schweigen verfugte. Nur der Menschenfreundlichkeit des von Bernhards Einfluß unabhängigen Abtes Peter des Ehrwürdigen verdankte Abälard ein einsam-ruhiges Asyl unter dem mächtigem Schutze von Cluny. Äußerlich mit Bernhard versöhnt, trotz einer einlenkenden Erklärung in seiner Uberzeugung nicht erschüttert, aber körperlich gebrochen, ist er kurz darauf gestorben. Der andere Gegner, mit dem Bernhard noch einmal die Waffen kreuzen sollte, Gilbert de la Porr£e, Bischof von Poitiers (1142 bis 1154), brachte aus der Schule von Chartres bereits ein eindringenderes Studium des Aristoteles über dessen sechs letzte Kategorien er sein später im Unterricht vielbenütztes Hauptwerk schrieb, und suchte dementsprechend einen mittleren Weg, um den Gegensatz zwischen den individuellen Substanzen und den göttlichen Ideen zu überbrücken. Je maßvoller er war, je mehr darauf bedacht, Philosophie und Theologie voneinander gesondert zu halten, desto mehr erschien dieser Angriff als gegen die Dialektik selbst gerichtet. Die Auslegung der Trinität, die Gilbert in seinem Kommentar zu dem entsprechenden Traktat des Boethius gewagt hatte, bot auch hier, obschon sie mit der Kirchenlehre kaum in Widerspruch stand, die Handhabe zur Anklage bei Papst Eugen III., der eben auf französischem Boden weilte. Auf dem großen Reimser Konzil von 1148 wußte sich Gilbert eindrucksvoll zu verteidigen. Bernhards Ver-
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ARNOLD VON BRESCIA
such, wie einst in Sens nach vorherigem Einverständnis mit französischen und englischen Bischöfen einfach zu diktieren, was rechtgläubig und ketzerisch sei, führte diesmal zu einem scharfen Protest der anwesenden Kardinäle, die nicht dulden wollten, daß die Entscheidung so dem Papste vorweggenommen würde. So kam es nur zu einer beschränkten Verurteilung. Indem man sich mit Gilberts formalem Widerruf etwaiger Irrtümer begnügte, beließ man ihn unversehrt und hochgeachtet in seinem bischöflichen Amte. War es hier mehr die Bewahrung der höchsten Mysterien vor jeder Vernunftsbetastung der Schulphilosophie, die man mit der Anklage bezweckte, so war allerdings im damaligen Frankreich auch schon sektenbildende Ketzerei zu bekämpfen, die sich offen gegen Sakramente und Einrichtungen der Kirche wandte. Bernhard hat auch da mit dem Eifer der alten Propheten den orthodoxen Glauben beschirmt, indem er bald hier, bald dort eingriff. Peter von Bruis in der Provence starb um 1140 auf dem Scheiterhaufen. Sein Jünger Heinrich von Lausanne wußte den Verfolgungen länger zu trotzen, bis er um 1145 in Gefangenschaft verschwand. Das Evangelium der apostolischen Armut, das schon er als Wanderprediger dem Volke im Gegensatz zu der üppig gewordenen Papstkirche verkündete, wurde nun aber mit ungleich gefährlicherem Erfolge gepredigt von Arnold von Brescia, einem Schüler Abälards, mit dessen Schicksal sich das seinige eine Strecke weit verbunden hatte. Als Lombarde erfüllt von dem religiös-aufrührerischen Geiste der Pataria und der politisch-demokratischen Bürgerfreiheit, in Frankreich als Jüngling stark ergriffen von dem wissenschaftlichen Rationalismus, Wahrheitsdurst und Unabhängigkeitssinn Abälards, hatte Arnold während des Papstschismas in seiner Heimatstadt als Priester und Augustinerprobst mit leidenschaftlich-asketischem Doktrinarismus in Lehre und Leben nach dem Vorbilde Jesu und der Apostel Macht und Besitz der Kirche bestritten, jede geistlich-weltliche Vermengung und so auch den bischöflichen Anteil am Stadtregiment bekämpft und durch zündende Predigten die Menge gegen entartete Geistliche aufgehetzt. Nach dem Siege Innozenz' II. war er 1139 auf dem Laterankonzil als Schismatiker seiner Würde entkleidet und aus Italien verbannt worden. Zu Abälard zurückgekehrt, hatte er als sein „Schildknappe" den gedankenreichen Meister durch seine stahlharte Willenskraft ergänzt und angespornt, um dann freilich auf der Synode zu Sens von dem gleichen Verdammungsurteil wie jener getroffen zu werden. Und nun verfolgte ihn Bernhard, der, gerade weil er Arnolds Kritik an den kirchlichen Zuständen großenteils als berechtigt anerkannte, die Gefährlichkeit seiner zersprengenden Aufwiegelung für den Bau der Kirche richtig ein-
SPQR
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schätzte, mit unversöhnlichem Grimme und weitreichender Hand, konnte aber nicht verhindern, daß ein hoher Gönner, der Kardinaldiakon Guido, auf einer Legationsreise nach Böhmen und Mähren den Bußfertigen in seine Umgebung zog, seine Wiederaufnahme in die Kirche bei Papst Eugen III. durchsetzte und ihn zu weiteren Bußübungen an die heiligen altchristlichen Stätten des unterirdischen Roms führte (1145). Auch wenn Arnolds damalige Unterwerfung ehrlich gemeint war, ein höchst bedenklicher Schritt. Denn nirgends war jene Spannung zwischen der sittlichen Forderung des Brescianers und den tatsächlichen Zuständen stärker als in der Ewigen Stadt, die überdies vor kurzem von dem lombardischen Geist demokratischen Umsturzes ergriffen worden war. Diese Welle brandete hier erst so spät, weil zwischen niederem Volk und Hochadel ein kräftiger mittlerer Bürgerstand infolge des Latifundienwesens sich nicht hatte herausbilden können und die päpstliche Stadtherrschaft im Vergleich mit derjenigen gewöhnlicher Bischöfe über mächtige universale Reserven gebot. Indes, der schwächende Kampf der Päpste und Adelsparteien im Schisma war den Volksmassen zugute gekommen. Wieder, wie in den Tagen Ottos III., führte der Haß gegen die straßensperrende Rivalin Tivoli, die sich nach einem Abfall von 1142 dem Papst, aber nicht den Römern unterwarf, noch in den letzten Tagen Innozenz' II. zum Aufruhr. Das Ergebnis war der Sturz des Adelsregiments und des päpstlichen Präfekten, die Einsetzung eines Volkssenates unter Jordan Pierleoni, einem Bruder Anaklets, als Patrizius, der Wiederaufbau des altberühmten Kapitols, von dem herab nun unter der auf so manchen Trümmern der Vergangenheit noch sichtbaren Formel: ,,S(enatus) P(opulus) Q(ue) R(omanus)" und mit andern romantischen Anknüpfungen an die antike Größe die Verfugungen der neuen Stadtregierung (seit Oktober 1144) ergingen. Eine Verständigung mir dem Papsttum, dem seine Verwaltungseinnahmen entzogen wurden, war trotz Bernhards mahnendem Eingreifen schwer. Wenn auch nach weiteren Wirren und blutigen Kämpfen Eugen III. Ende 1145 einen Vergleich zustande brachte, nach dem durch Beseitigung des Patriziats und Herstellung der Präfektur, aber unter Beibehaltung des Senats die päpstliche Oberhoheit notdürftig anerkannt wurde, so war das doch nur eine sehr künstliche Überbrückung der Gegensätze, die dem Papst bald genug den Aufenthalt in Rom verleideten. Und während sich diese letzten Kämpfe in den Straßen der Stadt abspielten, gab sich in den Katakomben der Mann seinen einsamen Bußübungen hin, dessen ideale Forderungen man da oben im Streit wider die weltliche Macht der Kurie zu verwirklichen strebte. Bisher war er in ihrer Vertretung ein
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WELTSTELLUNG DER KIRCHE
Feldherr ohne Armee gewesen und war daher an der Erreichung seines Zieles verzweifelt. Nun hörte er gewissermaßen über seinem Haupte die Truppen marschieren, die nach dem Führer zu rufen schienen. Konnte sein Gehorsamsgelübde auf die Dauer die Verbindung hemmen? Mußte nicht bald die Stunde schlagen, da Arnold wie so mancher kirchliche Revolutionär vor ihm und nach ihm das Bibelwort, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen, auf sich bezog und seinem Dämon folgte? Halten wir hier einen Augenblick inne und betrachten die damalige Weltstellung der Kirche. Nicht die lokalrömischen Nöte waren dafür maßgebend. Denn schon galt das an einen auf Camillus bezüglichen Vers Lucans angelehnte Wort Peters des Ehrwürdigen: „Wo immer der Papst sich aufhielt, dort war Rom, dahin folgte ihm der kirchliche Gehorsam." Die seit Gregor VII. eingeschlagene Richtung auf päpstlichen Absolutismus hatte inzwischen weitere Fortschritte gemacht. Dahin gehörte die Gewährleistung unbeschränkter Appellationen an die Kurie (1135), die überdies bestimmte Fälle ihrem Urteil vorbehielt und das Dispensationsrecht handhabte. Dahin die 1139 sichtbar werdende Tendenz, wie einst schon bei der Papstwahl, so jetzt bei allen Bischofswahlen die Mitwirkung von Laien zurückzudrängen, womöglich auszuschließen und dadurch die Bischöfe in noch straffere Abhängigkeit zu bringen. Dahin das neue Anschwellen der Klosterexemtionen, die den Schutz der römischen Kirche zu päpstlichem Eigentum erweiterten. Bald nach 1140 faßte der bolognesische Camaldulensermönch Gratian in seinem „Dekret" den Bestand des kirchlichen Rechts mit manchen Weiterbildungen noch über Pseudoisidor hinaus zusammen, mit der Methode von Abälards „Ja und nein", aber dem sichtlichen Bestreben, die Widersprüche der Überlieferung tunlichst in Einklang zu bringen. Zunächst nur Privatarbeit, verdrängte das Werk an den kirchlichen Gerichtshöfen und Schulen bald die älteren Sammlungen und wurde zum Grundstock des Codex iuris canonici. Zur Gesetzgebung zogen jetzt die Päpste nur noch von Zeit zu Zeit große ökumenische Synoden als Beirat und glänzende Repräsentation heran; tatsächlich galt als Schranke ihres Willens nur noch das von Gott der Menschheit eingepflanzte Naturrecht, dessen Auslegung in jedem Einzelfalle ihnen indes überlassen blieb. Die wachsende Ausbreitung und vordringende Herrschaft dieser Papstkirche in der damaligen stark aufgelockerten Staatenwelt ist oben bereits so weit behandelt, daß es hier nur noch einer kurzen Zusammenfassung bedarf. Wie in der politischen Zerklüftung des deutschen Reiches die Kirche ihre Stellungen über die Grenzen von 1122 vorgeschoben hatte, zeigte sich
PÄPSTLICHBR EINFLUSS IN EUROPA
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schon während des staufisch-welfischen Ringens; noch handgreiflicher während der baldigen Abwesenheit Konrads III., als Eugen III. am Hofe Alberos von Trier wie ein Regent in deutschen Landen schaltete. Im Kampf der englischen Thronbewerber hatte die Kirche die Sonderrechte der normannischen Krone nahezu vollständig gebrochen. Schottland paßte sich in Anlehnung an England mehr und mehr der abendländischen Kirchenorganisation an. Auch in den Wirren der skandinavischen Reiche wuchs der päpstliche Einfluß, der allmählich auch hier den Reformforderungen hinsichtlich des Zölibats und der geistlichen Sondergerichtsbarkeit Eingang verschaffte, die Zahlung des Peterspfennigs durchsetzte und zu dem ersten Erzbistum Lund (1104) bald für Norwegen in Nidaros-Drontheim (1152), für Schweden in Upsala (1164) gesonderte nationale Metropolen hinzufügte. In Polen hielt damals der kirchliche Verband unter dem Erzbischof von Gnesen fast allein noch die hadernden Fürstentümer zusammen. Die Legation von 1143 brachte in Böhmen wenigstens den Anfang kirchlicher Reformen. Nachdem in Ungarn noch Ladislaus I. trotz seiner die Priesterehe ausdrücklich gestattenden Kirchengesetze von 1092 zum Heiligen erhoben war, brachte es die Schwäche des Königtums gegenüber dem widersetzlichen Adel auch dort um die Mitte des 12. Jahrhunderts dahin, daß Geisa II. (1141—1161) den Forderungen der Kirche weiter entgegenkam und auf die Besetzung der Prälaturen verzichtete. In Frankreich hatte König Ludwig VII. seinen jugendlichen Übermut gedämpft und sich mehr noch unter Bernhards als Sugers Einfluß gestellt. Seine Herrschaft erstreckte sich ja nun auch über das für Rom früher oft schwierige Aquitanien. Wie sehr der päpstliche Lehnsstaat Aragonien unter kirchlichen Einwirkungen stand, zeigt allein schon das Testament Alfons' I. (f 1134), der zur Vergebung seiner Sünden sein Reich, in drei Stücke zerteilt, den Wächtern des Heiligen Grabes, den Johannitern und Templern vermachte. Zwar hinderten die Großen die Ausführung, aber ihren König Ramiro holten sie sich immerhin aus dem Kloster, und dessen Eidam und Nachfolger Raimund Berengar IV. von Barcelona, ein Enkel des Cid, erkannte für das unter ihm mit Katalonien und der Provence vereinte aragonesische Königreich die Lehnshoheit des Papstes an, der durch Organisation der Kirchenprovinz Tarragona den erweiterten Staat Aragonien festigen half. Auf der andern Seite hatte das mit Leon vereinigte Kastilien nach langen Wirren endlich unter Alfons VII. (1126—1157) einen neuen Aufschwung genommen. Als Herrscher über Galicien und das dem aragonesischen Nachbarn abgenommene Saragossa, als Oberlehnsherr über Navarra (1140) und trotz der Unabhängigkeitserklärung Portugals, das sich
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OTTO VON FREISING
dem heiligen Petrus als Lehen mit Zinszahlung zu eigen gab (1139), doch auch über diesen neuen Staat, führte Alfons, wie übrigens schon seine Vorgänger in Leon, die aus der Nachfolge der westgotischen Herrscher den Anspruch einer Art von Oberkönigtum herleiteten, stolz den Kaisertitel (Krönung 1135). Je enger freilich die Verbindung mit dem übrigen Abendland nunmehr wurde, um so rascher mußte dieser partikulare Kaisertitel vor dem universalen römischen dahinschwinden. Alfons war der gegebene Führer im Kampf gegen die Mauren. Seine siegreichen Unternehmungen gegen das in üppigem Reichtum morsch gewordene, damals schon seines afrikanischen Rückhalts beraubte Almoravidenreich trugen das Kreuz gegen Süden vorwärts. Eben im Jahre 1146 gelang es ihm, Cordova zu gewinnen. Mit dem normannischen Sizilien Rogers II. versagten der Kurie freilich immer erneute Zwistigkeiten die volle Verständigung, indes, der lateinischen Obödienz war doch auch dort weitere Ausdehnung verschafft. War es bei solch allgemeiner, trotz aller inneren Schwierigkeiten unaufhaltsamer Machterhöhung der Papstkirche zu verwundern, daß ein Stiefbruder Konrads III., Bischof Otto von Freising, der damals (1146) seine von augustinischen Ideen bestimmte Chronik „Von den zwei Staaten" (nämlich den miteinander ringenden Bürgerschaften Gottes und des Teufels) vollendete, von dem gewaltigen Wandel der Dinge den tiefsten Eindruck empfing? Er sah das Hinsiechen des römischen Kaisertums, und da dieses nach Daniels Ausdeutung von Nebukadnezars Traumbild die letzte der großen Weltmonarchien darstellte, so erwartete er nach dessen Untergang in ungeheurer Spannung das Weltende mit dem Hereinbrechen des Antichrist und der Abrechnung des Jüngsten Gerichts. In dem Stein aber, der, nicht von Menschenhand herabgerissen, den Koloß auf tönernen Füßen zertrümmern würde, erkannte er die Papstkirche, die, auf Kosten des Kaisertums weit über das ihr zukommende Maß in den weltlichen Herrschaftskreis hinübergreifend, zu einem großen Berge herangewachsen war, der die ganze Welt bedeckte. Würde sie nun das ersehnte Gottesreich über die ganze Erde ausdehnen ? Waren die Zeiten erfüllt, und bedurfte es vielleicht nur noch einer letzten begeisterten Kraftanstrengung, um ihr die noch störrischen Völker der Ungläubigen zuzuführen? Bei solcher weitverbreiteten Hochspannung der Geister bedurfte es nur eines äußeren Anstoßes, um die Glut in helle Flammen ausbrechen zu lassen. Dieser Anstoß kam von kriegerischen Gegenbewegungen des Islams gegen das Vordringen des Abendlandes. Wie an der nordafrikanischen Küste bis nach Marokko (1125) die Herrschaft der von neuen religiösen Antrieben
ISLAMISCHE GEGENBEWEGUNG
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beseelten Almohaden sich ausgedehnt harte, um bald nach Spanien hinüberzugreifen, so geschah es auch im Orient. Der Zwiespalt in der islamischen Welt, der die Erfolge der Kreuzfahrer ermöglicht hatte, dauerte freilich noch fort, und von dem fatimidischen Ägypten, gegen das König Balduin I. von Jerusalem ("(" 1118) wohl allzu ausgreifend seine Waffen getragen hatte, war auch unter seinen Nachfolgern Balduin II. (f 1131) und dessen Schwiegersohn Fulco von Anjou ( f l l 4 3 ) wenig zu befürchten. Allein vom Osten her drohten schwere Gefahren für die nordsyrischen Herrschaften, seitdem in Mossul am Tigris der Reichsverweser Imadeddin Zengi, der für den dortigen unmündigen Seldschukenfürsten in die Rolle eines karolingischen Hausmeiers hineingewachsen war, als eifriger Bekenner des Propheten die zersplitterten mohammedanischen Kräfte zum Vernichtungskrieg gegen die christlichen Besitzungen unter seiner Fahne sammelte. Nächst dem weit vorgeschobenen Posten Edessa war das Fürstentum Antiochia, das nach dem Tode Bohemunds II. an dessen Schwiegersohn Raimund von Poitiers, den ritterlich-glanzvollen, aber wenig charakterfesten Sohn Wilhelms IX. von Aquitanien gekommen war, in äußerst gefährdeter Lage, in der es sich zugleich gegen die Ansprüche des griechischen Kaisers zu wehren hatte. Denn Johannes II. Komnenos, des Alexios Sohn, erneuerte dessen lehnshoheitliche Ansprüche, und indem er die in Kleinasien erweiterte Griechenherrschaft über Kleinarmenien gegen Anriochia vorschob, zwang er den bedrängten Raimund, der sich dem Drucke dann doch wieder zu entwinden suchte, zur Huldigung (1137). Es schien nur noch eine Frage der Zeit, wann das Fürstentum wieder ganz in dem Kaiserreiche aufgehen und das Griechentum politisch und kirchlich in Syrien Fuß fassen würde. Auch als Johannes, durch Aufruhr aus Antiochia vertrieben, aber mit neuer Rüstung beschäftigt, durch einen vergifteten Pfeil ums Leben kam (1143), war mit der Thronbesteigung des unternehmungslustigen Manuel (1143—1180), der jene Huldigungsleistung sofort für sich zu erzwingen wußte, die Gefahr nur verschoben, nicht aufgehoben. Der Zeitpunkt seiner Befestigung in Konstantinopel und der allgemeinen Uneinigkeit unter den lateinischen Fürsten aber wurde von Zengi benützt, um Edessa, dem man zu spät Entsatz schickte, nach kurzer Belagerung zu erstürmen (Ende 1144). Wurde er dann auch durch innere Wirren nach Mossul zurückgerufen, so konnte er den Vorstoß jederzeit weiter auf Antiochia erstrecken und von da aus den ganzen schmalen Küstenbesitz der Lateiner aufrollen. Diese Notlage zwischen der byzantinischen Scylla und der seldschukischen Charybdis, noch gesteigert durch eine Minderjährigkeitsregie-
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NEUER KREUZZUG
rung in Jerusalem, war bedrohlich genug, um dringende Hilfsgesuche nach dem Abendlande zu rechtfertigen (Spätherbst 1145). Papst Eugen III. besaß nicht den imperatorischen Geist Gregors und Urbans und war eben mit der Beilegung der römischen Wirren beschäftigt. Indessen die Sorge um weitere Verluste ebenso wie die Hoffnung auf den in Aussicht gestellten Anschluß der kleinarmenischen Kirche an Rom trieb ihn doch, durch seine Kreuzzugsbulle vom 1. Dezember 1145 König Ludwig VII. und alle gläubigen Franzosen zur Hilfeleistung aufzurufen. Bei dem ganz überwiegend französischen Charalcter der überseeischen Kolonien und den engen Verwandtschaftsbeziehungen der dortigen Fürsten mit Hochadel und Königsfamilie Frankreichs hätte es vielleicht nicht einmal eines früher geleisteten Wallfahrtsgelübdes bedurft, um den damals noch sehr beweglichen Kapetinger trotz der Bedenken seines Staatsmannes Suger zu dem Entschluß einer großen Kreuzfahrt unter eigner Leitung zu treiben. Als aber die Agitation für das Unternehmen mit päpstlicher Vollmacht in die Hände Bernhards von Clairvaux gelegt wurde und dieser zu Ostern 1146 im Anschluß an den Hoftag von Vezelay durch seine auf freiem Felde gehaltene erschütternde Ansprache einen so unerhörten Erfolg erzielte, daß er sein Gewand in Kreuze zerschneiden mußte, um dem stürmischen Begehren zu genügen, als ähnliche Wirkungen sich allenthalben wiederholten und bereits über die Landesgrenzen hinausdrangen, wuchs das Beginnen, lawinenartig anschwellend, über die ursprünglichen Ziele weit hinaus und gewann einen wesentlich andern Charakter, als der erste Kreuzzug gehabt hatte. An die Stelle des von Urban gelenkten französischen Lehnsadels traten jetzt, wie Peter der Ehrwürdige sich ausdrückte, „die irdischen Könige selbst, um den Kriegszug des ewigen Königs gegen die Feinde seines Kreuzes zu führen." Denn als Bernhard nach dem Rhein eilte, um dort dem mißverstehenden Übereifer eines fanatischen Ordensgenossen zu steuern, gelang es ihm kurz nach dem Weihnachtsfest 1146, auch den deutschen König Konrad III. in jener berühmten Szene im Speirer Dom wider alle Bedenken der Vernunft zur Kreuznahme fortzureißen. Die unausgeglichenen Parteigegensätze in Deutschland, der Verfall der italischen Reichsrechte, der mit der Kaiserkrönung lockende Hilferuf des Papstes gegen die Römer, die Übergriffe Rogers II. — alles das sprach gegen die Teilnahme an einer Fahrt mit so langem Fernsein. Jedoch dem Ansturm Bernhards auf sein christliches Gewissen konnte der Staufer nicht widerstehen, und nicht einmal der Papst vermochte diesen einmal geschehenen Überredungserfolg, das „Wunder aller Wunder" des Heiligen von Clairvaux, wieder rückgängig zu machen, wie er im eigenen
ALLGEMEINER LANDFRIEDE
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Interesse wohl gewünscht hätte. Bernhard war es, der dann die Bewegung noch weiter nach dem Osten trug. Die Menge raste auch hier in Begeisterung, sobald sie ihn erblickte und hörte, selbst wenn ^sie seine lateinische oder französische Sprache nicht verstand — mußte ihn doch Konrad III. einmal auf eignem Arm aus der Kirche tragen, um ihn vor dem Massenandrang zu schützen. Ein allgemeiner Landfriede, nicht ohne Bernhards Beihilfe, dehnte sich über das Reich. Herzog Weif hätte bereits die Kreuzfahrt gelobt; zahlreiche Adlige folgten. Während der Abwesenheit Konrads, der durch Wahl und Krönung seines zehnjährigen Sohnes Heinrich die staufische Dynastie festigen konnte, versprach auch Heinrich der Löwe, seine Ansprüche auf das Herzogtum Baiern zurückstellen zu wollen. Er selbst mit zahlreichen anderen niederdeutschen Großen war bereit, das Kreuz zwar nicht gegen die Mohammedaner im Orient zu tragen, wohl aber gegen die benachbarten Heiden der Wendenlande, was auch die Billigung Bernhards fand. Der schon im Sommer 1147 unter Förderung auch der Dänen und Polen mit zwei starken Heeren gegen Abotriten und Liutizen bis hinein nach Pommern unternommene Feldzug führte freilich zu sehr anfechtbaren Ergebnissen, da die mühsam errungenen Erfolge friedlicher Mission nur gestört, und den Heiden gegenüber die von Bernhard ausgegebene Parole „Bekehrung oder Vernichtung" von den fürstlichen Führern selbst, die im eigensten Interesse Scheintaufe und Tributzahlung einer Verödung des gewonnenen Landes vorzogen, rasch beiseite geschoben wurde. Das den Wendenfahrern erteilte besondere Abzeichen: das auf einem Kreis stehende Kreuz, wies deutlich darauf hin, daß man die Ausbreitung des Christentums über das gesamte Erdenrund erhoffte. Wenn Gott selbst, wie man zuversichtlich glaubte, die Seinen anführte, weshalb sollte dann nicht in einem gewaltigen Generalangriff das Heidentum allerorten bekehrt oder vernichtet werden können? Auch die Pyrenäenhalbinsel wurde nicht außer acht gelassen. Kaiser Alfons VII. von Kastilien freilich konnte auf den Ruf zur Teilnahme mit Recht antworten: „Wir sind hier stets auf dem Kreuzzuge und leisten so unser Teil." In der Tat bereitere er damals im Zusammenwirken mit einer von dem Annalisten Caffaro geführten Flotte der Genuesen eine Unternehmung gegen den spanischen Südosthafen Almeria vor, die auch zum Ziel führte. Unabhängig von ihm schickte sich König Raimund Berengar IV. von Aragonien an, die letzten maurischen Burgen nördlich des Ebro zu erobern. Zu gleicher Zeit half ein aus Niederlothringern, Flamen, Engländern, Schotten, Bretonen und Skandinaviern bunt gemischtes Kreuzt^ hrerheer,
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KAISER MANUEL
das den Seeweg um Spanien herum gewählt hatte, dem portugiesischen König Alfons in Beutehoffnung bei der Belagerung und Einnahme der starkbevölkerten, wichtigen Maurenstadt Lissabon (Oktober 1147) und erzielte damit den einzigen Dauererfolg des Gesamtunternehmens. Nimmt man hinzu, daß in jenen vierziger Jahren Roger von Sizilien, wenn auch gänzlich frei von Kreuzzugseifer, durch seinen Admiral Georg von Antiochia dem nordafrikanischen Ziritenreiche langsam den Garaus machte und seine Herrschaft an den Küsten von Tripolis und Tunis ausbreitete, bis ihm 1148 der letzte große Schlag gegen die Hauptstadt Mahedia, südlich vom alten Karthago, gelang, so begreift man, welch überschwengliche Hoffnungen die Kreuzfahrer auf den Hauptstoß in das Herz des Islam setzten. Leider litt hier der Plan an unheilvollen inneren Widersprüchen. Mit der Einheit der religiösen Idee vertrugen sich nur schlecht die auseinandergehenden politischen Interessen der in starker Umgestaltung befindlichen Staatenwelt. Da Nordsyrien ebensowohl von den Griechen wie von den Mohammedanern bedroht wurde, so wäre es, rein strategisch betrachtet, sicher das beste gewesen, ohne Rücksicht auf Kaiser Manuel und seine lehnshoheitlichen Ansprüche die von dessen Feinde Roger II. angebotene Flottenhilfe anzunehmen, ein begrenztes Ritterheer zur See nach Antiochia zu schaffen und einen raschen Stoß gegen Edessa oder auch Aleppo zu führen. Ludwig VII., von Roger umworben, mochte anfangs zu solcher Entscheidung neigen. Dem stand aber nicht nur die Rücksicht auf die zu Schiff kaum zu befördernden Pilgermassen, die nun einmal mit der Gesamtidee verquickt waren, gegenüber, sondern auch die Verbindung mit Deutschland. Hier schien auf den Spuren Gottfrieds von Bouillon der Landweg donauabwärts und durch das byzantinische Reich der gegebene zu sein. Dann war man freilich auf Manuels freundliche Mitwirkung angewiesen und mußte seinen Ansprüchen irgendwie entgegenkommen. Auf ihn glaubte Konrad III., der eben Manuels Schwager geworden war und die Feindschaft gegen Roger mit ihm teilte, rechnen zu können. Ludwig Schloß sich dann auch dem Landwegplane an. Indem er aber zu Roger, der eben diesen Zeitpunkt für geeignet hielt, Guiscards Pläne wiederaufzunehmen, Korfu eroberte, griechische Küstenstädte plünderte, Böotien noch weiter landeinwärts verwüstete, die Beziehungen nicht abbrach, wurden die klaren Linien verwirrt. Manuel, ein aufgeschlossen-beweglicher, nur zu vieles umfassender Herrscher, der mit offenbarer Hinneigung zu der höfisch-ritterlichen Kultur des Westens die feine Bildung und listenreiche Diplomatie der byzantinischen Überlieferung verband, Schloß, um sich gegen den normannischen Feind
KATASTROPHE IN KLEINASIEN
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wenden zu können, einen zwölfjährigen Waffenstillstand mit den Seldschuken in Kleinasien, verzichtete also auf eigne Teilnahme am Orientzuge und sah den beiden Kreuzfahrerheeren Konrads und Ludwigs, von denen jedes in der Kopfzahl die Hunderttausend weit überschritten haben wird, mit Mißtrauen und Sorge entgegen. Die für alle Eroberungen der Kreuzfahrer erneuerte Oberhoheitsforderung des Kaisers (die nur eine Anzahl französischer Barone durch Lehnseid erfüllte), Marktversorgung und Unbotmäßigkeiten der Kreuzfahrer führten zu ähnlichen Schwierigkeiten und Reibungen wie 1097. Um die für den Bestand des griechischen Kaisertums gefährliche Vereinigung beider Kreuzheere vor Konstantinopel zu verhindern, wußte Manuel die Hinüberfahrt der Deutschen nach Nicäa zu beschleunigen. Von da aus riet er zu dem zwar weiteren, aber sichereren Küstenwege. Indes, der Drang vorwärts und das Beispiel der ersten Kreuzfahrer entschieden für den Marsch durch das Innere, den ein fest geschlossenes, gut ausgerüstetes Heer in der Tat in etwa drei Wochen nach Ikonium hätte durchführen können. Konrad suchte daher die ungeordneten, mittellosen Massen mit einer kleineren Truppenabteilung unter Bischof Otto von Freising die Küste entlang zu schicken; aber die meisten ließen sich in der Furcht, preisgegeben zu werden, von dem Hauptheere nicht abschütteln. Es gehörte schon der volle Glaube an die unmittelbare Leitung Gottes dazu, um ohne Kenntnis des Weges und mir gänzlich unzureichenden Lebensmitteln den Marsch trotzdem zu wagen. Nach zehn Tagen sah man sich in dem öden, vom Feinde überdies noch verwüsteten Lande am Ende des Unterhalts, von den mit mißtrauischen Schmähungen überhäuften griechischen Führern verlassen, von behenden türkischen Reiterscharen unweit Doryläum auf allen Seiten angegriffen. Sofern noch Rettung möglich war, lag sie in schleunigster Umkehr, zumal eine schreckenerregende Sonnenfinsternis Gottes Zorn zu verraten schien. Der Rückzug gestaltete sich durch Hunger, Krankheit und Feindesnot zu einer furchtbaren Katastrophe, aus der Konrad, der Gefahren, Mühen und Entbehrungen in der aufopferndsten Weise mit den Seinen teilte, nur einen Heeresrest nach Nicäa zurückbrachte, von dem nun noch ein Teil durch Heimkehr absplitterte. Im Anschluß an das mittlerweile eingetroffene Kreuzheer Ludwigs, der wegen seines normannischen Bündnisses stets mit geheimen griechischen Gegenwirkungen zu rechnen hatte, marschierte er mit geringen Mannschaften dann noch eine Strecke weit auf dem Küstenwege, um sich von Ephesus aus in völliger Erschöpfung nach Konstantinopel in die sorgsame Pflege Manuels zu begeben. Kurz zuvor war die Abteilung Ottos von Freising, die von dort das Mäandertal aufwärts gezogen war,
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NUREDDIN
im Innern bei Laodicäa von den Ungläubigen überfallen und größtenteils zerrieben worden, so daß nur ein Bruchteil die pamphylische Küste und Syrien erreichte. An der gleichen Stelle erlitten auch die Franzosen, obschon sie Sieger blieben, furchtbare Verluste. Nur dadurch, daß Ludwig mit den zahlungsfähigen Rittern schließlich in Attalia griechische Schiffe bestieg und die unbemittelten Massen dem Verderben preisgab, gelangte er sicher ins Heilige Land. Dorthin kam mit griechischer Flottenhilfe auch Konrad III., und indem sich von allen Seiten die zersprengten und gesonderten Züge der Kreuzfahrer zusammenfanden, wäre mit der trotz allem ansehnlichen Streitmacht wohl noch Erkleckliches auszurichten gewesen. Aber nun verband sich mit der an sich schon widerspruchsvollen Zielsetzung der Kreuzfahrer der Zwiespalt der Lateiner. Was hätte nähergelegen, als dem damals allein bedrohten Nordsyrien die volle Hilfe zuteil werden zu lassen ? Wohl war nach dem Tode Zengis das für einen Augenblick zurückgewonnene Edessa, das die Verbindung Mossul-Aleppo bedrohte, durch Zengis Sohn Nureddin dem Erdboden gleichgemacht worden und so leicht nicht wieder aufzubauen. Allein indem Nureddin, der nur die westliche Hälfte der väterlichen Herrschaft mit dem Sitz in Aleppo überkommen hatte, um so eifriger auf Ausdehung seines Gebietes gegenüber den Lateinern bedacht war, mußte der Hebel zur dauernden Sicherung des Heiligen Landes offensichtlich in Antiochia angesetzt werden. Von dieser richtigen Einsicht aber wurde selbst Ludwig VII. abgelenkt, als ihm durch vertraute Beziehungen seiner schon damals auf Trennung ihrer Ehe drängenden Gemahlin Eleonore mit ihrem Oheim Raimund, der bald im Kampfe gegen Nureddin sein Ende finden sollte, der dortige Aufenthalt verleidet wurde. So entschied über die weiteren Unternehmungen allein der kurzsichtige Blick des jerusalemitanischen Königshofes, der damals durch die Regentin Melisende als Mutter des noch unmündigen Balduin III. vertreten war. Selbst von diesem Standpunkt aus aber war es ein unbegreiflicher Fehler, den zwar näheren, aber friedlichen und verbündeten Fürsten von Damaskus anzugreifen und ihn dadurch nur dem gefährlicheren Nureddin in die Arme zu treiben. Geheime Gegenwirkungen einsichtiger lateinischer Barone trugen dazu bei, daß man die Belagerung der Stadt bald genug aufgeben mußte. Gern hätte man indes den üblen Eindruck völliger Ergebnislosigkeit so gewaltiger Anstrengungen noch durch irgendeinen Erfolg verwischt und dachte daher an eine Eroberung des noch immer von den Ägyptern festgehaltenen Askalon. Jedoch nun zeigte es sich, daß die lateinischen Barone, die sich in
FOLGEN DER KATASTROPHE IN EUROPA
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Art und Lebensweise der eingeborenen Bevölkerung bereits weitgehend angepaßt hatten, eine bestimmende Einmischung der Abendländer in ihren Interessenkreis gar nicht ernstlich wünschten. Bei der entscheidenden Beratung ließen sie die Kreuzfahrer einfach im Stich. Die nach Selbständigkeit strebende Kolonie suchte ihre Beziehungen zum Mutterlande zu lockern. So blieb nichts als die Heimfahrt nach Europa. Nach unsagbaren Verlusten an Leben, Gesundheit und Gut endete die große Bewegung in zorniger Verstimmung und gehässigen Anschuldigungen. Zuzug und Spenden vom Abendlande her mußten dadurch künftig ins Stokken geraten. Der Islam aber konnte nun furchtloser sein Haupt erheben. Wenn auch im Süden noch 1153 die Einnahme von Askalon gelang, so begann mit dem Wachstum der Macht Nureddins, der 1154 durch Angliederung von Damaskus in bedrohliche Nähe des Königreichs Jerusalem rückte, vom Norden her der Abbröckelungsprozeß für das Heilige Land. Auch für Europa hatte die Kreuzzugskatastrophe tiefgreifende Folgen. Der fortdauernde normannisch-byzantinische Krieg spaltete die Staatenwelt in zwei Parteien. Die gemeinsame Feindschaft gegen Roger vereinte die beiden Kaisermächte mit Venedig zu einem Angriffsbündnis gegen Sizilien. Nach Rückeroberung von Korfu wäre es tatsächlich zu einem griechisch-deutschen Vorgehen gegen Unteritalien unter Anerkennung der dortigen Ansprüche von Byzanz gekommen, hätte nicht rechtzeitig die von Roger gegrabene Gegenmine ihre Wirkimg getan. Indem er den vom Kreuzzug über Sizilien zurückkehrenden Herzog Weif nicht ohne Geldunterstützung für sich gewann, zwang er durch erneute Entfachung der deutschen Parteikämpfe Konrad, der in Aquileja gelandet war, zu schleuniger Rückkehr über die Alpen. Gleichzeitig wurde Manuel durch einen serbisch-ungarischen Angriff von weiterem Vorgehen gegen Italien zurückgehalten, während Roger nun seinerseits an eiher großen Koalition gegen Byzanz arbeitete. In Frankreich war man geneigt, das Scheitern des Kreuzzuges vor allem dem zweideutigverräterischen Verhalten Manuels zuzuschreiben. Bei seiner Rückfahrt auf sizilischem Schiffe wäre Ludwig VII. ums Haar einem Angriff der Byzantiner zum Opfer gefallen. Empört ließ er sich in Palermo zum Bündnis mit den Normannen gewinnen (1149), ehe er endlich dem dringenden Rufe Sugers zur Heimkehr Folge leistete. Der klugen Staatskunst dieses Abtes von St. Denis, der während seiner mehr als zweijährigen Abwesenheit die Regentschaft geführt hatte, verdankte er es, daß er sein Reich in guter Ordnung wiederfand. Suger war von niederer Herkunft und schwächlichem Körper, aber fein gebildet und im
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ABT SUGER
Unterschied zu der asketischen Richtung Bernhards und Norberts von ausgeglichener Harmonie seines geistlich-weltlichen Wandels. Für seine literarische Bildung zeugt seine aus kundigster Augenzeugenschaft geschöpfte „Geschichte Ludwigs des Dicken" (VI.); für Geschmack und Organisationskraft des Bauherrn in noch höherem Grade der geradezu eine Wende in der Architekturentwicklung heraufführende Neubau seiner Stiftskirche St. Denis, heute erhalten nur in Teilen der Westfassade und dem bewunderungswürdigen Chorumgang. Was ihn als Staatslenker vor allem kennzeichnete, war die praktische Verwaltungsgabe, die Vereinigung von Kraft und Maß, mit der er die königlichen Rechte verteidigte, ohne scharfe Gegenwirkungen hervorzurufen, immer neue Summen für die Kreuzfahrt flüssig machte, ohne die Finanzen in Unordnung zu bringen. Der schmachvolle Ausgang des Orientunternehmens, die Eheirrung im Königshause, zuletzt noch der griechische Anschlag auf Ludwig erfüllten ihn mit so schwerer Sorge für das Ansehen der Monarchie, daß er, der früher gewarnt hatte, jetzt selbst für einen neuen Kreuzzug eintrat, der freilich politischer angelegt als der vorige, mit wenigen wohldisziplinierten Truppen und im engen Bunde mit Roger unternommen und zunächst gegen Konstantinopel gerichtet werden sollte. Ohne daß es gelang, den deutschen König von seinem Bunde mit Manuel abzuziehen, war freilich an die Ausführung nicht zu denken. Darum aber bemühte sich Bernhard von Clairvaux, der auf einem Konzil zu Chartres (1150) trotz allem zum Führer des Zuges ausersehen wurde, völlig vergeblich. Die Furcht des Papstes vor neuen Verlusten, zumal bei der „Hinfälligkeit" des gewählten Führers, ließ es nicht zur Ausführung kommen, die dann der Tod Sugers (1151), der noch zuletzt auf eigene Kosten mit geworbenen Mannschaften die Fahrt hatte antreten wollen, endgültig abschnitt. Wenn die Kurie in diesen Jahren die Führung aus der Hand verloren hatte, selbst von Parteien zerrissen, unstät zwischen den Heerlagern schwankte, so lag das nicht zum wenigsten daran, daß der unselige Ausgang des Kreuzzuges zur Steigerung ihrer lokalen Nöte beigetragen hatte. Während der Abwesenheit der Könige hatte Eugen III. wie ein Herrscher in Frankreich und Deutschland geschaltet, in alle Verhältnisse eingegrifFen, über angesehene Reichsfürsten, wie die Erzbischöfe von Mainz und Köln, wegen unentschuldigten Nichterscheinens auf dem Reimser Konzil von 1148 kurzerhand die Suspension verhängt. Unter dem Eindruck der Hiobsposten aus dem Orient war er dann nach Italien zurückgekehrt, wo seine Gegenwart dringlich wurde. Denn die Erschütterung des kirchlichen Ansehens hatte in Rom, wo die Schäden der in die Händel der Welt eingetauchten Papstkirche besonders
ARNOLD VON BRESCIA IN ROM
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grell hervortraten, Arnold von Brescia wieder auf den Plan gerufen. Indem er sich mit seinen radikalen Reformforderungen in die demokratisch-politische Bewegung der Stadt stürzte, gab er dieser einen höheren Schwung und Ideenflug und stieg selbst unter der Einwirkung der machtvollen antiken Erinnerungen, die er sich ganz zu eigen machte, von einem verfolgten Wanderprediger und Universitätslehrer zum großen, für das Papsttum unmittelbar gefährlichen Agitator und Massenbeherrscher empor. Schon zündeten seine Reden auch bei der niederen Geistlichkeit und reizten sie zu Übergriffen gegen Person und Eigentum der Oberen. Noch von Oberitalien aus erklärte der Papst Arnold als abtrünnigen und hartnäckigen Schismatiker und tat ihn, der die Weihe entarteter Priester für nichts zu achten aufforderte, als Ketzer in den Kirchenbann. Indem nun der Senat seine Auslieferung verweigerte, bildete seine Person ein weiteres Hindernis für den an sich schon schwierigen Ausgleich zwischen päpstlicher Oberherrschaft und römischer Autonomie. In dieser Lage versuchte es Eugen mit kriegerischer Gewalt und nahm dazu vorübergehend sogar die Hilfe des durch Friedensschluß gewonnenen Königs von Sizilien in Anspruch; das führte dann zu einem Anerbieten der Römer an Konrad III., ihm auf Grund ihres alten, durch die Lex Regia anerkannten Volksrechtes die Kaiserkrone zu erteilen und die frühere Abhängigkeit des Papsttums herzustellen. Das waren große Worte, denen die Kraft zur Erfüllung fehlte. Aber vielleicht hätte Konrad in seiner damaligen Verstimmung gegen die Kurie die Römer immerhin als willkommene Bundesgenossen gewertet, wenn er sich nicht, kränkelnd und aufgerieben, wie er war, überhaupt zu schwach zur Aufnahme eines umstürzenden Kampfes gefühlt hätte. Und auch der Papst, der durch ein Kompromiß noch einmal Aufnahme im römischen Mauernkranze fand, aber neben Arnold dort unmöglich länger verweilen konnte, sah bald ein, daß mit den von zwei Seiten her den Kirchenstaat bedrohenden Normannen schwer zu einem dauernden Einvernehmen zu kommen sein werde. So richtete er seine Blicke erneut auf den deutschen König; für die in Aussicht genommene Romfahrt, die mit der römischen Senatsherrschaft aufräumen sollte, versprach er ihm die Kaiserkrone. Der formal gewandte, aber fast mehr im Interesse der Kurie als des Reiches wirkende Abt Wibald von Stablo und Korvey, der hinter einem Suger doch weit zurücksteht, arbeitete als Vermittler. Indes der Tod Konrads (1152) hinderte die Ausführung des Planes. Es war zwar noch gelungen, den unruhigen Herzog Weif durch sehr gnaden volle Anerbietungen zum Frieden zu bewegen. Aber der innere Zwiespalt war damit nicht aus der Welt geschafft;
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SÄCHSISCHE TERRITORIALPOLrnK
denn Heinrich der Löwe erneuerte seine bairischen Ansprüche und behauptete sich in offenem Trotze gegen die Krone. Immer mehr begann sich der Norden des Reiches den Einwirkungen der Zentralgewalt zu entziehen, und die Erfolge der sächsischen Territorialpolitik: die durch Graf Adolf II. von Schauenburg geleitete Kolonisation der verwüsteten Wendenlande Ostholsteins, das Vordringen Heinrichs des Löwen in Mecklenburg, des Markgrafen Albrecht des Bären in Brandenburg, bildeten weitaus den gesündesten und zukunftsvollsten Teil der deutschen Gesamtentwicklung jener Tage. An dem allen hatte das Königtum keinen Anteil, und von dem Zuge zugreifender Realpolitik, der hier zutage trat, gewahrte man sonst im deutschen Reiche erst schwache Spuren, fast nur sehnsüchtiges Wünschen und Hoffen, das des rechten Führers harrte. Konrad hatte noch den Schmerz, seinen hoffnungsvollen Sohn, den schon gekrönten König Heinrich (j" 1150), vor sich ins Grab sinken zu sehen. Er selbst vollbrachte auf dem Sterbebette die einzig heilbringende Tat seiner zwar wohlwollenden, aber machtlosen Regierung, indem er mit Übergehung seines zweiten, noch unmündigen Sohnes seinen schon gereiften und bewährten Neffen Herzog Friedrich von Schwaben durch Übersendung der Reichsinsignien als den erwünschten Nachfolger bezeichnete. Eben damals entschloß sich in Frankreich König Ludwig VII. in Nachwirkung bitterer Erfahrungen während des Kreuzzuges zu einem für die Zukunft der Monarchie und die ganze weitere Gestaltung der französischen Geschichte überaus folgenschweren Schritte: zu der Scheidung von seiner Gemahlin Eleonore. Zu der Treulosigkeit, die man ihr vorwarf, kam hinzu, daß sie dem Könige in fünfzehnjähriger Ehe wohl zwei Töchter, aber keinen männlichen Nachfolger geboren hatte. Suger hatte gleichwohl im Staatsinteresse abgeraten. Nach seinem Tode war der Vorwand einer zu nahen Verwandtschaft bald gefunden. Der König hoffte, das Erbe Aquitanien für seine Töchter weiter behaupten zu können. Aber kaum zwei Monate nach der Scheidung (1152) vermählte sich Eleonore mit jenem jungen Heinrich Plantagenet, der als Sohn Gottfrieds von Anjou und der Kaiserin Mathilde Anjou, Maine und die Normandie geerbt hatte und nun sogleich Anspruch auf Poitou und Guyenne als aquitanischen Besitz Eleonorens erhob. Wohl versuchte Ludwig, der diese ohne seine lehnsherrliche Zustimmung geschlossene Ehe nicht anerkannte, ihm an der Spitze einer Liga seiner Barone zu widerstehen; jedoch auch er hatte seit dem Kreuzzuge seine frühere Frische und Energie eingebüßt, und als es Heinrich noch gar gelang, die englische Krone zu erobern, erlangte er kraft seiner Übermacht von Ludwig im Frieden
BERNHARDS TESTAMENT
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dessen Verzicht auf Aquitanien. Damit war die kapetingische Monarchie von der mühsam erklommenen Machtstufe jählings wieder hinabgestoßen. Wie sollte Ludwig als nomineller Oberherr seinen Willen einem Vasallen aufzwingen, der ihn an Gebietsumfang um ein Mehrfaches übertraf! Die Karte Frankreichs war nun durch einen Längsschnitt in zwei Hälften geteilt; das Gebiet der westlichen, das nördlich bis nahe an die Somme, südlich nicht ganz bis an die Rhöne reichte, gehorchte künftig dem Plantagenet, der als Heinrich Π. zugleich König von England war. Hatten so alle Hauptbeteiligten: Deutschland, das Papsttum, Frankreich, unter den Folgewirkungen des Kreuzzuges zu leiden, erwuchsen auch den spanischen Fürsten aus der von Afrika jetzt nach Europa hinübergreifenden religiös-kriegerischen Bewegung der Almohaden neue Gefahren, so erfuhr nicht minder die katholische Kirche als solche, soweit sie auf dem unbedingten Glauben der Massen beruhte und in der wunderbaren Kraft des heiligen Bernhard ihren höchsten Ausdruck gefunden hatte, eine schwere Erschütterung. Welche Erfüllung hatten seine glänzenden Verheißungen erfahren 1 Zweifel und Vorwürfe drängten sich in den Vordergrund. Bernhard nahm sie, soweit sie sich gegen seine Person richteten, voll Demut und im Gefühl der Unvollkommenheit alles Menschlichen auf. Aber seine Witterung bevorstehender Gefahren war so sicher, daß er einsah, es müsse sich, um sie abzuwenden, ein grundlegender Wandel in der Kirche vollziehen. Damit nicht ihre Feinde den Hebel zum Umsturz ansetzten, ergriff er selbst als ihr Freund und Diener die Feder zu einer einschneidenden Kritik. Die einzelnen Bücher des Werkes „Über die Betrachtung", das so entstand, übersandte er dem befreundeten Papste, für den es eine Art Katechismus oder Sittenspiegel darstellte. Von Altersschwäche verrät es noch keine Spur. Indem es die Hoheit des Papstes über die Christenheit im höchsten Sinne in Anspruch nahm, war es doch in einem schroff antigregorianischen Geiste geschrieben. Nicht Herrschaft, sondern Dienst gezieme dem Nachfolger Petri, nicht Ehrgeiz, sondern Demut, nicht Aufgehen in der abstumpfenden Juristerei, sondern Bewahrung des höheren Menschtums in Betrachtimg des Ewigen und Ausbreitung des Glaubens; nicht Prunk und Käuflichkeit an der Kurie, sondern Reinigung des Tempels mit der Geißel Christi, Vergebung zwar auch des zweiten, kaiserlichen Schwertes, aber keine Einmischung in die weltlichen Geschäfte der Könige und Fürsten; kein Richten über irdische Güter als des Papstes unwürdig, der über weit Größeres: über die Sünden zu richten habe. Wenn er beides zugleich umfassen wolle, werde er beides verlieren.
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LEUCHTENDES VORBILD
Bernhards „Testament", wie man dies letzte bedeutende Werk seiner Feder genannt hat, konnte bei aller richtigen moralischen Einsicht die durch politische und wirtschaftliche Momente bestimmte Entwicklung nicht aufhalten, geschweige denn rückgängig machen. Die Zeit schritt über seine Forderungen hinweg, wenn er auch mit seiner eifernden Liebe, der von Dante gepriesenen „vivace caritä", und der fast übermenschlichen Kraft seiner Hingabe nachkommenden Geschlechtern ein leuchtendes Vorbild blieb. Das gilt selbst für protestantische Kreise. Luther hat ihn höher geschätzt „denn alle Mönche und Pfaffen auf dem ganzen Erdboden", und die Theologen der Reformationsrichtung wiesen ihm einen Platz an unter den von ihnen verehrten „Zeugen der Wahrheit", ohne daß man darum freilich an Bernhards unbedingter Katholizität irgend zweifeln dürfte. Als er 1153 kurz nach dem so eindringlich ermahnten Zisterzienserpapst Eugen III. erschöpft ins Grab sank, konnte er schon nicht mehr wie früher als vollkommenster Ausdruck der herrschenden Zeitströmung gelten. Weltliche Ideale einer emporstrebenden Laienkultur traten in den Vordergrund und bestimmten die zweite Hälfte des Jahrhunderts.
KULTURWANDEL
In der Kulturentwicklung am allerwenigsten gibt es deutlich bestimmbare Zeiteinschnitte. Wohl aber können erschütternde Katastrophen Unterströmungen, die langsam angeschwollen sind, plötzlich an die Oberfläche treiben. Dies geschah im Abendlande um die Mitte des 12. Jahrhunderts durch den Zusammenbruch der Kreuzzugshoffnungen. Die Zuversicht der bisher Führenden war unterhöhlt. Neue Schichten von Laien, die gewiß nicht erst seit gestern weltzugewandt und diesseitsfreudig waren, aber nun erst als Kulturträger zu Worte kamen, drängten empor und ergriffen die Zügel. Zu den asketisch gerichteten reformkirchlichen Bewegungen von Cluny und Clairvaux, die in den letzten hundert Jahren geherrscht hatten, stand die neue Weltströmung in scharfem Gegensatz. Die hundert Jahre, die nun folgten, waren erfüllt von dem Ringen dieser Richtungen, das den natürlichen Hintergrund bildete zu den Kämpfen der Staufer und Plantagenets mit der Hierarchie. Erst die Überwindung jener Gegensätze in dem ausgleichenden System des Thomas von Aquino, die zusammenfiel mit dem kirchenpolitischen Endsieg des Papsttums, sicherte diesem noch einmal auch weltanschaulich die Überlegenheit. Auf vorbereitende Ansätze zu dem angedeuteten Kukurwandel sind wir schon im Investiturstreit und im Ringen Bernhards mit den Gegenmächten, ja sogar im Zwiespalt der Seele des großen Zisterziensers selbst gestoßen. Hier aber gilt es nun, sich die Ursachen jener gewaltigen Erschütterung der Geister zu vergegenwärtigen. Wie da die wirtschaftlichen und ständischen Verschiebungen den Boden für die junge Saat aufgelockert hatten, ist schon berührt worden. Es ist hier daher nur kurz daran zu erinnern, daß die Ruhe des grundherrschaftlichen Systems nunmehr gebrochen war. Indem die ritterlichen Besitzer Eigenbetrieb mit Rentenbezug vertauschten, gewannen sie im Rahmen ihres auf höhere Stufe gesteigerten gesellschaftlichen Lebens Muße zu literarisch-künstlerischer Betätigung. Auch die aus der alten Unfreiheit herausstrebenden Ministerialen, jetzt ein Geburtsstand mit eigenen, festumgrenzten Dienstrechten, traten ihnen darin zur Seite. Neuartiger noch erschien die Kultur der Städter, die freilich in den Anfängen ihres erst im Laufe von Jahrhunderten zur vollen Höhe emporgesteigerten Erwerbslebens nicht allzuviel Raum für geistiges Schaffen bot, aber in ihren
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DER HAUPTSTROM
Lateinschulen doch den Grund zur Bildung weiterer Kreise legte. So sehr jedoch die Städte mit ihrem Geldwesen und den Keimen des Kapitalismus künftig als Sprengkörper in der frühmittelalterlichen Wirtschaftsordnung gewirkt haben, stand das Bürgertum in der geistigen Kulturwandlung jener Tage doch keineswegs in der vordersten Reihe. Denn dann müßte sie vornehmlich von Italien mit seiner frühesten Stadtentwicklung ihren Ausgang genommen haben. Dorthin weist aber nur das Wiederaufleben der Rechtsforschung, allenfalls der Heilkunde. Der Hauptstrom der neuen Kulturentwicklung kommt vielmehr aus Frankreich, und da dessen obere Gesellschaftsschichten die eigentlichen Träger der ersten Kreuzzugsbewegung und der syrischen Kolonisation waren, so ergibt sich von vornherein die Vermutung, daß unter den sicherlich zahlreichen Momenten, die jene kulturelle Hegemonie Frankreichs heraufführten, die seit einem halben Jahrhundert herüberwirkenden Eindrücke aus dem Orient nicht die geringsten gewesen sind. Wohl war es kein völliges Neuland, das sich da auftat, wie etwa bei der Entdeckung Amerikas. Pilger und Händler hatten es schon früher kennengelernt ; von Spanien und Sizilien her waren bereits beträchtliche Wirkungen ausgegangen. Alles das aber gewann in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ein ganz anderes Ausmaß; und wie unermeßlich viel reicher waren diese Eindrücke als die späteren von jenseits des Ozeans! Hatte doch die islamische Welt das hellenistische Erbe der Antike viel umfassender aufgenommen und verständnisvoller fortgebildet als das Abendland und damit wertvolle Bestandteile der indischen, persischen und byzantinischen Kultur verbunden. Der Einblick erheblicher Massen Europas in diesen auf so manchen Gebieten unbedingt überlegenen Reichtum mußte wirken als eine überraschende Horizonterweiterung und erschütternde Offenbarung. Da gab es also außerhalb der christlichen noch eine eigenständige Kulturwelt, die zum mindesten das Diesseits zweckmäßiger, reizvoller, freudiger zu gestalten wußte. Als 1148 die Hoffnung, sie völlig zu überwinden, dahinschwand, die heilige Begeisterung in sehr irdisches Treiben umschlug, als Enttäuschung und Verbitterung den kritischen Blick für die eigenen Gebrechen schärften, stieg jene Welt nur um so leuchtender empor. Nicht was man doch auch ihr an Anregungen gab, nur was man empfing, steht hier in Frage, und selbst da müssen kurze Andeutungen genügen. Es war zunächst für die höheren Gesellschaftsschichten eine Hebung der materiellen Lebenshaltung: in den schmackhafter gewürzten, um manche ungewohnten Erzeugnisse bereicherten Speisen, in prunkender Kleidung von Atlas, Damast oder Musselin, in kostbarem Schmuckwerk, Luxuswaffen und
EINWIRKUNGEN DES ORIENTS
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bunter Wappenzier, in bequemerer Ausstattung der teppichgeschmückten Wohnräume, kurzum in einer sinnlich üppigeren, der Askese gründlich abholden Ausgestaltung des Lebens. Indem italienische, provenzalische und katalanische Kaufleute solchen Bedürfnissen, die sich im Abendlande immer weiter ausbreiteten, Rechnung trugen und in regelmäßigen Fahrten auch den Personentransport mit den syrischen Kolonien regelten, schwoll der direkte Verkehr mit der Levante immer mehr an und übernahm seine Formen von der hochentwickelten SchifFahrts- und Handelstechnik der Araber, die, um nur einiges zu nennen, seit langem Wasserbussole und Wechsel verwandten, durch das indische Ziffernsystem des Algorismus (das erst 1202 von Leonardo Fibonacci, dem Sohne eines pisanischen Zollbeamten in Nordafrika, in das Geschäftsleben seiner Landsleute eingeführt wurde) das Rechnen ungeheuer erleichterten, den billigeren Schreibstoff des Papiers zunächst den romanischen Ländern des Südens vermittelten und wie auf allen anderen Gebieten ihres Kultureinflusses so vornehmlich auf diesem in zahlreichen Lehnworten der europäischen Sprachen ihre Spuren hinterlassen haben. Am unmittelbarsten hatte sich der technische Ausgleich natürlich im Kriegswesen vollzogen, in dem die Araber von den Byzantinern die Errungenschaften des Altertums übernommen hatten. Verbesserte Ausrüstung mit Kettenhemden und Panzerschutz auch des Streitfosses, zugleich aber Anpassung an die beweglichere Reitertaktik der Sarazenen, die Verwendung von Tartsche und Armbrust, vor allem ungeheure portschritte in Festungsbau und Belagerungstechnik mit rollenden Holztürmen, Schleudermaschinen, Minenbäu und Sprengstoffverwendung waren die Folge. Die vollkommenere Technik wäre nicht möglich gewesen ohne verständnisvollere Aneignung und Fortbildung der exakten, praktisch anwendbaren Wissenschaften des Hellenismus, wie man denn die Araber im Unterschied von den humanistischer gerichteten Abendländern wohl als die „Realschüler" der Griechen bezeichnet hat. In Mathematik, Astronomie und Astrologie, in Geographie und Kosmographie, in der Kenntnis von Tier-, Pflanzen- und Gesteins weit, in Physik, Chemie und Alchimie, nicht zum wenigsten auch in der Medizin gewann das Abendland damals entscheidende Anregungen, wie es def arabischen Vermittlung großenteils ja darüber hinaus die erweiterte Kenntnis der griechischen Philosophie verdankte. Welche Belebung endlich der künstlerischen Phantasie durch die Fülle wunderbar-märchenhafter Eindrücke! Wie mußte der Dekorationsreichtum mit seiner Welt von Fabelwesen und Arabesken, die Farbenfreudigkeit, das ausdrucksvollere Spiel von Licht und Schatten auf das bildende Schaffen
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DIB ANDERSGLÄUBIGEN
namentlich der Kunsthandwerker einwirken, die hier in Goldschmiede-, Schmelz- und Lackarbeiten, Teppichgeweben und Stickereien schwer erreichbare Vorbilder fanden! Welche Menge von indischen, persischen, hellenistischen Märchen und Novellenstoffen strömte nun dem Abendlande zu und regte die dichterische Phantasie an zu weltfroh-üppiger Ausmalung, während neben den kriegerischen Musikinstrumenten der Trommeln und Pauken aus dem Orient die Laute zur Begleitung lyrischer Gesänge ihren Einzug hielt. Faßt man dies alles zusammen, so versteht man, daß das starre Weltbild, wie es bislang die geistlichen Quellen gezeigt hatten, sich einigermaßen verschob und in jenen engen Rahmen nicht mehr recht passen wollte. Die irdische Natur mit ihren Freuden, Schönheiten und Entdeckungsreizen forderte darin gebieterisch mehr Raum, als ihr bisher zugestanden war. Als die erste fanatische Gegnerschaft zu den Mohammedanern einem ruhigeren Nebeneinander wich, erkannte man staunend auch in den Andersgläubigen edle Gesinnung und hohe Bildung. Etwas von der zweifelnd-duldsamen Auffassung, wie sie in der orientalischen Erzählung von den drei Ringen lebte, drang mir ihr zugleich über das Mittelmeer und weckte zunächst wenigstens an den Außenrändern Keime religiöser Toleranz, untergrub aber damit doch schon vielfach Bedingungslosigkeit und Alleingültigkeit des kirchlich festgelegten Glaubens. Die Zweifel Wiberts von Nogent an Echtheit und Kraft von Reliquien oder der Spott von Anhängern Abälards über Norberts und Bernhards Wunderwirkungen rührten gewiß noch nicht an den Glaubensinhalt als solchen; selbst Arnold von Brescia und die von Bernhard verfolgten Ketzer wollten mehr erneuern als umstoßen. Aber die von Osten her eingedrungene, vom persischen Manichäismus ausgehende Sekte der Katharer, die seit der Mitte des 12. Jahrhunderts vornehmlich in Südfrankreich erschreckende Verbreitung fand, stellte sich nicht nur außerhalb der Kirche, sondern trotz äußerlicher Anpassungen im Grunde doch des Christentums überhaupt — ein Zeichen der tiefen, verwirrenden Erschütterung, die damals die Geister ergriffen hatte. Die Buntheit der Eindrücke steigerte sich im weiteren Verlauf der Kreuzzüge noch dadurch, daß es ja nicht allein die islamische Kulturwelt war, in die man Einblick gewann, sondern daß durch die gemeinsamen Unternehmungen die europäischen Völker sich auch in den Laienschichten genauer als vordem kennenlernten, neben dem Gemeinsamen auch die Unterschiede begriffen, bei aller Herübernahme der Fortschritte das Gegensätzliche in Wesen und Neigungen ablehnten und so zu gleicher Zeit die abendländische Interessengemeinschaft betonten, wie die nationalen Eigenheiten herausarbeiteten.
Strassburger 11.114.
Münster Jahrhundert
DIE ANTIKE
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Auch die persönliche Kenntnis von Konstantinopel mit seinem noch immer leuchtenden Nachglanz des Altertums bedeutete trotz aller feindseligen Abneigung gegen die Byzantiner nicht wenig, und die mannigfachen Quellen, die dem Abendlande die in aller trübenden Umhüllung gleichwohl unschätzbaren Goldkörner der Antike zuleiteten, trafen auf bereitwilligste Aufnahme insonderheit bei den Schulen Frankreichs, die auch von sich aus auf eine Renaissance des Altertums hingearbeitet hatten. Allen voran und eben um die Mitte des 12. Jahrhunderts auf der vollen Höhe stand Chartres mit seinen um den platonischen Idealismus kreisenden philosophischen Studien, seiner weit ausgebreiteten Kenntnis der klassischen Dichter, unter denen der sehr irdische Ovid nun als beliebtes Vorbild seinen Platz nahezu neben Virgil einnahm, und mit der darauf gegründeten echt humanistischen Gesinnung, aus der heraus das Schulhaupt, der Bretone Bernhard, im Hinblick auf die Alten äußern konnte: „Wir stehen wie Zwerge auf den Schultern von Riesen." Daneben zeichnete sich Orleans aus als Schule der lateinischen Grammatik und Rhetorik, in der vielfach unter Anschriften antiker Namen wie Odysseus und Penelope, Paris und Helena die neue Briefkunst gepflegt wurde, und die scheinbare Versenkung in das Altertum so weit ging, daß man äußern mochte, Orleans werde durch Verherrlichung der antiken Götter noch vom Wege zum Paradiese abirren. Bewegte sich der Schulbetrieb hier und an anderen Kathedralen in den überlieferten Formen der sieben freien Künste des Triviums und Quadriviums, so wuchs ihm nun aus den oben berührten Quellen eine Fülle neuen Stoffes zu, die sich dem alten Schema bald nicht mehr einfügen wollte. Die von dem Archidiakon Aristipp von Catania um 1156 übersetzten, bisher unbekannten platonischen Dialoge Menon und Phaedon haben damals allerdings keine große Verbreitung und Wirkung gefunden. Von geradezu grundlegender Bedeutung jedoch für das gesamte mittelalterliche Geistesleben wurde das durch ein volles Jahrhundert sich hinziehende allmähliche Bekanntwerden der Werke des Aristoteles, von denen bei der fast durchgängig herrschenden Unkenntnis des Griechischen bisher allein die von Boethius bearbeiteten sechs logischen Traktate des Organon hatten studiert werden können. Jetzt tauchten die als „neue Logik" zusammengefaßten weiteren logischen Schriften des Peripatetikers, dann noch vor Schluß des Jahrhunderts seine naturwissenschaftlichen Werke, endlich die Metaphysik und das übrige zugleich mit zahlreichen anderen wissenschaftlichen Schriften der Alten durch Übersetzungen aus dem Griechischen, Arabischen, Hebräischen oder Syrischen auf.
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ARISTOTELES
Diese Übersetzertätigkeit, an der sich Gelehrte aus allen abendländischen Nationen mit aufopferndem, wahrhaft humanistischem Entdeckungseifer beteiligten, gehört zu den folgenreichsten Kulturtaten des 12. Jahrhunderts. In Spanien, dem durch Berührung von Christentum und Islam dafür günstigsten Boden, erstand in Toledo unter Förderung des Erzbischofs Raimund (1126—1151) noch vor der Mitte des Jahrhunderts das eigentliche Vermittlungszentrum. Vor allen anderen schuf dort Gerhard von Cremona (j- 1187) seine Übertragungen
von nicht weniger als einundsiebzig
arabischen
Werken, unter denen Schriften der bedeutendsten griechischen Gelehrten, auch des Aristoteles, waren. Als Stätte für Übersetzungen unmittelbar aus dem griechischen Urtext kam etwas später vornehmlich der Normannenhof Wilhelms I. zu Palermo und zur Zeit Kaiser Manuels auch Konstantinopel mit seinen nahen Beziehungen zu Venedig und Pisa in Betracht. Es erübrigt sich, die einzelnen Werke aufzuzählen, die dem Abendlande lang vergessene Gedankenwelten aufs neue erschlossen. Nur die Wissensgebiete, die solche Befruchtung erfuhren, können angedeutet werden. Verdankte man dem auferweckten Aristoteles die Richtung auf den großartigen Systembau, wie er sich dann im 13. Jahrhundert vollzog, so doch auch neuen Fachwissensstoff, namentlich durch seine naturwissenschaftlichen Werke. Und diese Stoffaufnahme blieb zunächst auf anderen Gebieten noch die Hauptleistung jener Zeit, während die Aneignung und Anwendung der überlegenen Forschungsmethode der Alten nur sehr allmählich ergriffen wurde. So lernte man aus dem Almagest des Ptolemäus um 1160 die Summe des astronomischen Wissens der Griechen kennen, ohne deswegen die „angewandte Astronomie" der astrologischen Lehren, die nun ebenfalls einströmten, geringer zu schätzen. Besonders großen Gewinn brachte die Literatur der Griechen und Araber auf dem gesamten Gebiete der Mathematik, ähnlich auch der Medizin. Und hier, wie in der Geographie, begannen sich Experiment und unvoreingenommenes, forschendes Sehen nach langem Winterschlaf wieder zu regen, beispielsweise in der Salernitaner Tieranatomie, der gefahrvollen Prüfung eines Ätnaausbruchs durch Aristipp von Catania oder den scharfen Beobachtungen des gelehrten englischen Reisenden Adelard von Bath. All diesen Wissenszweigen gegenüber nahm die Jurisprudenz insofern eine Sonderstellung ein, als sie durch Auffindung des ganzen, um die Digesten vervollständigten Corpus des römischen Rechts bereits in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zunächst ausschließlich auf dem alten italischen
RÖMISCHES RECHT
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Boden in engem Zusammenhang mit den praktischen Bedürfnissen der emporwachsenden lombardischen Städte ihren Aufschwung genommen hatte. Für den Schulbetrieb erlangte sie ihre volle Bedeutung doch erst, als Bologna im Beginn des folgenden Jahrhunderts durch den glänzenden Lehrer Irnerius (f nach 1125) die älteren Rechtsschulen von Rom, Pavia und Ravenna überflügelte und nach einer weiteren Generation mit dem Viergestirn der Doktoren Bulgarus, Martinus, Hugo und Jacobus, den Ratgebern Friedrich Barbarossas, auf die Höhe des Ruhmes emporstieg. Da trat nun eine heidnischweltliche Autorität, die von Papsttum und Kirche nichts wußte, eigenständig neben die bisher allein gültigen Autoritäten der Heiligen Schrift und der Väter. Daß sie dem Kaisertum und jeder weltlichen Regierung zu einer machtvollen ideologischen Stütze werden konnte, bemerkte schon Papst Alexander III., als er dem römischen Recht, obwohl das kanonische von ihm ausgegangen war, keine Autorität mehr zuerkannte. Später (1219) ist gar dessen Studium den Priestern verboten und an der Pariser Universität selbst die Lehre des kanonischen Rechts als Beeinträchtigung der Theologie untersagt worden. Im Schulbetrieb der Glossatoren blühte es gleichwohl fort, gab für die Aufzeichnung des Lehnsrechts in den lombardischen Leges feudorum und die Ausbildung der italischen Stadtrechte entscheidende Anregungen und strahlte bald auf andere Länder aus, wenn auch auf Deutschland und England vorderhand nur durch das Medium des kanonischen Rechts. Allmählich wuchs doch ein Stand von weltlichen Juristen oder „Legisten" empor, der dazu diente, die abendländischen Herrscher von ihren geistlichen Verwaltungsorganen unabhängiger zu machen — also auch hier unter antiken Einflüssen eine Steigerung der Laienmacht. Nimmt man zu den genannten, jetzt mehr und mehr in Aufnahme kommenden Fachwissenschaften die immer noch zentrale Theologie hinzu, die seit Anselm und Abälard ein wissenschaftliches Gepräge erhalten hatte, so begreift man, daß der alte Studienbetrieb der Kathedralschulen gesprengt werden mußte und über sie hinaus als eine weitere Kulturleistung des 12. Jahrhunderts die Universität erwuchs. Sie war keine künstliche Schöpfung nach irgendwelchem fremden Vorbild, auch nicht etwa von der Kirche bewußt entwickelt, sondern aus den erweiterten Lehr- und Lernbedürfnissen spontan entstanden, insonderheit dort, wo, wie in Paris, mehrere Schulen nebeneinander wirkten und packende Lehrer, wie Abälard, Scholaren aus allen Ländern herbeilockten. Da führte denn die Ausdehnung der Forschungsgebiete zum „Generalstudium", und die Gesamtheit von Lehrenden und Lernenden begann sich als eine einheitliche Körperschaft, eine „universitas",
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LATEINISCHE DICHTUNG
zu fühlen - anfangs noch in sehr lockerem, manche Abenteuerlichkeit in sich bergendem Gefüge, nur mit dem Kernanspruch, die Lehrberechtigung durch den Kanzler selbständig zu erteilen, erst im 13. Jahrhundert in fester, statutenmäßiger Organisation. Paris, wo Theologie und Dialektik dauernd die Studien beherrschten, wurde später Vorbild für die meisten anderen nordalpinen Universitäten. Von ihm scheint auch um 1167/68 die von Oxford ihren Ausgang genommen zu haben, als die englischen Studenten in Paris auf Gebot König Heinrichs II. in die Heimat zurückkehren mußten. In den frühesten Universitäten der Mittelmeerländer standen von vornherein die Fachstudien ganz im Vordergrunde: das Recht in Bologna, die Heilkunde schon seit langem in Salerno; beides nebeneinander in Montpellier. Weitere Universitäten erwuchsen erst im 13. Jahrhundert. Daß Deutschland noch lange im älteren Schulbetrieb verharrte und seine nach Höherem verlangenden Scholaren nach dem Westen oder Süden ziehen lassen mußte, war neben dem geringeren Maße seiner Laienbildung wohl überwiegend seiner geographischen Lage zuzuschreiben, die es an den aus Orient und Antike zuströmenden Anregungen erst später und aus zweiter Hand Anteil gewinnen ließ. Blieben die neuen Universitäten noch lange mehr oder weniger abhängig von Kirche oder Staat, so war mit ihnen doch der Keim einer von jenen Gewalten unabhängigen Wissenschaft in den europäischen Boden gesenkt. Auch für die abendländische Literatur bedeutet das 12. Jahrhundert eine Zeitenwende. Es birgt in sich die reichste, lebensvollste Entfaltung der internationalen lateinischen Dichtung und zugleich ihre Abdankung zugunsten der allenthalben emporsprießenden Nationalliteraturen. Im Anfang erreichte der Klassizismus in Form und Geist seine Höhe in Hildebert von Lavardin, der fast drei Jahrzehnte Bischof von Le Mans war und als Erzbischof von Tours 1133 starb, und fand vielleicht seinen reinsten Ausdruck in seinem schönen Lobgesang auf Rom. Dann begann die seelische Erregung der Zeit auch die lateinische Dichtung zu verselbständigen. Schon Abälard bewegte sich als Poet in neuen Formen. Immer mehr traten in der geistlichen und weltlichen Lyrik Rhythmus und Reim an die Stelle der antiken Metren; immer mehr verwandelten sich die Helden antiker Stoffe wie der Alexandreis des Walter von Chatillon in mittelalterliche Ritter. Völlig eigenartig entwickelte sich aus der kirchlichen Liturgie heraus das religiöse Drama, das von Frankreich bald nach Deutschland übergriff, in Frankreich allein aber in der Nationalsprache als Mysterium oder Mirakelspiel von Adams Sündenfall oder vom heiligen Nikolaus auch mit weltlichen Mitteln volkstümliche Wirkungen
VAGANTEN, PARODISTEN
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erzielte. Mit den novellistischen Prosageschichten des Petrus Alphonsi, in denen die zugeflossenen fremden Stoffe dem Publikum mundgerecht gemacht wurden, setzte eine neue, bald mit großem Erfolg gepflegte Literaturgattung ein. Vollsaftiges Leben aber gewann die lateinische Dichtung allein in den Liedern der Vaganten. Die Zugkraft bekannter Lehrer veranlaßte häufigen Wechsel der Schulen. Man ersieht das etwa aus dem Studienber." :ht Johanns von Salisbury, der halb Selbstbiographie, halb Gelehrtengeschichte ist. An dem ungeordneten, abenteuernden, oft auf nichts gestellten Wanderleben fanden die leichterbeherzten Scholaren Geschmack und trugen umherziehend ihre kecke Studentenpoesie durch die Länder, indem sie sich in scherzhaftsatirischem Sinne als Mitglieder des Ordens der „Goliarden", mit dem Riesen Goliath als Schutzheiligem, bezeichneten. Im einschmeichelnd melodischen Klangfall ihrer gereimten lateinischen Rhythmen haben sie Geistliches und Weltliches besungen, mit Vorliebe aber doch die höchst irdischen Stoffe ihres Wander- und Kneipenlebens: Wein, Weib und Gesang, frisch, froh und frech, oft mit glühender Sinnlichkeit und fleischlischer Lust, immer unge künstelt, naturnah und voll innerer Bewegung. Bei solcher Art versteht es sich, daß sie sich gegen die strengen Satzungen der Kirche aufbäumten, sie ohne grundsätzliche Ablehnung doch verspotteten, mit scharfem Blicke die Mißstände der kirchlichen Praxis erkannten und an den Pranger stellten. Es begann die Blütezeit der Parodie, oft harmlos witzig, oft aber auch zur Satire von grimmigem Ernst vornehmlich gegen die Habgier, Bestechlichkeit und unsoziale Hartherzigkeit der römischen Kurie gesteigert. Das Lob der heiligen Märtyrer Rufinus und Albinus (Goldfuchs und Silberling), deren kostbare Reliquien in Rom alle Tore öffnen, war schon seit dem Ausgang des 11. Jahrhunderts mannigfach erklungen. Jetzt kam, noch ehe das 12. Jahrhundert geendet, die furchtbare Satire des „Evangeliums von der Mark Silber" in Umlauf. Da herrschen die päpstlichen Türhüter den besitzlosen Armen an: „Daß du verdammt werdest in deiner Armut! Hebe dich hinweg, Satan, denn du meinest nicht das, was des Goldes ist. Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: du wirst nicht eingehen zu deines Herren Freude, bis du nicht deinen letzten Heller hergegeben hast." Der Papst selbst aber verkündet mit Anlehnung an die Bergpredigt die Seligpreisungen der Reichen. Auch schon die ältere Tierepik wurde nun in den Dienst solcher Tendenz gestellt. Bald nach dem zweiten Kreuzzuge schrieb ein flämischer Geistlicher, vermutlich Magister Nivardus, zu Gent in lateinischen Distichen seinen „Isengrimus" und benutzte diese Leidensgeschichte eines Wolfes, um die
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TROUBADOURS
heftigsten Ausfälle gegen die Kurie, gegen Bernhard und die Gebrechen des geistlichen Standes insgesamt zu richten. Bald sollte er in den Nationalsprachen Nachahmer finden, unter denen der deutsche Elsässer Heinrich der Glichezire mit seinem „Reinhart Fuchs" um 1180 der früheste war. Die lateinische Lyrik der Vaganten läßt sich meist nur schwer nach ihrer nationalen Herkunft bestimmen. Aber das Kleeblatt des unter dem Dichternamen „Primas" bekannten französischen Kanonikers Hugo von Orleans, der es in der Emanzipation des Fleisches allen anderen zuvortat, des Engländers Walter Map, der später am Hofe Heinrichs II. seiner Satire die Zügel schießen ließ und zum Archidiakon von Oxford emporstieg, und des vermutlich doch deutschen „Erzpoeten", vielleicht des begabtesten und frischesten aller Goliardensänger, dem man in der Begleitung von Barbarossas Kanzler Rainald von Dassel im Rheinland und in Italien begegnet — dies Kleeblatt zeigt allein schon, wie sehr diese Dichtung, wenn sie auch ihr eigentliches Zentrum in den Schulen Nordfrankreichs hatte, über die Hauptländer des damaligen Europas verbreitet war. Im Kreise der Studenten und an den geistlichen Höfen war das lateinische Wort mit seiner Internationalität, mit den antiken und christlichen Kulturwerten, die es in sich Schloß, noch wohl am Platze. Indes, die wachsende Beteiligung von Laien als Verfasser und Hörer drängte ebenso wie der neue Seeleninhalt zum Gebrauch der Nationalsprachen. In Frankreich harte sie seit zwei Generationen die Dichtung ergriffen; allein erst jetzt gewann diese die Herrschaft, allgemeine Verbreitung in der höfischen Gesellschaft und feste Formen. Vom Limousin aus drang die Troubadourlyrik in das Rhönegebiet, um von da in der provenzalischen Literatursprache sich über ganz Südfrankreich, Katalonien und die Lombardei auszudehnen, ihre Einflüsse aber auch auf das übrige Italien, Spanien und Portugal, Nordfrankreich, England und Deutschland zu üben. Was die Entstehung betrifft, so hat man auf die Huldigungen arabischer Hofpoeten fur die Frauen andalusischer Herrscher als mögliches Vorbild hingewiesen. Das Fortleben der Laienbildung des Altertums in Südfrankreich mit dem feinen Gefühl für Maß und Form kommt sicherlich als Grundlage in Betracht. Mit dem antiken Eros hat der Minnedienst, ohne daß direkte Einwirkungen irgend anzunehmen wären, das gemeinsam, daß die Beziehung des Troubadours zu der verheirateten höherstehenden Dame über das gesellschaftliche Spiel hinaus eine ästhetischerzieherische Angelegenheit mit dem Ziel sitdicher und kultureller Höhersteigerung war. Wesentlichen Anteil hatten weder Christentum noch
MINNESANG
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Germanentum, wenn auch christliche Tugenden zur ritterlichen Ethik gehörten und in den Lehmformen, die man auf den Minnedienst übertrug, Elemente des germanischen Gefolgswesens steckten. Gerade dieser feudale Charakter spricht fur den Ursprung in eben der ritterlichen Gesellschaft, in der sich der Minnesang im Anschluß an ältere Lyrik von ungeschliffenerer, freierer Art entfaltete. Zu der derbsinnlichen Liebeslust der Vaganten stand diese hohe Minne, deren Ziel nicht Erfüllung des Begehrens war, in schärfstem Gegensatz. Der Minnesang wird daher, nachdem ältere Troubadours, wie der zartfühlende Bernhard von Ventadorn, noch echte Herzenstöne gefunden hatten, konventionell gekünstelt und spitzfindig, mannigfaltig nur in der Form, eine Art Lehnsdienst. Von der christlichen Demut und Hingabe an ein überirdisches Ideal hob sich diese ritterliche Ethik deutlich genug ab, wurzelte sie doch ganz im Irdischen und stellte wohl geradezu die Forderung, „der Welt Freuden zu mehren". „Das Lächeln meiner Freundin", heißt es etwa bei Rambaut von Orange, „macht mich fröhlicher, als wenn mich vierhundert Engel anlachten, um mich zu beseligen". Auch steigerte sich das Selbstgefühl der Troubadours oft zu grotesker Höhe, so daß es aus jener Art der Zurückhaltung, die man wohl für typisch mittelalterlich hält, völlig herausfällt. „Seit Adam vom Apfel aß, gab es keinen Dichter — dessen Kunst gegen die meine eine Rübe wert wäre", äußert derselbe Rambaut, und Marcabru, der eigenartige Dichter jener unter dem Namen Sirventes gehenden Zeit- und Rüpellieder, die von den Troubadours neben dem Minnesang besonders gepflegt wurden, ruft aus: „Gelobt sei Gott und St. Andreas, daß niemand, soviel ich merke, gescheiter ist als ich." In dieser weltlichen Lyrik war also wiederum eine eigenständige Kulturmacht erwachsen, die unabhängig von der Kirche die Geister der höchsten Gesellschaftskreise beherrschte und eben auf diesem von so manchen Schranken befreiten Boden Südfrankreichs gar bald in scharfen Gegensatz zur Kirche geriet. Für das Hinübergreifen dieser Dichtung nach dem Norden des Landes ist die Heirat der Eleonore von Aquitanien, der Enkelin des „ersten Troubadours", mit König Ludwig VII. und dann noch weit mehr ihre zweite Vermählung mit dem Plantagenet Heinrich II. von höchster Bedeutung geworden. Ihr Hof wurde neben denen ihrer Schwestern, der Gräfinnen von Chartres und Blois und von Troyes, zum wichtigsten Vereinigungspunkt fur die Strömungen aus Süd und Nord, hier namentlich aus der Normandie, England und den insularen und festländischen Gebieten der Bretonen. Und standen dort die Trouvires als lyrische Sänger zurück hinter ihren Vorbildern, den proven-
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HÖFISCHE EPIK
zalischen Troubadours, so gewann dafür in der epischen Dichtung 'der Norden endgültig die Führung. Auch da brachte die Mitte des 12. Jahrhunderts einen durchgreifenden Wandel. Die heroische Epik der „Chansons de geste", die nach dem Vorbilde des Rolandsliedes mit christlichem Idealismus, ethischem Pathos und schwungvoller Rhetorik die Helden aus dem Kreise Karls des Großen oder seines Zeitgenossen, des Grafen Wilhelm von Toulouse, der über die Sarazenen siegte und als Benediktiner endete, verherrlichten, beherrschte nun nicht mehr allein das Feld. Kurz nach 1150 trat daneben der höfische Roman, der, schon weil er weniger auf den freien Vortrag als auf die Lektüre berechnet war, eine andere Technik und Metrik erforderte, leichter, eleganter, kunstvoller war, reich an Abenteuern und Liebesmotiven, ebenso wie die Troubadourlyrik ganz eingestellt auf Geschmack und Sittenkodex der ritterlichen Gesellschaft. Eine Fülle neuer Stoffe strömte ihm zu: Alexander und Aeneas, Theben- und Trojasage aus der Antike, Heraklius und Heiligenlegenden aus Byzanz, sehr reizvolle Erzählungen wie „Floire und Blancheflor" aus dem fabelreichen Orient, vor allen anderen aber jene Sagen um den König Arthur, den Zauberer Merlin und den Gral aus der wunderbaren, mystisch angehauchten Welt der keltischen Bretonen, die der Waliser Geistliche Galfried von Monmouth in seiner „Geschichte der britischen Könige" vereinigt, die dann Wace in seiner „Geste des Bretons", ihm in Versen nacherzählt hatte. Schon nach wenig mehr als einem Jahrzehnt erreichte dieser höfische Roman seinen Höhepunkt in der erstaunlich reichen, durch flüssiges Erzählertalent, sprachliche und metrische Meisterschaft ausgezeichneten Epik des Christian von Troyes. Schon vorher war von einem walisischen Dichter im „Tristan" der erste, in dieser ältesten Form leider verlorene Liebesroman großen Stils — wieder am Hofe Heinrichs II. — geschaffen, wo vermutlich auch der talentvolle anglo-normannische Bearbeiter Thomas (um 1170) gewirkt hat. Auch die anmutigen Versnovellen („Lais") der in England lebenden Dichterin Marie de France stellten sich wenig später trotz ihres kleineren Formats würdig neben jene größeren Schöpfungen der höfischen Epik, die dann freilich bald von der erreichten Höhe herabsinken sollte. Diese ganze darstellende Dichtung konnte zwar nicht so leicht wie die Lyrik Südfrankreichs in ein gegen die Kirche feindseliges Fahrwasser geraten. Indessen ihre bunte Zauberwelt mit der Schätzung leiblicher Kraft und Schönheit, der Ruhmbewertung und Abenteuerlust, der sinnlichen Ausmalung verfeinerter irdischer Genüsse war doch alles andere als überweltlich gerichtet. Und sie wußte die Seelen der höfischen Gesellschaft in einen Bann
MUSIK
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zu zwingen, der mit der asketischen Lebensauffassung von Cluniazensern und Zisterziensern nichts mehr gemein hatte. In Deutschland, das nun in der Kulturentwicklung um eine Generation hinter dem westlichen Nachbarn zurückblieb, schien noch um die Jahrhundertmitte jener asketische Geist in den Gestalten Heinrichs von Melk und des armen Hartmann an Donau und Rhein zu herrschen, und langsamer als in Frankreich verband sich hier die Buchdichtung der Geistlichen mit der mündlichen Spielmannspoesie zu neuer gehobener Schöpfung. Selbst die in Regensburg entstandene Kaiserchronik, das ansehnlichste epische Dichtwerk in der Nationalsprache, war noch wenig harmonisch aus geistlichen und weltlichen Elementen, aus höfischem Wollen und spielmännischer Technik gemischt. Doch setzte mit dem Eindringen neuer Stoffe von außen her ein bewegteres Leben ein, zunächst noch in der auf Grund von Spielmannsliedern durch Geistliche in Form gebrachten Epik, bis dann in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts ein unerschöpflich reicher Strom von vorbildlichen Anregungen aus Frankreich hereinzufluten begann und nun auch die deutsche Laienpoesie auf eine erste Höhe emporführte. Bei der in jener Zeit ganz engen Verbindung von Wort und Ton mußte sich das in der lyrischen Dichtung neuerwachte Leben auf die Musik übertragen, und auch da ging Frankreich voran. Die einstimmigen Weisen, die von den Troubadours und Trouveres zu ihren Liedern gefunden und von ihnen selbst oder durch beauftragte „Jongleurs" an den Höfen mit improvisierter Fiedel- oder Lautenbegleitung vorgetragen wurden, führten aus dem kirchlichen Rahmen, der bisher die Kunstmusik umspannt hatte, heraus. In ihrer frischen Erfindung und anmutigen Feinheit schmeicheln sie sich noch dem verwöhnten modernen Ohr ein. Schwieriger war es für die zuerst aus Südfrankreich überlieferte mehrstimmige Kunst des Organums, die mit ihren rohen Quarten- und Quintengängen nur erst in den Kinderschuhen steckte, sich zu höherem Fluge zu erheben. Doch auch hier brachte noch das Frankreich des ausgehenden 12. Jahrhunderts die Wende zur kunstvolleren Polyphonie in den bald durch ganz Europa verbreiteten Werken der beiden großen Pariser Meister von Notre Dame: des älteren Leonin und seines bahnbrechenden Nachfolgers Perotin, von dem wahrscheinlich auch die Form der Motette mit ihren den Oberstimmen untergelegten vulgärsprachlichen und meist sehr weltlichen Texten ihren Ausgang genommen hat. Die Mischung eines sinnlichen Zaubers in den bewegten Melodien der Oberstimmen mit dem religiösen Grundgehalt des Cantus firmus und das Zusammenhalten beider Teile allein durch die Energien eines höchst erregten und starker
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„GOTISCHER" STIL
Steigerungen fähigen Rhythmus — das ist es, was diese neue Musik vor allem kennzeichnet. Die hiermit angedeutete geistige Welt des 12. Jahrhunderts, beherrscht gewiß noch ganz von der einheitlichen, kirchlich bestimmten Weltanschauung, aber aufgeschüttert und im Tiefsten erregt durch eine Fülle neuer, die Erkenntnis des Diesseits ausweitender, die Phantasie befruchtender Eindrücke aus Orient, Byzanz, Antike und europäischen Nachbarländern, aus unverbrauchten Laienerfahrungen und bisher unerforschten Gebieten des eigenen Seelenlebens — das war nun der Boden, auf dem das Größte und Eigenartigste erwachsen ist, das die gesamte mittelalterliche Epoche der Menschheit geben sollte: der neue Kunststil, den eine spätere Zeit, um ihn als barbarisch zu kennzeichen, den „gotischen" genannt hat. Der Name knüpft sich zunächst an die konstruktiven Errungenschaften der kirchlichen Baukunst in Frankreich. Dort hatten die aus dem Mönchsbetrieb herauswachsenden, nun auch hier, wie schon vorher in Italien, aus Laien zusammengesetzten Bauhütten, die in stetig gesteigerter Erfahrung Gesamtplan mit Einzelfreiheit verbanden, seit Jahrzehnten an einer befriedigenden Lösung der gerade für das System der mehrschiffigen Basilika schwierigen Wölbungsprobleme ähnlich wie in Deutschland, dem man jetzt aber vorauskam, gearbeitet. Die quadratischen Kreuzgewölbe des „gebundenen" romanischen Systems litten an Schwere und Starrheit. Die Rippen der Diagonalbögen zu Trägern von leichteren Gewölbekappen zu machen, den Höhenunterschied, der zwischen Diagonalbögen und Gurtbögen bei halbkreisförmiger Wölbung störend entstand, abzugleichen durch Anwendung des steiler oder flacher zu richtenden Spitzbogens, der zugleich den seitlichen Kappendruck minderte, den durch die Rippen auf die Eckpunkte des Gewölbes allein gesammelten Druck von unten her durch Pfeiler und Dienste aufzufangen, nach außen aber über die Seitenschiffe hinweg durch Strebebögen auf Strebepfeiler als Widerlager zu leiten — das waren die Hauptbaugedanken, die zwangsläufig zu einer völligen Neugestaltung des Inneren und Äußeren führen und auch in den Einzelformen weitgehende stilistische Umbildung hervorrufen mußten. Das gleichsam entmaterialisierte Innere kennt nun keine wuchtende Schwere mehr; scheinbar lastenlos wachsen die schlanken Träger aufwärts, das lichtspendende Mittelschiff wird immer höher emporgehoben. Die Grundrißgestaltung verliert ihre starre Gebundenheit. Indem der Blick in Seitenschiffe und Chorumgang dringt, schließt sich erst jetzt alles zu einheitlicher Raumwirkung zusammen, und das Auge des von Westen her Eintretenden gleitet zwischen den gleichmäßigen Reihen der
FORMEN
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Vertikalen in ungehemmter Bewegung hin zum Chor, während die nur noch dem Abschluß, nicht mehr tragender Festigkeit dienenden Außenwände sich in mächtige Fenster auflösen, in denen ziervolles Maßwerk die leuchtend bunten Farbenbilder des noch nicht in größeren Flächen herstellbaren Glases umschließt. Diese innere Raumgestaltung wird anfangs wohl auf Kosten des Äußeren erzielt, indem die steinernen Gerüste der Streben jede Flächenwirkung zerstören; aber eben aus dem Mißlichen dieser Unruhe wird dadurch bald eine Tugend gemacht, daß das Gerüstwerk mit einem ganzen Wald von zierlichen, mit Krabben und Kreuzblumen geschmückten, funktionell natürlich der Minderung des Seitenschubes dienenden Fialen, von phantastischen Wasserspeiern und aufragenden Wimpergen umkleidet wird. Der volle Reichtum einladender Pracht aber entfaltet sich an der oft mit kostbarstem Bildwerk übersäten Westfassade, wo die von aller erdenschtferen Massigkeit entbundenen, himmelan strebenden Türme sich über den drei hohen Spitzbögen der Portale erheben und die mächtige Rosette in die Mitte nehmen, die auch hier das Mauerwerk in Filigranarbeit auflöst. Diese Kette von Baugedanken, in denen der zugrunde liegende Rationalismus oft durch ein Spiel der Phantasie verschleiert wird, hat Zeit zur vollen Verwirklichung gebraucht. Es ist müßig, die Entstehung der Gotik zeitlich und örtlich auf einen bestimmten Punkt festlegen oder in der Reihe der Glieder eines als das entscheidende Hauptmoment kennzeichnen zu wollen. Von den Anfängen rhythmisch vertikaler Wandgliederung in der Normandie und den frühesten neuen Wölbungsversuchen in den nordfranzösischen Landen zwischen Anjou und Picardie sowie in Nordburgund bis zum ersten großzügigen und eindrucksvollen Gelingen in der Isle de France mit der Abteikirche von St. Denis zu Beginn der vierziger Jahre; weiterhin zu dem klassisch schönen, Vertikale und Horizontale noch im Gleichgewicht haltenden Muster der Frühgotik von Notre Dame in Paris (1163-1235) oder der nach der Planung mit sieben großartigen Türmen emporragenden Kathedrale von Laon (seit 1170); dann schließlich zu der hochgotischen Vollendung von Reims und Amiens hat es über ein Jahrhundert gedauert. Lange noch baute man daneben selbst auf französischem Boden, namentlich im Süden, wo antike Einflüsse den gotischen entgegenwirkten, aber auch ζ. B. in Flandern, wo die Kathedrale von Tournai noch als besondere spätromanische Glanzleistung erwuchs, wesentlich in der früheren Stilart fort. In die Nachbarlande aber wirkte das neue Bausystem — mit vereinzelten Ausnahmen, wie dem nordfranzösischen Chor der Kathedrale von Canter-
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SIEGESZUG DER GOTIK
bury (1174-1185) - doch erst im 13. Jahrhundert hinüber, als die großen vorbildlichen Dome ganz oder doch guten teils vollendet waren. Da freilich setzte dann der unerhörte Siegeszug der Gotik durch die europäischen Länder: Spanien und England, Deutschland und Italien ein. Eben die germanisch-romanische Mischung der nordfranzösischen Bevölkerung hatte es erleichtert, Formen zu schaffen, die in den gesamten Gebieten der abendländischen Kultur Eingang finden konnten, freilich nicht ohne daß sie sich in Anpassung an Boden, Klima und Überlieferung sowie durch Einwirkung des besonderen Nationalgeistes der Völker allenthalben eigenartig entwickelten und nördlich der Alpen durchgehende kongenialer erfaßt wurden als im Süden. Eben dieser Siegeszug aber zeigt, daß die Gotik doch mehr war als eine konstruktive Errungenschaft. Mochte jener Prozeß künstlerischen Denkens sich mit logischer Folgerichtigkeit abspielen und das ganze System weitgehend auf diesem Rationalismus beruhen, mochten die technischen Fortschritte, beispielsweise das Strebewerk mit seinen starken Licht- und Schattenkontrasten, bis zu einem gewissen Grade selbst umbildend auf das Schönheitsgefühl der damaligen Menschen wirken — sicher bleibt darum doch, daß bereits ein gewandelter Geist und Geschmack, eine veränderte Gesamtrichtung dem entgegenkam und die neue Formenwelt wesentlich bestimmte. Vielleicht am unmittelbarsten prägt sich ein seelischer Umschwung in der Schrift aus. Gleichzeitig mit dem Durchbruch des gotischen Baustils verlieren, von Frankreich ausgehend, die im 11. Jahrhundert klarflüssigen, gerundeten Buchstaben diesen Charakter, beginnen sozusagen zu gefrieren, steifer, eckiger zu werden, unzählige kleine stachelige Kristalle anzusetzen, die wachsende innere Erregtheit widerzuspiegeln. Dieselbe Stimmung, die zu dem neuen Kunststil führt, macht sich auch hier geltend. Auf der anderen Seite darf man aber nicht so weit gehen, den gotischen Baustil ganz aus solchen seelischen Antrieben herleiten zu wollen, ihn wohl gar nach Art der Romantiker als unmittelbaren Ausfluß weltflüchtigen Jenseitsstrebens oder ekstatischer Mystik zu erklären. Von der Gegenwart aus gesehen, tritt natürlich in diesen kirchlichen Kultbauten die Geschlossenheit der transzendental gerichteten Weltanschauung, die inbrünstige Hingabe von Bauherren, Architekten und Werkmeistern an den Gottesdienst ihrer Arbeit, der ganze religiöse Aufschwung der Seelen als entscheidendes Kennzeichen hervor. Anders, wenn man von der romanischen Kunst des früheren Mittelalters, in dessen Kirchen es an mystischem Helldunkel wahrlich nicht gefehlt hat, an jene Werke der Frühgotik herantritt. Da springt als Fort-
BILDNEREI
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schritt weit mehr in die Augen die sieghafte Jugendfirische eines neuen sinnenhaften Schönheitsstrebens, die klassisch feine Empfindung für Maß und Anmut, denen man nur auf anderen Wegen nachgeht als in der Antike, die idealisierende Annäherung an die nicht mehr bloß in überalterten Symbolen aufgenommene und wiedergegebene Natur, wie sie in den lebensvollen Zierformen der Bauornamentik, in dem heimischen Knospen- und Blattwerk der Kapitale mit seiner Verwendung von Efeu, Rebe, Aglei und Pfeilkraut zutage tritt. Es ist ja ein im Grunde doch nahe verwandter, wenn auch weniger disziplinierter, weniger auf geschlossene Einheit gerichteter Geist, der in Nachbarlanden wie Deutschland, Lombardei und Provence noch längere Zeit in der phantasievollen Mannigfaltigkeit und dem reicheren Schmucke der bewegteren spätromanischen Formenwelt seinen Ausdruck gesucht hat. Aus asketisch-weltflüchtiger Gesinnung heraus, wie sie etwa die frühen, schlichten Zisterzienserbauten erzeugt hat, werden gewaltige monumentale Kunstwerke, deren Schöpfung allein schon die freudigste Bejahung des Diesseits darstellt, wohl niemals entstehen. Und da, wo nicht die kultische Aufgabe als oberstes Gesetz das Wesen der Leistung bestimmte, im Profanund Nutzbau, sollte späterhin die planvolle Zweckmäßigkeit der Gotik sich deutlicher offenbaren. Auch wenn man den Begriff des gotischen Stils auf die Nachbarkünste ausdehnt, insonderheit auf die von der kirchlichen Architektur weitgehend in Dienst genommene Bildnerei, erkennt man die Widerspiegelung des keineswegs einseitig spirituell oder gar asketisch gerichteten Zeitgeistes. Hier, wo antike ebenso wie byzantinische Vorbilder, dazu auch ornamentale Muster orientalischen Ursprungs brauchbarer und zahlreicher zur Verfügung standen als für die ganz abweichenden Bedürfnisse der kirchlichen Bauaufgaben (woneben freilich auch das neue leibliche Schönheitsideal in Betracht kommt, das sich in der höfischen Kultur mit ihrer körperlichen Ausbildung und Eleganz entwickeln mußte), hat die Kunst des Altertums, zu der man sich keineswegs im Gegensatz fühlte, einen ungleich stärkeren Einfluß geübt. Wenn selbst Abt Suger für seinen gotischen Bau von St. Denis am liebsten Säulen aus den römischen Diokletiansthermen verwendet hätte, so lassen sich für die Wertschätzung antiker Plastik schon im 12. Jahrhundert noch eindrucksvollere Belege beibringen. Nicht nur daß der römische Senat 1162 ausdrücklich die Erhaltung der Trajanssäule beschloß — Bischof Heinrich von Winchester, zur Zeit König Stefans der einflußreichste Politiker Englands, kann geradezu als der früheste Sammler antiker Bildwerke, die er um 1150 in Rom kaufte, bezeichnet werden.
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ZWEITE BLÜTE
Vor allem aber erkennt man die Einwirkung der alten Vorbilder aus den Skulpturen der Zeit selbst. Und eben das unmittelbarere Fortleben der Antike im Süden und Osten des heutigen Frankreichs hat wohl bewirkt, daß dort in den Klöstern von Languedoc und Burgund, im Tympanon der Portale von Moissac, Autun und Vezelay der Seelenaufschwung der Zeit noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts zu einer neuen Monumentalplastik führte, die an barocker Bewegtheit, tiefinnerlicher Erregung und ausdrucksvoller Gestaltung der letzten Dinge ihresgleichen sucht. Während aber in der Üppigkeit des Südens, so in Arles und St. Gilles (um 1170), dieser bildnerische Drang überreich ins Kraut schoß und die Architekturformen nahezu überwucherte, wurde er im Norden, wohin zuerst Abt Suger südfranzösische Bildhauer für den Bau seiner Klosterkirche berief, in strengere Zucht genommen. In den langgereckten, in feierlicher Ruhe aneinandergereihten Königsfiguren der Westportale des Domes von Chartres (zwischen 1134 und 1150) erreichte er seine erste klassische Blüte. Nicht ohne Willkür ließe sich in der künstlerischen Entwicklung dieses 12. und beginnenden 13. Jahrhunderts ein scharfer Schnitt zwischen romanischer und gotischer Plastik ziehen. Denn in jener lebt hier, auch wo sie noch romanischer Baukunst dient, vielfach schon innerlich erregte gotische Stimmung; in dieser finden sich lange noch Figuren, die wie etwa die von apollinischer Anmut erfüllte Reimser Verkündigung an hellenische Antike gemahnen. Das große Ergebnis der Jahrhundertentwicklung war für die nordfranzösische Kunst jedenfalls, daß Architektur und Plastik in eine innige harmonische Verbindung getreten waren, in der die Bildnerei zu monumentalen Aufgaben angespornt, die Baukunst schmückend belebt und bereichert wurde. So ward dann um die Jahrhundertwende jene zweite, noch höhere Blüte erreicht, die sich an den Querhausportalen von Chartres, an den Fassaden von Notre Dame, Reims und Amiens zu ihren wundervollsten Leistungen entfaltete. Und da ergriff denn auch mehr und mehr der Geist der Gotik Besitz von diesen bildnerischen Schöpfungen, jener Geist, der zwar alles in diesen der Kirche dienenden Werken dem obersten Gesetz der geschlossenen, auf das Jenseits gerichteten Weltanschauung unterordnete und die Einzelglieder zu planvoller Einheit — vergleichbar den „Summen" der Scholastik — zusammenfaßte, der aber die neuerrungene Naturauffassung in den Dienst dieser Aufgabe stellte — eine Naturauffassung nun freilich, die von der des klassischen Altertums unter den Einflüssen von Christentum und Germanentum bestimmt genug abwich. Denn sie ging, zum mindesten
NEUE KRÄFTE
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für die Menschendarstellung, nicht aus von der sinnlichen Körperweit und erstrebte nicht das Ziel einer gleichmäßigen Schönheitsnorm wie bei den Griechen, sondern suchte aus dem Inneren heraus für die jeweilige seelische Stimmung nach einem körperhaften, oftmals expressionistisch übersteigerten Ausdruck und erstrebte Naturwahrheit nicht sowohl im Allgemein-Typischen als vielmehr im Einmalig-Kennzeichnenden. Das hat sich erst im weiteren Verlauf der Gotik voll herausgebildet und trifft für jdie nach heiterer Anmut und schönem Ebenmaß strebenden. Bildwerke der Jahrhundertwende gewiß noch nicht unbedingt zu. Auch weiterhin hat es immer wieder zu scharfen Spannungen zwischen körperlichem Schönheitsideal und seelischer Charakteristik geführt. Aber es blieb Leitmotiv der künftigen Gotik, und dies Ergebnis der Entwicklung des 12. Jahrhunderts scheidet die neue Plastik doch deutlich von der romanischen früherer Zeiten, die viel gebundener an überlieferten, symbolmäßigen Formen haftete. Daß endlich in der Malerei zu einer Zeit, in der ζ. B. in Deutschland die kirchlichen Wandgemälde sich erst in vollem Flor entfalteten, im Westen der gotische Baustil, der die Mauerflächen in Fenster auflöste, einen völligen Umschwung heraufführte, indem er — großartig wiederum gleich in Chartres — Glasmalerei an die Stelle setzte und immer reizvoller entwickelte, bedarf nur kurzer Erwähnung. So haben wir auf allen Gebieten des wissenschaftlichen und sozialen Lebens, des geistigen und künstlerischen Schaffens einen durchgreifenden Wandel feststellen können, der sich im 12. Jahrhundert auf französischem Boden Bahn brach, in die Nachbarlande meist erst nach Jahrzehnten hinüberwirkte. Eine Fülle von neuen Kräften strebte allenthalben empor, diesseitsfreudige, naturhafte, von der Laienwelt getragene, von Antike und Orient befruchtete. Sie alle auch künftig unter der Herrschaft der durch die Papstkirche vertretenen spiritualistischen Weltanschauung zu halten und in deren Dienst zu zwingen, konnte nicht ohne Spannungen und Kämpfe, Auseinandersetzungen und Anpassungen abgehen, die den Inhalt eines Jahrhunderts bis hin zu Thomas von Aquino ausmachen. Dies kulturelle Getriebe bildet den Hintergrund für das nummehr aufs neue einsetzende Ringen der erstarkten Staatenwelt mit der kirchlichen Oberleitung.
DIE FEUERPROBE DES PAPSTTUMS IM RINGEN MIT DER STAUFISCHEN UND ANGLONORMANNISCHEN FEUDALMACHT
Noch wirkte das Feudalsystem nicht schlechthin zersetzend. Alles hing davon ab, ob machtvolle Persönlichkeiten die Kräfte zusammenzuballen und zu steigern verstanden. Geschah das, so mußte sich das Papsttum darauf gefaßt machen, daß dem Vordringen der Reformkirche in das Gebiet der monarchischen Staatsrechte mit starken Gegenstößen geantwortet und die Gesamterrungenschaft ihrer souveränen Unabhängigkeit noch einmal ernstlich in Frage gestellt würde. Deutschland erfuhr zuerst einen durchgreifenden Wandel der persönlichen Leitung, als 1152 Friedrich I. an die Spitze trat. Als Sohn des Schwabenherzogs ohne Anwartschaft auf den Thron aufgewachsen, damals im Ausgang der zwanziger Jahre eben in das reife Mannesalter eintretend, war er eine Figur aus einem Gusse, körperlich voll Ebenmaß, Kraft und Gesundheit, wegen seines rötlich-blonden Bartes von den Italienern wohl „Barbarossa" genannt, seelisch gänzlich unproblematisch, von seltener innerer Harmonie und Sicherheit, ein Willens- und Tatmensch, der erst in späteren Jahren zur vollen Meisterschaft auf dem Felde der Politik und Diplomatie emporwuchs, nicht eine „interessante" Charaktererscheinung wie etwa Sohn und Enkel, wohl aber ein Held seiner Zeit. Gerade daß er das ritterliche Ideal in furchtlosem, unermüdlichem Kampfesmut, umsichtiger Heerführung, vornehmstolzer Gesinnung, maßhaltender Selbstbeherrschung und trotz allem Streit mit der Kurie auch in niemals wirklich angezweifelter, fromm-christlicher Überzeugung als ein vollkommener Typus verkörperte, sicherte ihm die Gefolgschaft jener fürstlich-ritterlichen Kreise, auf deren Hilfe er vornehmlich angewiesen war. Sie erblickten in ihm, der durch seine Gesetze von 1156 und 1186 dem Ritterstand erst seine kastenartige Geschlossenheit und Abscheidung von den nicht mehr zur Wehrpflicht zugelassenen bäuerlichen Schichten gab, der dem auch in Deutschland erwachten Abenteuerdrang in die Ferne immer neue Ziele bot, der sie mit hoher Kunst der Menschenbehandlung anfangs durch kluges Entgegenkommen zu versöhnen und hinter sich zu bringen, dann immer entscheidender mitzureißen und zu lenken verstand, mit Recht den hervorragendsten Vartreter ihrer Standesinteressen. Eine Feudalpolitik war es ja im wesentlichen, die er betrieb, mehr
Carmina
Burana. Textseite, darüber Glücksrad Benediktbeuren, um 1225
mit
Fortuna
FRIEDRICH I. BARBAROSSA
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auf die Machtelemente der Gegenwart als der Zukunft eingestellt, immer aber mit dem Ziel, die vorhandenen Kräfte zu sammeln und die monarchische Spitze wieder zu stärken. Mit dem christlich-germanischen Vorbilde Karls des Großen, dessen Heiligsprechung er 1165 bewirkt hat, verknüpften sich bei ihm Vorstellungen des neubelebten römischen Rechts und vermischten sich zu dem Ideenkreise, den man wohl als den des „staufischen Kaisergedankens" bezeichnet hat. Es waren in einer gewissen Zuspitzung die alten Forderungen einer obersten, nur Gott untergeordneten Herrscherstellung des Kaisers in einträchtigem Zusammenwirken mit der seiner Schirmvogtei anvertrauten Papstkirche und unter strafferer Zusammenfassung der mitteleuropäischen Gebiete, mit ausdrücklicherer Beziehung auf das alte Römerreich und in sakraler Färbung. Das trug dazu bei, Friedrichs ohnehin starkes Herrschergefühl noch zu steigern, ihn gegen Widerstände hartnäckiger, gegen Rebellen unerbittlicher und grausamer zu machen. Was den Kaiser in dieser ganzen Wiederherstellungspolitik neben seiner wuchtigen Persönlichkeit vor allem förderte, war seine unbeirrbare Wahrnähme des Rechts. Indem er es ohne Beugung handhabte und in zweifelhaften Fällen stets diesen sicheren Boden suchte, brachte er das Königsgericht wieder zu kräftiger Geltung, wußte er sich den Beifall der öffentlichen Meinung zu sichern und auch für die Durchführung seiner eigenen Ansprüche eine schneidige Waffe zu gewinnen. Weder mit rechtbrechender Gewaltsamkeit noch mit stürmischer Überhastung wie einst sein Uhrahn Heinrich IV. beschritt er den Weg dieser Sammlung und Wiederherstellung, sondern umsichtig und standsicher, zunächst im Interesse der Einheit selbst zu schwerwiegenden Zugeständnissen bereit. Mit der weifenfeindlichen Politik seines Vorgängers brach er sofort. Da seine Mutter eine Schwester Heinrichs des Stolzen war, vereinigte er in der Tat wie ein Eckstein die auseinanderstrebenden Interessen der beiden Häuser. Was Konrad III. für unverträglich mit einem Einheitsregiment gehalten hatte: die Verbindung des bairischen mit dem sächsischen Herzogtum in der Hand Heinrichs des Löwen, duldete der neue König um des Friedens willen, ja er erhöhte noch die Machtstellung des weifischen Vetters durch Anerkennung seiner gesteigerten, auch die Investitur der dortigen Bischöfe in sich begreifenden Hoheitsansprüche über die neugewonnenen Slawenlande rechts der Elbe. Damit wurden Norden und Osten des Reiches der königlichen Verfügung weitgehend entzogen und eine Art Doppelherrschaft in Deutschland begründet, die ein freundliches Zusammenwirken der beiden Vettern voraussetzte, der staufischen Politik aber von vornherein die Richtung nach dem
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TERRITORIALPOLITIK
Süden wies. Überdies war zum völligen Ausgleich nötig, daß die von Kaiser Lothar und Heinrich dem Stolzen herrührenden Rechte auf die mittelitalischen Reichslehen Tuszien, Spoleto, Sardinien und Korsika sowie auf die weitzerstreuten mathildischen Güter dem Herzog Weif als dem Haupte der in Schwaben ansässigen Welfenlinie zuerkannt wurden, während der von Konrad III. begünstigte Babenberger Heinrich Jasomirgott für den Verlust des ihm zugesagten bairischen Herzogtums durch Erhebung seiner Mark Österreich zu einem von Baiern gelösten, mit bis dahin unerhörter Autonomie gegenüber dem Reiche bevorrechteten Herzogtum (1156) abzufinden war. Was hatte Friedrich außer seiner Persönlichkeit in die Waagschale zu werfen, um nicht neben diesem gehobenen Laienfürstentum, demgegenüber nur ein machtvoller Herrscher die Handhaben erfolgreich gebrauchen konnte, die das Lehnsrecht immer noch auch dem Herrn bot, in die Rolle der bisherigen Kapetinger hinabzusinken? An unmittelbarem Reichs- und Hausbesitz in Schwaben und Franken zunächst wenig genug. Als ein überaus geschickter und zäher Territorialpolitiker hat Friedrich es allerdings verstanden, diesen Besitz durch eine Fülle wechselnder Mittel auszudehnen zu einer nahezu geschlossenen Gebietskette, die sich durch ganz Süddeutschland vom Elsaß bis nach Eger und ins Vogtland erstreckte, in der unter seiner eifrigen Förderung auch eine Menge von Städten emporwuchs. Aber das sollte erst das Ergebnis einer langen, mühevollen Regierung sein. Vorerst war wirksamer, daß er 1156 durch seine zweite glückliche Ehe mit Beatrix, der Erbin von Hochburgund, seinen Besitz in diesem lange vernachlässigten Reichsteil mehren und festigen konnte. Lockend öffnete sich ihm von dort ein neuer Alpenweg nach Italien, und die Zahl der kriegerischen Kräfte, die dem Herrscher in Deutschland namentlich in den ebenso verwaltungskundigen wie kampfesfrohen Reichsdienstmannen* zur Verfügung standen, schwoll erheblich an durch den Zuwachs der Tausende von neuen burgundischen Vasallen seiner jungen Gemahlin. Noch wichtiger war, daß er bald gewissermaßen aus der Rolle Heinrichs I. in die seines großen Sohnes hinübergriff, indem er die während der letzten Jahrzehnte gelockerte Verbindung zwischen Krone und Episkopat neu zu festigen vermochte und dadurch das unentbehrliche Gegengewicht gegen das unzuverlässige Laienfürstentum zurückgewann. In das alte Königsrecht hatte zwar das Wormser Konkordat Bresche gelegt, hatte aber immerhin den Ansatzpunkt bilden können für ein neues abgewandeltes Gewohnheitsrecht, das letzthin zwar dem Drucke der reformkirchlichen Macht nach-
DIE BISCHÖFE
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gegeben hatte, aber bei kräftigerer Handhabung sich wieder rückläufig entwickeln konnte. Friedrich verstand es, den maßgebenden Einfluß auf die Einsetzung der Bischöfe zurückzugewinnen und sie, indem die Regalienverleihung nun als volle Lehnsinvestitur betrachtet wurde, in den Stufenbau des Lehnsstaates straff einzugliedern. Aus dieser engeren Verknüpfung der Prälaten mit der Krone ergaben sich als Folgewirkungen.· erhöhte Anforderungen von politischen Diensten, Verwaltungsaufgaben, finanziellen und kriegerischen Leistungen, energischere Wahrnehmung der aus dem Eigenkirchenrecht stammenden, nun als Lehnsgefälle erscheinenden Nutzungen: des königlichen Genusses der Bistumseinkünfte während einer Vakanz (Regalienrecht) und der Einziehung des beweglichen Nachlasses verstorbener Bischöfe (Spolienrecht). Die von Friedrich eingesetzten Prälaten waren nun überdies ergriffen von dem neuen diesseitsfreudigen Geist der Zeit. In ihrer fürstlichen Selbständigkeit von der Kurie weit mehr bedroht als vom deutschen Königtum, scharten sich die Bischöfe als Ratgeber und Diplomaten, als Verwaltungsbeamte und Heerführer freudig um den jungen Herrscher, dessen Politik auf ihrer Mithilfe sehr viel stärker als auf der der Laienfürsten beruhte. Den raschen Umschwung dieser Jahre spiegelt das letzte Werk des Bischofs Otto von Freising fl" 1158), die „Taten Friedrichs" wider. Weit entfernt von der Schwarzseherei seiner „Chronik", preist er hier seinen Neffen nicht ohne Bezug auf dessen Namen als den „Friedensspender, der nach finsterer, regnerischer Nacht die Frische eines heiteren Morgens wieder heraufgeführt" habe. Die Wege dieser innerdeutschen Politik mußten sich je länger, desto mehr mit denen der Kurie kreuzen. Aber nicht sofort konnte sich diese Erkenntnis Bahn brechen. Noch suchten der Zisterzienserpapst Eugen III. auf der einen Seite, der ängstlich vermittelnde Abt Wibald von Stablo auf der anderen die Fäden der Politik aus den letzten Tagen Konrads III. eine Weile fortzuspinnen. Noch beherrschte der Gegensatz zu dem Emporkömmling Roger II. und den von ihm geschädigten oder bedrohten älteren Großmächten, dem abendländischen und griechischen Kaisertum und der Kurie, die zugleich aus ihren lokalrömischen Nöten herausstrebte, die allgemeine Lage. Der Papst erhoffte von dem neuen, kräftigeren König in Deutschland die von dessen Vorgänger vergeblich erwartete Hilfe. Der Konstanzer Vertrag von 1153 gab dem Ausdruck. Für die Zusicherung der Kaiserkrone verpflichtete sich Friedrich, gegen die aufsässigen Römer und bedrohlichen Normannen tatkräftig vorzugehen, ohne daß indes eine erneute Festsetzung der noch verbündeten Byzantiner an der italischen Küste geduldet werden sollte.
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PAPST HADRIAN IV.
Eugen III. erlebte die Ausführung dieser Abmachung nicht mehr (j" 1153). Wenig später trat durch den Tod Rogers II. (1154) und vornehmlich durch die Vereinigung des anglonormannischen Reiches unter Heinrich II. eine wesentliche Verschiebung der abendländischen Machtverhälrnisse ein. Es war kein Zufall, daß eben damals ein Engländer, bis heute der einzige auf dem Stuhle Petri, unter dem Namen Hadrian IV. (1154-1159) an die Spitze der Kirche gestellt wurde. Aus tiefstem Elend durch eigene Kraft emporgestiegen bis zum Kardinalat, hatte er sich als skandinavischer Legat durch Eingreifen in den norwegischen Thronstreit und durch selbständige, aber von Rom abhängige Organisation der dortigen Kirche nach kontinentalem Muster ein erhebliches Verdienst erworben. Gegenüber dem neuerlichen Aufschwung der weltlichen Mächte war er überzeugt von der Notwendigkeit eines Zurücklenkens in gregorianische Bahnen. Beraten von seinem Kanzler Roland aus Siena, der sich als Lehrer in Bologna eine hervorragende Kenntnis des kanonischen Rechts erworben hatte und nun mehr der scharfe und zielbewußte Führer einer vorwärtsdrängenden Kardinalspartei wurde, griff er zu schrofferen Maßnahmen als die letzten Päpste bernhardinischer Richtung. So erlangte er den Römern gegenüber durch Verhängung des hier noch nie angewandten Interdikts über die auf den Pilgerstrom so sehr angewiesene Stadt einen ersten bedeutenden Erfolg: die Ausweisung Arnolds von Brescia (Anfang 1155), womit freilich der politische Ausgleich mit dem Senat noch keineswegs hergestellt war. Damals stand Friedrich schon in Oberitalien. Voll Selbstbewußtsein auch hier und gewillt, die alten Reichsrechte gegenüber den städtischen Aneignungen geltend zu machen, sah er sich bereits in Streit verwickelt mit dem trotzigen Mailand und seinen Bundesgenossen. Da ihm jedoch die zu jener Zeit noch nicht völlig ausgeglichenen deutschen Gegensätze nur eine beschränkte Truppenzahl mitzuführen gestattet hatten, verschob er einstweilen die Regelung der lombardischen Rechtsfragen und wandte sich nach Mittelitalien. Dort leistete er der Kurie dadurch einen wichtigen Dienst, daß er den geflüchteten Arnold von Brescia gefangen nahm und dem päpstlichen Präfekten überantwortete. Zur Hinrichtung durch den Strang verurteilt, erlitt der kühne Gegner der verweltlichten Hierarchie nördlich von Rom in Monterotondo standhaft den Mäftyrertod und sicherte nicht zum wenigsten dadurch seinen Ideen weitere Wirkungskraft. Gleich die erste Begegnung Barbarossas mit Hadrian in Sutri stand unter dem Zeichen gegenseitigen Mißtrauens. Friedrichs Stolz verstand sich zu dem aus der „konstantinischen Schenkung" hergeleiteten Stallmeisterdienst
WILHELM I. VON SIZILIEN
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des Roßführens und Steigbügelhaltens erst, als ihm das als älteres, nur der Ehrfurcht vor den Apostelfursten entsprungenes Herkommen dargetan und Sicherheit gegen vasallitische Auslegung erlangt war. Gleichwohl wurde die Kaiserkrönung in der Leostadt glücklich vollzogen, während die von Friedrich schroff abgewiesenen Römer die eigentliche Stadt um so feindseliger behaupteten. Sizilien hätte nun wohl für einen Doppelangriff der beiden Kaiser ebendamals große Aussichten geboten. Denn dort hatte der Thronwechsel innere Wirren heraufgefuhrt. Wilhelm I., der früher auf Grand der einseitig gegnerischen Geschichtschreibung des Hugo Falcandus den Beinamen ,,der Böse" trug, war bei aller Körperkraft und gelegentlichem Mute an geistiger Regsamkeit und zäher Unermüdlichkeit seinem großen Vater nicht vergleichbar. Schon berührt von den verweichlichenden Wirkungen des südlichen Klimas, hielt er sich nach dem üppig-schlaffen Vorbilde so mancher orientalischen Sultane menschenscheu in der Zurückgezogenheit des von ihm mit östlicher Pracht ausgestatteten Lustschlosses La Zisa bei Palermo und raffte sich daraus nur stoßweise zu energischer Tat auf. Ihm zur Seite stand in diesen ersten Jahren allerdings ein bedeutender Staatsmann: Majo, der Admiral der Admiräle. Aber eben gegen diesen Emporkömmling niederer Geburt, der die zentralistischen Tendenzen von Rogers Beamtenregiment fortsetzte, lehnten sich die nach der Ungebundenheit der früheren Normannenzeit zurückstrebenden Barone, angespornt überdies durch eine Erkrankung des Königs, in anarchischer Rebellion auf. Dies zu einer Zeit, in der jener Dreibund von Kaiser, Papst und Basileus Süditalien bedrohte und die Griechen in der Tat bereits eine Reihe wichtiger Plätze an der adriatischen Küste zurückeroberten. Welche Gefahr, wenn einmarschierende deutsche Trappen mit ihnen zusammenwirkten 1 Indessen, Friedrich, der sich mit der Kurie über einen den Normannen aufzuerlegenden Frieden nicht einigen konnte, sah sich gegen eigenen Wunsch auf dringendes Verlangen der deutschen Fürsten veranlaßt, sein kleines Heer noch vor Einbruch der Sommerhitze in die Heimat zurückzuführen. Diese Nichterfüllung des Konstanzer Vertrages sollte die nachhaltigsten Folgen haben. Zunächst zwar versuchte Hadrian noch allein im Bunde mit den Griechen und durch deren Geld die sizilischen Wirren kriegerisch auszunützen. Als jedoch Wilhelm I. gesundete, sich aufraffte, die Griechen aufs Haupt schlug und die Rebellen grausam bestrafte, vollzog der bedrängte Papst entschlossen eine völlige Schwenkung seiner Politik. Im Vertrage von Benevent (1156) erkannte er Wilhelm als seinen zinszahlenden Lehnsmann im Besitz der Königswürde und eines noch erweiterten Reichsumfanges an
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RAINALD VON DASSEL
und gestand ihm zum mindesten für die Insel Sizilien die von Roger schon geübten Legatenrechte zu, die insonderheit den maßgebenden Einfluß auf Bestätigung oder Verwerfung der erwählten Bischöfe in sich schlossen. Wie weit Hadrian damit auch formal gegen eingegangene Verpflichtungen schriftlicher oder mündlicher Art verstieß, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls handelte er gegen den Geist des Konstanzer Vertrages und unter Nichtachtung der alten unteritalischen Reichsansprüche. Der Bund mit den beiden Kaiserreichen wich einer völlig anderen Mächtegruppierung. Gegen den deutschen Herrscher, der sich nicht als das erhoffte willfährige Werkzeug erwiesen hatte, suchte die Kurie hinfort wieder Rückhalt im Süden, wo damals Majo nach Preisgabe des nordafrikanischen Kolonialbesitzes und Friedensschluß mit Byzanz das Gesicht der sizilischen Politik nachdrücklich gegen Reichsitalien kehrte, bis er einer neuen Adelsverschwörung zum Opfer fiel (1160). Für die Kurie war die Folge der politischen Schwenkung wachsende Spannung zum kaiserlichen Hofe; denn die frühere Nachgiebigkeit hatte dort einer kecken Widerstandskraft, ja Angriffslust Platz gemacht. Ihr Hauptvertreter war der eben damals (1156) zum Reichskanzler erhobene Rainald von Dassel, eine niedersächsische Kraftnatur, rasch, kühn und hochgemut im Planen und Handeln, für den Kaiser stets ein treuer, zuverlässiger, furchtloser Helfer, der ihn aber, schroff und zugreifend wie er war, über sein eigenes, maßvolleres Wesen mit stürmischer Zuversicht hinaushob und allen Hemmungen zum Trotz übermütig und halsstarrig auf der einmal eingeschlagenen Bahn festhielt — sicherlich eine der glänzendsten politischen Erscheinungen der deutschen Geschichte, aber durch den Zug terroristischer Gewaltsamkeit, der ihm eignete, trotz blendender Anfangserfolge und hinreißend heldischer Art nicht ohne verhängnisvollen Gesamteinfluß. Zuerst auf dem Besanjoner Reichstage von 1157 trat seine Figur in den Mittelpunkt der Ereignisse. Die sizilische Politik der Kurie, die man als Treubruch auffassen mußte, hatte am Hofe eine gereizte Stimmung erzeugt. Man war entschlossen, sich die Eingriffe und Anmaßungen, an die sich das Papsttum während der letzten deutschen Regierungen gewöhnt hatte, nicht weiter gefallen zu lassen. Als zwei Kardinallegaten in Besangon erschienen, von denen der eine, der Kanzler Roland, Hauptbefürworter jener sizilischen Politik gewesen war, der andere seine frühere Tätigkeit als Kirchenvisitator in Deutschland jetzt in größtem Stile wiederaufnehmen sollte, als in dem von ihnen überreichten Schreiben von der erteiltenKaiserkrone als von einem „beneficium" geredet wurde, was zwar harmlos als „Wohltat" aufgefaßt, aber
KAISERLICHE OFFENSIVE
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auch in Übereinstimmung mit den in Rom herrschenden Bestrebungen als „Lehen" gedeutet werden konnte, wählte Rainald als Kanzler die bedenklichere Verdeutschung und erregte dadurch bei den zahlreich versammelten Fürsten einen Sturm des Unwillens. Die bedrohten Legaten wurden durch scharfe Verfügung Friedrichs an der Ausführung der Kirchenvisitationen gehindert. In einem protestierenden Manifest der kaiserlichen Kanzlei erklang ein seit Menschenaltern nicht mehr vernommener Ton. In scharfgeschliffenen Sätzen von ungeheurer Wucht und Selbstsicherheit wurden die auf erniedrigende Unterordnung des Kaisertums zielenden Bestrebungen der Kurie zurückgewiesen. „Eher legen wir die Krone des Reiches nieder, als daß wir sie zugleich mit unserer Person so in den Staub ziehen lassen. Was gemalt ist (römische Darstellungen Kaiser Lothars als Lehnsmann der Kirche), möge ausgelöscht, was geschrieben, getilgt werden, auf daß nicht zwischen Königtum und Priestertum ewige Denkmale der Feindschaft bestehen bleiben." Angesichts dieser schneidigen Abwehr und der Einheitsfront von geistlichen und weltlichen Fürsten, die sich hier seit langer Zeit zum erstenmal den kurialen Ansprüchen entgegengestellt hatte, hielt Hadrian es nach kurzem Schwanken für gut, einen diplomatischen Rückzug anzutreten, indem er dem zweideutigen Worte die harmlosere Auslegung gab. Aber man wußte nun in Rom, wessen man sich künftig von Friedrich und seinem „unkrautsäenden" Ratgeber zu gewärtigen habe. Immer deutlicher trat den päpstlichen Anmaßungen eine kaiserliche Offensive entgegen. Sie richtete sich auf Herstellung der seit Heinrichs V. Tagen verblichenen Reichsrechte in der Lombardei. Die kräftige Wiederaufnahme dieser schon durch Karolinger und Ottonen bestimmten und nie ganz aufgegebenen Italienpolitik durch Friedrich I. ist vom nationalstaatlichen Standpunkt der Gegenwart aus oft und oft getadelt worden, indem man etwa die freilich von der Not erzwungene Beschränkung der kapetingischen Politik, die in schrittweis-bedächtigem Vorgehen zum allmählichen Ausbau der französischen Königsmacht führte, jenem allzu weiten Ausgreifen gegenübergestellt hat, das letzten Endes den Zerfall der deutschen Zentralgewalt habe fördern müssen. Solche Erwägungen, die gar viele Unbekannte in die Rechnimg zu stellen haben, sehen allzusehr ab von den herrschenden Idealen und bestimmenden Gebundenheiten jener Vergangenheit, der über alle erst keimhaft emporsprießenden Nationalgefühle der große Universalgedanke einer einheitlichen Zusammenfassung des christlichen Abendlandes ging. Aber auch vom Standpunkt praktischer Realpolitik sind Friedrichs Wiederaufbaubestrebungen verständlich genug. Durch den oben
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SPANNUNG MIT DEM PAPSTTUM
angedeuteten Machtausgleich mit den Weifen waren der notwendigen staufischen Besitzerweiterung bestimmte Schranken gezogen. Das Vordringen in Süddeutschland konnte sich nur schrittweise vollziehen, die dazu oft nötigen Geldmittel waren aus dem noch weitgehend in der Naturalwirtschaft steckenden Deutschland schwer zu gewinnen. Auch in der großen Politik, die mit Finanzmächten wie Byzanz, Sizilien oder dem anglonormannischen Reiche zu tun hatte, und bei den beginnenden Versuchen, gegenüber dem Feudalismus die Monarchie auf Staatsbeamtentum und Söldnerwesen zu stützen, konnte man damals ohne erhebliche Summen von Metallgeld nicht mehr auskommen. Welchen Reichtum aber bot in dieser Hinsicht die Lombardei! Wie hatten sich dort die Städte zu ganz neuen Formen des Wirtschaftslebens entwickelt! Indes, die immer ergiebiger strömenden Einnahmequellen flössen nicht mehr der Reichsgewalt zu. Deren Beziehungen zu den bischöflichen Stadtherren waren hier durch den Investiturstreit gründlicher gelockert als in Deutschland, und ohne den sicheren Rückhalt am Reiche hatten sich jene gegenüber der vordrängenden Demokratie meist nicht im Besitze der Stadtherrschaft und der vom Reiche verliehenen Regalien behaupten können. Allenthalben Entfremdung durch widerrechtliche Usurpationen. Friedrich hatte auf seinem ersten Romzuge den Wohlstand des Landes, den ungeheuren Umfang der Reichsverluste, die durch das übermächtige Ausgreifen Mailands hervorgerufene Friedlosigkeit kennengelernt. Neben dem Universalgedanken waren es also höchst reale, fur seine deutsche Herrschaft nutzbar zu machende Werte, die er erstrebte, als sich der Plan einer großzügigen Herstellung der italienischen Reichsrechte in seinem Kopfe verdichtete, um nun dauernd das Hauptziel seiner Politik zu bleiben. Wie aber wäre sie mit den Herrschaftszielen, die das Papsttum seit den Tagen Gregors VII. verfolgt hatte, vereinbar gewesen! Nur mit äußerster Sorge konnte Hadrian einer erneuten Befestigung der kaiserlichen Macht in Ober- und Mittelitalien entgegensehen. Mußte sie nicht auch zum Zusammenstoß mit dem der Kurie soeben neu verbundenen Normannenreiche führen, und wie sollte bei solchem Konflikt der bedrohte Kirchenstaat seine Selbständigkeit bewahren ? Die Spannung wuchs um so mehr, je erfolgreicher Friedrichs zweiter, von den Fürsten diesmal stark unterstützter Romzug (1158—1162) sich anließ. Wäre es nur darauf angekommen, die zu brutaler Vergewaltigung der schwächeren Nachbarn benutzte Überlegenheit Mailands zu beseitigen, so hätte man bald am Ziel gestanden, denn von Hunger und Krankheit bedrängt, be-
REICHSTAG VON RONCAGLIA
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quemte sich schließlich die Bürgerschaft der belagerten Stadt zu einem Vergleiche, der dem Kaiser die beanspruchten Hoheitsrechte, ihr selbst aber unter Vorbehalt kaiserlicher Bestätigung die freie Konsulnwahl sicherte. Indessen, dieser Erfolg bahnte ja nur den Weg zu einer umfassenden Regelung der lombardischen Regalienfrage, die auf dem Reichstage von Roncaglia unter Mitwirkung berühmter bolognesischer Rechtslehrer zu grundlegenden Beschlüssen führte. Die entfremdeten kaiserlichen Hoheitsrechte sollten, sofern nicht für ihre Verleihung gültige Privilegien vorgewiesen werden könnten, rückerstattet werden. Über die ganz erheblichen Einnahmen, die das dem Reiche einbringen mußte, hinaus schuf diese Umwälzung der städtischen Besitz- und Rechtsverhältnisse Raum zu einer völligen Neugestaltung der kaiserlichen Herrschaft in Italien. Ein starkes oberstes Friedensregiment sollte sich über die Halbinsel erstrecken, Eidgenossenschaften hintanhalten, Widerstrebende niederzwingen, die rückerstatteten Regalien aber nur zum geringen Teil wiederum den geistlichen oder weltlichen Feudalgewalten anvertrauen, vielmehr sie überwiegend unmittelbar durch Reichsbeamte wahrnehmen, die in den Städten als Podestis an die Stelle der bisher freigewählten Konsuln treten sollten. Herstellung des Vergangenen und Fortschritt aus dem Feudalwesen heraus zum Beamtenstaat der Zukunft reichten sich in dem großzügigen Plane die Hände. An Widerstand konnte es freilich nicht fehlen. Nationale Gegensätze spielten dabei nur eine geringe Rolle, denn die Keime eines italienischen Gemeinbewußtseins waren damals in den Städten noch gänzlich überwuchert von nachbarlichen Nebenbuhlerschaften. Ein einheimisches Zentralregiment hätte man vielleicht noch leidenschaftlicher bekämpft als das des deutschen Kaisers. In wirtschaftlicher Hinsicht machte dieser zwar den bemerkenswerten Versuch, in der Form von hochwertigen kaiserlichen Denaren eine Einheitsmünze für ganz Reichsitalien zu schaffen, was dem Handelsverkehr zugute kam. Bei den eingesetzten Podestäs jedoch, soweit sie deutscher Herkunft waren, konnte man schwerlich immer ein wohl wollendes Verständnis für die kommerziellen und sozialen Verhältnisse der hochentwickelten lombardischen Städte erwarten, fiel es doch selbst einem Otto von Freising als Ungeheuerlichkeit auf, daß dort Handwerker mit den Rittern die Ehre des kriegerischen Berufes teilten! Daraus mochte manche Mißstimmung entspringen. Die Hauptfrage war die, ob diese lombardischen Gemeinwesen jenem allgemeinen Friedensregiment und der stark fiskalisch gerichteten Beamtenverwaltung ihre demokratische Freiheit und wirtschaftliche Selbst-
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TOD HADRIANS IV.
bestimmung zu opfern bereit waren. Für das, was sie durch Menschenalter kühnen und beharrlichen Emporarbeitens errafft hatten, machten sie mindestens das gleiche gewohnheitsmäßige Besitzrecht geltend wie der Kaiser für seine aus ferner Vergangenheit hervorgeholten Hoheitsansprüche. Die Mailänder empfanden es überdies als einen Vertragsbruch, daß die ihnen noch unlängst zugestandene freie Konsulnwahl nun auf Grund der allgemeinen Normen von Roncaglia zu einer kaiserlichen Einsetzung auf bloßen Wahlvorschlag hin umgewandelt werden sollte. Indem sie Bundesgenossen fanden, spaltete sich die Lombardei in Gegner und Anhänger des Kaisers, die sich wesentlich mit den Klienten der beiden Rivalinnen Mailand und Cremona deckten. Friedrich sah sich schon im Interesse seines Ansehens zu rücksichtslosem Durchgreifen gezwungen. In diesen Kampf aber mischte sich nun an der Seite des ohnehin feindlichen Siziliens das Papsttum ein, das sich durch die kaiserlichen Pläne und Erfolge nicht mit Unrecht bedroht fühlte. Die straffere Eingliederung der italienischen Bischöfe in das Lehnssystem schien die Errungenschaften des Investiturstreites zunichte zu machen. Allenthalben kreuzten sich die päpstlichen Ansprüche auf die zerstreuten mathildischen Güter mit denen des Reiches. Schon berührte das gegen Mittelitalien vordringende Herrschaftssystem den Kirchenstaat. Würde Rom vor den kaiserlichen Hoheitsansprüchen gesichert bleiben? Friedrich erkühnte sich, auf eine Beschwerde des Papstes offen auszusprechen: „Da ich durch göttliche Anordnung römischer Kaiser heiße und bin, so würde ich nur den Schein der Herrschaft heucheln und einen leeren Namen ohne Inhalt führen, wenn die Hoheit über die Stadt Rom meiner Hand entwunden würde." Eine schwüle Gewitterstimmung lastete in den letzten Tagen Hadrians IV. auf den Beziehungen zwischen Papst und Kaisertum. Wie „dräuende Speere" trafen die scharfen Worte von hüben und drüben aufeinander. Die päpstlichen Mahnungen und Beschwerden fanden von Seiten Rainalds von Dassel, der auch als Erzbischof von Köln (seit 1159) die Oberleitung der Reichskanzlei beibehielt, schneidige Zurückweisung. Als Friedrich ein päpstliches Ultimatum mit dem Vorschlage einer schiedsrichterlichen Entscheidung über die für ihn nicht ungünstigen Rechtsfragen beantwortete, trat die zum Kampf entschlossene Kurie mit dem Könige von Sizilien und den lombardischen Rebellen in enge Verbindung und bereitete die Bannung des Kaisers vor. In diesem kritischen Moment ist Hadrian IV. gestorben (1159). Bei der Neuwahl traten die auch im Kardinalskollegium herrschenden Gegensätze grell zutage. Als die Mehrheit Roland, den Hauptträger der reichs-
FEUERPROBE DES REFORMPAPSTTUMS
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feindlichen Politik, als Kandidaten in Aussicht nahm, schritt die Minderheit in tumultuarischem Verfahren zur Erhebung des Kardinals Oktavian aus einer Nebenlinie der Grafen von Tuskulum, eines Verwandten des staufischen Hauses, der sich Viktor IV. nannte, während die übrigen in gesetzlicherem, wenn auch keineswegs unanfechtbarem Vorgehen Roland als Alexander ΙΠ. erkoren. Damit eröffnete sich ein Streit, der das gesamte Abendland durch achtzehn Jahre hindurch (1159—1177) in Atem halten sollte. Im Grunde handelte es sich nicht darum, die alte, seit einem Jahrhundert abgestreifte Abhängigkeit des Papsttums vom Kaisertum zu erneuern. In den Verlauf einer normalen Papstwahl in früherer Weise bestimmend einzugreifen, hat Friedrich trotz derartigen Äußerungen Rainalds grundsätzlich kaum erstrebt. Das Nebeneinander der beiden höchsten Gewalten hätte ihm an sich wohl genügt. Das eigentliche Streitobjekt war Reichsitalien. Dort allerdings wollte der Kaiser seine Herrschaft in vollem Umfang herstellen. Mit einem Papsttum, das ihm in diese Pläne nicht hineingeredet hätte, würde er schwerlich zum Bruche gekommen sein. Indessen, einen offenen Gegner seiner italischen Rechtsansprüche, einen Verbündeten seiner Feinde und Rebellen wollte er auf dem Stuhle Petri nicht dulden, wirkte daher der Erhebung Rolands entgegen und machte nach der zwiespältigen Wahl sein kaiserliches Recht als Kirchenvogt geltend. Eine Anerkennung Alexanders III. bedeutete für ihn, daß er mit dem Widerstande der gesamten Papstkirche gegen seine Pläne zu rechnen habe; die Parteinahme für Viktor IV. zwar ein Schisma mit all seinen für die mittelalterliche Welt ungeheuren Wirren, jedoch immerhin eine Spaltung der kirchlichen Gegnerschaft. Indem andererseits eine straffe Beherrschung Reichsitaliens zum mindesten die tatsächliche Abhängigkeit des Papsttums vom Kaiser zwangsläufig nach sich ziehen mußte, versteht man wohl, daß für die Kurie die große Frage ihrer Freiheit und Selbständigkeit gestellt war, zumal einem Prätendenten gegenüber, der wie Viktor schon durch seine Abkunft an das römische Adelspapsttum anrüchigen Angedenkens erinnerte. Nun galt es, die Feuerprobe auf die politische Souveränität des Reformpapsttums zu bestehen, jenen Kampf durchzufechten, der in der Weltgeschichte keiner emporgekommenen Großmacht so leicht erspart bleibt. Alexander hat ihn bei aller Schärfe des Blickes und Unverrückbarkeit seiner Rechtsauffassung mit kluger Besonnenheit und ausharrender Geduld geführt, mehr mit kirchlichen als mit kriegerischen Mitteln, trotz aller Leidenschaft im ganzen mit würdevollem Anstand und einem Mindestmaß persönlicher Verunglimpfung. Zwischen dem stürmischen Bahnbrecher Gregor VII.
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KONZIL VON PA VIA
und dem politischen Rechner Innozenz III. nimmt er in jeder Hinsicht die Mitte ein. Unter Sorgen, Mühen und Gefahren, mit unerschütterlichem Mute und steigendem Ansehen hat Alexander III. jene Probe schließlich bestanden, die Unabhängigkeit des Papsttums damit zur dauernden Anerkennung gebracht, wenn auch der Streit um Italien mit dem Frieden von Venedig noch keinen Abschluß fand. Friedrich suchte unter scheinbarer Wahrung der Unparteilichkeit für das Schisma eine europäische Entscheidung durch ein allgemeines Konzil herbeizuführen, das er als kaiserlicher Schirmvogt der Kirche nach Pavia berief (1160). Obwohl jedoch die meisten europäischen Monarchen dorthin ihre Abgesandten schickten, war von dieser durch den Kaiser geleiteten Versammlung mit ihrem Übergewicht von Reichsbischöfen eine wahrhaft unparteiische Entscheidung schwerlich zu erwarten. Alexander war klug genug, sich ihr unter Berufung auf den kanonischen Satz von der Unrichtbarkeit des Papstes nicht zu stellen. Die vorauszusehende Folge war seine Unrechtmäßigkeitserklärung und Bannung durch den vom Konzil anerkannten Viktor IV., worauf Alexander seinerseits die schon früher ausgesprochene Bannung dieses Gegenpapstes erneuerte und sie auch auf den Kaiser und seine Hauptratgeber erstreckte. Indessen der Spruch von Pavia war noch nicht gleichbedeutend mit der Entscheidung Gesamteuropas. Bald genug zeigte es sich, wie sehr sich seit den Tagen Heinrichs III. die Welt Verhältnisse verschoben, die von der kaiserlichen Führung unabhängigen Gebiete ausgeweitet hatten. Je tiefer das Papsttum jetzt in die Geschicke der Völker eingriff, desto unerträglicher mußte eine erneute Unterordnung desselben unter das Imperium als eine mittelbare Abhängigkeit auch jener andern Staaten vom Kaisertum empfunden werden. Daß außer den Lombarden, zu denen sich Venedig gesellte, Sizilien zu Alexander hielt, war selbstverständlich. Seine Verbindungen erstreckten sich frühzeitig auch nach Kastilien, Ungarn, Norwegen, Irland und dem lateinischen Orient. Die Hauptfrage aber war, wie sich Frankreich und England, die der Paveser Entscheidung keineswegs zugestimmt hatten, verhalten würden. Sollte nicht die französische Kirche völlig auseinandergerissen werden, womit Abt Hugo III. von Cluny durch seine Hinneigung zu Viktor einen bedrohlichen Anfang machte, so war einheitliches Vorgehen vonnöten. Jedoch, war dies erreichbar bei der politischen Gegensätzlichkeit jener Mächte ? Erinnern wir uns, daß das unmittelbare Machtgebiet des Kapetingers von dem seines großen Vasallen, auch abgesehen von England, allein auf fran-
BESCHRÄNKTE KRONMACHT FRANKREICHS
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zösischem Boden weit übertroffen wurde. Für Ludwig VII. sprach wohl die religiöse Weihe des an Ansehen allmählich wachsenden souveränen Königtums, der oberste Heerschild des Lehnsgebäudes, die Zwangsläufigkeit der geographischen Bedingungen mit den durch Meere und Gebirge vorgezeichneten natürlichen Staatsgrenzen und den vom Oberlauf der Ströme allmählich auch zu den Mündungsgebieten vordringenden Verkehrsnotwendigkeiten. Allein das alles konnte sich doch erst in der Zukunft voll auswirken. Einstweilen stellte die angevinische Ausdehnung von der Normandie bis Aquitanien eine erdrückende Halbkreisklammer dar, die Ludwigs beschränkte Kronmacht vom Kanal und Atlantischen Ozean absperrte. Mochte immer Heinrichs II. auf ein Einheitsregiment gerichtes Streben gegenüber den regionalen und feudalen Gegenwirkungen auf die Dauer hoffnungslos sein, da die Unnatur der durch Zufall entstandenen, unorganischen Länderverbindung sich irgendwie geltend machen mußte — vorderhand dehnte sich diese auf dem Festlande noch weiter aus. Die Bretagne wurde durch Heiratspolitik dem königlichen Frankreich eingegliedert. Ältere Anrechte der Normandie auf das benachbarte Vexin und anstoßende Gebiete sollten als Mitgift einer Tochter Ludwigs VII., die mit Heinrich, dem ältesten Sohne des englischen Königs, verlobt wurde, eingebracht werden, sobald diese beiden Kinder in heiratsfähiges Alter kämen. Anderen aquitanischen Erbansprüchen Eleonorens auf die Grafschaft Toulouse, die den Halbkreisbogen bis nahe ans Mittelmeer erweitern mußten, wollte man durch kriegerische Überrumpelung des Grafen Raimund V. Geltung verschaffen. Hier aber kam diesem seinem Schwager der französische König, der zu alleinigem Angriff gegen den Plantagenet zu schwach war und nur fremden Aufruhr unterstützen konnte, zu Hilfe, und vor einer Gefangennahme des eignen Lehnsherrn scheute Heinrich II., obschon das sein durchgreifender Kanzler Thomas Becket tadelte, doch noch zurück. Mit Friedrich Barbarossa war er schon 1157, um Ludwig VII. auch vom Rücken her zu umfassen, in ein Bündnis getreten, das sich jedoch lockerte, als nun das Schisma eine Stellungnahme erheischte. Von dem englischen Papste Hadrian IV. hatte Heinrich wiederholte Förderung erfahren — hatte dieser ihm doch sogar auf Grund der konstantinischen Schenkung eine Anwartschaft auf die irische Insel erteilt. Jetzt von der Linie dieser wertvollen Beziehungen zur Reformkurie zugunsten eines kaiserlichen Gegenpapstes abzuweichen, schien dem Plantagenet doch nicht ratsam. So Schloß er sich mit Ludwig zu gemeinsamem Vorgehen zusammen. Ihrer zunächst abwartenden Neutrali-
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ZERSTÖRUNG MAILANDS
tät sollte eine große, von den romanischen Prälaten reich besuchte Synode zu Toulouse im Herbst 1160 die entscheidende Richtung weisen. Maßgebend indes wurde hier für Heinrich II. die Erschleichung eines ganz persönlichen Vorteils. Er erkannte Alexander erst als rechtmäßigen Papst an, nachdem dessen Legaten insgeheim Dispens erteilt hatten für den Vollzug jener Kinderehe, die das Vexin als Mitgift sofort unter anglonormannische Herrschaft bringen mußte. Noch unkundig dieses Schachzuges, Schloß sich Ludwig der Entscheidung an, um dann freilich, als er jene Überlistung erfuhr, nicht nur gegen Heinrich II. in heftige, bis zur Wiederaufnahme des Krieges gesteigerte Verstimmung zu geraten, sondern ebenso gegen Alexander, dessen Legaten er sogar aus seinem Gebiete wies. Für diesen freilich war die Entscheidung von Toulouse von um so größerer Bedeutung, als er im Umkreise des Imperiums, dem sich auch die Nachbarländer Böhmen und Dänemark anschlossen, mit wenigen Ausnahmen (namentlich der Salzburger Kirchenprovinz) kaum etwas zu erwarten hatte und seine Lage in Italien durch die militärischen Fortschritte Barbarossas von Tag zu Tage bedrohlicher wurde. Die Niederzwingung des erneuten Widerstandes der Mailänder (März 1162) legte dem Kaiser endlich die gesamte Lombardei vor die Füße. Er hatte damit den Höhepunkt seines kriegerischen Ansehens erklommen. Keine Macht schien seiner furchtbaren Energie widerstehen zu können. Aus solcher Stimmung heraus mag damals in Tegernsee jenes lateinische „Spiel vom Antichrist" entstanden sein, das selbst in einer geistlichen Darstellung der letzten Dinge noch ein stolzes Hochgefühl über deutsche Art und Kraft atmet und zeigt, wie der Kaiser, der Überwinder aller andern Könige, selbst nur durch heuchlerische List vom Antichrist gestürzt zu werden vermag — neben den Versen des Erzpoeten die gediegenste und reifste dichterische Frucht jener Tage. Solches Hochgefühl jedoch, wie es auch Barbarossa erfüllte, läßt nicht leicht jene Mäßigung nach dem Siege aufkommen, die ohnehin die schwerste Aufgabe aller politischen Kunst ist. Friedrich sollte sie erst später lernen. Damals ließ er sich noch auf der Bahn von Rainalds Gewaltpolitik weitertreiben. Die mächtige Stadt, die, durch Hunger zum Äußersten gebracht, sich der Gnade des Kaisers übergeben hatte, wurde wehrlos gemacht und nach dem Spruche ihrer lombardischen Nachbarn zur Vergeltung für die von ihr begangenen Zerstörungen als ummauerte Stadt vernichtet, die Bewohner in vier offenen Flecken angesiedelt, zu bäuerlicher Lebensweise herabgedrückt, der kaiserlichen Domänenverwaltung zu Naturalabgaben und Diensten verpflichtet — eine brutale, den natürlichen Bedingungen ebenso wie der geschichtlichen Entwicklung hohnsprechende Maßregel, die auf
FLUCHT DES PAPSTES NACH FRANKREICH
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die Dauer den Widerstand geradezu aufpeitschen mußte. Einstweilen freilich hielt Friedrich die Lombardei fest in der Hand, indem er mit kluger Spaltung seinen Anhängern die freie Konsulnwahl und gegen jährliche Zahlung auch die Regalienverwaltung zugestand, in den widerspenstigen Städten aber die Hoheitsrechte durch deutsche Podestas amtsweise verwalten ließ. Dies Herrschaftssystem schob sich nun bereits über die Romagna gegen Tuszien und Spoleto vor, wo Rainald von Dassel die Geltung des Herzogs Weif, der sich für Alexander erklärt hatte, mattzusetzen verstand. Weiter südlich war der Kirchenstaat fast ganz von den Kaiserlichen besetzt, Rom von Parteiung und Aufruhr zerrissen, das Normannenreich seit Majos Ermordung durch erneute Adelserhebungen, mit deren Niederwerfung der König sich abmühte, derart geschwächt, daß es den Alexandrinern keinen sicheren Rückhalt mehr bieten konnte. Vielmehr beabsichtigte der Kaiser, im Frühjahr 1162 mit pisanischer und genuesischer Flottenhilfe über Rom gegen Sizilien vorzugehen, um durch völlige Beherrschung Italiens das Walten des ihm feindlichen Papstes unmöglich zu machen. Indessen, schon war es Alexander gelungen, sich der drohenden Umklammerung zu entziehen, indem er übers Meer nach Genua flüchtete. Von dort erreichte er jetzt den schützenden Boden Frankreichs. Infolgedessen mußte Friedrich das durch pisanisch-genuesische Zwietracht ohnehin gestörte sizilische Unternehmen aufgeben. Die Angriffsfront verschob sich nach dem Westen, wo der Gegner indes ungleich schwieriger zu fassen war. Eine siegreiche Beendigung des Schismas mochte hier nur gelingen, wenn man den englisch-französischen Zwist kirchenpolitisch zu nutzen verstand, um einen der beiden Könige zur Preisgabe Alexanders zu bewegen. Bei der fortdauernden Verstimmung Ludwigs VII. erschien dessen Gewinnung um so eher möglich, als der mit Viktor verwandte Graf Heinrich von Champagne, der Bruder von Ludwigs dritter Gemahlin, als Haupt einer deutschfreundlichen Partei für den Anschluß an Barbarossa und für die Anerkennung des Gegenpapstes arbeitete. Eben dieser Graf wurde wirklich von Ludwig als Unterhändler bevollmächtigt und schloß mit dem Kaiser einen bedeutsamen Vertrag ab. Beide Herrscher sollten mit Bischöfen und Fürsten ihrer Reiche Ende August 1162 an der Saönebrücke bei St. Jean de Losne eine auch von Aragonien und der Provence, Ungarn und Dänemark zu beschickende Versammlung zur schiedsgerichtlichen Lösung des Schismas abhalten. Falls einer der Päpste sich nicht einstellen würde, sollte seine Sache von vornherein verwirkt sein. Da man Alexanders Standpunkt kannte, bedeutete das nahezu schon eine Entscheidung zugunsten Viktors. Deutscherseits war man in der
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KOMÖDIE AN DER SA0NEBRÜCKE
Tat unvorsichtig genug, das in Briefen auszusprechen und dadurch eine gegenteilige Wirkung auf den französischen König zu üben. Nirgends tritt der Mangel an zielbewußter Entschlossenheit bei Ludwig so grell zutage wie in dieser Sache. Gewiß war unter ihm trotz aller Rückschläge das Ansehen der Monarchie im Osten des Landes auch außerhalb des engeren Krongebietes geistlichen und weltlichen Seigneuren gegenüber in langsamem Fortschreiten begriffen; dazu begann sich der Bund des Königtums mit den sozial niederen Schichten unter Begünstigung des Bürgertums zu formen. Indes, bei allem Gerechtigkeitssinn war von dieser schlichten, engen und ängstlichen Natur großzügige, weitsichtige und verantwortungsfrohe Politik nicht zu erwarten, und dies persönliche Moment trug wesentlich dazu bei, das Mißverhältnis an Macht gegenüber dem englischen Könige noch zu steigern. In der Frage des Schismas sah er sich nun in den peinlichsten Zwiespalt gestürzt. Politisches Interesse und höfische Einwirkungen suchten ihn auf die kaiserliche Seite zu ziehen, aber Überzeugung und Gelübde fesselten ihn an die Entscheidung von Toulouse. So war er bald den Einflüssen Alexanders, der unerschütterlich auf seinem Standpunkt verharrte, zugänglich, bald durch jene andre Verknüpfung auf die Gegenseite gezogen. Den Ausschlag gab schließlich, daß auf Antrieb Alexanders Heinrich II. ihm gegen den Kaiser den Rücken steifte. Aber die sophistische Art, in der er sich dann an der Saonebrücke den eingegangenen Vertragsverpflichtungen entzog, war eine elende Komödie; nur daß ihm dazu die hochfahrende Großsprecherei Rainalds von Dassel, der sich am Ende jede Einmischung dieser „Kleinkönige" in die Besetzung des Römischen Stuhles als eines dem kaiserlichen Landesherrn unterstehenden Reichsbistums verbeten haben soll, Handhabe genug bot. Durch solche die Stimmung nur verbitternden Schroffheiten wurde an dem Mißerfolg des kaiserlichen Planes, Frankreich auf die Seite Viktors IV. hinüberzuziehen, nichts geändert. Es war das erste Anzeichen dafür, daß sich der von Rainald betriebenen Gewaltpolitik des Kaisers unüberwindliche Kräfte des Widerstands entgegensetzten. Friedrich selbst soll geäußert haben, in St. Jean de Losne habe er zuerst die Launen der Fortuna kennengelernt. Ein weiterer Schlag für ihn war das Hinscheiden Viktors IV. (1164). Rainald ließ zwar von dessen Kardinälen sofort die Wahl eines neuen Gegenpapstes Paschalis III. vornehmen. Aber im Mittelalter pflegte man in derartigen Todesfällen eine unmittelbare Entscheidung Gottes zu erkennen. Nicht alle Anhänger Viktors erklärten sich auch für den Nachfolger. Die persönliche Überlegenheit Alexanders trat seitdem noch bestimmter hervor. Gleichzeitig tauchte von Osten her eine ernste Gefahr auf. Von Burgund
VBRONBSER BUND
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aus war der Kaiser im Herbst 1162 auf kurze Zeit nach Deutschland zurückgekehrt, wo es galt, die aufständischen Mainzer für die schmähliche Ermordung ihres Erzbischofs Arnold von Seelenhofen ("j" 1160) zu züchtigen und eine Fürstenverschwörung gegen die wachsende Macht des mit dem Kaiser damals noch eng verbundenen Heinrich des Löwen im Keime zu ersticken. Da ein neuer Kriegszug nach Italien bei den deutschen Fürsten keine Gegenliebe fand, begab er sich 1163 dorthin ohne Heer zurück, um sich bald vor eine neue Lage gestellt zu sehen. Wohl war es Rainald inzwischen gelungen, die Reichsherrschaft weiter auszubauen und die allenthalben gärende Unzufriedenheit mit eiserner Strenge niederzuhalten. Ohne äußeren Rückhalt wagten die Lombarden noch keine Erhebung. Den aber bot ihnen seit dem Frühjahr 1164 das alexandrinisch gesinnte Venedig. Indem es sich durch Friedrichs Erfolge in seiner unabhängigen Zwischenstellung zwischen den beiden Imperien bedroht fühlte, Schloß es sich, durch griechisches Geld unter-
stützt, mit den kaiserlichen Städten Verona, Vicenza und Padua zum „Veroneser Bunde" zusammen, der seine Spitze offen gegen Barbarossa richtete und seinem mit ungenügenden Kräften unternommenen Angriffe nachdrücklichen Widerstand entgegensetzte. Das Beispiel der Selbstverteidigung durch Zusammenschluß war den bedrückten Lombarden gegeben. Solche Mißerfolge stärkten allenthalben den Alexandrinern den Rücken. Selbst in Deutschland dehnte sich ihr Anhang weit über die Salzburger Kirchenprovinz aus; auch der Mainzer Erzbischof Konrad von Wittelsbach wandte sich ihnen zu. Dieser überall um sich greifenden Spaltung glaubte man nur durch verschärften Zwang entgegenwirken zu können. Das geschah unter dem Eindruck einer neuen großen Aussicht, die sich im Westen zu eröffnen schien. Der Versuch, Ludwig VII. von Alexander abzuziehen, war freilich endgültig gescheitert. Dieser hatte vielmehr seit 1163 auf französischem Boden in Sens seine Residenz genommen, um dort in den folgenden Jahren den ergebenen und schwachen König mit immer neuen Wünschen und Forderungen zu bedrängen und nahezu als der eigentliche Herrscher aufzutreten. Wie aber, wenn es gelang, Ludwigs anglonormannischen Rivalen auf die kaiserliche Seite hinüberzuziehen? Das mußte in der Tat die Entscheidung im kirchenpolitischen Streite bringen, nicht nur weil dieser über die zweite Weltmacht des Abendlandes gebot, sondern auch weil er neben dem Kaiser unter den damaligen Monarchen Europas die einzige Figur großen Formates war. Wir müssen ihn daraufhin noch näher betrachten. Heinrich II. hatte, mit einundzwanzig Jahren schon ausgereift, den englischen Thron bestiegen. Aber England bildete nicht das Zentrum seiner
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HEINRICH II. PLANTAGENET
zusammengeerbten Herrschaftsgebiete, weit eher die Normandie — er selbst war ganz Franzose. Die französische Sprache hielt neben der lateinischen seine Lande zusammen. Der Plantagenet hatte nichts von der ritterlichvornehmen, würdevollen, maßhaltenden und menschlich gewinnenden Art Barbarossas. Neben diesem Helden steht er als eine ebenso fesselnde wie abstoßende Charakterfigur von überquellender Lebenskraft. Der starke Körper mit den Faustkämpferarmen und gekrümmten Reiterbeinen, der auf dem Stiernacken einen fuchshaarigen Rundkopf mit feurigen grauen Augen trug, war für gewöhnlich gehüllt in den wenig eleganten „Kurzmantel", der ihm den spöttischen Beinamen gab. Gegen feierliches Auftreten wie etwa das Kronetragen war Heinrich voll Abneigung, nachlässig und unköniglich in der ganzen äußeren Lebenshaltung, oftmals würdelos in der zuchtlosen Hingabe an seine sinnlichen Triebe, brutal in seinen ungezügelten Äußerungen, bei solcher Haltung mit Gattin und Söhnen späterhin bitter verfeindet. Aber er war von unbändigem Herrschergefühl, juristischem Scharfblick, hoher staatsmännisch-organisatorischer Begabung und Verwaltungskunde, voll Ordnungsliebe und Sparsamkeit in den Finanzen, deren System in dem „Dialogue de Scaccario" von seinem Schatzmeister Richard Fitz Nigel 1178/79 schriftlich niedergelegt wurde, im Kriege oft von kühner Entschlußkraft, aber lieber als vielgewandter, ungreifbarer Diplomat auf die Erfolge seiner skrupellosen Schlauheit vertrauend, stets von unermüdlicher, hastiger Geschäftigkeit, die nur in leidenschaftlich betriebener Jagd Ausspannung suchte, aber auch von bedeutender geistig-literarischer Regsamkeit, die für Lektüre und gelehrte Disputationen immer noch Zeit gewann. Mochte seine Gattin Eleonore mehr die Dichter um sich scharen — er selbst begünstigte lebhaft Geschichtschreibung und Rechtsgelehrsamkeit. Wenn wir bedenken, daß an diesem Hofe Historiker schrieben wie Roger von Hoveden und Benedikt von Peterborough, Juristen wie der römisch-rechtlich geschulte Lombarde Vacarius, geistvolle Schriftsteller wie der spottreiche Walter Map, der ungeheuer belesene und erstaunlich fruchtbare Waliser Gerald de Barry, der geschickte Stilist und Vielwisser Peter von Blois, der sich rühmte, daß in der Geschicklichkeit, vier Briefe auf einmal zu diktieren, allein Julius Caesar ihm gleichgekommen sei, und noch manche andre, endlich, im königsfeindlichen Gegenlager wirkend und als philosophischer Kopf alle weit überragend: Johann von Salisbury, so zeugt das von einer Bildungshöhe, an die kaum die eines andern zeitgenössischen Hofes, selbst nicht des palermitanischen, heranreichte. Da ist es begreiflich, daß namentlich das innere Regiment dieses Herrschers
FINANZ- UND GERICHTSWESEN
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bei aller feudalen Gebundenheit, die aber auf der Insel nie so tiefe Wurzeln getrieben hatte wie in den karolingischen Nachfolgereichen des Festlandes, der moderneren, in die Zukunft weisenden Züge nicht entbehrte. Die Buntscheckigkeit seiner französischen Besitzungen, die lediglich durch seine Person zusammengehalten wurden, machte freilich eine einheitliche Durchführung seiner Absichten oder gar die Zusammenschweißung zu einem geschlossenen Staatswesen von vornherein unmöglich. Seine innerpolitischen Bemühungen sind daher wesentlich nur dem einheitlichen England zugute gekommen, und dort waren sie nur zum Teil eigne Originalarbeit, zum Teil beschränkten sie sich auf Herstellung der Zustände unter seinem Großvater Heinrich I. Denn darin glichen auf der Insel seine Anfänge denen Barbarossas, daß er aus den Zeiten der Anarchie unter König Stefan eine durch weltliche und geistliche Usurpationen furchtbar heruntergewirtschaftete Kronmacht vorfand. Die Befestigung und Mehrung gelang ihm, indem er sich weit stärker als Barbarossa gegenüber den feudalen und partikularen Gewalten auf die emporstrebenden wirtschaftlichen und sozialen Kräfte stützte, die alte Nationalmiliz herstellte, das Berufsbeamtentum entwickelte, die Städte begünstigte, das Geldwesen förderte. Seine dauernden Leistungen für England liegen vornehmlich auf den Gebieten des Finanz- und Gerichtswesens. Die straffe, überaus leistungsfähige Ordnung des ersteren baute wesentlich ältere normannische Einrichtungen aus. Durchgreifendere Wandlungen von zähester Lebenskraft erfuhr das Justizwesen. Das in Permanenz tagende, mit geschulten Juristen besetzte Königsgericht und die von ihm ausgehenden, die Provinzen regelmäßig bereisenden Richter verbreiteten ein einheitliches, klar formuliertes Recht, das „common law", im Lande, so daß später nicht erst wie etwa in Deutschland das fremde römische Recht herbeigerufen werden mußte, um die Einheit herzustellen. Und in diesen richterlichen Kollegien wurde, über die Normandie auf die Tage Karls des Großen zurückgehend, das Inquisitionsverfahren mit eidlichen Aussagen geladener Zeugen üblich, die „Jury", der die Zukunft gehörte. Daß Gottesurteil und Zweikampf hier keine Rolle mehr spielten, verriet den modernen Zug dieser anglonormannischen Verwaltung. In seinen Anfängen hatte Heinrich II. mit den hierarchischen Gewalten, denen schließlich auch an der Beseitigung der Anarchie liegen mußte, zusammengearbeitet. Indes, der festgefügte Laienstaat, wie er ihn erstrebte, ertrug auf die Dauer nicht die Durchlöcherung, die durch die kirchlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte am Gefüge der von Wilhelm dem Eroberer geschaffenen anglonormannischen Landeskirche vorgenommen war. Der
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THOMAS BECKET
Einfluß der Krone auf die Stellenbesetzung und den Auslandsverkehr der Geistlichen war stark geschwächt, ihre Lehnsrechte gemindert, Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit der Kirche autonom, wohingegen der starke päpstliche Einfluß allein schon in den massenhaften Appellationen nach Rom zutage trat. Bei erneutem Anwachsen der Staatsmacht mußten daraus ähnlich wie in Deutschland schwere Konflikte erwachsen. Ihre volle, vergiftete Schärfe aber erhielten sie erst dadurch, daß hier des Königs vertrautester Helfer und Freund sein erbittertster Gegner wurde. Thomas Becket, aus einem wohlhabenden Londoner Bürgerhause gebürtig und angelsächsischer Abstammung, war nach geistlicher Ausbildung und juristischem Studium in Bologna im Dienste des Erzbischofs Theobald von Canterbury mit streng kirchlichen Ideen erfüllt worden. Als er jedoch — gleichzeitig etwa mit dem Niedersachsen Rainald von Dassel — zum wichtigsten Posten der Zentralregierung: dem Kanzleramte berufen wurde, stürzte er sich völlig in das weltliche Treiben des Hofes, üppig, genießend, verschwenderisch, aber auch als eifriger, stets zum Äußersten geneigter Verfechter der königlichen Ansprüche juristisch, diplomatisch, kriegerisch tätig. Damals geschah es, daß ihm Theobalds Sekretär Johann von Salisbury, einer der klügsten Köpfe seiner Zeit 1180 als Bischof von Chartres), warnend sein bedeutendstes Werk, den „Policraticus", widmete. Johann hatte sich in einem langjährigen Studium bei allen namhaften Lehrern Frankreich seine tiefe philosophische Bildung erworben, in der sich christliche und antike Elemente, strenger Autoritätsglaube und kühne Vernunftkritik paarten. Indem er das „Organon" des Aristoteles schon vollständiger kannte als die meisten Zeitgenossen und dessen Lehren mit der kirchlichen Weltanschauung zu verbinden wußte, hat er bereits dem harmonisierenden System des Aquinaten vorgearbeitet. Dem laienhaften, vielfach antikirchlichen Treiben der Legisten am Hofe Heinrichs II. stellte er im „Policraticus" als extremer Gregorianer das Idealbild eines christlichen Herrschers entgegen, der dem göttlichen Naturrecht, den Geboten der Heiligen Schrift und dem Papste als oberstem Richter und Lehnsherrn, von dem er sein weltliches Schwert empfängt, stets untergeordnet bleibt. Ungerechte Herrschaft, die das göttliche Gesetz verletzt, berechtigt sogar zum Tyrannenmord, wie zur Ausrottung des Bösen auch unsittliche Mittel gestattet sind. Auf Becket, der am Schlüsse dringend ermahnt wird, auch in den Lockungen des Kriegs- und Hoflebens sich selbst treu zu bleiben, dürfte die Schrift einen tiefen Eindruck gemacht haben. Und als er nun 1162 vom Könige, der damit die englische Kirche völlig in seine Hand zu bekommen wähnte, an Theobalds Stelle zum Erzbischof und Primas von Canterbury erhoben wurde,
DIB KONSTITUTIONEN VON CLARENDON
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hat er nicht wie Rainald von Köln seinem früheren Herrn die Treue bewahrt, sondern ist in dem neuen Amte mit Leib und Seele aufgegangen. Aus dem weltlich-schwelgerischen Hofmann wurde ein asketisch-starrer Hierarch, aus dem scharfen Verfechter königlicher Rechte ein noch viel extremerer Vorkämpfer kirchlicher Ansprüche. Der Streit entspann sich an Fragen der klerikalen Gerichtsbarkeit. Durch König Stefans Zugeständnisse hatte sich diese weit über die geistlichen Angelegenheiten ausgedehnt und auch Kriminalfälle bis zum Mord an sich gerissen. Infolge der dem Kleriker gestatteten Eidesreinigung erschien die Bestrafung oft als ganz unzureichend. Eine nochmalige Behandlung der Klage vor einem weltlichen Gericht, die der König erstrebte, wurde mit dem Satze zurückgewiesen, Laien könnten über Geistliche nicht Richter sein. Der Zwist erweiterte sich zu der Frage, ob denn die Bischöfe sich weigerten, die alten Gewohnheiten des Reiches zu befolgen, und auf dem Reichstage zu Clarendon wurden Anfang 1164 sechzehn solcher „Konstitutionen" aufgestellt, indem man auf die Zeiten Wilhelms I. und Heinrichs I. zurückgriff. Hier aber wurde nicht nur dem königlichen Gericht beim Verfahren gegen angeklagte Kleriker ein wesentlicher Anteil neben dem geistlichen Gericht zugewiesen, was Thomas als unerträgliche Doppelbehandlung ansah, sondern auch manches andre tauchte nun auf, das nach altem landeskirchlichem Recht von der Genehmigung des Königs abhängig gemacht wurde, wie die Auslandsreisen der Prälaten, die Appellationen von geistlichen Gerichten an den Papst, die Verhängung von Bann und Interdikt gegen königliche Lehnsträger, die Neuwahl der Bischöfe, die in der Kapelle des Königs vorzunehmen sei. Weiter wurde der Vasallencharakter der Bischöfe samt den daraus sich ergebenden Lehnsverpflichtungen schärfer betont, neben dem Treueid vor der Weihe auch die Mannschaftsleistung gefordert. Das historische Recht war hier auf Heinrichs Seite, aber die Zurückschraubung auf den früheren Stand für überzeugte Gregorianer ganz unerträglich. Trotz der anfänglichen, später als Schwäche bitter bereuten Zusicherung, gegen die alten Gewohnheiten nicht verstoßen zu wollen, lehnten Thomas und seine Anhänger nachher die Anerkennung der Konstitutionen von Clarendon entschieden ab und verweigerten deren Siegelung. Indem nun beide Parteien sich an den Papst wandten, wäre bei leidenschaftsloser Behandlung wenigstens eine zeitweilige Kompromißlösung gewiß nicht ausgeschlossen gewesen. Denn in seiner bedrängten Lage hatte Alexander III. nichts so sehr zu scheuen wie einen offnen Konflikt mit dem anglonormannischen Herrscher. Indessen, der unerschütterliche, aufreizende Starrsinn
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DIE FLUCHT NACH PONTIGNY
des von seinem göttlichen Rechte überzeugten Erzbischofs, der in seinen Forderungen über seinen Amtsvorgänger Anselm weit hinausging, und der leidenschaftliche Haß Heinrichs gegen seinen abtrünnigen Beamten und Freund trieben die Sache zum Bruch. Denn nun begannen vor dem Königsgericht Prozesse, die Thomas wegen unrechtmäßiger Finanzgebarung während seiner Kanzlerschaft zur Rechenschaft zogen und ihn zu unerschwinglichen Strafsummen verurteilten, deren Entrichtung die Gesamteinkünfte des Erzbistums auf Jahre hinaus erfordert hätte. Thomas gewann den Eindruck, daß der König, hinter dem die Barone und großenteils auch die Bischöfe standen, sein Verderben erzwingen wolle. So sah er nur noch in hartnäckigstem Widerstande für sich selber Heil, auch wenn er bis zum Martyrium führen würde, und erhoffte für die Kirche gerade aus der Verfolgung Vorteil. Im Gerichte der Barone, deren auf Meineid lautenden Urteilsspruch er unter Appellation an den Papst zurückwies, glaubte er seine persönliche Sicherheit schließlich nur noch gewährleisten zu können, indem er sich mit dem Kruzifix deckte. Während der König an den Papst eine glänzende Gesandtschaft unter dem Erzbischof Roger von York abgehen ließ, fand Thomas Gelegenheit, nach dem französischen Festland zu flüchten, wo er im burgundischen Zisterzienserkloster Pontigny unweit von Sens gastfreie Unterkunft fand. Indem nun Alexander ΠΙ. seinerseits einer letzten Entscheidung auswich, weil er es weder mit Heinrich II. ganz verderben wollte noch die gregorianischen Grundsätze Beckets verleugnen durfte, setzte sich der Kampf des Erzbischofs, dessen Amtsausübung aus der Ferne der König durch weitgehende Absperrung der englischen Kirche vom Festlande unmöglich machte, dessen kirchliche Einkünfte er als die eines entwichenen Landesverräters beschlagnahmte, dessen Verwandte er in die Verbannung wies, durch weitere sechs Jahre mit unverminderter Heftigkeit fort. Es konnte nicht ausbleiben, daß dadurch auch zwischen den Alexandrinern und dem englischen Hofe eine starke Spannung erwuchs, und diese suchte man nun auf kaiserlicher Seite durch Anknüpfung engerer Beziehungen zugunsten des Gegenpapsttums auszunützen. Als Heinrich im Frühjahr 1165 nach der Normandie hinüberfuhr, wußte Rainald von Dassel in Rouen als kaiserlicher Gesandter nicht nur Heiratsverbindungen zwischen den Dynastien anzubahnen, von denen allein die zwischen der englischen Königstochter Mathilde und Barbarossas Vetter Heinrich dem Löwen tatsächliche und späterhin für die Staufer nicht eben erfreuliche Geltung gewinnen sollte, sondern die beiden englischen Bevollmächtigten, die mit Rainald nach
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Deutschland reisten, haben zu Pfingsten auf dem großen Würzburger Reichstage ihren König geradezu zum Anschluß an den kaiserlichen Papst verpflichtet. Wurde so der schwache französische König als einziger Beschützer Alexanders III. von den beiden abendländischen Weltmächten in die Mitte genommen, so konnte in der Tat eine für Barbarossa siegreiche Beendigung des Schismas erwartet werden. Wie unsicher immer das englische Versprechen sein mochte — man versteht, daß Rainald unter dem Eindruck dieses Erfolges Kaiser und Reichstag zu verhängnisvollen Beschlüssen fortzureißen verstand. Mit den bindendsten Eiden mußten sich alle verpflichten, Alexander niemals anzuerkennen, stets an dem Gegenpapsttum festzuhalten. Wer von den Großen im Lande nicht binnen sechs Wochen denselben Schwur leisten würde, den sollte als Reichsfeind Verbannung und Verlust von Amt, Lehen und Eigen treffen.· Und mit dieser gewaltsamen Säuberung der deutschen Kirche von alexandrinischen Elementen wurde nun unnachsichtlich Ernst gemacht; sogar der erste Prälat des Reiches, Konrad von Mainz, wurde seiner Würde beraubt und durch den ganz und gar irdischen Neigungen hingegebenen, aber als Feldherr und Diplomat höchst geschickten Kanzler Christian von Buch ersetzt. Dieser harte Gewissenszwang mußte leidenschaftliche Verbitterung und scharfen Gegendruck erzeugen. Im Grunde trieb man damit eine etwas hohle Prestigepolitik, die von den militärischen Anfangserfolgen zehrte und durch Drohung und Lockung die Widerspenstigen so lange niederzuhalten suchte, bis in kühnem Vorsturm der Glücksgöttin, ehe noch ihr Rad wieder herumschwang, die Entscheidung aus den Händen gerissen war. Auch die englischen Versprechungen haben sich bald als unzuverlässig genug erwiesen. Für Heinrich II. waren sie nur ein Druckmittel, das seine Unterhändler an der Kurie wieder und wieder verwenden konnten, um Alexander III. von allzu weitgehender Unterstützung Beckets zurückzuhalten; durch die Eide seiner Bevollmächtigten fühlte er sich keineswegs gebunden. Immerhin hatte diese englische Drohung dazu beigetragen, daß Alexander die Unsicherheit seiner Lage im Westen stärker empfand und die von den Römern dringend begehrte Rückkehr nach dem Sitze der Apostelfürsten beschleunigte (Ende 1165). Dort aber war er für die Kaiserlichen weit leichter angreifbar; denn die Hoffnungen auf Neubefestigung im Kirchenstaate erfüllten sich keineswegs. Vielmehr geriet Alexander dort in arge Bedrängnis. Von Norden her bedrohte ihn Christian von Mainz, der den Gegenpapst in Viterbo schützte. Der sizilische Rückhalt versagte, als König Wilhelm 1166 unvermutet starb und seine Krone unter der Regentschaft seiner spanischen
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VIERTER ROMZUG FRIEDRICHS I.
Gemahlin seinem dreizehnjährigen Sohne Wilhelm II. hinterließ unter dem sich alsbald das Zentralregiment zugunsten des Feudaladels auflockerte. Die seit langem gepflegten und mit leeren Unionsaussichten genährten Beziehungen der Kurie zum Griechenkaiser Manuel, der damals mit der Besetzung von Ancona einen für den Kirchenstaat nicht unbedenklichen Erfolg seiner romantischen Wiederherstellungspolitik davontrug, konnten doch nur ein unbestimmtes Gemisch von Hoffnungen und Befürchtungen erwecken. Diese ganze Lage mußte Friedrich dazu anreizen, durch den einst schon geplanten Vorstoß auf Rom seinen Gegner zur Unterwerfung zu zwingen. Die deutschen Fürsten wußte er zum Beschluß einer neuen Heerfahrt nach Italien zu bewegen, wenn ihn auch die starken Spannungen zwischen Heinrich dem Löwen und seinen sächsischen Gegnern im Interesse der Friedenswahrung zwangen, beiden Parteien die Teilnahme am Zuge zu erlassen. Gleichwohl waren es ansehnliche Heeresmassen, mit denen er 1166 zum vierten Male über die Alpen zog. Ohne sich durch die bedrohliche Gärung in der Lombardei, in der sich der Abfall vorbereitete, beirren zu lassen, marschierte man in zwei Heersäulen nach Süden: Friedrich selbst die Ostküste entlang, um Ancona den Griechen wieder zu entreißen, Rainald von Dassel durch Tuszien. Bei Tuskulum erfocht er dann mit Hilfe Christians von Mainz über die weit zahlreicheren Römer einen glänzenden Sieg und Schloß den Papst in Rom ein. Der eilends herbeigerufene Kaiser nahm die Leostadt im Sturm und ließ sich mit seiner Gemahlin Beatrix von Paschalis III. in der Peterskirche noch einmal die Kaiserkrone aufsetzen. Ehe er dann freilich Einlaß in Rom selbst gewann, war es Alexander gelungen, in Pilgertracht das Meer zu gewinnen und nach Benevent zu flüchten. Die Beendigung des Schismas war also doch ins Unabsehbare verschoben. Und bevor man nun zum Angriff auf das geschwächte Sizilien schreiten konnte, brach in der römischen Augusthitze 1167 mit unerhörter Plötzlichkeit jene furchtbare Seuche aus, die dem Kaiser den größten Teil seines Heeres, seine hervorragendsten Staatsmänner, darunter Rainald von Dassel, dazu zahlreiche Verwandte und Fürsten kostete und ihn von dem eben erreichten Gipfel jählings in die Tiefe schleuderte. Denn eine auf Furcht aufgebaute Prestigepolitik vermag solches „Gottesgericht" am allerwenigsten zu ertragen; leicht stürzt dann das Ganze. In Oberitalien hatte die Erhebung schon vorher eingesetzt. Aus einer geheimen Vereinigung von vier Städten mit Cremona an der Spitze entstanden,
LOMBARDENBUND
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hatte sich der neue Lombardenbund unter der Leitung einer obersten Behörde von Rektoren über die ganze Poebene ausgedehnt und mit dem Veroneser Bunde zusammengeschlossen. Schon war nach Vertreibimg der kaiserlichen Beamten der Aufbau Mailands in Angriff genommen, als die römische Schreckenskunde vollends zum Zusammenbruch der Reichsherrschaft führte. Nur unter Mühen und Kämpfen, bei denen selbst die Kaiserin die Waffe schwang, gelang es Friedrich, die Trümmer seines Heeres über den Apennin nach dem einzig getreuen Pavia zurückzuschaffen. Von da brachte er nach vergeblichen Vorstößen gegen die Rebellen, noch zuletzt in Susa mit Gefangenschaft und Tod bedroht und in Knechtestracht flüchtend, wenig mehr als das nackte Leben aus der großen italienischen Unternehmung heim. Er schien nahezu auf seine Anfänge zurückgeworfen. Indessen ein Charakter wie der seinige bewährt sich erst ganz im Unglück. Der Tod seines bedeutendsten Ratgebers war Verlust zugleich und Befreiung. Friedrich begann, von nun ab mehr auf sich gestellt, in den ruhigeren Jahren, die folgten, mit neuen, vorsichtigeren Methoden den Bau seiner Herrschaft fester aufzurichten. Für eine Weile trat nun Heinrich II. in den Mittelpunkt der abendländischen Geschicke. Aller Augen richteten sich auf seinen Streit mit Thomas von Canterbury, der über das Persönliche und selbst Landeskirchliche hinaus durch die Beziehungen zur Kurie und zum englisch-französischen Gegensatz hochpolitische Bedeutung gewonnen hatte. Kaum über einen andern Gegenstand der mittelalterlichen Geschichte sind wir, namentlich durch eine massenhafte Briefstellerei, derart bis ins Einzelne der Verhandlungen, oft selbst im Wortlaut von Rede und Gegenrede unterrichtet, wie über diesen Streit. Wer Denken und Fühlen der gebildeten, ganz und gar nicht mehr primitiven Menschen jener Tage kennenlernen will, muß sich an solchen Stoff halten. Hier, wo es uns um die weltgeschichtlichen Zusammenhänge zu tun ist, können wir dem Gange der verwickelten, oft in sich höchst widerspruchsvollen Verhandlungen im einzelnen nicht folgen. Nur die Gruppen der Streitenden und ihre Ziele gilt es ins Auge zu fassen. Da war zuerst der Kreis der verbannten „Thomisten", anfangs in Pontigny, dann, als Heinrich II. den Zisterzienserorden deswegen mit Maßregelung bedrohte, seit Ende 1166 in dem unter besonderm Schutz des französischen Königs stehenden Columbakloster bei Sens. Thomas, auf den jetzt selbst der befreundete Johann von Salisbury, der ihn einst angespornt, wiederholt mäßigend zu wirken suchte, strebte vom sicheren Auslande her seine Amtsgewalt als Primas und bald auch als päpstlicher Legat durch die schärfsten
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DIE THOMISTEN
Zensuren gegen alle seine Feinde bis zu Königsbannung und Landesinterdikt geltend zu machen. Ganz erfüllt von den kirchlichen Reformideen, jedoch nicht ohne starre Rechthaberei und leidenschaftliche Vergeltungssucht, suchte er die landeskirchlichen Besonderheiten und Vorrechte der Krone zu brechen. Jedes Entgegenkommen von seiner Seite wurde durch vieldeutige Klauseln wie den „Vorbehalt der Ehre Gottes" entwertet. Sein Schutzherr Ludwig VII. teilte seine kirchliche Überzeugung, suchte aber den Streitfall zugleich für die politischen Interessen Frankreichs nutzbar zu machen, indem er wiederholt gegen England zu den Waffen griff. Im Gegenlager arbeitete Heinrich II. mit allen Mitteln der Überredung, Bestechung, Drohung und Gewalt daran, Beckets Einfluß auf die englische Kirche lahmzulegen, womöglich durch seine Absetzung oder auch Versetzung nach Frankreich, jedenfalls aber durch Hemmung seiner Zensuren und verschärfte Absperrung Englands vom Festlande. Unterstützt wurde er dabei keineswegs nur von seinen in allen Wassern gewaschenen diplomatischen Handlangern, sondern auch von der Mehrheit der englischen Prälaten mit Erzbischof Roger von York und dem asketischen, bibelforschenden Cluniazenser Gilbert Folioth, Bischof von London, Beckets Hauptwidersacher, an der Spitze. Wo er selbst als Unterhändler auftrat, wußte er alle Register zu ziehen, annehmbar scheinende Zugeständnisse zu machen, um Thomas als alleinigen Friedensstörer und Verletzer der alten, unverrückbar festgehaltenen Gewohnheiten des Reiches zu kennzeichnen, Anerbietungen, die doch im einzelnen schwer greifbar blieben und, wenn sie auf Widerstand stießen, erregten Drohungen bis zur Aufkündigung der Obödienz und Schwenkung in das Lager des Gegenpapstes Platz machten. Eben hierdurch wurde die Lage der Kurie, an der Königliche und Thomisten miteinander rangen, überaus schwierig. Wer auf klare und reinliche Entscheidungen von ihrer Seite gehofft hatte, mußte auf das bitterste enttäuscht sein. Bei der Umgebung Alexanders bis in die Reihen seiner Kardinäle hinein, von denen Becket nur zwei für unzugänglich gegen solche Lockung hielt, entschieden gar oft englische Bestechungsgelder, bei dem Papste opportunistische Rücksichten. In dem Widerstreit zwischen den Forderungen der kirchlichen Moral, die geboten, den unentwegten gregorianischen Vorkämpfer nicht im Stich zu lassen, und der universalen Pflicht, darüber den mühsam verteidigten Bau des katholisch-alexandrinischen Papsttums, der doch wesentlich auf der einhelligen Obödienz der Westmächte beruhte, nicht zusammenbrechen zu lassen, ergab sich eine Reihe sophistisch-widerspruchsvoller Entscheidungen. Da wurde Thomas zwar als Legat mit der Aufgabe be-
KÖNIG UND ERZBISCHOF
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traut, die kirchlichen Reformen in England durchzufuhren, jedoch die zweideutig gefaßte päpstliche Vollmacht dazu wurde suspendiert, als er eben den Angriff begonnen hatte. Der Erzbischof mußte erleben, daß die von ihm gebannten Gegner durch päpstliche Bevollmächtigte absolviert wurden. Da er endlich 1168 Bewegungsfreiheit erlangt zu haben glaubte, lähmte ihn ein neues Interim bis zum Fastenanfang des folgenden Jahres, und als auch bis zu diesem Termin die Friedensvermittlung an der Unvereinbarkeit der beiden Standpunkte scheiterte, wurde ihm die Ausübung der Amtsgewalt während der Dauer einer neuen päpstlichen Gesandtschaft abermals unterbunden. Auch eine wiederholte persönliche Zusammenkunft, des Königs und des Erzbischofs führte nicht zum Ausgleich. Erst als wirklich Heinrichs Landen Interdikt und erneuter französischer Einfall drohten, kam es am 22. Juli 1170 zu einem formalen Friedensschluß. Der König erklärte, Thomas wieder zu seiner Gunst zulassen, seine Rückkehr dulden, seine erzbischöflichen Besitzungen zurückerstatten zu wollen, und jener willigte ein. Aber dieser Scheinfriede war doch bereits der Anfang vom Ende. Der eigentliche Streitpunkt der Konstitutionen von Clarendon war geflissentlich umgangen. Heinrich hielt ebenso selbstverständlich an ihnen fest, wie Thomas sie für erledigt ansah, und während der König das letzte Siegel des Ausgleichs, den Friedenskuß, auch jetzt verweigerte, bereitete der Erzbischof schon während dieser trügerischen Versöhnung die Waffen zu neuem Angriff vor. Die Kurie konnte ihm nun die Exkommunikation seiner englischen Gegner, darunter der Bischöfe von London und Salisbury, sowie die Suspension des Erzbischofs von York nicht mehr wohl verweigern, wenn sie auch vor übereilter Anwendung der Dekrete warnte. Indes, noch vor Beckets eigner Ankunft erreichten diese kirchlichen Zensuren den englischen Boden und erregten bei den Gemaßregelten, die zum Könige nach der Normandie eilten, äußerste Erbitterung. Es war nun wohl wirklich so, daß Heinrich, wie schon vor Jahren dem Papste einer seiner Legaten vertraut hatte, nichts sehnlicher wünschte als „das Haupt des Thomas auf der Schüssel." So wurden denn auch jene leidenschafterfüllten Worte verstanden, die er vor seinen Höflingen sprach: „Ein Bursche, den ich mit Wohltaten überhäuft, wagt den König und das ganze königliche Haus zu höhnen — — Welch elende Feiglinge habe ich ernährt! Ist denn keiner unter ihnen, der meine Schmach an diesem gemeinen Priester rächen möchte?" Vier seiner Ritter machten sich nach Canterbury auf. Dorthin war Thomas trotz Abraten seiner Freunde kurz vor Weihnachten 1170 zurückgekehrt, nicht weil er an Frieden und Sicherheit geglaubt
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DER MÄRTYRER
hätte, sondern weil er, der ewigen Hemmungen überdrüssig, den Angriff wollte, auch wenn er mit dem Martyrium enden würde, von dem er für die englische Kirche einzig noch Heil erhoffte. So trieben die Dinge von beiden Seiten zwangsläufig zu der grausen Mordtat in der Kathedrale von Canterbury am Tage des bethlehemitischen Kindermordes (29. Dezember 1170). Es war ein Ereignis von erschütternder Wirkung weit über Westeuropa hinaus, von höchst eindrucksvoller religiöser Gewalt für die breitesten Massen. Dem Sarge entstieg der todesmutige Hierarch sogleich als wunderwirkender Heiliger, den Seinigen und der Volksmenge ohne weiteres als solcher beglaubigt, von der Kurie 1173 kanonisiert — hinfort erst recht eine furchtbare moralische Macht. Was Heinrich getan hat, um die Angriffe dieses toten Gegners wie die des lebenden abzuwehren, war vielleicht die Meisterleistung seiner vielgewandten Taktik. Nach einer mehrtägigen Klausur der Einsamkeit sandte er Bevollmächtigte an die Kurie, die sich den Anklagen der Thomisten entgegenwarfen, die Übereilung jener leidenschaftlichen Jähzornsworte des Königs klug einräumten und sich für ihn eidlich verpflichteten, die päpstliche Bußentscheidung dafür annehmen zu wollen. Er selbst aber ließ einstweilen die mildernde Zeit für sich arbeiten, indem er sich für weitere Verhandlungen unerreichbar machte. Denn plötzlich führte er jetzt die schon vor siebzehn Jahren von Hadrian IV. begünstigte, später auch von Alexander III. gebilligte Unternehmung gegen Irland aus, die ohne großen militärischen Aufwand die englische Oberherrschaft durch Huldigung der dortigen Fürsten nach Westen hin erweiterte, zugleich aber durch Anpassung der dort noch immer stark abweichenden kirchlichen Verhältnisse an die römische Ordnung das Papsttum aufs neue tief verpflichtete. Als er nach einem Jahr von da zurückkehrte, gelang die Einigung mit den päpstlichen Legaten, denen er den Reinigungseid leistete, im Mai 1172 zu Avranches verhältnismäßig leicht. Wo er ein ernsthaftes Zugeständnis machte, wie in der Freigabe der römischen Appellationen, schränkte er es durch den Vorbehalt ein, daß Verdächtige vorher Bürgschaft für irgendwelchen Schaden zu leisten hätten. Die „Abstellung etwaiger von ihm neu eingeführter, für die Kirche nachteiliger Satzungen" berührte nach seiner Auffassung nicht die „alten Gewohnheiten", die in den Konstitutionen von Clarendon festgelegt waren. Andere Verpflichtungen, wie die Kreuznahme für einen Paläst inazug auf drei Jahre, der Unterhalt von zweihundert Rittern dort, die Rückgabe aller Besitzungen der Kirche von Canterbury, betrafen nicht das Grundsätzliche und blieben zu-
AUSGLEICH HEINRICHS Π. MIT DER KURIE
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meist bloße Versprechungen. Man sieht: sobald der starr-doktrinäre Störenfried beseitigt war, fand der Opportunismus der Kurie Alexanders rasch genug einen Modus vivendi mit dem Könige, der sich nun verpflichtete, ihr niemals die Obödienz zu entziehen. Seine kirchlichen Vorrechte waren kaum geschwächt, sein Einfluß auf die Bischofseinsetzungen trotz kanonischer Wahl auch hinfort schlechthin maßgebend; die Urlaubsbewilligung für Auslandsreisen blieb bestehen, die gerichtlichen Ansprüche gegenüber Geistlichen wurden erst 1176 in den Abmachungen mit einem päpstlichen Legaten für Kriminalfälle (mit Ausnahme der Verletzung von Lehnspflichten) zurückgezogen, für geringere Vergehen wie Forstfrevel aber und für zivile Besitzklagen nicht beseitigt. Selbst die Mörder des Heiligen konnten — trotz anders lautender Legenden - unter königlichem Schutze ungestört in England weiterleben. Dem Volksempfinden freilich tat solch leichte Buße kein Genüge, und indem diese Verstimmung von politischen Gegnern ausgenützt wurde, zog sich 1173 noch einmal ein furchtbares Gewitter über dem Haupte des Königs zusammen Für Dynasten vom Schlage Heinrichs II., die bei aller Gleichsetzung ihrer Person mit ihrem Staatswesen letztlich doch für die Zukunft bauen, wird es, wie auch die Geschichte der Kaiser Heinrich IV. und Friedrich II. zeigt, stets die schwerste aller Erschütterungen bedeuten, wenn sich diese Zukunftsmächte in Gestalt ihrer eigenen Söhne gegen sie wenden. Heinrichs II. Schicksal sollte dadurch schließlich eine tragische Wendung nehmen, zumal er selbst daran nicht ohne Schuld war. Seine leidenschaftlich-sprunghafte Herrennatur versagte in der Erziehung der noch ungebundeneren Geister seiner Söhne, die ihm Eleonore, selbst kein Muster der Sittsamkeit, geboren hatte. In den Einzelgebieten seines weiten Reiches sollten sie früh eine repräsentierende Rolle spielen, ohne die Herrschergewalt des Vaters irgend zu beschränken. So war sein Ältester, Heinrich der Jüngere, eine hinreißende, von Poesie umwobene Erscheinung, aber selbstisch und treulos wie das ganze Geschlecht, 1170 zum englischen König gekrönt worden, um bald genug bitter zu empfinden, daß Macht und Einnahmen dem Titel keineswegs entsprächen. Als jetzt dessen Schwiegervater, der König von Frankreich, die von den Thomisten geschürte religiöse Erregung gegen den englischen Rivalen fur seine politischen Zwecke auszunützen gedachte, ging er mit jenem jüngeren Heinrich, der die Fahne der Empörung erhob, Hand in Hand und ließ ihn in Paris zum wahren König von England ausrufen. Da die jüngeren Brüder Gottfried und Richard sich dem Aufstand anschlossen und selbst die Königin Elenore ihren Gatten verriet, um freilich bald von
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BUSSE HEINRICHS II.
ihm gefangen und in dauernder Haft gehalten zu werden, so breitete sich der Abfall unter dem mit den Prinzen verbundenen Feudaladel gleichzeitig auf der Insel und den festländischen Gebieten aus. Sehr weitgehende Zugeständnisse Heinrichs II. an seinen Altesten wurden abgelehnt, die Friedensvermittlung des Papstes, für den jede Spaltung des Westens gefährlich war, kam nicht zum Ziel. Als ein französischer Angriff auf die Normandie drohte, eine Landung an der englischen Südküste vorbereitet wurde, während vom Norden die verbündeten Schotten siegreich vordrangen, als die weitverbreitete Überzeugung, nun erst breche nach dem Versagen der römischen Kurie das Strafgericht des ermordeten Heiligen über Anstifter und Täter herein, rings eine lähmende Wirkung übte, da gab es in der Tat einen Augenblick, in dem über dem Haupte Heinrichs II. die Wellen zusammenzuschlagen schienen. Die plötzliche Wendung, zu der er sich in dieser Lage entschloß, erinnert an Heinrichs IV. Canossagang. Die Erschütterung des Vaters und religiös-abergläubische Vorstellungen mischten sich dabei seltsam mit treffsicherer politischer Berechnung. Im Büßergewand, mit nackten Füßen, wallfahrte er 1174 zum Märtyrergrabe von Canterbury, beichtete, küßte und benetzte mit seinen Tränen die heiligen Stätten, versprach restlose Wiederherstellung aller Rechte der Metropolitankirche und volle Begnadigung der Thomisten und verdiente sich schließlich die Absolution dadurch, daß er sich über dem Grabmal des Märtyrers von den anwesenden Prälaten und Mönchen geißeln ließ und die ganze Nacht unter Gebeten an dem geweihten Orte verharrte, eine nie dagewesene persönliche Demütigung, die dem toten Gegner einen unerhörten moralischen Triumph bereitete, aber die religiösen Widerstände abschwächte und den König selbst mit den Seinen durch die Zuversicht stärkte, daß der versöhnte Heilige nun nicht mehr im Gegenlager unbezwingbar gegen ihn streite. Schon am Tage nach der Buße änderte sich die Lage: der Schottenkönig Wilhelm I. wurde besiegt, gefangen und für sich und seine Nachfolger zur Anerkennung der Lehnsabhängigkeit gezwungen, in den nächsten Wochen die Rebellen in England niedergeworfen, auf dem Festlande die Feinde zurückgedrängt und zu einem für Heinrich günstigen, für die abtrünnigen Söhne freilich sehr glimpflichen Frieden gezwungen. Und in den folgenden ruhigeren Jahren, die für England erst die volle Durchführung der Verwaltungsreformen brachten, stand der König auch nach außen hin mächtiger und gebietender da als je zuvor. Erst unter ihm war die englische Oberherrschaft im Inselreiche weit hinausgetragen über den Umfang der alten römischen Eroberungen: über Nordund Süd-Wales, über Schottland und das durch Unterdrückung neuer Er-
ERFOLGE HEINRICHS II.
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hebungen gesicherte, für Heinrichs jüngsten Sohn Johann als Königreich bestimmte Irland. Auf französischem Boden war die lang erstrebte Oberhoheit über die Grafschaft Toulouse 1173 erworben. Im westlichen Mittelmeerbecken setzte sich anglonormannischer Einfluß — nicht zum wenigsten durch geschickte Heiratsverbindungen — in Rivalität mit dem staufischen mehr und mehr durch, so daß der Kaiser wiederum zur Annäherung an Frankreich getrieben wurde. Ein Ehevertrag, der die Tochter des söhnelosen Grafen Humbert von Maurienne dem Prinzen Johann bestimmte, sollte der englischen Politik zugleich einen Stützpunkt im Rücken des französischen Königs schaffen und den Alpenübergang sichern. Am Widerstande der Lombarden gegen Barbarossa war englisches Geld beteiligt, Papst Alexander mit dem Todfeinde des heiligen Thomas nunmehr in engster Verbindung. Im internationalen Wettbewerb um die Hand des jungen Königs Wilhelm II. von Sizilien trug Heinrich II. für seine zwölfjährige Tochter Johanna 1177 den Sieg davon, was die ohnehin vorhandenen Beziehungen zum südlichen Normannenstaate noch lebhafter gestaltete. In dem gleichen Jahre wurde Heinrich von dem kastilischen König Alfons VIII., seinem Schwiegersohn, und von Sancho von Navarra als Schiedsrichter iin hren Streitigkeiten angerufen. Einmal ist ihm gar die Krone von Jerusalem angeboten, aber klugerweise von ihm abgelehnt worden. Im Norden Deutschlands mußte die wachsende Spannung zwischen Heinrich dem Löwen und dem Kaiser den Einfluß des englischen Schwiegervaters auf den Weifenhof stärken. Und das anglonormannische Reich schien um so mehr die Führung im Abendlande zu gewinnen, als seit der Mitte der siebziger Jahre die Ereignisse in Italien für die kaiserliche Sache erneut eine ungünstige Wendung nahmen. Friedrich I. hatte die sechs Jahre, die er auf deutschem Boden weilte, zur Festigung und Erweiterung der ihm dort verbliebenen Macht ausgenützt. Die Zügel des Kirchenregiments hielt er hier straff in der Hand; alle Träger schismatischer Weihen waren ohnehin an die kaiserliche Sache gekettet. Selbst in das Salzburger Hauptbollwerk der Alexandriner gelang es Bresche zu legen. Als das Gegenpapsttum 1168 durch den Tod Paschalis III. noch einmal vakant wurde, lag der Gedanke, den mehr von einer stadtrömischen Partei erhobenen Nachfolger Kalixt III. gegen erhebliche Zugeständnisse Alexanders III. preiszugeben, trotz des Würzburger Eides selbst dem Kaiser nicht ganz fern und führte zu ernsthaften Friedensverhandlungen, die sich durch mehrere Jahre erstreckten, aber vornehmlich an der von Alexander geforderten Einbeziehung der rebellischen Lombarden scheiterten. So trat das Schisma in das zweite Jahrzehnt seiner Dauer ein.
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FRIEDRICH I. IN DEUTSCHLAND
Das andere Moment, dem Friedrich die Festigung seiner Macht verdankte, war die Mehrung seines unmittelbaren Hausbesitzes. Die Sterbefälle der römischen Seuche spielten da eine wesentliche Rolle, fur Deutschland namentlich der Tod von Konrads III. Sohn Friedrich von Rothenburg. Der Kaiser erbte von ihm nicht nur bedeutende Kirchenlehen und ausgedehnte staufische Eigengüter bis hin zum Egerland, sondern er gewann auch für seinen noch unmündigen ältesten Sohn Friedrich das schwäbische Herzogtum. Es war dann vermutlich eine kluge Taktik Barbarossas den auf ihr Wahlrecht eifersüchtigen Fürsten gegenüber, daß er sich nicht auf die Königswahl dieses Erstgeborenen und künftigen Herzogs versteifte, sondern mit der seines zweiten, erst vierjährigen Sohnes Heinrich zufrieden war. Die Sicherung der staufischen Thronfolge, die er so 1169 tatsächlich erreichte, war nach allem, was seit dem Aussterben des salischen Hauses geschehen war, ein bedeutender Erfolg. Wie geschickt e:: die deutschen Fürsten nach seinem Willen zu lenken wußte, trat auch sonst jetzt deutlicher zutage. An der immer stärkeren und eigenwilligeren Sondergewalt Heinrichs des Löwen rührte er freilich nicht, sondern deckte den Vetter, obwohl er von ihm schon seit längerer Zeit keine Unterstützung mehr erhalten hatte, gegen seine territorialen Gegner noch wiederholt mit dem Reichsschilde. Wie sehr die staufisch-welfische Gewaltenverteilung die unmittelbare Wahrnahme der deutschen Interessen im Osten durch den Kaiser abschwächen und die Ablenkung nach dem Süden fördern mußte, ist bereits oben angedeutet. Die damals kräftiger einsetzende Kolonisationsbewegung in die ostelbischen Slawengebiete konnten wohl die angrenzenden Landesfürsten fur ihre politischen Zwecke nutzen — der Kaiser blieb daran ohne eigentlichen Anteil, und es hieße auch wohl neuzeitliche Vorstellungen in die Dinge hineintragen, wollte man ihn tadeln, daß er diese Siedlungsbewegung nicht nach einem großzügigen Plane mit politischen und kriegerischen Mitteln unterstützt und allenthalben zu den für Deutschland wünschenswerten Grenzen vorgetrieben habe. Ganz abgesehen von der Unmöglichkeit, derartiges damals schon in größerem Maßstabe durchzuführen, wäre eine Kolonisation mit rassenpolitischer Zielsetzung rasch auf die erheblichsten Widerstände gestoßen, während sie als rein wirtschaftlicher Vorgang meist bereitwillige Förderung fand. Das betrifft beispielsweise Schlesien, wo Barbarossas siegreicher polnischer Feldzug vom Jahre 1157 mit dem Friedensschluß von 1163 die Einsetzung ihm verwandter, reichsfreundlicher Fürsten aus dem Piastenhause bewirkt hatte, die, nur in lockerer Abhängigkeit von der polnischen Krone, späterhin die friedliche Niederlassung deutscher Bauern lebhaft
STAUFISCHE HAUSMACHT
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begünstigen sollten. Hatte seit der Katastrophe von 1167 das alexandrinische Papsttum, wie in Dänemark, so auch in Böhmen und Polen merkliche Fortschritte gemacht, und fehlte es in diesen slawischen Nachbarländern, deren ewige Thronstreitigkeiten ohne allgemeineres Interesse sind, auch in den siebziger Jahren nicht an Versuchen, sich aus der Reichsabhängigkeit zu lösen, so gelang es Barbarossa doch, den Polenherzog durch neue Feldzüge zur Erfüllung seiner Lehnsverpflichtungen zu vermögen, die Verfügung über das böhmische Herzogtum, das mit dem Tode Wladislaws II. (1175) den seit 1158 zugestandenen Königstitel wieder einbüßte, in der Hand zu behalten und hier im Osten auch Truppenhilfe für den neuen Italienzug zu gewinnen. Jenseits der Alpen hatte sich der Umschwung von 1167 zunächst noch ausgewirkt in weiterer Ausdehnung des Lombardenbundes, der sich gegen das kaiserliche Piemont hin eine gemeinsame Zwingburg erbaute und nach dem verbündeten Papst Alessandria taufte. Innerhalb des Bundes bot freilich die mit dem neuen Emporwachsen Mailands wieder auftauchende Rivalität zwischen ihm und Cremona, das formell noch die Leitung hatte, einer Spaltungspolitik günstige Ansatzpunkte. Venedig, in einen Kampf mit dem griechischen Kaiser verwickelt, sonderte sich bald vom Bunde ab. In Mittelitalien hinein war dessen Anhang über Ravenna und Bologna nicht unerheblich gewachsen. Indessen war das kaiserliche Herrschaftssystem weiter südlich doch nicht so stark erschüttert wie in der Lombardei, und Christian von Mainz als Reichslegat tat seit Beginn der siebziger Jahre das seine, um es durch diplomatisches und kriegerisches Eingreifen wieder zu befestigen. Selbst Teile des Kirchenstaates blieben stets von den Kaiserlichen besetzt. Vor allem aber gelang dem geschickten Hausmachtsstreben Friedrichs ein Erfolg, der geeignet war, seine Italienpolitik auf eine ganz neue Basis zu stellen. Der römischen Seuche war auch der junge Herzog Weif VII. zum Opfer gefallen. Das Geldbedürfnis des Vaters, der durch den Tod des Sohnes alles politische Interesse eingebüßt hatte, nutzte jetzt der Kaiser aus, um ihm seine Rechte auf Tuszien, Spoleto, Sardinien, Korsika und die mathildischen Güter abzukaufen (1174 ?), wie er später in ähnlicher Weise auch die weifischen Eigengüter in Schwaben von ihm erwarb. Eben mit den mathildischen Besitzungen gewann Barbarossa neue Stützpunkte nicht nur in Mittelitalien, sondern auch in der Lombardei, die ihm vielleicht ermöglichen konnten, seine Forderungen den Bündnern gegenüber herabzumindern. Andererseits erwachten freilich nun wieder die alten, nur zugunsten der Weifen zurückgestellten Ansprüche des Papsttums auf jene Güter und bildeten in dem ferneren kirchenpolitischen Kampfe einen wichtigen Streitpunkt.
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FÜNFTER ROMZUG
Seinen fünften Romzug eröffnete Friedrich, ohne von den Fürsten ausreichend mit Truppen unterstützt zu sein, 1174 mit einem vergeblichen Ansturm gegen die verhaßte Zwingburg Alessandria, suchte dann aber die Lombarden durch weitgehendes Entgegenkommen zu einem Sonderfrieden zu bringen. Im Vertrage von Montebello (1175) einigte man sich in der Tat auf einen schiedsgerichtlichen Austrag der gegensätzlichen Forderungen durch einen Wahrspruch der Cremoneser Konsuln und verpflichtete sich auf dessen Innehaltung durch Eid in so bindender Weise, daß man den Frieden als gesichert ansah und hier wie dort die Streitmacht auflöste. Der Spruch stellte ein Kompromiß dar, mit dem auch der Kaiser zufrieden sein konnte; wurde ihm der Verzicht auf das direkte Beamtenregiment auferlegt, so sollten doch die Hoheitsansprüche des Reiches über die letzte Verfallzeit hinweg auf den Stand unter Heinrich V. zurückgeführt werden, und der Sonderfriede mit den lombardischen Verbündeten Alexanders hätte im kirchenpolitischen Kampf einen großen Erfolg bedeutet. Eben deshalb stieß aber der Ausgleich bei den Lombarden nachträglich auf heftigen Widerstand. Als die von dem truppenentblößten Kaiser erpreßte Zuziehung päpstlicher Unterhändler nicht zum Ziele führte, brach auf die Verkündigung des Spruches hin eine von den Bischöfen geschürte Volksbewegung in der Lombardei los und führte zur eidbrüchigen Verletzung des Vertrages. In dieser Lage, in der eine Verstärkung seiner Truppenzahl durch Heranziehung weiterer deutscher Hilfskräfte für den Kaiser dringendstes Bedürfnis war, sollte er erfahren, welcher Schaden dem Reiche aus der immer eigenwilligeren Abspaltung der sächsisch-bairischen Weifenmacht erwuchs. Einen Rechtsanspruch auf militärische Unterstützung konnte Friedrich dem herzoglichen Vetter gegenüber für eine nicht von diesem beschworene Heerfahrt kaum geltend machen, doch die Not des kaiserlichen Lehnsherrn hätte wohl die Mannentreue verpflichten, die Erinnerung an ihr bisheriges Verhältnis einen moralischen Druck ausüben können. Wie dürftig sind wir doch über die Reichsereignisse jener Tage im Vergleich mit den westeuropäischen unterrichtet! Erst eine etwas spätere, wenn auch immerhin noch zeitgenössische Berichterstattung erzählt uns mit volksliedartiger Ausschmückung von der persönlichen Zusammenkunft der beiden Fürsten zu Chiavenna (Anfang 1176), die deshalb eine zweifelnde Kritik — doch wohl mit Unrecht — als unhistorisch verworfen hat. Barbarossa soll dabei den Vetter demütiger, als es seiner Würde geziemte — man berichtet gar von einem Fußfall vor dem Vasallen — um Hilfe angefleht haben, die jener nur um den Preis der durch ihre Silberausbeute besonders wertvollen Reichsstadt Goslar zugestehen
ABKOMMEN VON ANAGNI
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wollte. Solche Erpressung aber wies der Kaiser als unvereinbar mit seinem Ansehen zurück und brach die Verhandlung zornig ab. Das freundvetterliche Verhältnis, das allein jene Gewaltenteilung in Deutschland erträglich gemacht hatte, erlitt dadurch einen tödlichen Stoß. Für den Ausgang der lombardischen Kämpfe ist dies weifische Versagen entscheidend geworden. Denn die deutschen Hilfskräfte, die der Kaiser nun persönlich in kühnem Zuge zur Vereinigung mit seinen bei Pavia lagernden Truppen heranführte, waren zu schwach, um der weit überlegenen Scharen der Mailänder, die ihnen bei Legnano entgegentraten, Herr zu werden; nur unter bedeutenden Verlusten konnte Friedrich sein Ziel erreichen. Die Erkenntnis seiner militärischen Schwäche verwies ihn abermals auf den Weg einer die Gegner spaltenden Diplomatie; da sich die Lombarden versagten, versuchte er es in überraschender Schwenkung mit Alexander III. und kam mit ihm wirklich im November 1176 zu dem vorläufigen Sonderabkommen von Anagni. Der Entschluß, diesen lang befehdeten Gegner im Widerspruch mit dem Würzburger Eide anzuerkennen, mag seiner geraden und stolzen Natur schwer genug geworden sein, zumal eben durch die Preisgabe des Gegenpapstes der Friede nach außen hin den Stempel einer kaiserlichen Niederlage erhalten mußte. Um so mehr sachliche Zugeständnisse glaubte er verlangen zu dürfen, und da kam ihm das starke Friedensbedürfnis der Kurie zugute. Der sechzehnjährige Kampf hatte doch die Kirche von Grund aus erschüttert, ihren Besitz zerrüttet, ihre Einnahmen zerstört, die Bande des Gehorsams nicht nur, sondern auch des Glaubens und der Sittlichkeit bedenklich gelockert, allenthalben Religion und Politik unheilvoll vermischt. Alexander III., in allem Grundsätzlichen noch immer unerschütterlich, aber gealtert und zermürbt, ersehnte nichts mehr, als die so rühmlich verfochtene Unabhängigkeit des Papsttums noch selbst in den Frieden hinüberzuretten. So trugen die Vereinbarungen von Anagni den Charakter des Kompromisses; gegenseitige Anerkennung mit Lösung aus Bann und Acht; fast durchgängige Preisgabe der schismatischen Geistlichen in Italien, dafür in Deutschland an sie die erheblichsten Zugeständnisse, die Friedrichs Verbindung mit der deutschen Kirche unberührt ließen. Einseitiger zunächst die Regelung der kurialen Besitzansprüche in Italien: Aufgabe der Reichshoheit über den Kirchenstaat, Rückführung des päpstlichen Besitzes auf den Stand unter Innozenz II. und Anerkennung der kirchlichen Ansprüche auf das mathildische Gut — eben dies letztere von Friedrich, der es zur neuen Machtbasis in Italien brauchte, nur einstweilen zugestanden, um das Friedenswerk überhaupt in Gang zu bringen. Die an dem Abschluß nun lebhaft
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FRIEDE VON VENEDIG
interessierte Kurie versuchte freilich vergeblich, auch Sizilien und Lombardenbund in diesen Frieden einzuschließen. Als das an gesteigerten Forderungen des Kaisers scheiterte, schlug der Papst vor, an Stelle des Friedens einen sechsjährigen Waffenstillstand mit den Lombarden, einen fünfzehnjährigen mit Sizilien treten zu lassen. Da hat Friedrich mit höchst geschicktem Schachzuge seine Annahme dieses Vorschlags an die Bedingung geknüpft, daß er das mathildische Gut, dessen Einkünfte er als einstweiligen Ersatz für die beim künftigen Friedensschluß zu erwartenden lombardischen Zahlungen bezeichnet haben dürfte, zur Nutznießung so lange in seiner Hand behalten könne, bis eine schiedsgerichtliche Entscheidung über dessen Besitz getroffen werden würde. Man erkennt da deutlich seine Absicht, auf dies reiche Gut auch späterhin nicht zu verzichten, sondern in ihm als Ersatz für eine den Lombarden einzuräumende Autonomie neue Stützpunkte zur Sicherung seiner italienischen Herrschaft zu gewinnen. Indem Alexander dieser Forderung nachgab, endeten die Verhandlungen mit einem höchst wertvollen und ganz persönlichen Erfolge Barbarossas, der die weitere Entwicklung wesentlich bestimmen sollte. Ebendeshalb konnte er auch ohne das Gefühl einer vollen Niederlage die Formen erfüllen, die 1177 den Frieden von Venedig zum Abschluß brachten. Die eindrucksvolle Szene, die hier den stolzen Kaiser zu den Füßen des vor der Markuskirche thronenden Papstes zeigte, hat sich der Mit- und Nachwelt tief eingeprägt. Sie gehört zu den Haupttriumphstücken der katholischen Kirche. Das Papsttum hatte sich nach langem, oft fast verzweifeltem Ringen also am Ende doch in seiner Unabhängigkeit behauptet. Die Gewalt- und Prestigepolitik, die sich an den Namen Rainalds von Dassel knüpfte, war gescheitert. Aber wenn es richtig ist, daß das eigentliche Ziel des Streites nicht die Herstellung der kaiserlichen Oberhoheit über das Papsttum war, sondern die Herrschaft über Italien, so hatte Friedrich den Dingen schließlich eine Wendung geben können, die es ihm für die Zukunft offen hielt, jenes Ziel auf andrer Grundlage und mit neuen Mitteln doch noch zu erreichen. In der Tat zeigte es sich sofort, wie sehr Alexander auf die kaiserliche Hilfe angewiesen war, um seine Stellung im eigentlichen Zentrum seiner Herrschaft zurückzugewinnen. Christian von Mainz mußte ihm mit Reichstruppen den Weg nach Rom öffnen, wo sich seiner milden Begnadigung bald der vom Kaiser im Stich gelassene Gegenpapst Kalixt III. ergab. Dorthin hat dann Alexander zum Jahre 1179 die Vertreter der lateinischen Christenheit zum dritten lateranischen Konzil berufen, das zugleich die siegreich hergestellte Einheit der Welt sinnfällig darstellen und den in allen Fugen krachen-
DRITTES LATERANKONZIL
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den Bau der Kirche neu befestigen sollte. Dadurch durfte freilich die absolute Herrschgewalt des Papstes keine Einschränkung erfahren; die Versammlung diente den Vorlagen der Kurie gleichsam nur als ein weithin tönender Resonanzboden. Nach Beseitigung des Schismas galt es zunächst, seine Wiederkehr zu verhüten. Die Vorgänge bei der Erhebung Alexanders wurden als Norm für die Zukunft festgelegt, indem die Wahl durch die gesamten Kardinäle vorgeschrieben wurde, und zwar im Unterschiede von der für andere kirchliche Wahlen entscheidenden einfachen Mehrheit durch zwei Dritteile ihrer Stimmen, aber unter stillschweigendem Ausschluß jeder weiteren Bestätigung oder Zustimmung, sei es des Kaisers oder auch nur des Klerus und Volkes. War so die Unabhängigkeit des Hauptes der Kirche gesichert, so sorgten weitere Beschlüsse für die Freiheit des Körpers: keine Verleihung einer Kirche durch Laien ohne Genehmigung des Bischofs, was vornehmlich die Patronatsrechte der Eigenkirchenherren beschränken sollte; Entlastung der Geistlichen von unfreiwilliger Steuerzahlung, was gerade in den päpstlich gesinnten lombardischen Städten am allerwenigsten beachtet wurde; Exkommunikation für jeden, der einen Geistlichen nötigen würde, vor einem weldichen Gerichtshof zu erscheinen, womit man beispielsweise über die noch vor drei Jahren dem englischen König zugestandenen Ausnahmen stillschweigend hinwegging. Indessen, diese und andre Beschlüsse waren mehr Zukunftsforderungen als Gegenwartsergebnisse und haben das ganze weitere Mittelalter hindurch endlose Kämpfe erregt. Unerfüllte Forderungen blieben im wesentlichen auch die zahlreichen Canones der Synode, die sich gegen die während des Schismas immer erschreckender angewachsenen Mißstände im kirchlichen Leben wendeten, gegen Pfründenhäufung auf eine Person, gegen Mißbräuche der Appellationen, die doch gerade unter Begünstigung der Kurie letzthin so ungeheuerlich angeschwollen waren, und gegen mancherlei andere Unsitten und Gefahren. Die demoralisierenden Wirkungen des langen Kriegszustandes ließen sich nicht so bald verwischen. Die beiden letzten Lebensjahre Alexanders III. waren auch durch andere schwere Sorgen getrübt. Die immer noch genährten Hoffnungen auf Union mit der Griechischen Kirche waren wieder einmal in nichts zerronnen. Hiobsposten und Hilferufe aus dem Heiligen Lande trieben den Papst 1181, sich in einer erregten Kundgebung an die Christenheit zu wenden. Ernstere Gefahren noch drohten der abendländischen Kirche in ihrem eigenen Schöße. Auf jenem lateranischen Konzil waren vor Alexander seltsame Apostel erschienen in einfachem Wollkleid und Holzsandalen, ausgesandt
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WALDENSER
von dem ehemaligen Lyoner Kaufmann Petrus Waldes. Angeekelt von der Verwilderung und Verweltlichung der in Politik und Geldgeschäfte verstrickten Kirche und ergriffen von der durch das Jahrhundert hindurchgehenden apostolischen Armutsbewegung, hatte dieser 1173 seine Habe fortgegeben und nach den Aussendungsworten Christi an die Apostel das Bettlerleben eines wandernden Bußpredigers begonnen, dem bald zahlreiche Anhänger zuströmten. Als der Lyoner Erzbischof ihnen die Predigt untersagte, erbaten sie unter Überreichung einer romanischen Bibelübersetzung von Papst und Konzil gleichwohl die Genehmigung. Ohne sie allzu ernst zu nehmen, verwies man sie auf die erzbischöfliche Entscheidung. Sie gehorchten nur so lange, bis sie sich überzeugten, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. So wurden diese Waldenser, die sich in den romanischen Ländern immer weiter verbreiteten, zum Ungehorsam gegen die Kirche gebracht und 1184 in Verona von ihr verdammt. Durch die Verfolgungen gerieten sie zu ihr in wachsenden Gegensatz. Freilich, was war einstweilen die von ihnen drohende Gefahr gegen die ungeheure Verbreitung, die auf den Bahnen des Handelsverkehrs von den Bogomilen Bulgariens her über die Lombardei und Südfrankreich nordwärts nach der Champagne und Flandern hin das Katharertum in den letzten Jahrzehnten gefunden hatte! Schien es sich da doch trotz bunter Sektenbildung Um eine förmliche Kirchenorganisation zu handeln, die dem katholischen Christentum in Feindschaft entgegentrat, seine Dogmen, Gesetze, Einrichtungen und Sakramente verwarf und an deren Stelle ihren weltverneinenden und kulturfeindlichen Dualismus setzte, nach welchem die dem Lichtreich angehörende, aber durch Tierleiber hindurchwandernde Seele sich von allem Körperlichen als dem Reiche der Finsternis zu lösen habe und dazu durch die Handauflegung, das „Consolamentum" der in strengster vegetarischer Askese, Ehelosigkeit und Keuschheit vorbildlich lebenden und die Sünden vergebenden „Reinen" oder „Vollkommenen" befähigt wurde. Eben daß die ganze Organisation auf diesen seelsorgend von Ort zu Ort umherziehenden Reinen beruhte, die sich als Widerspiel der christlichen Hierarchie in Bischöfe, Minister und Diakone gliederten, machte sie für strafendes Vorgehen so schwer greifbar. Denn jene Wandernden konnten rasch verschwinden, die große Masse der Zugewandten („credentes") aber lebte äußerlich im Rahmen der katholischen Kirche fort und war bei Nachforschungen meist bereit, ihre christliche Rechtgläubigkeit zu erhärten. Diese Anhängerschaft ging durch alle Stände hindurch; insonderheit aber hatte die rasch wachsende Bevölkerung der Städte sich der
ALBIGENSER
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Kirche entfremdet, da der an Zahl unzureichende, zudem oft unfähige und sittenlose Klerus nicht imstande war, sie zu fesseln. Die Spaltungen und Schwankungen des Schismas hatten alles noch verschlimmert. Als Hauptherd dieses Katharertums kennzeichneten sich immer deutlicher die südfranzösischen Lande um Toulouse, Carcassonne, B£ziers und Albi, nach dem die Ketzer auch wohl „Albigenser" genannt wurden. Dort, wo weltliche Sinnenlust und Unglaube Hand in Hand gingen, hatten die Religionsbedürftigen bei der entarteten Geistlichkeit nicht den begehrten Trost gefunden; um so williger hatten sie den geheimen Bekehrungsworten jener Reinen, deren Leben mit ihrer Lehre eins war, ihr Ohr geliehen. Und da nun angesehene Barone ihre Schlösser für Unterkunft und Schutz zur Verfügung stellten, so konnte sich das ketzerische Treiben bald in aller Öffentlichkeit abspielen. Schon fühlte man sich der zerspaltenen katholischen Kirche gegenüber geradezu im Besitze der Macht und wagte es, im Jahre 1167 in der Nähe von Toulouse zur Feier der Vollendung des ketzerischen Kirchentums eine förmliche, von weither beschickte Synode abzuhalten. Die Hinneigung des Grafen Raimund V. von Toulouse zum kaiserlichen Gegenpapste, von dem er die Scheidung seiner Ehe mit der Schwester des französischen Königs begehrte, steigerte die Verwirrung. Noch vor dem Frieden von Venedig wandte er sich freilich zum alexandrinischen Papsttum zurück und rief 1177 zur rücksichtlosen Bekämpfung der Ketzer, deren er allein nicht Herr werden könne, auf; denn es handle sich um Sein oder Nichtsein der Kirche. Alexander ΙΠ. hatte lange zu vorsichtiger Zurückhaltung geneigt und einmal als Grundsatz bekannt, besser sei es, Schuldige loszusprechen als Unschuldige zu verurteilen. Indessen die Kirche stand damals in der Behandlung der Ketzer tatsächlich an einem Wendepunkte. Die sanfteren Mittel früherer Jahrhunderte verfingen gegenüber der Massenbewegung nicht mehr und wichen der Vernichtungsparole. Das Laterankonzil entschloß sich zu schärferen Maßnahmen, wenn auch noch nicht zur Strafe des Feuertodes für die Unbekehrbaren, obwohl diese in Nordfrankreich und Deutschland vom Volke, das Ketzerei mit Zaubern und Giftmischen gleichsetzte, verlangt und angewandt wurde. Noch erlebte Alexander den ersten von einem Kardinallegaten geführten Heereszug gegen die Katharer, der im Gebiete des Vicomte Roger II. von Beziers furchtbare Verheerungen anrichtete und zwar das Abschwören der Ketzerei durch die Unterworfenen erreichte, damit aber das Übel keineswegs an der Wurzel traf (1181). In der nächsten Umgebung des Papstes dauerten die Unruhen fort. Aus dem unsicheren Rom zog er sich bald zurück. Einen vom Adel nochmals
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TOD ALEXANDERS ΠΙ.
erhobenen Gegenpapst konnte er zwar bald mattsetzen, aber die mittelitalischen Machtverhältnisse gestalteten sich fur die Kurie immer ungünstiger. Die kaiserlichen Herrschaftsbestrebungen wurden dort mit neuer Energie aufgenommen, während der schiedsgerichtliche Austrag der Besitzstreitigkeiten keinen Schritt vorwärts kam. Sollte Barbarossa das langverfolgte Ziel, die Kurie unter den Druck seiner politischen Macht zu zwingen, am Ende doch noch erreichen? Von all diesen Sorgen bedrängt, konnte Alexander III., als er 1181 als hochbetagter Greis starb, nicht mit der gleichen Befriedigung, mit der er auf den dornenreichen, aber ehrenvollen Kampf seines Lebens zurückblickte, auch in die Zukunft schauen.
NEUE ENTFALTUNG DER KAISERMACHT
Das letzte Jahrzehnt von Friedrichs I. Regierung, in dem der mit ihm verbündete junge König Frankreichs auf dem Wege zur Höhe die ersten Schritte tat, während Heinrichs II. Macht und Ansehen in merklichem Sinken waren, Sizilien in der abendländischen Politik völlig zurücktrat, in Deutschland der weifische Nebenbuhler vom Schauplatz verschwand, in Reichsitalien die staufische Machtstellung neu befestigt wurde und das durch schwächere, rasch wechselnde Persönlichkeiten vertretene Papsttum unter scharfen Druck nahm — dies Jahrzehnt ließ die glänzende Erscheinimg Barbarossas, der die Welt schon fast ein Menschenalter hindurch in Atem gehalten hatte, ohne Mitbewerb mehr und mehr an die Spitze Europas treten. Dazu hatte er sich freilich vom venezianischen Frieden her erst den Weg zu bahnen. Das nächste Ziel war, das unhaltbar gewordene Verhältnis zu dem weifischen Vetter zu bereinigen. Als Friedrich, der durch den Waffenstillstand mit den Lombarden freie Hand gewonnen hatte, 1178 nach Deutschland zurückkehrte, war er entschlossen, die Macht des Herzogs nach Möglichkeit einzudämmen, indem er den Beschwerden seiner nord- und mitteldeutschen Gegner nunmehr wohlwollendes Gehör lieh. Heinrich der Löwe ragt um Haupteslänge über das Höhenmaß deutscher Territorialfiürsten hinaus und verdient auch in weltgeschichtlicher Darstellung seinen Platz, weil sein politischer Einfluß nach Norden und Osten weit über die Reichsgrenzen hinausging und weil erst die Hinzunahme seiner trotz der süddeutsch-italienischen Herkunft niedersächsisch anmutenden Art zu der Figur des schwäbischen Staufers das deutsche Wesen jener Tage voll umfaßt. Seine schon durch die Vereinigung der beiden stärksten Herzogtümer des damaligen Deutschlands außergewöhnliche Machtstellung erhielt ihr eigenartiges Gepräge erst durch die Ausdehnung in die ostelbischen Wendenlande, die er, soweit sie durch seine Heereszüge verödet waren, durch Ansiedlung deutscher Bauern aus dem teilweise schon zu dicht bevölkerten Westen zu sichern wußte. Nördlich im Holsteinischen hatte ihm Graf Adolf II. von Schauenburg grundlegend vorgearbeitet. Südlich hatte Albrecht der Bär von der Nordmark aus das Havelgebiet um Brandenburg durch friedlichen Vertrag mit dem kinderlosen Hevellerfursten Pribislaw erworben (1150) und ähnlich zu kolonisieren begonnen. Das dazwischenliegende Abotritenland des westlichen Mecklenburg hat Heinrich der Löwe seiner
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HEINRICH DER LÖWE
Herrschaft und damit dem Reiche angegliedert und darüber hinaus der Anlehnung des von Polen sich lösenden Herzogtums Pommern entscheidend vorgearbeitet. Ringsum wurde er bei den kleineren Slawenstämmen gleich einem Gotte verehrt und gefürchtet. Durch Loslassung oder Zügelung der Küstenpiraten hielt er lange das durch Bruderkampf geschwächte dänische Nachbarreich in Schach. Als es dann unter Waldemar I. (1154-1182) und seinem weisen Minister und Gesetzgeber Absalon, Bischof von Roeskilde, später auch Erzbischof von Lund seine Kraft wiedergewann, wußte er an den dänischen Eroberungen, die sich an der Ostseeküste bis hin zum missionierten Estland erstreckten, zeitweilig auf Halbpart teilzunehmen und neben Waldemar, dessen Thronfolger Knut Heinrichs Eidäm wurde, Huldigung und Tribut der Raner auf der Insel Rügen (1171) zu gewinnen. Seine zwar gewalttätige, aber großzügige und weitsichtige Städtepolitik, namentlich seine Sorge für das Emporkommen des dem Schauenburger zäh abgerungenen und neugegründeten Lübeck (1158), die Empfehlung von dessen Markt in Skandinavien und Rußland, die Erteilung einer Rechtsordnung an die Deutschen auf Gotland, das und manches andere scheint schon vorauszudeuten auf die späteren Glanztage der Hanse. Damals fing der deutsche Kaufmann an, die jahrhundertlange slawisch-skandinavische Handelsvorherrschaft im Baltischen Meere zu brechen und an dem wichtigen Austausch der Rohstoffe des Nordostens mit den Waren des zivilisierten Westens Anteil zu gewinnen. Bei alledem kann von einer Hingabe des Weifen an national-deutsche Ziele noch nicht die Rede sein, sondern wesentlich nur von machtpolitischen Gesichtspunkten. Wie die Städtebegünstigung neben wirtschaftlicher und finanzieller Stärkung auch dazu diente, militärische Stützpunkte gegen widersätzliche Territorialherren zu gewinnen, so schätzte Heinrich die angegliederten Slawengebiete vor allem deshalb, weil die Beamtenregierung des Landesherrn in diesem Neulande nicht wie im alten Reiche allenthalben durch halbselbständige Herrschaften geistlichen und weltlichen Standes durchlöchert war, sondern einheitlich, planmäßig und straff gehandhabt werden konnte. Ähnliche Grundsätze einer neuen Landeshoheit auch in seinen Herzogtümern zur Anwendung zu bringen, mußte namentlich in Sachsen auf nachhaltige Widerstände stoßen, weil dort das beschränkte billungische Grenzherzogtum trotz seiner Erweiterung durch die lotharianischen Hausgüter sich nicht entfernt mit dem Umfang des alten, bis zum Rhein hin reichenden Stammesgebietes deckte. Indem der Weife, den ein zeitgenössischer Chronist als „den hochfahrendsten und schonungslosesten nahezu aller
REICHSACHT
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Menschen" bezeichnet, mit rücksichtslosen Zugriffen und Rechtsbeugungen daranging, die seit zwei Jahrhunderten auf Zerschlagung der Stammesherzogtümer gerichtete Tendenz rückläufig zu machen und durch ganz Niedersachsen und Thüringen eine wahrhaft durchgreifende Herrschaft aufzurichten, hatte er die ganze Meute der mittleren und kleineren Territorialherren gegen sich, mochten sie Erzbischof, Bischof, Markgraf, Landgraf, Graf heißen oder noch niedereren Ranges sein. Wiederholt war es da schon zu gefährlichen Bünden und Kämpfen gekommen. Der eherne Löwe, sein Wappentier, den Heinrich in einem solchen Jahre der Spannung (1166) in seinem Braunschweiger Burghofe errichtete, kühn, herrisch und drohend, voll gestrafftester Energie und ständiger Sprungbereitschaft, war ein Symbol seiner eignen Haltung jenen inneren Feinden gegenüber. Dabei mochte er den Wert der Deckung unterschätzen, die ihm der Kaiser wiederholt gewährte. Immer ausschließlicher mit seinen eignen Herrschaftsplänen beschäftigt und durch seine enge Verbindung mit dem anglonormannischen Hofe in ein Fahrwasser gelenkt, das der kaiserlichen Politik wenig günstig war, gewöhnte er sich an jene Vernachlässigung der staufischen Beziehungen, die schließlich zur Hilfeverweigerung von Chiavenna führte. Die Schwenkung des Kaisers auf die Seite seiner tcrritorialfürstlichen Widersacher, die sich daraus ergab, sollte dem Weifen zum Verhängnis werden. Als Friedrich Ende 1178 auf die Klage von Heinrichs Gegnern hin gegen ihn den Prozeß eröffnete, setzte der Herzog, der die Absicht der Schädigung spürte und davon die Erschütterung seines ganzen, auf der Furcht vor ihm beruhenden Machtsystems befürchtete, dem Gerichtsverfahren hartnäckigen Trotz entgegen und ließ es in Überschätzung seiner Stärke auf eine Machtprobe ankommen. So endete der landrechtliche Prozeß mit dem durch die Kontumaz begründeten Achtspruche. Als Heinrich gleichwohl seine friedenstörenden Übergriffe fortsetzte, wartete der Kaiser nicht erst die nach Jahresfrist eintretende Oberacht ab, sondern lud den Weifen, um über dessen Reichslehen rasch und unumstößlich verfügen zu können, unter Anklage der Felonie vor sein Lehnsgericht, in dem jener nach abermaliger Versäumnis der Termine im Januar 1180 zu Würzburg ebenfalls wegen Kontumaz zum Verluste seiner Reichslehen verurteilt wurde. Die sogleich vorgenommene Neuverfügung darüber brachte durch Abtrennung eines besonderen, dem Erzbischof Philipp von Köln verliehenen Herzogtums Westfalen von Sachsen und eines Herzogtums Steiermark von Baiern den Prozeß der Stammeszerschlagung zum Abschluß, während die Herzogswürde des zusammengeschrumpften Sachsens, in dem zahlreiche Bistümer, Grafschaften und Städte unmittelbar unter das Reich traten, dem jüngsten Sohne
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VERBANNUNG
Albrechts des Bären, das verkleinerte Baiern Barbarossas treuem Helfer Otto von Wittelsbach erteilt wurde. Das Hauptergebnis war also eine Stärkung des mittleren Territorialfürstentums. Die Eigengüter wurden dem halsstarrigen Weifen erst mit dem Eintreten der Oberacht im Juni 1180 aberkannt. Alles das war nun freilich erst mit Gewalt zu vollziehen. Aber als der Kaiser an der Spitze eines stattlichen Reichsheeres in Sachsen einmarschierte, zwang der allgemeine Abfall seiner Anhänger den Herzog, der sich auch von Dänemark und England im Stich gelassen sah, bald genug, fußfällig die Gnade des kaiserlichen Vetters anzuflehen. Die Befreiung von der Oberacht konnte ihm indes nur noch die Rückgabe der braunschweigisch-lüneburgischen Eigengüter einbringen, auch dies nur unter der Bedingung einer dreijährigen Verbannung, zu der er sich an den Hof seines Schwiegervaters nach der Normandie wandte. Die Mattsetzung des weitgefurchteten Herzogs durch juristische, politische und strategische Schachzüge war eine Meisterleistung des Kaisers, die sein Ansehen in der Welt mächtig emporschnellen ließ. Teilte er die Früchte des Sieges mit dem Territorialfürstentum, so konnte er damals wohl noch mit Recht hoffen, mit dieser bunten, spaltbaren Masse, durch deren straffe Eingliederung in den feudalen Aufbau sich bald eine neue lehnsrechtliche Bestimmung des Reichsfurstenstandes herausbildete, eher fertig zu werden als mit der umfassenden, unnachgiebigen Weifenmacht. Aus der Rückschau späterer Zeiten freilich wird man diese Niederwerfung Heinrichs des Löwen, die den Keim künftigen Zwiespalts in sich barg, stets mit gemischten Gefühlen betrachten und bedauern, daß es zum Konflikt dieser starken deutschen Vormacht des Ostens mit der staufischen Reichsgewalt kommen mußte, wenn man auch irgend etwas, das nach dem kleindeutschen Programm des 19. Jahrhunderts schmeckt, in die Weifenpolitik jener Tage nicht hineintragen darf. Der bedeutende Einfluß, den Heinrich auf die benachbarte Slawenwelt geübt hatte, ging durch seinen Sturz an das emporsteigende dänische Königtum verloren. Nach Waldemars I. Tode (1182) wies Knut VI., dem Absalon von Lund weiter zur Seite stand, die kaiserliche Aufforderung zur Lehnshuldigung kühl zurück und begann seine Herrschaft an der pommerschen und bald auch mecklenburgischen Küste als „König der Slawen" auszubreiten. Barbarossa hat es da an Gegenbemühungen nicht ganz fehlen lassen; jedoch im Strome der großen Weltpolitik konnte er auf die Dauer diesen nordöstlichen Grenzgebieten nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Noch war ja ein endgültiger Friede mit den Lombarden nicht geschlossen. Einen nochmaligen Waffengang zu wagen, waren sie freilich, als man dem
FRIEDE ΜΓΓ DEN LOMBARDEN
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Ende des Stillstands entgegensah, nicht in der Lage. So ging aus neuen Unterhandlungen der Konstanzer Friede von 1183 hervor. Er brachte den Lombarden Anerkennung ihres Bundes, freie Konsulnwahl und Überlassung der Regalien innerhalb der Stadtmauern, während im Gebiete die durch Schiedsgericht als kaiserlich erwiesenen Rechte durch jährliche Entrichtimg einer Pauschalsumme abgelöst werden konnten. Dem Kaiser dagegen blieb vorbehalten: die Investitur der Konsuln, der Untertaneneid der Bürger, die Appellationsinstanz fur wichtigere Gerichtssachen und die Heersteuer des Fodrums. Dazu gewann er eine hohe einmalige Friedenszahlung, die nun in „Caesarea" umgetaufte Bundesfeste Alessandria und die Verpflichtung der Vertragsgegner, ihm bei der Wiedergewinnung und Erhaltung seiner Rechte und Besitzungen in der Lombardei tatkräftige Hilfe zu leisten. Gegen das zentralistische Beamtenregiment Rainalds von Dassel hatten damit die Lombarden ihre Selbstverwaltung und freie Wirtschaftsentwicklung siegreich behauptet, denn jene kaiserlichen Vorbehalte waren nur zum Teil von praktischem Wert. Aber auf die volle Durchführung der ronkalischen Beschlüsse hatte Friedrich ja längst verzichtet und für den Sonderfrieden schon 1175 den Lombarden mehr geboten, als sie jetzt erhielten. Für die Frage der Beherrschung Italiens aber waren die Zugeständnisse des Konstanzer Friedens keineswegs entscheidend. Durch innere Spaltungen geschwächt, von den stauiischen Stützpunkten der mathildischen Güter durchsetzt, von den wesentlich kaiserlichen Gebieten Piemonts und der Romagna in die Mitte genommen, bot die befriedete Lombardei trotz der errungenen Selbstverwaltung für die Herstellung des italischen Reichsregiments kein unbedingtes Hindernis mehr. Es ergab sich nur eine Verschiebimg von deren Schwerpunkt nach Mittelitalien, wo nun mit einer neuen Organisation des kaiserlichen Beamtenregiments durch Bildung größerer Verwaltungssprengel begonnen wurde. Von dort aus richteten sich die Hoffnungen bald noch weiter nach Süden. So konnte Barbarossa den Konstanzer Vertrag, wenn er auch eine Liquidation undurchführbarer Bestrebungen in sich Schloß, doch als eine Grundlage für weiteren Aufstieg betrachten. Eine niedergedrückte Stimmung war es denn auch gewiß nicht, die am nächsten Pfingstfeste (1184) die glänzende Festversammlung in Mainz erfüllte, wo mit der Schwertleite der beiden ältesten Söhne des Kaisers eine gewaltige Heerschau der deutschen Ritterschaft verbunden wurde. Zugleich aber war dies Fest, zu dem sich Zehntausende von Gästen zusammenfanden, für Deutschland der weithin sichtbare Durchbruchspunkt einer neuen Kulturströmung. Der Händedruck, den dort der Troubadour Herr Guiot von Provins
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MAINZER PFINGSTFEST 1 1 8 4
und der niederrheinische Dichter Heinrich von Veldeke miteinander austauschten, versinnbildlichte das Hineinfluten der höfischen Dichtung Frankreichs in das Reichsgebiet. Während man weiter östlich, an den Weifenhöfen von Regensburg und Braunschweig in „Kaiserchronik" und „Rolandslied" sowie in den Spielmannsepen von „König Rother" und „Herzog Ernst" an der altertümlicheren, herberen und unverwelschten Dichtungsweise festgehalten hatte, öffnete sich nun unter staufischer Führung der Westen der feineren und formvollendeteren französischen Art. Wenn später Meister Gottfried von Straßburg Veldeke, den Epiker der „Eneit" und Lyriker zarter Minnelieder, rühmte, er habe „das erste Reis in deutscher Zunge geimpft, von welchem die Äste entsprangen und die Blüten sich entfalteten, daraus die Meister die Kunst schöner Erfindung gewannen", so war es in der Tat ein Einimpfen oder Aufpfropfen veredelter Kunst auf gröberen deutschen Stamm. Bald aber wurde das fremde Reis mit urwüchsigen Säften erfüllt, und die anfänglich mehr formale Nachahmung wandelte sich zur Neuschöpfung. Dazu bildete dieser Frühling des deutschen Minnesanges den Auftakt. Mit romantischem Schimmer verklärte er das greise Haupt des Kaisers, der sich auf jenem „Feste ohne gleichen" noch als rüstiger Sechziger in das Getümmel des Riesenturniers stürzte und von den anwesenden Dichtern einem König Artus, Alexander und Caesar verglichen wurde. Die Hauptfrage der nächsten Zukunft war, ob es gelingen würde, die neue Italienpolitik ohne einen zweiten Bruch mit dem Papsttum zur Durchführung zu bringen. Dafür war wesentlich, daß an der Kurie nach der langen politischen Spannung eine merkliche Erschlaffung eingetreten war, daß nunmehr Fragen des innerkirchlichen Lebens: Herstellung von Zucht und Sitte, Abwehr der Ketzerei, Unterstützung des Heiligen Landes, im Vordergrunde standen und das von Parteien zerrissene Kardinalskollegium, das in Scheu vor großen Aktionen lieber vorsichtig lavierte und baldige Wiederholung der Wahl wünschte, jeweils die ältesten seiner Mitglieder zu Päpsten erhob. So war gleich der Zisterzienser Lucius III. (1181-1185), ein sittenreiner Greis von wohlwollender und friedfertiger Gesinnung, nicht der Mann, den Wünschen des Kaisers schroff entgegenzutreten. Wenn gleichwohl keine Verständigung über die noch bestehenden Streitfragen erreicht wurde, so lag das daran, daß Friedrich unweigerlich entschlossen war, die strategisch und wirtschaftlich wichtigsten Gebiete des mathildischen Gutes niemals herauszugeben, seine zum Teil weitgehenden Entschädigungsangebote dafür aber auf den Widerstand weniger vielleicht des Papstes als einer starken Kardinalsopposition stießen. Der Kaiser, der ja die Güter einstweilen in der Hand
SIZILIEN UND ΒΥΖΛΝΖ
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hatte, war da freilich in der vorteilhafteren Lage und konnte eher warten. Immerhin wäre auch er mit dem befreundeten Papste gern zur Bereinigung aller Streitpunkte gekommen. Wichtiger noch als die Regelung einer Doppelwahl im Erzbistum Trier war für ihn der Wunsch, seinen Sohn Heinrich schon zu seinen Lebzeiten zum Kaiser gekrönt zu sehen, damit bei seinem Tode jede Störung der Gesamtnachfolge vermieden würde. So kam es im Herbst 1184 unter zahlreicher Fürstenbeteiligung zu einer persönlichen Zusammenkunft von Papst und Kaiser in Verona. Den Bedürfnissen der Kurie erwies Friedrich dort Entgegenkommen, indem er für die Bekämpfung ketzerischer Sekten ein Zusammenwirken der kaiserlichen Acht mit dem päpstlichen Banne zusagte, den Plan eines neuen Kreuzzugs erwog und der auf englische Vermittlung zurückgehenden Verwendung des Papstes sogar die Heimkehr Heinrichs des Löwen nach Deutschland einräumte. Trotzdem wurde für die Besitzstreitigkeiten eine Lösung nicht gefunden, und auch die Kaiserkrönung des Thronfolgers vermochte Lucius III. gegen den Widerstand der Kardinäle nicht durchzusetzen. Kurz nach dem Schluß der Veroneser Verhandlungen dürfte sich dieser Zwiespalt im Schöße der Kurie noch verschärft haben. Zum Friedensprogramm des Papstes gehörte auch die Erzielung eines endgültigen Einverständnisses zwischen dem Reiche und Sizilien; er scheint dabei Vermittlerdienste geleistet zu haben. Nachdem schon der langjährige Waffenstillstand eine tatsächliche Anerkennung des wegen der verletzten kaiserlichen Oberlehnsrechte früher bestrittenen normannischen Königreiches in sich geschlossen hatte, war jene Aufgabe nicht mehr schwer. Denn die sizilische Politik, die an dem Drucke auf Reichsitalien nun kein Interesse mehr hatte, war in neuer Schwenkung zu den alten überseeischen Zielen Guiscards und Rogers II. zurückgekehrt. Zuerst wandte man sich gegen Ägypten, dann, als nachdem Tode Kaiser Manuels (1180) die Folgen seiner Kraftüberspannung in äußeren Verlusten, inneren Wirren und lateinerfeindlichen Reaktionen zutage traten, auch gegen das verfallende Byzanz, indem man gegen den letzten Komnenen den abenteuernden und grausamen Usurpator Andronikos (1183—1185), einen unechten Prätendenten, ausspielte. An sich war diese Wiederaufnahme der überseeischen Ziele verständlich, die aufgewandten Flottenkräfte nicht gering und der Anfangserfolg, die Eroberung von Saloniki (1185), für Byzanz bedrohlich genug, so daß dort in neuer Thronumwälzung Andronikos durch Isaak Angelos ersetzt wurde. Indessen König Wilhelm II. hatte mit seinen großen Vorfahren nur den ausgreifenden Ehrgeiz gemein. Persönlich unkriegerisch, ruheliebend und ohne die despotischen Schroffheiten früherer
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VERLOBUNG HEINRICHS MIT KONSTANZE
Herrscher, darum auch bei Adel und Volk als „der Gute" beliebt und von der Kirche schon als Erbauer des mit glänzendster Pracht ausgestatteten Domes von Monreale geschätzt, war er nicht der Mann zur Durchführung großer Eroberungen. So ist denn der mit ausschweifenden Hoffnungen eröffnete und mehrere Jahre bis 1189 fortgeführte Krieg gegen das morsche Byzanz schließlich doch im Sande verlaufen. Begreiflich nun aber, daß man in den Vorbereitungen dazu eine sichere Flankendeckung gegen Norden wünschte und darum einem Friedensschluß und Bündnis mit Barbarossa geneigt war. Ein solcher Vertrag zweier Staaten pflegte in damaliger Zeit durch verwandtschaftliche Verbindung der Höfe bekräftigt zu werden. Das war in diesem Falle nicht leicht, weil die normannische Dynastie auf wenigen Augen stand; für eine Heirat mit dem von Friedrich vorgeschlagenen erst achtzehnjährigen Thronfolger Heinrich kam nur die nachgeborene, nahezu dreißig Jahre alte Tochter König Rogers II. namens. Konstanze in Betracht. Trotz des Altersunterschiedes wurde diese Verlobung vollzogen, und als Vermittler scheint Lucius III. dabei mitgewirkt zu haben. Sicherlich vom Standpunkt des politischen Papsttums aus ein höchst gefährlicher Schritt, denn die bereits mehrjährige Ehe Wilhelms II. mit der freilich jungen englischen Prinzessin war noch nicht mit Kindern gesegnet; bis das etwa geschah, war Konstanze als Erbin des sizilischen Reiches anerkannt. Mochte dieser Anspruch unsicher sein und voraussichtlich auf lange Zeit hin noch nicht in Frage kommen, so ist es doch schwer denkbar, daß ein Friedrich Barbarossa ihn nicht sehr ernstlich sollte in Rechnung gestellt haben. Wenn das Glück dem staufischen Hause hold war, so mochte einmal auf diesem friedlichen und rechtlich unanfechtbaren Wege das normannische Südreich dem Imperium angegliedert und die seit Karl dem Großen oft erstrebte, aber mit kriegerischen Mitteln nie erreichte Beherrschung Gesamtitaliens zur Tatsache werden. Welche Kraftsteigerung dann, wenn durch Finanzwesen und Flotte dieses straff organisierten Mittelmeerstaates gerade die am schmerzlichsten empfundenen Lücken in der Machtstellung des Reiches ausgefüllt wurden! Das waren Aussichten, die kein Staatsmann, und am wenigsten Barbarossa, der in seiner kaiserlichen Stellung mit einer umsichtigen Territorialpolitik stets auch weitblickende universale Berechnungen zu verbinden wußte, hätte in den Wind schlagen mögen. Als einer der glänzendsten Erfolge seiner Machtpolitik ist denn auch dieser Schachzug schon von den Zeitgenossen gewürdigt worden. Wir Rückblickenden können freilich vom nationalen Standpunkt in dieser Kombination nur ein Verhängnis sehen. War eine Zusammenfassung so verschiedengearteter und entfernter Länder wie Norddeutschland und Sizilien in einer
URBAN ΠΙ.
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Hand auf die Dauer überhaupt möglich? Mußte nicht das Zentnergewicht, das damit auf die transalpine Waagschale des Reiches gesetzt wurde, sie völlig zuungunsten Deutschlands herabdrücken, und zwar zu einem Zeitpunkte, wo ein zielbewußter Ausbau der deutschen Königsmacht noch durchaus möglich gewesen wäre? Und wurde dann nicht das umklammerte Papsttum in Todfeindschaft getrieben ? Hat Lucius III. wirklich diese Gefahr unterschätzt, so scheint man sie im Kardinalskollegium im vollen Umfang gewürdigt zu haben, und es war doch wohl ein Protest gegen die vertrauensselige Friedenspolitik jenes Zisterzienserpapstes, daß nach seinem baldigen Tode eine Mehrheit die Wahl auf Urban III. (1185-1187) lenkte. Denn dieser Erzbischof von Mailand, begabt und hoch gebildet, aber starr und leidenschaftlich, mußte den Kardinälen als schroffer Gegner der kaiserlichen Politik bekannt sein. Er hat denn auch noch einmal einen Strauß mit Barbarossa gewagt, um freilich bald genug erfahren zu müssen, daß die Kurie dessen gefesteter Macht in keiner Weise mehr gewachsen war. Mit Friedrichs erneutem Hinübergreifen über die Alpen hatte inzwischen die letzte Phase seiner Italienpolitik begonnen. In der Lombardei gelang es ihm durch geschickte Spaltungspolitik, Mailand jetzt ganz auf seine Seite zu bringen. Eben hier wurde im Januar 1186 die Vermählung Heinrichs VI. prunkvoll gefeiert. Seine Krönung durch den Patriarchen von Aquileja, der an Stelle des Mailänder Erzbischofs trat, symbolisierte die Übernahme der italischen Herrschaft, seine Begrüßung als „Caesar", in der die universalistische Steigerung des staufischen Kaisergedankens jener Tage zum Ausdruck kam, erschien als Ersatz für die noch versagte päpstliche Kaiserkrönung. Erzbischof und Papst konnten sich in gleicher Weise verletzt fühlen; beide aber waren damals ein und dieselbe Person. War nach dem allen die persönliche und sachliche Gegnerschaft Urbans III. begreiflich genug, so verriet die Art, wie er den Streit vom Zaun brach, indem er rücksichtslos in die Trierer Doppelwahl eingriff und den vom Kaiser bekämpften Kandidaten zum Erzbischof weihte, doch einen bedenklichen Mangel an Augenmaß. Denn Barbarossa, der eben seine mittelitalische Herrschaft neu befestigte und über Tuszien vorschob, ließ von da durch König Heinrich kurzerhand den Kirchenstaat besetzen, zwang Cremona, auf das Urban rechnete, zu demütiger Unterwerfung und eilte dann über die Alpen, um den durch Abfall des wesentlich territorialpolitisch bestimmten Erzbischofs Philipp von Köln bedrohlich anwachsenden Einwirkungen des Papstes auf die deutsche Kirche entgegenzutreten. Der dortige Episkopat indes in seiner überwältigenden Mehrheit wollte keinen neuen Kampf. Auf dem Reichstage
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SEEG DES KAISERS
von Gelnhausen (1186) scharte er sich mitsamt den weltlichen Fürsten um den greisen Herrscher, billigte seine überzeugenden Darlegungen und mahnte den Papst durch ein Sendschreiben nachdrücklich zum Nachgeben und Frieden. Je aufrichtiger die kirchliche Gesinnung der Versammelten, je maßvoller ihre Sprache, desto vernichtender die moralische Niederlage der Kurie. Urban, der sich in Verona völlig mattgesetzt sah, sollte sie nicht lange überleben. Durch seine Ohnmacht und wohl auch durch den Druck der gründlich umgestimmten Kardinalsmehrheit zum Einlenken gezwungen, aber bis zuletzt von widerstreitenden Gefühlen zerrissen und persönlich anscheinend zu dem äußersten, der Bannung des Kaisers, geneigt, ist er kaum ein Jahr nach dem Gelnhausener Tage gestorben. Zu der Überzeugung von der Notwendigkeit eines Ausgleichs mit dem kaiserlichen Hofe trat nun noch die alles beherrschende Rücksicht auf die orientalischen Verhältnisse, die den Fall des bedrohten Jerusalems von Tag zu Tag erwarten ließen, und forderte auch ihrerseits gebieterisch die Eintracht zwischen den Häuptern der Christenheit. Von den beiden kaiserfreundlichen Männern, die unter solchen Eindrücken kurz nacheinander zu Päpsten erhoben wurden, hat der frühere Kanzler Gregor VIII. das bereits eingeleitete Friedenswerk fortgeführt, der Römer Klemens III. es vollendet. Es bedeutete einen Sieg Friedrichs auf der ganzen Linie. Die Anordnung einer vollkommenen Neuwahl in Trier entsprach seinem Vorschlage, Heinrichs Kaiserkrönung wurde in sichere Aussicht gestellt, wogegen Friedrich die Rückkehr des Papstes nach Rom ermöglichte und die Herausgabe des Kirchenstaates, jedoch unter Vorbehalt etwaiger Reichsrechte, zusagte. Die sonstigen Territorialstreitigkeiten blieben nach wie vor in der Schwebe, was für den Kaiser den fortdauernden Besitz der mathildischen Güter bedeutete. Die lombardischen Zugeständnisse hatten also nicht verhindert, daß Reichsitalien völlig unter dem Drucke seiner Herrschaft lag, dem sich auch das Papsttum fügen mußte. Wie hätte angesichts dieser Entwicklung der Kölner Erzbischof weiteren Widerstand wagen sollen? Von Barbarossa durch kluge Schachzüge isoliert und durch ein Rechtsverfahren mit dem Schicksal Heinrichs des Löwen bedroht, sicherte er sich noch in letzter Stunde durch Unterwerfung unter die Gnade des Kaisers, Reinigungseid und Bußzahlung seine Stellung. Damals aber, im Frühjahr 1188, wurden solche Einzelschicksale bereits überflutet von der gewaltigen neuen Kreuzzugsbewegung, die alles mit sich fortriß. Die Ereignisse im Orient, die zum Verlust Jerusalems führten, hatten sich von langer Hand her vorbereitet und ohne allzu enge Verflechtung mit den abendländischen Geschicken vollzogen.
SALADIN
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Die Eroberungs- und Behauptungsmöglichkeit im Orient beruhte für die Lateiner, wie man sich erinnert, von vornherein nur auf der Spaltung der mohammedanischen Welt in das abbasidisch-sunnitische Kalifat von Bagdad und das fatimidisch-schiitische von Kairo. Die Zersplitterung des syrischen Hinterlandes in halbselbständige Emirate war noch hinzugekommen. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts hatte jedoch die Machtzusammenfassung unter den Atabegen von Mossul das Gleichgewicht zuungunsten Ägyptens verschoben. Und indem nun das Kalifat von Kairo mehr und mehr in Schwäche verfiel, tauchte für die Lateiner die Frage auf, ob sie es zur Erhaltung jenes Zwiespaltes stützen oder gar sich selbst dort festsetzen sollten. König Amalrich I. von Jerusalem (1162— 1173) hat, indem er in den Streit zweier rivalisierender Wesire eingriff, abwechselnd beides versucht. Er selbst, trotz seiner Korpulenz beweglich und unternehmungslustig, auch theologisch interessiert und geistig so selbständig, daß er gelegentlich Zweifel an der Unsterblichkeit der Seele äußerte, verbündet meist mit dem stets abenteuernden Kaiser Manuel, dessen Großnichte er zur Frau nahm, richtete als früherer Graf von Askalon sein Augenmerk mehr auf den Süden als auf den Osten. Seine wiederholten Vorstöße gegen Ägypten mochten zunächst, was sich allenfalls rechtfertigen ließ, nur darauf zielen, das morsche Gebälk des dortigen Kalifates gegen eine tributartige Entschädigung zu stützen; bald aber scheint er sich doch auch dem Wahne hingegeben zu haben, ohne nennenswerte Hilfe des durch Schisma und Canterburystreit zerrissenen Abendlandes mit seiner geringen Ritterschar, die knapp zur Verteidigung des Heiligen Landes ausreichte, auch noch dies weite Reich einnehmen und beherrschen zu können. Er hat dadurch nur der verhängnisvollen Vereinigung Ägyptens mit Syrien, die man verhindern wollte, Vorschub geleistet. Denn der auf ägyptisches Hilfsgesuch zuerst 1164 von dem Atabegen Nureddin dorthin gesandte Kurdenführer Schirkuh, iranisch-indogermanischer Abstammung, hat das bewußt verfolgte Ziel, sich selbst zum tatsächlichen Beherrscher des Landes zu machen, nach manchen Wechselfällen noch kurz vor seinem Tode 1169 erreicht, während die Lateiner trotz aller Anstrengungen leer ausgingen. Nach zwei weiteren Jahren hat dann Schirkuhs Neffe und Nachfolger Saladin den Tod des fatimidischen Kalifen benutzt, um den formellen Anschluß an das sunnitische Kalifat von Bagdad zu vollziehen. Noch erkannte er Nureddin, obschon mit wachsender Spannung der beiderseitigen Beziehungen, als seinen Oberherrn an, und solange dieser persönliche Dualismus andauerte, hatten die Lateiner eine unmittelbare Gefahr aus der Umklammerung noch nicht zu befürchten. Als jedoch Nureddin 1174 starb, gewann Saladin dessen
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NIEDERGANG DES KÖNIGREICHS JERUSALEM
unmündigem Sohne zuerst Damaskus ab und hat in dem folgenden Jahrzehnt bis zur Einnahme von Aleppo (1183) die gesamte Erbschaft des Atabegen einschließlich Mesopotamiens in seine Hand gebracht. Nun war er als Sultan dieser weiten Gebiete trotz der fortbestehenden lockeren Abhängigkeit von Bagdad der mächtigste und unabhängigste Fürst der gesamten mohammedanischen Welt geworden, der die syrischen Kolonien der Christen nicht nur vom Lande her umschlossen hielt, sondern auch ihre Seeverbindung mit dem Mutterlande vom Nildelta her jederzeit gefährden konnte. Und dieser weitblickende Herrscher und bedeutende Feldherr war bei aller vornehm-freien und unter Umständen auch duldsamen Großzügigkeit seiner Gesinnung doch ein strenggläubiger Moslem, der selbst im Felde seinen Koran las, die Fasten beobachtete und ein Kleid von harter Wolle trug. Sobald er in langer und mühevoller Vorbereitung alle islamische Kräfte des näheren Orients in seiner Hand vereinigt hatte, kannte er kein höheres Lebensziel, als die Schmach des ersten Kreuzzuges zu tilgen und die Christen insgesamt von den syrischen Küsten zu vertreiben. Deren an sich schon schier verzweifelte Lage wurde noch verschlimmert durch die inneren Wirren, die seit dem Tode Amalrichs (1173) das Heilige Land zerklüfteten. Es zeigte sich jetzt, wie gefährlich für das jerusalemitanische Reich, das eines tatkräftigen obersten Kriegsherrn auch nicht einen Augenblick entbehren konnte, die volle, für das Königtum Gewohnheitsrecht gewordene Erbfolge war, die sich selbst auf Weiber erstreckte, Amalrichs dreizehnjähriger Sohn Balduin IV., den die Krankheit des Aussatzes verzehrte, konnte selbst im Frieden nie recht herrschen, geschweige denn im Kriege anführen. Wer aber der eigentliche Regent sein sollte, darüber begann unter den ehrgeizigen Großen ein erbittertes Ringen, das uns der königliche Kanzler Wilhelm, der 1175 Erzbischof von Tyrus wurde, einer der bedeutendsten Geschichtschreiber des Mittelalters, in seiner schon auf Anregung Amalrichs begonnenen und in dreiundzwanzig Büchern bis 1183 geführten „Historie von den überseeischen Geschehnissen" höchst lebendig geschildert hat. Der einsichtsvollste dieser Barone, Raimund II. von Tripolis, suchte in Hoffnung auf abendländische Hilfe, die schon auf dem Laterankonzil erfleht und zugesagt, aber immer wieder verzögert wurde, die drohende Katastrophe wiederholt durch Stillstand mit Saladin und 1185 sogar durch einen vierjährigen Tributfrieden hinauszuzögern. Eben dadurch jedoch machte er sich bei seinen Rivalen wie Rainald von Chitillon, der in tollkühn-romantischen Vorstößen (einmal gar auf dem Roten Meere gegen Mekka und Medina, um womöglich den Leichnam des Propheten zu rauben) alle politische Vorsicht über den
SCHRECKENSNACHRICHTEN
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Haufen zu werfen pflegte, nur der Verräterei verdächtig. Als bald nach dem Tode Balduins IV. (1185) auch sein fünfjähriges Söhnchen Balduin V. verschied (1186), forderte und gewann seine Schwester Sibylle die Krone fur ihren Gatten, den französischen Ritter Veit von Lusignan, der schon als Regent gezeigt hatte, daß er für die Königsrolle wenig geeignet war. Indem der umsichtigere Raimund von Tripolis verdrängt und bekämpft, zeitweilig gar zur Verbindung mit Saladin getrieben wurde, brachte Chätillon durch einen friedbrechenden Uberfall auf eine die Schwester Saladins geleitende Karawane geradezu mutwillig das dräuende Verderben zur Entladung. Saladin ließ nun den Heiligen Krieg predigen und begann den Generalangriff. Der ritterliche Mut der Lateiner war trotz aller Zuchtlosigkeit noch immer ungeschwächt, auch die Einigkeit selbst mit Raimund stellte sich angesichts der überwältigenden Gefahr noch einmal notdürftig her. Aber dessen Rat, in der Defensive zu verharren, wurde mißachtet, und der durch Hitze und Wassermangel beeinträchtigte Vorstoß führte bei Hittin unweit des Sees Genezareth zur vernichtenden Niederlage (1187): das Ritterheer großenteils niedergemetzelt, der König gefangen, die in die Hand der Feinde gefallenen Templer und Johanniter hingerichtet, Chätillon von Saladin eigenhändig erschlagen, das Heilige Kreuz eine Beute der Ungläubigen. Weiter aber das Land nach Vernichtung der Ritterschaft nahezu wehrlos, eine Feste nach der anderen von den Christen gegen freien Abzug überliefert, selbst die Küstenstädte bis auf Tyrus, Tripolis und Antiochia verloren, Jerusalem, eine heilige Stadt auch der Mohammedaner, nun mit ähnlicher Begeisterung, wie 1099 von den Kreuzfahrern, noch vor Ende des Jahres zurückerobert, wenn auch nicht wie damals in Blut getaucht, der Tempel Salomos wieder verwandelt in die Moschee. Dies waren die Schreckensnachrichten, die bald Europa erreichten und noch einmal neben tiefster Trauer gesteigerten Opfermut erzeugten. Wenn nicht der letzte Fußbreit christlicher Besitzungen dort drüben verloren gehen sollte, so mußte jetzt endlich Ernst gemacht werden mit der längst versprochenen Hilfe. Eben diese Bewegung aber enthüllte den Zeitenwandel, der sich seit der Mitte des Jahrhunderts vollzogen hatte. Weder das geschwächte Papsttum noch eine religiöse Erscheinung von der Bedeutung des heiligen Bernhard beherrschte das Unternehmen, sondern die Führung fiel ausschließlich den weltlichen Monarchen zu. Daß aber unter ihnen neben dem Kaiser die Könige von Frankreich und England wenigstens zunächst stark in den Hintergrund traten, erklärt sich neben dem persönlichen Ansehen Barbarossas auch aus den Spannungen und Kämpfen, die letzthin den Westen
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PHILIPP II. AUGUST
erfüllt hatten und ebendamals erst ihren vorläufigen Abschluß erreichten. Heinrichs II. Stern war seit dem Ende der siebziger Jahre im Erbleichen. Zwei Dinge, die zusammenwirkten, haben ihm schließlich einen wahrhaft tragischen Untergang gebracht. Das eine war, daß ihm in dem jungen französischen König Philipp II. August, der 1179 noch neben dem altersschwachen Vater, 1180 nach dessen Tode die Regierung in Händen hatte, ein Gegner von ganz anderem Ausmaß entgegentrat. Trotz seiner fünfzehn Jahre hat dieser lebenskräftige und unliterarische, aber frühreife, verstandesklare und willensstarke Jüngling der französischen Politik alsbald ein neues Gepräge gegeben. Recht eigentlich erst mit ihm beginnt der steile Aufstieg des kapetingischen Königtums. Dieser unritterliche Kriegsmann und unromantische Rechner, der, immer auf das Nächste und Mögliche gerichtet, den als richtig erkannten Weg ohne alle Seitensprünge der Leidenschaft, unbeirrt durch sittliche Bedenken, zugreifend und rücksichtslos, gelenkt allein von den Grundsätzen einer kühlen Staatsräson, festen Schrittes voranging und dabei doch von einem nur selten durchbrechenden inneren Feuer getrieben wurde, von dem glühenden Verlangen, seine Monarchie wieder zur einstigen Macht Karls des Großen emporzuheben, war in seiner zusammengepreßten Stoßkraft der insgesamt sicherlich reicheren, aber von hundert Leidenschaften zermürbten Natur des alternden Heinrich und seiner umfassenderen, aber auch verwundbareren Machtstellung je länger, desto mehr überlegen. Dabei hat der Plantagenet diesen Knaben anfangs kaum richtig eingeschätzt und ihm Zeit gelassen, in einem fünfjährigen inneren Kampfe sich einer höchst gefährlichen Erhebung des Hochadels unter Führung von Flandern, Champagne und Burgund siegreich zu erwehren und den Kronbesitz über Artois und Vermandois auszudehnen. Bald genug sollte Heinrich dann freilich die feindseligen Machenschaften seines Gegners in den Empörungen seiner Söhne zu spüren bekommen, und diese Familientragödie war das andere, was ihn zugrunde gerichtet hat. In einem seiner Schlösser hat er einmal einen Adler mit vier auf ihm sitzenden Jungen malen lassen, von denen eines dem Alten die Augen auspickt. So geschah es ihm nun nacheinander mit seinen vier Söhnen. Der älteste, Heinrich, in Zwist mit seinem Bruder Richard und wie die aquitanischen Barone gegen diesen aufgehetzt von dem fehdegierigen Troubadour Bertran de Born, der dafür in Dantes Hölle büßt, starb im Widerstreit gegen den eingreifenden Vater schon 1183. Der zweite, Gottfried von der Bretagne, trat mit König Philipp in Verbindung, wurde jedoch im Beginn seiner Auflehnung 1186 gleichfalls vom Tode hingerafft. Die entscheidenden Kämpfe begannen seit
RICHARD LÖWENHBRZ
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1187, als es dem französischen König, der sich durch ein Bündnis mit Barbarossa stärkte, gelang, den dritten Sohn, Richard Löwenherz, in seine Netze zu ziehen. Angriff, Verheerung, Eroberung, Verhandlung, Stillstand, Frieden und Friedensbruch folgten einander in buntem Wechsel. Dazwischen die einsetzende Orientbewegung, Kreuznahme zuerst Richards, dann der zwei Könige, die aber beide nicht ernstlich an die mit ihren näheren Regierungspflichten unvereinbare Ausführung dachten, wirkungslose Friedensgebote des Papstes, sogar schroffste Zurückweisung der Interdiktandrohung des Legaten durch Philipp als ungehörige Einmischung in die Rechtshändel eines Lehnsherrn mit seinem Vasallen. Wenn stets Heinrich es war, der kriegerischen Entscheidungen auswich, immer wieder in Ausgleichsverhandlungen einlenkte und sich selbst zu schwächlichen Zugeständnissen bereit fand, so wirkten dabei weichere Vatergefühle, die er trotz karger und mißtrauischer Behandlung der Söhne besaß, mit schwerem Siechtum zusammen. Eben durch seine Krankheit wurde er schließlich, als Philipp in seine väterlichen Erblande Maine und Touraine eindrang, am Entweichen gehindert und zu demütigendem Frieden gezwungen. Leidenschaftliche Äußerungen ohnmächtigen Hasses und verzweifelter Auflehnung gegen sein Schicksal werden von Heinrich bis in seine letzten Tage hinein berichtet. In den Worten beim Verlust seiner Geburtsstadt Le Mans: „Nun wolle er sich an Gott selbst rächen und das in sich vernichten, was der am meisten an ihm schätze" erreichen sie eine grandiose Höhe, zeigen aber auch, was vor allem diesem wilden Geschlecht der Plantagenets den Niedergang gebracht hat. Daß die Liste der mit seinem Feinde verräterisch verbundenen Großen, die er bei seiner Unterwerfung von Philipp gefordert hatte, mit dem Namen auch noch seines jüngsten und am meisten geliebten Sohnes Johann begann, gab dem Schwerkranken den Todesstreich (1189). In die beim Friedensschluß von beiden Herrschern übernommene Verpflichtung, um Mittfasten 1190 von V6zelay aus gemeinsam zum Kreuzzuge aufzubrechen, rückte nun der Thronfolger Richard ein. Indessen, wie viel Zeit war in diesem widrigen Streit verloren, und wie wenig echte Kreuzzugsstimmung hatte darin aufkommen können! Längst war damals schon Barbarossa, der um so mehr als der eigentliche Hauptführer des großen Unternehmens erschien, auf dem Marsche nach dem Heiligen Lande. Bereits auf dem „Hoftage Christi" zu Mainz (im Frühjahr 1188), auf dem der Thronsessel für Christus selbst frei gelassen wurde, hatte er mit seinem Ältesten, dem Herzog von Schwaben, das Kreuz genommen und viele Fürsten und Edle zur Nacheiferung entflammt. Zweifellos erblickte er in aufrichtig religiöser An-
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BARBAROSSA NIMMT DAS KREUZ
teilnähme in der Aufgabe, das Heilige Grab zu befreien, die Krönung seines ganzen Lebenswerkes. Damit verband sich jedoch auch die universalpolitische Uberzeugung, daß dem Imperium diese leitende Stelle in einer so gemeineuropäischen Angelegenheit zurückzugewinnen sei und der erhoffte Erfolg sein Ansehen in der ganzen Welt unermeßlich steigern müsse. Und er konnte das Reich immerhin beruhigt verlassen, denn er durfte zu seinem Nachfolger und Vertreter vollstes Vertrauen haben und glaubte eben durch seine Kreuzfahrt, zu deren Gunsten sich Heinrich der Löwe noch einmal zu einer dreijährigen Verbannung verpflichtete, den Frieden daheim weiterhin zu sichern. Wenn man auch diesmal trotz unseliger Erfahrungen den Landweg wählte, so mochte dabei die Besorgnis mitwirken, daß bis zur Ankunft der letzte Küstenplatz verloren gegangen sein könne. Als ein Fehler erwies es sich gleichwohl. Immerhin war die politische Vorbereitung und militärische Organisation unvergleichlich umsichtiger als in den Tagen des zweiten Kreuzzuges. Die gewaltigen Hindernisse aber, die für Durchmarsch und Verpflegung der Heeresmassen aus der Vertragsbrüchigkeit der fremden Fürsten dann doch erwuchsen, wurden durch die Tatkraft des Herrschers schließlich überwunden. Sie häuften sich zuerst im griechischen Reiche, wo ihm das von Mißtrauen bis zu offener Feindseligkeit gesteigerte Verhalten des Kaisers Isaak Angelos, der am Ende gar mit Saladin in Verbindung trat, wohl die Versuchung nahelegen konnte, dessen wankende Herrschaft in raschem Ansturm über den Haufen zu werfen. Weshalb hätte ihm nicht gelingen sollen, was wenig später den westlichen Baronen des vierten Kreuzzuges ziemlich mühelos zufiel? Friedrich aber zeigte hier sein vielgerühmtes Maßhalten und seine moralische Zuverlässigkeit, als er sich auf ein derart unabsehbares und von der übernommenen Kreuzzugsverpflichtung ablenkendes Unternehmen nicht einließ, das die besten Kräfte der Deutschen noch weiter von den näherliegenden Aufgaben abgetrieben und in eine Welt der Abenteuer hineingeführt haben würde. Sobald der Basileus sich im Vertrage von Adrianopel (Februar 1190) seinen den Durchzug sichernden Mindestforderungen anbequemte, ließ er den Gedanken eines Angriffs auf Konstantinopel fahren. Noch größere Entbehrungen und Verluste erwarteten die Kreuzfahrer im Innern Kleinasiens durch die Angriffe der unbotmäßigen Turkomanen und den Herrschaftswechsel in Ikonium, wo der Sultan Kilidsch Arslan II., mit dem man in Bündnis getreten war, seine Macht an seine feindlicher gesinnten Söhne hatte abgeben müssen. Trotzdem blieb die Spannkraft des geschwächten und erschöpften Heeres durch den anfeuernden Willen seines Führers
TOD IM SALEFH
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stark genug, um nach siegreichem Kampfe Ikonium zu nehmen und den Vertrag zu diktieren, der den Weiterzug sicherte. Schon waren unter neuen Mühen die Gebirge Kilikiens überschritten, schon dehnte sich das christliche Kleinarmenien, dessen Fürst Leo II. von Friedrich die Königskrone erbat, vor den sehnenden Blicken der Kreuzfahrer, da traf sie der härteste von allen Schlägen: ihr kaiserlicher Anfuhrer wurde beim Bade in den kühlen Fluten des Saleph vom Tode ereilt (10 Juni 1190). Für ihn selbst ein würdiges Ende seiner Heldenlaufbahn. Nach den Erfolgen der letzten Jahre, noch im Vollbesitz seiner Kraft, eben im Begriffe, sein Leben an eine große Idee zu setzen, die doch auch er nicht restlos verwirklicht hätte, wurde er jählings und ohne Siechtum dahingerafft. Diese plötzliche Entrückung in der märchenhaften Ferne des Orients umgab sein Haupt mit romantischem Schimmer und hat wesentlich mit dazu beigetragen, daß er in der Sage vom bergentrückten, am Ende aller Tage wiederkehrenden Kaiser in der Neuzeit an die Stelle seines volksfremden Enkels gesetzt wurde. Als der Barbarossa des Kyffhäusers konnte seine Figur so trotz allem Wandel der Ideale noch im 19. Jahrhundert der doch ganz anders gerichteten deutschen Einheitsbewegung antreibend und begeisternd voranleuchten. Für das Schicksal des dritten Kreuzzugs, des letzten, der noch eine universale Angelegenheit des gesamten Abendlandes gewesen ist, insonderheit für den Anteil der Deutschen daran, ist der Tod des Kaisers, dem allein durch Rang und Persönlichkeit eine allgemein anerkannte Führerstellung zugefallen wäre, von entscheidend verhängnisvoller Bedeutung geworden. Schon seit Jahresfrist hatten sich die Reste der lateinischen Ritterschaft unter dem wieder befreiten König Veit festgebissen an der Aufgabe, das stark befestigte Akkon zurückzuerobern. Von dem zum Entsatz herbeieilenden Saladin im Rücken bedrängt, wären sie in eine bedenkliche Lage geraten, wenn ihnen nicht seit Herbst 1189 alle jene kleineren Kreuzfahrerscharen aus Nord- und Mitteldeutschland, Flandern, Dänemark, England, Frankreich und Italien zugeströmt wären, die getrennt von den Heeren der Monarchen zur See herankamen und, soweit sie die Ozeanfahrt um Spanien herum machten, wieder erst, wie beim zweiten Kreuzzuge, in Portugal dem König Sancho I. ihre Dienste zur Eroberung von Silves und anderen maurischen Plätzen im Südwesten der Halbinsel zur Verfügung gestellt hatten. So gewannen die Lateiner immer neue Verstärkung, um gleichzeitig die Belagerung Akkons und die Abwehr Saladins durchführen zu können. Gleichwohl war es sehr zweifelhaft, ob es richtig war, die frische Begeisterung der eintreffenden Kreuzfahrer an dieser endlosen Belagerung abzustumpfen, die sich nicht nur
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ZERSTÖRTE HOFFNUNGBN
durch Kämpfe und Seuchen höchst verlustreich, sondern auch durch nationale und persönliche Rivalitäten — so zwischen dem König und seinem Schwager Konrad von Montferrat — sowie durch die Zuchtlosigkeit des bunten Lagerlebens unerquicklich genug gestaltete. Der Anmarsch Barbarossas hätte trotz der in Kleinasien erfolgten Schwächung seines Heeres die Dinge in Syrien in rascheren Fluß bringen und Entscheidungen im offenen Felde herbeiführen können; denn Saladin, der von der ferneren Welt des Islams kaum Unterstützung erhielt, sah sich dieser neuen Kampfesbegeisterung des gesamten Abendlandes gegenüber mit unzureichenden Heereskräften wesentlich auf sein Feldherrngeschick angewiesen. Indes, der Tod des Kaisers zerstörte solche Hoffnungen. Nur einen Teil des Heeres vermochte Friedrich von Schwaben zusammenzuhalten und weiter durch Armenien und Nordsyrien zu führen, und auch dieser noch erlitt im Gebiet von Antiochia durch unerwartete Überfälle, in der Stadt selbst durch eine ausbrechende Pest die furchtbarsten Verluste, so daß der Herzog nur noch spärliche Trümmer den Belagerern von Akkon zubringen konnte. Dort ist er selbst bald ein Opfer der Lagerseuche geworden. So traten die Deutschen in den weiteren Ereignissen dieses Kreuzzuges ganz entgegen den anfänglichen Aussichten je länger, desto mehr in den Hintergrund, und das einzige Werk, dem eine ruhmvolle Zukunft beschieden war, blieb am Strande vor Akkon jene Hospitalgründung lübischer und bremischer Pilger, aus der später der Deutschritterorden erwuchs. Schon hatte sich die gewaltige Kraftprobe der Belagerung mit manchen Wechselfällen durch anderthalb Jahre hingezogen, als endlich im Frühjahr 1191 das Eintreffen des französischen und englischen Hauptheeres den Kreuzfahrern die Überlegenheit zu sichern schien. Was hatte ihre Herbeikunft so lange verzögert? Der Abmarsch von dem Treffpunkt V6zelay war im Juli 1190 in gutem Einvernehmen erfolgt. Von dort erreichten die beiden Heere getrennt den Abfahrtshafen Messina; denn König Wilhelm II. von Sizilien, der beabsichtigt hatte, sich in Fortsetzung der alten Normannenpolitik an der Kreuzfahrt zu beteiligen, hatte dorthin unter großen Versprechungen emgeladen. Er selbst war jedoch 1189 ganz unerwartet gestorben, und daß er keine Nachkommen hinterließ, drohte das Antlitz Europas umzugestalten; denn nun beanspruchte im Namen seiner Gemahlin Konstanze Heinrich VI. die Nachfolge. Gegen die von ihm zu erwartende Fremdherrschaft erwachte freilich nationalsizilianischer Widerstand und erhob einen außerehelich geborenen Enkel Rogers II., Tankred von Lecce, auf den Thron. Im Gewirr der Parteien, im Ringen mit unzufriedenen Adels-
RICHARD VON ENGLAND
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gruppen, angesichts des von Norden her drohenden deutschen Angriffs war es für den Usurpator nicht leicht, sich zu befestigen. Die Ankunft der beiden Kreuzfahrerheere brachte ihm neue Schwierigkeiten. Nicht nur durch die Sorge für deren Unterhalt und weiteren Transport. Richard setzte sich ungestüm für Freiheit und Geldforderungen seiner Schwester, der verwitweten Königin, ein. Die herrisch-rücksichtslose Art, in der er auch hier als Gebieter auftrat und etwa bei einem nichtigen Streit seiner Leute mit den Bürgern von Messina die Stadt im Sturm nehmen und ausplündern ließ, erschwerte die Beziehungen. Denn dieser schöne, prachtliebende Herrscher, ebensowenig Engländer wie sein Vater, aufgewachsen in der üppigen Kultur Aquitaniens, war zwar ein Ritter von der glänzendsten Bravour, der durch seine kühnen, auch taktisch geschickten Kriegstaten bald genug die Welt mit Bewunderung und Furcht erfüllen sollte, ein Fürst von verschwenderischer Freigebigkeit und nicht ohne eine gewisse Großherzigkeit, aber habgierig, launenhaft, jähzornig und brutal wie sein Vater, von dessen umsichtig aufbauender und arbeitsamer Staatsmannschaft und Verwaltungskunst er doch nichts ererbt hatte. Unerträglich war seine Überheblichkeit auch für seinen französischen Lehnsherrn, dessen nüchtern-zielbewußte Art im Kern so viel mehr bedeutete, aber der Welt weit weniger in die Augen stach. Gereizte Auseinandersetzungen zwischen den beiden entspannen sich an dem neuen Heiratsplane Richards mit einer navarresischen Prinzessin, was eine Preisgabe der mit ihm längst verlobten Schwester des französischen Königs bedeutete. Es bedurfte eines förmlichen Friedensvertrages, um zwischen diesen Kreuzfahrern eine wenigstens äußerliche Verständigung herzustellen. Ein aufrichtiges Bündnis kam dagegen zwischen Richard und Tankred zustande, denn das Interesse des Anglonormannen an der Stützung des Usurpators gegen eine staufische Μ achter Weiterung war doch zu offensichtlich. So war der Winter vergangen, ehe die beiden Könige im Frühjahr 1191 getrennt die Weiterfahrt antraten. Auf ihr gelang Richard durch einen ganz unvorbereiteten Handstreich der für die Lateiner wichtigste Erfolg des gesamten Kreuzzuges. Unfreundliche Behandlung englischer Schiffbrüchiger an der Küste von Zypern führte zum Streit mit dessen Beherrscher, einem Komnenenprinzen Isaak, der sich Kaiser nannte, und zur Einnahme der Insel, die einen wertvollen Rückhalt für die Wiedergewinnung und Behauptung der syrischen Küste bieten konnte. Als Richard von dort bald nach dem französischen König mit seinen wohlausgerüsteten Truppen im Lager vor Akkon erschien, wurde er fast wie der Erlöser selbst willkommen geheißen. In der Tat hat dieser letzte Auftrieb die Kreuzfahrer nach einem weiteren Monat erbitterter Kämpfe an das Ziel der Über-
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HADER DER NATIONEN
gäbe gebracht (12. Juli 1191). Als die schweren Kapitulationsbedingungen für den Abzug der Besatzung, insonderheit die Zahlung von 200 000 Goldstücken von Saladin nicht pünktlich erfüllt wurde, hat Richard die 2600 zurückbehaltenen Geiseln in maßlosem Zorne vor den Toren Akkons niedermetzeln lassen, dadurch aber nur die Wildheit der Kriegführung gesteigert. Und jetzt, wo nicht mehr die gemeinsame Belagerung die Kreuzfahrer vereinte, brachen die schon vorher nur mühsam überbrückten Zwiespältigkeiten mit doppelter Heftigkeit hervor. Philipp von Frankreich ertrug nur noch wenige Wochen das Nebeneinander mit dem anmaßenden und ihn verdunkelnden englischen König. Was bedeuteten ihm diese Pflichten eines Heiligen Krieges neben der Mehrung seiner heimischen Königsmacht, für die es ebendamals die Hinterlassenschaft des verstorbenen Grafen von Flandern einzuziehen galt 1 Nur nach feierlichem Schwur, er wolle Richards Besitzungen wie sein Paris schützen, ließ man ihn heimfahren. Wie ernst es ihm damit war, zeigte sein sogleich dem Papste gegenüber wenn auch vergeblich geäußertes Verlangen, von jenem Eide entbunden zu werden. In Syrien gewann nun zwar Richard die unbestrittene Führung, mußte aber mit der Feindseligkeit der unter dem Herzog von Burgund zurückgebliebenen Franzosen auch weiter rechnen. Der Gegensatz der europäischen Herrscher spiegelte sich wider in dem neu entfachten Rivalitätskampf des unfähigen Königs Veit von Lusignan und des tatkräftigeren, aber bis zu geheimen Zettelungen mit Saladin sein persönliches Ziel verfolgenden Konrad von Montferrat. Ein Ausgleich, der diesen zum Thronfolger bestimmte und die Küstenplätze unter die Prätendenten aufteilte, mehrte nur die Zersplitterung. Es konnte sogar zu einem offenen Straßenkampfe der beiderseitigen Parteigänger in Akkon kommen. Erst als Lusignan, der bald mit Zypern entschädigt wurde, fallen gelassen und der als König anerkannte Montferrat durch einen Assassinen des „Alten vom Berge" ermordet war (1192), stellte sich unter dem mm erwählten Grafen Heinrich II. von Champagne, der ein Neffe Richards und Philipps war und durch sofortige Heirat mit Konrads schwangerer Witwe die Thronanwartschaft erwarb, die Einheit allzu spät wieder her. Auch sonst gab es Gegensätze zwischen den Nationen, den lateinischen Baronen und Ordensmeistern, den nur nach Jerusalem verlangenden Pilgern und den mehr an den Küstenplätzen interessierten Vertretern der italienischen Seestädte in Hülle und Fülle. Der sicherlich schweren Aufgabe, unter solchen Umständen Einheitlichkeit und folgerichtige Durchführung eines großangelegten Feldzugsplanes zu sichern, war König Richard, der stets leidenschaftlich Partei ergriff, statt über den Parteien zu stehen, leider ganz
VERHANDLUNGEN ΜΓΓ SALADIN
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und gar nicht gewachsen. Wohl machten ihn die Wunder kühner Handstreiche und persönlicher Tapferkeit in der mohammedanischen Welt zum Kinderschreck; aber anstatt auf das Hauptziel loszugehen und die keineswegs sehr starke und kampflustige Kriegsmacht Saladins, die nur dessen überlegenes Genie aufrecht hielt, möglichst im offenen Felde zu schlagen, suchte er die vom Feinde ihrer Befestigung beraubten Stützpunkte an der Küste, selbst das entfernte Askalon, wiederzugewinnen und verzettelte sich in Unternehmungen, die wohl Heldenruhm einbringen, aber nichts entscheiden konnten. Der zweimal aufgenommene Vormarsch bis dicht vor Jerusalem wurde zur Enttäuschung der Kreuzfahrer abgebrochen, weil die Bedenken gegen eine Belagerung der stark befestigten Stadt im wasserarmen Gelände überwogen. Richard selbst konnte auf die aus der Heimat eintreffenden Hiobsposten hin schließlich nur noch mit halbem Herzen bei der Sache sein. Der damals in England mächtigste Mann, der die Regierung leitete, der Kanzler und Justitiar William Longchamp, Bischof von Ely, ein selbstbewußter normannischer Emporkömmling, hatte durch seine gewalttätige Art und die hohen Steuern, die er für den unerschöpflichen Bedarf des Königs einforderte, eine wachsende Opposition hervorgerufen. Indem Prinz Johann sich mit höchst zweideutigen Absichten an deren Spitze stellte, mit Hilfe der durch Zugeständnis der selbständigen „Kommune" belohnten Londoner den Kanzler verdrängte und sich selbst als Regent und Erbe seines Bruders anerkennen ließ, bald auch in verräterische Verbindung mit dem französischen König trat, war für Richard eine bedenkliche Lage entstanden, die seine Rückkehr erheischte. So betrieb er nun mit wachsendem Eifer die schon länger geführten Verhandlungen mit Saladin. Verriet schon die Aufnahme solcher Verhandlungen die trotz der in den Massen noch immer glühenden Kreuzzugsbegeisterung doch schon beginnende Umwandlung des Glaubenskrieges in ein politisch-diplomatisches Unternehmen, so noch mehr Richards phantastischer Vorschlag, Saladins Bruder El-Adil, mit dem er freundschaftliche Beziehungen angeknüpft hatte, dessen Sohn er gar zum Ritter schlug, mit seiner Schwester, der verwitweten Königin von Sizilien, zu vermählen und ihnen das Königreich Jerusalem zu übertragen. Saladin mochte derartige Unterhandlungen anfangs mehr in hinhaltender Absicht geführt haben; schließlich, als ihm ein Versuch, Jaffa zu überrumpeln, durch Richards blitzschnelles Einspringen eine empfindliche Niederlage einbrachte, als die Kriegsmüdigkeit seiner Emire und eigene Erkrankung Berücksichtigung erforderten, war er doch geneigt, die sehr herabgestimmten Anerbietungen des Gegners anzunehmen. So kam es am 1. September 1192 zum
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HEINRICH VI.
Friedensschluß, der freilich in Wirklichkeit nur ein Stillstand auf drei Jahre vom nächsten Ostern ab war. Die Christen behielten danach außer den Überbleibseln ihrer nordsyrischen Besitzungen allein den kurzen Küstenstrich von Jaffa bis Tyrus und mußten die eben wieder aufgebaute Feste Askalon schleifen. Nur als friedliche Pilger sollten sie die geweihten Stätten Jerusalems aufsuchen dürfen, das mit dem gesamten Reste des Königreichs in der Hand der Ungläubigen verblieb, wie auch das Heilige Kreuz und die christlichen Gefangenen nicht ausgeliefert wurden. Ein mageres Ergebnis des dreijährigen todesmutigen Ringens der besten Kriegskräfte ganz Europas. Der Ausgang wirkt um so tragischer, als nur ein halbes Jahr weiteren Ausharrens den Kreuzfahrern durch den Tod Saladins und die Zwietracht seiner Söhne aller Wahrscheinlichkeit nach den ersehnten Triumph eingebracht haben würde. Richard Löwenherz war schon im Oktober 1192 von Akkon abgefahren. Was er im Heiligen Lande trotz des Einsatzes seiner ganzen -Kraft versehen hatte, war tief in seiner Naturanlage begründet. Daß er stets geneigt war, das tollkühne Abenteuer der nüchterneren Berechnung vorzuziehen, sollte sich für ihn noch auf der Heimkehr auf das bitterste rächen. Er mußte sich sagen, daß alle Lande in Europa, die er zu durchqueren habe, um sein Herrschaftsgebiet zu erreichen, ihm feindlich waren. Anstatt nun den Seeweg um Spanien zu wählen, lenkte er ins Adriatische Meer, wurde vom Sturm an die Küste von Friaul verschlagen und versuchte, sich in Verkleidung gerade durch das Gebiet des Herzogs Leopold von Österreich hindurchzuschleichen, den er sich in Akkon durch rohe Schändung seines Wappens zum Todfeinde gemacht hatte. In der Nähe von Wien erkannt und auf der Feste Dürnstein an der Donau gefangen gehalten, wurde er bald dem Manne ausgeliefert, der damals für eine kurze Weile zur beherrschenden Figur Europas emporstieg, Kaiser Heinrich VI. In die Hand dieses seines Sohnes hatte Barbarossa bei seinem Aufbruch nach dem Orient mit vollstem Vertrauen die Zügel der Regierung legen können. Zwischen beiden herrschte in der Tat eine derartige Einmütigkeit des Wollens, daß dann der Regierungswechsel in der Gesamtrichtung der Politik keinen Wandel hervorrief, wenn auch der persönliche Charakter, Zeitmaß und Methode des Vorgehens sich änderten. Von dem reicheren und harmonischeren Wesen war bei Heinrich VI. nur eine Seite auf Kosten aller anderen Eigenschaften in großartiger Steigerung entwickelt. Er besaß nicht Barbarossas gesundsinnige und helläugige Laienkraftnatur, sondern war schwächlich, hager und bleich, mehrfach von Krankheit heimgesucht, kein Soldat, kein Feldherr, trotz seines (neuerdings übrigens in Zweifel ge-
SIZILISCHE ERBSCHAFT
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zogenen) Anteils an der emporblühenden Minnedichtung kein typischer Vertreter des Ritterstandes, ohne jene Züge edelmütiger Vornehmheit, gewinnender Liebenswürdigkeit, unbeugsamen Gerechtigkeitssinnes und vermittelnden Ausgleichsvermögens, die dem Vater trotz seiner furchterregenden, harten Willenskraft immer wieder die Herzen gewonnen hatten. Aber Machtsinn, politische Berechnung und zugreifende Entschlußfähigkeit hatte er von jenem in seltenem Maße geerbt, und unter dem Antriebe eines brennenden Ehrgeizes, der ihm Ruhe und Genuß scheuchte, ihn ernst, finster und fur Gefühlswerte unzugänglich machte, ihm auch seine reiche wissenschaftliche Bildung, seine Kenntnis des römischen und kanonischen Rechts zu einer Machtquelle gestaltete, hat er die Kunst, die Gelegenheiten beim Schöpfe zu fassen, die Mittel haarscharf abzumessen, die größten Wirkungen mit dem geringsten Einsatz zu erreichen, noch über die des Vaters hinaus gesteigert. Seiner Herrschaft eine noch höhere Geltung zu verschaffen als zu den Zeiten seiner Vorgänger, war das ausgesprochene Ziel seines Lebens. Indem er die schon von Barbarossa gewiesene Richtung weiter verfolgte, wurde er bald genug über den Umfang von dessen Macht noch hinausgeführt. Von keinem ebenbürtigen Gegner in Schranken gewiesen, umspannte sein Herrschergeist immer weitere Kreise der Weltpolitik, bis ihn ein früher Tod aus der Bahn seiner Erfolge riß. Rascher, als maiv irgend ahnen konnte, war durch das Hinscheiden Wilhelms II. der sizilische Erbschaftsanspruch gültig geworden. Er beherrschte künftig die Politik Heinrichs. Sogleich Schloß er mit dem eidbrüchig nach Deutschland zurückgekehrten Heinrich dem Löwen, gegen den er eben im Felde lag, statt ihn zu vernichten, einen glimpflichen Frieden, um sich freie Hand für das sizilische Unternehmen und für den Vollzug der vom Papste versprochenen Kaiserkrönung zu verschaffen, die noch dringender wurde, als die Nachricht vom Tode Barbarossas aus dem Orient eintraf. Aber vor beiden Zielen türmten sich nun die erheblichsten Schwierigkeiten. Die Usurpation Tankreds, der sich nach unsicheren Anfängen durch heimliche Förderung von Seiten des Papstes ebenso wie durch das erwähnte Bündnis mit Richard Löwenherz gestärkt hatte, steifte auch der Kurie den Rücken. Es war für Heinrich, der sich bereits Rom näherte, mißlich, daß eben der Papst, der das Krönungsversprechen gegeben hatte, Klemens III., starb. Der an seine Stelle gewählte CölestinlH. (1191—1198), ein fünfundachtzigjähriger Greis, der schon ein halbes Jahrhundert rechtschaffen und friedfertig im Kardinalat verbracht hatte, war zwar heroischer Entschlüsse für die kirchliche Freiheit in der damaligen bedrängten Lage kaum fähig, von den Par-
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HEINRICH IN GEFAHR
teiungen im Kardinalskollegium abhängig und im Anringen gegen die kaiserliche Übermacht auch weiterhin auf passiven Widerstand, hinhaltende Maßnahmen und geheime Zettelungen angewiesen. Aber eben einen Aufschub der Krönung konnte Heinrich im Hinblick auf seine sizilischen und deutschen Gegner am allerwenigsten brauchen. Wie er nun, um jede Verzögerung zu vermeiden, der römischen Abstammung, Neigung und Verpflichtung Cölestins entgegenkam und ihm das bisher durch eine kaiserliche Besatzung geschützte Tuskulum preisgab, das dann von jenem sofort seinen römischen Landsleuten als lästige Rivalin zu grausamer Zerstörung ausgeliefert wurde — das zeigte der Welt zuerst die Methode von Heinrichs kühler Rechenkunst, der dadurch wirklich den Papst zu rascher Nachgiebigkeit brachte. In der Sache würde Friedrich kaum anders gehandelt haben, denn zur Räumung dieser kirchenstaatlichen Feste war der Kaiser längst vertraglich gebunden; in der Form aber hätte der Vater die Reichsehre doch wohl besser vor dem Anschein eines skrupellosen Handelsgeschäftes bewahrt. Als Kaiser Heinrich nun aber im Frühjahr 1191 zur Eroberung Siziliens schritt, häufte sich das Mißgeschick und führte zu einer ernstlichen Gefährdung seiner Herrschaft. An den Mauern Neapels brach sich die Wucht seines Angriffs, eine furchtbare Seuche im Heere warnte noch in letzter Stunde vor der unnatürlichen Länderverbindung, ergriff auch Heinrich und zwang ihn Ende August zum Abbruch der Belagerung. Eine falsche Nachricht von seinem Tode überlieferte seine Gemahlin den Feinden. Schon vorher war aus seinem Lager der als Geisel mitgeführte älteste Sohn Heinrichs des Löwen entflohen, hatte eine Verbindung mit Tankred geknüpft, der nun auch von dem päpstlichen Lehnsherrn gegen fast völlige Preisgabe der kirchlichen Ausnahmestellung förmlich anerkannt wurde, und suchte den Aufruhr in Deutschland zu entfesseln. Noch hätte der eiligst heimkehrende Kaiser dort wohl den Frieden hergestellt, hätte nicht eine Untat die Funken zu loderndem Brande entfacht. In der innerdeutschen Kirchenpolitik verfolgte Heinrich die vom Vater vorgezeichnete Richtung seinem Wesen entsprechend noch kühler und schroffer weiter. So brachte er bei einer zwiespältigen Bischofswahl in Lüttich das schon von jenem beanspruchte Recht freier kaiserlicher Entscheidung zu schärfster Anwendung. In den Wirren, die daraus erwuchsen, wurde der in die Reichsacht getane päpstliche Kandidat Albert, ein Bruder des Herzogs von Brabant, von deutschen Rittern ermordet (Ende 1192). Die noch frische Erinnerung an das Schicksal des Thomas Becket war es wohl nicht zum wenigsten, die den Verdacht der Mitschuld sofort, wenn
LÖWENHERZ GEFANGEN
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auch ungerechtfertigterweise, auf den Kaiser selbst lenkte, zumal da er die Täter als Vollstrecker der Reichsacht mit Fug nicht strafte. Von der weitverzweigten Verwandtschaft des Ermordeten ausgehend, ergriff der Aufruhr alsbald die gesamten niederrheinischen Gebiete und suchte Verbindung mit der sächsisch-weifischen Opposition. Hinter beiden Kreisen stand England, das mit Köln durch wirtschaftliche, mit den Weifen durch verwandtschaftliche Bande verknüpft war. Nimmt man den sizilischen Feind hinzu und die Unterstützung, die der Papst allen Gegnern des Kaisers mehr oder weniger offen zuteil werden ließ, so sah sich Heinrich in der Tat einem internationalen Bunde von bedenklicher Ausdehnung gegenüber. Da gelang es ihm durch die Gefangennahme seines mächtigsten Gegners Richard Löwenherz und die Art, wie er diesen Glücksfall zu nutzen verstand, das Gewebe, noch ehe es sich ganz um ihn zusammenzog, zu zerreißen. Wohl hat die allgemeine Empörung über die Inhaftsetzung eines heimkehrenden Kreuzfahrers anfangs noch die Zahl seiner Gegner bis nach Süddeutschland hinein gemehrt. Indes, Heinrich wußte das wertvolle Pfand in seinen Händen, das er im Pfälzer Trifels wohl verwahrte, bis aufs letzte auszubeuten, um den Frieden im Reiche zu erzwingen und zugleich das neue Unternehmen gegen Sizilien vorzubereiten. Das hohe Lösegeld für Richards Befreiung, zu dessen Aufbringung England weidlich ausgepreßt wurde, schuf reiche Kriegsmittel. Des Königs Einfluß auf Niederrheiner und Weifen erstickte den deutschen Aufruhr. Der Verbündete Tankred wurde preisgegeben; gegen ihn auch Waffenhilfe zu leisten, dazu sollte die Lehnshuldigung verpflichten, die Heinrich für England forderte. Richard hat sich gegen solche Demütigung lange gesträubt. Vorübergehend tauchte daher der für den König vorteilhaftere Plan auf, ihn nur durch Belehnung mit der Provence in Abhängigkeit vom Reiche zu bringen, um indes wieder der schärferen Forderung zu weichen, sobald Richards Zwangslage so unerträglich wurde, daß er nicht mehr ablehnen konnte. Die verräterischen Machenschaften seines Bruders Johann waren inzwischen ans Tageslicht getreten. Dieser hatte König Philipp für die französischen Lehen gehuldigt und sich durch Abtretung wichtiger Grenzgebiete dessen Unterstützung erkauft, hatte dann die Nachricht von Richards Tode ausgesprengt und für sich den Treueid gefordert. Damit aber war er in England auf Widerstand gestoßen. Der Bürgerkrieg war entbrannt, während gleichzeitig der französische König, der dem Gefangenen Fehde ansagte, in die Normandie einfiel und Rouen belagerte. Philipp hatte die größten Anstrengungen gemacht, um Richards Befreiung zu verhindern. Als er diese gleichwohl dem verbündeten
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LEHNSHULDIGUNG FÜR ENGLAND
Prinzen Johann mit den Worten: „Hüte dich, der Teufel ist los!" als nahe bevorstehend verkündigen mußte, machten beide dem Kaiser noch einmal das Riesenanerbieten, ihm den Gesamtbetrag der Lösegeldsumme selbst bezahlen zu wollen, wofern er Richard nur noch ein zweites Jahr in Haft halte oder gar an sie ausliefere. Mit diesem Druckmittel erreichte der Kaiser von dem Plantagenet, dem nur die persönliche Heeresfolge zum Zuge gegen Tankred erlassen wurde, schließlich die Lehnshuldigung für England, die eine Jahreszinszahlung von fünftausend Pfund Sterling zur Folge hatte (1194). Sicherlich fur Richard ein demütigender Akt, dem bald auch die englischen Großen dadurch die Rechtskraft zu entziehen suchten, daß sie eine nochmalige Krönung des Herrschers vornahmen. Immerhin brachte er außer der Befreiung den großen politischen Vorteil mit sich, daß der Kaiser sich dadurch von dem französischen Bündnis löste und schützend hinter seinen englischen Vasallen trat. Nur so war es möglich, das anglonormannische Reich vor der französischen Gefahr zu retten. In der Tat konnte Richard, als er nach England heimkam, sein Königtum mühelos befestigen, indem er Johann vor sein Gericht lud und dem Gnade Erflehenden nur allzu leicht volle Verzeihung gewährte. Als er der Insel dann für immer den Rücken kehrte, um die bedrohten festländischen Besitzungen zu verteidigen, konnte er mit seinem militärischen Eifer, unter Verwendung auch von sarazenischen Söldnern und syrischen Artilleristen in dem von Stillstand und Friedensvertrag immer nur kurz unterbrochenen Kriege zum mindesten das Gleichgewicht der Waffen herstellen. Heinrich VI. hatte in seinem ganzen nicht eben ritterlich-vornehmen Verhalten wiederum bewiesen, daß er Gefühlsmomenten keinen Einfluß auf die kühle Staatsräson gestattete. Aber welche Erfolge konnte er verzeichnen! Der Feindesbund war zersprengt, die erreichte Befriedung Deutschlands wurde durch die Heirat des ältesten Sohnes Heinrichs des Löwen mit der Tochter und Erbin Konrads, des staufischen Pfalzgrafen bei Rhein, und den baldigen Tod des im Grunde unversöhnlichen alten Weifen (1195) weiter befestigt; auf der Bahn der Weltherrschafrspolitik war durch die Lehnshoheit über England ein bedeutsamer, wenn auch für die Zukunft nicht unbedenklicher Schritt getan; für die Eroberung endlich Siziliens neben ungeheuren Geldmitteln auch die englische Kriegshilfe von fünfzig Galeeren gewonnen. Und als der Kaiser nun nach umfassenden Rüstungen und Flottenverträgen mit Pisa und Genua 1194 zum zweiten Male nach dem Süden aufbrach, da lächelte ihm das Glück in unerhörter Weise. Tankred, der inzwischen in beständigen Kämpfen stetige Fortschritte gemacht, sich auch durch Ver-
HEINRICHS NEUE WELTSTELLUNG
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bindung mit dem griechischen Kaiser gestärkt hatte, wurde samt seinem ältesten Sohne durch einen plötzlichen Tod hinweggerafft. Gegen den jüngeren, noch unmündigen Wilhelm III. hatte Heinrich von vornherein gewonnenes Spiel. Ein kurzer Feldzug genügte, um ihn mattzusetzen und nach anfänglicher schonender Abfindung infolge einer aufgedeckten Verschwörung mit seinen Angehörigen und Hauptanhängern in deutsche Verbannimg zu schicken. Und eben um die Zeit, als der Kaiser Ende 1194 triumphierend in Palermo eingezogen war, erreichte ihn die Kunde, daß seine Gemahlin Konstanze, die, schon von Tankred dem Papste übersandt, sich ganz hatte befreien können, ihm trotz ihrer vierzig Jahre noch den ersehnten Erben geboren habe, der nun als Symbol der Vereinigung beider Reiche die ruhmvollen Namen seiner beiderseitigen Ahnen Friedrich und Roger erhielt. Heinrich sah sich damit auf einen Gipfel der Macht emporgehoben, wie ihn sein Vater wohl für die Zukunft erhofft, aber selbst nicht erreicht hatte. Ungeheure Einkünfte strömten ihm zu. Hundertundfiinfzig Saumtiere waren allein nötig, um den normannischen Königsschatz über die Alpen nach dem Trifels zu schaffen. Jetzt erst gewann das Reich die langentbehrte Seemacht. Vom Zentrum des Mittelmeeres aus dehnten sich die Blicke, normannischer Überlieferung folgend, nach Nordafrika, nach dem Balkan, nach Konstantinopel, nach dem Orient. Die neue Weltstellung bot neue Aufgaben. Die dringlichste war, das staatsrechtliche Verhältnis Siziliens zum Reiche und zum Papst neu zu regeln und zugleich die Nachfolge zu ordnen. In Deutschland war gegenüber den Geblütsansprüchen das Wahlrecht der Fürsten übermächtig geworden, während in Sizilien die Erbfolge galt. Eine dauernde Vereinigung der Reiche war nur dann gewährleistet, wenn die dynastische Nachfolge in beiden gleichmäßig verbürgt wurde. Anfangs hielt es Heinrich für ausreichend, die Verbindung durch die übliche Königswahl seines Söhnchens für die nächste Generation sicherzustellen. Trotz der Zurückhaltung des Kölner Erzbischofs Adolf von Altena hätte er das wohl auch durchsetzen können, denn seine Stellung den Fürsten gegenüber war furchtgebietend. Durfte der Kaiser es doch wagen, das zum Nachteil der deutschen Zentralgewalt eingebürgerte Gewohnheitsrecht, nach dem heimgefallene Reichslehen nach Jahr und Tag wieder ausgetan werden mußten, mehrfach, am augenfälligsten selbst mit Übergehung eines Agnaten bei der Mark Meißen (1195), zu brechen und dadurch in ähnlicher Weise, wie die Kapetinger es begonnen hatten, den unmittelbaren Kronbesitz zu mehren. Das Lehnsrecht folgte eben doch dem Drucke der Macht und hätte sich auch in Deutschland noch wieder zugunsten
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ERBKAISERPLAN
des Königtums rückbilden können. In der damals auf den Gipfel ihrer Bedeutung emporsteigenden Reichsministerialität, die dem Kaiser seine Haupthelfer : den Reichsmarschall Heinrich von Kalden und den diplomatisch wie militärisch gleich verwendbaren Seneschall Markward von Annweiler stellte, und in der Kraft der aufstrebenden Städte, die Heinrich nicht nur wie sein Vater in den deutschen Kronlanden förderte, sondern auch in der Lombardei auf seine Seite zu ziehen wußte, standen ihm ansehnliche Gegengewichte gegen den Sondergeist der Fürsten zur Verfügung. So glaubte er im Frühjahr 1196 den viel weiter gehenden Plan eines deutschen Erbkaisertums ins Werk setzen zu können. Wenn das gelang, so war die Dauervereinigung des Imperiums mit Sizilien unter der staufischen Dynastie fest begründet, und die Oberlehnsansprüche des Papstes auf das normannische Reich konnten als unvereinbar mit der kaiserlichen Würde auch künftig, wie Heinrich es tat, zurückgewiesen werden. Zugleich aber wurde eigensüchtigen fürstlichen Sonderbestrebungen und päpstlichen Einmischungen in die deutsche Thronfolge ein für allemal der Boden entzogen. Heinrich hatte schon bald nach der Einnahme Palermos den Entschluß zu einer neuen Kreuzfahrt verkündet, um nach Ablauf des Saladin-Friedens den Kampf um das Heilige Land mit eigener Flotte und einer Kerntruppe von 1500 Rittern samt zugehörigen Knappen neu zu eröffnen. Die Agitation dafür setzte auch in Deutschland ein. Es ist möglich, daß im Zusammenhang damit, wie vielleicht schon bei den Verhandlungen über die Königswahl, fürstliche Wünsche auf gesetzliche Sicherung einer weitgehenden, auch auf weibliche Linie auszudehnenden Lehnserbfolge geäußert wurden und daß Heinrich diese Handhabe geschickt benützte, um für ein derartiges Zugeständnis nun seinerseits die Erblichkeit des Kaisertums zu fordern. Zugleich suchte er die Einwilligung der geistlichen Fürsten zu erlangen, indem er erklärte, dafür auf das lästige, aber von der Krone streng gehandhabte Regalien- und Spolienrecht verzichten zu wollen. Obwohl das kaiserliche Verlangen, das die wertvollste Gerechtsame zur Stärkung der Fürstenmacht zu beseitigen trachtete, als etwas Unerhörtes empfunden wurde, hat sich auf einem Würzburger Reichstage eine Mehrheit gefunden, die ihre Zustimmung erteilte und verbriefte. Jedoch zu der Opposition des Kölner Erzbischofs, der außer der Beseitigung seines Wahlrechtes die Entwertung des wichtigen Aachener Krönungsrechtes seiner Kirche befürchten mußte, trat bald der Widerstand einer sächsisch-thüringischen Fürstengruppe hinzu, so daß die Durchführung doch mit Schwierigkeiten zu rechnen hatte. In diesem Stande der Angelegenheit hat Heinrich sich wieder nach Italien gewandt.
VERHANDLUNGEN MIT DER KURIE
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Wenn es ihm gelang, den Papst, ohne dessen Mitwirkung sowohl wegen seiner sizilischen Lehnsansprüche als auch wegen seines unbestrittenen Rechtes der Kaiserkrönung man nicht zum Ziel kommen konnte, für den Plan zu gewinnen und seiner Einwilligung wohl gar durch Taufe und Königssalbung des jugendlichen Nachfolgers beider Reiche sichtbaren Ausdruck geben zu lassen, so war das Spiel auch in Deutschland gewonnen. Freilich welche Zumutung fiür die Kurie, die Umklammerung zu verewigen, die sizilischen Oberlehnsrechte preiszugeben und zugleich die Kanäle ihres Einflusses auf die deutsche Thronfolge zu verschütten! Vertraute Heinrich da nicht allzusehr auf den Druck seiner Macht? Zunächst galt es überhaupt, die seit der päpstlichen Unterstützung Tankreds abgebrochenen Beziehungen wieder anzuknüpfen. Dazu diente der Kreuzzugsplan. Cölestin durfte sich nun im Interesse der Christenheit der Wiederaufnahme von Verhandlungen nicht versagen. Aber jeglicher Verständigung standen weiter die ungelösten Gebietsstreitigkeiten im Wege. Heinrich dachte nicht entfernt daran, seine territoriale Machtstellung in Reichsitalien, die zur Verbindung mit Sizilien doppelt notwendig war, irgendwie zu schwächen; im Gegenteil, die kaiserlichen Ansprüche griffen sogar über die Grenzen des nie ganz geräumten Kirchenstaates hinüber und machten nicht einmal vor der Stadt Rom halt. Andererseits hatte man an der Kurie begonnen, die alten Urkunden zu sichten, und da gewann man Anhaltspunkte, die über den Umkreis des mathildischen Gutes namentlich in Mittelitalien weit hinausführten. Dem Machtdrucke des Kaisers konnte man zwar nicht offen entgegentreten, aber der passive Widerstand, in dem man sich verschanzte, war kaum zu überwinden. Heinrich bemaß den Wert der von der Kurie beanspruchten Gebiete wesentlich nach den Einnahmen, deren sie bedurfte, und bot ihr in noch höherem Maße als schon sein Vater eine finanzielle Abfindung an. In diesen Zusammenhang scheint ein uns nur unsicher überlieferter Vorschlag zu gehören, nach dem alle erzbischöflichen und reicheren Bischofskirchen des Imperiums künftig stets die beste Domherrenpfründe dem Papste zur Verfügung halten, die einfacheren Bischofskirchen in gleicher Weise für die Ausstattung der kurialen Geistlichkeit sorgen sollten und eine Ausdehnung dieses Systems auf die Staatenwelt der gesamten katholischen Christenheit vorgesehen war. Bedenkt man, daß die Finanzgebarung der Papstkirche sich im folgenden Jahrhundert tatsächlich in ähnlicher Richtung entwickelt hat, so war ein derartiger Vorschlag gewiß nicht als bloße Utopie zu betrachten. Da jedoch die Kurie die mathildischen Güter keineswegs nur als Einnahmequellen, sondern auch unter dem Machtgesichtspunkt wertete, so war es begreiflich,
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REBELLION IN SIZILIEN
daß sie jede rein finanzielle Entschädigung zurückwies. Kam man demnach nicht einmal in diesen Territorialfragen zu einer Verständigung, um wieviel weniger konnte sich der Papst auf jene Wünsche einlassen, die mit dem Erbkaisertum zusammenhingen. Auch Heinrichs Anerbieten, öffentlich das Kreuz zu nehmen, das er heimlich schon trug, und persönlich nach dem Heiligen Lande zu ziehen, konnte die Kurie in ihrem zähen Widerstande nicht erschüttern. So brach der Kaiser die Verhandlungen in starker Verstimmung ab und mußte bei der nun auch in Deutschland wachsenden, von der Kurie ermunterten Opposition einstweilen von der Durchführung seines Planes absehen. Indem er aber den bereits gebundenen Fürsten ihr Versprechen zurückgab und in die Bahn des alten Verfassungsrechtes zurücklenkte, erreichte er nun zu Weihnachten 1196 mühelos, selbst mit Zustimmung des Kölners, die Königswahl seines Sohnes. Für das nächste Menschenalter schien damit wenigstens die Personalunion der Reiche gesichert zu sein. Daß diese Verbindung kein gleichberechtigtes Nebeneinander war, sondern, mindestens solange Heinrich lebte, eine deutsche Vorherrschaft, bei aller Bewahrung der bestehenden Verfassung und Verwaltung gestützt wesentlich auf die reich mit Lehen ausgestattete deutsche Ritterschaft, empfand man in der normannischen Oberschicht Siziliens sogleich. Die Umlage einer hohen Steuer und der Versuch, alle früheren königlichen Privilegien einer scharfen Revision zu unterziehen, erweiterten den Nährboden der Unzufriedenheit. Kaum war Heinrich Anfang 1197 nach der Insel zurückgekehrt, so brach dort auf Grund einer weitverzweigten Verschwörung, deren Fäden nach Rom und der Lombardei, vielleicht sogar, wie man munkelte, zu der mit der nationalsizilianischen Partei sympathisierenden Kaiserin selbst leiteten, ein Aufstand aus, der sich nichts Geringeres zum Ziel setzte als die Ermordung Heinrichs mit allen Deutschen und die Erhebung eines einheimischen Königs. Es gelang dem Kaiser, der sich nach dem sicheren Messina flüchten konnte, die Rebellen niederzuwerfen und nun mit schonungsloser Grausamkeit, die sich auch auf die in Deutschland Verbannten erstreckte, zu bestrafen. Etwa um dieselbe Zeit begannen sich die Scharen der Kreuzfahrer an der apulischen und sizilischen Küste zu sammeln. Es war eine universal gedachte, aber zugleich rein deutsche Unternehmung größten Stils. An die vom Kaiser besoldete Kerntruppe schlossen sich die sehr zahlreich aus Deutschland eintreffenden Fürsten und Herren mit ihren Mannschaften. Auch der 1190 vor Akkon entstandenen deutschen Spitalbrüderschaft, die in Sizilien mit wertvollen Besitzungen und Vorrechten ausgestattet war und nach Hein-
TRIBUT VON ΒΥΖΛΝΖ
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richs Willen drüben bald (1198) nach dem Muster der ganz überwiegend romanischen Templer und Johanniter zu dem Orden der Deutschritter umgestaltet wurde, war eine bedeutsame Rolle zugedacht. Der Kaiser selbst, der in Europa unentbehrlich war, hatte die politische Leitung seinem Kanzler, dem Hildesheimer Bischof Konrad von Querfurt, die militärische dem Reichsmarschall Heinrich von Kalden anvertraut, behielt sich aber die wichtigsten Entscheidungen vor. Organisation, Vorbereitung und Aussichten waren hoffnungerweckend wie noch nie. Schon die in mehreren Abteilungen glatt bewältigte Seefahrt bot im Vergleich mit den Unbilden des Landmarsches unendlichen Vorteil. Konstantinopel gegenüber verfügte Heinrich durch die Vereinigung der imperialen und sizilischen Kriegskräfte über eine nie dagewesene, furchtgebietende Macht. Zu den von den Normannen übernommenen Angriffstendenzen gegen den Osten gesellten sich staufische Erbansprüche, als sich Heinrichs Bruder Philipp, der Herzog von Tuszien, mit der byzantinischen Prinzessin Irene, die man im Palaste von Palermo als junge Witwe von Tankreds Ältestem vorgefunden hatte, vermählte, ihr Vater aber, der Kaiser Isaak Angelos, von seinem Bruder Alexios III. gewaltsam vom Thron gestoßen wurde (1195). In der Tat, wenn Heinrich hier zugreifen wollte, um für sich oder seinen Bruder die Herrschaft zu gewinnen, wo wäre die Macht gewesen, ihn daran zu hindern ? Einstweilen beschied er sich und nutzte nur seine Überlegenheit, um von dem schwachen Usurpator durch meisterhaft geführte Verhandlungen eine hohe jährliche Zinszahlung zu erpressen und dadurch seine Orientpolitik in ähnlicher Weise aus den Taschen der griechischen Steuerzahler bestreiten zu lassen wie früher den sizilischen Feldzug aus denen der englischen. So blieb das morsche byzantinische Reich zwar noch bestehen, aber Macht und Ansehen waren geschwunden. Schon wandten sich orientalische Fürsten der aufgehenden Sonne des abendländischen Kaisertums zu. Wie früher von Barbarossa, so erbat Leo II. von Armenien jetzt von Heinrich die Königskrone als Lehen, und zu ihm gesellte sich als weiterer Vasall Amalrich von Lusignan, der seinem Bruder Veit als König von Zypern gefolgt war und nach dem plötzlichen Tode Heinrichs von Champagne (1197) dazu die Krone von Jerusalem gewann, die damit also auch in Abhängigkeit vom Kaiser geriet. Wie überwältigend mußte dessen Ansehen in ganz Europa werden, wenn seinen Truppen wirklich die Wiedergewinnung Jerusalems gelang! Und die Aussichten dafür waren günstig genug. Saladins Macht war nach seinem Tode in drei Herrschaften: Aleppo, Damaskus und Ägypten zerspalten. Sein Bruder El-Adil, der ägyptische Sultan, der die ganze Kriegslast allein zu tragen
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TOD HEINRICHS VI.
hatte, konnte zwar kurz vor der Ankunft noch Jaffa einnehmen und zerstören, beschränkte sich aber danach auf eine einigermaßen ängstliche Defensive, die nicht verhindern konnte, daß die wichtige Küstenverbindung nach den christlichen Besitzungen des nördlichen Syriens hin mit Beirut und Sidon in die Hände der deutschen Kreuzfahrer fiel. Ob er auf die Dauer imstande und willens gewesen wäre, deren schon begonnenen Marsch nach Jerusalem zu hemmen, wenn diese nicht auf die Kunde von Heinrichs Tod und den in Deutschland entstandenen Wirren das Unternehmen schleunigst hätten abbrechen müssen, mag zweifelhaft erscheinen. Denn trotzdem blieb noch sein eignes Friedensbedürfnis so groß, daß er im Vertrage vom Juni 1198 den Lateinern ihre Küstenerwerbungen einräumte und eine Waffenruhe bis zum Frühjahr 1204, die allenfalls nur von einem gekrönten abendländischen Herrscher als Kreuzfahrer sollte unterbrochen werden dürfen, zugestand. So war dieser in der Reihenfolge der andern nicht mitgezählte und darum meist zu wenig beachtete deutsche Kreuzzug trotz seines vorzeitigen Abbruchs durch die Gewinnung der Küstenverbindung, durch die Vereinigung der beiden Königreiche Zypern und Jerusalem und die Gründung des Deutschherrenordens keineswegs ohne Ergebnis. Der Tod, der den erst zweiunddreißigjährigen Kaiser vorzeitig aus der Bahn umfassender Entwürfe riß (28. Sept. 1197), war für das deutsche Reich die größte Katastrophe seiner mittelalterlichen Geschichte. Das wahllose Wirken einer blinden Naturgewalt griff hier, wie so oft, bestimmend in den Gang der Weltereignisse ein. Aber doch nicht allein das. Wohl wäre es ungerechtfertigt, von einem maßlosen Weltherrschaftsdrang Heinrichs zu sprechen, einem Ikarusfluge, der früher oder später mit einem Sturz in die Tiefe hätte enden müssen. Denn zieht man nur die Tatsachen in Rechnung, die wirklich vorliegen, und nicht die Absichten, die man gern in die Seele des jungen Kaisers hineindeutet, so muß man urteilen, daß er über das Ziel einer mitteleuropäischen Vorherrschaft Deutschlands, dem mit den ottonischen und salischen Vorgängern auch sein Vater nachgestrebt hatte, noch in keinem Punkte wirklich hinausgesteuert war in die Bahnen einer uferlosen Weltbezwingung. Die Begründung neuer Lehnshoheiten und Zinszahlungen im Westen und Osten hatte freilich zusammen mit der zur Sicherung Reichsitaliens auch von früheren Kaisern erstrebten, aber jetzt erst gelungenen Erwerbung Siziliens den universalen Charakter verschärft, aber doch keine Ausbreitung wirklicher Herrschaft über Mitteleuropa hinaus gebracht. Ob Heinrich bei längerem Leben über diesen Machtkern entscheidend hinweggeführt worden wäre, darüber läßt sich nichts aussagen, wie überhaupt bei
FRIEDRICH Π.
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der Kürze seiner vom Glück wiederholt ungewöhnlich begünstigten Regierung eine gewisse Zurückhaltung des Urteils über seine staatsmännische Bedeutung geboten ist; denn die volle Bewährung auf die Dauer und einem ebenbürtigen Feinde gegenüber stand noch aus. Vor allem aber ist eines zu betonen. Die eigentliche Machtbasis, auf der das weitausgedehnte Herrschaftssystem ruhte, war im Grunde recht schmal. Mit innerlichster Zustimmung stand hinter dem Kaiser doch nur ein Teil der geistlichen und weltlichen Großen Deutschlands und die geschlossene Reichsministerialität. Im übrigen galt es allenthalben heftige Spannungen durch Druck oder kluge Spaltung zu bewältigen: in Deutschland, in Reichsitalien und mit der Kurie schon von der Zeit Barbarossas her, nun auch mit der sizilischen Nationalpartei, mit den Westmächten und Konstantinopel. Ein solches Regierungssystem hatte einen genialen Leiter an der Spitze unbedingt nötig; es war geradezu sein schwacher Punkt, daß es eine Minderjährigkeitsregierung, die der Naturverlauf doch jederzeit eintreten lassen konnte, schlechterdings nicht vertrug. Das hat Heinrich auf seinem Sterbelager mit nüchternem Wirklichkeitssinn noch selbst erkannt und hat Anordnungen getroffen, um unter Beseitigung der schärfsten Spannungen wenigstens den äußeren Umfang der Machtstellung einigermaßen für den dreijährigen Friedrich Π. zu retten. In Sizilien sollte sich unter Konstanze und ihrem Sohne die Dynastie durch Rücklenken zur Uberlieferung des normannischen Königshauses befestigen. Zu dessen Verbindung mit dem Imperium, wo Friedrich ja schon zum König gewählt war, sollte die Zustimmung des Papstes erkauft werden durch Anerkennung von dessen Lehnshoheit über Sizilien und durch weitgehende Territorialzugeständnisse in Reichsitalien, die außer dem mathildischen Gut das Herzogtum Ravenna mit der strittigen Grafschaft Bertinoro und die Mark Ancona umfaßten, diese letzteren allerdings derart, daß sie als Kirchenlehen einstweilen in der Hand des zuverlässigen Markward von Annweiler verblieben. So, meinte Heinrich, möchte man über die schwere Kindheitszeit Friedrichs II. notdürftig hinwegkommen, bis ihm später ein erneuter Aufbau gelingen würde. Das volle Maß des über das Reich hereinbrechenden Verderbens hat aber selbst der Hellblick des Sterbenden nicht annähernd vorauszusehen vermocht; er konnte auch nicht wissen, daß wenige Monate nach seinem Hinscheiden der größte Staatsmann in der langen Reihe der Päpste den Stuhl Petri besteigen und alle dem Imperium feindlichen Kräfte in seiner Hand zusammenfassen würde. Seitdem war es mit der durch die Staufer erneuerten Vorherrschaft des Kaisertums im Abendlande aus, und es begann das Jahrhundert der päpstlichen Weltmacht.
DIE WELTHERRSCHERSTELLUNG PAPST INNOZENZ' ΙΠ. (1198-1216)
Von zwei Seiten her war die Papstkirche zu Ausgang des 12. Jahrhunderts bedroht: durch Lebensgefuhl, Staatsmacht, Recht, Wissen, Kunst und Wirtschaft der erwachenden Laienwelt, wie das oben bereits dargelegt wurde; aber auch durch einen aus der Tiefe religiöser Betrachtung hervorbrechenden Spiritualismus, der das feste Weltbild und die hierarchische Ordnung der Kirche in Frage stellte. Eben hierfür war um die Jahrhundertwende der aus dem Zisterzienserorden hervorgegangene Abt Joachim (j· 1202), der dann von dem kalabresischen Kloster S. Giovanni di Fiore aus eine eigne Kongregation gründete, die merkwürdigste Erscheinung. Er selbst ein spekulativer Geist ohne Umsturzabsichten, der sich aus umfassendem Bibelwissen und altgeheiligter Zahlenmystik sein System aufbaute, ausgehend von dem durch typologische Deutung bestimmten Entwicklingsparallelismus des alten Bundes Gottvaters und des mit Christi Erscheinung beginnenden und bis in die Gegenwart hineinreichenden neuen Bundes des Gottsohnes, kam zu dem Schlüsse, daß noch eine dritte höchste Stufe unter dem Zeichen des heiligen Geistes folgen müsse, für welche die ganze bisherige Entwicklung des Christentums in gleicher Weise nur hinweisende Vorbereitung war, wie für sie selbst die jüdische des Alten Testamentes. Also ein Aufstieg der Menschheit von Knechtschaft, Furcht, Gesetz über kindlichen Gehorsam, Glauben, Gnade zu künftiger Freiheit, geistiger Erleuchtung und Vollkommenheit, diese drei Stufen aber vertreten durch Laien im Ehestande, aktive Kleriker und kontemplative Mönche. Das umwandelnd Neue in diesem System war, daß das offenbarte Christentum nicht in absoluter Geltung bis an das Ende aller Zeitlichkeit dauern, sondern in nur relativer Wertung zu einem noch höheren Weltalter führen sollte, dessen Eintritt zwar schon seit langem mit Benedikts Mönchtum angekündigt war, nun aber nach Berechnung der Generationenzahl im alten und neuen Bunde als nahe bevorstehend voll Spannung erwartet wurde. Die Verschiebung des Weltbildes, die darin lag, sollte sich nun allerdings aus der stillen Klosterzelle Joachims und seinen schwer verständlichen Schriften heraus nicht rasch und stürmisch vollziehen. Indessen, der Einfluß auf die Anhänger des mystisch-pantheistischen Sektierers Amalrich von Βέηε an der Pariser Universität (j· um 1204), der ebenso wie der geistesverwandte David von Dinant von Johannes Eriugena seinen
LOTHAR VON SEGNI PAPST
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Ausgangspunkt genommen hatte, die vielfach entstellenden Deutungen späterer Joachiten vornehmlich im Kreise der minoritischen Spiritualen und das Fortwirken ähnlicher Gedanken in so manchen ketzerischen Sekten des 13. und 14. Jahrhunderts sollte doch zeigen, wie gefährlich auflockernd fur die hierarchische Ordnung der Papstkirche solche Hoffnungen auf Herrschaft des freien Geistes werden konnten. Jene stark vom Altertum befruchtete Laienkultur und dieser religiöse Spiritualismus haben nachmals, vereinigt auf dem Boden des italischen Volkstums, in der Tat das „dritte Reich" der Renaissance heraufgefuhrt. Wie verhielt sich nun um 1200 die Kirche den beiden Gefahrenkomplexen gegenüber? Ähnlich wie einst bei der Bezwingung des heidnischen Römerstaates: indem sie sich selbst über Weltmacht und Laienkultur erstreckte und auch von den spiritualistischen Strömungen das Verwendbare in sich aufnahm, um nur den Rest zu bekämpfen. Daß aber diese neue Grundlegung mit so sieghaftem Erfolge sich unmittelbar nach dem Tode eines Heinrich VI. vollziehen konnte, war nur möglich durch das Zusammentreffen einer fabelhaften Gunst der allgemeinen Verhältnisse mit dem Auftreten einer ungewöhnlichen Persönlichkeit. Wenn die Kardinäle nach dem Tode des greisen Cölestin (1198), der ihnen Johann Colonna designiert hatte, ihre Stimmen rasch auf den jüngsten ihrer Kollegen, den erst 37jährigen Lothar von Segni vereinigten, so spricht das allein schon für seine überragende Bedeutung. Innozenz ΙΠ. aus dem die südliche Campagna beherrschenden Grafengeschlecht, das später schlechthin als „die Grafen", Conti, bezeichnet wurde, hatte sich in Rom, Paris und Bologna die scholastische Universitätsbildung seiner Zeit in seltener Vollkommenheit angeeignet, als ein scharfer Dialektiker, eindrucksvoller Theologe und unübertrefflicher Jurist, der das päpstliche Tribunal als ein „zweiter Salomo" zum heißumworbenen Richterstuhl für das ganze Abendland erhob. Die nahezu sechstausend Papstbriefe, die von ihm trotz großer Verluste auf uns gekommen sind, erwecken von dem Politiker die höchsten Vorstellungen. Im Gegensatz zu der stoßweis hastenden Dämonie Gregors VII. ist hier alles von einer rastlos arbeitenden Vernunft beherrscht, die das Größte und Kleinste durchdringt, gegen übermächtige Strömungen nicht nutzlose Kraft vergeudet, sondern das Steuer lieber herumwirft und neue Wege zum alten Ziel sucht, die in der Diplomatie nicht über ängstliche Moralbedenken stolpert, sondern weiß, daß man Pech nicht angreifen kann, ohne sich zu besudeln, die Dinge wohl auch tatsächlich in dem Lichte sieht, in das sie zum Vorteil der Kirche unwillkürlich zurechtge-
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ZWISCHEN GOTT UND MENSCH
rückt sind; die aus noch so widriger Lage immer noch einen Ausweg findet, zur Bezwingung des Gegners alle Register der Schmeichelei und Drohung, Milde und Härte, hinreißenden Schwunges und kühlster Berechnung zu ziehen weiß und bei dem allem getragen ist von großartiger Hingabe an das Amt, das seinen Inhaber zum Mittler macht zwischen Gott und Mensch, „weniger als Gott, mehr als Mensch". Denn so hoch faßte Innozenz gleich vom ersten Tage an seine Aufgabe als Statthalter Christi auf Erden, als Gesalbter des Herrn, in dem Christus noch einmal sterbliches Fleisch angenommen habe, als Priester zugleich und König wie Melchisedek, dem auch Eingriffe in die irdischen Herrschaftsbereiche zustehen, als Nachfolger Petri, dem nicht nur die gesamte Kirche, sondern letzthin die ganze Welt zur Regierung überlassen sei. Ist auch das eine der beiden Schwerter von ihm an die weltlichen Herrscher weiterverliehen, so gibt die „Fülle der Gewalt" dem Papste doch die Befugnis, in Sachen der Todsünde, wie sie etwa der Friedensbruch darstellt, einzugreifen und die Könige unter seine Gebote zu beugen. In dem allem steckt gewiß nichts, was nicht schon bei einem Gregor VII. vorgebildet gewesen wäre; nicht Neuerer oder gar Umstürzler wollte Innozenz sein, sondern Vollstrecker göttlicher Anordnungen. Aber in der unerbittlichen Folgerichtigkeit seines weltumspannenden Eingreifens, in der einprägsamen Fassung, in der immer wieder alle jene die Papsthoheit begründenden Bilder und Vergleiche den Köpfen der abendländischen Menschheit eingehämmert wurden, nicht zum wenigsten endlich in den vom Glück begünstigten riesenhaften Erfolgen seines Wirkens führte er die Papstkirche doch noch ein gewaltiges Stück hinaus über das von einem Alexander III. Erkämpfte, hinauf auf den Gipfel der Weltherrschaft, die es hinfort zu behaupten galt. Es ist nicht leicht, dem Papste auf den oft irrgartenartig verschlungenen Pfaden zu diesem Gipfel zu folgen; denn gleichzeitig betreibt er die Begründung seiner Oberhoheit über alle Reiche der Christenheit, die Ausbreitung des katholischen Glaubens und der römischen Obödienz nach außen gegen Schismatiker und Heiden, seine Festigung im Innern gegen Ketzerei, den Ausbau des päpstlichen Absolutismus in der Kirche selbst. Aber man darf die verschlungenen Fäden doch nicht weiter entwirren wollen, als zum Verständnis unbedingt erforderlich ist, denn gerade in der Einheit dieses kunstvollen Weber-Meisterstückes, wo ein Tritt tausend Fäden regt, und die Schifflein herüber hinüber schießen, liegt seine Bedeutung und Größe. Kaum in einer andern Epoche der Weltgeschichte lassen sich die Ereignisse so restlos um eine einzige Figur gruppieren wie um Innozenz III., den schon ein Zeitgenosse als den „wahren Kaiser" bezeichnet hat.
REKUPERATIONEN
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Der Tod Heinrichs VI. gab sogleich die Möglichkeit, die Kirche aus der erdrückenden Umklammerung durch das mit Sizilien vereinigte Imperium zu befreien und ihre Unabhängigkeit auf selbständige Machtgrundlage zu stellen. Dafür hatte man im Schöße der Kurie schon in den Tagen der Ohnmacht durch umfassende Sammlung aller wirtschaftlichen und politischen Rechtsansprüche des Papsttums Vorbereitung getroffen. Wenn es in dem großen, von dem Kämmerer Cencius 1192 angelegten Zinsbuche der römischen Kirche auf Grund der alten karolingischen Versprechungen hieß, zum Patrimonium Petri gehörten eigentlich einige vollständige Herzogtümer und Markgrafschaften, so formten sich solche Ansprüche im Kopfe eines Innozenz alsbald zum Aktionsprogramm. Erinnert man sich daran, wie im verflossenen Jahrhundert immer neue römische Erhebungen den Päpsten recht eigentlich den Boden unter den Füßen weggezogen hatten, so konnte es als Vorbedingung für alles Weitere gelten, daß Innozenz, unterstützt durch den Einfluß seiner Familie, bald zugreifend, bald entgegenkommend, aber unter Beseitigung aller kaiserlichen Ansprüche, seine Hoheit über die Stadt und den engeren Kirchenstaat bis in die strittigen Grenzbezirke Südtusziens hinein zu sichern wußte. Zu voller Selbständigkeit aber bedurfte er der Erschütterung des Reichsregiments in ganz Italien und ihres möglichst weitgehenden Ersatzes durch päpstliche Herrschaft. Die deutschfeindliche Bewegung, die als Rückschlag gegen die straffe Fremdherrschaft Heinrichs VI. gleich nach dessen Tode eingesetzt hatte, kam ihm dabei zustatten und wurde weiter geschürt. Im Herzogtum Spoleto und der Mark Ancona gelang es in der Tat, die päpstliche Hoheit zur Anerkennung zu bringen und durch diese „Rekuperationen", wie man sie im Hinblick auf die alten umstrittenen und schwer deutbaren Versprechungen der Karolinger nannte, den Kirchenstaat als einen Sizilien vom Norden völlig absperrenden Riegel von einem Meere zum andern zu erweitern. In Tuszien und der Romagna, die man ebenfalls beanspruchte, blieb der regionale, vornehmlich städtische Widerstand gegen ein Papstregiment unüberwindlich, wie auch die bis nach Mantua und zum Gardasee hin zerstreuten mathildischen Güter den städtischen Usurpatoren größtenteils nicht zu entreißen waren und der Lombardenbund gleichfalls seine Selbständigkeit behauptete. Indessen, die italische Reichsherrschaft war allenthalben um so gründlicher erschüttert, als auch der Rückhalt im Süden, Sizilien, bald genug unter päpstliche Oberleitung kam. Auch dort hatte die deutschfeindliche Nationalpartei sogleich das Ubergewicht gewonnen. Die Kaiserin Konstanze selbst lenkte in normannisches
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VORMUND FRIEDRICHS II.
Fahrwasser zurück, wies die Deutschen aus ihrem Reiche, verzichtete auf das römische Königtum ihres Sohnes Friedrich und ließ ihn zum Könige von Sizilien krönen. Diese Trennungspolitik entsprach ganz dem Programm des Papstes; aber doch erst nachdem er der Tochter Rogers II. ein Konkordat abgerungen hatte, das die kirchlichen Vorrechte der sizilischen Krone noch über das Maß der von Tankred gemachten Zugeständnisse hinaus beschränkte und als Rest nur ein königliches Konsensrecht bei den Bischofswahlen bestehen ließ, stellte Innozenz das alte Lehnsverhältnis wieder her — gerade rechtzeitig, um nun nach dem plötzlichen Tode der Kaiserin (1198) auf ihre Verfügung hin als Oberlehnsherr die Vormundschaft über den jungen Friedrich zu übernehmen und damit die Bestimmung über die sizilischen Geschicke in seine Hand zu bringen. Das Land, für das er ein „Familiarenkollegium" sizilischer Bischöfe als Regentschaftsrat einsetzte, sollte ihm freilich Sorgen und Mühen genug bereiten. Eine vollständige Vertreibung der Deutschen aus ihren festen Burgen gelang keineswegs. In dem aus der Reichsministerialität zur Freiheit emporgestiegenen Markward von Annweiler, dem militärisch-politischen Haupthelfer des verstorbenen Kaisers, von dem er mit der Ausführung seines durch den Sturz der Ereignisse freilich bald überholten , .Testaments'' beauftragt war und vielleicht doch mit Recht Regentschaftsbefugnisse herleitete, gewannen sie einen tatkräftigen Führer, der die Verbindung mit der staufischen Reichsregierung aufrecht hielt. Als es diesem gelang, mit sarazenischer Hilfe den größten Teil der sizilischen Insel und mit der Burg von Palermo sogar den königlichen Knaben in seine Gewalt zu bekommen, war die Trennungspolitik des Papstes noch einmal auf das äußerste gefährdet. Es nützte ihm auch wenig, daß er in den Rittern Walters von Brienne, eines französischen Schwiegersohnes Tankreds, Verstärkung gewann und nun — vordeutend in die Zukunft — Deutsche und Franzosen auf sizilischem Boden die Waffen kreuzten. Da hat ein neuer Glücksfall, Markwards Tod (1202), die Gefahr gemindert. Wenn auch die anarchischen Kämpfe noch Jahre lang fortdauerten, wurde die Regentschaft schließlich doch wieder unter den Einfluß des Papstes zurückgebracht (1206), der sich eifrig bemühte, dem der Mündigkeit entgegenreifenden jungen Herrscher durch eine Landfriedensordnung (1208) nach aller Verwüstung wenigstens die Möglichkeit eines Wiederaufbaues zu sichern. Einen Hauptpunkt seines politischen Programms hatte Innozenz über alle Schwankungen hinweg doch auch hier durchgesetzt: die Vereinigung mit dem Imperium blieb zerrissen, der deutsche Einfluß nahezu beseitigt, die päpstliche Oberherrschaft anerkannt. Von dem erschöpften
PHILIPP VON SCHWABEN
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Lande war mindestens einstweilen nichts zu besorgen. In ganz Italien von jenen Fesseln befreit, die ihr noch vor kurzem die Glieder zusammengeschnürt hatten, konnte die Kurie um so kräftiger in die Weltpolitik eingreifen. Und da kam ihr die Spaltung zustatten, die durch die europäischen Hauptmachtgebiete hindurchging. Nie hätte Innozenz seine italischen Erfolge errungen ohne die deutsche Zwietracht. Indem dort die Fürsten durch die unselige Doppel wähl des Jahres 1198 die Staatseinheit sprengten, führten sie das Reich zu dem verhängnisvollen Wendepunkte für seine äußere Machtstellung und innere Geschlossenheit. Da es angesichts der bedrohlichen Lage völlig untunlich war, dem dreijährigen apulischen Kinde trotz der bereits vollzogenen Wahl die Krone zu wahren, ließ sich Philipp, der etwa zwanzigjährige Bruder Heinrichs VI., zu deren Annahme bewegen und wurde von einem großen Teil der Fürsten zum „Kaiser" gewählt — denn der Einfluß römisch-rechtlicher Vorstellungen und die straffere Zusammenfassung der imperialen Gebiete zu einer Einheit hatten in der Stauferzeit zu einer Angleichung der Benennungen „König" und „Kaiser" geführt. Dem vollen Kaiserrecht, das die Fürsten wähl verlieh, fehlte nichts als der nur durch päpstliche Krönung zu erlangende Titel; bis dahin galt der Herrscher ähnlich wie die bischöflichen Elekten vor ihrer Weihe als erwählter Kaiser. Gegen diese Behauptung der Krone durch die staufische Dynastie aber erhob sich nun jene schon von dem verstorbenen Kaiser nur gewaltsam niedergehaltene welfisch-niederrheinisch-englische Opposition, der sich auch alle jene Elemente anschlossen, die in der staufischen Erbfolge eine Beeinträchtigung des Fürstenwahlrechts erblickten. Man begreift, daß Richard Löwenherz jetzt den Augenblick der Rache und der Abschüttelung des Lehnsjoches gekommen sah; zugleich aber mußte ihm, der von Westen her den französischen Erbfeind bekämpfte, daran gelegen sein, diesem im Osten eine mächtige Gegnerschaft zu erwecken. Er vor allen anderen hat daher mit seinem Einfluß und Gelde die Thronkandidatur seines Lieblingsneffen Otto, des dritten Sohnes Heinrichs des Löwen, betrieben, der in der Verbannung am anglonormannischen Hofe aufgewachsen und durch frühe Belehnung mit den Grafschaften La Marche und Poitou und durch den aquitanischen Herzogstitel im Südwesten der französischen Krondomänen als Gegner Philipp Augusts dauernd festgelegt war, im Reiche aber auf den weitverzweigten norddeutschen Anhang des Weifenhauses rechnen konnte. In die Interessen beider Kreise verflochten war an der Spitze einer niederrheinischen Fürstengruppe Erzbischof Adolf von Köln, der durch die Abwesenheit des Mainzers und anderer reichstreuer
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OTTO IV.
Großen im Heiligen Lande an Einfluß gewann; er vornehmlich trägt die schwere Verantwortung für die Gegenwahl Ottos IV. An jugendlichem Alter und mangelnder politischer Vollreife einander ähnlich, waren die beiden Thronbewerber im übrigen wesensverschieden genug: Philipp ein zart gebauter Jüngling mit blondem Lockenhaar, fein und liebenswürdig, milde und leutselig, ursprünglich für den geistlichen Beruf sorgfältig vorgebildet, dann doch vom kaiserlichen Bruder mit der Verwaltung Tusziens und der mathildischen Güter betraut, sowie mit dem Herzogtum Schwaben belehnt, ein natürlicher, wenn auch maßvoller Vertreter der staufischen Herrschaftsziele in Italien, mit der politischen Genialität des Bruders gewiß nicht entfernt vergleichbar und den wilden Zeitläuften an Einsicht und Energie zunächst nicht gewachsen, immerhin dann durch die bitteren Erfahrungen eines Jahrzehnts belehrt und in sichtlichem Aufstieg zur Reife. Ihm gegenüber Otto: von hohem Wuchs und gewaltiger Körperkraft, kriegseifrig und abenteuerlustig, tollkühn und verwegen nach Art der normannischen Ritter, aber auch hochfahrend, schroff und derb, ohne die innere Sicherheit, die Bildung und geistige Überlegenheit verleihen, wohl rücksichtslos und überheblich zugreifend, wenn er die Macht hinter sich wußte, aber kein Politiker, der mit berechnender Klugheit und feiner Diplomatie aufzubauen verstand, in allem nicht eben die glücklichste Vereinigung von Erbeigenschaften der Weifen und Plantagenets. Da Wahl und Krönung bei beiden Thronanwärtern nicht einwandfrei verlaufen und Minderheitswahlen in der deutschen Verfassung ja nicht imbedingt ausgeschlossen waren, so konnte nicht das Recht, sondern nur die Macht entscheiden. Im Großen gesehen, spaltete sich das Reich in den staufischen Süden und den weifischen Norden, während die mitteldeutschen Fürsten, unter denen Landgraf Hermann von Thüringen durch politische Grundsatzlosigkeit die Mittel für seinen glänzenden Musenhof in Eisenach gewann, je nach Gunst und Vorteil hin und her schwankten. Der englischen Unterstützung des Weifen stellte Philipp bald nach dem Vorbilde Friedrich Barbarossas ein Bündnis mit dem französischen Könige entgegen. In einem Zeitpunkt also, in dem es mehr denn je der Zusammenfassung aller Volkskräfte gegen einen gewaltigen Papst und das ringsum drohende Ausland bedurft hätte, begann ein verheerender Bürgerkrieg, der sich um so langwieriger und entsittlichender gestalten mußte, je weniger die Entscheidungen im offenen Felde bei dem Widerstand von Städten und Burgen bedeuteten und je mehr alles von den wechselnden Parteiverhältnissen abhing. Dabei waren die Kräfte, die sich hier im Widerstreit lähmten, von einer Frische
DEUTSCHER INDIVIDUALISMUS
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und einem überquellenden Reichtum, wie Deutschland sie noch nie gesehen hatte. Seine zusammengefaßte Kriegsmacht wäre noch immer für jeden europäischen Gegner überwältigend gewesen. Die Reichsministerialität, die darin obenan stand und eben damals in dem Marschall Heinrich von Kalden einen militärischen Führer ersten Ranges besaß, war auch in der Verwaltungskunst zur vollen Höhe ihrer Bedeutung gestiegen. Die aus alten Siedlungen emporstrebenden oder aus zahlreichen Gründungen neu erwachsenden Städte gaben dem gesamten Wirtschaftsleben bisher unbekannte Antriebe und hatten am Rhein, in Nord- und Ostsee auch schon Anteil am internationalen Handelsverkehr; Bauern und Bürger fluteten in immer dichteren Scharen über die Ostgrenze, um slawische Lande deutscher Arbeit zu gewinnen; eben damals etwa zog man hinein in Schlesien, Böhmen und Mähren. Und faßt man gar das künstlerische und literarische Leben dieser Blütezeit um die Jahrhundertwende ins Auge, so muß man schon auf die Tage Dürers oder Goethes hinweisen, um auf deutschem Boden einem ähnlichen auf kurze Zeitspanne zusammengedrängten Reichtum wieder zu begegnen. Der wachsende Wohlstand bildete den Untergrund, auf dem sich das neue, nun nicht mehr auf Westeuropa beschränkte Weltgefühl zu erstaunlichen Leistungen entfalten konnte. Die mitteleuropäische Lage Deutschlands, die neben den westlichen auch lombardischen und byzantinisch-antiken Einflüssen Zugang gestattete, verband sich mit dem deutschen Individualismus, um namentlich auf den Gebieten der bildenden Künste eine ungeheure Vielseitigkeit zu erzeugen, in der sich Gebundenheit und Freiheit auf das reizvollste durchdrangen und deutsche Eigenart sich unter den fremden Einwirkungen nicht nur behauptete, sondern erst recht frei entfalten konnte. In der kirchlichen Baukunst hatte sich um 1200 zwar das Wölbungsprinzip endgültig durchgesetzt. Damit aber war keineswegs dem gotischen System des Westens das Tor geöffnet. Beteiligten sich an den Kulturwanderungen der höheren Stände nach Frankreich, die ein Gegenstück zu den Ost Wanderungen der Massen bildeten, auch in zunehmendem Maße Trupps von Bauleuten, so waren es — scheidet man die durch die burgundische Zentralleitung und die von dort ausgehenden Bauhütten einheitlich bestimmten Architekturinseln der Zisterzienserklöster aus — doch nur einzelne Motive der Gotik, die man heimbrachte und anwandte, noch nicht das geschlossene System. Insonderheit die Wucht und Flächenhaftigkeit der Außenmauern wollte man sich in Deutschland nicht durch die sichtbaren Strebebögen stören lassen und suchte den Seitendruck der Gewölbe lieber durch verdeckte innere Widerlager aufzufangen, die an den nichtbelasteten Stellen eine Auflösung des Mauer-
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KIRCHLICHE UND PROFANARCHITEKTUR
werks gestatteten. Die Hauptliebe der Zeit galt der phantasievollen, Schema und Symmetrie tunlichst vermeidenden, die Silhouette der aufragenden Türme und Vierungskuppeln reich und wechselnd herausarbeitenden Gestaltung des Gesamtbildes und der Schmückung des Äußeren durch dekorative Reize: Tier- und Pflanzenornamentik, Kleeblattbögen und Lilienfenster, Säulenportale und die auch in der Lombardei bekannte Zwerggalerie, die vom Chor aus bisweilen nach dem Vorbild des schmuckkastenartigen Kirchleins von Schwarzrheindorf um die ganzen Langseiten herumlief. Derart kleideten sich damals auch die älteren oberrheinischen Dome durch staufische Umbauten in ziervolleres Gewand. Wenn die Monumentalität jener salischen Maße jetzt in Einzelbauten kaum erreicht wurde, so überwältigt dafür die Uberfülle feinempfundener, abwechslungsreicher Gestaltungen und die ungeheure Ausweitung dieser spätromanischen Baulust. Allein in Köln, das damals zur bevölkertsten Stadt Deutschlands emporgewachsen war, welch wunderbarer Reichtum der Gebilde, mit Groß St. Martin, der Apostelkirche und St. Gereon an der Spitze! Und von da aus über Bonn und Heisterbach, Andernach und Koblenz die Rheinufer hinauf bis nach Straßburg und Basel; dann ins Innere ausstrahlend mit immer neuen landschaftlichen Abwandlungen bis nach Österreich und Ungarn; in Mitteldeutschland durch Hessen, Thüringen und Ostsachsen; durch das wuchtig-kraftvolle Westfalen in die niederdeutsche Tiefebene, wo in den Backsteinbauten sich eine eigenartige Stilumbildung vollzog, die schon im Beginn des Jahrhunderts ihren Siegeszug durch das neubesiedelte ostelbische Kolonialland antrat über Lübeck und Ratzeburg bis zu der polnischen Grenze und den fernen Küstengebieten der Ostsee. Neben der kirchlichen endlich die Profanarchitektur, die sich nun erst im Wohn- und Wehrbau über das bloß Zweckmäßige erhob, den gesteigerten Bedürfnissen der höheren Gesellschaft auch künstlerisch Genüge tat und in den von Barbarossa umgestalteten oder neuerbauten Pfalzen, namentlich der, wenn nicht schon früher, so im Beginn des Jahrhunderts vollendeten Tiefburg von Gelnhausen, der sich aber auch Fürstensitze wie Heinrichs des Löwen Braunschweiger Burg Dankwarderode und bald die thüringische Wartburg an die Seite stellen konnten, einen Gipfelpunkt erreichte. Nur auf dem Hintergrunde solcher noch ausgesprochen romanischen Formenwelt darf man sich ja die ritterliche Gesellschaft dieser staufischen Zeit vorstellen. Welch erstaunlicher Kräfteüberschuß doch allein schon in diesen baulichen Leistungen von eigenartig-einmaliger Schönheit, denen darin kaum eine andere Epoche der deutschen Geschichte gleichkommt!
RITTERLICHE LITERATUR
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Und dazu nun die anderen Künste: die kirchliche Monumentalmalerei, dekorativ in der Mittelschiffdecke des Hildesheimer St. Michaelklosters, figurengestaltend in St. Gereon zu Köln auf einer nie wieder erreichten Höhe; auch die Buchmalerei, etwa im Goslarer Evangeliar, von erlesenstem Geschmack ; die Großplastik auf den vorbereitenden Stufen in Holz, Stuck und Erz ebendamals zu der Schwelle emporgeleitet, von der aus ihr wunderbarer Höhenflug durch das 13. Jahrhundert sich nicht nur über ihre byzantinischen Kleinmuster, sondern zuweilen sogar über ihre vornehmen französischen Vorbilder erheben sollte; die Goldschmiedekunst, die neben zahllosen anderen, vorwiegend rheinischen Reliquiarien soeben in dem kölnischen Schrein der Hl. Drei Könige ihr Meisterwerk geschaffen hatte. Waren die bildenden Künstler damals allenthalben zumeist Laien, so ging nun auch im literarischen Schaffen den Klerikern die Führung mehr und mehr verloren. Sie selbst, in Politik und Verwaltung tief verstrickt, hatten an dem hochgeistigen Betriebe der westeuropäischen Schulen noch wenig aktiven Anteil genommen. An die Entwicklung von Universitäten auf deutschem Boden war daher vorderhand auch noch nicht zu denken. Nicht einmal die deutsche Geschichtschreibung hatte seit den Tagen Ottos von Freising dem Fluge der staufischen Kaiserpolitik über die heimatlichen Grenzen hinaus zu folgen vermocht. Die Berichte blieben lückenhaft und ohne Größe. Die allen abstrakten Gedankengängen noch wenig zugänglichen Geister waren weniger der Wissenschaft als der schönen Literatur zugeneigt. Da aber hatte nun mit der Nationalsprache das Rittertum völlig den Sieg davongetragen über Latein und Geistlichkeit. Und dieser Adel hatte sich ja, wie in seiner ganzen Lebenshaltung und Zielsetzung, so in Dichtung und Musik den Einflüssen des Westens rascher und williger erschlossen, als das von den bildenden Künstlern gesagt werden konnte. Hier, wo kaum eine ältere Überlieferung eigene Wege wies und das gesteigerte neue Weltgefühl zur Entladung drängte, ohne nach deutscher Art dafür selbst so leicht die geeignete Form finden zu können, hatte man die französischen Leistungen gern zum Muster genommen und sich anfangs in enganschließenden Übertragungen geschult. Diese Lehrzeit ging jetzt zu Ende. Die deutschen Schüler, unter denen der Kleinadel der ritterlichen Dienstmannen an erster Stelle stand, hatten gelernt, sich in den neuen Formen selbständiger zu bewegen. Wenn sich die höfischen Epiker auch zumeist noch an die fremden Stoffe hielten, die aus romanischen, keltischen, antiken, byzantinischen oder orientalischen Quellen stammten, so blieben sie zwar an ursprünglicher Gestaltungskraft hinter den französischen Meistern, auf deren Schultern sie standen, zurück, überragten sie
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VON HARTMANN ZU WOLFRAM
aber oft bald durch verinnerlichte Auffassung und vertiefte Empfindung. Auch auf diesem literarischen Gebiete drängt sich in eine kurze Zeitspanne um die Jahrhundertwende eine erstaunliche Fülle bedeutender Talenten zusammen, von denen hier nur die vornehmlichsten genannt werden können. Sie gehörten wesentlich dem staufischen Kulturkreise an, während der weifische, schon lange in mehr konservativ-archaischer Haltung verharrend, nun in seiner politischen Auflösung gleichwertige Leistungen erst recht nicht mehr aufzuweisen vermochte. Im Südwesten, in den Landen beiderseits des Oberrheins, hielt man sich am engsten an die westlichen Vorbilder. Aber der schwäbische Ministeriale Hartmann von Aue, der auch für christliche Legenden wie den „Armen Heinrich" eine ansprechende Form fand, erhob in seinen ebenmäßigen, sprachlich verfeinerten und doch natürlich anmutenden Versen und mit seiner ethisch vertieften Problemstellung den Ritterroman über die Art eines Christian von Troyes hinaus auf eine höhere Stufe idealistischer Auffassung. Schon bald nach ihm (um 1210) schuf drüben im Elsaß Gottfried von Straßburg, der einzige Bürgerliche in dieser Dichterschar, in seinem nicht ganz vollendeten Epos „Tristan und Isolde" das Hohelied der sinnlichen, aber bis zum Tode getreuen Minne, hinreißend noch heute in dem einschmeichelnden Schmelz seiner Sprachmusik, in seinem seelischen Einfühlungsvermögen und scharfen Kunstverstand, rein artistisch betrachtet auf der höchsten dieser Zeit erreichbaren Stufe der Vollendung, aber in seinem psychologisch-rhetorischen Raffinement und der völlig amoralischen, ganz nur ästhetisch gerichteten, selbst über religiöse Bindungen sich kühn hinwegsetzenden Betrachtungsweise bereits auf jener Höhenlinie angelangt, auf der sich die aufsteigende Woge zu überschlagen begann. Stand er als Elsässer der Art seines romanischen Vorbildes, des Meisters Thomas, dem er viel verdankt, nahe, so zeigte der als Gesamtpersönlichkeit ihm überlegene mittelfränkische Ministeriale Wolfram von Eschenbach (")" bald nach 1217) trotz der französischen Muster, denen auch er folgte, in seinem Hauptwerke, dem Parzival, deutsche Art unverkennbar, reich und köstlich ausgeprägt; neben jenem von mehr sprunghafter Phantasie, grüblerisch und oft dunkel im Ausdruck, ungelehrt und ganz nur am Leben gebildet, trotz der Unwirklichkeit seines bretonischen Märchenstoffes mit scharf realistischem Sinn für das Einmalig-Kennzeichnende, nicht ohne Witz und Humor, aber mit männlichem Ernst durch die Schale des äußeren Daseins hindurchdringend zu dem Kern einer religiös-sittlichen Forderung, die sich nicht mit den gesellschaftlichen Geboten des ritterlichen Ehrenkodex begnügte und auch nicht an der kirchlichen Moralprägung haftete, sondern
WALTHER VON DER VOGBLWBIDB
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darüber hinaus auf ein hohes Ziel geläuterter, selbst über die Schranken der Einzelreligionen erhobener Menschlichkeit gerichtet war. Noch weiter südöstlich, in den Donaulanden, gab etwa gleichzeitig ein Dichter, der an der neuen Epik gelernt hatte, der alten, bisher nur durch Spielleute in noch roher Form von Mund zu Munde getragenen Heldensage der Nibelungen literarische Form und rettete damit das Gewaltigste an heroischer Tragik, das die deutsche Dichtung kennt, vor dem Vergessenwerden. Wie die Epik, so hatte auch der Minnesang, von zahlreichen ritterlichen Poeten gepflegt, damals die ersten zarten Frühlingstriebe zur Sommerreife entwickelt, und auch hier war die Kunst aus dem Aufnahmegebiet des rheinischen Westens bald in den deutschen Osten getragen. Der schwungvolle Thüringer Heinrich von Morungen wirkte bereits am markgräflich meißnischen Hofe, und der akademisch formstrenge Elsässer Reinmar der Alte, den Uhland einen „Scholastiker der hoffnungslosen Liebe" genannt hat, wurde am Hofe der österreichischen Babenberger der Lehrer des unfreien Ritters Walther von der Vogelweide in der höfischen Lyrik. Der wuchs freilich rasch um Haupteslänge über ihn hinaus, als er um 1198 Wien verließ, um als armer Ritter, der er war, ein Wanderleben im Dienste wechselnder Herren zu beginnen und darin mit der Feinheit und Formvollendung höfischen Sanges Erdennähe und ungekünsteltes Empfinden des volkstümlichen Liedes zu vereinen. Den hohen sittlichen Emst, der bei aller leichten Anmut und humorvollen Scherzhaftigkeit so mancher Verse den Grund seines Wesens bildete, zeigt auch die einzige vollständige überlieferte, feierlich schöne Melodie, die sich von ihm zu dem einen seiner beiden Kreuzzugslieder erhalten hat. Hinter dem Wort ja sicherlich zurücktretend und nur zur Steigerung von dessen Wirkung dienend, bis sie erst mit dem Verfall der Dichtung mehr und mehr die Oberhand gewann, trug diese Musik gleichwohl zur Bereicherung der Kultur jener Tage nicht unerheblich bei. Was aber Waither von der Vogelweide besonders emporhebt über alle anderen deutschen Lyriker seiner Zeit, das ist der große Zug seiner politischen Spruchdichtung, durch die er an der Seite der bedeutendsten Troubadours eine Mittelstellung einnimmt zwischen den lateinischen Versen des „Erzpoeten" aus Barbarossas Tagen und den Prosamanifesten des durch ähnliches Schicksal gehärteten und gereiften Dante. In den wilden Zeitläuften, an denen er leidenschaftlichsten Anteil nahm, wurde er durch den tiefempfundenen Trieb einer erzieherischen Sendung und durch die rückhaltlose Sprache eines empörten Gewissens eine Macht für sich, einseitig, heftig und reizbar, in seinem gerechten Zorn und
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ERBÜBEL DER DEUTSCHEN ZWIETRACHT
ohne tieferen Ginblick in die weltgeschichtlichen Zusammenhänge öfter bis zur Ungerechtigkeit hingerissen, äußerlich mehrfach Herrn und Partei wechselnd, auch dem Staufer Philipp, für dessen Anerkennung er sich einsetzte, späterhin einigermaßen entfremdet, niemals aber der großen Sache, der er sich weihte, untreu, jenem hochgespannten Gefühl für Ehre, Würde und Macht des Reiches, wie es vornehmlich im Kreise der staufischen Ministerialen ausgeprägt war. Warum nun der Hinweis auf den von hervorragenden Talenten und Charakteren getragenen Reichtum der damaligen deutschen Kulturleistungen eben an dieser Stelle? Weil nur so voll zu ermessen ist, was hier durch das Erbübel der deutschen Zwietracht zerstört wurde. Was lag im Grunde daran, ob der Staufer oder der Weife die Krone gewann? An der Spitze eines einigen Reiches hätte jeder von beiden, wenigstens der Richtung nach, eine ähnliche Politik gemacht wie der andere. Darin lag das Verhängnis, daß in dem Moment, in dem Deutschland sich vollauf befähigt zeigte, der Hegemoniestellung der Macht, die ein Heinrich VI. wiederum eingenommen hatte, die kulturelle Berechtigung zur Führung hinzuzufügen, die Kräfte sich gegeneinanderkehrten und der letzten Auswirkung jenes gewaltigen Aufschwungs der Nation den Boden entzogen. Innozenz III. hat die Spaltung nicht veranlaßt und hat auch nicht gleich eingegriffen; aber wie hätte er als Politiker einen Streit nicht begrüßen, fördern und nützen sollen, der das Papsttum von einem Alpdruck entlastete und ihm im Italien freie Hand ließ? Damit der Weife dem an Anhang überlegenen Staufer mindestens die Stange halten könne, mußten die durch den Krieg gegen Frankreich festgelegten englischen Kräfte fur Otto IV. entbunden werden. Unter Vermittlung des Papstes, der damals den Kapetinger wegen seiner schon seit 1193 betriebenen Scheidung von seiner dänischen Gemahlin Ingeborg sogar durch Verhängung des Interdikts über seine Lande bedrängte, ließ sich der damals eben siegreiche Richard Löwenherz, der sich von der weifischen Kandidatur viel versprach und für sie reiche Mittel in Aussicht stellte, in der Tat mit Philipp August zu einem fünfjährigen Waffenstillstand herbei (Anfang 1199), der diesen zur Nichtunterstützung des ihm verbündeten Staufers verpflichtete. Daß Richard jedoch wenige Monate später bei einem abenteuerlichen Sturm auf die Burg eines aquitanischen Rebellen ums Leben kam, schien Ottos Aussichten nahezu zu vernichten. Gewiß hatte der Plantagenet während seiner fast ganz außerhalb Englands verbrachten Regierung schon ein gut Teil des väterlichen Erbes heruntergewirtschaftet und hinterließ sein ausgebeutetes Reich in finanzieller
JOHANN Ο ΗΝ BLAND
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Bedrängnis. Immerhin war der draufgängerische Kriegsmann bis zuletzt (ur Frankreich ein weit gefährlicherer Gegner als sein Nachfolger Johann (1199— 1216), der von Heinrich Π. als der jüngste und zunächst leer ausgehende seiner Söhne bei seiner Geburt mit dem Scherznamen „Ohneland", der ihm dann blieb, begrüßt worden war. Auch Johann besaß manche von den glänzenden Eigenschaften seines Geschlechts: rasche Auffassungs- und Kombinationsgabe, List und Geschick, Beweglichkeit und Schlagfertigkeit; indes, solche Anlagen fanden bei ihm noch weniger charakterlichen Halt als bei Vater und Brüdern. Selbstsüchtig, treulos, hinterhältig und intrigant noch weit mehr als jene, besaß der unscheinbar aussehende, bald recht beleibte Herr nichts von Richards kühner, im Verschwenden wie im Erraffen großzügiger Ritterlichkeit, die ihm Volkstümlichkeit gab; noch weniger von der unermüdlich gleichmäßigen Verwaltungstätigkeit und Rechtspflege Heinrichs II. Zwischen brutal-überheblicher Erregung und feiger Erschlaffung fand er nicht die mittlere Stetigkeit. Dabei stießen die rein dynastischen Herrschaftsbestrebungen der Plantagenets auf immer stärkere Widerstände. In England bewegte sich der auf ruhige Arbeit und wirtschaftliches Gedeihen eingestellte bürokratische Staatsorganismus in wachsender Selbständigkeit von der Krone, wenn auch vorderhand noch der vortreffliche Hubert Walter, zugleich Kanzler und Erzbischof von Canterbury, zwischen beiden Kreisen klug vermittelte. Für die festländischen Besitzungen aber wurde unter der zielbewußten Leitung Philipp Augusts die Gefahr der Abtrennung immer größer. Indem dieser gegen Johann dessen jungen Neffen Arthur von der Bretagne, den Sohn seines älteren Bruders Gottfried, nach dem Erstgeburtsrecht als echten Erben und Thronanwärter ausspielte, eröffnete er sofort wieder den eben erst unterbrochenen Krieg. Noch im Tode hatte Richard seinem weifischen Neffen, dem er den größten Teil seines Schatzes vermachte, reichste Förderung zugedacht. Auch bei gutem Willen wäre der kriegerisch und finanziell hartbedrängte Johann kaum in der Lage gewesen, diese Verfügungen auszuführen. Indem er sich überdies gezwungen sah, mit dem französischen Gegner einen verlustreichen Frieden zu schließen (1200), der nun ihn selbst zur Neutralität in der deutschen Frage verpflichtete, drohte sich ohne die englische Unterstützung Ottos Königtum, wie er klagte, „in Staub und Asche aufzulösen". Wollte Innozenz, den jener „seinen einzigen Trost und Beistand" nannte, nun nicht alle Vorteile, die einer Erhebung des Papsttums die deutsche Spaltung bot, einbüßen, so mußte er selbst die Förderung des Weifen in die Hand nehmen. Schon unmittelbar nach Richards Tode war er sich dieser Aufgabe bewußt geworden, hatte mit
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INNOZENZ GREIFT EIN
Otto geheime Verhandlungen begonnen und die Entscheidung im deutschen Thronstreit offen für sich in Anspruch genommen. Je heftiger sich die fürstlichen Anhänger Philipps, unter denen die Bischöfe in noch ungebrochener Treue gegen das staufische Haus fast vollzählig vertreten waren, dagegen in der geharnischten Speirer Erklärung vom 28. Mai 1199 verwahrten, je stärker ihre Zahl durch die endlich aus dem Orient zurückkehrenden Kreuzfahrer anschwoll, desto mehr sah sich der Papst veranlaßt, seine zuwartende Haltung aufzugeben. In einer geheimen Konsistorialrede entwickelte er zu Ende 1200 vor den Kardinälen die Gründe seiner Entschließung, indem er aus der päpstlichen Übertragung der Kaiserwürde von Byzanz her an Karl den Großen das Krönungsrecht und damit die Befugnis herleitete, bei einer deutschen Zwiekur zu entscheiden, wer von den Bewerbern fur den Empfang der Kaiserkrone der Würdigere sei, und dann mit scheinbaren Rechtsdarlegungen, in Wahrheit nach dem Vorteil der Kirche, Otto IV. als den alleingültigen anerkannte. Alsbald zahlte dieser den Preis, indem er am 8. Juni 1201 dem Papste gegenüber eidliche Verpflichtungen einging, die eine völlige Unterwerfung unter dessen Willen bedeuteten, ihm insonderheit die Anerkennung der italienischen Rekuperationen und der Lehnshoheit über Sizilien einbrachten. Und nun griff Innozenz mit Energie in den Kampf ein, bannte Philipp und seine Anhänger, entzog ihm durch ein klug berechnetes Drucksystem von Strafen und Belohnungen, durch Suspensionen und rücksichtslose Neubesetzungen die meisten seiner Bischöfe und wußte durch umfassende Agitation auch die Treue mancher weltlichen Fürsten zu erschüttern. Als er freilich König Johann seines den Franzosen geleisteten Neutralitätseides entband, um das englisch-weifische Bündnis herzustellen, lud Philipp August den Plantagenet als seinen Vasallen zur Verantwortung vor seinen Peershof und fiel, als dieser den nicht erschienenen zum Verlust seiner französischen Lehen verurteilte, gemeinsam mit dem jungen Arthur, den er sich zum Schwiegersohn ersehen hatte, in Normandie und Poitou ein (1202). Wenn nun auch Johann sich kräftig zur Wehr setzte und sogar den Neffen in seine Gewalt brachte, um ihn bald im Kerker verschwinden zu lassen, so hat doch eben der daraus entspringende Mordverdacht dazu beigetragen, den Abfall seiner französischen Vasallen zu steigern, so daß Philipp August, der eine Einmischung des Papstes in Lehnsstreitigkeiten und weltliche Händel der Könige schroff zurückwies, im folgenden Jahre dem Engländer neue Niederlagen beibringen konnte, die 1204 zum völligen Verlust der Normandie führten. Das wirkte dann wieder auf den deutschen Thronstreit zurück. Die
OTTO IV. IN BEDRÄNGNIS
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Welle, die Otto kurze Zeit emporgehoben hatte, senkte sich wieder. Die allgemeine Erschütterung der Treue entzog auch ihm den Halt. Sein eigener Bruder Pfalzgraf Heinrich gab das Zeichen zum Abfall; andere folgten, selbst der Haupturheber der ganzen Spaltung, Erzbischof Adolf von Köln, ließ sich von Philipp gewinnen und vollzog an ihm noch einmal am rechten Orte Aachen die Krönung. Durch einen unerhörten Eingriff ins Reichsrecht, die kurzerhand verfügte Absetzung Adolfs, vermochte der Papst, der staufischerseits nun schon in Mittelitalien bedroht wurde, die Auflösung der weifischen Partei nicht mehr zu hemmen. Nach Verlust seines Hauptstützpunktes Köln (1206) sah sich Otto gezwungen, den deutschen Boden zu verlassen; seine Hoffnung beruhte einzig noch auf der Unterstützung des Auslandes: Dänemarks, das er schon früher durch Preisgabe Nordalbingiens mit Lübeck und der Ostseeküste für sich gewonnen hatte, und Englands, das indes nach dem Verlust auch der Lande Anjou, Maine und Touraine und der selbständig gemachten Bretagne mit der Sicherung wenigstens von Aquitanien vollauf zu tun hatte und im Oktober 1206 mit dem französischen Gegner einen Stillstand schließen mußte, der diesem eine ungeheure Erweiterung seiner Krondomäne einbrachte. Um nicht durch seinen Schützling mit in den Abgrund gerissen zu werden, hatte der vorschauende Papst schon längst in geheimen Verhandlungen mit dem staufischen Philipp ein zweites Eisen im Feuer bereitet und unternahm jetzt, um, wenn nicht alles, so doch das Wichtigste zu retten, eine überraschende Schwenkung. Erleichtert wurde sie ihm durch zwei Umstände. Einmal durch einen schweren kirchenpolitischen Konflikt mit dem englischen König. Innozenz war doch stets ebensosehr auf den Ausbau seiner absoluten Herrschaft über die Kirche bedacht wie auf die Begründung seiner Oberheit über die Staaten weit. Der starke Einfluß der Krongewalt auf die Bischofskirchen, den Heinrich II. in allen Stürmen behauptet hatte und den Johann rücksichtslos handhabte, war dem Papste schon lange ein Dorn im Auge. Der Tod des umsichtigen Erzbischofs Hubert von Canterbury (1205), der Johann den Stoßseufzer der Erleichterung: „Jetzt bin ich zum erstenmal König von England!" erpreßt haben soll, schärfte die Gegensätze und führte gleich bei der Wahl des Nachfolgers zu heftigem Zusammenstoß. Gegen den von den Suffraganbischöfen auf Geheiß des Königs Gewählten ließ der Papst durch den Kathedralkonvent der Mönche von Canterbury, eine singuläre englische Erscheinung, seinen Freund Stefan Langton, der zwar von Geburt Engländer, aber als Pariser Universitätslehrer auch Vertrauter Philipp Augusts war, nicht nur wählen, sondern erteilte ihm auch bald unter Umgehung des
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PHILIPP ERMORDET
königlichen Bestätigungsrechtes die Weihe. Daraufhin ließ sich Johann in wildem Jähzorn zu äußersten Maßnahmen: Vertreibung jener Mönche als Majestätsverbrecher, Nichtanerkennung Langtons, Verbot der Zahlung des Peterspfennigs und der Teilnahme an einem vom päpstlichen Legaten berufenen Konzil hinreißen und trieb durch sein immer roheres Vorgehen gegen die Geistlichkeit Innozenz III. im März 1208 zur Verhängung des Interdikts über England. Wie hätte das nicht auf Johanns Verhältnis zu dem verbündeten Weifen erkältend einwirken sollen? Das zweite erleichternde Moment war die herannahende Mündigkeit des jungen Friedrich, die das beanspruchte Vormundschaftsrecht seines Oheims beseitigen und die Trennung Siziliens vom Imperium sichern mußte. Die Anerkennung seiner mittelitalischen Rekuperationen vermochte Innozenz dagegen von Philipp nicht zu erreichen, und wenn auch die angeblich vereinbarte Vermählung eines päpstlichen Nepoten mit Philipps Tochter und seine Belehnung mit Tuszien den engeren Kirchenstaat vor erneuten Ubergriffen einer Reichsbeamtenschaft einigermaßen gesichert haben würde, so blieb in diesem Punkte die Niederlage der päpstlichen Politik doch offensichtlich. Da hat eine jener unerwarteten Schicksalswendungen, an denen das Pontifikat Innozenz III. so reich ist, ihm diese Niederlage erspart. König Philipp, der sich eben anschickte, die letzten Reste weifischen Widerstandes in Braunschweig niederzuwerfen, endete plötzlich in der Bischofspfalz zu Bamberg als das Opfer einer Privatrache unter der Mörderhand des bairischen Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach (Juni 1208). Für Deutschland ein neues, furchtbares Verhängnis. Eben hatte sich der zum Mann und Politiker herangereifte Staufer in jahrelangen Mühen den Weg zur Einheitsherrschaft gebahnt, da schien die unselige Tat das Chaos zu erneuern. Indessen, die deutschen Fürsten waren des Haders müde; die führerlose staufische Partei, vornehmlich die Reichsministerialität, erklärte sich mit bemerkenswerter Einsicht für ihren Gegner Otto IV., dessen Verlobung mit der ältesten Tochter des söhnelosen Philipp ins Auge gefaßt wurde. Aus der hoffnungslosen Lage eines gescheiterten Gegenkönigs wurde der Weife damit plötzlich zum unbestrittenen Herrscher des geeinten Reiches. Auf den Papst wirkte diese Wendung als ein Heilmittel aus schwerer Krankheit, die ihn damals befallen hatte. Jenen Mord sah er als Gottesgericht an; von Otto aber rühmte er mit dem Herrn: „Wir haben den Mann nach unserem Herzen gefunden" und sprach die Hoffnung aus, den beiden nunmehr einträchtig vereinigten Schwertern werde nichts in der Welt widerstehen können. In der Tat erklärte Otto, seine Sache ganz dem päpstlichen
OTTOS IV. EIDBRUCH
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Rat und Willen unterwerfen zu wollen, und erneuerte in der Speirer Urkunde vom 22. März 1209 seine früheren Versprechungen in noch erweiterter Gestalt. Denn zu der Anerkennung des vergrößerten Kirchenstaats und der päpstlichen Lehnshoheit über Sizilien trat jetzt noch die völlige Freigabe der deutschen Bischofswahlen, die allein an den Mehrheitsbeschluß des Domkapitels geknüpft und bei Zwiespältigkeit auf Appellation hin durch die römische Kurie entschieden wurden, während der Krone von den noch im Wormser Konkordat zugestandenen Rechten nichts blieb als die zur machtlosen Förmlichkeit herabsinkende Investitur mit den Regalien. Auch das finanziell nutzbare „Spolienrecht" am Nachlaß der geistlichen Fürsten wurde damals preisgegeben. Die Verbindung zwischen Königtum und Bischofskirche, auf der seit den Tagen Ottos des Großen die deutsche Politik wesentlich beruht hatte, wurde damit endgültig zerschnitten. Man darf bezweifeln, ob der Weife, dessen englischen Verbündeten eben damals der päpstliche Bann getroffen hatte, jene Versprechungen noch völlig ernst gemeint hat; aber vorerst war er noch auf das Wohlwollen des Papstes zur Erlangung der Kaiserkrone angewiesen. Auf der Romfahrt, die er sofort antrat, zeigte sich freilich deutlich genug, daß er, beraten von staufischen Bischöfen und Reichsministerialen, nicht mehr gewillt war, zu den gewaltigen deutschen Krongutsverlusten, die der Bürgerkrieg gebracht hatte, noch den Verzicht auf die reichen Einkünfte der vom Papste versprochenen italienischen Reichsbesitzungen hinzuzufügen. Er verwies die kurialen Forderungen auf den Rechtsweg; die territorialen Zugeständnisse seien ohne Zustimmung der deutschen Fürsten gemacht, ohne die er über Reichsgut gültig nicht habe verfügen können. Und als der Papst ihn an andere urkundlich festgelegte Versprechungen erinnerte, gab er ihm die grobe Antwort, jener möge das Pergament nur in seiner Lade verwahren, d. h. zu den Akten legen. Noch versuchte Innozenz bei der Kaiserkrönung, die er in Rom am 4. Oktober 1209 gleichwohl vollzog, den Weifen durch die in den öffentlich geleisteten Eid eingefügte Verpflichtung, Besitz und Rechte der Kirche erhalten zu wollen, aufs neue zu binden. Indes, der Kaiser setzte sich über die territorialen Ansprüche der Kurie selbst auf mathildisches Gut nur noch rücksichtsloser hinweg. Immerhin wäre die Lage des Papstes noch nicht schlechter gewesen als nach den Abmachungen mit Philipp, hätte nicht Otto schon wenige Wochen nach der Krönung durch den Plan eines Angriffs auf das Königreich Sizilien den Bruch unvermeidlich gemacht. Lockungen deutscher Truppenführer, die dort noch im Widerstande gegen die schwache Herrschaft Friedrichs II. verharrten, pisanische Versprechungen, normannische Abenteuerlust
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DIE GEGENMINB
und das Vorbild Heinrichs VI. — das alles wirkte zusammen, um ihn im Widerspruch mit den deutschen Fürsten zu dem verhängnisvollen Entschluß zu treiben, der ihn nach feindseligen Vorbereitungen in Mittelitalien im November 1210 mit starkem Heer über die sizilische Grenze führte. Innozenz hatte mit Entsetzen gesehen, wie seine Kreatur das Hauptwerk seines Lebens: die Trennung Siziliens vom Imperium, zu vernichten und den Druck der Gewaltherrschaft Heinrichs VI. zu erneuern trachtete. Als keine Warnung ihn vom Einmarsch zurückhielt, hat er nicht gezögert, gegen den eidbrüchigen Kaiser wie einst gegen seinen staufischen Rivalen den Bannstrahl zu schleudern. Wenn überhaupt von einer moralischen Berechtigung zu dergleichen gesprochen werden kann, so war es hier der Fall. Gleichwohl ist nur zu begreiflich, daß eben dieser Bannspruch am allerwenigsten verstanden und weithin um seine Wirkung gebracht wurde. Wie sollte man sich in Deutschland in den Gängen einer Papstpolitik zurechtfinden, die den Weifen unterstützt, fallen gelassen, jubelnd gepriesen und nun gebannt hatte? Waither von der Vogelweide, der jetzt mit der gesamten Reichsministerialität hinter dem Einheitskaiser stand, hat wie ein Bote von Gott den Gebannten nachmals bei seiner Rückkehr aus Italien als Statthalter Christi auf Erden begrüßt und den Papst in Versen voll lodernden Hasses als doppelzüngigen Verderber des Reiches und der Kirche, als Wolf im Schafspelz und Judas gebrandmarkt, bei aller einseitigen Ungerechtigkeit doch in dem sicheren Instinkt dafür, daß Papstinteresse und Reichsmacht sich ausschlossen. Auch in Rom wagte man Innozenz in einer Predigt durch den Zuruf zu unterbrechen: „Dein Mund ist Gottes Mund, aber deine Worte sind Worte des Teufels", und in Unteritalien wurde der Erfolg des kaiserlichen Feldzuges durch den Bann nicht beeinträchtigt. Schon schickte sich Otto als Herr nahezu des ganzen Festlandes an, nach der Insel hinüberzugehen, wo er mit mohammedanischen Stämmen Verbindung angeknüpft hatte, schon soll im Hafen von Palermo eine Galeere bereit gelegen haben, um den jungen König im Notfall nach Tunis zu retten, da sprang die Gegenmine, die inzwischen der Papst auf Anregung des französischen Königs, der die Ubermacht des mit dem englischen Erbfeind verbündeten Weifen fürchten mußte, gegraben hatte. Ohne verfügbare Truppen, wie sollte man Otto anders zum Rückzug zwingen, als indem man in Deutschland die Rebellion entfachte und ihm dort einen Gegenherrscher aufstellte? Aber wer hätte wagen sollen, diese Rolle auch nur mit einiger Aussicht auf Erfolg zu übernehmen, wenn nicht der Sohn Heinrichs VI. selbst, fur den sein auf Erblichkeit und einstmalige
FRIEDRICH Π. ZIEHT NACH KONSTANZ
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Wahl gegründetes Kronrecht, die Überlieferung seines Hauses und der Glanz des staufischen Namens stritten, der sich überdies einer solchen Aufgabe gar nicht entziehen konnte, weil er so allein seine sizilische Krone retten konnte? Aber wie? Sollte Innozenz selbst dazu die Hand bieten, die Vereinigung der Reiche Heinrichs VI. herzustellen, die er doch gerade mit allen Mitteln gesprengt hatte? Es war die schwerste Entscheidung seines Lebens, doch ihm blieb keine Wahl. So galt es wenigstens Garantien dafür zu schaffen, daß aus der vorübergehenden Personalunion der Reiche keine Realunion erwüchse, wie sie Kaiser Heinrich erstrebt hatte. Innozenz hatte bereits 1209 für die Befestigung der staufisch-normannischen Dynastie gesorgt, indem er Friedrich mit Konstanze, einer Schwester des der Kurie ergebensten aller abendländischen Monarchen, Peters II. von Aragonien, vermählt hatte. Ihr kürzlich geborenes Söhnchen Heinrich sollte nach des Papstes Plan später in dem vom Imperium wieder abgetrennten Sizilien nachfolgen; ein Anfang in dieser Richtung wurde schon jetzt mit seiner Königskrönung gemacht. Da Friedrich überdies im Gegensatz zu seinem kaiserlichen Vater die sizilische Lehenshoheit des Papstes ebenso wie dessen mittelitalische Rekuperationen anerkannte, so schien unter ihm als Kaiser das Spiel immer noch sehr viel günstiger zu stehen als unter dem abtrünnigen Weifen, der die von Heinrich VI. erlittenen Drangsale zu erneuern diohte. Den päpstlichen und französischen Einwirkungen gelang es in der Tat, eine Gruppe von Fürsten Süd- und Mitteldeutschlands zum Abfall und zur Gegenwahl des jungen Staufers zu bewegen (1210/11), der, da er der päpstlichen Zustimmung von vornherein gewiß war, als künftiger Kaiser dem Weifen gegenübergestellt werden konnte. Wie man berechnet, kehrte daraufhin Otto unter vielleicht unnötigem Verzicht auf die nahezu sichere sizilische Beute eilends nach Deutschland zurück. Aber seine Truppen hielten das unteritalische Festland besetzt, und die Gefahr mußte sich erneuern, wenn Friedrich sich dem Rufe versagte. Gegen die abmahnenden Stimmen seiner Ratgeber nahm dieser daher, getrieben zugleich von Rechtsbewußtsein, Ahnenstolz und Ehrgeiz, die ihm zum zweitenmal gebotene Krone an und gewann in abenteuerlicher Fahrt, unterstützt allein durch päpstliches Geld, über Rom den Weg durch Lombardei und Alpen nach Konstanz (September 1212). Wieder hatte der Papst, wie Waither von der Vogelweide ihm anklagend zurief, „zwei Deutsche unter eine Krone gebracht, um über das Reich Unfrieden und Verwüstung zu bringen". Otto IV. hatte seine Stellung in Deutschland zwar neu zu festigen vermocht, auch durch Vollzug der Heirat mit der Tochter Philipps von Schwaben,
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KRÖNUNG IN MAINZ
die freilich kurz darauf starb, versucht, sich den staufischen Anhang zu sichern. Wenn gleichwohl Friedrich, der nun in Frankfurt von noch zahlreicheren Fürsten zum Römischen König erwählt und wegen der Feindschaft des Kölners in Mainz gekrönt wurde (Dezember 1212), seine Macht in kurzer Zeit über ganz Süd- und Mitteldeutschland ausdehnen und seinen Angriff bereits gegen Sachsen richten konnte, so wirkten dabei verschiedene Momente zusammen: Abneigung gegen den gewalttätigen Weifen und seine zentralisierenden Bestrebungen ebensowohl wie die staufischen Erinnerungen und die persönliche Geschicklichkeit Friedrichs, der durch seine Freigebigkeit die öffentliche Meinung gewann, bald auch als ihr Sprachrohr Waither von der Vogelweide in seinen Dienst zog und ihm das langersehnte Lehen erteilte. Das Beste tat freilich doch — bezeichnend für die Schwächung des zerrissenen Deutschlands — der Einfluß auswärtiger Gewalten: die überaus wirksame Unterstützung des Papstes, dem Friedrich als Entgelt dafür Ottos Speierer Versprechungen, jetzt aber durch Zustimmung der deutschen Fürsten reichsrechtlich bekräftigt, in der Egerer Goldbulle vom 12. Juli 1213 erneute, und das französische Geld, das dem englischen des Weifen Widerpart leistete. Im Kampfe der westeuropäischen Mächte sollte denn auch die letzte Entscheidung über die Kaiserkrone fallen. Das Vorgehen gegen Otto war dem Papste sehr erleichtert worden durch das immer tyrannischere Wüten seines englischen Verbündeten gegen die Kirche. Die Gruppierung der europäischen Mächte gewann nun klarere Umrisse. Interdikt und Bann allein hatten Johanns Machtstellung im Lande nicht zu erschüttern vermocht. Niemand wagte die Verkündigung; auch die Lösung der Untertanen vom Treueid wurde auf der Insel zunächst kaum bekannt. Die Bischöfe, mit Erzbischof Stefan an der Spitze, waren überwiegend nach dem Festland geflüchtet. Um so willkürlicher schaltete der König mit den kirchlichen Einkünften. Wesentlich darauf beruhte für ihn die Möglichkeit umfassender Rüstungen, die er, um wenigstens der Inselwelt sicher zu sein, in erfolgreichen Feldzügen zur Erneuerung der Lehnshoheit über Schottland, zur Niederwerfung des aufständischen Wales und zur Befestigung der englischen Herrschaft über Irland verwandte. Erst der Bruch mit Otto gab dem Papste freie Hand, gegen Johann die letzte Karte auszuspielen, indem er auf Klage der vertriebenen Bischöfe die förmliche Absetzung des sündhaften Königs aussprach und das Vollstreckungsmandat seinem Hauptgegner Philipp August von Frankreich übertrug (Januar 1213). Ohne Gefahr für die Kurie war freilich eine allzu große Machtverstärkung des Kapetingers auch nicht; hatte dieser doch allein schon dadurch, daß es ihm
UNTERWERFUNG JOHANNS
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gelungen war, seinen Ehestreit durch volle zwanzig Jahre gegen alle römischen Beschwerden hinzuziehen, sich als ein ebenbürtiger Verhandlungsgegner Innozenz' III. erwiesen. Indessen damals gerade zeigte er sich endlich durch Wiedereinsetzung Ingeborgs in ihre Rechte als Königin fügsam, da er für die langersehnte Unternehmung gegen England die päpstliche und dänische Förderung brauchte. So schien sich Europa in zwei große Koalitionen zu spalten: auf der einen Seite die gebannten Herrscher Johann und sein Neffe Otto, denen sich auch der wegen Ketzerbegünstigung ebenfalls exkommunizierte Graf Raimund VI. von Toulouse, Johanns Schwager, anschloß; auf der anderen der Papst mit seinem französischen Kämpen und seinem staufischen Schützling. Da kam durch einen überraschenden Schritt Johanns noch einmal Verworrenheit in die Lage. England war durch den langen kirchenpolitischen Streit doch bis ins Tiefste aufgewühlt. Auf die Treue der Vasallen war bei einem feindlichen, im Auftrage der Kirche unternommenen Angriff nicht mehr zu rechnen. Der König selbst, erregt und abergläubisch, durch Mißerfolge seiner Verbündeten beeindruckt, von dem römischen Legaten Pandulf auf das geschickteste behandelt, entschloß sich in plötzlicher Schwenkung zu völliger Unterwerfung unter den päpstlichen Willen (Mai 1213). Das bedeutete mit der Anerkennung Stefan Langtons und der Freigabe der Bischofswahlen, die hier jedoch gänzlich unter den Einfluß Roms gerieten, den endgültigen Verzicht auf alles das, was Heinrich II. in einem Leben voll Kampf bis zum Ende behauptet hatte, also wie in Deutschland nach langem Ringen eine Kapitulation der Krone. Aber noch weit mehr als das. Ob nun freiwillig oder von dem Legaten überredet, Johann nahm sein Königreich aus dessen Hand als päpstliches Lehen unter Treueid und jährlicher Zinsverpflichtung von 1000 Mark entgegen. Auch hier trat Innozenz an die Stelle, die einst Heinrich VI. eingenommen; aus der schon von Gregor VII. geltend gemachten Bestimmung der konstantinischen Schenkung, nach der die Inseln Hesperiens dem Heiligen Stuhle gehörten, war Wirklichkeit geworden. Die Erhaltung eines von Frankreich unabhängigen und nun der römischen Kurie ergebenen Englands lag gewiß im Interesse der päpstlichen Politik. Jedoch auch hier, wie in Deutschland, war es höchst befremdlich, wie rasch man die Vorzeichen vertauschte und die Kirche über den eben noch in den schärfsten Ausdrücken Verdammten nunmehr ihre schützende Hand hielt. Der französische König war nicht der Mann, sich den befohlenen und vorbereiteten Feldzug gegen England kurzerhand wieder abblasen zu lassen Die kriegerischen Ereignisse nahmen ihren Lauf; allein jetzt erschien Philipp
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SCHIACHT BEI BOUVINES
August selbst als der Bedrohte. Denn Johann hatte gerüstet und auf dem Festlande neue Bundesgenossen gewonnen. Flandern hat sich in dem großen französisch-englischen Ringkampfe stets in schwieriger Lage befunden. In Lehnsabhängigkeit und Nachbarschaft vom französischen König, sah es sich durch die gewerblichen Interessen der hier bereits tonangebenden Städte auf die Verbindung mit dem englischen Hauptlande der Wollausfuhr schlechthin angewiesen. Unter diesem Zwange hatte der portugiesische Prinz Ferrand, der nach der Thronbesteigung des lateinischen Kaisers Balduin durch Heirat mit dessen Tochter Graf von Flandern geworden war, als Lehnsmann auch dem englischen Könige gehuldigt, der weiterhin die Grafen von Holland und von Boulogne sowie andere niederländische Herren in seinen Dienst gezogen hatte. In den flandrischen Kämpfen, die sich daraus schon 1213 entwickelten, gelang es den Engländern, die bei Damme zur Überfahrt gesammelte französische Flotte größtenteils durch Brand zu zerstörten. So fiel im folgenden Jahre die Entscheidung auf dem Festlande. Durch einen gewaltigen Doppelangriff der Verbündeten sollte Philipp August vernichtet, sein Land aufgeteilt werden. Während jedoch der Kronprinz Ludwig den von Poitou anrückenden englischen König zurücktrieb, warf sich sein Vater der von Otto IV. selbst vom Nordosten herangeführten Übermacht vorwiegend kaiserlicher und niederländischer Truppen kühn entgegen. Bei Bouvines zwischen Lille und Valenciennes fiel am 27. Juli 1214 die Entscheidung. Die straffere Geschlossenheit hatte das Heer der Franzosen vor den Gegnern voraus; nicht aber die wenig zahlreichen Bürgertruppen der Kommunen, wie man lange annahm, haben den Tag zugunsten Frankreichs entschieden, sondern die feudale oder in Solddienst stehende Ritterschaft unter bischöflicher Führung. Unzählige Schlachten — und nun gar im unstrategischen Mittelalter — verdienen Erwähnung kaum noch in einer Kriegsgeschichte; einige aber haben wahrhaft welthistorische Bedeutung. Zu ihnen gehört die Schlacht bei Bouvines. Für alle beteiligten Mächte hat diese militärische Entscheidung weittragende Folgen gehabt. Für Frankreich war es der erste große Tag nationalen Ruhmes, der das Bewußtsein staatlicher Einheit stärkte. Von da ab wagte im Lande niemand mehr, sich mit der Krone feindlich zu messen. Und wie im Innern die Macht des Königs, den man als wahren Nachfolger Karls des Großen pries, den Frieden verbürgte, so war Philipp August auch nach außen hin besonnen genug, sich mit dem Erreichten zu begnügen. Unter päpstlicher Einwirkung beendete er noch 1214 den Krieg durch den Stillstand von Chinon, der
Der Bassenheimer um 1240
Reiter
KAPBTINGISCHE MONARCHIE
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Johann außer den aquitanischen Landen einen Teil von Poitou beließ und Dauer gewann. Nachdem sich nun unter Philipp II., dessen Beiname „Augustus" ja nach der üblichen Deutung den,,Mehrer" des Reiches kennzeichnete, der Kronbesitz verdoppelt hatte, war es ein Gebot der Klugheit, haltzumachen, um das Gewonnene durch Organisation zur festen Einheit zusammenzuschweißen. Das Netz von Landeshauptmannschaften (prevöt6s), das diesen nun allenthalben an die Meeresküste herangeführten Kronbesitz überspannte, wurde durch die Zwischeninstanz der mehrere davon unter sich vereinigenden „Baillis", die als umherreisende Richter an Karls des Großen Königsboten erinnern, erst durch Philipp August straffer mit der Krone verbunden. Innerhalb dieses Gebietes konnte von feudaler Unabhängigkeit nicht mehr die Rede sein. Aber auch außerhalb standen die großen Lehnsfürsten nun offensichtlich hinter dem Königtum zurück, das überdies auf den guten Willen der Vasallen nicht mehr allein angewiesen war, sondern sich auch auf festbesoldete Reitertruppen stützen konnte. Eben diese Machtüberlegenheit wirkte nun auf das Lehnsrecht mannigfach umbildend zugunsten der Krone zu einer Zeit, in der in Deutschland die Entwicklung den entgegengesetzten Lauf nahm. Auch sonst warf sich im Reiche alles, was Schutz begehrte, in die Arme des Königtums, von dem man Frieden, Ordnung und Gerechtigkeit erwarten konnte. Was die Kirche betrifft, so waren die Bischofswahlen hier nur noch an eine formale Zustimmung der Krone geknüpft, und ein Innozenz III. wußte seinen Einfluß vielfältig geltend zu machen. Aber das Königtum verstand es gleichwohl, die Kirchen zu militärischen und finanziellen Lasten ausgiebig heranzuziehen und sie in den Bannkreis seines obersten Gerichts zu zwingen. Neben Baronen und Prälaten hat Philipp August gelegentlich schon Vertreter des Bürgertums, wenn auch mehr zur bloßen Akklamation der Beschlüsse zugezogen; nicht zum wenigsten auf dieser Verbindung beruhte die Kraft der Krone. Vergegenwärtigt man sich, welchen Aufschwung das gewerbliche und kaufmännische Leben unter königlichem Schutze damals nahm, wie Frankreich von dem Zuge des Levantehandels bis hin nach Brügge und London unmittelbar und von Italien her erfaßt wurde, wie der Austauschverkehr auf den Champagner Messen in voller Blüte stand, welches Leben dort allein der „morbus aedificandi", wie Asketen klagten, die in den großen gotischen Kathedralen und Abteikirchen zutage tretende Bausucht der Prälaten mit sich brachte, so begreift man, welcher Zukunftswert darin lag, daß die kapetingische Monarchie diese Bedeutung des Bürgertums rechtzeitig erkannte. Kein anderer Kapetinger aber hat so viele „freie Kommunen" bestätigt, geschaffen und in ihrer Selbst-
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FOLGEN FÜR ENGLAND
Verwaltung beschützt, wie Philipp August. Während er dem Kronprinzen Ludwig mehrfach freie Hand ließ, hat er selbst nach Bouvines keinen Krieg mehr geführt. Seine volkreiche Residenz Paris, in der er sich zumeist aufhielt, gewann unter ihm mit Notre Dame und dem Königspalast, den Seinebrücken, dem Beginn einer Pflasterung wenigstens der Hauptstraßen, der neuen, am rechten Ufer durch den mächtigen Turm des Louvre geschützten Ummauerung großstädtisches Aussehen und Treiben. Jetzt erst erhielten die bis dahin noch getrennten Pariser Schulen des Generalstudiums den korporativen Zusammenschluß einer Universität mit päpstlicher Statutenverleihung und königlicher Exemtion von der Zivilgerichtsbarkeit. Ihr Glanz als Metropole der Theologie strahlte auf die Krone zurück, die so unter Philipp August (j" 1223) den Grund zu einem jahrhundertelangen, auf die politische Führung Europas hinzielenden Aufstieg legte. Nahezu gegensätzlich waren die Folgen der Schlacht bei Bouvines für England. Den schon lange nur gewaltsam niedergehaltenen Widerstand gegen sein Willkürregiment vermochte der mit der Schmach der Niederlagen und Gebietsverluste zurückkehrende Herrscher nicht mehr zu bändigen. Als er es wagte, von denjenigen Vasallen, die ihrer Heerespflicht nicht genügt hatten, das übliche Schildgeld einzuziehen, kam die Empörung zu offenem Ausbruch und zog, gefördert durch den Primas Stefan Langton mit seinem bischöflichen Anhang und durch die Londoner Bürgerschaft, immer weitere Kreise. Am 15. Juni 1215 sah sich König Johann auf dem Felde Runnimede bei Windsor gezwungen, die von den Rebellen gestellten Bedingungen in Form eines feierlichen Privilegs zuzugestehen. Diese „Magna Charta" ist oftmals als Grundstein der konstitutionellen Entwicklung Englands gepriesen worden. Sie ist in der Tat beherrscht von dem Leitsatz, daß die Regierung eines Landes an die bestehenden Gesetze gebunden ist und daß Vorkehrungen zu treffen sind, um sie zur Innehaltung dieser Grenzen nötigenfalls zu zwingen. Indem von solcher Anschauung aus den absolutistischen Neigungen der Plantagenets nun wirklich eine Schranke gesetzt wurde und der Strom der Entwicklung, die zu einer Machtverschiebung im Staatsinnern fuhren sollte, seitdem nicht mehr ins Stocken kam, kann man die M^gna Charta, von der Zukunft her betrachtet, wirklich als Keim des konstitutionellen Lebens in England und damit der neueren Welt überhaupt ansehen. Anders, wenn man sie nach dem beurteilt, was sie in ihrer Zeit sein wollte und war. Da findet sich denn wenig genug von einem Streben, das Staatsgefüge auf eine ganz neue Rechtsgrundlage zu stellen, nichts von einem alle Stände umfassenden Parlamentarismus mit Repräsentativsystem
MAGNA CHARTA
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und Steuerbewilligungsrecht und alledem, was man sonst wohl hineingedeutet hat. Wurde auch den Interessen der Prälaten und der Londoner Bürger eine gewisse Berücksichtigung zuteil, so war die Urkunde in ihrem Kern doch eine Abmachung zwischen dem königlichen Lehnsherrn und seinen Vasallen, und nicht neues Recht sollte geschaffen, sondern das alte hergestellt werden, wobei man insonderheit auf eine Wahlkapitulation König Heinrichs I. von 1100 zurückgriff. In der Art, wie sich die Magna Charta zugunsten der Aristokratie gegen die absolutistische Willkür von Königtum und Beamtenschaft wandte, erinnert sie eher an das Edikt des Merowingers Chlothar II. von 614 als an moderne Akte. In der Ordnung der Beziehungen von Herrn und Vasallen pflegte ja das unstarre Lehnsrecht allenthalben dem Drucke der Macht nachzugeben. Geschah das in Frankreich zugunsten der siegreichen Krone, so hier jetzt zugunsten der Vasallen. Indem aber der Höhepunkt des europäischen Lehnswesens bereits überschritten war und die Zukunft des Staates doch weit mehr auf dem königlichen Beamtenorganismus beruhte, haftete dieser Errungenschaft der englischen Barone eher ein reaktionärer als ein fortschrittlicher Zug an. Es ist hier nicht der Ort, die vielen Einzelbestimmungen, durch welche die Magna Charta die Wahrung der früheren Rechtsübung in durchaus wirklichkeitskundigem, maßvoll konservativem Geiste verbürgen wollte, aufzuzählen. Auch in dem Hauptpunkte, der außerordentliche Beihilfen der Vasallen an die Zustimmung des aus den unmittelbaren Lehnsträgern der Krone gebildeten „großen Rates" knüpfte, hielt man sich an bestehende Grundsätze des Lehnsrechtes. Nur daß man wohl auch die Einziehung des Schildgeldes, von der der Streit seinen Ausgang genommen hatte, zu jenen außerordentlichen Beihilfen rechnete, ging über diese Linie hinaus. Dazu kam dann das tiefe Mißtrauen, ob ein Herrscher wie Johann sich, aus der Augenblicksnot befreit, an das eigene Privileg gebunden erachten werde. Ebendeshalb wurde dem König zur Überwachung eine Körperschaft von 25 Baronen aus eigenem Recht und mit besonderer Treueverpflichtung der Untertanen an die Seite gestellt, der die Befugnis zustehen sollte, bei Verletzung dieses Vertrages den König „durch Wegnahme der Burgen, Ländereien, Besitzansprüche und auf jegliche andere Weise in seine Schranken zu zwingen". Eine derartige Widerstandsbefugnis gegen den treubrüchigen Herrn war dem westeuropäischen Lehnsrecht geläufig. Daran konnten die englischen Barone anknüpfen. Indessen, die Einsetzung eines solchen förmlichen Überwachungsausschusses war nun doch das Unerhörte und Revolutionäre, desgleichen die mittelalterliche Welt, die nur die monarchische Regierungsform kannte, noch
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TOD JOHANNS
nicht gesehen hatte. Im gegnerischen Lager traf man den Kernpunkt der Souveränitätsverschiebung, wenn man von 25 Königen sprach, die an die Stelle des einen gesetzt seien, und erging sich in Spottversen über solche Verkehrung des Weltlaufes, daß hier der Körper das Haupt regieren wolle. Wie hätte ein Herrscher vom Schlage Johanns, vor dem jene Ausschußmitglieder sich nicht einmal mehr von den Sitzen erhoben, nicht jede Gelegenheit zur Abschüttelung des ihm auferlegten Joches ergreifen sollen! Er wandte sich an seinen päpstlichen Lehnsherrn, dessen Recht ja in dem seines Vasallen ebenfalls gemindert war. Innozenz erklärte denn auch, solche Beleidigung seines Schutzbefohlenen nicht ungestraft hingehen lassen zu wollen, hob die Gültigkeit der Vertragsurkunde kraft seiner apostolischen Autorität auf und ging gegen deren Urheber und Befürworter mit Disziplinarstrafen vor, indem er über London das Interdikt und selbst über seinen früheren Günstling Stefan Langton die Suspension verhängte. Er erreichte damit immerhin eine Abspaltung der gemäßigten Elemente von der Partei der Barone. Aber als sich nun der König rasch wieder zur Macht erhob, boten die auf London zurückgedrängten Rebellen an Stelle des für sie als abgesetzt geltenden eidbrüchigen Johann dem französischen Kronprinzen Ludwig, der eine Nichte Johanns zur Frau hatte, die englische Krone an und riefen ihn zur Hilfe über den Kanal: ein zweischneidiges Vorgehen, das ihnen wohl für den Augenblick Rettung brachte, aber nur zu bald die Unterstützung weiter, nationalempfindender Kreise auf der Insel entzog. Denn als Ludwig, dem sein Vater nach einigem Zögern trotz päpstlicher Drohungen freie Hand ließ, im Mai 1216 mit Truppen in Kent landete, gelangen ihm dauernde Erfolge doch nur im Südosten der Insel. Die Kräfte der Parteien waren bestenfalls gleich und die Lage vielleicht eher für Johann günstig, als dessen plötzlicher Tod (Okt. 1216) den Rebellen zwar ihren Hauptgegner nahm, aber zugleich einen Wandel herbeiführte, der wenigstens den radikaleren Bestrebungen nicht günstig war. Denn der erst neunjährige Nachfolger Heinrich III. hat unter dem Einfluß tüchtiger Beamten, die aus dem Chaos des Bürgerkrieges heraus einen Mittelweg maßvoller Reformen suchten, die Magna Charta alsbald erneuert. Die beiden Stoßzähne des Überwachungsausschusses und der Abgabenbewilligung waren ihr freilich ausgebrochen; aber bedurfte man noch solcher besonderen Sicherungen einer Regierung gegenüber, der man ganz anderes Vertrauen entgegenbringen konnte als dem treubrüchigen Johann? Jedenfalls erlahmte der Widerstand rasch. Ludwig, den überdies der Bann des Papstes getroffen hatte, mußte nach Verlust der französischen Flotte vor Calais das Unternehmen aufgeben, auf die englische
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Krone verzichten und sogar eine Entschädigung zahlen. Wie die englische Herrschaft zu beiden Seiten des Kanals im Süden gescheitert war, so nun auch der Versuch eines französischen Hinübergreifens. Die Nationen gewannen damit die Bahn zu getrennter, selbständiger Entwicklung. Aber in England war die Krone doch stark geschwächt aus den Wirren hervorgegangen. Neben dem Einfluß der päpstlichen Legaten, die hinfort die Kirche beherrschten und das Land ausbeuteten, war der Anteil der Stände am Staatsleben gewachsen. Die Grundlage war gewonnen, auf der sie ihre Rechte durch ein Jahrhundert hindurch weiter ausbauen und sichern konnten. Im deutschen Thronstreit brachte der französische Sieg bei Bouvines die Entscheidung. Als Philipp den vergoldeten Adler der erbeuteten Kaiserstandarte seinem staufischen Verbündeten als Geschenk übersandte, war das ein Sinnbild dafür, daß das Reich dank der deutschen Zwietracht sein Los zum erstenmal aus den Händen des Auslands entgegennahm. Ottos Ansehen war seitdem vernichtet. Bald sah er sich aus den niederrheinischen Gebieten, wo Friedrich sich in Aachen als der richtigen Stätte zum zweiten Male krönen ließ (1215), vertrieben und auf seine braunschweigischen Stammlande beschränkt, auch dort bedroht durch die neugeknüpfte Verbindung des Staufers mit dem Dänenkönig, die freilich nur durch abermalige Preisgabe der nordalbingischen Gebiete zu erkaufen war. Als Otto 1218 auf der Harzburg starb, war er schon halb vergessen. Hätte er sich in der einheitlichen Reichsherrschaft behaupten können, so hätte er vielleicht noch im Sinne Heinrichs VI., wenn auch nicht mit dessen Begabung, versucht, den alten Umfang kaiserlicher Rechte gegen Fürstentum und Kirche herzustellen. Friedrich Π., eben durch diese Mächte emporgehoben wie einst Lothar III. und in Deutschland als halber Ausländer nie ganz heimisch, konnte das mindestens vorderhand nicht versuchen. Trotz des Sieges der angestammten Dynastie war das Endergebnis des langen Ringens hier wie in England die wachsende Selbständigkeit der hohen Aristokratie, die aber hier nicht wie dort durch starke Bande nationaler Interessengemeinschaft zusammengefaßt das Fundament des künftigen Einheitsstaates abgeben konnte, sondern durch Parteiung und Sonderbestrebungen die Richtung auf territorialstaatliche Auflockerung des Reichskörpers nahm. Glänzend hatte der Papst, sicherlich wiederholt vom Glück begünstigt, aber stets mit überlegener Staatsmannschaft handelnd, das Schifflein Petri durch das Toben der Stürme und alle Brandungen der Klippen hindurchgesteuert. In Mittelitalien durch die Ausdehnung des Kirchenstaates vor unmittelbarer Bedrohung gesichert, war er jetzt Lehnsherr nicht allein des
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PÄPSTLICHE LEHNSREICHE IN SPANIEN
sizilischen Königs und künftigen römischen Kaisers, der als willfähriges Werkzeug der Kurie bald von ihr die Krone empfangen würde, sondern auch des englischen Königs, der zugleich Oberherr über Irland, Wales, Schottland und Südwestfrankreich war. Hatte Philipp August seine Selbständigkeit behauptet, so doch nur, weil er den Bogen nie überspannt und im rechten Moment nachzugeben verstanden hatte. Und Frankreich war ja das Land, dem wegen seiner kirchlichen Haltung schon von seiner Studienzeit her des Papstes ganze Vorliebe galt. Nun hatte er auch in Deutschland und England durch Befreiung der Wahlen und Schwächung der bischöflichen Unabhängigkeit seine kirchenpolitischen Ziele erreicht. Wohin man auch sonst in der abendländischen Welt seine Blicke lenkte, allenthalben konnte man ein Vorschieben päpstlicher Hoheitsansprüche bemerken, verbunden mit einer Ausweitung der römischen Obödienz, ja der christlichen Gemeinschaft. In Spanien, dem Lande dauernden Glaubenskampfes, brauchte Innozenz aus mehr als hundertjähriger Vorbereitung nur die Folgerungen zu ziehen. Wenn er gleichwohl auch hier mehrfach mit scharfen Zuchtmaßnahmen vorging, so geschah es, weil gelegentlich selbst diese so ergebenen Herrscher in Reibung mit den hierarchischen Ansprüchen gerieten oder weil sie innerhalb des Landes kaum Gelegenheit zu standesgemäßer Heirat fanden, ohne gegen die kanonischen Eheverbote zu verstoßen. Von den fünf Königreichen, die in der Nordhälfte der Halbinsel untereinander nicht weniger als mit den nach Süden zurückgedrängten Mohammedanern kämpften, waren die beiden Flügel längst in päpstlicher Lehnsabhängigkeit: das seit 1179 von Alexander III. mit dem Königstitel geschmückte Portugal, wo nach längeren kirchen-politischen Streitigkeiten des gleich ihm gebannten Vaters Sancho I. sein Sohn Alfons II. (seit 1211) durch Nachzahlung des für 28 Jahre rückständigen Lehnszinses das päpstliche Protektorat in vollem Umfange herstellte, und Aragonien, wo sich Peter II. 1204 sogar in Rom vom Papste als Lehnsmann in aller Form salben und krönen ließ, indem er dem Statthalter Christi ausdrücklich das Recht zuerkannte, die weltlichen Königreiche nach Gutdünken zu vergeben, und ihm Vasallengehorsam schwur, wo dann nach Peters Tode 1213 sein unmündiger Nachfolger Jakob I. gänzlich unter vormundschaftlicher Leitung des Papstes regierte. In der Mitte zwischen diesen beiden Flügeln lag die Hauptlast von Verteidigung und Angriff gegen die unter der marokkanischen Almohadenherrschaft neu erstarkenden Mauren dauernd auf den Schultern Kastiliens. Die Wiederabtrennung Leons nach Alfons' VII. Tode (1157) sowie mehr als zwanzigjährige innere und äußere Wirren hatten indes die kastilianischen
NIEDERLAGB DER MAUREN
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Kräfte gelähmt, so daß erst in den achtziger Jahren Alfons VIII. (1158 bis 1214) die ruhmvolle Überlieferung des Vordringens gegen den Süden wiederaufnehmen konnte. Die Ehe seiner Tochter mit dem jungen König Alfons IX. von Leon, der 1188 seinen auch bereits Städtevertreter umfassenden „Cortes" als erster abendländischer Herrscher Mitwirkungsrechte bei den wichtigsten Regierungsmaßnahmen eingeräumt hatte, hätte vielleicht eine dauernde Vereinigung der beiden Reiche herbeiführen können. Sie stieß jedoch wegen des kanonischen Verwandtschaftshindernisses auf den heftigsten Widerstand Innozenz III., der durch sechs Jahre hindurch (1198—1204) mit Bann und Interdikt gegen Leon vorging und schließlich, wenn auch unter Legitimierung der Kinder, die Auflösung der Verbindung erzwang. Inzwischen hatte Kastilien meist allein und nicht immer glücklich den Kampf gegen die übermächtigen Mauren zu bestehen, während rings seine Nachbarn ihm nicht nur durch offene Feindseligkeiten die Aufgabe erschwerten, sondern, wie vornehmlich Leon, geradezu mit den Mohammedanern zeitweilig im geheimen Bunde standen. Als schließlich solch unheilvolle Zersplitterung die Gefahr auf das höchste steigerte und 1211 von Afrika aus ein ungeheures Feindesheer in Andalusien landete, um, wie es in einem Aufruf hieß, nach Unterwerfung der spanischen Reiche die Eroberung bis zum römischen Sitz St. Peters fortzufuhren, da hat Innozenz mit allen Mitteln, die ihm seine eigene, eben damals durch Abfall Ottos IV. äußerst gefährdete Lage erlaubte, eingegriffen, hat durch seine Agitation ein wesentlich aus Franzosen bestehendes starkes Kreuzheer zusammengebracht, Geldmittel gespendet und jede Verbindung mit den Feinden Christi mit Bann bedroht. So hatte er seinen Anteil an dem glänzenden Siege, der weit im Süden von Toledo bei Navas de Tolosa am 16. Juli 1212 über das stark überlegene Maurenheer erfochten wurde, und Banner und Zelt des almohadischen Emirs wurden zum Dank dessen nach Rom gesandt. Der Ruhm des Tages gebührte freilich allein den verbündeten Spaniern, von denen sich die fremden Kreuzfahrer nach der Einnahme von Calatrava, enttäuscht über Hitze und Beuteknappheit, schon vorher getrennt hatten. „Mit dieser Niederlage", bekennt ein Araber, „schwanden Ansehen und Macht der Mauren in Spanien dahin." Es war fast genau ein halbes Jahrtausend seit dem Untergange des Westgotenreiches. Hinfort gab es in dem Vordringen der christlichen Staaten gegen Andalusien keine ernstlichen Rückschläge mehr. Damit war auch der kulturelle Charakter des Landes im Umschwung begriffen. Hatte seine Bedeutung für Europa bisher vornehmlich in der Vermittlung arabischhellenistischer Werte gelegen, so begann es jetzt selbsttätiger aufzutreten,
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DER NORDEN
namentlich im Handelsleben der Mittelmeerwelt eine immer einflußreichere Rolle zu spielen, auch in der hier stets in enger Beziehung zu Frankreich stehenden Kunst, den allgemeinen Stilwandel mitzumachen, wie die im Laufe des 13. Jahrhunderts emporwachsenden großen Kathedralen von Leon, Burgos und Toledo deutlich genug offenbarten. Für das Papsttum blieb hier noch auf lange die kirchliche Oberherrschaft in nahezu vollkommener Vorbildlichkeit gesichert. Wenden wir uns nach dem skandinavischen Norden, so finden wir in diesen rein germanischen, von der christlich-antiken Kulturwelle noch nicht gar lange erfaßten Gebieten zwar von den sonstigen abendländischen weit abweichende Grundbedingungen, trotzdem aber ähnliche kirchenpolitische Probleme. In Norwegen hatte seit der Kirchenorganisation von 1152 die Hierarchie mit Erzbischof Eystein an der Spitze starken Einfluß auf das Staatswesen, vornehmlich auf die Thronfolge gewonnen und versucht, diesem Zustande durch Kodifikation des kirchlichen Rechts Dauer zu verschaffen. Aber ein bedeutender Herrscher, der von der Partei der Birkenbeiner erhobene Gegenkönig Sverre (1184 bis 1202), wagte auch hier, wider diesen Stachel zu locken und sogar dem mit Bann und Interdikt gegen ihn vorgehenden Papste Innozenz, solange er lebte, erfolgreich zu trotzen. Indem er der alten Erbaristokratie den Lehnsadel seines Beamtentums entgegenstellte, wußte er der nur langsam fortschreitenden Feudalisierung gegenüber die Kronmacht noch eine Weile aufrechtzuerhalten. Er hat auch für eine Aufzeichnung der eigenen Taten Sorge getragen und zuerst isländischen Skalden die Aufgabe gestellt, die Königsschicksale in norwegischen Prosasagas aufzuzeichnen, was dann im 13. Jahrhundert eifrig fortgesetzt wurde. Als der größte dieser Erzähler eröffnet uns der isländische Politiker, Gelehrte und Künstler Snorri Sturluson (1178-1241), dem auch die Skaldenpoetik der „jüngeren Edda" mit ihren unschätzbaren Beispielen aus der altnordischen Mythologie verdankt wird, in seinem „Heimskringla" ( = Weltkreis), einer in sechzehn epischen Sagas dargestellten norwegischen Königsgeschichte, einen Einblick in diese noch sehr urwüchsig-eigenständige Welt. Ohne die verbergende Hülle einer gealterten, abstrakt gewordenen Fremdsprache und auch vom christlich-orientalischen Geiste noch nicht allzu tief durchdrungen, erscheint sie uns volkstümlich geschlossener und naturnäher als die der anderen abendländischen Völker, aber abgetrennter von dem Gesamtstrom, auch in Snorris großartig breiter, psychologisch meisterhafter, oft dramatisch lebendiger Darstellung doch nicht so straff und deutlich in Zeit und Raum eingeordnet, wie man das sonst in der Geschichtschreibung gewohnt ist. In seinem Streit mit der
DÄNISCHES GROSSREICH
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Kirche hat König Sverre noch sterbend seinem Nachfolger Hakon ein Einlenken anempfohlen, der denn auch eine Verständigung mit den vertriebenen Bischöfen auf Grund der Ordnung von 1152 zustande brachte. War Innozenz ΠΙ. mit diesen ohne seine Zustimmimg vollzogenen Ausgleich nicht ganz zufrieden, so war schließlich doch auch dieser scharfe Zusammenstoß zwischen Staat und Kirche wesentlich zugunsten der letzteren beendet. Während Schweden der gemeineuropäischen Kulturentwicklung noch langsamer folgte, war Dänemark den Einflüssen sowohl der Kirchenreform wie der Feudalisierung von Deutschland und England her am frühesten ausgesetzt gewesen, einstweilen ohne Schwächung der Kronmacht, die seit Überwindung der früheren Thronwirren vielmehr das Reich auch nach außen hin zu glänzendem Aufstieg geführt hatte. Viel war dabei der klugen und energischen Leitung des Erzbischofs Absalon von Lund ("f" 1201) verdankt worden, der in der harmonischen Wahrnahme kirchlicher und staatlicher Interessen einem Suger von St. Denis vergleichbar, wenn auch weit kriegerischer gesinnt war. Wie jener hat auch er die Geschichtschreibung angeregt und so in der Dänengeschichte des Seeländers Saro Grammaticus die bedeutendste historiographische Leistung des dänischen Mittelalters gezeitigt. Die Könige Knut VI. (1182-1202) und sein Bruder Waldemar II. (1202-1241) haben es verstanden, den deutschen Thronstreit auszunützen, um die dänische Hoheit über immer weitere Gebiete der deutsch-slawischen Ostseeküste auszudehnen, so daß sie sich schließlich von Holstein mit Einschluß von Hamburg und Lübeck bis nach Mecklenburg, Pommern und Rügen erstreckte. Das Ziel, das gesamte Baltikum unter die Herrschaft eines dänischen Großreiches zu bringen, führte dann weiter zu Festsetzungen auf der Insel Ösel, an der Preußenküste und im fernen Estland. Was das Ergebnis dieser unter der Kreuzzugsfahne unternommenen und mit der Mission verbundenen Kriegsfahrten eine Ausweitung des christlichen Bekenntnisses, so hatte inzwischen Innozenz im Baltenlande für die Papstkirche einen viel unmittelbareren Erfolg errungen. Die von dem holsteinischen Augustiner-Chorherrn Meinhard von Segeberg vor 1184 an der livländischen Küste gegründete bischöfliche Missionskirche hatte Bedeutung erst gewonnen, als 1199 der Bremer Domherr Albert von Appeldern Nachfolger geworden, als Stützpunkt für völlige Unterwerfung des Landes unweit der Dünamündung mit kaufmännischer Hilfe die Stadt Riga angelegt (1201) und, um von dem wechselnden Zustrom der Kreuzfahrer unabhängiger zu sein, den ritterlichen Schwertbrüderorden gegründet hatte. Da gelang es denn in der Tat, deutsche Herrschaft und Christentum
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WESTSLAWISCHE WELT
von Livland aus über das südwestliche Estland, über Semgallen und Kurland auszubreiten. Innozenz ΙΠ., der auch die Anfänge einer Mission bei den Preußen begünstigte, hat dies großzügige Unternehmen von vornherein weit mehr als die zerspaltene Reichsregierung gefördert, aber den Erfolg für das Papsttum voll ausgemünzt, indem er das Rigaer Bistum, von seiner bremischen Metropole abgetrennt, dem Römischen Stuhle unmittelbar unterstellte (1215) und durch kluge Gewaltenteilung dafür sorgte, daß auch in diesem fernen Nordosten das entscheidende Wort überall dem Papste zufiel. In der zerrissenen westslawischen Welt konnte es seinem entschlossenen Willen ebenso wenig schwerfallen, sich zur Geltung zu bringen. Während unter den polnischen Herrschern das Ringen um die oberste Großfürstenwürde noch immer den Hauptinhalt der Politik bildete, konnte Innozenz durch seinen Studienfreund Erzbischof Heinrich Kietlicz von Gnesen die rückständige polnische Kirche den abendländischen Reformforderungen entsprechend umgestalten, den widerspenstigen Wladislaw III. durch Bann zum Verlust seiner Herrschaft bringen (1206), seinen Nachfolger aber zur rückhaltlosen Anerkennung der alten päpstlichen Lehnsoberhoheit, des Peterspfennigs und der neuen Kirchenordnung vermögen (1210). Gehörte hier die Abhängigkeit vom deutschen Reiche schon fast der Vergangenheit an, so hielt Ottokar I. von Böhmen, dem Innozenz die von dem Staufer Philipp 1198 wieder verliehene Königswürde später bestätigte, an jener Verbindung fest; ja, Böhmen, nun auch von der über die Grenzen hereinsickernden Flut der deutschen Kolonisation ergriffen, begann erst jetzt fester mit dem Reiche zu verwachsen. Das Schloß freilich nicht aus, daß Ottokar sich für seine Unterstützung von Friedrich II. 1212 ein Privileg ausstellen ließ, in dem seine Hofpflicht erheblich beschränkt und die Abhängigkeit der Bistümer Prag und Olmütz vom Reiche durch Verzicht auf die Investitur gelockert wurde. Weiter südöstlich bildete Ungarn als Gegenstück etwa zu Aragonien einen Eckpfeiler des päpstlichen Herrschaftssystems. Auf Grund der alten, bis zu Papst Silvester II. zurückreichenden Überlieferung betrachtete sich König Emmerich ("j" 1204) auch ohne Zahlung eines festen Zinses als Vasallen des Römischen Stuhls, dem er Gehorsam und Wahrung der kirchlichen Freiheiten gelobte. Dies Verhältnis blieb unter seinem Bruder Andreas II. (1205— 1235) unberührt. Für Innozenz III. war das in doppelter Hinsicht wichtig. Er fand hier gegen Philipp von Schwaben sicheren Rückhalt, zugleich aber auch eine Brücke hinüber in die zur griechischen Kirche haltende Slawenwelt, die er auf den Spuren Papst Nikolaus I. für die römische Obödienz zu gewinnen
UNGARN
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trachtete. In Galizien und Lodomerien, wo 1212 eine von Ungarn abhängige Sekundogenitur errichtet wurde, gelang in der Tat gegen Zugeständnisse im kirchlichen Ritus die Schöpfung eines neuen päpstlichen Vasallenstaates, die allerdings das Pontifikat Innozenz III. nicht lange überleben sollte. Wenn in Serbien, wo der seit 1186 von Byzanz unabhängige Großzupan aus der Hand seines Legaten die Königskrone entgegennahm, der kirchliche Anschluß schließlich doch scheiterte, so brachte der Papst den Ban von Kroatien, den man der Begünstigung ketzerischer Bogomilen beschuldigte, leicht zu friedlicher Unterwerfimg, und in dem 1186 neu errichteten Reiche der Asaniden, das sich über Bulgarien und die Walachei erstreckte, trug er einen vollen Erfolg davon. Denn dem Zaren Kalojohannes oder Johannitza (1197—1207) ließ er ebensowohl die Krone wie dem Primas von Tirnowa zum Zeichen der Abhängigkeit das Pallium erteilen. Diese bulgarischen Beziehungen waren freilich wenig nach dem Geschmack der Ungarn. Im allgemeinen ging der Widerstand gegen die straffe Unterordnung unter den Willen der Kurie hier weniger von der Krone aus als von dem madjarischen Kleinadel, der sich von König Andreas namentlich auch wegen dessen Begünstigung der Deutschen zurückgesetzt fühlte. Die Familienpolitik der verhaßten Königin Gertrud von Meran, die Überlassung des Burzenlandes zum Schutz gegen die Kumanen an den Deutschorden (1211), die Stütze, die der König an den bäuerlichen deutschen Kolonisten fand, von denen ein erster starker Zustrom schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts in Zips und Siebenbürgen angesiedelt war und andre dauernd nach sich zog — das alles erregte eine nationalistische Spannung, die sich 1213 in der furchtbaren Ermordung der Königin, der Mutter der heiligen Elisabeth, Luft machte und später (1222) zur Erpressung einer förmlichen Magna Charta der Adelsvorrechte, wie in England unter Einschluß selbst eines legalen Widerstandes, führen sollte. Ein flüchtiger Blick in diese bunte Welt von mittleren und kleineren Staatsgebilden rings um den politischen Kern Europas herum war unerläßlich, um den richtigen Eindruck von dem weitverzweigten Netzwerk zu verschaffen, dessen oft verwickelte und kaum entwirrbare Fäden in der Hand des großen Papstes zusammenliefen und von ihm mit erstaunlicher Umsicht gelenkt wurden. Außer den noch in anderm Zusammenhange zu besprechenden Vasallenschaften Südfrankreichs wären aber noch die Beziehungen zu den Lehnsreichen des lateinischen Orients hinzuzufügen, und zwar nicht nur den aus der frühen Kreuzzugszeit in Trümmern überkommenen Gründungen in Palästina und Syrien: Jerusalem, Tripolis und Antiochia, sondern auch den
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VIBRTBR KREUZZUG
neu mit dem Papsttum verbundenen Königreichen, nämlich Kleinarmenien und dem vorübergehend mit der Königswürde von Jerusalem vereinigten Zypern, wo Innozenz beiderwärts als Oberlehnsherr in die Rolle Heinrichs VI. eintrat und überdies die Kirchen der römischen Obödienz einfügte, indem er dem armenischen Patriarchen und dem Erzbischof von Nikosia das Pallium verlieh. Zu alledem fiel dem Papste nun noch unverhofft und so nicht gewollt ein Geschenk in den Schoß, das die langgehegten Unionsträume mit der griechischen Kirche zum großen Teil verwirklichte und die römische Hoheit auch über die Balkanhalbinsel, das Ägäische Meer und Konstantinopel ausdehnte. Wenn auf irgendeinem Gebiete, so mußte auf dem der Krenzzugsfragen ein Innozenz III. die letzhin an Kaiser und Könige entglittene Führung wieder für das Papsttum sichern. Trotz der Spaltungen, die Europa zerrissen, erließ er gleich im ersten Jahre seines Pontifikats zur endlichen Befreiung Jerusalems dringende Aufrufe. Eine hohe Besteuerung der Geistlichen, für Papst und Kardinäle vervierfacht, sollte die Mittel beschaffen helfen. Da die Hauptmachthaber des Abendlandes in Kampf verstrickt waren, stellte sich wieder eine ähnliche Verbindung her wie im ersten Kreuzzuge: über der breiten Pilgermasse ein Ritterheer überwiegend aus dem französischen und flandrischen Adel unter der obersten Leitung, aber natürlich nicht persönlichen Führung des Papstes, der aus der Ferne wohl allgemeine Weisungen geben, aber die von der jeweiligen Lage erforderten Entscheidungen nicht bestimmen konnte. Venedig sollte mit seiner Flotte gegen hälftigen Anteil an den Eroberungen die Überfahrt bewerkstelligen. Dort sammelten sich 1202 die gut gerüsteten Kreuzritter, die zum weltlichen Führer den von den Troubadours gepriesenen, dem staufischen Hause nahestehenden Markgrafen Bonifaz von Montferrat erkoren hatten. Die überraschende Wendung, die der vierte Kreuzzug nehmen sollte, hat Zeitgenossen wie modernen Geschichtsforschern Rätsel aufgegeben. Man hat von Verrat an der Christenheit, von heimlich vorbereiteten Ränken und Verschwörungen gesprochen. Sicherlich zeigt dies Unternehmen einen ausgeprägter weltlichen Charakter als die früheren. Zu diesem Eindruck trägt freilich auch bei, daß wir neben geistlichen Aufzeichnungen die erstmals in französischer Prosa geschriebenen Memoiren ritterlicher Teilnehmer am Zuge besitzen, namentlich den lebensnahen, festumrissenen Bericht des Marschalls Gottfried von Villehardouin. Das eigentlich Kennzeichnende für den Verlauf der Ereignisse ist indes nicht schlaue Ränkespinnerei, sondern angesichts unerwartet auftauchender Gelegenheiten ein wiederholter Sieg
ENRICO DANDOLO
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opportunistischer Auffassung über Reinheit und Starrheit der ursprünglichen Kreuzzugsidee. Jener Opportunismus, gemischt mit nüchterner Interessenpolitik, ist stets am krassesten vertreten durch die Venezianer und ihren greisen, halbblinden Dogen Enrico Dandolo (1192—1205), der recht eigentlich als eine Verkörperung des aus Helden- und Händlergeist wunderbar gemischten Genius seiner Vaterstadt erscheint. In zweiter Linie stehen die politisch-militärischen Führer mit jenem klaren Blick für Erfolg und Notwendigkeit, der zum mindesten in den hohen Adelskreisen Wes^uropas die mehr gefühlsmäßige Einstellung früherer Zeiten verdrängt hat. An ihr und der Unwandelbarkeit der Gelübde aber hält die große Masse der Pilger noch fest. Auf deren Seite steht grundsätzlich auch der Papst, der jede Trübung der noch immer machtvollen Idee abzuwehren sucht, aber vollendeten Tatsachen gegenüber dann doch gezwungen wird, Tadel und Strafen, die sein Gesicht wahren, mit einem duldenden Gehenlassen zu vereinigen, um nicht das Ganze scheitern zu lassen. Gleich die Zielsetzung stieß auf den berührten Zwiespalt. Da der für Syrien noch bis Ende 1203 reichende Waffenstillstand dort einstweilen die Hände band, wurde im Kriegsrat der Beschluß zum Angriff auf Ägypten als das mohammedanische Hauptkraftzentrum gefaßt, mußte aber vor der geradeswegs nach Jerusalem drängenden Pilgermasse geheimgehalten werden und wurde auch von den Venezianern als Störung ihrer ertragreichen Handelsbeziehungen empfunden. Die durch unpünktliches Eintreffen der Kreuzfahrer den Venezianern erwachsenden erhöhten Kosten versetzten durch Rückforderung die Leitung in die peinlichste Finanzklemme, aus der sie nur Dandolos Vorschlag, gewissermaßen als Zahlung für Venedig das zu Ungarn abgefallene Zara mit einem Stück der dalmatinischen Küste zu erobern, befreite. Aber diese rasch und erfolgreich ausgeführte Kriegstat gegen die Stadt eines christlichen, durch Kreuznahme noch besonders schutzwürdigen Herrschers war gegen ausdrückliches Verbot des Papstes erfolgt und zog als ungehorsame Abirrung und Friedensbruch die Exkommunikation der Verantwortlichen nach sich. Das weitere Unternehmen, das sich nun gegen Ägypten richten sollte, hatten also diese Kreuzfahrer, wenn sie auch selbst bald die Absolution erlangten, in Gemeinschaft mit den gebannten Venezianern auszuführen. Aber sie gaben ihm plötzlich eine ganz andre Wendung. Es kann hier nur kurz darauf hingewiesen werden, in welch hoffnungslosem Verfall sich das byzantinische Kaisertum unter den Angeloi befand, wie es der Gefahr einer Zertrümmerung durch Heinrich VI. ja nur durch rasches Einlenken und Tributzahlung entgangen war. In diesen morschen
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WENDUNG GBGEN KONSTANTINOPEL
Bau hatten sich schon längst die Venezianer eingenistet und boten ihm für den Preis einer Handelsvorherrschaft mit mancherlei Monopolen, Finanzrechten, eignen Besitzungen und Kirchen fast allein noch Schutz durch den Dienst ihrer starken Kriegsflotte. Diese friedliche Durchdringung aber erweckte nationalgriechische Gegenströmungen, die auch bei der jüngsten Thronumwälzung mitgewirkt hatten. Denn Alexios III., der 1195 seinen Bruder Isaak Angelos gestürzt, geblendet und mit seinem Sohne Alexios IV. gefangengesetzt hatte, machte sich den Venezianern bald durch Verletzung ihrer Privilegien verhaßt, so daß sie auf seinen Sturz bedacht waren. Und dazu bot sich Gelegenheit, als der junge Alexios aus seiner Haft entkam und, nachdem er mit dem Papst und mit seinem Schwager Philipp von Schwaben Verbindung gesucht hatte, eben vor Zara im Kreuzfahrerlager erschien, um für seine Rückführung auf den byzantinischen Kaiserthron Versprechungen von überwältigender Werbekraft zu machen: Bezahlung der Kreuzfahrerschulden an Venedig, Bereitstellung aller zur Eroberung Ägyptens erforderlichen Mittel, ein Hilfsheer von 10 000 Kriegern, dauernde Unterhaltung von 500 Rittern zum Schutz des Heiligen Landes und Union der griechischen mit der lateinischen Kirche unter dem römischen Primat. Was wirkte nun nicht alles zusammen, um zum Eingehen auf solche Lockungen zu treiben: Rachegefühl und Interesse der Venezianer, alte Kreuzfahrerverstimmung gegen Byzanz, dessen hemmende Quertreibereien nun mit einem Schlage beseitigt werden konnten, Hoffnung, mit solcher griechischen Hilfe, die sich auch noch mit staufischer Förderung verbinden mochte, tatsächlich in Ägypten zum Ziel zu kommen, Abenteuerlust und Gewinnaussichten. Wiederum gegen den Willen des Papstes, den schon die staufische Verwandtschaft des Prätendenten abschrecken mußte, zum Mißvergnügen auch zahlreicher Kreuzfahrer, die, um nicht noch einmal gegen Christen geführt zu werden, in die Heimat zurückkehrten, nahm man das Angebot an. Noch war nicht ein Umsturz des griechischen Reiches, sondern nur ein Thronwechsel am Bosporus beabsichtigt und wurde gegenüber dem schwachen Usurpator, der sich bald aus dem Staube machte, noch Ende 1203 nach kurzer Belagerung von Konstantinopel programmgemäß durchgeführt. Als Mitregent seines wieder eingesetzten geblendeten Vaters sah nun aber Alexios IV. sehr rasch ein, daß Versprechen leichter war als Erfüllen. Wie hätte er, kaum befestigt, die ungeheuren Mittel für die Fremden aufbringen, wie die kirchliche Union durchführen können? Als die Franken ihn mit Gewalt zu zwingen suchten, stürzte und erdrosselte ihn einer seiner Hausbeamten und begann als Alexios V. die nationale Verteidigung zu organisieren.
LATEINISCHES KAISERTUM
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Eine neue Entscheidung für die Kreuzfahrer. Sollten sie um den ganzen Lohn der Ablenkung nach Konstantinopel betrogen, der erhofften Mittel für die Fortsetzung des Zuges beraubt sein? Es war begreiflich, daß sie nunmehr den Plan der Vernichtung und Aufteilung des Reiches faßten. Ihre Überlegenheit war unwiderstehlich; nach kurzer zweiter Bestürmung fiel die Stadt in ihre Hand (April 1204). Im Straßenkampfe kam es zu Greueln, Plünderung und Zerstörung; viele Schätze altgriechischer Kunst und Literatur sind damals unwiederbringlich vernichtet worden. Der einzige Rest der antiken Welt, der bis dahin allen Barbarenangriffen zum Trotz sein Dasein behauptet hatte, änderte sein Gesicht, verlor für künftig seine alte Abwehrkraft gegen den Osten und schien nun ganz im westeuropäischen Feudalismus untertauchen zu sollen. Denn nach dem vorher festgelegten Teilungsplane erwuchs hier eine bunte Welt abgestufter abendländischer Herrschaften, die den Hauptführern des Ritterheeres zufielen. Nur etwa ein Viertel des früheren Reiches um das Marmarameer herum mit der Hauptstadt Konstantinopel bildete den immittelbaren Besitz des zum lateinischen Kaiser erwählten Grafen Balduin von Flandern. Den weniger biegsamen Markgrafen Bonifaz von Montferrat, der wohl den ersten Anspruch hätte erheben können, wußte Dandolo auszuschalten und mit einem über Thessalien und die makedonische Küste sich erstreckenden Königreich Thessalonich abzufinden. Er sowohl wie der Herzog von Athen, der Fürst von Achaja und noch kleinere Machthaber huldigten dem lateinischen Kaiser als Lehnsherrn — im ganzen also eine Nachbildung des damaligen feudalen Frankreichs. Eine Ausnahme machten nur die drei Achtel des Reiches, die der schlaue Dandolo seinen Venezianern als Löwenanteil zuzuschanzen verstanden hatte. Sie umfaßten mit Pera und Gallipoli an der Spitze alle für Handelsverkehr und Kriegsflotte wichtigen Küstenplätze und die gesamte Inselwelt mit Einschluß von Monopolen und Münzrechten im ganzen Reiche. Nicht alles das konnte natürlich von dem einen Stadtstaat wirklich besetzt werden; die Belehnung lokaler Machthaber und die private Kolonisation der reichen venezianischen Familien mußten ergänzend hinzutreten, um der Lagunenstadt im Osten des Mittelmeers jene Vorherrschaft zu sichern, die in schwankenden Kämpfen mit den genuesischen Rivalen behauptet und erst an die vordringende Osmanenmacht allmählich verloren werden sollte. In Konstantinopel war sie durch einen selbständig neben dem Kaiser stehenden venezianischen Beamten, den,, Despotes", vertreten, auch der Stuhl des Patriarchen zunächst mit einem Venezianer besetzt. An die Leistungskraft der verhältnismäßig ja doch wenig zahlreichen
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INNOZENZ OBERHERR ÜBBR DEN OSTEN
Lateiner stellte die Festsetzung in einem fremden, sie überwiegend ablehnenden, an Masse und alter Bildung überlegenen Volke unerhörte Anforderungen. Welche Selbsttäuschung, wenn man anfangs meinte, nach Jahresfrist diese Aufgaben so weit bewältigt zu haben, daß man den unterbrochenen Kreuzzug hätte wieder aufnehmen können! Daran war um so weniger zu denken, als zu den schwierigen Fragen der inneren Organisation furchtbare äußere Gefahren das Dasein des neuen Kaiserreichs bedrohten. Von Norden her suchten die kriegstüchtigen Bulgaren die ungefestigten Verhältnisse auszunützen, um in Verbindung mit unzufriedenen Griechen ihre Herrschaft bis ans Meer vorzuschieben. Bereits 1205 brachten sie in der Schlacht bei Adrianopel dem Kaiser Balduin Niederlage und Tod. Ein Glück noch, daß das Reich in seinem Bruder Heinrich I. (1205—1216) einen Nachfolger fand, dessen ansehnlichen Fähigkeiten nicht zum wenigsten die Erhaltung und der immerhin leidliche Ausbau des lateinischen Kaisertums zu verdanken waren. Er wußte nicht nur die Bulgarenflut, die 1207 dem Markgrafen von Montferrat, seinem Schwiegervater, das Leben kostete, durch den Sieg bei Philippopel (1208) einzudämmen und der inneren Schwierigkeiten einigermaßen Herr zu werden, sondern auch die Reaktionsgefahr, die von den griechischen Reichen in Kleinasien: Nicäa, Heraklea und Trapezunt, sowie im Westen von dem Despoten von Epirus drohte, einstweilen hintanzuhalten. Die ganze Neuordnung der Dinge war von Kreuzfahrern und Venezianern zunächst über den Kopf des Papstes hinweg vorgenommen, seine Zustimmung erst nachträglich erbeten. Vieles erregte sein Mißfallen: die Preisgabe der Kreuzzugsidee, die greuelvolle Plünderung Konstantinopels, die weltlichen Eingriffe in das griechische Kirchengut, der venezianische Anspruch auf Besetzung des Patriarchats und manches andre. Aber wie hätte er den über alle Erwartung großen Erfolg für die römische Kirche verkennen sollen ? Was die bedeutendsten seiner Vorgänger vergeblich erstrebt hatten, die Union der beiden getrennten Kirchen unter päpstlicher Führung, schien gesichert! Wenn irgendwann, so durfte er dieser großen Idee, diesem Wunder Gottes, wie.es ihm nun erschien, zuliebe noch einmal durch die Finger sehen und über die irdischen Mängel der Ausführung hinweg sich entschlossen auf den Boden der Tatsachen stellen. Indem er sich mit dem Abbruch dieser Kreuzfahrt abfand, um schon 1208 die Agitation für eine neue zu eröffnen, hat er dem lateinischen Kaiserreiche seine eifrige Fürsorge zugewandt, damit die äußerlich vollzogene Union auch zu einer wahrhaften und innerlichen würde. Hier hatte man mit den erheblichsten Schwierigkeiten zu kämpfen Durch Aufrufe nach Frankreich hin suchte Innozenz Geistliche herbeizuziehen.
KETZEREI
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Aber an eine Auswechslung auch des niederen Klerus war natürlich nicht zu denken; man mußte froh sein, den größten Teil der Prälaturen besetzen zu können. Durch kluge Duldung der griechischen Abweichungen in Ritus und selbst Glaubenssätzen wollte der Papst, der gewisse Härten seiner Legaten nicht guthieß, die abgeneigte Bevölkerung an die neue Obödienz gewöhnen. In die bald überall auftauchenden Reibungen zwischen den neuen Herrschern, auch dem Kaiser, und den lateinischen Kirchen griff er energisch ein, unterband nach Möglichkeit die Säkularisationen und hob wohl geradezu ein kaiserliches Edikt, das Legate an die Tote Hand untersagte, von sich aus kurzerhand auf. Letzten Endes war er nun doch geistlicher und weltlicher Oberherr über das byzantinische Reich geworden, soweit es eine europäische Macht gewesen war: die einzige große Lücke in dem abendländischen Herrschaftskreise des Papsttums war geschlossen. Heinrich I. sah voll nüchterner Einsicht in enger Anlehnung an Rom seinen Haupthalt und redete Innozenz an als „seinen Vater, Vormund und Herrn"; einzelne der andern neugeschaffenen Fürsten, wie der Herzog von Athen, das zu einem besonderen Sitz abendländisch-christlicher Lehre gestaltet werden sollte, huldigten dem Papste unmittelbar als Vasallen. Die Abhängigkeit der lateinischen Kirche, in der die venezianischen Ansprüche beschnitten wurden, verstand sich von selbst. Innozenz konnte 1215 sogar in Rom über eine zwiespältige Konstantinopeler Patriarchenwahl entscheiden und von sich aus einen Dritten einsetzen. War es auch nicht gelungen, seinen Namen den regulären Litaneien der Ostkirche einzufügen, so mußte er es doch mit stolzer Genugtuung empfinden, daß beim Beginn der Gottesdienste jener Zuruf, der Jahrhunderte lang nur den griechischen Kaisern gegolten hatte, nun ihm selber erklang: „Innozenz, dem Herrn und Papst von Alt-Rom, viele Jahre!" Was aber half der stolzeste Weltkirchenbau, wenn sich in ihm der Schwamm der Ketzerei ausbreitete? Schon in den letzten Tagen Alexanders III. hatte man den Ernst dieser Gefahr erkannt. Seitdem hatte das geschwächte Papsttum versucht, ihr in Gemeinschaft mit den irdischen Mächten, vornehmlich dem Kaisertum, zu begegnen — ohne nennenswerte Erfolge, am wenigsten dort, wohin weder der geistliche noch der weltliche Arm reichte: in Südfrankreich. In der kleinstaatlichen Zersplitterung dort waren Fürstenhäuser und Stadtbehörden selbst ketzerisch durchsetzt und widerstanden jeder ernstlichen Säuberung. Männer wie Graf Raimund VI. von Toulouse (1194-1222) waren selbst keineswegs unkirchlich; aber in dem poesieerfüllten, ungebundenen Genußleben dieser kleinen Höfe galt das „Leben und leben lassen" auch Andersgläubigen gegenüber, und die
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DOMINIKUS UND FRANZISKUS
Duldung erstreckte sich manchmal sogar auf Verspottung und Beraubung christlicher Kirchen. Das Pontifikat Innozenz' III. brachte auch hier die entscheidende Wendung. Nicht als ob dieser Papst von vornherein von einem fanatischen Vernichtungsdrange beseelt gewesen wäre, der ja ohnehin weit mehr in der blinden Volksmenge lebte als in der von mancherlei Rücksichten beherrschten Hierarchie. Nahezu ein Jahrzehnt lang hat Innozenz nicht den Tod der Ketzer gewollt, sondern ihre Bekehrung durch das Wirken von Legaten und Missionspredigern. Darin, daß er deren Befugnisse verstärkte, indem er ihnen an Stelle der Bischöfe die Jurisdiktion über Ketzer zuwies (1204), lag allerdings schon der Keim der späteren Inquisitions-Sonderbehörde. Innozenz kannte auch die kirchlichen Mißstände und seelischen Bedürfnisse, denen zum mindesten die waldensische Bewegung ihr Wachstum verdankte, gut genug, um zu wissen, daß es mit der bloß negativen Bekämpfung nicht getan sei. Was er an Versuchen positiven Aufbaues eingeleitet, begünstigt, gebilligt hat, ist als Wurzel künftiger Entwicklungen fruchtbarer geworden als alles Zerstörungswerk. Waren die Waldenser vornehmlich durch Versagung der freien Predigt in die Opposition getrieben, so zog der Papst die lombardische Gemeinschaft der Humiliaten, die den Erlös ihrer Weberarbeit zu wohltätigen Zwecken verwandten, durch Einräumung der Laienpredigt in den Dienst der Kirche (1201). Auch den Spanier Durand de Huesca, der im Tadel kirchlicher Einrichtungen den Waldensern nahestand, wußte er zu gewinnen, indem er seinem Kreise „katholischer Armen" die Regel erteilte (1208). Armut, Ketzerbelehrung, Laienanschluß, wesentliche Elemente der Bettelorden, vor denen jene katholischen Armen bald verschwinden sollten, waren hier bereits vorgebildet. Schon hatte damals der Subprior Dominikus im Gefolge des Bischofs Diego von Osma als bedürfnisloser Wanderprediger, wie die Waldenser und Katharer sie in ihren „Vollkommenen" kannten, in Südfrankreich sein Heil in eifrigster Ketzerbekehrung versucht und für seine predigenden Genossen neben dem zunächst als Glaubenszuflucht für bekehrte adlige Albigenserinnen bestimmten Kloster Prouille einen Mittelpunkt geschaffen. Noch vor ihm haben jene minoritischen Bußbrüder die päpstliche Bestätigung erlangt, die aus Assisi 1210 vor Innozenz erschienen. Denn dort hatte Franziskus, der Sohn eines wohlhabenden, mit Frankreich Handel treibenden Kaufmanns, mit noch tieferer Inbrunst und Folgerichtigkeit die Idee eines völlig armen, nur aufopfernder Nächstenliebe geweihten Lebens ergriffen. Für den zunächst engen Kreis seiner Jünger hatte es da keiner andern Regel bedurft, als der Aussen-
ALBIGENSER KRBUZZUG
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dungsworte Jesu an die Apostel, und die hat Innozenz, der die jeder hochfahrenden Kritik abholde Demut des Stifters klar durchschaut haben muß, unter Freigabe der Bußpredigt bestätigt, später auch noch den weiblichen Zweig der Klarissinnen der Bruderschaft angegliedert. Während des Laterankonzils von 1215 hat er dem heiligen Dominikus seine Bitte um Erteilung einer neuen Regel für seine Genossenschaft zwar nicht erfüllt und ihn in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Konzils angehalten, sich eine der bestehenden Ordensregeln zu wählen. Die endgültige Anerkennung dieser „Predigermönche" nach der von Osma her gewohnten Ordnung der Augustiner-Chorherren ist so erst bald nach Innozenz' Tode durch seinen Nachfolger geschehen (Dezember 1216). Indessen, der Grund zu beiden Bettelorden, auf deren weitere Entwicklung zurückzukommen sein wird, wurde doch unter Innozenz gelegt. Ihm wurde daher auch in den Legenden beider Stifter jener Traum zugeschrieben, in dem der Lateran als Sinnbild der Gesamtkirche einzustürzen droht und allein noch auf der Schulter des Dominikus oder Franziskus ruht. Inzwischen hatte sich die Kurie angesichts der Erfolglosigkeit aller Missionsbemühungen schrittweise doch der Gewaltanwendung gegen die südfranzösischen Ketzer genähert. Indem man sie für noch schlimmere Feinde des Christentums als selbst die Sarazenen erklärte, tauchte die Idee eines innereuropäischen Kreuzzuges mit dem gleichen Vernichtungsziel und den gleichen Belohnungen der Teilnehmer wie für den fernen Orient auf. Schwerlich aber hätte der Plan solchen Umfang gewonnen und zu solcher Steigerung der Leidenschaften geführt, wie sie in den Albigenserkriegen zutage traten, hätte nicht eine Bluttat, die an die Ermordung des heiligen Thomas erinnerte, die Gemüter bis zur Siedehitze erregt. Der päpstliche Legat Peter von Castelnau, der den Grafen Raimund von Toulouse mit der kaum durchführbaren Forderung der Vertreibung aller Ketzer bedrängte, wurde von einem Ministerialen des Grafen, dem damit ein Dienst geschehen sollte, erstochen. Darauf Exkommunikation Raimunds, den man ohne weiteres für den Anstifter erklärte, Lösung seiner Vasallen vom Treueid und ungeheurer Anklang jener Kreuzzugspredigt. Da der französische König seine Teilnahme an unerfüllbare Bedingungen knüpfte, so blieb das Unternehmen eine ausschließliche Angelegenheit der Papstkirche, der sich Barone und Prälaten Nordfrankreichs zur Verfügung stellten. Raimund handelte in dieser Gefahr ähnlich wie einst Heinrich II. und wenig später Johann ohne Land. Vor der mit Bildwerken übersäten Kirchenfassade von St. Gilles, dem Stammsitz seines Geschlechts, tat er Buße und erlangte die Absolution, freilich unter Bedingungen, die
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SIMON VON MONTFORT
ihn selbst zur Teilnahme am Kreuzzug verpflichteten und der Bestimmungsgewalt der päpstlichen Legaten nahezu mit gebundenen Händen auslieferten. Diese aber schonten ihn einstweilen nur, um das Vernichtungswerk gegen die Ketzergebiete der schwächeren Barone desto sicherer betreiben zu können. Der Fanatismus, wie er namentlich den geistlichen Führer Abt Arnold von Citeaux erfüllte, feierte hier furchtbare Orgien. Allein in der Madeleinekirche von Beziers wurden an siebentausend Greise, Frauen und Kinder — gewiß nicht ausschließlich Ketzer — hingemetzelt. Rings im Lande entzündete man unter dem Gesänge „Veni Creator Spiritus" die Scheiterhaufen. Widriger noch wirkt die Beobachtung, daß solche Greuel bald genug nicht mehr allein gutgläubig zu Ehren Gottes geschahen, sondern daneben den Zielen politischen Ehrgeizes dienten. Denn dem militärischen Leiter des Kreuzzuges Simon von Montfort, einem kleinen nordfranzösischen Feudalherrn voll Selbstsucht, Härte und Grausamkeit, aber auch von sieghaftem Draufgängertum, diplomatischer und organisatorischer Begabung, kam es vor allem darauf an, sich im Süden mit den auf- und abflutenden Kreuzfahrerscharen rasch eine umfassende Herrschaft zu erobern. Und wenn die Legaten den seiner Helfer beraubten Grafen von Toulouse durch immer gesteigerte Forderungen zur Verzweiflung trieben, so geschah das nicht zum wenigsten, um ihn nach erneutem Widerstande zugunsten jenes Montfort seines Landes dauernd berauben zu können. Der Papst hat solche Vergewaltigungen des Rechts gegenüber einem der Ketzerei keineswegs überführten Fürsten nicht gebilligt, zumal da er politische Rücksichten nehmen mußte: auf den französichen König, der bei der Verfügung über eine so wichtige Baronie ein Wort mitzusprechen hatte, und auf den ergebenen Vasallen des Heiligen Stuhles Peter II. von Aragonien, der als Oberlehnsherr über südfranzösische Gebiete diese Einflußsphäre nördlich der Pyrenäen von fremder Einnistung freihalten wollte und persönlich für seinen unglimpflich behandelten Schwager Raimund von Toulouse eintrat. Indessen, die raschen Entscheidungen der Legaten an Ort und Stelle eilten wiederholt den päpstlichen Weisungen voran, so daß sich die Ereignisse auch hier wie beim vierten Kreuzzuge zum Teil gegen die Absichten Innozenz' ΙΠ. vollzogen. Schließlich kam es gar zu der seltsamen Konstellation, daß der aragonesische Lehnsmann Petri, den man als Sarazenenbesieger von Navas de Tolosa pries, zugunsten des Ketzerbegünstigers von Toulouse das Schwert zog und an der Spitze eines Bundes südfranzösischer Barone die Waffenentscheidung suchte. Jedoch, er war der kriegerischen Energie Simons von Montfort nicht gewachsen und fand in der Schlacht von Muret Niederlage
LUDWIG v r a .
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und Tod (1213). Indem dann Raimund mit seinem Sohne in englische Verbannung flüchtete, konnte Simon, der noch auf Kreuzfahrerhilfe angewiesen war, seine Eroberung durch die Einnahme von Toulouse vollenden. Und wenn auch der Papst als Oberherr die letzte Entscheidung darüber sich und dem römischen Konzil vorbehielt, so hat er dem siegreichen Kämpen der Kirche die Beute schließlich doch nicht mehr streitig machen können und nur noch fur eine finanzielle Abfindung des Grafen von Toulouse und die Zuerkennung eines Restes provenzalischer Erblande an dessen Sohn Raimund VII. gesorgt (1215). Wer freilich endgültig als Sieger aus diesem im Einzelgeschehen äußerst unerquicklichen Ringen hervorgehen sollte, hat Innozenz nicht mehr erfahren. Bald nach seinem Tode erhob sich im Languedoc gegen den nordfranzösischen Eindringling zugunsten der einheimischen Fürsten eine Gegenbewegung, die Oberwasser bekam, als Simon von Montfort bei einer Belagerung von Toulouse durch einen Steinwurf getötet wurde (1218). Sein unbedeutenderer ältester Sohn Amalrich sah sich gezwungen, vor dem Grafen Raimund und seinen Anhängern zurückzuweichen; nur durch Abtretung seiner Rechte an die französische Krone gewann er schließlich starke Hilfe. Wie einst in England, so ließ der alternde Philipp August seinem Sohne Ludwig, der als Kreuzträger schon einmal (1215) im Süden erschienen war, freie Hand (1219). Verwüstende Kämpfe voll unmenschlicher Grausamkeiten haben die unglücklichen Lande weiter entvölkert. Sie setzten sich auch nach Raimunds VI. Tode gegen dessen der Ketzerbegünstigung gar nicht verdächtigen Sohn fort. Ludwig VIII. konnte als König (1223—1226) an der Spitze eines neuen Kreuzheeres die von Montfort eroberten Lande ohne erheblicheren Widerstand einnehmen (1226). Nach seinem baldigen Tode ist dann der Rest der Raimund VII. verbliebenen Besitzungen dem kapetingischen Hause auf dem Wege des Vergleichs dadurch gesichert worden, daß dessen Erbtochter als Gattin für einen jüngeren Bruder Ludwigs IX. bestimmt wurde, während jenseits der Rhone das Venaissin dem Papste zufiel (1229). So hat das französische Königtum im Süden des Landes festen Fuß gefaßt, und die politische Einheitsbewegung zog Gewinn aus der Zerstörung einer eigenartigen, schönheitstrunkenen und genußfreudigen Kultur. Denn mit der Vernichtung der ketzerischen Elemente — unter ihnen, namentlich den Waldensern, sicherlich Persönlichkeiten von hohem moralischem Wert — war es ja nicht getan gewesen. Die Verheerung der langen Kämpfe, das Eindringen artfremder Nordfranzosen mußte dieser bunten Welt, auf welcher der Abglanz zugleich der Antike, des Orients und des feudalen Mittelalters ruhte, den
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UNTERGANG DER SÜDFRANZÖSISCHEN KULTUR
Todesstoß versetzen. Noch haben die Troubadours, vielfach schon bürgerlicher Herkunft, wie der exzentrische Kürschnerssohn Peire Vidal, mit ihren Rügeliedern wie mit der epischen Darstellung der Chanson de la Croisade diesen Untergang begleitet, sie alle nicht etwa Begünstiger des Unglaubens und einzelne sogar, wie Folquet von Marseille, der sich aus einem von Dante unter die Seligen des dritten Himmels der Venus versetzten Minnesinger zum Zisterzienserabt und Bischof von Toulouse wandelte, grimme Ketzerverfolger; die meisten aber doch, wie der ernste Satiriker Peire Cardinal, voller Spott über die „Pfaffen, die leichter als Aasvögel und Geier das verwesende Fleisch den Reichen witterten", voller Anklagen gegen Rom, das „die Welt in Kampf und Elend stürze", voller Gedanken an Rache, die dereinst Wilhelm von Nogaret, der Sohn eines hingerichteten Albigensers, in Anagni vollstrecken sollte. Was Aimeric von Peguilain später beim endgültigen Anfall der Provence an Frankreich sang, konnte doch schon für das Languedoc der letzten Tage Innozenz' III. gelten: „Ha, Provenzalen, wie seid ihr in Jammer und Schmach gesunken! Scherz, Freude und Heiterkeit habt ihr verloren, Lust und Lachen, Ehre und Vergnügen. Besser, als in die Hände der Franzosen zu geraten, wäret ihr gestorben." Als ein Siegesblatt konnte Innozenz III. doch auch diesen Krieg dem Kranze seiner kirchlichen Triumphe einfügen. Niemals ist die Einheit der abendländischen Geschichte so greifbar in einer Erscheinung verkörpert worden wie in diesem Papste; nie sind die Weltherrschaftsansprüche der Kurie ihrem Ziel so nahe gekommen. Immerhin waren sie nur durch eine von Glück und Zufall ebenso wie von Voraussicht und Führung abhängige Politik und nicht ohne kriegerisches Ausspielen der Gewalten gegeneinander durchgeführt worden; die Herrschaft über die Welt zwang eben zur Angleichung an die Welt. Der festere Grund der Papstmacht blieb doch die Hoheit über die Kirche, weil sie in langer Überlieferung zum gesicherten System geschlossen war, das auf den Überzeugungen der damaligen Menschen beruhte. Wie Innozenz an der weiteren Festlegung dieses Systems gearbeitet hat, kann hier nur angedeutet werden. Beseitigung landeskirchlicher Besonderheiten, Schwächung der Metropolitanbefugnisse, Durchbrechung der Diözesanverbände, Besetzung von Domkapirelstellen und Beeinflussung der Bischofswahlen, unmittelbare Eingriffe der Legaten und sonstigen Bevollmächtigten der Kurie — das und manches andre führte zu einer in diesem Ausmaß bisher nicht gekannten Zentralisation der Verwaltung in Rom, und der Anspruch auf die „plenitudo potestatis" gab noch darüber hinaus Handhaben zur Beugung jedes dem päpstlichen Absolutismus
VIERTBS LATERANKONZIL
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entgegenstehenden Rechtes. Wenn in der Gesetzgebung formell an dem Zusammenwirken von Papst und Konzil festgehalten wurde, so diente das letztere doch nur noch der Billigung des päpstlichen Willens. Eine Sammlung überwiegend eigner Dekretalen ließ Innozenz der Universität Bologna zu Unterricht und Rechtsprechung übersenden — für Walther von der Vogelweide „sein schwarzes Buch, das ihm der Teufel gegeben". Während für die Geistlichkeit in Ländern und Städten Steuerfreiheit verlangt wurde — ein Anlaß zu manchen Reibungen —, hat Innozenz als erster vermittelst der Kreuzzugsabgaben eine hohe Besteuerung des Klerus zugunsten der Kirche eingeführt, die möglischst auch auf die Laienwelt ausgedehnt und fur innereuropäische Kriege der Kurie verwendet wurde. Durch die wachsende Zahl der Provisionen vermochte der Papist seine Günstlinge mit niederen Pfründen zu versorgen. Das immer reicher ausgebaute Gefüge von Taxen, Sportein und Gebühren aller Art legalisierte innerhalb der Kirche die alten simonistischen Praktiken. Die geistliche Gerichtsbarkeit, die gegenüber der Laienschaft in rücksichtslosem, scharfe Konflikte erzeugendem Vordringen war, ballte sich durch zahllose Appellationen und Evokationen immer mehr an der Kurie als der obersten, allein entscheidenden Instanz zusammen, so daß schon im Todesjahr Innozenz III. ein wohlmeinender Beobachter wie Kardinal Jakob von Vitry äußerte, aller echt kirchliche Geist sei der Kurie eigentlich fremd geworden; nur mit Politik, mit Hader und Prozessen beschäftige man sich, von geistlichen Dingen dürfe kaum noch geredet werden. Solange ein Großer wie Innozenz treibend und zügelnd hinter allem stand, wurde die bedrohte Würde noch hinlänglich gewahrt. Mochte er gelegentlich durch sarkastische Bemerkungen, wie etwa die gegen britische Prozeßführer, sie hätten wohl zu viel englisches Ale getrunken, da sie so unbegründete Behauptungen aufstellten, verletzen oder durch unverhoffte Geldforderungen, wie beim Schlüsse des großen Konzils, verschnupfen — im ganzen beugte man sich doch in bewundernder Ehrfurcht vor seinen richterlichen Entscheidungen und Verwaltungsmaßnahmen. Eine großartige, so noch nie dagewesene Vertretung der gesamten Christenheit war es denn auch, die er nach all den Stürmen und Wandlungen noch kurz vor dem Ende seines Lebens zum vierten lateranischen Konzil nach Rom zusammenrief, um Frieden und Ordnung des Abendlandes zu sichern, Ansehen und Reinheit der Kirche herzustellen. Da fanden nun alle jene schon in andern Zusammenhängen erwähnten Neugestaltungen der Staatenwelt, darunter als bedeutsamer Präzedenzfall auch die Absetzung Kaiser Ottos IV., nach den Wünschen des päpstlichen Oberlehnsherrn die Sanktion des
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KINDERKREUZZUG
ökumenischen Konzils. Ferner eine Fülle kirchlicher Reformen zur Festigung und Vereinheitlichung von Glauben und Ritus, zur Erhebung des Priesters hoch über die Gemeinde (so in der Abendmahlslehre durch feierliche Anerkennung der Transsubstantiation), zum engeren Anschluß der Gläubigen an die Kirche (etwa durch die Pflicht mindestens einmaliger Beichte im Jahr), zur Abwehr ketzerischer Irrungen (auch der Trinitätslehre Joachims), zur Aufspürung und Bestrafung der Abtrünnigen (mit Sanktionierung der aus dem römischen Recht herübergenommenen, an die Stelle der Gottesgerichte tretenden Folter), zahlreiche Fortbildungen in Sittenzucht, Gerichtswesen und Verwaltung. Endlich aber und nicht zuletzt: die Vorbereitung eines neuen, unter päpstlicher Leitung stehenden Kreuzzuges zur Befreiung der heiligen Stätten, einer gewaltigen Massenerhebung, die das einzige infolge der Ablenkung des vierten Kreuzzuges von Innozenz noch nicht erreichte Ziel mit einem Schlage erzwingen sollte. Schon seit 1208 war dieser Gedanke in der päpstlichen Politik wieder aufgetaucht; seit 1213 hatte er feste Gestalt und Bestätigung durch ein ungeheures Anschwellen der Kreuzzugspredigten gefunden. Mochte auch in der westeuropäischen Ritterschaft, der ja bei gleichen Verheißungen bequemere Aufgaben in Spanien und Südfrankreich gewinkt hatten, eine gewisse Abkühlung eingetreten sein — daß die Volksmassen erst jetzt auf der Höhe hysterischer Erregung angelangt waren, bewies der Wahnwitz des französischen Kinderkreuzzuges von 1212, wo unter Anführung eines visionären Hirtenknaben, der unter Gottes unmittelbarer Leitung zu stehen vermeinte, Tausende halbwüchsiger Kreuzfahrer in Marseille von trügerischen Reedern auf Orientschiffe verladen wurden, um in Alexandria den Sklavenmarkt zu bevölkern. Nach den Beschlüssen des Laterankonzils, die fiiir alle Nichtteilnehmer auf drei Jahre Einkommensteuern von 5 Prozent (für Papst und Kardinäle gar von 10 Prozent) ausschrieben, sollten sich die Kreuzträger, zu denen sich bei seiner Aachener Krönung von 1215 als päpstlicher Lehnsmann und erwählter Kaiser auch der junge Staufer Friedrich II. gesellt hatte, schon im Sommer 1216 in Brindisi oder Messina zur Abfahrt vereinigen. Indessen, Verzögerungen traten ein. Als sich der Papst persönlich von Rom aufmachte, um in einer hindernden Fehde zwischen Pisa und Genua zu vermitteln, ist er auf der Reise in Perugia am 16. Juli 1216 gestorben. Mochten sich auch manche Gänge seiner weitverzweigten Weltpolitik dem würdevollen Amte einer höchsten religiös-moralischen Autorität, das er vertrat, nicht ohne Erdenrest einfügen, und hat er zu manchen Gebrechen der spätmittelalterlichen Kirche den Grund gelegt, so wird doch sein groß-
WIRD INNOZENZ' WERK BESTAND HABEN?
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artiges kirchenpolitisches Regiment jeden, der sich tiefer hineinversenkt, immer aufs neue mit Bewunderung erfüllen. Nun aber tauchte die Frage auf, ob nach seinem Hinscheiden sein Werk Bestand haben oder ob ähnlich wie nach dem Tode Heinrichs VI. die gegen jeden Großen der Weltgeschichte heraufwachsende Gegnerschaft es noch einmal in Frage stellen würde.
LETZTE AUFRÜSTUNG VON PAPSTKIRCHE UND KAISERTUM
Die Grundlinien des päpstlichen Weltherrschaftssystems waren von Innozenz III. gezogen. Aber es bedurfte allenthalben noch des weiteren Ausbaus und der Durchführung. Die Meinung, daß dies nach Überwindung aller Hindernisse nunmehr im Frieden möglich sei, führte den im Dienste der Kurie ergrauten Verwaltungs- und Finanzmann Cencius Savelli als Honorius III. (1216-1227) auf den Stuhl Petri. Maßvoll und friedfertig, ohne den Herrschergeist seines Vorgängers, suchte er doch an dessen Errungenschaften festzuhalten und vor allem die materielle Machtunterlage zu sichern. Was schon einmal in den Verhandlungen mit Heinrich VI. eine Rolle gespielt, dann auf dem Laterankonzil noch eine Ablehnung erfahren hatte: die aus der obersten Verwaltungshoheit des Papstes hergeleitete höchste Ämtergewalt führte trotz anfänglichen Widerstrebens in Frankreich und England mehr und mehr zu einer regelmäßigen Pfründenbesetzung bestimmter Kirchen möglichst in jeder Diözese durch den Papst. Die wachsende Zahl solcher Reservationen steigerte seinen Einfluß in den Domkapiteln und entlastete zugleich durch Versorgung so mancher Zentralbeamten den kurialen Haushalt. Der notwendige Übergang zur Geldwirtschaft aber wurde vornehmlich durch die Politisierung und immer häufigere Erhebung von Kreuzzugssteuern vollzogen, die nun nicht mehr unmittelbar für die Kreuzfahrer der betreffenden Landschaft verwendet, sondern durch besondere päpstliche Kollektoren an die apostolische Kammer abgeliefert wurden. Eine regelmäßige Besteuerung kirchlichen Einkommens war im Ausbau begriffen und bildete neben den andern Einnahmen, in Notzeiten überdies ergänzt durch Anleihen bei italienischen Bankhäusern, den ergiebigsten Teil des immer großartiger ausgedehnten päpstlichen Finanzsystems. Im Sinne Honorius III. sollten solche Maßnahmen in erster Linie der Ausführung des von Innozenz beschlossenen Kreuzzugs dienen. Einem derart umfassenden Kriegsunternehmen war jedoch die Organisationskraft des Verwaltungsmannes nicht gewachsen. Als König Andreas II. von Ungarn 1218 von einem ergebnislosen Kreuzzuge heimgekehrt war, beschloß man — an sich keineswegs unrichtig, aber ohne ausreichende Truppen, ohne fähige Führung und ohne auf die Mithilfe Friedrichs II. zu warten — den Angriff
HONORIUS m . , GREGOR IX.
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auf das mohammedanische Hauptzentrum in Ägypten. Die nach- dem Tode des Sultans El-Adil (1218) erneute Spaltung des nahen Orients unter seine beiden Söhne in Kairo und Damaskus mochte ermutigend wirken. Nachdem die Erstürmung der Hafenstadt Damiette im November 1219 endlich gelungen war, hätte man von dem ägyptischen Sultan El-Kamil einen sehr annehmbaren Frieden erhalten können, der die Rückgabe Jerusalems in sich Schloß. Allein der päpstliche Kardinallegat Pelagius wollte mehr und drängte auf den Vormarsch ins Innere gegen Kairo. Als man ihn 1221 mit verhängnisvoller Verzögerung unternahm, gelang es dem Sultan durch Öffnung der Schleusen des bereits steigenden Nils, das Kreuzfahrerheer völlig einzukreisen und zur Übergabe zu zwingen. Der maßvoll-duldsame Sinn El-Kamils gewährte immerhin noch glimpfliche Bedingungen: Herausgabe von Damiette, gegenseitige Auslieferung der Gefangenen und Abschluß eines achtjährigen Stillstands, der nur bei Erscheinen eines gekrönten abendländischen Herrschers - man dachte an Friedrich II. — sollte aufgehoben werden können. So endete diese Kreuzfahrt für die Kurie mit einer schweren Einbuße ihres Ansehns. Der Papst mußte hinfort alle Erwartung eines glücklicheren Ausgangs an den jungen Staufer knüpfen. Das kirchliche Gesetzesrecht hat auch Honorius III. durch eine Sammlung seiner Dekretalen bereichert. Sein Nachfolger Gregor IX. (1227—1241) aber hat die fünf verschiedenen Sammlungen, die nun seit dem Dekret Gratians entstanden waren, durch den spanischen Dominikaner Raimund von Pennaforte zu einer geschlossenen Einheit zusammenarbeiten lassen, und indem er diesen „liber extra (decretum)" 1234 den Universitäten Bologna und Paris als gültiges Recht zum Unterricht übersandte, schritt er auf der Bahn Innozenz' III. weiter. Die päpstliche Gesetzgebung war an keine Schranke konziliarer Zustimmung mehr gebunden. Gregor, Innozenz' naher Verwandter und Helfer, zu Beginn seines Pontifikats schon den Sechzigern nahe, aber noch von feuriger Lebenskraft, vertrat Reformtendenzen und Herrschaftsbestrebungen seines zweiten Vorgängers in ganz anderem Maße als Honorius, ja noch in erhöhter Steigerung. Denn wenn über allen Maßnahmen Innozenz III. eine kühle, überlegene Vernunft gewaltet hatte, so lebte in Gregor IX. etwas von dem vulkanischen Temperament und der bergestürzenden Willenskraft des großen Papstes, dessen Namen er sich erwählt hatte. Wie Gregor VII. war er von einer auf geschlossener Einheitlichkeit der Weltanschauung gegründeten, stürmischen Initiative, ein Hierarch, der für die tiefsten, lebenspendenden Kräfte der katholischen Kirche, die stille Andacht religiöser Betrachtung, die Selbst-
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FRANZISKUS UND UGOLINO
zucht der Askese und die Erregungen mystischer Schwärmerei mitfühlendes Verständnis besaß und dem auch künstlerischen Ausdruck zu geben wußte, der sich aber nicht weniger auf Pomp und Machtentfaltung verstand, für die Gefahren, die der päpstlichen Weltherrschaft von außen und innen drohten, die feinste Witterung besaß und ihre Feinde mit wildester Leidenschaft, ohne eine Spur duldender Nachsicht verfolgte. Das Leben hat ihn immer mehr von schwärmerischer Liebe zum starrsinnigen Haß gefuhrt. Wer ihn nur aus seinen letzten Papstzeiten kannte, hätte kaum erraten, daß er es war, der als Kardinalbischof Hugo (Ugolino) von Ostia dem heiligen Franziskus in der Werdezeit seiner Schöpfung helfend und führend zur Seite gestanden hatte. Innozenz III. hatte ja den Orden nur gerade aus der Taufe gehoben; was aus ihm werden würde, war damals noch ganz unbestimmt. Wohl gar eine Stätte ketzerischer Wirksamkeit? Das Anfangsprogramm der um die Person des Heiligen gescharten, aber einzeln umherziehenden Jünger: freie Predigt und Seelsorge, Krankenpflege, Handarbeit und völlige Armut erschien nicht ohne waldensischen Beigeschmack und fiel durch seinen sozialen Einschlag aus der Art des älteren, von der Welt sich abschließenden Mönchtums völlig heraus. Indessen, Franziskus selbst, ohne Weltklugheit und Gelehrsamkeit, nur mit den Kräften des Gemüts und Willens wirkend, kindlich fromm und phantasiebeschwingt, ein Troubadour Gottes und Gaukler des Herrn, der alle Mitwesen mit gleicher Liebe umfaßte und nur gegen sich selbst unnachsichtige Strenge übte, war kein Kirchenpolitiker, dem die Armutsforderung Kampfmittel gewesen wäre, vielmehr — was selten ist — ein Gottgebeisterter, der bei aller Selbstsicherheit seines religiösen Wegs sich der kirchlichen Autorität unterordnete und leiten ließ. Indem er die Notwendigkeit der Einheitskirche anerkannte und das Amt des Priesters unbedingt über dessen Person stellte, hat er die im Ketzertum herandrängenden Reformforderungen gewissermaßen kanonisiert und den Adern der verweltlichten Kirche einen Blutstrom warmer Liebe zugeführt. Die Minoritenbewegung drang seit 1219 rasch in alle christlichen Länder. Franziskus selbst erzielte in Ägypten durch den mutvollen Versuch, den Sultan El-Kamil für das Christentum zu gewinnen, zwar keinen Erfolg, eröffnete aber damit die bald in immer weitere Kreise bis nach dem fernen China dringende Außenmission der Minoriten. Dem rückkehrenden Stifter zeigten dann Zerwürfnis und Auflösung seiner inzwischen zu Tausenden angeschwollenen Anhängerschaft, daß sie einer bestimmteren Regel und strafferen Ordnung bedürfte. Und hier war es nun der Kardinal Ugolino, der dem in solchen Organisationsfragen unbeholfenen und ihnen innerlich
MINORJTENORDEN
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widerstrebenden Stifter zur Seite trat und ihm die Leitung mehr und mehr aus der Hand nahm. Sein in der dritten Regel von 1223 festgelegtes Werk war es, den Orden aus der Augenblicksschöpfung eines fast übermenschlichen Enthusiasmus umzuwandeln zu einer Dauerorganisation gewöhnlicherer Sterblicher mit der Prüfungszeit des Noviziats, mit festen, überwiegend in den Städten errichteten Konventshäusern, Vorratsspeichern und dem zum Grundsatz erhobenen Almosenbettel, umzuwandeln ferner aus einem lockeren Gebilde freier Hingabe zu einer von Disziplin und Kadavergehorsam erfüllten päpstlichen Armee, die von oben herab durch den wenigstens zunächst selbst über dem allgemeinen Kapitel stehenden General geleitet und durch den Kardinalprotektor Ugolino in steter Fühlung mit der Kurie erhalten wurde. Daß den Minoriten und Klarissinnen noch von Franziskus selbst der „dritte Orden" der Tertiarier angegliedert wurde, der einer zahlreichen Laienbußgemeinschaft das Verbleiben im bürgerlichen Dasein, in Beruf und Ehe gestattete, sicherte den franziskanischen Ideen Verbreitung in den weitesten Volksschichten bis hinauf zum Königsthron und schuf eine Art von Ausgleich zwischen Mönchs- und Laienfrömmigkeit. Was Ugolino hier getan hatte, war nichts andres als die Überführung des Ideals in die rauhe Wirklichkeit, wie ja nach Voltaires Wort „in Sachen der Religion allemal die Schwärmerei den Bau begründet, aber die Klugheit ihn vollendet". Gleichwohl begreift es sich, daß sich Franziskus angesichts solcher Vergröberung seiner reinsten Absichten voll schmerzlicher Verstimmung von der Ordensleitung in die Einsamkeit zurückzog. Andächtigste Versenkung und härteste Askese führten zu Erschöpfungszuständen und Entrückungserscheinungen. Mit den Wundmalen des Herrn, die er nach der Legende 1224 in der Gebirgseinsamkeit des Monte Alverno empfangen hatte, galt er dem Volke schon vor seinem Tode (1226) als Heiliger, was Gregor IX. dann bald (1228) durch die kirchliche Kanonisation bestätigte. Sie traf weder einen Wegbereiter der italienischen Renaissancekultur noch einen Vertreter des neuzeitlichen Individualismus, sondern einen ganz und gar mittelalterlichen Menschen, der altehrwürdigen Idealen durch den Zauber seiner genialen Natur zu neuem Leben verholfen hatte. Die Persönlichkeit des Stifters hat denn auch über die Geschicke der Minoritengemeinschaft bestimmender als bei andern Orden ihren Schatten geworfen; mit ihr spann sich jener Zwiespalt zwischen Ideal und Wirklichkeit weiter fort. Franziskus hatte noch in seinem Testament Einspruch erhoben gegen die Laxheit der Armutsauffassung, gegen die festen Konvente und das Bettelprinzip. Gregor aber nahm diesem Testament seine für die Brüder bindende Geltung, und
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DER ORGANISATOR DOMINIKUS
unter dem mehr auf äußere Wirkung bedachten, kulturfreudigen Elias von Cortona, der 1232 als General die Ordensleitung gewann und mit großen Geldsummen den mächtigen Bau der Grabeskirche des Heiligen in Assisi emporwachsen ließ, schien in der Tat die laxere Richtung der „Konventualen" endgültig die Führung zu übernehmen. Indes, der letzte Wille des Heiligen blieb das Banner der radikalen „Spiritualen", und es gab noch heftige Auseinandersetzungen, bis endlich Bonaventura als Ordensgeneral (1257—1274) auf mittlerer Linie eine wenigstens zeitweilige Einigung schuf. Wenn Franziskus an die weichen, nach innen gekehrten Gemälde seiner umbrischen Heimat erinnert, so Dominikus an die harten und scharfen Umrisse der späteren spanischen Malerei. Neben dem Heiligen von Assisi erscheint er als der weltkundigere, gereiftere und gelehrtere, als der männlichere und kämpf freudigere, aber ohne dessen geniale, rein menschliche Größe, mehr geformt nach dem Bilde anderer Ordensgründer. Der Zug zu innerer Heiligung tritt bei ihm zurück hinter dem nach außen gewandten Glaubenseifer, die werktätige Nächstenliebe hinter der nicht nur zur Buße aufrufenden, sondern auch erbauenden und bekehrenden Predigt, die ja den „Predigermönchen" auch den Namen gegeben hat. Für sie erscheint die von Franziskus abgelehnte wissenschaftliche Bildung von vornherein als erforderlich. Das in vollem Ausmaß erst von den Minoriten herübergenommene Armutsprinzip bleibt hier mehr Mittel der Propaganda als Selbstzweck. In der Organisationskraft aber ist Dominikus der überlegene; trotz seines frühen Todes ("f 1221, kanonisiert 1234) hat sein Werk den Minoriten da bereits als Muster gedient. Auch der Predigerorden hat sich rasch über die abendländische Welt ausgebreitet und vornehmlich an den Hauptstätten der Gelehrsamkeit in Paris, Bologna und Rom Einfluß gewonnen. Die neue Art des Mönchtums fand auch weiter Anklang. Aus der Vereinigung älterer Eremitenschaften gingen etwas später die Orden der Augustinereremiten und der Karmeliter hervor, und zuerst in den Niederlanden, in dem belgischen Nivelles taten sich Büßerinnen, die in den überfüllten Frauenklöstern keine Aufnahme hatten finden können, zu den religiösen Gemeinschaften der Beghinen zusammen, den franziskanischen und dominikanischen Tertiarierinnen nicht unähnlich, aber freier von der kirchlichen Aufsicht und darum später wohl auch der Ketzerei verdächtigt. Die Bedeutung der Bettelorden für die Papstkirche kann kaum hoch genug angeschlagen werden. Lebensvoller noch als ein Jahrhundert vorher und nicht mehr vornehmlich auf die französische Welt beschränkt, schien ein neues Zeitalter der Heiligen und Wunder angebrochen zu sein. In Italien wurde der
INQUISITION
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rhetorisch durchgebildete spanische Minorit Antonius von Padua ein fast noch volkstümlicherer Heiliger (1232) als Franziskus selber, und förmliche Wellen religiöser Massenekstase, wie in der großen, halbpolitischen Hallelujabewegung des an Savonarola gemahnenden Dominikaners Johann von Vicenza (1233), durchfluteten, reißend anschwellend und rasch versiegend wie die italienischen Gießbäche, von Zeit zu Zeit das Land. Im deutschen Reiche war es gar eine Fürstin, die junge Landgräfin Elisabeth von Thüringen, die, völlig ergriffen von dem franziskanischen Armutsideal, nach dem Hinscheiden ihres Gemahls Besitz und Rang preisgab und sich als Tertiarierin ganz der Pflege der Ärmsten und Kränksten weihte, um, von ihrem harten, fanatischen Beichtiger Konrad von Marburg halb getrieben, halb gezügelt, ihre Kräfte frühzeitig aufzureiben (j-1231); schon 1235 von Papst Gregor IX. in die Zahl der Heiligen aufgenommen wurde sie zur Schutzpatronin des Deutschherrenordens. Der Aufschwung des religiösen Lebens, der gar manchem als der Anbrach des vom Abte Joachim geweissagten dritten Weltalters des Heiligen Geistes, des Ewigen Evangeliums und der Mönchsherrschaft erschien, kam vor allem den Städten zugute, wo die Pfarreien den wachsenden, in materiellem Wohlstand aufgehenden Massen gegenüber in der Seelsorge schlechthin versagt hatten. Unter Durchbrechung aller Diözesanschranken, in privilegiertem Wettbewerb mit Bischof und Pfarrklerus holten die frei beweglichen Bettelmönche hier Versäumtes nach und brachten fast schon dem katholischen Glauben Entfremdete unter den unmittelbaren Einfluß der Papstkirche zurück. Und indem sie durch das Vorbild ihres entsagungsvollen apostolischen Wandels, die persönlichere Färbung ihrer Religiosität und die Volkstümlichkeit ihrer Predigt den Angreifem der verweldichten Hierarchie den Anklagestoff entzogen, haben sie den Ketzern gleichsam das Panier entrissen. Aber auch zum gewaltsamen Vernichtungskampf gegen die vom Glauben Abgewichenen hat Gregor die Hilfe der Bettelmönche, hier vornehmlich der Dominikaner, herangezogen. Auch da schritt er über die von Innozenz vorbereiteten Grundlagen hinaus. Die Aufspürung der Ketzer hatte schon jener angeordnet. Das Neue war jetzt, daß diese Pflicht besonderen Inquisitoren für bestimmte Bezirke anvertraut wurde, und eben dies Amt war es, das Gregor 1233 den Dominikanern übertrug, die sich ja mit Stolz als „Domini canes" (Spürhunde des Herrn) bezeichnen hörten, die überdies durch ihr Armutsgelübde gegen Bestechung und Habgier gefeit schienen. Als furchtbare Waffe wurde diesen Spürern und Richtern die neue Ordnung des Ketzerprozesses in die Hand gegeben. Gewiß war darin das Inquisitionsprinzip als
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ARISTOTELES
solches, das direkt oder indirekt dem römischen Rechte entstammte, den unbeholfeneren germanischen Verfahrungsweisen technisch weit überlegen. Entsetzlich aber war, daß durch die Schrankenlosigkeit der Denunziationen, zu denen selbst Kinder gegen ihre Eltern aufgefordert wurden, durch Verweigerung eines Verteidigers, durch Verschweigung der Namen von Anklägern und Zeugen, durch Anwendung der Folter und Bestrafung des Widerrufes der dadurch erpreßten Bekenntnisse als Rückfall in verstockte Ketzerei, -ndlich durch Überweisung eines Teils der eingezogenen Habe der Verurteilten, auch von deren Kindern und Enkeln, an die Inquisitoren selber schier alles zuungunsten des unselig Verdächtigten gestaltet war, der selbst als völlig Unschuldiger sich kaum aus der Verstrickung loszuwinden vermochte. Verurteilt, verfiel er dem Arm des weltlichen Gerichts, und wenn im Norden schon früher Ketzertum als Zauberei mit dem Tode auf dem Scheiterhaufen bestraft war, so wurde das jetzt — nach dem Vorgang Aragoniens nicht zum wenigsten durch Verfugungen Kaiser Friedrichs II. — auch in dem bis dahin milder verfahrenden romanischen Süden eingeführt, um seitdem auf lange hin in ganz Europa die gesetzliche Strafe zu bleiben. Rasch drang die Inquisition in die Länder der römisch-katholischen Christenheit, so daß schon in den dreißiger Jahren in Frankreich und Deutschland wahre Orgien der Verfolgung gefeiert wurden. Mochten indessen die Übergriffe einzelner Inquisitoren Mißbilligung finden — davon war jene Zeit doch weit entfernt, daß man die Einrichtung der Inquisition als solche verworfen oder auch nur die schlimmsten Gebrechen ihrer Verfassung erkannt hätte. So war sie in der gewaltigen Aufrüstung der Papstkirche doch ein weiteres gewichtiges Machtmittel. Die Ketzerei ist ihm bis auf geringe Reste tatsächlich im Laufe eines Jahrhunderts erlegen. Noch gab es jedoch für die gesamte kirchliche Weltanschauung eine Gefahr, die auf lange Sicht wohl die bedrohlichste von allen war. Auch da hat Gregor IX. weitblickend den Weg zur Abwendung für lange Zeit gewiesen. Welch unendliche Menge neuen Erkenntnisstoffes hatten die letzten Jahrzehnte dem Abendlande zugeführt! Er war reich und bedeutsam genug, um das bisherige Weltbild tiefgreifend zu wandeln. Vornehmlich mit dem ungeheuren Universalismus von Aristoteles' Werk hatte man sich auseinanderzusetzen. Denn es bot ja nicht ein locker geschichtetes Baumaterial, dessen einzelne Stücke einfach dem christlichen Weltgebäude hätten eingefügt werden können, sondern einen festgeschlossenen Organismus, von dem jedes Teil innerlich verankert war. So schien man nur zwischen Annahme und Ablehnung des Ganzen die Wahl zu haben. Nun aber lernt6 man dies Werk, soweit es sich
AVERROES
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überhaupt erhalten hatte und nicht schon früher bekanntgeworden war, also vornehmlich die Physik und Metaphysik, zunächst gar nicht aus den Originaltexten kennen, sondern nur durch Vermittlung der mohammedanischen und jüdischen Kommentatoren, unter denen Averroes (1126—1198) an erster Stelle stand. Und selbst dieser stützte sich auf arabische und hebräische Übersetzungen, in denen neuplatonische Vorstellungen mit den aristotelischen vermischt waren. Da gab es denn Grundgedanken, die mit der christlichen Offenbarungslehre in scharfem Widerspruch standen: so die Auffassung der Welt als eines ewigen Werdeprozesses, der einen absoluten Anfang und damit auch die göttliche Schöpfung ausschloß; der notwendige Kausalnexus in allem Geschehen, der einem Eingreifen der Gottheit durch Vorsehung und Wunder entgegenstand; die Lehre, daß sich die menschliche Seele zum Körper verhalte wie die Form zur Materie, daß daher die Individualseele mit dem Körper vergehe und Unsterblichkeit nur einer allgemeinen Intelligenz zukomme. Diese und andere Gedanken hatten nun freilich auch den Lehren der islamischen und jüdischen Theologie widersprochen und dort schon ähnliche Konflikte hervorgerufen, wie sie nun auch dem christlichen Abendlande drohten. Den kirchlichen Verfolgungen hatten sich die Averroisten jedoch zu entziehen gewußt, indem sie die Gebiete der Religion und Philosophie voneinander zu scheiden suchten wie die der Praxis und Theorie. Den in eindrucksvollen, für die Menge verständlichen Sinnbildern vorgetragenen Satzungen der Religion verweigerten auch sie ihre Zustimmung nicht, erklärten aber, in Sachen der Erkenntnis könne ein engerer Kreis von Intelligenten durch Philosophie zu der höchsten Form der Wahrheit vordringen, wie nur der hochfliegende Adler der Sonne unmittelbar ins Gesicht zu schauen vermöge. Ließ sich die katholische Kirche mit solcher Deutung abspeisen, so war das Band, das die Frühscholastik seit Anselm von Canterbury zwischen der Magd Philosophie und der Herrin Theologie geknüpft hatte, zerrissen, das Verhältnis eher ins Gegenteil verkehrt und der freien Forschung Tür und Tor geöffnet. An der Pariser Universität, dem Hauptsitz der abendländischen Theologie und Scholastik, wo bereits Gelehrte wie Simon von Tournai den Averroismus vertraten, mußte der Strauß vor allem ausgefochten werden. Eine Provinzialsynode (1210) und ein päpstlicher Legat (1215) haben es dort mit dem glatten Verbot der aristotelischen Physik und Methapysik versucht. Indessen, wie hätte man der immer brennenderen Wißbegier auf die Dauer einen wirksamen Riegel vorschieben können ? Eben damals hatte sich in der literarischen Kultur Frankreichs ein Wandel vollzogen von der naiveren, frischeren,
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THOMAS VON AQUINO
poetischeren Art des zwölften Jahrhunderts zu einer lehrhafteren, spitzfindigeren, allegorisch-enzyklopädischen Richtung; der lateinische „Anticlaudianus" des Alanus von Lille (j" 1203), eine Reise der Klugheit mit der Eintracht durch das ganze Universum, war dafür schon ein Vorläufer, und der französische Rosenroman des Guillaume de Lorris mit seiner Anwendung blasser Allegorien auf das Liebesgebiet wurde in den dreißiger Jahren das bezeichnendste und beliebteste Werk. Wie hätte man bei einer solchen Zeitströmung auf die Ernte des zuströmenden Wissensstoffes verzichten sollen ? Gregor IX. war sicherlich von der Gefährlichkeit der aristotelisch-averroistischen Gedankengänge auf das tiefste überzeugt und warnte 1228 die Pariser theologische Fakultät vor einem übermäßigen Gebrauch der Philosophie, der gewisse Gebiete der Offenbarung unzugänglich seien. Aber wie unter seinem Einfluß ein gut Teil ketzerischer Reformforderungen durch die Bettelorden in die Kirche hineingenommen war, so sollte es auch mit der peripatetischen Philosophie geschehen. Als er 1231 deren bis dahin wirkungsloses Verbot wiederholte, tat er es mit der bemerkenswerten Einschränkung: „bis jene Schriften geprüft und gereinigt seien", und für solche Arbeit von Jahrzehnten, die darauf ausging, dies unentbehrliche geistige Rüstzeug der Kirche zu sichern, aber es vorher zu entgiften, hatte er niemand anders im Auge als die Brüder der Bettelorden, die nun, von der Kurie gefördert, den Kampf um die Lehrstühle der Universitäten begannen. Den Dominikanern lag das von vornherein nahe. Vielleicht schon um 1223 war in diesen Orden der Deutsche Albert von Boilstädt getreten, der später das Riesenwerk der Rezeption aristotelischen Wissensstoffes vor allen anderen leisten sollte, und sein großer Schüler Thomas von Aquino war eben im Jahr von Gregors Pontifikatsantritt geboren. Im Franziskanerorden war anfangs die Ablehnung jeglicher Kulturbetätigung durch den Stifter zu überwinden, und als das schon bald nach seinem Tode geschah, machte sich minoritischer Einfluß zunächst noch stärker auf die bildenden Künste und die lyrische Dichtung bis hin zu Giotto und Dante geltend als auf die Wissenschaft. Indem jedoch ein berühmter Pariser Universitätsprofessor, der Engländer Alexander von Haies, dessen „Summe der gesamten Theologie" schon ganz von aristotelischem Geiste erfüllt war, um 1231 in den Orden eintrat, gewann er diesem den ersten Lehrstuhl des Abendlandes, auf dem ihm später sein Schüler Bonaventura folgen sollte. In Oxford wurden die Minoriten früh durch den gelehrten Bischof Robert Grosseteste von Lincoln begünstigt, und in Bologna wirkte der Einfluß des heiligen Antonius. Der Kampf der Bettelmönche um die Eroberung weiterer Lehrstühle gegen den Widerstand des älteren Klerus sollte
FRIEDRICHS II. KINDHEIT
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sich noch bis in die fünfziger Jahre hinziehen, aber der Schwung und Eifer in diesen Neugründungen, die Aussiebung der allertüchtigsten Kräfte, die reichen Mittel und die Gunst der Kurie sicherten ihnen bald die Überlegenheit. Gregor IX. hat den Vollzug des von ihm angeregten geistigen Harmonisierungswerkes, das der Kirche einen neuen wissenschaftlichen Panzer schaffen sollte, nicht mehr erlebt. Er sah eine viel akutere Gefahr heraufziehen, die ihn veranlaßte, die gesammelten kirchlichen Kräfte in einen Riesenkampf gegen einen in der Tat furchtbaren Gegner zu werfen, der dann alle jene dem Papsttum feindlichen Elemente: den Widerstand gegen Zentralismus und Fiskalsystem, den überlebten Kaisergedanken ebenso wie die Idee des modernen geschlossenen Staatswesens, die Reste ketzerischer Reformforderungen, die Geisteskraft der neu-alten Philosophie und die werdende Kultur einer heraufziehenden Epoche noch einmal zum Generalsturm herangeführt hat. Der arabische Dichterphilosoph Ibn Tofail ("|" 1185) hat in einer frühen Robinsonade geschildert, wie sein auf einer einsamen Insel aufwachsender Held durch eine aus ihm selbst geborene individualistische Philosophie zur höchsten und reinsten Erkenntnis durchgedrungen ist und nun bei dem Versuche, diese letzte Wahrheit der in einer anderen Welt hausenden und unter der Herrschaft einer grobsinnlichen Religion gehaltenen menschlichen Gesellschaft mitzuteilen, scheitert, bis er schließlich zu der Einsicht gelangt, daß die Masse statt des hellen Lichtes der trüberen Sinnbilder bedürfe. Man könnte versucht sein, dabei an das Los Friedrichs II. zu denken, als er aus seinem sizilischen Sonderdasein in die festländische Welt hinübergriff. Von den beiden Entwicklungsreihen, die mütterlicher- und väterlicherseits zu ihm hinleiteten, war die normannisch-sizilische Überlieferung von seinem Großvater Roger II. her die stärkere und lebensvollere, die den Knaben bis ins Jünglingsalter hinein ausschließlich bestimmt hatte, von der auch künftig nahezu alles Positive seines Schaffens abhing. Durch Erziehung und Neigung war und blieb er Sizilianer. Nur aus der eigentümlich reichen und vorgeschrittenen Mischkultur dieses Bodens, die er wie in einem Brennpunkte zusammenfaßte, konnte er hervorgehen; Herstellung und Weiterführung von Rogers Staatsbau bildete die Grundlage seines Wirkens. Als vater- und mutterlose Waise hatte er vom vierten Jahre an seine ganze Kindheit in Palermo verbracht, dort, wo die italisch-griechisch-arabisch-normannisch-jüdische Völkermischung in Sitte und Recht, in Sprache und Kunst am allerbuntesten zutage trat, an jenem ,.Hauptsitz der Moslem", an dem der mohammedanische Kultureinfluß sich mit besonderer Kraft geltend machte, in einem großen städtischen Gemeinwesen, in dessen Bürgerhäusern und Gassen der
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TRAGIK
durch gewissenlose Ausbeutung wechselnder Gewalthaber in die peinlichste Not geratene junge König anders als sonstige Prinzen wahrhaft durch das Leben selbst erzogen wurde. Schon bei dem siebenjährigen Kinde hatte man seltsam frühreife Regungen eines durch die unwürdige Ohnmacht seiner Stellung tiefverletzten Herrscherstolzes gewahrt. Bei dem heranwachsenden, genial veranlagten Knaben, den die durchmessene Schule der Leiden bereits hellsehend und lebenskundig, aber auch mißtrauisch und menschenverachtend gemacht hatte, verdichteten sie sich zu dem brennenden Wunsche nach Vergeltung, zu einer mit eiserner Willenskraft rastlos und selbstsicher betriebenen Vorbereitung auf den künftigen Herrscherberuf. Als dann der mündig Gewordene sich eben angeschickt hatte, wenigstens an der Nord- und Ostküste der Insel seine Hoheit zur Geltung zu bringen, hatte angesichts des vernichtenden Angriffes Kaiser Ottos IV. der Lenker seines Schicksals, Innozenz III., ihn jäh i n s seinem insularen Sonderdasein herausgerissen und in den Mittelpunkt der europäischen Ereignisse gerückt. Indem er damit in die Bahn seiner kaiserlichen Ahnherren väterlicherseits einlenkte, war er durch die schicksalsvolle Doppelstellung in jene Spannungen geraten, die seine Kräfte erst zur vollen Höhe emporsteigerten, seinem staatlichen und kulturellen Wirken Weltgeltung und Zukunft gewannen, freilich aber auch durch die unharmonische Verbindung und die inneren Widersprüche sein Los zu einem tragischen gestalten mußten. Hat er sich auch in die universalen Herrschaftsideale des Kaisertums rasch genug eingelebt, so konnte ihn der neue Besitz doch nicht mehr zum Deutschen umschaffen. Der Rahmen des väterlichen Gesamtreiches war ihm durch wunderbare Schicksalsfügung unverhofft zuteil geworden. Wenn er nun daranging, ihn wieder mit Machtinhalt zu füllen, so konnten über die politische Marschroute und Kräfteverteilung weder Pietätsgefühle noch persönliche Neigungen die letzte Entscheidung abgeben, sondern allein eine auf den Grundlagen der Wirklichkeit fußende Berechnung. Sie aber wies auf Sizilien als dasjenige Land, in dem aus dem anarchischen Rohstoff der Gegenwart eine starke Herrscherfaust gegen die verhältnismäßig geringsten Widerstände den festgefügten Normannenstaat Rogers noch am ersten wiederherstellen und zum Eckstein einer Universalherrschaft gestalten konnte. Viel schwieriger war die Verwandlung der Scheinmacht in wirkliche Macht schon in Reichsitalien, weil die dortigen Verluste Gewinne des Papsttums und der reichen, widerstandskräftigen Städte waren und ohne Zusammenstoß mit beiden kaum eingebracht werden konnten. Am aussichtslosesten lagen die
DER JUNGE HEINRICH
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Dinge in Deutschland, das mit seinem überwiegenden Verharren in Naturalwirtschaft und Lehnswesen den vorgeschritteneren Italiener fremdartig genug anmuten mußte. Daß sich einer Sammlungspolitik des deutschen Königtums noch immer Handhaben boten, hat Friedrich durch erhebliche Einbringimg von Krongutverlusten und durch seine Städtegründungen im Südwesten des Reiches erwiesen. Im großen Stil betrieben, konnte aber eine derartige Politik nur im Kampf gegen Papstkirche und Fürstentum, denen Friedrich gerade sein Emporkommen verdankte, denen er bindende Zusicherungen gegeben hatte, durchgeführt werden und sicherlich nur von einem Herrscher, der unter Hintansetzung alles anderen seine Kraft auf Deutschland konzentrierte. Das war für Friedrich völlig untunlich. Daß sein Reorganisationswerk den Gang von Süden nach Norden nehmen mußte, ist daher aus den Verhältnissen verständlich genug. Die Folge davon war, daß er, um durch Ruhe im Norden Bewegungsfreiheit für seine italienischen Unternehmungen zu gewinnen, den deutschen Fürsten auch fernerhin in die Hand arbeitete und durch Preisgabe weiterer Kronrechte hier ein späteres Einlenken noch mehr erschwerte. Mit dieser allgemeinen politischen Tendenz Friedrichs kreuzte sich nun das Bestreben der Kurie, die Vereinigung Siziliens mit dem Imperium so bald als möglich durch Abspaltung des früheren Normannenstaates zu lösen. Dafür hatte Innozenz III., der in der Kaiserkrone noch immer einen Trumpf in Händen hatte, kurz vor seinem Tode Vorsorge getroffen; denn Friedrich hatte sich (1216) verpflichten müssen, vom Augenblick der Kaiserkrönung ab zugunsten seines Sohnes Heinrich, den ihm die aragonesische Konstanze geboren, und einer mit dem Papst zu vereinbarenden Regentschaft auf Sizilien Verzicht zu leisten. Wie es ihm nun nach Innozenz' Tode dessen schwächerem Nachfolger Honorius III.' gegenüber gelang, sich dieser Verpflichtung zu entziehen, das war Friedrichs erstes diplomatisches Meisterstück. Der Vertrag hatte wohl ihm selbst den Verzicht auf Sizilien auferlegt, nicht aber auch dem jungen Heinrich als sizilischem König den Verzicht auf eine deutsche Königswahl, wodurch dann die Vereinigung der Reiche unter dem Sohne doch verbürgt blieb und das kuriale Bedenken gegen die Union unter dem Vater abgestumpft werden mußte. Da Friedrich selbst noch nicht die Kaiserkrone besaß, so war die Königswahl seines unmündigen Sohnes freilich eine ungewöhnliche Zumutimg an die deutschen Fürsten. Hier aber begegneten sich deren eigene Wünsche mit dem seinigen. Ahnlich wie zu wiederholten Malen die austrasischen Großen im Merowingerreiche, sahen sie die Nebenregierung eines unter ihrem Einflüsse stehenden, minderjährigen Kronprinzen als vor-
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FRIEDRICH II. ZUM KAISER GEKRÖNT
teilhaft an für ihre aristokratischen Interessen. Bei den geistlichen Fürsten, die päpstliche Abmahnungen zu überwinden hatten, bedurfte es freilich einer Nachhilfe durch neue Zusicherungen, die in der deutschen Verfassungsgeschichte einen weiteren Schritt auf dem Wege zum Föderalismus bedeuten. Zunächst aus diesen geistlichen Territorien begann sich die Zentralgewalt zurückzuziehen und verlor immer mehr die Einwirkung auf deren innere Verhältnisse; der letzte Rest der ottonischen Kirchenpolitik schwand damit dahin. Dafür wurde dann die Wahl Heinrichs zum Nachfolger im Reiche so glatt vollzogen, daß Friedrich sie dem Papste gegenüber sogar der selbständigen Initiative der Fürsten zuschreiben konnte. Überdies begründete er sie mit der Notwendigkeit einer Vertretung während seines bevorstehenden Kreuzzuges. Der vollzogenen Tatsache gegenüber mußte die Kurie einlenken. An eine völlige Abtrennung Siziliens war nun nicht mehr zu denken; so begnügte sich Honorius III. mit neuen Bürgschaften gegen eine engere Realunion der Länder auf Grund der alten unteritalischen Hoheitsansprüche des Reiches — eine Vereinigung, die Friedrich im Hinblick auf seine sizilische Unabhängigkeit gar nicht wünschen konnte — und erteilte dem nach Italien zurückkehrenden Staufer im November 1220 zu Rom die Kaiserkrone. Die bis dahin noch ungetrübte Einigkeit von Papsttum und Kaisertum fand ihren Ausdruck in den großen Krönungsgesetzen. Darin stellte Friedrich der Kirche zur Vernichtung der Ketzer, die für ihn in ihrer Absonderung von der bestehenden Staatsordnung zugleich Reichsrebellen waren, das weltliche Schwert weitgehend zur Verfügung, knüpfte die Reichsacht unmittelbar an den Kirchenbann und verhieß der italienischen Geistlichkeit — zumeist auf Kosten der Städte — Befreiung von weltlichen Abgaben und Gerichten. Zugleich erneuerte er sein Kreuzzugsgelübde und versprach für das nächste Jahr die Erfüllung. So war der Aufstieg des apulischen Jünglings zum Ziel gelangt; aber die erneuerte Kaiserherrlichkeit verriet schon jetzt die Tendenz einer von der früheren sehr abweichenden Kräfteverteilung. In den acht deutschen Jahren, denen später überhaupt kein längerer Aufenthalt nördlich der Alpen mehr folgen sollte, hatte Friedrich wohl wertvolle Verbindungen geknüpft, aber er hatte auch den Eindruck der Fremdheit gewonnen, die Überzeugung, dies territorialpolitisch zerrissene Gebiet könne ihm wohl wertvolle kriegerische Kräfte stellen, müsse aber als Nebenland, solange es die Kreise seiner Universalpolitik nicht störe, der fürstlichen Klassenherrschaft überlassen werden. Das bedeutete für ihn die dortige Einsetzung seines Sohnes, und daran wurde vorderhand auch noch nichts geändert, als dessen Aachener Wahl und
DER DEUTSCHORDEN IN PREUSSEN
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Krönung zum römischen König (1222), die anscheinend auf Antrieb der Fürsten, aber schwerlich ohne Zustimmung Friedrichs erfolgte, die Eigenständigkeit dieses königlichen Regiments in Deutschland festigte und die Möglichkeit künftiger Kompetenzkonflikte zwischen Vater und Sohn heraufbeschwor. Unter dem großzügigen und weitsichtigen Erzbischof Engelbert I. von Köln, den der Kaiser mit glücklichem Griffe zum Reichsgubernator und Vormund seines Sohnes bestellte, machte sich dieser Gegensatz zunächst nur in gewissen Spannungen geltend. Noch blieben diese zwanziger Jahre für Deutschland nicht ohne nationale Errungenschaften. Im Norden lastete auf dem Reiche die unnatürlich vorgeschobene Machtstellung Dänemarks, das, im Besitze der deutschen Kolonisationsgebiete an der Ostseeküste von der Eider bis nach Rügen, auch in Samland und Estland sich festgesetzt hatte und gegen Livland vordrang. Da reizte die durch List und Verrat bewerkstelligte Gefangennahme König Waldemars II. durch den Grafen Heinrich von Schwerin (1223) zu dem Versuche, sie ähnlich wie einst die Haft Richard Löwenherz' zum Vorteil des Reiches auszubeuten, wobei die durch päpstliches Eingreifen behinderte Diplomatie durch das scharfe Schwert der nächsrbeteiligten deutschen Großen unterstützt wurde. Als dann Waldemar gegen die Verpflichtung, die bereits befreiten nordalbingischen Lande bis nach Pommern hin abzutreten, aus der Haft entlassen wurde, aber den Vertrag als erzwungen widerrief, haben die deutschen Waffen durch den Sieg bei Bornhöved (1227) den für das Reich errungenen Vorteil bestätigt und den Rückgang der dänischen Machtüberspannung eingeleitet. Der Kaiser hat diese Ereignisse nur aus der Ferne mit förderndem Interesse begleitet, wie etwa die Erneuerung der Reichsfreiheit Lübecks (1226) bekundete. Bedeutsam fielen mit dem Aufschwünge des Deutschtums in den Ostseegebieten die Anfänge des erst von Friedrich II. zu seiner vollen Bedeutung erhobenen Deutschordens im Preußenlande zusammen. Nachdem dieser bei seiner Grenzwachtaufgabe im ungarischen Burzenlande durch sein Unabhängigkeitsstreben in Streit mit König Andreas II. geraten war, folgte er gern einem Hilferuf des ponischen Herzogs Konrad von Masowien gegen die heidnischen Preußen (1226). Dem ihm versprochenen Kulmerlande fügte damals der Kaiser alle künftigen Eroberungen im preußischen Gebiet hinzu und erhob den Hochmeister zum Reichsfürsten. Bald darauf (1230) begann dann, zunächst mit ganz geringen Kräften, aber von vornherein in vorzüglicher Organisation nach den Weisungen des dem Kaiser nahestehenden Hochmeisters Hermann von Salza, die rasch fortschreitende Eroberung. Schon 1236 war alles Land bis zur Nogatmündung
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NORMANNISCH-SIZILISCHE MONARCHIE
unterworfen, und durch Vereinigung mit dem Schwertbrüderorden (1237) streckten die Deutschherren ihre Hand weiter nach Kurland und Livland aus. Mit größerem Erfolge als im Burzenlande wußte der Hochmeister hier zwischen den Hoheitswünschen der päpstlichen Missionspolitik und den schwächeren Ansprüchen des Reiches oder Polens auf das Ziel der Autonomie des Ordens hinzusteuern. Was ihr Werk für Deutschlands Zukunft bedeutete, bedarf kaum der Betonung. In der Leitung der deutschen Angelegenheiten hatten sich inzwischen wichtige Wandlungen vollzogen. Erzbischof Engelbert hatte für sein Mündel im Sinne der rheinisch-kölnischen Wirtschaftsinteressen die Heirat mit einer Schwester des englischen Königs angestrebt, war jedoch an dem Willen des Kaisers gescheitert, der an der Verbindung mit Frankreich festhielt und Heinrichs Vermählung mit Margarete von Österreich durchsetzte. Eben damals (1225) wurde Engelbert durch Mörderhand der segensvollen Leitung der deutschen Angelegenheiten entrissen, und Herzog Ludwig I. von Baiern, der an seine Stelle trat, ein weit engstirnigerer Vertreter der fürstlichen Klasseninteressen, wurde, als der ausbrechende Kampf des Kaisers mit dem Papsttum die Verhältnisse verwirrte, von dem achtzehnjährigen König Heinrich, der nun selbst die Regierung übernahm, beiseite geschoben (1228). Friedrich II. hatte sich inzwischen seit der Kaiserkrönung ein Jahrfünft lang fast ausschließlich dem Wiederaufbau seines sizilischen Königreiches zugewandt. Das Werk der Assisen von Capua (1220) und ihrer Ergänzung in Messina (1221) war noch mehr Herstellung als Neuschöpfung, die Bahn dazu vornehmlich frei gemacht durch das nach normannischem Vorbild erlassene Gesetz, das Einlieferung aller seit 1189 erteilten urkundlichen Rechtstitel vorschrieb, dem König Kassierung oder Neuausfertigung nach Gutdünken ermöglichte und seinen Kronbesitz durch umfassende Einziehungen ausdehnte. Das Ergebnis war in Kürze dies: Herabminderung des ein monarchiches Durchgreifen hindernden Lehnswesens, wodurch dem gewaltsam niedergezwungenen Feudaladel künftig nur noch im persönlichen Dienste des Herrschers Bedeutung belassen wurde; unmittelbare Wehrhaftmachung der Staatsgewalt durch ein System von starken, aus Adelsburgen umgewandelten oder neuerrichteten Landesfestungen, durch Schöpfung eines stehenden Heeres, das vornehmlich durch Verpflanzung der in mehreren Feldzügen jetzt erst niedergeworfenen arabischen Bergstämme Siziliens in die apulische Militärkolonie Lucera eine unbedingt zuverlässige, auch gegen päpstliche Bannsprüche gefeite Sarazenentruppe erhielt, durch Wiederaufbau endlich der leistungsfähigen normannischen Flotte; Steigerung der staatlichen Mittel
WIDERSTREBEN DER KIRCHE
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durch Aufhebung der Privilegien Genuas und Pisas, Beseitigung aller neuerrichteten Verkehrsabgaben und Märkte sowie Ausdehnung des staatlichen Handels; Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit allein durch die königlichen Justitiare und Heranbildung der nötigen juristischen Kräfte auf der 1224 gegründeten Staatsuniversität Neapel, die zugleich als Generalstudium außer der Salerno vorbehaltenen Medizin auch die anderen Lehrfächer umfaßte und bestimmt war, die geistigen Kräfte des Königreichs staatlich zu organisieren und sie vor dem freiheitlichen Kommunalgeiste Bolognas ebenso zu behüten wie vor zu starken kirchlichen Einwirkungen. Die Herstellung der normannisch-sizilischen Monarchie, deren Schwerpunkt sich durch die imperiale Verbindung nun ganz nach dem Festlande verschob, war eine um so bedeutendere Leistung, als sie ohne auswärtige Gewaltmittel mit den zum Teil doch gerade erst zu bekämpfenden Kräften des Landes erfolgte. „Alle im Königreich", schrieb damals ein Chronist, „beugten vor dem Kaiser den Nacken." Einzig die Kirche ließ sich in diesen alles nivellierenden und beherrschenden Staat nicht restlos und ohne Widerstand eingliedern; sie blieb ein eingesprengter Fremdkörper, den die Kurie ebenso in Abhängigkeit von sich zu bringen suchte, wie die Krone sie gern in beamtenmäßige Unterordnung versetzt hätte. Insonderheit bei den Bischofswahlen stießen königliches Konsensrecht und päpstliche Bestätigung wiederholt hart aufeinander und riefen hüben und drüben eine aus Ärger und Mißtrauen gemischte Stimmung hervor; bei der Kurie erhielt diese durch den wiederholten Aufschub der Kreuzfahrt Friedrichs, dessen Anwesenheit für das sizilische Reorganisationswerk schlechterdings unentbehrlich war, immer neue Nahrung. Ohne seine Säumigkeit, so meinte man wohl, würde das unselige Unternehmen von Damiette einen anderen Ausgang genommen haben. Seitdem hatte es erneuter, langwieriger Vorbereitungen für eine weitere Kreuzfahrt bedurft, an der das ganze Herz des greisen Papstes Honorius hing. Noch einmal kam er dem Aufschubswunsche des Kaisers in der Vereinbarung von S. Germano (1225) entgegen. Sie legte Friedrich die bindendsten Verpflichtungen auf: Abfahrt mit festbemessener Mannschaft und Flotte im August 1227 bei Strafe des für etwaige neue Säumnis schon jetzt über ihn verhängten Bannes und bei Verfall einer hohen Kaution. Aber durch die Vermählung des verwitweten Kaisers mit Isabella von Brienne, der Erbin des Königreichs Jerusalem, wurde sein eigenstes Interesse eng mit dem Unternehmen verknüpft, und zwei weitere kostbare Jahre waren gewonnen. Wie Friedrich sie anzuwenden gedachte, verkündete er schon in S. Germano:
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REICHSTAG ZU CREMONA
zwischen der unmittelbaren Herrschaft über Sizilien und der mittelbaren über Deutschland sollte als Bindeglied die Herstellung der arg verfallenen kaiserlichen Rechte in Reichsitalien eingefügt werden. Hier aber täuschte er sich über die Energie der Gegenkräfte. Die lombardischen Städte, in Parteien zerrissen, durch wirtschaftlichen Wettbewerb voll nachbarlicher Rivalitäten, im Innern durch das revolutionäre Emporsteigen der Popolaren gegenüber den Adelskreisen zerspalten, waren vielleicht gerade infolge solcher anstachelnden Spannungen von ungeheurer Lebenskraft emporgetrieben, gegen Feinde ihrer Selbständigkeit zum Zusammenschluß geneigt und durch Erwartung des Rückhalts an der Kurie, die eine geschlossene kaiserliche Beamtenherrschaft rings um den Kirchenstaat um jeden Preis verhindern mußte, im Widerstand versteift. Als daher der Kaiser für das Jahr 1226 nach Cremona einen allgemeinen Reichstag ausschrieb, der neben Kreuzzugsvorbereitung und Ketzerbekämpfung Maßregeln zur Herstellung der Reichsrechte beschließen sollte, erneuerten die meisten oberitalischen Städte voller Mißtrauen unter Führung Mailands den alten Lombardenbund, hinderten den Zuzug deutscher Truppen unter König Heinrich durch völlig ungesetzliche Sperrung der Etschklause und stellten für deren Aufhebung unannehmbare, demütigende Bedingungen. Auf ein kriegerisches Vorgehen gar nicht vorbereitet, mußte sich Friedrich knirschend darauf beschränken, die Bundesmitglieder als Majestätsverbrecher und Behinderer der Kreuzfahrt in Acht und Bann zu tun und die Aufhebung aller ihnen verliehenen Privilegien zu verkünden. Nur durch Vermittlung der Kurie wurde dann vorderhand noch ein leidlicher Friedenszustand geschaffen, der dem Kaiser freilich keine Genugtuung gewährte und einen Stachel in seiner Seele zurückließ. Im Hinblick auf den nahen Kreuzzug hatte sich Honorius III. noch einmal um den Ausgleich bemüht. Als er kurz darauf (1227) starb, kam mit Gregor IX. der Mann ans Ruder, der wie kein anderer die Weltherrschaftsrüstung der Kirche im Geiste Innozenz' III. fortgeführt hat und mit schneidiger Entschlußkraft bereit war, der durch den kaiserlichen Machtausbau heraufsteigenden Gefahr die Stirn zu bieten. Darauf spitzten sich nun die alten Gegensätze noch einmal mit aller Schärfe zu. Der Kaiser konnte zu einer straffen Regierung seiner getrennten Ländermassen der italischen Mitte schlechterdings nicht entbehren und hatte bereits einmal (1222) mit unvorsichtiger Offenherzigkeit seinen Wunsch nach Rückerwerbung der die Verbindung sperrenden Rekuperacionen zu erkennen gegeben. Die Kurie, die sich dadurch in ihrer Selbständigkeit bedroht fühlte, suchte demgegenüber ihren Einfluß kirchlich gegen Sizilien, politisch gegen die Lombardei vorzuschieben. Italien bildete
BANNSPRUCH GREGORS IX.
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noch offensichtlicher als schon zu Barbarossas Zeit das große Streitobjekt zwischen den beiden Häuptern der Christenheit. Das Ringen darum sollte dann schließlich zu einem immer gewaltigeren Kampf um die letzten Prinzipien der Universalherrschaft und Weltanschauung führen. Gregor war es, der die Unlösbarkeit des Knotens zuerst in voller Klarheit erkannte und kühn und folgerichtig die nächste günstig erscheinende Gelegenheit zum Angriff wahrnahm. In der Augusthitze 1227 ergriff eine furchtbare Seuche die zur Abfahrt nach dem Heiligen Lande in Brindisi zusammenströmenden Pilgermassen. Der Kaiser selbst fuhr schon krank fort, kehrte aber, als sein Begleiter Landgraf Ludwig von Thüringen starb, um und suchte Heilung in den Bädern von Pozzuoli. Da somit seine Verpflichtung von S. Germano unerfüllt war, verkündete Gregor IX. ohne Rücksicht auf das Eingreifen einer höheren Gewalt gegen ihn den Bann, erklärte die Krankheit als erheuchelt, und indem er die Exkommunikation mit neuen, auf Sizilien bezüglichen Beschwerden begründete, lehnte er Friedrichs Anerbieten, das Versäumte durch Kirchenbuße zu sühnen und im nächsten Jahre nachzuholen, rundweg ab. Weitere gehässige Verdächtigungen, auf die Friedrich mit ruhiger Zurückweisung antwortete, und ein feindseliges Bündnis mit den Lombarden machten es klar: das Papsttum wollte die Vernichtung des Kaisers odet seine Demütigung und dauernde Schwächung. Da war es ein meisterhafter Schachzug Friedrichs, daß er, um den Ernst seiner Absicht zu beweisen und den Papst ins Unrecht zu setzen, nach seiner Genesung trotz allem die Fahrt nach dem Orient antrat. Der fünfte Kreuzzug (1228—29) unterschied sich von den früheren scharf durch die dynastischen Pläne des gebannten Kaisers, dem seine Gemahlin soeben sterbend den Erben des Königreichs Jerusalem, seinen zweiten Sohn Konrad, geboren hatte, und durch die von vornherein auf friedlich-diplomatische Erfolge gerichteten Absichten Friedrichs, der mit dem hochgebildeten Sultan El-Kamil von Ägypten und so manchem mohammedanischen Gelehrten freundliche Beziehungen unterhielt. Nur die persönlichen Eigenschaften des schon von Sizilien her mit der islamischen Welt vertrauten und nun noch tiefer in sie eindringenden Kaisers haben in der Tat den Vertrag von Jaffa ermöglicht, durch den die Hauptandachtsstätten: Jerusalem, Bethlehem, Nazareth und ihre Verbindung mit dem lateinischen Küstenrest an Friedrich, der auf der Hinfahrt auch die Lehnshoheit über Zypern zurückgewonnen hatte, als neuen König des Landes abgetreten wurden, während für die Mohammedaner ein zehnjähriger Waffenstillstand, Neutralität bei fremden Angriffen und Religionsübung in der jerusalemitanischen Moschee Omars
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FÜNFTER KREUZZUG UND RÜCKKEHR
ausbedungen war. Uber solche Zugeständnisse und die mangelhafte Verteidigungsfähigkeit des schmalen Gebietsstreifens haben sich Friedrichs Gegner erregt. Aber unter welchen Schwierigkeiten war der Abschluß erreicht! Der Sultan hatte eben seine Stellung gegenüber Damaskus verstärkt und Jerusalem selbst eingenommen; die kaiserliche Kriegsmacht war nicht erheblich und durch leidenschaftliche Gegenwirkungen der selbst gemeinsten Verrat nicht verschmähenden päpstlichen Anhänger geschwächt, die Kunde vom Einfall kurialer Truppen in das sizilische Reich mahnte zu äußerster Beschleunigung und Beschränkung. Und gleichwohl war mehr gewonnen als durch riesenhafte Opfer früherer Bestrebungen. Mehr noch als der Jubel der Pilger, denen die geweihten Stätten nun wieder geöffnet waren, sprachen Proteste und Trauerkundgebungen der Mohammedaner zugunsten des Vertrages. Indessen, Realpolitik und Toleranz Friedrichs vertrugen sich schlecht mit der alten Kreuzzugsbegeisterung, und in den Augen Gregors war solcher Erfolg schlimmer als eine Niederlage. So blieb die von der Befreiung der heiligen Stätten erwartete Bannlösung aus. Vielmehr, als Friedrich sich in der Grabeskirche zu Jerusalem die Krone des Königreiches mit eigener Hand aufs Haupt setzte — ein Akt, der mit seinem Absehen von priesterlicher Weihe zwar der Rücksicht auf die Bannung entsprang, aber zugleich als Symbol für die Lösung des modernen Königtums von der Kirche gelten konnte —, verhängte der Patriarch über Jerusalem gar das Interdikt, und der aufgehetzte Pöbel bewarf den Kaiser, der sich schleunigst zur Rückfahrt anschickte, bei der Einschiffung in Akkon mit Kot. Auf offene Feindseligkeiten des Papstes hatte sich Friedrich schon bei seinem Aufbruch zur Kreuzfahrt gefaßt machen müssen. Als Gregor dann wirklich die Untertanen des Kaisers vom Treueid löste, ihm seine Reiche absprach, in Deutschland sogar versuchte, einen Gegenkönig aufzustellen, und sich mit den Lombarden verbündete, beantwortete der in Sizilien als Statthalter zurückgelassene Herzog Rainald von Spoleto diese Kriegserklärung allzu eigenmächtig durch einen Einfall in den Kirchenstaat. Dadurch aber gab er Gregor nur Anlaß, nun seinerseits mit rasch geworbenen Söldnerscharen das Königreich des Kreuzfahrers anzugreifen, um es als heimgefallenes Lehen womöglich unter die unmittelbare Herrschaft der Kirche zu nehmen. Schon war die Hälfte des Festlandes in den Händen der Päpstlichen, als der totgesagte Kaiser unverhofft in Brindisi landete (Juni 1229). In raschem Siegeslauf jagte er die erschrockenen Feinde aus dem Lande, an der Grenze aber löste er sein Heer auf und bot dem Gegner Friedensunterhandlungen an. Nur nach langem Sträuben ging trotz seiner bedenklichen Lage der Papst
VERTRAG VON CEPRANO
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darauf ein. Aber auch so waren es nicht Verhandlungen Gleichstehender, sondern die Unterwerfung des bußfertigen Sohnes unter die vom Papst festzusetzenden Gebote der Kirche. Selbst als Friedrich den von Gregor vorgelegten Entwurf ohne erhebliche Änderungen annahm, blieb das Mißtrauen, das die Kurie in die ehrliche Ausführung setzte, so stark, daß erst umfassende Bürgschaften herbeigerufener deutscher Fürsten zur Einigung führten. Der Kaiser mußte der Kirche für die Absolution nicht nur volle Besitzrückgabe und Amnestie ihrer Anhänger zusichern, sondern auch wichtige Zugeständnisse hinsichtlich der Exemtion des sizilischen Klerus von weltlicher Gerichtsbarkeit und allgemeiner Besteuerung machen, wie sie den Forderungen des vierten Laterankonzils entsprachen, und die Freiheit der kirchlichen Wahlen dort geloben. Der Vertrag spiegelte die von der Papstkirche gewonnene, auf den Glauben der Massen gestützte Überlegenheit wider, die sie über die weltliche Macht selbst des siegreichen Kaisers noch besaß. Ehe nicht die Nationalstaaten oder die Überzeugung der Menge gegen sie mobilisiert werden konnten, war sie zur Unterwerfung schlechterdings nicht zu bringen. So mußte es Friedrichs Ziel sein, durch kirchenpolitische Zugeständnisse den Frieden zu erlangen, den er brauchte, um seine Macht ungestört weiter auszubauen und möglichst unangreifbar zu machen. Entscheidend für die Beurteilung seines oft getadelten Verhaltens bei dem Vertragsschluß von 1230 ist die Frage, ob seine Zugeständnisse die Kurie derart gestärkt haben, daß sie den letzten Entscheidungskampf in wesentlich günstigerer Lage eröffnen konnte. Das läßt sich doch nicht bejahen. Friedrichs sizilischer Staatsausbau hat das Papsttum um den Gewinn der dortigen Zugeständnisse gebracht. Das moralische Ansehen des erfolgreichen Kreuzfahrers und Heimatbefreiers ist aber in den dreißiger Jahren gerade dadurch, daß er den Papst widerwillig zur Zurücknahme des Bannes brachte und den Weltfrieden herstellte, im Abendlande steil aufwärts gestiegen. Eher als mit dem Tage von Canossa ist dieser Vertrag von Ceprano vergleichbar dem Frieden von Venedig, auch darin, daß für eine Weile wenigstens die Kurie von den Lombarden abgespalten wurde. Und dem damals folgenden Neubau von Barbarossas Machtstellung entspricht das Werk, an das sich sein Enkel nun mit gesammelter Kraft heranmachte. Daß das Papsttum und die Lombarden die im Grunde unversöhnlichen Feinde seiner Herrschaftsziele waren, hatte er nun auf das klarste erkannt. Ihnen beiden gegenüber bedurfte es einer erneuten, noch viel gewaltigeren Aufrüstung seiner Macht. Friedrich II., von kräftiger Mittelgröße, rötlich-blond, bartlos, hatte mit der Orientfahrt die Höhe seines Reifens und Sichausweitens erreicht und trat
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WISSENSCHAFTEN
in seine eigentliche Schaffensperiode, in der er die Welt durch Reichtum und Wucht seiner genialen Veranlagung in Erstaunen setzte. Man wird seiner geschichtlichen Bedeutung nicht gerecht, wenn man den Blick nur auf seine herrscherlichen Betätigungen richtet. Mindestens ebenso wirkungskräftig waren die kulturellen Anregungen, die von ihm ausgingen. Beide Reihen aber sind untrennbar verbunden in der machtvollen Persönlichkeit. Die wunderbare Aufnahmefähigkeit und Verarbeitungskraft von Friedrichs Geist wurde zukunftsträchrig vornehmlich durch die Befreiung von dem überlieferten Schwall kirchlicher Mystik, das Herandringen seines Wirklichkeitsblickes an die Dinge selbst, die instinktmäßige Uberzeugung von der in der Natur waltenden, durch kein göttliches Wunder zu durchbrechenden Notwendigkeit und den schrankenlosen Durst, allenthalben die in ihr ruhende Vernunft und Zweckmäßigkeit zu entschleiern. In der wiederaufgenommenen Übersetzungstätigkeit des sizilischen Hofes traten nun die arabischen Werke in den Vordergrund. Ein Kreis von italienischen, spanischen, griechischen und mohammedanischen Gelehrten umgab den Herrscher. Diesen selbst führte seine Liebhaberei für die Falkenjagd zu jahrzehntelangen ernsten zoologischen Studien, die in seinem durch Beobachtung und Scharfsinn ausgezeichneten Buche „Uber die Kunst der Jagd mit Vögeln" einen höchstbedeutenden Niederschlag fanden. Darüber hinaus zeigte er für das gesamte Gebiet der Naturwissenschaften, für Heilkunde, Mathematik, Astronomie, Astrologie und nicht zum wenigsten auch für die aristotelisch-averroistische Philosophie angeregtes und anregendes Verständnis, disputierte und korrespondierte in seiner ungeheuren Sprachenbeherrschung mit den bedeutendsten Forschern seiner Zeit, dem Mathematiker Leonardo Fibonacci, dem vielseitig gebildeten, fast als ein Magier erscheinenden Michael Scotus, selbst mit arabischen Philosophen im fernen Orient und in Nordafrika, indem er an alle mit seinen wissensdurstigen Fragen herantrat. Daß er sich bei solcher Weite des Gesichtskreises nicht in dem engen, von der abendländischen Kirche umgrenzten Kreise hielt, begreift sich leicht. So unlöslich sein kaiserliches Amt mit ihr verknüpft war und so wenig er je an einen Bruch mit der christlichen Religion denken konnte und wollte, so hat Friedrich doch seinem autoritätsfeindlichen Zweifel, seiner Abneigung gegen die ihm feindliche Hierarchie oftmals mit sarkastischem Spott die Zügel schießen lassen, und daß diese ganze von ihm angeregte und geförderte Laienbildung, an der in seiner Umgebung vornehmlich die Juristen teilhatten, für die bisherige Geistesherrschaft der Kirche eine ernstliche Gefahr heraufbeschwor, versteht sich von selbst.
KÜNSTE
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Füllte schon die Beschäftigung mit den Wissenschaften diesem rastlosen Geiste nur die Mußestunden, so hat Friedrich gewiß seine Kunstliebhabereien noch mehr als Erholung und Luxus betrachtet. Aber auch ihre Wirkung war weittragend. Als Anreger und Haupt der sizilischen Dichterschule hat er in seinen nach provenzalischen Mustern gebildeten Kanzonen statt der lateinischen zuerst die Vulgärsprache angewandt, nicht etwa in der apulischsizilianischen Mundart, sondern in einer ausgleichenden Kunstsprache mittelitalischer Färbung, wie er ja selbst als Kind in Umbrien das Sprechen erlernt hatte. Als Vater der italienischen Poesie konnte Friedrich daher von Dante gepriesen werden. In den bildenden Künsten spürt man wohl Einflüsse der französischen Zisterziensergotik und der mit Benedetto Antelamis Schaffen sich bedeutend erhebenden lombardischen Plastik; indessen, die Zweckmäßigkeit und Monumentalität der zahlreichen Burgenbauten, die reizvolle Ausgestaltung von Lustschlössern wie Castel del Monte, die zum erstenmal ausschließlich profanen Leistungen der von Friedrich herangezogenen Capuaner Bildhauerschule, die mit ihrer Anlehnung an Spätantike und Natur vor allem dem Kaiserkult dienten und in dem eindrucksvollen Capuaner Triumphtor gipfelten, die schöne Prägung der goldenen „Augustalen", die Sammlung und Aufstellung antiker Statuen — das alles entsprang den ganz persönlichen Anregungen, Neigungen und Bedürfnissen des Herrschers. Es war eine dynastische Treibhauskultur, wie die Karls des Großen mit den Licht- und Schattenseiten einer solchen, nicht aus den Tiefen eines Volksdranges erwachsen und an das Leben des kaiserlichen Zauberers gebunden, gleichwohl von nachhaltiger Einwirkung auf das Werden der italienischen Renaissance. Der sich so vielseitig ausgab, kam doch den aufreibenden Pflichten seines weltherrscherlichen Amtes rastlos und unermüdlich nach; denn alle Fäden liefen in seiner Hand zusammen, ohne ihn erfolgte keine wichtigere Entscheidung. Die eigentümliche Stärke seiner politischen Begabung lag — ein normannisches Erbteil — auf dem Felde der Organisation und Verwaltung, und eben hier setzte er nach dem Frieden von Ceprano alle Kräfte ein, um sein durch den Krieg erschüttertes Königreich Sizilien widerstandsfähiger, einheitlicher, ergiebiger und glanzvoller aufzubauen. Das Gesetzbuch der Konstitutionen von Melfi (1231), trotz der Mitarbeit ausgezeichneter Juristen, namentlich des dem Kaiser vertrauten Großhofrichters und Protonotars, später „Logotheten" Peter von Vinea, Friedrichs eigenstes Werk, hat zusammen mit der neuen Finanzverfassung und anderen ergänzenden Verfügungen den sizilischen Staat weit über die Ordnung der
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DIE NEUE STAATSORDNUNG
zwanziger Jahre hinaus erst fest auf die Füße gestellt. Bei aller Anlehnung an die Konstitutionen Rogers II. und an justinianeische Satzungen bietet es wesentlich lebendiges Recht. Diese neue Staatsordnung entbehrt zwar nicht einer metaphysischen Begründung der Herrscherallmacht, die als ein „Gleichnis Gottes" Fundament für das Ganze ist. Aber indem letzten Endes alles zurückgeführt wird auf die in den Dingen waltende Naturnotwendigkeit, wird der irdische Staat der transzendentalen Mystik entzaubert und völlig auf das Diesseits gestellt. Das Muster des von weltlicher Bevormundung befreiten Priesterstaates Innozenz' III. hat hier gewissermaßen sein Gegenbild gefunden. Der geheiligte, in Sachen der Gerechtigkeit unfehlbare Herrscher an der Spitze der Zentralregierung mit Großhofjustitiar, Großhofrichtern und Famiiiaren und mit der vornehmlich durch Peter von Vinea zu hochbedeutsamer, pomphaft-barocker Formgebung emporgezüchteten Kanzlei erinnert an die Zusammensetzung der römischen Kurie mit dem in Glaubenssachen unfehlbaren Papst an der Spitze, dem Kardinäle und Kanzlei zur Seite stehen. Auch die Ordnung der straffgegliederten, auf Zeit und Sold angestellten juristisch geschulten Beamtenschaft, in deren überwiegend bürgerlichen Kreis nur die dem Herrscher dienstbaren Adligen Aufnahme fanden, ähnelt der abgestuften Hierarchie der Papstkirche. Für die neue Prozeßordung mit dem schlagfertigen Inquisitionsverfahren, für die bürokratische Schriftlichkeit im Gerichts- und Verwaltungswesen waren Recht und Verwaltung Innozenz III. vorbildlich gewesen. Indessen waren die ähnlichen Formen dieses allein die Vernunft zum Maßstab nehmenden absolutistischen Systems von sehr abweichendem Geiste erfüllt: in der Freiheit von kirchlicher Dogmatik und Mystik, in der Beeinflussung durch nationalökonomische, statische, hygienische, volkserzieherische Gesichtpunkte, in Landesmeliorationen und weitschauenden Handelsverträgen selbst mit mohammedanischen Sultanen, in dem ganzen an die Natur angelehnten Rationalismus, der zwar im sizilischen und englischen Normannenstaate Rogers II. und Heinrichs II. schon vorbereitet war, aber über sie hinaus hinführt zu den stark beeinflußten Signorien der Renaissance und dem aufgeklärten Absolutismus späterer Zeiten. Neben dem auf Beamtenherrschaft, Armee, Flotte und Festungen gestützten Königtum sanken alle ehemals selbständigeren Körperschaften im Staat zur Bedeutungslosigkeit herab: die Hoftage der großen Vasallen, deren Einfluß selbst im Heerwesen eingeengt wurde; die Städte, denen der Herrscher die v orsteher ernannte; selbst die Kirchen, die sich trotz der königlichen Zugeständnisse von Ceprano und trotz scharfer päpstlicher Einsprache dem Drucke der Staatsmaschinerie nicht zu entziehen vermochten. Dieser Druck lastete
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aus der Manesseschen Handschrift Anfang 14. Jahrhundert
FINANZWESEN
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indes auf den aristokratischen oder bemittelteren Schichten stärker als auf den niederen Volksmassen, die unter der gleichmäßig waltenden Gerechtigkeit und Fürsorge des Königs, durch Zentralismus und Bürokratie der Beamtenschaft stärker als früher in dem zersplitterten Lehnsstaate zu einer nationalen Einheit zusammengeschweißt wurden. Freilich entsprach den sozialen Absichten Friedrichs nur unvollkommen die Möglichkeit der Durchführung. Denn es war ja nicht allein die Wohlfahrt der Bevölkerung, der die straffe Zusammenfassung der staatlichen Machtmittel diente, sondern sie war zugleich Rüstung gegen den Feind; und den größten Geldmächten des Abendlandes, Papsttum und Lombarden gegenüber war in allererster Linie eine ergiebige Ausgestaltung des Finanzwesens nötig. Hier war das meiste Neuschöpfung, im Staate Rogers II. derart noch nicht vorhanden: so die von allen Landbesitzern jetzt regelmäßig erhobene Grundsteuer, der kunstvolle Ausbau der bereits bestehenden indirekten Steuern: der Grenzzölle, Lager- und Hafengelder, Verbrauchs- und Nutzungsabgaben, der überaus gewinnbringende staatliche Getreidehandel sowie die noch ergiebigeren, meist jüdischer Leitung anvertrauten Monopole. Mit den dadurch erzielten Rieseneinnahmen rückte der sizilianische Herrscher als Kapitalkraft geradezu an die erste Stelle der Welt. Aber die Ergebnisse wurden gewonnen durch einen Raubbau, der die Kräfte des Landes allmählich erschöpfen mußte. Durch das Zoll- und Abgabensystem wurden die Lebensmittelpreise in die Höhe geschraubt; der überall bevorrechtete staatliche Getreidehandel und die Monopolwirtschaft wirkten lähmend auf die private Unternehmungskraft; die Steigerung der Steuerforderungen führte gar zu Aufstandsbewegungen. Friedrich, der es als seine Uberzeugung aussprach, daß „die sichere und wohlhabende Lage der Untertanen den Ruhm der Könige begründe", war gegen solche Schädigungen keineswegs blind. Aber der furchtbare Existenzkampf seines letzten Jahrzehnts trieb ihn wider Willen in der verhängnisvollen Richtung vorwärts. Denn dieser so fortschrittliche Herrscher, der gewiß wie wenig andre imstande gewesen wäre, das wie „seinen Augapfel" behütete Erbreich zu Blüte und Wohlstand zu führen, war ja durch die Uberlieferung seiner staufischen Ahnen an eine damals schon hoffnungslose Universalpolitik gebunden. Erst das Imperium, das er im altrömischen Sinne herstellen und wieder zum Glänze eines Caesar und Augustus erheben wollte, hat sein Wesen und Wirken ins Gigantische gesteigert, hat ihm statt einer insularen Abgeschlossenheit Weltweite gegeben, aber auch die furchtbaren Spannungen seines Innern erzeugt und den tragischen Abschluß seines Lebens bestimmt. Allzu ungleich
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DER KAISER UND DAS ABENDLAND
waren von vornherein die Bedingungen der miteinander ringenden Mächte. An Größe der Entwürfe, Scharfsinn der Berechnung, Beweglichkeit der Mittel hat es bei Friedrich gewißlich auch da nicht gefehlt, aber vielleicht war es gerade der verschwenderische Reichtum seiner Veranlagung, ein gewisses Sichgehenlassen seiner genialen Natur in heftigen Neigungen und Leidenschaften, eine explodierende Offenherzigkeit, eine Entstellung des Wirklichkeitsbildes durch lodernden Haß, was ihn der sicheren Geschlossenheit, der klugbeherrschten Diplomatie und eisernen Folgerichtigkeit der Kurie unter einem viel engeren Geiste, wie wenigstens Innozenz IV. war, schließlich doch nicht gewachsen erscheinen ließ. Auf die abendländische Welt war der Eindruck des Kaisers ungeheuer, der mit pomphaftem Prunk auftrat, Äthiopier und Mauren sowie seltene Tiere seiner Menagerie sogar über die Alpen mit sich führte, von dessen luxuriösen Festlichkeiten in den apulischen Schlössern und sinnlichen Orgien in angeblichen Harems man sich abenteuerliche Dinge erzählte. Mit Leutseligkeit, Freigebigkeit und bestrickender Liebenswürdigkeit verbanden sich hochgespannter Herrscherstolz und unbeugsamer Eigenwille. Wurden sie durchkreuzt, so erwachten wilde, dämonische Triebe: Willkür, Grausamkeit, Treulosigkeit und jener Rachedurst, der in den gegenüber dem abtrünnigen Viterbo ihm allerdings von feindlicher Seite zugeschriebenen Worten grandiosen Ausdruck gefunden hat: „auch nach seinem Tode würden seine Gebeine nicht Ruhe finden, ehe er nicht die Stadt zerstört habe; schon den Fuß im Paradiese, würde er ihn zurückziehen, wenn er an Viterbo Rache nehmen könne." Solche Regungen und Äußerungen haben dann wohl das Gefühl von Unsicherheit und Mißtrauen ihm gegenüber gesteigert und auch von seiner Seite zu den wildleidenschaftlichen Formen, die Gregor IX. dem Kampfe gab, mit beitragen. An seiner Person schieden sich die Geister, und noch heute ringen um ihn Abneigung und Bewunderung. Erstaunlich rasch hatte Friedrich die Grundzüge der neuen sizilischen Staatsordnung entworfen. Noch vor Ende des Jahres 1231 konnte er sich wieder den Reichsangelegenheiten zuwenden. Zwischen der absoluten Monarchie im Süden und dem deutschen Lehnsstaat im Norden galt seine Sorge, wie schon vor dem Kreuzzuge, der so ganz anders gearteten, schwer zu beherrschenden reichsitalischen Mitte. Das Emporsteigen der italischen Städtekultur zur Führerstellung im Abendlande erfolgte zwar erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts und war das Ergebnis des großen Kampfes. Indessen, die Grundlagen der gewaltigen Umwälzung waren bereits vorhanden: auf wirtschaftlichem Gebiete in der immer glänzenderen Entwicklung von Handel, Geld-
GHIBELLINEN UND GUELFEN
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verkehr und Gewerbe, die Bevölkerung und Wohlstand mehrten, Weltblick, Wirklichkeitssinn, Klugheit und Energie steigerten; in politisch-sozialer Hinsicht durch Ausdehnung der kommunalen Hoheit auf den ländlichen Umkreis, Hineinziehen des kriegerischen Landadels in die Städte, wodurch deren Militärkraft gestärkt, aber auch dem sozialen Ringen mit der reichen Bürgerschicht der Popolaren und den niederen Klassen ein Element der Unruhe und Gewaltsamkeit eingefugt wurde. Zuerst in dem staufisch-welfischen Bürgerkrieg zu Anfang des Jahrhunderts hatte der Anschluß an diesen oder jenen Prätendenten zu einer umfassenderen Parteigruppierung gefuhrt und die Namen Ghibellinen (nach dem staufischen Waiblingen) und Guelfen (Weifen) aufgebracht, die nun mit seltsamer Zähigkeit an bestimmten Geschlechtern, sozialen Gruppen oder auch ganzen Städten hafteten. Überwiegend neigten die Ghibellinen zur kaiserlichen Sache, die Guelfen zur päpstlichen; auch die Gegensätze aristokratisch und demokratisch deckten sich öfter damit. Durchgängig aber war das keineswegs: maßgebend waren die Interessen der betreffenden Stadt und ihrer Nachbarn. Durch jene Namen wurden die verwickelten Parteiungen nur auf einen einfachen Dualismus gebracht und weitreichende Bundesgenossenschaften ermöglicht. Eben die nachbarlichen Rivalitäten haben mehr als alles andere den Wettkampf der Kräfte angespornt, die Liebe zur eigenen Stadt, den Drang, sie mächtiger und schöner zu gestalten, erhöht. Der freiheitlich-individualistische, ganz auf die Republik eingestellte Geist, der in diesen mehr oder weniger doch auf demokratischer Grundlage mit nüchterner Planmäßigkeit verwalteten Gemeinwesen erwuchs, war gleich weit entfernt von dem despotischen Bürokratismus der Monarchia Sicula wie von dem patriarchalischen Feudalismus, der nördlich der Alpen wenigstens noch vorherrschend war. Gegen beide setzte er sich als das eigentlich revolutionäre Element des Zeitalters auf das kräftigste zur Wehr. Obwohl der mobile Besitz immer mehr zum entscheidenden Faktor für soziale und politische Geltung wurde, war man freilich von der Üppigkeit des Lebens und dem Reichtum der Kulturentfaltung späterer Zeiten noch weit entfernt. Mit ihrem Mauerkranz und dem Turmwald ihrer engen Adelshäuser glichen die damaligen Städte, wie noch heute etwa S. Gimignano, den Wehrbauten trotziger Festungen. Immerhin gab es doch auch für die künftige Kulturentwicklung schon bedeutsame Ansätze. In den Wissenschaften bevorzugte man die praktischen Fächer der Jurisprudenz und Medizin. Von dem schon seit einem Jahrhundert glänzenden Bologna gingen eben damals durch Sezessionen neue Universitätsgründungen, vornehmlich in Padua (1222), aus. Die schon seit einem Jahrhundert meist von beauftragten Laien betriebene Stadtannalistik
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EMPORSTREBENDE ITALISCHE STÄDTE
gewann nun gerade durch die Verwicklung in das kaiserlich-päpstliche Ringen an Fülle und Weite. Neben Genua wetteiferten darin vor allem Padua, Piacenza und Parma. Die bildenden Künste, bisher allzusehr in Nachahmung spätantiker und byzantinischer Vorbilder befangen, erhielten durch die Aufnahme des von Frankreich her zuerst in Assisi und bei anderen Minoritenkirchen angewandten gotischen Stils neuen Antrieb. Auch hier gab der Kommunalgeist das Gepräge. Stattliche Rathäuser wuchsen empor, so in Mailand der noch heute eindrucksvolle Palazzo della Ragione (1233). Wo in Deutschland hätte man damals schon dem erbauenden Stadtoberhaupt, wie dort im Relief, ein Reiterdenkmal errichtet? Die Plastik rückte aber überhaupt, alter Tradition gemäß, in den Mittelpunkt der bildenden Kunst Italiens, und noch ehe etwa von Capua her Einflüsse wirken konnten, hatte man an der Fassade des Doms von Lucca in der freiplastischen Gruppe des heiligen Martin mit dem Bettler ein der Vollendung nahes Kunstwerk, das an Formadel, innerem Leben und Ausdruckskraft doch wohl alles damals im Süden Geleistete und vielleicht auch die berühmteren Werke des späteren Niccolo Pisano übertrifft. Diese kräftig emporstrebende, bunte Welt war es-also, die der Kaiser, wenn er die Einheit seines mitteleuropäischen, von Lübeck bis Syrakus herabreichenden Herrschaftsgebietes behaupten wollte, seiner Autorität unterwerfen mußte. Als er sich Ende 1231 auf dem Reichstage zu Ravenna an diese Aufgabe in Norditalien heranmachte, wiederholten sich die Vorgänge von 1226: Erneuerung des Lombardenbundes, Sperrung der Veroneser Klause für die herbeigerufenen deutschen Fürsten, Verkündigung der Reichsacht und infolge der noch unbefriedigenden militärischen Lage Annahme der päpstlichen Vermittlung. Was in den folgenden Jahren dem Kaiser die ersehnte Sammlung aller Kraft auf diese lombardische Aufgabe erschwerte, war zunächst einmal die Rücksicht auf die Kurie. Äußerlich waren Papst und Kaiser damals zwar in friedlichem Einvernehmen und redeten wohl von dem einmütigen Zusammenwirken der beiden Universalmächte; insgeheim blieben sie Todfeinde, nur einstweilen noch durch beiderseitige Verlegenheiten zu Rücksichten und Gefälligkeiten veranlaßt. Denn Gregor lag eben im Streit mit seinen rebellischen Römern, die sich gänzlich von der Papstherrschaft loszureißen strebten, und mußte Friedrich geradezu um militärische Hilfe bitten, die jener entgegenkommend, wenn auch mit Fleiß nicht durchgreifend, gewährte. In des Kaisers Interesse lag es wiederum,den Papst nicht nur möglichst lange von offener Parteinahme für die Lombarden, sondern auch von einer Einmischung in die Verhältnisse Deutschlands zurückzuhalten, wo ihm sein Sohn Heinrich ernstliche Sorge bereitete.
KÖNIG HEINRICH UND DIE DEUTSCHEN FÜRSTEN
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Wir kommen damit zu einem bedeutsamen Wendepunkt der deutschen Geschichte. Die engeren Interessen des deutschen Königtums und die weiteren des römischen Kaisertums begannen damals auseinanderzuklaffen. Während seines ersten Aufenthalts in Deutschland hatte, wie schon angedeutet, Friedrich II. in schwäbischen, elsässischen und schweizerischen Landen eine kräftige Aufbaupolitik begonnen, die das Krongut wieder gemehrt sowie durch Neugründung und Förderung von Städten gestärkt hatte. Es war die Politik, die vom deutschen Blickpunkt aus jeder auf Stärkung seiner Zentralgewalt zielende Herrscher einschlagen mußte, die aber mit den territorialen Interessen fürstlicher Angrenzer mannigfach zusammenstieß. Auch Heinrich (VII.) wurde, als er 1228 selbständig die Zügel der Regierung ergriff, in diese Richtung getrieben. Überdies hatte ja die städtisch-revolutionäre Bewegung, wenn nicht in demselben Umfang wie Italien, so doch auch Deutschland ergriffen und konnte wohl dazu anreizen, an ihr gegen die bischöflichen Stadtherren eine Stütze zu suchen. Je mehr indes der Kaiser in die Bahnen der Universalpolitik einlenkte, desto mehr mußte er eine derartige Aufbaupolitik eindämmen, weil er auf den guten Willen der deutschen Fürsten angewiesen war. So war er schon 1220 vor den Bischöfen um den Preis der Königswahl seines Sohnes zurückgewichen. Jetzt hatte er geistlichen und weltlichen Fürsten für ihre Friedensvermittlung und Bürgschaft zu danken und vermutlich schon neue Zusicherungen dafür gemacht. König Heinrich jedoch, der während des Konflikts energisch für die kaiserliche Sache eingetreten war und den papstfreundlichen Baiernherzog durch einen kühnen Feldzug zur Unterwerfung gezwungen hatte, übersah mit seinen aus Freiherren und Ministerialen bestehenden Ratgebern nicht die Notwendigkeiten der väterlichen Universalpolitik und geriet mehr und mehr in ein fürstenfeindliches Fahrwasser. Da sind die rückkehrenden Fürsten auf zwei Wormser Hoftagen im Januar und Mai 1231 dem jungen König entgegengetreten und haben ihm bedeutsame Privilegien abgezwungen. Das erste unterband die Selbständigkeitsbewegungen in den Bischofsstädten und untersagte alle zum Zwecke der Kräftestärkung geschlossenen bürgerlichen Vereinigungen. Das zweite gestand jenes Zurückweichen der königlichen Hoheitsübung und Territorialausdehnung, wie es 1220 schon den Bischöfen eingeräumt war, nun allen Fürsten in erweiterter Form und besonders hinsichtlich der reichsstädtischen Entwicklung zu. Was Heinrich hatte verhindern wollen: die Stärkung der Fürstenmacht trat so erst recht ein. Wenn ihnen gleichzeitig innerhalb ihrer Territorien ein Gegengewicht dadurch geschaffen wurde, daß allgemeine Verfügungen und neue Rechtsfestsetzungen namentlich in bezug auf Steuern an die Zustimmung der höheren
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TERRITORIALHOHErr DER FÜRSTEN
Stände geknüpft wurden, so war das zwar der Keim einer zukunftsvollen Entwicklung, konnte aber erst in femer Zeit volle Wirkung üben. Wollte der Kaiser nicht die sicheren Linien seiner Universalpolitik, die ein friedliches Einvernehmen mit den deutschen Fürsten erforderte, verleugnen, so mußte er schon die Zugeständnisse seines Sohnes — wenn auch .mit einigen für die Krone vorteilhaften Abwandlungen — bestätigen. Er tat es durch die Ravennater Verordnung gegen die Selbständigkeit der bischöflichen Stadtgemeinden und auf dem Hoftage zu Cividale in Friaul durch das umfassende „Statut zugunsten der Fürsten" (Mai 1232). Indem darin die Krone ihre Hoheitsrechte vornehmlich im Gerichts-, Münz- und Geleitwesen nun auch aus den Territorien der Laienfürsten zurückzog und scharf beschränkende Maßnahmen gegen die vordrängenden Städte des Reichsgutes hinzufügte, ist der Aufstieg der jetzt zu voller Interessengemeinschaft zusammengeschlossenen geistlichen und weltlichen Fürsten zur „Landeshoheit" über ihr Territorium zwar nicht herbeigeführt, denn angebahnt war er längst, wohl aber beschleunigt worden. In Friedrichs Absicht hat das schwerlich gelegen. Manche Symptome der folgenden Jahre zeigen, daß ein Zurücklenken durch einen mit gesammelter Kraft auf die Stärkung der Kronmacht hinstrebenden Herrscher noch immer nicht völlig ausgeschlossen gewesen wäre, wie auch das Wachstum der königlichen Städte durch die hemmenden Verfügungen keineswegs entscheidend aufgehalten worden ist. Erst die dauernde Behinderung des Kaisers in seinem letzten Riesenkampfe mit der Kurie und das schließliche Scheitern seines Werkes hat das Statut von 1232 zu einem verhängnisvollen Markstein der deutschen Entwicklung von der Monarchie zur Fürstenaristokratie, von der Reichseinheit zur föderalistischen Zersplitterung gemacht. Indem bei dem Niedergang der Zentralgewalt weder die Fürsten sich auf die Dauer mit solcher Abschlagszahlung begnügten, noch die kleineren Territorialherren auf die Erringung ähnlicher Vorrechte verzichteten, hat die Verfassungsentwicklung des deutschen Reiches über die Goldene Bulle Karls IV. hin unaufhaltsam ihren Lauf genommen bis hin zu jenem „Monstrum", das im 17. Jahrhundert Pufendorf gebrandmarkt hat. Und wenn heute auch die Fürsten verschwunden sind, so sind die unseligen Folgen jener Zersplitterung noch längst nicht überwunden. Diese Wendung zur Auflösung war um so bedauerlicher, als das damalige Deutschland noch immer einen ungeheuren Reichtum kultureller Kräfte aufwies, die aber durch den Mangel staatlicher Zusammenfassung den zu weiterer Entfaltung und Wertbehauptung nötigen Raum einbüßen mußten.
DER SACHSENSPIEGEL
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Schaute man auf das äußerliche Treiben am wandernden Königshofe, wo Heinrich (VII.), selbst dichterisch begabt und voll jugendlichen Ubermutes, einen ganzen Kreis ritterlicher Sänger um sich scharte, so mochte man noc-h wähnen, auf der Höhe des Minnesanges zu stehen. Bei näherer Prüfung war freilich trotz aller Leichtigkeit des Schaffens durch formale Künsteleien, innerliche Leere und sittliches Herabsinken der Wert gegenüber den Leistungen der vorigen Generation schon erheblich gemindert. Walther von der Vogelweide war seit 1228 verstummt. Er selbst hatte noch die Dekadenz der höfischen Dorfpoesie Neidharts von Reuental mit ihrem derben Spott und ihrer auflösenden Spaltung der Stimmung, freilich auch mit ihren reizvoll prickelnden Tanzmelodien bekämpft. Lyrische Talente gab es auch weiterhin genug, aber die Narreteien eines Ulrich von Liechtenstein waren doch ein Zeichen der Übersättigung und des Niedergangs. Waithers Erbschaft als Spruchdichter verwaltete mehr in bürgerlich-nüchternem Geiste der „Freidank" noch durchaus ehrenhaft, stand hinter jenem aber doch etwa ebenso weit zurück wie hinter der Nibelungendichtung das jüngere Gudrunlied. Die bedeutendste literarische Leistung noch aus dem Anfang der zwanziger Jahre war wissenschaftlicher Art: der Sachsenspiegel des Edlen Eike von Repgow. Eine zusammenfassende Darstellung des bis dahin nur mündlich überlieferten Rechtes seiner ostfälischen Heimat in der noch nie zu solcher Prosa bezwungenen niedersächsischen Mundart aus voller Sachkunde, in klarer Anschaulichkeit und reichstreu-konservativer Gesinnung war eine Tat, die der Nordhälfte Deutschlands für die kommenden Zeiten der Zersplitterung wenigstens die Rechtseinheit sichern sollte. Auch eine niederdeutsch geschriebene Weltchronik Eikes (1230/31) zeigt den gleichen nationalen Zug, der in der lateinischen Geschichtsliteratur jener Tage seit dem Verstummen des schwäbischen Historikers Burchard von Ursperg seltener wurde. Die überragende Bedeutung Kölns, dessen Art auch der Mönch Caesarius von Heisterbach in seinen novellistischen „Wundergeschichten" sein liebenswürdig-humoristisches Erzählertalent verdankt, hat immerhin der dort mehrfach fortgesetzten „Königschronik" noch einen weiter reichenden Gesichtskreis gesichert. Von einem Rückgang der Schaffenskraft war in den bildenden Künsten noch nichts zu spüren. In der Architektur, in der aus den Rheinlanden die Anregungen auf den Osten, nach Magdeburg und Bamberg, hinüberwirkten, drängte nun von Westen her der gotische Stil stärker heran. Aber selbst da, wo man nicht nur, wie schon früher, einzelne Motive herübernahm, sondern das ganze System nachbilden wollte — wie beispielsweise nach dem Muster
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AUSSÖHNUNG FRIEDRICHS MIT HEINRICH
der Kathedrale von Laon in der Stiftskirche zu Limburg a. d. Lahn —, entstand doch etwas ganz anderes, Deutsches, Einmaliges, ganz überwiegend noch von spätromanischem Gesamteindruck. Erst mit dem Untergang des staufischen Kaisertums sollte der Sieg der französischen Gotik in Straßburg und Köln zusammenfallen, ohne daß es auch da an deutscher Schöpferkraft gefehlt hätte, um aus dem übernommenen Fremden Eigenartig-Neues zu gestalten. Auf die Gipfelhöhe einer so nie wieder erreichten Vollendung hatte sich inzwischen um 1230 wie durch ein Wunder die deutsche Bildhauerkunst emporgeschwungen, als zu den spätantiken und byzantinischen Einwirkungen, wie sie noch beim Meister des Georgenchors im Bamberger Dom vorwalteten, die befreienden Anregungen der großen Kunst von Chartres, Reims und Amiens traten. In den späteren Bamberger Monumentalstatuen, in der Goldenen Pforte von Freiberg, im Braunschweiger Doppelgrabmal Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin, in den adligen Werken des Straßburger Ecclesia-Meisters und schließlich — schon nach der Mitte des Jahrhunderts - in der wunderbar beseelten Dramatik der Naumburger Stifterfiguren und Passionsreliefs wurde da die edle ritterliche Kultur der Stauferzeit noch im Untergange mit einem unvergänglich nachstrahlenden Glanz übergössen. Das war das Deutschland, das damals durch ein unseliges Verhängnis politisch in Stücke brach. Die eigenwillige Politik Heinrichs, der die Klausensperre zum Anlaß genommen hatte, um einer Ladung des Kaisers nach Ravenna auszuweichen, hatte eine starke Mißstimmung Friedrichs gegen ihn erzeugt. Nur durch demütigende Unterwerfung des Sohnes unter den väterlichen Willen kam es bei einer persönlichen Zusammenkunft in Aquileja (1132) noch einmal zu einer Aussöhnung. Heinrich mußte eidlich Gehorsam und Begünstigung der Fürsten geloben, die anderenfalls ihres Treueides gegen ihn entburiden wurden. Sogar den Papst gewann Friedrich dazu, über Heinrich für den Fall des Zuwiderhandelns den Bann zu verhängen. Denn noch war Gregor damals auf die kaiserliche Hilfe angewiesen. Während Friedrich das durch den Anschluß des Stadttyrannen Ezzelin III. von Romano eben gewonnene Verona, das ihm den Brennerpaß öffnete, nur vorübergehend durch die oben schon erwähnte religiöse Hallelujabewegung von 1233 einbüßte, mußte Gregor bald darauf vor dem römischen Senator Lucas Savelli, der die kirchenstaatliche Campagna und das päpstliche Tuszien als Volkseigentum beanspruchte, aus Rom fliehen (1234) und konnte nur durch Eingreifen kaiserlicher Truppen den Frieden mit seiner Residenz herstellen. In Deutschland aber waren Ereignisse eingetreten, die den Papst erst recht auf
DIE INQUISITION IN DEUTSCHLAND
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die Seite des Kaisers gegen den Sohn führten. Zugleich mit der über die Alpen hinübergreifenden Religionsbewegung hatte die Inquisition auch dort ihren Einzug gehalten. In der Erzdiözese Mainz trieb der vom Papste bevollmächtigte Zuchtmeister der heiligen Elisabeth Magister Konrad von Marburg voll Blutgier und Aberwitz sein Wesen, suchte gegen Heinrich von Sayn, der unter anderem beschuldigt wurde, nächtlicherweile auf einem riesengroßen Krebse zu reiten, und gegen andere Grafen mit päpstlicher Zustimmung einen förmlichen Kreuzzug zu organisieren, stieß aber damit auf den Widerstand der durch König Heinrich vertretenen Reichsregierung und fiel, als er in seinem Wüten nicht nachließ, schließlich auf offener Straße unweit Marburg der Rache der Verfolgten zum Opfer (1233). Ein Reichsgesetz gab darauf (1234) den regulären richterlichen Behörden ihre Befugnisse zurück, worauf eine Mainzer Synode die Angeklagten freisprach. Die Vernichtung der heldenmütigen Stedinger Bauern an der Unterweser, deren Ketzerei in der Zurückweisung einer ihres Erachtens unrechtmäßigen Zehntforderung des Bremer Erzbischofs bestand, konnte dadurch leider nicht mehr aufgehalten werden. So berechtigt Heinrichs Vorgehen vom deutschen Standpunkt aus sein mochte, so wenig stimmte es mit der großen Politik des Kaisers überein; denn auf das Zusammenwirken mit dem Papste, dem er noch einmal das Schiedsrichteramt in der lombardischen Frage übertragen hatte, legte Friedrich gerade damals das größte Gewicht. Auch wenn man die Notwendigkeit jenes Gegensatzes zwischen deutscher und universaler Politik in dem sich nun immer mehr zuspitzenden Konflikt zwischen Sohn und Vater durchaus würdigt, vermag man dem übel beratenen Jüngling, dem es vor allem an Augenmaß für das Mögliche fehlte, wohl menschliche Teilnahme, aber nicht Rechtfertigung zuzubilligen. Durch verräterische Verbindung mit den reichsfeindlichen Lombarden, die die Herbeikunft kaiserlicher Truppen hindern sollten, hat er schließlich selbst den Stab über sich gebrochen. Friedrich bedurfte keines Heeres. Als er 1235 allein, wenn auch mit dem ganzen Pomp seines Kaisertums, in Deutschland erschien, den Papst und die Fürsten hinter sich, blieb dem gebannten, von seinen Anhängern größtenteils verlassenen Empörer nur bedingungslose Unterwerfung. Seiner harrten apulische Kerkermauern zu frühem Tode. Noch in Worms, wo er den Sohn gerichtet, feierte der abermals verwitwete Kaiser, um die nun auf zwei Augen stehenden Aussichten seiner Dynastie zu sichern, seine Vermählung mit Isabella, einer Schwester des englischen Königs Heinrich III. Diese Schwenkung in der bisher mit Frankreich ver-
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FRIEDRICH ERLANGT DIE MILITÄRISCHE ÜBERMACHT
knüpften Außenpolitik, die nicht zum wenigsten durch dessen Vordringen in der Provence veranlaßt war, führte im Innern zur endgültigen Versöhnung mit dem Weifenhause, indem für einen Enkel Heinrichs des Löwen die bereicherten braunschweigisch-lüneburgischen Hausbesitzungen zum Herzogtum erhoben wurden. Der glanzvolle Mainzer Hoftag von 1235, auf dem das geschah, wurde auch sonst für Deutschland bedeutungsvoll. Der dort verkündigte Landfriede mit neuen Weiterbildungen für Friedenssicherung, Strafrecht und Strafvollzug, mit der Einsetzung eines den abwesenden Kaiser vertretenden Reichshofrichters nach sizilischem Muster war das erste uns erhaltene Reichsgesetz, das neben der lateinischen auch in deutscher Sprache ausgefertigt ist; es hat für alle späteren Landfrieden die Grundlage abgegeben. Auch sonst verrieten mancherlei Verfügungen des Kaisers während dieses letzten Eingreifens in Deutschland die Steigerung seines Ansehens und seinen Willen, trotz aller Zugeständnisse an die Fürsten seinen unmittelbaren Machtbereich auch hier wieder vorzuschieben, so durch Erwerb der für den künftigen Verkehr wichtigen Schweizer Vorlande des damals neueröffneten Gotthardpasses, vor allem durch wiederholte Versuche, dem letzten babenbergischen Herzog Friedrich II., dem Streitbaren, von Österreich und Steiermark, einem ehrgeizigen, unruhigen Fürsten, der durch den hastigen Ausbau seiner Landeshoheit und durch persönliche Motive in einen Konflikt mit Kaiser und Reich geraten war, seine Lande, sei es durch Prozeß und Reichsexekution, sei es durch Vertrag, Heiratspolitik und Erbschaft, abzugewinnen und entgegen dem Brauch des deutschen Lehnsrechts in unmittelbare Reichsverwaltung zu nehmen. Sie hätten in Verbindung mit dem bedeutend vermehrten und wohlorganisierten Reichsgut in Elsaß, Schwaben und Franken ganz im Sinne Barbarossas und Heinrichs VI. den Kern einer erneuerten kaiserlichen Zentralgewalt diesseits der Alpen abgeben können, wie ja das Haufe Habsburg den Staufern tatsächlich später auf diesem Wege gefolgt ist. Es war Friedrich freilich nicht beschieden, auf derartige Ziele alle Kraft zu vereinigen; denn jene hochverräterische Verbindung der Lombarden mit seinem Sohne hatte ihn von dem päpstlichen Schiedsgericht befreit und ihm die Möglichkeit gegeben, noch auf dem großen Mainzer Reichstage die deutschen Fürsten zu dem einmütigen Beschlüsse des als Rechtsexekution geltenden Reichskrieges gegen die Lombarden zu bringen. Damit bekam er endlich die militärische Übermacht gegen sie in seine Hand; aber die Verwicklungen, die sich daraus ergaben, sollten ihn bis an sein Ende nicht loslassen. Der Feldzug von 1236 war mehr vorbereitender Art. Die österreichischen Verwicklungen spalteten damals die deutsche Truppenzahl und riefen den
DER SIEG BEI CORTENUOVA
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Kaiser im folgenden Winter noch einmal nach Deutschland zurück. Da war es ein Zeichen seines gesteigerten Ansehens, daß ihm ohne Gegenleistungen an die Fürsten die Sicherung der Dynastie durch die Wahl seines neunjährigen Sohnes Konrad zum römischen König und künftigen Kaiser gelang. Indem diesmal die vollendete Krönung unterlassen wurde, sollte künftigen Selbständigkeitsbestrebungen nach Art Heinrichs (VII.) vorgebeugt und dem nominell wieder unter die Leitung eines fürstlichen Reichsprokurators gestellten, in Wirklichkeit von zuverlässigen Vertrauensmännern wie Gottfried von Hohenlohe gelenkten Sohne nur die Rolle eines kaiserlichen Delegierten zugewiesen werden. Als Friedrich dann aufs neue mit bedeutender Streitmacht an die Waffen appellierte, schien ihm der glänzende Sieg über die lombardischen Bundestruppen bei Cortenuova (südöstlich von Bergamo) plötzlich die Möglichkeit einer Lösung ganz nach seinen Wünschen zu bieten. In den Friedensverhandlungen, welche die Mailänder unter dem Eindruck der furchtbaren Niederlage eröffneten, hätte der Sieger alles erlangen können, was Ehre und Nutzen des Reiches erforderten. Es ist Friedrichs Verhängnis geworden, daß er im Glücke nicht die kluge Mäßigung zu üben verstand, die seinem Ahnherrn nach dem Unglück von Legnano so schöne Erfolge eingetragen hatte, daß viel eher die Gewaltpolitik von 1162 vor seinem Geiste schwebte. Der dämonische Haß, der ihn gegen die Mailänder Rebellen erfüllte, war politisch ein schlechter Berater und trübte dem Kaiser das Augenmaß, als er bedingungslose Unterwerfung verlangte. Dies Äußerste trieb Mailand und fünf weitere Städte zu letzter verzweifelter Kraftanstrengung. Es war der verhängnisvolle Wendepunkt für Friedrich und die staufische Sache. Anstatt einen ehrenvollen Frieden in der Lombardei anzunehmen, der seinen versteckten Hauptfeind, die Kurie, isoliert hätte, setzte er um einer formalen Befriedigung seines Stolzes willen alles aufs Spiel. Die Erfolge der letzten Jahre müssen in ihm ein übersteigertes Gefühl seiner caesarischen Allmacht hervorgerufen haben, wie es seine ruhmredigen Manifeste nun in immer dröhnenderem Schall und Schwall der Welt verkündeten. Er dünkte sich stark genug, neben den Lombarden nötigenfalls auch das römische Papsttum niederschmettern zu können, wenn es sich seinem letzten Ziele: der Erneuerung des römischen Kaisertums an seinem alten Sitze, der Ewigen Stadt selbst, entgegenstellen sollte. Von diesem Mittelpunkt aus gelenkt, sollte sich ein Beamtenregiment sizilischer Art zunächst über Reichsitalien erstrecken. Den römischen Stadtadel rief er zur Hilfe dabei auf, schuf sich in ihm durch Geldspenden, Lehnserteilungen und Privilegien eine Partei von Anhängern und suchte nicht ohne Erfolg selbst das Kardinalskollegium zu spalten. Mit der
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FEINDSCHAFT DER KURIE
triumphalen Übersendung des bei Cortenuova erbeuteten Mailänder Fahnenwagens an die Römer und dessen Aufstellung auf dem Kapitol hatten diese immer rücksichtsloseren Heraufsorderungen des Papstes begonnen. Und wie hätte sich Friedrich nicht als wahrhaften Weltbeherrscher empfinden sollen, als auf seinen Ruf an alle Monarchen, die gemeinsame legitimistische Sache gegen die lombardischen Rebellen solidarisch mit ihm zu verfechten, für den Feldzug des Jahres 1238 Hilfstruppen nicht nur von Frankreich und England, von Kastilien und Ungarn, sondern auch vom griechischen Kaiser in Nicäa und gar vom ägyptischen Sultan eintrafen und sich unter seine Fahnen stellten! Es zeigte das in der Tat, welchen Weltruf sich der Staufer erworben hatte; aber militärisch betrachtet blieb es doch ein etwas hohles Gepränge, darauf berechnet, die Feinde in Angst zu setzen, aber wenig geeignet, die Belagerung des festen Brescia, an die man sich zunächst heranmachte, ernstlich zu erleichtern. Das Scheitern dieses Unternehmens nach zweimonatigen schweren Verlusten gab dem Papste das Signal zum offenen Bruche. Längst war Gregor IX. im geheimen darauf vorbereitet. Die allzu unvorsichtig verkündeten Ziele des Kaisers mußten ja alles in Frage stellen, was die Kurie in zwei Jahrhunderten errungen hatte. Wo blieb in einem kaiserlichzentralistischen, von Rom aus gelenkten Italien noch Freiheit und Selbständigkeit des Papstes? Er hätte sich wieder mit der Rolle eines Reichsbischofs begnügen müssen, noch abhängiger als in den Tagen Heinrichs III. Solcher Aussicht gegenüber wählte der greise Gregor mit heroischer Entschlußkraft den Kampf auf Leben und Tod. Und wieder, wie bei der ersten Bannung, wurde der eigentliche Streitgrund, die Lombardenfrage, in den meist die kirchlichen Zustände Siziliens berührenden Anklagelisten, die Friedrich übermittelt und zugleich der Welt kundgetan wurden, sorgfältig verheimlicht, da eine derartige rein politische Einmischung in den Kampf zwischen Kaiser und Rebellen von der öffentlichen Meinung nicht als rechtmäßig erachtet worden wäre. Solange Friedrich im Siege war, hatte die Kurie sich, zumal da im Kardinalskollegium die Meinungen noch schwankten, auf gereizte Vorwürfe beschränkt. Der Mißerfolg von Brescia gab der kaiserfeindlichen Richtung das Übergewicht. Friedrich bot überdies eben im Herbst 1238 neuen Stoff zur Anklage, als er seinen natürlichen Sohn Enzio mit der Erbin eines Teils von Sardinien vermählte und ihn als König der Insel bezeichnete, über welche die Kurie seit langem die Oberhoheit beanspruchte. Immer offener stellte sich nun der Papst hinter die lombardischen Rebellen und gewann für sie Genua und Venedig, während sein kriegsbegabter Legat Gregor von Mon-
ZWEITE BANNUNG FRIEDRICHS
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telongo in der Lombardei den Widerstand im großen Stil organisierte. Nicht mehr einzelne aufrührerische Städte waren es nun, die sich dem Kaiser widersetzten, sondern die über das ganze Land verbreitete, von der Kurie gestützte Guelfenpartei. Am Palmsonntag, dem 20. März 1239, schleuderte Gregor gegen Friedrich zum zweiten Male den Bannstrahl. An demselben Tage starb Hermann von Salza, der treueste Vermittler zwischen Kaiserhof und Kurie. Sein Leben hatte keinen Sinn mehr; denn die Zeit der Versöhnung war vorbei.
ENDKAMPF
DER BEIDEN
UNIVERSALMÄCHTE
Die Kriegserklärung des Papstes bewirkte, daß der Kaiser alle bisher noch genommenen Rücksichten fallen ließ. Das Ringen ging um die Herrschaft über Italien. So galt es, dies Land in Kriegszustand zu setzen. Zunächst sorgten für Sicherung und Leistungserhöhung der sizilischen Machtbasis: drakonische Absperrung dieses mit Angriff bedrohten Reiches gegen alle äußeren Einflüsse; Säuberung im Innern von allen Verdächtigen durch Ausweisung der Bettelmönche, Beseitigung der päpstlichen Enklave Benevent und Umgestaltung des sizilischen Klerus zu einer Notkirche, in der es neben zahlreichen Vakanzen nur kaiserliche Kreaturen gab; straffe Zusammenfassung der gesamten Verwaltung in der Hand von zwei Großhofjustitiaren für Insel und Festland, die ihrerseits die Weisungen des herumziehenden Kaiserhofes empfingen; schärfere Herauspressung steigender Finanzerträge unter Kontrolle eines Oberrechnungshofes. Nur durch ein System des Argwohns und der Gewalt konnte es gelingen, das Erbreich von den in tausend Kanälen herandringenden Papsteinflüssen unberührt zu erhalten. Die kirchenstaatlichen Rekuperationen, die Sizilien von Reichsitalien absperrten, konnten nun nicht länger geschont werden. Undankbarkeit des Beschenkten hob die einstmalige Übertragung auf. Spoleto und Ancona wurden ohne ernstliche Gegenwehr an das Reich zurückgenommen, dann Südtuszien mit dem Mittelpunkt Viterbo besetzt, auch das engere Patrimonium mit der ersehnten Hauptstadt Rom bedroht. Damit war die Bahn frei für eine Verbindung Siziliens mit Reichsitalien. Die Übertragung des absolutistischen und zentralistischen Beamtenregiments des Südens auf die Mitte und den Norden, bisher nur in vereinzelten Maßnahmen hervorgetreten, wurde nun unter dem Druck des Kriegsbedürfnisses mit erstaunlicher Raschheit durchgeführt: in der Umgebung des oft mit äußerster Schnelligkeit die Lande durcheilenden Kaisers der die Verbindung mit Sizilien sichernde Großhof justitiar, die unter Peter von Vinea und Thaddäus von Suessa fieberhaft arbeitende einheitliche Reichskanzlei und das Reichsgericht; Kriegsbefehl und Reichsverwaltung ausschließlich abhängig vom kaiserlichen Willen; ganz Italien zerteilt in etwa zehn Sprengel, die von kurzfristig angestellten, nun meist sizilischen Generalvikaren (oder Generalkapitänen) beherrscht wurden; ihre Unterbeamten: Vikare, Burgkommandanten und städtische Podestas, wie sie selbst eingesetzt und unbedingt abhängig vom
DAS IMPERIUM FRIEDRICHS Π.
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Kaiser, als dessen Vertreter nur sein Sohn König Enzio als Generallegat ohne regionale Beschränkung über ganz Italien waltete. Auch hier, wie vorher schon in Sizilien, blieb kein Raum mehr für feudale Hoheitsrechte oder städtische Selbständigkeit. Was Friedrich seit langem erstrebte: das auf das alte Kernland Italien gestützte römische Imperium, dem nur noch die Hauptstadt fehlte, war nun mit einem Schlage geschaffen, eine Organisationsleistung, zwar nicht so intensiv wie die sizilische Monarchie und auch noch mannigfach durchsetzt von feindlichen Gebieten, aber an Ausdehnung, selbst über Burgund und das deutsche Bistum Trient, jener überlegen. Für Italien war es in langen Jahrhunderten die einzige Gelegenheit, aus der leidenvollen Zerklüftung heraus zum nationalen Einheitsstaate zu gelangen. Es fehlte auch keineswegs an Tendenzen, die solcher Entwicklung entgegenkamen. Denn allenthalben hatte das Stadtvolk die blutigen Segnungen einer jahrzehntelangen Freiheit gründlich satt; über dem kräfteverzehrenden Kampf der Adelsparteien, über kaiserlicher oder päpstlicher Herrschaft stand bei ihm die glühende Sehnsucht nach Ruhe und Frieden. Das Hindrängen zu einem demokratischen Caesarismus, das sich daraus ergab, kam Friedrichs Zielen entgegen; aus den Generalvikariaten, die sich trotz dem schließlichen Scheitern der gesamtitalischen Organisation mehrfach behaupteten, sind die Signorien und Tyrannien der werdenden Renaissance erwachsen, denen Friedrichs Vorbild auch das persönliche Gepräge gegeben hat. Immerhin waren damals Freiheitsgefühl und Selbständigkeitsdrang der italischen Kommunen noch keineswegs erloschen. Gegen das kaiserliche Beamtenregiment, das dem Geiste des stärker von germanischem Blute durchsetzten Nord- und Mittelitaliens viel weniger entsprach als dem der sizilischen, stark von Byzanz beeinflußten Mischbevölkerung, erhoben sie sich zu zähem und oft heroischem Widerstand. Und dieser Feind erwies sich durch die Unmöglichkeit, ihn gesammelt noch einmal zu offener Feldschlacht herauszulocken, durch die Unvollkommenheit der Belagerungstechnik, durch die enormen Soldkosten längerer Feldzüge und die Unberechenbarkeit des schwankenden Parteienspiels als schwer zu fassen und nie endgültig niederzuhalten. Allein freilich wären die anfangs nicht zahlreichen gegnerischen Städte der konzentrierten Macht Friedrichs gegenüber schließlich doch wohl zusammengebrochen, hätte nicht das Papsttum, das von jenem absolutistischen italischen Einheitsstaate schlechthin erdrückt zu werden fürchtete, ihnen in unversöhnlichem Widerstande den Rücken gesteift ; und hier trat ja dem kaiserlichen Zentralismus eine ebenso straffe, aber viel weiter ausgedehnte, in den Zeitanschauungen seit langem fest verwurzelte Organisation
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PÄPSTLICHE AGITATION
entgegen, die ihre Zweigarme über alle Länder Europas ausstreckte, in alle Verhältnisse eingreifen, immer neue Geldmittel und Anhänger gewinnen konnte und in ihrer leitenden Spitze trotz aller Bedrohung letztlich doch unbesiegbar war, da ein Märtyrerglanz die päpstliche Sache nur gestärkt haben würde. Hier hätte nur eine Zersprengung der kirchlichen Einheit helfen können. Aber die Aufstellung eines Gegenpapstes wie in früheren Zeiten war gänzlich aussichtslos geworden; Friedrich hat klugerweise daran nicht mehr gedacht. Indem er dagegen den Kampf allein auf die Person Gregors zuspitzte, den er nicht nur als Friedensstörer, sondern auch als unwürdigen, seine Amtspflichten verletzenden Hierarchen anklagte, suchte er nicht ganz ohne Erfolg in dem stark zusammengeschmolzenen Kardinalskollegium oligarchische Bestrebungen zu wecken und den Abfall zu schüren. Solche Anklagen waren freilich nur die Antwort auf die maßlos leidenschaftlichen und gehässigen Verdächtigungen und Verleumdungen, mit denen die päpstliche Kanzlei den literarischen Kampf gegen den Kaiser eröffnet hatte, dem man sogar Mordtaten wie eine Vergiftung des 1227 an der Seuche von Brindisi gestorbenen Landgrafen von Thüringen nachsagte. Die alten kirchlichen Disziplinarmittel: Bann, Lösung vom Untertaneneid und Interdikt, übten jetzt nicht mehr die einstige Wirkung. Im italienischen Parteitreiben war man dagegen stumpf geworden. Auch in Deutschland erzielten die päpstlichen Agitationen bei den Fürsten zunächst nur geringe Wirkung; sie waren nicht so leicht gewillt, die ihnen vom Kaiser eingeräumte vorteilhafte Stellung preiszugeben, und haben, veranlaßt auch durch Unglücksnachrichten aus Palästina, wo nach dem mißlungenen Kreuzzug des Königs Theobald von Navarra (1239) Jerusalem, wenn auch zunächst nur vorübergehend, in die Hände der Ungläubigen gefallen war, 1240 noch einmal eine allerdings vergebliche Friedensvermittlung in Rom versucht. Für die Erhebung eines Gegenkönigs fand Gregor weder in Deutschland noch in Dänemark oder Frankreich willige Kandidaten. Denn das gesamte Ausland hielt sich in abwartender Neutralität dem Streite der beiden Universalmächte fern, und Friedrich verstand es mit geschickter Taktik, die Rangüberlegenheit, die er für sein römisches Kaisertum selbstverständlich in Anspruch nahm, nicht wie einst Rainald von Dassel den „Kleinkönigen" gegenüber hervorzukehren, sondern die Abwehr der päpstlichen Übergriffe, wie früher schon die Bekämpfung ketzerischer Rebellen, als eine gemeinsame Angelegenheit aller Monarchen und sich selbst nur als ihren Vorkämpfer hinzustellen. Um die abendländischen Völker zur Gegnerschaft gegen Friedrich aufzupeitschen, bedurfte es daher neuer Mittel. Da haben die päpstlichen Publi-
Stammbaum
der deutschen
Könige und Kaiser des 13. Jahrhundert
Hochmittelalters,
FRIEDRICH DER KETZEREI VERDÄCHTIGT
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zisten gegen ihn abergläubisches Grauen zu wecken verstanden. Der von den Seinen als der für das Ende der Welt prophezeite Messiaskaiser gepriesen wurde, der die Zeiten des Augustus und des Heilands wieder heraufführen sollte, wurde hier der erschreckten Menge dargestellt als die aus dem Meere aufsteigende Bestie der Apokalypse, als der leibhaftige Antichrist, der, vom Glauben abgefallen, an der Zerstörung der christlichen Kirche arbeite. Um seine Ketzerei zu erhärten, wurde dem Kaiser die Äußerung zugeschrieben, „die Welt sei durch drei Schwindler: Moses, Christus und Mohammed betrogen, und es sei einfältig, zu glauben, daß von einer Jungfrau der Gott hätte geboren werden können, der die Natur und alles geschaffen habe". Friedrich hat die Richtigkeit dieser Anklage sofort energisch bestritten und sich später (1246) sogar einer förmlichen Glaubensprüfung unterzogen, um seine Übereinstimmung mit den christlichen Lehren vor aller Welt darzutun. Indessen, auch falls jene Äußerung ihm von päpstlichen Anhängern verleumderisch in den Mund gelegt sein sollte, war es ja völlig unmöglich, dergleichen allgemein überzeugend zu widerlegen; in der öffentlichen Meinung blieb immer etwas davon hängen. Übrigens ist das Papsttum späterhin nie auf diese schwerste aller Beschuldigungen zurückgekommen. Solche Wendung aber hatte nun, nicht zum wenigsten durch den leidenschaftlichen Haß Gregors, der Kampf genommen. Die großen Prinzipien, für die man im Grunde stritt, traten nach außen hin zurück hinter persönlichen Verunglimpfungen, die dann auch Friedrichs Kanzlei zu geistreichen Widerlegungen und bissigen Angriffen reizten. Nach der langen Aufrüstung von beiden Seiten stießen jetzt die feindlichen Fronten aufeinander: Gregor, von dem die Kriegserklärung ausging, als kirchenstaatlicher Landesherr in äußerster Notwehr, in den weltherrscherlichen Ansprüchen aber unverrückt auf dem Standpunkt Innozenz' III., wie er schon 1236 einmal aus der konstantinischen Schenkung gar das päpstliche Recht abgeleitet hat, in allen italischen Dingen zu entscheiden; Friedrich, nicht mehr auf kaiserliche Überordnung erpicht, wie Ottonen und Salier, sondern nur auf Gleichstellung und unmittelbare Gottabhängigkeit der weltlichen neben der geistlichen Gewalt, stets zum friedlichen Ausgleich auf dieser Grundlage geneigt, indessen in dem zähen Festhalten an seinem zentralistischen, ganz Italien umspannenden Herrschaftssystem doch auch er in der Offensive zum mindesten gegen das politische Papsttum, wie es sich seit zwei Jahrhunderten nun einmal herausgebildet hatte. Bei solchen Gegensätzen war ein Ausgleich kaum noch möglich, zumal der Kaiser die von Gregor geforderte Einbeziehung der lombardischen Rebellen, um derentwillen er formell ja nicht gebannt war, in den
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EINBRUCH DER MONGOLEN
Frieden stets abgelehnt hat. So mußte der Kampf die Entscheidung bringen. Zunächst schien die kaiserliche Sache noch im Aufsteigen. Nach Erfolgen in der feindlichen Romagna spitzten sich die Dinge zu auf die Frage einer Konzilsentscheidung. Friedrich hatte an eine solche überparteiliche Instanz über ihn selbst und den Papst appelliert, falls die Berufung durch die Kardinäle erfolgen würde. Derartiges wurde doch erst im 15. Jahrhundert möglich. Die Synode, die Gregor auf Ostern 1241 nach Rom berief, sollte nichts weiter sein als ein päpstliches Vollstreckungsorgan zur Verkündigung der Absetzung Friedrichs. Dieser ließ daher keinen Zweifel darüber, daß er ein solches Konzil mit allen Mitteln der Gewalt verhindern werde, und als zahlreiche Prälaten aus Spanien, Frankreich und der Lombardei trotz aller Warnungen auf einer genuesischen Flotte die Überfahrt nach Rom wagten, ließ er sie durch ein sizilisches und pisanisches Geschwader südöstlich von Elba überfallen und nach Versenkung mehrerer Schiffe über hundert hohe Geistliche, darunter drei päpstliche Legaten, zwei Erzbischöfe und sechs Bischöfe, gefangennehmen (Mai 1241) und in apulischen Kerkern hart behandeln, ein Erfolg, der den Absetzungsplan verhinderte, aber — in der Wirkung vergleichbar etwa der Lusitaniaversenkung im Weltkriege — in der romanischen Welt viel böses Blut machte und jene antichristlichen Grauenvorstellungen, die sich an Friedrich geheftet hatten, zu rechtfertigen schien. Die damalige Erregung der Geister war um so größer, als man aus dem Osten die in der Bibel geweissagten wilden Horden von Gog und Magog tatsächlich Untergang drohend hereinbrechen sah. Schon längst war von der nahezu ganz Asien umspannenden neuen Weltmacht des Mongolenherrschers Temudschin Tschingis Khan unsichere Kunde nach dem Abendlande gedrungen ; man hatte den gegen die gemeinsamen mohammedanischen Feinde vordringenden Riesen wohl gar für den sagenhaften christlichen Priesterkönig Johannes oder den Messias-David der Juden gehalten. Nun aber wälzte sich nach seinem Tode (1227) die gewaltige Flut über Südrußland, Ungarn und Polen gegen das deutsche Reich heran. Herzog Heinrich der Fromme von Niederschlesien, der sich der durch Polen anstürmenden Mongolenabteilung an der Spitze eines starken Kreuzritterheeres entgegenstellte, erlitt auf der Wahlstatt bei Liegnitz nach tapferer Gegenwehr Niederlage und Tod (April 1241). Der Schrecken lief durch das Reich. Alles blickte auf den Kaiser, dem der flüchtige Ungarnkönig Bela IV. damals für rettendes Eingreifen die Lehenshoheit über sein Land anbot. Mahnung genug für die beiden abendländischen Universalmächte, ihren Zwist zur Erhaltung der Christenheit zu begraben. Indessen an dem dämonischen Starrsinn Gregors, der trotz Anordnung der
TOD GREGORS IX.
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Kreuzpredigt den von dem jungen Kaisersohne Konrad geleiteten deutschen Abwehrmaßnahmen eher entgegenarbeitete, scheiterte jeder Einigungsversuch, so daß auch Friedrich die Hände gebunden waren. Das vorläufige Genügen an den weiten ungarischen Ebenen, die starke österreichischböhmische Verteidigungsstellung und mehr als alles die nach dem Tode des Großkhans Ogotai in Innersasien ausbrechenden Thronwirren haben trotzdem die mongolische Gefahr, die an den Mauren der deutschen Städte wohl auch starke Hemmnisse gefunden haben würde, damals am Reiche vorübergehen lassen. Verderblich wirkte die europäische Zwietracht auch auf die Lage im Heiligen Lande. Eine von Gregor ausgeschriebene Kreuzfahrt war von ihm selbst gehindert, um Friedrichs Königtum dort nicht zu stärken und die Kreuzzugsgelübde lieber gegen den Staufer zu kehren. Das, wie erwähnt, von den Mohammedanern besetzte Jerusalem konnte Friedrichs englischer Schwager Richard von Cornwall, der mit kaiserlichen Vollmachten nach Syrien aufgebrochen war, durch Herstellung des früheren Waffenstillstandes noch einmal zurückgewinnen. Auch hier sah man also den Papst dem Heil der Christenheit entgegenwirken. Nun aber erschien er in Rom selbst am Ende seiner Widerstandskraft, als der Kaiser aufs neue die Stadt bedrängte und nicht nur in der Bürgerschaft, sondern auch im Kardinalskolleg wachsenden Anhang fand. Die Lage erinnerte an die von 1084 oder 1167. Diesmal konnte der Papst nicht wie damals aus der eingeschlossenen Stadt entwischen. Vielleicht wäre es zu seiner Absetzung gekommen. Da geschah mit Gregor das einzige, was noch den kaiserlichen Siegeslauf hemmen konnte; hochbetagt und durch die Ereignisse der letzten Jahre erschüttert, ist der starrsinnige Greis in der Augusthitze des Jahres 1241 gestorben, ein Opfer seiner mit grandioser Leidenschaft behaupteten Überzeugung. Je mehr Friedrich bisher den Kampf auf die Person eben dieses Gegners zugespitzt hatte, um so zweifelloser mußte er jetzt innehalten, um die Wahl des neuen Papstes abzuwarten, von dem allein er ja Bannlösung und Frieden erlangen konnte. Die nun eintretende fast zweijährige Sedisvakanz ist die dramatischste und leidensvollste der ganzen Papstgeschichte. Der diktatorisch in Rom herrschende Senator Matthäus Orsini, ein wütender Anhänger der gregorianischen Partei, sperrte die nur noch wenig zahlreichen, aber in Kriegs- und Friedensfreunde zerspaltenen Kardinäle in das baufällige, von Unrat triefende Gemäuer des Septizoniums, einer ehemaligen Prunkfassade des Kaisers Severus, und setzte sie in der dortigen Fieberhitze den abscheulichsten Mißhandlungen, Roheiten und Drohungen aus, um sie rasch zu einer ihm genehmen Wahl zu
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INNOZENZ IV.
zwingen, die jedoch bei der erforderlichen Zweidrittelmehrheit schlechterdings nicht zu erreichen war. Die Bedauernswerten, von denen drei sich damals den Todeskeim holten, haben die ihnen in alter und neuer Zeit wegen der Verzögerung zuteil gewordenen Schmähungen wahrlich nicht verdient. Als endlich die Wahl des auch dem Kaiser genehmen Cölestin IV. gelang, ist dieser Papst an den Folgen des furchtbaren Konklave schon am 17. Tage seines Pontifikats gestorben. Nun aber stoben die überlebenden Kardinäle, um nicht noch einmal derartiges ausstehen zu müssen, auseinander. Langwierige Verhandlungen mit dem Kaiser, die gegen Abberufung des ihm verhaßten lombardischen Legaten Gregor von Montelongo und vielleicht auch nach einer Verständigung über den zu Wählenden zur Befreiung der beiden von der Seeschlacht her in seiner Gefangenschaft gehaltenen Kardinäle führten, zogen die Zeit hin, bis endlich am 25. Juni 1243 der Genuese Sinibald Fieschi als Innozenz IV. aus der neuen Wahl in Anagni hervorging. Friedrich, der diesen Angehörigen einer ghibellinischen Familie für seinen Freund hielt, begrüßte das Ereignis als eine Bürgschaft des Friedens und ordnete in Sizilien einen allgemeinen Dankgottesdienst an. Es war die verhängnisvollste Täuschung seines Lebens. Gewiß war Innozenz nahezu das Gegenbild Gregors, wenn er auch mit ihm die juristische Gelehrsamkeit und das unbedingte Festhalten an den Herrschaftsansprüchen Innozenz' III. teilte, aber Gregors feuriger Leidenschaft und mystischer Religiosität, seiner stets die ganze wuchtige Persönlichkeit einsetzenden Hingabe stand hier eine eiskalte, rechnende Klugheit, ein nur der nackten Wirklichkeit geöffneter, geschäftiger Weltsinn, eine in geschmeidige Umgangsformen gekleidete vorsichtige Zurückhaltung des eigenen Wesens gegenüber, ohne daß es freilich unter dieser Hülle an rücksichtslos zugreifender Ausbeutung jedes Vorteils gefehlt hätte. Wenn aber Friedrich wähnte, mit diesem vernunftbeherrschten genuesischen Händler eher zu einem Ausgleich gelangen zu können, so übersah er, wie gefährlich es war, daß dieser päpstliche Gegner nun ganz in dieselbe weltliche Ebene hinabstieg, in der auch der Kaiser kämpfte. Nicht mehr Imperium und Sacerdotium schienen sich dann noch auf verschiedenem Boden mit verschiedenen Waffen gegenüberzustehen und eben dadurch ihre Kräfte aneinander emporzusteigern, sondern nahezu gleichgeartete politische Gewalten, von denen jedoch die Kurie den weiteren Radius besaß und alle jene Werte, die Massenglaube, Schlüsselgewalt, päpstlicher Absolutismus und kirchliche Organisation ihr boten, himmlische und irdische Verheißungen unter Preisgabe religiöser, rechtlicher und sittlicher Rücksichten ummünzte in politische, militärische
FLUCHT DES PAPSTES NACH LYON
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und finanzielle Kampfmittel. Und in der ganz einseitigen Konzentration einzig und allein auf den Vernichtungskampf, in der völlig skrupellosen, aber auf das feinste berechneten, oft schlau verhüllten Handhabung der diplomatischen Waffen sollte sich bald Innozenz IV. der unendlich genialeren, aber eben durch ihren Reichtum immöglich nur auf ein einziges negatives Ziel gerichteten, von leidenschaftlichen Spannungen erfüllten Natur des Staufers als überlegen erweisen. Die Rücksicht auf das allgemeine Friedensbedürfnis der Christenheit und auf die vor der Wahl getroffenen Abmachungen veranlaßte den Papst, zunächst auf die vom Kaiser angebotenen Unterhandlungen einzugehen. Trotz der Störung, die der von Kardinal Rainer angezettelte Abfall von Viterbo (September 1243) und der durch die Niedermetzelung der dortigen Kaiserlichen begangene Treubruch verursachten, kam es am Gründonnerstag 1244 tatsächlich zur Beschwörung eines vereinbarten Friedensvertrages, und es war schon so weit, daß Innozenz den Gebannten in öffentlicher Predigt wieder als „ergebenen Sohn der Kirche und rechtgläubigen Fürsten" bezeichnete. Darauf aber nahm er auf Verlangen der lombardischen Gesandten, die ihren Streit mit dem Kaiser allein der päpstlichen Entscheidung anheimgegeben wissen wollten, nachträgliche Veränderungen am Entwürfe vor, die Friedrich ablehnte. An demselben Punkte, der tatsächlich Gregors Bann veranlaßt hatte, ohne freilich als Grund genannt zu sein, sollte in letzter Minute die ersehnte Einigung auch jetzt scheitern. Denn alles Weitere geschah von päpstlicher Seite nur noch, um den Kaiser vor der Welt als den eidbrüchigen Verletzer des Vertrages hinstellen zu können und ihn mit der Aussicht auf eine persönliche Zusammenkunft täuschend hinzuhalten, bis Innozenz mit Hilfe seiner genuesischen Verwandten seine heimliche Flucht über Genua nach Lyon bewerkstelligen konnte. Wie der Vogel dem Stricke des Voglers, fühlte er sich nun dem Zwange entronnen. Friedrich aber äußerte später voll bitterer Enttäuschung: „Als ich mit dem Papste Schach spielte und mein Spiel so stand, daß ich ihm .Schach matt' ansagen oder zumindest ihm einen Turm nehmen konnte, kamen die Genuesen, fuhren mit ihren Händen über das Schachbrett und warfen das ganze Spiel um", woraus wohl zu entnehmen ist, daß doch auch er den ursprünglichen Friedensentwurf als für die Politik der Kurie verderblich oder doch zum mindesten durch Verlust des lombardischen Turmes, den nachher völlig niederwerfen zu wollen er offen genug verkündet hatte, als verlustreich beurteilte. Nun aber hatte der sonst so Argwöhnische durch die Flucht des Papstes eine schwere Niederlage erlitten. Lyon, nominell noch eine Stadt des Imperiums, aber tatsächlich schon fast
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KONZIL VON LYON
unabhängig und Frankreich zugewandt, recht eigentlich im Zentrum der für die Hauptländer wichtigen Verkehrsstraßen gelegen, bot Innozenz nun doch ganz andere Sicherheit und Entfaltungsmöglichkeit als das bedrohte und absperrbare Rom. Was dort Gregor nicht hatte erreichen können, das sollte nun in Lyon geschehen; auf den 24. Juni 1245 berief der Papst dahin ein allgemeines Konzil, das über den Kaiser das von Gott selbst eingegebene Urteil zu fällen hatte. Falls er bisher wirklich ernsthaft den Frieden betrieben haben sollte, was undeutlich bleibt, aber bei seiner klaren Einsicht in die unüberbrückbare Gegensätzlichkeit nicht eben wahrscheinlich ist — von nun ab ist er zur Vernichtung Friedrichs und des ganzen stauiischen Hauses unerschütterlich entschlossen gewesen. Nur noch in seiner Umgebung konnte es zu einem Schwanken kommen, als die Hiobspost von dem durch den Uberfall der türkischen Chowaresmier verursachten Verlust Jerusalems (August 1244) nach Europa drang und der Kaiser daraufhin einen dreijährigen, persönlich zu leitenden Kreuzzug, Herausgabe aller kirchlichen Besitzungen unter denkbar sichersten Bürgschaften anbot und anscheinend auch in der Lombardenfrage noch einen Schritt weiter entgegenkam. G a n z entziehen konnte sich Innozenz um der Christenheit, der Friedenspartei unter den Kardinälen und der Fürsprache des französischen Königs willen solchem Anerbieten nicht. Wenn er aber wirklich — vielleicht nur in hinhaltender Absicht — für Erfüllung derartiger Bedingungen dem Kaiser die Absolution in Aussicht stellen ließ (Mai 1245), so brachen doch sehr bald alle Hoffnungen der Friedensfreunde zusammen. Denn militärische Übergriffe kaiserlicher Truppen im Kirchenstaat, die Friedrich — unpolitisch genug — den Wallungen seines Hasses gegen Viterbo zugestand, gaben dem Haupte der Kriegspartei Kardinal Rainer Gelegenheit, in Flugschriften von maßlos wilder Gehässigkeit, die er veranlaßte, noch einmal mit den Bildern der Apokalypse das Grauen vor dem alle Friedensversicherungen zuschanden machenden Vorläufer des Antichrist zu wecken und von den Konzilsvätern, die sich nun in Lyon zu sammeln begannen, drohend die Absetzung des gebannten Kaisers zu fordern. Von der Absolution war nicht weiter die Rede. Das fast ausschließlich von westeuropäischen Prälaten besuchte Konzil, das Friedrich daher auch nicht als ein allgemeines hat anerkennen wollen, stand völlig unter dem im voraus festgelegten Willen des Papstes. Es nützte daher auch nichts, daß die eindrucksvolle Verteidigung des Kaisers durch seinen Sachwalter Thaddäus von Suessa in der zweiten Sitzung noch eine kurze Vertagung für ein persönliches Erscheinen Friedrichs oder Sendung neuer Vollmachten erzielte. Denn ohne diese Frist innezuhalten, überraschte
ABSETZUNG FRIEDRICHS
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Innozenz in der dritten Sitzung (17. Juli 1245) das Konzil mit der feierlichen Verkündigung der heimlich vorbereiteten Absetzungssentenz. In der langen Reihe der Verbrechen des Kaisers spielte der Hauptstreitpunkt, die Lombardenfrage, wiederum keine Rolle. So blieb nichts als ein Endkampf auf Leben und Tod. Friedrich eröffnete ihn mit den Worten: „Lange genug war ich Amboß, jetzt will ich Hammer sein." Der Spruch des Konzils war für die staufische Sache ein überaus schwerer Schlag. Die päpstliche Aktion, die von Lyon aus die Wege frei hatte, war nunmehr von den letzten Rücksichten entbunden. Nicht als ob es Innozenz jetzt gelungen wäre, außerhalb des Imperiums weltliche Bundesgenossen gegen Friedrich zu gewinnen. Der Machtglanz des Kaisers und seine geschickte Diplomatie hielten die europäischen Monarchen auch ferner in Neutralität; vor allem den französischen König, der sich in dem Jahrzehnt seines selbständigen, freilich immer noch von seiner herrschbegabten Mutter Blanka von Kastilien beeinflußten Regiments an moralischem Ansehen bereits an die Spitze der abendländischen Fürsten gestellt hatte. In seiner tiefen Frömmigkeit und unbeugsamen Gerechtigkeit, die so weit gingen, daß er als Sieger über den englischen Angreifer (1242) westfranzösische Gebiete zurückerstattete, die sein Großvater mühevoll erobert hatte, achtete Ludwig IX., der Heilige (1226-1270), fremde Rechte wie die eigenen, die er in einer noch immer überreichen, wenn auch aus der frischen Jugendblüte in kühlere Reife übergegangenen Kulturepoche Frankreichs als einer der drei großen Erbauer der französischen Königsmacht mit Würde und Festigkeit, wenn nötig selbst gegen den Papst, vertrat. So war er, wenn er auch die durch kaiserliche Propaganda erregte kirchenfeindliche Bewegung des französischen Adels hemmte, von seiner freundschaftlich vermittelnden Haltung dem gebannten Staufer gegenüber auch nach der Lyoner Absetzung nicht abzubringen und wollte weder Waffenhilfe noch Geldmittel aus seinem Lande gegen ihn verwandt wissen. Bei weitgehender kirchlicher Devotion doch sehr andersgeartet, verstand Heinrich III. von England (1216-1272), eitel und großmannssüchtig, aber trotz feiner Geschmacksrichtung in Architektur und Kunstgewerbe schlaff an Geist und Willen, niemals, seine kostspieligen Herrscherlaunen den Staatsineressen der unter ihm immer fester zusammenwachsenden englischen Nation unterzuordnen. Umgeben von fremdbürtigen Schmarotzern und römischen Ausbeutern, hätte er sich wohl im Dienste seines päpstlichen Lehnsherrn mißbrauchen lassen, wenn er eben nicht der Schwager des Kaisers gewesen wäre und überdies auf die schließlich selbst von dem frommen Lin-
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KÖNIG KONRAD
coiner Bischof Robert Grosseteste unterstützte nationale Opposition gegen die maßlose kuriale Aussaugung und Überfremdung der englischen Kirche hätte Rücksicht nehmen müssen. Von den spanischen Königen waren die tatkräftigsten Ferdinand III., der Heilige (1217—1252), der seit 1230 die vereinigten Reiche Kastilien und Leon beherrschte, und „der Eroberer" Jakob I. von Aragonien (1213-1276), ganz von ihren großen vorwärtstreibenden Unternehmungen gegen die durch Zersplitterung in mehrere Reiche wieder geschwächte Almohadenmacht in Anspruch genommen: im Süden, wo nur noch Granada den Mauren blieb, und an der Ostküste, von der aus umlängst auch die Balearen dem Islam entrissen waren. Immerhin war ja die Autorität der Kurie auf der ganzen iberischen Halbinsel außerordentlich, ihre Beziehungen zum Klerus sehr eng, wie denn eben auf,dem Lyoner Konzil Innozenz außer dem stauHschen Kaiser auch den König Sancho II. von Portugal auf Beschwerden seiner Geistlichkeit hin trotz seiner Frömmigkeit für abgesetzt erklärte. In der osteuropäischen Staatenwelt trieb die Furcht vor weiteren Mongoleneinfällen zwar zur Annäherung an die römische Kurie selbst Fürsten griechischer Obödienz bis hin nach Nowgorod, und es kam sogar zu Unionsverhandlungen mit dem das zusammenschrumpfende lateinische Kaiserreich immer drohender umklammernden Kaiser Batatzes von Nicäa, Friedrichs II. Schwiegersohn; indessen an irgendwelche tatsächliche Unterstützung der Kurie war von daher natürlich nicht zu denken. So sah sich denn Innozenz, abgesehen von den namentlich aus England fließenden Finanzbeihilfen für den Vernichtungskampf gegen den Staufer im wesentlichen auf dessen eigenen Machtbereich angewiesen. Erst jetzt gelang es, den Kriegsschauplatz auch auf Deutschland auszudehnen. Lange hatten dort weltliche wie geistliche Fürsten, zufrieden mit der ihnen vom Kaiser beschiedenen Bevorrechtung, allen Lockungen der Kuriwiderstanden. Erst 1242 hatten vornehmlich aus territorialpolitischen Rück sichten die drei rheinischen Erzbischöfe den Kern einer stauferfeindlichen Opposition gebildet. Ihm stellte sich nun, indem König Konrad mit einei bairischen Herzogstochter verlobt wurde (1243), in Umkehrung früherer Verhältnisse der bairisch-böhmische Südosten als sicheres staufisches Anhangsgebiet entgegen, um bald (1246) nach dem Schlachtentode Friedrichs des Streitbaren durch Einziehung und Reichsverwaltung seiner Herzogtümer Österreich und Steiermark eine starke Rückendeckung zu erhalten. Auch die sonstigen Laienfürsten waren vorderhand nicht so leicht für tätige Gegnerschaft gegen die Staufer zu gewinnen. Dagegen hat Innozenz es seit
FRIEDRICHS MANIFESTE
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dem Lyoner Konzil nun allerdings verstanden, der deutschen Kirche vollends das Rückgrat zu brechen. Er tat es mit schrankenloser Hinwegsetzung über alle religiösen, moralischen und kirchenrechtlichen Hindernisse: durch Kirchengutsverleihungen, Gnadenbriefe und Dispense ganz nur nach politischen Gesichtspunkten, durch Pfründenanweisungen an päpstliche Kreaturen oft über die Zahl der vorhandenen Stellen hinaus, Ablaßhandel und simonistische Taxforderungen, durch Drohung, Maßregelung, Bann und Interdikt, Suspension und Absetzung, durch besonderen Geheimerlaß, der die Umwandlung aller Kreuzzugsgelübde in solche für den Stauferkampf verfügte, schließlich (1246) gar durch radikale Aufhebung des Wahlrechts der Domkapitel und Besetzung aller Prälaturen durch den Papst allein, ähnlich wie der Kaiser in Italien seine Generalvikare und Podestas anstellte. Da mußte denn die Zahl der staufischen Anhänger in der deutschen Kirche bald auf ein Mindestmaß zusammenschrumpfen. Dagegen erwuchsen der staufischen Sache in diesen letzten Kämpfen in denen unter den päpstlichen Einwirkungen der fürstliche Anhang Friedrichs allmählich zu zerbröckeln begann, tatkräftige Stützen in den aufstrebenden, finanzkräftigen Reichsstädten Südwestdeutschlands, von denen Friedrich ein gut Teil in seinen ersten deutschen Jahren selbst gegründet hatte; beruhte doch deren eigenstes Interesse an friedlichen Wirtschafts- und Verkehrsverhältnissen auf der Erhaltung einer starken einheitlichen Zentralgewalt! Auch in Italien, das allein schon durch die Persönlichkeit des großen Kaisers durchaus Hauptschauplatz der Ereignisse blieb, gewann Innozenz seit dem Konzilsspruch freiere Hand. Jetzt verfing es nicht mehr, daß Friedrich nur gegen die Person des Papstes, wie er es Gregor IX. gegenüber getan, Krieg zu führen behauptete; er hatte es mit der gesamten Papstkirche zu tun. Da war es ein neuer Offensivvorstoß des Kaisers, daß er in Manifesten an die abendländischen Könige dieser verweltlichten und politisierten Institution die christliche Urkirche entgegenhielt und ähnlich wie Arnold von Brescia und die Waldenser Rückkehr der in Hochmut und Üppigkeit verkommenen Prälaten zur apostolischen Einfachheit forderte. Er fand mit solcher Agitation nicht nur in seinen Reichen bis in die Bettelorden hinein manchen Anklang, sondern auch bei dem französischen Adel und der englischen Geistlichkeit eine Zustimmung, die sich zu sehr unbequemen Forderungen an die Kurie verdichtete. Trotzdem war natürlich an eine Massenbewegung gegen das Papsttum noch nicht entfernt zu denken, wie ja auch Friedrich als religiöser Reformator ganz unmöglich gewesen wäre. Für ihn war solche Forderung nicht Selbstzweck, sondern nur ein Kampfmittel neben anderen.
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GROSSE VERSCHWÖRUNG
Der eigentliche Machtstreit um Italien, in den damit immerhin eine zukunftsvolle Idee geworfen war, erreichte jetzt ein nicht mehr zu überbietendes Maß leidenschaftlicher Wildheit. Von Seiten der Kirche: unterirdische Minen aller Art, Bestechungen mit irdischen und himmlischen Werten, Verschwörungen, Verrätereien und Mordpläne; als Antwort darauf von kaiserlicher Seite Maßnahmen tyrannischen Argwohns und grausamer Rache: Bespitzelung, Geiselnahme, Folter, Verbannung, Galgen und Scheiterhaufen. Ezzelin, der von Verona aus im Anschluß an den Kaiser durch schreckenerregende Verbrechen seine Tyrannenherrschaft über die Trevisaner Mark ausbreitete und damit späteren Renaissancesignoren ein verhängnisvolles Vorbild gab, wurde für diese letzte Phase des gewaltigen Ringens die charakteristische Figur, der freilich auch päpstliche Legaten an Grausamkeit nicht viel nachgaben. Der kaum mehr erträgliche Gewaltdruck entfesselte und stärkte natürlich erst recht Unabhängigkeitsdrang und Opfermut der städtischen Kommunen. Aus dem Hin- und Herwogen der Parteien, das dem Kaiser den Feind oft kaum noch faßbar machte, längstgewonnene Provinzen plötzlich wieder zum Abfall brachte, sind hier nur die hervorstechendsten Züge zu berichten. Einzig das sizilische Königreich schien in seiner hermetischen Abschließung der päpstlichen Maulwurfsarbeit unangreifbar. Da enthüllte die große Verschwörung vom Frühjahr 1246, daß man sich auch da auf vulkanischem Boden bewegte. Es war ein weitverzweigter, von des Papstes Parmeser Schwager Bernardo Orlando di Rossi geleiteter, aber auch Innozenz selbst bekannter Plan, der in der Tat ganze Arbeit machen sollte. In Sizilien und Reichsitalien war eine Anzahl der höchsten und vertrautesten Beamten Friedrichs, die unter dem Drucke der furchtbaren Zeitläufte und kurialen Versprechungen in ihrer Treue wankend geworden waren, zur Verschwörung gewonnen. Die Ermordung des Kaisers, der damals in dem toskanischen Grosseto weilte, durch verräterische Vertraute seiner Umgebung sollte für die ganze Halbinsel das Signal sein zur Abschüttelung des staufischen Joches. Auch für seine gefürchtetsten Helfer Enzio und Ezzelino war bei einem Gastmahl der Dolchstoß bereitet. Nur durch solche Aussicht gelang es, wie es scheint, dem Papste, in Deutschland die Bedenken des ehrgeizigen Landgrafen Heinrich Raspe von Thüringen gegen die'Annahnie der Königskrone zu überwinden. Dieser mochte so glauben, mit dem jungen Staufer Konrad, dem er in der Tat bald durch Verrat bestochener Grafen und Herren des schwäbischen Heeres bei Frankfurt eine empfindliche Niederlage beibrachte, eher fertig zu werden, in Italien aber die Bahn frei zu finden. Ein Zufall führte zur vor-
GEGENKÖNIGE
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zeitigen Entdeckung. Die Attentäter flohen von Grosseto nach Rom, der im Plane des Ganzen liegende Angriff eines von Kardinal Rainer geführten Papstheeres gegen die sizilische Grenze wurde zurückgeschlagen, der von den Mitverschworenen auf die falsche Kunde von Friedrichs Tod im Königreich entfesselte Aufstand von Friedrich selbst im Blute erstickt. Wenn diese Ereignisse auch mit schauerlicher Deutlichkeit enthüllt hatten, wie sehr der Boden unter den Füßen des Staufers schwankte, so hatte der drohende Untergang sich nun doch in neuen Erfolg gewandelt, dem sich weitere anschlossen. Fast schon in die Defensive zurückgedrängt, suchte der Kaiser, der, durch den Verrat der Beamten gewarnt, die wichtigsten Posten jetzt nur noch mit Angehörigen seiner weitverzweigten legitimen oder illegitimen Verwandtschaft besetzte, wiederum das stolze Vorrecht der Initiative zu ergreifen, indem er nach neuen Rüstungen in Sizilien von dort zu einem Zuge über die Alpen aufbrach. Der geplante Marsch über den Brenner erledigte sich indessen durch die Kunde von dem plötz1 ichen Tode des thüringischen Gegenkönigs (Februar 1247). Erst nach längerer Pause fand die Kurie in dem neunzehnjährigen Grafen Wilhelm von Holland (Oktober 1247) einen Nachfolger, der jedoch seinen Geltungsbereich kaum über die nicderrheinischen Lande auszudehnen imstande war. Inzwischen hatte Friedrich mit seinen Truppen die Richtung auf die Westalpen gegen Lyon genommen. Innozenz geriet dadurch in eine gefährliche Lage. Schon hatte sich der Kaiser die Alpengebiete und Vorlande bis dicht vor die Tore der Stadt durch verwandtschaftliche Verbindungen mit den dortigen Territorialherren, namentlich den Grafen von Savoyen, gesichert. Im Rücken der Kurie aber war König Ludwig von Frankreich äußerst verstimmt über die Hemmnisse, die Innozenz durch seine schrankenlose Vernichtungspolitik der Ausführung des von ihm schon 1244 nach schwerer Erkrankung gelobten Kreuzzuges bereitete. In den Ausgleichsverhandlungen, um die er sich unverwandt an der Kurie bemühte, tauchte einmal sogar der Gedanke einer Abdankung des sich dann ganz auf den Orient beschränkenden Staufers zugungsten seines zum Kaiser zu erhebenden Sohnes Konrad auf. Sollte Friedrich in seinen Anerbietungen wirklich so weit gegangen sein, was ungewiß bleibt, so hätte er, ähnlich etwa wie letztwillig sein Vater Heinrich IV., für die Sicherung der Dynastie das Äußerste tun wollen. Auf französischen Schutz durfte sich der Papst unter diesen Umständen nicht verlassen; daß er aber zum Märtyrer nicht geboren sei, hat er selbst einmal geäußert. Indessen er hatte bereits eine neue Mine gegraben, die jetzt gerade noch rechtzeitig platzte. Das terroristische System des Kaisers war eben in einem nicht
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BELAGERUNG VON PARMA
absperrbaren, von inneren Feinden durchsetzten Gebiete wie Reichsitalien nicht mit Erfolg durchzuführen; es mußten immer neue Rückschläge kommen. Diesmal gelang es der guelfischen Außenpartei von Parma, hinter der als Urheber wieder jener päpstliche Schwager Orlando di Rossi „ K o p f und Schwanz der ganzen Gegenpartei", wie Friedrich ihn wohl genannt hat, stand, diese Stadt, die für die rückwärtige Verbindung über den für Friedrich einzig offenstehenden Apenninenpaß La Cisa nach Toskana schlechthin unentbehrlich war, durch einen kühnen Handstreich zu nehmen (Juni 1247) und durch rasch herangezogene Truppenmassen unter dem strategisch hochbegabten Legaten Gregor von Montelongo in Verteidigungszustand zu setzen, während auf das Signal hin sich allenthalben in Reichsitalien die guelfischen Parteien erhoben. Das zwang den Kaiser auf den Zug gegen Lyon zu verzichten, und indem nun auch von seiner Seite bedeutende Heereskörper in weitem Umkreis um die Stadt gelegt wurden, um sie durch Aushungerung zur Ergebung zu zwingen, wurde diese Belagerung zu einer großen Kraftprobe, auf deren Ausgang die Welt mit Spannung sah. Man ist doch versucht, auszusprechen, daß gerade der Reichtum der kulturellen Betätigungen und Bedürfnisse dem Staufer hier zum Verhängnis geworden ist. Gewiß setzte der rasche Bau jener mit prahlerischer Vorwegnahme des Sieges „Vittoria" getauften Lagerstadt, in der Friedrich mit seinem prunkvollen Hofstaat und Staatsschatz, den höchsten Regierungsbehörden, den Scharen der von Eunuchen beaufsichtigten sarazenischen Rüstungsarbeiterinnen, seinem Tierpark und Jagdgefolge fur den Winter seine Residenz nahm, die Welt in Erstaunen. Jedoch eine kurze Abwesenheit des Kaisers auf der Falkenjagd, verbunden mit einer allzu lässigen Bewachung, genügte, um den schon nahe vor der Ubergabe stehenden Parmesen Gelegenheit zu geben, in plötzlichem Überfall jene Lagerstadt zu zerstören, das kaiserliche Heer unter schweren Verlusten zu zersprengen, Staatsschatz, Krone, Zepter und Königssiegel zu erbeuten (Februar 1248). Es war für die staufische Sache eine furchtbare Niederlage, vielleicht weniger noch für den Kampf um Parma, das freilich, wenn auch die Umschließung ohne Verlust des Apenninenpasses bald hergestellt werden konnte, erneute Widerstandskraft gewann, als durch die Erschütterung des Glaubens an die Unbesiegbarkeit des Kaisers und die moralische Fernwirkung, die sich alsbald durch Abfall nahezu der ganzen Romagna und wachsende Schwierigkeiten in Mittelitalien verriet. Trotzdem ist die vielverbreitete Vorstellung, als ob es seit der Niederlage von Vittoria mit Friedrich dauernd abwärts gegangen sei, irrig. Freilich waren ihm noch die schwersten Schicksalsschläge vorbehalten, die ihm die
STURZ PBTERS VON VINEA
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sinkende Lebenssonne verfinsterten. Schon glaubte er zu Beginn des Jahres 1248 den Zug nach Lyon wieder aufnehmen zu können, als aus dem guelfischen Verschwörungszentrum zu Parma ein neuer heimlicher Stoß gegen seine Person geführt wurde. Diesmal suchte man ihn durch Gift zu beseitigen, das ihm sein eigener während einer Gefangenschaft bestochener Leibarzt reichte. Erschütternder noch, als dies im letzten Augenblick mißlingende Attentat war die gleichzeitige Entdeckung schwerer Veruntreuungen seines langjährigen Haupthelfers Peter von Vinea. Der sehr selbständigen und versuchungsreichen Vertrauensstellung, in der dieser alle wichtigen Briefe und Bittschriften durch seine Hand gehen ließ und viele davon kurzerhand erledigte, in Wahrheit also nach Dantes Wort „zum Herzen Friedrichs die Schlüssel führte", war seine moralische Festigkeit schließlich nicht gewachsen gewesen. Es kam an den Tag, daß er, der die Gesetze geformt, die Gerechtigkeit vertreten, gegen Bestechung und Ämterkauf geeifert hatte, sein Amt zu unerhörter eigener Bereicherung ausgenutzt hatte in einer Zeit, in der die vor allem durch den Truppensold bis zur Neige erschöpften kaiserlichen Kassen nur durch fast untragbare Steuererhebung und Zwangsabgaben aufgefüllt werden konnten. Es war für Friedrich die furchtbarste Enttäuschung seines Lebens. Der Sturz des mächtigen Kanzlers, der sich bald als Gefangener in dem toskanischen S. Miniato durch Selbstmord den ihn erwartenden Martern entzog, war zugleich für die staufische Sache eine weitere moralische Einbuße schwerster Art. Und auf den Verlust des fähigsten Staatsmannes folgte nach wenigen Monaten der des zuverlässigsten und fähigsten Feldherrn, als König Enzio, der unter allen Söhnen Friedrichs am meisten dem Vater ähnelte und als Heerführer gegen die Lombarden schwer zu entbehren war, in einem Gefecht bei Fossalta unweit Modena in die Hände der feindlichen Bolognesen fiel, die ihn zwar in anständiger Haft hielten, aber trotz aller Versprechungen und Drohungen des Kaisers nicht herausgaben, so daß es ihm vorbehalten war, in endloser Gefangenschaft untätig den Untergang seines Geschlechts zu betrauern Auch dieser Verlust zog zunächst weitere Einbußen nach sich. Gleichwohl war von einem Unterliegen des immer einsameren, durch Haß und Mißtrauen verdüsterten Kaisers nicht entfernt die Rede. Wohl hatten ihn die Unterschleife Vineas zur Finanzordnung und neuer Rüstung in sein sizilisches Reich zurückgezwungen, auf das überdies der Papst vom Kirchenstaat aus einen Generalangriff vorbereitete. Indessen im folgenden Jahre 1250 war seine Lage doch wieder in unverkennbarem Aufstieg. Ging auch Florenz verloren, so wurde der vom päpstlichen Kardinallegaten Peter Capoccio aus-
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LUDWIG I X .
geführte Angriff auf Sizilien mühelos abgeschlagen. In der Mark Ancona und der Romagna wurden die guelfischen Erfolge rückläufig. Im östlichen Oberitalien dehnte Ezzelino seinen Machtkreis noch weiter aus, während Venedig sich schon längst von dem genuesischen Papst abgewandt hatte. In der Lombardei konnte Friedrichs Generalvikar, der gewalttätige Markgraf Hubert Pallavicini, um Cremona und das neugewonnene Piacenza als Kern eine für Mailand bedrohliche Macht zusammenballen und an den Parmesen für Vittoria blutige Rache nehmen. Weitere Erfolge in Piemont bewirkten, daß einem Zuge gegen Lyon nichts mehr im Wege zu stehen schien. Dort war die Lage des Papstes äußerst mißlich. Die Aussaugung der abendländischen Kirche hatte schließlich ihre Grenzen; die Geldmittel waren der Erschöpfung nahe. Und nun trübten sich auch die Beziehungen zum benachbarten Frankreich. Ludwig IX. hatte sich, ohne daß es ihm zu seinem Schmerz gelungen wäre, den europäischen Zwiespalt zu beseitigen, im August 1248 in Aigues-mortes zu seiner Kreuzfahrt einschiffen müssen, um über Zypern Ägypten zu erreichen und durch die rasche Einnahme von Damiette (Juni 1249) einen ersten Erfolg davonzutragen. Indes, die weiteren Schicksale des Kreuzzuges sollten nur allzusehr an die Ereignisse von 1221 gemahnen. Der Marsch gegen Kairo endete nach Seuche, Hungersnot und fürchterlichen Verlusten in der Niederlage bei Mansurah wie damals mit der Gefangennahme des gesamten Kreuzheeres. Nur durch Herausgabe von Damiette und durch Zusicherung eines ungeheuren Lösegelds, das noch lange auf Frankreich lasten sollte, konnte Ludwig sich und seine Ritterschaft aus der Haft befreien. Nun war er nach Syrien hinübergefahren und verbrachte dort weitere vier Jahre in der vergeblichen Hoffnung, durch Befreiung Jerusalems doch noch einen glücklicheren Abschluß der Kreuzfahrt zu erzielen. Dazu war vornehmlich die Hilfe des Kaisers erforderlich, der infolge der Papstfeindschaft bisher nur diplomatische Schritte im Orient zugunsten des Königs hatte unternehmen können. Nunmehr verlangten die zurückgesandten Brüder Ludwigs von Innozenz nachdrücklich einen raschen Friedensschluß mit dem Kaiser, widrigenfalls man ihn nicht länger in Lyon dulden wolle. Schon bemühte sich der Papst um eine Unterkunft in dem englischen Bordeaux, ohne Gegenliebe zu finden. Nachgegeben hätte Innozenz gewiß auch jetzt nicht, aber er hatte, ohne über weitere Kriegsmittel zu verfügen, einen immer stärkeren Druck zugunsten des Friedens zu gewärtigen. In diesem Augenblick ist Friedrich, der im Begriffe stand, zur Sicherung der Dynastie eine vierte Ehe mit einer Tochter Herzog Albrechts von Sachsen
DER TOD FRIEDRICHS Π.
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zu schließen, und sich eben zur Niederwerfung der italienischen und deutschen Rebellen nach dem Norden wenden wollte, an einer leichtsinnig behandelten Dysenterie in dem kleinen apulischen Fiorentino plötzlich gestorben (13. Dezember 1250), „überwunden allein von der göttlichen Macht, den die Völker der Menschen nicht zu überwinden vermochten". Zum kaiserlichen Gesamterben seiner Reiche hatte er Konrad IV., zum Statthalter in Sizilien einstweilen dessen Halbbruder Manfred bestimmt. Aus den Händen des greisen Erzbischofs Berard von Palermo, der ihm auf allen Stufen seiner Lebensbahn ein treuer Berater gewesen war, hatte er — in ähnlicher Lage wie in neuerer Zeit der Begründer der italienischen Einheit Cavour — Absolution und Sterbesakramente entgegengenommen. An der Seite seines Vaters liegt er im Dom zu Palermo in einem antiken roten Porphyrsarkophag bestattet. Sein Tod macht einen tiefen Einschnitt in der abendländischen Geschichte; er beendet das Hochmittelalter. Längst hatten sich ja die Dinge so gestaltet, daß nur ein genialer, alles überragender Herrscher imstande war, das kaiserliche Gewaltsystem, wie es sich im Widerstreit gegen die Papstkirche herausgebildet hatte, aufrecht zu erhalten. Friedrichs Hinscheiden bedeutete den Untergang der staufischen Sache. Selbst wenn unter seiner Nachkommenschaft Tod und Zwietracht nicht so fürchterlich gewütet hätten, wie es nachmals geschah, wäre eine Überwindung der in ihrer Feindschaft gegen das „verruchte Geschlecht" ein für allemal festgelegten Kurie schwerlich zu erwarten gewesen. Indem aber Friedrich die Welt vier Jahrzehnte lang in Atem gehalten hatte, hat er nicht nur als Endkaiser dem gewaltigen Stauferdrama in unüberbietbarer Steigerung einen grandiosen letzten Akt angefügt, sondern auch der weiteren Entwicklung des Abendlandes gewollt oder ungewollt die Richtung gegeben. Mit dem universalen Imperium war es hinfort aus — genau nach jenem Sibyllenspruch vom Messiaskaiser : „Mit ihm wird das Reich zu Ende gehen, weil seine Nachfolger, auch wenn er solche hat, des Kaisernamens und des römischen Thrones beraubt sein werden." Die bisher im Imperium vereinigten Länder nahmen nun ungeachtet der lockeren Bande, die sie weiter noch verknüpften, getrennt ihren Entwicklungsgang, der sie erst nach jahrhundertelanger Zersplitterung und unseligen Irrungen und Demütigungen zur staatlichen Einheit führen sollte. Indes, bei aller Wahlverwandtschaft der Völker war die Wirkung Friedrichs II. auf Italien und Deutschland doch sehr verschieden. In Sizilien hinterließ er das Muster des modernen Beamtenstaates, und
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FRIEDRICH ALS WEGBEREITER DER RENAISSANCE
wenn auch die Übertragung des Systems auf das übrige Italien nicht hatte von Dauer sein können, so lebte es doch in den größeren und kleineren Tyrannenherrschaften der Folgezeit fort, denen Friedrich auch das Gepräge seiner gewaltigen, weder kirchlich noch moralisch gebundenen Persönlichkeit aufgedrückt hatte. Selbst die Entfaltung der italienischen Städte hätte ohne die ungeheure Anspannung der Energien und Erregung der Einbildungskräfte im Kampfe für und gegen Friedrich wohl kaum das rasche Zeitmaß des Fortschritts gewonnen, mit dem sie nun der Renaissanceepoche entgegeneilten. Dieser selbst aber, diesem apollinischen Imperium, das dem politischen Kaisertum das Zepter aus der Hand nahm, hat der letzte große Staufer in dem wunderbaren Reichtum seiner Anlagen und Betätigungen, in seiner Hinwendung zur Natur und Antike recht eigentlich die Tore geöffnet. Weit ungünstiger war die Nachwirkung auf Deutschland. Denn es hatte ja in ganz anderem Maße als Italien die staatliche Zusammenfassung besessen, die ihm sogar Grundlage für jahrhundertelange Führerstellung in Europa gewesen war. Erst mit dem Tode Friedrichs gewannen jetzt die von ihm im Drange der Universalpolitik vorgenommenen Entäußerungen der deutschen Zentralgewalt unwiederbringliche Geltung und weiteren Antrieb zu föderalistischer Auflösung. Hinfort spielte sich aller Fortschritt im engen territorial-staatlichen Kreise ab, und hier, wo die von vornherein überlegenen Fürsten noch lange fast nur auf die ideenlose Politik der Abrundung und Ausdehnung ihrer für wahrhaft staatliches Leben unzureichenden Gebiete bedacht waren und die des zentralen Rückhalts beraubten Reichsstädte mit wenigen Ausnahmen ja noch nicht annähernd die Größe und Weite der italienischen Kommunen erreicht hatten, konnte nur ein Sinken der allgemeinen Kultur in cngeBeschränkung und bürgerliche Nüchternheit die Folge sein. Eben dies Hinabgleiten aus glanzvoll heroischer Vergangenheit in trostlos wirre Gegenwart erklärt es, daß nicht Italien, sondern Deutschland die Erinnerung an den letzten großen Staufer in der Sage vom Zukunftskaiser mit solcher Zähigkeit festgehalten hat. Es brauchten nur jene Vorstellungen vom Messias und Antichrist, die Anhänger und Gegner zuletzt um ihn gewoben hatten, in deutsche Sehnsucht übertragen und um Einzelzüge der germanischen Mythologie bereichert zu werden, so war das Bild fertig, das länger als ein halbes Jahrtausend im Bewußtsein des Volkes haften und — im Einheitsringen des 19. Jahrhunderts ganz auf Friedrichs Ahnen Barbarossa übertragen — neue Kraft gewinnen sollte. Und das Papsttum ? Als feste Dauerinstitution weit weniger als das Imperium vom Einzelleben abhängig, hatte es bei dem Streit ohnehin am längeren
VERWELTLICHUNG DES PAPSTTUMS
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Hebelarm gesessen. Wohl aber wäre es ohne die einseitige Größe Innozenz IV. nicht so rasch und vollständig zum Siege gelangt. Dieser kühle Rechner hat, rein politisch betrachtet, der Papstkirche in der Tat den höchsten Triumph eingebracht. Als einzige Universalmacht alles, was sich etwa künftighin noch Kaisertum nennen sollte, weit überragend, stand sie nun unbestritten an der Spitze Europas. Freilich in welcher moralischen Verfassung! Wie waren ihre religiösen Kräfte in dem riesenhaften Vernichtungskampfe heruntergewirtschaftet in Verflachung und Entsittlichung! Wie sehr hatte sich doch die Welt daran gewöhnen müssen, in ihr nur eine politische Macht wie andere irdische Gewalten auch zu erblicken, die womöglich mit noch verwerflicheren Mitteln arbeitete als jene! Wie waren rings im Abendlande dagegen Stimmen heftigsten Widerspruches laut geworden! Gab es doch sogar Mitglieder des über die Inquisition waltenden Dominikanerordens, die nicht in Friedrich, sondern in Innozenz den leibhaftigen Antichrist erblickten! Was hier an innerem Wert und öffentlicher Geltung verloren war, konnte selbst bei gutem Willen kaum wieder eingebracht werden. Und würde dieser gute Wille stets vorhanden sein? Gehört es nicht zum Schwersten und Seltensten in allem Weltgeschehen, sich einer einmal erworbenen Macht freiwillig wieder zu entäußern? In Deutschland, das am meisten unter dem Ausbeutungssystem der Kurie gelitten hatte, wußte man wohl, weshalb man in dem Bilde des Zukunftskaisers gerade die Züge Friedrichs festhielt, die ihn als Geißler der entarteten Papstkirche zeigten. Mochte auch zur Zeit seines Todes in dem neueröffneten Generalstudium der Dominikaner zu Köln als Schüler Alberts des Großen Thomas von Aquino zur Lösung der einst von Gregor IX. gestellten Aufgabe heranreifen, und von der Seite der aristotelisch-averroistischen Philosophie her der kirchlichen Weltanschauung keine ernstliche Gefahr mehr drohen, das erschütterte Gewissen des Volkes ist hier bei aller religiösen Innigkeit und kirchlichen Gesinnung — oder vielmehr gerade wegen ihrer — bis zu den Zeiten der Reformation hin nie mehr ganz zur Ruhe gekommen. Und endlich: Schützer der universalen Kirche war einstmals der kaiserliche Vogt gewesen. Reichte der von Innozenz wieder gesicherte päpstliche Territorialstaat aus, um solchen Schutz zu ersetzen? Mußte nicht das Schwinden der einen Universalmacht auf die Dauer auch die andere, soweit sie in die Weltlichkeit hinübergegriffen und dem Kaiser nicht gelassen hatte, was des Kaisers war, nach sich ziehen? In der Tat, schon der staufischen Epigonen hat sich das Papsttum nur erwehren können, indem es die unverbrauchten nationalen Kräfte Westeuropas zu Hilfe rief, zuerst die englischen, dann die
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AUFDÄMMERN DER NATIONALSTAATEN
französischen. Nur zu bald sollten sie ihm zum Rohrstab werden, der dem sich darauf Stützenden die Hand durchbohrt, zum Vollstrecker derjenigen Maßregeln, die Friedrich verkündet, aber nicht mehr durchgeführt hatte. Auch für das Papsttum ging die Epoche der Universalmächte zur Rüste. Das Zeitalter der nach dem Muster von Friedrichs sizilischer Monarchie organisierten Nationalstaaten zog herauf.
NACHWORT ZUR 3. AUFLAGE (1949)
Karl Hampe, der 1936 verstorbene Heidelberger Historiker, nimmt in der deutschen Geschichtsschreibung eine bedeutende Stellung ein. Er war nicht nur ein Meister der Forschung, der mit den gereiften wissenschaftlichen Methoden unserer Zeit mittelalterliche Handschriften zu finden, zu untersuchen und edieren verstand, sondern zugleich ein ausgezeichneter Darsteller mit universalhistorischer Blickweite und einem lebendigen, ausgeglichenen und beherrschten Stil. So kommt es, dass seine Werke zu dem Besten gehören, was die historische Literatur über das abendländische Mittelalter zu bieten hat. Seine „Herschergestalten des deutschen Mittelalters" haben viele Freunde gefunden, die „Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer" befindet sich in den Händen aller Geschichtslehrer und -Studenten und erfreut sich darüber hinaus grosser Beliebtheit. Die Krönung seines historiographischen Lebenswerkes ist aber das „Hochmittelalter", in dem Hampe nicht bloss sein biographisches und politisch-historisches Betrachten auf eine grössere Welt ausdehnte, sondern zu einer einheitlichen, universalhistorischen Anschauung zu gelangen suchte. Das Werk in der Fassung von 1932 ist auch heute noch unübertroffen. Hampe selbst würde freilich, wenn er noch unter uns weilte, unermüdlich sein Werk kontrollieren und auf den neuesten Stand der Forschung bringen, obgleich seine Änderungen auch jetzt noch nicht so sehr eingreifend sein würden. Mag sein, dass es sich bei einer künftigen Neuauflage als wünschenswert erweist, dass ein Lebender diesen Dienst übernimmt. Dabei würde ein Bearbeiter gewiss ohne tiefere Schwierigkeiten oder gar Gewissensnöte die Eintragung neuer Details vornehmen können. Dagegen wird man sehr zurückhaltend und behutsam mit der Ausführung neuer Gedankengänge oder gar mit der Aufnahme nicht oder wenig berücksichtigter Gebiete und einem etwaigen Umbau der Gesamtdisposirion sein müssen. Denn gerade für den Geschichtsschreiber Hampe ist charakteristisch eine höchst sorgfältige und überlegte Ökonomie der Stoffanordnung und der Darstellungsmittel, eine behutsam abwägende Akzentverteilung, so dass schon geringe Zusätze störend zu wirken, grössere eine unerfreuliche Mischung Hampescher Geschichtsschreibung und der des Bearbeiters zu erzeugen drohen. Dieser wird sich deshalb treulich an Hampes schriftstellerische Eigenart halten müssen. Hampes Sache war es nicht, typische Details fein auszuführen, um damit eine gewisse Atmosphäre zu schaffen und manche Zusammenhänge durch
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sie repräsentieren zu lassen, die dann nicht weiter ausgeführt zu werden brauchen; fern liegt ihm alles Aphoristische. Er lässt sich vielmehr allein bestimmen durch die Gewichtigkeit jeder Persönlichkeit, Einrichtung oder Begebenheit für die von ihm geschilderte Welt des hohen Mittelalters. Nicht einmal so viel Willkür gestattet er sich, dass er sehr bekannte Dinge nur kurz andeutet, um dafür weniger Geläufiges oder erst neu Entdecktes eingehender zu schildern. Reflexionen vom eigenen Standpunkt aus, die hervorgehen aus dem Bedürfnis des Sichselbstsuchens und -findens, sind erst recht selten. Pragmatische Erörterungen, die auf die politische oder sittliche Gestaltung von Gegenwart und Zukunft bezogen sind, fehlen ganz. Auch die fachwissenschaftliche Problematik kommt kaum zum Ausdruck, der Leser wird selten durch ungelöste Fragen beunruhigt und angeregt. Allbeherrschend ist in Hampes Schaffen sein Gegenstand selbst und das Streben nach episch kraftvoll bewegtem und gleichmässigem Fluss der Erzählung. Dies alles wird unangetastet erhalten werden müssen. Eine Entscheidung, wie weit eine inhaltliche Ausgestaltung in Hampes eigener Absicht gelegen haben könnte, muss auf einer Besinnung über den Charakter dieses Meisterwerkes beruhen. Eine solche Erwägung dürfte aber die beste Einführung darstellen und zugleich kenntlich machen, in welchen, für eine allgemeingeschichtliche Synthese wesentlichen Richtungen sich die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten fortgebildet hat. Hampe hat es sehr ernst genommen mit einer „Einheitsdarstellung" der abendländischen Geschichte des hohen Mittelalters. Das „Nebeneinanderreihen der einzelnen Völkergeschichten" genügt ihm nicht, sondern die Dinge müssten, erklärt er, sich stets von einem Hauptzentrum aus betrachten lassen. „Und die Einheit wird um so greifbarer hervortreten, je umfassender die Gesamtkultur des Kreises in die Darstellung einbezogen wird." Aber trotzdem er ungewöhnlich offen ist für die kulturellen Wechselbeziehungen der germanischen und romanischen Völker, und obwohl er die wichtigsten philosophischen, theologischen, religiösen, literarischen und künstlerischen Bewegungen liebevoll verzeichnet, bleibt überraschenderweise die Dominante doch politische Geschichte: und die politische Geschichte sogar im Sinne der grossen deutschen Tradition des 19. Jahrhunderts mit ihrem chronologischen Grundschema und der genetischen und kausalen Verknüpfungsart. Es handelt sich vor allem also immer um das Wachstum und den Verfall der grossen Mächte, ihr gegenseitiges Ringen, die Vielfalt der politischen und kriegerischen Ereignisse, sowie die Eigenart und die Rolle der Persönlichkeiten, von denen jeweils die betrachtete Welt gestaltet wurde. Dass bei einer solchen
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Ansicht im Hochmittelalter das deutsche Imperium im Mittelpunkt steht, liegt nahe. Und so wird man leicht bemerken, dass der Aufbau der Hampeschen Geschichtsschreibung sich ganz überwiegend nach den Epochen der Geschichte des Imperiums gliedert. Die Erklärung für die beschriebene Grundhaltung ist einmal darin zu finden, dass Hampe, 1869 geboren, zu der Generation gehört, die in dem selbstbewussten jungen Reich Bismarcks aufwuchs, umgeben von europäischen Grossmächten, die nationale Imperien gründeten und den Stolz ihrer Völker in den dabei erzielten Erfolgen fanden. So sehr Hampe durch Gerechtigkeitsgefühl und massvolle Art ausgezeichnet war, so sehr er nationalistischen Dünkel als Barbarei verabscheute, so verehrte er doch mit seiner Zeit den nationalen Gedanken als ethisches Prinzip und erblickte er in sittlich gezügelter Machtpolitik, in Selbstbehauptung und kluger Gestaltung der Welt des Realen einen Ausdruck menschlichen Wertes. Deshalb jene Anteilnahme an politischer Kunst und Meisterschaft in der Geschichte, die sich in den meisten seiner darstellerischen Werke findet, in der „Kaisergeschichte" und den „Herrschergestalten" ebenso wie im „Hochmittelalter". Diese politisch-geschichtliche Orientierung herrschte nun seit der Abwendung der Historiker von der idealistischen Philosophie in Deutschland überhaupt vor. Gerade in der gleichen Periode, in der Mitte und am Ende des 19. Jahrhunderts, gelangte dort aber die geschichtswissenschaftliche Methode zur Blüte, ja zu einer nie vorher erreichten Feinheit und technischen Leistungsfähigkeit. Und zwar arbeitet sie sich zu diesem Niveau empor hauptsächlich eben an politisch-historischen Stoffen des Mittelalters. Und so kommt es, dass die Erkenntnis der politischen Geschichte bereits eine hohe Reife und Sicherheit erlangte. Da es aber in Hampes verantwortungsbewusster Art lag, seinen Lesern nicht gewagte Apergus zu bieten, forscherliche Versuche und Vorstösse in fachwissenschaft· liehen Untersuchungen zu weiterer Erprobung zurückzuhalten und die Darstellung für ein grösseres Publikum vorsichtig auf gesicherte Erkenntnisse zu beschränken, ist es leicht erklärlich, dass schon deshalb jene ausgereifte politische Geschichte als Grundlage auch des Hochmittelalters von ihm festgehalten wurde. Und er verfügte ja, wie wenige in dieser Hinsicht über eine ausgebreitete Gelehrsamkeit und eine methodische Meisterschaft. War er doch in der besten geschichtswissenschaftlichen Schule Deutschlands, derjenigen Paul Scheffer-Boichorsts, herangebildet worden und hatte als Editor und kritischer Forscher sein Leben lang sich die Nähe zu den Quellen und das wissenschaftliche Fingerspitzengefühl erhalten. Auf die Weiterbildung der politischen Geschichte des Mittelalters seit dem
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Ende des vorigen Jahrhunderts ist Hampe indessen verhältnismässig wenig eingegangen. Betrachten wir kurz, worum es sich dabei handelt. Es zeigte sich in zunehmendem Mass das Streben, die geistigen, religiösen, wirstschaftlichen, rechtlichen und sozialen Grundlagen, Triebkräfte und Auswirkungen der politischen Dynamik mitzuerfassen. Dabei ergaben sich allerdings anfänglich und zeigen sich überhaupt naturgemäss leicht Erscheinungen, die für den Historiker etwas Störendes haben. Institutionen, Wirtschaftsformen, Rechtssysteme, soziale Ordnungen, ja geistige und religiöse Haltungen werden oft querschnittartig, als etwas Unabänderliches behandelt oder gar isoliert, um beschrieben werden zu können. Starre Begriffe und Typen werden abstrahiert und stehen dann der lebendig bewegten Geschichte entgegen. Aus dem vorigen Jahrhundert ererbte sich beispielsweise eine bezeichnende Spannung zwischen der systematisierenden Rechtsgeschichte und der dynamischen Geschichte, oder soziologische Typen und wirtschaftliche oder philosophische Doktrinen verletzten das Individualitätsgefühl der Historiker. Dabei ist es indessen nicht geblieben. Man kann sagen, dass in unserem Jahrhundert mit grosser Energie und bedeutenden Erfolgen solchen Hemmungen begegnet wurde, und sich neben die alte politisch-geschichtliche Betrachtungsweise, die immer noch weiter ihr Recht behaupten wird, eine neue gestellt hat, die Hampes Forderung nach einer wirklichen „Einheitsdarstellung" gerecht zu werden geeignet ist. Sie ist keine querschnittartige „Kulturgeschichte" mehr, der es an Bewegtheit und Dramatik fehlt. Sondern es zeigt sich ein Ineinander von Kulturgeschichte und politischer Geschichte, bei der die alte Starrheit jener gelöst, und diese an Anschaulichkeit, Konkretheit und begrifflicher Bestimmtheit gewinnt. Es handelt sich dabei freilich um eine Entwicklung, die noch längst nicht zum Abschluss gekommen ist. Hampe hat von den wirtschaftsgeschichtlichen Ergebnissen, die aus solchem Streben heraus gewonnen wurden, einen auffallend geringen Gebrauch gemacht. Der Leser wird daher gut tun, seine politisch- und sozialgeschichtlichen Anschauungen durch Hinzunahme der „Allgemeinen Wirtschaftsgegeschichte" von R. Kötzsche (1924) oder auch derjenigen von J. Kulischer I. 1928) zu vervollständigen. Sicher hätte Hampe selbst die neuen Ergebnisse über das Städtewesen in eine Neuauflage eingetragen, die zuletzt in mehreren erhellenden Aufsätzen von H. Planitz ausgewertet wurden (Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germanistik, Abteilung 60, 63 und 64, 1939-1943). Zweifelhaft erscheint mir dagegen, ob er schon die überaus wichtige Reichsgutforschung berücksichtigen würde, die doch in der wissenschaftlichen Diskussion noch nicht zu voller Abklärung gelangt ist. Ebenso gewagt würde es ihm
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vielleicht erscheinen, die Ergebnisse der aufblühenden historischen Landesund Siedlungskunde einzubeziehen, da sie sich doch erst noch selten bei einer gesamtabendländischen Behandlung dem vergleichenden Blick zu einem Ganzen zusammenfügen will. Und eine neue Richtung der historischen Genealogie steht überhaupt noch in den Anfängen. Wer sich so sehr mit der Möglichkeit der Biographik im Mittelalter beschäftigte wie Hampe, hätte ihr zwar gewiss Aufmerksamkeit zugewandt; doch Biographien von mittelalterlichen Menschen kann man ja nicht in dem Sinne schreiben, wie sie von Persönlichkeiten der Antike, der Renaissance oder gar des 18. und 19. Jahrhunderts möglich sind. Auch Hampes Biographien können bloss in geringem Masse die Charakteristik oder gar die Entwicklung von Menschen zeichnen, sondern lediglich die Geschichte ihrer Lebenszeit oder der Bewegungen, die sie tragen oder von denen sie getragen werden. Da kommen denn vergangene Menschen am ehesten zu ihrem Recht in dem Leben ihrer Familien und den dem Familienleben zugrundeliegenden Anschauungen, die von jener genealogischen Forschung entdeckt werden, vor allem aber auch in den sozialen Beziehungen, in denen sie stehen. Man wird aber bald keine europäische Staatengeschichte, selbst nicht einmal eine abendländische Geschichte schreiben können, ohne darzustellen, wie die führende Schicht sich zusammensetzt und sogar eine zusammenbindende Funktion über die Ländergrenzen hinaus üben kann. Sicherlich nicht vorübergehen würde Hampe heute an der vergleichenden europäischen Verfassungsgeschichte und der geistesgeschichtlichen Erforschung der mittelalterlichen Politik, die beide in engem Zusammenhang mit einander stehen. F. Kern hatte schon vor dem ersten Weltkrieg zwei Vollreife und ungewöhnlich bedeutende Werke dieser Gattung, „Humana Civilitas" und „Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im früheren Mittelalter" veröffentlicht (1913-14), dann aber diese Forschungsrichtung nicht selbst fortgesetzt. In den beiden letzten Jahrzehnten ist sie jedoch wieder stark in den Vordergrund getreten und hat wohl die eindrucksvollsten Erfolge in der Erforschung des hohen Mittelalters erzielt. Man hat nun vollen Ernst gemacht mit der Distanzierung des mittelalterlichen vom modernen Staat und hat damit überhaupt erst eine solide Grundlage zum Verständnis des Mittelalters und zur Erforschung der Entwicklungsgeschichte des neuzeitlichen Staatsabsolutismus gewonnen. Bezeichnend für die Energie, die daran gewandt wurde, ist etwa das Buch von O. Brunner, „Land und Herrschaft" (2. Aufl., 1942); eine Monographie zwar, die aber mit echtem allgemeinhistorischen Sinn verfasst ist. Von bewunderungswürdiger Spannweite sind die grossen Werke von H. Mitteis über das Lehnswesen („Lehnsrecht und Staatsgewalt",
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1933 und „Der Staat des hohen Mittelalters", 4. Aufl., 1953). Gerade Mitteis, bei dem Einflüsse seines Lehrers Otto von Gierke zu spüren sind, hat einen Hauptanteil an der erwähnten Auflösung des sterilen Gegensatzes von Rechtssystematik und Geschichte, ohne etwas von der den Juristen auszeichnenden Begriffsklarheit aufzugeben. Wie er sein Schaffen selbst an die Universalgeschichte anzuschliessen sucht, legte er jüngst in dem anregenden Büchlein „Vom Lebenswert der Rechtsgeschichte" (1947) dar. Bis zu den weitesten Horizonten reicht der Blick O. Hintzes, der weniger die Rechts- und Sozialordnungen der europäischen Länder vergleichend beobachtet wie Mitreis, sondern mit Hilfe einer vorbildlichen soziologischen Typenlehre, die nichts von der Sachnähe des gediegenen Historikers opfert, den mittelalterlichen Staat weltgeschichtlich charakerisiert. Wieviel ferner die Geschichtswissenschaft von der Staatslehre zu lernen hat, zeigt etwa das bekannte Buch von H. Triepel, „Hegemonie" (2. Aufl., 1943). Die Arbeit der genannten und vieler anderer Forscher hat die vergleichsweise lockere Struktur des früh- und hochmittelalterlichen Staates kennen gelehrt. Das Gefühl für die Einheitlichkeit und Ausschliesslichkeit einer Staatsgewalt nach innen und aussen ist noch nicht weit entwickelt. Der Staat hat viel geringere eigene Schwerkraft, lässt sich nicht von anderen Lebensmächten isolieren, sondern ist ein offneres und labileres Ordnungsgefüge. Daraus ergibt sich, dass mittelalterliche Politik weit stärker geprägt ist, insbesondere durch ethische und religiöse Gegebenheiten, die ihrerseits freilich auch mehr ins polit ische Leben verflochten sind. Das zu verfolgen und tiefer zu erfassen, ist jetzt ein Hauptanliegen der mittelalterlichen Geschichtsforschung. Hampe hat schon zu seinen Lebzeiten etwa den vorwärtsführenden Werken von P. E. Schramm, C. Erdmann, H. Grundmann wacheste Aufmerksamkeit gewidmet, er hätte sie gewiss auch den jüngeren Arbeiten dieser Historiker und den Büchern von W. Berges, W. Kienast und E. Kantorowicz u.a. erhalten. Sicherlich würde er auch bei schärfster und zurückhaltendster Prüfung dessen, was an den neuen Forschungsergebnissen denn das allgemeinhistorische Bild verändert, etwa auf die Idee des heiligen Krieges, auf naturrechtliche Vorstellungen und kosmologische Parallelismen in ihrer Bedeutung für die monarchische Theorie und die politische Ethik, auf die Geschichte der fürstlichen Gottunmittelbarkeit und die geistliche Symbolik als Stütze und Rechtfertigung des immer mächtiger werdenden europäischen Königtums eingegangen sein. Mit diesen wenigen Andeutungen dürfen wir uns hier begnügen. Wenn man nun aller die Taten der Fürsten und Völker Europas im Hochmittelalter in innigem Zusammenhang mit den wechselnden geistigen und
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materiellen Antrieben und Zielen behandelt, so wird das Imperium ebensowenig die zentrale Stellung behaupten — die es in einer im engeren Sinne politischen Geschichte mit Recht hatte — wie in einer europäischen Literatur-, Religions- oder Wissenschaftsgeschichte. Die gestaltenden politischen Antriebe gehen dann ebensooft von anderen Ländern aus wie vom Reich. In Mitteis' Geschichte des Lehnsrechtes oder Schramms Werken wird das ganz deutlich. Es ist heute vielleicht besonders wichtig zu bemerken, daß diese Verschiebung der Gesichtspunkte der deutschen Forschung dem Zusammenbruch des deutschen Staates längst vorausgegangen ist, also keine Anpassung an die jetzige politische Lage des deutschen Volkes oder auch an die in ein akutes Stadium eingetretene Umbildung des Staatsgefühls in Europa überhaupt darstellt, sondern aus echte.n geistigen und wissenschaftlichen Bedürfnissen hervorgegangen ist. Die Geschichtswissenschaft ist heute schon soweit gekommen, daß man bereits vor einer Vernachlässigung der Geschichte des Imperiums warnen muß. Hampe wäre dieser Aufgabe gewiß nicht untreu geworden. Und er hätte auch, trotz aller Aufgeschlossenheit für neue Forschungen und Probleme, unserer festen Überzeugung nach an dem Rahmen seines „Hochmittelalters" festgehalten. Deshalb sollte auch eine Neuebarbeitung nichts daran ändern. Denn wir dürfen es wiederholen: auch wenn eine künftige Geschichtsschreibung selbständige Wege einschlägt, dürfte Hampes Werk in seiner persönlichen Geprägtheit und seiner Verbundenheit mit einer wertvollen und ehrwürdigen Tradition dem vergleichenden Blick erst recht seinen Wert offenbaren und noch lange seinen hervorragenden Platz behaupten. Gerd Teilenbach
PERSONEN- UND SACHREGISTER (Abkürzungen: A. - Abe, Α. = Äbtissin, Β. =· Bischof, EB. = Erzbischof, F. = Fürst, Fl. = Fluß, Ft. = Fürstentum, Gf. = Graf, Gfsch. - Gralschaft, Gem. = Gemahlin, Hzg. = Herzog, Hzgt. = Herzogtum, Kg. = König, Kgr. = Königreich, Kais. = Kaiser, Kard. — Kardinal, Kl. = Kloster, M. = Mönch, Mkg. = Markgraf, Mkgrt. = Markgrafschaft, S. = Sohn, St. = Stadt, T . = Tochter, hl. = heilig, ö = östlich, nordö. = nordöstlich, sü. — südlich, südö. = südöstlich, südw. = südwestlich, w. •= westlich.) Aachen 13, 37, 39, 5 3 , 5 8 , 61 97, 308, 329, 341, 360, 374 A b a (Ovo), Gegenkg. i. U n g a r n ( f 1045) 8 4 Abälaid s. Peter Abbasiden, Kalifendynastie 38, 291 Abbo, A. v. Fleury (9881004) 49, 5 3 Abderrahman III., Kalif v. Cordova (912-961) 19 Abotriten (Obotriten), Slawenstämme in Mecklenburg und Holstein 39, 41, 67,85, 111,281,211 Absalon (Axel), dän. Staatsmann, EB. v. Lund (11781201), vorher (seit 1157) B. v. Roeskilde 282, 284, 345 Abu al Kasim, Emir v. Sizilien ( f 982) 3 9 Achaja, Ft. im Peloponnes 351 Adalbero, EB. v. Reims (969-987) 45 Adalbero, B. v. Laon (9771030) 4 9 Adalbert, EB. v. Bremen (1043-1072) 85, 96, 103, 111, 119, 126 Adalbert, EB. v. Magdeburg (968-981) 34, 52 Adalbert I., EB. v. Mainz (1111-1137), vorher Kanzler Kais. Heinrichs V . 163, 183 Adalbert, hl. (Woytech), aus der Familie Slavnik, B. v. Prag (983-997) 52, 56, 84, 93 Adalbert, Kg. v. Italien (950-966), S o h n Kg. Berengars II. 16 Adalbold, B. v. U t r e c h t (1010-1026) 95 Adaldag, EB. v. Bremen (936-988) 23 Adam, Leiter der Bremer Domschule, Historiker 96
Adelard v. Bath, engl. Gelehrter 226 Adelheid ( f 999), Gem. Kais. O t t o s d. G r . , vorher Kg. Lothars v. Italien, T . Kg. Rudolfs II. v. Burgund 15, 16, 32, 40, 49, 68 Adhemar v. Monteil, B. v. Puy (1087-1098), päpstl. Legat 148, 150, 152 Adolf v. Altena ( | 1220), EB. v. Köln (1193-1208) 307-310,319,329 Adolf II. v. Schauenburg, G f . v. Holstein (1131 bis 1164) 189, 218, 281, 282 Adrianopel 147, 296, 352 Adso, A. v. Montierender (967/68-992) 3 2 Afrika ( = Nordafrika) 38, 101, 108, 145, 185, 208, 212, 219, 246, 307, 343, 382 Agapet II., Papst (946-955) 14, 17 Agnes v. Poitou ( f 1077), 2. G e m . Kais. Heinrichs III., T . Hzg. Wilhelms V . v. Aquitanien 86, 105, 109, 110 Agnes ( f 1143), G e m . Hzg. Friedrichs I. v. Schwaben, dann M k g . Leopolds III. v. Österreich, T . Kais. Heinrichs I V . 132 Ägypten 152 ff., 209, 214, 287, 291, 311, 349, 350, 363, 364, 414, 415 Aigues-Mortes, südw. Arles 414 Aimeric v. Peguilain, Troubadour 358 Akkon (St. Jean d'Acre) 297 ff., 310, 380 Alanus v. Lille, lat. Dichter 370 Alba, südö. R o m 142 Albanien 136 Alberich II., Senator v. R o m (932-954) 17, 21, 24, 69
Alberich III., Konsul u. Hzg. d. R ö m e r 79 Albero, EB. v. Trier (1131 bis 1152) 194, 207 Albert v. Appeldern, B. v. R i g a (1199-1229) 345 Albert, Erwählter B. v. Lüttich (1191/92) 3 0 4 Albert G f . v. Boilstädt (Albertus Magnus), dominik. Gelehrter ( f 1280) 370, 417, 418 Albi, nordö. Toulouse 279 Albigenser, nach Albi ben a n n t e Katharer i. Südfrankreich 279, 3 5 4 ff. Albrecht I., H z g . v. Sachsen (1212-1261) 414 Albrecht d. Bär, M k g . d. Nordmark (1134-1170) 194, 218, 281, 284 Aleppo, St. i. Nordsyrien 212,214,292,311 Alessandria (Caesarea), St. südw. Pavia 273, 285 Alexander II., Papst (1061 bis 1073), vorher B. Anselm I. v. Lucca (seit 1057) 110 ff., 117 ff., 123, 124, 173 Alexander III., Papst (1159 bis 1181), vorher Kard. Roland 227, 244, 246, 252 ff, 316, 342, 353 Alexander v. Haies ( f 1245), engl. Minorit u. Scholastiker 370 Alexandria, ägypt. Hafenstadt 360 Alexios I. Komnenos, byzant. Kais. (1081-1118) 136, 147, 151, 152, 209 Alexios III. Angelos, byzant. Kais. (1195-1203, f 1210)311,350 Alexios I V . Angelos, byzant. Kais. (1203/4) 350 Alexios V., byzant. Kais. (1204) 350 Alfons I., Kg. v. Aragonien (1104-1134) 207
REGISTER Alfons VI., Kg. ν. Kastilien (1073-1109) u. v. Le6n seit (1065) 145 Alfons VII., Kg. (Kais.) v. Kastilien u. Leön (1126 bis 1157) 207, 211,212,342 Alfons VIII., Kg. v. Kastilien (1158-1214) 271, 343 Alfons IX., Kg. v. Le6n (1188-1230) 343 Alfons I., Kg. (vorher Gf.) v. Portugal (1139-1185) 212 Alfons II., Kg. v. Portugal (1211-1223) 342 Alfred d. Gr., Kg. d. Angelsachsen (871-901) 10, 44 Alife, b. Capua, s. Rainulf Almansor, Regent v. Cordova ( f 1002) 38, 73 Almeria, südspan. Hafenstadt 211 Almohaden, islam. Sekte u. Dynastie i. Nordafrika u. Spanien 209, 219, 342, 408 Almoraviden, islam. Sekte u. Dynastie i. Nordafrika u. Spanien (1147 v. d. Almohaden gestürzt) 145, 208 Alphonsi, s. Petrus Altena, i. Westfalen, s. Adolf Alter vom Berge, Haupt d. Assassinen 300 Amalfi, St. südö. Neapel 83, 91, 108, 146, 188 Amalrichl., Kg. v. Jerusalem (1162-1173) 291, 292 Amalrich (II.) v. Lusignan, Kg. v. Zypern (seit 1194) u. v. Jerusalem (1198 bis 1205) 311 Amalrich, S. Simons v. Montfort 357 Amalrich ν. Βέηε, Sektierer i. Paris 314 Amarcius, rhein. Geistlicher 94 Amerika 43, 222 Amiens, St. i. d. Pikardie 235, 238, 392 Anagni, südö. Rom 131, 275, 358, 404 Anaklet II., Gegenpapst (1130-1138), vorher Kard. Petrus Pierleoni 184 ff., 190 f., 205
Ancona, St. 264, 398; Mark 314, 317, 414 Andalusien 230, 343 Andernach, am Rhein 322 Andreas II., Kg. v. Ungarn (1205-1235) 346, 362, 375 Andronikos I., Komnenos, byzant. Kais. (1183 bis 1185) 287 Angeloi, byzant. Kaiserdynastie 349 Angelsachsen 10, 44, 77, 85, 117,118,260 Anglonormannen s. England Aniane, KI. nordö. Narbonne 20 Anjou, Gfsch. 116, 158, 175, 196, 218, 235, 329 Anna Komnena ( f um 1150) T . d. byzant. Kais. Alexios I. 151 Anno, hl., EB. v. Köln (1056 bis 1075) 110 ff, 126 Annweiler, w. Landau, s. Markward Anselm v. Aosta, hl., EB. v. Canterbury (1093 bis 1109), vomer A. v. Bee, Scholastiker 144,165,196, 198, 200, 227, 262, 369 Anselm I., Β. v. Lucca, s. Alexander II. Anselm II., Β. v. Lucca (1073-1086) 141 Anselm v. Besäte, Rhetoriker 98 Antelami s. Benedetto Antichrist 32, 48, 87, 138, 208, 254, 401, 402, 406 416 Antike Kultureinflüsse 5, 30-32, 35, 47, 54, 94, 96, 193, 222, 224-233, 235, 237-239, 260, 321, 323, 344, 357, 383, 392, 416 Antiochia, St. u. Ft. i. Syrien 148, 152 ff., 188, 209, 212, 214, 293, 298, 347 Antonius v. Padua, hl. ( t 1231), minorit. Prediger 367, 370 Aosta v. Turin, s. Anselm Apennin öfter; besonders 130, 265, 412 Appeldern s. Albert
427 Apulien, Apulier 39, 70, 91, 107, 137, 185, 190, 191, 310, 376, 383, 393, 402 Aquileja, Patriarchat i. Friaul 101, 215, 289, 392 Aquino, v. Gaera, s. Thomas Aquitanien 46, 73, 186, 197, 207, 218, 253, 294, 299, 326, 329, 337 Araber, arabisch 32, 38, 47, 83, 101, 123, 155, 191 ff., 223, ff, 230, 343, 369, 371, 382; vgl. auch Islam, Mauren, Mohammedaner, Orient, Sarazenen Aragonien 73, 115, 145, 207, 255, 342, 356, 368 Arbrissel s. Robert Archipoeta s. Erzpoet Arduin, Mkg. v. Ivrea, Kg. v. Italien (1002-1013) 59, 68,73 Arezzo, südö. Florenz, s. Guido Ariald, Führer d. mailänd. Pataria 109 Ariano, ö. Benevent 192 Aribert, EB. v. Mailand (1018-1045) 82, 83, 88, 109 Aribo, EB. v. Mainz (1021 bis 1031) 75 Aristipp, Archidiakon v. Catania 225, 226 Aristoteles 151, 166, 198, 203, 225, 226, 260, 368ff., 382, 417 Arles, a. Rhone 91, 238 Armenien 123, 152; Kleinarmenien ( = Kilikien), Ft., dann Kgr. a. d. Südküste Kleinasiens 209, 210, 297, 298, 311, 348 Arnold v. Seelenhofen, EB. v. Mainz (1153-1160) 257 Arnold ( t 1225), A. v. Citeaux, später (1213) EB. v. Narbonne 356 Arnold v. Brescia ( f 1155), kirchenpolit. Reformer 205, 206, 217, 224, 244 Arnulf, EB. v. Reims (989/91 u. 996/98-1021) 46, 47, 55 Arnulf II., B. v. Orleans (987-1003) 48
428 Arnulf, röm. Kais., firänk.deutsch. Kg. (887-899) 8, 12, 16 Arpaden, ungar. Herrschergeschlecht 42 Arslan s. Kilidsch Arthur, Hzg. d. Bretagne (1196-1203)327,328 Artois, i. Nordostfrankreich 294 Artus od. Artur, Kg. der Briten, Mittelpunkt eines Sagenkreises 232, 286 Asaniden, bulgar. Herrschergeschlecht 347 Asien 402, 403 Askalon, Hafenst. Südpalästinas 151,214, 291,301, 302 Askanier, norddeutsches Herrschergeschlecht 190 Α ss assinen, islam, polit.relig. Sekte i. Vorderasien 300 Assisi, i. Umbrien 354, 366, 388 Aethelred II., Kg. v. England (978-1016) 44, 77 Athen, latein. Hzgt. 351,353 Äthiopier 386 Ätna 226 Attalia, a. d. Südküste Kleinasiens 214 Atto, B. v. Vercelli (924 bis 961) 31 Aue s. Hartmann Augsburg 17, 19, 111, 130, 135 Augustin, hl. Kirchenvater 113, 125, 140, 177, 197 if., 208 Augustiner-Chorherren 140, 204, 345, 355 Augustiner-Eremiten 366 Augustinerregel 140,181,355 Augustus, röm. Kais. 385, 401 Aura, Kl. b. Kissingen 176 Aurillac, südw. Qermont Ferrand 46 Autun, nordw. Chalons-s.Saone 238 Auvergne, Landsch. i. südö. Frankreich 72, 158 Aventin, Hügel i. Rom 52, 55, 59
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Averroes (IbnRuschd),arab. Basileios II., d. BulgarentöPhilosoph i. Spanien ter, byzant. Kais. (976 bis (t 1198) 369 ff., 382, 417 1025) 70 Aversa, Gfsch. n. Neapel 83, Batatzes s. Johannes III. 91 Dukas Avranches, i. d. w. Norman- Bath, St. südö. Bristol, s. die 268 Adelard Bautzen, St. i. d. Oberlausitz 68 Babenberger, österr. Dy- Bayern s. Baiern nastie 195, 242, 325, 394 Bayeux, i. d. Normandie Bagdad, Kalifat 38, 146, 117 Beatrix (f 1184), 2. Gem. 148, 152, 291, 292 Kais. Friedrichs I., T. d. Baiern (Bayern), Hzgt. 8,10, Pfalzgf. Rainald II. v. 11 ff., 17,18, 21,37,40,63, Burgund 242, 264 77,80,85,88, 96, 103, 110, 127, 159, 194, 211, 218, Beatrix (f 1076), Gem. d. Mkg. Bonifaz v. Tuszien 241, 274, 283, 330, 408 103 Balduin I., Latein. Kais. (1204-1205), vorher Β. IX., Bec, Kl. i. d. Normandie, südw. Rouen 114, 144 Gf. v. Flandern (seit 1194) Becket s. Thomas 336, 351 Balduin I., Kg. v. Jerusalem Beghinen, relig. Frauengenossenschaft 366 (1100-1118), vorher (seit 1098) F. v. Edessa, Bruder Beirut 312 Hzg. Gottfrieds v. Bouil- Bela IV., Kg. v. Ungarn (1235-1270) 402 lon 149, 152-156, 209 Balduin II., Kg. v. Jerusalem B£ne s. Amalrich Benedetto Antelami, lom(1118-1131) 209 bard. Bildhauer 383 Balduin III., Kg. v. Jerusa- Benedikt VIII., Papst (1012 lem (1143-1162) 214 bis 1024) 69 ff., 78 f. Balduin IV., Kg. v. Jerusa- Benedikt IX., Papst (1032 lem (1173-1185) 292 bis 1045 u. 1047/48) 79, Balduin V., Kg. v. Jerusalem 83, 89 (1185/86) 292 Benedikt, A. v. Aniane Balduin IV., Gf. v. Flandern (f 821) 20 (988-1036) 66 Benedikt v. Nursia, hl., A. v. St. B41e, Kl. b. Reims 46 Montecassino ("j"542) 21, Balearen, Inselgruppe, i. 52, 56, 314 westl. Mittelmeer 70, 108, Benedikt v. St. Andrea, ital. 408 M. u. Chronist 31 Balkan, Balkanhalbinsel Benedikt, A. v. Peterbo147, 307 rough, engl. Chronist Baltenland 345 (f 1194) 258 Baltisches Meer, Baltikum s. Benediktiner, BenediktinerOstsee regel 20, 21, 33, 80, 94, 96, Bamberg, St. u. Bistum 65, 133, 176 71, 102, 171, 176, 330, 391 Benevent, St. u. Ft., nordö. Barbarossa s. Friedrich I. Neapel 7, 27, 29, 60, 71, Barcelona 7, 38 91, 102, 107, 245, 264, 398 Bari, Hauptst. Apuliens 107, St. Benigne, Kl. s. Dijon 108, 150, 190 Benzo, B. v. Alba (seit d. de Barry s. Gerald 50er Jahren d. 11. Jhdts., Basel 11,66, 110,322 f nach 1086) 142 Basilianerklöster i. Südita- Berard, EB. v. Palermo lien 193 (1213-1252) 415
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Blanka v. Kastilien (t 1252), Gem. Kg. Ludwigs VIII. v. Frankreich 407 Blankenburg, sächs. Grafengeschlecht, s. Hugo v. St. Viktor St. Blasien, Kl. im Südschwarzwald 132 Bobbio, Kl. nordö. Genua 47 Böckelheim a. d. Nahe 160 Bodfeld a. Harz 104 Boethius (470-525), Philosoph u. Schriftsteller 95, 198, 203, 225 Bogomilen (Bogumilen), Sekte in Bulgarien 278, 347 Bohemund I., F. v. Antiochia (1098-1111), S. d. Robert Guiscard 136, 150 ff. Bohemund II., F. v. Antiochia (1101/26-1131) 189, 209 Böhmen, Hzgt., seit 1158/ 1198 Kgr. 11, 18, 29, 37, 41 ff., 52, 67, 84, 91, 98, 124, 177, 190, 205, 207, 254 273, 321, 346, 403, 408 Boleslaw I., der Grausame, Hzg. v. Böhmen (929 bis 967) 18 Boleslaw II., Hzg. v. Böhmen (967-999) 29, 41, 53 Boleslaw I. Chrobry, Hzg., zuletzt Kg. v. Polen (922 bis 1025) 42, 53,57, 67, 68, 76 Boleslaw III., Hzg. v. Polen (1102-1138) 189, 195 Boilstädt s. Albert Bologna 227, 228, 244, 260, 273, 315, 359, 363, 366, 370, 377, 387, 413 Bonaventura, Minoritengeneral (f 1274) 366, 370 Bonifaz VII., Papst (974 bis 984/985) 48 Bonifaz, Kg. v. Thessalonich (1204-1207), vorher Mkg. v. Montferrat 348, 351, 282 352 Bingen, St. a. Rhein 201 Birkenbeiner, Adelspartei in Bonifaz, Mkg. v. Tuszien (f 1052) 103 Norwegen 344
Berber, arabisierte hamit. Völkerstämme i. Nordafrika 145 Berengar v. Tours, franz. Scholastiker (fl088) 113, 197 Berengar II., Kg. v. Italien (950-964: t 9 6 6 ) - vorher Mkg. v. Ivrea 15ff.,31, 68 Bern (Bemo), A. v. Reichenau (1008-1048) 79, 95 Bernardo Orlando di Rossi, Schwager Papst Innozenz' IV. 410, 412 Bernhard, Kard. unter Papst Gregor VII. 132 Bernhard, hl., A. v. Clairvaux (1115-1153) 72, 105, 180 ff., 219, 224, 293 Bernhard, A. v. St. Viktor i. Marseille, Legat Gregors VII. (1077) 132 Bernhard, Lehrer u. Kanzler i. Chartres (f vor 1130) 225 Bernhard v. Ventadorn, Troubadour 231 Berno, A. v. Cluny (910 bis 927) 20 Bernward, B. v. Hildesheim (933-1022) 50, 60, 97 Berta (f 1088), Gem. Kais. Heinrichs IV. 137 Berta (f 1031), Gem. Kg. Roberts II. v. Frankreich 53 Bertinoro, Gfsch. i. d. Romagna 313 Bertrada, Gem. d. Gf. Fulco v. Anjou 144 Bertran de Born (f 1215), Troubadour 294 Bertrand, Gf. v. Tripolis (t 1111) 155 Besangon 91, 246 Besäte s. Anselm Bethlehem 379 Biziers, nordö. Narbonne 279, 356 Bianello, n. Canossa 130 Billunger, sächs. Herzogsgeschlecht 103,127,163 f.,
Bonizo, B. v. Sutri (1075/76 bis 1082, f als B. v. Piacenza um 1090) 141 Bonn, St. a. Rhein 322 Böotien 212 Bordeaux, Hauptst. Aquitaniens 414 de Born s. Bertran Bornhöved, sü. Kiel 375 Bosporus 350 BouUlon, sü. Namur, s. Gottfried Boulogne, nordfranz. Hafenst. 336 Bourges, St. südö. Orleans 197 Bouvines, südö. Lille 336 ff., 341 Brabant, Hzgt. 304 Braga, portug. Erzbistum 165 Brandenburg, Bist. u. Teil d. Nordmark 18, 68, 190, 218, 281 Braunschweig 283, 284, 286, 322, 330, 341, 392, 394 Bremen, mit Hamburg vereinigtes Erzbist. 23,29,67, 85, 92, 96, 111, 144, 189, 298, 345 f., 393 Brenner, Alpenpass 17, 392, 411 Brescia, St. ö. Mailand 396 Breslau, Bist. 57 Bretagne, Bretonen 6,7, 13, 158, 201 ff., 211, 231, 232, 253, 324, 329 Bretislaw I., Hzg. v. Böhmen (1034-1055) 84 Brienne, St. nordö. Troyes; s. Walter u. Isabella Brindisi, St. in Apulien 136, 360, 379, 380, 400 Brixen, Bist, in Südtirol 90, 135 Brogne, Kl. in Lothringen 21
Brügge 337 Bruis, i. d. Provence, s. Peter Brun I., EB. v. Köln (953 bis 965), Bruder u. Kanzler Kais. Ottos d. Gr. 22, 33, 34 Brun v. Kärnten, Kaplan, s. Gregor V. Brun v. Querfurt, Preussenmissionar (f 1009) 93
430 Bruno, Β. v. Toul, s. Leo IX. Bruno, Kölner Kanoniker (1101) Gründer d. Kartäuserordens 158 Bruno, Geistlicher i. Merseburg, Historiker 176 v. Buch s. Christian Bulgaren 29, 38, 70, 147, 149, 278, 347, 352 Bulgarus, bolognes. Jurist 227 Burchard, Propst v. Ursperg (1215-1230/31), Chronist 391 Burdinus s. Gregor VIII. Burgos, St. u. Bist, in Nordspanien 344 Burgund, Kgr. (Hoch- u. Niederburgund), Burgunder, burgundisch 9 ff, 13, 14 f, 16,21,24,32,66, 77 ff., 88, 96, 99, 158, 163, 165, 169, 178, 181, 242, 256, 321 Burgund, franz. Hzgt. 7, 13, 14, 73, 238, 262, 294, 300 Burkhard, B. v. Worms (999-1025) 75 Burzenland, im südl. Siebenbürgen 347, 375 Busketus, Meister des Pisaner Doms 109 Byzantinisches Reich, Byzantiner, Griechen (insbes. auch süditalische) 7, 19, 27, 29 ff., 38, 39,50,52, 54, 58 ff., 70, 71,77, 79, 83, 91, 96, 101, 102, 107, 108, 123, 136, 137, 146, 150 ff., 189, 192 ff, 209 ff., 204, 232, 237, 243, 245 ff, 273, 277, 287 f., 296, 307, 311, 321, 328, 346 ff, 371, 382, 388, 392, 399, 408 Cadalus s. Honorius II. Caen, i. d. Normandie 178 Caffaro, genues. Annalist 211 Calais 340 Calatrava, sü. Toledo 343 Camaldoli, Kl. ö. Florenz (Camaldulenserorden) 52, 157, 206 Cambrai, im nordö. Frankreich 91, 175
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Cambridger Liedersammlung 94 Campagna, römische 315, 392 Canaparius s. Johannes Cannae, nordw. Bari 70 Canossa, Apenninenburg sü. Parma 81, 103, 130 ff, 160, 167, 270, 381 Canterbury, Erzbist. 67, 119, 144, 235 f., 265 ff., 291, 329 Capo delle Colonne, a. d. Ostküste Kalabriens 39 Capoccio s. Peter Capua, St. u. Ft. 27, 83, 91, 107, 190, 191, 376, 383, 388 Carcassone, südö. Toulouse 279 Cardinal s. Peire Caesar 258, 385 Caesarea in Syrien 154 Caesarea s. Alsessandria Caesarius, M. v. Heisterbach 391 Castel del Monte, apul. Schloss 383 Castelnau, b. Montpellier, s. Peter Catania, a. d. Ostküste Siziliens, s. Aristipp Catina (Catino), i. Distrikt Rieti, s. Gregor Cavour 415 Cencius Savelli s. Honorius III. Ceprano, südö. Rom 381, 383, 384 Cevennen, südfranz. Gebirge 46 Champagne, Gfsch.i.nordö. Frankreich 175, 197, 278, 294, 337 Champeaux s. Wilhelm Chartres, St. südw. Paris 200, 203, 216, 225, 231, 238, 239, 392 Chartreuse, Mutterkl. der Kartäuser, n. Grenoble 157 Chätillon, St. südw. Reims, s. Rainald, Walter Chelles, ö. Paris 48 Chiavenna, St. n. v. Comer See 274, 283
China 364 Chinon, südw. Tours 336 Chlothar II., merow. Kg. (584-628) 339 Chowaresmier, türk. Volk aus Turkestan 406 Christian I. v. Buch, EB. v. Mainz (1165-1183) 263, 264, 273, 276 Christian (Chretien) v. Troyes, franz. Epiker 232, 324 Chrobatien, Landschaft a.d. oberen Weichsel 57 Cid Campeador (Ruy Diaz del Vivar, f 1099) 123, 145, 207 Cisa s. La Cisa Citeaux, sü. Dijon, Stammkl. d. Zisterzienser 158, 180 Cividale, St. i. Friaul 390 Civitate, St. nordö. Benevent 102 Clairvaux, südö. Troyes 181 Clarendon, b. Salisbury 261, 267, 268 Clermont-Ferrand, St. in d. Auvergne 144, 148 Cluny, Südw. Chalons-s.Saone, Kl., Kongregation, Reformbewegung 20, 21, 31 f., 44, 48 f., 51, 63 ff, 71 ff, 80, 86 ff, 99 ff, 105, 115, 119, 121, 122, 125 ff, 132, 133, 138 ff, 157, 163, 168, 177, 180, 185, 221, 233, 266 Cölestin III., Papst (1191 bis 1198) 305, 307, 309, 313, 315 Cölestin IV., Papst (1241) 404 Colonna, s. Johann Columbakloster, bei Sena 265 Compostela (Santiago de C.), Haupst. d. span. Galiciens 177 Conti, Grafengeschlecht d. Campagna 315 Corbie, a. d. Somme, s. Ratram Cordova, St. am Guadalquivir, Kalifat 19, 38, 204 Cornwall s. Richard
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Cortenuova, südö. Bergamo 395, 396 Cortona, in Toskana, s. Elias Cosmas, Domherr v. Prag, böhm. Chronist 177 Crassus s. Petrus Creszentier, röm. Adelsgeschlecht 70,89, 90; s. auch Johannes Nomentanus u. Johannes d. J. Cremona 250, 264, 273, 274 289, 378, 414 Dalmatien 58, 108, 124, 150, 349 Damaskus 154, 214, 292, 311, 363, 380 Damasus II., Papst (1047/48), vorher B. Poppo v. Brixen 90 Damiani s. Petrus Damiette, ägypt. Hafenst. 363, 377, 414 Damme, Hafen v. Brügge 326 Dandolo s. Enrico Dänemark, Dänen 6, 11, 18, 29, 36, 37, 39, 43, 45, 67, 77, 85, 91, 117, 124, 160, 189, 195, 211, 254, 255, 273, 282 ff., 297, 329, 335, 345, 375, 400 Daniels Weissagung v. d. Weltmonarchien 208 Dankwarderode, Herzogsburg i. Braunschweig 322 Dante Allighieri, ital. Dichter 220, 294,325,358.370, 383, 413 Dassel, südö. Hildesheim s. Rainald David v. Dinant, Sektierer 314 Demetrius s. Zvonimir, Isjaslaw St. Denis, n. Paris 167, 215, 235 Desiderius, A. v. Montecassino, s. Viktor III. Deusdedit, Kard., (f um 1099), Kanonist 125, 141 Deutsche Kultur 29 ff., 51, 67, 93 ff, 174 ff, 233, 277 f. Deutsche Ostkolonisation
18, 28 f., 84 f:, 92 f., 181, 189 f., 218, 265, 281 f., 321, 346, 375 Deutscher Orden, Deutschritter 298, 310 f., 312, 347, 367, 375 Die, südö. Valence, s. Hugo Diego, B. v. Osma (1201 bis 1207) 354 Dijon 73, 99 Dinant, a. d. Maas, s. David Dionysius Areopagita, angeblich Verfasser einer in Syrien entstandenen neuplaton.-christl. Philosophie 201 Domesdaybook, englisches Reichsgrundbuch 119 Dominikaner, Predigermönche 355, 363, 366 ff, 370, 417 Dominikus, hl., (f 1221), Stifter des Dominikanerordens 354, 355, 366 Doryläum, in Kleinasien, südö. Nicäa 151, 213 Doxapatrios s. Nilus Drogo, Gf. v. Apulien (f 1051) 91 Drontheim s. Nidaros Drübeck, Kl. in Ostfalen 51 Dschingis Khan s. Temudschin Dunstan, EB. v. Canterbury (959-988) 44, 117 Durand de Huesca, Gründer des Ordens der „Katholischen Armen" (1208) 354 Dürnstein, a. d. Donau, b. Krems 302 Ebo, EB. v. Reims (816 bis 835 u. 840/41) 48 Ebro, span. Fl. 145, 211 Eckard I., Mkg. v. Meissen (f 1002) 67 Edda, jüngere 344 Edessa, St. u. Gfsch. im n. Mesopotamien 152 ff, 209, 212, 214 Edgar, Kg. v. England (959979) 44 Edith (f 946), Gem. Kais. Ottos d. Gr., T. d. angels. Kg. Edwards d. Älteren 10
431 Edmund Ironside, Kg. v. England (1016) 45 Edrisi, arab. Geograph (f 1166) 193 Edward d. Altere, angels. Kg. v. Wessex u. Mercia (899-925) 10 Edward d. Bekenner, Kg. v. England (1042-1066) 77, 117 Egbert v. Lüttich, Spruchdichter 94 Eger, Egerland, St. in Böhmen 242, 272, 334 Eichstätt, a. d. Altmühl, s. Gebhard Eider, Grenzfl. zwischen Schleswig u. Holstein 77, 375 Eike v. Repgow, Verfasser d. Sachsenspiegels 391 Eisenach, St. in Thüringen 320 Ekkehard, A.v.Aura (f um 1130), Chronist 176 Ekkehard I. (f 973), M. in St. Gallen, Dichter 33 Ekkehard IV. (f 1060), M. in St. Gallen, Chronist 33, 80, 94 El-Adil, Sultan v. Ägypten (1200-1218), Bruder Saladins 301, 311, 363 Elba, Insel i. Mittelmeer 402 Eleonore v. Poitou (f 1204), Gem. Kg. Ludwigs VII. v. Frankreich, dann Kg. Heinrichs II. v. England, T. Hzg. Wilhelms X. v. Aquitanien 197, 214, 218, 231, 253, 258, 269 Elias v. Cortona (f 1253), Minoritengeneral (1231 bis 1239) 366 Elisabeth, hl., (f 1231), Gem. d. Landgf. Ludwig IV. v. Thüringen, T. Kg. Andreas II. v. Ungarn 347, 367, 393 El-Kamil, Sultan v. Ägypt. (1218-1238) 363, 364, 379, 396 Eisass 90, 230, 242, 324, 325, 389, 394 Ely, η. Cambridge, s. Wilhelm Longchamp
432 Emadeddin Zengi s. Imadeddin Z . Emmerich, Kg. v. Ungarn (1196-1204) 346 Enea Silvio (Papst Pius II., 1458-1464) 55 Engelbert I., EB. v. Köln (1216-1225), deutscher Reichsverweser 375, 376 Engelsburg in Rom 54, 59, 137, 138, 140, England 21, 44 f., 67, 77, 85, 116 ff., 144, 164 ff., 169, 175, 191, 195, 196, 207, 211, 230, 257 ff, 293, 295, 297, 299 ff, 305 ff, 327 ff, 334 ff, 357, 393, 396, 407 Englische Kultur 177, 258 ff. Enrico Dandolo, Doge v. Venedig (1192-1205) 349, 351 Enzio, Kg. v. Sardinien ( f 1272), natürl. S. Kais. Friedrichs II. 396, 399, 410, 413 Ephesus, St. a. d. Westküste Kleinasiens 213 Epirus 138, 352 Erich, Kg. v. Schweden u. Dänemark (um 985 bis 1000) 44 Eriugena s. Johannes Erlembald, Führer d. mailänd. Pataria 109 Erlung, B. v. Würzburg (1105-1121) 176 Ernst II., Hzg. v. Schwaben (1015-1030), Stiefs. Kais. Konrads II. 78, 81, 286 Erzpoet (Archipoeta), rheinischer (?) Vagantendichter 230, 254, 325 Eschenbach, südö. Ansbach, s. Wolfram Este (Otbertiner), toskanischesAdelsgeschlecht, dessen deutscher Zweig die jüngere Welfenlinie 81 Estland 282, 346 Etschklause s. Veroneser Klause Eugen III., Papst (1145 bis 1153) 197, 201, 203 ff, 210, 216, 220, 243 St. Ε vre, Kl. i. Toul 33 St. Evroul, Kl. i. d. Normandie 177
REGISTER Exarchat s. Ravenna Forchheim, n. Nürnberg Eystein, EB. v. Nidaros131, 132 Drontheim (1157/61 bis Fossalta b. Modena 413 1188) 344 de France s. Marie Ezzelin III. v. Romano Franco ν. Lüttich, Gelehrter ( f 1259), Tyrann v. 95 Verona 392, 410, 414 Frangipani, röm. Adelsgeschlecht 164,184,185,186 Franken, deutsch. Stamm u. Faenza s. Fonte Avellano bis 939 Hzgt. 8 , 9 , 1 3 , 7 3 f., Falcandus s. Hugo 76, 96, 242, 324, 394; als Fatimiden, islam. Dynastie allg. Bezeichnung der i. Nordafrika 38, 152, 153, Abendländer durch d. 209, 291 Byzantiner F6camp, Kl. nordö. Le Havre Frankfurt a. Main 79, 334, 73 410 Ferdinand III. d. Heilige, Kg. v. Kastilien u. Leön () 217- Frankreich, auch westfränk. Reich, Franzosen 11 ff, 1252) 408 20 ff., 37, 38, 45 ff, 72 ff, Fermo, St. u. Mkgsch. südö. 86,87, 100, 113 ff, 123 f., Ancona 104 133 f., 158, 167 ff, 175, Ferrand, portug. Prinz, Gf. 186, 196, 203 f., 207, 210, v. Flandern ( f 1233) 336 215 f., 218, 252, 253, 255, Fibonacci s. Leonardo 256, 293 ff, 328, 334 ff, Fieschi, Sinibald, s. Inno353 ff, 396, 407 zenz IV. Franz. Kultur 31 f., 113 ff, Finnland 85 177 ff, 199 ff, 222, 225 ff, Fiore, Kl. i. Kalabrien, s. 369 f. Joachim
Fiorentino, Schloss i. Apulien, n. Lucera 415 Fitz Nigel, s. Richard Handern, Gfsch. unter franz. u. deutsch. Lehnshoheit, Flamen, flämisch 7, 21, 44, 74, 86, 116, 147, 149, 175, 211, 229, 235, 278, 294, 297, 300, 336, 351 Flarchheim, sü. Mühlhausen in Thüringen 134 Flavigny, Kl. nordw. Dijon, s. Hugo Fleury (St. Benoit-sur-Loire) Kl. südö. Orlians 21, 44 Flodoard, Archivar v. Reims ( f 966), franz. Chronist 31 Florenz 413 Folioth s. Gilbert Folquet v. Marseille, B. v. Toulouse (1205-1231), Troubadour 358 Fonte Avellana, Eremitage b. Faenza 100 Fontevrault, Kl. südw. Tours 158
Franzien, franz. Hzgt. 7,13, 15, 23, 45, 72,73, 86 Franziskaner s. Minoriten Franziskus, hl. (Franz) v. Assisi ( t 1226), Stifter des MinoritenFranziskaner-) Ordens 105, 354, 355, 364 ff. Fraxinetums. Garde-Freinet Freiberg, St. in Sachsen 392 Freidank, deutsch. Spruchdichter 391 Freising, St. u. Bist. a. d. Isar, s. Otto Friaul, Landsch. i. ö. Oberitalien 17, 302,390 Friedrich, EB. v. Mainz (937-954) 13, 23 Friedrich v. Lothringen, Kard., s. Stefan IX. Friedrich I. Barbarossa, röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1152-1190), vorher (seit 1147) Hzg. v. Schwaben 171, 172, 218, 227, 230, 240 ff, 262 ff, 271 ff, 302 ff, 307, 308, 313, 320 ff, 325, 379, 381, 394
REGISTER Friedrich II. (Roger), röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1212-1250), Kg. v. Sizilien (seit 1197) u. Jerusalem (seit 1229) 271, 297, 307, 310, 313, 318, 330, 331 ff., 341, 346, 360 ff, 368, 371 ff. Friedrich II. d. Streitbare, Hzg. v. Österreich u. Steiermark (1230-1246) 394, 408 Friedrich I., Hzg. v. Schwaben (1079-1105), Schwiegers. Kais. Heinrichs IV. 132, 188 Friedrich II., Hzg. v. Schwaben (1105-1147) 183, 240 Friedrich IV. v. Rothenburg, Hzg. v. Schwaben (11521167), S. Kg. Konrads III. 272 Friedrich V., Hzg. v. Schwaben (1167-1191), ältester S. Kais. Friedrichs I. 272, 295, 298 Friesen, deutsch. Stamm 8 Froumund, M. i. Tegernsee ( f um 1008) 94 Frutolf, A. v. Kl. Michelsberg i. Bamberg ( f 1103), Chronist 176 Fruttuaria, Kl. b. Turin 69, 132 Fulbert, B. v. Chartres (1006-1028) 47, 113 Fulco, Kg. v. Jerusalem (1131-1143), vorher G f . v . Anjou 209 Fulco (Rechin), Gf. v. Anjou ( f 1109) 144 Fulda, St., Bist. u. Kl. in Hessen 65, 71, 102 Gaeta, nordw. Neapel 56, 83; s. Johann Galfried, Archidiakon v. Monmouth, walisischer Historiker 232 Galicien, Landsch. i. nordw. Spanien 207 Galizien, Landsch. n. d. Karpaten 76, 346 St. Gallen, Kl. 19, 33, 80
Gallikanismus, Sonderstellung d. franz. Kirche gegenüber dem Papsttum 48 ff, 53 Gallipoli, St. a. d. Dardanellen 351 Gandersheim, Kl. w. Goslar 33, 34, 60 Gardasee 317 Garde-Freinet (Fraxinetum), nordö. Toulon 19, 38 Gaudentius, EB. v. Gnesen (999-1006) 57 Gaunilo, franz. M. in Marmoutier 199 Gebhard, B. v. Eichstätt, s. Viktor II. Gebhard III., B. v. Konstanz (1084-1110) 141 Geisa I., ungar. Herrscher (um 992-997) 42, 43 Geisa II., Kg. v. Ungarn (1141-1161) 207 Gelasius II., Papst (1118 bis 1119), vorher Johann v. Gaeta, Kanzler 139, 164, 168 Gelnhausen, Pfalz in Hessen 290,322 Gembloux, belg. Kl., s. Sigebert Ste. Genevieve, AugustinerChorherrenstift i. Paris 201 Genezareth, See 293 Gent 91, 229 Genua, Genuesen 70, 108, 145, 154, 187, 211, 255, 306, 351, 360, 377, 388, 396, 402, 404, 405, 414 Georg v. Antiochia, sizil. Admiral 192, 212 Gerald de Barry, walisischer Gelehrter ( f u m 1222/23) 258 Gerberga ( f 969/970), Gem. Hzg. Giselberts v. Lothringen, dann Kg. LudwigsIV. v. Frankreich, T . d. deutsch. Kg. Heinrichs I. 32 Gerbert, EB. v. Reims, s. Silvester II. Gerhard, EB. v. York (1101 bis 1108) 165 Gerhard, A. v. Brogne ( f 959) 21
433 Gerhard v. Cremona, Übersetzer 226 Gerhoh, Propst v. Reichersberg (f 1169) 201 S. Germano, b. Montecassino 377, 379 Gernrode, Kl. a. Nordharz 36 Gero, Mkg. d. Ostmark ( t 965) 18, 29, 36 Gerstungen, w. Eisenach 128 Gertrud v. Meran ( f 1213), Gem. Kg. Andreas' II. v. Ungarn, Mutter d. hl. Elisabeth 347 Geza, s. Geisa Ghibellinen, nach d. schwäb.-stauf. St. Waiblingen benannte Partei i. Italien 387, 404 Gilbert Folioth, B. v. London (1163-1188) 266, 267 Gilbert de la Porrie, B. v. Poitiers (1142-1154), franz. Scholastiker 203 St. Gilles, w. Arles; s. Raimund IV. Gf. v. Toulouse 238, 355 S. Giminiano, nordw. Siena 387 Giotto, ital. Künstler 370 Giselher, EB. v. Magdeburg (981-1004) 60 Gnesen, poln. Erzbist. 56, 57, 84, 207 Godwin, Gf. v. Kent ( t 1053) 117 Goliarden, s. Vaganten Gorze, Kl. südw. Metz 21 Goslar, St. a. Nordharz 74, 92, 98, 274, 323 Gotik, gotischer Stil 216, 234 ff, 321 f., 337, 383, 388, 391 Gotland, Ostseeinsel 282 Gottesfriede (Treuga Dei) 72, 87, 114, 141, 148 Gottfried, Hzg. d. Bretagne (f 1186), 2. S. Kg. Heinrichs II. v. England 269, 294, 327 Gottfried d. Bärtige, Hzg. v. Oberlothringen (1044 bis 1069), seit 1065 Hzg. v. Niederlothringen durch Heirat mit Beatrix, der
434 Witwe d. Bonifaz v. Tuszien, seit 1056 Hauptherrscher in Mittelitalien 86, 99, 103, 105, 107 ff. Gottfried d. Bucklige, Hzg. v. Niederlothringen (1070 bis 1076) 127 Gottfried v. Bouillon, Hzg. v. Niederlothringen (1089 bis 1100), Führer d. I. Kreuzzuges 149, 154, 212 Gottfried v. Villehardouin, franz. Historiker 348 Gottfried Plantagenet, Gf. v. Anjou u. Maine (f 1151) 86, 196,218 Gottfried v. Hohenlohe 395 Gottfried v. Strassburg, deutscher Epiker 286, 324 St. Gotthard, Alpenpass 109, 394 Gottschalk, dtsch. Priester, Kreuzzugsprediger 149 Gottschalk, F. d. Abotriten ( f 1066) 85 Gozelo I., Hzg. v. Niederu. Oberlothringen (1024/ 33-1044) 86 Grammont, Mönchsorden von 158 Gran, St. u. ungar. Erzbist. nordw. Budapest 58 Granada, St. i. Südspanien 408 Gratian, Camaldulensermönch (f vor 1161), Kanonist 206, 363 Gratianus, s. Gregor VI. Gregor I. d. Gr., Papst (590 bis 604) 50 Gregor V., Papst (996 bis 999), vorher Bruno v. Kärnten, Kaplan 50,53 ff., 59 Gregor VI., Papst (1045 bis 46), vorher Johann Gratianus (f 1048) 89, 90, 100 Gregor VII., Papst (1073 bis 1085), vorher (seit 1059) Archidiakon Hildebrand 99 f., 105, 107, 110, 112, 114, 121 ff, 145, 147, 148, 172, 188, 206, 210, 248, 251, 315, 316, 335, 363 Gregorianer, gregorianisch 139 ff, 157, 161, 162, 165,
REGISTER
168, 170, 179, 219, 244, 262, 266 Gregor VIII., Papst (1187) 290 Gregor VIII., Gegenpapst (1118-1121), vorher (seit 1111) Mauritius, EB. v. Braga, gen. Burdinus 165, 168, 169 Gregor IX., Papst (1227 bis 1241), vorher Kard.Hugo (Ugolino), Gf. v. Segni 370 ff, 378 ff, 386, 392, 393, 396 ff, 409, 417 Gregor, Kard., s. Innozenz II. Gregor v. Montelongo, 1238 bis 1251 päpstl. Legat i. d. Lombardei, später (1251-1269) Patriarch v. Aquileja 396 f., 404, 412 Gregor, B. v. Tours (573 bis 594), merowing. Geschichtsschreiber 96 Gregor v. Catina (Catino), ital. Chronist u. Publizist 168 Grenoble, burgund. St. i. d. Westalpen 157,168 Griechenland, Griechen, s. Byzanz, auch Antike; griechische Sprache 101, 226; griech. Kirche, s. Union Grönland 43, 85 Grosseteste s. Robert Grosseto, sü. Siena 411 Grüne, Bach b. Pegau in Thüringen 135 Gudrunlied 391 Guelfen (Weifen), Partei in Italien 387, 397, 412 ff Guido, EB. v. Vienne, s. Kalixt II. Guido, Kard.-Diakon unter Papst Eugen III. 205 Guido v. Arezzo (f um 1050), M. in Pomposa, Musikgelehrter 95 Guido, s. auch Veit Guillaume de Lorris, franz. Dichter 370 Guiot v. Provins, Troubadour 285 Guiscard s. Robert Günther, B. v. Bamberg
(1057-1065) 147 Gunzo, Diakon v. Novara 30 Guyenne, Landsch. i. südw. Frankreich 218 Habsburger, deutsch. Herrschergeschlecht 394 Hadrian I., Papst (772 bis 795)162 Hadrian IV., Papst (1154 bis 1159) 244 ff, 250, 253, 268 Haimerich, Kanzler Papst Innozenz' II. 186 Hakon, Kg. v. Norwegen (1202-1247) 345 Haies, Kl. i. d. Gfsch.Gloucester, s. Alexander Hallelujabewegung in Italien 367, 392 Hamburg, St. 96, 144, 345; Erzbist. s. Bremen Hammersteiner Ehestreit 75 Hanse, deutsche 275 Harald Blauzahn, Kg. v. Dänemark (um 950-986) 29 Hardaknut, Kg. v. Dänemark u. England (1040 bis 1042) 77 Harold, Kg. v. England (1066) 118 Hartmann v. Aue, deutsch. Epiker 324 Hartmann, d. arme, deutsch. Dichter 233 Harz 30, 104, 127, 163 Harzburg, südö. Goslar 127, 341 Hastings a. d. südö. Küste Englands 118 Havelberg, St. u. Bist. a. d. Havel 18, 68 Havelland 281 Heiliges Land 71, 115, 214, 277, 286, 291, 295, 302, 308, 310, 320, 350, 379, 403 vgl. Palästina, Lateiner i. d. Kreuzfahrerstaaten Heinrich Kietlicz, EB. v. Gnesen (1199-1219) 346 Heinrich, B. v. Winchester (1129-1171), Bruder Kg. Stefans v. England 196, 237
REGISTER Heinrich I., deutsch. Kg. (919-936), vorher (seit912) Hzg. v. Sachsen 9 ff., 18, 35, 60, 63, 242 Heinrich II., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1002 bis 1024), vorher (seit 995) als Heinrich IV. Hzg. v. Baiern, S. Heinrichs II. d. Zänkers 59, 63 ff, 79, 84, 91, 93, 96, 100 Heinrich III., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1028/39 bis 1056), vorher Hzg. v. Baiern (seit 1027) u. Schwaben (seit 1038) 77, 83 ff., 97 ff., 109, 110, 126, 252, 396 Heinrich IV., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1056 bis 1106) 104, 106, 110 ff, 126 ff, 157 ff, 167, 176, 177, 183, 241, 269, 270 Heinrich V., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1105/6 bis 1125) 157 ff, 183, 184, 195 Heinrich (VI.) ( f 1150), erwählter deutsch. Kg., S. Kg. Konrads III. 211, 218 Heinrich VI., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1190-1197), Kg. v. Sizilien (seit 1189/94) 272, 288 ff, 298, 302 ff, 315 ff, 326, 332 ff, 341, 348, 349, 361, 362, 394, 411 Heinrich (VII.), deutsch. Kg. (1220-1235), Kg. v. Sizilien, Hzg. v. Schwaben, S. Kais. Friedrichs II. 333, 373 ff, 389 Heinrich Raspe, deutsch. Gegenkg. (1246/47), vorher (seit 1227) Landgf. v. Thüringen 410 Heinrich I., latein. Kais. (1205-1216), als Balduin IX. (seit 1195) Gf. V. Flandern 352, 353 Heinrich I., Kg. v. England, (1100-1135) 160, 164 ff, 169, 171, 186, 195 f., 259, 261, 339 Heinrich II., Kg. v. England, mit Normandie u. Westfrankreich (1154 bis 1189) 196, 219, 228, 230 ff, 244,
253 ff., 273, 294 ff, 299, 327, 329, 335, 355, 384 Heinrich d. Jüngere (j" 1183), zum engl. Kg. gekrönt, ältester S. Kg. Heinrichs II. 253, 269, 270, 294 Heinrich ΙΠ., Kg. v. England (1216-1272) 340, 376, 393, 407 Heinrich I., Kg. v. Frankreich, (1031-1060) 78, 86, 100, 113 Heinrich II. v. Champagne, Kg. v. Jerusalem (1192 bis 1197) 300, 311 Heinrich I., Hzg. v. Baiem (948-955), Bruder Kais. Ottos d. Gr. 13, 17 Heinrich II. d. Zänker, Hzg. v. Baiern (955-995) 37, 40 Heinrich X . d. Stolze, Hzg. v. Baiern (1126-1139) 188, 190, 191, 194, 241 f. Heinrich d. Löwe ( f 1195), Hzg. v. Sachsen (1139 bis 1180) u. v. Baiern (11561180) 194, 211, 218, 241, 257, 262, 264, 271 ff, 281 ff, 287, 190, 296, 303, 306, 319, 322, 392, 394 Heinrich Jasomirgott.Mkg., dann (1156) Hzg. v. Österreich (1141-1177), vorher Hzg. v. Baiem (1142 bis 1154) 195, 242 Heinrich II. d. Fromme, Hzg. v. Niederschlesien (1238-1241) 402 Heinrich, Pfalzgf. bei Rhein ( f 1227), ältester S. Heinrichs d. Löwen 304, 306 Heinrich, Gf. d. Champagne ( f 1181) 255 Heinrich, Gf. v. Sayn ( t 1247) 393 Heinrich I., Gf. v. Schwerin ( f 1227) 375 Heinrich v. Kalden, Reichsmarschall ( f um 1214) 308, 311, 321 Heinrich v. Melk, deutsch. Dichter 233 Heinrich v. Morungen, deutscher Minnesänger 325
435 Heinrich v. Veldeke, niederrhein. Dichter 286 Heinrich v. Lausanne, als Ketzer verfolgt 204 Heinrich d. Glichezäre, elsässischer Dichter 230 Heinrich vgl. auch Enrico, Enzio s. auch Pribislaw Heisterbach, Kl. im Siebengebirge 322 Heliand 5 Hellenismus, hellenistisch 222, 223, 343 Heloüse ( f 1164), Geliebte Abälards 201 Heraklea, griech. Kaiserreich i. Kleinasien 352 Herford, nordö. Bielefeld 33 Heribert, ital. Kanzler Kais. Ottos III. 50 Hermann v. Salm Gf. v. Luxemburg, deutsch. Gegenkg. (1084-1088)135, 141 Hermann Billung, Hzg. v. Sachsen (936/61-973) 18, 22 Hermann, Landgf. v. Thüringen (1190-1217) 320 Hermann v. Salza, Deutschordensmeister (1210 bis 1239) 375 f., 397 Hermann d. Lahme, ( f 1054), Gelehrter im Kl. Reichenau 95 Hersfeld, Kl. a. d. Fulda 80, 114, 141, 176 Hessen, 322 Heveller, slaw. Volksstamm 39, 281 Hildebert v. Lavardin, EB. v. Tours (1125-1133), vorher (seit 1097) B. v. LeMans 228 Hildebrand s. Gregor VII. Hildegard ( f 1179), A. d. Kl. Rupertsberg b. Bingen 201 Hildesheim, St. u. Bist. 323 Hinkmar, EB. v. Reims (845-882) 48 Hippo Regius, Bist. i. Algerien 140 Hirsau, Kl. bei Calw i. Schwarzwald 132, 140 Hittin, ö. Akkon 293 Hochburgund s. Burgund
436 Hohenaltheim, sü. Nördlingen 9 Hohenlohe s. Gottfried Holland, Gfsch. 336 Holstein, Gfsch. 189, 218, 281, 345 Homburg a. d. Unstrut 128 Honorius II., Papst (1124 bis 1130), vorher (seit 1117) Lambert, Kard.-B. v. Ostia 169, 184, 185, 191 Honorius II., Gegenpapst (1061-1064, t 1072), vorher (seit 1046) Cadalus, Β. v. Parma 110 Honorius III., Papst (1216 bis 1227), vorher Cencius Savelli, Kämmerer 317, 362, 363, 373, 374, 378 Horaz, latein. Dichter 94 Hoveden s. Roger Hrotswith, Nonne v. Gandersheim (f um 1002), Dichterin 34 Hubert Walter, EB. v. Canterbury (1193-1205) 327, 329 Hubert Pallavicini, Mkg. i. d. Lombardei (f 1269) 414 de Huesca, nordö. Saragossa s. Durand Hugo d. Weisse (Candidus), Kard. (f nach 1098) 99, 115, 129, 135 Hugo (Ugolino), Kard.-B. v. Ostia, s. Gregor IX. Hugo, B. v. Die (1074 bis 1083), dann EB. v. Lyon (f 1106) 133 Hugo I., A. v. Cluny (1049 bis 1109) 130, 133, 139, 160 Hugo III., A. v. Cluny (1158 bis um 1161) 252 Hugo v. Flavigny, franz. Chronist 176 Hugo, Kanoniker, v. Organs (Primas), franz. Vagantendichter 230 Hugo v. St. Viktor i. Paris ( f 1141), deutsch. Scholastiker 200 Hugo (Kapet), Kg. v. Frankreich (987-996), vorher (seit 956) Hzg. v. Franzien 45, 46, 53
RBGISTBR
Hugo, Kg. v. Italien (926 bis 948) u. Niederburgund, Gf. v. Vienne 8, 15, 31 Hugo d. Gr., Hzg. v. Franzien (923-956) u. Burgund (seit 936) 13, 14, 40 Hugo v. Vermandois, S. Kg. Heinrichs I. v. Frankreich 150 Hugo, bolognes. Jurist 227 Hugo Falcandus, sizil. Chronist 245 Humbert, Kard.-B. v. Silva Candida (f 1061) 100, 102, 106 ff., 109, 112 Humbert III., Gf. v. Maurienne ( f 1188) 271 Humiliaten, lombard. Brüdergemeinschaft 354 Ibn Tofail (Abubacer), arab. Dichterphilosoph 371 Ikonium, Seldschukenhauptst. in Kleinasien 151 213, 296 Illyrien 136 Imadeddin Zengi, Reichsverweser (Atabege) v. Mossul (1127-1146) 209, 214 Indien 222 ff. Ingeborg (f 1236), Gem. Kg. Philipps II. August v. Frankreich, T. Kg. Waldemars I. v. Dänemark 326, 335 Ingelheim, w. Mainz 14, 160 Innozenz II., Papst (1130 bis 1143), vorher Kard. Gregor 185 ff., 196, 203 ff, 275 Innozenz III., Papst (1198 bis 1216), vorher Lothar Gf. v. Segni-Conti 252, 314 ff, 367, 372, 373, 378, 384, 401, 404 Innozenz IV., Papst (1243 bis 1254), vorher Sinibald Fieschi, Kard., Gf. v. Lavagna 386, 404 Inquisition, kirchliche 354, 367, 368, 393, 417; sizil. Inquisitionsverfahren 384 Investiturstreit, deutsch, u. allgem. 49, 93, 96, 106, 113, 121, 122, 128 ff, 177, 186, 187, 221, 248, 251;
engl. 161 ff; (ranz. 126, 133 f., 167 Irene (Maria, f 1208), Gem. Kg. Phililpps v. Schwaben, vorher des älteren S. Kg. Tancreds v. Sizilien, T. Kais. Isaaks II. Angelos 311 Irland 45, 119, 252, 253, 268, 271,334,342 Irnerius, bolognes. Jurist (f 1130) 227 Isaak II. Angelos, byzant. Kais. (1185-1195 u. 1203/4) 287, 296, 311, 350 Isaak Komnenos, „Kais." v. Zypern (bis 1191) 299 Isabella v. Brienne (Jolantha, t 1 2 2 8 ) . 2. Gem. Kais. Friedrichs II., 377, 379 Isabella (Elisabeth, f 1241), 3. Gem. Kais. Friedrichs II., T. d. Kg. Johann ohne Land v. England 376, 393 Isjaslaw-Demetrius, russ. Grossf. 124 Islam 38, 70, 108, 148, 152, 156, 208, 212, 215, 222, 224, 226, 292, 298, 369, 408; vgl. Araber, Mauren, Mohammedaner, Orient, Saiazenen Island 43, 85, 146, 344 Isle de France, Landsch. um Paris u. Orleans 235; vgl. Franzien Istrien 17 Italien 7,11, 14,25 ff, 38,50, 56, 68 ff, 78, 81 ff, 101 ff, 107 f., 141 ff, 145,161,164, 169, 172, 175, 184, 188, 190, 195, 217 f., 230, 244, 249,251 ff,257,264,273ff, 285, 289 ff, 316 ff, 378 f., 382, 383, 395, 398 ff, 409, 411 ff.jital. Kultur 30, 31, 108 f., 178, 382, 386, 388 Italienpolitik d. deutsch. Kais. 16, 27, 28, 39, 246 Ivo, B. v. Chartres (1090 bis 1116), Kanonist 166, 168 Ivrea, n. Turin, Mkgsch. s. Berengar, Arduin Jacobus, bolognes. Jurist 227
REGISTER Jaffa (Joppe), Hafenst. i. Palästina 153, 301, 302, 312, 379 Jakob I., Kg. v. Aragonien (1213-1276) 342, 408 Jakob v. Vitry, Kard. ( f 1240) 359 St. Jean de Losne, a. d. Saone 255, 256 Jerusalem, St. u. Kgr. 60, 123, 148, 153 ff., 210, 215, 271, 290, 293, 300 f., 311, 347, 348, 363, 377 ff., 400, 403, 406, 414 Joachim, A. v. St. Giovanni di Fiore ( f 1202) 314, 360, 367 Joachimiten, Joachiten 315 Johann X., Papst (914 bis 928)7 Johann XII. (Oktavian), Papst (955-963, f 964), auch Senator v. Rom 24 ff, 48, 79 Johann XIII., Papst (965 bis 972) 29 Johann XIV., Papst (983 bis 984), vorher (seit 978) Petrus, B. v. Pavia, Kanzler Kais. Ottos II. 40 Johann X V . , Papst (985 bis 996)48,50 Johann X V I . (Philagathos), Gegenpapst (997/98, f 1013), vorher EB. v. Piacenza 54, 56 Johann X I X . , Papst (1024 bis 1033), zugl. „Konsul, Hzg. u. Senatord. Römer" 79 Johann ohne Land, Kg. v. England (1199-1216) 271, 295, 301, 305, 327 ff., 334, 337 ff., 355 Johann v. Gaeta s. Gelasius II. Johann Gratianus s. Gregor VI. Johann Colonna, Kard. 315 Johann v. Salisbury, Β. v. Chartres (1176-1180), engl. Gelehrter 229, 258, 260, 265 Johann, A. v. Gorze (967 bis 974) 19, 21 Johann v. Vicenza, Dominikaner 367
Johanna ( f 1199), Gem. Kg. Wilhelms II. v. Sizilien, T . Kg. Heinrichs II. v. England 271 Johannes I. Tzimiskes, byz. Kais. (969-976) 27, 38 Johannes II. Komnenos, byz. Kais. (1118-1143) 209 Johannes III. Dukas (Batatzes), griech. Kais. v. Nicäa (1222-1254) 396, 408 Johannes, sagenh. christl. Kg. u. Erzpriester i. Asien 402 Johannes, Biograph Odos v. Cluny 32 Johannes Canaparius, A. d. Alexiuskl. i. Rom ( | 1004) 93 Johannes Creszentius Nomentanus ( f 998), Patrizius v. Rom 48, 50, 54, 69 Johannes Creszentius d. Jüngere ( f 1012 , Patrizius v. Rom 69 Johannes Eriugena ( f um 877), irischer Philosoph am Hofe Karls d. Kahlen 314 Johanniter, geistl. Ritterorden 155, 207, 293, 311 Johannitza s. Kalojohannes Jolantha s. Isabella Jomsburg, a. d. Odermündung 43 Joppe s. Jaffa Jordan Pierleoni, röm. Senator u. Patrizius, Bruder Papst Anaklets II. 205 Juden 89, 149, 192, 193, 198, 225, 369, 371, 402 Julius II., Papst (1503 bis 1513) 70 Jumi&ges, Kl. w. Rouen 114 Justinian I., byz. Kais. (527 bis 565) 7, 70, 192, 384 Jütland 44, 67 Kairo 148, 154, 291, 363, 414 Kaiserswerth, Kl. u. Kaiserpfalz b. Düsseldorf 110 Kalabrien, Landsch. in Süditalien, Hzgt. 27, 39, 54, 70, 107, 143, 146, 314
437 Kalden s. Heinrich Kalixt II., Papst (1119 bis 1124), vorher (seit 1088) Guido, EB. v. Vienne 168 ff, 179 Kalixt III., Gegenpapst (1168-1178, f 1179) 271, 275, 276 Kalojohannes (Johannitza), Zar d. Bulgaren (1197 bis 1207) 347 Kanonisches Recht 125, 141, 192, 202, 227, 244, 303,344,358 f., 363 Kapetinger, franz. Herrschergeschlecht 45,47,72, 167, 219, 242, 247, 294, 307, 334, 337, 357 Kappadokien, Landsch. i. Klein?sien 123 Karl d. Gr., röm. Kais., Kg. d. Franken u. Langobarden (768- 814) 5, 11, 12, 16, 18, 22 ff, 30, 39, 55, 58, 61, 64, 90, 99, 118, 123, 161, 232, 241, 259, 288, 294, 328, 336, 383 Karl IV., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1346-1378) 29 390 Karl'lII. d. Einfaltige, Kg. v. Frankreich (893/98 bis 929) 6, 13 Karl Martell, frank. Hausmeier (717-741) 12 Karl, karoling. Hzg. v. Niederlothringen ( f 992) 45, 46 Karmeliter, Bettelorden 366 Kärnten, Hzgt. 37, 40, 85, 88, 103 Karolinger, fränk. Herrschergeschlecht 6 ff, 1 I f f , 23, 27, 30 ff, 45 ff, 92, 101, 209, 247, 259, 317 Karthago 212 Kasimir I., Hzg. v. Polen (1034-1058) 84 Kastilien 73, 115, 123, 145, 207, 252, 342, 396 Katalonien, Landschaft im nordö. Spanien, Katalanen 47, 154, 167, 207, 223, 230 Katharer, Ketzer 224, 278, 279, 354, 367, 374, 378; vgl. Albigenser
438 Katholische Arme, Mönchsorden 354 Kent, Gfsch. i. südö. England 340 Kerboga, Emir v. Mossul (f 1102) 152 Kerullarios s. Michael Kietlicz s. Heinrich Kiew, Hauptst. des russ. Reiches 19, 42, 68, 124, 143, 146 Kilidsch Arslan I., Sultan v. Ikonium (1092-1107) 151 Kilidsch Arslan II., Sultan von Ikonium (1152/53 bis 1192) 296 Kilikien, Landsch. im südö. Kleinasien 152, 297; vgl. Kleinarmenien Kirchenstaat (Patrimonium Petri) 25,55, 58 f., 71,104, 107, 112, 122, 123, 184, 248, 250, 255, 263, 273, 275, 289, 290, 317, 331, 341, 378, 380, 387, 406, 413, 417; vgl. Rekuperationen Klarissinnen, weibl. Zweig d. Minoritenordens 355, 365 Kleinarmenien s. Armenien Kleinasien 123, 147, 149 ff., 209, 213, 296, 298, 352 Klemens II., Papst (1046 bis 1047), vorher (seit 1041) Suidger, B. v. Bamberg 90 Klemens III., Papst (1187 bis 1191) 290, 295, 303 Klemens III., Gegenpapst (1080-1100), vorher (seit 1072) Wibert, EB. v. Ravenna 135 ff., 140, 144, 147, 158 Knut d. Gr., Kg. v. England, Dänemark u. Norwegen (1014/17, 1018, 1028-1035) 45, 67, 76, 77, 85, 117 Knut VI., Kg. v. Dänemark (1182-1202) 282, 284, 345 Koblenz, St. a. Rhein 159, 322 Kolberg, St. u. Bist. 57 Köln, St. u. Erzbist. 35, 75, 90, 92, 216, 305, 322, 323, 324, 329, 391, 392, 417 Komnenen, byzant. Herr-
REGISTER
schergeschlecht 287, 299 Konrad v. Wittelsbach, EB. v. Mainz (1161-1165 u. 1183-1200) u. v. Salzburg (1177-1183) 257, 263 Konrad v. Querfurt, B. v. Hildesheim (1194-1202) u. Kanzler Kais. Heinrichs VI., B. v. Würzburg (seit 1197) 311 Konrad v. Marburg, Magister (t 1233), Priester, Ketzermeister 367, 393 Konrad I., deutsch. Kg. (911 bis 918) 9, 14 Konrad II., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1024-1039) 76 ff., 88, 93, 96, 97, 109, 110, 126 Konrad III., deutsch. Kg. (1138-'52) 184,185,194 ff, 207, 208, 210 ff, 241 ff. Konrad IV., deutsch. Kg. (1250-1254) 379, 395, 403, 408, 410, 415 Konrad, Gegenkg. in Italien (j- 1101), ältester S. Kais. Heinrichs IV. 141, 142, 145, 157, 159 Konrad, Mkg. v. Montferrat, Kg. v. Jerusalem (1191 bis 1192) 298, 300 Konrad III., Kg .v. Burgund
296, 307, 311, 313, 348, 350 ff.; vgl. Byzanz Konstanz, St. u. Bist. 87, 143, 243, 245, 285, 333 Konstanze (f 1198), Gem. Kais. Heinrichs VI. 288, 298, 304, 307, 310, 313, 317, 318 Konstanze v. Aragonien (f 1222), 1. Gem. Kais. Friedrichs II. 333, 373 Korfu, Insel 212, 215 Korsika, Insel 108, 123, 145, 242, 273 Korvey, Kl. a. d. Weser 33 Krakau, St. 41, 42, 57 Kreuzzüge, allgem. 123, 222 ff.,; I. Kreuzz. (1096 bis 1099) 148 ff; II. Kreuzz.(l 147-1149) 210ff, Wendenkreuzz. 211; Kreuzzugsplan Sugers v. St. Denis 211; III. Kreuzz. (1189-1192) 295 ff.; Deutsch. Kreuzzug (1197 bis 1198) 308 ff.; IV. Kreuzz. (1202 bis 1204) 347ff.,351; Kinderkreuzz. (1212) 351; Kreuzz. Andreas' II. v. Ungarn (1217-1218) 362; Kreuzz. gegen Damiette (1218 bis 1219) 352 f.; V. Kreuzz. (1228-1229) 379 f.; VI, Kreuzz. (1248-1254)414f.; vgl. auch Lateiner i. d. Kreuzfahrerstaaten Kroatien 124, 347 Kulmerland a. d. Weichsel 375 Kumanen, türkischer Volksstamm a. d. unt. Donau 147, 347 Kunigunde (j- 1039), Gem. Kais. Heinrichs II. 65 Kurdenführer s. Schirkuh Kurland 346, 376 Kyffhäuser, Berg n. Frankenhausen im Süden d. Harzes 297
(937-993) 14 Konrad d. Rote, Hzg. v. Lothringen (944-953, f 955) 13, 17, 76 Konrad I., Hzg. v. Masowien (1200-1226) 375 Konrad d. Jüngere, Hzg. v. Worms, Hzg. v. Kärnten (1036-1039) 76 Konrad, Pfalzgf. bei Rhein (f 1195), Stiefbruder Kais. Friedrichs I. 306 Konstantin d. Gr., röm. Kais. (306/7-337) 55, 61, 104 Konstantinslanze 11, 50 Konstantinische Schenkung 25, 58, 101, 107, 145, 244, 253, 335, 401 Konstantin IX., byz. Kais. La Cisa, Apenninpass südw. Parma 412 (1042-1055) 101 Konstantinopel, St. 123, Ladislaus I. d. Heilige, Kg. v. Ungarn (1077-1095) 136, 138, 146, 149, 151, 124, 207 209, 213, 216, 225, 226,
REGISTER
La Marche, Gfsch. ö. Poitou 319 Lambert, Kard.-B. v. Ostia, s. Honorius II., Lantpert, M. in Hersfeld (f um 1088), Chronist 176 Landulf, Führer d. mailänd. Pataria 109 Lanfrank, EB. v. Canterbury (1070-1089), vorher Prior v. Bec 114, 117, 119, 144, 166 Langobarden 25; langobard. Fter. od. Bevölkerung i. Süditalien 7, 38, 59, 71, 108, 192 Languedoc, Landsch. zwischen unterer Rhöne u. oberer Garonne 238, 357, 358 Laodicäa, in Syrien 214 Laon, St. u. Bist. i. nordö. Frankreich 14, 177, 181, 235, 392 Lateiner, i. d. Kreuzfahrerstaaten 154, 175, 209, 214, 252, 291 ff., 297 ff., 312, 347, 379 Lateinisches Kaiserreich 352, 408; Lateiner im byzant. Reiche 287, 351, 352 Lateinische Sprache 31, 193, 211, 222, 225, 258 Lateran, päpstl. Palast in Rom 173, 355; Laterankonzilien 106, 157, 163, 170, 191, 204, 276 ff., 292, 355 ff., 359 ff, 381 Lausanne s. Heinrich Lausitz, sächs. Ostmark 29, 67, 68, 76 Lautenbach b. Gebweiler in Südeisass s. Manegold Lavardin, n. Tours, s. Hildebert La Zisa, Schloss b. Palermo 245 Lecce, südö. Brindisi, s. Tancred Legnano, nordw. Mailand 275, 395 Leif, island. Entdecker Amerikas (1000) 43 Leitha, Grenzfl. zw. Niederösterr. u. Ungarn 84 Le Mans, w. Orleans 295
Leo I. d. Gr., Papst (440 bis 461) 139 Leo VIII., Papst (963-965) 26, 162 Leo IX. Papst (1048bis 1054), vorher (seit 1026) Bruno, Gf. v. Dagsburg, B. v. Toul 91, 99 ff., 132, 191 Leo, B. v. Vercelli (999 bis 1026) 56, 58, 69, 73, 74, 78 Leo II., Kg. v. Kleinarmenien (1185-1219) 297, 311 Le0n, St. u. Kgr. (zeitweilig mit Kastilien verbunden) im nordw. Spanien 115, 123, 207, 342, 343, 344 Leonardo Fibonacci (f 1250), pisan. Mathematiker 223, 382 Leonin d. Ältere, Pariser Komponist 233 Leopold (Liutpold) V., Hzg. v. Oesterreich (1177-1194) u. (seit 1192) v. Steiermark 302 Le Pallet b. Nantes 201 Libanon, Gebirge i. Palästina 153 Liechtenstein s. Ulrich Liegnitz, St. in Schlesien 402 Lille s. Alanus Limburg a. d. Hardt, Kl. .südw. Worms 80, 97, 114 Limburg a. d. Lahn, Kollegiatstift 392 Limousin, zentralfranz. Landschaft 230 Lincoln, Bist, in Ostengland 370 Lissabon, St. 145, 212 Liudolf, Hzg. v. Schwaben (950-954, t 957), S. Kais. Ottos d. Gr. 13, 17, 25 Liudolfinger (Ottonen), sächsisch. Herrschergeschl. 36 Liutizen, ostelbischer Slawenstamm 39, 67, 211 Liutpold, s. Leopold Liutprand, B. v. Cremona (961-971) 30 Livland 345 f., 375 Lobbes, belg. Kl. w. Charleroi30 Lodomerien, Ft. im nordö. Galizien 347 Loire, Fl. 7, 46
439 Lombardei, Lombarden, Lombardenbund 6 ff, 12, 16, 17, 31, 78, 82 ff., 87, 109 ff, 114, 131, 135, 142 ff, 172, 175, 178, 187, 204, 227, 230, 237, 244, 247 ff, 254, 257, 258, 264, 265,271 ff, 281,284 f., 289, 290, 308 ff, 317, 322, 333, 354,378 ff, 385 ff, 393 ff, 401 ff, 414; vgl. Poebene Lombardus s. Petrus London, St. u. Bist. 92, 260, 301, 337 ff. Longchamps s. Wilhelm Lorch, ö. Linz i. Oberösterr. alter röm. Bischofssitz 43 de Lprris s. Guilleaume Lothar I., röm. Kais., Frankenkg. (840-855) 25 Lothar III. v. Supplinburg, röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1125-1137), vorher (seit 1106) Hzg. v. Sachsen 163, 183 ff, 194, 195, 242, 247,341 Lothar III., Kg. v. Frankreich (954-986) 14, 23, 37, 40, 45 Lothar, Kg. v. Italien, Mitregent u. Nachf. Kg. Hugos (945-950) 15 Lothar v. Segni s. Innozenz ΙΠ. Lothringen (Nied.-u. Oberlothr.) 8, 11 ff, 21, 23, 31, 33, 37, 40, 44 ff, 73, 78 ff, 86 ff, 91, 96, 99, 103 ff, 112, 125, 141, 149, 160, 184, 211 Lübeck, St. 282, 298, 322, 329, 345, 375, 388 Lucan, röm. Dichter 206 Lucas Savelli, Senator v. Rom (1234) 392 Lucca, St. u. Bist. 111, 175, 388 Lucera, Sarazenenfestung nordö. Benevent 376 Lucius III., Papst (1181 bis 1185) 286, 288, 289 Ludwig I. d. Fromme, röm. Kais., Frankenkg. (814 bis 840) 20, 22 Ludwig II., röm. Kais., Kg. in Italien (855-875) 38
440 Ludwig IV. d. Kind, fränk.deutsch.Kg.(899-911)9,18 Ludwig IV., Kg. v. Frankreich (936-954) 13, 14 Ludwig V., Kg. v. Frankreich (986-987) 45 Ludwig VI., Kg. ν. Frankreich (1108-1137) 167 ff., 186, 197, 216 Ludwig VII., Kg. v. Frankreich (1137-1180) 182,197, 207, 210, 212 ff., 218, 231, 253, 255, 257, 266, 269, 271, 279, 293 Ludwig VIII., Kg. v. Frankreich (1223-1226) 335,340, 357 Ludwig IX. d. Heilige, Kg. v. Frankreich (1226 bis 1270) 357, 406, 407, 411 Ludwig I., Hzg. v. Baiem (1183-1231) 376, 389 Ludwig IV., Landgf. v. Thüringen (1216-1227) 367, 379, 400 Lund, St. u. Erzbist, im süd. Schweden 144, 207 Lüneburg 284, 394 Lusignan, südw. Poitiers, s. Veit, Amalrich Luther 220 Lüttich, St. u. Bist. 31, 187, 304 Luxemburg, Gfsch. 66 Lyon 91, 133, 278, 405 ff., 411 ff. Mäander, Fl.i. Kleinasien213 Maas, Fl. 74 Macbeth, Kg. v. Schottland (1040-1057) 117 Macchiavelli 31 Madjaren (Magyaren), s. Ungarn Magdeburg, St. u. Erzbist. 18, 29 ff, 36,37,39,52,57, 60, 181, 189, 391 Mahedia, St. in Tunesien 212 Mähren 43, 68, 205, 321 Mailand, St. u. Erzbist. 81 ff., 112, 127, 129, 142, 178, 184, 185, 188, 244, 248, 250, 254, 265, 273, 275, 289, 378, 388, 395, 414
REGISTER
Maine, Gfsch. sü. d. Nor- Marseille 132, 154, 360 mandie 196, 218, 295, 329 Martinus, bologn. Jurist 227 Mainz, St. u. Erzbist. 29,35, Masowien, poln. Hzgt. a. d. 39, 53, 65, 100, 135, 139, mittl. Weichsel 375 158 ff, 163, 165, 176, 178, Mathilde (f 928), Gem. d. 216, 257, 285, 295, 319, deutsch. Kg. Heinrich I. 334, 393 ff. 12, 32 Majo, sizil. Admiral u. Mathilde (Adelheid, f 1167), Staatsmann (f 1160) 245, Gem. Kais. Heinrichs V., 246, 255 dann Gottfrieds Gf. v. Majolus, A. v. Cluny (954 Anjou, T. Kg. Heinrichs bis 994) 21, 72 I. v. England 164,195,218 Makedonien 70, 147, 351 Malcolm III., Kg. v. Schott- Mathilde (f 1189), Gem. Hzg. Heinrichs d. Löwen, land (1054/57-1093) 167 T. Kg. Heinrichs II. v. Malmedy, sü. Aachen, s. England 262, 392 Poppo Malmesbury, nordö. Bristol, Mathilde (| 1115), Mkgin. v. Tuszien, Gem. Hzg.Gotts. Wilhelm frieds d. Buckligen v. Manasse, EB. v. Reims (1069 Niederlothringen, dann bis 1080, f nach 1098) 133 Welfs V. 103, 130, 136, Manegold, Chorherr v. Lau142, 157, 164 tenbach; A. v. Marbach i. Eisass (f nach 1103) 141 Mathildische Güter 145, 164, 184, 187, 196, 242, Manfred, Kg. v. Sizilien 250, 273 ff, 285, 286, 290, (1258-1266), natürl. S. 313, 317, 320, 331 Kais. Friedrichs II. 415 Manichäismus, dualistische Matthäus Orsini, röm. SeSekte in Persien 224 nator (1241) 403 Mansürah am Nil 414 Mauren, arabisiertes BerberMantua, St. 111, 112, 136, volk im nordw. Afrika u. 317 Spanien 38, 73, 115, 123, Manuel I. Komnenos, byz. 145, 208, 212, 297, 342, Kais. (1143-1180) 209, 343, 386, 408; vgl. auch 212 ff, 226, 264, 287, 291 Araber Map s. Walter Maurienne, Alpental in SaMarburg a. d. Lahn 393 voyen, s. Humbert Marcabru, provenz. Trou- Mauritius, EB. v. Braga, s. badour 231 Gregor VIII., Gegenpapst March, Nebenfl. d. Donau St. Maximin, Kl. b. Trier 34 84 Margarete (fl267), Gem. des Mecklenburg, Land u. Bist. 18, 85, 218, 281, 284, 345 deutsch. Kg. Heinrichs (VII.), T. Hzg. Leopolds Medina, St. in Arabien 292 Meinhard v. Segeberg, AuVI. v. Österreich 376 gustiner-Chorherr, MisMaria de France (f 1198), sions-B. i. Livland (1186Dichterin 232 1196)345 Maria Laach, Kl. i. d. Eifel Meissen, St. a. d. Elbe u. 178 Mkgsch. 39, 67, 84, 190, Marianus, irischer M. i. 307,325 Mainz (f um 1086); Chronist 176 Mekka, St. in Arabien 292 Markward v. Annweiler, Melchisedek 316 Seneschall (f 1202) 308, Melfi, ö. Benevent 107, 383 313, 318 Melikschah, Sultan d. türMarmarameer 351 kischen SeldschukenreiMarokko 38, 208, 342 ches (t 1094) 148
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Melisende (f 1161), Gem. Kg. Fulcus v. Jerusalem, Regentin 214 Melk a. d. Donau s. Heinrich Meran s. Gertrud Merlin, Zauberer d. Artussage 232 Merowinger, fränk. Herrschergeschlecht 16, 45, 339, 373 Merseburg a. d. Saale, St. u. Bist. 35, 60, 64, 176, 189, 190 Mesopotamien 292 Messias-David 402 Messias-Kaiser 401,415, 416 Messina, St. i. ö. Sizilien 38, 298, 310, 360, 376 Metz, St. u. Bist. 21, 73 Michael Kerullarios, Patriarch v. Konstantinopel (1043-1058) 102 Michael VII., byzant. Kais. (1071-1078) 123, 136 Michael Scotus (f 1235), Gelehrter u. Astrolog 382 Michelsberg, KI. i. Bamberg, s. Frutolf Mignano, nordw. Capua 191 S. Miniato, w. Florenz 413 Minoritenorden (Franziskaner) 315, 354, 355, 364 ff, 370, 388 Misika (Mesiko) I., Hzg. v. Polen (960-992) 29, 41, 42, 56 Mittelländisches Meer, Mittelmeer 123, 144 ff., 175, 189, 193, 197, 224, 271, 307, 344, 352 Modena, St. südö. Parma 178, 413 Mohammed, Gründer d. Islam (571-632) 292, 401; Mohammedaner, mohammedanisch 193, 209, 211, 224, 291, 293, 332, 343, 369, 379 ff, 402; vgl. Islam, Mauren, Orient, Sarazenen Moissac, Kl. nordw. Toulouse 238 Molesme, Kl. südw. Clairvaux, s. Robert Mongolen 32, 402, 403, 408
Monmouth, η. Bristol, s. Galfried Monreale b. Palermo 288 Monte Alverno (Verna), Apenninberg n. Arezzo 365 Montebello, sü. Pavia 274 Montecassino, Kl. 56, 71, 107, 163, 190, 193 Monte Gargano, a. d. ital. Ostküste 56 Monteil s. Adhemar Montelongo s. Gregor Monterotondo, n. Rom 244 Monte Soratte, n. Rom 61 Montferrat (Monferrato), Mkgsch. in Piemont, s. Konrad, Bonifaz Montfort, w. Paris, s. Simon Montpellier, in Südfrankreich 228 Morungen s. Heinrich Mossul, St. a. Tigris 152, 209, 214, 291 Mouzon, südö. Sedan 49, 168 Moyenmoutier, lothring. Kl. 100 Mozarabischer Ritus in Spanien 115 Muret, südw. Toulouse 356 Naumburg a. d. Saale 392 Navarra, Kgr. 115,123, 207, 299 Navas de Tolosa, sü. Toledo 343,356 Nazareth, St. in Palästina 379 Neapel 146, 304, 377 Neidhard v. Reuental, deutsch. Dichter 391 Neuplatonismus, die v. Plotin (f 270 n. Chr.) ausgehende Weiterbildung d. Philosophie Piatons 200, 201, 369 Nibelungenlied, Nibelungensage 43, 325, 391 Nicäa, St. u. Kaiserr. i. Kleinasien 151, 213, 352, 396 Niccolo Pisano, ital. Bildhauer 388 Nidaros-Drontheim, norweg. Erzbist. 207
441 Niederaltaich, Kl. nordw. Passau 96 Niederburgund s. Burgund Niederlande, Teil d. Hzgt. Niederlothringen 189, 336, 366; vgl. Lothringen Niederlothringen s. Lothringen Nigel s. Richard Fitz Nikephoros II. Phokas, byzant. Kais. (963-969) 27 Nikolaus I., Papst (858-867) 5, 29, 346 Nikolaus II., Papst (1059 bis 1061), vorher (seit 1046) Gerhard, B. v. Florenz 105, 106, 109, 112 Nikosia, Erzbist, auf Zypern 348 Nil, H. 292, 363 Nilus, hl., v. Rossano (j- 1005) 52 ff. Nilus Doxapatrios, sizil. Archimandrit 193 Nivardus, Magister 229 Nivelles, sü. Brüssel 366 Nizza, St. 78 Nogaret s. Wilhelm Nogat, ö. Mündungsarm d. Weichsel 375 Nogent (sous-Coucy), Kl. n. Paris, s. Wibert Nonantola, Kl. nordw. Bologna 55 Norbert, hl., EB. v. Magdeburg (1126-1134), Gründer d. Prämonstratenserordens 181, 186, 216, 224 Nordalbingien (Nordelbingen), Gebiet n. d. Unterelbe 329, 375 Nordheim, nordw. Meiningen, s. Otto Nordmark, im Havelgebiet 281 Nordsee 45, 321 Normandie 6, 44,70,73,86, 115, 116, 118, 120, 144, 146, 166, 169, 175, 186, 191, 195, 218, 231, 235, 253, 258, 259, 262, 267, 270, 284, 305, 328 Normannen, allgem. u. Norden (England) 43, 44, 70, 116, 118, 143, 144, 146, 207, 259
442 Normannen v. Süditalien u. Sizilien 83, 91, 101 ff., 107 ff., 122, 123, 136 ff., 140, 143, 146, 150, 151, 164, 189 ff., 212 ff., 217, 243, 245, 246, 248, 271, 287, 288, 298, 307 ff, 313, 317, 333, 371, 372, 376, 384 Norwegen 43, 44, 77, 85, 154,195,207,244,252,344 Notker d. Stammler (Balbulus), Lehrer in St. Gallen ( f 912) 34 Notker d. Deutsche (Labeo), Lehrer in St. Gallen ( f 1022) 34 Novara, w. Mailand s. Gunzo Nowgorod, russ. St. a. Ilmensee 408 Nureddin, Emir v. Mossul, Syrien u. Ägypten (1146 bis 1174) 214, 215, 291 Obotriten s. Abotriten Oder, Fl. 11, 41, 43 Odilo, A. v. Cluny (994 bis 1048) 49, 70 ff. Odo, A. v. Cluny (927-942) 20, 21, 32 Odo II., Gf. v. Champagne ( t 1037) 78, 82, 83 Ogotai, Grosskhan d. Mongolen (1227-1243 ) 403 Oise, Nebenil. d. Seine 46 Oktavian, Kard., s. Viktor IV. Oktavian s. Johann XII. Olaf I. Tryggveson, Kg. v. Norwegen (995-1000) 44 Olaf d. Heilige, Kg. v. Norwegen (1010-1030) 44, 77 Olmütz, St. u. Bist, in Mähren 346 Omar. I., Kalif (634-644) 379 Oppenheim sü., Mainz 130 Orange a. d. Rh6ne, s. Rambaut Ordericus Vitalis, M. in St. Evroul ( f 1142), franz. Chronist 177 Orient, kulturelle Orienteinwirkungen auf. d. Abendland 222 ff, 228, 239, 323, 357
REGISTER Orkney-Inseln, n. Schottland 85 ΟΗέβι», St. u. Bist. 21, 46, 133, 225 Orosius, Kirchenhistoriker ( f nach 418) 177 Orsini, röm. Adelsgeschlecht, s. Matthäus Osel, bait. Insel 345 Osma, ö. Saragossa s. Diego Osmanen, Türken 351 Osterreich, Mkgsch., dann Hzgt. 18, 85, 184, 242, 322, 325, 394, 403, 408 Ostfalen, sächs. Gebiet zw. Weser u. Elbe 127, 391 Ostia, Hafenst. u. Kard.Bist. w. Rom., s. Petrus Damiani, Lambert, Urban II. Oströmisches Reich s. Byzanz Ostsee, Ostseeküste 42, 43, 45, 67, 282, 321, 322, 329, 345, 375 Otbertiner, urspr. Name d. Este, s. Este Otloh, M. in St. Emmeram in Regensburg 94 Otranto, St. im südö. Apulien 136 Otrich ( f 981) Lehrer in Magdeburg 37 Otto, hl. B. v. Bamberg (1102-1139), Pommernmissionar 189 Otto, B. v. Freising (1137 bis 1158), S. d. Mkg. Leopolds III. v. Österreich, Chronist 177, 208, 213, 243, 249, 323 Otto I. d. Gr., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (936-973) 10 ff., 21 ff, 39 ff, 47, 50, 54, 64 ff., 71, 76, 83, 88 ff, 94, 96, 189, 242, 331 Otto IL, röm. Kais. u. deutscher Kg. (£>73-983) 27, 37 ff, 45, 47, 50, 70 Otto III., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (983-1002) 39, 40, 42, 50 ff, 68, 71, 90, 93, 99 Otto IV., röm. Kais. u. deutsch. Kg. (1198 bis 1215, f 1218), vorher
Hzg. v. Aquitanien, Gf. v. La Marche u. Poitou 320, 326 ff, 341 O t t o v. Nordheim ( f 1083), Hzg. v. Baiern (seit 1061), dann v. Sachsen (seit 1075) 110,128,129,132,135 Otto I. (VI.) v. Wittelsbach, Hzg. v. Baiern (1180 bis 1183), vorher Pfalzgf. (seit 1156) 284 Otto VIII. v. Wittelsbach, Pfalzgf. v. Baiern ( f 1209) 330 Ottokar I. (Przemysl), Kg. v. Böhmen (1198-1230), vorher (seit 1192/97) Hzg. v. Böhmen 346 Ottonen s. Liudolfinger; Ottonische „Renaissance" 31, 33ff.; Ottonisches Regierungssystem (begründet v. Otto d. Gr.) 64, 65, 79 ff, 92, 172, 331, 374; Ottonianum, Urkunde Ottos d. Gr. f. Papst Johann XII. (v. 13.2.962) 25, 50, 54, 58 f., 71 Ovid ( f 17 n. Chr.), röm. Dichter 225 Oxford, St. u. Bist. a. d. oberen Themse 228, 230, 370 Padua, St. 257, 387 Palästina 87, 147, 268, 347; vgl. Heiliges Land Palerjno, Erzbist. u.Hauptst. Siziliens 107, 108, 146, 192, 193, 215, 226, 245, 258, 307, 308, 311, 318, 332, 371, 415. Pallavicini s. Hubert Pamphylien, Landsch. im sü. Kleinasien 214 Pandulf (um 1213), päpstl. Legat i. England 335 Paris 14, 46, 133, 185, 199 ff, 227, 228, 235, 238, 269, 300, 314, 315, 329, 338, 363, 366, 370 Parma 110, 112, 178, 388, 410 ff. Paschalis IL, Papst (1099 bis 1118) 158 ff, 168
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Paschalis III., Gegenpapst (1164-1168) 256, 262 ff., 271, 280 Passau, St. u. Bist. a. d. Donau 42, 58 Pataria, religiös-soziale Bewegung in Mailand 110, 113, 143, 204 Patrimonium Petri s. Kirchenstaat Paulus Diaconus (f um 799), langob. Chronist 30 Pavia, St. u. Bist. 15, 16, 25, 53, 56, 69, 74, 82, 89, 114, 227, 252, 265, 275 Peene, Fl. i. Mecklenburg u. Vorpommern 85 Pegau, südw. Leipzig 135 Peguilain s. Aimeric Peire Cardinal, Troubadour 358 Peire, Vidal, Troubadour 358 Pelagius, päpstl. Legat b. Kreuzzug 1218/19, 363 Pennaforte s. Raimund Pentapolis, Gebiet d. fünf adriat. Küstenst. Rimini, Pesaro, Fano, Senigallia, Ancona 59 Pera, Stadtteil v. Konstantinopel 351 Pereum, Poinsel 60 Perotin, Pariser Komponist 233 Persien 222 ff.; s. auch Manichäismus Perugia, St. i. Umbrien 360 Peter Capocüo, Kard.-Legat unter Innozenz IV. 413 Peter v. Castelnau, päpstl. Legat (f 1208) 355 Peter d. Ehrwürdige, A. v. Cluny (1122-1156) 179, 203, 206, 210 Peter Abälard Palatinus (t 1142), franz. Scholastiker 201 ff., 224, 227, 228 Peter v. Amiens, Eremit (f 1115), Kreuzzugsprediger 149 Peter II., Kg. v. Aragonien (1196-1213) 333, 342, 343, 356 Peter, Kg. v. Ungarn (1038/ 41 u. 1044/47, f um 1050) 77, 84, 103
Peter v. Blois (f 1204), Gelehrter a. Hofe Kg. Heinrichs II. v. England 258 Peter v. Bruis, als Ketzer verbrannt 204 Peter v. Vinea, Grosshofrichter u. Logothet (t 1248) 383, 398, 413 Peter s. auch Petrus Peterborough, nordö. Northampton, s. Benedikt Petrus Damiani (t »072), Kard.-B. v. Ostia (1158 bis 1061) 100, 105, 113, 198 Petrus Pierleoni, Kard., s. Anaklet II. Petrus Lombardus, B. v. Paris (1159-1160/64), Scholastiker 203 Petrus, B. v. Pavia, Kanzler Kais. Ottos II., s. Johann XIV. Petrus Alphonsi, span. Arzt u. Novellist 229 Petrus Crass us, Ravennater Jurist 137 Petrus Waldes, Lyoner Kaufmann 278 Petrus s. auch Peter Petschenegen, türk. Nomadenvolk 147 Philipp, deutsch. Kg. (1198 bis 1208), vorher (seit 1196) Hzg. v. Schwaben u. Tuszien 311, 319, 320, 326 ff., 346, 350 Philipp. I., Kg. v. Frankreich (1060-1108) 113,124, 133, 144, 160, 167 Philipp II. August, Kg. v. Frankreich (1180-1223) 281, 293 ff., 300 ff., 305, 319, 327 ff., 334 ff., 341, 342, 355, 356, 407 Philipp v. Heinsberg, EB. v. Köln (1167-1191), Hzg. v. Westfalen (seit 1180) 283, 289 Philippopel, St. 352 Philomelium in Kleinasien, nordw. Ikonium 152 Piacenza, St. u. Erzbist. ö. Pavia 90, 143, 147, 388, 414
443 Piasten, poln. Herrschergeschlecht 41; Zweiglinie i. Schlesien 272 Picardie 235 Piemont 59, 73, 273, 285, 414 Pierleoni, röm. Adelsgeschl. 184, 186 Pilgrim, Β. ν. Passau (972-991) 42 Pippin d. Jüngere, fränk. Kg. (751-768) 25 Pisa 70, 97, 108, 145, 154, 185, 187, 188, 223, 226, 255, 306, 331, 360, 377, 402 Pisano s. Niccolo Placidus, M. i. Nonantola 168 Plantagenets, angiovinischengl. Herrschergeschlecht 221, 295, 320, 338 Piaton (f 347 v. Chr.), griech. Philosoph 151,198 225 Po, Poebene 109, 145, 164, 265; vgl. Lombardei Poitiers, St. u. Bist. sü. Tours 133 Poiton, Gfsch. i. sü. Frankreich 218, 319, 328, 336, 337 Polen 29, 37, 41, 42, 53, 56, 67, 68, 71, 76, 77, 84, 91, 98, 124, 139, 189, 195, 207, 211, 272, 282, 322, 346, 375, 402 Pommern 41 ff, 57, 67, 84, 91,189,211,282,284,345, 375 Pomposa, Kl. n. Ravenna, s. Guido v. Arezzo Ponte Mammolo, ö. Rom 162 Pontigny, n. Auxerre, Kl. 262, 265 Pontius, A. v. Cluny (1109 bis 1122, f 1126) 179 Poppo, B. v. Brixen, s. Damasus II. Poppo, A. v. Stablo u. Malmedy (1020-1048) 74, 80 Porphyrius (f 300), Philosoph 198 Portugal 165, 167, 207, 212, 230, 297, 336, 342
444 Posen, St. u. Bist. a. d. Warthe 29, 57 Pozzuoli, St. w. Neapel 379 Prag 29, 43, 52, 84, 346 Prämonstratenser, Chorherrenorden 181 Praxedis, (Eupraxia, Adelheid, t 1109), 2. Gem. Kais. Heinrichs IV. 143 Pr&nontri, Kl. w. Laon 181 Preussen 41 ff., 53, 67, 93, 345, 346, 375 Pribislaw Heinrich, Hevellerf. (f 1150) 281 Primas, s. Hugo v. Orleans Prouille, Dominikanerkl. i. d. Diöz. Toulouse 354 Provence 15, 19, 38, 148, 150, 153, 204, 207, 223, 230, 231 f., 237, 255, 305, 357, 358, 383, 394 Provins, südö. Paris, s. Guiot Prüm, Kl. n. Trier, s. Regino Przemysliden, böhm. Herrschergeschlecht 18, 41 Pseudoisidorianische Dekretalen 47, 48, 100, 125, 206 Ptolemäus, hellenist. Geograph (t um 160) 193, 226 Pufendorf, Samuel v. (f 1694) 390 Puy (Le Puy), südw. Lyon, s. Adhemar Pyrenäen 73, 115, 197, 356 Quedlinburg, St. a. Harz 29, 36, 96 Querfiirt, südw. Halle a. d. Saale, s. Brun, Konrad Raimund, EB. v. Toledo (1126-1151) 226 Raimund v. Pennaforte (f 1275), Dominikanergeneral (1238-1240), Dekretist 363 Raimund Berengar II., Gf. v. Barcelona (1076-1082) 145 Raimund Berengar III., Gf. v. Barcelona u. Provence (1082-1131) 167 Raimund Berengar IV., Gf. v. Barcelona u. Provence, Kg. v. Aragonien (11371162) 207, 211
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Raimund v. Poitiers, F. v. Antiochia (1136-1149) 209, 214 Raimund IV. (I.) v. SaintGilles, Gf. v. Toulouse, dann Gf. v. Tripolis (1088-1105) 148, 150, 153 Raimund V., Gf. v. Toulouse (1148-1194) 253, 279 Raimund VI., Gf. v. Toulouse (1195-1222) 335, 353 ff. Raimund VII., Hzg. v. Toulouse (1215-1229, f 1249) 357 Raimund II., Gf. v. Tripolis (Ende d. 12. Jhdts.) 292 Rainald v. Dassel, EB. v. Köln (1159-1167), Kanzler Kais. Friedrichs I. 230, 246, 250, 254 ff., 260 ff., 276, 285, 400 Rainald, Titular-Hzg. v. Spoleto (bis 1231) 380 Rainald v. Chätillon, F. v. Antiochia (1152-1163, f 1187) 292 Rainer v. Viterbo, Kard. unter Innozenz IV. 405, 406, 411 Rainulf v. Alife, Hzg. v. Apulien (1137-1139) 190 Rainulf I., Gf. v. Aversa (f 1044) 83 Rambaut v. Orange, Troubadour 231 Ramiro II., Kg. v. Aragonien (1134-1137, f 1157) 207 Raner, slaw. Volksstamm auf Rügen 282 Rather v. Lobbes, B. v. Verona (931-974) u. v. Lüttich (953-955) 30 Ratram, M. v. Corbie 113 Ratzeburg, St. u. Bist. sü. Lübeck 85, 322 Ravenna, St. Erzbist. u. Exarchat 37, 39, 59 ff, 101, 136, 227, 273, 313, 388, 390, 392 Reckenitz, Fl. in Mecklenburg 18 Regalienrecht, Recht d. Kg.s auf die Einkünfte vakanter Prälaturen 144, 243, 308, 331
Regen, Nebenfl. d. Donau 159 Regensburg, St. u. Bist. 29, 58, 92, 94, 96, 233, 286 Regino, A. v. Prüm (f 915), Chronist 34 Reichenau a. Bodensee, Kl. 35, 94 ff. Reichersberg, i. d. Diözese Passau, s. Gerhoh Reims, St. u. Erzbist. 14,31, 37, 47,48,53,55, 100,133, 168, 203, 216, 235, 238, 392 Reinmar d. Alte v. Hagenau ("I" um 1205), Minnesänger 325 Rekuperationen, Erweiterung d. Kirchenstaates durch Innozenz III. um d. Hzgt. Spoleto, d. Mark Ancona u. Südtuszien 317, 330 ff, 378, 398 Renaissance, italien. 315, 365, 383, 384, 399, 410, 416; ottonische Renaissance s. Ottonen Repgow, Reppichau i. Ostfalen, s. Eike Reuental s. Neidhart Rheinfelden, ö. Basel, s. Rudolf Riade a. d. Unstrut (?), heute Rieteburg b. Artern oder Kalbsrieth 11 Richard, A. v. St. Vannes i. Verdun (f 1046) 74 Richard v. St. Viktor in Paris (f 1173), schott. Scholastiker 201 Richard I. Löwenherz, Kg. v. England (1189-1199) 150, 269, 270, 295, 299 ff, 319, 327, 375 Richard, Gf. v. Cornwall, S. Kg. Johanns ohne Land v. England, später (1257 bis 1272) deutsch. Kg. 403 Richard II., Hzg. d. Normandie (996-1026) 73 Richard v. Aversa, F. v. Capua (1058-1066) 107 Richard Fitz Nigel, Schatzmeister Kg. Heinrichs II. v. England 258 Richer v. Reims, Chronist 46
REGISTER Riga, St. u. Bist. 346 Robert Grosseteste, B. v. Lincoln (1235-1253) 370, 408 Robert v. Arbrissel ( f 1117), Gründer d. Ordens v. Fontevrault 158 Robert v. Molesme ( f 1110), Gründer d. Zisterzienserordens 158 Robert II. d. Fromme, Kg. v. Frankreich (996-1031) 45, 53, 73, 74, 78, 86 Robert Guiscard, Gf., dann Hzg. v. Apulien u. Kalabrien (1057-1085) 107, 123, 136 ff., 146, 150, 185, 212, 287 Robert I. d. Teufel, Hzg. d. Normandie (1028-1035) 116 Robert II. Curthose, Hzg. d. Normandie (1087 bis 1096/1106) 120, 144, 150, 166 Roger, EB. v. York (1154 bis 1181) 262, 266, 267 Roger v. Hoveden ( f um 1210), engl. Chronist 258 Roger I., Gf. v. Sizilien u. Kalabrien ( f 1101) 107, 143, 146, 185 Roger II., Kg. v. Sizilien (1130-1154), vorher Hzg. v. Apulien 185 ff., 208, 210, 212, 215, 216, 243, 246, 287, 288, 298, 318, 371, 384 Roger Borsa, Hzg. v. Apulien (1085-1111), S. Robert Guiscards 146 Roger II., Vicomte ν. Βέziers 279 Roger s. Friedrich II. Roland, Kard. s. Alexander III. Rolandslied, französisch u. deutsch. 115,118,232, 286 Rollo, 1. Hzg. d. Normandie (911-932) 6 Rom, Römer, Rom. Kurie, Rom. Reich usw. 7, 12, 17 ff., 21, 25 ff, 38 ff, 42, 49 ff., 69,74,75,79, 82,84, 89 ff, 97, 99 ff, 110 ff, 115,118,123,124,128,129, 134, 137, 139, 140, 143 ff,
158, 160 ff, 170 f., 184 ff., 194, 205 ff, 210, 216, 217, 226 ff, 237, 244, ff. 250, 255, 259, 264, 270, 276, 279, 290, 303, 309, 315, 316, 331 ff, 342, 343, 346, 353, 358 ff, 366, 374, 384, 389, 392, 395, 396, 398, 400 ff, 405, 408,411; vgl. auch Leostadt, Aventin, Lateran Romagna 175,255,285,317, 402, 412, 414 Romanischer Stil 36, 114, 178, 179, 234 ff, 322, 323, 392 Romano s. Ezzelin III. Römisches Recht 192, 226, 241, 258, 259, 303, 319, 360, 368, 384; Lex Regia 217 Romuald, hl. ( f 1027), Gründer d. Camaldulenserordens 52, 60 Roncaglia, b. Piacenza 249, 250, 285 Roncevaux (Roncesvalles), i. d. PyTenäen 115 Roscelin ( f um 1123), franz. Scholastiker 198, 199, 202 Roeskilde, St. u. Bist. w. Kopenhagen, s. Absalon Rossano, a. d. Ostküste Kalabriens 39; s. Nilus Rossi s. Bernardo Orlando Rotes Meer 292 Rothenburg ob d. Tauber s. Friedrich Rouen, Hauptst. d. Normandie 6,14,133,256,305 Rudolf v. Rheinfelden, deutscher Gegenkg. (1077 bis 1080), Hzg. v. Schwaben (seit 1057) 131 ff, Rudolf II., Kg. v. Hochburgund (912-937), Kg. v. Italien (921-933) 11, 14 Rudolf III., Kg. v. Burgund (993-1032) 66, 77 Rügen, Ostseeinsel 189 f., 282, 345, 375 Runnimede b. Windsor 338 Ruotger, Kölner Diakon, Biograph. EB. Bruns v. Köln 34 Rupertsberg, Kl. b. Bingen, s. Hildegard
445 Russland, Russen 19,29,41, 58,68,76,124,143,282,402, Ruthart, EB. v. Mainz (1089-1109) 158 Ruy Diaz del Vivar s. Cid Sabina, stadtröm. Bist. 89 Sachsen 8, 10, 18, 22, 30, 32 ff, 4 4 , 5 4 , 5 9 , 6 3 , 6 6 , 6 8 , 93, 96, 103, 110, 127 ff, 131, 141, 144, 159, 163, 176, 183, 189, 194, 218, 241, 246, 264, 280, 281 ff, 305, 308, 322, 334, 391 Sachsenspiegel 391 Saladin, Sultan v. Ägypten, Syrien u. Mesopotamien (1171-1193) 291 ff, 296 ff, 308,311 Saleph, Fl. in Kilikien 297 Salerno 31. 91, 138, 226, 228 Salier, nach d. Stamme d. Salfranken benanntes Herrschergeschl. 76 ff. u. öfter Salisbury, St. u. Bist, nordw. Southampton 267 Salm, Gf.-Geschl. i. d. Ardennen, s. Hermann Saloniki, St. u. Kgr. Thessalonich 287, 351 Salza s. Hermann Salzburg, St. u. Erzbist. 29, 43, 58, 254, 257, 271 Samland 375 Samuel, Zar d. Bulgaren (977- 1014) 38 Sancho II. Ramirez, Kg. v. Aragonien (1063-1094) 115, 145 Sancho d. Alte, Kg. v. Navarra (970-1035), auch v. Aragonien u. Kastilien 73, 115 Sancho VI., Kg. v. Navarra (1150-1194) 271 Sancho I., Kg. v. Portugal (1185-1211) 297, 342 Sancho II., Kg. v. Portugal (1223-1245) 408 Saragossa (Zaragoza), St. am Ebro 145, 207 Sarazenen 6, 7, 19, 38, 50, 70, 108, 145, 192, 193, 223, 232, 306, 318, 355, 356, 376, 412; vgl. Araber
446 Sardinien, Insel u. Kgr. 6,70, 108,123,145, 242,273,396 Savelli, röm. Adelsgeschlecht, s. Cencius, Lucas Savonarola, Hieronymus (Girolamo), florent. Bussprediger (f 1498) 367 Savoyen, Gfsch. i. d. Westalpen 105, 411 Saxo Grammaticus (f um 1216), dän. Chronist 345 Sayn a. Mittelrhein, s. Heinrich Schauenburg a. d. Weser, s. Adolf II. Schiiten, ö. Zweig d. Islam mit Nachkommen Alis als Kalifen 291 Schirkuh, Kurdenführer u. Eroberer Ägyptens (t 1169) 291 Schlesien 42, 57, 84, 272, 321, 402 Scholastik, Begründung 199; Methode 202; sonst öfter Schottland 44, 117, 119, 144, 167, 207, 211, 270, 334, 342 Schwaben 8 ff., 15, 17, 21, 34, 66, 80, 131, 132, 140, 157, 183, 184, 194, 218, 242, 272, 273, 281, 320, 324, 391, 394 Schwarzrheindorf, am Rhein 322 Schweden 43, 44, 85, 195, 207, 345 Schweiz, Schweizer Lande 78, 389, 394 Schwerin, Gfsch., s. Heinrich Schwertbrüderorden, geistl. Ritterorden m. Templerregel (1237 m. d. Deutschen Orden vereinigt) 345, 375; s. Deutscher Orden Seeland s. Saxo Grammaticus Seelenhofen s. Arnold Segeberg, w. Lübeck, s. Meinhard Seldschuken, türk. Volksstamm 123, 147 ff., 152 ff., 209, 213 Seligenstadt am Main 75
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Semgallen, bait. Landsch. sü. der unteren Düna 345 Sens, südö. Paris 133, 204 ff., 257, 262, 265 Septimius Severus, röm. Kais. (193-211) 403 Serbien 141, 215, 347 Sergius, Hzg. v. Ravenna (lO.Jh.) 52 Severin, hl. (f 482), Missionar im Noricum 43 Sibylle (f 1190), Gem. Kg. Veits v. Jerusalem 293 Sidon, St. n. Beirut 312 Siebenbürgen 247 Siena, St. 244 Sigebert v. Gembloux (t 1112), Chronist 176 Sigurd I., Kg. v. Norwegen (1103-1130) 154 Silva Candida, röm. Stadtbist., s. Humbert Silves, St. in Portugal 297 Silvester I., Papst (314 bis 335) 61 Silvester II., Papst (999 bis 1003), vorher Gerbert, M. v. Aurillac, A. v. Bobbio, EB. v. Reims u. Ravenna 37, 46 ff., 53, 55 ff., 70, 124, 346 Silvester III., Gegenpapst (1044-1046) 89 Silvio s. Enea Simon v. Montfort (f 1218), Führer im Albigenserkrieg 356, 357, Simon v. Tournai, franz. Scholastiker 200, 369 Sinibald Fieschi s. Innozenz IV. Sisu, Klausnerin im ostfal. Drübeck 51 Sizilien 6, 38, 39, 101, 107, 146, 183, 185, 187, 191, 208, 215, 217, 222, 239 ff, 250, 255, 263, 264, 276, 281, 287, 303, 304, 307 ff, 317 ff, 330 ff, 373, 376 ff, 396, 398, 410, 413, 415, 418, Skandinavien 5, 32, 67, 85, 144, 189, 207, 211, 244, 282,344 Slavnik, böhm. Adelsfamilie 52; s. Adalbert
Slawen 6, 11, 18, 28, 29, 32, 36, 41 ff, 54, 67, 68, 84, 189, 241, 272, 282, 284, 321, 345 ff; vgl. Wenden Slawonien, Nebenland Kroatiens 150 Slowakei, westslaw. Gebiet i. d. Karpaten 42, 76 Snorri Sturluson (f 1241), island. Schriftsteller 344 Soissons, St. a. d. Aisne 198 Sorben, slaw. Stämme zwischen Saale u. Bober 39, 64; vgl. Wenden Sorrent 83 Spanien (iber. Halbinsel) 38, 58, 73, 115, 120, 123, 140, 145 ff., 167, 177, 181, 186, 197, 207 ff, 211, 219, 222, 226, 230, 236, 264 f., 297, 302, 342 ff, 354, 360, 363. 366, 382, 402. 408 Speier (Speyer), St. u. Bist., Dom 80, 97, 114,130,160, 163, 177, 210, 328, 331, 334 Spoleto, St. in Umbrien u. Hzgt. 7, 104, 242, 255, 273, 317, 398 Spolienrecht, Recht der Kg.e auf Einziehung des bewegl. Nachlasses von Prälaten 243, 308, 331 Stablo, Kl. südö. Lüttich, s. Poppo, Wibald Staufer (Hohenstaufen), schwäb. Herrschergeschl.,Stauf. Kaisergedanke 240, 241, 248, 289, 323, 328, 394 Stedinger Bauern, a. d. Unterweser 393 Stefan IX., Papst (1057 bis 1058), vorher Friedrich v. Lothringen, Kard., S. Hzg. Gozelos v. Lothringen 99, 105 Stefan Langton, EB. v.Canterbury (1207/ 13 bis 1228) 329, 334, 338, 340 Stefan Harding, A. v. Citeaux (1109-1134) 180 Stefan v. Blois, Kg. v. England (1135-1154) 150, 196, 237, 259, 261
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Stefan I. (Waik) d. Heilige, Kg. v. Ungarn (997-1038) 42, 43, 58, 66, 77, 84 Stefan, ital. Grammatiker 30 Steiermark, seit 1180 Hzgt., seit 1192 mit Österreich vereinigt 85, 283, 394, 408 Straßburg, St. u. Bist. 322, 392; s. Gottfried Sturluson, s. Snorri Subiaco, nordö. Rom 56 Suessa (Sessa Aurunca), ö. Gaeta, s. Thaddäus Suger, A. v. St. Denis (f 1151), franz. Staatsmann 167, 183, 186, 197, 207, 210, 215 ff, 237, 345 Suidger, B. v. Bamberg, s. Klemens II. Sunniten, westlicher Zweig des Islam, nach d. anerkannten mündl. Überlieferung d. ersten Kalifen (Sünna) benannt 291 Supplinburg (Süpplingenburg) in Braunschweig, s. Lothar III. Susa, w. Turin 265 Sutri, nordw. Rom 90, 137, 169, 244 Sven Estridsen, Kg. v. Dänemark (1047-1076) 85 Sven Gabelbart, Kg. v. Dänemark (986-1014) 43 f. Sverre, Kg. v. Norwegen (1184-1202) 344, 345 Syrakus, St. i. ö. Sizilien 388 Syrien 38,152,154,175,209, 214, 225, 291, 292, 298 ff., 306, 347, 349, 403, 414; vgl. Heiliges Land, Palästina, Lateiner in d. Kreuzfahrerstaaten Tacitus (f nach 116), röm. Schriftsteller 96 Taillefer, normann. Ritter 118
Tankred v. Lecce, Kg. v. Sizilien (1190-1194) 298, 299, 303 ff., 309, 311, 318 Tankred, Neffe Bohemunds I. v. Tarent (f 1112) 150, 152
Tarent, St. a. d. Westküste Apuliens 39; s. Bohemund Tarragona, St. u. Erzbist. südw. Barcelona 145, 207 Taurus, Gebirge a. d. Südküste Kleinasiens 152 Tegernsee, KI. sü. München 94, 254 Templer (Tempelherren), geistl. Ritterorden 155, 207, 311 Temudschin Tschingis Khan (Dschingis Chan), Begründer des Mongolenreiches (1206-1227) 402 Terenz (j-159), röm. Dichter 34, 135 Tertiarier, Laienorden, den Minoriten auch Dominikanern angegliederter „Dritter Orden" 365 ff. Thaddäus v. Suessa, Grosshofrichter Kais. Friedrichs II. (f 1248) 398, 406 Thankmar, Halbbruder Kais. Ottos d. Gr. (f 983) 13 Theobald, EB. v. Canterbury (1139-1161) 196, 260, 261 Theobald I., Kg. von Navarra (1234-1253) Theophanu (Theophano) (f 991), Gem. Kais. Ottos II., byzant. Prinzessin 27, 32, 37, 40, 50, 54, 69 Thessalien 351 Thessalonich s. Saloniki Thietmar, B. v. Merseburg (1009-1018) 96 Thomas Becket, hl., EB. v. Canterbury (1162-1170), vorher (seit 1155) Kanzler Kg. Heinrichs II. v. England 196, 253, 260 ff, 271, 304, 355 Thomas v. Aquino, hl. (f 1274), Scholastiker 221, 239, 260, 370, 417 Thomas, franz. Bearbeiter der Tristansage 232, 324 Thrakien 147 Thüringen 9, 85, 127, 134, 135, 283, 308, 322, 325 Tinchebrai i. d. Normandie, südw. Caen 167
447 Tirnowa, Erzbist, in Bulgarien 347 Tivoli (Tibur), St. ö. Rom 59, 138, 205 Todi, i. Umbrien 60 Toledo, St. u. Erzbist, (seit 1088) am Tajo 145, 226, 343 Toskana s. Tuszien Toul, St. u. Bist. a. d. Mosel 33, 73, 101 Toulouse, St., Bist. u. Gfsch. 178, 254 ff, 271, 279, 356, 357 Touraine, Gfsch. a. d. mittl. Loire 295, 329 Tournai (Doornijk), St. südö. Lille 235 Tours a. d. Loire, St. u. Bist. 133 Trapezunt, St. a. d. Nordküste Kleinasiens 352 Trebur (Tribur), südö. Mainz 130 Treuga Dei s. Gottesfriede Treviso, Trevisaner Mark, n. Venedig 410 Tribur s. Trebur Trient, St. u. Bist, in Südtirol 399 Trier, St. u. Erzbist. a. d. Mosel 14,75,287,289,290 Trifels, südw. Speier 305 Tripolis, St. u. Gfsch. a. d. syr. Küste 153, 155, 293, 347 Tripolis, St. u. Landsch. in Nordafrika 192, 212 Troubadour, provenzal. Minnesänger 230 ff, 325, 348, 358 Trouvires, nordfranz. Minnesänger 231, 233 Troyes, Hauptst. d. Champagne 231; s. Christian Tschechen s. Böhmen Tschingis Khan s. Temudschin Tunis, St. u. Landsch. in Nordafrika 192, 212, 332 Turin, St. u. Mgfsch. in Oberitalien 69, 81 Türken, s. Chowaresmier, Osmanen, Seldschuken Turkomanen (Turkmenen), türk.-tatar, Volk 296
448 Turolt, Gestalter des franz. Rolandsliedes (?) 115 Tuskulum, St. südö. Rom (1191 zerstört) 264, 304; Tuskulaner Grafen 69,78, 89, 99, 184, 251, 264, 304 Tuszien, Toskana 7, 70, 81, 99, 103, 104, 136, 145, 165, 175, 242, 255, 264, 273, 289, 317 ff., 330, 392, 398, 410 Tyrus, St. u. Erzbist. 154, 292, 302 Tzimiskes s. Johannes Udalrich, Bamberger Geistlicher 171 Ugolino (Hugo), Kard., s. Gregor I X . Ulrich v. Liechtenstein (1 1275/76), Minnesänger 391 Umbrien 383 Ungarn, Madjaren (Magyaren), 6, 10, 18, 19, 29, 32, 33, 36, 39, 42, 43, 57, 60, 68, 76, 77, 84, 88, 91 f., 98, 103,111, 124,139,147, 149, 189, 207, 215, 252, 255, 322, 346 ff., 375, 396, 402 Union d. griech. mit d. röm. Kirche, Pläne u. Verhandlungen 102,123,146, 192, 264, 277, 348, 350, 352, 353, 408 Upsala (Uppsala), St. u. Erzbist, in Schweden 207 Urban II., Papst (1088 bis 1099), vorher (seit 1078) Odo, Kard.-B. von Ostia 139 ff, 210 Urban III., Papst (1185 bis 1187), vorher Hubert, EB. v. Mailand 289, 290 Ursperg, Kl. südö. Ulm, s. Burchard Utrecht, St. u. Bist., s. Adalbold Vacarius, lombard. Jurist a. Hofe Kg. Heinrichs II. v. England 258 Vaganten (Goliarden) 229 ff Vallombrosa, ö. Horenz 157
REGISTER St. Vannes, Kl. in Verdun, s. Richard Veit (Guido) v. Lusignan, Kg. v. Jerusalem (1186 bis 1192), Kg. v. Zypern (bis 1196) 293, 297, 311 Veldeke s. Heinrich Venaissin, Landsch. ö. d. unteren Rhone 357 Venedig, Venezianer 58, 60, 97, 108, 136, 154, 189, 215, 226, 252, 257, 273, 276, 279, 281, 348 ff, 381, 396, 414 Ventadorn s. Bernhard Vercelli, w. Mailand, s. Atto, Leo Verdun 74, 91 Vergil s. Virgil Vermandois, Gfsch. ö. d. Normandie 294; s. Hugo Verona, St., Bist. u. Mkgsch. 17, 39, 257, 287, 290, 410 Veroneser Klause (Etschklause), Engpass nordw. Verona 378, 388, 392 Vexin, nordfranz. Landsch. südö. Rouen 254 V6zelay, Kl. sü. Troyes 178, 210, 238, 295, 298 Vicenza, St. w. Venedig 257 s. Johann Vidal s. Peire Vienne, St., Gfsch. u. Erzbistum a. d. Rhone 91, 163, 168 St. Viktor, AugustinerChorherrenstift in Paris; s. Hugo, Richard St. Viktor, Kl. i. Marseille, s. Marseille Viktor II., Papst (1055 bis 1057), vorher (seit 1044) Gebhard, B. v. Eichstätt 104 ff. Viktor III., Papst (1086 bis 1087), vorher (seit 1057) Desiderius, A. v. Montecassino 139 Viktor IV., Gegenpapst (1159 bis 1164), vorher Kard. Oktavian 251 ff.,256 Villehardouin s. Gottfried Vinea s. Peter Virgil (Vergil) ( f 19 v. Chr.), röm. Dichter 225 Vitalis s. Odericus
Viterbo, St. nordw. Rom 263, 386, 398, 406 Vitry (le Francois), St. südö. Chälons-sur-Marne 197; s. Jakob Vittoria, Lagerst, v. Parma 412, 414 Vizelin ( f 1154), Wendenmissionar 189 von der Vogelweide, s. Walther Vogtland,· Landsch. des Fichtelgebirges 242 Volpiano, nordö. Turin, s. Wilhelm Wace, breton. Dichter 332 Wahlstatt b. Liegnitz 402 Waiblingen, Stauf. Königshof, nordö. Stuttgart 387 Waik s. Stefan Waimar, F. v. Salerno (1030 bis 1052) 71, 83, 91 Walachei, Landsch. a. d. unteren Donau 347 Waldemar I., Kg. v. Dänemark (1157-1182) 282, 284 Waldemar II. d. Sieger, Kg. v. Dänemark (1202 bis 1241) 341, 345, 375 Waldenser, Sekte (v. Petrus Waldes 1176/77 gegr.) 278, 354, 357 Waldes s. Petrus Wales, Waliser 119,258,270, 342 Walter, Gf. v. Brienne ( f 1205) 318 Walter v. Chätillon, franz. Dichter 228 Walter Map ( f 1208), Archidiakon v. Oxford, engl. Satiriker 230, 258 Walter von der Vogelweide ( f um 1230), deutsch. Dichter 325, 332, 333, 359, 391 Waräger, schwed. Wikinger in Russland 19, 70 Wannann, B. v. Konstanz (1026-1034) 79 Wartburg b. Eisenach 322 Weif IV., Hzg. v. Baiern (1070/96-1101) 142 Weif V., Hzg. v. Baiern (1089-1095.fi 119) 143,157
REGISTER
Weif VI. ( f 1191), Bruder Hzg. Heinrichs d. Stolzen v. Baiern 194, 211, 215, 242, 255, 273 Weif VII. ( t 1167), S. Welfs VI. 273 Weifen, süddeutsch. Herrschergeschl., dessen ältere schwäb. Linie 1055 erloschen, dessen jüngere Linie Welf-Este 1070 in Baiern 81, 157, 194, 242, 248, 271 fT., 283, 286, 305, 306, 319, 320, 327 ff., 394; vgl. Guelfen Wenden, westlaw. Stämme ö. d. Saale 39, 68, 85, 189, 211, 218, 281 Wenzel I., d. Heilige, Hzg. v. Böhmen(921-929)11,18,43 Werner s. Irnerius Westfalen 283, 322 Westgoten in Spanien 115, 208, 343 Westminsterabtei i. London 117 Wettiner, Herrschergeschl., benannt nach der Burg Wettin a. d. Saale 190 Wibald, A. v. Stablo (1130 bis 1158) u. Korvey (seit 1146) 217, 243 Wibert, EB. v. Ravenna, s. Klemens III. Wibert, A. v. Nogent ( f 1124), franz. Chronist 177, 224 Wido, EB. v. Mailand (1045 bis 1071) 109, 112 f. Widukind, M. in Korvey, Chronist 34, 95 Wien 97, 302, 325 Wikinger, nordgerman. Seefahrer 6, 44, 67, 71, 116; vgl. Normannen Wilhelm, EB. v. Mainz (954 bis 968) 292 Wilhelm, EB. v. Tyrus (1175 bis 1184/85), Kanzler d. Kgr. Jerusalem, Chronist 33, 35 Wilhelm Longchamp, B. v. Ely (1189-1197), Kanzler v. England 301 Wilhelm v. Volpiano, A. v. St. Benigne zu Dijon (f 1031) 73, 79
Wilhelm, A. v. Hirsau (1069 bis 1091) 133, 140 Wilhelm v. Champeaux ( t 1121), franz. Scholastiker 200 Wilhelm, M. in Malmesbury, Chronist 177 Wilhelm, deutsch. Gegenkg. (1247/48-1256), vorherGf. v. Holland (seit 1235) 411 Wilhelm I. d. Eroberer, Kg. v. England (1066-1087), Hzg. d. Normandie (seit 1035) 116 ff., 124,134,144, 146, 165, 166, 259 Wilhelm II. Rufus, Kg. v. England (1087-1100) 144, 165 Wilhelm I. d. Löwe, Kg. v. Schottland^ 165-1214)270 Wilhelm I., Kg. v. Sizilien (1154-1166) 226, 245, 250, 264 Wilhelm II., Kg. v. Sizilien (1166-1189) 264, 271, 288, 298, 303 Wilhelm III., sizil. Thronprätendent (1194-1196, f 1198)307 Wilhelm II., Hzg. v. Apulien (1111-1127), Enkel Robert Guiscards 185 Wilhelm I., Hzg. v. Aquitanien (886-918) 20 Wilhelm V. d. Gr., Hzg. v. Aquitanien (990-1029) 73, 78, 86 Wilhelm IX., Hzg. v. Aquitanien (1071-1127), Troubadour 183, 209 Wilhelm X., Hzg. v. Aquitanien (1127-1137) 188,197 Wilhelm Eisenarm, Gf. v. Apulien (f 1045) 91 Wilhelm, Gf. v. Toulouse (um 800) 232 Wilhelm v. Nogaret (f 1313) franz. Staatsmann 358 Wilhelm, vgl. auch Guillaume Willigis, EB. v. Mainz (975 bis 1011) 40, 52, 60 Winchester, Bist, in Wessex, s. Heinrich Windsor 338 Wipo, Kaplan Kais. Konrads II. 94, 96
449 Wittelsbacher, bair. Herrschergeschl., s. Pfalzgf. Otto, Konrad Wladimir d. Heilige, Grossf. v.Kiew (980-1015) 42 Wladislaw IL, Hzg. (seit 1140), dann Kg. v. Böhmen (1158-1175) 273 Wladislaw III., Hzg. v. Polen (1202-1206) 346 Wolfram v. Eschenbach ( f nach 1217), deutsch. Dichter 324 Worms, St. u. Bist. a. Rhein 129 ff., 135, 164, 169, 389, 393 Wormser Konkordat 169 ff, 182, 184, 242, 331 Woytech (Woytjech) s. Adalbert Würzburg, St. u. Bist. 169, 186, 263, 271, 275, 308 Xanten, St. am Niederrhein, s. Norbert York, St. u. Erzbist. 165,196 Yorkshire, engl. Gfsch. 118 s. auch York Zähringer, südwestdeutsch. Herrschergeschl. 132, 157 Zara, dalmat. Küstenst. 349 Zaragoza, s. Saragossa Zara, dalmat. Küstenst. 349 Zaragoza, s. Saragossa Zeitz, St. u. Bist. südö. Leipzig 39 Zengi s. Imadeddin Zips, deutschbevölkerte Landsch. i. d. Westkarpaten 347 Ziritenreichi.Nordafrika212 Zisa s. La Zisa Zisterzienser, Mönchsorden 180 ff., 197, 220, 233, 237, 243, 262, 286, 289, 314, 321, 358, 383; s. auch Citeaux Zvonimir-Demetrius, Kg. v. Kroatien u. Dalmatien z. Z. Gregors VII. 124 Zypern (Kypros), Insel u. Kgr. 299, 300, 311, 348, 379, 414
INHALT
1. Aufstieg Deutschlands zur Hegemoniestellung
5
2. Das Kaisertum Ottos des Großen als Mittelpunkt von Kirche und Kultur
20
3. Romkaisertum und werdende Nationalstaaten
37
4. Die Neubefestigung des Kaiserreiches unter Heinrich II
63
5. Machthöhe des Deutschen Reiches unter den ersten Saliern
. . . .
6. Aufstieg des Papsttums und der romanischen Welt
76 99
7. Gregor VII
121
8. Urban II. und die Kreuzzugsbewegung
139
9. Fortgang und Ende des Investiturstreits
157
10. Bernhard von Clairvaux und die neuen Mächte
174
11. Kulturwandel
221
12. Die Feuerprobe des Papsttums im Ringen mit der staufischen und anglonormannischen Feudalmacht 240 13. Neue Entfaltung der Kaisermacht
281
14. Die Weltherrscherstellung Papst Innozenz III. (1198—1216) . . . .
314
15. Letzte Aufrüstung von Papstkirche und Kaisertum
362
16. Endkampf der beiden Universalmächte
398
Nachwort
419
Register
426
Verzeichnis der Bildtafeln
452
Quellenverzeichnis der Abbildungen
452
Herrschertafel
am Schluß des Buches
452 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN Evangeliar Ottos III. aus Bamberg, Widmungsblatt, Otto III. thronend mit Geistlichen und Lehnsleuten, um 1000. (München, Staatsbibliothek) Gernrode, ehem. Nonnenstiftskirche St. Cyriakus, Mittelschiff von Osten, 961 begonnen, 2. Hälfte 10. Jh. u. 12. Jh Deutsche Kaiserkrone, („Die Krone Karls d. Gr.") Ende 10. Jh., Bügel und Kreuz
Seite 3 16
14. Jh. (Wien, Schatzkammer) Gerokreuz, Kölner Dom (Detail), um 970 Abteikirche Maria Laach von Nordwesten, 1093—1220 Erzbischof Rainald von Dassel, Detail von der Stirnseite des Dreikönigsschreins, Kölner Dom, 1180/1215 Kaiser Friedrich I. Barbarossa und Bischof Albert I. Dom zu Freising, Westportal, um 1205 Bronzelöwe, Braunschweig 1166 Strassburger Münster, Langhaus, die östlichen Joche von Südwesten, 11./14. Jh. Carmina Burana, Textseite, darüber Glücksrad mit Fortuna. Kloster Benediktbeuren um 1225. (Staatsarchiv München) Kathedrale von Chartres, die drei Westportale, um 1150 Romfahrt Kaiser Heinrichs VII. Aus dem Codex Balduini Trevirensis, 14. Jh. (Koblenz, Staatsarchiv) St. Martin, Detail vom Bassenheimer Reiter, Bassenheim, Pfarrkirche, um 1240 Castel del Monte, begonnen 1240 Herr(Heidelberg, von Wildonie. Miniatur aus der Manesseschen Handschrift, 1. Hälfte 14. Jh. Universitätsbibliothek)
384
Stammbaum der deutschen Könige und Kaiser des Hochmittelalters, Kölner Königschronik aus dem Kloster St. Pantaleon, 1. Hälfte 13. Jh. (Düsseldorf, Staatsarchiv)
400
QUELLENNACHWEIS DER
ABBILDUNGEN
Bildarchiv Foto Marburg: Titelbild, S. 16, 48, 160, 176, 224, 240, 272, 352 Rheinisches Museum, Bildarchiv, Köln: S. 64, 112, 128, 288, 336, 384 Landesbildstelle Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: S. 400
48 64 112 128 160 176 224 240 272 288 336 352
Stammtafel der Sachsen-, Salier- un
HEINRICH ! deutscher
Thankmar f 938
Konradd. Rote·)·955 00 Liutgard f 953 Herzog v. Lothringen I
I
v. Sachsen
00 1. m i t Giselbert t 939 < Herzog v. L o t h r i n g e n 1
Wilhelm-f 968
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Erzbischof v. Mainz
Herzog v. Schwaben
I
Otto t 1004 Herzog v. K ä r n t e n
Heinrich v. Kärnten f vor 1000 Γ
Gerberga v. S;
OTTO I . DER GROSSE F 9 7 3 römischer Kaiser, deutscher König
Graf
Ί Otto II. 1 9 8 3
Γ Lothar I I I . F 986
römischer Kaiser, deutscher König
König v. F r a n k r e i c h
Ο τ τ ο Ι Ι Ι . γ 1002
1 I
römischer Kaiser, deutscher König
Brun v. Kärnten f 999
Konrad I. f 1 0 1 1
P a p s t Gregor V.
Herzog v. K ä r n t e n
Ί
Ludwig V. f 987
1
König v. F r a n k r e i c h
Konrad I I . d. Jüngere t 1039
KONRAD I I . F 1 0 3 9 römischer Kaiser, deutscher König
Herzog v. K ä r n t e n
HEINRICH III. F 1056 römischer Kaiser, deutscher König
Γ
LOTHAR I I I . V SUPPLINBURG F 1 1 3 7 römischer Kaiser, deutscher König
I
1 I Gertrud ν Sachsen f 1 1 4 3 00 Heinrich X . d. Stolze f 1 1 3 9 I
I
K o n r a d F IIOJ Gegenkönig in Itaiii
J u d i t h v. Baiern
Herzog v. Baiern
Γ
Heinrich d. Löwe | HQ5
FRIEDRI röraisc
Herzog v. Sachsen u. Baiern
Heinrich f 1227 Pfalzgraf b. Rhein
OTTO I V . | 1 2 1 8 römischer Kaiser, d e u t s c h e r König
Friedrich V. ·(· 1 1 9 1 Herzog v. Schwaben
Η
römischer Kaise
römischer Kaiser, deu
HEINRICH (VII.) F 1 2 3 5 d e u t s c h e r König u. König v. Sizilien
KONI dei
:r- und Hohenstaufenkaiser (gekürzt) INRICH I . f 936 deutscher König
Hathui f n. 965
ga v. Sachsen f 984
Ί Γ
Karl f 993 Herzog v. Niederlothringen
Heinrich I. f 955
Brun f 965
Herzog v. Baiern
Erzbischof v. Köln
00 mit Hugo t 956 Herzog v. Franzien u. Burgund
•t t 939 00 2. mit Ludwig I V . dem Überseeischen t 954 ingen I König v. Frankreich
00 mit Konrad I I I . t 993 König v. Burgund
König v. Frankreich
Rudolf I I I . t 1032
Robert II. d. Fromme t I°3I
König v. Burgund
ι
Hugo I. Kapet f 996
Mathilde v. Frankreich
—1
Heinrich I I . d. Zänker f 995 Herzog v. Baiern
rHEINRICH I I . f 1024
ί
römischer Kaiser, deutscher König
König v. Frankreich
I
Gisela ν Baiern -J· 1 0 9 5 ? ^
dem Heiligen, König v . Ungarn t 1038 m i t ste(aa
Heinrich I. f 1060 König v. Frankreich
I
i f 1101
1
1
H E I N R I C H I V . F 1106 römischer Kaiser, deutscher König
HEINRICH V. f 1125
g in Italien
Agnes
römischer Kaiser, deutscher König ~ n
I
1
Baiern F 1126 00 Friedrich II. F 1147 I
FRIEDRICH I. BARBAROSSA-F 1190
,
I
KONRAD I I I . J 1152
I Herzog v. Schwaben
'
1143 00 Friedrich I. v. Hohenstaufen f u 05 Herzog v . Schwaben 1
deutscher König
1
römischer Kaiser, deutscher König
L
1
K o n r a d -F 1195 Pfalzgraf b. Rhein
H E I N R I C H V I . F 1197 :her Kaiser, deutscher König u. König v . Sizilien
1
(
Heinrich ( V I . ) · ) · 1150
Friedrich I V . v. R o t h e n b u r g F 1167
erwählter deutscher König
Herzog v . Schwaben
P H I L I P P V. SCHWABEN F deutscher König
1208
I FRIEDRICH I I . F 1250 aiser, deutscher König u. König v. Sizilien u. Jerusalem
1
1
KONRAD IV. γ 1254
Enzio T 1272
Manfred F 1266
deutscher König
König v . Sardinien
König v. Sizilien
1